Li = ._— - N r h \ ES I NR Kibrary of the Auseum OF COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS, EN) eh The gift of ER garlii £ Bu Ss, Purngc “. No. //, /'8 [073 SR nd ee La BERICHTE DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT ZU FREIBURG I B. HERAUSGEGEBEN VON DEM SECRETÄR DER GESELLSCHAFT DR. AUGUST GRÜBER, PROFESSOR DER ZOOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG. DRITTER BAND. (1888.) Mır 12 LITHOGRAPHISCHEN TAFELN. FREIBURG I. B. 1888. AKADEMISCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG VON J. C. B. MOHR (PAUL SIEBECK). Baia RSTir ar" we Ueber die Bildung der Richtungskörper bei thierischen Eiern. Von A. Weismann und C. Ischikawa. Mit Tafel I—IV. Einleitung. Schon im Sommer 1885 machte der Eine von uns die Ent- deckung, dass bei einem parthenogenetischen Ei, nämlich bei dem Sommerei von Polyphemus Oculus, sich ein Richtungskörperchen bilde. Es gelang ihm, die Umwandlung des Keimbläschens zur Richtungs- spindel, die zellige Natur des Richtungskörpers und seine spätere Theilung in zwei Zellen zu beobachten, sowie auch festzustellen, dass unmittelbar nach der Abschnürung des beobachteten Richtungs- körpers die im Ei zurückbleibende Kernhälfte sich zum Furchungs- kern umwandelt. Damit war also einerseits erwiesen, dass von einem parthenogenetischen Ei ein Richtungskörper gebildet wird, und anderer- seits, dass mindestens in diesem einen Fall nur ein primärer Rich- tungskörper gebildet wird. Da es theoretisch von Interesse erscheinen musste, dass par- thenogenetische Eier Richtungskörper bilden können, so wurde dieser Theil der Beobachtung auch noch in demselben Sommer zu allgemeiner Kenntniss gebracht!), der andere Theil derselben aber !) Weısmans, Die Continuität des Keimplasmas als Grundlage einer Theorie der Vererbung. Jena 1885. pag. 122. Berichte III. Heft 1. 10) 2 WEISMANN UND ISCHIKAWA: [2 einstweilen noch nicht betont, da erst untersucht werden musste, ob die Bildung von nur einem Richtungskörper etwa eine allge- meine, allen parthenogenetischen Eiern zukommende Eigenthümlich- keit sei und nicht blos eine mehr zufällige Erscheinung. Nun hatten ja allgemeine Ueberlegungen den Beobachter dieses ersten Falles schon längst zu der Ansicht geführt, dass die sog. „Richtungskörperchen‘ der thierischen Eier keineswegs die bedeutungslosen Gebilde seien, für welche sie von vielen Forschern gehalten wurden, und wenn diese Ansicht richtig war, so konnte auch die Zahl derselben um so weniger bedeutungslos sein, als es sich ja dabei um eine ein- oder zweimalige Halbirung des in der Eizelle enthaltenen Kern- materials handelte. Unsere heutigen Anschauungen aber sehen be- kanntlich in der Kernsubstanz den wichtigsten Theil der ganzen Zelle, die Substanz, welche das Wesen der ganzen Zelle bestimmt, mag man sich das nun vorstellen, wie man will und kann. Es sollen am Schluss dieser Abhandlung die Ansichten zusammengestellt werden, welche die verschiedenen Forscher über die Bedeutung der Richtungskörper geäussert haben als Einleitung zu der Ansicht, welche sich uns selbst aus den neugewonnenen Thatsachen, zusammen- gehalten mit den schon bekannten, ergeben hat. Man wird dort mit Interesse sehen, wie ungemein verschieden die Deutungen: sind, denen die „Richtungskörper“ im Laufe der Zeit unterworfen wurden, wie geringfügig und gänzlich bedeutungslos die Einen sie beurtheilten, während Andere sich bemühten, ihnen irgend eine hohe physiolo- gische Bedeutung zuzuschreiben. War man einmal der letzteren Ansicht und vermuthete man eine Bedeutung dieser sonderbaren Auswürflinge des Eies, dann musste nach der eben mitgetheilten Beobachtung die Aufgabe sich darstellen, durch eine möglichst ausgedehnte Reihe von Untersuchun- gen festzustellen, ob wirklich ein Unterschied in der Zahl der Rich- tungskörper bestehe in dem Sinne, dass von allen parthenogenetischen Eiern nur eines, von allen befruchtungsbedürftigen aber deren zwei gebildet würden. Es konnte dies nichts Geringeres bedeuten, als dass die Kernsubstanz des Eies bei ersteren nur halbirt wird, bei letzteren aber geviertheilt. Wenn aber die Kernsubstanz des Eies als gleich- bedeutend mit „Vererbungssubstanz* betrachtet werden muss, so standen, falls diese Vermuthung sich bestätigte, bedeutungsvolle Blicke in das Geheimniss der geschlechtlichen Fortpflanzung in Aussicht. Das Erste, was zu geschehen hatte, war die kritische Durch- sicht der bisherigen Beobachtungen über Richtungskörper ; denn hätte 3] ÜEBER DIE BILDUNG DER RICHTUNGSKÖRPER BEI THIERISCHEN EIERN. 34 sich gezeigt, dass auch befruchtungsbedürftige Eier gelegentlich nur einen Richtungskörper bilden, so hätte die Zahl dieser Körper jedenfalls in diesem Sinne nicht Bedeutung haben können. Es zeigte sich indessen bei einer möglichst umfassenden Durchsicht der Litte- ratur, dass dem nicht so ist, dass vielmehr in allen genau beob- achteten Fällen zwei Richtungskörper von befruchtungsbedürftigen Eiern gebildet werden. So ergab sich denn die weitere Aufgabe, zu untersuchen, ob die Bildung nur eines Richtungskörpers eine allgemeine Eigen- thümlichkeit der parthenogenetisch sich entwickelnden Eier sei. Eine möglichst grosse Zahl von parthenogenetischen Eiern musste auf die Bildung von Richtungskörpern untersucht werden, womöglich auch Arten aus verschiedenen Thiergruppen. Schon im Sommer 1886 konnte der Eine von uns in gedrängter Darstellung eine An- zahl von Fällen mittheilen !), in welchen sich der Vorgang in der angedeuteten Weise abspielte, und es durfte schon damals mindestens doch der Schluss gezogen werden, „dass bei den parthenogenetischen Eiern der Daphniden ein echtes Richtungskörperchen bei der Ei- reifung ausgestossen wird“. Seither ist es uns nun gelungen, auch für die Ostracoden und Rotatorien festzustellen, dass ihre partheno- genetischen Eier Richtungskörper bilden, und zwar immer nur einen einzigen, und es ist damit die Allgemeinheit der Erscheinung um Vieles sicherer geworden. Wir geben nun in der vorliegenden Ab- handlung alle diese Fälle in ausführlicher Darstellung, ohne übrigens damit auf eine weitere Fortsetzung unserer Untersuchungen nach dieser Richtung hin zu verzichten. Wir hoffen im Gegentheil, die Zahl der Beobachtungen später noch vermehren und so den Inductions- beweis für die Allgemeinheit und Gesetzmässigkeit des Vorgangs noch verstärken zu können. Diesem ersten Abschnitt wird dann als zweiter eine Ueber- sicht der in der Litteratur enthaltenen Beobachtungen über Bildung von Richtungskörperchen folgen, durch welchen der Nachweis ge- führt werden soll, dass in der That bei allen befruchtungsbedürftigen Eiern, soweit die Untersuchungen reichen, zweimalige Theilung des Kernmaterials des Eies und also auch Bildung von zwei primären Richtungskörpern stattfindet. Es ist nun aber bekannt, dass noch nicht bei allen Klassen !) Weısmann, Richtungskörper bei parthenogenetischen Eiern. Zool. An- zeiger 1886. pag. 570. 4 WEISMANN UND ISCHIRAWA: [4 des zoologischen Systems Richtungskörper beobachtet wurden und dass in manchen Klassen diese Beobachtungen äusserst spärlich sind, woraus dann wiederum folgt, dass auch die Zahl der Richtungs- körper für die befruchtungsbedürftigen Eier gar mancher Thier- gruppe noch nicht festgestellt sein kann, ganz abgesehen davon, dass man gerade der Zahl derselben bisher überhaupt keine Auf- merksamkeit geschenkt hatte. Wir haben uns deshalb bemüht, auch nach dieser Seite hin die vorliegenden Thatsachen zu vermehren, und werden die betreffen- den Beobachtungen in einem später erscheinenden dritten Abschnitt folgen lassen. Dort werden dann auch diejenigen Fälle ihren Platz finden, in welchen es uns gelang, bei einer Art, deren partkeno- genetische Eier wir im ersten Abschnitt behandelt haben, auch in ihren befruchtungsbedürftigen Eiern auf ihre Richtungskörperbildung zu untersuchen und so also den Gegensatz in Bezug auf die Reifung bei parthenogenetischen und befruchtungsbedürftigen Eiern an ein und derselben Art zur Anschauung zu bringen. IE Die Riehtungskörperbildung bei partheno- genetischen Eiern. Eigentliche Parthenogenese ist bisher nur bei Crustaceen, In- secten und Rotatorien beobachtet worden, wenn man absieht von den bei Protozoen beobachteten Fällen von ungeschlechtlicher Fort- pflanzung, die zwar äusserlich der Parthenogenese gleichen, sehr wahrscheinlich aber einen anderen Ursprung haben als die Partheno- genese der Metazoen. Da für diese letzteren der Ausdruck er- funden ist, so sollte man ihn auch allein auf solche Fälle anwenden, welche mit der bei ihnen vorkommenden Art der Fortpflanzung übereinstimmen, und deshalb von Parthenogenese nur bei Metazoen sprechen. Denn die als Parthenogenese bezeichnete Fortpflanzung der Blattläuse, Wasserflöhe, Bienen u. s. w. hat sich zweifellos aus der geschlechtlichen Fortpflanzung erst secundär herausgebildet, wie der Eine von uns schon vor langen Jahren betont hat. Dafür spricht nicht nur die einzellige Beschaffenheit der Fortpflanzungskörper, der Eier und ihre in manchen Fällen mit den befruchtungsbedürftigen Eiern völlig identische Structur (Apus), sondern vor Allem auch 5] ÜEBER DIE BILDUNG DER RICHTUNGSKÖRPER BEI THIERISCHEN EIERN. 5 das Vorhandensein von Befruchtungs-Apparaten (Receptacula se- minis) bei Arten oder bei gewissen Generationen von Arten, die sich gar nicht geschlechtlich fortpflanzen. Ob nun die ungeschlecht- liche Fortpflanzung, welche man bei Volvocineen als Parthenogenese bezeichnet hat, ebenfalls aus geschlechtlicher Fortpflanzung durch Ausfall der Befruchtung entstanden ist, dürfte zum mindesten zweifel- haft sein, und solange dies nicht feststeht, wird man gut thun, sie auch nicht als Parthenogenese zu bezeichnen. Parthenogenese würde demnach einfach und bestimmt als Fortpflanzung durch unbe- fruchtete Eier zu bezeichnen sein, wie eine solche bis jetzt nur bei den oben genannten Gruppen der Metazoen festgestellt ist oder doch in dieser Abhandlung festgestellt werden wird, da dies für die Rotatorien bisher noch nicht unzweifelhaft geschehen war. Es soll nun die Bildung der Richtungskörper zuerst bei den Daphniden, sodann bei den Ostracoden und zuletzt bei den Rotatorien geschildert werden. Die Sommereier der Daphniden. Es ist längst bekannt, dass sich die sog. „Sommereier“ der Daphniden parthenogenetisch entwickeln; häufig fehlen die Männchen zur Zeit ihrer Bildung; aber wenn sie auch vorhanden sind, so werden doch Weibchen, welche Sommereier tragen, nicht begattet, und der Versuch hat erwiesen, dass von Geburt auf isolirte Weib- chen aus Sommereiern Nachkommen hervorbringen. Diese That- sache wurde schon von J. C. SchÄrrer !) im Jahre 1755 festgestellt, der sie freilich noch nicht ganz richtig würdigte, wenn er daraus schloss, dass „diese Thierchen sich im Fall der Noth auch ohne Befruchtung vermehren können‘. ScHÄrrer sowohl als auch sein nächster Nachfolger auf diesem Gebiete, der vortreffliche Rauponr ?), hielt noch dazu diese ungeschlechtlich sich fortpflanzenden Individuen für Zwitter, und erst Jurıne °), der berühmte Genfer Naturforscher aus dem Anfang dieses Jahrhunderts, verschaffte der seither gültigen Meinung den Sieg, dass es sich hier nicht um Selbstbefruchtung, sondern um ungeschlechtliche Fortpflanzung handle. !) J. C. ScHÄrFER, Der krebsartige Kiefenfluss u. s. w. Regensburg 1756. ?) Ramponr, Mikrographische Beiträge z. Entomologie u. Helminthologie. 1. Beiträge zur Naturgeschichte einiger deutscher Monoculusarten. Halle 1805. ®) Jurıne, Histoire des Monocles, qui se trouvent aux environs de Geneve. Geneve et Paris 1820, (er) WEISMANN UND ISCHIKAWA: [6 Gerade Jurıne aber verwirrte die Sache dadurch, dass er die Existenz einer zweiten Art von Eiern, der „Wintereier“, bei den Daphniden gänzlich verkannte und, da er im Herbst Männchen bei seinen Daphniden beobachtete, daraus den irrigen Schluss zog, die- selbe Art von Eiern, die Sommereier, würden im Herbst von den Männchen befruchtet. Wohl hatte er die Wintereier gesehen und genau beschrieben, aber er erkannte nicht ihre Bedeutung, sondern hielt sie sammt ihrer eigenthümlichen Schutzhülle für eine patho- logische Erscheinung: „la maladie de la selle*. Der Entdecker der Wintereier ist Ramponr, der schon fünfzehn Jahre vor den Arbeiten Jurine’s das Ephippium ganz richtig als einen Schutzapparat für das überwinternde Ei erkannt hatte. Dass dasselbe befruchtet werde, schloss derselbe Beobachter aus der oft beobachteten Begattung der Männchen mit solchen Weib- chen, welche Wintereier im Ovarium trugen, dass aber Wintereier befruchtungsbedürftig sind, d. h. dass sie sich nicht zum Embryo entwickeln können, wenn sie unbefruchtet bleiben, das wurde erst vor etwa einem Jahrzehnt durch den Einen von uns!) nachgewiesen. Die entgegengesetzte Frage, ob Sommereier befruchtet werden können, liess sich damals noch nicht entscheiden; sie wird aber jetzt durch die hier mitgetheilten Thatsachen entschieden werden, und zwar in verneinendem Sinn. Bei den Untersuchungen, die nun hier folgen, handelte es sich für uns nicht nur darum, die Anwesenheit von Richtungskörpern bei den parthenogenetischen Eiern der Daphniden als allgemein zu er- weisen, sondern vor Allem auch darum, festzustellen, ob die Bildung von nur einem Richtungskörper überall durchgehe. Dazu war es nöthig, die Möglichkeit, dass ein zweites Richtungskörperchen, welches vor oder nach dem allein beobachteten hätte gebildet und übersehen worden sein können, unzweifelhaft ausgeschlossen werde. Es musste somit einerseits gezeigt werden, dass die Umwandlung des Keimbläschens im reifen Ei direct zur Bildung des beobachteten Richtungskörpers führe, und andererseits, dass nach der Theilung der ersten Richtungsspindel dessen proximale Hälfte sich zum Furchungskern umwandle. Dies ist uns in mehreren Fällen mit aller Bestimmtheit gelungen. Wir beobachteten am lebenden Thier das Emporsteigen des Keimbläschens und dessen Verschwinden, !) Weısmanx, Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden. Leipzig 1876—1879, und Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 27—30. 7] ÜEBER DIE BILDUNG DER RICHTUNGSKÖRPER BEI THIERISCHEN FIERN. 7 sahen unmittelbar darauf an dem befreiten Thier das Ei in den Brutraum übertreten und konnten nun an diesem die Richtungs- spindel nachweisen. Andere Thiere, welche um einige Minuten später getödtet worden waren, zeigten dann das Richtungskörperchen an der Oberfläche des Eies und die proximale Hälfte der Richtungs- spindel in ihrer Umwandlung zum Furchungskern. Noch etwas später getödtete Thiere liessen wieder denselben einen Richtungs- körper erkennen und zugleich den in der ersten Embryonaltheilung begriffenen, in der Tiefe des Eies liegenden Furchungskern. Wenn dieser Nachweis auch nicht bei allen untersuchten Arten in der gleichen Vollständigkeit erbracht werden konnte, so kann doch an der Thatsache selbst, dass überall bei den parthenogenetischen Eiern der Daphniden nur ein primärer Richtungskörper gebildet wird, kein Zweifel sein. Nachdem man einmal weiss, dass dieser eine Richtungskörper, mag er erst nach dem Austritt des Eies in den Brutraum oder auch schon vorher gebildet werden, dennoch nie- mals verloren geht, sondern stets dem Ei innig anhaftet, eingesenkt in die Rindenschicht desselben, so ist der Nachweis genügend, dass zur Zeit der Bildung des ersten Furchungskerns nur ein Richtungs- körper vorhanden ist. Wir bedienten uns verschiedener Methoden der Untersuchung. Theils wurden die Eier am lebenden Thier untersucht, theils auf Schnitten, theils auch wurden die Thiere mit einer starken alkoholi- schen Sublimatlösung getödtet, und dann die Eier aus dem Brutraum herauspräparirt und ganz untersucht. Die letztere Methode ist sehr bequem, wenn es sich um dotterarme Eier handelt oder überhaupt nur um die Auffindung des Richtungskörpers. Nachträgliche Aus- waschung des Sublimats und Färbung mit Methylgrün liefert oft sehr lehrreiche und schöne Bilder. An lebenden Eiern ist der Rich- tungskörper nicht zu erkennen, und es bedarf immer erst eines Zu- satzes von Sublimat oder auch Essigsäure mit oder ohne Methyl- grün, um ihn sichtbar zu machen. I. Leptodora hyalina. Dass zur Zeit der Eireife das Keimbläschen an die Oberfläche des Eies emporsteigt und dort verschwindet, ist schon vor geraumer Zeit von dem Einen von uns!) gezeigt worden, und zwar sowohl für ') Weısmans, Ueber Bau und Lebenserscheinungen von Leptodora hyalina. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 24. 1874. g WEISMANN UND ISCHIKAWA: [8 die parthenogenetischen Sommereier als für die befruchtungsbedürf- tigen Wintereier. Ob aber nun das Keimbläschen sich zu einer Kernspindel umwandelt, nachdem es die Oberfläche erreicht hat oder wie sonst sein Verschwinden zu deuten ist, darüber konnte damals noch kein Aufschluss gegeben werden. Es ist nun seither gelungen, die Umwandlung des peripherisch liegenden Keimbläschens zu einer Kernspindel zu beobachten, und zwar zuerst 1880. Die Eier von Lepiodora hyalina bieten die Möglichkeit, das Verschwinden des Keimbläschens direct am lebenden Thier zu beobachten. Man sieht das grosse kuglige oder eiförmige Keimbläschen, nachdem es in die Rinde des Eies emporgestiegen ist, im Laufe von drei Stunden allmählich blasser werden. Es braucht dabei nicht im geringsten seine Gestalt zu ändern, thut dies aber, wenn der Druck des Deckgläschens ein allzu starker ist, so dass die umgebenden Dotterkugeln gegen das Keimbläschen andrängen und es hier und da etwas einbuchten. Unter normaleren Verhältnissen aber geschieht dies nicht, der Umriss des Bläschens bleibt vielmehr völlig glatt, wird nur immer matter, nimmt dann vollständig das Aussehen einer der grossen mattglänzenden und farblosen Dotterkugeln an (Fig. 24 Taf. II) und verschwindet schliesslich dem beobachtenden Auge vollständig. Sein Platz wird dann aber nicht etwa von Dotterkugeln eingenommen, sondern es bleibt nach- wie vorher ein heller Fleck zwischen den Dotterelementen, der sich von der angrenzenden Proto- plasmarinde des Eies durchaus nicht unterscheiden lässt; es sieht ganz aus, als habe sich das gesammte Keimbläschen langsam in Zellkörpersubstanz umgewandelt. Setzt man aber dann 2° Essig- säure zu, so erscheint dasselbe mit scharfem Contour wieder, granulirt, wie das umgebende Protoplasma, und hat man einige Minuten vom Verschwinden an verstreichen lassen, so erkennt man eine grosse deutliche Spindelfigur im Innern der Kugel, welche schräg zur Ober- fläche des Eies steht (Fig. 25 Taf. II). Schon zur Zeit des Empor- steigens enthält das Keimbläschen häufig keinen eigentlichen Nucleolus mehr, wohl aber feine Körner, die unregelmässig zerstreut theils der Membran anliegen, theils mehreren äusserst blassen Binnen- kugeln aufsitzen, den Resten des zerfallenen Nucleolus (Fig. 23). Alle diese Gebilde verschwinden mit dem Keimbläschen selbst (Fig. 24) und treten auch durch Essigsäure nicht wieder in die Erscheinung. Der Vorgang ist bei Wintereiern ganz derselbe, wie bei Sommereiern, lässt sich aber bei beiden nicht bis zur Abschnürung des Richtungskörperchens verfolgen, weil dieselbe erst nach dem 9] ÜEBER DIE BILDUNG DER RICHTUNGSKÖRPER BEI THIERISCHEN EIERN. 9 Austritt des Eies in den Brutraum erfolgt. Dieser Austritt aber kann künstlich nicht erzwungen werden und geht überhaupt in Gefangenschaft nur ganz ausnahmsweise vor sich. Dagegen aber gelang es, an einem frisch gefangenen Thier mit zwei eben ausgetretenen Sommereiern das Richtungskörperchen zu beobachten. Es lag unmittelbar unter der dünnen Schale, ein- gedrückt in die Oberfläche des Eies, war rundlich und liess sehr gut einen Kern erkennen. Am lebenden Ei war es nicht zu sehen, trat vielmehr erst auf nach Zusatz von alkoholischer concentrirter Sublimatlösung. Leider verunglückte das Präparat, so dass es nicht in Schnitte zerlegt werden konnte, und trotz aller Mühe gelang es später nie wieder, so junge Eier zu erhalten. In beiden Eiern war nur ein Richtungskörperchen vorhanden, jedes von 0,03 mm Durchmesser bei einem Eidurchmesser von 0,23 mm. Fig. 26 Taf. II. stellt eines der Eier dar in Öberflächenansicht; D Dotter- kugeln, die häufig polygonal abgeplattet sind, Rk Richtungskörper. Die dünne Dotterhaut war schon vorhanden, wenn sie auch hier nicht sichtbar ist. Die Richtungszelle schwindet hier sehr früh. Das zweizellige Furchungsstadium kam uns nicht zur Beobachtung, wohl aber der Uebergang von diesem zum vierzelligen; Fig. 27 zeigt ein solches Sommerei nach Behandlung mit Sublimatalkohol und Färbung mit Methylgrün. Man sieht in der Tiefe des farb- losen Dotters vier grün gefärbte Zellen, deren Kerne noch durch Spindelfasern paarweise verbunden sind. Die Zellkörper senden sternförmig Ausläufer nach allen Richtungen aus, die sich zwischen den Dotterkugeln verlieren. Fig. 23 gibt das achtzellige Stadium, welches sich von dem vorhergehenden wesentlich dadurch unter- scheidet, dass die sternförmigen Zellen nun auf der Oberfläche des Eies liegen. Das Richtungskörperchen ist in beiden zuletzt er- wähnten Stadien nicht mehr vorhanden; es hätte uns bei der an- gewandten Färbungsmethode nicht entgehen können, da alle proto- plasmatischen Gebilde durch ihr starkes Grün von dem durchsichtigen, farblosen Dotter auffallend abstechen, und man überdies .das kuglige Ei nach allen Richtungen bequem drehen kann. Das Ei ist auch so durchsichtig, dass man die auf der abgewandten Kugelfläche liegenden Zellen deutlich durchschimmern sieht (Fig. 28). In Fig. 29 ist das nächstfolgende Stadium bei stärkerer Vergrösserung dargestellt, so dass man sieht, wie die feinen Ausläufer der Zellen zusammenstossen und ein Netzwerk bilden, welches die Dotterkugeln zwischen sich fasst. Fig. 30 gibt ein noch weiter vorgerücktes Stadium. 10 WEISMANN UND ISCHIKAWA: [10 2. Bythotrephes longimanus. Auch in den kleinen und dotterlosen Eiern von Bythotrephes steigt das Keimbläschen bei Eintritt der Eireife in die Höhe, er- blasst allmählich und verschwindet dem Auge. Sublimatlösung macht es dann wieder sichtbar und zeigt zugleich an Eiern, die frisch in den Brutraum übergetreten sind, den Beginn der Spindelbildung innerhalb des dann noch scharf hervortretenden Umrisses des Keim- bläschens. Wir sahen dies an solchen Eiern, deren unverändertes Keimbläschen kurze Zeit vorher, als das Ei noch im Ovarium lag, beobachtet worden war, so dass kein Zweifel darüber herrschen kann, dass im Ovarium noch kein Richtungskörperchen abgetrennt wird. Erst fünf Minuten nach dem Austritt aus dem Ovarıum ist die Richtungsspindel fertig, zeigt die „Kernplatte* und steht senkrecht zur Oberfläche des Eies, welches jetzt bereits anfängt, eine dünne Dotterhaut abzuscheiden. Während dies geschieht, er- folgt die Theilung der Spindel, die periphere Hälfte bildet sich zu einem im Verhältniss zum Ei sehr grossen Richtungskörper aus, die centrale Hälfte wird zum Eikern, der bei dem parthogene- tischen Ei zugleich Furchungskern ist. Fig. 10 Taf. I zeigt die beiden Kerne schon gebildet, aber noch durch einige Spindelfasern verbunden. Um den Furchungskern bilden sich schon wieder zwei neue Sonnen, die Pole der ersten Furchungsspindel. Leider kann man den ganzen Vorgang nicht im Zusammenhang an ein und dem- selben Ei beobachten, weil am lebenden Ei nichts von den Kernen zu erkennen ist; man ist also auf die Combinirung einzelner Stadien angewiesen. Wir haben dieselben aber in hinreichender Menge vor uns gehabt, so dass über die Deutung kein Zweifel bestehen kann. Bei der Theilung des Furchungskerns zeigten die Spindel- fasern in ihrer Längsmitte spindelförmige Anschwellungen, die Chromatinstäbchen, die sich mit Methylgrün färbten, und der helle Raum an den Polen der Spindel liess fünf oder sechs helle Blasen erkennen, in deren Innern ebenfalls ein färbbares Korn lag. Je drei davon sind in der Zeichnung sichtbar. Die Sonnen, welche von diesen Polen ausstrahlten, liessen sich bis an die Oberfläche des Eies verfolgen. In anderen Eiern von nahezu demselben Sta- dium traten trotz der gleichen Behandlung diese Gebilde an den Polen der Spindel nicht hervor. Die Richtungszelle (Rk) mit Kern bleibt unverändert und liegt in der Nähe des späteren animalen Pols des Eies. Der Eikörper theilt sich nach der Bildung der beiden 11] ÜEBER DIE BILDUNG DER RIiCHTUNGSKÖRPER BEI THIERISCHEN EIERN. 11 ersten Furchungskerne (Fig. 12—15), dann wandelt sich jeder Fur- chungskern wieder zur Spindel um, und das Ei theilt sich abermals und zwar senkrecht auf dis erste Theilungsebene. Nun streckt sich auch die Richtungszelle in die Länge (Fig. 16 und 17) und theilt sich sammt Kern in zwei secundäre Zellen, worauf dann die eine von ihnen sich nochmals theilt. Diese drei kleinen Zellen liegen nun am animalen Pol des Eies in einer Lücke zwischen den vier hier mit ihren Spitzen zusammenstossenden Furchungszellen. Kurze Zeit nach vollendeter Viertheilung des Eies (Fig. 18) zeigen die Richtungskörperchen schon Zeichen rückschreitender Umwandlung; ihr Körper wird auffallend körnig und lässt den Kern nicht mehr deutlich, sehr deutlich dagegen noch die Kernkörperchen er- kennen. Während nun das Ei rasch heranwächst im nährenden Frucht- wasser des Brutraumes, werden die Richtungskörper immer kleiner und rücken mehr in die Tiefe zwischen den Furchungskugeln. Man findet dann stets nur zwei Körperchen, aber oft noch feine Zerfallkörnchen daneben, als ob ein drittes sich aufgelöst, oder als ob Theile von den beiden Körperchen sich losgelöst hätten (Bier 19 und 20). Noch im Stadium von 32 Furchungszellen erkennt man in dem axialen Hohlraum zwischen diesen die zwei winzigen, jetzt läng- lichen Richtungskörperchen; später sind sie verschwunden. 3. Polyphemus Oculus. Bei dieser Art verhält sich alles ganz ähnlich, wie bei By- thotrephes. Die Sommereier sind auch hier fast dotterlos und sehr klein. Während das Ei noch im Ovarium liegt, findet die Um- wandlung des Keimbläschens zur Richtungsspindel statt, wie Fig. 1 beweist, die Abschnürung der Richtungszelle erfolgt aber erst, nach- dem das Ei in den Brutraum übergetreten ist und seine Dotterhaut gebildet hat. Auf dieselbe Weise, wie bei Bythotrephes, gelang es uns auch hier festzustellen, dass nur ein Richtungskörper vom Ei ausgestossen wird. Wir beobachteten an ein und demselben Thier die Entwicklung der Eier im Ovarium, sahen das Keimbläschen an der Oberfläche des Eies verschwinden, kurze Zeit darauf das Thier sich häuten, dann die Eier in den Brutraum austreten und konnten dann an den mit Sublimat zwei Minuten später getödteten Eiern die Richtungsspindel nachweisen (Fig. 2). Es ist also vollkommen 19 WEISMANN UND ISCHIKAWA: [| 12 [=] sicher, dass nicht etwa schon im Ovarium ein erstes Richtungskör- perchen ausgestossen wird, was dann beim Austritt des hüllenlosen Eies verloren ginge. Uebrigens gehen die dem Ei anliegenden Ge- bilde auch gar nicht so leicht verloren. Zu unserer Ueberraschung beobachteten wir einmal ein Eı im Brutraum, welches die drei Nährzellen noch an sich trug als kleine, sehr blasse und schwer sichtbare Gebilde, die dem Ei dicht auflagen und jedenfalls inner- halb der Dotterhaut sich befanden (Fig. 4); denn das Ei hatte diese Dotterhaut bereits abgeschieden, hatte die Richtungszelle, Rk, schon ausgestossen und war in das erste Furchungsstadium eingetreten; in der Tiefe, halb bedeckt von der Richtungszelle, erkennt man die erste Furchungsspindel. Die Dotterhaut ist gebildet, noch bevor die Richtungszelle sich ganz abgeschnürt hat; dies beweist Fig. 3, welche ein Stadium unmittelbar vor dieser Abschnürung darstellt. Die Fasern der schräg nach oben gerichteten Spindel sind theilweise noch erkennbar, das Richtungskörperchen, Rk, aber ist im Begriff, sich zu bilden, und der Furchungskern, Fk, ist bereits mit einem mächtigen Strahlen- hof umgeben. Die Dotterhaut, Dh, ist sehr zart, aber vollkommen deutlich. Wenn die Richtungszelle sich ganz losgelöst hat, besitzt sie einen rundlichen, manchmal auch in Spitzen ausgezogenen, also wohl amöboiden Körper von 0,008—0,010 mm Durchmesser und einen klaren, hellen Kern (Fig. 4, 5 und 6). Der Furchungskern wandelt sich dann rasch zur Spindel mit zwei polaren Sonnen um, und die erste Theilung des Eies beginnt. Fig. 5 zeigt ein Ei, bei dem die Strahlen der Sonnen sich bis an die Oberfläche des Eies erstrecken, und bei welchem bereits die erste Furche einseitig einschneidet. Die Richtungszelle liegt hier von vornherein an der Stelle, welche dem animalen Pol des Eies entspricht, ungefähr wenigstens. Sie theilt sich später in zwei Zellen, aber erst nach vollendeter Vier- theilung des Eies (Fig. 7). In der einen dieser so entstandenen secundären Richtungszellen liess sich auch die Spindelfigur des Kerns nachweisen (Fig. 7), und in manchen Eiern fand man dann am animalen Pol in der Vertiefung zwischen den Spitzen der Furchungs- zellen zwei ganz gleich grosse Richtungszellen. Oft aber lag noch ein Zerfallkörnchen daneben, oder die zweite Zelle war schon wieder in einige Stücke zerfallen, die zu klein und zu ungünstig gelagert waren, als dass sich über ihre Zellnatur Sicheres hätte ausmachen lassen (Fig. 8). Wahrscheinlich sind es nur Zerfallproducte, denn 13] ÜUEBER DIE BILDUNG DER RICHTUNGSKÖRPER BEI THIERISCHEN EIERN. 13 in den folgenden Furchungsstadien ist nichts mehr von ihnen, oder überhaupt von Richtungskörperchen mehr zu sehen; sie werden voll- kommen resorbirt. 4. Die Gattung Moina. Zwei Arten dienten zur Untersuchung, Moina rectirostris und paradoxa; bei beiden verläuft der Vorgang in derselben Weise. Die Gattung ist für die Untersuchung am frischen Material wohl die günstigste unter allen Gattungen der Daphninae und Lynceinae, weil ihre Sommereier kaum mehr Dotter enthalten, als die von Polyphemus oder Bythotrephes. Die Abschnürung der Richtungszelle findet hier ein wenig früher statt, als bei den eben genannten Arten, nämlich schon im ÖOvarıum, unmittelbar vor dem Austritt der Eier in den Brutraum. Dass dieses etwas frühere Eintreten des Vorgangs hier die Regel ist, dafür spricht die Beobachtung, dass Eier, die sofort getödtet wurden, nachdem sie eben in den Brutraum eingetreten waren, die Richtungs- zelle bereits aufwiesen, ja in einem Falle noch die Fasern der Kern- spindel deutlich erkennen liessen, welche die Richtungszelle mit dem in der Tiefe gelegenen Furchungskern verbanden (Fig 21). Damit stimmt vollkommen die Beobachtung von Grossen !), der den von ihm schon gesehenen, und vermuthungsweise als Richtungskörper richtig gedeuteten Körper ebenfalls an dem frisch gelegten Ei schon vorfand. Er sagt darüber: „Zum sicheren Nachweis seiner Natur als Richtungskörper wäre nöthig, die Abstammung desselben vom Eikern aus zu beobachten. Dieser Process läuft aber schon im Ovarium ab, da das eben gelegte Ei den genannten Körper immer bereits an der Oberfläche trägt.“ Die Abschnürung der Richtungs- zelle im Ovarium lässt sich natürlich nur unter besonders günstigen Umständen wahrnehmen. Wir konnten aber in einem Fall ein unter dem Deckglas festgelegtes lebendes Thier mehrere Stunden hindurch beobachten, und sahen da, wie die Richtungsspindel, deren Bildung im Ovarialei wir an Präparaten bereits festgestellt hatten, in der Mitte des dem Rücken des Thieres zugewandten Eirands stark hervordrängte, und wie sich dann ein ziemlich grosser Protoplasmakörper von der Eizelle löste, in dessen Innern die Fasern der Kernspindel deutlich zu erkennen waren. Der Austritt erfolgte rasch und der. grosse !) C. GRoBBEN, Die Embryonalentwicklung von Moina rectirostris. Ar- beiten des Wien. zool. Instituts. Bd. 2. 1879. 14 WEISMANN UND ISCHIKAWA: [14 Ballen des Richtungskörpers lag dann in einer ziemlich tiefen Nische des Eikörpers und ragte, von der feinen Tunica propria des Ova- riums überzogen, in den Blutsinus der Rückengegend hinein, dicht anstossend an einen der schwingenden Fäden, an welchen das Herz aufgehängt ist. Durch heftige Bewegungen, die das Thier zu seiner Befreiung aus der Zwangslage anstellte, verschob sich dann die Richtungszelle und trat ganz aus der Nische, um bei einem aber- maligen Ruck ganz dem Beobachter zu entschwinden. Normaler- weise würde sie in der Nische geblieben sein und nach dem Ueber- fliessen des Eies in den Brutraum an der Ausscheidung der Dotter- membran Theil genommen haben. Denn die Richtungszelle liegt auch hier immer unter der Eischale (Fig. 22), und da sie einen Theil der Oberfläche des Eies bildet, muss sie es sein, die an dieser Stelle die Schale ausscheidet. Auch bei Moina ist die Zellnatur des Richtungskörpers nicht in Zweifel zu ziehen. Bei Sublimatbehandlung tritt der Kern voll- kommen deutlich hervor, ja lässt zum öfteren noch Theile der Kern- spindel erkennen. Ob die Richtungszelle auch hier sich später theilt und dann erst zerfällt, oder ob der Zerfall direct eintritt, haben wir nicht beobachtet. 5. Die Gattung Daphnia. Alle bisher beobachteten Eier waren solche, die nur ein Mini- mum von Dotter enthielten. Es fragte sich weiter, ob die dotter- reichen Sommereier, wie sie die grosse Mehrzahl der Daphniden besitzt, in Bezug auf die Richtungszelle sich ebenso verhalten wie diese. Konnte dies auch nur an einer Art gezeigt werden, so durfte dasselbe für die übrigen Arten mit dotterreichen Eiern mit grosser Wahrscheinlichkeit angenommen werden; jedenfalls war damit bewiesen, dass die Menge des Dotters keinen Einfluss auf die Rich- tungskörperbildung ausübt. Der Nachweis gelang indessen bei mehreren Arten und Gattungen. Bei Daphnia longispina, deren Sommereier an den orange- rothen Oeltropfen im grünen Dotter leicht von anderen Arten zu unterscheiden sind, lässt sich das Richtungskörperchen ganz wohl nach der oben angegebenen Methode. nachweisen. Auf Eiern, die gerade eben in den Brutraum übergetreten sind, ist es allerdings noch nicht zu sehen, weil seine Abschnürung wie bei den meisten anderen Daphniden erst im Brutraum erfolgt; wartet man aber nur 15] UEBER DIE BILDUNG DER RICHTUNGSKÖRPFR BEI THIERISCHEN EIERN. 15 eine geringe Zeit mit der Tödtung des Thieres, so findet man das Richtungskörperchen als eine grosse, fein granulirte, blasse, aber scharf begrenzte Zelle auf der Oberfläche des Eies, eingedrückt in den Eikörper und also dicht unter der Schale. Hat man unmittel- bar nach der Abschnürung der Richtungszelle getödtet, so erkennt man nach Färbung mit Methylgrün sehr gut die Kernspindel im Innern der Zelle; später wandelt sie sich in den ruhenden Kern um (Fig. 37, Rk). Wurde das Thier unmittelbar nach dem Ein- tritt der Eier in den Brutraum getödtet, so findet man an der Stelle, an welcher später die Richtungszelle liegt, d. h. etwa in der Mitte zwischen dem Aequator des Eies und dem einen (vermuthlich dem animalen) Pol, einen grossen hellen Fleck im Dotter dicht unter der Oberfläche des Eies: die Richtungspindel. Wir bemühten uns, den Austritt der Richtungszelle selbst am lebenden Ei zu beobachten, allein vergeblich. Um nun festzustellen, worauf es uns besonders ankam, dass nur ein primäres Richtungskörperchen sich ablöst vom Ei, legten wir zahlreiche Schnitte durch Thiere mit reifenden Eiern in den Ovarien. Niemals fanden wir in solchen Eiern eine Richtungsspindel, sondern entweder noch das Keimbläschen, peripherisch gelagert und im Beginn seiner Umwandlung, oder aber überhaupt nichts Deut- liches. Es verhält sich also hier wie bei Polyphemus und Bytho- trephes: es bildet sich nur eine Richtungsspindel, und diese entsteht unmittelbar vor dem Austritt des Eies oder vielleicht sogar erst nach demselben. Da nun im Brutraum nur eine Richtungszelle austritt, so wird also überhaupt nur eine von der Eizelle abgelöst. Dagegen aber theilt sich diese eine primäre Richtungszelle später in zwei secundäre, ganz wie bei Bythotrephes und Poly- phemus, und zwar geschieht dies auch hier nicht unmittelbar nach ihrer Abschnürung von der Eizelle, an erst, wenn bereits acht Furchungskerne vorhanden sind. Da die ersten Stadien der Entwicklung bei den dotterreichen Daphnideneiern noch nie beschrieben wurden, so wollen wir hier eine kurze Darstellung derselben geben. Kurz nach dem Austritt der Richtungszelle findet man bei einem in Sublimatlösung getödteten und mit Methylgrün gefärbten Ei gerade unter derselben in der Tiefe des Dotters die erste Furchungsspindel (Fig. 37); ihre Längsaxe ist nach den Polen des Eies gerichtet, die Spindel liegt aber nicht genau in der Längsaxe des Eies, sondern parallel neben derselben, verdrängt durch den orangerothen grossen 16 WEISMANN UND ISCHIKAWA: [1 6 Oeltropfen (Fig. 37, Oel). Uebrigens wechselt diese Lage in ver- schiedenen Eiern, und nur die Richtung der Spindel ist immer die- selbe. Die beiden ersten Furchungskerne stellen sich dann in die Längsaxe des Eies und fassen den Oeltropfen zwischen sich. Darauf bildet sich jeder derselben abermals zur Spindel um, deren Längs- axe rechtwinklig zu der des Eies steht (Fig. 39). Die Sonnen an den Polen der Spindeln lassen sich oft schon am lebenden Ei er- kennen, die folgenden Stadien aber sind auch mit Sublimatbehandlung nicht mehr deutlich sichtbar zu machen. In allen diesen Stadien liegen übrigens die Kerne nicht nackt im Dotter, sondern eingehüllt von einem Protoplasmakörper, der im Ganzen eiförmig gestaltet ist, aber wie bei den ersten Furchungszellen von Leptodora zahlreiche verzweigte Ausläufer zwischen die Dotterkugeln hineinschickt. Wir haben die Embryonalentwicklung nur bis zum vierzellisen Stadium genauer verfolgt und können deshalb nicht angeben, in welchem der folgenden Stadien die Furchungszellen an die Oberfläche des Eies steigen. Die Richtungszelle theilt sich gegen Ende des vierzelligen Stadiums, vielleicht öfters auch erst später, und zwar, nachdem vor- her ihr Kern die Spindelform angenommen hat (Fig. 39, Rk). Die beiden secundären Richtungszellen bleiben dicht neben- und halb übereinander liegen (Fig. 40, Rk); in späteren Stadien waren sie nicht mehr aufzufinden. Gerade bei Daphnia longispina glaubte Leyvıc !) schon vor langen Jahren einmal Richtungskörperchen beobachtet zu haben. Er sah unmittelbar nach dem Uebertritt der Sommereier aus dem Ovarium in den Brutraum und nach deren Zusammenziehung zur Eiform „einige blasse Kügelchen an dem eimen Pol ausserhalb der Eischale* auftreten „ganz vom Character jener unter dem Namen ‚Richtungs- bläschen‘ beschriebenen Gebilde“. Dass es sich indessen dabei um etwas Anderes handelte, wahrscheinlich um ausgetretene Dotterbestandtheile, geht schon daraus hervor, dass diese Kügelchen mehrere waren, ferner, dass sie ausserhalb der Eischale lagen, weiter, dass sie am Pol des Eies auftraten, und schliesslich, das sie zu einer Zeit auf- traten, wo die Richtungszelle sich noch nicht vom Ei ablöst. Wir würden diese Darlegung für überflüssig gehalten haben einer so un- bestimmten und gelegentlichen Notiz gegenüber, wenn wir nicht ') Leypıs, Naturgeschichte der Daphniden. Tübingen 1860. 17] UEBER DIE BILDUNG DER RICHTUNGSKÖRPER BEI THIERISCHEN EIERN. iv, durch den Beobachter selbst darauf hingewiesen worden wären, der derselben besonderen Werth beizulegen scheint. 6. Daphnella brachyura. Bei den dotterreichen Sommereiern dieser Sidine geht die Um- wandlung des Keimbläschens zur Richtungsspindel ganz ähnlich vor sich, wie bei Daphnia; nur die Lage der Spindel ist eine etwas andere, wenigstens beobachteten wir dieselbe genau am Pol des Eies und dort findet man später auch die Richtungszelle (Fig. 32 und 34 Taf. IH). Diese letztere schnürt sich vom Ei zur selben Zeit ab, wie bei Daphnia, d. h. einige Minuten nach dem Eimtritt des Eies in den Brutraum und nach der Bildung der dünnen Eischale. So- wohl die Richtungsspindel als die Richtungszelle lassen sich am lebenden Ei durchaus nicht erkennen, ganz wohl aber nach Tödtung des Eies mit Sublimatlösung und Färbung mit Methylgrün. Auch der Kern der Richtungszelle tritt dann ganz deutlich hervor. Die Zelle liegt ganz auf der Oberfläche des Eies, eingedrückt in die spärliche protoplasmatische Rindenschicht, welche sich zu dieser Zeit am Pol des Eies angesammelt hat; es bleibt kein freier Raum zwischen ihr und der Schale. Der Furchungsprocess verläuft zuerst in der Tiefe des Dotters. Fig. 35 Tafel III zeigt die erste Furchungsspindel, welche nicht genau in der Längsaxe des Eies liegt, sondern durch den „Oeltropfen“ wie bei Daphnia etwas von ihr abgedrängt wird. Die erste Thei- lungsebene steht also senkrecht auf der Längsaxe. Es bilden sich so die zwei ersten Furchungskerne, die von protoplasmatischen Zell- körpern umhüllt sind. Die zweite Theilung erfolgt ebenfalls noch in der Tiefe des Dotters, dann aber kommen die Furchungszellen an die Oberfläche. Fig. 33 zeigt ein Ei mit acht amöboiden Fur- chungszellen, die zahlreiche kurz verästelte Ausläufer nach allen Seiten aussenden, Anastomosen bildend und die Dotterkugeln um- fassend und einschliessend. Das Richtungskörperchen, Rk, liegt noch an !seiner ursprünglichen Stelle, zeigt sich aber trüb und körnig, vermuthlich also schon im Beginne des Zerfalles.. Eine regelrechte Theilung desselben konnten wir hier nicht feststellen. 7. Sida erystallina. Die grossen und dotterreichen Eier von Sida setzen der Be- obachtung bedeutende Hindernisse entgegen. Doch gelang es uns, Berichte III. Heft 1. 2 (2) 18 WEISMANN UND ISCHIKAWA: [18 festzustellen, dass an Eiern, die sich in den ersten Stadien der Fur- chung befinden, eine relativ grosse Richtungszelle in der Nähe des einen, vermuthlich des animalen Poles des Eies liegst. Die Zelle ist auch hier unmittelbar an die Eischale angepresst und eingedrückt in die Rindenschicht des Eies. Fig. 36, Taf. III zeigt die Richtungs- zelle, Rk, eines Eies, das bereits vier Furchungskerne enthält, die indessen durch die dicke Schicht des Dotters auch mit Reagentien nur unklar, wenn auch mit Sicherheit, zu erkennen waren. Die. Dotterhaut, Dh, ist längst gebildet und die Lage des Richtungskör- pers entspricht genau der von Daphnia, wie denn auch der ganze Bau des Eies vollkommen mit dem von Daphnia zusammentrifft. Die parthenogenetischen Eier der Ostracoden. Es ist zuerst durch den Einen von uns Parthenogenese bei den Östracoden nachgewiesen worden !) und zwar im Jahre 1880. Der- selbe zeigte damals, dass Parthenogenese in ausgedehnter Weise bei den Süsswasser-Ostracoden vorkommt, dass es zahlreiche Arten gibt, welche sich ausschliesslich auf diesem Wege fortpflanzen, andere, bei welchen periodisch zweigeschlechtliche Fortpflanzung mit ein- geschlechtlicher abwechselt und schliesslich auch ganz wenige Arten, welche sich stets nur zweigeschlechtlich fortpflanzen. Kurze Zeit darauf wurden diese Angaben von Wırazum MÜLLER ?) bestätigt, der ganz unabhängig ähnliche Züchtungsversuche angestellt hatte und zu den gleichen Resultaten gekommen war. Vorher war nichts von Parthenogenese bei den Ostracoden bekannt gewesen, in keinem der zoologischen Lehrbücher ist auch nur eine Andeutung davon enthalten. Der Einzige, der an die Möglichkeit derselben bei Östracoden gedacht hatte, war GERSTÄCKER, der in seinem umfas- senden und sorgfältig bearbeiteten Sammelwerk ?) über unser heu- tiges Wissen von den Orustaceen, gestützt auf eine alte, längst ver- gessene Angabe Jurıne’s, die Möglichkeit, dass: Parthenogenese bei. !) Weısmann, Parthenogenese bei den Ostracoden. Zoolog. Anzeiger 1880, pag. 82. ?) W. Mürter, Beitrag zur Kenntniss der Fortpflanzung und der Ge- schlechtsverhältnisse der Ostracoden etc. Zeitschr. f. d. ges. Naturwissenschaft, Bd. 53. 1880. #) Jurıne, Histoire des Monocles. Geneve 1820. 19] ÜEBER DIE BILDUNG DER RICHTUNGSKÖRPER BEI THIERISCHEN EIERN. 19 den Ostracoden vorkommen könne, wenn auch nur gelegentlich, er- wogen hatte. Die betreffende Stelle bei Jurınz lautet folgender- massen: „Nachdem ich die Eierpackete unmittelbar nach ihrem Aus- tritt aus dem weiblichen Körper gesammelt und isolırt“ (das heisst also wohl: vor der Befruchtung durch Männchen geschützt) „aufbe- wahrt hatte, sah ich die Jungen aus den Eiern hervorgehen; von diesen gleichfalls abgesonderten Jungen erhielt ich ohne Intervention männlicher Individuen eine zweite Nachkom- menschaft.“ Das ist Alles, was bei Jurıne darüber vorkommt. Mit Recht findet GerstÄcker in dieser Angabe eine Aufforderung, die Fortpflanzung der Ostracoden auf Vorhandensein von Partheno- genese zu prüfen, mit Recht aber auch betont er, „dass diese An- gabe in ihrer Kürze natürlich die parthenogenetische Fortpflanzung der Cypriden nicht zur Evidenz nachweise und ausser Zweifel stelle“. Dies geht schon daraus hervor, dass die Angabe nicht klar erkennen lässt, ob die Jungen einzeln aufbewahrt wurden, oder nur gegen andere Individuen abgesondert, wie ja auch schon vorher das Wort „isolirt“ offenbar in dem letzteren Sinne gemeint ist. Jurıse vermochte noch nicht, männliche und weibliche Indi- viduen bei den Cypriden zu unterscheiden; er sagt dies ausdrücklich und beschreibt ziemlich deutlich die sogenannte „Schleimdrüse“ der Männchen als einen Theil des weiblichen Thieres. Ebenso wenig kannte er das Receptaculum seminis der Weibchen, noch wusste er, dass ein isolirtes Weibchen sehr wohl befruchtete Eier ablegen kann, wenn sein Receptaculum mit Samen gefüllt ist. In seinem Versuch hätte also sehr wohl die erste Generation aus befruchteten Eiern hervorgegangen sein können, die zweite aber aus Männchen und Weibchen bestanden haben, von denen die Männchen nur nicht als solche erkannt worden wären. Nach unserer heutigen Kenntniss von der Fortpflanzung der Ostracoden werden wir es allerdings für wahrscheinlicher halten, dass dem nicht so war, dass vielmehr Jurıx& wirklich Parthenogenese vor sich hatte, und zwar schon aus dem Grunde, weil Jurme nicht angibt, mit welcher Art er experimen- tirte, weil aber die parthenogenetischen Arten ungleich zahlreicher sind als diejenigen mit sexueller Fortpflanzung. Einen Beweis aber für das Vorkommen von Parthenogenese bei den Ostracoden hat Jurise nicht erbracht, und es ist deshalb nicht gerechtfertigt, wenn W. Mövrver sich das Verdienst der Mitentdeckung der Partheno- genese bei den Östracoden abspricht, indem er dieselbe Jurıne zu- schreibt. | 20 WEISMANN UND ISCHIKAWA: [20 Als später, 24 Jahre nach Jurısz, Zexker !) die Geschlechts- organe der Ostracoden genau kennen lernte, und bei den Weibchen überall ein Receptaculum seminis, und in vielen Fällen darin auch den Samen der Männchen auffand, da war seine Folgerung nur sehr natürlich, bei diesen Thieren eine ausschliesslich sexuelle Fortpflan- zung anzunehmen und geradezu den Satz aufzustellen, dass „ein Cyprisweibchen ohne vorherige männliche Begattung niemals reife Eier ablege“. Wohl war es diesem ausgezeichneten Beobachter auf- gefallen, dass bei vielen Arten die Männchen sich nicht auffinden lassen wollten, so z. B. bei der grössten einheimischen Art, Oypris pubera, allein er half sich mit der Annahme, „dass die Männchen verhältnissmässig sehr selten seien und zur Befruchtung einer grossen Zahl von Weibchen ausreichten“. Die Anschauungen ZexkEr’s blieben dann massgebend für die ganze folgende Zeit. In Wahrheit verhält sich nun die Sache so, dass bei zahlreichen Arten überhaupt keine Männchen mehr vorkommen, wenigstens nicht auf dem bisher untersuchten Wohngebiet, dass die Weibchen dieser Arten ihr Receptaculum seminis zwar noch unverändert und in voller Ausbildung besitzen, dass es aber zeitlebens leer bleibt, und die Fortpflanzung auf rein parthenogenetischem Wege vor sich geht. Von diesen rein parthenogenetischen Kolonien haben wir nun mehrere auf die Reifeerscheinungen des Eies geprüft und sind bei allen zu demselben Resultat gelangt. Kurz gefasst lautet es: es wird auch hier eine einzige Richtungszelle abgelöst, dann aber beginnt die Furchung. Um Wiederholungen zu vermeiden, schildern wir die Vorgänge nur von einer der untersuchten Arten, von der etwa 3—4 mm langen Cypris reptans. Diese Art klebt die Eier an Pflanzen oder Steinen fest, und im ersteren Fall ist es möglich, dieselben mit den betreffenden Pflanzentheilen zu härten und in Schnitte zu zerlegen. Die Eier wurden in heissem Alkohol getödtet, dann gehärtet, der Kalk der Eischale mit Säure ausgezogen, und schliesslich die erhaltenen Schnitte gefärbt, meist mit Pikrokarmin und Hämatoxylin. Es ist unerlässlich, die bereits abgelegten Eier zu untersuchen, nicht bloss die in dem HEileiter enthaltenen, weil die Ausstossung !) ZENKER, Ueber die Geschlechtsverhältnisse der Gattung Cypris. Arch. f. Anat. u. Phys. 1850. pag. 193, und: Monographie der Ostracoden. Arch. £. Naturg. Bd. 20. pag. 1. 1850, 21] UEBER DIE BILDUNG DER RICHTUNGSKÖRPER BEF THIERISCHEN EIERN. 21 des Richtungskörpers niemals schon im mütterlichen Thier erfolst. Im Eileiter beginnt zwar das Keimbläschen schon seine Umwand- lung, aber es vollendet sie nicht. Fig. 51—53 zeigen die Verände- rungen vor der Ablage des Eies. In dem Schnitt Fig. 51 ist das Keimbläschen noch unverändert, in Fig. 52 ist seine Membran ge- schwunden, es liegt aber noch central und macht oft den Eindruck einer amöboiden Zelle, indem kurze, zackige Fortsätze es höckerig erscheinen lassen. Bei etwas älteren Eiern (Fig. 53) findet man es dann nahe der Oberfläche des Eies und von unregelmässiger Gestalt, die wohl auch auf activen Formenwechsel hindeutet. Niemals fanden wir ein Eileiterei weiter vorgeschritten; im diesem Stadium also werden sie abgelegt. Fig. 54—59 geben dann die weitere Entwicklung. In dem Ei von Fig. 55 erkennt man an Stelle des Keimbläschenrestes eine wohlausgebildete Richtungsspindel, Rsp, in der die Chromatinstäbchen bereits an die Pole gerückt sind. In Fig. 56 hat sich eine Rich- tungszelle, Rk, abgeschnürt, und liegt, wie bei den meisten Daph- niden und Räderthieren der Eischale dicht an, eingesenkt in den Eikörper. Im Mittelpunkt des Eies sieht man einen zweiten, grossen kugligen Kern, den Furchungskern, der auch hier als sicheres Zeichen gelten darf, dass eine zweite Richtungsspindel und ein zweites pri- märes Richtungskörperchen nicht gebildet wird. Die Furchung be- sinnt nun, der Furchungskern wandelt sich zur ersten Spindel um (Fig, 47, Fk) und es erfolet die Theilung des gesammten, dotter- reichen Eies in die zwei ersten Furchungszellen (Fig. 58). Die Richtungszelle liegt noch ungetheilt am einen Pol in der Theilungs- ebene. Im Stadium von 16 Zellen (Fig. 59) fanden wir die Rich- tungszelle in zwei secundäre Richtungskörper, Rk, getheilt; weiter haben wir die Entwicklung für jetzt nicht verfolgt. Die parthenogenetischen Eier der Räderthiere. Leyoiıe !) glaubte seiner Zeit bei den Eiern von Räderthieren den directen Uebergang des Keimbläschens in die beiden Kerne der ersten Furchungskugeln gesehen zu haben, aber Hvxrrr ?) hatte schon 1852 das Verschwinden des Keimbläschens beobachtet und !) Zeitschr. f. wissenschaftl. Zool. Bd. 3. 1851. 2) Transact. mikrosk. Soc. N. S, I. 1853. 22 WEISMANN UND ISCHIKAWA: [22 Firmuise !) stellte die Richtigkeit dieser Beobachtung allen Zweifeln gegenüber fest. Somit wusste man so viel, dass das Keimbläschen hier, wie bei so vielen anderen Eiern eine Umwandlung erleidet, ob aber dieselbe analog der sonst allgemeinen erfolgt oder anders, das konnten auch die darauf folgenden Untersuchungen Bürscaur's ?) noch nicht entscheiden, der zwar nach dem Verschwinden des Keim- bläschens das Auftreten eines neuen „excentrisch gelegenen Kerns“ beobachtete, aber weder den genetischen Zusammenhang dieses Fur- chungskerns mit dem Keimbläschen, noch die Bildung eines Rich- tungskörpers feststellen konnte. Es war der neuesten Zeit vorbehalten, die Richtungskörper der Räderthiere zu entdecken, und zwar wurden kurze Zeit nacheinander mehrere dahin zielende Beobachtungen bekannt. So beschrieb 1883 ein französischer Beobachter, Biwrer ?), ein Richtungskörperchen am Ei von Philodina roseola, dann — ohne von dieser Beobachtung zu wissen — beobachtete Tessı *) eine Kernspindel nahe der Ober- fläche eines reifen Eies von Eosphora digitata, die er als Richtungs- spindel mit Recht ansprach; es gelang ihm indessen nicht, auch den Richtungskörper selbst zu sehen. Schliesslich fand Prarr), dass das Ei eines neuen parasitischen Räderthiers, Paraseison asplanchnus, aus dem Golf von Neapel nach seiner Ablage 1—2 Richtungskörper enthält. „Meist war nur ein Richtungskörper mit deutlichem Kern vorhanden; war ein zweiter gebildet worden, so zeigte er stets ge- ringere Grösse.“ Aus diesen Beobachtungen geht so viel mit Sicherheit hervor, dass auch bei Eiern von Räderthieren Richtungskörper gebildet werden. Dagegen blieb es ungewiss, ob die Ausstossung von Rich- tungskörpern etwa nur bei befruchtungsbedürftigen Eiern stattfindet, oder auch bei parthenogenetischen, und natürlich noch ungewisser, ob etwa ein Unterschied in der Zahl der ausgestossenen primären Richtungskörper bei parthenogenetischen und bei befruchtungsbe- dürftigen Eiern vorkommt. Die Parthenogenese stand eben selbst !) Studien in der Entwicklungsgeschichte der Najaden. Wien. Sitzungs- berichte. Bd. 71. ?) Studien über die ersten Entwicklungsvorgäge der Eizelle, die Zell- theilung und Conjugation der Infusorien. Senckenberg. naturf. Gesellschaft. Abhandl. Bd. 10. 1876. pag. 35. 3) Bull. Sc. Dep. Nord, 6. Annee. 1883. pag. 1—10 u. 69— 84. *) Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 44. pag. 273. 1886. ’) Mittheil. d. zoolog. Station Neapel. Bd. 7. pag. 234. 1887. 23] UEBER DIE BILDUNG DER RICHTUNGSKÖRPER BEI THIERISCHEN EIERN. 23 noch nicht fest, wenn sie auch recht wahrscheinlich war. Das Fehlen der Männchen während der Sommerzeit deutete auf partheno- genetische Entwicklung der Sommereier hin, allein Sicherheit gab es nicht, da die zwerghaften Männchen möglicherweise übersehen sein konnten. Gibt doch noch 1883 Jorıer !) bestimmt an, dass die von ihm entdeckten Männchen von Melicerta ringens keineswegs so selten seien, als man bisher für die Käderthiermännchen im Allge- meinen angenommen hatte. Er bestreitet die alte Angabe Conv’s ?), dass die Sommereier sich parthenogenetisch entwickeln, und dass nur die Wintereier befruchtet werden. „Zwischen der Entwicklung der unbefruchteten und der befruchteten Eier existirt höchstens der Unterschied, dass bei den letzteren vielleicht Richtungskörper aus- gestossen werden.“ „Alle drei Arten von Weibchen“ — nänilich diejenigen, welche männliche Sommereier, weibliche Sommereier, oder welche Wintereier hervorbringen — „sind fähig, befruchtet zu werden, allein bei allen drei Arten gibt es eine grosse Anzahl von Individuen, die nicht befruchtet werden, die aber doch entwicklungs- fähige Eier legen.“ Nach Jorıer’s Ansicht würde man also keinem Räderthierei ansehen können, ob es sich parthenogenetisch entwickelt oder ge- schlechtlich, weil alle Eiarten befruchtet werden, alle sich auch par- thenogenetisch entwickeln können. Die umgekehrte Ansicht hat Prare ?) in seiner ersten Arbeit über Räderthiere vertreten. Auch er stimmte nicht der bis dahin noch allgemein verbreiteten, auf Conn’s Beobachtungen sich stützenden Anschauung bei, nach welcher es sich bei den Rotatorien ebenso verhalten würde, wie bei Daphniden und Aphiden, d. h. nach welcher die Sommereier sich parthenogenetisch, die Wintereier nur nach Befruchtung entwickeln würden. Prarr bestreitet, dass über- haupt irgend welche Eier der Rotatorien heute noch befruchtet würden, deutet die in ihrem Körperbau bekanntlich stark redueirten Männchen als in phyletischem Verschwinden begriffen, und meint, dass der Samen, der nach seiner Beobachtung in die Leibeshöhle der Weibchen ergossen werde, dennoch nicht zur Befruchtung der ') Jouıer, Monographie des Melicertes. Arch. Zool. exper. et gener. 2. T. 1. pag. 131. 1883. ?) Conn, Die Fortpflanzung der Räderthiere. Zeitschr. f, wiss. Zoologie. Bd. 7. 1856. pag. 431. ®) Pratz, Beiträge zur Naturgeschichte der Rotatorien. Jen. Zeitschrift. Bd. 12. 1885. 24 \WEISMANN UND ISCHIKAWA: [24 Eier verwendet werde. Er nimmt also parthenogenetische Ent- wicklung für alle Eier der Räderthiere an. Damit stimmt es aber nicht wohl, wenn er neuerdings bei Paraseison, einem auf Nebalia schmarotzenden Räderthier, Männchen nachweist, die mit Mund und Darm versehen, also nicht „rudimentär“ sind, ja deren Anzahl nicht allzuweit hinter der der Weibchen zurückbleibt, indem auf je sechs Weibchen ein Männchen kommt. Die Männchen scheinen sogar eigenthümliche Spermatophoren hervorzubringen. Dem gegenüber kann es nicht hoch angeschlagen werden, wenn es nicht gelingen wollte, Samen oder Spermatophoren im Inneren der Weibchen nach- zuweisen, wie denn auch in Bezug auf jene Fälle, in welchen bei gewissen Arten Samenfäden in der Leibeshöhle der Weibchen be- obachtet wurden, doch selbst einem so scharfsichtigen Beobachter wie Prare nicht ohne Weiteres zugegeben werden kann, dass diese Sper- matozoen gänzlich ausser Stand gewesen wären, zu den im Ovarium reifenden Eiern hinzugelangen. Durchbohren doch Samenfäden ge- legentlich viel diekere und resistentere Hüllen als die zarte Haut, welche die Wand des Räderthierovariums bildet. Man sieht: unsere Kenntnisse über die Fortpflanzungsverhält- nisse der Räderthiere sind noch weit von einer vollständigen Klärung entfernt. Wollte man also den in vorliegender Abhandlung zu be- weisenden Satz, dass parthenogenetische Eier ebenfalls Richtungs- körper abschnüren auch durch Beobachtungen an Räderthieren er- härten, so musste man zunächst zeigen, dass bei ihnen überhaupt Parthenogenese vorkommt, und dann feststellen, wie diejenigen Eier sich in Bezug auf Richtungskörperbildung verhalten, deren partheno- genetische Entwicklung nachgewiesen war. Dies ist uns nun auf folgendem Wege gelungen. Von Callidina bidens, einem Räderthier aus der Familie der Philodineen, wurde ein Weibchen auf dem Objectträger isolirt, welches. zwei Embryonen im Uterus trug; so z. B. am 9. November 1886. Am 10. November wurde ein Junges geboren, welches in seinem Uterus bereits ein in Segmentirung begriffenes Ei enthielt. Am 12. November war dieses Ei zum Embryo entwickelt und im Uterus befand sich zugleich noch ein zweites Ei in Furchung. Auch das zweite Ei der Mutter hatte sich am 10. November zu einem Embryo entwickelt, der bei seiner Geburt bereits ein in Furchung befindliches Ei enthielt. Ausser dieser wurden noch drei andere ähnliche Beobachtungen mit demselben Resultat angestellt. Wenn noch hinzugefügt wird, 25] ÜEBER DIE BILDUNG DER RICHTUNGSKÖRPER BEI THIERISCHEN EIERN. 35 dass von Samenelementen in der Leibeshöhle der Mutterthiere nichts zu sehen war, so dürfte wohl der Beweis damit erbracht sein, dass diese Sommereier sich parthenogenetisch entwickelten. Auch der allgemeinere Satz dürfte gestattet sein, dass Sommereier von Räder- thieren sich auf parthenogenetischem Wege zu weiblichen Indi- viduen entwickeln können. Ob aber alle Sommereier sich unbe- fruchtet entwickeln, das muss einstweilen noch dahingestellt bleiben. Gerade deshalb ist es besonders angenehm, dass uns der Nach- weis von der Bildung von Richtungskörpern auch gerade bei der Art gelang, bei der die parthenogenetische Entwicklung der Sommer- eier festgestellt worden war. Fig. 49 auf Tafel IV gibt die Abbildung eines noch im Uterus enthaltenen Sommereies einer Callidina bidens, nach dem Leben ge- zeichnet. Auf der Oberfläche des Eies liegt eine Richtungszelle, Rk, in der Tiefe, scheinbar nur dicht daneben, der Furchungskern, Fk. Fig. 50 stellt dasselbe Ei dar, nachdem es durch Druck des Deck- gläschens etwas abgeplattet worden war, ebenfalls nach dem lebenden Thier gezeichnet. Man erkennt jetzt deutlich, dass die Richtungs- zelle, ganz wie beim Daphnidenei, dicht unter der Dotterhaut liest, eingesenkt in den Eikörper, und bemerkt in dem Furchungskern zwei parallele Reihen von zusammen neun Chromatinballen, welche an- deuten, dass der Kern sich in Karyokinese befand. Die Spindel liess sich indessen nicht erkennen, und der Versuch, das Ei nach Tödtung des Thieres zu färben, verunglückte. Fig. 41—48 zeigen dann die Reifungs- und ersten Entwick- lungserscheinungen auf Schnitten und zwar vom Sommerei von Üo- nochilus volvox. Fig. 41 zeigt das reife Ei mit den ihm aufsitzenden Nährzellen, Nz; das Keimbläschen ist im Beginn der Karyokinese und zwar im Knäuelstadium. Fig. 42 zeigt dann das zur Richtungs- spindel umgewandelte Keimbläschen mit der bereits gegen die Pole hin auseinandergerückten Aequatorialplatte. In Fig. 43 hat sich die Richtungszelle bereits abgeschnürt, und der einzige im Ei befindliche Kern liegt central, ein Beweis, dass er als Furchungskern anzusehen ist und dass eine zweite Richtungsspindel sich nicht bildet. In Fig. 44 hat der Furchungskern Bläschenform angenommen und man sieht nur feinste Körnchen in seinem Innern. In Fig. 45 ist der Kern bedeutend gewachsen und in seinem Innern liegt eine wenig verschlungene Schleife des Kernfadens mit einer Reihe von Chromatinballen. Das Richtungskörperchen ist schon im Schwinden begriffen, Rk. Fig. 46 zeigt dann das Ei während der ersten Kern- 26 WEISMANN UND ISCHIKAWA: [26 theilung; der eine Kern, Fk‘, befindet sich wieder im Knäuelstadium, der andere, Fk“, noch nicht. Vom Richtungskörper ist jetzt schon nichts mehr vorhanden, im Gegensatz zu der Beobachtung Prarr’s, der bei Paraseison den oder die Richtungskörper noch zu einer Zeit vorfand, als der Embryo schon gebildet war. Dieser Unterschied wird wohl nicht auf einem Uebersehen desselben unsererseits be- ruhen, sondern vielleicht auf der Verschiedenheit der Eiform. Bei Paraseion ist das Ei länglich und der Richtungskörper liegt in dem verjüngten Ende desselben, der vom Embryo selbst nicht erfüllt ist; bei Conochilus hingegen füllt der Embryo die Schale aus und es bleibt kein freier Raum, in dem der Richtungskörper längere Zeit unbehellist ausharren könnte. Nach diesen Beobachtungen wird also der Satz als gesichert anzusehen sein, dass bei den parthenogenetischen Eiern der Räderthiere ein einziges primäres Bichtungskörperchen gebildet wird. Zusammenfassung der Beobachtungen an partheno- genetischen Eiern. Bevor wir eine Uebersicht der hier mitgetheilten Beobachtungen geben, muss noch angeführt werden, dass inzwischen auch bei In- sekten ein Fall bekannt geworden ist, in welchem von dem par- thenogenetischen Ei ein Richtungskörper gebildet wird, ein Fall, der um so werthvoller ist, als zugleich von derselben Thiergruppe zwei primäre Richtungskörper für die befruchtungsbedürftigen Eier nachgewiesen werden konnten. Wir sprechen von den vor Kurzem veröffentlichten Beobachtungen Brocumann’s!) an den Winter- und Sommereiern von Blattläusen. Allerdings muss gesagt werden, dass, wenn keine andere Be- obachtungen über die Einzahl des Richtungskörpers bei partheno- genetischen Eiern vorlägen, als diese Beobachtungen an den Sommer- eiern von Aphiden, der Beweis für diese Einzahl kaum als mit Sicherheit erbracht angesehen werden könnte, so wenig etwa, als wenn wir nur die Eier von Sida erystallina untersucht hätten. Bei Sida konnte nur festgestellt werden, dass ein einziger Richtungs- körper in den frühesten Stadien der Furchung vorhanden ist. Dies ') Ueber die Richtungskörper bei Insekteneien. Morph. Jahrb. Bd. 12. pag. 544. 1887. 27] ÜEBER Dis BILDUNG DER RICHTUNGSKÖRPER BEI THIERISCHEN EIERN. Dan würde die Möglichkeit, dass später noch ein zweiter solcher Körper gebildet werden könnte, allerdings ausschliessen, nicht aber die, dass nicht vorher schon ein erster Richtungskörper gebildet worden war und dann verloren ging, wie dies ja z. B. von Grossen für die befruchtungsbedürftigen Eier von Cetochilus septentrionalis ange- geben wird. Da indessen die Richtungszelle bei Sida ganz mit der der übrigen Daphniden übereinstimmt in Grösse, Gestalt, Lage und Zeit des Auftretens, und da bei allen übrigen festgestellt werden konnte, dass dieser eine Richtungskörper der einzige ist, und dass selbst dann, wenn derselbe sich schon im Ovarıum bildet, wie bei Moina, er dennoch niemals verloren geht, so ist ein Zweifel daran, dass auch bei Sida nur der eine beobachtete primäre Richtungs- körper gebildet wird, nicht mehr zulässig. Bei den beiden von Brocamann untersuchten Aphiden könnte man ebenfalls Bedenken erheben, da darin, dass ein zweiter Rich- tungskörper nicht gefunden wird, noch kein Beweis liest, dass er nicht dennoch vorhanden war. Die auf Schnitte angewiesene Unter- suchung schloss eine continuirliche Beobachtung desselben Eies aus, ja da die ganzen Thiere geschnitten werden mussten, so war es nicht einmal möglich, das Stadium, in welchem ein Ei sich be- fand, im Voraus zu kennen. Man könnte also einwerfen, dass- sich einem Ei, welches einen Richtungskörper aufweist, nicht ansehen lasse, ob nicht vorher schon ein anderer dagewesen und wieder zu Grunde gegangen sei, ganz abgesehen davon, dass Ungleichheiten der Schnitte einen so kleinen Körper sehr wohl auch verdecken oder entfernen können. Haben doch ausgezeichnete Beobachter, wie Bürsc#tı, der freilich vor längerer Zeit und mit den damals noch unvollkommenen Methoden darüber arbeitete, und auch neuere Be- obachter, wie Wıun und Wıruaczır, auch das eine Richtungskör- perchen Brocnwann’s nicht entdecken können. Dem ist indessen entgegenzuhalten, dass ein Entweichen eines Körpers hier nicht möglich ist, und dass eine so frühe Auflösung eines ersten Richtungskörpers noch nirgends beobachtet wurde. Den- noch würde man allein auf diese Beobachtung hin wohl mit Recht Bedenken tragen, das Vorkommen von nur einem Richtungskörper beim parthenogenetischen Ei der Aphiden für unzweifelhaft sicher zu halten, und Brocumany hat sich deshalb auch ganz richtig darauf beschränkt, hervorzuheben, dass er „stets nur einen Richtungskörper gefunden habe im Gegensatz zu den befruchteten Eiern der drei anderen Insektenarten, wo sich mit derselben Constanz zwei resp. 98 WEISMANN UND ISCHIKAWA: [28 drei Richtungskörper“ finden. Da wir indessen durch die vorher angeführten Beobachtungen an Daphniden, Ostracoden und Räder- thieren wissen, dass alle parthenogenetischen Eier, die bis jetzt dar- auf geprüft wurden, nur ein Richtungskörperchen ausstossen, so wird angenommen werden dürfen, dass auch bei den Aphiden das Fehlen eines zweiten Richtungskörpers nicht auf einem Beobachtungsfehler oder auf der Ungunst des Untersuchungsobjectes beruht, sondern darauf, dass ein zweiter Körper auch hier nicht gebildet wird. Wenn wir nun alle Beobachtungen über die Bildung von Rich- tungskörpern bei parthenogenetischen Eiern zusammenstellen, welche bis jetzt vorliegen, so erhalten wir folgende kleine Liste. Nur ein primärer Richtungskörper wurde festgestellt für die parthenogenetischen Eier von: 1. Polyphemus Oculus durch Weısmanv (1883). 2. Leptodora hyalına durch Weısmann und Isc#ıkawA (1886). 3. Bythotrephes longimanus durch dieselben. 4 . Moina rectirostris - 2 9... „© paradoxa „ „ 6. Daphnia longispina 5 5 7. Daphnella brachyura - . 8. Sida erystallina a „ 9. Cypris reptans „ » 10. „. Kiuscata 5 „ 11. Callidina bidens . k 12. Conochilus Volvox y s 13. Einer nicht bestimmten Aphide durch Brocamanv (1887). 14. Forda formicaria (Aphide) E - II. Die Riechtungskörperbildung bei befruchtungs- bedürftigen Eiern nach den in der Literatur enthaltenen Beobachtungen. Eine Durehstöberung der Literatur nach sicheren Angaben über die Zahl der primären Richtungskörper bei befruchtungsbedürftigen Eiern hat das Material zu der folgenden Zusammenstellung geliefert. Sie soll keineswegs etwa alle Angaben über Richtungskörperchen enthalten, welche seit deren Entdeckung gemacht worden sind, son- 29] UEBER DIE BILDUNG DER RICHTUNGSKÖRPER BEI THIERISCHEN EIERN. 29 dern nur diejenigen, welche für die Frage nach der Zahl der pri- mären Richtungskörper von Belang sind. Es kann sein, dass einige solche Angaben übersehen worden sind, da sie zuweilen in weniger zugänglichen Zeitschriften versteckt sind, oder auch so gelegentlich und kurz gemacht, dass sie in dem betreffenden Aufsatz schwer auf- gefunden werden können. Immerhin werden die meisten brauch- baren Beobachtungen hier zusammengetragen sein. Alle bisher gemachten Angaben über Richtungskörper beziehen sich auf befruchtungsbedürftige Eier, wenn dies auch nicht immer ausdrücklich gesagt wird. Unter den sechs Thierkreisen, in welchen heute die Metazoen meist untergebracht werden, ist keiner, bei dem nicht wenigstens an einigen Arten die Abschnürung zweier primärer Richtungskörper festgestellt worden wäre. Bei Wirbelthieren und Arthropoden sind diese Fälle am spärlichsten, bei Würmern, Mollusken und Echino- dermen am zahlreichsten, wie denn bei den grossen und meist dotter- reichen Eiern der beiden ersten Kreise auch die Schwierigkeiten der Untersuchung am grössten, bei den drei anderen Kreisen dieselben geringer sind. Das folgende Verzeichniss enthält nur die Namen von solchen Arten, bei deren Eiern entweder der Beobachter selbst die successive Abschnürung zweier Richtungskörper vom Ei angibt, oder bei welchen sich doch unzweifelhaft aus den Abbildungen oder der Beschreibung des Vorgangs dieser Thatbestand ergibt. Verzeichniss der Arten, bei welchen zwei primäre Richtungskörper festgestellt sind. Solche wurden beobachtet bei: I. Coelenteraten. 1. Hydromedusen. Bei Aeginopsis durch O. Herrwıc !). „ Nausithoe ARE N „ Pelagıa S 2 5 „ Lucernaria durch KowaLzwsky?). !) Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies. Theil III. Morphol. Jahrbuch 1877. ?) Zoolog. Anzeiger 1884. pag. 712. 30 WEISMANN UND ISCHIKAWA: [30 2. Siphonophoren. Bei Hippopodius durch P. E. Mürzer !). 3. Ctenophoren. Bei Gegenbauria cordata durch O. Hrrrwiıe ?). ll. Würmer. 1. Platyelminthen. Bei Leptoplana durch SELENKA °). „ Euryleptus. „ ; „ Thysanozoon „ : „ Stylochopsis durch GörrE ?). „ Malacobdella und anderen Nemertinen durch Hormans ). 2. Nemathelminthes. Bei Ascaris megalocephala durch Nussgaum‘), E. van BEnEDEN °) und CArvoy °). „ Ascaris lumbricoides durch CArxoy °). „ Coronilla robusta 5 e „ Ophiostomum nuccromatum durch Carxoy °). „ Filaroides mustellarum a Re). „ Spiroptera strumosa h „ Sagitta durch Herrwıc 1%) und Fou 11), !) Der Beobachter hielt zwar die drei gesehenen Körperchen innerhalb der Eischale für Spermatozoen, die in eigenthümlicher Weise verändert seien, es kann aber kein Zweifel sein, dass sie Richtungskörper waren, und bei der bekannten Genauigkeit MürLer's in seinen Beobachtungen darf aus der Dreizahl dieser Körper mit Sicherheit darauf geschlossen werden, dass zwei primäre Rich- tungskörper gebildet werden. Vergl. P. E. MürrLer, Nogle Siphonophoren. pag. 80. Kopenhagen 1871. TA, TarlO: 3) Zoologische Studien. II. ;Zur Entwicklungsgeschichte der Seepla- narien.“ Leipzig 1881. 4) Abhandlungen zur aennerges hen der Thiere. 1. 5) Zur Anatomie und Ontogenie von Malacobdella. Amsterdam 1877. 6) Arch. f. mikrosk. Anatomie. Bd. 23. 1884. pag. 155. ?) Recherches sur la maturation de l’oeuf, la fecondation et la division cellulaire. Gand u. Leipzig 1883. ®) La cytodierese de l’oeuf, ‘la vesicule germinative et les globules po- laires de l’Ascaris megalocephala. Louvain, Gand, Lierre 1886. ®) La segmentation chez les Nematoides, in „La Cellule“. T. IIl. Lou- vain 1886. } 10 Aa. 0: pag:i277: !!) Recherches sur la Fecondation et le Commencement de 1’Henog£nie, Geneve-Bäle-Lyon 1879. 31] UEBEr DıE BiLpunG DER RICHTUNGSKÖRPER BEI THIERISCHEN EIERN. 31 3. Gephyreen. Bei Thalassema durch Cosx !). 4. Annulaten. Bei Eupomatus uncinatus durch Harscnek ?). „ Hermella alveolata durch Host ?°). Chaetopterus pergamentaceus durch Wıusox ®). „ Potamoceros (Serpula) durch von Draschz?). „ Nephelis durch Bürscauı®) und O. Hrrrwıc '). „ Haemopis durch O0. Hrrrwıc ®). „ Myzostoma durch Braro °). „ Clepsine durch Hormans !°) und Warrman !}). „ Dinophilus durch Korscheur 1?). Ill. Echinodermen. Bei Echinus lividus durch Herrwıc 1?) und For !%). y s brevispinosus durch Herrwıc !?) und For 1). „ Toxopneustes variegatus durch SeLexka 2). „ Asteracanthion durch Hrrrwıe "3). „ Asterias glacialis durch For 1). IV. Mollusca. 1. Lamellibranchiata, Muscheln. Bei Östrea durch Brooks 1°). !) Life-History of Thalassema. Stud. Biol. Lab. John Hopkins Univ. Bd. 3. 1884. p. 31. ?) Arbeiten aus d.. Wien. Zool. Institut. Bd. 6. 1885. ®) Bull. scientifigque du Dep. du Nord 1881. “) Stud. Biol. Lab. John Hopk. Un. Baltimore. ?) Beiträge zur Entwicklung der Blychaeten. Wien 1884. DA: ) A. a.-O. Theil II. 1877. °) Mittheil. d. zool. Station Neapel. Bd. 5. pag. 552. ®) On the Life-History and Development of. Myzostoma. Leipzig 1884, und in Mittheil. zool. Stat. Neapel. Bd. 5. 10) Zur Entwicklungsgeschichte der Clepsinen. Niederl. Archiv 1877. ı) The Embryology :of Clepsine in „Quart. Journ. mikrosk. Science“. Bd. 18. 1878. 12) Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 37. pag. 339. 1882. 12-A. a..0% Their DIBA 2:0, ») Zool. Studien. I. Leipzig 1878. 18) Developm. of the Oyster 1880. 32 Journ. WEISMANN UND ISCHIKAWA: [32 Bei Tellina durch ©. Herrwıcs }). „ Unio pietorum durch Rası ?). 2. Schnecken. Bei Amphorina ceoerulea durch Trıxcnese °). 5 R Siottii 5 $ „ Neritina fluviatilis durch Brocnwmann ®). „ Helix pomatia und nemoralis durch Jrerıne °). ; „ aspersa durch Prr&z ®). „ Aplysia durch Manrreopr '). „ Chromodoris durch Fırırro Rno °). „ Limax durch Mark °). „ Arion durch Puarner 1°). „ Limnaeus durch Ragr 12), Burscosri !?) und Woursonn 1°). „ Pterotrachea durch For !*) und Hrrrwıc "). „ Phyllirhoe durch Herrwıe »). „ Berghia coerulescens durch Trıvchzse 1%). „ Suceinea Pfeifferi durch Bürscaut !7). 3. Pteropoden. Bei Cymbalia Peronii durch Herrwıc 1°). „ Cavolinia tridentata „ R 4. Cephalopoden. Bei Loligo durch Ussow 1°). „ Argonauta durch Ussow 1°). Ama OE 2) Jenaische Zeitschr. Bd. 10. pag. 317. 1876. 3) IT primi momenti dell’ evoluzione nei Molluschi. Roma 1880. 4) Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 36. pag. 125. 1881. 5) Jenaische Zeitschr. Bd. 9. 6) Recherches sur les phenomenes qui precedent la segmentation de l’oeuf. de l’Anat. et de la Physiol. 1879. pag. 329. ?) Le prime fasi dello sviluppo dell’ Aplysia. Napoli 1883. °®) Sullo sviluppo della Chromodoris elegans. Napoli 1884. °) Bull. Mus. Comp. Zool. of Harvard College, Vol. VI. pag. 173. 1831. 10) Arch. f. mikr. Anat, Bd. 27. pag. 65. 1886. 11) Jenaische Zeitschr. Bd. 9. 1875. 12) A. a. O. 1876. 13) Mem. Ac. Imp. Scienc. Petersbourg. Bd. 10. 1881. 14) Archiv. Zool. exper. et generale. Vol. V. Im Aa): 22) Re dell’ Academia d. Sc. di Bologna 1878—79. ) ) ) 17 18 > ee geschriebene Monographie über Entwicklung von Cephalo- 33] UEBER DIE BILDUNG DER RICHTUNGSKÖRPER BEI THIERISCHEN EIERN. 33 5. Tunicaten. Bei Salpa durch Saresskr !) und Tovaro ?). V. Arthropoden. 1. Kruster. Bei Cetochilus septentrionalis durch Grosgex °). 2. Insecten. Bei Musca vomitoria durch Brochmann ®). „ Blatta germanica „ x „ Aphis aceris ; VI. Wirbelthiere. 1. Rische. Bei Petromyzon durch Scorr5) und durch Kurrrer und BeExeke ®). 2. Amphibien. Bei Rana fusca durch O. Scauze '). „ Siredon pisciformis durch ©. ScHuzze '). 3. Bäuger. Bei Fledermäusen durch E. vaw Bexeven und Juin °). Beim Kaninchen durch E. va Bexepen °?) und Reıs 1°). „ Meerschweinchen durch Reım !!) und Beuvoxcr!?). Bei Talpa europaea durch Beruoxcı 1?), Die vorstehende Liste von Fällen, in welchen zwei primäre Richtungskörper abgeschnürt werden, wäre nicht unerheblich grösser ausgefallen, wenn auch solche Fälle hätten aufgenommen werden dürfen, bei welchen die Beobachter zwei Richtungskörper angeben, poden. Moskau. 1879. Den Text verstehen wir leider nicht; die Abbildungen zeigen drei Richtungskörper, welche also auf zwei primäre schliessen lassen. !) Zool. Anzeiger. 4. Jahrg. 1881. pag. 597. ?2) Archiv Italian. Biolog. T. II. 1882. 3) Arbeit. Wien. Zool. Institut. Bd. 3. 1881. *) Morphol. Jahrbuch. Bd. 12. 1887. >) Morphol. Jahrbuch. Bd. 7. 1881. *%) Der Vorgang der Befruchtung am Ei der Neunaugen. Königsberg 1878, ”) Zeitschr, f. wiss. Zool. Bd. 45. 1887. ®) Archives de Biologie. T. I. pag. 551. 1880. °) Ebendaselbst T. IV. 9) Arch. f. mik@eAnat. Bd. 22. 11) Archiv f. mikr. Anat. Bd. 22. 12) Mem. Accad. Bologna. T. VI. pag. 363 und Atti Accad. Lincei Rend. Vol. I. 285. Berichte III. Heft 1, 3 (8) 34 WEISMANN UND ISCHIKAWA: [34 ohne aber bestimmt ihre successive Abschnürung vom Kern des Eies zu erwähnen. So fand E. Zıester !) zwei Richtungskörper im Ei von Üyclas cornea, und da das betreffende Ei sich im ersten Stadium der Furchung (zwei Furchungszellen) befand, und nach unseren Erfahrungen an parthenogenetischen Eiern ein einziger Rich- tungskörper niemals sogleich wieder in zwei secundäre zerfällt, muss es sehr wahrscheinlich erscheinen, dass die zwei beobachteten Körper primäre Richtungszellen waren. Aehnliche Beobachtungen gibt es noch mehrere; Sepswick ?) fand bei Peripatus zwei Richtungs- körper, Bexepen und Juuıw®) bei Clavellina, ScHaummsrann ?) bei Bothriocephalus, Bürscatr?) bei Cucullanus elegans, Görrz ®) bei Rhabditis nigrovenosa und Nereis Dumerilii, VEsnovskr ') bei Ster- naspis, Horrmann °) bei Malacobdella, Korscnerr *) bei Dinophilus, und in den meisten dieser Fälle lassen sich Wahrscheinlichkeitsgründe dafür geltend machen, dass die Richtungskörper primäre waren. In anderen Fällen ist dies sogar gewiss, wenn z. B. Horrmann für Clepsine nur einfach von zwei Richtungskörpern spricht, BrocHhmanN desgleichen bei Aplysia, während Wrrrman später für Clepsine, Masrreoı für Aplysia bestimmt die successive Abschnürung der- selben vom Ei beobachtet haben. Wahrscheinlichkeiten dürfen in- dessen in einer solchen Frage nicht mitsprechen, und wir führen diese Fälle nur an, um zu erklären, warum wir in der obigen Liste nicht noch eine grössere Zahl von Arten aufführen konnten. Es gibt nun aber auch verschiedene Angaben, nach welchen bei Arten mit geschlechtlicher Fortpflanzung nur ein Richtungskörper gesehen wurde. Solche liegen vor für Gonothyraea Loveni von Berea !°), für Branchiobdella von Sarexsky !!), für Teredo navalıs von Harschex 1?), für Phascolosoma von SEL£xkA !?), für Bithynia ten- !) Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 41. 1885. °) Quart. Journ. Mieroscop. Se. Vol. 25. ) La segmentation chez les Aseidiens. Brux. 1884. *) Die Entwicklung der Bothriocephalen. Jena 1885. ) ) 3 or A. A. a. ci ”) Untersuch. über Sternaspis. Wien 1881. °) Zur Anat. u. Ontog. v. Malacobdella. Amsterd. 1877. 9) Zeitschr. f. wıss. Zool. Bd. 37. 1882. 1%) Morphol. Jahrbuch. Bd. V. 1880. 1) Biolog. Centralbl. Bd. 2. 1883. 12) Arbeit. zool. Insituts zu Wien. Bd. 3. 1880. '3) Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 25. pag. 444. 1875. 6 35] UEBER DıE Birpung DER RICHTUNGSKÖRPER BEI THIERISCHEN EIERN. 35 taculata von Sarasın !), für Amphioxus von Harscher ?), für Scor- paena und Julis von Horrwmann?). Es mögen einige von diesen Fällen kurz beleuchtet werden. Bei Teredo navalis spricht Harscrer nur von „einem Rich- tungskörperchen“, sagt aber ausdrücklich, dass er die Schicksale des Keimbläschens nicht specieller berücksichtigt habe. Bei Bithynia tentaculata beobachtete Sarasıy nur ein Rich- tungskörperchen, welches sehr klein und schwer zu erkennen war; offenbar kam es aber auch ihm auf ganz andere Dinge an, und er legte keinen Werth darauf, gerade die Bildung der Richtungskörper ins Einzelne zu erforschen. Bei Phascolosoma beobachtete Seuenka 1875 ein Richtungs- körperchen, ohne indessen irgend Werth darauf zu legen, die An- oder Abwesenheit eines zweiten festzustellen. Alles, was über Rich- tungskörper gesagt wird, ist: „Sodann“ — nämlich nach dem Ver- schwinden des Keimbläschens — „wird ein Protoplasmatröpfchen (Rest des Zellkerns?) ausgepresst — vielleicht der Koth des Eies* (a. a. O. p. 444). Bei Balanus fand Horx „einen Körper innerhalb der Dotter- haut von befruchteten Eiern, den man der Abbildung nach für einen Richtungskörper halten muss, wenn auch weder ein Kern in dem- selben angegeben ist, noch seine Herkunft festgestellt wurde. Bei der geringen Bedeutung, welche Horx den Richtungskörpern bei- leste, die er ebenfalls für den ‚Koth des Eies‘ hielt, kann es nicht Wunder nehmen, wenn er nicht nach einem zweiten forschte. Dabei kommt noch in Betracht, dass gerade bei Entomostraken zwar zwei primäre Richtungskörper von GroBBEn beobachtet, aber zugleich fest- gestellt wurde, dass der erste davon vor Bildung der Dotterhaut sich ablöst und deshalb ‚sehr leicht weggeschwemmt‘ wird, dass man daher an den Eiern (von Cetochilus septentrionalis) in der Regel nur ein einziges Richtungskörperchen vorfindet, nur sehr selten zwei.“ In der ganzen Litteratur ist mir nur eine neuere Angabe be- gegnet, in welcher in Bezug auf ein vermuthlich doch befruchtungs- bedürftiges Ei bestimmt angegeben wird: „Es bildet sich nur ein Richtungskörperchen, niemals mehr.“ Dies sagt Brrc#, und zwar in Bezug auf das Ei von Gonothyraea Lovenii, dem bekannten Hy- !) Morphol. Jahrb. Bd. 8. °) Arbeiten Wien. zool. Instituts. Bd. 4. 1881. ?) Die Ontogenie der Knochenfische. Amsterdam 1881. 36 WEISMANN UND ISCHIKAWA: [36 droidpolypen mit festsitzenden Medusen. Dass hier Parthenogenese vorkommen sollte, ist sehr unwahrschemlich, da gewöhnlich männ- liche und weibliche Stöcke in grosser Zahl nebeneinander wachsen, und der ins Wasser massenhaft entleerte Samen wohl jedes weib- liche Medusoid erreicht. Es muss also wohl an eine Unvollkommen- heit der Beobachtung gedacht werden, und diese darf bei einem so subtilen und schwierigen Object auch sicherlich angenommen werden, unbeschadet der Genauigkeit und Geschicklichkeit des Beobachters. Derselbe sagt selbst, dass „die Eier schwierig zu isoliren sind und die feineren Vorgänge nur sehr schwer durch die Wände der Gono- zooide hindurch beobachtet werden können.“ Weiter bemerkt Berscn, dass „die zu derselben Zeit wie die Ausstossung des Richtungskör- perchens eintretende Bildung des Eikerns der Punkt der ganzen Entwicklung des unbefruchteten Eies“ sei, den er „am seltensten und am wenigsten sicher habe beobachten können‘. Das ist nun aber gerade derjenige Punkt auf den es ankommt, wenn es sich um die Zahl der primären Richtungskörper handelt; es müsste gezeigt werden, dass die im Ei zurückbleibende Kernhälfte wirklich sich zum Eikern konstituirt und nicht etwa noch eine Rich- tungsspindel bildet. Das Buren diesen Punkt nicht entscheiden konnte, lag an der im Jahre 1879 noch unvollkommenen Methode der Untersuchung solchen Objecten gegenüber; begreiflicherweise konnte aber auch er — trotz der so bestimmten Aeusserung — keinen sonderlichen Werth auf die Ein- oder Zweizahl der Rich- tungskörper legen. Wenn man ferner in Betracht zieht, dass die Eier ganz nackt in der Glockenhöhle des Medusoids liegen und zwar zu dreien gewöhnlich beisammen, so muss man es für sehr wahr- scheinlich halten, dass das erste Richtungskörperchen verloren geht, wenn das zweite hervortritt, wie denn auch Brren selbst beobachtete, dass in Furchung begriffene Eier zuweilen „den“ Richtungskörper noch an sich tragen, zuweilen auch nicht. Immerhin würde eine erneute Untersuchung an Schnitten erwünscht sein. Um nun zu zeigen, wie leicht eines der beiden Richtungskörper- chen auch von guten Beobachtern übersehen wird, solange sie nicht ihre Aufmerksamkeit besonders auf diesen Punkt richten, soll noch ein Beispiel vorgeführt werden, welches dies ganz besonders klar macht. In seimen „Contributions & l’histoire naturelle des Turbellaries“ be- schreibt Havuezz auch die Eireifung von Leptoplana tremellaris. Er sah „den“ Polkörper austreten und meint, derselbe müsse sich später theilen, da man später „pendant tout le cours du developpement*“ 37] ÜEBER DIE BILDUNG DER RICHTUNGSKÖRPER BEI THIERISCHEN EIERN. 37 zwei Polkörper unter der Schale finde. Auch für Eurylepta auricu- lata gibt er nur einen primären Richtungskörper an, und hier hat er die Theilung in zwei secundäre Polzellen gesehen. Wenn man die dazu gehörigen Abbildungen betrachtet, sollte man denken, es sei an der Richtigkeit dieser Angaben nicht zu zweifeln, da nicht nur das Stadium der Ausstossung des Polkörpers, sondern auch das unmittelbar vorhergehende, in dem das Keimbläschen noch vorhanden ist, und das nachher folgende mit dem centralen Furchungskern neben- einander abgebildet sind. Dennoch sind diese Angaben irrig, denn Serexka !) hat später an dem Ei von Leptoplana Alcinoi aufs genaueste nach directer Beobachtung am lebenden Ei das successive Austreten zweier pri- märer Richtungskörper aus dem Eı beschrieben und abgebildet. Ein Zweifel darüber kann nicht mehr sein. Ganz ebenso verhält es sich beim Ei von Thysanozoon Diesingii, und wenn auch bei Eurylepta cristata die jüngsten Stadien nicht zur Beobachtung kamen, so wurden doch die zwei Richtungskörper selbst gesehen und festgestellt, dass sie sich ganz so, wie bei den beiden anderen Planariengattungen verhalten. Zum Schluss dieses kritischen Abschnittes sei noch der Knochen- fische gedacht, bei welchen Horrmann ?) zuerst Richtungskörper auffand, aber nur einen einzigen. Er beobachtete seine Abschnürung nach dem Eindringen des befruchtenden Samenfadens durch die Mikropyle, sah das Körperchen in den Mikropylkanal hineintreten und glaubte dies als ein Verstopfen des Kanals, als eine Schutzvor- richtung gegen das Eindringen weiterer Spermatozoen auffassen zu sollen. — Nun kann allerdings nicht erwartet werden, dass nachher noch ein zweites Körperchen vom Ei sich abschnüre, allein es spricht alles dafür, dass dies vorher schon geschehen ist, und dass das beobachtete Körperchen das zweite war. Dafür spricht vor allem die Beobachtung von Kurrrer und Bexeere ?), welche bei Petro- myzon den ersten Richtungskörper vor der Besamung austreten sahen, den zweiten nach derselben, Beobachtungen, die später von W.B. Scorr *) vollkommen bestätigt worden sind. Auch die Reifungs- vorgänge am Ei von Amphibien, wie sie von OÖ. Sceurze kürzlich 2) Zool. Studien. II. 188. °) Zur Ontogenie der Knochenfische. Amsterdam 1881. MA, 0: *) Morphol. Jahrbuch. Bd. 7. pag. 107. 38 WEISMANN U. ISCHIKAWA: ÜEBER D. BILDUNG D. RICHTUNGSKÖRPER ETC. [38 entdeckt wurden, verlaufen genau ebenso und schliesslich dürfen auch die Angaben von Acassız und Wnrrman nicht vergessen werden, welche bei pelagischen Eiern von verschiedenen Knochenfischen „mehrere“ Richtungskörper beobachteten. Leider waren ihre Unter- suchungen über die Entstehung derselben noch nicht beendet und sie erwähnen deshalb nur „that these bodies do not escape through the mikropyle m the case of Ütenolabius“ (a. a. O. pag. 441). Es waren also deren mindestens doch zwei vorhanden. Das stimmt auch mit den Beobachtungen von Kınseszey und Cox ?) vom Jahre 1883, welche im Ei von Merluccius zwei Körperchen beobachteten, über deren Deutung als Polkörper sie indessen zweifelhaft blieben. Wir gelangen so zu dem Resultat, dass unter allen den Be- obachtungen, welche nur einen Richtungskörper für ein vermuthlich befruchtungsbedürftiges Ei angeben, nicht ein einziger unzweifelhafter Fall ist. In keinem Fall ist festgestellt, dass nicht entweder vor dem allein beobachteten Richtungskörper schon ein solcher vom Ei ausgestossen wurde, oder dass sich nicht nachher noch ein zweiter bildete. Keine dieser Beobachtungen kann Anspruch auf Beweis- fähigkeit machen. Wenn man nun die sicheren Beobachtungen zusammenfasst, so ergibt sich, dass bei 66 Arten von Thieren die Eier zwei primäre Richtungskörperchen ausstossen, und dass dies alles Eier sind, deren Befruchtungsbedürftigkeit feststeht, meist auch solche, bei welchen die Befruchtung direct beobachtet ist. Andererseits sind 14 Arten bekannt, welche bestimmt nur ein Richtungskörperchen ausstossen und diese sind ausnahmslos parthenogenetische Eier. Der Schluss wird somit nicht beanstandet werden können, dass befruch- tungsbedürftige Eier zwei hichtungskörper bilden, partheno- genetische aber deren nur einen. Die Bedeutung dieser Thatsachen ist von dem einen von uns?) bereits an einem anderen Ort dargelegt worden. Wir werden am Schlusse unserer Abhandlung noch einmal darauf zurückkommen, nachdem zuvor die bisher versuchten Deutungen der Richtungskörper in historischer Reihenfolge vorübergeführt sein werden. !) On the Development of some pelagic fish eggs, preliminary notice in „Proceed. Americ. Acad. of Arts and Sciences“. Vol. XX. 1884. ?) Some Observations on the Embryology of the Teleosts. Memoirs of the Boston Soc. Nat. Hist. Vol. III. 1883. ®) Weısmann, Ueber die Zahl der Richtungskörper und über ihre Bedeu- tung für die Vererbung. Jena 1887. Tatfelerklärung. Tafel 1. Polyphemus oculus. Ein nahezu reifes Sommerei aus dem Eier- stock, aus dem mit Sublimatalkohol getödteten Thier herauspräparirt und mit Methylgrün gefärbt. Nz die drei Nährzellen, Rsp Richtungs- spindel. Vergrösserung: Hartnack or = 3%. Polyphemus. Frisch in den Brutraum übergetretenes Sommerei, zwei Minuten nachher mit Sublimatalkohol getödtet. Rsp Richtungsspindel. 8 - 3 a Vergrösserung: Seibert "bomog. Immer. —= 900. Polyphemus. Ein Sommerei aus dem Brutraum, 20 Minuten nach dem Legen getödtet. Die Dotterhaut, Dh, ist gebildet; die Richtungs- spindel liegt schräg zur Ebene des Papiers. Vergrösserung: Seibert 3 Hongee meist 900. 1omog. Immers. Polyphemus. Sommerei aus dem Brutraum nach Ausstossung des Richtungskörpers, Rk, und dicht vor dem Beginn der ersten Furchung. Fsp Furchungsspindel in der Tiefe. Ausnahmsweise sind hier die drei Nährzellen, Nz, mit in den Brutraum übergetreten und hängen dem Ei = 3. 1 v Polyphemus. Ein Sommerei etwas weiter vorgeschritten; die erste Furche schneidet ein. Der Richtungskörper, Rk, liegt auf der unteren fest an. Vergrösserung: Seibert Fläche des Eies. Vergrösserung: Seibert — = 30. Polyphemus. Sommerei in die vier ersten Furchungszellen zerklüftet. Rk Richtungskörper; die Dotterhaut ist fortgelassen. Vergrösserung: 3 Hartnack ne 3. Polyphemus. Sommerei in demselben Stadium der Furchung, aber mit getheiltem Richtungskörper, dessen eine Hälfte eine Spindelfigur enthält, während die andere in zwei Stücke zerfallen ist. Vergrösse- = 3%. rung: Hartnack ve 40 Fig. 8. ch WEISMANN UND ISCHIKAWA: [40 Polyphemus. Dasselbe Stadium von einem anderen Ei des gleichen Thieres. Das eine der beiden secundären Richtungskörperchen in drei = 3%. 3 VII Bythotrephes longimanus. Ein frisch in den Brutraum überge- tretenes Sommerei: Thier mit Sublimatalkohol getödtet und Ei heraus- präparirt und mit Methylgrün gefärbt. Das Keimbläschen liegt ober- flächlich, ist in seinem Umriss noch erkennbar, enthält aber bereits: Elemente der Richtungsspindel. A und B zwei verschiedene Ansichten = 390. Körner zerfallen. Verrgrösserung: Hartnack 3 vll Bythotrephes. Ein vor Kurzem in den Brutraum übergetretenes Sommerei. Das Richtungskörperchen, Rk, hat sich abgeschnürt und liegt dicht unter der Dotterhaut, mit dem Furchungskern, Fk, derselben Richtungsspindel. Vergrösserung: Hartnack noch durch Spindelfasern verbunden. Vergrösserung: Hartnack = 3%. Bythotrephes. Sommerei in Vorbereitung zur ersten Furchung. Der Richtungskörper liegt eingebettet im Protoplasma des Eikörpers; dass er sich von der Dotterhaut zurückgezogen hat, beruht auf Ein- wirkung des Sublimats. Die Furchungsspindel ist gebildet (Fsp) und lässt an ihren Polen je drei helle Körperchen erkennen. Vergrösse- rung: Hartnack A - = 560. homog. Immers. Bythotrephes. Sommerei in nahezu dem gleichen Stadium; doch liegt an Stelle der drei bläschenförmigen Gebilde je ein grösserer ovaler Körper an den Polen der Furchungsspindel, das „Attractions- centrum“ bezeichnend; Richtungskörper, Rk, an der unteren Fläche = 3%. N vm des Eies gelegen. Vergrösserung: Hartnack .. Bythotrephes. Sommerei desselben Stadiums. Richtungskörper oberflächlich gelegen, so dass sein Kern besonders deutlich hervortritt; vom Richtungskörper fast ganz verdeckt liegt in der Tiefe der eine Pol der Furchungsspindel, Fsp. Vergrösserung: Hartnack =: 390. Pe VI Bythotrephes. Sommerei mit zwei Furchungskernen und bereits einschneidender erster Furche; nur eine Richtungszelle, Rk. Vergrös- = 3%. 3 serung: Hartnack Yım Bytotrephes. Sommerei nach erfolgter Theilung in zwei Furchungs- hälften. Nur eine, oberflächlich gelegene Richtungszelle, Rk. Vergrös- = 280. B) serung: Hartnack Vi Bythotrephes. Sommerei etwas weiter vorgeschritten. Die beiden ersten Furchungskerne in Theilung begriffen. Richtungkörper lang- gestreckt. Vergrösserung: Hartnack = 3%. RES vi 41] UEBER Die BiLDunG DER RICHTUNGSKÖRPER BEI THIERISCHEN EIERN. 41 Fig. 17. weis. = > 20: al, 11.22. „ 28. Fig. 24. Bythotrephes. Sommerei mit vier Furchungskugeln. Richtungs- körper noch immer einfach. Vergrösserung: Hartnack or = 3% Sommerei ‚desselben Stadiums, aber mit drei sekundären Richtungs- körpern, Rk. Vergrösserung: Hartnack u — 30: Bythotrephes. Sommerei mit acht Furchungszellen; die Rich- tungskörper nur noch zwei kleine Körner, Rk. Vergrösserung: Hartnack —z330: 3 Bythotrephes. Sommerei unmittelbar vor dem 32zelligen Fur- chungsstadium; am animalen Pol waren die Zellen aber noch nicht alle mit der Theilung fertig. Ansicht des vegetativen Pols, an den die zwei letzten Reste der Richtungskörper gerückt sind. Vergrösse- = 3%. B) rung: Hartnack vn Moina paradoxa. Frisch in den Brutraum übergetretenes Som- merei, unmittelbar darauf mit Sublimatalkohol getödtet. Rk der Rich- tungskörper und von diesem schräg gegen das Centrum hinabsteigend ein deutlicher Rest der Richtungsspindel, Rsp, und der Furchungskern, Fk. Die Dotterhaut ist schon gebildet, aber hier nicht sichtbar gemacht. {2} z SE 390. Moina paradoxa. Sommerei von demselben Stadium mit Rich- tungskörper, Rk, und weit abgehobener Dotterhaut, Dh. Vergrösse- Vergrösserung: Hartnack rung: Hartnack — = 3%. Leptodora hyalina. Das an die Oberfläche getretene Keimbläschen eines reifen Sommereies, nach dem lebenden Thier gezeichnet. Kbl ‚Keimbläschen mit deutlicher, aber bereits sehr blasser Membran und einem Körnerinhalt, der theilweise Vacuolen aufzusitzen scheint. P Protoplasma der Rinde des Eies, D Dotterkugeln. Vergrösserung: a 280. Hartnack Vi Tafel II. Leptodora hyalina. Stück der Oberflächenschicht eines Sommer- eies mit dem schon stark abgeblassten und dem Aussehen nach nicht von den Dotterkugeln, D, zu unterscheidenden Keimbläschen, Kbl. Ver- % SER grösserung: Hartnack NIT 280. »„ 25. Leptodora. Das zur Richtungsspindel, Rsp, umgewandelte Keim- bläschen aus einem Sommerei, in der protoplasmatischen Rinden- schichte, P, des Eies gelegen und nach dem am lebenden Thier be- obachteten Schwinden des Keimbläschens durch Tödten mit 2%iger Essigsäure sichtbar gemacht. Vergrösserung: Hartnack Tr = 280. Fig. 3120, 27. 29. S0. ol. 32. 39. 34. 39. WEISMANN UND ISCHIKAWA: [42 Leptodora. Ein frisch in den Brutraum übergetretenes Sommerei mit Sublimatalkohol getödtet; Obertlächenansicht. Rk Richtungszelle. D die Dotterkugeln. Vergrösserung: Hartnack nz —,998 Leptodora. Sommerei aus dem Brutraum im zweiten Stadium der Furchung. Die zwei ersten, in der Tiefe des Dotters gelegenen Zellen sind in Theilung begriffen, kein Richtungskörper mehr sichtbar. Ver- grösserung: Hartnack r =r99. Leptodora. Sommerei, achtzelliges Stadium; die mit strahligen Ausläufern versehenen Zellen liegen jetzt auf der Oberfläche des Eies. Tödtung mit Sublimatalkohol und Färbung mit Methylgrün; kein Richtungskörper mehr zu sehen. Vergrösserung: Hartnack = = 9. Leptodora. Sommerei, achtzelliges Stadium, alle Zellen in Theilung begriffen. Die Zellausläufer bilden ein Netz, welches die Dotterele- mente grossentheils umschliesst. Vergrösserung: Seibert = = 295. Leptodora. Sommerei, Stadium von etwa 64 Zellen; wie die vorher- gehenden behandelt. Vergrösserung: Seibert 7 = 225. Daphnia longispina. Das Richtungskörperchen eines Sommereies, das mit Sublimatalkohol getödtet und mit Methylgrün gefärbt war. Aus dem Brutraum, kurze Zeit nach der Ablage des Eies; Dh Dotter- haut. Vergrösserung: Seibert I = 3%. Daphnella brachyura. Kürzlich in den Brutraum übergetretenes, aber schon mit Dotterhaut versehenes Sommerei, mit Sublimatalkohol getödtet. Am einen Eipol liegt die Richtunpsspindel. Vergrösserung: 3 c Hartnack vr = 280. Daphnella brachyura. Junges Sommerei aus dem Brutraum im Achtzellenstadium; die verästelten Zellen liegen auf der Oberfläche des Dotters; Rk die Richtungszelle am Pol des Eies. Oel Oeltropfen im Centrum. Vergrösserung: Hartnack Sr = 280. Daphnella brachyura. Sommerei aus dem Brutraum kurz nach Ablage. Rk die Richtungszelle, hier mit deutlichem Kern. Vergrös- serung: Hartnack = 280. Tafel II. Daphnella brachyura. Sommerei aus dem Brutraum mit Richtungs- zelle, Rk, und der ersten Furchungsspindel, Fsp, die hier nicht ganz central liegt, wohl wegen dem an sie anstossenden grossen Oeltropfen, Oel. Behandlung mit Sublimatalkohol und Methylgrün. Vergrösse- = 280. rung: Hartnack B) VI 43] UEBER DIE BILDUNG DER RICHTUNGSKÖRPER BEI THIERISCHEN EIERN. 43 Fig. Fig. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. Sida erystallina. Sommerei aus dem Brutraum im Vierzellensta- dium. Doch waren die vier Furchungskerne, Fk, nur undeutlich als dunkle Flecke sichtbar. Die Richtungszelle, Rk, liegt hier nicht ganz am Pol des Eies. Oel Oelkugel. Vergrösserung: Hartnack — = 280. Daphnia longispina. Sommerei aus dem Brutraum im Beginn der Furchung. Das Richtungskörperchen, Rk, an dem der Kern nicht deutlich zu erkennen war, liegt an der Langseite des Eies, darunter in der Tiefe des Dotters, aber nicht genau im Centrum des Eies die erste Furchungsspindel, Fsp. Vergrösserung: Seibert — = 380. Daphnia longispina. Sommerei aus dem Brutraum im Vier- zellenstadium. Rk das Richtungskörperchen, dessen Kern deutlich. Vergrösserung: Seibert + —laRllk Daphnia longispina. Sommerei aus dem Brutraum im Vier- zellenstadium. Rk der Richtungskörper, in dem eine deutliche Kern- spindel. Vergrösserung: Seibert + = 30. Daphnia longispina. Sommerei mit zwei Furchungszellen, deren Kerne, Fk, als helle Körper erscheinen. Der Richtungskörper hat sich in zwei Zellen getheilt, jede mit deutlichem Kern. Vergrösserung: et > — 390, Tafel: IV. Conochilus volvox, EHrEngerec. Ein Sommerei im Ovarium mit den drei anstossenden Nährzellen. Kbl Keimbläschen in der Umbil- dung zur Richtungsspindel begriffen; Knäuelstadium der Karyokinese. Vergrösserung: Seibert ST 900. Conochilus volvox. Sommerei mit der Richtungsspindel, Rsp. u i 1 Vergrösserung: Seibert I” 900. Conochilus volvox. Sommerei mit Richtungskörper, Rk, und Furchungskern im Ruhestand, Fk. Vergrösserung 900. Conochilus volvox. Sommerei mit Richtungskörper, Rk, und erstem Furchungskern, Fk. Conochilus volvox. Sommerei mit dem bereits im Schwinden begriffenen Richtungskörper, Rk, und dem Furchungskern, der sich zur Theilung anschickt. Diese Figur ist aus zwei aufeinander fol- genden Schnitten combinirt, da Richtungskörper und Furchungskern nur auf je einem Schnitt zu sehen waren. Conochilus volvox. Sommerei, etwas weiter entwickelt. Das Richtungskörperchen ist verschwunden "und die erste Theilung des Furchungskerns vollendet. Der eine der beiden Kerne, Fk‘, ist bereits wieder bläschenförmig und mit Fadenknäuel im Inneren, der andere, Fk“, liegt tiefer und ist noch von Strahlensonne umgeben. 44 WEISMANN U. ISCHIKAWA: ÜEBER D. BILDUNG D. RICHTUNGSKÖRPER ETC. [44 Fig. 47. „a8, AB „50. TEE, „32 „58 5A 55. Mes ME De „59. Conochilus volvox. Sommerei nach der ersten Furchung in zwei ungleiche Zellen, Fz’ und Fz“ getheilt. In letzterer eine Kernspindel, Aus zwei Schnitten combinirt. Conochilus volvox. Sommerei nach der zweiten Theilung. (Alle Figuren von 41—48 sind nach Schnittpräparaten gezeichnet, alle bei derselben Vergrösserung, Seibert nn [homogene Immersion — 900] mit der Camera gezeichnet.) Callidina bidens, Esrexseere. Sommerei nach Ausstossung des Richtungskörpers, Rk, dessen Zellnatur hier deutlich; Ei vor Beginn der Furchung. Fk Furchungskern. Nach dem lebenden Thier ge- zeichnet. Vergrösserung: Seibert Tr = 900. Callidina bidens. Dasselbe Ei, etwas gedrückt; man erkennt im Furchungskern zwei Reihen von Chromatinballen. Vergrösserung die- selbe. Cypris reptans. Ei aus dem Eileiter. Die Schale, Dh, ist noch nicht von Maschenräumen durchsetzt; Kbl Keimbläschen. Schnittprä- parat mit Pikrokarmin und Hämatoxylin gefärbt. Vergrösserung: 3 Hartnack Sm — al): Cypris reptans. Ei aus dem Eileiter; das Keimbläschen in Um- wandlung begriffen, aber noch central gelegen. Schnittpräparat. Das umgewandelte Keimbläschen liegt nahe der Oberfläche des Eies; h 3 Vergrösserung: Hartnack yIT” 280. Cypris reptans. Frisch abgelegtes Ei; die Dotterhaut enthält Ma- schenräume. Rsp der zur Richtungsspindel sich umwandelnde Kern. Schnittpräparat. Vergrösserung: Seibert - — 30. Cypris reptans. Ebensolches Ei, ein wenig weiter entwickelt. Rsp Richtungsspindel. Schnittpräparat. Cypris reptans. Ebensolches Ei, der Richtungskörper, Rk, hat sich abgeschnürt; Fk Furchungskern. Schnittpräparat. Vergrösserung: Sabbrt - — 330. Cypris reptans. Ebensolches Ei; der Furchungskern in der Um- bildung zur Furchungsspindel. Schnittpräparat, an einer Seite zer- rissen vom Messer. Cypris reptans. Ei im Stadium der Zweitheilung; Richtungskörper am einen Pol gelegen. Schnittpräparat. Cyprisreptans. Späteres Furchungsstadium des parthenogenetischen Eies. Der Richtungskörper, Rk, hat sich in zwei secundäre Zellen getheilt. Schnittpräparat. Vergrösserung wie bei den vorhergehenden Figuren: Seibert = = 330. All) {m Akadım. Verlagsbuckhlv,J CB Mohr Freiburg 2. Autores del. IN R N N B b4 l Bi u u T } LI ’ Er Ri 4 Me N Na u = # > 7 R ) ey b s j d Mi Li N uf TAN Di ee * N B # N u er en en ‘ Autores del Akaden.herlagsbuckklv.J. CB Mohr, Freburg’B. Tr AnstırWemer a Windes Frankfurt. zn Berichte d.Naturf: Ges. Ba... ER Akadem. Verlagsbuchkl v. I. Autores dl E j Akaders Verlagsbuchkl v IB Mohr Frebarg"E TER Ant v Werner a Werten FraraherE® /ur Entstehung des Schwarzwaldes. Von G. Steinmann. (Vorgetragen in der Sitzung am 11. Mai 1887.) Mit Tafel V. In einem am 7. Februar 1387 vor der französischen geologischen Gesellschaft gehaltenen Vortrage !) hat Herr pw Larrarenr darzuthun versucht, dass die Ansichten, welche in jüngster Zeit über die Ent- stehung der mitteleuropäischen Gebirge, wie Schwarzwald, Vogesen, französisches Centralplateau etc. ausgesprochen sind und durch die einflussreichen Schriften von Surss und Nrumayr eine weite Ver- breitung gefunden haben, nicht mit den thatsächlichen Verhältnissen in Einklang ständen. Den Einwürfen, welche Herr Berrraxn ?) vom theoretischen Standpunkte aus dem Redner machte, begegnete letz- terer mit der Bemerkung, dass er selbst der Theorie möglichst wenig Spielraum gegeben, es sich vielmehr besonders angelegen hätte sein lassen, die „geologischen Thatsachen“ klar zu stellen. Da nun aber nicht alle die Thatsachen, welche der Pariser Gelehrte zur Wider- legung der Horsttheorie beizieht, Gebieten entnommen sind, welche er selbst genauer studirt hat, sondern zum Theil auch auf Gegenden sich beziehen, welche — wie z. B. das südwestliche Deutschland — ihm selbst aus der Litteratur nur unvollständig bekannt geworden sind, !) Bull. soc. geol. France, 3e ser. t. XV. p. 215—233 u. 240. 18837. 2) Ibid. p. 238, 239. 46 STEINMANN: [46 so glaube ich den Intentionen Herrn pe LaArrArEnr’s nur zu ent- sprechen, wenn ich auf einige geologische Thatsachen aufmerksam mache, die wohl geeignet erscheinen, bei der Beurtheilung der Ent- stehung der südwestdeutschen Horste gewürdigt zu werden. Für die- jenigen Leser, welche mit dem Wesen der Frage, um die es sich hier handelt, nicht hinreichend vertraut sind, möchte ich mit wenigen Worten den Stand der Frage wiedergeben. Dr Larrarent huldigt im Wesentlichsten der von Euıe DE Braumoxt vertretenen Anschauung bezüglich der Entstehung der rheinischen Randgebirge, des Schwarzwaldes und der Vogesen; die neueren von den südwestdeutschen Geologen vertretenen Ansichten differiren von den älteren sowohl in Bezug auf das „Wann“ als auch auf das „Wie“ der Entstehung des Rheinthals und seiner Randgebirge. Die erste dieser beiden Fragen verdient insofern den Vorzug in der Behand- lung, als ihre Lösung ohne jegliche vorherige theoretische Beeinflussung möglich erscheint und es sich zunächst nur darum handelt, die er- kannten Thatsachen auf möglichst einfache Weise zu erklären. In- dem wir den Leser, welcher sich über die historische Seite der uns interessirenden Frage belehren will, auf die eingehende Darstellung Brxeore’s !) verweisen, wollen wir die Streitfrage selbst zunächst noch einmal klar präcisiren; sie lautet: Fällt die Entstehung der rheinischen Randgebirge (speciell des Schwarzwaldes und der Vogesen) in die Tertiärzeit oder in die ältere Triaszeit (Ende der Periode des Hauptbuntsandsteins)? Scheinbar differenter Natur, in Wirklichkeit aber nur ein anderer Ausdruck für dieselbe ist die Alternative: Waren die höheren Theile der beiden Ge- birge zur mittleren und jüngeren Triaszeit, sowie zur Jura- zeit vom Meere bedeckt oder ragten sie als Inseln hervor? E. pe Braumont und mit ihm pe Larrarent verlegen die Ent- stehung des Rheinthals in die Triaszeit, zwischen die Ablagerung des Hauptbuntsandsteins und des oberen Buntsandsteins (Voltzien- Sandsteins), indem sie sich dabei auf die Thatsache stützen, dass nur der Hauptbuntsandstein die höheren Theile der beiden Gebirge bedeckt, während der obere Buntsandstein nur an den Gehängen oder in den tieferen (nördlichen) Theilen derselben sich findet. Mit Ausnahme eimiger, relativ niedrig gelegener Punkte, wo der obere Bundsandstein noch im Gebirge gefunden wird (Zabern), lässt sich !) Ueber die Trias in Elsass-Lothringen und Luxemburg. (Abhandl. z. geol. Specialkarte v. Elsass-Lothringen. Bd. 1. Heft 4. 1877.) 47] ZUR ENTSTEHUNG DES SCHWARZWALDES. 47 diese Thatsache nicht bestreiten. Es erscheint nun freilich als eine durchaus logische Verwerthung dieser Thatsache, die Entstehung des Rheinthals in die Zeit unmittelbar. nach Ablagerung des Hauptbunt- sandsteins zu verlegen und sich die höheren Theile der Gebirge nicht mehr von den Meeren der späteren Trias- und der Jurazeit bedeckt vorzustellen. Nach dieser Vorstellung existirte zur Jurazeit nur noch ein schmaler Meeresarm zwischen beiden Gebirgen. Soweit E. pe Braumont und DE LaPrPrArenr. Nach einer anderen, von den meisten deutschen Autoren ver- tretenen Anschauung bedeckten die Meere der jüngeren Triaszeit und der Jurazeit das ganze jetzt von den Randgebirgen und vom Rhein- thale eingenommene Gebiet. Erst zur mittleren Tertiärzeit (Oligocaen) entstand die Rheinthalsenke, und das Ende der Gebirgsbildung fällt in eine geologisch sehr junge Periode, die Diluvialzeit. Die Decke von triadischen und jurassischen Sedimenten, welche ursprünglich die Gebirge gleichmässig überdeckte, wurde in den höheren Theilen derselben bis auf wenige Reste fortgeführt. Dieselben repräsentiren nach pe Larrarent’s Ansicht die jüngsten mesozoischen Sedimente, welche überhaupt hier existirt haben, nach unserer dagegen die kümmerlichen Ueberbleibsel einer einst mächtigen, zusammenhängen- den Decke triadischer und jurassischer Sedimente. Mit besonderem Nachdruck hat schon Bexeere (l. ec.) darauf hingewiesen, dass es schwer zu begreifen sei, wie sich die vereinzelten Reste von Bunt- sandstein auf der der Denudation exponirten Höhe der Gebirge seit der Triaszeit hätten erhalten können, wenn sie nicht von anderen jüngeren Sedimenten beschützt gewesen wären. Während Thalein- schnitte von 1000 m Tiefe in dem Gebirge vom Wasser ausgefurcht wurden, sollte der mürbe Sandstein von einigen hundert Metern Mächtigkeit unverändert sich auf dessen Höhen erhalten haben! Diese Reflexion dürfte von Herrn pe LaArrarrnr wohl kaum in ihrer vollen Bedeutung gewürdigt sein, sonst würde ihm uicht folgender, die geistige Begabung der Anhänger einer anderen Auf- fassungsweise als der seinigen herabsetzende Ausspruch „aus der Feder geflossen* sein (l. c. pag. 224): „On s’explique m&me difficilement comment cette assertion, que toute l’Epaisseur de la formation ju- rassique etait originairement superposee au massif vosgien a pu se rencontrer sous la plume d’un geologue!* Der Hinweis auf das Vorkommen von Korallenriffen im oberen Jura Lothringens ge- nügt Herrn ve Larrarent, um diesen Vorwurf zu motiviren. Zu jenen Riffen müsse doch eine nahe Küste, die nur an der Stelle 48 STEINMANN: [48 der Vogesen gesucht werden könne, existirt haben. Ist es denn Herrn pe Larrarent, dem Verfasser eines anerkannt brauchbaren Lehrbuches der allgemeinen und speciellen Geologie, unbekannt, dass die Korallenriffe an der Nordküste Neu-Caledoniens sich 150 Seemeilen weit ins Meer erstrecken? Wenn wir also die Küste des Jurameeres in die Ardennen und das rheinische Schiefergebirge verlegen, so können alle Riffe des östlichen Frankreichs, sowie Südwestdeutsch- lands auf diese Küstenlinie bezogen werden, denn ein mit dem Radius von 150 Seemeilen vom Hundsrück als Mittelpunkt gezogener Kreis schliesst den ganzen schwäbischen, nordschweizerischen, rhein- thäler und ostfranzösischen Jura (incl. des Plateaus von Langres) ein. Doch kommen wir nun zu den „faits geologiques“. Es ist eine feststehende Thatsache, von deren Richtigkeit man sich leicht aus der einschlägigen Litteratur überzeugen kann, dass in der nächsten Umgebung der rheinischen Randgebirge echte Küsten- bildungen, die auf die Existenz eines nahen Festlandes oder von Inseln hinweisen, im Mesozoicum von den Conglomeraten des Haupt- bundsandsteins an bis zu den jüngsten Schichten des Malms fast vollständig fehlen. Nur im der Nähe der alten Ardennenküste, im nördlichsten Theile Deutsch-Lothringens, sowie in Luxemburg, stellen sich sowohl in der Trias als auch im Lias unzweifelhafte Küsten- sedimente, wie z. B. die geröllführenden Sandsteine des unteren Lias von Hettingen, ein. Feinkörnige Sandsteine, wie sie in den räthi- schen Schichten, im Lias und im unteren Dogger sich weit verbreitet finden, können in recht beträchtlicher Entfernung von der Küste zum Absatz gelangen. Aber selbst, wenn man ihr Auftreten als beweisend für die Nähe der Küste ausehen wollte, so müsste doch die eigenthümliche Verbreitung dieser Sandsteine vor zu weit gehenden Schlussfolgerungen warnen. Sie treten nämlich gerade dort, wo man sie am ehesten anzutreffen hoffen sollte, am meisten zurück, nämlich im Rheinthale. Der Angulatensandstein des unteren Lias findet sich in Schwaben und Lothringen, im Rheinthale wird er durch thonig-kalkige Schichten ersetzt '); den gres medioliasique, die sandige Ausbildung der (o- status-Schichten des mittleren Lias in Lothringen, treffen wir im ') Die gegentheilige Angabe von Lersıus (Beitr. z. Kenntniss d. Juraforma- tion im Unterelsass. 1875) beruht auf einer Verwechslung mit dem rhätischen Sandsteine, wie auch Haus (Mitth. d. Commiss. f. d. geol. Landesunt. v. Elsass- Lothringen. Bd. 1. 1886) constatirte. P 49] ZUR ENTSTEHUNG DES SCHWARZWALDES. 49 Rheinthale als Kalke oder Thone wieder. Die mächtige Sandstein- bildung des unteren Doggers, welche in Schwaben auf den Horizont des Am. Murchisonae sich beschränkt, in Lothringen aber auch in die Oberregion der Opalinus-Schichten hinunter greift, zeigt sich nur im mittleren, nicht aber im oberen Rheinthale und umfasst nur den Murchisonae-Horizont. Gerade da, wo die betreffenden Schichten der von den französischen Autoren supponirten Küste des Jurameeres, den jetzigen Randgebirgen, am nächsten liegen, tritt das psammi- tische Element zurück und blutrothe Pentacrinus-Kalke (Calcaire & extroques) ersetzen den Sandstein theilweise oder ganz. Das ist sowohl im Öberelsass als auch im badischen Oberlande der Fall. Auch am Randen, wo wir wegen der Nähe des höheren Schwarz- waldes eine Vermehrung des gröberen Materials erwarten sollten, zeigt sich die bekannte kalkig-thonige Gesteinsfacies der Murchisonae- Schichten im Wutachthale. Wenn die Voraussetzung richtig wäre, dass das Jurameer nur einen Arm in das Rheinthal abgesendet und nicht über die jetzigen Randgebirge weg mit dem lothringischen und schwäbischen com- municirt, sondern nur mit dem schweizerischen in Verbindung ge- standen hätte, so müssten doch die jurassischen Bildungen des Rhein- thales eine gewisse Einheitlichkeit aufweisen, sowohl in Bezug auf die Natur und Mächtigkeit der Sedimente als auch bezüglich der Fauna. Ich will nur einige Beispiele herausgreifen, um zu zeigen, dass dies vielfach nicht der Fall ist. Schon die Grenzschichten zwischen Trias und Jura lassen eine auffällige Verschiedenheit zwischen einer links- und rechtsrheinischen, nicht aber zwischen einer cis- und transvogesischen oder cis- und transschwarzwälder Ausbildung erkennen. In Lothringen und im Unterelsass wird das jüngste Glied der Trias aus blutrothen Thonen, in Baden und in Schwaben aber aus dunkeln Mergeln und Thonen gebildet. Die Mächtigkeit des Lias ist im mittleren Rheinthale, in der unterelsässer Bucht und bei Heidelberg am grössten und harmonirt somit sehr gut mit den entsprechenden Bildungen, welche in etwa gleicher Breite in Lothringen und Schwaben auftreten. Im Ober- elsass und im badischen Oberlande erscheint der Lias sehr redueirt und nähert sich derjenigen Ausbildungsweise, welche wir im schweizer Jura antreffen. Der Lias & findet sich bekanntlich bei Heidelberg in typisch schwäbischer Ausbildung. Ihm fehlen manche Formen, die in den Berichte III. Heft 1. 4 (4) 50 STEINMANN: [50 gleichen Schichten des Elsass und Lothringens häufig sind, z. B. Arietites liasicus d’Osb., dazu andere, die bei Donaueschingen und im badischen Oberlande zu den dominirenden Versteinerungen gehören, wie z. B. Terebratula Rehmanni und die Spirifernien. Die fossilarme Facies des Lias $, wie sie im östlichen Loth- ringen und im Elsass zu Hause ist, vermissen wir bei Heidelberg, wo die drei Zonenammoniten: A. obtusus, oxynotus und raricostatus vorkommen, dagegen die Gattung Hippopodium, welche eine der wenigen Reste des elsass-lothringischen 8 ist, ebenso wie im badı- schen Oberlande, fehlt. Die Marnes ä ovoides des mittleren Lias, durch ihre eisen- schüssigen Knollen ausgezeichnet, gehören dem elsass-lothringischen Jura an, in Baden und Schwaben fehlen die Knollen. Eine seltene Belemnitenform, Aulacoceras elongatum d. 1. B., greift von Loth- ringen nach dem Elsass hinüber. Weder in Baden noch in Schwaben ist dieses Fossil bisher gefunden worden etc. etc. Derartige Beispiele, die sich ohne Mühe vermehren liessen, könnten eher für eine Trennung zwischen dem badischen und elsäs- sischen Jurameere, als für eine solche zwischen demjenigen des Rheinthales und Lothringens resp. Schwabens ins Feld geführt werden. Weit entfernt davon, dieselben in diesem Sinne zu verwerthen !), möchte ich damit nur angedeutet haben, dass von einer Einheitlich- keit der Absätze und Faunen im Rheinthale nicht die Rede sein kann, dass wohl aber Verhältnisse vorliegen, welche die Existenz trennender Landmassen zur Jurazeit an Stelle der heutigen Randge- birge unwahrscheinlich, wenn nicht unmöglich erscheinen lassen. Die Nachricht eines für die Anhänger der E. D. Braumoxr’schen Theorie von dem alttriadischen Alter der rheinischen Randgebirge sehr bemerkenswerthen Fundes drang erst vor kurzer Zeit, nämlich im Frühjahr 1887, in wissenschaftliche Kreise. Derselbe kann uns '), Das unvermittelte Nebeneinandervorkommen der Rogensteinfacies des oberen Doggers und der thonig-kalkigen Facies bei Brugg im Aargau zeigt recht deutlich, dass sehr heterogene Absätze und Faunen in ein und demselben Meere sich dicht neben einander finden können, ohne dass eine Trennung der beiden Gebiete durch Festland oder Inseln nöthig ist. Offenbar hörte die Oolith- bildung da auf, wo die Zufuhr thonigen Materials eine gewisse Grenze über- schritt. Verschiedene Meeresströmungen bedingten wahrscheinlich die Verschie- denheit der beiden Bildungen. 51] ZUR ENTSTEHUNG DES SCHWARZWALDES. 51 zwar in keiner Weise als auffallend oder abnorm gelten, besitzt aber hinreichendes Interesse, um hier geschildert zu werden. Als erster Entdecker desselben muss der um die Geologie des oberen Schwarzwaldes so hoch verdiente, Ende der 70er Jahre verstor- bene Scuıus gelten. Ihm bereits waren sedimentäre Ablagerungen am Nordabfall des Feldbergmassivs, an dem vom Feldberg nach dem Höllenthal sich hinziehenden Rinkenkamm !) in der Nähe von Alpers- bach oberhalb der alten Post aufgefallen. In wie weit es ihm ge- lang dieselben zu entziffern, ist nicht bekannt geworden. Jedenfalls erschienen sie ihm interessant genug, um den jetzt ebenfalls ver- storbenen Eisenbahndirector GErRwıG zu der Anlage eines Stollen zu veranlassen, der während des Baues der Höllenthalbahn auch bis zu einer Länge von ca. 20 m ausgeführt wurde. Der Stollen ist noch jetzt offen und der Abhang des Berges nach dem Höllenthal mit dem herausgeschafften Gesteinsmaterial bedeckt. Ich habe nicht in Erfahrung bringen können, ob das Unternehmen aus rein wissen- schaftlichem Interesse, oder in der Hoffnung ausgeführt worden ist, Kohlen anzutreffen. Die uns interessirende Stelle liegt, wie schon bemerkt, am Nord- abhange des Rinkenkamms nach dem Höllenthale zu, gerade über der alten Post — bei der jetzigen Station Posthalde der Höllen- thalbahn — in einer Meereshöhe von etwa 1020 m über dem Meere, 360 m über dem Niveau des Höllenthals ?) [vergl. die Profiltafel V]. An dem von Alpersbach nach dem Aufschlusse führenden Wege steht überall Gneiss zu Tage, bis dicht vor dem Aufschluss. Um so mehr fühlt man sich von der Natur des aus dem Stollen geför- !) Vergl. L. Neumans, Orometrie des Schwarzwaldes. (Geogr. Abh. Bd. 1. Heft 2. 1886.) Uebersichtskarte der Kämme und Thäler des Schwarzwaldes. ?) Zur Auffindung des interessanten Punktes bediene man sich nach- stehender Notizen (unter Zuhilfnnahme des Blattes 118, Höllsteig, der neuen topographischen Karte von Baden, 1: 25,000): Auf die kahle, zwischen Alpers- bach und dem Höllenthale gelegene Höhe im Norden des Ortes, führen vom Dorfe aus zwei Fahrwege, welche da, wo sie den Alpersbach überschreiten, neben resp. zwischen zwei kleinen Waldparzellen verlaufen. Der östliche dieser beiden Wege tritt in der Höhe von 1050 m in den grossen Haldenwald ein, senkt sich in demselben rasch auf 1020 m und verläuft dann ein Stück fast horizontal zwischen den Curven 1020 und 1010. Da, wo er sich wieder zu senken be- ginnt, um bald auf die Curve 1000 herabzusinken, befindet sich der Aufschluss. Man kann von demselben auf einem schlechten und nicht leicht zu findenden Fusswege direct nach der alten Post hinabsteigen. Nach Alpersbach gelangt man von der Station Hinterzarten aus in einer guten Stunde. 59 STEINMANN: [52 derten Gesteins überrascht. Etwa die Hälfte desselben besteht aus Rothliegendem, welches hier, wie auch sonst in der Gegend, als Gneissgerölle führender Arkosesandstein entwickelt ist. Das Vorkommen von unterem Rothliegenden in dieser Höhe und an dieser Stelle besitzt nichts Auffälliges. Dasselbe gehört dem dritten der von Ecx !) unterschiedenen Verbreitungsbezirke der älteren Sedimentformationen im Schwarzwalde an. Wohl die Hälfte des geförderten Materials besteht aber aus Brocken jüngerer Sedimentgesteine. Dieselben scheinen keine durchgehend gerundete Formen zu besitzen, sind vielmehr zum Theil eckig oder plattig und besitzen durchschnittlich Kopfgrösse. Es herrschen darunter vor: a) Rothe Sandsteine, zum Theil als Tigersandstein entwickelt, zum Theil mit Quarzgeröllen: Hauptbundsandstein. b) Rothe, dünnplattige, glimmerreiche Sandsteine: Voltzien- sandstein. c) Graublaue, feste Kalke ohne Fossilien: Muschelkalk. d) Gelbbraune, stark zersetzte Dolomite ohne Fossilien: Letten- kohle. e) Blauschwarze Kalke mit Gryphaea arcuata und Avicula sine- muriensis: Gryphitenkalk. f) Blauschwarze und bräunliche Oolithe mit Ostrea acuminata: Hauptrogenstein. Diese Brocken mesozoischer Gesteine sind aber nicht, wie man nach dem analogen Vorkommen in den tertiären Conglomeraten des Rheinthals erwarten sollte, fest mit einander verkittet, sondern sie liegen in einem gelben Lehme eingebettet, welcher wohl auch mit zahlreichen kleinen Gesteinsbrocken erfüllt ist. Viele Gerölle be- sitzen einen sinterartigen Ueberzug von kohlensaurem Kalk. Es lässt sich dieses Vorkommen auf dreierlei Weise erklären: 1. Entweder haben wir hier eine Ablagerung mariner ter- tiärer Conglomerate vor uns, wie sie vielfach auf den sedimentären Randschollen des Westabfalls des Schwarzwaldes und des Ostabfalls der Vogesen bis zu einer Höhe von 646 m (Schönberg) oder aber auch auf Gneiss lagernd an einem Punkte im Gebirge selbst?) (bei Badenweiler in 663,5 m Höhe) vorkommen. !) Eck, Bemerkungen über die geogn. Verhältnisse d. Schwarzwaldes etc. (Württ. naturw. Jahreshefte 1837. pag. 328 und 339 ff.) 2) cr, 1. C.,B-, 808. 53] ZUR ENTSTEHUNG DES SCHWARZWALDES. 53 2. Oder die Sedimentgesteine wurden durch fliessendes Wasser während der Kreide- oder Tertiärzeit hier angehäuft. Es wären mithin Ablagerungen eines alten Flussbettes. 3. Endlich könnte man die Sedimentgesteine auch als die in loco zurückgebliebenen Reste der einstigen Sedimentdecke, als „ter- rain remanie“. auffassen. Derartige Vorkommnisse, welche man viel- leicht passend mit dem Namen „Relicte“ bezeichnen könnte, finden sich nicht selten. Ueberall, wo härtere und weıichere Gesteine mit einander wechsellagern, bleiben Reste der ersteren leichter erhalten, als solche der letzteren. Das leicht zerstörbare Gestein wird fort- geführt, während Brocken des widerstandsfähigeren zurückbleiben und dann auf älteren Schichten aufruhen, als diejenigen sind, welche sie ursprünglich unterteuften. Die Feuersteine der einst in der Tou- raine vorhandenen Senonkreide finden sich noch weıt verbreitet (in den sog. argiles ä silex), während das Muttergestein derselben, die Kreide, längst der Zerstörung anheim gefallen ist !). In die Cate- gorie der Relicte gehören auch die Funde von oberjurassischen Kieselknollen, welche Schumacher ?) in dem Diluviallehm von Sierck (auf Muschelkalk liegend) und Saargemünd gemacht hat. Von der ca. 600 m mächtigen Schichtenstolle, welche zwischen Muschelkalk und Malm dort lagerte, ist Alles mit Ausnahme der Kieselknollen fortgeführt worden. Am Nordabhange des Hauptgipfels des Schön- berges bei Freiburg traf ich einen Block von Korallenkalk des oberen Oxford direct auf den Ferruginens-Schichten des oberen Rogensteins aufliegend. Auch dieses Vorkommen lässt sich nur als Reliet deuten, da die weichsten Schichten des Bathians (Varians-Schichten), des Callovians und des unteren Oxfords an dieser Stelle fehlen. Wie wir nun aber auch das Vorkommen der triadischen und jurassischen Sedimentreste auf der Höhe des Schwarzwaldes erklären mögen, an der Thatsache, dass dieselben in einem die jetzige Wasser- scheide (ca. 895 m über dem Meere) noch beträchtlich überragenden Niveau (ca. 130 m) sich finden, lässt sich nicht deuteln und damit ist auch der Beweis geführt, dass zur Zeit des oberen Doggers das Meer die jetzt vom Schwarzwald eingenommene Gegend bedeckte und die gleichen Sedimente, wie im Rheinthale, daselbst ablagerte. Weniger sicher sind wir bezüglich der Ausdehnung des jüngsten !) Asgr Bourceois, Bull. soc. geol. France 1862. t. XIX. pag. 652 ff. ?) Erläuterung z. geol. Uebersichtskarte d. westl. Deutsch-Lothringens. 1887. pag. 74, 75. Ey STFINMANN: [54 Jurameeres. Reste des weissen Jura haben sich auf den Höhen des Schwarzwaldes oder der Vogesen noch nicht gezeigt. Die beschränkte Verbreitung desselben im Rheinthale — bekanntlich reicht der Malm auf der badischen Seite nur bis Freiburg und fehlt auf der elsässer Seite gänzlich — wäre wohl geeignet, die Idee eines Rückzuges des Malmmeeres und einer damaligen Festlandsbildung an Stelle der heu- tigen Randgebirge zu stützen. Allein schon das Vorkommen der Malm- Relieten auf den Höhen des lothringischen Triasplateaus an Punkten, die von dem Anstehenden ım Maasthale 100 resp. 70 km entfernt liegen, sollte uns von übereilten Schlüssen zurückhalten. Die Absätze des weissen Jura besassen zweifellos im südwest- lichen Deutschland früher eine weit grössere Verbreitung als heute. Die Oxford-Schichten des Schönberges bei Freiburg zeigen keinerlei Spuren einer nahen Küste. Ebensowenig ist das bei den jüngsten, unterthithonischen Schichten des Malms in Schwaben und am Randen der Fall!). Die letzten Absätze des Jurameeres ın Süddeutschland besassen vielleicht den brackischen Charakter der Portland- oder Purbeckbildungen. Dieselben scheinen aber vollständig bis zur Ter- tiärzeit denudirt worden zu sein. Echte Küstenbildungen treffen wir erst in den oligocänen Con- slomeraten des Rheinthals wieder. Der deutlich ausgesprochene Küstencharakter derselben bestimmt uns ja gerade, dem Oligacaen- meere eine beschränktere Verbreitung anzuweisen und den Beginn der Bildung der oberrheinischen Tiefebene in die ältere Tertiärzeit zu verlegen. Da dieselben — die oligocänen Conglomerate — wie Herr pe LarrArent richtig bemerkt, concordant den geneigten Trias- und Juraschollen des Rheinthals aufruhen, so müssen eben die ge- birgsbildenden Vorgänge zum Theil auch in der jungtertiären Periode erfolgt sein. Es ist mir nicht recht verständlich, wie Herr pr Lar- PARENT dazu kommt, aus der Lagerung der Tertiärschichten im Rhein- thale die einstige Ausdehnung des Tertiärmeeres über die Vogesen weg und eine directe — so zu sagen geradlinige — Verbindung mit dem pariser Tertiärmeere als eine logische Nothwendigkeit zu deduciren. Weist doch gerade der vielfach conglomeratische Charakter des Oligocäns im Rheinthal darauf hin, dass das Meer an den Trias- !) Die Behauptung ve Larrarent’s, dass der Charakter der Juraschichten im Rheinthale „est celui de depöts littoraux“ (l. c. pag. 224) lässt sich nur mit der Frage beantworten: Hat Herr pe Larrarext dieselben jemals gesehen ? 53] ZUR ENTSTEHUNG DES SCHWARZWALDES. 55 und Jura-, zum Theil auch wohl Gneissküsten brandete! Und zwingt uns nicht das Fehlen ähnlicher Oligocänbildungen auf der Westseite der Vogesen zu der Annahme einer trennenden Barriere? Während das Oligocänmeer in der Rheinthaldepression sich befand und unter allmählicher Aussüssung erstarb, bildeten sich auf der Ostseite des Schwarzwaldes die Süsswasserablagerungen, welche die schwäbische Molasse unterteufen, und umgekehrt existirte die Rheinthaldepression zur Miocänzeit als Festland, während das Mo- lassenmeer in Schwaben und der Schweiz seine mächtigen Sedimente ablagerte. Wir finden also trotz der bedeutenden Höhenlage, welche die oligocänen marinen Conglomerate im Rheinthale (663 m) !) und die miocänen marinen Schichten am Randen (nach Scrun über 800 m) erreichen, keine ausreichenden Gründe, um der tertiären Meeres- bedeckung dieselbe Ausdehnung — über die Randgebirge hinweg — zuschreiben zu können. Der Küstencharakter der Tertiärgebilde in Süddeutschland ist so ausgesprochen als nur möglich ?); die Diffe- renzirung in Localfaunen, der rasche Wechsel mariner, brackischer und limnischer Bildungen contrastirt ganz auffällig mit der durch das mittlere Europa nachweisbaren Gleichartigkeit der jurassischen Niederschläge, die in einem weiten, offenen Meerestheile sich nieder- schlugen. Auf Grund der angeführten „faits geologiques“ vermögen wir nicht die Anschauungen pe Larrarrnr’s von dem Alter der südwest- deutschen Horste zu theilen. Ebensowenig können wir uns seinen Ansichten bezüglich der Art und Weise der Entstehung dieser Ge- birge anschliessen °). Mag der genannte Autor auch noch so ge- !) Eventuell 1020 m, wenn man das Alpersbacher Vorkommen als Tertiär- conglomerat deutet. ?) Das mitceloligocäne Septarianthon allein kann als ein Absatz aus etwas tieferem Wasser angesehen werden. Aber gerade dieser Horizont lässt sich nicht einmal durch das ganze Rheinthal verfolgen. ®) Die Auffassung des Horstes als einer absolut starren („immobile“), von keiner Dislocation betroffenen Gebirgsmasse, wie sie vielfach, so auch bei DE LAPPAREnT vorhanden ist, kann nicht als ganz correct gelten. Ein Horst ist nur relativ — im Gegensatz zu seiner Umgebung — stehen geblieben. Etwas absolut Starres gibt es auf der Erde nicht, so lange noch eine Wärmeabgabe und in Folge dessen eine Contraction derselben stattfindet. Ebenso kann ein Horst von Dislocationen jeder Art betroffen sein, ohne dadurch etwas von seinem Character einzubüssen. Dem Verf. ist nie zweifelhaft gewesen, dass die rheini- schen Randgebirge in sich dieselbe tektonische Gliederung zeigen, wie sie den sie umgebenden Senkungsgebieten zukommt, d. h. dass sie von Verwerfungen durchsetzt werden. 56 STEINMANN: ZUR ENTSTEHUNG DES SCHWARZWALDES. [56 wichtige Autoritäten für sich ins Feld führen, die fortschreitende Erkenntniss wird uns wohl eine noch viel intensivere Betheiligung der Vertikalbewegung selbst bei solchen Gebirgen lehren, die nach ober- flächlicher Durchforschung als Faltengebirge erscheinen. An einer anderen Stelle gedenke ich zu zeigen, dass der ganze mittlere Theil der südamerikanischen Cordillere weniger als ein Faltengebirge, denn als ein Horst aufzufassen ist. Gewiss kann es heutzutage Niemandem verargt werden, wenn er sich gegen die moderne Richtung der Geologie wenigstens in der- jenigen — ich möchte sagen — Öffenbarungsform ablehnend verhält, welche losgelöst von dem Boden der thatsächlichen Beobachtung das Heil der Wissenschaft in der speculativen Weiterbildung halb ver- standener und unverdauter Ideen ihrer hervorragendsten Vertreter zu finden glaubt. Von diesen Meisterwerken der Einbildungskraft sollte man aber doch die Resultate mühseliger Detailforschungen ge- trennt halten, wie sie, von den Landsleuten Herrn pe LaArrArent’s, Bueicner und Masnan, in mustergültiger Weise begonnen, zu einer soliden Begründung der von pe Larrarrext so heftig bekämpften Theorie der Gebirgsbildung geführt haben. Tafelerklärung. Profil durch den Schwarzwald und den Schönberg von dem Aufschluss- punkte bei Alpersbach [mit * bezeichnet] bis zur Rheinebene, um die Höhenlage des Punktes zu der höchsten Erhebung des Schwarzwaldes (Feldberg 1485 ın) und dem tertiären Conglomerate des Schönbergs (646 m) zu zeigen. 1:5-@bupT '@yo 0008551 :1 Dun] ® 080 97214) 5 9, 5 zUSS2L2 7" a mau, nenn nu... MN 05% > . (sog) URAPTLT BR Fe Be ..£ a0, es ae a REN a re So pn eneescr I SE RT ir U2TPABZJOJF 08% ZERTERTZTEIT Ve 7PYUDSTOLlT HAST = gl > saymanırz]]o4. o- en N VON NE Ne i 008 ee van ee, x f ; 5 IN He Er PLN A 199 E qy30& N Pz /go \ ) N = = —— o 1SOJ NE oH) 77P st IIEH N N EN EN) VE 00% UNE apart! REN PL N jl NN \ x LH X o ( EENTEREE, N ı\ Y mmuo)Buoa1pr}40], OS1 = = 4 N H IEEN y Mi Larfog - BR 949 % N N NW = Brsguoysg : a de \ N /\ 2 j yo Be —— a SLTZZER) BOOIFZEI 7 \ = .-—- _- ---- RE - Z Fra x \ = 96001 a 27 0301 We yorusulıloay 202 S1081°- 08317. Jıloyspjwarsayunz] — — ee g a Fine Dee a 0081 ° Se sent Bragpra] ER ; 2 ’ = --- 2.909 Weitere Beobachtungen an vielkernigen Infusorien. Von Dr. August Gruber, Professor der Zoologie in Freiburg ı. B. Mit Tafel VI, v1. Während eines erneuten längeren Aufentaltes in Genua habe ich mich unter anderem eingehend auf die Frage nach dem Bestehen vielkerniger Meeresinfusorien geworfen und bin dabei zu Resultaten gekommen, welche die schon früher von mir publieirten !) vollkommen bestätigen. Ich habe nicht nur die damals beschriebenen Formen alle wieder erhalten und durch sorgfältige Präparation die zahlreichen in ihnen enthaltenen Kerne unzweifelhaft nachweisen können, son- dern es gelang mir auch noch, einige andere vielkernige Arten auf- zufinden und eingehendere Beobachtungen über das Verhalten der Kerne und Nebenkerne bei der Theilung anzustellen. I. Aufzählung der vielkernigen Infusorienarten. Ich lasse zunächst eine Aufzählung und Besprechung aller der- jenigen Formen folgen, welche sich theils nach meinen eigenen frü- heren und den kürzlich angestellten Untersuchungen, theils nach denjenigen von Mauras?) als vielkernig erwiesen haben. Was die !) GruBER, Ueber Kern und Kerntheilung bei den Protozo@n. In: Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 40. Heft 1. 1884, und Ueber vielkernige Protozo@n. In: Biolog. Centralbl. Bd. 4. Nr. 23. 1885. ?2) Mauras, Contribution ä l’&tude morphol. et anatom. des Infusories cilies. In: Arch. de Zool. experim. et gener. 2e Serie. Vol. I. pag. 427 — 664. 58 GRUBER: [58 genauere Beschreibung der schon bekannten Arten betrifft, so ver- weise ich auf die citirten Originalarbeiten. Die Präparation nahm ich in der Weise vor, dass ich die, womöglich isolirten Infusorien, durch plötzliche Einwirkung von Ueberosmiumsäure tödtete, und dann nach gründlicher Auswässerung mit Raxvıer’schem Pikrokarmin färbte. Ich erhielt auf diese Weise sehr gute Präparate, die meist die Wimperbekleidung vollkommen erhalten hatten und bei denen auch z. B. die streifige Structur der Kerne während der Theilung deutlich zu sehen war. Von holotrichen Infusorien wäre zunächst zu nennen Holo- phrya oblonga Mavras, welche ich in diesem Frühjahr im Hafen von Genua angetroffen habe, während sie von ihrem Entdecker, MaAvras, an der Küste von Algier aufgefunden wurde. Bei der Präparation zeigte sich die Richtigkeit der MaurAs’schen Angaben bezüglich der Kerne, welche als kleine runde Körperchen in grosser Menge den ganzen Körper erfüllen. Von den Nebenkernen konnte auch ich nichts erkennen. Unter dem Namen Lagynus elongatus führt MaAuras als weitere vielkernige Art das von CnarArkpe und LacHnmann als Enche- lyodon elongatus beschriebene Infusorium auf. Er hat Exemplare gesehen, die nur 8S—10 Kerne enthielten, während andere deren nahe an hundert hatten. Er sagt, dass bei der Theilung und Conjugation die zahlreichen Kerne keine Veränderung zeigen und in ihrer Unabhängigkeit ver- harren; doch werde ich später nachweisen, dass diese Behauptung noch nicht als feststehend zu betrachten ist. Von Nebenkernen konnte Mavras nichts gewahr werden. Ich habe bei meiner erstmaligen Durchforschung des Genueser Hafens zwei weitere vielkernige Holotriche gefunden, die ich unter den Namen Choenia teres Dus. und Trachelocerca phoenicop- terus Conn aufführte. Extz!) glaubt, dass die beiden Formen identisch seien, doch ist dies, wie ich mich jetzt wieder überzeugen konnte, sicher nicht der Fall. Eher könnte es sein, dass das, was ich als Choenia teres bezeichne, mit dieser nicht identisch ist; ich kann aber darüber nicht mit Sicherheit entscheiden. Soviel konnte ich aber auch jetzt wieder mit Bestimmtheit ') G. Extz, Ueber Infusorien des Golfs von Neapel. In: Mittheil, aus d. zool. Station zu Neapel. Bd. 5. Heft 3. u. 4. 59] WEITERE BEOBACHTUNGEN AN VIELKERNIGEN INFUSORIEN. 59 nachweisen, dass das, was ich früher über die Kernverhältnisse beider Formen angegeben habe, vollkommen richtig ist. Ich fand bei der grossen Trachelocerca wieder die kleinen Kerngruppen und bei Chönia (nach meiner Bezeichnung) die ausserordentlich feine Vertheilung der Kernsubstanz, die man beinahe als Körnelung be- zeichnen könnte. Wenn Exrz bei seiner Trachelocerca einen einzigen grossen Kern gesehen hat, so haben wir jedenfalls nicht dieselbe Art vor uns gehabt, denn die besten Kernfärbungsmittel haben mir immer eine Vielheit von Kernen ergeben. Leider habe ich meine Trachelocerca nie in der Theilung be- obachtet, kann deshalb auch nicht angeben, wie sich die Kerne da- bei verhalten. Dagegen sah ich meine Chönia einmal in Vermehrung, aber schon in einem Stadium, wo die Theilstücke nur noch lose zusammen- hingen und da war in jedem derselben die Menge kleiner Kerne zu bemerken, die aber auch, wie wir sehen werden, vorher zu einer Masse vereinigt gewesen sein könnten. Ich habe ausser diesen beiden Formen noch eine dritte Art gefunden, die ebenfalls der Gattung Trachelocerca angehört, von der vorhin genannten aber im Bau und auch in der Anordnung der Kerne verschieden ist. Ich habe versäumt, genaue Untersuchungen über die systematischen Unterschiede dieser drei so nahestehenden Arten zu machen, und das Material, das sich mir bot, zum Studium der Kerne verwandt; wie es oft zu gehen pflegt, konnte ich dann später kein Exemplar mehr erhalten. Das Wesentliche bei dieser Species, die ich einmal als Trachelocerca minor bezeichnen will, ist ebenfalls die Auflösung der Kernsubstanz in eine Unzahl von kleinsten Kernen. Bei ungenügender Präparation scheint das Infu- sorium vom Karmin gleichmässig roth gefärbt, während bei sorg- fältiger Behandlung die Kerne als eine grosse Menge rother Pünkt- chen sich vom heller gefärbten Protoplasma abheben (Fig. 1). Die- selben häufen sich, vielleicht in Folge der Contraction, beim Abtödten des Infusoriums, besonders an der vorderen Körperpartie, dem Halse der Trachelocerca, derartig an, dass das Plasma durch sie fein gra- nulirt erscheint. Bei ganz starker Vergrösserung erst sieht man, dass es keine unregelmässigen Körner, sondern reguläre kleine, aus Kernsubstanz bestehende Kügelchen sind (Fig. 2). Es sind deren so viele, dass es nicht möglich ist, sie zu zählen; bei einem grossen Exemplar mag ihrer aber immerhin ein halbes Tausend oder mehr vorhanden sein. Von Nebenkernen konnte ich auch bei der stärksten 60 (GRUBER: [60 Vergrösserung nichts gewahr werden. Die Theilung habe ich nicht beobachten können. Weitaus die Mehrzahl der bisher aufgefundenen vielkernigen marinen Infusorien gehört der Ordnung der Hypotrichen an und zwar den Gattungen Uroleptus, Holosticha und ähnlichen. Es herrscht in der Systematik dieser Formen noch eine grosse Unsicherheit und es würde eine dankbare, wenn auch schwierige Aufgabe sein, durch scharfe Bestimmung die Arten festzustellen und die Angaben der verschiedenen Autoren in Einklang zu bringen. Am besten würde dies ein Forscher leisten können, der ständig am Meere ist, da es langer Beobachtung und eingehender Untersuchungen bedarf, um mit Bestimmtheit die verschiedenen Arten auseinander zu halten und sagen zu können, was blosse Varietäten sind und was nicht. Ich selbst kann mit Sicherheit wenigstens das angeben, dass eine grössere Reihe von Arten die Eigenthümlichkeit hat, statt des für die meisten Hypotrichen eigenthümlichen einfachen oder doppelten Nucleus eine sehr grosse Anzahl von Kernen zu besitzen. Zunächst nenne ich die von Mauras beschriebenen Arten, zu- gleich auf die von diesem Forscher dem Texte beigegebenen Abbil- dungen verweisend. Bei seiner Holosticha Lacazei hat Mauras neben den zahlreichen kugligen Kernen noch kleinere rundliche Kör- perchen gefunden, die er für Nebenkerne hält. Obgleich er bei keiner anderen multinucleären Art solche gesehen, so hat er mit seiner Behauptung doch höchst wahrscheinlich Recht, denn wie ich nachher zeigen werde, kann man die Existenz der Nebenkerne nach- weisen, wenn man sie auch für gewöhnlich nicht sieht. Bei Holos- ticha multinucleata hat Mauras zwei Individuen im Conjugation gefunden, ohne dass er dabei eine Veränderung an den zahlreichen Kernen bemerkt hätte. Es lässt sich aber aus dieser einzigen Beob- achtung noch keinerlei Schlussfolgerung ziehen. Ich selbst habe früher bei zwei weiteren Holosticha-Arten die Vielkernigkeit nachgewiesen; bei Holosticha flava und Holosticha scutellum, die beide seinerzeit von Cory !) unter dem Namen Oxy- tricha beschrieben worden sind. Erz, der Holosticha flava oder, wie er sie genannt hat, flavo- rubra in Neapel gefunden, gibt zwei Kerne mit Nebenkern an; doch muss, wenn er wirklich dieselbe Art untersucht hat, wie ich, diese ') Conn, Neue Infusorien im Seeaquarium. In: Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 16. 61] WEITERE BEOBACHTUNGEN AN VIELKERNIGEN INFUSORIEN. 61 Angabe auf Täuschung beruhen; denn seit mehreren Jahren habe ich die Holesticha flava hin und wieder untersucht und erst kürzlich habe ich in Genua Hunderte derselben präparirt und stets eine grosse Anzahl von Kernen gefunden (Fig.3). Leider konnte ich nie ganz frühe Theilungsstadien bekommen, um constatiren zu können, ob dabei die zahlreichen Kerne zu einer Masse zusammenschmelzen. Bei den Stadien, die ich präparirte, waren in jeder Theilhälfte immer eine grosse Anzahl davon vorhanden. Die Nebenkerne sind auch hier nicht sichtbar, nur einmal schien es mir, als wenn sich neben dem kleinen Kern ein noch kleineres Körnchen unterscheiden liess (Fig. 4). Es ist dies schwer zu entscheiden, weil das Plasma des Infusoriums überhaupt voll von Körnern ist, die man von einem etwaigen Neben- kern kaum trennen kann. Bekanntlich nimmt man von Holosticha flava einige Varietäten an und wahrscheinlich mit Recht, nichtsdestoweniger kommen Formen vor, welche ihr zwar sehr ähnlich sind, meiner Ansicht nach aber doch von ihr getrennt werden müssen. Ich unterschied eine braune Form, die breiter und länger ist als die orangerothe Holosticha; das Vorderende ist umfangreicher und das Hinterende nicht so spitz zulaufend, dabei der Körper weniger geschmeidig, alles geringe Unterschiede, die aber am lebenden Thiere doch auffallen. Ich habe auf Fig. 5 ein Exemplar nach der Präparation dargestellt und ein Vergleich mit Fig. 3 ergibt auch hier einen Unterschied in der Erscheinung. Die Kerne sind bei der braunen Form entsprechend grösser, als bei der orangerothen. Was die Beobachtung der Ver- mehrung betrifft, hatte ich auch hier keinen besseren Erfolg; ich fand nur weit vorgerückte Stadien. Noch mehr unterscheidet sich von Holosticha flava das in Fig. 6 dargestellte Infusorium. Es ist sehr lang und von vorn bis hinten ziemlich gleichmässig dick, wie man es an dem gut conser- virten Exemplar (Fig. 6) noch deutlich sehen kann. Farbe ist im Leben keine vorhanden, das Infusorium erscheint hell, durchscheinend. Die Kerne sind hier nicht gar so zahlreich, wie bei den beiden vor- hin Genannten, sie erscheinen im Präparat länglich und ziemlich regelmässig in Reihen geordnet; Nebenkerne konnte ich keine sehen. Was die Vielkernigkeit betrifft, so stimme ich mit Erz noch bei einer anderen Holosticha-Art, der Holosticha scutellum, Cosx nicht überein. Höchst wahrscheinlich ist die von Erz beschriebene Form, bei welcher er schon ohne Anwendung von Reagentien die zwei Kerne mit Nebenkernen gesehen hat, nicht identisch mit dem, “ 62 (GRUBER: [62 was ich als Holosticha scutellum bezeichne und es wird sich nur fragen, ob seine oder meine Art mit der von Con beschriebenen zusammenfällt, was natürlich nicht ganz leicht zu entscheiden sein dürfte. Dass meine Holosticha scutellum wirklich eine ausgesprochen vielkernige Form ist, steht ausser allem Zweifel und wird durch die im zweiten Theil dieser Arbeit niedergelegten Beobachtungen zur Genüge bewiesen. Es ist mir gelungen, den Theilungsvorgang noch genauer zu verfolgen, als ich dies früher gethan, und zugleich die Existenz von Nebenkernen darzuthun. | Was die Gattung Uroleptus betrifft, so beschrieb MAauras einen Uroleptus roscovianus mit sehr vielen Kernen, während Exrz als Uroleptus zignis eine Form bekannt gab, welche der ersteren offenbar sehr nahe verwandt ist, aber nach Evtz zwei ovale Kerne besitzen soll. Ich selbst beobachtete in Genua sehr häufig ein Infu- sorium, welches mit dem Mauras’schen die Vielkernigkeit gemeinsam hat, während es sonst dem Extz’schen vollkommen entspricht. Eine Entscheidung kann ich nicht geben, da ich sonst die Angabe von Extrz von der Zweikernigkeit als irrig erklären müsste. Die von mir beobachtete Art hat ausserordentlich viele kleine Kernchen, die unregelmässig im Plasma vertheilt liegen. Die Thei- lung beobachtete ich öfter und erhielt Präparate, die darauf hin- zudeuten scheinen, dass der Process hier ähnlich abläuft wie bei Holosticha seutellum. _ Noch einen Uroleptus sah ich mehrmals, der ebenfalls viel- kernig ist, den ich aber vorderhand noch nicht näher bestimmen kann; ich habe ihn auf Fig. 7 nach einem Präparate dargestellt; die zahlreichen Kerne sind länglich, ganz feinkörrnig und erscheinen im Gegensatz zu denen der anderen hier genannten Arten nicht scharf contourirt. Eine weitere Art, die zwar schon zu öfteren Malen beschrieben, aber nie genauer auf ihre Kernverhältnisse untersucht wurde, ist Epiclinites auricularıs Örar und Lacnm. Auch hier zeigt sich bei sorgfältiger Präparation, dass das Plasma von einer Menge ovaler Kerne erfüllt ist, die eine Anordnung in Längsreihen erkennen lassen (Fig. 8). Ebenso verhält sich ein anderes von mir im Genueser Hafen entdecktes Infusorium, das ich der Gattung Epiclinites zuzählen möchte, und Epiclinites vermis nennen will. Ich kann dasselbe mit keiner beschriebenen Form in Einklang bringen und glaubte mich daher zur Aufstellung einer neuen Art berechtigt; leider haben 63] WEITERE BEOBACHTUNGEN AN VIELKERNIGEN INFUSORIEN. 63 mir nur ganz wenige Exemplare davon zur Verfügung gestanden. Charakteristisch ist auch hier die grosse Beweglichkeit des Körpers; aber während bei Epiclinites aurieularis ein häufiges Zusammen- schnurren stattfindet, zeichnet sich Epiclinites vermis durch äusserst geschmeidige wurmartige Windungen aus, die das Infusorium auf den ersten Blick mit einem kleinen Anneliden verwechseln lassen könnten. Im ausgestreckten Zustande erreicht es eime Länge von ungefähr einem halben Millimeter bei etwa 0,004mm Dicke. Das Vorderende ist wie bei Epiclinites auricularis verbreitert, wenn auch nicht so auffallend, wie bei diesem (s. Fig 9). Das Peristem ist kurz und mit starken Wimpern, Membranellen, besetzt. Die übrige Bewimperung des Körpers konnte ich nicht zur Genüge studiren, doch sah ich, dass auf der Bauchseite zwei dicht nebeneinander stehende Reihen von Wimpern der Länge nach verliefen, und dass am hinteren Ende zahlreichere Borsten standen, also ähnliche Ver- hältnisse wie bei Epiclinites retractilis Crar. und Lachm, | Was den Plasmaleib betrifft, so findet sich da die Eigenthüm- lichkeit, dass eine schmale Rindenzone sich ganz scharf von der Markschichte abhebt, so dass die innere Gränzlinie derselben alle Ausbuchtungen und Einsenkungen des beweglichen Körpers mitmacht, wie auf Fig. 9 deutlich zu sehen. Nun ist diese Rinde aber keine feste Masse, sondern erscheint eher zart und weich und ist dabei von einer Menge Körnchen oder Stäbchen durchsetzt, die ich aber nicht für Trychocysten halte. Auch das Mark ist ausserordentlich reich an allerlei Körnern und stark lichtbrechenden Kugeln, so dass das Infusorium dadurch ganz trübe und undurchsichtig erscheint. Von Kernen ist daher am lebenden Thier gar nichts zu sehen, im Präparat dagegen treten sie scharf hervor, und zwar sind es, wie bei Epiclinites auricularis, zahlreiche, mehr oder weniger ovale, in Längsreihen angeordnete Körper (Fig. 10). Die vorliegende Beschreibung ist zwar ziemlich unvollkommen, da mir nur zwei Exemplare des Infusoriums zu Gesicht kamen; doch wird sie immerhin genügen, um es einigermassen zu characterisiren. Ich erwähne schliesslich noch, dass Mavras unter dem Namen Gonostomum pediculiforme die von Conx als Stichochäta be- schriebene Form anführt und nachweist, dass sich bei derselben auch mehrfache Kerne vorfinden, wenn auch nicht so zahlreich wie bei den anderen Arten; er hat Individuen mit 17, 18, 19 und 20 Kernen gesehen; da aber bei der Theilung dieselben zu einer Masse verschmelzen, meint er annehmen zu müssen, dass die Kerne 64 GRUBER: [64 nicht lose seien, sondern durch einen Strang verbunden werden, den er nicht habe sehen können; es ist dies aber durchaus keine noth- wendige Folgerung, wie das Verhalten bei Holosticha scutellum zeigen wird. Auch ich habe ein ähnliches Infusorium beobachtet, das dem vorhin Genannten jedenfalls sehr nahe steht, ohne aber sicher mit ihm identisch zu sein. Alle Exemplare, die ich präparirte, hatten 16 Kerne, bei denen ich ebenfalls keinen Verbindungsstrang wahr- nahm (Fig. 11). Ich glaube hiermit genügend bewiesen zu haben, dass in der That eine beträchtliche Reihe mariner Infusorien besteht, die eine grosse Anzahl von Kernen besitzt, und ich muss im Interesse der Systematik nur bedauern, dass ich für manche vor der Hand noch keine feste Diagnose geben kann. 2. Der Theilungsvorgang bei vielkernigen Infusorien. Ich habe schon in meiner früheren, oben eitirten Arbeit etwas über den Theilungsvorgang bei einer vielkernigen Form, der Holos- ticha scutellum mitgetheilt; da es mir aber jetzt geglückt ist, den Process noch genauer zu verfolgen, so sei es mir gestattet, hier abermals darauf zurückzukommen. Diesmal ist es mir auch gelungen, über das Verhalten der Nebenkerne Aufschluss zu bekommen. Bei einem richtig behandelten Präparate von Holosticha scu- tellum treten am normalen Thiere die zahlreichen Kerne durch Fär- bung mit Pikrokarmin deutlich hervor. Fig. 12 stellt em solches Präparat dar, auf dem das Peristom und einige Borsten gut erhalten sind und wo die kugligen Kerne sich deutlich vom Protoplasma abheben. Gelingt es nun, ein Individuum zu erhalten, das sich eben zur Theilung anschickt, was an dem bedeutenderen Umfang und vielleicht schon an einer leichten Einbuchtung in der Körpermitte zu erkennen ist, so findet sich, dass die Kerne zu einer einzigen Masse zusammengeschmolzen sind, die in der Mitte des Infusoriums gelegen ist (Fig. 13). Merkwürdigerweise findet sich neben diesem grossen Kerne ein sehr deutlicher Nebenkern, während doch für gewöhnlich von Nebenkernen nichts zu sehen ist. Es rührt dies davon her, dass im vielkernigen Zustand des Infusoriums neben jedem kleinen Kerne ein entsprechend noch viel kleinerer Nebenkern liest, den nachzuweisen die stärkste Vergrösserung (Zeıss’ homog. Immer- sion "ıs) nicht hinreicht. Bei der Theilung nun schmelzen diese winzigen Nebenkerne ebenso zu einer Masse zusammen, wie die 65] WEITERE BEOBACHTUNGEN AN VIELKERNIGEN INFUSORIEN. 65 Grosskerne und erst in ihrer Vereinigung werden sie dem bewaff- neten Auge sichtbar. In Fig. 14 sieht man den Nebenkern bereits wieder getheilt, noch ehe der Grosskern wieder eine Vermehrung eingegangen hat. Doch erfolgt letzteres auch gleich und zwar sieht man ihn im Begriffe sich zu theilen schon zu einer Zeit, wo am Infusorienkörper die Einschnürung noch sehr seicht erscheint, wenn auch bereits ein zweites Peristom entstanden ist (Fig. 15). Ein schon weiter vorgerücktes Stadium zeigt uns Fig. 16. Hier ist die Theilung am Körper schon viel bemerklicher und der Kern ist bereits in vier Stücke zerfallen, von denen je zwei in jeder Hälfte des In- fusoriums liegen, bei jedem der vier Kerne zeigt sich der dazu ge- hörige Nebenkern noch ganz klar. Auch diese Kerne sind, wie ihre hantelförmige Gestalt und die deutliche Längsstreifung beweist, aber- mals in Theilung begriffen, so dass gleich darauf deren vier auf jeder Seite der Holosticha liegen werden, so wie dies in der That auf Fig. 17 zu sehen ist. Die Nebenkerne sind mir auf diesem Präpa- rate nicht zur Anschauung gekommen, waren aber jedenfalls vor- handen, wie die weiter vorgeschrittenen Theilungszustände auf den Figsg. 18 u. f. zeigen. Auf Fig. 18 sind jederseits schon 8 Kern- stücke vorhanden, von denen theilweise je zwei und zwei noch lose zusammenhängen, ein Zeichen, dass die Theilung soeben beendigt war; Nebenkerne sind hier je vier zu bemerken, während auf dem in Fig. 19 dargestellten Präparate deren nur je drei zu erkennen waren, es ist aber damit nicht gesagt, dass nicht noch mehr da waren, denn es gelingt eben nicht jedes Präparat gleich gut, und man muss es schon als einen Glücksfall ansehen, wenn man eine einigermassen zusammenhängende Uebersicht über den ganzen Process gewinnen kann; bei keinem der anderen vielkernigen Infusorien ist mir dies so gelungen, wie bei Holosticha scutellum. Noch ist die Trennung der beiden Tochterindividuen des Infusoriums nicht erfolgt und schon sind auch die acht Kerne wieder im Begriff, sich abermals zu theilen, wie Fig. 19 zeigt, so dass es möglich ist, Individuen zu finden, die noch durch eine schmale Brücke verbunden sind und bei denen jedes schon mit 16 Kernen versehen ist (Fig. 20), ja bei welchen auch diese 16 Kerne sich eben wieder theilen (Fig. 21), so dass dann jede Hälfte deren 32 enthielte. Bei den Präparaten, welche diese letzteren Stadien darstellen, fand ich bei dem einen je fünf Nebenkerne, während ich bei dem anderen nur in einer Theilhälfte deren zwei sehen konnte; es zeigt jedenfalls der Befund in Fig. 20, dass die Nebenkerne mit den Grosskernen nicht genau Tempo in der Theilung Berichte III. 5.8) 66 GRUBER: [166 halten. Von jetzt scheinen sie sich aber auch rasch zu vermehren, denn es ist dann nicht mehr möglich, sie mit der stärksten Linse zu sehen. Auch nach der Trennung der beiden Tochterindividuen ist die Vermehrung der Kerne noch nicht erschöpft und so kann man Präparate erhalten, wie das auf Fig. 22 dargestellte, welche schon eine grosse Anzahl von Kernen aufweisen,. die aber alle hantel- förmig gestaltet, also eben im Begriffe sind, sich wieder zu theilen. Wie viele Kerne schliesslich das Infusorium enthält, dafür lässt sich keine bestimmte Regel aufstellen, da die Zahl offenbar indivi- duellen Unterschieden unterworfen ist. Was nun den Theilungsvorgang bei den anderen von mir er- wähnten Infusorien betrifft, so konnte ich da, wie schon gesagt, kein genügendes Material zur Untersuchung erhalten. Ich habe wohl von manchen Arten einige Theilungsstadien präparirt, aber immer war der Process schon so weit vorgeschritten, dass in jeder 'Theilhälfte schon eine grosse Menge von Kernen zu sehen war. Es könnte dies nun auch darauf beruhen, dass hier die Kerne bei der Theilung über- haupt nicht verschmelzen, sondern einfach die eine Hälfte auf das eine, die andere Hälfte auf das andere Individuum hinüber genommen wird, so wie es z. B. bei dem Süsswasserinfusorium Loxodes rostrum der Fall sein soll. MaAvras gibt dies für einige von ihm beobachtete Arten an und meint, dass überhaupt nur da eine Kernverschmelzung bei der Theilung stattfinde, wo die einzelnen Kerne durch ein Leitband ver- bunden seien. Dass dies aber nicht richtig ist, zeigt das Verhalten der Kerne bei Holosticha scutellum, wo kein verbindender Faden vorhanden und die Verschmelzung dennoch eintritt. Nun ist es aber sehr wahrscheinlich, dass bei den übrigen nahe verwandten Oxy- trichinen die Sache nicht anders ist, und dafür spricht auch ein Präparat, das ich auf Fig. 23 abgebildet habe. Es bezieht sich auf den Uroleptus, von dem ich nicht entscheiden konnte, ob er mit Uroleptus zignis von Exrtz oder Uroleptus roscovianus von Mauras identisch sei; man sieht hier die Theilung am Körper des Infuso- rıums schon ziemlich weit vorgeschritten und dabei in jeder Hälfte eine grosse Menge von Kernen. Dieselben sind aber nicht alle rund, also ruhend, sondern es sind vielmehr die meisten hantelförmig, in Theilung begriffen; ich habe einige davon bei stärkerer Vergrösse- rung auf Fig. 24 dargestellt. Dies zeigt also, dass hier mit der Theilung des Plasmakörpers auch eine Theilung der Kerne Hand in Hand geht und macht die Annahme sehr wahrscheinlich, dass sich 67] WEITERE BEOBACHTUNGEN AN VIELKERNIGEN INFUSORIEN. 67 die Sache nicht anders verhält, als bei Holosticha seutellum. Findet eine Verschmelzung der Kerne statt, so dauert dieser Zustand jeden- falls nur ganz kurze Zeit und die einheitliche Masse zerfällt sehr rasch wieder in zahlreiche Stücke. Interessant wäre es, auch hier bei der Theilung die Nebenkerne nachweisen zu können; im nor- malen Zustande sieht man natürlich von denselben keine Spur, denn sie müssen ja noch viel kleiner sein, als die von Holosticha scutellum. Nur bei Holosticha flava glaubte ich, wie schon erwähnt, auf einem Präparate bei ganz starker Vergrösserung neben den Kernen die Nebenkerne als winzige Körnchen gesehen zu haben (Fig. 4); ich will es aber nicht mit Sicherheit behaupten; Mauras dagegen ist es, wie gesagt, gelungen, bei Holosticha Lacazei Nebenkerne zu sehen, und schon dieser Befund, die Richtigkeit der Deutung ange- nommen, musste es wahrscheinlich machen, dass auch bei anderen vielkernigen Formen Nebenkerne vorhanden sein müssen; meine Be- obachtungen an Holosticha scutellum haben den Beweis hierfür ge- liefert. Zusammenfassung. Die Resultate, welche sich aus den mitgetheilten Beobachtungen ziehen lassen, sind folgende: Es gibt eine ziemliche Anzahl mariner Infusorien, sowohl in der Ordnung der Holotricha wie besonders auch der Hypotricha, bei denen zahlreiche, manchmal näch Hunderten zäh- lende Kerne im Plasma zerstreut liegen. Dass diese Körper wirk- liche Kerne sind, beweist der Umstand, dass sie bei der Theilung die bekannte streifige Struktur annehmen. Diese Nuclei sind Gross- kerne und die dazu gehörigen Nebenkerne sind für gewöhnlich nicht zu sehen; dagegen gelingt es, ihre Existenz bei der Theilung nach- zuweisen, weil sie dann alle zu einer Masse zusammenschmelzen und dadurch bei starker Vergrösserung sichtbar werden, während sie, wieder in zahlreiche Stücke aufgelöst, dem Auge ganz verschwinden. Die Grosskerne schmelzen, wenn eine Theilung stattfinden soll, ebenfalls zu einer einheitlichen Masse zusammen, die sich aber gleich wieder theilt, so dass, ehe noch die Tochterindividuen sich getrennt haben, in jedem derselben wieder eine grössere Anzahl Kerne vor- _ handen ist. Was die Vielkernigkeit überhaupt zu bedeuten hat, wird wohl schwer zu entscheiden sen. Man könnte vielleicht daran denken, dass vielkernige Infusorien bei Zerreissungen, Zertrümmerungen da- 68 (GRUBER: [68 durch vor dem Untergang gewahrt werden, weil jedes abgetrennte Stück mit Wahrscheinlichkeit wenigstens noch einen Kern und einen Nebenkern enthalten und so regenerationsfähig sein wird; derartige Stücke könnten sich wieder zu einem vollkommenen Individuum aus- bilden, während kernlose Stücke ja auf die Dauer nicht am Leben bleiben können. Für diese Annahme könnte der Umstand sprechen, dass die oben beschriebenen vielkernigen Infusorien alle sehr weich und form- veränderlich, theilweise auch sehr langgestreckt sind und so Ver- stümmelungen häufig ausgesetzt sein werden. Das vielkernige Süss- wasserinfusorium, Loxodes rostrum, ist ebenfalls ein sehr zerbrechlicher Organismus und auch hier haben vielleicht die vielen Kerne dieselbe Bedeutung. Bei Opalina ranarum hängt die grosse Zahl von Kernen jeden- falls mit der Art der Fortpflanzung zusammen, die bekanntlich in rasch hinter einander folgenden Theilungen, oder wie man auch sagen könnte, in einem Zerfall des Körpers in viele Theilstücke besteht, von welchen dann jedes einen oder mehrere Kerne mitbekommt. Das Verhalten der Nebenkerne von Holosticha scutellum beim Theilungsvorgang beweist uns, dass wir nicht berechtigt sind, be- stimmt auf das Fehlen einer Substanz zu schliessen, wenn die uns augenblicklich zu Gebote stehenden besten optischen Hülfsmittel nicht gestatten, dieselbe wahrzunehmen. Hier sind es die Nebenkerne, die durch vielfach® Theilung so klein werden, dass sie unserem Auge verschwinden, während sie vereinigt sichtbar werden, bei anderen Formen könnte auch bei den Hauptkernen (Grosskernen) derselbe Fall eintreten. In der That sind dieselben schon bei Ohoenia teres und bei Trachelocerca (s. 0.) so winzig, dass sie nur noch als feine Granulationen erscheinen. Ich habe seinerzeit aus Anlass meiner Studien über Conjugation !) die Ansicht ausgesprochen, man habe im Grosskern den Sitz des histogenen Plasmas, im Nebenkern da- gegen denjenigen des Idioplasmas (Keimplasmas) zu sehen. Ist dies richtig, so hätten wir bei Holosticha scutellum einen Beweis dafür, dass das Idioplasma, obgleich materieller Natur, sich in Folge weit- gehender Theilungen unserer Wahrnehmung entzieht, wie dies auch in der Metazoenzelle meistens der Fall ist, dass es aber doch zu ge- wissen Zeiten des Zellenlebens uns sichtbar gemacht werden kann. !) GruBEeR, Der Conjugationsprocess bei Paramaecium Aurelia. In: Ber. d. naturf. Gesellsch. zu Freiburg i. B. Bd. 2. Heft 2. 69] WEITERE BEOBACHTUNGEN AN VIELKERNIGEN INFUSORIEN. 69 Wenn wir gesehen haben, dass beim Theilungsvorgang von Holo- sticha die anfangs einheitliche Kernmasse nicht auf beliebige Weise wieder in Stücke zerfällt, sondern eine mit der bekannten streifen- förmigen Veränderung des Plasmas verbundene „mytotische“ Kern- theilung auf die andere folgt, so müssen wir dies auch für die Sub- stanz des Nebenkerns annehmen, wir müssen da aber mit Werthen rechnen, die so klein sind, dass unser Vorstellungsvermögen nicht mehr ausreicht, sie zu erfassen. Eben darum scheinen mir obige Beobachtungen an Holosticha von Werth zu sein, weil sie uns einen greifbaren Beleg für die weitgehende Theilbarkeit der lebenden Materie gibt, und gerade der- jenigen, welche der Hauptsitz des Lebens ist, des Idioplasmas. Wir sehen es hier aus einem uns erkennbaren Körper in Folge regel- mässiger Halbirungen schliesslieh im Unsichtbaren verschwinden, wissen aber, dass es dennoch vorhanden ist. Tafelerklärung. Tafel VI. Abbildungen mit Ausnahme von Fig. 9 beziehen sich auf Dauerpräparate. Trachelocerca minor, ganz erfüllt mit Kernen. Ein Stück desselben Infusoriums bei stärkerer Vergrösserung. Holosticha flava. Einige Kerne mit vermuthlichen Nebenkernen von derselben Art. Braune Holosticha-Art. Helle, lange Holosticha-Art. Nicht näher bestimmter vielkerniger Uroleptus. Epielinites auricularis. Epiclinites vermis, nov. spec., nach einem lebenden Individuum ge- zeichnet. Dasselbe, präparirt. Gonostomum pediculiforme (?). Tafel VII. Alle Figuren sind nach Präparaten gezeichnet. Fig. 12—22 beziehen sich auf Holosticha scutellum. 12. 13. 14. 15. 16. 12. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. Ein normales, vielkerniges Exemplar von Holosticha scutellum. Beginnende Theilung; sämmtliche Kerne sind zu einer Masse zu- sammengeschmolzen, ebenso die Nebenkerne. Es sind bereits zwei Nebenkerne vorhanden. Der Grosskern beginnt sich auch zu theilen. In jeder Hälfte sind zwei Gross- und zwei Nebenkerne; erstere sind schon wieder in Theilung begriffen. In jeder Hälfte sind vier Kerne, die sich eben wieder theilen. Ein Exemplar mit je acht Grosskernen, die theilweise noch lose zu- sammenhängen, und je vier Nebenkernen. In jeder Hälfte sind die acht Kerne in Theilung begriffen. Die beiden Hälften des Infusoriums hängen nur noch durch eine schmale Brücke zusammen und in jeder sind bereits 16. Kerne zu sehen. Die Theilung ist beinahe beendigt und die 16 Kerme sind alle schon wieder im Begriffe, sich zu theilen. Ein Exemplar kurz nach der Trennung, in welchem sämmtliche Kerne im Theilungszustande sind. Ein Uroleptus in Theilung; jede Hälfte enthält schon sehr zahlreiche Kerne, von welchen viele hantelförmig gestaltet, also in Theilung be- griffen sind. Einige Kerne aus demselben Exemplar bei starker Vergrösserung. re Car List RS RT zer A De 2° N IRITANINLLDLLLLLLLLLNN R)S KV Sal 8 u Aue ve 4 ‚Lk Aust einer MxterFranktart E Akzdm Verlagsbuchhl IC B Mohr Freiburg ®B. an - ne ß ler en - Drum en S S| °. Ci : 0% g0yo o PT a : > © Ko} =} ® © J Mm BEREEROST IS Le u Me». o® © © < N RE LESE TETETEN I SEE Te Sr © ® SID, i Rum TU n y L- ud Das Gehirn des Seehundes (Phoca vitulina). Fritz Theodor. Mit Tafel VIII—X. Geschichtliches. Das Gehirn vom Seehunde, welches nach allen Autoren zu dem der Carnivoren gerechnet wird, ist zuerst bei Frıeperıcus TıEDEmAnN im Jahre 1821 genauer beschrieben; dort sind vier Abbildungen, von denen die erste „superficiem superiorem cerebri Phocae vitulinae* darstellt; die zweite „Basin cerebri ejusdem animalis representat“; die dritte „Phocae cerebrum, cui pars superior hemisphaeriorum cum gyris et sulcis demta est“ zeigt und die vierte „cerebrum ejusdem animalis exhibet“. Sodann erschien eine Arbeit von FrırprıcH CurıstIan RosentHuauL „Ueber die Anatomie des Seehundes“, in der auch dem Gehirn desselben einige Beachtung geschenkt ist. Ein umfassenderes Werk über die Phoken von Professor W. Vrouık war nirgends (auch aus München nicht) zu erhalten. In der nächsten Arbeit von Fr. Levurer et P. Grariorer, 1839 bis 1857, finden sich wiederum zwei Abbildungen: Planche XI: Fig. 1. Encephale vu parsa face superieure; Fig. 2. Encephale du meme animal, vu par sa base. Aus dem Jahre 1847 stammt noch eine Dissertation über die sechs ersten Cerebralnervenpaare von JOHAN JUSTUS STAUDINGER aus Helsingsfors. Die Arbeiten von Rıcnarp Owen (1868) und von M. Pavu 72 THEODOR: [72 Broca (1878) geben mit wenigen Strichen eine Uebersicht über das Phocagehirn, ohne jedoch auf dasselbe näher einzugehen. Ein ausführliche Arbeit über die Hirnwindungen von Phoca findet sich in dem Werk von Dr. JuLıvs Krurg, welches ich der nachfolgenden Beschreibung der Hirnwindungen zu Grunde gelegt habe. An diese Arbeit sich anschliessend, ist noch Einiges von Sr. GrorGE Mıvarr über die Hirnwindungen hinzugefügt worden (1855). Die genaueren Titel der Arbeiten erwähne ich noch an den betreffenden Stellen im Text. Zur specielleren Orientirung über die Windungen habe ich noch A. Panscn’s „Beiträge zur Morphologie des Grosshirns der Säuge- thiere“ benutzt. Zu weiteren vergleichend anatomischen Ausblicken diente mir das Lehrbuch von Prof. WırnersHEim. Maassverhältnisse des Gehirns. Das Grosshirn: Der grösste Querdurchmesser (gemessen von den äussersten lateralen Kanten der mittleren Grosshirnlappen) —er en Der grösste Längsdurchmesser (gemessen von der äusser- sten Kante der Bulbi olfactorii bis zum untersten Rande des unter der Medulla oblongata hervorragenden Kleinhirns) = 8,4 cm. Der grösste Höhendurchmesser war nicht zu eruiren, da das Gehirn schon längere Jahre im Spiritus gelegen hatte und da- durch plattgedrückt war. Das Kleinhirn: Grösster Querdurchmesser = 5,6 cm. Grösster Längsdurchmesser —= 4,0 cm. Das Verhältniss vom Kleinhirn zum Grosshirn beträgt demnach 4:8, und zwar gilt dies für das eine der mir vorliegenden Gehirne (A). Bei dem zweiten (B), das einem älteren Individuum angehörte, ergibt sich das Verhältniss von 4:11. Das Kleinhirn hat dieselbe Grösse und Breite, wie das des jüngeren Thieres, und nur das Grosshirn, das materielle Substrat der geistigen Thätigkeit scheint sich mit den Jahren entwickelt zu haben. Formverhältnisse des Gehirns. Der Hirnschädel des Seehundes ist breit und flach, und ihm entspricht vollständig das Gehirn selbst. Es ist fast sphärisch. Das 73] Das GEHIRN DES SEEHUNDES (PHocA VITULINA). 13 Kleinhirn ragt in der Ansicht von oben noch 2,9 cm unter dem Grosshirn hervor (gemessen von der hinteren Trennungsstelle des Sulcus longitudinalis posterior). Durch eine tiefe, 5,5 cm lange Furche (Sule. longitud. posterior) wird es wie jedes Säugerhirn in zwei Hemisphären getheilt. Mivarr !) sagt, dass das Gehirn der Seehunde in der Form mehr gerundet und mit reichlicheren Verbindungen versehen ist, als das anderer Carnivoren, weil die Gyri und die F. Sylvii nicht so unterschieden und leicht zu begrenzen sind, indem die parietalen und sagittalen Suleci vornehmlich in einander übergehen. Hinter dem Sulcus longitudinalis posterior wird das Kleinhirn sichtbar und zeichnet sich durch seine breiten Seitentheile besonders aus. RosentHan ?) lässt das Kleinhirn durch seine bedeutend grös- seren Seitentheile vor dem aller übrigen Säugethiere sich auszeichnen. „Das Gehirn der Carnivoren ?) erreicht seine grösste relative Grösse und Complication der Struetur in der Seehundegruppe. Der horizontale Umriss des Gehirns ist fast rund und die Oberfläche der Hemisphären bietet auf den ersten Blick zahlreiche Windungen dar.“ „Die Masse der Hemisphären,* sagt Owry weiter, „ist relativ grösser als bei anderen Carnivoren, und ein grosser Theil des Klein- hirns wird davon bedeckt.“ Das Kleinhirn ergibt keine ausgesprochene Absonderung in zwei Hemisphären und einen medianen Theil, der diese beiden seit- lichen verbindet, sondern es stellt eine einheitliche Fläche dar, die auch keine Incisura marginalis wie beim Menschen aufweist. Diese Ineisur ist vielmehr vollständig ausgeglichen, was mit dem Bau des Wurms (Vermis), von dem im Sinne des menschlichen gar nicht gesprochen werden kann, in Zusammenhang steht. Der Wurm ist äusserst complicirt und lässt sich an ihm vielleicht ein dreitheiliger Lappen erkennen. F. Rosext#auL will an ihm sämmtliche Lappen, welche am menschlichen Gehirn vorkommen, deutlich erkannt haben. — Ich habe das Studium des Kleinhirns nicht weiter verfolgt, weil hierüber noch alle vergleichend anatomischen Studien fast ganz fehlen, !) Notes on the Cerebral Convolutions of the Carnivora. By Sr. GEORGE ART R.>S.,' PiLr 8, VD PSEHS: ?, F. RosentHuar, Zur' Anatomie der Seehunde. Nova acta. Physico- medica. Academiae Caesareae Leopoldino Carolinae naturae curiosorum. — Voluminis quinti decimi pars posterior. Vratislaviae et Bonnae 1831. 3) On the Anatomy of Vertebrates. Vol. III. Mamals by Rıcnarn Owen. F. R. S. 1868. 74 THEODOR: [74 und man mit einem derartig complicirten Gebilde keine vergleichenden Studien beginnen kann. Nur soviel ist sichtbar, dass das Klein- hirn eine Anzahl von quer gegen einander, in verschiedenen Rich- tungen verlaufenden Windungen zeigt, die zahlreiche kleine längliche und runde Läppchen bilden, durch welche a unebene Oberfläche des Kleinhirns dargestellt wird. Die Furchen des Gehirns. (Tafel I und Tafel II, Fig. 1, 2, 3. Obere, untere und seitliche Ansicht.) Die Fissura rhinalis (rh) liegt lateralwärts vom Tractus olfactorius, der ausserordentlich verschmälert ist; sie verbindet sich mit der Fissura Sylvii, von welcher aus nach rückwärts die Fissura rhinalis posterior (rhp) zieht. Beide sind vollständig auf die untere Fläche herabgerückt. Die letztere bildet die laterale Grenze des Lobus pyriformis (are inferieur de la scissure Iimbique (BrocA !) und wird von Kruze ?) als Grenzfurche bezeichnet. Owen nennt diese Furche „the ectorhinal fissure“* und sagt von ihr, dass sie wegen der verticalen Ausdehnung der „natiform protuberance* mehr unterbrochen sei, als bei anderen Carnivoren, aber sich rück- wärts von der Fissura Sylvii erstrecke und den mittleren, nicht ge- wundenen Theil jener Protuberanz begrenze. Die Fissura olfactoria (unter I) ist auch vorhanden und wird von Krure als Nebenfurche bezeichnet. Die Fissura praesylvia (ps), die von Krure auch zu den Hauptfurchen gerechnet wird, ist mit ihrem unteren Ende frei, steigt, nach einer kurzen Krümmung nach vorne, ziemlich senkrecht nach oben und krümmt sich noch über die obere Seite bis fast zu deren Medianrand. Sowohl hinter ihr (zwischen ihr und der Fissura Sylvü liegt eine kleine unbedeutende Parallelfurche), als auch vor ihr finden sich zwei kleine Furchen, die mit einander convergiren, und von denen die eine ihr wiederum parallel verläuft (Scissure de Rolando, RRı bei Broca). Die Fissura Sylvii (S) ist mit der Fissura rhinalis verbunden, ausserordentlich lang, senkrecht in die Höhe gerichtet und läuft um die laterale Grenze der Hemisphären nach der Oberfläche. Ihr '!) P. Broca, Anatomie comparee des circonvolutions cerebrales, Revue d’Anthropologie. VlIe annee. Ile serie. Tome I. Paris 1878. ?2) Ueber die Furchen auf der Grosshirnrinde der zonoplacentalen Säuge- thiere. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. 33. Bd. Leipzig 1880. 75] Das GEHIRN DES SEEHUNDES (PHocA VITULINA). 75 oberes Ende ist in zwei Schenkel gespalten (Fig. 1). Andere Furchen münden noch in sie ein. Den vorderen Ast der Fissura Sylvii hält Passc# !) für eine selbständige Furche, und bezeichnet sie als „vordere Hauptfurche“ (Scissure de Sylvius, dirigee obliquement en arrıere nach Lervurer et Grarioven ?), (Seissure de Sylvius, 8 Sı bei Broca). Die Fissura suprasylvia (s s) verläuft fast wagrecht; mit ihrem vorderen Ende biegt sie sich nach aufwärts, um sich mit der Fissura coronalis (co), Fig. 1], zu vereinigen. Bevor sie sich nach oben krümmt, schickt sie eine kurze Furche ventralwärts, die mit der Fissura praesylvia zusammenfliesst. Nach Kruse soll vor ihr, und zwar mit ihr verbunden, eine lange Furche nach rückwärts zur Wurzel der Fissura Sylvii verlaufen. Letztere war bei beiden mir vorliegenden Exemplaren gar nicht entwickelt. Die Fissura supra- sylvia mündet hinten in eine kleine Bogenfurche aus. In dem Atlas von Levrer und Grariorer Sillon lateral com- plet (si) genannt, soll sie die cerebralen Windungen in zwei Gruppen theilen, von denen die äussere weniger entwickelt sein soll als die innere. Es sind dies jedenfalls schematische Angaben, die durchaus nicht mit den so überaus schwierigen Verhältnissen übereinstimmen. Owen bezeichnet sie mit der Zahl 8 und nennt sie eine Fis- sura longitudinalis. Hinter der Fissura Sylvii verläuft: Die Fissura suprasylvia posterior (ssp), Fig. 1 und Fig. 3, von oben hinten nach unten vorne und hat wie bei Krure ihre Ein- mündungsstelle in die Fissura Sylvi. Sie erstreckt sich weit nach hinten und ist mit der Fissura lateralis (Fig. 1 L) verbunden. Nach einigen accessorischen Furchen folgt dann die Kette der Fissura coronalis (co), Fissura ansata (a) und Fissura lateralis (L). Alle drei Furchen bilden zusammen eine Längsfurche, die bei Owen in der Abbildung des Calocephalus vitulinus mit 11 auch als Fissura longitudinalis bezeichnet ist. Die Fissura coronalis (Fig. 1 co) geht in das vordere Ende der Fissura suprasylvia über, ist lang, stark hin- und hergeknickt und mit kurzen seitlichen Fortsätzen versehen. Ihre hintere Fort- setzung ist die Fissura ansata (a), deren hinteres Ende wiederum die Fissura lateralis darstellt; sie ist längs gerichtet und liegt !) Beiträge zur Morphologie des Grosshirns der Säugethiere. Morpho- logisches Jahrbuch. 5. Bd. Leipzig 1879. ?) Anatomie comparee du Systeme nerveux considere dans ses rapports avec l'intelligence. Paris 1839—1857. 76 THEODOR: [76 zwischen Fissura suprasylvia und dem Medianrande der Hemisphären. Wie bei Krurg liegen ferner nach hinten und unten von der Fissura suprasylvia posterior (ssp) zalreiche kleinere Furchen. Eine be- sonders hervorragend grosse Furche, die, wie es scheint, noch nirgends beschrieben ist, fand ich in der hinteren Hemisphärenpartie, wo sie einen vollständigen Oceipitallappen abzugrenzen scheint. Vor diesem, wie schon bemerkt, auf den ersten Blick als Occipital- lappen im Sinne der Primaten imponirenden Gebilde liegt eine Spalte, die, weil sie bei der Abnahme der Pia mater weit klaffte, vermuthen liess, dass sie tief ins Innere eindringen würde. Diese Voraussetzung bestätigte sich indessen bei der Präparation nicht, in- sofern die betreffenden Windungen schon in verhältnissmässig geringer Tiefe in die Regio parietalis umbogen und in sie einstrahlten. Zu bemerken ist noch, dass zwischen rechter und linker Hemisphäre bezüglich dieses Punktes eine auffallende Asymmetrie besteht. Me- dianwärts von den drei Furchen coronalis, ansata und lateralis liegen auf meinen Präparaten nicht so zahlreiche Windungen, wie Krurs sie angibt. Furchen auf der Medianfläche des Gehirns. (Tafel III, Fig. 4.) Hier unterscheide ich mit Kruse: Die Fissura splenialis (sp), die sich um das Splenium corporis callosi herumkrümmt („Haupt- furche* bei Krurs), die Fissura cruciata (c). Beide sind, wie Kruse sagt, bald verbunden, bald frei. Die Fissura cruciata liegt beinahe ganz horizontal, erreicht die vordere Spitze der Hemisphäre, ohne übrigens auf die obere Seite überzugreifen. Meist setzt sich die Fissura eruciata auch unter der Splenialis nach hinten fort. Bei den beiden vorliegenden Gehirnen ergeben sich folgende Verhältnisse. In Fig. 4 (Gehirn des älteren Seehundes) ist die Fissura eruciata vollständig gesondert von der Splenialis. Sie verläuft fast ganz hori- zontal bis an den vorderen Rand der Hemisphäre und schneidet nicht in die obere Fläche ein. Bei dem anderen Gehirn dagegen fliessen Fissura eruciata und Fissura Splenialis deutlich erkennbar zusammen, und zwar über der von mir so genannten Commissura suprema (x), die bei Fig. 4 und Fig. 5 genauer beschrieben ist. Aber auch hier schneidet die Fissura eruciata nicht in die Oberfläche ein. Die Fissura splenialis des Gehirns B (Fig. 4) läuft eine Strecke fast parallel der Fissura eruciata; sie schneidet bei beiden Gehirnen 77] Das GEHIRN DES SEEHUNDES (PHOCA VITULINA). rar tief in die Oberfläche ein, um mit diesem einschneidenden Ende in die Fissura coronalis überzugehen (Fig. 1). Mivarr, der sich vollständig an Krure hält, konnte den „erucial suleus* am vorderen Ende des Gehirns entdecken. Ein Verticalschnitt zeigte ihm, dass der „calloso-marginal suleus“ (= Fis- sura splenialis) sehr weit entfernt ist von der Einwärtsverlängerung des „erucial sulcus.*“ Leurer und GraArtioLer erwähnen in ihrem Atlas einen Sillon transverse: „tout ä fait en avant est un sillon transverse, c’est le sıllon crucıial.*“ Bxroca lässt die sich über die convexe Seite des Corpus callosum krümmende Seissure sous-parietal (s. splenialis, s. calloso-marginalis; s. grand sillon du lobe fronto- parietal |Grariorer]; s. suleus fronto-parietalis internus [Paxscr]) den Sillon erucial bilden. Die Fissura genualis (g, Nebenfurche), die nach Kruzrc sich ähnlich um das Genu corporis callosı krümmen soll, wie die splenialıs um das Splenium, ist bei beiden Gehirnen nicht vorhanden. Die Fissura prorea (pr, Fig. 2) nahe und parallel dem vor- deren Hemisphärenrand, ziemlich senkrecht auf das obere Ende der Fissura praesylvia gerichtet, fliesst nicht mit ihr zusammen. Ferner unterscheidet man noch andere ziemlich stark ausgeprägte Furchen, wie eine Fissura suprasplenialis (sps), welche zwischen dem horizontal verlaufenden Stücke der Fissura splenialis und dem oberen Rande der Hemisphäre ziemlich parallel mit beiden liegt, und eine Fissura post splenialis. Krurg spricht hier noch von einer oder mehreren längeren Furchen vom hinteren Bug der Fissura splenialis, die gegen die hintere obere Ecke der Hemisphären verlaufen sollen. — Weiter wird noch erwähnt eine constante Furche vor der Fissura cruciata, welche auf die vordere Fläche übergreift. Tıepemans !) sagt über die Furchen: „Quamquam cerebrum phocae satis magnum sit, numero gyrorum et sulcorum simiarum en- cephalum superet, eique hominis accedat.“ Die Gyri des Gehirns. Auf der Basis cerebri unterscheidet man auf den ersten Blick die vorderen Grosshirnlappen (A) (Lobi encephali antıicı 1) Friepericı Tıevemannı Anatomes et Physiologiae in Academia Heidel- bergensi Professoris Icones Cerebri simiarum e# quorundam mammalium rariorum. Heidelberg MDCCCXNI. 78 THEODOR: [78 von Tirpemann [mm]; Lob frontal von BrocaA), getrennt durch die Fissura Sylvi von dem mittleren Grosshirnlappen (B), (Lob parietal |P] bei Broca) und die Seitenlappen des Kleinhirns ((), bei Leurer und GrarioLEeT — lobe lateral du cervelet; bei Tırpr- MANN — lobi cerebelli superiores postici (c ec). — An dem vorderen Grosshirnlappen der Basis cerebri unterscheidet man nach BrocA einen Lobe olfactiv mit dem Bulbus olfactorius, den er als ein „Ganglion* (0°) beschreibt. Der Lobus olfactorius ist bekanntlich als ein aus der Hemi- sphärensubstanz entstehender Hirntheil anzusehen, der beim Menschen eine gewisse Rückbildung eingeht, während er bei den meisten Säuge- thieren zu mächtiger Entwicklung gelangt und bei geringerer Ent- faltung der Stirnlappen noch vor diesen lagert. Ferner unterscheidet man direct über der Fossa Sylvi, am Rande der Hemisphären, einen Lobule sous-sylvien (BrocA), der von drei verjüngten Falten gebildet werden soll. An dem mittleren Grosshirnlappen befindet sich ein aussergewöhnlich grosser birnförmiger Lappen, den Tırpemann in der Abbildung vom Löwen mit Lobus pyriformis bezeichnet (P). Er sagt über diesen Lappen: Prominentiae quaedam s. colles, quas Malacarne protuberantias natiformes, Oeleber: Trevianus autem pyri- formes vocat, ferner dass die Pedes hippocampi s. cornua Ammonius in die Protuberantias pyriformes auslaufen. Bi:ocA beschreibt den betreffenden Theil als Lobe de l’Hippo- campe (H); Lrurer und GrariorLer als Lobe d’hippocampe ou saillie inferieure de la eirconvolution interne (] h). Abgegrenzt wird dieser Lobus pyriformis, der einen Längs- durchmesser von 2,0 cm, einen Querdurchmesser von 1,5 cm hat, lateralwärts von der übrigen Hirnrinde durch die Fissura rhinalis posterior (rhp), frontalwärts durch die Fissura Sylvii. Lateral von dem Lobus pyriformis spricht Tırpemanw noch von Lobi medii cum posterioribus omnino conjuncti, nulloque sulco ab his separati, was er dann wie auch Lrurrr und GrATIoLET rein schematisch darstellt. Leider gestalten sich die Verhältnisse in Wirklichkeit nicht so einfach, da hier eine ganze Anzahl von Furchen und Windungen unterschieden werden müssen. Ueber die Gyri des Kleinhirns vergleiche das Kapitel über „Die Form und Gestalt des Gehirns‘. Auf der Gehirnoberfläche erwähnt Owen den „prefrontal lobe*, der kürzer sein soll, als bei den Katzen. 79] Das GEHIRN DES SEEHUNDES (PHOCA VITULINA). 79 Ich unterscheide auch hier einen vorderen Grosshirnlappen (A), der durch die lateralwärts eindringende Fissura Sylvii und durch die medianwärts tief einschneidende Fissura splenialis von dem mitt- leren Grosshirnlappen (B) abgespalten wird, und den hinteren Grosshirnlappen (C), der wiederum von dem vorigen durch jene oben beschriebene auffallende Furche getrennt ist. Auf dem verticalen Medianschnitt (Fig. 4) ist der Lappen des Corpus callosum (cc) dargestellt, welcher, wie bei allen Carni- voren, in beträchtlicher Ausdehnung von hinten nach vorne sich er- streckt. Sein vorderer Theil ist so entwickelt, dass er nach BrocA bis zur Sagittalgrenze der Hemisphären heranreichen und sogar auf der convexen Seite sichtbar werden soll. Hier unterscheidet BrocA noch eine Scissure sous-frontale (L‘“) und eine Sceissure sous-parietal (LL”), ferner einen Lob frontal (P) und Lob parietal (PP‘). Man sieht auf der Fig. 4 noch die Commissura suprema (x), die später, als ein den Seehunden eigenthümliches Gebilde, noch be- sonders geschildert werden soll. Die Basis cerebri. (Tafel I, Fig 2.) Die Basis cerebri umfasst die untere Fläche des Gross- und Kleinhirns zusammen mit der Medulla oblongata, den Pons, das Tuber cinereum und die Abgangsstellen sämmtlicher Hirnnerven. Die Brücke (pons) (Ps) stellt eine halb rinsförmige Erhaben- heit vor, die nach RosexntuAaL grösser sein soll, als bei allen anderen Thieren, was nur im relativen Sinn gemeint sein kann. Sie ist 1,5 cm lang und 1,7 cm breit (gemessen von den medialen Kanten der Hauptwurzeln der Nn. trigemini). In ihrer Mitte hat sie eine verhältnissmässig tiefe Furche zur Aufnahme der unpaarigen Arteria basilaris. Diese Furche theilt die Brücke in zwei convex sich nach oben erhebende Bogen, die nach vorne und hinten scharf abgegrenzt sind, und welche wie beim menschlichen Gehirn im Wesentlichen auf den durchpassirenden Pyramidenbahnen (Py) beruhen; sie gehen nach vorne in einer Tiefe von 2,5 mm in die Pedunculi cerebri über, die nur zum geringen Theil sichtbar sind, da sie von den Lobi pyri- formes im Uebrigen überlagert werden. Bei Tırprmann wie auch bei Leurer und GrArTioLeT sind sie zum grossen Theil frei zu Tage liegend gezeichnet, was, wie durch meine Fig. 2 bewiesen wird, durchaus nicht den natürlichen Verhältnissen entspricht. 80 THEODOR: [80 Die Brücke umschlingt, ventralwärts ausstrahlend, die Medulla oblongata halfterartig. Da sie sich in ihrer Entwicklung !) propor- tional zu der höheren oder tieferen systematischen Stellung der be- treffenden Säugethiere verhält, so lässt ihre ansehnliche Entfaltung beim Seehund auf die hohe cerebrale Entwicklungsstufe dieses Thieres schliessen. Vor der Brücke, zwischen den Schenkeln des Tractus opticus, liegt eine kleine wulstartige Erhebung mit einer kurzen Längsspalte — Tuber cinereum (T). Sie bildet eine einheitliche Protuberanz, an der keine Öorpora mammillarıa, wie bei den Primaten, vor- handen sind; letztere scheinen mit der hinteren Region des Tuber cinereum verschmolzen zu sein. Die Hypophysis, die an meinen Präparaten bei der Heraus- nahme verletzt wurde, wird von Rosent#rAau als oval-rundlich und aus dichtem Gewebe von röthlich-brauner Farbe bestehend be- schrieben. Jedenfalls ist ein Trichter (Infundibulum) im Sinne des menschlichen nicht vorhanden. Nach RoszxtHuau soll derselbe kurz und mit einer Höhle versehen sein, welche mit der dritten Hirnhöhle zusammenhängt, sich aber nicht bis zum Hirnanhang (Hypophysis) herab erstreckt. Das Tuber cinereum ist 0,7cm lang und 1,0 cm breit. Die Medulla oblongata ist flach, überragt mit ihrer ziem- lich bedeutenden Breite die Brücke und misst 1,9 cm, wenn man die Austrittsstellen der Nn. acustici als grösste Breite annimmt. Von vorn nach hinten zu wird sie allmählich schmäler, so dass sie am untersten Rande des Kleinhirns nur noch 1 cm misst. Durch eine mediale Längsfurche = Suleus longitudinalis ist sie in zwei gleiche Hälften getheilt. Circa 2,0 cm von der Brücke nach hinten bemerkt man deutlich die motorische Pyramidenkreuzung — Decussatio (d) an der Vorderseite der Medulla oblongata zu beiden Seiten der Median- furche; sie besteht jederseits aus drei oder vier Bündeln, die nach abwärts verlaufen. Sie sind bei Tırpemann, wie auch bei Lrurer und Grariouer weder gezeichnet, noch berücksichtigt. Auf der Me- dulla oblongata lassen sich deutlich die Pyramiden (Py) erkennen, die, vorne unter der Brücke hervorkommend, die Form eines halben Biscuits darstellen, indem ihre mittlere Portion sich stark seitlich ausbuchtet. Tıepemann beschreibt sie beim Löwen, wo sie eine ähnliche, wenn auch nicht so ausgesprochene biscuitförmige Gestalt ') R. WIEDERSHEIM, Grundriss d. vergl. Anatomie d. Wirbelthiere. Jena 1884. 81] Das GEHIRN DES SEEHUNDES (PHocA VITULINA). 81 zu haben scheinen, als „Corpora trapezoidea magnitudine insignia“. Sie haben zu ihrer Seite die Öorpora restiformia (Cr) von einer Breite von 0,4cm s. crura medullae oblongatae posteriora ad cere- bellum procedentia; Oliven im Sinne des menschlichen Gehirns sind nicht vorhanden: an ihrer Stelle, und zwar in directer Vor- wärtsverlängerung der Corpora restiformia, entspringt das mäch- tige VII. und VIII. Gehirnnervenpaar. Die zwölf Gehirnnervenpaare. (Tafel I, Fig. 2.) l. Der Riechnerv (l). Olfactorii nervi dupliei prineipio ori- ginem ducunt, quorum longior et exterior medullaris tractus e fossa Sylvii proveniens a finibus medii cerebri lobi emergit, et hic qui- dem cum fibris medullosis pedis hippocampi conjunctus esse videtur. Reliqui tractus medullares e substantia medullari lobi anteriores cerebri reperitur, antrorsum recurrunt bulbumque verum formant. Plurimae fibrae nerveae e bulbo emergentes per foramina ossis cribri- formis in organon olfactus demittuntur (TıepemAsn). Insofern stimmen meine eigenen Untersuchungen mit den Resultaten Tırpemann’s überein, dass zwei Ursprünge des N. olfactorius deutlich zu erkennen sind, auch dass die äussere Wurzel aus der Fossa Sylvii hervorkommt; dass es aber eine solche Abgrenzung zwischen beiden Wurzeln geben soll, wie es bei Trenemans und in der technisch vorzüglichen, allein offenbar stark schematischen Zeichnung von L£euRET und GRATIOLET angegeben ist, kann nicht zugegeben werden. Treprmans, LEuRrer und GRrATIOLET, ROSENTHAL, auch BrocA lassen alle, sogar die me- diane Wurzel unter dem N. opticus hervorkommen. Auch das trifft in der Wirklichkeit durchaus nicht ein. Lrurer und GrATIoLET mit Tırpemann stehen der Ansicht von RosentHAn insofern entgegen, als letzterer die mediane Wurzel als schwächer im Vergleich zur äusseren Wurzel beschreibt, während die ersteren gerade diese Wurzel bedeutend dicker gezeichnet haben. Genaue Prüfung dieser Verhält- nisse ergibt folgendes: Der Riechnerv hat zwei Ursprünge, von denen der äussere und längere in der Fossa Sylvii versteckt liegt, der mediale dagegen aus der vom Tractus opticus bedeckten Partie des Stirnhirns hervorkommt. Beide vereinigen sich direct oberhalb und vorne von der Substantia perforata anterior (S pf), die als ein gewölbter Hügel hervortritt. Nach Vereinigung der beiden Wur- zeln zieht dann der Nerv als ein dünnes Bändchen in seiner Furche Berichte IIT. 6 (6) 83 THEoDoR: [82 nach dem vorderen Rande der Hemisphären, ohne diese Furche jedoch, wie Tırprmaxn behauptet, zu überragen. An ihrem vorderen Ende verdickt sich dann der Nerv zum Bulbus olfactorius, der nicht, wie Tıepemann fälschlich angibt, den äussersten Rand des Gehirns überragt, sondern, wie Leurer und GrArTIoLEer richtig an- geben, in den Stirnlappen ausläuft, von wo aus eine Reihe von Nervenfäden durch die Löcher des Siebbeins in die Nasenhöhle treten. Bei Leuvrer und GrArioLer (e) — lobe ethmoidal, fournissant les nerfs ethmoidaux. — In einer Specialarbeit über die sechs ersten Ge- hirnnervenpaare (Dissertation von SrAaupısGer !) findet man über den Verlauf des N. olfactorius Genaues. — Rosext#aL lässt ihn mit einer äusseren Wurzel von einer fast kugeligen Windung des mitt- leren Lappens gleich hinter der Fossa Sylvii hervorkommen und mit einer inneren, dickeren, die unter dem Sehnerven auftauchen soll. Beide vereinigen sich am hinteren Theil des vorderen Lappens in einem sehr starken Markhügel, von dem ein dünner Nerv entsteht, der, von beiden Seiten zusammengedrückt, wie ein Bändchen er- scheint, welches in einer tiefen Furche am vorderen Hirnlappen, mit dem es nur durch die Hirnhaut zusammenhängt, bis zur Siebplatte fort- läuft. Er besteht aus zwei dünnen Markblättern, nach deren Trennung in ihrer Mitte ein enger Kanal sichtbar wird, welcher mit der Seiten- höhle des Gehirns in Verbindung steht. Ich kann mich hinsichtlich der sonst bei Carnivoren hervorragend stark entwickelten Riech- nerven bei Phoca vitulina des Eindruckes nicht erwehren, dass die- selben hier bereits eine regressive Metamorphose einzuschlagen im Begriff sind. Eine Thatsache, die zweifellos, zum Theil wenigstens, aus der oben auch für den Menschen schon erwähnten starken Ueber- lagerung seitens des Frontallappens hervorgehen dürfte. — Offenbar ist der Schwerpunkt der Entwicklung der höhern Sinnesorgane bei den Robben auf den Seh- und Gehörapparat gelegt (vergleiche die diesbezüglichen Nerven). II. Die Sehnerven. Nn. optici (Il); Nerf optique bei Leurrr und Grarioner; Par nervorum alterum, opticum scilicet (Trevr- MANN 2,2). Nervi ita formati circum crura cerebri laminae medul- !) Anatomisk Beskrifning öfver de sex första Cerebral-Nervparen hos gräa Hafsskälen (Halichoerus grypus), med den vid terfarna Medieimiska Fakul- tetens vid kejserl. Alexanders-Universitetet i Finland tillständ, under inseende af Evert Julius Bonsdorff (Philos. Magister, Professor i Anatomien och Physio- logien), för Medieinae Doctors-grad till offentelig grans hening framställd af JOHAN JuSTUS STAUDINGER. Helsingsfors 1847. 83] Das GEHIRN DES SEEHUNDES (PHocA VITULINA). 83 losae instar flectuntur, cum cruribus cerebri per fibras cohaerent et tunce ante infundibulum copulantur. Ibi vero et dexter et sinister nervus mutuo se secant. Am Sehnerven, der bei seiner Entwicklung aus dem Stiel der primitiven Augenblase hervorgeht, kann man beim Seehund drei scharf differenzirte Abschnitte, vom Ursprung aus gerechnet, unter- scheiden: Tractus, Chiasma und Nervus. Alle drei Abschnitte liegen auf der Hirnbasis frei zu Tage. — Die Tractus optici laufen bogenförmig über die Gehirnschenkel, mit denen sie auch vereinigt sind, und treten unter den Lobi pyriformes hervor an die freie Fläche der Basıs cerebri, wo sie sich 0,35 cm vor dem FPons treffen und das Chiasma bilden (vergl. Fig. 7 wie die spätere Beschreibung des Thalamus). Das Chiasma ist 0,5 cm breit und 0,4 cm lang. Es theilt sich in die nun divergent verlaufenden Nervi optici, welche 0,3 cm breite, dicke, eylindrische Stränge darstellen. Der Nerv selbst ist bedeutend dünner, als er bei Tıepemann und bei Leurer und GRATIOLET gezeichnet ist. Im Uebrigen zeigt sich keine wesentliche Differenz mit den menschlichen Verhältnissen. III. Nervus oculomotorius (III). Nerf moteur commun des yeux (Leurer und Grariozer); Nervi oculomotorii ex internis, post- remis et fere imis lateribus crurum cerebri emergentes (Trepemaxn). Er erscheint als ein kleiner dünner Strang am vorderen Rand der Brücke, ziemlich nahe der medialen Furche derselben, auf der freien Fläche. Die Fig. 2 von Lrurrr und Granorer gibt sein Verhältniss keineswegs entsprechend wieder. IV. Nervus trochlearis (IV). Nerf pathetique (Leurer und Grariorer); Pathetici nervi ceteris longe exteriores, inter cerebrum cerura cerebri et annularem protuberantiam procedentes.. E valvula cerebelli originem ducunt (Tırpemans). Er tritt als schwächster Gehirnnerv lateralwärts von der Brücke unterhalb des Nervus tri- geminus hervor und kreuzt in seinem ferneren Laufe schräg den N. oculomotorius. V. Nervus trigeminus (V). Nerf trifacial (Leurer und GrArTIoLET); Par nervorum quintum, tribus a se distinctis fascicatis e lateribus annularis protuberantiae emersum. Radices originem ducunt e medulla oblongata inter corpora restiformia et pyramidalia (Tıeor- MAnn). RosentHar fand, dass der Trigeminus vom VII. und VIII. Nerv bedeckt, aus dem Seitenbündel des vorderen Stranges des verlängerten Markes entsteht, und zwar mit einer breiten, bandartigen Wurzel, 84 THEODOR: [84 zu welcher in ihrem Verlauf nach vorne einige Fasern aus dem Seitentheile der Brücke hinzukommen. Er ist weitaus der stärkste der Gehirnnerven (0,4cm breit), tritt am lateralen unteren Rande der Brücke, anfänglich noch vom Nervus facialis bedeckt, an die Oberfläche mit „einer breiten, bandartigen Masse“ und einer ganz davon getrennten oberen Wurzel, die sich aus drei dünnen Strängen zusammensetzt. Letztere habe lich auf Fig. 2 mit Vb bezeichnet. Hierdurch spricht sich die Doppelnatur des Trigeminus im Sinne des Menschen deutlich aus (WırpersHem). Bei TırpvemAnn, wie auch bei Leurrr und GRATIOLET ist die kolossale Breite dieses Nervs entschieden stark übertrieben. SrtauDinGer: Nervus trigeniosus, s. dıvisus s. sympathicus com- munis den tredelta nerven. VI: Nervus abducens (VI). Nerf abducteur (Lrurer und GrariouLer); Sextum nervorum par s. abducens valde tenue ab an- teriore parte corporum pyramidalium exit (Tırpzmann). Er tritt als dünner, einheitlicher Strang seitlich von den Pyramiden und zwischen den Fasern des unteren Brückenrandes, dicht vor dem Nervus facıalıs. hervor. VII. und VIII. Nervus facialiıs und Nervus acusticus (VII und VIII). Nerf facial (f) und Nerf labyrinthique ou auditif (Lrurer und Grarioter); Nervi facialis pluribus fibrillis e corpore trapezoideo orientes (7, 7). Nervi auditorii, qui ex eodem transverso medullari tractu sub ima protuberantiae annularis parte erumpunt. Illi tractus repraesentant strias medullares e ventrieulo quarto orientes (Trepr- MANN). Diese beiden Nerven fasse ich zusammen, weil sie, aus einem Ganglion stammend, als gemeinsamer Stamm auf der äusseren Fläche des Seitenbündels des vorderen Stranges der Medulla oblongata, nahe an den Pyramiden, erscheinen. Die Breite des gemeinsamen Stammes beträgt 0,8 cm, wovon 0,6 cm auf den Nervus acusticus (Gehörnerv) und 0,2 cm auf den Nervus facialis (Gesichtsnerv) kommen. Sehr bald nach ihrem Aus- tritt trennen sich die Nerven, um jeder seinen eigenen Weg zu gehen. Der Nervus facıalis kreuzt und bedeckt noch einen kleinen Abschnitt, und zwar den Ursprungstheil des Nervus trigeminus. Wie beim Menschen verlässt er das Gehirn in inniger Beziehung mit dem N. acusticus; auf seinem Verlaufe sind deutlich zwei dünne, von einander getrennte Stränge zu beachten. Tırpzmann lässt ihn auf seiner Zeichnung ganz getrennt vom N. acusticus und zwar mit 85] Das GEHIRN DES SEEHUNDES (PHocA VITULINA). 85 drei oder vier Wurzeln an die Oberfläche treten, was nicht zu- treffend ist. Ausserdem erscheint er dort fast ebenso stark, wie der N. acusticus, während in Wirklichkeit der N. acusticus gerade die dreifache Stärke besitzt. — LEURET und GranioLEr geben auf ihrer Zeichnung genau dasselbe Verhältniss an, wie ich es gefunden habe. Der Nervus acusticus weist, wie gesagt, eine auffallende Dicke auf, was sich nach dem von Brenn !) über das vorzügliche Gehör des Seehundes Gesagte auch erwarten liess. (Vergleiche die Bemerkung und den Passus über den Riechnerven.) Er ist bedeutend stärker als beim Menschen. Auch diesen Nerv lässt Tıepemann wie den vorigen mit drei Wurzeifädchen an die Oberfläche treten, während er nach Leurer und GrATIOLET, wie auch nach meinen Untersuchungen als eine einheitliche Masse frei zu Tage tritt. IX. und X. Nervus glosso-pharyngeus und Nervus vagus (IX und X). Nerf glosso-pharyngien (g) und Nerf vague ou pneumo- gastrique (v) (Leurgr und GrarTioLer); Nervi glossopharyngei (9, 9) und Nervi vagi s. pneumo-gastrico crassissimi (TırpemAnn). Diese beiden Nerven beschreibe ich zusammen, weil sie ihren Ursprung im Vaguskerne haben, hauptsächlich und namentlich desshalb, weil sie auch äusserlich als eine zusammengehörende Gruppe erscheinen. Der Nervus glosso-pharyngeus verlässt unmittelbar nach vorne von den ersten Wurzelfäden des Vagus das Gehirn. Während er beim Menschen mit zwei Bündeln das Gehirn verlässt, die dann bald ein Stämmchen bilden, tritt er beim Seehund als ein einziges dünnes Stämmchen, gleichsam als vorderster Wurzelfaden des Vagus, an die freie Oberfläche. Auch bei Lszurer und GrariozLer findet sich in der Zeichnung dasselbe Verhältniss, während TıepemAnn ihn ganz getrennt von N. vagus entspringen lässt. Der Nervus vagus tritt mit vier deutlich von einander ge- trennten Wurzelfäden, die nach oben gerichtet sind, am lateralen Rande der Medulla oblongata hervor. Durch eine solche Dicke, wie in Tıepemann’s Abbildung, zeichnet er sich nicht aus, auch hat Rosent#HAu, der ihn als auffallend klein beschreibt, nicht das Rich- tige getroffen. Die Wahrheit liegt, wie so häufig, in der Mitte (Fig. 2, X, X. Wenn der letztgenannte Autor angibt, dass der Vagus seitens des Accessorius eine Ergänzung erfahre, so ist dies vollständig !) Breum’s Thierleben. 3. Bd. 1883. 86 THEoDoR : [86 richtig, allein es handelt sich dabei um nichts anderes als um die- selben topographischen Beziehungen, wie sie vom Menschen her be- kannt sind. XI. Nervus accessorius (XI) (N. Accessorius Willisii; N. re- currens); Nerv spinal (Lrurer und Grariouer). Nervi ad par vagum accessorii valde crassı, pluribus radicibus ex posteriori funiculo me- dullae spinae orientes. Inter magnitudinem horum nervorum, mus- culum sterno-cleido-mastoideum, cucullarem, aliosque cervieis mus- culos adeuntium, quorum ope Phocae sese aquae immergunt, et magnitudinem dietorum musculorum ratio directa intercedit (Trepr- MANN). Der Nerv entsteht tief unten am Halsmark und ist gleichsam ein Collector von einzelnen aus der Medulla oblongata hervortretenden Nervenbündeln. An den beiden vorliegenden Gehirnen sind drei bis vier solcher Bündel zu unterscheiden, die ich in der Abbildung mit XIc be- zeichnet habe. — Er verlässt mit dem Vagus, zu dessen Wurzeln (wie oben schon bemerkt) er sich gesellt, den Schädel durch ein gemeinsames Loch. Bei Tırpemann wie bei Lrur&ir und Grariouer sind fünf bis zehn Wurzelfäden eingezeichnet. Auch hier muss die von TıEpEMmANN gegebene Abbildung als grob schematisch bezeichnet werden. XII. Nervus hypoglossus (XI). Nerf hypoglosse (Lrurer und GraAriozer); Nervi hypoglossi plurimis fihris e medulla oblon- gata egredientes (TırpemAns). Er durchsetzt mit seinen Wurzelbündeln die Medulla oblongata lateralwärts von den Pyramiden in einer Reihe von zehn bis elf Wurzelfäden, die sich zu vier !) grösseren Gruppen vereinigen. Wie regelmässig beim Menschen, so vereinigen sich auch hier die Wurzel- fäden schliesslich in ein gemeinsames Bündel. Wie eine Gabel mit fünf Zinken lässt Tırpzmann diesen Nerv auf den Pyramiden selbst entstehen, während Leurer und GRATIOLET ihn direct aus den Corpora restiformia mit vier Fäden auftauchen lassen, was im Widerspruch steht mit der von mir angegebenen Lage und Gestalt dieses Nerven. !) Vielleicht darf in dieser Vier-Zahl des Hypoglossus ein Hinweis auf die ursprünglichen Verhältnisse dieser Hirnnerven im Sinne von drei bis vier Spinalnerven erblickt werden. Vergl. A. Frorıer (Arch. f. Anat. u. Physiol. 1832, 1885). 87] Das GEHIRN DES SEEHUNDES (PHocA VITULINA). 87 Die vordere Wurzel des ersten Cervicalnervs ist beim vor- liegenden Gehirn auch noch erhalten gewesen (1% c). RosentHan’s Angaben, dass alle von dem Encephalum abgehenden Nerven auffallend hart seien, der fünfte Nerv wie auch der Gehör- und Gesichtsnerv sich durch ihre Dicke auszeichnen, dagegen der herumschweifende Nerv (N. vagus) und der Sehnerv verhältnissmässig klein erscheinen, sind im Vorigen theilweise richtig gestellt worden. Medianschnitt durch das Gehirn. (Taf. III, Fig. 4.) Der Schnitt geht gerade durch die Mitte des dritten Ventrikels, zwischen den Thalami optiei (To), sowie durch die die Vierhügel (cp) trennende Längsfurche und endlich durch den centralen Theil des Wurms (V) hindurch, von wo aus der Schnitt etwas von der Median- linie abweicht. Man erblickt am unteren Rande noch den N. opticus (II) und das in seiner Mitte getroffene Chiasma (Ch). Bei Betrachtung dieses Schnittes, bei dem die rechte Hemisphäre vollständig mit Furchen und Windungen erhalten blieb, bemerkt man das Corpus callosum (cc) = Commissura maxima linea longitudinali notata (Tıiepemans). Der Balken macht wie im menschlichen Gehirn ein deutliches Knie, ist 3,9cm lang, auffallend dünn, verdickt sich nach hinten zu gleichsam zum Splenium corporis callosi, einem wie eingerollt er- scheinenden kleinen Wulst (cc). Oberhalb des Balkens nun, der zusammen mit der Commissura anterior und posterior allein beim Menschen die beiden grossen Hemisphären mit einander verbindet, sind die letzteren beim Seehund noch durch zwei hinter- einander liegende, dicke, längliche Stränge (xx), die ihrer Lage nach dem Gyrus fornicatus beim Menschen entsprechen, miteinander verbunden. Man könnte dieselben, ihrer Lage nach, passend mit Comissura suprema bezeichnen. Auf Fig. 5 sind die- selben durch eine ziemlich tiefe Furche getrennt, während auf Fig. 4 eine solche Furche nicht vorhanden ist. Da auf dem Schnitt die Tela chorioidea, sowie das Septum pellueidum entfernt sind, so sieht man das Corpus striatum (Cstr) mit seiner Oberfläche als rundlich ovalen Wulst in dem Raume zwischen dem Genu corporis callosi und dem Fornix hervor- ragen (Fig. 7). Es ist von auffallender Grösse und zieht sich nicht 88 THEODOR: [88 schwanzartig wie beim Menschen aus (Ust). Ein Ventriculus septi pellueidi ist zweifellos auch bei Phoca vorhanden. Die Pars communis des Fornix (F) und hinter ihr die Seehhügel sind deutlich sichtbar. Hebt man den Fornix etwas in die Höhe, so wird die Trennungsstelle zwischen Corpus striatum und Tha- lamus opticus (To) als eine tiefe Furche sichtbar. Die Seehhügel sind rundlich-oval und hängen an ihrer inneren Seite über der engeren dritten Hirnhöhle miteinander breit zusammen. An den Thalamus optieus schliessen sich die Vierhügel an (cq [s. Fig 7)). Das Kleinhirn, durch eine tiefe Furche (Fissura transversa) vom Grosshirn ganz abgehoben, zeigt auf dem Durchschnitt viel weisse Marksubstanz (AO), „Substantia medullaris cerebelli arbus- culas formans“. Ich wende mich nun zu der Betrachtung der Fig. 5 und 6. In beiden ist die Hemisphäre der rechten Seite erhalten. Auf Fig. 5 ist die linke durch einen Horizontalschnitt zum Theil abgetragen, während in Fig. 6 die Hemisphäre derselben Seite auch zugleich von aussen her bis auf die Höhle des Unterhornes präparirt er- scheint. Auf Fig. 5 ist die schwach eingefurchte Commissura suprema (x) über dem Balken sichtbar; ebenso der Thalamus optieus (von der Fornixplatte überlagert) und der Pes hippocampi major, welcher in seinem weiteren Verlauf auf Fig. 6 verfolgt werden kann. Die Spitze des Pes hippocampi major (Ph, Fig. 6) zeigt keine Digitationes, wie beim Menschen, sondern ist glatt, spitz zulaufend und von der zugehörigen Rindenpartie schalenartig umgeben. Er lässt sich aus einer dünnen Marklamelle, die einen Theil des Schläfen- lappens (l p, Fig. 6) ausmacht, wie aus einer Scheide herausschälen und ist mit ihr nach hinten zu innig verwachsen. Zu genauerer Anschauung ist die Marklamelle durch eine Nadel bei der Zeichnung zurückgehalten und man sieht ihre Verbindung mit dem Pes hippo- campi durch viele dünne Fädchen (Fig. 6 7). Was nun die Fig. 7 betrifft, so ist auf denselben das ganze Pallium sammt dem Balken und Gewölbe entfernt; die Stamm- zone allein ist erhalten. Bei der Entfernung des Gewölbes sieht man, wie dasselbe nach hinten zu, sowie seitlich die Thalami optici dorsalwärts in Form einer breiten Lamelle überlagert. Es ist dabei durch zarte, Gefässe führende Fädchen mit der Oberfläche derselben verbunden und lässt sich in Folge dessen mit leichter Mühe davon abheben. Geschieht 89] Das GEHIRN DES SEEHUNDES (PHocA VITULINA). 89 letzteres, so bemerkt man, wie es dem Pes hippocampi major ent- lang nach abwärts zieht, um endlich mit letzterem zu verwachsen. Nach hinten zu geht das Gewölbe immer in directer Fortsetzung der den Thalamus optieus überlagernden Lamelle in eine wulstige Bildung über, die ihrer Lage nach dem hintersten Abschnitt des Gewölbkörpers am menschlichen Gehirn entspricht. Das Pulvinar des Sehhügels ist ausserordentlich stark ent- wickelt; man sieht den Tractus optieus in voller Ausdehnung sich direct aus ihm entwickeln und basalwärts ziehen. Die Corpora geniculata des Sehhügels sind viel stärker entwickelt als beim Menschen, liegen aber an derselben Stelle. — „Corpora geniculata externa permagna“ (Tıepemans). — Die von der Zirbel, welch letz- tere ich nicht zu Gesicht bekommen habe, nach vorn ausstrahlenden Taeniae medullares (Tm) sind ebenfalls viel stärker entwickelt als beim Menschen. Von einer Commissura media war nichts zu sehen, dagegen zeigte sich die vordere und hintere Commissur gut entwickelt. — Commissura cerebri posterior, thalamos ipsosque nervos opticos fibris transversis medullosis connectens. Commissuram mediam s. lacunar Vieussenii non vidi (Trepemans). Die Vierhügel (Corpora quadrigemina, cq) stellen gegenüber den menschlichen Verhältnissen ungleich grössere Gebilde dar und erscheinen enge zusammengeschoben und nur durch eine halbmond- förmige Furche von einander abgesetzt. Nach abwärts vorwärts laufen sie in ihre Brachia aus, wie beim Menschen. Das Velum medullare anterius s. superius, das, zwischen die oberen kleinen Bindearme eingelagert, die Verbindung der Vierhügel mit dem Klein- hirn darstellt, ist bei weitem breiter als beim Menschen, womit die Bemerkung von KosextHtAr in merkwürdigem Contrast steht, dass nur eine Spur von Marksegel vorhanden sei. Ferner sagt RosextHau über die Vierhügel, dass sie in der Grösse fast mit den mensch- lichen übereinstimmen, nur breiter und durch tiefere Furchen von einander gesondert seien. Das vordere Paar soll nach ihm etwas grösser, doch flacher als das hintere sein. Sie sind auch in der That flacher und bieten eine kuchenartig niedergedrückte Gestalt dar, sind aber bedeutend kleiner, als die hinteren. Das hintere Paar springt jederseits als starker, fast knopfartiger, an eine Mamma er- innernder Höcker nach hinten aus, so dass sich zwischen ihnen, in der Medianlinie von hinten einschneidend, eine tiefe Incisur befindet. Sie werden von den vorderen, zum grössten Theil von vorn her 90 THEoDoR: [90 dachziegelartig gedeckt, so dass man in die Querspalte zwischen beiden von hinten her ziemlich weit einzudringen vermag (Fig. 7). Ein Frenulum zwischen dem hinteren Paar der Vierhügel und dem Marksegel fehlt. Tırpemanv nennt die oberen Vierhügel „protuberantiae nati- formes dictae, e quibus nervus opticus radices adducit“, die unteren Vierhügel „protuberantiae posteriores, testiformes appellatae“, Bezüglich der Ueberlagerung des Thalamus opticus seitens der Fornixplatte siehe Fig 5, wo alles in situ gelassen ist. Nach Rosentuan sind die Schenkel des Gewölbes (Fornix) und die gerollten Wülste (Cornua Ammonis) im Verhältniss zu den Hirn- balken nur klein, allein im Vergleich zum Ganzen verhältnissmässig grösser, als beim Menschen. Tırpemann: Crura fornieis (xx) anteriora e tuberis candicanti- bus emergentia, fibrisque ad longum decurrentibus composita, quae retrorsum in crura fornicis posteriora inque pedes hippocampi abeunt. Endlich noch ein Wort über die Fig. 8 (!/emal vergrössert). Schneidet man die präsylvische (Gpr) und die postsylvische (Gps) Rindenpartie aus, so sieht man, wie sich von der dorsalen Seite herab ein einziger Windungszug, der nur in seiner oberen Partie zwei Querfurchen, bezw. eine schiefe (a) und eine quere (b) besitzt, in die Tiefe zieht, offenbar die Andeutung einer, wenn auch noch höchst einfach gestalteten Insula Reilii (Stamm- lappen). Auch findet sich eine Spur einer weiteren Querfurche (e) mehr basalwärts. Beim Hund ist von einer Inselbildung noch keine Rede, sie ist höchst wahrscheinlich nur ein Attribut der Primaten. Zusammenfassung. Zum Schlusse mag es angezeigt erscheinen, sämmtliche an dem Gehirn von Phoca vitulina gewonnenen Ergebnisse noch einmal übersichtlich zusammenzufassen. — Wenn sich auch nicht verkennen lässt, dass das Phoca-Gehirn in seinem allgemeinen Aufbau und Grundplan auf den Carnivorentypus zurückzuführen ist, so zeigt es doch nach den verschiedensten Seiten hin eine Reihe nicht unbe- trächtlicher Abweichungen, welche auf das Ueberzeugendste darthun, dass Robben und Carnivoren in ihrer Gehirnorganisation heutzutage weit von einander getrennt sind, und dass die 91] Das GEHIRN DES SEEHUNDES (PHocA VITULINA). 91 gemeinsame Ausgangsform in einer fernen geologischen Erdperiode (Eocän?) gesucht werden muss. Ich möchte in dieser Beziehung folgendes hervorheben: Der Windungstypus weicht nicht nur nach vielen Seiten hin von dem Gehirn eines Hundes z. B. oder auch eines katzenartigen Thieres bedeutend ab, sondern steht auch in seiner Complication und überreichen Formgestaltung auf ungleich höherer Stufe. Es kann überhaupt zwischen beiden Typen nicht wohl eigentlich von einer Uebereinstimmung, sondern nur mehr von einer Aehnlichkeit ge- sprochen werden. Der feste Punkt, von dem stets mit Sicherheit ausgegangen werden kann, wird durch die Fissura Sylvii repräsentirt, und das allerhöchste Interesse scheint mir der Nachweis der ersten Anlage einer Insula Reilii d. h. eines Stamm- oder Centrallappens be- anspruchen zu dürfen, insofern schon hieraus die grosse Differenz mit dem Gehirn der Carnivoren ersichtlich ist. Ein zweiter nicht minder wichtiger Punkt betrifft die neben dem Corpus callosum bestehende, merkwürdige Verbindung der beiden medianen Hemisphärenflächen. Die hierin sich aussprechende, ge- wissermassen den Werth eines accessorischen Balkens bean- spruchende Bildung fordert zu neuen Untersuchungen auf, und dürfte noch andere wichtige Resultate zu Tage fördern. Bezüglich anderer bemerkenswerther Punkte, wie z. B. der Seitentheile des Kleinhirns, der einzelnen Nerven, der Brücke u. s. w. kann ich wohl auf die Detailausführung verweisen !). !) Die vorliegenden Untersuchungen sind im anatomischen Institut der Universität Freiburg im Winter 1837 ausgeführt. Tafelerklärung. Allgemeingültige Bezeichnungen. A Vorderer Gehirnlappen. B Mittlerer Gehirnlappen. cc Corpus callosum. Ch Chiasma. cq Corpora quadrigemina. est Corpus striatum. F Fornix. Fi Fimbria. Lp Lobus parietalis. Ph Pes hippocampi major. ps Fissura praesylvia. S Fissura sylvü. sp Fissura splenialis. ss Fissura suprasylvia. ssp Fissura suprasylvia posterior. x Commissura suprema. II Nervus opticus. Tafel VII. (Fig 1, Fig. 2, Fig. 5.) Riese (Gesammtes Gehirn von der Dorsalseite.) A Vorderer Grosshirnlappen. a Fissura ansata. B Mittlerer Grosshirnlappen. C Hinterer Grosshirnlappen. co Fissura coronalis. L Fissura lateralis. ps Fissura praesylvia. S Fissura Sylvia. sp Fissura splenialis. ss Fissura suprasylvia. ssp Fissura suprasylvia posterior. Fig. 2. (Gesammtgehirn mit Medulla ob- longata und Rückenmark von der Ventralseite.) A Vorderer Gehirnlappen. B Mittlerer Grosshirnlappen. C Seitenlappen des Kleinhirns, Ch Chiasma. Cr Corpora restiformia. d Pyramidenkreuzung. P Lobus pyriformis. pr Fissura prorea. Ps Pons (Brücke). ps Fissura praesylvia. 93] Py Pyramiden. rh Fissura rhinalıs. rhp Fissura rhinalis posterior. S Fissura Sylvü. Spf Substantia perforata anterior. T Tuber cinereum. I Nervus olfactorius. II Nervus opticus. II Nervus oculomotorius. IV Nervus trochlearis. V, Vb Nervus trigeminus. VI Nervus abducens. VII Nervus facialis. VIII Nervus acusticus. IX Nervus glosso-pharyngeus. X Nervus vagus. Tafel (Fig. 3, Fig. Fig. 3. (AnsichtdesGesammtgehirnsvon aussen [rechte Seite].) ps Fissura praesylvia. S Fissura Sylvia. ss Fissura suprasylvia. ssp Fissura suprasylvia posterior. Fig. 6. (Ansicht des Pes hippocampi ma- jor und der Fimbrien nach theil- -weiser Entfernung der linken Hemisphäre [linke Seite von aussen gesehen].) Fi Fimbria. Lp Lobus parietalis. THEeoporR: Das GEHIRN DES SEEHUNDES (PHocA VITULINA). 95 XI, XIce Nervus accessorius Willisii. XII Nervus hypoglossus. lere 1. Cervicalnerv. Fig. 5. (Ansicht des Balkens und Basal- ganglien von der Dorsalseite nach Abtragung des Palliums der linken Hemisphäre.) cc Corpus callosum. est Corpus striatum. Fi Fimbria. Lp Lobus parietalıs. Ph Pes hippocampi major. xx Commissura suprema. IX. 6, Fig. 7.) Ph Pes hippocampi major. t Verbindung zwischen Lp und Ph. To Thalamus opticus. Fig. 7. (Ansicht vom Hirnstamm, Basal- gangliendesGrosshirns, Corpora quadrigemina und Rauten- grube.) Cp Commissura posterior. cq (v) Vorderes Vierhügelpaar. cq (h) Hinteres Vierhügelpaar. Cst Corpus striatum. Ph Pes hippocampi major. Tn Taeniae medullares. Tafel X. (Fig. 4, Fig. 8.) Fig. 4. (Medianschnitt durch das Gross- hirn, Kleinhirn und die Medulla oblongata.) ce Fissura eruciata. ec Corpus callosum. Ch Chiasma. cq Corpora quadrigemina. est Corpus striatum. F Fornix. Sp Fissura splenalis. x Commissura suprema. ll Nervus opticus. 94 Tueopor: Das GEHIRN DES SEEHUNDES (PHOcA VITULINA). [94 Fig. 8 (!/amal vergrössert). c Weitere Querfurche. (Ansicht der Insula Reilii nach 4 Von der Oberfläche kommende un- Abtragung desGyrus praesylvius bedeckte Windungen. und postsylvius.) Gpr Gyrus praesylvius. a Schiefe Querfurche. Gps Gyrus postsylvius. b Quere Querfurche. Anmerkung. Sämmtliche Figuren, mit Ausnahme von Fig. 8 sind mit dem Lucae’schen Zeichenapparate in natürlicher Grösse dargestellt. Berichte d Naturf' Ges. Bd Taf: vm VO rh rar he nn nn nn nn Jul Arıt 1 Misere Wider Frankfurt %a! A Mn DU" hun ]T Allen, De RT. ars IMET Lo 1, Berichte d Naturf‘ Ges. Bd. I. Taf: IX Beiträge zur Anatomie der Thränendrüse. Von Dr. med. Emil Sardemann. Das Auge ist so häufig Gegenstand der eingehendsten Studien in entwicklungsgeschichtlicher und vergleichend-anatomischer Be- ziehung geworden, dass man es mit Recht zu den bestgekannten Theilen unseres Organismus zählen kann. Eines seiner Nebenorgane aber hat bei fast allen Untersuchungen so zurückstehen müssen, dass wir noch heute im Grunde genommen wenig Sicheres von ihm wissen; ich meine die Glandula lacrymalıs. Da wurde von der medicinischen Facultät der Universität Frei- burg für das Jahr 1883—1884 folgende Preisaufgabe gestellt: „Die Glandula lacrymalis soll vergleichend-anatomisch, ent- wicklungsgeschichtlich und histologisch eine genaue Bearbeitung er- fahren. Dabei ist das Hauptgewicht zu legen auf ihr erstes Auf- treten in der Thierreihe, auf ihr Verhältniss zur HArper’schen Drüse und ihre Beziehung zum ersten resp. zweiten Trigeminus.“ Der vom Verfasser eingereichte Versuch einer Lösung dieser Aufgabe wurde preisgekrönt. Die Ergebnisse der vergleichend- anatomischen Untersuchung sollen in der vorliegenden Abhandlung niedergelegt : werden. Sehen wir uns zunächst nach dem um, was bisher in der Li- teratur über das Vorkommen der Glandula lacrymalis bei den Wirbel- thieren bekannt war. Die Angaben über das Organ beim Menschen sind bei sämmtlichen Autoren ziemlich übereinstimmend. Im Fol- genden halte ich mich im allgemeinen an die Darstellung Hexue's, 96 SARDEMANN: [96 Die nach acinösem Typus gebaute Thränendrüse besteht aus meh- reren Lappen, die in zwei Lagen angeordnet sind und durch die mit dem M. levator palpebrae zusammenhängende sehnige Ausbrei- tung von einander geschieden sind. Die obere ist ein compacter, eirunder, im verticalen Durchmesser abgeplatteter und nach der Decke der Orbita gekrümmter Körper, dessen längste Axe 15—20 mm in einer transversalen gegen das mediale Ende aufsteigenden Rich- tung liegt. Die untere Lage wird durch eine Gruppe grösserer und kleinerer, theils kugeliger, theils gestreckter Drüschen gebildet, welche reihenweise über dem Fornix der Conjunctiva und unmittel- bar auf deren äusserer Fläche liegen. Durch Läppchen, welche an den aus der oberen Drüse stammenden Ausführungsgängen hängen, wird eine Verbindung zwischen der oberen und unteren Drüse her- gestellt. Die Zahl dieser Ausführungsgänge beträgt zwischen drei und fünf, ihr Durchmesser im injieirten Zustande 0,45 mm, sie be- stehen aus einem Öylinderepithel und einer bindegewebigen Propria, deren Bündel innen longitudinal, aussen ringförmig verlaufen. Die kurzen Ausführungsgänge der unteren Drüse münden zum Theil in die Ausführungsgänge der oberen, zum Theil selbstständig zu beiden Seiten derselben, 5—9 an der medialen, 2—4 an der lateralen Seite jener Hauptausführungsgänge. Nach anderen Autoren scheint die Zahl der Ausführungsgänge sehr schwankend zu sein. Allge- mein wird angegeben, dass dieselben in der Conjunctiva des oberen Augenlides münden; nur Hryerz berichtet, dass er in einem Injec- tionspräparate zwei Ausführungsgänge in der unteren Conjunctiva fand. Mag dies auch ein seltenes Vorkommniss sein, so dürfte es sich doch häufiger finden, als man im allgemeinen anzunehmen ge- neigt ist. Die Wichtigkeit dieser wohl über jeden Zweifel erhabenen Angabe werden wir später erkennen. Gleich hier möchte ich bemerken, dass die oft schwierige Auf- findung der Mündungen der Ausführungsgänge durch folgendes Ver- fahren ganz bedeutend erleichtert wurde. Auf die Conjunctival- schleimhaut des zu untersuchenden Auges wird eine dunkle Aquarell- farbe in dicker Schicht aufgetragen und nach eimiger Zeit die Farbe mit einer Spritzflasche leicht wieder abgespült. Von der Oberfläche der Conjunctiva wird dadurch alle Farbe entfernt, während die von den Ausführungsgängen aufgesaugte Farbe bleibt und die Stelle der Mündung leicht kenntlich macht. Ueber die Entstehung des Zusammenhanges zwischen oberer und unterer Partie der Drüse gibt Greensaur uns Aufklärung. 97] BEITRÄGE ZUR ANATOMIE DER 'THRÄNENDRÜSE, 97 Eine Anzahl (10—15) Drüsenanlagen entsteht am lateralen Theil des oberen Fornix conjunctivae und wächst gegen die Orbita hin. Jede Drüsenanlage bildet sich nach dem acinösen Typus weiter aus, aber nicht alle erreichen gleiches Volumen. Die Mehrzahl bildet kleinere Drüschen, welche der Conjunctiva benachbart bleiben. Eine Minderzahl (3—5) wächst allmählich zu bedeutenderem Umfange und entfernt sich in demselben Masse von der Conjunctiva, mit der sie nur durch die Ausführungsgänge in Verbindung bleibt. Diese letzteren Drüsen bilden die obere Thränendrüse, während der Com- plex der kleineren als untere Thränendrüse bezeichnet wird. Nach Köwvıeer entstehen die Thränendrüsen als anfänglich solide Wucherungen des Epithels der Conjunctiva und ihre Bildung fällt beim Menschen in den dritten Monat. Um diese Zeit messen ihre soliden Endigungen bis zu 0,lmm und haben bereits eine sehr deutlich mesodermatische Hülle. Nach Luscara u. A. ist es wahrscheinlich, dass mit der Thränen- drüse jene kleinsten acinösen Drüschen, welche die Conjunctiva im Bereich des ganzen Fornix durchbohren, gleiche Function haben, ein dünnes, wässeriges Fluidum auszuscheiden. Das Secret der Thränendrüse ist ein sehr wässeriges, (nach Krause) 99% Wasser und ohne Mucingehalt. Dem entsprechen auch die von Reıcnen beobachteten morphologischen Veränderungen der Thränendrüse bei ihrer Thätigkeit. Hinsichtlich der Innervatıon wird berichtet, dass dieselbe von Seiten des ersten Trigeminusastes geschieht. Die Angaben über das Vorhandensein und das erste Auftreten der Thränendrüse bei den übrigen Vertebraten sind in der Literatur nicht sehr reichlich. Gänzlich vernachlässigen darf man wohl die Periode, in der man alle drüsigen Gebilde, die ihr Secret auf die Conjuncetiva ergiessen, unter dem Namen Thränendrüse zusammen- fasste und vor allen Dingen Glandula lacrymalis und Glandula Har- deriana durcheinander warf. Owex gibt nicht genau an, wo zum ersten Male im Thierreiche Thränendrüsen auftreten. Er führt Glandula lacrymalis an bei Chelone, beim Krokodil. Von den Vögeln be- schreibt er die der Gans. Bei Cetaceen erwähnt er eine eigentliche Thränendrüse, während die Harver’sche Drüse nur durch eine An- häufung Meızom’scher Drüsen im inneren Augenwinkel gebildet werde. Diese Angabe ist neuerdings durch M. Weser dahin richtig gestellt, dass bei Cetaceen nur eine Harver’sche, keine Thränendrüse zur Ausbildung gelangt. Dazu kommt noch ein vollkommenes Fehlen Berichte III. 7m 98 SARDEMANN: [98 der Thränenpunkte und Thränenröhrchen. Beim Seehund kommt er nur auf die Harver’sche Drüse zu sprechen, ebenfalls erwähnt er nur diese bei Marsupialiern. Jos. Mürter gibt eine genauere Beschreibung der Glandula lacrymalis bei Chelone midas, Anser, Ovis. Srannıus schreibt den Ophidiern zwar noch eine Thränendrüse zu, macht aber sonst doch einen scharfen Unterschied zwischen Harver’scher und Thränen- drüse. Den Urodelen sollen nach ihm drüsige Organe in der Cir- cumferenz des Bulbus vollkommen fehlen, während Chamäleoniden beide Drüsen haben. Bei den Sauriern hegt er bereits den Ge- danken, es könne ausser Glandula Harderiana auch noch die Thränen- drüse existiren, aber er vermochte sie nicht nachzuweisen. Es ist das grosse Verdienst Fr. Leyore’s, dies bei Lacerta und Anguis fra- gilis gethan zu haben, ein Befund, der durch M. Weser seine voll- ständigste Bestätigung fand. Am Krokodil beschreibt Raraxz eine kleine, schwer auffind- - bare Thränendrüse. C. K. Horrmann glaubt, dass alle Chelonier eme Thränendrüse besitzen und zwar eine wohl entwickelte. Dem gegenüber glaubt B. Horrmann in neuerer Zeit auf Grund von Untersuchungen über die Thränenwege der Chelonier diesen die Thränendrüse absprechen zu sollen. Nach Barrour kommt Glandula lacrymalis den Sauropsiden und Säugethieren zu. Ueber die Lage der Thränendrüse im allgemeinen wird be- richtet, dass sie am hinteren oberen Rand des Bulbus liege oder aber auch auf den unteren Rand übergreife. Die Mündung der Aus- führungswege wird durchweg in den oberen Fornix conjunctivae, höchstens in die Gegend des äusseren resp. hinteren Augenwinkels verlegt. Höchst merkwürdig erscheint es, dass bei Sauriern und Vögeln, wie von Weser sowohl wie von WıEDERSHEIMm nachgewiesen wurde, die Innervation von Seiten des zweiten Trigeminusastes besorgt wird, im Gegensatze zu den Säugern, bei denen der erste Trigeminus Zweige zur Thränendrüse sendet. Es muss in hohem Grade auf- fallend erscheinen, dass Organe, welche gleichen Functionen vor- stehen, in verschiedenen Thierklassen von verschiedenen Nerven ver- sorgt werden. Wenn ich noch einmal alles in vergleichend-anatomischer Hin- sicht über die Glandula lacrymalis bekannt Gewordene zusammen- 99] BEITRÄGE ZUR ANATOMIE DER 'THRÄNENDRÜSE. 99 fassen soll, so glaube ich mich hierbei an das Wırversurım’sche Lehrbuch anschliessen zu dürfen. „Das erste Auftreten der nach acinösem Typus gebauten Thränendrüse beobachtet man bei Lacer- tiliern und Scinken. Sie repräsentiren hier noch ein sehr kleines Organ, das jedoch bei Anguis etwas grösser ist als bei Lacerta. Bei beiden aber liegt es, ähnlich wie bei den Säugern, oben und hinten gegen den hinteren Augenwinkel hin. Chelonier und Kroko- dilier besitzen ebenfalls eine Thränendrüse, den Schlangen aber scheint sie zu fehlen oder kommt sie hier vielleicht nur im Embryo- nalstadıum vor. „Bei Vögeln, wovonäich bei Tauben nähere Untersuchungen anstellte, finde ich die Thränendrüse nicht oberhalb des hinteren Augenwinkels, sondern eine ziemliche Strecke unterhalb desselben gelagert. „Der weite und lange Ausführungsgang des auch hier noch ziemlich unansehnlichen, maulbeerartig gelappten Organs nimmt seine Richtung nach vorne und oben und mündet mit weiter, trichter- förmiger ÖOeffnung in der Nähe des hinteren Augenwinkels aus. Weniger auffallend als die verschiedene Lage ist die Thatsache, dass die Thränendrüse der Vögel und Saurier, wie ich sehe, nicht wie die der Säuger vom ersten, sondern vom zweiten Trigeminus versorgt wird. Die Beobachtungen von M. Weser, der seine Unter- suchungen an Lacerta anstellte, stimmen mit meinen Befunden be- züglich dieses Punktes vollkommen überein. „Bei allen Säugern liegt die Thränendrüse, und zwar oft in mehrere grössere und kleinere Portionen vertheilt, an der Aussen- seite des Bulbus, hinten und oben vom äusseren Augenwinkel. Das Secret ergiesst sich in der Regel durch mehrere Oeffnungen in den Conjunctivalsack.*“ Dies ist im wesentlichen das bisher über die Thränendrüse im allgemeinen bekannt Gewesene. Wenden wir uns nun zur Unter- suchung der einzelnen Thierklassen. Fische. Den Fischen fehlt jede Andeutung des in Frage stehenden Organes. 100 SARDEMANN: [100 Lurchfische. Aus der Klasse der Lurchfische habe ich den Schädel eines Protopterus mit Hülfe des Mikrotoms in eine fortlaufende Reihe von Querschnitten zerlegt, die zwar wegen der ziemlich vorgeschrit- tenen Maceration des Thieres nicht übermässig fein zu nennen waren, immerhin aber den sicheren Schluss gestatten, dass bei Protopterus und damit wohl in der ganzen Gruppe drüsige Organe, welche in Beziehung zur Conjunctiva treten, nicht bestehen. Amphibien. Zum ersten Male finden wir derartige Organe bei den Am- phibien, und zwar nicht nur solche, welche der Glandula Har- deriana der Reptilien, Vögel und Säuger gleichwerthig zu er- achten sind. Die erste Andeutung davon finde ich in Wirversurm’s: „Die Kopfdrüsen der geschwänzten Amphibien.“ Derselbe sah, dass bei der Gattung Spelerpes (Plethodon glutinosus) „nicht nur die ganze Schnauzengegend und die Oberlippe von einem drüsigen Organ eingenommen wird, sondern dass letzteres auch noch die beiden Seitenhälften des Vorderkopfes in paariger Anordnung überlagert. Dabei kommt es in eine tellerartige Vertiefung des Nasale und Frontolacrymale zu liegen und zieht nach rückwärts zur Mitte der oberen Circumferenz der Orbita; ja es bleibt nicht einmal auf der freien Oberfläche liegen, sondern wandert noch mit einigen Schläuchen hinab in den vorderen Winkel der Augenhöhle, wo es mit der Oeff- nung in der hintern Wand der Nasenhöhle in unmittelbare Berüh- rung tritt.“ Bei Batrachoseps attenuatus ist dieses Organ im allge- meinen noch viel stärker entwickelt, und was die uns zunächst inter- essirende Partie des Organs anlangt, diejenige nämlich, welche in die Orbita hineinwuchert, so ist hier „eine förmliche Austapezirung des vorderen Abschnittes der Augenhöhle von Seiten der drüsigen Massen zu beobachten“. „Diese in der Orbitalhöhle liegenden Drüsen- partien hören nun keineswegs an der bezeichneten Stelle auf, son- dern setzen sich in das untere Augenlid fort, indem sie ca. I mm von dessen freiem Rande entfernt und zugleich parallel mit diesem nach hinten ziehen. Die betreffenden Drüsenschläuche sind bald mehr, bald weniger geknäuelt, ja an manchen Stellen beinahe voll- 101] BEITRÄGE ZUR ANATOMIE DER 'THRÄNENDRÜSE. 101 kommen gerade und liegen zwischen der dem Bulbus zugewandten Fläche der Cutis einer- und der Üonjunctivalschleimhaut anderer- seits ausgespannt.“ Das Ganze macht den Eindruck eines schmalen Bandes, das den Bulbus von unten her umschlinst. „Auch das obere Augenlid besitzt hier sowohl wie bei Plethodon glutinosus kleme Drüsenschläuche, welche jedoch nur sporadisch auftreten und sich nicht zu einem grösseren zusammenhängenden Complex ver- einigen, wie wir dies beim unteren Augenlid beobachtet haben.“ Bei Chioglossa lusitanica spannt sich „ein Drüsengürtel quer über die Stirnbeine Nerüber, er umgreift, ins obere und untere Augenlid eingebettet, den Bulbus von beiden Seiten; letzteres kommt also dadurch in einen ganz geschlossenen Drüsenring zu liegen.“ Ein ähnlicher Befund war an einer anderen amerikanischen Spelerpesart gemacht. Bei Batrachoseps öffnen sich die erwähnten Drüsenschläuche am vorderen Augenwinkel mit so zahlreichen Mündungen, dass bei- nahe alles Zwischengewebe verschwindet und sie sich nahezu be- rühren. Von hier aus zieht sich der Drüsengürtel von vorne nach hinten, den Bulbus umschlingend, seine Ausmündungsstellen finden sich niemals auf dem freien Rande der Conjunctiva, sondern immer auf ihrer Fläche und zwar hinauf und hinab bis zu ihrem oberen und unteren Umschlassrande. | Der Verfasser ist nun der Ansicht, mit jenem Drüsenabschnitte, der sich in der Augenhöhle findet, die primitivsten Anlagen der drü- sigen Organe gefunden zu haben, welche in Beziehung zur Conjunc- tivalschleimhaut des Auges treten. Auf eine diesbezügliche Anfrage theilte ihm Leyvıs brief- lich mit: „Ich glaube mich erinnern zu können, dass ich die Harper’sche Drüse nicht blos (bei Triton) beobachtet habe, sondern auch eine Skizze davon in meinen Papieren besitze.“ Es gelang indessen Wreversueim nicht, ein der Hırner’schen Drüse der Anuren homologes Gebilde am inneren Augenwinkel dieser Urodelen nachzuweisen; wohl aber vermochte er, die bereits mehrfach erwähnte Unterlidsdrüsenspange bei einer sehr grossen An- zahl von Salamandrinen nachzuweisen, sowie auch bei Ichthyoden, desgleichen soll sie bei Anuren vorkommen. Professor WırversHeım ist nun der Ansicht, dass dieser Drüsen- theil, ebenso wie jene ganze, den Vorderkopf theilweise einhüllende Partie als umgewandelte Hautdrüsen aufzufassen sind; und wir hätten 102 SARDEMANN: [102 nach ihm bei Deutung des Orbitalabschnittes zu unterscheiden zwischen jenen Fällen, wo es sich einerseits noch um einen festen Verband der Drüse mit der Haut, andererseits aber um eine Abschnürung von letzterer handelt. Es ergab sich nämlich bei Untersuchung der verschiedenen Thiere, dass bei manchen sich die äussere Haut mit grosser Leich- tigkeit von dem Drüsenstratum entfernen und abheben liess, wäh- rend bei anderen letztere Manipulation ohne Zerstörung der Drüsen fast unmöglich war. | Sind die Drüsen in noch festem Verband mit der Haut, so hätten wir hier die bei den Säugern als Mrızom’sche Drüsen be- zeichneten Gebilde, während die wohl abgeschnürten nach Form und Lage zu identificiren wären mit dem Organe, das wir durch Leroıe bei den Ophidiern als Harprr’sche Drüse kennen lernten. Somit hätten wir es bei den accessorischen Drüsenorganen des Auges, spec. Mersom’schen und Harper’schen Drüsen, mit transformirten Haut- drüsen zu thun. In neuerer Zeit hat nun Reıcnern in seiner Inaugural-Disser- tation: „Beiträge zur Morphologie der Mundhöhlendrüsen der Wirbel- thiere“ die Ansicht Wiırversurm’s, dass jenes dem Vorderkopfe exotischer Urodelen aufliegende Drüsenorgan als modificirte Haut- drüsen aufzufassen seien, bekämpft und kommt zu dem Schlusse, dass dieselben vielmehr eine Wucherung der Intermaxillardrüse dar- stellen. Er sagt: „Meiner Ansicht nach wuchert somit bei allen diesen oben genannten fremdländischen Urodelen die Intermaxillar- drüse weit über den Zwischenkieferraum hinaus und sendet ihre Aus- läufer, sich überall Platz verschaffend, wo dies die Umgebung er- laubt, nach allen Richtungen über den Schädel, und hiermit würden die Drüsen in das Gebiet der Speicheldrüsen zu verweisen sein.“ Die Entscheidung über die Richtigkeit der einen oder der an- deren dieser Anschauungen kann hier vollkommen hintan gesetzt werden, da jene Partie der Drüse, welche in die Orbita hineinwuchert, in nur scheinbarem Zusammenhange mit der Unterlidsdrüsenspange steht, die eine Bildung sui generis ist und in der That die primi- tivste Anlage der Augendrüsen darstellt. Reichen sagt hierüber Folgendes: „Das untere Augenlid wird bei der Mehrzahl der Urodelen von mehreren schlauchförmigen, von vorne nach hinten ziehenden, dicht unter der Conjunctiva gelegenen Drüsen durchsetzt, die in ihrem ganzen Bau denen der Glandula intermaxillaris gleichen. Sie münden unterhalb des freien Lidrandes 103] BEITRÄGE ZUR ANATOMIE DER THRÄNENDRÜSE, 103 auf der freien Conjunctivalfläche. Ausser diesen Drüsen finde ich besonders stark entwickelt bei jenen ausländischen Urodelen noch einen Drüsencomplex, der, von dem vorderen unteren Augenwinkel ausgehend, sich an der Innenseite der Orbita nach hinten und oben hinzieht; er nähert sich sehr den über das Os frontale nach rück- wärts ziehenden Schläuchen der Intermaxillardrüse, ist aber, wie ich oben gezeigt, völlig von ihnen getrennt. Sie stehen in Zusammen- hang mit den das untere Lid durchziehenden Drüsen und ich be- trachte sie als ein Homologon der bei den Reptilien allerdings weit stärker entfalteten Harper’schen Drüse. Auch bei den Salamander- und Tritonenarten fand ich Andeutungen dieser Drüse, wenn auch nicht in der Ausdehnung, wie bei Hemidactylium.* Diese Wahrneh- mungen stehen in vollständigster Uebereinstimmung mit den Be- obachtungen, welche ich an Schnittserien machte, die ich durch eine Anzahl verschiedener Amphibienköpfe anlegte, sowie den Ergebnissen meiner, meist mit Hülfe der Lupe angestellten präparatorischen Untersuchungen. Auch ich bin der Ansicht, dass in jener stärker ent- wickelten Partie der Drüsen des unteren Augenlides am vorderen !) Winkel die erste Anlage der Harver’schen Drüse zu suchen ist. In jenem Drüsencomplex aber, der sich bandartig durch das untere Augenlid hinzieht und dessen Mündungen niemals, wie auch in der Wreversueim’schen Arbeit hervorgehoben wurde, den freien Lidrand erreichen, sondern stets auf der Conjunctivalfläche ausmünden, erkenne ich nicht Meızom’sche Drüsen, sondern die erste Anlage der Glandula lacrymalis. Ich bin der Ansicht, dass diese meine Behaup- tung durch die ganze Reihe meiner vergleichenden Untersuchungen vollkommen gerechtfertigt wird. Bezüglich der Ontogenese hoffe ich später im Stande zu sein, nähere Angaben zu machen, obschon es wohl kaum zweifelhaft sein kann, dass die Drüsen vom Conjunctivalepithel ihren Ausgang nehmen. Um nun nach diesem nochmaligen Excurs auf das literar- historische Gebiet zu meinen eigenen Untersuchungen überzugehen, so möchte ich bemerken, dassich aus der Klasse der Amphibien in Schnitt- serien zerlegte: die Köpfe erwachsener Exemplare von Triton tae- niatus, T. helveticus, T. alpestris, Salamandra maculata, Rana escu- ı) Es sei mir gestattet, im Folgenden die Ausdrücke vorderer und innerer (im menschlichen Sinne), hinterer und äusserer (im menschlichen Sinne) Augen- winkel promiscue zu gebrauchen. 104 SARDEMANN: [104 lenta. Ausserdem wurden geschnitten die Köpfe von drei Tritonen- larven in der Länge von 10, 27 und 35 mm (Gesammtlänge der Thiere), Larve von Salamandra maculata, kiementragend in einer Länge von 44mm. Die Schnitte sind so angelegt, dass sie senk- recht zur Längsaxe des Kopfes stehen. Urodelen. Sobald wir in unseren Schnitten vom Kopfe der Tritonen in den Bereich des unteren Augenlides kommen, sehen wir an dessen medialster Partie (im menschlichen Sinne) zwischen äusserer Haut und Conjunctiva ein wohl entwickeltes Paket von reichlich gewundenen Drüsen, welche auf die Conjunetiva ausmünden. Sehr bald werden die Spuren dieser Drüsenanlage spärlicher und ohne deutliche Abgrenzung finden wir alsbald im Unterlid neue drüsige Organe, die sich in ihrer Structur von den oben genannten etwas unterscheiden. Es sind einfache, gerade Drüsenschläuche, welche am Fundus leicht keulig aufgetrieben sind. Die Drüsen liegen dicht unter der Conjunctiva und ziehen sich vom vorderen Lidrand in senkrechter Richtung gegen die Uebergangsfalte hin, sie erreichen niemals ganz den freien Lidrand, sondern münden etwas entfernt von ihm auf der freien Conjunctivalfläche. Die Drüsen sind umgeben von bindegewebigen Hüllen, die mit quergestreifter Musculatur in Verbindung stehen, so dass man an eine willkürliche mechanische Entleerung des Inhalts denken kann. Nähern wir uns in der fortlaufenden Schnittserie dem äusseren Lidwinkel, so sehen wir unsere Unterliddrüsen an Grösse ziemlich zunehmen. Die Drüsenschläuche stehen dichter an einander und knäueln sich mehrfach, so dass sie an Volumen wachsen. Diese Neugestaltung vollzieht sich nicht plötzlich, sondern der Uebergang ist ein ganz allmählicher, auch ändert sich der Epithelcharakter der Drüsen nicht. Diese stärkere Anhäufung von Drüsen im Unterlid können wir noch eine Zeit lang verfolgen. Bevor jedoch oberes und unteres Augenlid in der äusseren Commissur sich getroffen haben, ist die letzte Spur von Drüsen aus den Schnitten verschwunden. Diese Vermehrung der Drüsenpartie des unteren Augenlides in der Nähe des äusseren Augenwinkels ist bei Triton alpestris noch viel deutlicher ausgesprochen als bei Triton taeniatus. Weniger deutlich bei Triton helveticus, bei dem die Drüsenanlage im Ganzen geringfügiger ist. Bei Salamandra maculata finden wir bereits ein wesentlich anderes Bild. Während bei den Tritonen eine scharfe Sonderung zwischen dem dem inneren Augenwinkel angehörigen Drüsenteil und 105] BEITRÄGE ZUR ANATOMIE DER THRÄNENDRÜSE. 105 dem, der im unteren Lid verläuft, noch nicht zu machen ist, lässt sich das bei dem uns vorliegenden Thiere durchführen. Ich erkenne in meinen Schnitten an dem inneren Theil des Bulbus eine stärker entwickelte Drüsenpartie, die im inneren Augen- winkel ihre Ausmündung hat. Zwar gehört auch sie deutlich dem unteren Augenlid an, allein sie liegt doch wesentlich im inneren Augenwinkel und besonders der hintere Theil derselben liegt deutlich zwischen Bulbus und knor- peliger Nasenwand. Sie ist sehr wohl entwickelt und hat einen deutlich acinösen Bau. Im Verlaufe der Schnittreihe kommt man bald an eine Stelle, wo die Drüse ıhr Ende findet und durch eine ziemlich starke Bindegewebsschicht abgegrenzt ist. Bald darauf sehen wir im Unterlid eine neue Drüsenmasse vollständig getrennt von der oben erwähnten auftreten. Dieser neue Abschnitt besteht aus einzelnen länglich gestalteten acinösen Drüsen, welche sich von der Uebergangsfalte der Conjunctiva bis in die Nähe des Lidrandes erstrecken und auf der freien Conjunctivalfläiche münden. Die ganze Partie zieht sich wie ein Band unter der Schleimhaut des ganzen Unterlids hin. Dort wo das untere Augenlid sich dem oberen nähert, um zuletzt in der äusseren Commissur sich mit ihm zu verschmelzen, wird das Drüsenpaket immer voluminöser. Schliesslich steigt die Drüse so weit hinauf, dass sie die Höhe der äusseren Commissur über- schreitet und in das Niveau des Oberlides zu liegen kommt. In dieser Lage lässt sie sich noch eine Zeit lang verfolgen, nachdem auch die letzte Spur vom Bulbus aus den Schnitten verschwunden ist und allmählich nur noch die Kaumusculatur in den Schnitt fällt. Hierzu wollen wir noch einmal das heranziehen, was Rrıc#Eu von den ausländischen Urodelen berichtet, dass er bei ihnen eine stärkere Entwicklung der Drüsenpartie am inneren Augenwinkel und zugleich eine Verlängerung derselben in das Innere der Orbita be- merkte. Es ist wichtig, dieses Bild, wie es sich uns zuletzt entwickelte, im Auge zu behalten, denn wir begegnen in höheren Thiertypen ähnlichen, welche uns die Deutung des hier gesehenen erleichtern werden. Es sei darum hiermit nochmals kurz skizzirt. Von der gleichmässig die ventrale Fläche des Bulbus um- gebenden Drüsenpartie der Tritonen hat sich ein Theil schärfer diffe- renzirt, er ist am inneren Theil des Bulbus gelegen, greift aber ein wenig ventralwärts und verlängert sich in das Innere der Orbita hinein. Diese, den thatsächlichen Verhältnissen entsprechende Schil- 106 SARDEMANN: [106 derung könnte auf jede Harper’sche Drüse angewendet werden und in der That haben wir auch die erste Anlage dieser Drüse vor uns. Eine zweite Drüsenmasse durchzieht das untere Augenlid, um sich am äusseren Augenwinkel stärker zu differenziren; sie steigt über den äusseren Winkel hinauf und geräth in den Bereich des Oberlides. Wie weit diese Schilderung mit den Lageverhältnissen der Glandula lacrymalis in höheren Thiertypen übereinstimmt, werden wir in Fol- gendem sehen. Meiner Ansicht nach ist es die erste Thränendrüse und nach dieser Auffassung würden HAırver’sche und Thränen- drüse ursprünglich einem und demselben Mutterboden ent- stammen. Was nun die von mir untersuchten Larvenstadien von Triton und Salamandra anbelangt, so zeigten die beiden kleineren Tritonen- larven (10 und 27 cm) keine Spur von Drüsenanlagen, während solche bei dem dritten grösseren Exemplare bemerkt wurden. Es waren hier theils noch solide Zellwucherungen, theils waren dieselben im Inneren bereits zu Hohlräumen eingeschmolzen; über ihre Ausmündung, und ob sie dieselben schon gefunden hatten, wage ich keine bestimmte Behauptung aufzustellen. Auffallend erschien es mir, dass die Drüsen des hinteren Theiles des unteren Augen- lides, besonders im Bereiche des äusseren Augenwinkels augenfällig besser entwickelt waren, als der Theil, welcher zur Glandula Har- deriana werden soll. Bei der noch kiemenbewaffneten Salamandra maculata nahm ich noch gar keine Spur von Drüsenanlagen oder auch nur Zell- anhäufungen im Bereiche des unteren Augenlides wahr. Aehnlich mag es sich auch mit Axolotl verhalten. Ich bin geneigt, an- zunehmen, dass sich diese Organe erst kurz vor Verlassen des Wasserlebens ausbilden und erachte sie vorher auch als ziemlich wohl entbehrlich, weil in jenem Stadium die äussere Haut noch eine deutliche Brille über dem Auge des Thieres bildet. Gymnophionen. Ich schliesse hier an die Urodelen an die Schilderung des höchst eigenartigen Drüsenorganes, das wir in der Augenhöhle der Gymnophionen finden, und halte mich dabei voll- kommen an die Resultate der von WıEDERSHEIM angestellten und von GrEEFF vollkommen bestätigten Untersuchungen. Wir haben bei den Blindwühlen eine resp. zwei Oeffnungen in der Wangengegend zwischen äusserem Nasenloch und Augenöffnung. Diese Oeffnung führt in einen Schlauch, den „Tentakelschlauch“, in welchem sich der sogenannte Tentakel befindet, jenes höchst eigen- 107] BEITRÄGE ZUR ANATOMIE DER THRÄNENDRÜSE. 107 artige Organ, über dessen physiologische Bedeutung wir vorläufig noch nicht im Klaren sein dürften. In diesen Tentakelschlauch mündet mit starkem Ausführungsgange eine kolossale Drüse, welche die gesammte Orbita einnimmt, und kaum Platz lässt für das minimal gewordene Auge. Diese Drüse erinnert wenigstens in ihrer Lage ausserordentlich an die Harper’sche, doch glaubt WıEDERsHEIM sie mit einer solchen nicht identificiren zu sollen, weil ihr Secret einen ganz anderen Lauf nimmt, als das der Harver’schen, da es eben durch jenen Tentakelschlauch an die Oeffnung in der Wangengegend geleitet wird. Ich glaube indessen doch an der Auffassung, dass wir es hier mit einer wenigstens ursprünglich Harper’schen Drüse zu thun haben, festhalten und mich hier an Fr. Leyvıs anschliessen zu dürfen. Die eigentliche Function letzterer Drüse im Sinne einer Befeuchtung des Bulbus ward überflüssig bei dem rudimentär gewordenen Auge des Thieres, das bei seiner nächtlichen, unterirdischen Lebensweise eine wesentliche Verwendung für das Auge nicht mehr hatte, das also rückgebildet werden konnte und wurde, was, nebenbei bemerkt, auch für das Gehörorgan gilt, wie die interessanten Untersuchungen von G@. Rerzıus beweisen. Und so konnte das Secret der ursprüng- lichen Augendrüse eine andere Verwendung finden. Reıcnen sagt in der Einleitung seiner oben bereits mehrfach eitirten Schrift: „Jede eingreifende Aenderung der Lebensweise eines Thieres, jeder Wechsel der Bedingungen, unter die es gebracht wird, erfordert eine Umgestaltung seines Organismus, die ihn befähigt, sich den neuen Verhältnissen anzupassen. Je grösser jener Wechsel, um so bedeutender die durch ihn erzeugten Veränderungen. Ent- sprechend dem jeweiligen Bedürfnisse machen sich dieselben entweder in der Neubildung oder in der Umbildung schon bestehender Organe in morphologischer und physiologischer Hinsicht geltend, während andere, weil unnöthig geworden, sich rückbilden oder verschwinden.“ So nehme ich denn an, dass ebenso, wie das Auge der Blind- wühlen rudimentär geworden ist, ihre Augendrüse einen Functions- wechsel eingegangen ist. Mag sie nun in ihrem transformirten Zu- stande eine Giftdrüse darstellen, mithin zum Vertheidigungsmittel geworden sein, oder mag sie dazu dienen, den Kopf des Thieres einzuölen, und es bei seiner bohrenden Thätigkeit in Mulm und Erde unterstützen. Am wahrscheinlichsten vielleicht möchte folgende Auffassung von der Bedeutung jener Drüsenapparate sein: Die Gymnophionen besitzen nach den Wıepersneim’schen Untersuchungen vielleicht das 108 SARDEMANN: [108 vollkommenste Geruchsorgan unter allen Vertebraten, und da dasselbe den einzigen Führer des Thieres auf seinen unterirdischen Gängen darstellt, so handelt es sich um eine nothwendige Reinhaltung der äusseren Nasenöffnung. Da liesse sich daran denken, dass das Secret der Drüse dazu bestimmt sei, Schlamm und Mulm von jener Gegend wegzuspülen. Natürlich müssen wir es hier unentschieden lassen, ob wir es nur mit einer umgewandelten Harver’schen Drüse zu thun haben oder ob sich die Gesammtdrüsen des Auges an diesem Pro- cesse betheiligt haben. Ein einzelnes Vorkommniss der Art würde natürlich einen solehen Functionswechsel nicht eben sehr wahrscheinlich machen, allein wir besitzen ein bedeutsames Analogon dafür bei den Ophidiern. Hier wird die reichliche Secretion der Augendrüsen unnöthig für das Auge, das durch die sogenannte Brille einen ausgiebigen Schutz bereits fand, und doch ist die eine Augendrüse so ausserordentlich stark entwickelt. Das war natürlich höchst räthselhaft, bis Born für sie einen Functionswechsel nachwies. Er zeigte, wie die Drüse so gut wie vollkommen ihre Beziehungen zum Auge einbüsst und statt dessen in die Mundhöhle mündet, so dass sie als Speicheldrüse zu dienen im Stande ist. Von Anuren habe ich nur Rana esculenta geschnitten und fand dort die am einen Augenwinkel befindliche Drüse, die wir hier ruhig Harver’sche Drüse nennen können, exquisit entwickelt, wie das ja auch bekannt ist. Sie wird in ihrem ferneren Verlauf in das Innere der Orbita hinein hauptsächlich durch die Musculatur vom Auge abgedrängt und von letzterer auch sehr in ihrer äusseren Gestaltung beeinflusst. Es ist ein interessantes Bild, wie das volu- minöse Organ jeden freibleibenden Raum, jeden Spalt zwischen den Muskeln benutzt, hinein zu dringen und sich darin auszubreiten. Dadurch wird natürlich auch bei jeder Bewegung des Bulbus durch die sich contrahirenden Muskeln ein Druck auf die Drüse ausgeübt, ihr Secret ausgepresst und auf die Oberfläche der Conjunetiva be- fördert werden können. Im unteren Augenlid wiesen meine vollständigen Schnittreihen dagegen keine Drüse auf und von Rana esculenta wenigstens kann ich mit Sicherheit behaupten, dass sie keine Unterliddrüsen besitzt. Ueber Ichthyoden stehen mir keine eigenen Erfahrungen zu Gebote. 109] BEITRÄGE ZUR ANATOMIE DER THRÄNENDRÜSE. 109 Reptilien. Wenn wir irgendwo Anschlüsse an die vorige Klasse erwarten könnten, so müsste das bei Hatteria (Rhynchocephalus) der Fall sein, leider aber stand mir dieses kostbare Material nicht zur Verfügung und auch Güxtuer kommt in seiner bekannten Mo- nographie nicht darauf zu sprechen. Für die übrigen — und als nächste Gruppe wären wohl die Saurier herbeizuziehen — lässt sich von keiner derartigen Anknüpfung reden. Wir begegnen hier schon einem viel abgeschlosseneren Entwicklungstypus und viel schärferer Differenzirung der einzelnen Organe. Fr. Leyvıe verdanken wir, wie oben bemerkt wurde, den ersten Nachweis einer Thränendrüse bei Lacerta und auch bei Anguis fra- gilis. Er sagt von Lacerta: „Von den Drüsen der Augenhöhle sind die beiden, eine Thränendrüse und eine Nickhautdrüse, vorhanden. Die erstere liegt am äusseren oder hinteren Augenwinkel und ist sehr klein gegenüber von der Nickhautdrüse. Sie besteht aus wenig langen, am Ende gern schwach gegabelten Schläuchen, die sich nicht zu einem einzigen Gange sammeln, sondern sich zu mehreren Mün- dungen zu gruppiren scheinen.“ Die von mir selbst mittels der Lupe angestellte präparatorische Untersuchung bei Lacerta agilis und muralis ergab die volle Bestätigung dieser Mittheilung, aber ausserdem noch zwei weitere interessante Beobachtungen. Zwei Exemplare von Lacerta agilis zeigten zwar Glandula lacrymalis an demselben Orte, aber von ver- schiedener Grösse und verschiedenen Gestaltsverhältnissen. Während die eine gestreckt und wurstförmig erschien, hatte die andere eine halbmondförmige Gestalt, nach innen concav und lagerte sich dem Bulbus dicht an. Uebrigens finden sich derartige Verschiedenheiten, besonders Grössenunterschiede in den drüsigen Organen des Auges nicht nur bei verschiedenen Individuen derselben Art, sondern sogar an den Augen eines und desselben Individuums. So wurde bei Gecko verus die Harper’sche Drüse der einen Seite um ein Bedeutendes kleiner ge- funden als die der andern. Ein Weiteres war, dass die ganze als Harver’sche Drüse be- zeichnete Partie in zwei Theile von ungleicher Lichtbrechung zerfiel. Die mikroskopische Untersuchung ergab die Ursache dieser Er- scheinung. Wir finden zwei Drüsen mit ganz verschiedenen Zell- 110 SARDEMANN: [110 elementen, die Zellen der einen färben sich viel stärker mit Carmin und sind ausserdem grösser als die Zellen der andern Drüse. Jene Drüse mit den grossen zelligen Elementen beginnt zwi- schen Bulbus und Nasenkapsel und zieht sich ganz in das Innere der Orbita hinein, genau analog dem Verhalten der als Glandula Harderiana beim Frosch beschriebenen Drüse. Die kleinzellige Drüse hat mit dieser gar nichts zu thun, sie ist vollständig und deutlich von ihr getrennt, ist ihr nur vorgelagert und gehört in den Bereich der Conjunctiva; aber nicht vollkommen so, wie wir die Unterlid- drüse bei Salamander gefunden haben. Die Drüse liegt zwar im Niveau des unteren Augenlides, gehört aber jener senkrechten Falte im inneren Augenwinkel an, die man als drittes Lid bezeichnet, und lässt sich bis zu dem freien Rande derselben verfolgen. Also jenes von Leyvıc als Nickhautdrüse bezeichnete Organ besteht in Wahrheit aus zwei verschiedenen Drüsen, von denen die eine der sonst Glan- dula Harderiana genannten Drüse, die unter der Nickhaut nur mündet, entspricht, während die zweite eine Nickhautdrüse im wahrsten Sinne des Wortes ist, eine Drüse ganz gelegen in jener als Nickhaut be- zeichneten Öonjunctivalfalte. Ich lasse es dahin gestellt, ob jene in die Nickhaut selbst ein- gebettete Partie mit der bei Tylopoden ausserordentlich reich ent- wickelten Talgdrüse im Bereiche der Caruncula lacrymalis paralle- lisirt werden kann. Wir finden also bei Lacerta eine weitere Differenzirung unserer ursprünglich einfachen Anlage. Der innerste Theil unseres Drüsen- bandes ist zur HArver’schen Drüse oder innern Orbitaldrüse ge- worden, die sich ihm anschliessende Partie ist Liddrüse oder Con- junctivaldrüse geblieben, liegt aber nicht mehr unter der Schleimhaut des untern Augenlides, sondern ist hineingezogen in die sich er- hebende Conjunctivalfalte, die Nickhaut. Die im äusseren Augen- winkel gelegene kleine Drüse spreche ich als Analogon der stärker entwickelten Partie der Unterliddrüse bei Triton und Salamandra an; die zwischen diesem und dem medialen Theil des Drüsenbandes bei den Urodelen vorhanden gewesenen Drüsen sind verloren ge- gangen. Die Drüse des äusseren Augenwinkels kann man zum ersten Male als wirkliche Thränendrüse bezeichnen. Uebrigens geht von der Kaumusculatur ein feines Bündel hinauf zur bindegewebigen Hülle der kleinen Thränendrüse und setzt sich an demselben fest; wird der Muskel contrahirt, so muss er die Hülle Li4t] BEITRÄGE zur ANATOMIE DER THRÄNENDRÜSE. 111 zusammenziehen und die Drüse auspressen können. Also auch hier ein Apparat mit quergestreifter Musculatur zum plötzlichen Aus- pressen des Secretes. Bei Varanus zeigt sich die Glandula Harderiana in stattlicher Entwicklung, während die Thränendrüse sehr klein ist. Monitor sp.? Neben der Harper’schen findet sich eine wohl entwickelte Thränendrüse, die ein eigenthümliches Verhalten zeigt. Wir führen einen Scherenschlag durch die Mitte des Augenlides senkrecht zum freien Rande desselben und können nun die hintere Partie der beiden Lide umklappen und für die Lupe bequem zu- gänglich machen. Die Conjunctiva erscheint in der Gegend des Fornix inferior wie mit zahlreichen Nadelstichen durchbohrt. Es sind die Aus- führungsgänge der Thränendrüse, die, wohl fünfzig an der Zahl, sich von nicht ganz der Mitte des unteren Augenlides an der bezeich- neten Stelle hinaufziehen bis zum hinteren Augenwinkel. Hier häufen sie sich ausserordentlich, so dass ihrer mehrere Dutzend zu zählen sind. Die Drüse selbst liegt mehr über dem hinteren Augenwinkel und ist — wie bemerkt — wohl entwickelt, ein flacher Körper von gestreckter, ellipsoider Form. Ob sich von diesem compacten Körper ein lockerer mehr bandartiger drüsiger Theil in das untere Augenlid hineinzog, liess sich an dem schlecht erhaltenen Exemplar nicht mehr nachweisen, indessen ist es mir nach dem, was ich an Trachysaurus und Eumenes sah, die ganz ähnliche Thränendrüsen haben, ziemlich wahrscheinlich. Bei Monitor indicus konnte ich nur noch eine Thränendrüse von gleicher Entwicklung und Lage nachweisen, über Ausführungs- gänge hingegen nichts mehr eruiren. Trachysaurus rugosus hat eine ausserordentlich gut ent- wickelte Thränendrüse mit zahlreichen Ausführungsgängen. Das Organ ist von weisslicher Farbe und liegt mit seiner Hauptmasse als ein circumscripter, ovaler Körper hoch über dem hinteren Augen- winkel. Es zieht sich von hier als ein schmales, mit zahlreichen Öeffnungen in die Conjunctiva mündendes Band um den äusseren Augenwinkel herum und verläuft bis zu der im unteren Augenlid eingebetteten Faserknorpelscheibe. Gegen sein Ende erfährt der schmale, schwanzartige Ausläufer noch einmal eine Verbreiterung. Die in das untere Lid eingelagerte Drüsenmasse sitzt der Conjunctiva hart auf und treibt sie förmlich wulstartig hervor. Bei Eumenes pavimentatus haben wir ein ganz ähnliches 112 SARDEMANN: [112 Verhalten. Auch hier beginnt die Thränendrüse oberhalb des hin- teren Augenwinkels als ein solider und compacter Körper und zieht sich bandförmig weit in das untere Augenlid hinein. Eine Ver- schiedenheit zeigt sich hier insofern, als der Ausläufer schon nach kurzer Verschmälerung wieder breiter wird, um schliesslich wieder schwanzartig zu enden. Mündungsporen liessen sich nicht ermitteln, doch wird man sie wohl in der ganzen Ausdehnung der Drüse auf der Conjunctiva annehmen dürfen. Bei allen diesen Thieren fanden wir also eine, und theilweise eine recht wohl entwickelte Thränendrüse, die in ihrer Lagerung evident an die Unterliddrüse von Salamandra erinnert. Daneben besteht stets eine Harvrr’sche Drüse. Von Diekzünglern untersuchte ich präparatorisch Gecko verus, Iguanatuberculata, Iguana delicatissima, Iguanasp.?, Calotes versicolor (Daud.), legte Durchschnittsserien an durch die Köpfe von: Agama, Gymnodactylus und Aristelliger. Wohl fand ich die Harper’sche Drüse, niemals hingegen Glandula lacry- malis, ich muss sie den Crassilinguiern absprechen. Was die Harper’sche Drüse bei Agama anlangt, so zeigt sie genau dasselbe Verhalten wie bei Lacerta. Auch hier existirt deut- lich unterscheidbar eine Nickhautdrüse im engeren Sinne neben der Harpver’schen Drüse. Von den Chamäleoniden sagt Srannıus, dass sie sowohl Harper’sche als Thränendrüse besässen. Jene sei gross und am vorderen Augenwinkel gelesen, diese klem und hinterwärts vom Bulbus befindlich. Trotz aller erdenklichen Mühe vermochte ich nun letztere auf präparatorischem Wege nicht zu finden und nahm des- wegen wieder meine Zuflucht zum Mikrotom und Mikroskop. Aber auch so wurde die Thränendrüse nicht gefunden, zum wenigsten be- sitzt Chamaeleo vulgaris keine Glandula lacrymalıs. Ueber Anguis fragilis lasse ich die Schilderung von Leypıe folgen, der in allem beizustimmen ist, soweit die präparatorische Unter- suchung mit Hülfe der Lupe reicht. „Bei der Blindschleiche ist die Thränendrüse grösser, als bei der Eidechse, dabei von rundlich eckiger Form. Da die Nickhautdrüse ebenfalls stärker ist, als bei Lacerta, so liegt das Ende der letzteren unmittelbar unter der Thränen- drüse, doch deutlich von ihr gesondert. Beide Organe zeigen sich auch schon für die Lupe von einander merklich verschieden. Die Thränendrüse ist von leicht höckriger Gestalt und ihre Farbe sticht etwas in’s Gelbliche, die Nickhautdrüse erscheint völlig glatt und von 113] BEITRÄGE ZUR ANATOMIE DER THRÄNENDRÜSE. 113 rein weisser Farbe.“ Ebenso wie bei Lacerta sah er in der Con- junctiva mehrere Mündungen. Bei Pseudopus fand ich eine stattlich entwickelte Drüse am hinteren Augenwinkel. Sie ist dreikantig, etwa von der Gestalt einer Buchecker, aber etwas kleiner als diese, mit abgerundeten Kanten und Ecken. Sie sitzt der Conjunctiva scharf auf und man kann Ausführungsgänge nicht herstellen. Ihre Mündungen, sieben an der Zahl, weite Poren, finden sich unter einer taschenförmigen Falte des innersten Theiles des hinteren Augenwinkels in einer Reihe. Auch die Hırver’sche Drüse ist gut entwickelt und hat durch eine eigen- thümliche Gestalting bedeutend an Länge gewonnen, sie läuft zuerst nach hinten innen, biegt dann in rechten Winkel um, läuft an der Ventralfläche des Bulbus parallel dem freien Lidrand eine Strecke gegen den äusseren Augenwinkel zu und biegt plötzlich wieder unter rechtem Winkel nach hinten innen um. Den Ophidiern hat zuerst Lwynpıc die Existenz der Thränen- drüse im gewöhnlichen Sinne des Wortes bestritten und nachge- wiesen, dass alle am Auge dieser Thiergattung von früheren Autoren beschriebenen drüsigen Organe vielmehr als gleichwerthig mit der Harpver’schen Drüse der Vögel und Säuger aufzufassen sind, dass sie bei den Schlangen an einer niederen Falte der Bindehaut im inneren Augenwinkel münden, an der Stelle, wo sich bei den Sauriern ein drittes Lid, die Nickhaut erhebt. Dass in dieser Gegend das be- treffende Organ ausmündet, ist gewiss richtig, doch wird die Dar- stellung eine gewisse Modification erfahren müssen. Von Sranxıus erfahren wir, dass das Organ von verschiedener Grösse und auch von verschiedener Lage ist. Im Allgemeinen entspricht es der Lage der Harver’schen Drüse, es liest mehr medianwärts (im mensch- lichen Sinne), umgreift dann aber auch nach unten und hinten den Bulbus. Bei Typhlops dagegen füllt es die ganze Orbita aus und erscheint wohl zehnmal grösser als der gesammte rudimentäre Bulbus, bei einigen Trigonocephalis hinwiederum umfasst sie den Bulbus ringförmig, so dass der Ring nur am äusseren Augenwinkel unge- schlossen bleibt. Wie ich schon früher einmal hervorhob, zeigt die Augendrüse der Ophidier eine ungewöhnliche Entwicklung, besonders mit Rück- sicht darauf, dass das Auge dieser Gattung bereits sehr wohl ge- schützt ist. Es war nun das grosse Verdienst Borx’s, nachgewiesen zu haben, dass die Augendrüse der Ophidier nicht, wie Leyoıe meint, in der Bindehaut des Auges mündet, sondern ihr Secret direct Berichte III. 8 (8) 114 SARDEMANN: [114 führt in eine am Augenende befindliche Auftreibung des Thränen- ganges, der seinerseits seine Beziehung zur Nasenhöhle vollkommen eingebüsst hat und statt dessen in die Mundhöhle mündet (cf. oben). Seine Annahme, dass das Secret unserer in Rede stehenden Drüse für das Auge unnöthig geworden und nun dazu bestimmt sei» mit beizutragen zur Einspeichelung der meist umfänglichen Beute der Schlangen, hat viel Wahrscheinlichkeit für sich. Und es er- scheint mir kein unbedeutsames Zusammentreffen zu sein, wenn die im Wasser lebenden Naja, Hydrophis, Bungarus, wie Srannıus nach Duvernor berichtet, eine nur kleine Augendrüse besitzen. Liesse sich hingegen bei Typhlops mit seiner enormen Entwicklung des betreffenden Organes und der ähnlichen Lebensweise nicht vielleicht an eine Umwandlung in gleichem Sinne wie bei den Gymnophionen denken? Vielleicht ergeben Untersuchungen bei Amphisbänen ähn- liche Resultate. Es wäre hier nun noch zu untersuchen, ob allein die innere Orbitaldrüse diesen Functionswechsel durchgemacht hat, oder ob auch eine Liddrüse vorhanden war, die sich ebenfalls daran betheiligte. Um hierüber einiges zu ermitteln, zerlegte ich den Kopf einer eben ausgeschlüpften Tropidonotus natrix und einer Coronella laevis in vollkommene Reihen dünner Schnitte. Die Borv’sche Entdeckung konnte ich vollkommen bestätigen, mein eigentlicher Zweck wurde im Ganzen nicht erreicht. Bei Tropidonotus natrix habe ich am Auge ausser der grossen Drüse keine Spur einer anderen entdeckt. Nur wenig günstiger war das Resultat bei Coronella laevis. Dort fand ich an der dem Auge zugewendeten Seite der Auftreibung des Thränenganges — wenn man hier überhaupt noch diese Bezeichnung wählen darf — einige wenige kleine, aber wohl ausgebildete Drüsen- träubchen, die dem Gang hart aufsitzen und sich in ıhn öffnen. Sind das die letzten Spuren der rudimentär gewordenen Liddrüsen ? Bevor ich übrigens von den Ophidiern scheide, will ich noch bemerken, dass es mir — wie auch Borx hervorhebt — wohl denkbar erscheint, dass ein Bruchtheil des Secrets der Drüse, aus der mehr- fach genannten Auftreibung des Ganges durch Vermittelung der Thränenröhrchen ins Auge zu gelangen vermag. Krokodilier. Rarsxe hat in seiner Monographie über das Krokodil neben der leicht auffindbaren und gut entwickelten Nick- hautdrüse am vorderen, eine Thränendrüse am hinteren Augenwinkel beschrieben. Er sagt von ihr, dass sie von nur geringer Grösse sei und eine bandartige langgestreckte Form besitze. Er sah nach An- 115] BEITRÄGE ZUR ANATOMIE DER THRÄNENDRÜSE. 115 wendung von kaustischem Natron deutlich ihre Acini und den Aus- führungsgang. Auch Owen schreibt dem Krokodil Glandula Harde- riana und lacrymalis zu, ohne sie jedoch näher zu schildern. Leider war es trotz vieler aufgewandter Mühe nicht möglich ein Krokodils- auge zu beschaffen und ich musste mich daher mit mehreren jugend- lichen Exemplaren von Alligator lucius begnügen. An der von Rarukr beschriebenen Stelle vermochte ich in- dessen nicht die Spur einer Drüse zu entdecken, dagegen glaubte ich eine solche gefunden zu haben in der Gegend, wo bei den Vögeln das Organ zu liegen pflegt, es war ein kleines gelbes Körperchen mit schmalem Ende resp. Anfang, hinten keulig aufgetrieben. Unter der Lupe vermochte ich indessen keine Drüsenbestandtheile nachzu- weisen und nach Behandlung mit Aether verschwand der ganze In- halt, war also Fett. Ich fand also beim Alligator keine Thränendrüse, der Sicher- heit halber griff ich wieder zum Mikrotom, allein auch die mikro- skopische Untersuchung ergab nichts. Alligator lucius besitzt keine Thränendrüse. Hat Rar#ke recht gesehen, so hätten wir bei verschiedenen Vertretern ein und derselben Ordnung verschiedene Verhältnisse, in derselben Ordnung zwei Unterordnungen, von denen die eine Thränendrüsen hat, die andere nicht. Die Untersuchung der Chelonier hat mir die grösste Ueber- raschung gebracht, nicht nur durch die immense Grösse unseres Örganes, sondern auch in ganz gleicher Weise durch die ausser- ordentliche Verschiedenheit ihrer Gestaltung. Ich möchte fast be- haupten, dass alle Arten des Ueberganges, von den einzelnen Lid- drüsen der Urodelen, durch die zusammenhängende Drüse mit vielen Ausführungsgängen der Saurier bis zur Thränendrüse des Vogels, mit einer einzigen Mündung in dieser Ordnung vertreten sind. Ueber diese Verhältnisse war ich um so erstaunter, als ich in der Literatur nur die Beschreibung der Thränendrüse von Chelone midas durch Jos. Mütter fand. Neben der bei Cheloniern wie gesagt ausserordentlich stark entwickelten Thränendrüse finden wir stets auch eine Glandula Harderiana am inneren Augenwinkel, die zwar nicht so kolossal, aber immer sehr wohl ausgeprägt ist. Ich bemerke das hier im Voraus, um später nicht jedes einzelne Mal darauf zurückkommen zu müssen. Bei Cistudo amboinensis finden wir eine grosse und starke ausgebildete Drüse an der Aussenseite des Bulbus unter dem hintern Augenwinkel. Sie zieht sich vom unteren Augenlid herab bis etwa 116 SARDEMANN: [116 zur Hälfte desselben und ist von etwa viereckiger Gestalt mit ge- wulsteten abgerundeten Ecken und Kanten. In der Richtung seiner Längsaxe zeigt das Organ eine in der Mitte der Oberfläche gelegene rinnenartige Vertiefung. Die von dieser Furche distalwärts (in Be- ziehung auf die freie Vorderfläche des Bulbus) gelegene Partie weist unter der Lupe ein compactes Ansehen auf und scheint fest zu- sammenzuhängen. Dieser Theil biegt in der Nähe des hinteren Augenwinkels rechtwinklig um und mündet mit etwa 6 Poren in einer Conjunctivalfalte des unteren Augenlids ganz nahe dem hinteren Augenwinkel. Es zeigt also diese Drüsenpartie etwa die Form eines Winkelmaasses mit einem langen und einem kurzen Schenkel. Die Drüse hat nun, wie ich sagte, eine viereckige Gestalt, der der Conjunctiva zunächst liegende frei bleibende Raum wird durch eine Drüsenmasse von lockerem Gefüge ausgefüllt, welche hart auf der Conjunctiva aufsitzt und mit zahlreichen (etwa 12—14) Ausführungs- öffnungen in den Fornix conjunctivae inferior ausmündet. Testudo tesselata lässt eine ebenfalls relativ grosse Thränen- drüse erkennen. Sie beginnt am oberen Augenlid, greift aber weit hinunter auf die Ventralfläche des Bulbus und sendet ihre 12—15 Aus- führungsgänge in den Fornix conjunctivae inferior. Die Drüse er- scheint im Allgemeinen flach und zerfällt in zahlreiche auffallend kleine Läppchen. Emys europaea hat ein anderes Verhalten aufzuweisen. Ein- mal hat sie eine Ausmündung auf die Conjunctiva auch des oberen Augenlides, dann sind ihre Ausführungsgänge ein wenig länger, als dies bei den bisher beschriebenen Formen der Fall war. Die sehr stattliche Drüse, in der Gegend des hinteren Augen- winkels gelegen, beginnt mit eimer stark aufgetriebenen Partie ober- halb genannten Winkels. Sie umgreift von hier aus die ganze hintere Circumferenz des Bulbus und läuft auch an seiner ventralen Fläche eine weite Strecke nach vorn. Dabei verjüngt sie sich mehr und mehr und wird schliesslich lamellös.. Wir finden ca. 15 Aus- führungsöffnungen, von denen die oberste und zugleich grösste noch im Bereiche des oberen Augenlides unmittelbar über dem hinteren Augenwinkel liest. Nach unten zu werden dieselben immer kleiner und liegen alle genau auf dem Uebergangstheil der Conjunctiva pal- pebrae auf den Bulbus. Die Reihe der Mündungen setzt sich fort bis zur Mitte des unteren Augenlides. Jede Oeffnung führt peripher- wärts in ein kleines mit accessorischen Träubchen besetztes Gängchen. Letztere sind alle einander parallel geordnet und nehmen gegen den 117] BEITRÄGE ZUR ANATOMIE DER THRÄNENDRÜSE. 117 hinteren Augenwinkel an Länge zu; einer mündet, wie erwähnt, auf die Conjunctiva palpebralis superior. Bei Chelone midas fällt mir zunächst die geradezu unge- heuerliche Entwicklung unseres Organes auf. Es nimmt genau die- selbe Lage ein, wie sie bei Emys beschrieben wurde. Sie umgreift die hintere dorsale und ventrale Circumferenz des Bulbus mit con- caver Fläche und hat dabei an Dickendurchmesser bedeutend ge- wonnen. Ueber dem hinteren Augenwinkel prominirt sie in der Richtung der Körperaxe in Gestalt einer niedrigen Pyramide mit breiter Basis. An der Ventralseite des Bulbus verschmälert sie sich etwas, reicht dafür aber fast bis zum inneren Augenwinkel. Nicht: aber entsendet das Organ eine grössere Anzahl von Ausführungs- gängen in die Conjunctiva, vielmehr sammeln sich dieselben zu einem einzigen, weiten Ausführungsgange, der im unteren Augenlid mündet, nicht wie Jom. Mürver berichtet auf der Conjunctivalfalte des oberen Augenlides und wie es von da ab in der Literatur fortgeführt worden ist. Gegen die Drüse zu zerfällt der Gang in 3 Hauptäste, die sich ihrerseits wieder reich dendritisch gliedern. Dem einzelnen Gang sitzen dann die Drüsenläppchen auf. Diese sind nur durch lockeres Bindegewebe mit einander verbunden und lassen sich mit leichtester Mühe isoliren. Das ganze Organ stellt den Typus einer acinösen Drüse in der schönsten Weise vor Augen. Es liegt nun die Thränen- drüse zwischen mächtiger Sehnenausstrahlung, die mit der Kau- musculatur in Verbindung steht, sie muss infolge dessen energisch ausgequetscht werden und ihr Secret in raschem und mächtigem Strahle alsdann aus der weiten Oeffnung ausströmen können. Man sieht die Bedeutung dieser immensen Entwicklung der Thränendrüse bei der Lebensweise von Chelone nicht ein und möchte geneigt sein, auch für sie an einen Functionswechsel in demselben Sinne wie bei den Ophidiern zu denken, zumal auch der Compressionsapparat mit der Kaumusculatur in so innigem Zusammenhange sich befindet. Leider steht dem eine kleine Schwierigkeit im Wege: es existirt bei den Cheloniern keine Leitungsbahn für das Secret der Augendrüse nach der Nase oder der Gegend der Mundhöhle zu. B. Horrumann, welcher genauere Untersuchungen über die Thränen- wege der Vögel und Reptilien anstellte, sagt folgendermassen bei Cheloniern darüber aus: „Es ist mir nicht gelungen, irgend welche Leitungswege für die Thränenflüssigkeit vom Auge zur Nasen- höhle nachzuweisen und auch am Schädelskelet der Schildkröten konnte ich keine vom Auge nach vorn gehende kanalartige Bil- 118 SARDEMANN [1 18 dung der die Begrenzung der Augenhöhle bildenden Knochen wahr- nehmen.“ Horrmann glaubt nun aus dem Nichtvorhandensein des Thränen- kanals auf die Nichtexistenz einer Thränendrüse schliessen zu können. „Es liegt,“ meint er, „die Vermuthung nahe, dass wir die vorhan- dene eine Augenhöhlendrüse, welche man bisher — indem man die Existenz der Harner’schen Drüse läugnete — ebenso wie diejenige der Schlangen als Thränendrüse angesehen hatte, nicht als Thränen-, sondern als Nickhautdrüse zu betrachten haben, und dass darum auf das Fehlen der wirklichen Thränendrüse bei den Schildkröten ge- schlossen werden muss.“ Dass diese Folgerung keineswegs das Richtige traf, brauche ich wohl nicht mehr auseinander zu setzen. Es kommen eben stets zwei Augendrüsen vor. Uebrigens hat bisher wohl Niemand den Cheloniern den Besitz einer Harper’schen Drüse bestritten; wenig- stens beschreibt Jon. Mürzer mit grosser Genauigkeit sowohl eine Glandula Harderiana als auch lacrymalis. Diese Schilderung ist übergegangen in ©. K. Horrmann’s Reptilien im Bronx. Auch Srtannıus erwähnt ausdrücklich beide Drüsen. Was nun die Innervation der in Frage stehenden Organe anlangt, so kann ich darin für die ganze Klasse der Reptilien C. Weser nur beistimmen, dass beide Augendrüsen ihre Versorgung durch den zweiten Trigeminus erhalten. Vögel. Bei dieser Thierklasse finden wir eine ungemeine Ueberein- stimmung in allen hierher gehörigen Verhältnissen. Ich untersuchte auf die Drüse hin Embryo von Strauss, Pinguin, Seerabe, Auerhahn, Welschhahn, Huhn, Taube, Papagei, Falk, Rabe und zerlegte den Kopf eines eben ausgeschlüpften Zaun- königs in feine Querschnitte. Die Uebereinstimmung ist wie gesagt gross und ich kann mich hier mit einem allgemeinen Referat begnügen. Die Thränendrüse liegt stets unter dem äusseren Augenwinkel, ein wenig zurückgeschoben auf den Aequator bulbi. Der einzige und weite Ausführungsgang leitet das Secret stets auf die Conjune- tiva des unteren Augenlides. Dort liegt die Mündung bald in der Nähe des hinteren Augenwinkels, bald ein wenig weiter nach unten, einmal sah ich sie sogar auf die Conjunctiva des Bulbus selbst übergehen. 119] BEITRÄGE ZUR ANATOMIE DER THRÄNENDRÜSE. 119 Die Drüse ist stets sehr klein, und zwar haben die kleinen Thiere relativ grössere Drüsen, so dass ich fast behaupten möchte, je grösser der Vogel, desto kleiner die Drüse. Die Form ist schwankend, bisweilen an eine Buchecker erin- nernd, bisweilen herzförmig, manchmal von halbmondartiger Gestalt, und unter Umständen von länglicher, gestreckter Form. Die Rich- tung des Längsdurchmesser pflegt dem erwähnten Bulbusäquator zu entsprechen, Die Oberfläche der Drüse erscheint stets körnig. Ein Unter- schied — namentlich bezüglich der Grössenverhältnisse — scheint zwischen Land- und Wasserbewohnern nicht zu existiren. Die Innervation geschieht stets durch den zweiten Trigeminus, der auch die immer stattlich entwickelte Harver’sche Drüse versorgt. Besonders hervorheben will ich, dass beim Seeraben die hervor- ragend entwickelte Hırver’sche Drüse aus zwei verschiedenen licht- brechenden Partieen besteht, ein Verhalten, das an Lacerta erinnert. Säuger. Die Untersuchung der Thränendrüse derselben führte zunächst zu dem interessanten Resultate, dass dieselbe eigentlich niemals ihre Mündung allein in der oberen Hälfte des Conjunctivalsackes hat, wie bisher, soviel ich sehe, angegeben wurde, sondern stets, und das ist bis zum Menschen hinauf festzuhalten, wenigstens mit einigen Gängen in der unteren Conjunctivalschleimhaut oder doch mindestens im hinteren, resp. äusseren Augenwinkel mündet. Die Zahl der Ausführungsgänge ist sehr variabel, von 1 bis 12, 15 und noch mehr. Es erscheint mir bemerkenswerth, dass wenn nur ein Ausführungs- gang vorhanden ist, wie bei Nagern, dieser im hinteren Augenwinkel mündet, also auf der Grenze zwischen Conjunctiva des oberen und des unteren Augenlides. Am auffallendsten ist, dass bei den Säugern plötzlich eine Versorgung der Drüse, durch den ersten Trigeminus auftreten soll. Indessen muss man stets der Beziehung zwischen erstem und zweitem Trigeminus eingedenk bleiben, wie sie zu Stande kommt gerade durch den N. lacrymalis und N. subeutaneus malae. Ausser- dem beobachtet man die Entsendung selbstständiger Fasern vom N. subeutaneus malae in die Drüsensubstanz. Sogar an einer mensch- lichen Thränendrüse vermochte ich das nachzuweisen. In dem betreffenden Präparate kamen, wie das bisweilen der 120 SARDEMANN:! [120 Fall ist, N. lacrymalis und N. subcutaneus malae, nicht vor der Drüse zur Anastomose oder vielmehr zur Aneinanderlagerung, son- dern innerhalb des Organs. Ich gewann den Eindruck, dass vor erfolgter Aneinanderlagerung bereits kleine Zweige von Seiten des N. subeutaneus malae in die Drüsenmasse hineingingen. Ich warf das Präparat in Ueberosmiumsäure und sah meine Vermuthung voll- kommen bestätigt. Kleine Zweige des N. subcutaneus malae ver- loren ‚sich vor erfolgter Anastomose in der Thränendrüse. Es scheint mir das ein sicherer Beweis dafür zu sein, dass die betreffende Drüse ihre Innervation auch durch Vermittlung des zweiten Trigeminus erhalten kann. Bei der Beschreibung im einzelnen werde ich mich kurz fassen können, da sich im ganzen ziemlich übereinstimmende Verhältnisse herausstellten. Monotremen. Bei Ornithorhynchus und Echidna fand ich am hinteren Augenwinkel eine Thränendrüse, über deren Aus- mündung ich aber nichts Bestimmtes anzugeben vermag, weil die schlecht erhaltenen Präparate eine vollkommene Untersuchung nicht gestatteten. Marsupialier untersuchte ich nicht. Ungulaten. Beim Schwein fand ich folgende Verhältnisse. Beim Hausschwein ragte die nicht sehr grosse Thränendrüse bis zum hinteren Augenwinkel, während sie denselben beim Wild- schwein noch umgreift. Die Ausführungsgänge, vier an der Zahl, gehören dem hinteren Augenwinkel an und liegen in ihm in einer geraden Reihe hinter einander. Beim Damhirsch finden wir nach Auseinanderlegen der äus- seren Partie der Lider eine ganze Reihe von Mündungen in der Con- junctiva, etwa 13, welche einen nach aussen convexen Bogen bilden und sich durch den hinteren Augenwinkel durch beide Augenlider hin- ziehen. Dem entsprechend umlagert auch die wohl entwickelte Glan- dula lacrymalis diesen Winkel. Wenn man sie ein wenig aus ihrer bindegewebigen Hülle befreit, so sieht man nach dem freien Rande hin die compacte Masse fingerförmige Ausläufer bilden. Zwischen je zweien derselben kommt ein Ausführungsgang zu Tage. Das Reh zeigt ein gleiches Verhalten. Die Zahl der Ausfüh- rungsgänge ist hier geringer, sie mag sechs betragen. Aehnlich fand ich es bei Bos taurus. Bei einem ausgewach- senen Thiere stellte die Thränendrüse eine grosse compacte und zu- sammenhängende Masse dar, umgeben von einer ganz ausserordent- 121] BEITRÄGE ZUR ANATOMIE DER 'THRÄNENDRÜSE. 127 [nn lich festen fibrösen Kapsel. Nach Entfernung derselben zeigen sich am vorderen Rand sechs fingerförmige Zipfel, zwischen denen fünf starke Ausführungsgänge heraustreten, welche leicht zu son- diren sind, und in die Conjunctiva des oberen und unteren Augen- lıds führen. Es scheint mir indessen, dass innerhalb derselben Art auch eine gewisse Variabilität möglich sei. Ich sah nämlich an einem Kalbe eine zweite Drüsenpartie, welche an der ventralen Fläche des Bulbus gelegen und weniger compact war; sie entsandte einen eigenen, ziemlich langen Ausführungsgang in das untere Augenlid. Das Schaf hat nur einen Ausführungsgang, der im inneren Theile des hinteren Augenwinkels mündet und sich gegen die Drüse zu baumartig theilt. Die Drüse ist von platter, kuchenartiger Form. Mein Befund stimmt überein mit der von Jon. MüLzLzr gegebenen Zeichnung der Glandula lacrymalis eines Schafembryos. Von den Cetaceen berichtet Owen, dass sie eine Thränendrüse besitzen. Letzteres ist nach M. Weser (cf. oben) dahin richtig zu stellen, dass die Cetaceen nur eine HArver’sche Drüse haben. Ein von mir untersuchter Embryo eines Delphin von ziemlich beträcht- licher Grösse liess noch keine Drüse auffinden. Edentaten. Beim Faulthier fand ich eine recht starke Thränendrüse, welche als ein dicker, fester, rundlicher Wulst um den äusseren Theil des Bulbus herumläuft. Sie beginnt am M. levator palp. sup., wo sie mit stumpfem Ende fast zur Berührung mit der Harper’schen“Drüse gelangt, und reicht bis über den M. rectus ext. lat. herunter. Ihre beiden Ausführungsgänge leiten das Secret in den innersten Theil des hinteren Augenwinkels. Scheinhufer. Auch der Elephant erfreut sich nach Own und BraArsviLuE einer, wenn auch kleinen, so doch wohl ausgebil- deten Glandula lacrymalıs. Von Carnivoren fand ich bei Nasua rufus eine sehr grosse und lange Thränendrüse mit einem compacten Theil am äusseren oberen Bulbus, während sie mit einem schwächeren Theil sich auf die Ventralfläche des Bulbus begibt. Eine Ermittlung der Ausfüh- rungsgänge war bei dem schlecht conservirten Thier nicht zu er- langen. Bei einer einen Tag alten Katze war die Drüse noch nicht zu einer compacten Masse entwickelt; auch hier gehört die stärkere Partie der Dorsalfläche an, während ein schwächerer, mehr lappiger Theil sich ins untere Augenlid begibt. Die Ausführungsöffnungen 122 SARDEMANN: [122 waren nicht sicher zu ermitteln. Möglicherweise waren sie bei dem noch blinden Thierchen verklebt und nahmen in Folge dessen keine Farbe auf. Es scheinen nur zwei Gänge in das obere, ebenso viele in das untere Augenlid zu laufen. Von Canis familiaris untersuchte ich zwei ebenfalls sehr junge Thierchen und fand die Drüse bei ihnen im Vergleiche zu der jungen Katze noch schlechter entwickelt. An drei oder vier ziem- lich langen Gängen hingen vereinzelte Träubchen, die noch voll- ständig zu isoliren waren, so dass man von einer Thränendrüse noch nicht sprechen konnte. Pinnipedier. Ich hatte Gelegenheit, Phoca vitulina zu untersuchen und fand auf dem oberen und äusseren Theile des Bulbus ziemlich weit zurückgezogen in das Innere der Orbita eine kleine spindelförmige Drüse mit stark gekörnter Oberfläche. Zwei Ausführungsgänge liefen in den äusseren Augenwinkel. Am unteren Ende derselben hingen vereinzelte Acini. Aehnlich verhält sich auch Lutra, aber hier sowohl wie bei Phoca und Hippopotamus fehlen die Thränenableitungsorgane (M. Weser). Bei den Nagern ist die Lagerung der Thränendrüse an der unteren äusseren resp. hinteren Seite des Bulbus die Regel. Ich unter- suchte Kaninchen, Ratte und Haselmaus. Das Organ ist klein, fiederspaltig gestaltet und sendet sein Secret mittelst eines Ausfüh- rungsganges in den äusseren Augenwinkel. Hingegen ist die Har- per’sche Drüse ausserordentlich stark entwickelt und nimmt den frei gebliebenen Theil des Bulbus fast vollkommen in Besitz, ja sie ver- lässt sogar das Innere der Orbita und gelangt auf die Schädelober- fläche. Die Drüse hat von Wexpr eine genauere Untersuchung er- fahren und wir bekommen von ihm die interessante Mittheilung, dass sie aus zwei verschiedenen und leicht von einander zu son- dernden Partien besteht, wiederum ein Anklang an die Verhältnisse bei Lacerta. Von Insectivoren untersuchte ich einen jungen Igel und fand Glandula lacrymalis noch ziemlich schwach entwickelt und von lappigem Zerfall. Sie entsendet zwei Ausführungsgänge in das obere und das untere Augenid. Die Lage entsprach der zumeist geschil- derten am äusseren Augenwinkel. Das Vorhandensein einer Thränendrüse beim Maulwurf ist durch Kapys constatirt, der mittheilt, dass die Textur der Glandula lacry- malis beim Maulwurf der der anderen Thiere entspricht. Bis hierher haben wir, mit Ausnahme der Cetaceen, zwei Augen- ud 123] BEITRÄGE ZUR ANATOMIE DER THRÄNENDRÜSE. 123 drüsen gehabt, die Harper’sche Drüse und die Thränendrüse. Bei den Primaten finden wir nur noch Glandula lacrymalis. Wenig- stens möchte ich mich der Meinung derer nicht anschliessen, welche die Drüsenanhäufung in der Caruncula laerymalis der Primaten für den letzten Rest der Harper’schen Drüse ansehen. Soweit ich es übersehen kann, standen Harprr’sche und Thränendrüse stets in wechselseitigem Grössenverhältniss; war die Thränendrüse gut aus- gebildet, so zeigte sich die Harver’sche kleiner als gewöhnlich und umgekehrt. Aus der Klasse der Primaten unterzog ich zunächst den Kopf eines ausgebildeten Embryos von Sebus capucinus einer Untersuchung und fand seine Thränendrüse am äusseren Augen- winkel zum grössten Theile im Bereiche des oberen Augenlides. Sie erscheint wenig compact und in der That lassen sich ihre Läppchen bequem isoliren. Ich fand vier Ausführungsgänge, von denen drei der Conjunctivalfläche desoberen, einer der desunteren Augenlides angehören. Beim Chimpansen sehe ich am äusseren oberen Orbitalrand ebenso wie beim Menschen eine Drüse, welche aus zwei von einander unterscheidbaren Gruppen besteht, einem compacten Körper, länglich ellipsoidischer Form, der bis zu einer durch das Ligamentum palpe- brarum externum gelegt gedachten Horizontalebene reicht. Ueber diese Linie hinaus nach unten finden sich einige Convolute von lockeren Drüsenläppchen, welche mit eigenen Ausführungsgängen in die Conjunctiva des Unterlids münden. | Der freie, convexe vordere Rand des compacten ellipsoidischen Drüsenkörpers überragt eine mehr nach der Conjunctiva zu gelagerte Drüsenpartie vom lockerem Aussehen, von der es sich herausstellt, dass sie im Zusammenhang mit dem hinteren Rand der Hauptdrüse steht. Die Acini dieses zweiten Theiles vereinzeln sich immer mehr und hängen schliesslich als isolirte Träubchen an den sieben Aus- führungsgängen, welche aus der gesammten über dem Augenwinkel liegenden Drüse stammen. Fünf hiervon münden auf der Innenseite des oberen Augenlides, zwei auf dem unteren Augenlid; zu letzteren kommen noch zwei Gängchen, welche der unter dem Augenwinkel gelegenen Partie angehören, so dass wir im ganzen neun Mündungen zählen. Wie in dem bereits oben beschriebenen Falle bei einer mensch- lichen Thränendrüse, gibt auch hier der N. subcutaneus malae Aest- chen an die Drüsenmasse ab, bevor er zur Aneinanderlagerung mit dem N. lacrymalis gelangt, die auch hier wieder innerhalb der Drüse zu Stande kommt. 124 SARDEMANN: [124 Was nun den Menschen betrifft, so kann ich an dieser Stelle darauf verweisen, was ich darüber im allgemeinen Theil nach den verschiedenen Autoren referirt habe, deren Darstellung eine durchaus richtige ist. Ich will nur noch hervorheben, dass die Anzahl der Ausführungsgänge eine schwankende ist, und dass eine Ausmündung auf dem unteren Augenlid von Hyrrs beobachtet wurde. Da nun von mir letzteres Verhalten bei allen Säugern nachgewiesen wurde, so bin ich geneigt, bei den Menschen ein häufigeres derartiges Vor- kommniss für wahrscheinlich zu erachten. Wir hätten dann auch beim Menschen wenigstens einen Theil der Thränendrüse als im un- teren Augenlid entstanden anzunehmen, denn wo die Mündung einer Drüse sich befindet, dort ist auch ihre Entstehung zu suchen. Die aus den obigen Untersuchungen sich ergebenden Resultate glaube ich in folgenden Sätzen zusammenfassen zu können. 1) Thränendrüse und Harper’sche Drüse besitzen ursprünglich gleichartige und gleichwerthige Anlagen, wahrscheinlich hervorge- gangen aus einem und demselben Mutterboden, nämlich aus dem dem Ectoderm entstammenden Conjunctivalepithel. Sie sind also m letzter Instanz modificirte d.h. in bestimmter physiologischer Richtung umgewandelte Integumentaldrüsen. 2) Um phylogenetisch sehr alte Organe kann es sich dabei aus verschiedenen Gründen nicht handeln. Einmal treten sie in der Thierreihe verhältnissmässig spät auf, ferner legen sie sich auch ontogenetisch in relativ später Zeit an und endlich liegen sie ur- sprünglich im Gebiete des zweiten Trigeminus, also eines Kopfnerven, der ebenfalls (sowohl phylogenetisch als ontogenetisch) jüngeren Da- tums ist, als die anderen (Haupt-)Aeste des Trigeminus, wie z. B. des Ramus mandibularis, aus dem der zweite secundär erst hervorsprosst. 3) Aus jener ursprünglich gleichartigen Anlage differenziren sich im allgemeinen zwei verschiedene Drüsen, von denen die eine die spätere Harper’sche Drüse im Gebiete des vorderen resp. inneren Orbitalwinkels, die andere im Bereiche des unteren Augen- lides sich befindet. Diese Harver’sche Drüse kann sich wiederum aus zwei vollständig von einander zu trennenden Drüsen zusammensetzen, von denen die eine, wie wir bei Lacerta und Agama sahen, ursprüng- lich eine Harver’sche Drüse im Sinne einer inneren Orbitaldrüse, die zweite eine Nickhautdrüse im engeren Sinne des Wortes war. Die laterale oder äussere Drüse zeigt nun bereits in früher Zeit die Tendenz, sich gegen den äusseren Augenwinkel hin stärker zu ent- nd 125] BEITRÄGE ZUR ANATOMIE DER THRÄNENDRÜSE. 125 wickeln und endlich von hier aus in das Gebiet des oberen Augen- lides überzuwachsen und sich hier zu einem in histologischer wie physiologischer Beziehung selbstständigen Organe, d.h. zur Thränen- drüse zu differenziren. Bei diesem Entwicklungsgange sind verschiedene Etappen zu unterscheiden. In der Reihe der Urodelen wird das Stadium der Indifferenz noch nicht verlassen, bei Anuren dagegen kommt es bereits zur Individualisirung einer ächten Harver’schen Drüse, wäh- rend die Entwicklung einer Thränendrüse gänzlich unterbleibt. Von hier ist also, — und das gilt ja auch für andere Organe der Anuren — kein directer Anschluss nach oben möglich. Einem solchen begegnen wir aber bei Sauriern und das gilt von hier an für alle Amnioten. Gleichwohl existiren auch hier Ausnahmen, welche insofern an die Anuren erinnern, als eine Thränendrüse spurlos fehlen kann. Dieses, bei Crassilinguiern und Agamen bestehende Ver- halten ist jedoch nicht als ein ursprüngliches, sondern wahrschemlich im Sinne einer regressiven Metamorphose aufzufassen. Bei höher stehenden Typen, wie bei den Säugern, tritt die oben schon angedeutete Neigung der hinteren (lateralen) Partie der ursprünglichen Unterliddrüse, mehr und mehr in das Gebiet des oberen Augenlides sich zu begeben, immer stärker hervor, gleich- wohl aber gibt sie niemals (auch beim Menschen nicht) ihren Zu- sammenhang mit dem unteren Augenlid gänzlich auf, wenngleich der- selbe oft hier auf geringe Spuren zurückgeht. Als solche haben wir die überall nachzuweisenden, im Bereiche des unteren Augenlides liegenden Ausführungsgänge aufzufassen. Worin die Erklärung für diese Ueberwanderung gesucht werden kann, soll weiter unten zur Sprache kommen. 4) Die physiologische Aufgabe der Augendrüse betreffend, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass wir es hier mit einer Schutz- vorrichtung zu thun haben. Es galt in erster Linie, das Auge für die Bewegung schlüpfrig zu erhalten, ferner aber auch es zu schützen gegen den Einfluss der umgebenden Medien, seien diese nun Wasser oder Luft, oder auch gegen gelegentlich eindringende Fremdkörper. Dass diese drei Aufgaben am besten gelöst werden durch eine öl- artige Flüssigkeit, ist klar, sie garantirt Beweglichkeit, schliesst ab gegen Wasser, zeigt geringe oder gar keine Neigung zur Verdunstung. Eine derartige Flüssigkeit mag wohl von den nach einem ein- heitlichen Typus gebauten Augendrüsen der Urodelen, sowie von der Harper’schen Drüse der Anuren geliefert werden. Die Nothwendig- 126 SARDEMANN: BEITRÄGE ZUR ANATOMIE DER 'THRÄNENDRÜSE. [126 keit ein für die Bespülung des Bulbus dünnflüssiges, auf eine mög- lichst rasche und sichere Fortschaffung von Fremdkörpern berechnetes Secret zu besitzen, führte dann zu einer histologischen Differenzirung der Grundlage, d. h. zur Schaffung eines neuen Organes und dieses konnte keine günstigere Lage gewinnen, als die zunächst dem äus- seren Augenwinkel. Von hier aus konnte sich der Flüssigkeitsstrom über den Bulbus hinweg ergiessen bis zum vorderen (inneren) Augen- winkel, wo sich bekanntlich die Ableitungsorgane für die im Con- junctivalsacke sich ansammelnde Flüssigkeit finden. Noch besser mochte dieser Zweck erreicht werden, wenn sich die Thränendrüse mehr und mehr über den äusseren Augenwinkel erhob und sich so mit seinem Secretstrom unter den mechanischen Einfluss des Lid- schlags stellte. Darin ist’sicherlich ein bedeutungsvolles Moment für die Ueberwanderung des Organs in den Bereich des oberen Con- junctivalsackes zu erblicken. Da bei Fischen und Dipnöern keine Spur von drüsigen Or- ganen in der Umgebung des Bulbus oculi nachweisbar ist, so lässt sich daraus schliessen, dass hier das umgebende Medium einen me- chanischen Ersatz leistet für ein fehlendes Drüsensecret, und dass andererseits der freiliegende Bulbusabschnitt eine gewisse Immunität gegen die Einwirkung des Wassers besitzt. Letzteres lässt sich bei Säugethieren, die sich erst secundär ans Wasserleben angepasst haben, wie z. B. bei Pinnipediern, nicht voraussetzen, und es wird sich hier einerseits für die schwach entwickelte Thränendrüse, sowie andererseits für die mächtige Glan- dula Harderiana eine ganz natürliche Erklärung finden lassen. Wie steht es nun in dieser Beziehung mit der ganz extrem entwickelten Glandula lacrymalis der Schildkröten, wie lässt sie sich bei Thieren, die ausschliesslich im Wasser oder doch an sum- pfigen Stellen leben, erklären? Gehen wir von der sicherlich nicht anzufechtenden Thatsache aus, dass die Conjunctiva dieser Thiere — und ich habe dabei vor allem 'die Seeschildkröte im Auge — für das Wasserleben eingerichtet, also auf die Bespülung mit einem dünnflüssigen Medium angewiesen ist, so kann man sich vorstellen, dass in Perioden, wo die Thiere das Wasser zum Zwecke der Ei- ablage verlassen und lange Reisen auf dem Lande unternehmen, das massenhaft ergossene Secret der Thränendrüse für das Wasser vicari- irend einzutreten habe. Ich bin mir wohl bewusst, damit nur den Versuch einer Er- klärung gemacht zu haben. Literatur. Balfour, Fr. M., Handbuch der vergleichenden Embryologie. Deutsch von B. Vetter. 2. Bd. Jena 1881. Boll, Fr., Ueber den Bau der Thränendrüse. Archiv f. mikr. Anatomie. 4. Bd. — — Die Bindesubstanz der Drüsen. Ibid. Bd. 5. — — Die Thränendrüse in Stricker's Handbuch der Lehre von den Geweben des Menschen. Leipzig 1871. Gegenbaur, C., Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Leipzig 1883. 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Anatomie. 1. u.2. Hannover 1876 u. 1879. Leydig, Fr., Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. Tübingen 1872. — — Ueber die Kopfdrüse einheimischer Ophidier. Bonn 1873. Luschka, H. v., Die Anatomie des Menschen. Tübingen 1867. Maier, R., Ueber den Bau der Thränenorgane des Menschen. Freiburg 1859. Müller, Joh., De glandularum structura ete. 1830. Owen, R., On the Anatomy of Vertebrates.. London 1866. Rathke, H., Untersuchungen über die Entwicklung und den Körperbau der Krokodilier. Braunschweig 1866. 128 SARDEMANN: BEITRÄGE ZUR ANATOMIE DER THRÄNENDRÜSE. [128 Reich, M., Zur Physiologie der Thränensecretion. Arch. f. Ophthalm. 19. Bd. 3. Reichel, P., Beiträge zur Morphologie der Mundhöhlendrüsen der Wirbelthiere. Inaug.-Diss. Leipzig 1882. — — Ueber die morpholog. Veränderungen der Thränendrüsen bei ihrer Thätig- keit. Arch. f. mikr. Anat. 17. Rosenmüller, J. Th., Partium externarum oculi in primis organorum lacry- malium descriptio. Lipsiae 1797. Stannius, H., Handb. d. 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Adelhausen wird überall in den be- züglichen geologischen Werken erwähnt, und Qurxsteor hat Ver- steinerungen von diesem Fundpunkte mehrfach abgebildet. Die Liaskalk-Steinbrüche von Adelhausen müssen, nach älteren Fossilienlisten und Sammlungen zu schliessen, früher reiche Ausbeute gewährt haben. Zur Zeit sind zwar eine Reihe Steinbrüche einge- gangen, doch ist Adelhausen auch heute noch ein guter Fundpunkt. Die Steinbrüche, welche jetzt im Betriebe sind, befinden sich über- wiegend nördlich von Adelhausen, nahe am Orte, und sind sämmt- liche auf Blatt 153, Schopfheim, der topographischen Karte des Grossherzogthums Baden, 1: 25,000, angegeben. Man beobachtet in den Brüchen feste Kalke von rasch wechselnder, grauschwarzer und röthlichbrauner Farbe. Bunte Mergel des Keuper sind im Orte selbst, am Wege nach Hüsingen, in unmittelbarer Nähe der Haupt- steinbrüche zu beobachten. Ich sammelte folgende Fossilien: 1. Pentacrinus tuberculatus, Mizver !). !) Von Adelhausen abgebildet in Quexsteor, Petrefactenkunde Deutsch- lands. Bd. 4, pag. 204. Taf. 97, Fig. 49—50. Berichte III. 1 (9) DD GEoRr6G BoEHn: [130 w Spiriferina Walcotti, SowErgY sp. 2 tumida, Buc# sp. Rynchonella plicatissima, QUENSTEDT sp. e belemnitica, i 5 a Deffneri, Orrer. Zeilleria(?) ovatissima, QuENSTEDT sp. !). 5 perforata, PırrrE sp. ?). vicinalis, SCHLOTHEIM Sp. Bay N OT „ Gryphaea arcuata, Lamarck ?). Lima antiquata, QuENSTEDT. Lima gigantea, SOWERBY Sp. 13. „ pectinoides, SOwERBY sp. . Pecten sp. 15. Cardinia cf. elliptica, Mn 16. Trochus anglicus, QuEnsTeDT, 17. Pleuromya (?) sp. 18. Nautilus aratus, SchLortkeın. 19. Arietites Bucklandi, Sowergry sp. 20. 3 cf. Seyllae, Reyx&s sp. 21. $ semicostatus, Youss und Bıkp sp. 22: a falcaries, QUENSTEDT sp. 29. A rotiformis, SOWERBY Sp. 24. Belemnites acutus, MiLvEr. Nach diesen Funden zu schliessen, hat man es bei Adelhausen mit Lias @, specieller mit den Arietenkalken oder den Schichten des Arietites Bucklandi zu thun. Vor allem dürfte der obere Theil der Arietenkalke — Zone des Pentacrinus tuberculatus nach Orrer, Zone des Arietites Turneri nach Wricnr — aufgeschlossen sein, Hierfür spricht neben dem massenhaften Vorkommen von Pentacrinus tuberceulatus besonders Belemnites acutus. Derselbe findet sich in Schwaben immer erst in den oberen Bänken der Arietenkalke. Auch Arietites semicostatus, Youxs und Bırp sp. — Arietites geo- metricus, OrrEn sp., wäre zu erwähnen. Das Hauptlager dieses ee RM rar DD mo nn > !) Vergl. Haas, Beiträge zur Kenntniss der liasischen Brachiopodenfauna von Südtyrol und Venetien, pag. 23; und dagegen RorHrLEerz, Geologisch-paläontologische Monographie der Vilser Alpen etc. Palaeontographica Bd. 33, pag. 109. ?) Besonders schön finden sich Formen, welche den Abbildungen von Zeilleria psilonoti in Quexstept, Der Jura, 1858, Taf. 4, Fig. 21 entsprechen. ®) Von Adelhausen „verkrüppelt“ abgebildet in Quexsteor, Der Jura. 1858. pag. 77. Taf. 9, Fig. 9. 131] NEUES Lıas-VORKOMMEN AUF DEM DINKELBERGE BEI BASEL. 3 in Fossils ist ebenfalls der obere Theil der Arietenkalke. Eine Son- derung der Arietenkalke in obere und untere Schichten ist bei den heutigen Aufschlüssen nicht möglich. Wahrscheinlich sind bei Adel- hausen auch tiefere Schichten des Lias #, die Schichten der Schlot- heimia angulata, entwickelt. Man sammelt Bruchstücke dieser Art im Abraum der Steinbrüche. Psiloceras planorbis, das Hauptleit- fossil der untersten Schichten des unteren Lias, wurde trotz eifrigen Suchens nicht gefunden. In geringer Entfernung nordwestlich von Adelhausen liest das Dorf Hüsingen. In der Nähe desselben wurde im Hexbste 1886 ein neuer Waldwirthschaftsweg angelegt. Bei den bezüglichen Ar- beiten ist Lias x mehrfach gut aufgeschlossen worden. Da die Auf- schlüsse nur kurze Zeit offen bleiben dürften, so sei es gestattet, auf das Vorkommen etwas näher einzugehen. Man erreicht Hüsingen am besten aus dem Wiesethale und zwar von der Station Steinen aus. Von Hüsingen führt ein Weg, in südöstlicher Richtung ansteigend, nach der Waldesecke östlich von „Hof“, Blatt 153, Schopfheim, der topographischen Karte des Grossherzogthums Baden, 1: 25,000. Dicht an der Waldesecke beob- achtete man zur Zeit sehr schön gelbe, rothe und grüne Keupermergel. Geht man am östlichen, vielfach gezackten Saume des Waldes ent- lang, so findet man zuerst an der zweiten Waldesecke typische Arietenkalke mit zahllosen Exemplaren von Gryphaea arcuata. Von der dritten bis zur vierten Ecke waren dieselben zur Zeit ebenfalls gut aufgeschlossen. An der vierten Ecke hatte man einen kleinen Bruch eröffnet, um Schottermaterial für den neuen Weg zu ge- winnen. In diesem Bruche fanden sich. neben anderem, ebenfalls zahllose Exemplare von Gryphaea arcuata. Weiter südlich — zwi- schen den Höhenzahlen 450,1 und 450,7 der topographischen Karte — greift eine Wiese in den Wald hinein, an welcher der neue Weg seinen Anfang nahm. Auch hier waren im Walde zwei kleine Brüche zur Gewinnung von Schottermaterial angelegt worden, welche reiche Ausbeute gewährten. Ferner findet man nahebei im Walde Fossilien der Arietenkalke ziemlich zahlreich zerstreut. Das Ge- stein gleicht völlig dem von Adelhausen. Es ist ein fester Kalk von rasch wechselnder, grauschwarzer und röthlichbrauner Farbe. Die Kalkbänke lagern, soweit dies sichtbar ist, fast horizontal. An Fossilien sammelte ich bei Hüsingen: 1. Pentacrinus tuberculatus, MivLeEr, 2. Spiriferina Walcotti, SowErgBY sp. A BoEHm: Neues Lias-VORKOMMEN AUF DEM DINKELBERGE BEI BASEL. [132 rn DR Spiriferina tumida, Buc# sp. Zeilleria (?) ovatıssima, QuEnstEnT sp. !). >. 5 perforata, Pıertz sp. 6. B4 cor, LAMARCK sp. T. a vicinalis, ScHLorHEım sp. ?). 8. Gryphaea arcuata, LAMARrcK. 9. Lima gigantea, SowErBY Sp. 10. ,„ pectinoides SowErRBY Sp. 11. Pecten sp. 12. Pleuromya sp. 13. Arıetites semicostatus, Youne und Bırp sp. 14. h bisulcatus, Brusvsere sp. Sr 5 latisuleatus, Quessteor sp. 10. N rotiformis, SOWERBY Sp. 17. Schlotheimia angulata, Sc#Lorkeim sp. Die eben genannten Fossilien verweisen auf Lias a. Es dürften die Schichten der Schlotheimia angulata, sowie der untere und obere Theil der Schichten des Arietites Bucklandi vorliegen. Eine strati- graphische Sonderung dieser Schichten war bei den mangelhaften Aufschlüssen nicht möglich. Die untersten Schichten des Lias a mit Psiloceras planorbis vermochte ich bei Hüsingen ebenso wenig aufzufinden, wie bei Adelhausen. Der neue Lias-Aufschluss von Hüsingen wurde von mir zum ersten Male im Herbste 1886 besucht. Auf allen mir zugänglichen Karten war bis dahin bei Hüsingen weder Keuper noch Lias ver- zeichnet. Anders in dem neuerlich erschienenen Werke von Eck, Geognostische Uebersichtskarte des Schwarzwaldes: 1 : 200,000. Hier finden sich unmittelbar südlich von Hüsingen sowohl Keuper wie Lias verzeichnet. Allein das Lias-Vorkommen, welches Eck an- gibt, erstreckt sich von Hüsingen nach Südwest. Die oben ange- gebenen Fundpunkte liegen südlich und südsüdöstlich von Hüsingen, in der Richtung nach Adelhausen zu. Vielleicht gelingt es detail- lirten Aufnahmen, den unteren Lias von Hüsingen aus bis Adel- hausen zu verfolgen. !) Vergl. Anm. 1 auf pag. 2. ?) Zeilleria vicinalis ist auffallend häufig und schön vertreten, und — wenn man nur das Hüsinger Material berücksichtigt — leicht von Zeilleria cor zu unterscheiden. Ueber die sogenannte „Schleimdrüse“ der männlichen Cypriden. Von Carl Georg Schwarz. Mit Tafel XI, X. Es ist gewiss schon an und für sich eine auffallende Erschei- nung, wenn wir den männlichen Genitalapparat der Cypriden mit einem in der Leibeshöhle gelegenen Organ ausgerüstet sehen, welches an Masse fast den vierten Theil des ganzen Körpers ausmacht, ohne dass doch dessen Funktion ohne Weiteres zu erklären wäre. Noch interessanter wird dasselbe dadurch, dass es trotz seinem sehr com- plieirten Bau, der doch wohl eine lange phyletische Entstehungsge- schichte bedingt, dennoch bei den nächsten Verwandten der Familie der Cypriden, bei derjenigen der meerbewohnenden Cytheriden, voll- ständig fehlt. Ich spreche von dem zuerst von Zexker beschriebenen und als Schleimdrüse gedeuteten Organ, welches durch seine Grösse und merkwürdige Gestalt sofort die Augen des Untersuchers auf sich zieht. Der erste, der uns über dasselbe berichtet, ist Rauoonr !), der es als einen „länglichen, dunklen, der Länge nach gefranzten und in eine weite, durchsichtige, walzenförmige Membran eingeschlossenen Körper“ bezeichnet und es als Hoden deutet, eine Ansicht, für die sich auch Ser. Fischer ?) erklärt, nur dass dieser gelegentlich auch !) F. A. Rauponr, Ueber die Gattung Cypris MürrL. und drei zu derselben gehörende neue Arten. (Gesellschaft naturforsch. Freunde zu Berlin. Magazin. 2. Jahrgang. 1808.) ?) Sep. Fischer, Abhandlung über das Genus Cypris und dessen in der > 6 SCHWARZ: [134 das Receptaculum seminis des Weibchens ebenfalls für Hoden an- spricht. Obgleich Fischer wiederholt Abbildungen des Organs gibt, geht er doch auf den Bau desselben nicht näher ein und ist Zunker der erste, dem wir nicht nur eine eingehende Beschreibung, sondern auch den Versuch einer wirklichen Deutung desselben verdanken. Während er in seiner ersten Untersuchung „Ueber die Geschlechts- verhältnisse der Gattung Öypris“!) sich nur kurz über dasselbe ge- äussert und seine Erklärung als „Glandula mucosa“ noch als zweifelhaft dahingestellt liess, da er eine wirkliche Absonderung von Schleim, oder überhaupt solchen nie gesehen, denselben vielmehr nur vermuthet, geht er in seiner Ostracodenmonographie ?) näher auf diese Verhältnisse em. Er beschreibt nämlich dort (pag. 45) die Schleimdrüse als ein Organ, das „an dem einen Ende durch eine eigenthümliche, sternartige Narbe geschlossen oder bisweilen noch durch eine sackartige Fortsetzung verlängert ist; nach dem anderen Ende geht es in einen Ausführungskanal über, der ganz dem der weiblichen Samentasche ähnlich sieht. „Des äusseren Cylinders Wan- dungen sind durch ein System von Chitinstreifen parallel (?) der Achse gestützt und verfestigt“ ete. — „Die Zellen und Schläuche sondern Schleim ab, welcher nun, wie es scheint, in den (inneren chitinösen) Oylinder eindringt und dessen ganzes Innere ausfüllt.* Nach seiner Meinung münden Schleimdrüse und Vas deferens ge- trennt in den Penis. Die erste richtige Deutung des Organs gab Weısmanx®) in derselben Mittheilung, in welcher er auch die Parthenogenese bei den Ostracoden zum ersten Male nachwies. Am Schlusse des kurzen Aufsatzes heisst es nämlich: „Nach den mit Recht berühmten Unter- suchungen Zenker’s über den Bau der Ostracoden konnte man kaum erwarten, in anatomischer Hinsicht noch wesentlich Neues bei diesen Thieren zu finden. Dennoch gelangt man in einzelnen Punkten durch die modernen Untersuchungsmethoden zu besserer Einsicht. Umgebung von St. Petersburg und von Fall bei Reval vorkommende Arten. (Mem. presentes & l’Academie imperiale des Sciences de St. Petersbourg par divers Savants. Tom. VII.) ') W. Zenker, Ueber die (seschlechtsverhältnisse der Gattung Cypris. (Mürter’s Archiv für Anatomie, Physiologie etc. 1850.) ?) W. Zexker, Anatomisch-systematische Studien über Krebsthiere. (Archiv für Naturgeschichte. Berlin 1854.) >) A. Weısmann, Parthenogenese bei den Ostracoden. (Zoologischer An- zeiger 1880. pag. 84.) 135] ÜEBER DIE SOGENANNTE „SCHLEIMDRÜSE“ DER MÄNNLICHEN ÜYPRIDEN. 7 So ist die kolossale ‚Schleimdrüse‘, welche Zexxer bei den Männ- chen der Cypriden beschrieb, keine Drüse, sondern ein höchst merk- würdiger Ejaculationsapparat. Er liegt nicht seitlich dem Vas deferens an, sondern ist dem Verlauf desselben eingeschaltet. In sein proximales Ende mündet der Samenleiter der betreffenden Körper- seite und eine so feine Oeffnung führt in das Lumen, dass nur ein Samenfaden auf einmal hindurchtreten kann (Oyprois monacha). Seiner Hauptmasse nach besteht der Apparat aus Muskeln, deren Quer- streifung allerdings sehr fein und nicht immer leicht zu erkennen ist; dieselben ziehen alle in der Längsrichtung des Organs und liegen in dichten Massen übereinander, die Chitinspangen des Skeletts mit einander verbindend.“ Dass die „Schleimdrüse“ wirklich in dem Verlauf des Vas deferens liegt, war übrigens schon vor Wrısman von Litsesore !) ganz richtig angegeben worden, eine Angabe, die aber von jenem sowohl, als von den meisten späteren Bearbeitern der Ostracoden übersehen worden ist, vermuthlich aus Unbekannt- schaft mit der schwedischen Sprache, in welcher die Liusesore’sche Abhandlung geschrieben ist. Bestritt doch sogar Weıswann’s näch- ster Nachfolger auf diesem Gebiet, W. Mürver ?) die Richtigkeit gerade dieser Angabe Weıswasv’s und hielt an der Deutung des Organes, wie sie Zexker gegeben hatte, fest, ja glaubte sogar den Grund des Irrthums namhaft machen zu können, in den Weıs- MANN gefallen sein sollte. Eher noch versteht man, dass er die An- wesenheit einer Muskelschicht an dem Apparat bestreitet, denn diese ist in der That schwierig zu erkennen, wenn auch Lryoıe ?) schon im Jahre 1860 sie gesehen zu haben glaubte. Freilich ist die be- treffende Beobachtung in seiner grossen Daphnidenmonographie nur als kurze Zwischenbemerkung eingestreut, mitten im Text über die Bauverhältnisse der Daphniden und hat auf diese Weise kaum etwas zur Klärung unserer Kenntniss über diesen Punkt beitragen können. Ueberhaupt ist es hier mit der blossen Constatirung von Querstreifung nicht gethan, Mürver hat eine solche auch gesehen, will sie aber nicht als die so charakteristische Querstreifung der Arthropodenmus- !) LiLseBors, De crustaceis ex ordinibus tribus: Cladocera, Ostracoda et Copepoda in Scania occurrentibus. pag. 100. Lund 1853. ?, W. Mürter, Beitrag zur Kenntniss der Fortpflanzung und Geschlechts- verhältnisse der Ostracoden. (Zeitschr. für systemat. Naturwissensch. LIII. 1880.) W. Mürrer, Zur näheren Kenntniss der Cytheriden. (Archiv für Natur- geschichte. 1884. 1.) 3) Leypis, Naturgeschichte der Daphniden. pag. «2. Tübingen 1860. 8 SCHWARZ: 1136 kulatur gelten lassen. Sie unterscheidet sich nach seiner Meinung von dieser sofort „durch grössere Zartheit und engeres Zusammenstehen der Linien“. — „Bei Behandlung mit chromsaurem Kali,“ sagt Mürrwer, „verschwindet (hier) die Streifung, während sie beim Muskel deutlicher wird. — Behandelt man dagegen das Organ mit Horr- mAann’s Blau, so zeigt sich die durchsichtige Masse zusammengesetzt aus zahlreichen, radiär geordneten Schläuchen, was ich besonders schön am Querschnitt einer gefärbten Schleimdrüse sah“ (l. ce. pag. 7, Anm.). — Auf diese letzte Bemerkung besonders werde ich seiner Zeit noch näher einzugehen haben. Zum Schluss sei noch eine ganz eigenartige Ansicht über die Funktion und Bedeutung des Organs erwähnt, wie sie Renzere !) in seinen „Beiträgen zur Naturgeschichte der niederen Orustaceen“ aufstellt. Nachdem er nämlich den ganzen Apparat, wie er sagt, von Notodromas monachus, in Wirklichkeit aber, wıe Beschrei- bung und Zeichnung deutlich erkennen lassen, den von Candona candida ziemlich richtig charakterisirt und auch seine vollkommene Uebereinstimmung mit Weısmann darüber, dass man es hier mit einer starken, quergestreiften Längsmuskulatur zu thun habe, dar- gethan hat, kommt er in Folge eingehender Betrachtung des Chitin- gerüstes zu der überraschenden Erkenntniss, dass diese Muskeln aber gar nicht funktioniren könnten, es sei vielmehr der ganze Apparat ein „Schutz- und Aufbewahrungsort der Spermatozoen‘, oder, wie er es verkehrter Weise nennt, ein „Receptaculum seminis“. Eine kritische Würdigung resp. Richtigstellung dieser bisher kurz betrachteten Ansichten ist nun von Norpgvistr ?) in seinem „Beitrag zur Kenntniss der inneren männlichen Geschlechtsorgane der Öypriden“ bereits versucht worden, der auf Anregung von Pro- fessor Weismann dieses Thema behandelt hat. Indessen ist auch ihm eine vollständige Klarstellung der Verhältnisse nicht gelungen, indem unter Anderem ein Beweis, dass wir es hier wirklich mit Muskeln zu thun haben, von ihm nicht mit Sicherheit geliefert werden konnte, und davon hängt natürlich die ganze Deutung des Organes in erster Linie ab; gesetzt aber auch, es hätte dieser Hauptpunkt schon festgestanden, so fehlte es doch noch vollkommen an einer richtigen Vorstellung darüber, wie der Apparat arbeitet, und es !) H. Renperg, Beiträge zur Naturgeschichte der niederen Crustaceen. (Abhandlung vom naturforschenden Verein in Bremen. 1884.) ?) ©. Norpquist, Beitrag zur Kenntniss der inneren männlichen Geschlechts- organe der Cypriden. (Acta societatis scientiarum Fennicae XV. Helsingfors 1885.) 157] ÜEBER DIE SOGENANNTE „SCHLEIMDRÜSE* DER MÄNNLICHEN ÜYPRIDEN. 9 musste von Interesse sein, in die Mechanik eines Organs einzu- dringen, welches doch offenbar in genauester Beziehung zu den so merkwürdigen, riesigen Spermatozoen der Öypriden steht. Ich wandte mich um so lieber dieser Untersuchung zu, da mir neben dem reichen Material, was die Umgebung von Freiburg i. B. bot, auch noch von Herrn Professor Wzısman sowohl dessen Zeich- nungen und Präparate, als seine nicht veröffentlichten Beobachtungen in überaus liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellt waren, wo- für ich gleich an dieser Stelle ihm meinen verbindlichsten Dank aussprechen möchte. Die zur Untersuchung benützten Thiere waren Öyprois mo- nacha Zexker, Candona candida Mürrer, Cypris punctata JURINE, und Oypris ovum Jurıne, die einzigen Formen unter den 19 aus den Gegenden von Leipzig, Freiburg i. B. und Strassburg i. E. gesammelten Oypriden, bei denen ich Männchen gefunden habe, und zwar bei Üypris punctata das ganze Jahr hindurch, bei den drei anderen nur zeitweise. Weısmasn gab in seiner Mittheilung über die Parthenogenese der Ostracoden seiner Zeit an, dass man im All- gemeinen sicher sein könne, eine rein parthenogenetische Colonie vor sich zu haben, wenn man nur einige erwachsene Weibchen mit reifen Eiern untersucht und ihr Receptaculum seminis leer, d. h. ohne Sperma gefunden habe, denn in zweigeschlechtlichen Colonien sei das Receptaculum der reifen Weibchen stets mit Samen gefüllt. Dies ist im Allgemeinen vollkommen richtig, doch gibt es selbstverständ- lich ım Leben derjenigen Colonien, welche im Winter aussterben, oder welche sich abwechselnd bald parthenogenetisch, bald zwei- geschlechtlich fortpflanzen, Momente, in welchen die Weibchen reif, aber noch nicht begattet sind, wo dann trotz der Anwesenheit von Männchen sich die Weibchen noch unbefruchtet zeigen. Diese Mo- mente werden im Frühjahr, bei Arten mit alternirender Fortpflan- zung auch im Herbst liegen müssen, am Beginn, vielleicht auch am Ende der zweigeschlechtlichen Fortpflanzungsweise. Dementsprechend habe ich denn auch zu wiederholten Malen neben unbefruchteten reifen Weibchen reife Männchen nachweisen können, so z. B. bei Cyprois- monacha am 20. Mai und bei Candona candıda am 4. Oktober. Was die Untersuchungs-Methoden angeht, so wurden die Thiere theils frisch in physiologischer (0,7°Joiger) Kochsalzlösung untersucht, theils gehärtet und in Schnittserien von "ıw mm Stärke mittelst des June’schen Mikrotoms zerlegt. Zu diesem Zwecke 10 SCHWARZ: [138 wurden die frischen Objekte in den meisten Fällen in 70° heissem Alkohol von 30° abgetödtet und successive in solchen von 70°%o, 95% und endlich absoluten gebracht, worin sie mindesten 48 Stunden verblieben. Entkalkt wurde durch concentrirte Pikrinsäure, deren Einwirkung bei einer Temperatur von 54° nach 6 Stunden genügt, und nachdem letztere in abgekochtem Wasser sorgfältig ausgewaschen, auf die bekannte Art in Paraffin eingebettet, wobei jedoch nicht versäumt werden darf, die Schalen vorher anzustechen, damit das Paraffin ordentlich im das Thier einzudringen vermag. Sich beim Auswaschen, besonders wenn dies, was sehr zu empfehlen ist, im Wärmofen geschieht, abgekochten Wassers zu bedienen, ist desshalb sehr rathsam, weil dadurch die Gefahr vermieden wird, dass die kleinen Objekte durch die sich bildenden und an jene an- setzenden Luftblasen an die Oberfläche gehoben werden, wodurch das Auswaschen sehr erschwert, wo nicht ganz verhindert wird. Ausser der Härtungsmethoden durch Alkohol bediene ich mich noch vorzugsweise des heissen Sublimats, der FLemmıng’schen Lö- sung und ganz besonders einer Mischung von 1 Theil Osmiumsäure von 2°, 5 Theilen Essigsäure „ 2° und 4 2 Wasser mit sehr gutem Erfolg. Es wurden stets die ganzen Thiere geschnitten, niemals das vorher herauspräparirte Organ allein. Gefärbt wurden die frischen Objekte mit Pikrokarmin (nach Rasvıer und Merck), Boraxkarmin und essigsaurem Karmin; die Schnitte, welche mit Eiweissglycerin nach der von Pau Mayer an- gegebenen Methode aufgeklebt waren, durch die gleichen Färbemittel, zu denen noch Eosin und Hämatoxylin hinzutraten. Besonders letz- teres gab in Verbindung mit Pikrokarmin sehr gute Doppelfärbungen und wurde am häufigsten angewandt; auf die bei diesen Behandlungs- weisen erzielten Resultate werde ich noch näher bei der Betrachtung der einzelnen Theile einzugehen haben. Bei den vier zur Untersuchung gelangten Arten, bei denen, nebenbei bemerkt, das Verhältniss zwischen der Zahl der Männchen und der der Weibchen ein sehr verschiedenes ist, wenn auch die letzteren immer in der Ueberzahl vorhanden sind, zeigt das Organ stets die gleiche Lage, in der hinteren Leibeshälfte, zur Längsachse des Thieres in einem Winkel von ca. 45° geneigt, rechts und links vom Darm, jederseits in das betreffende Vas deferens eingeschaltet 139] ÜEBER DIE SOGENANNTE „SCHLEIMDRÜSE* DER MÄNNLICHEN ÜYPRIDEN. al und ist meist schon durch die Schale hindurch von Aussen sichtbar }). Es dient als sehr gutes äusseres Erkennungsmittel für Männchen, liesse sich auch, wie schon Zexker sagt, als Unterscheidungsmerk- mal für das Auseinanderhalten der Arten gut verwenden, wenn nicht in Folge der bei den Ostracoden so häufigen Parthenogenese bei den meisten Arten Männchen ganz fehlten oder doch sehr selten und nur zeitweise zu finden wären. Auch die Construktion ist überall im Grossen und Ganzen die gleiche und dürfte es, um den Typus der- selben kennen zu lernen, am geeignetsten sein, wenn wir bei unserer Betrachtung von der Form ausgehen, die denselben am deutlichsten erkennen lässt, nämlich von Öyprois monacha. Das ganze Organ lässt sich in drei, deutlich von einander differenzirte Haupttheile zerlegen, in das Chitingerüst, einen in dasselbe eingestülpten Drüsenschlauch (das innere Epithel Norv- auısr’s) und die dasselbe umhüllende Muskulatur, wie ich diese helle, durchsichtige Masse schon hier nennen will. Das die Grundlage des Apparates bildende Chitingerüst zer- fällt in das aus ca. 60, durch eine Membran unter sich verbundenen, gleich weiten Ringen gebildete Chitinrohr (chr), und die auf diesen aufsitzenden Stacheln (st), die zwar beide im Laufe der Entwick- lung sich erst verhältnissmässig spät differenziren, die ich aber, weil sie gemeinschaftlich dem Ganzen als stützendes Gerippe dienen, dann aber auch noch eine hochwichtige mechanische Funktion auszuüben haben, zuerst behandeln möchte. Betrachtet man das Gerüst eines in Moueschorr’scher Kalilösung macerirten Organes, so sieht man, dass alle Ringe mehrere Stacheln tragen, die am proximalen und distalen Ende zu Kränzen angeordnet und an ihren Spitzen durch einen starken Chitinring (or und ar) noch besonders verfestigt sind, und während alle übrigen zur Längsachse senkrecht stehen, neigen diese sich nach aussen, so dass trichterförmige Gebilde entstehen, in deren Wandung die Stacheln wie Rippen verlaufen und an deren Grund am proximalen Ende die Narbe (n) mit dem Eingang in den Apparat liegt, am distalen der Ausführungsgang (ag) desselben ver- lässt (Fig. 1 und 2). Diese Stacheln sind durch und durch aus einem ') Anmerkung. Nur ein einziges Mal habe ich bei einer Cypris punc- tata eine abnorme Lage des Organs beobachtet, wo es parallel zur Längs- achse und dem Rücken näher erschien. Wie weitere Beobachtungen zeigten, war dies nicht blos eine vorübergehende Verschiebung; doch war, wie die endliche Präparation zeigte, an der Struktur selbst nichts Anormales zu erkennen. 12 SCHWARZ: [140 Stück, während alle übrigen sich nicht blos in zwei Arme theilen, sondern jeder von diesen zerfällt nochmals in zwei Unterarme, die, wie Fig. 6 es zeigt, immer vier nebeneinander liegenden Ringen auf- sitzen, und zwar so, dass der letzte Arm des einen und der erste des folgenden Stachels immer demselben Ringe angehören. Auf diese Weise wird es möglich, dass sämmtliche Ringe durch die Elastieität der Stachelarme, die wie die Schenkel einer Pincette sich von einander zu entfernen suchen, auseinander gezogen werden können. Im unverletzten, natürlichen Zustand des Organes liegen die Ringe, wie es unter Anderem die Längsschnitte zeigen, fast ohne /wischenraum aufeinander, und erst wenn durch die Maceration die umhüllende helle Substanz beseitigt wird, entfernen sie sich mehr und mehr, bis sie endlich die in Fig. 6 angegebene Stellung zu ein- ander haben. Es geht hieraus unzweifelhaft hervor, dass es die um- hüllende Substanz ist, welche die Ringe aneinander hält, ist diese aber beseitigt, so kommt die federnde Kraft der Stachelarme in vollem Maasse zur Geltung und die Länge des ganzen Rohres wird erheblich vermehrt. Die Verbindung der Ringe unter sich durch eine Membran, die am ausgebildeten Thiere nur schwer zu erkennen ist, lässt sich am besten an Exemplaren, deren Ausbildung erst bis zur Anlage des Chitinrohres, an dem die Stacheln noch fehlen, vorgeschritten ist, durch starke Maceration in Kalilauge constatiren, wo nach Be- seitigung der Muskelsubstanz nichts übrig bleibt, als ein häutiges, durch Spangen gestütztes Rohr, ähnlich der Trachea der Wirbelthiere, das sich durch Auseinanderziehen um mehr als das Doppelte ver- längern lässt, so dass endlich ein Schlauch entsteht, auf dem die ur- sprünglich dicht aneinander liegenden Spangen weit auseinander ge- rückt sind und wir ein Bild erhalten, welches Norvauvıst (l. c. pag. 26 und Fig. 27) unter der irrthümlichen Bezeichnung eines normalen Jugendstadiums des Organs wiedergibt. Das Chitinrohr (chr) setzt sich am hinteren Ende in eine kolben- förmige Erweiterung fort, die sich jedoch sehr schnell zu eimem feinen Ausführungsgang (ag) verengt, welcher verhältnissmässig kurz und ohne erhebliche Krümmungen in den Penis mündet (Fig. 2). Am vorderen Ende geht es in eine wenig gewölbte Verschlusskuppe über, die von einer engen, die Stärke eines Spermatozoons kaum übertreffenden Oeffnung durchbohrt ist, um welche auf der inneren, concaven Seite kleine Chitinkörperchen von der Gestalt und Gruppirung der Stücke einer auseinander gebrochenen Apfelsine (Fig. 21) ange- 141] ÜEBER DIE SOGENANNTE „ÖSCHLEIMDRÜSE“ DER MÄNNLICHEN ÜYPRIDEN. 13 ordnet sind. Solcher Chitinkörperchen sind meist 12 — Abwei- chungen von 9—13 Stück sind verhältnissmässig sehr selten — zu einer derartigen Gruppe vereinigt, die uns Zuxker als Narbe, Norp- auıst als Krone bereits beschrieben haben. Von hier aus stülpt sich ein Schlauch (ds) in das Chitinrohr ein, der nicht, wie Norparısr meint, das ganze Rohr als inneres Epithel auskleidet, sondern nur bis etwas über die Mitte hinabreicht; wenn er auch, wie ich bei ganz frischem Material deutlich beob- achten konnte, in natürlichem Zustande der Innenwand dicht aufliegt, sich aber bald in Folge der durch Reagentien hervorgerufenen Schrumpfung loslöst und sein ursprünglich weites Lumen dann nur schwer, oft gar nicht mehr erkennen lässt. Obgleich man in diesem Schlauch in den meisten Fällen nur eine Lage Kerne nachweisen kann, und er daher aus einer einzigen Schicht von Zellen aufgebaut zu sein scheint, lässt sich doch durch Untersuchung besonders jüngerer Thiere zeigen, dass wir ursprünglich ein aus zwei Zelllagen zusammen- gesetztes Rohr vor uns haben (Fig. 3 ds); erst später tritt in der äusseren ein Schwinden der Zellgrenzen und Kerne ein, derart, dass nur noch eine feine, oft kaum noch sichtbare Membran übrig bleibt. Der übrige nicht von diesem Schlauche ausgefüllte Theil des Chitin- rohres enthält stets ein durch Hämatoxylin sich leicht bläulich fär- bendes Sekret, welches bis in den Ausführungsgang hinabreicht und bei Verletzungen desselben als klemes, schleimiges, stark lichtbre- chendes Tröpfehen austritt. Dieses Sekret, welches wahrschemlich von den Zellen des eingestülpten Schlauches (ds) abgesondert wird, wesshalb ich auch für diesen den Namen des „Drüsenschlauches“ der Norpquisr’schen Bezeichnung des „inneren Epithels“ vorgezogen habe, ist für die Samenfäden von grosser Bedeutung, denn diese gleiten nicht einfach, wie man leicht annehmen könnte, durch den Apparat hindurch, sondern liegen, wie ich wenigstens bei Cypris punetata mit Sicherheit nachweisen konnte, in ihm aufgerollt, wie es Fig. 16 zeigt. Nur bei in Copulation befindlichen Thieren konnte ich hier oder im Ausführungsgang Spermatozoen erblicken und niemals mehr als ein Stück, im Gegensatz zu der von ReuserG gemachten Angabe !), halte auch das Vorkommen einer grösseren Zahl schon aus Rücksicht auf die Grössenverhältnisse für unwahr- scheinlich, wenn nicht unmöglich ?). Verlässt der Samenfaden das ke. pag. 17. 2) Bei C. punctata ist das Chitinrohr ca. 0,35 mm lang und 0,03 mm weit, 14 SCHWARZ: [142 Organ, so tritt er mit dem Kopfe (dem dicken Ende) zuerst in den Ausführungsgang, während der übrige Theil so lange als möglich aufgerollt bleibt; erst mit dem weiteren Vorrücken wird diese Lage aufgegeben, aber selbst, wenn sich nur noch der bedeutend dünnere Schwanztheil in der kolbenförmigen Erweiterung befindet, biest und dreht dieser sich gewiss noch wie eine aufgewickelte Peitsche zu- sammen (Fig. 14). Nach Aussen hin vermittelt die Narbe (n), die so zu sagen die Eingangspforte in den Apparat bildet, die Verbindung mit dem Vas deferens, welches sich als ein sehr dünnwandiger, weiter, meist ein- seitig aufgetriebener Schlauch an den oberen Chitinring (Figg. 2 und 4 or) ansetzt und nach oben hin bald enger und massiver wird. Die deutlich begrenzten, mit grossen Kernen ausgezeichneten, poly- gonalen, im frischen Zustand etwas pigmentirten Zellen, aus denen dieser untere Theil des Vas deferens zusammengesetzt ist, lassen sich durch Boraxkarmin schön färben und zeigen grosse Aehnlichkeit mit denen, die man in der Tunica propria vom Ovidukt vieler Insekten beobachtet. Da bei der Präparation diese äusserst feine Haut leicht entzweireisst, besonders da sie durch die nach Art der Schiffstaue hier massenhaft aufgerollten Samenfäden straff gespannt ist, und da auch die besten Längsschnitte keinen sicheren Aufschluss darüber geben, so ist es gewiss begreiflich, wenn Viele einen Zusammenhang zwischen Organ und Vas deferens nicht finden konnten. Auch mir ist es bei Cypris punctata nur sehr selten, bei Öyprois aber öfter gelungen, diese Verbindung ganz intakt zu erhalten und die Figg. 2, 4 und 20 sind nach solchen Präparaten mittelst der Zeıss’schen Camera angefertigt worden. — Damit scheint mir die von W. Mürrer wieder von Neuem aufgestellte Behauptung, dass Organ und Vas deferens getrennt in den Penis münden, endgültig widerlegt und die Angaben von Liwserors und Wrismann festgestellt zu sein, aber auch mit dem zweiten Theil seiner Vermuthung, in welcher Mürter die Deutung der hellen, das Organ umschliessenden Masse als Mus- kulatur in Zweifel zieht, ist er nicht glücklicher, denn wenn auch die Lösung dieser Frage durchaus nicht so einfach und zweifelsohne ist, wie man nach Norpausst’s Darstellung meinen könnte, so glaube ich doch auch hier den positiven Nachweis führen zu können, dass welcher Raum noch durch den Drüsenschlauch fast um die Hälfte verkleinert wird, während ein Samenfaden dieses ungefähr 0,77 mm langen Thieres nicht weniger als 0,9] mm in der Länge und 0,002 mm im Durchmesser misst. 143] ÜEBER DIE SOGENANNTE „SCHLEIMDRÜSE* DER MÄNNLICHEN ÜYPRIDEN. 15, wir hier wirklich Muskeln, freilich zum Theil von sehr eigenthüm- licher Struktur vor uns haben. Die Untersuchung ergab mir darüber Folgendes: Auf dem Chitinrohr sitzen mehr oder minder sich spaltende, oftmals vielfach anastomosirende Blätter fächerförmig auf (ct. die Querschnitte Fig. 3), die, gestützt von den Stacheln, vom vorderen zum hinteren Chitin- kranze in der Längsrichtung verlaufen. Nach Innen, nach dem Chitinrohr (chr) sowohl wie nach Aussen hin sind diese Blätter, die im frischen Zustand eine einzige, hellgelbliche, durchsichtige, fest aufeinander liegende, weiche Masse bilden, von einem Epithel (ie und ae) eingeschlossen, welches in der Jugend sehr stark ist und zahlreiche Kerne enthält, bald aber so sehr schwindet und nur ganz vereinzelt noch Kerne führt, dass es oft kaum noch zu erkennen ist. Das äussere von beiden (ae) bildet die direkte Fortsetzung des Vas deferens, das innere (ie) liegt zum Unterschiede von den beiden letzten Arten dem Chitinrohr nicht auf. In Folge der Einwirkung der zur Conservirung nötigen Reagentien lösen sich die einzelnen Blätter voneinander los und lässt sich ihre Anordnung auf den Querschnitten (Fig. 3) sehr deutlich erkennen. Offenbar sind es die Querschnitte dieser Blätter, wie wir sie hier vor uns haben, welche W. Mürver irrthümlich als Schläuche gedeutet hat !!). Ueber den Charakter derselben erhalten wir durch in Pıkro- karmin und Hämatoxylin tingirte Längsschnitte unzweifelhaften Auf- schluss, denn die hier zu Tage tretende bekannte Querstreifung lässt sie uns sogleich als Muskeln erkennen. Bis in die Details finden wir hier die von Rorzerr ?) in seinen „Untersuchungen über den quer- gestreiften Muskel“ für den Arthropodenmuskel fixirten Einzelheiten wieder, sowohl die stärker lichtbrechenden (bei tiefer Einstellung des Tubus dunklen) Streifen (Q@ und J), die Disques Eepais und Disques minces Ranvıer’s?), als auch bei Z die weniger lichtbre- chenden Bandes claires Rasvier’s aufs schönste differenzirt. Selbst der in der Mitte von @ hinlaufende, mit h bezeichnete helle Streif, der meist schwer nachzuweisen, ist in vielen Fällen, besonders bei Exemplaren, die in Osmium-Essigsäure gehärtet und mit Pikro- DZ e. pag. 7. Anm: 2?) A, Rorıerr, Untersuchungen über den Bau der quergestreiften Muskel- fasern. (Denkschriften der mathematisch-naturwissenschaftl. Klasse der kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Wien 1885.) 1, Fig. 5C. 3) Ranvıer, Lecons d’anatomie generale sur le syst&me museulaire. pag. 79. Parıs 1880. 16] SCHWARZ: 144 karmin nachgefärbt waren, deutlich erkennbar. Weiterhin erhält man aber auch noch durch Behandlung von Zupfpräparaten mittelst Morescnorr'scher Kalilösung die Zerlegung der Muskelfaser in Fi- brillen (Fig. 9) ganz in der nämlichen Weise, wie sie RoLuerr be- schreibt und von Maja squinado (Theil II, Fig. 27) abbildet. Es ist mir übrigens auch gelungen, unter Anwendung von chromsaurem Kali, im Gegensatz zu W. Mürver, schöne Querstrei- fungsbilder zu erhalten; die von Jenem beschriebenen Schläuche aber, aus welchen die durchsichtige Substanz zusammengesetzt sein soll, liessen sich in einem Falle mit Sicherheit als Kunstprodukte nachweisen. Beim Zerzupfen nämlich des Organs von einem jüngeren, aber schon völlig ausgebildeten Thiere, was in physiologischer Koch- salzlösung geschah, wurden einige Male die noch minder consistenten Muskelblätter durch die massenhaft vorhandenen, stets in den hellen Streifen (Z) liegenden Stacheln, wie durch Messer derartig in Stücke zerschnitten, dass ich Streifen erhielt, von denen wohl jeder gleich- werthig mit seinem Muskelkästchen oder Bowman’schen Disc sein dürfte; wurden solche Präparate in Karmin gefärbt, so erhielt man ganz das Bild von schichtenweis übereinander liegenden Schläuchen (Fig. 7), aus denen in der That die ganze Masse des Organs zu- sammengesetzt zu sein schien. Nun erübrigte es nur noch, diese Muskulatur auf ihre Wirk- samkeit und Contractilität auf äussere Reize hm zu prüfen. Ich be- nützte dazu einen Induktionsstrom, der durch Staniolstreifen, welche das auf dem Objektträger liegende Thier am vorderen und hinteren Ende, resp. an der Bauch- und Rückenseite berührten, auf das Ob- jekt übergeleitet wurde. Da die Schalen sehr schlechte Leiter sind, bedurfte es schon eines ziemlich starken Stromes, um eine Wirkung zu erzielen, die ich dann in Folge der grossen Durchsichtigkeit der Schalen von Cyprois gut beobachten konnte. Es zeigte sich nun, dass das Thier auf einzelne, selbst heftige Schläge nicht weiter re- agirte, als dass höchstens das Organ ohne Formveränderung etwas nach dem Rücken zu bewegt wurde, was aber auch sonst bei jeder Bewegung des Thieres häufig geschieht; erst bei längerem Einwirken eines stärkeren Stromes wurde das Thier sehr unruhig, das Organ begann sich zu krümmen, bald bogenförmig (cf. Fig. 2) mit der concaven Seite nach dem Bauche zu, bald S-förmig, und streckte sich erst wieder, wenn der Strom unterbrochen und reichlich frisches Wasser zugesetzt wurde. So gewaltsam die Wirkung auch sein mochte, so nahmen die Thiere, wenn der Strom rechtzeitig unterbrochen 145] ÜEBER DIE SOGENANNTE „SCHLEIMDRÜSE“ DER MÄNNLICHEN ÜYPRIDEN. 7 wurde, doch weiter keinen Schaden davon, und ich konnte eine halbe Stunde darauf ein solches Exemplar in Copulation beobachten. Bei der heftigen Bewegung war natürlich eine genaue Messung, um die ohne Zweifel eintretenden Veränderungen in der Länge des Organes constatiren zu können, nicht möglich; so viel aber ist klar, dass die Masse des Apparates einer Contraktion fähig ist, wenn sich dieselbe bei meinen Versuchen auch nur ungleich mässig oder einseitig zeigte. Wenden wir uns nun zur Betrachtung des Organs bei Oan- dona candida (Fig. 11), so fällt sogleich die grössere Einfachheit des Ganzen ins Auge; statt der massenhaften, allen Ringen auf- sitzenden Stacheln finden sich nur 7 Kränze von je ca. 35 Stäben, von denen die beiden am proximalen und distalen Ende liegenden auch hier schief nach aussen gestellt sind. Aber nicht blos ein äusserer Ring verbindet wie dort die Stacheln an ihren Spitzen, sondern zahlreiche, nach der Basis zu immer enger werdende, vereinigen die Stacheln zu körbchenartigen Gebilden, an deren Grunde wiederum einerseits die Narbe (n), andererseits der hier erheblich längere Ausführungsgang gelegen ist. Die übrigen hohlen, an der Spitze einen runden, an der Basis einen länglichen Querschnitt (cf. Fig. 11 die beiden tangential getroffenen untersten Kränze) zeigenden Stacheln gehen nicht in Arme auseinander und sind unter sich fest zu einem Ganzen verschmolzen, doch setzen sich an sie von dem unteren Drittel nach der Basis zu Chitinstäbchen (Fig. 11x) an, welche nach vorn und hinten mit besonderen Ringen des Chitinrohrs verbunden sind und die federnden Stachelarme ersetzen. Die von diesen beherrschte Strecke ist der ganze Spielraum, in dem sich die Möglichkeit einer Verlängerung resp. Verkürzung des Apparates be- wegt, denn im ganzen Mechanismus findet sich nichts, was die übrigen Ringe voneinander zu entfernen vermöchte. Ueber die eigentliche Natur der weichen blassen Masse, welche auch hier, wie bei Cyprois, das innere chitinöse Rohr wie ein Cylindermantel um- gibt, ist es hier schwer, ins Reine zu kommen. Die vielfach gespaltenen und anastomosirenden Blätter, die auch hier auf einem vom Chitinrohr abgehobenen inneren Epithel (ie) aufsitzen und nach Aussen hin von einem eben solchen (ae) um- schlossen werden, zeigen, obgleich scheinbar in Nichts von denen bei Cyprois unterschieden, Farbstoffen gegenüber ganz erhebliche Abweichungen, denn Pikrokarmin und Hämatoxylin, welche dort zum Nachweis der Muskelstruktur dienten, bleiben hier völlig ohne Wir- Berichte II. 2 (10) 18 SCHWARZ: [146 kung, sie färben gar nicht; nur Boraxkarmin (n. GrENAcHER) färbte, und wenn etwas überfärbt und dann in angesäuertem Alkohol aus- gewaschen wurde, so trat eine Streifung der Substanz auf Längs- schnitten hervor, wie sie in Fig. 11 angedeutet ist. Es sind regel- mässige (Querstreifen, aber nicht entfernt so scharf und deutlich, wie bei Cyprois. Der Unterschied zwischen ihnen und der scharfen Querstreifung eines dicht neben dem Organ hinlaufenden Körper- muskels ist ein noch weit grösserer. Ganz anders als bei den eben beschriebenen beiden Formen liegen die Verhältnisse bei Cypris punctata und Cypris ovum; schon das Chitingerüst zeigt sehr erhebliche Abweichungen. Die Ringe des Chitinrohrs liegen hier fest aufeinander und scheinen ein massives Ganze zu bilden, eine Spaltung der in 7 Kränzen ange- ordneten Stacheln findet nicht mehr statt, die kaum noch zu er- kennenden Arme der massiven Stacheln sitzen benachbarten Ringen fest auf und machen viel mehr den Eindruck von Stützen, als von federnden Schenkeln (st, Fig. 15 und 25), wirken auch keinesfalls mehr in dieser Weise, was aus dem Umstand unter Anderem klar her- vorgeht, dass bei solchen Exemplaren, bei denen die Substanz durch Maceration beseitigt war, im Gegensatz zu den bei Cyprois gemachten Beobachtungen die Ringe fest aufeinander liegen bleiben. Aus der Mitte der am proximalen Ende liegenden Kränze, deren hier senk- recht zur Achse gestellte Stacheln an den Spitzen ebenfalls durch einen festen Ring, der hier ebenso weit ist als der Umfang des Sanzen Organes, zu einem radförmigen Gebilde vereinigt sind, ragt. die Verschlusskuppe hervor, bei Cypris punctata hoch und helm- förmig erhoben mit seitlich sitzender Narbe (n, Fig. 15), bei Cypris ovum weniger gewölbt, mehr flach mit mehr centraler Lage der Eingangsöffnung. Der an der Austrittstelle retortenförmig aufge- blasene Ausführungsgang (Fig. 15 und 16), welcher am hinteren Ende das Organ verlässt, hat hier an Länge stark zugenommen und besonders bei Cypris ovum eine ganz gewaltige Ausdehnung erreicht, verläuft auch nicht mehr glatt oder in mehr oder minder schwachen Windungen, sondern ist zu einem Knäuel aufgewunden, ganz so wie man es beim Gange des Receptaculums der Weibchen vieler Arten findet. Den Zusammenhang des Apparates mit dem Vas deferens intakt zu erhalten, ist mir hier, wie ich schon oben bemerkt habe, nur sehr selten gelungen, aber selbst in den Fällen, wo ein Zer- reissen stattgefunden hatte, fanden sich am oberen Chitimring (or) immer Reste einer mit grossen, schön gefärbten Kernen reich be- 147] ÜEBER DIE SOGENANNTE „SCHLEIMDRÜSE“ DER MÄNNLICHEN ÜYPRIDEN. 19 setzten Masse, die sich später als abgerissene Hautfetzen des Vas deferens herausstellten. Die Anordnung der Blätter, aus denen auch hier die um- hüllende Substanz zusammengesetzt ist, zeigt sich als die gleiche wie bei Candona und Üyprois, nur mit dem Unterschiede, dass diese hier ohne jegliche Verzweigungen und Anastomosen einfach unter sich parallel in der Längsrichtung vom vorderen zum hinteren Stachelkranze laufen und mit ihrem inneren Epithel (ie) am Chitin- rohr stets fest aufsitzen. Während das Organ in toto sich durch Boraxkarmin und Hämatoxylin färben lässt, ist das Verhalten des- selben auf Schnitten ein ganz auffallendes, da sie sich ausser durch Eosin, einem Farbstoff, der ja sogar auf Chitin einzuwirken ver- mag, durch nichts färben lassen, so dass auf den Längsschnitten nur sehr wenig, auf den Querschnitten überhaupt kein Unterschied zwi- schen ihnen und den in ihnen liegenden Stacheln gefunden werden kann. So auffallend diese Erscheinung ist, so ist doch der Um- stand, dass alle möglichen Reagentien, von denen bekannt oder zu erhoffen war, dass sie den Muskelcharakter hervortreten lassen würden, ebenso vergeblich angewandt wurden, noch bemerkenswerther. Schon Norpauisr 'sagt ganz richtig: „ich habe hier (bei Cypris punctata) niemals beobachten können, dass die Muskulatur quergestreift sei“ ?), aber nicht nur diese Eigenschaft, sondern Alles fehlt, was auf eine Deutung dieser Substanz als Muskulatur hinwiese. Magensaft, Jod- serum, Chlorbarıum, chromsaures Kalı von 1! vermochten weder ein Zerlegen in Fibrillen, noch auch nur Spuren einer Querstreifung hervorzurufen, ebenso wenig Essigsäure von 1 und 12°, die bei längerer Anwendung nur quellend wirkte, oder starke Kalilauge. ÖOsmiumsäure von 1 und 2°, ebenso wie die oben beschriebene Mischung von Osmium- und Essigsäure riefen nur eine gleichmässig schwach graue Färbung des ganzen Organes hervor, Salpetersäure von 10, 20 und 30% gab bei kürzerer Einwirkungszeit ebenfalls ein völlig negatives Resultat, während eine länger andauernde Be- handlung hier wie die Kalilauge eine völlige Zerstörung der Sub- stanz zur Folge hatte, so dass schliesslich nur noch das Chitingerüst übrig blieb. Induktionsströme, welche in verschiedenster Stärke und Dauer, selbst bis zur Tödtung des Thieres, durch dasselbe hindurch geleitet wurden, brachten allerdings öfters eine Lageveränderung des Organs hervor, niemals aber eine Formveränderung, wie sie unter Yıerpag. 23: 2) SCHWARZ: [148 den gleichen Umständen bei Cyprois eintritt. Ob wir nun nicht trotz dieses auffallenden Verhaltens und negativen Befundes dennoch eine Art von Muskulatur hier vor uns haben, wenn auch nicht die gewöhnliche Arthropodenmuskulatur? Die Homologie mit Cyprois drängt fast zu einer solchen Vermuthung, auch zeigen uns Jugend- stadien der Thiere zu einer Zeit, wo das Organ so weit ausgebildet ist, dass sich an dem bereits fertigen Chitinrohr die Stacheln eben anzulegen beginnen, eine an quergestreifte Muskeln erinnernde Struktur der betreffenden Substanz. Zerzupfte ich nämlich die Organe solcher Thiere in 30°bigem Alkohol, so zeigte sich nach ungeführ eintägigem Liegen im Spiritus ganz unverkennbar ein Zerfall in Scheiben (Fig. 19), ganz ähnlich wie ihn Rownerr (l. ec. pag. 33 ff.) von Muskeln von Käfern und Krebsen beschreibt und wiederholt abbildet. Bei älteren Thieren glückte es mir nicht, diesen Zerfall hervorzurufen, obgleich dies bei Cyprois wohl gelang, so dass die Annahme nahe liegt, es seien hier in dem Muskel strukturelle Veränderungen vorgegangen, wie sie sonst wohl noch nicht beobachtet worden sind. Vielleicht findet diese Veränderung in der Funktionirung des ganzen Organes seine Erklärung, wie später gezeigt werden soll. Auch der Drüsenschlauch bietet bei diesen beiden Arten nicht unerhebliche Abweichungen im Vergleich zu den bei Oyprois con- statirten Verhältnissen. Die Zellen, welche den Drüsenschlauch bilden, sind relativ grösser, und während sich dort beim ausgebil- deten Thier nur wenige kleinere Kerne nachweisen liessen, hat hier deren Zahl und Grösse zugenommen. Man wird desshalb bei Cypris ovum, wo auch die Zellgrenzen aufs deutlichste hervortreten (Fig. 25), diesem Schlauch emen mehr drüsigen Charakter zusprechen und in ihm wesentlich ein schleimabsonderndes Organ sehen dürfen. Vergleichen wir jetzt die Apparate bei den vier hier behan- delten Arten untereinander, so finden wir bei der ersten, Öyprois, ein äusserst elastisches Chitingerüst, dessen Länge durch die Mög- lichkeit einer Entfernung aller Ringe voneinander sehr variabel und mit einer Muskulatur bekleidet ist, deren Querstreifung durch- weg klar und deutlich zu erkennen ist. Bei der zweiten Art, Candona, ist das Chitinrohr so gebaut, dass es sich viel weniger verlängern resp. verkürzen kann, denn der ganze Spielraum liegt nur zwischen den wenigen Ringen, die von den Stützen der 7 Stachel- kränze beherrscht werden; die Muskulatur ist nicht deutlich quer- gestreift, wenn sie auch gewiss noch als solche funktionirt. Bei der dritten und vierten Art, Cypris punctata und Öypris ovum, 149] ÜEBER DIE SOGENANNTE „SCHLEIMDRÜSE“ DER MÄNNLICHEN ÜYPRIDEN. 21 möchte ich dies bezweifeln, nicht nur wegen der histologisch unde- finirbaren Beschaffenheit der „Muskel“-Platten, sondern auch wegen der unelastischen, steifen Beschaffenheit des Chitingerüstes. Fragen wir nun nach der Wirkungsweise des Apparates in seinen verschiedenen Formen, so werden wir dabei wieder am besten von Öyprois ausgehen, wo dieselben am klarsten vorliegt. Die Thätig- keit der Muskeln und die der Stachelarme stehen sich hier so zu sagen als Antagonisten gegenüber, indem die Ringe des Chitinrohres durch die Contraktion der Muskeln einander genähert, bei Nachlassen der Muskelcontraktion dagegen durch die Federkraft der Stachel- arme auseinander gezogen werden müssen. Das Chitinrchr wird also auf diese Weise rasch verkürzt und wieder verlängert werden können. Danach haben wir hier en Pumpwerk vor uns, dessen saugende und ausstossende Thätigkeit durch das abwechselnde Wirken von Stachelarmen und Muskeln hervorgerufen wird, und dem die Narbe so zu sagen als Ventil dient. Ich denke mir nämlich die Wirkung der letzteren in folgender Weise: Wenn durch die Saugkraft von den vor der Eingangsöffnung liegenden Spermatozoen eins durch diese in das Organ hineingezogen wird, was bei der ungeheuren Länge jener immer nur stückweise geschehen kann, müsste bei der nun eintretenden Zusammenziehung des Organes der Samienfaden auf dem- selben Wege wieder ausgestossen werden. Dies zu verhindern, dient die Narbe, deren Chitinspangen bei einem Druck von Innen auf den Boden derselben, d. h. auf den Rand der Eingangsöffnung, wie er durch eine Rückwärtsbewegung des Spermatozoons hervorgerufen wird, mit ihren Spitzen einander sich nähern, den Samenfaden wie zwischen Klammern fest einschliessen und so ein Hinausdrängen des- selben verhindern (verel. Fig. 21 auf Taf. XII). Hört dieser Druck von Innen auf die concave Seite der Narbe auf, und wird er im Gegentheil durch erneute Saugthätigkeit des Organs auf die äussere convexe Seite des Narbenbodens verlegt, dann gehen die Chitinspitz- chen so weit als möglich auseinander und der Weg für den ein- dringenden Samenfaden wird wieder frei. Ob damit die ganze Wirkungsweise des Apparates erschöpft ist, wage ich nicht zu sagen. Denkbar wäre es sehr wohl, dass neben der saugenden auch eine mächtige ausstossende Wirkung statt- fände. Sobald das Spermatozoon vollständig in’s Innere des Appa- rates eingetreten ist, muss es wohl durch erneute Verkürzungen desselben in den Ductus ejaculatorius ausgetrieben werden, da von oben durch den Druck der Körpermuskulatur fortwährend zahlreiche 39 SCHWARZ: [150 Samenfäden nachdrängen. Doch dürfte dies kaum die Hauptfunktion sein, da gerade von den Formen, wo in Folge der besonderen Grösse der Spermatozoen und der enormen Länge des gewundenen Aus- führungsganges (C. ovum) eine propulsatorische Thätigkeit besonders zu erwarten wäre, wie wir gleich sehen werden, eine Pumpwirkung beinahe ausgeschlossen ist, während bei Cyprois der sehr kurze ge- rade Ductus ejaculatorius und die viel kleineren Samenfäden ein so hoch ausgebildetes Druckwerk weit weniger nöthig erscheint. Dess- halb habe ich auch den Namen „Ejaculationsapparat* aufgeben zu müssen geglaubt. Aehnlich wird es sich bei Candona candida verhalten, wo ja auch eine Verkürzung des Chitinrohres als möglich nachweis- bar ist. Bei Uypris punctata und ovum dagegen vermag ich mir nicht klar zu machen, wie hier eine Pumpwirkung zu Stande kommen könnte, und ich bin geneigt, eine solche hier in Abrede zu stellen, trotz der grossen Aehnlichkeit im ganzen Bau des Apparates mit dem der vorher genannten Arten. Ob wir die blasse, in Blätter gespaltene Substanz, welche auch hier das Chitinrohr emhüllt, als Muskelsubstanz betrachten dürfen, ıst zum mindesten zweifelhaft. Gesetzt aber auch, es seien dies Muskeln, so versteht man doch nicht, wie dieselben ein Ohitinrohr verkürzen sollten, dessen Ringe ohne Zwischenräume dicht aufeinander liegen. Ich möchte desshalb glauben, dass der Apparat hier gewissermassen rudimentär geworden ist, wenigstens in Bezug auf seine ursprünglichen Haupttheile, die Muskeln und das Chitingerüst. Der im Innern hängende Drüsen- schlauch dagegen erscheint hier eher stärker ausgebildet. Wenn wir die Isolirung und einreihige Ordnung der Sperma- tozoen als einen Hauptzweck des Apparates bei Öyprois erkennen mussten, so liesse sich verstehen, warum dies hier in Wegfall kommen konnte, da bei Üypris punetata nie mehr als ein oder zwei der rie- sigen Samenfäden vor der Narbe an der Eingangspforte des Appa- rates liegen (Fig. 20), während bei Öyprois — wie schon erwähnt — ein grosser Knäul von Samenfäden auf den Eintritt in das Organ harrt (Figg. 2 und 4). Es scheint mir auch wirklich aus dem Bau des Organes schon auf eine Art von Funktionswechsel geschlossen werden zu können, der hier von Cyprois durch Candona bis zu Oypris hin stattgefunden hat. Vergleicht man z. B. die Längsschnitte des Organs bei den verschiedenen Arten (Figg. 1, 11, 15 und 25), so zeigt sich, dass in gleichem Maasse, wie die Elastieität des ganzen EEE 151] ÜEBER DIE SOGENANNTE „SCHLEIMDRÜSE“ DER MÄNNLICHEN ÜYPRIDEN. 93 Organes und die Differenzirung der Muskulatur abnimmt, dieser Schlauch (ds) eimen mehr drüsigen Charakter gewinnt. So erscheint er bei Cyprois (Fig. 1) dünnwandig, etwa wie die in der Spule der Vogelfeder liegende sogenannte Seele, die Zellen sind als solche nicht zu erkennen, Kerne sind zwar vorhanden, doch m verhältniss- mässig sehr geringer Zahl und Grösse (Fig. 1), indem von der in der Jugend sichtbaren reichlichen Menge (Fig. 3) nur noch vereinzelte übrig bleiben. Auch bei Candona ist die Ausbildung dieses Drüsen- schlauchs nicht nennenswerth vollkommener, nur dass hier auch im ausgebildeten Zustand immer noch zahlreiche, grössere Kerne zu erkennen sind (Figg. 10 und 11). Bei Cypris punctata dagegen ist das Gebilde weit voluminöser, die Kerne sind gross und häufig (Fig. 15) und bei Cypris ovum findet man den Schlauch aus etwa vierzig sehr grossen, deutlich abgegrenzten Zellen (ds, Fig. 25) zu- sammengesetzt. Unterhalb dieses Schlauchs füllt bei allen vier unter- suchten Arten ein glasiges, mit Hämatoxylin schwach färbbares Sekret das Lumen des Chitinrohres an. Vergleicht man nun mit diesem Ergebniss die Zahlen, welche die Länge des ganzen Thieres und die des jedesmal dazu gehörigen Samenfadens ausdrücken !), nämlich: | | C. ovum |C.pünctata) Candona | Cyprois | | Länge des ganzen Thieres . 0,63 mm | 0,77 mm 1,14 mm 1,29 mm „ Samenfadens . . 0,91 mm 0,91 mm 0,44 mm 0,54 mm so erkennt man, dass überall da, wo die Spermatozoen das Thier an Länge übertreffen, sich also durch ganz kolossale Grösse auszeichnen, die Zellen des Drüsenschlauchs am stärksten ausgebildet sind und ein nachweisbares schleimiges Sekret liefern. Vielleicht hängt diese stärker ausgebildete sekretorische Thätigkeit des Örganes einfach mit der bedeutenderen Grösse und Dicke der Samenfäden zusammen, !) Bei den Cytheriden, wo das ganze Organ vollständig fehlt, ist auch das Verhältniss zwischen der Länge des Thieres und des Samenfadens ein anderes, indem z. B. nach ZEenker Cythere gibba 0,25 Linien misst, das Sperma- tozoon nur 0,04. 94 SCHWARZ: [152 deren Hindurchgleiten durch den Apparat selbst und den Ductus ejaculatorius dadurch erleichtert werden mag. Allerdings wird da- durch allein noch nicht die Fortbewegung der Samenfäden erklärt, zu der vielmehr nothwendig irgend eine ausserhalb ihrer selbst lie- gende Kraft gehört, da sie — wie schon Zuxker fand — keine Eigenbewegung besitzen, solange sie im Genitalapparat des Männ- chens liegen. Wenn desshalb, wie ich annehmen möchte, der Ap- parat selbst nicht contractil ist und als Samenpumpe wirkt, so müsste wohl an einen Druck gedacht werden, der durch die Körper- muskulatur auf das Vas deferens und die in ihm enthaltenen Samen- fäden ausgeübt wird. Ich möchte indessen meine Ansicht nicht als eine unumstöss- liche und gänzlich sichere hinstellen; die Benützung noch anderer Arten, die mir leider nicht zu Gebote standen, würde bei dieser wegen ihrer Kleinheit an und für sich schon schwierig zu unter- suchenden Thiere vielleicht weitere Aufschlüsse geben. Jedenfalls wäre es auffallend, dass das ganze complieirte Chitingerüst beibe- halten worden wäre, wenn es gar keine funktionelle Bedeutung mehr hätte und nur als Hülle um einen schleimabsondernden Epithelschlauch diente, Was die Entwicklung des Organes anbetrifft, so haben sich die frühesten Momente bisher der Untersuchung entzogen; das erste beobachtete Stadium zeigt es uns als eine kolbige Auftreibung des noch sehr massiven Vas deferens, die sich als ein aus zwei deutlich unterscheidbaren Zelllagen gebildetes Epithelrohr erkennen lässt, m welches vom proximalen Ende her ein wurstförmiges Gebilde, wie Norpquist es nennt, eingestülpt ist. Im Laufe der Entwicklung nimmt das Ganze an Ausdehnung rasch zu, bis sein Lumen unge- fähr den Durchmesser besitzt, wie es später am vollendeten Organ zu beobachten ist, die ursprünglich dicht an einander liegenden beiden Kernreihen des Epithels entfernen sich mehr und mehr und liegen schliesslich der inneren und äusseren Wandung dicht an. Die zwi- schen ihnen liegende Substanz hat inzwischen auch bedeutend an Masse zugenommen und lässt in ihrer schon deutlich sichtbaren radialen Streifung bereits die Muskelblätter erkennen. Sobald das Lumen seine normale Weite erlangt hat, beginnt auf der Innenwand desselben die Bildung des Chitinrohres, das offenbar, wie Norpauist richtig angibt, der inneren Zellschicht des Epithelrohres seine Entstehung verdankt, und dessen Ringe auf Längsschnitten bald deutlich erkennbar werden. Gleichzeitig legt 153] ÜEBER DIE SOGENANNTE „SCHLEIMDRÜSE“ DER MÄNNLICHEN ÜYPRIDEN. 35 En sich die Verschlusskuppe an und auch von der Narbe lassen sich bereits die ersten Andeutungen erkennen, während die Stacheln mit ihren Chitinringen am vorderen und hinteren Kranze erst sehr spät auftreten. — Aus dieser Entwicklungsperiode stammt auch der lange Schlauch, den Norpavısr irrthümlich als normales Stadium unter Fig. 27 abbildet und beschreibt. Erst, wenn die übrigen Theile des Apparates schon ziemlich fertig sind, beginnt die Bildung der Stacheln, von der Basis an, deren erste Spuren sich am vorderen Ende er- kennen lassen, dort wo bei Cyprois der Trichter sich befindet, dessen Stäbe ja nichts als modifieirte Stacheln sind und muss nun die Voll- endung des ganzen Chitingerüstes sehr rasch vor sich gehen, da ich sowohl, als auch Norpquisr wohl oft Organe ohne Stacheln oder mit der ersten Anlage derselben oder ganz fertige Apparate gefunden habe, nicht aber alle übrigen Zwischenstadien. Die wurstfömige Einstülpung am vorderen Ende ist anfangs eine kurze, dicke, mit vielen ungleichmässig vertheilten Kernen durch- setzte Masse, wächst aber rasch in die Länge und erreicht bald ihre normale Grösse bis etwas über die Mitte des Chitinrohres hinaus, niemals aber erstreckt sie sich, wie Norpauısr irrtümlich angibt, durch den ganzen, ausgebildeten Ejaculationsapparat. Sie besteht nun aus einer auf Querschnitten von jüngeren Thieren (Figg. 3 und 23) deutlich erkennbaren doppelten Lage von Zellen, deren eine aber bald ihre Zellgrenzen und Kerne einbüsst und schliesslich auf eine kaum noch zu erkennende Membran reducirt wird, so dass man einen nur aus einer Zellschicht aufgebauten Schlauch vor sich zu haben meint. Fassen wir das Ergebniss dieser ganzen Untersuchung kurz zusammen, so ist das jederseits in den Verlauf des Vas deferens ein- geschaltete Organ seiner Genese nach als eine Einstülpung des Vas deferens in sich selbst aufsufassen. Der Funktion nach dient es bei Cyprois unzweifelhaft als Samenpumpe, als ein Apparat zur Iso- lirung der Samenfäden, die in Menge vor demselben angehäuft liegen, so dass immer nur einer auf einmal ausgestossen werden kann; vielleicht auch noch zur Ejaculirung derselben, wie dies Weısmanv seiner Zeit (l. c.) bereits angedeutet hat. So verhält es sich bei Cyprois und aller Wahrscheinlichkeit nach auch bei Candona. Bei den beiden zur Untersuchnng gelangten Arten von Cypris dagegen scheint das Organ, obwohl in seinem ganzen Bau sehr ähn- lich, doch nicht mehr als Samenpumpe zu funktioniren, sondern 36 SCHWARZ: ÜEBER DIE SOG. „SCHLEIMDRÜSE“ DER MÄNNLICHEN UYPRIDEN. [154 im Zusammenhang mit der relativ hier viel bedeutenderen Grösse der Samenfäden und ihrer sehr geringen Zahl scheint der Ap- parat theilweise rückgebildet zu sein und nur noch in seinem schleimabsondernden inneren Drüsenschlauch das Durchgleiten der Samenfäden durch den sehr langen gewundenen Ausführungsgang zu befördern. © 10 11 12. Literatur. F. A. Ramdohr, Ueber die Gattung Cypris Müll. und drei zu derselben gehörige neue Arten. (Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin. Magazin. 2. Jahrgang. 1808.) . Seb. Fischer, Abhandlung über das Genus Cypris und dessen in der Umgebung von St. Petersburg und von Fall bei Reval vorkommende Arten. (Memoires presentes & l’Academie imperial des Sciences de St. Petersbourg par divers Savants. Tome VIll. 1851.) . W.Zenker, Ueber die Geschlechtsverhältnisse der Gattung Cypris. (Müllers Archiv für Anatomie, Physiologie etc. 1850.) . W. Zenker, Anatomisch-systematische Studien über die Krebsthiere. (Archiv für Naturgeschichte. Berlin 1854.) . Liljeborg, De crustaceis ex ordinibus tribus: Cladocera, Ostracoda et Copepoda in Scania occurrentibus. Lund 1853. . Leydig, Naturgeschichte der Daphniden. Tübingen 1860. . A. Weismann, Parthenogenese bei den ÖOstracoden. (Zoologischer An- zeiger 1880.) . W. Müller, Beitrag zur Kenntniss der Fortpflanzung und der Geschlechts- verhältnisse der Ostracoden. (Zeitschrift für systematische Naturwissen- schaft. LIII. 1880.) W. Müller, Zur näheren Kenntniss der Cytheriden. (Archiv für Natur- geschichte. I. Berlin 1884.) H. Rehberg, Beiträge zur Naturgeschichte der niederen Crustaceen. (Ab- handlungen vom naturforschenden Verein in Bremen. 1884.) 0.Nordquist, Beitrag zur Kenntniss der inneren männlichen Geschlechts- organe der Cypriden. (Acta societatis scientiarum Fennicae XV, Helsing- fors 1885.) A.Rollett, Untersuchungen über den Bau der quergestreiften Muskelfasern. 1. u. 2. Theil. (Denkschriften der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der kaiserl. Academie der Wissenschaften. Bd. LI. Wien 1885.) Tafelerklärung. ae äusseres Epithel. vd Vas delerens ie Inneres x chr Chitinrohr. m Muskel. st Stachel. ds Drüsenschlauch. or vorderer Chitinring. sec Secret. ar hinterer R sp Spermatozoon. n Narbe. ag Ausführungsgang {Ductus ejacula- p Penis. torius). d Darm. Fig. 1. 0) “) Muo: Fig. 1—9: Cyprois monacha. Längsschnitt des Organs, nur im mittleren Theil genau median, da das Organ etwas gebogen war. Die Chitintheile sind hier, wie in den meisten Figuren gelb gehalten. Unten am Organ sind die Stacheln schräg oder quer vom Schnitt getroffen. Links zur Seite des Organs sieht man das mit Spermatozoen angefüllte Vas deferens, welches hier in Schlingen verläuft und vom Schnitt mehrfach getroffen wurde. Vergrösserung: 175 :1. Das ganze Organ mit Penis (pe) und Vas deferens (vd). Die Muskeln haben sich auf der einen Seite stark contrahirt und dadurch das Organ krumm gebogen, wie sich dies häufig bei plötzlicher Tödtung des Thieres hier durch elektrischen Strom vorfindet. In der sackförmigen Erweiterung des Vas deferens an seiner Ansatzstelle an das Organ liegt, wie immer, eine mächtige Schleife zahlreicher Samenfäden. Der Ductus ejaculatorius oder Ausführungsgang (ag) ist kurz und mündet in den Penis, von dessen complieirtem Chitingerüst nur ein kleiner Theil ab- gebildet ist. Vergrösserung: 66:1. Querschnitt desOrgans von einem jüngeren Thiere. Der im Centrum liegende Drüsenschlauch (ds) lässt das Lumen und die doppelte Zellenlage erkennen. Vergrösserung: 450 : 1. Ende des Vas deferens mit seiner sackförmigen Erwei- terung, die sich an den vorderen Chitinring (or) des Organs ansetzt. EEE. ETW 157] . 10. Al. 12. 13. . 14. 15. 16. 17. SCHWARZ: ÜEBER DIE SOG. „SCHLEIMDRÜSE“ DER MÄNNLICHEN ÖYPRIDEN. 29 Der Sack enthält eine grössere Zahl von schlingenförmig zusammenge- bogenen Spermatozoen. Vergrösserung: 320 :1. Tangentialer Längsschnitt eines Theils der Wandung des Or- gans, die Stacheln sind quer oder schräg getroffen und durchsetzen die Muskelmasse (m). Vergrösserung: 450 : 1. Das von den Weichtheilen befreite Chitingerüst des O:- gans (etwas schematisirt). Durch die Stacheln zerrissenes Stück der Muskulatur: die scheinbaren „Schläuche“ Mürzer’s Kunstprodukte. Stückchen eines Muskelblatts, um die Querstreifung zu zeigen. @Q und J die dunkeln Streifen, Z die „bandes claires“ Raxvier’s. Vergrösserung: 450 : 1. Ein Stückchen Muskelsubstanz des Organs, durch Behand- lung mit Kalilauge in Fibrillen zerlest. Vergrösserung: 700 :1. Fig. 10—13: Candona candida. Ein etwas schräg gefallener Querschnitt aus der Gegend des mittleren Stachelkranzes: das Lumen des Epithelschlauchs (ds) ist nicht sichtbar. Vergrösserung 450 :1. Längsschnitt des Organs, nur im oberen Theil median, im unteren am Chitinrohr vorbeistreifend. Im Trichter am oberen Ende sind einige Samenfäden sichtbar. Vergrösserung: 200 : 1. Das ganze Organ bei Einstellung des Focus auf das Chitinrohr. Vergrösserung 200 : 1. Stück eines tangentialen Längsschnittes, um die die Muskeln durchsetzenden hohlen Stachelquerschnitte zu zeigen. Vergrösserung: 450 :1. Fig. 14—21: Cypris punctata. Das hintere Ende des Organs mit einem Stück des Ductus ejaculatorius, in dem ein Spermatozoon liegt. Vergrösserung: 450 : 1. Längsschnitt des Organs, im Inneren des Chitinrohres der nicht vom Schnitt getroffene Drüsenschlauch, dessen unterem Ende glasiges Sekret anhängt (sec). Vergrösserung: 320 : 1, Das ganze Organ, in dessen Innerem ein riesiges Spermatozoon liest. Querschnitt der beiden Organe eines Thiers in situ, da- zwischen Theile des Vas deferens. Vergrösserung: 320 :1. 30 Fig. 18. eh el: 1121. Fig. 22. 28. 2. no: SCHWARZ: ÜEBER DIE SOG. „SCHLEIMDRÜSE“ DER MÄNNLICHEN ÜYPRIDEN. [158 Das ganze Organ mit dem Ductus ejaculatorius (ag) und dem Penis (p). Am vorderen Ende hängen noch Reste des Vas deferens (vd). Vergrösserung: 175:1. Ein Stückchen Muskelsubstanz, die auf im Text angegebene Weise in Scheiben zerfällt (junges Thier). Vergrösserung: 700 : 1. Ansatzstelle des sackförmig erweiterten Vas deferens an den vorderen Chitinring (or) des Organs. Im Inneren des Sacks ein einziges Spermatozoon. Vergrösserung: 450 : 1. Die „Narbe“ von der Seite gesehen. Fig. 22—25 von Cypris ovum. Das ganze Organ mit dem sehr langen und vielfach verschlungenen Ductus ejaculatorius (ag), in dem Spermatozoen sichtbar sind, und mit dem Penis. Vergrösserung: 450 :1. Querschnitt durch den Drüsenschlauch eines jüngeren Thieres aus der Gegend des mittleren Stachelkranzes. Vergrösserung: 450: 1. Querschnitt durch beide Organe in situ. Vergrösserung: 450 :1. Längsschnitt des Organs. Vergrösserung: 450 : 1. Anmerkung. Alle Figuren, mit Ausnahme von Fig. 6. 7 und 21 sind mit der Zeiss’schen Camera gezeichnet. ek Anstır Werner s Winter Fer U Akaden Verlagsbuchilise ACH Mohr Freiberg’ 3 7 stund m ch. Te Arser 5 Khz rhernerel 2, Frabarz Mihr, „Verlegsöuchhlv. I Akader. P— —ie), —