HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY. US oh S- Ra N RRERTEN e ‘ gi 3 - s x nr) BA BERICHTE DER NATURFÜRSCHENDEN GESELLSCHAFT ZU N e FREIBURG I. BR. IN VERBINDUNG MIT Dr. Dr. F. HıLpEBranp, F. HınstepTt, J. LÜROTH, J. von KRrıss, (&. STEINMANN, A. WEISMANN, R. WIEDERSHEIM, PROFESSOREN AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG, HERAUSGEGEBEN VON DR. K. GERHARDT. ELFTER BAND. “ FREIBURG I. BR. C. A. WAGNER’S UNIVERSITÄTS-BUCHDRUCKEREI. 1899 —1901. ac] "Tl 10n] Inhalt VEes-rRTtBanıdies: Ueber Kathodenstrahlen und Röntgenstrahlen. (Vorträge vom 18. April 1898 im naturwissenschaftlichen Ferienkurs zu Frei- burg i. B.) Mit 7 Abbildungen im Text. Von L. Zehnder . Vorlesungsversuche über Hertz’sche elektrische Strahlen und Marconi’sche Funkentelegraphie. Mit 4 Abbildungen im Text. Von F. Himstedt ; Ueber Bildungsweise des dunklen es Ei a Mollus- ken nebst Bemerkungen über die Entstehung von Kalk- karbonat. Von @. Steinmann . Ueber Spitzenentladung bei nareinergerst ie 3 Ab- bildungen im Text. Von F\. Himstedt Ueber grüne Amöben. Von August Gruber Ueber Boueina, eine fossile Alge aus der ne a ee ceen. Mit 13 Abbildungen im Text. Von @. Steinmann Ueber die Bedeutung der Kathodenstrahlen für den Ent ladungsmechanismus. (Vorläufige Mittheilung.) Von Otto Berg Leucitbasalt aus der Gegend von Pangkadjene in Süd- Celebes. Mit ‘1 Tafel. Von H. Bücking aus Strassburg i. E. Ueber einen Apparat zur Gasanalyse, speciell zur Bestim- mung der im Wasser gelösten Gase. (Aus dem thierphysio- logischen Institut der Landwirthschaftlichen Hochschule zu Berlin.) Mit 2 Abbildungen im Text. Von Otto Berg . : Beiträge zur Geologie des Bockswieser er a harz). Mit 3 Tafeln und 2 Abbildungen im Text. Von Ernst Maier Ueber einige Versuche mit Becquerel- und mit Fl strahlen. Von F. Himstedt Zweite Mittheilung über Versuche mit een von ver- schiedenen Hausmausrassen. (Aus dem zoologischen Institut der Universität Freiburg im Breisgau.) Mit'3 Tafeln. Von Georg von Guaita, Volontärassistent . Seite 131 IV. InHauLt DES XI. BANDES. Ueber die Einwirkung der Becquerel- und der Röntgen- strahlen auf das Auge. Mit 2 Figuren im Text. Von F. Him- stedt und W. A. Nagel r Die Vertheilung der Reizwerthe nr ch Freche im Dispersionsspektrum des Gaslichtes, mittels der Aktions- ströme untersucht. Mit 1 Figur im Text. Von F. Hünstedt und W. A. Nagel \ Ueber das Malaria- ud) alser: al seine Br (Vortrag mit Demonstrationen, gehalten in der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. Br.) Von Prof. Dr. @. Treupel Ueber die Kreideformation der Monte d’Ocre-Kette in den Aquilaner Abruzzen. Mit 4 Tafeln und 3 Figuren im Text. Von Dr. Carl Schmarrenberger 139 153 163 176 nn IM MAT 1899. IE BERICHTE NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT FREIBURG I. Br. IN VERBINDUNG MIT Dr. Dr. F. HiLDEBRAND, F. Hımstepr, J. LüRoTH, J. von Krıss, &. STEINMANN, A. WEISMANN, R. WIEDERSHEIM, PROFESSOREN AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG, HERAUSGEGEBEN VON DR. AUGUST GRUBER, PROFESSOR DER ZOOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG, ELFTER BAND. ERSTES HEFT. MIT 27 ABBILDUNGEN IM TEXT. FREIBURG I. BR. LEIPZIG UND TÜBINGEN J.C.B. MOHR (PAUL SIEBECK) 1899. Inhalt. ‘Weber Kathodenstrahlen und Röntgenstrahlen. (Vorträge vom 18. April 1898 im naturwissenschaftlichen Ferienkurs zu Freiburg i. B.) Mit 7 Abbildungen im Text. Von L. Zehmder .. . . . SD ER Vorlesungsversuche über Hertz’sche elektrische Strahlen und. Marconi’sche Funkentelegraphie Mit 4 een im Text. Von 7. Himstedi 2: AS ve ee R ; .. 838 Ueber Bildungsweise des dunklen Pigments bei En Mollusken nebst Bemerkungen über die ml von Kalk- karbonat. Von @. Stenmann ... AO Ueber Spitzenentladung bei Hochheaiienssänen: Mit 3 Ab- bildungen im Text. Von F\ Himstedt == 2... „u m..n ne na 2 ab Ueber grüne Amöben. Von August Gruber . .. .. RN Ueber Boueina, eine fossile Alge aus der Familie der A Mit 13 Abbildungen im Text. Von @. Stenmamn. ... 2. ...62 a —ö6_ä m VERLAG von J. ©. B. MoHr (PAUL SIEBECK) IN FREIBURG 1. B,, Leiıpzie, TÜBINGEN. Autenrieth, W., Kurze Anleitung zur Auffindung der Gifte und stark wirkender Arzneistoffe. Zum Gebrauche in chemischen Laboratorien. Mit 8 Abbildungen im Text. Zweite, vermehrte Auflage. Gross 8. 1897. M. 2.80, Kartoniert M. 3.20, — —- Qualitative chemische Analyse. Ein Leitfaden zum Gebrauche in chemischen Laboratorien. Mit 3 Abbildungen im Text. ‚Gross 8. 1897. M. 3.—. Kartoniert M. 3.40. | — — Zur Kenntnis der Isomerieverhältnisse bei den ungesättigten Säuren. Mit mehreren Figuren im Text. 8. 1896. M. 2.—. Warburg, E., Lehrbuch der Experimentalphysik für Studirende. Mit 405 Original-Abbildungen im Text. Vierte verbesserte Gross 8. 1899. M. 7.—. Gebunden M. 8.—. Zehnder 5 n „ Die Mechanik des Weltalls in ihren Keeae dar- gestellt. Gross 8. 1897. :M. 3.— Reitt, R. HM iheorie molekular- ‚rel 8. 1896, =. 6.—. — — Elastieität und Elektrieität. 8. 1893. M. 5.—. — — Über die Prineipien der neueren Hydrodynamik. 8. 1882. M. 1.20. Rate Ueber Kathodenstrahlen und Röntgenstrahlen. „Von L. Zehnder. Mit 7 Figuren im Text. (Vorträge vom 18. April 1898 im naturwissenschaftlichen Ferien- kursus zu Freiburg i. B.) Meine Herren! Wenn elektrische Entladungen durch ein Gas hindurchgeschickt werden, so nimmt man dreierlei verschiedene Beob- achtungen wahr, welche wir hier der Reihe nach uns recht klar vor Augen zu führen suchen. Wir denken uns einen Konduktor, eine Kugel, plötzlich mit Elektrizität hoher Spannung geladen. Das sog. elektrische Feld stellt sich im kürzester Zeit her um den Konduktor herum. Erst wenn dies geschehen ist, kann der elektrisierte Kon- duktor andere in seiner Nähe befindliche elektrische Körper abstossen bezw. anziehen. Zur Herstellung des elektrischen Feldes wird ein Teil der in den Konduktor hineingebrachten elektrischen Energie aufgebraucht, es strömt also in erster Linie elektrische Energie von dem Konduktor in den Aussenraum, so lange, bis das Feld her- gestellt ist. Das Strömen dieser Energie dauert nur ungemein kurze Zeit. Die elektrische Energie strömt mit Lichtgeschwindigkeit; sie kann durch alle uns bekannten Medien hindurchströmen, durch Leiter und Nichtleiter, auch durch den luftleeren Raum hindurch. Wäg- bare Körper, also auch Gase, sind dazu nicht nötig, und wir nennen dieses Strömen elektrischer Energie auch nicht eine Gasentladung. Vielmehr beruht das Auftreten der „Influenz“- und der „Induk- tionswirkungen“ auf diesem Energieflusse. Wenn wir den Kon- duktor periodisch laden und entladen, so gehen in gleicher Periode elektrische Wellen von demselben aus in den Aussenraum. Stellt Berichte XI. Heft 1. 1 9) ZEHNDER: [2 Dr man zwei Konduktoren einander gegenüber, lädt beide periodisch, den einen positiv, wenn der andere negativ ist, und entlädt man sie jedesmal wieder, etwa durch einen Funken, so erhält man elektrische Schwingungen, elektrische Wellenbewegungen von der Art, wie sie HERTZ entdeckt, RıGHı erweitert, MARCONI für die elektrische Fern- telegraphie verwendet hat. An diesen elektrischen Wellenbewegungen, an den Strahlen elektrischer Kraft kann man nach den epoche- machenden Arbeiten von HERTZ die geradlinige Ausbreitung, die Brechung, Reflexion, Polarisation, Interferenzen u. s. w. nachweisen. Ein Teil dieser Versuche ist Ihnen am verflossenen Donnerstag von Herrn Prof. Hınsteprt in vortrefilicher Weise demonstriert worden. An dem elektrisierten Konduktor können wir, wenn er in Luft, in Gas sich befindet, noch weitere Vorgänge beobachten. Bringen wir mit demselben einen anderen Körper in Berührung, so wird dieser gleichnamig elektrisiert und abgestossen. Ein leichtes Pendel- chen wird weggetrieben, gehoben, bleibt oben, bis seine Ladung ver- loren ist; erst dann fällt es wieder zurück. Stellen wir dem Kon- duktor einen anderen Konduktor gegenüber, welcher mit der un- gleichnamigen Elektrizität geladen ist, so sucht jenes Pendelchen diesen zweiten ungleichnamig elektrisierten Konduktor zu erreichen. (relingt ihm das, so giebt es seine elektrische Ladung ab, nimmt eine neue Ladung an, gleichnamig mit dem letzteren Konduktor, fällt dann gegen den ersteren zurück, giebt dort seine nunmehrige Ladung ab, und das Spiel beginnt von neuem. Das Pendelchen pendelt hin und her, vermittelt den Elektrizitätsaustausch der beiden ungleichnamig elektrisierten Konduktoren, wie z. B. bei dem Ihnen genügend bekannten elektrischen Glockenspiel. Analog verhält es sich bei vielen Pendeln, auch bei den zwischen zwei ungleichnamig elektrisierten Platten tanzenden Hollundermarkkügelchen. Ganz ähnliche Erscheinungen müssen bei den Gasmolekeln selber zustande kommen, auch wenn wir sie nicht sehen. Jede Substanz, alle Leiter und Nichtleiter können elektrische Ladungen aufnehmen und übertragen; wie unsere Pendelchen, so thun dies auch ihre einzelnen Molekeln. Jedoch ist die Kapazität der Molekeln begreif- licherweise eine sehr geringe. Wir wissen, dass die Kapazität einer leitenden Kugel durch ihren Radius gemessen wird. Also ist bei gleicher Spannung, bei gleichem Potentiale die Elektrizitätsmenge, welche eine Molekel aufnimmt, eine überaus geringe, beispielsweise im Vergleich zu derjenigen einer Kugel von 1 cm Radius. Denn die Molekel hat nach Berechnungen von ©. E. MEYER u. A. nur 3] UEBER KATHODENSTRAHLEN UND RÖNTGENSTRAHLEN. 3 einen Radius AR von etwa einem Hundertmillionstel Üentimeter. Diesem Radius ist die elektrische Ladung e, welche die Molekel von unserem betrachteten Konduktor bei der Berührung aufnimmt, proportional. Sei EZ die Ladung des elektrisierten kugelförmigen Konduktors, e die Ladung, A der Radius einer kleinen leitenden Hülfskugel, welche durch Berührung mit dem Konduktor ihre Ladung erhalten hat; sei .z der Abstand ihres Mittelpunktes vom Konduktor- mittelpunkte, so ist die abstossende Kraft, welche vom Konduktor auf die gleichnamig elektrisierte Hülfskugel ausgeübt wird: X = Ee/z#?, wenn die Ladung e die Verteilung auf dem Konduktor nicht störend beeinflusst. Diese Kraft ist wegen des Faktors e proportional mit R. Sei m die Masse der Hülfskugel, die bei homogenem Materiale proportional mit AR3 ist, so ergiebt sich aus der LAGRANGE’schen Bewegungsgleichung: X= m - d?z/dt? der Wert von Am propor- tional mit //R?. Der Einfachheit halber setzen wir für den Pro- portionalitätsfaktor ?,, wobei wir durch den Index .z andeuten wollen, dass jener Faktor die Grösse z noch enthält. Unsere Bewegungs- gleichung lautet also: d?.z/dt? = P,/R?, und wenn wir beiderseits mit (dır/dt) - dt bezw. mit dx multiplizieren und integrieren, so er- halten wir: 7/2. (dz/dt)?= 0,[R? = 1/2 - v?, wobei Q,, eine andere Funktion von z, ferner dir/dt = v die Endgeschwindigkeit der Hülfs- kugel bezeichnet, wenn dieselbe im Anfangspunkte der betrach- teten Bewegung in Ruhe war (©, = 0 für 2 = 29). Uns interessiert hier besonders das wichtige Resultat: Die Geschwindigkeit v, welche die Hülfskugel erhält unter dem Einflusse unserer abstossenden elektrischen Kraft, ist unter sonst gleichen Verhältnissen umgekehrt proportional ihrem Radius A. Was dies bedeutet, erkennen wir, wenn wir eine homogene Hülfskugel vom Radius ? = 1 cm ver- gleichen mit einer ihrer Molekeln. Durch Berührung mit jenem elektrisierten Konduktor habe die Hülfskugel eine solche Ladung erhalten, dass sie auf einem bestimmten Wege z—.z,, durch welchen sie sich ohne Hindernis bewegen kann, eine Geschwindigkeit von 3 m in der Sekunde annehme. (Es ist dies noch keine sehr grosse Geschwindigkeit, etwa diejenige in einem ziemlich reissenden Flusse. Ein Körper, im luftleeren Raume aus der Ruhe um 46 cm gegen die Erde fallend, wird etwa diese Endgeschwindigkeit an- nehmen.) “Unter sonst gleichen Umständen würde eine einzelne losgelöste Molekel der Hülfskugel auf eine //AR, das heisst auf eine 100 000 000 mal grössere Geschwindigkeit, also auf die Geschwindig- keit von 300 000 000 m gebracht, auf dem gleichen Wege, auf welchem 1% 4 ZEHNDER: [4 die Hülfskugel nur 3 m Geschwindigkeit erhält. 300000000 m ist aber die Lichtgeschwindigkeit. Die elektrisierten Molekeln können demnach mit ungeheuren Geschwindigkeiten von dem betrachteten geladenen Konduktor weggeschleudert werden. Wegen der Pro- portionalität von » mit //R überträgt die einzelne Molekel in einer Sekunde bei ihrer enormen (seschwindigkeit in widerstandsloser Bahn die gleiche Elektrizitätsmenge, wie jene kleine Hülfskugel aus gleichem Materiale, welche ebenfalls durch die elektrischen Anziehungen und Abstossungen zwischen den beiden geladenen Konduktoren hin- und herpendelt; die Molekel allein entlädt annähernd in derselben Zeit die Konduktoren, in welcher einer von diesen vermöge der elektri- schen Anziehung den anderen Konduktor zu erreichen vermag. In Wirklichkeit entladen aber viele Molekeln, oft eine ungeheure Zahl derselben, nicht bloss eine einzige; also wird die Entladungsdauer noch entsprechend kürzer. Diese einfache Rechnung verhilft uns nun zu grösserer Klarheit über die Vorgänge, welche sich in Gasen in der Umgebung eines elektrisierten Konduktors abspielen. Seit CLausıus wissen wir, dass in Gasen die betreffenden Molekeln wie elastische Kugeln in einem von Aether erfüllten Raume hin- und herzucken, aneinanderstossen und wieder zurückprallen, dass sie mit sehr grossen Geschwindig- keiten (485 m pro Sekunde im Mittel für Luft bei 0° C.) unauf- hörlich von Stoss zu Stoss sich bewegen. Auch gegen feste Wände, welche den Gasraum an irgend einer Stelle begrenzen, stossen die Gasmolekeln und prallen von ihnen wie von vollkommen elastischen Wänden zurück, solange die Temperatur konstant bleibt. Eine solche die asmasse begrenzende Wand bildet aber die Oberfläche des von uns oben betrachteten elektrisierten Konduktors. Auf sie stossen fortwährend unzählige Gasmolekeln. Diese nehmen dabei die Elek- trisierung des Konduktors an und werden mit den durchschnittlichen mittleren Geschwindigkeiten, welche ihnen sonst im Gase zukommen, von seiner Oberfläche zurückgeworfen. Sie erhalten aber dazu die oben berechnete Beschleunigung, infolge der aufgenommenen Ladung, so dass sie, je länger sie sich frei, ohne Widerstände be- wegen, um so grössere Geschwindigkeiten annehmen müssen. Besitzt der Konduktor eine geringe Ladung und ist seine Ober- fläche wirklich eine vollkommene Kugelfläche, ist auch keine andere elektrische Ladung in seiner Umgebung vorhanden, welche merkliche Störungen bewirken könnte, so werden an jeder Oberflächenstelle solche (sasmolekeln mit gleicher Kraft abgestossen. Sie fliegen gegen 5] UEBER KATHODENSTRAHLEN UND RÖNTGENSTRAHLEN. 5 andere weiter aussen befindliche Molekeln, geben diesen von ihren Ladungen ab, und fliegen wieder zurück gegen die Konduktor- oberfläche hin. Diese weiter aussen befindlichen Molekeln werden nun ihrerseits vom Konduktor abgestossen, übertragen ihre Ladungen auf noch weiter entfernte Molekeln u. s. f.£ So wandert jede La- dung einer Molekel, vermöge der abstossenden Wirkung, welche vom Konduktor stets auf gleichnamig elektrisierte Molekeln aus- geübt wird, weiter und weiter nach aussen. Der Konduktor wird durch das Zusammenwirken aller in seiner Umgebung befindlichen (Gasmolekeln allmählich entladen. „Allmählich“ ist diese Entladung; denn unter unseren Voraussetzungen ist keine Stelle an der Kugel- oberfläche des Konduktors vor den anderen ausgezeichnet, und in diesem Falle muss sich nach den Gesetzen der Gastheorie Druck- gleichheit an allen Stellen der Gasmasse herstellen. Da wo die Gasmolekeln grössere Geschwindigkeiten besitzen, also in der Nähe des elektrisierten Konduktors, müssen sie sich weniger dicht lagern als an Stellen geringerer Geschwindigkeit. Nur dadurch wird Druck- gleichheit hergestellt. Ist dies geschehen, so wird nun der Aus- tausch elektrischer Energie ein entsprechend geringerer. Der Kon- duktor verliert seine Ladung mehr oder weniger langsam, weil gleich- sam ein statisches Gleichgewicht unter den Gasmolekeln zustande kommt, weil keine Konvektionsströme auftreten können. Jener Konduktor habe nun eine starke Ladung. Auch sei seine Oberfläche nicht vollkommen glatt, so dass Hervorragungen, kleine Höcker auf derselben vorhanden sind, wie es an Oberflächen wirk- licher Körper stets der Fall ist, sogar wenn sie aufs allerbeste poliert sind. Mit einem Mikroskop betrachtet, welches noch Mo- lekeln selber erkennen liesse, würde uns die Körperoberfläche als mit lauter Höckern bezw. Spitzen besetzt er- scheinen. Nun ist bekanntlich die elektrische Dichte an allen Hervorragungen und besonders an scharfen Spitzen am grössten. Giebt es also an unserem Konduktor Stellen « (Fig. 1), an welchen stärkere Hervorragungen sich be- finden, so werden hier die Gasmolekeln mit stärkeren Ladungen versehen, als anderswo. Diese Gasmolekeln werden mit grösseren Geschwindigkeiten weggeschleudert, als die übrigen (ausgezogene Pfeile). Die zurückgetriebenen Molekeln (punktierte Pfeile) finden hier, bei «, einen grösseren Widerstand gegen ihr Zurückfliegen, als anderswo; folglich suchen die zurückfliegenden Molekeln an ent- 6 ZEHNDER: [6 fernteren Stellen 5 zurückzuströmen. Im dieser Weise bildet sick eine Zirkulationsbewegung im Gasraume aus; Konvektionsströme entstehen (punktierte Kurven), welche stark elektrisierte Gas- molekeln von der Spitze a nach aussen leiten. Diejenigen Molekeln dagegen, welche ihre Ladungen an andere, aussen befindliche Mo- lekeln abgegeben haben, welche also unelektrisch geworden sind, werden bei 5 wieder gegen die Kugel zurückströmen. Eine solche Bewegung an Spitzen nimmt man in der That wahr. Sie ist bekannt unter dem Namen des „elektrischen Windes“. Je stärker nun die elektrische Spannung an einem Konduktor wird, um so grösser werden die Geschwindigkeiten, mit denen die Gasmolekeln, besonders an einzelnen Stellen, an solchen unsicht- baren Spitzen, weggeschleudert werden. Die Molekeln stossen bei ihren Zusammenstössen mit Geschwindigkeiten auf einander, so gross, wie sie den höchsten Temperaturen entsprechen. Dabei werden Molekeln dissoziiert. Aus mehratomigen entstehen einatomige Mo- lekeln, welche noch schneller sich bewegen, welche noch heftiger zusammenstossen, welche auch neue Verbindungen eingehen können. Demnach strahlen solche ein- und mehratomige Molekeln bei ihrem Aufeinanderplatzen Licht aus, sie werden leuchtend. Es ent- stehen Lichtblitze in denjenigen Bahnen des elektrischen Windes, in welchen die Elektrizität am energischsten nach aussen getrieben wird. Neben diesen Blitzbahnen strömen die unelektrisch gewordenen Molekeln wieder gegen den Konduktor zurück. Solche Lichtblitze kann man an dünnen blanken Drähten wahrnehmen, welche durch Induktionsströme auf hohe Spannung gebracht werden, wenn ihnen nur keine anderen Leiter nahe kommen. Besonders schön und mächtig sieht man dieselben an isolierten Polen von Teslaspulen. — Alle hier in zweiter Linie beschriebenen elektrischen Entladungs- arten in Gasen nennen wir „stille Entladungen“. Gleichwohl ist der Uebergang zu den nicht stillen Entladungen schon gemacht; denn die zuletzt erwähnten Entladungen lassen bekanntlich ein deut- liches „Knistern“ vernehmen. Nun sei ein zur Erde abgeleiteter oder ein mit ungleichnamiger Elektrizität geladener gleicher Konduktor in der Nähe jenes zuerst betrachteten. Die weiteren Vorgänge sind den bis dahin beschrie- benen ganz ähnlich. Die elektrische Kraft ist in diesem Falle zwischen beiden Konduktoren, von Oberfläche zu Oberfläche, am stärksten. Hier erfahren die elektrisierten Gasmolekeln den stärk- sten Antrieb; es entsteht ein elektrischer Wind zwischen beiden 7] ÜEBER KATHODENSTRAHLEN UND RÖNTGENSTRAHLEN. 7 Konduktoren. Immer heftiger wird derselbe, bis er einen gewissen Grenzwert erreicht, welcher abhängig ist von der elektrischen Potential- differenz, von den Konduktoren, von dem umgebenden Medium. Ist diese Potentialdifferenz gross genug, so kommt der dritte von uns ins Auge zu fassende Entladungsvorgang zustande, die „Funken- entladung“. Eine solche Funkenentladung ist der Blitz. Mit unserem Induktorium können wir den Blitz im kleinen hervorbringen; ebenso mit anderen elektrischen Apparaten, mit Elektrisiermaschinen, mit Influenzmaschinen. Sind die zugeführten Elektrizitätsmengen genügend gross, so können konstante Elektrizitätsübergänge zustande kommen, wie bei der Bogenlampe. Aber auch der kleine elektrische Funke, welcher bei der Schliessung eines einfachen galvanischen Elements entsteht, ist eine kleine Blitzentladung. Bei solchen elektrischen Entladungen in der Luft sagt man gewöhnlich, die Luftstrecke werde vom elektrischen Funken durch- schlagen, durchbrochen. Sehen wir genauer zu, wie es sich damit verhält. Nach Orausıus haben die Luftmolekeln bei der Temperatur des schmelzenden Eises mittlere Geschwindigkeiten von etwa 485 m in der Sekunde. Diese Geschwindigkeit besitzen die Luftmolekeln in der Umgebung des betrachteten unelektrischen Konduktors, wenn sie seiner Oberfläche parallel fliegen oder wenn sie von aussen gegen den Konduktor heranfliegen. Mit derselben Geschwindigkeit werden sie von dem Konduktor zurückgeworfen, weil seine Oberfläche nach unserer Vorstellung die Eigenschaft der vollkommenen Elastizität den Gasmolekeln gegenüber besitzt. Ist aber der Konduktor elek- trisiert, so wird diese Geschwindigkeit der nunmehr mit einer elek- trischen Ladung versehenen, von ihm weggeworfenen Molekel rasch vergrössert, sie nimmt bald weit höhere Werte als 485 m an. Zwar stösst die Molekel gelegentlich auf eine andere Molekel, sie erfährt also gewissermassen einen Widerstand, von den übrigen im Raume vorhandenen Luftmolekeln herrührend. Aber nach den Stossgesetzen überträgt sie ihre Geschwindigkeit, wenigstens zum Teil, auf die ge- stossene Molekel. Diese erfährt nun, wegen der dabei erhaltenen Ladung, wie wir vorhin sahen, eine weitere Geschwindigkeitsvermeh- rung, so dass eben der elektrische Wind zustande kommt, welcher so weit nach aussen reicht, als die abstossende Wirkung jenes elek- trisierten Konduktors ihren Einfluss noch merklich ausübt. Besonders regelmässig gestalten sich diese Verhältnisse, wenn ein zweiter zur Erde abgeleiteter oder ungleichnamig elektrisierter Konduktor dem ersten in passendem Abstande gegenübersteht. Die 8 ZEHNDER: [8 elektrische Kraft ist in der kürzesten Verbindungslinie beider Kon- duktoren am stärksten. Hier kommen die Geschwindigkeitssteige- rungen, hier kommt der elektrische Wind zustande, und zwar zwei- fach: von jedem Konduktor aus ein elektrischer Wind gegen den anderen Konduktor hin. Die Richtungen dieser Winde stimmen dabei, wegen ihrer vorhin erwähnten Abhängigkeit von der Ober- flächenbeschaffenheit der Konduktoren, nicht genau mit einander überein. Die Winde entwickeln sich aber, wie oben beschrieben, bis die heftig bewegten Molekeln derselben einander genügend sich De, nähern, und dann kommt eine entsprechende (zackige) Funkenentladung zustande (Fig. 2). Vereinfacht werden die Verhältnisse in diesem Falle besonders dadurch, dass alle Molekeln, die in der Bahn des elektrischen Windes fliegen, elektrische Ladungen angenommen haben, gleichnamig mit demjenigen Fie. 2. Konduktor, von welchem sie herkommen. Die entgegengesetzt fliegen- den Molekeln sind demnach ungleichartig elektrisiert, sie ziehen sich an, um so mehr, je mehr sie sich einander nähern; sie fahren nicht mehr ganz zufällig, wie in unelektrischen Gasen, an einander vorbei, sondern sie stossen möglichst in zentralen Stössen auf einander, tauschen ihre Geschwindigkeiten aus, wegen ihrer gleichen Massen. Sie tauschen auch ihre Ladungen aus, wegen der Abstossung gleich- namiger Elektrizitäten von den Konduktoren her — soweit sich nicht ungleichnamige Ladungen einfach ausgleichen und die elektrische Energie in andere Energieformen, insbesondere in Licht, übergeht. Demnach wird der elektrische Wind viel rascher und viel stärker ge- steigert, wenn ein zweiter Konduktor in der Nähe des ersten sich befindet. Sind dann die elektrischen Spannungen der beiden Kon- duktoren gross genug, werden dementsprechend die Geschwindigkeiten der zwischen ihnen hin- und herzuckenden elektrisierten Molekeln ge- nügend gross, so verdrängen diese schliesslich die nicht elektrischen Molekeln der Nachbarschaft, welche etwa parallel den Konduktor- oberflächen fliegen. Es entsteht gewissermassen eine feine Oeffnung im Gase, von Konduktor zu Konduktor: die Funkenbahn. In ihr fliegen die elektrisierten Gasmolekeln zwischen den Konduktoren hin und her, mit beschleunigten Geschwindigkeiten, bis die Funken- entladung in vollem Gange ist. Ihre Geschwindigkeiten sind nun auch an den Konduktoroberflächen selber entsprechend höhere, wegen ihrer ungleichnamigen Elektrisierung, mit welcher sie an den- selben ankommen und vermöge welcher sie stets von denselben an- gezogen werden, bis Berührung stattgefunden hat. Dann werden sie, 9] UEBER KATHODENSTRAHLEN UND RÖNTGENSTRAHLEN. 9 wegen der Elastizität der Konduktoroberflächen für Stösse der Gas- molekeln, mit entsprechend grossen Geschwindigkeiten zurück- getrieben. Daher kommt eben eine fortwährende Steigerung der Geschwindigkeiten im elektrischen Winde zustande, bis die sichtbare Entladung selber einsetzt. Die mit den grössten Geschwindigkeiten auf die Konduktoroberflächen stossenden Gasmolekeln vermögen die Leiteroberflächen zu erhitzen, Teilchen von ihnen loszureissen, sie dampfförmig zu machen. Die PriestLey’schen Figuren verdanken diesem Umstande ihre Entstehung. Selbstverständlich wird dabei ein Teil der kinetischen Energie der Gasmolekeln in solche der Metallmolekeln umgewandelt. Die zwischen beiden Konduktoren hin- und hergejagten elektri- sierten Molekeln stossen gewissermassen eine wirkliche Oefinung, ein wirkliches Loch durch den Gasraum hindurch. Denn alle unelektri- schen Gasmolekeln, welche etwa in senkrechter Richtung quer durch die Funkenbahn hindurchtreten wollen, mit ihren mittleren Ge- schwindigkeiten von nur etwa 485 m in der Sekunde, kommen nicht weit in diese Bahn hinein. Wegen der ungeheuren Ge- schwindigkeiten der in der Funkenbahn fliegenden Molekeln stossen sie bald auf eine der letzteren, und werden von ihr mit grosser Gewalt, der betreffenden Geschwindigkeit entsprechend, zur Seite geschleudert. So bleibt eine innerste Bahn, die eigentliche Funken- bahn, ganz frei für die von Konduktor zu Konduktor fliegenden Molekeln. Sie wird umhüllt von einer Zone, von der „Aureole“, in welcher Zusammenstösse solcher elektrisierter mit nicht elektrisierten von der Seite her eintretenden Molekeln stattfinden. Diese Zone endlich ist umgeben von einem Raume, in welchem der Zustand des (Gases fast derselbe ist, wie wenn keine Funkenentladung stattfände. Die Molekulargeschwindigkeiten in diesem Raume sind von der Aureole nach aussen abnehmend noch etwas grössere, die Temperatur ist eine höhere, die Gasdichte eine etwas geringere, als ohne Funkenentladung; auch kommen darin noch vereinzelte stärker geladene Molekeln vor. Schlägt der elektrische Funke durch einen festen Körper hindurch, so reisst er ganz analog eine Oeffnung, ein Loch in diesen Körper. Solche Löcher in durchschlagenen Glasplatten sind Ihnen bekannt genug. Ich erinnere auch an die Blitzröhren, welche der Blitz er- zeugt, wein er in Sanddünen einschlägt, durch Schmelzen der seine Funkenbahn einhüllenden schmelzbaren Substanzen. Aus unserer Erklärung des Zustandekommens einer Funken- entladung geht hervor, dass vom Augenblicke des Herstellens einer 10 ZEHNDER: [10 elektrischen Spannungsdifferenz zwischen zwei Konduktoren bis zum Eintritte der Funkenentladung eine gewisse Zeit verstreichen muss. Es entstehen elektrische Winde, dieselben werden grösser und grösser, so lange, bis die nicht geladenen Gasmolekeln von den ge- ladenen genügend zur Seite geschleudert werden. Dadurch wird erst die Funkenbahn frei und der Funke selber kommt zustande, das heisst: eine Molekelschaar, welche mit ungeheuren Geschwindig- keiten zwischen den Konduktoren hin- und herzuckt, vermittelt die Entladung derselben. In dieser nunmehr von äusseren Widerständen freigewordenen Bahn, in der Funkenbahn, können die Geschwindig- keiten der Gasmolekeln sich so sehr steigern, dass sie der Licht- geschwindigkeit vergleichbar werden, wie wir vorhin berechnet haben. Es ist merkwürdig, dass diese interessante Erscheinung der Verzögerung der Funkenentladung bisher fast unbeachtet geblieben ist. Erst in neuester Zeit ist die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf die Erscheinung gelenkt worden, durch Versuche von JAUMANN im Jahre 1895, von WARBURG in den Jahren 1896 und 1897. Diese Verzögerung kann Sekunden, sie kann Minuten betragen, und es ist sichergestellt, dass es sich bei den betreffenden Versuchen nicht etwa um zufällige Spannungssteigerungen in den Konduktoren handelt, durch welche die Entladungen erst nachträglich noch ein- geleitet werden, sondern dass nur die Zeit selber massgebend ist. Eine niedrige Spannung, welche eine entsprechende Zeitdauer an- hält, kann in einer bestimmten Luftstrecke einen Funken zustande bringen, während eine wesentlich höhere, aber kürzere Zeit dauernde Spannung keinen Funken in ihr entstehen lässt. Wie wir aus Erfahrung wissen, ist die Bahn des Funkens eine sehr enge. Der Blitz erscheint oft als feine Linie. Es sind also verhältnismässig wenige Molekeln imstande, die Entladung zu be- wirken. Dies ist dadurch zu erklären, dass die anfänglichen Ge- schwindigkeiten der Molekeln in der Funkenbahn, wie wir gesehen haben, immer mehr gesteigert werden. Denn bei jedem Aufprallen auf die Konduktoroberfläche werden die Molekeln annähernd mit ihrer eigenen Geschwindigkeit zurückgeworfen. Während des Frei- fliegens zwischen beiden Konduktoren aber werden sie, auch wenn sie inzwischen auf andere geladene Molekeln gestossen sind, doch wegen ihrer jeweiligen Ladungen immer noch mehr beschleunigt. Freilich sind dafür die Elektrizitätsmengen, welche mit jeder Molekel übertragen werden, verhältnismässig gering. Sie sind proportional dem Radius der Molekeln, diese als Kugeln gedacht. 11] UEBER KATHODENSTRAHLEN UND RÖNTGENSTRAHLEN. 11 Nun ist klar, dass das Auspumpen der Luft aus dem Raume, in welchem die Entladung zustande kommen soll, die Bildung der Funken- bahn und also der Entladung selber vorerst begünstigt. Denn die un- elektrischen Molekeln werden von der Pumpe weggeschaftt, diejenigen nämlich, welche die Funkenbahn einhüllen, welche die Funkenbahn immer wieder zu zerstören bestrebt sind. Die Molekeln dagegen, welche die Entladung vermitteln, können durch Auspumpen nicht entfernt werden, weil sie elektrisiert sind, weil sie nicht diffus aus einander weichen, wie im normalen Gase, sondern nur von einem Konduktor zum anderen hin- und herzucken. Denn sie werden stets von einem der beiden Konduktoren, von einer der beiden Elektroden angezogen. In einem Gase von Atmosphärendruck, in Luft, geht der Funke des Induktoriums wie ein Blitz über, in feiner Linie, so auch in dem „elektrischen Ei“. Pumpen wir aber die Luft in diesem Glas- gefässe aus, vermittels einer einfachen Wasserluftpumpe, so sehen Sie, wie die Funkenbahn immer dicker und dicker wird. Die an- fänglich feinste weisse Lichtlinie geht in einen rosafarbenen Faden, dann in einen rosafarbenen Strang über, welcher immer breiter wird, je weiter wir auspumpen. Immer weiter kann man die Elektroden im elektrischen Ei von einander entfernen, ohne dadurch den Ent- ladungsvorgang unmöglich zu machen. Immer leichter kommt die Entladung zustande, je weiter wir die Luft auspumpen. Immer geringer wird die für eine Entladung notwendige Potentialdifferenz — weil eben der elektrische Wind, welcher die Entladung einleiten muss, um so leichter zwischen den beiden Elektroden sich herstellt, je weniger dicht die Luft ist, je weniger Gasmolekeln sich im be- treffenden Raume befinden — bis zu einer gewissen Grenze, auf die wir sogleich zu sprechen kommen werden. Wollen wir das Gefäss, in welchem die Entladung vor sich geht, noch besser auspumpen, so müssen wir eine Quecksilberluft- pumpe anwenden. Ich habe hier ein rundes Glasgefäss mit zwei Elektroden, durch welche die elektrischen Ströme in das Gefäss hineingeleitet werden, an die Quecksilberluftpumpe angeschmolzen, um die Luft aus demselben absaugen zu können. (Die Pumpe ist von Kantsaum konstruiert, von ©. KRAMER in Freiburg i. B. hergestellt, eine SPRENGEL’sche Pumpe, bei welcher das durch das SPRENGEL- sche Fallrohr herabgesunkene Quecksilber automatisch wieder ge- hoben wird, mittels einer Wasserluftpumpe. Um das Quecksilber höher als 76 cm heben zu können, was bei dieser Pumpe notwendig ist, wird durch eine feine Oeffnung Luft in die steigende Queck- 12 ZEHNDER: [12 silbersäule eingelassen, so dass im Steigrohre Quecksilbersäulen und Luftsäulen mit einander alternieren. Die im Steigrohre mitgenom- mene aufsteigende Luft muss durch die Wasserluftpumpe rasch genug entfernt werden.) Pumpen wir nun jenes Glasgefäss aus, so erkennen Sie, wie der anfängliche rote Strang zwischen den beiden Elektroden immer breiter wird. Immer kleinere elektrische Spannungen ge- nügen, um solche Entladungen in den ausgepumpten Röhren ein- zuleiten und zu unterhalten, bis der Gasdruck im Inneren der Röhre gleich demjenigen einer Quecksilbersäule von etwa 1 bis '/ mm Höhe geworden ist. Bis zu diesem Drucke waren nämlich immer noch so viele Gasmolekeln im Raume vorhanden, dass die Entladung durch dieselben in genügender Weise vermittelt werden konnte, und jedes Auspumpen der Luft verminderte insbesondere den Wider- stand der nicht an der Entladung beteiligten Molekeln, so dass die Funkenbahn sich breiter und breiter entwickeln konnte, Wird nun aber noch weiter ausgepumpt, so werden auch der Molekeln, welche die Entladung selber besorgen, immer weniger. Denn in den ver- hältnismässig sehr langen Ruhepausen zwischen den einzelnen Ent- ladungen unseres Induktoriums werden die Gasmolekeln unelektrisch, verteilen sich nach allen Richtungen hin diffus, und ein Teil der- selben gelangt in die Pumpe, geht für den Entladungsvorgang bleibend verloren. Nach dem Auspumpen aller Luft bleibt selbst- verständlich der von uns oben beschriebene Entladungsvorgang voll- ständig weg; im vollkommensten Vakuum ist eine elektrische Gas- entladung nicht mehr möglich. Folglich muss für die elektrische Entladung ein gewisses Optimum des Gasdrucks existieren, bei welchem die Entladung am leichtesten zustande kommt. Bei diesem Drucke ist noch eine genügende Zahl von Molekeln vorhanden, um die Entladung vollständig sich entwickeln zu lassen, aber doch sind nunmehr so wenige Molekeln da, dass der Luftkanal der Funken- strecke nicht zu sehr beeinträchtigt wird. Die Folge davon ist die sehr leichte Herstellung des elektrischen Windes, welcher der Ent- ladung vorhergehen, welcher sie einleiten muss. Die Entladungen in Gasen zeigen bekanntlich an den beiden ungleichnamigen Elektroden charakteristische Unterschiede, auf welche wir näher eingehen wollen. Schon unter Atmosphärendruck erkennt man an der negativen Elektrode, der Kathode, unter günstigen Ver- hältnissen einen violetten Punkt; an der positiven Elektrode, der Anode, ist das Licht rötlich. Dieselben Färbungen erkennen Sie weit besser in einer ausgepumpten Röhre, durch welche einseitig 13] UEBER KATHODENSTRAHLEN UND RÖNTGENSTRAHLEN. 13 gerichtete Entladungen, hier diejenigen einer Influenzmaschine, ge- schickt werden. Noch schöner und insbesondere ruhiger tritt die Erscheinung hervor bei der konstanten Entladung eines Hoch- spannungsakkumulators durch eine solche Geisslerröhre. (Uebrigens sind in anderen Gasen als Luft oder Stickstoff die Färbungen an den Elektroden andere als die soeben angegebenen.) Sieht man genauer zu, so nimmt man an der Kathode im violetten Lichte Schichtungen wahr, wenn der Druck ein passender ist. An der Kathodenoberfläche selber erkennt man eine hellleuchtende Schicht. Unmittelbar umgeben ist diese von einer dunkleren Schicht, diese von einer hellen, dann folgt wieder eine breitere dunkle, nochmals eine breitere helle Schicht, dann ein dunkler Raum, welcher das Kathodenlicht abschliesst und an welchen auf der Anodenseite das Anodenlicht grenzt. Alle diese Schichtungen des Kathodenlichtes verlaufen annähernd konzentrisch mit einem Teil der Kathoden- oberfläche, wenn wir auch in dem Falle uns so ausdrücken dürfen, dass die Kathode nicht eine Kugel ist. In anderer Ausdrucksweise können wir sagen: die Kathode verhält sich ähnlich wie ein mit negativer Elektrizität hoher Spannung statisch geladener Leiter, welcher im Inneren der ausgepumpten Röhre Niveauflächen erzeugt, womit indessen nicht gesagt sein soll, dass die soeben erwähnten Schichten wirkliche Niveauflächen seien. | Nach unserer Auffassung der Gasentladungen definieren wir nun die besprochenen hellen Schichten des Kathodenlichtes als diejenigen Orte, an welchen die in entgegengesetzten Richtungen fliegenden mit entgegengesetzten Ladungen versehenen Molekeln aufeinanderstossen. Die Stösse sind so heftige, dass die Molekeln infolgedessen Licht ausstrahlen. Alle Gasmolekeln des betrachteten Raumes treffen früher oder später auf die Kathode. Von dieser werden aber ins- besondere diejenigen Molekeln, welche direkt oder indirekt von der Anode positive Elektrizität aufgenommen haben, immer stärker an- gezogen, je näher sie herankommen, bis sie schliesslich die Kathoden- oberfläche erreichen. Mit zunehmenden Geschwindigkeiten haben sie sich gegen die Kathode bewegt; nun schlagen sie auf, sie werden an dieser Oberfläche durch den heftigen Stoss in denjenigen eigenen Schwingungszustand versetzt, welcher zur Lichtausstrahlung Ver- anlassung giebt, sie Jassen demnach die Kathodenoberfläche leuchtend erscheinen. Auch erhitzen sie durch ihr Aufschlagen die Kathode selber, so dass diese in vielen Fällen glühend wird. Platinkathoden zerstäuben infolge dieses Glühens so stark, dass sie Platinteilchen 14 ZEHNDER: |14 abschleudern, dass alle umliegenden Glasteile der Röhre mit einem Platinspiegel sich überziehen. In dieser Weise entsteht das Hell- leuchten an der Kathodenoberfläche selber. Die Molekeln, welche mit der Kathode zur Berührung gekommen sind, haben die Elektrisierung derselben angenommen. Bei ihrer Ankunft an der Kathode besassen sie gewisse mittlere Geschwindig- keiten, welche beim Zurückprallen nicht ihrer Richtung, wohl aber ihrem numerischen Werte nach gleich bleiben. Nun werden sie aber vermöge ihrer gleichnamigen elektrischen Ladung abgestossen, ihre fortschreitende Geschwindigkeit nimmt zu; sie fliegen möglichst längs der elektrischen Kraftlinien, also normal zu den Niveauflächen von der Kathode weg, bis sie andere Molekeln treffen. In der kinetischen Gastheorie ist berechnet worden, dass zu einer gewissen mittleren Geschwindigkeit bestimmter Gasmolekeln in einem Raume von bestimmter Gasdichte eine bestimmte mittlere molekulare Weg- länge dieser Molekeln zwischen zwei Zusammenstössen die wahr- scheinlichste ist. So gehört auch hier zu den diesen elektrisch ge- ladenen Molekeln zukommenden mittleren Geschwindigkeiten eine gewisse mittlere molekulare Weglänge in dem Gasraume um die Kathode herum. Diese Geschwindigkeiten unserer elektrisierten Gras- molekeln sind aber, wie wir gesehen haben, in der Regel bei elek- trischen Gasentladungen ungemein viel grössere, als diejenigen un- elektrischer Gasmolekeln. Dementsprechend sind die molekularen Weglängen grössere. In demjenigen Abstande von der Kathoden- oberfläche, welcher ungefähr der mittleren zu unseren Verhältnissen gehörigen molekularen Weglänge entspricht, entsteht die nächste, die zweite hellleuchtende Schicht. Die Zusammenstösse der Molekeln sind, wegen ihrer ungleichnamigen Ladungen, vorzugsweise zentrale. Daher fliegen von der zweiten hellleuchtenden Schicht neue Molekeln mit den aufgenommenen negativen Ladungen neuerdings normal zu den Niveauflächen nach aussen. Ihre Anfangsgeschwindigkeiten sind gleich den Endgeschwindigkeiten der Molekeln, welche direkt von der Kathode herkamen. Diese Anfangsgeschwindigkeiten werden durch die elektrische Abstossung der Kathode noch vergrössert. Demnach sind die mittleren Geschwindigkeiten dieser Molekeln grösser als diejenigen der vorhin betrachteten, und ihre molekularen Weg- längen müssen gleichfalls entsprechend grösser sein. Somit entsteht die dritte hellleuchtende Schicht des Kathodenlichtes in grösserem Abstande von der zweiten Schicht, als diese von der ersten Schicht (an der Kathodenoberfläche selber). Eine vierte hellleuchtende Schicht 15] UEBER KATHODENSTRAHLEN UND RÖNTGENSTRAHLEN. 15 des Kathodenlichtes würde einen noch grösseren Abstand von der dritten Schicht besitzen u. s. f. Diese hellen Schichten sind aber nicht scharf begrenzte Flächen, sondern sie zeigen nur Maxima helleren Leuchtens, weil in der Regel jede andere Molekel auch eine andere molekulare Weglänge von Stoss zu Stoss zurücklegt. Die Wahrscheinlichkeit ist nur die grösste, dass gerade die berechnete mittlere molekulare Weglänge von derselben zurückgelegt werde. Aber alle anderen Weglängen kommen gelegentlich vor. Das Anodenlicht hat zwar einige Aehnlichkeiten mit dem Ka- thodenlichte, aber auch wieder manche Verschiedenheiten. Im Anodenlichte erkennen wir unter Umständen gleichfalls Schichtungen, helle und dunkle Flächen, welche wegen ihrer Krümmungen an Niveauflächen erinnern. Dieselben entstehen, wie in der Ihnen hier vorgewiesenen Entladungsröhre, besonders dann leicht, wenn das Gas in der Röhre durch geringste Mengen, durch Spuren organischer Körper, durch Terpentinöl, Aether, Alkohol, durch Phosphor, ver- unreinigt ist. Im Anodenlichte erscheinen gelegentlich zahlreiche Schichten bei grösserer Länge der Entladungsröhre. Diese Schichten sind in der Regel ziemlich äquidistant. Es kommt dies, wie mir scheint, davon her, dass die positive Elektrizität sich der inneren (rlasoberfläche der Entladungsröhre, welche durch die Wirkung der Entladungen erhitzt wird, leichter mitteilt, als die negative, und dass darnach das elektrische Feld in der Umgebung der Anode entsprechend modifiziert wird. Denn erwärmtes Glas ist nach WAR- BURG'’S interessanten Versuchen gut leitend. Nimmt die Glasoberfläche in der Umgebung der Anode ein ähnliches hohes Potential an, wie die Anode selber, so erhalten die Molekeln, welche von der Kathode gegen die Anode fliegen und in diesen Raum eindringen, in ihm keine weiteren Beschleunigungen mehr. Sie werden in ihm gleiche mittlere molekulare Weglängen bewahren und also äquidistante Schichten bilden. Sie werden nicht mit ebenso grosser Gewalt und nicht in so grosser Zahl gegen die Anode geschleudert, wie die Molekeln des Kathodenlichts gegen die Kathode, weshalb auch die Anode nicht auf so hohe, nicht auf Glühtemperatur gebracht wird. Die Molekeln, welche das positive, das Anodenlicht entstehen lassen, sind aller Wahrschemlichkeit nach Gasmolekeln. Am An- fange jeder Entladung stürzen solche elektrisierte Gasmolekeln auch auf die Kathode. Dadurch wird die Kathodenoberfläche erhitzt, so stark, dass sie ihre eigenen Metallmolekeln in Dampfform übergehen lässt und geladen fortschleudert, wie durch die Platinzerstäubung 16 ZEHNDER: [16 klar gezeigt wird. Man sieht leicht ein, dass die Kathodenoberfläche während jeder Entladung in der That ungemein erhitzt werden muss; denn werden Entladungen eines Induktoriums durch eine Geissler- röhre mit dünner Platinkathode geschickt, so kann diese dauernd glühen, obwohl die Dauer einer einzelnen Entladung vielleicht nur den tausendsten Teil der Ruhepause von einer Entladung zur nächst- folgenden ausmacht, vielleicht noch bedeutend weniger. Viele von den weggeschleuderten Platinmolekeln oder -Molekelaggregaten der Kathode brennen sich in die Glasröhrenwandung ein, sie bilden dort den bekannten Platinspiegel. Sehr interessant ist es nun, die Schichten des positiven und insbesondere diejenigen des negativen Lichtes bei stärkerem Aus- pumpen zu verfolgen. Mit der stärkeren Luftverdünnung werden die molekularen Weglängen grössere, es werden die Abstände der Schichten weiter und weiter (wie Sie hier leicht beobachten können), sowohl diejenigen der positiven Schichten, als besonders diejenigen der negativen Schichten. Das Kathodenlicht breitet sich mehr und mehr aus, drängt das positive Licht mit seinen Schichten zurück. Zuletzt verschwindet das Anodenlicht fast ganz, das Kathodenlicht erfüllt die ganze Entladungsröhre. So sehr breitet sich das Kathoden- licht aus, dass zuerst seine äussere, dann seine innere hellleuchtende Schicht, welche beim Beginn unseres Versuchs in unmittelbarer Nachbarschaft der Kathodenoberfläche sich befand, nun bis an die Röhrenwandungen vorgerückt ist. Von dem mattbläulichen Kathoden- lichte selber bleibt zuletzt gar nichts mehr im Inneren der Röhre übrig, weil jetzt in der Regel die geladenen Metaildampfmolekeln, unseren Entwickelungen gemäss, zwischen der Kathodenoberfläche und der Röhrenwand hin- und herzucken. In dieser schliesslichen Form der elektrischen Gasentladungen, welche bei starken Luft- verdünnungen erreicht wird, sprechen wir nicht mehr von Kathoden- licht, sondern von Kathodenstrahlen, wegen verschiedener merk- würdiger Eigenschaften derselben, auf welche wir näher eingehen wollen. Genau genommen sind schon bei dem ersten Aufleuchten eines violetten Punktes an der Kathode, bei den Entladungen unter Luftdruck, Kathodenstrahlen von entsprechend geringer Länge vor- handen. Nach unseren Entwickelungen sind die wichtigeren Eigenschaften der Kathodenstrahlen einfach zu erklären: Die Kathodenstrahlen erhitzen die Kathodenoberfläche, aber auch die innere Oberfläche der Entladungsröhre, und überhaupt jede Wandung, auf welche sie 17] UÜEBER KATHODENSTRAHLEN UND RÖNTGENSTRAHLEN. 17 mit genügender Intensität treffen, weil die geladenen Metalldampf- molekeln derselben mit um so grösseren Geschwindigkeiten hin- und hergeworfen werden, je geringer der Gasdruck in der Röhre ist. Sie sehen, wie in dieser Hırrorr'schen Röhre mit Hohlkathode ein von den Kathodenstrahlen getroffenes Platinblech zum Glühen gebracht wird. Nehmen wir aber alles Gas aus der Röhre weg, mit Hülfe einer Quecksilberluftpumpe, so bleiben zuletzt keine Gasmolekeln mehr übrig, welche vermöge ihres heftigen Aufschlagens auf die Kathode eine passende Anzahl von Metallmolekeln verdampfen und damit die regelmässige elektrische Entladung einleiten könnten. Es giebt also einen günstigsten (sehr geringen) Druck, ein Optimum des Drucks, bei welchem die Kathodenstrahlen intensivste Wirkungen ausüben; denn bei den elektrischen Gasentladungen unter höheren Drucken, z. B. bei dem Optimum des Drucks für geringe Entladungs- potentialdifferenz (S. 12) sind die Wirkungen der Kathodenstrahlen noch fast unmerklich, im absoluten Vakuum sind sie gleich Null. Die Kathodenstrahlen erhitzen nicht nur die Wandungen, auf welche sie treffen, sondern sie bringen auch Substanzen zum Fluores- cieren. In dieser Röhre werden ausser den Röhrenwandungen auch noch verschiedene kristallinische Substanzen den Kathodenstrahlen ausgesetzt. Sie sehen, dass jede von diesen Substanzen in einem anderen, ihr eigentümlichen Lichte leuchtet, dass sie fluoresciert. Durch die heftig auf die Oberfläche der Substanzen schlagenden elektrisierten Metalldampfmolekeln werden nämlich die von ihnen getroffenen Molekeln in ihre Eigenschwingungen versetzt; ihre Atome schwingen, der an sie gebundene Aether schwingt. Die Molekeln strahlen infolgedessen ihr Eigenlicht aus, das Fluorescenzlicht. An der Veränderung dieses Lichtes beim Auspumpen der Röhre können wir erkennen, dass ein gewisser günstigster Druck die Kathoden- strahlen am stärksten zur Geltung kommen lässt. Die Kathodenstrahlen werfen scharfe Schatten von Körpern, welche in ihren Weg gebracht werden. Die hinter dem Körper, hier in dieser Röhre hinter dem Kreuz befindlichen Teile der Glas- oberfläche werden von keinen elektrisierten Metalldampfmolekeln ge- troffen, sie können nicht fluorescieren. Elektrische Kraftlinien, welche von der Kathode ausgehen und längs welchen die geladenen Molekeln zu: fliegen suchen, begrenzen annähernd das Schattenbild auf der Röhrenwandung. Stark erhitzte Körper senden aber das sog. Fluorescenzlicht nicht mehr aus. Je mehr also die Glasoberfläche erhitzt wird, durch andauernde Bestrahlung mit Kathodenstrahlen, um Berichte XI. Heft 1. >) - PER 18 ZEHNDER: [18 so mehr verliert sie die Eigenschaft, Fluorescenzlicht auszustrahlen. Sie scheint zu ermüden. Deshalb wird jetzt, wenn ich das Hindernis, das um ein Scharnier drehbare Kreuz, wegnehme, die vorher nicht bestrahlte Fläche heller als die von Anfang an bestrahlte leuchten. Wir erhalten das helle Kreuz auf dem dunkleren Grunde, der zuerst beobachteten Erscheinung gerade entgegengesetzt. Die Kathodenstrahlen können die Körper wenigstens in dünnen Schichten chemisch verändern; ich erinnere an die Einwirkungen derselben auf photographische Trockenplatten, auf andere leicht zer- setzliche Substanzen, wenn solche jenen Strahlen un- mittelbar ausgesetzt werden (neuere Versuche von LE- NARD, WARBURG, GOLDSTEIN). Dass die heftig auf- schlagenden Metalldampfmolekeln der Kathodenstrahlen in anderen von ihnen getroffenen Molekeln Affinitäts- änderungen hervorzurufen, also unter Umständen che- mische Wirkungen in ihnen hervorzubringen imstande sein müssen, ist wohl selbstverständlich. Als besonders merkwürdige Erscheinung ist die Pre von (GOLDSTEIN entdeckte gegenseitige Abstassung Fir 3 zweier Kathodenstrahlen betrachtet worden, welche Sie hier beobachten, wenn eine Entladungsröhre zwei Ka- thoden A, und A, besitzt (Fig. 3), von welchen, durch ein Dia- phragma dd abgesondert, schmale Kathodenstrahlenbündel ausgehen. Wird nur %, als Kathode an die Elektrizitätsquelle angeschlossen, so erhält man das Kathodenstrahlenbündel s;; mit %, erhält man entsprechend ss. Beide Kathoden gleichzeitig angeschlossen lassen aber das Strahlenpaar s,‘s,‘ erkennen. Diese Erscheinung ist erst in den letzten Monaten ganz aufgeklärt worden. Es haben insbesondere KAUFMANN und ASCHKINASS gezeigt, dass diese vermeintliche Ab- stossung auf die Aenderung des elektrischen Feldes, in welchem die Kathodenstrahlen entstehen, zurückgeführt werden muss. Die ge- ladenen Molekeln fliegen, unseren Entwickelungen gemäss, möglichst in den Richtungen der elektrischen Kraftlinien, senkrecht zu den Niveauflächen, also senkrecht zur Kathodenfläche von ihr weg, wenn nur eine Kathode (A, oder k,) der Röhre vorhanden ist (s, bezw. 3). Aendert man die Niveauflächen dadurch, dass, wie hier, zwei Kathoden nebeneinander, statt nur einer einzigen, in Funktion treten, so verlaufen die Kathodenstrahlen, die geladenen Metalldampfmolekeln anders, näm- lich nahezu parallel, aber eher divergent als konvergent (s7’ bezw. 55‘), den neuen in die Figur eingezeichneten Niveauflächen entsprechend. 19] UEBER KATHODENSTRAHLEN UND RÖNTGENSTRAHLEN. 19 Stellt man zahlreiche schräge Kathoden neben einander, bildet eine hohle Fläche aus ihnen, und zeichnet man nun die Niveau- flächen ein, so scheint das zugehörige System der Kraftlinien an- nähernd aus Erzeugenden einschaliger Hyperboloide zu bestehen und also in eine kleinere Brennfläche, in einen „Brennpunkt“ f, zusammen- zulaufen (Fig. 4). Dementsprechend wird hier die Wirkung der Kathodenstrahlen eine besonders intensive, wie wir vorhin bei dem Versuche über die Wärmewirkungen der Kathodenstrahlen schon gesehen haben. Solche Hittorfröhren finden in neuerer Zeit viel- fach Verwendung, wenn kräftige Wirkungen der Kathoden- strahlen verlangt werden. Die Lage der Anode beeinflusst den Verlauf der Ka- thodenstrahlen in stark ausgepumpten Röhren nur wenig, weil offenbar, wie ich früher schon erwähnt habe, die posi- tive Elektrizität aus der Anode besonders leicht auf die erwärmten Glaswandungen überströmt. Es geschieht dies um so leichter, je mehr die Röhrenwandungen durch inten- sive Kathodenstrahlen erhitzt werden. Diese Vorstellung scheint eine auffallende Bestätigung zu erfahren in dem Ihnen Allen bekannten merkwürdigen Herumkriechen oder Flackern des durch Kathodenstrahlen erzeugten Fluorescenz- lichtes. Denn die Kathodenstrahlen entladen dort die grössten Elektrizitätsmengen, wo am meisten positive Elektrizität aus der Anode auf die Glasoberfläche übergeströmt ist, und dort wird folglich die Fluorescenz des Glases, wegen der zahlreicher auf- schlagenden Metalldampfmolekeln, momentan eine hellere. Die nächstfolgende Entladung findet aber schon andere Verhältnisse bezüglich der Ladungen der Glasoberfläche vor. Von der vorher- gehenden Entladung sind Rückstände geblieben, welche die stärkere positive Ladung nun an einer anderen Stelle der inneren Röhren- oberfläche entstehen lassen, und jetzt fluoresciert diese Stelle heller als die frühere. So wechselt die Hauptentladungsstelle der Ka- thodenstrahlen fortwährend ihren Ort, wenn im übrigen die Ent- ladungsbedingungen für verschiedene Stellen der inneren Röhren- wand ganz gleiche sind. Die durch die Kathodenstrahlen hervor- gebrachte Erwärmung der Glasoberfläche wirkt dagegen auf mög- lichste Beibehaltung einer einmal eingehaltenen Entladungsstelle der Röhrenwand hin. So kämpfen verschiedene Einflüsse gegen einander; im einen Falle überwiegt die eine, im anderen die andere Wirkung. 9* 20 ZEHNDER: [20 Der Verlauf der elektrischen Kraftlinien kann durch den Magnet stark beeinflusst werden. Die entsprechende magnetische Ablenkung der Kathodenstrahlen durch den Magnet ist bekannt genug; Sie er- kennen die kräftige Wirkung des Magnets auf die Kathodenstrahlen dieser GOLDSTEIN’schen Röhre. Dass auch elektrostatische äussere Wirkungen die Kathodenstrahlen abzulenken vermögen, ist früher von HERTZ vergeblich gesucht, erst in allerneuester Zeit insbesondere von EBERT vermittels einer Braun’schen Entladungsröhre gefunden worden. Diese magnetischen und elektrostatischen Einwirkungen auf die Kathodenstrahlen verstehen sich zwar, nach unseren grund- legenden Entwickelungen, nunmehr von selbst. Denn durch solche Einflüsse werden die elektrischen Kraftlinien, welchen die geladenen Metalldampfmolekeln zu folgen versuchen, entsprechend geändert. Indessen müssen wir doch noch einige speziellere Bemerkungen an diese wichtigen Versuche anschliessen: Die elektrisch geladenen Metalldampfmolekeln gehen von der Kathode aus möglichst im der Richtung der elektrischen Kraftlinien ab; sie erreichen rasch sehr grosse Geschwindigkeiten, wie wir bei Beginn unseres Vortrags ausgerechnet haben, Geschwindigkeiten, welche schliesslich sogar mit der Lichtgeschwindigkeit vergleichbar werden. Deshalb können sie, weil sie doch Masse und Trägheit besitzen, um so weniger genau die Bahnen sehr stark gekrümmter elektrischer Kraftlinien einhalten, je schneller sie sich bewegen. Sie suchen sich also nur den elektrischen Kraftlinien anzuschmiegen, so weit es ihre grossen (reschwindigkeiten erlauben. Deshalb lenkt auch der Magnet die Kathodenstrahlen nur ab, er kann sie nicht zwingen, sich genau den abgelenkten elektrischen Kraftlinien an- zupassen. Sind nicht nur gleichartige gleichgrosse Metalldampfmolekeln in den Kathodenstrahlen in Bewegung, sondern auch Molekelaggregate, welche sich wegen der Plötzlichkeit des Entladungsvorgangs von der Kathodenoberfläche gleichfalls losgerissen haben, so erhalten letztere ihrer Grösse entsprechend geringere Geschwindigkeiten, als erstere, wie aus unserer anfänglichen Rechnung hervorgeht. Die Molekel- aggregate können sich demnach den abgelenkten elektrischen Kraft- linien um so besser anschmiegen. Sondert man von den Kathoden- strahlen durch Diaphragmen ein rundes zylindrisches dünnes Bündel ab, welches auf eine fluorescierende Fläche trifft, so entsteht auf dieser durch die einfachen Metalldampfmolekeln ein heller, scharf begrenzter, runder Fleck, ferner durch die grösseren Molekelaggre- 21] UÜEBER KATHODENSTRAHLEN UND RÖNTGENSTRAHLEN. 91 gate, welche den divergierenden elektrischen Kraftlinien besser sich anschmiegen, um den Fleck herum ein Hof (Fig. 5). Lenkt man nun das dünne Kathodenstrahlenbündel ab, etwa mittels eines Magnets, so werden die einfachen Molekeln wegen ihrer grösseren Geschwindigkeiten weniger abgelenkt, als die schwereren und lang- sameren Molekelaggregate. Es entsteht ein in die Länge gezogener, elliptischer, heller Fluorescenzfleck mit seitlich stärker abgelenktem Hofe, bezw. ein mit Schweif versehener Fleck (Fig. 5), wie solche Flecke in LENARD’s schönen Untersuchungen über die magnetische Ablenkung der Kathoden- strahlen vielfach zur Erscheinung gekommen sind. (WIED. Ann. 52, Taf. I, 1894.) LENARD nennt diese Erscheinung des durch Kathoden- strahlen erzeugten und magnetisch auseinander- gezogenen Fluorescenzflecks ein „magnetisches Spektrum“. Er spricht von Kathodenstrahlen verschiedener Ablenkbarkeit und glaubt, dass die Kathodenstrahlen „Vorgänge im Aether“ seien. Wir sehen hier, dass zur Deutung der Erscheinung seines Kathodenstrahlenspektrums unsere Theorie vermittels elektrisch ge- ladener Metalldampfmolekeln einen sehr einfachen Aufschluss giebt, ohne dass man mit LENARD nötig hätte, die Kathodenstrahlen als Vorgänge im Aether zu bezeichnen. Wegen des grossen Einflusses, welchen die LENARD'schen An- schauungen über die Natur der Kathodenstrahlen auf die neueren Forscher ausgeübt haben, müssen wir auf seine interessanten Ver- suche etwas näher eingehen. Offenbar von der Ansicht geleitet, dass die Kathodenstrahlen möglicherweise ultraviolettes Licht sehr kleiner Wellenlänge sein könnten, hat Lexarp versucht, die Kathoden- strahlen aus der Röhre, in welcher sie entstehen, durch ein passendes „Fenster“, etwa durch Quarz, in den Aussenraum herauszuholen. Er schreibt nämlich selber darüber folgendes (WıED. Ann. 5l, S. 226 Anm., 1894): „Eine Entladungsröhre mit durchlässigem Ver- schluss herzustellen, hatte ich schon vor längerer Zeit versucht, frei- lich ohne Erfolg; eine millimeterdicke Quarzplatte war verwandt. Zur Benutzung der Blattmetalle wurde ich von Prof. HErTz selbst aufgefordert“ u.s. f£ HerTz hatte also ohne Zweifel ähnliche Vor- stellungen über die Natur der Kathodenstrahlen sich gebildet, wie Lenarv. Dieser Forscher brachte nun in seiner Entladungsröhre eine feine Oeffnung von etwa 2 mm Durchmesser an, bedeckte die- Fig. 5. 99 ZEHNDER: [22 selbe mit dünnem Blattaluminium, welches vollständig luftdicht war, und verkittete dieses „Fensterchen* in genügender Weise. Mittels dieser Vorrichtung gelang es ihm in der That, Kathoden- strahlen im Aussenraume der Röhre zu erhalten und manche Er- scheinungen an denselben viel genauer zu studieren, als es bis dahin im Röhreninneren möglich gewesen war. Das interessanteste Ergeb- nis schien aber wohl zu sein, dass nun der Aussenraum seiner Ent- ladungsröhre, in welchen die Kathodenstrahlen „durch das Fenster- chen austraten“, vollständig luftleer gemacht werden konnte, ohne Be- einträchtigung der Kathodenstrahlen in demselben. Dies hielt LENARD für einen untrüglichen und wichtigen Beweis seiner Anschauung, dass die Kathodenstrahlen Vorgänge im Aether seien, dass wägbare Materie für dieselben absolut nicht erforderlich sei. Diese Materie schien ihm sogar nur störend zu wirken; denn in seinem völlig luftleeren Aussenraume erhielt er meterlange Kathodenstrahlen. Betrachten wir die LENARD’schen Versuche im Lichte unserer hier vorgetragenen Theorie, so erkennen wir leicht, wie in seinem luftleeren Aussenraume Metall- dampfmolekeln und also Ka- rn - thodenstrahlen zustande kommen können. Treffen nämlich die ın Be: seiner Entladungsröhre erzeug- = ten Kathodenstrahlen das über- aus dünne Aluminiumfensterchen, so erhitzen sie dasselbe augenblick- lich sehr stark. Zugleich wirkt die elektrische Verteilung durch In- fluenz (Fig. 6) auf das an die Erde angeschlossene Aluminiumblättchen des Fensterchens ein. Die abgestossene negative Elektrizität, welche bekanntlich aus erhitzten Körpern besonders leicht austritt, geht also (wegen jener Erhitzung des Aluminiumfensterchens und wegen der Plötzlichkeit des Vorganges) nicht nur durch die Metallfassung des Fensterchens zur Erde ab, sondern zum Teil auch an Metall- dampfmolekeln gebunden in den Aussenraum A der Röhre hinein. Die Rolle, welche in den gewöhnlichen Entladungsröhren Luft- molekeln spielen, nämlich durch ihre Stösse auf die Kathoden- oberfläche soviele Metalldampfmolekeln zu erzeugen, als zum Trans- port der Elektrizität nötig sind, spielen hier die Kathodenstrahlen bezw. die auf Lexarn’s Fensterchen treffenden Metalldampfmolekeln des inneren Raumes seiner Entladungsröhre. Sie bringen das Aluminiumfensterchen für äusserst kurze Zeitteilchen auf eine ge- nügend hohe Temperatur. (In der That wird Lexarp’s Fensterchen 23] UEBER KATHODENSTRAHLEN UND RÖNTGENSTRAHLEN. 23 durch den Gebrauch verändert, aufgelöst.) Sind aber in dem völlig luftfreien Aussenraume der Entladungsröhre einmal Metalldampf- molekeln da, so unterhalten sie die Entladungen in demselben so lange, als die Entladungsröhre selber in Thätigkeit bleibt. Durch Auspumpen lassen sich diese Dampfmolekeln nicht aus dem be- treffenden Raume entfernen, so lange sie geladen sind, weil sie dann stets zwischen der Elektrode und der Röhrenwand hin- und her- geworfen werden, nicht sich diffus ausbreiten, wie ich früher schon bemerkte. Sie sublimieren nur, wenn die Entladung aufgehört hat, sie sind aber sofort wieder imstande, in Dampfform überzugehen, wenn eine weitere Entladung einsetzt. Bei LEnwarD’s Versuchen mit dem Induktorium kommen übrigens noch die elektrischen Schwin- gungen des Induktoriums selber, vermöge seiner Selbstinduktion, in Betracht, welche Schwingungen das auch mit der Anode verbundene Aluminiumfensterchen kürzeste Zeit nach dem Ablaufen der ersten Entladung zu einer schwächeren Kathode, dann wieder zur Anode, zur Kathode machen u. s. f. Es können folglich diese Versuche LENARD’s nicht als untrüglicher Beweis für seine Anschauung be- trachtet werden, dass die Kathodenstrahlen Vorgänge im Aether selber seien. In seiner neuesten Arbeit über die elektrostatischen Eigenschaften der Kathodenstrahlen (Wien. Ann. 64, 1898) kommt übrigens LENARD selbst zu -einem entsprechenden Schlusse. Er schreibt S. 279 darüber folgendes: „Das Resultat der Versuche war wirklich dieses: In jeder Hinsicht verhielten sich die Strahlen wie bewegte, negative Ladung führende, träge Massen. Dass dies auch ihr Verhalten im magnetischen Felde sei, ist seit langem bekannt.“ Nun fährt er aber fort: „Stellt man nun dem gegenüber das andere Resultat, dass die Kathodenstrahlen Vorgänge im Aether seien, so erscheint der Schluss unvermeidlich, dass hier eine Anzeige vorliege für die Existenz besonderer, bisher unbemerkt gebliebener Teile des Aethers, welche selbständig beweglich sind, welche Masse (Trägheit) besitzen und welche zugleich als Träger elektrischer Ladungen auf- treten. Als solche Massen, in Bewegung befindlich, erscheinen die Kathodenstrahlen.“ Hier ist wohl die Hypothese neu, dass es bisher unbemerkt gebliebene Teile des Aethers seien, welche Träger der elektrischen Ladungen sein sollen. Wenn LENARD damit wenigstens indirekt zugiebt, dass die Kathodenstrahlen mit ihren schon früher von J. J. T#omson, von W. WIEN und vielen Anderen gefundenen elektrischen Ladungen nicht durch Vorgänge des Aethers selber zu erklären sind, so liegt anderseits doch gar kein Grund vor, ein ganz 94 ZEHNDER: [24 neues noch unbekanntes Medium als neuen Bestandteil des Aethers in die Vorstellungen einzuführen. Die hypothetische Annahme dieser neuen zwischen dem unwägbaren Aether und den wägbaren Materien stehenden Substanz, zum Zwecke der Erklärung der Kathodenstrahlen allein, bleibt immer etwas missliches. Wir sehen, dass die Dampfmolekeln der Elektroden vollständig für die Deutung der Kathodenstrahlen ausreichen, dass diese Deutung zwanglos an die Ihnen hier entwickelte Theorie der Gasentladungen sich an- schliesst. Mit der Untersuchung der Kathodenstrahlen haben sich ın neuerer Zeit wieder viele Forscher befasst. Es sind auch, durch absichtlich hervorgebrachte Komplikationen in den Versuchsanord- nungen, verschiedene Formen von Gasentladungen erzeugt worden, welche zu neuen Namen geführt haben. So hat GOLDSTEIN eine Versuchsanordnung bekannt gemacht mit einer‘ neuen Art von Strahlen, welche er Kanalstrahlen nannte, weil dieselben aus eigens zu diesem Zwecke in der Kathode erzeugten Kanälen hervortreten. Es bleibt abzuwarten, ob diese und andere neu gefundene Strahlen- arten neue Eigenschaften mit sich bringen, ob sie wirklich etwas anderes sind, als gewöhnliche Gasentladungen. Jedenfalls aber können wir hier nicht auf alle diese Versuche näher eintreten. Nur eine Art von Strahlen hat sich in der That schon als neu bewährt. Diese Strahlen wurden von RÖNTGEN entdeckt und X-Strahlen ge- nannt, nach ihm aber von Vielen als Röntgenstrahlen bezeichnet. Auf diese wollen wir noch kurz eingehen. Mit einer Hırrorr’schen Vakuumröhre arbeitend, welche er mit schwarzem Karton völlig lichtdicht eingeschlossen hatte, fand RÖNT- GEN Fluorescenzwirkungen ausserhalb des Kartonkästchens an einem Baryumplatincyanürschirm. Nach allen bisherigen Erfahrungen konnten Kathodenstrahlen nicht ausserhalb der Röhre entstehen, ausser bei der oben besprochenen Versuchsanordnung LENARD’S. Es trat aber jene Fluorescenz auf, obgleich die benutzte Röhre kein Lenarp’sches Fenster besass. In der That machte RÖNTGEN seine wichtige Entdeckung nicht mit einer Lexarp’schen, sondern mit einer Hırrorr’schen Röhre mit Hohlkathode, von welcher kon- vergente Kathodenstrahlen ausgehen, die in bekannter Weise ein Platinblech zum Glühen bringen. (Diese Röhrenart ist seither speziell für Röntgenstrahlen von vielen Experimentatoren neu er- funden und „Focusröhre“ genannt worden.) Es schien sich also bei seinen Versuchen wirklich um eine neue, noch unbekannte 25] ÜEBER KATHODENSTRAHLEN UND RÖNTGENSTRAHLEN. 95 Strahlenart zu handeln. In sorgfältiger Experimentaluntersuchung verglich nun RÖNTGEN die Eigenschaften seiner neuen X-Strahlen mit denjenigen der Kathodenstrahlen, und er stellte die Aehnlich- keiten, sowie die Verschiedenheiten beider Strahlenarten in muster- gültiger Weise fest. Das Interesse, welches die Röntgenstrahlen in der ganzen Welt gefunden haben, war ein so grosses, dass sich Jedermann rasch so gut als möglich über die wichtigeren Eigenschaften dieser neuen Strahlenart erkundigt hat, und ich kann Ihnen also über dieselben kaum noch viel Neues erzählen. Ich will deshalb nur die gegen- wärtig unbedingt sicher gestellten hauptsächlichsten Eigenschaften derselben nochmals hervorheben. Die Röntgenstrahlen entstehen da, wo Kathodenstrahlen auf einen Körper treffen; sie breiten sich geradlinig nach allen Rich- tungen aus; sie sind an sich fast unsichtbar. RÖNTGEN fand nur einmal eine Wirkung der X-Strahlen auf sein Auge, mit einer sehr wirksamen Hittorfröhre, welche bald darauf unbrauchbar wurde. Er glaubte seiner Beobachtung nicht ganz sicher zu sein und er- wähnte sie deshalb in seiner ersten Mitteilung nicht. BRANDES und Dorn stellten aber eine solche Wirksamkeit auf das Auge endgültig fest, und RÖNTGEN bestätigte später ihr Resultat. Die Röntgen- strahlen wirken auf fluorescierende Körper Fluorescenz erregend. ein. Sie sehen den Baryumplatincyanürschirm hell aufleuchten, wenn ich diese Röntgenröhre in Betrieb setze. Die Röntgenstrahlen leiten die Zersetzung von Silbersalzen in den photographischen Trocken- platten ein, geben also zur Entstehung photographischer Bilder Ver- anlassung. Für Röntgenstrahlen sind alle Körper mehr oder weniger durchlässig, sogar die Metalle. RÖNTGEN konnte späterhin durch 4 cm dicke Eisenplatten hindurch noch Wirkungen der X-Strahlen nachweisen. Er photographierte eine Jagdflinte mit X-Strahlen. Im photographischen Bilde, von welchem er mir gütigst eine Kopie überlassen hat, erkennen Sie in den Patronen noch die Zünder, die Bleikugeln mit ihren Gussansätzen, sogar die Papp- deckelscheiben, welche die Kugeln vom Pulver trennen, nachdem alles durch die dicken Stahlläufe hindurch von ihm photographiert worden ist. RÖNTGEN fand eine geringe diffuse Reflexion seiner X-Strahlen, aber gar keine Brechung, keine Polarisation, keine Interferenz, keine magnetische Ablenkbarkeit. Diese Beobachtungen Rönrgen’s sind anfangs zum Teil angefochten worden. Insbesondere wollten verschiedene Forscher eine Brechung bezw. Beugung, also 96 “ ZEHNDER: [26 Interferenzen der X-Strahlen gefunden haben, aus welchen sie die zugehörigen Wellenlängen bestimmten. Indessen scheinen doch bis dahin die Befunde RöntGEn’s in vollem Umfange sich bestätigt zu haben. In einer zweiten und dritten Mitteilung stellte RÖNTGEN noch folgendes fest: Die X-Strahlen entladen elektrisierte Körper, positiv wie negativ geladene. Es halten zum Beispiel die beiden Aluminium- blättchen dieses Elektroskopes ihre Ladung sehr gut; sobald wir aber X-Strahlen auf das Elektroskop fallen lassen, durch die Glas- platten desselben hindurch, so fallen die Blättchen rasch zusammen, das Elektroskop wird entladen. Wenn Luft mit X-Strahlen be- Fiern: strahlt wird, so sendet sie selber wieder X-Strahlen aus und sie ist kurze Zeit nach der Bestrahlung noch imstande, elektrisierte Körper zu entladen. Eine Fläche, welche von Kathodenstrahlen getroffen wird, sendet X-Strahlen diffus aus, in fast gleicher Intensität unter allen Winkeln mit der Normalen der Fläche; nur tangential zur Fläche wird diese Ausstrahlung nahezu unmerklich. X-Strahlen, welche durch eine erste Substanzschicht hindurchgegangen sind, gehen leichter durch eine zweitfolgende gleiche Schicht der gleichen Substanz hindurch, als durch jene erste. Es gilt für die X-Strahlen nicht das gewöhnliche Absorptionsgesetz. Die Durchlässigkeit ver- schiedener Körper für die X-Strahlen ist in hohem Grade abhängig von der Güte des Vakuums in der Entladungsröhre. Meine Röntgen- röhre (hergestellt von der Glühlampenfabrik HArp in Zürich) ent- hält im Inneren ein Stück ausgeglühter Lindenkohle C, zur Regu- lierung des Vakuums (Fig. 7). Wenn ich nun diese Kohle erwärme, so lässt sie absorbiertes Gas frei. Der Druck in der Röhre wird nach langem Erwärmen so gross, dass ihre X-Strahlen die Sub- stanzen nur noch schwach durchstrahlen. Die Röhre ist „weich“, wie RÖNTGEN sagt. Lasse ich die Kohle sich abkühlen, so absor- 27] UEBER KATHODENSTRAHLEN UND RÖNTGENSTRAHLEN. 27 a biert sie wieder Gas. Der Gasdruck wird in der Röhre geringer, die Röhre wird „hart“, und nun durchstrahlen ihre X-Strahlen die Substanzen sehr leicht. Mit einer harten Röhre stellte RÖNTGEN seine Photographie der Jagdtlinte her. Ohne hier auf alle übrigen Einzelresultate von RÖNTGEN und von anderen Experimentatoren einzugehen, will ich schliesslich nur noch erwähnen: 1. eine Mitteilung von DORN, nach welcher dieser Forscher zuerst eine erwärmende Wirkung der Röntgenstrahlen nachgewiesen hat; 2. Mitteilungen verschiedener Beobachter, nach welchen die Körperhaut sehr empfindlicher Personen durch inten- sive X-Strahlen teilweise angegriffen worden ist, wenn dieselbe der Entladungsröhre zu nahe kam; 3. die bekannte grosse Bedeutung, welche die Röntgenstrahlen für die medizinische Diagnostik ge- wonnen haben, dadurch, dass sie verschiedene Körperteile ungleich durchstrahlen und also in Abbildungen auch im Inneren des Körpers befindliche Teile, wie Knochen, Herz, Fremdkörper er- kennen lassen. Ueber das Wesen seiner X-Strahlen hat sich RÖNTGENn in seiner ersten Mitteilung dahin geäussert, dass wir es vielleicht bei denselben mit longitudinalem Licht zu thun haben könnten. Diese Hypothese scheint keinen grossen Anklang gefunden zu haben, viel- mehr wurden andere Ansichten geäussert. LENARD glaubte, die Röntgenstrahlen seien Kathodenstrahlen, welche durch den Magnet nicht abgelenkt werden. Andere Forscher bezeichneten die Röntgen- strahlen schlechtweg als ultraviolettes Licht von überaus kleiner Wellenlänge. In einem hier in Freiburg vor etwa 2 Jahren gehal- tenen Vortrage (Beilage zur „Allgemeinen Zeitung“ vom 24. Juli, München 1896) und in meinem Buche („Mechanik des Weltalls“, Freiburg i. B. 1897) habe ich eine Hypothese über die Natur der X-Strahlen aufgestellt, welche mit keiner von diesen genannten An- schauungen ganz harmoniert, welche aber der von RÖNTGEN zuerst ausgesprochenen Vermutung in gewisser Beziehung entgegenkommt. Aus unseren Entwicklungen des Wesens der Kathodenstrahlen geht klar hervor, dass wir die Röntgenstrahlen in unserer Theorie un- möglich mit LENARD als Kathodenstrahlen auffassen können; denn Dampfmolekeln dringen nicht ohne weiteres durch feste Wände hin- durch. Dass die X-Strahlen einfach ultraviolettes Licht seien, also eine transversale Wellenbewegung des Aethers, ist ebenso unwahr- scheinlich. Dagegen spricht der Mangel an Brechbarkeit, Polari- sation, Interferenz. Diese Vorgänge fehlen nur einer transversalen 98 ZEHNDER: [28 Lichtwellenbewegung von der Wellenlänge Null, welche aber selbst- redend gar kein Licht mehr ist. Alle an Röntgenstrahlen beob- achteten Eigenschaften lassen sich indessen, wie mir scheint, im An- schlusse an die soeben entwickelte Theorie der Gasentladungen aus meiner Hypothese, die ich Ihnen noch kurz darlegen möchte, zwang- los ableiten und anschaulich machen. Die Kathodenstrahlen, welche die Röntgenstrahlen entstehen lassen, sind von überaus kurzer Dauer. Werden nun Körper von intensiven Kathodenstrahlen getroffen, so erhitzen sich Teile der- selben: ihre Oberflächen werden plötzlich glühend, kühlen sich aber fast ebenso rasch wieder ab. Weil nun die Molekeln in erhitzten Körpern — nach den von Ürausıus eingeführten Vorstellungen über die Wärmebewegung — in heftigeren Bewegungen sich befinden, relativ zu einander, als in kalten Körpern, so ist die Annahme naheliegend, dass die Aethermenge, welche an die Molekeln eines Körpers gebunden ist, sich mit der Temperatur desselben ändere. (Für diese Aenderung spricht die Aenderung des Brechungsexponenten einer Substanz mit der Temperatur.) Nehmen wir — nur des Bei- spieles halber, es könnte auch umgekehrt sein — den einen Fall an, die Molekeln eines Körpers, welche von Kathodenstrahlen ge- troffen werden, verlieren einen Teil ihres Aethers, sie reissen aber wieder Aether an sich, sobald die Gasentladung aufhört. Ist dies der Fall, so strömt beim Entstehen jedes Kathodenstrahls Aether aus der von ihm getroffenen Körperoberfläche aus, beim Ver- schwinden des Kathodenstrahls strömt Aether wieder ein. Ein solches plötzliches Aus- und Einströmen von Aether aus den von Kathodenstrahlen getroffenen Körperoberflächen halte ich für die Ursache der Röntgenstrahlen. Alle im Aether hervorgebrachten Störungen pflanzen sich geradlinig nach allen Richtungen mit un- geheurer Geschwindigkeit fort, nämlich mit Lichtgeschwindig- keit. Bei jedem Zustandekommen eines Kathodenstrahls entsteht also zuerst ein Stoss austretenden, dann ein Stoss eintretenden Aethers. Beide Stösse breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit von der betreffenden Stelle aus, nach allen Richtungen, sie setzen sich zu einer einzigen Stosswelle zusammen. Diese durchdringt alle Körper, weil der Aether, wie wir wissen, selber alle Körper mit Leichtig- keit durchsetzt. Die explosionsartigen Hin- und Herzuckungen des Aethers gleichen allerdings in gewissem Sinne dem longitudinalen Lichte: sie sind Hin- und Herschwingungen des Aethers in der Fortpflanzungsrichtung. Ihre Periode ist aber gleich derjenigen der 29] UEBER KATHODENSTRAHLEN UND RÖNTGENSTRAHLEN. 29 sie erzeugenden Kathodenstrahlen, also gleich der Periode des schwingenden Stromunterbrechers, bezw. gleich derjenigen der Eigen- schwingungen des Induktoriums oder gleich der Periode der Kathoden- strahlen als solcher, wenn diese etwa als Partialentladungen zustande kommen sollten, was ich indessen vorläufig nicht für wahrscheinlich halte. Jedenfalls verläuft von einer Aetherstosswelle bis zur nächst- folgenden eine verhältnismässig lange Ruhepause, und deshalb habe ich eben bei meinem Erklärungsversuch von Aetherstössen ge- sprochen. ‚Jede Molekel eines fremden Körpers, welche von einer solchen Aetherstosswelle getroffen wird, verhält sich ähnlich wie die von Kathodenstrahlen getroffenen Molekeln, wenn auch darin entgegen- gesetzt, dass sie zuerst etwas Aether aufnimmt, nachher diesen wieder abgiebt. Also sendet sie selber auch X-Strahlen aus. Dabei entstehen Eigenschwingungen in ihr, vermöge des heftigen Stosses durch jene Aetherstosswelle; sie sendet ihr Eigenlicht aus, sie fluoresciert. Diese Eigenschaft macht die Wirkungen der Röntgen- strahlen komplizierter: Weil jede Molekel, welche von X-Strahlen getroffen wird, ihr Eigenlicht aussendet, sei dasselbe uns sichtbar oder nicht, so verlaufen nun mit der ursprünglichen Aetherstoss- welle so viele Fluorescenzlichtwellen, als verschiedenartige Molekeln von der ÄAetherstosswelle getroffen worden sind. In den X-Strahlen, welche auf dem Fluorescenzschirm oder in den Trockenplatten ihre Wirkungen hervorbringen, können demnach enthalten sein: 1. die an der Stelle, an welcher die Kathodenstrahlen auf eine Wandung — etwa von Platin — treffen, entstandenen Aetherstosswellen, durch Absorption entsprechend geschwächt; 2. die Fluorescenzlichtwellen- bewegung jenes Platins; 3. die Fluorescenzlichtwellenbewegungen aller Substanzen des durchstrahlten Glases der Entladungsröhre; 4. die Fluorescenzlichtwellenbewegungen der durchstrahlten Luftmolekeln; 5. die Fluorescenzlichtwellenbewegungen aller Molekelarten der durch- strahlten zu untersuchenden Substanz, vorausgesetzt, dass nicht einige von diesen Fluorescenzlichtwellenbewegungen auf ihren Wegen durch Absorption völlig zum Verschwinden gebracht werden; endlich 6. die Aetherstosswellen bezw, die X-Strahlen, welche von allen durch die X-Strahlen erregten Molekeln selber wieder ausgesandt werden. In unseren Versuchen bezeichnen wir in der Regel die Summe aller dieser Strahlenarten als Röntgenstrahlen. Es ist klar, dass man diese so verschiedenartigen Vorgänge von einander trennen muss, so weit dies möglich ist. 30 ZEHNDER: [30 Unter diesen Umständen ist verständlich, dass mit X-Strahlen bestrahlte Luft selber X-Strahlen aussendet, dass sie einen sichtbar fluorescierenden Körper, einen Baryumplatincyanürschirm, zum Leuch- ten bringt, wie Röntgen gefunden hat. Sein anderer Befund, dass X-Strahlen, welche eine Substanzschicht bereits durchdrungen haben, eine zweite gleiche Schichte derselben Substanz mit geringerer Absorption durchdringen, lässt sich aus unserer Theorie gleichfalls verstehen: Die Intensität der Aetherstosswellen wird allerdings durch Absorption geschwächt, nach Massgabe der Absorptionsgesetze; ein Teil der infolgedessen absorbierten Energie wird aber zu Eigen- schwingungen in den Molekeln des betreffenden Körpers verwendet, und das entstehende Fluorescenzlicht, welches uns direkt ganz un- sichtbar bleiben kann, durchdringt die Substanz, welcher es eigen- tümlich ist, fast ungeschwächt, wie Ihnen aus den Versuchen mit Fluorescenzlicht genügend bekannt ist. Dieses Fluorescenzlicht ist nach dem Austritt aus der Substanz weiterer Wirkungen auf Fluorescenzschirm, Trockenplatten u. s. w. fähig. In ähnlicher Weise erklärt sich die schwache von RÖNTGEN bei vielen Körpern ge- fundene Reflexion der X-Strahlen. Die betreffenden Substanzen senden infolge der sie erreichenden Aetherstosswellen neue solche Wellen, aber ausserdem noch ihr Eigenlicht aus, auch wenn sie nur unsichtbar fluorescieren. Sie erregen somit unter Umständen Fluores- cenz einer in ihrer Nähe befindlichen sichtbar fluorescierenden Sub- stanz oder sie haben eine analoge Wirkung. Die Elektrizität ent- ladende Wirkung der Röntgenstrahlen ist gleichfalls zum Teil durch solches Eigenlicht der bestrahlten Substanz zu erklären, analog wie Bestrahlung negativ elektrisierter Körper mit ultraviolettem Lichte die Entladung dieser Körper begünstigt. [Denn die Molekeln an der Oberfläche eines elektrisierten Körpers werden durch die Aetherstosswellen, welche wir als Ursache der Röntgenstrahlen be- zeichnet haben, erschüttert, in Eigenschwingungen versetzt, und analog werden die von ultraviolettem Licht getroffenen Molekeln zu Schwin- gungen angeregt, teils zu den durch dieses erzwungenen Schwingungen, teils zu ihren Eigenschwingungen. In beiden Fällen müssen durch die heftigere Schwingungsbewegung in der Körperoberfläche die Gasmolekeln, welche auf den elektrisierten Körper stossen, mit grösseren Geschwindigkeiten an den bestrahlten Oberflächenstellen weggetrieben werden, als an den nicht bestrahlten. Es entstehen Konvektionsströme, welche, wie wir bei unseren früheren Betrach- tungen gesehen haben, den elektrisierten Körper rasch entladen, 31] UEBER KATHODENSTRAHLEN UND RÖNTGENSTRAHLEN. 31 während derselbe seine Ladung nur langsam verliert, wenn solche Konvektionsströme nicht auftreten. Die Molekeln bestrahlter Luft bewahren überdies ihre Eigenschwingungen eine Zeit lang, wie alle fluorescierenden Körper. Wird also mit Röntgenstrahlen (und wohl auch mit ultraviolettem Lichte?) bestrahlte Luft gegen einen. elek- trisierten Körper hingeleitet, so werden wiederum an denjenigen Oberflächenstellen des Körpers, welche von dieser Luft getroften werden, die Luftmolekeln vermöge ihres Bewegungszustandes mit grösseren Geschwindigkeiten zurückgestossen, als an anderen Ober- flächenstellen. Neue Konvektionsströme entstehen in der Luft, und damit kommt eine stärkere Elektrizitätsentladung zustande, als ohne Bestrahlung der Luft. Dass endlich durch die plötzlichen Aether- stosswellen Affinitätsänderungen bewirkt werden, welche in leicht zer- setzlichen Substanzen, in photographischen Trockenplatten und in ge- wissen organischen Substanzen (Retina des Auges etc.) Zersetzungen bezw. Umsetzungen einleiten können, bedarf nach den bisherigen Ent- wicklungen nicht noch einer weitergehenden Erörterung '!.] Sind die Röntgenstrahlen nur solche Aetherstosswellen, so ist bei ihnen keine Brechung zu erwarten, weil auf eine einzige Aether- stosswelle das Huygens’sche Prinzip nicht genau in derselben Weise anwendbar ist, wie auf eine periodische Wellenbewegung. Inter- ferenzen können wir bei unseren gegenwärtigen Versuchsanordnungen gleichfalls nicht finden, weil es sich um keine für uns messbaren Wellenlängen handelt. [Würden wir aber absichtlich eine Periodi- zität in die Kathodenstrahlen hineinbringen, etwa durch Erzeugung derselben vermittels HErTz’scher elektrischer Schwingungen, so würden sich zweifelsohne auch in den Röntgenstrahlen die ent- sprechenden Interferenzen nachweisen lassen!.| Polarisation ist bei einer solchen Schwingungsart überhaupt nicht vorhanden. Eine magnetische Ablenkbarkeit endlich ist deshalb undenkbar, weil die X-Strahlen nicht wie die Kathodenstrahlen durch hin- und her- zuckende elektrisierte Molekeln, sondern nur durch derartig bewegte Aetherteilchen gebildet werden. Es scheint demnach, dass die bis dahin gefundenen Eigenschaften der Röntgenstrahlen sich recht gut aus unserer Hypothese über die Natur dieser Strahlen verstehen lassen, dass auch der Anschluss an die Theorie der elektrischen Gasentladungen ein zwangloser ist. So lange dieses der Fall ist, kann wohl unserer Hypothese die Berechtigung nicht abgesprochen ‘ Das in eckige Klammern Eingeschlossene ist, zum Teil wegen vor- gerückter Zeit, im Vortrage weggelassen worden. 32 ZEHNDER: ÜEBER KATHODENSTRAHLEN UND RÖNTGENSTRAHLEN. [32 werden. (Zum Schlusse wird die Röntgenröhre mit dem regulier- baren Vakuum nochmals in Betrieb gesetzt, es wird die Durch- leuchtung des menschlichen Körpers gezeigt und eine photographische Aufnahme mit Röntgenstrahlen gemacht.) Zusätze: 1. Es liegt kein Widerspruch darin, dass eine Molekelart op- tische Wellenbewegungen, welche sie selber aussenden kann, stark absorbiert, dass sie aber ihr Eigenlicht, das Fluorescenzlicht leicht wieder ausstrahlt, also wenig absorbiert. Man sieht diese Erscheinung besonders schön an fluorescenzfähigen Kristallen, welche unter dem Einflusse der Kathodenstrahlen an ihrer ganzen Oberfläche ihr Fluorescenzlicht aussenden, auch an denjenigen Oberflächenteilen, welche von keinen Kathodenstrahlen getroffen werden. Das Fluores- cenzlicht enthält nämlich, weil es das Eigenlicht der Substanz ist, alle möglichen Eigenschwingungen in bestimmter der Substanz eigen- tümlicher Zusammensetzung, und es wird, abgesehen von unvermeid- lichen Verlusten, alles absorbierte Eigenlicht von der betreffenden Molekelart als solches wieder ausgestrahlt, so lange, bis das ent- sprechende Gleichgewicht mit der Umgebung hergestellt ist. Wird dagegen die Molekel nur mit einer einzigen oder mit einigen wenigen, nicht mit allen Lichtarten bestrahlt, welche sie selber ausstrahlen kann, so absorbiert sie diese Lichtarten nicht nur, um sie sogleich wieder auszustrahlen, sondern in ihrem Inneren werden infolge des gegenseitigen Einflusses ihrer Teile, ihrer Atome, ihrer Aetherhüllen auf einander, die entsprechenden Eigenschwingungen zum Teil ın ganz andere Arten ihrer Eigenschwingungen umgewandelt. Was sie nunmehr ausstrahlt, ist ihr Gesamt-Eigenlicht, ihr Fluorescenzlicht, in welchem die wenigen aufgenommenen und absorbierten Lichtarten verhältnismässig schwach vertreten sind, so dass eine entsprechend starke Absorption, ein wirklicher Verlust der aufgenommenen Lichtwellenbewegungen sich zu erkennen giebt. 2. Mehratomige Gasmolekeln werden bei starken Verdünnungen in der Entladungsröhre, bei stärkeren elektrischen Kräften dissoziiert (S. 6) und gehen sodann, beispielsweise an den Röhrenwandungen, neue Verbindungen ein. Sie kehren in diesem Falle unter Um- ständen gar nicht mehr zur Kathode zurück. Dadurch gewinnen einatomige Metalldampfmolekeln, besonders diejenigen edler Metalle, welche geringe Affinität zu anderen vorhandenen Substanzen haben, einen Vorteil über die Gasmolekeln: Sie übernehmen den Elektrizi- tätsaustausch an der Kathode mehr oder weniger vollständig. Vorlesungsversuche über Hertz’sche elektrische Strahlen und Marconi’sche Funkentelegraphie. Von F. Himstedt. Mit 4 Figuren im Text. Im verflossenen Winter habe ich mehrfach Gelegenheit gehabt, die Herrz’schen Versuche sowie die über MaArcoxtsche Funken- telegraphie vorzuführen. Ich erlaube mir, im Folgenden in Kürze die Einrichtung und Anordnung der Apparate zu beschreiben, mit denen sich die genannten Versuche sehr sicher und, wie ich glaube, auch recht übersichtlich und anschaulich vorführen lassen. Ich bin bei der Zusammenstellung bemüht gewesen, die Dimensionen aller Theile so zu wählen, dass das ganze Instrumentarium bequem auf dem Experimentirtische gehandhabt werden kann und dass dabei doch, auch in einem grösseren Auditorium, die einzelnen Apparate deutlich gesehen und erkannt werden können. Zur Erzeugung der elektrischen Wellen benutze ich einen Righi-Sender, bei welchem die wirksamen Fünkchen in Vaselinöl überspringen zwischen zwei Messingeylindern mit halbkugelförmigen Enden von ca. 2,5 cm Länge und 1,5 cm Durchmesser. Der Sender ist in der horizontal gestellten Brennlinie eines parabolischen Spiegels von 46 cm Länge, 29 cm Höhe und 18 cm Tiefe befestigt. Der Spiegel mit Sender kann eingesetzt werden in einen Kasten aus Zinkblech, der durch einen weit übergreifenden, gut passenden Deckel geschlossen wird. Der Kasten trägt an der Vorderwand ein 30 cm langes Blechrohr von 8,5 cm Durchmesser, in welchem sich zwei Blenden mit 3,5 cm grosser Oefinung befinden. An der Rückwand des Kastens sind zwei engere Blechrohre angelöthet, Berichte XI. Heft 1. 3 ) Hınstept: [34 durch welche, wohl isolirt, die mit Metallschläuchen überzogenen Drähte zum Induktorium führen. Dieses, sowie die Akkumulatoren und den schnell rotirenden Quecksilberunterbrecher hatte ich an- fänglich, nach dem Vorgange von Bose, auch ganz in einen Metall- kasten eingeschlossen. Es zeigte sich später, dass dies nicht nöthig war. Es genügt bei meiner Versuchsanordnung, das Induktorium 2-3 m hinter dem Sender aufzustellen, um jeden bemerkbaren Ein- fluss auf den Empfänger auszuschliessen. Der letztere besteht aus einem Kohärer, welcher mit zwei kleinen Akkumulatoren und einem empfindlichen und leicht regulirbaren Relais zu einem Stromkreise verbunden ist. Wird der Kohärer von elektrischen Strahlen ge- troffen und dadurch besser leitend, so wird der Hebel des Relais in Bewegung gesetzt und hierdurch ein zweiter Stromkreis unter- brochen, in welchem 3—4 Akkumulatoren auf einen elektromagneti- schen Klopfer und einen regulirbaren Widerstand geschlossen sind. Der Klopfer schnellt zurück, schlägt gegen die Unterlage des Ko- härers und macht diesen wieder nicht- resp. schlechtleitend!. Das Ganze ist auf einem Brette von 60 X 30 cm montirt und wird bei den Versuchen in einen gut schliessenden Blechkasten eingesetzt, welcher an der Stirnseite, da wo der Kohärer im Innern sich be- findet, ein gleiches Rohr trägt wie der Kasten des Gebers (30 cm lang, 8,5 cm Durchmesser, Blenden 3,5 cm). Durch diese Verwendung eines empfindlichen Relais ist die Benutzung eines Galvanometers vermieden; man erkennt die Wirkung der elektrischen Strahlen an dem Rasseln des Klopfers, was für Demonstrationsversuche entschieden sehr bequem ist. Die erstmalige Einregulirung des Relais, bei der die Federspannung, die Zahl der Elemente resp. die Grösse des Ballastwiderstandes abgeglichen werden müssen, erfordert einige Sorgfalt. Ist dieselbe aber geglückt, so funktionirt der Apparat tadellos, solange der Kohärer gut ist. Durch sehr langen Gebrauch mit Strömen, wie sie zur Betreibung eines Relais erforderlich sind, werden nach meinen Erfahrungen alle Kohärer allmählich schlechter. Ersetzt man einen unbrauchbar gewordenen durch einen neuen, so muss für diesen zunächst wieder ' Geber und Empfänger sind von F. ErnEcKE in Berlin bezogen und ist das Stromschema genauer beschrieben in E. ERNECcKE, Telegraphie ohne Draht, Berlin 1897. Die dort erwähnten Trockenelemente haben sich auf die Dauer nicht bewährt, und sind deshalb durch Akkumulatoren ersetzt, und um bequem die Stromstärke reguliren zu können, ist der oben erwähnte Widerstand zu- gefügt. 35] VOoRLESUNGSVERSUCHE ÜBER HERTZ’SCHE ELEKTRISCHE STRAHLEN ETC. B einregulirt werden, eine Arbeit, die bei täglich mehrstündigem Ge- brauch vielleicht alle 4—6 Wochen wiederholt werden muss. Man zeigt zuerst die geradlinige Fortpflanzung der „elektrischen Strahlen“. Die Ansatzrohre an den Kasten lassen die Richtung der Strahlen auch aus der Ferne leicht erkennen. Die beiden Kasten werden so einander gegenüber gestellt, dass die Oeffnungen der An- satzrohre 50—100 cm von einander entfernt sind, die Axen eine gerade Linie bilden. In den Primärkreis des Induktoriums ist ausser dem rotirenden Quecksilberunterbrecher noch ein Telegraphen- schlüssel eingeschaltet. Wird derselbe jetzt niedergedrückt, so er- tönt sofort das Rasselwerk und bleibt in Thätigkeit, bis der Schlüssel wieder losgelassen wird. Bei jedem Versuch wird der Schlüssel nur 1—2 Sekunden niedergedrückt. Die Durchlässigkeit der Isolatoren und die Undurchlässigkeit der Metalle und Elektrolyte wird gezeigt, indem die zu untersuchenden Substanzen direkt vor das Rohr des Empfängerkastens gehalten werden, es genügen dann schon ver- hältnissmässig kleine Stücke. Wird einer der Kasten so gedreht, dass die Rohraxen einen Winkel von ca. 30° bilden, so bleibt der Klopfer vollkommen still. Für die Reflexion werden Metallbleche von 25 x 25 cm benutzt, welche mit kleinen Holzfüssen versehen sind, um bequem eingestellt werden zu können. Sehr geeignet für die Demonstration ist 5 a N) die skizzirte Anord- \ | nung, da schon eine | | ı gernge Drehung der Spiegel S, und S, das R- ee 3 er: A, Ansprechen des Em- pfängers verhindert. Für die Brechung der Strahlen benutze ich ein Asphaltprisma von 30° brechendem Winkel. Die Kasten werden zunächst so ge- stellt, dass die Rohraxen eine gerade Linie bilden; der Kohärer spricht an, dann das Prisma dazwischen, das Rasselwerk bleibt in Ruhe. Der Empfängerkasten wird nun so lange verschoben und gedreht, bis der Kohärer wieder anspricht. Man kann hierbei sogar dem ganzen Auditorium sichtbar machen, dass die durch das Prisma bewirkte Ablenkung abhängt vom Einfallswinkel. Die Totalreflexion lässt sich bei Lichtstrahlen bekanntlich sehr gut durch die folgende Anordnung zeigen: Ein Bündel Lichtstrahlen 3*+ 4 Hiınstepr: [36 geht durch einen mit Flüssigkeit gefüllten Glastrog hindurch und erzeugt auf dem Projektionsschirme den Lichtfleck F,. Derselbe bleibt ungeändert, wenn man einen zweiten kleineren Glastrog T,, der leer, d.h. mit Luft ge- füllt ist, so eintaucht, dass die Lichtstrahlen ihn senkrecht durch- setzen. Wird nun der leere Trog gedreht, so nimmt die Licht- intensität in 7, ab und bei einer Fig. 2. bestimmten Stellung des Troges, etwa 75, verschwindet der Lichtfleck 7, vollständig und alle Licht- strahlen werden nach 75, total reflektirt. Ich habe versucht, genau die gleiche Anordnung bei elektrischen Strahlen zu benutzen. Der grosse Glastrog war mit (CS, gefüllt, der eingetauchte Trog 7 ein sogenannter Leyboldtrog mit 1 cm dicker Luftschicht. Befand sich der Empfängerkasten in 7, und hatte der Trog die Stellung 77, so sprach der Kohärer sofort an, sobald der Telegraphenschlüssel nieder- gedrückt wurde. Wurde darauf der Trog gedreht, so erfolgte das Ansprechen schwerer, d.h. man musste 5—10 Sekunden lang die Strahlen einwirken lassen, ehe das Rasselwerk zum Tönen kam, aber es gelang mir niemals, eine solche Stellung 7, zu finden, bei welcher der Klopfer auch bei andauerndem Stromschluss in Ruhe geblieben wäre, mit anderen Worten, die durchgehenden Strahlen wurden wohl bedeutend geschwächt, aber nie ganz beseitigt, wie es bei Tootalreflexion hätte sein müssen. An diesem Resultate wurde nichts geändert, als CS; durch andere Flüssigkeiten ersetzt wurde. Die Er- klärung ist, wie aus einer kürzlich erschienenen Arbeit des Herrn Bose! hervorgeht, wohl darin zu suchen, dass die Dicke der in dem Troge ein- geschlossenen Luftschicht zu gering war. Da ich diese Arbeit damals nicht kannte und den mangelnden Er- folg aus anderen Ursachen herleiten zu müssen glaubte, so ersetzte ich die Flüssigkeit durch feste Körper und zwar benutzte ich zwei Halbeylinder aus Asphalt. Fig. 3. ' Naturw. Rundschau, Mai 1898. 37] VORLESUNGSVERSUCHE ÜBER HEKTZ’SCHE ELEKTRISCHE STRAHLEN ETC. 5 Fallen die elektrischen Strahlen auf wie @d, so erfolgt promptes Ansprechen des Empfängers in E. Fallen aber die Strahlen ein wie a,b,, so bleibt der Empfänger in £, absolut still, spricht dagegen in E, sofort an. Mit dieser Einrichtung habe ich nachträglich die Erfahrung des Herrn Boss volikommen bestätigt gefunden. Beträgt die Dicke der Luftschicht mehr als 3 cm, so ist vollständige Auslöschung durch Totalreflexion sicher zu erreichen. Schiebt man jedoch die Asphalt- stücke näher und näher zusammen, so ist dies ganz unmöglich. Von allen Versuchen über Interferenzerscheinungen scheint mir der mit der Quincke’schen Interferenzröhre für den Unterricht un- bedingt der geeignetste zu sein. Er ist leicht zu erklären, sehr anschaulich und darum leicht verständlich. Bei der Anfertigung der Röhre habe ich die Erfahrungen des Herrn v. LAnG? benützt. Die Röhren aus Kupfer haben einen Durchmesser von 5,5 cm. Die Entfernung 45 beträgt S cm, die CD 70 cm und kann durch Ausziehen der Röhren auf110cm vergrössert werden. Ich hatte zuerst die Rohre @ und K mit Ansätzen versehen, welche in die betreffenden Rohre am Geber- resp. Empfängerkasten mit sanf- ter Reibung hineinpassen. Bei dieser Anordnung vermochte ich indessen durch Ausziehen eines der Rohre C' und D nicht nur keine Auslöschung, sondern noch Ri nicht einmal eine Schwächung der Fig. 4. Wirkung zu erzielen. Ich über- gehe die mannigfachen vergeblichen Versuche, mit dieser Röhre deutlich bemerkbare Interferenzerscheinungen zu erhalten und be- schreibe nur die Anordnung, welche mir schliesslich durchaus zu- friedenstellende Resultate ergeben hat. Zwischen Geber und Inter- ferenzrohr, sowie zwischen diesem und dem Empfänger war je eine Luftstrecke von 20 cm eingeschaltet und waren je zwei grössere Metallschirme aufgestellt, welche in der Höhe der Rohre @ bezw. E Oeffnungen von nur 2,5 cm Durchmesser besassen. Die ! WIEDEMANN’s Ann. Bd. 57 S. 430, 1896. 6 Hiınstepr [38 beiden Kasten, die Schirme und das Interferenzrohr wurden zur Erde abgeleitet, dann aber vom Kohärer ein isolirter Draht in der Rohraxe entlang geführt, der in der Mitte der Kammer 2 frei endigte. Hierdurch wurde erreicht, dass bei einer Wegdifferenz ) { A von ?n - 5 der Kohärer prompt und sicher ansprach, bei 2 + I - 3 aber nicht, vorausgesetzt allerdings, dass jedesmal der Strom nur 1—2 Sekunden geschlossen wurde. Liess man die Strahlen länger, 10—15 Sekunden oder noch mehr einwirken, so ertönte = Kur ; > auch bei 2» + /-, hin und wieder das Rasselwerk, allein der 4 IN Unterschied gegen 2» - „ war nicht zu verkennen. Im letzteren . Falle sofort bei Stromschluss Ansprechen und dann ununter- Lo: Kali brochenes Spiel des Klopfers, bei 22 + 1. „ hingegen frühestens ng 6 Sekunden ein- oder zweimaliges Anschlagen des Klopfers, dann wieder mehrere Sekunden Pause u. s. w. Für die Demonstration der Polarisationserscheinungen benutze ich Gitter aus Stanniol auf Glas geklebt. Breite der Streifen gleich der der Zwischenschichten gleich 0,25 cm. Wird ein Gitter mit den Streifen horizontal dicht vor das Rohr des Empfängers ge- halten, so findet vollständige Auslöschung statt. Schon eine Drehung von 5—10° genügt, um bei fortgesetztem Funkenspiel den Klopfer hin und wieder anschlagen zu lassen. Wird das Gitter weiter ge- dreht, so kann man an dem Häufigerwerden des Anschlages sehr gut das Anwachsen der Wirkung beurtheilen, bis bei senkrechter Stellung des Gitters das Rasselwerk unaufhörlich tönt. Wird vor das Rohr des Gebers ein Gitter mit den Streifen unter 45° gestellt, so bewirkt ein zweites Gitter vor dem Empfänger nur dann Aus- löschung, wenn es genau senkrecht steht zu dem erstgenannten, also vollkommene Analogie mit gekreuzten Nikols. Wie bei diesen das Gesichtsfeld aufgehellt werden kann durch einen dazwischen ge- brachten Krystall, so spricht hier der Kohärer sofort wieder an, wenn ein drittes Gitter mit senkrecht verlaufenden Streifen oder ein Stück Tannenholz mit guter Längsstreifung zwischen die ge- kreuzten Gitter gebracht wird. Um die Marcoxtsche Funkentelegraphie zu demonstriren, wird am Empfänger der Ballastwiderstand in dem zweiten, durch das Spiel des Relais geöffneten und geschlossenen Stromkreise ersetzt nach 5 39] VORLESUNGSVERSUCHE ÜBER HERTZ'SCHE ELEKTRISCHE STRAHLEN ETC. 7 durch einen Morseapparat für Ruhestrom, wie er von der deutschen Reichstelegraphie benutzt wird. Als Geber verwende ich einen Righi-Sender mit Kugeln von 10 cm Durchmesser !, aber ohne Hohl- spiegel. Da der Klopfer und der Morseapparat gleichzeitig arbeiten, so kann man die Depeschen sehr gut abhören und um dies auch dem Laien zu ermöglichen, telegraphire ich abwechselnd 3 Striche 3 Punkte, die zuerst gehört, und dann auch leicht auf dem Papier- streifen kontrolirt werden können. Schliesst man den Empfänger wieder in den Blechkasten ein, stellt den Geber in etwa 10 m Ent- fernung auf, so kann man zeigen, wie Metallschirme nur dann alle Wirkung abhalten, wenn sie dicht vor dem Empfänger aufgestellt sind. Bringt man eine grössere Metalltafel oder den menschlichen Körper dicht vor das Empfängerrohr, so hört jede Wirkung auf. Wird derselbe Schirm aber in 2—3 m Entfernung von dem Em- pfänger aufgestellt, so erfolgt wieder regelmässiges Ansprechen. Befestigt man am Geber wie am Kohärer nach dem Vorgange SLABY’s je einen 5 m langen, an einer vertikal stehenden Holzstange hinaufgeführten Draht, so lassen sich bei 40 m Entfernung, der grössten mir zur Verfügung stehenden, durch drei dicke Wände hindurch vollkommen sicher die Depeschen geben. Schliesst man den Empfängerkasten dicht ab bis auf eine 0,2 cm grosse Oeffnung, so tritt keine Wirkung auf, so lange der erwähnte Auffangedraht ganz ausserhalb des Metallkastens liegt. Führt man ihn aber durch jene enge Oeffnung isolirt hindurch, nur 1—2 mm tief in den Kasten hinein, ohne ihn mit dem Kohärer in Berührung zu bringen, so spricht dieser sogleich wieder regelmässig an. 1 Auch von F. ErNEcKE in Berlin. Ueber die Bildungsweise des dunklen Pigments bei den Mollusken nebst Bemerkungen über die Entstehung von Kalkkarbonat. Von G. Steinmann. Zu den folgenden Mittheilungen, welche die Entstehung des braunen, bezw. schwarzen Pigments bei den Mollusken zum Gegen- stande haben, bin ich durch die Versuche von V. FAUSSEK angeregt worden!. Diese haben ergeben, dass die Entstehung und Verbrei- tung des Pigments bei Ostrea, Mytilus und anderen Zweischalern nicht, wie man angenommen hatte, vom Einfluss der Belichtung, sondern von der Zufuhr sauerstoffhaltigen Wassers abhängig ist. Einige Versuche, die ich vor mehreren Jahren gelegentlich meiner Untersuchungen über die Bildung von Kalkschalen und Kalksteinen anstellte ?, bestätigen die Ansicht Fausser’s über die Ursache der Pigmentbildung und zeigen zugleich, dass dieser Vorgang sich auch ausserhalb des Thierkörpers abspielt, und nur auf der Oxydation der aus der Lebensthätigkeit ausgeschalteten Eiweissstoffe beruht. Ich hatte durch jene Versuche festgestellt, dass Hühnereiweiss, welches in einer Lösung von schwefelsaurem Kalk oder Ohlorcaleium der Fäulniss überlassen wird, durch Bildung von Kohlensäure und Ammoniak Kalkkarbonat niederschlägt, dass die Auskrystallisation des letzteren in der mehr oder weniger zersetzten Eiweissmasse ! Vıcror Faussek, Ueber die Ablagerung des Pigments bei Mytilus (Z. f. wiss. Zool. 1898, 65. 122). ” Ueber Schalen- und Kalksteinbildung (Ber. nat. Ges. Freiburg, 15. Mai 1889, 4. 288). 4l| STEINMANN: ÜEBER DIE BILDUNGSWEISE DES DUNKLEN PIGMENTS ETC. 2 selbst stattfindet und zwar in der für viele Molluskenschalen be- zeichnenden fibrokrystallinen Form. Die Restsubstanz des Eiweiss besitzt, wie sich leicht feststellen liess, die Eigenschaften des Con- chyolin, mit dem Unterschiede jedoch, dass sie anfänglich nicht bräunlich oder schwarz gefärbt, sondern milchweiss war. Derart hergestellte Conchyolinmassen mit dem darin auskrystallisirten Kalkkarbonat habe ich nun unter verschiedenen Bedingungen auf- bewahrt, theils um sie bei weiteren Versuchen vergleichen zu können, theils um zu erfahren, ob und welche Veränderungen im Laufe der Zeit daran festzustellen seien. Die Proben, welche ich in Alkohol oder in der ursprünglichen Salzlösung, ohne das Kon- servirungsmittel zu wechseln, aufbewahrte, behielten Jahre lang ihre ursprüngliche Beschaffenheit, im Besonderen auch ihre milchweisse Farbe bei. Eine Probe aber, welche ich wiederholt mit frischem Wasser auswusch und im Dunkeln aufbewahrte, zeigte eine immer- fort zunehmende Bräunung, bis sie schliesslich fast schwarz er- schien. Dabei ging denn auch die weiche, elastische Beschaffen- heit verloren, welche das frische Conchyolin auszeichnet, sie wurde hart und glich durchaus derjenigen Modifikation des Conchyolins, wie sie als Ueberzug der Unionenschalen und als äusseres Ligament bei den Muscheln im Allgemeinen vorkommt. Besonders auffallend ist aber die Aehnlichkeit des gebräunten Conchyolins mit den braunen Pigmentüberzügen, wie sie an exponirten Theilen des Weichkörpers der Mollusken auftreten, z. B. an den Siphonen der Zweischaler, am Trichter von Nautilus u. s. w. Denn, wie ich schon in der oben zitirten Mittheilung kurz bemerkte, es enthalten diese Pigmentmassen auch Kalkkarbonat in Form kleiner fibro- krystallin struirter Stückchen eingeschlossen, und repräsentiren so gewissermassen eine unvollkommene Kalkschale, deren einzelne Stücke (in Folge der kontraktilen Beschaffenheit des absondernden Örganes) keinen Zusammenschluss erlangt haben. Sobald aber ein derartiges Organ in seiner freien Bewegung gehindert ist oder seine Kontraktionsfähigkeit verliert, wie die Siphonen bei den Pholadiden, Clavagelliden und Gastrochaeniden, entsteht eine geschlossene Kalkröhre und zwar von weisser Farbe, weil die abgesonderten Eiweissmassen, welche das Kalkkarbonat erzeugen, offenbar nicht mehr längere Zeit der oxydirenden Wirkung des Seewassers aus- gesetzt sind, wie an den Siphonen, sondern sehr bald zu einer ge- schlossenen Schale erhärten, innerhalb welcher eine Oxydation nicht mehr stattfinden kann. Aus diesem Verhalten des Conchyolins 3 STEINMANN: [42 bei den Zweischalern und anderen Molluskengruppen, ebenso wie aus meinen und Fausser’s Versuchen scheint mir folgendes Re- sultat hervorzugehen. Die aus der Lebensthätigkeit des thierischen Organismus aus- geschalteten Eiweissstoffe zerfallen in Folge bakterieller Zerlegung einerseits in Kohlensäure und Ammoniak, andererseits in eine in frischem Zustande elastische und weiche, sehr widerstandsfähige Substanz, das Conchyolin. Kohlensäure und Ammoniak schlagen bei Gegenwart gelöster Kalksalze (Caleiumsulfat und -chlorid etc.) Kalkkarbonat nieder, welches, wenn in einem zähen, elastischen Medium wie Conchyolin auskrystallisirt, in fibrokrystalliner (sphäro- krystalliner) Form erscheint oder aber in grosskrystalliner Modifi- kation auftritt, wenn nämlich die stickstoffhaltige Muttersubstanz sich leicht verflüssigt, wie das bei den leimgebenden Substanzen der Fall ist!. Das frische Conchyolin erleidet durch die Einwirkung des Sauer- stoffs eine Oxydation, die von einer Braunfärbung begleitet ist? Dabei wird wahrscheinlich Kohlensäure gebildet”. Die Entstehung des bei den Mollusken weitverbreiteten bräunlichen Pigments kann ! Wenn man Gelatine in einer Lösung von Kalksalzen der Fäulniss über- lässt, scheidet sich das Kalkkarbonat nicht in fibrokrystalliner Form, sondern als grössere Krystalle aus, weil die Gelatine sich während der Fäulniss ver- flüssigt und sich so die Karbonatmoleküle unbehindert zu grösseren Krystallen zusammenschliessen können. Hiernach ist zu vermuthen, dass diejenigen Thier- gruppen, welche Skelette aus grobkrystallmem Kalk bilden, wie die Echino- dermen und Caleispongien, leicht sich verflüssigende stickstoffhaltige Stoffe aussondern, die wie das Fiweiss bei der Fäulniss Kohlensäure und Am- moniak erzeugen. ° Auch Tn. Exman (Beitr. u. K. d. Stiels d. Brachiopoden — Z. f. wiss. Zool. 1896, 62. 169) meint, dass die bräunliche, nicht merklich elastische Aussenschicht des Stieleuticula der Brachiopoden aus der inneren, elastischen Chitinschicht wohl nur durch Berührung des ursprünglichen Chitins mit dem Meerwasser entstanden sei. ® Ich schliesse das aus folgendem Versuche. Bei der Einwirkung von frischem, d. h. sauerstoffhaltigem Wasser auf Conchyolin, welches mit Kalk- karbonat angereichert ist, tritt ausser der Braunfärbung des Conchyolins auch im Laufe der Zeit eine Umkrystallisation des Kalkkarbonats ein, die schliesslich zur Bildung fester Kalkkrusten von grobkrystalliner Struktur führt. Es findet also zuerst eine Auflösung des Kalkkarbonats und dann eine Wieder- auskrystallisation desselben statt, und erstere kann nur unter der Mithilfe reich- lich vorhandener Kohlensäure vor sich gehen. Da es nicht wahrscheinlich ist, dass die Kohlensäure in grösserer Menge durch das Wasser zugeführt wurde, so liegt es nahe, ihren Ursprung in der fortschreitenden Oxydation des Con- chyolins zu suchen. 43] UEBER DIE BILDUNGSWEISE DES DUNKLEN PIGMENTS ETC. 4 hiernach als ein Prozess aufgefasst werden, der sich geradeso wie die Kalkabscheidung ausserhalb der eigentlichen Lebensthätigkeit des Thiers an den ausgeschalteten stickstoffhaltigen, leicht zersetz- baren Stoffen vollzieht. Wenn aber nur die Zufuhr von Sauerstoff die Braunfärbung hervorruft, die Belichtung dabei aber gar keine Rolle spielt, so begreift es sich, dass das braune Conchyolin auch an nicht belich- teten Stellen des Thierkörpers sich findet, wenn diese nur dem sauerstoffhaltigen Wasser zugänglich sind. So erscheint uns das braune Conchyolinpigment bei den Mollusken nur als Nebenprodukt in dem wichtigen Prozesse der gleichzeitigen Bildung von Con- chyolin und Kalkkarbonat, dessen Wirksamkeit und Bedeutung erst im Laufe des letzten Dezenniums erkannt worden ist. Zur historischen Seite dieser Erkenntniss möge Folgendes bemerkt werden. Es ist in neuerer Zeit mehrfach! Harrına das Verdienst zu- geschrieben worden, die Ausscheidung des Kalkkarbonats durch faulendes Eiweiss nachgewiesen zu haben. Das ist aber durchaus irrig. Nirgends findet sich in der Harrına’schen Arbeit ein Hin- weis darauf, dass die Umsetzung von Kalksulfat und -chlorid zu -karbonat durch die Eiweisssubstanz selbst vor sich gehe, viel- mehr wird wiederholt betont, dass der Niederschlag des Karbo- nats durch Zusatz eines Alkalikarbonats erfolgt sei. HArTINnG hat nur zu zeigen versucht, dass die radialstrahlige Struktur des Kalk- karbonats, wie sie den Schalen der Mollusken und anderer Thiere eigen ist, an das Vorhandensein organisirter Materie spez. des Eiweisses gebunden sei. Er hat uns mit der Thatsache bekannt gemacht, dass diese Struktur bei den verschiedensten durch che- mischen Niederschlag in Eiweiss erzeugten Körpern, bei Kugeln, Halbkugeln etc. sich ausbildet. Allein seine zahlreichen Versuche haben thatsächlich nur bewiesen, dass Kalkkarbonat die radial- strahlige Struktur annimmt, wenn es in einem zähen, schleimigen Medium auskrystallisirt, wobei der Niederschlag auf rein an- organischem Wege erfolgt; ferner, dass das Eiweiss, welches nach Auflösung der Sphärokrystalle in Säuren zurückbleibt, die Eigenschaften des Conchyolins (bezw. eines @emisches desselben mit Eiweiss —= Calcoglobulin HArrınG) besitzt. Es kann ja schon dess- halb kein anderer Zusammenhang zwischen dieser Struktur und der ı So in v. Zırreu’s Grundzügen der Paläontologie (S. 18) und in Raurr's Referat über versteinertes Muskelfleisch (Sitzb. niederrh. Ges. 1894, 110, 111). 5 STEINMANN: [44 organisirten Materie bestehen, weil erstere auch bei Silikaten, die aus zähflüssigem Schmelzflusse auskrystallisiren, sich findet, wie die mannigfaltigen Sphärolithbildungen der Massengesteine und künst- lichen Schmelzflüsse beweisen. Die Frage, durch welchen Vorgang in der Natur aus Kalksulfat oder -chlorid die grossen Mengen von Kalkkarbonat in der Form von organischen Hartgebilden oder Meeresschlamm niedergeschlagen werden, hat HarrınG nicht einmal gestreift. Sie ist früher mehr- fach aufgeworfen und gewöhnlich in dem allgemeinen Sinn beant- wortet worden, dass die Organismen die Umsetzung vermitteln. Der chemische Prozess aber, welcher die Umsetzung am und im lebenden Organismus sowie ausserhalb desselben vollzieht, ist erst durch die Versuche klar gelegt worden, welche ich und MurrAY und IrvInE nahezu gleichzeitig, aber in verschiedenen, sich glücklich ergänzenden Formen angestellt haben. Ich habe Hühnereiweiss unter verschiedenen Bedingungen mit verdünnten Lösungen von Kalksulfat oder -chlorid sich selbst, d.h. der Fäulniss überlassen und auf diese Weise die gleichen Produkte erhalten, welche HAarrına unter Hinzufügung von Alkalikarbonat erzielt hatte. Damit war der Beweis erbracht, dass in der stick- stoffhaltigen Substanz allein die zureichende Ursache für die Aus- scheidung des Kalkkarbonats liegen müsse, und als solche wurde das kohlensaure Ammoniak erkannt, welches bei der Zersetzung entsteht. Ich fand, wie HarTınG bei seinen Versuchen, dass die nach der Auflösung der Sphärokrystalle in Säuren zurückbleibende Masse die Eigenschaften des Oonchyolins besitzt, mit anderen Worten, dass sich das ausserhalb des Organismus mit Hülfe von Eiweiss erzeugte Kalkkarbonat in Bezug auf seine Struktur und Zusammensetzung nicht von demjenigen der Molluskenschale unter- scheidet. Aus diesen Thatsachen ergab sich für mich der Schluss, dass der Bildung von Kalkkarbonat in der Form von Muschel- schalen und dergl. kein spezifisch vitaler Prozess zu Grunde zu liegen brauche, dass vielmehr die Ausfällung des Karbonats aus dem Meerwasser, einerlei ob sie am lebenden Organismus oder ausserhalb desselben vor sich gehe, als eine einfache chemische Re- aktion begriffen werden könne, die nothwendig an die Zersetzung aller stickstoffhaltigen organischen Stoffe — soweit sie kohlensaures Ammoniak dabei erzeugen — geknüpft sei. Unentschieden musste dagegen bleiben, in welchem Maasse bei der Bildung von Muschel- schalen und dergl. die Kalksalze mit den ausgeschalteten Eiweiss- 45] ÜEBER DIE BILDUNGSWEISE DES DUNKLEN PIGMENTS ETC. 6 stoffen zusammen vom Organismus abgeschieden werden oder in welchem Betrage sie etwa aus dem umgebenden Wasser ausgefällt werden. Schalen- und Kalksteinbildung im Meere! war auf denselben einfachen chemischen Prozess zurückgeführt. Bald darauf haben MurrAy und IrvineE vor der Royal Society in Edinburgh? über das Ergebniss der Versuche berichtet, welche sie mit lebenden Thieren angestellt haben, um die Art und Weise der Aufnahme der Kalksalze durch den Organismus zu bestimmen. Als die wichtigsten Resultate hatten sich ergeben, dass die Zufuhr von Kalk weder bei Meeresthieren noch bei Landthieren in der Form des Karbonats nothwendig ist, sondern dass andere Salze, wie Sulfate, Phosphate, Silikate u. s. w. vollständig ausreichen, damit die Thiere ihre Kalkschalen in normaler Weise bilden können. Ferner, dass anfänglich neutral reagirendes Seewasser durch thieri- sche Lebensthätigkeit bald alkalisch und reich an Ammonkar- bonat wird, während die gelösten Kalksalze nach einiger Zeit voll- ständig als Karbonat ausgefällt werden und die Thiere absterben, wenn die Kalksalze nicht erneuert werden. Auf die weiteren Ausführungen über die chemischen Vorgänge im Meerwasser, deren Bedeutung für die Geologie in unseren refe- rirenden Zeitschriften nur unvollständig gewürdigt ist’, will ich hier nicht eingehen, sondern nur betonen, dass meine sowie MURRAY’s und Irvıne’s Versuche den Kreislauf des Kalkkarbonats im Zu- sammenhang mit demjenigen der organischen Stickstoffverbindungen in ihren Grundzügen aufgeklärt haben, dass Harrına’s Verdienste aber nach einer anderen Richtung hin liegen. ! Es kann kaum bezweifelt werden, dass die Kalkschalen der Süsswasser- thiere und Landthiere auf dieselbe Weise zu Stande kommen wie die der Meeresthiere. Denn das Kalkkarbonat, welches sie, sei es in gelöster sei es in fester Form, mit der Nahrung aufnehmen, wird jedenfalls nicht als solches in den Kreislauf eingeführt, sondern bei der Verdauung in Sulfat, Chlorid, Phos- phat oder in das Salz irgend einer organischen Säure verwandelt, aus welcher es dann bei der Schalenbildung ausgefällt wird. ®? On Coral Reefs and other Carbonate of Lime Formations in modern seas (Proc. R. Soc. Edinburgh, 2. Dez. 1889, 17. 78. Abgedruckt in Nature, 12. Juni 1890). ® So im N. J. f. M. 1892, II 248, und in Naturwiss. Rundschau 1890, 542. Ueber Spitzenentladung bei Hochfrequenz- strömen, Von F. Himstedt. Mit 3 Figuren im Text. I. In einer früheren Arbeit! habe ich einige Versuche über die Ausstrahlung der Elektrizität aus der Spitze eines Teslapoles be- schrieben, deren Resultate sich dahin zusammenfassen liessen: Be- festigt man auf dem einen Pole eines Teslatransformators eine feine Spitze und stellt dieser gegenüber in solcher Entfernung, dass keine Funken mehr überspringen können, eine isolirte Scheibe auf, so ladet sich diese stets positiv, wenn die Ausstrahlung in Luft oder Sauerstoff stattfindet, dagegen stets »egativ in allen anderen untersuchten Gasen, gleichgültig in welcher Richtung der primäre Strom in das Induktorium geschickt wird, oder welchen Pol der Teslaspule man benutzt. Die Versuche sind inzwischen von anderen Beobachtern be- stätigt worden, so von Herrn WESENDONcK?, welcher gezeigt hat, dass das gleiche Resultat auch ohne Teslaspule bei den schnellen Öseillationen der LecHer’schen resp. BLONDLoT’schen Anordnung für Hertz’sche Versuche erhalten werden kann. Ferner von Herrn PFLÜGER®, welcher auch die weitere Beobachtung, dass wenn der zweite Pol der Teslaspule nicht unter Oel isolirt ist, dann bei ge- eigneter Anordnung statt der positiven unter Umständen auch nega- tive Ladungen erhalten werden können, bestätigt hat. Herr PFLÜGER hebt in seiner Mittheilung besonders hervor, dass wenn man den ı Hımsteot, Wied. Ann. 1894. Bd. LII S. 473. ® WESENDONcK, Naturw. Rundschau 1895. Bd. X S. 401. ° PFLÜGER, Wied. Ann. 1897. Bd. LX S. 768. 47] Hiınstent: ÜEBER SPitZEnkEntLADUng BEI HOcHFREQUENZSTRÖMEN. >) zweiten Pol unter Oel isolirt hält, und in Luft ausstrahlen lässt, man zwar stets + Elektrizität erhält, welchen Pol der Spule man auch benutzen mag, dass aber die Elektrizitätsmengen, welche man erhält, bei dem einen Pol bedeutend grösser sind als bei dem anderen, resp. wenn man stets denselben Pol ausstrahlen lässt, man sehr ver- schiedene Mengen erhält, wenn man den das Induktorium treiben- den Strom kommutirt. Ich habe die ungleiche Ausstrahlung der Pole schon bei meinen ersten Versuchen bemerkt, sie aber nicht R 4 Kiwi. weiter hervorgehoben, weil nach verschiedenen darüber angestellten Versuchen ich die Ueberzeugung gewonnen hatte, dass die Erschei- nung sich erklären lasse aus schon bekannten Thatsachen. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die erwähnten Unterschiede beim Pol- oder Stromwechsel nur dann bedeutend sind, wenn irgend wo in der Anordnung eine Unsymmetrie vorhanden ist, dass dagegen, wenn man mit Sorgfalt auf möglichst vollkommene Symmetrie achtet, die Unterschiede in den ausgestrahlten Elektrizi- tätsmengen durchaus nicht so gross sind, dass man sie, wie Herr PFLÜGER angiebt, auch ohne quantitative Messungen sicher erkennen B Hinstept: [48 könnte. Ich kann dies durch die folgenden Versuche belegen: Der Primärkreis des Induktoriums war gebildet aus einer Akkumulatoren- Batterie 0, einem FoucAauur'schen Quecksilberunterbrecher F und der Primärspule des Induktoriums ?,. Von den Enden der Sekundär- spule ‚S, führen mit Kautschuck überzogene Drähte zu der primären Funkenstrecke Z zwischen Zinkstäben und dem Kommulator A, welcher gestattet, entweder die Verbindung von A mit C, und 3 mit C, oder über Kreuz von A mit (Cs und A mit C', herzustellen. Die Enden der sekundären Teslaspule S, bestehen aus zwei unter Oel liegenden Federklemmen A und Z. In diese können zwei genau gleiche Drähte eingesteckt werden, die, soweit sie nicht unter Oel sich befinden, ganz in Paraffın eingeschmolzen sind. Aus dieser Paraffinhülle ragt bei‘ dem einen Drahte die Spitze eines in den- selben eingelötheten Platindrahtes von 0,05 mm Durchmesser hervor. Der Spitze gegenüber ist in passender, genau einzustellender Ent- fernung eine isolirte Scheibe von 10 cm Durchmesser aufgestellt, welche mit der einen Belegung eines Kondensators von 0,05 M. F, dessen andere Belegung an Erde gelegt ist, verbunden ist. Die bei den Versuchen in gemessener Zeit resp. durch die gleiche Anzahl von Funken in der Funkenstrecke Z hervorgerufene La- dung des Kondensators wurde mit einem Quadrantelektrometer be- stimmt. Es kann nun eine Unsymmetrie entstehen: 1. durch das Induk- torium, 2. durch die Kondensatoren (C', und (',, 3. durch den Tesla- transformator. Dass ein Induktorium, wenn es nicht sehr gut symmetrisch gebaut ist, an den Enden der Sekundärspule nicht ent- gegengesetzt genau gleiche Spannungen giebt, ist aus früheren Be- obachtungen! schon bekannt. Ich habe dies bei einem kleinen In- strumente von STÖHRER sowie bei einem grossen Induktorium von KeEIsER und ScHMipT mit der von ÖÜBERBECK gegebenen Versuchs- anordnung nachweisen können, und mit diesen Instrumenten dann auch bedeutend grössere Unterschiede in der Ausstrahlung an den beiden Teslapolen gefunden als mit einem Ruhmkorff, bei dem die beiden Pole fast genau gleiche Spannungen ergaben. Um den Ein- fluss der Kapazitäten zu untersuchen, wurden für C, und Ü', zuerst zwei auf Gleichheit geprüfte Leydener Flaschen benützt. Für das Verhältniss der aus dem rechten (A%) und der aus dem linken (Z) Teslapole ausgestrahlten Elektrizitätsmengen ergab der Versuch ! ÖBERBECK, Wied. Ann. 1897. Bd. LXIV S. 19. 49] ÜEBER SPITZENENTLADUNG BEI HOCHFREQUENZSTRÖMEN. 4 - — 0,92. Nachdem das Verhältniss C, : C; = 2:1 gemacht war, fand man = 5,0, während bei C,: C; = 1:2 sıch = — 0,24 ergab. Um den Einfluss der Unsymmetrie in dem Teslatransformator nachzuweisen, wurde so verfahren, dass die sekundäre Spule (70 Windungen eines 1 mm dicken Drahtes) zuerst innerhalb der pri- mären Spule (10 Windungen eines 4 mm dicken Drahtes) so lange verschoben wurde, bis eine Stellung gefunden war, bei der die Aus- strahlung an beiden Polen nahezu die gleiche war, z. B. = 10% Wurde jetzt die sekundäre Spule 2 cm nach links verschoben, so ergab sich E- 1,50. Bei einer Verschiebung um 2 cm nach rechts En 0,70. Ebenso wird das Verhältniss 7 wesentlich geändert, wenn man an den nicht ausstrahlenden Pol verschieden grosse Ka- pazitäten hängt. Desshalb wurden, wie oben angegeben, stets an beiden Polen der Teslaspule genau gleiche Drähte befestigt, die nur dadurch sich unterschieden, dass der eine die Spitze trug. Ich habe Versuche der im Vorhergehenden beschriebenen Art mit Kondensatoren von verschiedener Kapazität sowie mit Tesla- transformatoren mit verschiedenem Transformationsverhältniss aus- geführt, immer aber habe ich gefunden, dass wenn die Symmetrie in der Anordnung möglichst gewahrt wurde, der Unterschied in den Ausstrahlungen A und Z unter 10°/o betrug. Besonders interessant ist es nun aber, dass man, ohne sonst irgend etwas an der ganzen Anordnung zu ändern, lediglich durch Aenderung der Stärke des ins Induktorium geschickten Stromes, es unter Umständen erreichen kann, dass entweder ?> Z oder ZL > R ausfällt. Damit scheint mir der Weg für die Erklärung gegeben zu sein. Regulirt man die Stromstärke der Art, das in der Funkenstrecke bei Z gerade noch die Funken überspringen können, so wird man annehmen dürfen, dass der Ausgleich der Kondensatorladungen durch eine gewisse, vielleicht recht kleine Anzahl von Schwingungen stattfindet. Der Einfachheit wegen nehmen wir an, es geschehe durch eine Schwin- gung. Einer solchen entsprechend wird in der sekundären Teslaspule Strom in der einen, und Strom in der entgegengesetzten Richtung induzirt, und wir werden annehmen dürfen, da der eine bei der Berichte XI. Heft 1. 4 5 Hinsteor: |50 Bildung des Funkens in Z, der andere bei dem Verschwinden des- selben entsteht, dass diese Ströme verschiedene Spannungen be- sitzen, in ähnlicher Weise wie etwa die Schliessungs- und Oeftnungs- ströme eines Induktoriums!. Es werden nun aus dem Pole A aus- gestrahlt + Ep und — En, aus dem Pole Z dagegen — E„ und + EP, wo die kleinen resp. grossen Buchstaben „,p, N, P andeuten sollen, dass die Ausstrahlung von einem Schliessungs- resp. einem Oeffnungsstrome herrührt. Der Versuch lehrt nun, dass die Aus- strahlung aus dem rechten Pole A, = Ep — EN = + und ebenso die aus dem linken Pole Z, = — En + Ep = + ist, aber es ist leicht begreiflich, dass in diesem Falle Z, > AR, sein wird. Denken wir uns jetzt die Stromstärke des Induktoriums langsam gesteigert, so werden wir eventuell erreichen können, dass die Ladungen des Kondensators sich nicht mehr, wie bisher angenommen, in einer Schwingung, sondern etwa in zwei solchen ausgleichen. Die Aus- strahlungen werden dann A, + Aa = (Ey — EN) + (-En' + EP) und Z; +L3 = (—En+ EP) + (Ep — EN). Wenn man nun be- achtet, dass bei der zweiten Schwingung die Spannungen an den Polen des Teslatransformators kleiner sind als bei der ersten, wenn man weiter bedenkt, dass unterhalb eines bestimmten Potentialwerthes überhaupt keine Ausstrahlung mehr stattfinden kann, so erkennt man leicht, dass unter Umständen Z;, = — EN dagegen AR, = + Ep’ werden und dass dann A, + Rs) L; + L, sein kann’. 2. In der früheren Arbeit habe ich gezeigt, dass die Ausstrahlung der positiven Elektrizität in einem Gemische von N und O ein Maxi- mum erreicht, wenn die beiden Gase in dem Verhältnisse gemischt werden, wie es der Zusammensetzung der Luft entspricht. Es war meine Absicht, diesen Punkt weiter aufzuklären, und ich habe sehr viele Versuche darüber angestellt. Es ist mir aber nicht gelungen, bei den einzelnen Versuchsreihen eine befriedigende Uebereinstimmung zu erzielen. Der Grund hierfür liegt hauptsächlich in zwei Er- ' Welcher Strom als Schliessungs-, welcher als Oeffnungsstrom aufzufassen ist, muss dahin gestellt bleiben, hier kommt nur in Frage, dass sie nicht gleiche Spannung besitzen. ° Die vorstehende Ueberlegung ist natürlich unabhängig von der Zahl der Schwingungen, durch die der Kondensator entladen wird, es kommt nur darauf an, dass jedenfalls ein Mal bei ’einer Schwingung das Potential so gering werden muss, dass keine Ausstrahlung mehr dabei stattfinden kann. 51] UEBER SPITZENENTLADUNG BEI HOCHFREQUENZSTRÖMEN. 6 scheinungen, die meines Wissens noch nicht beobachtet sind, und welche jetzt beschrieben werden sollen. Stellt man der auf einem Teslapole befestigten Spitze in freier Luft eine Scheibe gegenüber in solcher Entfernung, dass gerade keine Funken mehr übergehen, so beobachtet man, dass die Scheibe durch die Ausstrahlung aus der Spitze stets positiv geladen wird. Entfernt man die Scheibe mehr und mehr von der Spitze, so werden die auftretenden Ladungen schwächer und schwächer, und man kann durch vorsichtiges Zurückziehen der Scheibe leicht die Entfernung auffinden, bei welcher das Elektrometer bei der oben beschriebenen Anordnung keine Ladung mehr anzeigt. Kleine, bald nach der positiven, bald nach der negativen Seite erfolgende Zuckungen der Elektrometernadel lassen aber erkennen, dass die Scheibe in ihrer jetzigen Stellung nicht etwa gar nicht mehr von ausgestrahlter Elektrizität getroffen wird, sondern dass sie aus der Spitze gleich grosse Mengen positiver und negativer Elektrizität erhält. In der That, vergrössert man jetzt die Entfernnng zwischen Scheibe und Spitze noch mehr, so beobachtet man, dass nun die Scheibe stets negative Ladung aufweist. Man hat also hier die höchst auf- fallende Erscheinung, dass eine Scheibe durch die Ausstrahlung aus der Spitze eines Teslapoles positiv, gar nicht, oder negaliv geladen wird, je nach der Entfernung zwischen Spitze und Scheibe. So erhielt ich z. B. bei der oben geschilderten Anordnung für die in 20 Sekunden bewirkte Ladung des mit der Scheibe ver- bundenen Kondensators die folgenden Elektrometerausschläge: = 6 7 5 I 10 1l 12 25 50 n +120 +100 +51 +0 —8 —-32 —30 —20 —5 a ist der Abstand der Spitze von der Scheibe in Millimetern, n der Skalenausschlag am Elektrometer, wobei zu bemerken ist, dass 56 Skalentheile einem Volt entsprechen. Die Erscheinung ist die gleiche an beiden Polen der Teeslaspule resp. unabhängig von der Richtung des Primärstromes im Induktorium; jedoch ist zu be- achten, dass entsprechend der im ersten Abschnitte erwähnten ungleichen Ausstrahlung der beiden Pole auch die Entfernung der Scheibe von der Spitze, für welche die Umkehr im Vorzeichen der Ladung eintritt, eine verschiedene ist. Dass man es hier nicht mit störenden Influenzwirkungen zu thun hat, sondern mit wirklicher Spitzenausstrahlung, habe ich durch 4* 7 Hinsteo®: [52 verschiedene Versuche festzustellen gesucht. Bringt man zwischen Spitze und Scheibe eine Glas- oder Ebonitplatte, so bleibt das Elektro- meter in Ruhe. Ebenso wenn man an die Spitze ein Oeltröpfchen hängt, wodurch, wie man sich im Dunkeln überzeugt, die Aus- strahlung verhindert werden kann. Um möglichst einfache Verhält- nisse zu haben, wurde der Spitze nur eine isolirte Scheibe oder Kugel (ohne Kondensator) gegenübergestellt und die Ladung erst % R -< Fig. 2. untersucht, nachdem der Strom des Induktoriums abgestellt war. Wurde die Stromstärke passend gewählt und liess man die Aus- strahlung längere Zeit, bis zu einer Minute, dauern, so wurden auch die negativen Ladungen stark genug, um mit einem gewöhnlichen Goldblattelektroskop untersucht werden zu können. Um die Gleichzeitigkeit der positiven und negativen Ausstrahlung zu zeigen, wurde der ausstrahlenden Spitze gegenüber eine isolirte Metallscheibe von 20 cm Durchmesser aufgestellt, die in ihrer Mitte eine Oefinung von 4 cm besass. Hinter dieser Oefinung wurde eine zweite isolirte Scheibe aufgestellt. Die Abstände konnten dann so 53] UEBER SPITZENENTLADUNG BEI HOCHFREQUENZSTRÖMEN. 8 regulirt werden, dass die erste Scheibe nach dem Versuche positive, die zweite dagegen, welche ihre Ladung nur von der durch die Oeff- nung der ersten hindurchgegangenen Ausstrahlung erhalten haben konnte, negative Ladung zeigte. Die Erscheinung ist beobachtet worden bei verschiedenen Spitzen (Platindraht von 0,02 mm bis 1 mm Dicke, Stahldraht, feinste Näh- nadel bis Stricknadel von 1,5 mm Dicke) bei verschiedenen Tesla- spulen, verschiedenen Kondensatoren, verschiedenen Induktorien sowie mit der Influenzmaschine, endlich auch, um möglichst einfache Ver- hältnisse zu haben, mit der folgenden Anordnung. Die äusseren Belegungen zweier isolirt aufgestellter Leydener Flaschen sind mit den Enden der primären Teslaspule 7, verbunden. Die inneren Belegungen werden mit den Polen einer Influenzelektrisirmaschine verbunden und langsam bis zu genügender Höhe geladen, dann wird die Verbindung mit der Maschine unterbrochen und die Flaschen werden durch Umlegen des Armes A in die punktirt gezeichnete Stellung A, entladen. Bei jeder einzelnen derartigen Entladung lässt sich die vorhin beschriebene Erscheinung beobachten. Die Erklärung der Erscheinung ergiebt sich leicht, wenn man folgende zwei Annahmen macht: 1. Von einer Spitze, welche auf dem Pole eines Teslatransfor- mators angebracht ist, wird in Luft mehr positive als negative Elektrizität ausgestrahlt. 2. Die von einer solchen Spitze ausgestrahlte negative Elek- trizität vermag sich weiter in den Raum hinaus fortzupflanzen als die positive Elektrizität. Der erste Satz folgt unmittelbar aus den schon früher mit- getheilten Beobachtungen. Hinsichtlich der zweiten Behauptung ist zu beobachten, dass von verschiedenen Beobachtern schon festgestellt ist, dass bei Ver- suchen mit dem Induktorium sowohl wie mit der Elektrisirmaschine die Ausstrahlung der negativen Elektrizität aus einer Spitze bei kleinerem Potential anfängt als die der positiven. Hieraus kann man allerdings noch nicht ohne Weiteres folgern, dass bei gleichem Potential die negative Elektrizität weiter fortgeschleudert werden wird als die positive, denn wie weit die + oder — Elektrizität ge- langen hann, wird offenbar auch abhängig sein von der Geschwindig- keit, mit welcher die die Ladung tragenden Jonen sich wieder zu neutralen Molekeln zu vereinigen streben, sowie von der Geschwindig- keit, mit welcher die geladenen Theilchen durch ein Gas zu diffun- 9 Hinsteort: [54 diren vermögen. Immerhin wird jener Schluss wahrscheinlich ge- macht, und er lässt sich in der That durch den Versuch leicht be- stätigen. Lässt man eine Spitze bei konstant gehaltenem Potential das eine Mal +, das andere Mal — Elektrizität ausstrahlen, und sucht, in welcher Entfernung von der Spitze eine Scheibe aufgestellt werden muss, damit sie gerade keine Ladung mehr erhält, so findet man hierfür bei — Elektrizität bedeutend, unter Umständen bis zu 50°/o grössere Entfernungen als bei + Elektrizität. Die negative vermag also unter sonst gleichen Bedingungen sich weiter in den Raum hinein fortzupflanzen. Nimmt man an, dass dieses Verhalten auch für die Ausstrahlung bei Hochfrequenzströmen gilt, so erklären sich die oben mitgetheilten Beobachtungen ganz zwanglos. Steht nämlich die auffangende Platte nahe bei der ausstrahlenden Spitze, so werden so ziemlich die ganzen ausgestrahlten Elektrizitätsmengen bis zu ihr gelangen können, und da mehr + als — aus der Spitze austtritt, so ladet sich die Platte positiv. Rücken wir sie weiter und weiter ab, so gelangen zu ihr immer kleinere Bruchtheile der überhaupt ausgestrahlten Mengen, also für eine bestimmte Ent- fernung etwa + & Ep und — B En. Da nach oben Ey > En und andererseits « mit der Entfernung schneller abnimmt als ß, so über- sieht man sofort, dass je nach der Entfernung der Spitze von der Platte die Ladung der letzteren d.h. x Ep — ß En den Werth +, Null oder — annehmen muss. 3. Nachdem die Erscheinung für Luft sichergestellt war, wurden die entsprechenden Versuche mit anderen Gasen angestellt. Hierbei wurde der in Fig. 3 dargestellte Apparat benutzt. Die Spitze ist eingeschmolzen in ein weites Glasrohr, in dessen Axe der Zuleitungs- draht verläuft. Das Rohr ist mit Paraffin ausgegossen und mittelst Schliff luftdicht in den Flaschenhals eingesetzt. Das Ende des Rohres in der Flasche ist mit Siegellack überzogen, aus welchem die aus- strahlende Spitze nur 2—3 mm weit hervorragt. Der Boden des (sefüsses ist mit Ag bedeckt und durch Heben oder Senken des (sefässes 3 kann die Entfernung der Spitze vom Hg abgeändert werden. Rohr C’ und D führen zum Gasometer resp. der KAHL- BAUM’ schen Quecksilberluftpumpe. Bei Sauerstoff konnte ohne Schwierigkeit genau das gleiche Verhalten wie bei Luft nachgewiesen werden. Zu meiner Ueber- raschung fand ich, dass auch Stickstoff dasselbe Verhalten zeigte. 55] UEBER SPITZENENTLADUNG BEI HOCHFREQUENZSTRÖMEN. 10 Wurde zuerst die Entfernung zwischen der Spitze und der Hg-Ober- fläche gross genommen, so erhielt man, wie bei den früheren Ver- suchen', stets — Ladungen. Wurde nun die 4g-Oberfläche ganz allmählich gehoben, so gelang es bei genügender Vorsicht sicher, die ) u) NIIIIIIIICH es c Ss \ as untere Ende ist abgebrochen, das konnte auch feststellen, obgleich obere wohl nur unbedeutend verletzt. X 28. (Vgl. Fig. 13.) bei den nicht isolirbaren Stücken ein solcher Nachweis schwierig zu führen ist, dass ein und dasselbe Stück in seinem unteren Theile einen weiten Hohlraum, in seinem oberen dagegen ein Bündel von Kanälen besitzt. Der Verlauf der Kanäle gestaltet sich im Einzelnen wie folgt. Der zentrale Theil wird von Kanälen eingenommen, die ungefähr parallel der Axe verlaufen, aber stets mehr oder weniger stark ge- 65] UEBER BOUEINA, EINE FOSSILE ÄLGE AUS D. FAMILIE D. CoDIACEEN. 4 bogen und durch einander geflochten erscheinen. Man beobachtet an ihnen verhältnissmässig selten Theilungsstellen und diese zeigen ein spitzwinkeliges Auseinander- treten der Aeste. Die stärksten Kanäle, die ich beobachtete, be- sitzen 0,180 mm Durchmesser, meist schwankt er zwischen 0,160 und 0,100 mm. An der Grenze gegen die periphere Region tritt eine stärkere Verzweigung ein, der Durchmesser sinkt auf 0,080 bis 0,050 mm herab, und es zweigen sich nun zahlreiche Aeste entweder spitzwinkelig nach oben (Fig. 1) oder senkrecht gegen die Periphe- rie gerichtet ab (Fig. 4). Die Ver- zweigung vollzieht sich, soweit sich das an Schliffen überhaupt mit Sicherheit feststellen lässt, dicho- tomisch. Auch konnte ich keine URN av LARA Tea! N, Fig. 2. Boueina Hochstetteri Tour. Querschnitt. Die zentrale Partie wird von dicht gestellten Kanälen einge- nommen. 28. (Vgl. Fig. 12.) erhebliche Aenderung des Querdurchmessers der Kanäle unterhalb oder oberhalb der Theilungsstellen wahrnehmen. Die Kanäle der periphe- ren Region besitzen Anfangs einen Durchmesser von 0,050 bis 0,040 mm. Sie dichoto- miren aber in kurzen Inter- vallen, so dass ihr Durch- messer auf 0,030 mm und in der Nähe der Peripherie auf 0,020 mm sinkt. Die letzten Verzweigungen sind sehr häufig in Folge der er- littenen Abrollung nicht oder nur undeutlich wahrnehmbar. An besonders gut erhaltenen Stellen sieht man sie in Längsschnitten (Fig. 5 und 6) als kurze, pallisadenartig an einander gedrängte Ab- Berichte XI. Heft 1. schnitt. weiten, mit Gesteinsmasse ausgefüllten Hohl- raume eingenommen. % 28. (Vgl. Fig. 11.) Fig.3. Boueina Hochstetteri TourLa. Quer- Die zentrale Partie ist von einem 19} e {9} STEINMANN: [66 schnitte, eine Art Rindenschicht bildend, auf tangentialen Schnitten als entsprechend dichtgestellte, annähernd kreisrunde Flecken von etwa 0,014 mm Grösse (Fig. 7). Fig. 4. Boueina Hochstetteri Toura. Längsschnitt, die Grenze zwischen zentralem und peri- pherem Theile zei- Rechts die dickeren, der Axe annähernd gend. parallel links die senkrecht davon verlaufenden, Ka- näle der peripheren x 40. abzweigenden Region. Fig. 6. Dieselbe. Längsschnitt durch die periphere Region, die letzten zeigend. X 26. zusammenhängen, Verzweigungen In Bezug auf die hier gegebenen Ab- bildungen von Boueina bemerke ich, dass wegen der Einfachheit der Darstellung die im Schliff grau erscheinenden Kanäle im Allgemeinen mit vollschwarzer Farbe wiedergegeben sind; nur in den Fig. 1 und 4 sind die tangential geschnit- durch Die tenen Theile derselben Punktirung bezeichnet. Skeletmasse, welche im Schliff nahezu wasserhell, aber etwas getrübt aussieht, wurde ganz weiss gelassen. Die Abbildungen auf den Taf. 7—9 der ToULA- schen Arbeit geben die Farben- unterschiede naturgetreu wieder und sind der Vollständigkeit wegen zu vergleichen. Der scharfen Randkontur unserer F vor Fig. 5. Boueina Hochstetteri Tovra. Quer- schnitt durch die periphere Re- gion, die letzten Verzweigungen zeigend. X 60. iguren entspricht in den Schliffen eine dünne, durch Eisenhydroxyd braun gefärbte Lage des umhü materials. Der Bau von Boueina lässt sich folgendermaassen zusammenfassen: Die einfachen, gegliederten und un- mehr un- verzweigten, oder weniger walzen- förmigen Kalkkörper werden von einem Sy- stem verzweigter Ka- näle durchzogen, die alle unter einander irgend welche sichtbare Trennung ohne llenden Gesteins- Fig. 7. Dieselbe. Tangentialschnitt durch die periphere Region. Letzte, vor- letzte und drittletzte Verzweigungen sichtbar. X 40. In der zentralen Region verlaufen die sparsam verzweigten Kanäle der Axe mehr oder weniger 67] UEBER BOUEiNA, EINE FOSSILE ÄLGE AUS D. FAMILIE D. CODIACEEN. 6 parallel, sind aber häufig umeinander gedreht, im peri- pheren Theile richten sie sich unter rasch wiederholter, vorwiegend dichotomer Verzweigung und entsprechender Verminderung ihres Durchmessers senkrecht gegen die Oberfläche. Ihre letzten Verzweigungen stehen dicht ge- drängt und markiren eine Art Rindenlage. An Stelle der zentralen Kanäle ist namentlich an grösseren Stücken ein einfacher Hohlraum vorhanden. Die Zwischenmasse ent- spricht einem kalkigen, offenbar in keiner Weise diffe- renzirten Skelet. Die systematische Stellung von Boueina. Das Vorhandensein eines verzweigten Kanalsystems hat die früheren Untersucher in erster Linie an Spongien denken lassen. (Gegen eine solche Deutung spricht aber das vollständige Fehlen irgend welcher Nadelstruktur. Diese müsste, wenn ein Vertreter der Spongien vorläge, als welche in diesem Falle wohl nur die Kalk- schwämme und Pharetronen in Frage kommen könnten, um so sicherer zu erwarten sein, als in den Schliffen des Boueinagesteins mehrfach Reste von Bryozoen und Pharetronen mit deutlich erhaltener Mikrostruktur vorkommen. Ausserdem müsste man den Körpern, wenn man sie als Spongien auffassen wollte, eine umgekehrte Stellung geben, als die, welche hier angenommen ist, und dann würde das untere Ende abgerundet und wurzellos sein, was meines Wissens von keiner Spongie aus Kreide oder jüngeren Formationen be- kannt ist. Dagegen können wir Boueina zwanglos in die Siphoneen und zwar in die Familie der Codiaceen einreihen!. Diese Familie theilt mit den meisten anderen Familien der Siphoneen das Merkmal einer reichen Verzweigung des vegetativen Theils des Thallus, ohne dass damit eine Theilung in Zellen verbunden wäre. Bezeichnend für die Familie ist neben einer bestimmten äusseren (Gestaltung des Zellkörpers die Verflechtung der reichlichen schlauchförmigen Zell- verzweigungen sowie das Fehlen einer Differenzirung in Stamm und Blatt, Nun giebt es in der Familie der Codiaceen mehrere Gattungen, welche Kalk abscheiden, nämlich Penicillus, Rhipocephalus, Udotea ! Vgl. die Uebersicht der Familien der Siphoneen bei ExGLER und PRANTL, Natürliche Pflanzenfamilien I 2, S. 28 und die Codiaceen 8. 138—144. 5* 7 STEINMANN: [68 und Halimeda (von der unsicheren Gattung Rhipidosiphon abgesehen). Nach der Verzweigungsweise der letzten, gewöhnlich ein Rinden- gewebe bildenden Zellendigungen kann man sie in zwei Gruppen bringen, von denen die eine Penicillus, Rhi- pocephalus und Udotea, die andere Halimeda umfasst. Bei der ersteren Gruppe entstehen die letzten sehr feinen Ver- zweigungen plötzlich aus re- lativ dicken Zellschläuchen in grosser Zahl, bei Halimeda da- gegen verästeln sich die weiten Zellschläuche, welche das Maärk- gewebe bilden, allmählich zu immer feineren, so dass die letzten Verzweigungen des Rin- Fie. 10. Fig. 8. Udotea pal- e » a, Halimed Sn dengewebes durch eine grössere alimeda metta Dec. { ” ö Zahl immer stärker werdender opuntia Lux. Zellschläuche des ı ; c Die drei Stielsmitzahlreichen Zweige mit den weiten Zell- et zahnartigen letzten schläuchen des Markgewebes verzwenn Verzweigungen. verknüpft sind. Die Fig. 8, 9 und 10, welche ich nach DEcAIsNE!, ENGLER und PRANTL? kopirt habe, geben eine Vorstellung von der Verschiedenartigkeit der beiden Typen (für Hali- meda vergleiche auch die Fig. 11 und 12). Als fossiler Vertreter der ersteren Gruppe ist nach MUNIER - CHALMAS Ovulites? zu betrachten. Fig. 9. Penieillus capitatus Lux. Kammförmiges Da nun, wie wir gesehen Astende aus der Begrenzung des Stiel. haben, die Verzweigungsart ! Decaisne, Essais sur une classification des Algues tab. 17 fig. 14, 15. (Ann. sc. nat., 2° ser. Botan. 16, 1842.) 2]. c. 8. 139 Fig. 91. ® Observations sur les Algues calcaires confundues avec les Foraminiferes etc. (Bull. Soc. G&ol. France, 3° ser., 7, 1879, S. 661—670). 69] UEBER BOoUEINA, EINE FOSSILE ÄLGE AUS D. FAMILIE D. CODIACEEN. 8 der Kanäle von Boueina, die wir bei einem Vergleiche mit Siphoneen dem Zellschlauche der Pflanze gleich zu setzen haben, mit dem zweiten Typus (Halimeda) übereinstimmt, indem die zentralen Kanäle allmählich durch Verästelung innerhalb der peripheren Region in die letzten Verzweigungen der Rindenschicht übergehen, so hätten wir Boueina mit Halı- meda! zu vergleichen. Von den äusseren Merkmalen wollen wir dabei zunächst absehen. Führt man einen (uerschnitt durch ein an- nähernd cylindrisches Glied von Halimeda cylindracea Dec., welches den älteren Theilen der Pflanze angehört, so erhält man ein Bild, wie es Fig. 11 zeigt. Die Kalk- Fig. 11. Nicht entkalkter Querschnitt eines älteren Gliedes von Halimeda cylindracea Dec. von Australien. X 24. (Vgl. Fig. 3.) OU WNY 77 aut! i masse, welche in Wirklich- keit hellbraun durchscheinend gesehen wird, ist schwarz und grau wiedergegeben, die Zellschläuche der Pflanze sind weiss gelassen. Die axiale Partie wird anscheinend von einem Hohlraume eingenommen, welcher aber ebenfalls von Zell- schläuchen, noch gröber als die in der Zeichnung sichtbaren, erfüllt ist. Da aber diese Schläuche relativ locker stehen und nicht sehr stark verkalkt sind, so besitzt die zentrale Kalkmasse nur geringen Zusammenhalt und geht beim Schleifen bis auf unbedeutende Spuren verloren. Das Gleiche träte ein, wenn ein solches Stück in einem Mergelkalk fossil würde. Dann müssten nach dem Verwesen der zentralen Zellschläuche die spärlichen Kalkhüllen derselben zer- fallen, und der ganze so entstandene Hohlraum würde sich mit Schlamm füllen. In den peripheren Theilen dagegen, wo in Folge reichlicher Verzweigung der Zellschläuche und stärkerer Kalk- abscheidung ein festgefügtes Kalkskelet gebildet wird, würde dieses mit seiner durch die Zellverzweigungen gegebenen Struktur erhalten bleiben. Die von den Zellverzweigungen eingenommenen Höhlungen ! Ich möchte an dieser Stelle meinen Collegen, Herrn Prof. OLTMAnNs für die freundliche Ueberlassung rezenten Vergleichsmaterials von Halimeda, Herrn Prof. Graf Sorms-Laupach für die Erlaubniss, das Strassburger Herbarium zu vergleichen, meinen besten Dank abstatten. 9 STEINMANN: [70 würden sich mit dunklem Schlamm füllen, während die Kalkmasse des Skelets in Folge von Umkrystallisation zu Kalkspath hell durch- sichtig erschiene. Denken wir uns also das Bild der Fig. 11 als nega- tives, so tritt die Uebereinstimmung mit den hohlen Exemplaren von Boueina, wie sie der Schliff in Fig. 3 (S. 4) darstellt, klar zu Tage. Anders liegen die Verhältnisse bei den annähernd walzigen Gliedenden von Halimeda opuntia. Ihre zentrale Partie wird noch von den dicht gedrängten Zellschläuchen des Markgewebes erfüllt. Die Kalkhüllen derselben stossen zusammen und bil- den ein zusammenhängen- des Röhrensystem. Bei einem Querschliffe durch einsolchesGlied bleiben das Skelet des Markgewebes vollständig erhalten und die Röhren sichtbar. Fig. 12 zeigt ein solches Bild, Fig. 12. Die Hälfte eines Querschnitts durch welches als Negativ ge- ein jüngeres Gliedende von Halimeda opuntia. halten ist (Zellschläuche Die Zellschläuche sind schwarz, der Kalk ist schwarz, Skelet weiss), um weiss gezeichnet, also gerade umgekehrt wie BZAREN x 4 in Bio 11. X 100: Di Vel-Kigz2.) einen Vergleich mit den Abbildungen von Boueina (Fig. 2, S. 3) unmittelbar zu ermöglichen. Die weitgehende Ueber- einstimmung der Halimeda mit Boueina tritt auch auf Längsschnitten hervor. Man vergleiche in dieser Hinsicht den in Fig. 13 dar- gestellten Längsschnitt eines walzigen Gliedendes von Halimeda opun- tia Lmux., welcher ebenfalls als Negativ gehalten ist, mit unserer Fig.1 und mit Touna’s Abbildung auf Taf. 9. In allen Abbildungen tritt die Verflechtung der weiten Markschläuche und ihre allmähliche Zertheilung in die dünneren Schläuche der Rindenregion klar hervor. Aber nicht nur in Bezug auf den Bau des vegetativen Theils der Pflanze stimmt Boueina mit Halimeda überein, sondern auch bezüglich des Fehlens von Sporen in dem verkalkten Theile der Pflanze. Bei Halimeda stehen bekanntlich die selten zu findenden Sporangienstände in büscheliger Anordnung ausserhalb des Kalk- panzers und sind selbst nicht verkalkt. Aehnlich muss auch die Sporangienbildung bei Boueina entwickelt gewesen sein, denn es gelang mir nicht, irgendwo Andeutungen von kugeligen Er- weiterungen innerhalb des verkalkten Theils der Pflanze aufzufinden. 71] Ueser BoveinA, EINE FOSSILE ALGE AUS D. FAMILIE D. CoDIACEEN. 10 Nur bezüglich zweier Punkte scheint eine durchgehende Differenz in der Art der Verzweigung zu bestehen. Die Zellschläuche von Halimeda vflegen an den Thei- lungsstellen mehr oder minder stark keulenförmig anzuschwel- len, und die aus der Theilung hervorgehenden Schläuche sind an ihrer Basis meist stark zu- sammengeschnürt. Das gilt zum Wenigsten für alle Schläuche der Rindenschicht, zum Theil aber auch für die der Mark- schicht. Die Figuren 10, 11, 12, 13 lassen diese Eigenthüm- lichkeit deutlich erkennen. Et- was Derartiges habe ich bei Boueina nicht beobachten kön- nen. Ebenso scheint bei letz- terer die Verzweigung vorwie- gend wenn nicht ausschliesslich dichotomisch zu erfolgen, wobei jedoch zu bedenken ist, dass Fig. 13. Längsschnitt durch ein walzen- darüber in Schliffen nicht leicht förmiges Gliedende von Halimeda opuntia h : Lnmx. Die Zellschläuche sind dunkel, die Gewissheit erlangt werden kann ;- TERN Kalkmasse ist weiss gehalten. X 36. vgl. die Fig. 1—7). Bei Hali- si Eie 1. en dagegen wiegt, soweit ich a a ermitteln konnte, die Dreitheilung, die allerdings wohl aus der Dichotomie hervorgegangen gedacht werden muss, vor. Boueina weicht in seiner äusseren Gestaltung von Halimeda sehr auffällig ab. Wenn meine Annahme, dass Boueina eine un- verzweigte, cylindrische Pflanze gewesen ist, — und nichts deutet auf ein anderesVerhalten hin — richtig ist, so kann sie schon dieses Merk- mals wegen nicht unter die Gattung Halimeda fallen, trotz der weitgehenden Uebereinstimmung in dem inneren Bau. Denn alle Arten von Halimeda sind verzweigt und gegliedert. Von den vier Sektionen der Gattung! stehen die S. Tunae und Pseudo-Opuntiae mit ganz platten nierenförmigen Gliedern von Boueina am weitesten ab. Die S. Opuntiae enthält Arten mit vorwiegend platten, nieren- ! EnGLER und Prantu I 2, S. 143. 11 STEINMANN: UÜEBER BOoUEINA, EINE FOSSILE ALGE ETC. [72 förmigen, gelappten Gliedern; aber die Lappen, aus denen neue Glieder hervorsprossen, sind gewöhnlich stielrund: oder wenig ab- geflacht, und ebenso besitzt die verschmälerte Basis der Glieder einen mehr oder weniger kreisrunden Querschnitt. Bei manchen Arten, wie bei H. multicaulis Lux., inerassata Lmx., unterscheiden sich die älteren Glieder von den jüngeren, platten durch ihre stielrunde Form. Die S. Rhipsales endlich enthält Formen (monile Lmx., cylindracea Dec.), deren Glieder zumeist mehr oder weniger eylindrisch, nur vereinzelt keil- förmig gestaltet und meist nur unmerklich abgeplattet sind. Man wird nicht fehlgehen, wenn man diese letzte Gruppe als die primitive auffasst, denn gerade an den genannten Vertretern derselben sieht man deutlich, dass die Ausbreitung und Abplattung der Glieder das Sekun- däre ist. An die Rhipsales schliesst sich Boueina mit kreisrundem (uerschnitt am nächsten an. Denken wir uns die Gliederung und Ver- zweigung der Rhipsales fort, so bleibt kein merklicher Unterschied gegen Boueina mehr übrig. Wir dürfen daher wohl Boueina als eine Ahnenform der Halimeden auffassen, aus welcher sich durch Ver- zweigung und Gliederung die Rhipsales und weiterhin die anderen Gruppen entwickelt haben. Eine Gliederung, wesentlich ähnlich der von Halimeda, kehrt ja in Verbindung mit Verzweigung in der nahe- stehenden Familie der Dasycladaceen bei Uymopolia wieder, ebenso bei den weit abstehenden Corallinaceen. In allen diesen Familien entbehrt die Mehrzahl der lebenden und besonders der fossilen Formen der Gliederung ; diese ist wohl nur als ein nothwendiges Er- zeugniss des verzweigten, baumartigen Wachsthums anzusehen, welches einige Vertreter innerhalb drei verschiedener Familien kalkabsondern- der Algen in jüngerer Zeit angenommen haben. Der Erhaltungszustand von Boueina beweist, dass die aus ihr zusammengesetzten Bänke des Urgo-Aptien im Bereiche der Brandungs- zone gebildet wurden. Damit ist für Boueina die gleiche Lebensweise festgestellt, welche die heutigen Halimeden besitzen. Ueber die ge- steinsbildende Thätigkeit derselben haben wir neuerdings durch SOLLAS genauere Mittheilungen erhalten. Bei den Bohrungen in der Lagune von Funafuti hat man den Boden derselben vorwiegend aus den zerfallenen Gliedern von Halimeda gebildet gefunden. Das Kreide- vorkommniss reiht sich nun diesen Verhältnissen auch insofern an, als nach TourA nicht weit von den Boueinakalken korallenführende Schichten im oberen Neokom auftreten (l. ec. S. 1315—1318). a Berichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. Br. Erscheinungsweise und redactionelle Bestimmungen. Jährlich erscheint ein Band, der in zwanglosen Heften ausgegeben wird. 24 Druckbogen, wobei auch jede den Raum einer Druckseite einnehmende Tafel als 1 Druckbogen gerechnet wird, bilden einen Band. Der Abonnementspreis ist auf M. 12.— festgesetzt. Einzelne Hefte werden nur zu erhöhtem Ladenpreise abgegeben. In den Berichten finden Aufnahme: I. Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwissenschaften. II. Kürzere Mittheilungen über bevorstehende grössere Publicationen, neue Funde etc. ete. . Die für die „Berichte“ bestimmten Beiträge sind in vollständig druck- fertigem Zustande an ein Mitglied der Redactions-Commission einzusenden. Ueber die Aufnahme und Reihenfolge der Beiträge entscheidet lediglich die von der Naturforschenden Gesellschaft ernannte Redactions-Commission. Auch ist mit dieser über die etwaige Beigabe von Tafeln und Illustrationen zu verhandeln. Von jedem Beitrag erhält der betr. Mitarbeiter 40 Separat-Abzüge gratis, weitere Separat-Abzüge kann der Autor bei der Buchdruckerei in beliebiger ‘ Zahl bestellen. Die Druckerei hat dafür nur die Selbstkosten zu berechnen. Die Separat-Abzüge müssen spätestens bei Rücksendung der Correctur bestellt werden. Separat-Abzüge von Abhandlungen können dem Autor unter Umständen erst am Tage der Ausgabe des betr. Heftes zugestellt werden, Separat-Abzüge ‚von „kleineren Mittheilungen“ dagegen sofort. Die Redactions-Commission. Professor Dr. A. Gruber. Professor Dr. J. Lüroth. Professor Dr. @. Steinmann. . H. Laupp’scheE BUCHHANDLUNG IN TÜBINGEN. en Fikinger, Z. 3., Der Hund ımd feine Racen. Naturgeichichte des 5 zahmen Hundes, feiner Formen, Racen und Kreuzungen. Zweite Ausgabe. Mit 6 Tafeln und vielen Tertvignetten in or % 8. 1891. M. L—. Gebunden M. 5.—. Fraas, E., Die Gehlhyorennen der süddeutschen Trias- und Jura- ER Ablagerungen. Mit 14 Tafeln und 14 Blatt Erklärungen. = Imp.-4. 1891. M. 40.—. Vosseler, J., Untersuchungen über glatte und unvollkommen quer- “ gestreifte Muskeln der Arthropoden. Mit 6 lithographierten Tafeln.‘ 8. 1891,. .M. 6, Medieus, L., Einleitung in die chemische Analyse. 8. Heft 1: Kurze Anleitung zur qualitativen Analyse. Zum Ge- brauch beim Unterricht in chemischen Laboratorien. Mit 4 Abbildungen im Text. Achte und neunte Auflage. (Unter der Presse) M. 2.—. In Leinwand gebunden M. 2.60. Heft 2: Kurze Anleitung zur Massanalyse. Mit spezieller Berücksichtigung der Vorschriften des Arzneibuches. Mit un 7 Abbildungen im Text. Fünfte und sechste Auflage. 1895. IR M. 2.40. In Leinwand gebunden M. 3.—. Heft 3: Kurze Anleitung zur Gewichtsanalyse. Uebungs- I beispiele zum Gebrauche beim Unterricht in chemischen Laboratorien. Mit 12 Abbildungen im Text. Dritte Auflage. 1897. M. 2.80. In Leinwand gebunden M. 3.40, Heft 4: Kurze Anleitung zur chemisch-technischen Analyse. Uebungsbeispiele, zum Gebrauche beim Unterricht in chemischen Laboratorien zusammengestellt. Mit 27 Figuren. 1891. M. 2.40. rt In Leinwand gebunden M. 3.— — — Kurzes Lehrbuch der chemischen Technologie. Zum Ge- brauche bei Vorlesungen auf Hochschulen und zum Selbst- studium für Chemiker bearbeitet. Mit 192 Abbildungen im 5 Text. Gross 8. 1897. M. 24.—. Gebunden M. 26,—. x C. A. WAGNER'’S UNIVERSIT/ETS-BUCHDRUCKEREI, FREIBURG I. BR. H Y” ES ann - AUSGEGEBEN IM AUGUST 1900. az | BERICHTE DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT FREIBURG L BR. IN VERBINDUNG MIT . Dr. Dr. F. HıLDEsrAnD, F. Hınsteot, J. LüroTH, J. vox Kris, G&. STEINMANN, A. WEISMANN, R. WIEDERSHEIM, PROFESSOREN AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG, HERAUSGEGEBEN " VoN DR. K. GERHARDT. ELFTER BAND. .AWEITES HEFT { MIT(& TAFELN UND 4 ABBILDUNGEN IM TEXT. ZPREIBURG IL BR. C. A. WAGNER’S UNIVERSITÄTS-BUCHDRUCKEREI, 1900. Ueber die Bedeutung der Kathodenstrahlen für den Ent- ladungsmechanismus. (Vorläufige Mittheilung.) Von Otto Berg Leucitbasalt aus der Gegend von Pangkadjene in Süd-Celebes. Mit‘1 Tafel. Von H. Bücking aus Strassburg i. E. ; Ueber einen Apparat zur Gasanalyse, speciell zur Bestimmung der im Wasser gelösten Gase. (Aus dem thierphysiologischen Institut der Landwirthschaftlichen Hochschule zu Berlin.) Mit 2 Ab- bildungen im Text. Von Otto Berg . Seite 73 78. ‚85 Beiträge zur Geologie des Bockswieser Ganggebietes (Ober- harz.) Mit 3 Tafeln und 2 Abbildungen im Text. Von Ernst Maier Ueber einige Versuche mit Becquerel- und mit Röntgen- strahlen. Von F. Himstedt Zweite Mittheilung über Versuche mit Kreuzungen von ver- schiedenen Hausmausrassen. (Aus dem zoologischen Institut der Universität Freiburg im Breisgau.) Mit "3 Tafeln. Von Georg von Guaita, Volontärassistent AS kan Fr 1902 73] 1 Ueber die Bedeutung der Kathodenstrahlen für den Entladungsmechanismus. Von Otto Berg. (Vorläufige Mittheilung.) Die Frage, welche Bedeutung die Kathodenstrahlen für den Entladungsvorgang haben, ist bereits im Jahre 1883 von HEINRICH HERTZ einer experimentellen Prüfung unterzogen worden!. HERTZ kam zu dem Resultat, dass die Kathodenstrahlen eine blosse Be- gleiterscheinung des Entladungsvorganges seien; er glaubte, fest- gestellt zu haben, dass sie nicht die Bahn des Stromes darstellen. Seitdem sind verschiedene neue Entdeckungen, die Kathodenstrahlen betreffend, gemacht worden; auch besitzen wir heute eine ziemlich allgemein anerkannte Theorie derselben. Wenn diese auch über die von HERTZ untersuchte Frage direkt nichts aussagt, so widerspricht doch die Richtung, der sie entsprungen ist, wohl zweifellos den Herrz’schen Resultaten. Denn in gleicher Weise, wie man bemüht ist, die Kathodenstrahlen als fortgeschleuderte negative Theilchen zu erklären, sucht man den ganzen Entladungsvorgang auf Disso- ciations- und Diffusionserscheinungen zurückzuführen, in welche elektrische Wirkungen irgendwie eingreifen. Der Hertz’schen Auffassung widerspricht die Thatsache, dass Kathodenstrahlen die von ihnen getroffenen Körper elektrisch (nega- tiv) laden, so dass man von diesen unter Umständen einen dauern- den Strom zur Erde führen kann? Dieser Strom muss natürlich auch auf der Bahn der Kathodenstrahlen fliessen. Die Stärke des- ! WiIEpDEMANN’s Annalen 1883, Bd. XIX S. 782. ® Vel. H. Starke, Wiedemann’s Annalen 1898, Bd. LXVI S. 49. Berichte XI. Heft 2. 6 92 Ber&: [74 selben unter verschiedenen Bedingungen dürfte für die im Anfang angedeutete Frage von Wichtigkeit sein. Es soll im Folgenden über einige diesbezügliche und ähnliche Versuche kurz berichtet werden. Die Konstruktion des dabei verwendeten Apparates kann nur angedeutet werden. Als Stromquelle diente eine durch Wasserkraft getriebene grosse Influenzmaschine mit zwei rotirenden Scheiben. Das Evakuiren wurde durch eine KAHLBAUM’sche Quecksilberluft- pumpe besorgt. Zur Messung des Potentials zwischen den Elek- troden diente ein HEYDWEILLER'sches Elektrometer; zur Strommes- sung ein empfindliches Galvanometer. Die Kathodenstrahlenröhre war eylindrisch; etwa 50 cm lang, 4 cm dick. Die kreisrunde Kathode sass an einem Ende des Rohres, mit ihrer Fläche senkrecht zur Rohraxe; die Kathoden- strahlen fielen auf die Anode, welche, kapselförmig, den ganzen (Juerschnitt des Rohres einnahm und nur durch ein in ihrer Mitte angebrachtes Loch ein Bündel Kathodenstrahlen hindurchliess, das nun längs der Rohraxe seinen Weg nahm. Die Strahlen fielen end- lich auf einen ziemlich komplizirten Auffangeapparat, der von Aussen längs des ganzen noch freien Rohres verschoben werden konnte. Er bestand aus drei von einander isolirten Metalltheilen: 1. einem das ganze umgebenden Schutzrohr, 2. einem äusseren Auffange- schirm, der in der Mitte durchbohrt war, und so ein Kathoden- strahlenbündel ausblendete, das schliesslich von dem 3. inneren Auf- fangeschirm ganz aufgefangen wurde, zuvor aber noch ein T'hermoele- ment traf, welches relative Messungen der von den Kathodenstrahlen erzeugten Wärme anzustellen gestattete. Die Entladungspotentiale, bei denen beobachtet wurde, lagen zwischen 1000 und 10000 Volt. Bis zu diesen Grenzen konnten einerseits die spezifischen Wirkungen der Kathodenstrahlen schon gut beobachtet werden, andererseits machten sich noch nicht die Unregelmässigkeiten und Unstetigkeiten der Entladung bemerkbar, die bei noch höheren Potentialen die Messungen bald vereitelten. Einen dauernden Strom vom Auffangeschirm der Erde zu- zuführen, ist aus leicht ersichtlichen Gründen nur möglich, wenn gleichzeitig die Anode zur Erde abgeleitet ist. Denn bei dauernder Entnahme negativer Elektrizität vom Schirm müsste sich sonst die entsprechende Menge positiver Elekrizität im Rohre anhäufen. Die von HERTZ gewonnenen Resultate erklären sich wohl durch nicht genügende Berücksichtigung dieser Verhältnisse. Die Verbindung 75] BEDEUTUNG D. KATHODENSTRAHLEN FÜR D. ENTLADUNGSMECHANISMUS. 3 der Anode mit der Erde schützte gleichzeitig die Theile des Ent- ladungsrohres, in denen der Auffangeschirm verschoben werden konnte, so weit vor direkten elektrischen Einflüssen, dass die an- zustellenden Messungen nicht gestört wurden. Es lag nun die Frage nahe, was aus der von den Kathoden- strahlen mitgeführten nega’iven Elektrizität wird, wenn die Anode nicht zur Erde abgeleitet ist. Die Elektrizität muss dann auf irgend einem Wege durch das Entladungsrohr zur Anode gelangen. Eine Reihe mehr qualitativer Versuche, welche ich nach dieser Richtung hin anstellte, zeigte, dass dies zum Theil in Form von Kathoden- strahlen geschieht, die vom Auffangeschirm ausgehen, dass der Aus- gleich zum Theil aber jedenfalls durch positive von der Anode fort- geschleuderte Theilchen bewirkt wird. Diese T'heilchen sind unter etwas anderen Versuchsbedingungen — wie ich sie durch Vertauschung der Elektroden in meiner Versuchsanordnung sehr annähernd her- stellen konnte — schon längst von GOLDSTEIN! als „Kanalstrahlen“ beobachtet worden. Dass diese Kanalstrahlen eine Bewegung posi- tiver Theilchen darstellen, suchte auch jüngst Herr A. WEHNELT? nachzuweisen. Man wird diese Strahlen füglich als „Anodenstrahlen“ bezeichnen können. Wenn die Anode zur Erde abgeleitet war und bei mittlerem Entladungspotential kräftige Kathodenstrahlenentwickelung erfolgte, so floss über den Auffangeschirm ein Strom zur Erde, der etwa !/ıo der Stärke des gesamten die Röhre durchfliessenden Stromes besass. Der wievielte Theil aller Kathodenstrahlen zum Transport dieses Theilstromes verwendet wurde, liess sich nur schätzen; man würde etwa, den Dimensionen der Kathode und Anode nach, zur Zahl !/5 bis !/ıo greifen. Diese Zahlen zeigen, dass die Kathoden- strahlen beim Stromtransport im Rohre eine sehr grosse Rolle spielen; ja es wird die Annahme nahe gelegt, dass unter gewissen Bedingungen wohl der ganze die Röhre durchfliessende Strom von Kathodenstrahlen, vielleicht gemeinsam mit den Anodenstrahlen, transportirt wird. Diese Annahme wird gestützt dadurch, dass sich stets ein enger Zusammenhang zwischen der Grösse des über den Auffangeschirm abfliessenden Stromes und dem Gesamtstrom der Röhre nachweisen liess, ! „Ueber eine noch nicht untersuchte Strahlungsform an der Kathode induzirter Entladungen“ (Berl. Ber. 1886, S. 691). ®? WIEDEMANN’s Annalen 1899, Bd. LXVII S. 421. 6* 4 Bere: [76 Es wurden nämlich Versuche derart angestellt, dass das Ent- ladungspotential zwischen den Elektroden mit Hilfe der Luftpumpe konstant gehalten wurde, während die Stärke des die Röhre speisen- den Stromes durch schnelleren oder langsameren Gang der Maschine zwischen etwa 15 . 10% bis 30 . 107° Ampere variirt wurde. Dabei zeigte sich, dass der Thheilstrom immer dem Hauptstrom proportional wuchs, dass also der Quotient Theilstrom/Hauptstrom ungeändert blieb. Die neueren Versuche über Kathodenstrahlen haben gezeigt, dass deren Eigenschaften wesentlich charakterisirt sind durch das Entladungspotential, unter dem die Strahlen entstehen; hier macht sich die an sich selbstverständliche Thatsache geltend, dass neben das Entladungspotential als gleichberechtigter Faktor die Strom- stärke des Hauptstromes tritt. Vielleicht bestimmt jeder dieser Faktoren je eine Gruppe von Eigenschaften, woraus es erklärlich wäre, dass bisher wohl vorwiegend der eine, nämlich das Ent- ladungspotential, Beachtung gefunden hat. Das Verhalten des Stromtheilungsquotienten (Theilstrom/Ge- sammtstrom) wurde nun unter verschiedenen Bedingungen unter- sucht. Einerseits wurde das Entladungspotential der Röhre mit Hilfe der Luftpumpe varırt, andererseits der Abstand des Auf- fangeschirmes von der Anode verändert, um eventuell im Gase statt- findende Absorption der Kathodenstrahlen nachzuweisen. War das Entladungspotential so hoch, dass deutlich die grüne (slasphosphorescenz durch die Kathodenstrahlen sichtbar war, so war eine Absorption der Kathodenstrahlen nicht nachweisbar. Eine solche fand nur statt, wenn die Kathodenstrahlen-Phosphorescenz noch gar nicht wahrgenommen wurde. Es zeigte sich, dass bei solchen Entladungspotentialen die Existenz der Kathodenstrahlen durch die Stromtheilung schon deutlich bemerkbar wurde. Durch Annäherung eines Magneten konnte der Effekt zum Verschwinden gebracht werden, zum Beweis, dass er wirklich von Kathodenstrahlen herrührte. Liess man das Entladungspotential allmählich zunehmen, so stieg der Stromtheilungsquotient zunächst schnell, nahe proportional dem Entladungspotential. Nachher nahm er langsamer zu, um, wie es schien, sich einem gewissen Werthe asymptotisch zu nähern, den er bei 10 000 Volt Entladungspotential fast erreicht hat. Man wird annehmen dürfen, dass von diesem Punkte an der Stromtransport in der Röhre nur noch von den Kathodenstrahlen, etwa gemeinsam mit Anodenstrahlen besorgt wird; namentlich, wenn man die Be- 77] BEDEUTUNG D. KATHODENSTRAHLEN FÜR D. ENTLADUNGSMECHANISMUS. 5 obachtung von WIEDEMANN und ScHMipT! hinzunimmt, dass das Entladungspotential in dem Augenblick bedeutend sank, wo man durch Drehen der Kathode bewirkte, dass die Anode von den Kathodenstrahlen getroffen wurde. Die Gestalt des Auffangeapparates gestattete es, die Aus- breitung der Kathodenstrahlen zu verfolgen; es ergab sich, dass sich diese so verhielt, als ob die Kathodenstrahlen geradlinig konvergirten gegen einen Punkt, der einige Oentimeter hinter der Kathode ge- legen war. Ueber die Wärmewirkungen der Kathodenstrahlen wurden an- hangsweise Messungen mit dem Thermoelement angestellt (s. o.); es ergab sich: 1. Die von den Kathodenstrahlen beim Auftreffen auf feste Körper erzeugten Wärmemengen sind bei gleich bleibendem Ent- ladungspotential proportional den von den Kathodenstrahlen über- tragenen Elektrizitätsmengen. 2. Der Quotient Wärmemenge/Elektrizitätsmenge nimmt mit steigendem Entladungspotential stark zu. Da dieser Quotient nach der Emissionshypothese dem Quadrat der Fortpflanzungsgeschwindigkeit proportional ist, so folgt, dass diese von der Stromstärke unabhängig ist und mit steigendem Ent- ladungspotential wächst, unter der Voraussetzung, dass die spezifische Ladung der Theilchen als konstant angenommen wird. Freiburg im Mai 1899. Physikalisches Institut der Universität. ‘ Kathodenstrahlen als Strombahn (Sitzungsber. d. phys. med. Soz. zu Er- langen, 1898, S. 22). Leueitbasalt aus der Gegend von Panekadjene in Düd-Üelebes, Von H. Bücking, Strassburg i. E. Mit einer Tafel. Im Juni und August 1598 unternahm ich von Makassar in Siid-Üelebes aus mehrere Reisen in das Hinterland von Pangkadjene. Dort lernte ich einmal das Anstehende der Gesteine kennen, welche A. WıcHmAann im Jahre 1888 als Geschiebe im Pangkadjenefluss gesammelt hatte!, dann gelang es mir in den grotesk gestalteten Kalksteinfelsen, welche das niedere Vorland von Maros und Pang- kadjene nach Osten hin umsäumen und von SCHREUDER? ehedem für jurassisch, von F. von RiCHTHOFEN? als gehobene Korallenriffe ge- deutet wurden, Nummuliten in grosser Menge aufzufinden und da- durch den Kalk des sog. Rotsgebergtes als eocänen Nummuliten- kalk zu bestimmen. Indem ich mir vorbehalte, in der Darstellung der geologischen Ergebnisse meiner Reisen in Süd-Celebes näher hierauf zurückzukommen, will ich heute nur auf ein Leucitgestein aufmerksam machen, welches ich im Liegenden des Nummulitenkalks im Hinter- grunde des Thales von Kantisang bei Bangkeng Sakiang in grosser Ausdehnung anstehend verfolgen konnte. Das Liegende des Nummulitenkalks bilden bei Kantisang sehr wenig mächtige, hellgelbe und hellgraue dünnschieferige Sandsteine, ! Glaukophan-Epidot-Glimmerschiefer, Neues Jahrb. f. Min. 1893 II 8.176; und Leueitbasalt, Natuurk. Tijdschr. voor Nederl.-Indie, Batavia 53, 1893 S. 315 ff. und N. Jahrb. f. Min. 1895 II S. — 91 —. ° Natuurk. Tijdschr. voor Nederl.-Indie, Batavia 7, 1854 S. 391. ® Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. 1874 S. 248. 79] Bückıns: LEUCITBASALT AUS DER GEGEND VON PANGKADJENE. 2 denen eine vorzügliche, der Eocänkohle von Borneo und vom Um- bilienfluss in West-Sumatra gleiche Kohle eingelagert ist. Oestlich von Kantisang schieben sich zwischen den Nummulitenkalk und die kohlenführenden Schichten Eruptivbildungen ein, wodurch die sonst sehr regelmässige Lagerung im Untergrunde des Nummulitenkalks, nicht aber dieser selbst, einige Störungen erleidet. Neben anscheinend verkieselten Tuffen von graugrüner Farbe und splitterigem Bruch, erfüllt mit fein eingesprengtem Magnetkies, findet sich, besonders in dem Seitenthal von Bangkeng Sakiang gut aufgeschlossen, ein ziemlich mächtiges Lager eines eigenthümlichen, durch zahlreiche Biotiteinsprenglinge ausgezeichneten Eruptivgesteins, In frischem Zustande hat es eine graue, verwittert eine braune Farbe und erinnert dann in Folge seines Reichthums an Biotit an gewisse Minetten; es ist aber, wie die nähere Untersuchung lehrt, Leuecitbasalt. Die Biotiteinsprenglinge, welche dem Beobachter zunächst auffallen, besitzen eine deutliche Krystallflächenbegrenzung. Ausser den regelmässig sechsseitigen Spaltblättchen, deren Durchmesser zwischen !/s und 3 mm schwankt, beobachtet man auch noch un- verletzte Krystalle mit matten, parallel der Basis gestreiften Seiten- flächen und mit glänzender Basis. Die Ausdehnung dieser Ein- sprenglinge, in der Richtung der Vertikalaxe gemessen, beträgt 1 bis 2, in einzelnen Fällen sogar 4 mm. Bei weiten weniger zahlreich sind Einsprenglinge von Ausgit. Sie sind dunkelgrün bis schwarz, besitzen die gewöhnliche Form (100) - (110) - (010) - (111), sind meist dicktafelförmig nach dem Orthopinakoid und zugleich nach der c-Axe gestreckt, in der Regel einfach, selten verzwillingt nach dem gewöhnlichen Gesetz. In ihrer (rösse varliiren sie zwischen 4 und 10 mm Länge. Ein Bild von der mikroskopischen Beschaffenheit des Gesteins geben die Lichtdrucke auf der beigefügten Tafel. Man erkennt bei Durchmusterung eines Dünnschliffs unter dem Mikroskop zunächst, dass Biotit in allen Grössenabstufungen bis herab zu kleinen Grund- massengemengtheilen mit nur 0,005 mm breiten Basalschnitten vor- kommt, während sich die Zahl der Augiteinsprenglinge gegenüber den mit blossem Auge sichtbaren kaum erhöht. Weiter aber treten porphyrisch aus der (srundmasse hervor Olivin in charakteristischen Durchschnitten und Apatit in kleinen farblosen Prismen. Die Grund- masse selbst erscheint holokrystallinisch und setzt sich aus Biotit, Augit, Leucit und Magneteisen zusammen. B Bückiıne: [80 Die Krystalle des Biotit erweisen sich bei der mikroskopischen Untersuchung bisweilen nicht so scharf ausgebildet, als es nach dem makroskopischen Befund scheinen wollte. Vielfach sind sie randlich angeschmolzen und theilweise resorbirt, ohne dass jedoch ein dunkeler Rand, wie er bei magmatisch korrodirten Biotiten in Minetten sowie in trachytischen und andesitischen Gesteinen so häufig aufzutreten pflegt, entstanden wäre; es sind nur die Umrisse sowohl der Basal- schnitte als der Querschnitte gerundet, und von der Seite her ist die Grundmasse buchtenartig in das Innere eingedrungen, was auch in den beiden Phototypien deutlich zum Ausdruck kommt. Der Biotit ist übrigens vollkommen frisch. Seine Farbe ist braun; der optische Axenwinkel ist sehr klein. Als Einschlüsse ın den grösseren Krystallen wurden langsäulig ausgebildete Apatite und Körner von Magneteisen wahrgenommen. Die Biotitkrystalle der (srundmasse unterscheiden sich nur durch die klemeren Dimensionen von den Biotiteinsprenglingen; sie sind frei von Einschlüssen. Jedenfalls ist der Biotit eine der ältesten Ausscheidungen; in einer späteren Periode der Gesteinsverfestigung war er nicht mehr bestandsfähig und erlitt desshalb mannigfache Korrosionen. Viele der kleinen unregelmässig begrenzten Biotitlamellen in der Grund- masse lassen sich als Resorptionsrelikte grösserer Einsprenglinge ansprechen; indessen kommen neben diesen auch noch ganz scharf ausgebildete, in ihren Basalschnitten zuweilen nur 0,005 mm breite Biotitkryställchen vor, an denen man keine Spur einer Korrosion wahrnehmen kann. Von Augit lassen sich recht wohl zwei Generationen unter- scheiden. Die grösseren Einsprenglinge sind im Dünnschliff von sehr heller Färbung und besitzen einen schwachen, aber immerhin noch deutlich erkennbaren Pleochroismus zwischen lichtbräunlich (b) und lichtgrünlich (a und c). Auch ein zonarer Bau wird bei mehreren Krystallen bemerkt. Die Auslöschungsschiefe in den Schnitten par- allel (010) beträgt durchschnittlich 40° und ist bei den zonar ge- bauten Krystallen am Rande um einige Grad grösser als in dem centralen Theil. An Einschlüssen beherbergen die grösseren Augite sehr viele Apatitprismen, etwas Magneteisen, einzelne winzige Kıy- ställchen von Zirkon und vielfach Reste von Grundmasse, welche aus einem braunen oder farblosen Glas besteht, in dem Biotit- lamellen und Magneteisenkörner zur Ausscheidung gelangt sind. Die Augite sind durchweg frisch bis auf einige der grösseren Kry- stalle, welche, wie z. B. der in Fig. 1 am oberen Rande abgebil- sl] LEUCITBASALT AUS DER GEGEND VON PANGKADJENE IN SÜD-ÖELEBES. 4 dete, auf breiten quer verlaufenden Rissen und hier und da an der Peripherie farblosen Caleit aufweisen. Dieser ist nur zum kleinen Theil als ein Zersetzungsprodukt des Minerals anzusehen; seiner Hauptsache nach ist er wohl von Lösungen abgesetzt, die aus dem hangenden Nummulitenkalk in den Leucitbasalt ein- gedrungen sind. Der Augit der Grundmasse bildet kleine, bis '/i mm lange, säulenförmige, scharf ausgebildete Kryställchen und winzige, zuweilen nur 0,0025 mm dicke, stabförmige Mikrolithen. Letztere sind in grosser Zahl durch die Grundmasse verbreitet und übertreffen hier die kleinen Biotitlamellen bisweilen an Menge. In Farbe und Aus- löschungsschiefe verhalten sich die Grundmassenaugite ganz so wie die grösseren porphyrisch ausgeschiedenen Krystalle desselben Minerals. Olivin kommt nur in Einsprenglingen vor. Die Grösse seiner Krystalle varıirt zwischen '/a und 1!/s mm. Nirgends sind noch un- versehrte, frische Theile des Minerals erhalten; es ist vielmehr voll- ständig von Caleit verdrängt, der von breiten Serpentinadern durch- setzt und umsäumt wird (vgl. den grösseren Durchschnitt links unten in Fig. 2). Die charakteristische Form der Durchschnitte ist in den meisten Fällen recht scharf bewahrt geblieben; nur ab und zu lassen sich Resorptionsphänomene und Grundmasseneinbuchtungen wahrnehmen. Der Apatit erscheint in’ 0,03—0,3 mm dicken, wasserhellen, langen Prismen. Bisweilen zeigen dieselben eine pyramidale Endigung. Die Spaltbarkeit nach der Basis ist durch feine gerade Risse vielfach angedeutet, weniger gut die nach dem Prisma. Die Krystalle treten sowohl als Einschluss in den grösseren Einsprenglingen von Biotit (vgl. Fig. 1 unten links) und Augit als auch in der Grundmasse zerstreut auf. Einzelne im centralen Theil etwas getrübte Durch- schnitte enthalten, wie sich erst bei starker Vergrösserung ergiebt, zahlreiche rundliche Einschlüsse mit Libelle; deren Natur liess sich aber nicht mit Sicherheit bestimmen. Magnetit ist in Körnchen und scharf ausgebildeten Krystallen ziemlich gleichmässig durch die Grundmasse vertheilt. An einzelnen wenigen Stellen, wo zugleich schmale Biotitlamellen in grösserer Zahl sich einstellen, sind auch Ansammlungen von Eisenkies- körnchen beobachtet worden. Der Leucitist am schwierigsten zu erkennen. Nur die grösseren Krystalle von durchschnittlich 0,1 mm Durchmesser besitzen deut- 5 Bückıne: [82 liche Umrisse; sie zeigen auch eine schwache Doppelbrechung und Andeutung der bekannten Gitterstruktur. Als Einschlüsse enthalten sie einige Mikrolithen von Augit und Körnchen von Magneteisen in regelloser Lagerung. Selten werden sie von einem Kranz tangen- tial gestellter Biotitblättchen und kleiner Augitkrystalle umgeben. Die kleineren Leucitkrystalle (von 0,04 mm Dicke und darunter) wirken kaum noch auf das polarisirte Licht ein. Ihre Durchschnitte besitzen eine unregelmässig rundliche Gestalt. In der Regel sind sie sehr arm an Einschlüssen und heben sich dann als kleine helle Flecken recht gut aus dem an Augitmikrolithen und Magnetit- körnchen reichen Gewebe der Grundmasse hervor (vgl. besonders den oberen Theil der Fig. 2). Wo dies aber nicht der Fall ist, kann man das Mineral nicht mehr mit Sicherheit als solches be- stimmen und nicht von etwa vorhandenem farblosen Glase unter- scheiden. Zersetzungserscheinungen zeigt der Leueit nicht. Ob zwischen den kleinen Leuciten und den anderen Gemeng- theillen der Grundmasse noch eme lichte Glasbasis in dünnen Häutchen vorhanden ist, liess sich nicht feststellen. Jedenfalls würde dieselbe sehr zurücktreten. In den Einschlüssen von Grundmasse, welche sich in den Ausgiteinsprenglingen vorfindet, ist, wie bereits oben erwähnt wurde, farbloses und bräunliches Glas vorhanden. -Sekundärer Entstehung ist der Caleit. Er findet sich auf den Spalten und an der Peripherie einzelner grösserer Augitkrystalle und in Form von Pseudomorphösen nach Olivin; ausserdem kommt er in kleiner Menge in der Grundmasse vor und zwar in feinen Aggregaten, die sich durch ihr lebhaftes Farbenspiel zwi- schen gekreuzten Nikols verrathen. In dem stärker verwitterten, braunen Gestein überzieht Caleit die Klüfte oder erfüllt kleinere und grössere Höhlungen, die durch Auswitterung entstanden sind. Hier verdankt er sicherlich seine Entstehung dem Sickerwasser, das die dem stark zerklüfteten Nummulitenkalk entrissenen Bestand- theile in dem darunterliegenden, schwerer durchlässigen Eruptiv- gestein zum Absatz brachte. Auch der grösste Theil des Caleits in der Grundmasse ist selbst bei dem noch frisch aussehenden Ge- stein vermuthlich von aussen zugeführt; nur ein wenig Calcit mag sich auch bei der im Allgemeinen ja nicht tief gehenden Zersetzung einzelner Augitkrystalle gebildet haben. Einige Dünnschliffe lassen in der parallelen Anordnung der Biotitlamellen von mittlerer Grösse eine Fluidalstruktur hervor- treten. In der Stellung der grösseren Einsprenglinge oder der 83] LEUCITBASALT AUS DER GEGEND VON PANGKADIENE IN SÜD-ÜELEBES. 15 kleinen prismatisch entwickelten Gemengtheile der Grundmasse kommt dieselbe aber kaum zum Ausdruck; auch in den Handstücken ist von einer Fluidalstruktur nichts zu beobachten. Seiner mineralogischen Zusammensetzung nach ist das Gestein als ein Leucitbasalt zu bezeichnen, der einerseits durch die voll- ständige Abwesenheit von Nephelin und Feldspath besonders aus- gezeichnet ist und andererseits durch das auffallend starke Hervor- treten des Biotits ein aussergewöhnliches Aussehen besitzt. Ich glaube, dass diesen Eigenthümlichkeiten durch die Bezeichnung des Gesteins als Biotit-Leucitbasalt vollkommen Rechnung getragen wird und es eines besonderen, etwa von der Oertlichkeit Bangkeng Sakiang entlehnten Namens nicht weiter bedarf. Auch die chemische Zusammensetzung weist das Gestein in die (ruppe der normalen Leueitbasalte. Die Analyse, welche Herr Dr. Brunxs auf meine Veranlassung ausführte, ergab die folgenden unter I angegebenen Werthe: I: ‚ar SiO, 47.13 46.43 Al,O; 14.47 15.99 Fe,0, 13.56 15.04 CaO 9,00 27 MgO 4.16 1.74 K0 8.00 6.93 Na,0 0.81 0.51 PO; an 0.73 Glühverlust 2.94 3.20 100.07 99.84. Der hohe Gehalt an Kali liefert den Beweis, dass das Gestein sehr reich an Leucit ist. Derselbe macht in der That wohl an- nähernd den dritten Theil des Ganzen aus, während auf den Biotit und Augit zusammen ungefähr die Hälfte und der Rest auf die übrigen Gemengtheile entfällt. In seiner chemischen Zusammen- setzung hat der Leucitbasalt von Bangkeng Sakiang eine grosse Aehnlichkeit mit dem von J.W..Jupp! sowie von T. W. EnGEWORTH Davıp und W. AnDERSON? vom Byrok Mountain in Neu-Süd-Wales ! Miner. Mag., London 1887, VII S. 19. ® Records Geol. Surv. of New South Wales, Sydney 1890, Vol. I Part. III p. 153—172. Refer. im N. Jahrb. f. Min. 1892, IS. — 316 —. 74 BückınG: LEUCITBASALT AUS DER GEGEND VON PANGKADJENE. [84 beschriebenen Leucitbasalt; letzterer enthält ebenfalls mit blossem Auge sichtbaren Glimmer. Die Analyse dieses australischen Leueit- basaltes, ausgeführt von J. ©. H. MınsAyE!, ist oben unter II zum Vergleich hinzugefügt. Tafel-Erklärung. Fig. 1. 25fache Vergrösserung. Oben rechts Biotit-Einsprengling, (uerschnitt, magmatisch korrodirt, mit Grundmasseneinbuchtung. Links desgl. Unten links Biotit-Einsprengling, Basalschnitt (desshalb dunkler), korrodirt, mit Einschluss eines hellen Apatitprismas, das schräg geschnitten ist. Oben Augit-Einsprengling, mit hellem Caleit am Rande und auf den Querrissen. Von der Mitte nach unten hin, etwas links, zwei helle, annähernd basale Durchschnitte von Apatit, der obere mit theilweise scharfer Begrenzung. Rechts unten eine Olivinpseudomorphose und rechts neben dem zuletzt erwähnten unteren Apatit eine zweite, beide nicht sehr deutlich. Fig. 2. 45fache Vergrösserung. Unten links Biotit- Einsprengling, Querschnitt, an den Kanten gerundet; mit Caleit am Rande der Figur (in einer Grundmasseneinbuchtung gelegen). Rechts kleinerer dunkler (bezw. schwarzer) Basalschnitt von Biotit mit scharf sechsseitigem Umriss. Links von dem letzteren sowie über und unter demselben, ferner am Rande der Figur rechts von demselben Biotit helle Aggregate von Caleit. Links grosser Olivin-Einsprengling, umgewandelt in Serpentin und Caleit; ein kleiner Olivin links unter dem vorhererwähnten dunkelen Basal- schnitt von Biotit hebt sich weniger deutlich ab. In der Grundmasse treten hervor Biotit (dunkeler), Augit (heller), Magnetit (schwarz), sowie scharfe Durchschnitte von Apatit und helle rund- liche, nicht scharf begrenzte Durchschnitte von Leuecit. 1 S. Anm. 2 auf vor. Seite. 106 MIR Berichte der Naturf. Gesellschaft zu Freibure i. B. Fig. 1. Bücking, H., Leueit-Basalt in Süd-Celebes, 85] 1 Ueber einen Apparat zur Gasanalyse, speciell zur Bestimmung der im Wasser gelösten Gase. Von Otto Berg. (Aus dem tierphysiologischen Institut der Landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin.) Im Verlaufe von Versuchen über die Einwirkung statischer Elektricität auf die im Wasser gelösten Gase! stellte sich das Be- dürfnis nach einem geeigneten Apparat zur Bestimmung derselben heraus. Es handelte sich hauptsächlich um die Bestimmung des gelösten Sauerstofis und Stickstoffs. Eine hinreichende Genauig- keit würde die Anwendung der Quecksilberluftpumpe in der Form der Blutgaspumpe liefern, wie sie zu physiologischen Zwecken viel- fach verwandt wird. Jedoch war das Arbeiten mit der Luftpumpe bei der grossen Anzahl der anzustellenden Versuche zu umständ- lich und zeitraubend, sodass zunächst ein kleiner, handlicher Apparat” benutzt wurde, dessen Genauigkeit aber schliesslich nicht mehr ausreichte. Der neu zu konstruierende Apparat sollte die Genauigkeit der Quecksilberluftpumpe mit grösserer Handlichkeit vereinen. Da er vielleicht für manche Zwecke brauchbar ist, und ! Orro Ber@ und Kart Knaute: Ueber den Einfluss der Elektrieität auf den Sauerstoffgehalt unserer Gewässer (Naturw. Rundschau XIII, S. 661 u. 675, 1898). ” Der sogen. „Tenax* des Herrn Müller in Brandenburg (Zeitschr. f. angew. Chem. 1899, Maiheft). Ueber einen anderen, dem hier beschriebenen näher kommenden Apparat vergl. PETTErsen Chem. Ber. 1889, XXII, I 8. 1434. 2 N Bere: [86 andererseits die erwähnten Versuche auf unbestimmte Zeit unter- brochen werden mussten, so soll er im folgenden beschrieben werden. a, @ N ) ZH CH ml I H3\ © m RKs N COM | Y K2 10m m, i E 2 M; | E M 20 cm I. O | 5 13 H | K E N BR M alsstab 30cm. Si p a v- ' 0700 P2 a7 DREIER _ Fig. 1. Als Absperrflüssigkeit für die aufzufangenden Gase musste, um Fehler infolge von Absorption auszuschliessen, Quecksilber verwendet werden. Die Funktion des Apparates beruht im wesentlichen auf der Verdrängung der Luft durch die Dämpfe siedenden Wassers. 87] UEBER EINEN APPARAT ZUR GASANALYSE. a Der ganze Apparat besteht aus drei getrennten Teilen. Teil I und II (s. Fig. 1) sind durch den Schliff S; verbunden, Teil II und III durch den Schliff S,. Teil I nimmt das Wasser auf, dessen Gase durch .Auskochen in Teil III befördert werden, um dort der Analyse zu unterliegen. Teil II hat die Funktion, die minimalen in I verbleibenden Gasreste — nach Art der GEISSLER- schen Quecksilberluftpumpe — nach III hinüberzubefördern. Um den Apparat in Thätigkeit zu versetzen, verfahren wir folgendermassen. Wir lösen zunächst den Schliff S; und entfernen den Teil I ganz. Der Dreiweghahn H, verbindet in der Stellung, welche die Figur 1 andeutet, die Teile I, II, III mit einander; nach Entfernung von I kommunizieren also II und III mit der äusseren Luft. Wir drehen nun den Dreiweghahn um 180°, sodass nunmehr II und III nur noch mit einander kommunizieren. So- dann senken wir das Gefäss P,, das — in der (Fig. 1) angedeuteten Weise — durch einen starkwandigen Schlauch mit II in Verbin- dung steht, etwa bis zur Höhe des Luftfanges ZL, öffnen sämtliche Hähne H,, H,, H,, H, und giessen P, durch seinen Hals hindurch voll Quecksilber. Das Quecksilber steigt durch E hinauf und tritt durch den Hahn H,;, den wir in demselben Moment schliessen. Wir heben jetzt langsam P,. Das Quecksilber steigt nun durch ll in die Höhe: erfüllt die Kugel P,, die Hahnbohrung von HM, und tritt, den Schliff 5, passierend, in den Teil III ein. Hier teilt es sich dicht unterhalb m; in zwei Teile: der eine fällt nach der Kugel X, hinunter, füllt diese und steigt durch das Rohr M auf- wärts; der andere nimmt den Weg durch die Kugeln zwischen m;, Ma, Mg, Myj. Die Hähne H, und H, werden zu gleicher Zeit er- reicht; wir lassen etwas Quecksilber durch 4, hindurchtreten und schliessen dann, während wir auf der rechten Seite noch die Luft aus der Kugel X, durch A, hinausdrängen und dann H, ebenfalls schliessen. Senken wir jetzt P,, so bleibt schliesslich unterhalb H, und H; ein luftleerer Raum, jedoch wird das Quecksilber aus M in A, zurückgehalten, wie tief auch der Quecksilberspiegel sonst sinkt. Der Apparat kann nun dazu dienen, die Menge irgend eines Gases zu bestimmen, und zwar durch gleichzeitige Druck-, Volumen- und Temperaturmessung. Es bedeuten nämlich n,, ms, m;, my Striche, die auf dem Glasrohr derart angebracht sind, dass der Rauminhalt des Apparatteiles zwischen /, und bez. m,, m», ms, my bez. 3, 20, 40, 60 cem beträgt. Auf M ist eine Millimeterteilung angebracht. 4 BEr@: [88 Wir lassen das zu messende Gas durch H, in das Kugel- rohr treten und bewirken durch Heben und Senken von Ps, dass das (uecksilber genau an einer der Marken m einsteht. Da- mit kennen wir das Volumen des Gases. Der. Druck ergiebt sich aus dem Stand des Quecksilbers im Manometer M, nachdem durch einen Versuch festgestellt ist, wo der @uecksilberspiegel im Mano- meterrohr M einsteht, wenn sich im Kugelrohr kein Gas befindet und das Quecksilber auf der betreffenden Marke m zur Einstellung gebracht ist. Um die Temperatur messen zu können, ist das Kugelrohr samt dem Manometer in einem cylindrischen Glasgefäss angebracht, das mit Wasser gefüllt wird. Das Gefäss hat bei b eine Bohrung, in welche das nach unten gehende Glasrohr durch einen Gummi- stopfen wasserdicht eingepasst ist. Das Glasgefäss steht fest auf einem soliden, mit Stellschrauben versehenen Holzschemel. An dessen Füssen sind durch Klammern, die in der Figur nicht gezeichnet sind, die Teile II und I be- festigt. Die Schliffe 5, und Ss sind natürlich gut durch Federn gesichert. Die Kugel X, am Manometer M hat den Zweck, die Fehler zu verkleinern, die durch etwaige kleine an den Glaswänden in M hängen gebliebene Luftbläschen entstehen könnten. Die Kugel A; und der Doppelabschluss durch die Hähne H, und H; dienen zur Verhütung des gleichen Fehlers: wenn A, nahezu luft- leer ist, können minimale Luftmengen aus X, noch mit grosser Sicherheit nach A, befördert werden. (Heben und Senken von P, bei entsprechender Stellung des Hahnes H,.) Da bei der Be- stimmung der Wassergase im Kugelrohr meist die Spannung des gesättigten Wasserdampfes herrscht (s. u.), so wird über den Queck- silberspiegel im Manometerrohr eine kleine Quantität luftfreien Wassers gebracht. Wir nehmen nun an, der Teil III sei durch die zu Anfang geschilderte Operation luftleer gemacht und P, soweit gesenkt, dass der Quecksilberspiegel in II unterhalb des Dreiweghahnes A, steht. Wir füllen nun in den abgenommenen Teil I, nachdem dessen Hahn H, geschlossen ist, von der oftenen Seite her (Schliftstück S,) eine kleine (Quantität Wasser. Das Wasser wird ms Kochen gebracht, und dies, während durch den Rückflusskühler R Kühl- wasser fliesst, so lange fortgesetzt, bis mutmasslich alle Luft aus der Kugel A verdrängt ist. Während des Siedens wird die Kapillare e bis oben durch Saugen mit dem ausgekochten Wasser 89] ÜEBER EINEN APPARAT ZUR GASANALYSE. 5 gefüllt, 4, geschlossen und nunmehr Teil I durch den Schliff 8; mit Il verbunden, endlich der Dreiweghahn H, so umgestellt, dass I mit III in Verbindung tritt. Durch das dabei auftretende heftige Aufkochen wird fast alle noch bei S, befindliche Luft in das Vakuum von III befördert. Die jetzt noch in I befindliche Luft wird durch Pumpen unter Benutzung der Hähne 4, und H, allmählich entfernt. Die Vorsicht, den Luftfang E anzubringen, ist unbedingt erforderlich, wenn nicht durch den Schlauch Luft in den Apparat eintreten soll. Befindet sich jetzt in der Kugel A nur wenig Wasser, so ist der Apparat zum Arbeiten bereit. Man beginnt damit, dass man Teil I durch entsprechende Drehung von AH, gegen II und Ill ab- sperrt. Um das zu untersuchende Wasser in den etwa 200 ccm haltenden Kolben A einfüllen zu können, ist in dessen Hals die Kapillare ce eingeschmolzen, die bis an -den Boden des Kolbens reicht und dort ausgezogen und umgebogen ist. Das kapillare Stück über dem Hahn wird nun von aussen mit Wasser gefüllt und durch einen engen Schlauch mit einer Pipette kurz verbunden, die das zu untersuchende Wasser enthält. Durch Oeffnen des Hahnes H, lässt man das Wasser in abgemessener Quantität in den Kolben A eintreten (das Miteindringen von Luftblasen wird sorgfältig ver- mieden). Beim Eintreten ins Vakuum giebt das Wasser schon seine meisten Gase ab. Nun wird, während der Rückflusskühler in Thätigkeit ist, das Wasser im Kolben A gekocht. Dabei ist der Hahn H, durch ein (mittelst Schliff 5; aufgesetztes) Kühlgefäss vor zu starker Erwärmung geschützt. Nach etwa zwanzig Minuten lang fortgesetztem Kochen verbindet man kurze Zeit I und III durch den Dreiweghahn; nachdem in der Kugel P, das Vakuum! hergestellt ist, verbindet man I mit II und überzeugt sich, dass keine merklichen Mengen Luft mehr aus dem Wasser frei werden. Was noch frei wird, wird durch Pumpen nach III geschaft. Bei sorgfältigem Arbeiten lässt sich erreichen, dass nur eine ganz geringe Menge Wasser mit der Luft aus dem Kochkolben hinüberkommt, bez. dass ein grösserer Ueberschuss durch den Drei- weghahn in den Kochkolben zurückgedrängt wird. Der Dreiweg- hahn hat, um den Rückfluss des Wassers zu erleichtern, eine 5 mm weite Bohrung und dementsprechend einen Durchmesser von 5 bis 6 cm. Nachdem die in Ill aufgefangenen Gase gemessen und ana- ! Die Hahnbohrung von A, ist natürlich vorher mit Quecksilber zu füllen. Bei richtigem Operieren gelangt davon nichts in den Auskochkolben A. Berichte XI. Heft 2. 7 G BER&E: |90 lysiert sind (vergl. unten), wird der Rest durch den Hahn 4, aus- getrieben. Um den Apparat nun für den nächsten Versuch wieder in Bereitschaft zu setzen, ist noch das Wasser aus dem Kochkolben A zu entfernen. Zu dem Zweck setzt man an a, mittelst eines engen Gummischlauchs eine Kugel an, in der man ein Toricellisches Vakuum hergestellt hat!. Bringt man dann das Wasser im Kolben A bei abgesperrter Kühlung zum Sieden und öffnet den Hahn H,, so treibt die Spannung des Dampfes über dem siedenden Wasser dasselbe durch die Kapillare c hinaus. — Der Apparat ist also nach jeder Auskochung ohne weitere Vorbereitung wieder für einen neuen Ver- such bereit. Fig. 2. Wir wenden uns nun zur Besprechung der Gasanalyse. Es seien in dem zu untersuchenden Wasser die Bestandteile der Luft: Stickstoff, Sauerstoff, Kohlensäure vorhanden. Die Gesamtmenge der ausgekochten Luft wird in der oben angegebenen Weise be- stimmt, und sodann die Kohlensäure und hinterher der Sauerstoff durch Absorption entfernt. Zu dem Zwecke ist in dem Hahn A; in bekannter Weise eine schräge kapillare Doppelbohrung angebracht. In der durch die Figur skizzierten Stellung ist das Kapillarrohr «as mit dem Kugelrohr verbunden; nach einer Drehung des Hahnes um 180° wäre a, mit dem Kugelrohr in Verbindung. Diesen Ka- pillaren wird durch Gummischlauch je eine kleine Hempel’sche Absorptionspipette für Kohlensäure und Sauerstoff angefügt. Die Form der Pipetten und die Art der Verbindung ist in Figur 2 angedeutet. Der Raum 1 der Pipetten ist bei der Kohlensäure- ' Auch Verbindung mit einer Wasserluftpumpe thut denselben Dienst. 91] UEBER EINEN APPARAT ZUR GASANALYSE. U pipette mit Glasröhrchen beschickt, bei der Sauerstofipipette mit Röllchen aus feinem Kupferdrahtnetz. Raum 1 und 2 fassen je etwa 5 ccm Flüssigkeit. Die Füllung ist bei der einen Pipette Kalılauge, bei der anderen ammoniakalische Kupferlösung!. Nach Messung der gesamten Luftmenge treibt man die Luft in die Kalilaugepipette, lässt die Kohlensäure absorbieren und misst im Apparat die restierende Luft. Sodann verfährt man analog zur Sauerstoffbestimmung. Die Absorption erfolgt in beiden Pipetten in einigen Minuten. Es bleiben noch einige Fehlerquellen bei der Analyse zu be- sprechen. Da beim Auskochen ein wenig Wasser mit in das Kugel- rohr kommt, so ist bei Einstellung des Quecksilbers auf eine Marke das Volumen des abgesperrten Gases nicht genau das durch die betreffende Marke bezeichnete, sondern es ist um das Volumen des über dem Quecksilber stehenden Wassers kleiner. Um dies Volumen zu bestimmen, kann man zwei Einstellungen machen: man stellt erst den Quecksilbermeniskus auf die betrefiende Marke ein, dann den Wassermeniskus und liest beide Male den Stand im Manometer ab. Kennt man den Querschnitt der Röhre bei der betreffenden Marke, so lässt sich dann die Höhe und das Volumen der Wasser- schicht über dem Quecksilber leicht berechnen, wozu man eine Hilfstabelle anlegen kann. Noch einfacher kann man in der Nähe der Marken eine ÜÖentimeterteilung anbringen lassen und die Höhe der Wasserschicht direkt ablesen. Meist liefert auch eine Schätzung nur Fehler, die unter !/2°/o bleiben’. Die Wasserschicht stört übrigens nur bei Bestimmung der Gesamtmenge der Gase. Nach der Kohlensäureabsorption lässt man das Wasser in der Absorptions- pipette. — Hat man dem auszukochenden Wasser Säure zugesetzt, um auch die gebundene Kohlensäure zu bestimmen, so können kleine Unterschiede der Wasserdampftension zwischen Kugelrohr und Manometer auftreten. Das gleiche gilt, wenn der an den Wänden des Kugelrohres hängende Wasserrest nach der Kohlensäure- absorption Alkali, nach der Sauerstoffabsorption Ammoniak enthält. Davon herrührende Fehler lassen sich dadurch vermeiden, dass man zu Anfang und jedesmal, nachdem das gerade gemessene Gas in die betreffende Absorptionspipette übergetrieben ist, die Nulllage des Manometers feststellt (d. h. die Dampftension in Rechnung ! s. HrmpEL, Gasanalystische Methoden. ” Die Wasserschicht ist natürlich auch bei der Druckbestimmung zu be- rücksichtigen. 7* g Bere: [92 zieht, die ausser dem zu messenden Gasdrucke noch auf die Queck- silberfläche wirkt)!. Zu Beginn der Analyse ist darauf zu achten, dass in den Kapillaren « und in den Kapillaren der Pipetten keine Luftbläschen sind. Ebenso, dass beim Einlassen der Gase aus der Pipette ins Kugelrohr die Flüssigkeit bis in die Bohrung des Hahnes AH, vordringt. Die Gase des zu untersuchenden Wassers können vollkommen nach III transportiert werden. Die (wohl fast immer unbeträchtlichen) Spuren Luft, welche in der Einlasskapillare ce zurückbleiben, kann man noch entfernen, indem man ein paar Mal mit einem Bunsen- brenner über den äusseren Teil der Kapillare fährt. Es wird also zum Schluss die Genauigkeit der Bestimmungen von der Genauig- keit der Druck- und Volumenmessung abhängen. Stellt man den (uecksilberspiegel auf die Marken ms», m;, m;, so ist, wie leicht ersichtlich, die Volumenbestimmung genauer als die Druckbestim- mung. Die Volumina des Kugelrohres bis zu den einzelnen Marken sind mit Quecksilber genau zu kalibrieren. Es sind also nur vier Kalibrierungen erforderlich. Die Fehlergrenze haftet sonach an der Druckbestimmung. Da man den Stand des Queck- silbers im Manometer mit Sicherheit auf + 0,1 mm genau ablesen kann, so kann ein Druck von 2 cm auf 1°/o genau bestimmt werden. Das Volumen des Kugelrohres bis ms beträgt 20 cem. Eine Gasmenge von 20 ccm unter 2 cm Druck kann also noch auf 1°/o genau gemessen werden. Das entspricht einer Gasmenge von etwas mehr als !/ ccm bei Atmosphärendruck. Der Apparat fasst, bis m; gefüllt, 60 ccm Gas unter einem Druck von 20 cm Quecksilber. Das entspricht einer Gasmenge von etwa 16 ccm unter Atmosphärendruck. Die Dimensionen des Apparates sind so gewählt, dass man von 16 ccm abwärts jede Gasmenge messen kann. Es lassen sich aber auch noch grössere Mengen messen, wenn man die Hähne 4, und Hs öftnet und das Manometer M als offenen Druckmesser benutzt. Das macht freilich noch die ! Bei nicht sehr vorsichtigem Arbeiten fanden wir beispielsweise folgende Schwankungen des Nullpunktes im Manometer: 1. Nulllage bei Benetzung des Kugelrohres mit sehr verdünnter Säure 910 Tem: 2. Bei Benetzung mit Lauge aus. der Pipette ... .,...... |. „ 2». 28992em: 3. Beim Hinzutreten von ammoniakalischer Kupferlösung, die unter Einfluss der Lauge Ammoniak freigiebt . . . . Rd 9,93 cm. 4. Nach Spülen mit verdünnter Säure und neuer Benetakna ducch Kupferlösung-* m) E21 RW et an ee 93] UEBER EINEN APPARAT ZUR GASANALYSE. 9 Berücksichtigung des Barometerstandes notwendig. — In 100 ccm Leitungswasser sind etwa 2 ccm Luft gelöst. Die Fehler bei der Analyse dieser Luft brauchen also 1°/o nicht zu erreichen. Zum Schluss seien noch die Zahlen von einigen mit dem Apparat vorgenommenen Gasbestimmungen mitgeteilt. 1. Bei einer Temperatur von 16,75° ©. und einem Luftdruck (Barometerstand minus Wasserdampftension) von 741,6 mm wurde eine Quantität Wasser durch eine Stunde lang fortgesetztes Schütteln mit Zimmerluft gesättigt, und dann 100 ccm des Wassers im Apparat ausgekocht. Für die betreffende Temperatur sind die Absorptionskoöffizienten von 10, :0,0338 N, :0,01732 003 : 0,9577, demnach sınd ın 100 cem Wasser theoretisch absorbiert: 3,38 - 741,6 - 20,9 De nn) N um 760 | 1,732 . 741,6 - 79,0 La No — a Tr 1,335 ccm 93,77 - 741,6 - 0,1 aut Boss, 9 22.0,093 cem, z 760 indem 20,9% O5; 79,0 Ns; 0,1°/o CO, in der Luft vorausgesetzt werden. — Die Auskochung ergab statt der theoretischen Werte: Os = 7 IIcem NG 38cm 0.05, 0.2067eem: 2. Derselbe Versuch mit Luft aus dem Freien bei 18,3° und 750,5 mm: berechnet: gefunden: O5: 0,676 0,629 es 1,337 CO; 0,037 0,050. ı Es sind für O und N die wohl zuverlässigsten Zahlen von BoHur und Bock benutzt, vergl. LAnpoLT-BöRNSTEIN, 2, Aufl. S. 257; für CO, s. 8. 259, 10 BERG: ÜEBER EINEN APPARAT ZUR GASANALYSE. [94 Die Unterschiede erklären sich bei O0, und N, aus der Un- sicherheit der Berechnung. Der zu grosse Wert der gefundenen Kohlensäure erklärt sich aus der Thatsache, dass das destillierte Wasser als schwach alkalische Glaslösung (’O, gebunden enthielt, das wegen des Zusatzes von Säure beim Auskochen ausgetrieben wurde. 3. Um auch die Brauchbarkeit des Apparates bei höheren COs-Gehalten zu prüfen, wurden 20 ccm Sodalösung auf 1 1 auf- gefüllt, mit kohlensäurefreier Luft gesättigt und davon 100 cem aus- gekocht. Der Gehalt von 20 ccm der Sodalösung an (’O, wurde durch Titrieren mit Normalsäure zu 49,08 cem bestimmt. In den 100 ccm fanden sich durch Titrieren 4,91 ccm, durch Auskochen und Analysieren 4,59 ccm. Beiträge zur Geologie des Bockswieser Ganggebietes (Oberharz). Von Ernst Maier. Mit 3 Tafeln und 2 Figuren im Text. Die vorliegende Arbeit wird sich hauptsächlich mit den in der fiskalischen Bleierzgrube „Herzog August-Johann Friedrich“ zu Bockswiese erlangten geologischen Aufschlüssen beschäftigen; in dieser Grube sind die devonischen und kulmischen Schichtenglieder des Oberharzes vorzüglich aufgeschlossen, und zwar so, dass die Ver- werfungsnatur der Harzer Gangspalten deutlich in die Erscheinung tritt. Die Arbeit soll sich jedoch nicht auf die Besprechung meiner Aufnahmen in dieser Grube, die einige neue Thatsachen ergeben werden, beschränken, sondern soll zunächst die Entstehung der Erz- gänge im allgemeinen besprechen, sodann die Lagerungsverhältnisse des Bockswieser Ganggebietes beschreiben und eine eingehendere Charakteristik der dortigen Gänge geben. Obwohl dieser Teil der Arbeit aus einem so viel behandelten Gebiete wie dem Harze im wesentlichen nur eine Wiederholung längst bekannter Thatsachen sein kann, glaubt Verfasser dennoch diese Beschreibung geben zu sollen, weil die wissenschaftliche Er- forschung der Erzgänge erst in verhältnismässig so junger Zeit an Stelle der praktisch bergmännischen Thätigkeit eingesetzt hat, dass die wesentlichsten Fragen über die Natur und Entstehung der Erz- gänge noch ihrer Lösung harren. 2 MAIER: [96 Infolgedessen dürfte auch die klemste Einzelbeschreibung den Wert haben, wenigstens das Material zur Beurteilung dieser Fragen zu vermehren, und so auf einen künftigen Fortschritt der Wissen- schaft hoffen zu lassen. Der Oberharz. Der nordwestliche Oberharz, der durch die Bergkette des Ackers und Bruchberges und den Brocken von dem östlichen Teile des Ge- birges orographisch scharf geschieden ist, bildet den nordwestlichen Teil der Harzer Sattelachse und lässt infolgedessen die Wirkungen der beiden sich im Harze durchkreuzenden Drucksysteme, des hereynischen und des niederländischen, deutlich erkennen. Derselbe baut sich aus devonischen und kulmischen Schichtengliedern auf, die zu annähernd parallel streichenden Sätteln und Mulden zusammen- geschoben sind. Die vorherrschende Streichrichtung im Oberharz ver- läuft von Südwesten nach Nordosten, während nur im Nordosten des (sebietes das Streichen eine abfällige Abweichung nach Norden zeigt. Die Falten sind infolge der intensiven Zusammenschiebung vielfach überkippt, und fallen im Klausthaler Gebiet steil südöstlich ein, während ihr Einfallen in der Gegend von Lautenthal flacher, teils südöstlich, teils nordwestlich gerichtet ist. Zwischen Oker und Innerste sind vom nördlichen Bruchrande des Harzes ab nur devo- nische Schichten am Aufbau dieses Gebietes beteiligt!, die jedoch in der Gegend von Bockswiese durch eine deutliche Verwerfung abgeschnitten sind, so dass der ganze übrige Teil des Oberharzes mit Ausnahme des Iberges und des Lerbacher Devonzuges nur aus kulmischen Schichtengliedern zusammengesetzt ist. Faltenverwerfungen, Ruscheln. Als weitere Folgeerscheinungen des gebirgsbildenden Druckes, der zur Ueberkippung der Sättel geführt hat, sind die Harzer Falten- verwerfungen anzuführen, deren Hauptvertreter die „Ruscheln* seit lange durch den Bergbau bekannt sind, deren Natur als Falten- verwerfungen man jedoch erst in jüngster Zeit nach den Anregungen Lossen’s erkannt hat. In dem behandelten Gebiete tritt eine der mächtigsten dieser Ruscheln, die „Charlotter taube Ruschel“! auf, die von der Zechsteingrenze bei Grund bis an den Bockswiese- Festenburger Gangzug in einer Erstreckung von 12 km bekannt ist. ! Vgl. Gangkarte des Bockswieser Grubenzuges, Tafel I, 97] BEITRÄGE ZUR GEOLOGIE DES BOCKSWIESER (FANGGEBIETES. 3 Diese Oberharzer Faltenverwerfungen sind streichende, aus über- kippten Falten hervorgegangene Ueberschiebungen, durch deren Wiederholung die bekannte Schuppenstruktur entsteht. Sie sind erfüllt mit verruschelten, zerquetschten und stark gefältelten Ge- steinen, „G@angthonschiefer*, und sind mit wenigen Ausnahmen voll- ständig erzfrei; sie sind älter als die Erzgänge, die an ihnen aus- lenken oder sie selbst wiederum verwerfen. Nachdem man nun diese Ruscheln in ihrer Natur als typische Faltenverwerfungen er- kannt hatte, ist es gelungen, eine grössere Zahl solcher neu fest- zustellen, denen nunmehr eine grundlegende „Bedeutung für die Tektonik des Oberharzes zukommt. Ihre Entstehung fällt zweifellos in die jungkarbonische Faltungsperiode des Harzes. Spaltenverwerfungen, Erzgänge. Von ungleich grösserer Bedeutung für die Technik wie auch für die Wissenschaft ist ein zweites System von Störungslinien, die Harzer Spaltenverwerfungen, die in ihrer Ausbildung als Erzgänge zu einem aus dem 13. Jahrhundert stammenden Bergbau und zu wichtigen Anregungen für die Entwicklung der Geologie Veranlassung gegeben haben. Aber trotz dieser langen Geschichte unserer Kenntnis jener Erzgänge, ist es noch nicht gelungen, für alle an ihre Entstehung anknüpfenden Fragen befriedigende Lösungen zu finden. Unzweifelhaft und schon seit langer Zeit bekannt ist die Verwerfungsnatur der Harzer Erzgänge, aber während noch VON GRODDECK nur eine verhältnismässig geringe Zahl solcher Ver- werfungsspalten annahm, die sich als Erzgänge zeigten, ist es in letzter Zeit gelungen, festzustellen, dass noch eine grosse Reihe dieser Verwerfungsspalten vorhanden ist, die aber unserer Kenntnis bisher entgangen waren, da sie nicht mit Erzen erfüllt sind. Ihnen verdanken die Harzer Schichten ihr treppenartiges, stufenweises Absteigen gegen Süden, indem entsprechend der Fallrichtung der Spalten die südlichen, hangenden Partien an jeder Spalte ab- gerutscht sind. Auch in betreff der Altersbestimmung dieser Spaltenverwerfungen hat man in den letzten Jahren bedeutende Erfolge erzielt. LossEn sah in ihnen Zerreissungen, die bei der Umfaltung der in der erz- gebirgischen Richtung zusammengeschobenen Schichten in die hercy- nische Richtung erfolgten, deren Entstehung demnach in die ober- karbonische Zeit fallen und mit dieser im wesentlichen beendigt sein sollte. Hingegen hatte von GRODDECK schon im Jahre 4 MAIER: |98 1866! ausgesprochen, dass die Spaltenbildung ein durch ungeheuer lange Zeitperioden fortdauernder, ganz allmählich wirkender Prozess sei, der anhub mit der Bildung des Harzes als Gebirge selbst, und bis in die Gegenwart fortdauerte. Während wir uns heute jedenfalls mehr der Auffassung VON GRODDECK’s als der Lossen’s nähern, ist des ersteren Anschauung, dass die Gangspalten nur im Devon und Kulm aufsetzen und nicht in den Zechstein des Harzrandes hinein- reichen, durch die neueren Untersuchungen von VON KOENEN? und KLockmanN’ berichtigt worden, nach welchen ein Teil der fest- gestellten Störungslinien des Harzes bis in miocäne Schichten der umgebenden Sedimente fortsetzt. Mit dieser Erkenntnis bleibt aber immerhin noch die Frage offen, ob die Gangspaltenbildung erst in jungtertiärer Zeit begonnen hat, oder ob dieser Beginn im das Karbon zu legen ist, und nur später abermalige bedeutende Be- wegungen des Nebengesteins stattgefunden haben. KLOCKMARN ist entschieden letzterer Ansicht und auch von KOENEN stellt an- scheinend in der angeführten Arbeit 1893 beide Annahmen als gleich- berechtigt auf, scheint sich jedoch nach einem Referate* aus dem Jahre 1895 über eine Veröffentlichung von VAN WERVERE° für die jungtertiäre Entstehung entschieden zu haben. Letzterer vertritt in seiner Parallelisierung der Entstehungsgeschichte des Harzes und der Vogesen die Ansicht, dass die Heraushebung des Harzes als Gebirge, das Aufreissen der Gangspalten und der grosse Abbruch am Nordostrand erst in tertiärer Zeit erfolgt sind. Somit muss die bisherige Ansicht, dass der Harz von der jüngeren Trias bis zur Kreide eine Insel gebildet habe, aufgegeben werden, um so mehr als schon von KOENEN auf das vollständige Fehlen von Harzgeröllen in den Schichten vom Buntsandstein bis zum Mitteltertiär hingewiesen hat. Auch andere Gangsysteme wie die des Schwarzwaldes stammen 1 A. VON GRODDECK, Ueber die Erzgänge des nordwestlichen Oberharzes. Zeitschr. d. d. geol. Gesellsch. 1866. ® A. von KoEnEn, Ueber die Dislokationen westlich und südwestlich vom Harz und über deren Zusammenhang mit denen des Harzes. Jahrb. d. kg]. preuss. geol. Landesanstalt für 1893. 3 F. KLockMAnn, Beiträge zur Erzlagerstättenkunde des Harzes. Zeitschr. für praktische Geologie. Jahrg. 1893. ' Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Paläontologie 1895, 11. Referat, S. 48. 5 L. van WERVERE, Vergleich der tektonischen Verhältnisse der Vogesen mit denen des Harzes. Mitteilungen d. geol. Landesanstalt von Elsass-Lothringen IV (1898). 99] BEITRÄGE ZUR (EOLOGIE DES BOCKSWIESER GANGGEBIETES. 5 aus derselben Zeit, so dass sich eine vollständige Uebereinstimmung der tertiären Südost-Nordwest-Faltung unserer Gebirge ergiebt, während die niederländische Faltung der Harzer paläozoischen Schichten mit den Faltenverwerfungen selbstverständlich als jung- karbonisch bestehen bleibt. Diese zeitliche Uebereinstimmung der Entstehung der Gangspalten verschiedener Gebirge wird auch ge- statten, aus Analogien anderer Ganggebiete Schlüsse zu ziehen auf die Art der Ausfüllung der Harzer Spalten, die jedoch erst späterhin besprochen werden können. Ausfüllung der Gangspalten. Was nun die Ausfüllung der auf diese Weise gebildeten Spalten mit Erzen und Gangmineralien betrifitt, so kann es keinem Zweifel unterliegen, dass dieselbe durch wässrige Lösungen aus der Teufe erfolgt ist, und dass der Ursprung der zum Absatz gelangten Mine- ralien in den Eruptivgesteinen des Harzes zu suchen ist. LossEN bringt den verschiedenen Erz- und Mineralgehalt der einzelnen Gangreviere allein in Beziehung zu den beiden Granitmassen des Brocken und des Rammberg, und erklärt die Differentiation der Ausfüllung aus der grösseren oder geringeren Entfernung der Gang- spalten vom Granit, die zum Teil bedingt wäre durch die Lage der Spalten im hangenden oder liegenden Teile der Granitmassive. Nach- dem man heute jedoch nicht mehr genötigt ist, die Ausfüllung der Spalten auf das Oberkarbon und die nächstnachfolgende Zeit zu begrenzen, liegt die von KLOCKMANN vertretene Ansicht bedeutend näher, dass gerade die verschiedenen Eruptivgesteine die Verschieden- heit der Gangausfüllung bedingen. KLOCKMANN weist hierbei neben dem Granit hauptsächlich den jüngeren Quarzporphyren eine wesent- liche Rolle zu in dem Sinne, dass diesen die Oxyde, Roteisenstein und Schwerspat entstammen, während der Ursprung des Bleiglanzes, der übrigen Sulfide wie der antimonhaltigen Mineralien im Granit zu suchen wäre. Die einzelnen Gangformationen sind jedoch nicht immer räumlich getrennt, sondern es hat sich an vielen Orten infolge der langandauernden Mineralzufuhr aus beiden Systemen ein Misch- typus gebildet, um so mehr als immer wieder neu aufreissende Spalten Veranlassung zu weiteren Gangbildungen gaben. KLOCKMANN unter- scheidet im Anschluss an von GRODDECK eine nordöstliche Kalk- spatformation der Oberharzer Gänge und eine südwestliche Schwer- spatkombination, welch letztere näher an den Quarzporphyren ge- legen einen Beweis für seine Ansichten über den Ursprung der 6 MAIER: 1100 Gangmineralien bilden würde. voN GRODDECK! hatte eine nord- östliche Kalkspatkombination mit Quarz, Spateisen und Kalkspat unterschieden von einer südwestlichen Schwerspatformation mit (Juarz, Spateisen und Schwerspat, indem er dem Spateisensteine eine ähnliche Rolle wie dem Quarze zuwies, die sich beide zu allen Zeiten der Gangausfüllung gebildet haben sollen. Nach der That- sache, dass in den Bockswieser Gängen, die zur Kalkspatformation gehören würden, nicht nur Schwerspat, sondern auch Spateisen vollständig fehlt, erscheint es jedoch meines Erachtens geboten, auf eine etwas früher? von VON GRODDECK aufgestellte Einteilung zurück- zugreifen, nach der er unterschied eine nördliche Gangformation mit Quarz und Kalkspat, sowie eine südliche mit Quarz, Schwer- spat und Spateisen als Gangarten. Durch dieses wohl gebotene Zurückgreifen auf die ältere Einteilung würde die KLOCKMANN’sche Auffassung noch weiter bestätigt, da derselbe geneigt ist, den Eisen- spat der porphyrischen Gangformation zuzurechnen, und ihn nicht, wie VON GRODDECK, als dem Quarz gleichwertig anzusehen. Wenn so die allgemeinen Fragen nach Alter und Entstehung der Harzer Erzgänge wohl als gelöst betrachtet werden dürfen, so harren noch ungleich schwierigere ihrer Bearbeitung, nämlich alle diejenigen, die sich auf die Art der Zufuhr der Erze und Gang- mineralien aus den massigen Gesteinen und die Art ihrer Aus- scheidung in den Gangspalten beziehen. Die neuere Forschung ist hauptsächlich in der Richtung thätig, die Ausscheidung der Erze und Gangmaterialien aus den massigen Gesteinen als „magmatische Ausscheidung“ zu erklären, eine Ansicht, deren Berechtigung für den Harz noch zu besprechen sein wird. Nach diesen Theorien haben die massigen Gesteine, trotz ihres relativ geringen Gehaltes an Metallen, während ihrer Erstarrung eine Konzentration derselben eintreten lassen, die zur Erklärung der grossen Erzmassen der Erz- reviere vollständig ausreichen würde. VoGr? hat neuerdings durch Vergleichung des Durchschnittsgehaltes der festen Erdrinde an Metallen und des Gehaltes der Erzlagerstätten Berechnungen dar- ' Zeitschr. d. d. geol. Gesellsch. 1866. ? A. VON GRODDECK, Ueber Zusammenvorkommen der wichtigsten Mineralien in den Oberharzer Gängen westlich vom Bruchberg. Berg- und Hüttenmännische Zeitung 1866. ® F. H. L. Voct, Ueber die relative Verbreitung der Elemente, besonders der Schwermetalle, und über die Konzentration des ursprünglich fein verteilten Metallgehaltes zu Erzlagerstätten. Zeitschr. für praktische Geologie 1898, 101] BEITRÄGE ZUR GEOLOGIE DES BOCKSWIESER (GANGGEBIETES. 7 über angestellt, wie bedeutende Massen der Erdrinde sich in Be- wegung gesetzt haben müssen, um die nötigen (Juantitäten der Me- talle für die Lagerstätten liefern zu können. Er kommt zu dem Re- sultate, dass sehr beträchtliche Partien der Erdkruste mit in Anspruch genommen worden seien (einige tausend Kubikkilometer, bis zehn- tausend, ja selbst hunderttausend), und somit die Bildung der grossen Erzfelder auf geologischen Prozessen beruhe, die in eminenter Weise in die ganze geologische Geschichte der betreffenden Distrikte hinein- gegriffen haben. Für den Harz würde diese Auffassung zu dem Schlusse führen, dass die oberflächlich verhältnismässig gering- mächtigen Eruptivgesteine in der tieferen Erdkruste gewaltige Massen bilden müssen, Bei der Ueberführung der Metalle und der sonstigen (sangmineralien in wässrige Lösungen muss starker Druck und hohe Temperatur eine wesentliche Rolle gespielt haben, worauf DE LAunaAY'! in einer neueren, ausführlichen Abhandlung über diese Fragen be- sonderes Gewicht legt. Er weist darauf hin, dass gerade Gase und Wasser unter Druck besonders geeignet sind, den in einem Schmelz- fluss vermischten Molekülen eine besondere Beweglichkeit und damit die Möglichkeit zu ihrer Anreicherung zu geben. Weiter verweist DE LaunAY darauf, dass man m den Erzgängen stets nur diejenigen Elemente findet, die keine grössere Affinität zum Silicium besitzen, und infolgedessen nicht im erstarrenden Magma festgehalten wurden; die Kieselsäure, die als Quarz einen so wesentlichen Bestandteil der Gänge bildet und sich als solcher im freien Zustand in Gegen- wart von Calcium, Baryum, Eisen etc. befindet, kann nach ihm nur durch stärkere Säuren an einer Verbindung mit diesen Elementen gehindert worden, resp. wieder ausgeschieden worden sein. Bei dieser Frage nach der Entstehung des Quarzes, die DE LAUNAY anscheinend als eine in der Hauptsache sekundäre be- trachtet, würde meines Erachtens wohl zu beachten sein, dass die Affinitätsverhältnisse der Kieselsäure verschiedene sind im Magma und in wässriger Lösung. Während die Kieselsäure im ersteren eine sehr grosse Affinität zu fast allen Basen besitzt, hat sie eine solche in wässriger Lösung von gewöhnlicher Temperatur bis etwa zu Siedehitze nur zu den Alkalien, und zwischen diesen beiden Ex- tremen werden sich wohl die verschiedensten Uebergangsstufen vor- finden. Diese Unterschiede in der Affinität würden vielleicht die ı M. L. ve Launay, Contribution a l’ötude des gites metalliferes. Annales des mines 1897. g MAIER: [102 Annahme erlauben, dass unter gewissen Bedingungen bei der Er- starrung des Magmas die Alkalien nicht ebenso ausnahmslos an Kieselsäure gebunden wurden wie die Thonerde, dass sie vielmehr sehr wohl mit den übrigen Produkten der magmatischen Konzentra- tion als Sulfide in die @angspalten gelangt sein könnten. Dort wären sie aber infolge ihrer leichten Löslichkeit nicht ausgeschieden oder doch wieder aufgelöst worden. Was die in einigen Gangrevieren auftretenden Alkalsilikate, die Zeolithe, betrifft, so können dieselben sich wohl keinesfalls bei einer derartigen magmatischen Konzentra- tion gebildet haben, sondern müssen wohl auf eine Auslaugung massiger Gesteine zurückgeführt werden, die gleichzeitig mit der Ausfüllung der Gangspalten oder nach dieser erfolgt ist. Bei den Zeolithen des St. Andreasberger Gangreviers lässt sich unschwer eine besondere Zufuhr aus den dortigen Diabasen annehmen. Auch Vo@r weist ausdrücklich auf die Bedeutung der Affinitäts- unterschiede hin. Er kommt im letzten Teil der erwähnten Arbeit! auch auf Gänge vom Typus der Klausthaler zu sprechen, und be- tont dabei, dass deren Entstehung in grossen Zügen in derselben Weise zu denken sei, wie die von ihm geschilderte Entstehung der jüngeren Gold- und Sibererzgänge. Für diese sieht er das Haupt- agens bei der Extraktion aus dem Magma in den Sulfiden, besonders den Sulfosalzen, in Verbindung mit Kohlensäure, indem z. B. im Magma aufgelöstes Alkalisulfid demselben durch Bildung von Sulfo- salzen die Metalle entzogen habe. Ich habe geglaubt, diese neueren Theorien hier kurz besprechen zu müssen, weil VoGT seine Schlussfolgerungen auch auf die Harzer (sänge ausdehnt. Aber so gross die Bedeutung dieser Theorien auch für eine Reihe von Lagerstätten ist, so erheben sich doch gegen deren Anwendung auf die Harzer Gänge meiner Meinung nach schwerwiegende Bedenken, und zwar nicht sowohl vom chemi- schen als vielmehr vom geologischen Standpunkte aus. Das Aus- füllungsmaterial der Harzer Gänge kann meines Erachtens einer derartigen magmatischen Ausscheidung nicht entstammen, muss viel- mehr aus einer nachträglichen Auslaugung der erstarrten massigen (resteine hergeleitet werden. Nimmt man das Aufreissen der Gangspalten als jungtertiär an, so leuchtet es ein, dass zu dieser Zeit die karbonischen Granite und rotliegenden Porphyre längst erstarrt waren, aber selbst wenn man ' Zeitschr. für praktische Geologie 1899, S. 10. 103] BEITRÄGE ZUR GEOLOGIE DES BOCKSWIESER GANGGEBIETES. ) den Beginn der Gangbildung in das jüngere Karbon legt, ist man berechtigt anzunehmen, dass die Zufuhr der Gangmineralien aus den schon erstarrten Graniten erfolgte. Im Harz selbst lässt sich aus den Lagerungsverhältnissen des Kulms ein Beweis hierfür nicht er- bringen; dieselben zeigen vielmehr nach von GRODDECK' nur, dass die unteren konglomeratfreien Kulmablagerungen, der Kieselschiefer, Kulmthonschiefer und die Klausthaler Grauwacke, Bildungen eines von der Küste ziemlich weit entfernten Meeresteiles sind, während die darüber folgenden Grunder Grauwacken mit ihren Konglomeraten Küstenbildungen sind. Die in diesen Konglomeraten enthaltenen Ge- rölle von Granit und Felsitporphyr lassen sich allerdings nicht mit Harzer Eruptivgesteinen identifizieren, so dass der Ursprungsort der zu jener Zeit aufbereiteten Materialien unbekannt bleibt. Aehnlich liegen die Verhältnisse in Thüringen, Oberschlesien, im Franken- wald, wo der Ursprungsort der von KALKOWSKY? aus dem oberen Kulm beschriebenen Granite der Geröllthonschiefer ebenfalls noch unklar ist. Aehnliches beschreibt DALMER? aus dem Kulm von Wildenfels bei Zwickau. Hier fehlt im unteren, Wildenfelser, Kulm archäisches Material vollständig, so dass dessen Ablagerung nur eine schwache Erosion vorausgegangen sein kann, während deıh jüngeren, Hainichener, Kulm eine starke Schichtenaufrichtung, bedeutende Lage- rungsstörungen und eine sehr tiefgreifende Erosion vorausgegangen sein müssen. In die Zwischenzeit zwischen diesen beiden Horizonten des Kulm legt DaLmer einen Hauptakt der Aufrichtung und Zu- sammenschiebung des erzgebirgischen Faltensystems. Noch bedeutend klarer liegen die Altersverhältnisse des Kulm im Schwarzwald. In dem Kulmgebiet von Lenzkirch* sind nach HERRMANN zwei Kom- plexe sedimentärer Ablagerungen deutlich zu trennen, die älteren schwarzen Schiefer und feinkörnigen Grauwacken, und andererseits die jüngeren weichen Schiefer, Konglomerate und Grauwacken. Diese Konglomerate des oberen Horizontes enthalten als Grerölle Brocken von Granit und Quarzporphyr, die den dortselbst an- ! A. von GRODDECK, Zur Kenntnis des Oberharzer Kulm. Jahrb. d. kgl. preuss. geol. Landesanstalt für 1882. > E. Katkowsky, Ueber Geröllthonschiefer glazialen Ursprungs im Kulm des Frankenwaldes. Zeitschr. d. d. geol. Gesellsch. XLV (1893). 3 K. Darmer, Ueber das Vorkommen von Kulm und Kohlenkalk bei Wildenfels unweit Zwickau in Sachsen. Zeitschr. d. d. geol. Gesellsch. XXX VI (1884). * R. Herrmans, Das Kulmgebiet von Lenzkirch im Schwarzwald. Inaug.- Dissert. Freiburg i. B. 1892. 10 MAIER: [104 stehenden massigen Gesteinen entstammen, deren Eruptionszeit eben- falls eine kulmische ist. Im Gebiet von Badenweiler bildet der (rranit das herrschende Gestein, neben diesem tritt noch ein älterer und ein jüngerer (Juarzporphyr auf; der ältere Teil des Kulm ist auch hier konglomeratfrei, während der jüngere die Gerölle des Granits und des älteren Quarzporphyr enthält. Die Gerölle des jüngeren Quarz- porphyr treten hingegen erst im Rotliegenden auf. Diese Verhältnisse zeigen deutlich, dass nach der Eruption des Granit eine gewaltige Erosionsperiode eingetreten ist, während welcher die gesamten den (Granit bedeckenden Schichten erodiert wurden, so dass dieser schon zur Zeit des jüngeren Kulm der Aufbereitung anheimgefallen war. Für die Erzgänge von Badenweiler, deren Spalten jungtertiär sind, ergiebt diese Betrachtung die Thatsache, dass deren Erzmaterial nur der Auslaugung der längst erstarrten Granite oder Porphyre entstammen kann. Eine Aehnlichkeit der hier geschilderten Verhältnisse mit denen des Harzer Kulm wird sich wohl kaum bestreiten lassen. Zwar wird von den meisten Autoren, so z. B. von E. KAyser!, die Eruption der Harzer Granite in die Zeit nach Ablagerung der Kulmschichten gelegt, do&h glaube ich annehmen zu dürfen, dass dieselbe schon während der Kulmzeit erfolgt ist. Ich komme zu dieser Meinung nach den vorher besprochenen analogen Verhältnissen anderer Ge- birge, da nicht einzusehen ist, warum der Harz eine Ausnahme- stellung unter unseren Gebirgen einnehmen sollte. Die Grunder Grauwacke ist leider nur noch so wenig erhalten, dass eine Fest- stellung ihres Altersverhältnisses zum Granit nicht möglich sein dürfte, doch kann sie jedenfalls auch nicht beweisen, dass die Graniteruption erst nach ihrer Ablagerung erfolgt ist. Der Schluss dürfte deshalb berechtigt sein, dass vor Ablagerung der Grunder (srauwacke ganz bedeutende Lagerungsveränderungen vorgegangen sind, die sehr lange Zeiträume erfordert haben, so dass auch hier, wie im Schwarzwald, der Granit für das Ende der Kulmzeit als erstarrt angesehen werden kann. Und damit wäre der Beweis erbracht, dass wie im Schwarz- wald so auch im Harz das Ausfüllungsmaterial der Gänge nur den erstarrten Eruptivgesteinen entstammen kann, gleichviel ob man ‘ E. Kayser, Ueber das Spaltensystem am Südwestabfall des Brocken- massivs, insbesondere in der Gegend von St. Andreasberg. Jahrb. d. kgl. preuss. geol. Landesanstalt und Bergakademie für 1881, S. 451. 105] BEITRÄGE ZUR GEOLOGIE DES BOCKSWIESER GANGGEBIETES. 11 den Beginn der Gangspaltenbildung als jungkarbonisch oder erst jungtertiär annimmt. Mit dieser Auffassung würde eine gewisse Annäherung an die Lateralsekretionstheorie eintreten, insofern als diese auch nur an erstarrte Gesteine als Ursprungsort der Erze denkt. Es muss jedoch ihr gegenüber betont werden, dass es sich nur um eine Aus- laugung durch Wasser handeln kann, das in der Teufe unter grossem Druck und bei hoher Temperatur die löslichen Bestandteile der Granite und Porphyre im Laufe langer Zeit gelöst hat, und dem dann durch das Aufreissen der Spalten der Weg in diese geöffnet wurde. Inwieweit Stoffe wie Kohlensäure und Chlornatrium, die überall verbreitet sind, geeignet waren, dem heissen Wasser eine grössere Lösungsfähigkeit, besonders in Bezug auf Schwefelmetalle, zu geben, darüber können wir heute noch kaum ein Urteil fällen, da experimentelle Untersuchungen hierüber noch nicht angestellt sind. — Wie sich jedoch die Vorgänge nach dem Aufreissen der Spalten und dem dadurch ermöglichten Eindringen der heissen Lösungen gestaltet haben, dafür fehlt uns bis jetzt fast noch jeder Erklärungsversuch. Es sind überall die „erzabsetzenden Lösungen“, die die Gangsausfüllung bedingen, aber wie diese Lösungen einer- seits fast in allen Ganggebieten bekannte auffallende Regelmässig- keiten und andererseits in den einzelnen ebenso auffallende Un- regelmässigkeiten verursacht haben, darüber bleiben wir immer noch im Unklaren. Unter diesen Regelmässigkeiten verstehe ich die charakteristische Anreicherung des Erzgehaltes an den Scharungs- punkten von Gängen, sowie das Auftreten von „Erzfällen“, jener Konzentrierung der Erze in schmalen, länglichen Gangmitteln inner- halb der Gangspalten. Letztere Erscheinung wird weiterhin noch bei den Bockswieser Gängen zu besprechen sein. Ebenso auffallend ist die Erscheinung, dass in denselben Ganggebieten die einzelnen, räumlich und genetisch eng zu einander gehörigen Gänge eine völlig verschiedene Ausscheidungsart der Erze erkennen lassen. So führt z. B. in Bockswiese der Neue Grüne Lindener Gang die Erze als Einsprengungen in der ganzen Gangmasse, der nächste Gang im Hangenden (Pisthaler Hauptgang) zeigt reiche, mächtige Stufferze mit langem Anhalten der Erzmittel und kürzeren tauben Zwischen- mitteln, während der folgende Auguster Gang die Erze nesterweise enthält in kurzen Erzmitteln mit längeren tauben Mitteln. Vielleicht sollte sich die Aufmerksamkeit beim Studium all dieser Erscheinungen etwas mehr auch auf physikalische Vorgänge bei der Berichte XI. Heft 2. 1900. 8 12 MAIER: | 106 Ausscheidung der Gangmineralien lenken, in dem Sinne, dass eine durch lokale Verhältnisse bedingte raschere oder langsamere Ab- kühlung der Lösungen von Einfluss war auf die Art der Ausschei- dung. So würde der Gedanke nahe liegen, dass an Stellen der Gangspalte, die frei waren von Nebengesteinstrümmern, die Lösung in grösserer Masse mit verhältnismässig geringer Oberfläche vor- handen war, während an einer Stelle, an der viel Nebengesteins- trümmer stecken geblieben sind, die Oberfläche der Lösung im Ver- hältnis zur Masse überwiegen würde. — Im ersteren Falle würde die Abkühlung zweifellos eine langsamere als im letzteren sein. Hierbei würde allerdings in Betracht kommen, ob wir uns die Lösungen in den Spalten rasch cirkulierend, oder sich nur sehr langsam bewegend, zum Teil sogar stagnierend vorstellen. Ich glaube, dass die regelmässig lagenförmige Struktur für eine sehr langsame Cirkulation spricht, die es ermöglichte, dass die Lösung an derselben Stelle mehrere Mineralien nacheinander ausschied, während im Fall einer raschen Cirkulation die einen Mineralien in grösserer Teufe, die anderen in höheren Partien der Spalte hätten abgesetzt werden müssen, was unserer Kenntnis der Erzgänge durchaus widerspricht. Jedenfalls würde es sich empfehlen, bei Beobachtung der Gänge die Aufmerksamkeit mehr auf die Gesamtmasse der Erze und Gang- mineralien zu lenken, die uns die Grösse des ursprünglich frei klaffenden Raumes der Spalte zeigt, während man bisher hauptsäch- lich die absolute Mächtigkeit der Spalte vom Liegenden zum Hangen- den und das Massenverhältnis der Erzausscheidung beachtet hat. Vielleicht kann dann die Vergleichung eines grossen Materials solcher lokaler Beobachtungen die Möglichkeit geben zu Schlüssen über die Ausscheidungsvorgänge in den Spalten selbst. Zum Schlusse dieser allgemeinen Betrachtungen über die Erz- gänge soll noch erwähnt werden, dass DE LAunAY in der angeführten Arbeit die Anreicherung des Erzgehaltes an den Scharungspunkten der Gänge mehrmals erwähnt, und dieselbe in Zusammenhang bringt mit sekundären Vorgängen („remise en mouvement“), die durch Cir- kulation von Wasser in den Spalten eine nachträgliche Anreicherung des Erzgehaltes bewirkt haben könnten. Es unterliegt gar keinem Zweifel, dass solche nachträgliche Veränderungen stattgefunden haben können, aber da DE LaunarY stets nur auf sein remise en mouvement hinweist, ohne weitere Diskussion der durch die Scharkreuze gegebenen Bedingungen, kann ein Erklärungsversuch in seinen Be- merkungen nicht gesehen werden. 107] BEITRÄGE ZUR GEOLOGIE DES BOCKSWIESER GANGGEBIETES, 13 Das Bockswieser Ganggebiet. Der Bockswiese-Festenburg-Schulenberger Gangzug, einer der nördlichen Züge des Klausthaler Ganggebietes, zeichnet sich durch seine grosse Längenerstreckung von ca. 10 km aus, indem er von der Innerste über Bockswiese, Festenburg, Schulenberg, durch das Schreiberthal und Schmidtsthal bis an die Oker streichend nach- gewiesen ist. Der eigentliche Bockswieser Gangzug, auf den die fiskalische Bleierzgrube „Herzog August-Johann Friedrich“ baut, beginnt westlich der Ortschaft Bockswiese zunächst als einheitlicher Gang, teilt sich sodann in eine Reihe nach Osten auseinander- streichender Gänge, deren Namen von Süden nach Norden sind: der Neue Grüne Lindener Gang, Pisthaler Hauptgang, Auguster Gang, der verkehrt fallende Georg Wilhelmer Gang, Glückaufer Gang, Christian-Sophier Gang und der Alte Gesellschafter Gang!. Die drei nördlichsten Gänge scharen sich im Gegensatz zu den anderen nach Osten divergierenden Gängen in dieser Richtung, während sämtliche Gänge schliesslich vor oder an der Charlotter tauben Ruschel ihr Ende finden, so dass die Fortsetzung des Gang- zuges nach Festenburg wieder eine einheitliche ist. Zu erwähnen ist noch ein liegendes Bogentrumm zwischen Auguster und Johann- Friedricher Schacht, das erst in einer Teufe von ca. 230 m vom Pisthaler Hauptgang abläuft und sich in grösserer Teufe wohl wieder mit ihm scharen dürfte, so dass wir in ihm ein Bogentrumm sowohl nach dem Streichen wie dem Fallen sehen können. Dieser CUha- rakter der Bockswieser Gänge als zusammengesetzter Gänge prägt sich deutlich in ihrem Verhalten bis ins kleinste hinein aus. Wie der Gangzug sich in die besprochene Reihe von Gängen teilt, so teilt sich wiederum jeder einzelne Gang in eine Unzahl von Bogen- trümmern, ablaufenden Trümmern und Ausreissern, so dass bei dem Fehlen deutlicher Salbänder oftmals selbst im Liegenden eine Ab- grenzung der Gänge gegen das Nebengestein nicht zu erkennen ist und dieselben sich nur noch als von Gangtrümmern durchzogenes Nebengestein darstellen. So kann die Mächtigkeit der Bockswieser Gänge nur durchschnittlich mit etwa 2 m angegeben werden, die manchmal durch Scharung verschiedener Trümmer auf 4—5 m steigt. ! Vgl. Gangkarte des Bockswieser Grubenzuges. (Gezeichnet nach der General-Gangkarte des nordwestlichen Harzgebirges von E. BorcHers.) Tafel I. 8* 14 MAIER: [108 Ebenso wie im Streichen zeigen die Gänge auch im Fallen eine grosse Unbeständigkeit; das Generalfallen ist ca. 75° Süd, doch wechselt flacheres und steileres Fallen fortwährend, so dass letzteres sich sogar stellenweise bis zu verkehrtem Einfallen steigert. Der erwähnte Georg Wilhelmer Gang fällt durchgehends verkehrt, d.h. nach Norden, statt des im Harze vorherrschenden südlichen Ein- fallens. Die Gangausfüllung setzt sich aus Erzen, Gangmineralien und Nebengestein zusammen. Das in den Gang aufgenommene Neben- gestein besteht aus Grauwackenschiefern und Thonschiefern, die meist sehr viele Reibungs- und Quetschungsflächen zeigen, dunkel- schwarz, mild und fettig anzufühlen sind, und bei den Harzer Berg- leuten den Namen „Gangthonschiefer* führen. Ausser diesem Schiefer tritt auf der achten Feldortstrecke und in der neunten Firste auf dem Pisthaler Hauptgange noch ein gelblicher Quarzit- sandstein als Gangmasse auf; derselbe verwittert sehr rasch und be- steht anscheinend aus grösseren Massen von Kahlebergsandstein, die in die Gangspalte hereingebrochen, dort teilweise zersetzt und mit einem milden Bindemittel wieder verkittet worden sind. Die Gangmineralien sind ausschliesslich Quarz und Kalkspat; ersterer tritt in den Bockswieser Gängen bedeutend reichlicher auf als in den übrigen Oberharzer Gängen und erfüllt die zahlreichen Klüfte und Höhlen mit Krystallen. Der Kalkspat bricht ebenfalls in bedeutenden Massen, und bildet an manchen Stellen Mittel von grosser Reinheit und bedeutender Längenerstreckung in einer Mächtigkeit von über 1 m. Die beiden anderen, für den Harz wesentlichen Gangarten, Schwerspat und Spateisenstein fehlen, wie schon bemerkt, in den Bockswieser Gängen vollständig. Die Erze bestehen aus Bleiglanz, Zinkblende, Kupferkies und Schwefelkies. Das vorherrschende Erz ist der Bleiglanz, der zwar einen geringeren Silbergehalt hat als in manchen anderen Oberharzer Gängen, dagegen aber durchweg in sehr derben Massen als Stuft- erz auftritt, die an einzelnen Stellen eine Mächtigkeit von !/—1lm erreicht haben. Aber selbst da, wo eine solche Mächtigkeit des Erzes nicht vorhanden ist, tritt der Bleiglanz auch in kleineren (sangtrümmern meist derb auf, so dass die sonst so häufigen feineren Einsprengungen in der Gangmasse hier fast zu den Seltenheiten ge- hören. — Zinkblende war in den oberen Teufen fast garnicht auf- getreten, von der sechsten Strecke an bricht dieselbe jedoch in den östlichen Revieren des Hauptganges bedeutend häufiger. Diese 109] BEITRÄGE ZUR GEOLOGIE DES BOCKSWIESER GANGGEBIETES. 15 Zunahme der Zinkblende nach der Teufe zu ist eine im Oberharze allgemein beobachtete Erscheinung, für die jedoch noch jede Er- klärung fehlt. Kupferkies und Schwefelkies treten nur untergeordnet als Einsprengungen auf, während die selteneren Erze wie Fahlerz und Bournonit bisher noch nicht gefunden worden sind. Von besonderen Merkmalen der einzelnen Gänge sind die auf- fallenden Verschiedenheiten in der Erzführung schon früher erwähnt worden, es erübrigt infolgedessen nur noch, einige Bemerkungen über die Gänge selbst anzufügen. Für den Abbau der Grube Herzog August-Johann Friedrich sind allein von Bedeutung der Pisthaler Hauptgang, der Auguster Gang und das liegende Bogen- trumm. Der erstere, der durchschnittlich mit 135° streicht und mit 75—85° gegen Süden einfällt, zeigt das erwähnte Auftreten verschiedener Erzmittel sehr deutlich, und zwar unterscheidet man drei solcher Erzmittel; dieselben zeichnen sich durch einen sehr reichen Erzgehalt aus, und sind dadurch von einander getrennt, dass der Gang zwischen ihnen vollständig taub wird, oder sich sogar zu einer kleinen Gangspalte verdrückt. Auf dem als Tafel II bei- gegebenen Saigerriss durch die Baue auf dem Pisthaler Hauptgange lassen sich die drei Erzmittel durch die auf ihnen abgebauten Firsten (schwarze Partien) genau unterscheiden, “ebenso wie auch die verschiedenen Strecken, deren noch Erwähnung geschehen wird, daraus zu ersehen sind. Das erste Erzmittel (I der Zeichnung), in dem die beiden Hauptschächte stehen, hat eine streichende Länge von 400—450 m, das zweite (II) war verhältnismässig unbedeutend und keilte nach der Teufe zu rasch aus, während das dritte (III) wieder eine grössere Mächtigkeit zu haben scheint, jedoch vorläufig aus bergtechnischen Gründen nur bis zur sechsten Strecke auf- geschlossen werden kann. Diese Erzfälle fallen sämtlich nach Osten ein; dies zeigt sich schon bei Betrachtung des Risses dadurch, dass die durch die Firsten gekennzeichnete abbauwürdige Partie des Ganges jeweils in den tieferen Sohlen erst weiter östlich beginnt, sich dafür aber auch weiter nach Osten fortsetzt. Am deutlichsten ist dies aus dem ersten Erzfeld zu ersehen. Hier zeigt sich wieder die merkwürdige Uebereinstimmung in der Fallrichtung der Erzmittel mit dem Einfallen der Scharungs- linie zweier Gänge. Dasselbe östliche Einfallen wie diese Erzmittel hat nämlich die Scharung des Auguster und Pisthaler Ganges. Auf der beigegebenen Gangkarte (Tafel I) findet sich dieser Scharungs- punkt beim Herzog Auguster Schacht, derselbe rückt jedoch unter 16 MAIER: [110 Tage auf jeder tieferen Sohle weiter östlich, und hat auf der sechsten Feldortstrecke schon eine östliche Entfernung von 338 m vom Auguster Schachte. Es sei hier nur bemerkt, dass in der älteren Litteratur! die Richtung der Erzfälle und des Einfallens dieser Scharungslinie fälschlicherweise nach Westen angegeben ist, wodurch eine Uebereinstimmung mit der herrschenden Richtung in anderen Oberharzer Gruben gegeben wäre. Dies ist nicht der Fall, doch würde eine ausführlichere Widerlegung dieser Ansichten zu einem Eingehen auf bergtechnische Verhältnisse nötigen, das hier nicht am Platze sein dürfte. Der Neue Grüne Lindener Gang, der sich durch eine milde Ausfüllungsmasse aus Thon- und Grauwackenschiefern auszeichnet, fällt steiler als die übrigen Gänge mit 85/90° ein, tritt aber auf der Sohle des Ernst-August-Stollen nicht mehr als deutlicher Gang, sondern nur noch in Gestalt verschiedener Kalkspattrümmer auf. Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass der Gang hier schon aus- gekeilt haben sollte, da derselbe als Träger der weiterhin zu be- sprechenden Hauptverwerfung in bedeutend grössere Teufen fort- setzen muss. Von den übrigen, technisch unwichtigeren Gängen ist nur noch der Glückaufer Gang erwähnenswert durch zeitweilige Kohlen- säureausströmungen, die manchmal so stark werden, dass die Lichter verlöschen und der Betrieb dort eingestellt werden muss. Die Kohlensäure tritt durch Klüfte aus, die auffälligerweise zu Zeiten, in denen keine Ausströmung stattfindet, die Wetter ansaugen. Die Kohlensäureentwicklung lässt sich durch Zersetzung der im Neben- gestein reichlich vorhandenen Karbonate durch die sauren Wasser leicht erklären. Die Ausströmung tritt meistens bei plötzlichem Sinken des Barometerstandes ein, ohne dass dieselbe jedoch von der absoluten Tiefe oder Höhe desselben abhängig wäre, eine Erschei- nung, die mit den Erfahrungen in Schlagwettergruben übereinstimmt. Gewöhnlich sinkt die Kohlensäure in die Teufe und tritt mit den Wassern auf der sechsten Strecke aus, so dass die Ausströmungs- perioden jedenfalls auch von der Menge des in die Teufe gehenden Wassers abhängig sind. ! ZIMMERMANN, Das Harzgebirge in besonderer Beziehung auf Natur- und Gewerbskunde geschildert, S. 339; — voN GRODDECK, Ueber die Erzgänge des nordwestl. Oberharzes. Zeitschr. d. d. geol. Gesellsch. XVIII (1866), S. 734/735. 111] BEITRÄGE ZUR GEOLOGIE DES BOCKSWIESER GANGGEBIETES. 7 Geologische Aufschlüsse in den Querschlägen vom Schachte Johann-Friedrich. Das im Vorstehenden geschilderte Gangrevier bietet eine für den Harz ausnahmsweise günstige Gelegenheit zu Beobachtungen über die durch das Aufreissen der Gangspalten bewirkten Ver- werfungen, da hier im Liegenden devonische, im Hangenden kulmi- sche Schichtenglieder auftreten. Bei den übrigen Harzer Gang- spalten, mit Ausnahme der Lautenthaler, macht der einförmige Wechsel der kulmischen Thonschiefer und Grauwacken jede derartige Beobachtung unmöglich. So war die Grube „Herzog August-Johann- Friedrich“ schon seit langer Zeit ein Gegenstand geologischer Unter- suchungen. Die hier in Betracht kommenden Aufschlüsse werden geboten durch die Querschläge von dem im Pisthaler Hauptgang stehenden Schachte Johann-Friedrich nach dem erwähnten „Neue Grüne Lindener Gang“, so dass sich dort ein Profil senkrecht zur Streichrichtung der beiden Gänge ergeben muss, das die gesamte Lagerung vom Tage aus bis zu einer Teufe von etwa 460 m umfasst. Die erste Bemerkung über die Bockswieser Gänge findet sich 1819 bei VILLEFOssE!, der die Verschiedenheit des hangenden und liegenden Nebengesteins am Auguster Gange (jetzt Pisthaler Haupt- gang) feststellt. 1823 folgert Schuipr?, der Begründer der Verwerfungstheorie, aus dieser Thatsache, dass bei Entstehung des Ganges eine beträcht- liche Senkung des Nebengesteins stattgefunden haben muss, und giebt schon damals die Verwerfungshöhe vollständig zutreffend mit 100 Lachtern an. Die erste umfassende Arbeit über die durch den Bergbau auf- geschlossenen geognostischen Verhältnisse des Bockswieser Gang- gebietes, wie des Oberharzes überhaupt, stammt von Ü. GREIFEN- HAGEN? aus dem Jahre 1854. Dieser hat die durch die Querschläge gebotenen Aufschlüsse über das Nebengestein in sehr genauer Weise ! VILLEFOSSE, De la richesse minerale (Paris 1819), III. Teil S. 43 und Tafel 34. 2 Karsten’s Archiv R. I. VI (1823), S. 37. 3 (©. GREIFENHAGEN, ‚Das Nebengestein der Bockswieser Bleiglanzgänge. Zeitschr. für die gesamten Naturwissenschaften von C. Giebel u. W. Heintz III (1854), S. 350/363. 18 MAIER: [112 bearbeitet und hat folgende meist auf petrographischen Unterschei- dungen beruhende Gliederung der Schichten gegeben: Posidonomyenschiefer und jüngere Grauwacke N ki = Kulm Kieselschiefer ri Goniatiten und Olymenienkalk . . . .. | Calceola- und Orthocerasschiefer . . . . Devon. Spiriferensandstein | Auffallend ist es, dass GREIFENHAGEN trotz der oben angeführten Ansicht von SCHMIDT aus dem Jahre 1823 die mit den Gängen ver- knüpften Verwerfungen nicht kennt und infolgedessen in seinen Grundrissen und Profilen stets eine Verbindung zwischen den Schichten im Hangenden und im Liegenden herstellt, die zu falschen Darstellungen der Lagerungsverhältnisse führen musste. Diese Irrtümer fanden ihre Berichtigung durch die späteren eingehenden Arbeiten VON GRODDECK’s, nachdem durch den Betrieb des Ernst-August-Stollen-Flügelortes dort wichtige neue Aufschlüsse erlangt worden waren. Zunächst behandelte von GRODDECK diese Fragen im Jahre 1866 in der schon mehrfach erwähnten Arbeit „Ueber die Erz- gänge des nordwestlichen Oberharzes“ in dem Abschnitt: „Das Nebengestein der Gänge“!. Hier stellt er die durch das Aufreissen der Bockswieser Gangspalten verursachte Verwerfung unzweifelhaft fest und berechnet deren saigere Höhe auf mindestens 190 Lachter. Ein ideales Profil durch den Johann-Friedrich-Schacht veranschau- licht diese Verwerfung. „Das hangende Nebengestein der Gänge gehört bis unter den Tiefen Georg-Stollen der Kulmformation, tiefer dem Kieselschiefer und dem Kramenzelkalke an, während zwischen den Gängen und im Liegenden derselben nur unterdevonische Schichten (Calceolaschichten und Spiriferensandstein) gefunden wurden.“ Die späteren Aufnahmen vON GRODDECK’s? haben dann er- wiesen, dass die Gesteine zwischen den Gängen und im Liegenden dem Ober-, Mittel- und Unterdevon angehören. Die Lagerungs- verhältnisse sind in einer im ganzen noch heute als zutreffend an- zusehenden Weise geschildert in dem „Profil durch den Schacht ! Zeitschr. d. d. geol. Gesellsch. XVIII (1866), S. 717/719. ® A. von GRODDECK, Geognostische Durchschnitte durch den Oberharz. Zeitschr. f. d. Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preuss. Staate XXI (1873), Sal. Tatel Tu. D; 113] BEITRÄGE ZUR GEOLOGIE DES BOCKSWIESER GANGGEBIETES. 19 Johann-Friedrich und das Ernst- August-Stollen-Flügelort nach Zellerfeld“; aus diesen Aufschlüssen leitete Vox GRODDECK folgende hauptsächlichsten Resultate ab: 1. Die devonischen Schichten des Oberharzes liegen konkordant über einander und werden in gleicher Weise vom unteren Kohlen- gebirge überlagert. 2. Die Schichten des Oberharzes sind nach Ablagerung des unteren Kohlengebirges durch Seitendruck gefaltet worden. 3. Nach der Faltung des Gebirges rissen die Erzgänge auf und verursachten bedeutende Verwerfungen und damit zusammenhängende Seitenverschiebungen der Schichten. 4. An der Basis des unteren Kohlengebirges liegt eine 60 bis 80 Liachter mächtige Thonschieferablagerung. Die Schichteneinteilung, nach der die von GRODDECK’schen Aufnahmen ausgeführt sind, ist folgende: Granwacke 3 0 m en tn | Unteres ee leer " Kohlengebirge Kieselschiefer 5 Kramenzelkalk (oberdev nr Kalke) : Oberdevon Calceolaschichten und Wissenbacher Schiefer A. Roemers L Mitteldevon Dpikierensandstem u, 2 0... 2 0: Unterdevon. Seit jener Zeit ist es jedoch gelungen, die devonischen Schichten des Oberharzes in eingehenderer Weise zu gliedern und mit anderen Devongebieten zu parallelisieren, ein Erfolg, der für das Bockswieser Gebiet der geologischen Kartierung des Blattes Zellerfeld durch A. HALrar und L. BEUSHAUSEN zu danken ist. Die Gliederung des dortigen Devons stellt sich demnach folgendermassen: Cypridinenschiefer Clymenienkalk Adorfer Kalk . Büdesheimer Schiefer Stringocephalenkalk . . . u a oberes Oberdevon unteres a. d. Basis Odershäuser Kalk Wissenbacher Schiefer und Knollenkalke Calceolaschichten Kahlebergsandstein . . . . . Unterdevon. Mitteldevon unteres | | | ) oberes | | | ) 20 MAIER: [114 Diese eingehendere Gliederung der Devon-Schichten musste für den Fall, dass sie sich auch in dem Verwerfungsgebiet der Bocks- wieser Gruben durchführen liess, genauere Aufschlüsse über die dortigen Lagerungsverhältnisse ergeben, als sie VON GRODDECK auf Grund seiner Einteilung erhalten konnte. Infolgedessen habe ich versucht, diese Gliederung der devoni- schen Schichten in den Querschlägen vom Johann-Friedricher Schacht ins Hangende und Liegende durchzuführen, und sollen die Resultate meiner Aufnahmen im Nachstehenden geschildert werden. Methode der Untersuchung. Die Schwierigkeiten, die sich einer derartigen geologischen Spezialaufnahme in einer Grube, zumal in alten Strecken, entgegen- stellen, sind nicht gering; teils hindert oft Zimmerung und Mauerung die Aufnahme, teils ist es an vielen Stellen schwierig, gute Gesteins- stücke in unverwittertem Zustande von den Wangen der Quer- schläge abzulösen, die der Untersuchung nur eine sehr geringe Ge- steinsfläche darbieten. Weiterhin ist es die schlechte Beleuchtung, welche die Beobachtung erschwert, und mehr noch hindern stellen- weise lokale Verhältnisse, wie z. B. auf dem Ernst-August-Stollen- Flügelort. Hier mussten die Aufnahmen auf eine Länge von 1300 m bei einem Wasserstande von 1'/ı m Höhe ausgeführt werden, wobei noch die grossen Schlammmassen das Vorwärtskommen bedeutend erschwerten. Bedauerlicherweise wurden auch einige nicht unwich- tige Querschläge verfüllt angetroffen. Besonders ungünstig liegen in der Bockswieser Grube die Ver- hältnisse dadurch, dass die Schichten zwischen den beiden Gängen sich infolge der Dislokation in einem solchen Zustande der Faltung und Fältelung befinden, dass man auf kurze Erstreckungen alle möglichen Streichrichtungen und ein Einfallen nach den verschieden- sten Seiten, vielfach verbunden mit falscher Schieferung, findet. Infolgedessen ist ein Schluss aus den Aufnahmen der lokalen Lage- rung auf die Gesamtlagerung fast nicht möglich, so dass auch die durch Von GRODDECK in seinem Profile eingezeichneten Fallrich- tungen zum Teile der Wirklichkeit nicht entsprechen. Die Untersuchung wurde in der Weise ausgeführt, dass Schritt für Schritt in den aufzunehmenden Strecken die petrographische Beschaffenheit des Gesteins festgestellt wurde, und von den einzelnen Schichten Handstücke zur Untersuchung über Tage geschlagen . wurden. Streichen und Fallen wurde bei jeder wichtigeren Schicht 115] BEITRÄGE ZUR GEOLOGIE DES BOCKSWIESER GANGGEBIETES. 3 und bei Abweichungen vom General-Streichen und -Fallen gemessen. Bezüglich des Auffindens von Petrefakten muss bemerkt werden, dass dasselbe in derartigen Grubenstrecken trotz aller Sorgfalt immer mehr oder weniger vom Zufall abhängt, da die Gesteins- flächen zu gering sind, um ein systematisches Suchen nach Petre- fakten zu gestatten. Glücklicherweise ist jedoch die petrographische Differenzierung der Schichten so deutlich, dass auf Grund dieser die Feststellung der Schichtenzugehörigkeit in allen Fällen möglich war. Charakteristik der Schichten. Die in den Querschlägen zur Beobachtung gelangten devonischen Schichtenglieder zeigen folgende Ausbildung: Die Büdesheimer Schiefer treten durchgehends in ihrer typischen Entwicklung als Bandschiefer auf, die in unverwittertem Zustande schwarz bis grau gebändert sind, durch Verwitterung da- gegen in gelbe und braune Bandschiefer übergehen. Die Breite der einzelnen Bänder schwankt von wenigen Millimetern bis zu etwa 10 cm. Sie enthalten graue und graublaue Kalkknollen, die teil- weise Knotenschiefer, teilweise feste Kalkbänke bilden, ausserdem grüngelbe, milde Schiefer und schwarze feinkörnige Schiefer ohne erkennbare Bänderung. Sowohl in den Schiefern wie in den Kalken sind Schwefelkieseinlagerungen von feinen Einsprengungen bis zu grösseren Knollen ausserordentlich häufig. Von Petrefakten wurden nur Tentaculiten und Stylioninen zahlreich beobachtet; die in dieses Niveau gehörige Goniatitenfauna des Ernst-August-Stollen wird späterhin gesondert besprochen werden. Dieses Stollen-Flügelort bietet einen ganz hervorragend schönen Aufschluss der Bandschiefer. Infolge ihres ganz flachen Einfallens sind die Büdesheimer Schiefer hier auf die grosse Erstreckung von annähernd 1000 m (von 152—1140 m ab Johann-Friedricher Schacht) fast ununterbrochen als Bandschiefer durchfahren. Die Farbe der abwechselnden Bänder ist meist grau und braun, manchmal grau und schwarz, ihre Breite vollständig regelmässig ca. 10 cm. Diese Entwicklung kommt besonders deshalb äusserlich so gut zum Aus- druck, weil die Schichten fast genau senkrecht zum Stollen streichen und sehr flach einfallen, so dass die gleichmässig breiten Bänder parallel an den Wangen hinlaufen, die hierdurch wie tapeziert er- scheinen. Der Aufschluss der Büdesheimer Schiefer dürfte in gleicher Schönheit nicht leicht an einer anderen Stelle gefunden werden. 99 MAIER: [116 Nach dem Liegenden des Büdesheimer Schiefers zu werden die Kalke stets häufiger und gehen allmählich in den Stringocephalenkalk über, dessen Hauptbestandteil blau- schwarze bis schwarze, körnige Kalke mit massenhaften Tenta- culiten und Stylioninen bilden. Neben diesen treten hellblau- graue bis schwarzgraue feinkörnige Kalke ohne Tentaculiten auf, sowie schwarze anthracitische, milde Schiefer. Auf der Rasendammer Strecke steht im Hangenden des Stringocephalenkalkes eine 20 cm mächtige Bank eines schwarzen körnigen Kalkes an, der neben Tentaculiten und Stylioninen ganz erfüllt ist von kleinen Brachio- poden, und der, wenn auch in weniger guter Ausbildung, auf den übrigen Querschlägen im Hangenden des Stringocephalenkalkes wiederkehrt. — Hellere Schiefer treten nur vereinzelt auf, dagegen sind auch in diesem Niveau Schwefelkieseinsprengungen und Nieren häufig. (Gefunden wurde hier nur ein Teil des Schwanzschildes eines Phacops. Die Wissenbacher Schiefer treten hauptsächlich als dichte, schwarze, splittrige Schiefer mit deutlicher falscher Schieferung und reichlichen Schwefelkieseinsprengungen auf. Daneben kommen grau- blaue feinkörnige Schiefer und an zwei Stellen ein hellblaugrauer körniger quarzitischer Schiefer vor, während Kalke nur sehr unter- geordnet auftreten. Auf dem Lautenthaler Hoffnungs-Stollen steht allerdings eine 6 m lange Kalklinse von hellblauem bis blaugrauem Kalke an, die ein für die Wissenbacher Schiefer ungewöhnliches Vorkommen dar- stellt, aber auf Grund der gesamten Lagerungsverhältnisse trotzdem zu denselben gerechnet werden muss. In diesen fanden sich neben Tentaculiten und Stylioninen Cardiola digitata ROE. sp.', sowie schlecht erhaltene Exemplare von Orthoceras und ein un- bestimmbarer Trilobit. Die Calceolaschichten setzen sich zusammen aus grauen bis dunkelblaugrauen, kalkigen Thonschiefern und ebenso gefärbten thonigen, dichten Kalken, die alle leicht gelb oder braun verwittern und sehr bröcklig werden. Die Schiefer überwiegen bedeutend über die Kalke, die stellenweise ganz zurücktreten. Von Versteine- ‘ Bei deren Bestimmung ich mich der freundlichen Unterstützung des Herrn Dr. L. BEUSHAUSEN zu erfreuen hatte. 117] BEITRÄGE ZUR GEOLOGIE DES BOCKSWIESER GANGGEBIETES. 23 rungen wurden nur Crinoidenstielglieder gefunden, eine Armut an Petrefakten, die um so auffallender ist, als aus der Rasendammer Radstube der dortigen Grube eine sehr reiche Fauna der Calceola- schichten bekannt und von A. RÖMER beschrieben ist. Der Kahlebergsandstein ist ein blaugrauer, äusserst fein- körniger Sandstein mit kalkig thonigem Bindemittel, der in un- verwittertem Zustand sehr hart ist, dagegen leicht durch Auslaugung des Kalkgehaltes zersetzt wird und dann eine gelbliche bis braune Farbe annimmt. Trotz des allgemeinen Versteinerungsreichtums des Kahlebergsandsteins wurden in der Grube Petrefakten nicht an- getroffen. Das Liegende dieser Schicht wurde durch den Schacht Johann-Friedrich, der von der vierten Strecke ab in derselben steht, noch nicht angefahren. Die tiefsten Schichten des Kulms werden gebildet von den nur gering mächtigen Kieselschiefern, die grau, schwarz oder bräunlich gefärbt sind, muschligen bis splittrigen Bruch zeigen, und meist in paralleli- pedische Bruchstücke zerfallen. Die Kieselschiefer sind stets von zahlreichen Quarzadern durchsetzt. Die mikroskopische Untersuchung der Kieselschiefer vom Ernst-August-Stollen-Flügelort wie derjenigen vom Lautenthaler Hofinungs-Stollen beim Braune-Hirscher Schacht ergab, dass dieselben vollständig erfüllt sind von Radiolarien. Hierdurch werden die Untersuchungen von Rüsrt! bestätigt, der in einer Reihe von Harzer Kieselschiefern Radiolarien festgestellt hat. Ueber den Kieselschiefern liegen die ca. 140 m mächtigen Kulmthonschiefer, schwärzliche bis blaugraue, milde Thonschiefer, in denen Posidonomya Becheri BRONN. gefunden wurde. Lagerungsverhältnisse zwischen Pisthaler Hauptgang und Grün- lindener Gang und im Liegenden des Hauptganges. Auf Grund dieser Identifizierung der Schichten ergiebt sich schon auf der ersten aufgenommenen Strecke, dem Querschlag? auf ! Rüst, Dr., Beiträge zur Kenntnis der fossilen Radiolarien aus Gesteinen der Trias und der paläozoischen Schichten. Paläontographica XXVIII (1891, 1892). ® Ueber die in Betracht kommenden Strecken, die aus dem „Profil durch den Schacht Johann-Friedrich und das Ernst-August-Stollen-Flügelort* (Tafel III) ersichtlich sind, ist zu bemerken, dass „Querschläge“ Strecken sind, die senk- 24 MAIER: [118 der Rasendammer Strecke, völlige Klarheit über die Lagerungs- verhältnisse der Schichten zwischen den Gängen. Dieser Querschlag schliesst zunächst Büdesheimer Schiefer, dann Stringocephalenkalk, hierauf wieder Büdesheimer Schiefer, Stringo- cephalenkalk und abermals Büdesheimer Schiefer auf. Hieraus ergiebt sich, dass man es hier mit einem Sattel zu thun hat, in dessen Antiklinale eine Spezialmulde von Büdesheimer Schiefern eingesenkt ist. VON GRODDECK hat diese Sattelstellung der Schichten zwischen den Gängen nicht erkannt, sondern dieselben wie die Schichten im Hangenden und Liegenden flach einfallend gezeichnet, hauptsächlich wohl aus dem Grunde, weil er die Büdesheimer Schiefer und den Stringocephalenkalk noch nicht unterscheiden konnte, und deshalb in seinen Kramenzelkalken nur eine Wechsellagerung von Schiefern und Kalken sah. Es ist dies um so erklärlicher, als die Fallrichtungen, wie schon bemerkt, so verworrene sind, dass nach ihnen allein die Sattelstellung nicht zu erkennen war. Die von von GROD- DECK im Liegenden des Grünlindener Ganges als Kieselschiefer angesprochenen Gesteine sind jedoch in Wirklichkeit nur harte, bänkige Büdesheimer Schiefer, die sich schon makroskopisch durch ihre deutliche Bänderung als solche zeigen; die mikroskopische Untersuchung dieser Gesteine liess keinen Zweifel darüber zu, da sie den Büdesheimer Schiefern von anderen Stellen völlig gleichen und Radiolarien in ihnen vollständig fehlen. Der Querschlag auf dem Lautenthaler Hoffnungs-Stollen durchfährt den nördlichen und südlichen Sattelflügel der Büdes- heimer Schiefer, des Stringocephalenkalkes und der Wissenbacher Schiefer; VON GRODDECK hatte hier nur Kramenzelkalk gesehen. Auf dem Querschlag der Auguster dritten Feldortstrecke treten nur noch die Wissenbacher Schiefer und der südliche Flügel des Stringocephalenkalkes auf, während der Tiefe Georg-Stollen die Calceolaschichten und Wissenbacher Schiefer durchfährt. Auf recht zu den im Gang stehenden „Feldortstrecken“ getrieben sind, während „Umbruchsörter* dem Gangstreichen parallel, jedoch im liegenden Nebengestein verlaufen. Der Ernst -August-Stollen ist eine grossartige Stollenanlage, die in einer Teufe von durchschnittlich 360 m die sämtlichen Gruben des Klausthaler, Zellerfelder, Bockswieser und Lautenthaler Reviers verbindet und deren ge- samte Grubenwasser am Südfuss des Harzes bei Gittelde abführt. Im Klaus- thaler Revier dient der Stollen als „schiffbare Wasserstrecke“ zum Transport der Förderung der einzelnen Gruben nach dem Aufbereitungsschachte. Das „Flügelort“ ist der Teil des Stollens zwischen dem Schreibfeder - Schacht in Zellerfeld und dem Schacht Johann-Friedrich in Bockswiese. 119] BEITRÄGE ZUR GEOLOGIE DES BOCKSWIESER GANGGEBIETES. 95 der vierten Feldortstrecke steht der Schacht noch in den Oalceola- schichten, während er von der fünften Strecke bis ins Gesenke nur Kahlebergsandstein aufweist. Das Ernst-August-Stollen-Flügelort ist zwischen den beiden Gängen im Kahlebergsandstein und im südlichen Sattelflügel der Calceolaschichten aufgefahren. Somit ist zwischen den Gängen genau festgestellt die Lagerung sämtlicher Schichten von den Büdesheimer Schiefern bis zum Kahle- bergsandstein. Ueber den ersteren, deren Mächtigkeit durch Auf- schlüsse nicht festzustellen war, ist das Vorhandensein oberdevoni- scher Kalke trotz mangelnder Aufschlüsse angenommen worden, weil diese Kalke in dem Profil der devonischen Schichten auf dem Lautenthaler Hoffnungs-Stollen zwischen Johann-Friedricher und Braune-Hirscher Schacht festgestellt wurden, und ihr Auftreten, was noch zu besprechen sein wird, auch im Hangenden des Grünlindener Ganges anzunehmen ist. Dagegen ist von dem obersten Gliede des Oberdevons, dem Cypridinenschiefer nirgends eine Spur gefunden worden. Der Kieselschiefer ist in seiner Lagerung bestimmt durch einen Aufschluss auf dem Grumbacher Stollen am Hangenden des Johann-Friedricher Schachtes; im Liegenden des Grünlindener Ganges tritt derselbe jedoch nicht, wie VON GRODDECK annahm, auf der Rasendammer Strecke auf, sondern liegt bedeutend höher. Der Johann-Friedricher Schacht selbst bietet keine Aufschlüsse, da er bis zur vierten Strecke in Zimmerung steht; zwischen der vierten und fünften Strecke habe ich im Hangenden desselben die Grenze zwischen Calceolaschichten und Kahlebergsandstein festgestellt, während von GRODDECK diese zwischen der dritten und vierten Strecke angiebt. Die weitere Abteufung des Schachtes seit VON GRODDECK’S Zeiten ermöglicht mir noch, seine Darstellung in zwei Punkten zu berichtigen; der Schacht durchteuft den Gang nicht bei der neunten Strecke, sondern wird erst zwischen der zehnten und elften Strecke ins Liegende zu stehen kommen, und das liegende Bogentrumm hat nicht das saigere Einfallen, das er annahm, sondern legt sich nach der Teufe zu wieder mehr an den Hauptgang an. Bezüglich des Profils muss noch bemerkt werden, dass dasselbe die Sattelstellung der Schichten nicht genau in der thatsächlichen Lagerung angeben kann, weil die aufgenommenen Strecken die Schichten in einem spitzen Winkel zum Streichen durchfahren, und diese Strecken nicht alle in derselben Vertikalebene, sondern nur in der Nähe des Johann-Friedricher Schachtes liegen. Das Profil stellt 2%6 MAIER: [120 demnach eine Projektion der Aufschlüsse auf eine durch den Schacht und das, Ernst-August-Stollen-Flügelort gedachte Ebene vor. Die in den Büdesheimer Schiefern angetroffene Spezialmulde ist auch bei den übrigen Schichten angedeutet, jedoch ist anzunehmen, dass noch mehr solche. Mulden vorhanden, aber nicht in so günstiger Weise auf&eschlossen und erkennbar sind. Die Aufschlüsse im Liegenden des Pisthaler Hauptganges sind, wie es in der Natur des Gangbergbaues liegt, wenig zahlreich, um so mehr als der Schacht selbst nur in grösserer Teufe im Festen steht, und Aufzeichnungen über die Schichtenfolge beim Abteufen nicht gemacht worden sind. Es konnte somit nur das Vorhanden- sein der gesamten Schichtenreihe von den oberdevonischen Kalken bis zu den Calceolaschichten durch einzelne Aufschlüsse auf den Strecken festgestellt werden, wogegen die Lage der Schichten- grenzen auf Konstruktion beruht. Ueber den Kahlebergsandstein fehlt hier noch jeder Aufschluss. Lagerungsverhältnisse im Hangenden des Grünlindener Ganges und Aufschlüsse auf dem Ernst-August-Stollen-Flügelort. Im Hangenden des Grünlindener Ganges treten von Tage herein die Grauwacken auf; der Tiefe Georg-Stollen ist nur im Kulmthon- schiefer aufgefahren, so dass die Kieselschiefer erst unter diesem Stollen anstehen können. Im Ernst-August-Stollen-Flügelort bilden Calceolaschichten das Hangende des Ganges, die sodann flach von den früher besprochenen Büdesheimer Schiefern überlagert werden. Auf diesem Flügelort ergeben sich nun eine Reihe interessanter und wichtiger Fragen, deren Lösung jedoch die lokalen Verhältnisse! leider beträchtliche Schwierigkeiten in den Weg legen. ‘ Der Wasserstand in diesem Stollen beträgt nämlich etwa 1'/ı m, das Wasser ist sehr kalt, und grosse Schlammmassen auf der Sohle sowie unver- mutete Unebenheiten derselben erschweren das Vorwärtskommen ausserordent- lich. Infolgedessen war es trotz einer Arbeit von fünf Schichten, von denen zwei zur Aufsuchung von Petrefakten verwandt wurden, nicht möglich, eine ganz genaue Aufnahme der fast 1200 m betragenden Strecke bis in die Kulmthon- schiefer durchzuführen, um so weniger als auch die Längenmessungen neu vor- genommen werden mussten, und die beiden Bergleute, die mich mit anerkennens- werter Aufopferung bei dieser sehr nassen Aufnahme begleitet hatten, Lust zu‘ länserer Arbeit dort nicht verspürten. Infolgedessen muss ich davon absehen, ein eigenes Profil durch diese Strecke zu geben, und sollen meine Aufnahmen nur im Anschluss an das nebenstehende von GrRonDEcK'sche Profil besprochen werden. 121] BEITRÄGE ZUR GEOLOGIE ETC. Der Kramenzelkalk von GROD- DECK’S setzt sich zusammen zunächst aus dem Stringocephalenkalk in der auch an anderen Stellen beobachteten Mächtigkeit von 20—25 m, der so- dann auf eine Erstreckung von 988 m (von 152—1140 m ab Johann-Frie- dricher Schacht) von den Büdesheimer Schiefern überlagert wird. Die typi- sche Ausbildung dieser Schichten ist schon erwähnt worden, erst gegen ihr Hangendes zu werden Bänke eines graublauen bis grauen Kalkes häufi- ger, die jedoch erst in den letzten 27 m vor Ueberlagerung des Devons durch den Kieselschiefer so mächtig werden, dass man sie als ober- devonische Kalke ansehen, und dann wohl dem Adorfer Kalk zurechnen kann. Diesen überlagert der Kiesel- schiefer, auf den schwarze, stark ge- bänderte und gefältelte Kulmthon- schiefer folgen. Die Büdesheimer Schiefer werden von 575 m bis 640 m unterbrochen durch die von VON GROD- DECK angegebene Kieselschiefermulde. Ob diese Einschaltung der kulmischen Kieselschiefer in die oberdevonischen Schiefer wirklich auf einer derartig eingesenkten Mulde beruht, liess sich leider nicht untersuchen, da die Kie- selschiefer infolge ihrer Brüchigkeit grösstenteils in Mauerung stehen. Die Lagerung liesse sich auch durch eine Verwerfung erklären, doch sind die VON GRODDECK’'schen Aufnahmen beim Auffahren des Stollens mit sol- cher Genauigkeit ausgeführt worden, dass hier ein Zweifel an seiner Auf- Berichte XI. Heft 2, CK). = u) : 6000. 1 Profil durch den Ernst-August-Stollen (nach von GRODDI Maassstab: Fig. 1 EDEL DEE DECO IE + ELAEE SRRS EL: Aramenzer Kalk N 98 MAIER: [122 fassung nicht berechtigt sein dürfte. Immerhin bleibt es auftallend, dass die oberdevonischen Kalke, die bei dieser Lagerung zu beiden Seiten im Liegenden der Kieselschiefermulde auftreten müssten, voll- ständig fehlen. Aber auch die Annahme einer Verwerfung könnte dieses Verhältnis nicht genügend erklären, da auch dann die Kalke im Hangenden des Verwerfers unter dem Kieselschiefer auftreten müssten. Ebenso geben auch die erwähnten, als Adorfer Kalke gedeuteten hangendsten Partien des Devons auf dem Ernst-August-Stollen zu Zweifeln Anlass. Es erscheint gerade hier sehr fraglich, ob die durch von GRODDECK festgestellte konkordante Ueberlagerung des Devon durch Kulm wirklich vorhanden ist. VON GRODDECK hat mit dieser Angabe jedenfalls nicht nur eine stratigraphische Konkordanz bezeichnen wollen, sondern hauptsächlich eine tektonische, in dem Sinne, dass die devonischen Schichten ungestört und lückenlos ab- gelagert und ebenso vom Kulm überlagert worden sind. Diese Auf- fassung wird ja auch in den heutigen Anschauungen über die Ent- stehungsgeschichte des Harzes allgemein angenommen. Wäre eine solche lückenlose Konkordanz vorhanden, so müssten gerade an dieser Stelle des Flügelortes die oberdevonischen Kalke in einer besseren Ausbildung auftreten, als es durch die immerhin noch zweifelhaften, geringmächtigen Adorfer Kalke geschieht. Der Ge- danke an eine transgredierende Ueberlagerung, den Dr. L. BEuS- HAUSEN — einer gefälligen Mitteilung seinerseits zufolge — schon für eine Stelle über Tage an der Halde des Georg- Wilhelmer Schachtes ausgesprochen hat, liegt hier jedenfalls sehr nahe. Andererseits gewinnt die Vermutung einer hier vorliegenden Verwerfung Raum infolge einer die Kalke und den Kieselschiefer, also Devon und Kulm, trennenden Gangkluft. Falls dieselbe als eine Verwerfungskluft auf- gefasst wird, könnten sehr wohl die höheren oberdevonischen Schichten an ihr abgesunken sein, so dass nun der Kieselschiefer die unteren oberdevonischen Schichten anscheinend konkordant überlagert. Eine genauere Untersuchung war hier leider wiederum nicht möglich, da der Kieselschiefer in Mauerung steht, wodurch eine genaue Grenz- bestimmung verhindert wird. Jedenfalls dürften aber meine Erfahrungen aus diesem Stollen zeigen, dass die Verhältnisse dort noch zu manchem Zweifel Anlass geben; eine Aussicht auf günstigere Umstände zu Aufnahmen dort ist allerdings nicht vorhanden, nachdem sich meine Hoffnung, viel- leicht im Herbste einen etwas niedrigeren Wasserstand anzutreffen, als irrig erwiesen hatte. 123] BEITRÄGE ZUR GEOLOGIE DES BOCKSWIESER GANGGEBIETES. 29 Die Goniatitenfauna des Ernst-August-Stollen-Flügelortes. Eine andere nicht unwichtige Frage harrt hier ebenfalls noch ihrer Lösung. VON GRODDECK giebt an!, dass sich auf dem Flügel- orte bei etwa 500 Lachter Entfernung vom Johann-Friedricher Schacht in schwarzen Thonschiefern schön erhaltene verkieste Goniatiten fanden, und zwar Goniatites lugleri, subnautilinus, planilobus, bicana- liculatus, Bactrites carinatus, die A. ROEMER aus seinen Wissen- bacher Schiefern beschrieben hat, zusammen mit ächt oberdevonischen Formen, wie Goniatites retrorsus und lamed. Der Fundort dieser rätselhaften Fauna blieb aber immer unsicher, da VON GRODDECK einen Teil der Versteinerungen erst aus zweiter Hand erhalten hat, während ein anderer Teil im Bockswieser Zechenhaus und in einem Rumpelkasten des Auguster Gaipels gefunden wurde. Durch viele Nachfragen stellte von GRODDECK den mutmasslichen Fundpunkt fest, doch lieferte das Gestein, das er nachträglich dort wegschiessen liess, keine Versteinerungen. Später hat dieses Vorkommen mit dazu beigetragen, dass man den Goslarer Schiefern ein jung-mitteldevonisches oder sogar oberdevonisches Alter beilegen wollte. Dr. BEUSHAUSEN? hat später dies Vorkommen dahin erklärt, dass die Goniatiten zwar vom Stollenort stammen, aber zum Teil aus den Büdesheimer, zum Teil aus den Wissenbacher Schiefern, indem er ein Profil: Wissenbacher Schiefer, Stringocephalenkalk, Büdesheimer Schiefer, Adorfer Kalk annahm. Nach dem Ergebnis meiner Aufnahmen treten jedoch Wissenbacher Schiefer auf dem Flügelort nicht auf; dieselben könnten nur in Frage kommen direkt im Hangenden des Grün- lindener Ganges unter dem Stringocephalenkalk, wo ich jedoch solche nicht habe feststellen können. Wenn auch die Genauigkeit meiner Aufnahmen, wie bemerkt, auf dem Stollen durch die Ver- hältnisse beeinträchtigt wurde, so glaube ich meine Behauptung bis zur Durchführung einer ganz genauen Aufnahme um so mehr auf- recht erhalten zu können, als auch VON GRODDECK im Hangenden des Grünlindener Ganges nur „Kramenzelkalk“ angiebt, und dessen Unterscheidung zwischen Wissenbacher Schiefern und Kramenzelkalk sich — bis auf die eine Stelle auf dem Lautenthaler Hoffnungs- Stollen — durchgehends als richtig erwiesen hat. ! A. von GRODDECK, Erläuterungen zu den „Geognostischen Durchschnitten durch den Oberharz“. Zeitschr. für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen XXI (1873), 8. 9. ? Zeitschr. d. d. geol. Gesellschaft 1896, S. 225. 9* 30 MAIER: [124 Mein eigenes Suchen nach diesen Goniatiten blieb zunächst im ganzen Bereich der mächtigen Büdesheimer Schiefer ohne Erfolg, erst das Herausschiessen! einer grösseren Menge Gesteine in der VON GRODDECK bezeichneten Gegend (980 m vom Johann-Friedricher Schacht) führte zum Ziel. N Ä Fig. 2 1 4 . Gephyroceras caleuliforme BEYR. 1: £ ! 4 2. (uerschnitt von Gephyroceras caleuliforme BEYR. ee Be : } 3 3. Gephyroceras tripartitum SANDB. —-» Aus einer ziemlich grossen Menge von Gestein fand ich vier Exemplare von Gephyroceras calculiforme BEYR. und ein Exemplar von Gephyroceras tripartitum SANDB., die durch Vergleichung mit mir vorliegenden Büdesheimer Stücken und mit der einschlägigen Litteratur als solche bestimmt werden konnten, und von denen je ein Exemplar nebenstehend abgebildet. ist. Dieselben sind verkiest und ziemlich gut erhalten, jedoch ausser- ordentlich klein, 4—8 mm. Ausser diesen fand ich noch eine Reihe von Bruchstücken kleiner verkiester Petrefakten, die stark verdrückt und ebenso wie ein Orthoceras nicht zu bestimmen waren. Hiermit ist das Vorkommen oberdevonischer Goniatiten in den Büdesheimer ! Diese Arbeit war insofern besonders schwierig, als ich zunächst mit Hülfe des mich begleitenden Bergmannes Holz vom Schacht bis zu dieser Stelle transportieren musste, um den Stollen dort mit einer Brücke zudecken zu können, aus der dann nach dem Schiessen ein Floss gebaut wurde zum Transport der Säcke mit dem herausgeschossenen Gesteinsmaterial nach dem Schacht. ® Die Schale ist mit schwach sichelförmigen, sehr feinen Anwachsstreifen bedeckt, die auf dem zerdrückten letzten Umgange besonders deutlich hervor- treten, jedoch leider bei der Reproduktion nicht zum Ausdruck gelangt sind. AN 2 EL EU id ans | day) Mr RN = en ; | A nah ara ni Zi = y e ME 5 | | | | | | “ +, Ma = gu Ss. DER Th -NUeIO-SUeH AOSIIASNIOT *IsuIy *A9TeL 00038: I :qe9sssee EN 2 OIITEEREAGLEER 7 T Bor R 2 Fre nl a" Er W Anzbuvg asm0d 912] J21pDqWNAQ Isa — ya] Java vUpysımn = bupg 124104 vab.soyy aa uauypH -SOFNZUFANIN AIHSOTMSYIOT SEP eNIEyFUCH ‘I IY8L -AUEII-ZueH AOSITASNVOT "Isuıy "LOIB (uw 86F6‘T = 10 peT J) ‘0059: 7T :qegssseemy 1 06 08 02 09 05 0# 0£E 02 0 O 43/4207 002 051 um 2UuNT- PUOZLON uS’9 IS Hopjay'g su2moIs Ismbny Isuıg sap TOanıy =4S7 40P]330% u2][04S sbunuyoH 42|Dy}u24nD7 u2][045 Jayppquinıg 2 III uaoıssaboL UPS -y -aspuag 4425 yaııım voyuy ısnbnybozuay jypS WDUPaIj uueyor 149G MNM 722 “y2g Jay>SAlH guneig odueöjdnep ıo[ey4sıg wop jn® oneg ‚SEFNZUHAqNIN IOSOIMSYIOg sop SSIY-ıoJreg "U [o@L Tafel III. Profil durch den Schacht Johann-Friedrich und das Ernst-August-Stollen-Flügelort. SS.W. NNO Schacht Johann Friedrich — I 22 = De Bro N go III =, are = Rasenda Mer Stred € N N 23 UF I L; Da HH INN ZZ IN) H EG VIE EZZI 7 LI 3Strecke , DVG / N Ken DL ANRITRRE N GE N | i ARD: GG N III NIS IIND II NN IN * Ne N Lam N £ 7 2 mbruchsort BERGER a S Unteres 2 — ittel - Devon Unter-Devon Oberes Maassstab: 1: 2780. Maier, Ernst, Bockswieser Gang-Granit, 125] BEITRÄGE ZUR GEOLOGIE DES BOCKSWIESER GANGGEBIETES. 31 Schiefern des Stollens belegt, doch bleibt es auffallend, dass gerade Arten gefunden wurden, die unter den VON GRODDECK’schen, soweit sie oberdevonisch sind, nicht vertreten waren. Damit bleibt jedoch immer noch die Möglichkeit offen, dass die letzteren trotzdem an dieser oder einer benachbarten Stelle des Stollens vorkommen, jeden- falls aber ist die Fauna an der untersuchten Stelle eine so spär- liche, dass das Vorhandensein einer reichen Goniatitenfauna, wie es nach den von GRODDEcK’schen Angaben zu erhofien war, höchst fraglich ist. Die mitteldevonischen Formen VON GRODDECK’sS müssen aber ohne Zweifel von anderem Orte als diesem Ernst-August-Stollen- Flügelort stammen, und dann in den doch zu recht starken Be- denken Anlass gebenden „Rumpelkasten des Auguster Gaipels“ ge- wandert sein, Als Hauptresultate der Untersuchung wäre nunmehr zusammen- zufassen: 1. Die devonischen Schichten sind in den Querschlägen vom JJohann-Friedricher Schacht von den oberdevonischen Kalken bis zum Kahlebergsandstein vollzählig und in konkordanter Lagerung vor- handen, und konnten mit Ausnahme der oberdevonischen Kalke genau gegliedert werden. Die konkordante Ueberlagerung des Kulms über das Devon ist dagegen nach den Aufschlüssen auf dem Ernst- August-Stollen nicht ganz wahrscheinlich. 2. Das Aufreissen der Bockswieser Gangspalten hat bedeutende Verwerfungen des Nebengesteins durch Absinken der Schichten im Hangenden des Verwerfers verursacht. Die Verwerfung durch den Grünlindener Gang beträgt 190-—-200 m, während die Verwerfung durch den Pisthaler Hauptgang weniger bedeutend ist, da dessen Liegendes durch den Georg- Wilhelmer Gang selbst stark verworfen ist. 3. Die kulmischen und devonischen Schichten zwischen Pisthaler Hauptgang und Grünlindener Gang haben bei der Dislokation eine bedeutende sekundäre Faltung erfahren und bilden einen Sattel, dessen südlicher Flügel steiler als der nördliche einfällt. Zugleich hat diese Faltung die gesamte Lagerung zu einer ausserordentlich unregelmässigen und vielfach gestörten gestaltet. 1 [126 Ueber einige Versuche mit Becquerel- und mit Röntgen-Strahlen. Von F. Himstedt. Herr Dr. GıEsEL hatte die Freundlichkeit, mir eins seiner wirk- samen Radiumpräparate zu leihen. Ich habe bei Gelegenheit zweier Vorträge einem grösseren Auditorium mit Hilfe dieses Präparates sehr bequem zeigen können: 1) das Leuchten der Substanz, 2) die Erregung des Barium-Platinocyanür-Schirmes auch dann, wenn das Radium in eine Schachtel aus 0,5 mm dickem Eisenblech ein- geschlossen war!, 3) die Erregung der Phosphorescenz von Sidot- Blende sowohl wie von anderen Substanzen, 4) Die Einwirkung auf das Elektroskop durch die Wände der Eisenschachtel hindurch auf eine Entfernung von über 5 m, 5) den Einfluss auf die Funken- strecke einer Elektrisirmaschine. Für diesen Versuch wurde bei einer Voss’schen Influenzmaschine die Funkenstrecke auf ca. 6 cm gestellt und der treibende Motor so regulirt, dass gerade noch Funken übergingen. Brachte man das Radium nun dicht unter die Kugeln der Funkenstrecke, so hörten die Funken auf. Die Wirkung liess sich viel leichter demonstriren, als die Kugel der Kathode, wie dies ELSTER und GEITEL? angegeben haben, durch eine grössere Scheibe ersetzt wurde. Bei einem Scheibendurchmesser von 30 cm konnte man die Maschine so schnell laufen lassen wie überhaupt möglich, wobei in der Sekunde 2—3 Funken von 8 cm Länge über- sprangen. Sobald das Präparat in die Nähe der Funkenstrecke gebracht wurde, hörten die Funken sofort auf. ! Im Dunkelzimmer, mit gut ausgeruhtem Auge, konnte man die Fluorescenz- erregung des Schirmes durch eine 1 cm dicke Bleischichte noch sehr gut sehen. ® Wiedemann’s Annalen 1899, Bd. 69 S. 673. 127] UÜEBER EINIGE VERSUCHE MIT BECQUEREL- UND RÖNTGEN-STRAHLEN. 2 Im Gegensatz zu den Herren ELSTER und GEITEL glaube ich bei der Gelegenheit feststellen zu sollen, dass Röntgen-Strahlen die- selbe Wirkung hervorbringen können. Mit einer Focusröhre, die durch ein 50 cm-Inductorium mit Wehnelt-Unterbrecher gespeist wurde, habe ich die Wirkung noch bei 4m Entfernung der Funken- strecke von der Röhre absolut sicher demonstriren können. Die Röhre war dabei in einen lichtdicht schliessenden Kasten einge- schlossen. Da mir bei diesen Versuchen, welche ich schon im vorigen Sommer in der Vorlesung gezeigt habe, aufgefallen war, dass, wenn die Elektrisirmaschine dicht bei der Röhre stand, so dass die ganze Maschine von kräftigen X-Strahlen getroffen wurde, dann stets nach Abstellung des Inductoriums eine gewisse Zeit verging (2—10 Se- kunden), ehe die Elektrisirmaschine wieder Funken gab, so schien es mir von vornherein sehr unwahrscheinlich, dass, wie die Herren ELSTER und GEITEL vermuthet haben, der Mangel an Continuität in der Strahlung der mit einem Inductorium getriebenen Röhre Schuld daran sein sollte, dass die genannten Autoren keine Wirkung der Röntgen-Strahlen auf die Funkenstrecke beobachten konnten. Ich habe das Inductorium mit einem Foucault-Unterbrecher von zwei Unterbrechungen in der Sekunde benutzt, und damit die Wirkung auf die Funkenstrecke stets sicher erhalten. Vielleicht war die von den Herren ELSTER und GEITEL benutzte Röhre nur zu schwach. Des Weiteren habe ich mit dem Gizseru’schen Radium die magnetische Ablenkung der Becquerel-Strahlen zeigen können, so dass die Erscheinung auf 3 m Entfernung noch gut gesehen werden konnte. Das Präparat lag in einem ganz flachen Bleikästchen von 5 mm Wandstärke, dessen Deckel in der Mitte eine dickwandige Bleiröhre von 1 em Durchmesser und ca. 5 cm Länge trug. Auf diese, die zwischen den Polen des Elektromagneten hindurchging, wurde der Röntgen-Schirm gelegt, auf dem dann ein scharf begrenzter kreis- runder Fleck entstand. Beim Schliessen des Stromes im Elektro- magneten konnte dieser Fleck vollkommen zum Verschwinden gebracht werden. Beim langsamen Schwächen des Stromes sah man den Fleck von der Seite her wieder in seine alte Lage kommen. Man hat, soviel mir bekannt, den Energieaufwand für die be- ständige Strahlung des Radiums herzuleiten gesucht aus einem lang- sam verlaufenden chemischen Processe. Es schien mir deshalb von besonderem Interesse, den Einfluss tiefer Temperaturen auf die Radioactivität des Präparates zu untersuchen. Die Herren HAGEn- BACH und KAHLBAUM in Basel hatten die Freundlichkeit, die hierzu 3 HinsTEpT: [128 nöthige flüssige Luft herstellen zu lassen und selbst an den Beob- achtungen Theil zu nehmen. Es konnte keine Abnahme, weder in der Leuchtkraft, noch in der Erregung des Fluorescenzschirmes beobachtet werden. Belichtete BarLmaın’sche Leuchtfarbe, mit der ein Oontrolversuch ausgeführt wurde, erschien bei der Temperatur der flüssigen Luft vollkommen dunkel. Um den Einfluss der Abkühlung auf die Fähigkeit des Radiums, das Elektroskop zu entladen, zu untersuchen, wurde die folgende Anordnung benutzt. Der Knopf eines Exxer’schen Elektroskopes war durch einen Draht verbunden mit einer isolirten horizontal auf- gestellten Metallplatte von 6 cm Durchmesser. Unter dieser wurde ein in Watte verpacktes Becherglas aufgestellt, in welches das in eine Glasröhre eingeschlossene Radium gebracht werden konnte. Es wurde beobachtet die Zeit, während welcher das Elektroskop von 2000 auf 1000 Volt entladen wurde. Bei Zimmertemperatur gaben hierfür 3 Versuche übereinstimmend 31 Sekunden. Nachdem jetzt das Becherglas mit flüssiger Luft gefüllt und genügend lange ge- wartet war, ergaben sich 33, 35, 34, 35 Sekunden. Hinterher er- gaben die Versuche in Zimmertemperatur wieder 31 Sekunden. Aus dieser Differenz von ca. 3 Sekunden, deren thatsächliches Vorhandensein durch eine neue Versuchsweise festgestellt wurde, darf man jedoch noch nicht den Schluss ziehen, dass die Abkühlung auf eine tiefe Temperatur die Radioactivität entsprechend vermindert hätte. Man darf nicht ausser Acht lassen, dass bei der gewählten Versuchsanordnung die Strahlen vom Radium zum Elektroskope das eine Mal durch gasförmige, das zweite Mal durch flüssige Luft gehen, und dass letztere, entsprechend ihrer bedeutend grösseren Dichte, auch stärkere Absorption hervorrufen kann. Um hiervon unabhängig zu sein, wurde das Becherglas ein Mal gefüllt mit Alkohol von Zimmertemperatur, das zweite Mal mit Alkohol, der bis an seinen Erstarrungspunkt abgekühlt war. Es ergab sich in beiden Fällen die gleiche Entladungsdauer von 36 Sekunden. Dieselben Versuche sind wiederholt, immer mit dem gleichen Erfolge angestellt, indem die Abkühlung durch feste OO, in Aether bewirkt wurde!. Es ist bekannt, dass, wenn man das Präparat, in lichtdichtes Papier eingeschlossen, auf das im Dunkelzimmer gut ausgeruhte ge- schlossene Auge legt, man eine Lichtempfindung wahrnimmt, bei der ! Kurze Zeit nachdem die Versuche am 27. März abgeschlossen waren, erfuhren wir, dass Herr und Frau Curie schon vor uns ähnliche Versuche mit dem gleichen Erfolge ausgeführt hatten. 129] ÜEBER EINIGE VERSUCHE MIT BECQUEREL- UND RÖNTGEN-STRAHLEN. 4 man das Gefühl hat, als sei das ganze Auge mit Licht erfüllt. Ueberraschend ist dabei, wie schnell das Auge für diese Licht- empfindung ermüdet. Ich habe mir zwei ganz gleiche Päckchen aus lichtdichtem Papier hergestellt, das eine mit dem Radium, das andere mit einer entsprechenden Menge Sand gefüllt. Legt man einem Menschen mehrmals hintereinander auf die beiden Augen die beiden Päckchen, sie ohne sein Wissen wiederholt vertauschend, so sind manche Menschen nach 10—15 maliger Wiederholung des Versuches wohl noch im Stande anzugeben, dass sie eine Lichtempfindung haben, vermögen aber nicht mehr anzugeben, auf welchem Auge das wirk- same Päckchen mit dem Radium liegt. Nach etwa 30 maliger Wieder- holung des Versuches vermag nach meiner Erfahrung kein Mensch mehr anzugeben, auf welches Auge das Radium, auf welches der Sand gelegt ist. Man wird zur Erklärung der Lichtempfindung ja wohl annehmen müssen, dass die Netzhaut oder auch die Linse bezw. der Glaskörper des Auges zur Fluorescenz erregt wird!, vielleicht ist die erwähnte schnelle Ermüdung daraus zu erklären, dass die Fluorescenz nicht momentan verschwindet, und deshalb die Oontraste geringer werden. Da die Becquerelstrahlen durch undurchsichtige Substanzen hin- durchgehen, so war es von vorn herein sehr wahrscheinlich, dass Blinde, deren Sehvermögen dadurch verloren gegangen ist, dass die Hornhaut oder die Linse des Auges getrübt ist, trotzdem unter der Einwirkung der Becquerel-Strahlen eime Lichtempfindung haben würden. Versuche an einer grösseren Anzahl von Personen haben dies durchaus bestätigt. Zum Schlusse möchte ich noch erwähnen, dass es mir nicht gelungen ist, irgend eine Wirkung des Radiums auf den Cohärer nachzuweisen, dagegen habe ich ohne Schwierigkeiten zeigen können, dass der Widerstand einer Selenzelle durch die Einwirkung der Becquerel-Strahlen herabgesetzt wird. Bei diesen Versuchen war das Radium in eine mehrfache Hülle lichtdichten photographischen Pa- piers eingeschlossen, bei einigen Versuchen befand es sich auch in einer Eisenschachtel von 0,5 mm Wandstärke, so dass die Wirkung sichtbarer Strahlen mit voller Sicherheit ausgeschlossen war. Es wurde hierauf mit grosser Sorgfalt geachtet, weil durch Vorversuche festgestellt war, dass alle phosphoreseirenden Substanzen den Wider- ! Ueber diesbezügliche Versuche mit Becquerel- und mit Röntgen-Strahlen, die ich inzwischen zusammen mit Herrn Dr. NAGEL angestellt habe, soll in Kürze berichtet werden. 5 Hınsteot: VERSUCHE MIT BECQUEREL- UND RÖNTGEN-STRAHLEN. [130 stand der Selenzelle bei directer Bestrahlung herabzusetzen ver- mögen, durch lichtdichtes Papier hindurch jedoch keinerlei Wirkung ausüben. Die Widerstandsverminderung der Selenzelle durch das Radium betrug, wenn letzteres durch eine doppelte Hülle licht- dichten Papiers und eine ca. 1 cm dicke Luftschicht hindurch wirkte, ca. 1°/, und liess sich mit der WneArestone’schen Brücke sehr sicher messen. Ich habe bei dieser Gelegenheit dann weiter constatirt, dass Röntgen-Strahlen sehr energisch auf die Selenzelle wirken. Ich konnte den Widerstand der Zelle durch Röntgen-Strahlen um mehr als 50 °/, vermindern. Ich hofte, dass sich hieraus eine Methode ergeben wird, welche in bequemer Weise die Intensität der Röntgen-Strahlen zu messen, resp. die Strahlung verschiedener Röhren unter verschiedenen Umständen zu vergleichen gestattet. Ebenso wie die Röntgen-Strahlen vermögen nach meinen Versuchen aber auch die ultravioletten Strahlen den Widerstand der Selenzelle zu verkleinern, dagegen nicht die ultrarothen Strahlen. Es liegt bei der übereinstimmenden Wir- kung der ultravioletten, der Röntgen- und der Becquerel-Strahlen die Vermuthung nahe, dass die Widerstandsverminderung des Selens eine indirecte sei, indem direct durch die Wirkung jener Strahlen eine Fluorescenz oder Phosphorescenz des Selens hervorgerufen werde, und dieses dann erst so zu sagen unter der Wirkung seiner eigenen Strahlen seinen Widerstand ändere. Ich habe jedoch auch bei den sorgfältigsten Beobachtungen im Dunkelzimmer keine Flu- orescenz oder Phosphorescenz des Selens beobachten können. Breiburg i. Br., 15.. April, 1900. 131] 1 Zweite Mittheilung über Versuche mit Kreuzungen von verschiedenen Hausmausrassen. Von Georg von Guaita, Volontairassistent. (Aus dem zoologischen Institut der Universität Freiburg im Breisgau.) Seit einer Reihe von Jahren stellte ich Versuche mit Kreu- zungen verschiedener Rassen der Hausmaus an. Einen ersten Bericht über diese Versuche veröffentlichte ich im Februar 1898 !; seit dieser Zeit bis Ende Oktober 1899 setzte ich diese Versuche noch weiter fort, deren Resultate ich hier in Kurzem wiedergeben will, haupt- sächlich in der Absicht, ein Vergleichsmaterial für ähn- lich gerichtete Versuche niederzulegen. Da ich in meiner 1. Mittheilung nur bis zu der IV. Generation gelangt bin und diese selbst noch unvollständig war, so komme ich nochmals auf dieselbe zurück. IV. Generation. ‘ Von den durch Kreuzungen II. Generation erhaltenen Mäusen III. Generation wählte ich 9 Pärchen zur Nachzucht aus. Von diesen blieben 4 Paare unfruchtbar. Ich habe bereits in meiner ersten Mittheilung die 5 übrigen Paare III. Generation besprochen, und zwar standen mir damals um diese Zeit yom.-1..Baar l Wurf, vom 2. Paar 4 Würfe, vom 3. Paar 1 Wurf, ! Vergleiche diese Berichte Bd. X, 1898. 92 von GUAITA: [132 vom 4. Paar 3 Würfe, vom 5. Paar 1 Wurf zur Verfügung. Seit dieser Zeit bis Oktober 1899 ist noch eine grössere Anzahl von Würfen in den einzelnen Kreuzungen hinzu- gekommen. — Das Ergebniss ist nunmehr folgendes: Von den 5 fruchtbaren Kreuzungen III. Generation erhielt ich in 25 Würfen im Ganzen 77 Junge IV. Generation, also auf den Wurf 3,08 Junge. Von diesen 77 Jungen waren 39 && und 38 © 9. Auch bei diesen Mäusen kam, wie ich bereits früher mitgetheilt habe, eine verschieden- artige Vertheilung der Rassenmerkmale vor, und zwar kann man dabei folgende Formen unterscheiden: 1. Ganz graue Mäuse (G.) 25 Stück (15 &c, 10 2 2). | 2. Ganz schwarze Mäuse (S.) 2 Stück (2 So‘). 3. Graue Mäuse mit weissen Abzeichen (G. w.) 31 Stück I | (13 Se.nle ala). | #. Schwarze Mäuse mit weissen Abzeichen (S. w.) 3 Stück | BR RD}! . | 5. Weisse Mäuse mit rothen Augen (A.) 6 Stück (2 W hp 2). 6. Graue Tanzmäuse (g. T.) 3 Stück (2 &&, 1 9). 7. Schwarze T’anzmäuse (s. T.) 2 Stück (2 @ 2). 8.1 Schwarze Tanzmäuse mit weissen Abzeichen (s. T. w.) 2 Stück (2 0). 9. Graue Tanzmäuse mit weissen Abzeichen (g. T. w.) 3 Stück (1 0,209), V. Generation. Von den Jungen IV. Generation wurde wieder eine grössere Anzahl zur Weiterzucht ausgewählt und so eine V. Generation ge- züchtet. Im Ganzen stellte ich mit 12 Paaren Kreuzungsversuche an. Fünf davon ergaben keine Jungen, darunter zwei, bei denen die Eltern Geschwister waren. Ich gebe in der angefügten Tafel I zunächst ein Verzeichniss der 7 fruchtbaren Kreuzungen, wobei ich wegen der Raumersparniss folgende Abkürzungen verwenden werde: ! Statt der Bezeichnung „Schwarz-weiss gescheckte Tanzmäuse* (erste Mit- theilung S. 14 unter No. 7) werde ich weiterhin stets die Bezeichnung „Schwarze Tanzmäuse mit weissen Abzeichen“ benützen, da sich inzwischen herausgestellt hat, dass bei dieser Kategorie die schwarze Farbe stets überwiegt. 133] VERSUCHE MIT KREUZUNGEN VERSCHIEDENER HAUSMAUSRASSEN. 3 Albino (weisse Maus mit rothen Augen). Japanische Tanzmaus. Graue Maus mit den Charakteren der Hausmaus (mus musculus). Ganz schwarze Maus. Graue Maus mit weissen Abzeichen. w. Schwarze Maus mit weissen Abzeichen. 7; eh 2 = (Graue Tanzmaus. Schwarze Tanzmaus. NY LE Weisse Tanzmaus. . T.w. Graue Tanzmaus mit weissen Abzeichen. en w. Schwarze Tanzmaus mit weissen Abzeichen. aa m = - Von diesen 7 Kreuzungen IV. Generation erhielt ich in 31 Würfen im Ganzen 134 Junge V. Generation, also auf den Wurf 4,32 Junge. Wie bei der IV. Generation, so kamen nach den in Tafel I angegebenen Tabellen auch hier wieder die verschiedenartigsten Rassenmerkmalkombinationen vor, und zwar folgende 10 Kategorien: 1. Ganz graue Mäuse (G.) 1 Stück (1 <). 2. Ganz schwarze Mäuse (S.) 9 Stück (3 &c, 6 22). 3. Graue Mäuse mit weissen Abzeichen (G. w.) 53 Stück (26 &C, 27 2.2). Schwarze Mäuse mit weissen Abzeichen (S. w.) 19 Stück 8:00,11,9,2). Ganz weisse Mäuse mit rothen Augen (A.) 18 Stück (14 30,49 2). . Graue Tanzmäuse (g. T.) 2 Stück (1 <, 1 = Schwarze’ Tanzmäuse (s. T.) 3 Stück (3 2 © Weisse Tanzmäuse (w. T.) 1 Stück (1 <). . Graue Tanzmäuse mit weissen Abzeichen (g. T. w.) 2 Stück (1,129). 10. Schwarze Tanzwmäuse mit weissen Abzeichen (s. T. w.) 5 Stück (5 50). Todtgeburten 21 Stück. Pa > _ | a eo no kai su N nn re Sa 1 be ee m ni ou I = Es kommen also im Wesentlichen wieder dieselben Färbungs- abstufungen wie bei der IV. Generation vor. Was die Rassenmerkmale im Einzelnen anbelangt, so kamen auch hier die Tanzmäuse (No. 6—10) der japanischen Tanzmaus- rasse in Grösse und Temperament gleich, während die Mäuse von No. 1—5 der grauen Stammrasse ähnlich waren. 4 von GuAlTA: [154 Weiter ist von allgemeinem Interesse, dass bei Kreuzungen, bei welchen die Eltern (IV. Generation) graue Mäuse mit weissen Ab- zeichen (G. w.) sind, fast sämmtliche Junge (V. Generation) wieder graue Mäuse mit weissen Abzeichen sind. In einem speziellen Fall (I. Paar) nun waren nicht bloss die Eltern (IV. Generation), sondern auch sämmtliche 4 Grosseltern (III. Generation) grau mit weissen Abzeichen, während die Urgrosseltern wie alle anderen T'hiere II. Generation den ursprünglichen Hausmauscharakter zeigten. Von dieser speziellen Kreuzung fielen nun in 5 Würfen 16 Junge (V. Generation), welche ausschliesslich grau mit weissen Abzeichen waren, so dass sich also bei dieser Kreuzung jener spezielle Fär- bungscharakter vollkommen zäh weiter vererbte. Bei einer ähnlichen Kreuzung (VI. Paar), bei welcher die Eltern ebenfalls grau mit weissen Abzeichen waren, verhielten sich die Grosseltern väterlicherseits ebenso, dagegen war mütterlicherseits der Grossvater ein ge- wöhnlicher Albino und die Grossmutter eine einfach graue Maus. Bei dieser Kreuzung kamen denn auch ausser den grauen Mäusen mit weissen Abzeichen echte Albinos, d. h. also weisse Mäuse mit rothen Augen vor, und zwar waren von den 44 Jungen 35 grau mit weissen Abzeichen und 9 Stück echte Albinos. Jedenfalls ist bei den Kreuzungsversuchen, welche mit grauen, weiss gezeichneten Mäusen angestellt werden, interessant, dass bei keinem derselben Tanzmäuse und schwarze Mäuse mit weissen Ab- zeichen fielen, was auf eine wesentlich geringere Zähigkeit der Merkmale der japanischen Tanzmausrasse gegenüber den reinen Art- merkmalen und den Albinomerkmalen schliessen lässt. Andererseits ist das \Wiederauftreten von reinem Albinismus bei dem einen der Versuche, also der damit verbundene Rückschlag auf einen der Grosseltern, wiederum ein Hinweis auf die schon von Darwin! betonte, verhältnissmässig starke Erblichkeit des Albi- nismus. Was dann die zähe Vererbung der weissen Abzeichen bei sonstiger grauer Gesammtfarbe anbelangt, so steht das zunächst in einem ge- wissen Widerspruch zu einer Bemerkung Darwın’s?, wonach bei Kreuzungen von grauen und weissen Mäusen die beiderseitigen Charak- tere sich weigern zu verschmelzen. Darwin giebt nämlich an: „Werden ! Vergleiche Cu. Darwın, Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zu- stande der Domestication. Darwin’s gesammelte Werke, übersetzt von Carus 2. Auflage, Stuttgart 1899, III. Bd. 1. Abth. S. 121. 2 1. ce. III. Bd.2,Abth:! 8::106; 135] VERSUCHE MIT KREUZUNGEN VERSCHIEDENER HAUSMAUSRASSEN. 5 graue und weisse Mäuse gepaart, so sind die Jungen nicht gescheckt, auch nicht von einem mitte inneliegenden Farbenton, sondern sind rein weiss oder von der gewöhnlichen grauen Farbe.“ Es dürfte aus dem Vergleich der oben beschriebenen Resultate mit der Angabe Darwiın’s hervorgehen, dass die beiden Charaktere allerdings sich schwer vermischen, dass aber, wenn einmal auf Umwegen ihre Verschmelzung erreicht ist, die Mischeharaktere sich in zäher Weise forterhalten. Es sei zum Schluss bemerkt, dass in dieser V. Generation sich schon bedeutend eine Degeneration der Eltern IV. Generation geltend macht. 5 Kreuzungen waren nämlich durchaus steril, und ein 6. Paar erzeugte wohl Junge, welche aber gleich nach ihrer Geburt auf- gefressen wurden. — VI. Generation. Von den Jungen V. Generation kreuzte ich wieder eine An- zahl mit einander. Im Ganzen waren es 7 Kreuzungen, von welchen 2 ohne Nachkommen blieben. Die andern 5 Kreuzungen ergaben auch wieder eine grosse Anzahl von Jungen mit den verschiedensten Färbungen und Rassenmerkmalen. Neue Kombinationen der Färbung oder der Rassencharaktere kamen indessen nicht vor; vielmehr waren es genau dieselben wie bei der V. Generation. — Zunächst gebe ich in der angefügten Tafel II ein Verzeichniss der 5 fruchtbaren Kreuzungen. Von den 5 Kreuzungen V. Generation erhielt ich in 30 Würfen 95 Junge VI. Generation, also auf den Wurf 3,16 Junge. Folgende Formen kamen dabei vor: [| 1. Ganz graue Mäuse (G.) 2 Stück (15, 1 2). | 2. Ganz schwarze Mäuse (S.) 8 Stück (5 SS, 3 9 2). I | 3. Graue Mäuse mit weissen Abzeichen (G. w.) 23 Stück l Ho SD). | 4. Schwarze Mäuse mit weissen Abzeichen (8. w.) 16 Stück | (13 63 292). [| 5. Ganz weisse Mäuse mit rothen Augen (A.) 34 Stück II. R | (19 &&, 15 9 9). HI 6. Schwarze Tanzmäuse (s. T.) 1 Stück (1 < “7. Weisse Tanzmäuse (w. T.) 2 Stück (2 2 a IV. { 8. Todtgeburten 9 Stück. r dieser Tabelle fehlen diesmal ganz die grauen Tanzmäuse, die schwarzen Tanzmäuse mit weissen Abzeichen und die grauen Tanzmäuse mit weissen Abzeichen, was allerdings darauf zurück- 6 Von GUAITA: [136 zuführen ist, dass die elterlichen Tanzmäuse V. Generation grossen- theils steril blieben. Im grossen Ganzen ist überhaupt die Wahr- nehmung zu machen, dass die Tanzmausrasse nach und nach verschwindet. Auch die ganz grauen Mäuse verschwinden in dieser VI. Generation fast ganz, während die albinotischen Mäuse in grös- serer Anzahl vorhanden sind, als in der V. Generation. Auch bei der VI. Generation hatte ich eine Kreuzung, wo beide Eltern V. Ge- neration und die 4 Grosseltern IV. Generation sämmtlich graue Mäuse mit weissen Abzeichen waren. Von den 8 Urgrosseltern III. Ge- neration waren 4 graue Mäuse mit weissen Abzeichen, 2 Albinos und 2 graue Mäuse. Die Nachkommenschaft VI. Generation bestand nun wieder hauptsächlich aus grauen Mäusen mit weissen Abzeichen (8 &c&, 13 2 2). Minder zahlreich waren die weissen Mäuse (2 36%, 8 2 9), während die einfarbig grauen Mäuse fast ganz verschwan- den (1 5). Wie aus den Zahlen der Geschlechter hervorgeht, sind die © © Nachkommen in der Majorität vorhanden. Zeichen von Degeneration machten sich auch bei diesen Kreuzun- gen wieder bemerkbar, so z. B. wurden bei einer Kreuzung von 8 Jungen 6 von den Eltern gleich nach der Geburt aufgefressen. VII. Generation. Von den Jungen VI. Generation wurden 8 zur Weiterzucht ausgewählt, also 4 Kreuzungen VI. Generation gebildet, wovon jedoch eine unfruchtbar blieb. Die Tabelle III gibt ein Verzeichniss der 3 fruchtbaren Kreuzungen VI. Generation. — Es sei hierzu bemerkt, dass aus hier nicht weiter zu erörternden Gründen bei einer der Kreuzung insofern eine Vermengung der Ge- nerationen vorgenommen wurde, als bei dem 2. Paar das 9’ (schwarze Maus) der V. Generation angehörte und auch schon als Vater bei einer der Kreuzungen V. Generation gedient hatte. Dieses Männ- chen zeigte, wie hier gleich erwähnt werden soll, besondere Eigen- thümlichkeiten in der Färbung. In den ersten Monaten seines Lebens war es ganz schwarz. Späterhin (12. Mai) bemerkte ich nun, dass die Färbung sich änderte. Kopf und Rücken bis nach der Brust zu blieben schwarz, dagegen wurden die Hinterhälfte des Rückens, Hinterbeine, Becken und Unterleib graubraun, und zwar scharf ab- geschnitten gegen das Schwarz. Nach und nach nahm die grau- braune Färbung auf der linken Seite zu. Vom 29. Mai an nahm die schwarze Färbung wieder nach hinten fortschreitend zu. Am 15. Juni war die schwarze Farbe immer weiter gegangen, nur die 137] VERSUCHE MIT KREUZUNGEN VERSCHIEDENER HAUSMAUSRASSEN. 7 beiden Oberschenkel waren noch graubraun. Vom 20. Juli an nahm die graubraune Färbung immer mehr ab, bis endlich am 23. Oktober das ganze Thier wieder total schwarz war. Im Anfang glaubte ich nun, es sei eine besondere Abart von Färbung, weil mir bisher in meiner ganzen Zucht keine solche Farbenzusammenstellung vorge- kommen war. Es stellte sich jedoch heraus, dass es sich nur um eine vorübergehende, mit dem Haarwechsel zusammenhängende Um- färbung handelte. Immerhin scheint mir ein derartiger mehrmaliger Wechsel der Rassencharaktere bei einem Individuum bemerkens- werth zu sein, zumal er nicht gut verglichen werden kann mit dem Auftreten und Wiederverschwinden von atavistischen Oharakteren bei den Jungen anderer Säugethiere (vgl. Zebrastreifung). Blicken wir nun auf die Tabellen zurück, so ergiebt sich, dass in 11 Würfen im Ganzen 25 Junge VII. Generation (also auf den Wurf 2,27) fielen, wovon indessen nur 7 am Leben blieben, wiederum ein Merk- mal der fortschreitenden Degeneration der Zucht. Unter jenen 7 am Leben gebliebenen Jungen traten nur dreierlei Verschiedenheiten auf. 1. Ganz weisse Mäuse mit rothen Augen (A.) 1 Stück (19). 2. Graue Mäuse mit weissen Abzeichen (G. z 4 Stück (4 SG‘). 3. Weisse Tanzmäuse (w. T.) 2 Stück (1 <, 12). 4. Todtgeburten 18 Stück. Bei einer von diesen 3 fruchtbaren Kreuzungen (III. Paar) fand auch wieder ein bemerkenswerther Rückschlag auf die Grosseltern statt, indem von rein albinotischen Eltern neben einem Albino zwei weisse Tanzmäuse fielen. Da bei dieser Kreuzung die beiden Grossväter (V. Generation) weisse Tanzmäuse, die beiden Grossmütter (V. Generation) reine Albinos waren, so kommen hier die grosselterlichen Charaktere in annähernd gleichem Verhältniss bei den Enkein zum Vorschein. Die hier hervortretende Erscheinung, dass die Abkömmlinge von weissen Mäusen (Albinos oder weisse Tanzmäuse) auch wieder weisse Färbung haben, scheint im Uebrigen, wie die übrigen Versuche ergeben, eine allgemeine zu sein. — Ferner geht aus den Versuchen abermals hervor, dass die Tanz- mauscharaktere weniger zäh sind als die der Albinos, und dass überhaupt mit dem Auftreten derselben eine weitergehende und raschere Degeneration der Rasse verbunden ist, als bei den Albi- nos, wie im Einzelnen an der Hand der Tabellen leicht nachgewiesen werden könnte, Berichte XI. Heft 2. 10 8 VON GUAITA, VERSUCHE MIT KREUZUNGEN ETC. [138 I Zum Schluss möchte ich noch eine Tabelle geben, in welcher in jeder Generation die Anzahl der Jungen auf den Wurf ausge- rechnet ist. — 4 Paarungen I. Generation: 31 Mäuse in 7 Würfen, & Wurf 4,42 Mäuse II. Generation. 4 Paarungen II. Generation: 50 Mäuse in 17 Würfen, A Wurf. 2,94 Mäuse! III. Generation. 5 Paarungen III. Generation: 77 Mäuse in 25 Würfen, & Wurf 3,08 Mäuse! IV. Generation. 7 Paarungen IV. Generation: 134 Mäuse in 31 Würfen, & Wurf 4,32 Mäuse V. Generation. 5 Paarungen V. Generation: 95 Mäuse in 30 Würfen, & Wurf 3,16 Mäuse VI. Generation. 3 Paarungen VI. Generation: 25 Mäuse in 11 Würfen, & Wurf 2,27 Mäuse VII. Generation. Aus dieser Tabelle ist zu entnehmen, dass eine Abnahme der Fruchtbarkeit nicht eingetreten ist, trotzdem von der II. Generation an in weiterem Umfang Incestzucht getrieben worden ist. — Freiburg i. Br., 4 Mai 1900. ! Die Zahlen der Jungen III. und IV. Generation stimmen nicht mit denen meiner ersten Mittheilung überein, da ich damals die Kreuzungen II. und III. Generation noch nicht abgeschlossen hatte. Ir 139 96 LO 96 vo K3Re) 90 96 90 96 90 96 92 — [0 [1 [7 Do 1 Lö VE vöıle 1ö VE 15 VO LEVE vöLe 'LöEVE vöLg ı8eg 'IIA AG AD 98 8 ol eng = OT 96 ‚ve = ng 95 ‘vs AG MG = HT = ‘VI VI ‘v3 nd AD = OT nor "AdT [616) fefe] REDNER 99 9ö vo nö agD De u BR: en) 9 92 »9ö 92 96 BEE 95 92 a mm mn zum een SE :ö ve vöLl2 1öVE VöL2 LöVE2 vöL9 'LöVEO vöLo geed IA gt 1g8 "LOL NIE ST “AgE "AL SI "ML SI "SI = A’ST — [67°) ers A) LO 96 90 96 “LM ,O essen reg BENNY, ie 96 92 9ö 90 96 92 9 909 en a ae u en u en —— LöEVO vö1l2 18 v2 völL2 Lö VE vVöLe LövE Lövyego Bea "A — LS ST ZyaR 'S5 OST "L'SL 'SI SZ "AL'ST Eva SG AST ST "SI "ST "LS T St 'S5 = ST ST avi vs = ‘VI AST ASL'SE 55 KoXe) er ee a et tn ag SS EEE x 96 "LA 9 96 LA0 \ — - 96 99 96 92 9 92 DR) 92 —— ——_ — _—— Sn ns = Pe en LöVv2 vöılf 'LövS LöVvE Lö V2 völe Lö VO Lö VP ae®g AI Anscln VI "SZ NISMEE 3 go BOOT _ ein u SH .g P so »9ö LO 9 a »9ö 90 9ö 92 96 92 96 92 1öve vöLP2 Uö VO Lö ve Lö. VO vVöL2 16V Lö VO ‘reed 'III edunf g "usjuuoy UOPIOM aunp € yurumsoq aqaeg pun a A99]1089x) ya "uosso.1jad Zar s -me uapınMm SyALFJuugs | odunf: 5 86 22 = a u Zn An9ö "132 »9ö vg 96 La 9 — N N = 9 92 9ö 92 »9ö 92 »Ö 92 LöVEO vVöL2 'LöVE vVöLe 1ö VO vöıLe 'LövVe Lö ve 'aeeg 'II A')Eg AD)E ’M )g n'96 DE AT AO T = _ yanqasıpoL I tote} 22 95 ET) a9 199 nö a9 0 96 99 Dö 92 95 9% 96 92 LöVE vö1L0 'Lö ve 512 165 vV2 vöLP nö V0 'vö'L® aeed I BUNT any" zum '6 ana any ray" ya una ana ee ee "NsHde Ser © “uorrelousg) * “uoryBrouax) * "uorelouad) " "uorysdouag) " "uoryeaouadg) Z zuuM 'E BE ANE um T "uorrerouag) " "uoryBI9usK) " "uorBlouag ' -uorBaauag) * "morpBrouar) * APILANEEN um 7 zum 'e zum 's FZALMNEET -uorrerauag) * -uorrBlauoN) * "norBrauag) * uolyBrouen) " "olyBIOUaK) = ENT -uolyBIauag) * uorBaouak) "uoryelouax) " -uorelouog) " "uoryetauag) Heiss -uorBaoung) * "uolyeIouaXg) od "uolyeIauaLf) jr "uoryBIouan) N uormaauor) " an an anal oa au Has-ıs "uonBaouog * "uorpztouon) * -uorelauor) * ‚uorBIoueg) * "uowaoueg ' ru SuonstoAsgumzuary *uoa Da "UONBAIOUOK) "A uorys1ouag) "AL -uorBaauog) "III "UOlyBIOUOEX) IT "uolyB.Iouog) At "uas H "run ne AU, ul, 52 S BEI aT Pre BR A ME [ Qualta, Georg von, Kreuzungsvorsuche mit Hausmäusen. Ess Tafel II. I. Paar. i ‚9A, SAOT. ST.OA. SAOT. STOA SAPT. STOA SAOT. ST.QA. SAOT. ST.OA. SAOT. STOA. SAOT. ; I. Generation. ST.P A. KA OT. ST.QA SAH! STQA SAOT. ST.QA SAPT. ST? gr ST.2A, SAPT. ST.PA, SAOQT. ST.QA, SAOT, II. Generation. 6. 26. Se. 26, Se. 96: 6. 26. 6 26. 3. 26. 6. 26. &6. 26. Sn nt —— —— = — ut —— III. Generation. 6. w. 2 6. w. SA. 26. SG. w. 26. w. SA. 26. IV. Generation. &G.w. 2G.w. Saw. 9G.w. V. Generation. SG. w. 3 a ee 26G.w. VI. Generation. ‘cd ; ie 1. Wurf. 1A. _ 2G.w. ar 2. Wurf. 1 Todtgeburt. 1A. =, 1G.w. 3. Wurf. 16. 3A. —_ 1G. w. 4. Wurf. 36G.w. — 5. Wurf. 1G.w. 2G.w. u 2A. 6. Wurf. _ 2G.w. 7. Wurf. — 2G.w. 8. Wurf. 16. w. IM, 1A 2G.w. 9. Wurf. — RAS 10. Wurf, == 1G.w. 11. Wurf. 1G.w. _ 12. Wurf. — 26G.w II. Paar. T. Generation. &A.QT. &A.OT. ST.QA. SAOT. SAOT. SA.OT. ST.OA, SAOQOT. SAOT. SAOT. ST.OA. SAOT. SAOT. SAOT. ST.OA. SAOT II. Generation. ©@. 96. SG. 96. 6. 96. 6. 96. ET de 6 96. 36. 98. SG. °%. —— ——— — m — — = III. Generation. S&wT. 26. &w.T. 26. &wT. 26. &wT. 96. NE Te ES IV. Generation, SS. 28T. &S. QS.w. See ee ee ee er V. Generation. &wT. QA. VI. Generation. lo) 22 1. Wurf. 4A, 2A. III. Paar. I. Generation. A.QT. ROLTIESETRREAT SEAT ONE SALON SANT SA, DIT FA. OT EAOT. HTOKH THAT LQA. A.OT. ST.QA SA OT. II. Generation. EG. 26. &G. 2G. SG. 26. &G. 26. SG. 2G SG 26. fee} 96 6 26 | nam —— —_—_ —- III. Generation. wT. 26. &w.T. 26. gwT. 26. & G.w. 2G.w Ro ee er m Et a EEE Bere - IV. Generation. SS. QS.w. &s.T. 26.w. V. Generation, DRAN OS. VI. Generation. r [)X°} 2? 1. Wurf. 1A. + 1 Todtgeburt. 2. Wurf. 1A. 1A. 3. Wurf. 18. 1A. 48. w. 18. 1A. = 4. Wurf. FAR 1S. w. 5. Wurf. 18. 2w.T. 38. w. _ 6. Wurf. 2A. = 1S.w. _ 7. Wurf. _ 1A. 8. Wurf. 2A. 28.w. en 1A. 9. Wurf. 3A. 18. 38. w. 1A. 10. Wurf. 1S.w. — US _ 1A. —_ 11. Wurf, 18. 18 1S.w. —_ MAT = IV. Paar. I. Generation. SA.OT. SA.OT. ST.QA. SA.OT. ST.9A, SAOT. STOA. SA.OT. SAOT. SA.OT. ST.QA. SA.OT. SA.OT. SA.OT. ST.QA. SA.OT, II. Generatin. 6. 96. Te, 26. SG. 9G. SG. 2G. 6. 2G. Se. 96. 6. 26. 56. 26. ——— —— —_—— — = III. Generation. &wT. 20. &G.w. 2G.w. &wT. 26. 2wT. 26. 7 ee, EN u er IV. Generation, &=T. 2G.w. &s. OS. w. blend V. Generation, &s. 2=T. VI. Generation, ec 09 1. Wurf. 1.Todtgeburt. 2. Wurf. 1 Todtgeburt. 1 Todtgeburt. 3. Wurf. 1 Todtgeburt. 18. w. 1S. - 4. Wurf. 1 Todtgeburt. 1 Todtgeburt. V. Paar I. Generation. ST. 9A. SA.OT. ST.OA. SAOT. SAOT. SA.OT. SMOA. SAOT. SAOT, SA.OT. ST.9A. SAOT. ST.PA, SAOT. ST.OA, KAPT II. Generation. 06. 26. SG. 96. 6 26. 6. 26. 6. 96. 6. 2.6. 6. 26. 56. 26. III. Generation. SA. 26. SwT. 26. SwT. 26. 56. w. 2 6G.w. a ze —— zZ = Er IV. Generation. S&e-T. OS.w. &=T. 2G.w. |STT——— nn o n ee SS V. Generation. 6. QEgT.w. h Im. VI. Generation. ec ee) 1. Wurf. 1 Todt; & = 2. Wurf. Ei & art Pre l { ' alart Dale Eee f Re DIE u EL Lee ern fr) Guaita, Georg von, Krouzungsversuche mit Tafel III . Hausmäusen, I. Paar. I. Generation. ST.QA. KA.OT. T.9A. SA.OT, ST.QA. SAOT. ST.PA SAOT. SAOT. SAOT. ST.OA. SAOT. SA.OT, SAOT, ST.9A. SAOT, SAOT SAOT. ST.OA SAOT STOA SAOT. STOA SAoT II. Generation. O6. 96. 6. O6. 36. 96. 36. °6. Se. 96. 6. 96: 6. 90. 6. 30. 8. 96. Fa. °6. ECHTEN TE Su. ode Aa riege = ER A un En — ne) Let S © 9G. 2 26. III, Generation. eine Bohrung von 1,5 mm Durch- messer hatte), eine helle horizontale oder vertikale Limie bei Platte 7/ <—& 2 (je nachdem wir den Spalt horizon- tal oder vertikal hielten), ein hell- <——« mM leuchtendes Kreuz bei Platte 7/7. ® Wir konnten weiter durch Be- Fig. 1. wegung der Platten mit vollster Sicherheit konstatieren, dass der Lichtreiz nur da entstand, wo die Retina von den Röntgenstrahlen getroffen wurde. Hielt man den Schirm mit der kleinen runden Oeffnung so, dass die Strahlen in der Richtung 7 (siehe die Fig. 1) in das Auge einfielen, dessen Retina durch « 5 e angedeutet sein soll, so sah man nur einen hellen Fleck. Fielen die Strahlen in der Rich- tung // ein, so entstanden zwei helle Flecke, rechts bei ce und links bei a. Fielen endlich die Strahlen wie /// ein, so dass sie die Retina sozusagen tangential trafen, so hatte man eine helle Linie im Auge. Entsprechende Versuche haben wir mit der kreuzförmigen Oeffnung angestellt und stets genau diejenige leuchtende Figur erhalten, die sich durch geometrische Konstruktion vorher bestimmen liess. Als wir diese Versuche anstellten, die sich ganz naturgemäss an die mit den Becquerel- und den ultravioletten Strahlen anschlossen, hatten wir übersehen, dass ganz ähnliche Versuche schon vor uns von Dorn und BranDes (Wied. Ann. 60, 1897), sowie von Röntgen selbst ausgeführt waren. Wir haben so erst nachträglich gesehen, dass wir durch die vorstehenden Beobachtungen nur die Versuche der genannten Forscher wiederholt und bestätigt haben. Letzteres verdient besonders hervorgehoben zu werden, da, wie wir ebenfalls erst nachträglich gesehen haben, die Beobachtungen Dorn’s von anderer Seite! angezweifelt worden sind. Wir haben vorhin schon erwähnt, dass bei seitlicher Bestrahlung des Auges mit Röntgen- oder Becquerelstrahlen die grösste ! von Cowu und Levy-Dorn, Archiv für Physiologie 1897. 145] EINWIRKUNG DER BECQUEREL- U. RÖNTGENSTRAHLEN AUF DAS ÄUGE. 7 Helligkeit auf der Seite empfunden wird, auf welcher sich die Röntgenröhre bezw. das Radiumpräparat thatsächlich befindet. Dies ist sehr auffallend. Treten Röntgenstrahlen beispielsweise in das rechte Auge von der temporalen Seite und in frontaler Richtung ein, so durchsetzen sie zuerst die temporalen Teile der Netzhaut- peripherie, dann den Glaskörper und schliesslich den nasalen Teil der Netzhaut. Da nun Erregung des temporalen Netzhautbezirks eine Lichtempfindung bewirkt, die wir durch den Knotenpunkt nach aussen projizieren, also nasal (im vorliegenden Falle nach links hin) sehen, und da anderseits die Strahlen beim Passieren des Glas- körpers eine zwar geringe, aber immerhin nachweisbare Absorption erfahren, wäre zu erwarten, dass wir die grösste Helligkeit nasal, also links sehen, entsprechend dem gereizten temporalen Netzhaut- bezirk. Da nun, wie erwähnt, das Gegenteil der Fall ist, mussten wir an die Möglichkeit denken, dass die abnorme Einfallsrichtung der Strahlen von Bedeutung sei, indem Strahlen die von der Sklera her in die Netzhaut fallen, etwa minder stark erregend wirken, als solche von normaler Einfallsrichtung, die vom Glaskörper aus in die Netzhaut treten. Diese Erklärung war indessen sofort abzulehnen auf Grund der Thatsache, dass die genannte genauere Erscheinung auch bei Einwirkung der Becquerelstrahlen zu beobachten ist. Bei diesen liegt ja, wie erwähnt, kein Grund zur Annahme direkter Netzhaut- reizung vor, die Lichtempfindung ist vielmehr Folge der Fluoreszenz des Glaskörpers; diese ist nun wohl zweifellos intensiver auf der dem Radium zugekehrten Seite, es müsste also auch die gleichseitige Netz- hautseite intensiveres Licht (und zwar von normaler Einfallsrichtung) bekommen. Trotzdem ist der subjektive Eindruck der umgekehrte. Wir versuchten nun, durch circumskripte Reizung einzelner Netzhautpartien der Sache auf den Grund zu kommen. Hält man neben das Auge eine dicke Bleiplatte mit einem Lioch von einigen Millimeter Durchmesser und lässt durch dieses Röntgenstrahlen durchtreten, so kann man, wie oben beschrieben, ein fast parallel- strahliges Büschel quer durchs Auge treten lassen. Die beiden kreis- förmigen hellen Scheiben, die man nun als Erfolg des zweimaligen Durchtritts durch die Netzhaut sieht, sind ungleich hell, und zwar ist bei diesem Versuch, wie theoretisch zu konstruieren, der nasal liegende Fleck heller als der temporale. Dies Ergebnis ist leicht begreiflich: das die Temporalseite des Auges treffiende Strahlen- bündel reizt beim Passieren der Netzhaut diese stärker, als wenn es nach dem Durchdringen des Glaskörpers etwas abgeschwächt die 8 HınstEpDT und NAGEL: [146 Netzhaut zum zweitenmale passiert. Verschoben wir die Bleiplatte neben dem Auge, so konnten wir successive die einzelnen Partien der Netzhaut isoliert reizen, fanden aber überall das gleiche Ver- halten: stärkere Reizwirkung auf der der Röhre zugewendeten Netz- hautseite. Dieser Versuch giebt also für die erwähnte paradoxe Lokalisation der Stelle grösster Helligkeit bei freier Einwirkung der Röntgenstrahlen (ohne Bleidiaphragmen) nicht nur keine Erklärung, sondern macht sie eher noch rätselhafter. Eine Reihe weiterer Versuche stellten wir nun zur Aufklärung über das Wesen der Reizwirkung der Röntgenstrahlen an. Zu- nächst prüften wir, ob bei den einzelnen Teilen von Tieraugen Fluo- reszenz nachweisbar sei. Der Kasten mit der Röntgenröhre wurde so aufgestellt, dass die Röntgenstrahlen durch die Oeffnung in dem erwähnten 8 mm dicken Bleischirm hindurch senkrecht von oben in einen Pappkasten hineinfielen, auf dessen Boden die Präparate gelegt werden konnten. Der Beobachter blickte von der Seite in den Kasten hinein. Weder bei der Hornhaut, noch bei Glaskörper oder Linse konnten wir eine Spur von Fluoreszenz wahrnehmen (was nach der Möglichkeit so scharf umgrenzter Netzhautreizung auch nicht zu erwarten war). Bei der Netzhaut glauben wir eine Spur von Fluoreszenz, an der Grenze der Wahrnehmbarkeit liegend, beobachtet zu haben. Purpurhaltige Netzhäute fluoreszierten eben so schwach. Wir haben auch darauf geachtet, ob das lebende menschliche Auge fluoresziert, jedoch mit gänzlich negativem Erfolg. Das beobachtete Auge wurde dabei der lichtdicht eingeschlosssenen Röntgenröhre möglichst ge- nähert, so dass die Strahlen seitlich einfielen. Der Beobachter, durch dicke Bleiplatten gegen die Röntgenstrahlen geschützt, sah in das bestrahlte Auge hinein; doch selbst bei guter Dunkeladaptation war, wie gesagt, kein Fluoreszenzschimmer sichtbar. Es wäre natürlich voreilig, wollte man hieraus den Schluss ziehen, bei der Wahrnehmung der Röntgenstrahlen im menschlichen Auge spiele die Fluoreszenz der Netzhaut nicht mit. Bedenkt man, wie ausserordentlich nahe die eventuell fluoreszierenden Teile den percipierenden Teilen, Stäbchen und Zapfen liegen müssen (wo- fern nicht gar diese selbst fluoreszieren) so ist ohne weiteres klar, dass eine so geringe Intensität der Fluoreszenz subjektiv wahr- genommen werden könnte, die objektiv an der Netzhaut des intakten menschlichen Auges nicht erkennbar ist, zumal bei den doch immer- hin ungünstigen Bedingungen der Untersuchung im letzteren Falle. 147] EINWIRKUNG DER BECQUEREL- U. RÖNTGENSTRAHLEN AUF DAS AUGE. 9 Das Eine kann jedenfalls mit voller Bestimmtheit gesagt werden, dass sowohl die Wahrnehmung der Röntgenstrahlen, wie auch der Becquerelstrahlen und des ultravioletten Lichtes ganz überwiegend, wo nicht ausschliesslich mittelst der Stäbchen der Netzhaut er- folgt. Dabei mag es, wie gesagt, unentschieden bleiben, ob diese von jenen Strahlen direkt erregt werden, oder ob sich dazwischen eine Fluoreszenzerregung einschieben muss. Auf die Stäbchen- erregung weist schon die Qualität der Lichtempfindung hin, die ge- nau mit derjenigen des Dämmerungssehens übereinstimmt. Ferner ist Dunkeladaptation Voraussetzung für irgend welche Reizwirkung der ın Rede stehenden drei Strahlengattungen. Das helladaptierte (auch nur an mittlere Tageshelligkeit adaptierte) Auge wird durch sie nicht erregt. Bezeichnend ist auch die rasche Ermüdung; die Intensität der Lichtempfindung unter der Einwirkung von Röntgen- oder Becquerelstrahlen lässt schon nach kurzer Zeit merklich nach. Wichtig ist endlich der verschiedene Grad von Erregbarkeit in den einzelnen Netzhautpartien, die starke Helligkeitsempfindung in der Netzhautperipherie, die geringe Erregbarkeit der centralen Partien. Diesen Unterschied bringt man sich am deutlichsten zur Anschau- ung, indem man, wie oben beschrieben, durch Bleidiaphragmen ein schmales Strahlenbüschel (von Röntgenstrahlen) ausschneidet und ınit diesen successive die einzelnen Regionen der gut dunkeladap- tierten Netzhaut „abtastet“. Es lag nahe, zu versuchen, ob die Fovea centralis als ein nur Zapfen, aber keine Stäbchen enthalten- der Netzhautteil durch Röntgenstrahlen reizbar sei. Volle Klarheit hierüber haben wir nicht erreicht, da der Ausführung eines einwand- freien Versuches sich grosse praktische Schwierigkeiten entgegen- stellen; mit einem Strahlenbüschel von so kleinem Querschnitt, wie er dem Durchmesser der Fovea centralis entsprechen würde, ist sehr unbequem zu experimentieren. Lässt man aber die Röntgenstrahlen durch ein in der einen Dimension ausgedehnteres Bleidiaphragma, also durch einen schmalen Schlitz in der Bleiplatte ins Auge treten, so ist die Be- obachtung in anderer Hinsicht unzuverlässig. Betrachtet man gleich- zeitig, während die Röntgenstrahlen durch den Schlitz hindurch einen schmalen Streifen der Netzhaut reizen, ein kleines dunkelrot- glühendes Fixierzeichen (Platindrahtschlinge), so kann man es leicht dahin bringen, dass der Lichtstreif durch den Fixierpunkt geht. Man sieht (übrigens auch, wenn das Fixierzeichen beseitigt wird) deutlich, dass der Lichtstreifen im Centrum des Gesichtsfeldes be- 10 HınmsSTEDT UND NAGEL: [148 deutend weniger hell ist als in der Peripherie, aber eine wirkliche Unterbrechung am Fixierpunkt ist nicht mit Sicherheit zu erkennen. Dabei ist aber zu bedenken, dass genau das Gleiche auch bei andersartigem Lichtreize gilt. Betrachtet man im Dunkelzimmer einen Lichtstreifen, dessen Helligkeit sicher unter der fovealen Schwelle liegt, so ist der Eindruck genau so, wie eben an dem durch Röntgenstrahlen erzeugten Lichtstreif beschrieben: an der Stelle des Fixierpunktes ist keine Unterbrechung des Streifens zu sehen, sondern nur wie bei dem Versuch mit Röntgenstrahlen eine Schwächung. Es beruht dies auf der Ergänzung unterbrochener Linien, die unser Auge ja bekanntlich auch unter anderen Um- ständen auszuführen im stande ist. Einen strengen Beweis dafür, dass die Zapfen unfähig sind, durch Röntgenstrahlen erregt zu werden, können wir also nicht geben; sicherlich tritt aber ihre Erregung, wenn überhaupt vor- handen, hinter der Stäbchenerregung ganz bedeutend zurück. Wir haben auch untersucht, ob durch Röntgenstrahlen eine Bleichung des Sehpurpurs in Frosch- und Fischnetzhäuten nach- weislich erfolgt, erhielten aber trotz der sehr starken Wirksamkeit der verwendeten Röhre und einer eine Stunde dauernden Einwirkung kein anderes Resultat, als seiner Zeit Fuchs und KrEIDL!, d.h. ein negatives. Das ist keineswegs überraschend und steht durchaus nicht in Widerspruch mit den Thatsachen der Stäbchenerregung durch die Strahlen. Wir haben purpurhaltige Froschnetzhäute eine Stunde lang einem (gemischten) Licht ausgesetzt, dessen Intensität sogar merklich über der Schwelle des fovealen Sehens lag. Es war keine Purpurbleichung eingetreten, wie der Vergleich mit einigen zur Kontrolle vollkommen verdunkelt gehaltenen Netzhäuten zeigte. Endlich ist es uns auch gelungen, einen rein objektiven Beweis für die Wirkung der Röntgenstrahlen auf das Auge zu erbringen. Wir haben hierzu die von HOLMGREN zuerst ausführlich unter- suchten Aktionsströme des Froschauges benutzt. Legt man an die vordere und an die hintere Bulbushälfte eines dunkel adaptierten Auges je eine unpolarisierbare Elektrode, am besten eine sogenannte Thonelektrode in Schreibfederform, so beobachtet man in einem mit den Elektroden verbundenen Schliessungskreise einen Strom, der bei den benützten Froschaugen im Drahte stets von der vorderen ! Centralbl. f. Physiologie X No. 9. Vgl. auch Gartı, Centralbl. f. Phy- siologie XI No. 15. 149] EINWIRKUNG DER BECQUEREL- U. RÖNTGENSTRAHLEN AUF DAS ÄUGE. 11 zur hinteren Bulbushälfte fliesst, wie zuerst Du Boıs-REeymoxp! gefunden hat. Der Strom nimmt in den ersten Minuten nach dem Tode des Frosches ziemlich schnell ab, nachher wird die Abnahme immer geringer und verläuft mehrere Stunden lang so regelmässig, dass man bei graphischer Darstellung vollkommen regelmässige Kurven erhält. Wir haben nach dem Kompensationsverfahren von Du Boıs- ReymoxD die auftretenden elektromotorischen Kräfte bestimmt und gefunden, dass bei Fröschen, die vor der Tötung 2—3 Stunden im Dunkeln gewesen waren, deren Augen bei schwachem roten Lichte herauspräpariert und an die Elektroden gelegt, dann aber sofort wieder in einen lichtdicht verschlossenen Kasten gebracht waren, diese elektromotorische Kraft zwischen 0,0056 und 0,0172 Volt betrug. 7 Während der Dauer eines Versuches, die zwischen 1 und 2 Stunden varıierte, trocknete das Präparat etwas ein und vergrösserte dadurch auch in messbarer Weise seinen Widerstand. Um hiervon unabhängig zu sein, haben wir alle Be- obachtungen nach der Kompensations- methode ausgeführt. Die nebenstehende Figur giebt das Schema der Versuchs- anordnung. T war ein Akkumulator, X ein Wider- Fig. 2. standskasten von im ganzen 40 000 Ohm. Durch Versetzen des Stöpsels Sır wurde diejenige Potentialdifferenz aufgesucht, welche der im Auge A auftretenden das Gleichgewicht hielt. @ war ein hochempfindliches d’Arsonval-Galvanometer, R ein Zusatzwiderstand, der zwischen 10000 und 100000 Ohm variiert werden konnte. In der Figur nicht gezeichnet sind zwei Strom- wender, von denen der eine vor dem Akkumulator 7, der zweite vor dem Galvanometer @ lag. Hat man die elektromotorische Kraft eines im Dunkeln befind- lichen Präparates kompensiert und lässt jetzt Licht in das Auge fallen, so erhält man einen Ausschlag, der eine Vergrösserung der ursprünglich vorhandenen elektromotorischen Kraft anzeigt. Das Anwachsen der elektromotorischen Kraft kann 10—60 Sekunden dauern, dann findet trotz fortgesetzter Belichtung wieder eine Ab- ! Untersuchungen über tier. Elektrizität II Abt. I. Berlin 1849, S. 256. 12 HımsTEDT UND NAGEL: [150 nahme statt. Wird in diesem Augenblicke die Belichtung unter- brochen, so tritt momentan eine abermalige Vergrösserung der elek- tromotorischen Kraft ein, dann ein schnelles Zurückgehen auf den der Dunkelheit entsprechenden Wert. Wenn wir als Abszissen die Zeit, als Ordinaten die Grössen der elektromotorischen Kräfte auf- tragen, so giebt die nebenstehende Kurve den typischen Verlauf eines Versuches, wie er übrigens schon von HOLMGREN beobachtet ist. Von O bis A befindet sich das Präparat im Dunkeln, von A bis DB fällt Licht darauf, im Augenblick DB wird wieder ver- dunkelt. Um untersuchen zu können, ob die Röntgenstrahlen eine ähn- liche Wirkung hervorriefen, musste zuerst dafür gesorgt werden, dass eine elektrische Wirkung der Röhre resp. des Induktoriums auf das Präparat und die Galvanometerleitungen nicht stattfand. Zu dem Zwecke wurde das Präparat in einen Blechkasten ein- gesetzt, der oben durch einen Schieber aus dünnem Aluminiumblech verschlossen und zur Erde abgeleitet war. Die hineinführenden Zu- leitungsdrähte waren in zwei je 4 Meter lange zur Erde abgeleitete Bleiröhren gesteckt. Wurde das Auge durch ein Trockenelement ersetzt, so konnte man sich überzeugen, dass der Betrieb der Röhre nicht die allergeringste Bewegung am (Gralvanometer hervorrief. Wurde das Präparat eingesetzt und der Kastendeckel mit intensivem Lichte beleuchtet, blieb ebenfalls das Galvanometer in Ruhe, also ein Beweis, dass weder Induktionswirkungen noch sichtbare Licht- strahlen bei geschlossenem Kasten auf das Präparat wirken konnten. Liess man aber jetzt Röntgenstrahlen durch den Deckel aus Aluminiumblech hindurchgehen, so war der Verlauf der Erschei- 151] EINWIRKUNG DER BECQUEREL- U. RÖNTGENSTRAHLEN AUF DAS AUGE. 13 nung genau der gleiche wie bei Belichtung mit sichtbaren Strahlen: Vergrösserung der elektromotorischen Kraft bis zu einem bestimmten Werte, abermalige Vergrösserung beim Abstellen der Röhre. Also genau wie auf der oben gegebenen Kurve dargestellt. Dazwischenhalten einer 2 mm dicken Bleiplatte zwischen die Röhre und den Kasten bewirkte eine derartige Schwächung der Wirkung, dass die Erscheinung mit unseren Apparaten gerade noch wahrnehmbar war. Zwei derartige Platten hoben die Wirkung ganz auf. Die Empfindlichkeit eines Präparates für Röntgenstrahlen lief parallel mit der für Lichtstrahlen. In der folgenden Tabelle geben wir für 8 Froschaugen unter R die durch eine 30 Sekunden lange Bestrahlung mit Röntgen- strahlen hervorgebrachte Vermehrung der elektromotorischen Kraft in Zehntausendstel Volt, unter L diejenige Vermehrung, welche ein- trat, wenn an die Stelle der Röntgenröhre eine 16kerzige Glüh- lampe gebracht wurde und von dieser 10 Sekunden lang Licht durch eine 1 cm dicke Wasserschicht in das Versuchsauge fiel. Die Entfernung Glühlampe - Präparat betrug circa 30 cm. Die Wasserschicht wurde bei allen Versuchen mit Licht eingeschaltet, nachdem sich gezeigt hatte, dass die Präparate sehr empfindlich gegen Wärmestrahlen waren. 1 2 | 3 4 5 6 7 S | R O2. 20 De. | 93,010 ar 3 L | 35.1 14.04.080. 1, 75.| 1781 1..80; | 5121 12:0 Wurde ein Präparat mehrere Minuten hindurch mit intensivem Lichte bestrahlt, so war es hiernach längere Zeit (bis zu 5 Minuten) unempfindlich gegen schwächere Lichtreize, gleichfalls aber auch gegen Reizung mit Röntgenstrahlen. Trat die Empfindlichkeit für Licht wieder ein, so ebenfalls die für Röntgenstrahlen. In ganz derselben Weise haben wir auch den Einfluss der ultravioletten Strahlen untersucht. Da wir diese Strahlen nicht ab- solut trennen konnten von den letzten Spuren von sichtbaren Strahlen, die bei der oben geschilderten Anordnung von dem letzten Prisma diffus nach allen Richtungen und deshalb auch mit durch 14 HımsTeor uUnD NAGEL: BECQUEREL- UnD RÖNTGENSTRAHLEN ETC, [152 den Spalt treten, so verfuhren wir so, dass wir die Wirkung be- stimmten, welche das Einschieben resp. Fortnehmen einer 3 mm dicken Glasplatte in den Weg der Strahlen zwischen letztem und vorletztem Prisma verursachte. Wie vorauszusehen, erhielten wir durch die ultravioletten Strahlen genau dieselbe Wirkung, wie durch die sichtbaren. Dass nicht etwa eine Schwächung der sichtbaren Strahlen durch die ein- geschobene Glasspalte die beobachtete Wirkung hervorgebracht hatte, konnte leicht konstatiert werden, indem eines der Quarzpris- men durch ein Glasprisma ersetzt wurde. Das Einschieben der (Glasplatte blieb jetzt wirkungslos, da schon durch das Glasprisma die wirksamen ultravioletten Strahlen fortgenommen waren. Bei diesen Versuchen haben wir nur ganz unverletzte Frosch- augen verwendet, keine isolierten Netzhäute. Es bleibt daher zu- nächst unentschieden, ob die ultravioletten Strahlen die Netzhaut direkt erregen, oder ob die Fluoreszenz von Glaskörper und Linse dabei im Spiel ist. Bei den Versuchen mit Röntgenstrahlen hatten wir letztere Möglichkeit dadurch ausgeschlossen, dass wir Aktions- ströme auch von isolierten hinteren Bulbushälften (ohne Glaskörper) erhielten. Es wäre noch denkbar gewesen, dass die Wirkung der Röntgen- strahlen anf das Auge dadurch entstanden wäre, dass die an der vorderen Bulbushälfte anliegende Thonelektrode durch die Röntgen- strahlen zur Fluoreszenz gebracht wäre und dann das Fluoreszenz- licht auf das Auge gewirkt hätte. Wir haben uns überzeugt, dass der feuchte Thon nicht die geringste Fluoreszenz bei Röntgen- bestrahlung zeigte und dass an der Wirkung nichts geändert wurde, als wir die T'honelektroden mit schwarzem photographischen Papier umhüllten, das durch Anfeuchten mit Kochsalzlösung leitend ge- macht war. Eine Einwirkung der Becquerelstrahlen auf die Retinaströme nachzuweisen, ist uns nicht gelungen, doch ist zu bemerken, dass uns für diese Versuche nicht das starke Präparat von Dr. GIESEL, sondern nur das schwache käufliche Radiumpräparat von DE HAün zur Verfügung stand. Freiburg i. B., Oktober 1900. 153] 1 Die Verteilung der Reizwerte für die Froschnetzhaut im Dispersionsspektrum des Gaslichtes, mittels der Aktionsströme untersucht. Von F. Himstedt und W. A. Nagel. (Mit 1 Figur im Text.) Die Kenntnisse über das Verhalten von Tieraugen gegen Licht- strahlen verschiedener Wellenlänge sind zur Zeit bekanntlich noch recht dürftig. Versuche aus früherer Zeit gingen hauptsächlich darauf aus, festzustellen, „ob Tiere Farben unterscheiden können“; dabei wurde an qualitative Unterschiede in der Wirkung ver- schieden brechbarer Strahlen gedacht. Entweder liess man den zu untersuchenden Tieren die Wahl zwischen Aufenthaltsorten, die von verschiedenfarbigen Lichtern erhellt waren, oder brachte ihre Nah- rung auf verschieden gefärbte Unterlagen und beobachtete nun, wie die Tiere wählten. Obwohl prinzipiell die Möglichkeit, auf diese Weise zu einem Schluss über qualitative Unterschiede in der Wirkung der verschiedenen Farben zu kommen, nicht zu leugnen ist, kann doch mit Bestimmtheit behauptet werden, dass die bisher ausgeführten Versuche einen solchen Schluss nicht gestatten, teils wegen der Mängel der Methodik, teils aber auch deshalb, weil die betreffenden Untersucher von nicht zutreffenden Voraussetzungen ausgingen. Erfolgreicher waren die Versuche, rein quantitative Unterschiede in der Wirksamkeit verschiedenfarbiger Lichter nachzuweisen. Bei Tieren, die auf plötzliche Zunahme oder plötzliche Abnahme der 9 Hınstept UND NAGEL: [154 Intensität eines auf sie einwirkenden Lichtes durch Bewegungen reagieren, ist die Möglichkeit gegeben, für verschiedenfarbige Lichter die Schwellenwerte zu bestimmen und zu vergleichen. Derartige Versuche sind an wirbellosen Tieren schon mehrfach, allerdings stets in ziemlich primitiver Form ausgeführt worden. Wir erinnern an die zahlreichen Beobachtungen von ENGELMANN an Infusorien und anderen Protisten! und von dem einen von uns? an der sehr empfindlichen Muschel Psammobia vespertina. In allen diesen Fällen handelte es sich um augenlose Tiere. Beobachtungen an den Augen von Wirbeltieren sind in ver- schiedener Weise ausgeführt. Man hat die Strahlen verschiedener Wellenlänge verglichen nach ihrer Wirksamkeit: 1. hinsichtlich der Sehpurpurbleichung, 2. hinsichtlich der durch sie bewirkten morpho- logischen Veränderungen in der Netzhaut (Pigmentverschiebung, Zapfenkontraktion, tinktorielles Verhalten), 3., hinsichtlich der Pu- pillenweite, 4. hinsichtlich der Aktionsströme der Netzhaut. Die Methoden 1 und 2 sind begreiflicherweise zur Gewinnung von auch nur annähernd richtigen relativen Zahlenwerten sehr wenig geeignet. Auch die dritte ist ihnen hierin nur wenig überlegen. Immerhin hat ABELSDORFF? kürzlich einige bemerkenswerte Resul- tate erzielt. Nach einem von M. Sachs zuerst am Menschen an- gewandten Verfahren konnte ABELSDORFF die „pupillomotorischen Wirkungen“ der verschiedenfarbigen Lichter bestimmen. Es zeigte sich, dass nicht bei allen Menschen die gleiche Region des Spek- trums die stärkste pupillenverengernde Wirkung hat. Bei total Farbenblinden und den sog. Rotblinden liest das Maximum der Reizwirkung deutlich weiter gegen das stärker brechbare Licht hin (im Grün) als beim Normalen, wo es im Gelb liegt. Aehn- liche Unterschiede fanden sich nun auch bei einigen untersuchten Tieren; wir werden hierauf unten zurückkommen. Von vornherein mehr Aussicht zur Gewinnung bestimmter Zahlen- werte, als die Beobachtung der Pupillenreaktion, bot die Beobach- tung und Messung der Aktionsströme, die in der Netzhaut des lebenden Auges unter dem Einfluss von Belichtung auftreten. Diese Untersuchungsmethode ist denn auch schon von verschie- denen Seiten angewandt worden. Wenn wir trotzdem unsere Be- obachtungen hier mitteilen, thun wir dies deshalb, weil wir die Me- ! Pruüger’s Arch. f. Physiologie 29, 1882. z ®? W. A. Nasen, Der Lichtsinn augenloser Tiere, Jena 1896. 3 ENGELMANN’s Arch. f. Physiologie 1900, S. 561. 155] DıE VERTEILUNG DER REIZWERTE FÜR DIE FROSCHNETZHAUT ETC, 3 thodik gegenüber den bisherigen Untersuchungen in einigen Punkten verbessert zu haben und auch ein theoretisch nicht uninteressantes Ergebnis erhalten zu haben glauben. Wir experimentierten an Froschaugen und zwar, da es uns weniger auf sehr starke Aktionsströme, als vielmehr auf Innehaltung möglichst natürlicher Verhältnisse ankam, an uneröffneten Frosch- augen, die möglichst reinlich enukleiert waren. Die Ableitung zum Galvanometer erfolgte durch Thonelektroden, deren eine am Seh- nervenaustritt lag, während die andere am Limbus corneae angelegt werden musste, um die Pupille nicht zu verdecken. Die Beobach- tung und Messung der Aktionsströme geschah im übrigen genau nach demselben Verfahren, wie es in der vorhergehenden Mitteilung! be- züglich der Reizerfolge der Röntgenstrahlen beschrieben ist. Die Mitteilung von relativen Zahlenwerten für die Reizwirkung verschiedenfarbiger Lichter konnte nur dann einen Wert haben, wenn diese Lichter einem und demselben Spektrum entnommen waren. Die hochgradige Empfindlichkeit des Präparates schon für sehr schwache Lichter liess es aussichtsreich erscheinen, mit verhältnis- mässig reinen spektralen Lichtern zu experimentieren. Da nun die Reizwerte der Strahlen verschiedener Wellenlängen für das mensch- liche Auge in der Regel mit Beziehung auf das Dispersionsspektrum des Gaslichtes angegeben werden, verfuhren atıch wir in dieser Weise. Der in der Arbeit von POLIMANTI? beschriebene, nach Angaben von V. Krıes hergestellte geradsichtige Spektralapparat diente uns dazu, ein objektives Spektrum von etwa 4 cm Länge zu entwerfen. An der Stelle des reellen Bildes befand sich die Wand des licht- dichten Kastens, welcher das Froschauge samt den Elektroden ent- hielt, und zwar war in diese Wand ein vertikaler Spalt von 1,25 mm Breite geschnitten, hinter welchem das Auge placiert war. Es konnte auf diese Weise durch den Spalt aus dem Spektrum ein Stück von entsprechender Breite ausgeschnitten werden, wodurch die Wellenlänge des ins Auge fallenden Lichtes bestimmt war. Die Einrichtung des Spektralapparates gestattet, das ganze Spektrum über den Spalt hin zu verschieben. Die Verhältnisse liegen somit genau so, wie wenn das menschliche Auge durch den Okularspalt Beobachtungen an dem Apparat anstellt, nur dass das menschliche Auge durch das im Dunkelkasten eingeschlossene Froschauge er- setzt ist. ! Diese Berichte 1901. Bd. XI S. 139. 2 Zeitschr. f. Psychologie u. Physiologie d. Sinnesorgane 19. Berichte XI. Heft 3. 12 u 4 Hınmstenr und NAGEL: [156 Wir verfuhren nun so, dass wir den vor dem Froschauge be- findlichen Spalt verdeckt hielten, und dann, wenn die Farbe, deren Wirksamkeit geprüft werden sollte, auf die Stelle des Spaltes ein- gestellt war, den Spalt auf 10 Sekunden öffneten und die Grösse des hierdurch bewirkten Galvanometerausschlags ablasen. Während der nun folgenden Pause von 2 Minuten wurde der Spektralapparat um einen Skalenteil weitergeschoben und so fort, bis wir durch das ganze sichtbare Spektrum gewandert waren. Um den Einfluss der Ermüdung des Präparates auszuschliessen, musste dann das Spek- trum noch einmal in umgekehrter Richtung durchlaufen werden. Aus den so für jeden Teilstrich der Skala gewonnenen zwei Ab- lesungen wurde dann der Mittelwert genommen. Um die absolute Bedeutung der einzelnen Teilstriche festzu- stellen, musste zu Anfang oder Schluss des ganzen Versuchs be- stimmt werden, welchem Teilstrich der Skala die Natriumlinie ent- sprach. Da der relative Wert der Skalenteilung bekannt war, konnte somit die jedem Teilstrich entsprechende Wellenlänge ohne weiteres berechnet werden. Wir haben teils an gut dunkeladaptierten Froschaugen experi- mentiert, teils auch an solchen, die durch längeren Aufenthalt im Hellen einigermassen helladaptiert waren. Wie zu erwarten, ergaben die Dunkelfrösche bei weitem stärkere Aktionsströme. Es konnte hier also der Oollimatorspalt zwischen Lampe und Prismensatz, der im übrigen während der einzelnen Ver- suchsreihen unverändert blieb, von vornherein sehr eng gemacht werden. Bei den Hellfröschen ist die Erregbarkeit bei weitem geringer, es musste, um merkliche und messbare Ströme zu bekommen, die Helligkeit der gesamten Reizlichter bedeutend gesteigert werden. Doch waren auch die hierbei verwendeten Breiten des Objektiv- spaltes nicht so gross, dass dadurch das Spektrum merklich unrein und das Endergebnis des Versuchs somit unsicher geworden wäre. Die Tabellen I bis III geben die Beobachtungen an drei Dunkel- fröschen. In den Tabellen giebt s die Skalenteile an, auf welche der Spek- tralapparat eingestellt war. Die darunter stehenden Kolumnen ent- halten die direkt abgelesenen Galvanometerausschläge in Doppel- millimetern bei 2,5 m Skalenabstand. Die Beobachtungen an einem Präparate wurden ohne Unterbrechung ausgeführt, und zwar ist jeweils die erste Horizontalreihe jeder Tabelle von links nach rechts zu lesen, die zweite umgekehrt. Die Kolumne mit 7» enthält jeweils 157] Dır VERTEILUNG DER REIZWERTE FÜR DIE FROSCHNETZHAUT Eric. 5 die Mittelwerte der darüber stehenden Einzelbeobachtungen. Die am Spektralapparate abgelesene Spaltweite ist in Millimeter um- gerechnet. ab. Dunkel-Frosch. Na-Linie auf 16,2. Spaltweite 1,83 mm. nn | I Es s 202 0192] 4182717210162 72155 1.145,13, | 12,117). 10 9 te) ee 5 mel 0:6 180,921.3,9 5523 6.0.159 49 147 | | 35.| = 194 2 x Bea ||2) Eee u Zune ee | 0A 05 | sr] 800, 45,56,| 508 50 || | 3 75 a zue |- IE 2 a | | | m | (0,4) | 0,55 | 1,10 | 3,45 | 4,95 | 5,80 | 5,50 |4,95 |4,65| — |3,60| — |245 Trap: TI. Dunkel-Frosch. Na-Linie auf 21,2. Spaltweite 0,23 mm. s 22 | 21 | 20 E19 es 177 216 | 1a eo 212) 2.0) 8,2 He era 65 166 29 aa 18 BO EB I TE re al — _ _ m IM 6,75 | 7,90 | 7,80, 7,40.| 6,55 ((6,60)| 5,00) — | 3,30 | — (1,80) Dasselbe Präparat. Spaltweite 0,13 mm. S 20 19,.18.5.7 18 Se : ut u 52 5,1 _ 5,0 2 5,2 = 6 HınsTEept UND NAGEL: [158 MabsllT: Dunkel-Frosch. Na-Linie auf 15,7. Spaltweite 0,08 mm. | s Is" 16 sl: un lsie|e 05 12. 30 ae) — |i50 | a Dasselbe Präparat. Spaltweite 0,23 mm. Be, B 145 | 14,0 | 13,5 e- Br [I EN: 20 553,58 In der Figur sind die Werte aus diesen drei Tabellen sodann in einem willkürlich gewählten Massstab graphisch wiedergegeben; ausserdem ist durch die drei vertikalen Linien der Spektralort der Lithium-, Natrium- und Thalliumlinie eingetragen. Die Angaben von KÜHNE und STEINER! sowohl wie von DEWAR und M’KenDrick? gingen dahin, dass das Maximum der Reizwirkung im Gelb liege. Unsere Kurven dagegen zeigen eine bedeutende Verschiebung des Maximum nach dem stärker brech- baren Ende des Spektrums hin, ins Gelbgrüne. Diese Abweichung konnte auf dem Unterschied in der Me- thode beruhen, insofern die Versuche, die mit Lichtfiltern an- gestellt sind, jedenfalls minder genaue Resultate ergeben, als die mit Spektralfarben ausgeführten. Namentlich die gelben Gläser ! Unters. aus d. physiol. Institut Heidelberg 3, 1880. ? Transact. R. Soc., Edinburgh vol. 27. _ 159] DiE VERTEILUNG DER REIZWERTE FÜR DIE FROSCHNETZHAUT ETC. 7 und gelben Flüssigkeiten lassen ja stets auch viel Grün und Orange durch und geben somit ein Licht, welches spektralem Gelb keines- wegs gleichzusetzen ist. Graphische Darstellung der Reizwerte im Dispersionsspektrum des Gaslichtes. Die Curven I—III stammen von Dunkelfröschen, IV und V von Hell- fröschen. Die punktierte Linie giebt die Helligkeitsverteilung für das hell- adaptierte, die gestrichelte für das dunkeladaptierte Menschenauge. Der Massstab aller Curven ist willkürlich gewählt. Die Lage der Curven- gipfel im Spektrum lässt sich aus den drei eingezeichneten Metall-Linien Lz, Na, T} erkennen. Es lag aber auch noch die andere Möglichkeit vor, dass die in unseren Versuchen eingehaltene Dunkeladaptation der Frosch- augen die Abweichung bedingte. Für das menschliche Auge ist ja das Helligkeitsmaximum im Spektrum von wesentlich verschiedener Lage, je nach dem Adaptationszustand: bei Helladaptation im Gelb, in der Gegend der Natriumlinie, bei Dunkeladaptation dagegen im Gelbgrün, in der Nähe der Thalliumlinie, eine Thatsache, die bekannt- lich darauf zurückgeführt wird, dass im Auge zweierlei perzipierende 8 Himstept UND NAGEL: [160 Apparate vorhanden sind, Zapfen und Stäbchen, deren Erregbarkeit gegenüber den Strahlen verschiedener Wellenlänge ungleich ist, und von denen nur der eine, der Stäbchenapparat, die Eigenschaft hat, durch Dunkeladaptation ganz erheblich an Empfindlichkeit zu gewinnen. Nun sind beim Frosch ja auch Stäbchen und Zapfen vorhan- den; dass ihre Funktion denselben Gesetzen folge, wie beim Men- schen, wäre natürlich zunächst eine ganz willkürliche Annahme. In unseren Versuchen kann man jedoch einen thatsächlichen Hinweis auf eine gewisse Uebereinstimmung wohl erblicken. Gerade die- jenige von unseren Versuchsreihen, bei der die Bedingungen des Dämmerungssehens am vollkommensten eingehalten waren (der Frosch war mehrere Stunden im Dunkeln, das Auge wurde bei ganz schwacher roter Beleuchtung zum Versuch präpariert, und wegen der hierdurch erhaltenen hohen Empfindlichkeit konnte die Reizung durch ein äusserst lichtschwaches Spektrum erfolgen), zeigt den Kurvengipfel am weitesten ins Grün verschoben; das Maximum liegt hier bei einer Wellenlänge von 544 mm, also genau so, wie das Maximum der Dämmerungswerte für das menschliche Auge und wie das Helligkeitsmaximum für das total farbenblinde Auge. Interessant musste es nun sein, festzustellen, wie sich die Ver- teilung der Reizwerte für ein helladaptiertes Auge darstellt. Da, wie erwähnt, für ein solches die Reizschwelle ganz bedeutend höher liegt, den zur Reizung verwendbaren Lichtstärken aber in unserer Versuchsanordnung eine ziemlich niedrige Grenze gestattet war (da wir nicht durch zu grosse Spaltweite die Reinheit des Spektrums be- einträchtigen durften), ist es begreiflicherweise nicht möglich, von helladaptierten Augen so genaue Messungen und so gleichmässig verlaufende Reizwertkurven zu erhalten. Soviel jedoch liess sich mit Sicherheit erkennen, dass das Maximum der Erregung minde- stens um zwei Teilstriche nach dem Rot hin verschoben ist, somit fast genau mit der Natriumlinie und, mit anderen Worten, mit dem Helligkeitsmaximum für das helladaptierte Menschenauge zu- sammenfällt. Die Tabellen IV, V und VI geben die Reizwerte, die bei einem derartigen Versuche gefunden wurden, wieder, bei welchem die beiden Bedingungen, Helladaptation und möglichst grosse Licht- stärken des Reizlichtes, eingehalten waren. Ist eine dieser Be- dingungen nicht eingehalten oder sind beide nur in unvollkommenem Masse erfüllt, so erhält man Kurven, deren Gipfellage zwischen die der Dunkelkurven und der Hellkurven fällt. 161] Die VERTEILUNG DER REIZWERTE FÜR DIE FROSCHNETZHAUT ETO. 9 Dieses Ergebnis weist deutlich auf die Existenz zweier nach verschiedenen Gesetzen arbeitenden Apparate im Sehorgan des Frosches hin, Apparate, die hinsichtlich der quantitativen Reizbar- keitsverhältnisse dem bekannten Hell- und Dunkelapparat des menschlichen Auges, Zapfen und Stäbchen, in ganz überraschendem Masse ähnlich sind. Tab. IV. ‘ Hell-Frosch. Na-Linie auf 20,1. Spaltweite 1,83 mm. 1 mn | | ae | | Tabs,V. Hell-Frosch. Na-Linie auf 20,1. Spaltweite 1,53 mm. 5 | 21 | 20 | 19 | 18 | 17 gr Ed ber PT PTR ar here et er | s 1,5 1,6 1,4 Ri | 0,4 Rab NR Hell-Frosch. Na-Linie auf 22,9. Spaltweite 1,83 mm. | RD AT ae ee Von grossem Interesse wäre es, analoge Untersuchungen an den Augen von solchen Tieren auszuführen, bei denen einer der beiden Apparate, Zapfen oder Stäbchen allein, oder doch wenigstens stark über den anderen überwiegend vorkommt, z. B. an den Augen 10] HımsTept unp NAGEL: DiE VERTEILUNG DER REIZWERTE ETC. [162 solcher Reptilien, die keine Stäbchen in ihrer Netzhaut besitzen. Wir hoffen, solche Versuche später ausführen zu können, mussten indessen für jetzt davon zunächst absehen. Nur an den Augen einer Landschildkröte (Testudo graeca) konnten wir einige Be- obachtungen machen. Da aber das Tier in ziemlich dekrepidem Zustand war, ausserdem die sehr kleinen Pupillen wenig Licht ein- dringen lassen, fielen die Reizwirkungen sehr gering aus, so gering, dass an Versuche mit Spektrallichtern nicht zu denken war. Das Eine jedoch liess sich mit Sicherheit feststellen, dass hier der Aktions- strom die umgekehrte Richtung hat, wie beim Frosch; die Schwan- kung des Ruhestroms ist eine negative. Dasselbe Verhalten hatte HoLMGREN! seiner Zeit an einem anderen Reptil festgestellt, an Vipera berus. Dass die Verteilung der Reizwerte im Spektrum bei ver- schiedenen Tieren verschieden gefunden wird, lässt sich namentlich auch mit Rücksicht auf die oben erwähnten Befunde ABELSDORFF’S? hinsichtlich der Pupillarreaktion vermuten. ABELSDORFF fand bei der Taube, einem Tier also, welches ausschliesslich oder ganz über- wiegend mittels des Hellapparates sieht und keine nennenswerte Dunkeladaptation besitzt, besonders starke pupillenverengernde Wir- kung für die langwelligen Teile des Spektrums, bei der Eule da- gegen mit ihrem stark entwickelten, sehpurpurreichen Dunkelapparat, überwiegende Wirkung der kurzwelligen Lichter, ähnlich wie beim gut dunkeladaptierten Menschen und den total Farbenblinden. Freiburg i. B., Oktober 1900. ' Untersuch. aus d. physiol. Institut Heidelberg 3, 1880. zelezc. 163] 1 Ueber das Malaria-(Sumpf-) Fieber und seine Bekämpfung. Vortrag mit Demonstrationen, gehalten in der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. B. Von Prof. Dr. G. Treupel. In fast allen tropischen Ländern, in weiten Deltagebieten und den Niederungen der Flüsse, in den Sumpfgegenden und den Küstenstrichen Griechenlands und besonders Italiens (Marem- men), aber auch in anderen europäischen Ländern (z. B. Galizien, Ungarn, Deutschland) ist eine Krankheit zu Hause (endemisch), die wegen ihrer grossen Verbreitung und Gefährlichkeit, besonders in den Tropen und in Italien, nicht nur die Aerzte, sondern auch die Hygieniker und Sozialökonomen, das gebildete Laienpublikum wie die breiten Massen des Volkes in hohem Masse interessiert und be- schäftigt hat: die Malaria, das Sumpf- oder Wechselfieber. In den Tropen oder subtropischen Ländern stationierte Militärärzte, namhafte italienische, amerikanische, englische und deutsche Forscher haben seit über zwanzig Jahren das Wesen dieser gefürchteten Krankheit mit den modernen Hilfsmitteln unserer Wissenschaft zu ergründen gesucht und zwar mit so ausserordentlichem, man darf schon sagen wunderbarem Erfolge, dass es sich wohl verlohnt, heute einem weiteren Kreise die Ergebnisse dieser Forschungen vorzuführen. Ich möchte mir daher erlauben, Ihnen im folgenden zunächst das klinische Bild der Krankheit in grossen Zügen zu markieren, sodann einen historischen Ueberblick über die Parasitologie' der ! Ich folge dabei im wesentlichen den ausgezeichneten Referaten M. Lüne's 2 TREUPEL: [164 Malaria zu geben und endlich Ihnen kurz darzulegen, welche Mass- nahmen man ergreifen kann, beziehungsweise ergriffen hat, um die Krankheit womöglich vollkommen auszurotten. Das klinische Bild der Krankheit ist in den meisten Fällen ein ausserordentlich charakteristisches. Nach unbeständigen, vagen Vorläufererscheinungen zeigt der von der Krankheit befallene Mensch unter heftigem Schüttelfrost, bisweilen begleitet von Herzklopfen, Beklemmung, Eingenommensein des Kopfes und Schwindel (bei Kindern treten nicht selten noch Krämpfe hinzu), einen raschen und hohen Anstieg seiner Körpertemperatur. Das erste deutliche Symp- tom der Krankheit ist also, wie Sie sehen, das Fieber, und der Verlauf dieses Fiebers, in periodischen Anfällen, drückt der Krank- heit ihren typischen Stempel auf. Rasch steigt die Körpertempe- ratur auf eine beträchtliche Höhe (bis 40,5° und 41° Celsius), und eben so rasch, begleitet von einem profusen Schweissausbruch, sinkt die Temperatur wieder bis zur Norm, ja oft bis unter die Norm (36,5° Celsius und darunter) herab. Ein solches Fieber bezeichnet man allgemein als intermittierend, und daher hat die Krankheit auch den Namen #ebris intermittens erhalten. Bei der gewöhnlichen Form (Febris intermittens simplex) lassen sich nun, je nachdem der Fieberanfall täglich oder jeden dritten oder vierten Tag auftritt, drei verschiedene Typen unterscheiden: Fedris intermittens quolidiana, lertiana, quartana. Ausser diesen häufig vorkommenden Typen spricht man noch von besonderen Formen dann, wenn schwerere Begleiterscheinungen, besonders schwere Symptome von seiten des Gehirns oder anderer lebenswichtiger Organe auftreten (Febris inter- mittens comitala, beziehungsweise perniciosa); oder dann, wenn die typischen Fieberanfälle ganz fehlen und der Zusammenhang der sich darbietenden, fast ausschliesslich auf nervösem Gebiete liegenden Erscheinungen mit Malaria aus anderen Gründen in hohem Grade wahrscheinlich, beziehungsweise gesichert ist (Febris intermittens larvata). Endlich sei hier noch die Febris biliosa-haematurica, das sogenannte Schwarzwasserfieber, erwähnt, das nach dem hervorstechendsten Symptom, dem Auftreten von blutigem oder schwarzgefärbtem Harn, seinen Namen erhalten hat und das viel- leicht die schwerste, fast immer rasch tötlich verlaufende Form der (Zentralbl. f. Bakt. ete. 1900) und Lord Lister’s (Brit. Med. Journ. 1900 p. 1625). Bei Lüng ist auch die gesamte Litteratur bis Mitte 1900 angegeben. Uebrigens ist seine Arbeit (M. Lüsuz, Ergebnisse der neueren Sporozoenforschung etc.) neuerdings als Monographie erschienen (Jena, G. Fischer). 165] UEBER DAS MALAR1A- (SUMPF-) FIEBER UND SEINE BEKÄMPFUNG, 3 Malaria darstellt. Aus den vorerwähnten verschiedenen T'ypen und Formen geht dann gewöhnlich ein chronischer allgemeiner Entkräf- tungs- und Schwächezustand hervor, die sogenannte Malaria- cachexie, die auf schweren, meist unheilbaren Veränderungen des Blutes und lebenswichtiger Organe beruht und die in längerem Siechtum meist unabwendbar zum Tode führt. Der ganze Verlauf der Krankheit, das Fieber, die damit ein- hergehende oft beträchtliche Anschwellung der Milz, das Auf- treten nervöser Nachkrankheiten und allgemeiner Schwäche- zustände, wie wir das ja nach so vielen anderen Infektionskrank- heiten beobachten können, sprach und spricht dafür, dass auch die Malaria eine Infektionskrankheit ist. Parasitologie.e. Der Name Malaria = mala aria (schlechte Luft) zeigt, dass man sich vorstellte, es möchten Dünste, Ausdün- stungen verderbender und faulender Massen bei der Entstehung und Verbreitung der Krankheit die ursächliche Rolle spielen. Das Be- schränktbleiben der Krankheit auf bestimmte Bezirke und Oertlich- keiten, das Haften der hypothetischen Infektionskeime an oft ganz umschriebenen Plätzen gab der Krankheit eine merkwürdige Sonder- stellung. Sie wurde noch bis nicht vor langer Zeit als der Typus der an der Oertlichkeit haftenden, rein miasmatischen Infektions- krankheit bezeichnet. Als dann durch die glänzenden Untersuchungen R. Koct’s für eine Reihe von Infektionskrankheiten ihr parasitärer Ursprung in kleinsten Lebewesen, den Bakterien, nachgewiesen wor- den war, untersuchte man auch mit Rücksicht auf die Malaria das Wasser und den Boden der bekanntesten Malariadistrikte Italiens nach allen Richtungen auf etwa in Betracht kommende Infektions- keime. Allein umsonst. Nichts wurde gefunden, nichts wollte sich finden lassen, dem man in einwandsfreier Weise die ausschliessliche Schuld für das Entstehen der Krankheit hätte beilegen können. Inzwischen, es war im Jahre 1880, trat der französische Mili- tärarzt LAvERAN (Algier) mit einem höchst auffallenden Ergebnis hervor, das er durch zahlreiche, gewissenhafte, klinisch-mikro- skopische Untersuchungen des Blutes bei Malariakranken gewonnen hatte. Er hatte nämlich in den roten Blutkörperchen seiner malariakranken Patienten und nur bei diesen kleine proto- plasmaartige Gebilde gesehen, die vor allem durch dunklere Pigment- körnchen im Innern ihres Leibes und durch amöboide Bewegungen ausgezeichnet waren. Er hatte ferner beobachtet, wie diese Proto- plasmaklümpchen sich auf Kosten des sie einschliessenden roten 4 TREUPEL: [166 Blutkörperchens vergrösserten, heranwuchsen und schliesslich Ro- settenformen annahmen, wobei sich das Pigment in der Mitte kon- zentrierte. LAVERAN zweifelte nicht daran, dass die von ihm ent- deckten Gebilde Formen niedersten tierischen Lebens seien und dass sie mit der Malaria in innigem Zusammenhange ständen. War das richtig, so war mit dieser Entdeckung zunächst ein sicheres Mittel an die Hand gegeben, um das Malariafieber von allen ihm etwa ähnlich sehenden Fieberformen scharf zu trennen (denn in diesen durften dann jene Gebilde, die man bald als Plasmodien bezeich- nete, nicht gefunden werden); und zweitens war so mit einem Schlage die von alters her bekannte und erprobte spezifische Wirkung des Chinins erklärt. Ist doch gerade das Chinin eine Substanz, die das Protoplasma niederer Lebewesen abzutöten vermag in Dosen, die für gewöhnlich den menschlichen Gewebselementen unschädlich sind. Neun Jahre nach dieser epochemachenden Entdeckung LAvERAN’s, deren Giltigkeit über allen Zweifel gestellt worden war, teilte GoLGI (Pavia) mit, dass er Unterschiede zwischen den Rosetten des Tertian- und Quartanfiebers gefunden hätte, so gross und so konstant, dass er sich für berechtigt hielt, sie als zwei getrennte Arten des Plasmodiums zu bezeichnen. Gleichzeitig machte er die ausser- ordentlich wichtige Beobachtung, dass das periodische Auftreten des Fiebers zusammenfiel mit der Reifung der Rosetten- formen: nachdem das sie beherbergende rote Blutkörperchen geplatzt ist, ergiessen sich die aus den Rosetten hervorgegangenen einzelnen Teilkeime in das Blut des Kranken, und dies bezeichnet den Beginn der Fieberattacke. Die im Blute freien Keime werfen sich dann auf andere rote Blutkörperchen, dringen in diese ein und reifen, so wie es LAVERAN gesehen und beschrieben hatte, in diesen zu neuen Rosetten heran, um bei ihrem Ausbruch wiederum einen neuen Fieberanfall auszulösen. Die Reifezeit beträgt also beim Tertianfieber zwei, beim Quar- tanfieber drei Tage. Wenige Monate später . wurde noch eine dritte Spezies des Parasiten bekannt. Sie hatte die Besonderheit, statt runder Formen auch Halbmonde aufzuweisen. Und da diese eigentümlichen, halb- mondförmigen Gebilde meist bei den schweren, im Sommer und Herbst auftretenden Fiebern sich fanden, so bezeichnete man sie als die aestivo-autumnale Form. Sie ist nicht so regelmässig in ihren Perioden als die zwei anderen und von allen die gefährlichste. BASTIANELLI und BiGNAMı, die sich besonders mit dem Studium der 167] UEBER Das MALARIA- (SUMPF-) FIEBER UND SEINE BEKÄMPFUNG. 5 Halbmondformen beschäftigt hatten, stellten ausserdem die beach- tenswerte Thatsache fest, dass im Fingerblut nur die reifen In- dividuen vorkommen, während die jüngsten Formen in den inneren Organen, besonders ın der Milz und dem Knochen- mark, gefunden werden. So gestattet, wie Sie sehen, die Untersuchung eines einzigen Bluttropfens aus der Fingerkuppe des Patienten dem Arzte nicht nur die sichere Entscheidung, ob er überhaupt Malaria vor sich hat oder nicht, sondern zugleich auch, welcher der drei genannten For- men die vorliegende Erkrankung angehört. Das ist nicht unwichtig für die Prognose. Die gefährliche Halbmondform ist die in den Tropen häufigste (Tropenmalaria R. Kocn’s), während sich das Quartanfieber als die mildeste erwiesen hat. Die wichtigen Entdeckungen LAVERAN’s und GOLGI's (CELLY'S, MARCHIAFAVA’S u. a.) schienen zunächst die ganze Lebensgeschichte der hier in Betracht kommenden Blutparasiten zu erklären. Aber doch nur für eine kleine Weile. Denn nur zu bald erhob sich die Frage: wie kommen die Plasmodien in den menschlichen Körper? Ueberreich im menschlichen Blute, fehlten sie doch voll- ständig in den menschlichen Exkreten. Wie kamen sie also in die Aussenwelt oder wo entstanden sie dort und wie kamen sie in das Blut bis dahin gesunder Menschen? Auch dieses Problem solle bald seiner Lösung zugeführt werden. Unter den Formen der Malariaparasiten, die LAVERAN gesehen hatte, fand sich eine, die er als Greisselform bezeichnet hatte und die durch ihre grosse Beweglichkeit ihm besonders aufgefallen war. Während nun die meisten italienischen Forscher diese geisseltragen- den Gebilde, die immer erst nach Ablauf einer gewissen Zeit ge- funden wurden, für absterbende Degenerationsformen der Para- siten hielten, sah LAvERAN in ihnen gerade die höchste Entwicklung seiner Plasmodien. In diesem Streit und Zweifel führte der Eng- länder Manson einen Schritt weiter. Manson, auf Seiten LAVERAN’s, sprach die Vermutung aus, dass gerade der Geisselform die Aufgabe zufallen möchte, für die Verbreitung der Parasiten in der Aussen- welt zu sorgen und setzte hinzu, dass vielleicht ein blutsaugendes Insekt dabei eine Vermittlerrolle spielen dürfe. Auf diese eigen- tümliche Ideenverbindung kam Manson nicht aus Zufall, sondern weil er bei früheren Studien mit einem anderen Blutparasiten des Menschen, der Filaria sanguinis, etwas ähnliches beobachtet hatte. Er hatte nämlich diesen menschlichen Blutparasit im Magen einer 6 TREUPEL: [168 bestimmten Mosquitoart wiedergefunden und gesehen, wie er dort in den Geweben dieses neuen Wirtes einen neuen Entwicklungs- cyklus durchmachte. Manson konnte sich nun nicht des Gedankens erwehren, es möchte mit den Malariaparasiten ähnlich gehen, und trug seine Vermutungen dem Royal College of Physicians in London vor. So erfuhr auch der englische Militärarzt Ross (in Indien stationiert) davon, und dieser beschloss, bei seiner Rückkehr nach Indien diese neue, bis dahin noch völlig ungestützte Theorie experi- mentell zu verfolgen. Ross liess also malariakranke Menschen (Tropenform) von Mosquitos stechen und untersuchte nachher die Körper der Insekten — zwei Jahre lang, wobei er über 1000 Einzelbeobachtungen machte, ohne jeden positiven Erfolg! Aber Ross liess sich nicht entmutigen, und es gelang ihm endlich nach mannigfachen Modifikationen seiner Versuche, in der Magenwand einer bestimmten Mosquitoart runde Körper nachzuweisen, mit Pigmentkörnchen ver- sehen, identisch denen der Malariaparasiten. Das war im August 1897. Nun folgte Monat auf Monat eine neue Beobachtung. Ross experimentierte dabei vornehmlich mit Vögeln (Sperlingen), bei denen ein Blutparasit Proteosoma vor- kommt und die von einer besonderen Mosquitoart heimgesucht wer- den. Er untersuchte die Körper dieser Mosquitos in bestimmten Zeitintervallen, nachdem sie das Blut von proteosomakranken Sper- lingen gesaugt hatten, und stellte in langen Versuchsreihen folgendes fest. Die Magenwand der Mosquitos enthielt pigmentierte Körper- chen, die sich allmählich ausdehnten, heranreiften und schliesslich platzten, indem sie eine enorme Zahl von langgestreckten Organis- men (germinal rods) in die Leibeshöhle der Mücken ergossen. Von hier gelangten diese „germinal rods“ oder Sporozoiten, wie man sie jetzt nennt, bald in die Zellen der Speichel- beziehungsweise Giftdrüsen der Insekten und von da aus in den zu der Proboseis (Rüssel) führenden Gang. Ross schloss den Kreis seiner Unter- suchungen mit folgendem Experiment: Er infizierte gesunde Sperlinge mit Proteosoma da- durch, dass er sie von Mosquitos stechen liess, die eine bestimmte Zeit vorher das Blut eines proteosomakranken Sperlings gesaugt hatten. So hatte der indische Militärarzt in seinen jahrelangen Unter- suchungen (einerseits mit Menschenmalaria und einer ganz bestimm- ten Mosquitoart, andererseits mit Vogelproteosoma und einer anderen 169] UEBER Das MALARIA- (SUMPF-) FIEBER UND SEINE BEKÄMPFUNG. 7 Mosquitoart) die Mansox’sche Voraussage aufs glänzendste bestä- tigt. Es fehlte nur noch ein Glied in der Kette der biologischen Erscheinungen. Die Geisselform, die Manson als Sporen der Malariaparasiten aufgefasst hatte, war frei von Pigment, und die kleinen Körperchen, deren Wachstum Ross in der Magen- wand der Mosquitos verfolgt hatte, waren ausnahmslos durch das charakteristische Malariapigment ausgezeichnet. In welcher Beziehung standen nun unpigmentiertes Flagellum und die pigmentierten Körperchen? Die Antwort auf diese Frage ‘hatte ganz unabhängig von den bisher berichteten Versuchen, bereits 1897 ein junger amerikanischer Patholog der John Hobkin’s Universität, MAc CALLUm, gegeben. Dieser hatte sich mit dem Studium einer anderen Form von malaria- ähnlichen Parasiten, dem Halteridium beschäftigt, das bei Krähen vor- kommt. Hierbei hatte er fundamentale Unterschiede an den runden Körpern dieses Parasiten gefunden: die einen waren mehr granuliert (Makrogamet), die anderen mehr hyalin (Mikrogametocyt), und nur diese letzteren bildeten die Geisselform (Mikrogameten). Die Geisseln verliessen die hyalinen Gebilde, schwammen weg und näherten sich den anderen, mehr granulierten Körperchen. Sie drangen in diese ein und verschwanden damit. Sobald ein granuliertes Körperchen eine Geissel in sich aufgenommen hatte, verschloss es sich jeder anderen. Es spielte sich also hier nichts anderes ab als ein Befruch- tungsprozess. Wie das Spermatozoon in die Eizelle, so drang das Geisselkörperchen in die runde granulierte Zelle. Das Resultat dieser Befruchtung war nun folgendes. Die Eizelle nahm eine läng- liche Form an (vermiculus oder Ookinet) und besass in ausgezeich- neter Weise die Fähigkeit, sich fortzubewegen und in Gewebszellen einzudringen. Diese Gebilde sind es, die in die Zellenschicht der Magenwand der Mosquitos eindringen und die in ihrem Innern das charakteristische Pigment enthalten. Damit waren denn auch Ross’ pigmenthaltige Körperchen gedeutet. Sie waren die Ookineten, aus denen die Sporozoiten hervorgingen. Die Entdeckung Mac Carrun’s erschien so wunderbar, dass sie zunächst grossen Zweifeln begegnete. Vielfach angefochten, ist sie doch in den letzten Jahren durch LaveEran selbst, R. Koch und SCHAUDINN bestätigt und auch für die Malariaplasmodien als zu- rechtbestehend anerkannt worden. B. Grassı (Rom) hat in seinem neuen Werk sehr schöne diesbezügliche Abbildungen gegeben. Nach 8 TREUPEL: [170 den übereinstimmenden Untersuchungen all dieser Autoren (bes. von GrassI, BAsSTIANELLI und BiGNAMmI) dürfen wir es heute als fest- stehend betrachten, dass die Malariaparasiten zwei getrennte Entwicklungscyklen zeigen, der eine, ungeschlechtlich, spielt sich im malariakranken Menschen ab, der andere, geschlechtlich, vollzieht sich im Körper bestimmter Stech- mücken. An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass bereits an- fangs der neunziger Jahre SmirH und KILBOURNE für das Texasfieber der Rinder einen ähnlichen Infektionsmodus festgestellt und be- schrieben haben, wie wir ihn jetzt für die Malaria erwiesen sehen. Ektoparasit auf den Rindern lebende Zecken übertragen in der 2. Generation die Blutparasiten auf die Rinder, Ross hatte bei seinen grundlegenden Experimenten nicht die Art der in Betracht kommenden zwei Mosquitos zoologisch bestimmt. Danieus, der vom Malariakomitee eigens deshalb nach Kalkutta ge- sandt worden war, stellte fest, dass diejenigen Mosquitos, welche die Wirte bei der menschlichen Malaria bildeten, zu dem genus Anopheles gehörten, diejenigen, welche den Wirt für die Proteosoma bei den Sperlingen machten, zum genus Culex. Sehr zahlreiche, speziell auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen (GrAssI, BIG- NAMI) haben nun thatsächlich ergeben, dass als Vermittler und Ueber- träger bei der menschlichen Malaria einzig und allein die Stechmücke Anopheles in Betracht kommt. Wir dürfen also jetzt sagen: Zum Entstehen und zur Ausbreitung der gefürchteten Krank- heit gehören erstens malarıakranke Menschen und zwei- tens der das Blut dieser Menschen saugende Anopheles claviger. Der malariakranke Mensch infiziert die Mücke, und diese wiederum überträgt mit ihrem Stich die Krankheit auf den gesun- den Menschen. Auf dieser Erkenntnis, errungen durch jahrelange Forschung in den verschiedensten Teilen der Welt, beruhen alle Massnahmen, die man treffen kann, um die Malaria erfolgreich zu bekämpfen. Vor allen Dingen ist zu verhüten, dass Gesunde infiziert werden. Man hat daher die Oertlichkeiten zu meiden, wo sich infi- zierte Stechmücken aufhalten. ÜHRISTOPHERS und STEPHENS, sowie R. KocH, haben darauf hingewiesen, dass in tropischen Malariagegenden in einem auffallend hohen Prozentsatz die jugendlichen Individuen die Malariapara- siten beherbergen, während die Erwachsenen vollkommen frei davon 171] ÜEBER DAS MALARIA- (SUMPF-) FIEBER UND SEINE BEKÄMPFUNG. 9) sein können, und dass gerade die durch Mosquitos zugetragenen Parasiten dieser jugendlichen Eingeborenen den ankommenden Euro- päern und Weissen sehr gefährlich werden. Da sich nun die Schnaken niemals weit von ihrem ursprünglichen Aufenthaltsort entfernen, so geben ÜHRISTOPHERS und STEPHENS die einfache Regel: Wer sich in einem tropischen Malarialand ansiedeln will, vermeide nur, seinen Wohnsitz unmittelbar neben dem der Einge- borenen aufzuschlagen. Schon die Entfernung von einer Viertel- meile genügt, um vollkommen dem Wirkungskreis der verderblichen Stechmücken entrückt zu sein. Ist man aber gezwungen, in einer verseuchten Gegend sich aufzuhalten oder zu verkehren, so muss man sich vor den Schnakenstichen durch geeignete Vorkehrungen schützen. Darüber hat Grass sehr schöne Versuche angestellt, die von DI- MATTEL u. a. wiederholt und bestätigt worden sind. Als Versuchsfeld wählte Grassı die Eisenbahnlinie Salerno— Battipaglia— Pizzo— Reggio—Calabria. Hier schleichen die aus dem Gebirge tretenden Flüsse träge ins Meer, die Thäler weithin versumpfend und den Stechmücken dadurch die besten Brutstätten bereitend. Als ein wahres Thal des Todes gilt die Niederung des Seleflusses, an dessen Südrand die Ruinen von Paestum aus dem Heidesumpf emporra gen Jahrelang hat die Direktion der Mittelmeerbahn gezögert, die Strecke von Albanella südwärts an jener Malariaküste entlang auszubauen.- Die Bahnbeamten, obwohl unter sonst günstigen Bedingungen ge halten, erkrankten nach kurzer Zeit in Menge und starben trotz baldiger Versetzung in seuchefreie Gegenden nach schwerem Siech- tum dahin. Gxrassı versuchte nun gerade in diesem Todesthal das Bahnpersonal vor jedem Mückenstich zu schützen. Zu diesem Ver- such stellten die Königm Margherita, die Verwaltung der Mittel- meerbahn, die Regierung und der Verein zur Bekämpfung der Malaria die Mittel bereit. Längs der Strecke Battipaglia—Üapaccio wurden die Familien sämtlicher Eisenbahnbeamten (im ganzen 104 Personen, darunter 33 Kinder) mit Schutzvorrichtungen gegen die Mückenstiche ausgerüstet. Alle Oeffnungen der von Menschen besuchten Gelasse (Fenster, Thüren, Kamine, Abzüge, Ausgüsse) wurden durch feine Drahtgeflechte abgeschlossen. Häufig benutzte Thüren erhielten Vorbauten. Das war besonders für die Nachtzeit. Tagsüber für den Aufenthalt im Freien dienten Kopfhüllen von leichtem Schleierstoff und starke Handschuhe. Den trotzdem ein- mal Gestochenen wurde sofort Chinin in ausreichenden Dosen ver- Berichte XI. Heft 3. 13 10 TREUPEL: [172 abreicht. In Folge dieser Massregeln blieben diese 104 Personen, 3 ausgenommen, die die Vorschriften missachtet hatten, vollständig gesund, während die Nachbarn des Versuchsfeldes samt und sonders an Malaria erkrankten. Die bisher beschriebenen Massnahmen, die man treffen kann, um der Malaria zu entgehen, sind doch nur als Notbehelf zu be- trachten, viel mehr Erfolg in praxi verspricht die Vernichtung der Mücken in einem Malariabezirk (ÜELLI, FERMI) und die Vernichtung der Malariaplasmodien bei malariakranken Menschen (R. Koch). Beides ist möglich. CELLI! und Ferm? haben mit ihren Mitarbeitern durch eine grosse Reihe von Versuchen festgestellt, dass es thatsächlich möglich ist, einen bestimmten Bezirk, z. B. eine Stadt, von den Stechmücken zu befreien. Zum näheren Verständnis der hierbei zu treffenden Massnahmen seien zunächst einige biologische Mitteilungen über die hierbei in Betracht kommenden Schnaken gestattet. Anopheles legt 15—20 Eier in Form eines schwachen Bandes auf die Oberfläche der stehenden oder langsam fliessenden Süss- oder Salzwässer, besonders auf die ruhigen Flächen schattiger Lachen, die nach Regengüssen, Ueberschwemmungen und Ueberflutungen zurückgeblieben sind. Aus den Eiern entwickeln sich alsbald die Larven, die kleme Würmchen darstellen mit schneller, springender Bewegung nach rückwärts. Nach drei bis vier Wochen verpuppen sich die Larven, und nach zwei bis drei weiteren Tagen hat sich die junge Schnake ausgebildet, die besonders des Nachts austfliegt. Schon nach fünfzehn bis zwanzig Tagen paaren sich die jungen Schnaken und die Weibchen legen alsbald wieder Eier. Auf diese Weise können im Jahre vier bis fünf Generationen heranwachsen. Aber nur die letzte Generation überlebt und überwintert in Häusern und Höhlen. Vom März oder April an erscheinen sie wieder, und vom Juni an ist man, wie bekannt, allerorts und besonders nachts den Stichen dieser Insekten ausgesetzt. Die blutsaugenden Schnaken (Mosquitos) entfernen sich nur ganz wenig weit von ihrem ursprünglichen Aufenthaltsort. Man findet daher ihre Larven in den Kellern, Cisternen, Brunnen, Wasserbehältern, Tränken und Abzugskanälen. Als die zur Ver- nichtung dieser Larven geeignetsten Mittel haben sich das Petro- ! Zentralbl. f. Bakt. ete. 1899 Bd. XXVI und Ckruı, La malaria etc. Rom 1900. ® Zentralbl. f. Bakt. etc. 1900 p. 179. 173] ÜEBER Das MALARIA- (SUMPF-) FIEBER UND SEINE BEKÄMPFUNG. 1 leum und die ungeöffneten Chrisanthemumblüten erwiesen. Vom Petroleum genügen 5 cbem auf 1 qm Wasser berechnet, um sämt- liche auf der Oberfläche dieses Wassers befindliche Larven innerhalb kurzer Zeit abzutöten. Das Petroleum muss jeweils nach vierzehn Tagen erneuert werden, da es allmählich verdunstet. Die Chrysan- themumblüten hat man bis jetzt aus Dalmatien für Italien bezogen, und es haben sich daher die Kosten für das aus ihnen bereitete Pulver ziemlich hoch gestellt. Indessen steht ja nichts im Wege, in Zukunft in Malariagegenden das Ohrysanthemum in ausreichender Menge anzubauen. Will man die in der Luft lebenden Schna- ken verscheuchen, beziehungsweise vernichten, so muss man sie in den Kellern, in den Wohn- und Schlafräumen, besonders in der Nähe der Betten und Fenster aufsuchen. Ihre Vernichtung bezw. Vertreibung geschieht am sichersten in unbewohnten Räumen durch Chlordämpfe (4—5 Löffel Chlorkalk in einem Teller + 10 cbem rohe Schwefelsäure); in bewohnten Räumen zündet man am besten ein Pulver an, das aus Baldrian, Bertram, Ohrysanthemum, salpeter- saurem Kali und Kalmus bereitet ist, oder man verwendet das Pulver „Zanzolina*. Es besteht dieses Pulver aus Larvieid (einem von WEILER und MEER in Uerdingen hergestellten Anilinfarbstoff), Baldrian und Chrysanthemum. Mit diesen Mitteln gelingt es that- sächlich, eine Stadt von den lästigen und gefährlichen Stechmücken zu befreien, und die Kosten dazu sind, wie man berechnet hat, ein- schliesslich der Löhne der extra angestellten Personen verhältnis- mässig so geringe, dass die Durchführung dieses Kampfes mit den Schnaken auf Tod und Leben durchaus möglich erscheint. Aber auch der andere Weg, den ich bereits angedeutet habe, nämlich die Malariaplasmodien bei allen malariakranken Menschen zu vernichten, ist nach den neuesten Mitteilungen von R. Koch durchaus gangbar und wird vielleicht noch rascher zum Ziele führen. Besitzen wir doch in Chinin ein Mittel, das mit Sicherheit die Malariaplasmodien abtötet, und vermögen wir anderer- seits durch genaue mikroskopische Untersuchungen des Blutes, wie Sie sahen, ebenso sicher die Malaria zu diagnostizieren. Der Kampf gegen die Malaria wird sich also nach KocnH! so gestalten, dass die Aerzte die Malariaparasiten so viel als nur irgend möglich in ihren „Dchlupfwinkeln* aufsuchen und durch Anwendung von Chinin ver- nichten. Dabei sind besonders die malariakranken Kinder und 1! Deutsche med. Wochenschr. 1900 No. 50. 32 12 TREUPEL: [174 die sogenannten larvierten oder latenten Fälle zu berücksich- tigen. Koch’s Experiment in Stephansort auf Neu-Guinea, also in einer exquisit tropischen Gegend, zeigt, dass durch planmässiges Vorgehen, systematische Blutuntersuchung und Chinin- behandlung, die Austilgung der Malaria in wenigen Mo- naten möglich ist. Am besten verwendet man das salzsaure Chinin in Lösung: man schüttet 10 g reines Chinin in ein Wasserglas und lässt so lange Salzsäure zutropfen, bis sich alles gelöst hat, dann füllt man dieses Gemenge mit Wasser bis auf 100 cbem auf. Von dieser Lö- sung enthalten 10 cbem 1 g Chinin. Da der typische Fieberanfall fast immer in den späten Vormittagsstunden beginnt, so lässt man den Erwachsenen um 6 Uhr vormittags 10 cbcm der vorhin beschrie- benen Lösung (= 1 g Chinin) nehmen. Kindern unter einem Jahr giebt man nur 1 cbem der 1Oprozentigen Lösung, und man kann mit jedem Lebensjahr etwa um 1 cbcm steigen. Um Recidive zu verhindern, reicht man alle fünf Tage eine entsprechende Dosis Chinin so lange, bis dauernd kein Fieberanfall mehr erfolgt. Erst dann darf man annehmen — und es ist das durch die Blutunter- suchung zu bestätigen —, dass keine Plasmodien mehr vorhanden sind. Wenn in so ausgedehnter Weise das Chinin verwendet werden soll, so muss erstens die Garantie gegeben sein, dass man auch wirklich ein reines Chinin hat (in gewissen daraufhin untersuchten Proben haben sich nach Kocn bis zu 80 Prozent Stärke gefunden!), und zweitens muss das Chinin viel billiger werden, damit es auch thatsächlich jedem Menschen, auch dem Unbemittelten, zugäng- lich ist. Diese Erwägungen haben denn auch bereits m Italien zu dem Vorschlage geführt, das Chinin den Apotheken zu nehmen und eventuell die Herstellung und den Verkauf zu verstaatlichen. Welch enormen Einfluss die genaue klinische Feststellung aller verdächtigen Fälle als Malaria und ihre Behandlung auf die Häufig- keit der Malariaerkrankungen hat, das können Sie aus folgender statistischen Zusammenstellung in einem bestimmten Bezirk Deutsch- lands entnehmen: Kopfstärke der Armee Malariafälle Spandau: 1874 3853 2557 1885 4804 111 1895 5883 1 Das von Koch befürwortete Vorgehen gegen die Malaria, d.h. gegen die Malariaplasmodien ist, wie Sie sehen, in gewissem Sinne 175] UEBER DAS MALARIA- (SUMPF-) FIEBER UND SEINE BEKÄMPFUNG. 13 unabhängig von der „Mosquito-Theorie* der Malaria und wird auch zum Ziele führen, selbst wenn diese Theorie im Laufe der Jahre er- schüttert bezw. eingeschränkt werden sollte. Schon bald nach dem Be- kanntwerden der Aufsehen erregenden Entdeckungen von Ross, GRASSI u. a. sind verschiedene Bedenken gegen die allgemeine Richtigkeit der Theorie erhoben worden (Dopp, GRAWITZ u. a.). Ich bin darauf hier nicht näher eingegangen. Denn das, was ich Ihnen hier von Ross’, Grassts und der anderen Autoren Untersuchungen vorgetragen habe, ist keine Theorie mehr, sondern sind experimentell feststehende Thatsachen. Wo aber zunächst die allgemeine Giltigkeit der aus jenen Untersuchungen gefolgerten Sätze nicht zutreffend erscheint, da sollte, glaube ich, von Fall zu Fall erst eine Aufklärung der speziellen Verhältnisse erstrebt werden. Bis jetzt liegt jedenfalls keine einzige sicher begründete Thatsache vor, die gegen die Anschauung zu sprechen vermag, dass die Malaria durch Mücken von Mensch auf Mensch übertragen wird (vgl. auch Lüne 1. c.). Das Beispiel der Malaria ist auch von allgemeinen Gesichts- punkten aus betrachtet in mehr als einer Hinsicht lehrreich. Es illustriert den Geist und den Gang der modernen medizinischen Forschung. Es zeigt, wie die medizinische Wissenschaft niemals den Zusammenhang mit anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen ver- lieren darf und ihrer nicht entbehren kann. Es führt Ihnen aber auch so recht deutlich, meine ich, vor Augen, welchen Anteil die heu- tige medizinische Wissenschaft an der Lösung sozialökonomischer Probleme nimmt. Was es bedeuten wird, wenn es gelingt, auf Grund der hier entwickelten Massnahmen die Tropen für den Euro- päer zugänglich zu machen, das näher auszuführen, ist hier nicht Ort und Zeit. Ich will daher nur zum Schlusse nochmals auf Italien verweisen. In Italien sterben jährlich circa 16000 Menschen an Malarıo oder deren Folgen. Die wasserreichsten und einst wegen ihrer Fruchtbarkeit berühmten Länderstriche Toskanas, der Puglia, der Basilicata, Calabriens, Siziliens und Sardiniens liegen versumpft und brach, gemieden wegen der todbringenden Malaria. Dank der Ergebnisse der Ihnen heute vorgetragenen Forschungen wird es möglich sein, den verseuchten und verrufenen Thälern ihren schlechten Ruf zu nehmen und „wenn sich der Arbeiter anschickt, jene einst fruchtbaren Gefilde von neuem der Kultur zurückzuer- obern, so trägt ihm die medizinische Wissenschaft die Fackel voran“, 1 [176 Ueber die Kreideformation der Monte d’dere- Kette in den Aquilaner Abruzzen. Von Dr. Carl Schnarrenberger. Assistent am geologisch-mineralogischen Institut zu Freiburg i. Br. Mit 4 Tafeln und 3 Figuren im Text. Vor einigen Jahren ist durch J. Cnueuussı! in Mailand ein eigenartiges Kreidevorkommniss aus den Aquilaner Abruzzen be- kannt geworden. Eine weitere Notiz darüber erschien 1899 von C. F. PıronA? In dieser vorläufigen Mittheilung befindet sich eine genaue Angabe des Fundortes, der gefundenen Versteinerungen, sowie ein Versuch, an Hand des sofort bestimmbaren Materiales das Alter der Ablagerung annähernd festzustellen. Da dieser abruzzesische Riffkalk auffallende Aehnlichkeit mit dem bekannten Vorkommen vom Col dei Schiosi zu zeigen schien, von dem sich eine ausgezeichnete, sehr reichhaltige Sammlung im Besitze von Herrn Prof. Bönm hier befindet, so riethen mir meine Lehrer, Herr Prof. STEINMAnN und Herr Prof. Bönm, gelegentlich meiner Studienreise nach Italien im Frühjahr und Sommer 1899, die Umgebung von Aquila genauer zu untersuchen. In den Monaten Mai bis Juli habe ich nun das Vorkommen selbst, sowie die weitere Umgebung des Monte d’Ocre von Aquila degli Abruzzi und Bagno - grande aus untersucht und bin dann, nach einem längeren Aufent- ! J. Cueuussı, Brevi cenni sulla costituzione geologica di alcune localitä dell’ Abruzzo aquilano. Firenze 1897. ®» ©. F. Pıroxa, Osservaz. sulla fauna e sull’ eta del calcare di scogliera nell’ Abruzzo aquilano. Torino 1899. (Estratto dagli „Atti della R. academia delle Scienze di Torino, vol. XXXIV.) 177] UEBER DIE KREIDEFORMATION IN DEN AQUILANER ABRUZZEN. 9 halte am Gran Sasso, Ende August mit meinem sehr grossen Mate- riale nach Freiburg zurückgekehrt. Stratigraphischer Theil. Südlich von Aquila degli Abruzzi (siehe Kärtchen) erhebt sich im Hauptstreichen des Gebirges, ungefähr Nordwest— Südost, ein etwa 20 km langes und 8 km breites Hebungsellipsoid, begrenzt nach Norden durch den Aterno, nach Süden durch die Ortschaften Rojo Piano, Casamaina und Rocca di Cambio, Poststation zwischen Aquila und Oelano am Fuciner See. Die grösste Erhebung des Ellipsoids und des Gebirgszuges überhaupt bildet der Monte d’Ocre, der von Aquila aus als hochragender Rücken mit jähen Steil- abstürzen nach Nord-Ost zu erscheint. An diesen Gebirgszug reihen sich nach Süd-Ost bis in die Gegend von Solmona noch mehrere, die alle, wie der Monte Sirente (2349 m), ihre Steilabstürze nach Nord-Ost zukehren. Die tektonischen Verhältnisse sind anscheinend einfach, doch bieten sich grössere Schwierigkeiten in der Eigenart des Gesteins, das die Kalke zusammensetzt. Es ist der Hauptsache nach ein weisser, kompakter, meist völlig ungeschichteter Kalkstein, aus dem sich nur an einzelnen Stellen besser geschichtete Partien heraus- heben, wobei die Schichtung meist durch zwischengelagerte, mehr thonige und mergelige Lagen hervorgerufen zu sein scheint. Dabei erreichen diese Kalke eine grosse Mächtigkeit, die am Monte d’Ocre auf über 800 m steigt, so dass in den häufig aufgebrochenen Ge- wölben das Liegende nie zu Tage tritt. Das Hangende dieser Kalke bildet der vielfach gewundene und gestauchte Macigno, der die ge- hobenen Massen überall saumartig umgiebt und als breites Band durch die Strassen und Bachrisse am Nord-Ost-Abhange des Monte d’Ocre häufig aufgeschlossen wird. Sehr gut sichtbar ist der Kon- takt des Macigno mit den liegenden Kalken oberhalb Bagno grande, da wo der Weg von Vallesindole nach Bagno den Bach schneidet. Die vielfachen Stauchungen und Fältelungen des Macigno lassen nicht erkennen, ob Konkordanz oder Diskordanz zu den liegenden Kalken vorhanden ist. Da bis jetzt keine Versteinerungen darin gefunden worden sind, kann man nur annehmen, dass er wohl das gleiche Alter besitze, wie die ähnlichen Bildungen in anderen Theilen des Apennin, d. h. alttertiär ist. Ueberlagert wird der Macigno durch die Schutt- und Absturz- massen der benachbarten Gehänge. MS N DSSOJ | A a ıp IUVITDVd Zobpf ung 9709 IS - IN SCHNARRENBERGER: [178 ID en S - Sn x N a ‘9 x x S S S S (7081) D4oj1onÖ I 1foad Die Lagerung dieses ter- tiären Sandsteines bedingt das Alter der liegenden Kalke, die also der Hauptsache nach der Kreide, in den jüngsten Lagen auch dem älteren Tertiär angehören dürften. In den obersten Kalk- horizonten müsste man nun alttertiäre Schichten mit Nummuliten erwarten, ähn- lich wie am Gran Sasso. Einen solchen Horizont an- stehend zu finden, ist mir aber nicht gelungen, obgleich ich die ganze Gegend sehr genau abgesucht und die Ver- hältnisse am Gran Sasso ge- rade in dieser Hinsicht stu- diert habe. Nur einmal habe ich in der Nähe der Kapelle Madonna delle Grazie einen kleinen Block mit gut er- haltenen Orbitoides in einem dichten graugelblichen Kalk- stein gefunden, der mir im ganzen Gebiete des Monte d’Ocre nie mehr zu Gesicht gekommen ist, obgleich das bezeichnete Stück aus einem verhältnissmässig eng be- grenzten und wohl angeb- baren Gebiete stammen muss. Immerhin steht ausser allem Zweifel, dass in den oberen Kalkhorizonten ein eocäner Horizont mit Orbitoides ver- treten ist. Der übrige Theil der Kalke dürfte wohl ausschliesslich 179] UÜEBER DIE KREIDEFORMATION IN DEN ÄQUILANER ABRUZZEN. 4 der Kreide angehören, wenigstens sind ältere als cretacische Schichten am Monte d’Ocre bis jetzt nicht gefunden worden. Der nun folgenden Beschreibung der fossilführenden Lokalität liegt das Blatt „Borgocollefegato“ zu Grunde, das im Massstab 1: 50000 den rechten oberen Quadranten des Blattes No. 145 der italienischen Generalstabskarte 1: 100000 bildet. Steigt man von Bagno grande aus senkrecht zum Streichen in das Gebirge, so gelangt man wenige Minuten oberhalb Bagno durch die Grenze zwischen Macigno und Kalk in die Forchetta die Bagno, einen tiefen, zerklüfteten und stark verwitterten Felsriegel!, an Madonna delle Grazie vorbei, in ein weit sich öffnendes nach Süd- Ost sich abzweigendes, ziemlich tiefes Erosionsthal, das auf die Monti di Bagno zu zieht. Die Bauern nennen dieses Thal Valle San Jago. Von hier aus zweigt der elende Saumpfad rechts ab, auf den Öolle Pagliare zu und windet sich dann mühsam dem (Gehänge entlang nach dem Einschnitt zwischen Le Quartora und den Monti di Bagno. Da wo der Pfad die wellige Gegend des Pagliare trifft, spürt man die ersten schlecht erhaltenen Ver- steinerungen, die immer häufiger werden und an einzelnen Stellen auch besser erhalten sind. Etwa bei dem „s“ in Colle Cerasetti hören sie aber auf, da hier der bisher ungeschichtete Kalk in mäch- tige, geschichtete Kalke übergeht, die aus 1-3 m mächtigen Kalk- bänken gebildet werden. Sie ziehen von der Quartora herunter, streichen etwa N40°W. und fallen 30°—40° nach Nord-Ost zu ein. Diesen ziemlich gut geschichteten Kalkhorizont kann man längs der ganzen Costa grande und den Monti di Bagno verfolgen, weit über den Monte d’Ocre hinaus; ebenso auf der Südseite des Ellipsoids oberhalb Casamaina N50°W. streichend und mit einem Einfallen von etwa 20°—30° nach SO. Am Monte d’Ocre bildet er die unter gewöhnlichen Verhältnissen absolut unzugänglichen, mehr als 1000 m hohen Felswände, die der ganzen Gegend das landschaftliche Gepräge aufdrücken. Diese geschichteten Kalke sind weiss bis graulich-weiss, sehr hart, krystallin und meistens ganz fossilleer. Hie und da bemerkt man Durchschnitte von dünnschaligen Schnecken und Zweischalern, sehr selten jedoch die dickschaligen, späthigen und daher leicht kenntlichen Durchschnitte durch Rudistenschalen (Monopleura, Diceras u. s. w.). Dieser lithologische Charakter bleibt sich ım ! Siehe Profil I, wo der Saumpfand punktirt angegeben ist. 5 SCHNARRENBERGER: [180 ganzen Gebiete ziemlich gleich, so dass diese Kalkbänke, da wo sie anderweitig auftreten, leicht identifizirt werden können. Die einzelnen Bänke, deren Mächtigkeit swischen 1—3 m und mehr schwankt, werden durch dünne Lagen eines grünlichgrauen, sandigen Mergels getrennt, der ganz von zertrümmerten Schalen einer dünnschaligen, HDD, SUN || INA TANTE 09 u, mat HR: N / /Rbio 1 a Hi \ | In Mn And Hi UN on Al NZ un MR k IN RL 7 ),;” WU en, j ı Yrı Ir, > > / Y/ ER N N SM, 1151147, RUHE Nt N A Mr & Ma N unbestimmbaren Auster und schlecht erhaltenen, gerollten Korallen erfüllt ist. Auch der Charakter dieser Zwischenlager scheint mit dem Auftreten der geschichteten Kalke innig verknüpft zu sein. Diese geschichteten Kalke verschwinden nun in der Linie Colle Pagliare—Colle Campetello unter ihrem Hangenden, einem absolut ungeschichteten, völlig zerklüfteten Kalksteine von ähnlicher Farbe, 181] UEBER DIE KREIDEFORMATION IN DEN AQUILANER ABRUZZEN. 6 aber viel geringerer Zähigkeit, der am Colle Pagliare, also in seinen tiefsten Lagen noch ziemlich Versteinerungen führt, bald aber voll- kommen versteinerungsleer wird, doch ohne dass man angeben könnte, wo die Versteinerungen nun gerade aufhören. Dieser Kalkstein selbst zerfällt bei der Verwitterung in faust- bis kopfgrosse, eckige, scharfe Bruchstücke. An einzelnen Stellen sinkt die Grösse des Korns jedoch auf Haselnussgrösse und darunter. Es entstehen so einzelne Nester eines ungemein scharfen Kalksandes, der von den Umwohnern zu einem vorzüglichen Mörtel verwendet wird. Im Uebrigen bleibt jedoch die lithologische Beschaffenheit dieses Kalkes bis unter den Macigno ziemlich gleich. In der Zone, wo die schon von Parona angegebenen Ver- steinerungen sich finden, ändert sich der Gesteinscharakter wesent- lich. Das Gestein wird brecciös, besteht aus erbsen- bis faustgrossen, sehr stark gerollten Kalkstücken, vermengt mit den zum Theil ge- rollten, massenhaften Schalen von Monopleuriden, Diceratiden, Nerineen u. s. w. Besonders auffällig stechen von den weissen Kalken durch ihre honigbraune Farbe die äusseren Schalenschichten der eben genannten Rudisten ab. An einzelnen Stellen besteht dieser Kalk nur aus kleinen gerollten Gesteinsfragmenten zusammen mit massenhaften Orbitolinen, von denen sich aus jedem nur kopf- grossen Blocke Hunderte herausschlagen lassen. Das Ganze ist also eine typische Riffbildung. | Die obere Grenze der Fossilführung lässt sich, wie oben ge- sagt, nicht genau angeben, wohl aber die untere und damit die Position des eigenartigen Fossilvorkommnisses überhaupt. Wie schon oben gesagt, tritt wegen der grossen Mächtigkeit dieser zweifellos kretacischen Kalke deren Liegendes nirgends zu Tage, auch dort nicht, wo das Gewölbe aufgebrochen ist, wie längs der Valle fredda von der Costa grande bis auf den Monte d’Ocre. Die tiefsten Schichten treten in der Nähe des Fossilpunktes zu Tage, in der fossa di Oerasetti, die durch das letzte „a“ in Quartora führt, und in derjenigen, die durch das erste „n“ ın Monti di Bagno geht. An beiden Stellen sind die Verhältnisse kaum verschieden. Die fossa di Cerasetti selbst verdankt ihr Da- sein einer kleinen Verwerfung, die den südöstlichen Theil gegen den nordwestlichen um etwa 20 m gesenkt hat. Im Uebrigen liegen aber die Verhältnisse klar und ungestört. Wenn man den schwer zugänglichen, treppenförmigen Bachriss hinaufsteigt, so kommt man in immer jüngere Schichten, da der 7 SCHNARRENBERGER: [182 Bachriss steiler einfällt, als die umgebenden Kalkmassen. Man er- hält bis zu dem Punkte, wo der Saumpfad den Bach schneidet, bei dem letzten „a“ in Quartora folgendes Profil: 20 m: Weisse, kompakte !/„—1m mächtige, fossilleere Kalkbänke mit grünen, sandigen, fossilleeren Zwischenlagen. 15 m: Wechsellagerung von schmutziggrinem Thon mit Kalk- bänken. Die unterste Partie bildet eine etwa 2 m mäch- tige kalkigsandige Lage, in der eine gute, kleine Quelle zu Tage kommt. 20 m bis unbestimmt: Mächtige, massige Kalkbänke mit sehr ge- ringen Zwischenlagen. Ueber dem obersten Horizonte folgen dann die eigentlichen, geschichteten Kalke der Quartora etwa 100 m mächtig. Nun sieht man in der fossa di Oerassetti und in den kleinen von links einmündenden Rissen gut, wie diese oberen geschichteten 20 ra mächtigen Kalke sammt dem unteren Theile der Kalke von der Quartora allmählich in den Riffkalk übergehen, wobei die san- digen Zwischenlager völlig verschwinden. Die Bänke werden fossil- führend, scheinbar brüchig und lösen sich in die schon beschriebenen eckigen Bruchstücke auf. Mit der Zunahme der Fossilien wird das Korn immer kleiner und schliesslich zu einem puddingartigen Ge- mengsel von runden Gesteinsstückchen, kleinen Schnecken, Orbito- linen u. s. w. Am besten kann man diesen Uebergang beobachten oberhalb eines kleinen Getreidefeldes, das ungefähr die Stelle der beiden „tt“ in Öerasetti einnimmt. (ranz ähnlich sind die Verhältnisse im Bachriss in den Monti dı Bagno, nicht so deutlich an einigen Stellen an S Costa grande oder dem Nordabhange des Monte d’Ocre. Dieser direkt beobachtbare Uebergang des Riffkalkes in den geschichteten zeigt die Gleichaltrigkeit der beiden verschiedenen Ausbildungen desselben Horizontes. Es lässt sich gerade hier auch die untere Grenze der Fossil- führung leicht angeben. Ich will zur Abkürzung das sandig-kalkige Lager, in dem in der fossa di Oerasetti die kleine Quelle entspringt, den „Q@uellhorizont“ nennen. Dieser Horizont zeigt sich nun überall, o Fossilien vorkommen. Er ist sehr auffällig durch die grössere oder geringere Wasserführung. Dieser Horizont bildet durchweg das Liegende des Riffkalkes. In der fossa di Oerasetti sind die liegenden und noch sichtbaren 20 m der massigen Kalke völlig fossilfrei, ebenso in den Monti di Bagno. 183] UEBER DIE KREIDEFORMATION IN DEN AQUILANER ÄABRUZZEN. 8 (Genau so liegen die Verhältnisse in dem besten und fossil- reichsten Aufschluss, den ich kenne. Es ist die von den Um- I ES Ss < = Q A, I ’S rs = S u N Sl Zus S Ss = LI SS SI O U SQ oO un == 2 wohnern fossa di mezzaspada genannte, etwa 120 m tiefe Doline nördlich des „i“ in Cerasetti, deren südliches Gehänge schwer zu- 9 SCHNARRENBERGER: [184 gänglich ist. Da in dieser Lokalität nicht nur das Liegende gut sichtbar ist, sondern auch eine gewisse Gesetzmässigkeit in der Vertheilung der massenhaften Versteinerungen sich kundgiebt, so möchte ich an der Hand des Profiles 2 eine kurze Beschreibung des Fundpunktes geben. Am südlichen Gehänge tritt unter dem Riffkalke der meist etwas feuchte „Quellhorizont“ zu Tage. Direkt darüber beginnt die unterste Lage des Riffkalkes mit massenhaften grossen und kleinen Nerineen, Nerita, Cerithium, aber keiner Spur von Rudisten. Auch ist dieser unterste Horizont das Hauptlager der Voluta scalata n. sp. und der kurzen Nerinea forojuliensis Pır. Der „Quellhorizont“ sammt dem Nerineenhorizont verschwindet nun unter dem Nord- rande der Doline und zwar noch südlich von dem kleinen Acker, der den tiefsten Theil der Doline einnimmt. Am nördlichen Rande dieses Ackers liegt massenhaft Geröll, das vom oberen Nordrande der Doline stammt, wie man sich leicht überzeugen kann. Dieses Geröll und das Anstehende selbst sind der Hauptfundort der massenhaften und zum Theil prachtvoll erhaltenen Diceratiden und Monopleuriden. Es kommen überhaupt vor: Toucasia Steinmanni n. Sp. Himeraelites Gemmellaroi Di-STEF. 2 Douvillei Di-STEr. 4 mediterranea Di-STEF. A vultur Di-STEr. Lima cf. rapa D’Ore,. Lima aquilensis n. SP. Pileolus Chelussii n. sp. Scurria alta n. sp. und multangularis n. Sp. Lissochilus Moreli FRAAS. sp. Terebratulina agorianilica BiTT, Dazu noch die ersten langen Exemplare von: Nerinea forojuliensis Pır. Im Geröll und im Anstehenden bei rt. in Profil 2 wurde Terebratulina agorianitica Bırr. gefunden. Jenseits des nördlichen Randes dieser Doline, in der noch fossilführenden Linie Colle Pa- gliare—Üolle Campetello, findet sich eine Mischfauna von Rudisten und kleineren Nerineen, unter denen ich jedoch die mir wohl- bekannten vom Col dei Schiosi vergeblich gesucht habe, mit Aus- nahme von Nerinea forojuliensis Pır.; vor Allem habe ich nie die 185] ÜEBER' DIE KREIDEFORMATION IN DEN ÄQUILANER ÄBRUZZEN: 10 der Nerinea Bauga dA’OrB so ähnelnde Nerinea schiosensis BÖHM finden können. Die nähere Untersuchung und Präparation hat denn auch ergeben, dass diese Nerinee vom Ool dei Schiosi sich nicht in meinem Materiale vorfindet. Ebenso hat sich aber auch ergeben, dass wesentliche Unterschiede zwischen dem Parona’schen Materiale und dem meinigen vorhanden sind. Vor Allem fehlen meinem Materiale vollständig Monopleuriden mit accessorischen Höhlungen in den oberen oder unteren Klappen, also die Gattungen Poly- conites, Caprotina, Sellaea, Caprina u. s. w. Ferner besitze ich nur einige und dazu sehr schlecht erhaltene Korallen, so dass ich mich nicht der Ueberzeugung verschliessen kann, dass Prof. CuELussı ein ganz anderes Nest ausgenommen hat, das etwas höher liegen, also auch jünger sein muss, als der von mir ausgebeutete Fund- punkt. Es ist mir jedoch nie gelungen, aus den sich sehr wider- sprechenden Aussagen der vorgeblichen Begleiter CnELusst's aus Bagno grande und Bagno piccolo herauszubekommen, wo sie ge- sammelt haben. Auf diese Verhältnisse möchte ich bei der Altersbestimmung wieder zurückkommen, und hier nur noch kurz die Längenausdeh- nung des Vorkommens begrenzen, soweit es mir bekannt ist. Man sieht den Uebergang des untersten „Quellhorizontes“ gut in der eben beschriebenen Doline, sowie auch in dem schon oft erwähnten Bachrisse in den Monti di Bagno, 200 m direkt östlich des „i“ in Coperchi. Hier liegt vor Allem der Fundpunkt der grossen, schön erhaltenen Nerinea forojuliensis Pır., während Rudisten hier seltener sind. Den Uebergang der etwas höheren Quartorakalke kann man überall längs der Costa grande beobachten, ebenso in den Monti di Bagno und an dem schwer zugänglichen Nordabhange des Monte d’Ocre. Das ganze Vorkommniss stellt sich so dar als ein langes, etwa 1 km oder mehr breites, 100-150 m mächtiges Band, das nach Norden unter fossilarmen, völlig ungeschichteten Kalken verschwindet, um im weiteren Verlauf wahrscheinlich von neuem in die geschich- teten Quartorakalke überzugehen. Darauf scheinen wenigstens die Verhältnisse bei Madonna delle Grazie hinzuweisen, wo über den geschichteten, fossilfreien Kalken, die von dem typischen Quartorakalke nicht zu unterscheiden sind und denselben auch der Lagerung nach gut zu entsprechen scheinen, wieder die -ungeschichteten, etwa 250 m mächtigen, fossilleeren 11 SCHNARRENBERGER!: [186 Kalke liegen und dort die schroffe unzugängliche Forchetta di Bagno bilden. Mit das wichtigste Vorkommniss der ganzen Gegend liest in dem schon oben erwähnten Valle San Jago, das sich von der Forchetta di Bagno aus zwischen „R. OCoperchi“ und der Höhe „1334“ auf die „Monti dı Bagno“ zu zieht. Ungefähr 700 m ober- halb des Gabelpunktes des Bagneserthales mit dem Valle San Jago habe ich im Grunde auf der rechten Thalseite mehrere sehr schöne Exemplare von Monopleura marcida HıLL. und etwas weiter thal- abwärts, auf der linken Seite, typische aufgewachsene Exemplare von Ostrea Munsoni HırL. gefunden. Die Monopleuren sind anstehend; von den Austern konnte dies nicht direkt nachgewiesen werden. Beide Versteinerungen liegen zweifellos im Hangenden der fossilführenden Lagen am Pagliare, wie aus Profil I ersichtlich ist. Die Kalke des Bergabhanges durch „R. Coperchi“ entsprechen den oberen Quartorakalken und verschwinden mit einem Einfallen von etwa 30° unter dem Höhenrücken „1334—1200“. Am Fusse dieses Rückens liegen aber die genannten Versteinerungen, also im Han- genden der Quartorakalke, sind also jünger als diese. (regen die etwaige Vermuthung, das Valle San Jago verdanke seine Entstehung einer Verwerfung, spricht die Thatsache, dass weder im Nordwesten noch Südosten Anzeichen einer solchen Dis- lokation vorhanden sind. Von diesem wichtigen Vorkommen werde ich weiter unten bei der Altersbestimmung Gebrauch machen. Die Uebersicht über dieses Kapitel liefert also folgende That- sachen. An der besprochenen Lokalität bildet den jüngsten Hori- zont der Macigno. Das Liegende desselben, soweit es sich über- haupt verfolgen lässt, besteht aus Kalk. Der tiefste nachweisbare Horizont ist der als „Quellhorizont“ bezeichnete, der wohl mit den untersten Nerineenschichten gleichaltrig sein dürfte. Ueber diesem folgt der unterste fossilführende Horizont am Pagliare in der fossa die mezzaspada mit: kleinen Oberklappen von Toucasia Steinmanni n. sp. ferner Nerita Taramellii Pır. Tylostoma cf. Rochatiana D’ORB. Pseudomelania aquilensis n. Sp. Nerinea forojuliensis PIR. 5 Di-Stefanoi n. Sp. 187] ÜEBER DIE KREIDEFORMATION IN DEN ÄQUILANER ÄBRUZZEN: 12 Cerithium inferioris n. sp. Voluta scalata n. sp. Darüber liegt der Horizont der Himeraeliten und Toucasien mit: Orbitolina lenticularis LMk. Terebratulina agorianitica BiTT. Lima aquilensis n. Sp. „. eff. rana D’ÖRR. Toucasia Steinmanni n. sp. Himeraelites vultur Di-STEF. 4 Douvillei Di-STEF. 3 Gemmellaroi Di1-STEF. ee medilerranea Di-STEF. = acula n. Sp. Radiolites cordiformis n. sp. Scurria alta n. sp. R multangularis n. Sp. Delphinula pseudoscalaris n. Sp. A apenninica n. Sp. Trochus spiralis n. Sp. £ cfr. frumentum Pıcr. et C. Lissochilus Moreli Ö. Fraas sp. Pileolus Chelussii n. sp. Glauconia Böhmi n. sp. Nerinea forojuliensis Pır. »„ Di-Stefanoi n. sp. Itieria actaeonelliformis n. Sp. „ erenulata n. sp. »„ efr. polymorpha GENMM. sp. Cerithium sp. 4 Paronai n. sp. Den Fossilinhalt dieser beiden Horizonte will ich als „untere Pagliarefauna“ bezeichnen. In’s Hangende im engsten Zusammen- hange, vielleicht sogar gleichaltrig damit, ist wohl die von CHErLussı ausgebeutete, fossilführende Lage zu stellen. Zum Unterschiede werde ich diese Funde als „obere Pagliarefauna“ bezeichnen, wobei ich mich aber vorerst jedes Urtheils über das relative Alter beider Faunen enthalten möchte. Im Hangenden beider Faunen liegt sicher der Horizont der Monopleura marcida im Valle San Jago. In dem noch Jüngeren Berichte XI. Heft 3. 14 18 SCHNARRENBERGER: [188 ungeschichteten Kalke befindet sich an bisher noch nicht bekannter Stelle ein mitteleocäner Horizont mit Orbitoides. Bekannt ist hiervon der Horizont der Monopleura marcida Hırv.. Diese Thatsache und den Fossilinhalt der Faunen am Pa- gliare habe ich im folgenden zur Altersbestimmung der letzteren benützt. Altersbestimmung. Ich habe mir bei der Bearbeitung des Materiales zum voraus vorgenommen, nur das zu beschreiben und abbilden zu lassen, was bezüglich seiner Herkunft ganz sicher ist, und habe Alles weg- gelassen, was nicht anstehend gefunden wurde. Was in der Doline gefunden wurde, konnte natürlich immer nur von den zunächst liegenden Rändern stammen, was die Untersuchung des Anstehenden auch bestätigte. Ich hoffe, dass es mir so gelungen ist, einen ein- heitlichen Horizont darzustellen, und zwar ist das der unterste der fossilführenden, die „untere Pagliarefauna*. In seiner vorläufigen Mittheilung! hat ParonA die Altersbestim- mung des von CHELUSSI erhaltenen Materiales unternommen. An diesen Versuch möchte ich zweckmässig anschliessen und von neuem untersuchen: 1. Die Beziehungen der „unteren“ abruzzesischen Fauna zu der Fauna vom Col dei Schiosi. 2. Die Beziehungen zu dem sizilianischen Vorkommen. 3. Die Beziehungen zu Bildungen von ähnlichem Alter, die sich anderwärts finden. Die Schiosifauna ist, so wie sie bis jetzt vorliegt, durch fol- gende Formen charakterisirt, die nach Parona auch am Üolle Pagliare vorkommen sollen: Lima cfr. consobrina D’ORB. Apricardia Pironai Böhm. Caprina chiosensis BÖHM. Nerinea schiosensis Pır. u forojuliensis Pır. Tylostoma forojuliensis BÖHM. - schiosensis BÖHM. Bezüglich der Rudisten ist PAronA selbst im Zweifel, ob die abruzzesische Form wirklich Apröcardia Pironai BÖHM sei, offenbar ! Osservazioni sulla fauna e sull’ etä del calcare di scogliera etc. 189] UEBER DIE KREIDEFORMATION IN DEN ÄQUILANER ÄBRUZZEN: 14 wegen wenig gut erhaltenen Materials. Die Untersuchung meiner vor- züglich erhaltenen Stücke hat nun gezeigt, dass es sich um eine von der Gattung Apricardia völlig verschiedene 7oucasia handelt. Von den hunderten von Nerineen konnte nur Nerinea forojuliensis Pır. erkannt werden, während von der so charakteristischen Nerinea schiosensis Pır. nicht einmal ein Bruchstück vorhanden ist. Die Gattung Caprina scheint am Pagliare überhaupt nicht vorzukommen, Auch Cnerussı scheint kein bestimmbares Exemplar gefunden zu haben. Dies und der Umstand, dass ich noch ausser der sehr wenig charakteristischen Nerita Taramellii Pır. überhaupt keine Form habe finden können, die auch am Schiosi vorkäme, trotzdem ich darauf aus begreiflichen Gründen besondere Mühe verwendet habe, zeigt den völligen Unterschied zwischen den beiden Faunen. Die massenhaften, aber im mikroskopischen Präparate zu schlecht erhaltenen Oröditolinen haben einen Vergleich mit der noch schlechter erhaltenen Orbditolina vom Schiosi nicht zugelassen. Da so jeder Vergleichspunkt fehlt, kann auch von der Parallelisirung oder auch nur einem stratigraphischen Vergleiche der „unteren Pagliarefauna“ mit der Fauna vom Col dei Schiosi keine Rede sein. Dagegen zeigt die „obere Pagliarefauna* ziemlich enge Be- ziehungen zu der Fauna vom Schiosi, so dass ich trotz des Fehlens der für den Schiosi so charakteristischen Apröcardien und Caprinen in Uebereinstimmung mit PAronA beide Faunen für gleichaltrig halten möchte. Um die Altersbestimmung der „untern Fauna“ durchzuführen, möchte ich dieselbe mit den Vorkommnissen bei Termini Imerese (Sizilien) vergleichen. Dort liegen folgende vier Horizonte über- einander: 4. Kalke mit Caprina communis GEMM., Sphaerulites Sauva- gesii D’ HOMBRE-FIRMAS. 3. Kalke mit Caprotina. 2. Kalke mit Polyconites Verneuili BAYLE. 1. Kalke mit 7oucasia und FKequienia. Die oberste Fauna kommt für uns nicht in Betracht. Zwischen 1., 2. und 3. herrscht völlige Konkordanz!, und zwar so, dass 2. und 3. lithologisch nicht getrennt werden können. Zwischen 1. und 1 G. Di-StErANo, I calcari con Polyconites di Termini-Imerese, Paleonto- graph ital. IV, 1898, p. 2ff. 14* 15 x SCHNARRENBERGER: [190 2. schieben sich schwache, wellige, etwas bituminöse Lagen ein. Obgleich 2. und 3. ein zusammengehöriges Schichtensystem bilden, so lässt sich darin doch ein unterer Horizont 2. abgrenzen, der in einer etwa 4 m mächtigen Schichtenreihe fast ausschliesslich schön erhaltene Exemplare von Polyconites Verneuili BAYLE. führt, während im dem darüber liegenden Horizonte 3. Oaprotinen und Himeraeliten vorherrschen und nur Bruchstücke von Polyconites gefunden worden sind. Der Horizont 2. enthält: Orbitolina sp. Alectryonia sp. Himeraelites vultur Di-STErF. Polyconites Verneuili Di-STEF. Gemmellaroi DI-STEF. Dowvillei Di-STEF. 5 Böhmi Di-STEF. Sellaea cespitosa D1-STEF. „ Zitteli Di-STEr. Sphaerulites sp. aff. Sph. Sauvagesii D’HomB-FirM. b)] n Der Horizont 1. (Urgon) enthält!: Requienia Lonsdalei SOW. (Sphaerulites) Blumenbachi STuD. (Caprina) Verneuili BAYLE. Nerita pustulata GEMM. ltieria utriculus GEMM, „ scillae GEMM. aculiscula GEMM. Savii GEMM. Nerinea clava &EMM. a Guiscardi GEMM. Der Horizont 1. repräsentirt das Urgon. Die Horizonte 1. und 2. sind in Sizilien gut von einander geschieden. Jedoch scheint mir die „untere“ Pagliarefauna zu zeigen, dass wohl doch sehr enge Beziehungen zwischen 1. und 2. vorhanden sind, so dass also, wenn der unterste Horizont das Urgon bezeichnet, die beiden folgenden (2. u. 3.) zusammen nicht das obere Cenoman repräsentiren können, ! Barpaccı, Descrizione geologica d’ell’ isola di Sicilia. (Mem. desc. della carta geol. d'Italia, vol. I, 1886, p. 76 ff.) 191] UEBER DIE KREIDEFORMATION IN DEN AQUILANER ABRUZZEN. 16 wie Di-STEFANO! meint; denn dann wäre zwischen 1. und 2, eine Lücke, die Aptien, Albien und unteres Cenoman umfassen würde. Für diese engen Beziehungen sprechen das Vorhandensein und leitende Vorkommen einer echten 7oucasia und der /tierien, von denen eine sehr grosse Aehnlichkeit mit /leria polymorpha GEMM.? hat zusammen mit den Himeraeliten aus Zone 2. und 3. Weitere Schlüsse lassen sich aus dem Vergleiche der „unteren Pagliarefauna“ und der sizilianischen nicht ziehen. Wesentlich anderer Art sind die Resultate, die der Vergleich unserer Fauna mit anderen Vorkommen liefert. Terebratulina agorianilica Bırr. wurde zusammen mit Haplo- ceras latidorsatum MicH., einer typischen Gaultform, im Jahre 1876 von Birtner in einem Blocke rothen, marmorartigen, rudisten- führenden Kalkes am Fusse des Parnass gefunden. Lissochilus Moreli ©. FrAAs sp. stammt aus dem Trigonien- sandstein von Abeih, der nach BLANKENHORN das untere C(enoman repräsentirt, nach DE LAPPARENT®? aber dem Albien angehört. Das Vorkommen dieser beiden Formen in der „untern Pagliare- fauna“ macht es so wahrscheinlich, dass diese Fauna älter ist als oberes Öenoman und etwa dem Horizonte mit Polyconites Verneuwili in Sizilien entspricht. Da nun dieser Horizont auf der iberischen Halbinsel aller Wahrscheinlichkeit nach dem Albien angehört, und auch die „untere Pagliarefauna“ auf ein vorcenomanes oder doch höchstens untercenomanes Alter hinweist, so glaube ich für die von mir beschriebene Fauna, in Uebereinstimmung mit der von DE LaPPpA- RENT in der neuesten Auflage seines Lehrbuches überall vertretenen Ansicht, die Gleichaltrigkeit mit Albien ansprechen zu dürfen, Eine andere sehr wichtige Stütze erhält diese Ansicht durch das Vorkommen von zwei texanischen Arten, die dank ihrer vor- züglichen Erhaltung leicht und sicher identifizirt werden konnten. Es sind dies: Monopleura marcida WITHE und Ostrea Munsoni HiLL. Beide sind in Texas leitend für den „caprina limestone*“. Dieser Horizont wird nach dem Vorgange Hırr’s von H. Dov- ! I calcari con Polyconites etc. p. 22. GEMMELARO, Nerinee della ciaca dei dintorni di Palermo. (Bolletino della societä di Scienze naturali ed economiche di Palermo, vol. I, 1865, p. 18, taf. III, Fig. 3, 4, 5.) N ®? De LaPPArEnT, Traite de Geologie IVieme ed. p. 1308. w 17 SCHNARRENBERGER: [192 VILLE! in’s obere Albien oder höchstens in’s untere Cenoman verlegt. Nun liegen die genannten Petrefakten im Hangenden der „untern Pagliarefauna“, sind also ganz sicher jünger als diese. Dies ist ein neuer und vielleicht der wichtigste Beweis für das vorcenomane Alter der „untern Pagliarefauna“. Ein Blick auf die Karte zeigt ferner, dass der Horizont der Monopleura marcida im Streichen fortgesetzt den Kalken des Colle Pagliare entspricht, und zwar den obersten Lagen desselben. Er liegt also ganz sicher auch im Hangenden der „obern Pagliarefauna*. Diese Thatsache ist somit nicht nur entscheidend für die Alters- bestimmung nicht allein der zweifellos vorcenomanen „untern Fauna“, sondern auch für das Alter des Caprotinen und Sellaeenhorizontes. Haben auch schon die andern Betrachtungen den sehr engen Zusammenhang des Horizontes mit Polyconites Verneuili und der Caprotinenkalke wahrschemlich gemacht, so liegt doch in dem Vor- kommen der beiden texanischen Arten im Hangenden des Capro- tinenlagers ein gewichtiger Beweis für die schon wiederholt auch von anderer Seite geäusserte Ansicht des vorcenomanen Alters der Caprotinenkalke, sowohl in den Abruzzen als auch in Sizilien. Ein weiteres Licht scheinen mir die Verhältnisse am Pagliare auf das Alter der Schiosifauna zu werfen. BÖHM? schreibt darüber: „Bisher ist aber mit Sicherheit nur festgestellt, dass Caprina und Caprolina auf das obere Üenoman beschränkt sind. An diese vor- läufig noch nicht genügend erschütterte Thatsache möchte ich mich halten und demnach die Schiosifauna in's obere Cenoman stellen.“ Diese Altersbestimmmung ist aber durch in letzter Zeit gemachte Funde haltlos geworden. PAQUIER? signalisirt das Vorkommen der Gattung Caprina im Urgon. Ein Exemplar hat Prof. STEIN- MANN selbst von Orgon mitgebracht. Da nun aber die Rififauna am Pagliare so enge Beziehungen zur Schiosifauna zeigt, so wird man wohl auch für letztere ein höheres Alter, vielleicht unteres Cenoman annehmen müssen. ı H. DouvırLk, Sur quelques rudistes americains II, Texas. (Bull. soc. geol. d. France. T. XXVII p. 218.) H. Douvirz£, Sur les couches A rudistes de Texas. (Bull. soc. geol. d. France T. XXXI p. 387 u. 388.) 2 Bönm, Die Schiosi- und Calloneghefauna. (Palaeontographica Bd. XLI p. 90.) ® Paquier, Sur la presence du genre Caprina dans l’Urgonien. (Compte rendu sommaire des sdances soc. geol. France. No. 3. seance du 4 fevrier 1901.) 193] UEBER DIE KREIDEFORMATION IN DEN AQUILANER ABRUZZEN. 18 Palaeontologischer Theil, Foraminifera. Orbitolina lenticularis LMK. Unter den vielen Hunderten von Exemplaren haben sich nur drei von einigermassen guter Erhaltung herausfinden lassen. Sie stammen aus dem Rudistenhorizont der Doline. Diese drei Exem- plare stimmen, abgesehen von der etwas mehr konischen Gestalt, sehr gut mit Orditolina lenticularis überein. Unter der äussersten, feinen Haut liegt ein aus konzentrischen Kammern gebildeter Mantel. Diese Kammern in einfacher Lage sind vierseitig und durch Septen von zweierlei Ordnung in vier Unter- abtheilungen zerlegt. Darunter liegt eine Lage von alternirenden, grossen, dreiseitigen Kammern. Der Nabel ist von dendritischen Verzweigungen ausgefüllt. Das Gehäuse scheint nur aus Kalkkörnchen aufgebaut zu sein, und löst sich daher vollständig in Salzsäure. Die drei besterhaltenen Exemplare sind ziemlich gleich gross, etwa 3 mm breit und 1,5—2 mm hoch. Alle übrigen Exemplare sind sehr stark abgerollt. Molluscoidea. Familie: Drachiopoda. Terebratulina agorianitica BITT. Terebratulina agorianitica BITTNER: Der geologische Bau von Attica, Böotien, Lokris und Parnassis (Denkschriften der k. k. Akad. Wien. XL p. 23 Taf. 6, Fig. 11). Targa mmiesalva,.b,uc,rdyje; £. Die Form ist beinahe rund. Die Rückenklappe ist viel weniger gekrümmt als die Bauchklappe und oft fast eben. Auf den meisten Exemplaren sind mehrere, ziemlich von einander abstehende, kon- zentrische Anwachsstreifen bemerkbar. Vom Wirbel aus gehen auf beiden Klappen 30-40 feine, in gutem Erhaltungszustande gekörnelte, radiale Rippen. Die meisten derselben gabeln sich bis zum Schalenrande und sind etwas nach aussen geschwungen. Einzelne der Rippen stellen sich auch gegen den Rand der Schale zu neu ein. Der Schlossrand ist fast gerade. Die Seitennaht etwas ge- schwungen und die Stirnnaht mehr oder weniger nach oben aus- 19 SCHNARRENBERGER: [194 gebuchtet. Der Wirbel der Bauchklappe ragt nicht über das Delti- dium hinaus. Das Deltidium wird von dem grossen eiförmigen Schnabelloche durchbohrt. Ueber das Armgerüst konnte ich nichts herausbringen. Von der sehr ähnlichen Terebratulina suborbicularis BLANK. unterscheidet sie sich durch den bedeutend grösseren und spitzeren Wirbel. Ein Dutzend Stücke stammen aus der fossa di mezzaspada aus dem Rudistenhorizont. Terebratulina agorianitica wurde 1876 in einem Blocke rothen, rudistenführenden Kalkes zusammen mit Haploceras latidorsatum MıcH. einer typischen Gaultform am Par- nass gefunden. Mollusea. Lamellibranchiata. Familie: Zimidae D’ORB. Lima aquwilensis n. Sp. Taf. I. Fig. 4 a, b. Die vorliegende rechte Klappe ist mässig gewölbt, sehr un- gleichseitig, viel breiter als lang und vorn gerade abgeschnitten. Die Lunula ist lanzettlich und schwach vertieft. Die Oberfläche erscheint dem blossen Auge vollkommen glatt. Unter der Lupe sieht man ausserordentlich feine, konzentrische An- wachsstreifen. Ebenso scheinen vorn und hinten sehr schwache, flache, radiale Rippen vorhanden zu sein. : Der Steinkern ist voll- kommen glatt. Das Exemplar stammt aus dem oberen westlichen Rande der fossa di mezzaspada. Lima cfr. rapa D’ORB. Tat.,T.s Big. 9. Die Schale ist fast gleichseitig, viel breiter als lang. Die Oberfläche besitzt konzentrische Streifen, die am Wirbel sehr fein sind, gegen den Rand zu aber schärfer hervortreten. Feine radiale Rippen bedecken die Schale, die wegen der Unregelmässigkeit des Wachsthums einen etwas welligen Verlauf nehmen und hinten und vorn kräftiger werden. Diese Form hat sehr viel Aehnlichkeit mit (lenoödes sp. BÖHM vom Col dei Schiosi. Das einzige Exemplar stammt aus dem Rudistenhorizont in der fossa di mezzaspada. 195] UEBER DIE KREIDEFORMATION IN DEN ÄAQUILANER ABRUZZEN. 20 Familie: Ostreidae Lak. Ostrea Munsoni Hin. 1893. Ostrea munsoni Hırı.. The invertebrate fossils of the caprina limes- tone beds (Proc. of the biolog. Soc. of Washingt. vol. VIII p. 105 Tafel XID. 1894. Ostrea munsoni Hıru. G. BöHnm. Die Schiosi- und Calloneghefauna (Palaeontographica Bd. XLI S. 96 Taf. VIII. Fig. 1—2). Es liegt ein Block vor von mehreren aufeinandersitzenden sehr grossen Exemplaren, Beide Schalen sind ungemein dünn und lassen nur einen sehr engen Zwischenraum. Sie sind im gleichen Sinne schwach konvex und scheinen so, wie ineinander gepresst. Die wellenförmigen Rippen sind dünn und flach. Sie verlaufen alle von dem etwas gebogenen Wirbel zum Schalenrande. Einige davon gabeln sich. Oft hat es jedoch den Anschein, als ob neue Rippen sich einstellten. Der Umriss der Schale ist länglich, subtriangulär. Das best- erhaltene Exemplar gleicht ungemein dem grössten von HiLL auf plate XII loc. cit. abgebildeten. Das Bönm’sche Exemplar ist etwas kleiner und noch feiner gerippt. Dabei gabeln sich die Rippen häufiger als bei den texanischen und abruzzesischen Formen. Ostrea Joannae ÜHOFFAT ist viel gröber berippt und gleichseitig- zungenförmig, während Ostrea Munsoni mehr dreiseitig ist. Lokalität: Valle San Jago, ganz in der Nähe vom Fundorte der Monopleura marcida WırTHE. Der Horizont beider ist ident sowohl nach der Lagerung als der petrographischen Beschaffenheit des Gesteins. Das Exemplar wurde nicht anstehend gefunden. Der Block lag in einem kleinen Roggenfelde auf der linken Thalseite fast im Grunde. Er war beim Bebauen herausgebracht und nachher zerschlagen worden. Da die Humusbedeckung sehr schwach ist, ist auch aus diesem Grunde die Annahme wohl sicher, dass der Block in nicht allzugrosser Entfernung vom Fundorte angestanden haben muss. Familie: Chamidae Lak. Untergruppe: Diceratidae, Toucasia Steinmanni n. Sp. Taf. Ilu. III. Fig. 1. Die Form ist normal. Die rechte freie Klappe ist hoch mützen- förmig mit flacher Decke. Der Wirbel stark eingerollt flach. Auf der Oberseite sind starke, flache, im Wirbel zusammenlaufende An- 1 SCHNARRENBERGER: [196 wachsstreifen. Die untere Klappe ist stark gebogen und trägt einen starken, sanft gerundeten Kiel. Das Schloss konnte an mehreren Ober- und Unterklappen gut präparirt werden, ohne dass Schnitte nöthig waren. Der Schlossrand beider Klappen ist eben. In der oberen Klappe ist der hintere, randliche Zahn B sehr kräftig, breit, dick und stark nach aussen gebogen, und trägt auf der Innenseite 3—4 gut hervortretende, mit dem hinteren Zahnrand parallel laufende Rippen. Nach der vorderen inneren Seite zu wird er durch eine ziemlich enge, quere Grube n begrenzt. An diese schliesst sich der bedeutend kleinere, kurze vordere Zahn 2° an, der in eine breite glatte Schlossplatte übergeht. Der hintere Muskel- eindruck mp liegt auf dem Schlossrande; er beginnt kurz hinter dem hinteren Rande des Zahnes 2 und verläuft ein Stück weit auf dem Schlossrande; nach aussen wird er von einer hohen, scharfen Leiste begrenzt, ebenso nach innen von einer weniger vorspringenden. Der ganze Muskeleindruck erscheint wie von einer breiten inneren Falte des Visceralraums getragen. Der vordere Muskeleindruck ma ist äusserlich und wird von der Platte getragen, die nach hinten den kleinen Zahn 3° bildet. Nach vorn zieht er sich bis in die Gegend der Siphonen hin. Die Leibeshöhle wird dadurch S-förmig gebogen und länglich oval. Das Ligament Z beginnt unter dem überhängenden Zahn 2 ungefähr in der Mitte. Die untere (linke) Klappe ist leider nie vollständig erhalten, doch lassen sich die Einzelheiten sehr wohl aus mehreren Exem- plaren zusammenstellen. Sie ist vollständig analog gebaut der Gattung Apricardia, und zwar derart, dass es schwer ist, Unter- klappen von Apröcardia Pironai BÖHM und dieser Towcasia zu unterscheiden. Dem Zahn 2 der Oberklappe entspricht eine tiefe halbmondförmige Zahngrube d. Fast über diese hinweg biegt sich vom Visceralraum aus nach hinten und aussen eine starke, breite Leiste, die in den Zahn N endigt, der auf der Oberseite eine kleine Einkerbung 5° enthält, in die der Zahn 2° eingreift. Den Rippen des Zahnes 2 entsprechen ähnliche auf der Unterseite von N. Der hintere Muskeleindruck mp wird ähnlich wie bei Apricardia von einer Leiste gestützt, die im Visceralraum bis zum Wirbel verläuft. Der vordere Muskeleindruck liegt in der Nähe des vordersten Randes der Schale, parallel den Anwachsstreifen, was wohl auch bei Ap»i- cardia der Fall sein wird, obgleich es noch nie beobachtet wurde. Das Ligament beginnt im ersten hinteren Drittel der Zahngrube, 197] ÜEBER DIE KREIDEFORMATION IN DEN ÄQUILANER ABRUZZEN. 99 eingegraben auf dem Schalenrande, und verläuft als schwacher Faden bis zum Wirbel. Diese Form zeigt unverkennbare Verwandtschaft zu der Gattung Apricardia; die Unterklappe unterscheidet sich nur durch ihre etwas schwächere hintere Muskelleiste, die Oberklappe durch das Fehlen der vorderen Muskelleiste und die oberflächliche Lage des Muskel- eindrucks. Man sieht aber leicht ein, dass eine geringe Einrollung des Körpers genügt, um den hinteren Muskeleindruck der rechten Klappe in den Visceralraum hineinzuziehen und aus der oben be- schriebenen Stützleiste eine wirkliche Muskelleiste zu machen. Die Exemplare sehen alle der Apricadia Pironai Bönn. täu- schend ähnlich, so dass ich sie beim Finden auch sofort dafür hielt. Nur wird der abruzzesische Zweischaler gut fünfmal grösser als die grössten Exemplare von Apröcardia vom Schiosi. Die Schale ist sehr dick und besteht aus drei Schichten. Die innerste ist porzellanartig, bei grossen Exemplaren bis zu 10 mm dick. Darüber folgt eine zweite, wachsfarbene, sehr zarte Schicht, auf der man deutlich die feinen Anwachsstreifen mit radialen Rippen sich kreuzen sieht. Darüber folgt die dritte, honigfarbene, fein prismatische, bis 2 mm dicke Schicht, die an mehreren Stellen durch Verwittern deutlich das Zerfallen in zwei Lagen zeigt, wovon die äussere etwas entfärbt erscheint und unregelmässig abblättert. Ueber dieser Prismenschicht vermeint man beim besterhaltenen Exemplar noch eine vierte cuticulaartige zu sehen. Die Exemplare kommen in allen Grössen vor, von 1—2 cm bis 10 cm und darüber. Die besten Stücke stammen aus der Doline. Ueberall findet man übrigens stark gerollte Bruchstücke der braunen Prismenschicht von sehr grossen Exemplaren. Von Toucasia Santanderensis Douv. und Toucasia Seunesi Douvv. unterscheidet sich unsere Form leicht neben vielem anderen durch die grössere Dicke der Schale. Untersuchte Stücke: 1 grosses vollständiges Exemplar, 2 grosse Oberklappen, 1 grosse Unterklappe, 3 kleine Unterklappen (alle präparirt). Zahllose kleine Oberklappen. Alle Stücke stammen aus dem Rudistenhorizont. Untergruppe: Monopleuridae. Bei der Besprechung des Fundpunktes an der fossa di mezza- spada wurde schon auf das massenhafte Vorkommen von Mono- pleuriden hingewiesen. Der grösste Theil derselben liess sich mit 93 SCHNARRENBERGER! [198 Vorkommnissen von 7ermini Imerese leicht identifiziren, wenig- stens insoweit hierbei Oberklappen in Betracht kommen. Leider ist es mir bei keinem einzigen Exemplare gelungen, die beiden Klappen im Zusammenhange zu finden; auch ist die äussere Skulptur sammt der äusseren braunen Schalenschicht nie erhalten, so dass auch die Möglichkeit fehlt, obere und untere Klappen als zu einer Art gehörig zu identifiziren. . Die Bestimmung wird dadurch sehr erschwert und verliert an Sicherheit. Im Folgenden möchte ich mich deshalb auf die Aufführung der wohl bestimmbaren Ober- klappen beschränken, um damit die Identität der abruzzesischen Arten mit den sizilianischen darzuthun. Gen. Himeraelites Di-STEF. 1888. Himeraelites vultur DI-STEF. 1888. Momopleura (Himeraelites) vultur. Di-STEFANo: Studi stratigrafici e pale ontologiei sul sistema cretaceo della Sicilia I. Gli strati con Caprotina_ ete. (Atti della R. ac. d. Lett. e Belle Arti di Palermo vol. X p.5) Taf. I Fig. 1, 2. 1898. Himeraelites vultur Di-STEFANO: Studi stratigrafiei ete. II. Icalcari con Polyconites di Termini Imerese (Paleontographia italica IV 1898 p. 24). Die hierzu gehörige Oberklappe stimmt sowohl mit Beschreibung als Abbildung sehr gut. Der starke, dreieckige, fast in die Mitte gerückte vordere Zahn, der viel schwächere hintere, die ungewöhn- lich grosse nach hinten sich erweiternde Zahngrube charakterisiren diese Form hinlänglic h. Himeraelites Dowvillei Di-STErF. 1888. Monopleura (Himeraelites) Dowvillei Di-StEr.: loc. eit. p. 12 Taf. V Fig. 1 a, b, 2—4; Taf. VI Fig. 1a, b. Eine präparirte Oberklappe könnte einigen Zweifel erregen, ob sie zu Himeraelites Douvillei oder Himeraelites megistoconcha ge- hört. Doch sprechen für die endgültige Bestimmung die flache, fast deckelförmige Gestalt und der Umstand, dass die grossen Schloss- zähne nicht dem Schlossrande zugekrümmt sind, wie bei Zimerae- lites megistoconcha. Das Exemplar besitzt ungefähr dieselbe Grösse, wie das auf Taf. V Fig. 2, 3, 4 abgebildete, 199] UEBER DIE KREIDEFORMATION IN DEN AQUILANER ÄBRUZZEN. 94 Himeraelites Gemmellaroi DI-STEF. 1888. Monopleura (Himeraelites) Gemmellaroi Di-STErF.: loc. cit. Taf. III Fig. la, b, 2; Taf. IV Fig. 4. Zwei präparirte grössere Oberklappen gehören hierher, wovon die eine bei einigermassen guter, äusserer Erhaltung auch gut die Schlossmerkmale zeigt. Himeraelites mediterranea DI-STEF. 1888. Himeraelites mediterranea Di-STEF.: loc. cit. Taf. II Fig. 3—6; Taf. IV Fig. 3. Eine gut erhaltene präparirte Oberklappe dürfte zu dieser Spezies gehören. Die sehr enge tiefe Zahngrube und die für die Grösse der Schale — dieselbe ist nur etwa 45 mm lang — sehr starken Zähne weisen auf Himeraelites mediterranea. Die deckel- förmige Gestalt und die ganze schwache, fast mediane Depression trennen diese Form gut von Himeralites Gemmellaroi. Der fast regelmässige dreiseitige Umriss und der schwache Wirbel unter- scheiden sie von Himeraelites Douvillei. Hrimeraelites acuta n. sp. Taf. I. Fig. 5. Die sehr gut erhaltene, präparirte Oberklappe ist subtriangulär, länger als breit, ziemlich konvex. Der Wirbel tritt kaum hervor und liegt in der Höhe der Schlossplatte. Die Schale ist von sehr feinen, konzentrischen Anwachsstreifen bedeckt, die von Zeit zu Zeit mit etwas stärkeren abwechseln. Der Schlossapparat ist der einer typischen Zimeraelites. Der vordere Zahn ist ziemlich in die Mitte gerückt, subtriangulär, aber leider abgebrochen. Der hintere ist spitz, aufrecht und lehnt sich nach hinten an die dünne, breite, etwas dem Schalenrande zuge- kehrte hintere Muskelleiste. Der vordere Muskeleindruck liegt auf einer breiten aber niederen Leiste, die von der Basis des vorderen Zahns dem Schlossrande entlang zum gegenüberliegenden Schalen- rande zieht. Zwischen Muskelleiste und Schalenrand befindet sich eine schwache Depression. Der scharfe Schlossrand, der schwach hervortretende Wirbel, trennen diese Form gut von den anderen. Vorkommen: Rudistenhorizont an der fossa di mezzaspada. Himeraeliten-Unterklappen habe ich mehrere präparirt. Doch lässt sich keines dieser Exemplare näher bestimmen, da die äussere 95 SCHNARRENBERGER: [200 Schalenschicht und Skulptur nicht erhalten ist, und die inneren Merkmale nicht hinreichend typisch sind. Immerhin lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit sagen, dass diese Unterklappen den Arten: 4. Gemmellaroi, H. Douvillei, H. mediterranea angehören. Zu Caprotina, Sellaea oder Polyconites gehörige Schalen habe ich keine gefunden. Monopleura marcida WHITE. Tal UM.EtRre! 2' a; 'b)’c. 1884. Monopleura marcida. CHARLES A. WHITE. On mesozoic fossils (Bulle- tins of the United States geological Survey. vol I. 1884. pag. 8. plate. ILI. IV). Die vorhandenen Exemplare stimmen vorzüglich mit der texa- nischen Art überein. Der Erhaltungszustand, soweit es wenigstens die Skulptur der Schale betrifft, scheint aber bei den abruzzesischen Formen noch vollkommener zu sein. Diese letzteren stecken in einem absolut dichten, weisslich- grauen und ungemein harten Kalkstein, aus dem die Exemplare nur sehr schwer zu isoliren sind. Die Skulptur der unteren Klappe besteht aus dichten, parallelen, sehr feinen Anwachsstreifen, die von wellenförmigen, nur wenig ausgeprägten, flachen Radiallinien senk- recht getroffen werden. In der Nähe der Insertionsstelle des Liga- ments biegen die Anwachsstreifen stark nach unten aus, entsprechend dem etwas nach unten gebogenen Wirbel der oberen Klappe. Das Ligament selbst ist lineär und verläuft in einer deutlichen Rinne. Die deckelförmige Oberklappe besteht aus drei deutlich ge- trennten Lagen. Die Aeusserste trägt ungemein feine konzentrische Streifen und erscheint dem blossen Auge fast glatt. Bei der da- runter liegenden herrschen feine radiale Rippen vor, von etwas welligem Verlauf, ganz wie bei den texanischen Exemplaren, so dass diese zweite Lage die allein erhaltene bei den Originalen von WHITE zu sein scheint. Bei der untersten Lage kommen feine konzen- trische Streifen besonders in der Wirbelregion wieder etwas mehr zum Durchbruch. Die Schale verwittert blätterig. In der Unter- klappe sind mehrere konkave Böden. Die deckelförmige Oberklappe mit den feinen radialen und konzentrischen Streifen trennen diese Aıt leicht von Monopleura pinguiscola WHITE. Anzahl der untersuchten Stücke: 3 vollständige Exemplare (mit Unter- und Oberklappe), ferner 1 Dutzend Unterklappen. 201] ÜEBER DIE KREIDEFORMATION IN DEN ÄQUILANER ABRUZZEN. 96 Lokalität: Valle San Jago zwischen R. Coperchi und dem Signal 1334. Radiolites cordiformis n. Sp. absl.: Rio. 6,/a,.b;;c. Auf die Schwierigkeit der artlichen Bestimmung von einzelnen Radiolitendeckeln oder Unterklappen ist schon von mehreren Autoren hingewiesen worden. Wenn, was sehr häufig der Fall, die äussere Skulptur verloren gegangen ist, so ist die Bestimmung meistens illusorisch. Nun liegt mir aus dem Rudistenhorizont der Doline eine ziem- lich gut erhaltene Oberklappe vor, die sich besonders durch ordent- liche Erhaltung der Oberflächenskuiptur auszeichnet. Der obere Theil der Schale hat herzförmige Gestalt und ist flach. Die Skulptur besteht aus sehr feinen, von dem tiefen Liga- mente ausgehenden und sich herzförmig umfassenden Anwachsstreifen. Periodisches Wachsthum zerlegt die Oberfläche in etwa 2 mm breite, ebenfalls herzförmige Streifen. Das Ligament Z liegt in einer tiefen Furche. Die Muskeleindrücke sind polsterförmig und liegen auf den kräftigen Muskelleisten, die sich an die Schlosszähne anlegen. Der Visceralraum ist tief ausgehöhlt, der Schlossrand zugeschärft. Von den Radioliten vom Col dei Schiosi lässt sich diese Art leicht durch die deckelförmige Gestalt unterscheiden, während Radio- lites macrodon, selbst stark abgerollt, immer noch kegel- oder mützenförmig ist. Familie: Zueinidae. Corbis Franchiü n. sp. Taf. 1, Fig2i7 3:6: Es liegt eine rechte Klappe vor, deren Maasse sind: Winkel am Wirbel: 117° Länge: 33 mm Breite: 84/100 mm Dicke: 44/100 „ der Länge. Die Muschel ist dickschalig und fast gleichseitig, der Rand gekerbt. Zwei Ornamentationen kreuzen sich fast rechtwinklig und sind beinahe gleich fein. Die konzentrischen Anwachsstreifen legen sich in Abständen von !/a mm bis !/s mm ziemlich regelmässig um den Wirbel herum. Von Zeit zu Zeit tritt immer einer schärfer hervor. Die radialen Streifen sind hinten und vorn stärker als in der Mitte, wo dieselben sehr fein werden, und im Verein mit den 97 SCHNARRENBERGER! [202 konzentrischen Anwachsstreifen eine feine rechtwinkelige Gitterung hervorrufen. Der Wirbel ist stark nach vorn gekrümmt. Das Schloss ist zum Theil zertrümmert. Die Schlossplatte ist schmal und gegen das innere fast rechtwinkelig begrenzt. Das Ligament ist lang und wird von einer Leiste gestützt. Das Fehlen eines gut präparirten Schlosses macht die Stellung dieser Art unsicher. Die äusseren Abmessungen stimmen gut mit jungen Exemplaren von Corbis rodundata d’Orb. Doch ist die ganze Art der Berippung bei der abruzzesischen Art viel feiner. Vorkommen: Rudistenhorizont der Doline. Diese Art ist zu Ehren der Lehrerin A. FrancHnı in Bagno benannt, die mir bei der Arbeit unschätzbare Dienste geleistet hat. Gastropoda. Cyclobranchina. Scurria alta n. Sp. Taf.I. Fig. 2. Höhe: 10 mm Grösster Durchmesser: 12 „ Kleinster : N, . Das Gehäuse ist hoch konisch. Die Basis ist oval mit der grössten Ausdehnung von vorn nach hinten. Die Vorderseite ist schwach konkav, die Hinterseite etwas konvex. Die Spitze liegt ziemlich über die Mitte der Basis. Die Oberfläche ist von feinen, ziemlich weit abstehenden, konzentrischen Anwachsstreifen bedeckt, zwischen denen die Schale vollkommen glatt ist. Gegen die Basis zu stehen die Anwachsstreifen etwas dichter. Radiale Rippen fehlen gänzlich. Die Mündung ist weit oval, einfach. Der Steinkern ist glatt. Die hohe konische Form würde unser Fossil zur Gattung Scurriopsis GEMM. stellen, doch fehlen radiale Rippen gänzlich. Das abgebildete Exemplar stammt wahrscheinlich aus dem Ru- distenhorizont der Doline. Scurria multangularis n. Sp. Tat rag, 10. Höhe: 4 mm Grösster Durchmesser: 10 „ Kleinster a E 203] ÜEBER DIE KREIDEFORMATION IN DEN ÄQUILANER ABRUZZEN. 98 Kleine, niedrige, patellenartige Form. Die Seiten fallen nach allen Richtungen hin von der Spitze zur Basis gerade ab. Die Spitze ist stark excentrisch. Die Oberfläche wird von wenigen, flachen, radialen Rippen bedeckt, die strahlenförmig verlaufen. Sie werden von feinen konzentrischen Anwachsstreifen geschnitten. Die Mündung ist oval; der Mundrand scheint einfach zu sein. Von der vorigen Art leicht zu trennen. Zahl der untersuchten Stücke: 4. Vorkommen: Rudistenhorizont der Doline und in den Monti di Bagno. Familie: Delphinulidae FISCHER. Delphinula psenudoscalaris n. Sp. Taf. I. Fie. 3. Die Schale ist kreiselförmig, genabelt, und besteht aus drei rasch anwachsenden Umgängen. Auf dem Gehäuse kreuzen sich zwei kräftige Verzierungen. Die Spiralverzierung besteht aus drei starken Rippen. Diese werden von ebenfalls starken, in grösseren Abständen aufeinanderfolgenden (@uerrippen geschnitten, so dass in den Schnittpunkten Knoten oder kleine Stacheln entstehen. Die Mündung ist fast kreisrund, die Mundränder sind zu- sammenhängend. Der Steinkern ist vollkommen glatt. 4. Stücke vom Rudistenhorizont der Doline. Delphinula apenninica n. Sp. Dar 12° Big. 8. Das Gehäuse ist kreiselförmig, dickschalig und besteht aus vier gleichmässig anwachsenden Windungen. Diese sind schwach konvex und tragen nur spirale Verzierung, die aus mehreren zehn bis zwölf ziemlich starken, gekörnelten, spiralen Rippen besteht. Von diesen treten zwei etwas mehr hervor und bilden auf dem letzten Umgange zwei schwache Kiele. Die Mündung ist fast kreisrund. Die Mundränder sind zu- sammenhängend glatt. Der Steinkern scheint vollkommen glatt zu sein. Durch das Fehlen jeder Querverzierung unterscheidet sich diese Form leicht von der vorigen. Der äusseren Form nach besteht einige Aehnlichkeit zu D. Portei BLANKENH.; doch ist bei dieser die Spiralverzierung viel feiner und der Nabel stärker. Rudistenhorizont der Doline. Berichte XI. Heft 3. 15 29 SCHNARRENBERGER: [204 Familie: Zrochidae AD. Trochus spiralis n. Sp. Taf. I. Fig. 11. Gewindewinkel etwa: 50° Verhältniss der Höhe des letzten Umganges zur Dicke ungefähr: 55/100. Von den beiden vorhandenen Exemplaren ist leider keines voll- ständig erhalten, so dass die genauen Masse nicht angegeben werden können; glücklicherweise ergänzen sie sich aber einigermassen. Das Gehäuse ist konisch, ebenso hoch wie breit. Die wenigen Windungen wachsen gleichmässig an und sind, abgesehen von den Verzierungen, fast eben, höchstens ganz gering konkav. Das Orna- ment besteht aus vier einfachen, nicht gekörnelten, starken Längs- rippen. Die letzte Windung trägt einen gerundeten Kiel. Die Naht ist einfach und tritt kaum hervor. Die Mündung ist schmal und lang, halbmondförmig. Ein Nabel ist nicht vorhanden. Diese Art hat sehr viel Aehnlichkeit mit Zrochus Gaudini P. et C. und Trochus Zollikoferi id. auct. Sie unterscheidet sich aber von beiden durch die Mündung, die bei den Arten aus dem Urgon dreieckig ist. Von 7r. Gandini trennt sie ausserdem der Mangel an gekörnelten Rippen, von 7‘. Zollikoferi die geringere Anzahl derselben. Vorkommen: Zusammen mit Orbitolinen in der Doline Trochus af. Tr. frumentum Pie. et C, Tat. I. Fig. 12. (ewindewinkel: 300—40°, Länge: 16 mm dazu Durchmesser der letzten Windung: 70/100. Länge zur Höhe der letzten Windung: 25/100. Während der ersten Umgänge ist der Gewindewinkel sehr gross und variabel, später wird er konstant. Das Gehäuse ist glatt. Die Windungen sind eben oder schwach konvex. Die letzte Windung dagegen ist deutlich konkav mit starkem, gerundetem, glattem Kiele. Die rasch anwachsenden ersten Windungen, sowie die konkave Schlusswindung, bedingen die Form des ganzen Gehäuses. Dasselbe ist hoch glockenförmig. 205] UÜEBER DIE KREIDEFORMATION IN DEN ÄQUILANER ÄBRUZZEN. 30 Die Mündung ist bei keinem Exemplare erhalten. Ein Nabel fehlt. Von 7. frumentum P. et C. unterscheidet sich diese Art durch die glockenförmige Gestalt und die Grösse. Zahl der untersuchten Stücke: 6. Vorkommen: Rudisten- horizont. Familie: Neritidae Luk. Lissochilus Moreli ©. FRAAS sp. Taenrll., Fio. 3 8, bj,;c: 1878. Turbo Moreli OÖ. Fraas: Orient II p. 67, taf. 6 Fig. 8. 1900. Lissocheilus Moreli O. Fraas sp., J. Bönm: Ueber cretacische Gastro- poden vom Libanon und Karmel p. 193 (Sond. a. d. Zeitsch. d. deutsch. geol. Ges. Bd. LII Heft 2, 1900). Die Schale ist nicht sehr dick und trägt drei Kiele: einen unter der Naht, einen anderen, den grössten, an der Grenze der Innen- und Aussenlippe und den dritten am Unterrande der letzteren selbst. Zwischen dem ersten und zweiten Kiele verlaufen kräftige, nach hinten geschwungene Querrippen, die auf dem grossen Kiele eine starke Knoten- oder Dornenreihe bilden. Zwischen dem zweiten und dritten Kiele befinden sich nur Spiralstreifen. Zwischen den grossen Querrippen sind feine, zahlreiche Anwachsstreifen, die quer über die ganze Schale verlaufen. Die Mündung ist halbmondförmig. Die Aussenlippe ist etwäs zugeschärft. Die Innenlippe besitzt einen glatten, flachen Kalus und einen geraden, fein gezähnelten Rand, der schräg gegen die Axe gestellt ist. Drei Exemplare aus dem ÖOrbitolinenpudding von der fossa di mezzaspada. Nerita aff. N. Taramellii Pır. Die Exemplare sind äusserlich kaum von solchen vom Schiosi zu unterscheiden. Der Mundrand ist deutlich zugeschärft. Die Oberfläche ist bei allen Exemplaren glatt. Wahrscheinlich ist die äusserste Schalen- schicht verloren gegangen. An zwei Exemplaren ist die Zeichnung, an einem der Mundrand recht gut erhalten. Auch die Zeichnung ist von der der friulanischen Art verschieden. Ueber die Schale hinweg laufen grobe Wellenlinien, deren Sättel von dicht stehenden, braunen Querstreifen erfüllt sind, die über die ganze Schale fort- gesetzt, ziemlich die Zeichnung der Bönm’schen Exemplare wieder- geben würden, 9 SCHNARRENBERGER: [206 Anzahl der untersuchten Stücke: 10. Vorkommen: Nerineen- horizont am Pagliare und in den Monti di Bagno. Pileolus Chelussü n. Sp. Tata akıe: 135, b, ce, td. Höhe des grössten Exemplars: 10 mm. Durchmesser „ % 4 14 2 Die Schale ist konisch, breiter als hoch, mit fast kreisrunder Basis. Die Vorderseite ist konvex, die Hinterseite konkav. Die Schale trägt ungefähr ein Dutzend radiale, starke Rippen, und zwischen je zweien derselben nochmals zwei bis vier feinere. Bei den grossen Exemplaren ist der Unterschied der beiden Arten von Rippen sehr hervortretend, bei ganz kleinen kaum bemerkbar. Die Basis ist etwas konvex und glatt. Die Mündung ist ziem- lich eng und halbmondförmig. Die Innenlippe ist breit, verdickt, setzt gut gegen die Basis ab und ist bei den grossen Exemplaren zahnlos. Die Aussenlippe ist etwas zugeschärft. Die Art variirt in der Grösse von I—2 mm bis zu 1lcm und darüber. Sie hat einige Aehnlichkeit mit tithonischen aus Sizilien und von Stramberg. Sie lässt sich aber durch das Fehlen der Zähne und die Art der Berippung leicht unterscheiden. Von ?. urgoniensis P. et Ü. unterscheidet sie sich durch die kreisrunde Basis und die steilere Gestalt. Im Rudistenhorizont am Pagliare sehr häufig, entgeht aber der Kleinheit wegen dem Auge sehr oft. Grosse Exemplare sind selten, Zahl der untersuchten Stücke: 20. Familie: Naticidae FORBEs. Tylostoma efr. Rochatiana D’ORB. Taf, DEE Rie. 4. (sewindewinkel ungefähr: 55°. Länge: 40 mm. Verhältniss der Länge zur Breite: 60/100. Verhältniss der Länge zur Höhe des letzten Umganges: 57/100. Das Gehäuse ist länglich eiförmig, zugespitzt und besteht bei dem vorliegenden Erhaltungszustande aus fünf Umgängen. Die Mündung ist länglich, nach vorn etwas ausgebreitet, nach hinten verschmälert. Das Gehäuse trägt auf dem vorletzten Umgange eine 207] UEBER DIE KREIDEFORMATION IN DEN AQUILANER ABRUZZEN. 32 Längsdepression. Die Schale ist vollkommen glatt, am letzten Umgange etwa 1 mm dick, verdickt sich aber in der Nähe der Depression auf 2—2,5 mm, so dass auf der Aussenseite die De- pression nicht sichtbar ist. Die Art gleicht sehr der 7'ylostoma Rochati D’ORB sp., mit der sie bei besserer Erhaltung vielleicht identifizirt werden könnte. Doch hat 7ylostoma Rochati zwei und mehr Depressionen auf einem Um- gange. Tylostoma Pironai BÖHM ist viel gedrungener und bedeutend kleiner. Untersuchte Stücke: 1 Exemplar, zusammen gefunden mit Nerita cfr. Taramelli im Nerineenhorizont am oberen Sündrande der Doline. Familie: Turritellidae GRAY. Glanconia Böhmi n. sp. Taf. III. Fig.5a,b. (Gewindewinkel: 25°, Länge: 34 mm. Verhältniss des letzten Umganges zur Länge: 45/100. Das Gehäuse besteht aus fünf Windungen, von denen die ersten etwas rascher anwachsen als die letzten. Dadurch wird die Form etwas pupoid. Die Umgänge sind, abgesehen von den Verzierungen, eben. Diese bestehen aus drei Reihen Tuberkeln, die dem Zuge der äusserst feinen, wellenförmigen Anwachsstreifen folgen. Dem- gemäss wenden sich die Knötchen direkt unter der Naht nach rechts, die der mittleren und letzten Reihe nach links. Unter der ersten Tuberkelreihe liegt die Reihe der grössten Vertiefungen. Der untere Theil des letzten Umganges trägt zwei bis drei sanft ge- rundete Spiralrippen. Ein Unterschied zwischen den letzten und ersten Windungen besteht darin, dass die ersten wahrscheinlich etwas gekielt waren; deshalb liegt die Naht bei den ersten beiden Windungen etwas tiefer als auf den letzten, wo dieselbe kaum her- vortritt, und nur an der Stellung der Knötchen erkennbar wird. Die Mündung ist nicht ganz erhalten. Sie ist glatt und läuft in eine kurze, glatte Spindel aus. Am meisten Aehnlichkeit hat diese Form mit 7urritella Co- quandiana D’ORB.; doch liegen bei dieser Form die Nähte tiefer, und auf dem unteren Theil der letzten Windung verlaufen fünf und mehr gekörnelte Spiralrippen. Ein Exemplar vom Rudistenhorizont am Paglıare. 93 SCHNARRENBERGER! [208 Psendomelania aquilensis n. Sp. Taf. II. Fie. 7. Länge: 50 mm, Gewindewinkel: 8°. Verhältniss der Höhe des Umganges zum Durchmesser: 70/100. Die Form ist schlank kegelförmig. Die Umgänge sind schwach gewölbt und fast glatt. Die schwach hervortretenden Anwachs- streifen laufen quer über die Windungen und der Spindelaxe fast parallel. Ein Nabel ist nicht vorhanden. Der Steinkern ist voll- kommen glatt, die Schale in der Jugend verhältnissmässig dick, im Alter dünner. Die Mündung ist schlecht erhalten, länglich oval. Die Aussen- lippe scheint etwas verdickt zu sein. Das abgebildete Exemplar stammt aus dem Nerineenhorizont der Doline, Familie: Nerineidae Zimt. Nerinea forojuliensis PIRONA. Tat. 1V.. Eis, .5ia,,b}:6- 1884. Nerinea forojuliensis Pırona: Nuovi foss. del Terreno cret. del Friuli (Mem. d. r. Ist. venet di Scienz. Lett. et Art. Bd. XX, Tafı II a. Fig,.1- 5). 1892. r ss FUTTERER: Die oberen Kreidebildungen d. Umg. d. Lago d. S. Croce (Pal. Abhandl. N. Folge II, 1 pP: #192, Da RT. 'Fio!'8 2,'%b,9): 1894. R 5 G. Böhm: Beiträge zur Kenntniss der Kreide in d, Südalpen (Palaeontographica Bd. XLI p. 134. Taf. XIII Fig, 5a, b; 6a, h). Der Gewindewinkel ist sehr variabel; meist werden die Formen im Alter fast cylindrisch. Ueber die konkaven Umgänge verlaufen in Knoten endigende Wülste, die schüsselförmige Vertiefungen zwischen sich lassen. Unter der unteren Knotenreihe liegt die Naht und darunter das deutliche Schlitzbändchen. Die Spindel ist undurchbohrt. Die Mündung ist bei keinem Exemplare ordentlich erhalten. Der Durchschnitt zeigt vier Falten, zwei an der Columella, eine an der Innen-, eine an der Aussenlippe. Das Faltenbild erinnert sehr an das mancher von GEMMELLARO be- schriebenen Nerineen. Doch lassen die konkaven Windungen, die sehr starke Skulptur, die an die der Nerinea Pailletteana V’ORB erinnert, einen Vergleich mit diesen Formen nicht zu. Auf dem 209] ÜEBER DIE KREIDEFORMATION IN DEN AQUILANER ABRUZZEN. 34 (Querschnitt ist das Schwänzchen zwischen Columellarfalte und Basis stets etwas kürzer und gedrungener als bei Nerinea foro- Juliensis vom Schiosi. Häufigstes Fossil in dem unteren Horizonte; besonders schön vom Südrand der fossa die mezzaspada und in den Monti di Bagno. Nerinea Di-Stefanoi n. sp. Tar Tl. Rig.6a,b. Gewindewinkel: 14°. Verhältniss der Höhe eines Umganges zum Durchmesser: 40—45/100. Das Gehäuse ist sehr schlank, spitz und unterscheidet sich schon dadurch äusserlich von der vorigen Form. Die Umgänge sind stark konkav, beinahe glatt und stark gekielt. Auch der Kiel ist glatt, so dass in der Nähe der Naht keinerlei Verzierung entsteht. Das Faltenbild gleicht sehr dem der vorher beschriebenen Art; doch scheint ein Unterschied darin zu bestehen, dass die untere grosse Columellarfalte hackenförmig nach innen umzubiegen sucht. Diese Nerinea ist im Rudistenhorizont ziemlich häufig, selten jedoch im eigentlichen Lager der Nerineen. Sie ist deshalb auch in den Monti di Bagno ziemlich selten. Das ähnliche Faltenbild und die konkaven Umgänge scheinen auf verwandtschaftliche Be- ziehungen zu Nerinea forojuliensis hinzuweisen. Aeusserlich gleicht diese Form sehr der Nerinea candagliensis PIRONA; doch ist das Faltenbild nicht damit zu vereinen. Itieria actaeonelliformis n. SP. TaraLV. (Kie.3:a, b. Länge: 18 mm. Höhe des letzten Umganges im Verhältniss zur ganzen Länge: 70/100. Gewindewinkel: 90° ungefähr. Das Gehäuse ist sehr dickschalig, beinahe cylindrisch, genabelt. Die ersten zwei bis drei Windungen wachsen sehr rasch an. Die Naht ist unregelmässig gekerbelt. Die Schale ist vollkommen glatt. Der letzte Umgang ist fast cylindrisch und schwach konvex. Die Innenlippe ist schwielig verdickt und trägt zwei kräftige Falten, an die sich noch ein paar schwächere reihen, die in ent- sprechende Vertiefungen der Aussenlippe einzugreifen scheinen, so dass diese auf dem Faltenbilde wie gesägt erscheint. Diese Form ist im Rudistenhorizont ziemlich häufig und varlirt kaum. 35 SCHNARRENBERGER: [210 Itieria erenulata n. sp. atıalye sehe. 2:8, b,.c. Länge: 22 mm. Höhe des letzten Umganges im Verhältniss zur ganzen Länge der Schale: 50/100. Durchmesser des letzten Umganges: 18 mm. Die Schale ist pupoid, das Gewinde etwas zugespitzt. Die ersten Umgänge wachsen rascher an als die späteren. Die sechs Umgänge umfassen einander ziemlich und sind schwach konkav. Unter der Naht sind die Umgänge etwas gekielt. Der Kiel trägt runde, flache Höcker, auf jedem Umgange ungefähr ein Dutzend. Die Schlusswindung ist fast cylindrisch. Das Faltenbild besteht aus zwei ziemlich spitzen Falten, die von Oolumella und Innenlippe ausgehen. Die Mündung ist nicht gut erhalten. Ein Nabel fehlt. Das einzige Exemplar stammt aus dem Rudistenhorizont der fossa di mezzaspada. Itieria cfr. polymorpha &EMM. sp. PN His: ine). Höhe: 37 mm. Verhältniss des letzten Umganges zur Höhe: 45/100. Die Gestalt ist länglich, das Gewinde hoch und zugespitzt. An dem abgebildeten Exemplare sind fünf glatte, stark umfassende Windungen vorhanden. Die Höhe der Schlusswindung beträgt ungefähr zwei Fünftel der ganzen Länge. Die Umgänge sind glatt, ziemlich konvex. Columella, Innen- und Aussenlippe tragen je eine, grössere Falte. Der Nabel ist gross. Das einzige Exemplar aus dem Rudistenhorizont gleicht sehr J. polymorpha GEMM. sp. Es ist aber stark gerollt und erlaubt deshalb keine Identifikation. Familie: Ceröthidae MENKE. Cerithium inferioris n. SP. Taf. IIT.,Rig.48'a, bc. (sewindewinkel: 26°. Länge: 27 mm Verhältniss der Länge zum Durchmesser des letzten Umganges: 33/100. Verhältniss der Länge zur Höhe des letzten Umganges: 18/100. 211] UEBER DIE KREIDEFORMATION IN DEN AQUILANER ÄBRUZZEN. 36 Das Gehäuse ist etwas pupoid. Die einzelnen Windungen tragen sieben stark hervortretende Querrippen, die sich meistens entsprechen; oft jedoch überholen die der folgenden Windungen diejenigen der vorhergehenden etwas, wodurch die Naht leicht nach unten ausgebogen wird. Die Spiralsculptur besteht aus fünf bis sechs ziemlich starken Streifen, die über die Querrippen hinwegsetzen. Zwischen diesen Hauptstreifen sind an gut erhaltenen Exemplaren noch weitere feinere Streifen erkennbar. Die Mündung ist bei einem Exemplar recht gut erhalten. Sie ist oval und nach links hinten in einen Ausguss umgebogen. Die Innenlippe trägt eine schwache Schwiele, die sich nach oben verläuft. Die Form ist von (C. Prosperianum D’ORB und Ü. Requie- nianum D’ORB nur schwer zu trennen. Anzahl der untersuchten Stücke: 5. Unterster Nerineenhorizont. Doline. Oerithium sp. Mar. IV." Piero. Gewindewinkel: 30° Länge: 21 mm Höhe des letzten Umganges: 5 „ Die Form ist konisch. Die Windungen sind ziemlich niedrig und ganz schwach gewölbt. Dieselben tragen zwölf (bis dreizehn?) breite schwach hervortretende Querwülste, die sich in den einzelnen Windungen genau entsprechen. Die Spiralskulptur besteht aus vier gleich breiten, schwachen Streifen. Der letzte Umgang ist gekielt. Ein Exemplar aus der fossa di mezzaspada. Oerithium Paronai n. Sp. Ta IV. Fig. 7. Gewindewinkel: 30° Länge: 35 mm Breite des letzten Umganges: 16 „ Höhe . „ Das Gehäuse ist kegelförmig, die Windungen ziemlich hoch. Diese tragen unter der Naht neun bis zehn grosse, kugelige Knoten, die sich in den einzelnen Windungen aber nicht entsprechen. Dicht über der Naht sind die Windungen gekörnelt. Die Mündung ist oval. Der Ausguss ist etwas nach aussen umgebogen. Die Aussenlippe ist verdickt. Zwei Exemplare aus dem Rudistengeröll in der Doline. 15** ) p)] g I ” 37 SCHNARRENBERGER! [212 Familie: Volutidae GRAY. Voluta scalata n. sp. Taf. IV. Fig. 4a, b. Das Gehäuse ist bikonisch. An sehr gut erhaltenen Exem- plaren sieht man feine, parallele Anwachsstreifen. Die Höhe des (ewindes beträgt durchschnittlich zwei Fünftel der Höhe des ganzen (Gehäuses. Die einzelnen Windungen setzen scharf, treppenförmig ab. Die Naht ist gewöhnlich, hat aber bei grossen Exemplaren häufig einen etwas welligen Verlauf, hervorgerufen durch die schwach quer gefalteten Umgänge. Dieselben Falten bringen auch die Knoten auf dem scharfen Kiele zu stande. Die Mündung ist schmal und endigt in einen schwachen Ausguss. Die Innenlippe ist glatt und trägt drei scharfe, etwas nach rechts oben geschwungene Falten. Bei einigen Exemplaren verläuft auf dem oberen Theile der Aussenlippe, parallel der Naht, eine durch eine deutliche Kante begrenzte Furche, ähnlich wie bei Voluta suturalis NpT. aus dem unteren Oligocän. Die Spindel ist massiv und zeigt im Querschnitt deutlich die drei Falten. Diese Art wird sehr gross. Einzelne Exemplare dürften bis zu 10 cm Länge erreichen. Sie tritt im Nerineenhorizonte nester- weise auf. Die Art lässt sich von den bekannten Voluten der Kreide leicht durch den Mangel jeglicher Verzierung unterscheiden. In dieser Beziehung hat sie viel Aehnlichkeit mit manchen lebenden, ° der Untergattung Scapha GRAY. angehörenden Formen. Zahl der untersuchten Stücke: 2 Dutzend. 213] UEBER DIE KREIDEFORMATION IN DEN AQUILANER ÄBRUZZEN. 38 Tafel-Erklärunse. Taf. I. | Fig. 1a, b, d, e. Terebratulina agorianitica Bırr. Vorder-, Rücken-, Seiten- und Stirnansicht. 8. 18. le, f£ Ein anderes Exemplar in Seiten- und Stirnansicht. „ 2. Scurria alta n. sp. 8. 27. 3. Delphinula pseuaoscalaris n. sp. S. 28. „ 4a, b. Lima aquwiensis n. sp. 8. 19. Himeraelites acuta n.sp. Oberklappe. ma vorderer, mp hinterer Muskel- eindruck. B und B‘ Zähne. L Ligament. S. 24. »„ 6a, b, e. Radiolites cordiformis n. sp. L Ligament. D und D‘ Zähne. ma vorderer Muskeleindruck. S. 26, » Ta, b. Corbis Franchü n. sp. S. 26. . Delphinula apenninica n. sp. S. 28. . Lima cfr. rapa »’OrB. Die feinen radialen Streifen in der Wirbel- gegend, die falzziegelartig an den grösseren Anwachsstreifen absetzen, kommen in der Zeichnung nicht zum Ausdruck. „ 10. Seurria multangularis n. sp. 8. 27. „ 11. Trochus spiralis n. sp. 8. 29. „ 12. Trochus cfr. frumentum Pict. et C. S. 29. „13a, b. Pileolus Chelussii n. sp. Doppelt vergrössert. „13c, d. Ein anderes Exemplar. S. 31. [sit 3.3 SS 00 Taf. I. „ 1. Toucasia Steinmannin. sp. Vollständiges, grosses Exemplar. 8. 20—23. » 2. Dasselbe. Oberklappe eines grossen Exemplars. B hinterer Zahn. L Ligament. ma hinterer Muskeleindruck (hier müsste in der Zeichnung mp für ma stehen)! „ 83. Dasselbe. Unterklappe eines grossen Exemplars.. N Zahn. b‘ und B Zahngruben. L Ligament. „ 4. Dasselbe. Oberklappe eines anderen grossen Exemplars. B hinterer, B’ vorderer Zahn. mp hinterer, ma vorderer Muskeleindruck. n Zahn- grube. L Ligament. Taf. III. „ 1. Toucasia Steinmanni n. sp. Grosses vollständiges Exemplar. S. 20—23. . Monopleura marcida Hır.. a und b natürliche Grösse. ce Oberklappe, doppelt vergrössert. S. 25. „ 3a, b, c. Lissochilus Moreli O. Fraas sp. 8. 30. ID SCHNARRENBERGER: ÜEBER DIE KREIDEFORMATION etc. [214 4. Tylostoma cfr. Rochatiana vV’ORB. 8. 31. 5. Glauconia Böhmi n. sp. b Ansicht von unten. S. 32. 6. Nerinea Di-Stefanoi n. sp. b Faltenbild. 8. 34. 7. Pseudomelania aquiensis n. sp. 8. 33. 8a, b, c. Cerithium inferioris n. sp. 8. 35. Taf. IV. la, b. Itieria cfr. polymorpha Gem. sp. b Faltenbild. S. 35. 2a, b, ec. Itieria erenulata n. sp. a Vorderansicht. b Rückenansicht. ce Faltenbild. S. 35. 3a, b, e. Itieria actaeonelliformis n. sp. b Faltenbild, doppelt vergrössert. S. 34. 4a, b. Voluta scalata u. sp. b Ansicht des grössten Umganges von oben eines anderen Exemplars. 8. 37. 5a, b. Nerinea forojuliensis Pır. «a grosses Exemplar. b Querschnitt eines kleineren. S. 33. 6. Nerinea forojuliensis Pır. 8. 33. 7. Cerithium Paronai n. sp. 8. 36. 8. Cerithium sp. S. 36. > ai x 3 Du; 4 » die 1} ] Berichte der Naturf. Gesellschaft zu Freiburg i.B. Bd.Nl, 1901. i Schnarrenberger, Nonte d'Ocre Taf. 1. | Lichtdruck v. Carl Ebner, Stuttgart Berichte der Naturf. Gesellschaft zu Freiburg i.B. Ba.Xl, 1901. See Monte d’Ocre Taf I Lichtdruck v. Carl Ebner, Stuttgart - % s . b ; Berichte der Naturf. Gesellschaft zu Freiburg i.B. Bd.Nl, 1901. £ Schnarrenberger, ae d’Ocre Tat M ‚ cre Taf. I. Lichtdruck v. Carl Ebner, Stuttgart Ocre Taf. I. r, Monte d’ ] N Re 1 Schnarrenb erge u a > Er BALZ er Be Berichte der Naturf. Gesellschaft zu Freiburg i.B. Bd.X, 1901. (SE Gras 1a) BE ah Er Lichtdruck v. Carl Ebner, Stuttgart. Berichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. Br. Erscheinungsweise und redactionelle Bestimmungen. Die Berichte erscheinen in zwangloser Folge. 24 Druckbogen, wobei auch jede den Raum einer Dr Be einnehmende Tafel als 1 Druckbogen gerechnet wird, bilden einen Band. Der Abonnementspreis ist auf M. 12.— festgesetzt. In den Berichten finden Aufnahme: I. Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwissenschaften. II. Kürzere Mittheilungen über bevorstehende grössere Publicationen, neue Funde etc. etc. Die für die „Berichte“ bestimmten Beiträge sind in vollständig druck- fertigem Zustande an ein Mitglied der Redactions-Commission einzusenden. Ueber die Aufnahme und Reihenfolge der Beiträge entscheidet lediglich die von der Naturforschenden (Gesellschaft ernannte Redactions-Commission. Auch ist mit dieser über die etwaige Beigabe von Tafeln und Illustrationen zu ver- handeln. Der Autor erhält keiue Frei-Exemplare, dagegen jede beliebige Asrahl von Separat-Abzügen von der Druckerei (©. A. Wagner) zum Selbstkosten- Preise. Die Separat-Abzüge müssen spätestens bei Rücksendung der Correctur bestellt werden. : Separat-Abzüge von Abhandlungen können dem Autor unter Umständen erst am Tage der Ausgabe des betr. Heftes zugestellt werden, Separat-Abzüge von „kleineren Mittheilungen“ dagegen sofort. Die Redactions-Fommission. Professor Dr. A. Gruber. Professor Dr. J. Lüroth. Professor Dr. G. Steinmann. Dr. K. Gerhardt. u NE Y DR N Ic EEE MALE, >=