En A « “. 2 en 2 eiserne | er La wien, Ar » f . j - > % | HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY. LIE To ehhange Datieke. SIE. BANN ©, „X v iR n N Tal \ 4 ER x } 1 ' KB 0 N j . ’ ' r 5 ö I ! 7 v ı D ar » 0 D } JmE, IR ö / UK Im) AUSGEGEBEN IM OKTOBER 1904. \\NI\G BERICHTE DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT FREIBURG LBR. IN VERBINDUNG MIT Dr. Dr. F. HıLpesranp, F. Hınstept, J. LüRoTa, J. von Krıss, (&. STEINMANN, A. WEISMANN, R. WIEDERSHEIM, PROFESSOREN AN. DER UNIVERSITÄT FREIBURG, HERAUSGEGEBEN VON DR. K. GERHARDT. VIERZEHNTER BAND __ MIT 9 TAFELN UND 26 ABBILDUNGEN IM TEXT. SELBSTVERLAG DER GESELLSCHAFT. KOMMISSIONSVERLAG VON J. C. B. MoHr (PAUL SIEBEcK) In TÜBINGEN unD Leıpzie. > “FREIBURG LBR C, A. WAGNERS UNIVERSITÄTS-BUCHDRUCKEREI. | 1904. AUSGEGEBEN IM OKTOBER 1904. BERICHTE DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT FREIBURG IL BR. IN VERBINDUNG MIT Dr. Dr. F. HınLpEBrAnp, F. Hınsteot, J. LüRoTH, J. von KRIEs, G. STEINMANN, A. WEISMANN, R. WIEDERSHEIM, PROFESSOREN AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG, HERAUSGEGEBEN VON DR. K. GERHARDT. VIERZEHNTER BAND MIT 9 TAFELN UND 26 ABBILDUNGEN IM TEXT. SELBSTVERLAG DER GESELLSCHAFT. KoMMISSIONSVERLAG VoN J. ©. B. MoHr (PAUL SIEBEcK) In TÜBINGEN UND LEipzie. ÄFREIBURG IBR. C. A. WAGNERS UNIVERSITÄTS-BUCHDRUCKEREI. 1904. D = En uanaaın lt 2 Sams DEFENDER EEIENE DENE “Y 04 127 DRRIHR STERSE B ie WARNT 5% Er r % he \ : | an 2 fa | WERL ART. WERNER PERLE TR EEE rd EEE ET RE TE RI 3 | Ra i f A ER N ni: A . E An . Free zu % ? SE a, Dee 0 3 Er Er Be EN EL f ’ Be NZ u » : m & € [L 7 ’ E ng x Br a nn ISEANN ING ER PANNE N Ba ER ER: Inhalt des XIV. Bandes. Das Dolomitgebiet der Luganer Alpen. Geologisch-paläon- tologische Studien in den Comasker Alpen II. Mit 1 geo- logischen Karte, 8 Profilen und 6 tektonischen Skizzen und 1 Ab- bildung im Text. Von A. Freiherr von Bistram . Quantitative Versuche über den Rowlandeffekt. Von F. Him- stedt . DENE Pr Ba 2 he FE NE Geologische Untersuchungen im östlichen Unterengadin. I. Lischannagruppe. Mit 5 Tafeln und 21 Zeichnungen im Text. Von, Walther Schiller... „use ne, EEE ER oe Ueber die radioaktive Emanation der Wasser- und Oelquellen. Mit 1 Abbildung im Text. Von F\ Himstedt . Zur Passivität der Metalle. Von Wolf Johannes Müller Die anodische Zerstäubung des Kupfers. Von Franz Fischer Ueber die Bildung von Helium aus der Radiumemanation. Von F. Himstedt und @. Meyer . En © Uebergangswiderstand und Polarisation an der Aluminium- anode. Mit 3 Abbildungen im Text. Von Franz Fischer . Geologische Beobachtungen im Antirhätikon. Mit 1 Karten- skizze. Eine vorläufige Mitteilung von W. Paulcke . ne Druckfehlerverzeichnis. Aufsatz W. Schiller (S. 107—180) betr. Seite rt. Is wur Dstir haz era Ä ’ Usb eh erg E: 17 ee Er irdz ee seaker sirkel War A ER Uriak r ER TWErTErTE N nf nl k Er; i > i ey = 11 Wr Be AB} A "BE veihnie Kirk sin BE t7» Ich Flik ul 8 en u > > marsstet) aaa ‚steh Sara En u Te Lu EB Syrrge zero | Eh a ee lea & ON Be % PR j 1 Ober Kara ai oh PR Eric iRE Te eit B | Borle 6 IE a | aut ra au ‚eilstekf T $ ir a een Router RPRER Et: Hansi we Ru SUrHlEH. Ar Year » N P PERL IK SR ET IERG Susi: ) hair ıK re Zu gi En In v Fu HR 1% Fe Sir IHRIA-i 8 SE ef Das Dolomitgebiet der Luganer Alpen. Geologisch-paläontologische Studien in den Comasker Alpen. I. Von A. Freiherr von Bistram., Mit einer geologischen Karte, 8 Profilen und 6 tektonischen Skizzen. Die Vorarbeiten im Feld zu der geologischen Aufnahme des auf beiliegender Karte dargestellten Gebietes fallen in die Früh- sommer der Jahre 1900 und 1901. Wenn es nun so lange gedauert hat, bis ich meine Resultate publiziere, so liegt es einerseits daran, dass die Bearbeitung des paläontologischen Materiales der Lias- schichten, deren Beschreibung ich der Arbeit beifügen wollte, einen grossen Zeitaufwand erfordert hat, andernteils aber wurden meine Arbeiten dadurch, dass ich in jedem Jahre mehrere Monate ab- wesend war, aufgehalten. Bei der definitiven Ausarbeitung der Karte entstanden in mir einige Zweifel in Bezug auf die Auffassung der tektonischen Ver- hältnisse im nordwestlichen Teil des Gebietes, so dass ein noch- maliger Besuch wünschenswert erschien. So verschob ich denn die Veröftentlichung dieser Arbeit um einige Monate und beschloss, den paläontologischen Teil, der einen grösseren Umfang angenommen, als ich es ursprünglich vorausgesehen, abzutrennen und apart zu ver- öffentlichen!. Nachdem ich nun im April dieses Jahres einige Tage in dem Gebiete verbracht und meine Auffassung im grossen und ganzen bestätigt gefunden — nur geringe Aenderungen der Forma- 11903. v. Bıstram, Liasfauna der Val Solda. Diese Berichte Bd. XIII. Berichte XIV. 1 2 von BISTRAM: [2 tionsgrenzen erwiesen sich als notwendig —, konnte ich die Karte fertigstellen und die Veröffentlichung ins Werk setzen. Ehe ich auf meine Befunde eingehe, möchte ich noch eine Dankespflicht denjenigen Herren gegenüber erfüllen, die mir bei dieser Arbeit ihre Unterstützung geliehen, vor allem Herrn Prof. STEINMANN, der mir die Anregung zu dieser Arbeit gab und in dessen Institute ich meine Arbeiten ausführen durfte, wobei ich mich seiner weitgehendsten Unterstützung erfreute. In liberalster Weise stellte er mir die Sammlungen und die Bibliothek des Institutes sowie seine Privatbibliothek zur Verfügung, unterstützte mich mit Winken, Ratschlägen, und seiner umfassenden Literaturkenntnis. Herrn Prof. BENECKE, der mir in liebenswürdiger Weise Bücher und Karten, die mir fehlten, aus seiner Privatbibliothek und der seines Institutes geliehen hat, spreche ich dafür hier meinen Dank aus, ebenso Herrn Prof. TorxquısTt, der sich der Mühe unterzog, mir die nötigen Werke im Strassburger geologischen Institute aufzu- suchen und zu übersenden, und der mir seine Beobachtungen am Monte Salvatore mitteilte, ferner Herrn Dr. MEIGEN hier, der die bituminösen Vorkommnisse des Gebietes im hiesigen chemischen Institute Destillationsproben unterzog, Herrn Dr. med. FERRARI, da- mals in San Mamette, der mir die Fossilien von A. Loggia ver- schaffte, Herrn Canonicus Dow PAoLo GAMBA aus Mailand, der mein Führer auf der Halbinsel von Arzo war, Herrn Prof. MARIANI in Mailand, der mir den Vergleich der im Museum befindlichen Stücke des Ceratites luganensis ermöglichte, und Herrn Dr. Hoek, der mich mehrfach auf meinen Touren in dem von mir kartierten (rebiete und der Umgegend desselben begleitete, endlich dem Eid- genössischen Topographischen Bureau, das mir die Repro- duktion der betr. Teile der Blätter des Siegfried-Atlasses gestattete und den Ueberdruck dazu hergab. Ferner möchte ich noch meinen Dank aussprechen den Herren Dr. WILCKENS und Dr. SCHILLER, die es übernommen haben, die letzte Korrektur dieser Arbeit zu lesen, da der Aufbruch zu einer Forschungsreise es mir nicht gestattet, es selbst zu tun. Der Farbendruck der Karte ist von der Firma Giesecke und Devrient in Leipzig ausgeführt worden, welche auch die topographische Zeichnung des südwestlichen Stückes der Karte, das in dem Massstabe nicht existierte, sowie der Kartenskizze links hergestellt hat. Die Skizzen und Profile sind von dem hiesigen Universitätszeichner SCHILLING nach von mir entworfenen Zeich- 3] Das DOLOMITGEBIET DER JA UGANER ALPEN. 3 nungen ausgeführt worden; zu den Skizzen benutzte ich Photo- graphien, die teilweise von mir aufgenommen wurden. An Bord des Cap Frio, Aug. 1903. Literaturverzeichnis. 1852. Brunner, Apercu geologique des environs du lac de Lugano (Neue Denkschr. Schweiz. Ges. f. Naturw. Bd. XI). 1853. Escher v. d. Linth, Geolog. Bemerkungen über d. nördl. Vor- arlberg etc. (Neue Denkschr. Schweiz. Ges. f. Naturw. Bd. XIII). 1854. Merian, Flötzformation i. d. Umgeb. v. Mendrisio (Verh. naturf. Ges. Basel). E= Merian, Muschelkalkverstein. 1. Dolomite d. Monte S. Salvatore (Verh. naturf. Ges. Basel). 1854—55. Stabile, Fossili del terr. triassico nei dintorni di Lugano Iu. II (Verh. Schweiz. Ges. Naturf. St. Gallen). 1855. v. Hauer, Ueber einige Fossilien a.d. Dolomite des Monte Sal- vatore. 1558. v. Hauer, Erläuter. zu einer geol. Uebersichtskarte der Lom- bardei (Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. Bd. IX). 1859. v. Richthofen, Die Kalkalpen von Vorarlberg und Nordtirol (Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. Bd. X). — Stoppani, Sulla dolomia del MonteS. Salvatore (AttiSoe. ital. sc. nat. Bd. IJ). — Winkler, Die Schichten der Avicula contorta in- u. ausserh. ° d. Alpen (München, Hab. Schr.). 1860—65. Stoppani, Geologie et paleontologie des couches ä Avicula contorta (Pal&eontol. lombarde tom. III). 1861. (uembel, Geognost. Beschreib. des Bayerischen Alpengebirges (Gotha). —_ Stabile, Fossiles des environs du lac de Lugano (Atti Soc. Hel- vet. sc. nat., Lugano sess. 44). 1864. Costa, Note geol. e pal. sui monti Picentini nel Prineipato citeriore (Atti Ist. incor. Napoli, 2a serie, tom. 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Ist. lomb. 1880). de Stefani, Foss. triass. (Proc. verb. soc. tosc. luglio. 1880). Taramelli, Il Canton Ticino meridionale. Spiegazione del fo- glio XXIV Duf. (Mat. Carta geol. della Svizzera vol XVI]). Bittner, Geol. Aufnahmen in Judicarien u. Val Sabbia (Jahrb. k. k. geol. R.-A. Bd. XXXI u. XXXII. Harada, Toyokitsi, Das Luganer Eruptivgebiet (N. Jahrb. Beil.- Bam): Gastelfranco, Osservazioni paletnologiche in Val Solda (Atti Soc. ital. sc. nat. vol. XXII]). Benecke, Erläuterungen einer geol. Karte desGrignagebirges {N. Jahrb. Beil. Bd. III). Parona, I Brachiopodi di Saltrio e Arzo (Mem. R. Ist. Lom- bardo). Deecke, Beiträge z. Kenntn. d. Raibler Sch. i. d. Lombardei (N. Jahrb. f. Min. Beil. Bd. II). Bassani, Sui fossili e sul etä di schisti bituminosi triasici di Besano (Atti Soe. ital. sc. nat. vol. XXIX). Parona, Note paleont. sul lias inf. Prealpi Lombardi (Rendi- conti R. Ist. Lomb. ser. II vol. XXJ). Parona, Studio monografico della Fauna Raibliana di Lom- bardia (Pavia). : Schmidt und Steinmann, Geolog. Mitteilungen a. d. Umgebung v. Lugano (Eclogae geol. Helv.). Parona, I fossilidel Lias infer.diSaltrioI (Atti Soe. ital. sc. nat.). Taramelli, Spiegazione della Carta geologica della Lombar- dia (Milano). Fraas, Scenerie der Alpen. Milch, Beitr. z. Kenntn. d. Verrucano (Leipzig). Bassani, Fossili nella dolomia triasica in prov. di Salerno (Atti R. Accad. sc. fis. e. mat. Napoli). Corti, Osservazioni stratigr. e paleontol. sulla regione della Brianza (Roma, Accad. dei Lincei). Bonarelli, Contrib. alla cognose. del giura-lias Lombardo (Atti Accad. sc. di Torino vol. XXX). Boese, Monographie des Genus Rhynchonellina Gemmellaro (Palaeontographica XLI). Parona, Appunti per lo studio del lias Lombardo (Rendie. R. Ist. Lomb. ser. II vol. XXVIJ). 5] Das DOoLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 5 1894—96. Parona, I fossili del lias infer. di Saltrio II u. III (Boll. Soc. Malaec. It. vol. XVIII u. XX, Modena). 1894. Schmidt, Zur Geologie der Alta Brianza (Compte-rendu Congr. geol. intern. session VI, Zürich). 1895. Benecke, Bemerkungen über die Gliederung der ob. alpinen Trias (Ber. naturf. Ges. Freiburg i. Br. Bd. IX). 1896. Benecke, Diplopora u. and. Versteinerungen i. elsass-lothr. Mu- schelkalk (Mitt. geol. L.-A v. Elsass-Loth. Bd. IV). — Philippi, Aufbau der Schichtenfolge im Grignagebirge (Zeitschr. D. G. G. Jahrg. 1895). 1896—98. Parona, Ammoniti liasiche di Lombardia (Mem. Soc. paı. Suisse XXIII, XXIV, XXV). 1897. Philippi, Geologie von Lecco u.d. Resegone-Massives (Zeitschr. D. G. G. Jahrg. 1897). 1898. Böse, Beiträge z. Kenntnis d. alpinen Trias (Zeitschr. D. G. G. Jahrg. 1898). 1899. Philippi, Ueber einen Dolomitisierungsvorgang an südalpin. Conchodondolomit (N. Jahrb. Jahrg. 1899). 1900. v. Lendenfeld, Die Hauptgebirge der Erde (Freiburg i. Br.). 1901. v. Bistram, Ueber geol. Aufn. zw. Luganer u. Comer See (Üen- tralbl. f. Min. No. 24, Briefl. Mitt.). — Käch, Vorl. Mitt. über Unters. ind. Porphyrgebieten zw. Lu- ganer See u. Val Sesia (Eclogae geol. Helvetiae XLIJ). — Mariani, Su ale. foss. del Trias medio di Porto Valtravaglia e del M. Salvatore (Atti Soc. ital. sc. nat. vol. XL). — Philippi, Bildungsweise d. buntgefärbten klastischen -Ge- steine d. Trias (Centralbl. f. Min. 1900 No. 15). 1902. Repossi, Össerv. strat. sulla Val d’Intelvi, la Val Solda e la Val Menaggio. Atti soc. it. sc. nat. — Tornquist, Geologischer Führer durch Oberitalien (Berlin). 1903. v. Bistram, Beitr. z. Kenntn. d. unt. Lias in der Val Solda (Ber. naturf. Ges. Freiburg i. Br. Bd. XIII). — Taramelli, I tre laghi (Milano). Anm. Die auf den unteren Lias (Hettangien und Sinemurien) sich be- ziehende paläontologische Literatur ist in dem paläontologischen Teile (die Liasfauna der Val Solda) aufgeführt und hier nicht wiederholt. Kartenmaterial: 1852. Brunner, Carte geologique des environs du lac de Lugano ca. 1: 184000. 1858. v. Hauer, Geolog. Uebersichtskarte der Lombardie. 1869. Negri und Spreafico, Geolog. Karte d. Umgeb. v. Varese u. Lugano (Saggio etc.) ca. 1:100000. — Negri, Spreafico und Stoppani Geolog. Karte der Schweiz (Dufour- Atlas) Bl. XXIV 1:100000. 1884. Benecke, Geolog. Karte des Grignagebirges 1: 75000. 1885. Deecke, Uebersichtskarte der Raiblerschichten i. d. Bergamasker Alpen 1: 288000. 6 VON BISTRAM: [6 1890. Taramelli, Carta Geologica della Lombardia 1:250000. Milano. 1893. Corti, Geologische Karte der Alta Brianza 1:75000 (Össervazioni strat. ete.). 1894. Becker, Carta geologica dell’ Alta Brianza. 1896. Philippi, Geolog. Karte des mittleren Grignamassivs 1:25000. 1897. Philippi, Geolog. Karte der Umgegend von Lecco u. d. Resegone- Massivs 1:25 000. 1902. Repossi, Geolog. Karte d. Val d’Iutelvi, Val Solda, Val Menaggio (Osserv. strat.) 1: 100000. 1903. Taramelli, Carta geol. della regione dei tre laghi ca. 150 000. R. Ist. geogr. Milit., Italienische topograph. Karte 1: 100 000: Bl. 17 (Chiavenna) u. 32 (Como). R. Ist. geogr. Milit., Italienische topograph. Karte 1:50000 (qua- dranti): No. 17 IL, III, No. 32 I, IV. R. Ist. geogr. Milit., Italienische topograph. Karte 1:25000 (tavo- lette): No. 17 IL SO, IIISE, IIISO, No.32IV NE, IVNO. Eidg. topogr. Bureau, Schweizer topogr. Karte (Siegfried - Atlas) 1:25000: Bl. 541, 543, 545, 540 bis 542. 1:50000: Bl. 538, 539. Einleitung. In vorliegender Arbeit habe ich versucht, die Geologie des Stückes der italienischen Südalpen zu geben, das sich von Lugano östlich bis zum Comer See erstreckt und südlich von dem Ostarme des Luganer Sees und seiner Fortsetzung in der Senke von Porlezza begrenzt wird, — soweit sich bier meso- zoische Schichten finden. Es ergibt sich dadurch als Nord- grenze des Gebietes die Val Colla und die Linie Seghebbia— San Abbondio. Dieses Gebiet liegt gewissermassen an der grossen Heerstrasse, da ja doch Lugano als Ausmündung der Gotthardbahn, wo sich die Wege teilen, so recht eigentlich das Eingangstor nach Nord- italien ist und viele westeuropäische Geologen, die Italien oder den Südabfall der Alpen besuchen wollen, hier passieren. So erscheint es auf den ersten Blick merkwürdig, dass dieses Gebiet, als ich daran ging, es näher zu untersuchen, trotz seiner so günstigen geo- graphischen Lage, noch nicht bearbeitet war. Zwei Gründe vor allem mochten wohl den Geologen, die ja vielfach das Gebiet be- sucht haben, die Aufgabe wenig verlockend erscheinen lassen: erstens der Umstand, dass sich das Gebiet, abgesehen von dem Vorkommen des Contortamergel im Becken der Val Solda, mit reicher, aber 7] Das DOLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 1 schlecht erhaltener Fauna, fast nur aus einförmigen und, wie jeder Besuch zeigt, fast fossilleeren Dolomiten aufbaut, und zweitens seine orographische Beschaffenheit, ungewöhnlich steile, wild zer- rissene Hänge, tiefe Schluchten und canonartige Bachrisse, die die Erforschung sehr erschweren und die Arbeit zu einer sehr zeit- raubenden sich gestalten lassen, dazu das Fehlen irgend welcher höher gelegenen Ortschaften, in denen eine Unterkunft möglich. Be- trägt doch die Höhendifferenz zwischen San Mamette, dem natür- lichen Zugangspunkte zur Val Solda, und der höchsten Erhebung des Gebietes derselben, dem Monte Torrione, bei einer Horizontal- entfernung von noch nicht dreieinhalb km 1500 m. Hierzu kommt noch, dass bevor an eine erfolgreiche Bearbeitung des Gebietes, das gewissermassen nur noch einen Ausläufer der im Osten viel mächtigeren und ausgedehnteren mesozoischen Gebiete der Süd- alpen darstellt, gegangen werden konnte, zuerst die Gebiete im Osten bearbeitet sein mussten. Nachdem nun solches geschehen war, das Gebiet östlich vom Comer See von BENECKE, PHILIPPI, DEECKE, die sog. Alta Brianza von SCHMIDT, BECKER, ÜCOoRTI bearbeitet und kartiert, die Porphyre von Lugano von HARADA untersucht waren, galt es die Lücke auszufüllen, die dadurch vorhanden war, dass das Gebiet, dem diese Arbeit gilt, noch fast unerforscht war. Das ein- zige, was eigentlich bisher dem Geologen zur Verfügung stand, wollte er sich über das fragliche Gebiet orientieren, war Blatt XXIV der geologischen Karte der Schweiz, in den uns hier interessieren- den Teilen von NEGRI und SPrEAFICO bearbeitet, die 1869 er- schienene Arbeit dieser Autoren! und der von TARAMELLI als Text zu Blatt XXIV der Schweizer Karte verfasste XVII. Band der Materialien zur geologischen Karte der Schweiz’®. Leider muss die Kritik, die BENECKE genannter Karte und der TARAMELLIschen Arbeit in Bezug auf das östliche Gebiet zu teil werden lässt, ebenso auf unser Gebiet ausgedehnt werden — die geologischen Einzeichnungen stimmen fast ebenso oft nicht, als sie dazwischen richtig sind; die Formationsgrenzen sind zum Teil ganz willkürlich durchgezogen. Hiermit soll keineswegs den Autoren der Karte ein Vorwurf gemacht werden, denn weder hatten sie damals genügendes Kartenmaterial zur Verfügung, noch standen ihnen die Erkenntnisse zu Gebote, die inzwischen die Wissenschaft aus den ! Saggio sulla geologia dei dintorni di Varese e di Lugano. ® 1880. Il Canton Ticino meridionale. te) von BIsSTRAM: [8 vielen Arbeiten über die alpine Trias gewonnen hat. Auch war es gewiss damals noch in viel höherem Grade schwer, ja fast unmöglich, eine solche geologische Uebersichtskarte auszuführen, als 1884, in welchem Jahre BENECKE! betont, dass, bevor Spezialarbeiten über die einzelnen Gebiete vorlägen, die Herstellung einer solchen Karte nicht ausführbar sei. Es war, wie schon BENECKE hervor- hebt, eine sehr schwierige und äusserst undankbare Aufgabe für TARAMELLI, zu einer geologischen Karte, deren Aufnahme er ganz fern gestanden hatte, auch wenn ihm die Notizen der Verfasser zu Gebote standen, den Text zu verfassen, und es musste natürlich darunter die Klarheit der Erläuterungen stark leiden. Bei der Benutzung der TarameErLLischen Arbeit ist es be- sonders unangenehm, dass man aus ihr nicht ersehen kann, was von den Autoren der Karte wirklich beobachtet, was dagegen nur kom- biniert ist, was aus den Aufzeichnungen der Autoren der Karte, was von TARAMELLI, der ja jedenfalls nur verhältnismässig flüchtig das so ungangbare Gebiet untersuchen konnte, stammt, wie weit er die Ansicht der Verfasser der Karte teilt und wo er etwa von ihrer Auffassung abweichende Meinungen ausspricht. Beweise fehlen fast ganz, nur wenn man zuweilen bei irgend einem Punkte auf die warmen Versicherungen TARAMELLIS stösst, wie genau und ausserordentlich zuverlässig sein verstorbener Freund SPREAFICO beobachtet habe, so kann man ziemlich sicher annehmen, dass hier keine Nachweise für die Richtigkeit der Eintragungen auf der Karte vorhanden sind, auch wohl TARAMELLI gewisse Zweifel aufgestiegen sind, und es stimmen denn auch dann fast immer die Verhältnisse absolut nicht mit den Eintragungen auf der Karte. Leider ist TARAMELLI, wenigstens in einem sehr verhängnis- vollen Falle, in seiner Arbeit, ohne irgendwie darauf hinzuweisen, von der Ansicht der Verfasser der Karte abgewichen — ich meine in dem Profile, das er vom Monte Br& gibt?. Hier scheint nach TARAMELLIS Ansicht sich der Monte Br& von Westen nach Osten aus ganz regulär folgenden Schichten M., K., Kd., KK. aufzubauen, während NEGRI und SPREAFICO ein Profil gegeben hatten’, aus dem hervorgeht, dass sie an dieser Stelle die Verwerfung deutlich erkannt haben, was sie auch im Texte (il salto peu rimarchevole) hervorheben. "1884. BEnEcKE, Grignagebirge S. 173. ” 1880. Canton Ticino tab. III No. 1. ® 1869. Saggio etc. pag. 20. [3 9] Das DoLoMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 9 Ferner ist noch zu erwähnen die Arbeit von SCHMIDT und STEINMANN über die Umgebung von Lugano!, in der man, da es sich ja dabei nur um einen Ueberblick über die geologischen Verhältnisse der Gegend für die Exkursion der schweizerischen geo- logischen Gesellschaft handelte und Spezialaufnahmen von seiten der Verfasser weder beabsichtigt noch überhaupt im der Kürze der Zeit möglich waren, Details nicht erwarten kann. Dieselbe fusst hauptsäch- lich auf der erwähnten geologischen Uebersichtskarte Blatt XXIV und TARAMELLISs Text. Dem obenerwähnten Fehler in letzterer Arbeit ist es zuzuschreiben, dass die Verwerfung am Monte Br& nicht erkannt und daher die Liasschichten des Br& für Buchen- steiner Schichten gehalten wurden. Im übrigen sind, soweit unser Gebiet betroffen wird, nur die Ansichten der Autoren des Blatt XXIV und TARAMELLIS wiedergegeben. Was speziell die Verhältnisse am Monte Br& anbetrifit, so konnte hier nur eine genaue Untersuchung des Gebietes, und zwar von Osten nach Westen, Aufschluss geben, wie ich denn beim Auf- stiege aus der Val Solda zur Alpe Bolgia und dem Monte Bolgia sofort zu der Ansicht gelangte, dass diese und der Monte Br& aus der höchsten Stufe, die in dem Gebiete der Val Solda vertreten ist, sich zusammensetzen müssten, worauf ein glücklicher Fossilfund mich in den Stand setzte, diese Kalke als sicher zum Hettangien gehörig zu erkennen. Ausser den eben erwähnten Arbeiten sind erst in neuester Zeit noch drei, die auf das Gebiet mehr oder weniger Bezug haben, er- schienen, von MArIANT über den Monte Salvatore’, die vorläufige Mitteilung von Käch über die Eruptivgesteine® und die Arbeit von REpossı über Val d’Intelvi, Val Solda und Val Menaggio nebst geologischer Karte‘. Letztgenannte Arbeit ist erst erschienen, nachdem ich meine Arbeiten im Felde abgeschlossen hatte. Sie behandelt unter anderem auch fast das ganze von mir untersuchte Gebiet. Nur im Westen bleibt ein kleiner Strich nach, den der Verfasser nicht geologisch koloriert hat. So könnte es demnach erscheinen, als ob die Publikation meiner Arbeit durch diese letztgenannte überflüssig geworden sei; ‘1889. ScHhmipt und STEINMANN, Geolog. Mitteilungen aus der Umgebung von Lugano. Eclog. Helvet. 1890. ® 1901. Marranı, Trias medio del M. Salvatore. ® 1901. Käch, Porphyrgebiete zw. Luganer See und Val Sesia. * 1902. Reposst, Val d’Intelvi ete. 10 voN BISTRAM: [10 das wäre auch für gewisse Teile der Fall, wenn nicht dem Verfasser viele Irrtümer untergelaufen wären, — was nicht weiter zu verwundern ist, denn das Gebiet, das er zu untersuchen und zu beschreiben unternommen, ist ein so ausgedehntes, dass bei den schwierigen Terrainverhältnissen eine genaue Begehung oder gar Durchforschung desselben im Laufe irgend kürzerer Zeit unmöglich ist. Am genauesten scheint der Verfasser wohl die Umgebung von Menaggio durchforscht zu haben; er gibt hier zahlreiche Fossilfundpunkte an und hier stimmt auch seine Karte noch am besten mit meinen Befunden überein, während weiter im Westen die Begehung eine offenbar recht flüchtige gewesen ist und ein ver- gleichender Blick auf unsere beiden Karten lehrt, wie sehr meine Auffassung von der REpossıs abweicht. Auf die REpossIsche Ar- beit gehe ich weiter unten, soweit es erforderlich, bei den Detail- beschreibungen ein. Trotz mancher Unrichtigkeiten im Detail ist die Arbeit ReE- possıs immerhin als ein grosser Fortschritt zu begrüssen, wenn sie auch nicht als erschöpfende Spezialaufnahme angesehen werden kann, sondern nur eine Uebersichtsaufnahme darstellt. Sie ergänzt meine Arbeit und Karte insofern, als sie uns einen geologischen Ueber- blick über einen Teil des Generosogebietes bringt und uns durch Eintragung der Streich- und Fallrichtungen und der bedeuten- deren Verwerfungslinien und durch die beigegebenen Profile ein Bild der Hauptzüge der Tektonik dieses Gebietes gibt. Doch dürften die Verhältnisse nicht so einfach liegen, wie REpossı sie darstellt. Es müsste wohl möglich, wenn auch nicht leicht sein, bei sorgfältiger Begehung und Erforschung des Gebietes Anhaltspunkte für Unter- scheidung verschiedener Altersstufen in den scheinbar einförmigen Liaskalken zu finden und damit, auf einer genaueren Gliederung fussend, die Details der Trektonik festzustellen. Endlich ist noch, nachdem ich meine Arbeit vollendet hatte, eine Arbeit TARAMELLIS!, die das Gebiet mit umfasst, von einer geologischen Karte begleitet, in meine Hände gelangt. Diese Arbeit gibt eine kurze Uebersicht über die Formationen und ihr Auftreten, beschäftigt sich besonders mit den über das Gebiet veröffentlichten Arbeiten und den Autoren derselben. Zwei Kärtchen geben einen Ueberblick über die tektonischen Grund- züge sowie über die Wasserläufe des Diluviums nebst Haupt- "1903. TArAMmELLI, I tre laghi, Milano. 11] Das DOLOoMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 11 moränenzügen. Die geologische Karte umfasst das Gebiet der drei Seen in einem Massstabe von ungefähr 1:150000! und stellt einen Fortschritt im Vergleich mit der desselben Autors vom Jahre 1890 * dar, indem die Formationen nicht mehr durch verlaufende Farben, sondern durch abgegrenzte Felder dargestellt werden. Auf eine Kritik der Karte im allgemeinen näher einzugehen, ist hier nicht der Platz. Nur was das Gebiet meiner Karte anbetrifft, möchte ich bemerken, dass hier Tarameruis Karte sehr wesentlich von meiner abweicht und, trotz einiger Aenderungen, den Einzeich- nungen auf dem Blatt XXIV der Schweizer Karte sehr nahe steht. Auch Rerossis Untersuchungen scheint TARAMELLI nicht berück- sichtigt zu haben. Einen Rückschritt im Vergleiche zu Blatt XXIV bedeutet das Fehlen der Einzeichnung der Raibler Schichten bei Nobiallo. Das Grignagebiet ist wohl nach den Aufnahmen von BENECKE und Phıuıpri dargestellt, aber leider der Esinohorizont nicht von dem des Muschelkalkes geschieden — was trotz des kleinen Massstabes der Karte leicht möglich gewesen wäre und für die Darstellung der tektonischen Verhältnisse hier notwendig ist. Ferner sind keinerlei Dislokationslinien auf der Karte eingetragen, sondern nur die Störungen in allgemeinen Zügen auf der er- wähnten kleinen Karte im Texte angedeutet. Was das topographische Kartenmaterial anbetrifit, so hatte ich die Blätter des Siegfriedatlasses sowie die italienischen Generalstabskarten zur Verfügung. Die ja sehr einfach nur in Schwarzdruck ausgeführten italienischen Karten ziehe ich zu geologischen Aufnahmen vor; ich habe auch die Messtisch- blätter (tavolette, 1:25000), soweit es sich um italienisches Gebiet handelte, bei der Aufnahme benutzt. Eintragungen mit Blei- und Buntstift treten auf derselben sehr gut hervor und lassen sich bei nötig werdenden Korrekturen gut wieder ausradieren. Die Aufnahme der Karte ist, soviel ich konstatieren konnte, eine recht gute und besonders ist hervorzuheben, dass grosse Sorgfalt auf die Ein- tragung der Fusspfade verwandt ist, was die Orientierung und die Festlegung irgend welcher Punkte auf der Karte sehr erleichtert. Leider stellen diese Karten nur das italienische Gebiet dar und die Zeichnung hört an der Landesgrenze auf. ! Der Massstab ist nicht angegeben, nach der beigedruckten Kilometer- skala beträgt er ca. 1: 154000. ° 1890. TarameELLı, Carta geologica della Lombardia 1: 250 000. 12 von Bistram: [12 Die Schweizer Karten, sehr schön in drei Farben ausgeführt, mit der bekannt korrekten Darstellung der orographischen Verhält- nisse, geben das Terrain im Bereiche des Blattes auch über die Landesgrenze hinaus wieder, doch leider gestatten sie gar kein Radieren, auch nur von Bleistiftstrichen, kein Auswaschen von Zeichnungen mit chinesischer Tusche, und vor allem ist viel weniger Sorgfalt auf Eintragung der Fusswege, welche vielfach fehlen, an- gewandt, ein Fehler, den ich auch sonst auf diesen Karten, so z. B. im Schweizer Jura, bemerkt habe. Ein fernerer Uebelstand ist es, dass bei der Aufnahme in zwei verschiedenen Massstäben, näm- lich zu 1:50000 und 1:25000, nicht wenigstens die Grenzblätter beider Aufnahmearten in beiden vorhanden sind, wie bei der italie- nischen Aufnahme, wo von den im Massstabe von 1:50000 aufge- nommenen Blättern wenigstens eine vergrösserte Ausgabe in je vier Blättern 1:25000 existiert. Italien hat somit drei Kartenausgaben mit Höhenkurven, nämlich zu 1:25 000, 1:50000 und 1: 100000, während die Schweiz nur eine, teils zu 1:25000, teils zu 1: 50000, hat. Sehr unbequem ist es, dass die Blätter des Siegfriedatlasses 1:50000 Höhenkurven zu 30 Meter zeigen, so dass keine 100-Meter- Linien die Kurvenzeichnung gliedern und die Bestimmung der Höhe irgend eines Punktes dadurch sehr erschwert wird, während die Einzeichnung von 10-Meter-Kurven bei den Blättern 1:25000 die Kartenzeichnung im Gebirge unübersichtlich macht und die Orien- tierung erschwert, wobei solche Kurven in der Ebene ohne Hilfs- kurven ja doch nicht ausreichen. Die italienische Karte hat da- gegen beim Massstabe von 1:25000 und 1:50000 Kurven von 25 Metern, bei 1:100000 solche von 100 Metern. Um eine topographische Unterlage für die Karte zu haben, musste ich die Blätter des Siegfriedatlasses 1: 50000 wählen, da, wie erwähnt, die italienische Karte in dem Massstabe nur das ita- lienische Gebiet darstellt (nur die Karte 1:100000 macht eine Ausnahme und gibt das ganze Gebiet innerhalb der Blattgrenze), und das in diesem Massstabe i. S. fehlende Stück — Lugano und den Monte Br& umfassend — nach dem Blatt Lugano (im Mass- stabe von 1:25000) verkleinert auf die Steine zeichnen lassen. Die der Hauptkarte beigefügte Kartenskizze der Gegend Cam- pione—Melano ist nach einer von mir angefertigten photographi- schen Vergrösserung der italienischen Karte 1: 100000 angefertigt worden. 13] Das DOLoNITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 13 Stratigraphischer Teil. Grundgebirge. Das Liegende der Ablagerungen, mit denen wir uns be- schäftigen wollen, bilden die krystallinen Schiefer, Casanna- Schiefer der geologischen Karte der Schweiz, die man wohl am besten als Phyllite bezeichnen kann. STUDER! charakterisiert die selben als Uebergänge zwischen Chloritschiefern, Hornblendegesteinen, Glimmerschiefern, Gneissen. SCHMIDT? beschreibt sie als phyllitartige (resteine, welche aus einem innigen Gewebe von Chlorit und Seriecit bestehen, in welchem dichter Quarz in Form von gewundenen Linsen und Streifen auftritt. Eine sehr gute und genaue Beschreibung dieser Gesteine haben wir von GÜMBEL®. Auf dieselben näher einzugehen liegt ausserhalb des Rahmens dieser Arbeit. Ihr Aussehen, ihre Farbe, ihre Härte, somit auch ihre Zusammensetzung sind sehr wechselnd; man wird wohl nicht fehl gehen, wenn man sie als stark veränderte, präcarbonische Sedi- mente deutet, worauf auch Graphiteinlagerungen, die mehrfach er- wähnt werden, hinweisen. Ich fand eine solche Graphitlinse in dem Phyllit des unteren Cassone-Tobels im Osten von Viganello. Diese Phyllite bilden den Westhang des kartierten Gebietes und begrenzen es ebenfalls im Norden, wo sie infolge der westöstlichen Haupt- verwerfung mit den verschieden mesozoischen Horizonten unseres Gebietes zusammenstossen. Ihrer leichten Verwitterbarkeit wegen bilden sie gerundete Bergformen und sind mit reicher Vegetation bedeckt, so dass gute Aufschlüsse verhältnismässig selten sind. Am besten sind sie aufgeschlossen am Anfang der Fahrstrasse von Cassa- rate nach Castagnola und im Cassone-Tobel, ferner am Comer- see an der neuen Fahrstrasse, die von Menaggio nach San Ab- bondio führt, im Nordosten des Sasso Rancio. Carbon findet sich bekanntlich über dem Phyllit nördlich von Lugano bei Manno als Konglomerate und glimmerige Sandsteine. Sonst ist es nirgends in der Gegend gefunden worden. Vielleicht ist noch ein, jetzt offenbar nicht mehr aufgeschlossenes, Vorkommen etwas nördlich von Melide an der Grenze zwischen dem Dolomit des Salvatore und den Porphyren von Melide hierher zu rechnen. 11875. STUDER, Die Porphyre des Luganer Sees. ® 1890. ScHMIDT und STEINMANN, Umgebung von Lugano. ® 1880. GüÜMBEL, Geognost. Mitteilungen a.d. Alpen VII 569 ft. 14 von BiIsTram: [14 GÜMBEL! erwähnt nämlich hier schwärzliche Lettenschiefer und grauen Sandstein, von eruptiven Massen durchbrochen und zum Teil eingeschlossen, die nach seiner Meinung „vielleicht der Reihe der Manno-Konglomerate angehören dürften“. Porphyr. Ueberlagert werden die Phyllite am Luganer See durch Por- phyre und Porphyrite, die 1882 von Toyokrrst HArADA? be- schrieben wurden, und über die KäcH? in einer vorläufigen Mit- teilung einige Angaben gemacht hat. Diese im Süden des Luganer Sees sehr mächtigen Porphyrdecken, die sich, am Seeniveau an- stehend, über dasselbe mehr als 500 Meter hoch erheben, keilen scheinbar nach Norden und Osten aus, so dass wir im Norden des Sees auf der Schweizer Seite unseres Gebietes nur noch Spuren wenig mächtiger Ablagerungen am Hange des Monte Br& zwischen Ruvigliana und Aldesago finden. Gehängeschutt und reiche Vege- tation verdecken sie, so dass nur kleine schlechte Aufschlüsse sich finden und diese Ablagerungen in ihrem Verlaufe nicht verfolgt werden können, besonders da das Vorkommen ein nur vereinzeltes ist, da sie von der Hauptverwerfung von Lugano, resp. mit der- selben im Zusammenhang stehenden kleineren Verwerfungen ab- geschnitten werden. Im Osten unseres Gebietes, am Comer See, finden sich keine Porphyre mehr, sondern nur ihre Spuren im Verru- cano-Konglomerat. Aufgeschlossen, wenn auch nicht gut, findet sich der Porphyr im Nordwesten von Ruvigliana, wo der Weg nach Aldesago (bei Trona auf der Karte) umbiegt, an dem Brunnen und in dem Täl- chen darüber, dann wieder auf demselben Wege etwas unterhalb Aldesago. Verrucano und Buntsandstein (Servino). Ueber dem Porphyr im Gebiete des Luganer Sees und den Phylliten in dem des Comer Sees finden wir die buntgefärbten Konglomerate und Glimmersandsteine des permischen Verrucano und des Bundsandsteines (Servino). Im Gebiete der Karte findet er sich nur am Comer See, am Nordhange des Sasso Rancio in einem grösseren Vorkommen, infolge Verwerfungen nach Westen 1 1880. GümBEL, Geognost. Mitteilungen a. d. Alpen VII 578. ® 1882. Harapa, Luganer Eruptivgebiet. 3» 1901. Käctk, Porphyrgebiete zw. Luganer See u. Val Sesia. 15] Das DOLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 15 zu bald auskeilend und sonst in scheinbar geringer Mächtigkeit am Westhange des Monte Br& mit Porphyr an den beiden erwähnten Aufschlüssen, dann am Hange des Monte Bolgia auf dem Wege, der von Cureggia nach Pregassona hinabführt. Das von ESCHER VON DER LinTtH! beschriebene Profil am Comer See ist durch die neue Fahrstrasse von Menaggio nach San Ab- bondio sehr schön aufgeschlossen; doch dürfte es schwer sein, zu entscheiden, wo eine Grenze zwischen Verrucano und Buntsandstein darin zu ziehen ist, resp. ob überhaupt Buntsandstein darin vertreten ist, da eine kleine Verwerfung. zwischen diesen Schichten und den Dolomiten des Sasso Ranecio verläuft. In unserem Gebiete jedenfalls ist es kaum möglich, zu ent- scheiden, was als Verrucano und was als Servino zu deuten ist oder gar die Horizonte in den an und für sich beschränkten Vorkommen zu trennen. Es ist daher auch auf der Karte nur eine Bezeich- nung V (Verrucano) dafür gewählt worden. Die dolomitischen Sandsteine, resp. Sand und gröbere Quarzgerölle führenden Dolomite sowie die roten und grünen glimmerigen sandigen Tonschiefer, die sich den Porphyr überlagernd am Westabhange des Monte Br& sowie östlich über Campione, den Dolomit von San Evasio unterteufend, finden, dürften vielleicht zum Servino gehören. Auffallend ist es, dass die Konglomerate des Verrucano im Norden von Campione am See porphyrfrei zu sein scheinen, soweit ich solches beobachten konnte — wofür schon ihre graue Farbe spricht. Damit stehen sie im Gegensatze zu den rotgefärbten, viel Porphyr führenden Konglomeraten am Nordhange des Salvatore. Man könnte daran denken, sie mit den grauen Sandsteinen, die GÜMBEL nördlich von Melide erwähnt und unter Reserve zum Mannokonglomerat stellt (vgl. S. 13), in Verbindung zu bringen. Sie müssten dann als carbonisch gedeutet werden. Ein genauer Vergleich mit dem Mannokonglomerat und genaue Durchforschung der betreffenden Konglomerate könnte vielleicht darüber Aufschluss geben. Ich habe nicht die Zeit gehabt, diese Untersuchungen anzu- stellen, wollte es aber nicht unterlassen, auf diese Tatsachen hinzu- weisen. Doch habe ich die Schichten als Verrucano auf der Karte eingetragen, da sie, abgesehen von ihrer Farbe und dem Fehlen von Porphyr, doch ihrer ganzen Ausbildung nach ganz mit den sonstigen, rötlich gefärbten Verrucano-Konglomeraten übereinstimmen. "1853. EscHErR, Vorarlberg, Nachtrag S. 88. 16 voN BISTRAM: 1 6 Untere Dolomitstufe (Muschelkalk und Esinokalk). Als unterstes, sicher triadisches Sediment finden wir im Gebiete der Karte die nicht sehr mächtigen Sedimente, die wahrscheinlich den gesamten Muschelkalk i. w. 8. sowie die ladinische Stufe (Esinokalk) vertreten, und zwar finden wir als Vertreter dieses Horizontes nur die Dolomite des Sasso Rancio nördlich von Menaggio und der Sassi della Porta im Südosten vom Buggiolo im Bereiche der Karte, wenn wir absehen von den geringen Resten gleichalterigen Dolomites im Nordwesten unseres Gebietes auf der westlichen Scholle, an der Verwerfung bei den Denti della Vecchia. Zum Vergleiche will ich die Vorkommen am Luganer See ausserhalb des Kartengebietes heranziehen, nämlich das des Monte Salvatore sowie die zum System desselben gehörigen Dolomite im Osten des Sees, welche nördlich von Campione von dem Seeufer bis zu der am Hange des Monte la Sighignola verlaufenden Hauptverwerfung, den nördlichen Teil der italienischen Enclave von Campione und einen etwa gleich breiten Streifen daneben auf Schweizer Gebiet einnehmen. Bereits öfters ist in der Literatur auf die Gleichartigkeit der Ausbildung dieser Gebiete hingewiesen worden. Ausser erstgenannten Vorkommen scheinen innerhalb des Ge- bietes der Karte keine hierher gehörigen Ablagerungen sich zu finden, da diese Schichten an der im Norden verlaufenden west- östlich streichenden Verwerfung abgesunken sind. Das bekannteste und schon häufig erwähnte und beschriebene Vorkommen ist das des Monte Salvatore — das einzige von den genannten, aus dem eine grössere Zahl von Fossilien bekannt ist. Hier beginnt die Schichtfolge, wie man es an dem schönen Auf- schluss in dem Steinbruche bei Cap San Martino beobachten kann, mit dünnen Mergelbänken und Rauchwacken, über denen ziemlich gut geschichtete, grobbankige, stark dolomitische, graue Kalke folgen, von denen einige Bänke Durchschnitte von kleinen Dadocrinusgliedern zeigen!. Darüber erhebt sich die Masse der weisslichen, ungeschichteten Dolomite, die erst im Kerne der Syn- clinale, die im Salvatore erhalten ist, von gut, wenn auch grob geschichteten, stark dolomitischen Kalken überlagert werden. Die ! TornquIst, Führer S. 54. 17] Das DOoLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 17 unteren geschichteten Bänke sind sehr fossilarm, doch dürften aus ihnen die Muschelkalkfossilien stammen, die schon Haukkr, STABILE und BRUNNER erwähnten, und die uns jetzt in einer Revision der Fauna des Salvatore durch MARrIANI! vorliegen. Von bestimmbaren Fossilien habe ich aus diesen Schichten nur ein Bruchstück eines Ceratites lugamensis, HAUER, gefunden. In den oberen gut gebankten Schichten gibt Tornauıst? einen Fossil- punkt an, an dem sich besonders reichlich Trochitenkalke finden. Bereits etwas tiefer, wo der Weg von Pazallo nach dem Gipfel an seiner äusseren Seite, nach dem Steilabsturze zu, durch eine Mauerbrüstung gesichert ist, habe ich kleine Gastropoden ge- funden, die, wenn auch schlecht erhalten, doch ganz den Habitus der Esinoversteinerungen tragen, auch habe ich daselbst Stücke mit allerdings sehr schlecht erhaltenen Algenresten gefunden; es war mir jedoch möglich, in einem Falle die Diplopora annulata sicher zu erkennen, so dass ich nicht bezweifle, dass die oberen Schichten des Salvatore Aequivalente des Esinokalkes dar- stellen. Ueber Torxquists fossilführenden Schichten, in denen ich einige wohlerhaltene Stielglieder von Enerinus liliiformis sammelte, finden sich massenhaft, zum Teil sehr grosse, Korallenstöcke, die wohl mit StoppanIs Eunomia esinensis ident sein dürften. Wie in allen Beschreibungen des Monte Salvatore erwähnt wird, gehört der Dolomit des Salvatore einer Synklinale an, deren Kern den Gipfel des Berges bildet. Der südliche Schenkel dieser Synklinale ist am Steilabsturz zum See von Gehängeschutt verdeckt und es dürften hier vielleicht die untersten Schichten an der kleinen Verwerfung, die das Dolomitmassiv von den südlich anstossenden Porphyren trennt, fehlen. Jedenfalls scheint der Dolomit des Salvatore das Aequivalent des gesamten Muschelkalkes und mindestens eines Teiles der Esinoschichten zu sein, höhere Horizonte aber nicht mehr zu umfassen. MaArIANI kommt in seiner Bearbeitung der Fossilien des Monte Salvatore ebenfalls zu dem Schlusse, dass der Dolomit des Salvatore die ganze mittlere Trias, vom Muschelkalk bis zum Esinokalk inkl. in rein dolomitischer Ausbildung repräsentiere, Vollständig korrespondierend tritt am gegenüberliegenden Seeufer der Dolomit nördlich von Campione auf. Wir sehen hier "1901. Marını, Dolomia del Monte Salvatore. 2 loc.:cit. Berichte XIV. [80] 18 von BIsTRAn: [18 ebenfalls eine Synklinale mit dem gleichen Streichen (Nordwest— Südost) bloss, dass hier der nördliche Schenkel nur zum Teil, der südliche dagegen vollständig erhalten ist. Wir finden den Kern der Synklinale mit gut geschichteten dolomitischen Kalken ganz im Norden, wenig südlich von der Stelle, wo der Dolomit an der Verwerfung abschneidet, darunter nach Süden die ungeschichteten Kalke, dann bei Valdancio die liegenden Bänke des Servino; ebenfalls weiter südöstlich, der Schichtung und Streichrichtung nach dazu gehörig, oben an dem Wege von Pugerna nach Arogno in einem Bachrisse, etwa bei dem Namen Cottima, stehen wieder diese Schichten, wenn auch nicht sehr mächtig, in der Form von roten und grünen glimmerigen Tonschiefern und darunter dolomi- tischen Sandsteinen an, durch eine Verwerfung von einem schmalen noch südlich davon anstehenden Streifen von Dolomit getrennt, unter dem dann südlich die mächtigen Porphyrablagerungen folgen. Obgleich ich in den Dolomiten östlich vom See keine Fos- silien gefunden habe, so zweifle ich nicht, dass dieselben mit denen des Salvatore zu parallelisieren sind, der ganz gleichförmigen Lage- rungen wegen und da dieselben vom Servino direkt unterteuft werden. In diesen Dolomiten finden sich einige von kohlenähnlichem Bitumen ausgefüllte Klüfte; das relativ mächtigste Vorkommen, etwa halb- wegs zwischen S. Evasio und Cottima an dem Pfade von Pugerna nach Arogno gelegen, ist bergmännisch in einem Stollen aus- gebeutet worden, und zwar, wie eine ziemlich bedeutende Halde zeigt, wohl ziemlich intensiv; seit etwa drei Jahren aber ist der Be- trieb eingestellt worden, vielleicht weil das Bitumen auskeilt oder an der Verwerfung absetzt. Nordwestlich von der Stelle, etwas tiefer am Hange, war vor zwei Jahren auf dem Pian Boffino, etwas südlich vom Pkt. 466 durch ein Schürfloch ein zweites, doch nur wenige Oentimeter mächtiges Vorkommen aufgeschlossen. Wir haben es hier mit einem meist ziemlich unreinen, von Dolomit durchsetzten, durch starken Ge- birgsdruck anthracitisch gewordenen Bitumen zu tun, das in einer Spalte, die spitzwinkelig die Schichtung schneidet, abgesetzt ist. Sehen wir von den geringen Resten im Nordwesten unserer Karte, in denen ich auch keine Fossilien gefunden habe und die ich eben- falls nur ihrer tektonischen Lage nach, sowie der besseren Schich- tung und dunkleren Färbung wegen als Muschelkalk deute, sowie von dem unsicheren Vorkommen der Sassi della Porta! ab, so bleibt ' Den Dolomit der Sassi della Porta habe ich, da ich die Mergel der Valle l’Österia ihrer Farbe wegen zu denRaibler Schichten stellen zu müssen 19] Das DOLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 19 als einziges Vorkommen im Gebiete der beiliegenden Karte, welches absolut zweifellos zu dieser Stufe gerechnet werden muss, das des Sasso Rancio. Hier sehen wir, auf der Strasse von Nobiallo nach 8. Ab- bondio wandernd, als Liegendes der im Bache über der Kirche Madonna della Pace aufgeschlossenen Raibler Plattenkalke, gelb- verwitternde, sandige, geschichtete, dolomitische Kalke; eine Bank gerade am Eingange des ersten Tunnels führt an einer Stelle rechts vom Wege (nach der Südseite) recht reichlich kleine Gastropoden vom Esinotypus, nur als Steinkerne und Abdrücke schlecht er- halten. Schon im Bereiche des ersten Tunnels werden die Kalke dunkler, bituminös und setzen so ın mittelstarken Bänken durch den zweiten Tunnel fort. Hier nimmt die Dicke der Schichten ab und wir finden bald hinter dem zweiten Tunnel ganz dünnschichtige, schwarze, dolomitische Kalke mit weisser Aderung, auf die ein unge- schichteter, rötlichgrauer cavernöser, splitteriger Dolomit folgt, durch den der dritte Tunnel führt. Hierauf verdeckt Gehängeschutt und das Kulturland von la Gaeta ein kleines Stück des Profils, dann treffen wir denselben Dolomit wieder, der nach unten allmählich dunkler wird, grau, gelbverwitternd. Durch diesen führt der vierte (letzte) Tunnel, hinter demselben finden wir noch über dem liegenden Verrucano einige Lagen dünnbankigen, schwarzgrauen Dolomites. Vergleicht man die Dolomite des Sasso Rancio und die des Salvatore, so findet man auffälige Uebereinstimmung zwischen beiden: über dem liegenden Verrucano erst gut geschichtete Bänke, dann ungeschichtete, klotzige Dolomite, über denen wieder besser geschichtete Ablagerungen folgen, nur, dass im Osten sich doch noch etwas mehr Horizonte absondern lassen, während im Westen die Schichten noch gleichförmiger und eintöniger werden, und höchstens eine Dreiteilung möglich ist. Auch die Mächtigkeit der Ablagerung ist ziemlich dieselbe, man kann sie auf etwa 1000 Meter, eher etwas darüber schätzen. Die Gleichartigkeit dieser beiden Vorkommen des unteren Dolomites im Osten und Westen unseres Gebietes lässt den Schluss wohl berechtigt erscheinen, dass der für uns nicht sichtbare Teil der Ablagerungen in gleicher Weise entwickelt war, so dass wir ein geglaubt habe, als Muschelkalk kartiert, ohne jedoch durch Fossilfunde einen weiteren Anhalt zu haben. Auch schien mir der Dolomit seiner dunklen Farbe wegen mit einer gewissen Berechtigung als solcher angesehen werden zu können. 9* - 20 von BISTRAM: [20 und dieselbe facielle Ausbildung im ganzen Gebiete annehmen müssen. Ziehen wir zu dem Vergleiche die weiter liegenden Ab- lagerungen gleichen Alters dazu, so sehen wir, dass während in den Schichten weiter im Osten sich noch durch petrographischen Charakter sowie Fossilführung die verschiedenen Horizonte der Etage gut unterscheiden und abgrenzen lassen, der entsprechende Komplex im Westen immer einförmiger wird und zugleich an Mächtigkeit abnimmt. Noch in der Grigna können wir eine mittlere Mächtig- keit (gerechnet von der Grenze mit dem Servino unten bis zu dem Beginn der Raibler Plattenkalke oben) von 1600 Metern, wenn nicht mehr annehmen. Wir sehen, wie schon in der Grigna sich stellenweise der Ausbildung nach nur noch unten Muschelkalk und darüber die Masse des Esinokalkes unterscheiden lassen, wie PnıLippr! z. B. bezüglich der Ablagerungen auf der Alpe Era bemerkt, wo „Buchensteiner Schichten und oberer Muschel- kalk, die längs der ganzen Ueberschiebung von Pasturo bis zur Alpe Era petrographisch und faunistisch sehr leicht erkennbare Horizonte abgeben, im Kessel von Era auskeilen und im Westen durch die unteren Schichten des Esinokalkes und durch ein gering mächtiges System dunkeler und, wenn man von einigen Bänken von Trochitenkalk absieht, nahezu fossilleerer Kalke vertreten werden“, also Verhältnisse, die ganz denen des Salvatore und des Sasso Rancio, mit denen wir uns oben beschäftigt, entsprechen. Auch die Ablagerungen dieser Stufe im Süden des Sees ent- sprechen im grossen und ganzen denen unserer beiden Gebiete, abgesehen etwa von dem Vorkommen an dem Westhange des Poncione d’Arzo bei Besano, wo wir Analoga zu den Schiefern von Perledo?° finden. Weiter im Westen, wenn wir von Induno ' 1896 PriLippr, Schichtenfolge im Grignagebirge. ®2 1886. Bassanı, schisti di Besano. Die Schichten von Perledo rechnet Bassant zum Buchensteiner Horizont. Zu dem Aufschluss von Besano gibt er folgendes Profil: Rettili, Crustacei 5,50 m Piante, Pesci | | | | | Er hält die Schichten für gleichalterig mit denen von St. Cassian und zwar die untersten aufgeschlossenen Schichten für die Basis dieses Horizontes, infolge der Aehnlichkeit einiger Zweischaler mit Daonella Lommeli und einer Posido- nomya, und für ein Aequivalent der fischführenden Raibler Schichten. Bassanı 21] Das DoLoMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 21 aus die Valgana- (südliche Magarobbia-)schlucht durchqueren, finden wir die betreffenden Ablagerungen der unteren Dolomitzone noch etwas mehr in ihrer Mächtigkeit reduziert und als unteilbare Dolomitmasse entwickelt, von der nur die untersten Lagen Schichtung erkennen lassen. In diesen finden sich, wenn man westlich von der Strasse etwas aufsteigt, reichlich schlecht erhaltene, un- bestimmbare Ammoniten. So sehen wir, wie diese Htage, indem sie sich auch in ihrem Vertikal-Ausmasse reduziert, nach Westen durch Zunahme der Dolomitisierung immer einförmiger wird, wobei natürlich auch der Fossilreichtum abnimmt, bis wir es zuletzt mit einer unteilbaren, fast ungeschichteten, fossilleeren Dolomitmasse zu tun haben, die nur noch ihrer statigraphischen Lage nach als Aequivalent des Muschelkalkes und der darüber liegenden ladinischen Stufe erkannt werden kann. Ich füge die Fossilliste, die MArIANI vom Salvatoredolomit gibt, hier bei, da die Arbeit MarıAanıs! nicht überall vorliegen dürfte. Die eingeklammerten Arten sind solche, die MARIANI nicht in den von ihm durchforschten Sammlungen vorgelegen haben, sondern sich nur in der älteren Literatur erwähnt finden. Diplopora porosa, SCHAFH. Waldheimia subangusta, MSTR.sp. e— herculea, STOPP.) — angustaeformis, BC. Thecosmilia esinensis, STOPP. (Terguemia difformis, GLDF. sp.) (Enerinus liliformis, Lam.) ? Lima conocardium, STOPP. Coenothyris vulgaris, SCHL. Sp. — Lavizzari, STAB. (Spiriferina fragılis, SCHL. sp.) Hinnites comptus, GLDF. (= spon- Waldheimia angusta, SCHL. Sp. dyloides SCHL.) gibt folgende Schemata, je nachdem man die Cassianer- und Raibler Schichten als gleichalterig oder verschiedenen Niveaus angehörig ansieht: a) b) Str. di St. Cassiano | Strati di Raibl | o di Raibl | — Besano — | Besano Strati di St. Cassian Strati di Wengen Strati di Wengen Das Schema b) dürfte also nach unserer Auffassung das richtigere sein. 11901. Marıantı, M. Salvatore. 22 von BISTRAM: [22 Pecten Alberti, GLDF. — stenodictyus, SALOMON. — _ diseites, SCHL. ( — laevigatus, SCHL.) ? — subalternans, D’ORB. — Meriani, STAB. Aviculopecten. luganensis, HAU. Avicula caudata, STOPP. Posidonomya obliqua, Hau. Halobia Lommeli, WISSM. sp. (Gervillia salvata, BRUNNER Sp.) ? Mytilus esinensis, STOPP. Myoconcha Brunneri, Hau. — Mülleri, GIEB. sp. Macrodon esinense, STOPP. (Myophoria Goldfussü, v. ALB.) — elegans, DKR. Fedaiella monstrum, STOPP Sp. Marmolatella complanata, — Trachynerita Stabilei, Hau. sp. Lepetopsis petricola, KITTL. Sp. Loxonema tenuis, MSTR. Sp. Trypanostylus obliquus, STOPP. sp. — exilis — Omphaloptycha Escheri, HÖRN, Sp. == — var. Mai- roni, STOPP. Sp. Ooelostylina Emmrichi, BÖHM. Undularia concava, STOPP. Sp. Orthoceras politum, v. KLıpst. Veratites Pemphix (Mer.),v. M0Js. — luganensis, MER. Dinarites Misanü, v. MoJs. ? Celtites Fumagallü, STAB. Sp. Gomodon cingulatum , STOPP. Sp. — esinense, — (? Lucina Schmidtü, GEIN sp.) Worthenia sigaretoides, KITTL. Worthenia (@uirini, STOPP Sp. Ausserdem von St. Giorgio: Myophoria vulgaris, SCHL. SP. Undularia scalata, SCHL. Sp. Wir haben hier zahlreiche Formen des Muschelkalkes und noch zahlreichere von Esino, ferner einige, die nur aus der Marmo- lata, aber nicht von Esino bekannt sind. MarIANı erwähnt, dass Fossilien des unteren Muschelkalkes (Zone des Dadocrinus gracilis) nicht gefunden seien, aber wohl sicher nicht fehlen, sondern durch die unteren fossilleeren Bänke des Salvatore gebildet seien. In- zwischen hat TORNquIsT in denselben Dadocrinusglieder nachgewiesen. Wie schon früher erwähnt, habe ich Enerinus kliiformis ebenfalls nachweisen können. Ich gebe weiter unten eine Abbildung eines von mir gefundenen Bruchstückes von Ceratites luganensis, MER., da die zwei im Mailänder Museum befindlichen Bruchstücke (davon eines das Original MERIANs) jüngeren Windungen angehören und besonders in ihrem Querschnitte etwas abweichen. In Bezug auf Marranıs Fossilliste möchte ich noch erwähnen, dass BRUNNERS Original von Gervillia salvata, welches von LAVIZZARI in dem zuckerkörnigen Dolomite des Salvatore gefunden sein soll, später nicht wieder aufzufinden gewesen ist. Ich finde bei BRUNNER 23] Das DOLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 23 die Bemerkung, dass dasselbe von BALSAMO ÜRIVELLI auch bei Nobiallo in dem Dolomit, der direkt den roten Sandstein über- lagert, gefunden sein soll. Es muss also entweder @. salvata eine sehr langlebige Form, die vom Muschelkalk bis zum Hauptdolo- mit fortgelebt hat, gewesen sein, oder BRUNNERS @. salvata und die Hauptdolomitform, welche nur nach HAuvzrs! Abbildung, die nach der des Ceratites luganensis zu urteilen, nicht ganz geraten sein mag, identifiziert wurde, sind verschiedene Arten. Ceratites luganensis, MERIAN. 1854. Ammonites luganensis, MERAN, Verhandl. der naturf. Ges. Basel S. 88. 1855. Ammonites luganensis, Fr. v. HAuER, Fossilien d. Salvatore S. 408, TabsiE, (Hie,h,72. 1860. Ammonites scaphitiformis, (HAauvEr), Stoppaxı, dolomia del S. Salvatore. 1880. Ammonites luganensis (scaphitiformis), SPREAFICO, TARAMELLI, Can- ton Tieino S. 176 177. 1882. (eratites luganensis, MERIAN, v. Mossısovics, Cephalopoden d. mediter- ranen Triasprovinz. 1901. Ceratites luganensis, MarIanı, Dolomia del Salvatore. Der Vergleich des mir vorliegenden Exem- plares mit dem Originale MErIANs und einem zweiten Exemplare, das ebenfalls vom Sal- vatore stammt, beide im Mailänder Museum, hat mich zu der Ueberzeugung gebracht, dass mein Exemplar wohl anstandslos mit obiger Form zu vereinigen sei. Zwar erscheinen die Mailänder Exemplare hochmündiger und haben verhältnismässig flachere Windungen, doch stimmt sonst der Charakter der Berippung gut und dürfte der erwähnte Unterschied nur auf das verschiedene Alter der Windungen zurückzu- führen sein. Auch passt HAuErs Beschreibung, die MoJ- sısovics wiederholt, recht gut, während die Ab- bildung HAvErs nicht ganz gelungen ist. Es liegen somit jetzt 5 Exemplare dieses Ammo- niten vor, 2 vom Besano und 3 vom Salvatore. Unsere Form steht jedenfalls dem Ceratites trinodosus, MoJs. sehr nahe, sowohl dem Querschnitt als dem Charakter der Berippung 11855. v. Hauer, Fossilien d. M. S. Salvatore. 924 von BISTRAM: [24 nach. Es erscheint mir sogar recht wahrscheinlich, dass beide Arten sich werden vereinigen lassen, doch fehlt es mir an genügen- dem Vergleichsmaterial, um die Frage zu entscheiden. Untersuchte Stücke: 3 vom Monte Salvatore. Raibler Schichten. Das einzige sicher bekannte Vorkommen im Gebiete der Karte war bisher das zwischen Menaggio und dem Sasso Rancio am Comer-See. Wir finden hier im Süden vom Sasso Rancio, etwa bei der Kirche Madonna della Pace beginnend, im namenlosen Tobel, der von Plesio herabkommt, graue, gelbver- witternde Plattenkalke als Hangendes der Esinodolomite des Sasso Rancio. Dieselben sind in dem erwähnten Tobel gut aufge- schlossen. Diese Plattenkalke werden überlagert von den bunt- gefärbten Schichten, die die grossen Gipslinsen enthalten, die bei Nobiallo abgebaut werden. Es sind rote, gelbe und graue Kalk- steine, Sandsteine und Tuffe und gelbe Rauchwacken. Ueberlagert werden diese Schichten von dem Hauptdolomit, der an der Strasse von Menaggio nach Nobiallo aufragt und den Ort Loveno trägt. Ausser den Plattenkalken im Tobel und der Gipslinse, die abgebaut wird, ist von diesem Horizonte wenig zu sehen, da die weichen Gesteine, die ihn bilden, erodiert und von Schutt und Moränen bedeckt sind, die Kulturland tragen. Das Vorkommen wird im Nordosten durch den Sasso Rancio, im Südwesten durch den hangenden Hauptdolomit begrenzt und im Nordwesten gegen Hauptdolomit von einer Verwerfung abgeschnitten. Einige Baugruben bei Ligomena haben mächtige gelbe Rauchwacken nahe an der Grenze mit dem hangenden Hauptdolomit zu Tage gefördert. Eine weitere Fortsetzung des Zuges der Raibler Schichten nach Westen, wie die Karte Blatt XXIV angibt, konnte nicht nach- gewiesen werden; vielmehr sind es Plattenkalke des Hauptdolomites, die hier als Raibler Schichten kartiert sind. Hingegen findet man in der Val l’Osteria auffällige schwarze und weiter hinauf rote Mergel, die wohl mit einer gewissen Berechtigung als Raibler Schichten gedeutet werden können, da die rote Farbe für Rhät ungewöhnlich wäre und ich auch keine Fossilien in den schwarzen Mergeln habe finden können. Dieser Aufschluss ist offenbar sowohl den Autoren des Blattes XXIV als Rerossı entgangen, da sie hier nur Muschelkalk einzeichneten. 25] Das DOLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 25 Sicher konnte ich erst wieder das Vorkommen von Raibler Schichten im Nordwesten des Kartengebietes an der schweizer- italienischen Grenze beim Paso Paiuolo (Pairolo der Karte) nach- weisen. Der Pass hat seinen Namen von einer grossen Doline (paiuolo = Kessel), die gerade von der Landesgrenze, die dem Kamme nach verläuft, durchschnitten wird. Anstehend ist hier nichts zu sehen, sondern Rasen bedeckt die Einsattelung und den Hang nach Norden zu der Val del Matterone, im auffälligen Kontraste zu den Dolomitfelsen des Kammes und des Abhanges nach der Val Solda. Lässt schon dieser auffallende grosse Trichter auf aus- gelaugten Gips schliessen, so konnten im Nordwesten auf Schweizer Gebiet in den Einschnitten, die von den Zuflüssen des Matterone in die Vegetationsdecke gerissen sind, Rauchwacken, ganz denen von Ligomena gleichend, nachgewiesen werden. Ferner stelle ich aus tektonischen Gründen einen kleinen Schichtenkomplex ganz im Nordwesten des Blattes im Tobel der Val del Castello am Südwest-Hange der Denti della Vecchia hierher. Es finden sich hier, einen Dolomit, in welchem. ich keine Fossilien finden konnte, überlagernd, gelbgraue, dolomitische Sandsteine, die von roten und grünen Tonschiefern überlagert werden. Es ist eine kleine Scholle, die von zwei strahlenförmig zusammenlaufenden Ver- werfungen (der Hauptverwerfung und einer Sekundärspalte) begrenzt wird. Die Gesamtmächtigkeit der Raibler Schichten bei Nobiallo kann auf etwa 600 Meter angenommen werden. Werfen wir noch zum Vergleich einen Blick auf die Raibler Vorkommen in der Nähe des kartierten Gebietes. Von dem Eingehen auf die von DEECKE! bearbeiteten und beschriebenen Raibler Schichten im Osten des Comer Sees können wir dabei füglich absehen. Weahrscheinlicherweise gehört zu dem Raibler Niveau das kleine Gipsvorkommen bei Limonta südlich von Bellagio, dieses wäre dann das älteste aufgeschlossene Sediment auf der Halbinsel der Brianza; Raibler Schichten finden wir dann wieder in ziemlicher Ausdehnung und normaler Lagerung auf der Halbinsel von Arzo zwischen den beiden Südarmen des Luganer Sees. Hier sehen wir sie, die Dolomite des Monte 9. Giorgio überlagernd und den Hauptdolomit des Poncione d’Arzo unter- teufend, sich deutlich abheben als ein flacheres, ganz von Vege- 111885. DEkcke£, Raibler Schichten. 96 von BISTRAM: [26 tation bedecktes, der Schichtneigung gemäss nach Norden ansteigen- des Band, das die Halbinsel umzieht. Die unteren, ihrer härteren Gesteinsbeschaffenheit wegen weniger erodierten und daher öfters zu Tage tretenden Schichten dieses Horizontes sind ziemlich mächtige, dunkele, dünngeschichtete Plattenkalke, während die Schichten dar- über, die Gips führen, fast überall von Vegetation bedeckt sind, und der Gips nur an einigen Stellen, wo er gebrochen wird, aufge- schlossen ist. Als zweifelhaftes Vorkommen von Raibler Schichten möchte ich noch an das bereits erwähnte Gipsvorkommen bei Arogno erinnern. Weiter im Westen scheinen die Raibler Schichten zwischen den beiden Dolomithorizonten auszukeilen oder wenigstens bis auf ein Minimum von wenigen Metern sich zu reduzieren, wie wir es in der Valganaschlucht nordwestlich von Induno beobachten können. Hauptdolomit. Wie ein Blick auf die beiliegende Karte zeigt, wird der grösste Teil des Gebietes vom Hauptdolomit eingenommen. Es sind meist helle, beinahe weisse und hellgraue, doch auch gelbliche und dunkeler graue, gelb verwitternde klotzige Dolomite, sehr grob geschichtet, so dass oft in der Nähe keine Schichtung zu be- merken ist, während, wenn man die Massive aus der Ferne betrachtet, zuweilen eine grobe regelmässige Schichtung deutlich hervortritt. Der Dolomit ist subkrystallin, zuckerkörnig, doch auch zuweilen mehr sandig, mehlig, zerfällt gerne in spiesseckigen Grus, zeigt vielfach Zerklüftung, die man leicht für Schichtung nehmen kann, und an vielen Stellen Rutsch- und Zertrümmerungszonen. In diesen Rutschzonen, die geringere Konsistenz aufweisen, zirkuliert dann gerne das meteorische Wasser, und man findet da eine Zerra rossa-Bildung, die oft die Dolomite äusserlich rot färbt. Unter Einfluss der Vegetation bildet sich durch die Verwitterung auf horizontalen Flächen des Dolomites ein bräunlichroter, magerer Lehm. An Fossilien sind die Dolomite äusserst arm, nur selten findet man die Worthenia solitaria, BENECKE! und eine Schnecke, die der ' 1860—65. Turbo Songavatü, Srtoppanı, Dolomie a Megalodon p. 255 tav. LIX Fig. 7. 1864. Trochus contabulatus, Costa, monti Picentini p. 232 tav. V Fig. 4. 1866. Turbo solitarius, BENECKE, Trias u. Jura i. d. Südalpen, S. 155 tab. II Fig. 4—5. 1880. Guidonia Songavatiü, DE STEFANI, Rend. Ist. lomb. p. 496. 27] Das DOoLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 97 von Stoppanı abgebildeten Pleurotom. Inzini! gleicht und wohl mit derselben ident sein dürfte, ferner Megalalondurchschnitte und, nur an stark angewitterten Flächen erkennbar, die Gyroporella vesiculifera, GÜMB. Beim Anschleifen eines Stückes mit Gyroporellen fand sich im einem Exemplar ein Fossil, das eine noch unbekannte Alge zu sein scheint, doch gelang es mir nicht, obgleich ich mein gesamtes, ziemlich reichliches Material aus den Schichten daraufhin anschleifen liess, mehr davon zu finden. Sämtliche Fossilien sind sehr schlecht erhalten, wie es ja auch nicht anders in dem so ausserordentlich stark dolomitischen Gestein zu erwarten ist. Nach petrographischen Merkmalen den Hauptdolomit von den klotzigen Dolomiten der unteren Dolomitötage oder des oberen Rhät (Conchodondolomit) zu unterscheiden, ist mir, trotzdem ich in der langen Zeit, die ich hauptsächlich auf diesen Dolomiten herumgewandert, resp. an ihnen herumgeklettert bin, viel Auf- merksamkeit darauf verwandt habe, nicht gelungen, wie ja auch schon BENECKE erwähnt, dass Esinodolomit und Hauptdolomit im Handstücke zu unterscheiden ihm nicht möglich sei. Glaubt man dazwischen ein Merkmal gefunden zu haben, so muss man sich bald überzeugen, dass etwas weiter der Dolomit ein anderes Aus- sehen hat, und dann wieder, dass man ganz gleich aussehenden in anderen Etagen findet. Doch kann man im allgemeinen annehmen, dass in dem Dolomit der unteren Etage bei grösseren Komplexen sich immer dünner gebankte und besser geschichtete Horizonte finden werden, auch Partien von dunklerer Farbe darin vorkommen werden, während die klotzigen Teile des Conchodondolomites ver- hältnismässig weniger mächtig sind. Beim Betrachten der Karte muss es auffallen, ein wie grosses Gebiet der Hauptdolomit einnimmt, so dass demselben bei der meist 1393. Guidonia Songavatü, Bassanı, Foss. Dol. trias. Salerno p. 4. Tab. Fig. 1a, b. StopPAnI hatte ein kleines Exemplar unter ersterwähntem Namen abge- bildet und beschrieben, während BENnEcKE grössere Exemplare vorlagen. Später ist darauf hingewiesen, dass die Schnecke eher zu Pleurotomaria als zu Turbo zu stellen sei, dann wurde dieselbe zur Untergattung Worthenia gerechnet, endlich noch die Untergattung Songavatia für sie geschaffen, so dass man damit beiden Autoren gerecht wurde und sie Songavatia solitaria nannte. Mir liegen die Literaturnachweise dafür momentan nicht vor. 1 1860—65. Pleurotomaria? Inzini STOPPANI, Couches ä& Avicula contorta en Lombardie p. 256 tav. LIX Fig. 9—10. 28 von BIsSTRAM: [28 steilen Aufrichtung der Schichten eine sehr grosse Mächtigkeit zugeschrieben werden müsste, doch kann man schon in den auf der Karte eingetragenen Streich- und Fallrichtungen ein Zeichen sehen, dass hier komplizierte Lagerung die Schichten mächtiger erscheinen lässt. Und in der Tat, wenn man von irgend einer der im Ge- biete, oder nahe daran gelegenen Bergspitzen, das Felsenmeer über- sieht, gewinnt man den Eindruck, dass dasselbe aus Schuppen bestehen müsse; wir haben es aber hier wohl nicht mit eigentlichen Schuppen sondern gegeneinander verschobenen Schollen zu tun. Da eine Unterscheidung von Horizonten in der Dolomitmasse ganz ausgeschlossen ist und gerade da, wo der Hauptdolomit die grösste Breitenausdehnung auf der Karte hat, andere Horizonte sich nicht dazwischen finden, ist es kaum möglich, die Störungen nachzuweisen und auf der Karte einzutragen. Dass das gesamte als Ad tingierte (ebiet der Karte wirklich demselben angehört und nicht etwa auch der ältere Dolomit der unteren Etage vertreten ist, was man besonders bei Vergleich mit der Schweizer geologischen Karte, Blatt XXIV, anzunehmen geneigt wäre, lässt sich aus den an vielen Stellen gefundenen Gesteinstücken mit Gyroporella vesiculifera, dann aus dem Fehlen von Schichten des Raibler Horizontes in dem Ge- biete — Schichten, welche sich dagegen, wie erwähnt, im Norden des Zuges am Paso Paiuolo, an der grossen W.-O. streichenden Verwerfung und von dieser abgeschnitten, gefunden haben — be- weisen, ferner daraus, dass sich nirgends Spuren von Esinofossilien, besonders der doch recht verbreiteten Diplopora annulata gefunden haben. Hauptdolomit finden wir dann noch südlich von Menaggio, wo er als Sasso di San Martino uns in die Augen fällt, und in grosser Verbreitung auf der Halbinsel der Brianza, wo er u. a. von ©. SCHMIDT beschrieben wurde, und östlich vom Comer See im Grignagebiete, wie uns die Karten von BENECKE und PHiLıppi zeigen, sowie am Luganer See auf der Halbinsel von Arzo, die Raibler Schichten überlagernd und im Poncione d’Arzo sich bis über 1000 Meter Meereshöhe erhebend. An letztgenanntem Orte fehlen die höheren triadischen Schichten und wird der Hauptdolomit direkt transgredierend von den höheren Schichten des unteren Lias (Sinemurien) überlagert. Die Mächtigkeit der Ablagerungen des Hauptdolomites in dem kartierten Gebiete anzugeben, ist, der gestörten Lagerung wegen, 29] Das DoLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 29 einigermassen schwer, doch dürfte sich diese am ehesten nahe am Comer See, wo wir noch die Raibler Schichten unter demselben finden, berechnen lassen und hier ein Ausmass von etwa 1000 bis 1200 Metern erreichen. Plattenkalke des Hauptdolomites. Im östlichen Teile der Karte sieht man über dem Haupt- dolomit unter den Contortaschichten noch einen Horizont aus- geschieden, nämlich als oberen Teil des Hauptdolomites Platten- kalke. Es sind gut geschichtete, dünnplattige graue, bald dunklere, bald hellere, etwas sandige Kalke, mit glatten Absonderungsflächen, die meist auf dem Querbruche eine feine Bänderung zeigen, sobald er etwas angewittert ist. Sie überlagern den Hauptdolomit und unterteufen ganz konkordant die dunklen Oontortamergel. Fossilien habe ich in denselben, obgleich sie eine ziemlich weite Verbreitung haben und vielfach gut aufgeschlosssen sind, nicht gefunden, nicht einmal Bactryllien. Ich war im Zweifel, wohin diese Plattenkalke zu stellen seien, und hatte sie zuerst zum Rhät als untersten Horizont gestellt, mit dazu veranlasst durch Blatt XXIV der Schweizer Karte, wo sie zum Teil als solches kartiert sind; weitere Ueberlegung brachte mich aber dazu, sie in den Hauptdolomit einzureihen. Vor allem geschah es des- wegen, weil aus anderen Teilen der Alpen solche dem Hauptdolomit zugeteilte Plattenkalke beschrieben werden!, und ferner, weil wir sehen, dass der so gleichmässig entwickelte Horizont der braunen und schwarzen Contortamergel in der Regel direkt auf den klotzigen Bänken des Hauptdolomites aufliegt?. Ich fasse die Schichten da- her als lokale facielle Ausbildung des Hauptdolomites auf, in den sie auch, nach unten etwas dolomitisch werdend, übergehen. Wir müssen also annehmen, dass sich diese Ablagerungen in den Mulden zwischen höher aufragenden Riffen des Hauptdolomites abgelagert haben, so dass sie natürlich ausserhalb des Bereiches dieser Mulden, wo durch die höher aufragenden Riffe des Dolomites für sie kein Platz war, auskeilen müssen. Sie werden von der Bahn ob Menaggio, bis dieselbe vor dem Lago del Piano das Schwemmland erreicht, durchschnitten. ! Vgl. 1861. GünseL, Bayerisches Alpengebirge I S. 279ff. ?® Die Stellung dieser Plattenkalke zum Horizont des Hauptdolomites ist ganz sicher festgestellt durch Rerossı, der in denselben im Westen von Menaggio Hauptdolomitfossilien nachweisen konnte. Vgl. 1902. Repossı, Val d’Iutelvi etc. 30 von BISTRAM: [30 Diese Plattenkalke lassen sich in durchaus konkordanter, gleich- mässiger Lagerung als Liegendes des Contortamergel bis zum Haupt- dolomit verfolgen. Ihrer petrographischen Aehnlichkeit wegen haben sie wohl mit die Veranlassung gegeben, dass Raibler Schichten ın diesem Gebiete der Karte eingezeichnet worden sind. Westlich von Porlezza keilen sie ziemlich aus und finden sich in der Val Solda nicht mehr, oder doch nur in ganz geringer Ausdehnung, so dass eine Ausscheidung derselben, besonders mangels guter Aufschlüsse, schwer durchführbar gewesen wäre. Vielfach überlagern hier die ÖOontortaschichten direkt den Dolomit. Im Südosten, nordwestlich vom Sasso San Martino, wo diese Plattenkalke schon etwas an ihrer Mächtigkeit eingebüsst haben, finden sich in denselben einige Lagen pechschwarzer, ausserordent- lich stark bituminöser Kalke, zum Teil mit unregelmässigen Höh- lungen, in denen sich weisser Calcit ausgeschieden hat. Diese Schichten mit den Fischschichten vor Seefeld in Tyrol zu pa- rallelisieren, liegt nahe. Rhät. Ueber dem Hauptdolomit finden wir im ganzen Gebiet der Karte die rhätischen Schichten. Im Osten ist nicht mehr viel von ihnen auf der Karte zu sehen, da sie grösstenteils südlicher, als die Kartengrenze reicht, anstehen und in der Senke von Porlezza von jungem Schwemmlande verdeckt werden. Sie ziehen sich dann weiter westlich durch die Val Solda. Bei der so steilen Aufrichtung und der durch den starken Druck der Gebirgsbildung hervorgerufenen gestörten Lagerung in der Val Solda ist dieses Gebiet trotz der vielen Aufschlüsse und der reichen Fossilführung der Schichten nicht geeignet, diese Formation hier zu studieren. Wir sehen im allgemeinen, dass schwarze, bituminöse, split- terige Kalkmergel, die infolge starken Eisengehaltes braun verwit- tern und vielfach braune eisenhaltige Kalkkonkretionen einschliessen, meist sehr reich an Fossilien, den Hauptdolomit direkt überlagern, gegliedert durch härtere Kalkbänke. Nach oben tritt das kalkige Element mehr in den Vordergrund und nimmt die Mächtigkeit der Mergelbänke ab, noch höher gewahrt man fast nur noch gut ge- schichtete Kalke, meist dunkelgrau, die dann noch höher dolomi- tisch werden und eine hellere Farbe zeigen. Der untere Teil dieser Dolomite ist noch geschichtet, und man findet darin vielfach schlecht erhaltene Lithodendren. Weiter nach oben haben wir klotzige, 31] Das DOoLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 31 ihrem petrographischen Habitus nach vom Hauptdolomit nicht zu unterscheidende reine Dolomite, in denen man stellenweise Durchschnitte schlecht erhaltener, grosser Megalodonten findet (Oonchodon-Dolomit Sroppanıs). In den obersten Schichten nimmt der Magnesiagehalt wieder ab und es tritt Schichtung ein, zwischen dolomitischen Bänken finden sich solche von ziemlich reinem Kalk und so voll- zieht sich ganz allmählich der Uebergang zum Lias. Im Gegensatz zum Hauptdolomit, bei dem wir ein Zerbrechen in einzelne Schollen, aber kaum eine wirkliche Faltung bemerken, sehen wir die Schollen des unteren Rhät vielfach stark gefaltet und verbogen. Die weichen Mergelschichten scheinen da, wo der Druck am stärksten gewesen ist, zu fehlen; sie sind wohl aus- gequetscht worden, so dass nur die härteren Zwischenbänke nach- geblieben sind; wo die Schichten, wie im Innern der Val Solda, Gewölbe bilden und die weichen Mergel durch die härteren Schichten, die sie überlagern, mehr geschützt wurden, sind sie typisch, wie man sie im Bene-Profil findet, erhalten, nur zeigen sie auch hier eine gewisse Druckschieferung; wo sie, steil aufgerichtet, dem vollen Drucke ausgesetzt waren, sind sie gewissermassen verdichtet, und wir finden sie da als eisenreiche dünnplattige mergelige Kalke, sehr reich an meist unbestimmbaren Fossilien, die eine unregelmässige Gestaltung der Schichtenoberflächen bewirken. Im Kessel der Val Solda sind die schwarzen Mergel durch das tief eingeschnittene Bett des Tobels Soldo vielfach gut auf- geschlossen. Es lassen sich als beste Aufschlüsse anführen: Pkt. 577 der italien. Karte, wo der Saumpfad von Castello nach Muzzano (Muzai der Karte) den Soldo auf einer Brücke über- schreitet, bei dem Pkt. 517, wo der Saumpfad von Puria nach Dasio auf hoher Brücke den kleinen Zufluss, der vom Hange des Sasso di Monte dem östlichen Soldo zufliesst, kreuzt, und etwas südlich von dem Fusspfade von Dasio nach Drano im Bette des östlichen Soldo. An letzterer Stelle beobachtet man zwischen den aufgerichteten Schichten das Ausstreichen eines schmalen Streifens des sie unterteufenden Hauptdolomites, wohl infolge einer Ver- werfung, und findet in den Mergeln Schichten, die so reich an Bitumen sind, dass sie als Brennmaterial zu verwerten und in einem kurzen Stollen auszubeuten versucht wurden. Diese untersten Schichten sind sehr reich an Fossilien, besonders kleinen Zwei- schalern, doch hält es recht schwer, bestimmbare Exemplare zu gewinnen, da das weiche Material infolge der Druckwirkungen 32 von BISTRAM: [3 >) splitterig zerspringt und sich meist nur Steinkerne gewinnen lassen, da die eigentlich gut erhaltenen Schalen abbröckeln. In den kalkigen zwischenliegenden Bänken und dem grauen überlagernden Kalke ist auch der Fossilreichtum sehr gross, doch hält es hier erst recht schwer, einigermassen gute Fossilien herauszuschlagen. So habe ich denn, obgleich ich viel Material hier gesammelt hatte, den Plan, dasselbe zu bearbeiten, fallen lassen, da das Material sich nicht dazu eignet und viel besser erhaltenes sich aus dem Benetobel gewinnen lässt. Als Grundlage zur Bestimmung der Fossilien liegt uns kaum etwas anderes als die Sroppanısche Arbeit! vor; diese entspricht nun natürlich nicht mehr unseren Ansprüchen, weder was die Ab- bildungen noch die Klassifikation der beschriebenen Fossilien anbe- trifft. Eine Bestimmung und Beschreibungen der Fossilien müsste mit einer vollständigen Neubearbeitung der Fauna verbunden werden, sollte sie überhaupt einigen Wert beanspruchen, und eine solche ist nur an der Hand sehr reichlichen Materials und unter Vergleich eines möglichst grossen Teiles der aus den Schichten vorhandenen Sammlungen auszuführen. Eine Bearbeitung der Gastropodenfauna aus den Oontortaschichten der Comasker Alpen stellt uns übrigens Repossı? in Aussicht. Die lombardischen Rhätschichten sind von verschiedenen Autoren in mehr oder weniger Horizonte gegliedert worden. Meist sind zwei Hauptabteilungen unterschieden worden, eine untere, das Aequivalent der Kössener Mergel und eine obere, die dem Dachstein- kalke GÜMBELs entspricht. SToPPAnI gliedert dann noch die untere Stufe in Oontortamergel und Schichten von Azzarola, indem er zu letzteren auch die Madreporenbänke (Lithodendronkalk) stellt. Ich unterscheide mit BösE° nur zwei Horizonte, 1. unteren Rhät als Contortaschichten und 2. oberen als Conchodondolomit. Hierbei will ich noch bemerken, dass in dem Gebiete der Karte die Lithodendronkalke grösstenteils dolomitisch ausgebildet sind und lithologisch ganz mit dem hangenden Oonchodondolomit zusammenhängen, so dass ich dieselben zu letzteren gezogen habe. Eine genaue Grenze innerhalb des Rhätes zu ziehen ist überhaupt, wie schon CorTI* bemerkt, fast unmöglich, da ein ganz allmählicher 1 1860—65. SToPPpanı, Öouches aA Avicula contorta. = 1902. "Loc. eit. ®? 1898. Böse, Alpine Trias. * 1893. CorTtı, Össervazioni stratigrafiche. 33] Das DOLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN, 33 Uebergang von der Mergelfacies durch die kalkige in die dolomi- tische stattfindet. Somit deckt sich also meine Gliederung nicht ganz mit der STOPPANIS und umfasst der von mir als Conchodondolomit kartierte Teil des Rhätes vielleicht noch den oberen Teil der Azzarola- schichten STOoPPpAanıs. Ich glaubte dieses um so eher tun zu können, da die facielle Ausbildung des Rhätes scheinbar in gewissen Grenzen etwas wechselt und gerade die Lithodendronkalke sich bald in höherem, bald in tieferem Niveau zu finden schemen. Wir werden . solches sehen, wenn wir auf das Vorkommen des Rhät im Südosten unseres Kartenblattes weiter unten näher eingehen. Auf der beiliegenden Karte finden wir noch die rhätischen Schichten im Süden der Senke von Porlezza verzeichnet. Sie liegen ausserhalb des von mir genauer untersuchten Gebietes, — und ich habe dieselben nur des Vergleiches wegen besucht und auf eine genaue Aufnahme des Profiles, die sehr zeitraubend gewesen wäre, verzichtet, besonders da wir in ESCHER VON DER LINTHs Aufzeich- nung! die schöne Beschreibung des Profiles besitzen und eine palä- ontologische Bearbeitung dieser Schichten ausserhalb der Grenzen, die ich mir gesteckt, lag. Hier an dem Bache, der zwischen Bene und Grona vom Galbiga herabfliessend sich ein treppenförmiges Bett, der ver- schiedenen Härte der Bänke entsprechend, gegraben hat, ist die ganze Folge der Schichten prachtvoll aufgeschlossen. Will man jedoch dieses Profil genauer besichtigen und die einzelnen Schichten verfolgen, so bedarf es dazu längerer Musse und anstrengender Kletterei, da jede einzelne Stufe nur auf starken Umwegen, durch dichtes Gebüsch, durch das man sich ohne Weg steil bergauf durcharbeiten muss, erreicht werden kann. Will man dagegen nur aus den Fossilien den Gesamtcharakter kennen lernen, so findet man im Bachbett zwischen den beiden Dörfern genügend fossilreiches Material, welches aus den verschiedenen Schichten stammt. ESCHER v.D. LintH gibt folgende Beschreibung dieses Profiles: 1. Feinkörniger Dolomit, m. St. 9—9'/a Str. und steilem SW-Fallen (als Liegendes). Er ist teils graulich und fest, teils schwärzlich und sandig. 2. Schwärzlicher Kalk mit muscheligem Bruch, wohl über 100° mächtig; er bildet das weit sich erstreckende Riff, auf dem die Kirche von Bene steht und welches, wie die etwa 40° WSW fallenden Schichten, Str. 9!/—9!/2 zeigt; am westlichen Ende von Bene finden sich im Kalkstein Bivalven, die der Gervillia inflata Schafh. ähnlich sehen. 11853. Geol. Bem. über d. nördl. Vorarlb. etc. S. 89. Berichte XIV. 3 34 3. > 10 Qu du: 18. 19. 20. von BISTRAM: [34 Der Boden zwischen diesem Kalkriff und dem Hauptabfall des Berges be- steht zum Teil aus schwarzen, fetten Mergeln, in denen eine Menge, an der Oberfläche intensiv rostfarbiger, Nieren schwarzen Kalksteines ein- geschlossen sind; sie sind westlich von Bene reich an kleinen, noch un- bestimmten Acephalen und Gasteropoden und gleichen den schwarzen Schiefern im Val Imagna und der Landschaft Taleggio (westl. Seitentäler des Val Brembana). Mehr grauliche Kalkschiefer, die ohne Zweifel ebenfalls hierher ge- hören, enthalten südlich vom Lago del Piano nebst Fischschuppen und Avicula speciosa Mer.? auch Bactryllium striolatum Heer. Bei Bene selbst sind diese Lagen durch Schutt bedeckt. . Schwärzlicher Kalkstein, etwa 50° mächtig, bildet die Seitenwände des untersten und zum Teil des zweituntersten Wasserfalles des Baches. . 8° schwarzer Schiefer. . 16° Kalkstein. . 5 schwarzer Schiefer mit Cardita cerenata Mü., Cardium Rhäticum Mer.? Avicula Escheri Mer.?, ? Turritella, ?Natica, kleinen gestreiften Ace- phalen (?Cardien), ähnlich solchen der Scesa plana und vieler andern Fund- orte d. St. Cassian-Formation. . Etwa 2’ Kalkstein. . Etwa 6—8’° schwarze, fette Mergel und grauliche, sehr reich an Kalk- {2} nieren mit rostfarbiger Oberfläche, ähnlich den unter 3 beschriebenen, mit einer Bivalve, die Gevillia inflata Schafh. zu sein scheint. . 6° grauliches, dolomitartiges Gestein, zerfallend wie Rauchwacke. (No. 7—10 befinden sich neben dem Becken des dritten Wasserfalles.) . Wechsel von Kalk und Schiefer, in deren oberen Lagen etwa 100° ob No. 9, Avicula Escheri Mer. vorkommt, mit Reptilrestchen. . Mächtige Bänke massigen Kalksteins. . Schwarze Mergel mit Avicula Escheri Mer. etwa 100° ob dem Fussweg, der durchs Tobel geht. . Wohl 80—100° mächtiger, dunkelgrauer, massiger Kalkstein, spröde und leicht brechend, sehr reich an Korallen, in den oberen Schichten auch voll Schalen grosser Bivalven, welche man gern für Megalodus scutatus anspräche, wenn nicht in noch höherem Niveau abermals Cardita erenata Mü. und Gervillia inflata Schafh. folgten. . Vegetation, wohl Schiefer und Mergel verdeckend. 16. Bank von grauem, massigem Kalk mit karriger Oberfläche, wohl Ko- rallen. (No. 14—16 bilden einen zu beiden Seiten des Tobels sich auszeichnen- den Grat.) Schwarzgrauer Kalk- und Mergelschiefer, letzterer etwas sandig und nicht so fett, wie ein Teil der Mergel 9., sie enthalten Cardita crenata, Mü. und eine Trigonia; an der linken Seite des Baches ähnliches Gestein mit Plicatula obliqua d’Orb. und Avicula Escheri Mer., eine grosse, Pholado- mya ähnliche Bivalve, die auch im Val Imagna vorkommt. Kalkschichten mit einer Lage glatter Terebrateln. Wechsel von Mergel- und Kalkschichten mit Gerv. inflata. Kalk, etwa 50° mächtig. 35] Das DOoLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN, 35 21. Unreiner, dunkelgrauer Kalk; die Oberfläche der Schichten ist häufig voll unregelmässiger Figuren, welche meist aus mehr schieferiger Substanz be- bestehen und nicht nur die Vertiefungen der Oberfläche ausfüllen, sondern auch Erhabenheiten bilden. 22. Dunkelgraue Mergel, reich an kleinen Bivalven, ähnlich den bei 7. an- geführten. 23. Höher folgt dann die schroffer aufsteigende Kalkwand, deren Schichten bis hoch hinauf dem Lias entsprechen. Eine graphische Darstellung der Schichtenfolge bei Grona gibt Rerpossı! und unterscheidet folgende Horizonte: Hangendes: unterer Lias, h) Dolomia a Conchodon. g) Caleari compatti e schistosi. f) Banchi madreporici. e) Calcari compatti a Ter. gregaria. d) Calcari a schisti a Leda. c) Marne. b) Calcari compatti. a) Marne. Liegendes: Hauptdolomit. Er gibt für das Profil als Massstab 1:25000 an, was jedoch ein Druckfehler sein dürfte, da nach seiner Karte in dem Bene- tobel, wo er das Profil aufgenommen hat, die Grenze des Rhät mit dem Lias etwa in 750 m Meereshöhe sich befindet, somit bei einer Höhe des Talbodens von Porlezza von 440 m an dieser Stelle, etwa 300 m für das Profil blieben, während es in dem ange- gebenen Massstabe 900 m messen würde. Ich vermute, dass es heissen soll: im Masstab von 1:10000. Dann hätten wir (nach dem Verhältnis der vertikalen Profilhöhe = 300 m) für die Schichten a) 80, b) 60, c) 70, d) 40, e) 85, f) 30, g) 130, h) 95 m ungefähr, also in Summa eine Mächtigkeit von ca. 500 m, was mit meinen Beobachtungen übereinstimmen dürfte. Vergleichen wir das Profil mit dem von ESCHER, so scheint es, als ob die Schichten b) von Rerossıs Profil den untersten Rhät- schichten 2. EscHErs entsprechen, der offenbar die unteren Mergel- lagen, die von Vegetation bedeckt waren, nicht hat sehen können; c) entspricht 3. und f) offenbar 14. Es tällt auf, dass, auch wenn wir a) abrechnen, immer noch eine Mächtigkeit von ca. 430 m in Repossıs Profil nachbleibt, während ESCHER die Mächtigkeit auf 600 bis 800 Fuss angibt, also ca. 200 bis 260 m. Sogar falls -1902. Tooe. cit. p. 26. 36 von BISTRAM: [36 wir annehmen, dass EscHEr den Conchodondolomit h) zum Lias ge- rechnet habe, bleibt immer noch etwa 330 m Mächtigkeit bei Repossı gegen ca. 250 m bei EscHEr, was uns jedoch nicht weiter überraschen kann, da EscHER nur ganz unzureichendes Karten- material zu Gebote stand!. Die Profile genau in Parallele zu stellen ist natürlich nur bei genauer Besichtigung an Ort und Stelle möglich. Es ist zu bedauern, dass es RErossı nicht getan hat. Rerossı giebt ferner eine Fossilliste aus den unteren Rhät- schichten, die ich, der Uebersicht halber in einer Tabelle zusammen- gestellt, hier reproduziere. Die mit * bezeichneten sind von ihm zum ersten Male in dem Gebiete gefunden worden. Die + geben an, welcher Zone die betr. Arten angehören (unt. — schwarze Mergel, ob. — Sch. von Azzarola SropPAnıs), die Buchstaben in der letzten Kolonne den Fundort: S = Sala, B= Bonzanico, L — Lenno (alle am Comer See), G = Grona, Be = Bene, V = Val Solda, (M = Muzai in der Val Solda). Zone Art Fundstelle untere obere Bactryllium striolatum, HEER. + G. Be..M. Lepiconus Bassi, STOPP. + 4 BAG Thecosmilia elatrata, EmM. sp. E +.,,18.L.Be. V&ıB. <= Rabdophyllia longobar dica, Sropr.) *Stylina Capellini, STOPP. 2 En + 18%, *Thamnastraea Meriani, STOPP. + E— B.G Cidaris, sp. + I B. G # Pentacrinus, sp. + | 8.0: Terebratula gregaria, 'Surss. + --. #5 /B.AGs#BBHME *Rhynchonella cornigera, SCHAFH. sp. + G. Dimyodon intusstriatum, EMM. sp. + + |B. G. Be. V. *Plicatula Archiaci, Stopp. + 4 G. *Pecten Mortilleti, STOPP. + | (6 Pecten, cf. Falgeri, ulsea 00 Sue #1 BB: #*Pecten (Pseudoamussium) Hehlüi, D "’ORB. a a G. * Lima (Plagiostoma) punctata, Sow. i Sa) B. *Radula (Pseudoamussium) praecursor, Aust. sp. r G- * Anomia Schafhäutli, Wink. unche pch nr G. Pinna, sp. + + | G. Gervilleia inflata, ScHarn. sp. + Sr G. Gervilleia, sp. j == + | Be. Avicula contorta, Port. + +. |B..G. Be. V. *Mytilus psilonoti, QusT. + + | G. Mytilus glabratus, DKr. far + Be. ' Falls wir annehmen, dass Escher nicht die Mächtigkeit der Schichten, sondern nur die vertikale Höhe der Abstände ohne Rücksicht auf das Einfallen als Mass angegeben hat, stimmen beide Profile, was ihre Höhe anbetrifit, recht gut zusammen, 37] Das DoLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 37 Zone Art | Fundstelle untere | obere a = *Modiola gregaria, STOPP. Sp. ee 2 Anatina| praecursor,. OPP& nu 0 Sea“ | Inu Bu; ? Anatina Zannonti, STOPP... Nuceula Matani, STOPP. *Schizodus isosecles, STOPP. Sp. Schizodus Stenonsis, STOPP. Sp. Myophoria inflata, Em. 2 * Pholadomya (Homomya) lagenalis, Scharn. Leda percaudata, Güm». 2% ? Isocardia Azzarolae, STOPP. Cardita (Palaeocardita) austriuen, Hav. Ye Cardium rhaeticum, Mer. sp. (= (. . Philippia- | num, DER.) f : Cardium cloacinum, Qusr. *(erithium Hemes, D’ORB. *Oerithium Donati, STOPP. . Ausserdem einige, wahrscheinlich neue Arten, die zu den Gattungen Orthostoma, Loxonema, Pro- mathildia, Cerithium gehören, die REppossı in einer späteren Arbeit beschreiben will. St {ep} << 444 +HtH+++ +++ +++ ++ 3 | | | | | | Das Hangende der Contortaschichten bilden die Lithodendron- kalke und der Oonchodondolomit Stoppanıs. In der Val Solda sind bereits die Lithodendronkalke ganz dolomitisch entwickelt, zeigen aber noch eine deutlichere Schichtung als die darüber liegenden eigentlichen Conchodondolomite. Der Uebergang von der Mergelfacies des unteren Rhäts ist ein ganz allmählicher, so dass es nicht leicht ist, eine Grenze zu ziehen. Ich habe sie in der Val Solda dort zu ziehen versucht, wo die kalkige Ausbildung aufhört, mit ihr auch die nach oben immer mehr zurücktretenden Mergelzwischenlage- rungen. Der eigentliche Conchodondolomit ist klotzig und fast ungeschichtet, ich kann ihn petrographisch von dem Hauptdolomit nicht unterscheiden. Stellenweise ist er reich an Megalodonten (Conchodon STOPPANIS), doch sind dieselben nur als Steinkerne und schlecht erhalten, aus dem klotzigen Gesteine auch kaum herauszuschlagen.. Es gelang mir nicht, auch nur ein vollständiges Exemplar zu gewinnen. Steigt man von Castello den Weg zur Alpe Bolgia und dem Paso Biscagno hinauf, so sieht man auf dem Wege, der auf den Schichtköpfen hinführt, erst schlechte Lithoden- drondurchschnitte, dann höher die Durchschnitte der Megalodonten. Nach TARAMELLI! sollte man glauben, hier Exemplare des Megalodon ‘nur so auflesen zu können, findet sich aber in seinen Erwartungen 11880. Canton Ticino. 38 VON BISTRAM: [38 durchaus getäuscht. In früheren Zeiten mag eben der Aufschluss ausgiebiger gewesen sein. Nach oben tritt dann in den Dolomiten, wohl mit abnehmendem Magnesiengehalt, wieder Schichtung ein, erst sehr grob, dann werden die Bänke dünner, wir sehen eine Wechsel- lagerung von mehr dolomitischen und mehr kalkigen Schichten, die dann von den blaugrauen, kieseligen Kalkbänken des Lias über- lagert werden. Im Südosten des Blattes sehen wir den Rhätdolomit die Con- tortaschichten überlagern und etwas westlich vom Ostende des Sees unter das Niveau desselben verschwinden. Hier scheinen die Sedi- mente des Rhät höher hinauf mehr kalkıg entwickelt zu sein, westlich von Bene, halbwegs nach Porlezza zu fand ich viel besser erhaltene Lithodendren in ziemlich reinem Kalke (entsprechend sign. f. des Profils von Repossıi); da die Grenze zwischen unterem und oberem Rhät zum Teil nach lithologischen (also faciellen) Merk- malen gezogen wurde, so dürfte sie an beiden genannten Punkten sich wohl nicht ganz decken. Verfolgen wir die Ausbildung des Rhät weiter im Osten (Alta Brianza, Osten des Üomer Sees), so sehen wir, dass der Conchodon- horizont und besonders der Lithodendronkalk keine ganz feste Lage innerhalb des Rhätes hat, vielmehr sich weiter im Osten zuweilen etwas tiefer befindet und noch von mergeligen Contortaschichten überlagert wird, so dass wir auf das Alter der Schichten kaum nach diesem Merkmal schliessen können, vielmehr annehmen müssen, dass je nach den örtlichen Bedingungen (Niveauschwankungen des Meeres) bald die Fauna der Mergelfacies, bald diejenige der Dolomitfacies sich angesiedelt hat (Rekurrenzerscheinungen GÜMBELSs); doch dürfen wir wohl für die Lombardei als Regel hinstellen, dass zu Beginn der Epoche des Rhät die Mergel- (Kössener) Facies geherrscht hat und erst in der zweiten Hälfte die Dolomitfacies eintritt, ihr aber vielfach wieder Ablagerungen der Kössener Facies folgen oder aber sie unterbrechen. Ob weiter im Westen von unserem Gebiet die Rhät- ablagerungen wirklich ganz in die Dolomitfacies übergehen und dabei, . was ja zu erwarten wäre, an Mächtigkeit sich sehr reduzieren, oder nicht vielmehr infolge Regression ganz oder fast ganz auskeilen, müssen genauere Aufnahmen, die für dieses Gebiet noch gänzlich fehlen, erweisen. ! Im Westen unseres Gebietes, also jenseits der Verwerfung von Lugano, scheint mir das Vorkommen rhätischer Schichten ziemlich unsicher zu sein, 39] Das DOoLoMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 39 Lias. Ueber dem Oonchodondolomit finden wir im Gebiete der Karte die gut geschichteten, dunklen Liaskalke. Ich ziehe die Grenze dort, wo sich in den Bänken die Kieselausscheidungen zu zeigen an- fangen. Nördlich unterhalb der Alpe Bolgia sahen wir die obersten Rhätschichten als ziemlich gut geschichtete Dolomite ausgebildet und nach oben zu durch Wechsellagerung von dolomitischen mit mehr rein kalkigen Bänken in die Liaskalke übergehen. An diesem Punkte scheint der Absatz von Dolomit mit dem Antritte der Liasperiode ganz aufgehört zu haben, während an anderen Punkten die untersten Liasablagerungen, gekennzeichnet durch die massen- hafte Ausscheidung von Kiesel-Linsen und Bändern, noch dolomitisch zu sein scheinen, so in der Val Mara. Nur die untersten Schichten der mächtigen Ablagerungen des unteren Lias sind fossilführend. Hier fand ich an dem Pfade, der aus deı Val Solda zur Alpe Bolgia hinaufführt, bald nachdem er den Bach der Valle Fontana überschritten hat, in den steil auf- gerichteten, dunkelgrauen Kalkbänken ausgewitterte, verkieselte Fossilien, von denen der grosse Pecten Thüollierei besonders in die Augen fällt, sowie ganz verkieselte Schwämme, die keine Struktur mehr zeigen. Bei Auflösen dieser Kalke in verdünnter Salzsäure und Ausschlämmen des grossen Tongehaltes aus den Aetz- rückständen fand sich eine reiche Fauna meist allerdings kleiner Individuen. Die Beschreibung dieser Fauna habe ich in einer besonderen Arbeit veröffentlicht!. Ammoniten scheinen ziemlich spärlich in diesen Schichten ver- treten zu sein, beim Aetzen gewann ich ein gut erhaltenes Aegoceras wenn auch die Karte Blatt XXIV solche verzeichnet. Jedenfalls bin ich der Meinung, dass auf der Halbinsel des Pocione d’Arzo der Lias transgredie- rend auf Hauptdolomit auflagert. Betreffs der Verhältnisse westlich vom Luganer See aber müssen wir erst genauere geologische Erforschung ab- warten, ehe wir sichere Schlüsse ziehen können. Für die Halbinsel von Arzo nimmt schon Schamiprt (1890, Geol. Mitt. a. d. Umgegend von Lugano) an, dass bei Saltrio der Lias direkt auf Hauptdolomit transgredierend liegt, wie u. a. aus seinem Profil No. I zu ersehen ist, und ParonAa (1896, Ammoniti Liasiche) erwähnt dasselbe von Arzo sowohl, wie Saltrio. Bei Arzo lässt sich das Transgressionsphänomen an mit rotem Liaskalk erfüllten Taschen im Haupt- dolomit, ähnlich, wie es Bös# (1889, Alpine Trias S. 480) abbildet und be- schreibt, beobachten, während bei Saltrio die Schichten sich scheinbar kon- kordant überlagern. 1 1903. v. Bistram, Liasfauna der Val Solda. 40 von BiIsTRAm: [40 tenerum, NEUM. und noch einige ganz kleine Aegoceraten von wenigen Millimetern Durchmesser; etwas höher, von der beschriebenen Fossilstelle ohne Weg zur Höhe der Alpe Bolgia aufsteigend, hatte ich bereits früher einen recht gut erhaltenen verkieselten An- gulaten (Aegoceras Neumayri, n. nom.) gefunden, so dass ein Zweifel über das Alter der Schichten ausgeschlossen ist. Ein Nest grösserer Ammoniten fand ich auf dem Fusswege, der nach Ueberschreitung des zweiten Baches von dem Pkt. 961 zur Alpe Bolgia westlich auf- steigt. Dieselben waren schlecht erhalten, da nicht vollständig verkieselt, doch erwiesen sich beim Aetzen die inneren Windungen und zum Teil auch die untere Fläche gut verkieselt. Es sind typische Planorben. Die Kalke selbst sind dunkel-bläulich-grau, hart und splitterig, sehr gut geschichtet und enthalten im Vergleich zu den höheren Hori- zonten noch wenig Kieselsäure, nur die vorhandenen Fossilien sind teilweise verkieselt, leider meist nur die kleineren Exemplare voll- ständig. Doch hat immer der ganze Kalk durch die in demselben verteilten Spongienelemente einen gewissen Kieselgehalt. Nach oben nimmt dann der Kieselgehalt sehr stark zu, indem sich ziemlich breite Kieselbänder, bis zu einigen Centimetern stark, in den Kalken ausscheiden, während auch die dazwischen liegenden Kalkbänder einen sehr hohen Gehalt an Kiesel (Schwammelemente) und Ton enthalten, so dass sie sich nach dem Aetzen als eine leichte, poröse, zusammen- hängende Masse darstellen. Diese hornsteingebänderten, dünngebankten Kalke bauen das ganze Massiv des Monte Bolgia und des Monte Br& auf und bilden das Nordufer des Sees etwas östlich von Castagnola anfangend bis über Albogasio hinaus im Osten. Ausser diesem grösseren Vorkommen im Südwesten des Gebietes der Karte finden wir noch im Nordwesten bei der Alpe Castello ein kleines Liasgebiet eingezeichnet. Hier sind die Liasschichten, eingefaltet zwischen dem Rhätdolomit, als ein kleines Relikt erhalten, während sie rings umher der Abrasion zum Opfer gefallen sind. Diese Liaskalke entsprechen durchaus denen im Westen der Valle Fontana (unter Alpe Bolgia), sie haben dieselbe Gesteinsausbildung und enthalten die gleiche Mikrofauna, auch findet sich der Pecten Thiollierei öfters, doch habe ich keine Ammoniten gefunden, dagegen aber scheinen hier die Kieselschwämme besonders zahlreich vorzukommen. Auf unserer Karte finden wir dann nur noch an der südlichen Grenze des Blattes etwas Lias über den Rhätschichten am Nord- hange des Monte Galbiga. 41] Das DOLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 41 Auf der Kartenskizze, die den weiteren Verlauf der Luganer Hauptverwerfung darstellt, sehen wir Liaskalke das ganze Gebiet im Osten der Verwerfungslinie einnehmen, mit einziger Ausnahme von dem Conchodondolomit, der als Liegendes des Lias der mittleren Scholle im Nordosten von Rovio zu Tage ausstreicht. Auch Rerossı zeichnet hier im Süden des Seearmes überall richtig Lias ein, im Gegensatz zu Blatt XXIV, wo wir zum Teil die ganze Schichtenfolge der Trias eingezeichnet finden, nur hat er das obenerwähnte Oomchodondolomit-Vorkommen, das SPREAFICO richtig eingezeichnet hatte, übersehen. Wenn er aber meint, mit mir übereinzustimmen, indem er den Felsenvorsprung im Westen von. Melano auf dem das Kirchlein Beata Vergine del Castel- letto steht, als Muschelkalk einzeichnet, so hat er mich’! miss- verstanden. Ich hatte ein kleines, von ihm übersehenes Dolomit- vorkommen im Süden von Melano, welches den südlichen Porphyr- aufschluss im Norden von Capolago von den übrigen Porphyrmassen des Gebietes der Kartenskizze trennt, erwähnt. Die allerdings, wie es scheint, etwas dolomitischen Kalkbänke, auf denen das erwähnte Kirchlein steht, zeigen breite Hornsteinbänder, wie wir sie sonst nur an den Liaskalken des Gebietes finden, in typischer Ausbildung, ausserdem kann man im Tobelbett im Norden des Kirchleins vor- züglich beobachten, wie eine Verwerfung zwischen dem Porphyrit und den Kalkbänken verläuft. Wir haben hier die Verwerfung so schön aufgeschlossen, wie es nur denkbar ist, mit einer Hand kann man die Verwerfungslinie bedecken und einerseits den Kalk, ander- seits den Porphyr berühren. Es erübrigt noch, auf die Ausbildung der Liaskalke etwas näher einzugehen. Von der Fossilbeschreibung der Planorbis- schichten von Alpe Bolgia und Alpe Castello kann ich füglich absehen und auf meine diesbezügliche Publikation verweisen ?. Wie schon erwähnt, nehmen die Kalkbänke über diesen Schichten nach oben zu immer an Kieselgehalt zu, und es verschwindet damit jede Spur von organischen Ueberresten ausser den Schwammnadeln, die das Gestein erfüllen. Die Kieselsäure ist in ihnen umgesetzt, subkristallin geworden, die Kanäle haben sich erweitert. In den scheinbar noch kalkigen Lagen sehen wir diese Schwammnadeln noch ziemlich in ihrer Form erhalten, nur infolge ihrer massen- 11901. v. Bıstram, Briefliche Mitteilungen Centralblatt. ° 1903. v. Bıstraum, Liasfauna der Val Solda. 42 von BisTRan: [42 haften Ansammlung einander berührend und miteinander durch Kieselsäure verkitte. In den mehr Quarz enthaltenden Lagen können wir die einzelnen Nadeln, wenn auch verdickt und mit sehr erweiterten Kanälen, noch deutlich erkennen, während in den scheinbar ganz kieseligen, einen splitterigen Hornstein bildenden, oft, während das ganze Gestein kieselig ist, die ursprünglichen Nadeln als kalkerfüllte Räume erhalten sind, so dass man sie nach dem Aetzen als Hohlräume (Negative) erkennen kann. In höheren Lagen wird dann der Kalkgehalt wieder grösser, ebenso der T'ongehalt, und hier können wir wieder Fossilführung erwarten. So finden wir über Osteno am Südufer des Seearmes bei den Alpe Loggio (Gemarkung Ponna) dunkle Kalke, in denen von dem Pfarrer von Ponna Ammoniten gefunden sind, die PAronA! aufzählt, es sind: Arietites bisulcatus, BRUG. Arietites stellaris, Sow. Arietites ceratoides, QUST. ? Psiloceras tortilis, D’ORB. ? Lytoceras secernendum, DE STEF?. Ich erhielt durch Vermittlung des damaligen Arztes in San Mamette, Dr. FErRARI, von demselben Pfarrer einige Stücke von dem Fundpunkte; es waren unbestimmbare Bruchstücke von Arieten- abdrücken und ein gut erhaltener Ammonit, der als Arietites ceratoides, (QQUENST. bestimmt werden konnte. Schon früher waren Fossilien desselben Alters von anderen Punkten des Generoso- gebietes — unter diesem Namen fasse ich das Gebiet zwischen dem Luganer und Üomer See im Süden des von mir kartierten zusammen — so vor allem von der Kuppe des Monte Generoso bekannt und beschrieben. Repossı? zählt folgende auf: Pentacrinus tuberculatus, MiLL. Spiriferina expansa, STOPP. sp. 1 1894. .Parona, Lias Lombardo. * Repossı (loc. cit.) erwähnt, dass Parona, 1896, Ammoniti liasiche I, von A. Loggio folgende Formen aufführt: Arietites ceratoides, QUENST. Arietites kridioides, HYATT. Arietites Arnouldi, Dum.? Arietites bisulcatus, Brue. Ich habe in keiner der vier Lieferungen der erwähnten Publikation diese Liste finden können. 2" Boc. eit, 43] Das DoLoMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 43 Spiriferina Walcotti, Sow. sp. KRhynchonella variabilis, SCHL. sp. Östrea, SP: Lima Stabilei, PAR. Lima, sp. Pecten textorius, SCHL. Sp. Pecten Hehlüi, D’ORB. Oxytoma inaequivalve, Sow. var. minima, REpossı. Cardium multicostatum, PHILL. Pleurotomaria, sp. Arietites, sp. Diese Fossilien stammen meist von der Kuppe des Monte Generoso, Parona! erwähnt von hier auch noch Spiriferina alpina, Ope. Von Moltrasio und anderen Punkten im Gebiete des Lecco- sees (Brianza) beschreibt PAronA” schwarze Kalke mit Schwamm- nadeln, die eine Fauna des oberen Hettangien (Angulatenhorizont) enthalten, während er die Fauna von Arzo und Saltrio in ein höheres Niveau setzt im Gegensatz zu Böse? und Fraas. Die Fauna des Generoso repräsentiert wohl die Bucklandi- schichten, während die von Alpe Loggio, wie REpossı°® bemerkt, den Uebergang von diesen Schichten zu dem Horizonte von Saltrio und Arzo darstellt. Nachdem ich nun in der Val Solda die Planorbisschichten nachgewiesen habe, die, soweit ich es habe fesstellen können, bisher in den südlichen Voralpen nicht bekannt waren‘, können wir jetzt nach PARroNA’ folgende Schichtenfolge in der Lombardei durch Fossilfunde nachweisen. Viggiu — Toarcien Arzo — Charmouthien Saltrio — Charmouthien und Sindmurien Ponna — Sinemurien Kuppe des Generoso — Sinemurien Carate und Moltrasio — oberes Hettangien und unteres Sinemurien Alpe Bolgia und Alpe Castello — unteres Hettangien. ' 1889. Parona, Lias inf. nelle Prealpi Lomb. ® 1898. Paroxa, Ammoniti liasiche III. ® 1894. Böse, Rhynchonellina Gemellaro. * 1892. Fraas, Scenerie der Alpen. 8. ]o&geit. % Vgl. 1889. Parona, Lias inferiore. ” 1896—98. Loc. eit. 44 von BISTRAM: [44 In Bruchstücken viel verbreitet und vielfach in den Wegmauern finden sich am Monte Br&, an seinem Südwest-Hange Kalke mit verkieselten Schalendurchschnitten sowie Trochitenkalke. Trotz vielen Suchens habe ich das Anstehende nicht finden können, ich ver- mute, dass die Bänke oben am Steilabsturze anstehen. Die Trochitenkalke gleichen, bis auf ihre Farbe, ganz denen von Arzo und SALTRIO, während die Kalke mit Muscheldurchschnitten sich bei Aetzen als ganz angefüllt mit Spiriferina rostrata, SCHLH., erwiesen. Also findet sich jedenfalls auf dem Monte Br& ebenfalls Sinemurien. Ich habe von verschiedenen Punkten Stücke von Liaskalk, nachdem sie gewogen waren, mit Salzsäure vom Kalke befreit und den Rückstand gewogen. Ich gebe die Resultate in folgendem. Natürlich wird der Kieselgehalt ein sehr wechselnder auch in verschiedenen Bänken desselben Horizontes sein, so dass meine Angaben nur ungefähre Werte darstellen: a) Kalk aus dem Ammonitenhorizont unter A. Bolgia Kieselsaures. 73 u me u ee ER STEHE (zum Teil keinerlei organische Formen zeigend, zum Teil ursprüngliche Kieselgebilde als Schwammelemente, wenig Ostracodenschalen, Seeigelstachel und Foraminiferen, zum Teil ver- kieselte Kalkgebilde: 4 kleine Planorben, 1 Auster, 1 kl. Spondylus, wenig Gastropoden- Mikrofauna) Ton (verkieselt, hellgrau, nicht backend) . . 58,65 or Kalk (in Lösung gegangen) . » . ....... 293,10 gr Summa 405,00 gr Somit Kalkgehalt: 72 °/o. b) Bänderkalk von A. Bolla Kieselsäure 1.0... 33,4 er (inkl. geringen Tongehalt) Kalk,(n"Bosung ‚pegarnpen) Em an 21,6 gr Summa 55,00 Somit Kalkgehalt: 39,3 °/o. c) Kalk von Portofranco (am Seeufer gegenüber San Mamette, im Westen von Osteno) 2 Kieselsäure (mit geringer Tonbeimischung) 116,00 gr Kalk (in.Lösung gegangen) -. . .». . . . „26.0088 Summa 179,00 gr Somit Kalkgehalt: 35 °/o. d) Kalk vom Monte Bre& Kieselsäure (mit geringem Tongehalt) . . . 58,00 er Kalkısa.- 26 EIERN OUT: Summa 105,00 gr Somit ein Kalkgehalt von ca. 45 °)o. 45] Das DOLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 45 e) Spiriferenbank vom Monte Bre& Kieselsunre ge un 03 aut en en J2IEON Er oe 2 Em na 7 Dr Per 9,00 gr king ANNIE Gesamtgewicht 450,00 gr Somit Kalkgehalt ca. 49 °/o. f) Trochitenkalk vom Monte Bre& IR HESE | BEREITEN... d BON BARRER TED? RER 3 FRE SUR AEL ER SH NORG, BorulslR SR SIRITICA RATTE IFIHME 1,5 gr Kalk, (in-Lösung,gegangen)/. rn... «nlsne ua 173,08 Gesamtgewicht 111,5 gr Somit Kalkgehalt: 65,5°/o. Die Kalke von A. Castello verhielten sich ganz wie die von A. Bolgia und gaben denselben Tonrückstand. Der Ton hat dieselbe Farbe und ist ebenso verkieselt.e. Aehnliche Kalke fand ich am Südhange oberhalb des Lago del Piano in der Val Porlezza. Die Fossilien waren schlecht verkieselt (1 Spondy- lus, Bruchstücke von Peeten und Rhynchonella, wenig Schwammelemente), der verkieselte Ton etwas dunkler (bituminös), es fanden sich verhältnismässig viel Pyritkriställchen darin. Die Kalke b), ec) und d) bilden, nachdem der Kalk entfernt ist, eine zu- sammenhängende Masse von verkitteten Schwammelementen und enthalten offenbar sehr wenig Ton; die der Spiriferenbank (e) hinterlassen eine ver- kittete Breceie von verkieselten Spiriferenschalen; die Kalke von A. Bolgia und A. Castello dagegen lösen sich auf und hinterlassen im Rückstande die verkieselten Faunenelemente, die sich auslesen lassen (ausser den in meiner früheren Arbeit beschriebenen: Schwammelemente, Ostracodenschalen, Foramini- feren, Seeigelstachel) und blätterige Kieselausscheidungen, die sich offenbar auf feinen Spalten, die das Gesteine durchsetzen, gebildet haben. Auch der Trochitenkalk e) vom Monte Bre& weist einen hohen Kieselgehalt auf, wie die Aetzprobe zeigt, während Ton wenig vorhanden ist. Die Orinoidenstielglieder f) sind kaum verkieselt; der Kieselsäurestand zeigt wenig organische Formen, doch fanden sich Bruchstücke von Zweischaler- (kleine Austern und Pecten oder Lima) und Brachiopodenschalen (Rhynchonellen) darin. Es ist die Meinung ausgesprochen worden, die Liaskalke der Comasker Alpen seien eine Tiefseebildung. Veranlasst wurde diese Ansicht durch den hohen Kieselgehalt, der an die Radiolarien- hornsteine erinnert. Nun scheint aber der Kieselgehalt unserer Schichten hauptsächlich den Schwammgerüsten zu entstammen, so dass obige Meinung nicht zutreffen dürfte. Auch der grosse Ton- gehalt spricht für Küstennähe, Für den Beginn des Absatzes dieser Sedimente müssen wir jedenfalls ein verhältnismässig flaches Meer in Küstennähe annehmen, — letzteres wird ausserdem durch die nahe Transgression des Sinemurien i. W. von unserem Gebiete bewiesen — in dem Schwämme gut gedeihen konnten; denn dass 46 von BISTRAM: [46 dieselben etwa nicht an Ort und Stelle gelebt hätten, sondern angeschwemmt worden wären, ist wohl bei der gleichmässigen Ver- breitung der Schwammelemente und dem Vorhandensein von ganzen verkieselten Schwammkörpern in grosser Menge ziemlich aus- geschlossen. Ist die Ansicht richtig, dass es sich um ein mässig tiefes Liasmeer hier handelte, etwa von einigen hundert Metern, so muss während des Absatzes der Schichten, damit dieselben eine so grosse Mächtigkeit erreichen konnten, eine allmähliche Senkung des Gebietes stattgefunden haben. Wir haben uns vielleicht dieselben oscillatorisch vorzustellen, so dass zwischen Zeiten der Senkung Perioden der Ruhe sich eingestellt haben, in denen der Betrag der Senkung durch Anhäufung neuer Sedimente ausgeglichen wurde. Die Spiriferen des unteren Sinemurien am Monte Bre, die Zwei- schaler und Brachiopodenfauna des Monte Generoso sprechen für nicht sehr tiefe See, ebenso die Mächtigkeit der Sedimente. Mit der Transgression des Meeres nach Westen, die im oberen Sinömurien stattgefunden haben dürfte, wird sich auch das Meer in unserem Gebiete vertieft und der Strand weiter entfernt, zugleich die Sedimentation abgenommen haben. Erst Ende der Liasepoche, vielleicht im 7oarcien dürfte unser Gebiet in die Region der Tiefsee gekommen sein; die Sedimentbildung hat stark abgenommen — nur wenig mächtige Schichten repräsentieren den ganzen Dogger und Malm —, um erst mit Beginn der Kreidezeit wieder etwas zuzunehmen, Die bunten Mergel und Konglomerate zu Anfang der Kreidezeit sprechen wieder für eine flache See und Küstennähe. Orographie, Ein orographisch gut abgegrenztes Gebiet erstreckt sich zwischen dem Langensee und dem von Como, im Norden begrenzt durch den Unterlauf des Ticino bis Giubiasco, das Tal seines linken Nebenflusses Oro und das des Liro, der bei Gravedono in den Comer See mündet. Nach Süden findet das Gebiet seinen natür- lichen Abschluss an der Po-Ebene. Die nördliche orographische Grenze entspricht auch der geologischen, da sie ungefähr mit der der alt-paläozoischen kristallinen Schiefer mit den archäischen (esteinen zusammenfällt. Einen Namen für dieses Gebiet findet man auf keiner Karte; die Italiener haben in neuerer Zeit das (Gebiet als Alpe comasche bezeichnet, und scheint es mir, dass es sich empfiehlt, in Analogie der Bergamasker und Brescianer 47] Das DOLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 47 Alpen diesen Namen zu acceptieren, ich nenne daher dieses Gebiet die Comasker Voralpen!, In den Comasker Voralpen lässt sich wiederum, neben mehreren anderen, ein kleines gut charakterisiertes Gebiet aus- scheiden, welches den nordöstlichen Teil derselben bildet. Es wird im W. von dem Flusse Agno, im $. von dem Nordost-Arme des Sees und der Senke von Porlezza, im O. vom Comer See be- grenzt, ich bezeichne es als die Luganer Alpen?. Dieses Gebiet wird gebildet von zwei parallelen Bergketten, die sich in ost- westlicher Richtung erstrecken und in ihrem westlichen Teil nach 8. im Bogen abbiegen. Die nördliche Kette, die, entsprechend ihrem Aufbau aus den weichen vorpermischen Schiefern, gerundetere Bergformen zeigt, nenne ich nach ihrer höchsten und ziemlich in der Mitte der Kammlinie gelegenen Erhebung die Menonekette. Auf ihr erheben sich folgende Kuppen: Monte Bigorio 1181 m, Caval Drossa 1610 m und Monte Bar 1810 m, Garcirola 2116 m und Camogh& 2226 m, Pizo di Gino (Menone) 2246 m, Monte Sebol 2082 m, Marnotto 2095 m, Bregagno 2107 m. Die südliche Kette, das in dieser Arbeit beschriebene Gebiet, stellt sich der Hauptsache nach als ein von Westen nach Osten ver- laufender G@ebirgskamm dar, der dem nördlichen Arm des Luganer Sees und seiner Fortsetzung, der Senke von Porlezza, parallel läuft. In seinem westlichen Ende biegt dieser Kamm nach Süden um und nimmt eine fast nord-südliche Richtung an, so dass die Kette in ihrem Verlaufe vollkommen im kleinen ein Bild des ganzen Alpenzuges darstellt mit einem bogenförmigen westlichen und geraden, östlichen Teile. Dieser grösstenteils aus Dolomiten bestehende Bergzug legt sich südlich an die Menonekette an, von ihr durch eine mehr oder minder ausgeprägte Einsenkung getrennt, und bildet ! Dieses Gebiet deckt sich ungefähr mit demjenigen, das v. LENDENFELD als Luganer Alpen (vgl. v. LENDENFELD, Die Hochgebirge der Erde) zu be- zeichnen vorschlägt, nur nach Norden ist LENDENFELDs Begrenzung etwas enger. Ich meine jedoch, lieber die italienische, also lokale Bezeichnung acceptieren zu sollen, besonders, da sie ganz der der benachbarten Gebieten entspricht und der grösste Teil des Gebietes, soweit es italienisch ist, zur Provinz Como gehört. ® Die Bezeichnung Luganer Alpen für dieses Gebiet ist in der Oesterr. Alpenzeitung 1902 von HoEK und ScHUsTER angewandt worden. Es könnte allerdings die Frage sein, ob es zweckmässiger sei, die Bezeichnung in der von mir oben gegebenen Umgrenzung zu wählen, oder noch die westlich davon ge- legene Tamarogruppe bis zur Tresa im Süden dazu zu rechnen. 48 von BisTRAm: [48 das nördlichste Gebiet kalkiger Sedimente in der Gegend der drei Seen. Während er im Osten bis etwas nördlich von Porlezza sich als ein einfacher Kamm hinzieht, stellen sich von Porlezza westlich einige kurze dem Hauptzuge parallele Kämme ein, an der inneren Seite des Bogens, etwa da, wo derselbe beginnt, also südlich, während von dem westlichen Ende desselben sich ein Ausläufer nach Osten erstreckt und mit den eben erwähnten Kämmen einen Hochkessel einschliesst, die Val Solda. In naher Distanz, im Durchschnitt etwa drei Kilometer von dem Nordrande der Senke des Sees verlaufend, erscheinen die Gipfel des Kammes trotz ihrer ja nicht so sehr grossen Höhe über dem Meere immerhin als ziemlich bedeutende Erhebungen mit einer Höhendifferenz zum nahen See von 1200 bis 1500 Metern. Der Kamm wird bezeichnet durch die ihn krönenden folgenden Erhebungen, von Westen (resp. Südwesten) nach Osten aufgezählt: Monte Br& 930 m, Colma regia des Bolgia-Massives (Monte Boglia der Schweizer) 1520 m, die Dolomitzacken der Denti della Vecechia mit ihrer höchsten Erhebung dem Sasso Grande 1493 m, die Sassi del Palazzo (Canni d’Organo der Schweizer) 1477 m, die Cime del Noresso 1708 m, 1725 m, 1729 m, die Fojorina-Gruppe mit Erhebungen von 1724 m, 1812 m, 1810 m, (Monte Torrione— Arabione der Schweizer) 1716 m, 1617 m, Monte del Mezzodi 1350 m und 1250 m, Sassi della Porta 1314 m, Monte Pidaggia (Piantaggio der älteren Karten) 1506 m, Cima la Grona 1732 m, Motto di Breglia (Sasso Rancio) 864 m. Die kurzen Kämme im Inneren des Bogens, also im Nordosten und Osten des Kessels der Val Solda, werden bezeichnet: a) durch die Cime di Nogo (1479 m) und Monte Prad& (1613 m), b) Monti degli Astrologhi (Cime di Brenzone der neuen Karten), 1395 m, 1370 m, 1352 m, 1222 m, 1122 m, c) den Monte Brenzone 1434 m, 1426 m, d) Pizzoni 1303 m und 1289 m, während im Westen von der Colma Regia des Bolgia der Zug des Monte Nave (Monte Bolgia 1134 m der italienischen Karte) sich nach Osten bis Castello herabzieht. So zerfällt denn das Gebiet in zwei Teile, den westlichen, das Val Solda-Gebiet, zu dem der Kessel, durch den die ver- schiedenen Arme des Soldo fliessen, und die ihn umgebenden und begrenzenden Höhen — im Südwesten, Westen und Norden das Bolgia-Massiv und die anschliessende Hauptkette, im Osten und 49] Das DOoLoMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 49 Südosten die kurzen Ketten der Monti degli Astrologhi, des Brenzone und der Pizzoni — gehören, und den östlichen Teil, der von dem betreffenden Teile der Hauptkette und ihrem zur Senke von Porlezza abfallenden Vorlande gebildet wird. Auch in dem Flusssystem ist die Verschiedenheit beider Teile aus- geprägt. Der die Val Solda umgebende Bergkranz bildet die Wasserscheide für den Kessel, durch welchen der Soldo nur die Wasser der ihn begrenzenden Berghänge abführt; die Wasser des äusseren Hanges dagegen mit denen der dahinterliegenden Menone- kette fliessen dem Luganer See durch den Cassaratefluss und zum kleineren Teil durch den Rezzo im Osten zu. Somit werden die Grenzen des Val Solda-Gebietes gegeben von Westen über Norden nach Osten: durch den Unterlauf des Oassarate, seinen linken Zufluss, den Dino, und die Senke, durch die die oberen linken Zuflüsse des Cassarate nach Norden in die Val Colla abfliessen, bis zum Passe der Bochetta di St. Bernardo. Von hier zieht sich nach Norden zum Monte Garcirola die Wasser- scheide zwischen dem Uassarate und den Zuflüssen der Senke von Porlezza hinauf, zugleich von hier ab die politische Grenze zwischen dem Tessin und der Lombardei bildend, und es bezeichnet nun die Valle del Cane mit dem rechten Arm des Rezzo und dann dieser die Grenze des Gebietes, während es im Süden durch den See begrenzt wird. Die östliche Hälfte des Dolomitgebietes dagegen stellt sich als eine einfache, dem Menonekamme vorgelagerte Kette dar, die von den Gewässern des Südabhanges dieses Kammes mehrfach durch- brochen wird. Dieser Teil des Gebietes ist beiden Seen tributär, indem er die Abflüsse des Tales von Buggiolo durch den Rezzo, die der Val Cavargna durch den Öuccio dem Luganer See zusendet, während jenseits der Wasserscheide, die sich vom Monte Marnotto nach Südsüdwest über die Cima del Rozzo zum Monte Pidaggia zieht, die Sanagra, welche den Riegel, der die Senke von Porlezza gegen den ÖÜomer See abschliesst, durchbricht, sowie die Aquaseria bei San Abbondio die Wasser dem Comer See zuführen. So scharf wie der westliche lässt sich dieser Teil nach Norden nicht begrenzen, da die Senke, die die Dolomitkette von dem nördlich dahinterliegenden Menonekamme trennt, von den Abflüssen desselben gequert und tief durchfurcht wird, dieser Kamm selbst am Comer See nach Süden abbiegend durch das Costone di Bregagno mit dem Gronamassive zusammenhängt und nur von diesem Kamme Berichte XIV. 4 50 voN BISTRAM: [50 ab die Aquaseria wieder eine schärfere Grenze bildet. Während sich über den östlichen Teil nicht viel mehr sagen lässt als dass das Vorland der Dolomitkette in gleichmässiger Steigung sich ziemlich hoch zu dieser hinaufzieht, die Flüsse, die sich in steilen, teilweise canonartigen Schluchten in die Kette und das Vorland eingefressen haben, sich beim Ueberblick, etwa von südlich gelegenen Höhen aus, wenig markieren und die schroffen Felsen der Kette in ihrer vollen Höhe nur von diesen Talrissen aus gesehen hervortreten, möchte ich noch etwas auf den westlichen Teil zurückkommen. Wie ich schon erwähnte, bildet die Val Solda einen ringsum abgeschlossenen Kessel. Wild zerrissene, in steiler Böschung aus dem Kessel ansteigende Kämme bilden die Umgrenzung. Seine Pforte hat der Kessel ziemlich in der Mitte seines südlichen Randes, doch auch diese, die Einsenkung zwischen dem Ausläufer des Monte Nave und den Pizzoni, hat eine hohe Schwelle von etwa 100 Metern, in die sich der Tobel des Soldo in schmaler, viel- fach unzugänglicher Schlucht bis zum Seespiegel eingefressen hat. Der Kessel würde ein ziemlich regelmässiges Amphitheater bilden, das sich nach drei Seiten im Kreisbogen zu den ihm umgrenzenden Bergen in ziemlich steilem Ansteigen erhebt, an der Südseite aber mehr geradlinig begrenzt ist, wenn nicht die sich verzweigenden Arme des Soldo tiefe, scharf eingeschnittene Talrinnen mit steilen, in ihrem unteren Teile oft fast senkrechten Wänden in den Boden des Kessels eingesägt hätten, so dass er durch dieselben in eine Anzahl von Segmenten geteilt wird. Nur an verhältnismässig wenigen Stellen und teilweise auf hochgewölbten, wenn auch nicht weit gespannten Brückenbogen führen Pfade über die Tobelarme. Mit starkem Falle, über hohe Stufen Wasserfälle und Kaskaden bildend, fliessen die Wasser zu Tale, dem einzigen Auswege, dem Durch- bruch bei San Mamette, zu. Zur Val Solda gehört auch der Südabhang der sie nach Süden abschliessenden Kette von Oria bis Cima, und war bis Anfang der neunziger Jahre vorigen Jahrhunderts dieser Teil des Strandes durch den Steilabfall der Felsen des Monte Bolgia und der Pizzoni vollständig von den umliegenden Landstrichen geschieden, da nur kaum gangbare Ziegenpfade in der Höhe von einigen hundert Metern über dem Seespiegel einerseits nach Gandria im Tessin, anderseits nach Porlezza führten. Jetzt ist das Gebiet durch die Kunststrasse von Cima nach Porlezza nach dieser Seite geöffnet, während bis dahin nur der See den Zugang 51] Das DOLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 51 bildete und auch jetzt noch die Hauptverkehrstrasse dahin geblieben ist. Sonst führen nur einige Hochpässe auf beschwerlichen und zum Teil sogar kaum angedeuteten Wegen in den Kessel, der Haupt- pass im Westen, Paso di Pian Biscagno (Pian da Scagno der Schweizer Karte) 1177 m, die Bochetta Brumea 1256 m, der Paso Strettone 1402 m, der Paso Paiuolo (Pairolo der Karte) 1408 m, der Paso Stretto 1109 m und die Forcola 1197 m. So ist die Val Solda noch jetzt, und war es noch viel mehr in früheren Zeiten, ein kleines, abgeschlossenes Ganze für sich, um piccolo mondo, wie es der Dichter FoGAzzARroO, der selbst aus dem Gebiet gebürtig ist, in einem Romane nennt. Den eigentlichen Zugang, wie den Ausgang der Gewässer, des Kessels, bildet San Mamette; es ist, wie schon oben erwähnt wurde, die Pforte zur Val Solda; führen wir diesen Vergleich weiter aus, und kommen von der Tür auf das Haus, so sehen wir in dem Strande mit den Orten Oria, Albogassio, San Mamette Öressogno und Cima die Facade, an der als Strasse der See vorbeitührt, während die Pässe, auf denen die, eine hohe Um- grenzungsmauer des Grundstückes bildenden, Bergkämme über- schritten werden können, nur enge beschwerliche Notausgänge darstellen. Den gegebenen Ausgangspunkt für Besuche in dem Gebiete wird, wenigstens für deutsche Geologen, Lugano bilden, schon als Aus- mündung der Gotthardbahn, der Hauptverkehrsstrasse von Norden her. Von hier aus lassen sich das Gebiet, mit dem wir uns hier beschäftigen, sowie auch die anderen geologisch interessanten Ge- biete, die bekannten Steinbrüche von Arzo, Saltrio, Clivio und Viggiu, die Valgana bei Induno, die carbonischen Konglome- rate von Manno, die Aufschlüsse im Porphyrit und Porphyr am See, das Generosomassiv, der Salvatore, durch die Bahn- und Dampferverbindungen bequem besuchen; der Salvatore und be- sonders der G@eneroso gewähren von ihren Gipfeln aus einen guten Ueberblick über die ganze Umgebung. Auch das Gebiet des Comer Sees ist leicht zu erreichen. Für den Monte Br& und den Westhang der Kette wird Lugano das Standquartier bilden, die Nordwest-Ecke des Gebietes erreicht man am bequemsten von Cadro aus oder, wenn man bereits dort Nachtquartier nehmen will, da die Postverbindungen ungeschickt liegen, von Sonvico (mit einfachem, aber nettem Gast- haus, Alb. della Posta). Für den Kessel der Val Solda ist San 4* 59 von BISTRAM: [52 Mamette (Stella d’Italia) als Ausgangspunkt angezeigt, für die oberen Teile desselben ausserdem sehr geeignet gelegen ein seit einem Jahre eröffnetes nettes Gasthaus im obersten Dorfe Dasio, in reizender Lage. Für den Besuch des östlichen Teiles des Gebietes sind Porlezza (Albergo della Posta) und Menaggio (Corona) die geeigneten Ausgangspunkte und auch Bene bietet für solche, die etwa die Oontortaschichten hier genauer studieren wollen, in seinem (sasthause gute Unterkunft!. Tektonik. Ein Blick auf die angeschlossene Karte (Tab. I) zeigt, dass im Westen und Norden die mesozoischen Schichten an langen Verwerfungslinien abgesunken sind. Der grösste Teil der Karte wird von dem nördlichen Ende einer Scholle eingenommen, die, verglichen mit den sie umlagernden Teilen der Erdkruste, ein- gesunken ist und zwar am tiefsten im Nordwesten, wo die beiden Hauptverwerfungslinien im Winkel zusammenstossen. Zwei Hauptrichtungen von Dislokationslinien lassen sich ver- folgen, eine, die von Ostsüdost nach Westnordwest streicht, und eine etwa senkrecht auf die erstere gerichtete. Es sind dieselben Richtungen, die auch in den weiter östlich gelegenen Teilen des lombardischen Seengebietes die vorherrschenden sind. Sehen wir von den Störungen innerhalb der Scholle ab, so stellt sich diese dar als eine Tafel, deren Schichten bei Südsüdost- Einfallen Westnordwest streichen, sich also nach Norden erheben, so dass wir von Süden nach Norden auf immer ältere Schichten stossen. Doch ist die vollständige Schichtenfolge nur im Osten erhalten, während weiter im Westen die ältesten triadischen Schichten durch ' Ich möchte dabei nicht unterlassen, die Fachgenossen, die etwa gelegent- lich das Gebiet besuchen, darauf aufmerksam zu machen, dass in diesem Ge- biete, wie überhaupt im lombardischen Seengebirge, die hauptsächlichsten Ver- kehrswege, die Saumpfade, gepflastert sind, daher, besonders bergab, mit Nagel- schuhen (die aber in den höheren, felsigen Regionen sehr angenehm sind) kaum oder doch nur mit grosser Vorsicht zu begehen sind, weswegen sich die Mit- nahme von Kletter- (oder Lawntennis-) Schuhen empfiehlt. Die überall in der Gegend erhältlichen Leinwandschuhe mit dieken Sohlen aus zusammengenähtem Stoff sind dafür ausgezeichnet geeignet, und vertragen dieselben auch längere Touren auf den felsigen Fusspfaden, nur steile Grashänge darf man mit ihnen ausserhalb der eingetretenen Wege nicht betreten. 53] Das DOLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 53 die Verwerfung abgeschnitten sind. Soweit »solche zu Tage aus- streichen, haben wir im Bereiche der Karte folgende Schichten: unteren Lias (Sindmurien und Hettangien), Rhätdolomit, rhä- tische Kalke und Mergel (Kössener Schichten = Contorta- schichten), Hauptdolomit und Plattenkalke desselben, Raibler Horinzont mit Gipslinsen, unteren Dolomit (den Muschelkalk und Esinohorizont umfassend), Buntsandstein und Verrucano. Dar- unter folgt, jedoch nur im Westen, Porphyr und Porphyrit. Das Liegende dieser Formationen bilden die vorpermischen kri- stallinen Schiefer. In der Folge bezeichne ich die Horizonte einfach als Lias, Conchodondolomit, ÜOontortaschichten, Plattenkalk des Hauptdolomites, Hauptdolomit, Raibler Schichten, Muschelkalk, Verrucano, Phyllit. Im östlichen Teile liegen die Verhältnisse ziemlich einfach. Das Profil @ zeigt uns die vollständige Schichtenfolge vom Platten- kalke bis zum Phyllit in regelmässiger Ueberlagerung. Contorta- schichten, Oonchodondolomit und Lias streichen bereits weiter süd- lich aus und erscheinen hier nicht mehr. Die erst mässig nach Südwesten einfallenden Schichten richten sich gegen Norden immer steiler auf, so dass die Dolomite des Sasso Rancio, die die Esino- schichten und mindestens einen (den oberen) Teil des Muschel- kalkes umfassen, ziemlich saiger einfallen. Diese Dolomite sind durch eine Verwerfung, die in den Stollen des Eisenbergwerkes la Miniera gut beobachtet werden konnten, von dem folgenden, nur eine schmale nach Westen auskeilende Zone bildenden Ver- rucano getrennt, auf denselben folgen als Liegendes die Phyllite. An der, wohl inzwischen fertiggestellten, Kunststrasse, die von Menaggio nach S. Abbondio führt, lässt sich die Schichtenfolge in schönen Aufschlüssen gut und bequem verfolgen. An einer Südsüdwest—Nordnordost streichenden Verwerfung setzen die Raibler Schichten und die des Muschelkalkes ab, während der Hauptdolomitzug sich, wenn auch wohl durch einen Sprung, der sich zwischen Velzo und Barna als nicht bedeutende Ver- werfung beobachten lässt, zerteilt, nach Westen mit den ihn über- lagernden Schichten fortsetzt. Als orographische Fortsetzung des Muschelkalkes und der Raibler Schichten sehen wir nach Westen infolge der Verwerfung Hauptdolomit die Gipfel und den steilen Südhang der Cima la @rona bilden, ferner treten hier, wohl infolge einer Ostnordost 54 von BisTram: [54 streichenden Verwerfung, der Hauptdolomit und etwas westlicher auch ein Teil der Plattenkalke verdoppelt auf, wie das folgende Profil F es darstellt. Auch hier sind die Schichten im nördlichen Teile steil aufgerichtet; Rhät und Lias erreichen noch nicht den Bereich des Blattes. In dem folgenden Teile der Karte verdecken die Moränenablagerungen ziemlich hoch hinauf das Anstehende, wohl Plattenkalk und Hauptdolomit, im Süden treten die hangenden Schichten des Rhät und Lias in den Bereich der Karte, mit süd- südwestlichem Einfallen von ca. 45°. Im Norden besteht der Monte Pidaggia aus steil aufgerichteten Dolomiten, in Streichen und Fallen vollständig mit denen der Grona übereinstimmend, an die sich als Hangendes, auf einer Linie, die etwas nördlich von Carlazzo und Gottro verläuft, die Plattenkalke anlehnen, so dass der Pidaggia wohl fraglos dem Hauptdolomit zuzurechnen ist. Für die Grona wurde diese meine auf Grund der Lagerung ge- fasste Meinung durch Fossilfunde von Repossı bestätigt. Repossı ! zeichnet im Nordosten des Pidaggia in der Valle Misino (auf unserer Karte ohne Namen, es ist der Bachriss, der von der Alpe Logone nach Südwesten sich hinziehend einen rechten Zufluss der Sanagra bildet) Raibler Schichten ein, und das Dreieck zwischen diesem Bache, der Sanagra und der Haupt- verwerfung als Muschelkalk, ohne im Text nähere Gründe dafür anzugeben. Die Valle Misino ist in ihrem Grunde vollkommen von Moräne gefüllt, so dass ich das Anstehende nirgends sehen konnte, zu beiden Seiten steigen steil die ganz gleichartigen, in Aussehen und Streichrichtung übereinstimmenden Dolomite auf, so dass meines Erachtens kein Grund vorliegt, hier einen Horizont- wechsel anzunehmen ?. Das nun folgende Profil E zeigt im Süden Lias und darunter Conchodondolomit, die Contortaschichten werden grösstenteils von den Schottern im alten Seeboden überdeckt; am Nordrande desselben treten die Plattenkalke und darunter Hauptdolomit auf. Auch hier sind Plattenkalk und Hauptdolomit verdoppelt, dann folgen in der Valle l’Österia zwischen M. Colma und Sassi della Porta schwarze und rote Mergel, die ich als Raibler gedeutet habe; letztere werden von Dolomit, den ich entsprechend für Muschelkalk ansehe, unterteuft. Die Dolomite der Sassi della Porta, also der -Tioe.zeit. ? Soweit ich aus RzPpossıs Arbeit ersehen konnte, scheint auch er in der V. Misino keine Raibler Schichten wirklich beobachtet zu haben. 55] Das DOoLONITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 55 dritten Scholle von Süden gerechnet, stossen im Osten wahrschein- lich an Verwerfungen ab, die Repossı an Aufschlüssen, die durch den Bau einer Wasserleitung für ein Elektrizitätswerk geschaffen wurden, beobachtet hat. Als ich das Gebiet begangen habe, existierten diese Aufschlüsse noch nicht. Sämtliche Schichten nörd- lich der Senke in dem Abschnitte zwischen dem Rezzo und Cuccio sind steil aufgerichtet, meist ganz saiger stehend. Da ich in der Vallel’Österia in den Mergeln keine Fossilien gefunden habe, kann es zweifelhaft sein, ob man es hier mit Rhät oder Raibler Schichten zu tun hat, da die schwarzen Mergel im mittleren Teile des Tales sehr den rhätischen gleichen; dagegen sprechen die ziemlich leuchtend roten weiter oben wohl mehr für Raibler Schichten, und lässt sich diese Annahme gut mit der Tektonik vereinigen. Oestlich, unterhalb des Rückens, der den M. Colma mit den Sassi della Porta verbindet, keilen die mergeligen Schichten an einer Verwerfung aus, die in westnordwestlicher Richtung weiter- streicht und an dem Wege, der von Porlezza nach Buggiolo führt, sehr deutlich in einer Reibungszone mit spiegelnden Harnischen und einer sehr auffälligen Reibungsbreccie des Dolomites zu beob- achten ist. Diese Verwerfung dürfte wohl am nördlichen Hange des Monte Mezzodi (Pkt. 1350 und 1250) in derselben Richtung weiter streichen, so dass der Sasso Forca (dessen Name auf der Karte steht, ohne dass der unbedeutende Felsen selbst [1096 m], der nahe an der Hauptverwerfungslinie liegt, durch Zeichnung hervorgehoben ist) noch zur nördlichen Scholle gehört. Der Dolomit dieser Scholle zeigt einen etwas anderen Habitus und eine dunklere Farbe, so dass die Annahme, dass wir es hier mit solchem des Muschelkalkes zu tun haben, berechtigt erscheint. Repossı zeichnet die Sassi della Porta sowie den M. Colma als Muschelkalk ein, aus welchem Grunde, wird von ihm nicht an- gegeben. Ofienbar haben weder die Geologen des Blattes XXIV der Schweizer Karte, noch Rerossı das Tal, in dem die roten und dunklen Mergel ausserordentlich auffällig zu Tage treten, betreten. Westlich vom Rezzotale wird die ganze Breite der mesozoischen Ablagerungen von Dolomit gebildet, der nur geteilt wird durch schmale Partien von weicheren und dünnbankigen Kalken in der Valle del Alpe und Valle Riccola (den Tobeln, die von der Alpe di Cima resp. Alpe Riccola dem Rezzo zufliessen). Die Ab- lagerungen im erstgenannten Tale dürften wohl nach petrogra- 56 von BisTram: [56 phischer Aehnlichkeit einzelner Schichten und in Analogie mit den Mergeln der Oontortaschichten, die sich, von Moräne bedeckt, bei der Alpe di Cima in einem Bachrisse finden, zum unteren Rhät gehören, während ich die Schichten des an zweiter Stelle genannten Tobels als Plattenkalke anspreche. Die Dolomitmasse rechne ich ganz zum Hauptdolomit, da ich keinerlei Spuren von Schichten, die auf Raibler deuten könnten, gefunden habe, dagegen noch ziemlich weit nördlich auf dem Pfade, der über den Paso Stretto aus der Val Solda nach Buggiolo führt, etwa in der Gegend der Alpe Riccola, abgesehen von ebensolchen Funden am Paso Stretto selbst, in den Schutthalden Dolomit mit Gyroporella vesieulifera. Es ist klar — die Schichten sind alle steil bis zu saigerer Stellung aufgerichtet —, dass der Hauptdolomit nicht die Mächtig- keit, die er zu haben scheint, normal besitzen kann, sondern durch Störungen Verdoppelungen erfahren haben muss, doch fehlen bei der Gleichartigkeit der Schichten die Merkmale, um den Verlauf solcher Verwerfungen verfolgen zu können, ganz abgesehen davon, dass dieser Teil zu den zerrissensten, am schwierigsten zugäng- lichen Partien des Gebietes gehört und die höchsten und steilsten Erhebungen besitzt. Repossı zeichnet fast die Hälfte der Dolomite der Val Solda (vom Rezzolauf an gerechnet) als Muschelkalk ein. In dieser Ausdehnung ist derselbe jedenfalls nicht vorhanden, da ich nördlich des Paso Stretto und an der Alpe di sopra sowie in den Dolomiten westlich unweit des Paso Paiuolo Gyroporella vesiculi- fera und Turbo solitarius gefunden habe. Es könnte sich höchstens um den Monte Mezzodi (auf der Schweizer Karte namenlos, südlich von Sasso Forca) der Gruppe der Fojorina und die Cime di Noresso handeln, doch habe ich keinerlei Andeu- tungen, weder in petrographischer Hinsicht noch durch irgend- welche Fossilienreste, gefunden, durch die ich mich berechtigt ge- glaubt hätte, diese Teile von dem Hauptdolomit zu trennen. West- lich von der Verwerfung, die die Raibler Schichten des Paso Paiuolo von den Dolomiten der Cime di Noresso trennt, findet sich sicher innerhalb der durch die Hauptverwerfungen begrenzten Tafel kein Dolomit, der zu dem Muschelkalke zu rechnen wäre. Sollte Muschel- kalk auch nur in der Beschränkung, die ich als äusserste mögliche Grenze zugegeben habe, wirklich vorhanden sein, so wäre es doch jedenfalls sehr auffallend, dass es bisher nicht gelungen ist, weder anstehend noch in den Halden irgend einen Fossilrest zu finden, 57] Das DOLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 57 der sich als aus dem Niveau stammend deuten liesse, während dort, wo solcher sicher vorhanden ist, also z. B. am Sasso Rancio und Monte Salvatore, sich immer Horizonte mit ausgesprochener Fossilführung, wenn auch in sehr mangelhafter Erhaltung, finden. Das Vorhandensein von Verrucano ! an der Valle del Oane südlich von Seghebbia kann als Argument für die Zurechnung der Fojorina-Gruppe zum Muschelkalk nicht in Anspruch genom- men werden, da derselbe, die Phyllite überlagernd, ebensogut als nördlich von der Verwerfung anstehend gedeutet werden kann, wie wir ihn in dieser Lage an mehreren anderen Punkten unseres Kartenblattes beobachten können. Ehe ich auf die Profile, die ich durch das Val Soldagebiet gelegt habe, näher eingehe, möchte ich erst eine allgemeine Be- schreibung der tektonischen Verhältnisse geben, wie ich sie mir in dem Gebiete vorstelle. (Vgl. für das Folgende die Skizze No. 3 ds. Eab; LEE) Am See sehen wir im Osten über dem Hauptdolomit der Pizzoni die Kössener Schichten von Cima an, dann den Oonchodon- dolomit und bereits zwischen San Mamette und Albogasio den Lias, sich konkordant überlagernd, spitzwinklig zum See aus- streichen. Im Kessel, in dem Gebiete des rechten (westlichen) Armes des Soldo lässt sich beobachten, wie die Contortaschichten, die auf dem rechten (südlichen) Ufer des Tobels, nach Südsüdwest einfallend, unter den Oonchodondolomit und die Liaskalke des Monte Bolgia und Monte Nave tauchen, ein Gewölbe bilden, das auf der nördlichen Talseite unter den Zug der Cima Cavrigh& und der Costa di Ciappet, die östlich in dem Sasso di Mont endigt, versinkt. Im Hintergrunde des Tales im Nordwesten sehen wir als Abschluss desselben die obersten Lagen der Contortazone mit dem überlagernden Conchodondolomite als steile Antiklinale aufgerichtet, deren oberste Schichten Zacken eines aufgebrochenen Gewölbes bilden. Ueber dieselben schieben sich von Norden her die im grossen und ganzen nordwestlich einfallenden Kössener Schichten der Costa di Ciappet, die den Dolomit des Sasso di Mont überlagern, beinahe bis zur Achse des Gewölbes. ! Dieses Verrucanovorkommen habe ich nicht selbst beobachten können, da von den Frühjahrsschmelzwassern verschwemmter Gehänge- und Moränen- schutt es vollkommen zu überdecken scheint, aber nach der Schweizer Karte Blatt XXIV eingetragen. 58 von BISTRAM: [58 Der östliche Arm des Soldo, der als „Fiume“ auf der Karte bezeichnet ist, fliesst ebenfalls in seinem unteren Lauf in Contorta- schichten, die aber offenbar durch Dislokationen von dem Dolomit des Sasso di Mont einerseits und dem der Pizzoni anderseits getrennt sind, da sie in einem tieferen Niveau liegen. Die Schoile der Costa di Ciappet scheint mit ihrem südöstlichen Teil, dem Dolomit des Sasso di Mont, über diese Schichten geschoben zu sein, während im Nordwesten der Pizzoni eine Verwerfung ver- läuft, an der die Scholle von Dasio abgesunken ist. Die Oontorta- mergel dieser Scholle sind das Hangende des Dolomites des Monte Brenzone und des im Süden der Alpe Napel gelegenen. Getrennt werden sie von denen des westlichen Soldo durch eine schmale Hauptdolomitzone, die den Kern der weiter im Nordwesten zu beob- achtenden Antiklinale in den Contortaschichten bildet und sich in den Pizzoni fortsetzt, und von der hier nur der südwestliche, steil aufgerichtete Schenkel erhalten ist, während der nordöstliche an einer Verwerfung abgesunken ist. Die Scholle von Dasio wird im Norden wiederum von einer Verwerfung abgeschnitten, die West— Ost verläuft. Nördlich von derselben finden sich bei der Alpe Napel als letzte Reste einer Decke über dem Hauptdolomit, ferner weiter im Osten bei der Alpe di Cima etwas schwarze Mergel der untersten Schichten der Oontortazone, deren östliche Fortsetzung wir in der Valle del Alpe verfolgen können. Im Norden dieser Relikte konnte ich nur eine untrennbare Dolomitmäasse konstatieren, die jedoch, nach dem wechselnden Streichen und Einfallen der Schichtung, wohl sicher nicht einheitlich, sondern durch Dislokationen zerteilt ist. Dieser Dolomitkomplex, zu dem die höchsten Erhebungen des (rebietes, die der Fojorina, der Cime di Noresso, sowie die Cime di Nogo und Monte Prad& gehören, findet nach Westen seine Grenze an einer Verwerfung, die die Raibler Schichten des Paso Paiuolo im Osten abschneidet, wahrscheinlich sich weiter nach Süden fortsetzt und in die Ueberschiebung des Sasso di Mont übergeht. Westlich von dieser haben wir die überschobene Scholle! der Costa di Ciappet. Sie besteht aus Oontortaschichten und darunter ' Auf der Karte und den Profilen habe ich die Dislokationslinie als Ver- werfung eingetragen, da die Linie aus einer Ueberschiebung an einzelnen Stellen in eine solche übergeht und wir es hier nicht mit einer weitreichenden Flächenüberschiebung zu tun haben. 59] Das DOoLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 59 dem Hauptdolomit des Sasso di Mont, die nach Westnordwest schwach einfallen. Im Zuge der Costa bilden sie ein Gewölbe mit westnordwest- lich streichendem Scheitel, dessen südwestlicher Schenkel infolge der Ueberschiebung auf die Antiklinale des Monte Sonigo flach ist, während der Nordschenkel steil abwärts fällt zu einer Synklinale, deren Nordflügel den liegenden Hauptdolomit wieder zu Tage bringt, welcher saiger aufgerichtet die Zacken der Denti della Vecchia und ihre Fortsetzung bis zum Paso Paiuolo bildet; an letzterem Punkte streichen als Liegendes desselben die Raibler Tonschiefer, Gipse und Rauchwacken zu Tage aus, während sie weiter westlich von der Hauptverwerfung abgeschnitten sind. Doch nur im östlichen Teile der Scholle ist die Synklinale heil erhalten, während im Westen, wo sie näher an die Hauptverwerfung kommt, durch Schleppung an dieser der liegende Hauptdolomit spitzwinklig zum Streichen des Gewölbes sich in saigerer Schichtung erhebt, während die Kössener Schichten grösstenteils ausgequetscht zu sein scheinen. Die Profile D und © illustrieren die Verhältnisse. Profil D zeigt die Verhältnisse östlich der Querverwerfung Paso Paiuolo — Sasso di Mont mit der Scholle von Dasio, während Profil © uns einen Durchschnitt durch das, im Süden von Conchodondolomit und Lias überlagerte (rewölbe der Contortaschichten des westlichen Soldo gibt, über das sich im Norden die gefaltete Scholle der Costa di Ciappet schiebt. Profil B zeigt die Verhältnisse weiter im Westen, das Profil ist in etwas anderer Richtung durchgelegt. Hier sehen wir erst etwas Phyllit der Luganer Scholle, dann, nördlich von der Haupt- verwerfung, den Lias des Monte Br& und Bolgia, der, von Con- chodondolomit unterteuft, zwei Synklinalen bildet. Letzterer wölbt sich weiter nördlich mit Contortaschichten als Kern auf und schliesst in einer Einfaltung noch etwas Liasschichten ein. An ihn stossen die C'ontortaschichten der aufgeschobenen Scholle der Costa di Ciappet, die noch eine Kuppe von Oonchodondolomit tragen, und an diese die an der Hauptverwerfung aufgerichteten Schichten des Hauptdolomites. ‚Jenseits dieser Verwerfung steht noch als Hangendes der Phyllite im Süden derselben etwas Verrucano an. Dieses Profil führt uns zu den Verhältnissen an der Haupt- verwerfung im Westen, die ich in einer vorläufigen Mitteilung ! ZI90E2Eoc3 eit. 60 von BISTRAM: [60 Hauptverwerfung von Lugano! genannt habe. Die Verwerfung verläuft, ihrer Hauptrichtung nach, Nordnordost— Südsüdwest. Die Trace des letzt beschriebenen Profiles ist ziemlich nahe an derselben und ihr einigermassen parallel durchgelegt. Die Phyllite von Castagnola stossen an der Verwerfung, die hier Nordwest— Südost streicht, mit Dolomit zusammen, der die Liaskalke des Bre unterteuft und also wohl Conchodondolomit darstellt. Darüber bilden die Liaskalke eine Mulde, indem nördlich vom Monte Br& im Zuge des den Kessel des Bolgiamassives entwässernden Cassonetobels wiederum der liegende Dolomit erscheint. Da er aber hier und an der Westseite des Br& in viel höherem Niveau erscheint, als bei Castagnola, während die Lias- kalke bis hoch am Bre& hinauf auf der Südseite bergwärts ein- fallen, so muss durch die Mulde eine Störung laufen, die etwa Südwest— Nordost streicht und die wohl im Südwesten von Alde- sago, wo die Hauptverwerfung, nachdem sie im Norden von Ruvigliana nach Nordost umbog, in die Nordnordwest- und Nord- richtung abbiegt, beginnt. Auch in den Phylliten muss wohl in gleicher Richtung die Ver- werfung sich fortsetzen, da an der Hauptverwerfung zwischen Ruvigliana und Aldesago Buntsandstein und Porphyr anstehen, die sich im Süden nicht finden (vgl. Skizze No. 1). Im Nordwesten des Br& biegt die Verwerfung wieder im Winkel ein, um zwischen Cureggia und Ligaino nochmals ein Knie zu bilden. Im Westen von Cureggia steht an der Verwerfung auf der westlichen Seite etwas Verrucano als Hangendes der Phyllite an, während an der östlichen Seite der Verwerfung noch eine schmale (auf der Karte nicht ausgezeichnete) Zone von Conchodondolomit unter dem Lias ausstreicht. Cureggia liegt auf einer Terrasse von fest verbackener älterer Moräne, die, wo sie angeschnitten ist, von weitem ganz den Ein- druck von anstehendem Fels macht. Relikte desselben verbackenen Schuttes bilden den kleinen Kopf im Nordosten von Viganello und finden sich (hier auf der Karte nicht eingezeichnet) bei Aldesago, das z. T. auf solchem Terrain steht. Von dem zuletzt erwähnten Knie ab streicht die Verwerfung ein weites Stück am Westhange des Bolgia, sich immer mehr der ' Siehe die Trace der Verwerfung auf den Skizzen No. 1 u. No. 2 resp. No.6 der Tab. II. 61] Das DOoLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 61 Kammhöhe nähernd, in nordnordöstlicher Richtung bis an den Dolomitzug der Denti, indem sie den Lias des Bolgia, der eine Mulde bildet, mit dem ihn unterteufenden Conchodon- dolomit von den Phylliten und dem Muschelkalk als Hangendem derselben trennt. Am Ursprunge des Tobels der Valle del Castello biegt die Hauptverwerfung wieder nach Nordwesten ab, um hier im Winkel mit der die mesozoischen Schichten unseres Gebietes im Norden abschneidenden, Ost— West streichenden, Hauptverwerfung zusammen- zutreffen. Dass in der Ecke, wo die beiden so bedeutenden Ver- werfungen zusammentreffen, auch viele sekundäre Störungen vor- handen sein mussten, war zu erwarten, und so erweist es sich denn auch als ziemlich schwierig, die verworrenen Verhältnisse zu deuten, besonders da Moränenbedeckung genauere Beobachtungen im Westen der Verwerfungslinie fast unmöglich machen. Im Osten der Verwerfungslinie sehen wir den Oonchodondolomit, der das Liegende der Kalke des Bolgia weiter im Süden bildete, in ziemlich flacher Lagerung nach Norden fortziehen, um dann in der aufgebrochenen Falte des Monte Sonigo sich steil auf- zurichten, indem er dabei sich in einige Sekundärfalten legt, in deren bedeutendster der erwähnte Rest von Liaskalk im Süden von Alpe Castello sich findet. Diese Kalke reichen bis etwa an die politische Grenze bei der Bochetta Brumea heran. Hier finden sich an der Verwerfung im Westen vom Passe verdrückte Mergel der Contortaschichten in wirrer Lagerung, offenbar an der Verwerfung geschleppt. Der Charakter dieser Schichten und ihre Fossilführung lässt über ihre Altersbestimmung keinen Zweifel aufkommen. Sie stossen in dem obersten Teile des Bachrisses der Val del Oastello unmittelbar mit den auffälligen leuchtend roten und grünen Ton- schiefern, die ich als dem Raibler Niveau zugehörig anspreche, zusammen, so dass man im ersten Moment meinen könnte, dass sie sie normal überlagern (vgl. Skizze No. 5). Die eben erwähnten bunten Tonschiefer mit den unter ihnen an- stehenden gelblichen, dolomitischen, gut geschichteten Sandsteinen, nach Nordwest einfallend und hier an einer Verwerfung gegen Dolomit abstossend, bilden das Hangende von undeutlich ge- schichteten Dolomiten, die südwärts an der Hauptverwerfung sich entlang ziehen und wohl auch noch den Roccolo (1151) an der Alpe Bolla bilden. Es liegt nahe, die bunten Tonschiefer und 62 von BiIsTRAM: [62 gelben feinkörnigen Sandsteine dem Raibler Niveau zuzurechnen und ebenso die sie unterteufenden Dolomite dem Muschelkalke, und habe ich sie daher als solche auf der Karte eingetragen. Die Dolomitfelsen im Nordwesten dieser Schichten, die durch Ver- werfungen in drei Schollen geteilt sind, rechne ich ebenfalls zum Muschelkalk. Die erste Scholle (von Südost nach Nordwest gerechnet), die spitzwinklig nach Nordwest zuläuft und die Raibler Schiefer abschneidet, besteht aus klotzigem Dolomit, die zweite ebenso, zeigt aber zum Teil bessere Schichtung, die dritte besteht aus weicheren, gut gebankten Schichten, die eine Synklinale mit Südwest- Nordost streichender Achse bilden. Man kann im Zweifel sein, ob man es bei dieser letzten Scholle mit Teilen des Muschelkalkes oder mit Raibler Plattenkalken zu tun hat, ich habe keinerlei organische Reste, die mich hätten leiten können, darin gefunden und diese Scholle vorläufig ebenfalls als Muschelkalk eingezeichnet. Ein in westöstlicher Richtung durchgelegtes Profil A zeigt meine Auffassung der Lagerungsverhältnisse., An dem Hange nach Cadro hinunter findet sich noch einmal, nachdem oberhalb Phyllit konstatiert werden konnte, anstehender Dolomit, der wohl als Muschelkalk angesehen werden muss. Dieser zeigt uns, dass sich hier noch weitere, unter der Moränenbedeckung ihrem Verlaufe nach nicht zu verfolgende Störungen vorfinden, wie ja solches auch anders nicht zu erwarten ist. Rerossıs Darstellung weicht in diesem westlichen Teil stark von der meinigen ab. Jedoch, ein Blick auf seine Karte genügt, um zu erkennen, dass er hier die Schichten nur, ich möchte sagen „auf gut Glück“, durchgezogen hat. Seine Darstellung stimmt hier gar- nicht mit der Wirklichkeit überein. Wie ich schon früher erwähnte, besteht der Kamm im Westen des Paso Paiuolo zweifellos aus Hauptdolomit; Rerosst hat auch noch Raibler Schichten von der Alpe Noresso über die Alpe di Puria durch die Valle Palazzo zum Sasso Grande durchgezogen. Abgesehen davon, dass ich Schichten, die man dafür ansprechen könnte, im Osten der Alpe di Puria nicht habe beobachten können, gehören die steil auf- gerichteten, stark gequetschten Schichten der Valle Palazzo dem Rhät an, und zwar stellen sie dessen unterste Schichten, die eigent- lichen Contortamergel!, dar und bilden das Hangende des Haupt- dolomites der Sassi di Palazzo im Westen des Paso Paiuolo. ‘ Einzelne Schichtflächen zeigen in grosser Anzahl Abdrücke von Cardita austriaca, so dass das Alter der Schichten ziemlich sicher feststehen dürfte. 63] Das DOoLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 63 Auf die Abweichungen, die die Schweizer geologische Karte Blatt XXIV von meiner Karte zeigt, und die noch viel bedeutender sind, als die der Repossischen Karte, halte ich es nicht für nötig näher einzugehen. Die Verfasser haben eben vielfach, wo Beob- achtungen mangelten, die Schichten einfach durchgezogen, ferner petrographisch eine gewisse Aehnlichkeit zeigende Schichten ver- schiedener Horizonte verwechselt. So ist der Plattenkalk des Haupt- dolomites zum grössten Teil als Contortaschichten, zum kleineren als Raibler kartiert, und es wurden die Kalke des untersten Lias von ihnen für Rhät angesehen. Ich bin weit entfernt davon, NEGRI und SPREAFICO daraus einen Vorwurf machen zu wollen. Es dürfte zu damaliger Zeit, ohne genügendes Kartenmaterial und bei fast voll- ständigem Fehlen von Vorarbeiten, kaum möglich gewesen sein, eine unseren Anforderungen entsprechende Karte eines so grossen Ge- bietes zu liefern. An vielen Punkten zeigt die Karte sorgfältige Beobachtung petrographischer Unterschiede. Speziell die Trennung des untersten Lias vom Rhät konnte kaum sicher durchgeführt werden, bevor ich durch Fossilfunde das liasische Alter der Kalke des Bolgia und Br& und überhaupt das Vor- kommen von Lias im Norden des Luganer Sees nachweisen konnte. Um die Hauptverwerfung weiter im Süden des Seearmes in ihrem Verlaufe verfolgen zu können, habe ich der Karte eine Skizze des östlichen Ufers des Luganer Sees, die nach der italienischen 1:100000 Karte in doppeltem Massstabe gezeichnet ist, beifügen lassen (vgl. auch Skizze No. 2 u. No. 6). Die Gänge von Quarzporphyr im Porphyrit habe ich nach dem Kärtchen von Toyokırsı HARADA eingetragen, dazu noch das Vor- kommen bei Arogno nach Rerossı. Leider war es bei dem Massstabe meiner Karte unmöglich, die Details im südlichen Gange von Rovio, der nach Kächs! Untersuchungen aus rotem Porphyr besteht, aber keinen einheitlichen Gang bildet, sondern durch drei schmale Einlagerungen von schwarzem Gestein geteilt wird, nach einer mir freundlichst übersandten Kartenskizze des Verfassers detailliert einzutragen. Die Verwerfung, welche an dem Südufer des Seearmes im Süd- westen der Keller von Caprino, die noch auf Liaskalk liegen, beginnt, scheidet den Dolomit von Pugerna von dem Liaskalke des Monte la Sighignola. 11901. Käcn, loc. cit. 64 von Bistram: [64 Dieser Dolomit wird im Süden etwas nördlich von ÖOampione von Verrucano unterlagert, so dass er wohl zweifellos als zum Muschelkalk gehörig angesehen werden muss, Er stellt eine Syn- klinale dar, deren Kern sich unweit der Nordgrenze des Vor- kommens befindet, so dass der nördliche Schenkel grösstenteils von der Verwerfung abgeschnitten ist. Der Verrucano liegt nicht, wie es zu erwarten wäre, auf den Porphyren, sondern es schiebt sich noch ein schmaler Dolomit- keil dazwischen, der also sowohl von dem Verrucano als den Porphyren durch Verwerfungen getrennt sein muss. Rotbraune glimmerige Tonschiefer, die wohl dem Buntsand- stein angehören, finden sich auch noch, zwischen den beiden Dolomitschollen eingeklemmt, oberhalb des Weges, der von Pugerna nach Arogno führt, und Konglomerate dieses Horizontes finden sich ausser Dolomit auch in der Spalte, in der sich das gagat- artige Bitumen abgesetzt hat, das als Kohle in einem Stollen ab- gebaut worden ist, der im Streichen dieser Spalte in nordöstlicher Richtung an dem erwähnten Wege in den Berg getrieben ist. So schneidet denn die Hauptverwerfung die erwähnten Schichten oberhalb des Weges gegen den Lias ab, biegt etwas nach Südosten ein und trennt hier, bei Arogno, die Porphyre von einer kleinen Gipsscholle, die nicht mehr aufgeschlossen ist. Diese Scholle bin ich jetzt geneigt als dem Raibler Niveau angehörig anzusehen, nachdem ich mich überzeugt habe, dass sie durch die von REPOSsSsI beobachtete, von Arogno nach Osten verlaufende Verwerfung von Lias geschieden wird und auch mit dem Lias der Scholle, welche von dieser West Ost streichenden Verwerfung im Norden begrenzt wird, unterhalb der Fahrstrasse, die nach Melano führt, direkt zu- sammenstösst. Auch hier muss eine Verwerfungslinie sich hinziehen, die etwas weiter südlich mit der Hauptverwerfung zusammenläuft !. In fast nordsüdlicher Richtung streicht dann die Hauptverwerfung weiter. Wenn ich also in Betreff der Zurechnung des Gipses von Arogno zum Raibler Horizonte, weil alle anderen Gipsvorkommen in den angrenzenden Gebieten wohl diesem Horizonte angehören, der Analogie wegen Reposst Recht gebe, so kann ich mich seiner ‘ Es beruhte auf einem Versehen, wenn ich in meiner vorläufigen Mittei- lung meinte, im Osten der Gipsscholle Buntsandstein gefunden zu haben. Ich habe mich überzeugt, dass es nur ein Fund von erratischem Material war und dort kein Buntsandstein ansteht. 65] Das DOoLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 65 Auffassung in Betreff der von mir als Muschelkalk kartierten Schichten von Pugerna, wo Rerossı Hauptdolomit, Raibler und Muschelkalk einzeichnet, nicht anschliessen. Von Schichten, die zum Raibler Horizont ihrer petrographischen Ausbildung wegen zu zählen wären und nicht als dem Muschelkalk angehörig angesehen werden könnten, der ja auch, wie wir es am Salvatore sehen, zum Teil gute Bankung zeigt, habe ich hier nichts gefunden, auch er- scheint der Komplex viel zu wenig mächtig, um die drei Horizonte umfassen zu können. Die Schichten bilden eine Synklinale, die REPoSssT übersehen zu haben scheint. Diese kleine Scholle erscheint ihrem Baue nach als die für unsere Beobachtung durch das See- becken unterbrochene, vollständig mit den Schichten am anderen Ufer korrespondierende Fortsetzung der Mulde des Salvatore, dessen unteren Dolomitschichten sie somit entspricht. Während aber an der Südseite des Salvatore der Verrucano, der den Dolomit unterteuft, infolge einer Verwerfung verschwunden ist, dagegen an der Nordseite des Berges in ziemlicher Mächtigkeit erscheint, finden wir ihn im Osten des Sees noch südlich von dem Dolomit anstehend. Hier fehlt er an dem Nordschenkel der Mulde, da derselbe von der Hauptverwerfung abgeschnitten wird. Verfolgen wir nun die Hauptverwerfung von Arogno weiter nach Süden, so sehen wir, dass sie zwischen Giaro und Rovio einen flachen Bogen beschreibt. Hier erhebt sich von dem Steil- absturz des Generoso ein kleiner, nord— südlich streichender Buckel, der an seinem Westabfall aus Liaskalken besteht, und die kleine Kapelle St. Agatha trägt. Der Länge nach über den Rücken des Buckels läuft eine Verwerfung, die im Südosten des Gipfels nach Osten abbiegt und eine zweite Liasscholle abschneidet. Denn von Giaro ab sehen wir hier, die steilen Abstürze bis zum Grat bildend, Dolomit anstehen, der nach Norden unter die Schichten des Lias der Albagnoni (der Felsen im Nordosten von Giaro) streicht, also das Liegende dieses Lias darstellt, während im Süden die Ver- werfung wieder Lias in ein tieferes Niveau bringt. Hier hat Repossı nur Lias eingetragen und den Dolomit übersehen, während die Verfasser des Blattes XXIV den Dolomit richtig ausgeschieden, wenn auch für Hauptdolomit gehalten haben. Weiter südlich, etwa im Osten von Melano, wendet sich die Hauptverwerfung in einem rechten Winkel nach Westen, um bald wieder, indem sie ein Knie bildet, ihre Nord— Süd-Richtung anzu- nehmen. Hier steht auf dem Felsen südlich der Verwerfung das Berichte XIV, 5) 66 von BISTRAM: [66 Kirchlein Beata Vergine del Castelletto, und zwar besteht dieser Felsen, wie der Steilabsturz von der Querverwerfungvon St. Agathaab, aus Lias. Repossı hat mich missverstanden, wenn er meint, der An- gabe in meiner vorläufigen Mitteilung zu folgen, indem er den Felsen der Kapelle Beata Vergine als Muschelkalk kartierte, ich habe denselben bei meiner ersten Begehung als Lias erkannt. Das kleine von mir erwähnte Vorkommen von Muschelkalk-Dolomit befindet sich, wie ich es hervorgehoben habe!, südlich von Melano, etwa halbwegs zwischen diesem Orte und Uapolago, unweit der Strasse und trennt als eine kleine Mulde, von Buntsandstein, soviel ich konstatieren konnte, noch unterlagert, das kleine Vor- kommen von Porphyrit im Norden von OCapolago von der übrigen Porphyritmasse. Die Porphyre verschwinden nun unter den Schottern, die die Fortsetzung des Seearmes nach Süden bilden, während die Ver- werfungsliniie am Fusse der Steilabstürze des Generosomassives weiter südwärts verläuft, um bei Mendrisio unter dem Alluvium der Ebene zu verschwinden und wohl hier auszuklingen oder wenigstens bedeutend an Sprunghöhe zu verlieren. Ich muss noch etwas bei der Hauptverwerfung, deren Verlauf in obigem beschrieben wurde, verweilen, um einen Vorwurf, den ich aus Repossıs Bemerkung herauslese, zurückzuweisen und die Tat- sachen richtigzustellen. Bei der Besprechung der Verwerfung sagt REpossı? „la grande frattura Pregassona-Arogno-Melano, rilevata gia dal Prof. Taramelli et indicata dal Bistram col nome di frattura di Lugano“ und verweist dabei auf den Text von TArAMmELLI zu Blatt XXIV der Schweizer Karte, Il Canton Ticino 1880, während er bereits (S. 18) die Verwerfung als „la nota faglia“ bezeichnet. Ueber diese Verwerfung in ihrem Gesamtzuge war vor meinen Untersuchungen, deren Resultat ich kurz in einer brieflichen Mit- teilung an das Zentralblatt veröffentlichte, in der Literatur nichts zu finden. Allerdings hatten NEGRI und SPREAFICO * einen kurzen Teil der Verwerfung am Südwest-Hange des Monte Br& — aber auch nur hier — erkannt, wenn sie auch das Alter der Schichten nicht richtig deuteten. Mir hatte diese Schrift, als ich meine brief- 9012. II0e., eit, * oe. cit. S. 48. 23-1901. boc.7cıb. * 1869. Saggio sulla Geologia dei Dintorni di Varese e di Lugano, S. 20. 67] Das DOoLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 67 liche Mitteilung veröffentlichte, noch nicht vorgelegen, sonst hätte ich dieses erwähnt. Später hatten NEGRI und SPEABICO das Blatt XXIV veröffentlicht, auf dem man wohl auf kleine Störungen hie und da, aber nicht auf eine einheitliche, sich weithin erstreckende Verwerfung schliessen konnte. Als TArAMmELLI den Text zu der Karte schrieb, hatte er jedenfalls auch die Verwerfung in ihrem Zusammenhange nicht erkannt und ist es seiner Darstellung zuzuschrei- ben, wenn sogar die von NEGRI und SPREAFICO beobachteten Ver- werfungserscheinungen bei Ruvigliana in Vergessenheit gerieten, da er sie nicht nur nicht erwähnt, sondern — in einer geologisch kolorierten Ansicht vom Monte Bigorio aus — am Monte Bre£ die volle normale Schichtenfolge einzeichnet!. Da nun die erst- erwähnte Schrift von NEGRI und SPREAFICO im allgemeinen viel weniger verbreitet ist als die TArAMELLIsche Arbeit, ausserdem anzunehmen war, dass TARAMELLI in dieser die Befunde der Autoren der Karte, deren Manuskripte ihm vorlagen, wiedergegeben hatte, so ist es zu erklären, dass hauptsächlich nur seine Arbeit beim Begehen der Gegend benutzt wurde. Daher kam es, dass STEINMANN? in der geologischen Uebersicht, die er mit SCHMIDT über das Gebiet von Lugano gegeben hat und die auf der geologischen Karte Blatt XXIV und dem von TARAMELLI dazu verfassten erklärenden Texte fusste, die Kalke des Br&, die auf den Phylliten mit Zwischen- lage von Porphyr und Verrucano normal aufzulagern schienen, als Buchensteiner Schichten ansprach. Im Süden des Seearmes zeichnet zwar TARAMELLI ein kurzes Stück Verwerfung, und zwar als zwischen Hauptdolomit und Lias verlaufend, ein, aber auf der Höhe der Monti di Caprino, also viel zu sehr ostwärts. Wie wenig ihm die Möglichkeit, dass hier eine langhin streichende Verwerfung vorliegen könne, in den Sinn gekommen ist, zeigt die Bemerkung im Text’, wo er offenbar eine Transgression des Rhät über die Porphyre annimmt. Wenigstens lassen sich die Worte: „e molto interressante Vosservare che questa porzione dell espandimento porfirico e ricoperta non dalle dolomie triasiche, mä dagli schisti neri infraliasici“ meines Erachtens nicht anders deuten. — Die Verwerfung im Süden des Seearmes hat übrigens dann ScHaipr loc eit. wenigstens vom Süden bis. Cam- pione erkannt und darauf hingewiesen. Später scheint TARAMELLI ' 1880. TARAMELLI, Il Canton Ticino tab. IlIa Skizze 1. ” 1889. Greolog. Mitteil. a. d. Umgebung von Lugano. = Toc. eit..9.u182, 68 von BISTRAM: [68 wohl die Verwerfung erkannt zu haben, da er sie in einem münd- lichen Vortrage auf dem IV. Italienischen geographischen Kongresse erwähnt. Doch will es scheinen, dass er sie auch damals nicht in ihrem vollen Verlaufe erkannt oder wenigstens verfolgt hatte, da er und REPOSsSI nur von der Erstreckung zwischen Melano und Pregassona sprechen. Ich gebe zur Darstellung meiner Auffassung im Vergleiche zu der TARAMELLIS im Jahre 1890 eine Kopie seiner Skizze des Blickes von der Alpe Bigorio auf das Gebiet, auf der ich den Verlauf der Horizonte nach meinen Befunden eingetragen habe (vgl. Skizze 6 auf Tab. III). Ein Vergleich mit der obenerwähnten Skizze! zeigt klar die Unterschiede der Auffassung. Nachdem nun die Tektonik des kartierten Gebietes im Detail betrachtet worden, dürfte es sich empfehlen, noch unsere Blicke etwas weiter auf die Karte der Gegend auszudehnen. Wie ich hervorhob, erkennen wir aus den Verhältnissen an den Hauptverwerfungen, dass die Tafel, zu der das kartierte Gebiet gehört, im Westen und Norden eingebrochen ist. Diese Tafel aber wird nicht nur von dem besprochenen Gebiete gebildet, sondern zu ihr gehört ausserdem das Gebiet des Generosomassives zwischen Luganer und Comer See und das der Alta Brianza zwischen letzterem und dem Arme von Lecco. Im Zuge des letzteren ver- läuft nach BENECKE und PHitıppr wohl eine Querverwerfung, die unsere Tafel von der der Grigna trennt. Beide Tafeln unterscheiden sich im Charakter ihres Aufbaues ziemlich stark, indem bedeutende west—östlich streichende Ueber- schiebungen das östliche Blatt kennzeichnen, während das westliche der Hauptsache nach in dieser Streichrichtung nur Faltungen und Verwerfungen zeigt. Eine Verschiedenheit drückt sich auch in den Schichten aus, die in beiden Schollen das zu Tage liegende Gestein bilden. Während uns in der Grignascholle die tieferen Horizonte der Trias auf der geologischen Karte entgegentreten und die jüngeren Schichten nebst Jura und Kreide in dem grössten Teile des Ge- bietes fehlen und nur in der schmalen südlichen Zone sich finden, treten auf der westlichen Scholle hauptsächlich jüngere Horizonte auf; Liasschichten nehmen den grössten Teil der Oberfläche ein und die älteren Triasschichten treten mehr zurück. Die Schichten des ' 1890. TARrAMELLI, Il Canton Ticino tab. IIIa Skizze I. 69] Das DOLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 69 Muschelkalkes, Esinohorizontes und die Raibler sowie der Verrucano und Buntsandstein sind nur in wenigen kleinen Bezirken erhalten und zwar wohl nicht nur infolge tektonischer Vorgänge; sie waren jedenfalls hier stark reduziert und viel weniger mächtig entwickelt als östlich vom Comer See. Es kann daher zweifelhaft sein, ob die verschiedene Ausbildung, die die Störungen in beiden Schollen zeigen, hier Faltung und Ver- werfungen, dort grosse Ueberschiebungen, nur auf das verschiedene mechanische Verhalten der Schichten, die heute die Oberfläche derselben zusammensetzen, zu dem seitlichen Druck, der das Gebirge aufwölbte, zurückzuführen ist, oder ob nicht die Gründe hier tiefer liegen und die Ursache der verschiedenen Ausbildung der Störungen in älteren tektonischen Verhältnissen zu suchen ist, auf denen wohl auch die verschiedene facielle Ausbildung der Sedimente und ihre ungleichmässige Mächtigkeit zurückzuführen ist. Diesen Facies- wechsel erkennen wir in unserem Falle in der reduzierten, ziemlich einförmigen Ausbildung des unteren Dolomithorizontes im Westen und in den mächtigen und viel mehr gegliederten, weiter nach Osten noch mehr an vertikalem Ausmass zunehmenden und sich mehr differenzierenden Schichten des Muschelkalkhorizontes und des von Esino im Osten des Comer Sees. Nicht minder unterscheidet sich die eingebrochene Scholle,. zu der das kartierte Gebiet gehört, von dem übrigen südlichen Teile der Comasker Alpen bis zum Langensee. Von einem Ver- gleiche der tektonischen Verhältnisse müssen wir hier absehen, da uns über diesen Teil keinerlei detaillierte Arbeiten oder genauere geologische Aufnahmen vorliegen und wir auch aus dem Blatt XXIV der Schweizer Karte, die ja keinerlei tektonische Störungen hervorhebt, uns kaum ein zuverlässiges Bild der Verhältnisse ab- leiten können, besonders da uns die Erfahrungen, die wir an der- selben in den bisher spezieller untersuchten Gebieten gemacht haben, gegen die Richtigkeit der Darstellung auf derselben einiger- massen misstrauisch machen muss. Dagegen können wir aus der Karte wohl ersehen und wissen es ja auch aus den Nachweisen in der Literatur und eigener An- schauung, dass hier vor allem die permischen Porphyre und Por- phyrite einen grossen Raum der Oberfläche einnehmen, die unteren Triashorizonte, zwar in reduzierter Ausbildung und Mächtigkeit, sich überall darüber finden, die obere Trias viel mehr zurücktritt und dieim Generosogebiete so mächtigen Ablagerungen des untersten 70 von BISTRAM: [70 Lias (Hettangien) ganz fehlen, dagegen die höheren Liasschichten, Jura und Kreide, fast überall am Südrande transgredierend ein- setzen. Der Rhät, der schon auf dem Blatt XXIV nur als gleich- mässig schmales Band in geringer Ausdehnung uns entgegentritt, dürfte bei einer genaueren Kartierung des Gebietes noch viel mehr in seiner Ausdehnung eingeschränkt werden, wenn nicht ganz ver- schwinden. Im Süden der Halbinsel von Arzo jedenfalls fehlt er, und beobachten wir eine Transgression des Horizontes von Arzo und Saltrio auf Hauptdolomit. Die schmalen, ganz gleichmässig durchgezogenen Zonen der Contortaschichten und des Comchodon- dolomites weiter im Westen lassen den Verdacht aufkommen, dass diese Schichten auch hier nicht beobachtet, sondern nur zur Vervoll- ständigung der Serie hineinkonstruiert worden sind, wie wir es weiter östlich (am Generosoabsturze und an der Halbinsel von Arzo) sahen, wo die Schichten nicht beobachtet werden konnten, weil sie eben nicht vorhanden sind. Fassen wir also die hauptsächlichsten Erscheinungen, die die Gebiete im Westen und Osten der Verwerfung von Lugano unter- scheiden, nochmals zusammen, so haben wir im Westen grosse eruptive Decken unter den mesozoischen Schichten, Fehlen der Ablagerungen über dem Hauptdolomit bis zu den Arietenkalken und Transgression des oberen Unterlias, im Osten Fehlen der Porphyrmassen, normale Folge der mesozoischen Schichten bis zur Kreide, dabei eine un- gewöhnlich mächtige Ausbildung des Hettangien, so dass das Ausmass der im Westen fehlenden Schichten des Rhät und Unter- lias auf ca. 1000 Meter (400 für den Rhät und 600 für den Lias) geschätzt werden muss. Wir haben bisher die Verschiedenheiten der drei nebeneinander- liegenden tektonischen Gebiete in Bezug auf die sie aufbauenden Formationshorizonte sowie die der Aufbaulinie der Alpen, des Gebirges, dessen Vorberge sie bilden, mehr oder weniger parallelen Störungslinien der Falten, Längsverwerfungen und Ueberschiebungen betrachtet, während wir auf die sie trennenden Querverwerfungen noch nicht näher eingegangen sind. Erstere, die Längsstörungs- linien, die ich als die normalen bezeichnen möchte, sind die natür- liche Folge der Gebirgsbildung in ihrer einfachsten Form, der Kettenbildung, und stellen gewissermassen nur verschiedene Phasen oder Erscheinungsformen der Auffaltung dar, indem der Druck, 71] Das DOLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. al der in zu dem Streichen der Auffaltung senkrechter Richtung wirkte, in verschiedener Form seine Auslösung fand. Komplizierter sind die Vorgänge bei Querstörungen, die der Hauptsache nach Verwerfungen sein werden, wobei aber viel öfter Blattverschiebungen an den Verwerfungslinien, und besonders solche von viel bedeutenderem Ausmasse sich finden werden. Es wirkten hier eben verschieden gerichtete Kräfte mit und sowohl aktive (schiebende) als passive (aufhaltende). Solche Querverwerfungen, mit denen meist Blattverschiebungen verbunden sind, trennen die von uns betrachteten Gebiete; sie haben für die Betrachtung und Analyse der Gebirgsbildung eines Gebietes im grossen mehr Interesse und sind beachtenswerter, als die Längsstörungen, die eine mehr lokale Bedeutung haben. So müssen wir denn, um ihre Bedeutung und Entfaltung zu betrachten, unsere Blicke auf weitere Gebiete richten. Das Alpen- gebirge als Ganzes zerfällt in zwei Teile, das westliche bogen- förmige System und das östliche zu ersterem tangentiale. In dem Grenzgebiete beider Erscheinungsarten der Gebirgsbildung, wo die konzentrische Faltung in die parallele übergeht und Falten des einen oder anderen Üharakters zusammentreffen, müssen wir die bedeutendsten Störungen gerade in der (@uerrichtung erwarten. Und dieses ist denn auch der Fall. Wir haben in Bünden, im Rhätikon und Vorarlberg solche Störungen in ausgedehntem Masse, Bogenfaiten, Einbrüche, Ueberschiebungen, Schuppenbildung — die Aufbruchszone STEINMANNS. Im kristallinen Hochgebirge südlich davon lassen sich solche Störungen natürlich viel schwerer, wenn überhaupt, nachweisen und lässt uns daher die Karte dort im Stich. Verlängern wir aber die (Grenzlinie beider Systeme nach Süden, so trifft sie ziemlich auf das Seengebiet und erscheint es gerechtfertigt, die Hauptverwerfung von Lugano wie die ihr parallelen im Seengebiete als Erscheinungen auf der Grenze zwischen zwei abweichenden Systemen der Gebirgs- bildung zu deuten. Wir sehen aber zugleich in unserem Falle in diesen jungen, dem Eocän angehörigen Querverwerfungen den Ausdruck, ich möchte sagen die letzte Konsequenz, von lange vorbereiteten und vor- gezeichneten Verhältnissen. Die Störungszone im Norden der Zentralketten, die ich oben erwähnte, mit ihrem Aufbruchsgebiete etc. liegt gerade auf der Grenzlinie der Ausbildung von Trias und Jura in helvetischer und ostalpiner Facies,. Da wir den Facies- 72 von BISTRAM: [7 2 wechsel wohl nur durch Verhältnisse, von tektonischen Vorgängen hervorgerufene, infolge von durch sie gezogenen Grenzen, uns er- klären können, erblicken wir hier die späteren Störungslinien schon vorgezeichnet. Aehnliches sehen wir in unserem Gebiete im Süden. Während westlich einer Linie, die dem Verlaufe der Verwerfung von Lugano entspricht, Rhät und Hettangien fehlen, finden wir im Osten in einer Entfernung von kaum mehr als einem Kilometer die mächtigen Ablagerungen des untersten Lias des @eneroso massives über wohl ausgebildeten allerdings erst mehr im Norden zu Tage tretenden rhätischen Schichten. Nehmen wir auch an, dass im Westen der gedachten Linie ebenfalls Rhätschichten abgelagert worden seien, die der Abrasion während der Trockenperiode des Hettangien dann zum Opfer gefallen wären, so haben wir noch immer mit einem grossen Niveauunterschiede zu Beginn der Periode des Lias zu rechnen. Wenn wir ausserdem aus der Ausbildung der Liasschichten der Val Solda und des Generosomassives ziemlich sicher schliessen können, dass dieselben in verhältnismässig flachem Meere abgesetzt worden sind, so können wir den Gedanken nicht abweisen, dass auf der bezeichneten Linie in unserem Gebiete eine allmähliche, immer fortschreitende Senkung! zu Beginn der Liaszeit stattgefun- den hat, eine Senkung, die mit dem Ausmasse der Schichten des Hettangien, also mindestens 500 Meter, etwa denselben Wert gehabt haben muss, während die unmittelbar westlich gelegenen Teile an derselben nicht teilgenommen haben. Erst am Schlusse der Periode des Hettangien, nach Ablagerung desselben in dem @eneroso becken, dürften mit fortschreitender positiver Verschiebung des Meeres- niveaus für beide Teile gleiche Verhältnisse eingetreten sein. Aehnliche Betrachtungen könnten wir an der Scheidungslinie unserer Scholle und der der Grigna anstellen, doch liegen hier die Ver- hältnisse weniger auffällig und deutlich. Unser Ausgangspunkt müsste hier dieverschiedene Mächtigkeit des unteren Dolomithorizontes bilden. Die weniger bedeutenden Querstörungen des Gebietes unserer Karte sind als Nebenerscheinungen der Hauptquerverwerfung an- zusehen und mit ihr in Zusammenhang zu bringen. DEECKE ? und PnıLıppı ® haben ausser der stark entwickelten Längsfaltung eine Querfaltung von viel geringerer Intensität in den ‘ Der Ausdruck „Senkung“ ist natürlich nur relativ, nicht absolut auf- zufassen. ° 1885. DeEcKE, Raibler Schichten. ® 1896. PnuLippr, Grignagebirge. 73] Das DOLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 73 von ihnen behandelten Gebieten konstatieren können. PHiLıppI weist auch mit einem grossen Grade von Wahrscheinlichkeit nach, dass die Querfaltung die jüngere sei. In dem Val Soldagebiete habe ich keine Spuren solcher Querfaltung finden können, ausser ganz lokalen, die wohl mit Stauchungen beim Absinken einzelner Teile an Verwerfungen und Drehungen bei der Blattverschiebung in Zusammenhang gebracht werden können. Die Frage, ob die Bildung der Querbrüche der Längsfaltung vorangegangen sei oder beide als gleichzeitig gebildet anzusehen seien, lässt PHILIPPI offen. Bringt man die Bildung der Querbrüche mit den Spannungen, die an der Stelle entstehen mussten, wo zwei verschiedene Faltungs- richtungen, die der Bogenfaltung der Westalpen und der Parallel- faltung der Ostalpen, aufeinandertrafen, in Verbindung, wie ich es getan, so muss man eine ungefähr gleichzeitige Bildung annehmen so, dass zuerst die Auffaltung begonnen, bei gesteigertem Drucke durch die Querverwerfungen die ungleichen Spannungen ausgelöst wurden, und über diesen Zeitpunkt hinaus die Auffaltung sich noch fortsetzte. Dabei konnte diese in den nun voneinander unab- bängigen Blättern infolge des abweichenden Aufbaues in ver- schiedener Intensität und verschiedener Ausbildungsform auftreten, wobei dann das Ausmass der Verschiebungen an den Verwerfungen sich vergrössern musste. Dass die durch diese Querverwerfungen getrennten Schollen in ihrem tektonischen Aufbau nicht miteinander übereinstimmen, lässt sich vielfach beobachten, und es liegt nahe, diese Beobachtung als Argument für ein höheres Alter der Querbrüche anzuführen. Sobald wir aber durch Blattverschiebungen an den Verwerfungen diesen auffälligen Unterschied im Aufbau erklären können, verliert dieses Argument seine Bedeutung. Diluvium. Ueberall in dem kartierten Gebiete stösst man auf Spuren, die die Gletscher der Eiszeiten hinterlassen haben. Bis hoch hinauf bedeckt Moränenschutt das anstehende Gestein und erschwert die Beobachtungen, und Blöcken von Material aus den Zentralketten begegnet man allerorten. Die Form der Einsenkungen, Kessel sowohl wie Täler, weist auf glacialen Ursprung hin. 74 von BISTRAM: [74 Einer der Hauptgletscherzüge, die wohl lange persistiert haben, zog sich als Seitenarm des Gletschers des Üomer Sees von Osten her über den Riegel von Menaggio durch die Senke von Porlezza und den Nord-Ost-Arm des Luganer Sees. Ein zweiter Zug, von Norden kommend, nahm die heutige Val Colla und das Uassaratetal ein. Auch die Senke, die die Kette des Val Solda- gebietes von der Menonekette trennt, ist glacialen Ursprunges. Der Gletscherarm der Val Porlezza erstreckte sich zur letzten Eiszeit weit zu beiden Seiten der Senke an den Hängen hinauf; Zeugen sind die Moränenablagerungen, die am ÖOsthange der (Grona bis zu ca. 1200 Meter über dem Meere, im Zuge der Val Porlezza bis zu den Steilabstürzen der Grona und des Pidaggia hinaufreichen, und erratische Blöcke, die auf der Linie Cima- Seshebbia in ca. 1200 Meter Meereshöhe, in Zickzacklinie un- gefähr der Höhenkurve folgend, ein Rückzugsstadium bezeichnen. Ausläufer des Gletscherstromes drangen in die Quertäler, die die Ketten durchbrechen, und über die Pässe im Osten der Val Solda in diese ein, während von Nordosten her eine zweite Gletscherzunge durch die Einsenkung des Paso Stretto sich in die Val Solda er- streckte und endlich ein dritter Strom von der Val Cassarate aus über den Paso Biscagno in dieselbe drang. Ihre Ablagerungen sind noch vorhanden, wo die Böschung irgendwie ihre Erhaltung begünstigte. Die Hänge hoch hinauf bedeckend, füllte der ersterwähnte (letscherarm von Porlezza die karähnliche Mulde des Bolgia- massives (Porta di Busi) mit Moräne, die noch bis etwa 1200 Meter Meereshöhe hinauf in grosser Mächtigkeit den an- stehenden Liaskalk verdeckt. Im Norden unseres Gebietes, zwischen den beiden Ketten der Luganer Alpen, wo die Wasserscheiden Fojorina-Garcirola und Pidaggia-Marnotto das weite Becken der Val Cavargna ab- schliessen und die weniger steilen Böschungen der weichen Phyllit- berge dem Schutt einen besseren Halt bieten, sieht man Moränen- ablagerungen von bedeutender Mächtigkeit und sehr grosser Ausdehnung bis zu Meereshöhen von 1500 Meter und darüber hinaufreichen, Alle diese Ablagerungen sind verhältnismässig frisch und gehören sicher der letzten Eiszeit an. Als Spuren einer älteren Vergletscherung aber dürften wohl die verbackenen Schutt- massen angesehen werden, wie wir solche oberhalb Breglia und 75] DAs DOLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 75 ebenso in grösserer Ausdehnung als Terrasse am Hange des Bolgia sehen. Diese Terrasse, welche das Feldgebiet des Dorfes Oureggia trägt, liegt in einem Niveau von ca. 650 Meter. Zu ihr gehört noch die Kuppe auf dem kleinen Buckel im Nordosten von Viganello (535 Meter) und ein kleines Relikt bei Aldesago am Monte Bre& (600 Meter). Altglacialen Ursprunges sind wohl unter anderem das Kar des Bolgiagebietes (Porta di Busi) sowie die Aushöhlung des Kessels der Val Solda mit seiner Schwelle von 100 Meter über dem jetzigen Seespiegel. Hier möchte ich noch darauf hinweisen, wie der Luganer See seiner Hauptrichtung nach ganz dicht an der Verwerfung von Lugano hinzieht, während in seinem Bette sicher keine grösseren Störungen sich finden, wie die Uebereinstimmung der Tektonik beider Ufer es beweist. Er erstreckt sich ausserdem quer zu dem Streichen der Syn- und Antiklinalen, sichere Zeichen der Unab- hängigkeit seiner Bildung von tektonischen Vorgängen und ein Hinweis auf seinen glacialen Ursprung. Zu erwähnen sind noch die Funde von Säugetierknochen in der Stalaktitenhöhle unterhalb der Cima di Nogo, der „Buca del Noga“ (Büsa de Noga im Dialekt) und in der Höhle „Sasso delle Capre“ (1160 Meter ü. d. M.) oberhalb Oima. In ersterer Höhle fand CASTELFRANCO 1893 Knochen vom Höhlenbären und der Hyäne, während in letzterer derselbe zerschlagene Hirsch- und Rinder- knochen fand, aus denen er auf die Anwesenheit des Menschen in einer früheren Periode in dieser Gegend schliesst '!. Beschreibung einiger Exkursionen. 1. Lugano, Castagnola, Aldesago, Bre, Cureggia, Pregassona. Von Lugano kommend trifft man hinter Cassarate die kristallinen Schiefer, die von der Fahrstrasse angeschnitten werden. Sie zeigen weitgehende Zerknitterung und Verbiegung in unzählige Falten. Die Strasse führt auf diesen kristallinen Schiefern, die jedoch meistenteils von Moräne verdeckt sind, durch Oastagnola und an der Villa Vignascia vorbei, dann stehen klotzige Dolomite eine kurze Strecke weit mit Westnordwest-Streichen und Ost- nordost-Einfallen an, worauf an dem Fusspfade nach Gandria die 1 1893. ÜASTELFRANCO, Öss. paletnol. in Val Solda. 76 von BisTRanm: [76 dünnbankigen, dunkeln Kieselkalke des Lias in verknitterter und verbogener Schichtung folgen und sich am Seeufer als steiler Fels- absturz bis über Albogasio in der Val Solda fortsetzen. Kehrt man um und gewinnt vom Ende der Fahrstrasse aus den oberen durch Castagnola führenden Weg, steigt von Castagnola über Ruvigliana nach Aldesago auf, so trifft man im Nordwesten von Ruvigliana bei Trona an der gefassten Quelle Porphyr und kann in dem Bachriss neben dem Fusspfade auch Verrucano anstehen sehen. Den Fusspfad weiter verfolgend trifft man bei Vignascia Liaskalk in einem kleinen Bruche — wie solcher auch im Nord- osten von Ruvigliana in einem solchen beobachtet werden konnte —, bei weiterem Ansteigen trifft der Pfad wieder auf Verrucano und Porphyr, um bereits vor Aldesago auf die kristallinen Schiefer zu treffen, die in einem Winkel nach Westen in die Liaskalke ein- springen. Verfolgt man die Strasse, welche an dem Südhange des Berges nach dem Dorfe Br& führt, so stösst man bald wieder auf Liaskalke, die in mehr oder weniger nördlicher Richtung einfallen, während man auf dem nördlich um die Bergspitze führenden Wege erst auf Liaskalke, dann eine kurze Strecke auf Dolomit, dann wieder auf die Kalke trifft, die mehr oder weniger südwärts ein- fallen. Quert man dann den Ort Br&, so sieht man im Norden die mächtigen, vom Wasser durchfurchten Moränenablagerungen der Bolgia-Mulde, trifft in nordwestlicher Richtung, in das Flusstal hinabsteigend, Liaskalk, der jedoch nur an wenigen Punkten aufge- schlossen ist, während grösstenteils Moräne das Anstehende verdeckt. An einem grossen erratischen Block von hartem, weissem Marmor, der stellenweise feine Graphitschüppchen enthält!, vorbei führt der Fusspfad aus dem Flussbett nach Westen. Hier trifft man bald anstehenden Dolomit, dann nach der Biegung des Weges kristalline Schiefer und wieder Dolomit, um vor Cureggia wieder auf kristallinen Schiefer zu stossen. Dicht unterhalb des Weges vor Cureggia, an einer gefassten Quelle (Fontane), die auf der Verwerfungslinie austritt, kann man den Kontakt der kristallinen Schiefer mit dem Dolomit beobachten. Der Ort Cureggia liegt schon auf verbackener Moräne. Verfolgt man den Weg durch das Dorf und die dahinter liegenden Felder hindurch, so stösst man beim Abstieg bald auf Liaskalk, dann eine schmale Dolomitzone, etwas Verrucano und darauf kristallinen Schiefer bis in das Cassaratetal hinab. ' Eine Aetzprobe ergab 11,5°/ Quarz mit wenigen Glimmerschüppchen. 77] Das DOoLoMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 77 2. Cadro, Val Castello, Paso Biscagno, Alpe Bolla, Bre. An der Poststrasse von Lugano sieht man kurz vor Cadro (al Ponte) in einem Bruche die kristallinen Schiefer, die west-süd- westlich einfallen, aufgeschlossen. Verfolgt man den Weg nach Villa und steigt von da zu den Hütten von Carro hinauf, so führt der Weg bis dahin ebenfalls auf den kristallinen Schiefern, die meist von Moräne verdeckt sind. Von Carro nach Südwesten auf- steigend und den Fusspfad, der um den vorspringenden Ausläufer der Denti herum in die Val Castello führt, verfolgend, trifft man bald auf dolomitische, plattige, dunkle Kalke, die eine Mulde bilden, dann auf klotzige, nach Südosten fallende Dolomite, und zu- letzt auf weichere, rasenbedeckte Schichten. Hier befindet sich unterhalb des Pfades ein Aufschluss in den bunten, leuchtend grünen und roten Tonschiefern, die ich als Raibler Schichten anspreche. Man kann dieselben schon von der Poststrasse zwischen Soragno und Uadro aus deutlich sehen. In dem Tobelbett biegt der Weg (von hier ab auf der Karte nicht mehr verzeichnet) nach Süden um. Hier kann man über demselben die stark gequetschten, fossilreichen, bräunlichen Kössener Schichten in sehr gestörter Lagerung beob- achten, und der Weg trifft weiter die schwarzen, splitterigen Mergel derselben Schichten. Ueber Moränenschutt führt der Weg unter dem Absturz des Dolomitfelsen, die den Abschluss des Kessels der Val Solda bilden, zum Piano di Biscagno und der Alpe Bolla. Steigt man dagegen von Cadro sofort nach Westen aufwärts, so trifft man bei den Hütten (Pkt. 553), nachdem man bis dahin auf kristallinen Schiefern gewandert, auf Dolomit, der unter Moränenschutt verschwindet, worauf am Bachübergang wieder kristalliner Schiefer sichtbar wird und bis Pian Soldino anhält. Von hier kann man die bunten Tonschiefer, die nach Nordwesten . einfallen, und die gelben sie unterlagernden Sandsteine, die gegen den Dolomit im Westen deutlich abstechen, sehen und wahrnehmen, dass der Dolomit, der sich bis unterhalb des Roccolo der Alpe Bolla hinzieht, sie zu unterteufen scheint. Will man die ersterwähnten Schichten in Augenschein nehmen, so kann man über Moränen- schutt und Dolomitblöcke, zu denselben hinauf und im Tobel auf- wärts kletternd, den früher beschriebenen Pfad erreichen; sonst steigt man den Weg zum Paso Biscagno und der Alpe Bolla hinauf. Hier kann man beobachten, dass der Dolomit des Roccolo bergwärts (Südost) einfällt, während derjenige des Bolgiahanges, 78 von BISTRAM: [78 der das Liegende der Liaskalke desselben bildet, westnordwestlich streicht. Verfolgt man von Alpe Bolla einen Pfad, der fast horizontal unter dem Steilabsturz nach Süden sich hinzieht, so gelangt man an grosse Schutthalden am Fusse der Steilwand, die von den fast saiger aufgerichteten, kieseligen, dünngebankten, gebänderten Liaskalken gebildet wird. Das Gestein besteht zum grössten Teil aus Schwammnadeln, die Hornsteinlagen bestehen ganz aus Kiesel und zeigen die Schwammnadeln nur als kalkerfüllte Höhlungen (Negative), während die scheinbar kalkigen Lagen aus verkitteten Kieselnadeln mit wenig kalkigem Zwischenmittel bestehen. Verfolgt man den Pfad weiter, so führt er über den nach Süden sich senkenden Südwestgrat des Bolgia in die Mulde von Bre, wo man beim Abstiege die mächtige Ablagerung der Moräne, deren obere Lagen vom Wasser aufgearbeitet sind und Schichtung zeigen, an tiefen Wassereinrissen beobachten kann. 3. Oria, Castello, Alpe Bolgia, Colma Regia. Von Oria führt der Weg am See über Albogasio nach Casarıco. Zwischen beiden letzteren Orten trifit er den Ueber- gang von den Kieselkalken des Lias zum ÜConchodondolomit, während er bis dahin auf den steil gestellten Schichten der ersteren führt. Steigt man nach Castello hinauf und verfolgt weiter den Weg am Nordhange des Monte Nave nach Nordwesten, so stehen zuerst die steil aufgerichteten Kalke des mittleren Rhät (obere Contortaschichten) an, dann führt der Weg über Moränenschutt, dann wieder mittelrhätische Schichten, in denen man Spuren von Litho- dendren beobachten kann, trifft dann auf den Rhätdolomit, in dem man Durchschnitte von Conchodonten beobachten kann. Der klotzige Dolomit zeigt weiter oberhalb bessere Schichtung, zuletzt, vor der Valle Fontana, wechseln Dolomit- und Kalkbänke, und es trifft der Weg an dem Tobel Fontana dunkle, gut geschichtete Kalkbänke, auf deren Schichtflächen einige Schritte weiter ausgewitterte, ver- kieselte Pectines und kleine Gastropoden in die Augen fallen. Von hier habe ich die Stücke geschlagen, aus denen ich den grössten Teil der in einer anderen Arbeit! beschriebenen Hettangien-Fossilien herausgeätzt habe. Nachdem der zweite Bach überschritten, steigt der Weg in Zickzacklinien zur Alpe Bolgia hinauf. In seinem unteren Drittel finden sich Kalkbänke, die auf ihren Schichtflächen 1 1903. v. Bıstram, Liasfauna der Val Solda. 79] Das DoLoMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 79 schlecht erhaltene Psiloceraten zeigen, deren innere Windungen jedoch oft gut verkieselt sind. Dann trifft er wieder auf Dolomit, auf dem die Sennhütte liegt. Von hier kann man erst auf Dolomit, dann bald auf Kalkbänken, die einen wachsenden Kieselgehalt, der sich in Kiesellinsen und -Bändern ausdrückt, zeigen, zur Kuppe des Bolgia (Colma Regia) hinaufsteigen und gelangt von dort, über Grashänge steil hinabsteigend, nach Bre. 4. San Mamette, Drano, Dasio, Alpe di Puria, Alpe Castello, Monte Sonigo, Puria, San Mamette. Steigt man den gepflasterten Saumpfad von San Mamette über Loggio nach Drano auf steil gestellten, mittleren Rhät- schichten hinauf und wählt nördlich von Drano den Fusspfad nach Dasio, so trifft man an der Brücke, die über den linken Soldo- arın führt, eine schmale Zone von Hauptdolomit, während im Tobel im Süden sowohl wie im Norden die untersten, stark gequetschten, fossilreichen Mergellagen der CÖontortaschichten anstehen. Unmmittel- bar südlich von dem Dolomite finden sich wenig mächtige Bitumen- linsen in den Contortaschichten, die in einem kurzen Stollen auf- geschürft sind. Schlägt man von Dasio in nordwestlicher Richtung den Pfad nach Pone ein, so trifft man bald auf Hauptdolomit, auf dem der Weg steil aufsteigt. Hier finden sich reichlich Dolomitstücke mit ausgewitterten Gyroporella vesieulifera. Immer auf Hauptdolomit führt der Pfad zur Alpe di Puria. Bei derselben trifft man, in der Valle Palazzo aufsteigend, Contortaschichten, ungemein stark gequetscht, steil aufgerichtet, in der Talrichtung streichend mit schlecht erhaltenen Fossilien, besonders Cardita austriaca. Man kann bis zum Pfade, der, von der Alpe di sopra kommend, das Tal schneidet, aufsteigen, nach Süden den erwähnten Pfad ein- schlagen und auf grauen Kalken des mittleren Rhät um die Cima Cavrigh& herum die Alpe Castello erreichen. Von derselben nach Südwesten zur Bochetta Brumea sich wendend, trifft man auf Conchodondolomit, dann auf die dunklen Liaskalke mit ver- kieselten Fossilien und an dem erwähnten Passe wieder auf Concho- dondolomit. Steigt man auf den Liasschichten, deren Schichtflächen vielfach ausgewitterte, verkieselte Fossilien zeigen, zum Bach Ca- stello (auf unserer Karte namenlos) hinab und überschreitet den- selben, so trifft man im Norden des Monte Sonigo auf den Pfad, der in das Tal erst über Conchodondolomit, dann auf mittel- 80 von BISTRAM: [80 rhätischen Schichten hinabführt. Wendet man sich hier, bevor man den Soldo überschreitet, nach Norden, so kann man über Ponte del Cas nach Camporgna und Muzzano (Muzai der Karte) hinabsteigen und von hier den Pfad nach Puria, an San Rocco vorbei, einschlagen. An der Brücke auf diesem Wege (Pkt. 589) sieht man neben dem Steilhang des Dolomites (Hauptdolomit) der Portella (auf unserer Karte namenlos), der zu der Ueberschich- tungsscholle der Costa di Ciappet gehört, auf der rechten (West-) Seite des Tobels an der Brücke die steil aufgerichteten, in ihrem oberen Teile etwas nach Süden umgebogenen grauen Kalke des mittleren Rhät, das Hangende der unterhalb der Brücke aufge- schlossenen, zerknitterten Contortamergel!, aufragen, als Relikt des Gewölbes der südlichen Scholle. Wählt man von Puria den Weg nach Castello über die Mühle (Pkt. 447), so trifft man, an der Brücke wieder aufgeschlossen, fossilführende Mergel und Kalke der Contortaschichten und kann über Castello nach Oasarico und San Mamette absteigen. 5. San Mamette, Puria, Dasio, Alpe Noresso, Fojorina. Von San Mamette aufwärts den Saumpfad an der Kirche von Loggio vorbei nach Puria. An der Brücke sieht man die steil aufgerichteten Kalkbänke des mittleren Rhät, über die in einem Wasserfall der östliche Soldo herabfällt. Zwischen Puria und Dasio an der Brücke über den kleinen westlichen Zufluss des vorher überschrittenen Tobels (Pkt. 517) findet man die schwarzen Oontorta- mergel unter verbackenem Schutt aufgeschlossen. Von Dasio in nördlicher Richtung aufsteigend bemerkt man noch unter dem Steilabsturz des Sasso di Mont ÜContortamergel, auf die man auch, als kleines Relikt, vor der Alpe Napel noch ein- mal stösst. Mit dieser Ausnahme führt der Weg auf Hauptdolomit, und man kann sowohl am Sasso di Mont als über der Alpe Napel in dem Bergschutte reichlich Stücke mit Gyroporella vesiculifera finden, auch dazwischen schlecht erhaltene Reste von Turbo solitarius. Unterhalb des Kammes des Nogo kann man rechts vom Pfade die Grotte (Büsa de Noga) betreten, von deren Decke Stalaktiten herabhängen. In ihr wurden Reste diluvialer Säugetiere gefunden. Vom Kamme des Nogo aus kann man über die verfallene obere Alpe (Pkt. 1445) die Gipfel der Fojorina leicht besteigen. ‘ Hier erwähnt Rerossı, loc. eit. Fossilfunde. ° Ebd. No. 4 Tab. III. 81] Das DOLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 81 Steigt man nach Nordosten zur Bochetta di San Bernardo hinab, so kann man über Seghebbia und Buggiolo durch das Rezzotal nach Porlezza gelangen, oder auf der rechten Tal- seite auf kleinem, stellenweise von Wasserrissen zerstörtem Wege auf Moränenschutt über die Alpe Pramarcio und den Paso Stretto in die Val Solda zurückkehren. 6. Sonvico, Paso Paiuolo, Denti della Vecchia, Alpe Castello. Von Sonvico oder Villa kann man in dem Tale des Dino über die Hütten von Murio im Norden der Steilabstürze der Denti della Vecchia und Canni d’Organo zur verfallenen Alpe Matterone auf den von Moränen- und Gehängeschutt be- deckten kristallinen Schiefern bequem aufsteigen. Bei der Alpe Matterone sieht man in einigen Wasserrissen die anstehenden Raibler Rauhwacken. Steigt man zum Paso Paiuolo weiter hinauf, so kommt man an den Trichter, der dem Passe den Namen gegeben, welcher offenbar in den Raibler Gipsen ausgelaugt ist. Der Trichter hat etwa 80 Meter im Durchmesser bei einer Tiefe von ca. 30 Meter, grüner Rasen bedeckt seine Wände. Auf einem Fusswege, der meist auf dem Kamme verläuft, kann man, immer auf den steil aufgerichteten Bänken des Dolomites wandernd, an den Fuss des Dolomitturmes des Sasso Grande gelangen. Der Klotz ragt über den bewachsenen Südhang des Kammes etwa 70 Meter auf, während er nach Norden einige hundert Meter tief senkrecht hinabstürzt. Von der Ostseite des Kammes kann er in einer Kluft verhältnismässig leicht erstiegen werden (leichte Kletterpartie). Zwischen dem Paso Paiuolo und der Cima Cavrigh& sieht man auf dem Südhange überall die Schichtköpfe der saigeren Dolomitbänke als Nadeln und kleine Pyramiden aus dem von Vege- tation bedeckten Hange aufragen. Vom Sasso Grande geht es zur Alpe Castello auf mittel- rhätischen Kalken hinab. 7. Porlezza, Valle 1’Osteria, Carlazzo, San Pietro. Von Porlezza kann man auf dem linken (Ost-) Ufer des Rezzo über Tavordo zur Alpe Gnin aufsteigen und von da den Weg nach Buggiolo verfolgen. Bevor der Weg den Rezzo etwa an der Stelle überschreitet, wo an der Verwerfung die Dolomite Berichte XIV. 6 82 von BISTRAM: [82 mit den kristallinen Schiefern zusammenstossen, findet sich an einem Bachrisse eine Quetsch- und Reibungszone im Dolomite auf- geschlossen, welche die Masse des Monte Colma (Hauptdolomit) von der der Sassi della Porta (wahrscheinlich Muschelkalk) trennt. Steigt man hier ostwärts zu der kleinen Kapelle (Pkt. 1049) hinauf und in die Valle l’Osteria wieder hinab, so gelangt man an die Aufschlüsse in den roten und dunklen Mergeln, die ich als Raibler Schichten gedeutet habe. Man verfolgt das Tal auf dem linken Ufer abwärts, überschreitet bei einer Mühle den Rezzo und steigt über Maggione und Carlazzo nach San Pietro ab und erreicht von hier wieder Porlezza. Von Maggione abwärts befindet man sich auf den Plattenkalken des Hauptdolomites. S. Menaggio, Plesio, Breglia, San Abbondio, Nobiallo, Menaggio. Von Menaggio steigt man auf Hauptdolomit über Loveno nach Ligomena hinauf, wo Raibler Rauhwacken anstehen, die jedoch nur gelegentlich in Baugruben u. dgl. aufgeschlossen sind. Der Weg führt weiter hinauf durch Plesio und über den Tobel, immer auf Moräne, die das anstehende Gestein verdeckt. Bald nach Ueberschreiten der Brücke sind in einem Bache Raibler Plattenkalke aufgeschlossen, dann folgt der Dolomit (Muschelkalk) des Sasso Rancio. Breglia liegt an der Grenze zwischen demselben und den kristallinen Schiefern; westlich über dem Orte krönt verbackener Gehängeschutt den Dolomit. Steigt man von Breglia nach Osten ab, in dem Tale der Acquaseria am Hange des Sasso Rancio, so trifft man kristalline Schiefer, dann Verrucano und wieder Schiefer vor Acquaseria. Von hier auf der neuen Kunststrasse südwärts wandernd, passiert man die ganze Schichtenfolge von den kristallinen Schiefern, an Verrucano mit roten, groben Kon- glomeraten, grauen, glimmerigen Kalken und grauen Konglomeraten vorbei zu den steil aufgerichteten Dolomiten, in deren obersten Bänken am Ausgange des letzten Tunnels man Steinkerne und Ab- drücke von Esino-Gastropoden findet; dann beginnen bei Madonna della Pace die Raibler Plattenkalke, die im Tobel etwas über der Kirche gut aufgeschlossen sind, bei Nobiallo folgen die Gipse und Rauhwacken, in denen die grossen Steinbrüche gute Auf- schlüsse bieten, dann steil zum See abstürzend der Hauptdolomit. Den Plattenkalk des Hauptdolomites kann man im Süden von Menaggio, auf dem Wege nach Cadenabbia, an dem Tunnel der Fahrstrasse beobachten. 83] Das DOoLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. 83 9. Grotti di Caprino, Pugerna, Arogno, Rovio, Melano. Nachdem man den See von Lugano im Boote überquert hat und bei den Weinkellern gelandet ist, kann man, im Osten der Keller aufsteigend und über ihnen auf kleinem Fusspfade den Hang querend, nach Oaprino gelangen. Im Westen von den Kellern steht noch Lias an. In dem Tobel der Valle di Caprino sieht man gut gebankte Dolomite eine Mulde bilden. Auf dem Dolomite führt der Weg weiter durch Pugerna. Verfolgt man den ge- pflasterten Pfad weiter, so trifft man dicht unter demselben das Mundloch des Stollens, in dem das auf einer Spalte auftretende Bitumen als Brennmaterial ausgebeutet wurde, mit ziemlich grosser Halde davor. Bei der Kapelle, wo die Wege nach Campione, Bissone und Arogno sich trennen, hat man schon den Porhpyrit erreicht. (Darauf, dass den Anwohnern Ammoniten, wohl aus dem Lias des (renerosogebietes stammend, nicht unbekannt sind, deutet die Freskodarstellung eines als Drachen ergänzten Ammoniten auf der Wegebezeichnung an der Wand dieser Kapelle.) Wählt man von Arogno die Strasse an der linken Talseite, so trifft man gleich hinter dem Orte auf Liaskalk. In der Mulde, um die die Strasse im Bogen sich herumzieht, liegt der jetzt nicht mehr auf- geschlossene Gips. Steigt man in die Mulde hinab, so kann man die Umgrenzung des rasenbedeckten Vorkommens an den es be- grenzenden Gesteinen, im Norden und Osten Liaskalk, im Süd- westen Porphyr, erkennen. Verlässt man die Fahrstrasse und wählt den Fussweg über Giaro, steigt von hier zwischen dem Kopfe, der die Kapelle St. Agatha trägt, und dem Absturze des Generoso hinauf, so sieht man im Osten den Dolomit, der den Liaskalk, der bisher am Steilhange anstand, unterteuft. Auch der Osthang des erwähnten Buckels besteht aus solchem, während der Westhang, an dem der direkte Fussweg nach Rovio führt, aus Liaskalk besteht. Steigt man dann nach Durchquerung der Einsattelung nach Rovio ab, so trifft man am Südhang des Buckels Liaskalk, sieht, wie wieder dünn- bankige Liaskalke hinter dem Bachriss den Hang des Generoso aufbauen, und trifft vor Rovio die Porphyrite. Man kann die Fahrstrasse nach Melano absteigen, wobei man zweimal Porphyr- gänge trifft; in dem unteren kann man die von Käch beschriebenen dreimal wiederkehrenden, schwarzen Zwischenlagen beobachten. 6* 84 von Bıstram: Das DOLOMITGEBIET DER LUGANER ALPEN. [84 Bei Melano beobachtet man, wenn man zum Kirchlein Beata Vergine etc. aufsteigt, dass der Felsen, auf dem es liegt, aus dolomitischen Kalkbänken mit reichlicher Kieselbänderung (Lias) besteht. Steigt man von der Kapelle nach Norden in das Tobelbett ab, so sieht man den Porphyr, der in den von den Kalkfelsen gebildeten rechten Winkel einspringt — ein Verwerfungs- bild, wie man es selten deutlicher und besser aufgeschlossen finden wird. Verfolgt man von Melano die Strasse nach Capolago, so trifft man bei einem Kalkofen ein kleines Dolomitvorkommen, kann daselbst auch etwas Verrucano beobachten und weiter südlich noch etwas Porphyrit. Verfolgt man die Strasse weiter, so findet man nur noch die Schotter, die bis zum Steilabsturz der Liaskalke hinanreichen. 85] 1 (Quantitative Versuche über den Rowlandeffekt. Von F. Himstedt. In seiner Dissertation Paris 1901 sowie in mehreren Mit- teilungen in den O, R. der Pariser Akademie für 1902 hat Herr ÜREMIEU eine Reihe von Versuchen beschrieben, durch die er be- weisen zu können glaubt, dass die elektrische Konvektion einer elektromagnetischen Wirkung nicht fähig sei, und dass somit die früheren Beobachter bei ihren Arbeiten sich geirrt hätten!. Auf die abweisenden Bemerkungen, welche Herr ÜREMIEU in seiner Dissertation S. 41 über meine Beobachtungen macht, glaube ich nicht ausführlicher eingehen zu sollen, da sie, soviel ich sehe, alle auf unrichtiger Auffassung resp. Wiedergabe meines Textes beruhen. So schreibt z. B. Herr OrkmIEu: „H. observait les &lon- gations et il ne parle pas de deviations permanentes.“ In meiner Arbeit S. 565 heisst es: „Es wurden stets nur definitive Ein- stellungen abgelesen, nicht Schwingungsbeobachtungen gemacht.“ Ebenso heisst es bei Herrn ÜREMIEU: „Je ne crois pas que le syst&me magnetique de M. H. pouvait donner pour de pareils cou- rants des impulsions de 40 & 100 mm & 1 Mtr.“ Abgesehen davon, dass es Herrn UrEMIEU an der nötigen Unterlage fehlt, die Stärke der in meinem Apparate auftretenden Ströme zu berechnen, ist wieder unzutreffend die Angabe, dass ich in 1 m Skalenabstand ! Rowuanp, Ber. d. Berl. Akad. 1876 S. 211; Röntgen, Ber. d. Berl. Akad. 1885 S. 198; RowLanp u. HurcHmson, Philos. Mag. 1889 XXVII S. 445; Hınsteot, Wied. Ann. 38 1889 S. 560. 92 Hinstepr: [86 beobachtet hätte, — 8. 564 a. a. O. steht deutlich 3m — und ist ebenso unrichtig die bei gleicher Gelegenheit gemachte Annahme, der Abstand der rotierenden Scheiben von dem Magnetsysteme habe 3 cm betragen, er betrug noch nicht ganz 1,5 cm u. s. w. Nur in einem Punkte stimme ich mit Herrn CREMIEU überein, dass nämlich eine endgültige Entscheidung der Frage nur durch quantitative Messungen erfolgen kann. Ich hatte solche schon 1889 vorbereitet, habe aber ausser aus andern Gründen auch um deswillen damals Abstand davon genommen, weil solche Messungen, wie be- kannt, im gleichen Jahre von ROWLAnD und HUTCHINSON ausge- führt waren, und nach meiner Ansicht in überzeugender Weise das Vorhandensein des Rowlandeffektes dargetan hatten. Gegenüber den wieder und wieder und immer lauter und be- stimmter ausgesprochenen Behauptungen des Herrn ÜREMIEU, es existiere absolut keine elektromagnetische Wirkung der elektrischen Konvektion, schien es mir jedoch unerlässlich, von neuem möglichst sorgfältige quantitative Versuche auszuführen. Bei der Konstruktion des Apparates habe ich mich eng an die Versuchsanordnung angeschlossen, welche bei meinen früheren Ver- suchen gute Resultate ergeben hatte!. Mit einem von Herrn Mechaniker ELgs hier nach meinen Angaben ausgeführten Apparate habe ich vom 2. Oktober 1901 bis 18. Februar 1902 Versuche an- gestellt, deren Resultate, die weiter unten mitgeteilt werden sollen, eine so gute Uebereinstimmung zwischen Rechnung und Beobachtung zeigen, wie man sie bei so schwierigen Messungen nur erwarten kann. Trotzdem entschloss ich mich, weil mich die Anordnung in zwei später zu erwähnenden Punkten nicht ganz befriedigte, einen neuen Apparat bauen zu lassen, mit dem ich vom 18. September 1902 bis 13. April 1903 Versuche anstellte. Die vollständige Ueber- einstimmung der Resultate dieser Versuche mit denen der oben erwähnten scheint mir um so beweisender zu sein, als ausser dem Beobachtungsfernrohr tatsächlich auch kein einziger Apparatenteil beiden Versuchsreihen gemeinsam ist. Wenngleich nun inzwischen schon eine ganze Reihe von Phy- sikern? durch ihre Arbeiten nachgewiesen haben, dass entgegen der Behauptung des Herrn CrEmiEU der Rowlandeftekt tatsächlich vor- 11A212.,0..8. 564; ® Bekannt geworden sind mir die Arbeiten der Herren WıLson, ADAMS, PENDER, EICHENWALD. 87] QUANTITATIVE VERSUCHE ÜBER DEN ROWLANDEFFEKT. 3 ‚ handen ist, so glaube ich meine Rechnungen und Beobachtungen dennoch in extento mitteilen zu sollen, weil ich der Ansicht bin, dass in einer so wichtigen Frage eine quantitative Bestätigung stets ihren Wert behält. Beschreibung des Apparates. Fig. 1 gibt einen Vertikalschnitt durch den zweiten der oben erwähnten Apparate. M.M ist das Magnetometer. Das astatische 4 HiınsTept: |88 Nadelpaar war einem Dupoıs-Rugensschen Galvanometer entnommen und an einem dünnen Aluminiumdrahte so befestigt, dass der Mittelpunkt des unteren Magnets mit dem Mittelpunkte der Scheiben 7 zusammenfiel, der obere Magnet ca. 1 cm über dem oberen Rande der rotierenden Scheiben sich befand. Der Kupferdämpfer bestand aus zwei Streifen von Elektrolytkupfer je 0,6 cm dick, 5 cm breit, ca. 25 cm lang, die, nachdem in ihnen die Aussparungen für das Magnetsystem und den Spiegel angebracht waren, aufeinander ge- schraubt und luftdicht verkittet waren. Der Kupferdämpfer war angelötet an die Messingplatte P, welche mit sechs Zug- und Druck- schrauben auf einem Träger befestigt war, der, wie K. R. Koch! beschrieben hat, in einer Mauerecke der Hauptfundamentmauern des hiesigen physikalischen Institutes quer übers Eck, also in beide zusammenstossende Mauern eingemauert war. Das Magnetsystem war an einem ca. 15 cm langen sehr feinen Quarzfaden aufgehängt, und über die Aufhängung war ein dicht schliessendes Messingrohr geschoben, so dass das System vollkommen dicht in ein Metall- gehäuse eingeschlossen war, das nur bei F' ein nicht ganz 2 cm grosses Fenster für die Spiegelablesung besass. Trotzdem bei sorg- fältigster Untersuchung sich gezeigt hatte, dass das System in dieser zur Erde abgeleiteten Hülle vollkommen von äusseren elektrostatischen Wirkungen geschützt war, habe ich bei den meisten Versuchen das Glasfenster noch mit einem Drahtgitter bedeckt, durch dessen Maschen hindurch bei guter Beleuchtung der Skale die Ablesung mit dem Fernrohr keine Schwierigkeiten bot. Bei einigen Versuchen habe ich auf das Fenster einen Metalltrichter von solcher Länge auf- gesetzt, dass sein Ende weit über die geladenen Scheiben hinausragte. Die gekreuzten Richtmagnete gestatteten, die Schwingungsdauer des Systems stets auf ca. 30 Sekunden einzustellen. Die Dämpfung war dann noch nicht ganz aperiodisch. Die rotierenden Scheiben H aus Hartgummi hatten bei dem ersten Apparate einen Durchmesser von 20 cm, bei dem zweiten von 30 cm, und waren 5 mm dick. Sie waren auf die Hartgummi- zylinder Ü von ca. 6 cm Durchmesser und 6 cm Länge aufgeschraubt, und in diesen letzteren waren, wie aus der Figur zu ersehen, die Metallachsen befestigt. Diese bestanden aus Hartguss und liefen in einem Kugellager, dessen Kugeln aus Neusilber hergestellt waren. "K. R. Koch, Relative Schweremessungen, ausgeführt im Auftrag des Kgl. Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens, Stuttgart 1901 S. 358. 89] QUANTITATIVE VERSUCHE ÜBER DEN ROWLANDEFFEKT. 5 An dem Ende jeder Achse befand sich ein Zählwerk Z. Durch jede der Hartgummischeiben hindurch sind in die Hartgummizylinder je sechs Stifte « eingeschraubt, die vorn eben mit der Scheibe ab- gedreht sind, hinten aber, dadurch dass eine Rinne in den Zylinder eingedreht ist, sozusagen einen Kollektor bilden, auf welchem der Zuleitungsdraht für die Ladung der Scheiben leicht federnd schleift. Die Hartgummischeiben sind auf der Innenseite versilbert und diese Versilberung ist zunächst in sechs ganz voneinander isolierte Sektoren geteilt, so dass jeder Sektor mit einem der oben erwähnten Stifte in Verbindung steht. Jeder Sektor ist dann noch einmal durch drei radiale Schnitte in Unterabteilungen geteilt, die aber alle nahe dem Mittelpunkte der Scheibe zusammenhängen. R ist ein Messingring, der als Schutzring die rotierenden Scheiben umgibt und durch Träger wie 7 fest mit den Böcken des Achsenlagers ver- schraubt ist. SS sind zwei Spiegelglasplatten von 40 x 50 cm, welche durch sechs Schrauben (wie eine in der Figur angedeutete) gehalten, genau vertikal und damit den ebenfalls vertikal stehenden rotierenden Scheiben parallel gestellt werden konnten. Rings am Rande war an die Spiegelglasscheiben, wie in der Figur am oberen Rande an- gedeutet, ein steifer Karton angeklebt, welcher den enormen Luft- zug, der bei der Rotation der Scheiben entstand, abfangen und von dem Magnetsystem abhalten solltee Auf der den Hartgummi- scheiben zugekehrten Seite waren die Spiegelglasplatten versilbert, und war die Versilberung in derselben Weise wie bei den rotierenden Scheiben durch radiale Schnitte in Unterabteilungen geteilt. Die Ableitung der Versilberung zur Erde erfolgte durch die Halte- schrauben. Auf der dem Magnetsysteme zugekehrten Seite war auf jede Glasplatte ein Staniolring von 2 mm Breite und 10,3 cm Ra- dius aufgeklebt, der nach Art des Ringes einer Tangentenbussole mit zwei dicht nebeneinander laufenden Stromzuleitungen ver- sehen war. Durch Verstellen der Befestigungsschrauben der Glasplatten war es möglich, den Abstand der Kreisringe von dem Magnetsystem auf jeden gewünschten Betrag einzustellen. Unabhängig hiervon konnte durch Verstellen der Lagerböcke B der Abstand jeder Hart- gummischeibe von der ihr gegenüberstehenden Spiegelglasplatte, also die Dicke des Dielektrikums zwischen diesen Kondensatorplatten reguliert werden. Mit Ausnahme der Hartgummiplatten und ihrer Schutzringe waren alle Apparatenteile, und zwar jeder für sich, durch 6 HinsTEprt: [9 0 gute Leitungen an Erde gelegt. Der Antrieb der Scheiben erfolgte durch einen einpferdigen Elektromotor, der, in 11 m Entfernung aufgestellt, auf ein Vorgelege arbeitete, von dem aus Schnurläufe über die an der Achse des Apparates gezeichneten Rollen führten. Dieselben waren nicht aus Metall, sondern aus Hartgummi, weil sich gezeigt hatte, dass bei diesem Material das Gleiten der Schnüre bedeutend geringer und infolgedessen die Rotation der Scheiben viel gleichmässiger war. Der Apparat, mit dem die erste Versuchs- reihe ausgeführt wurde, unterschied sich von dem eben beschriebenen in folgenden Punkten: 1. die Scheiben hatten 10 cm statt 15 cm Radius; 2. die Schutzringe um die Scheiben fehlten; 3. die Staniolringe auf den Innenseiten der Spiegelglasplatten fehlten. Um die Empfindlichkeit des Magnetsystems zu bestimmen, mussten nach jedem Rotationsversuche die Böcke mit den Hart- gummischeiben entfernt und an ihrer Stelle zwei Drahtringe auf- gestellt werden, durch welche ein das Magnetsystem ablenkender Strom von bekannter Stärke geschickt werden konnte; 4. die Rotationsapparate hatten Zapfenlager, nicht wie hier Kugellager. Berechnung eines Versuches. Wir bezeichnen das magnetische Moment des unteren Magneten unseres astatischen Paares mit M,, das des oberen mit M, und nennen die Kraft, welche ein Strom von 1 Amp., der den auf die Innenseite der Spiegelglasplatte geklebten Staniolring (resp. den eben erwähnten, an die Stelle der rotierenden Scheibe gestellten Drahtring) durchfliesst, parallel der Achse dieses Ringes auf einen Einheitspol an der Stelle von M;, resp. M, ausübt, Z, resp. Z3. Wird das Magnetsystem dann durch einen Strom von der Stärke ö um den Winkel g abgelenkt, so gilt offenbar die Gleichung 1) <(M,Zı + M3Z;) cosg = (M; — M;)H sing wo H die Horizontalintensität ist. Bezeichnen wir ebenso die Kraft, welche die geladenen rotie- renden Scheiben auf einen Einheitspol am Orte des unteren resp. des oberen Magneten senkrecht zum Meridian ausüben mit Z, und Z, und nennen die bei einem Versuche beobachtete Ablenkung des Magnetsystems 7, so gilt entsprechend 2) (MıZı + M3Z,) cosy = (M, — M,)H siny, 91] QUANTITATIVE VERSUCHE ÜBER DEN ROWLANDEFFEKT. 7 folglich °FG tg fi M, Z, E— M, Ze Setzen wir Ms = M,(1— a) wo a ein echter und zwar kleiner Bruch sein wird, so können wir schreiben: a el auecail Fonc, Kanes le )} tgx Zı + Z Z, +2 Zı+Z Bei der Wahl der Dimensionen der in Betracht kommenden Apparatenteile war nun Bedacht darauf genommen, dass die mit a multiplizierte Klammergrösse höchstens den Wert 0,08 hatte. Anderseits waren die Magnete des astatischen Paares mit Sorgfalt so gleich gemacht, dass a, wie direkte magnetometrische Messungen, die vor wie nach den Versuchen ausgeführt wurden, ergaben, kleiner als 0,002 war. Bei der hier angestrebten resp. erreichbaren Ge- nauigkeit darf also der Wert der grossen Klammer gleich 7 gesetzt werden. Z, und Z, lassen sich, wie im folgenden gezeigt werden wird, auf die Form bringen & eG S wo » das Verhältnis der elektrostatischen und elektromagnetischen Einheiten resp. die Lichtgeschwindigkeit bezeichnet. Für diese Grösse aufgelöst ergibt mithin die obige Gleichung trag \PrcB I tgY Zı+ 2 Alle im folgenden mitzuteilenden Versuche sind benutzt, um mit Hilfe dieser Gleichung die Grösse v» zu berechnen. Berechnung von Z, und Z;. Drehungsmoment eines Kreisstromes auf das astatische Nadelpaar. Die Ebene des Stromes falle zusammen mit der X Yebene, Fig. 2 S. 3, der untere Magnet liege auf der Zachse, habe also die Koordinaten 0, 0, c, der obere Magnet senkrecht darüber habe die Koordination 0, b, c. Auf einen im Punkte 0, 0, c befind- lichen Magnetpol 7 übt der Strom von der Stärke 1 eine Kraft aus, deren Komponente parallel der Zachse sich berechnet zu 2rp? I Apr 8 HIMSTEDT: [92 wo p der Radius des Stromkreises ist. Entsprechend ergibt sich die Zkomponente auf einen Einheitspol im Punkte 0, b, c AT e(p — b cosu)da 5) Zs een 63. 0 Um dieses Integral auf die LEGENDREschen Formen der ellipti- c?) 312 schen Integrale zurückzuführen, setzen wir Oh Are y1-# sing —A =r— 20%, Dann wird = Tr JA ee) 4ob sin ®pdp DI 53 N Pr) A? N) 0 Es ist d (sinpcosy\ _ co sn 1 a A?—1 sin 29 N IR Fr N? IN N k? N? ZN dy (Sioipieosio\ 1 A et Zu a de\ A Integriert man beide Seiten zwischen 0 und z, so wird die linke Seite Null und man erhält mithin do Al In: a Pl do = 12 1 13% ) 0 Weiter ist Tr T ?sin ? PR? sin ?o do wir ER dp dar k2 A3 N) TT drnselabn 77 , ee z Fu —_p# do fe A au Ban k? 0) 0 Werte lässt sich Z, in die Form Durch Einsetzen dieser bringen 6) 3 = —_— 7) [(B? di) Be ka [p vr 2) K]ı, Nach G. WIEDEMANN, Elek. III 225 ist diese Reduktion auf die Normal- 1 form schon von SEccHI ausgeführt worden 93] QUANTITATIVE VERSUCHE ÜBER DEN ROWLANDEFFERT. 9 Berechnung von Z, und Z.. Drehungsmoment der rotierenden geladenen Scheiben auf das astatische Nadelpaar. Nach Formel 4 S. 7 ist die Zkomponente der Kraft, mit welcher ein Kreisstrom von der Intensität ö auf einen magnetischen Einheitspol im Punkte 0, 0, z wirkt, Arp*i + JR Bezeichnen wir die Dichte der Ladung auf der Scheibe mit s, die Anzahl der Umdrehungen in der Sekunde mit » und mit vo das Verhältnis der elektrischen Einheiten, so haben wir zu setzen IH — i= 2 npdo und erhalten dann für die von der ganzen Scheibe parallel der Zachse ausgeübte Kraft R An?e 3d An?e R? 22? E P N). ıu=— — ee = | al — v + 22) 312 0) 0 wo R der Radius der Scheibe ist. Um die entsprechende Kraft auf einen Einheitspol im Punkte 0, b, z zu erhalten, gehen wir aus von der Formel 5 726 BP er eo —beoso)du | RN Brenn: cosa@ + b2? + 22)3/2 0 . ° eN . B . setzen wieder ö= 2zpdp —_ und integrieren nach p zwischen den Grenzen 0 und R It ? pl — becoso)dpde R Arten re of J @— 2pbcosa +? + 22 Es gelingt, auch dieses Integral auf die LEGENDREschen Normal- formen zurückzuführen. Ich verdanke die Angabe der hierzu er- forderlichen Rechnungen der Freundlichkeit des Herrn Professor Löwy hier. Die Integration nach p bietet keine Schwierigkeiten und wir erhalten, wenn wir setzen (R?—- 2 Rbcsa+% + 22) 2 —Q. 10 HinmsTEDT: [94 Or Ir Ir Nr BpNer,; N Fr Be (Ode f® + 22)1/2da > € z « ® 0 0 0 IT + 2b fcosalog(R — b cosa + Q)da 0 AT — 2b [cosa log (— beosa + yb2 + 22) da. 0 Bezeichnen wir die Integrale der Reihe nach mit A, bis A,, so erhalten wir durch die Substitution «=r-— 2 © r/2 Sun N re Te 1 anne HEN VR+b?-+ 2 Er EN (R+b? +2? Durch dieselbe Substitution erhalten wir r/2 As= 8 VR+DP +2 SAdg=syVR+D? 4. E 0 (AN — y1 — k?sin?g ÄK* Ganz direkt ergibt sich A;=—- 4ryb2 +22. Nicht so leicht gestaltet sich die Auswertung von Ay. Zu- nächst erhalten wir durch partielle Integration IT Fe a (24%) da Ay; = [2b sinalog(R— bcosa + Q) — 258, B-IoeugE 0 0 Das erste Glied hat den Wert Null und das zweite lässt sich schreiben It DR cosa — b? — 2? da. "sin?a|l — beos“-+ A = 2b? ) — ———— ’ Ü m) b? sin ?u. + 2? Von dem ersten Gliede dieses Ausdruckes lässt sich leicht zeigen, dass es bei der Integration den Wert Null annimmt, mit- hin bleibt ar 9) A > va ?u bR cosu — b? — >? « m) b? sin a + 2? do. [0 Indem man im Nenner sin ?« = 7 — cos ®u, setzt und dann die Division mit 2 + 2? — b2 cos ?a. ausführt, erhält man 95] QUANTITATIVE VERSUCHE ÜBER DEN ROWLANDEFFEKT. DR cos ade. 720 5 do. ua DE apa (| 2 NR (0) IT > z# ne „ cos a — 2? — 0 2 — +2 “0... cos ?« — b? — 2?) Durch die Substitution « = z — 2% wird —r 7 2 cosada [ cos2» -2d» Q - (rm cos29 + b? + 2?) 1/? 0 - 22 ——fU 2 Er e (1 — 2 sin ?y)do Er ER JYR+9?+22y1—R2sin 20.0 Y(R+?+2 au 3 r/2 8 sin ?o dp Va+0%? +2) y1—R?sin® 0 Ebenso erhalten wir für das zweite der obigen Integrale IT da _ 4K j ® YR+bP +2 Bei dem dritten Integrale zerlegen wir in Partialbrüche Ar (ER 2 f\ 7 con 22 Zar h Dur Q(b? cos 2a — b? — 22) =2W%’ (U M+RN), 0 27, wo dann IR ze 02 22), He = 2?(R— yb? +2? uf N “ z Mer Te 2? Q(b cos» — Yb? +22 Setzt man wieder «= x — 2g, so un, sich schreiben 4 m VR+9?+2(V® +2 —b) do ’ sin ’\y 1—k?sin a) 1l 12 Hinsteprt: [96 N w — 4 VR+W+2Z(VW®+2+b) r/2 / n n ö 2b 9 De 2 a TEE Lac; Dr Nach ENNEPER, Elliptische Funktionen S. 179 Gleichung 14, gilt für = r/2 die Beziehung — k? sin 2. win RE Ve F (r/2) + II (cotg 0, ) __ k/? sin ?a cos ?« Ar Br TE Re Il | 1+ k}? sın ?a, 2 Setzen wir unter dem Integralzeichen in M: 2b V®?+2—b so erhalten wir durch Benutzung dieser Relation Ir cotg ?a = » do k? sin ?a. 3 (1+- 2b —_—. 2 si E22 2 1 sın — k? sın ?9 en VE ky? sin ?a cos ®o. Nun lässt sich Er RER r/2 1 > 1 + ky? sin ?%o, 2 — Ü 2 ar — nn z J [1— (1 — k/? sin ?o) sin ?9] Y1 — K? sin ?% 0 r/2 Sf dp[1 — (1— k sin ®o) sin ?p] 1 — (1— k/? sin ?«) sin ?e] V1-%k — k? sin ?g aj2 | E Mn dyp[1— ky? sin ?e] sin ?p [2 — (1 — k}? sin ?o) sin ?o] y1 — k? sin ?p r/2 = K+ (dk? cin 2a) (— a. N [1 — (1 — k? sin ?o) sin 26] Y1 — k? sin ? v und da dieses letzte Integral nach ENNEPER, S. 189 1. Gleichung, den Wert hat — [X E@k)+ E-F(ak)— K:F(o,k)] - n I ’ hy” sina cosa Y1 — ky? sin ?a so erhalten wir schliesslich 97] QUANTITATIVE VERSUCHE ÜBER DEN ROWLANDEFFERT. 13 M= ee sin al een Be (V5? + 2? —b) YR+9’-+ =| Y1— k7 sin? ” -K-Ela,k) -E:Flak)+ K- F(a, 2]: In ganz ähnlicher Weise erhalten wir das entsprechende Inte- gral in dem Werte für N, indem wir «= x — 2» und dann = 1, =1-—k,?sin’ setzen. Es wird dann r/2 do Fer - Terme: 0 ® l Eu = / dp i [1 — (1 —k/? sin? 2.) sin 2g] Y1 — R? sin 2g N) Tr = K+(1-—- k,?sin”) 1 6) E sin od» [1 — d — k,? sin ?y) sin ?o] Yyı—-® sin ?p wofür wir nach ENNEPER S. 189 schreiben können yı — kf?sin?y fx krsinycosy |2 ge K- Eyk)—E-Fiok)+ K-F(y, 2) so dass wir schliesslich finden 4 r. Vi-ksin®% en men —— |; — (yb? +22 +0) Y R+b%+321| ee: k?sinycosy [2 K- Enid EFtGk)+K- Fk | Stellen wir alle erhaltenen Ausdrücke zusammen, so ergibt sich —gRb | wer, VR+y+2 Zy(R+6°) +22 (K— E) 8(b? + 22) K 4°(R-+ Vv”+2) sin « V(&k+5? +2 YR+D9?+2(V® + 2—b) | sina K + —— IL V 1-—k? sin ?o. 2 — K- E(a,k))— EF(@,kı) + K- K-F@k) | 42 (R— Yo? + 2 r 1—k2 ” = Ka DE me Feind . VR+%+2(Vy®+z2+Y)L ei 15 - K Blut) BFok)+K: Fk] Berichte XIV. 7 4; =— kr siny cos 14 HiMsTEDT: [98 Das letzte Integral AT A; = — 2b fcosalog(-bcosa+ Yb? + 22) da 0 geht durch partielle Integration über in AT 4; = — ab |sin [04 log (y b2 122 sr b cos o)] 0 AT je sin *o. da A yb’ + 2° — b cosu 0 Das erste Glied wird durch Einsetzen der Grenzen zu Null, das noch bleibende Integral lässt sich auf die Form bringen + LG) = [IG) Or Ar Ar Sr oens9 2? da. 4A; =.) cos a.da. +2 /y® a — 2 : e c : Vb? +22 —bcos« [f) 0 0 so dass wir erhalten A; = 4n VlR FAR _ Anz. Stellen wir die Werte für A, bis A, zusammen, so ergibt sich endlich en iD, 9) = 9 2 ® 2) 4(0? + 23) N, n 2 ze “RK — 4n.2 San VR+y+z i N 42?(R + Yb? + 22) sin « VE +92 +2 (yp® +20) 2 — K: Eh) - E-P@k) u: F@kı)l| COS a y1 — k,? sin? | sina-K -+ yı — k?sin’y k? sinycosy pr ee ME VR+W+2(V®+, , [2 K Btrk) — E- Fik)+ K- Ferkpl | +) [X “ wobei 4Rb c ; ı ?= arg P4hr=i nt, | 2b 2 cotg a, — ——— 1 la Bine — - V®+2+b 99] QUANTITATIVE VERSUCHE ÜBER DEN ROWLANDEFFERT. 19. Erste Versuchsreihe. Bei dem ersten Apparate hatten die in die Rechnung ein- gehenden Grössen die folgenden Werte: - Abstand der Magnete des astatischen Paares voneinander b= 11,5 cm: Radius der Kreisringe für konstanten Strom p = 8,25 cm. Radius der rotierenden Scheiben R = 9,8 cm. Abstand derselben von der Ebene des Magnetsystems z = 2,1 cm. Die Dicke der Luftschicht zwischen der Versilberung der Glas- platten und den rotierenden Scheiben, die variiert wurde, ist in Centimeter gegeben und mit d bezeichnet. Das Potential, auf welches die Scheiben geladen wurden, ist in Volt angegeben und unter Y aufgeführt. Die in den Formeln % Arnd Die Tourenzahl in der Minute ist unter » gegeben. Unter y ist der Doppelausschlag in Millimeter angegeben, welcher am Magnet- system beobachtet wurde, wenn der Strom ö Amp. in den zwei erwähnten Kreisringen, welche an die Stelle der rotierenden Scheiben gebracht werden konnten, kommutiert wurde. Entsprechend unter x die durch die Scheiben hervorgebrachte kommutierte Ablenkung. vorkommende Dichte der Scheibenladung ergibt sich dann = = No | d | 174 | n | g | iX 10% | 7 [ax % 1 0,50 6000 4700 63,8 0,66 24,3 3,24 2 0,52 5100 5320 52,7 0,66 19,8 3,03 3 0,55 4360 5450 53,4 0,66 18,6 2,70 4 0,55 4500 5280 55,0 0,66 16,8 3,08 5 0,6 3930 5400 32,7 0,66 8,7 2,91 6 0,6 4140 5530 33,1 0,66 8,8 3,15 7 0,6 4770 6770 32,6 0,66 12,9 2,96 8 0,4 4130 6360 32,6 0,66 15,8 2,95 9 0,26 3110 7000 33,9 0,66 19,0 3,29 10 0,26 3150 6940 34,0 0,66 20,1 3,10 Mittel 3,04 Zu den vorstehenden Beobachtungen ist das Folgende zu be- merken. Um die Scheiben zu laden, wurde, da keine ausreichende Hochspannungsbatterie vorhanden war, eine Vosssche Influenz- maschine mit zwei beweglichen Platten von 50 cm Durchmesser benutzt. Dieselbe wurde durch einen kleinen Elektromotor in dauernde schnelle Rotation versetzt, und ihre Pole wurden mit der 7% ‘ 16 Hınstepr: [100 inneren resp. äusseren Belegung einer aus sechs grossen Flaschen (40 cm hohe Belegung) bestehenden auf Paraffinklötzen gut isolierten Leydener Batterie verbunden. Die Leitung, welche zu den Kollek- toren der zu ladenden rotierenden Scheiben führte, konnte mittelst eines passenden Kommutators je nach Wunsch an die äussere oder innere Belegung der Flaschenbatterie gelegt werden. Die Höhe des Potentials wurde mit einem SIEMENSschen elektrostatischen Volt- meter gemessen. Um die Batterie auf ein bestimmtes konstantes Potential laden zu können, war dem Knopfe einer der parallel ge- schalteten Flaschen gegenüber ein mikrometrisch verstellbarer, zur Erde abgeleiteter Spitzenkamm! aufgestellt. Bei dieser Anordnung zeigten jedoch die beiden Belegungen der Batterie Spannungen, die um mehrere Hundert Volt voneinander verschieden waren. Erst als sowohl von der inneren wie von der äusseren Belegung durch je einen Spitzenkamm abgesaugt wurde, gelang es, durch passende Regulierung der Entfernungen auf den Belegungen angenähert gleich hohe Potentiale zu erhalten. Bei jedem Versuche wurde zuerst die Isolation geprüft. Die Scheiben wurden geladen, von der Flaschenbatterie abgetrennt und am Elektrometer kontrolliert, dass die Spannung längere Zeit hin- durch praktisch vollkommen konstant blieb. Darauf wurden die wieder an die Flaschenbatterie angelegten Scheiben in gleichmässige aber ganz langsame Rotation (1 Umdrehung in 6 Sekunden) ver- setzt und festgestellt, dass weder hiebei noch beim Kommutieren der Ladung eine Ablenkung der Magnete hervorgerufen wurde. Fände ein Ausströmen der Elektrizität aus der Scheibe nach den zur Erde abgeleiteten Spiegelglasplatten hin, oder ein Fliessen der Elektrizität von dem einen Sektor nach dem andern hin statt, welches eine Ablenkung des Magnetsystems hervorzubringen ver- möchte, so müsste dies auch bei langsamer Rotation sich geltend machen. Es war dies aber bei meinen Apparaten nie der Fall. Hierauf wurden die Scheiben wieder entladen und in die ge- wünschte schnelle Rotation versetzt. Hierdurch fand bei diesem ersten Apparate stets eine Verlegung der Ruhelage des Magnet- systems statt, die bei den einzelnen Versuchen 20-40 mm an der Fernrohrskale betrug. Hatte das Magnetsystem nach 3—4 Minuten die neue Ruhelage eingenommen und behielt diese bei, solange die ' Es war dieselbe Anordnung, welche die Herren SıEvEKING und Taum bei ihren Arbeiten im hiesigen Institute benutzt hatten. Drupes Annalen 1900 I 299 und 1901 VI 259. 101] QUANTITATIVE VERSUCHE ÜBER DEN ROWLANDEFFEKT, 17 Scheiben rotierten, so wurde ein Versuch ausgeführt. Aenderte sich dagegen — was anfangs, ehe ich den später anzugebenden Grund kannte, nicht selten vorkam —, die Ruhelage des Magnet- systems nach Verlauf von vier Minuten noch weiter, so wurde der Versuch abgebrochen, auch dann, wenn diese Aenderung so gieich- mässig war, dass sie aus den kommutierten Ablenkungen sich würde herausgehoben haben. Hatte das Magnetsystem eine neue, konstante Ruhelage ein- genommen, so wurden die Scheiben geladen, die neue Einstellung abgelesen, die Ladung kommutiert, wieder abgelesen u. s. w. Ich lasse als Beispiel hier die Ablesungen bei dem ersten der »obigen Versuche folgen. Ruhelage bei ruhenden Scheiben 503,2. Ruhelage bei rotierenden Scheiben 469,0. Ablesungen: 456,9 456,8 450,6 450,6 457 456,8 457 481,1 481,5 481,0 480,8 480,7 481,3. Kommutierte Ablenkung im Mittel y = 24,3. Bei den Versuchen mit ungeraden Nummern entsprach die Rotationsrichtung der Scheiben, vom Fernrohr aus gesehen, der Uhrzeigerbewegung, bei den geraden Nummern war sie entgegen- gesetzt. Mit der Anordnung der Versuche 1 bis 4 habe ich Kontroll- versuche ausgeführt in der Weise, dass ich die beiden Scheiben in entgegengesetzter Richtung rotieren liess, im übrigen aber genau wie bei den andern Versuchen. verfuhr. Ich habe nie eine Ablen- kung erhalten, die einen Skalenteil überschritten hätte, und die mini- malen Ablenkungen, die eintraten, lassen sich sehr wohl aus einer un- gleichen Rotationsgeschwindigkeit oder Unsymmetrien in der Auf- stellung der beiden Scheiben erklären. Wenn man bedenkt, dass in die Berechnung von v eine grosse Anzahl von Einzelmessungen eingehen, die, wie z.B. die Bestimmung von d und von z, keiner grossen Genauigkeit fähig sind, so wird man zugestehen müssen, dass die Uebereinstimmung der für » gefundenen Werte unterein- ander sowohl wie mit dem wahren Werte von »=3 x 1010 eine durchaus genügende ist. Ich würde es deshalb auch bei den vorstehenden Beobachtungen haben bewenden lassen, wenn nicht die Beobachtungen, wie schon erwähnt, in zwei Punkten mich unbefriedigt gelassen hätten. Der 18 HINMSTEDT: [102 eine Punkt war der, dass das Magnetsystem eine neue Ruhelage einnahm, wenn die Scheiben in schnelle Rotation versetzt wurden; und, was weit wichtiger, dass diese neue Ruhelage bei einigen Ver- suchen ganz konstant wurde, sobald die Scheiben ihre normale Ge- schwindigkeit erreicht hatten, bei andern dagegen fortgesetzten Aenderungen unterworfen war. Nach langem Suchen und gar manchem vergeblichen Versuche ist es mir gelungen, diesen Punkt aufzuklären. Das Wandern der Ruhelage rührt von T'hermoströmen her, die durch Warmlaufen der Achsen entstehen. Durch Anfassen mit der Hand oder durch Be- rühren mit einem heiss gemachten Metallstabe konnte ich die gleiche Erscheinung hervorrufen und je nach dem Teile des Apparates, den ich berührte, die Nadel nach rechts oder links ablenken. War durch absichtliches Erwärmen eines Apparatenteiles eine Ablenkung der Magnetnadel hervorgerufen, und liess man den Apparat jetzt ruhig stehen, so nahm die Ablenkung langsam aber ganz stetig ab. Liess man aber den Apparat laufen, oder erzeugte auf andere Weise stärkere Luftströmungen, so schwankte die Magnetnadel unausgesetzt hin und her. Ich habe diesen Uebelstand bei dem zweiten Apparate voll- ständig beseitigen können dadurch, dass ich Kugellager benutzte und die allergrösste Sorgfalt auf die Ausbalancierung der rotieren- den Scheiben verwendete, so dass diese tadellos liefen, gar kein Schlagen zeigten und keinen einseitigen Zug auf die Achsen aus- übten. Mehr als 3—4 Versuche hintereinander konnte ich trotz- dem nie mit dem Apparate anstellen, ohne dass sich wieder Spuren von Nullpunktswanderungen zeigten. Es wurden deshalb bei den neuen Versuchen meist schon nach zwei Beobachtungen die Achsen wieder nachgeschliffen und neue Kugeln eingelegt. Bei dieser Vor- sichtsmassregel blieb während der Versuche die Ruhelage des Mag- netsystems absolut konstant. Schliesslich habe ich es auch erreicht, dass die Verlegung des Nullpunktes beim Anlaufen der Scheiben aufhörte, und zwar einfach durch Ausprobieren. Es rührt diese Verlegung wahrscheinlich von irgend welchen geringen Unsymme- trien in der Aufstellung her. Jedenfalls wurde sie wesentlich grösser, wenn ich absichtlich die Rotationsachse etwas schräg gegen das Magnetsystem stellte, und durch vorsichtiges mikrometrisches Verstellen der Richtmagnete einerseits, durch ganz minimales Klopfen an den Lagerblöcken der Rotationsachsen anderseits konnte ich es stets erreichen, dass das Magnetsystem bei ruhenden und bei rotie- 103] QUANTITATIVE VERSUCHE ÜBER DEN ROWLANDEFFEKT. 19 renden ungeladenen resp. zur Erde abgeleiteten Scheiben dieselbe Ruhelage besass. Am Beobachtungsfernrohre sitzend konnte man dann nur noch an Einem das Anlaufen der Scheiben erkennen, dass nämlich, wenn diese durch eine bestimmte Geschwindigkeit hindurch- gingen (schätzungsweise 30 Umdrehungen pro Sekunde), das Bild des Skalenteiles kurze Zeit etwas unscharf wurde, weil der Spiegel offenbar für kurze Zeit in eine leicht zitternde Bewegung geriet. Der zweite Punkt, der mich nicht befriedigte, war der, dass trotz der oben erwähnten Absaugespitzen während eines Versuches hin und wieder plötzlich das Potential der negativ geladenen Scheiben bis zu 200 Volt niedriger ausfiel als wenn kommutiert, die Scheiben also positiv geladen wurden. Dass dies an der Elektrisiermaschine resp. der Flaschenbatterie und nicht an den Scheiben lag, geht deutlich daraus hervor, dass dieser Missstand fortfiel, als bei den folgenden Versuchen ein Hochspannungsakkumulator benutzt wurde. Zweite Versuchsreihe. Abstand der Magnete des astatischen Paares voneinander b = 16,6 cm. Radius der Kreisringe für konstanten Strom p = 10,3 cm. Radius der rotierenden Scheiben R = 15,01 cm. Die Buchstaben d, V, n, 9, 1, i, v haben dieselbe Bedeutung wie oben, c ist der Abstand der Ebene eines Ringes p von dem Mittelpunkte des Magnet- systems, z der Abstand einer rotierenden Scheibe vom Magnet- mittelpunkte. No. d V | n | e | g | x | 2 | ‘ | ” 10 ı | 0,1 | 2620 | 4000 | 0,9 76,6 | 0,67 | 187 | 24,0 | 3,68 2 | 0,61 | 3050 | 3750 | 0,9 71,6 | 0,87 | 187 | 24,6 | 3,84 3 | 0,60 | 2900 | 4750 | 0,9 523,6 | 0,67 | 1,87 | 189 | 3,24 4 | 0,60 | 2985 | 4575 | 0,9 52,5 | 0,66 | 1,87 | 20,4 | 3,00 5 | 0,60 | 3765 | 3575 | 0,9 52,7 | 067 | 1,87 | ı83 | 2,98 6 0,60 | 2890 | 6200 | 0,9 52,5 0,67 1,87 25,9 3,06 7 | 1,00 | 4050 | 5500 | 1,085 | 51,4 | o,ss | 2395 | 89 | 3,97 8 | 1,00 | 4050 | 5500 | 1,0925 | 51,4 | 0,67 | 23955 | 87 | 3,05 9 | 1,00 | 4110 | 5900 | 1,025 | 53,4 | o,s6 | 2,395 [| 20,3 | 2,98 10 | 1,00 | 4100 | 6050 | 1,025 | 53,5 | 0,67 | 2,395 | 21,0 | 3,95 11 1,00 | 3996 6050 1,00 45,0 0,67 2,375 17,0 3,19 12 1,00 | 4170 5980 1,00 44,5 0,67 2,375 18,3 3,04 13 0,78 | 4152 | 5500 1,00 46,8 0,69 2,375 22,0 3,01 14 0,78 4264 5550 1,00 43,0 0,67 2,375 23,1 2,82 Mittel v 1020 — 2,9 20 Hıustepr: [104 Dass das Mittel für vo fast genau mit dem wahren Werte 3% 1010 übereinstimmt, ist natürlich nur Zufall, wie ohne weiteres aus den Abweichungen der Einzelwerte voneinander erhellt. Die Ladung der Platten erfolgte bei diesen Versuchen wie er- wähnt durch einen Hochspannungsakkumulator. Ich habe absicht- lich stets mit Spannungen gearbeitet, die im Verhältniss zu der Dicke des Dielektrikums nur sehr niedrig waren, so dass schon hierdurch die Gefahr einer Ausstrahlung auf ein Minimum herabgesetzt war. Bei einigen Versuchen lag die Ladespannung für + E sogar unter dem sogenannten Minimumpotential, bei welchem überhaupt erst Ausstrahlung aus Spitzen beginnen kann. Die ungeraden Nummern sind wieder mit Rotation der Scheiben im einen, die geraden mit Rotation im entgegengesetzten Sinne angestellt. Am Ende von Versuch 6 verunglückte eine der rotierenden Scheiben und die ihr gegenüberstehende Spiegelglasscheibe und mussten durch neue ersetzt werden. Versuch 7 und 8 sind des- halb nur mit einer rotierenden Scheibe angestellt. Mit der Anord- nung des Versuches No. 6 habe ich Versuche angestellt, bei denen die Scheiben in entgegengesetzter Richtung rotierten, d. h, die eine rechts, die andere links herum. Der Ausschlag blieb unter 0,5 Skalenteil. Mit der gleichen Einstellung habe ich, während beide Scheiben in gleichem Sinne rotierten, die eine auf + 2050, die andere auf — 2050 geladen, indem die Batterie in der Mitte zur Erde ge- leitet wurde. Eine Scheibe allein gab 10,5 Skalenteile, beide zu- sammen 0,6 Skalenteile. Endlich habe ich mit der Aufstellung, die bei den Versuchen 13 und 14 benutzt war, noch die folgenden Versuche ausgeführt: die Scheiben wurden, wie oben auseinandergesetzt, mit aller Sorg- falt so eingestellt, dass sie, wenn nicht geladen, weder bei langsamer noch bei schneller Rotation die Ruhelage des Magnetsystems be- einflusten. Hierauf wurden die Scheiben bei ganz langsamer Rota- tion, ca. eine Umdrehung in zwei Sekunden, geladen und es wurde die Einstellung des Magnetsystems an der Fernrohrskale abgelesen, dann die Geschwindigkeit gesteigert bis dieselbe ca. 90 Touren in der “ Sekunde betrug, und wieder die Einstellung abgelesen, hierauf wieder bei langsamer Drehung beobachtet u. s. w., so dass also, während die Scheiben rotierten, keine Aenderung der Ladung eintrat, es wurde weder entladen, noch kommutiert. Die bei diesen Versuchen erhaltenen Werte von » X 10719 sind: 3,52 2,78 2,65 2,86 3,15 2,78 2,95 2,79. Die Fehler, mit denen diese Werte behaftet sind, 105] QUANTITATIVE VERSUCHE ÜBER DEN ROWLANDEFFEKT. 91 sind ja unverkennbar grösser, als bei den früheren Messungen. Aber wenn man bedenkt, dass erstens die zu beobachtende Ablenkung nur halb so gross war, dass zweitens es sich um die Messung der einseitigen (nicht kommutierten) Ablenkung eines hochempfind- lichen astatischen Nadelpaares handelt, und dass drittens bei dem abwechselnd schnell und langsam Laufenlassen der Scheiben man nie absolut genau die gleiche Geschwindigkeit erzielen kann und dass die Messung derselben bei diesen Versuchen nicht gleichzeitig mit der Messung der Ablenkung, sondern erst nach Beendigung der Versuche erfolgen musste, so wird man die Uebereinstimmung der Werte untereinander, sowie die Annäherung an den Wert 3,00 als durchaus beweisend anerkennen müssen. Herr CrREMIEU hatte bei seinem Apparate beobachtet, dass in dem Augenblicke, wo die rotierenden Scheiben geladen wurden resp. ihre Ladung kommutiert wurde, die Magnetnadel zuweilen starke Ausschläge zeigte. Durch die letzten Versuche glaube ich den Nachweis erbracht zu haben, dass bei meinem Apparate diese Fehlerquelle keine Rolle gespielt haben kann. Ausser den vorstehend beschriebenen quantitativen Versuchen habe ich mit den Apparaten noch eine grosse Anzahl von Be- obachtungen ausgeführt, bei denen ich bald diese, bald jene kleine Abänderung getroffen hatte; so habe ich die Hartgummischeiben sowohl versilbert, als mit Graphit eingerieben, als mit Staniol belegt, benutzt. Ich habe die Hartgummischeiben durch Glas- scheiben ersetzt etc. etc. Stets habe ich, wenn der Apparat in Ord- nung war, die dem RowraAnneffekt entsprechenden Resultate er- halten, und ich habe keinen Anhaltspunkt gefunden, das negative Resultat der Ur£mIEuschen Versuche zu erklären. Unter aller Re- serve möchte ich deshalb nur die Vermutung aussprechen, dass bei jenen Versuchen die störenden Einflüsse der durch die schnelle Rotation erzeugten Erschütterungen, Luftströmungen und Thermo- ströme die zu beobachtende Erscheinung verdeckt haben können. Es hat mich nämlich überrascht, dass die Einzelbeobachtungen, welche Herr CREMIEU in seiner Dissertation S. 76 und 77 und S. 93 und 94 aus den Versuchen mit dem Prüfringe (spire t@moin) mitteilt, so wenig gut übereinstimmen, dass Abweichungen vom Mittelwerte vorkommen, die 20 bis 30°/o betragen. Hierbei handelt es sich aber um Versuche, bei denen die Induktionsströme gemessen werden sollen, die in einer Induktionsspule dadurch hervorgerufen werden, dass in einem rotierenden Kreisringe ein konstanter Strom 23 HimsSTEDT: QUANTITATIVE VERSUCHE ÜBER DEN ROWLANDEFFEKT. [106 bis zu 17mal in der Sekunde unterbrochen wird. Der Umstand, dass bei diesen Versuchen, bei denen es sich also gar nicht um Konvektionsströme oder um hohe Spannungen handelt, keine bessere Uebereinstimmung hat erzielt werden können, hat mich auf den (Gedanken gebracht, dass vielleicht die oben genannten Erschei- nungen, die direkt mit dem RowraAnDveffekt nichts zu tun haben, nicht ausreichend gewürdigt sein könnten. Freiburg i. B., Mai 1903. 107] 1 (Geologische Untersuchungen im östlichen Unterengadin. I. Lischannagruppe. Von Walther Schiller. Mit 5 Tafeln und 21 Zeichnungen im Texte. I. Benutzte Arbeiten. — II. Vorwort. — III. Geographischer Teil. — IV. Geschichtliches. — V. Schichtfolge. — VI. Tektonischer Teil: a) Vor- bemerkung. b) Allgemeines. c) Einzelbeschreibung. — VII. Die Mineralquellen von Schuls-Tarasp. Kaolin. Erdbeben. Erzvorkommen. — VIII. Gesamt- ergebnisse. I. Benutzte Arbeiten. Blaas 1902. Geologischer Führer durch die Tiroler und Vorarl- berger Alpen. Innsbruck. Böse 1895. Zur Gliederung der Trias im Berchtesgadener Lande. Neues Jahrb. f. Min., Geol. u. Pal. Stuttgart. Bd. IS. 218. Böse 1895. Weitere Beiträge zur Gliederung der Trias im Berchtesgadener und Salzburger Lande. Verh. der k. k. Geol. Reichsanst. Wien. S. 251. Böse 1896. Zur Kenntnis der Schichtenfolge im Engadin. Zeitschr. d. Deutsch. Geol. Ges. Berlin. Bd. XLVIII S. 557. Böse 1898. Beiträge zur Kenntnis der alpinen Trias. I. Die Berchtesgadener Trias und ihr Verhältnis zu den übrigen Triasbezirken der nördlichen Kalkalpen. Ibid. Bd. L S. 468. II. Die Faciesbezirke der Trias in den Nordalpen. Ibid. Bd. L S. 69. Bretigny 1861. Les eaux de Tarasp et Schuls et Notice sur l’Engadine. Diener 1884. Die Kalkfalte des Piz Alv in Graubünden. Jahrb. d.k.k. Geol. Reichsanst. Wien. S. 313. Diener 1888. Geologische Studien im südwestlichen Graubünden. Sitz.-Ber. d. Kais. Ak. d. Wiss. in Wien. Bd. XCVII, Abt. I, S. 606. Diener 1891. Der Gebirgsbau der Westalpen. Wien. D) SCHILLER: [108 Escher und Studer 1839. Geologie von Mittelbündten. Neue Denkschr. d. Schweiz. naturf. Ges. Bd. III. Neuenburg. Exkursionskarte des Schweizer-Alpenklub pro 1898 (Silvretta-Mutt- ler-Lischanna) und pro 1899 (Öfenpassgruppe). Favre 1880. Fossiles des couches tithoniques des Alpes fribourgeoises. Abh. d. Schweiz. Pal. Ges. Bd. VI S.1. Gemmellaro 1868—76. Studj palaeontologieci sulla fauna del calcare a Tere- bratula janitor del Nord di Sicilia. Palermo. Gümbel 1861. Geognostische Beschreibung von Bayern. Gotha. Bd. I. Gümbel 1887. Geologisches aus Westtirol und Unterengadin. Verh. der k. k. Geol. Reichsanst. Wien. 8. 291. Gümbel 1888 (ersch. 1889). Geologisches aus dem Engadin. Jahresber. d. Naturf. Ges. Graubündens, 31. Jahrg. Gümbel 1892. Ueber anstehenden Radiolarien-Jaspis in der Schweiz. Neues Jahrb. f. Min. ete. Stuttgart. Bd. II S. 162. Gümbel 1893. Geologische Mitteilungen über die Mineralquellen von St. Moritz im ÖOberengadin und ihre Nachbarschaft nebst Bemerkungen über das Gebirge bei Bergün und die Therme von Pfäfers. Sitz.-Ber. der Mathem.-Phys. Klasse der k. Bayer. Ak. der Wiss. München. Bd. XXIH, Heft I, 8. 19. Gümbel 1894. Geologie von Bayern. Bd. Il. Kassel. Imhof 1898. S. A. C. Itinerarium für die Silvretta- und ÖOfenpass- gruppe oder die Gebirge des Unterengadins. Bern. Koch 1875. Geologische Mitteilungen aus dem vorjährigen Aufnahmsgebiet in der Oetzthaler Gruppe. Vorlage der Karte des Pitz- und Kaunserthales. Verh. d. k. k. Geol. Reichsanst. Wien. S. 123. Koch 1875. Die Fervallgruppe. Ibid. S. 226. Lorenz 1900. Geologische Studien im Grenzgebiet zwischen helvetischer und ostalpiner Facies. I. Teil. Fläscherberg. Beitr. z. Geol. Karte d. Schweiz. Neue Folge, X. Lieferung. Lorenz 1901.. Geologische Studien im Grenzgebiete ete. II. Der südliche Rhätikon.. Ber. d. Naturf. Ges. zu Freiburg i. Be Bd. XI. Meneghini 1867—81. Monographie de fossiles du calcaire rouge ammonitique (Lias sup6erieur) de Lombardie et de l’Appennin centrale. Milan. Palaeontologie Lombarde. 4e Serie. Meyer-Ahrens 1860. Die Heilquellen zu Tarasp und Schuls. Mojsisovics 1870. Das Kalkalpengebirge zwischen Schwaz und Wörgl im Norden des Inn. Verh.d.k.k. Geol. Reichsanst. Wien. S. 183. Mojsisovies 1873. II. Beiträge zur topischen Geologie der. Alpen. 3. Der Rhätikon (Vorarlberg). Jahrb. d. k. k. Geol. Reichsanst. Wien. Bd. XXIII S. 137. Mousson 1850. Die Umgegend von Tarasp. Neumayr 1871. Die Cephalopodenfauna der Oolithe von Balin bei Krakau. Abh. d. k. k. Geol. Reichsanst. Wien 1871—73. Bd. V S.1. Neumayr 1873. Die Fauna der Schichten mit Aspidoceras acanthicum. Ibid. S. 141. Neumayr 1879. Zur Kenntnis der Fauna des untersten Lias in den Nordalpen. Abh. d. k. k. Geol. Reichsanst. Wien. Bd. VI, 5. Heft, S. 1. 109] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN UNTERENGADIN. 3 Oppel 1861. Ueber die Brachiopoden des unteren Lias. Zeitschr. d. Deutsch. Geol. Ges. Berlin. Bd. XIIL S. 529. Pichler 1869. II. Beiträge zur Geognosie und Mineralogie Tirols. Jahrb. d. k. k. Geol. Reichsanst. Wien. Bd. XIX S. 207. Planta 1859. Chemische Untersuchung _ der Heilquellen von Schuls und Tarasp. Rösler 1902. Beiträge zur Kenntnis einiger Kaolinlagerstätten. Neues Jahrb. f. Min. ete. Stuttgart. XV. Beil.-Bd. S. 231. Rothpletz 1900. Geologische Alpenforschungen. I. Das Grenzgebiet zwischen den ÖOst- und Westalpen und die rhätische Ueberschiebung. München. Rothpletz 1902. I. Das Gebiet der zwei grossen rhätischen Ueberschiebungen zwischen Bodensee und dem Engadin (geologischer Führer durch die Alpen). Sammlung geol. Führer X. Berlin. Rüst 1885. Beiträge zur Kenntnis der fossilen Radiolarien aus Gesteinen des Jura. Palaeontographica. Kassel. Bd. XXXI S. 269. Schlosser 1893. Geologische Notizen aus dem bayrischen Alpenvorlande und dem Innthale. Verh. d. k. k. Geol. Reichsanst. Wien. S. 188. Schlosser 1895. Zur Geologie von Nordtirol. Verh. d. k. k. Geol. Reichsanst. Wien. 8. 340. Schmidt 1891. Beiträge zur Kenntnis der im Gebiete von Blatt XIV der geol. Karte der Schweiz in 1: 100 000 auftretenden Gesteine. Anh. zur XXV. Lief. d. Beitr. z. g. K. d. Schw. Bern. Steinmann 1895. Geologische Beobachtungen in den Alpen. I. Das Alter der Bündner Schiefer. Ber. d. Naturf. Ges. zu Freiburg i. B. Bd. IX S. 245. Freiburg i. B. u. Leipzig. Steinmann 1898. Geol. Beobachtungen ete. (Fortsetzung und Schluss.) Ibid. Bd. X S. 215. Freiburg i. B., Leipzig u. Tübingen. Studer 1837. Die Gebirgsmasse von Davos. Neue Denkschr. d. Schweiz. Naturf. Ges. Bd. I. Neuenburg. Studer 1851. Geologie der Schweiz. Bd. I. Bern u. Zürich. Tarnuzzer ca. 1895. Guarda im Unterengadin. Theobald 1856—57. Das Plateau von Tarasp und Vulpera. Jahresber. der Nat. Ges. Graubündens. Theobald 1857. Ueber einen Teil des Unterengadins. Verh. d. Schweiz. Ges. % Naturwa..S. 124. Theobald 1858? Tarasp und seine Umgebung in Graubünden. Jahresber. d. Nat. Ges. Graub. (2). Bd. III S. 5. Theobald 1860. Unterengadin. Geognostische Skizze. Neue Denk- schr. d. Schweiz. Naturf. Ges. Zürich. Bd. XVII. Mit geol. Karte 1: 100 000. | Theobald 1864. Geologische Beschreibung von Graubünden. Beitr. zur geol. Karte d. Schweiz. II. Liefer. Bern. Darin enthalten: Geologische Karte der Schweiz. Blatt XV. Davos-Mar- tinsbruck 1: 100000. Uhlig 1897 und 1899. Geologie des Tatragebirges. Wien. Wähner 1903. Das Sonnwendgebirge im Unterinnthal. Ein Typus alpinen Gebirgsbaues. I. Teil. Leipzig u. Wien. 4 SCHILLER: [110 Ziegler 1876. Ueber das Verhältnis der Topographie zur Geologie. Zürich. Darin enthalten: Theobalds Geologische Karte der Schweiz, Blatt XV. 1:150000. Zittel 1868. Die Cephalopoden der Stramberger Schichten. Palaeontolog. Mit- teil. Bd. II, I. Abt. Stuttgart. Zittel 1870. Die Fauna der älteren Cephalopoden führenden Tithonbildungen. Ibid. Palaeontographica. Supplem. Kassel. Il. Vorwort. Wenn sich der Schweizer Geologe STUDER! im Jahre 1837 beklagte, dass die Bündner Alpen am meisten von Touristen und Geologen vernachlässigt würden, so trifft das erste schon seit einer Reihe von Jahren nicht mehr zu. Ein grosser Fremdenverkehr herrscht in vielen Teilen Graubündens. Zum Teil sind die herrlichen Landschaften der Anziehungspunkt, zum Teil bilden die Heil- quellen das Ziel der Reisenden. Dass das geologische Interesse für Bünden gegenüber andern Gegenden im Hintergrunde stand, war bis vor wenigen Jahren richtig. Indes nach den Unter- suchungen über die gewaltigen Ueberschiebungen der Glarner Berge und des Rätikons haben die südöstlich anschliessenden Gebiete sehr an Reiz gewonnen. Im Sommer der Jahre 1901 und 1902 war ich auf Veranlassung meines hochverehrten Lehrers, Professors STEINMANN, damit beschäftigt, einen Teil des Unterengadins geologisch zu untersuchen. Die Ergebnisse sind in vorliegender Arbeit niedergeschrieben. Topographische Grundlage waren die Blätter des Siegfriedatlas im Massstabe 1:50000 bezw. die Exkursionskarten des Schweizer Alpenklubs pro 1898 (Silvretta-Muttler-Lischanna) und pro 1899 (Ofen- passgruppe). Als Ausgangspunkte dienten Sur En, Uina da dora, die neu- erbaute Pforzheimer Hütte, Scarl und vor allem Schuls. Die von mir bearbeitete Gegend ist der nördliche Ausläufer der Trias- massen, die nordwestlich vom Ortler mächtig entwickelt sind. Angefertigt wurde die Arbeit im Geologischen Institute der Universität Frer- burg im Breisgau unter Leitung von Professor STEINMANN. Die mineralogischen und petrographischen Untersuchungen wurden im Mineralogischen Institute ange- stellt, wobei mir Herr Medizinalrat Dr. SchuLtze und Herr Professor Osanx halfen. Genannten Herren bin ich für Interesse und Mühe zu grösstem Danke verpflichtet. Das gesamte bearbeitete Material befindet sich im Geolog. Institute der Universität Freiburg. Die Figuren und meisten Profile sind von den Herren Schilling und John- sen nach photographischen Aufnahmen und Zeichnungen des Verfassers an- gefertigt. Die kolorierte Karte ist von Giesecke und Devrient, Leipzig, die Zin- kos sind von Karl Ebner in Stuttgart und die Cliches von Dr. Albert, München, hergestellt. Für die Ausstattung und Uebernahme sämtlicher Druckkosten ge- bührt mein Dank der naturforschenden Gesellschaft Freiburg i. B., sowie dem Eidg. Topogr. Bureau in Bern für die bereitwilligst erteilte Erlaubnis, die topo- graphische Karte zu reproduzieren. Die Einführung der neuen „Recht“schreibung hat einzelne Wörter meines Manuskriptes in einer manchem vielleicht wenig zusagenden Weise verändert. Ban Sl: 111] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN UNTERENGADIN. 5 III. Geographischer Teil. Das zu besprechende Gebiet liegt im östlichsten Zipfel der Schweiz, teils auch auf Tiroler Gebiet. Im Nordwesten bildet der /nn den natürlichen Ab- schluss, über den hinaus sich vorliegende Untersuchungen nur wenig erstrecken. Im Nordosten wird es durch den langen schroffen Grat des Piz S-chalambert be- grenzt, im Osten schneidet es mit dem von magerem Grasboden bedeckten Kamme ab, der die Grenze zwischen Tirol und der Schweiz bildet. Südöstlich wurde noch die Gegend der Schliniger Alpe (Tirol) und der Piz Sesvenna in den Kreis der Betrachtung gezogen. Im Süden und Westen enden die For- schungen auf dem linken Ufer des Scarltales. Die Höhen schwanken zwischen 1100 und 3200 m. Jedem Besucher der Gegend fällt sofort der schon oft hervorgehobene Unter- schied zwischen den Gegenden nördlich und südlich vom Inn auf. Im Norden ein sanft zum Inn abfallendes Dach einförmiger Schiefer, die freundliche Dörfer, Gärten und Felder tragen, wo in einer Höhe von 1200 m und darüber noch allerhand Obst, Gemüse, Getreide gedeiht. Im Süden die dunklen Fichtenwälder, aus denen die schroffen, grauen Do- lomitmassen sich auftürmen, häufig mit senkrechten Abstürzen von 4—600 m. In einer Höhe von 1800 m wächst mancherorts die Zirbelkiefer, höher hinauf nur noch die Legföhre bis zu etwa 2500 m. IV. Geschichtliches. Die Anfänge geologischer Forschung im Unterengadin reichen in die Jahre 1833 ff. zurück. ESCHER und STUDER machten hier Reisen und veröffentlichten 1839 die „Geologie von Mittelbündten“. Für das Unterengadin fielen zwar nur einige flüchtige Bemerkungen ab. Dagegen gab STUDER in seiner „Geologie der Schweiz“, Bd. I S. 273, ein recht brauchbares Profil von Galtür im Norden, über Schuls, Münstertal nach Bormio im Süden, viel richtiger als spätere T#eoprauosche Durchschnitte. Bemerkenswert ist, dass er im Norden nach Sınpers Angaben die Ueberlagerung der Bündner Schiefer durch Gneiss gezeichnet hat. Ausserdem brachte er einige petrographisch-stratigraphische und tektonische Notizen (z. B. deutet er die In ntalüberschiebung an S. 377). Die ersten umfassenden Beobachtungen wurden von THEOBALD mit unermüd- licher Ausdauer und Gewissenhaftigkeit angestellt. In einer kleineren Skizze „Unterengadin“, die im Jahre 1860 mit einer geologischen Karte erschien, ver- öffentlichte er zunächst die Ergebnisse, dann 1864 („Geologische Beschreibung von Graubünden“) in einem grossen Bande ebenfalls mit einer Karte. Seine Arbeiten sind in petrographischer und stratigraphischer Hinsicht die Grundlage der neueren Untersuchungen, tektonisch bedeuten sie eher einen Rückschritt im Vergleiche mit ESCHER und STUDER. Seine Profile, sämtlich nach dem Falten- schema gezeichnet, in denen nie ein Formationsglied fehlt, nie eine (Verwerfung oder) Ueberschiebung mit regellosen Einquetschungen ' vorkommt, entsprechen ' EscHER und STUDER waren derartige Erscheinungen bereits bekannt. (Vgl. Stuper 1837 „Gebirge von Davos“, S. 38—41 und Abbildungen; ferner EscHER und StupEr 1839 „Geologie von Mittelbünden“ S. 112, 117, 180—83 und Abbildungen.) 6 SCHILLER:! [1 12 der Wirklichkeit nicht. (Im Texte erwähnt er Verwerfungen auch nur höchst selten.) Wenn er das Wort Ueberschiebung braucht, so meint er damit ent- weder fücherförmig nach den Seiten übergelegte Schichten oder nicht zerrissene Schenkel liegender Falten. Eine Ueberschiebungskappe von Gneiss auf dem südlichen Vorgipfel des Piz Lischanna zeichnete ZıEGLER 1876 auf einer verkleinerten ‚Ausgabe der Tueosauoschen Karte ein und fügte im Texte „Ueber das Verhältnis der Topo- graphie zur Geologie“ S. 32 und 67 einige Bemerkungen bei. Ausdrücklich weist dann GümBEL 1887 auf solche Erscheinungen am Piz Lad hin in einer kleinen Abhandlung „Geologisches aus Westtirol und Unter- engadin“, ferner 1889 in einer zweiten „Geologisches aus dem Engadin“, wo er auf die Verkeilung des Ur- und Kalkgebirges westlich vom Griankopfe auf- merksam macht, die er mit den Kalkkeilen im Gneiss des Gstellihorns ver- gleicht. Ausser andern tektonischen Beobachtungen z. B. über die Inntal- verwerfungs- bezw. -überschiebungsspalte und einer Erklärung, wie die Heil- quellen entstanden seien, sind es hauptsächlich stratigraphische Beiträge. Er weist den engen Zusammenhang mit der Algäuer Triasfacies nach. Einen wesentlichen tektonischen Fortschritt bezeichnet der Abschnitt über das zu besprechende Gebiet in Böses „Zur Kenntnis der Schichtenfolge im En- gadin“, worin die grosse nördliche Triasmulde (vgl. die tektonische Skizze S. 42 meiner Arbeit) richtig erkannt wurde. 1898 erschien die Fortsetzung von STEINMANNs „Geologische Beobachtungen in den Alpen I“, in der die Bündner Schiefer des Unterengadins ausführ- lichbehandelt werden. Ferner wird nachdrücklich auf die grossartigen Ueberschie- bungen verwiesen als eine in Bünden allgemein herrschende Erscheinung. Zum Schlusse sei noch der „Geologische Führer durch die Tiroler und Vorarlberger Alpen“ von Brass erwähnt, der 1902 erschien und auch einen kurzen Abriss der Geologie des Unterengadins auf Grund der vorhandenen Lite- ratur gibt. Alle genannten Untersuchungen erstreckten sich naturgemäss mehr über grössere Gebiete, wobei eine systematische Einzelforschung unterbleiben musste. Infolgedessen war es mir, der ich gerade diesen Zweck verfolgte, vergönnt, manches Neue zu finden, zumal im Hochgebiete, das so gut wie unbekannt war. V, Sehiehtfolge. Wie überall in den Alpen kann man auch in unserem Gebiete zwischen einem präkarbonischen bezw. karbonischen kristal- linen Grundgebirge mit spärlichen Resten paläozoischer Sedimente! und einem postkarbonischen Deckgebirge unter- scheiden. ı Die Bündner Schiefer, deren paläozoisches Alter noch lange nicht sicher- gestellt ist, sind hier nicht mitgerechnet. Sie sollen zum Schlusse für sich be- trachtet werden. 113] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN UNTERENGADIN. 7 1. Grundgebirge. Auf eine genaue Trennung aller altkristallinen Gesteine, die meist derartig innig vergesellschaftet sind, dass eine Untersuchung darüber mit grossen Schwierigkeiten und bedeutendem Zeitaufwande verbunden wäre, habe ich verzichtet. Sie bietet Stoff genug für eine besondere Arbeit. Es möge hier genügen, die hauptsächlichsten Typen zu erwähnen. Auf der beigefügten Karte ist dasjenige Ge- stein eingetragen, das auf grössere Erstreckung vorherrscht. Die Verbreitung des Grundgebirges beschränkt sich auf den Nord- west-, Ost- und Südrand des zu besprechenden Gebietes. Granit, Eruptivgneiss, Sedimentärgneiss, Glimmerschiefer, Hornblendegneiss. Bei weitem die Hauptmasse des Grundgebirges bilden die Granite, Gneisse und Glimmerschiefer. Die Granite und Eruptivgneisse kann man in zwei Arten trennen. Die eine über- wiegt am /nn. Farbe und Zusammensetzung erinnert sehr an den Juliergranit. Häufig, aber nicht durchgehends, ist der Muskovit serieitisch ausgebildet, kommt also in feiner Verteilung vor. Neben hellem kommt auch dunkler Glimmer vor. An einzelnen Stellen tritt neben Quarz, Orthoklas, Plagioklas noch Hornblende auf (Hornblende- gneiss). Eine zweite Art findet sich vornehmlich im Sesvennagebiete. Dort überwiegt der Granit den Gneiss bei weitem. Er ist meist weisslichgrau, enthält mächtige graue Feldspäte (bis zu 5 cm Länge), ist stark gepresst und zeigt infolgedessen Augenstruktur. Ab und zu findet man Lager von allotriomorphem Quarz mit etwas Muskovit im Grmeiss, z. B. auf dem Gipfel der Craist Alta (Grenzkamm im Osten). Diorit. Mancherorts sind im Gneiss Partien, die Diorit zu sein scheinen. So in den unteren Teilen der Val Triazza und Lischanna. Durch starken Gebirgsdruck sind Struktur und ursprüngliche Be- standteile vielfach unkenntlich geworden. In dem Granitzuge nördlich des /nn zwischen Crusch und Pradella kann man verein- zelte Stellen nicht sicher als Granit bezeichnen; es wäre möglich, dass die Zusammensetzung einem Quarz führenden Diorit ent- spräche. Berichte XIV. 8 8 SCHILLER: [114 Quarzporphyr. Die erste häufigste Art enthält Einsprenglinge (mehrere mm gross) von idiomorphem (Quarz, zersetztem farblosem Orthoklas und Plagioklas, Glimmer und blassgrüngelblicher Hornblende mit Ein- schlüssen von Magnetit (?). Die Grundmasse besteht aus Quarz, Orthoklas, Plagioklas. In frischem Zustande ist die Farbe weisslich- grau bis dunkelgrau mit weisslichen Einsprenglingen von Quarz und Feldspat, in verwittertem heben sich hellbraune Feldspateinspreng- linge von einer braungelben Grundmasse ab. Dieser Quarzporphyr gleicht manchen, die sich als Moränenschutt bei ‚SZ. Moritz finden, ganz ausserordentlich. Am Piz Cornet enthält er braunrote oder braungrüne Ausscheidungen, die im Dünnschliffe Einsprenglinge von ÖOrthoklas in einer grünlichen, nicht polarisierenden Masse (wohl zersetzte Hornblende oder Augit) zeigen. Auf Kluftflächen finden sich moosgrüne Ueberzüge von Epidot, so an der Craist Alta. Bisher war im Unterengadin nur die eben besprochene Por- phyrart bekannt und zwar am Piz Cornet. Wie wir im tektonischen Teile sehen werden, ist sie mit einer Gneissmasse verknüpft. Beides stellt den Rest einer Ueberschiebungsdecke dar. Der Quarzporphyr hat nachweislich nur den Gneiss durch- brochen, vielleicht zur Zeit des Rotliegenden, da sich im Verru- cano bereits Gerölle von ihm finden. In längeren parallelen Zügen kann man dieses Effusivgestein an der Craist Alta sehen, wo es bis 50 m hohe Felsen bildet. Auf dem ganzen Kamme bis nördlich vom Griankopfe findet man kleinere Gänge. Eine modifizierte Art ist ein weissgrauer dichter Quarzporphyr, der selten Einsprenglinge von (Quarz ? und) Feldspat enthält, dessen Grundmasse Quarz und Orthoklas ist. Er steht in kleinen Gängen auf dem ?iz Mezdi und westlich vom Griankopfe an, ferner nördlich von letztgenanntem bei einem kleinen See, wo er nach Norden zu in die erste an Einsprenglingen reiche Art übergeht. Auch sonst gibt es Mittelglieder zwischen beiden. Am Piz Cornet ist in den westlichen Teilen der Quarzpor- phyrmasse als Einsprengling ausser etwas Quarz, Orthoklas, Plagio- klas noch Magnetit in langen Nadeln, ebenso in der Grundmasse. Die Einsprenglinge zeigen Diabasstruktur. 115] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN ÜNTERENGADIN. 9 Porphpyrit. Am Nordwesthange des Griankopfes sind drei kleine Gänge eines grauschwarzen dichten Porphyrits. Er enthält Einsprenglinge von ein wenig Quarz, ferner zersetztem Plagioklas, die in einer schwer zu untersuchenden mikrogranitischen Grundmasse eingebettet sind. Am Südrande des Quarzporphyrzuges zwischen dem Gipfel der Craist Alta und dem Grenzstein 2763 kommt ein dichtes grau- schwarzes Gestein vor, das aller Wahrscheinlichkeit nach ein Por- phyrit oder Kersantit ist. Mit dem Quarzporphyr des Ziz Cornet ist ein kleiner Gang vergesellschaftet, dessen schlechter Erhaltungszustand im unklaren lässt, ob wir es mit Porphyrit oder Diabas zu tun haben. Alle diese Gesteine scheinen älter als Verrucano zu sein. Diabas. ‚„Sicheren Diabas fand ich in geringer Ausdehnung mit dem Quarzporphyr vereinigt, der sich nördlich vom Griankopfe auf der Grenze zu dem kleinen See hinzieht, ein grünlichgraues dichtes Gestein, relativ wenig verändert. Vermutlich auch älter als Verru- cano. Casannaschiefer. Da in dem bearbeiteten Gebiete häufig die Schichten in keiner normalen Lagerung sich befinden, so ist es besonders schwer, wenn nicht unmöglich, den klastischen Komplex, der sich zwischen Gneiss - und Muschelkalk einschiebt, zu gliedern und sein Alter zu be- stimmen. Die Sedimentärgneisse und Glimmerschiefer habe ich zum Eruptivgneiss und Granit gezogen, nur da besonders kartiert, wo sie zusammenhängend auftreten. Casannaschiefer sollen nach THEOBALDs Vorgange die schwärzlichen glimmerhaltigen Schiefer genannt werden, die glän- zende Ueberzüge von Graphitoid zeigen, die also ziemlich deutlich als-sedimentär gekennzeichnet sind. Es wäre möglich, dass sie die Karbonformation vertreten. Nur selten habe ich sie gefunden, unter der Gneisskappe des Piz Lischanna, südwestlich vom Vadret Lischanna und an der Quetschzone östlich von Gross Läger. 2. Deckgebirge. Verrucano. Eine Schichtenfolge von bunten, vorwiegend grünen oder roten polygenen Konglomeraten, die teils grob- teils feinkörnig, häufig 8* 10 SCHILLER: [116 stark glimmerhaltig (Muskovit) sind. Charakteristisch sind Quarz- porphyrgerölle. Nach Vergleichen mit andern Gegenden vertreten sie das Rotliegende. Der Verrucano ist im Nordosten, Osten und Süden unserer Triasdolomite entwickelt (unteres Uinatal, Gross Läger, Rimswand, Val Sesvenna; ausserdem in kleinen Quetsch- zonen südwestlich am Vadret Lischanna). Servino. Weinrote oder grüne, meist glimmerige häufig sandige Ton- schiefer, die schwer von dem vorhergehenden Gestein zu trennen sind. Ob sie die obersten Schichten des Verrucano darstellen wie in den Glarner Bergen die Quartenschiefer, mit denen sie Aehnlichkeit haben, oder der Buntsandsteinstufe angehören, ist hier unmöglich zu sagen. Verbreitung annähernd wie die des Verrucano. Es folgt nach oben Buntsandstein. Nur aus Quarzkörnern und tonig-glimmerigen Lagen bestehend, da er eine jüngere Aufbereitungsperiode darstellt zu einer Zeit, wo die kristallinen Brocken des Verrucano vollständig zersetzt waren. Er scheint nicht vorwiegend rot zu sein, wie sonst, sondern graugelb. Schwärzlichgraue Sandsteinlagen, die in der Quetschzone des S. Jongrates vorkommen, halte ich auch für zugehörig zur Buntsandsteinstufe. Nach oben wird er kieselig dolomitisch und geht in Muschelkalkdolomit über. Das Vorkommen des Bunt- sandsteins schliesst sich im wesentlichen an das des Verrucano und Servino an. Alle drei Bildungen sind als ein Glied kartiert, selten unterschieden, da sie in der Natur infolge tektonischer Vor- gänge meist schwer trennbar sind. Untere Rauhwacke. Zuweilen schiebt sich zwischen Buntsandstein und Muschel- kalk eine kalkige Rauhwackenlage ein, die Gips führt. Ich habe sie nur gefunden in der Val Triazza, wo sie eine bedeutende Mächtigkeit hat, und am Mot del hom (Val Sesvenna), wo sie nur einige Meter erreicht. Muschelkalk. Während bis in die Zeit des Buntsandsteins und der Un- teren Rauhwacke verschiedene Transgressionen stattgefunden haben mögen, folgt von da ab eine Senkung und dauernde Meeres- bedeckung bis zum Beginn der Raibler Schichten, wo wahr- scheinlich abermals schwache Transgressionen eingetreten sind. 117] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN ÜUNTERENGADIN. 141 Zunächst liegen über der Unteren Rauhwacke — wo sie fehlt, direkt auf Buntsandstein — Dolomite, dunklere Kalkschiefer, zum Teil mergelig, und feinkristalline bis dichte, helle Dolomite, gelb und schwarz anwitternd. Häufig findet man eine kleine, schlecht erhaltene Physoporella (Diplopora) pauciforata? GÜMBEL und Dadocrinusstielglieder, ausserdem Zweischalerdurchschnitte, nach Böse Modiola triquetra SEEB., ferner Gastropoden (?), nach GÜMm- BEL Natica und Chemnitzia. Als Beispiel für die Schichtenfolge möge ein anscheinend nor- males (vielleicht auch nicht) Profil genau beschrieben werden. (Vgl. beigefügte Tabelle S. 12.) Im allgemeinen hat die Untersuchung der Tektonik die Richtigkeit der THEOBALDschen, GÜMBELschen und Böszschen Stratigraphie bestätigt. So möchte ich nur solche Profile ausführlich geben, die noch nicht oder nicht richtig bekannt waren. Ueber die Schichtfolge des Muschelkalkes in Val d’Uina siehe BösE!, in Val Triazza GÜMBEL? und BöseE?. Partnachschichten. Dieser Horizont scheint sehr selten zu sein. Nach GÜNMBEL® und Böse sollen es Mergel mit Bactryllien (B. Schmidi HEER) und Fischschuppen sein. Ich muss gestehen, dass ich davon nichts ge- funden habe, doch ist es möglich, dass ein Beobachtungsfehler meinerseits vorliegt. Ueberall an der Grenze von Muschelkalk zum Wettersteindolomit habe ich höchstens durch kohlige Bei- mengung schwarz gefärbte dünnplattige Dolomite gefunden, meist gehen beide Glieder unmerklich ineinander über. Auch finden sich in verschiedenen Horizonten des Muschelkalkes solche schwarzen Dolomite, auch sogar im Wetterstein zuweilen (angenommen, dass die Lagerung normal ist). Westlich der Alp Sesvenna haben die Partnachdolomitschiefer manchmal einen schimmelartigen Anflug, anscheinend Gips®. Wettersteindolomit. Fast immer ist es ein sehr mächtiger Aufbau von reinen fein- kristallinen bis dichten Dolomiten. Es sind die am besten ge- schichteten von allen. Oft kommen feinkristalline Dolomitbänke, körnelig verwitternd, und dünne grünbraune Bezüge von glänzendem 11896. S. 565. 2 1888. S. 22. 3 1896. S. 567. * 1888. S. 22. 5 1896. S. 569. ° Eine mitgenommene Probe ging beim Transport entzwei. 12 SCHILLER: [118 Muschelkalkprofil bei Gross Läger (oberes Uinatal). Meeres- höhe! m Mächtig- keit? m Hangendes: @raue und vor allem hell- graue Dolomite mit grossen Diplo- poren: Wetterstein. 2242—46 2241,40 ca. 2190 ca. | je ca. 0,10 3—4 0,03—0,07 30 Mehrere Kieselhorizonte (Länge der Knollen 0,50 m bis mehrere m) in grauem Dolomit. Zwischen Dolomitbänken: Ton- schiefer, frisch dunkelgrau glänzend, verwittert rostbraun. Die höheren Schichten lassen sich am linken Bacharme besser verfolgen. Kieselhorizont (Länge der Knollen 0,50 m bis mehrere m) setzt bei 2240 m über den linken Bacharm. Mässig dicke Dolomitbänke mit kleinen Diploporen in den oberen Lagen. Schwärzliche, dünnplattige Dolomit- schiefer mit diekeren, grauen Bänken wechsellagernd. Rostige Tonschiefer zwischen grauen Dolomiten. Dolomitbänke (zu oberst mit Ge- röllen von kleinen Diploporen und Dadoecrinus). Lagen mit Dadocrinus (und kleine Diploporen als Geröll). Hellgraue fast brecciöse Dolomit- schicht eingelagert in grauen Dolomit- bänken. Tonschieferlage unverwittert grau- blau, sonst rostig gelbbraunrot. Im Rasen versteckt. (Wie weit dieser Horizont durchgeht, konnte ich nicht feststellen.) Darüber oder darunter kleine Kiesellinsen im Dolomit. Bläulichgraue und weissliche Dolo- mite. Graue Kalkschiefer und mässig ge- bankte Dolomite wechsellagernd. Liegende Schichten des Muschel- kalkes hier nicht aufgeschlossen. Wei- ter südlich an der Rimswand sind es Kalkschiefer und Dolomite, die nach unten in Buntsandstein übergehen. — mn mm 7 U 070 K Linker Bacharm. Rechter Bacharm. Da, wo der rechte Arm des Baches aus der Schlucht heraus- tritt, linkes Ufer. Bachbett westlich der Schäferhütte, Gross Läger. etwa 180 m | Gesamtmächtigkeit mit Hinzurech- nung der unteren hier nieht auf- geschlossenen 20 m. * Anaeroidmessung. ® Schätzung. 119] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN UNTERENGADIN. 13 Ton auf weisslich verwitterndem Dolomit vor. Kalkbänke sind selten. Die unteren Lagen verwittern vorwiegend dunkelgrau, die oberen weisslichgrau. In den erstgenannten sind Bänke enthalten, mit kleinen weissen Dolomitklümpchen so besetzt, dass sie ganz schimmelig aussehen. Auch kommt eine Lage von Kieselknollen vor, die ungefähr dieselbe Grösse wie die des Muschelkalkes haben. GÜNMBEL! erwähnt sie von der Val Triazza. In der Val Cristannes fand ich etwa 50 m über dem Nordwestufer des Baches — auch im unteren Wetterstein — eine 0,10 m dicke rostige Tonschieferschicht, ganz dünnblätterig. In der Vallorgia findet sich eine dünne Lage von Kalkspat. Häufig tritt in den oberen Lagen noch ein Kieselhorizont? auf. Ganz riesenhaft ist er in der Val Cristannes entwickelt, wo eine Bank von 0,70—0,90 m Mächtigkeit, durch viele kleine Verwerfungen betroffen, ziemlich weit zu verfolgen ist. Südwestlich von Gross Läger schwillt sie bis zu2 m an. Manche Lagen des oberen Wettersteins sind fein weiss und grau geschichtet, häufig durch Gebirgsdruck brecciös geworden. Die Gesamtmächtigkeit des Wettersteins dürfte etwa 150 bis 200 m betragen. ÜOharakteristisch sind grosse Physoporellen (Di- plopora annulata? SCHAFH.) und kleine Schnecken von mancherlei Gestalt. Leider ist es nie gelungen, bestimmbare Exemplare zu bekommen. Zweischalerdurchschnitte, darunter erkennbare Brachio- poden und Muscheln, sind häufig. Merkwürdig sind kleine, fast zylindrische oder sich zuspitzende Stäbchen, die mit den andern Versteinerungen zusammen vorkommen. Vielleicht sind es kleine Schnecken, jedenfalls sind erkennbare darunter. Massenhaft sah ich sie am Piz S-chalambert, ferner als Geröll in der Val Cristannes und Triazza. Ganz ähnliche Gebilde kommen zu- sammen mit keulenförmigen Seeigelstacheln zwischen Lüner See und Cavelljoch im Rhätikon vor. Auch da ist das Gestein ver- mutlich Wettersteinkalk. Weiter fand ich sie in der Val Gianduns bei Scanfs. Dort schien mir ziemlich sicher eine ver- kehrte Schichtfolge zu sein. Da nun ein weisslicher Dolomit mit kleinen Schnecken und den genannten Stäbchen über Rauhwacke (Raibler?) liegt, darf man vermuten, dass es Wetterstein- dolomit ist. 1 1888. 8. 22. * Im Dünnschliffe zeigten sich kümmerliche Reste von Foraminiferen und Radiolarien. 14 SCHILLER: [120 Raibler Schichten. Ueber dem Wettersteindolomit folgt gewöhnlich ein. nicht sehr mächtiger Aufbau von bunten Tonschiefern (zum Teil mit Radiolarien?), kalkigen Rauhwacken, Kalkschiefern, Dolomit, grauen Dolomitbreccien mit Eisenoxyd und selten rotem Sandstein. Jedes dieser Glieder kann vorhanden sein oder fehlen. Fehlen alle Glieder, wie es an manchen Stellen der Fall ist, so ist entweder möglich, dass die Raibler Schichten dort überhaupt nicht ausgebildet sind, mithin Festland war, oder sie sind als Dolomite ausgebildet, so dass keine Grenze zwischen Wetterstein und dem über den Raibler Schichten folgenden Hauptdolomit, was Böse! bereits erwähnt, bemerkbar ist, eine Erscheinung, die nach GÜMBEL? auch in den bayrischen Alpen vorzukommen scheint. Dann hätten wir also eine Facies, wie sie Böse® und SCHLOSSER* aus den Tiroler Kalkalpen beschreiben, wo die Raibler Schichten als sogenannter Ramsau - dolomit ausgebildet sein können. Es ist ferner nicht unmöglich, sogar wahrscheinlich, dass mancherorts durch Ueberschiebung diese Formation ausgequetscht worden ist. Darauf soll im tektonischen Teile dieser Abhandlung näher eingegangen werden. Einige Profile mögen nun die verschiedenartige Ausbildung der Raibler Schichten zeigen. Liegendes ist immer Wetter- steindolomit, Hangendes Hauptdolomit, wo nicht besonders bemerkt. Durchschnitt: Obere Vallorgia, rechter Arm. II. Kalkige Rauhwacke mit Dolomit gemischt a I et 20 m I. Gelbe und rote bröckelige Schiefertone ii“ : Weiter südwestlich: Vallorgia, linker Arm. II. Kalkige Rauhwacke . . . . . etwa 20 m. I. Braunrote, unten erinlichächwärz ze br solläigt Schie- feitöne 2% lo Ju alle ala Untere Vallorgia (La Foppa). Hangendes fehlt. Rauhwacke, ziemlich mächtig. 11896. S. 611. 271861. 87222 s 1895. Neues Jahrb. ete. Bd. I S. 218 und Verh.d.k.k.Geol. etc. S. 252, ferner 1898 S. 560. * 1895. S. 340. 12 1]. GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN UNTERENGADIN. 15 Val Lischanna, rechte Talseite. Mächtige Rauhwacke: Breccie aus Dolomit und Kalk; wenn verwittert zellig porös; zuweilen gebankt, meist ungeschichtet; ent- hält riesige, offenbar in der Brandung abgesetzte Blöcke. Mot S. Jon (Nordnordwestseite). II. Graue, gut geschichtete Dolomitbreccie mit roten Eisenoxydputzen . . . a I. Rauhwacke, Dolomite und role mongahierar wegen Gehängeschutt nicht gut trennbar . . . . . . etwa 30 m. Die Dolomitbreccie mit Eisenoxyd sieht äusserlich der Lias- breccie ganz ähnlich, unterscheidet sich aber von ihr dadurch, dass sie nie Kalk zu führen scheint. Mot S. Jon (Westseite). Von Plan da Fontanas (im Scarltale) zur Wand des Mot S. Jon hinaufgehend trifft man folgendes: XVII. Graue Dolomitbreccie mit Eisenoxyd . . . 6m. XVI. Grauschwarze glänzende Tonschiefer . . . 0,5 m. XSV.. Dolomit, .r...: rate ef nor ale DO EÜ XIV. rn tnölchen ee ang, 131. 4Dolomit,. ._ır. RIESEN it. RE, Bo herinkicher Re EN keinen 052, m. XT.;Dolomit; ... N X. ar Kieselschiefer zum Teil mit glänzend rotbraunem Tonüberzuge . 0,3—0,4 m. IX. Dolomit —;, ,. a alu, har ELWwar, Br Mm. VIII. Gelbrote Präckellen Bone tage ah m: VII. Knollige Dolomite mit roten DONE eNl:aen „gl, m. VI. Braunrote bröckelige Schiefertone . . . . 1m. V. Roter glimmerführender Sandstein . . . . 0,1 m. IV. Braunrote Schiefertone, bröckelig . . . . 1m. III. Gelbgrüne bröckelige Schiefertone . . . . 0,3 m. II. Gebankter Dolomit . . einige m. 1. Rötliche Kalkschiefer in ankten re einige m. Gesamtmächtigkeit etwa 25 m. Nordseite des Piz Pisoc (Piz Lavetscha). Rauhwacke und dolomitische gelbgraue Breccie. 16 SCHILLER: [122 Piz Madlain, Südostwand. Bös£! gab bereits ein Profil durch Wettersteindolomit (= Arlbergkalk) und Raibler Schichten. Er? rechnet einen Teil der Rauhwacke, die nach seiner Darstellung mit Dolomiten normal wechsellagern soll, zum Wetterstein. Wie wir im tekto- nischen Teile sehen werden (vgl. auch Profil Va S. 68), ist hier jedoch eine verwickelte Lagerung, insofern verschiedene liegende Falten von Wettersteindolomit und Raibler Schichten vorhanden sind. Demnach ist die Bösesche Auffassung wohl nicht berechtigt, da der Wetterstein sonst immer in dem von mir besuchten Ge- biete als Dolomit, höchstens als Kalkschiefer ausgebildet ist. Am Piz Mezaun (Mezzem) im Oberengadin, der zum Ver- gleiche von Böse? herangezogen wird und ähnliche Zwischenlagen im Wettersteindolomit enthalten soll wie Piz Madlain, Südost- fuss, ist vielleicht auch eine solche Komplikation; doch habe ich ihn nicht besucht. Jedenfalls sind die Lagerungsverhältnisse im Oberengadin häufig ganz erstaunlich verzwickt. Ganz dieselbe kalkfreie Dolomitbreccie mit Eisenoxyd* wie am Mot S. Jon fand ich in der unteren Val Trupchum bei Scanfs als Geröll, ebenso gelbe kalkige Rauhwacke mit verrucanoähnlichen Brocken, Kalk- und Dolomitbruchstücken (im Tobel Chanels). Wenn die Kalke und Dolomite Muschelkalk und Wettersteindolomit sind, wäre die sie enthaltende Rauhwacke jedenfalls zu den Raibler Schichten gehörig. In diesem Sinne spricht sich auch Böse? aus. In der Val Gianduns, nordwestlich von Scanfs, kommt ebenfalls Rauhwacke vor. Da hier eine überkippte Lagerung vorzuliegen scheint, und da über der Rauhwacke ein Dolomit liegt, der Wetter- stein zu sein scheint (siehe unter Wettersteindolomit 8. 13 unten), dürfte die Rauhwacke Raibler Alters sein. Besondere Bedeutung für einen Vergleich mit der Facies im Unterengadin hat ein Profil an der Alp Clavadatsch (Piz Padella). (seht man den Weg von Samaden hinauf zur genannten Alp, so trifft man an dem Fusspfade, der sich im Walde aufwärts schlängelt, auf eine bunte kalkfreie Brecceie, die aus Brocken von Glimmer- schiefer, Dolomit, Eisenoxyd etc. besteht. Sie ist mit Rauhwacken 1,1896, 8.574, 612. = Ibid. 'S. 576,5612; 3 1896. 8. 612. * Die Auffassung von deren Raibler Alter habe ich unabhängig von STEIN- MANN gewonnen, der ähnliches schon vom Piz Bardelia (nördlich der Julier- strasse) beschrieben hat (1898. S. 231). 5 1896. S. 586. 123] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN UNTERENGADIN. 17 und Dolomiten (Wetterstein? Hauptdolomit?) dermassen ver- quickt, dass es aussieht, als ob tektonische Vorgänge dies bewirkt hätten. Diese Rauhwacken und Breccien sehen den Raibler Schichten des von mir bearbeiteten Gebietes im Unterengadin ausserordentlich ähnlich bis auf die kristallinen Bruchstücke. Von der Alp Clavadatsch aufwärts trifft man nordnordöstlich des Baches auf gelblichen breceiösen Dolomit, der nach oben in dieselbe bunte kalkfreie Breccie übergeht wie unterhalb der Hütte im Walde. Eingelagert sind roter Sandstein und rote Tonschiefer. Zu oberst folgt grauer, dann roter bröckeliger Schieferton. Dieser Aufbau ist den Raibler Schichten am Mot S. Jon noch viel ähnlicher. Am Piz Padella dürften also, wie DIENER! bereits ver- mutet hat, die Raibler Schichten, vielleicht auch schon Wetter- stein vorhanden sein, die transgredierend auf Kristallinem oder Verrucano liegen mögen, während weiter südlich nach Böse? Hauptdolomit (oder Dolomit, der die Raibler Schichten ver- tritt), über Buntsandstein transgrediert, ebenso auch im Süd- westen und Süden nach STEINMANN®. Die eben besprochenen Schichten an der Alp Clavadatsch haben in der Literatur ziemlich verschiedene Deutung erfahren. DiEnEr? hält sie für Verrucano, (GÜNBEL° spricht sich nicht darüber aus), Bös£® nennt sie Bunt- sandstein, ROTHPLETZ’ teils Röthidolomit, teils Kössener Schichten. Südsüdwestlich stossen nun diese ziemlich horizontalen Lagen an einer westnordwestlich streichenden Verwerfung gegen Fucoiden füh- rende Kalk- und Tonschiefer, die denen am Zölkengrate (Rhätikon) ähneln und vielleicht Flysch sind. In den höheren Schichten zeigen sie senkrechte Schleppung. Dies ist nebenbei die einzige etwas grössere Verwerfung im engeren Sinne, die ich wenigstens im Engadin und Rhätikon gesehen habe. Vgl. zu diesem Profile auch Böses °® Beschreibung und Karte. ROTHPLETZ gibt in seinem Führer einen Durchschnitt, bei dem ein Irrtum untergelaufen ist. Eine Diskordanz zwischen dem brecciösen gelblichen Dolomit (nach ihm Röthidolomit) und bunter Breccie etc. (seinen Kössener Lagen) ist nicht vorhanden, die scheinbar senkrechte Schichtung ist eine allerdings sehr regelmässige Klüftung, die aber auch in die bunte Breccie fortsetzt. 11888. S. 40. 21896: S. 5991: ® 1898. S. 220. * 1888. 8. 4. 5 1893. © 1896. S. 602. 71902. 8: 12% 1896. 'S. 600. ? 190%. 8. 152. 18 SCHILLER: [124 Die soeben angeführten Beobachtungen über das Oberengadin machen keinen Anspruch auf vollständige Richtigkeit der Auffas- sung, da ich mich mit der Gegend und der betreffenden Literatur zu wenig beschäftigt habe. Ich möchte nur einige mit aller Vorsicht aufzunehmende Hinweise gegeben haben. Hauptdolomit. (regen Ende der Raibler Ablagerungen folgt wieder eine Senkung und konstante Meeresbedeckung bis gegen Ende der Trias, deren Ablagerungen den Hauptdolomit darstellen. Es ist ein grauer, meist sehr dick und gut gebankter Dolomit, feinkristallin bis dicht. Vielfach ist er durch Druck brecciös ge- worden. Nie enthält er Kalk. Wohl das mächtigste von allen Formationsgliedern, durchschnittlich etwa 200 bis 1000 m. Es kommen zwar noch grössere Mächtigkeiten vor, so am Piz S-chalam- bert, Piz Pisoc oder gar Piz S. Jon, wo ungefähr 3400 m erreicht werden. Es ist aber so gut wie sicher, dass hier mächtige zusam- mengestauchte Massen vorliegen. Fossilien sind sehr selten und schlecht erhalten. Im unteren Hauptdolomit (normale Lagerung vorausgesetzt) der oberen Val Lischanna (vgl. die Fossilpunkte auf der Karte südöstlich der alten Klubhütte P. 2517 m) ın etwa 2500—2700 m Höhe fand ich eine An- zahl Zweischalerdurchschnitte, ferner lithodendronähnliche Gebilde, die nach WÄHNER! im Sonnwendgebirge und nach Hozks? Untersuch- ungen im Plessurgebirge in der mittleren Trias vorkommen — 50—80 m über der unteren Grenze des Wettersteindolomites. Es ist demnach, auch nach der petrographischen Aehnlichkeit, nicht unmöglich, sogar wahrscheinlicher, dass die unteren Lagen des Hauptdolomites (den Raibler Schichten und) dem Wetter- Stein zugesprochen werden müssen. Auch fand ich als Geröll ein Stück dunkelgrauen Kalkes mit massenhaften Zweischalerdurch- schnitten, das indes auch dem Steinsberger Kalke (vgl. 8. 22) angehören könnte. Ebenso sitzen südlich vom Pisocgipfel Zwei- schalerdurchschnitte im anstehenden Dolomit. Jedenfalls ist es merkwürdig, dass an diesen Stellen die Versteinerungen im Haupt- dolomit so häufig sind, da sonst nirgends solche gefunden sind. THEOoBALD® erwähnt, dass in Bünden nie Fossilien des Haupt- 21903. 8.80. ® Mündl. Mitteilung. 31864." S. 83. 125] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN UNTERENGADIN. 19 dolomites bekannt geworden seien. GÜNBEL! gibt zwar aus der UVinaschlucht Natica und Chemnitzia an. Aber hier kommt kein Hauptdolomit vor; wie schon Böse? erkannte, ist es Muschelkalk. Letztgenannter? hat auch nirgends Versteinerungen der in Frage stehenden Formation gefunden. Trotzdem scheint sie fossilführend zu sein. Denn auch in den oberen Lagen kommen Zweischalerdurchschnitte vor. Ganz grosse zweifellose Exemplare fand ich westnordwestlich vom Gipfel des Piz Lischanna in einem grossen Couloir, wo auf der linken Seite Hauptdolomit diskordant gegen Liaskalke der rechten Seite stösst (siehe Fossilfundpunkt). Wenn hier keine ganz ungewöhn- liche Lagerung ist, so müssen diese Bivalven (Megalodonten?) in den obersten Horizonten des Hauptdolomits liegen. In Bezug auf Petrefaktenführung würde sich unsere Facies also weniger der Algäuer als der Nordtiroler* und Berchtesgadener? (Dachstein- kalk) nähern, welche Megalodonten bergen. Es kommt hinzu, dass der Lias bezw. rhätische Kalk, der, wie wir bald sehen werden, mit Auslassung der Kössener Mergel über Hauptdolomit transgrediert, Bruchstücke von Dolomit führt, die mächtige Bivalven, höchstwahrscheinlich Megalodonarten, ein- schliessen. Solche fand ich mehrmals. Am Südufer des kleineren der beiden Seen in der Val Trigl („Ils Laiets“ im romanischen Volksmunde) sind mächtige Bänke zum Teil aufgearbeiteten Dolo- mits, den ich deswegen als Lias kartiert habe. Hier kommen viele Megalodondurchschnitte, auch herausgewitterte Steinkerne mit Lithodendron (?) zusammen vor. Am Südufer des grösseren Sees ist ein zweites Vorkommnis, in roter Kalkbreccie sitzen Dolomitbrocken mit den erwähnten Zweischalern. Ein drittes ist am Piz Lischanna (Nordvorgipfel). Da man doch wohl annehmen muss, dass der Lias im all- gemeinen nur den obersten Hauptdolomit aufgearbeitet hat, da ich ferner nie so beschaffene Muscheldurchschnitte im Wetterstein oder Muschelkalk gefunden habe, so stehen diese Funde auf sekundärer Lagerstätte mit dem vorher genannten im oberen Haupt- dolomit selbst im besten Einklange. 1 1888. S. 20. 2 1896. _S. 567. ® Ibid. .S. 613. 4 PıcHLEer 1869. S. 207, 208 und Pıcuters Beschreibung in NEUMAYR 1879, ° Böse 1895. Verh. d. k. k. Geol. etc. S. 252, 253. 20 SCHILLER: 1 96 Kössener Mergel (Kontortazone). Es ist fast ganz sicher, dass dieses Glied vollständig fehlt. Nie habe ich eine Spur davon bemerkt, auch nicht als Geröll. GümßEL! gibt zwar an, dass er aus der Entfernung an der Scharte zwischen Piz Ayüz und dem Grate, der zum 7riazza führt — wenn ich ihn recht verstanden — und im Gesteinsschutte Kössener Mergel gesehen habe, „graue, mergelige, oft gelb angewitterte Schichten, deren meist schlecht erhaltene Versteinerungen wenigstens darüber keinen Zweifel lassen, dass sie der rhätischen Stufe an- gehören.“ Das muss ein Irrtum oder eine Verwechslung sein. Lias. 1. Steinsberger Kalk und Breccie. Dolomitische eckige Bruchstücke, manchmal gewaltige Blöcke, teils durch Dolomit, teils durch grauen oder roten Kalk (vielfach mit Urinoiden) oder durch rote Toonschiefer verkittet; dünnplattige rote, schwarzgraue, graue und weisse Kalke; Kalkbreccie?; rote Tonschiefer. Manche Dolomitbreccienlagen führen auch grauen und gelblichen Sandstein (Zais da Rims, Wand nordöstlich vom See 2734 und südlich vom See 2566) und kohligen schieferigen Ton (ebenda, Wand nordöstlich vom See 2734). Das könnten aber viel- leicht Einpressungen älterer Formationen (Buntsandstein und Raibler) sein, da sie in einem an Quetschzonen reichen Bezirke vorkommen. Hauptfossilien sind Stielglieder von Pentacrinus und Apiocrinus in verschiedenen Grössen. Selten findet man einen kleinen Seeigel, anscheinend Diademopsis sp. (sieben schlechterhaltene Exemplare von ca. 2,5 cm Durchmesser), Waldheimia aus der Gruppe der W. Ewaldi OPrPpEn? (eine genau übereinstimmende Art konnte ich in der Lite- ratur nicht finden), Pecten? sp., grössere Schnecken, darunter Pleurotomaria ? sp. (vgl. Fundorte, Nordwestgrat Piz Lischanna, nordwestlich Vadret Lischanna)*. 11888. S. 23. ° Selbstverständlich befindet sich auch Druck- und Reibungsbreccie darunter. ® 1861. S. 539, Taf. IX, Fig. 1a—d. * Auf die wohl erhaltene Liasfauna, die ich während der Drucklegung dieser Schrift bei Plattas am Piz S-chalambert entdeckt habe, komme ich in einer Arbeit über die Gruppe des Piz Lad zu sprechen. 127] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN UNTERENGADIN. > Die Mächtigkeit ist grossen Schwankungen unterworfen, sie kann —= Null werden (Ausquetschung? zum Teil), kann auf etwa 4—-500 m anschwellen (offenbar durch Zusammenstauchung). Die mächtigen Wände des Piz Lischanna, Triazza, Ayüz sind vor- wiegend daraus aufgebaut. Die grösste horizontale Verbreitung ist in der Glaciallandschaft von Zais da Rims. Versuchen wir uns eine Vorstellung von der Bildung der ge- nannten Schichten zu machen. Am Ende der Hauptdolomitzeit, wo in vielen benachbarten Gegenden die Kössener Mergel ab- gelagert wurden, erfolgte im Unterengadin eine Trockenlegung des Meeresbodens, vielerorts war Festland, an andern Stellen mag der Absatz von Dolomit noch angedauert haben. Schon bei der Trocken- legung wird die Oberfläche des Hauptdolomits in der Brandung auf- gearbeitet sein. Jedenfalls aber bei der Ueberflutung und zwar wohl mehrmals. Das beweisen die Steinsberger Kalke, die zum Teil selbst wieder als Breccie vorzukommen scheinen. Vielleicht setzten die Transgressionen und Aenderungen des Gesteins zu verschiedenen Zeiten ein. Die grossen Unregelmässigkeiten in facieller Ausbil- dung des Kalkes und der Breccie lassen sich kaum anders erklären. Manchmal fehlt die Dolomitbreccie, manchmal dieselbe mit kalkigem Bindemittel oder die Kalke, selten ist die Kalkbreccie vorhanden. Ferner enthalten die später zu besprechenden jüngeren Lias- schiefer vereinzelte Linsen von Breccien u. s. w. Vollständig unmöglich wird eine Gliederung der Steinsberger Kalke und Breccien dadurch, dass infolge riesiger Ueberschiebungen jede nor- male Lagerung verwischt worden ist. Ein Beispiel möge diese Tat- sache erläutern. Man findet an einer Stelle Hauptdolomit, darüber liasische Algäuschiefer, auf die Hauptdolomit über- schoben ist. Erstens ist es möglich, dass der Hauptdolomit gar nicht aufge- arbeitet und keine Steinsberger Breccie auf ihm abgesetzt wurde, dass hier also eine kleine Hauptdolomitinsel aus dem Meere zur Zeit der Steinsberger Breccie hervorragte. Darauf wären dann unmittelbar die Algäuschiefer (Lias) aufgelagert. Schliesslich wurde dann durch tektonische Vorgänge ein Teil des Hauptdolo- mits über die Schiefer gefaltet und geschoben. Zweitens könnte die Lagerung auch so gedeutet werden: Es lag ursprünglich Steinsberger Breccie auf Hauptdolomit, darauf die Algäuschiefer. Durch Faltung und Ueberschiebung wurde die erste ausgewalzt und weggenommen, an ihre Stelle wurden die letzt- 99 SCHILLER: [128 genannten nachgeschoben, schliesslich wurden Dolomit und Schiefer nochmals in liegende Falten gelegt. Beide soeben erörterten Fälle scheinen vorzukommen. Letzter ist ganz sicher, denn häufig kann man Faltungsdiskordanzen und blanke Verschiebungsflächen dabei beobachten. Ueber das Alter der Steinsberger Breccie und Kalke lässt sich nichts ganz Sicheres sagen. THEOBALD gibt aus dem Cri- noidenkalke von der Ruine Steinsberg bei Ardez (dem der unsrige allerdings ähnlich und nach dem er genannt worden ist), Belemniten, Rhynchonella Greppini, Avicula Sinemuriensis D’OrB. an. Nörd- lich vom Samnaun sind ebenfalls gleiche Crinoidenkalke, in denen zweifellose Ammoniten und Belemniten gefunden worden sind. Nach Analogie mit diesen und noch entfernteren Gebieten könnte man unsere Kalke und Breccien, wenigstens die Hauptmasse, für unteren Lias erklären, zumal vielfach in den Alpen zur unteren Liaszeit eine Trransgression stattgefunden hat. Zudem findet sich in unserem Gebiete massenhaft ein grosser Pentacrinus (tuberculatus?), wie sie aus dem Rhät nicht bekannt sind. Einzelne Lagen mögen indessen bis in diese Formation reichen. Prof. STEINMANN hat ein Stück schiefrigen rötlichen Kalkes, der Lithodendren enthält, am Piz Li- schanna aufgelesen. Ferner habe ich in der oberen Val Lischanna ein dunkles Kalkgeröll gefunden, das voll Zweischalern war, es sieht auch wie Rhätkalk aus. Zum Teil hat Böse! also wohl recht, wenn er den Steinsberger Kalk als Rhät bezeichnet. Aehnliche Uebergänge aus rhätischem Kalk in liasischen beschreibt WÄHNER®. 2. Algäuschiefer. Es folgen jetzt fast immer nicht sehr mächtige schwarzgraue dünne, oft etwas kohlige und manganhaltige Tonschiefer, zum Teil kalkig, die im allgemeinen bei der Verwitterung lange gelbe Streifen auf den Schichtflächen bekommen, die so charakteristisch sind, dass man von Streifenschiefern reden könnte. Eine ausführliche Analyse des Schiefers vom Lischanna hat GÜMBEL° gegeben. Böse * will Spuren von Belemniten darin gefunden haben. Mir ist es nie gelungen, trotzdem ich eifrig danach gesucht habe. Es kommen vielfach Wurmspuren und Algen (?) vor, so dass sie den Schiefern des mittleren Lias im Algäu°’, den Fleckenmergeln, 1 1896. S. 576, 615. 2 1903. $S. 108, 110 u. a. 0. 1888. $. 48. * 1896. S. 570, 615. 5 Günger 1894. S. 100. 129] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN UNTERENGADIN. 23 einigermassen ähneln. Dagegen muss ich mich GÜMBELs! und Böses? Ansicht anschliessen, dass sie den später zu besprechenden soge- nannten Bündner Schiefern im /nntale und nördlich davon, die THEOBALD als Liasschiefer kartiert hat, nicht im mindesten gleichen. Dass letztgenannte jurassischen Alters sind, dafür liegt nicht der geringste Anhalt vor. Im Gegenteil, wo zweifelloser Jura mit diesen Bündner Schiefern vorkommt, ist er scharf unterschieden. Es wird sicher Ausnahmen geben. Aber z. B. bei der Alp bella nördlich vom Samnaun ist diese Verschiedenheit ausgeprägt. Dort findet sich bei der sogenannten Küche ein etwas nach Süden über- kipptes Gewölbe, das unter Bündner Schiefer taucht. Das Ge- wölbe besteht nun aus Crinoiden, Zweischaler, Ammoniten, Belem- niten führenden massigen Kalken und rauhen Kalkschiefern des unteren Lias, während unmittelbar daneben die Bündner Schiefer eine fossilleere wechselnde Folge von Kalk- und Ton- schiefern sind. Ebenso ist es z. B. in dem Tobel Chanels, der in die Val Trupchum bei Scanfs mündet. Ueber typischem Bündner Schiefer, den STEINMANN® als Flysch anspricht, liegt eine in flachliegende Falten gelegte Serie von scharf davon getrennten (in einzelnen Handstücken freilich kann man sie häufig nicht unterscheiden) mergeligen Kalkschiefern, die den Algäuer Fleckenmergeln petro- graphisch und faunistisch ganz ausserordentlich ähnlich sind. Sie führen Algen, Radiolarien, Spongiennadeln, grosse Exemplare von Inoceramus ventricosus Sow. (Falgeri Meran), Pectiniden, Arietiten, Harpoceraten. Einige dünnblätterige Lagen erinnern an die Posi- donienschiefer (Lias e) in Südwestdeutschland. Auch ein Kiesel- knollenhorizont kommt vor, der Aehnlichkeit mit Vorkommnissen im Malm des Rhätikon hat. DIENER* beschreibt aber auch aus dem Lias des Oberengadin (Piz Michel, Alv, Suvretta) Kieselbänder, „welche in den nordöstlichen Alpen die unterste Stufe des Lias von Enzesfeld charakterisieren“, Oberer Lias, Dogger und unterer Malm sind in der Lischannagruppe nirgends sicher nachgewiesen. Immerhin wäre es denkbar, dass ein Teil der als mittlerer Lias kartierten Schiefer, sowie die unteren Lagen der als mittlerer und oberer Malm be- zeichneten Schichten den oberen Lias, Dogger und unteren 12718885, 35325: 2518965 S Die 3 1895. S. 262. 1898. S. 290. * 1884. S. 315. 1888. S. 40. Berichte XIV, S) 94 SCHILLER: [130 Malm vertreten, weil beide Glieder sich manchmal sehr gleichen. GÜMBEL! sprach ähnliche Vermutungen aus für die Liasschiefer des Algäu, WÄHNER? für die Radiolarienhornsteine des Sonn- wendgebirges. Wahrscheinlich aber herrschen ähnliche Verhältnisse wie in den übrigen Teilen der Alpen, wo ja Dogger selten ist, weil zu der Zeit meistens Festlandsperiode war und Abtragung der Liasschichten erfolgte. Malm. 1. Akanthieuskalk. (raue Kalke, verwittert graubraun, die eine reiche verhält- nismässig gut erhaltene Fauna enthalten. Diese Stufe war bisher noch nirgends bekannt. Gelegentlich eines Besuches fand Prof. STEINMANN mitten im Gebiete der Liasbreccie der oberen Val Lischanna einen Belemniten, gleich darauf ich einen Aptychus. Bei näherer Untersuchung stellte sich heraus, dass hier unmittelbar auf der Liasbreccie eine winzige, vielleicht 100 qm fassende Malmkalkinsel liegt. (Die Algäuschiefer sind jedenfalls zur Dogger- zeit abradiert worden.) Jüngere Schichten sind nicht vorhanden. Ausserdem habe ich diese Fauna nur an einer einzigen Stelle auf noch viel kleinerem Raume gefunden, unmittel- bar unterhalb vom Gipfel des Piz S-chalambert. Ebenfalls auf Liasbreccie folgend liegt hier Kalk mit viel spärlicheren Ver- steinerungen, überlagert von grauen Kalkschiefern, die dem obersten Malm entsprechen dürften (No. II des Tithonprofiles, S. 28). Am Piz Lischanna, wo ein ziemlich normales Profil zu sein scheint, liegen die Kalkschiefer direkt auf Algäuschiefern oder es schieben sich grünliche Tonschiefer dazwischen. Mit den hangenden Kalk- hornsteinen und Hornsteinen, die sicher ins Tithon hinaufreichen, besteht ein inniger Zusammenhang. Am See zwischen dem Firn des Cornet und Lischanna ist grauer Liascrinoidenkalk als aufbereitete Breccie in Kalk enthalten, der den Acanthicusschichten vollständig gleicht; an deutlichen Fos- silien kann ich jedoch nur einen Belemnitendurchschnitt anführen. Fossilien der Akanthicuskalke. (Im ganzen etwa 26 Arten.) Foraminiferen, darunter Textularia. Fundort: Oberes Li- schannatal. Radiolarien. Fundort: Gipfel des S-chalambert. 11861. S. 435. 2 1903. 8. 131] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN UNTERENGADIN. 95 Trochocyathus truncatus ZıtTTEL (1870, p. 164, Taf. 15, Fig. 20—22). 16 Exemplare. Die kleine, scharf abgeschnittene Aufwachsfläche ist an meinen Exemplaren nicht zu beobachten. Die Pfählchen sind, wie man an einzelnen Individuen deutlich sieht, nur verdickte Fortsätze der Sternleisten (entweder des I. und II. Zyklus oder des III). Sowohl die Zitretschen als auch meine Stücke zeigen nur einen Kranz von 12 Pfählchen, während jetzt gewöhnlich als Merkmal von Trochocyathus zwei Pfählchenkränze angegeben werden. Das Säulchen scheint teils zu fehlen, teils aus der Verwachsung der Pfählchen hervorgegangen zu sein, an einigen Exemplaren sieht man griffelförmige Stäbchen im Zentrum. Eine schlanke, auch wohl zur genannten Art gehörige Koralle hat unregelmässige Einschnürungen. Fundort: Obere Val Lischanna. er | Fundort: Gipfel des Piz S-chalambert. Seeigelstachel. Eine Schnecke. Fundort: Zischannatal. Rhynchotheutis sp. Kondar: » cf. Suessi NEUMAYR!. a Lischannatal. ul JMAYR°. n Aspidoceras Haynaldi Herbich (NEumAYr 1873, p. 194, Taf. 42, Fig. 3), 3 Exemplare. Siehe Fig. 4 Fundort: Zi- schannatal. Perisphinctes sp. ca. 7 grössere Exemplare. Fundort: Zi- schannatal. Perisphinctes plebejus NEUMAYR (1873, p. 175, Taf. 35, Fig. 3). Fundort: Val Lischanna. Perisphinctes fasciferus NEUMAYR (1873, p. 183, Taf. 39, Fig. 1). Siehe Fig. 5. Fundort: Zischannatal. Oppelia cf. zonaria OPPEL (ZITTEL 1868, p. 88, Taf. 15, Fig. 4—6). Fundort: Zischannatal. Oppelia Schwageri OPPEL (NEUMAYR 1873, p. 168, Taf. 33, Fig. 5). 2 Exemplare. Bei meinen Stücken scheinen die Extern- knoten nicht ausgesprochen mit den Marginalknotenpaaren zu alter- nieren, sondern zum Teil in derselben Zone zu stehen. Siehe Fig. 2. Fundort: Zischannatal. Oppelia Holbeini OPPpEL sp. (NEUMAYR 1873, p. 166, Taf. 33, Fig. 1). 2 Exemplare. Siehe Fig. 1 (verdrückt). Fundort: Val Lischanna. 1871. 82.27. Tat. 9, Fis.>. 2 1873. S. 157, Taf..31, Fig: 3. 9*# 26 SCHILLER: [132 Lytoceras sp. 7 Exemplare. Fundort: Zöschannatal. Lytoceras sutile OrrEL sp. (ZırrEL 1868, p. 76, Taf. 12, Fig. 1—5). Fundort: Zischannatal. Phylloceras oder Haploceras sp. Fundort: Zöschannatal. Phylloceras a. d. Gruppe d. Ph. serum OPPpEL (ZITTEL 1868, p. 66, Taf. 7, Fig. 5—6). Fundort: Val Lischanna. Fig. 2. Oppelia Schwageri Opp. Fig. 1. Oppelia Holbeini OPpP. sp. Natürliche Grösse. Aptychus sublaevis? Sropr. (1867—81, p. 118, 211, Taf. 23, Fig. 2—4, Taf. 24, Fig. 2, 6). Ca. 15 Exemplare. Fundort: Val Lischanna. Aptychus profundus Stopp. e. p. (1867—81, p. 122, 212, Taf. 25, Fig. 4,5, 6, 8,9). 13 Exemplare. Fundort: Val Lischanna. Aptychus cf. Beyrichi OrrEL (GEMMELLARO 1868—76, Parte I, p. 25, Tav. III, Fig. 17, 18). Massenhaft. Fundort: Piz S-chalambert. 133] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN ÜNTERENGADIN. 27 Belemnites sp. 5 Exemplare. Fundort: S-chalambert und Lischanna. Belemnites.a. d. Gruppe des B. hastatus, vorausgesetzt, dass er nur eine Furche hat; die eine Seite ist nicht herauszupräparieren. Fundort: Piz S-chalambert. Belemnites ensifer OPpEL (FAvRE 1880, p. 13, Pl. I, Fig. 14—17), verdrückt. Siehe Fig. 3. Da er verdrückt ist und vielleicht einen kreisrunden Querschnitt hatte, könnte es auch Belemnites Gemmellaroi ZiTt. (GEMMELLARO 1868— 76, Parte I, p. 22, Tav. III, Fig. 8, 9) sein. Fundort: Zischannatal. Fig. 5. Perisphinctes fasciferus NEUM. !/a der natürlichen Grösse. 2. Tithon. Ein Profil, das eine ziemlich ungestörte Schichtenfolge zu haben scheint, wenn auch die einzelnen Lagen hart durch den Gebirgs- druck gequält sind, ist in der oberen Val Lischanna am Gletscher; es mag als Typus für den petrographischen Habitus dienen. Hier steht ein hoher gelber Felsenklotz mit senkrechten Wänden, an seinem Fusse ist: ein Haufwerk von Riesenblöcken aufgetürmt. Den Sockel bilden Algäuschiefer, die jedoch vollständig unter den Trüm- mern herabgefallener jüngerer Gesteine begraben liegen. VIII. Feine graue (verwittert gelbliche) und hell- | hicht braunrote Kiesel- und Mergelkalke zum Teil mit massen- haften deutlichen Radiolarien (Schleifsteine, vielleicht Neocom). sehr mächtig. 98 SEHILLER: [134 V. Grüne Hornsteine (teils tonig). IV. Gelblichgrünliche abwechselnde Lagen von | bedeutende VII. Schwarzgrüne dünnbankige Hornsteine voll- | ständig von Sprüngen durchsetzt, mit vielen deutlichen | ah Radiolarien. VI. Rote Tonschiefer und Hornsteine (manchmal | apbr braunsteinhaltig) mit recht gut erhaltenen Radiolarien. | mächtig. Kalk und tonigem Hornstein, jener gewöhnlich stark ' Mäch- herausgefressen, undeutliche Radiolarien. tigkeit. III. Grüne und rote kalkreiche Tonschiefer . . etwa 2 m. II. Klingendharte, dünnschichtige, graue Kalkschie- fer, tonig, kieselig, schlechte Radiolarien. I. Feinschichtige grünlichgelbgraue Tonschiefer mit | gering Kalkspatadern. mächtig. Von I bis VII ist ein ganz allmählicher Uebergang, nach oben nimmt der Charakter einer Tiefseeablagerung zu. In IV fand ich einen sehr fraglichen Belemniten!. Auch (GÜMBEL? gibt solche aus der Val Triazza an, die nach seiner Be- schreibung den Hornsteinmergelschiefern entstammen, also keine Liasbelemniten sein können, wie er meint. S’TEINMANN fand in rotem tonigem Kalke schlecht erhaltene Durchschnitte von Aptychen (?) oder Muscheln, was auch im Dünnschliffe sich nicht entscheiden liess. In VI waren folgende Radiolarien zu bestimmen’: Lithocampe (2), Cenellipsis cf. macropora Rüst, ausserdem sind noch andere unbestimmbare und zwei neue (?) rundliche Radiolarien darin, ferner mikroskopische Nädelchen von Sphaerozoum (?). Die Schichten I bis VI gleichen, wie andere schon hervor- gehoben haben, den Aptychenschichten der Val Trupchum und des Algäus. In jenem Tale (Tobel Chanels) kommen genau solche grünen und roten Tonschiefer, Hornsteine und Kalke vor. Die roten Hornsteine führen viele Radiolarien, selten Aptychen, die roten und grüngrauen Mergelschiefer häufig kleine gerippte Aptychen, die ich nicht zu bestimmen wage. Jedenfalls sind es Formen des mittleren oder oberen Malm. GüÜmBEL* fand Aptychus proten- sus und pumilus, Böse® Aptychus gracilicostatus, STEINMANN ® —3 m. ! Auf die grossen Mengen von Tithon-Fossilien, die ich ebenso wie die des Lias im Sommer 1903 bei Plattas (S-chalambert) gefunden habe, kann ich auch erst in der nächsten Arbeit eingehen, ” 1888. S. 23—24. ® Nach Röüst 1885 Tat. I. * 1892. 8. 162. 1893. S. 44. 5 1896. S. 585. 6 1898. 8. 241. 135] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN UNTERENGADIN. 29 Pygope diphya, einen Nautilusschnabel, Aptychen von Oppelia und Aspidoceras, Belemniten, also eine Fauna des allerobersten Jura. Ob alle Stufen von I an schon dem Tithon angehören, ist frag- lich, ıch fasse sie alle zusammen, weil sich bezüglich ihres Alters keine Grenze ziehen lässt. In vielen Gegenden der Alpen finden sich Radiolarienhornsteine sowohl im mittleren wie im oberen Malm. STEINMANN! hielt die Kalke und Mergelkalke, die mit den Tonen und Hornsteinen vorkommen („bunte Foraminiferenkalke —= couches rouges“), für obere Kreide, infolge ähnlicher Vor- kommen im Algäu und in der /derger Klippenregion. Undeutliche Reste schienen ihm damals Globigerinen zu sein, doch ist keine ein- zige erkennbare gefunden, im Gegenteil, viele deutlicher erhaltene lassen Bestimmung als Radiolarien zu. Ich muss hier einige ganz anologe Beispiele von oberen Jura- schichten besprechen in Gebieten, die auch erst jüngst genau untersucht worden sind. STEINMANN? fand an dem Berge Colschna bei Klosters in einem Profile Raibler Rauhwacke, Hauptdolo- mit und Lias, über denen Kieseltone und -kalke folgen, die nach oben in reine Radiolarienhornsteine übergehen. Dagegen hat Hoer® im Plessurgebirge solche Hornsteine — auch im oberen Malm — gefunden, die aber — anscheinend in normalen Durch- schnitten — unter den Kalken und Hornsteinkalken liegen. SCHLOSSER* beschreibt vom Spölzenstein bei Er! ebentalls direkte Ueberlagerung des Lias durch Hornsteine. Uebereinstimmend mit den beiden letztgenannten Lagerungs- verhältnissen ist die Ausbildung im Sonnwendgebirge. WÄHNER? gibt an, dass dort über mittleren und oberen Liaskalken dünn- geschichtete Hornsteine, Kieselmergel und Kieseltone meist rot und grün gefärbt, folgen. Darüber liegt eine Hornsteinbreccie® (Dislokationsbreccie nach ihm), deren hangende Schichten gelblich- graue Kalke” mit grauen oder schwärzlichen Hornsteinlagen bilden. Das höchste Glied sind Aptychenkalke°, dünnplattige, grauröt- liche Mergelkalke und Kieselkalke mit Hornsteinlagen, in enger Verbindung mit dem vorhergehenden Gliede (den Hornsteinkalken). 1 1898. S. 241—42. ® Nach mündl. Mitteilungen und Gesteinsproben. ® Nach mündl. Mitteilungen. * 1893. S. 198. > 1903.38: 116: 2 Inid. ‚SAME ” Ibid. 8. 125. ® Jidb. 8. 127. 30 SCHILLER: [136 Fast möchte es den Anschein haben, als sei im Unterengadin und am Berge Coischna ! eine ungeahnte Komplikation, derart, dass die ganze Malmserie sich in verkehrter Lagerung befände. Ebenso wahrscheinlich ist es aber, dass verschiedene Faciesausbildungen vorliegen, dass z. B. mehr Radiolarienhornsteine im Engadin abgesetzt wurden zu einer Zeit, we im Sonnwendgebiete Horn- steinkalke und Aptychenkalke sich ausschieden. Was die Verbreitung des Malm anbetrifft, so ist sie ganz all- gemein, ebenso wie die der Liasbreccie und Algäuschiefer, frei- lich viel lückenhafter. Bisher war nur das Vorkommen am Zi- schanna und Umgebung bekannt. In winzigen Resten konnte ich sie überall nachweisen. Auch ausserhalb des von mir untersuchten Gebietes kommen sie vor. Führer Neuhäusler in Schuls brachte ein Stück des roten Radiolarientonschiefers vom Piz Pisoc mit (Schneide zwischen Hauptgipfel 3178,0 und 3139 m). Die schwarzen Hornsteine (VII) und kieseligen Mergelkalke (VIII) sind nur am Zischanna vorhanden. Neocom. Als solche habe ich den VIII. Horizont im Malmprofil, die jüngste Ablagerung von sicher bekanntem Alter, abgetrennt, erstens, um ihn besonders zu kartieren als ein vereinzeltes merkwürdiges Vorkommen, zweitens, weil mit dieser Ablagerung eine neue Periode der Erdgeschichte eingeleitet wurde. Offenbar erfolgte von jetzt ab eine beständige Hebung des Meeresbodens, ob noch am Ende der Jura- oder zu Anfang der Kreidezeit, ist aus Mangel an Ver- steinerungen nicht ersichtlich. Seit jener Zeit scheint, abgesehen vielleicht von der Gegend am /nn, wo die Bündner Schiefer liegen, die ganze Gegend Festland geblieben zu sein, oder jüngere Schichten sind abgetragen. Selbst die noch immer nicht als Flysch erkannten Bündner Schiefer kommen hier nie vor. Basische Eruptiva. Peridotit (Serpentin). Ausser den unter dem Abschnitt „Grundgebirge“ besprochenen älteren kristallinen Gesteinen tritt noch ein Peridotgestein auf, ‘ Nach Rornprerz’ Profil (1900 S. 5) muss die Lagerung an der Cotschna sehr verwickelt sein. Er hält übrigens die kalkigen Lagen des oberen Malm für Lias, die Kalkhornsteine und Hornsteine für Perm (1900 8. 4). 137] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN ÜNTERENGADIN. 31 das nach Untersuchungen anderer Autoren! allem Anscheine nach ziemlich jungen (wohl postjurassischen) Ursprungs ist, und zwar das Zersetzungsprodukt, der Serpentin. Er ist vollständig durch die (Gebirgsbewegungen zertrümmert, zum Teil asbestartig geworden und von Rutschflächen durchzogen, so dass man ganz selten ein richtiges Handstück schlagen kann. Das Steigen und Klettern an solchen Felsen ist das Scheusslichste, was ich kenne. Er tritt in zwei Zügen südlich vom /nn parallel mit ihm auf. Drusen und Gänge des Serpentin. In Drusen enthält er einen Teil des Spaltungsproduktes aus Peridotit, MgCO; als reinen Magnesit oder als Dolomit, so- genannten Taraspit, der einen schönen blassgrünen Schmuckstein abgibt. Nicht selten enthält jenes Mineral Spuren von Eisen und An- flüge eines violetten Minerales, von dem zu wenig reiner Stoff zur Bestimmung vorhanden war. Hervorzuheben sind die Gänge im Serpentin. Sie enthalten ebenfalls viel Magnesit, sodann ein eisen- und arsenhaltiges graues Silikat, in dem ein grünes Eisensilikat sehr verbreitet ist. Leider sind diese Stoffe wegen Verunreinigung sehr schwer zu be- stimmen. THEOBALD führt eine ganze Anzahl sonstiger Mineralien an, darunter Nickelblüte, die ich nicht gefunden habe. Vielleicht hat er das eben erwähnte grüne Eisensilikat dem äusseren Ansehen nach dafür gehalten. Allerdings will er es chemisch nachgewiesen haben (vielleicht in Proben von andern Fundstellen). Zwei ziemlich lange Gänge sind im Bette der Clemgia parallel nebeneinander, einen kleinen Gang trifft man im Walde in einer grabenförmigen Runse südsüdwestlich von der Meierei S. Jon. Zwei ganz winzige Gänge an der Inndrücke 1177 Schuls-Pradella am rechten Ufer. Eigentümlich ist das übereinstimmende Nordsüd- streichen sämtlicher Gänge. Da sich z. B. im Gneiss am Inn nordsüdlich verlaufende kleine Verschiebungsflächen mit wagerechter Riefung zeigen, die sich durch den von Süden kommenden Ge- birgsschub gebildet haben, so stellen diese Gänge vielleicht auch solche Verschiebungsrisse dar, auf denen die Ganglösungen empor- drangen. ! Vgl. Steınmann 1898. S. 251—258. 32 SCHILLER: [138 Ophicalcit oder Kalkserpentin, TurosaLns Verde antico. Es ist die Kontaktzone zwischen dem oberen Serpentinzuge und dem oberen Bündner Schieferzuge. Hier sind beide innig vermengt, Brocken des einen Gesteins sitzen im andern und um- gekehrt. Ich habe die Zone nur zwischen Val Lischanna und Clemgia nachweisen können. Dass etwa der Serpentin jünger wäre als die Bündner Schiefer und diese durchsetzt hätte, liess sich leider nicht feststellen. Grünschiefer. An einer Stelle in der Val! Chazet kommt ein effusives dichtes, grünes, durch Druck stark zerquetschtes und geschiefertes Gestein vor, dessen Natur unter dem Polarisationsmikroskope nicht mehr zu ermitteln war. Bündner Schiefer. Bemerkenswert ist, dass sie nie im normalen Schichtenverbande unseres (rebietes vorkommen, was schon STEINMANN! betont hat. Es wird also eine fremde Facies sein. Man muss zwei ganz verschiedene Arten von Bündner Schie- fern auseinanderhalten, 1. die „grauen“ kalkig-tonigen Schiefer, die gewöhnlichen Bündner Schiefer, und 2. die weit selteneren „bunten“ Schiefer. 1. Graue Schiefer. Kalkig-tonige Schiefer mit Kalkspat- und Quarzlinsen, bald reine, dicke Kalkbänke, bald feinblätterige graue bis schwarze Tone, häufig sericitisch, in buntem Wechsel, deren scheinbar ungeheure Mächtigkeit sich durch ausserordentliche Zusammenstauchung in- folge eines von Süden kommenden Gebirgsschubes erklärt. An einigen Stellen sind die Umbiegungsstellen grosser Falten mit pa- rallelen Schenkeln sichtbar z. B. bei Sent. Manchmal stellen sich wie am Piz Champatsch (nördlich von Schuls) glimmerreiche oder grobsandige Lagen ein. Kohlige Bei- mengungen sind häufig. Nie jedoch kommen Gipse vor (höchstens ganz vereinzelt infolge tektonischer Störung), sie sind den nachher zu be- sprechenden „bunten“ Schiefern eigentümlich’. Trotz aller angestrengten Versuche ist es bis heute noch nie- mandem gelungen, das Alter der Bündner Schiefer einwandfrei ' 1898. S. 266—68. ® Vgl. StEeınmann 1898. S. 245. 139] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN UNTERENGADIN. 33 festzustellen. Teils werden sie für Flysch, teils für jurassisch, teils — besonders von den österreichischen Geologen — für pa- läozoisch gehalten. Bis jetzt sind vortriadische oder tria- dische Fossilien nie darin gefunden worden, ebensowenig in der weiteren Umgebung unseres Gebietes jurassische. Häufig ist allerdings das Aussehen der Schiefer höchst paläozoisch. Am meisten sagt mir die Vermutung STEINMANNs! zu, dass der grösste Teil wohl dem Oligocänflysch entspricht. Nach THEOBALD? gleichen sie zum Verwechseln den Schiefern von Chur, Viamala und Schyn. Mir fiel die grosse Aehnlichkeit auf zwischen dem Flysch der 7schingelschlucht bei Elm, des Bilkengrates bei der 7ilisunahütte (im Rhätikon), den Schiefern an der Alp Clava- datsch (Piz Padella) bei Samaden, in der Val Trupchum bei Scanfs — wo scharf geschieden Liasschiefer darüber folgen — und am Inn bei Schuls. Allen ist das Führen von Algen gemeinsam. In der Val Trup- chum glaubt STEINMANN Chondrites Targioni? gefunden zu haben. GÜmBEL* fand Algen am Fusswege zwischen Dorf und Festung Nauders. Deutliche Algenreste habe ich am Südgehänge des Piz Champatsch bei Schuls gesammelt. Aus andern Gegenden sind schon mehrfach Algenvorkommen beschrieben. Auch Glieder der Kreide könnten im Unterengadiner Schiefer enthalten sein. Im Rhätikon hat LoRENZ? Schichten der unteren Abteilung dieser Formation gefunden, die sich petrographisch nicht vom Flysch unterscheiden lassen, auch führen sie ganz ähnliche Algen. Zum Schlusse dieses Abschnittes muss ich ein Vorkommen südlich vom /»z besprechen. Auf das grosse Dach der zusammen- hängenden Bündner Schiefer nördlich vom /nn legen sich bunte Schiefer, Serpentin, Gneiss, darauf folgt eine zweite Scholle von Serpentin, bunten (nicht immer vorhandenen) und grauen Schiefern, auf die Gneiss folgt. Diese grauen Schiefer, die THEOBALD als Muschelkalk (MV) kartiert hat, sehen den übrigen im allgemeinen sehr ähnlich, doch sind auch andere Elemente hineingepresst. Ausser zweifellosen Gneissbrocken®, die an der Richardsbank (linkes Scarltal bei Arrona) im Kalkschiefer sitzen, findet sich an selbiger Stelle eine Lage von Crinoidenkalk”, 1 1895. S. 245 fl. ® 1864. S. 261. 3 1895. 8. 262. 1898. S. 290. #-4887.. .S. 290% 1888V@78. 12. > 1901. 8. 39, 48, 54. 6° Von STEINMANN entdeckt. ” Im Dünnschliffe zeigte sich zweifellose Echinodermenstruktur. 34 SCHILLER: [140 der denen des Lias an der A/p della (Samnaun) zum Verwechseln ähnlich sieht. Glimmerphyllite von paläozoischem Gepräge sind auch vorhanden, ferner kalkige Kieselschiefer. 2. Bunte Schiefer (Tueosauos! grüne Schiefer zum Teil und rote Schiefer) und Quetschzone. (Graue, gelbe, braune, rote, vor allem grünliche Tonschiefer, teils sericitisch, auch kalkig, häufig mit Kalkspat- und Quarzadern und Quarzlinsen. Ihnen ist das Führen von weissrötlichen Gipslagern, die Dolo- mitbröckchen enthalten, eigentümlich. Die bunten Schiefer sind das rätselhafteste Gebilde unserer Gegend. Dass sie auf den grauen liegen, beweist noch lange nicht, dass sie jünger als diese sind, da sie recht gut überschoben sein können. Sie für durch Kontakt metamorphosierte graue Schiefer zu halten, wie THEoBALD? zum Teil wollte, ist wohl nicht zulässig, da sie Gips enthalten, der aus jenen nie bekannt geworden ist. Ausserdem kommen auch graue Schiefer in Be- rührung mit Serpentin u. s. w. vor, ohne verändert zu sein. Vielleicht? sind die basischen Effusivgesteine überhaupt älter als die sie umgebenden Schiefer, wenigstens als die grauen, so dass der Kontakt nur mechanisch ist. Eine zweifellose Kontaktmeta- morphose liess sich jedenfalls nirgends feststellen (vgl. auch oben unter Kalkserpentin). Ebenso hat GÜNBEL* bereits Gründe gegen THEOBALDS Ansicht angeführt. STEINMANN® hält es nach Ver- gleichen mit andern Gegenden für möglich, dass die bunten Schiefer Verrucano oder Trias vertreten wegen petrographischer Aehnlichkeit und Gipsführung‘. Allerdings wäre es eine ganz andere Facies wie die Schichten der normalen Sedimentreihe unseres (Gebietes, die ja durch die polygenen Konglomerate, durch die Sandsteine und andere Merkmale charakterisiert sind, wenn auch grüne und rote sericitische Tonschiefer ebenfalls vorkommen (Servino). In den bunten Schiefern stecken manchmal — normal, zum Teil vielleicht eingewickelt — graue Dolomite und Marmore. 11864. S. 25—297. 2 1864. S. 27. ® Vgl. auch STEINMAnN 1898. S. 251. 1883718752: 5 1898. S. 262 u. nach mündl. Berichte. ° S. auch TueoBaLn 1864. S. 27. 141] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN ÜNTERENGADIN. 35 Am Fusswege von der /nndrücke (1117 m) bei Sur En nach Crusch sind grüne (glankonitische?) Kalke unbekannten Alters mit reichlichem Schwefelkies und grauer Marmor mit Kalkspat- gängen eingelagert. In diese hineingequetscht ist Spilit (?). Die grünen Kalke beherbergen eine reiche Fauna von schlecht erhaltenen Foraminiferen, Radiolarien, runden ÜUrinoiden- stielen und Zweischalern. Am schönsten kann man die Fortsetzung dieser Quetschzone bei Ardez an der felsigen Strasse nach Schuls beobachten. Von Lagerung kann man gar nicht mehr reden. Auf kleinem Raume findet man eine Musterkarte von allerhand Formationen. Neben Liasbreccie und -kalk, die mit Spilit (?) durchquetscht sind, liegt Granit (?) gepackt, der eingepresste Bündner Schiefer enthält, undefinierbare Dolomite sitzen einträchtig bei Julier- granit u. S. w. Ebenso wie die grauen Bündner Schiefer kommen auch die bunten als Schuppe südlich vom /nn vor. So in der Val Chazet, wo ich auch Gips als Geröll fand. In der Val Triazza sind schwarze Tonschiefer, Grauwacke, graue und rotbraune Ton- schiefer (Raibler Schichten?) und Marmor (Trias?, Paläozoi- cum nach BösE!), sowie schwarzer kalkiger Tonschiefer mit viel Schwefelkies in die bunten Schiefer eingeschaltet. Sie stellen anscheinend eine Quetschzone der merkwürdigsten Glieder dar. Welche Formationen sich daran beteiligen, wird vielleicht nie mit voller Sicherheit ermittelt werden. Ich habe im vorhergehenden immer von bunten? Schiefern gesprochen, um sie von den „Grünschiefern“® zu unterscheiden, die nach SCHMIDT? dynamometamorph veränderte Eruptivgesteine vom Typus der Diabase und Spilite (Variolite) sind. In der Natur kann man z. B. bei Ardez direkt den Uebergang in ein grünes Massengestein beobachten. In unserem Gebiete kommen (Grünschiefer von sicherem Ursprunge nicht vor (siehe unter „Grünschiefer“). TuroBALD® hat die bunten Schiefer und die obengenannten zusammengefasst. Seine „roten“ habe ich zu den bunten gezogen, weil sie im Grunde nichts Verschiedenes und 11896. S. 568, 575, 608. ® Auch THuEoBALD 1864 redet im Texte zuweilen von bunten Schiefern. 3 STEINMANN 1898. S. 263. * 1891. S. 56—64. 5 1864. S. 25—27 und auf seiner Karte Blatt XV: Davos-Martinsbruck. 1864. 36 SCHILLER: [142 auch recht farbenreich sind, ferner die sericitischen quarzitischen Tonschiefer, die er mit den geschieferten Eruptivgesteinen vereinigt hat. GünßEL! bat wie THEOBALD bunte Schiefer und Grün- schiefer nicht getrennt. Während aber jener beide für umgewan- delte Eruptiva (mit einigen Ausnahmen) hielt, erklärte dieser sie für sedimentär. Diluvium. 1. Glacialerscheinungen. Als älteste erhaltene Spuren sind die weitverbreiteten Erschei- nungen zu nennen, die die früher viel ausgedehnteren Gletscher hinterlassen haben. In grossem Massstabe kann man das im /nn- tale sehen. Der ehemalige /nngletscher erstreckte sich vom Bernina- gebiete in gewaltiger Mächtigkeit bis ins Unterengadin, überall findet man Gletscherschrammung und -glättung, kantengerundete Mo- ränenblöcke und Moränen. In unserem Gebiete reichen allerhand Moränenreste, z. B. Gneiss, Granat führende Hornblende- oder Augitgesteine, Spilite (?) u. s. w. bis zu 2130 m, vielleicht noch höher empor (am nördlichen Abhang des Piz S-chalambert beobachtet, Barometer- messung). Festgepackte Grundmoränenreste sind am tieferen Inntalgehänge nicht selten. Nach GÜmgEL? hat der Gletscher noch die Norberthöhe zwischen Martinsbruck und Nauders überschritten, also reichte er nach der Siegfriedkarte dort noch über 1408 m empor. Aeusserlich macht sich das ganze /nntal als ehemaliges Glet- schertal durch seine flachtrogförmige u-Gestalt kenntlich, in dem später der Fluss seine v-förmigen Schluchten eingesägt hat. Dass zur Diluvialzeit auch die Gletscher unseres engeren (rebietes eine weit grössere Ausdehnung gehabt haben, ist selbst- verständlich. Die riesige flache Schüssel der Schliniger Alpe mit Sümpfen und Mooren war ehemals vom Sesvennagletscher bedeckt, ebenso die wellige Hochebene von Zais da Rims. Wundervolle Rundhöcker mit Stoss- und Leeseite sind dort erhalten (siehe Bild Tafel VIII, 2). Die langgezogenen Mulden der weichen Liasschiefer sind meist vom Gletscher ausgeschürft, über dem tonigen Unter- grunde haben sich bis heute kleine Seen erhalten. Im allgemeinen sind jedoch die Moränenblöcke wegen der Kürze des Transportes so eckig geblieben, dass man sie von Ge- 1 1893 8. 25. 21887, 8.295 u. 1888. 8212, 143] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEH UNTERENGADIN. 37 hängeschutt nicht unterscheiden kann; ausserdem sind gewöhnlich die Spuren der Vereisung vollständig durch Einfluss der Atmo- sphärilien verwischt, von Schutt bedeckt oder von den Bächen zer- stört. Ganz junge Endmoränenreste findet man in der oberen Val Triazza und oberen Val Lischanna. Gut erkennbar ist die alte Moräne des Sesvennagletschers im gleichnamigen Tale da, wo die Granitgneissbrocken auf Trias liegen. Am Gehänge nordwestlich von Scarl erstrecken sie sich mindestens bis 2100 m Höhe, also waren die Eismassen hier sicher etwa 350 m mächtig. (rundmoränenreste fand ich westlich von Mot del hom. 2. Flussablagerungen. Beim Abschmelzen und Zurückgehen des Eises mögen auch die Flüsse eine entsprechend grössere Wassermenge gehabt haben. Jedenfalls waren aber die Flussbetten noch nicht eingesägt, so dass die ersten Schotterterrassen ziemlich hoch abgelagert wurden. Südlich und südwestlich von Schuls nimmt man deutlich bis zu 4 Innterrassen wahr, die durch kleinere Abstufungen miteinander verknüpft sind. Auch im Scarltale sind Spuren erhalten, besonders gut am Wege von Plan da Fontanas nach Avrona. Kurz vor der Richardsbank führt eine hölzerne Brücke über die schüttige Bö- schung, an der man in der Höhe geschichtete Massen von Blöcken und Steinchen sieht. Das ist eine Flussablagerung in etwa 60 m Höhe über dem jetzigen Wasserspiegel des Cl/emgiabaches. Alluvium. Wie immer, ist Diluvium und Alluvium nicht scharf zu trennen. 1. Kalksinter und Nagelfluh. Wer von Schuls einen Spaziergang auf der Landstrasse nach Sent oder Crusch macht, wird mächtige Kalksintermassen be- merken, die grosse Flächen am Gehänge bedecken. Häufig haben sie die Gerölle zu einer Nagelfluh verkittet. Ueberall an solchen Stellen rieselt oder rieselte Wasser auf den Schichtflächen des ziem- lich undurchlässigen, tonigen, grauen Bündner Schiefers herab, mit Kalk beladen, den es bei der Verdunstung an Felsen, an Grä- sern, Sträuchen, Baumwurzeln wieder absetzte.. Auf diese Weise entstehen Tropfsteinbildungen, wie in der Val Clozza, und In- krustationen organischer Gebilde. Hübsche Blätterabdrücke und Kalkspatkristallbildungen finden sich in dem Steinbruche an der ‚Strasse Schuls-Crusch in dem Tobel da Muglins. 38 SCHILLER: [144 Tuffe sind am häufigsten auf der linken /nnseite. Rechts kommen sie auch vor und reichen bis zu 1560 m empor. Einen gerundeten Kalksinterblock fand ich sogar in 2100 m Höhe im Lischannatale. 2. Gehängeschutt. Grössere Bergstürze liessen sich nirgends nachweisen. Dagegen spielen mächtige Schutthalden, hauptsächlich der Kalk- und Dolomitfelsen, eine grosse Rolle. Riesenblöcke sind nördlich der unteren Val Glatschera und gleich südlich der Uinaschlucht von den Muschelkalkwänden herabgestürzt. Auch die Kalkhornsteine des Malm haben am Nordwestrande des Zöschannagletschers ge- waltige Trümmerhaufen erzeugt. Die Gneisse haben bei weitem nicht — abgesehen von dem Saume zwischen Sur En und Pradella, der Craist Alta und dem Sesvennagebiete — solche wüsten Geröllfelder geliefert, sie sind grusig zerfallen und tragen selbst in den grössten Höhen (2800 m und darüber) Viehweide, wenn auch kümmerlich. Die kalkigtonigen Bündner Schiefer haben zusammen mit dem Moränenlehm den besten Boden geliefert. VI. Tektonischer Teil. A. Vorbemerkung. Kommt ein geologisch geschulter Reisender aus Tiroler Gebiet von Nauders her und wandert am /nnufer aufwärts nach Schuls, oder fährt er im Postwagen von Davos über den Flüelapass hinab ebendorthin, so wird ihm bald bemerkbar, dass jene deutlich sedi- mentären Gebilde des linken /nnufers, die Bündner Schiefer, ihre Schichtflächen südwärts gesenkt haben und zu tauchen scheinen unter kristalline Gesteine, Granite, Gneisse und Serpentine, die vornehmlich das rechte Gehänge des Flusses säumen. Wenn der Wanderer dann von Schuls aus in irgend einem Tale, z. B. Val Lischanna, hinaufsteigt, so wundert er sich, ganz ähnliche Gesteine, die am /nn unter kristalline fallen, hier auf ihnen lagern zu sehen. Weiter aufwärts gehend findet er, dass aber- mals Granit und Gneiss über den Schiefern liegen. Höher hinauf trifft er eine Reihe von Sedimenten an, die offenbar auf dem kristallinen Sockel ruhen, und die er ohne Schwierigkeit mit ähnlichen Ablagerungen der Trias und des Jura in andern Teilen der Alpen vergleicht. Mächtige Schichtenverbiegungen, Sättel 145] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN UNTERENGADIN. 39 und Mulden, manchmal von Harnischen durchsetzt, zeigen ihm je- doch an, dass ziemlich beträchtliche tektonische Bewegungen das Felsengebäude ergriffen haben müssen. Auf dem Kamme des Piz Lischanna erwarten ihn noch besonders überraschende Erschei- nungen. Nicht nur, dass wagerecht gelagert über jüngerem Jura älterer Jura und Trias wiederkehren, das Merkwürdigste ist eine Mütze von Gneiss, die scheinbar 3anz unvermittelt auf Dolo- mit sitzt. Und wer nun hinübersteigt zum iz S. Jon, dort regel- los durcheinander Schichten findet, die er in normalen Profilen bald dem Gneiss, Casannaschiefer, Verrucano, bald den verschie- denen Triasgliedern oder Abteilungen des Jura zuschreiben würde, der muss zu dem Ergebnisse gelangen, dass unser Gebiet von ausserordentlichen Faltungen und Ueberschiebungen betroffen worden ist. Auch wenn man jenseits des Hochplateaus, auf dem sich die Firnmassen des Vadret Lischanna ausbreiten, südwärts absteigt, bieten sich verwirrende Unregelmässigkeiten, teils Wiederholung der Schichten, teils Faltenwindungen stärkster Art, bis man in der Val Sesvenna wieder das kristalline Grundgebirge erreicht. B. Allgemeines. Die ganze Gegend wird, wie die meisten Gebiete der Alpen, durch die Begriffe „Faltung und Ueberschiebung“ gekennzeichnet. In grossartiger Weise haben sich diese Vorgänge hier vollzogen. Verwerfungen sind bis auf kleinere Sprünge! nirgends zu be- obachten. Es gilt auch hier das Gesetz von BERTRAND, nach dem in einem und demselben Gebiete nur eine Art der Dislokation vor- herrscht. Die Ueberschiebungen erstrecken sich auf mehr als 5 km Ent- fernung (Luftlinie), und zwar folgen gewöhnlich mehrere dicht hinter- einander. Kleinere, sowie Ein- und Ausquetschungen sind in Bün- den verhältnismässig früh erkannt worden. ESCHER und STUDER?, STUDER® erwähnen und zeichnen solche schon. Isolierte Gneiss- keile in jüngerem Gestein beschreiben EscHER und STUDER* auch. Was unsere Gegend aber ganz besonders merkwürdig macht, das sind die durch Ueberschiebung hervorgerufenen Diskordanzen ! Im Wetterstein der Val Cristannes, im Tithonfelsen am Nordwestrande des Vadret Lischanna. 221839. 824182, 183. SSH ES. 278: #51839..78.3112, 117:und” Tab. H Pig." T, Tab. III -Fig.'3: Berichte XIV. 10 40 SCHILLER: [146 ursprünglich konkordanter Schichten, ferner die Ueberschiebung von jüngeren Schichten über ältere, die man zum Unterschiede von einer gewöhnlichen Ueberschiebung etwa „Uebergleitung“ oder „Ueberschiebung höheren Grades“ nennen könnte, bis ein besserer Ausdruck gefunden ist. Eine derartige Erscheinung muss man sich jedenfalls als die Folge einer Zerreissung vorstellen, die den Mittelschenkel einer liegenden Falte an der oberen Umbiegungsstelle oder den hangenden Schenkel betroffen hat. Dieser Fall tritt offenbar nur bei einer Ueberschiebung ein, die sich in einem weit vorgeschrittenen Stadium befindet. Zu entscheiden, ob durch tangentialen Druck horizontale Ver- schiebungen in der Erdrinde ohne vorangegangenen Falten- wurf stattfinden können, muss ich berufeneren Geistern über- lassen. So zahlreich die Beispiele für gewöhnliche Ueberschiebungen (d.h. des älteren über das jüngere Gestein) sind, solche Schichten- störungen sind mir bisher weder aus der Natur, noch — klar aus- gesprochen — aus der Literatur in grossem Massstabe bekannt gewesen. Nur angedeutet findet man Faltungs- bezw. Ueberschie- bungsdiskordanzen bei MosJsısovics!, nach dessen Schilderung Hauptdolomit und Raibler Schichten auf steilgestelltem Wet- tersteindolomit diskordant liegen, was normalerweise sonst nie beobachtet worden ist, in Böses? Profil, in dem Raibler Schich- ten und Hauptdolomit diskordant gegen Mergel unbekannten Alters abstossen, und in STEINMANNsS? Bemerkung über DIENERS Profile. WAÄHNER* spricht in seiner umfangreichen Monographie derartige Verhältnisse als direkt beobachtet unzweideutig aus. Für Uebergleitung in kleiner Ausdehnung fand ich bei DiENER’ und LORENZ ® Beispiele. Aehnliches, etwas modifiziert, haben Unrig’ aus der Tatra, STEINMANN und LorENZ® aus dem Rhätikon ge- schildert. Das grossartigste Beispiel für Ueberschiebung höheren Grades in unserem Gebiete stellt der lange Aamm des Piz S-cha- lambert dar (vgl. Taf. V, Profil I). Wetterstein (?), Raibler Rauh- wacke mit normaler Folge nach oben bis zum Malmkalk, allerdings stark gestört, sind zum grössten Teile widersinnig über ältere Schich- 11870. S. 184. 1873. S. 172. ® 1896. 8. 597 (Fie. 9). » 1898. 8. 249. * 1903. $. 38 u. a. a. O. > 1888. $. 44. ° 1900. 8. 19, 42. ? 1897 u. 1899. S. 71. 8 1901. 8. 74. 147] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN UNTERENGADIN. 41 ten geschoben und haben wie eine riesige Bürste alles fortgefegt oder in sich eingewickelt, so dass Hauptdolomit mit Quetsch- zonen gespickt auf der Westseite des S-chalambert unmittelbar auf Gneiss bezw. Glimmerschiefer liegt. Das Einfallen der überschobenen Schichten in der Richtung des Schubes kann man wohl kaum erklären, ohne einen mächtigen Druck anzunehmen, den eine darüberlagernde, jetzt abradierte Decke (z. B. von überschobenem Gneiss, der Fortsetzung dessen auf dem Aa- sasser Grate) ausgeübt hat. Tektonische Leitlinien. (Vgl, die tektonische Skizze des östlichen Unterengadins S. 42.) Hauptüberschiebung im Südosten. Unser Trias- und Juragebiet stellt eine mächtige Scholle dar, deren Glieder in sich gefaltet, zerrissen, verschoben und ins- gesamt untergesunken sind unter eine Decke von alten kristal- linen Gesteinen, die sich im allgemeinen aus Südostrichtung mehr als 5 km weit darüber gelegt hat. Diesen Ueberschiebungs- rand sehen wir aus dem Tiroler Gebiete kommen, wo Koch! und andere ihn beobachtet haben. Am Piz Lad? erreicht er die Schweizer Grenze, an der er im wesentlichen entlang läuft bis zur Furcla Sesvenna. Vom Piz Lad zieht er südwestlich zum Piz Ayüz, Munt Russena, Inn. Nockenkopf, springt bei Plattas etwas südöstlich zurück, um bei der Hinteren Scharte aufs neue vor- zubiegen gegen Piz S-chalambert. Von hier läuft er über Piz Mezdi, Piz da Gliasen, Gross Läger, Möser zur Pforzheimer Hütte, bis wohin er gut verfolgbar ist. Westlich dieser Linie liegt die isolierte Gneissdecke des Piz Rims auf Lias, ursprünglich mit der des ARasassergrates zusammenhängend. Bei der Pforzheimer Hütte biegt der Rand rechtwinklig um und scheint sich nördlich vor dem Triasbaue des Zollerkopfes, der normal auf kristal- liner Unterlage aufsitzt, westwärts zu wenden. Die Fortsetzung der Ueberschiebung ist in den Gneisskappen des Piz Cornet und Lischanna zu suchen. Südlich von der Alp Marangun fällt Muschel- 218752485 124. 226: ® Diener (1888. S. 41. 1891. S. 195) stützt sich, um Spuren von postkar- bonischer Faltung (Diskordanz zwischen Trias und älteren Gesteinen) im Unter- engadin nachzuweisen, auf eine Angabe Günuseıs (1887. S. 293), dass am End- kopf und Piz Lad die Trias an Gneiss abstosse, während in Wirklichkeit eine Ueberschiebung von Gneiss auf Trias stattgefunden hat. 10* 42 Fig. 6. [148 Tektonische Skizze x vr 56 ; N+ des östl. Unterengadin. 3 o% 1: 150000 vat Tor, x Pız Ayuz % % izLad| SZ SURTE o en Piz Pisoc x ca Er, 2 2 2 I = ". Vernung = = ll z. Spitze © Z 2 = = S > \.w Pforzheimer — Na ‚Hutte 5 EERRT Na; zZ ER ERET ko — = ‚Vadrer4 ei Se 7 da Sesvenha.. = Ne, = ER NS i NER S_ 5 En Rt op 4, ne 2 Nr "Piz!Sesvennaı + x N x 0 xCruschetta Ru Ki N ı& £ Il n 2 Tl a ARIImN UL UN el EM AH ITTEr- . IM? n- rn / nn BSch -BündnerSchifer LB-Liasbrecre u-Kkalk BR -Buntsandst -Kauhwacke Ineruuf| GSch -Bunte(örüne)Schfr H -Hauptdolomit T- Triasquetschzone m» MK - U.-Tithonkalk R -RaiblerSchichten GrSch - Grunschiefer MA - Acanihicuskolk WW :Weltersteindolomit Gm: Gneıss MM- Malm Ra -Partnachschiefer 5 Serpentin LS - Liasschiefer M -Muschelkalk S6:Serpentingang 0 »Ophicaleit Blick von W (Fetan) auf die Berge des südlichen Innufers zwischen Scarltal und Val d’Assa. 157] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN ÜNTERENGADIN. 51 westlich von Dina dadora sieht. Oestlich ist dagegen Haupt- dolomit mit seinen Quetschzonen! direkt auf Gneiss — oder weiter nördlich über ältere Trias — übergeglitten. Solche einge- klemmten Massen kann man gut beim Aufstiege von Uina dadaint nach Za Stüra wahrnehmen. Muschelkalk liegt neben Malm- kalkschiefern, die diskordant gegen Hauptdolomit abstossen, Liasbreccie ist mit rotem Braunstein führenden Radiolarienhorn- stein verquickt u. s. w. Auf der Höhe von Za Stüra künden die grasbewachsenen Hänge die Grenze des Hauptdolomits gegen überlagernden Gneiss an. Dazwischen im Rasen versteckt sitzt ein Kalkschieferband mit verstreut eingelagerten roten Hornsteinen, das dadurch sehr gut als Malm kenntlich ist. Er krönt den ganzen Kamm des S-cha- lambert, im südlichen Teile wird er mit Liasbreccie darunter dis- kordant von Hauptdolomit unterteuft, der, nach seiner grossen Mächtigkeit zu schliessen, offenbar mehrmals gefaltet ist. An einer Stelle ist dem Schiefer ein Käppchen von Dolomit aufgesetzt, der Rest eines Mittelschenkels. Zu dem Profile I (Taf. V) und zur Skizze Fig. 8 S. 50 ist zu bemerken, dass es scheint, als ob auf dem Vorderkamme (P. 3000 und ?. 3034— Gipfel—) die Liasbreccie diskordant auf Haupt- dolomit sich befände. Dem ist aber nicht so. Es soll dadurch nur angedeutet werden, dass die Aufarbeitung des Hauptdolomits zur Liaszeit ungleichmässig vor sich gegangen ist. Nur da, wo wirklich Breccie zu sehen ist, habe ich sie gezeichnet. Es sei hier eine Eigentümlichkeit erwähnt, die ich sonst nir- gends entdeckt habe. Bei ?/. 3000 m (im Profile) befinden sich nämlich Hauptdolomitfelsen mit deutlicher Bankung, die nicht oben, sondern seitlich brecciös sind, so dass es den Anschein ge- winnt, als ob sie hier als Steilküste oder Klippe aus dem Lias- meere aufgeragt haben und von den Flanken her aufgearbeitet worden seien. Ausser genanntem Dolomit finden sich in dem übergeglittenen Kamme noch Reste von Rauhwacke (Raibler) und schön ge- schichtete Dolomite, die genau wie Wetterstein unseres Gebietes aussehen und kleine Schnecken sowie Megalodonten ähnliche Durch- schnitte enthalten. ı Ob ich immer das Alter der daran teilnehmenden Formationen richtig erkannt habe, darf ich schwerlich behaupten, indes kann man fast nur nach petrographischer Beschaffenheit urteilen. 59 SCHILLER: [158 Auf dem Gipfel (kurz südlich von 3034) ist ein seltenes Vor- kommen über Lias: ein Fleckchen von Crinoidenkalk der Malm mit Belemniten und Aptychen genau wie in der oberen Val Lischanna, auf die wir noch zu sprechen kommen. Wie schon im V. Hauptteile (Schichtfolge) gezeigt wurde, stellt es die Zone mit Aspidoceras acanthicum OPPpEr, dar. Am S-chalam- bert ist darüber noch fossilleerer Kalkschiefer des obersten Malm entwickelt (II des Tithonprofiles 8. 28). Fir. 29. Blick von Val Cristannes nach NO Hintere Scharte Griankopf : i Rasasser Scharte 2738 y Schaute BZ: Mezdi: Pız da : Gliasen MH „ Malmhornstein MK = Malmkalk LS - Liasschiefer B Buntsandstein (ER RES} LB - Liasbreccie.: S Servino Gr Granitgneiss H - Hauptdolomit V Verrucano Qr uarzporphyr R - Raibler?Tmonsdiefr C Casanna-Schiefer P orphyrif W - Wettersteindolomit Gl Glimmerschiefer D Diabas. Gehen wir zurück zur Gneissdecke. Sie enthält vorwiegend auf dem Kamme (Rasasser Grat) zwei Reste von Triasdolomit und viele parallele Quarzporphyrgänge mit Nordost— Südwest- streichen, einige grobkörniger, andere feinkörnig bis dicht, ferner Schlote von Porphyrit und Diabas, auch Quarzlager. Wandert man von La ‘Stüra über Piz Mezdi und da Gliasen in den gla- cialen Talboden von Gross Läger und Sur Sass, so findet man in den Bachrissen und im Weidegehänge die eingepressten Forma- tionen zwischen unterem Granitgneiss und überschobenem G.neiss und Glimmerschiefer aufgeschlossen (Fig. 9). Unter anderm sitzt ein riesiger (neissklotz mit Glimmer- und Casanna- schiefer vermengt in Dolomit und Liasbreccie eingewickelt. Auf dem westlichen Gehänge von Sur Sass liegt an der Grenze 159] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN UNTERENGADIN. 53 von Muschelkalk und Wettersteindolomit (hier diskordant auflagernd — überge- glitten — Fig. 10 und = Fig. 12 links S. 59) Ra- Ba 3 diolarienhornstein des 3 Malm. Noch beiderseits >= der Pforzheimer Hütte < sind mitten im Gneiss Reste von allerhand For- S mationen. (Vgl. Fig. 11 S S. 54.) 2 An dem Bache, der > = von der Westseite herab- ul. h fliesst und bei Sur Sass Mlıız in den Oberlauf des Uina- 3 W.r7 f baches mündet, bietetsich = = KciHt ein lehrreiches Beispiel B a. Ulm, (Fig. 12 links 8. 59), wie £ er bad aus einer liegenden =” [, Hi Falte eine Ueberschie- = = j IRagre bung werden kann. Die 3 w Mans unteren Bänke des 3 & uses, Muschelkalkes hängen a on . Hgg noch zusammen, wäh- S = Ad: rend die oberen in ihrem 5 il): Io: südlichen Teiledenhangen- * N A + den Schenkel einer nach M Ai i = Norden übergelegten Falte S_ RN N & Ss bilden, die gegen den is {hr il = > nördlichen, den zerrisse- Bi N S8=< nen Mittelschenkel, auf SS N = S = einer glatten Kluftfläche = 2 Ä il) ME diskordant abstossen. o A el Noch weiter nach ı5s» 1 1 2 = Süden an der Felswand CH T - hin bis zur Schweizer 2 SUR S 25 Grenze (Rimswand) kon- os 8 S statiert man massenhaft kleinere liegende Falten. Es möge die Schichtenfolge von unten nach oben an irgend einem Durchschnitte genannt werden. 54 SCHILLER: [160 Profil an der Rimswand. Ueber granitartigem Gneiss folgen ca. 15m grüne und rote Ton- schiefer (Servino), an andern Stellen ein gneissähnliches grünliches Konglomerat (Verrucano), nicht sehr mächtig, deren Hangendes gelb- lichgraue Sandsteine (Buntsandstein), etwa 15—20 m sind. Darauf liegt der Muschelkalk, der vielfach gewunden in steilen Mauern zum Piz Cristannes emporzieht. Zu unterst 1—3 m mächtige Do- lomite, zuweilen dünngebankt, darüber entweder 2—3 m kompakte Sandsteine (eingefalteter Buntsandstein), die in ebenfalls wenig mächtige, gelbstreifige Kalkschiefer (Muschelkalk) mit sandigen Fig. 11. Spezialprofil im Streichen unmittelbar ONO der Pforzheimer Hütte. 50 BEN N \ N Hr On) er mn. L | N (ek A a N D96:: 0 > \/ 14 GMDNM, 1. ED Ne |eazom te ca. 20 m. Höhe > u Q = ——E M — Malm (Kalkschiefer, z. T. mit Hornstein). H = Haupt(?) -Dolomit. T = Aelt. Trias (von der sandig-dolomit. Basis d. Muschelk. aufwärts). Gn = Granit, Gneiss, Glimmerschiefer. Zwischenlagen (Buntsandstein) übergehen, oder an einer andern Stelle nur 1 m mächtige, hier und da auskeilende Kalkschiefer. Darüber dünnbankige Dolomite, durch Gebirgsdruck zertrümmert und mit zahlreichen kleinen Verschiebungsdiskordanzen versehen. Sie sind das Liegende der Hauptmasse, teils dünnbankiger, teils ungeschichteter Kalkwände mit eingepressten Dolomitpartien. Auf der Höhe liegt als Decke, ziemlich scharf getrennt (vielleicht über- geglitten wie nördlich), ein mässig gebankter Dolomit, der dem Wetterstein gleicht. Am Fusse der ganzen Wand findet man in angewitterten Do- lomitstücken grosse Encrinusstielglieder!. Vermutlich stammen sie ! Auf den Platz machte mich Herr Topograph Jacot (Bern) aufmerksam. 161] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN UNTERENGADIN. 55 aus den oberen Lagen des Muschelkalkes. Das Fossilienfund- zeichen im Gneiss bezieht sich hierauf. Vallorgia — Val Curtinatsch. Vom /nn aufwärts sieht man zunächst nur Schutt und Ge- röll. Wo das Tal oben sich ausweitet, steht am linken Ufer un- geschichteter Gneiss an in ziemlich hohen Felsen, am rechten ein vereinzelter Klotz. Bald zeigt das Gestein Schichtstruktur, Ein- fallen südlich mit 15—20°. Eine Strecke weit wird er sehr fein- schieferig und glimmerreich. Kurz vor seiner oberen Grenze am Fusse eines Wasserfalles stellt sich ausser Quarz, Orthoklas, Plagioklas über- wiegend Hornblende ein (Hornblendegneiss). Auf der Karte ist dieses Vorkommen markiert. Zweifellosen Verrucano konnte ich nicht beobachten. Die hohen Wände des Sturzbaches bestehen be- reits aus zum Teil sehr massigem Muschelkalk und -dolomit, fallen höchst ungleichmässig — bald sehr flach südsüdöstlich, bald senkrecht nordwestlich. Durch Klettern am Osthange gelangt man in die obere Fortsetzung des Tales, dabei quert man dunkle, stark gefältelte Kalkschiefer, die den Partnachschichten gleichwertig sein dürften und in Wetterstein — etwas kalkige mit Kalkspat- adern versehene mitteldicke Dolomitbänke und dünnbankige Kalke — übergehen. Man steigt südwärts hinab zu Za Foppa („die Mulde“). Auch geologisch gesprochen ist es eine Mulde, in deren östlichem Teile seltsame Türme, Mauern und Zinnen erhalten ge- blieben sind, die die &egend höchst malerisch und abenteuerlich machen. Es sind stark zerfressene Ueberreste von Raibler Rauh- wacke, deren Fortsetzung man als dolomithaltige Rauhwacke auf Mot da dora wiederfindet. Von hier südwestlich schieben sich darunter gelbe, rote und schwarze Schiefertone ein. Der Wetter- stein zeigt von Za Foppa aufwärts sehr wechselndes Nordwestfallen, das oben (etwa in 2010 m!) abermals in flaches Süd— Südostfallen rasch umbiegt; er führt zwei Horizonte kleiner Kiesellinsen in den höheren Lagen, beim trigonometrischen ?. 2289,/ auch grosse Diplo- poren (?). Konkordant liegen Raibler Schichten und Haupt- dolomit, der in der Richtung zum Piz Ayüz immer mächtiger wird. Nach Val Curtinatsch hinunter ist die Schichtenfolge ähnlich, ! Die meisten Höhenangaben sind mit dem Anaöroidbarometer gemessen, manche mehrmals zur Kontrolle. Berichte XIV. 11 56 SCHILLER: [162 nur dass zwischen Muschelkalk und Gneiss deutliche Zwischen- bildungen (Verrucano und Buntsandstein) vorhanden sind. Val Chazet — Piz Ayüz. Im Walde zwischen Vallorgia und Val Chazet sind wenige Auf- schlüsse zu entdecken. Einen lehrreichen Durchschnitt liefert da- gegen das letztgenannte Tal. Etwas oberhalb des /nn findet man am Waldesrande und auf den Wiesen @neissblöcke; gleich hinter dem ersten Holzwege, der von /radella her den Bach quert, steht Gneiss an, Fallen schwach südlich. Bei etwa 1310 m trifft man auf ganz unverkennbare Bündner Schiefer mit konkordanter Schichtneigung. Sie gleichen mehr den grauen als den bunten am /nn, es sind Kalkschiefer, Tonschiefer, Phyllite, zum Teil glim- merig, ein anscheinend einheitlicher Komplex. Ein im Bache ge- fundener Gipsblock spricht dafür, dass ein Teil den bunten Schiefern entspricht, um so mehr, als solche in der nordöstlichen Fortsetzung am /nnufer (Plan Piz) typisch entwickelt sind. Bei etwa 1400 m folgt abermals Gneiss. Südlich des zweiten Weges (von Pradella und Meierei S. Jon) findet man einen ganz zer- quetschten Grünschiefer. Im Dünnschliffe liess sich die Natur dieses anscheinend efiusiven Gesteins nicht feststellen. Es steht an der linken Talseite kurz vor der Spaltung in zwei Aeste an, vor- ausgesetzt, dass kein grosses Glacialgeschiebe vorliegt. Im rechten (östlichen) Arme aufwärts trifft man bald auf dick- und dünn- bankigen Dolomit, südöstlich fallend, offenbar Muschelkalk. Eine Strecke lang ist das Anstehende verdeckt, bis aufs neue Dolomit- bänke auftauchen, die der Lagerung nach Wetterstein sind. Die Schichten, manchmal gefältelt, stellen sich immer steiler, zuweilen auch flacher, bis sie bei den ersten schroffen Felsterrassen senkrecht südlich fallen. Nach oben zu fallen sie wieder ziemlich flach west- südwestlich. Allmählich wird das Gestein sehr dünnbankig, enthält weisse Adern und ist unruhig gewunden — bei 1950 m. 30 m höher wieder dick gebankt, Fallen bei 2130 m 50-—-65° südöstlich. Hier scheint eine leichte Diskordanz anzudeuten, dass die Raibler Schichten, die östlich und westlich auftreten, ausgequetscht sind. Hauptdolomit, schwach westsüdwestlich fallend, setzt von hier ab den Sockel des Liaskegels ?is Ayüz zusammen. In 2200 m Höhe ist eine Mulde, der Hauptdolomit biegt empor, seine Nei- gung ist von jetzt ab etwa 30° nordwestlich. 163] ($EOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN ÜNTERENGADIN. 57 Val Triazza — Piz Triazza — Lais da Rims. GÜMNBEL! und Böse? haben das Profil ebenso wie Val d’Uina, Lischanna, da S-charl und Sesvenna schon beschrieben. Bei /ra- della ist nur Schutt. THEOBALD? gibt an, dass in den Wiesen Gips vorkommen soll, mithin lägen hier die bunten Schiefer, was gut mit meinen Berechnungen stimmt. Es ist der Zug, der von Crusch und südlich Sen? hauptsächlich auf dem linken /rnufer nach Schuls zieht, wo er auf einen Vorsprung des rechten übergeht. Bald oberhalb Pradella ist Gneiss aufgeschlossen, ungeschichtet, später südlich fallend. Zuweilen wird er hornblendehaltig, an einer Stelle (siehe die Karte) steckt dichter Diorit oder Diabas darin (ent- hält ca. 90°/o Epidot, nebenbei etwas Augit und Chlorit; die ur- sprüngliche Struktur ist nicht erhalten. Von 1400 m aufwärts Geröll bis kurz vor den Holzweg (1445 m). Da ist Serpentin, der obere Zug, der zwischen Val Chazet und Triazza sich in Gneiss und auflagernde Bündner Schiefer einschiebt. Noch vor dem Wege lagert darauf eine Zone von allerhand bunten Schiefern. Zu unterst grüne sericitische Tonschiefer, die denen am /nnufer südlich von Schuls sehr ähneln. Sie gehen in schwarze über, Fallen 40—45° südwestlich. Darüber ein graugrünes grauwacken- artiges Trümmergestein, auf das Raiblern gleichende hell- graue — verwittert rostbraune — und rotbraune Tonschiefer, durch eine Quarzlage getrennt, folgen, ferner schwarze, glänzende Ton- schiefer, dünnblätterig und gering mächtig, steil bis senkrecht süd- lich fallend. Abermals grüne sericitische Tonschiefer. Sodann graue Marmore und schwarze, kalkiıge Tonschiefer, reich an Schwefelkies. Eine Strecke weit kommt Schutt. Bei 1485 m treten wieder hellgraue rötlich verwitternde kristalline Kalke (nicht Dolomite) zu Tage, ziemlich mächtig, mit Einfallen von 30° süd- östlich, auf denen schwarze, kalkige Schiefer liegen. Die ganze Folge vom Serpentin an halte ich für bunte und graue Bündner Schiefer‘. Bei 1505 m legt sich Gneiss darauf, der 30 m höher in klastische, verrucanoähnliche Schichten über- geht, die sich schwer von ihm trennen lassen. Es muss dahin- gestellt bleiben, ob der Gneiss durch Gebirgsdruck so stark zer- trümmert ist, oder ob schon Verrucano vorliegt. Bei 1575 m türmen sich steile Felsen von Buntsandstein-Rauhwacke in 11888. 8. 21—325. ® 1896. S. 567—69. 2 1864. S. 263, 301. * Eine Anzahl von Dünnschliffen hat nichts ergeben. 10. 58 SCHILLER: [164 grosser Mächtigkeit auf. Kurz vor einem Wasserfalle (1605 m) beginnt Muschelkalk — dünnbankige, graublaue Dolomite, 30° südsüdöstlich fallend. Böse fand in den unteren Bänken Modiola triquetra SezB. Kleine Diploporen (panciforata? Günp.) bestätigen das Alter der Dolomite. Um höher im Tale empozugelangen, muss man östlich über die Rauhwackenhalde zum Holzweg hinaufgehen, der von Pradella heraufzieht, dann steigt man am besten wieder ins Bachbett, da hier die Aufschlüsse mehr zusammenhängen. Sehr gut kann man zu beiden Seiten Ungleichheiten im Streichen des Muschelkalkes bemerken. Im allgemeinen ist nach Süden zu das Fallen immer steiler südöstlich — südlich, manchmal überkippt. Eine schöne Stauchung sieht man gleich südlich des Wasser- falles. Dort gehen die dickeren Muschelkalkbänke in dünnplattige etwas kohlige Dolomitschiefer (nicht Mergelschiefer) über, die den Partnachschichten entsprechen dürften, da GümBEL Bactryllien und Fischschuppen, Böse Bactryllium Schmidi HEER gefunden haben. Es folgt Wettersteindolomit, mässig gebankt, auch dünn- bankige Kalke mit Adern und schwarzen Kieselknollen. Im Dolomit — grau und weisslich — finden sich kleine Schnecken und grosse Diploporen (annulata? ScHAFH.). In der Höhe von 1710 m ist eine Mulde, das Fallen wird rasch nördlich. Bei 1780 m tauchen noch einmal Partnachschiefer als Sattel auf. Dann Wetterstein- dolomit senkrecht südlich oder nördlich fallend. Gleich südwest- lich von ?. 1823 findet man in einer Runse nach unten auskeilend gelbliche Raibler Rauhwacke, die steil südsüdwestlich bis südwest- lich fällt und nach Westen sehr mächtig wird. Es kommt Haupt- dolomit in dicken Bänken darüber, steil südwestlich!, am Ayüz flach nordwestlich geneigt, auf dem graue und rote Liasbreccie diskordant sich aufbaut. Am Zischanna stürzt sie in senkrechten Wänden von 4—500 m hinab. Geht man noch höher im Kare bis zum Triazzagletscher, so sieht man an der Westseite dunkle, gelb- streifig verwitternde Liasschiefer zweimal als Mulden mit steilem Südfallen eingekeilt. Ebenso findet man am Nordhange des Piz Triazza eine noch viel weiter (flach südlich fallende) übergelegte Mulde von ihnen mit Breccie darüber, auf die nochmals stark zer- knitterte Schiefer folgen, die den 7röazzagipfel bilden. Sie ziehen ‘ Im Wetterstein- und Hauptdolomit und in den brecciösen Liaskalken erschwert am linken Gehänge eine falsche Schichtung das Erkennen der richtigen. 59 GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN ÜNTERENGADIN. 165] ‚Sungsmpsaoga] = N -(ulo4spuesyung, u4s197p M = M omd9AgserT = AT ılydaodzıend = IB "N OULATOS N) 0UBOnLMIOA — A yaM wı yuaggjpsoıy = Iy "A9J01UOSSerT — SIT "SSIILINUR.IL) — IX) ‘suozyosgenbseni] — |] oypemyuney dogey = 4 "yfeyujfe = MW 'ssIHuN) = un ypegfpyosny = W , Yıwojopgdurg = H "urojsuloyujepnf = HIN De Se Ber Ken No | ge un ERERTERN A N iN i 95127 mury swiy zıd DzzDI4] zı4 DUUDUISM jaJppA DES DUUDYISIT Zid 42u40) 214 j3u40) oppın Buun,, 5] Ing 'M eu ey gsteag uoA young 'ST "IH U n . a in 8 {eb} ' > ua a 1 a © a laSBS BET, 23335 HI 8 E82 Ha. 8 38 S8H , 82 — nn. al © >) Pr == S eure) m...» Sg 5 >» S SER RÄT HF MI SF 5 BO HEFT ITS ZT SH TEST SE TA S Zr o Ra S ie, DD ee an = 5 Sa Ben SE =D nn BETSSTSEL SE SH EI SEE HA, ER Een BEE. ce iu, EEE LECEE EEE SEHE ESS ELEFESET EEI IE Z "Zi e n oo sr ® 177) n '» Er | © x = .a0%S Bas önioLces.e zen a. 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Die letzte enthält einen grobkristallinen Quarz- porphyr genau wie an der Craist Alta und einen Porphyrit oder Diabas. Auf dem Süd- und Nordoststeilrande des Cornet finden sich untergeordnete Verschiebungen aneinander, Schuppen und Quetsch- zonen von Trias und Jura. Val Lischanna — Piz Lischanna (Westseite) — Piz S. Jon (Ost- seite) — Piz Madlain. (Vgl. Böse 1896 S. 569—71.) Auf die verdeckten bunten Schiefer (fallen südsüdöstlich mit etwa 30°) am /nn legt sich Serpentin (unterer Zug), den man westlich von Val Triazza im Walde zum ersten Male anstehend findet. Nach Süden zu lagert darüber Gneiss, ca. 30—40° nörd- lich fallend, meist massig, später südlich fallend mit 30—40°. Kurz vor dem Wege Meierei S. Jon—Pradella folgt, die Wände eines Wasserfalles bildend, abermals Serpentin (oberer Zug) unter 40 bis 60° nach Süden geneigt. Oberhalb der kleinen Brücke wird er durch graue Bündner Schiefer abgelöst, die südwestlich im Walde sehr paläozoisch aussehen. Zu unterst bestehen sie aus schmaler Schicht kalkiger glänzender Tonschiefer, zum Teil unge- schichtet und mit Serpentin durchsetzt (Ophicalcitzone: Fallen ca. 20° südlich bis 45° südöstlich. Dann kommt auf dem West- gehänge etwas dunkler Marmor, ungeschichtet, der seitlich in ge- schichtete Kalke übergeht. Auf dem Ostufer stösst ein kleiner (dritter) Serpentinzug daran. Nun erscheint beiderseits in schmaler Zone ein stark gedrücktes glimmerführendes Tiefengestein, wahr- scheinlich Diorit (Zwillingsstreifung der umgewandelten Feldspäte 167] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN UNTERENGADIN. 61 noch erkennbar), dann Schutt, worauf sicherer Gneiss folgt. Eine lange Strecke Schutt, an der rechten Böschung mächtige Kalk- sinterbildungen, wie sie in reicher Menge zwischen Crusch und Schuls zu finden sind. Kurz vor einem Wege, der den hier mit einer Mauereinfassung versehenen Bach kreuzt, stehen im Wasser dunkelgraue Kalke mit weissen Adern an (Muschelkalk?). Wieder wird der Fels im Waldboden verborgen. Gerölle von Gneiss und andern kristallinen Gesteinen sind nicht selten, offenbar Ueber- bleibsel der /nntalmoräne. In der Mitte zwischen den beiden nächsten Bachübergängen (Höhe rund 1600 m) ragt weissgeaderter Dolomit (Wetterstein?) aus dem Flussbette, teils ungeschichtet oder dickbankig, schwach südlich fallend. Steigt man von dem be- sprochenen Wege an der Bacheinfassung östlich im Walde aufwärts anstatt im Bache, so kann man den Uebergang von Muschelkalk zu Wetterstein verfolgen, Partnachschiefer sind nicht aus- gebildet. Muschelkalk ist als dünnbankiger Dolomit ausgebildet (45° ostsüdöstlich fallend), Wetterstein als massiger, der schliess- lich in senkrechten Bänken etwa südwestlich bis nordöstlich streicht und dann überstürzt steil nordnordwestlich fällt. Raibler Rauh- wacke in mächtiger Entwicklung. Zuerst fällt sie an einer Stelle mit 20° nördlich, dann (kleine Diskordanz) mit 50° südlich, wenn gebankt, meist ungeschichtet. Südlich liegt konkordant Haupt- dolomit darüber (60° südlich). Die Val Lischanna und die Wände des Piz S. Jon sind fast ganz daraus aufgebaut. Wie im Nordosten die älteren Glieder, bildet hier der Hauptdolomit eine Mulde, die man nach Südwesten bis über den Piz Lavetscha (Pisoc) verfolgen kann. Am Zischanna liegt sie unter dem nördlichsten Vorgipfel. Zu erwähnen ist, dass die Muldenachse sich westlich ins Tal senkt, mithin eine Unregelmässigkeit in der allgemeinen Streichrichtung zeigt, die jedoch schon nördlich der alten Clubhütte (2517 m) ver- schwindet. Das Fallen ist dort auf beiden Seiten gleichmässig nordwestlich mit 30°, so dass wir, obwohl bergauf gehend, wieder in die liegendsten Bänke des Hauptdolomites gelangen. Vielleicht sind sogar Schichtenwiederholungen vorhanden. Ja es ist sogar nicht unwahrscheinlich, dass die untersten Lagen bereits Raibler und Wetterstein vertreten. Am Grate nördlich des vordersten S. Jongipfels gehen fossilleere Dolomite steil zur Tiefe, so dünn- plattig, wie Hauptdolomit eigentlich nie ist. Ferner ist immerhin auffällig, dass ich südöstlich der erwähnten verfallenen Hütte in verschiedenen Bänken Zweischalerdurchschnitte und korallenähnliche 62 SCHILLER: [168 Gebilde entdeckt habe. Dafür, dass wir es doch mit Haupt- dolomit zu tun haben könnten, spräche höchstens der Umstand, dass westnordwestlich vom Lischannagipfel in einer Rüfe grosse Zweischalerdurchschnitte (Megalodonten) im oberen Hauptdolomit zweifellos vorkommen (siehe auch „Nördliches Scarltal“). Nähern wir uns über viel Geröll dem Gletscher, so trifft man auf eine Ueberschiebungslinie (höherer Ordnung) mit Öst- nordoststreichen (Taf. VIII, 1). Aeusserlich macht sie sich durch eine grosse Spalte im Boden kenntlich, in der Schmelzwässer ihren Weg nehmen. Ganz deutlich lässt sich hier betrachten, wie über Fig. 13. Piz Lischanna-Nordwestgrat von der Val Lischanna aus, LS — Liasschiefer. LB = Liaskalk u. -breccie. H = Hauptdolomit. dem Dolomit (Fallen 30° nordwestlich) Steinsberger Breccie und -kalk gelagert ist, die aber mit 45° südsüdöstlich fällt. Hier kann man sich von diskordanter Lagerung des Lias auf Wetterstein (?) und Hauptdolomit am besten überzeugen, ebenso in der Fortsetzung an der Nordostwand des S. Jon, wo fast horizon- taler Dolomit gegen Liaskalk und -schiefer (30—45° südöstlich geneigt) scharf abstösst (Fig. 14). Für den, der sich an der Lischannawand davon überzeugen will, bedarf es meist umständlichen Kletterns. Wer die Mühe nicht anwenden will, betrachte das Profil IV (Taf. IV, Fig. 13 und Taf. VIII, 1). Man achte darauf, dass der Lias bei der von Südosten kommenden Ueberschiebung (höherer Ordnung) manchmal ganz ausgewalzt und nördlich vom Hauptgipfel zu grosser Mächtigkeit zusammengestaucht worden ist. Die Breccie 169] (FEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN ÜNTERENGADIN. 63 ist von grossen und kleinen Verschiebungsflächen durchsetzt und enthält mitgerissene Teile von reinem gebankten Dolomit. Be- sonders interessant ist die Lagerung an den Stellen, wo sie mit südsüdöstlich gerichtetem Fallen überlagert wird von nord- nordwestlich fallenden Bänken des Hauptdolomits. Die Schiefer bilden drei nordwärts übergelegte Mulden (das Profil durchschneidet nur zwei), von denen die mittlere nach Westen sich gabelt. Fig. 14. Piz S. Jon (O.-Wand) vom Lischannagletscher aus. 3096 3070 an A Ir h N RR NUR NEUN ING NR Kur Ns N Ser) TG G BET — == v N a a = Sur — Ä = > 5 ar sh — = Ss SeNniscehannammd.n — u MK = Malmkalkhornsteine H = Hauptdolomit LS = Liasschiefer W = Wettersteindolomit LB = Liaskalk und -breceie T = Triasdolomitquetschzone. Gn = Gneiss. Kehren wir jetzt zu der Uebergleitungsspalte im Tale zurück. Geht man in der Richtung südöstlich zum Gletscher weiter, so kommt man bald an ein Fleckchen, das man gar leicht übersieht. An der auf engem Raume zusammengedrängten reichen! Fauna (vgl. S.24—27) ist zu erkennen, dass die Ablagerung genau den Acanthicus- schichten entspricht. (Zwei ähnliche Inselchen sind bereits vom S-chalambertgipfel und von der Südostseite des Vadret Lischanna ! Jetzt wird zwar nicht übermässig viel mehr zu finden sein. Ich habe an der Stelle eine Steindaube errichtet. 64 SCHILLER: [170 erwähnt.) Der graue Kalk, der durch Crinoidenstiele ein brecciöses Aussehen erhalten hat, ist von der umgebenden Liasbreccie durch rostbraune Verwitterungsfarbe unterschieden. Nach Osten und Süden zu bilden das Hangende der Steinsberger Breccie Algäu- schiefer, die ohne Zwischenlagerung der fossilführenden Kalke von oberem Malm, gefältelten und zerknitterten, von kleinen Ver- werfungen betroffenen bunten Kalken, Kalkhornsteinen, Tonen und Hornsteinen mit Radiolarien überlagert werden. Fig. 15. Mittelgipfel des S. Jon 3070 von SO gesehen. 2: or N z ‚Queisch oneN) \ X Mh N von \ N SEN Ir Trias do omıfy Nur südlich am Rande des Vadret folgt auf Algäuschiefer (Fallen 45° südlich) noch einmal Crinoidenkalk des Lias. Ein grosser Block ist in Schiefer eingepresst. Auf dem Tithon (bezw. Neocom) liegt am Grate Zischanna— Triazza (wie schon im vorigen Abschnitte erwähnt), Liasbreccie und Hauptdolomit!. Spuren von Rauhwacke und ein gelblicher Dolomit mit Kieseleinlagerungen zu oberst deuten Raibler und Wetterstein an. Eine kleine Mütze von Casannaschiefer und (rneiss bildet den Schluss. ‘ Eine Reibungsbreccie von schwarzem Hornstein und Liasbrececie oder Hauptdolomit ist im Westen von P. 2958. 171] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN UNTERENGADIN. 65 Einen ganz ähnlichen tektonischen Grundplan wie am Triazza und Zischanna finden wir am S. Jon und Madlain: Lias diskor- dant auf Hauptdolomit. Am Ostgrate des Madlain sind kleine Schichtenwiederholungen. Nur fehlt oberer Jura ganz. Statt dessen ist vom überschobenen Mittelschenkel mehr als im Zisehanna- gebiete erhalten. In buntem gesetzlosem Gewirre lagern Verrucano, Buntsandstein, Triasdolomite und Liasbreccie auf den beiden Fig. 16. Blick vom N-Ufer des Inn auf die Gneissüberschiebung an der Clemgia-Mündung. Schotterterrasse (u. Grundmoränenreste) Gn = Gneiss Bunte (Grüne) Schiefer S — Serpentin. hinteren S. Jongipfeln, auf dem höchsten noch (Casannaschiefer? und) G@neiss (Fig.14u.15). Da, wo das Knäuel der Formationen unter dem Gletscher verschwindet, trifit man Casannaschiefer und einzelne Gerölle von Rauhwacke (Raibler?), Gneiss und Quarzporphyr. Nördliches Scarltal. (Vgl. GümsEL 1888 S. 25—28, Böse 1896 S. 571.) Auf die steil gestellten grauen und bunten Schiefer am Inn bei Schuls folgt ein schmaler Streifen Serpentin, darüber grossenteils kaolinisierter Gneiss (Fig. 16 S. 65) anfangs nördlich, 66 SCHILLER: [172 später südlich fallend, worauf der obere mächtige Serpentinzug erscheint. In ihm setzen Gänge auf, so einer im Walde bei der Meierei S. Jon (Fallen steil ostsüdöstlich), deren zwei im Clemgia- bette gegenüber Avrona (Fallen fast senkrecht ostsüdöstlich). Der Serpentin wird überlagert durch graue Bündner Schiefer (45° südlich bis südsüdöstlich geneigt), die an der Richardsbank — linkes Ufer — Lagen von ÜUrinoidenkalk (Lias?) und Fetzen von Gneiss enthalten. Aufs neue taucht Gneiss auf, der bis Plan da Fontanas anhält. Mächtige Geröllhalden verdecken zu beiden Fig. 17. Piz Pısoc bei Schuls v. NNO auptdolomit. Raibler Rauhwacke Serpentın GneLSsS BSch- Bündner Schiefer Seiten des Baches das Anstehende. Dagegen ragen östlich im Walde unmittelbar über Gneiss unter Auspressung der Zwischen- glieder Felsen von Wettersteindolomit auf (unten steil südöst- lich, sogar nordwestlich fallend, oben 20—45° südöstlich), der von Raibler Schichten überteuft wird. Westlich an der Riesenhalde des Pisoc ebenso. Beiderseits türmen sich nun mächtige Wände des Haupt- dolomits auf, der eine Mulde bildet. Am S. Jon ist sie normal, bei dem Wegweiser auf Plan da Fontanas ist ihre Sohle an den Wänden zu sehen. Am Pisoc schwieriger; bei leichtem Schneefalle kann man jedoch die nach Süden zurückgebogenen Schenkel ver- folgen (Fig. 17'). Dass noch jüngere Schichten eingefaltet sind, ' Ueber einige Unrichtigkeiten an Profilen und Zeichnungen siehe $. 74. 173] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN UNTERENGADIN. 67 beweist ein Stück roten kieseligen Radiolarientones, das Führer Neuhäusler angeblich südlich vom Hauptgipfel gesammelt hat. (Ich selbst habe den Grat nur flüchtig untersucht.) Geht man auf dem Wege nach Scar! weiter, so wird das Ein- fallen des Südflügels auf beiden Seiten im Mittel 45° nordnord- westlich, während ganz unten die Bänke senkrecht oder steil süd- südöstlich geneigt sind. Wegen der ungeheuren Mächtigkeit des Dolomites muss man wohl Wiederholungen annehmen. Auch finden sich sonstige Anzeichen dafür. 10 m südlich von einer Quelle (Hennyquelle) — nördlich von der Einmündung des 7rigl- baches — sitzen Schneckendurchschnitte und sichere Diplo- poren oder Gyroporellen in einer Schicht, etwa 120 m weiter ge- genüber der grossen Pisocrunse und einem Felsblocke am Bache stehen Bänke mit Muschel- oder Schneckendurchschnitten. Bald kommen an einer Stelle so feingeschichtete ca. 80 m mächtige Dolomite mit Diploporen, wie ich sie nur als Wetter- stein kenne. So scheint es ziemlich gewiss, dass mehrere kleine Sättel von ihm herauftauchen. Auch auf dem ganzen Nordgrate des /isoc und am Gipfel schienen mir die Schichten hin und wieder mehr dem Wetterstein anzugehören. In den Felsen (siehe Fossil- zeichen auf Taf. IV), die in die Runse nördlich von Munt dels Vadels abfallen, fanden sich zahlreiche Zweischalerdurchschnitte. Bei Val del Guad nair treten dann zweifellose ältere Schich- ten wieder zu Tage. Raibler mit Wetterstein in langgezogenen liegenden Falten streichen vom Südabhange des Pisoc in östlicher Richtung südlich am Madlain und Cornet vorbei (vgl. Profil Va S. 68, Profil IV [Taf. IV] und Profil V, VI [Taf. VI]). An der Einmündung der Val Minger kommen Wetterstein und Muschelkalk mit steilem meist nordnordwestlich gerichtetem aber sehr wechselndem Fallen aus der Tiefe. Bei Scarl befinden wir uns im Gneiss, der mitsamt Verru- cano und Buntsandstein fast gänzlich verdeckt ist. Val Sesvenna. (GümBEL 1888 S. 28, Böse 1896 S. 573—74.) Die ganze Nordseite bis über den /is Cristannes hinaus be- steht aus liegenden Falten von Verrucano, Buntsandstein, Muschelkalk, Wettersteindolomit, Raibler Rauhwacke und Tonschiefern. Das Spezialprofil Va, S. 68, erläutert dies am besten. [174 SCHILLER: 68 Fig. 18. Spezialprofil Va. 1:19500. a i eb) K= Q s r — Hauptdolomit. n=discordant eingequetschte Tasche von ® NO Ep Pı zZ M a al aın q=ca. Bo m lockere weissliche — ver- ) X Raibler Rauhwacke im Wettersteindol. = wittert gelbliche — Kalke, mehr oder 5: m reine Dolomite ca.180 m (Wettersteindol.). & 2820 weniger geschichtet, meist stark zer- | 1=ca. s5m Raibler Rauhwacke (ungescht.), „a fressen. n k—=3—4 m Wettersteindolomit? —R p=1'2 — 2m splitterige weinrote Ton- [% i—2-—2!/ m weinrote Tonschiefer — p. schiefer mit olivengrünen Bänden =i. ) 5 h=ea. 85 m gut geschichtete Raibler Rauh- = 0—ca.12m mürbe Kalke (Raibler Sch.) mit wacke mit dolomitischen Bänken (Wetter- . 2630 (eingefalteten ?) weisslichen und grauen steindolomit ?) B \ Dolomitbänken (Wettersteindol. ?) 8—20 cm dunkelgrauer Dolomit (Wetter- D ! steindolomit ?) f—25 cm dunkelgrauer Tonschiefer (Raibler- ! % j Sch ). N e — Wettersteindolomit, recht mächtig, oben mit Kieselschieferlinsen (ki), in der Mitte mit vielen feinen Schnüren und Nestern 2'700 von Quarz und Zinkblende (z). r d — Partnachschiefer. | e = Muschelkalk. | b= Verrucano, Bundsandstein. \ a — Granitgneiss, Sesvenna == > Bach 1950 7 3 / 12989 2000» 5 & BEE 6222707: no S : % I Gi AGGER Die Sehichten \ se Su 7ER N — _—_ a v2 £ z Mit diesen westlich bis östlich streichenden nördlich fallenden Zügen kreuzt sich ein kleineres Falten- fallen etwa NO. system ungefähr senkrecht. Weithin sichtbar sind solche kombi- nierten Schlängelungen am Mot Madlain, Südostseite, und an 175] (GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN ÜNTERENGADIN. 69 der West- und Südwand der „Cornet“ bezeichneten Felsenterrasse (östlich der Alp Sesvenna). Hierzu vgl. die Fig. 19, 20, 21. Oestlich und südlich des Tales herrscht Augengranit, Gneiss und Glimmerschiefer vor. Bei der Alp Marangun tritt ein Zipfel von Verrucano, Buntsandstein und Muschelkalk auf das linke Ufer. Sie scheinen von Granitgneiss überdeckt zu werden, man sieht wenigstens Muschelkalk südwärts fallen, während der erst- genannte südlich eine viel grössere Höhe erreicht. Fig. 19. Blick von Mot del hom (Val Sesvenna) nach WNW. sw NO Sch « Schultrunsen R- Raibler Sch W Wettersteindolom M: Muschelkalk Sesvenna-Bach Alp Sesverına 2 oO Das Hauptfallen aller Schichten ist NW; wie man jedoch an obiger Skizze sieht, sind die Schichten auch in der Streichrichtung (SW—NO) gefaltet. Der Muschelkalk sendet von ONO unten nach WSW oben apophysenartig einen Sattel in den Wetterstein mit beiläufig nördlichem Fallen. Diese Tatsache soll die auf der Südseite etwas eigentümlichen Profile V, Va, VI rechtfertigen. Eine zweifellose Ueberlagerung erblickt man am Mot del hom. An der Flanke des Berges hängt eine Mulde von Verrucano, Buntsandstein, unterer Rauhwacke, Muschelkalk und Wetterstein. Aus der Ferne ist sie durch die grauen Felsen kenntlich, die sich schroff von dem sanften, bunt bewachsenen Hange abheben. VII. Die Mineralquellen von Schuls-Tarasp. Ueber die chemische Zusammensetzung gibt die Schrift von Dr. A. v. PLAnTA- REICHENAU, Chur 1859, „Chemische Untersuchung der Heilquellen zu Schuls und Tarasp“ Auskunft. Im übrigen hat GÜmBEL! so ausführlich die Quellen behan- delt, dass wenig Neues hinzuzufügen ist. Er? kommt zu dem Ergebnis, dass die Kohlensäure die wichtigste Ursache der Mineralwässer ist, ferner, dass sie auf der Inntalverwerfungs- bezw. Ueberschiebungsspalte aus grösserer Tiefe empor- 11888. 8. 52—71. ® Ibid. 8. 68—70. 70 SCHILLER: [176 Fig. 20. Blick von Alp Sesvenna gegen 0. Piz Cornel Furcla Cornet - R- Raibler Sch. v W- Wettersteindolomit ° M- Muschelkalk V. Verrucano (u.Servino u.Buntsandstein). Fig. 21. Blick von Blaisch dels Manaders (Val Sesvenna) nach N. Südl.Vorterrasse x 1) West ; Sch - Schultrunsen — Cornet W- Wettersteindolomit M- Muschelkalk 2 u. Servino v Verrucano(%. Buntsundstein G- Granitgneiss Piz Cristannes \ 7 RR BT V | et “Gr Die Skizzen Fig. 20 und Fig. 21 geben die Ansicht auf den Felsklotz Cornet (südlich vom Piz Cornet) von W und S wieder; die Ebene des Papiers von Fig. 21 ist also etwa rechtwinklig zu der von Fig. 20 zu stellen. Fig. 20 zeigt die Haupt-, Fig. 21 die Nebenfaltenzüge. Bei X in Fig. 20 ist das Um- biegen einiger Nebenfalten im Wetterstein längs der Streichrichtung sichtbar. 177] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN UNTERENGADIN. 77 steigt. Ein Teil dringt frei als Mofetten an die Oberfläche, z. B. an der Strasse Schuls-Fetan („Mofettas“). Ein anderer wird von den in den oberen Ge- steinsschichten zirkulierenden Wässern absorbiert; dieses Sauerwasser löst aus den kalkigen Lagen Karbonate der alkalischen Erden und des Eisens und tritt derartig beladen mit Tagestemperatur ans Licht (Säuerlinge). So in der Vih- und Sotsassquwelle. Ferner stösst ein Teil kohlensäurehaltigen Wassers auf Gipslinsen, in denen ausserdem noch andere Sulfate, Kochsalz und Natrium- karbonat vorhanden sind. Aus ihnen nimmt es die am leichtesten löslichen Salze (Kochsalz, Natriumkarbonat, Sulfate der Alkalien) und steigt als heil- kräftige Quelle empor. Also für die Heilquellen (im Gegensatze zu den Säuerlingen) sind nächst der Kohlensäure die in den Gipslinsen enthal- tenen Stoffe die Hauptsache. Ich füge hinzu: Da beobachtetermassen der Gips nie in den grauen, sondern nur in den bunten Schiefern vorkommt, so würden neue Bohrungsversuche auf Heilquellen (d. h. solche, die reich an Koch- salz, Natriumkarbonat, Sulfaten der Alkalien sind) nur dort Aussicht auf Gelingen haben, wo an der Oberfläche oder im Untergrunde die bunten gipshaltigen vorhanden sind. Vor allem kommt der Streifen in Betracht, der südlich von Schuls über Pradella, südlich an Sent vorbei nach Crusch zieht. Vielleicht ist auch in der südöstlich gelegenen Zone, die Val Triazza und Chazet kreuzt, etwas zu machen. Umgekehrt kann man sagen: Wo sich Ausblühungen von diesen Salzen oder derartige Quellen zeigen, ist Gips und mit ihm bunter Schiefer vor- handen, wenn auch vielleicht verborgen. Zum Schlusse möge eine kleine Quelle erwähnt werden, die Herr Haag entdeckt hat. Sie entspringt an der Innbrücke Schuls-Pradella (1177) etwas flussabwärts auf der rechten Seite im Bette des Inn selbst. Gewöhnlich ist sie durch Geröll und Schlamm verstopft. Herr Haas sagte, das Wasser hätte salzig geschmeckt; demnach scheint es eine Heilquelle zu sein. Die Ent- stehung im Serpentin wäre dann nur scheinbar, sie kommt aus den bunten Schiefern, die südlich unter den Serpentin fallen, Kaolin. Im Anschlusse an die Kohlensäureexhalationen, die heute noch eine Kom- munikation der Erdoberfläche mit dem Innern andeuten, ist noch ein Zeugnis vergangener vulkanischer Tätigkeit zu melden. Gelegentlich des Tunnelbaues für die elektrische Anlage an der Olemgia wurde ich darauf aufmerksam gemacht. Trotzdem sich der Tunnel nicht so sehr hart unter der Verwitterungsrinde be- wegt, enthält das Gestein — Gneiss und Granit — keinen frischen Kern, ist tiefgründig zersetzt. Dabei fehlt jene charakteristische rotbraune Färbung durch Eisenoxyd: es ist weisser Kaolinit, der manchmal, besonders gegen den Inn zu, vollständig grusig ist, während er gegen Süden noch Gneissstruktur er- kennen lässt. Er enthält Nester von grossblätterigem Muskovit, die keine Spur von Zersetzung zeigen. Nach einer schriftlichen Mitteilung des Herrn Ingenieur SCHORER wird das Gestein immer frischer, je weiter es vom Inn entfernt ist. „Das Südende des Tunnels geht durch fast undurchbohrbaren Granit!. Mitten in diesem harten Material finden sich Spalten, die alle un- ! Nach den mir gesandten Proben ist es Juliergranit, z. T. hornblendeführend. Berichte XIV. 12 72 SCHILLER : [1 78 gefähr parallel dem Inn laufen; der Inhalt ist weisser Kaolinit, hie und da durch Eisenoxyd verunreinigt. Die italienischen Arbeiter erzählten, sie hätten bei Durchbohrung einer solchen Spalte einen eigentümlichen Geruch bemerkt, den sie aber nicht näher bezeichnen konnten.* Wie Röster! kürzlich in einer grösseren Arbeit dargelegt hat, entsteht durch gewöhnliche Verwitterung kein Kaolinit, sondern Ton, ein Produkt, das eine abweichende chemische Zusammensetzung zeigt, besonders charakte- ristisch ist Fe, O,. Der chemische Unterschied ist jedoch noch keineswegs klargelest. Kaolinit entsteht nach ihm nur durch heisse Dämpfe und Wässer, die auf Verwerfungsspalten postvulkanisch .empordringen. Dann müsste diese Kaolinbildung an der ÖClemgia durch Dämpfe entstan- den sein, die jedenfalls auf der Inntalverwerfung emporgestiegen sind. Erdbeben. Vielfach sind im Engadin lokale, wenn auch nur leichte Erdbebenstösse beobachtet worden. GÜMBEL° führt sie zum Teil wenigstens darauf zurück, dass in der Tiefe Einstürze stattfinden, die durch die auslaugende Tätigkeit des kohlensauren Wassers bewirkt werden. Erzvorkommen. Wie im Wetterstein der Nordalpen® und von Bleiberg in Kämthen, ferner im gleichaltrigen Esinokalke der Südalpen, finden sich auch im Wetter- stein des von mir bearbeiteten (rebietes Nester und Schnüre von Erzen. Haupt- sächlich sind es hier silberhaltiger Bleiglanz und Zinkblende. Daneben kommen weisser Baryt, Galmei, Brauneisenstein vor (THEoBALDs* Angabe). Die Bildung scheint durch Sublimation auf Klüften erfolgt zu sein. Auch im Muschelkalke lässt sich das Auftreten nachweisen. Aeusserlich kenntlich sind solche Stellen an dem braunen, zelligporösen Verwitterungsrückstande von Quarz und Eisenoxyd im Ausgehenden. Ausser an den ehemaligen Bleiminen bei Scarl’ (im Muschelkalke und Wetterstein) und auf der Südterrasse des Piz Üornet (Wetterstein), von wo das Vorkommen geraume Zeit bekannt war, gibt's noch andere Stellen, so nordöstlich von Mot Madlain in einer langen Runse, die vom Piz Madlain zu Tale zieht (Wetterstein). Südöstlich und nordöstlich der Furda Cornet sind zwei weitere Fundorte im Wetterstein, zu denen sich einer im Muschelkalk der unteren Val Cristannes gesellt (rechte Seite, nordwestlich von P. 2421). In höheren Schichten sind Erzklüfte nicht bekannt. T'HEoBALD® erwähnt zwar, dass man auch Stollen in die Raibler Rauhwacke, die von Gängen durchsetzt sei, getrieben habe. Leider ist die Richtigkeit dieser Angabe nicht mehr zu prüfen, weil die Stollen verschüttet sind. Es wäre jedenfalls möglich, dass zwar diese Schichten durchbohrt worden, aber nur in den älteren Dolo- miten, die ja so vielfach mit Rauhwacke wechsellagern, Erze sich fanden. 1.1902. : 1888. 8. 67. ® GümseL 1861. S. 2231. * 1860. 8. 40. 1864. S. 319. ° Sollte vielleicht der Name Sesvenna bedeuten: cis venas = diesseits der Adern (Minen)? ° 1860. S. 40. 1864. S. 319. 179] GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTLICHEN UNTERENGADIN. 28 Einiges Lokalinteresse dürfte es haben, wenn ich alle Angaben! über die Geschichte des Bergwerkes Scarl, deren ich habhaft werden konnte, zu- sammenstelle. Die älteste Nachricht steht in einer lateinischen Urkunde, die sich in Ta. v. Monrs Codex diplomaticus, Bd. II, Chur 1852—54, findet: Am 1. November 1317 verleiht Herzog Heinrich von Kärnthen, König zu Böhmen, Graf von Tirol, dem Ritter Gebh. von Guarda, den Söhnen Alberts von Porta und zwei Söhnen des Andr. von Planta von Zuz, Konrad und Friedrich, das Silberbergwerk Scarl. 1356 bestätigt der Graf von Tirol dem Ulrich Planta den Vertrag über die Bergwerke im Unterengadin. Dazu gehörten auch die Bergwerke am Ofen, Valdera und Buffalora. Damals muss der Bergbau sehr ergiebig gewesen sein, denn bis zum 8. Februar 1499 waren 200 Knappen dort beschäftigt. Als sie jedoch das Dorf Schuls überfallen wollten, wurden sie geschlagen und fast alle getötet, der Rest vertrieben. Im Volksmunde heisst die Kampfstelle im Scarltale noch heute „Knappentod“ (erste Brücke süd- lich von Plan da Fontanas). Erst in den Jahren 1820—28 wurde der Be- trieb mit Hütten wieder aufgenommen, lohnte sich aber anscheinend nicht mehr. Abermalige Versuche fallen in die Zeit von 1854—59. Zuerst waren es Sprecher aus Chur und sein Betriebsleiter Oberföll. Dann erprobte J. J. Grass aus Düsseldorf sein Glück. Er fand auch am Cornet reiche Proben von Bleiglanz. Doch auch sein Unternehmen scheiterte, wobei er ein Vermögen von 10000 preussischen Talern verlor. Wie ich hörte, soll nächstens vielleicht noch einmal der Betrieb aufgenommen werden. An sonstigen Erzvorkommen sei Kupferkies in Liasbreccie erwähnt, der bei Lais da Rims vereinzelt auftritt. Der rote Radiolarienhornstein am Lischanna und Piz Mezdi führt Braunstein. Aehnliches (Mangan-Eisen-Kon- kretionen) beschreibt WÄHNER? aus den roten Kalken des mittleren Lias. VIII. Gesamtergebnisse, Fassen wir kurz zusammen, was die vorliegende Arbeit Neues bringt. 1. Petrographisch. Ausser einigen andern Notizen ist es die Entdeckung und Kartierung grosser Effusivmassen. 2. Stratigraphisch-paläontologisch. Einige Beiträge zur Glie- derung der Trias und des Jura. Die Entdeckung einer reichen Acanthicusfauna. Fossilienfunde im Bündner Schiefer. 3. Tektonik. Die Hauptaufgabe war eine möglichst genaue Darlegung des Aufbaues unserer Gegend. Es konnte festgestellt werden, dass wir in dem Trias- und Jurakeile, der sich vom Piz Zad in Südwestrichtung bis ins Ober- engadin erstreckt, ein Massiv zu erblicken haben, das unter einer Decke altkristalliner Gesteine versunken ist, die sich in dem be- ! Nach Mitteilung von Herrn Roner in Scarl. = 1,903; 8.7112. 74 SCHILLER: GEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM ÖSTL. ÜNTERENGADIN. [180 handelten Gebiete von Südosten her darüber gelegt haben. Durch dieses Untersinken unter eine schützende Decke erklärt sich allein die Erscheinung, dass unser mesozoisches Massiv erhalten geblieben ist, während in der Umgebung weit und breit alle Schichten mit wenigen Ausnahmen der Abrasion bis auf das kristal- line Grundgebirge anheimgefallen sind, weil sie offenbar die grössten Höhen gebildet haben. Der durch die Südostüberschiebung ent- standene nordwestlich gerichtete Druck hat die Formationen in nord- östlich— südwestlich streichende Falten gelegt. Aus ihnen sind viel- fach Ueberschiebungen niederen und höheren Grades hervor- gegangen, bei denen Faltungs- oder Ueberschiebungsdiskordanzen mit Quetschzonen verbunden, Begleiterscheinungen sind. Ausser- dem begegnen uns überall die mehr oder minder deutlichen Spuren einer Zerlegung in ein Haupt- und ein Nebenfaltensystem, die sich recht- oder schiefwinklig kreuzen. Bemerkungen zu den Tafeln und Zeichnungen. Bei Profil I (Taf. V) ist im nordwestlichen Teile an Stelle der weiss- gelassenen Streifen zwischen Gneiss und Muschelkalk Schutt einzuzeichnen. Ferner ist der Wetterstein, über dem die Zahl „2710* steht, im mittleren Teile des Profils I, nach dem Liegenden zu auf Kosten des Hauptdolomits viel mächtiger zu zeichnen, so dass die Liasbreccie, über der „Tiroler Grenze 2760“ steht, diskordant auf Wetterstein liegt. Bei Fig. 8 (S. 50) reicht die spitze Mulde von W und R am S-chalambert dadora tiefer gegen Val d’Uina hinab, als gezeichnet ist. Den Piz S-chalambert werde ich in einer nächsten Arbeit („Piz Lad- Gruppe“), zu der die Untersuchungen im Felde bereits abgeschlossen sind, noch genauer behandeln. In Profil VI (Taf. VI) ist die Raibler Rauhwacke am Nordfusse des Pisoc zu mächtig gezeichnet, nach oben zu auf Kosten des Hauptdolomits, nach unten mit Vernachlässigung des Wettersteins, der sich als schmaler Streifen über Gneiss dazwischen befindet. Dasselbe gilt von Fig. 17 (S 66). Auf der kolorierten Karte (Taf. IV) konnte ich die genannten Fehler rechtzeitig verbessern. 181] 1 Ueber die radioaktive Emanation der Wasser- und Oelquellen. Von F. Himstedt. In einer früheren Mitteilung! habe ich gezeigt, dass Luft sowie auch andere Gase eine bedeutende Erhöhung ihres elektrischen Leit- vermögens erfahren, wenn sie durch Wasser hindurchgeblasen werden, Ich habe ferner gezeigt, dass es sich nicht um eine einfache Ioni- sierung der Luft handeln kann, und habe darauf hingewiesen, dass man zur Erklärung entweder eine aus dem Wasser durch die Luft mitgeführte Emanation annehmen muss, oder aber die Hypothese aufstellen kann, dass das Wasser auf Gase in ähnlicher Weise ioni- sierend wirkt wie etwa auf Säuren und Salze. Ich habe diese Versuche inzwischen weiter fortgesetzt, zum Teil in Gemeinschaft mit Herrn v. TRAUBENBERG, der an anderer Stelle ausführlicher über seine Beobachtungen berichten wird. Ich glaube, dass diese neuen Versuche in überzeugender Weise dartun, dass es sich um eine Emanation des Quellwassers handelt, und dass diese Emanation in ihrem Verhalten der des Radiums sehr ähnlich, viel- leicht sogar vollkommen gleich ist. Ich werde zu einer kurzen Mit- teilung veranlasst dadurch, dass Herr J. J. Tuomsox, wie ich in der Naturw. Rundschau vom 31. Juli 1903 gelesen habe, über den- selben Gegenstand: „Radioaktives Gas aus Leitungswasser“, einige Beobachtungen mitgeteilt hat. 1. Das Wasser aller Quellen, welche ich zu untersuchen Ge- legenheit hatte, ebenso frisch heraufgeholtes Grundwasser zeigt ! Ber. d. Naturf. Ges. Freiburg i. Br. Bd. XIII S. 101, 1903; DxrupEs Annalen Bd. XII S. 107, 1903. 9 Hinstepr: [182 die Fähigkeit, die durchgepresste Luft leitend zu machen; dagegen habe ich in keinem offen fliessenden Bache oder Flusse diese Eigen- schaft finden können. Ich habe Quellen untersucht, welche aus dem Gneis kommen (Höllental, Kybfelsen etc. bei Freiburg), solche aus Kalkstein (Schönberg, Schnewburg bei Freiburg), aus Buntsand- stein (Heidelberg) und solche vulkanischer Natur, Kaiserstuhl die Quellen von Baden-Baden, von Wildbad, von Fachingen im Lahn- tal u.a. Alle kalten Quellen zeigten angenähert gleich starke Wir- kung, die Thermalquellen eine grössere, zum Teil sehr grosse Wir- kung; die grösste die Murquelle von Baden-Baden. Um die Resultate vergleichbar zu machen, wurden bei jedem Versuche °®/ı Liter Wasser verwendet. Mittelst einer Pumpe mit zwei Ventilen wurde aus dem a. a. O. beschriebenen grossen Glas- gefässe von ca. 50 Liter Inhalt Luft angesaugt, durch das Wasser gepresst, und dann durch Trockenröhren wieder in den Apparat zurückgedrückt. Nach tausend Stössen der Pumpe trat keine weitere Vermehrung der Leitfähigkeit im Gefässe ein. Die in der früher beschriebenen Weise ausgeführten Beobachtungen am Elektro- skop ergaben dann, wievielmal grösser die Leitfähigkeit der Luft nach dem Durchpressen durch das Wasser war, als vorher. Bei dem Wasser der oben erwähnten Murquelle, das zwei Tage nach dem Auffangen untersucht wurde, ergab sich, dass die 50 Liter Luft des Versuchsgefässes durch die Emanation aus ?/; Liter Wasser eine ca. 40 mal grössere Leitfähigkeit erlangt halten, ein Skalenteil des Elektroskopes brauchte nämlich in Zimmerluft 59 Min. 45 Sek.; nachdem die Emanation in den Apparat gebracht war, 1 Min. 27 Sek. Ich unterlasse es, die Zahlenwerte für alle untersuchten Wassersorten anzugeben, da die Resultate, wie sich zeigen wird, wesentlich beeinflusst werden können durch die Art des Auffangens des Wassers, sowie durch die Zeit, die zwischen dem Einfüllen und der Untersuchung verstrichen ist. 2. Leitet man Wasserstrahlpumpenluft, also „aktive“ Luft, durch irgend eine unwirksame Flüssigkeit, so wird dieselbe dadurch aktiviert, d. h. stellt man mit dieser Flüssigkeit jetzt den im vorigen Abschnitt beschriebenen Versuch an, so erhält man dieselben Re- sultate wie bei frischem Quellwasser. Die beim Durchstreichen von Luft durch aktives Wasser mitgeführte Emanation kann also von anderen Flüssigkeiten aufgenommen, absorbiert werden. Herr V. TRAUBENBERG, der diese Versuche ausgeführt hat, hat gefunden, dass die Kohlenwasserstoffe den grössten Absorptionskoeffizienten 183] ÜEBER DIE RADIOAKTIVE EMANATION DER WASSER- UND ÜELQUELLEN. 3 besitzen. Ein Liter Petroleum z. B. vermag, wenn durch Durch- leiten von Wasserstrahlluft gesättigt, ca. 20mal soviel Emanation aufzunehmen, als ein ebenso behandeltes gleiches Quantum Wasser. 3. Die eben erwähnte Tatsache musste den Gedanken nahe- legen, Erdöl, welches direkt am Bohrloche aufgefangen ist, zu unter- suchen. Die Elsässische Petroleum-Gesellschaft in Walburg i. E. hatte die Freundlichkeit, mir zwei Proben von Petroleum zu schicken, welche direkt an den Bohrlöchern zweier verschiedener Quellen auf- gefangen waren. Beide Proben erwiesen sich als aktiv. Dass das käufliche Petroleum nicht aktiv ist, erklärt sich sehr einfach daraus, dass es durch Destillation gewonnen ist. So wie man die von einer Flüssigkeit absorbierten Gase durch Sieden austreiben kann, so wird auch die gasförmige Emanation durch diesen Prozess ausgetrieben. Ich habe auch mit Quellwassern derartige Versuche angestellt, doch erwies sich die oben beschriebene Art, vermittelst Durchblasen von Luft durch die zu untersuchende Flüssigkeit die Emanation aus- zuziehen, bei meiner Versuchsanordnung als bequemer. 4. Nach dem Vorhergehenden ist zu erwarten, dass wenn man aktive Kellerluft durch eine inaktive Flüssigkeit saugt, oder die Flüssigkeit längere Zeit in der Kellerluft stehen lässt, dieselbe da- durch aktiviert werden kann. Der Versuch bestätigt dies, und führt somit zu der Vorstellung, dass zwischen einer Flüssigkeit und einem Gase sich stets ein Gleichgewichtszustand hinsichtlich der Aktivität herzustellen sucht, wobei aber zu berücksichtigen ist, dass die ver- schiedenen Flüssigkeiten verschieden grosse Absorptionskoeffizienten für die Emanation besitzen. Am besten wird dies wohl durch folgende Beobachtungen illustriert. Ein Liter Petroleum und ein Liter Wasser wurden entaktiviert, d. h. es wurde eine Stunde lang Zimmerluft durch dieselben hindurchgeblasen. Sie sind hierdurch mit der Zimmerluft im Gleichgewicht. Wird mit ihnen ein Ver- such angestellt, wie unter No. 1 beschrieben, so zeigt sich keine Aenderung der Leitfähigkeit im Gefässe. Die Flüssigkeiten wurden hierauf in flachen Glasschalen nebeneinander in dem Keller auf- gestellt. Nach drei Wochen wurden sie untersucht. Beide waren aktiv geworden, das Petroleum enthielt aber, dem grösseren Ab- sorptionskoeffizienten entsprechend, bedeutend mehr Emanation als das Wasser. Man kann am einfachsten wohl die Sache so darstellen, dass man sagt: Für diese Emanation gilt das Dauroxsche resp. HeEnrysche Gesetz. Aus dieser Vorstellung erklären sich ganz 4 Hiınstepr: [184 zwanglos die folgenden Beobachtungen. Wasser, das direkt an der Quelle eingefüllt war, erwies sich stark aktiv, ca. 50 m von der Quelle entfernt eingefülltes Wasser war wesentlich schwächer aktiv, und nachdem das Wasser ca. 200 m über Geröll stark bergab geflossen war, erwies es sich als inaktiv. Ein. zementiertes Gartenbassin wurde mit aktivem Leitungswasser gefüllt. Nach 24 Tagen wurde eine Probe untersucht, und es ergab sich das über- raschende Resultat, dass die Leitfähigkeit der Luft im Apparate durch das Hindurchstreichen durch dieses Wasser nicht erhöht, sondern vermindert wurde. Die Erklärung war leicht zu finden. ‘ Die Luft im Freien über dem Wasser besass, wie der Versuch zeigte, eine geringere Leitfähigkeit als die Zimmerluft. Ebenso er- klärt es sich, dass frisch aufgefangenes Regenwasser einmal eine geringe Abnahme, ein anderes Mal eine geringe Zunahme der Leit- fähigkeit der Zimmerluft verursachte; das Regenwasser befindet sich, sozusagen, im Gleichgewicht mit der Aussenluft, und zeigt der Versuch nur den Unterschied dieser gegen die Zimmerluft. Sehr deutlich trat dies Verhalten bei Versuchen mit Seewasser hervor. Das Wasser war auf freier See bei Helgoland aufgefangen und kam drei Tage nach dem Auffangen in Freiburg zur Untersuchung. Die Zerstreuung in Zimmerluft ergab 1 Sc. in 60 Min. Nachdem die Luft durch das Seewasser gesaugt war, 1 Sc. in 81 Min. Man kann hieraus geradezu den Schluss ziehen, dass die Zer- streuung in der Seeluft bei Helgoland entschieden geringer gewesen sein muss als in der Zimmerluft in Freiburg, denn der Absorptions- koeffizient von Salzwasser ist nach unseren Versuchen nicht so sehr von dem des Wassers verschieden. Teiche und kleine Seen, die ich untersucht habe, zeigten zum Teil eine geringe Aktivität. Ein sicherer Schluss lässt sich hieraus nicht ziehen, da ich nicht angeben kann, ob resp. wieviel Quellen am Boden der Gewässer vorhanden waren. Dass aber auch für diese Gewässer der Satz gilt, dass sie sich hinsichtlich der Aktivität mit der darüber befindlichen Luft ins Gleichgewicht zu setzen suchen, glaube ich aus vielen Versuchen an dem mir leicht zugänglichen Waldsee bei Freiburg schliessen zu können. Dieser Teich erhält sein Wasser aus einer am Kybfelsen gefassten Quelle. Stets erwies sich das Wasser, das nahe dem Einfluss der Quelle entnommen war, stärker aktiv als das an anderen Punkten aufgefangene. Das an dem ca. 100 m entfernten Abfluss des Sees aufgefangene Wasser war so gut wie inaktiv. 185] UEBER DIE RADIOAKTIVE EMANATION DER WASSER- UND ÜELQUELLEN. 5 5. In der oben zitierten Arbeit habe ich gezeigt, dass wenn man aktivierte Wasserstrahlpumpenluft durch eine Kupferspirale leitet, die in flüssige Luft taucht, dieselbe ihre Aktivität vollständig verliert, dass aber, wenn man den Inhalt der Spirale untersucht, nachdem dieser wieder auf: Zimmerluft erwärmt ist, er sich als ausserordentlich stark aktiv erweist. Um ziffernmässig dies fest- zustellen, wurde folgender Versuch angestellt. Das Elektroskop mit einem kleineren Zerstreuungskörper wurde in ein Blechgefäss von ca. 4 Liter Inhalt gebracht. Mit Zimmerluft gefüllt ergab sich ein Abfall von 1 Skalenteil in 8 Stunden. Mit Wasserstrahlpumpen- luft gefüllt 1 Sc. in 1 Min. 30 Sek. Also Wasserstrahlluft zeigt eine 320mal so grosse Leitfähigkeit als Zimmerluft. Wurden nun in das vor jedem neuen Versuche längere Zeit ausgelüftete und mit Zimmerluft gefüllte Gefäss nur 100 cbem Wasserstrahlluft gebracht, so ergab 1 Sc. — 32 Min. 48 Sek., wurden dagegen 100 cbem Luft aus der Kupferspirale entnommen, so ergab 1 Sc. — 50 Sek. Durch die in flüssige Luft getauchte Kupferspirale war sechs Stunden lang Wasserstrahlpumpenluft geleitet, den hierdurch kondensierten Sauer- stoff liess man langsam verdampfen, fing den letzten Rest des lang- sam verdampfenden Gases auf, und benutzte zu dem obigen Versuche hiervon 100 cbem. Man kann aus den mitgeteilten Zahlen den Schluss ziehen, dass dieses Gas eine ca. 12000mal so grosse Leit- fähigkeit besitzt als die Zimmerluft. 6. Es schien mir von Interesse zu sein, wenn möglich, die Tempe- ratur genauer zu bestimmen, bei der die Emanation in dem Kupfer- rohr ausfriert, resp. wieder auftaut. Die Kupferspirale wurde zu- sammen mit einem Pentan-Thermometer in ein Glasgefäss von 5cm Durchmesser und 30 em Länge gesteckt, das seinerseits wieder in ein DewArsches Gefäss von 9 cm Durchmesser und 45 cm Länge ge- hängt werden konnte. Zuerst wurden beide Gefässe mit flüssiger Luft gefüllt und wurde zwei Stunden lang durch die in der Kupferspirale getrocknete und von OO; und O befreite Wasserstrahlluft geschickt. Dann wurde die flüssige Luft aus dem inneren Glasgefässe entfernt und dasselbe oben möglichst dicht mit Watte verschlossen, durch die hindurch nach aussen nur die beiden an die Kupferspirale ge- setzten Gummischläuche ragten. Solange das DewaArsche Gefäss bis zum Rande mit flüssiger Luft gefüllt, das innere Glasgefäss also nahezu 30 cm in diese eintauchte, zeigte das Thermometer konstant —182°C. Um andere Temperaturen zu erhalten, wurde die flüssige Luft aus dem DrwaArschen Gefässe so weit fortgenommen, dass das 6 Hımstepr: [186 innere Glasgefäss nicht mehr eintauchte, und es wurde oben die Oeffnung ebenfalls gut mit Watte verschlossen. Durch diese hin- durch ging ein Glasrohr, das je nach Bedarf bis auf den Boden des Drwarschen Gefässes oder nur so weit hineingesteckt wurde, dass sein unteres Ende oberhalb der flüssigen Luft sich befand. Durch verschieden starkes Hindurchblasen von Luft durch dieses Glasrohr liess sich jede gewünschte Temperatur von —189° bis — 140° C, auf 2—3 (Grade genau einstellen und beliebig lange konstant halten. Es wurden nun bei verschiedenen Temperaturen mit einer HEmpELschen Gasbürette mit Quecksilberfüllung jeweils 100 cbem Gas aus der Kupferschlange langsam herausgesaugt, in den Versuchsapparat ge- bracht und untersucht, ob eine Aenderung der Leitfähigkeit eintrat. Wiederholte Versuche, bei denen mit auf- und mit absteigenden Temperaturen gearbeitet wurde, haben ergeben, dass unterhalb —154° C. nie eine nachweisbare Menge der Emanation aus dem Kupferrohre erhalten wurde, und dass umgekehrt oberhalb — 147° C. stets die Wirkung der gasförmigen Emanation nachweisbar war. Ich glaube deshalb, dass der Kondensationspunkt zwischen —147 und —154°C. liegt. Enger habe ich die Grenzen trotz wieder- holter Versuche nicht ziehen können. RUTHERFOOD und Soppy! haben inzwischen gezeigt, dass die Radiumemanation ebenfalls in flüssiger Luft kondensiert wird, und haben nach einer ähnlichen Methode den Kondensationspunkt zu —150° ©, bestimmt. Die Uebereinstimmung ist eine so augenfällige, dass sich die Vermutung nicht von der Hand weisen lässt, es handle sich in beiden Fällen um dieselbe Emanation. 7. Herr v. TRAUBENBERG hat deshalb auf meine Veranlassung untersucht, ob auch die Radiumemanation ähnlich wie die Emanation des Wassers von verschiedenen Flüssigkeiten verschieden stark ab- sorbiert wird und hat gefunden, dass hier in der Tat ein unver- kennbarer Parallelismus besteht. 8. Herr CrookEs? hat gezeigt, dass Sidotblende unter dem Einfluss der Radiumemanation die Erscheinung des Scintillierens zeigt. Die Herren ELsTER und GEITEL haben dann festgestellt, dass ein Sidotblendeschirm auch in Kellerluft die gleiche Erscheinung zeigt, vorausgesetzt, dass man ihn mit dem negativen Pol einer Hoch- ‘ RUTHERFOOD u. Soppy, Philos. Magazin VI.Ser., V. Vol., May 1903 S. 516. ® Entnommen aus Physik. Zeitschr. 4. Jahrg. S. 439, Ueber die durch radioaktive Emanation erregte scintillierende Phosphoreszenz der Sidot-Blende von ELSTER u. GEITEL. 187] ÜEBER DIE RADIOAKTIVE EMANATION DER WASSER- UND ÜELQUELLEN. 7 spannung verbindet. Diesen letzteren Versuch habe ich mit bestem Erfolge mit Wasserstrahlluft nachmachen können. Aber auch bei der Crookzsschen Anordnung, also ohne den Schirm negativ zu laden, glaube ich die Erscheinung mit Wasserstrahlluft gesehen zu haben. Die Beobachtung wurde allerdings dadurch sehr erschwert, dass mein Sidotblendeschirm selbst nach mehrmonatlichem Liegen im Dunkeln nie ganz aufhörte zu scintillieren. Nach wiederholter Untersuchung mit völlig ausgeruhtem Auge konnte ich mich im Dunkeln auf dem Schirm geradeso orientieren wie nach den Stern- bildern am Himmel, indem stets an zwei Stellen heller leuchtende Punkte, an anderen (7) Stellen ganz schwach leuchtende Pünktchen wahrnehmbar blieben. Der Schirm war aus der Buchterschen Fabrik in Braunschweig, in der auch die GıeseLschen Radiumpräparate dar- gestellt werden, bezogen, und ich vermutete deshalb, dass er mit Radium infiziert sein könnte. Auf eine diesbezügliche Mitteilung hatte die Firma die Freundlichkeit, mir zwei neue Präparate zu schicken, von denen sie glaubte, dass eine Infektion ausgeschlossen sei. Doch auch diese zeigten das gleiche Verhalten, so dass ich darauf angewiesen war, das Hellerwerden der ohnehin leuchtenden Punkte resp. das Auftreten neuer Lichtpunkte bei Behandlung des Schirmes mit Wasserstrahlluft zu beobachten, und das ist natürlich viel schwieriger resp. unsicherer, als wenn man anfangs einen voll- kommen dunklen Schirm besitzt. Ich werde noch versuchen, ob sich ein solcher überhaupt herstellen lässt, oder ob ein Rest des Scintillierens stets vorhanden ist. Ganz sicher und ohne Schwierigkeit habe ich das Scintillieren mit der in flüssiger Luft kondensierten Emanation nachweisen können, weil dasselbe hier weit stärker auftrat. 9. In der zitierten Arbeit habe ich gezeigt, dass wenn man den Versuchsapparat mit gut leitender Wasserstrahlluft füllt und dann verschlossen stehen lässt, die Leitfähigkeit langsam aber be- ständig bis auf den normalen Wert der Zimmerluft abnimmt. An dem Apparate waren gefettete Hähne, in demselben waren grössere Metalloberflächen, und es erschien deshalb nicht undenkbar, dass infolge von kleinen Undichtigkeiten etc. das wirksame Agens ver- loren ging. Um möglichst einfache Verhältnisse zu haben, habe ich eine Anzahl von gleich grossen Glasröhren mit Wasserstrahlluft gefüllt und zugeschmolzen. Die erste wurde noch am gleichen Tage in den Versuchsapparat entleert und die dadurch bewirkte Steigerung der Leitfähigkeit gemessen. Die zweite am folgenden Tage u. s. w. 8 HinmsTEDT: [1 88 Es zeigte sich genau das gleiche Abklingen der Wirksamkeit, wie es früher beobachtet war. Die nach 29 Tagen entleerte Röhre brachte keine messbare Steigerung der Leitfähigkeit mehr hervor. Ebenso wurden eine Anzahl von Flaschen mit aktivem Wasser gefüllt und verschlossen aufbewahrt. Es ergab sich das gleiche Abklingen der Wirksamkeit. Auch ein dickwandiges Bleigefäss wurde mit Wasser gefüllt, zugelötet und, in ein Weasserreservoir versenkt, vier Wochen lang aufbewahrt. Die Untersuchung ergab, dass das Wasser nach dieser Zeit keine Emanation mehr enthielt resp. abgab. Auf den ersten Blick könnten die Resultate dieser letzten Ver- suche in Widerspruch zu stehen scheinen mit der Tatsache, dass das hiesige Leitungswasser aktiv ist. Demgegenüber möchte ich darauf aufmerksam machen, dass wenn ein Strang der Wasserleitung längere Zeit nicht benutzt ist, das Wasser also mehrere Tage in den Röhren gestanden hat, daraus entnommene Proben in der Tat weniger aktiv sind, als wenn man vorher das Wasser hat längere Zeit laufen lassen. 10. Ueber Versuche, welche ich in Gemeinschaft mit Herrn Prof. G. MEYER hier ausgeführt habe, das Spektrum des Emanations- gases zu photographieren, soll in Bälde berichtet werden. Hier möchte ich nur kurz erwähnen, dass ich bei Gelegenheit dieser Versuche festgestellt habe, dass die Emanation nicht zerstört wird, wenn man sie durch beliebige Säuren oder Alkalien gehen lässt, wenn man sie über glühendes Kupfer oder glühendes Magnesium leitet, noch wenn man elektrische Funken oder stille elektrische Entladungen darauf einwirken lässt. 11. Aus den vorstehend kurz beschriebenen Versuchen glaube ich den Schluss ziehen zu können, dass sich in unserer Erde weit verbreitet — vielleicht überall — radioaktive Stoffe finden, von denen eine gasförmige Emanation ausgeht, die vom Wasser (Erdölen) absorbiert wird, mit diesem an die Oberfläche kommt und sich dort dann in die Luft verbreitet. Der Umstand, dass diese Emanation in mehrfacher Beziehung das gleiche Verhalten zeigt wie die Ema- nation des Radiums, lässt es nicht unmöglich erscheinen, dass beide identisch sind, das würde dann heissen, dass entweder die Uranerze, aus denen die Radiumemanation stammt, sehr weit verbreitet sein müssen, oder aber, dass es noch andere Stoffe gibt, die, wenn auch vielleicht in viel geringerem Masse als jene, die Fähigkeit besitzen, eine Emanation abzugeben. Die Thoremanation kann bei meinen 189] ÜEBER DIE RADIOAKTIVE EMANATION DER WASSER- UND ÜELQUELLEN. 9 Versuchen kaum eine grosse Rolle gespielt haben, da dieselbe, wie bekannt, viel schneller abklingt, womit aber nicht gesagt sein soll, dass nicht auch vielleicht Spuren dieser Emanation im Wasser nach- weisbar sein werden. Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass die starke „Aktivität“ der 'Thermalwasser vielleicht bei der Erklärung ihrer Heilwirkung mit heranzuziehen ist. Sollte sich diese Ver- mutung bestätigen, so würde es leicht begreiflich erscheinen, dass diese Wasser, wie, glaube ich, als feststehend angesehen werden darf, durch das Verschicken so schnell und stark an Heilkraft verlieren können. Bedenkt man, dass der Absorptionskoeffizient des Wassers wie des Petroleums für diese Emanation, wie wir durch Versuche festgestellt haben, mit steigender Temperatur abnimmt, dass ander- seits die T’hermalquellen eine besonders grosse Aktivität gezeigt haben, so drängt sich die Annahme auf, dass vielleicht in grösseren Tiefen der Erde bedeutendere Mengen radioaktiver Mineralien sich finden als in den oberen Schichten, und nach den Beobachtungen Curiks von der fortgesetzten Wärmeentwicklung des Radiums wäre die Frage aufzuwerfen, ob nicht möglichenfalls die radioaktiven Bestandteile der Erde bei der Erklärung der Erdtemperatur in Betracht zu ziehen wären. Allen denen, welche mich in freundlicher Weise durch Zu- sendung von Quellwasser bei meiner Untersuchung unterstützt haben, insbesondere den Direktionen der Quellen von Baden-Baden, Wildbad, Fachingen, bitte ich, auch an dieser Stelle meinen ver- bindlichsten Dank aussprechen zu dürfen. Freiburg i. B., 19. Oktober 1903. 1 [190 Zur Passivität der Metalle. Von Wolf Johannes Müller. Ueber die Ursache des passiven Verhaltens mancher Metalle! sind zwei Haupthypothesen aufgestellt worden, die eine (von FARA- DAY, BEEZ u. a. vertreten) sucht den Grund im Auftreten nicht- metallischer Schichten, seien es Oxyd, Superoxyd- oder Gasschichten, die andere (von SCHÖNBEIN, BERZELIUS, HITTORF) nimmt die Bil- dung einer besonderen metallischen Oberflächenschicht, einen „Zwangszustand der Moleküle“ zur Erklärung an. Der Hauptgrund Hırrorrs für die zweite Auffassung war der, dass sich beim Chrom keine Spur einer Oxydschicht zeigt und es als Chromsäure unter allen Umständen in Lösung geht, der zweite der, dass speziell beim Eisen kein Oxyd sich auffinden liess, welches unter den Umständen, unter denen Passivität eintritt, beständig wäre. Es soll nun hier unter Zugrundelegung einer einfachen An- schauung gezeigt werden, dass in jedem Falle, wo ein Metall ein passives Verhalten zeigt, primär eine Aenderung des Metalles selbst eintreten muss, gleichgültig, ob sekundär eine Oxyd-, Gas- oder andere Schicht sich bildet, dass also in allen Fällen von Passivität die SCHÖNBEINsche Auffassung die richtige ist. Die Anschauung, die hier zu Grunde gelegt wird, ist die, dass ein Metall besteht aus dem Atom oder Molekül, verbunden mit ! Die Literatur über Passivität findet sich zum grössten Teil in ÖstwALp, Elektrochemie $S. 696ff., und FInkEustei, Passivität des Eisen (Diss. Göttingen 1902) zusammengestellt. Ich beabsichtige an anderer Stelle eine möglichst voll- . ständige Zusammenstellung zu geben, die aber für den vorliegenden Zweck keinen Wert hat. 191] W. J. MüLzer: Zur PassıviTÄr DER METALLE. 2 einer Anzahl positiver und negativer elektrischer Elementarquanten, Elektronen. Geht ein Metall in Lösung, so verliert es dabei so viele negative Elektronen, als seiner Wertigkeit entspricht, und be- steht dann als positiv geladenes Ion weiter, das also eine Ver- bindung des Metallatoms bezw. Moleküls mit positiven Elektronen darstellt, wird das Metallion entladen, d. h. scheidet sich das Metall ab, so verbindet sich das positive Ion mit der entsprechenden An- zahl negativer Elektronen und man erhält wieder das elektrisch neutrale Metall. Diese Vorstellung ist in ganz ähnlicher Form zuerst von NERNST! ausgesprochen, auch die Valenzen und Kontra- valenzen ABEGGs? finden sich in ihr wieder, wenn auch die Sache bei diesen Autoren etwas anders gefasst ist. Die Berechtigung. dieser Vorstellung liegt darin, dass sowohl die Existenz freier Ionen, wie auch die Existenz freier negativer Elektronen nachgewiesen ist. Dass ein Nachweis freier positiver Elektronen bis jetzt nicht geglückt ist, liegt eben in der ausserordent- lich grossen Verwandtschaft der positiven Elektronen zu den Me- tallen, wenn es möglich wäre, Cl, Br, J u. s. w., die negativ ge- ladene Ionen bilden, zur Aussendung von Anodenstrahlen zu bringen, so würden diese jedenfalls freie positive Elektronen darstellen, die experimentellen Schwierigkeiten lassen aber kaum erwarten, dass dieses Ziel je erreicht wird. Unter obiger Vorstellung können wir uns jetzt den Vorgang der Elektrolyse einer Salzlösung zwischen löslichen Elektroden (z. B. Zn 50; zwischen Zn Elektroden) folgendermassen darstellen. An der Anode geht eine gewisse Menge Zink in lonenform über, d. h. sie nimmt eine bestimmte Menge positive Elektronen mit. Die entsprechende Menge negativer Elektronen wird frei und muss durch die angelegte E. M. K. fortgeschafft werden, mit andern Worten, die Leitung im Metall? geschieht fast ausschliesslich durch die negative Elektronen (diese Vorstellung ist formal vollständig berechtigt, auch sachlich ist sie sehr wahrscheinlich, da man aus den oben erwähnten Gründen kaum freie positive Elektronen im Metall annehmen kann, auch wenn sie vorhanden wären, würde ! Nernst, Hamburger Vortrag 1902. ® Asess, Versuch einer Theorie der Molekularverbindungen. No. 12, Kristiania Videnskabsselskabets Schrifter I, Math. naturw. Klasse, 1902. : ® Die Elektronentheorie der Elektrizitätsleitung in Metallen ist von RIcKEr (Wied. Annal. 66, 1898, p. 253, 545) und Drupe (Drudes Annalen 1, 1900, p- 566, 3, 1900, p. 360) gegeben. 3 W. J. MÜLLER: [192 sich das Schema nur so verändern, dass die positiven und negativen Elektronen mit gewissen Geschwindigkeiten an der Leitung teil- nehmen). Die positiv geladenen Ionen bewegen sich jetzt von der Anode weg nach der Kathode, die Leitung in der Flüssigkeit voll- zieht sich nach den Beweglichkeiten, an der Kathode muss nur eine äquivalente Menge Ionen entladen werden, d. h. sie ver- einigen sich mit der Menge negativer Elektronen, welche auf dem andern Wege durch das Metall transportiert wurden. Haben wir dagegen eine Anode, die nicht in Lösung geht, ist der Vorgang ein anderer. Hier müssen aus dem Metall direkt positive Elektronen austreten, welche dann sekundär entweder Oxy- dationen bewirken oder die ankommenden Anionen entladen und auf diese Art entweder Sauerstoff oder ev. Halogene entwickeln. An einer Elektrode, welche in Lösung geht, erhalten wir also keine Oxydationswirkung, wenn eine solche vorhanden ist, muss eine Elek- trode vorhanden sein, welche nicht in Lösung geht; oder, was für den Effekt gleichwertig ist, eine Elektrode, welche mit höherer Wertigkeit in Lösung geht (z. B. Chrom), weil die höherwertigen Ionen selbst ein Oxydationspotential haben. Nimmt man als Ursache der Passivität eine nichtmetallische (Oxyd-, Gas- etc.) Schicht an, so würde daraus folgen, dass an einer Elektrode, die in Lösung geht, trotzdem eine Oxydations- wirkung stattfinden muss, eine Konsequenz, die theoretisch nicht wahrscheinlich ist und die sich leicht prüfen lässt. Theoretisch lässt sich sagen, dass ein Nebeneinanderinlösunggehen von Ionen und Elektronen bei der geringen Menge der im Metall abdissocierten Ionen nicht wahrscheinlich ist. Würde es aber doch vor sich gehen, so müsste unter Verwendung der gleichen Lösung bei der gleichen Stromdichte immer das gleiche Verhältnis zwischen Ionen und Elek- tronen stattfinden, d. h. bei einer ganz bestimmten Stromdichte könnte Oxydation und damit Passivierung eintreten. Das ist aber nicht der Fall, denn beim Eisen kann man bei der gleichen Strom- dichte passives oder aktives Metall erhalten. Dass bei einem in Lösung gehenden Metall aber die positiven Elektronen auch bei hohen Stromdichten nicht in Lösung gehen, zeigt der folgende Ver- such. Ich habe zu diesem Zweck eine Zinkanode in einer Lösung von Mangansulfat bis zu Stromdichten von 1 Amp. pro em? unter- sucht und dabei keine Spur von Oxydation, die neben dem In- lösunggehen erfolgt, gefunden. Nimmt man nun Eisen, so findet schon bei einer geringen Stromdichte (0. o 1 Amp. pro cm?) Pas- 193] Zur PassivITÄT DER METALLE. 4 sivierung statt, es steigt Sauerstoff auf und wird gleichzeitig eine Oxydation zu Mangansuperoxyd bewirkt. Da wir nun gesehen haben, dass eine Elektrode, die in Lösung geht, keine Oxydationswirkung hat, kann auch hier primär keine Oxydation zu einer schützenden Schicht stattgefunden haben, sondern es muss sich das Eisen selbst zu einer unangreifbaren Elektrode umgewandelt haben. Es geht aus dieser Auffassung also die Richtigkeit der SCHÖNBEINnschen Theorie eines metallischen Passivitätszustandes hervor, die nach dem HITToRF- schen Standpunkt weiter dahin präzisiert werden kann, dass es sich immer um Bildung einer höherwertigen Metallstufe handelt. Die weitere Frage, die jetzt zu behandeln ist, ist also die: Wie haben wir uns die Bildung und das Verhalten einer höherwertigen Metallstufe bei der Anode zu denken und wie verhalten sich die verschiedenen mehrfachwertigen Metalle als Anoden? Wir wollen diese Fragen an den gut studierten Fällen erörtern und dann auf die schwierigeren Passivitätsprobleme anwenden. Bei einem Metall, das hochwertig ist, können als Anode zwei Fälle, die sich wieder teilen, eintreten. Entweder geht das Metall in Lösung oder nicht. Im ersten Fall, der am typischsten durch das elektromotorische Verhalten des Chroms, das von HırTorF entdeckt und studiert wurde, repräsentiert ist, geht das Chrom sechswertig in Lösung, das sechswertige Chromion ist aber so nicht beständig, sondern reagiert sofort mit Wasser unter Bildung von Chromsäure und sechs Wasser- stoffionen, welche dann den Elektrizitätstransport in der Lösung übernehmen, die Chromsäure bleibt in Lösung. Da aber zum In- lösunggehen des Chroms Energie aufgewandt werden muss, steht das passive Chrom in seiner E.M.K, in der Gegend des Platins, es löst sich also nicht in Säuren, Einen zweiten Typus repräsentiert das Blei. In Schwefelsäure bildet sich bekanntlich auf Blei als Anode Bleisuperoxyd, in kon- zentrierter Schwefelsäure geht es als Bleidisulfat (ELss und Fischer) ! in Lösung. In der verdünnten Säure ist also das vierwertige Blei- ion auch nicht beständig, die Hydrolyse geht aber nur bis zur Bil- dung von Bleisuperoxyd, weil die entsprechende Bleisäure, die sich bilden könnte, zu schwach ist, um in dieser Lösung zu existieren. Den dritten Typus repräsentieren die Edelmetalle, welche über- haupt nicht in Lösung gehen. Hier können wir uns den Vorgang ’ Zeitschrift für Elektrochemie 7, p. 343, 1900/01. Berichte XIV. 13 5 W. J. MÜLLER: [194 so vorstellen, dass die Energie, welche zum Inlösunggehen notwendig ist, so gross ist (oder anders ausgedrückt, die Spannung, welche zum Inlösunggehen als Ion erforderlich ist), dass bei der Entladung eher eine Abspaltung von positiven Elektronen vom Metall als ein Inlösunggehen stattfindet. Diese Elektronen wirken dann in der oben beschriebenen Weise oxydierend. Ein vierter, denkbarer Fall ist der, dass das hochwertige Metall ein niedrigerwertiges Ion, das aber eine hohe Spannung zur Abscheidung braucht, in Lösung sendet. Dies ist wahrscheinlich der Fall bei der Zerstäubung von Kupferanoden, die von WOHL- WILL und später von F. FiscHer! beobachtet und von letzterem auf Inlösunggehen von einwertigen (Cu-Ilonen, die dann in zwei- wertige und (x zerfallen, zurückgeführt wurde. Nach BODLÄNDER ver- hält sich tatsächlich Kupfer edler, wenn es einwertig in Lösung geht. Wir sprechen nun immer dann von Passivität, wenn ein Metall unter verschiedenen Umständen verschiedenwertig in Lösung: geht, sei es für sich, sei es als Anode eines galvanıschen Stromes. Die Grundbedingung für ein solches verschiedenwertiges Inlösunggehen ist nach dem (sesagten ein verschiedenwertiges Metall, es muss also jetzt untersucht werden, wie eine solche Verschiedenwertigkeit der Metalloberfläche sich äussern kann. Das sicherste Kriterium ist hier wieder die elektromotorische Kraft, die auch HırrorF immer gemessen hat, und zwar ist die elektromotorische Kraft um so höher, je höherwertig das Metall ist. Wird ein solches Metall anodisch polarisiert, so erhält man entweder, wie oben gesagt, ein Inlösung- gehen (Öhrom) oder aber es gibt positive Elektronen ab, die sekun- där oxydierend wirken, es bildet sich eine Gaselektrode aus. (Die optische Untersuchung der Reflexion? hat zu keinen sicheren Resul- taten geführt, bei der Schwierigkeit der Messung wäre eine Wieder- holung schon wünschenswert, rein makroskopisch erscheint ja die Oberfläche eines passiven Metalls [Eisen, Ohrom] immer viel glänzen- der als dieselbe Oberfläche im aktiven Zustande.) Es zeigt sich nun ganz allgemein, dass die Passivierung von dem Elektrolyten bezw. von dem Anion abhängig ist, und zwar gibt es passivierende und nichtpassivierende Anionen, die sich bei Hır- TORF zusammengestellt finden. ! WonHLwiLr, Zeitschrift für Elektrochemie 9, p. 312, 1903. FıscHEr, Zeit- schrift für Elektrochemie 9, p. 567, 1903. ® Leider konnte ich das Referat über die einzige diesbezügliche Arbeit nicht auffinden. 195] Zur PassıvITÄT DER METALLE. 6 Auch das lässt sich nach unserer Anschauung leicht einsehen. Da es sich bei der Passivität meistens um sehr labile Zustände han- delt, ist es von vornherein möglich, dass der Anprall bestimmter Anionen an die passive Elektrode einen aktivierenden Einfluss hat, und zwar werden diejenigen Anionen, welche zu stark rein chemisch angreifenden Stoffen entladen werden (Cl Br), am ehesten einen aktivierenden Einfluss haben, was für schwach passive Metalle: Eisen, Blei, ja auch gilt. Die sehr stabile Passivität des Chroms dagegen bleibt auch in Salzsäure bestehen. Da man es hier mit Gleichgewichten zwischen festen Phasen zu tun hat, werden natürlich die einen Zustände immer labil sein. Es muss also bei Untersuchung anderer Metalle l. darauf geachtet werden, dass der passive Zustand unter Um- ständen so labil sein kann, dass er sich nur bei einer gewissen anodischen Beladung hält, 2. dass in diesen Fällen von schwacher Passivität die Untersuchung nur bei Anwendung stark passivierender Elektrolyte ein Resultat geben kann. So habe ich gefunden, „dass Mangan eine ausserordentlich labile Passivität besitzt, die sich am besten zeigt, wenn Mangan als Anode in phosphorsauren Lösungen benutzt wird, es geht dann dreiwertig als Manganisalz in Lösung. Ich komme in einer Arbeit, die bald folgen soll, auf diese Verhält- nisse eingehend zurück. Im Gegensatz zu der anodischen Passivierung steht die schon früh erkannte kathodische Aktivierung, die auch beim Chrom durch HırTorF ausdrücklich festgesetzt wurde. Nach der Elektronenvor- stellung erklärt sich dies leicht folgendermassen: An einer Kathode, an der sich Wasserstoff abscheidet, haben wir immer eine gewisse erhöhte Konzentration der negativen Elektronen. Dadurch wird im Metall ein Zustand begünstigt, bei dem eine möglichst geringe Dissoziation von negativen Elektronen eintritt, das ist also ein niedrigwertiger, der zugleich aktiv ist. Der Vorgang ist gerade der umgekehrte wie an der Anode, an welcher die entstehende Unterbilanz an negativen Elektronen einen Zustand begünstigt, bei dem eine möglichst weitgehende Ab- dissoziation von negativen Elektronen möglich ist, d. h. einen hochwertigen passiven. Es ist hier mit Absicht von jeder Speziali- sierung der Anschauung über die Art der Verbindung Elektronen— Metall abgesehen. Will man sich eine solche machen, so ist vielleicht der Vergleich mit kristallwasserhaltigen Salzen das ge- gebene. Bei einer bestimmten Tersion haben wir ein bestimmtes 13* 7 W. J. MÜLLER: [196 Salz, ändern wir die Tension, z. B. durch Zugabe einer Lösung von niederer Tension, so erhalten wir ein anderes instabiles, das aber beim Wiederherstellen der normalen Tension sich wieder in das stabile zurückverwandelt. Ebenso haben wir bei einer be- stimmten (normalen) Elektronentension im Metall das stabile (aktive oder passive); ändern wir diese — und das geschieht ja in der Grenztläche, wo die grosse Leitfähigkeit des Metalls in die viel kleinere des Elektrolyten übergeht — erhalten wir eine andere Modi- fikation, die dann, wenn die normalen Verhältnisse wiederhergestellt sind, von selbst in die stabile übergeht. Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt die Versuche von RuEr! über die Auflösung von Platin durch Wechselstrom, so folgt eine ausserordentlich einfache Auffassung: Das Platin wird durch den negativen Stromstoss aktiviert (niedrig = zweiwertig), beim positiven Stromstoss löst es sich im ersten Moment auf, um dann wieder passiviert (hoch = vierwertig) zu werden, und durch dieses Spiek tritt eine sehr schwache Auflösung ein, die bei Anwendung aktivierender Anionen (Cl) den grössten Wert annimmt. Lagert man aber einen Gleichstrom über den Wechselstrom, so bewirkt dieses ein stärkeres Inlösunggehen des niedrigwertigen Platins und man erhält beträchtliche Auflösungswerte, weil jetzt die aktivierende Wirkung des negativen und die passivierende des positiven Strom- stosses sich nicht mehr aufheben, sondern das aktive Platin während der stärksten Aktivierung gleichzeitig gelöst wird. Zusatz von Oxy- dationsmitteln wirkt wie die Ueberlagerung schwachen Gleichstroms, denn im Moment der stärksten Aktivierung bildet sich ein Element aktives Pt. H, 50, H; Or O0, aqu. pass. Pt, in welchem das aktive Piatin in Lösung geht. In genau der gleichen Weise erklären sich die Versuche RvErs mit Blei und Eisen, auch hier ist das Wesentliche die Aktivierung des Metalls durch den negativen Stromstoss. Diese Interpretation erscheint einfacher als diejenige, welche Ruer selbst seinen Versuchen gegeben hat. Zum Schluss wollen wir jetzt die gewonnenen Anschauungen auf die Passivität des Eisens anwenden, deren Phänomene sich durch sie leicht darstellen lassen. Die erste Frage ist nun die: welche Wertigkeit haben wir dem passiven Eisen zuzuschreiben? Der ÖOxydtheorie liegt nach ! Zeitschrift für phys. Chem. Bd. 34, 1903 p. 81. 197] Zur PassıvITÄT DER METALLE. 8 unsern Anschauungen zu Grund, dass das passive Eisen dem drei- wertigen Zustand entspricht, diese Theorie hat schon FINKELSTEIN auch für das Metall selbst aufgestellt. FInkELsTEIN sucht die hohe E. M. K. des passiven Eisens dadurch zu erklären, dass er sagt, das dreiwertige Eisen muss den Endoxydationspotential dreiwertiger Eisenionen an einer Eisen- elektrode zeigen. Da er dieses Potential aber nicht herstellen konnte, sondern extrapolierte, ist dieser Schluss nicht bündig. Vergleicht man hier wieder mit den Verhältnissen beim Chrom, so sieht man leicht, dass das aktive Eisen dem aktiven Chrom, das passive Eisen dem passiven Chrom in elektromotorischer Beziehung ähnlich ist. Nun geht aber das passive Ohrom sechswertig in Lösung, nur ein- mal hatte HırrTorr ein Stück Chrom, das zwei Tage lang drei- wertig in Lösung ging und dabei eine E. M. K. zeigte, welche zwischen der des aktiven und passiven Chroms stand. Bei der grossen Aehnlichkeit von Chrom und Eisen wäre also zu erwarten, dass dreiwertiges Eisen ebenso wie das dreiwertige Chrom mit einer niedrigeren E. M. K., als niederem passiven Eisen zukommt, in Lö- sung ginge. Es spricht also dieser Vergleich für eine höhere (etwa sechs-) wertige Eisenstufe. Diese verhält sich aber vollkommen edel, d.h. sie gibt ihre positiven Elektronen ab, ohne merklich in Lösung zu gehen. Der einzige Fall, in dem ein merkliches Inlösunggehen passiven Eisens zu erwarten ist, ist der, dass man ihm Gelegenheit gibt, sich sofort mit OHionen zu Eisensäure umzusetzen, das ist bei stark alkalischer Anodenflüssigkeit der Fall; das Experiment zeigt, dass das Eisen hier tatsächlich in Lösung geht. Es ist also höchst wahrscheinlich, dass das passive Eisen sechswertiges Metall darstellt. Die Passivitätsverhältnisse bei direkter Passivierung durch Salpetersäure, über 1-3 spez. Gew., die Pulsationen u. s. w., lassen sich leicht auf die Bildung von Lokalelementen zurück- führen. Wird ein Eisenteilchen zufällig Anode, geht es zuerst in Lösung, dabei tritt aber genau wie oben Passivierung (Umwand- lung in passives Eisen durch die vielen abfliessenden negativen Elek- tronen) ein, dieser Vorgang kann sich dann umkehren, und man hat so Pulsationen, die je nach der allgemeinen Disposition mit dem aktiven oder dem passiven Zustand enden, über 1-3 spez. Gew., wo die Salpetersäure sehr stark depolarisiert, meist mit dem passiven, unter 2-3, wo die Depolarisation schwächer ist, mit dem aktiven. 9 W. J. MÜLLER: Zur PassıvITÄT DER METALLE. [198 Auch die von OstwALp! und BRAUER? untersuchten Pulsationen des Chroms rechnen sich in dieselbe Reihe der Erscheinungen ein. Die schützende Wirkung von Bleisuperoxyd und anderer starker Depolarisatoren am Eisen, auch in schwächerer Salpetersäure, er- klärt sich so, dass das Eisen Anode wird, als solches passiv, wäh- rend aber ohne die Schutzfläche irgend eine Eisenstelle dann Kathode und folglich aktiv wird, wird das Bleisuperoxyd Kathode und es ist nirgends ein Grund für Aktivierung vorhanden, weil daran eine vollständige Depolarisation stattfindet. Fassen wir zum Schluss die gewonnenen Ergebnisse kurz zu- sammen, so zeigt sich: 1. Mit der Elektronenvorstellung ist die Annahme einer nicht metallischen Schicht als Ursache der Passivität nicht verträglich, es ist also, wenn wir diese Vorstellung annehmen, die SCHÖNBEINsche Ansicht vom Wesen der Passivität die richtige. 2. Es ergibt diese Theorie als notwendige Folge, die einer experimentellen Prüfung zugänglich ist, dass jedes Metall, das mehr- fachwertig auftritt, d. h. Ionen von verschiedener Wertigkeit bildet, unter geeigneten Umständen Passivitäts- bezw. Aktivitätsphänomene zeigen muss. 3. Das Verhalten der verschiedenen Typen von Passivität, Chrom, Blei, Eisen ist vollständig im Einklang mit den Folgerungen aus unserer Theorie. 4, Die von RuER bezw. MARGULES gefundene Aktivierung des Platins durch Wechselstrom bestätigt ebenfalls unsere Folgerungen aus der Elektronentheorie. ! OstwaLp, Zeitschrift für phys. Chemie Bd. 35, p. 33, 204, 1900. ® BRAUER, Zeitschrift für phys. Chemie Bd. 38, p. 441, 1901. 199] 1 Die anodische Zerstäubung des Kupfers, Von Franz Fischer. 1. Beobachtungen an Kupferanoden. Im allgemeinen ist die Ansicht verbreitet, dass Kupferanoden, wenn das zu erwartende Kupfersalz gut löslich ist, sich unter Bil- dung dieses Salzes auflösen; darauf deutet insbesondere das Ver- halten der Kupferanoden in den vielbenützten Kupfervoltametern hin, in welchen sich das Kupfer zu Cu SO, auflöst, obwohl schon hier — ich komme weiter unten eingehend darauf zu sprechen — die Anoden nicht ganz glatt in Lösung gehen, sondern es bildet sich auf ihnen ein leicht abwischbarer staubartiger Belag. Eine über- aus auffallende Erscheinung zeigt sich jedoch unter folgenden Be- dingungen. In bestleitende Schwefelsäure bringe man zwei Kupferdrähte als Elektroden. Sie seien etwa 1 mm stark und sollen 10 mm tief ein- tauchen. Legt man jetzt 20 Volt Klemmenspannung an, so zerstäubt der anodische Draht zu dichten Wolken eines dunkeln Staubes, der lange im Elektrolyten suspendiert bleibt!. Die Zerstäubung dauert an, bis das eintauchende Drahtstück verbraucht oder oben ein- gefressen und abgefallen ist. Der Staub besteht aus metallischem Kupfer, gleichzeitig mit ihm enthält der Elektrolyt auch Kuprisulfat. Schaltet man nun nicht plötzlich 20 Volt an, sondern erhöht die Klemmenspannung allmählich, so bemerkt man, dass der Zerstäu- ! Vgl. Franz Fischer, Vorl. Mitteilung. Zeitschr. f. Elektrochemie (1903 9 S. 507 ff. und Zeitschr. f. phys. Chemie S. 48 Heft 2 (1904). 9 FRANZ FiscHEr: [200 bung ein Zustand der Kupferanode vorhergeht, der lebhaft an die Ventilwirkung der Aluminiumanode erinnert. (Aluminium lässt, in Schwefelsäure als Elektrode verwendet, bekanntlich nur als Kathode einen ungehinderten Stromdurchgang zu, als Anode verhindert es denselben, eine Eigenschaft, die zur Umformung von Wechselstrom in Gleichstrom verwendet werden kann.) Mit der Ueberwindung der stromhemmenden Wirkung tritt die Zerstäubung ein. In der Literatur findet sich in einer Abhandlung von Burr!, Ueber das elektrische Verhalten des Aluminiums, eine Erscheinung beschrieben, die sich mit der obigen decken dürfte. Man liest da: „Das beschriebene Verhalten des Aluminiums, während dieses Metall als Sauerstoffpol in verdünnte Schwefelsäure taucht, ist nicht ohne Analogien. Aehnliche Vorgänge bemerkt man z. B. in auffallendem Grade beim Kupfer. Lässt man den Strom von 2—9 Kohlenzinkpaaren durch einen schmalen Streifen reinen Kupferbleches in verdünnte Schwefelsäure eindringen, so hat man anfangs gewöhnlich eine starke Gasentwicklung am ne- gativen Pole, sowie eine grosse Ablenkung der Galvanometer- nadel. Bald überzieht sich die Kupferfläche mit Oxyd, durch dessen Auftreten der Strom, zuweilen plötzlich, grösstenteils unter- brochen wird. Der dunkle Ueberzug verschwindet zwar nach und nach und der Strom nimmt wieder zu, immer jedoch hinter der anfänglichen Stärke weit zurückbleibend. Zugleich bemerkt man eine anfangs schwache, dann lebhafter werdende Entbindung von Sauerstoffgas von allen Punkten der Kupferfläche. Das auf diesem Wege negativ polarisierte Kupfer verhält sich negativ elektrisch sogar dem Platin gegenüber. Die negative Polarisierung und der sie begleitende, wahrscheinlich von einem Anflug von Kupfer- oxydul herrührende Leitungswiderstand verschwindet bei geöffneter Kette nach wenigen Augenblicken, wird aber nach erneutem Schliessen fast ebenso schnell wieder erhalten, so dass bei dieser Kette ein periodisches Oefinen und Schliessen die Bedingung zur Erzielung einer kräftigen Stromwirkung ist. Wenn die verdünnte Schwefelsäure sich erwärmt hat, wenn die elektrische Kette aus einer zu grossen Zahl von Elementen besteht, so wird der Leitungswiderstand des polarisierten Kupfer- streifens dauernd überwunden. Ein Gemenge von Kupferoxyd und Kupferoxydul löst sich von dem Blechstück ab und erfüllt ! Burr, Liebies Annalen (1857) 102 S. 270 ft. 201] Dis ANODISCHE ZERSTÄUBUNG DES KUPFERS. 3 bald die ganze Flüssigkeit mit einer dunkeln Trübung. Nur ein verhältnismässig kleiner Teil des Kupfers wird unter Einfluss des Stromes in derselben Zeit wirklich aufgelöst.“ Infolge ihrer häufig fast schwarzen Farbe hielt Burr die Sub- stanz, die sich loslöste und den Elektrolyten trübte, für Kupferoxyd, in Wirklichkeit handelt es sich, wie wir sehen werden, um metalli- sches Kupfer in Staubform. Die Entstehung staubförmigen Kupfers an Kupferanoden in Schwefelsäure ist übrigens prinzipiell nichts Neues. In weniger auf- fälliger Form kennt man sie, wie eingangs erwähnt, schon lange. Man weiss, dass bei den in Kupfervoltametern üblichen Stromdichten die Auflösung der Kupferanode nicht glatt zu (uSO, erfolgt, son- dern der Vorgang wird stets von der Ablagerung eines dunkeln Staubes auf der vorher blanken, aus reinstem Kupfer bestehenden Anode begleitet. Auch dieser Belag wurde erst für Kupferoxyd gehalten!, heute ist er als Kupferstaub erwiesen?, welcher durch Zersetzung von pri- mär gebildetem Kuprosulfat zu Kupfer und Kuprisulfat entstanden ist, nach der Gleichung ne: =: 2 Cu 7 Cu + On. In seiner Arbeit „Das Zerfallen der Anode“ untersucht WOHL- WILL? die Bedingungen zur Bildung des Anodenbelages. Danach ist die Menge* des auf der Anode sich ansetzenden Staubes, bezogen auf die nach dem Farapavschen Gesetz gelöste Kupfermenge, um so geringer, je länger die Elektrolyse dauert, im übrigen aber um so grösser, je ärmer der Elektrolyt an Kupfer, je konzentrierter die Schwefel- säure und je kleiner die Stromdichte ist. Für Stromdichten von 0,5—5 Ampöres pro qdm ist eine regelmässige Verminderung der Staubmenge mit steigender Stromdichte bemerkbar. Bei noch höheren Stromdichten hingegen nimmt die Staubmenge kaum mehr ! Burr, Liebigs Annalen (1853) S5 S. 13 und l. c. Prant&, Recherches sur l’electrieit& Paris (1883), S. 10 ff. ® WoHLwILL, Berg- und Hüttenm.-Zeitung (1888) 257. FOERSTER und SEIDEL, Zeitschr. f. anorg. Chemie (1897) 14 106. — FoERSTER, Zeitschr. f. Elektrochemie (1897) 3 S. 479 und 493. — FoERSTER, Zeitschr. f. Elektrochemie (1899) 5 S. 510. ® WoHLwILL, Zeitschr. f. Elektrochemie (1903) 9 S. 311—332. * Die grösste Staubmenge, die erhalten wurde, sind 16,3 Teile Staub, auf 100 Teile nach dem Faradayschen Gesetz gelösten Kupfers. 4 Franz Fischer: [202 ab, manchmal sogar wieder zu. „Man darf wohl annehmen“, sagt WOHLWILL, „dass hier die eigentümlichen Produkte der Elektro- Iyse der verdünnten Schwefelsäure, welche bei hohen Stromdichten vorzugsweise gebildet werden, die Resultate störend beeinflussen.“ WOHLWILL ist bis zu Stromdichten von 7,5 Amperes pro qdm gegangen, wobei bereits vor Ablauf seiner viertelstündigen Versuchs- dauer eine störende Ausscheidung von festem Kupfervitriol auf der Elektrode begann. Um die vorübergehende Bildung von Kuprosulfat und dessen sofortigen Zerfall zu erklären, benützt WOHLWILL die Ergebnisse einer Arbeit von ABEL!, welche das Gleichgewicht zwischen Kupfer, Kupro- und Kuprisalz behandelt. Dieser fand: Der Quotient V [Cu 50, [CusS0J)- bleibt für eine bestimmte Temperatur für die verschiedensten Kon- zentrationen konstant, d. h. die Konzentration des Kuprosulfats steigt wohl mit derjenigen des Kuprisulfats, aber viel langsamer. Anderseits wächst der Quotient ‚[Cuw80,] [Cu,850,) mit zunehmender Gesamtkonzentration, d. h. je verdünnter die Lö- sung ist, um so mehr Kuproionen sind vorhanden im Vergleich zu den Kupriionen, wie aus folgender, aus der Agerschen Arbeit zusammengestellten Tabelle zu ersehen ist. Ursprüngl. Cone. en [Cu850,] an (u 80; | |Cus SO, 100° 40° 2b 7 o 0,01588 1,4728 182 364,5 Konzentriert man nun eine mit Kupfer im Gleichgewicht be- findliche Lösung, sei es durch Entziehen des Lösungsmittels bei ! AsEL, Zeitschr. f. anorg. Chemie (1901) 26 8. 361—457. Vgl. Bon- LÄNDER und SKORBECK ibid. (1902) 31 S. 1 und 458. 203] DiE ANODISCHE ZERSTÄUBUNG DES KUPFERS. 5 gleichbleibender Temperatur, oder durch Hinzubringen der in ihr enthaltenen Salze in dem dort vorhandenen gegenseitigen Verhält- nis, so muss mehr oder weniger Kuprosulfat zu metallischem Kupfer und Kuprisulfat zerfallen. Diese letztere Möglichkeit ist nach WOHLWILL bei der anodischen Auflösung des Kupfers in schwefelsaurer Lösung gegeben. WOoHLWILL geht von der Vorstellung aus, dass die Kupfer- anode bei konstanter Temperatur fortgesetzt in fixiertem Verhältnis Kupri- und Kuproionen in die Lösung entsende. In unmittel- barer Nähe der Anode wird dann bald eine Konzentration der Lösung erreicht, bei der nur noch ein geringer Prozentsatz von Kuproionen als solchen bestehen kann, es muss dann eine Aus- scheidung von metallischem Kupfer beginnen. Dieses Kupfer setzt sich dann an der Anode ab und bildet dort den dunkeln, staubförmigen Belag. Nun besteht aber noch eine zweite Möglichkeit zur Abschei- dung von Kupferstaub, die zwar bei niederen Stromdichten kaum, vielleicht aber bei hohen Stromdichten an der Anode eine Rolle spielen kann. Eine Kuprisulfat-Kuprosulfatlösung, die mit Kupfer sich im Gleichgewicht befindet, scheidet beim Abkühlen Kupier- staub aus!. Dies ist auch aus den Aberschen Zahlen ersichtlich, der Quotient [Cu S0,] [Cu, SO,| nimmt mit abnehmender Temperatur zu, d. h. es muss Kupro- sulfat zerfallen. Dieser zweiten Bildungsmöglichkeit ist es vielleicht zuzuschreiben, weshalb WOHLWILL schliesslich mit Anstieg der Strom- dichte keine Abnahme, sondern eher wieder eine Zunahme der Staubmenge bekam, dieselbe Ursache liegt möglicherweise bei der anodischen Zerstäubung des Kupfers vor; dann würde der von WOHLWILL studierte Anodenbelag der eine, die Zerstäubung der andere Fall der anodischen Bildung von staubförmigem Kupfer sein. Statt des Belages aus Kupferstaub bildet sich in neutralen Lösungen ein solcher von Kupferoxydulhydrat, welcher neben Schwefelsäure durch Hydrolyse von Kuprosulfat entsteht. Es ist aus diesen Gründen an und für sich wohl denkbar, dass auch die Zerstäubung, wenn sie auf dem Zerfall von primärem ! Val. z. B. Rıcuaros, Corzıns und HeEıumrop, Zeitschr. f. phys. Chemie 32 S. 324 (1900). 6 Franz FiIscHEr: [204 Kuprosalz beruht, wohl Kupferoxydulhydrat oder Kupferoxydul, nicht aber, wie BUFF vermutete, Kupferoxyd liefern kann. Die ersten, die die Bildung metallischen, fein verteilten Kupfers bei hoher Stromdichte an Kupferanoden in Sulfatlösungen erkannten, sind KocH und WÜLLNER! gewesen. In ihrer Untersuchung „Ueber die galvanische Polarisation an kleinen Elektroden“ teilen sie vor- läufig mit, dass bei steigender Stromstärke zwischen dem anodisch polarisierten Kupfer und dem Elektrolyten Potentialdifferenzen von 15—20 Volt sich ausbilden, wobei gleichzeitig Gas entwickelt wird. „Zuweilen schien es, als wenn oberflächliche Teile des Kupfers abgerissen würden; es ist in dem Beobachtungsbuche einmal ver- merkt, dass nach dem Hervorbrechen des Gases feine Kupferspäne auf der Flüssigkeit schwammen.“ Die Erscheinung wurde nicht aufgeklärt, die alleinige Annahme einer schlechtleitenden Schicht auf der Oberfläche des Kupfers als Ursache der verschiedenen Phänomene halten die Verfasser zur Er- klärung nicht ohne weiteres für genügend, man müsste denn der- selben besondere Eigenschaften zulegen, und äussern sich schliess- lich: „Die Polarisation an Kupferanoden ist hiernach eine sehr ver- wickelte Erscheinung, zu deren Aufklärung es noch mehrfacher Ver- suche bedarf.“ 2. Die Zerstäubungserscheinung im allgemeinen. Das spezielle elektrische Verhalten des Kupfers wurde mittelst der Kompensationsmethode mit Telephon als Nullinstrament? unter- sucht und ist andern Ortes? beschrieben. Es hat sich gezeigt, dass das Verhalten des Kupfers grosse Aehnlichkeit hat mit dem des Aluminiums. Mit zunehmender Stromdichte tritt an Kupferanoden in Schwe- felsäure ein durch abgeschiedenes festes Salz verursachter Ueber- gangswiderstand auf, sobald die Bildungsgeschwindigkeit des Salzes grösser wird als seine Auflösungsgeschwindigkeit. In diesem Zu- stande verhält sich die Kupferanode wie die Aluminiumanode, sie " K. R. Kocn und A. WÜLLNER, Wied. Ann. N. F. 45 S. 785 ff. besonders S. 793 und 795 (1892). ® Franz Fischer, Messung von Potentialdifferenzen mittels Telephon als Nullinstrument. Zeitschr. f. Elektrochemie 9 18 (1903). ® Franz FıscHER, Beiträge zur Kenntnis des anodischen Verhaltens von Kupfer und Aluminium. Zeitschr. f. phys. Chemie 48 Heft 2 (1904). 205] DIE ANODISCHE ZERSTÄUBUNG DES KUPFERS. 7 ist lediglich durchlässiger für Strom als die letztere, d. h. bei gleicher Spannungsdifferenz geht durch den Quadratzentimeter der Kupfer- oberfläche mehr Strom als beim Aluminium, und zwar bleibt diese Stromstärke keineswegs zeitlich konstant, sondern sie ändert sich bei niederen Klemmenspannungen im einen, bei höheren im andern Sinne. Hierüber und über die damit eng verknüpften Aenderungen im chemischen Verhalten des Kupfers gibt Tabelle 1 Aufschluss. Folgende Versuchsanordnung liegt ihr zu Grunde. Als Anode diente ein Draht von reinstem Kupfer von 2 mm Dicke, derselbe tauchte 10 mm tief in den Elektrolyten ein. Damit die Oberfläche durch verschiedene Benetzung u. dgl. nicht ver- ändert würde, war der nicht eintauchende Teil des Drahtes ein Stück weit mit Asphalt überschmolzen. Als Kathode diente ein beliebiges Kupferblech, und als Elektrolyt hier wie später Akkumu- latorenfüllsäure vom spez. Gew. 1,175. Diese Schwefelsäure, von hohem Leitvermögen (A7s = 0,698), war für die Beobachtung von Uebergangswiderständen besonders geeignet, anderseits in vorzüg- licher Reinheit stets zur Hand. In den folgenden Tabellen sind die Beobachtungsintervalle von vier Minuten voneinander durch Horizontalstriche getrennt. Die Spalten enthalten der Reihe nach die Zeiten, die Spannungsdiffe- renz x zwischen dem Anodenmetall und dem Quecksilber der Ver- gleichselektrode in Volts, die Stromstärke 7 in Amperes und die durchschnittliche Elektrolyttemperatur ? in Oelsiusgraden. Jedes Beobachtungsintervall besteht aus zwei Werten. Der erste ist möglichst rasch nach der Spannungserhöhung, der zweite mit Ablauf der vierten Minute gemessen. Man erkennt daraus den Sinn der freiwilligen zeitlichen Aenderung von x und i und damit Zunahme oder Abnahme des anodischen Hemmnisses. Viel ausgeprägter als beim Aluminium sind beim Kupfer die freiwilligen Aenderungen von = und i, d.h. des anodischen Hemm- nisses, der Sinn ist jeweils der gleiche. Erst Abnahme von ;, Zu- nahme von zw während des Beobachtungsintervalles, dann ein Um- kehrpunkt; von da ab wächst dann ö zeitlich, x fällt. Das Ende der letzteren Bewegung trifit mit der Zerstäubung der Kupferanode zusammen. Die Bemerkung Burrs, man beobachte ähnliche Ver- hältnisse wie beim Aluminium in auffallendem Grade beim Kupfer, bestätigt sich, auch seine Beschreibung des Verhaltens der Kupfer- anode stimmt im wesentlichen mit den vorliegenden Tabellenbemer- kungen überein. 8 Franz FIscHEr: [206 Tabelle 1. DB = Eulen EEE RD za Volt Amp. ee 9. 0a Oo ee 949 045 | 0.0170 # | node braunschwarz. 9 50 254 | 0,0166 — Einzelne Gasblasen an der dunkeln Ga 2,54 .| 0,0166 —_— | Haut. eg a een g 59 4,22 0,0152 —_ | By; Fe 100 Bir 2 0015 Re [a4 Y 10% 61 |. 0.0148 "Die Oberfläche hellt sich auf. 10 Gel 6 Roh 0.0216 | wage | Der. braune, DamerUge Being ES £ 3 Es || und sinkt in Fetzen zu Boden. 105 8,12 | 0,0216 345 | G ıs und Schlieren. Anode blank. 102 8,98 0,022, | = 10° SC LO rt Me zu ie — - — _ — —|— | 10 5 10,22 4170.02 | BE 2 108 | 1094 0023 Wr ‘Gas und Schlieren. Anode blank. 10:27 2° 7.0:78 0/0235 7) — Gas. Weisse, hautartige Streifen auf 105 11,54 0,0244 _- ' der Anode. Unten braune Stellen. BETEEL DIET TEE or a esse Ze 10. 1:1 1337615 1 .0,043 -- Sr Sri 10 3° 13,1 0,061 == ur 19 10% 13,12 0,06 —- 10° 7), 492%410,064 171] == | Anfsteigenden Gasblasen nach schiessen 103° | 14,90 | 0,057 | = | braune Striche und verschwinden wieder. ae | iR 2 NE ur K Umkehrpunkt. I ie 32 ER TR | 10% | 180 | 00800 | — || Verästelung der Striche. Neben- TORE KT FIRE ERN.08T, 7ER geräusche und Unruhe im Telephon. 1, a 20,1 0.120" |“ 1980 "|| Ausbreitung der Striche und 1). | 10,0 | >3 Amp. | — I Zerstäubung. Verfolgt man dasselbe etwa an Hand der Tabelle 1, so unter- scheidet man drei Abschnitte. Zuerst tritt ein braunschwarzer Anodenbelag auf. Er besteht aus Kupferstaub, nicht aus Kupferoxyd; er ist identisch mit dem (segenstand der eingangs besprochenen Arbeit von WOHLWILL. Mit Zunahme der Stromstärke und der Klemmenspannung be- ginnt Sauerstofientwicklung, der braune Belag wird abgestossen. Das Kupfer erscheint blank, beim näheren Zusehen bemerkt man einen weisslichen Schimmer über dem Metall, der wohl von einer sehr 207] DIE ANODISCHE ZERSTÄUBUNG DES KUPFERS. 0) dünnen Salzkruste herrührt und allmählich an Stärke zunimmt, denn das blanke Metall scheint immer schwächer durch. Auch jetzt noch, wie während des ersten Abschnittes, sieht man schwere Schlieren von Kuprisulfat zu Boden fliessen. Von dem sog. Umkehrpunkt an beginnt der dritte Abschnitt. An der Anodenspitze bilden sich dunkle Stellen, von da aus bemerkt man erst feine braunschwarze Striche sich fortpflanzen, bald schiessen ebenso gefärbte dicke Striche längs der Elektrode hoch, stets geführt von einer an der Metallfläche emporrutschenden Gasblase. Anfangs wird die Substanz, aus der diese Striche bestehen, wieder abgewirbelt. Sie treten jedoch wieder auf, verästeln sich rasch und unter singendem Geräusch zerstäubt die Anode zu dichten Wolken eines dunkeln Staubes. Die Zerstäubung hält an, bis das Drahtstück verbraucht oder oben eingefressen und abgefallen ist. Der Staub besteht aus reinstem Kupfer und ist identisch mit dem vermeintlichen Kupferoxyd, das sich nach BurF bei zu grosser Elementenzahl von einem Kupferblechstreifen ablöst. Vor dem sog. Umkehrpunkt ist das zeitliche Zurückgehen der Stromstärke infolge zunehmender Verkrustung der Metalloberfläche und dadurch erzielte Vermehrung des Widerstandes ohne weiteres verständlich. Für die Umkehrung des Sinnes der freiwilligen Aende- rung der Stromstärke bis zum Eintritt der Zerstäubung muss aber eine neue Ursache wirksam werden. Das zeitliche Anwachsen der Stromstärke entspricht einer Abnahme des Widerstandes der Salz- schicht, im wesentlichen einer Dickenabnahme, hervorgerufen durch beschleunigte Auflösung. Es liegt nahe, einer Erhitzung der Schicht durch JouLesche Wärme die beschleunigte Auflösung der Salzschicht zuzuschreiben, tatsächlich wirkt absichtlich herbeigeführte Erwärmung des Elektrolyten und damit auch der Schichtsubstanz in diesem Sinne. 3. Einfluss der Elektrolyttemperatur auf den Eintritt der Zerstäubung. Um das Verhalten der Kupferanode in Schwefelsäure bei ver- schiedenen Temperaturen zu beobachten, wurden zwei Versuchsreihen durchgeführt. Im einen Falle wurde die Stromstärke möglichst konstant erhalten, so konnte bei steigender Temperatur die Ab- nahme des Spannungsverbrauchs, das ist die Abnahme des Schicht- widerstandes durch Auflösung der Schicht, beobachtet werden. Im andern Falle wurde die Klemmenspannung konstant erhalten, dies 10 FRANZ FiscHEr: [208 gestattete, die Zunahme der Stromstärke mit steigender Tempera- tur, das ist wiederum das Verschwinden der Schicht, zu kontrol- lieren. Eine annähernd konstante Stromstärke wurde durch An- wendung von 220 Volt und einer Vorschaltglühlampe von rund 550 ® erzielt. Das Elektrolysiergefäss konnte mittelst eines Bunsen- brenners geheizt werden. Sobald die Elektrolyttemperatur die ge- wünschte Höhe hatte, wurde die Anode eingetaucht, der Stromkreis geschlossen und nach Eintritt stationärer Verhältnisse x und ö ge- messen, Zu lange durfte die Anode, sollte ihre Oberfläche konstant bleiben, nicht eingetaucht werden, da sie ja angegriffen wird. Sie bestand, wie bisher, aus 2 mm starkem, 10 mm eintauchendem Draht, dessen übriger Teil mit Asphalt überschmolzen war. Tabelle 2. t a N Konstante Stromstärke | re: BENEM| al ik — |,2 0,37 | Hautzerstäubung. — 40,4 , 0,37 | Vorschaltlampe zuckt. Kupferoberfläche | \ hellt sich momentan auf. Tonstoss im | ı Telephon. = 60 | 0,38 | Etwas Gas. Keine Zerstäubung mehr. | || Schlieren. 80 | 0,39 | Kein Gas mehr. Schlieren. | Aus Tabelle 2 erkennt man, dass mit zunehmender Elektrolyt- temperatur der anodische Spannungsverbrauch rasch abnimmt, bei 80° ist m schon gleich Null geworden, während es bei 22,3° 13,3 Volt betragen hatte. Es wäre jedoch nicht richtig, zu glauben, dass der Schicht- widerstand, wenn wir einen solchen als die Ursache des anodischen Spannungsverbrauchs ansehen wollen, nur durch die Temperatur des äusseren Elektrolyten beeinflusst werde. Die Temperatur in der Nähe dürfte meist höher als die gemessene Elektrolyttemperatur sein, wie der Energieverbrauch an der Anode vermuten lässt. Des Genaueren nimmt die Differenz zwischen Elektrolyt- und Schicht- temperatur mit steigender Elektrolyttemperatur ab, da bei gleich- bleibender Stromstärke das Spannungsgefälle und damit auch das der Wärmeentwicklung proportionale Produkt ö- x geringer wird. Es ist also eine andere Temperatur als die des Elektrolyten, die der Ausbildung des anodischen Hemmnisses entgegenwirkt. DIE ANODISCHE ZERSTÄUBUNG DES KUPFERS. 209] 11 Da die Schicht nicht nur ihren Widerstand ändert, sondern sich überhaupt auflöst, kann man hier von einem Temperaturkoöffi- zienten des Schichtwiderstandes nicht sprechen. Verwendet man anstatt konstanter Stromstärke konstante Klem- menspannung, so erhält man dasselbe Ergebnis für den Einfluss der Temperatur auf das anodische Hemmnis. Tabelle 3. a a) Ol DER | TE Klemmenspannung 6 Volt | | | 21,5 e.0,01° | 22 | 5,30 | Braune Haut. 30,0 | 0,04 al 5,26 || Braune Haut, dann Risse und Schlieren. 40,5 | 0,10 40,5 | 5,10 | Kupfer blank. Sauerstoff und Schlieren. 52 0,23 52 5,00 Kupfer blank. Sauerstoff und Schlieren. 60,5 | 0,39 \ 60,5 , 5,00 | Kupfer blank. Sauerstoff und Schlieren. 70 |e.0,60 ı 70,2 | 4,94 || Kein Gas mehr. Schlieren führen Kupfer- | || staub. 80 3,61 80 4,00 | Beim Eintauchen Zerstäubung. Dann Sieden | am Draht. Kupferstaubhaltige Schlieren. Tabelle 3 gibt die Messungen für 6 Volt Klemmenspannung wieder. Die Stromstärke wächst mit der Temperatur. Trotz kon- stanter Klemmenspannung bleibt der Wert für zw nicht konstant, sondern fällt, da mit dem Anwachsen der Stromstärke im Stromkreis und durch die steigende Stromdichte an der Kathode immer mehr Spannung verbraucht wird. Dies hindert jedoch keineswegs zu er- kennen, dass in diesem Falle mit zunehmender Elektrolyttemperatur der anodische Energieverbrauch auch zunimmt, da x annähernd gleich- bleibt, ö aber wächst. Danach würde hier die Differenz zwischen Elektrolyt- und Schichttemperatur mit steigender Elektrolyttemperatur grösser wer- den, bis der Elektrolyt an der Anode siedet. Von diesem Augen- blick ab dient der Energieverbrauch an der Anode in wachsendem Masse zur Verdampfung; die Temperaturdifferenz zwischen Elektro- lyt und Schicht nimmt mit weiter steigender Elektrolyttemperatur wieder ab. Sobald auch der äussere Elektrolyt durch Heizung auf den Siedepunkt gebracht ist, sind die Temperaturen praktisch gleich geworden, der Siedevorgang erfolgt an der Anode besonders heftig. Aus den Bemerkungen zu Tabelle 2 geht hervor, dass die Zer- stäubungserscheinung in dem Masse verschwindet, wie die Elektro- lyttemperatur wächst, bzw. wie der Energieverbrauch an der Anode, Berichte XIV. 14 12 FRANZ FISCHER: [210 das ist wie der Temperaturunterschied gegen die Umgebung abnimmt. Anderseits erkennt man aus Tabelle 3, dass mit zunehmender Tem- peratur die Sauerstoffentwicklung, welche erst die Auflösung des Kupfers zu Kuprisulfat begleitet, zurückgeht, um dem Auftreten von Kupferstaub in den Kuprisulfatschlieren Platz zu machen. Beide Arten der Untersuchung lehren uns, dass das Auftreten der Kupferzerstäubung mit einem hohen anodischen Energieverbrauch, vermutlich einer erhöhten Temperatur hart an der Anode zusam- menfällt. Ist insbesondere letzteres richtig, — der Beweis soll im nächsten Abschnitt geliefert werden — dann können wir das Auf- treten von Kupferstaub auf Grund unserer heutigen Kenntnisse er- klären, ohne neue Annahmen machen zu müssen. Wie schon eingangs besprochen, verschiebt sich mit zuneh- mender Temperatur das Gleichgewicht Ou LE 2 Ou stark im Sinne einer vermehrten Bildung von Kuprosalz, in diesem Falle also von Kuprosulfat. Aus innerlich gleichen Gründen tritt bei steigender Temperatur bei Kupferanoden infolgedessen ein zunehmender Bruchteil als einwertige Ionen in Lösung. Im vor- liegenden Falle haben wir nun die erhitzte, feuchte Schicht und die dadurch miterwärmte Elektrode, aussen den kälteren Elektrolyten. An der warmen Anode bildet sich dann mehr Kuprosalz, als in dem kälteren Elektrolyten bestehen kann; unter Abscheidung von Kupferstaub zerfällt dort der Ueberschuss des Kuprosalzes; da- mit deckt sich z. B. das Verhalten in dem Versuch der Tabelle 3. Die Heftigkeit, mit der die Zerstäubung in den Versuchen der Tabellen 1 und 2 aber erfolgt, — eine Kupferstaubwolke wird dort wie von Dampf von der Anode weggeblasen — legt die Vermutung nahe, dass dort der Elektrolyt an der Anode siedet. Die direkte Messung der Anodentemperatur muss hierüber Aufschluss geben. 4. Die Temperatur der zerstäubenden Anode. Zur direkten Messung der Anodentemperatur wurde folgender- massen verfahren. Als Anoden dienten Hülsen aus Kupferrohr. Unten wurden sie mit Kork verschlossen und Asphalt überschmolzen, dann mit Quecksilber gefüllt. In diesem steckte das Quecksilbergefäss eines dünnen Thermometers. Die als Anode dienenden Kupferhülsen hatten 1,0 mm Wandstärke und 8 mm äusseren Durchmesser; sie 211] DIE ANODISCHE ZERSTÄUBUNG DES KUPFERS. 13 waren 20 mm lang und tauchten bis an eine genau fixierte Marke ein. Als Elektrolyt diente die gleiche Schwefelsäure wie bisher, in der gleichen Weise wie früher sind die Zahlen der Tabelle gewonnen. ta bedeutet die Anodentemperatur, tv» die Durchschnittstemperatur des äusseren Elektrolyten. Tabelle 4. an - i ta OR NIEDER! 7 Volt Amp. °E. ICH N ’gem | 50 | 1,182 | 0,0463 | 165 | 15 | 0,0868 |) ie 1,139 | 0,0463 | 16,7 15 — Schlieren. Kupfer trübe. 5. 3,73 | 0,0490 | 18,2 15 0,0389 | Haut bekommt Risse und 52% .| ‚3,73%|00,0515 18,5. |) 13 erlitt 5» | 620 [0092| »wı | 135 0,0470 | su | 648 oa | 1 52 | — | Dr 870, 7007782, 23:3 15,2 | 0,0613 | Sauerstoff. Kupfer blank a 8,70 | 0,0824 24,2 15,4 —_ | und seidenglänzend. 5» | 11,32 | 0,0875 | 97 15.4 | 0,0694 | Schlieren. 532 | 11,19 Me u er —_ | De — 0,1056 28 15,5 0,0856 5 34 den Br ara as | re? 55 | 11,20 = _— | —- a = aaa TS 53 2a. 0,0900 | 538 —_ m | 0154 m. en" 529,10:19:79 _ 32 15,74 — Soılimeizgpe) um = = sh 5 —_ | 0,1369. 32 15,2 | 0,109 | 9 1072 -— _ _ = 543 ı7% Pr.\ 1; Er, a Bin 270 34 15,8 — |) Os. Schlieren. 0) _ 0,158 —_ _ 0,125 | Kupfer weisslich-rot. 3» u 33H — — 547 | 19,68 zi fa ih; | 548 Em a» a: er | 5° | 1963 | 0,162 I 16,2 | 0,198 | Sr rn REN Ser BER Ba la _ | DE N 2 Se e 553 an mn ” Da oa, =. 10.103 Jr — __ 37 oHokast MS | = 0.170 557 Ib 388 | 16,6 = er ® = _ de — — 43 16,7 — 6° = 1,80 85 17 1,43 or 6,67 | 2,70 105 ir na: Zerstäubung. Ge es 14* 14 FRANZ FIscHER: [212 Auch hier in Tabelle 4 zeigt sich bei allmählichem Erhöhen der Spannung erst ein hautartiger, dunkler Ueberzug, der zerreisst und der Sauerstoffentwicklung an dem scheinbar blanken Kupfer Platz macht. Dabei ist die Anodentemperatur bereits höher als die des Elektrolyten. Am interessantesten ist das lange Beobachtungsintervall nach der letzten, 5°° erfolgten Spannungserhöhung. Man sieht die Ano- dentemperatur erst langsam, dann immer schneller wachsen, bis sie schliesslich auf 106,2° konstant bleibt. In demselben Augenblick ist auch die Zerstäubung eingetreten, i hat das Maximum, x das Minimum erreicht. Mit dem raschen Temperaturanstieg verschwindet die Sauer- stoffentwicklung, an ihre Stelle rückt die Zerstäubung. Die verwendete Schwefelsäure vom spez. Gew. 1,175 enthält 24,1°/o H,; SO,;, der Siedepunkt einer 20°/oigen Säure beträgt 105°, der einer 25°/oigen Säure 106,5°. Selbst wenn die Uebereinstim- mung nicht so gut wäre, wie sie es nur zufällig ist, — die angewen- dete Temperaturmessmethode ist nicht auf mehr als etwa 1°/o genau — würde ich doch nicht anstehen, das Auftreten eines Temperatur- maximums von 106,2° als Beweis dafür anzusprechen, dass jetzt der Elektrolyt in den Poren der Schicht oder in deren nächster Nähe siedet, denn die Siedetemperatur ist das natürliche 'Temperatur- maximum. Jetzt ist es auch möglich, die Heftigkeit der Zerstäubungs- erscheinung, bei der die Anode unter singendem Geräusch ganze Wolken von Kupferstaub ausstösst, zu erklären. Die infolge der hohen Temperatur an der Anode stark kuprosalzhaltige Lösung wird bei der Zerstäubung durch Wasserdampf intermittierend in den kälteren, äusseren Elektrolyten hinausgeblasen und zersetzt sich dort, den neuen Gleichgewichtsbedingungen entsprechend, grössten- teils wieder in Kupferstaub und Kuprisulfat. An dem thermischen Charakter der Zerstäubungserscheinung ist demnach kein Zweifel mehr. Der Zerstäubung musste demnach, wenn man die hierzu not- wendige Schichterhitzung, bzw. Elektrodenerhitzung durch geeignete Abführung der Joureschen Wärme vermied, sich unterdrücken oder doch erschweren lassen. Um mich darüber zu vergewissern, verwendete ich als Anode ein Kupferrohr und liess durch dieses zur Kühlung Wasser von 8—10° Celsius schiessen. Ich konnte jetzt die Klemmenspannung 213] DiE ANODISCHE ZERSTÄUBUNG DES KUPFERS. 15 ruckweise bis auf 48 Volt erhöhen, ohne dass die Zerstäubung ein- trat. Bei 50 Volt liess sie sich, weil ich nicht stärker kühlen konnte, nicht mehr aufhalten; damit ist aber anderseits bewiesen, dass die anodische Zerstäubung des Kupfers an und für sich über- haupt unterdrückt werden kann, dass es sich also um eine ther- mische Erscheinung handelt. 5. Die relativen Mengen des Kuprosalzes. Ueberblickt man die bisherigen Ergebnisse, so ergibt sich folgendes: Die Stromhemmung an der Kupferanode tritt erst bei hohen Stromdichten auf und ist nach Analogie des Aluminiums als reiner Uebergangswiderstand aufzufassen, der dann entsteht, wenn die Bildungsgeschwindigkeit des CuSO, die Lösungsgeschwindigkeit übertrifft. Dieser Uebergangswiderstand erhöht zunächst nur die Strom- dichte an einzelnen Stellen, an denen infolgedessen Sauerstofient- wicklung beginnt. Steigt jedoch infolge der JouLeschen Wärme (vgl. Tabelle 4) die Elektrodentemperatur, so ändert sich der Quotient [ Cu S0,] (Cu, 50,] im Sinne einer verstärkten Bildung von Kuprosulfat. Die Sauerstoffentwicklung tritt zurück; neben der Bildung von Kuprisulfat zeigt sich jetzt Kupferstaub, da bei höherer Tempera- tur entstandenes Kuprosulfat in derselben Konzentration an käl- teren Stellen des Elektrolyten nicht bestehen kann und nun zu Kupferstaub und Kuprisulfat zerfällt. Das Temperaturmaximum wird mit dem Siedepunkt erreicht; dann wird das Gemenge von Kupri- und Kuprosulfat in demselben gegenseitigen Verhältnis, wie es entstanden ist, durch den Wasserdampf in den übrigen Elektrolyten verblasen. Der Kupferstaub scheidet sich nunmehr in dichten Wolken aus, die den Elektrolyten erfüllen. Aeusserlich erinnert diese Erscheinung sehr an die bekannten kathodischen Zer- stäubungen z. B. von Blei und Zinn!, welche z. B. bei primärer ! Brevie und HABErR, Berl. Ber. (1898) 31. III S. 2741. — Breoıe, Zeit- schr. f. Elektrochemie (1899) 6 S. 40. — HABER und Sack, Zeitschr. f. Elektro- chem. (1902) 8 S. 245. 16 Franz FISCHER: [214 Bildung von Bleinatrium, sekundär Bleistaub, Wasserstofi und Na- triumhydroxyd liefern, etwa nach dem Schema NaPbxz + HOH= NaOH + xPb-+H. Vergleicht man hiermit Cus80; = CuS0; + Cu so ergibt sich, dass in beiden Fällen ein mehr oder weniger grosser Bruchteil der Stromarbeit dazu verwendet wird, primäre Gebilde, wie Bleinatrium, bzw. Kuprosulfat, zu erzeugen. Nur unter den gerade am Entstehungsort obwaltenden Bedingungen existenzfähig, zersetzen sich beide im äusseren Elektrolyten unter Abscheidung von Metallstaub; Wasserstoff und Natronlauge im einen, Kupri- sulfat im andern Falle. Die primären Gebilde unterscheiden sich dadurch, dass das eine durch Verbindung des Elektrodenmetalls mit einem entladenen Kation, das andere mit einem entladenen Anion entsteht. Dass bei der anodischen Zerstäubung des Kupfers der Kupfer- staub nicht mechanisch losgerissen ist, ergibt sich daraus, dass in schwach angesäuerten und neutralen Sulfaten die Kupfer- anode zu orangegelbem Kupferoxydulhydrat zerstäubt, das der Hydrolyse des Kuprosulfats seine Entstehung verdankt. Die Zerstäubungserscheinung beruht auf der intermediären Bil- dung von Kuprosulfat. Würde alles Kupfer bei der Zerstäu- bungstemperatur einwertig in Lösung gehen, so müsste man nach- her ebensoviel Kupfer in Form von Metallstaub als in Form von Kuprisulfat vorfinden. Die Summe beider Mengen sollte dann der Gewichtsabnahme der Anode gleich sein, da die sehr geringen Mengen unzersetzten Kuprosulfats hier vernachlässigt werden können. Für den wahrscheinlicheren Fall, dass nicht alles Kupfer als ein- wertig sich auflöst, gibt das Kupferstaubgewicht, multipliziert mit 2, das Kuprokupfer; der Kupfergehalt des Kuprisulfats, vermindert um das Gewicht des Kupferstaubes, das Kuprikupfer. Die Bestimmung der Staubmenge bot anfangs einige Schwierig- keiten, da dieselbe durch die Schwefelsäure bei Gegenwart des Luft- sauerstoffs rasch gelöst wird. Hierzu ein Beispiel. Kupfervoltameter, Versuchszelle, Amperemeter, Vorschalt- widerstand und Stromquelle bildeten den Stromkreis. 1. Gewichtszunahme der Voltameterkathode 0,4990 gr (u 2. Gewichtsabnahme der Kupferdrahtanode 0.5824 gr Cu 2 —-1=. .00834 sur@u 215] DIE ANODISCHE ZERSTÄUBUNG DES KUPFERS. 7 Nach Schluss des Versuches ist nur Kuprisulfat in Lösung, sein Kupfergehalt muss dem kathodisch im Voltameter nieder- geschlagenen Kupfer gleich sein. Die Differenz zwischen Anoden- abnahme und Kathodenzunahme sollte dann in Form von Kupfer- staub wiedergefunden werden. Man erwartet daher in der Lösung 0,4990 gr Kupfer als Cu SO, und 0,0834 gr Kupferstaub, entstan- den aus 0,1668 gr Kuprokupfer und 0,4156 gr Kuprikupfer. Die Anode wäre dann zu 28,7°/o als Kupro-, zu 71,3°/o als Kuprikupfer in Lösung gegangen. Der Kupferstaub wurde abfiltriert, ausgewaschen und dann gelöst. Die Kupferstaubmenge und der Kupfergehalt des Kupri- sulfats wurden elektroanalytisch als Gewichte der Niederschläge er- halten. Kupfer aus CuS0O,;, . . 0,5124 gr statt wie erwartet 0,4990 Kupfer aus Kupferstaub 0,0698 gr statt wie erwartet 0,0834 Summe 0,5822 grstatt der Anodenabnahme 0,5824 Vorheriges Auskochen der Säure und Ueberdecken mit Benzol während der Zerstäubung verbesserte die Ergebnisse. 1. Differenz zwischen Voltameterzunahme und Attoderabnabme = =..." 0. 0. NORA Er One Analytisch für Kupferstaub gefunden . . 0,0715 gr Cu 2. Differenz zwischen Voltameterzunahme und Anodenabnahme u. mean PR OR STON DL CR Kupterstaub, gelunden. , „Hals 472.9 0,0904°5r Ca Diese Annäherung hat mir genügt. Rückwärts geht aus diesen Daten hervor, dass der Staub tatsächlich reines Kupfer ist, da die Kuprisulfatmenge bereits der durch das Voltameter angezeigten An- zahl Coulombs entspricht, also von dem Strom sonst keinerlei Oxy- dationsarbeit geleistet worden sein kann. Alle diese Daten schliessen noch nicht aus, dass dem Kupfer- staub mehr oder weniger überwiegende Mengen mechanisch los- gerissenes Kupfer beigemischt sind. Nachfolgender Versuch gibt hierüber Auskunft. Die Pole der Lichtleitung von 220 Volt wurden durch einen Lampenvorschaltwiderstand, vier Elektrolysierzellen und ein Kupfer- voltameter, alles hintereinandergeschaltet, verbunden. Als Anoden dienten in allen vier Zellen 2 mm dicke, 10 mm eintauchende Rein- kupferdrähte. Die Zellen 1, 2 und 3 enthielten Schwefelsäure vom 18 Franz FiscHErR: [216 spez. Gew. 1,175, die Zelle 4 eine Kupfersulfatlösung, die aus 1000 gr Wasser und 150 gr Kupfervitriol bestand. Die Stromstärke von 2,4—2,5 Ampe£res dauerte gegen zwei Minuten, dann wurde unterbrochen, als die erste Anode so weit ein- gefressen war, dass sie abzufallen drohte. In den Zellen 1—3 zer- stäubte das Kupfer zu den bekannten schwarzroten Wolken von Kupferstaub, in der Zelle 4 zu orangegelbem Kupferoxydulhydrat. Erwähnt sei, dass die Zerstäubung der Drähte in den Zellen 1 und 3 am oberen Ende des eintauchenden Stückes, in Zelle 2 am unteren Ende stattfand. Der Draht in der Kupfersulfatlösung zeigte gleich- mässigen Anerift. (+ewichtszunahme des Volta- meterbleches4. z,5, sun Ney10096 08er ie 0,1161 Gewichtsabnahme des Drahtes en . Mittel 0,1161. er 0% in VZelle u 2 und 3 12 TR SS 0,1153 Gewichtsabnahme des Drahtes in Zelle ErAtaEI3UE N. 37428070103 HEFIC Die Schwankungen der Gewichtsverluste der Drähte 1, 2 und 3 betragen weniger als 0,8°/) um den Mittelwert. Ich schliesse daraus, dass der Kupferstaub, der aus Kuprosulfat stammt, durch Beimengungen von abgebröckeltem Kupfer nicht wesentlich vermehrt sein kann. Dann hat in dem vorliegenden Falle die Zerstäubung die Bil- dung von 34,7 /o einwertigem und 65,3°/o zweiwertigem Kupfer zur Voraussetzung in der Schwefelsäure. In der Kupfersulfatlösung ist nur 23,2°/o einwertiges und 76,8°/o zweiwertiges Kupfer primär entstanden. Mit der Konzentration der Schwefelsäure ändert sich das Ver- hältnis des primär gebildeten Kuprokupfers zum Kuprikupfer. Fol- gender Versuch zeigt dies. Gleiche Versuchsanordnung, wie eben beschrieben, jedoch in Zelle 1 Schwefelsäure vom spez. Gew. 1,485, in 2 und 3 vom spez. Gew. 1,175, in 4 normale Schwefelsäure. Die 2 mm dicken Kupferanoden tauchten in den Zellen 1, 2 und 4 jeweils 10 mm tief ein, in Zelle 3 dagegen 20 mm tief. Die schein- bare Stromdichte war daher in Zelle 3 nur halb so gross wie ın den andern. Gewichtszunahme des Voltameterblechs 0,0920 gr Cu. 217] DIE ANODISCHE ZERSTÄUBUNG DES KUPFERS. 19 Zelle 1. Das zerstäubte Kupfer ist schön hellrot. Gewichtsabnahme des Drahtes 0,1216 gr Cu Voltameterzunahme . . . . 0,0920 gr Cu Kupferstaub = A = 0,0296 gr Cu Als Kuprosalz war vorhanden 0,0592 gr On. Demnach sind von den 0,1216 gr Kupfer, die anodisch in Lö- sung gegangen sind, primär 48,6°/o als Kuprosalz und 51,4°/o als Kuprisalz gelöst worden. Zelle 2. Das zerstäubte Kupfer ist dunkelrot. (Gewichtsabnahme des Drahtes . . . 0,1113 gr @u Voltameterzunahme . . . rar... 0,090. or Cu Kupferstaub = A = 0,0193 gr Cu Als Kuprosalz ursprünglich vorhanden 0,0386 gr Cu. Hiernach sind anodisch 35°/o zu Kuprosalz, 65°/o zu Kuprisalz gelöst worden. In der ersten Versuchsreihe war hierfür 34,7 °/o und 65,3°/o gefunden worden. Zelle 3. Zerstäubtes Kupfer dunkelrot. Gewichtsabnahme des Drahtes . . . 0,1088 gr Cu Voltameterzunahme IRONRTIAEN, 9. 6.0,0920 FE! Ou Kupferstaubob = A = 0,0168 gr Cu Als Kuprosalz ursprünglich vorhanden 0,0336 gr Cu. Hiernach wurde die Anode primär zu 30,8°/o Kuprokupfer und 69,2°/o Kuprikupfer gelöst. Die eintauchende Anodenfläche war ın diesem Falle doppelt so gross wie in Zelle 2, die scheinbare Strom- dichte halb so gross wie dort. Der geringe Einfluss dieser Aende- rung erklärt sich dadurch, dass die Zerstäubung auch in Zelle 2 auf dem Draht nur lokal, gar nicht unter Benützung der ganzen Oberfläche vor sich geht. Es ist also nur die verkrustete Fläche, die sich zu Kuprisulfat auflöst und vom Strom ergänzt wird, grösser geworden, das Verhältnis von Kuprokupfer zu Kuprikupfer an der Stelle der Zerstäubung kann dabei unverändert geblieben sein. Zelle 4. Das zerstäubte Kupfer ist dunkelrot. Gewichtsabnahme der Anode . . 0,1106 gr Cu Gewichtszunahme des Voltameters 0,0920 gr Cu Kupferstaub = A = 0,0186 gr Cu Als Kuprosalz vorhanden gewesen 0,0372 gr On. 20 FRANZ FIscHER: [218 Also ursprüngliche Erzeugung von 33,5°/o Kuprokupfer und 66,5 °/ Kuprikupfer. Ueberblickt man die Ergebnisse, so sieht man für gleiche Ver- hältnisse, dass die prozentische Menge des Kuprokupfers mit der Konzentration der Schwefelsäure zunimmt. Da die Zerstäubung bei Siedetemperatur beginnt, so ersieht man aus den Siedepunkten der Schwefelsäuren, dass auch hier, wie es ABEL für niedere Tempera- turen bereits festgestellt hat, die Kuprokupfermenge mit steigen- der Temperatur auf Kosten des Kuprikupfers zunimmt. Tabelle 5. Er 5 FE Slalaamık, spez. Gew. u r der Säure | 1,035 | 33,5 101° | | Rn 0 35,0 106° | | 1,485 48,6 1370 | Kommen auf 33,5°/ Kuprokupfer 66,5°/o Kuprikupfer, so heisst das, auf 66,5 Moleküle (u SO; kommen 16,75 Moleküle Cu 50;. Der Quotient [0wS0] [Cu,SO,] hat dann den Wert von 4,0, Dem Verhältnis 35°/o Kuprokupfer zu 65°/o Kuprikupfer ent- spricht 65 Moleküle Cu SO, zu 17,5 Molekülen Cu, SO;. LCuSO)] _ 37 [Cus80,;] TER Aus 48,6°/o Kuprokupfer und 51,4°/o Kuprikupfer ergibt sich 51,4 Moleküle Cu SO, und 24,3 Moleküle Cu, SO,, für 1Cu80, [Cu; 50,] der Wert 2,1. Nebenstehende Tabelle 6 zeigt, dass sich diese Ergebnisse sinngemäss in die bereits am Anfang der Arbeit gebrachte Zusam- menstellung einiger Zahlen von ABEL einreihen. Die „ursprüng- liche Konzentration“ ist natürlich hier unbekannt, im allerersten Moment allerdings Null. 219] DIE ANODISCHE ZERSTÄUBUNG DES KUPFERS. 2» Es wäre interessant gewesen, die Versuche mit immer konzen- trierteren Schwefelsäuren anzustellen, um vielleicht den Punkt zu er- reichen, wo alles Kupfer als einwertig in Lösung geht. Jedoch sind diese Versuche nicht mehr einwandsfrei, da konzentrierte Schwefelsäure schon von selbst bei hoher Temperatur unter Ent- wicklung von schwefliger Säure auf Kupfer lösend einwirkt. Dagegen werden die Resultate eindeutig, wenn man zu immer verdünnteren Schwefelsäuren übergeht. Tabelle 6. Urs prüng- liche Konz. an (u SO, unbekannt 0,01588 1,4728 ? Verdünnt man den Ausgangselektrolyten von Versuch zu Ver- such mit mehr Wasser, so ändert sich die Zerstäubungserscheinung. Dicht an der Elektrode, in einem durch Wegwanderung der Wasser- stoflionen an freier Säure verarmten Elektrolyten erscheint nunmehr statt des Kupferstaubes das Produkt der hydrolytischen Spaltung des Kuprosulfats, orangegelbes Kupferoxydulbydrat. Noch bevor dieses sich absetzt, hat der äussere, säurereichere Elektrolyt sich mit ihm bereits wieder zu Kupferstaub und Kuprisulfat umgesetzt. In einem auf das achtfache verdünnten Elektrolyten, bzw. in Nas SOy-lösung, bleibt das entstehende Kupferoxydulhydrat lange Zeit bzw. dauernd bestehen. In Phosphorsäure tritt Uebergangswiderstand und Zerstäubung nicht ein, dagegen in Salpetersäure in ähnlicher Weise wie ın Schwefelsäure, jedoch verschleiert die oxydierende Einwirkung der Salpetersäure die Resultate im schwer kontrollierbarer Weise. Bei Choriden usw., in denen das Kupfer schon ohne weiteres fast quantitativ einwertig in Lösung geht, liegt eine Veranlassung zur Zerstäubung nicht vor. PD) Franz FiscHER: [220 6. Anodische Reduktionserscheinungen als Folge der Kupferzerstäubung. In ursächlichem Zusammenhang mit der Kupferzerstäubung steht die auf den ersten Blick sinnwidrige Tatsache, dass, wie ich gefunden habe, bei hoher anodischer Stromdichte starke Reduktions- erscheinungen auftreten, sobald Kupferanoden bei Gegenwart von Schwefelsäure verwendet werden. Um sich hiervon zu überzeugen, hat man nur nötig, verdünnte Schwefelsäure mit Permanganat, Chromsäure, Ferrisulfat u. dgl. zu versetzen und z. B. einen dünnen Kupferdraht von 1—2 mm Stärke als Anode zu verwenden. j Bei niederen Klemmenspannungen und Stromdichten findet keine merkbare Reduktion statt, das Kupfer löst sich zu Kuprisulfat auf und es wird schliesslich auch Sauerstoff entwickelt. Legt man aber z. B. 25 Volt an, so werden die Zusätze rapide reduziert. Die Ursache ist die Zerstäubung des Kupfers. Ob man den Kupferstaub oder vielleicht schon das primär gebildete Kupro- sulfat als das Reduktionsmittel auffasst, ist im Effekt dasselbe. 7. Uebersicht. Mit zunehmender Stromdichte tritt an der Kupferanode in Schwefelsäure ein durch abgeschiedenes festes Salz verursachter Uebergangswiderstand auf, sobald die Bildungsgeschwindigkeit des Salzes grösser wird als seine Auflösungsgeschwindigkeit. Bei konstanter Stromstärke steigt infolge dieser Verkrustung die Stromdichte und der Spannungsverbrauch. Solange die Anode sich nicht erhitzt, entsteht neben Kupri- sulfat auch Sauerstoff. Erhitzt sich die Anode, so werden neben Kuprisulfat wach- sende Mengen Kuprosulfat erzeugt, die Sauerstoffentwicklung ver- schwindet. Steigt die Temperatur in den Schichtporen bis zum Siedepunkt des Elektrolyten, dann zerstäubt die Anode unter singendem Ge- räusch zu Wolken feinsten Kupferstaubs. Der Wasserdampf zerbläst nämlich das am Kupfer entstandene und entsprechend zusammengesetzte Gemenge von Kupri- und Ku- prosulfat in den übrigen kalten Elektrolyten, wo nach neuen Gleich- gewichtsbedingungen in der Hitze entstandenes Kuprosulfat zu Kupferstaub und Kuprisulfat zerfällt. 221] DIE ANODISCHE ZERSTÄUBUNG DES KUPFERS. 23 Die Menge des Kupferstaubes, bezogen auf die gleichzeitig ent- stehende Menge Kuprisulfat, wächst mit der Konzentration der Schwefelsäure, d. h. mit der dem Siedepunkt gleichen Schicht- temperatur. Aus der Mehrabnahme der Anode ergab sich, dass bis gegen 50 °/o des Anodenkupfers primär als Kuprosulfat in Lösung gehen können. In neutralen Sulfatlösungen zerstäubt die Kupferanode zu orangegelbem Kupferoxydulhydrat, welches durch Hydrolyse primär gebildeten Kuprosulfats entsteht. Eine Folge der Kupferzerstäubung ist die Tatsache, dass an Kupferanoden bei hoher Stromdichte Chromsäure u. dgl. redu- ziert wird. Phys.-chem. Institut der Universität Freiburg i. B. Ueber die Bildung von Helium aus der Radiumemanation. Von F. Himstedt und G. Meyer. 1. Rausay und Soppy haben in Proc. Roy. Soc. August 1903 über Versuche berichtet, durch die sie nachgewiesen haben, dass sich in den Gasen, welche man beim Auflösen eines GIEseuschen Ra Br >- Präparates in Wasser erhält, He befindet. Es ist bekannt, dass die Uranerze, aus denen das Ra gewonnen wird, He enthalten, und es kann deshalb die Frage aufgeworfen werden, ist das gefundene Gas sozusagen aus den Erzen „verschlepptes“ He, oder ist dieses Gas erst in dem Ra entstanden, ist es vielleicht ein Umwandlungs- produkt der mit der Zeit verschwindenden radioaktiven Emanation? Um diese Frage zu beantworten, haben RamsayY und SODDY „The maximum amount of the emanation obtained from 50 mgr radıum bromide“ mit Sauerstoff durch ein in flüssiger Luft gekühltes Rohr geleitet, in dem die Emanation zurückgehalten wurde, haben ausgepumpt und noch einmal mit Sauerstoff durchgespült, dann wieder ausgepumpt und abgeschmolzen. Das erhaltene Spektrum, schreiben die Verfasser, war ein neues, enthielt aber keine He-Linien. Nach Verlauf von vier Tagen traten diese auf, und nach fünf Tagen konnten die gelbe, die grüne, zwei blaue und die violette He-Linie bestimmt werden. Rausay und SoppY ziehen aus dieser Beobachtung den Schluss, dass sich durch den Zerfall der Emanation das He ge- bildet habe. Nun stammt aber die Emanation aus dem Ra, das nach den spektralanalytischen Untersuchungen sicher als Element zu bezeichnen ist, und wir hätten hiernach in den Ramsay-Soppyschen Experi- menten den bisher noch nie beobachteten Vorgang, dass ein Ele- ment sich umwandeln kann in ein anderes, eine Beobachtung, die 223] UEBER DIE BILDUNG VON HELIUM AUS DER RADIUMEMANATION. 2 uns zwingen würde, unsere Vorstellungen über chemische Elemente und Atome wesentlich zu modifizieren. Es erscheint deshalb nicht nur wünschenswert, sondern geradezu dringend geboten, auf das sorgfältigste zu prüfen, ob sich die erwähnte Beobachtung nicht etwa doch in Uebereinstimmung mit den bisherigen Anschauungen und aus bekannten Erscheinungen erklären lässt. Es ist bekannt!, dass wenn einem Gase in einer Spektralröhre Spuren eines zweiten Gases beigemischt sind, die Linien dieses letz- teren erst dann sichtbar werden, wenn sein Prozentsatz einen be- stimmten Grenzwert erreicht resp. überschritten hat. Es wäre also an sich nicht undenkbar, dass am ersten Tage die Linien des He um deswillen nicht beobachtet wurden, weil die miteingeschlossene Emanation die Leitung des Stromes übernahm, und erst als die Emanation nach 4—5 Tagen wesentlich abgenommen hatte (mög- lichen Falls durch Okklusion oder Verbindung mit den Glaswänden), wären die Linien des von Anfang an vielleicht in minimaler Menge vorhanden gewesenen He hervorgetreten. Man sieht, es würde bei dieser Auffassung alles darauf ankommen, zu entscheiden, ob bei den Versuchen von RamsaY und Soppy Spuren von He schon von Anfang an in der Spektralröhre vorhanden waren oder nicht. Die Verfasser geben leider nicht an, wie die Emanation aus dem Ra gewonnen wurde. Wurde sie bei der Auflösung des Ra Br, ın Wasser aufgefangen, so wäre sie sicher anfangs mit He gemischt gewesen und es würde sich dann fragen, ob das einmalige Durch- spülen mit Sauerstoff genügt hätte, das He vollständig zu beseitigen. Die kurze Mitteilung in der Proc. Roy. Soc. macht es unmöglich, hierüber ein absolut sicheres Urteil sich zu bilden. 2. OurIE und DewAr? haben die sehr beträchtliche Menge von 0,42 g Curıeschen Radiumbromids in ein Quarzrohr gebracht, und dieses so weit als möglich evakuiert. Hierauf wurde das Präparat geschmolzen, und es konnten die dabei frei werdenden Gase ab- gepumpt und aufgefangen werden. In diesen konnte He nicht nach- gewiesen werden, wahrscheinlich, weil verglichen mit den andern Gasen, prozentisch zu wenig davon vorhanden war. Die spektro- skopische Untersuchung des evakuierten und abgeschmolzenen Quarz- rohres durch DESLANDRES ergab in demselben nur He-Linien. Die von Ramsay und Soppy beobachtete Tatsache, dass aus dem Ra ! Ramsay und CoLLEy, Proc. Roy. Soc. 59, S. 257, 1896. ® CuriE und DEwAR, Chem. News 89, S. 85, 1904. 3 Hıwmsteot unp MEYER: [224 ausser andern (Gasen auch He gewonnen werden kann, ist durch diese Versuche also bestätigt. CurıE und DEwAR heben aber be- sonders hervor, dass die Frage, ob dieses He in resp. aus dem Ra sich neu bilde, erst entschieden werden könne, wenn sich bei spä- teren Untersuchungen eine Vermehrung des He nachweisen lasse. 3. InDRıxson berichtet in der Physikalischen Zeitschrift! über Versuche, bei denen die Gase, welche bei dem Auflösen von 10 mgr Ra Br; in H, 0 gewonnen wurden, in eine vorher evakuierte Spektral- röhre geleitet und in dieser 24 Stunden gelassen wurden. Hierauf wurde die Röhre evakuiert und zugeschmolzen. Unmittelbar nach der Herstellung war keine He-Linie zu beobachten, nach 14 Tagen glaubt der Verfasser die rote, die grüne, eine blaue und eine violette He-Linie gesehen zu haben. Die gelbe Linie ist auffallenderweise nicht vorhanden. Nach unsern Erfahrungen muss es ausserordent- lich schwer sein, in einem so komplizierten Spektrum, wie es hier aufgetreten sein muss, denn es war in der Röhre sicher Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Kohlenoxyd vorhanden, die He-Linien zu identifizieren. Wir glaubten bei den noch zu beschreibenden Ver- suchen gleich anfangs bei zwei Röhren sofort die grüne und auch die blaue He-Linie zu sehen, überzeugten uns dann aber bei der Untersuchung mit dem Gitterspektrographen, dass uns eine der überaus zahlreichen Linien des sekundären Wasserstoffspektrums getäuscht hatte, die im Spektrum zweiter Ordnung noch fast genau mit der grünen He-Linie zusammenfiel, in der dritten Ordnung aber deutlich von ihr verschieden war. Wie dem aber auch sei, hat man bei dem Ramsay-Soppyschen Versuche die Möglichkeit ins Auge gefasst, dass es sich um „ver- schlepptes“ He handeln könne, so muss man das hier auch zugeben, denn zur Untersuchung sind direkt alle die Gase benutzt, welche bei der Auflösung des RaBr, in Wasser frei geworden sind. 4. Als wir im Herbst v. Js. von der bedeutsamen Entdeckung von Rausay und Soppy hörten, waren wir, wie der eine von uns schon berichtet hat?, mit Versuchen beschäftigt, die Emanation der Wasser- quellen spektroskopisch zu untersuchen. Wir hatten dadurch einige Erfahrung auf diesem Gebiete gesammelt und entschlossen uns um so leichter, eine Bestätigung der Rausay-Soppyschen Beobachtungen zu versuchen, als Herr Professor GIESEL auf eine diesbezügliche ' Inprikson, Physikalische Zeitschrift V, 214, 1904. ® F. Hınsteot, Ber. d. Naturf. Ges. Freiburg i. Br., 1903. 225] UEBER DIE BILDUNG von HELIUM AUS DER RADIUMEMANATION. 4 Anfrage sich freundlicherweise bereit erklärte, uns hierzu 50 mgr seines reinsten RaBr;s zu überlassen: Das Präparat wurde in ein U-förmiges Glasrohr gebracht, das an das herzustellende Vakuum- rohr angeschmolzen war. Dieses hatte zwei vertikale Schenkel von 1,2 cm Durchmesser und 12 cm Länge, die unten durch eine 1 mm weite, 5 cm lange Kapillare miteinander verbunden waren und am oberen Ende je eine Aluminiumdrahtelektrode hatten. Das Rohr war unter Zwischenschaltung zweier U-Röhren, die zur Abhaltung der Quecksilberdämpfe mit Schwefel resp. Blattgold gefüllt waren, an die Quecksilberluftpumpe angeschmolzen. Zuerst wurde das Ganze möglichst weit evakuiert, dann wurde das Spektralrohr in flüssige Luft getaucht und seine Elektroden wurden, miteinander ver- bunden, an —4000 Volt gelegt. Hierauf wurde 3X 24 Stunden lang sorgfältig gereinigter Wasserstoft, der zwecks vollständiger Trocknung durch ein langes, in flüssige Luft tauchendes Spiralrohr aus Glas geleitet war, über das Radiumpräparat weg durch das Spektralrohr geleitet. Nachdem das Rohr mit dem Radium abgeschmolzen war, wurde das Spektralrohr, während es noch in flüssiger Luft sich befand, so weit als möglich evakuiert und abgeschmolzen. Nach dem intensiven Leuchten, das es im Dunkeln zeigte, musste das Rohr sehr viel Emanation enthalten. Dasselbe zeigte das primäre und sekundäre Wasserstofispektrum und — oftenbar von dem ge- fetteten Hahne des Weasserstofientwicklungsapparates herrührend — (O-Banden, die im blauen und violetten Teile des Spektrums durch ihre Helligkeit recht störend wirkten. Von He war auch nach zehn Tagen trotz sorgfältigster Beobachtung keine Spur zu ent- decken. Wir haben das Rohr mit einem sehr lichtstarken HEELE- schen Spektralapparate, dessen Dispersion die Na-Linie sehr bequem doppelt zu sehen gestattet, untersucht, wobei das Spektrum eines He-Rohres stets gleichzeitig ins Gesichtsfeld geworfen wurde. Wir haben die Untersuchung in der gleichen Weise mit einem STEINHEIL- schen Gitterspektrographen, der ein Rowranxnsches Plangitter ent- hält, gemacht und zwar sowohl im Spektrum erster als zweiter Ord- nung; das Resultat war stets negativ. Nach acht Wochen, als das Selbstleuchten des Rohres bedeu- tend abgenommen hatte, immerhin mit gut dunkel adaptiertem Auge noch wahrnehmbar war, wurde mit Hilfe eines RowLAaxDschen Konkavgitters eine photographische Aufnahme des Rohres gemacht, wobei das Rohr 39 Stunden lang mit ziemlich kräftigem Induktions- strome getrieben wurde. Um die Ausmessung des Spektrums zu Berichte XIV. 15 5 Hınstepr uUnD MEYER: [226 ermöglichen, wurde das Eisenspektrum darüber photographiert. Wieder konnte keine He-Linie gefunden werden. Das Rohr war am 12. Dezember v. Js. abgeschmolzen, Ende Februar ergab eine neue Untersuchung zum ersten Male den Ein- druck, als ob die D,-Linie und die grüne Linie angedeutet sei. Zu einem sicheren Urteil kamen wir indessen nicht, da mit dem Gitter- spektrographen die Linien nicht zu sehen waren, zweifelsohne weil der Apparat bedeutend lichtschwächer ist. In der ersten Aprilwoche war die D;-Linie sicher zu konsta- tieren, und seit Mitte Mai sind die rote, gelbe, grüne und blaue He-Linie sichtbar. Wir haben sie identifiziert durch das Zusammen- fallen mit den durch das Vergleichsprisma von einem He-Rohre ge- lieferten Linien. Wir haben sie aber weiter auch bestimmt mit Hilfe eines sehr lichtstarken Krüssschen Spektralapparates durch Einstellen des Fadenkreuzes auf die Linien und Ablesung an der in Wellenlängen geaichten, mit Mikrometerschraube versehenen Kreisteilung. Um ganz sicher zu gehen, haben wir uns weiter Rohre her- gestellt, in denen wir dem Wasserstoff 10, 15, 20 °/o He zugemischt haben, und die wir möglichst bis zu demselben Grade ausgepumpt haben, wie das Rohr mit der Emanation, so dass sie annähernd den gleichen Untergrund zeigen. Die Vergleichung dieser Rohre mit dem Emanationsrohre schliesst jeden Zweifel aus, dass in dem letzteren jetzt He vorhanden ist. Dass diese Linien in unserem Rohre erst nach Verlauf längerer Zeit aufgetreten sind, während Ramsay und SoppY schon nach fünf Tagen das Auftreten von He konstatieren konnten, erklärt sich vielleicht daraus, dass in unserem Rohre, weil es in flüssiger Luft abgeschmolzen wurde, kein sehr niedriger Druck vorhanden ist. Vielleicht ist die Wahrnehmung des He überhaupt erst dadurch ermöglicht worden, dass wir das Rohr bei den photographischen Aufnahmen sehr. lange getrieben haben. Aus den Erfahrungen mit Röntgenröhren weiss man, dass bei längerem Betriebe Gas von den Elektroden resp. den Wänden okkludiert wird. Ist dies mit dem Wasserstoff eingetreten, so würde dadurch der Prozentgehalt an He ein grösserer geworden, die Chance, dasselbe in dem Gasgemische zu finden, verbessert sein. Wir haben das Radiumpräparat bei unsern Versuchen zuerst ins Vakuum gebracht, um möglichst die eingeschlossenen Gase zu entfernen. Wir haben dasselbe nachher weder erhitzt noch auf- gelöst, sondern die Emanation dadurch gewonnen, dass wir bei 227] UEBER DIE BILDUNG VON HELIUM AUS DER RADIUMEMANATION. 6 Atmosphärendruck Wasserstoff darüber geleitet haben. Es muss deshalb als sehr unwahrscheinlich bezeichnet werden, dass hierbei noch okkludierte Gase, die durch das Vakuum nicht beseitigt waren, mitgeführt worden sind. Dann haben wir aber anfänglich in unserem Rohre kein He, sondern nur Wasserstoff und Emanation gehabt, und das jetzt jederzeit in dem Rohre zu sehende He muss sich aus der Emanation gebildet haben. 5. 25 mgr des Gisserschen RaBr; wurden in ein kleines, U-förmiges Glasrohr mit angeschmolzener Mikroentladungsröhre ge- bracht. Es wurde aufs äusserste evakuiert, getrockneter Wasser- stoff eingelassen, wieder evakuiert usf. Im ganzen wurde der Prozess zehnmal wiederholt, und schliesslich wurde das Rohr hoch evakuiert abgeschmolzen. Selbst mit vollständig ausgeruhtem Auge war kaum ein Schein einer schwach leuchtenden Emanation zu sehen. Die spektrosko- pische Untersuchung ergab Wasserstoff und Spuren von CO. Nach Verlauf von 14 Tagen hatte sich das Spektrum nicht nachweisbar geändert, wohl aber hatte die Emanation zugenommen, so dass im Dunkelzimmer das Leuchten des U-Rohres und der kleinen Kugeln des Entladungsrohres gut gesehen werden konnte, die enge Kapillare erschien allerdings noch dunkel. Also eine Produktion von Emana- tion hatte auch im Vakuum stattgefunden, entgegen einer Angabe von CURIE und DEBIERNE, aber dieselbe schien unzweifelhaft geringer, als sie im lufterfüllten Raume in gleicher Zeit gewesen sein würde. Das Rohr blieb drei Monate sich selbst überlassen. Nach dieser Zeit war in demselben He vorhanden. Die gelbe, die grüne und eine blaue Linie sind sicher nachweisbar, ob die rote Linie erkenn- bar ist, müssen wir als zweifelhaft bezeichnen. Eintauchen des U-Rohres in flüssige Luft bringt keine besondere Veränderung des Spektrums hervor. 6. Die zweite Hälfte unseres RaBrs-Vorrates war bei einem missglückten Versuche mit konzentrierter Hs SO, überschüttet wor- den und hatte sich in RaSO, verwandelt. Die H,50, wurde mit viel Wasser verdünnt, abfiltriert, getrocknet und das Präparat mit alkoholischer Schwefelsäure abgeraucht. Da von Siegellack her- rührende Teilchen dem Präparate beigemischt waren, so wurde im Platintiegel auf Rotglut erhitzt. Diese Prozedur schadete für unsere Zwecke durchaus nicht, im Gegenteil, es kam uns darauf an, dem Radiumpräparate nach Möglichkeit das darin etwa aufgespeicherte He zu entziehen, um zu ioz 7 HiMsTEDT und MEYER: [228 sehen, ob nach Verlauf längerer Zeit wieder He in demselben vor- handen wäre. Zu dem Zwecke wurde das RaSO, in ein 10 cm langes, an einem Ende zugeschmolzenes (uarzrohr gebracht, an das mit Siegellack ein Mikrovakuumrohr ohne Elektroden angekittet war. Nachdem mehrmals ausgepumpt und mit Wasserstoff aus- gespült war, wurde das Präparat, während die KanLBAauMsche (uecksilberpumpe unausgesetzt in Tätigkeit war, 20 Minuten lang auf helle Rotglut erhitzt. Der Versuch missglückte und wurde wiederholt, nachdem die Siegellackkittung durch einen Schliff ersetzt war, der mit Hausenblaseleim gekittet, und nachdem dieser ge- trocknet, mit Marineleim überzogen war. Das RaSO, wurde 30 Minuten auf heller Rotglut gehalten, hierauf das Ganze mehr- mals mit Wasserstoff ausgespült, und nachdem wieder evakuiert war, wurde das Vakuumrohr mit angekittetem Quarzrohr abgeschmolzen. Mit dem Induktorium betrieben, leuchtete das stark ausgepumpte elektrodenlose Rohr nur sehr schwach; mit Teslaströmen wurde das Licht bedeutend stärker, so dass die spektralanalytische Untersuch- ung keine Schwierigkeiten bot. Nach der Anfertigung und an den beiden folgenden Tagen war kein He nachweisbar. Nachdem das Rohr drei Wochen gelegen hatte, waren die rote, gelbe, grüne und blaue He-Linie eben sichtbar, Nach Verlauf von weiteren zwei Wochen hatte die Helligkeit der Linien um ein ganz geringes nur zugenommen, aber sie waren sicher als He-Linien zu identifizieren. Das RaSO,; in dem Quarzrohre wurde nun wieder auf helle Rotglut erhitzt; der ganze Apparat füllte sich mit hellleuchtender Emana- tion, und die Intensität der He-Linien nahm wenig, aber in sicher zu erkennender Weise zu. Wurde jetzt das Quarzrohr in flüssige Luft getaucht, so wurde der Untergrund des Spektrums ganz all- mählich dunkler, und die He-Linien hoben sich scharf und glänzend von ihm ab. Das Quarzrohr musste ca. !/g Stunde in flüssige Luft eingetaucht bleiben, ehe das Maximum in der Helligkeit der He- Linien eingetreten war. Es konnten jetzt sogar noch mehrere der weniger hellen He-Linien festgestellt werden. Wurde nun die flüssige Luft fortgenommen, so schlug nach wenigen Minuten das bisher vorhandene Linienspektrum in ein ganz anderes Bandenspek- trum um, in dem nur schwer noch die gelbe und die grüne Ae-Linie erkannt werden konnten. Mit fortschreitender Erwärmung des Quarzrohres verschwand ziemlich schnell wieder der. scharf aus- geprägte Oharakter des Bandenspektrums, indem sich der ganze Untergrund wieder ziemlich gleichmässig hell zeigte und die He-Linien 229] UEBER DIE BILDUNG von HELIUM AUS DER RADIUMEMANATION. 8 in derselben Stärke auftraten wie vor der Abkühlung. Der eben ge- schilderte Kreisprozess liess sich beliebig oft, stets mit dem gleichen Erfolge wiederholen. Man hat beim Beobachten des plötzlichen Umschlagens des Spektrums sofort den Eindruck: Jetzt muss irgend etwas, das sich beim Abkühlen langsam kondensiert hat, plötzlich wieder verdampfen. Wir haben versucht, das Bandenspektrum auf- zumessen, doch ist es uns noch nicht gelungen, die Temperatur, bei der es beständig ist, zu finden, resp. konstant zu halten. Wir können deshalb aus unsern bisherigen Messungen noch nicht entscheiden, ist es das neue Spektrum der Emanation oder nur das von (0. Wir haben bei den vorstehend beschriebenen Versuchen das RaSO, zuerst längere Zeit auf dunkle Rotglut, dann zweimal 20 resp. 30 Minuten lang im Vakuum auf helle Rotglut erhitzt, und haben alle dabei ausgetretenen Gase weggespült und weggepumpt. Trotzdem ist nach Verlauf von drei resp. fünf Wochen wieder He vorhanden gewesen. Will man nicht annehmen, dass das Ra das He ähnlich fest hält, wie etwa das Palladium den Wasserstoff, so dass es also nicht absolut undenkbar wäre, dass trotz des langen und wiederholten Glühens und Auspumpens noch immer He okklu- diert war, so bleibt nur die eine Erklärung über, dass in der Tat neues //e aus dem Radiumpräparate hervorgegangen ist. Darüber, wie das He entstanden ist, wird man unserer Ansicht nach erst dann begründete Vermutungen aufstellen können, wenn das Wesen der Emanation weiter ergründet ist. 7. Zum Schluss möchten wir nicht unerwähnt lassen, dass wir He auch in einem Rohre gefunden haben, das der eine von uns! gelegentlich einer mit Herrn TH. Ganz unternommenen Unter- suchung vor vier Jahren mit ca. !/2 g DE Haünschen Präparates beschickt, mit Wasserstoff ausgespült und dann bis zum Auftreten von Kathodenstrahlen ausgepumpt hatte. Das Präparat war damals ziemlich stark erhitzt, auch waren Spuren davon in die Kapillare gebracht, um sie durch den Strom zu erhitzen, in der Hoffnung, auf diese Weise das Ra-Spektrum beobachten zu können. Unter den im Beobachtungsjournal, 12. Januar 1900, verzeichneten Linien findet sich keine He-Linie, allerdings ist zu bemerken, dass nach diesen nicht gesucht wurde. Jetzt konnten in dem Rohre die gelbe und die grüne He-Linie identifiziert werden. Freiburg i. Br., Juni 1904. 1 G. MEYER. 1 [230 Uebergangswiderstand und Polarisation an der Aluminiumanode. Von Franz Fischer. 1. Beobachtungen und Erklärungsversuche. Schon lange beschäftigt die Forschung! ein eigentümliches Verhalten des Aluminiums, das gewöhnlich als Ventilwirkung der Aluminiumelektrode bezeichnet wird. Es besteht darin, dass das Aluminium in manchen Elektrolyten, z. B. in den Lösungen der Sulfate, der Phosphate und ferner in Seifenlösungen, wenn es als Anode dient, den Stromdurchgang beinahe vollständig verhindert, als Kathode jedoch den Strom fast unbehindert passieren lässt. Infolge dieses Verhaltens wird, wenn man durch eine, etwa aus einer Kohlenplatte und einer Aluminiumplatte in Alaunlösung zu- sammengestellte Zelle, Wechselstrom zu senden versucht, nur die eine Stromrichtung durchgelassen, die andere wie durch ein nur nach einer Seite sich öfinendes Ventil aufgehalten. Diese Eigen- schaft des Aluminiums hat man zur Konstruktion von Gleich- ! Burr, Liebigs Annalen (1857) 102 S. 269 ff. — Wönrer, ibidem (1858) 103 S. 218. — Brerz, Wied. Ann. N. F. (1877) 2 S. 95. — DucRETET, Journ. de phys. (1875) 4 S. 84. — Porrak, C. R. (1897) 124 S. 1443. — GRAETZ, Wied. Ann. (1897) 62 S. 323. — Grartz, Zeitschr. f. Elektrochemie (1897) 4 S. 67. — ASKENASY, Zeitschr. f. Elektrochemie (1897) 4 S. 70. — WıLson, Electrical Review (1898) 43 S. 371. — Kontrausch, Wied. Ann. (1873) 148 I 143. Jubelband (1874) S. 290. — ÖBERBEcK, Wied. Ann. (1883) 19 S. 625. — STREINTZ, Wied. Ann. (1888) 34 S. 751. — Scott, Wied. Ann. (1899) 67 S. 388. — Nacarı, Atti di Turino (1901) 36 S. 468. — Straneo, L’Elettrieitä (1901) 10 S. 228. — BARTORELLI, Phys. Zeitschr. (1901) 2 S. 469. — Berrı, L'Elettricitä (1902) 11 S. 101. 231] ÜEBERGANGSWIDERSTAND UND POLARISATION AN DER ÄLUMINIUMANODE. >) -_ richtern, d. i. zur Umformung von Wechselstrom in Gleichstrom benützt. In anderen Lösungen wieder fehlt dies Verhalten des Alumi- niums vollständig. In den Lösungen der Chloride, Bromide, Jodide und in freier Phosphorsäure u. s. w. geht Aluminium als Anode in Lösung, gleichzeitig entwickelt sich und im wesentlichen nur während des Stromdurchgangs an derselben Aluminiumanode Wasser- stoff, dessen Entstehung man der Einwirkung des Metalls auf das stets stark hydrolytisch gespaltene eben entstehende Aluminiumsalz zuschreibt. Am besten lassen sich diese Erscheinungen an Chlorid- lösungen beobachten. Das Auftreten der Ventilwirkung ist fast ausschliesslich in den Lösungen von Schwefelsäure, von sauren und neutralen Sulfaten studiert worden. Hier hätte man in Analogie zum Kupfer, Nickel, Eisen, Kadmium, Zink u. s. w. wenigstens bei nicht übermässig hohen Stromdichten die glatte Auflösung des Aluminiums zu dem so leicht löslichen Aluminiumsulfat und glatten Stromdurchgang er- wartet, anstatt dessen wird der Stromdurchgang verhindert, ohne dass man auf dem Aluminium besonders auffällige Veränderungen bemerken könnte. Es entwickelt sich dabei an der Anode Gas, jedoch sehr wenig. Dasselbe besteht aus Sauerstoff, dessen Ent- wicklung einen Teil der anodischen Stromarbeit ausmacht, und aus etwas Wasserstoff. Mit diesem verschiedenen Verhalten der Aluminiumelektrode, insbesondere in Chloridlösungen im Gegensatz zu dem in Sulfat- lösung, hängt wohl auch die Tatsache zusammen, dass das an und für sich wasserzusetzende Aluminium von Schwefelsäure kaum an- gegriften, von Salzsäure hingegen unter stürmischer Wasserstofi- entwicklung gelöst wird. Diese Ventilwirkung hat jedoch ihre Grenzen, so vermag eine Aluminiumanode in Form eines Blechstreifens in saurem Elektro- lyten den Stromdurchgang nur bis etwa 20 Volt hinauf zu ver- hindern, bei höherer Klemmenspannung versagt sie. Dagegen liegen die Verhältnisse bei Anwendung von neutralem oder alkalischem Elektrolyten günstiger, man hat dort die Ventilwirkung bis gegen 100 Volt beobachtet und verwendet. Es ist durch die neueren Untersuchungen von LECHER! und ! E. Lecher, Aluminiumanoden in Alaunlösung. Ber. Wien. Akad. (1898) 107 2a S. 739. 3 Franz Fischer: [232 von NORDEN ! sehr wahrscheinlich geworden, dass der hohe ano- dische Spannungsverbrauch (in saurem Elektrolyten nur 20, in neu- tralem bzw. alkalischem gegen 100 Volt) im wesentlichen durch einen Uebergangswiderstand in Form einer schlecht leitenden Oxyd- schicht verursacht wird. LEcHer, der die physikalische Seite des Problems untersucht hat, stellt fest, dass mit steigender Klemmenspannung bei Ver- wendung einer Zelle, die Platin bzw. Aluminium als Elektrode, 10 °/ Kalialaunlösung als Elektrolyt enthält, die wachsenden Strom- stärken für beide Richtungen einem gemeinschaftlichen Wert sich nähern, d. h. dass mit steigender Stromdichte das besondere ano- dische Hemmnis zurückgeht. An einer Anode in Form einer Aluminiumdrahtspirale verschwindet das Hemmnis, sobald durch die Spirale ein starker Hilfsstrom zur Heizung gesandt wird. Den Rückgang des anodischen Hemmnisses mit steigender Stromdichte erklärt deshalb LecHer als Folge der Erhitzung einer schlecht- leitenden Schicht durch JouLesche Wärme und deren dadurch be- schleunigte Auflösung. Eine Bestätigung dieser Auffassung liegt darin, dass ein Thermometer, dessen Quecksilbergefäss in einer als Anode dienenden Aluminiumhülse steckt, beim Anschalten von 20 Akkumulatoren sofort 80°, bei 30 Akkumulatoren sofort 105° anzeigt, wobei die Lösung an der Anode siedet. Den chemischen Teil des Problems behandelt eine Arbeit von K. NorpEen. Das Ergebnis derselben ist, dass die nach mehr- maligem Wenden der Stromrichtung von der Aluminiumanode los- gelösten Häute je nach dem Grad der Acidität des Elektrolyten aus Aluminiumhydroxyd bzw. aus basischem Aluminiumsulfat be- stehen. Diese, den Uebergangswiderstand verursachenden Häute würden dann, solange sie noch auf der Anode haften, auf der Aussenseite vom Elektrolyten z. B. zu Aluminiumsulfat gelöst, auf der Metallseite durch Stromarbeit stetig ergänzt. Die geringe Wasserstofientwicklung entsteht nach NORDEN durch die Einwirkung des Elektrolyten auf die feinen, in der Haut enthaltenen und all- mählich blossgelegten Metallflitterchen. Er verwirft damit die von BEETZ aufgestellte Suboxydhypothese, wonach der Wasserstofi durch Einwirkung des Elektrolyten auf primär gebildetes Aluminium- suboxyd entwickelt werden soll. " K. Norpesn, Aluminiumanode. Zeitschr.f. Elektrochemie (1899) 4 S. 159 ff. und 188 ff. 233] UEBERGANGSWIDERSTAND UND POLARISATION AN DER ALUMINIUMANODE. 4 Die Wahrscheinlichkeit, dass der Widerstand der Aluminium- hydroxydhäute im wesentlichen die Ursache des hohen anodischen Spannungsverbrauchs bildet, ist, wie schon erwähnt, sehr gross; in- dessen liegt ein vollwertiger Beweis hierfür noch nicht vor. Man hat versucht, das durch Uebergangswiderstand verur- sachte Spannungsgefälle von der Polarisation im engeren Sinne zu trennen. ISENBURG! hat mit der modifizierten Methode von LE BLAxc gefunden, dass kurz nach Stromunterbrechung bei Klemmen- spannungen von 60 Volt Polarisationsspannungen bis 47 Volt sich messen lassen. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass bei längerer Zeitdauer zwischen Stromunterbrechung und Messung geringere Werte für die Polarisationsspannung gefunden werden. Die hohen Polarisationsspannungen nach Stromunterbrechung deuten nach ISENBURG auf eine kondensatorische Wirkung hin, indem die beiden Leiter, Aluminium und Elektrolyt, durch das äusserst dünne Die- lektrikum, das Al (OH),-Häutchen auf der Oberfläche des Alumi- niums, getrennt sind. Aus dem Umstand, dass die Badspannung die Polarisationsspannung um grosse Beträge übersteigt, schliesst er, dass mit der kondensatorischen Wirkung die Bildung eines schlechtleitenden Niederschlages Hand in Hand geht. „Es ist eben ein grosser Vorzug der angewandten Methode, dass sie den durch Widerstand verursachten Potentialabfall von den an den Elektroden auftretenden Potentialsprüngen zu scheiden gestattet.“ Einem gewöhnlichen Uebergangswiderstand würde demnach in obigem Beispiel nur ein Spannungsverbrauch von 13 Volt zuzu- schreiben sein, während man nach LECHER eher das Umgekehrte erwarten sollte. K. E. GurTHE? nimmt an, dass eine dünne, poröse Oxydhaut auf dem Aluminium die Ausbildung einer die Poren erfüllenden und den Elektrolyten absperrenden Gashaut begünstige. Aus den Poren der Oxydhaut entweiche der Wasserstoff leicht und rasch, der Sauerstoff schwer. Letzterer schliesst dadurch das Aluminium vom Elektrolyten ab im Gegensatz zu dem schnell entweichenden Wasserstoff; damit wäre die Ausbildung eines Widerstands auf der Anode, sein Fortfall auf der Kathode erklärt. Den Widerstand der Oxydhaut selbst hält Gurue nicht für das Wesentliche, wie ! IsENBURG, Zeitschr. f. Elektrochemie (1903) 9 S. 278—280. ® K. E. Gutuz, Physical Review (1902) 15 I 327. 5 Franz FIscHER: [234 aus den Worten hervorgeht: „that the high resistance in the alu- minium rectifier is due to a thin film of gas, probably oxygen.“ Auf der Grundlage der Arbeit von NORDEN entwickeln TAyYLor und Insuis! eine neue Anschauung über das Wesen der Alumi- niumanode. Sie setzen voraus, die nach NORDEN aus Al(OH); be- stehende Haut bleibe unverletzt auch auf dem kathodischen Alumi- nium erhalten. Dann kann es sich nicht um einen „toten“ Ueber- gangswiderstand handeln, dann muss die Haut semipermeabel, d. i. in diesem Falle durchlässig für die Ionen der einen, undurchlässig für die Ionen der andern Stromrichtung sein. Das Verhalten der Anode verlangt Undurchlässigkeit für Al-, OH- und SO;-Ionen, Durchlässigkeit z. B. für H- und Cl-Ionen. Nach der vorläufigen Mitteilung (eine erschöpfende Behandlung des Themas ist an- gekündigt) scheinen Diffusionsversuche, die mit in Gelatine erzeug- ten (AlOH);-Häutchen angestellt sind, die Annahme der Semiper- meabilität zu bestätigen. Es müsste aber der Nachweis erbracht werden, dass es sich im Falle der Permeabilität um wirkliche Dif- fusion durch das unverletzte Al(OH);-Häutchen, nicht aber etwa um Auflösung des Häutchens und Diffusion durch die Gelatine allein handelt. Dass die Widerstandsbestimmungen der Al(OH)3- Trennungsmembranen, die auf ihren beiden Seiten einmal mit Lösungen von KCOl, bei anderer Gelegenheit durch solche von AlCI; bzw. Als(SO,), bespült sind, die erwarteten grossen Unter- schiede nicht ergeben haben, mag einesteils an den von TAYLOR und InGLis angenommenen Gründen liegen, anderseits aber könnte die Ursache auch eine andere sein. Aluminiumhydroxyd ist in Lösungen von Aluminiumsulfat, besonders aber von Aluminium- chlorid leicht löslich, es ist daher nicht zu erwarten, dass ein AUOH);,-Häutchen in direkter Berührung mit den genannten Lö- sungen haltbar ist. Diese neue Anschauung, über deren Berechtigung sich vorerst noch nicht urteilen lässt, ist im übrigen eine Modifikation derjenigen, die als Ursache des anodischen Spannungsverbrauchs einen Ueber- gangswiderstand annimmt. Man sieht aus dem Vorstehenden, dass die Auffassungen über das Wesen der Ventilwirkung, wie sie insbesondere in den letzten Jahren von GUTHE, ISENBURG und TAyLorR und InGLis vertreten worden sind, sich von der einfachen Deutung, die durch LECHER ! Tayror and Inerıs, Philos. Mag. (1905) 5 No. 27 S. 301 ff. 235] ÜEBERGANGSWIDERSTAND UND POLARISATION AN DER ALUMINIUMANODE. 6 und dann durch NORDEN angebahnt war, nach den verschiedensten Richtungen entfernen. Ich habe deshalb im folgenden die Frage abermals in Angriff genommen, ob es sich nicht doch nur um die Ausbildung eines ab- norm grossen, durch Oxydationsprodukte des Aluminiums gebildeten Uebergangswiderstands handelt. Insbesondere habe ich der Frage nach der Herkunft des Aluminiumhydroxyds bzw. des basischen Sulfates Beachtung geschenkt, denn von chemischem Standpunkt ist es nicht wahrscheinlich, dass das Aluminiumbydroxyd, wie NORDEN sich ausdrückt, in schwefelsaurer Lösung sich dadurch an der Anode bilden soll, dass ein durch Schwefelsäurezersetzung sekundär abgeschiedener Sauerstoff unter Mitwirkung des Wassers aus dem Elektrolyten eine Schicht von Als(OH), bildet. 2. Ausbildung und Ueberwindung der Ventilwirkung. Das Auftreten der Ventilwirkung und einer Schicht aus AI(OH);, bzw. basischem Sulfat überrascht am meisten und ist am interessantesten in Schwefelsäurelösungen als Elektrolyt. Da ander- seits die gut leitende Schwefelsäure die Ausbildung von Uebergangs- widerständen besonders scharf erkennen lassen muss, habe ich, wenn nichts anderes bemerkt ist, verdünnte Schwefelsäure und zwar solche vom spez. Gew. 1,175 (K,s = 0,698) als Elektrolyt benützt. Die- selbe, sog. Akkumulatorenfüllsäure, stand in vorzüglicher Reinheit stets zur Verfügung. Als Anode diente zunächst jeweils ein 2 mm starker, 10 mm tief eintauchender Aluminiumdraht, als Kathode ein Platinblech, der Elektrolyt hatte Zimmertemperatur. Das Verhalten der Alu- miniumanode wurde in folgender Weise beobachtet. Die Klemmenspannung zwischen der Aluminiumanode und der Platinkathode wurde jeweils nach fünf Minuten erhöht. Gleich nach jeder Erhöhung wurde die Spannungsdifterenz zwischen der Alu- miniumanode und einer mittelst Heber angeschlossenen Quecksilber- Merkurosulfat-Vergleichselektrode! gemessen und ferner die Strom- stärke ermittelt. Nach vier Minuten wurden diese Messungen wiederholt und lieferten so die zeitliche freiwillige Aenderung der Spannung z und der Stromstärke i. Beim Beginn der fünften Minute wurde die Klemmenspannung wieder erhöht, und dann zu ' Die Vergleichselektrode enthielt Quecksilber unter Merkurosulfat und mit Merkurosulfat gesättigte Schwefelsäure vom spez. Gewicht 1,175, die gleiche, die als Elektrolyt diente. 7 Franz FiscHEr: [236 Beginn und zu Ende des Beobachtungsintervalles wieder x und ö ermittelt. Die Messungen von z und ö geschahen mittelst der Kompen- sationsmethode mit Telephon und vorgeschalteter Unterbrechungs- stelle als Nullinstrument!, die spezielle Anwendung für solche Mes- sungen ist an anderer Stelle beschrieben’. Tabelle 1. FR=R a! ü | Zen Volt Amp i | 175 3,6 0,002 18:6 I) eh 11 2? 3,6 0,002 — | ern 30 - pin | m a SE os SE | Anode wird dunkel. ll 7,3 0,0044 — 11022 7,3 0,0044 .- EN Fr 11 77 0.0054 13,8 “ 114 bla mia 0,0050 "= Ham gen merent) 2 49 ee | os | v5 | Anode blank und weisslich. ’ ’ || TELLER IT mar | 5 ze nee Einzel rasbl 1 Schl : 11 f f 10.38 0,0082 er | we ne Gasblasen und Schlieren amla>B 12,4 0,0110 14,3 | 101898 12,4 0,0106 _ | Hr Pr 12 13,4 Does = | Sehr schwache, aber regelmässige 1.2502 13,41 | 0,0134 a Gasentwicklung. 12 ® 164 2,0020, |) 145, , u 122% 16,4 RN | n- 9 10 | Sy Zu = | in | oe | | a | | Rollendes Geräusch im Telephon. era En er en 219 DE Ä | 12 er hi 0,040 | er ' Umkehrpunkt für den Sinn der 12 20 29705 © 0073 | 15 | freiw. Aenderung. 12% 9720 | 0,098 = 2828 30.8 0,144 | — | Gas und Schlieren. Der Draht ist heiss, die 223 17,4 >83 Amp. 15,5 || Lösung an demselben scheint zu sieden. Aus Tabelle 1 geht hervor, dass bis zu einem gewissen Punkte, den ich „Umkehrpunkt für den Sinn der freiwilligen Aenderung von x und ö“ genannt habe, die Ventilwirkung sich noch weiter ! Franz Fischer, Messung von Potentialdifferenzen mittelst Telephon als Nullinstrument. Zeitschr. f. Elektrochemie (1903) 9 8. 18. ?® Franz FIscHEr, Zeitschr. f,phys. Chemie (1904) 48 8.177 ff., besonders 8.185. 237] ÜEBERGANGSWIDERSTAND UND POLARISATION AN DER ÄLUMINIUMANODE. 83 ausbildet, da die Stromstärke zeitlich ab- und x im allgemeinen zu- nimmt. Geht man mit der Spannungserhöhung weiter, so kehrt sich der Sinn der freiwilligen Aenderung von x und ö um, von jetzt ab beginnt die Ueberwindung der Ventilwirkung. In Tabelle 1 liegt der Umkehrpunkt zwischen 22 und 27 Volt. Bringt man gar z auf 30 Volt, so wächst die Stromstärke rapid über 3 Ampöre an, x selbst fällt von 30 auf 17 Volt, bis zu 30 Volt reicht also unter den gewählten Bedingungen die Ventil- wirkung nicht aus. Dabei fühlt sich das herausragende Ende des Drahtes warm an und die Lösung am eintauchenden Ende des Drahtes scheint zu sieden. Dass die erhöhte Temperatur des Drahtes zur Ueberwindung der Ventilwirkung notwendig ist, nicht aber etwa eine bestimmte Minimalspannung, zeigte sich auf folgende Weise. Ein frischer Anodendraht wurde eingesetzt, x auf 16 Volt ge- bracht, hierbei nahm die Ventilwirkung zeitlich zu. Erhitzte ich das herausragende Drahtende mit einem Streichholz, so wuchs sofort die Stromstärke an, x fiel. Diese Tatsache deutet in Uebereinstimmung mit den Befunden von LECHER (l. c.) darauf hin, dass die Ueber- windung der Ventilwirkung von einer Temperaturerhöhung zum mindesten begünstigt wird. Ob es sich dabei um eine allmählich wirkende Ursache oder eine plötzliche Auslösung handelt, musste sich dadurch ergeben, dass man den Einfluss der Elektrolyttempe- ratur auf diese Erscheinung untersuchte. 3. Einfluss der Temperatur. Der Einblick in die vorliegenden Verhältnisse wird erleichtert, wenn man einerseits bei möglichst konstanter Stromstärke die Aenderung von z, anderseits bei annähernd konstantem x die Aenderung der Stromstärke mit der Temperatur beobachtet. Eine annähernd konstante Stromstärke wurde durch Anwendung von 220 Volt und einer Vorschaltglühlampe von rund 550 ® erzielt. Das Elektrolysiergefäss konnte mittelst eines Bunsenbrenners geheizt werden. Sobald die Elektrolyttemperatur die gewünschte Höhe hatte, wurde die Anode eingetaucht, der Stromkreis geschlossen und nach Eintritt stationärer Verhältnisse x und ö gemessen, Zu lange durfte die Anode, sollte ihre Oberfläche konstant bleiben, nicht eingetaucht werden, da sie ja angegriffen wird. Sie bestand, wie bisher, aus 2mm starkem, 10 mm eintauchendem Draht, dessen übriger Teil mit Asphalt überschmolzen war. 9 Franz FiscHErR: [238 Tabelle 2 enthält die Ergebnisse eines solchen Versuches. Tabelle 2. j 5 — | \ ; Konstante Stromstärke nr. Volt | 9:0. +1, Asmpzilı T | 920 14,74] Se 8018 Bi = = 432271270 — 43,5 | 0,37 | Schlieren und wenig Gas an der Anode. 598 | 10,0 | — | 60,0 | 0,37 | En an 19,8 | 7,3 — 80,0 | 0,38 | — _ 100...) 5,8 | 7 99,8 | 0,38 | Wasserstoffentwicklung an der Anode | | (Einwirkung der H550,). Mit steigender Temperatur des Elektrolyten nimmt, wie wir haben erwarten müssen, der Wert für x ab, die Ventilwirkung geht zurück, jedoch keineswegs plötzlich, sondern ganz allmählich. Der _ anodische Spannungsverbrauch ist selbst dann, wenn die Elektrolyt- temperatur 100° Celsius beträgt, erst auf 5,3 Volt, also auf etwa !/; derjenigen bei Zimmertemperatur gesunken. Bei dieser Tempe- ratur entwickelt das Aluminium durch die Einwirkung der heissen Schwefelsäure gleichzeitig Wasserstofi. Das entsprechende Resultat erhalten wir, wenn wir die Klemmen- spannung möglichst konstant lassen und dann die Zunahme der Stromstärke mit der Temperatur beobachten. Zu diesem Zwecke dienten als Stromquelle drei hintereinander geschaltete Akkumulatoren, die eine Klemmenspannung von 6 Volt lieferten. Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse eines solchen Versuches. Tabelle 3. 20,4 |<0,01 | — | 20,3 5,56 2 Br 30,5.1<0,01 | — | 30,3 | 5,46 || — ri 40,6 |K0,01 | — | 40,6 | 5,34 || — _ 50,5 |<0,01 | — | 50,4 | 5,26 — z 61,2 c.0,08 | — | 61,3 | 5,20 | — == 1702| 006 | — | 703 | 5,1« | = 3 80 0,13 —ı 11080.5 |95406 | Wasserstoffentwicklung an der Anode. 89 | 0,27 — |. 89 5,00 — 100,2 | (0,41.| — 100 j».00 , Sieden am Draht. Minimum schwankt. | | | 0,67 | lu.s4 | —_ nis 239] ÜEBERGANGSWIDERSTAND UND POLARISATION AN DER ALUMINIUMANODE. 10 Trotz konstanter Klemmenspannung bleibt der Wert für x nicht konstant, sondern füllt, da mit dem Anwachsen der Strom- stärke im Stromkreis und durch die steigende Stromdichte an der Kathode immer mehr Spannung verbraucht wird. Dies hindert jedoch nicht, zu erkennen, dass die Stromstärke mit zunehmender Elektrolyttemperatur anwächst und zwar sehr rasch, beweist also ebenfalls, dass mit zunehmender Temperatur die Ventilwirkung kon- tinuierlich überwunden wird. Es wäre jedoch nicht richtig, zu glauben, dass der Schicht- widerstand, wenn wir einen solchen als die Ursache des anodischen Spannungsverbrauchs ansehen wollen, nur durch die Temperatur des äusseren Elektrolyten beeinflusst werde. Die Temperatur in der Nähe dürfte meist höher als die gemessene Elektrolyttemperatur sein, wie der Energieverbrauch an der Anode vermuten lässt. Bei dem Versuch der Tabelle 2 nimmt offenbar die Differenz zwischen Elektrolyt- und Schichttemperatur mit steigender Elektrolyt- temperatur ab, da bei gleichbleibender Stromstärke das Spannungs- gefälle und damit auch das der Wärmeentwicklung proportionale Produkt ö.r geringer wird. Es ist also eine andere Temperatur als die des Elektrolyten und zwar im allgemeinen eine höhere, welche die Ventilwirkung beeinflusst. Beim Siedepunkt des Elek- trolyten sind Schicht- und Elektrolyttemperatur praktisch gleich- geworden. Etwas anders liegen die Verhältnisse für Tabelle 3. Danach würde dort die Differenz zwischen Elektrolyt- und Schichttemperatur mit steigender Elektrolyttemperatur grösser wer- den, bis der Elektrolyt an der Anode siedet. Von diesem Augen- blick ab dient der Energieverbrauch an der Anode in wachsendem Masse zur Verdampfung; die Temperaturdifferenz zwischen Elek- trolyt und Schicht nimmt mit weiter steigender Elektrolyttemperatur wieder ab. Sobald auch der äussere Elektrolyt durch Heizung auf den Siedepunkt gebracht ist, sind die Temperaturen praktisch gleich geworden, der Siedevorgang erfolgt an der Anode besonders heftig. Die Elektrolyttemperatur ist demnach von grossem Einfluss auf die Ventilwirkung. Der Umstand, dass die Temperatur der Anode jedoch eine andere ist als die des Elektrolyten, veranlasste mich, die Anodentemperatur und ihre Aenderungen gesondert zu verfolgen. 1] Franz FiscHEr: [240 4. Temperatur der Aluminiumanode. Zur Messung der Anodentemperatur bedurfte ich besonders geformter Aluminiumanoden. Hierzu dienten Hülsen aus Aluminium- rohr. Sie wurden unten mit Kork ver- schlossen und mit Asphalt überschmolzen, dann mit Quecksilber gefüllt. In diesem steckte das Quecksilbergefäss eines dünnen Thermometers (Fig. 1). Die Hülse hatte 5 mm Wandstärke und 9 mm äusseren Durchmesser, war 22 mm lang und tauchte bis an eine genau fixierte Marke ein. Tabelle 4 gibt einen Versuch wieder, dessen Zahlen in dergleichen Weise ge- wonnen sind wie die der Tabelle 1, als Elektrolyt diente wie bisher Schwefelsäure vom spez. Gew. 1,175 und von Zimmer- temperatur. Unter «a findet man die An- gaben des Anodenthermometers ‘und unter tv diejenigen eines Thermometers, das die Durchschnittstemperatur des Elektrolyten angibt. Tabelle 4. Erler EEE 2 RE et Volt | Amp. °C, IE. gem | 35 | 1,7 | 0,008 | 17,2 | 16,7 | 0,0082 | 3» 1,7 | 0,008 = 16,7 | — 4 9 5,7 | 0,024 18 16,7. 0,0085 4% 5,7 | 0,020 | 183 16,7 — 40 9,0 | 0,084 | 18,8 | 16,7 | 0,0122 | 4% 89 | 0,032 | 19,8 16.8 | — | Bi — Umkehrpunkt 4 0 10.9 | 0,044 | 20,9 16,8 | 0,0156 4 1 109 | 0,046 | 2L,l 16,8 = 415 | 13.8 | 0,086 | 25,3 16,8 0,0305 4% | 138 | 0,102 | 26,6 16,8 nn iR | a5: = 4 20 16,5 | e.0,250 , 39 17 0,0890 a2 a0 16,2 |ie.-0 Aush 33 18 _ er a Eee c.0,900 | 81 183 | 0,320 IN Elektrolyt siedet 4® | 180 j32900 | 109 | 20 |)0,720 jj am der Anode 241] UEBERGANGSWIDERSTAND UND POLARISATION AN DER ÄLUMINIUMANODE. 12 Man bemerkt, wie die Temperatur der Anode erst langsam, vom Umkehrpunkt ab immer rascher bis auf 109° ansteigt. Bei 109° bleibt die Temperatur konstant. Die verwendete Schwefelsäure siedet bei 105° Celsius; berücksichtigt man, dass die Säure an der Anode konzentrierter wird und auch Aluminiumsalz enthalten muss, so ergibt sich, dass die Temperatur an der Anode bei Ueberwindung der Ventilwirkung den Siedepunkt des dortigen Elektrolyten er- reicht. Dass die Anode mit einer Haut überzogen ist, steht heute fest. Stellt man sich vor, dass diese Haut, aus der doch stets Gasblasen heraus entweichen, durchfeuchtet sei, so wird, sobald der Elektrolyt in ihr zum Siedepunkt erhitzt ist, die Haut durch Wasserdampf zerblasen. Ob aber bei dieser Gelegenheit auch eine besonders hohe Gaspolarisation oder dergleichen, die sich unter dem Schutz der Haut hat ausbilden können, verschwindet, sei vorerst dahin- gestellt. Das Versagen der Ventilwirkung des Aluminiums bei zu hoher Klemmenspannung beruht auf der Zerstörung der Haut durch Temperatursteigerung, ist also ein rein thermischer Effekt. Der Umstand, dass die Siedetemperatur dauernd aufrecht er- halten bleibt und dass trotzdem immer noch eine gewisse, wenn auch stark verminderte Ventilwirkung bestehen bleibt, kann sehr wohl die Annahme einer intermittierenden Schichtzerblasung nahe- legen, in der Weise, dass der Wasserdampf lokal die Schicht ab- bläst, dann berührt der Elektrolyt wieder, Schichtbildung, Erhitzung und Zerblasung erneuern sich. Ein eigentlicher Wehneleffekt zeigt sich aber erst, wenn man die Elektrode aus dem Elektrolyten so weit herauszieht, dass sie ihn noch eben berührt. Dann können die sonst an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten statt- findenden Zerblasungen sich nicht mehr gegenseitig verdecken und dadurch einen annähernd kontinuierlichen Stromdurchgang herstellen. Die Beobachtungen LECHERS (l. c.) werden demnach durch. diesen Abschnitt bestätigt und erweitert. 5. Gekühlte Aluminiumanoden. Wenn der Eintritt der Siedetemperatur in oder an der ano- dischen Schicht allein der Grund ist, weshalb die Ventilwirkung des Aluminiums beim Ueberschreiten gewisser Spannungen versagt, so muss dies verhindert werden können, wenn man durch geeignete Kühlung die JouLesche Wärme entfernt. Hierzu wurde die in Fig. 2 angedeutete Vorrichtung benützt. Als Anode diente ein Berichte XIV. 16 13 FRANZ FiscHER: [242 ud Aluminiumrohr von 5 mm äusserem Durchmesser und 0,5 mm Wand- stärke. Der im Elektrolyten steckende Teil der Rohranode war mit Ausnahme eines 10 mm langen Stückes mit Asphaltlack über- schmolzen. Die Verhältnisse zur Abführung der JouLgschen Wärme sind bei Verwendung eines Rohres statt eines Drahtes auch ohne Wasserdurchfluss schon günstiger, so dass man von einer gewissen Selbstkühlung der Elektrode sprechen kann, anderseits bietet die Verwendung von Röhren neben der Möglichkeit der Kühlung noch den Vorteil, dass scharfe Ecken und Kanten, wie z. B. au Blechen, vermieden sind, wodurch ebenfalls die Schichtzerblasung weniger leicht eintritt. Als Kathode diente eine Spirale aus Bleirohr, diese, sowie die Anode konnte durch Wasserdurchfluss gekühlt werden. Der Heber H führte zur Vergleichselektrode, Elektrolyt und Messmethode waren die gleichen wie bisher. Tabelle 5 gibt die Ergebnisse eines Versuches wieder, bei der lediglich die erwähnte Selbstkühlung der Elektrode, also kein Wasserdurchfluss wirksam war. 243] ÜEBERGANGSWIDERSTAND UND POLARISATION AN DER ALUMINIUMANODE. 14 Tabelle 5. Aluminium ohne Wasserdurchfluss. Bemerkungen. Te i t 0 i Volt: | Amp. I: gan 17 I] =» © m Duo [o Ko} oa ID WW oo © u DR No oa e@ >) Siger Nojfo o) & 180) r Pr (= r | € 2 = > oo no oO (>) [09] oO | | | | | rs © | oO ZZ ©E Ne) | 48 | | v SOSSOOSOS OS BO OS © [] a 95 | 355 | 0,0086 15,8 | 0,0093. Se 3,59 0,0036 —— — .))" Oberliäche 1,57 gem. ) | 165) 5770,022611 a2 0,0144 | 5 | 0,020 a pn | ) _ 0,0433 | rm Tran Dune N — 0,120 | N a Ze ke | 24,84%) — 17,3 | Br; | | 50 25,1..:1.,0,060 „| 1..— 0,0382 | EL 30,05 0,072 — 0,0458 | gar 7780,00 0,0685 = 73 39,35 |. 0,0927) — | .0,0586) | QE 3945.| 0904 I = lo. 10 46,8 | 0,084 — 7700555 102% 46,9 0,068 182 | — | Al mit weisslich-oliv- 1085| 155,8°% 1 0,078 = | 0,0497: || far bener Schicht 10 % ER .0,069 Em | | überzogen. Schwa- 10 ah 0.0652 e=3 | | che Gasentwick- 10.2 = URN 0058 = vl lung. Kom 2 70054 — | 0,0844 | 10 599 0,058 7,4 #00369 | Unruhe im Telephon. 1022 59,9 | 0,053 = = | 10 9 63,6 0.051 au 0,0363 Alain 63,7 UL | 1023 70,2 0,060 20 ° 0,0382 || 10» 703 | 0,0586 Er | 107% 71,85 0,060 _ DEREN re i 10% 7295 0.0596 00,6 ° Eu — Umkehrpunkt. 1.1028 — ' 0,0604 — — 10,°° = 0,0608 — — 10 » 0,0616 Ei = 10% = 0,0622 en ni 10° 72,25 0,0630 == _ 10 # E 0,0660 te = 10 #5 = 0,0682 a - I ER —— 0,0760 — T= 10, — 0,0830 — = 10.» = 0,0880 Eu = 70 31 0,0960 — — 10,40, — 0,102 — 0,0650 102% E= 0,124 = —Z— 105 = 0,138 | 22,7 »_ 10» ® 0,156 = en 10. 57 an 0,176 ze | 1052 = 0,210 — 0,134 | 10% ei <0,320 — 0,204 Minimum schw Se: 21% _ 2 Zu) — || periodisch. Schichtzerblasung. Unterbrechung des Stromes. 16* 15 Franz FiscHkr: [244 In Tabelle 1 hatte die Ventilwirkung beim Anschalten von 30 Volt sofort versagt, hier, wo statt der Drahtform die Form eines Rohres benützt ist, bildet sie sich bei 70 Volt noch weiter aus. Der „Umkehrpunkt“ liegt über 72 Volt, das lange Beobachtungs- intervall von 10°° ab gestattet den Rückgang der Ventilwirkung besonders gut zu beobachten. Erst langsamı, dann immer rascher steigt die Stromstärke an, bis schliesslich zur Schonung der Mess- vorrichtungen ausgeschaltet werden musste, War nun lediglich durch die veränderte Form der Anode schon eine derartige Begünstigung der Ventilwirkung erzielt worden, so musste bei der Wasserkühlung selbst die Ueberwindung der Ventilwirkung bei noch höheren Spannungen verhindert werden können. Zu einem derartigen Versuche diente nun ein vollkommen blankes Aluminiumrohr, also ohne jeden Asphaltbelag, die übrige Anordnung war die gleiche, wie Fig. 2 angibt. Die mit dem Elektro- lyten in Berührung befindliche Fläche betrug 12,6 gem. Als Strom- quelle wurde die Lichtleitung mit 220 Volt benützt, in den Strom- kreis waren Glühlampen als Widerstände eingeschaltet. Die Wasserkühlung wurde in Tätigkeit gesetzt und dann der Strom geschlossen. Im ersten Augenblick betrug die Stromstärke gegen 2,5 Amp. und ging dann allmählich im Sinne der Tabelle 6 zurück. Tabelle 6. Aluminium mit Wasserdurchfluss. en ? 1,4—1,1 9,3 ° | 0,111—0,087 || Oberfläche 12,56 gem. 22a) 14 | 08 E 0,064 AR 2 130 | 067 | -. |...0053.. | 220 Volt ander Du 152,4 0,48 — 0,038 | schaltwiderstand, 955 167,4 0,37 =. | ae = 3.0 173 0,33 Va 0,026 = ga 185.2 0,27 Ru 0,022 _ 3 48 189,2 0,22 920 0,018 | = 4”: 195,2 0,17 E= 0,014 Gelblichweisse Haut, 0,0088 wenig Gasblasen. Nach Ablauf einer Stunde war von der metallischen Ober- fläche des Aluminiums nichts mehr zu sehen, das Maximum der Ventilwirkung und damit der Schichtdicke ist nach drei Stunden noch nicht erreicht, die Schicht ist gelblichweiss und lässt wenige (Grasblasen entweichen. 245] ÜEBERGANGSWIDERSTAND UND POLARISATION AN DER ÄLUMINIUMANODE. 16 Nach Schluss des Versuches ist das getrocknete Aluminium- rohr mit einer sehr festhaftenden, einige Zehntelmillimeter dicken Schicht überzogen, die nach K. NORDEN aus Aluminiumhydroxyd bzw. basischem Sulfat besteht. Fig. 3 gibt die graphische Darstellung zu Tabelle 6. Die Abnahme der Stromstärke und die Zunahme der Spannung erfolgt durchaus regelmässig. Die obere Grenze der erreichbaren Spannung scheint lediglich von der Güte der Kühlung abhängig zu sein. Während an Elektroden der gewöhnlichen Form die Schichtzerblasung schon unter 30 Volt in verdünnter Schwefelsäure beobachtet wird, lässt sie sich so über 200 Volt hinaus verhindern. "St Zlumınıum | «2 200302 OD OO 5T U MCGW EU w 5 Zeiten Fig. 3. Weshalb in andern Elektrolyten, z. B. Alaunlösung, das Ver- sagen der Ventilwirkung erst zwischen 60 und 100 Volt bei ge- wöhnlichen Elektroden auftritt, liegt wohl daran, dass dort die Durchlässigkeit für Strom noch geringer ist als in Schwefelsäure, da der Elektrolyt die Schichtsubstanz weniger angreift. Damit ist dann dort die Schichttemperatur für gleiche Spannungen dauernd niederer, die zur Zerblasung nötige Siedetemperatur wird deshalb erst bei höheren Spannungen erreicht als in Schwefelsäure. 6. Polarisation oder Uebergangswiderstand? Der durch Tabelle 6 dargestellte Versuch hat ergeben, dass bei Anwendung von 220 Volt und Vorschaltglühlampe innerhalb einiger Stunden die Schicht an der gekühlten Anode eine Stärke von mehreren Zehntelmillimetern erreicht. Gleichzeitig steigt der 17 Franz FISCHER: [246 anodische Spannungsverbrauch an. Vielleicht ist es unter den neuen Verhältnissen möglich, zu entscheiden, wieviel von diesem Spannungsverbrauch durch Polarisation, wieviel durch. Uebergangs- widerstand verursacht wird. Unter Polarisation ist im folgenden nicht die gesamte, durch Stromfluss erzeugte Veränderung des zwischen Elektrode und Elek- trolyt ursprünglich vorhandenen Spannungsunterschiedes, sondern nur derjenige Teil derselben verstanden, der durch Beeinflussung des anodischen Potentialsprungs durch entladene Ionen hervor- gerufen ist. Der Uebergangswiderstand in Form einer dünnen, schlecht leitenden Schicht macht sich bei kontinuierlichem Stromdurch- gang als Onnuscher Widerstand geltend. Infolge ihres grossen Widerstandes kann die Schicht eine Art Stauung der Ionen ver- ursachen, infolge ihrer geringen Dicke ist die Möglichkeit zur An- sammlung entgegengesetzt geladener Ionen zu ihren beiden Seiten gegeben. Nach Stromunterbrechung werden sich diese Ionen durch die Schicht hindurch wieder vereinigen; es wird damit lediglich von der Zeit abhängen, die zwischen Stromunterbrechung und Messung verstreicht, welche Potentialdifferenz man zwischen den Schichtseiten noch vorfindet. Die Schicht wirkt demnach noch in ähnlichem Sinne wie ein Kondensatordielektrikum, die Spannungsdifferenz zwischen ihren Belegungen ist naturgemäss gleich dem Spannungs- gefälle in ihr, also gleich i - w. Man lasse nun unter den Bedingungen des Versuchs der Ta- belle 6 die Grösse z bis über 200 Volt anwachsen. Ist die Schicht auf der Anode genügend stark geworden, so dass sie für kurze Zeit unverändert erhalten bleibt, und man kehrt die Stromrichtung um, so bleibt der Uebergangswiderstand der gleiche, an die Stelle der anodischen tritt jetzt die kathodische Polarisation des Alumi- niums, welche bekanntermassen klein ist. Führt man den Versuch aus, so scheint einen Augenblick die Stromstärke auch in der neuen Richtung die gleiche zu bleiben. Dann aber wächst sie rasch an, während Lichtbögen aus der Schicht hervorbrechen. Einer Beurteilung des elektrischen Verhaltens treten damit zu grosse Schwierigkeiten entgegen. Die störende Lichtbogenbildung fällt indessen bei niedereren Spannungen fort. Es wurden Versuche mit 72, 36, 24 und 12 Volt angestellt. Als Anoden dienten wasserdurchflossene, blanke Aluminiumrohre von 12,6 gem eintauchender Fläche in der durch Fig. 2 skizzierten 247] ÜEBERGANGSWIDERSTAND UND POLARISATION AN DER ÄLUMISIUMANODE. 18 Anordnung. Der Elektrolyt bestand aus Schwefelsäure vom spez. (zew. 1,175. Die Werte für x sind nach der Telephonmethode, diejenigen für ö mit einem Ampöremeter gemessen. Ein mit 72 Volt angestellter Versuch ist durch Tabelle 7 wiedergegeben. Zuerst dient das Aluminiumrohr als Anode. In einer Stunde etwa hat x 72,3 Volt erreicht, die Stromstärke ist auf 0,18 Amp£öres zurückgegangen, während die Haut auf der Anode sichtbar geworden ist. Tabelle 7. 72 Volt. | 19920 Anode ı 17 2: ; | 11 23-2 “ 11 25 | hl 40.5 ; I n | loRazz R | 1233 | Kathode 41 | 12 | r | | | O5 Anode 2 | Dt | ® | U ı Kathode | 2 28 2 55 a ER 3 05 ® 2] « 37 BER is Se Anode | 4 ni D) | Se ” | au Kathode 4 38 $ | Kehrt man jetzt, 12°, die Stromrichtung um, so bleibt ? = 0,18 Amp£res, x sinkt auf 71,9 Volt, also um 0,4 Volt. Volle 8 Minuten lang bleibt dies so, dann wird wiederum das Aluminium zur Anode gemacht, die Stromstärke bleibt 0,18 Amp£res. 2°” ist @—= 0,14 Amp£res und x = 72,4 Volt. Wendet man, so bleibt 2 = 0,14 Amperes. x sinkt auf 72,0 Volt, d. h. um 0,4 Volt. Auch die mit 36 und 24 Volt angestellten Versuche der Ta- bellen 8 und 9 zeigen, sobald die Stromstärke einmal auf einen 19 Franz FiıscHEr: [248 bestimmten Betrag, rund 0,15 Ampöres, gefallen ist, bleibt die Stromstärke beim Wenden des Stromes dieselbe, nur die zugehöri- gen Werte für x unterscheiden sich jeweils um 0,4—0,6 Volt. Der kleinere z-Wert ist stets derjenige, der bei Verwendung des Alu- miniums als Kathode erhalten wird. Tabelle 8. 36 Volt. Zeit = D Te | t | 5% Anode 23 _ 17° 5 20.5 r 107 4 | u: 028 > 0,98 — — 9 „ 0,83 33,6 — 62 ” 0,27 35,7 iz" 650 ; 0,18 36,1 a Ta pn 0,17 36.2 u 7% Kathode 0,17 | 35,8 e 74 £ 0,16 35,7 170 7.5 K 0,17 & ai zu m. are 35,6 al 7» e 25 ee 170 Tabelle 9. 24 Volt. + 0 Te Anode | 3 — ” 0,67 — | 2 905 h 053 | 293 ö 0,36 93 E 014 | 388 | Kathode 0,16 23,5 = ” 0,19 232 3 nlartaig, 0,31 BOX? 4 Dr 141. 16 4 Anode. !1,4—>0,32| . 23,1 5 08 x 0,22 23,6 6 1 0,18 93.7 6 i 0,17 28,8 6 , Kathode 0,17 — 6 Ki: 0,18 93,2 6 r 0,36 29,2 6 uriins 0,55 91,6 6 1 1,18 18,5 249] UEBERGANGSWIDERSTAND UND POLARISATION AN DER ALUMINIUMANODE. 20 Tabelle 10. 12 Volt. 0,25 10,5 0,12 10,7 s 0,11 10,7 _ ® 105° | Kathode | 0,76 7 u & 11% x 0,98 6 = z 11% £ 1,95 1,9 a 2 11° ; 2,03 1,7 Tate = Il, ZU Anode 0,12 — — = 4 05 E 0,10 A it 2 4° | Kathode 0,62 | — | — 2 | 0,4 ST ER R | = ” ’ , | ; 1.) 37 — | = ” 1,95 2, IT| Bei 72 und 36 Volt ist die Stromstärke fast immer beim Wenden unverändert, bei 24 Volt trifft dies erst nach langer Ver- suchsdauer zu, bei 12 Volt ist die Stromstärke, wenn Aluminium Kathode wird, stets grösser als vorher. Weshalb dies der Fall ist, wird sich später ergeben. Was sagt nun die Tatsache, dass die Stromstärken z. B. ın dem Versuch der Tabelle 7 in beiden Richtungen die gleichen sind, dass sich aber die Werte für ct um den Betrag von 0,4 Volt unterscheiden? Man sieht sofort, dass der anodische Spannungs- verbrauch im wesentlichen durch Uebergangswiderstand, nicht aber durch Polarisation erzeugt wird. Genaueres erfährt man aus der Betrachtung der Messungen, welche in Tabelle 7 bei 12°° an- geführt sind. Die Stromstärken sind im einen wie im andern Sinne gleich. Für x ergibt sich: Al ist Anode: I. z=+i-w+ Ala/Hg = + 72,3 Volt‘. Al ist Kathode: II. r = — i-w+ Alk/Hg = — 11,9 Volt. l..+ I. Ala/Hg + Alk/Hg= 0,4 Volt d.h. Die Summe der Ketten: anodisch polarisiertes Al/ — feste Salz- schicht — H, 80, — Hg5 80; — /Hg und: kathodisch polarisiertes ' /Hg bzw. Hg>sSO,/Hg ist der Potentialsprung des Quecksilbers der Ver- gleichselektrode gegen den Elektrolyten. Vgl. Abschnitt 2. Al, = Al katho- disch polarisiert. Al, = Al anodisch polarisiert. 91 Franz Fischer: [250 Al/ — feste Salzschicht — H, 50; — Hg3 50; — [Hg beträgt 0,4 Volt. Das bei gleichen Stromstärken und konstant bleibendem Ueber- gangswiderstand gleiche, nur verschieden gerichtete Spannungsgefälle i-w fällt bei Addition von Gleichung I und II heraus. In der Gleichung I + II lässt sich nun die Kette Ala/Hg nicht für sich ermitteln, da bei der anodischen Polarisation gleichzeitig der Uebergangswiderstand auftritt, dagegen lässt sich der Wert Alx/Hg bestimmen. Man kann die Kette: Alx blank / — H, 50; — Hys SO, — /Hgy messen, indem man 12,6 gem blankes Aluminium in der stets verwendeten Schwefelsäure mit 0,18 Ampöres kathodisch polarisiert und die Spannungsdifferenz der Al-Kathode gegen das (Quecksilber der Vergleichselektrode misst. Dieser Wert darf dann für Alr Schicht — /Hg gesetzt werden, wenn sich zeigt, dass die Anwesenheit der Schicht elektromotorisch nicht von besonderem Einfluss ist. Es wurde ‚gefunden: a) Al blank, kathodisch polarisiert /H5 50; — Hys 50,/Hg = — 1,3 Volt. b) Al blank, stromlos /H3850; — Hg3 50; — Hg — 1,08 „ c) Al mit Schicht, stromlos /H380; — HS0,; — Hg —10 „5 gleichgültig, ob Al vorher als Anode oder Kathode benützt war. d) Al in gesättigter Al,(SO,);-Lösung — H,80; — Hp S0; — HH —09 „5 e) Al blank /— H350, — / Schicht — Al 0,0810, Die Anwesenheit der Schicht auf Aluminium ruft eine Aende- rung von weniger als einem Zehntelvolt hervor, wie durch Vergleich von b und ec, und wie unter e ersichtlich, und wirkt im gleichen Sinne wie die Anwesenheit von Al,(80,); (vgl. d). Ich setze daher: III. Alx/Hg = — 1,3 Volt. Dann ergibt sich (I. + IL.) — III. Ala/Hy = + 1,7 Volt. Ferner Ale — Ala = — 3 Volt. 11. Uns am Tor ae once 20 10,6 Volt. Im vorliegenden Falle beträgt das durch Uebergangs- widerstand verursachte Spannungsgefälle 70,6 Volt, die Aenderung in der Stellung des Aluminiums beim Ueber- gang von kathodischer zu anodischer Polarisation 3 Volt. 251] ÜEBERGANGSWIDERSTAND UND POLARISATION AN DER ÄLUMINIUMANODE. 292 Eine mit 0,18 Amp£eres auf 12,6 qgcm als Anode verwendete Platinelektrode entwickelt Sauerstoff und zeigt gegen das Queck- silber der Vergleichselektrode rund + 1,6 Volt. Pta/ Hg = + 1,6 Volt. Vergleicht man hiermit (I. + IL) — III. Ala/Hg = + 1,7 Volt, so darf man sagen: Aluminium wird durch anodische Polarisation Sauerstoffelektrode wie das anodische polarisierte Platin. Hierzu stimmt die Tatsache, dass die Aluminiumanode in Schwefelsäure Sauerstoff entwickelt!. (Vgl. S. 2). Die vollkommene Kontinuität der angestellten Versuche ergibt allgemein für die Aluminiumanode: Der hohe anodische Spannungsverbrauch der Alumi- niumelektrode wird im wesentlichen durch Uebergangs- widerstand erzeugt. Die anodische Polarisation ist an ihm nur mit einem Betrag beteiligt, wie er einer gewöhnlichen Sauerstoffpolarisation zukommt, der ganze Rest ist ’-w. Ich habe eingangs angeführt, dass noch in jüngster Zeit von ISENBURG nach der modifizierten Le Brancschen Methode fest- gestellt wurde, dass kurz nach Stromunterbrechung zwischen dem Aluminiummetall und dem Elektrolyten noch Potentialdifferenzen von 47 Volt bestehen, wenn Badspannungen von 60 Volt angewendet wurden. Diese Tatsache erkläre ich mir folgendermassen. Bei kontinuierlichem Stromdurchgang äussert sich die Anwesenheit der Oxydhaut auf dem Aluminium nur in ihrem Onnmschen Widerstand. Die durch ihre besonderen Eigenschaften begünstigte Ansammlung von Elektrizität zu ihren Seiten, die Anhäufung entgegengesetzt geladener Ionen bewirkt, dass man bei rasch nach Stromunter- brechung ausgeführter Messung noch Bruchteile des früheren, dem i- vw gleichen Spannungsunterschiedes vorfindet. Solche Bruchteile, vermehrt um die volle oder auch schon verminderte Sauerstoff- polarisation, sind nach meiner Ansicht die von ISENBURG gemessenen Werte. Es würde danach lediglich von der Messgeschwindigkeit ab- hängen, wie weit man sich dem vollen, dem i-w gleichen Werte ! Auch die Möglichkeit, statt der in konz. Salpetersäure in Bunsen- elementen verwendeten Kohle Aluminium zu benützen, steht hiermit in Ein- klang. Hier ist die Aluminiumelektrode ebenfalls Sauerstoffelektrode. Vgl. z. B. WÖHLER, Liebigs Annalen 204 S. 118. 23 Franz FiIscHErR: [252 für die Spannungsdifferenz zwischen den beiden Schichtseiten nähert, gleiche Ausgleichsgeschwindigkeit in den jeweiligen Versuchen voraus- gesetzt. Eine indirekte Bestätigung dieser Auffassung erblicke ich darin, dass ISENBURG tatsächlich bei geringerer Messgeschwindigkeit niederere Werte für die zwischen Anode und Elektrolyt vorhan- denen Spannungsdifferenzen findet. Könnte die Messung unendlich rasch nach Stromunterbrechung vorgenommen werden, dann müsste man auch die volle Summe von Sauerstoffpolarisation und ö- wu beobachten. 7. Die Dicken der Schichten. Ueberblickt man die in den Tabellen 7, 8, 9 und 10 nieder- gelegten Versuchsergebnisse, so bemerkt man, dass überall unab- hängig von der angewendeten Klemmenspannung bzw. von dem Spannungsgefälle in der Schicht bei Verwendung des Aluminiums als Anode die Stromstärke schliesslich Werten zustrebt, die um 0,14 Amp. liegen, und da konstant bleibt. Diese gemeinschaftliche Endstromstärke verlangt, dass die Schichtwiderstände sich den Spannungen proportional verhalten. Durch mehrmaliges Wenden der Stromrichtung wurden die Häute von dem Aluminiumrohr los- gesprengt, sobald ö konstant geworden war. Mit Mikroskop und Okularmikrometer wurde bei 30facher Vergrösserung die Haut- dicke an den verschiedensten Stellen gemessen. Wie Tabelle 11 zeigt, lagen die Werte der Hautdicken von den Versuchen mit 13, Tabelle 11. Spannung Mittlere in Volt Hautdicke 0,048 0,105 0,145 0,290 24, 35 bzw. 72 Volt recht nahe den Zahlen 0,05, 0,1. 0,15 und 0,3 mm. Angesichts der Proportionalität der Spannungen in Volts und der Hautdicken in Millimetern darf man sagen: Die Dicken der ausgewachsenen Häute sind den Spannungen pro- portional. Ist die Hautsubstanz durchweg von gleichem Wider- stand, so verhalten sich also tatsächlich, wie oben gefordert wurde, die Schichtwiderstände wie die Spannungsgefälle. Damit ist die 253] UÜEBERGANGSWIDERSTAND UND POLARISATION AN DER ÄLUMINIUMANODE. 24 Aehnlichkeit der Endstromstärke aber noch nicht auf ihre tiefere Ursache zurückgeführt. Es ist nun bekannt, dass die Schichtsubstanz rein chemisch von dem Elektrolyten aufgelöst wird. Bei gleicher Angriftsfläche und gleicher durch die Innenkühlung des Rohres be- wirkter Temperatur werden daher gleich zusammengesetzte, die Schicht bespülende Elektrolyte ganz unabhängig von dem im Innern der Schicht vorhandenen Spannungsgefälle in gleichen Zeiten gleiche Mengen Schichtsubstanz auflösen. Der Schichtwiderstand und damit die Schichtdicke nimmt anderseits so lange zu, bis die durch die Stromstärke repräsen- tierte DBildungsgeschwindigkeit der Schicht ihrer Auflösungs- geschwindigkeit gleichgeworden ist. Letztere ist aber unabhängig von der angewendeten Spannung, die Endstromstärke erscheint daher als Mass für die in allen Versuchen gleiche Auf- lösungsgeschwindigkeit der Schichtsubstanz durch den Elektrolyten. Die Erklärung dafür, weshalb bei dem mit 12 Volt angestellten Versuch in Tabelle 10 die Stromstärke beim Aendern der Rich- tung nie gleichblieb, sondern, wenn Aluminium Kathode wurde, stets grösser war, bin ich bisher schuldig geblieben. Jetzt ist sie leicht zu geben. Die Haut, die mit 12 Volt erzeugt wurde, ist die dünnste von allen, sie wird als mechanisch schwächste von den unter ihr beim Wenden des Stromes entstehenden Wasserstoft- blasen gelockert und verletzt, wodurch der Uebergangswiderstand grösstenteils beseitigt und ein Stromdurchgang erleichtert wird. Dass auch bei den dickeren Schichten, sobald Aluminium Kathode ist, durch die Arbeit der Wasserstoffblasen und die lösende Wirkung des Elektrolyten der Stromdurchgang zunimmt, zeigen die mit 72, 36 und 24 Volt angestellten Versuche. Alle diese unter Kühlung auf der Elektrode angewachsenen Häute sind leicht sichtbar, die Anwesenheit der unter gewöhnlichen Umständen sich bildenden Häute ist insbesondere in nichtsaurem Elektrolyten mit blossem Auge kaum zu bemerken, kein Wunder daher, wenn sie bei Stromwendung gar nicht zu existieren scheinen; müssen diese dünnsten Häute doch äusserst verletzlich sein. Dass sogar für die anodische Stromrichtung eine häufige Ver- letzung einer Haut eintritt, zeigt der mit 12 Volt angestellte Ver- such. Stetiges Zucken der Amperemeternadel und rollendes Neben- seräusch im Telephon lehren, dass Widerstandsänderungen statt- finden. Vielleicht spielt hier die allerdings schwache Sauerstofi- 95 » Franz Fischer: [254 entwicklung eine ähnliche zerstörende Rolle wie an der Kathode der Wasserstoft. | Die von der Anode losgetrennten Häute, die nach NORDEN aus AKOH);' bzw. aus basischem Aluminiumsulfat bestehen, sind voll- kommen starre, äusserst zerbrechliche Gebilde. Unter dem Mikro- skop bei 300facher Vergrösserung besehen, machen sie den Ein- druck, als bestünden sie aus verfilzten, kristallinen Stücken. Die Häute, die mit 12 Volt gewonnen wurden, sind gut durchscheinend, die von 24 Volt eben noch, die Häute von 36 und 72 Volt sind undurchsichtig und haben einen Stich ins Graugrüne. Dass die Häute so starr und dicht sind, wie man es eigentlich von A/(OH), nicht erwartet, lässt die Vermutung auftauchen, dass mit der Entstehung des A/(OH); noch ein besonderer Austrocknungs- prozess zusammentrifft. Ein solcher ist in Form elektrischer Endos- mose sehr wohl denkbar?, da, wie ich mich überzeugt habe, Aluminiumhydroxyd, das im Wasser suspendiert ist, ganz gleich- gültig, ob das Wasser alkalisch bzw. angesäuert ist oder nicht, nach der Anode wandert?,. Ich habe ferner feststellen können, dass eine Paste aus Wasser und Aluminiumhydroxyd konsequenterweise an der Anode antrocknet, an der Kathode wässriger wird, da in diesem Falle aus dem an der Anode bereits festliegenden Aluminium- hydroxyd das Wasser durch elektrische Endosmose fortgetrieben worden ist. Es erscheint deshalb nicht ausgeschlossen, dass die Ventilwirkung noch durch einen Vorgang unterstützt wird, der darin besteht, dass an der Anode die Schicht durch Endosmose aus- trocknet und sich anlegt, während sie an der Kathode quillt und sıch lockert. 8. Zusammenfassung. l. In Schwefelsäure nimmt für eine bestimmte Klemmen- spannung der anodische Spannungsverbrauch infolge Zunahme des Schichtwiderstandes erst zeitlich zu, die Stromstärke dagegen sinkt. ! Die Entstehungsweise dieses Aluminiumhydroxyds berührt NORDEN (Zeit- schrift f. Elchem. 6 S. 201) mit folgender Wendung: „Der bei der Schwefel- säurezersetzung sekundär abgeschiedene Sauerstoff erzeugt auf dem Aluminium der Anode unter Mitwirkung des Wassers aus dem Elektrolyten eine Schicht von Als(OH)g“ Eine Erklärung dieser Anomalie — das AUOH), entsteht auch in verdünnter Schwefelsäure an Stelle von Aluminiumsulfat — steht in- dessen bis heute noch aus. * Vgl. Brepie, Zeitschr. f. Elektrochemie (1903) 9 S. 738. — Graf SCHWERIN, Zeitschr. f. Elektrochemie (1903) 9 S. 739. ® Bei kolloidalen Lösungen von AU(OH); liegen die Verhältnisse ‚anders. 255] ÜEBERGANGSWIDERSTAND UND POLARISATION AN DER ALUMINIUMANODE. 26 Sobald jedoch durch die JoutLesche Wärme die Schicht- temperatur ansteigt, überholt die Auflösungsgeschwindigkeit der Schichtsubstanz wieder deren Bildungsgeschwindigkeit, daher geht jetzt zeitlich der Spannungsverbrauch zurück, die Stromstärke steigt. 2, Das Temperaturmaximum der Schicht ist gleich dem Siedepunkt des Elektrolyten, dabei wird die Schicht durch Wasserdampf zerblasen. 3. Durch Innenkühlung der Elektroden mittelst Wasserdurch- fluss wird die Schichtzerblasung, d. i. die Vernichtung der Ventil- wirkung, in verdünnter Schwefelsäure bis zu 200 Volt hinauf ver- hindert, während sie bei ungekühlten Elektroden schon zwischen 20 und 30 Volt eimtritt. Das Versagen der Ventilwirkung oberhalb einer gewissen Klemmenspannung ist demnach ein rein thermischer Effekt. 4. An gekühlten Aluminiumrohranoden erreichen die Schichten erhebliche mechanische Festigkeit. Beim Wenden der Stromrichtung bleibt die Schicht unverletzt und die Stromstärke unverändert. Der Spannungsverbrauch der schichtumhüllten Kathode ist eine Kleinig- keit geringer als an der Anode. Die anodische Polarisation des Aluminiums ist eine Sauerstoffpolarisation von derselben Grösse, wie sie am Platin bekannt ist. Hierzu stimmt die Tatsache, dass die Alu- miniumanode in Schwefelsäure Sauerstoff entwickelt. Der ganze Rest des hohen anodischen Spannungs- verbrauchs wird durch Uebergangswiderstand verursacht. 5. Die an den gekühlten Rohranoden anwachsenden Schichten lassen sich durch Wenden der Stromrichtung absprengen. Die Dicken der abgesprengten Schichten sind dem Spannungsgefälle proportional, das in der Schicht wäh- rend ihrer Entstehung herrschte. Die Ursache hierzu liegt wohl in der gemeinsamen, von der Höhe der angewendeten Spannung unabhängigen Endstromstärke, die ergänzt, was der Elektrolyt rein chemisch auflöst, und damit ein Mass für die Auflösungsgeschwindigkeit der Schicht unter den gerade obwaltenden Bedingungen abgibt. 6. Die grossen Spannungsdifferenzen, die sich kurz nach Strom- unterbrechung zwischen Aluminium und dem Elektrolyten messen lassen, sind aus zwei im Abklingen begriffenen Teilen zu- sammengesetzt. Der erste Teil ist eine Sauerstoffpolarisation, 27 FRANZ FISCHER: ÜEBERGANGSWIDERSTAND. [256 der zweite eine Potentialdifferenz zwischen den Schichtseiten, die durch Stauung und Ansammlung entgegengesetzt geladener Ionen zu beiden Seiten der Schicht erklärt werden kann. 7. Im Gegensatz zu den Schichten auf gekühlter Anode bleiben diejenigen auf ungekühlten Elektroden äusserst dünn und kaum bemerkbar. Die Ventilwirkung der ungekühlten Aluminiumelektrode besteht dann wohl darin, dass der anodische Stromstoss die Haut bildet oder ergänzt, während der kathodische Stromstoss die zarte Haut durch die darunter entstehenden Wasserstoffblasen :sofort verletzt und dann kaum behindert hindurchgeht. Phys.-chem. Institut der Universität Freiburg i. B. 257] 1 (Geologische Beobachtungen im Antirhätikon. Eine vorläufige Mitteilung von W. Paulcke. Mit einer Kartenskizze !. Den Namen Antirhätikon für das zu behandelnde Gebiet über- nehme ich von G. A. Koch (Abgrenzung und Gliederung der Silvretta- gruppe etc. S. 12), der denselben unter Hinweis auf die Tatsache aufgestellt hat, dass dieser Gebirgsteil Graubündens in vielem „das leibhaftige Gegenstück des Rhätikon“ darstellt. Von den verschiedenen anderen Namen, die in der Literatur für unsere Gegend eingeführt sind, will ich nur die bekanntesten Bezeichnungen „Muttlergebirge*“ und „Sammaungruppe* erwähnen. In der Begrenzung des Antirhätikon, welches geologisch das Gebiet der sog. „Kalktonphyllite des Unterengadin“ darstellt, kann ich mich im allgemeinen @. A. Koch anschliessen. Die N- und WNW-Grenze wird durch den vorwiegend kri- stallinen SW bis NO streichenden Kamm: Landeck—Thialspitze— Furgler— Hexenkopf— Vesulspitz gebildet, der das Paznaun im SO begrenzt. ! Die beigegebene Kartenskizze soll nur eine allgemeine Orientierungs- möglichkeit geben; zu diesem Zweck sind die wichtigsten in dieser Mitteilung erwähnten Namen eingetragen. Vor allem ist Wert darauf gelegt, dass die Lage der Unterengadiner Ueberschiebungsgebiete im Verhältnis zu den sie um- gebenden kristallinen Gebieten deutlich ins Auge springt, damit die von mir geschilderten Schubrichtungen, ihre Interferenzen, und die Ausweichmöglich- keiten verständlich werden. — Vgl. hierzu zur allgemeinen Orientierung Blatt X und XV der Geologischen Karte der Schweiz. — Druckfehler auf der Kartenskizze: statt Schlatta-P. lies Scaletta-Pass. Am Endkopf (Trias) fehlt die Umrandung. Berichte XIV. 17 9 W. PAULckE: [258 Die NW- und W-Grenze wird durch den, der Silvrettagruppe s. str. angehörenden, kristallinen Kamm: Berglerkopf—Gemsbleis- spitz—Fluchthorn gebildet: der S-Teil der W-Grenze ist unregel- mässiger. Er zieht vom Fluchthorn über den Futschölpass, folgt dann im allgemeinen der Val Urschai und Val Tasna gegen Ardetz mit zwei westlich gerichteten Ausbuchtungen in die Val Tuoi zwi- schen Piz dellas Olavigliadas und Piz Cotschen, sowie gegen Guarda. Die S- und SW-Grenze folgt von Guarda an im allgemeinen der Innlinie, sie überschreitet den Inn in geringfügigem Masse bei Ardetz und bei Tarasp gegen Val Sampuoir und Val Plafna. Von Martinsbruck an, Inn abwärts, hört dieser Fluss jedoch auf, die Grenze zu bilden. Hier fluten die Schiefermassen weit nach O, bis ihnen die kristalline Masse der Oetztaler Alpen eine Grenze setzt. In dem fast ausschliesslich sedimentären Antirhätikon ist nur ein orographisch stärker hervortretender Gebirgszug entwickelt, d.i. der sigmoid verlaufende, wesentlich W—O gerichtete Gebirgskamm Piz Tasna (3183 m)—Piz davo Lais (3031 m)— Piz Roz (3115 m)— Stammerspitz (roman. Piz Tschütta, 3258 m)—Muttler (3298 m)— Piz Mondin (3147 m). Dieser Gebirgszug trennt auf der vorwiegend S—N verlaufenden Strecke Piz Tasna—Piz Roz, das obere Fimbertal von der winkelig darauf zulaufenden Val Sinestra: der vorwiegend W—O gerichtete Teil: Piz Roz—Stammerspitz—Piz Mondin scheidet die Val Sinestra vom Samnauntal. Die höchsten Erhebungen betragen um 3200 m. Die Passübergänge weisen relativ beträchtliche Höhen (um 2700 m) auf, woraus die Abgeschlossenheit, und die daraus folgenden eigen- artigen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die in ge- wissen Gebieten des Antirhätikon herrschen, erklärbar werden. Das Vorwiegen von kalkreichen und kalkarmen Schiefern be- dingt zum Teil eine relativ geringe Aczentuierung der Bergformen auf der Dachseite des Schichtfallens, während auf der Seite der Schechtköpfe, und da, wo Spilitmassen, oder grössere Dolomitkom- plexe auftreten, sowie in den kristallinen Grenzgebieten, kühnere Formen gebildet werden. Besonders im Inntal tritt der, jedem Beschauer sofort ins Auge fallende, Kontrast zwischen den sanftgeneigten, mattenbedeckten Hängen des Schiefergebietes im NW und den schroffen Dolomit- abstürzen der Sesvennagruppe im SO scharf in die Erscheinung. Ueber der Wald- und Wiesenregion zeigt das Schiefergebiet ein Bild öder Einförmigkeit, so dass den Geologen beim ersten Durch- 259] (#EOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN IM ÄNTIRHÄTIKON. 3 wandern fast ein Grauen befällt vor der Aufgabe, in dieser Schiefer- öde Ordnung zu suchen. — Da das Gebiet für die alte Frage nach dem Alter der „Bündnerschiefer“, wie für die Tektonik Graubündens, und damit die der Alpen, von ausserordentlicher Wichtigkeit ist, entschloss ich mich auf Anregung meines hochverehrten Lehrers. G. STEINMANN, den Antirhätikon einer genauen Bearbeitung zu unter- ziehen, und das Gebiet in grossem Massstabe zu kartieren, weil schliesslich nur durch exakte kartographische Aufnahmen eine sichere Grundlage für eine klare Erkenntnis stratigraphisch, wie tektonisch schwer entwirrbarer Verhältnisse in den Alpen gewonnen werden kann. G. STEINMANN für seine, seit Beginn meiner Studien mir zu gute kommende, reiche Anregung und Förderung nach jeder Rich- tung an dieser Stelle zu danken, ist mir ein Herzensbedürfnis. — Der wissenschaftliche Beirat des C. A. des D. Oe. A.-V. bewilligte mir für den Sommer 1903 eine Unterstützung zur Fortführung meiner Arbeiten im Antirhätikon, wofür ihm mein bester Dank gebührt. Der Antirhätikon hatte sich nur in geringem Masse des aktiven Interesses der Geologen zu erfreuen, wie aus folgendem kurzen, literarisch-historischen Rückblick ersichtlich ist. Literatur. ESCHER und STUDER verdanken wir die ersten Notizen über unser Gebiet. STUDER beschreibt die Granite, Gneisse, Glimmer- und Hornblendeschiefer der Silvretta, er erwähnt die Beobachtungen EscHers über den Gabbro, Serpentin und Spilit des Piz Minschun und des Bürckelkopfes, und nennt die Gipse des Unterengadin in Verbindung mit den Schiefern Mittelbündens. — Der Gruppe der „grauen Schiefer“ Westbündens reiht er die Ton- und Kalkschiefer des Unterengadin an, und betont, dass die in der Nähe der „Erup- tionsspalte des Engadin“ stark metamorphosierten Schiefer immer normaler werden, je weiter man sich von dieser Störungszone ent- fernt. Er sagt (l. c. S. 377) „man möchte sie (die Schiefer) sogar mit noch jüngeren Schiefern (als Lias) vergleichen, und eher Fucoiden als Belemniten zu finden erwarten“. (!) Wir werden gelegentlich des vorläufigen Gliederungsversuches dieser Schiefer wieder auf STUDERs Aeusserungen zurückzukommen haben. EscHER entdeckte im Samnauner (sebiet bei Alp Bella „wo diese grauen Schiefer ein hoch aufgeworfenes Gewölbe bilden“, und am Greitspitz, Belemniten und Pentacriniten. 17= 4 W, PaAutcke: [260 Dieser später stets wieder zitierte Fund führte dann dazu, dass, besonders durch THEOBALD, der ganze Schieferkomplex für jurassisch erklärt wurde. Eingehendere geologische Bearbeitung des Antirhätikon, in Ver- bindung mit derjenigen ganz Graubündens, verdanken wir THEOBALD, welcher zuerst eine kleinere Arbeit!, und dann 1864 seine grosse Bündner Arbeit mit den Blättern X und XV der geologischen Ueber- sichtskarte der Schweiz im Massstab 1: 100000 herausgab. In diesem, in seiner Art monumentalen Werk behandelt TnEo- BALD den Antirhätikon in grossen Zügen. — Wie überall in Grau- bünden, so sehen wir auch hier, wenn wir THEOBALDS Spuren folgen, wie gut dieser verdienstvolle Forscher beobachtet hat, als er die wissenschaftlich-geologische Grundlage schuf, auf der wir jetzt weiter- bauen können. — Er unterschied an Sedimenten: Casanaschiefer, Quarzite, Quarzitschiefer und Conglomerate, die er unter dem Namen Verrucano subsummierte. — Für Gipse, Rauhwacken, Dolomite und Kalke von Zebles und Saläs hielt er das Guttensteiner Niveau für wahrscheinlich. — Einen Dolomit am Greitspitz deutet er als Hauptdolomit, eventuell p. p. Dach- steinkalk, doch ist es ihm unmöglich, zwischen diesen Gesteinen eine Trennung vorzunehmen. Einerseits vermutet er in dieser Dolomit- Rauhwacken-Gipszone das Auftauchen eines Triasrückens, ander- seits glaubt er, dass die Gipse in die „Allgäuschiefer“ eingelagert seien. Die Belemniten des Greitspitz, sowie die unbestimmbaren Reste von Ammoniten, Brachiopoden und Zweischalern veranlassen THEO- BALD, nicht nur die Gesteine dieser Fundstellen, sondern die ge- samten Schiefer des Antirhätikon für zweifellos liasisch, und zwar für „Allgäuschiefer* zu erklären. — Seine Karte weist demnach, ausser den Durchbrüchen basischer Eruptiva, und dem schmalen Verrucano-Triaszug im N und NNW des Gebietes, durchgehend, über sämtliche Berge und Täler hinweg, einförmige Liaskolorierung auf. Das Auftreten basischer Eruptiva (Diorite, Gabbros, Diabase, Spilite, Serpentine) an den Rändern des Gebietes und z. B. mitten innerhalb der „Allgäuschiefer“, und die Umwandlung der Schiefer durch diese Eruptiva, finden bei THEOBALD eingehende Erörterung; allerdings fügen sich diese Vorkommnisse nicht in den Rahmen der ! Unterengadin. Geognost. Skizze: Neue Denkschr. ete. Bd. 17. 261] GEOLCOGISCHE BEOBACHTUNGEN IM ANTIRHÄTIKON. 5 eigenartigen tektonischen Erscheinungen, für deren Eıklärung die Theorie des einfachen Faltenbaus völlig versagt. Von Vorahnungen der tektonischen Verhältnisse im Anti- rhätikon, wie Bündens überhaupt, möchte ich an das Profil STUDERS erinnern, auf dem er (Geol. d. Schweiz S. 273) die Gneisse und Hornblendeschiefer des „Fimberspitz“ auf die grauen Kalkschiefer des Piz Minschun überschoben zeichnet, wie er auch sonst, z. B. im Gebiet von Arosa, direkt von Ueberschiebungen des Kristallinen auf die mesozoischen Sedimente spricht. Ebenso zeichnet THEOBALD (]. c. Taf. III) auf seinem (auch im Führer von BrAas reproduzierten) Profile, Gneisse und “limmer- schiefer nördlich der schwarzen Wände (Bürckelkopf) in NS-Richtung auf jüngere Bildungen überschoben, und lässt die Schiefer bei Reschen unter die Gneisse der Oetztaler Alpen untertauchen. S. 287 (l. e.) äussert er sich auch dahin, dass die Lagerungs- verhältnisse so merkwürdig seien, dass man glauben könnte, die kristallinen Gesteine seien über Lias- und Triasbildungen „gleichsam überschoben“. STACHE (V. R. A. 1872 S. 253) widerspricht bezüglich der Altersbestimmung der Schiefer den Schweizer Geologen (ESCHER, STUDER, THEOBALD); er will die Schiefermassen nicht als Lias ge- deutet wissen, hält die durch Petrefaktenfunde als jung gekenn- zeichneten Gesteinspartien für lokal eingezwängte Reste, und verfällt in das entgegengesetzte Extrem, indem er den ganzen Komplex für paläozoische Kalktonphyllite erklärt. (4. A. Kochs Notizen (Abgrenzung und Gliederung der Silvretta Gr. ete.) über den Antirhätikon bringen an Tatsächlichem nichts Neues, Interessant ist in seinen Publikationen besonders die Erkennt- nis, und der nachdrückliche Hinweis, dass der Antirhätikon, seiner geologischen Zusammensetzung nach, grosse Verwandtschaft mit dem Rhätikon zeigt, wennschon „die typischen mesozoischen Kalke der Trias, Lias und Tithonbildungen im Rhätikon zu einer ungleich stärkeren Ausbildung gelangen, als im ganzen Antirhätikon#, Bezüglich der „Schieferfrage“ möchte ich folgende Worte Kochs im Wortlaut zitieren; er glaubt, dass „die Kalke und Schiefer zum mindesten von der unteren Trias bis zur oberen Kreide hinauf- reichen“, und schreibt weiter: „Sämtliche Kalke und Schiefer sind relativ arm an Petrefakten, ihre Altersbestimmung daher recht schwierig. Die Bündnerschiefer (= Kalktonphyllite SrtAcnes) füllen die Talgehänge des Rhätikon und Antirhätikon gegen Landquart 6 W. PAULcKE: [262 und Innfluss aus, greifen auch tief ins Inntal hinüber, und repräsen- tieren mit ihren Kalken Bildungen, welche wahrscheinlich in der paläozoischen Zeit beginnen, und bis ins Tertiäre (Eocän) hinan- gehen.“ In ähnlichem Sinne hatte sich Koch schon 1877 (V.R. A. S. 142) geäussert. STUDERS Ansichten über das Alter der Bündnerschiefer sollen später bei Besprechung dieser Bildungen angeführt werden. Wir sehen jedenfalls, dass solche Vermutungen, die Bündner- schiefer dürften alle Formationen vom Paläozoicum bis zum Tertiär umfassen, schon sehr früh mit grosser Bestimmtheit aufgetaucht sind, Vermutungen, die in letzter Zeit wiederholt als neu auftauchten, ohne besser begründet worden zu sein. Bestimmte Anhaltspunkte für das Vorhandensein postjurassischer Bildungen innerhalb der Bündnerschiefer erhielten wir in einer wohl übersehenen Notiz! EscHErRs und STUDERs über Bündner, mit Fu- coiden vergesellschaftete, Pentacriniten, die AGAssız, unter Vergleich mit Neocomvorkommnissen von Neuchätel, für untere Kreideformen ansprach. Nachdrücklich vertreten wurde die Annahme, dass es sich in den Bündnerschiefern vorwiegend um ganz junge (tertiäre) Flysch- bildungen handle durch STEINMANN?, der auch Hauptzüge der Unterengadiner Tektonik in ihren Schollen und Klippenüberschie- bungen als Erster erkannte, und mit den Ueberschiebungsschollen der Schweizer Klippen verglich. Wesentlich gefördert wurden dann unsere stratigraphischen, wie tektonischen Kenntnisse der Bündner Aufbruchsgebiete durch STEIN- MANNS Schüler Tu. LORENZ, dessen exakte Befunde und Detail- aufnahmen begannen, eine solide Basis für die weiteren Arbeiten in Graubünden zu schaffen. Auf weitere Arbeiten, die indirekt zu meinen Untersuchungen Beziehungen haben, werde ich später jeweils zu sprechen kommen. Wir sehen jedenfalls aus dem Gesagten, dass Vermutungen, die „Bündnerschiefer* dürften alle Formationen vom Paläozoicum bis zum Tertiär umfassen, schon sehr früh aufgetaucht sind, ja dass mit recht weitgehender Sicherheit feinspätige Crinoidenbreccien in ' EscHER und STuUDER, Geologie v. Mittelbünden. Neue Denkschr. d. Schweiz. Naturf. Ges. Bd. 3. Neuenburg. * G. STEINMANN, Geolog. Beobachtungen in den Alpen. I. Das Alter der Bündner Schiefer. Ber. d. Naturf. Ges. Freiburg i. Br. Bd. 10, S. 215 ff. 263] (GEOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN IM ÄNTIRHÄTIKON. 7 diesen Schiefern schon von ESCHER und STUDER richtig als Kreide erkannt wurden (= Lorenz’ Tristelbreccie). Volle Sicher- heit, bestimmte Anhaltspunkte für das Vorwiegen junger und jüngster Bildungen erhielten wir erst durch LoRENZ!, der durch Fund eines Orbitoides als Teilstück einer feinen Breccie einen Teil der Schiefer des Prätigau dem Eogen, durch Orbitulinenfunde (Orb. lenticularis) einen andern Teil derselben, der älteren Kreide sicher zuweisen konnte. In folgendem bin ich nun in der Lage, grundlegende Anschau- ungen speziell von STEINMANN und LorENZ zum Teil bestätigen, zum Teil erweitern zu können. Wenn meine bisherigen Befunde auch noch recht weit davon entfernt sind, volle stratigraphische und tektonische Klarheit im Antirhätikon zu schaffen, so bringen sie doch bereits einige für dies Gebiet neue Tatsachen. Ich publiziere daher aus leicht begreiflichen Gründen, trotz des Bewusstseins ihrer Unfertigkeit, diese „vor- läufige Mitteilung“ bereits jetzt, da noch längere Zeit erforder- lich sein wird, bis ich meine kartographisch-geologischen Aufnahmen in den Bergen abschliessen kann, und eine grössere, zusammen- fassende Arbeit druckreif ist. Ueber die Schichtenfolge im Antirhätikon ist in grossen Zügen folgendes zu sagen: I. Das Grundgebirge. Mit wenigen Ausnahmen ist das Auftreten der (Gesteine des Grundgebirges auf die westlichen, nördlichen und östlichen Grenz- gebiete beschränkt; schmale Gneisszonen stossen von SO aus bis an das Schiefergebiet; die Gneiss- und Granitvorkommnisse im Be- reich der Val Tasna sind Reste der Ueberschiebungsdecke, und kristalline Schuppen, welche die Sedimenthülle durchbrochen haben (z. B. am Piz Minschun). Den Hauptanteil an den kristallinen Gesteinen”? der Umgren- zungsgebiete haben die Gneisse, Hornblendeschiefer und ı Tu. LoRENZ, Geolog. Stud. im Grenzgebiet zw. helvet. und ostalpiner Facies, 1900. I. Fäscherberg, Beitr. z. Geol. Karte d. Schweiz N..R,. X, 1900. 1901 II. Der südl. Rhätikon, Ber. d. Naturf. Ges. z. Freiburg i. Br. Bd. 12. ? Auf ihre Untersuchung verzichtete ich. Ihre Bearbeitung, wie die der jüngeren Eruptiva, ist durch Prof. Grusemann-Zürich — nach mündlicher Mit- teilung — nahezu abgeschlossen. 8 W. PAULcKE: [264 Glimmerschiefer der Silvrettagruppe, des Ferwall und der Oetz- taler Alpen. Die von THEOBALD als Casanaschiefer bezeichneten Ge- bilde befinden sich mehrfach über den Gneissen (d. h. da inverse Lagerung vorwiegt, meist unter denselben). Es sind normaler- weise hell bis dunkelbleigraue kalkfreie, stark gequälte Ton- schiefer mit schwärzlich-grünem „glänzenden Ueberzug auf den Ablösungsflächen“, mit quarzigen Zwischenlagen. — Diese Schiefer gehören wohl mit Sicherheit dem Paläozoicum an, da sie in Normalprofilen auf Gneiss folgen, und den Verrucano unterteufen. Sie in eine bestimmte Formation zu verweisen, haben wir keine be- gründete Berechtigung. II. Das Deckgebirge. 1. Perm. Die Verrucanogesteine sind nicht in typischer Ausbildung vertreten, wie in Gegenden, wo sie zweifellos für per- misch gelten können. — Vor allem konnte ich bis jetzt keine Quarz- porphyrbrocken finden. Professor MırcH, welcher die Liebenswürdigkeit hatte, meine Proben dieser Gesteine einer Durchsicht zu unterziehen, wofür ich ihm hiermit meinen besten Dank abstatte, konnte meine Frage, ob Verrucano oder Buntsandstein, nicht in dem einen oder dem andern Sinne entscheiden. — Einige Proben zeigen nach MırcHn grosse Aehnlichkeit mit den zementreichen, schieferigen Sandsteinen eines relativ hohen Verrucanohorizontes, wie er in der (segend von Mels vorkommt. 7. T. sind die verrucanoartigen Gesteine ausserordentlich glimmerreich, und ähneln den von Böse, wohl irrtümlich, für Bunt- sandstein erklärten Gesteinen von Cierfs bis in alle Details. Alle diese Gesteine haben im Antirhätikon keine grosse Mäch- tigkeit, sie liegen meist über, oder invers unter dem Casanaschiefer, bilden schmale Bänder an der Basis der Gipse von Saläs dadaint, oder sind mit Jurakalken („bei der Küche“) in abnormem tekto- nischen Verbande verquetscht. Die im einzelnen offenbar sehr verwickelten tektoni- schen Verhältnisse, welche nirgends a priori erlauben, ein Profil, oder auch nur Abschnitte desselben, als normal anzusehen, ver- langen bei der Deutung aller fossilfreien Gesteine im Antirhätikon die allergrösste Vorsicht und Zurückhal- tung. 265] (GEOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN IM ANTIRHÄTIKON. ) Aus diesem Grunde will ich auch dieser Arbeit noch keine Detailprofile beigeben, da die Deutung mancher Einzelheiten noch unsicher ist. Die verrucanoartigen Gesteine in Verbindung mit dem mächtigen unteren Gipslager von Zebles und Saläs dadaint kann ich bis jetzt nur als oberpermisch oder untertriadisch bezeichnen. 2. Trias. — Fraglose Trias konnte THEOBALD nicht im Antirhätikon nachweisen. Er betrachtete den unteren Gipszug von Saläs und Zebles, sowie das Vorkommnis von Mottas (= Che d’Mott) für einen aufragenden Triasrücken, ohne jedoch seiner Sache absolut sicher zu sein. — Mit dem genannten Gips bringt er Rauh- wacken, Dolomite und Kalkbänke vom Gribella-Südgrat in Ver- bindung, die er zum Guttensteiner Kalk, oder zu den Raiblern ge- hörig ansieht. — Mir scheint die Deutung als Raiblerschichten aus dem Grund nicht zutreffend, weil „Verrucano“ mit ihnen vergesell- schaftet ist, und weil dieser mit Rauhwacken vergesellschaftete grosse Gipskomplex an den Stellen fehlt, wo wir normal marine Trias sicher nachweisen können. — Die Verweisung in die untere Trias, oder in das obere Perm dürfte für diese salinaren Bildungen am meisten für sich haben. Vielleicht gehört das eigentümliche Vorkommnis bei Che d’Mott dem Raibler Horizont an; tektonische Ueberlegungen sprechen dafür (vgl. Tektonik S. 283). Die in den sog. Phylliten am Inn eingelager- ten Gipse sind stets von Dolomit und auch Triasschiefern begleitet; sie sind wohl eingepresste Triasglieder. Die mit den Gipsen und Rauhwacken z. T. in ausgedehntem Masse vergesellschafteten bunten (rötlich-grünlich-gelblichen) kalk- haltıgen bis kalkfreien Schiefer, wie sie z. B. zwischen P. 2921 und dem Frudigerkopf! ziemlich mächtig anstehen, und in reicher Entwicklung® den Gipszug von Piz davö Sasse-Piz da Val Gronda- Zelbes begleiten, halte ich für den triadischen Anteil der „Bündnerschiefer“ des Antirhätikon. Ihre bunte Farbe, ihre Vergesellschaftung mit Gipsen, ihre quarzsandige Beschaffenheit und Kalkarmut sind die einzigen Merkmale, die ich bis jetzt für ihre Erkennung namhaft machen kann. — Sie finden sich oft in Verbindung mit Quarziten und Rauhwacken und scheinen auch in abnormen Verband zu „jüngeren Bündnerschiefern“ zu treten. Ferner kann ich die unter der oberen ' Ostbegrenzung des Zandertales. ® Östgrenze des Fimbertales. 10 W. PAULcke: [266 kristallinen Ueberschiebung den Dolomit invers unterlagernden streifigen gelben, sowie die dunklen „verbrannten“! Schiefer, nur der Trias (Raibler?) zurechnen (Parditscher Grat, Larainferner- spitz etc.). Ausser dieser und der salinaren Trias fand ich im Sommer 1902 auch normal-marine ostalpine Trias im Antirhätikon, ein Fund, der nach THEoBALDs Karte überraschend kam. Mitten im Gebiet der sog. „Bündnerschiefer* liegt eine riesige überschobene Triasscholle, der Stammerspitz. Die für das Samnauner Schiefergebiet allseitig abnorm kühne Gestalt dieses Berges liess mich schon abweichende geologische Zu- sammensetzung vermuten, und eine Durchkletterung seiner Wände zeigte, dass wir es mit dem Wettersteinniveau, Hauptdolomit und Rhät zu tun haben. — Ob Muschelkalk überhaupt im Anti- rhätikon fehlt, vermag ich vorderband noch nicht zu entscheiden. Die Trias des Stammer liegt überschoben auf jungen „Bünd- nerschiefern“ (vgl. Tektonik S. 282), über deren von Tobeln durch- furchten, berasten Hängen sich ihre grauen, prallen Mauern er- heben. — Wie auch an andern Stellen, finden wir an der Ueber- schiebungsbasis eine mit Triasgesteinen verknetete und verquickte Spilitschieferlage (vgl. Tektonik 8. 283). Darüber folgt ein mannigfacher Wechsel von kalkigen und dolomitischen Bänken, sowie Tonschieferlagen der Schichtenfolge des Wettersteinniveaus, welches eine Gesamtmächtigkeit von zirka 150 m besitzt. Von den charakteristischsten Bänken in diesem Wettersteinkom- plex seien folgende genannt: ein schwarzgrauer Dolomit mit matt- und hellgelber Verwitterungsfläche; in einem höheren Niveau fällt eine 80 cm mächtige Kalkbank auf, die massenhaft Querschnitte un- bestimmbarer Brachiopoden zeigt. Darüber lagert ein 20 m mächtiger hellgrauer, grobsplitterig zerfallender, unter dem Hammer klingender Dolomit; über diesem eine 80 cm mächtige Lithodendronbank’”. Zwischen dieser Lithodendronbank und dem Hauptdolomit folgt u.a. noch eine Kalkbank mit unbestimmbaren Zweischalern, und ein ! Durch dieses Beiwort soll der eigenartige Habitus dieser z. T. löcherig, schlackig aussehenden, braunschwarz gefärbten Schiefer charakterisiert werden. ®? Vgl. den Nachweis einer Lithodendronbank im Wetterstein durch WÄHNER im Sonnwendgebirge, HoEk, im Plessurgebirge und ScHILLER in der Lischannagruppe. 267] (GFEOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN IM ÄNTIRHÄTIKON. al in Tonschiefer eingequetschtes Bänkchen mit Brachiopodendurch- schnitten. Schliesslich, an der Grenze gegen den Hauptdolomit liegen Tonschiefer mit herbstlaubfärbigen Verwitterungsflächen, welche stark gequält sind, und in die Fugen benachbarter Kalk- und Dolomit- gesteine eingequetscht erscheinen. Diese bunten Tonschiefer dürften vielleicht den Raib- lern zugehören. Die nun folgende Mauer von Hauptdolomit hat eine Mächtig- keit von 200—280 m und besteht aus einem wohlgeschichteten, teils homogenen, weissgrauen, splitterig verwitternden, teils eckig brecciösen Dolomit von etwas dunklerer Färbung. — Er ist fossilfrei. Etwas NW unter dem Ostgipfel (3258 m) findet sich dann die Auflagerung des Rhät, aus welchem der ganze Verbindungsgrat zum Westgipfel (3243 m), dieser selbst, sowie der Westgrat des Berges besteht. — Dieser Triashorizont ist sofort, von weitem, durch die dunkle Farbe erkennbar. Das Rhät wird vorwiegend durch weiche Mergel und Kalke gebildet. Unter den zahlreichen verquetschten Zweischalern hat sich bis jetzt kein bestimmbares Fossil gefunden. Der ganze Triaskomplex fällt NW, so dass die SO-Wand des Stammerspitz vorwiegend durch Dolomit, die NO-Wand vorwiegend durch Rhät gebildet wird. Ungünstige Witterungsverhältnisse. (Neuschnee) erlaubten mir leider vergangenen Sommer nicht, das interessante Triasvorkommen eingehender zu untersuchen. Triasdolomite finden wir dann teils als einzelne Einspitzungen, teils als weit sichtbare Lagen, an den Grenzen zwischen der unteren grossen Ueberschiebung (= Stammerüberschiebung) u. a. am Munt da Cherns S-Flanke, Piz Munschuns SW-Flanke, Tilolet, wo sie als helle Felsköpfe, mitten aus den bei ungenauem Hinsehen ganz einheitlich erscheinenden, berasten Schieferhängen vorragen; auch hier basal begleitet von gepresstem rötlich-grünen Spilit- schiefer. Das gleiche gilt von der oberen Ueberschiebung (Silvretta-Fer- wall Ueb.), wo die basal mit Spilitmaterial verquetschten Trias- schichten unter der kristallinen Ueberschiebungsdecke des Pardit- schergrates und des Flimspitz vorzüglich aufgeschlossen sind. — In analoger Weise wie hier, sehen wir dann die Trias unter die vor- 12 W. PAULCRE: [268 mesozoischen Hornblendeschiefer des Gemsbleisspitz, des Flucht- horns, des Piz Cotschen etc., einfallen. Die Frage, ob die Reduktion der mächtigen oberen Trias des Stammer in den benachbarten Gebieten tektonische Ursachen hat, oder ob die lagunär eingedampfte Trias teilweise, faciell abweichende, zeitliche Aequivalente darstellt, lässt sich vorderband nicht beant- worten. 3. Der Jura ist bis jetzt nur als unterer Lias mit absoluter Sicherheit nachweisbar. — Er ist von ESCHER im Antirhätikon entdeckt, von THEOBALD bei Alp Bella (nach seinen Fossilpunkt- eintragungen erratisch) wiedergefunden worden. — THEOBALD fand unbestimmbare, zerdrückte Teerebrateln, Pentacriniten und unbestimm- bare Ammoniten, die er als Amm. communis und costatus deutet. Die Belemniten hielt er für digitalis? und acuarius? — Auf Grund dieser auf oberen Lias deutenden lokalen Fossilienfunde begeht nun THEOBALD den Fehler, den ganzen Komplex der Sam- nauner (= Antirhätikon-) Schiefer für Lias in Allgäufacies zu erklären; er meint sogar, durch diese Funde sei „die liasische Natur dieser Felskette (Alp Bella-Greitspitz) und der Samnaunschiefer ausser Zweifel gesetzt“. Meine Befunde im Antirhätikon führen mich zu einem andern Ergebnis. Der Lias des Antirhätikon besteht vorwiegend aus spätigen Crinoidenkalken. Er beginnt mit blaugrauen, 50 cm bis 1 m mächtigen kalkigen, dünnblätterig schieferigen Mergeln. Darüber folgen dunkelgraue, feinspätige, unregelmässig wabig verwitternde Crinoidenkalke mit einer gut erhaltenen Waldheimia, die genau QUENSTEDTS vicinalis-arietis (Quenstedts Brach. Taf. 46 Fig. 5) gleicht. In diesem Niveau finden sich ausser kleinen, schlecht erhaltenen Belemniten und andern, ausser der genannten, Terebrateln, Rlıynchonellen und verdrückte, kleine Arieten. Am Larainjoch hatte ich das Glück, in den gleichen Kalken einen zweifellosen, für Bündnerverhältnisse sehr gut erhaltenen Arietitesex aff. Bucklandi zu finden, so dass hiermit das Alter dieser Schichten als zweifellos unterliasisch festgestellt ist. Ueber den Arietenbänken liegen — im Fimbertal zum Teil röt- lich werdende — graue Gryphaeenkalke mit einer grossen und breiten Gryphaea, die ich für Gr. obliqua ansprechen möchte; ausserdem unbestimmbare Belemniten. Die anfangs nicht sehr dicken, graublauen, feinspätigen Kalk- bänke gehen allmählich in hellgelblich-graue, grobspätig diekbankige 269] GEOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN IM ANTIRHÄTIKON. 13 Kalke über, welche fast ganz aus Crinoidenstielgliedern bestehen, und keine bestimmbaren Fossilien enthalten. Ueber diesen hellgelb-grauen, spätigen, Belemniten führenden Bänken folgen Kieselkalke, deren Aussehen durch herausgewitterte hellgelb-braun erscheinende, spongiöse Kieselmassen charakterisiert wird. Die Gesteinsmasse dieser Kieselkalke ist etwas sandiger und weniger kalkig-spätig wie bei den tieferen Schichten. Die nächst- folgenden Lagen bestehen aus feinspätigen, gelblichen, sandigen Kalken, denen eine wenig mächtige Lage hellgrüner, sandig-glimme- rıger, doch dabei ziemlich kalkreicher belemnitenhaltiger Schiefer eingelagert ist. Den Abschluss des Lias bilden gelbgraue, spätige, dünnplattige Kalke, welche Belemniten und Orinoiden (wohl Pentacrinus tuber- culatus) in reichlicher Menge an der Oberfläche herausgewittert zeigen. Die gesamte Mächtigkeit des Liaskomplexes dürfte etwa 80 m betragen. Damit ist die Gesteinsserie, welche zweifellosen Lias repräsentiert, beendet. Sie zeichnet sich durch vorwiegend reine kalkige Beschaffenheit aus; erscheint vorwiegend als stark grobspätige Ürinoidenbreccie, zeigt gute Bankung, die nur in ge- ringem Masse dünnschichtig, und in noch geringerem Masse schie- ferig wird. Reichliche Fossilführung mit bezeichnenden Versteine- rungen fixieren ihr unterliasisches Alter. Der Kalkzug des unteren Lias zieht sich fast kontinuierlich durch das ganze Gebiet des Antirhätikon etwa parallel dem oberen kristal- linen Ueberschiebungsrand; ich konnte ihn von Malfrag über die Lo- kalität „bei der Küche“, wo er als steilgestelltes, leicht nach N übergeneigtes, ungemein regelmässiges Gewölbe ansteht, über Punkt 2592 von Alp Bella zum Greitspitz verfolgen. Hier senkt er sich (Lange Wand) ins Fimbertal hinab, überschreitet bei Gampneralm den Fimberbach, und tritt im Gebiet der Heidelberger Hütte in Gestalt vieler Einzelschollen auf. Am Larainjoch zieht er sogar über die Jochhöhe und reicht bis in das obere Laraintal, wo dicht westlich unterhalb des Larainjoches der letzte Liasklotz emporragt. Der LDiaszug ist unter den Wänden des Fluchthorns entlang verfolgbar, und die letzten beobachteten Vorkommnisse im oberen Fımbertal finden sich bei Punkt 2727 und bei Punkt 2689 am Fusse des Fimbergletschers. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist die Fortsetzung des Liaszuges noch weiter an der W- und SSW-Grenze zu verfolgen, und es muss 14 W. PAULckE: [270 das bekannte Steinsberger Vorkommnis mit hierher gerechnet werden, Diese Annahme — ich habe das Stück noch nicht begangen — gewinnt auch dadurch an Wahrscheinlichkeit, als der Crinoidenkalk bei Steinsberg gleichen Habitus aufweist, wie im Samnaun. Aus dem Gesagten geht hervor, dass diese Liaskalke nichts wenigeralsAllgäufacies darstellen, sondern vielmehr der Adnether Facies, und den crinoidenreichen Liasgesteinen der Nordschweizer Klippen nahe stehen, bezw. ein gewisses, faciell selbständiges Gepräge zeigen. Dass es absolut unstatthaft ist, auf Grund eines Liasvorkomm- nisses von den genannten faciellen Eigentümlichkeiten alle Schiefer des Antirhätikon als Liasschiefer in Allgäufacies zu erklären, liegt auf der Hand. Noch weniger ist es natürlich angängig, aus diesen petrefaktenführenden Liasvorkommnissen, die nicht zu den eigent- lichen „Schiefern“ gehören, auf liasisches Alter der mit den Anti- rhätikonschiefern petrographisch gleichartigen Schieferbildungen des übrigen Graubündens zu schliessen. Dass in den über dem Lias liegenden Kalken keine Fortsetzung des unteren Lias in jüngere Schichten desselben vorliegt, ergibt sich aus der sogleich zu besprechenden Tatsache, dass die aufliegenden Schiefer und Kalke fraglos untere Kreide repräsentieren. Zu dem sicheren Ergebnis, dass die Juragesteine des Anti- rhätikon unterer Lias seien, gelangte ich 1901 durch den Arieten- fund. Die Gewissheit, dass die über dem Lias liegenden Schiefer nicht zum Lias gehören, sondern zur Kreide, erhielt ich Sommer 1903 durch Orbitulinenfunde. Die gleiche Ansicht, dass der Samnauner Lias nichts mit den „Bündnerschiefern“ dieses Gebietes zu tun hat, spricht SCHILLER l. c. 8. 23 aus, nachdem er die Lokalität „bei der Küche* auch besucht hatte. Da im Antirhätikon der untere Lias so charakteristisch vor- wiegend spätig und fossilreich vertreten ist, da er mitten in einem Gebiet ausgedelhinter „Bündnerschiefer“ liegt, deren sichere Zu- gehörigkeit zu andern Horizonten zum grossen Teil nachgewiesen werden kann, da vor allem untere Kreide direkt in weiter horizon- taler Ausdehnung auf den Lias folgt, scheint mir die sichere Schlussfolgerung zu sein, dass Lias in den typischen Schiefer- bildungen des Antirhätikon nicht weiter enthalten ist. Wenn auch bei Analogieschlüssen grosse Vorsicht geboten er- scheint, so möchte ich doch die Ansicht aussprechen, dass ein 271] (FEOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN IM ÄNTIRHÄTIKON. 15 gleiches Verhalten für die Schiefergebiete im nördlichen und west- lichen Graubünden wahrscheinlich ist, und dass dort von verschie- dener Seite mehr für zweifellosen Lias erklärt wird, als sich mit gutem Gewissen verantworten lässt. — Der Versuch, als Kriterium für Liasalter von Schiefern die Durchbrüche basischer Eruptiva an- zuführen — wie HOEK'! es tut —, dürfte etwas sehr gewagt sein. Solche Durchbrüche finden sich in Bünden z. B. ausser in der Trias, vielfach sicher in Kreideflysch, wenn nicht in noch jüngeren Schichten. Wenn nicht sichere liasische Fossilien vorhanden sind, und höch- stens unbestimmbare Belemniten als sog. Beweismittel dienen, kann ebensogut Kreide vorliegen. 4. Malm konnte ich bis jetzt im Antirhätikon nicht auffinden, und es ist sehr wahrscheinlich, dass er fehlt. Jedenfalls ist hier auf den wichtigen Unterschied hinzuweisen, der in diesem Punkte zwischen Rhätikon und Antirhätikon besteht. Im ersteren starke Ausbildung von Tithonkalken, und Fehlen, bzw. Zurücktreten des Lias (er war anstehend bis jetzt nicht nachweisbar); im Antirhätikon fast das umgekehrte Ver- hältnis. Auch das benachbarte faciell so abweichende Gebiet der Unter- engadiner Trias zeigt nach STEINMANNS und SCHILLERS Funden das sichere, durch Fossilien der Acanthicuszone belegte, Vorkommen von Malm. | Wir sehen also besonders in den Jurasedimenten ge- wisse für den Antirhätikon eigentümliche Verhältnisse vorliegen. 5. Kreide. Die Feststellung dieses Horizonts gehört mit zu den wichtigsten Befunden im Antirhätikon, da durch ihren Nach- weis die Gliederung der „Bündnerschiefer“* auch für diese Gegend um einen Schritt vorwärts geführt wird. Ueber dem Lias folgt ein Komplex von feinblättrigen Ton- schiefern, Kalkschiefern und dichten grauen Kalken, denen Bänke einer feinspätigen, dunkelgrauen Crinoidenbreccie eingelagert sind. Schlifte zeigen, dass diese Crinoidenbreccie ausser zahlreichen kleinen Crinoiden-Stielgliedern, eine reiche Miliolidenfauna (nebst sonstigen Foraminiferen) beherbergt, dass ferner darin vielfach die von Lorenz (l. c. Il pg. 19) als Diplopora Mühlbergi beschriebene und abgebildete Kalkalge vorkommt, und dass das Alter dieser ‘ Hokk, Plessurgebirge, diese Zeitschrift Bd. XIII S. 23. 16 W. PAULckE: [272 Schichten durch zahlreiche (zum Teil auch mit blossem Auge er- kennbare) Orbitulinen (Örbitulina lenticularis) als untercreta- cisch (Urgo-Aptien) einwandfrei fixiert wird. — Schliesslich finden sich reichlich Bryozoen in diesen Gesteinen. Die Kreide- schichten wechseln nicht unerheblich in ihrem petrographischen Ha- bitus; bald sind es glimmerige, sandig-kalkige Schichten mit Breccien- einlagerungen, bald reinere, graue, relativ wenig spätige Kalke, in denen die Orbitulinen als schwarze Punkte mit blossem Auge sicht- bar sind (besonders bei „im Boden“ im Fimbertal); bald sind es fast rein spätige Kalke. Diese Kalke zeigen auch vielfach die bekannte Eigenschaft der reinen Urgonkalke zu Schrattenbildung, wenn auch in kleinem Massstabe (vgl. Fuss der Schwarzen Wände). Zwischen diesen Orbitulinenkalken liegen kalkreiche und kalkarme Tonschiefer mit schlecht erhaltenen Fucoiden. Damit vergesellschaftet sind gröbere Breccien (mit reichlichen dolomitischen Kom- ponenten). Wir verdanken Lorenz (l. c. II, 15ff.) den ersten sicheren Nachweis der unteren Kreide im Komplex der Bündner- schiefer. Die untere Kreide zeigt Extreme einer sandigen und einer kalkıgen Ausbildung mit mannigfachen Uebergängen. Dabei will ich aber nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass G. STUDER bereits 1836 (Die Gebirgsmasse von Davos, S. 26 und 40) die Schiefer des Schanfigg, sowie die von St. Antönien — mit denen die obengenannten des Antirhätikon fast ident sind — direkt der unteren Kreide zurechnet. Auf Grund — oben kurz erwähnter — paläontologischer Vergleiche, die AGassız mit Crinoidengliedern aus Breccien der segend von Arosa, vom Parpaner Weisshorn, aus dem Säntisgebiet, und dem Neocom von Neuchätel anstellte, kamen EscHEr und STUDER (Geologie von Mittelbünden, 8. 199 ff.) für die, Fucoiden und Pentacriniten enthaltenden, Bünd- nerischen Kalkschieferbildungen (auch, wo sie vereinzelte Belemniten enthalten) zu folgendem Schluss: „Die Frage, ob wir dasselbe (das Bündnerische Kalkgebirge) den Lias- und Jurabildungen, oder den Kreidebildungen bei- ordnen sollen, scheint auch eher zu Gunsten der letzteren entschieden werden zu müssen, da sowohl die Fucoiden als Pentacriniten (Stielglieder eines sehr kleinen Pentacrinus kommen in Betracht W. P.) für Kreide sprechen.* Wir sehen aus den neueren Befunden in Ost- wie in West- graubünden, wie vorzüglich die alten Schweizer Geologen beobachtet 275] GEOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN IM ANTIRHÄTIKON. 17 haben, und können heute ihre Ansichten durch sichere Belege zum Teil bestätigen. Hinzufügen will ich, dass meine Schliffe durchaus denen von LORENZ aus dem Rhätikonmaterial gleichen; und mit dem Bilde, das diese Bündner Schliffe zeigen, stimmen die von HOVELACQUE und Kırıan in dem Album de Microphotographies des Roches sedi- meutaires (Paris 1900) aus dem Barr@mien und Urgon i. sp. auf Tafel 34, 36, 37, 39, 41 und 42 gegebenen Mikrophotogramme fast genau überein. Der Diplopora Mühlbergi scheint demnach fast Leitfossil- wert zuzukommen, so dass man aus ihrem Vorkommen allein, auch wenn Örbitulina fehlt, schon auf untere Kreide schliessen kann. Auch der Habitus der Microfauna, das Bild der Schliffe, bietet dem, der sie oft gesehen, viel charakteristische Merkmale zur Wiedererkennung. Von grossem Interesse ist es weiter, dass die feine, fast rein kalkige Crinoidbreccie mit Mikrofauna, und ohne wesentlich andere Gesteinskomponenten zum Teil in eine gröbere Breccie ohne orga- nische Einschlüsse übergeht, die Dolomit, Kalk und Glimmer- komponenten enthält, wie LorExz’ Tristelbreccie, mit der sie gleichzustellen ist. Diese Breccie ist bezüglich der Grösse ihrer Komponenten starkem Wechsel unterworfen. In einer feineren derartigen Breccie mit ca. 2 mm Durch- messer der Kalk- und Dolomit- ete.-Komponenten, fand ich (am Piz Tasna) noch eine Orbitulina, während, wie leicht begreiflich, bei Bildung der groben Breccien sich die Organismen nicht er- halten konten, so dass eine Mikrofauna in ihnen fehlt. Von Interesse ist es weiter, dass die genannte Breccie am Piz Tasna mit Orbitulina als Einlagerung in einem kalk- armen bis kalkfreien Tonschiefer sich findet, so dass hier die Zusammengehörigkeit dieser typisch schieferigen Schichten mit der unteren Kreide sicher nachweisbar ist. Bei Ardetz (Tanter sassa am Muot del hom) erscheinen die Uri- noidenschichten ! i. sp. in sandig-kalkigen Bänken. Am Piz Min- schun sind cretacische Orinoidenkalke wohl entwickelt, die nach oben in eine grobe Breccie übergehen, welche reichlich eben diese Orinoidenkalke als grosse Bruchstücke neben andern, z. B. auch ! Diese Kalke und Breccien konnte ich noch nicht in Schliffen unter- suchen, und schliesse auf ihr cretacisches Alter nur nach der grossen habi- tuellen Uebereinstimmung mit den fraglosen Kreideschichten. Berichte XIV. 18 18 W. PAuLcke: [274 kristallinen, Komponenten enthält, sodass die Wahrscheinlichkeit sehr gross ist, dass hier eventuell eine obercretacische oder tertiäre Breccie vorliegt. Diese Annahme wird durch das Vor- kommen von Phycopsisarbuscula Fisch. Oost. in schieferigen Lagen einer flyschsandsteinartigen Gesteinsfolge am Larainspitz noch wahrscheinlicher gemacht. Damit schwindet nach und nach in Graubünden Schiefer- komplex um Schieferkomplex aus der Reihe der ungegliederten Masse, die man durchweg zu „paläozoischen Kalktonphylliten“ stem- peln wollte, und rückt mehr und mehr in die Formationsglieder des Mesozoikums; besonders auch in diejenigen von der Kreide! an aufwärts. Der triadische Anteil scheint nur ziemlich lokal ausgebildet zu sein, und auch der liasische Anteil schrumpft immer mehr zusammen, je eingehender die betreffenden, vereinzelt Belem- niten und Pseudobelemniten führenden Schichten untersucht werden (vgl. ©. ScHhmipt, Ber. d. Oberrh. G.-V.-Versammlung, Freiburg 1902, S. 25). Die von ©. ScumiD zwischen Küblis und St. Antönien (am Willischtobel bei Pany) gefundenen, feinspätigen, mikroskopisch breceiösen Kalke voller Echinodermenbruchstücke, welche er auch an der Strasse Langwies— Arosa wiederfand, und die, wie er schreibt, „STEINMANN am ehesten mit der ‚Tristelbreccie‘ identifizieren zu können glaubte“, ist nach meinen Kreidefunden, die fast völlig mit den St. Antönierstücken ident sind, untere Kreide, welche wir damit in der Masse der Bündnerschiefer immer mehr Raum gewinnen sehen. Sie findet sich auch im Fondeital nördlich Lang- wies, und scheint z. T. den von THEOBALD mit Sk bezeichneten Schichten zu entsprechen. Im Antirhätikon folgt, abgesehen von manchen, mir noch nicht klaren, offenbar tektonischen, Unregelmässigkeiten, der obere Kreide- zug über dem Lias der Verbreitung dieses Formationsgliedes von Malfrag — über „die Kirche“ — Alp Bella— Alp Trida, von da zieht er ins Fimbertal, wo er lokal an Breite zu gewinnen scheint (wenn nicht Tertiärfliysch hier mit eine Rolle spielt). Im Fimbertal bilden diese flyschigen, kalkreichen Schiefer die guten Weiden zwischen Alp Id und Gampneralm. Am stärksten tritt die untere Kreide am Piz davo Lais, an der ! Wegen ihrer eigenartigen petrographischen Ausbildung, wegen des Mangels an fossilen Einschlüssen von höherer Organisation, wollen wir diese Bildungen spezifischer Art als „Bündner Kreide“ bezeichnen. 1 97! ] (GEOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN IM ÄNTIRHÄTIKON. 19 breiten Krone, Piz Faschalba! und dem Piz Tasna zu Tage. Allerdings scheint bei diesen Bergen (z. B. auch an der „breiten Krone“, deren Wände ich noch nicht abklopfen konnte) die grosse Mächtigkeit der unteren Kreide durch Schichtenwiederholungen auf tektonischen Ursachen zu beruhen. Ob, und inwieweit auch obere Kreide vorhanden ist, vermag ich bis jetzt noch nicht zu sagen. Eben- sowenig kann ich heute sicher angeben, ob die flyschigen Fucoiden- gesteine des Larainspitz und die Fucoidenschiefer, welche zwischen Fluchthorn und Augstenberg bis tief gegen das Jamtal hinab- ziehen, der Kreide, oder dem Tertiär zugehören. Das gleiche gilt von der Minschunbreccie. Wahrscheinlich ist mir für die letzt- genannten Bildungen tertiäres Alter. Der Kreidezug lässt sich vom Piz Tasna über Piz Minschun bis Ardetz verfolgen, scheint dort den Inn sogar zu überschreiten, und unter die Trias der Unterengadiner Dolomiten einzufallen. 6. Tertiärfiysch? — Es bleibt noch ein Schiefer- und Breccien- komplex im Antirhätikon übrig, der aus kalkigen Tonschiefern, braunsandigen Bänken mit Wülsten, und polygenen Breccien besteht. Die dünnschichtigen Schiefer führen an verschiedenen Stellen schlecht erhaltene Fucoiden, die eingelagerten braunsandigen Bänke verwittern meist braun, und sind ziemlich kalkhaltig. Die damit in Verbindung stehenden Breccien, zu denen alle möglichen Uebergänge von feinsandigen bis relativ grob brecciösen Lagen vorhanden sind, zeigen vielfach kristallines Material; Ton- schieferlager treten zwischen ihnen auf. Die Aehnlichkeit mit dem Tertiärflysch der rordalpinen Ketten, besonders auch zwischen den Sandsteinbänken und dem „Flyschsandstein“, ist bis in fast alle habituellen Einzelheiten eine verzweifelt grosse. Die bei der Kreide erwähnte „Min- schunbreccie“, sowie die Fucoidenschichten des Larainspitz etc. werden wohl in das Tertiär eingegliedert werden, zumal in der Breccie Komponenten der unteren Kreide enthalten sind. Schliff- untersuchungen stehen für diese Bildungen noch aus. Ich glaube demnach annelımen zu dürfen, dass wir auch im Anti- rhätikon Tertiärflysch reichlich vertreten haben. — Allerdings waren Tertiärfossilien bis jetzt noch nicht nachweisbar — ich werde suchen und schleifen! Inwieweit am Inn im Unterengadin ältere Schiefer noch vorhanden sind, lässt sich bis jetzt nicht entscheiden; sie sind so ! Noch nicht untersucht. 18* 20 W. PAULckE: [276 enorm gequält, gepresst, gefältelt und zerbrochen, dass man nach ihrem Habitus nicht mit Sicherheit auf Identität mit den jungen Bildungen schliessen kann. Ill. Basische Eruptiva und Grünschiefer. Basische Eruptiva treten im Antirhätikon in reichlichem Masse auf. Schon THEOBALD beschrieb diese Vorkommnisse ein- gehend. Es sind Gabbros, dichte Diabase (Spilite), Variolite und Serpentine. Die Gabbros am Flimspitz und Bürkelkopf scheinen die Kernmasse, die Tiefenfacies der Spilite, welche mantelartig darumliegen, darzustellen. Die Serpentine sind meist mit ihnen vergesellschaftet. Alle basischen Eruptiva treten in stärkstem Masse an den Grenzen des „Aufbruchs“ auf. Sie liegen an den grossen Ueberschiebungsgrenzen, und scheinen in direktem Zusammen- hang mit tektonischen Vorgängen „des Aufbruchs“ zu stehen. Wahrscheinlich drangen sie auf tiefgehenden primären Ver- werfungsspalten (vgl. Inntallinie und Engadiner Quellen!) empor, und wurden dann sekundär mit überschoben, sodass sie jetzt viel- fach in einem sekundär tektonischen Verbande mit den ihnen be- nachbarten Sedimenten stehen. — Damit soll nicht geleugnet werden, dass wahrscheinlich auch primäre Eruptivkontakte (Piz Mondin?) sichtbar sind. Der Triasspilitkontakt scheint im Antirhätikon vielfach ein primär eruptiver zu sein, da sowohl die Triasgesteine, wie die sie berührenden Spilite an den (Grenzen sehr stark miteinander ver- quickt und verknetet erscheinen. — Kontaktmineralien liessen sich an den bis jetzt untersuchten Schliffen nicht nachweisen; Analysen wurden noch nicht gemacht. Ob es möglich ist, dass primäre eruptive Kontaktbildungen se- kundär durch dynamometamorphe Vorgänge, z. B. bei Ueberschiebungs- reibung, zerstört, oder für unser Auge verwischt werden, ist eine offene Frage. — Die Untersuchungen PREISWERKS (vgl. Naturf. Ges. Basel, Bd. XV Heft 2) scheinen dafür zu sprechen. — Er konnte auch sehr wahrscheinlich machen, „dass in die der Trias auf- lagernden kalkigen Bündnerschiefer, teils auch durch die Kalke der Trias selbst, basisches Eruptivmagma von der Zusammen- setzung der Diabase und Gabbrogesteine eindrang“. „Die um- = 277] GEOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN IM ANTIRHÄTIKON. 91 gebenden Gesteine erfuhren dabei stellenweise jene für Dia- baskontaktcharakteristische Veränderung, diein Vermehrung des Kieselsäure- und des Natrongehaltes besteht.“ Ein solches Eindringen der basischen Eruptivmagmen in die Jüngeren Bündnerschiefer scheint auch im Antirhätikon mehrfach vorzuliegen. — Die wichtigste Stelle in meinem Gebiete für diese Frage, den Piz Mondin, habe ich noch nicht besucht. Jedenfalls treten im Antirhätikon basische Eruptiva sowohl in den oberen, wie in den unteren jungen (basalen) Schiefern auf. Dabei ist zu bemerken, dass die letzteren von zwei Seiten durch verschieden- artige Ueberschiebungen überlagert werden, die Stammer- und Sil- vrettaüberschiebung, und die Inntalüberschiebung, an deren Auf- brachrändern (der beiden letztgenannten) die Hauptinjektionen von eruptivem Material stattgefunden haben. Diabastuffe in Form von Eruptivbreccien, wie sie BODMER- BEDER (N. J. f. Min. 1899, Beil. Bd. XII S. 263) in Verbindung mit Olivindiabasen im Plessurgebirge nachweisen konnte, habe ich bis jetzt noch nicht finden können. Die Grünschiefer THEOBALDs umfassen recht heterogene Bildungen. Teilweise sind es Sedimentärgesteine, die ich zu den bun- ten Triasschiefern rechne; zum grossen Teil sind es dynamo- metamorphe, gepresste Diabase, deren eruptive Natur durch C. ScHamip! für Bündner Vorkommnisse, durch PREISWERK (l. c.) für Walliser „Grünschiefer“ sichergestellt wurde. Auch meine Schliffe der grünen Schiefer von Finstermünz, (von STEINMANN |. c. 8. 73 als „Diabasschiefer* bezeichnet) und derjenigen vom Wege zwischen Rautlı und Noggels bestätigen diese Befunde. Inwieweit die grauen Schiefer (jugendlichen Alters) im Antirhätikon kontaktmetamorph verändert sind, bedarf noch näherer Untersuchungen. Das Auftreten der Diabase, sowie der mit ihnen im genetischen Zusammenhang stehenden Serpentine steht offenbar in direkter Be- ziehung zu dem Dislokationsprozess des Aufbruchs, wie oben an- gedeutet wurde. Das Zusammenfallen ihres Vorbrechens mit den Hauptstörungslinien, denen sie mit grosser Gesetzmässigkeit folgen, spricht für die später näher zu begründende Auffassung von dem lokalen Charakter der Dislokationen; bestärkt wird diese Deutung durch das Persistieren von Mineralquellen auf der relativ tiefst angeschnittenen Störungslinie des Inntales. Das Alter der ! Beitr. z. Geol. Karte d. Schweiz, Lief. XXV, 1891. 99 W. PıAutcke: [278 basischen Eruptiva muss, da ihr Empordringen z. Zt. der Haupt- dislokationsvorgänge stattgefunden hat, tertiär sein. IV. Glacial. Das Glacial habe ich bis jetzt nur nebenbei verfolgen können. Die wenigen Tatsachen, die mir auf meinen Wanderungen auffielen, sollen kurz erwähnt werden. Der Boden des trogförmigen Samnauner-Spissertales korrespon- diert an seinem Ausgang mit dem glacialen Boden von Nauders. Es ist ein typisches Hängetal, dessen Gletscher bei Finstermünz in den mächtigen Inngletscher mündete. Von den Rückzugsphasen des Eises ist besonders die von Alp trida durch das Spilit-Erra- ticum vorzüglich gekennzeichnet. Hier hat der jetzt überhaupt nicht mehr existierende Gletscher, welcher vom Fuss der Schwarzen Wände herabzog — wir wollen ihn nach der Alp, die er verwüstete, „Trida- gletscher“ nennen —, das Spilitmaterial in Gestalt deutlicher Seitenmoränen und einer Siebmoränendecke zurückgelassen. Sein Seitenmoränenmaterial zieht in allmählichem Falle am Gehänge tal- abwärts, und reicht bei den unteren Hütten von Alp Bella noch bis fast 2100 m empor. Bei der Alp selbst hat der Gletscher riesige erratische Spilitblöcke zurückgelassen, in deren Schutze die Hütten errichtet sind. Das Gletscherende dürfte zur Zeit dieser Rückzugs- phase etwa bei 1900 m gelegen haben. Die sumpfigen Wiesen zwischen dieser Höhencote und Alp Bella verdanken angehäuftem Grundmoränenmaterial ihre Entstehung. In gleicher Höhe liegt das Grundmoränenmaterial bei Fliesseralp im Fliessertal. Der Kaarzirkus der Schwarzen Wände stellt in seiner letzten Ausgestaltung wohl zum Teil das Produkt der letzten Rückzugsphase dar, welche durch eine lokale Moräne bei den kleinen Seen am Fusse der Bürkelspitzen (= P. 2924 8. A.) bezeichnet wird. Der Flimspitz trägt jetzt an seinem NO-Hang nur noch ein kleines, lokales Firnfeld, dessen Ausdehnung je nach Temperatur- verhältnissen von Jahr zu Jahr schwankt. Aeltere Karten ver- zeichnen hier noch einen richtigen Gletscher. Alle Gletscher des Antirhätikon tragen den Charakter dürftiger reduzierter Reste, woran die eigenartigen klimatischen Verhältnisse schuld sind. Die Gegend des Antirhätikon ist eine der nieder- schlagsärmsten der Zentralalpen, weil ringsum hohe Massive die Wassermassen feuchtigkeitsbeladener Winde kondensieren, bevor sie in das Gebiet relativer Senkung gelangen können. Erwähnen e 279] GEOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN IM ANTIRHÄTIKON. 23 will ich noch die schönen, alten Mittelmoränen, welche oberhalb der Heidelbergerhütte, z. T. wie mit einem Lineal gezogen, sich das Fimbertal abwärts erstrecken. Sie verdanken dem Zusammenfluss der aus den Gletscherkesseln des Taalhintergrundes kommenden eis- zeitlichen Eisströme ihre Entstehung, und dürften der Phase des Trida- gletschers zugehören. Ferner sei auf die Erdpyramiden in der Grund- moräne bei Zuort in der Val Sinestra aufmerksam gemacht. Von jüngsten Bildungen sind die mehrfach auftretenden Kalktuffe zu erwähnen, die mit Vorliebe zum Kalkbrennen verwendet werden. Tektonik. Die tektonischen Verhältnisse des Antirhätikon geben, besonders auch im Vergleich mit denen der übrigen Bündner Sedi- mentärgebiete wichtige Fingerzeige für das Verständnis des Gebirgs- baues, dieses eigenartigen Mittelstückes zwischen O- und W-Alpen, welches von jedem dieser beiden Teile etwas hat, und doch keinem ganz zugehört, zumal es noch individuelle Eigentümlichkeiten auf- weist, Fassen wir noch einmal kurz die bisherigen stratigraphischen Ergebnisse zusammen. Wenn ich auch noch weit davon entfernt bin, die Gliederung der Trias und der jüngeren Schiefer in Einzelheiten scharf durch- führen zu können, so berechtigen doch die bisher gewonnenen Er- gebnisse zu mancherlei Vergleichen und tektonischen Schluss- folgerungen: Wir konnten Casannaschiefer (Paläozoikum) im Grundgebirge, und Verrucano in relativ geringer Mächtigkeit feststellen. Darüber folgt Verrucano und ein Komplex salinarer, unterer Trias (p.p. Perm.?) von grosser Ausdehnung (es ist das mächtigste (sipsvorkommnis in ganz Graubünden). — In Verbindung damit Bundsandstein (?)!, und bunte Triasschiefer. Weiter konnte normal marine, dolomitisch-kalkige, mittlere und obere Trias (fossil- führend) nachgewiesen werden. Durch diese Triasentwicklung, i. sp. durch das Vorwiegen der salinaren Ausbildung, und das Zurücktreten der normalen unteren Trias unterscheidet sich der Antirhätikon nicht unbeträchtlich von ! Zum Buntsandstein dürften eventuell in geringer Mächtigkeit ausgebil- dgte quarzitische Sandsteinbänke zu rechnen sein, die denen im Lischannagebiete gleichen. 24 W. PAULcke: [280 den Triasgebieten des übrigen Graubünden (z. B. vom Plessur- gehirge und den Unterengadiner Dolomiten, sowie vom Rhätikon). Jedenfalls ist eine facielle Eigenart des Antirhätikon im Vergleich zu den Nachbargebieten zur Triaszeit evident. Das gleiche gilt für den Jura. Wir haben nur unteren Lias in ostalpiner Ausbildung mit gewissen lokalen Anklängen. Allgäuschiefer sind nicht nachweisbar. Damit ergeben sich wieder Unterschiede mit den nächstliegenden (tebieten. SCHILLER (]. c.) wies in der Lischannagruppe eine basale Liasbreccie nach, die im Antirhätikon, wo normaler, unterer Lias mit Arieten etc. vorhanden ist, ausserdem nicht vorzukommen scheint. Der Steinsberger Lias, von dem ich ein Handstück mit grobbrecceiöser Struktur nebst reinem Echinodermenkalk besitze, scheint z. T. ein Uebergangsglied (in der horizontalen) zwischen den küstenferneren Ablagerungen des Samnaun, und der Brandungs- breccie der Lischannagruppe darzustellen. — Ein Unterschied in ähn- lichem Sinne dokumentiert sich zwischen dem Antirbätikon und dem Plessurgebirge, in welch letzterem auch die basale Liasbreccie vertreten ist, während Lias im Rhätikon bis jetzt noch nicht an- stehend nachgewiesen werden konnte. Noch grösser und auffallender ist der facielle Unter- schied im Malm. Das Tithon, welches durch seine mächtigen, hellen Kalk- mauern dem Rhätikon sein charakteristisches Gepräge verleiht, fehlt im Antirhätikon vollkommen. Weder Kalke, noch Radiolarienhornsteine, noch Trümmer soleherin jüngeren Breecien vermochte ich bis jetzt im Antirhätikon aufzufinden; während Malmgesteine ausser im Rhätikon auch in den übrigen Nachbargegenden (Lischannagruppe, Plessurgebirge) vertreten sind. Von besonderem Interesse ist die Kreidezeit. Es scheint, als ob von der Kreidezeit an eine dauernde Ver- bindung zwischen der Bucht des Antirbätikon mit dem westlichen Teile Graubündens — etwa über die Gegend der Silvretta weg gegen das Prätigau — Platz gegriffen hat. Die Bündner Bucht des Kreidemeeres stand offenbar in Ver- bindung mit dem helvetischen. Der Zusammenhang dokumentiert sich vor allem in der Mikrofauna. Unterschiede bestehen in Fehlen maeroscop. Fossilien, und in der petrographischen Ausbildung. Die Verwandtschaft der von mir nachgewiesenen Kreideablagerungen mit 281] GEOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN IM ANTIRHÄTIKON. 95 denen des Prätigau und des Plessurgebirges, wo diese Formation wahr- scheinlich eine noch nicht genügend erkannte, weite Verbreitung be- sitzt, ist sehr gross. Inwieweit obere Kreide und Tertiär im Anti- rhätikon vorhanden sind, kann ich noch nicht mit voller Sicherheit sagen; ich vermute ihr Vorhandensein wegen petrographischer Aehn- lichkeiten, ohne bis jetzt den strikten Beweis erbringen zu können. Wir sehen also mannigfache facielle Differenzen zwi- schen dem Antirhätikon, dem Rhätikon und den anderen benachbarten Gebieten, besonders zur Zeit des Mesozoi- kums, und grosse Aehnlichkeit mit dem Rhätikon in jüngster geologischer Zeit. Die Trias zeigt ostalpinen Charakter; der Jura ist in einer der Gegend eigentümlichen Weise ausgebildet, die z. T. an Vindelicische Facies erinnert, während von der unteren Kreide an das Meer tief buchten- artigin das Grenzgebiet zwischen ost- und westalpiner Aus- bildung eindringt, und die Bündner Kreide (mit helvetischen Anklängen) abgelagert hat, so dass die unregelmässig verlaufen- den Faciesgrenzen teils neben, teils übereinandergreifend gleichsam wechselseitig verzahnt waren. Die meisten Formationsglieder treffen wir nicht in normalem Verbande, sodass die Fossilfunde in Trias, Jura und Kreide zum Beginn einer Entwirrung der Lagerungsverhältnisse von besonderer Wichtigkeit waren, Es gelang mir jedoch erst- die Tektonik des Gebietes in grossen Zügen zu erkennen, während ich die zum Teil sehr starken Stö- rungen innerhalb der fossilfreien Schieferkomplexe bis jetzt noch nicht im einzelnen klar darzustellen imstande bin. Das Verfolgen charakteristischer Breccienbänke wird hier nach und nach zur Klarheit verhelfen. Abgesehen von untergeordneten lokalen Erscheinungen ge- staltet sich der Aufbau des Antirhätikon folgendermassen. Die „Basis“ des Gebirges, in welche die Täler (z. B. Val Sinestra und Samnaun) tief einschneiden, wird durch fossilfreie, kalk- reiche, sandige und tonige Schiefer gebildet, die ich auf Grund der Aehnlichkeit von Breccien, bei gleichzeitigem Vorkommen von Fu- coiden (Arina-Muttler) für jung (wahrscheinlich unterkretacisch bis tertiär) ansprechen muss. Die tiefsten Teile des Antirhätikon werden also von den jüngsten vorhandenen Sedimenten erfüllt. (Die Schiefer im Inntal gegen Landeck habe ich noch nicht unter- sucht). ıS er) W. Pautcke: [282 Diese Schiefer (gewöhnlich als „graue Bündnerschiefer“ be- zeichnet) fallen bei Remüs—Sins—Schuls SO, d. h. an der Grenze gegen die faciell stark abweichende Lischannagruppe schiessen sie unter dieses Gebiet ein, und zwar unter kristalline Gesteine (Granit und Gneiss) unter teilweiser Zwischenschaltung basischer Eruptiva. Es scheint hier an der SO-Grenze eine völlige Verzargung, ein Ineinandergreifen der Formationsglieder stattgefunden zu haben, ein Durcheinanderstechen der Schichtkomplexe, das in der Ecke bei Ardetz — welches ungefähr im Mittelpunkt aller grossen tekto- nischen Bewegungen liegt, die das Gebiet betroffen, und die kon- zentrisch gegen die Bündner Senkungsgebiete gerichtet sind — den höchsten Grat der Komplikation zu erreichen scheint. Der Zug Muttler-Mondin scheint eine Antiklinale mit SW-—-NO-Streichen darzustellen, deren Verlauf fast exakt dem Unterengadiner Inntalüberschiebungsrand des Lischanna-Trias- gebietes parallel verläuft, an dem die Schichtmassen der viel- geschuppten Sesvennagruppe der Hauptsache nach über die jungen Schiefer des Antirhätikon geschoben sind. Steigen wir auf den gleichförmig erscheinenden Schieferrücken des Muttler, der mannigfache, noch festzustellende, lokale, tektonische Komplikationen aufweist, so sehen wir jenseits die Schiefermassen zum Teil fast westlich, zum Teil nordwestlich gegen die Silvretta und das Ferwall einfallen. Im Einzelnen sehen wir, wie sich vom Muttler aus das Schiefer- dach gegen die Fuorcla Maisas nach Osten senkt, wie dort die wildzerrissenen Schichtenköpfe der Schiefermassen, wie am Muttler, nach Westen schauen, während das Fallen fast genau nach Osten unter die Trias des Stammerspitz gerichtet ist. Die obere Trias des Stammerspitz ruht als Ueber- schiebungsscholle — ohne kristalline Zwischenlage (vgl. opp. Inntalüberschiebung!) auf jüngeren Schiefern, die unter ihrer Masse vielfach gepresst, zerfaltet und zusammengestaucht sind. Diese Stammerüberschiebung!, wie wir die untere grosse Ueberschiebung im Antirhätikon nennen wollen, zeigt Trias (und ' Zur Unterscheidung der verschiedenen Ueberschiebungen sei folgender Bezeichnungsmodus vorgeschlagen: Da die Hauptschubrichtungen gegen das Unterengadin gewendet sind, wollen wir die Gesamtheit dieser tektonischen Be- wegungen als Unterengadiner Ueberschiebungen bezeichnen, wodurch die Rich- tung, wohin der Schub erfolgte, ausgedrückt werden soll. Innerhalb dieser 283] (TEOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN IM ANTIRHÄTIKON. 97 mit dieser mannigfach andere, ihr auflagernde Schichtglieder) über jüngere Schiefer geschoben. Diese Stammerüberscliebung zeigt ferner an der Grenze gegen die Schiefer eine Triasspilitlage, und, wie nochmals hervor- gehoben werden soll, im Gegensatz zu der Inntalüberschie- bung, die manche Geologen versucht sein könnten, mit ihr in Ver- bindung bringen zu wollen, Keine kristalline Zwischenlage! Ich konnte sie bis jetzt vom Stammer ONO umbiegendem Bogen zum Munt de Cherns und Fliesserberg verfolgen, wo sie in Gestalt sehr reduzierter Triaseinspitzungen mit Triasspilitbasis, die Ueber- schiebung auf die jüngeren Schiefer kennzeichnen. — Wahrschein- lich gehört das Gipsvorkommnis (Raibler?) von Che d’Mutt oberhalb Raveisch im Samnaun in diese Zone. Es soll schon jetzt darauf aufmerksam gemacht werden, dass der Verlauf dieses deutlich sichtbaren Ueberschiebungsrandes der Stammerüberschiebung mit ihrem bogenförmigen Verlauf fast genau parallel dem Umbiegen der oberen kristallinen Silvretta-Ferwallüber- schiebung verläuft. Ueber der überschobenen Trias folgen nun auch, unter sich vielfach in abnormem Verbande (sekundäre Schuppungen und Fal- Unterengadiner Ueberschiebungen unterscheiden wir nach den Haupthimmels- richtungen, woher der Schub kam: die Unterengadiner SO- und die Unter- engadiner NW-Ueberschiebungen. Jede dieser beiden letztgenannten Ueber- schiebungen zerfällt der Hauptsache nach in zwei Teile, die miteinander etwa zu halbbogenförmigen Ueberschiebungen kombiniert sind. Wir unterscheiden daher bei der Unterengadiner NW-Ueberschiebung einen mehr W—O gerichteten Silvrettaschub, und einen mehr NW—SO gerichteten Ferwallschub, entsprechend der Umbiegung dieses Massivs. Bei der Unterengadiner SO-Ueberschiebung müssen wir einen der Haupt- sache nach S—N gerichteten Berninaschub und einen SOI—NW bzw. O—W gerichteten Oetztaler Schub unterscheiden. Bei letzterem ist zu beachten, dass indem Effekt dieses Schubes Un- regelmässigkeiten vorliegen, da auf dem Breitegrade Ardetz-Tarasp zwei kristal- line Massen (Oetztaler und Silvretta) sehr nahe aneinander stossen, sodass der Oetztaler Schub speziell auf das Triasgebiet der Li- schannagruppe nur gegen den Antirhätikon nach NW ausweichen konnte, woraus die Inntalüberschiebung resultiert. Daraus werden die enormen Komplikationen, die in diesem Gebiet herrschen, auf das ausserdem noch der Berninaschub einwirkte, erklärlich, daraus werden die grossen Komplikationen bei Ardetz, welches fast genau im Mittelpunkt dieser Bewegungen liegt, ver- ständlich. Die lokalen Ueberschiebungen der grossen Einzelschuppen be- zeichnen wir mit Lokalnamen, z. B. Inntalüberschiebung, Stammerüber- schiebung, Fluchthornüberschiebung etc. 98 W. PAuLcke: [284 tungen!), mannigfache, zum Teil schwer gegeneinander abgrenzbare, permotriadische, sowie jurassısche, kretacische, und vielleicht auch tertiäre Schichten, Am klarsten tritt der Wechsel der tektonischen Komplikationen in dem leicht kenntlichen Liaszug zu Tage, den ich als kontinuier- lichen Zug von Malfrag (2740 m), gleichfalls fast genau konzentrisch mit der kristallinen Grenze verlaufend, über Alp Bella (P. 2592 m) zum Greitspitz (2874 m), von da über die „Lange Wand“ nach Gampner- alp (2001 m) und über den Fimberbach und das Larainjoch (= Rizzenpass, 2690 m) bis ins oberste Laraintal verfolgen konnte. Diese letztgenannte Stelle am Larainjoch ist besonders wichtig für das Verständnis der Tektonik des Antirhätikon. Hier befindet sich, meiner Ansicht nach, das in konkaven Bogen gelegene (Innen-) Charnier zwischen Silvrettaschub (vgl. S. 282 Anm. 1) und Ferwall- schub und es scheint mir, als ob an derartigen Charnieren sche- rende Bewegungen, bzw. Transversalverschiebungen stattgefun- den haben, die sich in keilartigen Einklemmungen von Sedi- menten zwischen den kristallinen Massen äussern (vgl. S. 285). Ein weiteres (Aussen-)Charnier an einer konvexen Vorbiegung scheint amı Futschölpass zu liegen, über den hinweg junge Kalkschiefer (mit Fucoiden) bis P. 2370 gegen das Jamtal eindringen. — Aehnliche, noch näher zu untersuchende, lokale Komplikationen liegen im Ge- biet der Val Tasna, und an der SSW-Grenze des Antirhätikon vor. Von Wichtigkeit für die Erkenntnis der Ursachen der Ueber- schiebungen, ihrer Abhängigkeit und ihrer Richtungen ist folgendes. Wir sehen da, wo eine relativ schmale kristalline Zone (Ferwall) bei Malfrag-Gribella-Greitspitz die Ueberschiebung beeinflusst hat, relativ einfache Verhältnisse. Der Liaszug (an dem diese Verhält- nisse am deutlichsten sichtbar werden) ist hier im Osten des Anti- rhätikon — verhältnismässig — am wenigsten gestört; zum Teil noch als eng zusammengepresste Gewölbestücke von auffallender Regel- mässigkeit des Baues („Kirche* im Volksmund genannt) erhalten, Allerdings finden auch hier schon Zerreissungen und Durchstechungen der Liasschichten mit Schiefern statt. Auf dieser relativ wenig gestörten Strecke mit NO—SW-Ver- lauf, parallel der Ferwallüberschiebung, ist das Fallen der Schichten fast regelmässigNW. Diese Richtungen ändern sich, sobald wir uns der zentralen Silvretta nähern. — Entsprechend der Umbiegung Ferwall-Silvretta s. str. biegen die Sedi- mente scharf um; das Streichen wird streckenweise NS, 285] (GEOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN IM ANTIRHÄTIKON. 29 das Fallen WNW-—W, Der bis jetzt ziemlich einheitliche Liaszug ist bei Alp Fenga (bei der Heidelberger Hütte) — also in der Nähe des Charniers — in ein Chaos von Schollen zerrissen, und mit Schiefern verquetscht. — Auf der Siegfriedkarte d. E.T. B. sind diese Fels- köpfe deutlich eingezeichnet; einige kleinere dürften Felsstürzen ihre Lage im Tal unten verdanken. Das gleiche Anschmiegen in Streichen und Fallen der Sedimente an den Verlauf der kristallinen Masse der Silvretta tritt in der Val Urschai und Val Tasna zu Tage, wo zwischen Piz Cot- schen und Piz dellas Clavigliadas die Schiefer stark zusammen- gepresst sind (THEOBALD zeichnet hier eine fast O—W streichende kleine Mulde). Wir haben aus praktischen Gründen besonders den Liaszug verfolgt, alle andern mesozoischen Schichtglieder zeigen, ihrer Art entsprechend, ähnliche Abhängigkeit. Von besonderen Interesse erweist sich die Trias mit ihren zum Teil dynamometa- morph veränderten, marmorisierten Kalken und Dolomiten, welche mit stark reduzierter Mächtigkeit unter die kristalline Ueberschiebungs- decke einschiessen. — Ueberall erscheint die Trias, wo wir sie am Rande der kleinen Massen sehen, in Form wenig mäch- tiger Einspitzungen, während sie an den vorderen Ueber- schiebungsrändern stark an Mächtigkeit zunimmt, ja zum Teil als zusammengestaute Masse in abnormer Mächtigkeit gleichsam unter der Ueberschiebungsdecke vorquillt (ver- gleiche z. B. die Profile III, V, VI von ScHILLEr auf Taf. V und VI dieser Zeitschrift). Solche Bilder, die stark für lokale, von den kristallinen Massiven beeinflusste Schübe, bezw. durch sie hervorgerufene Stauwirkung, und gegen einheitliche grosse Decken sprechen, sehen wir im Osten der Silvretta (Anti- rhätikon), wo West-Ostschub vorherrscht und mit spiegelbild- lich gerichteten Einspitzungen im Westen der Silvretta (Strecke Grubenpass—Klosters), wo Ost-Westschub wirkte. Als Stellen, an denen die obere Silvrettaüberschiebung besonders schön sichtbar ist, erwähne ich das Fluchthorn; für den Ferwallteil tritt die Parditschergratüberschiebung sehr deutlich zu Tage. Im hinteren Fimbertal ruhen Fluchthorn, Larain- fernerspitz, Heidelbergerspitz (P. 2908) und Krone mit ihrem kristal- linen Bau gleichsam wie „Ausleger“ auf das Mesozoikum vorge- schoben. Die kristalline Kappe des Piz Cotschen ist gleichfalls ein auf der jüngeren Unterlage ruhender, vorgeschobener „Ausleger“. 30 W. PAULcKE: [286 Die komplizierten Verhältnisse bei Ardetz werden erst deutlich erkannt werden können, wenn die einfacheren im NO noch mehr geklärt sind. Auf die tektonische von allen Seiten beeinflusste Lage dieser Gegend (ein wahrer Hexenkessel von Komplikationen) wies ich schon oben (S. 282) hin. Bei Schuls sehen wir dann — wie schon erwähnt — deutlichesSW—NO-Streichen und vorwiegen- des SO-Fallen längs der Inntalüberschiebung. Ueberall er- blickt der Beobachter deutlich Schubrichtungen konzen- trisch gegen die Unterengadiner Sedimentmassen. Wir sehen aus dem Gesagten, dass die untere (=Stammer-) Ueberschiebung der Unterengadiner NW-Ueberschiebung bogenförmig verläuft, und dass die obere (=Silvretta-Fer- wall-) Ueberschiebung sich konzentrisch darumlegt (vgl. Anm. S. 283). Messen wir die Entfernung zwischen dem kristallinen Stirnrand der Silvrettaüberschiebung zu den am weitesten rückwärts unter der kristallinen Masse nachweisbaren Sedimenten, so ergibt sich eine jetzt feststellbare Entfernung von 3—4 km. Messen wir vom weitest vorliegenden Punkt der Stammerüberschiebung bis zu demselben Punkt nach rückwärts, so erhalten wir eine Maximalüberschie- bungsweite von 11—12 km. Dabei ist zu bemerken, das wir den weitesten sichtbaren Trias- vorstoss etwa in der Linie Fluchthorn— Stammerspitz, also östlich der zentralen Silvretta haben, und dass die Entfernung der jetzigen Stirnränder, der oberen kristallinen — und der unteren Ueberschiebung voneinander im Nord-Osten (Ferwallschub) etwa die Hälfte beträgt, wie im Westen des Gebietes (Silvrettaschub). — Ich kann mir nicht denken, dass diese vielfachen, so augenfälligen Abhängigkeiten rein lokaler Natur, deren Beziehungen zueinander dem vorurteils- freien Beobachter auf Schritt und Tritt auffallen müssen, nur Natur- spiele der Erosion in einem „Fenster“ sein sollen. Die zonale Anord- nung der Sedimentzüge, der Ueberschiebungsränder, verläuft ohne Unterschied der Erhebungen über Berge und Täler!. — Alles liegt relativ tiefer an der weniger hohen Ferwallgrenze, alles liegt höher an der hochemporgestauten zentralen Silvrettagrenze. Meiner An- sicht nach haben wir im Antirhätikon, wie in den Unter- engadiner Sedimentärgebieten überhaupt, Gebiete geolo- gischer Depressionen vor uns, die wir uns zwar bei Beginn der ! Vgl. S. 284 Höheneöten. 287] GEOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN IM ANTIRHÄTIKON. 31 Faltung anfangs mitgehoben denken müssen, deren Oberfläche dann aber an Linien geringeren Widerstandes (Faciesgrenzen) barst (Vor- treten der basischen Eruptiva), so dass die Gebiete von nun an in der Tiefe blieben, bzw. zurücksanken, während die kristallinen Massive ringsumher höher emporgefaltet wurden. Die tangential zweiseitig wirkende Kraft, welche die Gesamtalpenfaltung verursachte, wirkte gegen diese Gebiete relativer Senkung überschiebend (Glarner- alpen, Rhätikon) und wurde überall da in ihrer Schubrichtung modi- fiziert, wo erstens Zentralmassive stauend und rückfaltend wirkten, and wo zweitens die von diesen ausgehenden Schübe die Möglichkeit auszu weichen hatten. In Ostbünden haben wir kesselartig eingesenkte Sedimentär- gebiete fast rings umgeben von kristallinen Massiven. Konzentrisch mussten bier von der Bernina, von der Silvretta, vom Ferwall und von den Oetztalern Schübe gegen diesen Kessel des Antirhätikon, und gegen die Unter- engadiner Dolomiten (wie ich dieses Triasgebiet zusammenfassend nennen will), erfolgen. Ueberall sehen wir in grossen Zügen, und oft bis ins kleinste Detail, Fallen und Streichen sich den Grenzen dieser Massive anschmiegen. Vielfach sehen wir die Sedimente als Einspitzungen zentralmassivwärts mehr und mehr tektonisch auskeilen. Im NW fallen die Sedimente unter die kristallinen Gesteine des Vesulspitz und des Parditscher Grates nach NW. Im obersten Fimbertal herrscht westliches Fallen gegen die Silvretta. Bei Campo vasto (Engadin bei Ponte) beinahe südliches Fallen der Trias des Piz Mezzem unter das Kristalline der Languardgruppe. — Einen eigen- artigen Verlauf zeigen die Ueberschiebungen der Lischannagruppe, dieses NO-Zipfels der Unterengadiner Dolomiten (vgl. SCHILLER, diese Zeitschrift). Hier sehen wir die Oetztaler Wirkung wegen der Ausweichmöglichkeit nach NW (vgl. S. 283) als SO—NW ge- richteten Schub ausgelöst, und zum Teil wohl noch mit dem Bernina- S-N-Schub interferieren. Wie zwischen „Schraubstöcke“ gefasst sind die Unterengadiner Sedimentärgebiete eingezwängt und zusammen- gestaucht worden, und wenn wir die verschiedenen genannten lokalen Eigentümlichkeiten berücksichtigen, erhalten wir eine mechanische Erklärungsmöglichkeit für die enormen, tektonischen Komplikationen, z. B. in der von SCcHILLER bearbeiteten Sesvennagruppe, wo stellen- weise Schichtpakete einander gleichsam in die Flanke gepresst sind. 39 W. PaAuLckeE: [288 Diese enormen Komplikationen treten da auf, wo die Unterengadiner Trias auf eine relativ schmale Zone zusammengestaucht ist, wo Oetz- taler Schub und Berninaschub interferieren, und wo wahrscheinlich noch die Silvretta an der Ecke bei Guarda und Ardetz stauend wirkte. Da, wo der Bewegung gleichsam mehr Raum innerhalb der sedimentären Masse gegeben war, wo die kristallinen Massive weiter auseinanderliegen, erscheint der Gebirgsbau auch sofort verhältnis- mässig ruhiger und regelmässiger, was meiner Ansicht nach auch stark für den lokalen Charakter der Erscheinungen in den Unterengadiner Gebieten spricht. Aus dem Gesagten begreifen wir ferner, dass in solchen Kesseln gerade die mechanisch so nachgiebigen, jungen Schiefer so über- und durcheinander gepresst wurden, was für die Erhaltung ihrer ursprünglichen petrographischen Beschaffenheit und ihrer organischen Einschlüsse nicht gerade dienlich war, und wodurch sie zu so enormen sekundären Mächtigkeiten zusammengestaucht wurden (worauf schon STEINMANN |. c. S. 245 hinwies). Aus diesen Verhältnissen heraus begreifen wir aber auch, dass interferierende Bewegungen zwischen den verschiedenen Schub- richtungen hervorgerufen werden mussten. Zwischen Schub- richtungen, die bedingt wurden durch die allgemeine alpine Faltung, durch die Wirkung der Zentralmassive und durch die Ausweich- möglichkeit der Schübe nach Gebieten relativer, lokaler Senkung. Vielfach, wo in Gebieten ähnlich bedingter Unregelmässig- keiten, wie im Antirhätikon, Beobachtungen angestellt worden sind, haben die Autoren an zeitlich getrennte, mehrfach nacheinander erfolgte, verschieden gerichtete Alpenfaltungen gedacht. Zwei derartige Hauptrichtungen, wie sie LORENZ für den Rhä- tikon nachwies (diese Zeitschrift XII 79ft.), sind auch deutlich im Antirhätikon nachweisbar. Doch halte ich alle diese Bewegungen für ziemlich gleichalterig. DiesSW-—NO-Streichrichtung im Antirhätikon entspricht dem all- gemeinen Alpenstreichen, im speziellen dem diesem folgenden Streichen des Ferwall, die dazu im Winkel stehende Streichrichtung entspricht der Umbiegung der Silvretta. Wir sehen daher im Antirhätikon eine dem Hauptalpenstreichen (=Ferwallstreichen) etwa parallele Falten- gebung, die in der Antiklinale Muttler-Mondin zum Ausdruck kommt und eime im Winkel dazu verlaufene Wellung, die dem SW—NO bzw. W—O gerichteten Silvrettaschub ihre Entstehung verdankt, und 289] GEOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN IM ANTIRHÄTIKON. 33 die in dem Auf- und Niedertauchen des Liaszuges (vgl. Höhen- angaben auf S. 284) wieder besonders deutlich verfolgbar ist. Beide Bewegungen interferieren miteinander. Das gleiche konnte SCHILLER (diese Zeitschrift 1904, S. 155) in der Sesvennagruppe konstatieren; wir sehen da die Richtungen des Oetztaler- und des Berninaschubes interferieren. Diese Inter- ferenz tritt am auffälligsten bei Scarl zu Tage, wo sich gleichsam der Winkel befindet, an dem beide Bewegungen am stärksten auf- einander prallen mussten (vgl. Kartenskizze von SCHILLER 1. c. $. 148). Aus dem S-Schub der Bernina und dem W—SW-Schub der Oetz- taler resultiert hier dann der SW-Schub der Inntalüberschiebung mit SW-—-NO-Streichen. Erscheinungen, wie sie sich kreuzende Faltungs- richtungen, Transversalschieferung, eventuell einander schneidende Bruchsysteme und Transversalverschiebungen darstellen, erklären sich auf diese Weise ebenfalls zwanglos. Wo eine Mehrzahl lokaler Einflüsse, Auslösungen und Ablenkungen der Bewegungen modifiziert hat, werden noch weitgehendere Komplikationen als blosse Kreu- zung zweier Faltungsrichtungen auftreten können (vgl. auch Mrs. OcıLvies, Torsion-Structures, Quarterly Journal, Bd. 55, 1899, S. 560). Aus meinen Beobachtungen im Antirhätikon geht, wie ich meine, sicher hervor, dass wir es hier nicht mit einem „Fen- ster* in einer grossen Ueberschiebungsdecke zu tun haben, die aus Süden gekommen ist. Aus meinen Beobachtungen geht ferner hervor, dass wir es hier auch nicht mit einem Fenster in einer, auf glattrasierter Schubfläche von Ost nach West gerichteten, Ueberschiebungsmasse zu tun haben. Ich kann die Silvretta nicht als Deckscholle auffassen, sondern halte sie für ein zwischen Gebieten relativer Senkung auf- gefaltetes Zentralmassiv, welches an den Rändern gegen diese genannten Sedimentärgebiete Ueberschiebungen von relativ geringem Ausmass hervorgerufen hat. Wir sehen, wie sich die tektonischen Verhältnisse, von gewissen Unterschieden abgesehen, im Westen, wie im Osten der Silvretta (Rhätikon und Antirhätikon) spiegelbildlich ähneln. Auf der Strecke Grubenpass—Klosters fallen die Sedimente sich einspitzend nach Osten gegen die Silvretta, im Antirhätikon am Fluchthorn fallen sie nach Westen gleichfalls gegen dasselbe Massiv. Wir sehen weiter das Charnier am Grubenpass, das dem des Larainjoch Berichte XIV. 19 34 W. PAULckE: [290 entspricht, wir sehen ferner vom Grubenpass an westlich, die Schich- ten, in der Hauptsache, nach Norden fallend, in besonderer Abhängig- keit von der gesamtalpinen Faltung, und in geringerem Masse vom Sil- vrettaschub in Gestalt leichter Wellen tangiert. Auf der Strecke vom Grubenpass südlich wiegt dagegen die Silvrettamassivwirkung mit W-—-Ö-Schub vor. Stets aber geht der Schub gegen die Gebiete relativer Senkung, in diesem Falle das Prätigau. Deutlich ist das von JENNInGs! in der Kartenskizze wieder- gegebene Charnier bei Klosters. Wir sehen auch hier wieder in rein lokaler Abhängigkeit von dem Umbiegen der Sil- vretta an der Stelle, wo sie sich in die Pischa-Vadret-Keschmasse fortsetzt, scherende Bewegungen an Transversalverschiebungen, die in der wechselnden, zentralmassivischen Schubrichtung ihre Ursache zu haben scheinen. Die Pischa-Keschmasse beherrscht von der Cotschna an die Ketten des Plessurgebirges. Im SW dieses Sedimentärgebietes treten dann neue Komplikationen auf, und die Beeinflussung durch die Silvretta in Streichen und Fallen findet mit dem Untertauchen dieses Massivs ihr Ende. Meine Beobachtungen bekräftigen die Ansicht STEIN- MANNS, dass in den genannten Bündner Aufbruchsgebieten Streichen und Fallen der Sedimente unabhängig vom all- gemeinen Streichen des Alpengebietes sind, „dass sie viel- mehr in direkter Beziehung stehen zu dem ursprünglichen Verlauf der Faciesgrenzen zwischen ostalpiner und hel- vetischer Ausbildungsweise der mesozoischen Sedimente“. Ich seheim Antirhätikon, wieim Unterengadiner Dolo- mitengebiet (ähnlich wie dies LORENZ? für Prätigau und Glarner- gebiet erkannte) Gebiete relativer Senkung, welche sich hier speziell in starker, tektonischer Abhängigkeit von den sie umgebenden kristallinen Massiven befinden. In hervor- ragendem Masse haben von diesen Massiven hier konzen- trisch gerichtete Ueberschiebungen gegen die genannten Sedimentärgebiete stattgefunden, deren Streichen und Fallen sich fast exakt dem Verlauf der kristallinen Grenzen anpasst. Für die Richtung solcher Ueberschiebungen war offenbar neben der Ausdehnung der kristallinen Massive ı V. Jennınags, Geology of the Davos District, Quarterly Journal 1899. ® Tu. Lorenz, I Fläscherberg, Beitr. z. geol. Kart. d. Schweiz N. F.X, Lief. 1900, S. 51 ff., und Tu. Lorenz, II Der südl. Rhätikon, diese Zeitschrift 1901, S. 75. 291] GEOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN IM ANTIRHÄTIKON. 35 auch die Möglichkeit massgebend, nach welcher zur Zeit der tektonischen Vorgänge der Schub auszuweichen ver- mochte. Lokale facielle Eigentümlichkeiten (vgl. Jura S. 280 Trias S. 279), Mächtigkeitsunterschiede, Wechsel in der petrographischen Beschaffenheit der Sedimente, Verlauf der Faciesgrenzen haben als Ursachen für Auslösung und Art tektonischer Bewegungen offenbar eine sehr wichtige Rolle gespielt; — besonders für den sog. „Aufbruchs- vorgang“. Wenn ich mich bildlich ausdrücken wollte, würde ich meine Vorstellung von dem etwaigen Verlauf des tektonischen Vor- ganges ungefähr in folgende Worte kleiden: Wie die Wogen über ein sinkendes Schiff, das noch kurz zu- vor auf ihren Kämmen getragen wurde, so schlugen die Ueber- schiebungswellen über den sinkenden Sedimentmassen des Unter- engadins zusammen. Es würde mich zu weit führen, an die Beziehungen zu erinnern, die zwischen dem Auftreten kristalliner Massive, und dem Vor- handensein von Grenzscheiden zwischen Facieszonen existieren. Jedenfalls aber bin ich der festen Ueberzeugung, dass gerade das Studium besonders unregelmässiger Gebiete — wie sie z. B. in Graubünden vorliegen — die Lösung mancher Fragen bringen wird, weil wir in solchen Gebieten gezwungen werden, uns vom ver- allgemeinernden Schema zu emanzipieren, und so aus den vielen indi- viduellen Zügen auf den Gesamtcharakter des Riesenbauwerks der Alpen Schlüsse machen zu lernen. Für viele Geologen bieten die Alpen noch eine Fülle schwieriger Rätsel, und eine grosse Menge mühevoller Detailarbeıt ist noch zu leisten, bevor wir ein völlig klares Bild von dem im Einzelnen so mannigfach struierten Gebirgsbau der Alpen erhalten. Wir sind erst am Anfang der Erkenntnis, und riesige Arbeitsfelder liegen noch brach, oder schlecht beackert vor uns. Der Antirhätikon und der Gebirgsbau der Alpen. Ausgehend von den eigenartig unregelmässigen Verhältnissen in Graubünden, möchte ich einen Gedankengang kurz skizzieren, der sich mir vor drei Jahren zum erstenmal aufdrängte, und der seitdem immer festere Formen angenommen hat. Dabei laufe ich allerdings Gefahr — wie vielleicht auch schon in obigen Ausfüh- rungen —, von manchem für ausserordentlich altmodisch gehalten 36 W. PAULcKE: [292 zu werden, da ich den allermodernsten geologischen Einrichtungen nur wenig Verständnis abzugewinnen vermag. Man hat sich heutzutage fast darauf verbissen, um jeden Preis von Grund auf. Neues bringen zu wollen, oft bloss, weil es neu ist, weil es dem Alten, veraltet Erscheinenden, widerspricht. An Stelle eines alten Schemas wird ein neues gesetzt, weit ver- schieden, aber eben doch wieder ein Schema. Man vergisst dabei vielfach, daran zu denken, dass unsere Vorgänger eine Fülle treff- licher, klar gesehener Beobachtungen gemacht, zusammengetragen, und dem Stande ihrer Zeit entsprechend verwertet haben. Wenn man anfangs für die Erklärung eines so vielgestal- tigen Baues, wie ihn die Alpen darstellen, nach einem einheitlichen Schema suchte, und ein solches mehrfach gefunden zu haben glaubte, so war das verzeihlich, da die mangelhafte Detail- kenntnis der verschiedenen Alpengebiete daran schuld war. Bei unserer heutigen Kenntnis der Alpen verbieten die bisher gesicherten Tatsachen unseres Wissens das Aufstellen eines einzigen Schemas zur Erklärung des gesamten Alpen- baues. Die Natur arbeitet nun einmal nicht überall nach dem- selben Schema, sie schafft nach grossen Gesetzen, deren Aeusse- rungen je nach den speziellen Verhältnissen ausserordent- lich verschiedenartig in die Erscheinung treten können. — Anstatt dass der Mensch nun versucht, Grundgesetze zu erkennen, und ihren vielgestaltigen Wirkungen nachzuspüren, konstruiert er sich ein gekünsteltes System, in das er alles, was ihm begegnet, hineinzuzwängen, oder auseinanderzuzerren sucht, wie in einem Prokrustesbett. Wir werden vielleicht einst die Entstehung aller Gebirge der Erde nach allgemein gültigen Gesetzen zu erklären vermögen, nach einem allgültigen Schema niemals! Schon West- und Ostalpen verdanken zwar wohl einer Grund- ursache ihr Dasein als Gebirge, doch sind sie weit davon ent- fernt, den gleichen Bauplan zu besitzen! Wie z. B. in jedem Lebewesen sich der Entwicklungsgang seiner Vorfahren äussert, wie jedes Menschen Art und Wesen durch die Kultur der Voreltern beeinflusst ist, wie jedes Volk das Produkt seines geschichtlichen Werdeganges ist, so ist auch in der anorga- nischen Natur jedes Ding das Produkt der chemischen und physi- kalischen Verhältnisse, die eine Einwirkung auf dasselbe ausübten. — In hervorragendstem Masse ist jedes Gebirge, jeder 293] (FEOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN IM ANTIRHÄTIKON. 37 Gebirgsteil in seiner ganzen heutigen Erscheinung das Produkt seiner Vorgeschichte vom Beginn der Entstehung seiner ältesten Gesteine bis auf den heutigen Tag. Einheitlich vorgebildete Gebiete (stratigraphisch, wie eventuell auch tektonisch) werden auf dasselbe Agens einheit- lich reagieren und — wenn nicht ausserhalb ihrer Sphäre liegende, anderweitig sie beeinflussende Störungen eintreten — als einheit- lich erscheinendes Endprodukt aus einem Umbildungsprozess hervorgehen. In Einzelteilen verschiedenartig im Laufe ihrer Vorgeschichte entwickelte Gebiete, müssen dagegen auch unbedingt ver- schiedenartig auf gleichartig einwirkende Mächte reagieren. Bei der Errichtung der Riesenbauten unserer Gebirge muss daher die Architektur vor allem jenach dem Baumaterial, und je nach der Einbeziehung alter Gebirgsreste, eine sehr verschieden- artige sein. — Auf mechanischem Wege entstandene Gebilde, wie unsere Gebirge es sind, müssen für die Regelmässigkeiten, wie für die Unregelmässigkeiten ihres Baues mechanische Ursachen haben. Ein auf weite horizontale Strecken gleichmässig aus nicht spröden Kalken gebildetes Gebiet wird auf tangentialen Schub anders reagieren müssen, als eine auf kurze Distanz in schrofiem Wechsel aus mächtigen spröden Dolomiten und Kalken und weichen Mergeln zusammengesetzte Gegend (vgl. hierzu HEIM, DIENER u. a.). Esist z. B. mechanisch ein Unding, verlangen zu wollen, dass die relativ einheitlich vorgebildete helvetische Jura- Kreide-Eocänzone in gleicher Weise auf die Alpenfaltung reagiert haben soll, wie z. B. die nördliche Kalkzone der Östalpen mit ihren wechselvollen Faciesverhältnissen. STEINMANN hat wichtige Beziehungen zwischen dem Verlauf der Faciesgrenze zwischen helvetischer und ostalpiner Facies und den tektonischen Störungen in den helvetisch-ostalpinen Grenz- gebieten Graubündens erkannt. Von diesem Gedanken ausgehend, und nach meinen Beobachtungen in Graubünden, wie in verschie- denen für diese Fragen wichtigen ostalpinen Gegenden, spielen facielle Verhältnisse jeder Art, die nochmals kurz genannt sein sollen, wie Mächtigkeitsunterschiede, Art der petrographi- schen Ausbildung, Wechsel in der petrographischen Be- schaffenheit in der Horizontalen, wie in der Vertikalen; Einbeziehung alter Gebirgsteile etc. für das Werden der Architektonik der Gebirge unter dem Einfluss gebirgs- 38 W. PAULckE: [294 bildender Kräfte eine sehr grosse Rolle — Jedem un- befangenen Beschauer muss, meine ich, bei dem Vergleich ver- schiedener typischer, gleichsam in dem Rahmen des ganzen Alpen- baus individuell in die Erscheinung tretender Alpengebiete, wie es z. B. die karnischen Alpen, die Südtiroler Dolomiten, die Grau- bündner Aufbruchgebiete, und die nordschweizerischen Kreide- Eocänketten, oder die ostalpinen nördlichen Kalkalpen und Einzel- teile derselben sind, sich die Erkenntnis aufdrängen, dass diese Gebiete fast alle voneinander verschiedene Bauart besitzen, und dass dies seinen Grund in ihrer verschiedenen Vorgeschichte haben muss. — Bevor wir den begonnenen Gedankengang weiter verfolgen, wollen wir an einige typische Unterschiede in der Ausgestaltung verschiedener Alpengebiete erinnern: In den Westalpen: relativ einheitliche zonale Anordnung faciell gleichartiger in Jura, Kreide und Eocän, auch petrographisch recht gleichmässig ausgebildeter, vorwiegend kalkig-kalkigtoniger Sedi- mente. Also Schaffung eines relativ einheitlichen Baumaterials auf weite Strecken (in + zonaler Anordnung). Tektonischer Charakter: Falten- und Faltenüberschie- bungsarchitektur auf weite Strecken und relatives Zurücktreten von Brüchen und Transversalverschiebungen. In den Ostalpen: vielfach auf kurze Entfernungen ver- schiedenartige, mehr oder weniger schroff wechselnde Faciesgebiete, sowohl in der nördlichen, wie in der süd- lichen Kalkzone. D. h. also: Bildung ausserordentlich verschiedenartigen Baumaterials von sehr mannigfacher Konsistenz in jähem Wechsel, und von sehr verschiedener (srösse der faciellen Einheiten. — Tektonischer Charakter: Auftreten von Brüchen, Vorwiegen von Bruchüberschiebungen, Transversalverschiebungen event. Torsionen. — Zurücktreten von Faltenbildung bis zum völligen Fehlen von kettenförmiger Anordnung: Schollen- struktur. Die Westalpen stellen also ein faciell relativ einheitlich vor- gebildetes Gebiet dar, dessen tektonischer Charakter auch. dem- entsprechend relativ einheitlich geworden ist. Die Ostalpen dagegen mit ihrem vielfachen Facieswechsel erscheinen als ein sehr mannigfach struiertes Gebirgsgebilde; sowohl im Norden, wie im Süden. 295] GEOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN IM ANTIRHÄTIKON. 39 Nachdem wir in kurzen Zügen an die Art der Zusammen- setzung und den verschiedenartigen Bau von Ost- und Westalpen erinnert haben, wollen wir versuchen, uns ein Bild davon zu machen, wie gebirgsbildende Vorgänge auf derartig vorgebildete Gebiete wohl gewirkt haben können. Wir müssen zu diesem Zweck von der Kanrt-LAarLAczschen Hypothese von der Entstehung des Weltsystems ausgehen. — Wir betrachten die Erde als einen auch jetzt noch in Abkühlung be- griffenen Körper, und deuten die Gebirge als Folgen der Kontrak- tion, der die äussere Hülle, besonders der Schichtgesteine, nicht in gleicher Intensität und Gleichmässigkeit durch Kontraktion folgen kann, wie der homogenere Kern. — Eine plausiblere Er- klärung für das Auftreten der Gebirgsbildung, als die Kontraktions- theorie, ist bis jetzt noch nicht gegeben worden, und wir dürfen wohl mit Recht in der Kontraktion des Erdkörpers die primäre Ur- sache für die Entstehung der Gebirge annehmen. Die Fragen, warum zu gewissen Zeiten und in gewissen Zonen Gebirge entstanden sind, versuchte man auf verschiedene Weise zu beantworten, ohne dass bis jetzt eine irgendwie allgemein befriedigende Lösung gefunden wäre. Für unsere Deduktionen können wir diese Fragen auch vor- derhand unberücksichtigt lassen. Wir nehmen die Kontraktion der Erde als gegebene Grund- lage für die Gebirgsbildung, als das Hauptgesetz für das Werden der Gebirge. Bei der Kontraktion des Erdkerns, und der gleich- falls mehr oder weniger homogenen Panzerdecke, kann besonders die in ihrer Zusammensetzung weniger gleichartig sich verhaltende Schichtenhülle nicht in gleichem Masse der Kontraktion folgen (zumal die verschiedenen Gesteinskomplexe verschiedene Ausdeh- nungsexponenten besitzen, und sich auch je nach ihrer petrographischen Beschaffenheit mechanisch verschieden verhalten müssen). Das Resultat ist: Aufwölbung, Zusammenstauung zu Falten, und zwar umso gleichmässiger, je einheitlich-gleichmässiger das Bau- material, d. h. die in dem Faltungsbezirke befindliche Sediments- decke auf weite Strecken struiert ist. Die Faltengewölbe werden um so reichlicher und höher empor- gefaltet werden können, je einheitlicher, und je druck- und zugfester ‚das Baumaterial ist. Während einerseits derartige Auffaltungen entstehen, ver- kürzt sich doch vor allem bei der Kontraktion der Erde der Erd- 40 W. PAULcKE: [296 radius, so dass der Auffaltung, die einer lokalen Verlängerung des Erdradius entspricht, mindestens Niederbrüche in einem die Empor- faltung etwas überkompensierendem Masse entsprechen müssen. Einheitliche Auffaltungen in grossem Ausmass bedingt durch gleichmässiges Baumaterial auf weite Längserstreckung (= Einheit- lichkeit der Facies im Mesozoicum der Westalpen) bedingte, wie es scheint, auch einheitliche Reaktion in centripetalem Sinne, d.i. Nieder- bruch der Poebene, Versinken der südlichen Kalkzone im Süden der Westalpen. Mir erscheint nach dem Gesagten, die fast geschlossene Kette sehr hoher Erhebungen (Centralmassive) im Gebiete der Westalpen, sowie die relativ gleichartige tektonische Ge- staltung ihrer nördlichen Kalkzone einerseits, wie die sekundäre Asymmetrie durch Niederbruch der Poebene anderseits, ihre Hauptursache in der zonal auf weite Strecken faciell gleichmässig ausgebildeten mesozoischen und tertiären Sedimentserie des westalpinen Gebietes zu haben!. Betrachten wir dagegen die Ostalpen. Hier sehen wir erstens die zentrale kristalline Achse zu bedeutend geringerer durchschnitt- licher Höhe emporgehoben; wir sehen nördliche und südliche Kalk- zone erhalten, und können im Anschluss an den oben entwickelten Ge- dankengang folgenden Erklärungsversuch für diese Tatsachen finden. Wie bei den Westalpen, so wirkte auch in deren östlicher Ver- längerung in gleicher Weise die Kontraktion der Hauptsache nach als zweiseitig von N und S gerichteter tangentialer Druck. Natur- gemäss wurden auch hier die zentralen Massen am stärksten empor- gestaut, doch war hier dieser Prozess nur bis zu einem gewissen (rrade möglich, da die faciell verschiedenartig ausgebildeten, mosaikartig in ihrer Zusammensetzung wechselnden Gebiete nicht mechanisch ein- heitlich wirken konnten! Die Konstruktion mächtiger Ge- wölbe und Faltenzüge war hier wegen der Verschieden- artigkeit und Ungleichheit des Baumaterials eine mecha- nische Unmöglichkeit! Die zentripetalen Reaktionen der Erd- radiusverkürzung fanden gleichsam auch innerhalb des eigentlichen Baugebietes, während des Baues statt, weil Faciesgrenzen etc. Linien ' Nach dem Gesagten müssen wir annehmen, dass in der Mehrzahl der höchsten Kettengebirge der Erde relativ einbeitliche facielle Verhält- nisse auf weite Strecken in zonaler Anordnung bestehen müssen, was tat- sächlich der Fall zu sein scheint. 297] GEOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN IM ANTIRHÄTIKON. 41 geringeren Widerstandes darstellten. Mosaikartig sank schon während der Auffaltung Faciesscholle neben Faciesscholle an Verwerfungen ab, bzw. wurde horizontal auch verschoben, wobei allerdings auch bei den Östalpen das allgemeine mediterrane Senkungsgebiet im Süden das grösste Ausmass zentripetaler Bewegungen aufweist. Betrachten wir schliesslich das eigenartige Mittelstück der Alpen: Graubünden (und zum Teil Glarus), welches in mancher Hinsicht zu den Östalpen, in anderer zu den Westalpen gehört: bzw. ein Gebiet sui generis darstellt. — Wir sehen hier Gebiete vor uns, in denen offenbar tief buchtenartig eingreifende Meeresarme faciell eigenartige Bildungen abgelagert haben. Es scheint, als ob hier diese Meeresarme spezialisierter Faciesausbildung quer zum OW-Verlauf der rein helveti- schen und rein ostalpinen Bildungen nach Süden und Südosten unregelmässig begrenzte Buchten ausgesandt haben, so dass auch mehr oder weniger meridional ver- laufende Faciesgrenzen entstanden, zwischen denen in zum Teil von dem Hauptstreichen der Alpen abweichender Streichrich- tung ein Zentralmassiv (Silvretta) emporgepresst wurde, während Ferwall und Oetztaler, sowie Bernina schon mehr wieder der all- gemeinen SV—NO-Richtung folgen. — Die Gebiete spezialisierter Faciesausbildung in Bünden scheinen dann während der Alpen- faltung gleichfalls mitten während des Alpenaufbaus zum Teil kom- pensierenden, zentripetalen Bewegungen ausgesetzt gewesen zu sein. Aus faciellen Gründen scheint es in Glarus und Graubünden nicht zu einer mehr oder weniger einheitlichen, axialen Zentral- massivbildung gekommen zu sein. — Die kristallinen Massive er- scheinen hier unregelmässig verteilt, und zwischen ihnen liegen die Gebiete relativer Senkung zum Teil mitten im Gebirgskörper. Betrachten wir nun diese Grenzregion noch nach einem weiteren Gesichtspunkt. Wenn wir vom östlichen Ende des Finsteraarmassivs eine Linie nach Süden ziehen, so treffen wir fast genau auf den Beginn der südlichen Kalkzone, welche südlich der Bündner Aufbruchsgebiete an Breite gewinnt. Mir scheint hier ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Beginn der südlichen Kalkzone am Luganer See und dem Auftreten der intraalpinen Gebiete relativer Senkung zu bestehen. Das grosse Ausmass einheitlicher starker, zentripetaler Bewe- gungen, welches in den weiter westlich gelegenen Gebieten als einheit- 192 42 W. PAULCKE: (FEOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN IM ANTIRHÄTIKON. [298 liche Reaktion auf die enorme Emporpressung notwendig war, so dass der Niederbruch der Poebene erfolgen musste, wurde für die Gebiete vom Luganer See an östlich, etwa bis in die Gegend des Idrosees trotz der hohen Auffaltung der Bernina und Silvretta im Süden nicht nötig, da hier die intraalpinen Bündner und Glarner Einbruchsgebiete in zentripetalem Sinne kompensierend wirkten. Diese hier ausgesprochenen Gedanken in vielen Einzelheiten zu verfolgen, fehlt mir leider momentan Raum und Zeit; es wird dies später noch in ausführlicherer und gründlicherer Weise zu geschehen haben. Mir scheint jedoch, als ob dieser Gedankengang, der auf vielen alten Befunden basiert, und von der STEINMANNschen Idee der Wichtigkeit der Faciesgrenzen für tektonische Störungen ausgeht, uns zu einer ungekünstelten, relativ einfachen und einheitlichen Auf- fassung der Entstehung der Alpen führen kann. Vor allem gliedern sich die vielen Unregelmässigkeiten, die unsere Alpen aufweisen, organisch in einen natürlichen Werdegang des Ganzen ein, ja die Unregelmässigkeiten in Graubünden waren es besonders, die uns den Schlüssel für den Versuch gaben, ihr Erscheinen Grundgesetzen unterzuordnen, die mit für die Entstehung des komplizierten Alpenbaues ausschlaggebend gewesen sein dürften. Druckfehlerverzeiehnis. (Aufsatz Walther Schiller: Geologische Untersuchungen im östlichenU nter- engadin. I. Lischannagruppe, S. 107—180 betr.) Im Texte: S. 41 Zeile 22 lies Russenna anstatt Russena. S. 67 Zeile 21 lies Vades anstatt Vadels. Auf Tafel IV: In der Farbenskala ist bei den bunten Bündner Schiefern vergessen, den Dolomit und Marmor als kleine rote Linsen einzutragen. Genau nördlich von dem Buchstaben „P.“ in P. Mezdi (im östlichen Teile des Gebietes) ist versehentlich ein Fleckchen Tithon-Kalkschiefer anstatt Lias- schiefer gedruckt worden. Ferner sind ein paar kleine belanglose Ungenauigkeiten (infolge technischer Schwierigkeiten) in der Quetschzone des Piz S. Jon untergelaufen. 1 a u Ja Er Eh - N “7 i # En eh ‘2% EEE ver Tu S0 * 4 = ur & « v ER re, Ar ie He 2 - Hank at. 330; ren ae Ra Bes, IE DEIN a a a: Er: 1 a Be | Are Ba ers Bi kz EN ee EUUTEN BT 2 222 ar Er) se, n ErE Mia inf FIR | f Ieidof Taabu IE nei IR ab RE 55 2 Seller Re 27 2 Fi ) HM. RES dä er re | - let Beer Ki Deore N eo, 9 gl 4 ai Pe 1 v a, Y iu alias 1 serlunalad a sera a a j IL R IE u 73 Ba cr 1 PEER Zu 2 1 Par: Be AB uf ; BA, ar 5 ni P e> F | f if r , ne fü ‚ ‘ Ä \ 7 4) > ee, Eu 27 ir 5 rn A Karte des südlichen Theiles der GEOLOGISCHE SPEZIALKARTE DES DOLOMITGEBIETES DER LUGANER ALPEN. HAUPTVERWERFUNG VON LUGANO. pr ß Entworfen von A. FREIHERR VON BISTRAM. 0, e * VI ErSighigmete Nee MENAGGIO EEE + sn 1 Lias “ee Fossilfündstellen 5 1 Tu ‚Porphyrit hd Hauptdolomit = * | Fundpunete diluvialer Säugethlerreste | = | Wr 1} s Vorcarbonische krystalline Schiefer hd, | Plattenkaike des Hauptdolomites AÄ Streichen und Fallen der Schichten | v Verrucano und Buntsandstein k ‚Kössener (Contorta-) Schichten a verbuchen —— | Streichen salgerer Schichten = 4 BE Muschelkalk und Esinokalk Fa Conchodon-Dolomit W | Jüngste Ablagerungen 7} {| Huuptrerwerfung, beobachtete und vermuthete Verwerfangen Mit Bewilligung des eidg. topogr. Bureanı veprodueirt Farbendruck von Gierecke & Dearient, Leipaig AIR F —h Massstab 1:50000 Massstab 1:50000. Equidistanz 100 Meter, leter ne e = en nr as Be. 1000 Meter eo ’ : : 7 * Klomster. * Kquidistenz 30 Meter FON IE J | { KANEL x 3, * Ba wem "2 R m f . ER ” a x RR j NL er 8 “ RL x Berichte der naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. Br. Bd. XIV. 1903. v. Bistram: Luganer Alpen. Taf. I. } nn = - | GA) m Dr e) 1250, = 1% \ WW Bochetta Brumea I \\ \ RN Profil A 7 gd Costa di Ciappet Profil B \ N B > 100. z 3 2 | a A | sw 2 | Fine Vignercie an . Luganer See $TyıkK Niveau d. Luganer Seres — a Be „N a 2 Msstb. 1:40000 | { Msstb. 1:40000° % Vs N } . ] 7 x Meeresnivaaı Meeresniveau Cima Noresso R | Fi Matterone 1150| Mte Nave 1500 H Tor Seldo „. Pı rofil D % Profil C ” je L} n Mi u > Mursong DERRERDKÄRLKLE th, 6 4 Aa REEL RERE r 2 ci IL ZT DZ k cd ‘ d Msstb. 1:40000 1 Meeresniveau Mssib. 1240000 sth, 1: Meeresniveau neo a. 150, I | Sedle Porta. x | f | Profil F CMadei } Val Sanagra RN | | | Msstb. 1:40000 Luganer See Msslb. 1:40000 Meeresniveau Motto del Rocrolo (Sale! Rancio) BRATST Kperlarsen er BAISEISISESTSSTTITZETT n m “. EEE |_kuganer Sec-Höhe 350] Comer See: Höhe Meeresniveau EN Msstb. 1:40000 Msstb. 1:40000 Erklärung der Signaturen: r Quarzporphyr. r, Porphyrit. s Krystalline Schiefer. v Verrucano und Buntsandstein. m Muschelkalk und Esinokalk. r Raibler Schichten. Ad Hauptdolomit. ıd, Plattenkalke des Hauptdolomit. k Kössener Schichten. cd Conchodondolomit. 7 Lias. X Verwerfungen, Berichte der naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. Br. Bd. XIV. 1903. v. Bistram: Luganer Alpen. Taf. III. m Mir L Mie 5.Salvalore te [a Mi di Caprino Sighignola an E AN ÜS mal ; IN N U me \ BEN A, 1 DR (N N N } LT ( IN = & N RN ZZ Blick v Bahnhof v. Lugano Blick v. Bahnhof v. Lugano =: nach NO. nach 550. Blick nach NW dieVe bei pt. 596 Costa di Ciappet ap /erwerfung ern 3 Sa/so di Moni nach er Mie Sonigo Mte Dospero Cima Cayrighe Mie Brenzone M!e Galbiga - / 2 I 7 Hemioramische Ansicht I = NUR des.Kessels der Val Solda : — Ze ..? NN < ‘ : = SE Ze WegzA. ER N \ " von pt. 770 d. Pfades v.Castello z.A. Bolgia. amorana 7 1 Mte Bolgia Blick v. Roccolo der A. Bolla u Mte Generoso Re Mte Costone ee Sighignola E > —— ee I ee nach er en III (cf. Taramelli. Canton Ticino M“]) Erklärung der Signaturen: » Quarzporphyr und Porphyrit. s Krystalline Schiefer. v Verrucano. m Muschelkalk. r Raibler Schichten (rı Sandsteine, rz2 Tonschiefer). Ad Hauptdolomit. k Kössener Schichten. cd Conchodondolomit. ! Lias. X X Verwerfungslinien. z © Tr a 206 SEE1 are TEE re Sn E22 re nee er la — GEOLOGISCHE KARTE DER LISCHANNAGRUPPE. Entworfen von W. SCHILLER. Berichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. B, Bd. XIV. 1904, DEN N NZ N a Ztairch gr Van Tablazar, GH AN BTErSE, NNW. 3000 Holeweg y Fradella 1045 2500 37 nn 1185 Holzweg Bain.crotsch 2000 ae 1500 - $ 1000 » = veis, Landestopographie nach den offiziellen Karten beardeitet. Mit Bewilligung der Sc — Eu © 2100 IV. Profil: IV SS0.|NW SO. | INNE Gipfel des nos. FL) Be F Zischanna Er, HONBIaN Gore 1108 70 , Fadret Ser 2893 Ba Tischannu kl 00 290 Pradella - Piz Lischanna - P.Corn« randın Massstab 1=.500Meter - P.Sesvenna. 2930 $ W. SCHILLER, I. Lischannagruppe. Tafel IV. Erklärung der Farben und Zeichen. Fossilfundorte =) Mineralquellen Versuche auf Bergbau Silber SET Bean 2 | Zinkbtende ® | Kupferkies | 5 | Braunstein AN | Hauptüberschiebung, Ueberschiebunglinien L | fund Muldenkerne) AN] Steites und senkrechtes x a Wagerechtes und flaches Gehängeschutt = } Allavium Kalksinter und Nagelfluh } Fallen der Schichten Flussterrasse und -schotter „© *,| Junge Endmoränen | ir My) Acltere und jüngere Moränenreste $ Grundmoräne | ‚Dilavium Graue Bündner Schiefer ‚Bunte (grüne) Bündner Schiefer. Gips. Dolomit, Marmor. Foraminiferenkalk unbekannten Alters (Quetsch?— Zone im bunten Bündner Schiefer) Gränschiefer ä N Serpentin und Gänge darin (SG). Ophiealcit. l BE | IB O = Tithon-Hornsteine EI ER U = Tithon-Kalkschiefer und -Kalkhornsteine S iS ee | 38 | Lisener | Liaskalk und -breccie EB Hauptdolomit HH] Raiter Sehienten Wettersteindolomit 3 Ru Partnachschichten 5 Muschelkalk Untere (Buntsandstein-) Rauhwacke || Verrucano (und Servino und Buntsandstein) Casannaschiefer U | Diabas E Quarzporphyr | Porphyrit HI] Dir 7, Glimmerschlefer = Gneiss (häufig mit Glimmerschiefer) | 'kaolinisiert hornblendeführend Granit, Granitgneiss SSO. 2890 Val Sesrenna 2700 1230 m 21000 » 2300 = 2000 * 1000 Meter, Equidistunz 30Meter. Berichte der naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. Br. Bd. XIV. 1904. Schiller: Lischannagruppe. Taf. V. {uplei des Piz Lad Piz S-chalambert 25M# yago NW NNW 315m 3000 » Profil I 1:25000 LaFoppart40 Felsen 150 | 7 ä b 2000» 1246,7 Holzweg1245 N I 1000. Holzweg ! yuss 4 RZ KAT re Da IS 17770 PCH Fr u EN RN AU DET 2 ANNO. 2 > Der BETZ SS, NL 7 = SAN BAUL NTNIALL: u Al Aion BEN .\ NANTTELNINN ııL Cipfeldes SO IWWW iz S-cholambert da daint. 3034 3125m p \ il zu 27 3000« 4 To l BT IM Era ER En = ı bs EEE 1:25000 SEE & S> Ar Tr SS DIET Plattas Tiroler Grenze Tiroler Grenze 2160 ser og aa Ben Genwenesas GrionKopf Innerberg 5 2330 Glimmerschiefer. Die Profile durch Piz Ayuz u. Piz Lad sind NNW- SS0 gelegt, das erste ist 150 m zu hoch, das zweite 300m zu hoch gezeichnet. Gipfel des Piz Ayiz 2797 ı 2662 US ER 2490 a I maaomit R N 3% X 22 Gipfel des PizTriazza, 3046 a) 2160 LP Vardret Lischanna 910 anne 1-10 —e u Profil Piz Rims 11 Se | L jr ei Mas Wo. Gipfel der Craist Alta Rus Scharte 2373 an bi EUR: TZE un N 4 MıHLLı ar TURN LITT URAN FOR RR TRRESRN. —_— dofo m] Cross Läge 050 ass "Uma Bach Thoter Grenze Grenz stein avıs Gneiss-Massiv ar Sr ü 1:25000 =. x ET Re 20 TE I ee ee rn We P3 in m we vo Berichte der naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. Br. Bd. XIV. 1904, Schiller: Lischannagruppe. Taf. VI. « Gipfel des Piz S.Jon. NNW Be SSO m ProfilV u => l 177) 3125 m en er 1:25000 uses ul nl Mot del hoın. ' Iaano N 2500 » N +44 +f+ 1) = 444 +++ Ara) terre Holzweg 1470 bei Meierei 5.Jon. S En Inn 15 / N Kaas: | Ze vo RL, A ss SS aa cn & en tın f 3 I GE \ U ee Sue N Hauptüberschiebung “&,,, % = ---- \ \ Den Belkayp N I N 315m y-Wo s-sswPizPisoe vv SSO 3000» 2025 72900 0 \ : p > MW | \ i Mot Tavru. % 0 fi | u N % TE > Sn Pa BAER Jl f Q 40 N IETERDER SS EEE ) YA f V ] 2160 P E KOER , al Minger. | He: A %500> 1:35000 Z el Be 2265 2250 ValTavru. 9 ea & I Zn z2 er A HR F a Mi E 7 Y / JE IR 2 2 ES: # N ma 3 = wir E_-— 1940 160 s TE 5 | ae 5 A HR, 7% | St N NZ r nee 1650 ‘IH = = | N er Ih Ing! ey 1 S > ® KR ind 2000» I ee el N I \ Jun 1175 Bach bei Avrona 22 | = es Ä et. IN ht ) Schuls Glusa 1215 N x Hl SED Slider $ 1 j ; Su NN N VEaE \1500> } ; (Clemgia) ER NN IIL / II LL wusche IKalK Crantlgneiss ? a u IE, \ a See ee ; u NEN N INNEN N) 8 a NN N TUST /7 | R = | NEE ee, \ ER taugt Und. Cneis 8 43 NEN \ m —— der SENIRÄTTIUN ZI "üreiss Hauptuberschiebung > Nun mit dem Feldstechen beobachtet Croue\Bündn.\Schfr\ Sch Y Sa \ \ Fl ren SE, Ss N Wellerstein >> Huschelkalk Zr FT Berichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. Specialkarte des Gebietes: Gross Läger — Val Oristannes — Piz Cornet — Lais da Rims. Piz Curfinafsch. Br. Bd. XIV. 1904. “2 Massstab 1: 15000. iom = 150m. I _ 4 ‚Cr oss/L x y ren N NEE aper Z/ D rt tHyttrtttrtrt® Sue te ci TE GE r ww — Schiller: Lischannagruppe. nn Taf. VII. Erklärung der Zeichen für Karte und Profile. ” on Bossillundorte. Kupfenkies. Bleiglanz. u AN Überschiebungslinien. ne Sch [*2°] Gehängeschutt. Kreide FR2%] und Sir Mla2] Yarnerkeste” cu] Grundmorane. Graue Bündner J Schiefer. Bunte (grüne)Bünd: sc RR yps. Dolomit, Marmor. NIS2S7% KIT OCIEION ZINN Ls&S Liasschiefer. =) Tasse U.-Tithon -Kalkschiefer I LESS LiasKalKund KR =breeere. Trzasdolomit IE llkeeischeone) HH Haurptdolomit REES Raibler Schichten. wEHHH Weltersteindolomit. Pa. SS Portnachschichten. Untere(Buntsand- au=-=- ale V Verrucano (u Servino u.Buntsündstein). ] Casannoschiefer. NIEREN Quarzporphyr. P Porphyrit. Gl Glimmerschiefer. Gneiss (haufig Gun] 2 mit (limmerschie= fen)Kaolinisiert. = = Gh Granit, Granitgneiss. N 2ROBER ea Bo Bi; BEN FEINEN ARE ee ech Berichte der naturf. Gesellschaft zu Freiburg i. Br. Bd. XIV. 1904. Schiller, eserienile Taf. VHIT, SMH-Schwarze Mölmhornsteine. L$=Liasschieler. GC -Casannaschiefer RAH= Rote n LB:LiasKalku-breeeie Gn« Greiss. GMH= Grüne » H=-Hauptdolomit , - | MK- Malm -Kalkschfru-KalKhornstW=Wet tensteindol U -Uberschrebung. For VIA. bE sd si ewmdisTT us Asıdyalleasd mise 9b StdaiTsd .IIIV 36T sggwresosdsanl „ollidad | un n0ob.2.b IigipigunH mov onnnrh2id sig 2eh bnopwizsWt | 922 j Ä .heisg eob Iiyid WUN HMA | DS soTI | Fan Ze! „ern ale mov em nb 2ind 8 onnnnseilistbnV en Y ‚sleinseeniJ=e& J ie ssmowrhe-HN KEIERTIPRNBETERSIREID ME “ “ 3A -HMA \imolobtyunH=H d anuyD=HMD pnsdaidoensdll- 0 be? Wremertioksinsetlnd-minM AM ® Taf. IX. kon W. Pauleke: Antirhäti 1904 AV. Gesellschaft Freiburg i. B. Band Naturf. . Berichte d h x “ REES LEN REN ET N iebungsgebiete. x x ‚Karltenskizze se und Krist. Schiefer. 15; um. Ungefähre ostalpin - helvelische Gnei Granite. xxx “XXX ++++ ++++ ---- Grenze der Ärist. Massen. (xx Ir gs’ Vbersch Stufs Io, ıT ‚Streichen und Fallen der Sedimente. x x q N, ERICH Fa x x — N x 2 x a Be x %* B Kay xr° BONES x, x x y\x 0X XXX\xx SchluttayP, x x X I " iefenkaste „Meienfela E £ { a) “ Var A h y ( U | r v : oichte der Natnrforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. Br. £rscheinungsweise und redaktionelle Bestimmungen, Die „Berichte“ erscheinen in zwangloser Folge. 24 Druckbogen, wobei auch jede den Raum einer Druckseite einnehmende Tafel als 1 Druckbogen gerechnet wird, bilden einen Band. Der .Abonnementspreis ist auf M. 9, der Ladenpreis auf M. 12.— festgesetzt. !n den’ „Berichten“ finden Aufnahme: I. Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwissenschaften. II. Kürzere Mitteilungen über bevorstehende grössere Publikationen, neue Funde etc. etc. Die für die „Berichte“ bestimmten Beiträge sind in vollständig druck- fertigem Zustande an eim Mitglied der Redaktionskommission einzusenden. Ueber die Aufnahme und Reihenfolge der Beiträge entscheidet lediglich die von der Naturforschenden Gesellschaft ernannte Redaktionskommission. Auch ist mit dieser über die etwaige Beigabe von Tafeln und Illustrationen zu verhandeln. Der Autor erhält 50 Freiexemplare und ausserdem jede beliebige Anzahl von Sonderabdrücken von ler Druckerei (C. A. Wagner) zum Selbstkostenpreise. Die Sonderabdrücke müssen spätestens bei Rücksendung der Korrektur bestellt werden. Sonderabdrücke von Abhandlungen können dem Autor unter Um- . ständen erst am Tage der Ausgabe des betr. Heftes zugestellt werden, solche von „kle”:szen Mitteilungeu“ dagegen sofort. Die Redaktions-Kommission. & Prof. Dr. J. Lüroth. Prof. Dr. &. Steinmann. Dr. K. Gerhardt. Als Sonderabdrücke. sind durch J. 0. B, Mohr (Paul Siebeck) in Tübingen und Ling zu beziehen: Lorenz, Th. Geologische Studien im Grenz- ' gebiete zwischen helvetischer und ost- alpiner Facies. I. Teil. Südlicher Rhae- tikon. Mit 9 Tafeln und 19 Figuren im ext 1901. M. 4.—. Meyer, G. Edmssceheihe Untersuchungen im Kaiserstuhl. Mit 4 Tafeln. 1902. M. 3.—. Bistram, Freiherr von. Beiträge zur Kenntnis der Fauna des unteren Lias in der Val Solda. Geologisch-paläontologische Stu- dien in den Comasker Alpen. I. Mit 8 Tafeln. 1903. MM. 4—. Hoek, Henry. Geologische Untersuchungen im Plessurgebirge um Arosa. Mit I Karte, 1 Panorama, 4 Profiltafeln und 20 Figuren Int Text. 100); M. 4.—. Bistram, Freiherr. von. Das Dolomit der Lu- ganer Alpen. Geologisch-paläontologische Studien in den Comasker Alpen II. Mit 1 geologischen Karte, 8 Profilen und 6 tek- tonischen Skizzen. M. 4.—. Schiller, Walther. Geologische Untersuchun- gen im östlichen Unterengadin I. Lischanna- gruppe. Mit 5 Tafeln und 21 Zeichnungen im. Text. M. 3.—. Paulcke, W. Geologische Beobachtungen im Antirhaetikon. Eine vorläufige Mitteilung. Mit einer Kartenskizze. N IINIMNMINNININN IN 3 2044 106 306 517 Eyn « ’* 2} ) + EN Y KRerN a #