35. BERICHT DES WESTPREUSSISCHEN BOTANISCH-ZOOLOGISCHEN VEREINS. EINE TAFEL UND EINUNDZWANZIG ABBILDUNGEN IM TEXT. MIT UNTERSTÜTZUNG DES WESTPR. PROVINZIAL-LANDTAGES HERAUSGEGEBEN. y/ / DANZIG 1913. DRUCK VON A. W. KAFEMANN IN DANZIG. Bitte die Seiten 2, 3 und 4 dieses Umschlages zu beachten! RR eher 7 ıgen,a bes beitrages, mitzute le Ar B. 35. BERICHT WESTPREUSSISCHEN BOTANISCH-ZOOLOGISCHEN VEREINS. EINE TAFEL UND EINUNDZWANZIG ABBILDUNGEN IM TEXT. MIT UNTERSTÜTZUNG DES WESTPR. PROVINZIAL- LANDTAGES HERAUSGEGEBEN. DANZIG 1913. DRUCK VON A. W. KAFEMANN IN DANZIG, Für die Mitglieder werden zu Vorzugspreisen folgende vom Verein herausgegebene Schriften bereit gehalten: 1. Dr. Hugo v. Klinggraeff: Die Leber- und Laubmoose West- und Ostpreußens. Danzig 1893. M 2,50 (Ladenpreis 4,50 M). 2. Dr. Seligo: Untersuchungen in den Stuhmer Seen. Mit Anhang: Das Pflanzenplankton preußischer Seen von B. Schröder. 9 Tabellen, 1 Karte, 7 Kurventafeln und 2 Figurentafeln. Danzig 1900. M 3 (Ladenpreis 6 M). 3. Prof. Dr. Lakowitz: Die Algenflora der Danziger Bucht. 10 Textfiguren, 5 Doppeltafeln in Lichtdruck und 1 Vege- tationskarte.e Danzig 1907. M 5 (Ladenpreis 10 M). 4. Dr. H. v. Klinggraeff: Topographische Flora der Provinz Westpreußen 1880. M 2 (Ladenpreis 4 M). 5. Botan. Assistent Robert Lucks: Zur Rotatorienfauna West- preußens. Mit 106 Textabb. in 58 Figuren. Danzig 1912. M 4,20 (Ladenpreis 8 M.) 6. Frühere Jahrgänge der Berichte unseres Vereins, von denen Bericht 1 bis 25 aus den Jahren 1878 bis 1904 als Sonder- Abzüge aus den Schriften der Naturforschenden Gesellschaft. in Danzig, Bericht 26/27 und die folgenden selbständig er- schienen sind, pro Bericht 1,50 M; bei mindestens zehn Be- richten, jr für 1 M. Eine Ausnahme bildet der 30. Bericht, der mit 3 M berechnet wird. Bezügliche Wünsche sind an Herrn Prof, Dr. Lakowitz, Danzig, Brabank 3, zu richten. Es wird gebeten, den Beobachtungen über das erste Eintreffen der wichtigsten Zugvögel, über den Eintritt des Blühens, der Belaubung und der Fruchtreife wichtiger Blütenpflanzen weiterhin Interesse zuzu- wenden und diesbezügliche Angaben an die Adresse: Westpreuss. Botanisch-Zoologischer Verein in Danzig zu senden. Zur bequemen Benutzung hierfür eingerichtete Fragebogen werden auf Wunsch gern zugestellt. Desgleichen werden Angaben über das Auftreten der Sumpf- schildkröte, Umys europaea Schweigg., des Steppenhuhns, Syrrhaptes paradowus P., und im Her’ st der schlankschnäbligen, zutraulichen Form des Nusshähers, Nucifraga caryocatactes L., im Vereinsgebiet an dieselbe Adresse erbeten! Inhalt. 1. Bericht über die fünfunddreißigste Jahresversammlung des Westpreußi- schen Botanisch-Zoologischen Vereins am 28. Mai 1912 in Elbing: Allgemeiner Bericht . SE ulm Bericht über die Geschäftliche Sure Bericht über die Wissenschaftliche Sitzung 2. Bericht über die Sitzungen und sonstigen Veranstaltungen von Ostern 1912 1. 19. 3. Vort L; 24 4. Anla 18 bis Ostern 1913: Besuch der Danziger Parkettfabrik (Schellmühler Wiesenweg 6) und der Danziger Zündwarenfabrik (Schellmühler Weg X) . Sitzung am 17. April 1912. . Besuch des Finnwalskeletts auf dem Holzfelde ae en et Münsterberg (Borschkischer Weg 1; früher Neufahrwasser Weg) bei Danzig und des großen Getreidespeichers auf dem Holm bei Danzig . Exkursion in die Kielauer Kel. Forst . . Zweite Exkursion in die Kielauer Kgl. Forst Be . Studienfahrt nach der Krim und dem Kaukasus (Siehe S. 155 ff.) . Exkursion nach der Frischen Nehrung bei Kahlberg . Zusammenkunft der Teilnehmer an der Studienfahrt nach dem ker ET der Krim ö . Exkursion nach K ad Mirchan Tibabo.chses ee . Pilzexkursion im Gelände zwischen Weichselmünde und Heubude . . Sitzung am 23. Oktober 1912 . Vortragsabend am Sonnabend, den 2. Ne 1912 . Vortragsabend am Freitag, den 29. November 1912 . . Besuch der Schokoladen- und Kakaofabrik der Firma Loew en . Sitzung am 9. Dezember 1912 . . Vorführung kinematographischer Aufnahmen . Vorführung kinematographischer Aufnahmen 2 re . Vorführung kinematographischer Aufnahmen und Tichpiider. „Aus dem Leben des Meeres“ Sitzung am 12. Februar 1913 ragsberichte; Dahms, Paul: Meisenarbeit Hilbert, Richard: Über Mytilus line Li und seine Formen? (Mit einer Tafel) . gen zu dem Berichte: Dahms, Paul: Über das Vorkommen der Sumpfschildkröte in Westpreußen. (3. Mitteilung) . Seite 151 IV Seite 2. Janzen, P.: Die Jugendformen der Laubmoose und ihre Kultur. (Mit 21 Abbildungen im: Text)‘. =. Kur m ee 1 3. Kaufmann, F.: Die in Westpreußen gefundenen Pilze der Gattungen Psalliota, Stropharia, Hebeloma, Inocybe, Gomphidius und Paxillus. . . .. 86 4, Lakowitz: Nach dem Kaukasus und der Kim . .. ...2...,,155 5». La Baume, Wolfgang: Zweiter Beitrag zur Kenntnis der westpreußischen Geradflüglerfauna (Orthoptera). Gliederung der Fauna nach Lebensgemein- schaften .... 2 2 20... uni a a 6. Schander, R.: Pfropfbastarde . . . 0.0... 5. Verzeichnis der seit dem 1. Mai 1912 neu hinzugekommenen Mit- glieder.’ (Schluß der Liste am ‘30. April 1915.) 2. Ye Die Herren Autoren sind für Form und Inhalt ihrer Beiträge allein verantwortlich. Die Redaktion. Bericht über die fünfunddreißigste Jahresversammlung des Westpreußischen Botanisch- Zoologischen Vereins, am 28. Mai 1912 in Elbing. Auf der letzten Versammlung in Schwetz war durch Vereinsbeschluß Elbing für dieses Jahr zum Versammlungsorte gewählt worden. Hier hatte sich ein Ortsausschuß zur Erledigung der erforderlichen Vorbereitungen an Ort und Stelle gebildet; ihm gehörten die Herren: Gewerberat CUnyrim, Stadt- verordnetenvorsteher und Justizrat Diegner, Zeichenlehrer an der Oberreal- schule a. D. Kaufmann, Direktor des Realgymnasiums Kantel, Prak- tischer Arzt Dr. Kranz], Vorsitzender des Kaufmännischen Vereins Lehm - kuhl, Stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher und Deichrentmeister Pudor, Bürgermeister Dr. Schaller, Ziegeleibesitzer Sehm id t- Hohen- haff und Stadtforstrat Schroeder, Mitglied des Reichstages, an. In dankens- werter Weise hatten diese, in Gemeinschaft mit Herrn Prof. Dr. Müller in Elbing, eine eifrige Tätigkeit entfaltet, um das Interesse für die Versammlung bei den Bewohnern der Stadt und deren Umgebung zu wecken. RM en x Am Dienstag, den 28. Mai, fand morgens um 9 Uhr im naturkundlichen Unterrichtszimmer des Reform-Realgymnasiums eine Vorstandssitzung statt. Die einzelnen Punkte, die bei der sich anschließenden Geschäftlichen Sitzung be- handelt werden sollten, erfuhren hier eine vorherige Besprechung und Auf- stellung. Diese Sitzung begann um 10 Uhr vormittags. Der Vorsitzende, Prof. Dr. Lakowitz, teilte zuerst mit, daß durch den Tod des Forstmeisters Liebeneiner-Oliva eine Lücke in dem Er- weıterten Vorstande gebildet sei, für deren Ausfüllung er Kgl. Kreisarzt Dr.Speiser-Labes (Pomm.) in Vorschlag bringt. Desgleichen wird beantragt, Prof. Dr. Winkelmann in Stettin, der sich um die Erforschung der Flora Pommerns große Verdienste erworben hat, zum Korrespondierenden Mitgliede zu ernennen. In beiden Fällen schließt man sich einstimmig dem gemachten Vorschlage an. 35. Ber. d. Wpr. Bot.-Zool. Vereins. ı* j: 2° Dann erteilt der Vorsitzende dem ersten Schriftführer des Vereins, Prof. Dr. Dahms-Zoppot, das Wort zu dessen Geschäftsbericht 1911/1912. Die letzte Jahresversammlung fand in Schwetz statt. Aus der Wahl in der Geschäftlichen Sitzung ging der folgende Vorstand im engeren Sinne hervor: Professor Dr. Lakowıtz ın Danzig als Vorsitzender, Professor Dr. Boekwoldtin Neustadt als Stellvertretender Vorsitzender, Professor Dr. Dahm s ın Zoppot als Schriftführer, Professor Dr. Müller in Elbing als Stellvertretender Schriftführer, Konsul Meyer in Danzig als Schatzmeister —. Prof. Dr. Kumm wurde in den erweiterten Vorstand gewählt. Vor Beginn des eigentlichen Berichtes geziemt es sich, derer zu gedenken, die an unseren Bestrebungen und Zusammenkünften nıcht mehr teilnehmen können. Auch in diesem Vereinsjahre raffte der Tod eine größere Zahl von Mit- gliedern (sieben) dahin. Wir beklagen das Hinscheiden der Herren: Graf Dohna- Finkenstein, Forstmeister Liebeneiner-Oliva, Hauptlehrer Pompecki-Olıva, Oberstabsarzt Dr. Prah]- Lübeck, Major Reichel- Paparczyn, Rentier Schwonder- Danzig, Graf Sıierakowskı-Gr. Waplitz. — Von den Verstorbenen stand dem Verein besonders nahe Forstmeister Liebeneiner als langjähriges Mitglied des erweiterten Vorstandes und als eins der ältesten Mitglieder des Vereins überhaupt. Der Verein verliert ın ıhm ein eifriges, treues, bei den wissenschaftlichen Sitzungen und Beratungen fast nie fehlendes Mitglied, das, wissenschaftlich lebhaft interessiert, mit gründlicher Fachkenntnis ausgerüstet, in seinem Wissensgebiet ein allzeit hilf- reicher Beamter, durch sein liebenswürdiges Wesen die Herzen schnell gewann. Ein außerordentlich großer Freundeskreis gab dem Dahingeschiedenen das letzte Geleit. Wir betrauern seinen Hingang schmerzlich. — Ich bitte Sie, sich zur Ehrung der Verstorbenen von Ihren Sitzen zu erheben! (Es geschieht.) Eine erhebliche Vermehrung der Mitgliederzahl hat durch regen Beitritt stattgefunden. Sie beträgt augenblicklich 990 und bedeutet gegen die des Vorjahres — 940 — eine Zunahme von rund 5 %. Der Arbeıtsplan ist so durchgeführt, wie er auf der vorigen Jahres- versammlung festgesetzt wurde. Der vorliegende 34. Bericht gibt über die Einzelheiten Aufschluß. In ihm ist auch alles andere niedergelegt, was unser Vereinswesen bewegte, so daß ich hier nur kurz auf die Veranstaltungen und Leistungen hinzuweisen brauche. 3* Im Laufe der Zeit von Ostern 1911 bis Ostern 1912 fanden vier Sitzungen in Danzig statt, nämlich am 26. April, am 25. Oktober und am 13. Dezember 1911, ferner am 14. Februar 1912. In diesen wurden Vorträge von den folgenden Gästen und Mitgliedern des Vereins gehalten; es sprachen die Herren: Kreisarzt Dr. Boersch- mann - Bartenstein (14. Februar 1912), Prof. Dr. Da hm s - Zoppot (26. April 1911), Kustos am Westpreußischen Provinzial-Museum Dr. La Baume- Danzig und Frl. Elisabeth Lemcke-Berlin (25. Oktober 1911), Herr Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Luerssen- Danzig (14. Februar 1912), Direktor des Botanischen Gartens in Königsberg Prof. Dr. Mez und Apotheker Plas- wie-Danzige (13. Dezember 1911). Ferner behandelte Prof. Dr. Lako- wıtz am 21. Februar 1912 an einem besonderen Vortragsabend das Thema: „An der Pforte des Orients, Reisebilder von der Exkursion des Vereins nach Bosnien, der Herzegowina und Montenegro“ unter Vorführung von zahlreichen Lichtbildern. Anfang August des vorigen Jahres tagten gemeinsam ın Bromberg und Danzig die folgenden Vereine: „Deutsche Botanische Gesellschaft“, die „Freie ’ Vereinigung für Pflanzengeographie und Systematische Botanik“, die „Ver- einıgung für Angewandte Botanık“ und die „Deutsche Dendrologische Ge- sellschaft‘. Bei dieser Gelegenheit behandelten folgende Mitglieder unseres Vereins einschlägige Themen: Forstrat Herrmann-Danzig sprach über „Thierische und pflanzliche Parasiten an ausländischen Forstgehölzen“, Prof. Dr. Kumm „Zur Pflanzengeographie Westpreußens“, Abteilungsvorsteher am Kaiser Wıilhelm-Institut in Bromberg, Prof. Dr. Schander, über „Unter- suchungen über den Anbauwert geschälten Rübsamens“, Prof. Dr. Sonntag- Danzig über „Die mikroskopische Unterscheidung der Hanf- und Flachsfaser und die Drehungserscheinungen beim Anfeuchten von Fasern“ und Kel. Garteninspektor Wocke-Oliva „Über das Verhalten exotischer Holzgewächse in Oliva und Umgebung“. Zu einem Lichtbildervortrag des Herrn Prof. Dr. Klaatsch von der Universität Breslau, den die Naturforschende Gesellschaft in Danzig veran- staltete, erhielten unsere Mitglieder Eintrittskarten zum Vorzugspreise; das Thema lautete: „Die fossilen Menschenrassen zur Eiszeit in Europa, körper- lich und kulturell beobachtet“ (4. April 1912). Die Gesellschaft Urania-Berlin gewährte eine Verbilligung zu ıhrem Vortrage „Lebende Tierbilder von Nah und Fern“, der durch Lichtbilder und 20 zoo-kinematographische und grammo- phonische Vorführungen erläutert wurde; der Redner war der Direktor des Zoologischen Gartens in Berlin, Herr Prof. Dr. Heck (17. November 1911). Auch zu den beiden Wiederholungen, die von diesen Vorführungen notwendig wurden (28. und 29. November 1911), erfuhr unser Verein das gleiche Ent- gegenkommen, ebenso zu dem Urania-Vortrag mit Liehtbildern „Am Vierwald- stätter See‘ (3. November 1911) und zu dem Liechtbilder-Vortrag einer aus- wärtigen Vortragsfirma „Die Innerafrika-Expedition 1910/11 Sr. Hoheit des 3* % 1* 4* Herzogs Adolf Friedrich zu Mecklenburg“. Der Referent war der persönliche Adjutant des Fürsten, Herr Oberleutnant v. Wiese-Kaiserswaldau. In den Sitzungen waren immer Demonstrationen erwünscht ge- wesen. Dem fortgesetzten Mahnen und Aufruf unseres Vorsitzenden ist es gelungen, auch diese Anregungen zu fördern. Durch sie wurden unsere Zu- sammenkünfte belebt von folgenden Freunden und Mitgliedern des Vereins: Tierarzt Arndt- Neuenburg, Buchdruckereibesitzer Büchner - Schwetz, Kaufmann Jacobi-Danzig, Frau Jüncke-Zoppot, Rechnungsrat Leh- mann-Danzig, Botanischer Assistent Lucks- Danzig, Hauptlehrer Pahnke-Pelonken, Gärtnereibesitzer Tiede-Mewe, Oberpostsekretär Tımm-Zoppot, Lehrer Torka-Nakel a. N. und Hochschulprofessor Wagner- Danzig. Auch ın diesem Jahre wurde eine Reihe von Exkursionen unter- nommen: nach Praust zum Besuch der Lehr- und Versuchsanstalt für Molkerei- wesen der Landwirtschaftskammer für Westpreußen, wo Herr Direktor Dr. Lauterwald der wissenschaftliche Führer war, und der Gärtnerei- und Baumschulanlagen der Firma Rathke (19. Mai 1911), über Putzig nach Kl. Starsin zum Besuche des dortigen Schloßparks, durch die Darsluber Forst zur Kalksteinhöhle in Mechau und zum Park in Klanin (18. Juni 1911), wo Exzell. v. Graß liebenswürdiger Gastgeber war, nach dem Espenkruger ‘See (27. August 1911), nach Sagorsch-Neustadt (17. September 1911) und eine Pilzexkursion von Weichselmünde nach Heubude (20. Oktober 1911), an deren Schluß Herr Med.-Assessor Hildebrandt einen inhaltreichen Vortrag über eine von Frau Hildebrandt und Frau Rehberg veranstaltete Pilz- ausstellung hielt. Ferner fand ın der Zeit vom 2. bis 20. Juni 1911 eine Studien- fahrt nach Bosnien, der Herzegowina, Montenegro und Dalmatien statt. Die Teilnehmer an dieser 7. Auslandsexkursion unseres Vereins versammelten sich mit ıhrem liebenswürdigen und rastlosen Führer, Prof. Dr. Lakowıtz, am Sonnabend, den 26. August, zu einer gemütlichen Plauderstunde im Restaurant „Stolzenfels“ in Zoppot. Zur Vorlage kamen hierbei Probebilder der zahl- reichen photographischen Aufnahmen, die während der Reise gemacht waren. Von Fabrikanlagen wurde die Zigarettenfabrik ,„Stambul‘‘ der Firma J. Borg- Danzig besucht (3. November 1911). nd ın den früheren Jahren erging auch diesmal seitens unseres Vereins eine Aufforderung an interessierte Personen, sich an der Gewinnung phänologischer Daten unserer Pflanzenwelt und unserer Vogelwelt zu. beteiligen. Unseren Mitgliedern wurden von verschiedenen Seiten preiswerte Ange- bote gemacht und in liebenswürdiger Weise außer den bereits erwähnten auch sonst Vergünstigungen erwiesen. Herr Lehrer Pahnke am Waisenhaus Pelonken bei Danzig erbot sich, seine bekannten, in Form und Farbe durchaus naturwahren Pilzpräparate (in Quartformat) zu billigem Preise zu liefern. Es handelt sich dabei um unsere wichtigeren, eßbaren und verdächtigen Hutpilze. 4* 5* — Von den inhaltreichen, zurzeit sehr begehrten Flugblättern der Beaiserlichen Biologischen Anstalt in Dahlem sind in- zwischen Nr. 45 bis Nr. 50 einschließlich erschienen. — Zu den Waldfest- spielen gewährte dem Verein sein Korporatives Mitglied, die Stadt Zoppot. Preisermäßigung für die Eintrittskarten und ebenso der Danziger Theaterverein für seine Darbietungen auf dem Gutenbergplatz im ‚Jäschkentaler Walde beı Danzig. All den Freunden, Gönnern und Spendern unseres Vereins, vor allem der "Provinzialverwaltung für ihre jährliche Beihilfe von 1000 M, dann aber unserem Vorsitzenden und denen, die durch Vortrag, Demonstration und Ent- gegenkommen irgendwelcher Art an dem Erstreben des Vereinsziels tätig waren, sei an dieser Stelle der beste Dank ausgesprochen. Der Kassenbestand belief sich am Ende des Geschäftsjahres — einschließ- lich der Beihilfe seitens der Provinz —, dem 31. März 1912, auf 4830,20 M. Der Bericht wird in der dargebotenen Form von der Versammlung ange- nommen, worauf der Vorsitzende dem Erstatter für seine Mühewaltung und das Verlesen dankt. Für den Schatzmeister des Vereins, Konsul Meyer- Danzig, der leider am Erscheinen verhindert ist, bringt dann Prof. Dr. Boekwoldt- Neustadt den Kassenbericht. Er ergibt in Saldo und Einnahme 9044 M, demgegen- über steht eine Ausgabe von 4314 M. — Zu Kassenrevisoren werden nun die Herren Kand. des höh. Schulamts Klewicz und Kreistierarzt Zernecke, beide in Elbing, gewählt. Sie sehen noch während der Sitzung die Rechnungen und Belege durch und erklären deren Richtigkeit. Nach Vorlage des nachträg- lich einzusehenden Kassenbuches wird für den Schatzmeister Entlastung be- antragt und angenommen. Der Vorstand wird für das nächste Geschäftsjahr wiedergewählt und setzt sıch demnach in folgender Weise zusammen: Vorsitzender: Prof. Dr. Lakowitz - Danzig, Stellvertretender Vorsitzender: Prof. Dr. Bockwoldt- Neustadt, Schriftführer: Prof. Dr. Dahm s - Zoppot, Stellvertretender Schriftführer: Prof. Dr. Müller- Elbing, Schatzmeister: Konsul Meyer- Danzig. Dann erteilt Prof. Dr. Lakowitz dem Schriftführer Prof. Dr. Dahms das Wort, um über den in der Vorstandssitzung aufgestellten Arbeitsplan zu berichten. Nach diesem sollen 100 M Herrn Oberlehrer Tessendorff- Steglitz zur weiteren botanischen Durchforschung des Drausensees und Herrn Zeichenlehrer a D.Kaufmann-Elbing die gleiche Summe für die mühsame Herstellung seiner Pilzkollektion zuerkannt werden. Da der Westpreußische Botanisch-Zoologische Verein seine Sammlungen an das Westpreußische Pro- vinzial-Museum abgibt, steht zu erwarten, daß dieses, wie bisher, sich mit 50 M Er 6* an der Remunerierung beteiligt. 150 M werden Herrn Lehrer Dr. Preuß für seine Vorarbeiten zur botanischen Untersuchung des Abrauer Moores be- willigt. Es soll eine Aufnahme des Pflanzenbestandes und ein Studium von Tiefenbohrungen dort vorgenommen werden. 600 M werden für die Unter- suchung des Zarnowitzer Sees bewilligt. An der Erforschung der Wasserober- fläche, der Uferpartien, der Bodenfläche und des Untergrundes werden sıch sieben Vereinsmitglieder beteiligen. Chemiker Dr. Knoch wird Wasser- proben analytisch, Kustos am Westpreußischen Provinzial-Museum in Danzig, Dr. LaBaume, die niederen Tiere, Prof. Dr. Lak o witz die physikalischen Verhältnisse und die Algenflora des Sees, Botan. Assistent R. Lucks die Rotatorien, Dr. Preuß die Phanerogamen im Wasser und auf dem Gelände um den See, Kgl. Oberfischmeister Dr. Seligo die Fische und ebenfalls nıedere Tiere, Prof. Dr. Sonntag die geologischen Verhältnisse studieren und untersuchen. Mitte August soll eine erste Zusammenkunft der Mitarbeiter stattfinden, um die gemachten Erfahrungen und einzuschlagenden Wege zu besprechen. Mit großer Freude wird davon Kenntnis genommen, daß die Pro- vinzıial-Kommission, die Drucklegung des Forschungsberichtes zu übernehmen, sıch bereit erklärt hat. Bei dem dauernden Anwachsen unseres Vereins nımmt die Schreibarbeit mehr und mehr zu. Der Vortragende beantragt deshalb eine jährliche Beihilfe von 120 M zur Besoldung einer Kraft, die den mehr mechanischen geschäft- lichen Teil hierbei erledigen kann. Unser Mitglied, Prof. OÖ. Herweg, will eine „Flora der Kreise Putzig und Neustadt‘ herausgeben. Nach kurzem Beraten über die finanzielle Siche- rung der Herausgabe kommt die Versammlung zu dem Schluß, daß der Verein dıe Herausgabe des Werkchens nach Möglichkeit unterstützen soll, durch Flüssıigmachen der erforderlichen Geldmittel sowohl, wie auch durch direkte Beihilfe aus der Kasse, falls der -Flora nach erfolgten Anfragen das nötige Interesse entgegengebracht wird. Sanitätsrat Dr. Hilbert- Sensburg (Östpr.) ist dabei tätig, die Stand- orte der großen Weinbergschnecke, Helix pomatia L., festzustellen, und bittet die Mitglieder um Zusendung von Tieren und Gehäusen mit entsprechenden Fundortangaben. | Brot. Dr. Da kownız legt den eben fertiggestellten 34. Bericht in einigen Exemplaren vor und spricht den Mitarbeitern und denen, welche mit Geld- mitteln die schöne Ausstattung des Heftes mit Tafeln und Abbildungen er- möglıichten, den wärmsten Dank aus. Da der Umschlag dieses Heftes, das in nächster Zeit nach allen Richtungen hin verschickt wird, noch nicht gedruckt ıst, kann auf ihm der Wunsch des Herrn Dr. Hilbert sogleich Aufnahme und Verbreitung finden. Prof. Dr. Bocekwoldtüberbringt als Stadtverordneter von Neustadt eine Einladung für die Zusammenkunft im nächsten Jahre; auch für 1914 liegt bereits eine Einladung vor, nämlich seitens der Stadt Dt.-Eylau. — Nach ein- 6* 7% stimmiger Billigung wird der Vorschlag, 1913 ın Neustadt zu tagen und für 1914 Dt. Eylau ın Erwägung zu ziehen, angenommen. Herr Sanitätsrat Dr. Hılbert dankt im Namen des Preußischen Botani- schen Vereins — ım Auftrage des Herrn Universitätsprofessor Dr. Abro- m eıt- Königsberg — für die Einladung zur diesjährigen Sitzung ın Elbing. Im Oktober 1912 wird das 50 jährige Stiftungsfest des ostpreußischen Vereins gefeiert werden; Dr. Hilbert fordert den westpreußischen Schwesterverein auf, sich an dieser Feier recht zahlreich zu beteiligen. * Pünktlich um 11 Uhr beginnt die Wissenschaftliche Sitzung im Festsaal des Reform-Realgymnasiums. Der Vorsitzende, Prof. Dr. Lakowitz, be- grüßt die neu hinzugekommenen Mitglieder, durch deren Beitritt die Gesamt- zahl nunmehr 1000 erreicht hat, die Vertreter der Stadt Elbing, Oberbürger- meister Dr. Merten und Bürgermeister Dr. Schaller, den Vertreter des Westpreußischen Provinzial-Museums, Prof. Dr. Kumm, des Preußischen Botanischen Vereins, Sanıtätsrat Dr. Hilbert, und des Westpreußischen Fischerei-Vereins, Kgl. Oberfischmeister Dr. Seligo. Oberbürgermeister Dr. Merten begrüßt den Verein namens der städti- schen Körperschaften, Sanıtätsrat Hilbert namens des Preußischen Botani- schen Vereins, wobei er anschließend die im engeren Kreise bereits überbrachte Einladung wiederholt, und Herr Prof. Dr. Müller in Vertretung des Herrn Direktor Kantel als Hausherr. Dr. Lakowitz dankt und erteilt den folgenden Herren das Wort zu Vorträgen. Es behandelt: Öberlehrer Tessendorff- Steglitz das Thema: „Der Drausensee‘, Lehrer Dr. H. Preuß -Danzig: ‚Das Abrauer Moor“, Prof. Dr. Müller-Elbing: „Die ersten schriftlichen Nachrichten über die Tier- und Pflanzenwelt Westpreußens“ und „Neue Schmarotzerpilze aus der Familie der Laboulbeniaceen‘“, | Direktor am Westpr. Prov.-Mus. Prof. Dr. Ku mm - Danzig legt neueste inter- | essante Literatur vor, Zeichenlehrer a. D. Kaufmann - Elbing spricht über: „Die in Westpreußen gefundenen Pilze der Gattungen Psalliota, Stropharia, Hebeloma, Inocybe, Gomphidius und Paxillus, Sanitätsrat Dr. Hilbert-Sensburg: „Über Mytilus edulis (Miesmuschel) und dessen Formen“, | Lehrer Dobbrick-Treul: „Der Karmingimpel Carpodacus erythrinus (Pall.) in Westpreußen“, Hauptlehrer Dietzow-Grünhagen: „Neue Moosfunde von der Ostgrenze Westpreußens“. Gelegentlich dieser Darbietungen knüpft Prof. Lako witz an die winzige Wurzellose Wasserlinse Wolffia arrhiza W im m., die Oberlehrer Tessen- q+ \ 87 dorff vor einigen Jahren im Drausensee entdeckte, an und bespricht einige Riesen der Pflanzenwelt aus Elbing. Bereits 1881 werden zwei Eiben als die größten des Ostens erwähnt. Mit einer riesigen Platane, Platanus occidentalis L.. standen sie in einem Garten des Herrn Geh.-Rat Dr. ing. Ziese. Die Eiben sınd vor kurzem samt ihrem Wurzelwerk auf Wagen nach der neuen Vılla ihres Besitzers nach Lärchwalde geschafft worden, um dort eingepflanzt zu werden. Die Platane ist jedoch bereits derart altersschwach, daß sıe in kurzer Zeit der Axt zum Opfer fallen wird. Eine Reihe von Photographien dieser merkwürdigen Bäume erläuterte die Ausführungen. An seinen Vortrag über den Karmingimpel schließt Lehrer Dobbrick Mitteilungen über die Vogelwelt des Drausensees an und weist auf mehrere Lücken in den bereits aufgestellten Verzeichnissen hin. Besonders behandelt er eine Kolonie des Nachtreihers Nyeticorax griseus Strickl., die in ihrem Bestande besonders durch die Jugend der nahen Fischerhütten stark bedroht sei. Er empfiehlt sie dem Schutze der Behörden und schlägt die Anlage eines Stacheldrahtzaunes vor. Durch mikroskopische Präparate, Demonstrationsmaterial der verschieden- sten Beschaffenheit, Karten, Bilder und Skizzen erläuterten die Vortragenden ihre Darbietungen. Zur Vorlage und Besprechung gelangte die folgende Literatur: Dahl: Kurze Anleitung zum wissenschaftlichen Sammeln und zum Konservieren von "Tieren: Gustav Fischer-Jena. Von dieser Arbeit erschien nunmehr die 2. erweiterte und verbesserte Auflage, Dahl: Anleitung zu zoologischen Beobachtungen. Quelle und Meyer-Leipzig, ein knapp gehaltenes Werkchen, das vielfach Anreeungen gibt, Die Süßwasserfauna Deutschlands, herausgegeben von Prof. Dr. Brauer, ein Sammelwerk. das jetzt in 19 Heften vorliegt. Gustav Fischer-Jena, Die neu erschienenen Hefte und Bände der „Beiträge zur Naturdenkmalpflege“, Die Provinz Westpreußen in Wort und Bild. A. W. Kafemann-Danzig, ein Sammelwerk, das durch seine naturkundlichen Skizzen aus dem Vereinsgebiete bemerkenswert ist. Prof. Dr. Lakowitz schließt die Sitzung und bittet um reiche Beteili- gung auch bei den weiteren Unternehmungen des Vereins. Trotz der bereits recht vorgerückten Zeit sucht noch ein großer Teil der Vereinsmitglieder und der Gäste des Vereins — wie bereits vorher — eine Ausstellung auf, die Prof. Dr. Müller zusammengebracht hat. Sie umfaßt die Tier- und Pflanzenwelt des Elbinger Kreises und weist lebendes Material aus dem Tier- und Pflanzen- reiche, Stopf- und Herbarpräparate, sowie farbige Zeichnungen der eßbaren, verdächtigen und giftigen Pilze auf. Ein kleiner Imbiß im Zentralhotel ermuntert zu weiteren Unternehmungen. Mit der Haffuferbahn fährt die Versammlung nach Succase I und wandert an den Forellenteichen vorbei durch den Pruzzengrund, über Vereinshof nach dem „Haffschlößchen“ des Elbinger Fremdenverkehrsvereins. Dessen Vorsitzender, o# 9% Herr Deichrentmeister Pudor, hat in liebenswürdiger Weise die Führung übernommen. — An den Forellenteichen, in denen Regenbogenforelle, Lachs- forelle und Bachsaibling gehalten werden, erläuterte Herr Dr. Selıgo- Danzig die Anlage der Teiche, insbesondere dıe Maßregeln gegen unerwünschten Fisch- zuzug von einem Teiche zum anderen. Beständig überraschte auf der Wanderung das prächtige Landschaftsbild mit seinen im Schmucke des frischen Grüns pran- genden Buchenwäldern, seinen tiefen Schluchten und weiten Rundblicken über das Haff und seine vielfach gestalteten Ufer. Und dazu trat eine reichhaltige Pflanzenwelt mit zahlreichen Arten, deren Vorkommen an dieser Stelle eigen- artig anmutet, so daß man meinen konnte, in Thüringen oder ın der Vorgebirgs- region der mitteleuropäischen Hochgebirge zu sein: Petasites albus Gaertn., eın Vertreter der subalpinen Quellbachformation, kommt hier gesellig vor; in seiner Begleitung finden sich andere montane Pflanzenarten, so Veronica mon- tana L., Cardamine silvatica Lk., Festuca silvatica V ıll., Melica uniflora Rtz. u.a. m. Groß ist auch die Zahl der Gebirgsmoose, die hier teils verein- zelte Irrblöcke besiedeln, teils unter den gewöhnlichen Leitarten des Buchen- waldes vorkommen. Leider konnte der Standort des auffälligsten Vorkommens innerhalb der Elbinger Moosflora, des Leuchtmooses, Schistostega osmundacea, das als charakteristisches Hochgebirgsmoos gilt, nicht mehr aufgesucht werden. — Im Haffschlößchen vereinigten sich die Teilnehmer des Ausfluges zu einem gemeinsamen Mahle, das in botanischer und zoologischer Hinsicht reichhaltige Ausbeute gewährte und durch zahlreiche Trinksprüche gewürzt wurde. Bei ihm begrüßt Deichrentmeister Pudor die Gäste auf den Be- sıtzungen des Elbinger Verkehrsvereins, besonders die erschienenen Damen, und weıht ihnen sein Glas; allen Mitgliedern unseres Vereins überreicht er aber eine Zusammenstellung von Ansichtskarten als Geschenk, die Elbing und seine Um- gebung darstellen. Prof. Lakowitz dankt und erwidert die Wünsche der Stadt Elbing, Prof. Dr. Müller verliest einen poetischen Gruß von Prof. Dr. Bail in Danzig‘), Bürgermeister Dr. Schaller begrüßt den Verein im Namen seiner Stadt auch hier, Prof. Dr. Kumm gedenkt der ersprießlichen Tätigkeit des Fremdenverkehrsvereins und dessen Seele, des Deichrentmeisters Pudor, Redakteur Meiselbach gibt Erinnerungen an die Auslandsreise des Vereins in die Türkei in froher Erinnerung und vortrefflicher Laune zum besten und schildert die rührige Tätigkeit des Vereinsvorsitzenden, Prof. Dr. !) Der 35. Haupt-Versammlung des Westpreußischen Botanisch-Zoologischen Vereins: Der einstmals hat gegründet den Verein, Wie gern möcht’ er in Ihrer Mitte sein, Doch hindert ihn daran der Jahre Fülle, Die Einfluß übt auf seines Geistes Hülle. Sein Wirken führen seine Schüler weiter, Was einwandsfrei beweist der Tagung Leiter, Drum sendet ihr und ihm der Wünsche beste Professor Bail am heut’gen Jahresfeste. Oliva, aus der Sommerwohnung Waldstraße 11, zum 28. Mai 1912. 9* ; 10* Dahms überbringt als Schriftführer Grüße an den Verein von den Herren Prof. Dr. Abromeiıt- Königsberg, im Namen des Preußischen Botanischen Vereins, und Reg.-Präsident Foerster- Danzig. Telegraphische Glück- wünsche liegen vor von Öberlehrer Fritz Braun-Graudenz, Medizinal- Assessor Hıldebrandt- Danzig und Oberlandesgerichts-Sekretär Scholz- Marienwerder. Dann gedenkt Dr. Dahms der Damen und bringt ıhnen sein Glas, Prof. Dr. Boekwoldt hebt schließlich die Verdienste desgesamten Komitees der Veranstaltungen hervor und läßt seine Worte ın einem Hoch ausklingen. Die Rückfahrt nach Elbing erfolgt viel zu früh für die meisten, die beim Mahle so froh versammelt waren, doch bietet ein zwangloses Zusammensein ım Zentralhotel Gelegenheit, alte Freundschaften zu pflegen und die Ereignisse des Tages zu besprechen. | Am Morgen des nächsten Tages, des 29. Mai, versammelt sich um 9 Uhr der Verein mit seinen Gästen aus Elbing und Umgebung vor der Zigarren- fabrık Loeser& Wolff. Die Vertreter der Firma, die Herren Kommerzien- rat Braun und Pomperry, begrüßen die Erschienenen, führen sie ın den großen Abfertigungsraum und sorgen dann dafür, daß nur Gruppen von etwa zehn Teilnehmern von je einem Beamten des Instituts geführt werden. Die Angaben, daß die jährliche Steuer rund 212 Millionen betrage, daß etwa für 5 Millionen M Tabak augenblicklich in den Räumen untergebracht ıst, ferner daß 190 Millionen Zigarren pro Jahr angefertigt werden, und zwar von 3000 Arbeiterinnen in Elbing, während in Zweigfabriken an anderen Orten noch weitere 1500 tätig sind, geben am besten eine Vorstellung von der Größe und Bedeutung der Anlagen. Der bereits fermentierte Tabak kommt von den verschiedenen Orten seiner Heimat fest verschnürt ın die Fabrik. Hier wird er befeuchtet und auseinandergeblättert. In großen und luftigen Räumen sitzen die Arbeiterinnen, mit eigentümlichen Mützchen geschmückt, zusammen. Sie formen und wickeln Zigarren. Je nach der Menge und der Feinheit der her- gestellten Ware wird ihnen der Lohn bemessen; Ausdauer wird nach einer Reihe von Jahren prämiiert. Besondere Wohlfahrtseinrichtungen sind in großer Zahl vorhanden. Interessant sind auch die Trockenanlagen für die Tabakblätter. Feineres Material wird auf luftigen Gestellen sich solange überlassen, bis es genügend Feuchtigkeit verloren hat, weniger wertvolles wird zum schnellen Trocknen auf laufenden Bändern in Kammern mit heißer Luft behandelt. Kaum glaublich erscheint es, daß etwa 125 verschiedene Schattierungen in den Deckblättern möglich sind. Besondere Arbeiterinnen haben die fertig- gestellten Zigarren nach den einzelnen Farben zu sortieren. Die Ware wird dann ın Kisten verpackt, die auch an Ort und Stelle fabrıkmäßig hergestellt werden, und ist dann schließlich für den Handel fertig. Vor der Fabrik erwartet den Verein ein Straßenbahnwagen, um ıhn nach Vogelsang zu führen. Nach nur zu kurzer Fahrt durch das im Maiengrün 10* 11% prangende Gelände wird das Gasthaus „Vogelsang“ erreicht. Hier hat Herr Zeichenlehrer a. D. Kaufmann auf einer Reihe von Tischen eine gewaltige Sammlung von Pilzpräparaten, Skizzen, farbigen Zeichnungen und Aquarellen ausgestellt und führt die Versammlung zu den besonders wichtigen und inter- essanten Exemplaren. Auf die vielen Fragen gıbt er gern und erschöpfend Antwort und findet ın jeder Anregung zu neuen Erläuterungen und Be- sprechungen. Dann führt Herr Forstrat Schröder durch den Wald auf die ver- schiedenen Höhen und Aussichtsspunkte, von denen sich so schöne Blicke auf Stadt und Haff, sowie in die Schluchten und Flußtälchen erschließen. Ein gemeinsames Mittagsmahl vereinigt die Festteilnehmer im geräumigen Saale des Gasthauses „Vogelsang“. Bei dieser Gelegenheit gedenkt der Vor- sıtzende dankbar derer, die besonders die Mühen der Vorbereitungen für den heutigen Tag auf sich geladen hätten, der Herren Forstrat Schroeder, Zeichenlehrer a. D. Kaufmann und Prof. Dr. Müller, und trinkt auf ihr Wohl. Die Kürze der Zeit treibt bald wieder zum Aufbruch. Wieder führt die Straßenbahn den Verein dahin, diesmal nach Elbing, wo an der Hohen Brücke am Elbingfluß ein Motorboot auf ihn warten sollte. Bei der reichen Beteiligung an diesem Vereinsausflug von über 100 Personen hatte der Magistrat der Stadt Elbing, den Verhältnissen entsprechend, nunmehr die doppelte Anzahl von Fahrzeugen zur Verfügung gestellt. Um 2 Uhr begann dann trotz des anfangs recht unangenehmen Wetters die Fahrt nach dem Drausensee und nach den geneigten Ebenen. Wenn es auch anfangs noch manchen Spritzer gab zur Freude derer, die ın der schützenden Kajüte leider nichts davon abbekamen —, so klärte es schnell auf, und schließ- lich lachte wieder die Sonne vom Himmel. Bald war man im Drausensee an- gelangt, der vom Boot aus einen merkwürdigen Eindruck macht. Wer im Drausensee einen klaren Landsee zu erblicken erwartete, der war enttäuscht. Nur die schmale, künstlich offen gehaltene Wasserrinne und zahl- lose Kolke erinnerten noch an den ehemaligen See. Wenn aber dem Drausen auch die landschaftliche Eigenart unserer tiefblauen, baltischen Landseen ab- geht — sein Bild ist trotzdem stimmungsvoll. Das wirre Durcheinander von Wasserblänken, Rohrwäldern, Strauch- und Baumkämpen besitzt ein überaus charakteristisches Gepräge. Und dann die Umgebung! Im Osten zeigen sich in klaren Umrißlinien die waldigen Höhen des alten Haffufers; süd- und west- wärts dehnen sich die weiten Niederungen des Nogatdeltas, von denen sich der Drausen als ein Stück Urweltoase abhebt. — Nicht schwer ist es, in seinem Antlitz seine Geschichte zu entziffern. Schon die zahllosen Wasserpflanzen, die die Randeinfassungen der offenen Stellen bilden, berichten von seiner Um- wandlung. Sie, die Pioniere der Verlandung, erhöhen alljährlich nach ihrem Absterben den alten Seeboden und bereiten langsam, aber sicher, den Boden für die Landpflanzen vor. Den ausgedehnten Wasseraloe-Wiesen folgen Binsen- ı1* 12% und Rohrwälder und diesen später die mit zahllosen Sumpfpflanzen besetzten, trügerischen Moosdecken. Im Frühjahr bewirken zuweilen Sturm und Eisgang las Loslösen des Wurzelwerkes der Vegetation von dem schlammigen Grunde; es entstehen schwimmende Inseln, die Treibkämpen. — Aber auch das Vagabon- dieren der Kämpen ist begrenzt. Wird die schwankende Moosdecke allmählich fester, so siedeln sich Erlen an und verankern das Neuland. Der Drausen teilt mit allen stehenden Gewässern das gleiche Schicksal — er verlandet. Vor mehr denn 10 000 Jahren bildete er einen Teil jener großen Haffbucht, deren Ufer sich in einem Bogen von Christburg über Pr.-Holland nach Elbing hinziehen. Noch vor 1000 Jahren, als sich das alte Truso an seinen (restaden erhob, bespülten seine Wogen, wie der Bericht des Seefahrers Wulfstan vermuten läßt, die Höhen bei Elbing — und heute? Dort, wo ehedem der Pruzze auf schwankendem Einboot dem Fischfange oblag, da pflügt, sät und erntet jetzt der Landmann. In der Natur ist eben nicht beständiger als der Wechsel. In großer Zahl haben sich auf dem Wasser schwimmende Rohrwiesen gebildet, die botanisch manches Interessante bergen, z. B. unsere kleinste ein- heimische Blütenpflanze Wolffia arrhiza W ım m., die überdies ın ganz Nord- ostdeutschland nur hier vorkommt. Nicht minder ist dieser eigenartige See von. Interesse durch die überaus reiche Vogelwelt, welche im Schilf und Rohr lebt und nistet. Dem Zoologen, der mit einem guten Fernglase vom Boote aus seine Beobachtungen macht, muß wohl das Herz aufgehen bei dem Anblick alles dessen, was da ın unmittelbarer Nähe wie in größerer Entfernung zu sehen ıst. Unser Vogelkenner, Herr Lehrer L. Dobbrick, der auf alle an ıhn gerichteten Fragen liebenswürdig antwortete, gibt kurz folgende Zusammen- fassung seiner Beobachtungen bei Gelegenheit dieser Fahrt: Ein reiches Vogel- leben offenbarte sich uns während der langen Dampferfahrt über den Drausen- see. Am häufigsten zeigte sich wohl die Schwarze Seeschwalbe (Hydrochelidon nigra), die fortwährend unseren Weg kreuzte. Einige Male kamen wir hart an ausgedehnten Brutplätzen dieser Art vorüber. Die Flußseeschwalbe (Sterna hirundo) war dagegen verhältnismäßig selten. Bald nach dem Passieren der Eisenbahnbrücke bot sich unseren Blicken ein reizendes Vogelbild. Hart am Ufer des Elbing stocherten hochbeinige Pfuhlschnepfen (Limosa limosa). Die wenig scheuen Vögel standen bei unserer Annäherung ohne Hast auf und tauchten bald wieder im östlichen Wiesengelände unter. Diese Art erforderte deshalb ein besonderes Interesse, weil siehier zum erstenmal für West- preußen als Brutvögel festgestellt wurde. Unfern des Ufers ver- suchten zwei Paar Löffelenten (Spatula elypeata) sich zu drücken. Der Erpel in seinem prachtvollen Hochzeitskleide und seinem klobigen Schnabel bot ein ın solcher Nähe nicht oft zu beobachtendes köstliches Bild. Schwarzhalstaucher (Colymbus nigricollis) und Bläßhühner (Fulica atra) zeigten sich während der ganzen Fahrt recht häufig. Eigenartig sahen die kleinen Bläßhuhnjungen mit ihren roten Köpfen aus. Lachmöwen (Larus ridi- 12* bundus) flogen hin und wieder vorüber, und oberhalb des Dreirosen-Kruges hatten wir später das Glück, auch einige der zierlichen Zwergmöwen (Larus minutus) zu Gesicht zu bekommen. An dem tiefdunkeln Unterflügel war diese Art von der Lachmöwe, deren Unterflügel nur teilweise dunkel ıst, bei einiger Aufmerksamkeit recht gut zu unterscheiden. Zwergrohrdommeln (Ardetta minuta) trieben sich von einer Rohrinsel zur anderen, wohingegen uns die Gr. Rohrdommel nicht den Gefallen tat, aufzustehen oder wenigstens ıhre ge- waltige Stimme hören zu lassen. Wildschwäne (Cygnus olor) ließen sich hier und da blicken, einer wurde sogar vom Dampfer aus auf dem Neste gesehen. Von Entenarten zeigten sich hauptsächlich die Männchen der Tafel- (Nyroca ferina), Moor- (N. nyroca) und Knäkente (Anas querquedula). Über dem See gaukelten die Geißeln des Wassergeflügels, Rohr- und Kornweihe (Circus aeruginosus und Ü. cyaneus). Vor der Einfahrt in den Oberländischen Kanal sahen wir noch die herrlichen Flugbilder zweier Kraniche (Grus grus). So wurde die Zeit der Fahrt über den Drausen nicht lang. Dann ging es ım Oberländischen Kanal aufwärts bis zur zweiten geneigten Ebene, deren maschinelle Einrichtung besichtigt und von sachkundiger Seite erläutert wurde. Auf dem Rückweg wurde ım Dreirosen-Krug ein Imbiß genommen, der vor- trefflich mundete, denn es war mittlerweile doch 8 Uhr geworden. Nach kurzer Rast und manchem Wort, das dem guten Gelingen der Elbinger Tagung gewidmet war, wurde die Fahrt nach Elbing fortgesetzt, doch fast hätten die Nixen des Drausensees uns noch einen bösen Streich gespielt: sie hatten offenbar die Schraube des Bootes mit Schlingpflanzen umwickelt, so daß die Maschine ihre liebe Not hatte, das Boot im Schneckentempo vorwärts zu treiben. Aber die prächtige Abendstimmung, die über dem See und seinen Ufern lagerte, und nicht minder die gehobene Stimmung der Teilnehmer, die sıch ın fröhlichen Liedern Luft machte, halfen über die etwas längliche Fahrt- dauer hinweg, und schließlich wurde Elbing doch noch erreicht, ohne daß man zum „Staken‘“ seine Zuflucht nehmen mußte. Mit dem Rufe: Auf Wieder- sehen übers Jahr in Neustadt! schieden die von auswärts gekommenen Mit- glieder von der gastlichen Stadt. 14* Bericht über die Sitzungen und sonstigen Veranstaltungen von Ostern 1912 bis Ostern 1913. 1. Besuch der Danziger Parkettfabrik (Schellmühler Wiesenweg 6) und der Danziger Zündwarenfabrik (Schellmühler Weg 7). Mittwoch, den 10. April 1912; Treffpunkt: Parkettfabrik um 3 Uhr nachmittags. Der Verein besuchte mit etwa 80 Mitgliedern zweı industrielle Anlagen nahe der Stadt Danzig. In der Danziger Parkettfabrık übernahmen Herr Geschäftsführer Domansky und der technische Leiter Herr Beister die Führung. Man kam zuerst an ein Becken, ın dem die zu verarbeitenden Hölzer durch die heißen Abwässer der Maschinen gut geweicht werden. Da sie später mit Messern zerkleinert werden sollen, ıst das von Bedeutung. So vor- bereitet und zersägt, kommen sie in die Schälmaschine, wo von ıhnen spiralig dünne Brettehen losgelöst und dann zur Herstellung der sog. Federn weiter zerteilt werden. Ein besonderer Arbeitsraum für die Gewinnung von Brettern aus Eiche, Rotbuche usw. zur Gewinnung der Stäbe selbst ist in der Anlage begriffen. Solche Bretter werden je nach der Größe der Stäbe mittels Kreis- sägen zerschnitten und zur Entfernung ihrer Lauge (z. T. Gerbsäure) im Freien aufgestapelt. Nach längerer Zeit kommen sie von hier ın Trockenkammern, wo ihnen die reinigende Feuchtigkeit der Atmosphärilien (Regen usw.) unter Er- wärmung bıs auf 60 Grad C. vollständig genommen wird. Durch Röhren- verbindung mit dem vorhandenen System der Exhaustoren wird die hierbei auf- tretende Feuchtigkeit aus diesen Räumen entfernt. Dann gelangen die Stäbe auf Bahnen mittels Paternoster-Kette in eine Maschine, die sie vollständig zu- richtet, hobelt und mit Nuten versieht. Wie sie schließlich auf tauben Roh- böden mittels der Federn und seitlich eingetriebener Holznägel in geeigneter Weise zu Mustern vereint werden, wurde durch einige Handgriffe und durch Vorlage von Musterplatten vor Augen geführt. Interessant war auch ein be- sonders „kaltes“ Verfahren, nach dem die Fabrik mittels Asphalt die Stäbe auf planem Steinboden aufzubringen vermag. Mit bestem Dank an die Leitung begab sich dann der Verein zur Dan- zıgerZündwarenfabrik. Hier machte Herr technischer Leiter Fiege i* 15* den freundlichen Führer. Er wies zuerst auf die Stapel russischer Pappeln hin, die hier zur Verarbeitung kommen. In Schälmaschinen werden dıe Holz- klötze abgewickelt und das dabei gewonnene Material entweder zur Herstellung von Kästchen oder der Hölzchen weiter verwendet. Eine große Menge ver- schiedenartiger Maschinen hat ın den Arbeitsräumen überall Aufstellung ge- funden. Hier werden die Stäbehen gesondert in Gestelle gespannt, mit Paraffinöl getränkt und schließlich mit dem Köpfchen versehen. Dort werden bereits vor- geritzte dünne Holzbrettehen zu dem äußeren Teil der Kästchen zusammen- geknickt, zusammengeklebt und mit Etikette versehen. Etwas weiter entsteht in ähnlicher Weise der innere Schubteil. Das schnelle Zusammenpappen dieser kleinen Kästehen und besonders das blitzschnelle Einsetzen des Bodenstücks erregte allgemeines und lange währendes Interesse. Besondere Maschinen be- sorgen ferner das Auftragen der Zündmasse auf die Streichflächen und das schnelle Trocknen der hierzu verwendeten Chemikalien, andere schließlich das Einfüllen der Zündhölzer in die fertiggestellten Kästchen. Auch hier schied der Verein mit dem Ausdruck des Dankes und dem Be- wußtsein, ein Stück blühender Danziger Industrie kennen gelernt zu haben. 2. Sitzung am 17. April 1912. Abends 5 Uhr, im Sitzungssaale der Naturforschenden Gesellschaft in Danzie. Der Vorsitzende, Prof. Dr. Lakowıtz, begrüßt die Versammlung und gedenkt des verstorbenen, pensionierten Fortsmeisters Liebeneiner- Oliva. Dieser gehört seit 1878 dem Verein an und zwar seit 10 Jahren im weiteren Vorstande; bis vor zwei Jahren war er einer der eifrigsten Besucher der hiesigen Veranstaltungen unseres Vereins. Dr. Lakowitz fordert die Anwesenden auf, sich zum Gedenken an den Toten von den Plätzen zu erheben; es geschieht. Nach einer Begrüßung der Vortragenden des Abends werden dann die Namen der neu hinzugekommenen 27 Mitglieder namhaft gemacht. Seit der letzten Sitzung sind wiederum Schriften reichlich eingegangen; von Vereins- mitgliedern als Autoren wurden übersandt: Bail, Th.: Neuer methodischer Leitfaden für den Unterricht in der Botanik. 15. Anufl.; 1912, Gonwentz, H.: Westpreußische Botaniker der Vergangenheit. (S.-A. aus „Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft“ Jahrg. 1911, Bd. 29, Generalvers.-Heft), Dahms, P.: An der See; B. G@. Teubner 1911, Schander, R.: Die Bekämpfung des Flugbrandes von Gerste und Weizen. Abteilung für Pflanzenkrankheiten des Kaiser Wilhelm-Instituts für Landwirtschaft in Brombere. Flugblatt Nr. 16, März 1912, — sowie 5 weitere Flugblätter aus dem von Herrn Abteilungsvorsteher Prof. Dr. Schander geleiteten Institute, Torka, V.: Lebermoose aus dem Nordosten der Provinz Posen. (S.-A. aus „Hedwiga“. Bd. 50.) Ferner gingen ein: Floericke, Kurt und Mandee, Rudolf: Kalender für Aquarien- und Terrarienfreunde. Jahrg. 3, 1911, Lloyd, ©. @.: Synopsis of the seetion Ovinus of Polyporus. Cincinnati, Ohio; Oktober 1911, )% pr 10 98 Bibliographical contributions from the Lloyd Library. Cineinnati, Ohio; Nr.5, January 1912: Bibliography relating to the Flora of Germany, Verhandl. der Ornitholog. Gesellsch. in Bayern, Bd. 11, Heft 1; 1912, 98. Bericht der Sekt. Schlesien des Ungar. Karpathen-Vereins; 1911, Zeitschrift für Oologie, herausg. von Georg Krause, Jahrg. 1, Nr. 1, Drucksachen der Firma Th. Osw. Weigel in Leipzig. Prof. Dr. Bail demonstriert die Photographie eines 1874 bei Danzig (Heubude) erbeuteten, 11m langen Finnwales, dessen Skelett in den Besitz der Naturforschenden Gesellschaft überging. Da es jetzt in einem Holzschuppen aufbewahrt wird, äußert er die Hoffnung, daß dieses Knochengerüst wieder für die Öffentlichkeit aufgestellt werden möchte. Dann erhält Herr Direktor Dr. Lauterwald- Praust das Wort zu einem Vortrage über: „Milchviehkontrolle für Westpreussen‘“. Die zu dieser Beaufsichtigung benutzen Apparate werden hierbei vor- geführt. Darauf spricht Herr Lehrer Dr. H. Preuß- Danzig über das Thema: „Die westpreussischen Torfmoore‘“. Ferner behandelt Herr Kreisarzt Dr. Speiser-Labes das Thema: „Altes und Neues über blutsaugende Insekten, besonders aus Westpreussen“ unter Demonstration von Belegmaterial, Abbildungen und erläuternden Skizzen. 3. Besuch des Finnwalskeletts auf dem Holzfelde des Herrn Kommerzienrat Münsterberg (Broschkischer Weg 1; früher Neufahrwasser Weg) bei Danzig und des großen Getreidespeichers auf dem Holm bei Danzig. Mittwoch, den 8. Mai 1912; Treffpunkt: Holzfeld Münsterberg nahe einer Haltestelle der elektr. Straßenbahn nach Neufahrwasser, 31% Uhr nachmittags. In der stattlichen Beteiligungsziffer von über 140 Personen fand unter Leitung des Vorsitzenden, Prof. Dr. Lakowiıtz, eine Besichtigung des Finnwalskeletts statt, das zu den Beständen des Provinzialmuseums gehört. Wegen seiner Größe war es in dessen Räumen nicht zu placieren, und deshalb genießt es seit 1898 ein immer noch provisorisches Asyl in einem Schuppen auf dem Holzfelde des Herrn Kommerzienrat Münsterberg. | Der Direktor des Museums, Professor Dr. Kumm, und Kustos Dr. La Baume geben Erläuterungen über den Finnwal im allgemeinen und über das zur Schau gestellte Exemplar, das am 24. August 1874, nachdem es durch 75 Zündnadelgewehrkugeln von einem Kriegsschiff bombardiert und getötet war, bei Heubude von 40 Fischern und 16 Pferden an den Strand ge- zogen wurde. Der Kadaver wurde dann von der Naturforschenden Gesellschaft erworben und skelettiert. Trotz seiner Länge von 11 m war das Exemplar, das weiblichen Geschlechts ist, noch ein ganz junges Tier, denn Finnwale erreichen eine Größe von 30 m. Sie werden von keinem Tier heutiger Zeiten an Größe gr IT übertroffen. — Die Besichtigung des interessanten Skeletts sowie der gleich- falls in dem Schuppen untergebrachten Wikingerschiffe und Einbäume lieb erkennen. wie notwendig wettersichere Räume für diese seltenen Stücke sind. Nach diesem Besuch setzte die Gesellschaft in Booten über die Weichsel und nahm unter sachkundiger Führung den neuen Sılospeicher auf dem Holm in Augenschein. Hier interessierten neben dem Gebäude an sich insbesondere die Transport-, Reinigungs- und Sortiermaschinen, die sich alle ın voller Tätıg- keit befanden. 4. Exkursion in die Kielauer Kgl. Forst. Sonnabend, den 15. Mai 1912; Abfahrt mit der Bahn von Danzig nachmittags 145 Uhr. Etwa 60 Mitglieder unternahmen von der Bahnstation Kielau aus die vier- stündige Wanderung, die über die Förstereı Wittomin nach Klein Katz ging Herr Oberförster Pfeiffer- Kıelau hatte dankenswerterweise die Führung durch den Wald übernommen. War der Marsch durch den frühlingsgrünen Laubwald an sıch eın Genuß. so wurde dieser noch erhöht durch herrliche, künstlich frei gehaltene Ausblicke seewärts auf das wundervoll blau gefärbte Meer und landeinwärts auf die waldbedeckte Moränenlandschaft mit ıhren hüb- schen Talmulden. Überall die bekannten Vertreter der Frühlingsflora des Waldes in Blüte, und die Baumvegetation in jener wundervollen Entwicke- lungsphase der aufbrechenden Knospen und zarter Laubentfaltung! Zugleich bot sich die Gelegenheit, Douglas- und Nordmannstannen, Sıitkafichten, Weiß- fichten, Schwarz- und Weimutskiefern, sowie Lawsons. Lebensbaumzypresse, Chamaecyparis Lawsoniana A. Murr.. in 40 jährigen stattlichen Exemplaren zu sehen, alle überragt von der schnellwüchsigen Douglastanne. Im Garten der Försterei Wittomin fiel ein hoher Baum der bei uns seltenen schwedischen Mehlbeere auf. 9. Zweite Exkursion in die Kielauer Kgl. Forst. Sonnabend, den 25. Mai 1912; Abfahrt mit der Bahın von Danzig nachmittags 145 Uhr. Trotz des zweifelhaften Wetters trafen doch 30 Teilnehmer aus Danzig, Oliva, Zoppot, Neustadt, Praust und Dirschau mit dem Mittagszuge in Kielau ein, von wo aus die Wanderung in der Richtung nach Sagorsch unter Führung des Herrn Oberförster Pfeiffer erfolgte Und sie wurden reichlich belohnt. Traten weitreichende Fernblicke, die auf der ersten Exkursion vor Pfingsten Überraschendes geboten hatten, und das interessante Studium fremdländischer Gehölzpflanzungen zwar mehr zurück, so entzückten diesmal die Blicke von 100—120 m hohen Bergkuppen aus auf die benachbarten Täler und Boden- senkungen mit ihren üppigen Waldbeständen, anderseits bot die inzwischen weiter vorgeschrittene Waldvegetation reiche Ausbeute. Auf den unteren Tal- wiesen konnte das breitblättrige Knabenkraut und das eiblättrige Zweiblatt Listera ovata R. Br. in Menge, weiter hinein im Walde die zweiblättrige Kuckucksblume Platanthera bifolia Rehb. mit ihrem zarten Blütenduft. auf- 35. Ber. d. Wpr, Bot.-Zool. Vereins, 2 2 iez fallend schöne Exemplare der kleinblättrigen Wiesenraute Thalictrum angusti- folium L., der schönen, blauen Akeleı Aguilegia vulgaris L. und vier Arten des Wintergrüns Pirola festgestellt werden, dazu die übrige, häufig frühsom- merliche Waldkräuterflora.. Im ganzen macht dort dıe Pflanzenwelt ın ıhrer ungestörten Entfaltung den angenehmen Eindruck der Unberührtheit. Eine Sehenswürdigkeit ıst ein gewaltiger Steinblock von Am Länge, der 2m hoch aus dem weichen Waldboden herausragt. Reich belohnt wurden die Mühen der vierstündigen Wanderung schon durch den stärkenden Aufenthalt ım Walde mit seiner reinen Atmosphäre und noch zum Schluß durch einen ent- zückenden Blick von stattlicher Höhe in das weit ausgedehnte untere Schmelz- tal, wıe endlich durch eine angenehme Labung ım Hotel Claaßen zu Sagorsch, wo sich Gelegenheit bot, dem liebenswürdigen Führer und seinem Adjunkten, Herrn Forstassessor Patzıg, den Dank der Exkursionsgruppe ddarzubringen. 6. Studienfahrt nach der Krim und dem Kaukasus. VIII. Auslandsexkursion. Vom 3. bis 27. Juli 1912. Vels.15osi ‘. Exkursion nach der Frischen Nehrung bei Kahlberg. Sonntag, den 11. August 1912; Abfahrt mit der Bahn von Danzig morgens 718 Uhr. Mit der Kleinbahn ging es nach Stutthof. Dort bestiegen die 50 Teil- nehmer(innen) an der Exkursion bereitstehende ländliche Fuhrwerke, und trotz regnerischen Wetters wurde unter Führung des Herrn Oberförster Benecke nach Pröbbernau und schließlich nach Kahlberg gefahren. Treu blieb uns der Regen, aber auch die gute Stimmung, trotzdem die Rückfahrt nicht, wie ge- plant, mit Motorbooten auf dem Haff, sondern wieder auf den Wagen zurück- gelegt werden mußte. Gesammelt konnte Nennenswertes nicht werden. Für seine nicht geringen Mühen der Vorbereitung wurde Herrn B. bei der Mittags- tafel in Kahlberg wärmster Dank ausgesprochen. 8. Zusammenkunft der Teilnehmer an der Studienfahrt nach dem Kaukasus und der Krim. Sonnabend, den 24. Ausust 1912, nachmittags 44 Uhr im Kurhause in Zoppot (sep. Zimmer). 9. Exkursion nach Karthaus—Mirchau—Libagoschsee— Viktorshöhe—Steinsee. Sonntag, den S. September 1912; Abfahrt mit der Bahn von Danzig 630 Uhr morgens. 30 Herren und 25 Damen nahmen an dem Ausfluge teil. In flotter Fuß- wanderung von der Station Miechutschin aus kam man in 115 Stunden nach Mirchau. Nach kurzer Rast wurde die Wanderung ın langsamem Tempo zum stimmungsvollen Libagoschsee fortgesetzt, an dessen Südufer entlang in wıeder- 5* 95 um 1% Stunden die Viktorshöhe erreicht, dort die herrliche Aussicht über die anschließenden Klenschanseen bis weit hinein ins Land genossen und schließlich nach einstündigem Weg am großen Steinsee Halt gemacht. Hier fesselte der gewaltige, erratische Block — der größte im Regierungsbezirk Danzig — mit seiner üppigen Vegetation von Flechten und Moosen die Aufmerksamkeit. während im benachbarten Walde das üppige Gedeihen des hübschen Kamm- farnes Blechnum Spicant W th. und ein auffallender Reichtum an Pilzen, be- sonders an Giftreizkern, konstatiert wurde. War das Wetter auch nıcht günstig, so doch die Stimmung während der Wagenfahrten vom Steinsee nach Mirchau und weiter nach Karthaus, wie auch beim schmackhaften Mahl in Baaskes Gasthaus in Mirchau eine ausgezeichnete. Herr Oberförster Wendt- Mirchau hatte den kundigen Führer durch seine schöne Forst gemacht. In launigen Tischreden kam die vorzügliche Stimmung zum Ausdruck. 10. Pilzexkursion im Gelände zwischen Weichselmünde und Heubude. Mittwoch, den 11. September 1912; Abfahrt mit dem 'Tourdampfer nach Weichselmünde 2 Uhr nachmittags vom Grünen Tor. An 100 Herren und Damen durchstreiften das Gelände zwischen Weichsel- münde und Heubude und sammelten 13 verschiedene Hutpilzarten, die dann in Heubude im einzelnen bestimmt wurden. Dort hatten inzwischen Frau Hilde- brandund FrauRehbeinim Elfertschen Saal ihre Ausbeute von mehr- tägigen Exkursionen durch Danzigs Umgegend übersichtlich zusammengestellt und genau etikettiert mit Bemerkungen über den Wert versehen. Diese sehr interessante Pilzausstellung wurde von Herrn Medizinalassessor Hilde- brand erläutert unter Anfügen von wichtigen Bemerkungen über den Nutzen und Schaden, über die Verwertung usw. der Pilze. Kostproben zeigten, wie verschiedenartige, wohlschmeckende Gerichte aus diesen vielfach mibachteten Kindern Floras hergestellt werden können. Den Veranstaltern wurde lebhafter Dank der Versammlung gespendet. 11. Sitzung am 23. Oktober 1912. Abends S Uhr, im Sitzungssaale der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Der Vorsitzende, Prof. Dr. Lakowitz, begrüßt die Versammlung zum Beginn der Wintersitzungen und die Vortragende des Abends, Frl. Elıs. Lemke-Berlin. Hinzugekommen sind 33 Mitglieder, darunter 1 korrespon- dierendes und 1 lebenslängliches. In einem kurzen Bericht werden die Unter- nehmungen während des Sommerhalbjahres berührt, sowie die Fahrt in den Kaukasus und nach der Krim kurz erwähnt. Zum 75. Geburtstage unseres Mit- gliedes Prof. Trojan- Berlin übersandte der Vorsitzende die Glückwünsche des Vereins, ebenso zum 25. Regierungsjubiläum des Königs Ferdinand von Bulgarien. In beiden Fällen dankten die Jubilanten. Ferner nahm Prof. Lakowitz als Vertreter des Vereins an der Feier des 50 jährigen Bestehens des Preuß. Botanischen Vereins in Königsberg am 5. Oktober 1912 6* 3% ad 20° teil. Bei dieser Gelegenheit wurde die Ernennung des Schriftführers des Königberger Vereins, Herrn Prof. Vogel, zum Korrespondierenden Mitglied unseres Vereins bekanntgegeben. Durch den Vorsitzenden legen vor: Kaufmann Apreck- Danzig einen großen Schuppigen Löcherschwamm Polyporus squamosus Fr. aus der Oberförstereı Wirthy, Frl. Lietzmann- Danzig eine Lupinenpflanze, bei der aus Knospen statt der Blüten kleine Blattbüschel hervorgegangen sind, und Lehrer Pahnke- Pelonken sein Pilzherbar, das künstlerisch wirkende und farbengetreue Präparate von natürlichen Hutpilzen enthält. Von Mitgliedern des Vereins gingen ein: Boersehmann: Biologische Probleme und Methodik bei der Bekämpfung der Stechmücken. Vortrag, gehalten am 14. Februar 1912 im Westpr. Bot.-Zool. Verein in Danzig. Leipzig 1912, Dahms, P.: Über das Vorkommen der Sumpfschildkröte in Westpreußen (3. Mitteilung). (S.-A. aus dem 35. Ber. d. Westpr. Bot.-Zool. Vereins, 1912), Kumm: XXXI und XXXII. Amtlicher Bericht über die Verwaltung der natureeschichtlichen, vorgeschichtlichen und volkskundlichen Sammiungen des Westpreußischen Provinzial- Museums für die Jahre 1910 und 1911. Danzig 1912, Lucks, Robert: Zur Rotatorienfauna Westpreußens. Herausgeg. vom Westpr. Bot.-Zool. Verein. Danzig 1912, Schander, R.: Mitteilungen des Kaiser Wilhelms Instituts für Landwirtschaft in Bromberg. Band 5, Heft 1, Schmoeger, M.: Bericht über die Tätigkeit der Landwirtschaftlichen Versuchs- und Kontroll- station der Landwirtschaftskammer für die Provinz Westpreußen zu Danzig vom 1. April 1911 bis:1. April 1912, Thienemann, J.: X. Jahresbericht (1910) der Vogelwarte Rossitten der Deutschen Ornithol. Ges.; Teil 2 (S.-A. aus „Journal für Ornithologie“. Aprilheft 1912). Ferner liegen vor: Festschrift zum AVjährigen Bestehen des Preußischen Botanischen Vereins E. V. Königs- berg ı. Br.:1912, Jahresbericht des Preußischen Botanischen Vereins (E. V.) 1911; Königsberg i. Pr. 1912, 34. Bericht des Westpreußischen Botanisch-Zoologischen Vereins. Danzig 1912, Festbericht zur Feier des 75jährigen Bestehens 1834—1909 der Naturf. Ges. E. V. zu Bam- berg. 21. Bericht. Bamberg 1910, Jahrbuch des Ungarischen Karpathenvereins. XXXIX. Jahrgang 1912, Jglo 1912, Geflügel- und Obstbauzeitung in Probenummern. Dann hält Frl. Elıs. Lemke-Berlin einen Vortrag über das Thema: „Der Wachholder, botanisch und volkskundlich“. Darauf spricht Prof. Dr. Da hm s - Zoppot a. Ostsee unter Demonstration von Skizzen und Abbildungen über: „Meisenarbeit“ und Proi, Dr. Eko wı.z fuhrt „Einiges von der botanischen und zoologischen Ausbeute der dies- jährigen Vereinsexkursion nach dem Kaukasus und der Krim“ vor. An der Hand zahlreicher Herbarpräparate, farbiger Tafeln und Stiche entwirft er ein allgemeines Bild von den auffällıgsten Vertretern der dortigen T7* 21* Pflanzenwelt. Herr Dr. Weıß- Königsberg, der sich zoologisch, besonders entomologisch, auf dieser Fahrt betätigte, ließ seine Funde geordnet und be- stimmt nebst einem Bericht vorlegen. Er zählt in seiner Ausbeute 134 Nummern auf, darunter verschiedene Novitäten. 12. Vortragsabend am Sonnabend, den 2. November 1912. Abends 5 Uhr, im großen Saale der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Prof. Dr. Lakowitz spricht unter Vorführung von Lichtbildern, die auf der letzten Auslandsexkursion von Vereinmitgliedern aufgenommen wur- den, über das Thema: „Reisebilder aus dem Kaukasus und der Krim“, 13. Vortragsabend am Freitag, den 29. November 1912. Abends 5 Uhr, im großen Saale der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Prof. Dr. Lakowitz wiederholt seinen Lichtbildervortrag über: „Reisebilder aus Moskau, dem Kaukasus und der Krim“. 14. Besuch der Schokoladen- und Kakao-Fabrik der Firma Loewenstein. Montag, den 2. Dezember 1912, 4 Uhr nachmittags; Treffpunkt: Mausegasse 6. Der Verein leistete einer Einladung der Schokoladen- und Kakaofabrık J. Löwenstein Folge, um sieh in deren Fabrikräumen in der Mausegasse über die Herstellung der verschiedenen Bonbon- und Konfitürenarten infor- mieren zu lassen. Mit großem Interesse besichtigte man die verschiedenen Ab- teilungen des vielgestaltigen Betriebes, verfolgte den Werdegang der Kakao- bohne bis zum Pralind und verweilte besonders an der Stätte der Entstehung der vielfarbigen. seidenglänzenden Rocks. In Anbetracht des kommenden Weih- nachtsfestes war die Marzipanfabrikation in vollem Gange, und die in der Mehr- zahl anwesenden Damen hatten hier die beste Gelegenheit, einige Anregungen für die Herstellung dieses beliebten Teekonfekts mit nach Hause zu nehmen. 15. Sitzung am 9. Dezember 1912. Abends 5 Uhr, im Sitzungssaale der Naturforschenden Gesellschaft in Danzie. Der Vorsitzende begrüßt Herrn Prof. Dr. Mez, Direktor des Königlichen Botanischen Gartens in Königsberg, und dankt ihm für seine Bereitwilligkeit, den Vortrag an diesem Abende zu übernehmen. Dann verliest er die Namen der 19 neuen Mitglieder, von denen 18 persönlich und 1 korporativ sind, und heißt sie im Verein willkommen. In einem eingelaufenen Schreiben dankt Herr Prof. Vogel - Königsberg für seine Ernennung zum Korrespondierenden Mit- glıede unseres Vereins und übersendet einige von seinen Arbeiten. Von Herrn Dr. Klingenstein-Saarau in Schlesien, der die diesjährige Vereinsfahrt in den Kaukasus und die Krim (1912) mitmachte, ist eine Mappe mit über 100 Herbarpflanzen zur Einsicht zugegangen. Sie haben Herrn Geheimrat Prof. Dr. Pax - Breslau mit ihren Bestimmungen vorgelegen und sollen jetzt für einige Tage im Sitzungszimmer zur Auslage kommen. s# ZN Von Mitgliedern des Vereins gingen folgende Druckschriften ein: Dahms, Paul: Meisenarbeit. (S.-A. a. d. 35. Bericht des Westpreuß. Bot.-Zool. Vereins; Danzig 19135), Hilbert, R.: Zur Kenntnis der Lebenstätigkeit urweltlicher Insekten. (S.-A. aus der „Zeit- schrift für wissenschaftliche Insektenbiologie“; 1912), La Baume, Wolfgang: Zweiter Beitrag zur Kenntnis der westpreußischen Geradflügler- fauna (Orthoptera). Gliederung der Fauna nach Lebensgemeinschaften. (S.-A. aus dem 35. Bericht d. Westpr. Bot.-Zool. Vereins; Danzig 1915), Lauterwald: Bericht über die Tätigkeit der Lehr- und Versuchsanstalt für Molkereiwesen der Landwirtschaftskammer für die Provinz Westpreußen in Praust in der Zeit vom 1. April 1911 bis zum 31. März 1912, Seligo: Mitteilungen des Westpreußischen Fischerei-Vereins. Danzig, Okt. 1912; Bd. 24, Nr. 4, Vogel, G.: Phänologische Beobachtungen in Ost- und Westpreußen. (S.-A. aus der Fest- schrift zum SVjährigen Bestehen des Preuß. Botan. Vereins. Königsberg 1912.) Vogel, G.: Über Torf und Torferzeugnisse. (S.-A. aus d. Jahresbericht des Preuß. Botan. Vereins in Sehriften d. Phys.-ökonom. Gesellschaft. 53. Jahrg., Heft 2551912). Dann demonstriert Prof. Dr. Lakowitz eine prächtige Photographie der bekannten, nun gefällten Riesenplatane von dem Gelände der Schichauwerft in Elbing, von der bereits auf der letzten Jahresversammlung zu Pfingsten 1912 die Rede war, und Bot. Assistent R. Luck s- Danzig weist auf zwei im Druck befindliche größere Arbeiten des Deutschen Lehrervereins für Naturkunde hin, die demnächst fertig vorliegen werden. Da die Auflagen nur klein be- messen sind, fordert er wegen bequemerer Erwerbung der beiden Werke zum Beitritt in diesen Verein auf. Dann behandelt Herr Universitätsprofessor Dr. M ez- Königsberg unter Vorlage einer reichen Menge farbiger, großer Abbildungen das Thema: „Über Pfropfbastarde“. Im Anschluß an seinen Vortrag demonstriert er die Stammpflanzen vom schwarzen Nachtschatten Solanum nigrum L. und der Tomate S. Lycopersi- cum L. und ıhre Zwischenformen an frischen Exemplaren, die aus den Bota- nischen Gärten verschiedener Universitätsinstitute stammen. Es ist dies wohl das erstemal, daß eine derartige Reihe einem größeren Publikum vorgeführt wird. Auf eine Anfrage aus dem Kreise der Zuhörer, ob bei derartigen Pfropf- bastarden Giftstoffe von Nachtschatten auf Tomate übergehen, weist er auf die Leichtigkeit hin, mit der Alkaloide und Glykoside aus einer in die andere Pflanze übertreten. Prof. Dr. Lako witz wiederholt seinen Dank und spricht die Hoffnung aus, den Herrn Vortragenden recht bald wieder bei einer derartigen Gelegen- heit begüßen zu können. 16. und 17. Vorführung kinematographischer Aufnahmen. Freitag, den 13. Dezember 1912, abends 5 und 8 Uhr; im großen Saale der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Der Kinematograph ist an bedeutenden Unterrichts-Instituten bereits ein wesentliches Hilfsmittel zur Veranschaulichung besonders wichtiger Vorgänge 9% 23% geworden. Wenn der Westpr. Botanisch-Zoologische Verein dieses moderne Hilfsmittel sich für einen seiner Vortragsabende nun gleichfalls nutzbar ge- macht hat, so ist das nur anerkennend hervorzuheben. In dem gestrigen Vor- tragsabend im Saale der Gesellschaft, dessen Arrangement das Verdienst von Prof. Dr. Lakowitz ist, wurden sehr interessante Aufnahmen gezeigt. >o das Erblühen einer Victoria regia Lin d1., Aquarien-Aufnahmen, die Speisung einer Schlange, Einzelheiten aus der modernen Bienenzucht, der Wasserkäfer und seine Larve, der Entwickelungsgang der Stechmücke usw. Die raffinierte Technik des Films bringt es fertig, solche Dinge, die in der Wirklichkeit sich in viel längeren Zeitspannen, manchmal auch an verschiedenen Orten sıch ab- spielen, auf eine scheinbare Vereinheitlichung von Zeit und Raum zusammen- zupressen. Nur so ist es möglıch, das Aufblühen einer Victoria regia, das ın den Kruson-Gewächshäusern ın Magdeburg oder z. B. in Dahlem besonders inter- essant zu beobachten ist, das meist aber zwei Tage dauert, ın einigen Minuten zu erschauen. Sehr instruktiv waren die Bilder über den Gelbrandkäfer und seine Larven, Bienenleben, Erbeutung des Honigs und die Wachsgewinnung durch Sonnenwärme; desgl. über Stechmücke, Goldraupe, Knurrhahn, See- schildkröte, Taschenkrebs, Languste usw. Der Besuch der Veranstaltung, die ihre Teilnehmer sehr befriedigte, war so stark, daß die Vorführung in zwei Teilen arrangiert werden mußte. 18. Vorführung kinematographischer Aufnahmen und Lichtbilder. „Aus dem Leben des Meeres“. Freitag, den 7. Februar 1913, abends 5 Uhr; im eroßen Saale der Naturforschenden Gesell- schaft in Danzie. Der Andrang war sehr stark, und der große Saal der Naturforschenden Gesellschaft wurde bis auf das letzte Plätzchen besetzt. Prof. Dr. La - kowitz, der den begleitenden Vortrag übernommen hatte, gab zunächst einen allgemeinen Einblick in gewisse Lebensformen des Meeres; er begann mit den Quallen, deren einzelne Arten er im Bilde vorführte, darunter auch die präch- tigen Nesselquallen, Kompaßquallen und Glockenquallen, deren wunderbarer Aufbau ein ideales Vorbild für moderne Beleuchtungskörper darstellen könnte. Daran schlossen sich Seeigel, Seesterne, Seeanemonen und Seerosen, deren ent- zückende Farbenpracht den ihnen zuteil gewordenen Blumennamen völlig recht- fertigt, ferner glasklare, langgestreckte Würmer, wie sie das Plankton erfüllen. ein Tintenfischehen der Nordsee (Sepiola), Garnelen, Kraken und Krebse, dar- unter der Einsiedlerkrebs, der Taschenkrebs und schließlich einige Fische. — Der Vortrag bot interessante Einzelheiten aus dem Leben dieser Meeresbewohner, die dann noch besonders treffliche Illustrationen durch die kinematographischen Vorführung erfuhren. Die Zuschauer konnten hier u. a. die Entwickelung der Quallen beobachten, sie sahen die Seesterne mit ihren komplizierten Be- wegungsorganen sich auf dem Grunde des Meeres schwerfällig weiter fort- schieben, schauten den Seeanemonen bei der Fütterung zu und konnten auch 10* 24* dem grausigen Kampf eines Einsiedlerkrebses mit einer Schwimmkrabbe bei- wohnen. Verschiedene Meeresbewohner zeigten schließlich die Gabe, in den Sand zu versinken und so plötzlich zu verschwinden. Die Bilder, die durch- weg wohlgelungen waren, fanden eine freundliche Aufnahme, und lebhafter Beifall dankte dem Vortragenden für die übernommene Mühe. 19. Sitzung am 12. Februar 1913. Abends 8 Uhr, im Sitzungssaale der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Der Vorsitzende, Prof. Dr. Lakowıtz, begrüßt die Versammlung und die neu eingetretenen 21 Mitglieder. Von Arbeiten, deren Verfasser Vereinsmitglieder sind, liefen ein: Nitardv, E.: Zur bildlichen Darstellung des Kammerplanktons. (S.-A. aus „Mitteilungen aus der Königl. Prüfungsanstalt für Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung“. Heft 17, 1912), Preuß, H.: Die pontischen Pflanzenbestände im Weichselgebiet. (S.-A. aus „Beiträge zur Naturdenkmalpflege“. Herausgegeben von H. Üonwentz. Bd. 2, Heft 4), Schander, Richard: Versuch zur Bekämpfung des Flugbrandes in Weizen und Gerste mittels Heißwassers und Heißluft. („Arbeiten aus der Abteilung für Pflanzen- krankheiten des Kaiser Wilhelms Instituts für Landwirtschaft in Bromberg‘), Schander, Richard: Beiträge zur Kultur der Kartoffel. Ebenda „Mitteilungen des Kaiser Wilhelms Instituts für Landwirtschaft in Bromberg“. Bd. 5, Heft 2.) Ferner wird vorgelegt: Ratgeber über Pflanzenkrankheiten und deren Bekämpfung und über die Schädiingsbekämpfung in Land- und Forstwirtschaft, Obst-, Wein- und Gartenbau. ÜUhem. Fabriken Flörs- heim a. Main, Dr. H. Noerdlinger, Bericht über die Vogelmarkierungen der Königl. Ung. Ornith. Zentrale im Jahre 1912 (S.-A. aus „Aquila“, Bd. 19, 1912°), schließlich Drucksachen der Firma Oswald Weigel in Leipzig und solche von ver- schiedenen Vereinen. Darauf hält Prof. Dr. Lierau-Danzig einen Lichtbildervortrag über: „Die biologische Abteilung im Schulgarten der Ober-Realschule zu Danzig‘. Der Vorsitzende dankt dem Vortragenden für seine mit großem Beifall aufgenommenen Darbietungen und beginnt dann mit der Demonstration von Naturgegenständen, die von verschiedenen Seiten eingegangen sind: Kassenrendant Behrent- Danzig legt zwei Diapositive vor, die Löcher der Uferschwalbe im steil abfallenden Gelände von Ciessau b. Kielau, Kr. Neu- stadt, wiedergeben (Projektion!), Apotheker Giese- Dirschau zeigt Proben von einem rötlichen Staub, der um Dirschau herum und bis nach Ostpreußen hinein gefallen und beob- achtet worden ist. Wahrscheinlich handelt es sich um vulkanischen Staub, der auf den japanischen oder aleutischen Inseln seinen Ursprung hat und durch barometrische Tiefs hierher verschleppt wurde, Optiker Otto Hamann- Danzig ın Glasgefäßen einen prächtigen Schleierschwanz und zwei weniger bekannte Aquariumfische, den Schwert- 11* 232 träger oder Schwertfisch Xiphophorus Helleri aus den Flüssen an der Ostküste von Mexiko und Zentralamerika, sowie den dunklen Perlmutterfisch oder Chaca- fisch Geophagus gymnogenys aus Südamerika, Frl. Lietzmann- Danzig weibliche Exemplare von der Krähenbeere Empetrum nigrum L. mit Blüten, die im Zimmer hervorgebrochen sind, Oberbaurat Troschel- Berlin Holz mit Gängen vom Bohrwurm Teredo navalis L. Das vorgelegte Stück ıst dadurch interessant, daß die Bohrgänge nur sehr schwache kalkıge Auskleidungen aufweisen, wie es sonst kaum der Fall ıst; man könnte vermuten, das Stück seı von Cossus-Larven angegangen. Während die Muschel bisher nur aus der Nordsee bekannt ıst, stammt das vorliegende Material aus Warnemünde in Mecklenburg. Trotz verschiedener Anfragen beı interessierten Behörden ist von einem weiteren Wandern des Weichtieres nach Osten nichts ın Erfahrung gebracht. Die Vereinsmitglieder werden gebeten, Mitteilung zu machen, wenn sie etwas darüber hören. Auf Wunsch hat Herr Kustos Dr. La Baume aus den Sammlungen des Westpreußischen Pro- vinzialmuseums die Schalen des Schiffsbohrwurmes mitgebracht, die vorge- zeigt werden. An den Vortrag und die Demonstrationen schließen sich Mitteilungen und Besprechungen an. Die Jugendformen der Laubmoose und ihre Kultur. Von P. Janzen in Eisenach. Mit 21 Abbildungen im Text. Einleitung. Die Bemühungen, Moose durch Aussaat ıhrer Sporen zu züchten, sind fast so alt, wie die Mooskunde selbst. Sieht man von dem ersten, rohen Versuch ab, den der Engländer Hill im Jahre 1762 durch Ausstreuen von Moossporen auf einer Gartenmauer anstellte, ebenso von dem Meeses, der 1767 noch mit den männlichen Blüten von Polytrichum commune experimen- tierte (1., II. Bd.), so war es Hedwig vorbehalten, die Bedeutung der in der Mooskapsel entwickelten, bei der Reife verstäubenden Masse, die bis dahin für Blütenstaub gehalten wurde, richtig zu erkennen. Auch er bediente sich gleich Hill der Funaria hygrometrica als Versuchpflanze. Doch wie er zu- erst die Systematik der Laubmoose auf eine wissenschaftliche Grundlage stellte, so ging er auch bei seinen Kulturversuchen sorgfältiger als jene Vor- gänger zu Werk, so daß man heute noch seinen ausführlichen Bericht darüber (1., II, S. 53 u. £.) als vorbildlich bezeichnen muß. Hedwig wurde durch Protonema am Grunde junger Pflänzchen von Bryum argenteum veranlaßt, diese Fäden für Gebilde zu halten, die den Keimblättern der höheren Gewächse entsprächen. Um sich über ihre Natur zu vergewissern, säte er (1774) Sporen von Funaria hygrometrica auf einer Mischung von Erde, Asche und Kohlenpulver aus. Wer sich je mit derartigen Anlagen beschäftigt hat, wird sich in die Erwartung des Forschers hinein- denken können und ihn verstehen, wenn er schreibt, er habe am siebenten Tage nach der Aussaat „summa cum voluptate‘“ zahlreiche Samen mit Würzelchen und Keimblättern gesehen. Seine bei 290 facher Vergrößerung gezeichneten Abbil- dungen sind ziemlich naturgetreu; auch ist ihm nicht entgangen, daß die keimenden Sporen zuvor durch Feuchtigkeitsaufnahme quellen. Dagegen huldigte er noch der damaligen irrigen Anschauung, daß jene Teile bereits vorgebildet vorhanden seien und übersah ferner, daß die jungen Pflänzchen nicht aus den Sporen selbst hervorgingen, sondern auf deren „verzweigten Kotyledonen‘“ entstanden, die erst später von Bridel als „Vorkeim“ 35. Ber. d. Wpr. Bot.-Zool. Vereins, 1 1 2 beschrieben wurden. Hedwig erhielt bei dem ersten Versuch und bei anderen, die er später mit Leptobryum pyriforme, Meesea trichodes, Bryum cespiticium u. a. wiederholte, Rasen mit reifen. Kapseln, so daß der Beweis erbracht war, daß der ın ıhnen enthaltene Staub „der wirkliche, mit Schale, Kotyledonen und Keimpflänzchen ausgestattete Same des Mooses sei“. Jahrzehntelang haben dıe Kulturversuche dann geruht, und erst als die Botaniker sich mehr der Entwickelungsgeschichte zuwandten und in den Moosen für deren Studium besonders geeignete Pflanzen erkannten, wurden jene wieder aufgenommen. Nägeli (1845), Schimper (1848) und Gümbel (1854) haben sich um die Erforschung der Keimungsvorgänge und die Bildung des Protonemas große Verdienste erworben; Sachs beschrieb (1873) die Bildung der Moosknospen und Müller- Thurgau kam auf Grund seiner Forschungen zu dem Ergebnis, daß bei diesen Vorgängen alle höheren Laubmoose eine große, Übereinstimminne zeisen 0), Je nach dem Vorkommen der benutzten Moose in der freien Natur wählte man entsprechende Unterlagen. H. Müller säte die Sporen von Funaria und Catharinea undulata teils auf feuchten Kiessand, teils auf Torf, der mit einer Nährlösung getränkt war; Sven Berggren die von Andreaea auf verwitterten Glimmerschiefer; v. Goebel zog (n. briefl. Mitt.) Splachnum auf Kuhfladen. Auch Tonplatten (9) hat man benutzt. Derartige Nährböden haben den Vorteil, daß man darauf im günstigen Falle die Entwickelung eines Mooses vom Anfang bis zum Ende ohne Umpflanzung erzielen kann, leiden dagegen an dem großen Übelstand, daß die Entnahme unversehrter Proben der Keimungszustände in ihrer natürlichen Lage zum Zweck der mikroskopischen Prüfung außerordentlich schwierig ist. Man hat es daher auch mit einfachen Wasserkulturen versucht, indem man Sporen in bestimmte Nährlösungen brachte. P. Beequerel (8) ver- wendet viererlei Lösungen, die sich durch ihren Gehalt an Nitraten, Phosphaten und Sulfaten unterscheiden, und hängt Streifen aschefreies Filtrierpapier hin- ein, auf denen sich das Protonema gewissermaßen niederschlägt. K.Schoene berichtet (9) über eine Anzahl von Laubmoosen, die er in gleicher Weise ın Reagensgläsern zur Keimung und Vorkeimbildung veranlaßte, um daran die Bildung der Rhizoiden zu verfolgen. In solchem Fall mögen derartige Kul- turen genügen; wo es sich um Beobachtung der weiteren Entwickelungsstufen handeit, werden sie versagen; auch ist nicht ausgeschlossen, daß Landmoose sich im Wasser anders verhalten, als auf fester Grundlage. Wenigstens lehrt die Geschichte des Vorkeims von Sphagnum (s. S. 52), daß solche Versuche lange genug fortgeführt oder unter geänderten Bedingungen mehrmals wieder- holt werden müssen, wenn man Täuschungen vermeiden will. Ein Nährboden, der die Schattenseiten der vorhın erwähnten vermissen läßt, dagegen ihre Vorzüge derart in sich vereinigt, daß man ihn fast als ideal bezeichnen darf, bietet sich uns in der Agargallerte dar. Sie ıst fest 2 und bleibt es auch bei Sonnenwärme; in nicht zu dünner Schicht in Doppel- schalen ausgegossen, trocknet sie erst nach Monaten ein und behält währenddem einen so hohen Grad von Durchlässigkeit für das Licht, daß man alle hier in Frage kommenden Vorgänge selbst bei Vergrößerungen bıs zu 600 :1 beob- sehten kann. Dabei bleiben die zu betrachtenden Gegen- stände ungestört inıhrer Lage und können, irgendwie gekennzeichnet '), jederzeit leicht wieder aufgefunden und somit dauernd ın ihrem Entwickelungs- gange verfolgt werden: sogar von der Unterseite aus, sobald die Agarplatte etwas dünner gegossen ıst. Bei der hohen Bedeutung, die man dem Einfluß des Lichts auf alle Vorgänge im Pflanzenleben nach den Erfahrungen neuerer Zeit zuschreiben muß, die auch bei den dieser Arbeit zugrunde liegenden Beobachtungen reichlich berücksichtigt wurden, ist die gerühmte Eigenschaft des Agarnährbodens von nicht genug zu schätzendem Wert. Wie bei den früheren Versuchen mit Funaria (11) wurde ich auch bei den hier beschriebenen in erster Reihe von dem Wunsch geleitet, zu ermitteln, ob und bis zu welcher Entwickelungsstufe sich gewisse Laubmoose auf jenem Nährboden ziehen lassen. Bei der Auswahl erhielten solche den Vorzug, die bei möglichster Verschiedenheit in Habıtus und Lebensweise Eigenartigkeiten schon auf dieser Stufe erwarten ließen, darunter auch Formen, bei denen man in der Natur auffallende Bildungen (Protonemabäumchen u. dergl.) beobachtet hat. Die Hoffnung, derartiges auch auf Agar entstehen zu sehen, erfüllte sich leider nicht; dagegen gelang es mir, selbst Wasser- und Rindenmoose bis zur Entwickelung junger, beblätterter Pflänzchen zu bringen — mehr ist füglıch nicht zu verlangen. In dem Maße, wie Sporenkeimung und Wachstum des Protonemas fort- schritt, wurden beide mit Aufmerksamkeit verfolgt. Denn die vorhin erwähnte Angabe H. Müllers von der großen Übereinstimmung dieser Vorgänge bei den höheren Laubmoosen schien mir einer Nachprüfung zu bedürfen, wenn ich mir die Eigentümlichkeiten vergegenwärtigte, die ganze Gruppen, wie Torf- moose und Andreaeaceen auszeichnen und zu der Erwartung berechtigen, daß auch sonst Abweichungen — daß z. B. bei den im Wasser lebenden Formen Anpassungserscheinungen vorkommen werden — die anderer Art sein müssen, als bei Landmoosen; daß ferner die Keimung der Sporen von Rindenbewohnern Unterschiede zeigen wird von der der Felsmoose; daß der zarte Vorkeim einer im tiefsten Schatten lebenden Art sich anders entwickeln muß, als der einer in der Sonnenglut gedeihenden. Einen deutlichen Fingerzeig in dieser Hinsicht bot die Wahrnehmung, daß die auf einer Probeplatte nebeneinander aus- gesäten Sporen verschiedener Moose einen grundsätzlichen Richtungsgegen- satz ihrer Keimschläuche erkennen ließen. Die Bemühungen, möglichst frisches Material für die Versuche zu be- schaffen, waren trotz der Unterstützung meiner Moosfreunde nicht immer von 1) z. B. dureh Pünktehen aus blauer Tusche. 3 1° 4 Erfolg begleitet, weshalb ich ın einigen Fällen Herbarpflanzen verwenden mußte. Um für ıhre Brauchbarkeit einen Anhalt zu gewinnen, wurde die Keimfähigkeit der Sporen von Diphyscium, das mir aus den Jahren 1872, 79, 84, 90, 93, 96, 1901, und 1908 zur Verfügung stand, in der Weise ermittelt, daß ich (1910) auf einer größeren Platte Sporen aus je drei Kapseln dieser Jahrgänge in je einem Streifen aussäte. Am Ende der fünften Woche zeigten sich nur auf dem Streifen des Jahrgangs 1908 vereinzelte Keimschläuche; drei Wochen später war das Bild noch unverändert. Solchen Ergebnissen gegenüber halte ich die Mitteilung Bölsches'), daß man Sporen von Moosen aus dem Herbar Linn&s noch zum Keimen gebracht habe, so lange für eine Mythe, als sie nicht durch einwandfreie Versuche bewiesen ist. Für die Samenpflanzen hat G. Bonnier (14) fest- gestellt, daß von 368 Samenarten, die über 15 Jahre alt waren, nur 17 Arten keimten und von diesen 17 nur je 1-3 Körner. Ein wichtiger Punkt für das Gelingen der Kulturen ist dıe Wahl der richtigen Jahreszeit. Nach den ın den einzelnen Abschnitten verzeichneten Erfahrungen sind die zunehmenden Tage nach der Wintersonnenwende die für dıe Aussaat geeignetste Zeit. Nährböden und Nährlösungen. Die mineralischen Bestandteile der von Gelidium- und Gloeopeltis-Arten gelieferten Agar-Agar sind so gering, daß man der damit bereiteten Gallerte gewisse Nährsalze oder -stoffe zusetzen muß, wenn die Kulturen gedeihen sollen. Unentbehrlich für die Bildung des Chlorophylis und damit für die Assımilation sind Stickstoff und Phosphor in Form von Nitraten und Phos- phaten, wie Schoene (9) durch zahlreiche Beobachtungen bestätigt hat; nach Angabe von anderer Seite (13) gehört dazu auch das Vorhandensein von Magnesium. Im übrigen ist auf diesem Gebiet noch reichlich Gelegenheit, sich neben dem Studieren fleißig im Probieren zu üben. Agargallerte A. 15 2 Agar, und zwar von der als Federkielform bezeichneten Handelssorte, werden mit kaltem Wasser abgewaschen, bis es klar abläuft, mit 1 1 destillier- tem Wasser übergossen und auf gelindem Feuer solange erhitzt, bis die Alge gelöst ist. Man filtriert die siedende Flüssigkeit durch ein mit Watte ausgelegtes Porzellansieb, nachdem man diese Vorrichtung mit kochendem Wasser ge- waschen, setzt dem Filtrat eine mit wenig Wasser angeriebene Mischung von 1,0 Kaliumnitrat 0,25 Ferrophosphat 0,5 Magnesıumsulfat 0,25 Kalzıumphosphat 0,5 Kalzıumsulfat 1) „Von Sonnenstäubeben“. — Auch L. Loeske ist der Meinung, daß die „geringer organisierten Sporen der Laubmoose sicher Jahrhunderte aushalten“. (Briefl.) 4 - 19) zu und verteilt nach sanftem Umschwenken, damit die unlöslichen Salze ın der Schwebe bleiben, die Lösung auf 3—4 Erlenmeyersche Kölbchen, die sofort mit Wattepfropfen verschlossen und 2X2 Stunden ıim Sterilisator erhitzt werden. Steht eın solcher nicht zur Verfügung, so stellt man die Kölbehen in ein Wasserbad und läßt sie darin 12 Stunde bei Siedehitze; bei längerem Verweilen wird die Agar leicht flockig und unbrauchbar '). Dieser Nährboden hat sich bei der Mehrzahl der Versuche bewährt; er ist in 0,75 em dicker Schicht noch so durchsichtig, daß man gewöhnliche Druckschrift darunter deutlich lesen kann und reagiert neutral. Agargallerte B. Walderde — die in Eisenachs Umgebung vorwiegend aus der Verwitte- rungsschicht des Rotliegenden besteht — wurde, mit etwas Baummulm und wenig verrottetem Kuhdünger vermischt, acht Tage lang mit Regenwasser aus- gezogen. Der trübe Auszug, durch derbes Fließpapier geklärt, wurde ın der unter A angegebenen Weise zu einer 1,5 prozentigen Nähragar verarbeitet. Von den Versuchmoosen entwickelte sich Encalypta recht günstig darauf. Agarpallerte.C. Verrotteter, getrockneter Kuhdünger wurde, grob zerrieben, eine Woche lang mit Regenwasser ausgezogen, hieraus durch Pressen und Filtrieren eine braune, klare Flüssigkeit gewonnen. Aus 100 Teilen dieses Extract. Stercoris bovini fluıdum und 1,5 Teilen Agar stellte ich eine Gallerte dar, die aus- schließlich zur Kultur von Splachnum Verwendung fand. Bekanntlich wachsen die Arten dieser Moosgattung mit Vorliebe auf dem Mist von Wiederkäuern. Nährlösung. Die unter Agar A angegebene Salzmischung wird in 1 | destilliertem Wasser gelöst; die Flüssigkeit hat also den gleichen Gehalt, wie diese Gallerte. Die von Beequerel empfohlenen Nährlösungen (8) sind annähernd von der gleichen Stärke und Zusammensetzung; er verwendet neben Kalıum- auch noch Kalziumnitrat. Schoenes Versuche sind besonders lehrreich durch das Verhalten der Vorkeime, je nachdem N und P vorhanden sind oder fehlen. Beide Forscher stimmen darin überein, daß die Sauerstoffverbindungen dieser Elemente für die Entwickelung des Moosprotonemas unentbehrlich sind. Zur gleichmäßigen Verteilung der Nährlösung bedient man sich eines Zerstäubers. 1) Diese Vorschrift findet sich bereits in meiner Schrift über Funaria (11), sie sei hier aber nebst den weitern Angaben für Leser, die selbst Mooskulturen anlegen möchten, in den erforderlichen Vorbereitungen aber ungeübt sind, etwas ausführlicher wiederholt 5 Das Anlegen der Kulturen und ihre weitere Behandlung. Zu den Vorbereitungen für Kulturanlagen gehört zunächst das Sterili- sieren der Petrischalen. Steht dafür kein Apparat zur Verfügung, so behilft man sich mit dem in jedem Haushalt vorhandenen Bratofen. Die Schalen werden, in Papier eingeschlagen, soweit erhitzt, daß die Papierhüllen nachher leicht gebräunt zum Vorschein kommen. Von den in verschiedenen Größen erhältlichen Doppelschalen eignen sich für die eigentliche Kultur solche von 8 cm oberem Durchmesser am besten; für Vor- oder Wiederholungsversuche sind die von 6 cm, für Sammelkulturen die von 10 cm Durchmesser zu empfehlen. Die fertige Agargallerte wird noch heiß in die Petrischalen ausgegossen; sobald sie erstarrt ist, macht man sich unverzüglich an die Aussaat der Sporen. Lichtseite Schattenseite Abb. 1. Feuchte Kammer mit 8 Kulturen. Verkl. Grundriß. Es müssen dafür folgende Gerätschaften bereit liegen: Objektträger mit Hohlschliff, Uhrgläschen, Präpariernadel, Pinzette, Schere, Glasstab mit Platinöse, ein Gefäß mit ausgekochtem Wasser; alles Metallische wird aus- geglüht, alles Gläserne mehrmals durch die Flamme gezogen. Das von Beequerel empfohlene Eintauchen der Mooskapsel in Subli- matlösung ist überflüssig, da man das Eindringen von fremden Keimen beim wiederholten Öffnen der Schalen zum Zweck der mikroskopischen Musterung doch nicht verhindern kann; ım übrigen finden sich Pilzsporen bisweilen schon innerhalb der Sporogone, wie die Tilletia sphagni Nawaschins lehrt, die inSchimpers Synopsis noch als „sterile Mikrosporen‘‘ bezeichnet wird. Größere Kapseln öffnete ich mit der Schere über einem Uhrgläschen, das etwas Wasser enthielt; kleinere, wie die von Schistostega, Phascum curvicollum, mit der Nadel im Ausschliff des Objektträgers, auf den ich dann wenige Tropfen Wasser fallen ließ. Von diesem entnahm ich mittels der Platinöse, icdem ich die Sporenmasse möglichst gleichmäßig verteilte, je einen Tropfen 6 und zog ihn zu einem schmalen Streifen über die Gallerte aus. Jede Schale erhielt vier Streifen. Auf Deckel und Boden klebte ich ein Zettelchen mit den nötigen Angaben und gleichlautender Nummer, die überdies noch mit einem Diamant eingeritzt wurde, und stellte die Schalen schließlich, um dafl Ein- trocknen der Agar zu verhüten, in einen großen, flachen Behälter, auf dessen Boden sich Wasser befand und der mit einer Glasplatte lose bedeckt wurde: eine „feuchte Kammer‘ (Abb. 1). Die regelmäßige Beobachtung der Kulturen bringt es mit sich, daß Schimmelpilze und sonstige, lichtscheue Verderber nicht lange ausbleiben. Durch reichliches Besprengen mit Wasser oder Nährlösung werden die Pilze zerstört, durch Sonnenlicht die Bakterien, für deren Überwindung das sich kräftigende Protonema auch wohl selber sorgt. Immerhin geht es dem Moos- sporen ausstreuenden Säemann wie jedem andern: Das Gedeihen liegt nicht in seinen Händen allein, manch vıelverheißende Anlage beginnt zu seinem großen Leidwesen über kurz oder lang zu kränkeln, um schließlich zugrunde zu gehen, und es bleibt ihm nichts übrig, als eine Wiederholung des Versuchs unter veränderten Verhältnissen, etwa zu einer andern Jahreszeit oder mit frısch gesammelten Moosen. Liehtzonen. Es ist bereits kurz der auffallenden Beobachtung gedacht worden, daß sich beim Wachstum der Sporenschläuche deutlich ausgesprochene Richtungs- unterschiede bemerkbar machen. Wenn die Vorkeimfäden zweier verschiedenen Moose auf einer Grundlage dicht nebeneinander, also unter gleichen Bedingungen, derartige Gegensätze äußern, daß die des einen dem einfallenden Licht entgegenwachsen, die des andern genau in der entgegengesetzten Rich- tung, der Schattenseite zu, so wäre man fast versucht, bei einer Mehrung der Beispiele gleich dem klassifizierenden Systematiker die Moosvorkeime in licht- freundliche und lichtscheue zu scheiden, stellte es sich nicht bald heraus, daß die Sache denn doch nicht so einfach liegt. Man gelangt vielmehr zu der Über- zeugung, daß nicht in dem Licht an und für sich jene richtungbestimmende Ursache zu suchen ist, sondern in der Lichtstärke; daß hier Anpassungs- erscheinungen an das Lichtbedürfnis vorliegen, welches natürlich bei einem Moose größer oder geringer ist, als bei einem andern. Damit geraten wir auf ein Gebiet, das neuerdings von einzelnen hervor- ragenden Forschern, allen voran Professor Wiesner ın Wien, als Sonder- forschung gepflegt und ausgebaut wird, wegen seiner großen Schwierigkeiten von Laien aber nur mit größter Zurückhaltung betreten werden sollte. Dem Verfasser lagen Untersuchungen dieser Art gänzlich fern. Da die gedachten Erscheinungen aber zu augenfällig in die morphologische Ent- wickelung der Vorkeime eingriffen, um ganz übersehen zu werden, so wollte er wenigstens nichts versäumen, berufneren Bryologen für spätere, vergleichende Versuche über die Beziehungen der Lichtstärke zum 2 8 Wachstum der Moosvorkeime eine auf sorgfältigen Beobachtungen heruhende Grundlage zu schaffen. Er richtete sich also in seinem Arbeits- raum, einem zur Winterszeit stets 18 ° C. warmen Zimmer mit großem, nach Südost schauenden Fenster, für die Aufstellung der Kulturen drei Zonen ein. I. Zone: Der hellste, dem vollen Tageslicht ausgesetzte Platz unmittel- bar am Fenster. Hat im Dezember eine Stunde, im März mehrere Stunden die Vormittagssonne. Il. Zone: ein 2 m vom Fenster entfernter Tisch, der von den Sonnen- strahlen nicht berührt oder nur vorübergehend gestreift wurde. III. Zone: eine Stelle im tieferen Teil des Zimmers, die nur dem zerstreuten Tageslicht zugänglich war. Einzelne Kulturen wurden, um ıhr Verhalten beı farbiger Beleuchtung kennen zu lernen, mit einer blauen Glasscheibe bedeckt. Im übrigen wurden sie sämtlich derart aufgestellt, daß sıe stets in ıhrer ursprünglichen Lage blieben und dabeı das Licht immer aus der gleichen Richtung empfingen. Seitenlicht wurde durch undurchsichtige Schirme abgefangen. Um jedes Mißverständnis auszuschließen, sei hier ein Rıß eingefügt, der die Stellung der Schalen zu dem einfallenden Licht angibt (Abb. 1). Die Zeichnungen sind ohne Ausnahme auf diese Lage des Gesichtsfeldes eingerichtet; der Kopf jeder Tafel entspricht also der Lichtseite ders Kar ums der Fuß ihrer Schattenseite. Umpflanzung. Gleichwie der Gärtner seine Sämlinge aus dem Treibbeet ıns freie Land verpflanzt, sobald sie kräftig genug sind, so muß auch der Mooszüchter seine Kulturen zu rechter Zeit ins Freie bringen; denn nur den allerkleinsten Arten bietet sich die Möglichkeit, ihren ganzen Lebenslauf innerhalb der Petrischale abzuwickeln, während die größeren schon der Raumverhältnisse wegen eine Um- pflanzung verlangen. Erscheinen also die jungen Pflänzchen in größerer Zahl und drohen, mit den sich verzweigenden Rhizoiden den Nährboden zu er- schöpfen, so überträgt man die ganze Agarplatte — falls man überhaupt die weitere Eintwickelung des Mooses verfolgen wıll — auf einen Blumentopf, der mit einer der Lebensweise der betr. Art entsprechenden Erde oder Erd- mischung gefüllt ist. Über diese legt man, um saubere, von erdigen Teilen möglichst freie Rasen zu erzielen, je eine Scheibe Gaze und derbes Fließpapier, besser noch das „unzerreißbare Filtrierpapier‘‘ mit Gazeeinlage. Die glatt aufliegende Kultur wird mit einigen Nadeln befestigt und, mit einer Glasscheibe bedeckt, an einem schattigen Platz im Freien aufgestellt. Man sorge für ge- nügende Feuchtigkeit! Seit mir einmal die Amsel ganze Funaria-Rasen aus den Töpfen gezerrt hat, schütze ich meine Pfleglinge noch durch eine Glocke aus Drahtgaze gegen derartige ungebetene Gäste. In den folgenden Einzelbeschreibungen wird ım ersten Abschnitt der Verlauf der Kultur geschildert; der zweite enthält das Biologische und Morphologische; der dritte die Beziehungen zum Licht. Das Erscheinen junger Gametophyten galt mir als Zeichen, eine bis dahin gelungene Kultur abzuschließen; nur ın drei Fällen wurde sıe weiter fortgesetzt. Mit Versuchpflanzen, Literatur oder brieflichen Ratschlägen haben mich bei meiner Arbeit gütigst unterstützt die Herren: Professor Dr. Arnell ın Upsala, Geh. Hofrat Professor Dr. von@Goebelin München, Rektor Kalmuß in Elbing (7), Lehrer Krahmer in Arnstadt, Lehrer Krüger ın Eisenach, Redakteur L. Loeske in Berlin, Dr. K. Müller in Augustenberg, Dr. Quelle in Nieder-Schönhausen, Lehrer Schemmann in Annen, Professor Dr. Stahl m Jena, Dr. Timm in Hamburg. Ihnen allen spreche ich hiermit den aufrichtigsten Dank aus. 10 Literatur. Auf folgende Werke und Abhandlungen ist in dieser Arbeıt unter der entsprechenden Nummer Bezug genommen: 1. J. Hedwig: Fundamentum historiae naturalis muscorum frondosorum. Lipsiae 1782. H.Müller (Thurgau): Die Sporenvorkeime und Zweigvorkeime der Laubmoose. Leipzig 1874, Ch. Luerssen: Handbuch der systematischen Botanik. I. Bd. Kryptogamen. Leipzig 1879. Engler und Prantl: Die natürlichen Pflanzenfamilien. 1898. Liefg. 169. Musci. 13. DuoP . Goebel: Organographie der Pflanzen. Jena 18%. . G. Limpricht: Die Laubmoose Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. ‚Heipaig 1885 — 1904. . Warnstorf: Leber- und Torfmoose. Leipzig 1903. . Beequerel: Sur la germination des spores d’Atrichum undulatum et d’Hypnum velu- tinum. Comptes rendus 1904, Nr. 19. . Schoene: Beiträge zur Keimung der Laubmoossporen and zur Biologie der Laub- moosrhizoiden. Dresden 1905. (Inaug.-Diss.) . H. France: Das Pflanzenleben Deutschlands und seiner Nachbarländer. Stuttgart 1906—1907. . Janzen: Funaria hygrometrica. Ein Moosleben in Wort und Bild. Danzig 1909. Schriften d. Naturf. Ges. XII, 3. . Müller: Die Oekologie der Schwarzwaldhochmoore in Mitt. d. Bad. Landesvereins f. Naturkunde. 1909. Nr. 240—241. Rossel: Neue Forschungen über Pflanzengrün. Kosmos. VI. 5. 1909. . Bonnier: Ewiges Leben auf der Erde? Kosmos VI. 11. 1909. Wiesner: Der Lichtgenuß der Pflanzen. 1909. Verh. d. d. Naturf. u. Ärzte, . Loeske: Studien zur vergleichenden Morphologie und phylogenetischen Systematik der Laubmoose. Berlin 1910. 10 11 1. Phascum curvicollum Ehrh. (Abb. 2.) Von allen zu Kulturzwecken benutzten Moosen hat sich dies niedliche, nur wenige mm hohe Phascum, das seinen Artnamen der schwanenhalsartig herab- gebogenen Seta verdankt, als das dankbarste Versuchpflänzchen erwiesen. Diese kleinen, gesellig wachsenden Formen lassen sich selbstverständlich leichter ziehen, als die größeren mit ihren oft schwer zu erfüllenden Lebensbedingungen. 1. Die mit reifen Sporogonen bedeckten Räschen wurden am 10. April 1908 an der Göpelskuppe bei Eisenach auf Dolomitgeröll gesammelt. Am 23. Februar 1909 erfolgte die Anlage von zwei Kulturen auf Agar-A; sie wurden in der I. und III. Zone aufgestellt. Eine zweite Aussaat fand am 232. März 1910 statt. Die Keimung begann zehn Tage nach der Aussaat, verlief aber so ungleich- mäßıg, daß man noch zwei Wochen später teils unveränderte, teils keimende Sporen neben einem bereits reich verzweigten Protonema wahrnehmen konnte. Dieses bildete nach weiteren acht Tagen auf der Gallerte ausgedehnte, hell- grüne Flecken, deren dichtes Gewirr zierlich gefiederte Fäden umsäumten. Fünf Wochen nach der Aussaat erschienen die ersten Knospen und am Ende des zweiten Monats junge Pflänzchen in großer Zahl, deren Musterung folgendes Ergebnis lieferte: Stämmechen von 1,0—1,5 mm Höhe mit bis zu zehn Blättern; Habitus etwas flatterig; weibliche und männliche Blüten, unter diesen solche mit 16 Antheridien (Limpricht gibt nur 3—6 an!). Da die Art einhäusig ist, so war, bei genügender Bestäubung mit Wasser, die Entwickelung von Sporogonen zu erwarten; leider wurde ich durch eine längere Reise genötigt, die Beobachtung der Kultur zu unterbrechen, und um ihren Bestand nicht zu . gefährden, übertrug ich sie auf einen mit Dolomitschutt gefüllten Blumen- topf, der im Garten eingegraben wurde, und sorgte dafür, daß sie inzwischen fleißig begossen wurde. Anfang August zeigten sich die winzigen Kapseln. Die Umpflanzung hatte aber auf die ganze Anlage so günstig gewirkt, daß auf den freudig-grünen, sehr verbreiterten Beeten dichte Rasen kräftiger, junger Pflanzen entstanden waren, die acht Wochen später, mit einer Unmenge von Sporogonen übersät, einen reizenden Anblick boten. Waren diese noch licht- grün, so verrieten die älteren durch die Bräunung, daß sie mittlerweile reif geworden. Mitte November waren auch die Kapseln der zweiten Fruchtreihe der Reife nahe, denn die gut ausgebildeten Sporen lagen lose im Sporensack. Die Gesamtentwickelung, von der Sporenaussaat bis zur (ersten) Sporenreife, hatte noch nicht volle acht Monate gedauert. Auf der in der III. Zone aufgestellten Kultur ließ sich vier Wochen nach der Aussaat noch keine einzige Keimung wahrnehmen. Sie wurde, mit einer Scheibe aus blauem Glase bedeckt, in die I. Zone gerückt, doch ging auch jetzt die Sporenkeimung so langsam vonstatten, daß erst Ende April vereinzelte, 11 12 spärlich verzweigte Vorkeime vorhanden waren, während auf der anderen Platte bereits zahlreiche Ptlänzchen sprossten. — 2. Die blaßgelben, durchscheinenden Sporen sind kugelrund und fast glatt; erst bei starker Vergrößerung (600 :1) erscheinen sie schwach papillös. Ihr Durchmesser beträgt 0,025—0,028 mm. Bei der Keimung: quellen sie nur wenig; ein mächtiger Öltropfen wird sichtbar, die äußere Sporenhaut reißt und bleibt in Fetzen zurück, während kurz nacheinander zweı bis drei, auch wohl vier Keimschläuche hervortreten. (Abb. 2. A. B.) Diese wachsen auffallend schnell und verzweigen sich fast aus jeder ihrer Gliederzellen, welche etwa dreimal so lang als breit, verbogen, bauchig oder eingefallen sind und dadurch den anfangs gebildeten Vorkeimfäden und ihren Ästen ein geschlängeltes oder knotiges Aussehen geben. Die Zweige richten sich teils aufwärts, teils wachsen sie über die Agarfläche hin dem Lichtentgegen (Abb. 2. C.) und so entstehen häufig Gruppen, die an einen Kronleuchter erinnern. Die Vorkeimfäden sınd 0,016 bis 0,02 mm dick und bilden infolge ıhrer reichen Verzweigung dichte, gelbgrüne Überzüge auf der Gallerte; doch bleiben die Beete auf eine gewisse Breite beschränkt. Sobald nämlich das Protonema soweit gekräftigt ıst, daß es Knospen hervorbringt, wächst die Mehrzahl der Hauptachsen nicht mehr in gerader Richtung weiter, sondern in bogen- oder hakenförmigen Krümmungen, die bis zu schneckenförmigen Einrollungen an der Spitze führen, und da auch die Nebenachsen sich diese Eigentümlichkeit aneignen, so entsteht am Rande der Beete eine Einfassung von zierlichen Locken und Ranken (Fig. D.). Wir haben es hier nicht mit einer zufälligen Erscheinung zu tun, sondern mit etwas Gesetzmäßigem, denn die im März 1910 angelegte Kultur verhielt sich genau ebenso. Ja, bei dieser beobachtete ıch lange, fiedrig verzweigte Vorkeime, deren Hauptfäden sich in großem Bogen mit ihrer Spitze wieder zur Ausgangsstelle zurückschlängelten oder auch förm- liche Schleifen und Schlingen bildeten. Ich deute mir dies, bei keinem anderen Moose sonst wahrgenommenen Wachstum als eine Anpassung an die Lebens- weise der Pflanze. Wie bei ihren Verwandten, gesellen sich die Stämmchen zu wenig umfangreichen, dichten Herden; durch ein ausdauerndes, unterirdisches Protonema miteinander verwebt, schützen sie sich gegenseitig davor, durch Regen aus dem oft nur lockeren Boden fortgeschwemmt zu werden. Jene Schlingen und spiraligen Windungen tragen nun entschieden zu einer Verdich- tung des Vorkeims und der darauf entstehenden Räschen bei, indem sie den zur Verfügung stehenden Raum ergiebiger ausnutzen, als ein in die Weite schweifendes Protonema. An diesen älteren Vorkeimen sind die Zellen gleichförmig, die Fäden er- scheinen daher glatt (Fig. D). Vielfach dringen diese in die Gallerte ein, und oft runden sich dann ihre Gliederzellen ab, werden kugelig bis querbreiter, und durch Absterben einzelner entstehen rosenkranzähnliche Dauerformen. Die verkehrt-eiförmigen Knospen entwickeln sich im Laufe von acht bis zehn Tagen zu beblätterten Pflänzchen (Fig. E), an deren Grund aus einem, 12 13 wie bei anderen Moosen dreistockigen, knolligen Unterbau die Rhizoiden ihren Ursprung nehmen. Das erste, aus lockeren Parenchymzellen gewebte Blatt zeigt bereits die eigenartige Form mit der lang ausgezogenen Spitze; am vierten treten die Papillen auf, besonders an den Randzellen sichtbar; auch finden wir an ihm schon eine mehr oder weniger ausgebildete Rippe. 3. Verfolgen wir die Keimung auf der ın der I. Zone aufgestellten Kultur, so können wir bei den an jeder Spore in Mehrzahl und fast gleichzeitig auf- Abb. 2. Phascum curvicollum Ehrh. AB Keimende Sporen 120:1. C Stück eines jüngeren Vorkeims 120:1. D älteres Protonema 60:1. E Entwicklungs- zustände einer wenige Tage alten Knospe a nach 1 (b), 3 cc), 4 (d), 6 (e) Tagen 120 :1. Bei * stößt die Papillar- wand auf die Querwand, so daß der Zweig scheinbar zwei Gliederzellen angehört. tretenden Keimschläuchen zunächst nur beobachten, daß sie schnell wachsen, sich bald ın die Länge dehnen, bald hierhin und dorthin schweifen, um später die erwähnten Windungen zu beschreiben; die Bevorzugung einer bestimmten Richtung läßt sich dabei kaum wahrnehmen. Um so deutlicher ist diese an den frühzeitig und reichlich entstehenden Verzweigungen ausgesprochen. Schon an ganz jungen Vorkeimen (Fig. A) ist die Einseitswendigkeit der Äste angedeutet; unverkennbar ist sie in dem Zustande, den Fig. C wiedergibt; man kann da z. B. längere Zweigstücke, an denen auf der einen Seite 20, auf der anderen nur drei Äste ausgebildet sind, mühelos auffinden; bei kürzeren liegen sie oft sämtlich auf einer Seite und wachsen straff oder in gleich- 13 14 laufender Krümmung dem einfallenden Lichteentgegen. Aus- nahmen, wie eine solche ın Fig. D bei ** dargestellt ist, erklären sıch dadurch, daß ein der Anlage nach lichtwärts gerichteter Sproß erst durch die Krümmung des Fadens eine Verschiebung nach der Schattenseite erlitt, — daß ım übrigen die Natur nie nach der Schablone arbeitet. Finden wir also bei der überwiegenden Mehrheit der Vorkeime die Zweige in der angegebenen Weise gerichtet, so ist dieses nicht anders als durch die Wirkung des Lichtreizes zu erklären. Wenn ferner die in der III. Zone unter- gebrachte Kultur nur kümmerliche, verspätete Vorkeime lieferte, die ın der I. Zone aufgestellte aber normale Keimung und gesunde Vorkeime, welche sich reich verzweigten und keine schädlichen Lichtwirkungen, wie z. B. bei Enca- Iypta (s. S. 22), wahrnehmen ließen, so ist diese Verschiedenheit in der Ent- wickelung: gleichfalls durch die Beleuchtungsverhältnisse begründet und aus alledem der Schluß zu ziehen, daß nur die in der I. Zone herrschende Licht- stimmung derjenigen entspricht, die für das Gedeihen dieser Vorkeime er- forderlich ist — mit anderen Worten: Das Protonema von Phascum curvicollum bedarf des Genussesvollen Tageslichtes. Dieser Satz wird durch die Lebensweise des Mooses in der freien Natur bestätigt; seine Standorte, wenigstens die in der Umgebung Eisenachs, sind teils ganz schattenlos, teils liegen sie in Blößen eines lichten Kieferngehölzes. 2. Fontinalis antipyretica L. (Abb. 3.) Wo das die Landgrafenschlucht bei Eisenach durcheilende Bächlein ins Mariental eintritt, mündet es in einen kleinen Teich. An dieser Stelle, im Schatten steiler Felsen, wächst das Quellenmoos üppig und bringt auf schlam- migem Boden alljährlich zahlreiche Sporogone hervor. Von hier wurden die zu den folgenden Versuchen benutzten Pflanzen am 10. August 1908 entnommen. Da nach EC. Müller (4. S. 156) die Sporenkeimung bei Wassermoosen bisher nicht beobachtet worden ist, so war einiges Neue zu erwarten. | 1. Am 23. Februar 1909 wurden mehrere Kulturen auf Agar A angelegt und teils in der I., teils in der III. Zone aufgestellt; spätere Anlagen zur Be- stätigung einzelner Beobachtungen fanden am 26. November 1909 und 25. April 1910 statt. Am siebenten Tage nach der Aussaat waren in I etwa 13, am fünfzehnten Tage fast sämtliche Sporen mit Keimschläuchen versehen, die am Ende der dritten Woche gegen 0,3 mm lang, zum Teil ganz einfach, zum Teil spärlich verzweigt waren; alle wuchsen in geraden Linien nebeneinander nach der gleichen Seite hin. Von Mitte April ab richtete ich eine künstliche Bewässerung der Vorkeime ein, indem ich die Petrischalen unbedeckt etwas geneigt stellte und durch einen als Docht wirkenden Streifen Fließpapier mit einem größeren Gefäß verband, das Quellwasser aus dem erwähnten Bache enthielt. Die ganze 14 15 Vorrichtung bedeckte ich mit einer Glasglocke. Auf diese Weise wurde eine ununterbrochene Berieselung der Kulturen erzielt, die den natürlichen Ent- wickelungsbedingungen ın dem Maße entsprach, daß sich nach Verlauf der achten Woche neben zahlreichen Knospen (Fig. H) einzelne junge Pflänzchen zeigten, die größeren darunter bis zu 4 mm Höhe (Fig. J, K). Es wäre jetzt Abb. 3. Fontinalis antipyretica L. A Gruppe keimender Sporen 300:1. B solche mit je 2 Keimschläuchen 150:1. C Gruppe in blauem Licht keimender Sporen 120:1. D ein etwa 18 Tage alter Vorkeim, E derselbe 8 Tage später 120:1. F Spitzen zweier Fäden mit der verlängerten Endzelle (um 10 Uhr vormittags), G dieselben nach der Teilung (um 6 Uhr nachmittags) 120: 1. H Knospe 120:1. IK junge Pflänzchen, I 30:1, K 15:1. A aufwärts, Y abwärts wachsende Aeste. Sp Spore. der richtige Zeitpunkt gewesen, die Agarplatten in einem größeren Behälter mit beständig sich erneuerndem Wasser, einem Brunnentrog etwa, unter- zubringen, um statt der nach und nach verkümmernden Pflänzchen normale zu erhalten; da Derartiges nicht zur Verfügung stand, mußte der Versuch ab- gebrochen werden. Auf Kultur III waren nach 14 Tagen nur vereinzelte Sporen- schläuche bemerkbar; nach weiteren 14 Tagen, als auf I schon kräftige, ver- zweigte Vorkeime grünten, etwa 14 aller Sporen in der Keimung begriffen, 15 16 doch erreichten hier die längsten Schläuche nur eine Ausdehnung von zwei Sporendurchmessern. Am 23. März wurde diese Platte ans Fenster gestellt und mit einer blauen Glasscheibe bedeckt; jetzt keimte der Rest der Sporen innerhalb acht Tagen, doch alle nur mit einem Keimschlauch, und selbst nach vierwöchentlicher Belichtung brachten diese es nicht über vier bis fünf Glie- derzellen (Fig. C). 2. Die Aussaat der olivengrünen, fein punktierten Sporen hat zunächst eine erhebliche Quellung zur Folge. Ihr Durchmesser von 0,016—0,022 mm wächst schon in wenigen Tagen aufs doppelte; ım Innern ballt sich Chlorophyll und formt sich zu Körnern; endlich reißt die äußere Haut in einem mehr oder weniger deutlichen, schmäleren oder breiteren Spalt auf, und ein mit Chroma- tophoren ganz gefüllter Schlauch tritt hervor. Meist folgt bald auf der ent- gegengesetzten Seite oder im spitzen Winkel (Fig. B) ein zweiter; eine dicht an der Spore sich bildende Wand grenzt die Schläuche gegen diese ab, und rasch entwickeln sie sich zu geradlinigen, kaum verbogenen, ın ihrer ganzen Länge aus gleichartigen, kurz rechteckigen Gliederzellen geformten Vorkeim- fäden. Ihre Verzweigung ist anfangs so spärlich, daß sich bis zwölf Zellen lange, glatte Zwischenstücke finden; später werden die Äste reichlicher, doch folgen sie keiner bestimmten Ordnung, es treten vielmehr jüngere zwischen den älteren auf, und bald wachsen sie über die Agarfläche hin, bald aufwärts in die Luft (#), bald abwärts in die Gallerte hinein (4). So ein junger Fontinalis-Vorkeim zeichnet sich durch eine auffallende Starrheit seiner dunkelgrünen Fäden aus (Fig. E); sie sind 0,016 bis höchstens 0,02 mm breit und so gleichförmig gebaut, daß man an ihnen die durchschnitt- lich 0,028 mm langen, derben Gliederzellen gleichsam ablesen kann, wie auf einem Maßstabe. Sie erscheinen also 112 mal so lang, als breit, mit Ausnahme der Endzelle, die sich vorzüglich zur Beobachtung des Spitzenwachstums eignet; dieses geht nämlich in Einzelfällen sehr regelmäßig vor sich, räumlich und zeitlich genau zu verfolgen. Zunächst dehnte sich dabei die Endzelle (Fig. F) auf das Doppelte ihrer Länge (0,052 mm), was sich an den beiden beobachteten Fäden während der Nacht vollzog, und zeichnete sich dann morgens durch hellere Färbung des Inhalts gegen die Nachbarzellen ab; im Laufe des Tages bildete sich die die Endzelle halbierende Querwand (Fig. G), so daß also jeder Faden sich binnen 24 Stunden um eine Zelle verlängerte. Daß diese in viertägiger Beobachtung festgestellte Regelmäßigkeit nicht all- gemein gilt, lehrt ein Vergleich der Figg. D und E; E stellt den nämlichen Vorkeim dar, wie D, nur acht Tage später; die Verlängerung in der be- schriebenen Weise beschränkt sich hier, wie der Augenschein lehrt, auf die Hauptachse. Die Knospen (Fig. H) unterscheiden sich von denen anderer Moose nicht, dagegen reden die jungen Gametophyten (Fig. J, K) durch Form und Zell- netz ıhrer Blätter, nach Streckung des Stämmchens auch durch ihren Habitus, 16 17 eine so deutliche Sprache für die Eigenart dieser Jugendformen, daß eine be- sondere Beschreibung überflüssig ist. 3. Das Überraschendste an den ersten Entwickelungszuständen dieses Mooses ist ihr Verhalten gegen das Licht. Die Tatsache zwar, daß ın der I. Zone schnellere Keimung und kräftigeres Wachstum stattfindet, als ın der III., läßt sich auch hier durch die Beleuchtungsunterschiede hinreichend erklären. Doch nicht darum handelt es sich, sondern um die den drei Zonen gemeinsame richtende Wirkung. Von den Versuchen mit Funaria hygrometrica, Hypnum cupressiforme, Phascum curvicollum u. a. her war ıch daran gewöhnt, die Keimschläuche dem einfallenden Licht entgegenwachsen zu sehen. Bei Fon- tinalis trat genau das Gegenteil ein. Wie die Beobachtung der ersten Kultur erkennen ließ und die der später angelegten bestätigte, zeigten die Keimschläuche unmittelbar nach ihrem Aus- tritt in allen drei Zonen das Bestreben, aus dem Bereich des Lichts ın den des Schattens') zu gelangen. Wo immer eine Gruppe keimender Sporen bei- sammen lag (Fig. A, C), war die Richtung nach der Schattenseite unverkenn- bar; einzelne Keimschläuche beschrieben dabei eine Krümmung bis zum Halb- kreis, um sich dann gradlinig, gleichlaufend mit den Lichtstrahlen, zu ver- längern. Daß sie nur deren bestimmendem Einfluß folgten, ließ sich dadurch beweisen, daß, als die Petrischalen um 180° gedreht wurden, das Licht also von der entgegengesetzten Seite einfiel, die Vorkeimfäden in zierlichen Bogen weiter wuchsen, bis sie sich wieder zurecht gefunden, d. h. die Schattenrichtung erreicht hatten. Wo sie aber wirklich dem Licht entgegenwuchsen, stellte die Endzelle bald ihre Tätigkeit ein, so daß sie kurz blieben. Bekanntlich bringt Fontinalis, die man sonst nicht gerade zu den Schatten- moosen zählt, ihre Sporogone nur selten und an bestimmten Örtlichkeiten hervor. Der Fundort unsrer Pflanze erhält nur im Hochsommer hin und wieder einen flüchtigen Sonnenblick und liegt sonst tagsüber im Schatten. Diesen Verhält- nissen müssen sich die dort reifenden Sporen anpassen; im Reiche eines Licht- minimums entstanden, werden sie sich beim Keimen mit dem geringsten Licht- genuß begnügen. Offenbar liegt ihr Lichtoptimum noch jenseits meiner III. Zone und damit wäre die auffallende Erscheinung der Lichtflucht ihrer Keimschläuche verständlich. Während nun das Licht auf die Vorkeime eine abstoßende Wirkung ausübte, wandelte es diese den jungen Pflanzen gegenüber wieder ın eine anziehende; sie strebten ohne Ausnahme der Lichtquelle zu. Dort das lichtflüchtige Protonema — hier der lichthungrige Game- tophyt: läßt sich ein besseres Schulbeispiel finden zur Stütze des Erfahrungs- 1) Auf der Agarfläche ist das Licht gleichmäßig verteilt, der „Schatten“ also für den Vorkeim „ein Ziel, das er nie erreicht“. Gemeint ist unter „Schattenseite‘ natürlich der dunklere Teil des Arbeitsraums. 35. Ber. d. Wpr. Bot.-Zoo], Vereins. 17 > 18 satzes, daß die höhere Entwickelungsform auch das größere Lichtbedürfnis äußert? ') 3. Encalypta ciliata Hoffmann. (Abb. 4 und 5.) 1. Fünf Kulturen, in verschiedenen Jahreszeiten angelegt, waren erforder- lich, um von diesem schönen Moose — Eu-calypta nennt es Hübener mit Recht — junge Gametophyten zu erhalten. Zu den beiden ersten wurden in Ermangelung von frischen Pflanzen getrocknete mit gut ausgebildeten Sporen dem Herbar entnommen; sie waren von mir ım Juli 1890 ım Harz und ım August 1898 in Kärnthen gesammelt. In beiden Fällen versagten die Sporen vollständig; sie lagen (in der I. und III. Zone) nach vier Monaten noch immer unverändert auf der Gallerte (A). Herr Lehrer Krüger war so gütig, mir fruchtende Rasen zu überlassen, die er am 9. August 1909 in der Nähe Eisenachs aufgenommen hatte. Die am 14. Oktober 1909 auf Agar B ausgesäeten Sporen waren nach acht Tagen auf der in der I. Zone aufgestellten Platte sämtlich mit Keimschläuchen versehen; auch in der II. Zone hatten fast alle gekeimt. Auf beiden Schalen entwickelte sich das Protonema kräftig, doch ohne sich sonderlich zu ver- zweigen, begann aber in den trüben Tagen des Dezember zu kränkeln, wurde mißfarbig, und die Bemühungen, durch Luftveränderung, Zuführung von Kohlensäure und von Kaliumnitratlösung (1 :1000) eine Auffrischung zu erreichen, blieben ohne Erfolg. Das Chlorophyll schwand, die Vorkeimfäden bräunten sich und gingen endlich zu Grunde. Erst der fünfte Versuch führte zum Ziel. Die am 25. Januar 1910 auf Agar A ausgesäeten Sporen (v. 9. August 1909) keimten in der I. Zone fast ohne Ausnahme im Laufe von sechs Tagen; auf dem üppigen Protonema, zeigten sich Ende März die ersten Knospen, die sich in Kürze — zehn Wochen nach der Aussaat — zu jungen Pflänzchen entwickelten. Eine am 25. April 1910 angelegte Kultur keimte ın der I. Zone schnell; ebenso schnell wurden aber 1) Wir bleiben wohl in den Grenzen der wenige Seiten vorher empfohlenen Zurück- haltung, wenn wir für den Phototropismus der Laubmoosvorkeime dieselben dem plasmatischen Zellinhalt innewohnenden Kräfte annehmen, die sich in der jedermann bekannten Erscheinung des lichtwärts gerichteten Wachstums an Keimpflänzchen höherer Gewächse äußern. In beiden Fällen handelt es sich im Grunde um eine Anpassung der Pflanze an die ihr nicht zusagende einseitige Beleuchtung, die dadurch zu einer allseitigen wird, daß sich die Achse gleich- laufend zu den einfallenden Sonnenstrahlen stellt; bei dem an der Unterlage haftenden Protonema wird sich also die führende Endzelle mit ihrem Scheitel dem Licht entgegen richten. Wenn man dafür den gemeinverständlichen Ausdruck „Lichthunger“ gefunden hat, so fehlt uns für den negativen Phototropismus, die Ablenkung nach der entgegengesetzten (Schatten-) Richtung eine entsprechende Bezeichnung, da von einer „Sättigung“ dureh Licht nicht die Rede sein kann. Die Worte „Lichtscheu“, „Lichtflucht‘“‘ deuten aber auch auf innere Ursachen, und wer nach weiteren Gründen sucht, findet sie vielleicht in dem hypothe- tischen „Strahlungsdruck“ des nordischen Forschers Arrhenius. 18 19 die jungen Keime von den Strahlen der Maisonne zerstört, während dicht daneben ein älteres Protonema fröhlich weiter grünte. 2. Die Sporen der Encalypta ciliata unterscheiden sich von denen aller anderen höheren Laubmoose unseres Gebiets, ja sogar von denen der übrigen einheimischen Arten dieser Gattung, dadurch, daß sie kugeltetraedrisch gebaut. sind, wie die der Torfmoose, mithin auch nach der Reife noch ihre Entstehung Abh. 4. Encalypta ciliata Hoffm. A Drei Sporen einer Tetrade. B Spore von der Seite, C von unten mit den 3 Pyramidenflächen. D Keimende Sporen davon 3 normal, die obere (a) mit Anlage zum Zartfaden. E Spore mit beiderlei Keimschläuchen, A—E 300: 1. F Keimende Sporen, Retortenform 120:1. G Gruppe normal keimender Sporen; bis a kurz nach der Keimung; bsb= 2,bisc = 6, bis d = 14 Tage, später 150 :1 (Schläuche etwas schematisch). H J Sporen mit Hemmungs- formen und Normalfäden 120:1. K Spore mit Keimfaden, der anfangs dünn ist (Fig. links), weiterhin in 2 normale übergeht (Fig. rechts) 150 ::1. £ durch Vierteilung der Sporenmutterzellen erkennen lassen. Entleert man eine reife Kapsel über einem hohlgeschliffenen Objektträger und mustert den Inhalt im Wassertropfen, so wird man hier und da zu Vieren lose zusammenhängende Sporen wahrnehmen, die sich beim leisesten Druck trennen und nun ihre eigenartige Form zeigen (Fig. A, B, C). Die bisherige Außenseite (in der Tetrade) ist halbkugelig gewölbt und mit großen Pusteln bedeckt;. die frühere Innenseite bildet einen stumpfen, dreiseitigen Kegel, dessen Flächen glatt und mit strahlenförmig gegen die Spitze verlaufenden Linien geziert sind; indem 19 9% 20 der Rand der Kuppel sıe ein wenig überwölbt, erscheint bei der Ansıcht von unten das in Fig. U dargestellte Bild. Die Limprichtsche Beschreibung (6, II, S. 112) „auf jeder Tetraederfläche mit sternförmiger Zeichnung; um das eckige Mittelfeld strahlenförmige Linien“ ist ziemlich ungenau und noch weniger entspricht Hedwigs Abbildung und Angabe (1, II, S. 50) „eircu- larıbus depressionibus distincta“ bezüglich der Oberfläche der Wirklichkeit. Der Durchmesser der ockerbraunen, durchscheinenden Sporen beträgt 0,028 bis 0,036 mm; beim Keimen vergrößert er sich kaum, da die äußere Haut nicht quillt, sondern dreizackig aufreißt, wobei die erwähnten, strahlıg- linienförmigen Verdickungen — Leisten kann man sie nicht gut nennen — des Exospors vielleicht die Wirkung einer Federkraft auf die sich trennenden Flächen ausüben. Infolge der polaren Ausbildung ist hier der Sproßpol ohne weiteres erkennbar; es ist die Stelle, an der sich die drei Pyramidenflächen berühren. Von diesem Punkt aus reißen sie an den Kanten auf, die äußere Sporenhaut öffnet sich wie ein dreilappiger Kelch, und der Inhalt der Spore tritt als plumpe, von Chlorophyll strotzende Masse hervor (Abb. 4, Fig. D). Das weitere Verhalten der keimenden Sporen ist insofern höchst merk- würdig, als sie je nach der Lichtstärke zweierlei Schläuche treiben. Auf der Anlage vom 14. Oktober 1909 brachten sie in der II. Zone normale, gedrungene, mit Blattgrün gefüllte und lange Zeit unverzweigt bleibende Schläuche hervor (Abb. 4, G), deren Dicke von 0,032 bis 0,036 mm die aller sonst noch beobachteten Vorkeimfäden übertraf. Ebenso verhielten sich die Sporen der Winteraussaat vom 25. Januar 1910 auf Agar A, die in der I. Zone aufgestellt waren. Dagegen verlief die Keimung der Oktoberaussaat ın der I. Zone ganz eigenartig; der Sporenschlauch schnürte nur eine kurze Gliederzelle ab, ver- jüngte sich aus dieser unter Bildung retortenähnlicher Formen (Abb. 4, F) und wuchs dann zu einem längeren, zarten, fast inhaltlosen und höchstens 0,01 mm dicken Faden aus (Abb. 4, H). Die meisten dieser Zartfäden nahmen, obwohl sie keinen Rhizoidcharakter zeigten, ihren Weg abwärts in die Gallerte hinein, um früher oder später am Ende zu einer Knolle mit grünem Inhalt anzuschwellen (Abb. 4, J) oder in einen gewöhnlichen Dickfaden überzugehen (Fig. K). Bei den Frühkulturen vom 25. Januar traten diese Bildungen ebenfalls auf, nur spärlicher; bei den in der II. Zone aufgestellten blieben sıe überhaupt aus. Nach diesen bleichen Fäden, seltener gleichzeitig mit ihnen, brachen aus der Spore oder aus der ersten Gliederzelle die normalen, grünen Keimsceläuche hervor (Fig. E, H, J). Beide schlugen dann aber — und das war das Auffallendste hierbei — eine entgegengesetzte Richtung ein; die blassen Zartfäden wuchsen abwärts in die Agar hinein, der Schattenseite zu, die grünen Dickfäden richteten sich dem Licht entgegen, wobei sie, je nach der Lage der Spore, oft zu erheblichen Umwegen genötigt waren (Fig. G). Auf älteren Anlagen, die es nicht zur Knospenbildung brachten, verlor sich mit der Zeit das Blattgrün aus den Vorkeimfäden; sıe bräunten sich, schwollen gegen das Ende zu an und bekundeten durch Auftreten von Längs- 20 21 und schrägen Wänden die Neigung, ın Dauerformen überzugehen (Abb. 5, Fig. G). Sie erinnerten dann lebhaft an die Bemerkung H. Müllers (2, S. 25) über ‚„Vorkeimachsen, die direkt aus der Spore entspringen und an ihrer Spitze in eine Moosknospe übergehen können“. Ich habe solche endständigen Knospen nie wahrgenommen. In der dürftigen Verzweigung des Protonemas, die sich oft auf kurze, stutzenförmige Äste beschränkt und nichts von der reichen Fiederung bei andern Moosen aufzuweisen hat, ıst eine Regelmäßigkeit oder Ordnung nicht Abb. 5. Encalypta ciliata Hoffm. A Protonema mit junger Pflanze und Brutknöllchen a 30:1, daneben a 120 :1. B Knospe 150 ::1. C Junger Game- tophyt 120:1. D Dessen erstes Blatt 150:1. E Spitze des dritten Blattes 150: 1. F Protonema mit ausgebleichten Endzellen 70:1. G In Ruheformen übergehende Vorkeimfäden 150 :1. zu erkennen; an aufsteigenden Achsen fielen Zweige oft dadurch auf, daß sie dicht unter einer ausgebleichten Endzelle ihren Ursprung nahmen (vergl. unter 3). Dieses aufsteigende Wachstum des Vorkeims ist bemerkenswert; selten breitet er sich auf der Unterlage aus, und ein Verzweigen innerhalb der Agar kommt überhaupt nicht vor. Wir haben es bei Encalypta im wesentlichen mit einem Luftprotonema zu tun. Die Knospen sind eikugelförmig (Abb. 5, B). An den jungen Gameto- phyten ist das erste Blatt noch glatt; am dritten treten bereits die Papillen auf, die am Rande als feine Zähnchen erscheinen (Fig. C, D, E). 3. Könnten nach dem bisher Mitgeteilten noch Zweifel an der richtenden Wirkung des Lichts bestehen, so müssen sie angesichts des offensichtlichen Phototropismus der Keimschläuche von Encalypta schwinden. Welche treibende 21 22 Kraft könnte sonst diese Keimfäden veranlassen, ihr Wachstum, wie es Fig G (Abb. 4) so klar als möglich zeigt, so einzurichten, daß sie sich gleichlaufend zum Lichteinfall stellen und diesem die Scheitelzelle darbieten? Was anders als Lichtreiz rief aus den Sporen an trüben, lichtarmen Oktobertagen die kräftigen, grünen, lichthungrıgen Normalfäden hervor, an sonnen- reichen die lichtflüchtigen, schutzbedürftigen Zartfäden? Man muß die letzten, wozu ihre weitere Entwickelung nötigt, als Hemmungsbildungen auffassen, die, mit möglichst geringem Kraftaufwand ins Leben gerufen, nur auf günstigere Bedingungen warten, um alsbald in normale Keimfäden über- gehend dem Licht zuzustreben. Eine weitere, ım Einfluß des Lichts ihre Erklärung findende Erscheinung ist das Ausbleichen der Scheitelzelle auf Kulturen der I. Zone (Abb. 5, Fig. A und F). An den lichtwärts gerichteten Achsen ist diese den Sonnenstrahlen am meisten ausgesetzt, konzentriert sie wohl noch mittels der wie eine Sammel- linse wirkenden, gewölbten Endfläche auf den Zellenkern und stirbt bei zu langer oder zu kräftiger Bestrahlung den Lichttod. Aus alledem ergibt sich, daß der für die Entwickelung des Encalypta- Vorkeims günstigste Lichtgenuß nicht in der I., auch nicht in der II. Zone zu suchen ist, sondern in dem Zwischengebiet. Das Lichtoptimum fürdas Protonema von fncalyptaciliataliegt zwıschen derl.undder[llI Zone. 4. Pogonatum aloides P. Beauv. (Abb. 6.) 1. Gäbe die größere oder geringere Verbreitung den Maßstab für die Kulturfähigkeit eines Mooses, so müßte sich dieses an überschatteten Wald- wegen oft ausgedehnte Flächen überziehende Pflänzchen für unsere Zwecke besonders eignen. Die Erfahrung lehrt indessen das Gegenteil. Von den am 3. Juli 1909 bei Eisenach mit überreifen Kapseln gesammelten Rasen wurden zwei Kulturen angelegt, die eine am gleichen Tage auf Agar A, die andere am 14. Oktober auf Agar B; beide erhielten ihren Platz in der I. Zone. Die Sporen quollen nach wenigen Tagen, blieben in diesem Zustand oder trieben ganz kurze Keimschläuche, lagen dann wochenlang ohne jeden Fortschritt auf der Gallerte, um schließlich unter Entfärbung des Inhalts zu zerfallen. Wiederholtes Besprengen mit einer Magnesialösung (MgSO, 1 : 100) konnte diesen Vorgang nicht aufhalten. Am 7. Januar 1910 wurden frische Rasen aus Gräbners Hölzchen geholt, am 3. Februar die noch nicht stäubenden, doch völlig reifen Sporen auf zwei Platten ausgesäet — diesmal beide auf Agar A — und eine davon ın der I., die andere in der II. Zone aufgestellt. Die Beobachtung ergab: nach acht Tagen auf beiden Schalen gequollene Sporen, bei I reichlich, bei II nur ver- einzelt; 21% Wochen später bei I kurze, höchstens zweizellige Sporenschläuche (Abb. 6, C), bei II lange Schläuche mit entfernt gestellten Scheidewänden 22 (Fig. A, B). Nach weiteren drei Wochen war die Kultur in I zerstört, allem Anschein nach durch zu starke Belichtung; in II entwickelten sich die Schläuche anfangs kräftig, bald aber zeigten sie auffallende Neigung, ın Einzelzellen zu zerfallen (Fig. E), wogegen auch öfteres Berieseln mit Nähr- lösung nichts helfen wollte. Dazu stellten sich Grünalgen ein, und im Kampf -mit diesen unterlagen schließlich die nur 1 mm langen Fäden der Beete. Die Nährlösung hatte aber soviel bewirkt, daß zwischen den Beeten und über diese hinaus sıch einzelne Vorkeime bıs zu der stattlichen Länge von Abb. 6. Pogonatum aloides P. Beauv. A Gruppe in der II. Zone keimender Sporen 300: 1, bei a Reste der äußeren Sporenhaut. B Teil dieser Gruppe 9 Tage später (Zellinhalt fortgelassen). C Gruppe in der I. Zone keimender Sporen 150 :1. D Aelterer Vorkeim 30:1. E Zerfallendes Protonema 150 :1. F Junge Pflanze 20:1. G Deren erstes Blatt, unterm Deckglase, daher in der Mitte geknickt, 120 :1, 8 mm entwickelten; auf diesen entstanden Ende April, drei Monate nach der Aussaat, die ersten Pflänzchen (Fig. D, F). 2. Die grünen, glatten Sporen quellen so stark, daß ıhr Durchmesser von 0,012 bis 0,014 mm bis auf 0,024 mm wächst; dabei nehmen sie häufig eine eiförmige oder länglichrunde Gestalt mit einem Längsdurchmesser bis zu 0,036 mm an. Eine seichte Einschnürung bezeichnet in diesem Fall gewöhnlich die Stelle, an der die erste Wand — also noch innerhalb der Spore EN al algr (Fig. A, C). Die plumpen Keimschläuche sind reich an grünem Inhalt; sie erreichen oft die mehrfache Länge des Sporendurchmessers, ehe sich eine Querwand bildet und wenden sich bald nach ihrem Austritt entschieden dem einfallenden Licht entgegen. Ihre Dicke beträgt 0,012 bis 0,016 mm; an der Spitze sind sie meist etwas stärker. 23 24 Das Protonema, vor vielen Jahren schon von Dillwyn als Byssus velutinus beschrieben (4), bildet in der freien Natur ein hellgrünes, dichtes Geflecht von Fäden und Rhizoiden; auf der Agar liegen die Fäden anfangs unverzweigt nebeneinander, um später in lange, besenartige Gruppen mit spärlicher, gabeliger oder fiederiger Verzweigung überzugehen. | Die Knospen sind verhältnismäßig klein, die jungen Gametophyten schlank; schon das erste Blatt ıst nach Form und Zellnetz ın Scheidenteil und Blattfläche gegliedert (Fig. G). Lamellen sind auch an zehnblätterigen Pflanzen noch nicht andeutungsweise vorhanden, ebensowenig zu Strängen verflochtene Rhizoiden. | ödö. Wie wir aus dem ersten Abschnitt ersehen, ist von den zu verschiedenen Jahreszeiten angestellten vier Versuchen nur einer gelungen, nämlich der vom Februar 1910. Die betreffende Schale war ın der II. Zone aufgestellt worden, während die drei andern der I. zugeteilt wurden und hier zugrunde gingen. Wir dürfen daraus schließen, daß das Protonema von Pogonatum aloides einem Lichtgenuß angepaßt ist, wie er in unserer II. Zone geboten wird. — Die Richtung der Vorkeimfäden ist ausgesprochen phototrop. 5. Diphysicum sessile Lindb. (Abb. 7.) Ein älterer Moosforscher hat Diphyscium nicht unzutreffend den „Komiker“ unter den Moosen genannt. In der Tat zeigt das seltsame Pflänz- chen sowohl in seiner Gestalt, wie :ın seinen Lebensäußerungen manches Absonderliche. So kommt hier z. B. die Verstäubung der Sporen, wie Goebel beobachtet hat, dadurch zustande, daß schwere Körper, wıe Sandkörner, Regentropfen, auf die straff gespannte Oberseite der Kapsel fallen und durch den dabei entstehenden Luftdruck den Inhalt hinausbefördern. Kulturver- suchen gegenüber verhält sich die überall nıcht seltene Art recht spröde; über jüngere verzweigte Vorkeime bin ich nicht hinausgekommen, so daß keine Gelegenheit war, die bekannten schild- oder pilzförmigen Assimilationskörper, welche man in jedem Diphyscium-Rasen findet, ın ihrer Entwickelung zu verfolgen; ebensowenig natürlich junge Gametophyten. 1. Außer den in der Einleitung (S. 4) erwähnten Aussaaten wurden zu drei verschiedenen Zeiten unter wechselnden Bedingungen Kulturen angelegt. a) Pflanzen, gesammelt 23. April 1908 bei Eisenach. Aussaat 23. Fe- bruar 1909 auf Agar A. b) Pflanzen, gesammelt 11. Oktober 1909 bei Eisenach. Aussaat 14. Ok- tober 1909 auf Agar B. c) Pflanzen, gesammelt 11. Oktober 1909 bei Eisenach. Aussaat 4. Fe- bruar 1910 auf Agar A. a wurde in der I. und III., b in der I., ce ın der I. und II. Zone aufgestellt. 24 25 a) I. Zone. 15 Tage nach Aussaat begann die Keimung; 5 Tage später war sie bei fast allen Sporen eingetreten. Die meisten hatten zwei Schläuche, in der Regel nach entgegengesetzten Seiten, getrieben. Die Gliederzellen stülpten sich sehr bald aus, um in kurze Seitentriebe überzugehen. Nach nur fünf Wochen ging das Protonema, nachdem es unter Schwellen und Ausbleichen der Zellen zahlreiche Lichtfäden getrieben hatte, zugrunde. — In der III. Zone waren vier Wochen nach der Aussaat auf der ganzen Platte fünf kurze Keimschläuche sichtbar. Am Fenster unter einer blauen Glas- Abb. 7. Diphyscium sessile Lindb. A Zwei unveränderte und eine gequollene Spore. B Spore mit 3 Keimschläuchen. © Semmelförmiger Vorkeim, D Gruppe junger Vorkeime. E Dieselbe 18 Tage später. A—E 300 ::1. F Aelterer Vorkeim. G Derselbe 10 Tage später, 120 :1. H Protonema mit 1—2 Zweigen aus jeder Zelle, 300: 1. platte entwickelten sich solche binnen acht Tagen reichlich, doch nur einer aus jeder Spore, und erst drei Wochen später begannen sie sich spärlich zu verzweigen. b) Die 18 Tage nach Aussaat einsetzende Keimung zeitigte bei zahl- reichen Sporen 2 bis 3 zellige Schläuche, dann trat ein Stillstand ein. Die meisten Sporen quollen nur und verharrten noch Ende ‚Januar in diesem Zustand, so daß die Kultur als aussichtslos abgebrochen wurde. c) Die Februaraussaat lieferte in beiden Zonen erst nach 20 Tagen keimende Sporen; in I alles kräftiger entwickelt, als in II. Die auch hier bald eintretende Bleichsucht wurde durch wiederholtes Übergießen mit Nährlösung für einige Zeit mit Erfolg bekämpft; doch verhieß die schon an Jüngeren Vorkeimen erkennbare Neigung, in kürzere Stücke zu zerfallen, 25 26 diesen keine lange Lebensdauer. Im Juni teilten beide Kulturen das Schicksal der früheren. 2. Die sehr kleinen, nur 0,008 bis 0,010 mm messenden Sporen quellen beim Keimen ganz außerordentlich, viele, indem sie Eiform annehmen, bis zum 2 bis 3 fachen ıhres bisherigen Durchmessers. Die äußere Haut dehnt sich offenbar mıt, denn auch bei starker Vergrößerung sınd keine Fetzen davon sichtbar. Gleich nach ıhrem Auftreten grenzen sich die Keimschläuche durch eine Wand gegen die Spore ab, und die zuerst gebildeten Gliederzellen runden sich isodiametrisch, so daß Rosenkranz- oder Semmelformen (Fig. C) nicht selten sind. Ganz auffallend ıst die jeder Zelle innewohnende Neigung, sich zunächst mamiıllös auszusacken, dann zu einem wenigzelligen, kurzen + rechtwinklig abstehenden Ast auszuwachsen. Die so entstehenden, reichlich, doch ganz unregelmäßig verzweigten, streckenweise knotigen oder höckerigen Gebilde (Fig. F, G) finden ihresgleichen nicht unter den übrigen Versuch- moosen; nur bei Buxbaumia begegnet man ähnlichen Formen (vergl. Abb. 16, Fig. B, C), und so gibt sich die Verwandtschaft beider schon auf dieser Stufe kund. Lassen die morphologischen Verhältnisse infolge des ungünstigen Ver- laufs der Kultur es an der nötigen Klarheit und Vollständigkeit fehlen, so bietet 3. das Wachstum des Protonemas unter dem richtenden Einfluß des Lichts ein weiteres Rätsel. Ein so entschiedenes Hinneigen der Vorkeime nach der Licht- oder nach der Schattenseite hin, wıe in den bisher besprochenen Fällen, gibt es hier nicht. Wie die Figg. U und D erkennen lassen, wachsen die jungen Keimschläuche anfangs richtungslos, und erst die Figg. E, F, G deuten darauf hin, daß, wenn von einer bevorzugten Richtung hier überhaupt gesprochen werden darf, diese — wenigstens für dıe Hauptachsen — nur als „rechtwinklig zum Lichteinfall‘“‘ bezeichnet werden kann. Die Gruppe E ıst einem Teil des Gesichtsfeldes entnommen, auf dem ich neben 25 solcher quer (also im Zuge der Streifenlinie) gewachsenen Vorkeimen nur 14 anders ge- richtete zählte. Nach den bisherigen Erfahrungen ist Licht-Indifferentismus, d. h. Unempfindlichkeit gegen Lichtreiz, mit der zarten Beschaffenheit des Moosvorkeims unvereinbar. Wenn hier also die Fäden weder dem Licht entgegen, noch dem Schatten zu wachsen, sondern der neutralen, zwischen beiden liegenden Grenze folgen, so befinden sie sich auf dieser im günstigsten Lichtgenuß, in ihrem Lichtoptimum, wo ihnen schließlich jede Richtung recht sein wird. | Leider läßt sich diese Annahme, so einleuchtend sie ıst, wenig mit der Tatsache in Einklang bringen, daß die Diphyscium-Vorkeime trotzdem in allen Fällen verkümmerten und über kurz oder lang gänzlich eingingen, und so bleibt auch hier eine Lücke auszufüllen und festzustellen, inwieweit außer den Lichtverhältnissen etwa die Beschaffenheit des Nährbodens an dem Mib- erfolg beteiligt ist. 26 u 6. Schistostega osmundacea Mohr. Die mit Sporogonen nur spärlich versehenen Räschen wurden mir von meinem Freunde L. Loeske, der sie am 26. Juli 1908 bei Hochsteg im Zillertal gesammelt hatte, übersandt; frischeres Material war leider nıcht auf- zutreiben. Die fast farblosen Sporen sind glänzend, zumeist länglichrund oder eiförmig und messen nur 0,01 : 0,012 bis 0,012 : 0,016 mm. Es wurden am 4. Juli 1909 zwei Kulturen auf Agar A angelegt und die eine in der I., die andere in der III. Zone aufgestellt. Die Platten wurden in regelmäßigen Zeiträumen drei Monate lang beobachtet, ohne daß sich irgendeine Veränderung zeigte. Dann stellte ich sie ın einen nur mäßig vom zerstreuten Tageslicht erhellten Raum, und als nach weiteren zwei Monaten die Sporen noch ebenso, wie am Tage der Aussaat, dalagen, also offenbar nicht mehr keimfähig waren, gab ıch die Kultur auf. Die Hoffnung, das leuchtende Protonema, über dessen magischen Schimmer uns Noll (10, L, S. 107) eine von einer prächtigen Abbildung begleitete Erklärung gibt, auf Agar entstehen zu sehen, war also eitel. Wer die Lebens- weise des zierlichen Mooses kennt, wırd darüber nicht erstaunt sein. Auf dem Regenstein am Harz überzieht es z. B. die Decke einer niedrigen Sandstein- höhle, in die niemals ein Sonnenstrahl dringt, und so dürfte es ım Freien ın einer schattig-feuchten Grotte sich eher kultivieren lassen, als auf Gallerte in Petrischalen. 7. Leucobryum glaucum Schimp. Trotz seiner großen Verbreitung bildet das Weißmoos bekanntlich nur stellenweise Sporogone aus und ist deshalb schwer mit solchen in möglıchst frischem Zustande zu erlangen. Anfragen bei meinen Moosfreunden waren ohne Erfolg; darum mußte ich leider auf Pflanzen zurückgreifen, die ıch am 27. Februar 1904 bei Freiburg ı. B. gesammelt hatte. Wie vorauszusehen war, blieb bei der am 9. Juli 1909 angelegten Kultur jede Keimung aus; die Sporen waren im Oktober — nach sieben Monaten! — noch unverändert und damit die auf die Anlage verwendete Mühe verloren. Ich bedauerte das um so mehr, als die ersten Entwickelungsstufen dieses eigenartigen Mooses manche An- deutung über etwaige Beziehungen zu den Torfmoosen und Dicranaceen geben könnten '). 1) Nach Ablieferung dieses Berichts erhielt ich durch Herrn Dr, Timm von J, Schmidt am 23. 10. 1910 im Quarrendorfer Wald (Kr. Winsen) gesammelte Leucobryum-Rasen mit reifen, gut entwickelten Sporogonen. Es wurden davon am 26. 4. 11 drei Kulturen auf Agar B, der 0,2 Kal. nitr., 0,1 Magn. sulf., 0,05 Ferr. phosph. auf 100,0 zugesetzt war, angelegt und in der I. Zone aufgestellt. Nach 15 Tagen begann etwa der 10. Teil der Sporen zu keimen, jede nur mit einem Schlauch. Die Keimschläuche folgten keiner bestimmten Richtung, er- reichten nur eine Länge von drei Gliederzellen und hielten sich in diesem Kümmerzustande bis Anfang August. 9/0 der Sporen blieben unverändert. Auf mehreren, mit dem gleichen Material im Frühjahr 1912 wiederholten Kulturen keimte auch nicht eine Spore mehr. 27 28 8. Discelium nudum Brid. (Abb. 8.) Ein seltsames und seltenes Möslein! Seltsam, dazu unbequem für die Systematiker, denn es will sich nirgend recht in ihren künstlichen Bau ein- fügen lassen; selten, denn außerhalb der Küstenländer des nordwestlichen Europa, seiner eigentlichen Heimat, ist es ım Bereich der Limprichtschen Flora nur von zwei weit von einander entfernten Stellen bekannt. In Schlesien wurde es 1857 von Struck entdeckt, offenbar in geringer Menge‘), für Westfalen hat es Schemmann 1882 nachgewiesen, und hier ist es noch jetzt reichlich vorhanden. Herr Schemmann war so liebenswürdig, mich zweimal mit gut entwickelten Rasen zu versorgen; über den dortigen Fundort schreibt er: „wächst am Borbach beı Witten, 125 met. üb. Meer, freı an einer nur von der Abendsonne beschienenen Stelle auf fast flüssigem Lehm (mit Dicranella heterom. u rufesc.)“. 1. Die am 9. Aprıl 1909 gesammelten Rasen waren mit reifen Kapseln bedeckt; es wurden damit nacheinander drei Versuche angestellt: a) 3. Juli 1909 auf Agar A in der I. Zone. b) 14. Oktober 1909 auf Agar B in der I. Zone. c) 3. Februar 1910 auf Agar A in der I. und II. Zone. Bei a keimten die meisten Sporen innerhalb fünf Tagen, bei b und e trat die Keimung spärlicher und bis fünf Tage später ein. Die Keimschläuche richteten sich fast ohne Ausnahme aufrecht in die Luft; die wenigen, über die Agarfläche hin wachsenden, erschienen von Anfang an sehr zart, verblaßten in kurzer Zeit und gingen bald zugrunde. Auch das Luftprotonema erwies sich als kurzlebig; einzelne Gruppen führten bis zwei Monate lang ein küm- merliches Dasein, und alle Mühe, sie zu erhalten, war umsonst. 2. Die 0,024 bis 0,032 mm messenden, fein punktierten Sporen quellen beim Keimen ganz bedeutend und sprengen dabei das Exospor, das in Fetzen hängen bleibt oder muschelartig abgeworfen wird. Die erste Wand trıtt bis- weilen schon innerhalb der Spore auf (Fig. Ea), in andern Fällen erst dann, wenn die Keimschläuche, deren man nicht selten bis vier zählt, eine gewisse Länge erreicht haben (A). Diese Keimschläuche streben meist unmittelbar nach ihrem Austritt (Fig. C, D) aufwärts; auch bilden sie wohl einen kurzen, _ wenigzelligen Oberflächenfaden, dessen Spitze sich aufwärts biegt oder aus seinen Gliederzellen Luftfäden hervortreibt (Fig. E oben). Diese sind stets knotig, sparrig oder geweihartig verästelt, glashell, fast farb- und inhaltlos und stark lichtbrechend, dabei von so zarter Natur, daß sie beim Lüften der Deckschale schnell zusammenfallen und sogar im Wasser ihre Form verlieren. Noch zarter fast erscheinen die wenigen, kümmerlich verzweigten Oberflächen- 1) Auf die Bitte um Belagpflanzen erhielt ich 1895 von Herrn Struck, damals Museums- direktor in Waren, den Bescheid: ‚„Dise. nud. ist so gesucht, daß mir für ein Exemplar 200 süddeutsche Kryptogamen geboten wurden; dennoch mußte ich das Anerbieten ablehnen“. Der Bieter hatte sicher noch nie vom Dasein botanischer Tlauschvereine gehört. 28 29 fäden mit ihrem spärlichen, hellgrünen Inhalt (Fig. F); die kräftigeren unter ihnen erreichen zwar eine ziemliche Länge, zeigen dann aber bald Neigung, unter Abrundung ihrer Glieder und Entfärbung des Inhalts in einzelne Stücke — Dauerformen — zu zerfallen (Fig. G). 3. Die aufwärts strebenden Luftfäden wachsen in der Mehrzahl dem Licht entgegen (Fig. B). So ungünstig die verschiedenen Discelium-Kulturen verliefen, ließen sie doch kaum ein besseres Ergebnis erwarten von einer Pflanze, deren Gedeihen, Abb. 8. Discehum nudum Brid. A Gruppe von 2 unveränderten und 6 keimenden Sporen 300 ::1. B Dieselbe 16 Tage später 150:1. a Luftfäden, b Oberflächenfäden (von oben gesehen, daher a im Bilde sehr verkürzt). C, D Luftvorkeime, C 120 :1, D 150:1. E Sporen mit 2—4 Keimschläuchen 120 :1. F Oberflächenvorkeim 150:1. G Ein solcher im Zerfall 120 : 1. nach ihrer geringen Verbreitung zu schließen, an Bedingungen geknüpft ist, die sich schon in der Natur selten zusammenfinden, schwieriger noch bei künstlichen Anlagen zu erfüllen sind. Am erwähnten Fundort müssen — das geht aus Schemmanns Beschreibung hervor — ganz eigenartige Licht- und Feuchtigkeitsverhältnisse walten, wenn sie solch zarten Sporenvorkeimen zu einer günstigen Entwickelung verhelfen können. Es ıst nicht unwahrscheinlich, daß Discelium sich hier im wesentlichen durch sein perennierendes, sekundäres Protonema und durch Dauerformen, wie man sie im Wurzelfilz der Pflanzen reichlich findet, fortpflanzt. Diese Gebilde überdauern die Fruchtreife und bilden einen Ersatz für die unzuverlässigen Sporenvorkeime, erklären auch zur Genüge, warum das Moos bei uns an seine Scholle gefesselt ist. 29 30 Immerhin bleıbt es bedauerlich, daß keine jungen Pflänzchen zu erzielen waren; gerade bei dieser nach Schimper „paradoxen“ oder nach Loeske (16) „monotypen“ Gattung, die Karl Müller Hal. zu den erratischen Er- scheinungen der Mergelgegenden zählt, wäre die Beobachtung der Jugend- formen erwünscht; sie würde am ehesten Aufschluß geben über die von Loeske (16, S. 120) aufgeworfene, entwicklungsgeschichtliche Frage, ob die Blattrippe von Discelium im Werden oder in der Rückbildung begriffen ist. 9. Plagiothecium curvifolium Schlieph. (Abb. 9.) 1. Die Pflanzen wurden am 2. Oktober 1908 an bewaldeten Abhängen beı Eisenach gesammelt, die Sporen am 9. Juli 1909 auf Agar A ausgesät (I. Zone). Keimung begann am 15. Juli; vier Tage später hatten die meisten Sporen kurze, dicke Keimschläuche getrieben. Ende des Monats verloren diese nach und nach ihre grüne Farbe und gingen trotz aller Mühe (sie wurden u. a. wiederholt mit 1 prozentiger Magnesiumsulfatlösung besprengt) nach kurzer Zeit ohne sichtbare Ursache zugrunde. Abb. 9. Plagiothecium curvrfolium Schlieph. A Gruppe von 4 keimenden Sporen 300:1. B Spore mit 2 normalen Keimschläuchen 150 :1. C, D Vorkeime im Zustande von Hemmungsformen 150:1, E T-förmige Vorkeime 150: 1. 30 Eine zweite, mıt demselben Material auf Agar B am 15. Oktober 1909 angelegte Kultur (I. Zone) verlief etwas günstiger; sie zeitigte kräftige, ver- zweigte Vorkeimfäden, daneben aber auch solche aus geschwollenen Zellen mit farblosem, körnigem Inhalt, die stets Anzeichen des nahen Verfalls sınd. Behandlung der Anlage mit 1°/o Kalıumnitratlösung, Zuführung von Kohlen- säure — nichts half; nach zwei Monaten war auch diese dem Untergange verfallen. Ob dem Moose die Beleuchtung nicht zusagte? oder ob an dem Mißerfolg vielleicht die Unterlage Schuld trug? Eine Prüfung der Agargallerte mit empfindlichem Lackmuspapier ergab eine deutlich alkalische Reaktion, als Zeichen einer chemischen Veränderung; anderseits entwickelte eine durch irgendeinen Zufall auf die Reinkultur gelangte Spore eines fremden Mooses hier ein so üppiges Protonema, daß die Reste des Plagiothecium-V orkeims davon völlig überwuchert wurden. 2. Obwohl also die Beobachtung des Entwicklungsganges dieses Mooses ohne den erwünschten Abschluß blieb, zeichnete es sich in andrer Weise, und zwar durch den Wechsel der Formen, derart aus, daß hierin gewissermaßen eine Entschädigung für jenen Ausfall geboten wurde. Schon bei der Keimung fiel es auf, daß die glatten, grünen Sporen, deren Durchmesser 0,012 bis 0,014 mm beträgt, durch Wasseraufnahme sehr ungleich quollen. Die meisten schwollen auf 0,02 mm Durchmesser an, einzelne jedoch bis auf 0,032 mm. Die austretenden Schläuche — nur wenige Sporen trieben deren mehr als einen — zeigten sehr verschiedene Dicke; bald erschienen sie als glatte, gleichmäßige Fäden, bald waren sıe dieker als die Spore; hier rundeten sie sich am Ende kugelig ab, dort blähten sich ihre Gliederzellen auf — kurz, es entstanden Hantel-, Biskuit-, Rosenkranz- u. a. Formen. Während dann die normalen Vorkeimfäden (B) sich aus walzenförmigen, etwas verbogenen Gliederzellen mit spärlicher Verzweigung aufbauten, entstanden daneben Gebilde aus aufgeblasenen, flaschenförmigen Zellen, mit schräg ge- stellten Wänden und mit Zweigen in kreuzförmiger Stellung, endlich solche in der Form eines lateinischen T in großer Zahl (Fig. E). Sind diese Fäden auch nur als Hemmungsbildungen aufzufassen, so mögen sie doch erwähnt und ihrer Eigenartigkeit wegen im Bilde festgehalten werden. 3. Eine allgemeine Wachstumsrichtung war bei den Vorkeimen des Pla- giothecium curvifolium nicht festzustellen; Die Mehrzahl wendete sich offen- bar der Schattenseite zu. 10. Orthotrichum speciosum Nees v. Esenb. (Abb. 10.) 1. Die Versuchpflanzen waren am 27. Juni 1905 bei St. Blasien im Schwarzwald (772 m über Meer) von der Rinde der Grauerle gesammelt. Die Aussaat der Sporen fand am 9. Juli 1909 auf Agar-A statt; Aufstellung in der I. Zone. Die Keimung begann nach 10 Tagen. Die Vorkeime, anfangs spärlich verzweigt oder ganz astlos, entwickelten sich gut und brachten schon fünf 31 32 Wochen später die ersten Knospen hervor. Bis Mitte Oktober zog sich die Bildung junger Pflänzchen hin; dann wurden die Kulturen auf ein Stück frischer Rinde von Almus glutinosa übertragen und unter einer Glasglocke, während des Winters im Zimmer, bei Beginn des Frühjahrs im Freien, auf- gestellt. Die auf der neuen Unterlage zu dünnen Häutchen angetrockneten Agarplatten erweckten anfangs wenig Vertrauen (ich hatte vorsichtiger- aber ganz überflüssigerweise die Rinde sorgfältig gereinigt und damit jede Spur einer das Anwachsen begünstigenden Humusschicht entfernt!); doch wurden Abb. 10. Orthotrichum speciosum Nees v. Esenb. A Keimende Sporen. B Junge Oberflächenvorkeime. C Sporen mit aufsteigenden Keimfäden. D Aelterer Vorkeim mit quirliger Verzweigung und Rhizoid. E Entwicklung der Knospe a zur jungen Pflanze f; Zeitdauer 16 Tage (bis b 2, dann bis c5, d 2, e3, f 4 Tage) S Scheitelzelle. Alle Figg. 120:1. Mitte März wirklich winzige, junge Pflänzchen entdeckt, die sich, wenn auch langsam, zu normalen Gametophyten entwickelten, so daß sie Mitte Juli ein 4 mm hohes Pölsterchen bildeten. Damit war der Beweis erbracht, daß auch Baummoose sich nach dem bisher befolgten Verfahren ziehen lassen. 2. Die grünlichen, dicht papıllösen Sporen messen 0,016 bis 0,02 mm und lassen trotz ihrer Undurchsichtigkeit erkennen, daß sich beim Keimen die erste Wand oft schon in ihrem Innern bildet, besonders deutlich in den zahlreichen Fällen, wo gleichzeitig zwei Schläuche austreten (Fig. A). Diese, anfangs farblos, füllen sich bald mıt Blattgrün, und einzelne treiben kurze, im rechten Winkel abstehende Äste (Fig. B). Neben diesen auf der Agar liegenden Vor- keimen treten eigentümliche zwei- und mehrschenklige Formen auf, die sich dadurch auszeichnen, daß im ersten Fall der eine Schenkel sich schräg auf- wärts ın die Luft richtet, der andere abwärts ın die Gallerte hinein- 32 BB) wächst und bald Rhizoidcharakter annimmt, indem er sich bräunt und schiefe Wände einsetzt (Fig. C); auch bemerkt man Fäden, die aus der Spore un- mittelbar aufwärts steigen. Alle diese Formen sind auffallend starr und er- reichen eine bedeutende Länge, ehe sıe sich zu verzweigen beginnen; es finden sich solch glatte Fäden bis zu 30 Zellen lang. Dank der derben Beschaffenheit der äußeren Haut bleiben dıe Sporen sehr lange erhalten, und da die zuerst gebildeten drei bis vier Gliederzellen ebenfalls nahezu kugelrund sind, so bieten diese kurzen, rosenkranzförmigen Reihen, die fast unvermittelt in zylindrische Zellen übergehen, auch bei älteren Vorkeimen ein leicht auffindbares Merkmal für deren Ursprung. Beim Erstarken des Protonemas stellen sich Formen mit quirliger oder fiederiger Verästelung ein, die letzten besonders reich verzweigt innerhalb der Gallerte. Häufig sind purpurbräunliche Fäden mit schrägen Wänden in einzelnen ihrer Abschnitte (D). In dem erwähnten Verhalten bei der Sporenkeimung liegt offenbar eine Anpassung an die Lebensweise des Mooses; die fast unmittelbar aus der Spore hervorgehenden Rhizoiden sind dazu bestimmt, in Risse der Baumrinde einzu- dringen und das junge Protonema zu befestigen, damit es nicht der erste beste Regen herabspült. Die Vorkeime bilden bei unserem Moose keinen zusammenhängenden Überzug, sondern einzelne Gruppen; auch das entspricht dem späteren Habitus; die rindenbewohnenden Orthotrichaceen wachsen bekanntlich nicht in aus- gedehnten Rasen, sondern ın buschartig von einer kleinen Grundfläche aus- gehenden Polstern. Die fast kugeligen Knospen sind hier nicht aufrecht, sondern mit dem Scheitel nach der Unterlage gerichtet (Fig. Ea, b). Die Scheitelzelle (S) bleibt also dem Beschauer meist verborgen, während die ihm zugewendeten Rhizoiden sich bald dadurch bemerkbar machen, daß sie in großen Krümmungen festen Boden zu erreichen suchen. Der allen bisher beobachteten Knospen gemein- same, dreistockige, knollige Unterbau ist scharf abgesetzt und sehr schön in seiner Entwickelung an dem abgebildeten Beispiel zu verfolgen. Die jungen Gametophyten tragen in Blattform und -zellen schon unverkennbar die Eigen- art der Gattung zur Schau; von einer Rippe war indessen selbst bei Pflänzchen von 1,53 mm Höhe mit etwa 14 gut ausgebildeten Blättern noch kaum eine Andeutung vorhanden; wohl aber waren schon an den ersten die bezeichnenden Papillen auf den Zellen entwickelt. 8. Die Keimschläuche dieses Mooses wachsen fast ohne Ausnahme der Schattenseite zu, nach der gleichen Richtung nicht nur die aufwärts strebenden Vorkeimfäden, sondern auch die Rhizoiden — doch gilt diese Beobachtung nur für die im Jugendzustand befindlichen Formen. 11. Splachnum luteum Montin. (Abb. 11.) Von diesem herrlichen Nordlandmoose, das zu den zierlichsten Gestalten der Pflanzenwelt gehört und mit seinen, den arktischen Gürtel bewohnenden 35. Ber. d. Wpr. Bot.-Zool. Vereins. 33 3 54 Schwestern Spl. rubrum und Spl. melanocaulon in Formenschönheit und Farbenpracht wetteifert, — von dem mir Geheeb in seiner überschwäng- lichen Weise einst schrieb: „Wollen Sie Splachnum luteum ın Fülle schauen und sammeln, so müssen Sie von Trondhjem nördlich nach Bodö reisen; dort soll die Küste goldıig schimmern von diesem Prachtmoose!‘““ — erhielt ich durch die Güte des Herrn Professor H. W.A rnell in Upsala reich fruchtende Rasen, die ein ihm befreundeter Forstmeister im Sommer 1909 beı Tandhjö. in Helsingland (Schweden) für mich gesammelt hatte. l. Am 6. November 1909 säte ıch die zehn reifen Kapseln entnommenen Sporen auf eigens dazu bereiteter Agar C aus und stellte die Schalen teils in der I., teils ın der Il. Zone auf. Nach sechs Tagen hatten ın I die meisten, ın. II nur einzelne Sporen Keimschläuche getrieben. Bald wurden die Kulturen durch Bakterien und Schimmelpilze gefährdet, doch genügte mehrmaliges Ab- spülen mit Wasser, dıe Schädlinge in ihren Grenzen zu halten. Die Vorkeime erstarkten, begannen sich zu verzweigen und zu strecken, so daß ihre Fäden sich Mitte Dezember mit denen der Nachbarbeete berührten; auch Luftfäden erhoben sich in großer Menge. Gleichwohl war öfteres Besprengen mit Nähr- lösung erforderlich und hatte den sichtbaren Erfolg, daß Anfang Februar 1910, drei Monate nach der Aussaat, junge Pflänzchen erschienen; die ersten Knospen waren dem Auge des Beobachters bisher entgangen, weil sie sich an einer etwas ungewöhnlichen Stelle: dem aufrechten Rande der Petrischalen ent- wickelt hatten. Die Kulturen wurden Mitte März in üblicher Weise auf im Garten ein- gegrabene, mit Kuhdünger gefüllte Blumentöpfe übertragen und machten hier erfreuliche Fortschritte, so daß ich Anfang Juli d’ Blüten feststellen konnte; leider wurden sie durch die Wühlarbeit von Nacktschnecken in ihrer Weiterentwickelung gestört. 2. In der ganzen Formenreihe, die dieses Moos von der Sporenkeimung bıs zur voll entwickelten Pflanze durchläuft, ıst das Bestreben der Natur, nur Anmutiges zu schaffen, unverkennbar. So einfach sich das Werden der Vor- keime gestaltet: im Vergleich mit den plumpen Gebilden bei anderen Moosen, Discelium oder Diphyscium z. B., hat hier alles ein vornehmes Gepräge. Wie fein geschwungen schon die eben aus der Spore hervorgegangenen Keim- schläuche! Wie gefällig der Übergang zwischen beiden! (Fig. A.) Er kommt dadurch zustande, daß die erste Wand in der Regel eingesetzt wird, wenn die Schläuche schon eine gewisse Länge erreicht haben, und dann weit in diese hineinrückt; oft beginnen sie sich schon zu verzweigen, wenn an der gegen- überliegenden Seite der Spore ein zweiter Schlauch austritt (einen dritten habe ich nie entstehen sehen). Die Verzweigung der in sanften Wellenlinien ge- bogenen Keimfäden ist so regelmäßig, daß aus jeder der 0,14 bıs 0,16 mm langen Gliederzellen, auffallend oft aus ihrer Mitte, im rechten Winkel ein Ast her- vorgeht (Fig. B). Die Fäden selbst sind gelbgrün, 0,016 mm dick, nur etwas weniger, als die grünen, in gequollenem Zustande 0,022, vorher nur 0,008 bis 34 39 0,011 mm messenden Sporen; am Rande der Schalen blühen sıe in zierlicher Fiederung empor und bieten unter der Lupe ein so reizendes Bild, wie die Eisblumen am Fenster. Die Knospen (C, D) sind eiförmig und verhältnismäßig groß; als junge Gametophyten (E) strecken sie sich bedeutend und tragen in den Achseln der Schopfblätter bereits die eigenartigen Keulenhaare mit dunkel gefärbter Stielzelle. Ihr unterstes Blatt ıst aus sehr lockeren Parenchymzellen gewebt (F). Abb. 11. Splachnum luteum Montin. A Gruppe keimender Sporen 300:1. B jüngerer Vorkeim i20:1. C jüngere, D ältere, 0,14 mm große Knospe 150:1. E 1,5 mm hohes Pflänzchen 25:1. F dessen erstes Blatt 150:1. 38. „Lichthunger‘“ — dies Wort ist hier so recht bezeichnend für die dem Licht entgegenwachsenden Vorkeimfäden! Sie legen sich gleich den Halmen eines gemähten Getreidefeldes auf die Agarfläche und nur die auf den Beeten in einer ständig feuchten Luft in die Höhe geschossenen, meistens ganz un- verzweigten Fäden bilden eine verworrene Watte. Dort aber, wo sie von den schräg auffallenden Strahlen der Februarsonne den größten „Lichtgenuß“ er- warten durften, an einer Stelle, wo sie dem Mikroskop unzugänglich waren und deshalb, wie erwähnt, anfangs übersehen wurden: auf den senkrechten Wänden der Petrischalen, stellten sich die ersten jungen Pflänzchen ein. 35 BE 56 Das Lichtbedürfnis dieses Mooses ist verständlich, wenn wir uns ver- gegenwärtigen, daß seine Heimat das Land der Mitternachtssonne ıst und daß es hier den Herden der Renntiere folgt, die das schattenlose Gebiet der Tundra bewohnen. 12. Bartramia pomiformis Hedw. (Abb. 12.) 1. Am 1. Juni 1910 sammelte ich Pflanzen im Johannistal bei Eisenach. Tags darauf wurden die Sporen auf Agar A ausgesät; die Schalen erhielten ihren Platz teils in der II., teils in der III. Zone. Nach sieben Tagen hatten in II die meisten Sporen Keimschläuche getrieben, jede Spore nur einen — was schon Schoene (9) als bezeichnend für Bartramia pomiformis beobachtet hat —, ganz vereinzelt fanden sich später solche mit zwei Schläuchen. Diese verzweigten sich bald, und schon am 1. Juli zeigten sich zahlreiche Pflänzchen auf dem bleich-bräunlichgrünen Protonema, das ın kräftiger Entwickelung noch fünf Wochen später immer wieder neue Knospen hervorbrachte, dabei aber nach außen hin wenig über die Beete hinauswuchs. Auf der ın III auf- gestellten Kultur begann erst vier Wochen nach Aussaat ein Teil der Sporen zu keimen; andere hatten inzwischen einen langen, bleichen Schlauch ge- trieben. Als nun dieser Schale ein Platz in der I. Zone angewiesen wurde, holten die Vorkeime alsbald das Versäumte ein: in wenigen Tagen entwickelten sich aus den kräftigen Fortsätzen förmliche Büschel von Zweigen. 2. Die rostbraunen, bis 0,024 mm messenden Sporen dieses Mooses sind mit großen, bisweilen regelmäßig kranzförmig angeordneten Warzen bedeckt (Fig. Aa). Beim Keimen quellen sie kaum merklich, lassen beim Bersten des Exospors den bereits geformten, grünen Inhalt sehen und treiben, wie vorhin erwähnt, in der Regel nur einen Schlauch. Die ersten Gliederzellen sind oft länglich rund (Fig. A); sonst aber baut sich der Vorkeim (Fig. B) aus walzen- förmigen Zellen von 0,012 mm Querdurchmesser und der doppelten oder drei- fachen Länge auf. Die Verzweigung setzt früh ein und gestaltet sich sehr mannigfach; bald zeigen die Fäden bei bedeutender Länge nur wenig Äste, bald sind diese zahlreich und fiederig oder kammartig gestellt, oder sie bilden auch ein System für sich, länger und umfangreicher als die wenig verbogene Hauptachse. Wie bei den übrigen beobachteten Moosen steigert sich mit dem Erstarken die Astbildung, so daß an älteren Vorkeimen doppelte Fiederung nicht selten ıst. Vorwiegend hält sich das Protonema auf der Oberfläche der Agar, doch fehlen Luftfäden nicht ganz und sind dann in gleicher Weise verästelt. | Die ın der III. Zone entwickelten Vorkeime verhalten sich insofern ab- weichend, als sie, ähnlich den bei Encalypta beobachteten Hemmungsbildungen, nur halb so dick, wie die der II. Zone sind und unverzweigte, aus langen bleichen Zellen gebildete Fäden darstellen (Fig. C). Sobald sie aber in das starke Licht der I. Zone gestellt wurden, trat ohne Verzug eine sichtbare Veränderung ein: Die zarten, dünnen Fäden gingen unvermittelt in solche von doppelter Stärke über 36 (Fig. C bei a); auf die langen Zellen folgten kurze, mit Chloroplasten gefüllte und dichte Verästelung machte sich bemerkbar. Die Knospen dieses Mooses (Fig. D) haben die Gestalt einer verflachten Kugel; ihre fast farblose Zellen sind auffallend nach außen gewölbt. Am Grunde ist der den Apfelmoosen eigentümliche „papillöse Wurzelfilz‘“, welcher später die Stämmchen zu dichten Rasen verwebt, in Form gebräunter, mit Wärz- chen bedeckter Rhizoiden bereits vorhanden. Bei jungen Pflänzchen mit zehn und Abb. 12. Bartramia pomiformis Hedw. A In der II. Zone keimende Sporen; a unveränderte Spore 300:1. B Normal entwickelter Vorkeim 150:1. C Vorkeim, der bis a in der III, von a ab in der I. Zone gewachsen ist, 150:1. D Knospe 300:1. E Junge Pflanze 150:1. F deren unterstes Blatt 225: 1. mehr Blättern sind diese lanzettlich, aus schmal rechteckigen Zellen gewebt; die pfriemenförmige Spitze fehlt ihnen noch, dagegen ist in den oberen die Rippe ausgebildet, und die Sägezähne des Randes sind auch am untersten (Fig. F) schon in einfacher Weise angedeutet. 8. Die Richtung der auf der Agar wachsenden Keimfäden wie die der Luftfäden ist in beiden Zonen lichtwärts; ebenso wenden sich die jungen Gametophyten dem Lichte zu. Bei Versuchen, die ich im Juli 1909 mit Bartramia ithyphylla anstellte, machte sich schon bei der Keimung ein Unterschied bemerkbar, indem hier 37 38 häufig zwei Schläuche zugleich aus der Spore hervorgingen. Dann aber wuchsen die leicht geschlängelten Vorkeime, Hauptachsen wie Zweige und Luftfäden, allgemein nach der Schattenseite!. Dieses auf Lichtreiz in ganz entgegengesetztem Sinne sich äußernde Verhalten von zwei nahe verwandten, an gleiche Lebensbedingungen gebundenen Arten einer Gattung ist sehr merkwürdig. 13. Fissidens taxifolius Hedw. (Abb. 13 und 14.) l. In Ermangelung von frischen Pflanzen wurden getrocknete dem Her- barıum entnommen, die ich am 28. Oktober 1903 bei Freiburg ı. B. gesammelt hatte. Von den am 9. Juli 1909 ausgesäten Sporen keimte nicht eine, so daß die Beobachtung am 8. Oktober 1909 abgebrochen wurde. Zu einem zweiten Versuch lieferte mir Herr Krüger gut entwickelte, am 2. Januar 1910 bei Eisenach aufgenommene Rasen; ıch säte die Sporen am 25. Januar 1910 auf Agar A aus und stellte die Kulturen in der I. und II. Zone auf. Keimung begann auf beiden gleichzeitig am 5. Tage nach der Aus- saat. Die längere Zeit einfach bleibenden Keimschläuche bohrten sich mit Vor- liebe abwärts ın dıe Gallerte, wuchsen zunächst scheinbar richtungslos, um dann in großem Bogen die Richtung zum Licht einzuschlagen (Fig. B); die Beete be- standen in der vierten Woche aus lauter Bogenlinien, dıe sich vielfach kreuzten und einen ganz eigenartigen Anblick boten. Dieser ging indessen bald durch üppige Zweigbildung verloren; auch wuchsen die fiederig beästeten Vorkeime weit über die Zwischenräume hinweg, sich mit denen der Nachbarbeete be- rührend. Luftfäden bildeten sich in Menge und verwoben sich zu einem dichten, zarten, glanzlosen, die Gallerte verhüllenden Flaum. Als dieser in der I. Zone zu leiden schien, wurde die betr. Schale Mitte Mai der LI. überwiesen, und hier entwickelten sich im Dämmerlicht der flaumigen Decke die ersten Knospen; gleichzeitig mit ıhnen wurden Anfangs Juli viele schlank aufgeschossene, bis 3 mm hohe Pflänzchen beobachtet. 2. Die glatten, 0,012 mm messenden Sporen, auf deren Scheitel das beim Quellen unregelmäßig aufreißende Exospor kappenartig hängen bleibt, treiben anfangs gewöhnlich nur einen Keimschlauch, der bei den abwärts ın dıe Unter- lage hineinwachsenden am Ende zugespitzt ist (Fig. A); tritt daneben ein zweiter aus, so steigt er sofort steil in die Luft. Unter den Vorkeimen wechseln sehr lange und fast unverzweigte Fäden mit ziemlich regelmäßig fiederig be- ästeten, und diese letzten (Abb. 14) beherrschen beim Erstarken des Proto- nemas das Feld mit ihrem Gezweige, das an Zierlichkeit alle bisher beschrie- benen Formen übertrifft; seine zarten Fäden haben nur einen Durchmesser von 0,008 bis 0,012 mm und bauen sich aus völlig glatten, walzenförmigen Zellen auf, die ungewöhnlich lang erscheinen, weil die dünnen Scheidewände kaum sichtbar sind. Die eirunden Knöspchen (Fig. C) sind nach dem allgemeinen Typus gebaut, gehen also in ein dreiseitig beblättertes Pflänzchen über (Fig. D, E); die Schösslinge dagegen sind, wie Fig. F zeigt, streng zweizeilig 38 39 beblättert und haben schon den den Fissidentaceen eigenen, verflachten Stengel. Es liegt hier der seltene Fall vor, daß die anfangs dreiseitige Scheitelzelle sehr bald in eine zweischneidige übergeht und dann die bekannte, an einen Farnwedel erinnernde Blattstellung der Familie hervorbringt (5. S. 359). Eine weitere Eigentümlichkeit dieses schönen Mooses, deren Deutung einst- mals viel Schwierigkeiten machte: das bei keiner anderen Gruppe wieder- kehrende, geflügelte Blatt, findet in der leicht zu verfolgenden Entwickelung eine ungezwungene Erklärung. Das unterste Blatt der jungen Pflanze (Fig. H) Abb. 13. Fissidens taxifolius Hedw. A Gruppe keimender Sporen 300:1. B Jüngerer Vorkeim 150:1. C Knospe 150:1. D Knospe mit dreizeilig ge- stellten Blättern (das jüngste unterm Deckglase verschoben) 300 ::1; bei * Beginn der Flügelbildung. E Junger 'Gametophyt;. die dreizeiligen Blätter mit Flügelansatz 150 1. F Schössling 30:1. G Spitze, von dessen oberstem Blatt b 300:1. H dessen unterstes Blatt a 300:1. I Rhizoidale Wucherung auf dem Protonema; a jüngere Ranke derselben 300 :1. ist eine noch rippen- und flügellose Hemmungsform, von sonstigen Moosblättern nicht verschieden; bei dem nächsthöheren findet sich schon ein aus zwei Zellen- reihen gebildetes, einer auslaufenden Rippe ähnliches Spitzchen; die obersten Blätter (Fig. E) zeigen dann in dem, im abgebildeten Beispiel (Fig. G) vier- zellreihigen, flächenförmigen Fortsatz zwar noch winzig, doch unverkennbar den Spitzenflügel und im unteren, hier noch überwiegend größeren Abschnitt die den Stengel halb umfassende, scheidenförmige Spreite. Der Rückenflügel ist erst schwach angedeutet. 3. Obwohl die erste Entwickelung der Fissidens-Vorkeime in die un- günstige Zeit kurzer, sonnenarmer Tage fiel, war doch ein wesentlicher Unter- schied zwischen den beiden Kulturen bemerkbar: Die der I. Zone wies immer einen erheblichen Vorsprung auf, ihre Fäden besaßen ein frischeres Grün, waren 39 40) reicher beästet und doppelt so lang, als die der II. Zone. Der kümmerliche Licht- genuß mag auch die Entscheidung der Wachstumsrichtung verzögert haben; das hier abgebildete Protonema (Fig. B) strebt zunächst entschieden der Schattenseite zu — die Zeichnung wurde am 25. Februar entworfen —, um sich dann fast plötzlich ebenso entschieden der Sonne zuzuwenden; meine Wettertafel verzeichnet nach lauter trüben Tagen: Sonnenschein am 14., 15., 17., 18., 20. Februar. Eigentümlicher Gebilde sei hier noch gedacht, die sich ın größerer Menge auf dem Oberflächenprotonema bemerkbar machten. Kräftige Fäden mit anfangs groß-, später kleinkörnigem, grünem Inhalt umschlingen ın Schraubenwindungen die Vorkeimfäden und verdichten sich zu knolligen oder verworrenen Massen (Fig. J). In der Meinung, es handle sich um Schmarotzeralgen, legte ich die Entscheidung ın die Hände eines bewährten Kenners dieser Gewächse, des Herrn Dr. F. Quelle; sie lautete: ‚Die gewundenen Fäden machen ganz den Eindruck rhizoidaler Protonema-Bildungen, die vielleicht durch die besondere Kultur dieses merkwürdige Wachs- tum zeigen. Als Vermutung möchte ich äußern: Diese Rhizoiden suchen in der Agargallerte nach festen Partikeln, mit denen sie verwachsen möchten (ent- sprechend ıhrer Gewohnheit unter den natürlichen Ver- hältnissen) und benutzen mangels anderer Gelegenheit das eigene, typisch grüne Protonema. Sind schiefe Scheidewände in den gewundenen Fadenmassen ent- halten? Das dürfte entscheidend sein.“ Die schiefen Abb. 14. Fissidens Wände sind, wıe aus der Abbildung ersichtlich, tatsäch- taxıfohus Hedw. lich vorhanden und demnach wird Quelles Scharf- Aelteres Protonema 30:1, a en blick wohl das Richtige getroffen haben. 14. Hookeria lucens Sm. (Abb. 15.) Das stattliche, durch seinen „ausgezeichneten Habitus“ (Limpricht 6. II) auffallende Pflänzchen gehört zu den schönsten Erscheinungen der ein- heimischen Mooswelt. Es reift seine Sporogone nur hin und wieder und dann zu einer Jahreszeit, wo die übrige Natur unter winterlicher Schneedecke er- starrt liegt. Als Wohnort liebt es feuchte Schluchten, in deren schattigen Gründen es sich zu schwellenden, ölglänzenden Rasen ausbreitet; in der Nähe Eisenachs gedeiht es vortrefflich am Bachufer der Landgrafenschlucht, und von hier erhielt ich es durch Herrn Krüger mit reifen Kapseln am 5. Aprıl 1909, später nochmals am 30. Dezember 1909. 1. Der erste Versuch mißlang. Von den am 3. Juli 1909 auf zwei Platten ausgesäten, vier Kapseln entnommenen Sporen erwies sich der größte Teil 40 41 als verkümmert; nur wenige trieben Keimschläuche und diese starben bald ab, so daß nach drei Monaten die weitere Beobachtung eingestellt wurde. Der zweite, mit den Ende Dezember 1909 gesammelten Pflanzen angestellte Versuch verlief dafür um so günstiger. Die gut ausgebildeten, am 25. Januar 1910 auf Agar A ausgesäten Sporen begannen nach zehn Tagen, ın der I. und II. Zone gleichzeitig, zu keimen; fünf Tage später war etwa Yı davon — ın Il mehr als in I — mit bis zwei Zellen langen Schläuchen versehen. Nach weiteren 14 Tagen zeigten sie sich in der I. Zone sehr verlängert, zum Teil verzweigt; aus vielen Sporen war ein zweiter Schlauch ausgetreten. In II waren die Keimschläuche länger, doch gänzlich unverzweigt und nirgend ein zweiter aus derselben Spore bemerkbar; auch hier trat bald reichliche Verzweigung eın, das Protonema entwickelte sich kräftiger, grüner, als das ın I, so daß diese Kultur, die sichtlich unter zu starker Belichtung litt, nun ebenfalls bei II ein- gereiht wurde und außerdem mehrmals einen Sprühregen von Nährlösung erhielt; beides wirkte so vorteilhaft, daß das Protonema sich schnell erholte, und am 13. Juli, völlig versteckt zwischen den wie gemäht liegenden Fäden, die ersten Knospen entdeckt wurden. Anfang August, sechs Monate nach der Aussaat, waren auf dieser Kultur junge Pflänzchen in geringer Zahl, doch prächtig entwickelt, vorhanden; auf der anderen, von Anfang an üppigeren, konnte ich.nur ein einziges auffinden, und zwar in einem förmlichen Dickicht von Protonemafäden verborgen. 2. Die 0,016 mm messenden, olivengrünen Sporen quellen beim Keimen ganz bedeutend, und offenbar dehnt sich die äußere, fast glatte Haut mit, da keinerlei Reste davon sichtbar werden (Fig. A). Die Schläuche wachsen zu meist gerad- linigen oder nur wenig verbogenen Fäden aus, deren kurz-walzenförmige, 0,02 mm breite, mit Chlorophyllikörnern dicht gefüllte Gliederzellen in fast rechtem Winkel abstehende, in gleicher Weise verästelte Zweige aussenden (Fig. B); oft sind die Hauptachsen auch ganz unverzweigt, und Fäden von 20 bis 25 Zellen Länge bemerkt man nicht selten; besonders lang pflegt ihr astloses Ende zu sein. Das freudig-grüne, wie Seide glänzende Protonema legt sich in langen, gleichlaufenden, kräftigen Fäden über die Gallerte, so daß es wie mit einer Bürste glatt gestrichen erscheint, und innerhalb dieser lockeren Decke, vor zu grellem Licht wie vor Dürre geschützt, bilden sich, trotz ihrer Größe leicht zu übersehen, die Knospen. Ihre Form erinnert an die bei Splachnum beobachtete; da hier aber der knollige Unterbau nicht, wie in den bisher beschriebenen Fällen, dreistockig ist, vielmehr die doppelte Höhe erreicht (Fig. C), so machen sie einen schlanken Eindruck, und dieser wird noch er- höht, sobald sie von den ersten Blättern gekrönt sind (Fig. D). Diese sind, wie wir an dem jungen, achtblätterigen Stämmchen (Fig. E) sehen, recht auffallend gebaut; von dem wie ein schmales, gleichschenkliges Dreieck gestalteten, in eine schnabelförmige Spitze auslaufenden untersten (F. a) beginnend, gehen sie nach und nach zur Ei- oder Zungenform des obersten (F. c) über, an dem die Scheitelzelle (s. F. d) kaum noch wiederzuerkennen ist. An allen aber macht 41 42 | sich schon die Wölbung der mehr oder weniger rautenförmigen Zellen bemerk- bar, welcher die Hookeria-Rasen ihren schönen Glanz verdanken. Die an jungen Gametophyten weit auseinandergerückten Blätter sind noch nicht zahl- reich genug, um ihre Stellung genau erkennen zu lassen; an der voll entwickelten Pflanze stehen sie, dicht gedrängt und sich deckend, in fünf Reihen geordnet und erinnern in ihrer Verflachung an die verwandten Neckeraceen. 8. Von einem so ausgesprochenen Schattenmoose, wie unserer Hookeria, war zu erwarten, daß die wachsenden Keimschläuche von vornherein die ZUM E\ \ 5 Abb. 15. KHookeria lucens Sm. A Gruppe keimender Sporen 300:1. B Junger Vorkeim 30:1. C Aeltere Knospe, D dieselbe 5 Tage später, etwa 90° um ihre Achse gedreht, 120:1. E Junger Gametophyt 30:1. Fa dessen unterstes Blatt, bc Spitze von dessen Blau b und c; d Spitze des jüngsten Blattes der Gipfelknospe; alle 150:1. Richtung nach dem Licht zu meiden würden. Diese Erwartung erfüllte sich tatsächlich: sie erwiesen sich in der Mehrzahl als schattenlieb (Fig. A), ebenso das jüngere. Protonema, worüber ein am 27. April gezeichnetes Bild (Fig. B) keinen Zweifel läßt. Dann aber kam die Überraschung: Die anfangs dem Schatten zu gewachsenen Vorkeime wandten sich in seichtem Bogen, die Luft- fäden straff und gleichmäßig, dem Lichte zu! Ende Mai lagen die langen, kräftigen Fäden ın glänzenden, grünen Schwaden, wie über die Beete hin- gegossen, und bieten heute, am 10. August, wo sıe die ganze Platte bedecken und wo an allen Spitzen, aus der feuchtgesättigten Luft verdichtet, winzige Wassertröpfehen funkeln, das reizende Miniaturbild einer vom Morgentau benetzten Wiese. 42 45 Die oben erwähnte Wölbung der Blattzellen fällt besonders ın die Augen, wenn man die frischen Blätter auf dem Objektträger ohne Wasser betrachtet (Fig. D ist so gezeichnet); da wird es dem Beschauer sofort klar, daß sie wie Sammellinsen wirken müssen. Das Sammeln der Lichtstrahlen ist auch ihre Aufgabe; ın der spärlichen Beleuchtung ihrer Standorte bedarf die Pflanze solcher Anpassungen, und die Beweglichkeit der grünen Chromatophoren tut dann das übrige. Kräftiges Licht wird ıhr auf die Dauer zum Verderben; die Strahlen der Augustsonne zerstörten in zwei Stunden auf einer der Kulturen fast voll- ständig das Chlorophyll, und damit fielen Vorkeime wie die unter ihnen Schutz suchenden Keimpflänzchen der Vernichtung anheim. Auch in der freien Natur würde die Vorrichtung, welche dazu dienen soll, das der Pflanze kärglich be- messene Licht zu verstärken, die Gefahr einschließen, ihr, der lichthungrigen, durch dauernde Konzentration der etwa auffallenden Sonnenstrahlen den Licht- tod zu bringen, wenn das Chlorophyll nicht die Fähigkeit besäße, sich aus dem Lichtkegel an die Innenwände der Zellen zu flüchten. 15. Buxbaumia aphylla L. (Abb. 16 und 17.) Von allen bekannten Laubmoosen ist die Buxbaumia das seltsamste. Dem unbewaffneten Auge erscheint sie nur als Stiel und Kapsel und macht, zumal nach Ausstreuung der Sporen, eher den Eindruck eines kleinen Pilzes. Der Kultur auf Agar setzt sie besondere Schwierigkeiten entgegen; vier Versuche Abb. 16. Durbaumia aphylla L. A Keimende Sporen 300:1. B Jüngere Vorkeime 120:1. C Ein solcher mit Zweiganlage an jeder der mittleren Gliederzellen 150:1. D Protonema mit besonders deutlich ausgeprägter Lichtscheu 120:1. 43 4 wurden angestellt, doch bei keinem gelang es, die ganz eigenartigen d’- und Q- Pflänzchen (deren ausführliche Beschreibung in 6. II. S. 636 zu finden ist) zur Entwickelung zu bringen. Vielleicht würde die Aussaat auf einem kalk- freien Nährboden zum Ziele führen. 1. Die Versuchpflanzen wurden am 18. Mai 1908 bei Eisenach gesammelt, die Sporen am 23. Februar 1909 auf Agar A ausgesät. Von den in der I. Zone aufgestellten hatte nach acht Tagen etwa ein Viertel, drei Tage später die Mehr- zahl gekeimt; bald trat auch Verzweigung der Vorkeime ein. Anfang Aprıl begann — eine bis dahin nicht beobachtete Erscheinung — die die Vorkeime umgebende Gallerte sich zu verflüssigen; wıederholtes Abspülen mit aus- gekochtem Wasser konnte nicht verhindern, daß U @ das Protonema mißfarbig wurde und Ende Juni N verloren war. Auf einer gleichzeitig angelegten, ın der III. Zone untergebrachten Kultur ver- zögerte sich der Beginn der Keimung um fünf Tage; die Keimschläuche erreichten nur eine Länge von etwa vier Sporendurchmessern. Nach 2 3) IEICH SLR i 3 I übertragen und mit einer blauen Glasscheibe be- EN 5 1: . . . . \ 'e N: deckt, keimten die meisten, noch übrigen Sporen ae an OS i 199 9 innerhalb acht Tagen, alle anfangs nur mit BEN She E, \ . od = 26 . . de SIE B einem Schlauch; über spärlich verzweigte, RL M f | drei bis sechs Zellen lange Fäden kamen sie Sy aber nıcht hinaus. \. ER I Bei dem dritten Versuch — Pflanzen am Z 16. Juli 1909 gesammelt; Aussaat am 14. Okto- ber 1909 auf Agar B — trat die Keimung nach zehn Tagen ein, zunächst regelrecht; dann fin- gen die gequollenen Sporen an, zu zerfallen und sich förmlich aufzulösen; Anfang Januar 1910 waren auch die letzten zerstört. Zum vierten Versuch wurden Sporen von am 14. Oktober 1909 auf- genommenen Pflanzen am 4. Februar 1910 auf Agar A ausgesät und in der I. Zone aufgestellt. Sie brauchten neun Tage zur Keimung. Mitte April stellte sıch wieder die bedenkliche Verflüssigung der Gallerte ein — fast möchte man sie der Lebenstätigkeit des Protonemas zur Last legen —, konnte diesmal aber durch wiederholte Behandlung der Platte mit Nährlösung unterdrückt werden, und in der Folge entwickelten sich die Vorkeime vielversprechend; sie wuchsen über die Beete hinaus und verzweigten sich reichlich, besonders innerhalb der Gallerte. Mitte Mai erhielt die Kultur ihren Platz in der II. Zone, da sich Altersformen einstellten, doch kränkelte sie auch hier und mußte Ende August, da nur noch wenige, grüne Fäden vorhanden waren, aufgegeben werden. 2. Die glatten, grünlichen Sporen haben einen Durchmesser von 0,010 bis 0,011 mm; an einzelnen sind Tetraederflächen erkennbar (Fig. A a). Zumeist lassen sie beim Keimen fast gleichzeitig zwei bis drei Schläuche austreten 44 Abb. 17. Buxbaumia aphylla L. Eine Altersform des Protonemas 120:1. 45 «Fig. A); unter den dabei entstehenden, recht mannigfaltigen Gebilden herrscht anfangs die Bumerangform (Fig. A b) vor; später, mit Eintritt der . Verzweigung finden sich absonderliche Gestalten, darunter besonders auffallend solche, die entfernt an eine Spinne erinnern (Fig. Ba). Reichliche Verzwei- gungsmöglichkeit deutet an manchen Fäden dıe mamillöse Auftreibung jeder Gliederzelle an, wie ın Fig. ©. Die Wirkung des Lichtreizes verrät deutlich das ın Fig. D abgebildete Protonema; später verwischen sich diese Verhältnisse. Die beim Ausbleiben der Knospenbildung entstehenden Altersformen, durch ihre gedunsenen Zellen mit körnigem Inhalt gekennzeichnet, nehmen oft die Gestalt kleiner Bäumchen an (Abb. 17). 3. Das Protonema von Buxbaumia ist ausgesprochen lichtscheu. Das zeigten alle noch ım Jugendzustande befindlichen Vorkeime mit derselben Deutlichkeit, wıe das in Fig. D dargestellte. 16. Hypnum cupressiforme L. (Abb. 18.) 1. Von diesem häufigsten unserer seitenfrüchtigen Laubmoose wurde am 19. Januar 1907 eine Kultur angelegt, dıe ın der I. Zone ihren Platz erhielt. Die Sporen begannen am 26. Januar zu keimen; um die Schnelligkeit des Wachstums zu erfahren, wurden neun Tage lang Messungen der Keimschläuche vorgenommen; sie ergaben für diesen Zeitraum eine Längenzunahme von 0,101 bıs 0,180 mm, mithin auf den Tag 0,011 bis 0,02 mm. Schon am 6. Februar fingen die Vorkeime an, sich zu verzweigen; am 10. März brachten sie die ersten Knospen hervor, gleichzeitig waren aber auch schon beblätterte Pflänzchen bemerkbar, die Ende des Monats eine Höhe von 1,5 mm erreichten. Im August wurde die Kultur, auf den Hirnschnitt einer Salix übertragen, ins Freie gestellt, wo sie sich zu einem dichten, aus normalen, wenig ver- zweigten Pflanzen gebildeten Rasen entwickelte, der Ende April 1908 etwa 8 cm breit war, aber noch keine Blüten trug. Am 20. Juli 1910 legte ich nochmals eine Kultur an, um einige Beob- achtungen nachzuprüfen; es standen mir dazu nur überreife, vor zwei Monaten gesammelte Pflanzen zur Verfügung. Die Keimung begann schon nach vier Tagen, zog sich durch mehrere Wochen hin, verlief sonst aber wie beim ersten Versuch. Über das Abweichende siehe unter 3. 2. Die Sporenkeimung bietet nichts eigenartiges. Das etwas rauhe Exospor reißt unregelmäßig auf. Den anfangs einzeln austretenden Schläuchen folet bald ein zweiter, gleichzeitig treiben die ersten Gliederzellen Zweige (Fig. A). Die Vorkeime sind aus kurz-walzenförmigen Zellen (1:2) gebildet und stellen sich als glatte, wenig verbogene Fäden dar; sie erscheinen dort, wo die Sporen gehäuft liegen, als aufwärts strebende, ästige Büschel. Auch die Knospen sind auf ihrer ersten Entwickelungsstufe typisch gebaut (Fig. B); die in Fig. € abgebildete zeigt sehr klar die Entstehung des drei Stockwerke hohen Unter- baues, auf dem sich die ersten Blätter erheben; in Fig. D sind diese bereits 45 46 als kleine Höcker sichtbar, während die Scheitelzelle infolge ihrer Abspaltung von Segmenten nach drei Seiten im Gewebe verschwindet; im Bilde sieht man sie noch als kleinen Kugelabschnitt. Die Entwickelung zu jungen Gameto- phyten vollzieht sich ziemlich schnell; aus einer 0,05 mm großen Knospe war in fünf Tagen ein 0,25 mm hohes Pflänzchen mit fünf Blättern und langen Rhizoiden geworden. Sie sind äußerst zart, diese Pflänzchen (Fig. E, F); eins Abb. 18. HAypnum cupressiforme L. A Gruppe keimender Sporen 300:1. B C Jüngere Knospen 300:1 (C nach Fixierung mittels v. Rath’scher Lösung und Färbung mit Methylenbiau). D Aeltere Knospe mit 2 Blattanlagen 240:1. E Junge Pflanze 120:1- F Eine solche von 0,4 mm nat. Größe 120:1. G Knospe, die in der Rückbildung zu sekundärem Protonema begriffen ist, 120:1. H Herbstknospe im Entwicklungszustande des Unterbaues; a—c Scheitelansicht, d e Seitenansichten; Entwicklungs- dauer von a—c=14 Tage, 120:1. J Aeltere Knospe mit 2 Blattanlagen, von oben gesehen; a nach Aufhellen mit Glycerin 300:1 (Zellinhalt fortgelassen). davon, mit 22 gut ausgebildeten Blättehen, maß 2 mm, das einzelne Blatt 0,4 mm, der Stammdurchmesser 0,1 mm. Die Blätter sind noch deutlich nach der %-Stellung angeheftet und aus prosenchymatischen Zellen gewebt; an den Flügeln ist eine mehr oder weniger deutlich abgesetzte Gruppe lockerer Par- enchymzellen vorhanden. Aus dem Grunde der Schopfblätter und aus der Stengelmitte gehen braune Rhizoiden hervor und weisen damit auf die krie- chende Lebensweise des ausgewachsenen Stammes hin. Nicht alle Knospen entwickeln sich zu Gametophyten; die Fig. @ zeigt eine in der Rückbildung zu sekundären Protonema begriffene. 64 41 3. Beim ersten Versuch wuchs das Protonema ım milden Reiz der Winter- sonne entschieden dem Licht entgegen; bei den aus der Aussaat vom 20. Juli 1910 hervorgegangenen Vorkeimen, die nach kurzem Verweilen in der I. ın die II. Zone gerückt wurden, traf dies nur für die Luftfäden zu; bei den Ober- flächenfäden fiel die Entscheidung schwer, sie waren in annähernd gleicher Menge nach der Schattenseite, nach dem Licht und rechtwinklig zum Licht- einfall gerichtet (s. Fig. A). Es bleibt dafür nur die eine Erklärung: in der II. Zone befand sich zu dieser Zeit das Protonema in seinem Lichtoptimum. Die Knospenbildung verzögerte sich beim zweiten Versuch in den trüben Herbstagen; sie trat erst Mitte Oktober ein, und die wenigen Knospen ent- wickelten sich auffallend langsam (s. Fig. Ha—e). 17. Georgia pellucida Rabenh. (Abb. 19.) Wenig befriedigend verlief, trotz mehrerer, zu verschiedenen Jahreszeiten angestellter Versuche, dıe Kultur dieser Pflanze, die auf morschen Baum- stümpfen und auf Sandsteinfelsen an feuchten, schattigen Orten nicht selten ist und aus verschiedenen Gründen — vergl. Loeske (16. S. 69 und 143) — eıne besondere Stellung in der Mooswelt beansprucht. Es scheint, daß sie dies auch in ihrem wenig einheitlichen Verhalten bei der Sporenkeimung zum Aus- druck bringen wolle. 1. Die Pflanzen für die ersten vier Versuche sammelte ich am 18. Mai 1908 und 16. Juli 1909 an den schattigsten Stellen der Richardsklamm beı Eisenach. Auf der ersten Aussaat, vom 24. Februar 1909 auf Agar A, I. Zone, begann nach 14 Tagen die Keimung, zog sich ebenso lange hin und zeitigte Anfang Aprıl größere, sehr unregelmäßig verzweigte Vorkeime; sie machten im Laufe eines Vierteljahres wenig Fortschritte, auch dann nicht, als sie Ende Juni, auf Scheiben morschen Holzes übertragen, ins Freie gestellt wurden. Die Mehr- zahl der Sporen hatte übrigens nicht gekeimt. Eine gleichzeitig angelegte, ın der III. Zone untergebrachte Kultur zeigte nach vier Wochen nur einen einzigen Keim! In die I. Zone gerückt und mit einer blauen Glasplatte bedeckt, begannen hier acht Tage später die Sporen zu schwellen, zu keimen und wenige, höchstens dreizellige Vorkeime zu entwickeln, die bald das Los der anderen Anlage teilten. Auch auf der dritten, am 14. Oktober 1909 auf Agar B ange- legten Kultur keimte in der I. Zone nur ein kleiner Teil der Sporen, und zwar 13 Tage nach der Aussaat; die wenigen, von vornherein schwächlichen Vor- keime waren Mitte Februar zerstört. In der II. Zone (vierter Versuch) begann die Keimung zwei Wochen später, wie in I. Die Sporen brachten nur jeeinen unverzweigten Schlauch hervor, doch erreichte auch der kräftigste nur eine Länge von sieben Zellen. Mitte März war alles verdorben. Für einen fünften und sechsten Versuch sandte mir Herr Kalmuß am 20. Mai 1910 bei Elbing gesammelte Rasen. Die Aussaat erfolgte am 2. Juni auf Agar A, Aufstellung in der II. und III. Zone. Auf II hatten am 11. Juni die meisten Sporen 47 48 einen kurzen Schlauch getrieben, verzweigten sich auch nach und nach; sechs Wochen später sahen die Beete aber schon bedenklich aus und Ende August waren sie zum großen Teil verloren. In III waren die Sporen nach fünf Wochen über den Zustand der Quellung noch nicht hinaus; die Keimung trat erst ein, nachdem sie für acht Tage der Lichtwirkung der I. Zone ausgesetzt worden waren und dann bei II eingereiht wurden; hier aber fanden sich auch Ende Abb. 19. Georgia pellucida Rabenh. A Gruppe von im Dezember in der II. Zone keimenden Sporen 300:1. B Im Juli in der I. Zone, C im Juni in der II. Zone keimende Sporen 300:1. D Zirkelformen 120 :1. August im Gesichtsfelde fast nur Sporen mit einem einfachen, vier bis fünf Zellen langen Keimschlauch. 2. Bei der Keimung der glatten, gelbgrünen, 0,011 mm messenden und beim Quellen auf den doppelten Durchmesser anschwellenden Georgia-Sporen wiederholt sich der bei Orthotrichum beobachtete Fall, daß die erste Wand bisweilen schon vor dem Austritt des Keimschlauches oder während desselben entsteht (Fig. Bb), so daß deren zwei gleichzeitig neben einander sichtbar werden (Fig. Ba). Die Mehrzahl der Sporen keimt mit einem Schlauch, dem aber schnell ein zweiter folgt (Fig. B); vielfach gabelt sich auch die erste oder zweite Gliederzelle, und durch die im spitzen Winkel weiter wachsenden Vorkeimfäden werden Formen gebildet, die an einen geöffneten Zirkel er- 48 49 innern (Fig. C, D); sie sind so häufig und traten bei der blau beleuchteten Kultur so zahlreich auf, daß sie als charakteristisch für das Georgia-Protonema bezeichnet werden dürfen. Im übrigen herrscht unter den bei der Keimung auftretenden Gestalten und Wachstumsrichtungen eine je nach der Jahreszeit, oder richtiger: je nach den Lichtverhältnissen wechselnde Verschiedenheit. Die Junianlage zeigte dicht an der Spore eingesetzte Wände, zu mehreren aus- tretende Schläuche und Verzweigung aus der ersten Gliederzelle; die vom Ok- tober brachte es, ebenfalls ın der II. Zone, nur zu je einem kurzen, unverzweigten Schlauch, in den die erste Wand oft bis zur Breite eines Sporendurchmessers hineinrückte (Fig. A); bei einem Vergleich beider Formen meint man, die Keimungszustände verschiedener Moose vor sich zu sehen. Das kräftigste von mir beobachtete Protonema war unregelmäßig mit langen, verbogenen Ästen besetzt; es glich fast dem von Orthotrichum (Abb. 10 D). Zur Bildung von Flächenvorkeimen, wie sie Sven Berggren (4, S. 167) beschrieben und abgebildet hat, kam es bei keinem der Versuche; damit erklärt sich auch das Ausbleiben von Knospen, denn diese entstehen am Grunde jener flächenförmigen Assımilationsorgane, die in denen von Diphyscium ıhr Seitenstück haben. Nach alledem sınd die durch Kultur erhaltenen Vorkeime als Hemmungsgebilde zu betrachten, denen die Fähigkeit abgeht, Gametophyten zu erzeugen. 3. Höchst merkwürdig verhielten sich die G@eorgia-Vorkeime dem Lichtreiz gegenüber. Die Schenkel des „Zirkels“, sowohl der Februar- als der Oktober- Kultur von 1909, wuchsen in der I. Zone vorwiegend der Schattenseite zu, ebenso später deren Protonemazweige; auf der gleichzeitigen, blau belichteten Anlage erwiesen sie sich als entschieden lichthold, während auf der in der Il. Zone aufgestellten eine bestimmte Richtung nicht nachzuweisen war. Auf den im Juni 1910 angelegten Kulturen wurden in der I. Zone vor- wıegend schwächliche, lichtscheue, unverzweigte Vorkeime erzeugt, in der II. Zone kräftige, sofort reichlich Äste bildende und entschieden dem Licht zustrebende (Fig. C). Wie sind diese mit der Natur eines Schattenmooses schwer vereinbare Widersprüche zu lösen? Sollte sein Lichtoptimum wirklich zwischen der I. und II. Zone liegen? 18. Mnium spinulosum Br. eur. (Abb. 20.) 1. Pflanzen im Juli 1909 bei Arnstadt i. Th. von Kramer gesammelt. Sporen wurden erstmals am 15. Oktober 1909 auf Agar B ausgesät, später nochmals am 20. Juli 1910 auf Agar A; die erste Anlage stellte ich in die I., die zweite in die II. Zone; beide entwickelten sich in gleicher Weise. Die Keimung begann vier Tage nach der Aussaat und lieferte kräftige, sehr grüne Vorkeime, die sich fast ohne Zweigbildung ganz erheblich streckten — sie erreichten nach 21% Monaten 8&—15 mm Länge —, so daß die Beete von einem breiten Streifen gleichlaufender Fäden umsäumt waren (Fig. Fb), die sich dann in ganz eigener Art verästelten; sie trieben in einem 35. Ber. d. Wpr. Bot.-Zool. Vereins. 49 4 50 Abstand von etwa 5 mm von den Beeten sparrig abstehende, nach der Spitze hin kürzer werdende Zweige, die sich miteinander eng verflochten und so ein zweites, dunkleres Band um das erste woben (s. Schema Fe). Weiterhin öfters mıt Nährlösung benetzt, dıe sich hier sehr nützlich erwies, wuchs das Protonema zu einer dichten, dıe ganze Platte überziehenden Decke aus, brachte aber keine Knospen hervor, selbst dann nicht, als der Maı mit Licht in Hülle Abb 20. Mnium spinulosum Br. eur. A Gruppe keimender Sporen 300 :1. B Dieselbe 10 Tage später 150:1. C Spore mit 3 Keimschläuchen 120:1 D Dauerform 150 :1. E Ausläufer 120:1. F Schematisches Bild der Beete im Verlauf der Keimung. G Luftfäden } 150:1, Ga 120:1. und Fülle erschien. Nach siebenmonatlicher Pflege wurde dann die erste Kultur aufgegeben. Die zweite zeigte zwölf Wochen nach der Aussaat noch keine Spur einer Knospe, dafür um so deutlicher die Schattenrichtung (F d) und eigentümlich geformte Luftfäden (G). 2. Die Sporen des Mooses sind grün (nicht rostbräunlich, wie Lim - pricht angibt) und messen bis 0,024 mm. Sie keimen zumeist mit einem Schlauch, dem schnell ein zweiter oder auch dritter folgt. Diese Keimschläuche, aus lang-walzenförmigen, dicht mit Blattgrün gefüllten Zellen gebaut, strecken sich in sanft geschwungenen Linien über die Gallerte; wo die Sporen gehäuft. liegen, strahlen sie fast peitschenförmig, gleich den Fäden einer Rivularia- 50 5l Kolonie, nach allen Richtungen aus. Einzelne erreichen eine Länge von 6 mm und mehr ohne jede Spur einer Verzweigung — derartige Vorkeime mögen wohl den Beobachtern früherer Zeiten als Fadenalgen erschienen sein — und daneben finden sich zartere, bräunliche, nach Rhizoidenart mit schrägen Wänden, die sich stolonenartig unter der Oberfläche hinschlängeln und nur nach oben hın, also einseitig, verzweigen (Fig. E), oder auch knotig anschwellen als Anfänge von Dauerformen (Fig. D). 3. Während bei andern Schattenmoosen (vergl. Abb. 3A) die zuerst austretenden Keimschläuche meist auf Umwegen in die Schattenrichtung ge- langen, sind sie hier — eine auffallende Lichtwirkung! — schon bei ihrem Erscheinen streng nach der Schattenseite gewendet (Fig. A und Fa). Die späteren folgen der entgegengesetzten Richtung (Abb. B), und so kommt das vorhin erwähnte Bild zustande, dessen Entstehung in Fig. Fe schematisch dargestellt ist. Mohrenmoose und Torfmoose haben von jeher keine feste Stellung im System finden können. In Schimpers Synopsis II von 1876 stehen sie noch als besondere Ordnungen am Schluß; ın jüngster Zeit wıll man sie gänzlich von den Laubmoosen trennen. Sie würden hiernach eigentlich nicht ın den Rahmen dieser Arbeit gehören; da aber auch mit ıhnen Kulturversuche an- gestellt worden sind, so möge eın kurzer Bericht darüber als Anhang hier seinen Platz finden. 19. Andreaea petrophila Ehrh.'). Wächst beı Eisenach an schwer zugänglichen Felsen des Breitengescheids. Von hier besorgte mir Herr Krüger zweimal Rasen mit reifen Sporogonen; zuerst am 10. April 1908, deren Sporen am 23. Februar 1909 auf Agar A ausgesät und teils ın der I., teils in der III. Zone aufgestellt wurden. Auf I trat drei Wochen nach der Aussaat eine sichtbare Veränderung ein, indem ein Teil der größeren Sporen — sie sind bei Andreaea sehr ungleich entwickelt — das Exospor sprengte und ım Innern die für die Gattung be- zeichnenden ersten Teilungswände erkennen ließ. Auf III geschah dies erst, als die Platte in I untergebracht wurde. In diesem Zustande verharrten die Sporen über drei Monate; am 25. Juni wurde ihre Beobachtung eingestellt. Der Versuch wurde am 5. Juni 1910 mit Pflanzen, die am nämlichen Tage gesammelt waren, wiederholt. Ende August war außer einigen gesprengten Sporenhäuten, die sich auf die größeren, kugelförmigen Sporen beschränkten, während die kleineren, tetraedrischen unverändert waren, keine Andeutung !) Wenn Loeske (16, S. 41) des Wohlklangs wegen die bisherige Schreibweise kürzt so könnte man sein Beginnen, das starre Prinzip der Harmonie unterzuordnen, wohl eut- heißen. Indessen ist der Versuch nicht neu; Limpricht sagte darüber schon 1885: „Die Schreibung Andraea hat sich nicht eingebürgert“. 51 4* 52 einer Keimung wahrnehmbar. Im Oktober gab ich es auf, dıe Kultur noch weiter zu beobachten. Die Erfolglosigkeit des ersten Versuchs könnte eine Erklärung in dem Umstande finden, daß die Sporen nicht, entsprechend dem natürlichen Verlauf, sofort nach der Reife zur Aussaat gelangt waren und in den seitdem verflossenen zehn Monaten ihre Keimkraft eingebüßt hatten. Für den zweiten Versuch ıst diese Annahme hinfällıg. Entweder findet Andreaea ın dem befolgten Kultur- verfahren nicht die zur Keimung erforderlichen Bedingungen, oder die Sporen waren überhaupt nicht keimfähig, wie es Limpricht (6, I, S. 142) für die verwandte A. alpestris als „wahrscheinlich“ bezeichnet. Auf schwierige Ver- hältnisse deutet auch die Angabe C. Müllers (4, S. 164) „Sporen keimten sehr ungleichzeitig, einige nach einer Woche, andere nach Monaten“. 20. Sphagnum. (Abb. 21.) W. Ph. Sehimper hatte 1858 beobachtet, daß die Sporen der Torf- moose ım Wasser zu einem fadenförmigen, auf dem Lande zu einem flächen- förmigen Gebilde auskeimen. Diese mit älteren Forschungen Hofmeisters ım Widerspruch stehende Angabe ıst seitdem ungeprüft selbst in neuere Werke übergegangen, so findet sie sich z. B. noch bei ©. Warnstorf (7, 1903), obwohl Goebel (5) schon 1889 nachgewiesen hat, daß unter normalen Verhältnissen auch im Wasser ein Flächenvorkeim entsteht. Zu „normalen Verhältnissen“ gehört offenbar eine stickstoffreiche Nahrung, da Schoenes Versuche (9) gelehrt haben, daß bei Stickstoffmangel in keinem Falle ein Flächenprotonema gebildet wird, daß die fadenförmigen Vorkeime also als Hemmungsbildungen zu betrachten sind. Ein Irrtum ist es auch, daß die Sporen von Sphagnum (3, I, S. 434) in der Regel erst nach zwei bis drei Monaten keimen. „Die Sporen der übrigen Moose“, sagt Schoene.a. a. O., „trieben oft erst nach Verlauf einiger Tage aus, zuletzt die Sphagnum-Sporen.“ Unter solchen Umständen hatte die Feststellung, wie sich die Sporen der Torfmoose auf Agargallerte, also auf einer zu 981% v. H. aus Wasser bestehen- den Grundlage verhalten würden, einen besonderen Reiz. Es kostete aber Mühe, brauchbare Pflanzen aus der letzten Zeit aufzu- treiben, so daß ich zu älteren Funden greifen mußte, die wider Erwarten noch keimfähige Sporen lieferten. Als Versuchpflanzen dienten Sphagnum quinquefarium Warnst., am 20. September 1906 von mir ın der Mosbacher Hölle b. Eisenach gesammelt, Sphagnum medium Limpr. im August 1909 von L. Dietzow bei Pr.-Holland aufgenommen. 1. Von beiden wurden gleichzeitig am 27. Februar 1910 Kulturen auf Agar A angelegt, anfangs in der I., nach eingetretener Keimung in der I. oder II. Zone, je nach den Lichtverhältnissen und vor den unmittelbaren Sonnen- strahlen geschützt, aufgestellt. Ihre Entwickelung vollzog sich in gleicher 52 53 Weise, nur zeitlich verschieden, indem die Sporen von Sph. quinquefarium schon 18 Tage nach der Aussaat keimten, die von Sph. medium erst nach vier Wochen, dann zwar schneller Flächenvorkeime hervorbrachten, aber auch früher zu- grunde gingen. Ganz auffallend zeigte sich hier der günstige Einfluß der Nährlösung. Ich hatte die Schale mit den keine rechten Fortschritte machenden Anlagen etwas geneigt gestellt, so daß sie nur zur Hälfte von der Flüssigkeit bedeckt waren. Während nun die unbenetzte Seite mehr und mehr verkümmerte, Abb. 21. Sphagnum medium Limpr. A Spore von Sphagnum medium Limpr. 300:1. B Sporen von Sph. quinquefarium Warnst. anf verschiedenen Stufen der Keimung 300:1. C Nach Fütterung mit Nährlösung entwickelte Vorkeime desselben 300:1. D Flächen- vorkeime von Sph. medium 150:1. entwickelten sich auf der andern kräftige Keimschläuche mit starker Neigung zum Verzweigen, und hier traten auch die ersten Flächenvorkeime auf. Ende Mai waren die Kulturen, teilweise von Algen überwuchert, zerstört. Es wurden daher, in der Erwartung, mit Nährböden andrer Zusammensetzung bessere Erfolge zu erzielen, zwei Agargallerten mit verändertem Salzgehalt hergestellt und zwar nach der unter Agargallerte B angegebenen Vorschrift eine Agar D mit 0,2 Kaliumnitrat, 0,1 Magnesiumsulfat, 0,05 Ferrophosphat, und eine Agar E mit 0,5 Kaliumnitrat, 0,25 Magnesiumsulfat, 0,125 Ferrophosphat auf je 100 Teile, 54 so daß also D zweimal, E fünfmal so viel Nährsalze enthielt, als Agar A. Die Kalksalze blieben fort, mıt Rücksicht darauf, daß die Torfmoose als kalk- feindlich gelten. Mit diesen Unterlagen ım Juli 1910 angestellte Versuche lieferten indessen noch weniger befriedigende Ergebnisse; die Keimung trat zwar, wohl infolge der stärkeren Lichtwirkung der Jahreszeit, auf Agar D schon nach 14 Tagen ein, sie führte aber nur zu kümmerlichen Vorkeimen. Bei Agar E blieb die Keimung fast vollständig aus. Die Ursachen der Mißerfolge konnten also nicht ın einem Mangel der Unterlage an Nährstoffen liegen, eher waren sie ın den beiden letzten Fällen zu reichlich vorhanden; wohl aber dürften sie eine annehmbare Erklärung finden in einer Schrift von K. Müller (12), aus der hier nur soviel mitgeteilt sei, daß die Torfmoose ihre notwendigen Nährstoffe — außer Stickstoff selbst Kalıum und Phosphorsäure — der Luft entnehmen und, daß das Wasser, in dem sie leben, nur '/,. der in gewöhnlichem Wasser vorhandenen Nährsalze enthält. Trifft das zu, dann wären in den staubsicheren Petrischalen auch wohl den Vorkeimen der Torfmoose die Lebens- bedingungen abgeschnitten. Am 22. September 1910 hatte ich Gelegenheit, Sphagnum quinquefarium mit reifen Sporogonen zu sammeln. Ich säte die Sporen am 30. September auf Agar D aus, wartete aber bis zum 30. Oktober vergeblich auf ıhre Keimung. Hiernach hat es den Anschein, als bedürften die Torfmoossporen zwischen Reife und Aussaat einer Ruhezeit, einer Art Nachreife. 2. Die Sporen der Sphagnaceen, bei unseren beiden Arten 0,021 bis 0,023 mm im Durchmesser, sind Kugeltetraeder und tragen als solche die Art ihrer Keimung zur Schau (Fig. A). Das Exospor reißt an den drei Pyramiden- kanten auf, und der feinkörnige Inhalt, in dem sich ein großer Öltropfen abgesondert hat, quillt als plumper, oft kugeliger oder ballonförmiger und dann an Breite die Spore weit übertreffender Schlauch hervor (Fig. B). Fütterung mit Nährlösung förderte den Vorgang ungemein, so daß aus vielen Sporen Doppelschläuche austraten (Fig. C). Sie bestanden bald aus längeren, ver- bogenen, bald aus kurzen, gedrungenen Gliederzellen mit großen Chromato- phoren. Die Bildung der Flächenvorkeime beginnt mit einer kopfförmigen An- schwellung der Endzelle des noch kurzen Hauptfadens oder eines Zweiges (Fig. D); sie wird zuerst durch eine Querwand — seltener eine Schräg- oder Längswand — geteilt, auf die eine zweite im rechten Winkel dazu folgt; in den so entstandenen Zellen wiederholen sich dann die Teilungen gesetz- mäßig. Die weitere Entwickelung der mit zweischneidiger Scheitelzelle wach- senden Zellfläche, aus deren Rand die Knospen hervorgehen, entzog sich leider, wie bemerkt, der Beobachtung. Auch Schoene hat offenbar nur ganz ein- fache Flächenvorkeime erzielt. 3. Das Wachstum der Torfmoosvorkeime, soweit sie fadenförmig waren, richtete sich entschieden nach der Schattenseite hin. 54 BR 2 Rückblick. Im Herbst 1910 wurden die Versuche abgeschlossen. 1. Wählen wir aus den einzelnen Berichten die zu Vergleichen geeigneten Beobachtungen heraus, so erhalten wır folgendes Bild: Es erforderte von der Sporenaussaat: bis zur Keimung 2 Aue ugeDen: a a | Dauer der bildung Vorkeime] reihen , Peobachtung A Schistostega . . — — — 2 5 Monate B Leucobryum!). . — Zn — 1 Dem Dr Andreaea . . . = — — 3 TR BDerlmum’. . . . 4 Tage — So) 2 Ira E | Disceium . . . | 5—10 Tage — L 5 10 ' F | Plagiotheium. .\ 6-9 ,, _— S 2 er G | Buabaumia . ., 8—10 „| — S E 19 Ei Georg@a... ...\13—27 „, _ S 6 205 5 Pr J | Sphagnum. . . \14—28 ,, — S 6 AT K | Diphyscium . .\15-—28 „ — E2 5 ı2l „ BE rbartramia.. . . 6 Tage 4 Wochen L 2 a; Beikehasum . ...| 7-10 Tage| 5 r L 3 Ins N Orthotrichum . .| 10 Tage BN er: S 1 8:75 O Hypnum . . .| 4—7 Tage 7—12Wochen| L 2 er m Befncalypta . . | 7—9 7 9 Wochen L Di 2a, 0 Q Splachnum . . 6 Tage 2 E L 3 Een R | Pogonatum . .| 9—15 Tage| 12 n L 4 P2W we S | Fontinalis . . . 7 Tage 16 Y S 0) KO, er nssidens : .. . Due 22 5 L B) 1012, Bi Hookeria . . . IOeı 24 n S 4 KB L (In der V. Spalte bedeutet L lichtwärts, S schattenwärts, N. unbestimmt.) Es sind also bei der Hälfte der zu den Versuchen benutzten Moose — der Gruppe L bis U — junge Pflänzchen erzielt worden und damit war für diese die gestellte Aufgabe gelöst; sieben — die Gruppe D bis K — blieben bei mehr oder weniger vollkommen entwickelten Vorkeimen stehen; bei zweien — A und C — versagten die Sporen gänzlich. Suchen wir uns das Verhalten der ersten Hälfte, A bis K, zu erklären. Man könnte zunächst die chemische oder physikalische Beschaffenheit des I) S. d. Fußnote auf S. 27. 56 Nährbodens für ungeeignet halten, auch wohl an eine Verminderung seiner Nährsalze durch Aussaugung denken, wenn nicht den Mißerfolgen ebensoviele volle Erfolge gegenüberständen und die Gruppe D bis K den Beweis geliefert hätte, daß ıhre Vorkeime sich auch ohne Knospenbildung geraume Zeit — bei Mnium spinulosum nicht weniger als sieben Monate — auf der Agargallerte lebensfähig erhielten, eine Tatsache, die doch entschieden zugunsten dieses Nährbodens spricht. Die Vermehrung der Nährsalze brachte keinen Vorteil, wıe der Versuch mit Sphagnum lehrte. Bei Moosen, die auf durch- lässıgem Boden wachsen, wie Schistostega, oder die, wie Andreaea, an trockne, felsige Standorte gewöhnt sind, könnte dagegen der gallertartige Zustand der Agar ein Hindernis für normale Keimungsvorgänge bilden. Der unbefriedigende Verlauf jener Versuche kann ferner in dem Grade der Keimfähigkeit der Sporen seine Ursache gehabt haben, die entweder ver- loren gegangen oder noch nicht voll entwickelt war. Bei Leucobryum werden sıe diese während der mehr als fünfjährigen Aufbewahrung eingebüßt oder, was wahrscheinlicher ıst, überhaupt nicht besessen haben; denn wenn dieses Moos nur an gewissen Orten Sporogone erzeugt, so ist damit noch nicht er- wiesen, daß sie auch keimfähige Sporen hervorbringen. Nur dann könnten sie freilich zur „Auffrischung der Art‘ dienen (vergl. Loeske, 16, S. 16), während im andern Fall der Pflanze zwecklose Anstrengungen zugemutet würden '). An einzelnen Mißerfolgen trug sicherlich der Verlust der Keim- fähigkeit die Schuld, so bei Fissidenz, dessen Sporen sechs Jahre, bei Encalypta, die teils 11, teils 19 Jahre in meiner Sammlung geruht hatten, während eine ungenügende Reife der Sporen in den Fällen anzunehmen ist, wo sie über den Zustand der Quellung nicht hinauskamen, so bei Diphyscium, Pogonatum. Im allgemeinen werden die Sporen um so besser keimen, je frischer die Versuchpflanzen sind. Eine Ruhepause von wenigen Wochen oder Monaten, selbst Jahren nach der Reife scheint keine nachteiligen Folgen zu haben; die von Orthotrichum hatten z. B. ihre Keimfähigkeit vier Jahre lang, die von Sphagnum 3% Jahre bewahrt. Diese Frist darf aber, wie die Versuche mit Diphyscium und Encalypta lehren, nicht nach Jahrzehnten oder gar nach Jahrhunderten bemessen werden, denn Keimkraft ist Leben, schlummerndes Leben, und als solches begrenzt; ein Dornröschenschlaf wäre auch im Reich der Moose als Märchen zu verwerfen. Weisen nicht manche Merkmale, wie beispielsweise das zarte, vergängliche Pseudopodium und der zugleich mit dem Deckel fortgeschleuderte Kapselinhalt der Torfmoose, sowie die zahlreichen Vorrichtungen zum Ausstreuen der Sporen”) darauf hin, daß diese nıcht für en Aufbewahrung eingerichtet sind’ Wie Limpricht hierüber dachte, 1) Auch bei höheren Gewächsen, Circaea intermedia z. B., ist Fehlschlagen der Samen nichts Ungewöhnliches. Kleesamen wird bekanntlich vom Landwirt nach der Zahl der keim- fähigen Körner im Hundert bewertet. Vgl. auch Fußnote 1 auf S. 27. 2) Ausführliches darüber in „Dr. Alb. Pfaehler, Etude biologique et morphologique sur la dissemination des spores chez les mousses, Lausanne 1904. 56 57 das geht unzweideutig aus einer Bemerkung (6, Bd. I, S. 60) hervor: „Sporen von Funaria hygrometrica keimten nach fünf Jahren noch kräftig“. Die Keimfähigkeit der Torfmoossporen hat er allerdings weit unterschätzt, wenn er ihre Dauer auf zwei bıs drei Monate angıbt. Ich habe gefunden, daß sıe, wie vorhin erwähnt, nach 313 Jahren noch normal keimten, fünf Monate später nur kümmerliche Keimschläuche trieben, und schließe daraus, daß die ver- minderte Keimkraft älterer Sporen sich ın der Entwickelung schwächlicher Vorkeime bemerkbar macht. Der für die Anlagen der Kulturen wichtigste, über Gelingen oder Miß- lıngen entscheidende Punkt ist endlich ohne Zweifel die Wahl der Jahreszeit für die Sporenaussaat. Aus der 6. Spalte der eben aufgeführten Tafel ist ersicht- lich, daß einzelne Moose bis sechs Versuchsreihen und eine Beobachtungsdauer bis zu 26 Monaten erforderten und doch nur einen halben Erfolg brachten. Inwiefern die Jahreszeit dabei beteiligt war, zeigt folgende Zusammenstellung. Die Sporenaussaat im: Januar zeitigte bei Zncalypta Gametophyten im März 5 4 „ Fissidens N „ Mai 5 n „ Hookeria n Jul „ „ ” Hypnum ” „ März Februar ” „ Phascum R „ März n j, „ Fontinalis N „ Juni . „ Pogonatum ” AND Juni N „ Bartramia ‘ ss dulı Juli 7 „ Orthotrichum " „ August November n „ Splachnum ? „ Februar Dagegen führte nur zu kümmerlichen Vorkeimen die Sporenaussaat im Juli bei Hookeria und Hypnum (hier auch zu verzögerter Knospenbildung), im Juli und Oktober bei Pogonatum, im Oktober bei Encalypta. (Die Gruppe D bis K bleibt außer Vergleich, da sie nicht bis zur Knospen- bildung gedieh.) Man sieht: es ist die Jahreszeit der länger werdenden und die der längsten Tage, welche die Entwickelung der Vorkeime und Knospen besonders fördert. Daß wir die treibende Kraft hier in der wachsenden Lichtfülle zu suchen haben und nicht etwa in der zunehmenden Wärme, soll im Schlußabschnitt weiter ausgeführt werden; hier sei nur kurz darauf hingewiesen, daß die Wärme für die Moose keine Rolle spielt — bekanntlich erreichen sie vielfach die Höhe ihrer Entwickelung im Winter —, daß sich dagegen der Einfluß des Lichts sogar in Form und Wachstum des Moosstämmchens äußert und z. B. bei breit- und flachrasigen Arten, wie Hypnum molluscum, Hylocomium splendens dadurch ins Auge fällt, daß ihre Wedelchen sich zu einem reizenden Mosaik im Sinne Kerners von Marilaun fügen, in dem jedes seinen Platz an der Sonne erhält. 57 58 ‘Welcher Art nun auch die unsere Moosanlagen schädigenden Ursachen seien: Kulturen sind Fragen, dıe wır der Natur vorlegen und die sie uns nur bei richtiger Fragestellung beantwortet. Hedwigs Sporenaussaat (s. Einleitung S. 1) war soleh eine richtig gestellte Frage; ebenso v. Klinggräffs lehr- reicher Versuch mit Hypnum giganteum (s. „Bot. Ztg.“ 1860). Das gleiche gilt für unsere gelungenen Kulturen — für die mißlungenen bleibt nur die Hoff- nung, durch Wiederholung unter veränderten Bedingungen und durch Beharr- lichkeit zum Ziele zu gelangen. 2. Ein flüchtiger Blick auf die dieser Arbeit beigegebenen Abbildungen wird genügen, die in der Einleitung erwähnte, angebliche Übereinstimmung der Jugendformen bei den höheren Laubmoosen auf das richtige Maß zurück- zuführen. Die Natur wiederholt sich nicht; großzügig gibt sie ıhre Gesetze, gestattet aber jedem Einzelwesen, sich innerhalb einer gewissen Grenze eigen- artıg zu entwickeln. So begegnen wir denn auch unter den Moosvorkeimen einer überraschenden Mannigfaltigkeit der Formen. Schon bei dem einfachen Vorgang der Keimung lernen wir Sporen kennen, deren zarte Außenwand beim Quellen der Dehnung folgt; andere, deren Exospor derber ist, so daß es bald in Spalten, bald ın unregelmäßigen Fetzen aufreißt, auch wohl schalen- förmig abgeworfen wird, endlich solche, die sich dreilappig öffnen. Für die Arten bezeichnend ist auch die Zahl der austretenden Schläuche, ihre Stärke und ıhr Wachstum. Wir beobachteten bei Bartramia streng eın - schläuchige Sporen, bei Phascum zwei- bis vierschläuchige; bei Mnium, Splachnum, Fissidens tritt anfangs nur ein Schlauch aus, dem bald ein zweiter, dritter folgt; Doppelschläuche kommen bei Sphagnum vor. Die Stärke der Keim- schläuche schwankt erheblich; ihre durch das Licht beeinflußte Richtung ist so ausgeprägt, daß man sie bei dem einen Moose als lichthold, bei einem andern als liehtscheu bezeichnen muß. In einigen Fällen gehen die Sporen allmählich in die Keimschläuche über, und dann ist oft die erste Scheidewand weit in diese hinausgerückt; ın anderen sind beide scharf gegen einander abgesetzt, die erste Wand bildet die Grenze, tritt aber bisweilen, wie bei Georgia, Pogonatum, Discelium, schon innerhalb der Spore auf. Die Gestalt des jugendlichen Protonemas wird zunächst durch die Form der zart- oder derbwandigen, bald kugelrunden, bald walzenförmigen Glieder- zellen bestimmt; je nach den Zwischenformen entstehen glatte, knotige, rosen- kranzförmige Fäden, deren Linienführung von der starr-geraden bei Fontinalis und Hookeria über die geschlängelte bei Splachnum zur ranken- bis schnecken- förmig eingerollten bei Phascum hinüberleitet. Weiterhin gibt die Verzweigung dem jungen Vorkeim ein eigen- artiges Gepräge; anfangs deutlich gefiedert, gabelig, kammförmig, einseitig oder sympodial, ist sie später freilich infolge reichlicher Astbildung verworren; ebenso sind Länge und Dicke der Gliederzellen wesentliche Merkmale. Die Dicke hängt von der Größe der Sporen ab und beträgt im Mittel 0,01 bis 58 2a 0,02 mm; nur selten dehnen sich die Schläuche derart, wie bei Encalypta und Sphagnum; die zartesten wurden beı Fissidens mit 0,008 bis 0,012 mm, die stärksten von 0,032 bis 0,086 mm Durchmesser bei Encalypta beobachtet. Die Länge der Zellen ist selbst bei einem und demselben Faden sehr verschieden, so daß ihr Umriß alle Übergänge vom querbreiten zum langzylindrischen be- schreibt. Nimmt man dazu noch den jedem Protonema eigenen Farbenton, die Neigung, entweder innerhalb der Gallerte, über ıhre Oberfläche hin oder aufwärts in die Luft zu wachsen, sich auf die Aussaatstreifen zu beschränken oder die ganze Nährplatte zu überziehen, so ergibt sich eine Summe von eigen- tümlichen Merkmalen, die sich zwar schwer beschreiben lassen, bei einiger Übung aber zur Unterscheidung genügen und dazu berechtigen, auch bei diesen einfachen Gebilden von einem „Habitus“ zu sprechen, der in der Systematik Beachtung verdient. Ruhezustände des Protonemas, wie sie in meiner Arbeit über Funaria (11) beschrieben und abgebildet sind, wurden bei verschiedenen Moosen beobachtet; sie traten hier nicht als Folge der Trockenheit auf, die in der feuchten Kammer ausgeschlossen war, sondern in allen den Fällen, wo die Vorkeime infolge sonstiger ungünstiger Verhältnisse kränkelten, so daß die Knospenbildung ausblieb, ganz besonders bei Discelium und Buxbaumia; sie werden hier besser als „Altersformen‘“ bezeichnet. Erhebliche Unterschiede zeigten sich in Form und Größe der Knospen; die stattlichsten fanden sich bei Splachnum und Hookeria und bei der letzten entfernten sie sich auch am weitesten von dem allgemeinen Typus. Die jungen Gametophyten sprechen durch ihre bildlichen Darstellungen für sich selbst. 3. Zu den biologischen und morphologischen Eigentümlichkeiten gesellt sich nun noch das für jedes einzelne Protonema bezeichnende Verhalten gegen Lichteinflüsse. Es ist von vornherein betont worden, daß diese Beobachtungen nur als Nebenzweck angestellt werden sollten, und das rein empirische Ver- fahren der Einteilung nach Zonen gestattet auch kein endgültiges Urteil; fest- gestellt wurde nur, daß eine reinliche Scheidung der Vorkeime mnlichtholde . und lichtscheue nicht durchführbar ist und daß die Voraussetzung, jene kämen ausschließlich den Lichtmoosen, diese den Schattenmoosen zu. nicht zutrifft. Spalte V der Tafel zeigt die Verhältnisse übersichtlich. Wir verstehen es, wenn die Vorkeime von Phascum und Splachnum, Moosen mit hohem Licht- genuß, einem solchen angepaßt sind, wenn sie bei Mnium und Plagiothecium den Schatten suchen und dies in der Wachstumsrichtung zum Ausdruck bringen: ihr Verhalten bei Fontinalis, einem keineswegs ausgesprochenen Schattenmoose, erklärt sich aus der bei untergetaucht lebenden Wasserpflanzen verminderten Jichtbedürftigkeit, auch wohl aus einer Anpassung der Sporen an den schattigen Wohnort; das gleiche könnte man geltend machen für das im Dämmerlicht der Baumkrone wachsende, einseitig beleuchtete Orthotrichum. 89 60 Wie aber soll man den Umschlag beı Hookeria deuten? Wie den Wechsel der Richtung bei Georgia? Wie endlich die scheinbare Lichtunempfindlichkeit bei Diphyscium? Das sind Fragen, die noch der Antwort harren. Als „empirisch“ wurde vorhin die Gruppierung der Kulturen in drei Lichtzonen bezeichnet. Die Natur kennt solche Zonen nicht. Die Wirkung der Sonnenstrahlen auf die Pflanzenwelt offenbart sich ın so unendlich feinen Abstufungen, daß man (15) z. B. am grünen Laub der Bäume nicht weniger als 560 Farbentöne unterscheiden kann; auch ist nach France (10, D die Pflanze um so viel empfindlicher, wie unser Auge, daß für sıe der Aufenthalt in der Tiefe eines Zimmers, wo man noch sehr kleinen Druck leicht lesen kann, gleichbedeutend ist mit „dauerndem Dunkelarrest“. Was ın den Berichten über die III. Zone mitgeteilt ist, bestätigt diese Auffassung. Manch auffallende Erscheinung wird uns verständlich, wenn wir die Licht- einflüsse in ihrer ganzen Tragweite würdigen. Durch die Erkenntnis, daß die höhere Entwickelungsstufe eines größeren Lichtgenusses zum Gedeihen be- darf, als die niedere, erklärt sich das Auftreten von Knospen auf dem Moos- protonema während der zunehmenden, ıhr Ausbleiben ın der Zeit der ab- nehmenden Tage. In scheinbarem Widerspruch hierzu steht die Tatsache, daß Hookeria, Thamnium, die meisten einheimischen Hylocomien und Rhyncho- stegien im Winter ihre Kapseln reifen; und doch liegt hierin nur eine Anpassung an die Lichtverhältnisse: Diese Schattenmoose streuen ihre Sporen zur Keimung aus, wenn die Sonne wieder höher steigt und entwickeln ihre Sporogone, wenn mit dem herbstlichen Laubfall für sie ein zweiter Zeitabschnitt zunehmenden Lichtes beginnt. Kurz zusammengefaßt lauten die Ergebnisse meiner Versuche und Beobachtungen: 1. Für die Kultur der ersten Entwickelungsstufen der Laubmoose ist Agargallerte ein geeigneter Nährboden. 2. Die ersten Monate des Jahres sind für die Sporenaussaat am günstigsten. 3. Die Sporenkeimung tritt normal nur bei einer bestimmten Lichtstärke ein; einer größeren bedürfen die Vorkeime zur Knospenbildung, bei Lichtmangel verzögert sich diese oder sıe bleibt aus. 4. Die Jugendzustände der Laubmoose zeigen schon von der Keimung an eigenartige Unterschiede. 5. Diese äußern sich in Form und Größe der Zellen des Protonemas, Art der Verzweigung und seinem Verhalten gegen Lichteinflüsse. 6. Einseitige Belichtung übt auf Keimschläuche und jüngere Vorkeime eine richtende Wirkung aus. 60 Schlussbetrachtung. Wer je die auffallende Veränderung beobachtet hat, welche das Kleid der Edeltanne erleidet, sobald sie aus der geschützten Parkwiese hinaufsteigt zu den einsamen, von Stürmen umbrausten Höhen des Gebirges: hier eine ebenmäßige, mit ihrem dichten Behang den Erdboden berührende Pyramide, dort ein gipfeldürrer, bis weit hinauf von Zweigen entblößter oder mit deren kümmerlichen Resten die herrschende Windrichtung weisender Wetterbaum, der findet leicht eine Antwort auf die nicht unberechtigte Frage, ob unsere, auf sterilisierten Nährböden gezogenen Reinkulturen nicht etwa andere Bilder geben werden, wie die in der freien Natur entstandenen Entwickelungsformen. Wer wollte von dem, jedem Wechsel von Sonnenschein und Schatten ausge- setzten, allen Widrigkeiten und Störungen durch Frost und Unwetter wehrlos preisgegebenen, jeder Unebenheit des Bodens sich anpassenden, allseitig beleuch- teten oder in Felsspalten verborgenen Protonema eines Mooses erwarten, daß es sich ebenso verhält, wie das im stetig warmen Zimmer auf der glatten, stets feuchten Gallerte künstlich gezogene? Indessen, diese durch nichts gestörte Ruhe bietet neben der einseitigen Beleuchtung dem Vorkeim die beste Gelegen- heit zur vollen Entfaltung seiner typischen Merkmale, und schon aus diesem Grunde sind Kulturen für die Beobachtung wichtiger, als die im Freien ge- wachsenen Naturformen. Anlaß zu Versuchen und Stoff zu Beobachtungen gewährt die Moos- welt reichlich. Fordern schon die Arten, welchen das gewählte Verfahren nicht zusagte, förmlich zu einer Fortsetzung der Kulturen heraus, so würden diese auf andere, etwa hochalpine oder tropische Formen ausgedehnt, gewiß manches Überraschende zutage fördern. Biologische Fragen wurden hier und da schon gestreift, so unter Sphagnum die Art der Nahrungszufuhr. Es wäre durch geeignete Kulturen, vielleicht durch Sporenaussaat auf nährsalzfreier Agar und Bestäuben mit Nährlösungen nachzuweisen, ob außer den Torfmoosen auch andere Laubmoose auf Übertragung von festen Nährstoffen durch die Luft angewiesen sind, worauf neben ihrer außerordentlichen Aufnahmefähigkeit für Luftfeuchtig- keit‘) die Tatsache hinweist, daß manche — man denke an die Polster der Grimmien — ihrer Unterlage oft fast lose aufliegen. Die Bedeutung der Kulturen für de Entwickelungsgeschichte hebt L. Loeske in seinem neuesten Werk (16) mehrfach hervor; er erwartet von Vergleichungen der Sporenkeimung, deren Schwierigkeit er noch über- schätzt, und von Untersuchungen der Jugendformen eine Förderung unsrer Kenntnis der verwandtschaftlichen Verhältnisse bei den laubmoosen. Keimungsversuche wären ferner erwünscht bei Mißbildungen, wie sie 1) Nach K. Müller vermag lufttrocknes Hypnum molluscum bis 51, %, Neckera pennata sogar 58,2 % Feuchtigkeit aus der Luft aufzunehmen. 61 62 unlängst Mönkemeyer an Dicranella varia und Dryum saxonicum'), Istvan Györffy‘) an Diceranum Blyttii beobachtet und beschrieben haben; solche Versuche würden auch am einfachsten Widersprüche lösen, wıe sie in betreff der Sporenkeimung (vergl. S. 4 u. S. 52) bereits erwähnt sind. Selbst der Systematik können Kulturen wichtige Dienste leisten, wo Unstimmigkeiten nur auf diese Weise zu entscheiden sind; ich verweise auf das, was ich seinerzeit über die Blütenverhältnisse bei Funaria (11, S. 17) mitgeteilt habe. Ein weites Feld mit erfolgverheißenden Ausblicken öffnete sich endlich demjenigen, der dıe ersten Entwickelungszustände der Laubmoose kultivieren würde, um ihre Beziehungen zum Licht gründlich zu erforschen. Die Wege dafür hat Wiesner gezeigt und geebnet. Er prägte als Ausdruck der Anpassung der Pflanze an das Licht den „Lichtgenuß“, lehrte, ıhn zu be- stimmen und in Zahlen für Vergleiche nutzbar zu machen. Ihm folgen, hieße für den Bryologen: den Lichtgenuß der Moose an den natürlichen Standorten zahlenmäßig feststellen, um alsdann künstlich eine entsprechende Lichtstimmung für seine Kulturen zu schaffen. Das wissenschaftliche Rüstzeug des heutigen Naturforschers würde diese Bedingungen zu erfüllen sicher ermöglichen und voraussichtlich die bei der groben Zoneneinteilung widerstrebenden Gestalten meistern. Voraussichtlich; denn auch bei Mooskulturen sind unwägbare Kräfte im Spiel, und immer noch, wenn auch längst nicht mehr in dem Umfange, wie zu des Dichters Lebzeiten, gilt das Wort: „Geheimnisvoll am lichten Tag Läßt sich Natur des Schleiers nicht berauben, Denn was sie dır nicht offenbaren mag, Das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben.“ 1) W. Mönkemeyer, Bryologisches aus der Umgebung Leipzies. 1906. 2) Hedwigia, Bd. XLIX. 62 Über Mytilus edulis L. und seine Formen”. Von Dr. Richard Hilbert - Sensburg. Mit einer Tafel. Allgemeines. Die Gattung Mytilus besitzt kein hohes Alter ın geologischem Sinn, da sie erst mit Beginn der Trias auftritt‘). Die uns hier beschäftigende Art, Mytilus edulis L., die Miesmuschel, ist aber gänzlich ein Kind der Neuzeit und erscheint zuerst ım älteren Diluvium, wird dann subfossil ın alluvialen Ab- lagerungen gefunden und hat heute eine große Verbreitung sowohl in räum- licher Beziehung als auch in Individuen-Anzahl gefunden’). In diluvialen Ablagerungen ist Mytilus edulis L. von Jentzsch?°) bei Marienwerder und bei Rehhof, Kr. Mewe Westpr. ‘), festgestellt. In Holstein fand sie Herr Professor W üst bei Eckernförde ın den Kjökkenmöddinger; auch erhielt ich durch die Liebenswürdigkeit dieses Forschers außerordentlich gut erhaltene Exemplare dieser Muschel aus dem Spätglacıal von Uddevalla ın Schweden. Weiter sınd fossile Standorte bekannt von Schwaan ın Mecklen- burg, von Hiddensö auf Rügen, von Tarbeck, von Blankenese und von Stade; mithin dürfte sich wohl diese Muschel in ganz Norddeutschland °) in diluvialen Schichten vorfinden. Subfossil findet man Mytilus edulis L. in großen Mengen zusammen mit Litorina litorea ın der Oldenburgischen Marsch; auch wurde sie vor kurzer Zeit von Luther’) in Finnland gefunden. Mytilus edulis L. = M. abbreviatus Lam. —= M. incurvatus Lam = M.notatu DeKay.=M. subsaxatilis Williams. —M. borealis De Kay. ıst die am häufigsten vorkommende Muschel unserer Meere und dürfte wohl sicher jedem Strandbesucher bekannt sein. Sie bewohnt die Meere vom nörd- lichen Eismeer durch den Atlantischen Ozean südwärts bis zum Mittelmeer ’), und zwar überall in großen Mengen. So geschieht es, daß zuweilen die fein zerriebenen Trümmer ihrer Schalen blaugefärbte Sandbänke bilden, wie solche vonDahms‘) aus der Umgebung von Zoppot beschrieben worden sind. Wie üppig Mytilus edulis L. gedeiht, mag man aus der Angabe von Möbius’) entnehmen, derzufolge im Jahre 1866 bei Büsum in Holstein 8000 Tonnen Miesmuscheln, das sind etwa 30 Millionen Stück, gesammelt und als Dünger *) Vortrag, gehalten auf der 35. Hauptversammlung in Elbing, am 28. Mai 1912. 4 64 verwendet wurden. Des weiteren werden diese Muscheln auch als Fischköder, insbesondere an der norwegischen Küste, beim Dorschfang gebraucht '°), während an der pommerschen Küste diese Tiere von den Anwohnern als Vieh- futter '') benutzt werden. — Schließlich darf nicht vergessen werden, daß die Miesmuschel auch in manchen Gegenden in großem Maßstabe als menschliche Nahrung verwertet wird, so bei Kiel an der Ostseeküste, ferner an einzelnen Stellen der deutschen und englischen Nordseeküste, auch an der französischen Küste und in Holland, namentlich aber an den Ufern des Mittelmeeres. Zum Zweck der Anlage von Brutstellen für diese Tiere, und um sie auch später leichter einsammeln zu können, werden in der Kieler Bucht an geeigneten Stellen Pfähle und ganze Baumstämme eingerammt, an denen sich die Muschel- brut befestigt (daher der Name „Pfahlmuschel“). Zu demselben Zweck werden an der französischen Küste Hürden von Flechtwerk '”) aufgestellt. Bei dieser Gelegenheit möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß die Mies- muscheln zuweilen giftige Eigenschaften annehmen können, und in solchem Zustande Massenerkrankungen, ja Todesfälle hervorzurufen vermögen. Die ersten derartigen Fälle sind von dem Holländer Baster'?) veröffentlicht worden. Beı uns ın Deutschland erregte namentlich die Muschel- Vergiftungs- epidemie zu Wilhelmshaven ım Jahre 1885 großes Aufsehen, da die wirkliche Ursache der Giftigkeit der Muscheln damals nicht festgestellt werden konnte, obwohl sich sogar der große Pathologe Virchow"*) sehr eingehend mit dieser Angelegenheit beschäftigte. Erst im Jahre 1891 fand Macweney einen Bazillus, der die Gıftigkeit und die krankheiterregenden Eigenschaften solcher Muscheln bedingte '”). — So besteht mithin auch ein gewisses medi- zinisches Interesse hinsichtlich unserer Muschel. Beschreibung. Die Gattung Mytilus gehört zu den Asıphoniaten und zwar zu der Unter- abteilung Heteromyaria, Familie Mytilaceae. Die erste wissenschaftliche Be- schreibung von Mytilus edulis L. stammt von Lister); aus unseren Gegen- den wird diese Muschel zuerst von Bock') erwähnt. Mytilus edulis L. ist synonym mit Perna communis Schumacher"). Mytilus edulis L. weist einen großen Formenreichtum auf. Seine Größe ist je nach dem Wohnorte sehr verschieden. Die größten und dickschaligsten Exemplare findet man in der Nordsee, und zwar besonders in ihrem nörd- lichen Teil; so besitze ich ein großes Exemplar aus dem Lymfjord, das eine Länge von über 10 cm und eine Breite von über 4 cm besitzt. In dem weniger salzigen Wasser der Ostsee erreicht diese Muschel nicht solche Dimen- sionen '’). Aus Kiel und aus Hadersleben stammende Stücke besitzen eine Länge von 75 mm und eine Breite bis 36 mm. Selbst bei Wismar fand M. Braun einst ein Exemplar von 78 mm Länge °°). Noch kleiner und dünn- schaliger sind diese Tiere in der noch salzärmeren, östlichen Ostsee: Stücke, die bei Hela Westpr., und bei Rauschen an der nordsamländischen Küste ge- 2 ' 65 sammelt sind, erreichen eine Länge von 60 mm und eine Breite von 26 mm °*). Die allerkleinsten und dabei dünnschaligsten und zerbrechlichsten Formen leben im Finnischen und Bottnischen Meerbusen; ihre Dimensionen betragen nach Levander”) 45 bis 21 mm. Dabei sind die Stücke aus der nördlichen Ostsee plumper gebaut; sie sind breiter und nicht so schlank wie die der ge- wöhnlichen Form, ohne sich aber der später zu erwähnenden var. galloprovin- cialis zu nähern. Das größte der von Herrn Dr. Luther gesammelten und mir übersandten Stücke hat eine Länge von 29 mm. Auch die Farbe der Muschel varııert erheblich und bewegt sich zwischen Stahlblau über Violett bis zu tiefem Schwarz. Beide Schalen der Muschel sind gleichmäßig-symmetrisch gebaut; ıhr Schalen-Grundriß ist dreieckig. Die Muschel läuft nach vorn spitz zu, während ihr Hinterrand kreisförmig gebogen ist. Die Wirbel sind spitz und neigen sich gegeneinander; oft sind sie abgerieben. Zuweilen geht von ihnen eine radıäre Streifung aus. Der Vorderrand ist sehr schmal, der Oberrand steigt schnell und schief an und bildet auf seiner Höhe eine winklige Ecke. Der Hinterrand bildet einen halbkreisförmigen Bogen, während der Unterrand fast gerade ver- läuft und, um den Byssus hindurchzulassen, etwas klafft. Unter den Wirbeln befinden sich drei bis vier kleine, dreikantige Zähnchen. Das Ligament ist lang und schmal und zeigt auf jeder Seite eine dünne gekerbte Leiste. Der vordere Muskeleindruck ist sehr schwach, der hintere stärker ausgeprägt und von nieren- förmiger Begrenzung. Der Mantelrand zeichnet sich deutlich ab. Die innere Perlmutterschicht erscheint dünn und von bläulich-weißer Farbe; die Epidermis ist glänzend und außerordentlich zart ””). Die Muschel ist im ganzen dick, ziuhreblasen. (Vergl. T. 1. f. La. 1b. u. 1e.) Das Tier hat die Größe des Innenraumes der Muschel. Es ist von grau- weiber Farbe, die Lebergegend ist gelbbraun, der Mantelrand meist pigmentiert. Der Fuß ist zungenförmig und kann bis 2 cm herausgestreckt werden. Er ıst von bräunlicher Farbe und fein quergestreift. Der Mantel ist dünn und zart und zeigt am hinteren Ende der Rückenseite einen Spalt zum Durchtritt der Atemröhre. Diese selbst ist kurz, ihre Mündung kreisrund und mit braunen Cirrhen besetzt”). An der Basis des Fußes tritt der Byssus her- vor. Er besteht aus einer Anzahl brauner, gerader, borstenartiger Fäden, deren distales Ende eine Haftscheibe ”°) trägt. Die Byssussubstanz steht chemisch der Hornsubstanz nahe und enthält außerdem Spuren von Jod, Brom, Natrium, Magnesium, Aluminium, Mangan, Eisen, Kieselsäure und Phosphor. Sie unter- scheidet sich von Chitin durch einen sehr hohen Stiekstoffgehalt °*). Mittelst dieser Byssusfäden befestigt sich das Tier an festen Gegenständen, an Pfählen, Steinblöcken und dergleichen, und zwar so dauerhaft, daß auch der stärkste Seegang nicht imstande ist, die Muscheln abzureißen. Da die Tiere gesellig leben, so hat man diese Eigenschaft in Bideford in England zur Befestigung der Pfeiler der Taw-Brücke benutzt. Infolge der scharf ein- gchenden Flut und Ebbe wurde nämlich beständig der Mörtel aus den Fugen 35. Ber. d. Wpr. Bot.- Zoo]. Vereins, 3 5 66 der Pfeiler dieser Brücke herausgewaschen. Dieser Übelstand hörte erst auf, als die Pfeiler künstlich dicht mit Miesmuscheln besiedelt wurden ?”). — Das Tier besitzt zwei Paar gegitterte Kiemen, in denen sich zuweilen kleine, wert- lose Perlen von der Größe eines Stecknadelkopfes finden °°), und ist getrennt geschlechtig ”°). Vie Miesmuscheln leben, wie gesagt, gesellig und meist in großen Mengen zusammen; sie befestigen sich, wie gleichfalls angedeutet, an festen Körpern, auch an den Schalen von Artgenossen. Kleeberg°°) sagt zwar: „Habitat in marı Baltico glomeratim fucis adhärens“; auch Arnold°*') will diese Tiere an Wasserpflanzen sitzend gefunden haben. Ich für meine Person habe aber niemals einen derartigen Sitz dieser Muscheln beobachtet. Ein großer Teil der Muscheln ist mit Seepocken, Balanus improvisus Darw. oder mıt der Bryozoe Membranipora pilosa var. membranacea Smitt. oder auch mit beiden besetzt. Seltener findet man auf ihnen Alcyonidium. Mytili Dal., in der Nordsee auch noch den Röhrenwurm Serpula triquetra L. Dieser Umstand dürfte sich wohl durch die sitzende Lebensweise dieser Tiere erklären lassen, die eine Besiedelung mit solchen epiphytischen Organısmen begünstigt. ‘ Bezüglich ihrer horizontalen Verbreitung ist zu bemerken, daß man diese Tiere sowohl innerhalb der Gezeiten-Zone findet, wo sıe also zu gewissen Zeiten außerhalb des Wassers zu leben gezwungen sind, als auch in Tiefen bis zu 80 Fuß unter dem Wasserspiegel °”), wo sie mithin einem Druck von fast drei Atmosphären ausgesetzt sind. Biologie. Die Tiere verlassen bereits als Larven die mütterliche Schale. In ruhigen Buchten, in der Nähe des Ufers, kann man dann im Herbst an untiefen Stellen, zumal an solchen, die reiche Algenvegetation zeigen, die jungen Exemplare von Mytilus edulis in ungeheuerer Anzahl beobachten. Sie haben eine Größe von 0,2 bis 0,3 mm und schwimmen mittelst ıhres Segels lebhaft umher, heften sich auch zuweilen mittels ihrer Byssusfäden an Steinen des Meeres- grundes an. (Vergleiche auch Aurivillius°*).) In etwa 11% Jahren sind die Tiere erwachsen; nach Wilson °*) soll Mytilus edulis L. unter ungünstigen Umständen sehr langsam wachsen, soll aber die Geschlechtsreife auch in diesem Fall, trotz bedeutender Kleinheit, in etwa einem Jahr erreichen. Die Ent- wickelungsgeschichte, soweit diese bekannt ist, siehe bei Keferstein, Bd. I, S. 451. Das allmähliche Aussüßen des Wassers vertragen sie nach Experimenten Bendants gut (S. Jordan, D. Binnenmoll. d. nördl. gemäß. Länd. von Europa und Asien. Halle 1883, S. 237.), vertragen aber nicht völlig süsses: Wasser. j Die Varietäten. Bei. der gewaltigen Vielgestaltigkeit dieser Muschel und bei ihrer großen Anpassungsfähigkeit an die Umgebung — man bedenke, daß sie ın Tiefen 4 67 bis zu 80 Fuß lebt und sowohl ın der stark salzhaltigen Nordsee, wie auch ın dem nur schwach brackischen Wasser des Bottnischen Meerbusens in großen Mengen vorkommt — kann es nicht wundernehmen, daß sie leicht zu Varietäten- Bildung hinneigt. Man kann unter diesen so zahlreichen Formen ohne großen Zwang leicht folgende unterscheiden: 1. Mytilus edulis var. galloprovincialis L. = Myt. latus Chemn. = Myt. latus var. hybr. eduläa Middendorff. (Auch als Art beschrieben!) Während sich bei der Hauptform die Breite zur Länge wie 1 :2—2,5 verhält, ist dieses Verhältnis bei der var. galloprovincialis anders. Bei Stücken, die aus Venedig stammen, verhält sich die Breite zur Länge wie 1 :1,2—1,4. Diese Varıetät ist also viel breiter und lange nicht so aufgeblasen, wie die Hauptform, sie ıst schinkenförmig, flach, zusammengedrückt und von dunkelblauer bis schwarzer Farbe. Anatomisch und biologisch unterscheidet sie sich in keiner Weise von der gewöhnlichen Form. Diese Varietät kommt hauptsächlich ım Mittelmeer vor und soll nach Angabe der Feinschmecker wohlschmeckender sein als die in den nördlichen Meeren lebende Hauptform °°). Stücke, die zu dieser Varietät zu rechnen sind, finden sich auch an der englischen Küste, wo ich sie von Tynemouth und Newcastle besitze. Aus der deutschen Nordsee, wie auch aus dem baltischen Meere ist mir diese Form nicht bekannt; dagegen befinden sich unter den spätglacialen Stücken von Uddevalla einzelne Exem- plare, die eine erheblichere Breite als die gewöhnliche Form erreichen, aber doch stärker gewölbt, also dicker sind, als es der var. galloprovincialis ent- spricht. (Vergl. T. I, Fig. 2.) 2. Mytilus edulis var. obtusatus Hilbert. Diese Varietät ist bisher noch nicht beschrieben worden. Sıe zeichnet sich durch ıhr abgestutztes Format und durch ihre große Aufgeblasenheit aus. Man kann bei ıhr eine Nordseeform und eine Ostseeform unterscheiden. Die Nordseeform ist klein, sehr fest, diekschalig und schwer, ihre Ober- fläche ist rauh und zeigt stark abgesetzte Anwachsstreifen; ihre Farbe ist schmutzig-blau. Ihre Dimensionen sind folgende: Länge 26 mm, Breite 14 mm, Dicke 18 mm. (Vergl. T. I, Fig. 3a und 3b.) Auch an diese Form finden sich Anklänge unter den spätglacialen Muscheln von Uddevalla. Die Ostseeform dagegen ist zwar gleichfalls klein, aber auch leicht und dünnschalig. Ihre Oberfläche ist ebenfalls durch stark ausgebildete Anwachs- streifen rauh und ihre Schloßgegend abgerieben, so daß dort meist die Perl- mutterschicht zutage tritt. Ihre Farbe ist schmutzig-dunkelschwarzbraun bis schwarz; ihre Dimensionen sind folgende: Länge 22 mm, Breite 14 mm, Dicke 15 mm. (Vergl. T. I, Fig. 4a und Fig. 4b.) Nord- und Ostseeform sind mithin stark aufgeblasen (diese Aufgeblasenheit prägt sich bei der Ostseeform noch besonders durch einen, das Zentrum der Schale einnehmenden Buckel aus) und erscheinen durch Abstutzung des Unter- randes verkürzt. Bei beiden Formen übertrifft die Dicke stets die Breite; und dieses ist ıhr Hauptmerkmal. 68 Die Nordseeform fand ich an der Westküste von Borkum zwischen den Fugen der zur Befestigung des Ufers dienenden Klinkermauer; die Ostseeform sammelte ich an den Felsen auf der Ostseite der Insel Bornholm ın der Nähe der Stadt Gudhjem. Von anderen Orten ist mir diese sehr auffallende Varıetät nicht bekannt. Dunker und Metzger (l. e., S. 253) beschreiben eine Mytilus-Form aus dem Hafen von Bergen folgendermaßen: ‚Eine verhältnis- mäßıg kurze, sehr dickschalige und geschwollene Form wurde ım Hafen von Bergen gesammelt. Die stumpfen Wirbel stehen weiter auseinander als ge- wöhnlich. Der Bauchrand ist gerade oder doch nur sehr wenig einwärts ge- krümmt, der Hinterrand konvex. Die Anwachsstreifen sind durch starke Furchen abgesetzt, namentlich auf der Mitte jeder Schalenklappe. (Länge 62 bis 69, Breite 34 bis 35 mm.)“ Es dürfte sich hierbei vielleicht um die oben beschriebene Nordseeform des Mytilus edulis var. obtusatus, oder doch um ein diesem Tier sehr nahestehendes handeln: leider ist von den Autoren nur das Längen- und Breitenmaß angegeben, was allerdings auf ein sehr viel größeres Tier schließen läßt als das von Borkum; die maßgebende Dicke ist aber nicht besonders hervorgehoben. 3. Mytilus edulis var. nanus Hilbert. Mit diesem Namen möchte ich die Zwerg- oder Kümmerformen von Mytilus edulis L. bezeichnen, wie sie im Mündungsgebiet der Haffe bei Memel und Pillau, im Mündungsgebiet der Weichsel — Neufahrwasser-Zoppot — und auch ım Norden der Ostsee im Finnischen und Bottnischen Meerbusen — Meeresteile, die nur brackisches Wasser enthalten — leben. (Völlig süßes Wasser verträgt Mytilus edulis nicht!) Solche Muscheln sind sehr dünnschalig und zerbrechlich, ihre Farbe ist dunkelschwarz, ihre Oberfläche glatt und glänzend. Sie erreichen nur Längen von 10 bis 20 mm; größere Stücke gehören zu den Seltenheiten. Ihre äußere Konfiguration entspricht etwa der der großen Nord- und Ostseemuscheln, nur sind sie erheblich flacher gebaut und haben daher nur eine verhältnismäßig geringe Dicke. Desgleichen weichen sie in ihrem inneren Bau und in ihrer Eintwickelung nicht von den Verhältnissen, wie sie bei der gewöhnlichen Form bestehen, ab. (Vergl. T. I, Fig. 5.) 4. Mytilus edulis var. pellucidus Pennant —= Myt. pellucidus Pen- nant°) = Myt. lineatus Krynicki. Diese Varietät ist schon lange be- kannt und von Pennant als Art beschrieben worden. Sıe ıst etwas kleiner und auch etwas dünnschaliger als die Hauptform. Ihr Hauptmerkmal besteht darın, daß ihre Schalen lehmgelb gefärbt sind; auch sie kann eine radıäre Streifung zeigen, doch scheint eine solche meistens zu fehlen °”). Im übrigen weicht sie in ihrem Bau und in ihrer äußeren Gestalt nicht merklich von der Hauptform ab; nur das Tier ıst heller, wenig pigmentiert, seine Leber rot gefärbt. Es ıst möglich, daß es sich bei diesen Tieren eventuell um Albinos handelt, doch wären, um dieses zu entscheiden, noch eingehendere Unter- suchungen notwendig. Ich wıll noch bemerken, daß man eine Zeitlang glaubte, daß diese gelbe Varietät eine besondere Rolle bei den Muschelvergiftungen 6 69 spiele, daß nur die gelben Muscheln giftig seien °*); doch wurde diese Ansicht durch die Untersuchungen Virchowsund Schmidtmanns 1885 wider- legt. Selbst fand ich diese Varietät an der nordsamländischen Küste bei Rau- schen; ich besitze weitere Stücke, dıe aus Hadersleben stammen und erhielt auch Exemplare von der westpreußischen Küste bei Zoppot. Nach Weinkauff”) lebt sie auch im Mittelmeer, nach Mac&°) an der französischen Küste und nach Gould“) soll sie auch an der nordamerikanischen Küste vorkommen. Sıe hat: demnach ungefähr dasselbe Verbreitungsgebiet wie die Hauptform. @verel. 7. T, Fig!'6.) 5. Mylilus edulis var. giganlteus v. Nordmann. Unter diesem Namen beschreibt v. Nordmann'*) eine riesenhafte Varietät von Myt. edulis, die von der Insel Edgecombe in der Nähe der ostsiıbirischen Küste stammt. Das größte von ıhm gemessene und in der angeführten Arbeit abgebildete Exemplar (Taf. XII) hat eine Länge von 235 mm und eine Breite von 97 mm. Ich selbst habe diese Riesen-Varietät nicht gesehen. Die Exemplare vv Nordmanns sollen sich in dem Moskauer Museum befinden. Schlussbemerkung. Die oben beschriebenen fünf Varietäten lassen sich aus der ungeheuren Fülle des Formenreichtums von Mytilus edulis L. unschwer herausschälen. Mytilus edulis var. galloprovincialis L. und Myt. edulis var. obtusatus Hilb. erscheinen als Form-Abweichungen der Schale, Myt. edulis var. pellucidus Penn. als Farbenvarietät, Myt. edulis var. giganteus v. Nordm. als exzessive Form und Myt. edulis var. nanus Hilb. ist eine Kümmer- oder Zwergeform des brackischen Wassers. Diese fünf Formen sind gut charakterisiert und lassen sich daher leicht rubrizieren. Aus diesem Grunde gestatten sie auch, einige Ordnung in das Chaos dieser Art hineinzubringen. Schließlich gestatte ich mir noch, denjenigen Herren, die mich durch Zu- weisung von entsprechendem Material bei Abfassung dieser Arbeit unterstützt haben, meinen verbindlichsten Dank auch an dieser Stelle auszusprechen. Es sind dieses die Herren Dahms-Zoppott, Kanngießer- Neuchatel, Luther-Helsingforss, Reck-Sensburg, Schlichting- Allenstein, Wüst-Kiel. 10 Literatur. 1) S.C. v. Zittel, Grundzüge der Paläontologie. München und Berlin 1903. S. 337, und Quenstedt, Handbuch der Petrefaktenkunde. Tübingen 1885. S. 790. 2) cf. Haas, Die Leitfossilien. Leipzig 1887. S. 125. 3) Jentzsch, Schriften der Deutschen Geologischen Gesellschaft 1880. S. 668. 4) Jentzsch, Über Aufnahmen im Weichseltal bei Mewe und Rehhof. Jahrb. d. Kgl. Preuß. Geolog. L.-A. 1883. S. LXVI. 5) Credner, Elemente der Geologie. Leipzig 1902. S. 727. 6) Luther, Über eine Litorina-Ablagerung bei Tvärminne. Act. Soe. pro Faun. et Flor. Fennica. Helsingfors 1909. S.5. ?) Dunker und Metzger, Aus dem Bericht über die Untersuchungsfahrt der Pomerania in der Nordsee. Kiel 1875. S. 232. 8) Dahms, Beobachtungen und Betrachtungen an Danzigs Ostseeküste. Natur und Schule. Bd.II. Heft 7 und 8. S. 424. 9) Möbius, Das Tierleben am Boden der deutschen Ost- und Nordsee. Berlin 1876. 8.7. 10) v. Martens, Die Weich- und Schaltiere. Leipzig 1883. S. 185. il) Lehmann, Die lebenden Schnecken und Muscheln der Umgebung Stettins und von Pommern. Cassel 1873. S. 306. 12) Kuckuck, Der Strandwanderer. München 1905. S. 52. 13) Baster, Natuur-kundige Uitspanningen I. Harlem 1762. 14) Virchow, Beitrag zur Kenntnis der giftigen Miesmuscheln. Virchows Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie und für klinische Medizin, Bd. 104. S. 161. (1886); und Derselbe, Berliner klinische Wochenschrift 1885. Nr. 48. | 15) Coupin, Les Mollusques. Paris 1892. p.51. 16) Lister, Historiae animalium Angliae tres tractatus (tertius de cochleis marinis). Londini 1678. 1%) Bock, Versuch einer wirtschaftlichen Naturgeschichte von dem Königreich Ost- und Westpreußen. Dessau 1785. Bd. V. 8.309. 18) V. Berge, Konchylienbuch. Stuttgart 1847, S. 82. 19) Brandt macht das Fehlen der Gezeitenbewegung in der Ostsee für die Kleinheit des Myt. edul. dortselbst verantwortlich. Verhandlungen der deutschen geologischen Gesell- schaft 1897. S. 10. 20) M. Braun, Faunistische Untersuchung in der Bucht von Wismar. Archiv der Freunde der Naturwiss. in Mecklenburg. Bd. 41. S. 57. (1888). 21) Die Angaben von Möbius sind die folgenden: Länge der Muschel in der westlichen Ostsee 6—9 cm, in der östlichen Ostsee 3—4 cm; cf. Möbius, Die wirbellosen Tiere der Ostsee. Kiel 1873. S. 126. 22) Levander, Mater. zur Kenntnis der Wasserfauna in der Umgeb. von Helsingfors. Act. Soc. pro Fauna et Flora Fenn. Helsingfors 1899. III. S. 8. 2) Chenu, Manuel de Conchyliologie Paris 1862. Bd. II p. 152; „couverte d’un epiderme quelquefois transparent“. 24) Mikroskop. Anatomie siehe Keferstein, Bronns Klassen und Ordnungen der Tiere. Leipzig und Heidelberg 1862. Bd. I. S. 389 nebst Tafei XXXV und Tafel XXXVI. 3) cf. Tullberg, Über d. Byssus d. Myt. edul. Upsala 189 8 1 26) Schmarda, Zoologie. Wien 1872. Bd. II. S. 209. 2”) Brehm, Tierleben. II. Aufl. Bd. X. Niedere Tiere. S. 362. 28) Pöppig, Illustrierte Geschichte des Tierreichs. Leipzig 1851. Bd. IV. S. 211. 29) Marshall, Die deutschen Meere und ihre Bewohner. Leipzig. S. 366. 30) Kleeberg, Molluscor. Boruss. Synopsis. Diss. inaug. med. Regimonti 1828. p. 36. 3) Arnold, Die Mollusk. der Travemünder Bucht. Arch. des Vereins der Freunde d. Naturgesch. in Mecklenburg. Bd. 36. S. 14. (1883). Vet. 3) Oken, Allg. Naturgesch. Stuttgart 1835. Bd. V. S. 335. 3) Aurivillius, Das Plankton des Baltischen Meeres. Bihane till. K. Svensk. Akad. Handlingar. Bd. XXI. S. 43. Stockholm 1896. ) Wilson, 4. Report. Fish. Board Scotland 1886. p. 218. ) Kobelt, Illustr. Conchylienbuch. Bd. II. S. 362. 3) Pennant, Brit. Zoolog. Vol. IV. p. 112. pl. 63, f. 75. London 1777. 3”) Herklots, Natuurlijke Hist. van Nederland. Amsterdam 1870. Bd. I. S. 225. 3) cf. Lohmeyer, Östfriesische Zeitung 1885. Nr. 279. 3) Weinkauff, Die Konchylien des Mittelmeeres. 1867. Bd. 1. S. 225. 40), Mace&, Ess. d’un cat. des moll. marin. terr. et fluv viv. dans les envir, de Öherbourg 34 3 et de Valogues. ÜUherbourg 1860. p. 27. 4) A. Gould, Report of the Jnvertebrates of Massachusetts. II. Edit. Boston 1870. p. 185. 4) v, Nordmann, Über eine Riesenform der Miesmuschel aus den russisch-amerikanischen Besitzungen, Myt. edulis f. gigantea. Bulletin de la societe des Naturalistes de Moscou. Bd. XXXV. 2. (1862). S. 408. 12 Erklärung der Tafel. la. Mytilus edulis L., gewöhnliche Form von außen (Hadersleben). io. F lc. s 2. Mytilus 3a. Muytilus ab: u; 4a. ” 4b. a 5. Mytilus 6. Mytilus „ vi] „ edulis var. galloprovincial ” ” ” ” ” eo ” von innen Schloßseite is L. (Venedig). edulis var. obtusatus Hilb., Nordseeform von DB) Östseeform 207 edulis var. nanus Hilb. (Memel). edulis var. pellucidus Penn. (Zoppot). von von von ” El außen (Borkum). der Seite 2 außen (Bornholm). der Seite a Die Abbildungen sind nach Originalen meiner Sammlung von meiner Tochter ErikaHilbertnach der Natur und in natürlicher Größe gezeichnet. — 35. Ber. d. Westpr. Bot.-Zool. Vereins. Tajel I. 2 Erika Gerda Hilbert. Dr. R. Hilbert: Über Mytilus edulis L. und seine Formen. u \ rd B 1 > 2 \ x { N t s \ x “ i : “ ” ı 5 E D [6 Pfropfibastarde'. Von Dr. R. Schander, Vorsteher der Abteilung für Pflanzenkrankheiten des Kaiser-W ılhelm-Instituts für Landwirtschaft in Bromberg. Bei Gärtnern findet man vielfach die Anschauung vertreten, daß zwei aufeinander gepfropfte Edelreiser sich gegenseitig beeinflussen, insbesondere das Reis in seiner weiteren Eintwickelung von seiner Unterlage abhängig sei. Wenn man den Einfluß der Unterlage auf das Edelreis als eine Ernährungs- modifikation auffaßt, so dürfte man viele Einzelfälle auffinden können, die diese Annahme bestätigen. Es sei nur erinnert an die im Obstbau für Apfel ver- wendeten Unterlagen: Paradies-, Doussin- und Wildapfel. Weil man weiß, daß auf dem erstgenannten das Edelreis sich am schwächsten entwickelt, ver- wendet man diesen Apfel als Unterlage zur Erzeugung der schwachen Wuchs verlangenden Cordons oder Schnurbäumchen. Auch die etwas größeren Zwerg- bäume, Pyramiden und Palmetten sind sehr schwer zu erziehen und meistens un- fruchtbar, wenn man zu ihnen Bäumchen verwendet, deren Unterlage aus der starkwüchsigen Wildstammwurzel besteht. Hier verwendet man erfahrungs- gemäß als Unterlage Doussin und erhält dadurch mittelstarke Bäumchen mit verhältnismäßig früher und großer Tragbarkeit, während man alle Hoch- und Halbstämme, also Formen, bei denen die Stamm- und Astentwickelung der starken Wüchsigkeit einer Wildstammunterlage entspricht, auf Wildstamm oder richtiger auf Sämlingsunterlage veredelt. Die auf diese Unterlagen gepfropften Edelreiser unterscheiden sich nun aber in ihrer weiteren Entwickelung, sofern sie einer Sorte entstammen, nur durch die Stärke des Wuchses. Ihr Holz, ihre Blätter, Blüten und Früchte sind vollkommen gleich und entsprechen denjenigen der Edelreissorten. Des öfteren wurde aber besonders von Gärtnern behauptet, daß durch Pfropfen Hybriden entstehen könnten, die man zum Unterschiede von den echten Hybriden und Bastarden Pfropfhybriden oder Pfropfbastarde nannte. Nun ist aber durch die eingehenden Arbeiten von Vöchting?*) nachgewiesen worden, daß eine derartige Beeinflussung des Edelreises durch die Unterlage oder um- 1) Vortrag, gehalten auf dem Philologenkongreß in Posen 1911. 2) Vöchting. Über Transplantationen am Pflanzenkörper. Tübingen 1892. 1 14 gekehrt sehr unwahrscheinlich ist, und Voß!) hat u. a. in neuester Zeit diese Angaben beı der Untersuchung des Einflusses von Vitis riparia und V. solonis als Unterlage und Vitis vinifera als Edelreis bestätigt. Wohl bewirkt die Unterlage von amerikanischen Reben, entsprechend ihrer stärkeren Bewurze- lung, eine viel stärkere Eintwickelung der ganzen Pflanze; solche veredelten Reben ergeben auch oft einen wesentlich höheren Ertrag als gewöhnliche Edel- reben, aber irgendeine Veränderung von Vitis vinifera ın anatomischer oder morphologischer Hinsicht ıst nicht zu beobachten. Ebensowenig konnte W ort- mann“) in den Trauben des Edelreises oder in dem aus den Trauben ge- wonnenen Most und Wein die unangenehmen Geruchs- und Geschmacksstoffe, die der Unterlage eigentümlich sind, feststellen. Und dennoch kennen wir ın der botanischen und gärtnerischen Literatur einzelne Fälle, die einen heftigen jahrzehntelangen, bis ın die neueste Zeit dauernden Streit über die Frage der Möglichkeit von Pfropfbastarden hervor- riefen. Der bekannteste und interessanteste Fall ıst eine Mischung zwischen Uytisus purpureus und Laburnum vulgare, dıe ım Jahre 1826 der Züchter- Adam durch Okulieren einer Knospe des C. purpureus auf einen Stock von Laburnum vulgare erhielt und die nach ihm C. adami Poıt. genannt wurde. In der Tat stellt C©. adami eine eigenartige Mischung zwischen den beiden (oldregenarten dar. Die Blüten von C. adami bilden eine Mittelform, deren Kelch weder so seidenhaarig wie der des Laburnum vulgare noch so kahl und glatt wie jener des C. purpureus ıst und deren Blumenkrone eine aus dem Purpur des C. purpureus und dem Gelb des Laburnum vulgare bestehende schmutzig rosenrote Farbe besitzt. Aber an manchen Blütentrieben finden sich zwischen den schmutzig rosenroten Blüten auch einzelne Blüten mit dem seidenhaarigen Kelche und der gelben Blumenkrone des Laburnum vulgare, und, was das Merkwürdigste ıst, einzelne Blüten, welche zur Hälfte dem C. purpureus, zur Hälfte dem Zaburnum vulgare oder nur zu einem Drittel der Blumenblätter dem C. purpureus, zu zwei Dritteln dem Laburnum angehören und andere Mischungen. Da C. adami selten Samen ausbildet und die wenigen bisher in ihrer weiteren Entwickelung beobachteten Samen stets reine Laburnum Keimlinge ergeben haben, läßt sich dieser Bastard nur durch Pfropfungen vermehren, ist aber auf diese Weise als Kuriosum besonders ın den botanischen Gärten weit ver- breitet worden. Ähnliche Pfropfbastarde waren zwischen Mispel, Mespilus germanica, und Weißdorn, Crataegus monogyna, bekannt, und zwar entwickelten sich hier zwei verschiedene Pfropfbastarde, Crataegomespilus dardari, der dem Cra- taegus, und CUrataegomespilus asnieresii, der der Mispel nähersteht. Diese und andere eigenartigen Pflanzenformen bildeten, wie gesagt, viel- fach die Ursache zu wissenschaftlichen Auseinandersetzungen, und auch 1) Über die durch Pfropfung herbeigeführte Symbiose einiger Vitisarten, ein Versuch zur Lösung der Frage nach dem Dasein der Pfropfhybriden. Hier auch weitere Literaturangaben. 2) Wortmann. Die Rebenveredlung und die Qualität der Weine. Landw. Jahrbücher 1908. 2 Darwin!) hat sich mit ©. adami eingehend beschäftigt. Nachdem viel tausend Pfropfungen ein negatives Resultat ergeben hatten und es nicht ge- lungen war, diese eigenartigen Mischbildungen von neuem zu erziehen, und nachdem durch die Arbeiten von Vöchting und anderen nachgewiesen worden war, daß eine derartige Umbildung des Edelreises durch die Unterlage unwahrscheinlich seı, nahm man zeitweise, zumal nach den vergl. Studien an den Crataegomespili von Bronveaux und den sexuellen Bastards C. monogyna Mespilius germanica an, daß es gar keine Pfropfbastarde seien, sondern daß ein gewöhnlicher, sexueller Bastard als Edelreis verwendet worden sei. Dem stand nun aber wiederum die Tatsache gegenüber, daß es nıcht gelang, sexuelle Bastarde zwischen C. laburnum und ©. adami zu erzeugen. Anderer- seits entsprechen auch die an C. adami beobachteten Rückschläge in ihrer Art nicht denen, wıe sie bei Hybriden oder Bastarden beobachtet worden sind. Erst in allerjüngster Zeit ist es nun Winkler in Tübingen gelungen, künstliche Pfropfbastarde herzustellen und dadurch die Frage über die Ent- stehung der Pfropfbastarde aufzuklären’). Winkler ging von vornherein von der Ansicht aus, daß sich die Pfropfbastarde nur direkt auf dem Verwachsungs- zewebe, durch Bildung von Adventivknospen bilden können. Ihm kamen bei diesen Arbeiten seine ın seinen Regenerationsstudien gesammelten Er- fahrungen zugute; die Solanaceen und Capparidaceen als solche Pflanzen zu kennen, bei denen es leicht gelingt, aus jedem Punkte des Stengels Adventiv- sprossen hervorzulocken. Er benutzte zu seinen Versuchen, die lange erfolg- los blieben, junge kräftige Keimlinge von Solanaceen-Arten. Wenn er z. B. eine kräftige Keimpflanze von S. Iycopersicum entspitzte und zugleich die Achselknospen der Stengelblätter entfernte, sowie die Bildung von Adventiv- knospen aus den Blattachsen dauernd verhinderte, so entwickelten sich aus dem an der Schnittfläche entstandenen Callus zahlreiche Adventivknospen. Diese Eigenschaft der Solanaceenkeimlinge benutzte er nun für seine Ver- suche, indem er den Trieb einer Solanaceenart auf den entspitzten Keimling einer anderen durch Kopulation (Sattel- oder Keilpfropfung) aufsetzte. Nach- dem er die Pflanzen einige Wochen unter günstigen Vegetationsbedingungen sich selbst überlassen hatte, bis eine genügende Verwachsung der beiden Kom- ponenten eingetreten war, durchschnitt er die Veredelungsstelle so, daß die 1) Gesammelte Werke. 2) Winkler, H. Über Pfropfbastarde und pflanziiche Chimären. Ber. d. Deutschen Bot. Gesellschaft. 25. 1907. S. 568-576. = Solanum tubingense, ein echter Pfropfbastard zwischen Tomate und Nacht- schatten. Ber. d. Deutschen Bot. Gesellsch. 26a. 1908. S. 595—608. — WeitereMitteil. über Pfropfbastarde. Zeitschr. f. Botanik. 1. 1909. 8.315— 343. = Über die Nachkommenschaft der Solanum-Pfropfbastarde und die Chromo- somenzahl ihrer Keimzellen. Zeitschr. f. Botanik. 2. 1910. S.1—38. _- Über das Wesen der Pfropfbastarde. (Vorl. Mitt.) Ber. d. Deutschen Bot. Gesellsch. 28. 1910. S. 116-118. 3 16 Schnittfläche zum Teil aus Geweben der Unterlage, zum Teil aus solchen des Edelreises bestand. Durch die oben beschriebene Manipulation gelang es ıhm nun, auf der Schnittfläche die Bildung von Adventivsprossen an solchen Stellen hervor- zurufen, an denen die Gewebe der Unterlage und des Reises unmittelbar sich berührten. Mitte August 1907 hatte er nun den Erfolg, daß aus der Schnittfläche einer Keilpfropfung vom 27. Juli 1907 von S. Iycopersicum, Sorte Gloire de Charpenne, mit einem Sproß von S. nigrum neben Sprossen, die die reine Art der Stammpflanze aufwiesen, ein Sproß hervorging, der von Anfang an „völlig einheitlich wuchs, aber lınks von einer, ıhn ziemlich genau halbierenden Mittel- linie, reine Tomate Gloire de Charpenne, rechts von ihr reiner Nacht- schatten war.“ Während nun die Blätter nach der Tomatenseite des Pfropfschnittes zu den Charakter der Tomate und die entgegengesetzten die des schwarzen Nacht- schattens aufwiesen, zeigten die auf der Trennungslinie beider Komponenten entstandenen Blätter insofern eine eigentümliche Gestaltung, als die eine Hälfte des Blattes reinen Nachtschatten-, die andere reinen Tomatencharakter zeigte. Ein Analogon zu dem als Pfropfbastard angesprochenen C. adami bildete diese neuartige Pflanze Winklers noch nicht, da bei ihr die Stamm- charaktere nicht gemischt, sondern nebeneinanderliegend vorkommen. Winkler nannte diese und ähnliche Pflanzen Chimären, anspielend an die Fabelwesen des Altertums. Die von Winkler seinerzeit gegebene Erklärung geht dahin, daß Zellen des Nachtschattens und der Tomate einen Adventivsproßvegetationspunkt ge- bildet haben, von dem aus dann sich der eigentümliche Sproß, bei welchem Winkler auch Gegensätze zwischen den beiden artfremden Gewebearten unter dem Mikroskop nicht erkennen konnte, entwickelte. Durch diesen Erfolg Winklers war also zum ersten Male ‚in ein- wandfreier Weise die theoretisch bedeutsame Tatsache sichergestellt, daß auch auf andere als sexuelle Weise die Zellen zweier wesentlich verschiedener Arten zusammentreten konnten, um als gemeinsamer Ausgangspunkt für einen Or- ganismus zu dienen, der bei völlig einheitlichem Gesamtwuchs die Eigenschaften beider Stammarten gleichzeitig zur Schau trägt.“ Im Juli 1908 gelang es Winkler nun unter Zuhilfenahme der oben beschriebenen Methode einen echten Pfropfbastard zu erhalten. Von 268 Pfrop- fungen mit etwa 3000 Adventivsprossen erhielt er im Jahre 1908 fünf Chimären und einen Pfropfbastard zwischen der Tomate König Humbert, gelbfrüchtig, als Edelreis und S. nigrum als Unterlage. Der Pfropfbastard stellte eine dem Nachtschatten näherstehende Mischung beider Arten dar. Winkler nannte ihn Solanum tubingense. Die nähere Beschreibung dieses und der später von Winkler gezüchteten Bastarde bitte ich in den Abhand- lungen nachlesen zu wollen. [K Später gelang es Winkler nochmals, denselben Pfropfbastard zu er- halten, unter anderen auch, indem er einer Nachtschattenpflanze ein Tomaten- blatt aufpfropfte. Danach kann also der Pfropfbastardierungsprozeß auch zwischen Stengelzellen der einen und Blattzellen der anderen Pflanze statt- finden. Im August 1908 erhielt Winkler einen Adventivsproß, der zur Hälfte aus reinen Solanum Iycopersicum, zur anderen aus S. tubingense bestand. Eine dritte Chimäre bestand aus S. tubingense einerseits und einem neuen Pfropfmischling, der später S. proteus genannt wurde. Diese Chimäre trennte sich in ihre beiden Komponenten, so daß es gelang, den neuen Mischling als S. proteus rein weiter zu züchten. Letzterer zeichnet sich durch eine große Wandelbarkeit der Blattform aus, dıe fast eine lückenlose Serie aller Zwischen- formen zwischen dem einfachen ungeteilten Blatt von 8. nigrum und dem Fiederblatt der Tomate darstellt. S. proteus steht der Tomate näher als dem Nachtschatten. Blüte und Frucht sınd tomatenähnlich, abgeplattet, kugelförmig, lebhaft orangerot, nur kleiner als die Frucht der Tomate Gloiıre de Uharpenne. Bemerkenswert ist, wıe Winkler weiter ausführt, daß beide Früchte, wie sich beim Öffnen ergab, oben vom Stielansatz bis zur Placenta hin sich erstreckende Gewebestreifen besaßen, die aus Zellen mit dunkelblau gefärbtem Zellsaft bestanden. Stellen- weise befanden sich solche Zellen sogar auf den Stielen und in der Epidermis der Samen selbst, so daß einige von diesen schwarzgefleckt erschienen. Einen dritten Bastard, S. darwinianum, erhielt er aus einer Veredelung zwischen S. nigrum (Unterlage) und einem Tomatenreis, Sorte Gloire de Char- penne, und zwar entwickelte sich zunächst eine Uhimäre, die in der Haupt- sache aus S. nigrum bestand. Nur an der Basıs dieser Chimäre hatte sich ein kleiner Streifen eines andersartigen Gewebes gebildet. Winkler gelang es nun, aus einer Achselknospe dieses Gewebestreifens nach mehrfachen vergeblichen Bemühungen (es kam zunächst immer die Chimäre zum Vorschein) einen Sproß zu züchten, der reines S. darwinianum darstellte. Besonders interessant ıst an diesem Bastard, daß er tomatenähnliche Blätter aufweist, ihm die Behaarung aber fehlt. Die Blumenkrone ist weiß gefärbt, besitzt aber auf jedem Petalum einen von der Basis bis fast zur Spitze reichenden Mittelstreifen. Die Frucht ist wenig größer als die der Nachtschattenbeere, unterscheidet sich aber von dieser durch rote Färbung; die beinahe reife Frucht von dem Gelibrot der Tomatenmuttersorte Gloire de Charpenne durch eine Beimengung von Blau. Einen vierten Bastard nannte er S. koelreuterianum. Hier war ein Reis von S. nigrum auf 8. Iycopersicum König Humbert gelbfrüchtig gepfropft worden. Im Habitus und in der Gestaltung von Blatt und Stengel gleicht er der Tomate. Die Blüte steht ebenfalls derjenigen der Tomate nahe, zeigt aber neben anderen Änderungen, z. B. der kurzen Behaarung vom Nachtschatten, einen kürzeren Kelch und weiße, mit blaßgelben Mittelstreifen versehene Blumenblätter. Ebenfalls durch Pfropfung eines Reises von S. nigrum auf S. Iycopersicum König Humbert erhielt Winkler einen weiteren Bastard, den er S. gärt- nerianum nannte. Unter anderen entwickelte sich dieser Bastard von einer Chimäre, deren Bildung sehr interessant ist. Sie bestand aus Komponenten, die in der Hauptmasse (#5) aus reinen Nachtschattengeweben, zum kleineren (45) Teil aus Tomatengeweben sich zusammensetzten. Dementsprechend ver- hielt sıch auch die Blattbildung. Die %-Stellung der Blätter der benutzten Arten macht es verständlich, daß die Blätter 1, 3, 5 und 6 und alle oberhalb von Blatt 7 stehenden reine nigrum-Eigenschaften besassen. Die Blätter 2 und 4 waren typisch Chimärenblätter, die je zur Hälfte aus reinem Nachtschatten, zur Hälfte aus Tomaten bestanden, wobei die Mittelnerven die Grenze bildeten und die Tomatenhälften der beiden Blätter einander zugekehrt waren. Blatt 7 zeigte aber ganz unvermittelt den Charakter einer neuen Mischform. Wink- ler gelang es nun, aus den Achselknospen der Blätter 4 und 7 eine neue Form, die er S. gärtnerianum nannte, rein zu erhalten. Es gelang ihm aber auch dıesen Bastard direkt als Adventivsproß zur Entwickelung zu bringen. Von den fünf genannten Bastarden sind also S. tubingense, S. gaert- nerianum, S. darwinianum dem Nachtschatten ähnlich, während die beiden anderen S. proteus und S. koelreuterianum der Tomate näherstehen. Da bei der Untersuchung von Winkler teilweise immer dieselben Bastarde entstanden, ıst es nicht ausgeschlossen, daß zwischen S. nigrum und S. Iycopersicum eine bestimmte Anzahl von Pfropfbastarden möglich ıst, die allerdings wiederum, soweit der Einfluß der Tomate in Frage kommt, durch die Verschiedenartigkeit der Tomatensorten varıiert werden wird. Wenn man nun auch ohne weiteres zugeben muß, daß die von Winkler erhaltenen Gebilde den bisher bekannten sogenannten Pfropfbastarden sehr ähnlich sind und wohl mit demselben Recht Pfropfbastarde genannt werden dürfen, so war doch damit noch keineswegs eine endgültige Erklärung für die Entstehung und die Natur dieser Formen gegeben, und es wird auch fernerhin noch weiterer Untersuchungen bedürfen, ehe ın den einzelnen Fällen eine voll- kommene Klärung eingetreten ist. Winkler wies bereits auf der Naturforscherversammlung 1907, als er seine erste Chimäre vorführte, darauf hin, daß C. adami und die Crataego- mespili von Bronvaux (die Solanaceenpfropfbastarde entstanden erst im Jahre darauf), komplizierte Chimären, Mosaikbildungen rein elterlicher Zellen sein können. Bis dahin war vielfach die Auffassung vertreten, soweit man über- haupt an die Natur von Pfropfbastarden glaubte, daß zur Entstehung der Pfropfbastarde eine Vermischung zweier elterlicher Zellen bzw. auch der Zell- kerne notwendig sei, wenn auch andererseits die von Straßburgeru.a. vorgenommenen Untersuchungen für diese Auffassung keinerlei Stütze er- brachten. Auch Winkler ging in seinen späteren Untersuchungen von diesem Standpunkte aus und untersuchte insbesondere die Chromosomenzahl seiner Bastarde. Diese Untersuchung bot bei den Winklerschen Pflanzen 0 insofern Aussicht auf Resultate, als dıe Chromosomenzahl bei S. nigrum 36, bei S. Iycopersicum 12 beträgt. Diese Pfropfbastarde zeigten nun auffallender- weise immer entweder die Uhromosomenzahl von Nachtschatten oder diejenige von der Tomate und zwar hatte S. gärtnerianum, S. darwinianum und 8. tubin- gense die Chromosomenzahl 36, S. proteus, C. koelreuterianum die Chromosomen- zahl 12. Damit stimmte auch die äußere Gestaltung der Pflanzen überein, insofern als die ersten dreı dem äuberen Aussehen nach dem Nachtschatten, dıe letzteren beiden der Tomate näherstehen. Also auch diese Untersuchungen gaben keinerlei Anhalt dafür, daß eine wirkliche Bastardierung eingetreten ist. Ebenso kam Straßburger‘) durch seine Untersuchungen der Chromo- somenzahl der Kerne von C. adami zu dem Schluß, daß die histologische Unter- suchung gegen die Pfropfhybridhypothese bei C. adami spreche und daß die Wwıinklerschen Mischpflanzen mehr oder weniger komplizierte Chimären seien. Er bezeichnete sie als Hyperchimären. Leider ist die Hauptarbeit von Winkler noch nicht erschienen?) und sind wir bisher auf einige Einzelmitteilungen angewiesen. Doch faßte er ın der Generalversammlung der Deutschen) Botanischen Gesellschaft am 14. Mai 1910 die Ergebnisse seiner Untersuchungen zusammen, worauf ich später zurück- kommen werde. Sehr wesentlich trugen die Arbeiten Baurs°’) über die weiß- und weißbuntblättrigen Formen von Pelargonium zonale zur Klärung der Pfropf- bastardfrage bei. Baur sieht sowohl in den bisherigen Pfropfbastarden als auch in den neuen Wıinklerschen Gebilden keine eigentlichen Bastarde sondern Periklinalchimären. Zur Stütze dieser Ansicht führt Baur u. a. aus, daß derartige konstante Gebilde, wıe sie dıe Pfropfbastarde darstellen, nur entstehen können, wenn die beiderleıe Komponenten im Vegetationspunkt sich genau regelmäßig schichtenweise überlagern. Lägen ın einem Vegetations- punkte die Zellenelemente der beiden Eltern regellos durcheinandergewürfelt, dann könnte aus ihm vielleicht ein kurzes Stück lang ein bis zwei Internodien weit ein Sproß hervorgehen, der noch einigermaßen einheitlich gebaut wäre; aber weiterhin müßte ein jeder solcher Vegetationspunkt immer vegetativ in I) Straßburger: Meine Stellungnahme zur Frage der Pfropfbastarde. Ber. d. Dtsch. Bot. Gesellschaft. 27. 1909. S. 511—528. — Uber die Individualität der Ohromosomen und die Pfropfhybridenfrage. Jabrb. f. wiss. Botanik. Bd. 4. 1907. Ss. 482. 2) Winkler hat inzwischen den 1. Teil seiner umfassenden Arbeit erscheinen lassen. Winkler, H: Untersuchungen über Pfropfbastarde. 1. Teil: Die unmittel- bare gegenseitige Beeinflussung der Pfropfsymbionten. Jena 1912. 3) Baur, Erwin: Pfropfbastarde, Periklinalchimären und Hyperchimären. Ber. d. Dtsch. Bot. Gesellschaft. 27. 1909. S. 603—605. E— Das Wesen und die Erblichkeitsverhältnisse der Varietates albomarginatae von Pelargonium zonale. Zeitschr. für induktive Abstammungs- und Ver- erbungslehre. I. 1909. S. 330. — Einführung in die experimentelle Vererbungslehre. Berlin. Gebr. Born- teager. 1911. so die beiden Komponenten aufspalten, und vor allem die Seitensprossen müßten fast durchweg Rückschläge ın die Stammform oder Sektorialchimären sein. Baur war es gelungen, bei seinen Untersuchungen über die weıbblättri- gen Pelargonien die Entstehung von sogenannten Sektorialchımären zu beobachten, die ähnlich den Chimären Winklers zum Teil aus rein grünen Geweben, zum Teil aus rein weißen Geweben bestanden. Weiterhin beob- achtete er aber, daß sich aus solchen Sektorialchimären gelegentlich Sprosse bilden konnten, deren Vegetationskegel periklinale Gewebe sind, d. h. solche Vegetationskegel, bei denen die eine Form oder Art die peripheren, die andere die zentralen Zellagen bildet, und zwar geht eine solche Bildung dadurch hervor, daß bei den Sektorialchimären Überlagerungen beider Gewebearten vor- kommen. Sofern sich nun an einer solchen Stelle ein Vegetationspunkt ent- wickelt, soll eine Periklinalchimäre entstehen. In der Tat entwickelten sich in seinen Versuchen Periklinalchimären, die ın ihren äußeren Schichten das weıbe Gewebe der weıßblättrigen Pelargonien, in den inneren Schichten das Gewebe der grünblättrigen enthielten und umgekehrt. Nehmen wir den ersteren Fall an, so haben wir ein grünes Blatt, das ın einer weıßblättrigen Epidermis steckt. Da nun die chlorophyllarmen Zellen der weıßblättrigen Form langsamer wachsen als die grünen, erklärt es sich, daß viele weißblättrige Formen auch eigenartige Kräuselung der Blätter erkennen lassen, wie ich es Ihnen vorführen kann. Die weiße Hülle ıst den grünen Blättern offenbar zu eng. Ähnliche Verhältnisse hatte auch bereits Macfarlane!) bei ©. adami bzw. dessen Eltern vorgefunden. Ihm fiel bei seinen Untersuchungen die Ähnlichkeit der Epidermis mit ©. purpureus auf. Bau und Größe der Epidermis- zellen, Verteilung der Spaltöffnungen, Auftreten von Haaren an den Blüten- blättern und die charakteristische Struktur der Outicula hat C. adami gemein- sam mit C. purpureus und ist von Laburnum vulgare verschieden, während andererseits die innere Struktur der Rinde und des Holzkörpers bei ©. adami und Laburnum vulgare ähnlich sınd. Bestätigt wurden diese Untersuchungen von Buder’). Besonders charakteristisch sind seine Untersuchungen über die Blüten, und zwar lassen sich dieselben am besten an den Abbildungen erklären). Sie sehen hier die länglich ovale Blüte von C. laburnum mit braun gezeichnetem Saftmal, daneben die kleinere, aber breitere Blüte von C. purpureus mit hell- purpurroter Farbe. Das Blumenblatt von C. adami steht in der Größe etwa in der Mitte, ist aber breiter als das von O. laburnum, dabei schmutzig gelbrot mit dunkelviolettem Saftmal. l) Macfarlane J, M.: A comparison of the minute structure of plant hybrids with that of their parents, and its bearing on biological problems. Transact. Roy. Soc. Edinburgh 37. 1895. S. 203—286. 2) Buder, J.: Studien an Laburnum Adami. Ber. der Deutschen Bot. Gesellsch. 28. 1910. S. 188—192. 3) Vergl. Baur a. a. O. Sehr auffallend ist nun der anatomische Bau beı Ü. adami. Die Epidermis, die bei C. laburnum typisch gelbe Chromoplasten enthält, ıst frei von jedem zeelben Farbkörper, dagegen enthält die Zelle hellpurpurroten Saft, wie er für die Zellen von ©. purpureus typisch ıst. Alle unter der Epidermis liegenden Zellen zeigen dagegen die Struktur und die Farbkörper von Ü. laburnum, und zwar auch das subepidermale Saftmal, daß ın jeder Hinsicht dem von ©. labur- num entspricht. Die Untersuchungen von Buder ergaben ebenfalls, daß bei der Blüte von ©. purpureus alle Epidermiszellen bezüglich ihres Baues und ihrer Farbstoffe alle Eigentümlichkeiten von Ü. purpureus zeigen, alles übrige Gewebe aber Laburnum vulgare gleicht. Buder weist mit Recht darauf hin, daß bei echten Bastarden eine derartige Trennung kaum denkbar sei, sondern daß bei diesen auch zwischen den Farbstoffen eine Mischung stattfinden würde. Ganz ähnliche Resultate wie die Buderschen ergab die Untersuchung des Crataegomespilus asnieresit, die Baur ausgeführt hat. Die Epidermis zeigt deutliche Übereinstimmung mit derjenigen von Mespilus, während das Innere sich nicht von Crataegus unterscheidet. Auch für diese Verhältnisse gıbt uns die Abbildung die beste Erläuterung. Mespilus läßt auf seiner Epider- mis ein dickes Periderm entstehen, bei Crataegus bleiben die Epidermiszellen ungeteilt und enthalten einen dunkelroten Zellsaft. Das Fruchtfleisch ist bei Mespilus ganz ungefärbt, bei Crataegus enthalten die äußeren drei bis vier Zellschichten des Fruchtfleisches einen blaßroten Zellsaft. Crataegomespilus asnieresiü hat also, wie die Bilder zeigen, eine ganz typische Crataegus-Frucht, die aber in einer Mespilus-Hülle steckt. Die Anatomie der übrigen Teile gıbt wenig Anhaltspunkte, weil Crataegus und Mespilus ın dem mikroskopischen Bau des Holzes und der Rinde sich ungemein ähnlich sind. Man wird nicht bestreiten können, daß diese Untersuchungen unzweideutig erkennen lassen, daß C. adami und Crataegomespilus asnieresii ın der Tat ebenfalls Periklinalchimären sind. Sie werden noch weiterhin gestützt durch die Beobachtungen der an den Pfropfbastarden beobachteten Rückschläge und der Deszedenz der Pfropfbastarde. Zwischen C©. purpureus und Laburnum vulgare fehlt ein sexueller Bastard, und alle Versuche, einen solchen zu er- zeugen, sind ohne Erfolg geblieben. Über die Deszedenz von CO. adami ist wenig bekannt, da nur selten keimfähige Samen auftreten. Hildebrand gelang es im Jahre 1904, drei Samen zur Entwickelung zu bringen, die zweifellos von einem Pfropfbastard abstammten. Es entwickelte sich aus diesen ein reiner Laburnum vulgare. Ebenso selten sind keimfähige Samen bei den Crataegomespili. Noll gelang es, aus €. asnieresii keimfähige Samen zu gewinnen. Aus den Sämlingen entwickelten sich Pflanzen von ©. monogyna. In beiden Fällen hat also ein Rückschlag zu einem der Eltern stattgefunden. Ganz ähnliche Resultate erhielt nun Winkler mit seinen Solanum- Tomatenmischlingen. Es gelang ihm, von S. tubingense Samen zu erhalten, die allerdings niemals vollreif wurden, die Samen waren aber keimfähig und ent- 35. Ber. d. Wpr. Bot.-Zool. Vereins. 9 6 82 wickelten bei sorgfältiger Behandlung Keimpflanzen. Von 1200 Individuen beobachtete er 140 bis zur Blütezeit und Fruchtreife. Alle waren ohne Aus- nahme reine Solanum nigrum. Ebenso ergaben die Samen von S. gärtnerianum: S. nögrum, während die Nachkommen von S. proteus, einem derjenigen Bastarde, die der Tomate ähnlicher sind als dem Nachtschatten, ausschließlich Keimlinge von 8. Iycopersicum, Sorte Gloire de Charpenne, darstellten. Winkler faßt die Resultate dieser Versuche dahın zusammen, daß er sagt: „Es hätte sich also ergeben, daß die Generation F 2 der Solanum-Pfropf- bastarde ın allen Individuen rein zu denjenigen Eltern zurückschlägt, denen der Pfropfbastard ın seinen morphologischen Eigenschaften am nächsten steht und (worauf wir später noch zurückkommen) zudem auch vegetativ Rückschläge spontan auftreten.“ Diese Untersuchungen Winklers stimmen also vollkommen mit den Beobachtungen, die an Uytisus adami und an Crataegomespilus gemacht worden sind, überein. Diese Tatsachen lassen sich nun sehr wohl in die Hypothese, daß die vorliegenden Mischpflanzen Periklinalchimären darstellen, einordnen, . wenn man bedenkt, worauf ebenfalls Baur hinweist, daß die sexuellen Zellen der Angiospermen entwicklungsgeschichtlich von Zellen der zweitäußersten Zell- schicht des Vegetationspunktes abstammen. Nach Baur ist danach zu er- warten, daß bei den Periklinalchimären die sexuelle Deszendenz völlig rein derjenigen Sippe angehören muß, von welcher in der betreffenden Chimäre die zweitäußerste Zellschicht gebildet wird. Auch hier bedient sich Baur wiederum als Belegmaterial seiner Versuche mit weißblättrigen Pelargonien. Alle Chimären, bei denen die ersten Subepidermiszellagen der grünen Sippe an- gehören, gaben nur rein und konstant grüne Sämlinge. Alle diejenigen Chimären dagegen, bei denen die zweitäußerste Zellage der weißen Sippe angehören, werden nur rein weiße Sämlinge. Nicht uninteressant sind weiterhin die Versuche, welche Winkler an- stellte, einen Pfropfbastard mit den Eltern zu kreuzen. Nimmt man die oben- genannte Hypothese als richtig an, so müssen die Winklerschen Periklinal- chımären, welche dem Nachtschatten näher stehen und bei welchen die äußerste Zellschicht Tomate ist, wohl mit S. nögrum, aber nicht mit S. Iycopersicum Befruchtungsresultate ergeben und umgekehrt; und in der Tat scheinen auch hier die Versuche Winklers die Richtigkeit der Hypothese zu beweisen. S. tubingense ergab bei der Kreuzung mit 5. nigrum reichlich Samen, die jedoch nicht vollreif waren. Ebenso war die Kreuzung von S. nigrum mit Pollen von S. tubingense erfolgreich. In beiden Fällen entwickelten sich die erhaltenen Sämlinge zu reinen S. nigrum. Dagegen blieb eine Kreuzung mit S. Iycoper- sicum bei seinen späteren Versuchen in beiden Fällen erfolglos '). li) Eine frühere Notiz Ber. der Dtsch. Bot. Ges. 1908, S. 603: „Dagegen bilden sich sowohl bei nıgrum wie bei /ycopersicum samenhaltige Früchte aus, wenn man, was ich sofort mehrfach getan habe, ihre rechtzeitig kastrierten Blüten mit dem Pollen des Bastardes zu- rückbestäubt“, läßt darauf schließen, daß Winkler bei seinen ersten Versuchen, wohl weil 10 = Ebenso wie S. tubingense verhielt sich auch 8. gärtnerianum, welches ja ebenfalls zu dem nögrum-Typus gehört. Dagegen ergab die Generation proteus Iycopersicum F. 2 reine Tomatenpflanzen. Darwinianum entwickelte bei Selbst- bestäubung keine reifen Samen, auch Bestäubung mit Pollen einer der beiden Eltern ergab nur Parthenokarpie. Die Deszendenz von S. darwinianum X ni- grum bestand aus Solanum nigrum. Koelreuterianum blieb bei Selbstbestäubung und Bestäubung mit Pollen der Eltern steril. Die Rückkreuzung der Eltern mit Pollen von Koelreuterianum blieb ebenfalls erfolglos. Ebenso scheint die Art der Rückschläge auf die Richtigkeit der Baur- schen Hypothese zu deuten. Rückschläge sind sowohl bei den bisher bekannten Pfropfbastarden als auch bei den Winklerschen nicht selten, und zwar zeigen sich niemals solche beider Eltern, sondern immer solche desjenigen Elters, das die Grundsubstanz des Bastardes ausmacht. So fand Winkler, daß beı S. tubingense und S. darwinianum sich immer nur Rückschläge ım reinen S. nigrum zeigen. Bei 8. proteus zeigt sich dagegen spontaner Rückschlag zu S. Iycopersicum. In allen drei Fällen gehörten die Rückschläge also denjenigen Eltern, denen der Bastard am nächsten stand. Bei S. koelreuterianum ge- lang es bisher nicht, spontane Rückschläge zu beobachten. Dagegen ent- wickelten sich solche dann, wenn er durch Entspitzung Adventivsprossen zur Ausbildung brachte, und zwar gehörten diese in der Hauptsache 8. Iycopersicum an und zwar entweder der Sorte Gloire de Charpenne oder der Sorte König Humbert gelbfleischige, je nachdem die eine oder andere an der Entstehung des Bastardes beteiligt war. Nur sehr vereinzelt traten hier Rückschläge von S. nigrum auf. Es ist ja natürlich, daß bei der Ausbildung von Adventivsprossen wiederum die verschiedensten Chimären entstehen können, je nachdem die Ge- webe beteiligt sind. So zeigten sich bei dem Adventivsproß von S. proteus sowohl reine Tomaten als auch reine Nachtschattentriebe, daneben aber auch Chimären. Wie außerordentlich kompliziert die endgültige Frage nach der Ausbildung der Pfropfbastarde — oder sagen wir der Periklinalchimäre — ist. zeigt sich an der Bildung von Adventivsprossen aus S. proteus, die den reinen Charakter von 8. koelreuterianum, 8. gärtnerianum und S. darwinianum be- sitzen. Einmal erschien sogar eine Adventivchimäre, die aus S. nigrum, 8. Iyco- persicum, S. proteus, S. koelreuterianum und 8. darwinianum zusammengesetzt war. Man wird annehmen müssen, daß sich hiernach die mannigfachsten Zwischenformen entwickeln können. Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergibt sich, daß es Winkler in der Tat gelungen ist, zwischen S. Iycopersicum und S. nigrum vegetative Zwischenformen zu bilden, die in ihrer Entwickelung den alten Pfropfbastarden ähnlich sind. Es dürfte weiterhin durch diese Untersuchungen erwiesen sein, daß wir es nicht mit echten Bastarden zu tun haben, sondern Gebilde vor uns er, wie auch bei Kreuzungen zwischen nigrum und /ycopersicum Parthenokarpie beobachten konnte, darauf rechnete, auch bei dieser Kreuzung Samen zu erhalten. 11 a 84 haben, die nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten entstehen können, wenn sich an der Grenze zweier verschiedener G@ewebearten Adventivsprosse entwickeln. Winkler!) selber hat sich nunmehr der Theorie, daß die Pfropfbastarde Periklinalehimären sind, angeschlossen, wıe aus folgender in Münster gegebenen Zusammenfassung hervorgeht. „Bastarde sind Organısmen, deren beide Eltern verschiedenen Arten (Varietäten, Rassen) angehören. So definiert, lassen sich die Bastarde in die zwei Unterabteilungen der sexuellen und der Pfropfbastarde bringen und die Pfropfbastarde ihrerseits sich nach den theoretischen Möglichkeiten ihrer Ent- stehung in drei Klassen einteilen: 1. Verschmelzungs-Pfropfbastarde, die durch die Verschmelzung zweier artverschiedener somatischer Zellen entstanden sind, 2. Beeinflussungs-Pfropfbastarde, die durch die specifische Beeinflussung des einen Pfropfkomponenten durch den anderen ohne Zellverschmelzung (durch chemische Stoffe, Plasmaübertritt usw.) entstanden sind, 3. Chimären, bei denen artreine Zellen von beiden Pfropfkomponenten ohne Verschmelzung zum ge- meınsamen Aufbau eines Individuums zusammengetreten sind. Die Chimären können nun wieder sein: a) Sektorial-Chimären, bei denen die verschieden- artigen Zellen im Vegetationspunkt durch Längsflächen getrennt sind, b) Peri- klinal-Chimären, bei denen die periklinalen Schichten des Vegetationspunktes teils von der einen, teils von der anderen Elterpflanze geliefert werden und c) Hyperchimären, bei denen der Vegetationspunkt mosaikartig aus Zellen beider Elterarten zusammengesetzt ist. Die Frage ıst nun, ın welche dieser Abteilungen die bis jetzt bekannten Pfropfbastarde einzureihen sind. In meiner letzten Veröffentlichung war nachgewiesen worden, daß die Keimzellen der Solanum-Pfropfbastarde dieselbe Chromosomenzahl wie einer der beiden Eltern besitzen. Wegen der häufigen Rückschläge zu den Elterarten ließen sich aber aus dieser Feststellung keine Rückschlüsse auf die Chromo- somenzahl in den Kernen der somatischen Zellen der Pfropfbastarde und damit auf deren Entstehungsweise ziehen. Es ergab sich also die Notwendigkeit, die somatischen Zellen selbst zu untersuchen, und diese Untersuchung lieferte das Resultat: vier von den bisher beschriebenen Solanum-Pfropfbastarden, nämlich Solanum tubingense, S. proteus, S. Koelreuterianum und S. Gärtnerianum sind Periklinal-Chimären, Solanum Darwinianum dagegen (zum mindesten in der subepidermalen Schicht seines Scheitels) ist ein Verschmelzungs-Pfropfbastard. Und zwar ist bei S. tubingense das Dermatogen von der Tomate, das Innere vom Nachtschatten; bei S. koelreuterianum ist es gerade umgekehrt; bei S. proteus sind die beiden äußeren Zellenlagen des Scheitels von der Tomate, das Innere vom Nachtschatten und bei S. gärtnerianum ist es wahrscheinlich. gerade um- gekehrt wie bei S. proteus. Nach der genauen anatomischen Untersuchung des Cytisus adami von Macfarlane ist auch dieser Pfropfbastard eine Pere- 1) Winkler H.: Über das Wesen der Pfropfbastarde. (Vorl. Mitteil) Ber. Bot. Ges. Bd. 28. 1910. S. 116—118. 12 85 klinal-Chimäre, bei der das Dermatogen von Uytisus purpureus, das Innere von Oytisus laburnum stammt. — Bei Solanum darwinianum trıtt ın den Keim- zellen die reduzierte Chromosomenzahl 24 auf (die Elternarten 12 und 36), so daß also mindestens die subepidermale Schicht des Vegetationspunktes, aus der die Pollenzellen entstehen, aus Zellen mit der Chromosomenzahl 48 zu- sammengesetzt ıst. Diese Uhromosomenzahl erklärt sich aber am einfachsten durch die Annahme, daß bei der Entstehung des Pfropfbastardes eine Nacht- schattenzelle (mit 72-chromosomigem Kern) und eine Tomatenzelle (mit 24-chromosomigem Kern) miteinander verschmolzen. Die so entstandene Zelle, aus der sich die subepidermale Schicht des Darwinianum-Scheitel bildete, besaß einen Kern mit 96 Chromosomen, der dann eine Reduktion auf 48 Chromosomen erfuhr.“ Während er also S. tubingense, S. proteus, 8. koelreuterianum, 5. gärt- nerianum als Periklinal-Chimären deutet, hält er auf Grund seiner histologischen Untersuchungen S. darwinianum wenigstens teilweise für einen Verschmel- zungsbastard. Damit wäre die Frage, ob eine echte Bastardierung ohne sexuelle Vorgänge möglich ist — die theoretisch wichtigste Frage bei der Bearbeitung der Pfropfbastarde — noch offen gehalten. Die Tatsachen, daß S. darwinianum X 8. nigrum in der Deszendenz bisher nur 8. nigrum ergab und daß die spon- tanen Rückschläge bei S. darwinianum nur aus reinem S. nigrum bestanden, deuten meines Erachtens allerdings darauf hin, daß auch S. darwinianum nur ein Mischgebilde darstellt. Jedenfalls werden weitere Untersuchungen auch hierüber volle Aufklärung bringen. Man wird weiterhin annehmen dürfen, daß zwischen anderen Pflanzen, die, sofern sie überhaupt eine vegetative Vermehrung und gegenseitige Pfropfung zulassen und sofern sie zur Bildung von Adventivsprossen neigen, derartige Gebilde erzeugt werden können. Als ziemlich sicher ist anzunehmen, daß auch ©. adami und die Crataegomespili vonBronvaux keine eigentlichen Pfropfbastarde darstellen, sondern Mischlinge, in denen die Gewebe der beiden Eltern, ohne zu ver- schmelzen, nach bestimmten Gesetzen zu einem Mischgewebe zusammentreten. Ihre Entstehung wird man sich so denken können, daß aus irgendwelchen Ursachen die normale Entwickelung des Edelreises unterdrückt wurde, wie man das in der Praxis ja öfter beobachten kann, und daß der Zufall es fügte, daß an der Verwachsungsstelle ein Adventivsproß sich bildete, der aus Geweben der Unterlage und des Edelreises bestand. Die vorliegenden Untersuchungen, welche einen so glänzenden Erfolg des wissenschaftlichen Experimentes darstellen, werden in vielfacher Beziehung die Anregung zu weiteren Forschungen geben. Sie zeigen auch hinreichend, daß sich schöne wissenschaftliche Ergebnisse auch ohne besondere Hilfsmittel erzielen lassen und lassen sich deshalb auch von solchen Forschern durch- führen, die über besondere Laboratoriumseinrichtungen nicht verfügen, wie Oberlehrer, Privatgelehrte etc. 36 Die in Westpreußen gefundenen Pilze der Gattungen Psalliota, Stropharia, Hebeloma, Inocybe, Gomphidius und Paxillus. Von F. Kaufmann in Elbing. Diese Gattungen enthalten Blätter- oder Lamellenpilze, welche zu der ursprünglichen Hauptgattung Agaricus Linne& gehörten. Weil diese große Gattung aber bald zu vielen Hunderten von Arten anschwoll, wurde sie von Fries nach der Sporenfarbe in fünf Sektionen eingeteilt. Sektion A. Coprinarii, Schwarzsporige. B. Pratelli, Schwarzbraunsporige. Bi GC. Dermini, Braun- oder Gelbbraunsporige. a“ D. Hyperrhodii, Rosa- oder Rostrotsporige. » E. LZeucospori, Weißsporige. Diese Sektionen wurden dann noch in Untergattungen zerlegt. — Während ın einigen neuern Werken neben den Untergattungen auch teilweise dıe Sektionen zu selbständigen Gattungen wie Pratelli, Dermini, Hyperrhodii erhoben werden, halte ıch es für besser, alle Untergattungen von Frıes zu Gattungen zu erheben, wie es schon in den kleineren, volkstümlichen Werken von Kummer, Wünsche, Sehwalb und anderen geschehen ist. Die Merkmale dieser Gattungen sind auch ganz gut charakterisiert. Wenn man erst einige Arten einer Gattung kennen gelernt hat, kann man ohne große Mühe auch die andern Arten als zu der betreffenden Gattung gehörig eıin- reihen. Sehr viel schwieriger ist die Unterscheidung, die Auseinanderhaltung der einzelnen Arten einer Gattung voneinander. Zwischen den für eine Art von den Autoren als charakteristisch aufgestellten Exemplaren kommen so viele abweichende Zwischenformen vor, daß die Grenze zwischen zwei Arten oft kaum festzustellen ıst. Sehr oft kommen in einer Gegend die charakte- rıstischen Artexemplare gar nicht vor, wohl aber häufig die Zwischenformen. Gattung Psalliota Fries. Harfenpilz, Egerling, Champignon. Hutrand und Stiel anfangs durch einen häutigen Schleier verbunden, der als häutiger oder schuppiger Rıng später auf dem Stiele zurückbleibt. Sporen 1) Vortrag, gehalten auf der 35. Hauptversammlung in Elbing am 28. Mai 1912, in erweiterter Form. 1 87 dunkel violett-braun. Lamellen frei, meistens entfernt vom Stiele, seltener bis an den Stiel heranreichend, angeheftet, nie angewachsen, anfangs weıb, bald bei einigen Arten grau-fleischfarbig, bei andern Arten lebhaft rosen- rötlich werdend, später dunkel schwarzbraun, fast schwarz. Der Stiel ist vom Hutfleisch gesondert, so daß er sich leicht beim Biegen herausbrechen läßt. Alle Psalliota-Arten haben einen angenehmen, feinen Mandel- oder auch Anisgeruch und sind durch diesen von dem in jugendlichen Exemplaren ganz gleich erscheinenden, sehr giftigen, unangenehm nach Schwefelwasserstoff und Lauge riechenden Knollenblätterschwamm und Giftwulstling allein sicher zu unterscheiden. Alle Arten sind eßbar. Der französische Namen Champignon für die Gattung Psalliota ıst in Deutschland volkstümlicher geworden, als der deutsche Namen Harfenpilz oder Egerling, weil man es vor Bismarcks Auftreten ın Deutschland für feiner hielt, die Speisekarten nicht deutsch, sondern fran- zösisch den Gästen in ihrer Heimat vorzulegen. In Westpreußen habe ich alle Arten der Gattung Psalliota gefunden, welche aus dem mittlern Europa bıs jetzt wissenschaftlich bekannt geworden sind. Bei Feststellung der Arten haben die Autoren nicht auf die Sporenform und Größe geachtet, sonst hätte man Ps. campestris var. alba Berkley, den weißen Feldehampignon, nicht mit Ps. campestris var. praticola Vittadini, dem schuppigen Feldehampignon, vereinigt. Die Sporen von Ps. campestris alba sind rundlich-eckig, 4 bis 5 tu im Durchmesser, diejenigen von Ps. cam- pestris praticola dagegen elliptisch, 8 « lang und 5 ı breit. Ps. campestris alba Berkley ist eine selbständige Art, zu welcher noch var. Ps. campestris vaporaria Krombholz gehören könnte Sie unter- scheidet sich auch deutlich durch die Lamellenfarbe, welche blaßgrau-fleisch- farbig und nicht lebhaft rosenrot ist, wie bei Ps. campestris praticola. Diese selbständige Art müßte den Namen Gartenchampignon erhalten, denn sie wächst nicht auf dem Felde. Ich habe sie nur in Gärten und Höfen vor- gefunden. Psalliota campestris praticola Vittadini allein gebührt der Name Feldchampignon. Von dieser Art kann man nach der Hutfarbe vier Varietäten unterscheiden: 1. Ps. campestris praticola alba V itt. Der weißschuppige Feldehampignon. en SE cinerea neue Var. Der grauschuppige Feld- champıgnon. I r Ri rufesceens V ıtt. Der rotbraunschuppige Feld- | champıgnon. on % ER umbrina Vitt. Der umbraschuppige Feld- champıgnon. Die Spielart Psalliota campestris var. silvicola V ıtt. gehört nach Sporen, Lamellen, knolligem Stiel und unveränderlichem Fleisch als Varietät zu Ps. silvatica Schaeffer. | 1. braun 88 Bestimmungsschlüssel. A. Hutfarbe weiß. . Ring doppelt, aber zusammengewachsen und nur am Rande sichtbar. gespalten .-. 2.2.0.0. nun nal Se ne nee Ring einfach. Stiel von. Anfang an hohl rer loan b. a anfangs. voll und meistens auch been . Hut ganz kahl, glatt, talgartig sich anfühlend, Lamellen voneinander entfernt, lange weiß bleibend, dann blaß erau-lleischfarbig ., ur b “air cretacea. . Hut fast kahl, nur ganz fein aha len ge- drängt, lebhaft rot-fleischfarbig . . . nr comitınlar . Hut fädig, faserig. Lamellen grau- Meischae) T Hohe Exemplare. Stiel bis 12 cm hoch bei 1 bis 1,5 cm Breite, zylindrisch, unten verdickt. Ring breit, dauernd hängend. * Hut und Stiel im Alter zitronengelb . 2 PnatenBis: ** Hut und Stiel dauernd zart weiß bleibend campestris silvicola. +f Derbe Exemplare. Stiel nur bis 8 cm hoch, aber 3—4 cm dick, zylindrisch, unten nicht verdickt, sondern oft sogar verjüngt. Ring anliegend, bald zerschlitzt campestris alba. . Hut schuppig, Lamellen lebhaft rot-fleischfarbig, dann rot- und schwarzbraun . . . ...... campestris praticola alba. B. Hut weiß, mit grauen Schuppen. Lamellen lebhaft rot-fleischfarbig, dann rot- und schwarz- campestris praticola cinerea. C. Hut von Anfang an ockergelb. . Ring breit am Stiele hängend. Stiel voll. Lamellen grau- fleischfarbig, dann rot- und schwarzbraun . . campestris vaporaria. . Ringfetzen teilweise auch am Hutrande hängen bleibend. Stiel hohl. Lamellen lange weiß bleibend, dann graubräun- lich: und‘ schwarz .' . .. rw on. en Eee D. Hut gelb, mit bräunlichen Schuppen. Riesenexemplare, 15 bis 30 cm hoch und breit . . . ... augusta. E. Hut weißlich-fleischfarbig. Mitte bräunlichfädie. Stiel hohl. Fleisch weißlich, bald gelb werdend . . . . rusiophylla. F. Hut hellbräunlich, mit dunkleren, braunen Schuppen. a. Stiel voll, 3 bis 6 cm dick. Fleisch weiß. Riesenexemplare augusta. b. Stiel hohl, 5 bis 1O mm dick. Fleisch bräunlich und rötlich haematosperma. 3 89 G. Hut fleischrötlich, mit rotbraunen Schuppen. 1. Stiel voll, 1 bis 2 cm dick, weiß . . campestris praticola rufescens. 2. Stiel hohl, 5 bis 10 mm dick, rötlich oder bräunlich Ahaematosperma. H. Hut blutrötlich-bräunlich, seidig-fädig, geglättet. Stiel hohl, 1,5 bis 2 cm dick, rötlich . . . ...... haemorrhoidarius. I. Hut umbrabraun oder dunkel-graubraun. 1. Hut anliegend schuppig. Stiel weiß, 1 bis 1,5 cm dick. Ring hängend . . . .... campestris praticola umbrina. 2. Hut lose grobflockig. Stiel. nur > Die 3 mm dick, am Grunde blutrot. Ring flockig, umbrafarbig, den roten Stiel bedeckend echinata. A. Hutfarbe weiss. Nr.1. Psalliota arvensis Schaeffer Acker-Champig- non. — Ein großer, derber Pilz von 8 bis 13 cm Höhe und 8 bis 18 cm Breite. Hut anfangs zylindrisch-kegelförmig, bis 5 em hoch und breit, dann abgeflacht- halbkreisförmig, bis 11 cm breit und endlich bis zu 18 cm breit, flach aus- gebreitet. Oberfläche fein flockig, kleiig schuppig, im Scheitel seidig, weiß, im Alter und manchmal auch durch Berührung im Scheitel zitronengelb werdend. Hutfleisch weiß, 1 bis 1,5 cm dick. Lamellen frei, entfernt vom Stiele, ge- drängt, schmal nur 5 bis 7 mm breit, linealisch, lange weiß bleibend, dann blaß fleischfarbig-grau und schwarzbraun. Sporen elliptisch, 6 bis 7 @ lang, 5 u breit. Rıng weiß, dick, dauernd, aus doppelter Lage bestehend, aber verwachsen und nur am Rande in 2, oft auch in mehreren Wülsten aus- einander klaffend. Stiel 7 bis 11 cm hoch, meistens 2, aber auch bis 4 em dick, zylindrisch, gewöhnlich unten verdickt, seltener knollig, noch seltener auch nach unten zugespitzt, innen meistens etwas hohl, oft — besonders in der Jugend — auch ganz voll, weiß, im Grunde durch Berührung und auch im Alter zitronengelb werdend. Fleisch weiß, von angenehmem Mandel- geruch. Eßbar. Auf Äckern, besonders Brachfeldern und Viehweiden sehr häufig. Durch den doppelten Ring ist der Pilz leicht von allen andern Arten zu unterscheiden. Nemo eBRsalliota silvatica Schaeffer Waldcham- pignon. — Ein großer, aber nicht diekfleischiger Pilz von 8 bis 14 em Höhe. Hut anfangs glockenförmig, dann ausgebreitet mit gebuckelter Mitte, 8 bis 14 cm breit. Hutoberfläche weiß, fein längsfaserig, im Alter vom Rande aus nach der Mitte zu braun fädıg werdend. Hutfleisch weiß, 5 mm dick. Lamellen frei, linealisch, beidendig verschmälert, schmal, nur 4 bis 7 mm breit, gedrängt, ganzrandig, anfangs weiß, bald grau-fleischfarbig und schwarzbraun. Sporen elliptisch, 5 bis 7 u lang, 4 ww breit. Stiel hohl, 6 bis 12 cm lang, 1 cm dick, zylindrisch, am Grunde gewunden, etwas niederliegend und knollig verdickt, weiß. Ring einfach, weiß, breit, hängend, dauernd. Fleisch weiß. Geruch nach Mandeln. Eßbar. 4 Y0 In Laub- und Nadelwäldern häufig. Von Ps. arvensis unterscheidet sich der Pilz hauptsächlich durch den einfachen Ring, von Ps. pratensis durch den hohlen Stiel. Nr. 8. Psalliota cretacea Fries. Kreide Champ om — Ein derber Pilz von 10 cm Höhe. Hut anfangs kugelförmig, bis 9 cm breit, dann flacher gewölbt, noch viel breiter. Oberfläche weiß, anfangs ganz kahl, fühlt sich glatt und talgartig an, dann fein seidig. Hutfleisch über 1 em dick, weıß. Lamellen frei, ziemlich entfernt, linealisch, 5 bis 6 cm breit, nach dem Stiele zu allmählich mehr schmäler werdend, als nach dem Rande, lange weıß bleibend, dann blaß grau-fleischfarbig, endlich schwarzbraun. Sporen. rund- lich 4 « ım Durchmesser, einige elliptisch, 5 « lang und 4 « breit. Ring ein- fach, dauernd, hängend, weiß. Stiel 7 em lang, bis 2 cm dick, zylindrisch, unten knollig verdickt, weıß, innen hohl. Fleisch weiß. Nach Mandeln riechend. Eßbar. | Gefunden auf Rasenboden unter Laubbäumen ım Dambitzer Park. Selten. Der Pilz ıst durch den großen, kugelförmigen, glatten Hut, die voneinander entfernt stehenden Lamellen und den hohen Stiel leicht von Ps. pratensis zu unterscheiden, von Ps. arvensis durch den einfachen Ring und von Ps. cam- pestris durch den hohlen Stiel. Nr.4 Psalliota comtula Fries Flaumhaarraen een pıgnon. — Mittelgroß. 6 bis 10 cm: hoch, bei 4 bis 7 cm Hutbreite. Hut tlach gewölbt. Oberfläche weiß, ın der Mitte später wenig gelblich, sehr zart flaumig, seidig, flockig. Ohne Lupe gesehen, erscheint er fast kahl. Hutfleisch 5 bıs 10 cm breit, weıß. Lamellen frei, gedrängt, linealisch-lanzettlich, schmal, nur 5 mm breit, erst weiß, dann rosa, lebhaft rötlich und schwarzbraun. Ring weiß, auch gelblich weiß, schmal, zart, dünn, vergänglich. Sporen elliptisch, 6 bis 7 uw lang, 3 bis 4 « breit. Stiel meistens schlank, 6 bis 9 cm lang, 5 bıs 8 mm, selten bis 1,5 cm breit, weiß oder weıßlich-gelblich, ge- wöhnlich nach oben verjüngt, anfangs innen flockig voll, dann hohl. Fleisch weıß. Geruch nach Mandeln. Eßbar. Auf Wiesen im Weßler Felde und im Vogelsanger Walde nicht selten. Von dem ihm nahestehenden Pilz Ps. campestris praticola alba unterscheidet er sich durch den nicht schuppigen, sondern nur sehr zart flaumigen, seidigen, fast kahlen Hut und den hohlen Stiel. Es kommen jedoch so vıele Zwischen- formen mit allmählich voller werdendem Stiele und schuppiger werdendem Hut vor, daß die Grenze schwer zu bestimmen ist. Ps. comtula kann auch als das Endglied, als die zarteste Form von dem weißschuppigen Feld- champiıgnon aufgefaßt werden, mit dem er in den Sporen und in der Lamellenfarbe übereinstimmt. Nr. 5. Psalliota pratensisSchaeffer. Wiesen-Cham- pıignon. — Ein 12 bis 16 em hoher Pilz. Hut glockenförmig, dann aus- gebreitet 12 bis 14 cm breit, breit gebuckelt, seltener rundlich und abgeflacht. Oberfläche, fast glatt, wenig seidig-faserig, weiß, in der Mitte etwas zitronen- > PR 91 gelb werdend. Hutfleisch weıß, 10 bis 15 mm dick. Lamellen frei, gedrängt, lıinealisch, 7 bis 10 mm breit, weıß, bald aschgrau-bräunlich und schwarzbraun, ganzrandig. Sporen elliptisch, 5 bis 7 zı lang und 4 bis 5 « breit. Viele sınd auch rundlich, 5 #« im Durchmesser. Ring weiß, einfach, dauernd, breit, hängend. Stiel 10 bis 14 cm lang, 1,5 bıs 2 cm breit, weıß, unten oft zitronen- gelb, innen voll. Fleisch weıß. Geruch nach Mandeln. Eßbar. Gefunden auf Wiesen in dem Garten von Wittenfelde bei Elbing, auch ım hohen Grase hinter dem Kameel auf der Frischen Nehrung bei Kahlberg. Durch den einfachen Ring ıst der Pilz leicht von dem ähnlichen Ps. arvensis zu unterscheiden und durch den vollen Stiel von Ps. silvatica. N7,6. Psalliot@acampestris. Linne, var. silvicola Vıtta- dinı. Waldrandchampignon. — 14cm hoch. Hut anfangs glocken- förmig, dann ausgebreitet bıs 14 cm breit. Oberfläche dauernd glänzend weıß bleibend, nicht vergilbend, seidig, glatt. Hutfleisch weiß, dünn, nur bis 1 cm breit. Lamellen frei, linealisch, weiß, dann hellgrau-fleischfarbig und schwarz- braun. Sporen länglich elliptisch, 7 « lang und 4 breit. Ring einfach, schmal zerschlitzt, weiß. Stiel 13 cm, 1,5 bis 2 cm breit, zylindrisch, am Grunde niederliegend, schwach knollig, weiß, innen voll, Fleisch weiß. Geruch nach Mandeln. Eßbar. An Waldrändern bei Elbing im Grase an Gebüschen öfters. — Diese Varietät halte ich für eine allmählich vollstielig gewordene Spielart von Ps. silvatica. Mit diesem Pilz hat sie Hut, Lamellen, Sporen und Stielform gemeinsam. Nur des vollen Stieles wegen kann Vittadını sie als Var. von Ps. campestris bestimmt haben. Ich habe an verschiedenen Exemplaren beobachtet, wie der Stiel allmählich voll wird. Bei einigen Exemplaren be- merkt man beim Durchschneiden noch eine 0,5 bis 1 mm breite Höhlung, bei andern war diese markig voll. Von Ps. pratensis unterscheidet sich der Pilz durch den dünnern, zart weißen, nicht zitronengelb werdenden Hut und Stiel und die längern, fast spindelförmigen Sporen. Bernd. Psallvota campestris Linne, var. alba Berkley. Weißer Feldehampignon, zutreffendr weißer Garten- champignon. — Ein derber, dickfleischiger und diekstieliger Pilz. Ge- wöhnlich nur 6 bis 8, seltener bis 10 em hoch. Hut lange platt zylindrisch bleibend, nur 2 bis 3 cm hoch, bei 6 bis 10 cm Breite, im Alter ausgebreitet, oben wagerecht, sehr selten vertieft, 12 bis 17 cm breit. Oberfläche fast kahl, glatt, nur am Rande wenig seidig faserig, weiß, nur im Alter wenig ockergelb werdend. Hutfleisch 1,5 bis 2 cm dick, weiß, schokoladenfarbig-rötlich an- gehaucht. Lamellen linealisch, 4 bis 6 mm breit, ganzrandig, weiß, dann grau- fleischfarbig, rotbraun und schwarzbraun. Sporen rundlich, stumpfeckig, 4 bis 9 & im Durchmesser. Ring einfach, anfangs dicht anliegend, zerschlitzt, später zerteilt, hängend, selten aufrecht, oft halb verschwindend. Stiel weıß, 4 bis 7 cm hoch, 2 bis 3, nicht selten bis 4 em breit, zylindrisch, nach unten meistens 6 92 spindelförmig verjüngt, innen vollfleischig, weiß, schwach schokoladenfarbig angehaucht. Geruch nach Mandeln. Eßbar. Der schönste Speisepilz. Auf Höfen und in Gärten der Stadt Elbing sehr häufig. — Ps. campestris alba ıst eine selbständige Art, zu welcher noch die Var. Ps. campestris vapo- raria gehören könnte. Diese Art unterscheidet sich von Ps. campestris praticola durch die kleinern und rundlichen Sporen, die grau-fleischfarbigen, nicht lebhaft rot-fleischfarbigen Lamellen und durch den derberen, flach zylın- drischen Hut. Man findet den Pilz nıcht auf dem Felde, daher paßt für ıhn der Name „weißer Gartenchampignon“ viel besser, und Ps. campestris var. vaporaria wäre dann der gelbe Gartenchampignon. Nr. 8 Psalliota campestris Linne&, var. praticola albe« Vittadiını.. Weißschuppiger Feldehampızsnon par 10 cm hoch. Hut anfangs meistens glockenförmig, bis 4 em hoch, höher aber nicht so breit und fest wie bei Ps. campestris alba, im Alter ausgebreitet, breit gebuckelt, gewöhnlich 8, seltener bis 16 em breit. Oberfläche schuppig und weiß, im Alter nur in der Mitte manchmal wenig blaß ockergelb. Hutfleisch l cm dick, weiß, ım Alter schokoladenbräunlich angehaucht. Lamellen frei, gedrängt, linealisch-lanzettlich, 5 bis 10 mm breit, anfangs weiß, bald lebhaft rot-fleischfarbig, dann braunrot und schwarzbraun, Schneide glatt. Sporen elliptisch, 6 bis 8 u lang, 4 bis 5 # breit. Ring einfach, weıß, schmal, herab- hängend, bald zerschlitzt und vergänglich, oft abfallend. Stiel 5 bis 10 cm lang, 2, seltener bis 3 cm dick, zylindrisch, innen voll, seltener bei Übergangs- exemplaren zu Ps. comtula mit einer 1 mm breiten, hohlen Rinne. Fleisch weıß, ım Alter blaß schokoladenfarbig werdend. Geruch nach Mandeln. Eßbar. Auf Triften, Viehweiden und Brachäckern, Chausseerändern sehr häufig. Von Ps. campestris alba unterscheidet sich der Pilz durch die lebhaft rot- fleischfarbigen Lamellen, die größern elliptischen Sporen und die schuppige Hutoberfläche. B. Hut weiss mit grauen Schuppen. Nr. 9. Psalliota campestris Linne, var. praticola VYıtta- dini, var. cinerea, neue Spielart. Grauschuppiger Feldcham- pignon. — Ein kleinerer Pilz, gewöhnlich nur 4 bis 6 em hoch. Hut anfangs abgeplattet, flach halbkugelig, seltener glockenförmig, 4 bis 10 cm breit. Ober- fläche am Rande weißlich, in der Mitte grau-schuppig. Hutfleisch weiß, meistens nur 5 mm dick. Lamellen frei, linealisch, 5 mm breit, ganzrandig, lebhaft rot-fleischfarbig, dann rotbraun und zuletzt schwarzbraun. Sporen elliptisch, 6 bis 8 uw lang, 4 bis 5 u breit. Ring weiß, einfach, schmal, hängend, bald zerschlitzt. Stiel weiß, 3 bis 4 cm lang, 1 bis 1,5 cm breit, meistens zylindrisch, oft aber auch nach unten verjüngt, oder auch verdickt, seltener in der Mitte bauchig, innen voll. Fleisch weiß. Geruch nach Mandeln, eßbar. Auf Viehweiden, besonders an :sonnigen Stellen häufig. Gewöhnlich kleiner, geht aber mit allmählich größern und hellern Exemplaren in die Spiel- art Ps. campestris praticola alba über. 7 93 Ö. Hut von Anfang an ockergelb. Nr. 10. Psalliota campestris, var. vaporaria Krombholaz. Bünstiger Feldchampignon, gelber Feldehampignon, passender: Gelber Gartenchampignon. — 6 bis 8 cm hoch. Hut anfangs nıedrig glockenförmig, später verflacht, 10 cm breit. Oberfläche gelb- lich, faserig, etwas schuppig. Hutfleisch ın Stielnähe 1,5 em breit, viel dünner wie bei Ps. campestris alba, weißlich. Lamellen frei, linealisch, weıß, bald grau-fleischfarbig, dann schwarzbraun. Sporen rundlich elliptisch, 4 bis 5 u breit. Stiel voll zylindrisch, 5 bis 7 cm lang, 1 bis 1,5 cm breit, weißlıch, nach unten verdickt und etwas gebogen. Ring weißlich, einfach, hängend, dauernd. Stielfleisch weißlich. Eßbar. Gefunden in Gärten am Elbinger Kasıno auf schwarzer, gedüngter Erde. Der Pilz hat die Lamellenfarbe und Sporenform mit Ps. campestris alba ge- mein und unterscheidet sich dadurch von Ps. praticola. Nr. 11. Psalliota fulveola Fries Braungelber Cham- pıgnon. — Wird von Fries als Subspezies von Ps. pratensis gehalten (Hymenom. Europ. pag. 279), ist aber nach Sporen, Ring und hohlem Stiel eine selbständige Art und auch als solche in Linnaea IV. pag. 549 Nr. 587 veröffentlicht als Agaricus fulvo - denticulatus Lasch, Braungelber ge- zähnelter Champignon. 8 bis 11 cm hoch. Hut kegelförmig, oben abgeflacht, 3 cm hoch und bis 10 cm breit. Oberfläche seidig-fädig, schmutziggrau-ocker- gelb, seltener ockergelb-bräunlich. Hutfleisch nur 5 mm, selten bis 10 cm: dick, weiß. Lamellen frei, auch angeheftet, sehr gedrängt, lanzettlich, ın der Mitte 7 bis 10 mm breit, weißlich-grau, dann bräunlich und schwarzbraun, Schneide heller, mit der Lupe gesehen, sehr fein gezähnelt. Sporen groß, elliptisch, 7 bis 10 u lang, 5 bis 6 « breit. Ring einfach, zerschlitzt, am Stiele hängend; aber auch rings um den Hut herum bleiben am Rande desselben 1 cm lange und breite dreieckige, gezähnelte Fetzen dauernd hängen. Stiel 7 bis 10 cm lang, 2 bis 2,5 em dick, nach unten allmählich verdickt, fein- faserig, weiß, sehr wenig gelb werdend, innen hohl. Fleisch weiß. Geruch nach Mandeln. Eßbar. Gefunden an Grabenrändern im Kreise Pr. Stargard bei Hoch Paleschken. Nur der Lamellenfarbe und des Standorts wegen könnte der Pilz als Sub- species von Ps. campestris gehalten werden, wenn man die Sporen nicht ge- messen und den hohlen Stiel übersehen hat. Er ist ganz entschieden davon zu trennen, denn er unterscheidet sich von dem Wiıesen-Champignon durch die vıel größeren, elliptischen und nicht rundlichen Sporen, den hohlen Stiel und durch den eigentümlichen zerfetzten, auch am Hutrande in vielen dreieckigen Zipfeln hängen bleibenden Ring. Solch einen mit Ringfetzen regelmäßig ge- zıierten Hutrand habe ich nur noch an einigen alten Exemplaren von Ps. rusiophylla gefunden. Sn D. Hut gelb mit bräunlichen Schuppen. Nr. 12. PsalliotaaugustaFres Majestätischezerr m. pıgnon. — Ein Riesenpilz von 15 bis 30 em Höhe. Hut anfangs zylindrisch, so hoch wie breit, daher manchmal auch mit gebogenen Seitenflächen, fast kugelig erscheinend, dann halbkugelig bis 12 cm und endlich flach gewölbt 17 bis 29 cm breit, bei nur 4 cm Höhe. Hutoberfläche nur ın der Mitte glatt und dunkler bräunlich, sonst gelb oder hellbräunlich, mit dunklern gelben oder braunen Schuppen geziert. Fleisch weıß, verhältnismäßig dünn, meistens nur 1, seltener bis 1,5 und 2 cm breit. Lamellen freı, gedrängt, lanzettlich, schmal, nur 5, seltner 7 bis 10 mm breit, ganzrandig, lange weıß bleibend, dann grau, blaß fleischfarbig und schwarzbraun. Sporen lanzettlich, 6 bis 7 uw lang, 3 bis 4 « breit. Ring zerschlitzt, schuppig am Stiele hängen bleibend, weıß, aber bald gelb werdend. Stiel 14 bis 29 em lang, gewöhnlich 3 bis 4, auch bis 6 cm breit, zylindrisch oder auch nach unten keulenförmig verdickt, weib, bei der gelben Spielart glatt, bei der braunen unter dem Ringe mehr- reihig schuppig, innen vollfleischig, weiß. Duft nach Mandeln. Eßbar. Der Pılz kommt in zwei Varietäten vor: 1. Die gelbliche Spielart, mit orangebräunlichen Schuppen auf zitronen- gelbem Hutgrunde, wurde gefunden im Härtel-Hain in Kahlberg. Sie hat einen höheren, aber schmäleren, glatteren, zylindrischen Stiel und einen glatten, zerschlitzten, zitronengelb werdenden Ring. 2. Die bräunliche Spielart habe ich im Vogelsanger Walde nahe der Pferdehaltestelle und im Hommeltale vor Turnerslust und vor Patersonsruhe gefunden. Sie hat auf hellbräunlichem Hutgrunde dunkle, bräunliche Schuppen. Der Stiel ist gedrungener, nach unten keulenförmig verdickt, bei 12 bis 20 cm Höhe bis 6 cm breit, unter dem ockergelblich werdendem Ringe mehrreihig schuppig. Der anfangs zylindrische, rundliche Hut wird später glockenförmig und bleibt verhältnismäßig höher als der anfangs halbkreisförmige, später flach ausgebreitete Hut der gelben Spielart. E. Hut weisslich fleischfarbig, Mitte bräunlich fädig. Nr. 13. Psalliota rusiophilla Lasch. RKußhbhacız ern Champignon. — Ein kleiner Pilz, meistens nur 3 bis 5, seltener bis 8 cm hoch. Hut glockenförmig, dann ausgebreitet gebuckelt. Gewöhnlich nur 3 bis 4, seltener bıs 7 cm breit. Hutoberfläche am Rande weißlich, nach der Mitte zu fleischfarbig und bräunlich, seidig-faserig. Hutfleisch nur 2 bis 4 mm breit, weiß, bald fleischfarbig und gelblich werdend. Lamellen frei, gedrängt, wenig bauchig, 3 bis 5 mm breit, ganzrandig, erst weiß, bald fleischfarbig, graubraun und schwarzbraun. Sporen elliptisch, 4 u lang, 2 bis 3 ıı breit. Ring weiß, hängend, schmal, bald zerschlitzt, oft in vielen, teilweise dreieckigen Fetzen am Hutrande hängen bleibend. Stiel 3 bis 5, seltener bis 7 cm lang, und 2 bis ö, seltener bis 8 mm breit, zylindrisch, unten knollig, weiß, oder auch blaß (h) fleischfarbig, im Alter gelblich und bräunlich werdend, innen hohl. Fleisch weiß, bald gelblich werdend. Geruch nach Mandeln. Eßbar. In Laub- und Nadelwäldern häufig. Alte Exemplare haben Ähnlichkeit mit Ps. haematosperma, sind aber immer am gelblichen, nie rot werdenden Fleische zu unterscheiden. F. Hut hellbräunlich mit dunkler bräunlichen Schuppen. Nr. 14. "Psallvosa haematosperma Bulliard. Hain- Champignon. — Mittlere und kleinere Pilze von 5 bis 9 cm Höhe. Hut glockenförmig und später ausgebreitet, breit gebuckelt, meistens nur 5, seltener bis 10 cm breit. Oberfläche hellbräunlich, mit dunkler bräunlichen Schuppen, oder auch blaßrot, mit dunkleren, rotbräunlichen Schuppen geziert. Hutfleisch 3 bis 5, seltener bis 7 cm dick, erst fleischfarbig, dann rötlich und bräunlich werdend. Lamellen frei, gedrängt, lanzettlich, bauchig, 3 bis 8 mm breit, ganzrandig, anfangs weiß, bald rot, rotbraun und schwarzbraun werdend. Sporen elliptisch, 4 bis 6 w lang, 3 bis 4 « breit. Ring weiß, auf der Ober- seite oft von Sporen bräunlich, hängend, zerschlitzt. Stiel 4 bis 8 cm lang, 5 bis 10 mm breit, zylindrisch, unten knollig oder auch keulenförmig ver- dickt, anfangs weißlich, pulverig flockig, bald rötlich und bräunlich werdend, innen hohl. Fleisch anfangs rosa, dann rötlich und bräunlich, nur die 2 mm breite Höhlung erscheint weiß. Geruch nach Mandeln. Eßbar. Unter Rottannen und Kiefern in den Wäldern bei Elbing häufig. — Von der ähnlichen Ps. rusiophylla unterscheidet sich der Pilz durch den schup- pigen, nicht seidige fädigen Hut, den rötlichen und bräunlichen, nicht weiß und gelblichen Stiel, und das rötliche, nicht gelbliche Fleisch. Die in der Hut-, Stiel- und Fleischfarbe ihm ähnliche Ps. haemorrhoidaria ist viel höher und dickstieliger, und deren Hut ist auch nieht schuppig, sondern anliegend seidig fädıg. G. Hut biutrötlich mit rotbräunlichen Schuppen bedeckt. Ne ib, Psalliota cammpestris praticola rufescens emp wotbraunschuppiger Feldcechampıenon — Kleiner als Ps. praticola alba. 5 bis 7 cm hoch, bei 5 bis 8 em Hutbreite. Hut flach halbkuglig oder auch flach glockenförmig. Oberfläche blaßrot, mit rot- bräunlichen Schuppen bedeckt. Hutfleisch 1 em dick, weiß, blaßrötlich an- gehaucht. Ring einfach, weiß, dauernd, hängend. Stiel 4 bis 6 em lang, 1 bıs 2 cm dick, weiß, am Grunde rötlich, zylindrisch, innen voll. Fleisch weiß, rötlich angehaucht. Geruch nach Mandeln. Eßbar. Auf sonnigen Weideländereien. Wesseln bei Elbing. Öfters. H. Hut blutrötlich-bräunlich, seidig-fädig. Nr. 216: Psalliota haemorrhoidaria Kalchbrenner. Biutehampienon. — Ein großer Pilz von 15 cm Höhe und 13 cm 10 96 Breite. Hut anfangs eiförmig, später ausgebreitet, in der Mitte oft etwas uneben oder höckrig gebuckelt, rotbraun, mit dunkleren anliegenden seidigen Fäden oder geplätteten Schuppen bedeckt, am Rande in der Jugend weißlich. Hutfleisch bis 1 cm breit, rötlich. Lamellen frei, eilanzettlich, in der Randnähe breiter als ın der Mitte, bis 1 cm breit, gedrängt stehend, weıß, dann rosa und lebhaft rotbraun und purpur umbrabraun werdend. Sporen elliptisch, 6 bis 8 a lang, 4 u breit. Ring weiß, einfach, dauernd, hängend. Stiel bis 13 cm hoch, bıs 2 em breit, zylindrisch, unten etwas knollig, blaß rötlich, innen hohl. Fleisch weißlich, beim Durchschneiden rötlich werdend. Geruch nach Mandeln. Eßbar. Gefunden unter Eichen im Dambitzer Park bei Elbing. Von dem ähn- lichen Ps. haematosperma unterscheidet sich der Blutehampignon durch seine Größe und die dunklere, blutrot-bräunliche, glattere Hutoberfläche. I. Hut umbrabraun oder dunkel graubraun. Nr. 17. Psalliota campestris, var. praticola umbrina V ıtta- dini. Umbraschuppıger Feldehampignon. 7 In misel. großer Pilz, gleicht in Höhe, Breite, Hutform, Lamellen, Sporen, Ring, Stiel und Fleisch der Spielart Ps. campestris praticola rufescens. Nur die Hut- bekleidung ıst nicht so schuppig, sondern mehr anlıegend, seidig und nicht rotbraun, sondern umbrafarbig oder dunkel graubraun. Er kommt nicht so häufig vor. Ich habe ihn gefunden am Albert-Steig im Vogelsanger Walde und auf dem Wesseler Felde zwischen Exemplaren des rotbraunen Feld- champignons. Nr. 18. Psalliota 'echinata Roth TFTeelstachkerr Champıgnon. — Eın kleiner Pılz von 2 bis 3 cm Höhe und 1 bis 2 cm Hutbreite. Hut glockenförmig. Oberfläche wollig, flockig, zottig, umbrafarbig oder grau-rotbräunlich. Hutfleisch nur 1 mm diek. Lamellen angeheftet, ge- drängt, lanzettlich, bauchig, in der Mitte bis 5 mm breit, lebhaft blutrot, dann bräunlich werdend. Sporen rundlich-elliptisch, 4 ı lang, 3 % breit. Der Ring besteht aus umbrafarbigen, wolligen Flocken, die teilweise auch am Hutrande hängen bleiben. Der 2 bis 3 mm hohe und 2 mm breite Stiel ist unten knollig, innen hohl, außen umbra-flockig bekörnelt, unter den Flocken lebhaft karminrot. Die Knolle ist weiß. Hutfleisch weiß, Stielfleisch karmin- rot. Geruch nach Mandeln. Da der Pilz mehr wollige Haut als Fleisch besitzt, ist er zum Essen ungeeignet. Ich habe ihn auf Blumenbeeten zwischen Rosen gefunden. Gattung Stropharia, Träuschling. Die beiden Untergattungen Stropharia und Psalliota Fries werden der schwarzbraunen Sporen und des beringten Stieles wegen in einigen neueren Pilzwerken zu einer Gattung Psalliota vereinigt. Ich halte das für keine Ver- besserung. Beide Untergattungen Fries unterscheiden sich in vielen Merk- a! IM malen so wesentlich voneinander, daß selbst jeder Anfänger sie sehr leicht erkennen kann. Sie sind darum auch schon in den kleinen Pilzbüchern von Wünsche 1877,Schwalb und anderen mit Recht zu zwei selbständigen Gattungen erhoben worden. Den Träuschlingen fehlt der Mandel- oder Anısduft, durch welchen man mit Leichtigkeit die Champignons erkennen kann. Sie haben eine feuchte, klebrige Hutoberfläche. Die Lamellen sind angewachsen, niemals frei, und von anfänglich grauer, dann braun-schwärzlicher Färbung, nie fleischrötlich. Der Stiel ist nicht vom Hute getrennt, wie bei der Gattung Psalliota, kann also nicht leicht herausgebrochen werden. Er ıst mit dem Hutfleisch fest verwachsen und bricht vıel eher ın der Mitte entzwei. Mit Ausnahme von ‚St. melanosperma sınd alle Träuschlinge schlanke, hohe, dünnfleischige und dünnstielige Pilze und darum zu Speisepilze wenig geeignet, obgleich sie nicht giftig sind. Bestimmungsschlüssel. A. Hut weiß, Mitte blaß ockergelhb. 1i=Stiel weiß, innen voll . . . 2 2 2 nn 200... Melanosperma. 2. Stiel blaßgelb, innen hohl. a) Lamellen entfernt. Sa kEluc halbkugee za er. 2. "semiglobata: ** Hut glockenföormig . . en. luteonitens. b) Lamellen gedrängt, Hut Elockenförnik en „rn albo-cyanen. B. Hut blaß zitronengelb. 1. Hut glockenförmig. a) Lamellen mäßig entfernt, grau-schwärzlich . . . . . luteonitens. b) Lamellen sehr entfernt, umbrabraun . . 2. . storcoraria. 2. Hut anfangs glockenförmig, später flach zowalkt: Lamellen sehr gedrängt . . . 20... „ Melanosperma. 3. Hut halbkuglig lebend blaß itonaneäih, Mitte eidotter- gelb. Lamellen mäßig entfernt . » 2» 2 2.2.00... semiglobata. C. Hut eidottergelb, Mitte orangegelb. Hut halbkuglig bleibend, Rand glatt . . . 2 2.2... semiglobata. D. Hut lebhaft orangegelb, später gelbbraun. 1. Hut halbkuglig bleibend, Stiel voll. Der Hutrand allein weibllockie. ., .. . . ee Cool lan 2. Hut glockenförmig, N N Der ganze Hut mit konzentrisch gestellten Schuppen bedeckt . . . . . squamosa. E. Hut ockergelb, Mitte kastanienbraun. Stiel gelblich, blaß bräunlich, häutig, schuppig . . . . . merdarra. 35. Ber. d. Wpr. Bot.-Zool. Vereins, 12 Y 98 F. Hut grünlich. 1. Hut und Stiel spangrün, weißschuppig . . . virudula Schaeffer, aeruginea Ourtis. 2. Hutmitte blaß grünlich, Rand weiß, Hut und Stiel glatt albo-cyanea. 3. Hutmitte blaß grünlich, Rand blaß zitronengelb. Stiel flockig stercoraria. G. Hutmitte schwarzbräunlich. 1. Hutrand weiß, Stiel voll;:weiß'v. 22 2 rn ae inuncta. 2. Hutrand graugelb, Stiel hohl, weiß . =... . u. ae: A. Hut weiss, Mitte blass ockergelb. Nr. 19. Stropharia melanospermaBulliard. Schwarz. sporiger Träuschling. Glatter Träuschling. — Ein mittel- großer, fleischiger Pılz von 6 bis 7 cm Gesamthöhe und 4 bis 6 em Hut- breite. Hut anfangs halbkuglig, später flach gewölbt, feucht, klebrig, trocken glatt und glänzend, weıß mit ockergelber Mitte, oder auch blaß zitronengelb mit dunkler gelben Mitte. Hutfleisch weiß, 1 cm dick. Lamellen schmal an- gewachsen, manchmal fast nur angeheftet, sehr dicht stehend, bauchig, bis 5 mm breit, anfangs weiß, dann grau, graubraun und schwarzbraun. Sporen elliptisch, 8 bis 10 # lang, 4 bis 12 « breit. Stiel zylindrisch, glatt, 5 cm lang, 5 bis 12 mm dick, weiß, innen voll. Ring weiß, häutig, schmal. Stiel- fleisch weiß. Ohne besonderen Geruch. Eßbar. Auf Feldwegen und Wiesen vor Vogelsang, Kreis Elbing. Massenhaft gefunden auf der Chaussee bei Steegen, Kreis Danz. Niederung, an Stellen, wo Pferdedünger gelegen hat. Dieser Träuschling ist der einzige, welchen man nach Fleisch und Farbe leicht für einen Uhampignon halten könnte. Es fehlen ihm aber der Mandelgeruch und die fleischfarbigen oder rötlichen Lamellen. Nr. 20. Stropharia luteonitens Fries Gelbglänzen- der Träuschling. — Schlank und schmal, bis 11 cm hoch, 2 bis 3 cm breit. Hut glockenförmig, glatt, glänzend, blaß zitronengelb, mit hellem, weiß- lichem Rande. Hutfleisch 2 mm diek. Lamellen mäßig gedrängt, angewachsen, etwas bauchig, aschgrau, dann schwärzlich. Sporen elliptisch, 11 bis 13 lang, 7 bis 8 « breit. Stiel 10 cm lang, 3 mm breit, oberhalb des schmalen, abstehenden gelben Ringes gewöhnlich weißpulvrig bemehlt, unterhalb des- selben faserig-schuppig, blaß strohgelb, am knollig verdickten Grunde weiß, innen hohl. Als Speisepilz zu winzig. Auf Pferdedünger an Wegen nicht selten. Er unterscheidet sich von der ähnlichen St. stercoraria durch die gedrängter stehenden, aschgrauen, nıcht umbrafarbigen Lamellen. Die ähnlich gefärbte und ebenso schlanke, auch auf Dünger wachsende Psilocybe semilanceolata Fr. hat keinen Ring und einen vollen Stiel. Nr. 21. Stropharia albocyanea Desmacieres Weiß- licher Träuschling. — Ein mittelgroßer, schlanker Pilz von 5 bis 13 99 10 em Gesamthöhe und 4 bis 5 em Hutbreite. Hut anfangs glockenförmig, dann ausgebreitet, gebuckelt, glatt, klebrig, anfangs blaß grünlich, dann weıß- lich mit ockergelblicher Mitte. Hutfleisch nur im Buckel 4 bis 5 mm dick, weiß. Lamellen verschmälert angewachsen, gedrängt, wenig bauchig, bis 5 mm breit, anfangs weıßlich, dann bräunlich und braun purpurfarbig. Schneide weıß gezähnelt, Sporen elliptisch, 6 bis 8 u lang, 4 u breit. Ring schmal, zerschlitzt, leicht abfallend, blaß-grau. Stiel zylindrisch, bis 9 cm lang und 4 mm dick, hin und her gebogen, aufsteigend, weißlich, am Grunde gelblich, innen hohl. Fleisch weiß, im Grunde gelblich. Ohne besonderen Geruch und Geschmack. Gefunden auf gedüngtem Boden im Wesseler Felde und auf Waldwiesen bei Vogelsang. B. Hut blass zitronengelb. Nr..22. Strophariastercoraria Fries Mist-Träusch- ling. — Hoch und schlank. 7 bis 9 u hoch, 2 bis 3 cm breit. Hut glocken- förmig, dann ausgebreitet, gebuckelt, feucht, klebrig, glatt, kahl, blaß zitronengelb, oder auch manchmal in der Mitte bläulich, am Rande gelblich. Hutfleisch 1 mm breit, gelblich. Lamellen angewachsen, sehr entfernt stehend, breit, 5 mm, bei nur 10 mm Länge, anfangs weißlich, dann umbrabraun oder olivenfarbig-schwarzbraun. Sporen elliptisch, 12 bis 16 «w lang, 8 bis 9 u breit. Ring schmal, weißlich. Stiel 6 bis 8 cm lang, 3 mm breit, oberhalb des gelben Ringes weißlich, glatt, unterhalb gelblich, schuppig, innen markig, gefächert. Fleisch blaß ockergelb. Auf Pferdedünger in Gärten nicht selten. Er unterscheidet sich von dem ähnlich aussehenden Pilz Str. luteonitens durch die entferntstehenden bräun- lichen, nicht aschgrauen Lamellen, den oft ın der Mitte bläulich gefärbten Hut, den innen markig gefächerten Stiel und die viel größeren Sporen, von Psilocybe semilanceolata durch den Ring und den gefächerten hohlen Stiel. C. Hut eidottergelb, Mitte orangegelb. Nr. 23. :°Stropharia semiglobata Batsch. Der halb- Buslige Träuschling. — Schlank und schmal. 8 bis 10 cm, aber auch bis 14 cm hoch, bei nur 2 bis 3 em Hutbreite. Hut halbkuglıg, sich nur wenig verflachend. Oberfläche glatt, stark klebrig, eidottergelb, in der Mitte orangegelb, oft ist auch die Hutmitte eidottergelb und der Rand blaß zıtronengelb, seltener der Rand: weiß und die Mitte blaß zitronengelb. Hut- fleisch 2 mm breit, blaß gelblich. Lamellen breit angewachsen, entfernt stehend, 5 bis 10 mm breit, erst grau, dann schwarzbraun. Sporen elliptisch, 16 bis 17 u lang, 8 bis 9 «u breit. Stiel zylindrisch, 7 bis 12 cm lang, 2 bis 3 mm breit, oberhalb des schmalen, weißen Ringes glatt und weıb, unterhalb desselben gelblich, schuppig, ganz am Grunde weiß, innen hohl. Fleisch oben weißlich, nach unten zu blaß gelblich. 14 =] A ri 100 Auf Dünger an Wegen überall häufig. Unterscheidet sich von St. coro- nilla durch den helleren, glatten, nicht am Rande weißflockigen Hut. Er ist auch Naucoria pediades, der an denselben Stellen wächst, zum Verwechseln ähnlich. Naucoria hat keinen Ring, auch nur hellbraune, nıe schwarzbraune Lamellen und Sporen, und einen helleren, ockergelben. Hut. D. Hut lebhaft orangegelb, später gelbbraun. Nr. 24. Stropharia coronilla Bulliard. Kranzsormı- ger Träuschling. — 5 bis 6 cm hoch, 2 bis 4 cm breit. Hut lange halbkuglig bleibend, dann nur wenig ausgebreitet, Oberfläche ockergelb- bräunlich, oder ın der Mitte bräunlich, am Rande gelb, in der Mitte glatt, klebrig. Nur der Rand ist weißflockig. Hutfleisch 2 bis 3 mm breit, weıß- lich. Lamellen angewachsen, mäßig gedrängt stehend, bis 8 mm breit, violett- bläulich, Schneide fein, weıß gesägt. Sporen 6 bis 8 «u lang, 5 «u breit. Stiel 3 bis 5 cm lang, 2 bıs 3 mm breit, über dem schmalen, weıßen Ringe weıb, unterhalb desselben gelblich, innen voll, im Alter etwas hohl, weißlich. An Hecken und Waldrändern häufig. Man kann diese Pilze leicht für kleine Exemplare von Stropharia squamosa halten. Sie unterscheiden sich durch den halbkugligen, glatten, nur am Rande weißflockigen Hut, den anfangs vollen: Stiel, die nicht graugrünliche Lamellenfarbe und die kleı- neren Sporen. Nr. 25. Stropharia squamosa Wrres. Schuppiger Träuschling. — Ein großer Pilz. Gesamthöhe 10 bis 14, Hutbreite 8 bis 10 em. Hut anfangs glockenförmig, später ausgebreitet und gebuckelt. Anfangs klebrig, lebhaft orangegelb, mit zitronengelbem' Rande, im Alter gelbbraun, mit konzentrisch gestellten, flockigen Schuppen bedeckt. Hutfleisch blaßgelb, 3 bis 5 mm dick. Lamellen angewachsen, ziemlich entfernt stehend, sehr dünn, aber bis 15 mm breit, grünlichgrau, dann schwärzlich werdend, mit weißer, gezähnelter Schneide. Sporen elliptisch, 9 bis 11 u lang, 6 bis 7 u breit. Ring schmal, weiß, seine Oberseite im Alter bräunlich. Stiel bis 12 cm lang, 5 bis 8 mm breit, oberhalb des Ringes glatt und weiß, unterhalb desselben flockig, schuppig und rotbraun, ınnen hohl, fleischfarbig. Auf Schuttplätzen, kahlen, freien Waldflächen, an Waldwegen nicht selten. E. Hut ockergelb, Mitte kastanienbraun. Nr..26. Stropharia merdaria Fries Kot-Träusehlsme — Bis 8 em hoch und 1 bis 2 mm breit. Hut glockenförmig, dann aus- gebreitet, gebuckelt, feucht, aber nicht klebrig, glatt und kahl, ockergelb, mit kastanienbrauner Mitte. Hutrand im Alter wellig. Hutfleisch bis 3 mm dick, weiß. Lamellen angewachsen, mäßig gedrängt, bis 8 mm breit, anfangs gelb- grau, dann umbrabraun. Sporen schwarzbraun, elliptisch, 14 bis 16 % lang, 8 bis 10 « breit. Ring feinhäutig, weißlich, dann bräunlich. Stiel zylindrisch, 15 \ 101 bis 7 cm lang, 2 mm breit, oberhalb des Ringes weißlich, blaß gelblich, schuppig, unterhalb der Ringhaut blaß bräunlich, häutig-schuppig auf weißem Grunde. Stielgrund weiß, wurzelartig zugespitzt. Innen ist der ganze Stiel hohl. Das Fleisch ist weiß. Gefunden auf Kuh- und Pferdedünger bei Elbing. F. Hut grünlich. Nr: 727. Stropharıa virudula Schaeffer 1162, Stro- pharia aeruginosa Curtis 1778. Grünspan-Träuschling. — Mittelgroß. 7 bis 10 cm hoch, bei 4 bis 8 cm Hutbreite. Hut anfangs glockenförmig, später wagerecht, breit gebuckelt oder auch eben, feucht, mit spangrünlichem Schleim bedeckt, trocken glänzend, am Rande weıßflockig. Nach dem Verschwinden des Schleimes ockergelblich werdend. Hutfleisch weıß mit grünlichem Anflug, 5 bis 10 mm dick. Lamellen angewachsen, bei trockenem Wetter sich manchmal ablösend und frei erscheinend, sehr gedrängt, lanzettlich, dünn, 5 bis 8 mm breit, anfangs blaugrau, dann braun und schwarzbraun. Sporen elliptisch, 7 bis 8 u lang, 4 bis 5 tt breit. Ring weiß, abstehend, häutig schuppig. Stiel 5 bis 8 cm lang, 5, seltener bis 10 mm breit, blaß blaugrünlich, am Grunde weiß, oberhalb des Ringes längsstreifig fädıg, unterhalb desselben weiß, schuppig, innen hohl. Fleisch weıß, grünlich angehaucht, ohne besonderen Geruch und Geschmack. Nicht giftig. In Laub- und Nadelwäldern sehr häufig und mit keinem anderen Pilz leicht zu verwechseln. Nur ganz junge Pilzexemplare von Str. albocyanea könnte man der anfangs bläulichen Färbung wegen für junge Str. aeruginea halten. Diese haben aber niemals einen schuppigen Hutrand. G. Hutmitte schwarzbräunlich. Nr. 28. Stropharia inuncta Fries. Gesalbter Träusch- ling. — Ein kleiner, dünnstieliger Pilz. 5 bis 6 cm hoch, bei 1,5 bis 2,5 cm Hutbreite. Hut anfangs glockenförmig, dann ausgebreitet und gebuckelt, an- fangs mit bläulich-braunem Schleim überzogen, nach dessen Verschwinden in der Mitte blaß schwarzbräunlich, am Rande weiß. Hutfleisch weiß, nur 2 mm dick. Lamellen angewachsen, entfernt, sehr dünn, bauchig, bis 5 mm breit. Schneide anfangs weiß, gezähnelt. Sporen elliptisch, 5 bis 6 a lang, 3 bis 4 u breit. Ring schmal, abstehend, weiß. Stiel 4 bis 5 cm lang, 2 mm breit, zylindrisch, oft gebogen, unterhalb des Ringes fein faserig, schuppig, innen voll. Fleisch weiß. Gefunden im Hommeltal auf den zum Elbinger Pfarrwalde gehörigen Wiesen, im Moos unter Weißbuchenstrauch. Nr. 29. Strophariapalustris Quelet. Sumpf-Träusch- ling. — Ein kleiner Pilz von 3 bis 6 cm Höhe und 3 bis 4 cm Hutbreite. Hut häutig, nur 1 mm dick, anfangs halbkuglig, dann ausgebreitet, gebuckelt, hygrophan, grau-gelbbraun, am Rande weißlich oder grau-gelbbraun, mit 16 102 braunem Buckel, und rings um den Buckel schwarzbraun. Sporen. elliptisch, 9 bis 6 u lang, 3 u breit. Ring unscheinbar, weißflockig. Stiel 2 bis 5 cm lang, 3 mm breit, zylindrisch, oft gebogen, weiß, zart weißflockig, oder auch manchmal blaß ockergelbflockig bepudert, innen hohl. Fleisch weiß. Gefunden im Hommeltal im Vogelsanger Walde bei Turnerslust. Gattung Hebeloma, Tränling. Die Untergattung Hebeloma Fries ist eine in sich fest geschlossene, ın ıhrem Gesamthabitus leicht zu erkennende Gattung. Wer erst einen Trän- ling sicher kennt, kann mit Leichtigkeit alle anderen als zur Gattung gehörig einreihen. Darum ist Hebeloma sogar schon in den kleinen Pilzbüchern von Wünsche 1877, Kummer 1882, Schwalb 1891 und anderen als selbständige Gattung aufgestellt worden. Ich halte es für keinen Fortschritt, wenn neuerdings in Pilzbüchern dıe meisten Arten dieser Gattung gar keine Erwähnung finden, die ganze - Untergattung Frıes aufgehoben wird und die wenigen erwähnten Arten aus- einandergerissen, AH. crustuliniforme, H. truncatum zur neu aufgestellten Gat- tung der Dermini, dagegen H. fastibile, H. punctatum und H. versipellis ın die Gattung /nocybe eingereiht werden, wohl nur darum, weil erstere gar kein Velum (Verbindungsfäden zwischen Hut und Stiel), letztere meistens nur ein unscheinbares, oft kaum bemerkbares Velum haben. Dagegen ıst das Velum bei /nocybe immer sehr deutlich vorhanden, reicht stark faserig-rissig in die Hutoberhaut hinein und bleibt häufig auch sogar ringförmig faserıg am Stiele hängen. Hebeloma hat mit Inocybe gemeinsam nur die olivenfarbig-gelbbräun- lichen Sporen und die mit Cystiden besetzte Lamellenschneide. Die Cystiden sind nur mıt der Lupe wahrnehmbare, feine Fäden, unfruchtbare Hyphen, welche keine Sporen tragen. Die Pilze der Gattung Hebeloma nennt man Tränlinge, weil die Lamellen einiger Arten, besonders deutlich diejenigen von H. fastibile, ‘Tropfen aus- schwitzen. | Wie man die Gattung Psalliota leicht am Mandelgeruch erkennen kann, so haben auch alle Hebeloma-Arten einen leicht erkennbaren, nur ihnen eigen- tümlichen, aber widerlichen Geruch nach Rettig und Lauge und sind ungenieß. bar, wenn nicht sogar giftig. Der Hut der Hebeloma-Arten ist feucht, klebrig, trocken matt, aber glatt, nicht rissig faserig oder schuppig, wie bei Inocybe. Nur bei einigen Arten ıst ganz am Rande ein fein seidenhaariges, bald ver- schwindendes Velum vorhanden. Der Stiel wird bei allen Arten; bei einigen früher, bei anderen später, hohl, und das Hutfleisch reicht dann, für die Gat- tung sehr charakteristisch, mit einem Zäpfchen in die Höhlung hinein. Bei Inocybe bleibt der Stiel voll und fest, mit alleiniger Ausnahme von /. dulca- mara und seltener von /J. descissa, und der Hut immer trocken. 17 103 Während das Erkennen der Gattung Hebeloma leicht ist, macht das Unter- bringen der Exemplare in die einzelnen Arten mehr Schwierigkeit, weil zwischen den von Autoren aufgestellten Normalexemplaren sehr viele ab- ‚weichende Zwischenformen vorkommen. Bestimmungsschlüssel. I. Hut von Anfang an kahl, ohne Velum am Rande. A. Hutfarbe blaß aschgrau-weißlich, Mitte blaß ockergelb. Stiel in der Mitte kahl, silberglänzend, am Grunde mit kurzer Drau Ze ne ua Ben lie der 21u,.8POLaLUm. B. Hut ockergelb, Rand weißlich oder Hutmitte orangegelb, Rand hellgelb. . Stiel weiß bemehlt, schlank, 5, selten 7 mm dick, 4 bis 9 cm lang elle. Pe se : . . longicaudum . Stiel weiß a teh nel weißschuppig, Gr 14 cm lang undelebis>2 cm dick Tr nn elatum. C. Hut gelbbraun-lederfarbig oder auch Hutmitte rostbraun, I Randeweiblich 27... 2.1. elatum. D. Hut rötlich oder bräunlich. . Hut dunkel kastanienrotbraun, Rand blasser, weißlich, bereift. Stiel weißflockig-körnlig . . . .» Su lugens. Hut ziegelrotbraun, Rand gelblichw eiß. Stiel fad; ig- on crustuliniforme. . Hutmitte ziegelrotbraun betropft, von bräunlichen Ringen um- eben, Suelmitte @latt . ., nz... 0 0% .. .. subzonatum. . Hut fuchsrot, kupferrot, ockergelb verblassend. Stiel fein benennen ELLUNCATUN: 1l. Hut mit mehr oder weniger deutlichem Velum. Der Hutrand daher fein seidenhaarig. A, Hut weiß, Mitte ockergelb. . Hut glockenförmig, in der Mitte körnlig bereift. Stiel unten knollig. Lamellen sehr breit, bauchig. Sporen bis 12 u lang claviceps. . Hut flach, schalenförmig, ganz glatt und kahl. Stiel zylindrisch. Lamellen linealisch. Sporen bis 6 u lang . . . 2.2... testaceum. B. Hut ockergelb, Rand weiß. . Hut schmierig Eee Rand später graugelb. Stiel Ba faserigtr..E. . ‚Fastibile. . Hut feucht, et. ln zendl, an Hann rt ie Stiel WEIBHOCcKIORDermeu N le a wersipellis. 18 104 ©. Hut olivenfarbig, gelblich bräunlich, Mitte dunkler, grau bräunlich. Stiel weiß seidig, auf olivenfarbigem Grunde gelbbräunlich floekig beringt .: 2. 2 re lu we D. Hut braun, Rand hellbraun, Mitte kastanienbraun. . Hut kahl, klebrig, am Rande gelblich faserig. Stiel braun flockig. Lamellen angewachsen, linealisch . . . . . . mesophaeum. 2. Hut trocken, glatt. Stiel blaß lila, dicht weißflockig. Lamellen bauchig, frei BR RN BR le. petiginosum. 3. Hutmitte mit klebrigen Papillen punktiert. Rand weiß seidig. Stiel weiß mehlig bereift. Lamellen linealisch, angeheftet punctatum. janEN E. Hutmitte kastanienbraun. Rand weißlich. Stiel ockergelb, weißlich flockig geringelt . . . . ..... . versipellis. I. Hut von Anfang an ohne Velum am Rande. Nr. 30. Hebeloma spoliatum Fries Beraubter Trän- ling. — Mittelgroß, bis 7 cm hoch und breit. Hut anfangs flach gewölbt, dann ausgebreitet, glockenförmig, breit gebuckelt, klebrig, glatt und kahl, blaß aschgrau-weißlich, im Buckel ockergelb, nach dem Rande zu grau-silber- gelblich glänzend. Hutfleisch 3 bis 5 mm dick, weiß. Lamellen angewachsen, gedrängt, linealisch, anfangs weißlich, dann blaß rostbräunlich. Sporen breit elliptisch, 7 bis 8 u lang, 5 bis 6 « breit. Stiel 5 bis 6 em lang, 4 bis 5 mm breit, zylindrisch, am Grunde etwas knollig und 1 cm lang wurzelartig zu- gespitzt, ganz oben mehlig bereift, in der Mitte kahl, grau glänzend, unten wenig längsfaserig und etwas bräunlich, innen hohl, mit einem in die Höhlung hineinragenden Zäpfchen des Hutfleisches. Geruch unangenehm. Ungenießbar. Gefunden am Karpfenteich im Vogelsanger Walde bei Elbing. Nr. 31. Hebeloma longicaudum Persoon. Langstie- liger Tränling. — Dünnstielig, schlank. 7 bis 10 cm hoch, bei 4 bis 5 em Hutbreite Hut glockenförmig, dann ausgebreitet, flach gebuckelt, seltener eben, blaß zitronengelb, ın der Mitte dunkler, orangefarbig, oder nur ın der Mitte blaßockergelb, am Rande weiß. Hutfleisch nur 3 bis 5 mm dick, weiß. Lamellen meistens frei, seltener am Stiele buchtig und schmal angewachsen, gedrängt, linealisch, schmal, 4 bis 5 mm breit, blaßbräunlich. Sporen elliptisch-zugespitzt, 10 bis 11 u lang, 6 u breit. Stiel zylindrisch, seltener unten etwas gebogen und verdickt, oben pudrig bemehlt, unten fein längsfaserig, innen lange voll bleibend. Fleisch weiß. Geruch unangenehm. Unter Buchen häufig. Der Pilz unterscheidet sich von H. cerustuliniforme durch die gelbe, nicht rostbraune Hutfarbe und die doppelt so großen Sporen, vom H. claviceps durch den schlankeren und unten nicht knolligen Stiel. 19 105 Nr. 32. Hebeloma elatum Batsch. Hoher Tränlıng. — Der größte und dickstieligste Pilz der Gattung, 10 bis 18 cm hoch, kommt in verschiedenen Formen und Farben in Laub- und Nadelwäldern häufig vor. 1. Hoch und schlank. Hut ledergelbbraun, glockenförmig, 8 em breit, ö cm hoch, feucht, kahl, glatt, nicht glänzend. Hutfleisch 1 bis 2 cm dick, weißlich. Hutrand sehr dünn. Lamellen angeheftet, teils angewachsen, oft sogar herablaufend, entfernt, sehr schmal, nur 4 bis 5 mm breit, weıßlıch, dann blaß rostbräunlich. Sporen elliptisch, 10 « lang, 5 t breit, auch rund- lich-elliptisch, 7 uw lang, 6 « breit. Stiel schlank, 8 bıs 14 cm lang und nur 1 cm breit, zylindrisch, am Grunde gebogen, knollig, längsfaserig berindet, in der Mitte blaßbräunlich, sonst weiß, innen sehr lange voll bleibend, Fleisch weiß. Geruch unangenehm. 2. Hoch und dickstielig. Hut rostbraun, Rand weißlich, matt, feucht, bis 12 em breit. Hutfleisch 1 em dick, weıß. Lamellen sehr gedrängt, an- gewachsen, schmal, nur 3 bis 5 mm breit, blaß rostbräunlich, Schneide heller. Sporen elliptisch, auch eilanzettlich, 10 bis 12 « lang, 6 bis 7 «u breit. Stiel 12 cm lang, 2 cm dick, unten gebogen und knollig verdickt, außen weıb- schuppig, innen bald hohl, weißlich, blaß ockergelb werdend. Geruch unan- genehm. 8. Mittelgroß und blaß. Hut ockergelb, Rand weıß, glatt, matt, nur ın der Mitte runzlig oder körnlig bereift. Hutfleisch 1 cm diek. Lamellen an- gewachsen, gedrängt, angeheftet, oft auch frei, schmal, nur 4 bis 5 mm breit, rostbräunlich. Sporen eilanzettlich, 9 bis 10 « lang, 5 u breit. Stiel 8 bis 12 cm lang, 1 bis 1,5 em breit, zylindrisch, unten knollig, gebogen, weiß, schuppig-faserig, innen anfangs voll, später hohl. Fleisch weiß. Geruch unangenehm. 4. Mittelgroß und orangefarbig. Hutmitte orangegelbbraun, Rand gelb, feucht, kahl, matt. Hutbreite 10 bis 11 cm. Hutfleisch 1 cm dick. Lamellen frei, gedrängt, am Stiel buchtig, bis 12 mm breit, rostbraun. Sporen eilanzett- lich, 10 bis 13 u lang, 6 bis 7 w breit. Stiel zylindrisch, blaß gelblich, weiß faserig, 9 bis 10 em lang, 1,5 cm dick, unten knollig, innen hohl, blaß fleisch- farbig. Geruch unangenehm. Unter Buchen. Diese letzte Form dürfte der breiten und freien Lamellen wegen Hebeloma sinuosum, der gekrümmte Tränling Fries, sein. Auch 7. sinapizans Fries, der Senftränling, dürfte zu diesen Formen gehören, denn beide Arten sollen dickstielig sein. Aus den kurzen Beschreibungen des ersten Autors ist dieses aber nicht mit Sicherheit festzustellen, weil auch die einzelnen Formen inein- ander übergehen. Nr. 33. Hebeloma lugens Junghuhn. Trauernder Trän- ling. — Ein niedriger, aber derber Pilz, 8 cm hoch und breit. Hut glocken- förmig, dann ausgebreitet, gebuckelt. Oberfläche dunkel kastanienbraun, kahl, schwach klebrig, am Rande blasser, wie mit Reif bedeckt. Hutfleisch 5 mm dick, weiß. Lamellen frei oder auch angeheftet, gedrängt, linealisch, 5 bis 20 106 6 cm breit, lebhaft gelblich-hell-zimmetbraun. Schneide fern gekerbt. Sporen elliptisch, 7 bis 9 u lang, 4 u breit. Stiel 3 bis 5 cm lang, 8 bis 15 mm dick, zylindrisch, häufig am Grunde gebogen und verjüngt, seltener verdickt, etwas glänzend, an der Spitze feinkörnelig mehlig, weiß, unten wenig bräun- lich werdend, innen voll, nur ım Alter wenig hohl werdend. Fleisch weiß. (reruch unangenehm. Ungenießbar. Gefunden unter jungen Tannenbäumchen im Vogelsanger Walde bei Elbing. Durch den dunkelbraunen, am Rande bereiften Hut, von allen anderen Arten der Gattung zu unterscheiden. Die nächste Ähnlichkeit hat mit ihm H. truncatum, dessen braune Hutfarbe aber ockergelb verblaßt und dessen Stiel von Anfang an hohl ist. Nr. 834. Hebeloma crustuliniforme' Bullnard 728% Krustenförmiger Tränling. — Mittelgroß. 5 bis 8 cm hoch und breit. Hut glockenförmig oder auch flach gewölbt, ziegelrotbraun. Rand gelblich oder weißlich, schwach klebrig, matt, kahl. Lamellen angeheftet, auch angewachsen, gedrängt, dünn, schmal, meistens nur 3, selten bis 5 mm breit, anfangs weıißlich, später nur sehr blaß hellbräunlich. Sporen elliptisch, nur 6 bis 7 u lang und 3 bis 4 « breit. Stiel weiß, 7 cm lang, 5 bis 7 mm dick; zylindrisch, unten etwas verdickt, ganz oben mehlig körnelig, unten fädıg faserig, weiß, innen anfangs voll, später hohl. Fleisch weiß. Geruch unangenehm. In unseren Wäldern gemein. Von dem ebenso schlanken Pilz H. longicau- dum unterscheidet er sich durch die rote Hutfärbung. Der auch ın der Farbe ähnliche Pilz A. subzonatum ist gezont und hat doppelt so große und nicht elliptische, sondern breit lanzettliche Sporen. Nr. 35. Hebeloma subzonatum Weinmann. Gezonter Tränlıing. — Schlank, 8 cm hoch und nur 3 bis 4 cm breit. Hut glocken- förmig, dann flach scheibenförmig, breit gebuckelt, um den Buckel nieder- gedrückt. Hutmitte ziegelrotbraun, von bräunlichen Ringen umgeben. Rand weiß, klebrig. Fleisch bis 2 mm dick. Lamellen angewachsen, mäßig gedrängt, linealisch, schmal, nur bis 2 mm breit, anfangs hell fleischfarbig, dann hell gelbbraun. Sporen elliptisch, beidendig zugespitzt, 9 bis 12 u lang, 5 bis 6 u breit. Stiel bis 7 cm lang, 4 bis 5 mm breit, zylindrisch, am Grunde gebogen, weiß, oben pulvrig bereift, in der Mitte glatt und glänzend, unten längs- faserig, innen markig voll, im Alter hohl. Fleisch weiß. Geruch unangenehm. Ungenießbar. Unter Buchen häufig. Die Zonen des Hutes sind manchmal nicht deutlich ausgeprägt und man kann dann den Pilz leicht für A. erustuliniforme halten. Dieser hat aber nur halb so große Sporen. ' Nr. 386. Hebeloma truncatum Schaeffer Gestutzter Tränling. — Mittelgroß, aber derb. 6 bis 7 cm hoch, 4 bis 6 cm breit. Hut glockenförmig, im Buckel später wagerecht, auch höckrig, wellig gebogen vertieft, feucht, kaum klebrig, kahl, glatt, aber nicht glänzend, kupferrot, 21 10% ockergelb verblassend. Gewöhnlich wird der Buckel ockergelblich, während _ der Rand noch kupferfarbig bleibt. Manchmal ist der Rand auch heller. Die feuchteren Stellen bleiben immer die dunkleren. Hutfleisch weiß, bis 5 mm dick. Lamellen frei oder nur angeheftet, gedrängt, linealisch, bis 8 mm breit, dünn, erst weıß, dann rosa und fleischfarbig braun. Schneide heller, unter der Lupe fein gezähnelt. Sporen elliptisch, 7 bis 9 u lang, 3 bis 4 u breit. Stiel bis 6 cm lang, 1 bıs 1,5 mm dick, zylindrisch oder kegel- förmig, nach oben verdünnt, glatt, nur leicht bereift, im Alter wenig faserig gestreift, weiß, innen hohl. Fleisch weıß, knorplig, zäh. Geruch schwach, nicht besonders unangenehm. An Buchenstubben im Wesseler Walde, nicht häufig. Man könnte den Pilz seines feuchten, glatten, braunen Hutes wegen leicht als einen zur Gat- tung Hydrocybe gehörigen halten. Es fehlt aber das Velum am Hutrande und dıe ım Alter kastanıenbraune oder dunkel zimmetbraune Farbe der Lamellen, welche für alle Cortinarius-Arten charakteristisch ist. II. Hut mit deutlichem Velum. Der Hutrand daher fein seidenhaarig. Nr. 381. Hebeloma claviceps Fries Keuliger Trän- ling. — Mittelgroß. 6 bis 9 cm hoch, 6 bis 7 em breit. Hut glockenförmig, dann ausgebreitet mit höckrigem Buckel oder flach klebrig, trocken, glatt, nur in der Mitte körnlig bereift, weiß, in der Mitte ockergelb. Hutfleisch 6 mm dick, weiß. Lamellen am Stiel ausgerandet, buchtig, angewachsen, gedrängt, linealisch, im Alter in Stielnähe bauchig und bis 10 mm breit, sehr hell rostbräunlich. Sporen elliptisch, 10 bis 12 u lang, 6 bis 7 «u breit. Stiel bis 8 cm lang, 1 cm dick, keulenförmig knollig, oben pulvrig bemehlt, nach unten zu wenig faserıg, weiß, nur am Grunde bräunlich, innen voll, nur ım Alter wenig hohl. Fleisch weiß. Geruch unangenehm. Unter Buchen nicht selten. Pilze dieser Art können auch als kleine Exemplare von H. elatum angesehen werden. Der Hut von A. elatum. ist nur etwas dunkler, der Stiel mehr schuppig und nicht am Grunde so ausgeprägt keulig. Nr. 38. Hebeloma testaceum Batsch. Schalen-Trän- ling. — Mittelgroß. Hut ganz flach schalenförmig gewölbt, feucht, ganz kahl und glatt, aber glanzlos, weiß, in der Mitte nur wenig blaß ockergelb. Fleisch nur 3 mm dick, bei einer Hutbreite von 8 cm, weiß. Lamellen an- geheftet, linealisch-lanzettlich, gedrängt, 5 bis 6 mm breit, erst blaß, dann graubräunlich. Sporen elliptisch, nur 6 « lang, 4 u breit. Stiel zylindrisch, 8 cm lang, 6 bis 7 mm dick, zart weiß, fein schuppig, innen hohl. Fleisch zart weiß. Geruch schwach. Gefunden unter Kiefern an der Vogelwiese ın Kahlberg. Durch den glatten, flach schalenförmig gewölbten, dünnen Hut und die kleinen Sporen deutlich von anderen Tränlingen zu unterscheiden! 22 108 Nr. 39. Hebeloma fastibile Fries Widerlicher rm ling, Schleiertränling. — Mittelgroß. 6 bis 9 cm hoch, 4 bis 8 cm breit, anfangs glockenförmig oder nur flach gewölbt, später ausgebreitet, wenig gebuckelt oder ganz oben mit klebrigem Schleim bedeckt, am Rande weiß- lich faserig, ın der Jugend in der Mitte bräunlich, dann ockergelb, am Rande weiß, ım Alter grau-ockergelb. Hutfleisch 5 bis 10 mm dick, weißlich. Lamellen linealisch, am Stiele buchtig angewachsen, oft fast herablaufend, ziemlich entfernt, gelblich weiß, dann blaß tonfarbig und olivenbräunlich. Sporen elliptisch, 6 bis 7 u lang, 3 bis 4 « breit, in der Jugend ist der Hut- rand durch dichte, fast hautbildende Fäden mit dem Stiele verbunden. Daher der Name Schleiertränling. Stiel 5 bis 8 cm lang, 6 bis 10 mm dick, zylin- drisch, am Grunde knollig verdickt, anfangs weiß, später blaß olivenfarbig, schuppig faserig, innen voll, nur im Alter wenig hohl. Stielfleisch gelblich. Geruch unangenehm. In Laub- und Nadelwäldern häufig und leicht daran erkenntlich, daß der Hut bei feuchtem Wetter, stark mit klebrigem Schleim bedeckt ist. Nr. 40. Hebelomastrophosum Fries Verkümmerter Tränling. — Mittelgroß. Hut anfangs gewölbt, oder auch kegelglocken- förmig, dann verflacht, wenig gebuckelt, klebrig, olivenfarbig, oder grau- gelblich. Rand weıß, 3 bis 4 cm breit. Hutfleisch nur bis 4 mm dick, weıß- lich. Lamellen schmal angewachsen, auch angeheftet, im Alter oft sogar freıwerdend, gedrängt, linealischh 4 mm breit, olivengrau, dann bräunlıch. Sporen elliptisch, 7 bis 9 «u lang, 4 u breit. Stiel 4 bis 5 cm lang, 5 bis 8 mm dick, zylindrisch, nach unten etwas verdickt, über dem flockigen, bräunlichen Ringe weiß, unterhalb desselben olivenfarbig, flockig faserig, innen hohl. Fleisch nur in der Jugend weißlich, später olivenfarbig gelbbraun. Geruch nicht angenehm. Am sandıgen Hommelufer bei Vogelsang, auch an Wegen in leichtem Boden bei Reimannsfelde und Steinort gefunden. Das stark flockige Velum hat der Pilz mit H. mesophaeum gemeinsam. Er unterscheidet sich aber von diesem Pılz durch den kürzeren, aber dickeren Stiel und den helleren, mehr olivengelben, weniger bräunlichen Hut. Nr. 41. Hebeloma mesophaeum Fries DBräunlicher Tränling. — Dünnstielig, schlank. Hut anfangs glockenförmig, später ausgebreitet, 3 bis 4 cm breit, stumpf oder auch spitz gebuckelt, klebrig, in der Mitte kahl, am Rande flockig faserig, entweder in der Mitte kastanıenbraun, am Rande weıßlich, oder auch in der Mitte dunkel olivenbräunlich, am Rande weiß. Lamellen gedrängt, angewachsen, im Alter am Stiele buchtig, linealisch, 4 mm breit, blaß olıvenfarbig, dann rostbräunlich. Sporen elliptisch, 6 bis 7 u lang, 4 bis 5 « breit. Stiel zylindrisch, am Grunde gebogen, 6 bis 7? em lang, meistens 3, seltener 5 mm breit, anfangs weıßlich, dann gelblich, olivenbräunlich, faserig, mit deutlichem, fast ringförmigem, bleibendem oliven- 93 109 farbigem, flockigem Velum, innen röhrig. Stielfleisch olivenfarbig-gelblich. Geruch nicht angenehm. Auf leichtem Boden unter Kiefern, an Wegen bei Steinort häufig. Er unterscheidet sich von dem ähnlichen 7. mesophaeum durch den höheren, schlankeren Stiel und einen mehr bräunlichen, weniger olıvenfarbigen Hut. Nr. 42. Hebeloma petiginosum Fries Räudiger Trän- ling. — Eın kleiner Pilz. Hut anfangs kegelförmig oder oft auch glocken- förmig, dann ausgebreitet, eben oder schwach gebuckelt. 1, 2, seltener bıs 3 cm breit, trocken, rotbraun, im Zentrum dunkler, kastanıenbraun, am Rande grau seidenhaarig, später gelblich. Hutfleisch 2 mm dick, bräunlich. Lamellen frei, ziemlich entfernt, bauchig, bis 5 mm breit, blaß kastanıenbräunlich. Sporen elliptisch, 9 bis 10 u lang, 4 bis 5 « breit. Stiel 3 bis 4 cm lang, 2 bis 4 mm breit, zylindrisch, fleischfarbig, dicht weiß flockig, am Grunde bräunlich, innen hohl. Fleisch blaß bräunlich. Geruch schwach, nicht an- genehm. Unter Rottannen und Kiefern im Vogelsanger Walde bei Elbing häufig. Er wird sehr leicht mit HAydrocybe castanea verwechselt. Deren Stiel ist aber ' stark violettbräunlich, und es fehlt ıhr auch der unangenehme Geruch. Nr. 43. Hebeloma punctatum Fries Punktierter Trän- ling. — Mittelgroß. Hut flach gewölbt, gelbbräunlich mit dunklerer, rot- bräunlicher, mit klebrigen Papillen punktierten Mitte. Rand anfangs seiden- haarıg, dann kahl. Lamellen angeheftet, gedrängt, linealisch, bis 5 mm breit, aschgrau, dann rostbraun. Stiel 4 bis 6 em hoch, 5 bis 8 mm breit, oben weiß, unten blaß bräunlich, faserig, innen hohl, Fleisch gelblich. Geruch schwach, nicht angenehm. In der Nähe des Gasthauses Vogelsang gefunden. Nr. 44. Hebeloma versipellis Fries Verschieden- hautıger Tränlıng. — Dünnstielig, schlank. 5 bis 7 em:.hoch. Hut 2 bis 4 cm breit. Anfangs glockenförmig, oder auch flach gewölbt, später flach ausgebreitet, meistens aber mit spitzem Buckel, stark klebrig, lebhaft orangefarbig-kastanıenbräunlich, am Rande weißseidig, ın der Mitte kahl. Lamellen angewachsen, im Alter am Stiele buchtig, gedrängt, lineal, 3 bis 5 mm breit, gelblich-grau, dann tonfarbig. Sporen elliptisch. 9 bis 12 u lang, 6 bis 7 u breit, zylindrisch, oben weiß-pulvrig bestäubt, unten gelblich, dicht mit weißem fasrıgem Velum fast ringförmig bekleidet, innen hohl. Fleisch gelblich. Geruch unangenehm. Gefunden an Wäaldwegen, besonders am Hommelufer im Vogelsanger Walde. Nicht selten. Er unterscheidet sich von H. mesophaeum durch das weıßflockige, nıcht bräunliche Velum am Hutrande und am Stiel, und durch die lebhaft orangerötliche, nicht oliven-bräunliche Hutmitte. Gattung /Inocybe Faserkopf. Bei den Pilzen der Gattung I/nocybe Fries ıst der Hutrand und der Stiel anfangs durch einen fädigen Schleier verbunden und die Lamellen- 24 110 schneide mit Uysten besetzt. Die Hutoberfläche ist trocken und entweder schuppig oder rissig fädıg, nıe glatt, wie bei Hebeloma. Der Stiel ıst voll, mit alleiniger Ausnahme von I. dulcamara. Der Geruch ist zwar nicht an- genehm, aber ein anderer und nicht so widerlicher als der von Hebeloma. Das Fleisch ist fest, aber zäh und ungenießbar. Die Lamellen sind hell umbra- bräunlich, nicht dunkel zimmetbraun, wie bei Cortinarius. Die Sporen sind trübe gelbbraun, elliptisch und glatt. Nur die Sporen von I. carpta, I. lanu- ginosa, I. praetervisa und I. Trini habe ich mit sternförmigen Spitzen oder stumpfen, aber scharf vortretenden Ecken vorgefunden. Für die Faserköpfe mit höckerigen, stumpfeckigen oder sternförmigen Sporen hat Schroeter 1889 eine neue Gattung Astrosporina, Sternkopf, aufgestellt. Bestimmungsschlüssel. A. Hut weiß, später wenig ockergelb werdend. a) Hut anfangs keglig oder glockenförmig, später ausgebreitet und gebuckelt. * Große Pilze. Stiel bis 8cm hoch und 8 bis 10 mm dick. 1. Hut lange zart weiß bleibend. Stiel stark faserig-schuppig . ‚ibrosa. 2. Hut bald gelb, auch blaß rußfarbig, bläulich und bräunlich werdend. Stiel nur fein seidenhaarig faserig . . . ... scaber. ** Niedrige, aber derbe Pilze. Stiel wenig faserig, fast glatt, 4 cm lang, 1 bis 2 cm breit sambucina. "** Kleine, schlanke Pilze. Stiel mehlig bereift, 5 bis 7 cm lang, 3 bis 4 cm breit. Hut einiger Exemplare auch blaß-violett und Ehe an- gehauchtia #25. .. 2 g6ophalla: b) Hut anfangs flach Beat. kl krehter forte Tertioti Hut- rand mit geraden Wimpern versehen. Lamellen sehr gedrängt, herablaufend ..'.....7. wa nn ee En eo B. Hut weißlich, durch Druck und auch im Alter ziegelrotfleckig. Mittelgroß. Stiel gebogen, weiß, ziegelrot angehaucht . . . grata. C. Hut gelblich. a) Schlanke Pilze, 6 em hoch, 2 bis 3 cm breit. Stiel nur 2 mm diek. Hut ockergelb, Mitte bräunlich, stark a gebuckelt. Rand weiß. Stiel weißlich . . . . .......descissa. b) Mittelgroße, mehr gedrungene Pilze, bis 5 cm hoch and! breit. Stiel 4 bis 5 mm dick. 1. Hut zitronengelb, Mitte ockergelb, breit gebuckelt, Stiel gelblich deglubens. 2. Hutrand ockergelb, Mitte bräunlich, Rand stark zerschlitzt. Stiel weiß, manchmal blaß fleischrot angehaucht. . . . . hiulca. 3. Hut orangegelb, Mitte bräunlich, Stiel weiß. Sporen sternförmig lanugınosa. 25 111 c) Größere Pilze. $ bis 12 cm hoch, 6 bis 9 cm breit. Stiel 5 bis 10 mm dick. 1. Hut strohgelb, orangefädig flockig, Rand wollig flockig. Stiel strohgelb, orange, flockig, fädig . . . Race hirsuta. 2. Hut zitronengelb, auch orangegelb, Mitte br Anch art rissig faserig. Stiel blaß zitronengelb . . . . re rimosa. 3. Hut blaß ockergelb, Rand auch weiß. Stiel te en scaber. 4. Hut auf orangegelbem Grunde braunfädig, hoch kegelglocken- förmig bleibend. Stiel ockergelblich . . . near 5. Hut im Alter blaß ockergelb, in der sand Bellbeädnliei | Suielablabeziegelnot nt en n PyroNora: D. Hut blaß olivengrünlich, Mitte bräunlich. Mittelgroße bis 6 cm hohe und breite Pilze mit 5 bis 10 mm dıekemehohlen, Stiel... 2. “=... 222 ae a, .m. nn: vduleamara. E. Hut und Stiel zinnoberrötlich, ziegelrot. a) Biedkige Pilze, 5 cm hoch und breit. Stiel 5 mm dick, stark knollig. Hut zinnoberrot-rissig auf gelblichem Grunde . . . _ destricta. b) Größere, höhere Pilze. 1. Hut zinnoberrot, im Alter karminrot-bräunlich werdend, stark zottig, faserig zerschlitzt. Stiel zylindrisch, 3 bis 4 cm breit, Tee mmedackens AI. nee. ee ie nn Bongardır. 2. Hut im Alter blaß ziegelrot, in der Jugend orangefarbig, bräunlich. Stiel zylindrisch, 1 bis 15 cm dick . . . ... Pyrodora. F. Hut hellbräunlich. a) Kleine Pilze, nur 1,5 bis 3 cm hoch und breit. 1. Hut anfangs dunkel rotbräunlich, später am Rande ockergelb- lich, gewölbt, verflacht gebuckelt, 1 bis 1,5 cm breit. Stiel 3 cm lang, 2 mm breit, rötlich faserig. Lamellen gedrängt strigiceps. 2. Hut gelbbräunlich, gebuckelt, 2 bis 3 cm breit. Stiel 1,5 cm lang, 2 mm breit, weißlich, faserig. Lamellen entfernt . . perbrevis. 3. Hut gelbbräunlich, flach oder etwas vertieft, 3, seltener 4 cm breit. Stiel 3 cm lang, bis 4 mm breit, ockergelb mit ring- förmigem, blaß sepiabräunlichem, zottigem Velum geziert. Brimellenwentieunin ne „toMmentella. b) Größere, hohe Pilze. * Hut kegelig, zugespitzt. 1. Hutmitte gelbbraun. Rand gelbbräunlich-rissig auf hellerem, orangefarbigem Grunde. Stiel oben gelblich, unten weiß, bis Hremelane 5rbis LO!’ mm. breit. ... . N. „u. 22 3... Fastiginata. 26 112 2. Hutrand blaß bräunlich, oder auch lebhaft kastanienbraun, Mitte verblassend gelblich. Stiel 10 cm lang, nur 3 bis 6 mm breit, unten weiß, oben rötlich. Sporen eckig . . . .. Trinii. ** Hut flach gewölbt, breit gebuckelt. 3. Hutin der Jugend gelbbräunlich, im Alter blaß ziegelrot, bis ll cm breit. Stiel blaß ziegelrot, 10 cm hoch, 1 bis 2cm breit pyrodora. G. Hut kastanienbraun. a) Lamellen gelblich, dann olivenfarbig. Hut kastanienbraun, oliven- farbig verblassend, bis 2 cm breit, Stiel bis 5 cm lang, 2 mm diek, gelblich, kahl .. . Wr. mn un N Eee b) Lamellen weiß, dann grau und umbrabraun. iR * Kleine Pilze, Stiel nur bis 4 cm lang, 3 mm breit. Hutmitte kastanienbraun, Rand hellbraun. Hut in der Mitte glatt, am Rande querfaltig. Stiel rötlich, weiß bemehlt . . scabella. ** Hohe Pilze. Stiel 9 bis 10 em lang, 5 bis 8 mm breit. 2. Hutmitte kastanienbraun, nach dem Rande umbrabräunlich, stark rissig. Stiel gelblich, fein fädig. Sporen sternförmig praetervisa. 3. Hutmitte nach dem Rande umbrabräunlich, fein schuppig. Stiel bräunlich, oft auch weißlich, fein fleckig . . . . . eutheles. H. Hut umbrabraun oder dunkelgraubraun. a) Kleine, schlanke Pilze. Hut nur 2 bis 3 cm breit. 1* * Lamellen angewachsen. Hut weiß-grau, wollig, auch faserig zerschlitzt. Stiel grau wollig-faserig, 4 mm breit. „0... TI BE Ra ta: ** Lamellen angeheftet. 2. Hutmitte kastanienbraun, Rand umbra-graubraun, wollig- schuppig. Stiel hohl, a > 2 mm breit. Sporen sternförmig . . a N carpta. b) Mittelgroße Pilze. Hut 3 bis 5 cm ih Stiel bräunlich, 5 bis 5 mm dick. L. Hut umbrabraun, Mitte kastanienbraun, stark anliegend a Rand faserig. Stiel nackt, unten fein faserig . . i lacera. 2. Hut umbrabraun, stark aufrecht-sparrig-schuppig. Stiel. mit grauen Flecken bedeckt . . . . 4 hystrin. c) Größere Pilze. Hut 5 bis 8 cm breit. Stiel einlcıh 5-10: mm ae I 2. Hut gelblich umbrabräunlich, kurz fein flockig, Stiel weiß, wenig gelbgrau fleckig . . . ERS RBER: el plmL0sa: Hutmitte umbrabräunlich, Rand chi blaß- alien Stiel weiß, oben bemehlt, unten fein faserig . - . . „2. 2 2. scaber, I. Hut und Stiel violett oder lilabräunlich. Hut in der Jugend bräunlich-lila, Rand weiß, später Mitte rot- braun, Randgelbbräunlich, stark rissig. Stiel oben weiß, unten lila cincinnata. 27 115 A. Hut weiss, später wenig ockergelb. Nr Aberlmocybe fibrosa Sowerby. Fasrıger Faser- kopf. Langstieliger Faserkopf. — Bis 9 cm hoch, 5 cm breit. Hut glockenförmig, dann ausgebreitet, stumpf gebuckelt. Oberfläche anfangs seidig glatt, später rıssig, mit stark eingebogenem dünnem Rande, lange weiß bleibend, ım Alter blaß gelblich gefleckt. Hutfleisch 5 mm dick, weıß. Lamellen frei, entfernt vom Stiel, gedrängt, linealisch-lanzettlich, schmal, nur ö mm breit ‚weißlich, später blaß graubraun. Sporen elliptisch, 8 bis 10 u lang, 5 bis 6 « breit. Stiel zylindrisch, 8 em lang, 7 bis 10 mm dick, weıß, schuppig-flockig, ganz am Grunde auch gelbflockig, innen voll. Fleisch weıß, zäh, ungenießbar. Gefunden unter Buchen im Wesseler Walde bei Elbing. Nr. 46."Inocybe scabra Müller. Grindiger Faserkopf. — Groß. Bis 10 cm hoch und 8 cm breit. Hut kegelförmig, ausgebreitet, breit gebuckelt, faserıg, auch angedrückt schuppig, nicht rissig. Hutfarbe ver- schieden: weiß, bald ockergelblich werdend, oder ockergelb, Rand strohgelb, auch schmutzig gelbgrau, Mitte umbrabraun, seltener rostfarbig, am Rande heller. Der Rand ist immer stark längsfaserig. Ein gutes Erkennungszeichen sind die ‘öfters vorkommenden blaugrauen Flecken, besonders ın der Hutmitte. Hutfleisch 3, aber auch 5 bis 7 mm dick, weiß. Lamellen angeheftet, seltener wenig angewachsen, gedrängt, weißlich, blaßgrau oder rußfarbig, ım Alter bräunlich, linealisch, 5 mm breit. Sporen elliptisch, 6 bıs 8 « lang, 4 bis 5 « breit. Stiel zylindrisch, am Grunde gebogen, meistens 8 cm lang und l cm dick, weıß, fein faserıg, innen voll. Fleisch weiß, Geruch schwach. Ungenießbar. Unter Buchen bei Elbing gemein. Er tritt in verschiedenen Formen auf. Die weißhütigen Pilze und die gelbbraunen mit umbrabrauner Mitte sind die höchsten und dickstieligsten. Die Pilze mit gelbem Hute haben bei 10 cm Höhe nur einen 6 mm breiten Stiel. Die rostfarbenen Pilze sind gedrungen, d cm hoch und breit, ıhr Stiel ist 5 bis 7 mm dick. Nr. 47. Inocybe sambucina Fries Holunder-Faser- kopf. — Niedrig, gedrungen, 4 bis 5 cm hoch, 4 bis 6 cm breit. Hut flach gewölbt, seltener glockenförmig, später ausgebreitet, breit gebuckelt. Hut weiß, nur zart zitronengelbfleckig angehaucht, seidenhaarig fädıg. Hutfleisch 2 bis 3 mm breit, weiß. Lamellen angeheftet, gedrängt, bauchig, 4 bis 6 mm breit, weißlich, grau und gelbbraun werdend. Sporen elliptisch, 6 bis 7 u lang, 3 bis 4 u breit. Stiel 3 bis 4 cm lang, 1 bis 1,5 em dick, kahl, glatt, 'weıß, innen voll. Fleisch weiß. Unter Kiefern im Vogelsanger Walde. Nicht häufig. Nr. 48. Inocybe geophilla Sowerby. Erdbläfttriger Faserkopf. — 5 bis 7 cm hoch, 2 bis 4 cm breit. Hut keglig, später aus- gebreitet, spitz gebuckelt, Mitte glatt, Rand faserıg seidenhaarig, gewöhnlich 35. Ber. d. Wpr. Bot.- Zoo]. Vereins. 23 Ss 114 weıß, gelblich werdend. Eine Spielart hat einen fleischrötlichen und eine dritte Varıetät einen blaßbläulichen oder lilafarbigen Hut. Hutfleisch 1 bis 2 mm breit, weıß, Lamellen angeheftet, oder auch schmal angewachsen, mäßıg gedrängt, etwas bauchig, bis 5 mm breit, blaß erdfarbig oder blaß bräunlich- grau. Sporen elliptisch, 7 bis 8 «u lang, 4 bis 5 u breit. Stiel zylindrisch, 5 bis 6 cm lang, 2 bıs 3, seltener bis 5 mm breit, weiß, oben mehlig bepudert, unten faserig, innen voll. Fleisch weıß. In allen Wäldern gemein. Der Pilz trıtt auch sehr oft ın ganz kleinen Formen auf von nur 3 cm Höhe und 1 bis 2 cm Breite. Nr. 49. Inocybe tricholoma Albertinı et Schweidaerz Haarıger Faserkopf. — 3 bis 5 cm hoch, 2 bis 4, seltener bis 5 cm breit. Hut flach gewölbt, später ın der Mitte nıedergedrückt, trichterförmig, frisch wenig klebrig, trocken seidenglänzend mit feinen, angedrückten Haaren bekleidet, dem bloßen Auge erscheint er glatt. Am Rande ist er dicht mit geraden, abstehenden, 1 bis 2 mm langen, im Alter verschwindenden Haaren, Wimpern besetzt, Hutfarbe weiß, ın der Mitte oft wenig gelblich. Hutfleisch 2 mm dick, weıß. Lamellen herablaufend, sehr dicht stehend, linealısch, 2 mm breit, weißlich grau, später blaß gelbbraun. Sporen rundlich elliptisch, 6 bis 7 # lang, 4 u breit. Stiel 2,5 bis’4 em lang, 2 bis 5 mm breiw, zylindı, ch! oft auch unten keulig verdickt, feın faserig, oben weißlich, unten blaß rötlich, innen voll. Fleisch weiß, im Grunde fleischfarbig. Unter Rottannen im Vogelsanger Walde sehr häufig. Schroeter nennt die Sporen stumpfeckig und hat den Pilz darum in die neue Gattung Astrosporina, Sternkopf, eingereiht. Ich habe die meisten Sporen ganz regel- mäßıg elliptisch gefunden, nur bei einigen waren die gebogenen Seitenwände an einzelnen Stellen gerade. Das kann man noch nicht sternförmig nennen. B. Hut anfangs weisslich, später zinnoberrot-ziegelrotfleckig. Nr. 50. Inocybe grata Weinmann. Angenehmer Faser- kopf. Tritt in zwei Formen auf. 1. Hoch und schlank, 9 em hoch, 4 cm breit, bei 5 mm dickem Stiel. 2. Gedrungen, derb, 5 em hoch, 6 cm breit, bei 1 cm diekem Stiel. Hut kegelglockenförmig, ausgebreitet, stumpf gebuckelt, weich flockig und auch längsfaserig rissig, dann gelblich, zuletzt rötlich werdend. Hutfleisch 2 bis 5 mm dick, weiß. Lamellen angeheftet, seltener verschmälert und etwas ange- wachsen, gedrängt, dünn, linealisch-lanzettlich, oft etwas bauchig, bis d mm breit, anfangs weißlichgrau, dann gelb-olivenfarbig, rot gesprenkelt, zuletzt auch ganz rötlich. Sporen elliptisch, 7 bis 9 « lang, 4 bis 5 u breit. Bei den schlankeren Exemplaren sind an vielen Sporen die gebogenen Seitenflächen an verschiedenen Stellen auch abgeplattet, ja, sogar auch nach innen eingedrückt. Stiel zylindrisch, gebogen, weiß, rötlich werdend, oben: mehlig bereift, unten fein faserig, innen voll, weiß, beim Trocknen wird der ganze Pilz. auch das: Fleisch, zinnoberrot. 29 115 Wächst im Moos unter Buchen im Wesseler Walde öfters. Da bei diesem Pilz sowohl die Formen als auch die Sporen veränderlich sind, so gehört wohl auch die glattsporige Inocybe incarnata Bresadola hierher. Ich kann aber keinen Artunterschied feststellen, da bei ein und demselben Pilz einige Sporen glattrandig, einige stumpfeckig und andere auch sogar eingebogen sind. Bei einigen Exemplaren fand ich alle Sporen glatt, elliptisch gebogen. - C. Hut gelblich. Nr. 51. Inocybe descissa Fries Aufgerissener Faser- kopf. — Schlank, 6 bis 7 cm hoch, 1,5 bis 2,5 cm breit. Hut kegelglocken- förmig, spitz gebuckelt, längsfaserig, rissig zerteilt, ockergelb in der Mitte orangefarbig, oder auch die Mitte orange-gelbbräunlich, Rand weiß. Hutfleisch 2 bıs 3 mm dick, weıß. Lamellen frei, gedrängt, linealisch, 3 mm breit, weıiß- lich, bald bräunlich. Sporen elliptisch, 6 bis 7 u lang, 3 bis 4 « breit. Stiel 5 bis 6 cm lang, 2 bis 3 mm breit, zylindrisch, am Grunde wellig gebogen, teils weiß, teils blaß gelblich, oben körnlig bemehlt, in der Mitte glatt, unten feinfaserig, innen anfangs voll, im Alter manchmal sehr feinröhrig. Fleisch weiß. Gefunden im Vogelsanger Walde in der Nähe des Karpfenteiches unter Buchen. Nr. 52. Inocybe deglubens Fries Geschundener Faserkopf. — In Nadelwäldern, niedrig und gedrungen, 3 bis 4 em hoch und 2 bis 5 cm breit. Die Exemplare, welche zwischen Buchenlaub wachsen, sind schlank, bis 7 cm hoch und 3 em breit. Hut zitronengelb, Mitte ockergelb, im Alter orangegelb. Nadelwaldexemplare werden im Alter orangegelb, ihre Hutmitte bräunlich. Oberfläche angedrückt faserig, in der Jugend geglättet, im Alter sogar ın der Mitte sparrig, schuppig, zerschlitzt. Hutfleisch 2 bis 3 mm breit. Lamellen angewachsen, mäßig entfernt, etwas bauchig, bis 5 mm breit, gelblich, dann olivenfarbig und bräunlich. Sporen elliptisch, 8 bis 9 u lang, 4 bis 5 « breit. Stiel 2 bis 3, selten bis 5 mm breit, zylindrisch, unten oft etwas knollig, weißlich oder gelblich, oben mehlig, flockig bepudert, unten angedrückt faserig, innen voll. Fleisch weiß, im Alter gelblich. Unter Kiefern und Rottannen in der Birkenallee im Vogelsanger Walde, auch im Buchenlaub sehr häufig. Die Nadelwaldexemplare sind 7. perbrevis täuschend ähnlich, nur sind dessen Lamellen nicht angewachsen, sondern nur angeheftet, und die Hutfarbe ist weniger gelblich, mehr rotbräunlich und nicht längsfaserig, sondern schuppig. Nr. 55. Inocybe hiulca Fries Klaffender Faserkopf. — Mittelgroß, 5 bis 7 cm hoch, 3 bis 5 em breit. Hut kegelglockenförmig, ausgebreitet gebuckelt, graugelblich, auch olıvengelblich oder ockergelblich mit bräunlicher Mitte, längsfaserig, rissig, oft am Rande zerschlitzt und ge- spalten. Hutfleisch weiß, 2 mm breit. Lamellen angeheftet oder frei, etwas gedrängt, linealisch, 5 mm breit. Sporen elliptisch, 8 bis 9 « lang, 5 bis 6 u 30 g* 116 breit. Stiel zylindrisch, 5 cm lang, 5 mm breit, weiß, sehr schwach tleischrot, oben weıß bereift, unten seidenhaarig, immer voll. Fleisch weiß. Gefunden unter Kiefern im Elbinger Pfarrwalde. Nr. 54. Inocybehirsuta Lasch. Rauhhaarıger Faser- kopf. — Mittelgroß, 6 bis 7 cm hoch, 6 bis 8 cm breit. Hut anfangs glocken- förmig oder auch flach gewölbt, dann ausgebreitet, gebuckelt. Oberfläche strohfarbig, oft auch olivengrünlich-gelb, in der Mitte orangefädig, längs- faserig, nach dem Rande querfaltig, in der Mitte auch haarıg. Die Haare stehen weıtläufig, daß man die grünlich-gelbliche Grundfarbe deutlich sieht. Hutrand wollig-flockig. Hutfleisch 3 bis 5 mm dick, gelblich, Lamellen an- gewachsen, entfernt, dünn, lınealisch, 3 bis 4 mm breit, olivengrünlich, dann gelb-bräunlich. Sporen elliptisch, 7 bis 8 « lang, 4 bis 5 « breit. Stiel zylin- drisch, unten kaum knollig, 5 bis 6 em lang, 4 bis 6 mm dick, gelblich oder blaß olıvengrünlich, stark langflockig, faserig, innen voll. Fleisch anfangs weıßlich, später gelblich. Gefunden unter Kiefern bei Liep auf der Frischen Nehrung. In der Farbe und Größe hat der Pilz Ähnlichkeit mit I. dulcamara. Nur sind bei diesem Hut, Lamellen und Stiel stärker olivengrünlich, weniger gelblich und der Stiel ıst hohl. Nr. 55. Inocybe rimosa Bull. Rissiger Faserkopf. — Hoch und schlank, 7 bis 9 cm hoch, 4 bis 7 cm breit. Hut glockenförmig, aus- gebreitet, gebuckelt, zitronengelb, Mitte orangegelb oder bräunlich, der Länge nach rissig, auch angedrückt faserig, schuppig. Hutfleisch 2 mm dick, weiß. Lamellen frei, gedrängt, linealisch, 3 bis 5 mm breit, grau, dann olivenfarbig und bräunlich. Sporen elliptisch, 6 bis 7 u lang, 4 bis 5 « breit. Stiel zylin- drisch, am Grunde mit kreiselförmig zugespitztem Knollen. 6 bis 8 cm lang, 4 bis 5 mm breit, oben gelblich, unten weiß, kahl oder nur wenig angedrückt faserig, ganz oben etwas mehlig bereift, innen voll. Fleisch weiß. Unter Buchen und Eichen im Vogelsanger Walde häufig. Der Pilz hat eroße Ähnlichkeit mit der etwas niedrigeren und dünnstieligeren Astrosporina laniginosa. Diese hat aber stark ausgeprägte, sternförmige Sporen. Nr. 56. Inoeyb.e. fastigiata Schaeffer Resfkıaer Faserkopf. — Ein großer, hoher und schlanker Pılz. 8 bis 14 cm hoch, 6 bis 9 cm breit. Hut kegel-glockenförmig, später ausgebreitet und hoch ge- buckelt, auf orangegelblichem Grunde braunfädig, der Länge nach faserig und rissig. Fleisch im hohen Buckel dick, in der Stielnähe 3 bis 5 mm breit, weıß. Lamellen frei, gedrängt, wenig bauchig, schmal, nur 3 bis 4 mm breit, blaß ockergelb, dann olivenfarbig bräunlich. Sporen breit elliptisch, 9 bis 10 u lang, 6 « breit. Stiel 10 bis 12 cm lang, 5 bis 6, seltener auch bis 12 mm breit, zylindrischh am Grunde aufsteigend, gekrümmt, seidig-faserig, oben ockergelb, unten weiß, innen voll. Fleisch weiß. Auf Feldrainen und rasıgen Waldrändern nicht selten. 31 117 D. Hut blass olivengrünlich, Mitte bräunlich. Nr’ 50. Inocybedulcamara.Albertiniet Schweinitz. Bittersüßer Faserkopf. — Ein mittelgroßer Pilz. 4 bis 6 em hoch und breit. Hut glockenförmig oder auch flach gewölbt und wenig gebuckelt, angedrückt schuppig. Rand faserig. Hutfleisch bis 5 mm dick, gelblich. Lamellen angeheftet oder schmal angewachsen, etwas entfernt stehend, linealisch, 3 bis 4 mm breit, erst graugelb, dann dunkler olivenbraun. Sporen elliptisch, 8 bis 10 u lang, 4 bis 5 « breit. Stiel zylindrisch, 4 bis 5 em lang, 5 bis 10 mm breit, blaß olivengrünlich-gelb, mit stark flockigem, fast ring- förmigem Velum, ganz oben mehlig, unten wollig - faserig, innen bohl. Fleisch gelb. Gefunden unter Kiefern im Vogelsanger Walde und auf der Vogelwiese in Kahlberg. E. Hut und Stiel zinnoberrot, ziegelrot. NE 58. Inoeybe destricta Fries.- Scharfer Faserkopf. — Mittelgroß, 4 bis 5 cm hoch und breit. Hut glockenförmig, dann flach ausgebreitet, gebuckelt, fein rissig-faserig, im Alter schuppig, zerschlitzt, ziegelrot auf gelblichem Grunde. Hutfleisch 2 mm dick, weiß. Lamellen an- geheftet, seltener verschmälert angewachsen, gedrängt, etwas bauchig, 5 mm breit, weißlich, grau, rötlich gefleckt, zuletzt rotbräunlich. Sporen elliptisch, auch eiförmig, an einem Ende zugespitzt, 7 bis 10 « lang, 5 bis 6 u breit. Stiel zylindrisch, unten stark knollig, gebogen, bis 4,5 em lang, 5 bis 7 mm dick, blaß ziegelrötlich, ganz oben unter den Lamellen gerippt, in der Mitte kahl, unten mehlig, weich-flockig, innen voll. Fleisch weiß, rötlich angehaucht. Gefunden bei Weingarten in der Nähe von Tannen. Der Pilz ähnelt I. grata, ist aber stärker ziegelrot und anfänglich nicht weiß. Das beste Unter- scheidungszeichen ist der unten stark knollige Stiel. Nr. 59. Inocybe Bongardii Weinmann DBongardis Faserkopf. — Groß und schlank. 6 bis 9 cm hoch, 2 bis 4 cm breit. Hut stumpf glockenförmig, dann ausgebreitet, in der Mitte flach oder niedrig ge- buckelt. In der Mitte schuppig, am Rande faserig zerschlitzt, dunkel ziegel- rotbraun, im Alter lebhaft zinnoberrot. Hutfleisch 3 bis 4 mm dick, weiß. Lamellen angewachsen, entfernt, dick und starr, anfangs blaß graurötlich, dann rot gefleckt und zimmetbraun. Sporen groß, elliptisch, 12 bis 14 u lang, 6 bis 7 u breit. Stiel 5 bis 8 cm lang, 5 bis 8 mm breit, unten gewöhnlich gebogen und verdickt, oben unter den Lamellen weiß, sonst rosafarbig oder zinnoberrötlich, flockig-faserig, im Alter in der Mitte bräunlich, innen voll. Fleisch weiß, ım Alter blaß fleischfarbig angehaucht. Gefunden unter Buchen im Dambitzer Park bei Elbing. Der Pilz ist durch seinen stark schuppigen, zinnoberrötlichen oder auch karminbräunlichen Hut und die sehr dicken, entfernt stehenden Lamellen von allen anderen Faserköpfen leicht zu unterscheiden. 32 118 F. Hut hellbräunlich. Nr. 60. Inocybe strigiceps Fries. Striegliger Haser-. kopf. — Klein. 3 bis 4 cm hoch und 1 bis 1,5 cm breit. Hut stumpf ge- wölbt oder auch glockenförmig ausgebreitet, schmal, aber stumpf gebuckelt, blaß bräunlich, Mitte dunkler, fein seidig faserig, unter der Lupe auch fein schuppig-flockig. Hut anfangs stark eingebogen und mit verlängerten haarıgen Schuppen bekleidet. Hutfleisch 1 mm breit, weißlich. Lamellen angewachsen, mit feinem Zähnchen sogar etwas herablaufend, gedrängt, linealisch, wenig bauchig, 2 mm breit. Sporen elliptisch, 7 « lang, 4 « breit. Stiel zylindrisch, meistens am Grunde gebogen, 3 bis 3,5 em lang, 1 bis 2 mm dick, weißlich, aber bräunlich pulvrig-flockig, oft fast ringförmig bekleidet, innen voll. Fleisch blaß gelbgrau. Gefunden im Vogelsanger Walde unter Kiefern ım Moos, auch unter Buchen. Der Pılz ıst dunkler braun als der ıhm ähnliche Filzige Faserkopf, auch stärker schuppig. Nr. 61. /Inocybe perbrevis Weinmann. Kurzstieliger Faserkopf. — Klein, niedrig. 2 cm hoch und 2,5 cm breit. Hut glocken- förmig, dann ausgebreitet, gebuckelt, blaß rotbräunlich, Mitte dunkler, faserig- schuppig, Rand gestreift, im Alter zerschlitzt. Hutfleisch 1 mm dick, weiß. Lamellen angeheftet, entfernt stehend, linealischh, 2 mm breit, weıißlich-ton- farbig, bräunlich werdend. Sporen rundlich elliptisch, 6 bis 7 u lang, 5 u breit. Stiel zylindrisch, am Grunde gebogen, 1,5 cm lang, 3 mm breit, blaß- rötlich weıß, faserig, ganz oben bereift, innen voll. Fleisch weıß. Unter Buchen ım Vogelsanger Walde. Nr. 62. Inocybe tomentella Fries Fılzıger Rıser- kopf. Klein, 3 bis 3,5 cm hoch, 1,5 bıs 3 cm breit. Hut flach gewölbt, dann ausgebreitet, eben oder schwach vertieft, seltener glockenförmig, dann ausgebreitet, etwas gebuckelt, gelbbräunlich, filzig-faserıg oder sehr fein angedrückt schuppig. Lamellen angewachsen, mäßig entfernt, linealısch, wenig bauchig, 3 bis 5 mm breit, blaß tonfarbig, blaß olivenbräunlich und zimmetbraun. Sporen elliptisch, 6 bis 7 u lang, 4 « breit. Stiel zylindrisch, bis 3 cm lang, 2 bis 3 mm breit, am Grunde öfters etwas gebogen, gelblich, ganz oben bereift, in der Mitte ringförmig flockig, nach unten kahl und weiblich, innen voll, selten im Alter feinröhrig. Fleisch weıß, im Alter gelblich. Im Moos unter Buchen am Gasthause Vogelsang bei Elbing häufig. Nr..63.. Inocybe pyrodora Persoon. Birn-Faserkopt — Groß und derb. 7 bis 11 cm hoch und breit. Hut kegelförmig, dann aus- gebreitet, breit gebuckelt, ın der Jugend gelbbraun, im Alter blaß ziegelrot, seltener ockergelb werdend, angedrückt faserig-schuppig. Fleisch 5 bis 10 mm breit, weiß, dann blaß olivenbräunlich, rot gesprenkelt, besonders wird die Schneide rot, zuletzt ganz rötlich zimmetbraun. Sporen elliptisch, 9 bis 11 u lang, 5 bıs 6,5 « breit. Stiel bis 10 cm lang, 1 bis 1,5 cm breit, zylindrisch, 39 119 am Grunde gebogen, selten etwas verdickt, an der Spitze bereift und weiß, im übrigen faserig und blaß ziegelrot, innen voll. Fleisch weiß, bald rötlich angehaucht. Gefunden unter Kiefern bei Succase, Kreis Elbing. G. Hut kastanienbraun. Nr: 64. Inocybelwcifuga Fries Lichtscheuer Faser- kopf. — Klein und schlank. 4 bis 5 cm hoch, 1 bis 2 cm breit. Hut flach gewölbt, dann ausgebreitet, wenig gebuckelt, kastanienbraun, olivenfarbig ver- blassend, angedrückt faserig. Hutfleisch 2 bis 3 mm dick, gelblich. Lamellen frei, gedrängt, lanzettlich, 2 mm breit, gelb, dann olivenfarbig. Stiel zylın- drisch, bis 4 cm lang, 2 bis 3 mm breit, glatt, kahl, orangegelb-bräunlich, oben blaß bereift, innen voll. Fleisch gelblich. Gefunden unter Kiefern ın Kahlberg auf der Frischen Nehrung. Ne69. Inocybe scabella Eries Schäbıiger. oder Räu- diser Faserkopf. — Klein, 3. bis 5 em hoch, 1 bis 3 cm breit. Hut glockenförmig, dann ausgebreitet, gebuckelt, blaß rotbraun, in der Mitte dunkler, kastanienbraun, am Rande flockig bıs schuppig, in der Mitte glatt. Hutfleisch 2 mm breit, weißlich. Lamellen angeheftet oder auch verschmälert angewachsen, ziemlich entfernt, bauchig, 3 mm breit, weißlich, grau und bräunlich werdend. Sporen elliptisch, 6 bıs 7 « lang, 3 bis 4 u breit. Stiel zylindrisch, bis 4 cm lang, 2, 3, auch bis 4 mm breit, unten stark gebogen, blaß rötlich, kahl, unter der Lupe sehr fein weiß-faserig oder auch weiıb- flockig bemehlt, innen voll. Fleisch rötlich. Gefunden an den Karpfenteichen bei Vogelsang im Moos unter Buchen. Schroeter hat bei den Sporen von I. scabella unregelmäßige, stumpf- keglige Fortsätze gefunden und diese Pilze deshalb in die neue Gattung Astrosporina gebracht. Ich fand die Sporen an meinen Exemplaren zwar etwas unregelmäßig elliptisch, aber besonders hervortretende, keglige Fort- sätze konnte ıch nicht bemerken. Nr. 66. Tnocybe eutheles Berkley et Br. Kräftigeı Faserkopf. — Groß, hoch und schlank. 6 bis 10, seltener auch bis 12 cm hoch, 4 bis 7 cm breit. Hut anfangs glockenförmig, dann ausgebreitet, hoch und spitz gebuckelt, in der Mitte kastanienbraun, nach dem Rande zu blasser, umbrabräunlich oder hirschbraun. Die Mitte ist seidenhaarig glänzend. Der Rand kleinschuppig. Hutfleisch in Stielnähe nur 2 mm dick, im Buckel aber sehr breit, weiß. Lamellen anfangs angewachsen, seltener aber auch ange- heftet, mäßig entfernt, etwas bauchig, bis 5 mm breit, weiß, dann fleisch- farbig grau und zuletzt umbrabraun. Schneide weiß gezähnelt. Sporen ellip- tisch, 7 bis 9 u lang, 5 u breit. Stiel 6 bis 11 cm lang, 5 bis 10 mm dick, zylindrisch, am Grunde oft etwas knollig verdickt, weiß faserig-gestreift, oft auch dicht weißflockig auf bräunlichem Grunde, innen voll. Fleisch weiß, seltener wenig bräunlich. Geruch schwach anısartig. 34 120 Unter Kiefern auf der Frischen Nehrung und in Wäldern bei Elbing häufig. — In Kahlberg, am Fuße des Kameels in der Globb unter Birken im hohen Grase wächst eine hohe und schlanke Form mit dunkel-kastanien- braunem, glatten Hut, der nur ganz am Rande sehr wenig feinfädig ıst, mit sehr entfernt stehenden grau-olivenfarbigen Lamellen, welche stark bauchig, aber in der Randnähe am breitesten sind, und mit dunkel-ockergelblichem am Grunde weißen Stiele. Nach glattem Hut, Lamellenform und Stielfarbe könnte man diese Form zu A. Trinii zählen. Die Sporen sind aber glatt und nicht sternförmig. Auf der Vogelwiese ın Kahlberg habe ich auch viele Zwerg- exemplare von /. eutheles von nur 3 cm Höhe und 1,5 cm Breite gefunden. H. Hut umbrabraun oder graubraun. Nr. 67. Inocybe maritima Fries. Meerstrand-Faser- kopf. — Klein, aber diekstielig. 4 bis 5 cm hoch, 2 bis 3 cm breit. Hut glockenförmig, dann ausgebreitet, gebuckelt, umbrabraun, grau verblassend, stark wellig-faserıg. Hutfleısch 2 mm breit, blaß umbra- oder sepiagrau. Lamellen angewachsen, entfernt, wenig bauchig, 4 mm breit, graubraun, Schneide heller. Stiel zylindrisch, 4 cm lang, 4 mm breit, in der ganzen Länge stark wollig faserig, umbra-braungrau wie der Hut, innen voll. Fleisch blaß sepiagrau. Gefunden hinter den Vordünen in Kahlberg auf der Frischen Nehrung. Nr. 68 Inocybe hystrix Fries Stachelbossı7a Faserkopf. — 6 cm hoch, 5 cm breit. Hut anfangs flach gewölbt, dann ausgebreitet, flach oder wenig und breit gebuckelt, umbrabräunlich, mausgrau, in der Mitte dunkler und körnelig-höckerig, dann ringförmig gezont, mit, sparrig zurückgekrümmten, flockigen Schuppen bedeckt. Hutfleisch 3 mm dick, weiß. Lamellen angeheftet, etwas entfernt, linealisch-lanzettlich, 5 mm breit, grau sepiabräunlich. Stiel bis 6 cm lang, 5 mm dick, zylindrisch, ebenso dicht flockig-schuppig wie der Hut, innen voll, seltener wenig hohl. Fleisch weiß. Gefunden im Vogelsanger Walde unter Buchen. Nr. 69. Inocybelacera Fries Struppiger Faserkopk. — Mittelgroß, 5 bis 6 cm hoch, 3 bis 5 cm breit. Hut glockenförmig, seltener flachgewölbt, dann ausgebreitet, spitz gebuckelt, seltener flach, manchmal im Alter sogar etwas vertieft, dunkel-umbrabraun, eine kleine Mitte ıst kastanıen- bräunlich, heller, im Alter wird die Hutfarbe mäusegrau und gelblicher. Ober- fläche faserig, Rand zerschlitzt. Hutfleisch 2 bis 3 mm breit, blaß graugelb. Lamellen angeheftet, mäßig entfernt, bauchig, 5 bis 8 mm breit, fleischfarbig grau, dann umbrabraun. Sporen lang-elliptisch, 7 bis 10 « lang, 3 bis 4 u breit. Stiel zylindrisch, 3 bis 5 cm lang, 2 bis 5 mm breit, umbrabraun, oben kahl, unten dunkler, braunfaserig, innen voll. Fleisch gelblichgrau. Vom Frühjahr bis zum Herbst gemein ın allen Wäldern bei Elbing. 35 121 Nr. 70. Inocybe plumosa Botton. Flaumiger Faser- kopf. — Groß. 6 bis 12 cm hoch, 4 bis 7 cm breit. Hut flach gewölbt und dann flach ausgebreitet, seltener glockenförmig und ausgebreitet, mit flachem, breitem Buckel, gelblich-umbrabraun oder olivenfarbig braun, sehr dicht kurz- flockig. Hutfleisch 3 bis 5 mm dick, weiß. Lamellen ziemlich entfernt, an- gewachsen, linealisch, wenig bauchig, bis 5 mm breit, weıßlich rußfarbig, dann blaß umbra-bräunlich. Sporen elliptisch, 7 bis 9 u lang, 4 bis 5 « breit. Stiel zylindrisch, am Grunde gebogen und aufsteigend, oft etwas knollig verdickt, 5 bis 9 cm lang, 5 bis 10 mm breit, in der Jugend weiß, im Alter gelbgrau, feinflockig, innen voll, zähfleischig, weiß. In Kahlberg unter Kiefern häufig. I. Hut und Stiel violett, lila. Nr. 71. Inocybecincinnata Fries Wickel-Faserkopf. — Groß. 4 bis 12 cm hoch, 4 bis 9 cm breit. Hut anfangs glockenförmig oder auch flach gewölbt, später ausgebreitet, mehr oder weniger gebuckelt, ın der Jugend lila-rotbräunlich. Rand weißlich, später Mitte rotbraun, Rand gelb- bräunlich, in der Mitte schuppig, am Rande längsfaserig, oft eingerissen und gespalten und nach innen eingerollt, eingewickelt. Daher wohl der Name. Hutfleisch weißlich, hell lila angehaucht, 3 bis 5 mm breit. Lamellen an- geheftet, gedrängt, bauchig, 5 bis 7 mm breit, erst blaß bräunlich-Ila, dann violettbraun und zimmetbräunlich. Schneide weıß gezähnelt. Sporen ellip- tisch, 7 bis 10 « lang, 4 bis 5 u breit. Stiel zylindrisch, im Grunde gebogen, 5 bis 10 cm lang, 1 cm breit, oben weiıßlich, unten lila, faserig gestreift, innen voll, Fleisch weiß, unten lila. Unter Buchen und Eichen an lehmigen Abhängen im Elbinger Pfarr- walde häufig. Gattung Astrosporina Schroeter 1889, Sternkopf. Diese Gattung ist neuerdings von Inocybe abgetrennt, nur weil die elliptisch geformten Sporen eckig oder sternförmig strahlig sind. Die stern- förmigen Sporen von I. carpta, I. lanuginosa, I. praetervisa und I. Trinii habe ich bei allen Exemplaren dieser Arten vorgefunden. Bei /. scabella und I. tricholoma, die von Schroeter auch in die Gattung Astrosporina ge- bracht worden sind, fand ich die Sporen nicht eckig. Bei letzterer Art waren die elliptischen rundlichen Sporenseiten an einigen Stellen nur etwas ab- geplattet. Bei einigen Exemplaren der Art /. grata fand ich alle Sporen glatt- randig elliptisch. Bei anderen Exemplaren derselben Art dagegen waren glatte Sporen, auch solche mit abgeplatteten Seiten, ja sogar solche mit stumpf- winklig eingedrückten Seiten, durcheinander gemischt an ein und derselben Lamelle. Also scheinen auch die Sporen der Pilze veränderungsfähig zu sein. Ein ähnliches Beispiel liefert uns die Gattung Marasmius. Der erste Autor fand die Spuren von M. urens ganz rund und die von M. peronatus läng- 36 122 lich elliptisch und stellte daher zwei verschiedene Arten auf. Neuere Beobach- tungen haben aber ergeben, daß bei beiden Arten länglıch elliptisch mıt runden Sporen gemischt vorkommen, aber bald sind die elliptischen, bald die runden vorherrschend. Interessant wäre es nun, nach den Ursachen dieser allmählichen Sporenumwandlung zu forschen. Bei der neuen Gattung Astrosporina muß man daher den Begriff eckig nicht zu weıt ausdehnen und nur die Pilze mit wirklich stark ausgeprägt sternförmigen Sporen Sternköpfe nennen. Nr. 72. Astrosporina. carpta Scopolı Gemuanır Sternkopf. — Klein. 4 bis 5 cm hoch, 2 bis 3 cm breit. Hut glocken- förmig, dann ausgebreitet und stumpf gebuckelt, Mitte kastanıenbraun, Rand umbra-graubraun, wollig-zottig. Hutfleisch 1 bis 2 mm dick, weıß. Lamellen angeheftet, entfernt, linealisch, wenig bauchig, 2 bis 3 mm breit, fleischfarbig, dann braun. Sporen im Umfange teils rundlich, teils elliptisch, 7 bis 9 u lang, 5 bis 6 « breit, mit vielen, 1 bis 2 # hohen und breiten Höckern, dicht strahlenförmig besetzt. Stiel zylindrisch, 3 bis 4 cm lang, 2 mm breit, oben weıß, unter dem Hute gleichfarbig und ebenfalls wollig-faserig bekleidet, innen anfangs voll, bald fein röhrig. Fleisch weiß, im Grunde fleischfarbig. Unter Kiefern bei Kahlberg häufig. Von der ähnlich gefärbten /. mari- tima unterscheidet sich der Pilz durch die angehefteten, nicht angewachsenen Lamellen, den ganz oben weißen Stiel und die sternförmigen Sporen. Nr. 73. Astrosporina lanuginosa Bulliard.‘ Zerrisse- nerSternkopf. — Kaum mittelgroß. 3 bis 6 cm hoch, 2 bis 5 em breit. Hut flach gewölbt, mit spitzem Buckel, orangegelb, Mitte bräunlich, in der Jugend umbrafarbig, stark rissig schuppig. Hutfleisch weiß, 1 bis 2 mm breit. Lamellen angeheftet oder frei, selten sehr verschmälert angewachsen, mäßig gedrängt, bauchig, 4 mm breit, anfangs weıßgrau, dann hell olivenfarbig-grau und bräunlich. Sporen im Umfange rundlich-elliptisch, 7 « lang, 6 u breit, dicht mit 2 u hohen und breiten Stacheln oder Höcker sternförmig besetzt. Stiel 3 bis 5 cm lang, 2 bis 4 mm breit, zylindrisch, unten knollig, weiß, ım Acker ockergelb und zuletzt bräunlich, oben weiß, mehlig bestäubt, unten faserig, innen voll. Fleisch weiß. Sehr häufig unter Birken und Kiefern auf der Strandseite in Kahlberg. Der Pilz kann der Farbe und der Hutbekleidung nach für ein sehr kleines Exemplar von /. rimosa gehalten werden. Sicher zu unterscheiden ist er durch die stark sternförmigen Sporen. Nr. 74. Astrosporina praetervisa Quelet. Faseriger Sternkopf. — Groß, schlank. 5 bis 10 cm hoch, 3 bis 4, seltener bis 6 cm breit. Hut kegelglockenförmig, dann ausgebreitet, spitz gebuckelt. Mitte kastanienbraun, nach dem Rande umbrabräunlich verblassend, grob- faserig, bald nach dem Rande zu längsfaserig rissig gestreift, mıt bräunlichen Streifen auf ockergelbem Grunde. Hutfleisch 2 bis 3 mm dick, weiß. Lamellen verschmälert angewachsen, gedrängt, linealisch-lanzettlich, wenig 37 123 bauchig, 4 bis 5 mm breit, anfangs grau, später braun, Schneide weißlich. Sporen groß, im Umfange elliptisch, 9 bis 11 « lang, 7 bis 8 « breit, auch rundlich, 7 bis 8 cm im Durchmesser, mit 2 « breiten und hohen Höckern dicht sternförmig besetzt. Stiel zylindrisch, 5 bis 9 cm lang, 5 bis 8 mm breit, unten knollig, außen ockergelblich, seidenglänzend, ganz oben mehlig bereift, innen voll. Fleisch weıß, zäh. Auf Waldwegen und an Gebüschen recht häufig. Nr. 75. Astrosporina Trinii, Hymenom. Ross. pag. 194. TrinisSternkopf. — Hoch, schlank. 7 bis 11 cm hoch, 3 bis 6 cm breit. Hut kegel-glockenförmig, ausgebreitet, hoch und spitz gebuckelt, kastanıen- braun, Mitte ockergelb oder auch nach dem Rande fleischfarbig hellbraun mit ockergelber Mitte. Es kommen auch ganz blaß fleischfarbige Hüte vor, welche dann im Alter gelbbräunlich werden. Die Oberfläche ist in der Hutmitte glatt, nach dem Rande zu zartseidig fädig, daß sie ohne Lupe auch fast glatt erscheint. Hutfleisch 2 mm breit, im Buckel 5 mm dick. Lamellen angeheftet oder sehr verschmälert angewachsen, mäßıg entfernt, bauchig, 4 bis 6 mm breit, blaß olıvenfarbig, dann bräunlich. Sporen im Umfange rundlich- elliptisch, 7 bıs 8 «u lang, 5 bis 7 u breit. Die Seiten sind aber gerade, die Sporen also sechs-, sieben-, auch achteckig. Oft sind einige Seiten stumpf- winklig eingedrückt, so daß sternförmige Gebilde entstehen. Stiel 6 bis 9 cm lang, 4 bis 5 mm breit, zylindrisch, unten knollig, oben rötlich, weiß bemehlt, unten weiß, zart faserig, innen voll. Fleisch oben rötlich, unten weıß. (Gefunden unter Haselstrauch im Hommeltal im Vogelsanger Walde bei Elbing. Gattung Gomphidius Fries, Keilpilz, Schmierling. Hut fleischig, anfangs durch einen schleimig-fädigen Schleier mit dem Stiele verbunden, wie bei der Gattung Myzxacium, bei voller Entwickelung kreiselförmig, oben platt, nicht eingedrückt, nach unten keilförmig verjüngt. Lamellen entfernt stehend, herablaufend, diek, weich, mit scharfer Schneide. Sporen groß, sehr lang, spindelförmig, dunkel olivengrünlich-braun, also auch grünlich schwarz-braun, und nicht „schwarz“, wie in einigen neueren Werken angegeben ist. Winter nennt nRabenhorsts Kryptogamen-Flora die Sporen nach Fries schlichtweg „schwärzlich‘“, und daraus ist wahrscheinlich in den kleineren neueren Pilzbüchern verkürzt ‚schwarz‘ entstanden. Bestimmungsschlüssel. 1. Stiel oben weißschleimig, unten gelblich. Hut grau-violett- ee rn Nlartimosus, 2. Stiel ganz oben weißlich, nach unten zu hellbraun und dunkler flockig. Hut blaß rotbraun, dunkler gefleckt . . . .... gracilıs. >, Stielveanz weib, Eiut karmin-rosemrot 2. u. 00. roseus. 35 124 4. Stiel orangegelb, zinnoberrötlich-schuppig. Hut anfangs zin- noberrot-bräunlich, am Rand oraneefarbig, später wird der eanze Hut rotbraun : ..... ne Nr. 76.Gomphidius glutinosus Fries. Großer Schmier- ling. — Groß und derb. 6 bis 10 cm hoch, 5 bis 14 cm breit. Hut anfangs flach gewölbt, mit schleimigem Überzug, dann ausgebreitet, eben, in der Jugend gewöhnlich dunkel grau-violett-braun, später hellbraun, oder auch in der Jugend sepiafarbig, also gelblich-grau, mit brauner Mitte, fleischig, in der ganzen keilförmigen Höhe von 4 bis 5 cm voll. Hutfleisch weıß, im Alter auch blaß fleischfarbig. Lamellen herablaufend, entfernt, dick, weichfleischig, linealisch-lanzettlich, 3 bis 6 mm breit, anfangs weißlich, dann grau und zu- letzt umbrabraun, durch Druck schwarzfleckig. Sporen spindelförmig, 14 bis 23 u lang, 5 bis 6 u breit. Stiel entweder kurz und dick, 5 cm lang, 3 cm breit, oder verlängert und schmäler, 6 bis 7 cm lang und 1 bis 2 cm breit, zylindrisch, oder auch nach unten keilförmig verdünnt, oben anfangs mit weißschleimigem Ringe geziert, unten gelblich, durch Druck sich bräunend, innen voll. Fleisch nur im oberen Teile weiß, unten lebhaft eidottergelb, im Alter in der Mitte graubräunlich. Ohne besonderen Geruch. Jugendliche Exemplare habe ich eßbar und schmackhaft gefunden, ältere faulen bald. Unter Rottannen und Kiefern ganz gemein. Nr. 7%. Gomphidius gractilis Berkley. "Zierimehrr Schmierling. — Dünnstielig, schlank. 5 bis 7 cm hoch, 3 bis 4, seltener bis ö cm breit. Hut anfangs halbkuglig, dann auch ausgebreitet eben, oder auch wenig gebuckelt, braun oder blaß rötlich, mit braunem Buckel. Durch Druck dunkelbraun fleckig, schmierig, klebrig. Hutfleisch 3 bis 5 mm breit, weiß, unter der Oberhaut rötlich. Lamellen herablaufend, entfernt, dick, linealisch, 2 bis 3 mm breit, weich-fleischig, grau, später braun und schwarz fleckig. Sporen spindelförmig, 14 bis 21 « lang, 6 bis 7 u breit. Stiel 4 bis 6 cm lang, 3 bis 5 mm breit, außen ganz oben weiß, unten hellbraun, dunkel flockig bekörnelt, durch Druck schwarz gesprenkelt, innen voll. Fleisch weiß, ım Grunde blaß rosa. Wächst unter Rottannen in der Birkenallee im Vogelsanger Walde recht häufig. Nr. 78. Gomphidiusroseus Fries. Rosenroter Schmier- ling. — 6 cm hoch, 3 bis 4 cm breit. Hut flach gewölbt, ausgebreitet, breit gebuckelt, schleimig klebrig, dunkel karmin-rosenrot. Hutfleisch dick, 5 bis 10 mm breit, weiß. Lamellen herablaufend, entfernt, dick, schmal, 2 mm breit, weıßlich, grau, dann umbra-violett und schwarzfleckig, getrocknet schwarz. Stiel 4 bis 5 cm lang, 5 bis 8 cm breit, weiß, innen voll, weiß, im Grunde auch fleischfarbig. Gefunden unter Kiefern im Elbinger Pfarrwalde. Nr. 79. Gomphidus viscidus Linne KlebrigerKeil- pılz. — Größe sehr verschieden. Kleine Exemplare mit gewölbtem Hut sind 39 125 5 cm hoch, 2 cm breit bei ö5 mm dickem Stiele. Die bei uns häufiger vor- kommenden schlanken Exemplare haben bei 8 bis 10 cm Gesamthöhe und 4 bis 5 cm Hutbreite einen 1 cm dicken Stiel. Ich habe aber auch sehr oft Exemplare von 12 bis 13 cm Höhe, 8 cm Hutbreite, mit 1,5 bis 2 cm dickem Stiele im Vogelsanger Walde unter Kiefern gefunden. Hut spitz kegelförmig, seltener anfangs gewölbt, dann ausgebreitet eben, oder häufiger noch spitz, oder auch etwas stumpf gebuckelt. Oberfläche klebrig, anfangs zinnoberrot- bräunlich, mit orangefarbigem Rande, später wird der ganze Hut rotbraun. Hutfleisch in Stielnähe 5 bis 10 mm dick, orange-rötlich. Stiel zylindrisch, unten gebogen, 4 bis 8 cm hoch, 5 bis 20 mm breit, gelbbraun, über dem bald verschwindenden flockigen Ringe orangegelb, unterhalb desselben anfangs schuppig, später faserig, innen voll. Fleisch gelbbräunlich-rötlich. Geruch unangenehm. Ungenießbar. In unseren Wäldern unter Kiefern sehr häufig. Gattung Paxillus Fries 1836, Krempling, Pfahlpilz. (Rhymovis Persoon, Deichselpilz.) Hut am Rande stark eingerollt, umgekrempelt. Lamellen leicht vom Hutfleisch. sich ablösend, gedrängt, herablaufend, sehr dünn und häutig, rost- farbig, weich, durch Druck feuchtfleckig werdend. Die kürzeren Lamellen, welche bis in die Mitte des Hutes gehen, sind hinten seitlich an den längeren angewachsen, d. h. anastomosierend, oder netzartig verbunden. Sporen rostbraun. Bestimmungsschlüssel. A, Hut’ exzentrisch: a) Eingerollter Hutrand stark filzig. 1. Stiel schwarzbraun, sammetfilzig . . . 2.2... atro-tomentosus. 2. Stiel hellbraun, glatt, nur fein nen, Röihe 20. Tnvolutus. b) Hutrand nicht filzig. 3. Stiel fehlend oder kaum 1 cm lang, gelb acheruntius Humbold 1793, panuordes Fries. B. Hut ganz zentral gestielt. Hutrand glatt, nicht filzig, unter der Lupe feinschuppig . . . lepista. Nr. 80.7 Paxzillus atro-tomentosus Batsch Sammet- Tub-Krempling. == Groß, derb. 8 bis 12 cm hoch, 10 bis 22 cm breit. Hut anfangs flach, wenig gewölbt, später trichterförmig eingedrückt, exzen- trısch, oft auch, besonders bei kleinen Exemplaren, einseitig, schmal, spatel- förmig, rotbraun, auch rostbraun, oft auch umbrabraun, nach dem Rande gelblich, anfangs fein sammethaarıg, bald kahl, im Alter körnelig, rissig. Der eingerollte Hutrand ıst anfangs stark filzig. Hutfleisch dick, 2 bis 4 cm breit, weiß, später gelblich. Lamellen herablaufend, sehr gedrängt stehend, linealisch, schmal, nur 5, seltener bıs 7 mm breit, anfangs hellgelb, dann 40 126 dunkler, rötlich ockergelb. Sporen klein, rundlich elliptisch, 4 bis 5 u lang, 3 u breit, gelbbraun. Stiel oft sehr dick, 5 bis 7 cm lang, 2 bis 6 cm breit, mit dichtem, schwarzbraunem, zottigem Filz bedeckt, ınnen voll. Fleisch weich, anfangs weıß, bald gelblich. Es hat einen etwas dumpfen Erdgeruch, ist aber eßbar. Ich habe es roh, auch gebraten gegessen. An Kiefernstubben beı Elbing und besonders auf der Frischen Nehrung bei Kahlberg und Liep häufig. Nr. 81.: Paxillus involutus Batsch. Kahler Kreml: — 6 bis 9 cm hoch, 7 bis 12 cm breit, in der Jugend flach gewölbt, seltener noch wenig gebuckelt, später eingedrückt, fast trichterförmig. Oberfläche kahl, glatt, glänzend, ockergelb-rötlich-bräunlich. Der stark eingerollte Rand ist filzig-zottig. Hutfleisch 1 em breit, ockergelb, später rötlich. Lamellen herablaufend, sehr gedrängt, 5 mm breit, die kürzeren, welche bis ın dıe Mitte des Hutes gehen, sind seitlich am Hinterende an die längeren angewachsen, also anastomosierend. Sporen elliptisch, 6 bis 7 « lang, 4 bis 5 u breit. Stiel meistens exzentrisch, seltener zentral, 4 bis 6 cm lang, 1 bis 2,5 cm dick, ockergelb, bräunlich, längsfaserig gestreift, innen voll. Fleisch ockergelb, später rotbräunlich. Geruch etwas muffig. Der Pilz ist nicht giftig, hat einen sehr wenig kratzenden Nachgeschmack, der aber weniger auf der Zunge, als ım Halse zu verspüren ist. Ich habe ıhn ohne Schaden gegessen. Die Form mit exzentrischem Stiel wird von Schaeffer als Var. exentricus aufgestellt. Die verschiedenen Formen sind in unseren Nadel- wäldern ganz gemein. Nr. 82. Paxillus acheruntius Humbold 179, panwordes Fries Muschelkrempling. — Tritt in verschiedenen Formen auf. l. An Kiefernstubben spatelförmig, aufrecht bis 5 cm lang, 3 cm breit, oder halbiert becherförmig, 5 em lang, 5 cm breit, mit 1 cm langem Stiel. Diese Hüte sind glatt, zitronengelb, Rand stark eingerollt, die Lamellen orangegelb. | 2. Stiellose Formen, später spatelförmig oder halbiert becherförmig, seit- lich von Nadelhölzern herabhängend, bis 10 em lang, 8 cm breit. Der Grund des Hutes ist seitlich stielartig zusammengezogen, auf der Unterseite von den anastomisierenden Lamellen bedeckt. Hutoberfläche anfangs flaumig, dann kahl, schmutzig gelblich, nach dem Grunde zu violett-bräunlich. Hutfleisch 2 mm dick, weiß. Lamellen gedrängt, kraus, nach hinten herablaufend und miteinander verwachsen, linealisch, 3 mm breit, lebhaft orangegelb. Sporen rundlich-elliptisch, 4 bis 5 u lang, 3 bis 4 u breit. (refunden an Nadelhölzern ım Vogelsanger Walde beı Elbing. Nicht häufig. Nr.:-83. Paxzillus lepista Fries Schuppiger Kremp- ling. — Die Exemplare, welche ich gefunden, waren 8 bis 10 cm hoch, 5 cm breit. Hut flach gewölbt, dann ausgebreitet und wenig gebuckelt, am Rande gelblich-weißlich, ın der Mitte blaß rostbräunlich. Die Oberfläche er- 41 12% scheint dem bloßen Auge glatt, unter der Lupe filzig, nach dem Rande zu schuppig. Die Schuppen erscheinen aber nur als sehr flache Querfalten. Hut- fleisch 6 mm breit, weiß, dann gelb und rötlich werdend. Lamellen herab- laufend, gedrängt, linealisch, 3 bis 4 mm breit, erst weiß, dann gelblich und bräunlich. Sporen elliptisch, 7 bis 9 « lang, 4 bis 5 « breit, rostbraun. Stiel 6 cm lang, 1 cm breit, kahl, glatt, gelbbräunlich, rostbräunlich, faserig ge- netzt, zylindrisch, ganz am Grunde kreiselförmig verjüngt, innen voll. Fleisch weıß, dann rötlich, ohne besonderen Geruch und Geschmack. (Gefunden unter Buchen ım Moos ın der Nähe des Karpfenteiches im Vogelsanger Walde. Ich habe den Pilz lange Zeit für Tricholoma flavo- brunnea gehalten und unbeachtet stehen gelassen. Die Hutfarbe von P, lepista ist nach Fries schmutzig weiß, das stimmt nicht genau mit meinem Pilz; alles übrige ıst richtig. Von Paxillus involutus unterscheidet sich der Pilz durch den kahlen, nicht filzig-zottigen Hutrand, die zentrale, nicht exzentrische Hutstellung und die größeren Sporen. Register. Gattung Psalliota Harfenpilz, Egerling. Champignon. Re in Nm. | coretacen. 2:2... WON. > Bee ein. 12 |.echinataı „ee 18 Bmesntsalbas 0. El fuleola 2. 2... 000 tged campestris praticola alba. . „8 | fulvo-denticulata. . ... „ 4 = “ cinerea EIN Raematosperma et ie 3 rufescens , 15 | haemorrhoidaria . . . .» . 16 h, » umbrina EN PrOtensı se wa Eee ee Een ” silvicola . eh TuNoDhulan nn ne iR vaporana „ J0 | slvatica 2 EOERi ler ee EN Deutsche Namen. Acker-Champignon . . . . Nr. 1 | Grauschuppiger Feld -Cham- Nr. ul Champienon. . . 2.1.0, 16 Pienonese a a Braungelber Champignon . , 11 | Hain-Champignon . . En Braungelber gezähnelter Igelstachliger Chenlenen RE X > Championon... 2.2.0.0. 11°) KreideChampiesnon .... = „8 Dünstiger Champignon . . „ 10 | Majestätischer Champignon . „ 12 Flaumhaariger Champignon . ‚,„, 4 | Rotbraunschuppiger Feld- Gelber Garten-Champignon . „ 10 Champienon zu u. = nr, 35 Rußblättriger Feldehampignon Umbraschuppiger Feld-Cham- pignon I PU Waldrand-Öhampignon Wald-Champignon Nr. 13 17 2 6 128 Weißer Feld-Champignon Weißschuppiger Feld-Cham- pignon er Weißer Garten-Ohampignon Wiesen-Champignon ' Gattung Stropharia, Träuschling. aeruginea albocyanea . coronilla inuncta . luleonitens . melanosperma . Gelbglänzender Träuschling . Gesalbter Träuschling Glatter Träuschling Grünspan-Träuschling . Halbkugliger Träuschling Kot-Träuschling claviceps crustuliniforme elatum Jastibilis longicaudum lugens mesophaceum petiginosum Beraubter Tränling Bräunlicher Tränling Gestutzter Tränling Gezonter Tränling . Hoher Tränling . Keuliger Tränling Krustenförmiger Tränling Langstieliger Tränling Nr. 2. 27 21 24 28 20 Ik) merdaria palustris semiglobata squamosa stercoraria . virudula Deutsche Namen. 20 28 10 27 23 26 32 39 31 33 41 42 Deutsche Nr. 43 Kranzförmiger Träuschling . Mist-Träuschling Schuppiger Träuschling Schwarzsporiger Träuschling Sumpf. Träuschling . Weißlicher Träuschling Gattung Hebeloma, Tränling. u | 34 punctatum . spoliatum strophosum . subzonatum testaceum iruncatum . versipellis . Namen. Punktierter Tränling Räudiger Tränling . Schalen-Tränling Schleier-Tränling Trauernder Tränling Verkümmerter Tränling . Verschiedenhäutiger Tränling Widerlicher Tränling . 29 21 45 30 40 35 38 36 + 43 42 38 39 33 40 44 39 129 Gattung /nocybe, Faserkopf. Bongardii . cincinnata . .deglubens ‚descissa .destricta dulcamara . eutheles . ‚Fastigrata fibrosa ‚geophylia ‚grata hirsuta . hiulca hystriw . Angenehmer Faserkopf Aufgerissener Faserkopf . Birn-Faserkopf . Bittersüßer Faserkopf Bongardis Faserkopf Erdblättriger Faserkopf . Faseriger Faserkopf Filziger Faserkopf . Flaumiger Faserkopf . Geschundener Faserkopf . Grindiger Faserkopf Haariger Faserkopf Holunder-Faserkopf Kegeliger Faserkopf Nr. 59 [a1 52 51 58 57 66 56 45 48 50 54 53 68 lacera lucifuga maritima perbrevis plumosa pyrodora rımosa sambucina . scabella . scaber strigiceps tomentella . tricholoma . Deutsche Namen. Nr. 50 ” 51 63 57 59 48 45 62 70 52 | Klaffender Faserkopf . Kräftiger Faserkopf Kurzstieliger Faserkopf Lichtscheuer Faserkopf Meerstrand-Faserkopf . Rauhhaariger Faserkopf . Räudiger Faserkopf Russiger Faserkopf Schäbiger Faserkopf Scharfer Faserkoptf. Stachelborstiger Faserkopf . Striegliger Faserkopf . Struppiger Faserkopf . Wickel-Faserkopf Gattung Astrosporina, Sternkopf. carpta lanuginosa . Faseriger Sternkopf Gerupfter Sternkopf glutinosus . gractlis . 35. Ber. d. Wpr. Bot.-Zool. Vereins, Nr. „ 12 73 praetervisa . Trinivi Deutsche Namen. Nr. 74 „ 12 Trinis Sternkopf Zerrissener Sternkopf . Gattung G@omphidius, Schmierling, Keilpilaz. Nr. 76 | roseus 77 | viscidus . „ dt 65 ek 19 130 Deutsche Namen. Großer Schmierling . . . Nr. 76 | Rosenroter Schmierling Klebriger Keilpilz . . . . „79 | Zierlicher Schmierling Gattung Paxillus, Krempling, Pfahlpilz. acheruntius - - . =». Nr. 82 | lepista N atro-tomentosus . » = =. 580 | panuoide . Involıtus, zen u ee sl ı Deutsche Namen. Kahler Krempling . . . . Nr. 81 | Sammetfuß-Krempling . Muschel-Krempling . . . „82 , Schuppiger Krempling en 45 Nr. 78 [Ki ..83 82 s0 83 131 Über das Vorkommen der Sumpfschildkröte in Westpreußen. (3. Mitteilung.) Von Dr. P. Dahms in Zoppot a. Ostsee. er Laufe der letzten drei Jahre habe ich einige weitere Fundorte von Emys europaea Schweigg. für unsere Provinz in Erfahrung bringen können. Aus dem Regierungsbezirk Danzig erhielt ich zwei Daten. Nach Herrn stud. rer. nat. Hanns von Lengerken in Danzig wurde ım Jahre 1905 eine größere Sumpfschildkröte im Langfuhrer Hammerparkteiche, Stadtkreis Danzig, an der Angel gefangen. Wie der Kutscher, der sie erbeutete, angab, kommt das Tier an diesem Orte häufiger vor (Mitt. 18. September 1909). Herr stud. von Lengerken fand ferner 1907 auf einer feuchten Wiese dicht am Freudentaler See (Kreis Danziger Höhe) ein kleines Exemplar der Sumpfschildkröte und setzte es ins Wasser (Mitt. 18. September 1909). Im Regierungsbezirk Marienwerder fing Herr Fischereipächter Zierock ein solches Tier im Achtziger See bei Klein Jauth, Kr. Rosenberg. Es hatte eine ungewöhnliche Größe. Der Rückenpanzer war 17 cm lang und 14,5 cm breit; für die Entfernung von Kopf- bis Schwanzspitze wurde eine Strecke von 32 cm ermittelt („Gesellige‘“; Rosenberg, 20. Juni 1910). — Auf der Thorner Weichselkämpe erbeutete Herr stud. rer. nat. Werner Stacho- witz ın Thorn in der Mitte des Monats August 1910 eine Emys. Sie befand sich außerhalb des Wassers ın einem mit Gras bewachsenen Erdloche, einige Meter von einem Weiden-umrahmten Tümpel entfernt, wie sie für die dortigen Kämpen typisch sind. Das Tier war ausgewachsen und hatte ein etwa 13 bis 15 cm langes Schild. In der Gefangenschaft zeigte es sich äußerst munter und nahm sofort frisches Fleisch an. Das Rückenschild war stark abgenutzt, so daß der Verdacht zurückzuweisen ist, das Tier seı ausgesetzt oder entronnen. Auch die Größe spricht nach Herrn stud. Stachowitz dafür, daß es sich um ein Tier handelt, das stets in Freiheit lebte. Fand er doch auf dem Markte immer nur kleinere Exemplare. Der Städtische Förster be- stätigte ihm auch, daß an diesem Fundorte häufiger Schildkröten anzutreffen seien. Erst im vorigen Jahre habe er dort drei solcher Tiere gefangen; leider seien sie noch im gleichen Jahre in der Gefangenschaft eingegangen (Mitt. 28. September 1910). — Schließlich wurden vor mehreren Jahren in Richnowo, al g* 132 Kr. Graudenz, zahlreiche Schildkröten von Herrn Kaufmann Reinhold Giesein Flatow beobachtet und auch gefangen (Mitt. des Herrn Gutsbesitzer Jochim-Graudenz; 23. November 1909). Inzwischen hat sıch das hier interessierende Tatsachenmaterial erheblich vermehrt, besonders durch einen Aufsatz von H.Conwentz!). Dieser bringt eine Menge von Daten, die unsere Kenntnis von dem Auftreten der Sumpf- schildkröte wesentlich erweitern. Die zugrundeliegenden Stücke sind von einem Zoologen als Emys europaea Schweigg. bestimmt. Wieweit sie spontan sınd, ıst natürlich ohne weiteres nicht zu ersehen. Sie sollen zur Abrundung und Vervollständigung des Gesamtbildes hier mitbenutzt werden. Das Gleiche gilt für die Literatur, welche noch nicht berücksichtigt wurde oder inzwischen erst erschien. Auch einige andere Punkte müssen zur Behandlung kommen, die dem heutigen Stande unserer Vorstellung jetzt etwas näher gerückt werden können, als es bisher möglich war. | Das Kärtchen, das ich für das Vorkommen von Emys ın Westpreußen entwarf?), hat eine Weıterung erfahren. Als Hauptverbreitungsgebiet konnte ich zwei Teile der Provinz, eins im Südosten und eins im Südwesten, festlegen. Herr Universitätsprofessor Dr. Lühe?) in Königsberg hat in Anlehnung an diese beiden Gebiete auf eine weitere Karte die ostpreußischen Kreise ein- getragen, für die das Auftreten der Schildkröte ebenfalls sicher bekannt ist. Es sınd das: Allensteın, Lötzen, Neidenburg, Ortelsburg, Osterode, Rössel, Sensburg. Dabei ergibt sich, daß der Bezirk in Ostpreußen sich sehr schön an das östliche der beiden westpreußischen Verbreitungszentren anschließt. Er entspricht bis auf die Kreise Johannisburg und Lyck vollkommen dem heutigen Regierungsbezirk Allenstein. Wenn ich früher bereits meine Verwunderung aussprach, daß aus dem Kreise Thorn Funde unserer Schildkröte nicht bekannt seien*), so ist meine Er- wartung, die ıch damit indirekt zum Ausdruck brachte, inzwischen erfüllt worden. Nicht nur dieser Kreis ıst nunmehr dem westpreußischen Verbreitungs- gebiete zuzurechnen, sondern auch Dt. Krone, Marienwerder, Schlochau und Schwetz. Damit wäre die Lücke zwischen den beiden zuerst bekannten Zentren ausgefüllt und der westpreußische Gesamtkomplex für die Verbreitung außer- dem noch durch das Hinzutreten von Dt. Krone etwas nach Westen verschoben. Er umfaßt jetzt, mit Ausnahme von Kreis Kulm, den ganzen Regierungs-Bezirk Marienwerder. Seit den Angaben von Friedrich SamuelBock (1784) !) Conwentz: Vorkommen und Verbreitung der Sumpfschildkröte in Westpreußen und im Nachbargebiet. Mit 2 Abb. 30. Amtl. Bericht über die Verwaltung des Westpr. Prov.- Museums für das Jahr 1909. Danzig 1910. S. 44 bis 60. 2) Dahms, Paul: Weitere Mitteilungen über das Vorkommen der Sumpfschildkröte, Emys europaea Schweigg., in Westpreußen. 31. Ber. d. Westpr. Bot.-Zool. Ver. 1909, S. 160. 3) Lühe: Die Verbreitung der Sumpfschildkröte in Ostpreußen. Mit 1 Fig. Schrift. d. Phys.-Ökon. Ges. zu Königsberg i. Pr. 50. Jahrg. 1909; 1910. $. 348—350. sa. a. 0752168 [D 153 sind in diesem Restgebiet Funde nicht bekannt geworden. Da es jedoch rıngsum von Kreisen umschlossen ist, welche die Sumpfschildkröte beherbergen, dürfte auch für Kulm jeden Tag eine bejahende Notiz zu erwarten sein. Emys bewohnte auch noch nach der Eiszeit die Sümpfe und Moore von ganz Deutschland und dehnte ihr Gebiet bis an den Rhein und nach England hin (Brehm). Doch auch aus Südschweden, Dänemark und der Westschweiz sind Rückenschilde und andere Reste von ıhr in Torfmooren gefunden worden. Ein Bild von der jetzigen Verbreitung erhalten wir bereits beim Über- blicken der Literatur. So sind nach ©. Greve!) für Kurland fünf Fälle bekannt, „die mit genauen, drei, die mit annähernden Daten versehen sind, und vier ohne Zeitangaben. Erwähnt werden ım ganzen 22 Exemplare oder mehr“. Freilich sind seit etwa 26 Jahren keine Nachrichten über weitere Funde an die Öffentlichkeit gelangt. Wieweit die Angabe von G. Schweder?‘) sich auf diese aufgeführten oder noch ältere Stücke bezieht, ıst nicht zu entscheiden. Jedenfalls kommt das Tier in Livland, nördlich der Düna, nicht mehr vor. Nach einer Angabe von R. Hilbert in Sensburg in Ostpreußen würde sich das Verbreitungsgebiet für diese Provinz durch den Fund bei Tannenwalde, nahe Rastenburg, etwas nach Norden hin vergrößern). Erwähnt mag hier noch- mals werden, daß Heinrich Rathke sich bereits 1846 dahin aussprach, das Reptil seı ın der südlichen Hälfte der Provinz häufig, selten dagegen ın der nördlichen. Daß er auch das Tier in Westpreußen für selten hielt, darf nicht verwundern. War man doch bis 1906 auch in unserer Provinz der gleichen Meinung und hielt es sogar für ausgestorben. R. Friederichs*) berichtet über die Sumpfschildkröte in der Mark Brandenburg‘) und Hahn’) über diese ın Mecklenburg-Strelitz. Die erstere Arbeit faßt die Fundnachrichten aus der Mark zusammen und weist auf das allmähliche Zurückdrängen des Tieres in diesem Gebiete hin. Die andere gibt an, daß in den letzten 25 Jahren Emys mit Sicherheit in 24 Gewässern nachgewiesen werden konnte. Alte Tiere auf dem Wege zur Eiablage wurden öfter erbeutet und junge Exemplare von Walnußgröße ausgepflügt. Über das Vorkommen in Posen, Hannover, Schleswig-Holstein und andere Funde ist ebenfalls berichtet worden‘). Eine I) Greve, C.: Die Teichschildkröte (Eimys orbieularis [L.]) in den Östseeprovinzen. Korres- pondenzblatt des Naturforscher-Vereins zu Riga. 53, Riga 1910. S. 19—23; vergl. S. 22, 23. 2) Schweder, G.: Die Baltischen Wirbeltiere nach ihren Merkmalen usw. J. Deubner- Riga-Moskau. 1911, S. 54. 3) Beobachtungen von Sumpfschildkröten und Nörz in Ostpreußen. Schrift. d. Phys.- Ökon. Ges. zu Königsberg i. Pr. 51. Jahrg. 1910; 1910. S. 315, 316. 4) Mitt. des Fischerei-Vereins für die Provinz Brandenburg.- Band 2, Heft 13, 9. Sept. 1910, S. 201 ff, — Globus Bd. 98, Nr. 22; 15. Dez. 1910, S. 354, 355 (Ref.). 53) Zum Vorkommen der Sumpfschildkröte (Emys europaea) in Mecklenburg-Strelitz. Archiv d. Ver. der Freunde der Naturgesch. in Mecklenburg. 64. Jahr (1910), Güstrow 1910, S. 149—151. 6) 29. Amtl. Bericht über die Verwaltung des Westpreußischen Provinzial-Museums für das Jahr 1908. Danzig 1909, S. 18, und 30. Amtl. Bericht für 1909, Danzig 1910, S.53 bis 57. 3 154 gute Vorstellung von der Verbreitung erhält man, wenn man die Fundorte in eine geologische Karte einträgt, in der die Endmoränen und Urstromtäler ver- zeichnet sind!). Schon während des Zeichnens fällt der Umstand auf, daß diese Orte in die Moränengebiete bzw. in die alten Flußläufe hineinfallen, ferner auch, daß sie vielfach mit den auf der Karte verzeichneten, bekannten Namen zusammentreffen. | Von den Ostseeprovinzen mit ihren wenig bekannten Resten des Dilu- viums beginnend, treffen wir auf ein Hauptverbreitungsgebiet in Ostpreußen. Die hier gemachten Funde liegen fast sämtlich (80 bis 90 %) direkt in den Endmoränen der letzten Eiszeit. Auf westpreußischem Gebiete östlich der Weichsel treten die Moränen weniger dicht zusammen und sind auch nicht in so reicher Menge vertreten, wie ın der Nachbarprovinz. Wie ich schätze, stehen etwa 50 % der vorliegenden Fundorte mit ihnen ın näherer Beziehung. Auf der Westseite des Weichselstromes treten die Moränenzüge wieder zu einem dichten Gewirr zusammen. Zwischen ihnen und in ihrer größten Nähe liegen dann auch wieder die meisten Fundorte. In Pommern ziehen sich diese von Rummelsburg (Pomm.) nach Arnswalde (Brandenburg) und dem Kreise Saatzig (Pomm.) an den Abflüssen zu dem Thorn-Eberswalder Haupttal?) bzw. den pommerschen Küstentälern hın. Dann verlaufen sie weiter über Anger- münde, Templin und Prenzlau ın Brandenburg und Neu-Strelitz über die mecklenburgische Seenplatte auf die Wismarer und Lübecker Bucht zu und ferner durch Schleswig-Holstein, wo sie wieder fast vollständig mit dem Moränenzug zusammenfallen. Es entspricht dieser Verlauf der Fundorte der Stillstandslage des zurückweichenden Eises, als es mit seinem Südrande der ganzen Ausdehnung nach auf der Höhe des Baltischen Höhenrückens lag. Da es während dieser Phase, der längsten Zeit des Rückzuges, in Ruhe blieb, bildet ihr Eindmoränenzug nun einen fast ununterbrochenen Zusammenhang von Schleswig-Holstein bis zur russischen Grenze und über diese hinaus nach Osten. — Weitere zusammenhängende Reihen von Fundorten verlaufen von den Kreisen Strelno und Witkowo in Posen nach Bromberg hin im alten Thorn- Eberswalder Urstromtal und vom Bomst nach Schwerin im Warschau-Berliner Tal. Diese Züge sind gekennzeichnet durch kleine Seenzüge, wahrscheinlich die Reste alter subglazialer Abflüsse zum jeweiligen Urstrom, Flußlaufverbin- ‘dungen und mooriges Gelände. — Auch aus der Richtung von Magdeburg, Provinz Sachsen, her verläuft ein solcher Streif durch den Kreis Zauch-Belzig (Brandenburg) und Westhavelland nach Joachimstal i. U. und ein anderer vom !) Keilhack, K.: Begleitworte zur Karte der Endmoränen und Urstromtäler Nord- deutschlands. Mit einer Tafel. Jahrbuch der Königl. Preuß. Geolog. Landesanstalt für 1909, Bd. 30, Teil 1, Heft 3; Berlin 1909, S. 507 bis 510, und Geinitz, E.: Die Einheitlichkeit der quartären Eiszeit. Mit 22 Figuren und 1 Karte. Neues Jahrbuch für Mine I Br und Paläontologie. Beilage — Bd. 16, 1902, S. 1—98. 2) Keilhack: Thal- und Seebildung im Gebiet des Baltischen Höhenrückens. Mit 1 Tafel. Verh. d. Ges. für Erdkunde zu Berlin 1899, Nr. 2 und 3, S. 129 bis 139. 4 135 Kreise Kalau aus durch den Kreis Beeskow-Storkow (beide in Kr. Branden- burg), bzw. von Guben, in nordwestlicher Richtung und im Warschau- Berliner Urstromtal ebenfalls nach Joachimstal hin. Abseits und isoliert liegen die Fundorte ın und um Danzig, von Geeste- münde, Köslin und Tilsıt. Es dürfte schwer zu entscheiden sein, ob sie von Tieren bevölkert wurden, die aus ihrer natürlichen Heimat stromabwärts ge- schwemmt in der Nähe der Strommündung passende Wohnsitze fanden, oder ob sie aus der Gefangenschaft der nahen Städte entflohen. Das Braunschweigische Gebiet und das Königreich Sachsen weisen bereits Moränenbildungen des älteren Diluviums auf, ebenso Holland. Ein Vergleich solcher Diluvialgelände mit den Aufenthaltsorten der Schildkröte zeigt, weshalb die bekannten Fundorte sich so gut in die geo- logische Karte einpassen. Die Einsattelungen und Vertiefungen zwischen den einzelnen Höhenkuppen der Moränenlandschaften erfüllen kleinere oder größere Seen. Diese ursprünglich vorhandenen Wasserbecken können verlanden und so die Veranlassung zur Bildung von Torfmooren geben. Hier und da durch- furchen auch tiefe, heute teilweise tote Täler diese Landschaft; sie sind meist als Abflußrinnen der ehemaligen Schmelzwässer zu deuten. Ferner wurden die alten Flußbetten durch die Diluvialsedimente stark verschlämmt. Dadurch entstanden zahlreiche Seen von verschiedener Größe. Die jetzige Ausbreitung betrifft also mit Sicherheit die deutschen Pro- vinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Posen und Schlesien. — Über das Vorkommen in Schlesien soll in nächster Zeit von anderer Seite zusammenfassend berichtet werden. Es dürfte dann nicht uninteressant sein, auch diese Angaben mit ihren Fundorten auf der geologischen Karte zu ver- folgen. Neu hinzukommt zu den bereits früher genannten Fundgebieten die "Provinz Schleswig-Holstein. Die von hier bekannten Fundorte sind freilich größere Städte, deren Gelände andererseits all das bietet, was für den Auf- enthalt von Emys von Bedeutung ist. Über zwei von den bekannten Fund- orten führt der große Moränenzug direkt hinüber. Auch die Provinz Hannover wird wohl bald als Heimat der Schildkröte unbeschränkt anzusprechen sein. Liegt sie doch zwischen Provinzen, in denen Emys nachgewiesen ist, und weist ein ähnliches Gelände wie die ıhr benachbarten auf. Für die Verbreitung der Sumpfschildkröten von größeren Städten aus ‚bietet Danzig ein vortreffliches Beispiel. Dort wurde sie im Festungsgraben des Ravelin und von Weichselmünde, in der Schuitenlake, in der Nähe und ım Gewässer des Kleinkammer-Parkteiches, des Strießbaches und des Sasper Sees, ferner in dem Mühlteich von Oliva und von Strauchmühle und am Freuden- taler See gefunden und nachgewiesen. Nach diesen Daten müßte man ohne Bedenken annehmen können, das Tier sei hier sehr verbreitet, überaus häufig und selbstverständlich spontan. Besonders der Umstand gibt ein schiefes Bild von den tatsächlichen Verhältnissen, daß Emys hier vielfach auf festem Boden und sogar auf Wegen erhascht wurde. Danzig scheint mit seiner Umgegend 5 136 bei den jetzt für dıe Sumpfschildkröte so ungünstigen Lebensbedingungen das Gelobte Land zu sein. Unwillkürlich gelangt man auch dadurch zu falschen Anschauungen, daß man darauf hinweist, hier und dort würden solche Rep- tilien sogar auf dem Markte feilgeboten. Wohl aber hat dieses Feilbieten eine gewisse Bedeutung für sie. Das Tier wird ın die Wohnungen mitgebracht, aller- seits betrachtet, und damit steigt ein gewisses Interesse für seine Lebensweise auf, die bei Gelegenheit zum Ausdruck kommt. So wurde sein Vorkommen im Flußgebiete der Oder in Mähren und Österreichisch Schlesien auch erst allgemeiner bekannt, als man bereits lange Zeit hindurch mit ihm auf dem Markte Handel getrieben hatte (Smy.cka). Ob die feilgebotenen Tiere frei- lich spontan sind oder ıhrerseits wieder gekauft wurden, ıst so leicht nicht festzustellen. Nach Dürigen und Lampert!) wurde früher in der Ucker- und Neumark, insbesondere von Wrietzen und Frankfurt a. O. aus mit ihnen eın lebhafter Handel betrieben. Während der Fastenzeit der Katholıken schickte man sie „zu vielen Fudern‘ nach Schlesien und Böhmen. Wie ıch bereits früher berichtete“), wurde die Sumpfschildkröte auch gelegentlich auf den Langfuhrer Wochenmarkt gebracht. Trotzdem nach ver- schiedenen Seiten Nachfragen angestellt wurden, konnte leider eingehenderes hier nıcht ermittelt werden. Inzwischen hat sich der Schleier, der über dieser Angelegenheit lag, gelüftet. Herr stud. rer. nat. HannsvonLengerken teilte mir hierüber folgendes mit (18. September 1909): Die in Betracht kommende Frau erschien zweimal auf dem Markte und dann nie wieder. War doch ıhr Absatz, wıe sich von vornherein vermuten ließ, ein äußerst geringer. —— Herr stud. von Lengerken erstand ein Tier zu 0,75 M und schätzt dessen Alter auf etwa fünf Jahre. Als Futter wurden Salat, Regenwürmer und rohes Rindfleisch verwendet, doch ging das Tier bald aus unbekannten Ur- sachen ein. — Wie sich durch Fragen aus der Frau herausholen ließ, stammen diese Schildkröten nicht aus Westpreußen. Der Fundort war nicht zu er- mitteln, doch äußerte sich die Händlerin in folgenden Worten zur Tatsache: „Woher die Biester sind, wees ich nich, hier gibt dat sowas nich. Die sin von ganz weit weg.“ Schließlich gab sie an, sie habe die Tiere von einem durch- zıehenden Händler erstanden. — Von Interesse dürfte auch die Notiz sein, daß Emys auf dem Markte von Thorn gelegentlich zum Verkaufe ausgestellt wird. Herr stud. Stachowitz, dem ich die Mitteilung verdanke (28. September 1910), setzt freilich hinzu, daß die feilgebotenen Tiere stets nur klein ge- wesen seien. Der Handel mit Schildkröten durch die Italiener setzte erst gegen Ende der 0er Jahre des vorıgen Jahrhunderts ein; später wurde er von Geschäfts- häusern übernommen und weitergeführt. In Süditalien und besonders im Vene- 1) Lampert, Kurt: Über einen Fund der Sumpfschildkröte in Württemberg. Jahres- hefte des Ver. für vaterländ. Naturk. in Württemberg. 65. Jahrg., Stuttgart 1909, S. 270—274, vergl. S. 272. 2) Weitere Mitteilungen usw. Vergl. S. 144, 145, 6 tianıschen wird das Tier zum Verkaufe an Liebhaber von Aquarien und Ter- rarıen gefangen. Ich entsinne mich der Zeit noch recht wohl, als die ersten kleinen Schildkröten durch den Handel nach Danzig kamen; es war um das Jahr 1878. Der Inhaber der noch heute in der Heiligegeistgasse bestehenden Hutfabrik August Hoffmann, der ein großer Liebhaber und Freund der Tiere war, brachte das Aquarienwesen zu einem erheblichen Ansehen'). Seine Sammlungen von lebendem Material vergrößerten sich mehr und mehr und verlangten ihre Abwartung und Pflege. Neben den ausländischen Tieren wurden jedoch auch solche aus der Heimat verlangt, und so kam es, daß seine Söhne und ıhre Freunde in den Tümpeln der Wälder von Langfuhr und Dreischweins- köpfe und auch sonst ım Gelände, nach verschiedenartigem lebendem Getier und vor allem nach Nahrung für die Bewohner der Aquarien und Terrarien suchten. Da der Fleiß der Sammler durch kleine Belohnungen aus den vor- handenen Vorräten anerkannt und weiter angespornt wurde, wuchs das Inter- ‚esse an diesem Zweig der angewandten Naturkunde ganz bedeutend und regte zu einer immer weıteren Ausdehnung der eigenen Sammlungen an. Gerade die kleinen, etwa 5 cm langen Schildkröten waren lange Zeit das Ziel all unserer Wünsche, und wem es gelang, eine davon zu erstehen, konnte des auf- richtigsten Neides seiner Kameraden gewiß sein. Wenn schon dieses Interesse für die Tierwelt recht anerkennenswert war und die Eltern der Jungen diese Neigung auch nach Möglichkeit unterstützten, so machte die Schule leider bald eigenartige Erfahrungen. Die Leistungen gingen recht erheblich zurück, und als sie sich trotz aller Ermahnungen nicht wieder heben wollten, wurde kurzer Prozeß gemacht. Das Halten von Tieren wurde untersagt, und die bereits vor- handenen mußten abgeschafft werden. Ich habe damals meine Schildkröten in den Stadtgraben am Hohen Tor ausgesetzt; wo meine Kameraden mit ihren Lieblingen abblieben, ist mir freilich unbekannt. In den Iahren 1891 und 1892 führte mich mein täglicher Weg ın Danzig durch die Drehergasse, einer schmalen Straße neben der Langen Brücke. In einem kleinen Laden wurden damals zwischen dem Außen- und dem Innen- fenster der Auslage — entsprechend dem sog. „Wintergarten“ ın Wohnungen — Sumpfschildkröten zum Verkauf gehalten. Die Tiere wurden mit Salat gefüttert und stellten sich gern aufrecht, wenn Sonnenstrahlen ihren Behälter auf kurze Zeit trafen, um möglichst viele Wärme aus ihnen aufzunehmen. Ob der Verkauf lohnend war, weiß ich nicht. Wohl aber war ein lebhaftes Interesse für die Tiere vorhanden, und oft standen die Kinder voll Teilnahme davor und machten ihre Beobachtungen und Bemerkungen. Daß Kinder leicht auch auf die Erwachsenen ihr Interesse übertragen, ıst bekannt; und wenn der Preis nicht zu hoch und die Überzeugungskraft und Beredsamkeit des Ver- käufers erheblich ist, wird der Handel bald abgeschlossen. Die hierbei aus- I) Bail, Th.: Mitteilungen über die Fauna von Danzig und seiner Umgebung. Danzig in naturwissenschaftlicher und medizinischer Beziehung. Danzig 1880, S. 61—96; vergl. S. 78. 7 gespielten Schlagworte dürften sich in gewisser Hinsicht mit denen decken, die vor einiger Zeit angeführt wurden, als kleine Heideschnucken zum Verkaufe ‚angepriesen wurden. Man rühmte, daß sie eine Zierde von Wiese und Park ‚sowie ein passender Spielgefährte für Kinder seien, dabei wären sie anspruchs- los und lieferten geschlachtet ein schönes Fell und einen an Reh erinnernden Braten. Anspruchslosigkeit und Geduld sind auch bei Emys vorhanden, die ‚aus ihr gewonnene Suppe hat einen guten Ruf, ıhr Panzer läßt sich hier und dort verwerten. Daß das Interesse für sie bald erlahmte, besonders da das Tier den zur Nahrung gebotenen Salat nicht dauernd fressen wollte und daher krank ‚sein mußte, daß dann von dem Schlachten und Zubereiten wohl meist Abstand genommen wurde, besonders da man sich im unklaren befand, wie man dabei verfahren müsse, läßt sich verstehen. Der langweilige Gast wurde dann wohl verhandelt oder verschenkt, vielleicht auch aus Mitgefühl mit seiner schein- baren Krankheit seinem Elemente zurückgegeben und in das nahe Wasser ‚geworfen. — Derartige kleine Handlungen kommen in besuchteren und brei- teren Straßen kaum vor; die hohe Ladenmiete, der niedere Kaufpreis der ‚Stücke und das geringe Interesse des dahinhastenden Geschäftslebens legen dagegen Verwahrung ein. Hier in der Drehergasse lebten tierfreundliche Menschen, die gegen, Herbst ihr Geschäft mit Schildkröten, das nicht mehr ‚Zugkraft hatte, aufgaben und sich zwischen die Doppelfenster eine zahme Krähe setzten, das frühere Terrarium also in ein Vogelhaus umwandelten. Nehmen wir nun noch die Schildkröten vom Langfuhrer Wochenmarkte hinzu, so müssen wir uns sagen, daß bei ihnen weniger der Ort der Herkunft, als des Verbleibs von Interesse ıst. Ich kann hier nur drei solcher Verkaufs- ‚stellen anführen, muß aber dabei auf die stattliche Menge von auswärtigen 'Geschäftshäusern hinweisen, die ihre Kataloge mit den verschiedensten Ver- tretern der Reptilien, Amphibien und Fische aus der Heimat und Fremde leicht zur Verfügung stellen und unter den bequemsten Zahlungs- und Versand- bedingungen liefern. Die Liebhaberei für Schildkröten ist nicht allzusehr verbreitet. — Die Landschildkröten erregen bei ihrer Langsamkeit kein rechtes Interesse, die 'Sumpfschildkröten befinden sich dagegen, im Zimmer gehalten, unter un- ‘natürlichen Bedingungen und machen deshalb auch nur wenig Freude. Nur wo ihnen genügend Raum und Bewegungsfreiheit unter entsprechenden äußeren Verhältnissen geboten werden kann, kommen sie zur Geltung. Die letzteren Bedingungen sınd freilich sehr schwer zu erfüllen. Trotzdem finden sich nicht nur unsere Emys, sondern auch andere im Wasser lebende Schildkröten ver- hältnismäßig oft in Gefangenschaft und gelangen durch Flucht oder Ent- fernung zur Freiheit. Die neueste Literatur führt viele und verschiedenartige solcher Tiere auf, die sich so der Freiheit erfreuten. — Ich kann in dieser Hin- sicht nur über die Griechische Landschildkröte berichten. Im Juni 1911 wurde ‚ein Exemplar davon in Zoppot, und zwar auf der Seestraße erbeutet. Da am darauf folgenden Tage drei weitere Funde an verschiedenen Punkten der Stadt a 139 gemacht wurden, ist es außer Frage, daß sie an einer Stelle in größerer Menge gefangen gehalten wurden. Da um diese Zeit in der Seestraße vor einem Kolonial- und Delikatessengeschäft hinter einem locker zusammengerollten und dem Boden nicht fest anliegenden Drahtgeflecht Landschildkröten zum Verkaufe bereit gehalten wurden, hat man hier wohl den Ausgangspunkt ihrer Wanderung anzunehmen. Am Vormittag des 27. Januar 1909 machten die Herren Prof. Boldt und Prof. Dr. Treicehel aus Danzig einen Spaziergang durch Langfuhr. Dabei trafen ste an der Ecke vom St. Michaels- und dem Königstaler Weg eine Schildkröte, die von dem Gewichte eines Wagens zermalmt war. Es gelang mir, am nächsten Tage das Tier ın seinem zertrümmerten Gehäuse an dieser Stelle in hart gefrorenem Zustande noch aufzufinden. Es handelte sich um eine etwa 15 cm lange Testudo graeca L. Auch das auf den sog. Pferdewiesen der Lauen- burger Vorstadt von Kolberg gefundene Tier — über das ich früher be- richtete —, stammt sicher aus der Gefangenschaft, gleichgültig, welcher Gattung und Art es angehörte. Ist es leicht, die Landschildkröte im Freien als eine Ausländerin ohne weiteres zu erkennen, so stellen sich dort unüberwindbare Schwierigkeiten ent- gegen, wo man eine Emys als einheimisch oder als Flüchtling aus der Ge- fangenschaft bezeichnen soll. Ende der 70er Jahre wurde sie verschiedentlich ın den Becken der Springbrunnen von Privat- und Gesellschaftsgärten — auch Danzigs — gehalten. In der Mitte der Anlage erhob sich meist ein Tuffsteinfels, aus dem das Wasser emporsprang und auf den es plätschernd wıeder zurückfiel. Es befeuchtete das Gestein und ließ die angepflanzten Gewächse zur üppigen Entwickelung kommen. Hier ergaben sıch die ver- schiedenartigsten Bedingungen für das Leben eingesetzter Tiere; hier bot sich ein Aquarıum ın Verbindung mit einem Terrarium für den Besucher der Gärten. In solchen Anlagen wurde die Sumpfschildkröte in den ersten Jahren auch gehalten, solange man ihre Neigung, den Fischen und Amphibien nachzustellen, noch nicht kannte oder an sie nicht glaubte. Gegen Ende des Jahres wurde sie beim Entleeren der Wasserbehälter meist nicht mehr gefunden. Nach kräftiger Dezimierung ihrer Mitgefangenen und vielleicht auch aus anderen Gründen, war sie ausgezogen, um andere passendere Jagd- gründe zu suchen. Bei der Beweglichkeit und der zur Nachtzeit bemerkbaren Lebhaftigkeit des Tieres wird die Tuffsteinbekleidung der inneren Bassinmauer ihm nicht zuviel Schwierigkeiten in den Weg gestellt haben. Daß auch in vielen anderen Städten Emys ausgesetzt wurde, wie es zum Beispiel vom Fasanengarten in Celle bereits aus früheren Jahrhunderten bekannt ist, unter- liegt meines Erachtens keinem Zweifel. Auch aus der jüngsten Zeit liegen einige Nachrichten dieser Art vor. So erfuhr sie im Weichbilde der Stadt Stralsund durch städtische Organe und Privattätigkeit weitgehenden Schutz. Dieser machte sich durch eine langsame Vermehrung und Ausbreitung ihrer- seits bemerkbar. Zu den letzten Resten des früheren Bestandes, die den sog. 9 140 Moorteich bevölkerten, wurden zwecks Blutauffrischung von auswärts be- zogene Stücke ım Stadtwalde ausgesetzt. Nach einigen Jahren zeigten sich dann Exemplare im Kniepteich und auf der Knieperfeldmark. — Ferner setzte der Rittergutsbesitzer Herr Abel-Alten-Sührkow in Mecklenburg wäh- rend der letzten zehn Jahre in den Gewässern seiner Besitzung mehrere Hundert Stück aus. Der Erfolg ıst günstig, denn heute kann man überall auf den Nachbargebieten einige dieser Tiere beobachten'). Die der Sumpfschildkröte so bequem zu bietende Pflanzenkost, der „Salat“, wie die herumziehenden Händler den Käufern so schön und bequem zu sagen wissen, steht ıhr auf die Dauer nicht an. Sie kümmert und bietet bei ihrer: unnatürlichen Umgebung ım Zimmer noch weniger Interessantes als sonst. Entweder wartet man geduldig, bis sie sich erholt, d. h. man läßt sie voll- ständig verhungern, oder man setzt sie in Freiheit und überläßt es ıhr, für sich selbst zu sorgen. Auch der Winterschlaf mag ıhr zur — freilich ver- derbenbringenden — Freiheit verhelfen; sie wırd als verendet ins Freie ge- bracht und erfriert. Zur Sommerzeit wird sie für die Umgegend besuchter Badeorte eine günstige Gelegenheit zur Bereicherung der Fauna bieten. Händler beschaffen hier allerlei Spielzeug, künstliches und natürliches, wo- mit die Kinder getröstet werden, wenn die Eltern ihren Vergnügungen nach- gehen. Wo die Tiere schließlich abbleiben, entzieht sich ın den meisten Fällen der allgemeinen und besonderen Kenntnis. Schließlich sei noch eine weitere Möglichkeit hervorgehoben, wie Terrarien- und Aquarientiere zur Freiheit kommen. Sie setzen ıhren Besitzer in die schlimmste Verlegenheit, wenn er mit seiner Familie auf Reisen geht oder auf längere Zeit seinen Haushalt auf- löst. Ein Hündchen oder ein Vogel ist wohl leicht bei Freunden und Ver- wandten untergebracht, nicht so ein Behälter mit „giftigen“ Geschöpfen. In der äußersten Not setzt der Naturfreund, der seine Lieblinge nicht bis auf weiteres sich selbst überlassen mag oder kann, diese aus. Daß derartige Fälle eintreten, scheint mit ein Fund zu gewährleisten, der im Juni des vorigen Jahres (1911) im Zoppoter Walde gemacht wurde. Es handelt sich um eine Würfelnatter, Tropidonotus tesselatus W a g1., die zwischen die Gabelung eines: Baumstammes ausgesetzt, dort von einem Arbeiter angetroffen und erschlagen wurde. Abgesehen davon, daß es sich um kein Mitglied der heimischen Fauna handelt, ist der Aufenthaltsort so eigentümlich, daß ıhn das Tier ohne fremde Hilfe nıcht hätte erklimmen können noch mögen. Man hat es mit mehr Ge- schmack als richtigem Verständnis ausgesetzt. Auch andere Terrarienbewohner- hat man gelegentlich bei uns im Freien angetroffen. So fand man im Walde von Heubude, Kr. Danziger Niederung, die Smaragdeidechse Lacerta viridis Laur., den Grüneder der rheinischen Weinbauern, in einem toten Exemplar. Das Tier bewohnt die Länder im Osten und Norden des Mittelmeeres. Auch ın 1) Archiv der Freunde der Naturgesch. in Mecklenburg. 65 Jahr (1911), 2. Abt... Güstrow 1911, S. 163. 10 N 141 Deutschland kommt es vereinzelt vor; früher galten als nördlichstes Vorkommen die Rüdersdorfer Kalkberge ın der Mark. Das einzige mit Sicherheit be- obachtete Vorkommen in Westpreußen ist in der Nähe von Thorn'). Bei der Betätigung des Interesses, das ın der lezten Zeit dem Vorkommen unserer heimischen Sumpfschildkröte entgegengebracht wird, erbeutete man in einem Falle eine Kaspische Wasserschildkröte, Olemmys caspica Gm. und in acht Fällen entlaufene Exemplare der griechischen Landschildkröte, Testudo graeca L.; von letzteren gingen dem Westpreußischen Provinzial-Museum drei Belegstücke zu’). Ferner wurde im August dieses Jahres (1912) zwischen dem Fußpfad am Stadtgraben bei Kneipab ın Danzig und dem Wasser selbst ein Feuersalamander, Salamandra maculosa La ur. von mittlerer Größe gefun- den. Bisher soll er nur ın verschiedenen Kellern von Wohnhäusern Neu- stadts (Wpr.) beobachtet sein’). Wie weit er aber als heimisch angesprochen werden kann, ist äußerst fraglıch‘). Bei großen Tieren, die für die gewöhnlichen Verhältnisse im Terrarıum verschiedenartige Schwierigkeiten bereiten und nach denen deshalb im Handel kaum Nachfrage besteht, ist es wohl ausgeschlossen, daß sıe Flüchtlinge sind. Wie weit aber sie oder ihre Eltern sich neuen Wohnplätzen angepaßt haben, sie also als Beweisstücke für ein spontanes Vorkommen aufgeführt werden können, ist immer noch eine offene Frage. Anders steht es mıt Exemplaren, die pathologische Escheinungen aufweisen. Ablösung von Schildern und Runzel- bildung weisen auf ungünstige Lebensbedingungen hin und ferner darauf, dab sie kaum imstande waren, sich bessere und günstigere zu erobern. Derartige, wenig schön ausgebildete Tiere kommen auch nicht in den Handel. — Daß die Sumpfschildkröte weite Wanderungen antriıtt, wenn Hunger und Liebe sie treiben, habe ich bereits a. a. O. betont. So nımmt H. Simrothan, daß sie sich neuerdings wiederum das Gebiet von Leipzig zu erobern suche. Da ın dieser @egend Moränenbildungenaus der sog. vorletzten Eiszeit anzutreffen sind, hat diese Tatsache wenig Befremdendes an sich. Desgleichen soll Emys ın der Umgegend von Krefeld nach Troschel?’) aus dem Osten, etwa auf dem Wege des Donau-Mainkanals, eingewandert sein. An dieser Stelle möchte ich noch eine Auffassung zum Ausdruck bringen, die das Vorkommen des Tieres im Weichselgelände betrifft. Wie ıch bereits früher hervorhob, bildet die Weichsel eine Lücke zwischen den beiden Haupt- 1) 28. Amtl. Ber. über d. Verwaltung d. Westpr. Prov.-Mus. für 1907; Danzig 1908, S. 18. 2) 30. Amt). Ber. usw. für d. Jahr 1909; Danzig 1910, S. 45 und 59. 3) Treichel, A.: Zoologische Notizen. VII. Ber. über d. 11. Wandervers. d. Westpr. Bot.-Zool. Vereins zu Danzig, 1888, S. 95—98; vergl. S. 9. 4, Wolterstorff, W.: Die Amphibien Westpreußens. Schrift. d. Naturf. Ges. in Danzig, N. F. Bd. 7, Heft 2, 1889, S. 261—268; vergl. S. 267, 268 — und Wolterstorff, Willy: Beiträge zur Fauna der Tucheler Heide. Schrift. d. Naturf. Ges. in Danzig. N.F. Bd. 11, Heft 1 und 2, 1904, S. 140—240; vergl. S. 205. 5) 30. Amtl. Bericht usw. Vergl. S. 57. 11 142 verbreitungsbezirken ın Westpreußen. Funde von Emys sind entweder in der allernächsten Nähe dieses Gewässers gemacht, die zum Teil sogar mit ihm in direkter Verbindung stehen, bzw. im Strome selbst, oder andererseits in größerer Entfernung von ıhm. Betrachtet man auf der von E. Geinitz entworfenen Karte die Ausdehnung, dıe zur Eiszeit die Ostsee hatte, so drängt sich eine eigenartige Vorstellung auf. Damals ragte sie in Trichterform, deren breiter Teil der jetzigen Strandlinie aufgesetzt ıst und deren verjüngtes Ende sich tief ins Land hineinschob, ın einem schmalen Busen bis zu der Kniebildung der Weichsel, etwa dem Thorner Gebiet, ins Innere unserer Provinz hinein. Hier beherbergte sie „im Wesentlichen eine gemäßigte Fauna der westlichen Ost- see... , die an einigen Punkten, welche freieren Strömungen (sei es aus NO., sei es aus NW.) Raum boten, durch arktische Einwanderer vertreten wurde“. Dieses Gebiet scheint von einer spätglazialen marinen Senkung nicht betroffen zu sein, während eine Hebung noch während der Eiszeit die Niederung aus- glich. Deshalb soll auch die bereits vorher ausführlicher behandelte End- moräne der Hauptvergletscherung ihren ununterbrochenen Verlauf haben‘). Wie weit in früheren Zeiten diese salzhaltige Bucht eine trennende Scheide lieferte oder später die gewaltige, subglazıale Rinne des heutigen, unteren Weichseltales nach Trockenlegung des bei Bromberg liegenden Wasserpasses als gewaltig breites, bei seiner Wasserfülle schnell strömendes Urstromtal hieran beteiligt ist, läßt sich nicht feststellen. Soviel scheint aber erwiesen, daß die Besiedelung der Weichsel und der eng angrenzenden Gewässer, Teiche und Tümpel durch die Sumpfschildkröte von der Weichsel her erfolgte. Ge- legentlich der großen Überschwemmungen der Ufergelände zur Frühlingszeit haben Tiere aus polnisch-russischem Gebiet, wo für ihr Leben und Gedeihen die Verhältnisse viel besser liegen wie bei uns, von wildem Wasser mitgerissen, neue Heimstätten gefunden. Hier trafen sie Bedingungen, die ihnen zusagten und Gelegenheit zur Vermehrung boten. Auch eine von Herrn Rentier Scis- lowskı ın Graudenz beim Angeln unterhalb der Feste Courbiere in der Weichsel erbeutete Emys zeigt, wie diese Schildkrötenart sich bequem in neue Bedingungen zu passen weiß, wenn sie nur ıhren Gewohnheiten entsprechen. Wie sich bei weiterer Nachforschung ergab, war der Fundort durch eine Buhne vor der starken Strömung des Flusses geschützt?). Bei früherer Gelegenheit schloß ich mich der herrschenden Meinung an, daß Eier und Junge an einer bestimmten Fundstelle einen sicheren Beweis für das Vorhandensein einheimischer Tiere abgäben. Beobachtungen, die in letzter Zeit auch reichlich nach dieser Richtung hin bei Emys gemacht sind, lassen dieses bisher als nıcht versagend geltende Kennzeichen an Wert und Be- deutung verlieren. Schildkröten, die ihr heimisches Gewässer mit einem — 1)72.52.20.78..097.06: 2) Mitt. d. Herrn Hauptmann Heyer-Mogilno (24. Aug. 1910); vergl. auch 30. Amtl. Bericht usw. S. 50. Eu | 12 143 anderen vertauschen, setzen hier ebenso ıhr Gelege ab, wie sie es dort getan. hätten, und vermehren sich. Sowohl in Westpreußen wie in anderen Provinzen und verschiedenen Ländern hat man derartige Beobachtungen gemacht. Er- griffene und seit längerer Zeit gefangen gehaltene Tiere legten unter den veränderten Lebensbedingungen ebenfalls Eier zu ihrer Zeit ab. Wenn das bald nach dem Erbeuten und unter wenig natürlichen Verhältnissen geschieht, ist das nur ein Beweis dafür, daß sıe Eier bei sich tragen und in der ıhnen eigen- tümlichen Weise in die Erde versenken könnten, wenn sie frei wären. Jeden- falls geschieht die Eiablage oft auch nach ähnlichen psychisch-physiologischen Vorgängen, nach denen auch erbeutete Schmetterlinge dicht vor ihrem nahen Tode dazu schreiten. Ein Gelege bedeutet also nichts weiter, als daß ein Weibehen hier die Eiablage vollzogen hat. Ob es von hier oder anderswo herstammt, bleibt fraglich. Ob man die jungen Tiere, die hier hervorschlüpfen,, ohne weiteres als spontan bezeichnen will oder nicht, bleibt Geschmacksache. Daß man deshalb auf Grund von Gelegen allein ein abschließendes Urteil über das ursprüngliche Vorkommen von Emys in einem bestimmten Gebiete wırd fällen können, ist infolge dieser letzten Betrachtungen fraglich. Wären da- mit doch auch Schildkröten, die eingewandert oder ausgesetzt sind, in der nächstfolgenden Generation bereits als spontan zu bezeichnen. Auch für die Funde in der Umgegend von Krefeld!) hat man deshalb die nötige Vorsicht bei einer endlichen Entscheidung zu wahren gewußt. — Für kleine, eben aus- geschlüpfte Schildkröten gılt das Gleiche wie für die Gelege. Man wird bei genauer Behandlung der Frage über das Vorkommen von Emys in Westpreußen an der Hand einer geologischen Karte leicht von dem Stande der Angelegenheit ein richtiges Bild erhalten. Die Moränenzüge und die Urstrombetten mit ihren früheren Zuflüssen, beide mıt ihren Seenbildungen, geben in großen Zügen ein Bild von der Verbreitung der Sumpfschildkröte. Besonders die Moränenkette auf dem Rücken des baltischen Höhenzuges ist reich ‚au passenden Wohnstätten für das Tier. Betrachtet man die bisherigen Fund- orte miteinander, so findet man,:.daß die meisten nicht ohne inneren Zusammen- hang sınd. Gerade die Reihen solcher Fundorte im Gelände geben eine vor- treffliche Gelegenheit, minderwertige Glieder der Beobachtungsdaten auszu- merzen und zu wertvollen Ergebnissen zu gelangen. Dieser Weg erscheint mir um so bedeutungsvoller, als es schwer ist, entlaufene und spontane Sumpfschild- kröten voneinander zu unterscheiden. Ebenso wertlos wäre es, einen Ort als tatsächliche Heimat für sie anzusprechen, weil man sie gerade dort angetroffen hat, wenn er auch für Emys die vortrefflichsten Lebensbedingungen böte. Scharf abgegrenzt sind von diesen Zügen der Fundorte die wenigen, die vereinzelt an der Ostsee liegen und zu einer größeren Stadt gehören. Lam - pert?) warnt mit Recht davor, solche Fundstellen ohne weiteres als echt an- - 4) 30. Amtl. Bericht usw. Vergl. S.. 57. 2jma a. OL.Se 248, 13 144 zusprechen. Nur wenn die Tiere sich weit entfernt von jeder menschlichen Siedelung antreffen lassen, in Moor- oder Torfstichen, an Stellen, wo bereits aus der Tiefe Reste diluvialer Artgenossen geholt wurden: „in solchen Fällen ist die Möglichkeit eines natürlichen Vorkommens nicht ganz von der Hand zu weisen.“ Die weiter von Lam pert gestellte Forderung, stets wegen der gemachten Funde genaue Erkundigungen einzuziehen, ist für die Provinz Westpreußen wohl stets erfüllt worden, und trotzdem haben sich ın vereinzelten Fällen Zweifel nicht ganz beseitigen lassen. Das Hauptverteilungsgebiet West- preußens beschränkt sich nunmehr auf den südlicheren Teil, den Regierungs- Bezirk Marienwerder. Der fast geschlossene Komplex schließt sich östlich an den ostpreußischen Regierungs-Bezirk Allenstein, für den Emys als ende- misch nachgewiesen ist, und westlich an die Provinz Pommern mit ihren be- kannten Fundorten. Auch im Süden steht das westpreußische Gebiet mit solchen ‘Gebieten in Verbindung, die heimische Sumpfschildkröten beherbergen (Posen und Polen). Jedenfalls liegt bei diesen gut zusammenpassenden Fundorten kein Grund vor, das Reptil als nicht ursprünglich heimisch in der Provinz Westpreußen anzusehen )). 1) Vergl. Braun, Fritz: Landeskunde der Provinz Westpreußen. Samml. Göschen, S.40. 14 Meisenarbeit. Von Dr. Paul Dahms in Zoppot a. d. Ostsee. Ai unser Verein ın den Tagen des Oktobers 1910 von einer Exkursion nach den Masurischen Seen über Königsberg zurückkehrte, machte er in Sens- burg Rast. Hier empfing ihn sein Mitglied, Herr Sanitätsrat Dr. Rich. Hilbert, und machte den freundlichen Führer. Gelegentlich eines gemein- samen Mittagsmahles legte er eine Reihe von Walnüssen vor, die von Meisen angegangen waren. Er stellte mir diese Stücke zur Verfügung und gab auf meine Bitte auch später noch eingehende Auskunft. Nach dieser steht ein alter Walnußbaum in seinem Garten und trägt alljährlich reichlich Früchte, welche klein und dünnschalig sind. Seit einigen Jahren werden diese von der Kohlmeise angegangen. Sie durchhackt Schale und Kapsel und gelangt so zum Kern. Die Vögel werden zur Winterzeit sehr eifrig und reichlich ge- füttert. Daher siedelten sie sich auch im Garten in großer Anzahl an und statten zur Herbstzeit durch Plünderung des Baumes in orıgineller Weise ihren Dank für die Pflege ım Winter ab. Auch hier liegen also dünnschalige Nüsse vor, wıe in allen früheren Fällen, von denen ich berichtete. Da mir ein reichliches Material zu Gebote stand, konnte ich Messungen vornehmen. Dies war um so berechtigter, als mir gleichzeitig eine Auswahl von Walnüssen vorlag, die aus dem früher erwähn- ten Privatgarten zu Lübben in der Lausitz herstammt. Herr Dr. Max Rosbund, Direktor der Königl. Realschule in Mewe (Wpr.), hatte sie zusammengestellt und mir in liebenswürdiger Weise zugesandt (2. Jan. 1908). — An den Sensburger Nüssen ergaben sich die folgenden Werte: Länge ım Mittel 30,6 mm, (Max.: 31,5 mm, Min.: 30 mm), Breite im Mittel 26,3 mm, (Max.: 27,3 mm, Min.: 25,3 mm), Schalendicke im Mittel 0,6 mm (Max.: 0,7 mm, Min.: 0,5 mm). Die Einbruchlöcher lagen möglichst nach der Spitze hin und hatten Durchmesser von etwa 9 und 12 mm; von ihnen aus war der Kern bis in eine Tiefe von 16 mm herausgefressen. An den Rändern dieser er- brochenen Stellen wurde auch die Schalendicke ermittelt. — Die Lübbener Stücke wiesen auf: Länge im Mittel 31,9 mm (Max.: 35 mm, Min.: 30,2 mm), Breite im Mittel 27.3 mm (Max.: 28,4 mm, Min.: 25 mm), Schalendicke im I) Bericht über einen Vortrag, gehalten am 23. Oktober 1912 in Danzig. 35. Ber. d. Wpr. Bot.-Zool. Vereins. 1 10 Mittel 0,7 mm (Max.: 0,9 mm, Min.: 0,6 mm). Die Einbruchstellen haben meist die Durchmesser 5,5 und 11 mm, sind also länglich, und zwar liegend oval. Die plündernde Meise versuchte möglichst in der Nähe der Spitze bei ihrer Arbeit zu bleiben. Ausgefressen waren dıe Kerne bis in 11 mm Tiefe. — Bereits früher beschrieb ich je eine Nuß aus einem frei gelegenen Garten in Ohra!) und einem anderen aus Danzig’). In beiden Fällen betrug die Schalendicke an den erbrochenen Stellen etwa 0,75 mm nach der Spitze und 1 mm nach dem stumpfen Ende der Schale hın. Auch bei den Früchten aus Lübben und Sensburg zeigt sich das Be- streben, die Löcher möglichst nach der Spitze hin anzulegen; das ist besonders dort auffällig, wo die Öffnungen nicht kreisrund sondern länglichrund und quer zur Längsachse der Nuß angelegt sind. Hiebspuren in den Furchen der Schalenfelderung und in deren Nähe, besonders nach den dünneren Teilen an der Spitze hın, sind häufig und verschieden stark ausgeprägt. Vom ersten Hiebversuch bis zum vollendeten Loch lassen sich alle möglichen Übergänge nachweisen. Bei dem Anmeißeln wurden einige Felder der Nußschale ein- getrieben, andere nur teilweise abgetrennt, so daß sie an den häutigen Par- tien des Schaleninnern wie an einem Scharnier nach innen herumgeklappt wurden. An den Säumen der Einbruchsöffnungen sind meist Felder der Nuß- schale in Hervorragungen stehen geblieben und sprechen dafür, daß der Ver- lauf für den Gang der Zertrümmerung bereits durch die Furchen zwischen den Feldern vorgezeichnet ist. Ist nunmehr auch durch die Zahl von Beobachtern festgestellt, daß die Kohlmeise ın der bekannten Weise die Walnüsse angeht, so erschien es immer eigentümlich, daß dieser Vogel in manchen Jahren kaum, ın anderen dagegen ın großen Scharen sich zur Plünderung einstellt. Eine Erklärung für diese Erscheinung läßt sich dadurch geben, daß die Schalen ın ihrer Dicke recht lebhafte Schwankungen aufweisen können. Die in ausgedehntestem Maße geöffneten Nüsse aus dem Danziger Garten entstammen einer Ernte von zu- fällıg recht dünnschaligen Früchten. Im Herbst 1904 blieben die sonst ın jedem Jahre erbrochenen Walnüsse in dem Garten des Herrn Hugo Schweinhagen in Wefensleben (Povinz Sachsen) von Meisen unberührt. Sie waren infolge des trockenen Sommers kleiner als gewöhnlich, ihre Schalen ungewöhnlich fest und für die Meisen nicht zu überwinden. Dagegen waren die Früchte aus Lübben vom Herbst 1907 ungewöhnlich dünnschalig; daher gelang es auch in feinerer und ausgiebigerer Weise an ihnen Beobachtungen über die Arbeit der Meise anzustellen, was an den Nüssen früherer Jahre nıcht recht hatte gelingen wollen. Die Neigung der Walnuß, hinsichtlich ihrer Größe (Länge, Breite, Dicke der Schale) und Härte der Schale sehr zu l) Eine Beobachtung aus dem Leben der Meisen. Schriften der Naturf. Ges. in Danzig. N.F. Bd. 11, Heft 1 und 2; 1903, 1904. S. 120—124; vergl. S. 124. 2) Zoologische Mitteilungen. 26. Bericht des Westpr. Bot.-Zool. Vereins; S. 50%—53*; vergl. S.51*., erh variieren, ist wohl bekannt. Sind doch sogar sowohl durch Kultur wie durch Zufall besonders im Orient, doch auch im südlichen Europa, während der Jahr- hunderte viele Spielarten des Baumes selbst entstanden. Diese haben alle freilich keinen Anspruch auf botanischen oder wissenschaftlichen Wert!). Die Beobachtung des Herrn Schweinhagen, daß die Meise jeder Nuß nachfolgt, die ihr beim Öffnen zu Boden fällt, wird durch eine andere ähn- liche bestätigt. Richard Kearton’) beobachtete das Vögelchen beim Öffnen von Haselnüssen. Auch hier entsprang die runde Frucht gern dem be- arbeitenden Schnabel und rollte auf der Erde wohl unter ein gefaltetes, ab- gestorbenes Blatt. Dann mühte sich die Meise oft lange, fleißig und oft ver- gebens ab, des Flüchtlings wieder habhaft zu werden. Ein beigefügtes Bild (S. 310) zeigt „Haselnüsse, von Kohlmeisen (Parus major, Linn.) gesprengt“. Nach dieser Kraftprobe dürfte man wohl endgiltig jedes Bedenken fallen lassen, die Meise sei viel zu schwach, um Walnüsse zu öffnen. — Es muß dieses besonders hervorgehoben werden, da Naumann in seinem großen Werke „Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas“ betont, daß die Kohlmeise Nüsse ohne fremde Hilfe nicht zu öffnen vermag’). Bei ihrem quecksilberigen Wesen und ihrem stets regen Appetit stellt sie sich eben überall ein, wo es etwas zu verspeisen oder zu behacken gibt. Abfälle bei Schlächtereien, die unbewachten Schlachttiere selbst, ja sogar tierische und menschliche Leichen, die irgendwo im Gebüsch längere Zeit liegen, bieten ıhr Gelegenheit zur Mahlzeit. Wie sie bei den letzteren trichterförmige Löchlein in das Gesicht und die Hände hackt, frißt sie auch solche ın die fette Brust von Gänsen, die vor das Küchenfenster gehängt wurden), revidiert die Dohnen und selbst die Hochgerichte. Zur Winterzeit verfolgt sie den Spaziergänger ganze Strecken lang zeternd und schreiend. Besonders aufgeregt wird sie dabei, wenn der andere sein Frühstücksbrot hervorholt und verzehrt; es ıst dies eine Beobachtung, die man auf dem Schwedendamm bei Oliva wiederholt machen kann. Frost und Kälte treibt die Meise in die Nähe der Häuser und Hütten, um hier von Abfällen und hingeworfenen Brocken, gelegentlich auch auf Grund kleiner Plünderungsversuche und Diebereien, die böseste Zeit zu überstehen. Sogar gefrorene Siphonen von Klaffmuschen werden dann an- genommen und in Splittern genossen. An das Öffnen der Haselnüsse macht sich die Meise derart heran, daß sie diese Früchte auf irgendeinem Zweige mit ihren starken Krallen festhält und 1) Graebener: Die in Deutschland winterharten Juglandaceen. Mitt. der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft. 1911. S. 186—219; vergl. S. 208. 2) Tierleben in freier Natur. Photographische Aufnahmen frei lebender Tiere von Cherry und Richard Kearton. Text von Richard Kearton. Übersetzt von Hugo Müller. Mit 200 Abb. nach der Natur. Halle a. S., 1905. Wilhelm Knapp. 8.308, 309. 3) Bd. 2. Neu bearbeitet (Jahreszahl?). S. 259. 4) Gengler, J.: Bilder aus dem Vogelleben. Naturw.-Techn. Volksbücherei, herausg. von Dr. Bastian Schmid. Nr. 7—9. Theod. Thomas-Leipzig. S. 46, 47. 3 1 0” 148 mit dem Schnabel schnell und wiederholt bearbeitet. Dabei rıchtet sie ihre Hiebe dorthin, wo der Widerstand am geringsten ist und später die Kraft des Keimens die beiden Hälften der Schale auseinanderreißen würde!). Die Vögelehen merken sehr schnell, wo sie am ehesten zum Ziele gelangen; hier öffnen wohl auch findige Knaben ihre Nüsse mit einem Taschenmesser. — Daß auch in anderer Weise die Meise sich den Verhältnissen anzupassen und ıhr Ziel zu erreichen vermag, zeigt eine Beobachtung von unserem Mitglied, Herrn Kreisarzt Dr. P. Speiser?). Im Gutsparke zu Koslau im Kreise Sensburg fand er die Flügelsamen eines Ahorns durch die Risse in der Borke einer Linde hindurchgezogen. Das eigentliche Fruchtgehäuse war dadurch nach oben ge- kehrt und dann aufgepickt. Um den dünnen Flügelteil durch den Spalt zu bringen und durch Anziehen festzuklemmen, ist eine recht erhebliche Ge- schieklichkeit notwendig. Auch hier muß man die Meise als Urheberin ansehen. Daß sie gern das Hirn von Tieren verzehrt und im Flugbauer, seltener ım Freien, sogar Kranke und Schwache der eigenen Art überfällt, ja größere Vögel beschleicht, zu Boden wirft und tötet, wird wiederholt ın der Literatur angegeben. Dazu mag erwähnt werden, daß Ankerbrand in den hohlen Gripsfiguren von Grabengeln auf dem Nürnberger Friedhofe Blau- und Kohl- meisen brütend fand. Sıe hatten den Zugang zum Innern dadurch erzwungen, daß sie sich Löcher durch den Kopf der Figuren meißelten?). 1) Kearton a. a. O. S. 308. 2) Eine Beobachtung aus der Vogelwelt. Natur und Schule. Bd. 5, Heft 11; 15. Okt. 1906, S. 510, 511. 3) Verel. Floeriecke, Kurt: Jahrbuch der Vogelkunde 1907. Bd. 1. Kosmos 1908. S.50. — Nach dem gegebenen Zitat ist die erwähnte Stelle im Original nicht aufzufinden! Zweiter Beitrag zur Kenntnis der westpreußischen Geradflüglerfauna (Orthoptera). Gliederung der Fauna nach Lebensgemeinschaften. Von Dr. Wolfgang La Baume. Meine entomologische Sammeltätigkeit während des Jahres 1912, die sich wiederum besonders auf die Orthopteren erstreckte'), ergab hinsichtlich der Systematik der in Westpreußen vorkommenden Arten wenig neues. Das Jahr 1912 war ja leider für das Sammeln von Heuschrecken recht ungünstig, da gerade während der eigentlichen Sammelzeit, im August, September und Anfang Oktober, fast durchweg schlechtes Wetter herrschte. Infolgedessen war es mir auch nicht möglich, einige geplante Exkursionen in bemerkenswerte (ebiete der Provinz, die ohne Zweifel noch manchen neuen Fund erwarten lassen, zur Ausführung zu bringen. Immerhin gelang es mir, wenigstens eıne für Westpreußen neue Art aufzufinden, nämlich Stenobothrus stig- maticus Ram b., überdies ganz ın der Nähe von Danzig, bei Weichselmünde. Diese zierliche Art ist über ganz Mitteleuropa verbreitet, kommt jedoch nur an vereıinzelten Fundorten vor, in Deutschland besonders ım Rheinland, in Süddeutschland und Schlesien. Für Norddeutschland wies ich kürz- lich den ersten Fundort nach (Hegeberg, Kr. Fischhausen, Ostpreußen) *); das hiernach zu erwartende Vorkommen des Stenobothrus stigmaticus in West- preußen hat sich schnell bestätigt. Erwähnenswert ist sonst wohl nur noch, daß Stenobothrus haemorrhoidalis Charp. in größerer Zahl bei Kisin im Kreise Kulm gesammelt wurde; diese Spezies war bisher nur durch ein von Rübsaamen im Zisbusch (Kr. Schwetz) erbeutetes Exemplar im Westpr. Provinzial-Museum vertreten. Immerhin habe ich die wenigen schönen Tage der „Saison“ 1912 dazu benutzt, in der Nähe von Danzig und in der Provinz die Orthopterenfauna zu beobachten, und habe dabei, wie im Vorjahre, mein Augenmerk besonders 1) Vgl. La Baume, W.: Orthopterologisches aus Westpreußen. — Entomologische Rundschau Jahrg. 28, Nr. 20, Stuttgart 1911, p. 158—159. 2) Derselbe: Beitrag zur Kenntnis der Dermaptera und Orthoptera (Ohrwürmer und Geradflügler) Ostpreußens. — Schriften der Phys. Ökon. Gesellschaft in Königsberg i. Pr. 53. Jahrg., 1912, p. 75—85. darauf gerichtet, welche Arten auf einem bestimmren ge. bietezusammen vorkommen und unter welchen äußeren Bedingungen sie dort leben. Die neuere Methode der faunistischen Untersuchung beschränkt sich ja nicht mehr, wie es früher meistens der Fall war, auf die bloße Feststellung der auf einem (natürlich oder willkürlich) begrenzten Gebiete vorkommenden Tierarten, sondern ist bemüht, zu er- forschen, welche Lebensgemeinschaften, ‚Vergesellschaftungen von Organismen mit ganz bestimmten Exsistenzbedingungen“ (Biosynoe- eien)'!) in der Natur bestehen und welches diese Exsistenzbedingungen sind. Solche biologisch-faunistischen Untersuchungen sind naturgemäß sehr mühsam und zeitraubend; ein einzelner kann selbst die Fauna einer räumlich wenig ausgedehnten Biosynoecie kaum erschöpfend behandeln, weder hinsicht- lich der Herbeischaffung des Materials noch der wissenschaftlichen Be- arbeitung desselben. Ich muß durchaus Schumacher beipflichten, welcher kürzlich betonte°), daß bei der Untersuchung der Tierformen einer Biosynoecie die Heranziehung von Spezialisten aus Gründen der Kraft- und Zeitersparnis vnerläßlich ıst und daß sie allein eine richtige und ausgiebige Bearbeitung des Materials verbürgt, ja daß es wünschenswert ist, schon das Sammeln des Materials von Specialisten vornehmen zu lassen. Jeder, der einige zoologische Sammelpraxis besitzt, wird bestätigen können, daß ein Sammler nicht gleichmäßig alles sammeln kann. „Manche Tiergruppen werden un- bewußt ımmer bevorzugt, andere vernachlässigt. Bei den ihm wenig be- kannten Formenkreisen beschränkt der Sammler sich auf das, was ihm der ZAufall ın die Hände spielt. Die verfeinerten Sammelmethoden: Stunden- fänge, Köder- und Lichtfänge, Siebetechnik usw. liefern zwar große Mengen an Material, bieten aber ebenfalls keine Garantie dafür, daß alle Tiergruppen gleichmäßig gesammelt sind. Sammeln ist kein automatisches Abfangen, sondern bewußtes Handeln.“ Ich gebe allerdings zu, daß diese Art der faunistischen Untersuchung von Biosynoecien sich manchmal schwer verwirklichen ließe, sowohl wegen der größeren Unkosten wie auch deshalb, weil es schwierig sein würde, die be- treffenden Spezialisten dafür zu gewinnen. Es gibt jedoch noch einen andern Weg, der zum gleichen Ziele führen würde. Jeder Spezialist, also jeder, der 1) Der Ausdruck Biosynoecie, der von Enderlein geprägt wurde, deckt sich nicht mit dem von Dahl angewendeten, von Möbius herstammenden Begriff Biocoenose. Biocoe- nose ist, wie Enderlein ausgeführt hat, der engere Begriff, Biosynoecie der weitere; z.B. kann man innerhalb der Biosynoecie: Teich als Biocoenosen die am Grunde, an Bodenpflanzen, an schwimmenden Pflanzen, frei im Wasser usw. lebenden 'liergemeinschaften unterscheiden. Vel. Enderlein: Biologisch-faunistische Moor- und Dünenstudien. Ein Beitrag zur Kenntnis biosynoeeischer Regionen in Westpreußen. — 30. Bericht des Westpr. Bot.-Zool. Vereins, Danzig 1908. 2) F. Schumacher: Über die Zusammensetzung der Hemipterenfauna der für Nord- westdeutschland charakteristischen drei Hauptbodentypen (Geest, Marsch, Küste). — Sitz.-Ber. der Ges. Nat.-Freunde zu Berlin, 1912, Nr. 6, p. 359— 378. 2 ul sich für eine bestimmte 'Tiergruppe besonders interessiert und gleichzeitig die Systematik dieser Gruppe beherrscht, sollte untersuchen, wie sich die ein- zelnen Glieder derselben innerhalb des ihm zugänglichen Sammel- und Be- obachtungsgebietes im Lichte der biosynoecischen Forschung verhalten, und natürlich die Ergebnisse seiner Beobachtungen sachgemäß publizieren. Auf diese Weise ließe sich wohl ım Laufe der Zeit wertvolles Material gewinnen, sozusagen zunächst nur einzelne Bausteine, die aber später zu einem einheitlichen Gebäude zusammengefügt werden könnten. In diesem Sinne seı auch die folgende Zusammenstellung einı- wer charakteristischer biosynoecischer Distrikte aus Westpreußen und der ın ihnen vorkommenden Orthop- terenarten aufgefaßt. Die Nomenklatur der aufgeführten Arten ist die gleiche wie bei Redten- bacher: Die Dermatopteren und Orthopteren von Österreich-Ungarn und Deutschland, Wien 1900; die Autorbezeichungen sind der Kürze halber ab- sichtlich weggelassen. Für freundliche Bestimmung eines großen Teiles der erwähnten Pflanzenarten bin ich Herrn Dr. H. Preuß sehr zu Dank verpflichtet. 1.01liva bei Danzig. (2. IX. 1911; zoolog. Ausbeute Nr. 416). Moorige Wwıese ım Talgrund, ın der Nähe des durchfließenden Baches sumpfig. Stenobothrus parallelus, St. dorsatus (in großen, braunen Exemplaren) und St. vöridulus: Mecostethus grossus (ein ? davon mit großen karminroten Flecken an Kopf und Thorax, die vielleicht auf den Eisengehalt des Wiesengrundes zurückzuführen sind). Sole va bei Danzıe. (12. VIH. 1911; Nr. 407). Seitental, das am Mormonenschlößchen vom Haupttal abzweigt. — Üppige, feuchte Wiese im Talgrund: Stenobothrus parallelus und St. dorsatus häufig, seltener Platycleis roeselü. Auf größeren Stauden Locusta cantans. — Angrenzendes Stoppelfeld: hauptsächlich Stenobothrus apri- carius, weniger häufig Stenobothrus variabilis!). — Ödland am Berghange, Sand, trockene Gräser: ausschließlich Stenobothrus variabilis. — Trockene Wiese am Hange, Waldrand: Stenobothrus apricarius und St. varia- bilis; Gomphocerus maculatus; Deeticus verrucivorus. 3. WeichselmündebeiDanzie. (Juliu. August 1912; Nr. 420). Strandwiese zwischen Dorf und Bad. Sandgrasheide: trockener, sandiger Boden (Dünensand) mit Gräsern, besonders Carex arenaria, Festuca arenaria, ferner Jasione montana, Suceisa pratensis, Viola canina, Lotus cor- nienlatus, Artemisia campestris, Salix repens var. argentea. — Überwiegend Stenobothrus elegans und Gomphocerus maculatus, weniger häufig St. varia- bilis: vereinzelt Oedipoda coerulescens und Tettix kraussi. 1) Stenobothrus variabilis = Stenob. bicolor Oharp. + biguttulus L. D} > 4. Weichselmünde bei Danzig. (Ende Juli 199 22a Mooriges Dünental südöstlich vom Dorfe, am Wege nach dem Rieselgut, nıcht weit vom Rande der Heubuder Forst, mit Juncus balticus,, J. gerardi, J. effusus, Nardus strieta, Erythraea centaurium, Lotus uliginosus usw. — Stenobothrus viridulus und St. elegans, letzterer in erheblich größeren Exemplaren als diejenigen, die am Fundort Nr. 3 beobachtet wurden (Einfluß der Feuchtigkeit!); Xiphidium dorsale; Platycleis roeselii. 5. Weichselmünde bei Danzig. (Einde Juli DAN Dicht bei dem unter Nr. 4 geschilderten moorigen Dünengebiet er- heben sich am Rande der Heubuder Forst — von dieser wieder durch ein Erlenbruch getrennt — kleine, runde Kuppen, Sandhügel von zirka 17, '% m Höhe, die mit Moos (Polytrichum), Carex arenaria, Lotus corniculatus und namentlich Hieracium pilosella bewachsen sind. Hier findet sich Steno- bothrus stigmaticus, ın seinem Vorkommen ausschließlich auf diese Kuppen beschränkt, in Gesellschaft von St. variabilis und Gomphocerus maculatus. 6. Heubuder Forst unweit Weichselmünde. (Ende Juli 1912; Nrr495). Kiefernheide im Dünengebiet: an einzelnen Stellen ist der Boden dicht mit Flechten (Cetraria islandica, Cladonia rangiferina usw.) be- wachsen, an anderen herrscht Calluna vulgaris vor; von Blütenpflanzen fällt besonders Hieracium umbellatum auf. Stenobothrus vagans und Platycleisbrachyptera finden sich besonders zahlreich ın den aus- gedehnten Calluna-Beständen; Gomphocerus maculatus ıst überall nicht selten und kommt selbst an den sterilsten Stellen vor. Vereinzelt wurden Tettix kraussi und Stenobothrus variabilis beobachtet. 1. Heubude bei Danzise. (9. und 19. VII. 19117Ne 200% Trocekenes, sandiges Ödland am Waldrande (Kiefern- heide) unweit der Försterei Heubude. Dünengräser (Ammophila arenaria, Festuca arenaria, Corynephorus canescens, Elymus arenarius) und Heidekraut. (Calluna), dazwischen einzelne kahle Sandstellen. Überwiegend Stenobothrus variabilis und Gomphocerus maculatus; dazu vereinzelt Tettix kraussi, Steno- bothrus vagans und St. elegans, Oedipoda coerulescens, Platycleis brachyptera. An einer besonders mit Strandhalm (Ammophila arenaria) bewachsenen Stelle war Stenobothrus. apricarius häufig, der sonst fehlte. 8. Hreubudle, ben Dam zer (9 DEE: Feuchte Kulturwiese zwischen Dorf und Försterei. Überwiegend Stenobothrus parallelus, weniger häufig St. elegans und St. viridulus. 9, Halbinsel.Hela;, (28 VILL 1913, 1. VIL..1912: Nr 17 Mooriges Gelände in lichtem Kiefernwald zwischen Dorf und Außenstrand. auf dem so, „Breiten S te Ki zu erreichen. Dichte Do 4 153 Bestände von Calluna, dazwischen Moospolster, Vaceinium oxycoceus, Em- petrum nigrum, Erica tetralix; an schattigen Stellen Vaccinium uliginosum und Ledum palustre (im Volksmunde heißt dies Gebiet merkwürdigerweise „Dehweinewiese“). Stenobothrusvagans ist hier häufig; ferner kom- men Ectobia lapponica und Tettix kraussi vereinzelt vor. Platycleis grisea, von der bei dem ersten Besuche im Jahre 1911 kein einziges Exemplar hier bemerkt wurde, war ım Juli 1912 zahlreich vorhanden. Wr Eubkau am Zarnowitzer See. (18. VIII 1912; Nr. 423). Hohes Seeufer südöstlich Lübkau, am Waldrande. Grasflur (Festuca ovina, Corynephorus canescens u. a.), mit Calluna vulgaris und Sa- rothammus scoparius. — Stenobothrus variabilis (sehr häufig), St. lineatus und Gryllus ‘campestris (häufig); Decticus verrucivorus (vereinzelt). Bealraop ine. Kr Karthaus (20. VII 1912; Nr. 430). AbhangdesRadaunetales nördlich Lappin. Am Wege, der am Waldrande (Bankauer Forst) auf die Höhe führt, Tettix kraussi, Steno- bothrus variabilis, Gomphocerus maculatus und Oedipoda coerulescens, letztere Art zum Teil in auffällig dunklen bis ganz schwarzen Exemplaren. Auf einem auf der Höhe liegenden Kahlschlag mit diehtem Heidekrautbewuchs die gleichen Arten, außerdem Platycleis grisea. 12. Münsterwalder Forst unweit Fiedlitz, Kr. Marienwerder. 971.16. IX. 1912;.Nr, 417). Die Münsterwalder Forst, größtenteils Kiefernwald, hier und da Misehwald, liegt auf der Höhe deslinken Weichselufers und ist ausgezeichnet durch das Vorkommen zahlreicher pontischer Pflanzenarten (Evonymus verrucosus, Lathyrus pisiformis, Inula hirta, Aster amellus, Hieracium echioides u. a. m.). Auf einer größeren Lichtung (Kiefernschonung) mit Pinus silvestris, Juniperus communis, einigen jungen Eichen, ferner Grasbewuchs (besonders Corynephorus canescens), Heidekraut, Pulsatilla patens und P. pratensis, Peucedanum oreoselinum, Anthericum ramosum, Veronica spicata usw. wurde folgende Orthopterenfauna von mir beobachtet: Am Boden (auch überall im angrenzenden Walde) Thamno- trizon cinereus und, namentlich im Heidekraut, Platyeleis brachyptera. Auf Juniperus: Ephippigera vitium und Barbitistes con- strietus (2 pontische Arten!), beide nieht selten. Auf dem über die Lich- tung führenden grasbewachsenen Wege: Stenobothrus variabilis und St. lineatus; Psophus stridulus: Gryllus campestris. Am Waldrande dicht am Wege, besonders an einem niedrigen Hange, wo der Boden bloßhiegt, Oedipoda coerulescens, ferner Tettix kraussi, T. subulatus und Platycleis grisea. Sr lınmdenbusech, Kr Tuchel.’ 02. VIM. 1911: Nr. 410). Typische Kiefernheide. Eine breite Schneise, welche die Chaussee Lindenbusch-Hoheneiben unweit des Bahnhofes Lindenbusch kreuzt, ist dieht mit Flechten (Cladonia aleicornis, Cl. gracilis, Cl. rangiferina, Ol. 2 154 [urcata usw.) und Heidekraut (Calluna vulgaris) bewachsen; von sonstigen Pflanzen sınd für das Gebiet charakteristisch: Gypsophila fastigiata, Dianthus arenarius, Pulsatilla patens, Koeleria glauca, Potentilla arenaria, Geranium sanguineum, Peucedanum oreoselinum. Hier kommen vor: Stenobothrus nigromaculatus (pontische Art!), St. lineatus und St. variabilis; Gom- phocerus maculatus;: Tettix krausi; Podisma pedestre (häufig!); Psophus stridulus;: Platycleis brachyptera. 14. Abrawer Moor, Kr. Tuchel. ©1. VIL- SB 2 mr Typisches Grünlandmoor Moorwiese am „Schloßberg“ mit Carex teretiuscula, Orchis incarnata, Saxifraga hirculus, Calamagrostis neglecta und Hypnum-Teppich. Überwiegend Stenobothrus viridulus; vereinzelt Chry- sochraon dispar und Xiphidium dorsale.. An den Grabenrändern (feuchteste Stellen!) Mecostethus grossus nicht selten. 15. Kisin. Kr. Kulm 2.(19. XI 1927, 3) Meliorierte Moorwiese am Rande der Kisiner Forst. Steno- bothrus dorsatus und St. parallelus; Mecostethus grossus. Von letzteren beiden Arten noch Larven vorhanden (Ende September!), die wohl infolge der schlechten Witterung ın der Entwicklung zurückgeblieben sind. 16. Kisin“ Kr Kulm. 020 Xe19Pp NP Ödland am Rande der Kisiner Forst, vor kurzem mit Kiefern an- geschont. Grasbewuchs und niedrige Heidepflanzen. Tettix kraussi und T. subulatus; Stenobothrus variabilis, St. parallelus (auf trockenem Sandboden!) und St. haemorrhoidalis; Oedipoda coerulescens; Platycleis brachyptera; Dec- ticus verrucivorus; Gryllus campestris. Nach dem Kaukasus und der Krim. Vereinsexkursion im Juli 1912. Von Prof. Dr. Lakowitz. Bine Fahrt weit hinein in das Innere des russischen Reiches gilt immer noch als ein beachtenswertes, vielleicht sogar bedenkliches Reiseunternehmen. Den Unkundigen schrecken die Unbequemlichkeiten der über die Maßen langen Eisenbahnfahrten, die Scherereien, die der lästige Paßzwang dort mit sich bringt, die wenig erquickliche Aussicht auf möglicherweise schlechte Quartiere, die Schwierigkeiten der fremden Sprache mit ihren sonderbaren Schriftzeichen. Große Kälte, die dem Gefrierpunkte des Quecksilbers bedenklich sich nähert, ım Winter, glühende Hitze dort drüben in der Hauptreisezeit des Sommers können gewiß nicht als Lockmittel gelten. Dazu kommt, daß uns manches von den innerpolitischen Verhältnissen des Zarenreiches nicht gefällt. Alles Gründe, von einem Besuche des östlichen Nachbarreiches abzuhalten. Der Kaukasus vollends erscheint als der Inbegriff alles Unkultivierten, Unwegsamen, Unwirtlichen, des Gefahrvollen für Gut und Leben fremder Reisender. Nicht wenige meinen, dort unten zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meere könnte man, räuberischen Überfällen beständig gewärtig, ohne Kosakeneskorte nicht reisen. Mindestens müsse man sich bis an die Zähne bewaffnen, was das Reisen doch sicher ungemütlich gestalte, zumal man dabei Gefahr laufe, wenn von Räubern verschont zu bleiben, so gar zu leicht mit der keinen Spaß verstehenden russischen Polizei in Konflikt zu geraten. Das Tragen von Waffen ist den Fremden auf das strengste verboten. Die vıelgerühmte Krim mit ihren lieblichen Gestaden, die der Kultur lange erschlossen sind, mit ihrem milden Klima lockt dagegen allerdings sehr. Die russische Riviera an der Küste des Schwarzen Meeres aufzusuchen, ıst der Wunsch vieler; die weite Entfernung bleibt indessen gewöhnlich ein dauerndes Hindernis. Der mitteleuropäische Touristenstrom bewegt sich in Bahnen, die den fernen Osten unseres Kontinents geflissentlich meiden. Verhältnismäbig wenige Reisende wagen es, an Ort und Stelle einmal nachzuschauen, wie weit die bezeichneten landläufigen Anschauungen Berechtigung haben, ob sie mit den Tatsachen sich decken. Wenige nur unterziehen sich der Mühe, Einblick zu nehmen in die Natur und das bunte Volksleben jenseits der weıß-blau-roten Grenzpfähle. Unser Verein hat es in diesem Sommer gewagt, Rußlands Fluren zu be- treten, vorzudringen bis ın die Gebirge und Ebenen Kaukasiens und der Krim. — Hat der Verein auf seinen regelmäßigen Auslandsexkursionen durch die Kar- pathen, durch Skandinavien bis hinauf zum Nordkap, ferner nach den Britischen Inseln, nach Rumänien, dem Bosporus und Kleinasien, nach Bosnien, Herze- gowina und Montenegro große Teile des nördlichen, mittleren und südlichen Europas durchstreift, so reizte es ıhn seit lange schon, Kaukasien und die fast subtropischen Ost- und Nordufer des Schwarzen Meeres kennen zu lernen, zu- nächst aus rein wıssenschaftlichem Interesse. Dazu kam noch das persönliche Moment, unseren berühmten Landsmann, den Erforscher des Kaukasus uni Begründer des großartigen Kaukasischen Museums in Tiflis, Dr. v. Radde, zu besuchen. Der Tod Raddes war das erste Hindernis, die 1910 ın Süd- rußland besonders heftig auftretende Cholera das zweite, so daß erst 1912 die lang geplante Exkursion zustande kam. Mit Freude und Genugtuung sei vorweg hervorgehoben, daß die gewiß anstrengende, etwa vierwöchige, ın allen Teilen aufs beste gelungene Reise eine solche Fülle von eigenartigen Eindrücken, von fesselnden Bildern und Erleb- nissen geboten hat, wie mit Ausnahme der nach dem Bosporus und nach Schott- land-London keine frühere Vereinsfahrt. Und was die eingangs aufgezählten Bedenken gegen eine Rußlandfahrt betrifft, so stellten die 28 Teilnehmer an der Exkursion, darunter vier wagemutige Damen, einmütig fest, daß die langen Eisenbahnfahrten bei der vorzüglichen Einrichtung der geräumigen Waggons in Rußland durchaus nicht unbequem sind; ferner Paßscherereien gab es für uns nicht, das Logis, selbst im Gebirge, war durchaus zufriedenstellend, die Verpflegung sehr gut, die Verständigung zumeist möglich. Die Fahrt bzw. Wanderung innerhalb des Kaukasusgebirges auf der Grusinischen Heeres- straße — mit Seitentouren — vollzog sich völlig ungestört, ın jeder Be- ziehung gefahrlos; günstiger kann sie auch in den Alpen nicht vor sich gehen. Nur sehr wenige Reisetage in der zweiten Hälfte der Fahrt brachten eine unge- mütliche Hitze, im Schatten 31 Grad Reaumur, während sonst Temperaturen von 19 23 Grad herrschten, wie sie auch bei uns zulande ım Juli zu ver- zeichnen sind. Und was die Verhältnisseim Innern betristte, so ergab sich aus Gesprächen mit gebildeten Bewohnern des Landes die Über- zeugung von einem gegenwärtig gewaltigen Aufschwung in wirtschaftlicher und kultureller Beziehung in allen Teilen des ausgedehnten russischen Staats- gebietes, der dem aufmerksamen Ausländer Achtung und ernste Beachtung abringt. Die uns Teilnehmer an der Exkursion am meisten beschäftigenden Beobachtungen der Pflanzen- und Tierwelt dort im fernen Südosten, sowie die Erscheinungen der großartigen Gebirgswelt des Kaukasus boten des Neuen so viel, daß unsere Erwartungen hierin bei weitem übertroffen wurden. Sehr zu- frieden war man mit der Tatsache, daß die an die gemeinsame Reisekasse eın- gezahlten 600 Mark vollständig genügten, um alle Ausgaben, auch die Trink- velder, während der vierwöchigen Fahrt zu bestreiten; man bedenke, welche ) gewaltigen Strecken (i. g. ca. 8000 km) durchmessen wurden. Ausgaben für Ge- tränke, Geschenke und — Ansichtspostkarten waren natürlich Privatsache. Allerdings darf nıcht verschwiegen werden, daß alle die hier angedeuteten Annehmlichkeiten unserer Reise durch Rußland, vornehmlich durch die Kaukasusgebiete, dem allein Reisenden wohl nur schwerlich zuteil werden. Geradezu abzuraten ist jedem der russischen Sprache Unkundigen, sich alleın in den Kaukasus zu begeben; es müßte denn sein, daß er sich einen Dolmetscher für vieles Geld sichert. Uns waren durch Behörden, Beamte und Private ın entgegenkommender Weise aufs beste die Wege geebnet. Allein die Tatsache, daß von der Reichseisenbahnverwaltung in Petersburg ein für unsere Exkur- sionsgruppe reservierter, durchlaufender Waggon 2. Klasse mıt Schlafeinrich- tung und Bedienung von der Grenzstation Mlawa ab und wieder zurück bıs dahin zu unserer ausschließlichen Verfügung stand, beweist zur Genüge, einer wie angenehmen Aufnahme wir uns drüben zu erfreuen hatten. Großen Dank schulden wir unseren Königlichen Behörden. Exzellenz v. Jagow, Ober- präsident der Provinz Westpreußen, unterstützt durch Herrn Oberpräsidialrat v. Liebermann, hatte bei dem Kaiserlichen Auswärtigen Amt ın Berlin Empfehlungen an die deutschen Konsulate in den von uns berührten Gebieten ausgewirkt. Herr Geheimer Reg.-Rat Seering von der Kgl. Eisenbahn- direktion Danzig, unterstützt durch Herrn Obersekretär Preil, führte mit großem Erfolg die Verhandlungen mit der russischen Eisenbahnverwaltung. Vielen Dank schulden wir dem Kaiserlichen russischen Generalkonsul in Danzig, Exzellenz v. Ostrowski, der unermüdlich tätig war, die russischen Be- hörden für unser Unternehmen zu interessieren. Die gut avısierte „botaniski Exkursioni“ passierte infolgedessen mit Leichtigkeit alle, anderen Reisenden schwer überwindliche Hindernisse. Private Freunde in den großen Städten Rußlands halfen kräftig mit, etwaige Hemmnisse zu beseitigen. Glatt verlief die Fahrt über Mlawa, Warschau, Moskau, Rostow am Don, durch den Kaukasus von Wladikawkas nach Tiflis, von hier nach Baku am Kaspischen Meer, nach Batum am Schwarzen Meer, weiter zu Schiff an der Küste entlang nach Jalta und Livadıa auf der Krim, nach Odessa, von wo aus die Bahn über Kiew, Warschau und Mlawa zur Heimat führte. Am 3. Juli wurde die Reise angetreten. In Warschau sollte das erste Nachtquartier sein. Die bequemste Eisenbahnverbindung dorthin ıst auf der Strecke über Mlawa der erst seit zwei Jahren gehende Zug mit durchlaufendem Wagen bis zur Grenze 4 Uhr 28 Min. nachmittags ab Danzig. Kein Umsteigen in Marienburg, eine für eine größere Reisegesellschaft gewiß besonders wichtige Erleichterung. Im bequemen D-Wagen wird die Strecke zurückgelegt, zwischen Illowo und Mlawa die Grenze überschritten. Wer zum ersten Male die russische Grenze passiert, tut dies zweifellos mit gemischten Gefühlen, die beim Anblick der an der Bahnstrecke stehenden vielen bewaffneten Wachtposten gewiß nicht zerstreut werden. Drinnen ist man. Kommt man auch wieder gut hinaus? 158 Unnütze Sorge! Die russischen Grenzbeamten in Mlawa erwiesen sich als die personifizierte Liebenswürdigkeit selbst. Unsere bestimmte Erklärung, nichts Verzollbares mitzuführen, unsere ehrlichen Gesichter und die grüne Schleife an der Brust als Erkennungszeichen des vorher angemeldeten Vereins genügten vollkommen, alle Bedenken zu beseitigen. Eine Gepäckrevision fand überhaupt nicht statt, und der Paß wurde nach der Durchsicht schnell wieder ausgehändigt. Zugleich erfuhren wir den Inhalt einer Depesche der Kaiser]. Reichseisenbahnverwaltung in Petersburg von großer Wichtigkeit. Einfluß- reiche Gönner und Freunde, dazu der wissenschaftliche Charakter des Vereins, hatten uns eine Vergünstigung auf den russischen Bahnen verschafft, die die glatte Durchführung des Reiseplanes aufs beste garantierte. In Mlawa wurde uns, wie oben schon bemerkt, ein bequemer, mit Schlafeinrichtungen versehener Waggon 2. Klasse zur Verfügung gestellt, dazu bestimmt, uns für die ganze Fahrt bis zum Fuß des Kaukasus aufzunehmen. Der den Wagen begleitende Schaffner verblieb uns von Mlawa bis Wladikawkas und besorgte alle Ob- liegenheiten für uns mit einer rührenden Eilfertigkeit, vor allem bewachte er unser Gepäck auf den Stationen, auf denen wir den Wagen verließen. Nicht wenig hob sich in Mlawa unsere etwas bängliche Stimmung, als zu der Liebenswürdigkeit der Beamten, zu einem äußerst schmackhaften Abend- essen im Bahnrestaurant mit vorzüglich mundendem Bier jene verheißungs- volle telegraphische Nachricht hinzukam. Frohen Mutes zogen wir in das uns zugewiesene wandelnde Waggonhotel ein, das fortan als „100-Stundenwagen“ in unserem russischen Dasein eine hervorragende Rolle spielte. Schnell noch schoben wir den Zeiger unserer Uhr um 61 Minuten voraus, denn wir verließen das Reich der mitteleuropäischen Zeitrechnung und kamen unter die Herrschaft der St. Petersburger Stundenuhr. Eine volle Stunde war damit aus unserem Leben ruckartig ausgelöscht. Die sichere Aussicht, bei der Heimreise das Ver- lorene ebenso mühelos wiederzugewinnen, bot guten Trost. Bald nach Mitternacht polterte der Zug über die große Weichselbrücke in Warschau und lief fahrplanmäßig pünktlich in den Koweler Bahnhof eın. Und nun spielte sich hier wie später auf allen anderen Umsteigebahnhöfen eın für den russischen Bahnhofsverkehr charakteristischer und für den unkundigen Fremden höchst bedenklicher Vorgang ab. Durch jede Waggontür dringt eine Schar von Gepäckträgern ein, schon bei der Einfahrt das Trittbrett er- klımmend, und rafft von Gepäckstücken ohne Wahl an sich, so viel zu erfassen ıst. Ehe man sich’s versieht, ist man Koffer und Handtasche losgeworden, in manchen Fällen für immer, wie behauptet wird. Trotz unseres Protestes umtobt auch uns dort ein so wilder Trubel, und als das Gepäck auf dem eigens bestellten Hotelwagen von uns revidiert wird, siehe, da fehlt ein schöner Koffer, den sich sein Besitzer von so einem wild kantierenden, blaubeschürzten Manne hatte entreißen lassen. Kein Suchen, kein Schelten hilft, auch kein Tirostwort ım „Hotel de !’Europe‘“, wo wir für den Rest der Nacht absteigen. Der Koffer ıst nicht da. Das fing schlecht an, und nur 30 Koffer hatten wir im ganzen zu 4 vergeben. Wo würde uns der letzte verlassen? Weitgehende Betrachtungen über die Beziehungen zwischen diebischen Neigungen der Bevölkerung und der Unkultur des Landes wurden vor dem Schlafengehen angestellt, freilich ohne praktisches Ergebnis. Und doch, wie voreilig war unser Urteil gewesen! In sıcherem Gewahrsam fand sich am nächsten Morgen der Koffer vor, der auf dem sehr schlecht beleuchteten Perron — leider sind nach unserer Beobachtung alle russischen Bahnsteige abends nur notdürftig erhellt — im Schatten des eigenen Waggons unbemerkt stehen geblieben und von dem aufsichtführenden Bahnhofsgendarmen ‚gerettet‘ worden war. Da rede man ja nicht mehr von der Unredlichkeit russischer Beamten! Uns ist auf der ganzen Reise nicht ein einziges Gepäckstück abhanden gekommen. Allerdings zu vertrauensselig darf man auch ın Rußland nicht sein. Jedenfalls haben wır uns bei späteren Ge- legenheiten die Horde der wenig vertrauenerweckenden Gepäckträger jedesmal energisch vom Leibe gehalten und den drei bis vier von uns beauftragten Leuten scharf auf die Finger gesehen. So ging’s sehr gut. — Nur kurz war der Aufenthalt ın Warschau, gerade ausreichend zu einem orientierenden Rundgang durch die Stadt. Der stets liebenswürdig dienstbereite Großkaufmann Herr Kunkel, kaufmännischer Berater des Kaiserlich deut- schen Generalkonsulats in Warschau, machte den kundigen Führer. Man wandert von dem elegant eingerichteten Hotel de l’Europe durch die schönste Straße, die Krakauer Vorstadt, vorbei an der Universität, der von vergoldeten Kuppeln überragten Alexander-Newskij-Kathedrale, durch den mit hübschen Anlagen und schönen Baumgruppen gezierten Sächsischen Garten, weiter nach Süden durch breite, mit Bäumen bepflanzte Straßen zum Ujazdowski-Park und zum Botanischen Garten neben dem Astronomischen Observatorium. Dort sind eine kleine Allee von starken Fliederbäumen und ein sehr stattlicher ostasıa- tischer Gingkobaum hervorragende botanische Sehenswürdigkeiten. In die Zeit König Stanislaus Poniatowskis reicht das benachbarte, 1788 vollendete ele- gante Lustschloß Lazienki (Waschenki gesprochen) mit seinem ausgedehnten Park und künstlichen Wasseranlagen, mit lauschigen, kleinen Villen und einem amphitheatralisch aufgebauten Naturtheater, dessen Bühne auf einer Insel ım See zwischen hohen Bäumen liegt. Sehr verlohnt es sich, Warschau mit Praga genauer kennen zu lernen. Im Juli 1909 hatten wir dazu reichliche Gelegenheit. Es ist eine sauber gehaltene Großstadt mit zirka 1 Million Einwohnern, die überall in ihren zahlreichen Neubauten westeuropäischen Charakter und Geschmack zeigt, die in den Straßenzügen erfolgreich nach Licht und Luft strebt und durch Anlagen von Parks, Rasenplätzen und Baumanpflanzungen für Auge und Lunge wohltätig sorgt. Die Wasserleitungsanlagen sind musterhaft; die übrigen sanıtären Ein- richtungen stehen auf der Höhe der Zeit. Nur das Judenviertel mit seinen schmutzigen Kleinkramläden macht einen rückständigen Eindruck. Schnell verstrich die Zeit. Nach einem schmackhaften Mahl im Hotel ging’s zum Koweler Bahnhof, zurück zu unserem 100-Stundenwagen, zur Fortsetzung 5 160 unserer Reise. Ein gewaltiger Verkehr entwickelt sich zur Reisezeit auf den Warschauer Bahnhöfen. Zug auf Zug, mit eingelegten Nachzügen, dampfen davon, und so mancher Reisende muß dem Bahnhofe wieder den Rücken kehren, weil er keine Fahrkarte mehr erhielt. Auf allen russischen Bahnen gilt die Bestimmung, daß jeder Zug nur mit einer bestimmten Zahl von Achsen zur Fahrt abgelassen wird. Die Wagenabteile dürfen nie überfüllt werden. Drei Klassen gibt es nur, die vierte Wagenklasse fehlt. Jedes Abteil der 1. Klasse enthält nur zwei, der 2. Klasse vier, der 3. Klasse sechs Plätze. Sınd alle Plätze des Zuges, deren Zahl feststeht, besetzt, so werden weitere Fahrkarten für den Zug nicht ausgegeben, neue Wagen dem Zuge nicht angehängt. Der Reisende mub sich fügen und einen späteren Zug benutzen. Daraus hat sich die Praxıs ergeben, daß die Fahrkarten zu einem bestimmten Termin oft wochen- lang vorher bei den Fahrkartenausgaben bestellt werden, will man sich seinen Zug auf den verkehrsreichen Strecken sichern. Also von einem Entgegen- kommen der Eisenbahnen dem Publikum gegenüber ıst in Rußland kaum die Rede. Der Fremde muß diese Verhältnisse beachten, will er nicht in große Verlegenheit kommen. | Wie froh konnten wir sein, unseren reservierten Waggon zu haben. Laut Verfügung der obersten Verkehrsinstanz mußte unser Wagen nach dem monate- lang vorher angemeldeten, auf Tag und Stunde fixierten Reiseplan dem be- stimmten Zuge unter allen Umständen angehängt werden, nötigenfalls unter Ausschaltung eines gewöhnlichen Persönenwagens. Und so dampften wir denn nach dem Osten ab. Eine gewaltige Strecke ist der Weg von Warschau nach Moskau, und nicht weniger als 25 Stunden gebraucht der Schnellzug, um die 1224 Werst') zurück- zulegen. Man denke außerdem an sommerliche Hitze, Staub und die Enge des Wagens; doch nichts trübt die Erinnerung an unsere angenehme Fahrt. Die erste Hälfte des Juli zeigte in ganz Rußland eine angenehme Kühle, 20 Grad Celsius war die höchste Tagestemperatur. Staub gab es nur innerhalb Polens, ım eigentlichen Rußland hatte ein vorher fast drei Wochen andauernder Regen für eine gründliche Durchfeuchtung des Erdreiches gesorgt, ein Wolkenschleier ließ die Sonnenstrahlen nicht hindurch. und unser bequemer Waggon wurde uns zu einem behaglichen Aufenthalte. Jeder von uns wußte sich hinreichend zu beschäftigen, die Mahlzeiten ım benachbarten Speisewagen brachten Ab- wechselung. | Die Landschaft bot des Interessanten wenig, keine Bodenerhebung behin- derte den freien Horizont. In Polen fiel die geringe Kultur des Bodens auf. Besser wurden hinter Brest—Litowsk die Verhältnisse in den russischen Gou- vernements Grodno, Minsk und Smolensk. Volkreiche Dörfer lösen hier die weiten, stundenlangen Einöden ab. Großartige Waldungen harren der plan- mäßigen Nutzung. Stattliche Herden von Rindern, Pferden und Schafen sind 1) Werst = 1,067 km 161 die Ernährer des Landmannes, der zumeist als Dörfler in seiner baufälligen Holz- und Lehmhütte haust. Außer weitgedehnten Getreidefeldern fielen riesige f'elder mit Sonnenblumen auf, deren reife Körner eine in Rußland sehr volks- tümliche Frucht liefern. Hinter Minsk erreichten wir die Rückzugsstraße der großen Armee von 1812, bald passierten wır die Beresina. Blutgetränkte Erinnerungsbilder aus der Geschichte des Völkerringens vor hundert Jahren tauchten auf und gaben reichlichen Stoff zur Unterhaltung. Bald ragte eine hohe fünfkuppelige Kathe- drale über einem Häusermeer im Landschaftsbilde empor, der „Schlüssel und das Tor Rußlands“, Smolensk, ließ uns passieren. Über Wjasma kamen wir an dıe Station Borodino, wo einst das letzte Ringen des russischen Heeres zur Verteidigung der heiligen Hauptstadt erfolgt war. Nach weiteren zwei Stunden lag das weitgedehnte Moskau vor uns. Erwartungsvoll schauten wir auf dieses langersehnte Bild, aus dem Hunderte von blinkenden Kuppeln und Türmen her- überschauten. Auf dem Brester Bahnhof empfingen uns zwei Vorstandsmitglieder des Vereins zur Unterstützung deutscher Reichsangehöriger, die Herren Loewen- thalund Bötjer, denen wir für ihre liebenswürdige, aufopfernde Führung vielen Dank schulden. Außerdem wurde der „Einzug der Deutschen“ in Moskau durch einen Kinophotographen im Bilde festgehalten, ganz gegen unseren Wunsch und Willen. Hoffentlich wird mit dem Film, der unseren Auszug aus dem „Waggonpalast“ und die Begrüßung der Reichsdeutschen auf dem Perron darstellte, kein Unfug getrieben. Nun standen wir auf dem Boden der „heiligen Stadt“, befanden uns ın der eigentlichen Hauptstadt, dem Mittelpunkte des eingeschworenen, orthodoxen Russentums, wo sich alle geschichtlichen und nationalen Erinnerungen für den konservativen Russen zu einem inhaltreichen Gesamtbilde vereinigen, das von unerschütterlichen, religiösen Vorstellungen gläubig eingerahmt wird. Ist Petersburg die politische Hauptstadt des Reiches, die Residenz des Zaren, so ist Moskau der anerkannte Hauptsitz des nationalen Russentums, die starke Wurzel des Zarentums, Herz und Seele der ganzen Nation. Es birgt in seinen 'Palästen und Kirchen die nationalen und religiösen Heiligtümer des Volkes, ist das Mekka der orthodoxen Gläubigen. Zu ihm zu pilgern, es im Leben einmal gesehen und betreten zu haben, gilt dort als ein gewichtiger Schritt zur ewigen Glückseligkeit. Auch der unbefangene Fremde, der zum erstenmal Moskau betritt, mit sinnendem Blicke dort sich umschaut und die Geschichte des Landes einigermaßen kennt, wird bald von dem Zauber erfaßt, der aus den alten Palästen, den kostbaren Gotteshäusern mit ihren Reliquien auf ıhn wirkt. Die Erwartungen, die wir an den Besuch Moskaus knüpften, wurden frag- los übertroffen, und am Schluß unseres zweitägigen Aufenthaltes bedauerten wir, der interessanten Stadt in unserem festen Reiseprogramm nicht mehr Zeit gewidmet zu haben. Nur wenige der wichtigsten Sehenswürdigkeiten konnten in Augenschein genommen werden. 35. Ber. d. Wpr. Bot.-Zool. Vereins. 7 1 162 Man tut gut, zunächst das weitgedehnte Stadtbild von einem hohen Punkt aus zu überschauen. Im Südwesten der Stadt liegen die 60 m hohen Sperlings- berge, ein beliebter Sommerausflugsort des Moskowiters. Von ihrer Höhe schaute vor 100 Jahren Napoleon auf das Ziel seiner Wünsche. Diesen Punkt bestiegen wir am Spätnachmittage des Tages unserer Ankunft. Ein bezaubern- des Bild entrollte sich zu unseren Füßen und in der weiten Ferne. Im Vorder- runde — inmitten grüner Felder — die zierliche Tiehwinskijsche Kirche, weit dahinter der Riesenbau der Erlöserkirche, eingeschlossen von der vieltürmigen Stadt mit ıhrer alten Burg, dem Kreml, alles beleuchtet von den Strahlen der untergehenden Sonne, die ın den vergoldeten Kuppeln der Gotteshäuser, wıe ın den Wassern der am Fuß der bewaldeten Berge dahinfließenden Moskwa sich wiederspiegelte. Auch die Rückfahrt abends auf dem Fluß zur Stadt war eın @enuß. Die bengalischen Flammen und Leuchtkugeln, die der aufmerksame Hotelwirt von der Höhe aus bei unserer Abfahrt anzünden ließ, wurden durch Tausende von strahlenden Lichtern abgelöst, als wir uns ım schnellen Motor- boot der Riesenstadt wieder näherten. Dem Kreml galt unser Besuch am nächsten Vormittage. Man muß ıhn gesehen haben, will man die tiefe Ehrfurcht des Russen vor dieser ıhm heiligen Stätte, „über dıe nur der Himmel geht‘, ganz verstehen. Diese Vereinigung von Palästen, Kapellen, Kirchen, Klöstern, Staatsgebäuden, ım Innern getrennt durch weite Paläste mit kostbaren Denkmälern, von einer 20 m hohen, zirka 2 km langen, zinnengekrönten und mit 19 Wearttürmen versehenen Um- fassungsmauer umschlossen, ist etwas so Eigenartiges, in seiner fremdartigen Formen- und Farbenpracht so Einziges, daß der Russe auf solchen Besitz wohl stolz sein darf. Auf dem dort fast 40 m hohen Ufer der Moskwa gelegen, ist der Kreml die beherrschende Burg von trutziger Kraft und orientalischer Pracht, in deren Hauptkathedrale die Krönung des Zaren erfolgen muß, wo dessen Herrschergewalt erst ihre höchste Weihe erhält, wo vom höchsten Glockenturme der Stadt und Burg, dem Iwan Welikij, die Thronbesteigung durch ehernen Mund verkündet wird. Der Kreml ist die Stätte, wo Kaiser- tum und Priesterwürde in eins verschmelzen, wo dem gläubigen Russen der Inhaber des Zarenthrones zur geheiligten Person wird. Fünf Tore führen durch die ein Dreieck bildende Umfassungsmauer in den Kreml. Entblößten Hauptes schreitet man durch das Erlösertor oder die heilige Pforte — so bestimmte es Zar Alexeı Michailowitsch, der über der Pforte ein Bild des Erlösers, das Palladium des Kremls, 1647 anbringen ließ — und befindet sich auf einem weiten Platze. Rechts das Hımmelfahrts-Nonnen- kloster, das kleine Palais und das 1358 begründete Kloster der Wunder; diesem gegenüber das großartige Denkmal Alexanders II., am Ende des Zarenplatzes der 97 m hohe Glockenturm Iwan Welıkij, mit der Schatzkammer des Patriar- chen, neben diesem auf einem Granitsockel die 8 m hohe größte Glocke der Welt, die aber niemals ihrer Bestimmung übergeben wurde; bald dahinter die Krönungskirche der Zaren, die Uspenskij-Kathedrale. Sie bildet ungefähr den s 163 Mittelpunkt des Kremls. Nicht weit davon erhebt sich die Archangelskij- Kathedrale, die Gruftkirche der Zaren aus dem Hause Rjurik und Romanow vor Peter dem Großen, daneben die Tauf- und Trauungskirche der Zaren, die Blagowjechtschenskij-Kathedrale und das große Kremlpalais, in dem 1812 Napoleon wohnte, mit seinen zahlreichen, kostbar eingerichteten Sälen, die wir alle ausnahmslos betreten durften. Der große Kremlpalast umschließt die älteste Kirche des ganzen Kremls, die bereits dort stand, als im 13. Jahrhundert der Hügel, auf dem der Kreml jetzt steht, noch dicht bewaldet war. Ein Seitenflügel desselben Palastes enthält die überreiche Schatzkammer der Zaren. Außer kleinen Palais füllen den weiten noch übrigbleibenden Raum das Syno- dalgebäude, das Gerichtsgebäude, dıe Kasernen und das Arsenal. Vor der Front des Arsenals stehen Hunderte 1812 erbeuteter Geschütze, daneben eine Riesen- kanone, die nie gebraucht wurde. Nicht Stunden, sondern Tage müßte man daran setzen, um all die Schätze nationaler und geschichtlicher Erinnerungen durchzumustern, die im Kreml aufbewahrt werden. Um den Kreml, als den ältesten Teil Moskaus, lagern sich, konzentrisch geordnet, die übrigen Stadtteile, zunächst die innere Stadt, Kitai-Gorod genannt, gleichfalls von einer fast drei Werst langen, weißen, mıt Türmen und Türmchen geschmückten Mauer umgeben; es ist der Hauptsitz des Verkehrs, mit der Börse und den Handelsreihen. Die innere Stadt wird von der „weißen Stadt‘ mit ihren breiten, radıenartig vom Kreml auslaufenden Straßen umschlossen; es ist der eleganteste Stadtteil, mit vielen Palästen, öffentlichen Gebäuden und glänzenden Magazınen. Andere Stadtteile folgen bis hinaus zu den Vorstädten. Das ganze Areal bedeckt eine Fläche von 63 Quadratwerst oder etwas über eine Quadrameile; gegen 11% Millionen Einwohner wohnen dort. Wir treffen auf den Straßen den bärtigen Mushik ın Bastschuhen und ge- flicktem Kaftan, den Popen in braunem oder weißem, langen Rock mit lang herabhängendem Haar und Bart, den würdigen Kaufmann mit altrussischer Pelzmütze, Tscherkessen mit ihrem patronengeschmückten Rock, Tataren mit hoher Lammfellmütze, Perser und nicht wenige Moslems mit Turban oder rotem Fes; die sogenannte deutsche Tracht herrscht allerdings vor. Alle drängen auf den breiten Trottoirs, dem holperigen Pflaster des Straßendammes durchein- ander, es ist ein fast so buntes Bild, wie auf der berühmten Galatabrücke ın Konstantinopel, das wir 1907 zu bewundern Gelegenheit hatten. Das Straßen- bild wird noch belebt durch einen regen Wagenverkehr, der durch die kleinen, offenen, zweisitzigen Kaleschen mit ihren niedlichen, hübsch beschirrten Pferden und dem würdigen Kutscher in langem Rock und steifem, hohen Filzhut ein charakteristisches Gepräge erhält. Alle Sehenswürdigkeiten dieser Stadtteile aufzuzählen, würde zu weit führen; doch seien einige wenige hervorgehoben. Kirchen und Kapellen gibt es im ganzen 500. Fast in jeder größeren Straße ist in der Häuser- flucht ein Gotteshaus oder auch ein Kloster, vor denen der gläubige Russe halt macht und schnell sein Gebet verrichtet oder in die er eilig hineinschlüpft, Di 164 um für sein Vorhaben den Segen der Heiligen anzurufen. Die berühmteste Kapelle ist die der Iberischen Mutter Gottes, bei der jeder Russe unweigerlich auf Minuten stehen bleibt. Auch der Zar sucht bei seiner Ankunft ın Moskau stets diese Kapelle zuerst auf, ehe er den nahen Kreml betritt. Der erste Eindruck, den man in Moskau empfängt, ist der, in einer Stadt hingebender gläubiger Frömmigkeit zu sein. Einen tiefen Eindruck machen selbst auf den weniger interessierten Fremden die kirchlichen Prozessionen durch die belebtesten Straßen. Einer dieser größeren Umzüge, bei dem die kostbaren Heiligenbilder aus sämtlichen Kirchen Moskaus, Hunderte an der Zahl, von ehrwürdigen Bürgern getragen, der ganze kirchliche Glanz der gol- denen und silbernen Kirchengeräte entfaltet wurden, die Priesterschaft voll- zählig vertreten war bıs hinauf zum obersten Kirchenfürsten, dem Metro- politen, hatten wır Gelegenheit zu bewundern und konnten ermessen, welche hohe Bedeutung für die Bevölkerung dort das kirchliche Leben unzweifel- haft hat. u Noch zwei Kirchen seien erwähnt, eine aus alter Zeit, die andere modernen Charakters. Am sogen. Roten Platz, .östlich vom Kreml, steht die Basilius- Kathedrale, ein sonderbarer Bau. Elf kleine Kapellen, deren jede mit einem anders geformten und gefärbten Kuppelturm abschließt, hat der Architekt in wunderlichster Art zu einem Ganzen vereinigt, das einen gar seltsamen, phan- tastischen Eindruck macht. Staunend bleibt der Fremde davor stehen und kann sich kaum losreißen von dem Anblick dieses bizarren. Mosaıks merkwürdiger Formen mit ihren überschwänglich reichen Verzierungen und schier unmöglich erscheinenden Farbenzusammenstellungen. So wunderlich das Ganze ist, so bleibt die Wirkung dieses einzig dastehenden Bauungeheuers durchaus male- risch. Die Wassilykirche ıst und bleibt ein charakteristisches Wahrzeichen Moskaus. Auf Iwan den Schrecklichen reicht der Beginn dieses Bauwerks zurück, und wie es zur Geschichte eines originellen Kunstwerkes fast stets gehört, ist auch hier die Sage geschäftig bei der Hand und erzählt, daß der Künstler geblendet wurde, als er das Werk vollendet hatte; man wollte ver- hindern, daß ähnlich Merkwürdiges an anderer Stelle noch entstehen könne. Man denke an die Sage von der Uhr in der Marienkirche zu Danzig u. a. m. Die schönste Kirche Moskaus ist die Erlöserkirche. Sie ist 1837—1883 nach Plänen von Thun zur Erinnerung an die schwere Zeit von 1812—1814 erbaut. Ihre Hauptkuppel erhebt sich zu 102 m Höhe, als ein das Häusermeer weit überragendes modernes Wahrzeichen der Stadt, am Ufer der Moskwa, nahe dem Kreml. Sie hat die Form eines griechischen Kreuzes und wird von fünf vergoldeten Kuppeln überragt. Der Baustein ist Marmor. Im Gegensatz zu den übrigen Moskauer Kirchen ist ihr Inneres durch 60 hohe Fenster hell erleuchtet, durch prächtige Wandgemälde berühmter Meister verschönt. Das Ganze, in seinem goldenen Schmuck, macht einen würdigen, freundlichen, har- monischen Eindruck. Der Chorgesang bei kirchlicher Feier ist berühmt. Wir hatten Gelegenheit, ihn zu hören. 10 165 Die bildende Kunst ist in Moskau außer durch die hervorragende Archi- tektur der Baudenkmäler durch eine Galerie hervorragender Gemälde vertreten, wie man sie in jenem „halbasiatischen“ Rußland kaum erwarten möchte. Zwei reiche Kaufleute, die @ebrüder P. und S. Tretjakow, haben 1892 der Stadt eine zirka 2000 Nummern umfassende Sammlung neuerer russischer Gemälde geschenkt, die nach dem Urteil Sachverständiger einen ganz ungeheuren Wert repräsentiert. Besonders bemerkenswert sind Kriegsbilder und Landschaften von W. Wereschtschagiın, Bilder aus dem russischen Volksleben von Perow und Ssurikow, Landschaften von Schiskin und Polse- now, Genre und Porträts von Rjepin. Die Schlachtenbilder aus dem russisch-türkischen Kriege von Wereschtschagın und das Bild „Iwan der Schreckliche an der Leiche seines von ihm getöteten Sohnes“ von Rjepin sınd ın Darstellung und Technik von ganz hervorragender Bedeutung und Wirkung. Man verliert sie nicht wieder aus der Erinnerung. Die botanische und zoologische Wissenschaft kam für uns ın Moskau zu kurz. Das sehenswerte zoologische Museum im Universitätsgebäude blieb uns trotz wiederholten Versuches unzugänglich, da die Universität geschlossen war. In dieser Beziehung erging es uns ähnlich wie 1909 ın Warschau. Der botanische Garten konnte uns nichts bieten. Dafür entschädigte uns ein Besuch des Villen- ortes Zarızino bei Moskau, wo weniger ein zur Zeit der Kaiserin Katharına II. begonnener, aber unvollendet gebliebener Schloßbau als der herrliche Park mit hübschen Durchblicken. mit Riesenpappeln, Weißbuchen, Eichen und kaukası- schen Ahornbäumen allgemeine Bewunderung fand. Alles ın allem genommen haben die Tage ın Moskau unauslöschliche Er- innerungen von hohem Werte hinterlassen, zugleich den Wunsch rege gemacht, wieder einmal all die Herrlichkeiten, aber mit größerer Ruhe genießen zu können. Sonntag, den 7. Juli (gleich 24. Juni russisch), schieden wir von unseren Moskauer Freunden mit Dank ım Herzen für alles, was sie uns ın der kurzen Zeit zugänglich gemacht hatten. Die Fahrt von Moskau aus nach dem Süden begann. Diesmal galt es, gar 1817 Werst 1939 km) in einer Tour zu durcheilen, und das geschah mit einer durchschnittlichen Stundengeschwindigkeit von nur 42 km, so daß Wladi- kawkas erst in 47 Stunden erreicht wurde. 47 Stunden ununterbrochener Eisen- bahnfahrt, schrecklicher Gedanke! Auf der Strecke Warschau-Moskau war die Geschwindigkeit zwar 54 km pro Stunde gewesen, immerhin für einen Schnell- zug keine hervorragende Leistung. Wie ganz anders sauste 1908 unser Eisen- bahnzug von Edinburgh durch England nach London, als die zirka 90 geogra- phische Meilen lange Strecke in 8 Stunden genommen wurde. Eile hat der Russe auch auf der Reise nicht: dafür ist die Eisenbahnfahrt angenehm, ohne Stoßen und Rütteln. Langeweile gab es auf dieser gewaltigen Fahrt für uns nicht. Erfreulich war es, zu beobachten, wie schnell seit dem Beginne der Reise zwischen den bis dahin zum großen Teil einander fremden Exkursionsteil- nehmern freundschaftliche Beziehungen sich angebahnt hatten, hervorgerufen 11 a. durch gleiche Neigungen und Interessen, erhalten und gepflegt auf dem guten Boden gegenseitigen Wohlwollens und steter Hıilfsbereitschaft. Nur unter sol- chen Voraussetzungen wird das Reisen ın größerer Gesellschaft annehmbar. Die Fahrt berührt die Städte Rjäsan, Koslow, hier auf eine weite Strecke das Gebiet der überaus fruchtbaren Schwarzerde kreuzend, Woronesch am Don, wo der Eintritt in die südrussische Steppe erfolgt. Auf den meilenweiten Gras- weiden tummeln sich nach vielen hunderten Stücken zählende Herden von Rindern und Pferden. Kleine, aber auch recht stattliche Dörfer unterbrechen stundenlange Einöden. Vor Woronesch eilt der Zug durch ausgedehnte Laub- und Mischwaldungen. Bei der Station Ssulin wird man durch Hüttenwerke und Kohlengruben überrascht; es ist das große Kohlengebiet am Donez mit seinen ergiebigen Lagern von Steinkohle, Anthrazit und Eisenerzen. Alles in allem genommen, gewinnt man trotz der flüchtigen Beobachtung doch den Ein- druck, wirtschaftlich wichtige und zukunftsreiche Gebiete durchquert zu haben. Wir befinden uns inzwischen im Territorium der „staatserhaltenden“ Kosa- ken; vor uns liegt ihre erst 1805 gegründete Hauptstadt Nowo-Tscherkask auf dem hohen Ufer eines Nebenarmes des Don. Eine hoch aufragende Kathedrale mit ihren vergoldeten Kuppeln, ein großfürstlicher Palast, ausgedehnte schmucke Anlagen, eine Junkerschule zur Heranbildung von Kosakenoffizieren und andere öffentliche Gebäude legen Zeugnis ab von dem Emporblühen und der Bedeutung der fast 100 000 Einwohner zählenden Stadt. Nach 28stündiger Fahrt ıst Rostow am Don erreicht. Der zweistündige Aufenthalt muß zu einer Wanderung durch die Stadt genügen. Herren des deutschen Konsulats in Rostow sind die liebenswürdigen Führer. Es ist eine modern gebaute Stadt, die vielleicht am ehesten mit Odessa zu vergleichen wäre. Die architektonisch schöne Duma (Rathaus), einige Kirchen schmücken das Stadtbild, das mit seiner breiten Sadowa-Straße, den Boulevards und einem großen Stadtgarten einen freundlichen Eindruck macht. Lebhafter Handel mit Getreide und Rohwolle, eine bedeutende Tabakfabrıkation geben den 140 000 Einwohnern Beschäftigung und Verdienst. Rückständig sind die sanitären Verhältnisse. Rostow war in den letzten Jahren wiederholt ein Hauptherd der asiatischen Cholera in Rußland. Ohne den bequemen Speisewagen im Zuge muß abends die Bahnfahrt fort- gesetzt werden; wenig angenehm, denn sie dauert noch über 18 Stunden. Nur die Station Mineralnyja-Wody bietet ein vertrauenerweckendes Bahnhofsrestau- rant, in dem ein schmackhaftes erstes Frühstück mit vorzüglichem Karawanen- tee ın großer Hast eingenommen werden kann. Danach gibt es bis Wladikawkas am Fuß des Kaukasus auf den Stationen nichts Empfehlenswertes zu genießen. Eine fast 2m lange vorzügliche Dauerwurst, von der Reiseleitung in Moskau für verhältnismäßig billigen Preis heimlich erworben, zusammen mit gutem Brot, wurde der mit Hurra begrüßte Retter in großer Not. Unsere Damen spendeten Kakes und Marmeladen. Kinder und Frauen bieten zwar auf den Haltestationen gekochte Hühnchen, saure Gurken, Früchte und Milch an. 12 Vorsicht ist da aber gewiß empfehlenswert; die Sauberkeit läßt zu wün- schen übrig. Andere Genüsse traten in den Vordergrund und drängten die Magenfrage zurück. Die ersten lohnenden Fernblicke auf das Ziel unserer Wünsche, den Kaukasus, aus dem sich etwas unklar der Gipfel des Elbrus und des Kasbek herausarbeiteten, fesselten zunächst unsere Aufmerkamkeit. Und auf der letzten Station vor Wladikawkas hatten wir die freudige Überraschung, einen Herrn aus Tiflis zu begrüßen, der sich bereit erklärt hatte, die nächsten acht Tage hindurch unsere Exkursion durch Kaukasien mitzumachen. Nach dem Tode unseres berühmten Landsmannes Dr. v. Radde ist Exzellenz v. Hahn derjenige Deutsche, der als der beste Kenner Kaukasiens gilt. Seit über 20 Jahren ın Tiflis ansässig, bis vor kurzem als Direktor einer höheren Lehranstalt dort tätıg, hat v. Hahn durch seine „Reisen und Studien“ wichtige Beiträge zur Kenntnis des Landes in einer Reihe von Druckschriften niedergelegt, die allen Interessenten als Lektüre lebhaft zu empfehlen sınd. Schwabe von Geburt, hat v. Hahn sich seine kerndeutsche Art gut bewahrt. Ein Glück für uns, ihn als liebenswürdigen Begleiter gewonnen zu haben. Jeder Fremde, der ın Kaukasien reist, wird gut tun, sich seinen Rat und seine Empfehlungen vorher zu sichern. So zogen wir, im Vertrauen auf unser ferneres Reiseglück, erwartungsvoll ın Wladıkawkas, die „Beherrscherin des Kaukasus“, ein. In einer Meereshöhe von 700 m, am reißenden Terek und vor einem Quertal gelegen, das den schmalsten und zugleich höchsten Teil des Gebirges zwischen Elbrus und Kasbek durchschneidet, ist W. die natürliche Eingangspforte und der Schlüssel für die gigantische Felsenruine des Kaukasus. W. ist vorwiegend Garnison- stadt. Daher sieht man auf den Straßen neben stattlichen Terekkosaken nicht wenige im russischen Militärdienst stehende, hochgewachsene Imeritiner und Grusinier in der kleidsamen Tscherkessentracht, die den meisten Bergvölkern des mittleren Kaukasus eigen ist. Die hohe Pelzmütze, der lange, ın der Taille zusammengefaßte schwarze, graue oder weiße Tuchrock, auf der Brust mit einer Querreihe von Patronen besetzt, steht den schlanken, elastischen Ge- stalten gut. Die edlen Gesichtszüge verraten Energie und Intelligenz. Wie v. Hahn erzählt, begegnete man in den Straßen von Wladikawkas vor 20 Jahren noch häufig den hübschen Grusinierinnen mit gesticktem Barett und weißem, auf das dunkle Kleid hinten herabwallendem Schleier. Die schönen Grusinierinnen scheinen ausgestorben zu sein, und man sieht jetzt die National- tracht bei den Frauen kaum mehr in den Städten. Der Riesenhut, das enge Kleid, die bedenklich hohen Absätze unter den Promenadenstiefeln sind bei der Damenwelt dort ebenso charakteristische Zeichen einer allgemeinen Geschmacks- verirrung wie bei uns zulande. Ein breiter, sauberer Boulevard, in der Mitte von einer schattenspendenden Allee von Linden und Akazien durchzogen, bildet die Hauptstraße, die durch das Palais des Höchstkommandierenden, durch zwei Hotels und andere stattliche Gebäude, durch einen lauschigen Stadtgarten euro- 15 päisches Gepräge erhält. Dagegen verraten die engen, ungepflasterten schmutzi- gen Quergassen mit ihren Kleinkrambasars, ihren nach der Straße hin offenen Werkstätten der verschiedensten Handwerker in niedrigen, einstöckigen und baufälligen Häusern, dazu eine Moschee mit Minarett, den Orient. Den Haupt- schmuck der Stadt aber bildet das gegen Süden imponierend aufragende Ge- birge, dessen schneebedeckte Riesenhäupter, voran der Kasbek, im Feuer der untergehenden Sonne erglühen. Nur vereinzelte Lichtblicke aus blendender Höhe vermochten wır zu erhaschen, wenn Wolken und breite Nebelfetzen für Augenblicke das herrliche Bild freigaben, und allein die Meldung von Neu- schnee in den Bergen ließ dem Kundigen einen Hoffnungsstrahl, es könnte ın den folgenden Tagen besser werden. | Schlecht waren die Aussichten am nächsten frühen Morgen. War auch die Nachtruhe im ganzen ungestört und erquickend gewesen, hatte doch das „Hotel de l’Europe‘“ auf Veranlassung eines liebenswürdigen Deutschen, des Herrn Apothekenbesitzers Schwarz, dort alles aufgeboten, uns zufrieden zu stellen, standen auch die Wagen zur Abfahrt ziemlich pünktlich bereit und fehlte kein Glied in der Reihe der Vorbereitungen zum Gelingen der Bergfahrt, so blieb die Hauptsache, die Güte des Wetters, weit hinter den gehegten Er- wartungen zurück. Ein dichter Nebel ging bei unserer Abfahrt in einen leichten Regen über, vom Gebirge war nicht das geringste zu sehen. Sollte der Glanz- punkt unserer ganzen Exkursion, die Fahrt und Wanderung auf der Grusini- schen Heerstraße über den Kaukasus, zuschanden werden? Recht bekümmert schauten wir drein, bei der Fahrt über das holperige Straßenpflaster, über den wild schäumenden Terek, dessen Fluten durch frische Sedimente aus den regen- durchfeuchteten Bergen getrübt waren. Kühl war die Luft, und trotz der merk- lichen Steigung der Straße griffen die Pferde tüchtig aus. Schnell ging die Fahrt auf dem gut gehaltenen Wege. Und bald befestigte sich das Urteil, hier in einem der unwirtlichsten, wildesten Teile des Reiches eine der besten Fahr- straßen des Landes, vielleicht ganz Europas, vor sich zu haben. In den Jahren 1811 bis 1864 als wichtige Militärstraße angelegt, steigt sie an der Seite des Terek zur Paßhöhe von 2400 m an, um auf dem Südabhang im Tal der Aragwa, eines Nebenflusses der Kura, hinabzusteigen. Welche gewaltige Arbeit ıst da im Kampf mit den reißenden Bergwässern, mit Fels- und Schneelawinen ge- leistet worden, um die 200 Werst lange Verbindungsstraße zwischen Wladi- kawkas im Norden und Tiflis im Süden des Gebirges herzustellen. Anfangs zieht die schöne Straße durch graues, jurassisches Kalkgestein. Nach 13 Werst ist die Poststation Balta, nach weiteren 17 Werst Lars er- reicht. Bei Lars erheben sich dunkle, paläozoische Schiefermassen, von Grün- stein durchsetzt. Hier wie auf allen folgenden Stationen werden schnell die Pferde gewechselt, die Fahrt fortgesetzt. In Lars waren wir schon zu 1122 m emporgestiegen. Und welche Wonne! Mit steigender Höhe obsiegte das Tages- gestirn. Die Nebel stiegen auf, die Wolken teilten sich, der blaue Himmel schaute auf uns herab, eine Reinheit und Durchsichtigkeit der Atmosphäre von 14 169 zauberhafter Wirkung war die natürliche Folge. Jetzt trat dıe ganze Pracht der himmelanstrebenden Berghäupter hervor, die infolge der Klarheit der Luft in greifbare Nähe rückten. Bei jeder Wegbiegung neue Formen! Hier und da huschten noch einzelne hellbeleuchtete Wolkenfetzen zwischen den Berg- und Felskulissen einher, die bezaubernde Plastik der Formen hebend. Bald ist die berühmteste Stelle, die Darialschlucht, erreicht. Der Terek durchbricht hier auf 12 Werst Weglänge eine dem Hauptstocke vorgelagerte Gebirgskette von über 4000 m Erhebung. Wir sınd in der Zone des Granitgesteins. Die Straße hat kaum Platz neben dem wild einherbrausenden Fluß. An der engsten Partie, dem etwa eine Werst langen „Tor der Alanen“, steigen Felswände bis zu 1800 m über der Talsohle fast senkrecht empor. Auf unzugänglicher Höhe ragen dort Felstrümmer empor, aus denen der Volksglaube die Ruinen des Schlosses der gefeierten grusinischen Königin Tamara gemacht hat. Etwas tiefer ist zur Verteidigung dieses Felsentores ein Kastell angelegt, das sich nur schlecht ın das Gesamtbild einfügt. Nur langsam schreiten wir vorwärts, still und ın uns gekehrt, überwältigt von der Großartigkeit der Eindrücke Da öffnet sich nach rechts eine Felswand, und wie gebannt bleiben wir stehen, denn vor uns erhebt sıch, fast greifbar nahe, vom hellsten Sonnenlicht beschienen, der Gipfel des Kasbek. In 5043 m Höhe seine Eiskappe, von Neuschnee ver- sılbert, an seinem Abhang eine gewaltige Eiszunge, der mächtige, dem Aletsch- gletscher der Alpen vergleichbare Dewdorakigletscher, das war ein Höhepunkt des Genusses für den Naturfreund. Nie werden wir das großartige Bild aus der Erinnerung verlieren. Das Tal verbreitert sich wieder, die Straße zieht ın Windungen am Rande einer weiten Ausbuchtung des Terektales hin, erst steigend, dann etwas fallend, die Station Kasbek, unser erstes Nachtquartier im Kaukasus, nimmt uns auf. Das erste Quartier im Gebirge, im wilden Kaukasus! Wıe ganz anders hatten wir es uns in der Heimat ausgemalt! Statt eines einsamen Blockhauses mit gemeinsamer Lagerstatt auf hartem Fußboden fanden wir ein geräumiges steinernes Logierhaus mit einer Reihe von Einzelzimmern und zwei Schlaf- sälen, ausgestattet mit Betten, dazu eine gute Verpflegung, bei der die kräftige Gemüsesuppe und der saftige Lammbraten mit gutem Kachetiner Wein und aromatischem Tschai (Tee) nicht fehlten. Alles für einen annehmbaren Preis und wohl geeignet, zu längerem Aufenthalt anzuregen. Neben dem Stations- gebäude eine Anzahl recht wohnlicher Häuser, ein zweites Logierhaus, von einer belgischen Automobilgesellschaft erbaut, ringsum die wenigen sauberen Hütten der Bergbewohner. Das Dorf Kasbek dürfte sich zu einem Luftkurort (1715 m hoch) entwickeln. Neben der Dorfkirche ruht der 1893 gestorbene erusinische Dichter Fürst Alexander Kasbek. Der gegenwärtige Besitzer des Dorfes, General Fürst Kasbek, wohnt in Kasbek einige Wochen zur Sommerzeit. Dicht am Dorfe vorbei zieht der junge Terek in schmalem Fluß- bette. Jenseits des Flusses gruppiert sich der grusinische Aul (Dorf) Gergety mit seinen niedrigen Steinhütten äußerst malerisch an der gegenüberliegenden 15 170 steilen Berglehne. Hoch darüber schaut eine verfallene Klosterkirche von mächtigem Felsvorsprung hinab ıns Tal und ladet zu frohgemutem Anstieg ein. Doch der Hauptschmuck im Hintergrunde des Bildes ist die riesige Eispyramide des Kasbek'), dessen östlicher Gipfel (5043 m) sich bei dem herrlich klaren Wetter in seiner ganzen Pracht zeigte. Einst ein gewaltiger Vulkan, wie sein Genosse, der weiter westlich sıch auftürmende Elbrus, ist sein früher wıld pulsierendes Leben längst erloschen. In eisiger Totenstarre ragt er aus dem mächtigen Gebirgswall heraus, den die Naturkräfte aus der schrumpfenden Erdkruste emporgepreßt haben. Trotzig widersteht er der Zerstörung, die rings um ihn an Berg und Fels arbeitet. Kein Wunder, daß ıhn die Sage mit dem Titanensohn Prometheus in Verbindung bringt, der gleichfalls an ungebeugtem Trotz alles Irdische übertraf und dafür zur Strafe, an den Gipfel des Kasbek angeschmiedet, großer Pein lange Zeit ausgesetzt war. Erstarrte Lavamassen, oft ın Gestalt säulenförmiger Andesite mıt Höhlenbildungen, wie wir sie 1908 an der schottischen Insel Stoffa in ähnlicher Art gesehen haben, zeigen dıe vulkanische Natur des Kasbek an. Diese Lavaströme haben die alten Schiefer und auch die von den Gletschern in nahe Vergangenheit abgelagerten Moränen überzogen, ein Zeichen, daß die vulkanısche Tätigkeit dort bis ın die jüngsten geologischen Zeitabschnitte hineingereicht hat. Glühend rot leuchtete der Gipfel des Bergriesen bei aufgehender Sonne, ın Glut getaucht erschien er bei dem Untergange des Tagesgestirnes, ein sel- tenes Glück wurde uns durch diesen herrlichen Anblick zuteil. Nicht lange hielt uns das schmackhafte, nach anstrengender Tagfahrt wohlverdiente Mahl im Stationsgebäude zurück. Hinaus lockte es uns auf die Höhe. Wie staunten wir da, nachdem das gewaltige Gesamtbild genugsam studiert war, über die Fülle seltsam schöner Pflanzen hoch oben auf den steilen Matten und schroffen Felsen. Mit Jubel wurde jeder neue Fund begrüßt. Als die einheimischen Bergführer ihre Kenntnis von dem Vorhandensein blühender Rhododendrongebüsche und großer Berglilien verrieten, gab es kein Halten, und etliche ausdauernde Wanderer eilten vorauf, erreichten die entlegene Berg- lehne und brachten reiche Schätze mit”). Sie hatten es fertig gebracht, trotz der späten Nachmittagsstunden noch bis zu dem 2900 m hoch gelegenen Orzferi- gletscher vorzudringen — eine tüchtige Leistung an demselben Tage, der früh 5 Uhr dort unten in Wladikawkas begonnen hatte. Der Abend im behaglichen Stationsgebäude wurde noch recht lang, die frohe Stimmung, die der schöne, inhaltreiche Tag herbeigeführt hatte, wirk- sam erhöht durch einen kleinen improvisierten Kommers bei trinkbarem Bier und gutem Wein, bei Kommersgesang und Einzelvorträgen. Unserem Senior !) Unter den höchsten Gipfeln des Kaukasus steht der Kasbek erst an vierter Stelle. Der Elberus mit 5640 m, der Dyeh-/l'au mit 5198 m und der Koschtan-Tau mit 5148 m über- ragen ihn. :) Die Ausbeute an Pflanzen und Schmetterlingen dort und an anderen Punkten der Exkursion ist am Schluß des Berichtes zusammengestellt. 16 Exzellenz v. Hahn zuliebe erklangen neben Studentenliedern alte deutsche Volksweisen, wie sie dort an den Abhängen des asiatischen Kasbek gewiß noch nie vernommen worden waren. Und dazwischen mischten sich die schwer- mütigen Melodien russischer Volkslieder aus den jungen Kehlen von Moskauer Studenten und Studentinnen, die an einer Nachbartafel saßen. Dieser liebliche Sängerkrieg entfachte eine gehobene Stimmung sondergleichen, jede Nationali- tätenschranke fiel und eine rührsame Verbrüderungsszene war in vollem Gange dort oben an den Abhängen des Kasbek. Wilde grusinische Nationaltänze der erwachsenen Kinder unseres Hotelwirtes gaben dem Abend einen pikanten Reız. Erst am Morgen erfuhren wir durch unseren Dolmetscher, daß die Vorträge der Russen zum Teil revolutionäre Gesänge gewesen seien. In unserer sprachlichen Unkenntnis hatten wir tapfer applaudiert. Ein schöner Erfolg! Ein prächtiger, sonnenheller Morgen trieb uns früh von unserem etwas harten Lager. Abschied nehmen hieß es von einem Teil unserer Exkursions- truppe, der mıt der Post weiterbefördert werden konnte, während für den Rest erst am Tage darauf die Postpferde bereit standen. Die Zurückbleibenden unternahmen eine Tagestour nach dem größten Gletscher der Kasbekgruppe, dem in 2300 m Höhe endigenden Djewdorak- gletscher. Ein ausgezeichneter Abstecher war’s, durch den wir Naturfreunde, Botaniker und Schmetterlingssammler hoch befriedigt wurden. Schon der Aus- zug aus dem Quartier war stimmungsvoll. Vier Teilnehmer hoch zu Roß, die übrigen zu je vier auf der Arba, dem Vehikel der Bergbewohner, in Gestalt eines zweiräderigen, federlosen Karrens, auf dem ein schrägliegendes Brett den gemeinsamen Sıtz bildet, nebenher der stattliche, würdıge Rosselenker, angetan mit der Burka, dem langen, weiten Schafpelz, und mit der Bärenfell- mütze. So zogen wir, die Kavalkade voran, auf der grusinischen Heeresstrabe ım taufrischen Morgen bei hellem Sonnenschein ein Stück entlang, bis bei dem Aul Gwelety der Aufstieg in einem weiten Seitental über Matten und Felsen hinauf erfolgte. Auf gutem Pfade ging es empor, mit kurzer Rast und frugalem Imbiß in der Djewdorak-Schutzhütte, zu blühenden Rhododendrongebüschen, weiter zum Gletscher hin. Köstliche Mittagsruhe in der großartigen Natur; heilige Stille ringsum. An den Zinnen der Berge kreisen Adler, die strahlende Sonne ergießt eine Flut von Licht über Felsen, Schnee und Eis. Die hohe Durch- sichtigkeit der Luft gestattet wundervolle Fernblicke. Das war der zweite Tag im fernen Kaukasus. Der nächste, wiederum herrliche Morgen begleitet uns ein Stück auf der Weiterreise südwärts. Vorbei an großen und kleinen Aulen der Osseten und Berggrusinier, mit Wachttürmen und Burgruinen, geht die Fahrt. Einer der berühmtesten Aule dort ist die alte Festung Ssion auf hohem Felsen, mit ur- alter Basilika georgischen Stils. Steiler empor steigt die Fahrstraße, nur müh- sam kommen die acht Pferde mit unserem Wagen vorwärts. Schroffer uni kahler wird die Bergwand zu den Seiten, ernster und wilder der Charakter der Landschaft. Quellwässer rinnen herab und bilden mit ihren eisenhaltigen Kalk- 17 172 absätzen weiße und buntfarbige Sinterrassen von hoher Schönheit. Kohlen- säure enthaltende Mineralwässer sickern aus dem Fels und laben uns Wanderer kostenlos mit ihrem prickelnden Naß. Als „Narsan“ erhält man in ganz Kaukasien dieses erquickende Getränk für teures Geld vorgesetzt. Fels- und Schneelawinen bedrohen fortgesetzt den Weg, so daß durch kostspielige Schutz- galerien und Tunnelbauten die Fahrstraße gesichert werden muß. Endlich ist jenseits der Station Kobi die Paßhöhe mit 2379 m erreicht. Ein kleiner Obelisk und abseits ein angeblich von der ım Kaukasus viel genannten Königin Tamara errichtetes Kreuz bezeichnen die Höhe des Kreßtowy-Passes. Selbstverständlich mußte hier gerastet werden zur Aufnahme eines Gruppenbildes und um Um- schau zu halten in dem großartigen Gebirgspanorama. Bald zeigte es sıch, dab wir uns im schroffen Übergange befinden von der kalten, strengen Gebirgswelt der Nordseite zu großartigen, lieblichen Landschaften des Südabhanges. Wır verlassen den wilden Terek und gelangen abwärts in das schöne Tal der weißen Aragwa, die in einer ganz gewaltigen Ausdehnung und Tiefe den Südabhang des großen Kaukasus durchfurcht und ihre Wasser der Kura zuführt. Zur Seite der Fahrstraße senken sich bis 1000 m tief die Abhänge zur Aragwa hinab. Lavamassen haben das Urgestein stellenweise durchbrochen und gro- teske Felsformen aus schlanken, diehtgedrängten Andesitsäulen aufgebaut. Jede Wegbiegung bietet neue überraschende Fernblicke in diese gewaltige Tal- bildung, wie sie in den Alpen in solcher Ausdehnung nicht angetroffen wird. Steil fällt die Bergstraße ab; das Stück von der Station Gudaur ab wird ın einer langen Reihe von Serpentinen überwunden. Eine gefahrvolle Fahrt war es auf diesen Kehren bei Gudaur abwärts. Man bedenke, ohne Hemmvorrichtung an den Wagen jagen die tollkühnen Rosselenker den steilen Weg abwärts; an jeder Kehrenwendung überrieselt es auch den Mutigsten heiß und kalt, denn dicht an der Wegkante, durch eine niedrige Steinbrüstung verdeckt, senkt sich der todbringende Abgrund Hunderte von Metern hinab. Wenig ermutigend klang die Erzählung von dem dort vor wenigen Tagen erst erfolgten Absturz eines mit Menschen besetzten Automobils, unheimlich grinsten uns die Trümmer- reste dieses Autos in Gudaur selbst an. Wir atmeten auf, als die Kehren über- wunden und die Häuser von Mlety (1513 m hoch), unserem zweiten Quartier. sıchtbar wurden. Es ist die belebteste Strecke auf der ganzen Heeresstraße. Fußgängern, Reitern, Wagen und Autos begegneten wir in Menge; Berg- bewohner und Fremde, zumeist russische Touristen, beleben die Straße in den Sommermonaten, so daß auch nicht einen Augenblick das Gefühl der Weg- unsicherheit aufkommen konnte. Der Peter-Pauls-Tag (29./16. Juli) war's, und Scharen von grusinischen und ossetischen Pilgern zogen an uns in buntem Durcheinander vorüber, zumeist hoch zu Roß, auch die Frauen und dann ritt- lıngs wie die Männer, die Kinder und alten Leute in der malerisch verhan- genen, schwerfälligen Arba; ihr Ziel ıst ein Wallfahrtsort in der Nähe von Mlety. Auch in Mlety ist ein gutes Nachtquartier, und zum Abendessen zieren schmackhafte Forellen aus der nahen Aragwa die Tafel. 15 173 92 Werst waren bisher auf der Grusinischen Straße von Wladikawkas bis Mlety zurückgelegt worden, eine Wegstrecke von 108 Werst bis Tiflis lag noch vor uns. Und diese 108 Werst sollten am nächsten Tage gemacht werden. Da _ hieß es wieder früh hinaus. In enger Schlucht auf dem rechten Ufer der weißen Aragwa. senkt sich langsam die Straße. An den steilen Halden winken hier und da kleine Aule mit alten Kirchen und halbzerfallenen Wachttürmen her- nieder. Bis 3500 m hohe Berge rahmen das Tal ein. Bei Passanaur mischen sıch dıe dunklen Wassermassen eines zweiten Quellflusses, der schwarzen Aragwa, mit denen der weißen. Das Tal verbreitert sich, schöne Laubwälder aus Eichen, Ahorn, Weißbuche, Hopfenbuche mildern die schroffen Formen der Felsen, mehr und mehr treten die Charakterzüge einer thüringischen Land- schaft heraus, nur sind die Berge höher, die Siedelungen fremdartig. Ein größerer Ort wird sichtbar. Duschet, die ehemalige Residenz der Eristawe (Statthalter) des Aragwagebietes und viel umstritten in deren Fehden mit den grusinischen Königen, liegt vor uns. Im Stationsgebäude erwartet uns ein einfaches, kräftiges Mittagsmahl. Nach kurzer Rast wird die Fahrt fortgesetzt. An fruchtbaren Feldern mit Mais, an einladenden Weinbergen kommen wir vorüber. Bald ist Mzchet, ein ärmliches Dorf an der Einmündung der Aragwa in die Kura, erreicht. Eine alte Kathedrale, von einer hohen Mauer mit Türmen und Schießscharten um- geben, inmitten ein Kloster mit großer Kirche am Ende des Dorfes, eine starke Burgruine auf der Höhe und andere Baureste lassen auf die einstmals große Bedeutung des Ortes schließen. Mzchet war vor Tiflis die Hauptstadt des ge- orgischen Königreiches und weit berühmt. In der Nähe vereinigt sich die Aragwa mit dem Hauptflusse Trans- kaukasiens, der gewaltigen Kura, die dem Kaspischen Meere zustrebt. Die Kura wird überschritten; eine Strecke an ihrem Ufer, dann in einigem Abstande vom Fluß führt die Straße nach Tiflis hinab. Vor uns breitet sich weites Steppen- gebiet aus. Drüben, jenseits des Flusses, liegt die deutsche Kolonie Alexander- dorf, dicht vor Tiflis hat eine Tatarenhorde ihr Zeltlager aufgeschlagen, Hun- derte ihrer Rinder und Pferde weiden daneben — ein buntes, fremdartiges Bild. Das weite Häusermeer der volkreichen Stadt nimmt uns auf. Vor Dunkelwerden sind wir im Hotel Wetzel in Tiflis wohl geborgen. Tiflis, die Hauptstadt des weiten Kaukasiens, ist für mehrere Tage unser festes Standquartier. Sie einigermaßen kennen zu lernen, hatten wir vollauf zu tun. In einem 212 Werst breiten Talkessel, der von dem tiefen Bett der Kura durchschnitten und von 700 m hohen, kahlen, karstähnlichen Bergen ein- geschlossen ist, zieht sich auf acht Werst Länge die Stadt zu beiden Seiten des Flusses hin. Am Kreuzungspunkt der Handelsstraße vom Kaspischen zum Schwarzen Meer und der anderen wichtigen Straße vom armenischen Hochland über den Kaukasus nach Rußland günstig gelegen, ist sie schnell emporgeblüht, besonders seit dem Bau der Bahnen Baku-Batum und Tiflis-Eriwan. Mit ihren über 200 000 Einwohnern ist sie die volksreichste Stadt Kaukasiens. 19 Wie in allen großen Städten des europäischen Orients, die wir auf unseren Exkursionen bisher kennen gelernt haben, ringt auch ın Tiflis das Alte, Schritt für Schritt zurückweichend, mit dem Neuen. Die einst schmutzigen Hauptstraßen sind zu schönen, sauberen Boulevards umgestaltet. Dieser „russische“ Stadtteil mit seinen geraden Straßen und weıten Plätzen, in denen elektrische Bahnen den Verkehr vermitteln, mit schönen Parkanlagen ım Alexandergarten, mit stattlichen Regierungs- und anderen öffentlichen Ge- bäuden, Theatern, der neuen Garnisonkirche, dem Kaukasichen Museum usw. zeigt modernen Charakter, desgleichen der sogenannte ‚deutsche‘ Stadtteil, durch den der lange Michailowskij-Prospekt mit Straßenbahn zum Bahnhof führt. Die alten Holzbrücken der Kura sind längst durch massive Brücken ersetzt. Hübsche Perspektiven flußaufwärts und -abwärts eröffnen sich von ihnen aus. | Will man das bunte Leben des Orients ın seiner unverfälschten Ursprüng- lichkeit studieren, so ıst eine Wanderung durch die südlichen Stadtteile nötig, durch dıe grusinischen, armenischen und persischen Quartiere. In den engen (rassen und Gäßchen der Basare ist man in einer fremden Welt. Die kleinen, unregelmäßig gebauten, halb verfallenen Häuser mit den weit vorspringenden Gitterbalkons, hier und da von einer Moschee mit Minaret überragt, erinnern an Häuserfronten, die wir 1907 ım alten Stambul bewundern konnten. Wie seinerzeit in Stambul, Philippopel und im vorigen Jahre in Sarajewo, so standen wir jetzt ın den Basaren von Tiflis vor den kleinen, offenen Werk- stätten der Gold- und Waffenschmiede, ihre Kunstfertigkeit bewundernd, schauten in die Kram- und wenig sauberen Frucht- und Fleischerläden, ın die stark duftenden Garküchen, die Bäckereien mit ihren fladenartigen, in großen Tongefäßen gebackenen Broten und betraten die Weinschenken, in denen der ausgezeichnete Kachetiner Wein in zusammengenähten Schaffellen und Büffel- fellen — die Haare nach innen — aufbewahrt wird. In den besseren Läden kauft man billig die feinen imeretinischen Tuche aus Schafwolle, kaukasische Seidenstoffe, ausgezeichnete kaukasische Teppiche, für die Tiflis der Haupt- markt ıst, Waffen, besonders Dolche (Kinschal) aus dem Hochlande von Dag- hestan mit Silbereinlagen und Goldverzierungen, Schmucksachen in geschmack- voller Ausführung. Freilich die von dem möglichst ehrlich dreinschauenden Armenier oder Perser geforderten Preise muß man nicht zahlen. Selbst wenn man die Hälfte und mehr heruntergehandelt hat, trotz der krampfhaften Ge- bärden, Grimassen und angstvollen Erklärungen des Ladeninhabers, sich bei dem Handel zugrunde zu richten, kann man doch sicher sein, mehr gezahlt zu haben, als die Ware wert ist. In den winkeligen Gassen herrscht ein arges Gedränge. Da schleppt der Lastträger, den Kopf mit einem Tuchfetzen umwickelt, unglaublich große Lasten davon, der Wasserträger ruft das im Schlauch aufbewahrte Trinkwasser der Kura aus. Eine mit Holz oder Kohlen hochbeladene Arba, davor eın Ochsengespann, arbeitet sich mühsam vorwärts. Die kleine russische Droschke 20 Ba mit ihren flinken Pferden saust einher, mit ihren Gummirädern auf dem hol- perigen, lückenhaften Straßenpflaster hin- und hergeschleudert. Nicht selten versperrt ein hochbeladenes Kamel die enge Passage. In seiner langen, kleid- samen Tscherkeska, die Patronenhülsen auf der Brust, den Kinschal mit ver- silbertem Griff im Gürtel, die Fellmütze auf dem Haupte, schreitet der hoch- gewachsene Grusinier einher. Der weiße Turban, der rote Fes des Moslems leuchtet dazwischen, die hohe, spitze Persermütze und der lange Kaftan des kleinen, glattgeschorenen Tataren fehlen nicht. Hier und da lagern halbnackte Bettler, lässıg in zerfetzte Teppichstücke eingehüllt, am Wege: mit ıhren weib- bärtigen Charakterköpfen lebende Bilder aus der Patriarchenzeit. Durch diesen asiatischen Stadtteil muß man hindurch, um an den heißen Schwefelbädern vorbei zum hochgelegenen botanischen Garten emporzusteigen. Auch für den Nichtbotaniker ist es ein Genuß, an den schattigen Wegen die malerischen Formen europäischer und asiatischer Baum- und Gesträuchformen und buntfarbige Blumenbeete zu sehen. Das Gelände ist sehr kupiert; an tiefer Schlucht stürzt ein natürlicher Wasserfall von hoher Felskante herab. Ein beliebter Aufenthalt der Tifliser besseren Bevölkerung ist der Garten von jeher gewesen. Wieviel mehr fühlten wır Botaniker uns dort wohl, wo es des Schauens und Lernens kein Ende nehmen wollte, ganz und gar, als wir in die höher gelegene kaukasische Abteilung gelangten und so manches wiederfanden, was bereits im Gebirge uns entzückt hatte. Einzelheiten hier aufzuzählen er- übrigt wohl‘). Unser kundiger Führer dort war Herr Kustor König, der einst mit dem verstorbenen Dr. Radde gut befreundete Entomologe und Botaniker. Oben auf der äußersten Höhe ragt die Ruine der alten Perserfestung malerisch aus den Felsen heraus. Lange verweilten wir dort. Ein herrliches Bild der weitgedehnten Stadt, durchzogen vom Silberband der Kura, breitete sich zu unseren Füßen aus. Darüber hinweg schweifte der Blick bis zu den Schneebergen des großen Kaukasus. Einen noch schöneren Blick genießt man von dem im Westen der Stadt ın 590 m Höhe gelegenen grusinischen Davidskloster, zu dem eine bequeme Zahnradbahn hinaufführt, und ganz besonders von der Terrasse eines 20 Minu- ten höher gelegenen Teehauses. Gern wählt man die späte Nachmittagsstunde zu diesem Aufstieg. Schnell senkt sich die Dämmerung in das weite Tal herab, die Berge, der Fluß, die Stadt verschwinden im Schatten der beginnenden Nacht. Dafür blitzen hier und dort Lichter auf, Glühwürmchen gleich in schwüler Sommernacht, zu ganzen Reihen formieren sie sich, einem Fackelzuge vergleichbar, die Straßenzüge, Plätze und Häusergruppen erscheinen im Strahlenglanz der Lampen. Eine Sternensaat bedeckt das weite Gebiet der stillen Stadt; lange hängt das Auge an dem zauberhaften Bilde des überreich ılluminierten Häusermeeres zu beiden Seiten des dunklen Stromes. In die glitzernde Nacht steigen wir bedächtig herab, um von des Tages Anstrengungen auszuruhen. I) Vergl. das Verzeichnis der Pflanzen am Schluß des Berichtes. 21 176 Die berühmteste Sehenswürdigkeit von Tiflis, das Kaukasische Museum, blieb uns leider verschlossen. Der schon zu Lebzeiten Raddes geplante Neu- bau kommt jetzt zur Ausführung; alle Sammlungen und die reiche Bibliothek sind verpackt. Indessen freundlich schaute im Vestibül des alten Gebäudes die lebenswahre Marmorbüste unseres auch dort sehr verehrten Landsmannes auf uns herab. Und unter Führung des Kustos des Museums, Herrn Dr. Schmidt, lernten wir die Zeichnungen und Pläne des neuen Museumspalastes kennen. Der neue Direktor des Museums, Herr Oberst Kasanoff, hatte dıe Liebens- würdigkeit, uns jetzt schon zu der 1915 oder 1916 erfolgenden Eröffnung des Museums einzuladen. Die neueste umfangreiche Publikation des Instituts, die Biographie Raddes aus der Feder von Exzellenz v. Hahn, einschließlich einer Geschichte des Museums, erhielten wir als Geschenk für unsere Danziger Bibliotheken ausgehändigt. Interessant ıst die Ruhmeshalle mit Gemälden der wichtigsten Episoden aus dem kaukasischen Eroberungskriege, mit Bildern russischer Kaiser, Groß- fürsten und berühmter Kriegshelden, mit Kriegstrophäen und Erinnerungen an die unterworfenen Bergvölker, das Ganze ein inhaltreiches Blatt aus der Geschichte Kaukasiens. Besonderes Interesse beansprucht noch in dieser Sammlung ein großes, genaues Reliefbild des Kaukasusgebirges. Vom gesellschaftlichen Leben der oberen Zehntausend von Tiflis bekamen wir ım Artistenklub und im Klub „Kruschok‘“, in die wır durch Herrn v. Hahn eingeführt wurden, an zwei Abenden etwas zu sehen. Bei Konzert, Kino- vorführungen, Lotto und anderen Spielen bringt man einige Stunden im wohl- gepflegten Garten oder in den behaglichen Innenräumen zu, kann Toiletten studieren und die Tagesereignisse besprechen. Ungern schieden wir von Tiflis, wo außer Herrn v. Hahn noch ein liebenswürdiger, dort ansässiger Deutscher, Herr Baron v. Kutzschenbach, seine weitgehende Kenntnis von Land und Leuten uns zur Verfügung gestellt hat und schwierige Situationen mit Leichtigkeit überwinden half. Unser nächstes Ziel war Baku, die Petroleumstadt am Kaspischen Meer. Der Zug brauchte 17 Stunden, um die 515 Werst lange Strecke zurückzulegen. Mittags verließen wir Tiflis, abends erreichten wir Jelissawetpol, in aller Frühe des nächsten Tages Baku. Von der deutschen Kolonie Helenendorf erschien auf dem Bahnhof Jelissawetpol eine Deputation, um uns zu einem Besuche der Kolonie einzuladen. Schweren Herzens mußten wir infolge der Gebundenheit unseres Reiseprogramms absagen und auf spätere Zeit vertrösten. Dafür statteten als Ersatz etliche von uns der schwäbischen Kolonie Alexanderdorf in der Nähe von Tiflis einen Besuch ab und wurden von den Ältesten herz- lich begrüßt. Eine merkwürdige Fahrt war es durch die Steppe, die bald zur Wüste wird. Von der anfangs reichlichen Busch- und Wiesenvegetation bleiben schlieb- lich nur noch vereinzelte Exemplare einer Kapernpflanze und das Kamelskraut (Alhagi) übrig. Sonst ringsum auf weite Strecken blendend weißer Sand, 22 hier und da zu flachen Dünen zusammengeweht. Stellenweise schimmert das auskristallisierte Salz hindurch. Sonnenglut überall! Die Julihitze, vor der wir selbst in dem klimatisch berüchtigten Tiflis verschont geblieben waren, quälte uns hier; sie erreichte 30 Grad Reaumur im Schatten. Kein Wunder, befanden wir uns doch am 40. Parallelkreis, ın der geographischen Breite Neapels. Trotz alledem hätten wir den Besuch von Baku nicht unterlassen mögen. Ganz neue Einblicke in die Natur des Landes boten sich dort dar. Ringsum Wüste, und doch hat sich da eine Ansiedelung entwickelt, die gegenwärtig fast 200 000 Seelen zählt. Die benachbarten Naphthaquellen haben . dies zuwege gebracht. Das größte Gebiet dieser Quellen ist das von Balachany- Ssabuntschi-Romany auf der angrenzenden Halbinsel Apscheron. Weit über 2000 Bohrtürme, die von fern her wie ein diehter, dunkler Wald erscheinen, fördern das Rohpetroleum. Den Hauptanteil hat die Firma Nobel. Ihr Ver- treter, Herr Konsul Dr. Tiedemann, der leitende Ingenieur und andere Beamte hatten die Liebenswürdigkeit, uns mit den Einzelheiten bekannt zu machen in dieser „schwarzen Stadt‘, von der Förderung des rohen Naphtha bis zur Raffinade der feinen Brennöle — hochinteressante Betriebe! Mit Staunen sieht man hier den Menschen der toten Natur ihre Schätze abrıngen und ın passende Werte umsetzen. Welche Fülle von Intelligenz. Unternehmungs- geist, rastloser Ausdauer und körperlicher Kraft hat hier gearbeitet, um solches zu erreichen. Bewundern muß man die Männer, die auf diesem vorgeschobe- nen, öden Posten industrieller Kulturarbeit, von Gefahren für das eigene Leben umringt, tätig sind. Dankbar sind wir der Firma für alles, was wir in und bei Baku kennen gelernt haben, und für die weitgehende gastliche Auf- nahme. In dauernder, angenehmer Erinnerung wird uns allen bleiben das Mahl in der Vılla Petrolea, der Aufenthalt in dem dort in der Einöde kunstvoll ge- schaffenen Garten und die Dampferfahrt auf dem Kaspischen Meere zurück zur abendlich schön beleuchteten Stadt. Mit neuen Kenntnissen bereichert, verließen wir Baku und hatten dann von der Bahn aus den unheimlichen Brand eines Bohr- turmes zu beobachten Gelegenheit. Jetzt wußten wir auch, welche Bewandtnis es mit den den Bahndamm bis Tiflis und darüber hinaus begleitenden eisernen Röhren hat. Man höre und staune: Auf fast 900 Werst Länge hat man Leitungsröhren durch das Land gelegt, in denen das gereinigte Petroleum nach der Hafenstadt Batum am Schwarzen Meer gefördert wird. Von Baku aus kommt es in Tanks zum Versand bzw. wird es direkt in die Schiffe gepumpt. Welche Kühnheit des Unternehmens, der der klingende Erfolg allerdings recht gegeben hat. Nach einer Tag- und Nachtfahrt in einem Sonderwagen der transkaukasi- schen Eisenbahnverwaltung erreichten wir die Küste des Schwarzen Meeres, die hell im Sonnenlicht glänzte, und bald den Hafenort Batum. Welche Gegen- sätze. Gestern die Wüste am Kaspischen Meer, heute die üppigste, fast sub- tropische Vegetation an den regenreichen Gestaden des alten Colchis, wo zwischen Lorbeer und Kirschlorbeer dichte Büsche einer blaublühenden Hor- 35. Ber. d. Wpr. Bot.-Z00l. Vereins. 23 9 12 u tensie prangten. In dem nahen kaiserlichen Apanagengut Tschakwa wan- delten wir gar unter echten Uedern vom Libanon, australischen Gummibäumen, asiatischen Kampferbäumen, mediterranen Pinien und Erdbeerbäumen, schrit- ten durch dichte Bambushaine und echte Teegebüsche, dıe einen guten kaukası- schen Tee als Handelsware liefern. Der Tag von Batum-Tschakwa brachte viel Freude und edles Genießen in der herrlichen Natur, leider auch Schmerz, denn von unserem Freund und Gönner, dem väterlich für uns sorgenden Herrn v. Hahn, mußten wir uns trennen, da wir ım Begriff waren, Kaukasıen zu verlassen. In der Hoffnung frohen Wiedersehens schieden wir und bestiegen das schwankende Schiff zur. gefürchteten Fahrt über das Schwarze Meer, trennten uns von unserem rührigen Lokalführer, Herrn Zimmermann, der für Kaukasien ein durchaus er- wünschtes Fremdenverkehrsbureau plant. Die Erinnerung an eine frühere Fahrt über das Schwarze Meer tauchte plötzlich auf. Im Jahre 1907 war’s, auf der Reise von Konstantinopel nach dem rumänischen Hafenort Constanza, als das Grauen der Seekrankheit ın schlimmster Form so ziemlich von der ganzen Reisegesellschaft durchgekostet werden mußte. Gottlob, diesmal ging es besser. Bis auf einen leisen Hauch des gefürchteten Gespenstes zu Anfang der Seereise, blieb alles wohl und munter, das Meer absolut ruhig. Das schönste Reisewetter war uns auch auf dem Wasser treu. Und das war wichtig. Diese Seefahrt sollte eine erquickende Ruhepause nach den anstrengenden Tagen in Kaukasien sein. Welches Mib- geschick, wenn dieser Plan verunglückt wäre. Denn es handelte sich zumeist um mehr als 500 Seemeilen zur Fahrt von Batum nach Jalta, und dann nach zweitägigem Landaufenthalt auf der Krim noch um fernere 200 Seemeilen bıs Odessa. Eine wesentliche Abkürzung hätte der direkte Schnelldampfer Batum- Jalta geboten. Doch wieviel interessanter ist die Küstenfahrt, bei der das Schiff häufig Station macht, der Personen- und Güterverkehr und der Aufenthalt ın den Häfen wechselnde Bilder schafft, und Einblicke — wenn auch nur flüch- tige — ın die Landschaft und in das Volksleben gewonnen werden können. Eine köstliche Seefahrt war es längs der Küste, an die grüßend der west- liche Flügel des großen Kaukasus sich herandrängt, und die weiter auf der Krim durch das taurische Gebirge einen ungemein lieblichen, stellenweise groß- artigen Hintergrund erhält. Und unser „‚Cesarewitsch Georgi‘ war ein wackeres stattliches Fahrzeug von ruhiger Gangart. Wenn auch die Kabinen mit ihren je vier bis zehn Kojen nicht so bequem und komfortabel eingerichtet sind, wie man sie an der atlantischen Seite Europas kennt, so war doch die Küche ausgezeichnet, der Obersteward die Aufmerksamkeit selber und unser viel- geschätzter Schiffsoffizier Alfred Iwanowitsch ein so hilfsbereiter und wohlunterrichteter Dolmetscher, daß wir uns wohl geborgen fühlten. Viel Platz war freilich nicht übrig. Auf Deck mußten Hunderte von Passagieren der dritten Schiffsklasse übernachten, auf und zwischen den Bän- 24 179 ken des reservierten Achterdecks, auf und zwischen Kisten und Warenballen aller Art mitschiffs und auf dem Vorderdeck. Selbst bei Tage war es nicht ganz leicht, sich nach dem Vorderdeck durch die Menschenmenge hindurch- zuarbeiten. Des Zeichenstiftes des Künstlers wert waren viele der malerischen Gruppen in ihrer orientalischen Buntheit und überraschenden Ungeniertheit der Haltung und Kleidung. Zu sehen gab es viel. An der Mündung des Rion, der vom Südabhange der Kasbekgruppe herab kommt, liegt der Hafen von Poti — geschäftiges Treiben beim Aus- und Einladen von Gütern. Weiter nordwärts wird vor Szuchum-Kale, berühmt durch seine üppige, subtropische Vegetation, Halt ge- macht. Die Eisgipfel des Elbrus senden einen letzten Gruß herab. Vor Nowy Afon erblicken wir eine großartige Klosterniederlassung der Mönche vom Berge Athos. Hundert Seminaristen steigen an Bord und erzählen von der gast- lichen Aufnahme, die sie bei den vıelgerühmten Klosterbrüdern gefunden hatten. Bald blinken die Lichter von Gagry, dem erst 1901 vom Herzog Alexander von Oldenburg gegründeten Kurort, herüber. Romantisch an den steil aufsteigenden Bergen gelegen, ıst es infolge seines milden Klimas schnell emporgeblüht. Ssotschi mit seiner bewundernswerten Vegetation und seinen ausgedehnten Weinbergen und andere bemerkenswerte Stationen gaben reich- lichen Stoff zur Unterhaltung. Wer hätte all die landschaftliche Pracht hier erwartet?! In Noworossisk wird mehrstündiger Aufenthalt genommen. Es ıst eine an breiter Bucht schön gelegene Stadt mit einem der besten Häfen an der ganzen pontischen Küste. Zementfabriken in der Nachbarschaft, mächtige Getreide- sılos mit ganz modernen, weit gedehnten Elevatoreinrichtungen, der Anschluß der Stadt an das ceiskaukasische Eisenbahnnetz geben dem Ort und dem regen Schiffsverkehr erhöhte und stetig zunehmende Bedeutung. Am sonnigen Sonntagmorgen erreichen wir die breite Verbindungsstraße zwischen dem Schwarzen und Asowschen Meere bei Kertsch. Amphitheatra- lısch steigt die Stadt am Meeresufer auf. Starke Festungswerke beherrschen die Meerenge. Der Mithridatesberg am Rande der Stadt und die in der an- grenzenden Steppe zahlreichen alten Gräber, besonders der aus mächtigen Blöcken errichtete Zarskij Kurgan mit Grabkammer, erinnern an den Glanz vinstiger pontischer und bosporanischer Königreiche in den Jahrhunderten vor unserer Zeitrechnung. An der dort niedrigen Krimküste steuert der Dampfer westwärts weiter. Muntere Delphine beleben das einsame Meer. Glitzerndes Sonnenlicht rings umher. Weit ım Süden steigt der Rauch der russischen Schwarzemeerflotte auf und bringt eine gewisse Unruhe in die friedliche Stimmung des sich neigen- den Tages. Noch einmal legt der Dampfer an, diesmal unmittelbar an der Kaimauer ım Hafen von Feodosia, dem wichtigsten Handelsplatz der Krim. Die zahl- reichen Weinberge in der Nähe, gewaltige Baureste aus der Zeit der Genuesen- = 19% 180 herrschaft in der Stadt, saubere Strandboulevards mit hübschen Anlagen und einladenden Restaurants, ein schönes Bronzestandbild Alexanders III. ein Altertumsmuseum mit griechischen und lateinischen Inschriften auf Stein- tafeln, vor allem die Gemäldesammlung des Marinemalerss Aiwasowskı von hohem, künstlerischen Wert, lieferten eindrucksvolle Erinnerungsbilder in dem sich kaleidoskopartig abrollenden Gesamtpanorama. Überrascht wurden wir durch zahlreiche Aufschriften ın deutscher Sprache an den Verkaufsläden. Noch ein schöner Abend an Bord mit angenehmer Unterhaltung durch deutsche und russische Volkslieder, eine erquickende Nachtruhe ın den eingewöhnten Kabinen, und das liebliche Jalta ıst erreicht. Jalta ist der vornehmste Badeort der Krim und besonders stark von Russen besucht, wenn ım benachbarten Livadıa der kaiserliche Hofstaat sich aufhält. Klıma, Seebad und Traubenkuren haben es berühmt gemacht. Infolge dies milden Klimas ist es ein beliebter Aufenthalt für Lungenschwache. Die Lage des in Terrassen ansteigenden Ortes an weiter Meeresbucht ist äußerst malerisch. Den Hintergrund bildet der Steilabfall des über 1300 m aufsteigenden Jaila- gebirges, aus dem sich als weit sichtbares Wahrzeichen der dreispitzige Gipfel, des Aı Petri gegen Südwesten hin scharf heraushebt. Die Anhöhen rings herum sind mit eleganten Datschen (Sommersitzen) der Russen und reicher Tataren besetzt. Wir sind an einem Hauptpunkt der berühmten, russischen Riviera. In Jalta lebt seit Jahrzehnten ein Mann mit einer für Rußland beispiel- losen Regsamkeit und einem Idealismus, wie man ıhn bei Männern in so hohem Lebensalter selten antrıfft. Exzellenz Dr. v. Weber heißt diese Seele von Mensch, ein Vorkämpfer für alles Gute, zugleich ein enthusiastischer Lokal- patrıot von Jalta. Wer dıe Krim und Jalta besucht, muß ihn kennen lernen, sich von ıhm ın allen wichtigen Dingen Rat einholen. Als Arzt und ehemaliger Leiter eines großen Sanatoriums hat er sich durch Wort, Schrift und die Tat als uneigennützigster Philantrop bewährt. Gegenwärtig ist er der eifrigste Vor- kämpfer für den Zusammenschluß aller Gebildeten der Kulturwelt zu einer internationalen Antituberkuloseliga. Für sein geliebtes Jalta hat er bei der Be- gründung einer Lokalsektion des Krim-Kaukasischen Bergklubs die Einrich- tung billiger Küsten- und Bergfahrten geschaffen, die vorbildlich sein dürfte und den Fremdenverkehr wirksam hebt. Exzellenz vv. Weber war unser liebenswürdiger, unermüdlicher Lokalführer, der uns am frühen Morgen an Bord begrüßte und zusammen mit dem Vorsitzenden des Gartenbauvereins un- sere vier Damen durch prachtvolle Blumensträuße überraschte, der tags darauf uns als die „Priester der Wissenschaft“ in die Gesellschaft von Jalta einführte. Unmöglich ist es, hier auf all die Einzelheiten unseres Aufenthaltes dort näher einzugehen. Mit Wonne denken wir an die Fahrt nach dem kaiserlichen Schloß von Massandra mit seinen herrlichen Anlagen, an die großen Wein- kellereien, in denen die verschiedensten Krimweine probiert wurden, an den Besuch des reichen, kaiserlichen Akklimatisationsgartens von Nikita mit seiner einzig dastehenden Cypressenallee, seinen Cedern, Kampferbäumen, Erdbeer- 26 181 bäumen und anderen botanischen Kostbarkeiten, endlich an den Besuch der beiden Schlösser von Livadia, deren eines, das kleine, wır auch im Innern sehen durften, wobei wir durch die anheimelnde, geschmackvolle Einfachheit der Ausstattung, wie sie die kaiserliche Familie, besonders die Kaiserin, liebt, angenehm berührt wurden. Die herrlichen Blicke vom Schloß auf die glänzende Meeresbucht und das reizende Jalta werden wir nicht so bald vergessen. Wir waren am Abend erstaunt, als in einem Gartenlokal ın Jalta weit über hundert Personen sich zu festlicher Tafel mit uns vereinigten und em Gartenfest zum „Empfange der VIII. Auslandsexkursion des Westpreußischen Botanisch-Zoologischen Vereins usw.“ ın Szene gesetzt wurde. Das Orchester spielte deutsche Melodien, die Tafelrunde sang deutsche Lieder, Reden in deutscher, russischer und französischer Sprache entfachten eine Begeisterung, die sich in Hochs und Hurras aus gar kräftigen Lungen Luft machte. Diesem ersten Tage folgte ein für manchen von uns noch schönerer zweiter, denn er führte uns aus dem Getriebe der Menschen, dem Staube der Straßen, len künstlichen Anlagen hinaus ın die unverfälschte Natur, hinauf in die reine Atmosphäre der Berge. Diese Tagestour auf den gegen 1300 m hohen Aı Petri gehört sicher zu unseren schönsten Reiseerinnerungen. Jeder fand, was er suchte. War’s die frohe Wanderlust, die ihre erfrischende Betätigung wünscht, war's der Hang zum Schauen und Suchen nach interessanten Objekten aus der Pflanzen- und Tierwelt der heimatfernen Berge, war’s das Spähen nach land- schaftlichen Reizen, die Exkursion auf den Aı Petri mit seinem schattigen Laub- und Nadelwald aus Buchen und taurischen Kiefern, seiner Wald- und Felsflora, seinen überraschenden Ausblicken auf das weite Meer und die reichgegliederte Küste mit ihren eingestreuten zahlreichen Siedelungen boten einem jeden, der da suchte, viel, sehr viel und Unvergeßliches. Es folgte wieder ein Tag auf See. Ein letzter Blick vom Schiff auf das reizvolle Bild von Jalta, und südwestwärts geht die Fahrt, vorbei an Livadia, Oreanda, an Alupka mit seinem großartigen Fürstenschloß und an Foros vorbei, an dem Felsenvorsprung, auf dem einst Iphigenie stand und das Land der Griechen mit der Seele suchte, jetzt alles Bade- und Luftkurorte an der Süd- küste der Krim, wo Fels und Meer sich vereinigt haben, Szenerien von hoher Schönheit, eine reine Atmosphäre von erträglicher Wärme und im ganzen aus- gezeichnete klimatische Verhältnisse zu schaffen. Von Kap Scharytsch ab, wo die russische Riviera aufhört, steuert das Schiff nordwestlich, bei Kap Chersones nimmt es östlichen Kurs, bald liest Sewastopol vor uns ausgebreitet. Zwei kurze Stunden dauert der Aufenthalt. Er genügt nicht, um vom hohen Malachowhügel aus das weite Schlachtfeld von 1854—55 zu überschauen, nicht die Trümmerstätte des nahegelegenen alt- griechischen Chersones zu besuchen. Nur die gedehnten Seeboulevards mit schönem Blick auf das Meer und die saubere Stadt, im Hafen am Landungs- platz die breite, steinerne Treppe mit zwölfsäuligem Portikus, die biologische Station mit Seewasseragarium, in dessen großem Bassin sich Haie, Rochen und 27 as andere interessante Seeungeheuer tummeln, und einige breite Straßen und Plätze mit modernen Häuserfassaden und hübschen Denkmälern konnten durch- eilt werden. Wieder entführte uns das Schiff hinaus auf das offene Meer, wieder galt es, eine Nacht in der Enge der Schiffskabine zuzubringen. Der Mittag kam, und erst in den frühen Nachmittagstunden fuhren wir in den geräumigen Hafen von Odessa ein. Odessa ist eine moderne Stadt. Das ıst der bleibende Eindruck, den man mit fortnımmt, auch wenn man, wie wir, nur wenige Stunden dort verweilt und außer dem Hafen und dem anstoßenden, großartigen Nikolaiboulevard nur einige der Hauptstraßenzüge zu durchwandern Gelegenheit hat. Der hoch- liegende Nikolaiboulevard gewährt freie Ausblicke auf das Meer. Zu diesem und zu den Häfen führt ın zehn Absätzen eine mächtige, 12 Meter breite Granittreppe mit 193 Stufen hinab. Der geräumige Hafen, mit Dampfern und Segelschiffen reich besetzt, belebt durch ein reges Treiben von kleinen Fahr- zeugen aller Art, weist auf die hohe Bedeutung des Ortes für den Handel hin. Odessa ist nach Petersburg der wichtigste Handelshafen von ganz Rußland. Von ıhm gehen die reichen Erträge des südrussischen Weizenbodens in die weite Welt. Großer Reichtum sammelt sich an. Prächtige Kirchen, nicht bloß orthodox russische, Denkmäler, Theater, Banken, der schöne Börsenpalast, statt- liche Privatgebäude, schöne Anlagen in den breiten Straßen bekunden deutlich die Wohlhabenheit und den guten Geschmack der Einwohner. Allerdings unter den zirka 500 000 Einwohnern sind, wie uns erzählt wurde, die reichen und für das Emporblühen der Stadt auschlaggebend tätigen zumeist Deutschrussen aus den Ostseeprovinzen und Ausländer der verschie- denen Nationalitäten. Deutsche und Engländer beherrschen das Ingenieur- und Maschinenwesen und die Elektrotechnik, Belgier versorgen die Stadt mit aus- gezeichneten Straßenbahnen, ganz wie in Moskau und Tiflis, Griechen, Fran- zosen, Italiener und Deutsche sind Inhaber der bedeutendsten Geschäfte. Viele deutsche Aufschriften an den Läden findet man, wie übrigens zu unserem Er- staunen auch in Noworossisk, Kertsch, Feodosia, und zwar mit oft recht sonder- barer Orthographie. Theater und Oper werden von Wiener Künstlern ge- leitet. Spezifisch russisch sind nur einige Kathedralen mit ihren bekannten zwiebelförmigen Kuppeln. Sie beherrschen aber nicht das Stadtbild wie in den typischen russischen Städten. Man wird an Warschau erinnert. Der Hauptvorstand des krim-kaukasischen Bergklubs, der seinen Sitz in Odessa hat, empfing uns und übernahm die Führung durch die Stadt. An fest- licher Tafel wurden uns danach geschmackvoll ausgeführte Diplome als Zeichen unserer Mitgliedschaft ım Klub vom Vorsitzenden, Herrn Wessele, feier- lich überreicht. Schnell entwickelte sich eine angeregte Stimmung, die in Reden und Toasten harmonisch ausklang. Noch an demselben Abend mußten wir von Odessa scheiden. Auf dem Bahnhofe stand pünktlich ein eleganter Sonderwagen der russischen Südbahnen 28 183 für uns bereit. Schnell wurde das durch Einkäufe, besonders an 'Teppichen, seit Tiflis stark angewachsene Reisegepäck verstaut, bis zu dem letzten die photographischen Platten enthaltenden Rucksack und der sorgsam mitgeführten Flasche echten Baku-Naphthas. Lebhaftes Abschiednehmen von den liebens- würdigen Klubgenossen, den Herren des deutschen Konsulats, Herrn Kaufmann Müller, Vertreter der Firma Kappenberg, der den wichtigen Paß für die Heimreise besorgt hatte, und der Zug rollte einem neuen Ziel entgegen. Dieses neue Ziel war Kiew, eine der ältesten Städte Rußlands, am Dnjepr gelegen. Schon einmal hatten wir den gewaltigen Strom berührt, bei Smolensk, als wir uns Moskau, dem Hauptsitze des russischen Kirchenlebens, näherten. Jetzt zogen wir in die zweitwichtigste Hauptstätte russischer, kirchlicher Herrschaft ein. Kiew ıst die Wiege des Christentums, das Jerusalem, für Ruß- land, denn von hier aus hat sich am Ende des 10. Jahrhunderts unter Großfürst Wladimir dem Heiligen der Christenglauben im russischen Reich ausgebreitet. Gleich Moskau ist Kiew überreich an Kirchen, deren goldene Kuppeln dem Straßen- und Stadtbilde das typisch russische Grepräge geben. In etwas übertrifft Kiew noch das „Mütterchen Moskau“: es besitzt das angesehenste Kloster von ganz Rußland, die heilige Lawra. Lawra ist der Name für die an- gesehensten Klöster des Landes. Die Lawra von Kiew steht über allen. Sie ıst das Ziel von gewaltigen Pilgerscharen zur Zeit der großen Feste am 15. Juli und 15. August alten Stils; mit ihrem Jahreseinkommen von 1 Million Rubel gilt sie als die reichste Klosterniederlassung Rußlands. Am berühmtesten ist ihre unterirdische Abteilung mit den Leichnamen zahlreicher Heiligen. Wie gebannt blieben wir vor der hohen Eingangspforte des Klosters, dem „heiligen Tore‘, stehen, als wir an ihm den reichen Schmuck von Fresken aus dem Leben des heiligen Antonius und des heiligen Theodosius erblickten. Be- wunderung erfüllte uns auf dem weiten Klosterhofe beim Anblick der präch- tigen Klosterkirche mit Glockenturm und Kapellen, der Residenz des Metro- politen, den Wohngebäuden der zırka 500 Klosterbrüder, den umfangreichen Wirtschaftsgebäuden, der Bibliothek und eigenen Buchdruckerei. Das Kloster ist ein kleiner Stadtteil für sich. Eine heilige Scheu, ein Gruseln, erfaßte uns aber bei der Wanderung durch die dunkeln, schmalen, unterirdischen Gänge, ın deren engen Nischen bei ewiger Lampe die Leichen all der Heiligen offen daliegen, die einst in jenen Nischen eingemauert gelebt haben. Ein aus dem Erdboden hervorragendes Haupt, mit einer Mitra bedeckt, gehört einem Hei- ligen, Johann dem Leidensreichen, aus dem 12. Jahrhundert. an, der der Le- gende nach 30 Jahre lang bis zum Hals in der Erde begraben lebte und dessen Leichnam in der unveränderten Stellung erhalten blieb. An zweiter Stelle dürfte in Europa Ähnliches nicht anzutreffen sein. Man muß, um an ihre Existenz glauben zu können, diese Dinge gesehen haben, die unserem Emp- finden so fremd, unserer Vorstellung von Menschenwert und Daseinsberechti- gung feindselig gegenüberstehen. In eine uns fremde Welt früherer Jahr- hunderte werden wir da im Geiste zurückversetzt. Unsere Phantasie, aufs 29 nachhaltigste angeregt, zaubert uns schreckliche Bilder von Weltentsagung, Büßertum und harter Askese vor die erschauernde Seele. Still und in uns gekehrt verließen wir die unheimlichen Gruftgänge; ein Druck wurde uns von der Seele genommen, als wir wieder an das sonnige Tages- licht, an das wonnige Leben rings um uns kamen, das gewıß nicht dazu da ist, als ein nıchtiges Etwas verächtlich abgestreift zu werden. Freundlichen Bildern wandten wir uns wieder zu, und solche bietet die schön gelegene und freundlich gebaute Stadt Kiew in Menge. Breite saubere Straßen, von elektrischen Bahnen durchzogen, führen uns zum parkartigen, eroßen botanischen Garten der Universität, zu architektonisch schönen Kirchen, zu einem Plateau, auf dem sıch die Bronzestatue des heiligen Wladimir erhebt. Weithin schaut man von dort, von einem nahen Aussichtspavillon und vom be- nachbarten, schönen Kaufmannsgarten auf die tiefer gelegenen Stadtteile, auf dien sich an der Hügelkette entlang windenden, breiten Strom und über diesen hinweg in die unermeßliche, fruchtbare, grüne Ebene. Die untergehende Sonne übergießt den blinkenden Fluß. das grüne Land mit einer Fülle zauberischer Farbentöne. Und senkt sich das Dunkel der Nacht herab, so winkt das elek- trische Licht über dem Haupte des Wladimir dem Schiffer gute Fahrt und ge- mahnt an die Zeiten, da durch den Heiligen das erste Licht des Evangeliums ın jene Lande getragen wurde. Unser letzter Gang in Kiew galt dem Kreschtschatik, der schönsten Straße der Stadt, wie überhaupt aller Städte, die wir während der ganzen Rußland- reise kennen gelernt haben. An den bequemen, breiten Trottoirs drängten sich schöne Häuserfronten, Laden bei Laden, Hotels, Restaurants, Cafes, alle ın westeuropäischem Geschmack. Nur die russischen Aufschriften verleihen dem Bilde das fremdartige Gepräge. Hoch befriedigt verließen wir die interessante Stadt. Daß wir dort in wenigen Stunden so außerordentlich viel kennen ge- lernt hatten, verdanken wir dem Sekretär der Physiko-Chemischen Gesellschaft ın Kiew, Herrn Kinman, der zusammen mit seiner Gattin uns ein wohl- unterrichteter Ortsführer, guter Dolmetscher und ein — Retter unserer Gesell- schaft war. Ihm verdanken wir es, daß wir in der Lawra von einem hohen Ordensbruder, dem Hegumen, durch all die sonst nur selten zugänglichen Abteilungen geführt und zum Schluß mit einer Druckschrift, die die Geschichte der Lawra enthält, beschenkt wurden. Ihm verdanken wir den leichten Zutritt zu den sonstigen Sehenswürdigkeiten, endlich die Befreiung aus den Händen der Polizei, die in ihrer Spionagefurcht heftigen Anstoß nahm an den Ver- suchen einzelner Herren, photographische Aufnahmen zu machen. Erleichtert atmeten wir auf, als unser Sonderwagen uns unbehelligt aus der Bahnhofshalle von Kiew entführte. Die letzte Nacht in unserem Schlafwagen und auf russischem Boden ver- lief ungestört, das Wiedersehen mit Freund Kunkel in Warschau, durch nichts getrübt, brachte noch ein paar angenehme Stunden an gemeinsamer Tafel und bei dem Einkauf zollfreier und zollunfreier Sachen in den schönen Ge- 30 185 schäften der Stadt, und heimwärts ging es zur preußischen Grenze. Unser wie ein Heiligtum ängstlich behüteter, russischer Auslandspaß mit seinen vielen Ein- tragungen seitens der Behörden in den von uns besuchten Orten bestand glanzvoll die strenge Prüfung durch die Paßrevision in Mlawa; mit gehobenen Gefühlen begrüßten wir die schwarz-weißen Grenzpfähle bei Illowo. Ein jeder steuerte seinen heimatlichen Penaten zu, in dem stolzen Bewußtsein, seinen geistigen Gesichtskreis um ein gutes Stück erweitert und Erinnerungsbilder von der Reise mitgenommen zu haben, so eigenartig und reizvoll, daß sie neben anderen nıcht so bald verblassen dürften. Sie alle zu einem ruhigen Gesamtbilde zu ver- schmelzen, wird unser ernstes Bemühen ın Stunden der Muße und Sammlung sein. Mag dieses Bild nach der individuellen Beanlagung, Neigung und Ge- schmacksrichtung des einzelnen auch bei jedem ein anderes Kolorit annehmen, immer wird es durch eine glänzende Farbenpracht, einen gewaltigen Inhalts- reichtum und durch großartige Linienführung sich auszeichnen. Revidieren wir zugleich unsere bisherigen Vorstellungen und unser früheres Urteil über die von uns besuchten Länder, über die Möglichkeit und Ausführbarkeit des Reisens im wilden Kaukasus und den angrenzenden asiatischen Gebieten, so werden wir einmütig eine ganze Anzahl Vorurteile als wirklich ganz unbe- rechtigt abstreifen und bekennen, daß unsere Erwartungen in bezug auf gute Aufnahme dort außerordentlich übertroffen worden sind. Der Wunsch, nicht zum letztenmal im östlichen Nachbarreich gewesen zu sein, ist lebendig ge- worden. Gleichzeitig bekennen wir uns aber zu lebhaftem Dank allen Herren und Instanzen gegenüber, die ihre Sachkenntnis und ihren Einfluß überaus bereitwilligst aufgeboten haben, diese Exkursion des Westpreußischen Bota- nisch-Zoologischen Vereins reichhaltig und angenehm zu gestalten. Verzeichnis der gesammelten Pflanzen’). 1. Acer lataricum L. Grusinische Heerstraße, Mlety—Titlis. 2. Achillea micrantha M. B. Grusinische Heerstraße: Terektal bei Balta. 3. Ajuga Chamaepitys L. Grusinische Heerstraße: Terektal. 4. Albizzia Julibrissin (W ılld.) Benth. Tiflis. 5. Alhagi Camelorum Fisch. Steppe bei Tiflis und auf der Strecke nach Baku. 6. Allium acutangulum Schrad. Grusinische Heerstraße: Terektal (2000 m). 7. Althaea fieifolia L. — Alcea ficifolia (L.) Alefeld. Steppe in Cis- kaukasien und auch auf der Südseite des großen Kaukasus. 8. Anabasis aphylla L. (?) Steppe zwischen Jelissawetpol und Baku. 9. Andropogon Ischaemon L. Bei Tiflis. 10. Antennaria dioica (L.) Gärtn. Grusinische Heerstraße: bei Station Kasbek. 11. Aquwilegia olympica Boiss. Grusinische Heerstraße: bei Gergety. 12. Artemisia splendens W ılld. Grusinische Heerstraße: Terektal. 13. Asperula eynanchica L. (A. supina Traut.) Grusinische Heerstraße: Terektal. 14. Aster alpinus L. Grusinische Heerstraße: oberhalb Station Kasbek. 15. Astragalus spec. Grusinische Heerstraße: Kasbek-Mlety. 16. Atriplex tartaricum L. — 4A. laciniatum Koch. Steppe zwischen Jelissa- wetpol und Baku. 17. Betonica grandiflora W il1d. = Stachys grandiflora Benth. Grusinische Heerstraße: bei Gergety. 18. Botrychium Lunaria (L.) Sw. Grusinische Heerstraße: oberhalb Station Kasbek. 19. Bromus albidus M. B. Grusinische Heerstraße: Kasbek-Mlety. 20. Bupleurum Baldense Hort.. Grusinische Heerstraße: Terektal. 21. Campanula sarmatica Ker. Grusinische Heerstraße: Terektal. 22. C. lamiifolia (?) M. B. Grusinische Heerstraße: Terektal. 23. C. sibirica L. var. divergens W illd. Grusinische Heerstraße: Terektal. 24. Capparis spinosa L. Krim: Aı Petri bei Jalta, Tiflis. 25. Carpinus Duinensis Scop. =. orientalis Lam. Hopfenbuche. Krim: Aı Petri bei Jalta, Grusinische Heerstraße: Südseite des Gebirges. 1) Die Bestimmungen wurden durch Vermittelung des Reiseteilnehmers Herrn Dr. Klingen- stein-Saarau Schles. im Kgl. Botanischen Garten in Breslau unter Leitung des Herrn Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Pax von Herrn Oberstabsarzt Dr. Grünnine revidiert. 32 Bei . Centaurea solstitialis L. Grusinische Heerstraße: Steppe bei Wladıkawkas und bei Tiflis. . Centaurea azxillaris Wılld. Grusinische Heerstraße: Mlety—-Tiflis, Krim: Ai Petri bei Jalta. . Cerinthe minor L. (C. maculata M. B.) Grusinische Heerstraße: Mlety— Tiflis. . Ceterach officinarum Wılld. Krim: Aı Petri beı Jalta. . Chamaesciadium acaule M. B. Grusinische Heerstraße: Station Kasbek zur Paßhöhe. . Chenopodium Botrys L. Grusinische Heerstraße: Terektal. . Coeloglossum virideHartm. (Platanthera viride L.) Grusinische Heer- straße: oberhalb Station Kasbek. . Conringia orientalis L. Grusinische Heerstraße: Terektal bei Balta— Wladikawkas. . Convolvulus persicus L. Steppe zwischen Jelissawetpol und Baku. . Cynoglossum offieinale L. Grusinische Heerstraße: Terektal. . Daphne glomerata Lam. Grusinische Heerstraße: oberhalb Station Kasbek am Kreuzpaß. . Dianthus fragrans M. B. Grusinische Heerstraße: Terektal. . Dorycenium intermedium Ledeb. (D. suffruticosum Griseb.) . Draba tridentata D. ©. Grusinische Heerstraße: Terektal. . D. siliquosa M. B. Grusinische Heerstraße: Kreuzpaß. . Echium rubrum J aeg. Grusinische Heerstraße: oberhalb Station Kasbek. . E. italicum L. (E. asperrimum M. B.) Grusinische Heerstraße: Mlety— Tiflis. . Eryngium coeruleum M. B. (E. caucasicum Trautv.) Grusinische Heerstraße: Mlety— Tiflis; Steppe vor Tiflis. . Erysimum spec. Grusinische Heerstraße: Terektal. . Erythraea ramosissima Pers. Grusinische Heerstraße: Mlety . Euphorbia virgata W. K. $) orientalis Boiss. Grusinische Heerstraße: Tiflis. Kasbek—-Mlety. . E. strieta L. Grusinische Heerstraße: Mlety— Tiflis. . Fumaria officinalis L. Grusinische Heerstraße: Terektal. . Galium rubioides L. Grusinische Heerstraße: Terektal. . G. coronatum Sibth. Krim: Ai Petri bei Jalta. . Gentiana crueiata L. Grusinische Heerstraße: bei Mlety. 52; Gentiana verna L. P) alata Griseb. Grusinische Heerstraße: am Kreuzpaß. . Glaueium corniculatum L. Grusinische Heerstraße: Balta bei Wladi- kawkas. . Gnaphalium Iuteo-album L. Grusinische Heerstraße: Terek-Flußbett. . Gypsophila acutifolia Fisch. Grusinische Heerstraße: Terektal. . Hedysarum obscurum L. Grusinische Heerstraße: Kasbek—Mlety. 33 Heliotropium suaveolens M. B. Grusinische Heerstraße: Terektal. Herminium monorchis L. Grusinische Heerstraße: oberhalb Station Kasbek. Hesperis matronalis L. Grusinische Heerstraße: Mlety. Hordeum maritimum With. Steppe zwischen Jelissawetpol und Baku. Hordeum violaceum Boıss. Grusinische Heerstraße: Kasbek—-Mlety. Illecebrum cephalotus M. B. = Paronychia kurdica Boiss. Krim: Aı Petrı bei Jalta. Inula Helenium L. Grusinische Heerstraße: Mlety— Tiflis. I. ensifolia L. Krim: Aı Petri bei Jalta. I. Oculus-Christi L. Krim: Aı Petri bei Jalta. Inula glandulosa Wılld. Grusinische Heerstraße: oberhalb Station Kasbek. Lilium Szowitsianum F. et Mey. Auf der Strecke zum Orzferigletscher von Station Kasbek aus. Linaria genistifolia (L.) Mill. Grusinische Heerstraße: Terektal. Linum hirsutum L. Grusinische Heerstraße: Aufstieg zum Dewdorak- gletscher und oberhalb Station Kasbek. Mulgedium albanum Stev. Grusinische Heerstraße: Terektal, Mlety. Myricaria germanica Desv. Grusinische Heerstraße: bei Wladikawkas. Nepeta grandiflora M. B. Grusinische Heerstraße: Terektal. Onosma stellulatum W. K. «) genwinum Boiss. Grusinische Heerstraße: Terekfluß und oberhalb Gergety. O. echioidis L. Grusinische Heerstraße: Mlety—Tiflis. Orobanche spec. Grusinische Heerstraße: Mlety—Kasbek. Paliurus aculeatus Lam. Krim: Ai Petri bei Jalta. Grusinische Heer- straße: Passanaur, Mzchet. Papaver caucasicum M. B. Grusinische Heerstraße: Flußtal des Terek. Parietaria judaica L. Tiflis: an dem Gemäuer der Festung. Pastinaca Armena Fısch. et Mey. Grusinische Heerstraße: Terektal. Pedicularis comosa UL. Grusinische Heerstraße: oberhalb Gergety (Kasbek). Peganum Harmala L. Tiflis. Plantago lanceolata L. v. eriophylla Decs. (P. lanuginosa D1.) Grusi- nische Heerstraße: Terektal (zirka 2000 m). Psoralea bituminosa L. Krim: Aı Petri bei Jalta. Punica granatum L. Tiflis. Pyrethrum Marschallii Aschers=P. roseum M. B. Grusinische Heer- straße: bei Gergety (Kasbek). P. parthenifolium W ılld. Grusinische Heerstraße: Terektal. Pyrus elaeagnifolia Pall. (P. orientalis Tourn.) Krim: Ai Petri beı Jalta. | 34 100. 101. 102. 103. 104. 105. 106. 107. 108. 109. 110. De. E12. 113, 114. 115. 216. I17, r18. 119. 120. 121: 122. Rhododendron flavum Dow. —= Azalea pontica L. Grusinische Heer- straße: bei Gudaur. Rh. caucasicum Pall. Grusinische Heerstraße: oberhalb Station Kasbek und nahe der Schutzhütte an dem Dewdorakgletscher. Rhus Cotinus L. — Cotinus coggygria Scop. Krim: Aı Petri bei Jalta. Rosa canina L. var. collina Boiss. (R. collina Jacgq.) Grusinische Heerstraße: Mlety. Rumex scutatus L. = R. hastifolius M. B. Tiflis. Salix arbuscula L. Grusinische Heerstraße: Kreuzpaß. Salvia Sclarea L. Grusinische Heerstraße: Steppe vor Tiflis. S. Aethiopis L. Grusinische Heerstraße: Mlety—Titlis. S. silvestris L. Grusinische Heerstraße: Mlety—Tiflis. S. viridis L. Grusinische Heerstraße: Steppe im Süden des Gebirges. Sazxifraga cymbalaria L. Grusinische Heerstraße: Mlety. Scabiosa micrantha Desf. Grusinische Heerstraße: Mlety— Tiflis. Sedum glaucum W. K. Grusinische Heerstraße: Terektal. S. pallidum M. B. Grusinische Heerstraße: Mlety. S. spurium M. B. Grusinische Heerstraße: Mlety. Scrophularia variegata M. B. Grusinische Heerstraße: Terektal. Sideritis montana L. Grusinische Heerstraße: Mlety— Tiflis. Stlene compacta Horn. Grusinische Heerstraße: Mlety. Staphilaea pinnata L. Grusinische Heerstraße: vor Tiflis. Symphytum asperrimum Sims. Grusinische Heerstraße: Terektal. Teuerium Polium L. Grusinische Heerstraße: Mlety—Titlıs. T. Chamaedrys L. Grusinische Heerstraße: Terektal. Thalictrum minus L. Grusinische Heerstraße: Terektal. Tragopogon spec. vielleicht floccosus W. K. (?) Grusinische Heerstraße: Terektal. Tribulus terrestris L. Tiflis. Trifolium hybridum L. 8) elegans Boiss. = T. elegans Sav. Grusi- nische Heerstraße: Kasbek—-Mlety. T. trichocephalum M. B. Grusinische Heerstraße: bei Gergety. Turgenia latifolia L. Grusinische Heerstraße: Tal der Aragwa. Valeriana officinalis L. Grusinische Heerstraße: Terektal. Verbascum phoeniceum L. Grusinische Heerstraße: Terektal. V. nigrum X phoeniceum (V. rubiginosum W. K.) Grusinische Heer- straße: Teerektal. Veronica gentianoides Vahl. Grusinische Heerstraße: bei Gergety (Kasbek). V. telephäifolia Vahl.ß) pilosula Boiss. Grusin. Heerstraße: Terektal. V. filiformis Sm. Grusinische Heerstraße: Terektal. V. peduncularis M. B. Grusinische Heerstraße: Mlety— Tiflis. 35 12 mt RD DO d. = CT 190 Vincetoxiceum medium Dene. = V. latifolium C. Koch. Grusinische Heerstraße: Terektal. Xeranthemum squarrosum B o1ss. Grusinische Heerstraße: Mlety— Tiflis. Zizyphus vulgaris Lam. Tiflis. Bei der Station Kasbek gesammelte Käfer‘). 1. (Oytilo-) Carabus cribratus Quens. on m (Aulaco-) Carabus exaratus Quens. var. multicostis Reitt. . Melolontha pectoralis @erm. . Mylabris (= Zonabris) 4-punctata U. . Oxythyrea cinctella Schaum. . Sölpha obscura 1. (. Pseudophonus pubesceus Müll. . Pterostichus (— Feronia) sp.? Schmetterlinge. Parnassius apollo L. var. suaneticus. Grusinische Heerstraße: . Aporia crataegi L. Borjom. . Pieris napi L. Grusinische Heerstraße. P. daplidiee L. Kertsch; Grusinische Heerstraße. P.d.v. raphani Esp. Ananur. . Leptidia sinapis L. Borjom; Mlety. . Colias edusa F. Grusinische Heerstraße, Borjom. . Limentis camilla Schıff. Tiflis, Borjom. Pyrameis cardwi L. Grusinische Heerstraße. Vanessa urticae L. Grusinische Heerstraße. Melitaea cinxia v. clarissa Star. Borjom. . M. phoebe Knoch. Borjom. . M. trivia Schiff. Grusinische Heerstraße. . M. athalia Roth. var. Borjom. . Argynnis euphrosyne L. Borjom. . A. pales v. caucasica Stg. Grusinische Heerstraße: Kasbek. . A. aglaja L. Borjom. (. A. adippe L. Borjom. A paphia 1. Jalta: 1) Von Herrn Oberpostsekretär Timm-Zoppot näher bestimmt. 36 Verzeichnis der von Herrn Dr. Weiss-Königsberg gesammelten Nordseite. See 2 . Melanargia galathea var. procida Herbst. Borjom. . Erebia aethiops var. melusina H. Sch. Borjom. . Satyrus circe L. Jalta. .S. c. ab. asiatica F. Borjom. . 8. hermione L. Borjom, Mzchet (Grusinische Heerstraße). .S. semele L. Ai-Petri (Krim). . Pararge maera var. orientalis Stgr. Borjom. . P. megaera L. Nowo-Rossisk. . Epinephele jurtina F. Borjom. . E. Iycaon Rott. Ai-Petri (Krim). . Coenonympha pamphilus L. Mlety (Grusinische Heerstraße). . Thecla W. album Knoch. Borjom. . T. ilieis v. caudatula Zell. Borjom. . Chrysophanus aleiphron var. Gordius Sulz. Kasbek (Grusin. Heerstraße). . ©. phlaeas L. Kasbek (Grusinische Heerstraße). . Lycaena argus L. Kasbek (Grusinische Heerstraße). . argyrognomon Bergst. Kasbek. . astrarche v. calida Bell. Borjom. . eros OÖ. Kasbek. .icarus Rott. Grusinische Heerstraße, Borjom, Nowo-Rossısk. . meleager Es p. Borjom. . m. ab. steevenii L. Borjom. . semiargus Rott. Kasbek, Mlety. 2. Carcharodus lavatherae Esp. Lars (Grusinische Heerstraße). . Thanaos tages L. Nowo-Rossisk. . Macroglossa stellatarum L. Grusinische Heerstraße: Borjom, Kertsch. . Dieranura vinula L. Kasbek. . Stauropus fagi L. Batum. . Orgyia antiqua L. Nowo-Rossisk. . Euproctis chrysorrhoea L. Borjom. . Stilpnotia salicis L. Mlety. . Lymantria dispar L. Jalta. . Agrotis comes Hb. Mlety, Tiflis. . ditrapezium Bkh. Kasbek. . plecta L. Kasbek, Mlety. . fucernea L. var. Mlety. . sollers v. obumbrata Steger. Tiflis. . signifera v. improcera Stgr. Tiflis. . adumbrata v. polygonides Stgr. Tiflis. iritıcı 9. Titlis. . t. v. aquilina Hb. Tiflis, Mlety. . conspieua Hb. Kasbek, Mlety, Tiflis. BES NE EEE a . A.:crassa Hb. Mlety. 37 >) >89 ILS EI DE Dur . A. prasina F. Titlis. . Mamestra genistae Bkh. Tiflis. 4. M. trifolii. Tiflis, Mlety. . M. rectilinea V ill. Titlis. . Dianthoecia filigrama E sp. Mlety. . D. f. v. luteocincta Rbr. Mlety, Tiflis. . D. tephroleuca B. Mlety, Tiflis. 39. D. nana Rot. Mlety. . D. n. v. dealbata Stgr. Mlety. . Hadena adusta Esp. Kasbek, Mlety, Tiflis. . H. platinea var. ferrea Püngl. Mlety. . Hı rurea Bo Bitlıs. He.sbasılinea, 2. -Ilıs. H.illyria Frr. Tiflis, Bakurianı (Borjom). Callopistria purpureofasciata Piller. Batum. . Leucania (L. album) L. Tiflis. . Methyna imbeecilla F. Tiflis. . Dyschorista fissipuneta H w. Tiflis. . Cucullia umbratica L. Kasbek. . ©. eineracea Ferr. Tiflis. 2. ©. Santonici Hh. Mlety. . Eutelia adulatrix Hb. Tiflis, Nowo-Rossiısk. . Heliothis dipsacea L. Tiflis. HH. sculosa SD ch. sMitlas. Es incarnata Bere Badlis: . Acontia luctuosa Esp. Tiflis. . Emmelia trabealis Sc. Tiflis, Jalta. . Abrostola tripartita Huf. Mlety. . Plusia variabilis Pıller. Borjom. . P. chrysitis ab. Juncta Tutt. Mlety. WEL hestücae ..r Iıtlıs. . P. gamma L. Mlety, Kasbek, Borjom. . Pericyma albidentaria Frr. Tiflis. . Leucanitis stolida F. Mlety, Tiflis. . Apopestes cataphanes v. caucasica Herr. Tiflis. . Toxocampa craccae F. Tiflis. . Laspeyria flexula Schiff. Tiflis. . Zanclognatha tarsiplumalis Hb. Tiflis. . Z. emortualis Schiff. Tiflis. . Herminia derivalis Hb. Borjom. 2. H. tentacularis L. Borjom. . Dichromia opulenta Chr. Tiflis. 4. Hypena proboseidalis L. Tiflis. 38 105. 106. 107. 108. 109. 110. IF. 112. 118.07 114. 115. 116. kR7. 118. 1082 120. 121. 122. 123. 124. 125. 126. 127. 128. 129. 130. 131. 132. 133. 134. 135. 136. 137. 138. 139. 140. 141. 142. 143. 144. 145. 146. 147. 193 H. palpalis var. armenialis Stgr. Tiflis. Habrosyne derasa L. Mlety. Nemoria viridata L. Nowo-Rossisk. Hemithea strigata Müll. Nowo-kossisk. Acidalia rufaria Hb. Nowo-Rossisk, Ananur, Tiflis, Borjom. . politata ab. abmarginata Bhtsch. Jalta. . rusticata F. Nowo-Rossisk, Jalta. . interjectaria B. Nowo-Rossisk, Jalta. . aversaria ab. spoliata Stgr. Jalta. . flaccidaria Z. Nowo-Rossisk. . marginepunctaria Götze. Nowo-Rossisk. Behyra annulata Schulz. Nowo-Rossisk. Rhodostropha vibicaria Cl. Mlety, Ananur, Borjom. Timandra amata L. Mlety. Ortholitha limitata Sa. Jalta. Triphosa sabaudiata v. taochata Ld. Mlety. Minoa murinata v. monochroaria H.S. Jalta. Polythrena haberhaueri Ld. Kasbek. Larentia olivata Bkh. Kasbek. L. fluctuata L. Kasbek. L. montanata Bkh. Borjom. L. lugubrata Stgr. Kasbek. L. albulata Schiff. Borjom. Asthena candidata var. percandidata Chr. Borjom. Tephorclystis pimpinellata Hb. Nowo-Rossisk. T. impurata Hb. Mlety. T. distinctaria H. S. Mlety. Abraxas pantaria L. Mlety. Boarmia repandata L. Mlety. Gnophos ambiguata Dup. Borjom. Ematurga atomaria var. orienltalis Ster. Ananur. Phasiane glarearia Bkh. Jalta. P. clathrata L. Ananur. Cleogene lineata Sc. Mlety. Arctia villica L. Mlety. Callimorpha dominula var. rossica RK ol. Borjom. Deiopeia pulchella L. Nowo-Rossisk. Lithosia complana L. Ananur. Syntomis phegea L. Jalta. S. p. var. nigricornis Alph. Mlety, Borjom. Ino statices var. heydenreichii Ld. Borjom. Zygaena purpuralis Br. Borjom. Ph a a 35. Ber. d, Wpr. Bot.-Zool, Vereins. 39 . moniliata F. Ananur (Grusin. Heerstraße), Nowo-Rossisk. 148. 149. 150. al. 152. 153. 154. 159. 194 . brizae Es p. Borjom. . punctum ©. Jalta. . lonicerae Seheven. Borjom. . dorycnii ®. Borjom, Kasbek. . d. ab. araratica Stgr. Borjom. . filipendulae L. Borjom. Cossus cossus L. Borjom. nNüNuuNNN 40 d. ab. imeretina n. f. Weıß. Borjom. 8 Verzeichnis der seit dem 1. Mai 1912 neu hinzugekommenen Mitglieder. Schluß der Liste am 30. April 1913. Herr Arndt, Gutsbesitzer, Seegerau bei Som- merau Wpr. „ Bensing, Dr. med., Oliva. „ Beutter, Dr. med., Danzig. Bibliothek des Kgl. Lehrerseminars in Berent Wpr. Herr blell, Reg.-Baumeister, Marienwerder. „ blümel,. Rittergutsbesitzer, Kr. Schwetz. „ Boese, Dr., Marine-Oberstabsarzt, Danzig. „ Broili, Dr., Wissenschaftl. Hilfsarbeiter am Kaiser Wilhelms Institut in Brombere. „ BDuth, Oberlehrer, Elbing. Stanislawo, Frau Carstem, E., Elbing. Herr Claass, Dr., Geh: Konsistorialrat, Danzig. „ Döring, Gärtnereibesitzer, Elbing. „ Dürrling, Ökonomierat, Posen. Frl. Endemann, A., Sampohl, Kr. Schlochau. KFindeisen, Rittergutsbesitzer, Kl. Wal- kowitz Wpr. »„ Fordack, Rektor, Langfuhr. „ Früzen, Redakteur, Danzig. »„ Gericke, Kaufmann, Bischofswerder. „ Gramberg, Lehrer, Königsberg Opr. „ HHalffter, Rittergutsbesitzer, Herrengrebin. „ Hempel, Bürgermeister, Jastrow. Frau v, Hertzberg, Zoppot. Herr Jahr, Baurat, Kulm a. W. Frau Kabilinskı, Justizrat, Zoppot. Herr ÄKarnuth, Präparandenanstalts-Vorsteher, Elbing. Herr Kirsch, Architekt, Langfuhr. „ Kussmann, Dr., Kreistierarzt, Briesen. „ Kobes, Apotheker, Zoppot. „ Kohnert, Landmesser, Posen. „ Komorowski, Schulrat. Dirschau. Krieger, Reg.-Baumeister, Graudenz. „ Kreutz, Präparandenanstaits - Vorsteher, Schwetz. „ Kriexau, Oberlehrer, Dt. Eylau „ Krupka, Kaufmann, Neufahrwasser. Liedtke, Apotheker, Danzig. „ Löwenbach, Apothekenbesitzer, Danzig. „ ÜLühe, Dr., Prof, Königsberg Opr. „ Manecke, Domänenpächter, Groß Sehren Wpr. „ Marklin, Kaufmann, Danzig. „ Marquardt, Rechtsanwalt, Rosenberg. Merres, Kaufmann, Danzig. „ Meinas, Kaufmann, Danzig. „ Meisinger, Reg.-Baumeister, Elbine. Frl. Mentz, E., Oliva. Herr Merten, Oberbürgermeister, Elbine. Meyer, M., Prof., Elbing. Frl. Mietzner, Zoppot. Herr Möller, Dr. med., Elbine. „ Nawockt, Pfarrer, Rasmushausen. „. Pfleger, Rechtsanwalt, Christburg. „ Pietsch, Dr. med., Praust. „ FPirwass, Dr. med., Praust. Frl. BRodlof, Zoppot. Frau Reichel, Rittergutsbesitzer, Oliva. Herr Reiss, Apothekenbesitzer, Zempelbure. Frau Reimann, Dr., Langfuhr. 13° Herr Richter, Dr., Kulm. Röhrig, Hauptmann u. Batteriechef i. Feld- art.-Rgt. 86, Danzig. Rosentreter, Dr., Pfarrer, Mewe., Herr Sagert, Präparandenlehrer, Elbing. Frl. Schaper, Käte, Danzig, Herr Schmidt, Guts- u. Ziegeleibesitzer, Hohen- haff bei Elbing. „ Schmitz, Stadtbaumeister, Neustadt. l. Scholz, Neufahrwasser. Stumpf, Schulvorsteherin, Oliva. F = ” Herr Unruh, Kaufmann, Danzig. 196 Herr Vogel, Prof., Königsberg Opr. ” Voss, Apotheker, Danzig. Wedel, Architekt, Langfuhr. Weissker, Reg.- u. Baurat, Langfuhr. Wichmann, Rittergutsbesitzer, Groß Gör- litz Wpr. Wiebe, Kaufmann, Elbing. Wildner, Dr., Danzig. Wilm, Oberlehrer, Dt. Eylau. Ziese, Dr. ing, Geh. Kommerzienrat, Lärchwalde bei Elbing. (Lebens- längliches Mitglied.) Druck von A. W. Kafemann G. m. b.H. in Danzig. En Meyer ne ihorn | | Bankgeschäft Danzig Er, | man! Nr. 38 N u An- U. ‚Verkauf von Wertpapieren ee und Scheckverkehr Vermögensverwaltung : " Stahlkammern en safes) . i n : 2 2 ER und 3384 Br Postscheck-Konto 929 "| | \ Die geehrten Mitglieder d des Westpreußischen Botanisch- Tonlogiachin Vereins werden hiermit a Bo Standorte der be- | kannten | | Weinbergschnecke (Helicogena Pomatia » ) festzustellen und zu sammeln. Es empfiehlt sich, den Standort genau zu beschreiben, insbesondere anzugeben, | ob eine Ordensburg, ein Kloster oder eine Kapelle in der Nähe des Standortes sich befindet. Als Beläge | Exemplare der Schalen als Probe ohne Wert 1 an Herrn Prof. Dr. Lakowitz-Danzig, Brabank 3, einzusenden, wird höflichst gebeten. 3.9088 01702 8457 | \ | | | | | | | : A. W. Kafemann, Danzig Ketterhagergasse 4. G.m b. H. Ketterhagergasse 4. Fernsprecher Nr. 3015, 3016, 3017. Buch- und Kunstdruckerei Buchbinderei * Stereotypie Maschinen größten Formats Spezialabieilung für wissenschafllichen Werksatz Herstellung von Abhandlungen, Dissertationen, Werken und Zeitschriften, schnell und preiswert. a A N 0 I U I I 7 I I 5 2 2 Die Provinz Westpreußen in Wort und Bild. Teil I. Heimatkunde von Rektor P. Gehrke, Rektor R.: Hecker und Hans Preuß. Mit 96 Abbildungen, einer Handkarte von Westpreußen und 6 Wappentafeln der westpreußischen. Städte. Preis brosch. 2.50 Mk., geb. 3.— Mk. Teil 11. Heimatkundliche Abhandlungen Rektor P. Gehrke, Rektor R. "Hecken. Dr. phil. H. Preuß und Pfarrer W. Schwandt. Mit 360 Abbildungen. Preis brosch. 9.— Mk., geb. 10.— Mk. Beide Bände in einem en Prachtband 19. — HH HH H HH HOT HOP HH HH HH OHIO H HH 9999099 HH HH HH 94 + Danzig. A. W. Kafemann G. m.b.H. Verlagsbuchhandlung. I IT ELITE TTITTELTTTPETTTRTTTOTTHTTTTTTUTYYT 20000000000000000000000000000000000000000000000000000 0000000000 OO HH HH HH OH HH HIHI OHIO OH HH aa I 7 7 I 7 ST 7 TS N I TI 7 NE SS SI Sn TS Te TTS 7 7 7 7 5 7 7 57 27 < Druck von A. W. Kafemann G. m. b. H. in Danzig.