1} l h y k r \ f NR STS Fibrary of the Museum OF COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. Hounded by private subscription, in 1861. Deposited by ALEX. AGASSIZ. N No. /L,7/% um; ee Mer. 7 fg Ft 2 $ © A ® bJ BERICHTE DER NATURFÜRSCHENDEN GESELLSCHAFT ZU FREIBURG IL B, IN VERBINDUNG MIT Dr. Dr. F. HıLDEBRAND, J. LÜROTH, J. von KRIEs, G. STEINMANN, E. WaArBURG, A. WEISMANN, R. WIEDERSHEIM, PROFESSOREN AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG HERAUSGEGEBEN VON DR. AUGUST GRUBER, PROFESSOR DER ZOOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG. SECHSTER BAND. MIT 12 TAFELN. FREIBURG I. B. 1892. AKADEMISCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG VON J. C. B. MOHR (PAUL SIEBECK). e, at: KRRET Et IRE M m.‘ ’ gun. E 4. ‚SER U. DEE UT A LET BE HTE ; Druck yon ©... Wagner in I n% Inhalt des sechsten Bandes. Das Recht der Uebersetzung in fremde Sprachen behält sich die Verlagshandlung für jede einzelne Abhandlung vor. Ueber die Beziehungen der Physik und der Physiologie. Rede, gehalten bei der Einweihung des physikalischen und physiologischen In- stituts der Universität Freiburg i. B. am 14. Mai 1891. Von Pro- fessor Dr. J. v. Krızs, Director des physiologischen Instituts Ueber den Aufschwung der modernen Naturwissenschaft. Rede, gehalten bei der Einweihung des neuen physikalischen Instituts zu Frei- burg i. B. am 14. Mai 1891 Die Richtungskörperbildung bei Cyclops il De eabeites Mittheilung). Von Dr. V.HAECcKER, Assistent am zoologischen Institut Megalodon, Pachyerisma und Diceras. Von Professor Dr. ee BoEHM . Untersuchungen einer hahnenfedrigen Ente. Von A. Wırrzy, B. Sc., London. Mit Tafel I Tafelerklärung Seite 61. Ueber die Reduction der chromatischen Elemente in der Samenbildung von Gryllotalpa vulgaris Latr. (Vorläufige Mittheilung). Von Dr O.vom Rat .. Lithiotis problematica, N Men na Dr 6. Borkum. Mit Tafel BEIN, Ze: SER ae 2 ; Tafelerklärung a so. Ueber die Cercarie von Amphistomum subcelavatum. Von Dr. A. Lane . Ueber specifische Variation bei Arthropoden, im Besonderen über die Schutzanpassungen der Krabben. Von Dr. V. HAEcKER er Kritik einiger Fälle von scheinbarer BE von Verletzungen. Von Dr. Ö. vom RATH - Eine Mittheilung über ee mA Son Be Ba wasser- Rhizopoden. Von Professor Dr. A. GRUBER. Mit Tafel V. Tafelerklärung Seite 118. Ueber den Fussmuskeleindruck bei Pachyerisma. Von Professor Dr. G. BoeHm Vergleichende Studien über Eruptivgesteine und Erzführung in Chile und Ungarn. Von Dr. W. MoERICKE IE Ein Beitrag zur Kenntniss der Kreide in En Ve re Von Professor Dr. G. Boenm. Mit Tafel VI-IX Tafelerklärung Seite 149. Bemerkungen über die tektonischen Beziehungen der oberrheinischen Tief- ebene zu dem nordschweizerischen Kettenjura.. Von Professor Dr. G. STEINMANN Die heterotypische ee im ‚Oykins a en Zeilen Von Privatdocent Dr. V. HascKker. Mit Tafel X—XII Tafelerklärung Seite 193. Seite 150 160 AL er IR. DE EIER Se I Ps Kr ’ AH ri f u hiE, bi « q ‚i u h Ic AR‘ Y,43} Kaaı r I; AA une j le ‘ ‘ +} \ f v h ll: nd fi i Jr f Jun Put h AU nW ini af >" war a : DE BEN t At P E 64; x d Pi ei f . Fu7% Ka E! Yr E x “ Bi } DEU SR LADE. % s ' us Ds 9 r Fey - x P y “ih 2 Aral 2 Ta zus - 1 ! ! Ylae Eu Yu’ 17% he Er 9 » ih ur AIATTir.E “ th ” [2 hf [Teer - i B h kr ie vn „ iin! An i Du ER Ym T° } 131,4 [1 4 i RR 8 64 F a ihm f h ’ 1 0 ‘ Bern T Ankh Bi. A Be. i arte « wi 2 iR A % u; EFE Th} " I+ A Ayo, nid, c i Fir = } ei ‚. er Ay Wald var gr En D >} lu Mr TREE rn F ei B4 Rn Ye +71 { en ar 2 h IE Ea De); Bar AI7S, 7 Un zu Ale tt Dieirainie, AR 4 hi) "Tr I; se rt hn j ‚Ag HK . b 5 BR Br u k 2: CR Kr ei 7 [e LEy I \ rr'j ie 16 sh „ PN ne; u a BEN ‚4b? 5 vier Rt Wer STERN as ri z a E Tal . KH, Ba? . j BIKE Pa ; { 7, Te f ir „ u! $ ’ EU ur BAT UND EE re ü ig WEIL NH N I 2 #. vr Ye Er EN Ber rd au, BER. ON 9 vor RN RR / Ir) Wr } mr u 18 Kr er 13 / Ri. Bw g . e | u g Pl Br Pe £ hu . A u # / Hi RR a Lya fie er Dun Me a u Ueber die Beziehungen der Physik und der Physiologie. Rede gehalten bei der Einweihung des physikalischen und physio- logischen Instituts der Universität Freiburg i. B. am 14. Mai 1891. Von J. v. Kries, Director des physiologischen Instituts. Hochansehnliche Versammlung! Von Seiten Sr. Magnificenz ist bereits dem Danke Ausdruck gegeben worden, zu welchem die Feier des heutigen Tages uns gegenüber den verschiedenen bei der Planung und Herstellung dieser neuen Anstalten betheiligten Factoren verbindet. Es ver- steht sich wohl von selbst, dass das Gefühl freudiger und dank- barer Erhebung in dem Gemüthe desjenigen besonders stark ist, dem die Verwerthung und Leitung eines dieser Institute zunächst anvertraut ist. Um so reiner darf dasselbe im gegenwärtigen Augen- blick zur Geltung kommen, wenn eine zwar erst kurze, aber doch in mancher Hinsicht schon entscheidende Erfahrung gezeigt hat, wie wohl sich Unterricht und wissenschaftliche Untersuchung in den neuen Räumen fühlen können und wie so manches hier gelingt, was an weniger günstigem Platze kaum versucht werden konnte. Begreiflich wäre es freilich trotzdem, wenn den frohen Empfindungen ein gewisses Gefühl der Beklommenheit sich beimischte. Ist es doch eine nicht leichte und eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe, deren Lösung wir heute begrüssen. Sehr bedeutende Mittel sind aufgewendet worden und die äusseren Verhältnisse, in denen der physiologische Unterricht und die physiologische Forschung an der hiesigen Hochschule stattzufinden haben wird, sind damit, menschlicher Berechnung nach, für eine lange Reihe von Jahren fixirt. Wird sich alles als gut und zweckdienlich erweisen’? Werden sich Mängel herausstellen, die vielleicht dauernd als Hin- Berichte VI. Heft 1. 1 3 J. v. KRIES: [2 derungen und Störungen sich geltend machen? Werden unvor- hergesehene Anforderungen gestellt werden, denen die geschaffenen Einrichtungen nicht genügen? Erst eine längere Erfahrung kann das zeigen; derartige Erwägungen aber, die wohl überall bei der Errichtung einer neuen Anstalt sich aufdrängen, sind bei einem physiologischen Institute ganz besonders nahe liegend. Denn kaum kann man irgendwo weniger in der Lage sein, sich nach einem bekannten und bewährten Muster zu richten. Fast alle deutschen Hochschulen sind im Laufe der letzten 25 Jahre mit physiologi- schen Laboratorien versehen worden; aber fast keines gleicht dem andern, und man ist vielleicht bei keiner Kategorie wissenschaft- licher Anstalten so weit davon entfernt geblieben, dass sich ein ein- heitlicher bestimmter Typus für sie herausgebildet hätte. In der Gestaltung der Institute prägt sich meist deutlich aus, welches die von dem Erbauer und Leiter vorzugsweise cultivirte Arbeits- richtung ist. Das eine finden wir gefüllt mit anatomischen und zootomischen Präparaten, mit Mikroskopen und Mikrotomen, Injec- tionsapparaten und Farbstoffen, kurz mit dem ganzen Hülfsapparat der morphologischen Forschung, von welchem der Physiologe in. seiner Art Gebrauch macht. In einem zweiten begegnen wir Re- torten und Destillationsapparaten, Büretten, Waagen, umfangreichen Sammlungen chemischer Präparate u. s. w. In einem dritten herrschen Galvanometer und Inductionsapparat, Heliostat und Spectroskop. Ein viertes gleicht einer Thierklinik; in hohen und hellen Sälen befinden sich die Käfige, in denen operirte oder sonst einem Versuch unterworfene Thiere beobachtet und verpflegt werden; ein eingehegter Gartenplatz gestattet, die vierfüssigen Patienten sich im Freien tummeln zu lassen. Durchgängig sehen wir die hauptsächlich verfolgten Zwecke schon in der baulichen Anlage, in der Gestaltung und Vertheilung der Räume, ja schon in der Behandlung der Umgebung mehr oder weniger ausgeprägt. Wenige Institute sind es, in denen versucht ist, durch Organisation ver- schiedener Abtheilungen nach allen Richtungen hin vollständig und brauchbar zu sein; und hier ist dann leicht die Einheitlichkeit des Ganzen in so hohem Grade preisgegeben worden, dass auch damit wieder schwerwiegende Uebelstände verknüpft waren. Unzweifelhaft nun findet die Mannigfaltigkeit der Gestaltung unserer Anstalten ihre Begründung und bis zu einem gewissen Grade ihre Rechtfertigung in der Natur unserer Wissenschaft. Die Ge- sichtspunkte der Forschung und namentlich auch die Methoden sind 3] ÜEBER DIE BEZIEHUNGEN DER PHYSIK UND DER PHYSIOLOGIE. 3 so verschiedenartig, dass wohl Niemand ihnen allen mit völliger Sicherheit gegenübersteht. Hierzu kommt noch, dass auch die Unterrichtsaufgaben den verschiedenen physiologischen Anstalten nicht ganz gleich zugemessen sind. Der mikroskopisch-anatomische Unterricht, ebenso der physiologisch-chemische wurden bis vor Kurzem vielfach und werden noch auf einigen deutschen Hoch- schulen in den physiologischen Anstalten ertheilt, während doch der erstere zumeist den Anatomen, der letztere sehr häufig einem besonderen Lehrer der physiologischen Chemie anvertraut ist. Wiewohl also hierin eine gewisse Verschiedenartigkeit der Institute und ihrer Einrichtungen gewiss ihre Legitimation findet, so hat man auf der anderen Seite mit Recht es auch tadelnswerth gefunden, wenn Jemand bei der Erbauung einer neuen Anstalt die- selbe gar zu sehr jeweiligen Verhältnissen und individuellen Neigungen anpasste. Es wird niemals leicht sein, hier ganz das Richtige zu treffen. Was dieses Institut anlangt, so hat die Ausdehnung der An- lage gestattet, den Bedürfnissen des physiologischen Unterrichts und der Forschung in mannigfacher Weise gerecht zu werden, und es ist versucht worden, von vorn herein für alle diejenigen Erfordernisse Sorge zu tragen, welche besondere bauliche Einrich- tungen erheischen. So ist zunächst für die demonstrative Aus- rüstung der Vorlesung durch die zweckentsprechende Einrichtung des Hörsaals und seine Verbindung mit den Institutsräumen gesorgt. Es sind ferner für vivisektorische Versuche, für optische und pho- tographische Arbeiten, für Quecksilberarbeiten und Gasanalyse, für die Aufbewahrung und Beobachtung von Thieren solche Einrich- tungen getroffen worden, wie sie für derartige Zwecke gewünscht werden können, Während es nicht leicht sein würde, diese Räume ihren ur- sprünglichen Bestimmungen zu entfremden, ist eine erhebliche Zahl anderer so beschaffen, dass sie für sehr verschiedene Zwecke benutzt werden können. So könnten z. B. die zunächst für Uebungsarbeiten experimenteller Natur bestimmten Räume sehr gut, vermöge ihrer günstigen Lichtverhältnisse, auch zu mikroskopischen ÖCursen benutzt und sie könnten auch ohne erhebliche Schwierigkeit für physio- logisch-chemische Uebungen hergerichtet werden. Wiewohl ich daher hoffe, dass der Anlage dieses Institutes nicht der Vorwurf einer besonderen Exclusivität oder Einseitigkeit gemacht werden wird, so liegt es doch in der Natur der Dinge und der Verhält- 4 J. v. Krıes: [4 nisse, dass nicht sogleich alles in vollem Umfange hat hergestellt und eingerichtet werden können, worauf in der Anlage des Baues Bedacht genommen worden ist. Stärker also, als vielleicht in einigen Jahren der Fall sein wird, tritt gegenwärtig noch das Uebergewicht derjenigen Arbeitsrichtung hervor, welche schon vor meiner Zeit an dem hiesigen Institut vorzugsweise cultivirt wurde, und welcher auch ich mich mehr als anderen zugewendet habe. Es ist dies das Studium aller derjenigen Erscheinungen des thierischen Lebens, welche wir mit physikalischen Methoden er- forschen und deren Deutung wir im Anschlusse an physikalische Thatsachen und Gesetze suchen können. Es wird sich dies dem Sachkundigen theils in der Gestaltung unseres Besitzstandes an Instrumenten, zum Theil auch darin verrathen, dass in baulicher Beziehung auf derartige Studien etwas mehr Rücksicht genommen ist, als es sonst in physiologischen Instituten zu geschehen pflegt. Ich denke, wie gesagt, nicht, dass diese Eigenheit unserer Anstalt als ein unauslöschlicher Stempel aufgeprägt sein soll. Da sie jedoch im Augenblick die Physiognomie des Instituts einigermassen be- stimmt, und da die Anpassung an die genannten Zwecke in mancher Beziehung gerade durch die äusserliche Verknüpfung mit einem physikalischen Institut und die Aehnlichkeit seiner Erfordernisse erleichtert wurde, so mag es der heutigen Gelegenheit nicht unan- gemessen sein, wenn ich im Anschluss an die hier verwirklichte bauliche Verbindung zweier Anstalten mir Ihre Aufmerksamkeit für einige Betrachtungen über die Beziehungen und den Zusammen- hang der beiden hier verknüpften Wissenschaften, der Physik und der Physiologie, erbitte. Natürlich können die Beziehungen zweier Wissenschaften unter sehr verschiedenen Gesichtspunkten erörtert werden und ich kann hier nicht daran denken alles, was sich in dieser Hinsicht über Physik und Physiologie sagen lässt, irgendwie zu erschöpfen. Speciell muss ich auf die vielleicht interessanteste Seite des (Gegenstandes, auf die allgemeinen Unterschiede des Objectes und der Methode, welche etwa die’ Wissenschaft vom Belebten einerseits und vom Unbelebten andererseits aufweisen mögen, als ein für die heutige Gelegenheit zu schwieriges und zu umfangreiches Gebiet ver- zichten. Vielmehr möchte ich wich zunächst auf die einfachere Frage beschränken, in welcher Weise jede dieser Wissenschaften in ihrer Entwicklung durch die Errungenschaften und Bestrebungen der anderen beeinflusst worden ist. 5] UEBER DIE BEZIEHUNGEN DER PHYSIK UND DER PHYSIOLOGIE. 5 In dieser Hinsicht wird nun zunächst die Physiologie, wie sie ja überhaupt vielleicht mehr als irgend eine andere Wissenschaft mit verschiedenartigsten Hülfen zu arbeiten hat, auch den Nutzen und die Förderung, die ihr durch die Physik zu Theil wurden, dankbar und rühmend anerkennen müssen. Prüfen wir die Art dieses Einflusses genauer, so lassen sich, wie mir scheint, dabei etwa drei verschiedene Fälle sondern. Wir können, um hier mit der vielleicht am wenigsten be- deutungsvollen und jedenfalls äusserlichsten Art des Zusammen- hanges zu beginnen, zunächst an die zahlreichen Fälle erinnern, in denen die Physiologen sich die von der Physik oft zu ganz anderen Zwecken ausgebildeten methodischen Hülfsmittel zu eigen gemacht haben. Als HrrmeonLrz es unternahm, die Ge- schwindigkeit zu bestimmen, mit der sich die Erregungsvorgänge im Nerven fortpflanzen, stand ihm für diese Zwecke die Zeit- messungsmethode Povitter’s zur Verfügung und gestattete die Be- wältigung der noch kurz zuvor für unlösbar gehaltenen Aufgabe. Zahlreiche besondere Schwierigkeiten waren dabei immer noch zu überwinden, doch war ohne Zweifel der Besitz einer geeigneten Zeitmessungsmethode der wesentlichste Schritt zur Erreichung des Zieles. Aehnlich sind für die feineren Beobachtungen über die Bildung und Vertheilung der thierischen Wärme die sogen. thermo- elektrischen Methoden von unschätzbarem Werth gewesen, welche geringe Temperaturdifferenzen zur Erzeugung elektrischer Ströme verwenden und auf diese Weise Erwärmungen oder Abkühlungen von Bruchtheilen eines Tausendstel Grades noch sicher nachzuweisen gestatten. Nicht minder werden wir hier der Thatsache gedenken dürfen, wie die Beobachtung der thierisch-elektrischen Erscheinungen durch den technischen Fortschritt in der Construction der Bussolen, durch J. Reexaurp’s Erfindung der unpolarisirbaren Elektroden, neuer- dings durch Liremann’s schöne Erfindung, das Capillar-Elektrometer u. a. gefördert wurde. Ueberhaupt arbeitet ja ein nicht kleiner Theil der physiologischen Forschung mit Hülfsmitteln, die, wie Thher- mcmeter, Bussole, Manometer u. a. ursprünglich für physikalische Zwecke erfunden und ausgebildet worden sind. Und wenn wir auch die meisten derselben, unsern Bedürfnissen entsprechend, in eigen- artiger Weise modificirt haben, vielfach auch (worauf ich noch zu sprechen komme) das physiologische Erforderniss den Anstoss zu höherer Vervollkommnung gegeben hat, so lässt sich doch zur Ge- nüge der Fall beobachten, wie die technischen Fortschritte der Physik 5 J. v. KRiEs: [6 den biologischen Wissenschaften und speciell der Physiologie zu Gute kommen. Abgesehen nun von diesem Zusammenhange der Physik und Physiologie, der sich auf die technisch-methodische Seite der For- schung bezieht, giebt es in den thierischen Organismen eine ganze Reihe von Vorgängen, welche — auch die eifrigsten Verfechter eigenartiger, dem Leben allein angehöriger Kräfte geben dies zu — sich nach genau denselben physikalischen Gesetzen abspielen, wie sie an der unbelebten Substanz beobachtet werden können. Der Gang der Lichtstrahlen im Auge kann aus der Form und Lagerung der durchsichtigen Körper und ihren Brechungsindices in voller Schärfe berechnet werden; ebenso sind für die Bewegung des Blutes in seinen Grefässen die Verhältnisse des Druckes und der Reibung in ganz ähnlicher Weise massgebend, wie für den Strom des Wassers in einer Röhrenleitung. Die Gesetze der Erhaltung des Schwer- punktes und das Flächenprincip beherrschen in ähnlicher Weise die Verhältnisse der thierischen Ortsbewegungen. In diesen Fällen nun und so manchen anderen hat die strenge und consequente An- wendung der der Physik geläufig gewordenen Betrachtungsweisen sogleich hingereicht um über die betreffenden physiologischen Vor- gänge Licht zu verbreiten. Versuche dieser Art sind sehr alt, und man wird nicht ohne Willkür sagen können, welches die ersten waren. Hat doch schon Borerzı die Gesetze der Mechanik auf die Locomotion der Thiere nicht ohne Erfolg anzuwenden versucht, schon Krrırr das Auge als eine Camera obscura betrachtet und eine innere Veränderung desselben, welche die wechselnde Einstellung für nahe oder entfernte Objecte ermöglicht, zwar nicht nachweisen können, aber als eine aus den Gesetzen der Optik sich ergebende Nothwendigkeit postu- lirt. Es hat seitdem an weiteren Versuchen, die Geschehnisse des Organismus vom physikalischen Standpunkte aus zu betrachten, niemals gefehlt. Wollen wir aus neuester Zeit nur einige, alle andern überstrahlende Namen nennen, so werden es diejenigen der Gebrüder Weser und Hermnourz sein müssen. Die Lehre von der Muskelthätigkeit und Gelenkmechanik überhaupt und speciell von der Ortsbewegung, die Lehre von der Verarbeitung des Lichtes und des Schalles, die in unseren Sinnesorganen stattfindet, sie wurden hier nicht nur begründet, sondern auch sogleich in umfang- reicher Weise ausgeführt, im Wesentlichen dadurch, dass die Be- trachtungs- und Versuchsweisen der Physik auf die anatomischen - 7] ÜEBER DIE BEZIEHUNGEN DER PHYSIK UND DER PHYSIOLOGIE. 7 Verhältnisse und die physiologischen Vorgänge striecte zur An- wendung gebracht wurden. Wenn aber so schon die Behandlung gewisser besonderer physiologischer Aufgaben nach Massgabe physikalischer Betrach- tungsweisen von hohem Werthe gewesen ist, so ist diese doch in anderer Beziehung noch von ungleich grösserer Bedeutung für die ganze Entwickelung der Physiologie geworden. Es handelt sich hier, wie leicht errathen werden wird, um die allgemeinen und prineipiellen Anschauungen, welche zuerst auf dem Boden physi- kalischer und, wie hinzugefügt werden muss, chemischer Forschung gewonner, ihre Bedeutung ja vielfach auf alle Zweige des Natur- erkennens überhaupt und nicht zum wenigsten auf die biologischen Wissenschaften erstreckt haben. Schon die Grundlagen aller unserer Vorstellungen über materielles Geschehen, die Annahme bestimmter Grundstoffe, gewisser unzerstörbarer, quantitativ und qualitativ unveränderlicher Substanzen, gehören hierher. Man empfindet gegen- wärtig schon Schwierigkeit, wenn man versucht sich deutlich zu machen, in welchem Masse z. B. die Lehre von der Ernährung in der Luft schwebte, jeder festen Basis entbehrend, so lange diese Grundanschauungen nicht geklärt und festgestellt waren. Gegen- wärtig machen wir uns ohne Schwierigkeit klar, in welchen all- gemeinen Formen der Ernährungsprocess sich bewegen muss; wir übersehen, dass, sofern ein Organismus seine Zusammensetzung nicht dauernd verändert, was bei einem erwachsenen und regel- mässig ernährten Thiere oder Menschen nicht der Fall ist, dieselben Stoffe, welche als Nahrung dem Organismus zugeführt werden, ihn in den Ausscheidungen wieder, und zwar in gleicher Quantität ver- lassen müssen. Nur die Art ihrer chemischen Verbindung ist ge- ändert; der ganze Process der Ernährung stellt sich also unter diesem Gesichtspunkt dar als die Ueberführung der betreffenden Substanzen aus einem gewissen Anfangs- in einen Endzustand chemischer Gruppirung. Noch interessanter ist der Einfluss, den die Auffindung eines . anderen ganz allgemeinen Naturgesetzes auf die Physiologie aus- geübt hat, dessen Klarstellung viel jüngeren Datums ist, so dass die weittragende Wirkung der Entdeckung von uns noch deutlicher verfolgt werden kann. Es ist das Prineip der Erhaltung der Energie, von dem ich rede, die Lehre, dass bei allen Vorgängen in der gesammten Natur nur die verschiedenen Formen der Energie, die lebendigen und die Spannkräfte verschiedener Art sich in 8 J. v. KrıEs: [8 einander umsetzen, ohne dass ihre Gesammtmenge je vermehrt oder vermindert wird. Es ist hier nicht der Ort darauf einzugehen, wo die Lehre, die wir gegenwärtig so nennen, ihre ersten Anfänge hat, wie sie in beschränktem Umfange und durch mannigfaltige Verwechselungen noch verdunkelt schon im vorigen und vorvorigen Jahrhundert die Geister beschäftigt hat. Ebensowenig ist es nothwendig die Frage zu berühren, ob sie gegenwärtig bereits eine als endgültig zu be- trachtende Formulirung erhalten hat. Jedenfalls ist durch die Ar- beiten von R. Mayer, Hrrmsourz und Joune ein Naturgesetz von, wie es scheint, ganz universeller Bedeutung aufgestellt worden, welches an allen bekannten Erscheinungen sich bewährt hat, und dessen Anwendung sich durchgängig als eines der fruchtbarsten Hülfsmittel der Forschung erwies. Die Gültigkeit dieses Ge- setzes auch für die belebte Natur ist ohne Zweifel auch für die Physiologie eine der bedeutungsvollsten Thatsachen, die es über- haupt giebt, und die Lehre von der Ernährung, insbesondere von der Bildung und Regulirung der thierischen Wärme, von der Quelle der Muskelkraft, und andere sind in neue Bahnen geleitet oder besser gesagt auf eine ganz andere Grundlage gestellt worden, seitdem man, zunächst in grossen Umrissen, zeigen konnte, dass auch der thierische Organismus keine eigenartige Quelle von Energie sei, vielmehr die ihm zugeführten chemischen Spannkräfte lediglich in andere Formen der Energie überführe und theils als freie oder latente Wärme, theils als mechanische Arbeit wieder verausgabe. Für unsere gesammten Vorstellungen von den Lebensvorgängen, ja auch für diejenigen über den Zusammenhang des Physischen und Psychischen sind diese Thatsachen von tiefgreifender Bedeutung. Sie sind, wie man sagen darf, die wichtigsten positiven Stützen der Annahme, dass die materiellen Vorgänge eine rein immanente und lückenlose Gesetzmässigkeit aufweisen, ohne dass in dieselbe das psychische Geschehen wie ein fremdartiger Factor einzugreifen vermöchte. Ein anderer Satz, für die unbelebte Natur von ähnlich durch- greifender Bedeutung wie das Prineip der Energie, der zweite Haupt- satz der mechanischen Wärmetheorie, das sogen. Carnor’sche Prineip, ist bis jetzt auf die Erscheinungen des Lebens kaum angewendet worden. Ob seine Gültigkeit sich auf dieselben überhaupt erstreckt, ist gelegentlich bezweifelt worden und kann in der That vorder- hand nicht als sicher gelten. Die Prüfung dieser Frage wird eine 9] ÜEBER DIE BEZIEHUNGEN DER PHYSIK UND DER PHYSIOLOGIE. 9 Aufgabe der Zukunft, vermuthlich sehr schwierig, aber auch von hervorragendem Interesse sein. Wir verdanken hier der Physik vorläufig ein schönes Problem, aber noch kein Ergebniss. Gerade hier zeigt sich nun aber auch, dass die Uebertragung physikalischer Anschauungen auf das Gebiet der Lebensvorgänge grosse Vorsicht erfordert. Und im Hinblick hierauf darf wohl die Behauptung gewagt werden, dass der Anschluss an die physikali- schen Methoden und Betrachtungsweisen gerade da, wo er im stärksten Masse und mit den bedeutendsten Erfolgen stattfand, die Verloeckung in sich trug, über das Ziel hinaus zu schiessen. Ich denke hier an die Jahrzehnte, in denen sich die Physiologie aus der Erstarrung befreite, in welcher der unklare alte Begriff der Lebenskraft sie gefangen hielt. Die Sprengung dieser Bande war die nothwendige Voraussetzung für alle Fortschritte, weiche über- haupt die Physiologie in den letzten 50 Jahren gemacht hat, und sie vollzog sich ohne Zweifel ganz und gar unter dem Einflusse der exakten Naturwissenschaften, vornehmlich der Physik. Von allem, was diese für.die Förderung der Physiologie geleistet hat, ist: diese Diseiplinirung der Geister gewiss das Bedeutsamste, wenn auch natürlich gerade dieser Einfluss am schwersten sich im Einzelnen verfolgen und fixiren lässt. Leugnen aber lässt sich heute wohl kaum, dass man, unter diesem Winde segelnd, in der Paralleli- sirung der Lebensvorgänge mit solchen der unbelebten Natur viel- fach zu weit gegangen ist. Die Versuche, gewisse Vorgänge bei der Drüsenthätigkeit, wie den hohen Absonderungsdruck des Speichels, die Bildung der freien Salzsäure im Magensafte, auf die auch an todten Membranen zu beobachtenden Diffusionserschei- nungen zurückzuführen, betrachtet man gegenwärtig zumeist als nicht geglückt. Selbst bezüglich des Gasaustausches, der bei der Athmung stattfindet, ist die lange bekämpfte, dann fast allgemein adoptirte Meinung, dass hier nur die Kräfte des Partial- druckes der einzelnen Gase massgebend seien und das Lungenge- webe keine specifische Rolle dabei spiele, neuerdings sehr erschüttert worden. Man pflegt ja zu sagen, dass die wissenschaftlichen Tendenzen dieser Art eine Wellenbewegung zeigen, dass ein im Laufe der Jahr- zehnte sich vollziehendes Hin- und Herschwanken zwischen den Extremen sich bemerken lasse. Wiewohl dies gewiss nur mit grossen Einschränkungen richtig ist, so scheint mir doch hier etwas Aehn- liches zuzutreffen. Und wenn ich die Signatur der Zeit recht ver- 10 J. v. KRıEs: [10 stehe, so geht gegenwärtig die Tendenz dahin, den Unterschied der Lebensprocesse von den scheinbar ähnlichen der unbelebten Natur wieder schärfer zu betonen. Ja man thut dies zum Theil bereits mit solcher Energie und in solchem Umfange, dass die Ver- muthung aufkommen kann, wir näherten uns bereits wieder einem Umkehrpunkt. Die weittragende Bedeutung, welche die Erkenntniss der anorganischen Natur und die an ihr gewonnenen allgemeinen Ein- sichten jederzeit auch für die biologischen Wissenschaften gewannen, habe ich mich bemüht, durch einige Beispiele zu illustriren. Ich werde nun die Kehrseite ins Auge zu fassen und die Aufmerksam- keit auf einige Punkte zu lenken haben, in denen umgekehrt auch wieder die Probleme und die Errungenschaften der Physiologie auf den Gang der Schwesterwissenschaft einen Einfluss gewonnen haben. Vom rein methodologischen Standpunkte aus erscheint es zwar selbstverständlich, dass diese Rückwirkung eine weit geringere sein muss; denn es liegt in der Natur der Sache, dass die organische nicht ohne die anorganische Natur bestehen und nicht ohne Rück- sicht auf diese wissenschaftlich behandelt werden kann, während eine Untersuchung der unbelebten Natur ohne jede Rücksicht auf die belebte recht wohl stattfinden kann und thatsächlich in grossem Umfange stattfindet. Indessen hatten wir ja den Standpunkt der Betrachtung nicht so rein theoretisch wählen wollen, und der that- sächliche Gang der Wissenschaft lässt, wie ich glaube, doch auch den Einfluss der Biologie auf die physikalische Forschung an vielen Stellen in nicht uninteressanter Weise erkennen. Zunächst darf hier daran erinnert werden, dass, wie die Natur- wissenschaften überhaupt, so auch Physik und Chemie in alter Zeit im Dienste der Heilkunde standen und von Aerzten über- wiegend getrieben wurden. In den dem Menschen werthvollsten Zwecken, der Erhaltung und Wiedergewinnung seiner Gesundheit, hat also jedenfalls ein mächtiger Antrieb auch zu all denjenigen Studien gelegen, welche uns die ersten Elemente physikalischer Kenntniss gewannen; und für den heutigen Besitz der Wissenschaft haben wir hier eine Quelle, deren Bedeutung auch neben anderen, insbesondere den rein mathematischen Studien, nicht gering veran- schlagt werden darf. Gegenwärtig ist nun dies ja längst anders geworden. Die Physik verfolgt ihre Probleme aus rein wissenschaftlichem Interesse 11] UEBER DIE BEZIEHUNGEN DER PHYSIK UND DER PHYSIOLOGIE. 1 ohne Ausblick auf praktische Zwecke; oder aber wenn sie sich praktische Ziele steckt, so sind es nicht die der Heilkunst, sondern vielmehr die der Technik, ein Gebiet, auf welchem sie ja gegen- wärtig die stolzesten Triumphe feiert. Ganz abgesehen aber von den praktischen Interessen und ihrem Einfluss auf die Wege der wissenschaftlichen Forschung lässt sich nicht verkennen, dass häufig gerade die eigenartige Gestaltung der Vorgänge und Einrichtungen in der organischen Welt oder die besondere Art und Weise wie die lebenden Gebilde sich physikali- schen Agentien gegenüber verhalten, den Anstoss zu Untersuchungen und Entdeckungen oder zur Behandlung von Problemen gegeben hat, zu denen man ohne. diese Veranlassung kaum gelangt wäre. Das grösste Beispiel dieser Art ist unstreitig die Entdeckung Gar- vanı's, In der Thatsache, dass die galvanische Elektrizität gerade an den zuckenden Froschschenkeln zuerst beobachtet und genauer studirt wurde, darf man, wie ich glaube, keinen jener seltsamen Zufälle erblicken, die ja die Geschichte der Wissenschaften wie die Weltgeschichte ab und zu aufzuweisen scheint. Vielmehr müssen wir uns gegenwärtig sagen, dass, wiewohl fortwährend elektrische Ströme in unserer Umgebung ohne unser Zuthun entstehen, doch die Bedingungen für ihre Wahrnehmung meist viel zu ungünstig sind, als dass sie ohne schon besonders dazu hergestellte Hülfs- mittel gelingen könnte. Von allen Gegenständen, die die Natur uns fertig darbietet, sind es thatsächlich nur die reizbaren thierischen Gebilde, welche zum Theil auf ausserordentlich geringfügige Elektri- zitätsbewegungen in höchst auffälliger Weise reagiren. Es ist also einigermassen begreiflich, dass die Entdeckung der galvanischen Elektrizität gerade an ihnen gemacht wurde, und es darf wohl er- wähnt werden, dass die Eigenthümlichkeit des motorischen Nerven, durch sehr schnelle und kurz dauernde Veränderungen des elektri- schen Stromes in Thätigkeit gesetzt zu werden, ihm, dem physio- logischen Rheoskop, eine gewisse Stelle unter den Hülfsmitteln zur Beobachtung elektrischer Ströme bis in die neueste Zeit bewahrt hat. Ich wüsste keinen zweiten Fall, dass eine physiologische That- sache für die Physik so bedeutungsvoll geworden wäre. Doch dürfen wir als ein Beispiel ähnlichen Zusammenhanges wohl ein Erscheinungsgebiet hier anreihen, welches gerade in neuester Zeit mit lebhaftem Interesse studirt wird und in ungeahnter Weise bedeutungsvoll geworden ist; es sind dies die Erscheinungen der Diffusion gelöster Stoffe durch Membranen. 112 J. v. KRIES: [12 Wenn auch die betreffenden Vorgänge gegenwärtig ganz wohl an unorganisirtem Material studirt werden können, so wurden sie doch zuerst an thierischen und pflanzlichen Membranen untersucht und im Ausblick auf biologische Vorgänge genauer analysirt. Alle die wichtigen Vorstellungen, welche die moderne physikalische Chemie an den Begriff des osmotischen Druckes knüpft, dürfen also wohl mit jenen, zuerst von Seiten der Biologie ausgegangenen An- stössen in eine gewisse Verbindung gebracht werden. Daneben nun lassen sich zahlreiche Fälle von geringerer Wichtigkeit anführen, in denen die Beobachtung der belebten Natur zu Ergebnissen oder zu Fragestellungen führte, die ein weiter- gehendes und selbständiges Interesse gewannen. Fälle dieser Art sind besonders merkwürdig, wenn, wie es zuweilen vorkommt, der Mensch sozusagen mit seinen Hülfsmitteln einen gleichen Zweck anstrebt, wie ihn die bildende Natur mit ihren ganz andersartigen Methoden erreicht hat. Die Art wie sie dies thut, ist oft höchst überraschend und stets belehrend, wenn sie sich auch nicht immer nachahmen lässt. Es sei gestattet einige Beispiele hierfür anzu- führen. Die dioptrischen Effecte des Auges haben, wie vorher schon berührt wurde, mit denjenigen unserer optischen Werkzeuge die grösste Aehnlichkeit. Der Bau der Krystalllinse im Wirbelthier- auge ist, wie seit längerer Zeit bekannt, vor Allem dadurch merk- würdig, dass die Beweglichkeit ihrer Theile uns gestattet, unser Auge wechselnd für nähere oder entferntere Gegenstände einzu- richten. In jüngerer Zeit hat man gefunden, dass die Masse der Linse in sehr gesetzmässiger Weise unhomogen ist, am dichtesten im Centrum, am wenigsten dicht überall an der Oberfläche. Rech- nung und Experiment ergaben, dass derartig aus verschiedenen Schichten zusammengesetzte Linsen in höherem Grade als homo- gene geeignet seien von seitlich gelegenen Gegenständen gute Bilder zu entwerfen, und sie wurden daher periskopische genannt. Eine Reihe auch vom physikalischen Standpunkte aus interessanter Unter- suchungen über den Gang der Lichtstrahlen in solchen geschichteten Linsen hat sich hieran geknüpft. Eine praktische Bedeutung haben sie nicht gewinnen können; denn wiewohl in der optischen Technik, besonders bei der Herstellung der photographischen Objective, die Periskopie, die möglichste Vergrösserung des Kegelwinkels, inner- halb dessen die Objecte gut abgebildet werden, ebenfalls von grosser Wichtigkeit ist, so hat man doch mit den der Technik verfügbaren Materialien, Glas oder Krystallen, nicht daran denken können, die 13] ÜEBER DIE BEZIEHUNGEN DER PHYSIK UND DER PHYSIOLOGIE, 13 Art der Schichtung thierischer Linsen nachzubilden. — Die der neuesten Zeit angehörigen Studien Exnzr's über die Insectenaugen haben ge- lehrt, dass die Abbildungen, die wir durch die Brechung an ge- gekrümmten Flächen entstehen zu sehen gewohnt sind, in ganz ähnlicher Weise auch dadurch zu Stande kommen können, dass der Brechungsexponent einer Substanz sich in stetiger Weise von Punkt zu Punkt verändert. Ein gerader Cylinder z. B., der von zwei ebenen Endflächen begrenzt ist, und dessen optische Dichtig- keit von der Axe, wo sie ihren grössten Werth besitzt, gegen die Mantelfläche regelmässig zunimmt, entwirft Bilder ähnlich wie eine Linse. Auch hier bieten sich eine Reihe interessanter optischer Probleme, deren Behandlung zur Zeit erst begonnen ist. Auch die Art und Weise, wie durch das Zusammenwirken der vielen Elemente im Facettenauge der Insecten ein aufrechtes und reelles Bild der äusseren Gegenstände entworfen wird (nicht ein umgekehrtes wie lange geglaubt wurde und wie es im Auge der Wirbelthiere der Fall ist), ist vom physikalischen Standpunkte aus höchst merkwürdig. Ganz besonders gehört hierher endlich ein sehr moderner Gegen- stand der angewandten Physik, die Luftschifffahrt. Die Be- trachtung der im Luftmeer sich so leicht und sicher, dabei in so mannigfach verschiedener Art bewegenden Vögel und Insecten hat ohne Zweifel die Menschen zuerst auf den Gedanken gebracht, Aehnliches zu versuchen. Die genauere Untersuchung des Fluges hat dann die Aufmerksamkeit auf alle die zahlreichen dabei in Betracht kommenden Factoren, den Bau und die Bewegung der Flügel, die Gesetze des Luftwiderstandes, den Bau des Vogel- körpers, die Bedeutung der constanten und der wechselnden Luft- strömungen u. s. w. gerichtet. Die modernen, auf die praktischen Zwecke der Aeronautik gerichteten Studien haben denn auch jedes- mal den Vogelflug zum Ausgangspunkt genommen und aus ihm die werthvollsten Winke für die Lösung ihrer Probleme ent- nommen. Wenn vorher erwähnt wurde, dass die Physiologie sich der von den Physikern für ihre Zwecke ausgebildeten Methoden und Werkzeuge mit Nutzen bemächtigt hat, so werden wir hier auf der anderen Seite bemerken dürfen, dass auch vielfach gerade in den biologischen Wissenschaften der Anstoss zu der Ausbildung von Hülfsmitteln gelegen hat, welche dann ihrerseits auch der physi- kalischen Forschung werthvoll geworden sind oder aber ihr wich- 14 J. v. Krıes: [14 tige und interessante Aufgaben gestellt haben. Ganz besonders gilt dies wohl in Bezug auf das Mikroskop. Indem seitens der biologischen Wissenschaften immer weitergehende Anforderungen an die Leistungen dieser Instrumente gestellt wurden, sind dieselben auch immer höher gesteigert worden und zwar unter wirksamster Betheili- gung der physikalischen Theorie. Dabei sind denn Constructionen sowohl als theoretische Untersuchungen erzielt worden, welche die Physik, auch ohne Ausblick auf jene Anwendung, sich zum Gewinn rechnen darf. In den Bedürfnissen der Mikroskop-Fabrikation dürfte auch wenigstens in erster Linie der Anstoss zu jenem systemati- schen und rationellen Betriebe der Glasfabrikation gelegen haben, der in jüngster Zeit auf verschiedensten Gebieten der Physik einen so grossen Fortschritt zu Wege gebracht hat. Noch eines darf hier erwähnt werden. Zu den Werkzeugen der Naturbeobachtung, deren sich der Physiker bedienen muss, gehören, wenn wir sie im weitesten Sinne des Wortes nehmen, vor Allem auch die Sinnesorgane des Menschen selbst. Nicht oft zwar, aber doch in einigen Fällen ist es für die physikalischen Be- obachtungen nothwendig geworden, auch an diese die höchsten An- forderungen zu stellen und sich andererseits zu vergewissern, wie weit ihre Leistungsfähigkeit geht, welche Grenzen durch sie der Genauigkeit der Untersuchung gesteckt sind, und welche Täuschungen durch die Eigenthümlichkeit ihrer Funktion etwa herbeigeführt werden können. In solchen Fällen sind es dann wieder physio- logische Thhatsachen gewesen, welche für andere Wissensgebiete eine methodische Bedeutung gewannen. Ich habe mich bemüht, die Wechselbeziehungen der Physik und Physiologie einigermassen zu charakterisiren und mich dabei vor- nehmlich an die rein wissenschaftliche Arbeit auf dem einen und dem anderen Gebiete und ihren Zusammenhang gehalten. Der Bedeutung des heutigen Tages und seines Anlasses würde ich aber nicht gerecht zu werden glauben, wenn ich nicht noch einen Blick auf die Stellung würfe, welche die beiden Wissenschaften hinsicht- lich ihrer Unterrichtsbedeutung zu einander einnehmen. In dem hier versammelten Kreise bedarf die Behauptung ‚keines besonderen Nachweises, dass für die Heranbildung der Jugend gerade in den Berufsstudien nichts fruchtbringender und werthvoller ist, als die Beschäftigung mit einer grösseren Anzahl verschiedener Wissen- schaften, deren jede gerade so gelehrt und gelernt wird, wie es ihrem eigenen Charakter am angemessensten ist, nicht aber im 15] ÜEBER DIE BEZIEHUNGEN DER PRySsIk UND DER PhysioLocıe. 15 speciellen Hinblick auf ein andersartiges Fachstudium. Der Grund hierfür liegt in der allgemeinen Verschiedenartigkeit ihrer Ver- fahrungsweisen. In gewissem Sinne lässt sich Ja freilich behaupten, dass die Methode aller überhaupt mit der Erforschung der Natur befassten ‚Wissenschaften die nämliche sein müsse. Bedeutungs- voller aber als diese unbestreitbare Uebereinstimmung gewisser letzter Grundsätze ist es doch, wie ungemein verschiedenartig je nach der besonderen Natur des Gegenstandes sich die Forschung gestaltet hat. Nur ein befangener Blick kann verlangen, dass überall in ganz gleichartiger Weise vorgegangen werde, dass sich Alles nach einem Muster richte. Nichts wäre verkehrter und nichts liegt auch mir ferner als etwa zu meinen, dass die Physiologie sich in eine angewandte Physik und Chemie aufzulösen oder in ihrem Betrieb als Specialtheil jener Wissenschaft zu geriren habe. Gerade aber wegen der Verschiedenartigkeit der Verfahrungsweisen, wie sie sich factisch herausgebildet hat und in gewissem Umtfange ohne Zweifel als berechtigt anerkannt werden muss, ist es so in- structiv, den Betrieb mehrerer Wissenschaften wirklich kennen zu lernen. In verschiedenen Fällen hat sich das Verhältniss herausgebildet, dass die Untersuchungsweisen einer Wissenschaft einer andern ge- wissermassen als Ideal vorschweben. Der Kliniker trachtet danach, seinen Studien die Exactheit und Sicherheit einer physiologischen Ex- perimentalarbeit zu geben. Dem Physiologen erscheint die theoretische Durchsichtigkeit und die Sicherheit des Versuchs in der Physik und Chemie als anzustrebendes Ideal; der Physiker wünscht aut Grund scharf formulirter Voraussetzungen ein Lehrgebäude mit ähnlicher Folgerichtigkeit aufzubauen, wie dies in der reinen Mathe- matik geschieht, und mag in dieser das Ideal methodischer Vollen- dung erblicken. Es ist klar, dass dieses Verhältniss in der Natur der bearbeiteten Objecte tief begründet ist. Gleichwohl bleibt nun einmal vor der Hand die Physik das Muster der Exactheit und von allen Naturwissenschaften diejenige, die im weitesten Um- fange ihre Beobachtungen zu allgemeinen Sätzen verdichten, und wiederum in vollständigster und sicherster Weise jeden Schluss an neuen Thatsachen im Wege des Experiments prüfen kann. Aus diesem Grunde wird die Beschäftigung mit der Physik stets eine unschätzbare Schulung, eine durch nichts zu ersetzende Anregung nicht nur für den Physiologen, sondern für jeden Jünger des ärzt- lichen Berufs sein. Haben wir auch hier eine entsprechende Gegenleistung auf- 16 J. v. KrıEs: [16 zuweisen? Die Natur der Studien scheint es mit sich zu bringen, dass dies nicht in vollem Masse der Fall sein kann; denn während die Beschäftigung mit der Physik für die jungen Mediciner eine unerlässliche ist, haben keineswegs alle, die Physik treiben, Ver- anlassung, physiologische Studien zu machen; insbesondere liegt auch für diejenigen, welche die Physik zu ihrem Fachstudium machen, eine derartige Nöthigung nicht vor. Indessen dürfen wir hier wohl die Gesammtheit der! biologischen Wissenschaften als ein Einheit- liches heranziehen, und sobald wir dies thun, wird auch der Bildungs- werth derselben in einer Weise heraustreten, welche ihn gerade als die wünschenswerthe Ergänzung desjenigen erscheinen lässt, den die sogen. exacten Naturwissenschaften repräsentiren. Denn darüber kann wohl kein Zweifel bestehen, dass der Mangel, den man an dem grössten Theil der Geisteswissenschaften zu beklagen pflegt, dass sie das abstracte Denken ausbilden, aber für die Schulung der Sinne zu wenig leisten, in gewissem Masse auch der Physik, gerade wegen der Exactheit ihrer Methoden und der Stärke des theo- retischen Elements in ihr anhaftet. Ueberblickt man eine grössere Zahl physikalischer Versuchs- verfahren, so wird man frappirt sein, in welchem Masse danach gestrebt wird, an die Leistungen unserer Sinnesorgane möglichst einfache und unschwierige Anforderungen zu stellen und in welchem Masse thatsächlich auch dies Prineip durchgeführt wird. Auf die Vergleichung zweier Helligkeiten oder zweier Farben wird schon selten und ungern recurrirt. Vor allen andern werden die Be- obachtungen bevorzugt, bei welchen es sich um Ablesungen an einer Skala handelt, wie bei der Beobachtung der Spiegelbussolen, der Thermometer, der Waage und zahllosen anderen. Es wäre nicht ohne Interesse und würde gewiss ein überraschendes Ergebniss liefern, wenn man statistisch ermittelte, bei einem wie grossen Theil physikalischer Untersuchungen die Beobachtung in derartigen Ablesungen gipfelt. Indem der Physiker diesen trockensten und nüchternsten Gebrauch, den wir von unserm Auge machen können, bevorzugt, verzichtet er auf die anspruchsvollere Beschäftigung des Sinnes, welche für ein Festhalten und Vergleichen verwickelter Formen und Bilder erforderlich ist, vermeidet er freilich auch (und darin liegt ja die Berechtigung dieses Verfahrens) das Schwankende der Beobachtung und die Unsicherheit der Begriffe, welche den morphologischen Untersuchungen nothwendig anhaftet und welche bei jenen einfachen Beobachtungen so zu sagen völlig eliminirt ist. 17] UEBER DIE BEZIEHUNGEN DER PHYSIK UND DER PHYSIOLOGIE. 17 Nun soll nicht verkannt werden, dass der Reichthum physi- kalischer Erscheinungen unter Umständen wohl für diese Mängel entschädigt, dass auch die Vorbereitung der eigentlichen Beobach- tungen, die Beschäftigung mit den Apparaten, ihre Prüfung und An- ordnung eine gewisse Schulung des Auges und der Hand gewährt. » Immerhin darf das sinnliche Element in der Physik doch im Ganzen dürftig genannt werden und geringfügig namentlich im Vergleich zu dem, was in dieser Hinsicht die biologischen Wissenschaften darbieten. Im Interesse der Ausbildung kann es also nur als wohl- thätig begrüsst werden, wenn neben der Beschäftigung mit Mathe- matik und Physik eine solche mit einer oder der anderen der bio- logischen Wissenschaften einhergeht. In dem Masse wie dies geschieht, werden wir behaupten dürfen, dass diese letztere die Anregung und Förderung, welche ihre eigenen Jünger in den physikalischen Hörsälen und Laboratorien empfangen, nicht unver- golten lassen. Wir dürfen hoffen, dass dies so bleiben wird; denn in der Zersplitterung der Meinungen über alle die Ausbildung der Jugend betreffenden Fragen erfreut sich doch wenigstens die Ansicht einer durchgängigen Zustimmnng, dass die Uebelstände einer zu ein- seitigen Fachbildung thunlichst zu vermeiden und durch die Com- bination verschiedener Unterrichtszweige nach einer harmonischen und vollständigen Ausbildung, nach der Erwerbung eines unbe- fangenen, ein möglichst weites Gebiet des Wissens umfassenden Blickes zu streben sei. So darf ich denn wohl mit dem Wunsche schliessen, dass nicht nur diese Anstalt den beiden einzelnen Disciplinen, denen sie geweiht ist in wirksamer und gedeihlicher Weise diene, sondern dass die Vereinigung zweier Wissenschaften, die Verknüpfung zweier Facultäten in demselben Hause auch den Bestrebungen gegenseitiger Anregung und Förderung und jenem Geiste eines wechselseitigen Verständnisses zu Gute komme, als deren Verkörperung wir die ‚Universitas literarum betrachten. Berichte VI. Heft 1. m Ueber den Aufschwung der modernen Naturwissenschaft. Rede, gehalten bei der Einweihung des neuen physikalischen Instituts zu Freiburg i. B. am 14. Mai 1891. Von E. Warburg. Hochansehnliche Versammlung! Im Begriff, das neue Institut zu übernehmen, erlaube ich mir, Ihre Aufmerksamkeit auf das alte verlassene zurückzulenken, jene alten Klosterräume am Franziskanerplatz, welche, an das Fausr’sche Laboratorium erinnernd, ihrem wissenschaftlichen Zweck nothdürftig angepasst, mit wenig Mitteln eingerichtet und unterhalten werden konnten. An ihre Stelle ist, dank der Fürsorge Grossherzoglicher Regierung, ein Gebäude getreten, welches, lediglich zu seinem wissen- schaftlichen Zweck erbaut, einen grossen Kostenaufwand zu seiner Herstellung erfordert hat und einen im Verhältniss grossen zu seinem Betrieb jährlich erfordern wird. Eine ähnliche Wandlung hat sich seit den 70er Jahren an den meisten deutschen Hochschulen vollzogen, unser alter Bau ist einer der letzten seines Schlages und auch aus ihm wird bald jede Spur der Arbeit verschwunden sein, die früher in ihm geübt wurde. Der Wandel der menschlichen Dinge erfolgt der Regel nach stetig, allmählich; nur selten wird dieser regelmässige Verlauf durch sprungweise, plötzliche Veränderungen unterbrochen; aber nur in diesen Ausnahmefällen tritt das Neue unmittelbar neben das Alte und fällt die Veränderung, die sich vollzogen hat, in die Augen. Der Umzug aus einem Institut altmodischer Art in eines mo- dernen Styls ist eine solche plötzliche Veränderung, der Vergleich der alten verlassenen mit der neuen bezogenen Anstalt fordert da- her zu einem Vergleich zwischen Gegenwart und Vergangenheit heraus, 19] E. WARBURG: ÜEBER DEN AUFSCHWUNG DER MODERNEN NATURWISSENSCHAFT. 2 Dass sich für die Sache der Naturwissenschaften in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts eine grosse Veränderung vollzogen hat, weiss Jedermann, und Jedermann giebt dieser Thatsache Ausdruck. indem er von dem Aufschwung der modernen Naturwissenschaft spricht. Ein Schlagwort, das, wie ähnliche, näherer Erklärung be- dürftig ist, und dessen wahre Bedeutung etwas näher mit mir in Betracht zu ziehen ich Sie bitten möchte. Ich fasse dabei natur- gemäss im Besondern das Fach ins Auge, das ich hier vertrete, glaube aber, dass für andere Zweige der Naturwissenschaft ähnliche Gesichtspunkte gelten. Gerade bei dieser Gelegenheit diesen Gegenstand zu berühren wurde ich dadurch veranlasst, dass der Vergleich der alten natur- wissenschaftlichen Anstalten mit den modernen mir darauf hinzu- führen schien, worin eigentlich der sogenannte Aufschwung der Naturwissenschaften besteht. Dieser Vergleich bringt nämlich die zunächst etwas trivial erscheinende Thatsache zum Ausdruck, dass der Staat der Pflege der Naturwissenschaften neuerdings einen weit grössern Aufwand von Mitteln angedeihen lässt, als in früheren Zeiten. Wollte man diese Thatsache dahin deuten, dass ein gleich- mässiges Verhältniss stattfinde zwischen der Grösse der staatlichen Hülfe und der Grösse des wissenschaftlichen Fortschritts in älterer und neuerer Zeit, so kann diese Auffassung, was die Physik an- langt, nicht als richtig anerkannt werden. Die Begründung der Undulationstheorie des Lichts durch Fressen darf neben den grössten wissenschaftlichen Leistungen der neuesten Zeit genannt werden. Und ein grösserer Fortschritt, als ihn Newrox durch sein Gravitationsgesetz und seine grundlegenden Prineipien machte, ist in der Physik jedenfalls nicht zu verzeichnen. So sagt Bzsszn !) von Newron, dass er das Weltgebäude mit einer Geisteskraft zu beurtheilen unternahm, welche in jedem Jahr- tausend vielleicht nur einmal auf der Erde erscheint. Auch wurden diese Entdeckungen von der zeitgenössischen Gelehrtenwelt mit der grössten Begeisterung aufgenommen, welche sich sogar in dichterischen Ergüssen kundgab und unserer nüch- ternen Zeit beinahe fremdartig erscheint. So sang damals Porz: ') F. W. Besser, Ueber den Halley’schen Kometen. Populäre Vorlesungen über wissenschaftliche Gegenstände. Nach dem Tode des Verfassers herausgeg. von H. C. Schumacher. Hamburg 1848, S. 100. 3 E. WARBURG: [20 Nature and nature’s laws lay hid in night. God said: let Newton be and all was light. Es tritt also an Grösse sowohl wie an Glanz der wissenschaft- lichen Erfolge das Newrov’sche Zeitalter hinter dem unsrigen keineswegs zurück. Es kann sich aber der Staat zu thatkräftiger Förderung eines Zweiges der Wissenschaft aus den Mitteln, welche ihm von der Masse der Bevölkerung zugehen, nur nach Maassgabe des Nutzens — ideeller oder materieller Natur — entschliessen, welcher der Masse der Bevölkerung aus dieser Wissenschaft erwächst. Daher findet die Wissenschaft der Heilkunde, bei welcher dieser Nutzen klar zu Tage liegt, bei den staatlichen Behörden stets eine offene Hand. In dieser Beziehung war es nun um die Naturwissen- schaften in früheren Zeiten schlecht bestellt. Zunächst drangen die wissenschaftlichen Fortschritte kaum über den Kreis der Fachgelehrten hinaus, ınan that wenig für die Popularisirung der wissenschaftlichen Lehren; ja Newrox selbst vermied solche Popularisirung geflissentlich. Nachdem er nämlich in den beiden ersten Büchern der Prineipien die allgemeinen Ge- setze der Mechanik mathematisch entwickelt hat, erzählt er uns in der Vorrede zum dritten Buch !), in welchem er von der Constitution des Weltgebäudes handelt, er habe diesen Gegenstand ursprünglich in populärer Weise geschrieben, damit er einem grösseren Leserkreise zugänglich werde. Aber er habe nachträglich auch diesen Theil in die streng mathematische Form gekleidet, ne res in disputationes trahatur, was wir dem Sinne nach wohl so wiedergeben können: damit nicht dieser oder jener Unberufene darüber reden könne. Auch waren die Nzwron’schen Entdeckungen derart, dass eine Verwerthung derselben für praktische, technische Zwecke nicht möglich war, und diejenigen wissenschaftlichen Ermittelungen, welche technischen Zwecken förderlich hätten werden können, blieben ungenutzt zu diesen Zwecken liegen. Techniker und Gelehrter ‘) J. Newron, Prineipia. Genf 1742, lib. III p. 1. Superest ut ex iisdem prineipiis doceamus constitutionem systematis mundi. De hoc argumento com- posueram librum tertium methodo populari, ut a pluribus legeretur. Sed quibus prineipia posita satis intellecta non fuerint, ii vim consequentiarum minime pereipient neque praejudicia deponent, quibus a multis retro annis insueverunt: et propterea ne res in disputationes tranatur summam libri illius transtuli in propositiones more mathematico, ut ab iis solis legatur, qui principia prius evolverint. 21] ÜEBER DEN AUFSCHWUNG DER MODERNEN NATURWISSENSCHAFT. 4 gingen eben noch jeder seinen Weg für sich; die Technik früherer Zeiten war nach W. v. Sıevens’!) Ausspruch noch keine wissenschatt- liche, sondern eine empirische Technik, welche erst von dem Geiste der Naturwissenschaften durchdrungen werden musste, um sie vom Banne des Hergebrachten und Handwerksmässigen zu erlösen und auf die Höhe der wissenschaftlichen Technik zu erheben. Ebenso wenig fanden die naturwissenschaftlichen Lehren An- wendung in der Mediein; die letztere befand sich vor nicht gar langer Zeit noch im Bann der alten Lehre von der Lebenskraft; sie wollte nicht glauben, dass die Vorgänge im menschlichen Körper den allgemeinen Naturgesetzen unterworfen seien und hielt daher die Anwendung naturwissenschaftlicher Methoden nicht für ange- zeigt. Interessant ist, was v. Hrımmorrz?) uns aus seiner Jugend- zeit darüber erzählt, wie ein berühmter und gefeierter Physiologe ihm sagte, ein Physiologe habe mit Versuchen nichts zu thun, die seien gut für den Physiker; oder wie ein medicinischer College ihm erklärte, der Augenspiegel möge für Aerzte mit schlechten Augen nützlich sein, er habe sehr gute Augen und bedürfe seiner nicht. All dies hat sich geändert. Jede neue wissenschaftliche Ent- deckung macht heutzutage in kürzester Frist die Reise um die Welt und dringt je nach der Grösse ihrer allgemeinen Bedeutung entweder in die Kreise aller Gebildeten ein oder, wenn sie spe- ceielleren Interesses ist, doch in die ihr nahestehenden Zweige der an- gewandten Naturlehre und wird in ihrer Anwendung oft von ungeahnter Bedeutung. Populäre Vorträge machen den wissenschaftlichen Fort- schritt zum Gemeingut der Gebildeten. Die Mediein geht von der Voraussetzung aus, dass die Vorgänge im menschlichen Körper sich nach allgemeinen Naturgesetzen abspielen, und macht die Methoden der Chemie und Physik ihren Zwecken dienstbar. Die wissenschatt- lichen Methoden werden an den technischen Hochschulen, welche in schneller Folge besonders zwischen 1820 und 1832 entstanden °), !) WERNER SIEMENS, Das naturwissenschaftliche Zeitalter. Vortrag gehalten vor der 59. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Berlin. Berlin 1886, Tageblatt S. 92. °) H. v. HeımmoLrz, Das Denken in der Mediein. Rede gehalten zur Feier des Stiftungstages der militär-ärztlichen Bildungsanstalten zu Berlin am 2. Aug. 1877. Vorträge und Reden. Braunschweig 1884, Bd. 2 S. 179. ?) K. KarmarscHh, Geschichte der Technologie seit der Mitte des acht- zehnten Jahrhunderts. München 1872, S. 67. Eröffnet wurden: Prag 1806. Wien 1815, Berlin 1820, Karlsruhe 1825, München 1827, Dresden 1828, Hannover 5 E. WARBURG: [22 dem jungen Techniker zugänglich gemacht und befähigen ihn, ohne mühseliges Umhertappen die Maassnahmen und Constructionen, welche ihn zum Ziel führen, mit Sicherheit im Voraus zu berechnen. Ein Umschwung, wie der geschilderte, vollzieht sich ja stets allmählich, aber einen klar erkennbaren mächtigen Impuls hat er, besonders was die naturwissenschaftliche Technik anlangt, in den 60er Jahren durch die Entstehung der Elektrotechnik erhalten. Wenn wir von der Telegraphie absehen, so giebt es eine Elektrotechnik erst seit dem Jahre 1866, in welchem W. Sırmexs die Dynamomaschine erfand. In der That bedeutet die Sıemens’sche Dynamomaschine für die Elektrotechnik das, was die Warr’sche Dampfmaschine für die Technik im Allgemeinen bedeutete. Wie nämlich die eine mechanische Arbeitskraft, so liefert die andere elektrische Arbeitskraft hinreichend billig für technische Verwendung. Alle Anwendungen elektrischer Starkströme zu Beleuchtungs- und anderen Zwecken sind daher erst möglich geworden seit dem Jahr 1866 und auch der Name Elektrotechnik ist nach diesem Jahre entstanden. Es ist nun die Elektrotechnik, abweichend von anderen Zweigen der Technik, unmittelbar aus der Physik hervorgegangen, weil sie auf Thatsachen beruht, deren Kenntniss lediglich aus den physika- lischen Laboratorien stammt und mit welchen ohne gründliche und vielseitige physikalische Kenntnisse unmöglich erfolgreich operirt werden kann. Wenn daher auch neuerdings die junge Kolonie sich mehr und mehr als ein selbständiges, vom Mutterlande unabhängiges Gebiet zu consolidiren beginnt, so ist doch bis jetzt an dieser Stelle die Verbindung zwischen Technik und Wissenschaft am engsten gewesen. Lebendigen Ausdruck findet dieser Sachverhalt in der Thatsache, dass der Elektrotechniker W. v. Sıemexs von den Physikern als einer der Ersten unter ihnen betrachtet wird, und dass der Physiker Sir W. Teomsox den transatlantischen Telegraphen con- struirt hat, der englischen Elektrotechnik ihre Messinstrumente giebt und als Weltautorität bei grössern technischen Fragen diesseits und jenseits des Oceans zu Rathe gezogen wird. Es mag zum Theil auf den durch die Elektrotechnik gegebenen Impuls zurückzuführen sein, dass auch an anderen Stellen Wissen- schaft und Technik enger an einander rücken. Die besten Mikro- skope liefert die Firma Zeıss in Jena, seitdem sie sich mit dem Physiker Asse verbunden hat, aus dessen schönen Untersuchungen 1831, Stuttgart 1832. Graz 1847, Brünn 1850, Braunschweig 1862, Darmstadt 1869, Aachen 1870. 23] UÜEBER DEN AUFSCHWUNG DER MODERNEN NATURWISSENSCHAFT. 6 die neuen ÜConstructionsprincipien der Mikroskope hervorgegangen sind. Der Verbindung desselben Asse mit dem glastechnischen La- boratorium von ScHorr in Jena verdankt man die apochromatischen Gläser und den gemeinschaftlichen Bemühungen dieser Firma und einiger Berliner Physiker!) das neue Jenenser 'Thermometerglas. Fassen wir diese Betrachtungen zusammen, so erkennen wir, dass der sogenannte Aufschwung der Naturwissenschaften, welcher die Neuzeit kennzeichnet, soweit er die Physik betrifft, nicht in der Grösse und Tragweite der Entdeckungen oder Forschungsprineipien gelegen ist. Er besteht vielmehr in der hochgesteigerten Wirkung, welche diese Wissenschaft auf das bürgerliche Leben und die von ihr abhängigen Zweige der Technik ausübt und, wie wir hinzufügen müssen, in der hieraus sich ergebenden Gegenwirkung. In der That: Keine Wirkung ohne Gegenwirkung lautet ein allgemeines physikalisches Gesetz; und eine Belohnung der Dienste, welche die Naturwissenschaft dem bürgerlichen Leben leistet, ist, wovon wir ausgingen, die gesteigerte Pflege, welche der Staat den Naturwissenschaften angedeihen lässt. Gewissermassen ihren Gipfelpunkt findet diese staatliche Fürsorge in der Errichtung der physikalisch-technischen Reichsanstalt zu Berlin, welche, unab- hängig von Lehrzwecken, lediglich der Pflege der reinen und ange- wandten Physik bestimmt ist. Sie besteht dementsprechend aus einer physikalischen und einer technischen Abtheilung, die beide demselben Präsidenten, zur Zeit Herrn v. HeıLmHoutz unterstellt sind. Aber auch in anderer Beziehung trägt das Kapital, welches die Naturwissenschaft ausserhalb ihres unmittelbaren Interessen- kreises angelegt hat, ihr reiche Zinsen ein und so giebt insbesondere die Technik der Physik in reichem Maasse das zurück, was sie von ihr empfangen hat. Hervorragende Techniker, in richtiger Erkenntniss des An- theils, welchen die Arbeit der Gelehrten zu ihren Erfolgen beige- tragen hat, machen ihre Kräfte, ja ihre Mittel naturwissenschaft- lichen Zwecken dienstbar. Vor Allen leuchtet hier W. v. Sıermens hervor, und solange die physikalisch-technische Reichsanstalt be- steht, wird nicht vergessen werden, dass nicht nur ihr Plan in Sıemens’ Kopf entsprang, sondern dass auch die Ausführung durch hochherzige Ueberlassung eines Siemens gehörigen kostbaren Grund- stückes ermöglicht wurde. ') R. WEBER, Berl. Ber. 1883, 1233. H. F. Wiese, Ibid. 1884, 843 ; 1885, 1021. 7 E. WARBURG: [24 Auch unser Neubau ist ein beredter Zeuge dieser Thatsache. Wenn derselbe seiner architektonischen Anlage und inneren Ein- richtung nach dem Programm in vollem Maasse gerecht wird, welches vor seiner Errichtung gestellt wurde, so verdanken wir dies dem Herrn Baudirector Dr. Dvrm, welcher, unterstützt durch seinen fleissigen Helfer, den Herrn Baumeister Bayer, nie müde wurde, zur Realisirung der mannigfaltigen Wünsche Mittel und Wege zu suchen und zu finden. Auch freuen wir uns, dass dieser hervor- ragende Techniker und Künstler in der so geschmackvollen Facade sein persönliches Siegel dem Bau vor die Stirn gedrückt hat. In der That, wenn in unserer Zeit die Naturwissenschaft aus den Fachkreisen der Gelehrten in das bürgerliche Leben hinaus- getreten ist, so geziemt es sich, dass sie in diesem nicht in mittel- alterlichem Gewande auftritt, sondern ein Kleid modernen Schnittes anlegt. Es ist nicht uninteressant zu bemerken und hängt mit dem früher Gesagten zusammen, dass in unserer Stadt die äussere Form der Lehrzwecken dienenden Gebäude um so stattlicher ausgefallen ist, für je weitere Kreise sie bestimmt sind, und dass, wenn wir sie nach diesem Gesichtspunkt in eine Reihe ordnen, die Volks- schule an dem obersten und das Universitätsgebäude an dem un- tersten Ende der Reihe steht. Es ist gegründete Hoffnung vor- handen, dass in nicht ferner Zeit hier eine Besserung für die Uni- versität eintreten und dadurch die hohe mittelbare Bedeutung, welche sie für weitere Kreise besitzt, auch äusserlich zum Ausdruck komme. Es darf hier mit Fug an das Sprichwort, dass Kleider Leute machen, erinnert werden; hinter einer Durm’schen Facade sucht man mehr, als hinter alten Klostermauern, auch wenn der nachdenkliche Blick des Pulvererfinders auf ihnen ruht. Ein wesentlicher Theil der inneren Anlage ist die elektrische, von ScHUcKErr gemachte Einrichtung, deren vorzüglichen Plan wir der grossen Gefälligkeit des Herrn Geh. Hofrath Kırıner in Darm- stadt verdanken. Es kann hier nicht genug die Liebenswürdigkeit gerühmt werden, mit welcher der viel beschäftigte Mann seine kost- bare Zeit uns geopfert und auf die vielen Fragen, welche ihm grossentheils auf seinen Reisen zugingen, in der bereitwilligsten und promptesten Weise Auskunft stets ertheilt hat. Wir haben hier die zielbewusste Förderung wissenschaft- licher Zwecke durch hervorragende Persönlichkeiten aus tech- nischen Kreisen berührt. Noch mehr ins Gewicht fallend ist der aus der Natur der Dinge von selbst sich ergebende Nutzen tech- 25] ÜEBER DEN AUFSCHWUNG DER MODERNEN NATURWISSENSCHAFT. 8 nischer Erfolge und technischer Arbeit für wissenschaftlichen Fort- schritt. Formen des Stoffs und der Kraft, deren Herstellung, zu wissen- schaftlichen Zwecken erforderlich, früher einen grossen Aufwand von Zeit und Kosten mit sich brachte, sind, seitdem die Technik sich ihrer bemächtigt hat, billig und mühelos erhältlich. So liegt die flüssige Kohlensäure, deren Darstellung früher die Arbeit eines Tages erforderte, in festen schmiedeeisernen Gefässen zum Gebrauch stets fertig da. Die grosse Batterie Bussezv’scher Elemente, welche zur Herstellung starker elektrischer Ströme früher erforderlich war und zu deren höchst lästiger und gesundheitsschädlicher Montirung man sich nur ungern und ausnahmsweise verstand, findet in der stets wirkungsbereiten Dynamomaschine einen glücklichen Ersatz; und eine mit ihr verbundene Accumulatorenbatterie macht über- haupt die alten Säureelemente überflüssig. Ein etwas tiefer liegender, aber vielleicht noch bedeutungs- vollerer Gesichtspunkt ist folgender. Es ist in der Physik häufig vorgekommen, dass verschiedene, mathematisch und physikalisch betrachtet sehr ungleiche Theorien von einer und derselben Erscheinungsreihe gleich vollständig Rechen- schaft ablegten, ohne dass ein entscheidendes Experiment, ein ex- perimentum crucis für die eine oder andere gefunden war. Ein be- kanntes Beispiel hierfür ist das gleichzeitige Bestehen der Emis- sions- und Undulationstheorie des Lichts, welches dauerte, bis die erstere dem bekannten Foucaunr’schen Experiment erlag. Aehn- lich bestanden bis vor Kurzem zwei Theorien der Elektrieität gleichberechtigt neben einander, nach deren einer die elektrischen Kräfte durch einflusslosen Raum in die Ferne hin wirken, nach deren anderer von Faranpar und Maxwrrn herrührender sie sich durch ein Medium von Theilchen zu Theilchen fortpflanzen. Neuer- dings haben Herrz’ glänzende Versuche für letztere entschieden. Allein schon ehe eine solche definitive Entscheidung herbei- geführt ist, verräth sich die richtige Theorie durch ein gewöhn- lich untrügliches Merkmal, dadurch nämlich, dass sie die Thatsachen einfacher und anschaulicher erklärt und so einen rascheren Einblick in die Natur der Vorgänge gestattet, als die unrichtige. So war es bei den Licht-, so auch bei den elektrischen Theorien. Nun liegt das Interesse des Teechnikers vorzugsweise und mehr, als das des Gelehrten in schneller und anschaulicher Beurtheilung der Vor- gänge, und so wird durch einen gesunden äussern Zwang der Tech- 9 E. WARBURG: | [26 niker oft früher als der Gelehrte auf den richtigen Weg geführt. Drastisch sagt der Amerikaner Erısu Teonsox !): die Theorie kann warten, die Praxis aber nicht, wenigstens nicht in Nordamerika. Wirklich wurde die der Faranay’schen Anschauungsweise ent- sprechende, auf der Betrachtung der Kraftlinien fussende Methode der Berechnung inducirter Ströme lange vor Hrrrz’ Entscheidung in der Elektrotechnik durchwegadoptirt. Ja, W. Sıemenxs ?) wurde bereits im Jahre 1857 durch seine Beschäftigung mit den unterirdischen, durch (Gruttapercha isolirten Telegraphendrähten darauf geführt, die Faranay- sche Theorie in ihren letzten Consequenzen zu adoptiren; er erklärt es am Schluss seiner Abhandlung für sehr wahrscheinlich, dass der Sitz der Elektrieität von den Leitern in die sie umgebenden Nicht- leiter zu verlegen und sie selbst als eine Polarisation der Moleküle der letzteren zu definiren sei. Das durch grosse praktische Erfah- rung geschärfte Auge des Technikers sah hier ungleich weiter, als die grosse Mehrzahl der zeitgenössischen deutschen Gelehrten, welche sich den Faranar’schen Ideen gegenüber durchweg ablehnend ver- hielten. So konnte im Hinblick auf die wissenschaftlichen Arbeiten eines WERNER SIEMENS und die technischen Erfolge eines W. Tson- sox des ersteren Bruder William) nicht ohne theilweise Berechti- gung sagen, dass wir die schnellen Fortschritte der Neuzeit zumeist dem Gelehrten verdanken, welcher einen Theil seiner Kraft auf die Lösung praktischer Probleme verwendet und dem Praktiker, welcher Erholung findet in der Verfolgung rein wissenschaftlicher Ziele. Bei so enger Verbindung zwischen Physik und Technik liegt die Frage nahe, ob nicht in Zukunft der Schwerpunkt des !) Euısu Thuonsox, Sur les relations entre le magnetisme, la force &lectro- motrice et l’intensite du courant induit. La lum. &lectr. 34, 286, 1889, Com- munication faite a l’American Institute of Electrical Engineers: En effet, la necessite d’arriver ä des resultats est souvent plus imperieuse au point de vue des applications, car la theorie peut attendre, tandis qu’il n’en est pas de m&me pour la pratique, au moins dans les Etats-Unis. ?) W. Sıemens, Ueber die elektrostatische Induction und die Verzöge- rung des Stroms in Flaschendrähten. Pogg. Ann. 102, 66, 1857; auch Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin 1831. 3) Wırnıam Sıemens, Adress Br. Assoc. Southampton 1882: ... that we owe most of the rapid progress of recent times to the man of science, who partly devotes his energies to the solution of practical problems and to the praetitioner, who finds relaxation in the prosecution of purely scientific inquiries. Nature Vol. 42, 4. Sept. 1890. En 27] ÜEBER DEN AUFSCHWUNG DER MODERNEN NATURWISSENSCHAFT. 10 physikalischen Studiums mehr und mehr von den Universitäten gegen die technischen Hochschulen hin wandern werde. Dass die Zahl derer, welche eingehende physikalische Studien betreiben, an den technischen Hochschulen schon jetzt verhältniss- mässig grösser ist, als an den gelehrten, liegt in der Natur der Sache; und dass an den technischen Hochschulen im Allgemeinen ein weiter gehendes Interesse an der Physik zu finden sei, als an den Universitäten, wird von vielen unter denen behauptet, welche an beiderlei Anstalten thätig waren. Demgegenüber möchte ich auf einige Vortheile hinweisen, welche dem Studium der Physik an den Universitäten erwachsen. Zunächst ist die hier stattfindende Verbindung mit der reinen Chemie zu nennen, derjenigen naturwissenschaftlichen Disciplin, welche der Physik am nächsten steht, ja an gewissen Stellen sich nicht von ihr trennen lässt. Dieses Verhältniss ist nun in neuester Zeit weit enger als früher geworden durch die von Gisss, HrumHoLtz, van r’Horr, Arrsenrus u. A. angebahnte Anwendung der mechanischen Wärmetheorie auf die Probleme des chemischen Gleichgewichts. Es haben sich hier Consequenzen ergeben, welche eine ganz neue Auffassung der einfachsten chemischen Reactionen anbahnen und es ist infolge dieser Untersuchungen das von Korr als Provinz der Chemie bebaute Gebiet der physikalischen Chemie so an Ausdeh- nung gewachsen, dass es sich durch Begründung einer eigenen Zeitschrift selbständig machen konnte, Hier ist also ein Boden ge- schaffen, auf welchem Chemiker und Physiker sich zu gemeinsamer Arbeit und gegenseitiger Unterstützung begegnen. Ein allgemeinerer Gesichtspunkt ist dieser: „Die Wissenschaft, * sagt Gauss, !) „wenn gleich gern auch dem materiellen Interesse för- derlich, lässt sich nicht auf dieses beschränken, sondern fordert für alle Elemente ihrer Forschung gleiche Anstrengung.* Wir dürfen hinzufügen, dass, wie alle grossen Entdeckungen, so auch diejenigen, aus welchen die Elektrotechnik hervorgegangen ist, ohne jegliche Rücksicht auf praktische Erfolge gemacht sind, dass daher wissen- schaftliche Arbeit mit Ausschluss jedes praktischen Nebenzwecks, hervorgerufen und geleitet lediglich durch jenen dem menschlichen Geiste eingepflanzten naturwissenschaftlichen Trieb, welcher uns anspornt, Zusammenhang zwischen den Naturerscheinungen aufzu- !) Gauss, Allgemeine Theorie des Erdmagnetismus. Resultate aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins 1838, S. 1. 11 E. WARBURG: [28 suchen, nicht nur im Interesse der reinen Wissenschaft, sondern auch ihrer praktischen Anwendung liegt. Für derartige rein wissen- schaftliche Arbeit sind nun von Alters her die Universitäten die rechten Pflanzstätten gewesen; daher wird auf die Erstellung von Arbeitsräumen zu rein wissenschaftlichen Zwecken bei den Neubauten an den Universitäten ein ganz besonderes Gewicht gelegt. Auch in unserem Neubau ist eine grössere Abtheilung vor- handen, welche solche Arbeitsräume enthält; diese Abtheilung be- findet sich im Erdgeschoss, weil hier vorzugsweise die erforder- lichen standfesten Aufstellungen zu gewinnen sind. Ausserdem ent- hält das Erdgeschoss das für die Vorlesung über Experimental- physik Erforderliche, nämlich den grossen Hörsaal und die Samm- lungsräume; diese Vorlesung ist für alle diejenigen bestimmt, welche reine oder angewandte Naturwissenschaft treiben. Weiter giebt es Studirende, für welche ausserdem ein prak- tischer Uebungscurs erforderlich ist, nämlich zunächst die Anfänger des physikalischen Studiums, ferner die Lehramtscandidaten, welche an den Schulen den physikalischen Unterricht ertheilen sollen, end- lich die Chemiker, welche lernen müssen, physikalische Maassbestim- mungen verschiedener Art auszuführen. Die hierfür erforderlichen Räume sind ins Obergeschoss verlegt, da völlig standfeste Aufstel- lungen hier entbehrt werden können. Ferner ist im Obergeschoss die historische Sammlung untergebracht, welche manche, z. Th. aus dem Kloster Salem stammende merkwürdige Stücke enthält. End- lich befinden sich dort ein kleiner Hörsaal für mathematische Physik und einige Zimmer für besondere Zwecke. Das Kellergeschoss enthält die Centralheizung, Maschinen- und Batterieraum, Werkstätte und Schmiede für den Mechaniker, ein kleines chemisches Laboratorium und einen möglichst eisenfrei ge- haltenen Raum für erdmagnetische Untersuchungen. Dienerwohnung befindet sich im Speicherraum. Von unserem Neubau kann man sagen, dass er den Verhält- nissen unserer ’Hochschule vollkommen genügt, wenngleich er zu . den grossen Anstalten, wie sie in Strassburg und neuerdings in Zürich errichtet worden sind, sich verhält, wie ein kleines Schweizer Gast- haus zu den grossen Hotelpalästen, welche sich an den Centralen des Fremdenverkehrs erheben. Ich möchte mir erlauben, in diesem Vergleiche fortfahrend, mit einem Wunsche für unser neues Institut zu schliessen. Die- 29] ÜEBER DEN AUFSCHWUNG DER MODERNEN NATURWISSENSCHAFT. 13 jenigen, welche die Schweiz bereisen, um grössere und anstrengende Touren ins Gebirge zu unternehmen, pflegen nicht immer in den grossen Gasthofpalästen, sondern zuweilen vorzugsweise in den klei- neren Häusern abzusteigen. Möge denn auch hier in Zukunft der eine oder andere zu längerem Aufenthalt einkehren, welcher zu grösserer und anstrengender wissenschaftlicher Arbeit Neigung und Ausdauer besitzt. Die Richtungskörperbildung bei Oyclops und Canthocamptus. (Vorläufige Mittheilung.) Von Dr. Valentin Häcker, Assistent am zoologischen Institut der Universität Freiburg i. B. In den letzten Jahren spielte in der ausgedehnten Litteratur !). welche die Reifungsvorgänge im Ei und speciell die Bildung der Richtungskörper zum Gegenstand hat, die Frage nach der Existenz sogenannter „Reductionsthei- lungen“ eine hervorragende Rolle. Die erste Anregung zu den diesbezüg- lichen Untersuchungen und Erörterungen hatte WEIısMmanx gegeben, welcher zu dem Schlusse gelangt war, dass die Befruchtung eine Mischung der Vererbungs- tendenzen zweier verschiedener Individuen darstelle und als solche die für die Weiterentwicklung der Art nothwendige Variation der Charaktere herbeiführe. Damit aber die in der Befruchtung sich vollziehende Zusammenhäufung der von den verschiedenen Vorfahren herstammenden Vererbungstendenzen nicht unendliche Dimensionen annehme, muss vor Vereinigung des Eies mit dem Sperma ein gewisser Theil der in beiden vorhandenen Vererbungstendenzen oder Ahnenplasmen ausgeschieden werden: in den Richtungsspindeln findet demzufolge die jedesmalige Herabsetzung der Anzahl der vorhardenen Ahnen- plasmen auf die Hälfte statt. Nachdem nun später hauptsächlich durch Boverı nachgewiesen worden war, dass die Anzahl der Chromosomen, in welche sich das Chromatin vor jeder Kerntheilung auflöst, für jede Art constant ist, lag es nahe, sich zu fragen, ob die von Weısmann geforderte Halbierung der Anzahl der Vererbungs- tendenzen etwa in einer Halbierung der Anzahl der Chromosomen ihren mor- phologischen Ausdruck finde. BovErı selbst gab auf diese Frage die Antwort, dass in den Richtungsspindeln die Chromosomen allerdings in reducirter An- zahl auftreten, dass aber die Reduction bereits in dem der Richtungskörper- bildung vorangehenden Ruhestadium eintreten müsse. Im Herbst vorigen Jahres habe ich im „Zoologischen Anzeiger“ (XIII. Jahrg. 1890, S. 551—558) einige Ergebnisse meiner Untersuchungen über die Eireifung !) Ein weiteres Eingehen auf dieselbe liegt ausserhalb des Rahmens dieser Mittheilung; ich verweise vorläufig nur auf das Litteraturverzeichniss bei O. Herrwig, Vergleich der Ei- und Samenbildung bei Nematoden. Arch. für mikr. Anat. Bd. 36, Heft 1. 31] Die RıcHTUNGSKÖRPERBILDUNG BEI ÜYCLOPS UND ÜANTHOCAMPTUS. 2 von Cyelops veröffentlicht. Bei dem ersten Theilungsprocess treten darnach im Kern 8 längsgespaltene Chromosomen, sogenannte Doppelstäbchen aut, wovon 4 in den ersten Richtungskörper abgehen. Von den im Eikern ver- bleibenden 8 einfachen Stäbchen treten 4 in den zweiten Richtungskörper ein. Durch die Copulation werden sodann die 4 im Ei verbliebenen Stäbchen auf die für Cyclops charakteristische Zahl 8 ergänzt. Ich habe damals fol- gende Deutung für die nächstliegende gehalten: „Die Längsspaltung der Chromosomen im ersten Theilungsprocess ist gewissermassen eine anachronistische, d. h. die normalerweise in der Aequa- torialplatte der zweiten Richtungsspindel stattfindende Längsspaltung der Chromosomen, in gewöhnlichen Fällen also die secundäre, wurde in die Aequatorialplatte der ersten Spindel zurückverlegt, ein Vorgang, der nach Boverrs Befunden nichts Auffälliges bietet. Sieht man also ab von dieser (secundären) Längsspaltung, so übernimmt die erste Spindel aus dem Keim- bläschen die ursprüngliche, nicht redueirte Achtzahl der Elemente, um von diesen durch einen besonderen Vertheilungsprocess vier in den ersten Richtungskörper, vier in den Eikern abzuscheiden, ohne dass die primäre Ver- dopplung der Schleifenzahl, wie sie sonst der ersten Spindel zukommt, auf- tritt. Nach dieser Deutung fände also die Reduction bei der Ausstossung des ersten Richtungskörpers statt.“ Darnach hätten wir hier Verhältnisse vor uns, wie sie in letzter Zeit Henkıng für die Samenfäden der Feuerwanze be- schrieben hat; nach diesem Autor stellt nämlich der erste Theilungsprocess der Reifezone eine Reductionstheilung, der zweite eine gewöhnliche Mitose dar. In einer ausführlichen, demnächst in den „Zoologischen Jahrbüchern“ erscheinenden Arbeit werde ich nunmehr eine andere Deutung der Verhält- nisse zu vertreten haben, zu welcher mich ein Vergleich der Befunde bei einer grösseren Anzahl von Formen geführt hat: Die in der Aequatorialplatte der ersten Theilung auftretende Längsspaltung ist darnach schon im Knäuel- stadium präformirt und hat, wie ein Vergleich mit Canthocamptus ergiebt, weder mit einer primären noch mit einer secundären Spaltung der Elemente der Richtungsspindeln etwas zu thun; vielmehr bezieht sie sich auf einen von den letzteren unabhängigen Vorgang, den ich kurz als Verdopplungsprocess, Diplose, bezeichnen möchte. Die aus dieser Diplose hervorgehenden Doppel- elemente werden nun auf die vier Abkömmlinge der beiden Theilungs- processe (Ei und Richtungskörper) in vollständig gleichmässiger Weise vertheilt, in der Art, dass jeder zwei Doppelelemente erhält. Da demnach auch in der zweiten Theilung die beiden zu einem Doppelstäbchen vereinigten Einzelstäbehen nicht auseinanderweichen, so stellen beide Theilungen Reduetionsprocesse dar und unterscheiden sich, was den Theilungs- mechanismus anbelangt, in keinerlei Weise von einander. Es findet aber trotz- dem keine Viertheilung, sondern nur die verlangte Halbierung der Anzahl der Elemente statt, weil eben durch die vorhergehende Diplose die Anzahl der Elemente auf doppelten Stand gebracht worden war. Dass sich die Verhältnisse in der That nur so erklären lassen, scheint mir durch einen wichtigen Befund bei Canthocamptus, dem bei uns vorkom- menden Vertreter der Copepodenfamilie der Harpactiden, bewiesen zu sein: auf die Theilungen der Keimzone, aus welchen die Eikeime hervorgehen, folgt hier unmittelbar ein weiterer, nicht zur Vollendung kommender Thei- 3 V. Häcker : Die RICHTUNGSKÖRPERBILDUNG BEI ÜYCLOPS UND CANTHOCAMPTUS. [32 lungsprocess, in welchem es bis zur Bildung der Aequatorialplatte und der in dieser normalen Weise erfolgenden Spaltung der Chromosomen kommt. An- statt dass aber die Tochterchromosomen in zwei Tochterkerne vertheilt werden, lagern sich die gespaltenen Elemente zu einem Doppelfaden zusammen, welcher in Form einer mehrfach gewundenen Schlinge den Kernraum ausfüllt. Hier vollzieht sich also die „Diplose“ in einem reducirten Theilungsvorgang am Schluss der Keimzone und zugleich scheinen mir die Verhältnisse darauf hin- zuweisen, dass eine Diplose, d. h. eine Verdopplung der Elemente nur dann eintritt, wenn sich die Chromosomen in der Stellung der Aequatorialplatte befinden. Es liegen also bei Canthocamptus und Cyclops die Verhältnisse in der Weise, dass durch die Diplose die Elemente verdoppelt werden. Die ent- standenen Doppelelemente (Doppelstäbchen, Doppelchromosomen) werden durch die beiden Reduetionstheilungen gleichmässig auf die vier Enkelzellen (Ei und Richtungskörper) vertheilt. Das Resultat der Diplose und der beiden Reductionstheilungen ist also das Auftreten der halbierten Anzahl der Elemente im Eikern. Freiburg i. B., den 1. Juli 1891. Meealodon, Pachyerisma und Dieeras. Von Georg Boehm, a. o. Professor an der Universität Freiburg i. Br. Mit 9 Original-Holzscehnitten. Vorliegende Arbeit stützt sich in erster Linie auf ein grosses Material von Megalodon cueullatus. Abgesehen von meiner eigenen Sammlung verdanke ich dasselbe den Herren BENECKE, BEYRICH, BRrANCo, HAUCHECORNE, V. KOENEN, F. ROEMER, SCHLÜTER, SCHMIDT, STEINMANN und v. ZIiTTEL. Die. Herren BENECKE, NiIcoLis und v. Tauscn haben mir zahlreiche Exemplare von Megalodon pumilus zur Verfügung gestellt. Schliesslich liegt, durch das freundliche Ent- gegenkommen der Herren Fuczs und v. TauscHn, das gesammte Materialvor, welches bisher von Pachymegalodon chamae- formis bekannt geworden ist. Allen genannten Herren, welche mir mit ausserordentlicher Liebenswürdigkeit seltene, zum Teil unersetzliche Fossilien für so lange Zeit anvertraut haben, möchte ich auch an dieser Stelle herz- lichen Dank aussprechen. Die nachfolgende Arbeit ist in 3 Abschnitte gegliedert. Ich werde mich bemühen, nachzuweisen, dass: A. Den genetischen Zusammenhang von Megalodon cucullatus mit Pachyerisma (Pachymegalodon) chamaeforme zu Grunde gelegt, das Schioss der ersteren Art anders wie bisher aufzufassen sein dürfte. B. Die Untergattung Pachymegalodon mit Pachyerisma iden- tisch ist. Ü. Megalodon pumilus ein typsches Diceras Schloss besitzt, und demnach nicht zu Megalodon gestellt werden kann. Berichte VI. Heft 2. 3 >) Bormm: [34 A. Studirt man die Diagnosen, welche verschiedene Autoren von der Gattung Megalodon — Typus: Megalodon eueullatus, GOLDFUSS — aufgestellt haben, so stösst man bezüglich der Schlösser auf sehr be- trächtliche Differenzen. WOoODWARD z. B. XIII, p. 469, giebt einen Schlosszahn in der rechten, zwei in der linken Klappe und je einen hinteren Seitenzahn. v. ZıTTeL, XIV, p. 69 u. 70, erwähnt zwei Schlosszähne in jeder Klappe, ohne Seitenzähne anzuführen. StEin- MANN, X, p. 267, führt zwei Schlosszähne in jeder Klappe an und bemerkt, dass zuweilen ein hinterer Seitenzahn entwickelt sei. FISCHER schliesslich, IV, p. 1068, zählt zwei Schlosszähne in der rechten, einen Schlosszahn in der Imken Klappe und jederseits einen hinteren Seitenzahn. Die genannten Unterschiede fallen durch Zusammen- Fig. 1°). Fig. 52). “ Megalodon cucullatus, (KOLDFUSS. Pachyerisma chamaeforme, SCHLOTHEIM Sp. stellung der Zahnformeln besonders in die Augen. Es ergeben sich für: WoopwArD 1. 2, 0—1, 0—1; = v. ZITTEL 2.2; = FiscHER 2.1, 0—1, 0—1. Diese grossen Differenzen bei einer und derselben Gattung erklären sich durch die abweichende Auffassung der ver- schiedenen Autoren, welche, wie anderen Ortes (I, p. 612) ausgeführt, bei Pelecypoden-Schlössern eine grosse Rolle spielt. Ich möchte mit WO0DWARD und FISCHER glauben, dass der hintere Seitenzahn bei !) Original zu v. Zırren, XIV, p. 69. Paffrath bei Cöln. Münchener palaeontolog. Museum. ?) Original zu v. Tausch, XII, Taf. IV, Fig. 3. Podpec bei Laibach in Krain. Geolog. Reichsanstalt in Wien. 35] MEGALODON, PACHYERISMA UND DICERAS. wu. Megalodon eucullatus als wesentlich zu betrachten ist. Ferner scheint es mir, als ob der Höcker vz Fig. 1 an dessen Basis stets der kleine Fussmuskeleindruck liegt — als vorderer Seiten- zahn aufgefasst werden sollte. Dieser kleine Fussmuskeleindruck tritt nämlich auch bei Pachyerisma chamaeforme, SCHLOTHEIM Sp.) auf und zwar hier an der Basis des typisch vorderen $eiten- zahnes vz, Fig. 5. Die Species Pachyerisma chamaeforme aber wird ausnahmslos von allen Autoren mit NMegalodon cucullatus in genetischen Zusammenhang gebracht. Es dürfte sich deshalb empfehlen, auch bei Megalodon ceucullatus den Träger des Fuss- muskeleindrucks nicht als Schlosszahn, sondern vielmehr — eben entsprechend Pachyerisma — als vorderen Seitenzahn aufzufassen. Megalodon cucullatus, GOLDFUSs. Pachyerisma chamaeforme, SCHLOTHEIM Sp- In der linken Klappe von Megalodon cucullatus führen WOOD- WARD und v. ZirTteL zwei Schlosszähne mz und vz Fig. 2 auf. Ich möchte den Zahn vz eher als vorderen Seitenzahn auffassen. An seiner Basis liegt auch hier stets der kleine Fussmuskel- !) Die Art ist bisher zum Subgenus Pachymegalodon gestellt worden. Ich werde in Abschnitt B nachzuweisen versuchen, dass dieses Subgenus mit Pachyerisma zu vereinigen ist. ?) Paffrath bei Cöln. Tübinger Universitäts-Sammlung. 3) Original zu v. Tausch, XII, Taf. IV, Fig. le. Podpee bei Laibach in Krain. K. Naturhistor. Hofmuseum in Wien. Der Teil der Schlossplatet hinter mgı ist in der Zeichnung zu breit. 3* 4 Bonn: [36 eindruck, der sich bei dem verwandten Pachyerisma chamaeforme Fig.6 stets an der Basis des vorderen Seitenzahnes findet. Kehren wir noch einmal zur rechten Klappe von Megalodon eueullatus Fig. 1 zurück. Die Frage, ob der kleine Höcker vz zum Schlosszahne mze gehört (WO0DWARD) oder, wie ich glaube, besser als Seitenzahn zu betrachten ist, bleibt bis zu einem gewissen Grade Sache der individuellen Auffassung. Um meine Anschauung zu be- weisen, bedürfte es hierher gehöriger Formen vom Oberdevon bis zu den grauen Kalken, bei denen nachweisbar der Höcker vz sich immer mehr und mehr zum selbstständigen Seitenzahne vz Fig. 5 entwickelt. Aber ganz abgesehen von diesem Puncte zeigt sich bei verschiedenen Exemplaren von Megalodon cucullatus in den Schlössern der rechten Klappe eine Differenz, welche mir recht bemerkenswert erscheint. Fig. 1. Fig. 31). Megalodon cucullatus, GOLDFUSS. Betrachten wir zuerst Fig. 1. An derselben beobachtet man neben vz und hz noch zwei Zähne, von denen allerdings der hintere mzı schwächer entwickelt ist, als der vordere mze. Man sieht den hinteren Zahn mzı kräftig ausgebildet bei GoLDFUss, Petrefacta Germaniae, Teil II, Taf. 132, Fig. 8e (vergrösserte Abbildung). Auf- fallend stark ist mzı bei QuENSTEDT, IX, p. S10 — das Original liegt mir vor — sowie bei Exemplaren der Baseler, der Breslauer und meiner Sammlung. Anders liegen die Verhältnisse bei Fig. 3. Sie stellt das schönste Exemplar von Megalodon eucullatus dar, welches ich je gesehen habe. Hier ist mzı nur noch eine schwache Auf- wulstung. Und auch diese Aufwulstung verschwindet zuweilen voll- 1) Paffrath bei Cöln. Tübinger Universitäts-Sammlung. - 37] MEGALODON, PACHYERISMA UND DICERAS. 5 ständig. Bei einer mittelgrossen Klappe meiner Sammlung ist auch nicht die Spur von einem hinteren Seitenzahne zu beobachten. Die linken Klappen von Megalodon cucullatus ergeben naturgemäss entsprechende Differenzen. Fig. 2 zeigt eine deutliche Grube mgı für den Zahn mzı der rechten Klappe. Bei dem Exemplar Fig. 4 ist diese Grube nur noch ganz schwach entwickelt. Bei zwei sehr grossen Individuen der Strassburger Universitäts- und meiner Sammlung ist keine Spur von einer hinteren Grube mgı zu beobachten. Demnach besitzen die rechten Klappen von Megalodon cucullatus, auch abgesehen von vz, bald 1 bald 2 Schlosszähne. Die linken Klappen zeigen dementsprechend bald 1 bald 2 Schloss- zahngruben. Wie erklären sich diese Differenzen bei einer und derselben Art? Nach meiner Meinung ähnlich, wie das Ueberwuchern Fig. 4"). Megalodon cucullatus, (KOLDFUSS. der Zähne bei Hippopodium?) und Serripes. Ich stelle mir vor, dass durch Ablagerung von Kalksubstanz der schwache Zahn mzı der rechten, die Zahngrube mgı der linken Klappe obliteriren. Nach dieser Auffassung wären die Schlösser mit 2 Schlosszähnen mzı und mz2 in der rechten und 2 Schlosszahngruben mgı und mg: in der linken Klappe normal. Die Schlösser mit 1 Schlosszahn mza in der rechten und 1 Schlosszahngrube mge in der linken Klappe wären anormal. ') Paffrath bei Cöln Tübinger Universitäts-Sammlung. ?) Zu Hippopodium rechne ich nur H. ponderosum, Sowerby und H. Gui- bali, BAyLE. Vergl. Bulletin de la soc. g&olog. de France, Serie III, Bd. 2, p. 352 Fussnote. Ferner: Zeitschrift d, deutschen geolog Gesellschaft, Bd. 34, 1882, p- 618 und: TArE u. BLAKeE, The Yorkshire Lias, p. 392. 6 BoEHm: [38 In dieser Auffassung werde ich durch einen Vergleich mit dem Schlosse von Pachyerisma chamaeforme bestärkt. Wie schon be- merkt, teilen wol alle Palaeontologen die Anschauung, dass diese Species mit Megalodon ceueullatus in verwandtschaftlicher Beziehung steht. Ist dies der Fall, so müssen die Schlösser leicht auf einander zurückzuführen sein. Letzteres aber gelingt nur bei dem, gemäss der obigen Darlegung „normalen“ Megalodon- Schlosse mit 2 Schlosszähnen in der rechten und 2 Schlosszahngruben in der linken Klappe. Legt man das „anormale* Schloss mit 1 Schlosszahn in der rechten und 1 Schlosszahngrube in der linken Klappe zu Grunde, so stösst man auf Schwierigkeiten, die mir fast unüber- windlich scheinen. Megalodon cueullatus, GOLDFUSS. Pachyerisma chamaeforme, SCHLOTHEIM Sp. Die Nebeneinanderstellung der bezüglichen Abbildungen ergiebt dies, wie ich glaube, ohne weiteres. Ich beschränke mich hier auf die linken Klappen. Es entspricht naturgemäss der Zahn mz Fig. 2 dem Zahne mz Fig.6. Allein dieselbensindnuraufeinander zu beziehen, wenn man die Grube msı Fig. 2 berück- sichtigt. In diesem Falle finden die Zähne und Gruben der einen Klappe ihre Homologa in der anderen Klappe. Lässt man mgı Fig. 2 unberücksichtigt, d. h. geht man vom anormalen Mega- lodon-Schlosse aus, so sind die Zähne mz überhaupt nicht 39] MEGALODON, PACHYERISMA UND DICERAS. 7 in Parallele zu stellen. Denn dann liegt der Zahn mz bei Me- galodon eueullatus hinter, bei Pachyerisma chamaeforme vor der Zahngrube, und die Grube mg: Fig. 6 findet bei Fig. 2 keine ent- sprechende Vertretung '). Aechnliches ergiebt sich naturgemäss beim Vergleiche der rechten Klappen. Die Schwierigkeiten, auf welche man hier bei Zugrunde- legung des anormalen Megalodon-Schlosses stösst, wurden schon an anderem Orte (I, p. 610) dargelegt. Bei Megalodon cucullatus ist meines Wissens der schwache Zahn mzı der rechten, die entsprechende Zahngrube mg ı der linken Klappe bisher nicht berücksichtigt worden. Gestützt auf die obigen Dar- legungen möchte ich glauben, dass jene Teile von Bedeutung sind. Der schwache, oft obliterirende Zahn mzı von Megalodon cucullatus Fig. 1 u. 3 scheint sich im Laufe der Ent- wicklung zum kräftigsten Zahne mzı Fig. 5 auszubilden. Entsprechend glaube ich, dass die schwache, oft fehlende Zahn- srube mgı Fig. 2u.4 sich im Laufe der Entwicklung zur srössten Zahngrube mgı Fig. 6 erweitert. Nach den obigen Darlegungen ergiebt sich folgendes Schloss von MWegalodon cucullatus. Rechte Klappe (Fig. 1 u. 3). Eine breite, stark entwickelte Schlossplatte. Zwei Schlosszähne, der hintere mzı schwächer ent- wickelt als der vordere mz2, ersterer häufig obliterirt. Zwischen beiden die tiefe Grube mg für den Schlosszahn der linken Klappe. Vor dem vorderen Schlosszahne die Grube vg für den vorderen Seitenzahn der linken Klappe. Ein schwacher, vorderer Seitenzahn vz, an dessen Basis sich ein kleiner Fussmuskeleindruck befindet. Ein schmaler, langgestreckter, hinterer Seitenzahn hz. Linke Klappe (Fig. 2 u. 4). Eine breite, stark entwickelte Schlossplatte. Ein kräftiger Schlosszahn mz. Vor und hinter dem- selben je eine Zahngrube für die entsprechenden Zähne der rechten !) R. HoErnEs hat den obigen Vergleich unter Zugrundelegung des anor- malen Megalodon-Schlosses durchgeführt, ohne auf die erwähnten Schwierigkeiten zu stössen (VII, p. 421, Taf. VII, Fie. 1 u. 6). Es erklärt sich dies dadurch, dass l. ec. Fig. 6 bei Pachyerisma chamaeforme ein hinterer Seitenzahn z ı angegeben ist, der, wie ich mich am Originale überzeugen konnte, nicht existirt. Pachy- erisma chamaeforme hat in der linken Klappe nur einen Schloss- zahn, wie dies Fig. 6 zeigt und auch v. Tausch, XII, p. 28, Taf. IV richtig darstellt, 8 BoEHM: [40 Klappe. Die hintere Zahngrube mgı schmäler als die vordere mga, häufig obliterirt. Ein vorderer Seitenzahn vz'). Derselbe besteht aus einem oberen, starken Höcker und mehreren, darunter befindlichen Zacken. An der Basis der unteren Zacken befindet sich der kleine Fussmuskeleindruck. Ein schmaler, langgestreckter, hinterer Seiten- zahn hz. An der Innenseite desselben — cf. Fig. 4 — befindet sich die Grube für den hinteren Seitenzahn der rechten Klappe. Die Zahnformel unserer Art würde nach den obigen Darlegungen lauten: 2. 1, 1—1, 1—1. Verschiedenheiten im Schlossbau der rechten Klappe. Wie oben angegeben, ist der hintere Schlosszahn mzı bald stärker, bald schwächer entwickelt. Manchmal obliterirt er vollständig. Der vordere Schlosszahn mza zeigt häufig in der Mitte eine Längsfurche, wie bei Fig. 1; oder er ist mehrfach eingeschnitten, gekerbt, selbst aus- gehöhlt; oder auch fein quer gerunzelt, wie in Fig. 3. Der vordere, meist sehr schwache Seitenzahn vz Fig. 1 verschmilzt häufig mit der hinteren Umwallung des stark vertieften, vorderen Muskeleindrucks, wie bei Fig. 3. Stets trägt er an seiner Basis den kleinen Fussmuskel- eindruck. Hinter und auf dem Seitenzahne sind nicht selten Warzen, Höcker und Grübchen entwickelt, wie in Fig. 3. Bei vielen Exem- plaren, cf. Fig. 1 u. 3, beobachtet man am Hinterrande zwei läng- liche Leisten und zwei entsprechende Gruben.. Nach anderen Klappen zu schliessen, möchte ich die innere der beiden Gruben für die eigent- liche Zahngrube, die innere, leistenförmige Umrandung derselben für den hinteren Seitenzahn halten. Verschiedenheiten im Schlossbau der linken Klappe. Die hintere Zahngrube mgı ist bald stärker, bald schwächer ent- wickelt. Häufig obliterirt sie vollständig. Der Schlosszahn zeigt häufig in der Mitte eine Längsfurche, wie bei Fig. 2 u. 4. Manchmal ist seine Vorderseite eigentümlich gefältelt, wie in Fig. 2. Der Höcker des vorderen Seitenzahnes ist zuweilen mit tiefen Kerben versehen. Die Zacken des Zahnes sind an Zahl und Grösse bei verschiedenen Exemplaren verschieden. Wie eben dargelegt, kann man, entgegen meinen früheren An- schauungen, auch dem Schlosse nach, Pachyerisma chamaeforme von 1) Die hier vertretene Auffassung der vorderen Seitenzähne findet sich auch bei R. Horrnes, VI, p. 102. 41] MEGALODON, PACHYERISMA UND DICERAS. 9 Megalodon eueullatus ableiten. In der Tat dürfte jene Form der Nachkomme von Megalodon sein. Nach der anderen Richtung halte ich daran fest, dass Pachyerisma der Vorläufer gewisser, recenter Cardien ist. Es wurde an anderem Orte darzulegen versucht, dass Pachyerisma in die Nähe von Cardium zu stellen ist (I, p. 609). Zu meiner grossen Befriedigung hat NEUMAYR sich dieser Ansicht, die manches Kopfschütteln hervorgerufen hat, angeschlossen. Es war Aus- gang Oktober 1890, als ich den unvergesslichen Mann zum letzten Male in Wien sah. Der Tod lag unverkennbar auf semen Zügen, aber mit erstaunlicher Selbstüberwindung und unstillbarer Schaffensfreudig- keit hatte er soeben die Bivalven — II Bd. der Stämme des Tier- reiches, erste Abteilung abgeschlossen. Ohne jede weitere Ver- anlassung teilte mir NEUMAYR mit, dass ihm meine Meinung bezüglich Pachyerisma-Cardium zuerst ganz unsympatisch gewesen sei. In neuester Zeit aber habe er meine Präparate in München gesehen und darauf hin jene Ansicht nicht nur angenommen, sondern auch in den „Stämmen des Tierreiches“ voll zum Ausdruck gebracht. In welcher Weise letzteres geschehen, wie NEUMAYR den Zusammen- hang der beiden Genera auffasste, haben wir nicht besprochen. Man wird dies wol aus jenem nachgelassenen Werke ersehen, dessen Publication dankenswerter Weise Herr UntiG übernommen hat. Bezüglich meiner Auffassung möchte ich Folgendes bemerken. Schon mehrfach ist versucht worden, das umfassende Genus Cardium in eine Reihe von Gattungen zu zerteilen. v. ZITTEL, XIV, p. 99 erkennt nur wenigen davon den Rang als Subgenera zu, während die meisten direct mit Cardium vereinigt werden. Einen ähnlichen Standpunct vertritt FISCHER, IV, p. 1037. Ich ‚glaube — und die Palaeontologie wird hier ein entscheidendes Wort mitzusprechen haben — dass die umfassende Gattung Cardium eine polyphyletische ist, das heisst, ein heterogenes (emisch verschiedener, phyletischer Zweige darstellt. Fragum, BOLTEN; Lunulicardia, GRAY; Serripes, BECK; Tropidocardium, EDUARD RÖMER und andere — von Protocardia, BEYRICH und Pferocardia, AGASSIZ ganz zu schweigen — dürften verschiedenen Entwicklungsreihen angehören. Einzelne, zur Zeit sich darbietende Puncte dieser verschiedenen Reihen fasst man ausschliesslich auf das Schloss gestützt und äussere Form und Skulptur vernachlässigend — unter dem Namen Cardium zu- sammen. Ein verwirrender Complex, der genetisch ganz differente Formen in sich vereinigt. Pachyerisma dürfte der Vorläufer einer jener Gattungen sein. Seine äussere Form erinnert zumeist an 10 BoEHM: [42 Fragum, dessen älteste Vertreter mir aus der Kreide bekannt sind. Die zurücktretende, radiale Berippung gemahnt vor allem an Serripes, welcher meines Wissens ebenfalls bis in die Kreide zurückreicht. Schliesslich möchte ich noch bemerken, dass auch G. GIoLI meine I, p. 609 geäusserten Ansichten bezüglich Pachyerisma-Car- dium acceptirt hat. In seiner Arbeit, J Lamellibranchi e la siste- matica in Paleontologia — Bollettino della societä malacologica Italiana, Vol. XIV, 1889, Sep.-Abd. p. 37f. — wird betont, dass nach meinen Darstellungen Puchyerisma mit den Cardiidae in Verbin- dung zu bringen sei. Man vergl. hierzu auch den Annuaire g6olo- gique universel für 1889, p. 900. Es wurde oben zu zeigen versucht, dass das umfassende Genus Cardium wahrscheinlich nicht haltbar ist. So aber dürfte es um viele Gattungen, Familien und Ordnungen stehen. Die zoologischen Systeme sind eben fast ausschliesslich auf die heutige Lebewelt zu- geschnitten. Sie gruppiren die zur Zeit vorhandenen Entwicklungs- stadien der verschiedenen Reihen, ohne Rücksicht auf deren paläon- tologische Genealogie. In neuerer Zeit macht sich, auch in der Zoologie, das Bestreben geltend, an Stelle dieser Gruppirungen das natürliche System, das heisst eben die Entwicklungsreihen einzuführen. Aber schon STo- LICZKA hat diesen Weg eingeschlagen. Für unseren speciellen Fall möchte ich darauf hinweisen, dass der genannte Forscher — Creta- ceous fauna of Southern India, III, Pelecypoda, p. 210 — auf einen Zusammenhang von Serripes mit Cardium septiferum, Buvignier hinweist. Letztere Art aber ist — wie anderen Ortes (I, p. 606) ') nachgewiesen — ein typisches Pachyerisma. Auf der eitirten Seite deutet SroLıczkA auch an, dass möglicher Weise gewisse Opis mit Lunulicardia in Verbindung zu bringen seien. Die äussere Form von Lunulicardia erinnert in der Tat auf das lebhafteste an gewisse Opis. Allein ich habe noch niemals eine Opis gesehen, deren Schloss ich mit dem Cardienschlosse in Verbindung zu bringen vermöchte. B. In den obigen Ausführungen wurde wiederholt auf Pachyerisma chamaeforme, SCHLOTHEIM sp. Bezug genommen. Die Art galt bisher als Typus und einziger Vertreter der Untergattung Pachymegalo- don. In neuerer Zeit hat v. Tausch zwei weitere Arten zu Pachy- ı) ef. VIII, p. 270. 43] MEGALODON, PACHYERISMA UND DICERAS. 11 megalodon gestellt, P. crassus und P. trigonalis (XII, p. 29), die nach meiner Auffassung zu einem anderen Genus, nämlich zu Durga gehören. Hiervon wird später noch die Rede sein. Die Untergattung Pachymegalodon wurde von v. GÜMNBEL im Jahre 1862 (V, p. 375) aufgestellt. Schon v. GÜMBEL wies hierbei darauf hin, dass Pachymegalodon die engsten Beziehungen zu Pachy- erisma habe und vielleicht mit letzterer Gattung zu vereinigen wäre (V, p. 359). Derselben Meinung ist R. HoERNES (VI, p. 94; VII, p- 420). Ich habe mich zur Zeit gegen diese Vereinigung aus- gesprochen, weil nach der vorhandenen Literatur bei Pachymegalo- don — im Gegensatz zu Pachyerisma — „ein hinterer Seiten- zahn nicht oder doch nur sehr schwach entwickelt“ zu sein schien (I, p. 610, 1882). Später, 1885, hat Herr v. Tausch festgestellt, dass Pachymegalodon chamaeformis kräftige, hintere Seitenzähne besitzt (XI, p. 164; XII, p. 28). Mit der Constatirung dieser Seitenzähne fiel ein Hauptunterschied zwischen Pachymegalodon chamaeformis und Zachyerisma. In der Tat blieb als einzige Differenz zwischen beiden nur die hintere Muskelleiste (III, p. 728, p. 734). Letztere ist bei Pachyerisma kräftig entwickelt, während nach v. Tausch bei Pachymegalodon chamaeformis eine hintere Muskelleiste voll- kommen fehlt. Ich halte diese Ansicht v. Tausc#’s nicht für richtig. Mir scheint, in Uebereinstimmung mit den früheren Beobachtungen v. GÜMBEL’s und HOERNES’, bei unserer Art eine hintere Muskelleiste entwickelt zu sein. Allein bevor ich hierauf eingehe, sei es mir gestattet, einige Bemerkungen zu machen, die sich mir bei der Lec- türe des v. TauscH’schen Werkes über die Fauna der grauen Kalke (XII) ergaben. XII, p. 1 heisst es: „Meine Abwehr gegen die Angriffe des Herrn Dr. GEORG BoEHM bezüglich der Frage, ob Durga, ob Pachymegalodus.“ Wie man sich aus der Literatur leicht überzeugen kann, ging der Angriff von Herrn v. TauscH aus (XI, 1885). Die Abwehr war auf meiner Seite (III, 1886). XII, p. 24, 1890 heisst es: „An diesen convexen Schalenteil wird sich wol irgendwo der hintere Muskel angeheftet haben; einen deutlichen Muskel- eindruck konnte ich an keinem Exemplare von Pachy- megalodus chamaeformis beobachten.“ Hierzu vergleiche man desselben Autors frühere Arbeit, XI, p. 164, 1885: 12 BoEHM: [44 „Der hintere Muskeleindruck etc. entspricht vollkommen dem des M.(egalodus) chamueformis.“ XII, p. 25 Schluss und p. 26 führt Herr v. TAuscH aus, wie die „äussere Form“ bei zerbrochenen Exemplaren der Gattung Durga „gedacht werden muss“! und mutmasst! darauf hin „Mittel- glieder von Pachymegalodus chamaeformis und Durga crassa“. Des weiteren heisst es XII, p. 25: „dass auch bei Pachymegalodus chamaeformis vom Monte Casale* — im Gegensatz nämlich zu denen von Podpec — „der Vorderrand weit über den Wirbel hervorspringt. Man vergl. Fig. 6 a, 7a lan Bat. IV.“ In der Tat, bei diesen Abbildungen springt der Vorderrand weit über den Wirbel hervor. Aber warum? Ich glaube, dies ist auch ohne die Originale zu erkennen. Der Zeichner hat die Fig. 6a und 7a vom Monte Casale schräger gestellt, als z. B. Fig. 3 von Podpec. Ich hoffe, dass der Zeichner dies bestätigen wird. Anderen Falls werde ich auf diesen Punct noch einmal zurück- kommen. Gehen wir zur Prüfung der Originale über, die mir, durch die Freundlichkeit des Herrn v. TauscH, insgesammt seit geraumer Zeit vorliegen. XI, Taf. VI, Fig. 1a, b, c wird ein Exemplar abgebildet, welches als „Uebergang von Pachymegalodus chamaeformis zu P. crassus“ aufgefasst und 1. c. p. 26 u. 29 entsprechend beschrieben wird. Das Stück ist an der entscheidenden Stelle so schlecht er- halten, dass es für die bezügliche Frage völlig unbrauchbar ist. Das Original befindet sich in den Sammlungen der K. K. geolog. Reichsanstalt in Wien. Vielleicht hat einer oder der andere unserer zahlreichen Wiener Herren Fachgenossen die Güte, sich von dem Zustande des Exemplars zu überzeugen. Des weiteren heisst es bezüglich des hinteren Muskeleindrucks von Pachymegalodon chamaeformis XII, p. 24: „Nur an einem Individuum ist eine Umgrenzung angedeutet, in der Mitte desselben (wol derselben ?) ist die Schale ganz schwach auf- gewulstet, so dass man an einen grossen, zweiteiligen Muskel- eindruck denken kann.“ Obgleich mir sämmtliches Material des Herrn v. Tausch vor- liegt, vermag ich nicht zu entscheiden, auf welches Exemplar sich diese Angaben beziehen. Aber wie dem auch sei. An dem Originale zu XII, Taf. IV, Fig. le, welches ich in Fig. 6 noch einmal habe 45] MesALovon, PACHYERISMA UND DICERAS. 13 darstellen lassen, ist der hintere Muskeleindruck auf das deut- lichste zu beobachten. Er entspricht dem hinteren Muskeleindrucke z. B. des überall vorhandenen Diceras arietinum, LAMARCK. Wie bei diesem ist die Schale innerhalb der Umgrenzung des Eindrucks nicht aufgewulstet. Wie bei diesem liegt keine Veranlassung vor, an eine Zweiteiligkeit zu denken. JJener hintere Muskeleindruck von Pachymegalodon chamaeformis ist sogar in der Zeichnung angegeben. Man sieht XII, Taf. IV, Fig. 1e — ebenso an unserer Fig. 6 — der Wirklichkeit entsprechend ganz klar die untere Umwallung des Eindrucks auf dem convexen Schalenteill. Und dabei heisst es XII, p. 24: „An diesen convexen Schalenteil wird sich wol irgendwo (!) der hintere Muskel angeheftet haben; einen deutlichen Muskel- eindruck konnte ich an keinem Exemplare von Pachy- megalodus chamaeformis beobachten“!). Das Original zu XII, Taf. IV, Fig. 1e befindet sich im K. naturhistor. Hofmuseum in Wien. Eine besondere Besprechung erfordert schliesslich noch Die hintere Muskelleiste von Pachymegalodon chamaeformis. Bevor ich hierauf eingehe, möchte ich hervorheben, dass allen, bezüglichen Betrachtungen eines und dasselbe Material zu Grunde liegt. Unsere Art ist bisher nur von 2 Fundpuncten, vom Monte Casale in Südtirol und von Podpec bei Laibach in Krain be- kannt geworden. Nur die Stücke der letzteren Localität sind derart erhalten, dass sie hier vor allem in Frage kommen. Es handelt sich im ganzen um 7 Individuen von Podpec. Diese haben v. GÜMBEL, R. HOERNES, v. Tausch und mir vorgelegen. Die Entwicklung ist folgende: 1862. GÜMBEL gründet die Untergattung Pachymegalodon auf P. ‚chamaeformis. Er deutet darauf hin, dass eine hintere Muskel- leiste entwickelt sei (V, p. 377). 1880. R. HoERNES giebt diese Leiste mit voller Bestimmtheit an (VI, p. u. 9). 1885. Sehr wesentliche Gründe sprechen nach v. Tausch dafür, Durga erassa mit Pachymegalodon chamaeformis zu identificiren. Die hintere Muskelleiste, welche bei Durga sicher nicht vor- handen ist, bleibt ganz unerwähnt. XI, p. 165. ') Vergl. XII, p. 28, letzte Zeile ff. 14 BoEHnm: [46 1886. Ich mache auf diesen Umstand aufmerksam. Ueber die hintere Muskelleiste von Pachymegalodon chamaeformis Vver- mag ich an dem noch unpräparirten Material der K. K. geolog. Reichsanstalt nicht in’s Klare zu kommen. Ill, p. 728. Die Stücke des K. naturhistor. Hofmuseums in Wien waren des Umzugs wegen nicht zugänglich. 1890. v. Tausch präparirt das bezügliche Material der K. K. geolog. Reichsanstalt und kommt nun (XII, p. 24) zu folgen- dem Resultate: „Wo durch den zweiten Kiel die Area in zwei deutliche Felder zerfällt, ist das grössere, vom Schalenrand entferntere, aussen concav, innen convex.“ „Es muss demnach wohl angenommen werden, dass dieser ganz durch die äussere Form der Klappe bedingte convexe Schalenteil der hinteren Muskelleiste von HOERNES ent- spricht.“ „Ich hoffe, nachgewiesen zu haben, dass von einer selbst- ständigen Muskelleiste bei Pachymegalodus chamaeformis nicht die Rede sein kann.* Hierzu ist zu bemerken: Die Podpecer-Stücke, welche v. Tauscn, XII, Taf. IV, Fig. 1e, 3 abbildet, erlauben ihres Zustandes wegen bezüglich der hinteren Muskelleiste keinen sicheren Schluss. Bei dem Exemplare Taf. IV, Fig. 4 würde ich zweifelhaft sein, ob die Darstellung von HOERNES, VI, p. 94 u. 99 oder die oben citirte des Herrn v. Tausch richtig ist. Anders liegen die Verhältnisse bei den best erhaltenen Stücken, XII, Taf. IV, Fig. le und besonders bei XII, Taf. IV, Bez Halten wir uns zuerst nur daran, dass der innere convexe Schalen- teil ganz durch die äussere Form der Klappe bedingt sein soll. Ich glaube das Gegenteil zu beobachten. No ist z. B. bei dem Exemplare XII, Taf. IV, Fig. 2 das untere Ende der hinteren Ab- dachung abgebrochen, das abgebrochene Stück ist vorhanden. Man sieht an den Querbrüchen in, nach meiner Meinung unzweideu- tigster Weise die Verschiedenheiten des äusseren und inneren Konturs. Der äussere Kontur der Schale ist schwach concav, der innere stark convex. Zum Beweise empfiehlt es sich, die betreffenden Profilansichten von irgend einem Zeichner darstellen zu lassen. Man wird sich überzeugen, dass der innere Kontur dem äusseren keineswegs entspricht. Ich sehe, offen gestanden, nicht ein, wie dieser innere, convexe durch jenen äusseren, concaven Schalenteil bedingt sein soll. Und nun zur Muskelleiste! Es befindet sich im Inneren von 47] MEGALOoDoN, PACHYERISMA UND DICERAS. 15 Pachymegalodon chamaeformis — hervorgerufen durch die eben geschilderten Verhältnisse — ein Kiel, den die äussere Form durchaus nicht veranlasst; den man nach der äusseren > Fie. 1. Fig. 5 3 Pachyerisma cf. Beaumonti, ZEUSCHNER. Form keineswegs vermuten kann. Auf diesem Kiel liegt der vorhin behandelte, hintere Muskeleindruck, XII, Taf. IV, Fig. 1e. Also haben v. GÜMBEL und HoErnEs die Verhältnisse doch richtig 16 BoEHM: [48 dargestellt? Ganz gewiss! Pachyme galodon chamaeformis besitzt nach meiner Meinung eine sinnfällige Muskelleiste. Ich weiss nicht, wie dieselbe an den Stücken XII, Taf. IV, Biete Fig. 2 bestritten werden kann. Das Original zu Fig. le befindet sich im K. naturhistor. Hofmuseum in Wien, das zu Fig. 2 in derK.K. geolog. Reichsanstalt in Wien. Pachymegalodon chamaeformis stimmt im Zahnbau, im äusseren Habitus und in der Skulptur mit Pachyerisma überein. Der einzige Unterschied war bisher — wie schon anderen Ortes (Ill, p. 728) nachgewiesen — die hintere Muskelleiste. Da unsere Art eine solche besitzt, so fällt, wie ich glaube, jeder Grund fort, die Untergattung Pachymegalodon beizubehalten. Pachymegalodon ist mit Pachy- erisma zu vereinigen. Letztere Gattung — der Name Pachyerisma muss als der ältere beibehalten werden — tritt bereits in den grauen Kalken auf'). In den obigen Figuren sind die rechten Klappen von Fig. 1 Megalodon cucullatus — Fig. 5 Pachyerisma chamaeforme — Fig. 7 Pachyerisma cf. Beaumonti dargestellt. Die Uebereinstimmung der Schlösser Fig. 5 und Fig. 7, d. h. der Schlösser von Pachymega- lodon und Pachyerisma ist, wie ich glaube, recht auffallend. Das Original zu Fig. 7 befindet sich im Münchener palaeontologischen Museum. Es stammt aus dem Tithon von Inwald und ist in den „Bivalven der Stramberger Schichten“, Palaeontographica, Supple- ment II, Abtl. IV, 1883, Taf. 61, Fig. 4 ın natürlicher Grösse dargestellt. Aus der Nebeneinanderstellung der obigen 3 Figuren dürfte auch meine Auffassung bezüglich des Vergleiches der Schloss- bestandteile ohne Erläuterungen hervorgehen. In Fig. 2, 6 und 8 wurden die entsprechenden, linken Klappen neben einander gestellt. Auch bei ihnen ergeben sich wol die Be- ziehungen und Vergleiche der Schlösser ohne weitere Ausführungen. 1) Vergl. Palaeontographica, Suppl. II, Abtl. IV, 1883, p. 510. Der dort mitgeteilten Liste der bekannten Pachyerismen wäre also P. chamaeforme, SCHLOTHEIM sp. hinzuzufügen ; ausserdem, soweit mir bekannt, P. crassum, DUBBERS aus dem oberen Korallenoolit von Salzhemmendorf. Verel. Hans DuBBErs, Der obere Jura auf dem Nordostflügel der Hilsmulde, p. 43. DE LorroL deutet VII, p. 271 an, dass Pachyerisma latum vielleicht mit P. Royeri identisch sei. Dies ist nach dem bisher bekannten Material — beide Arten liegen mir in je einer Klappe vor — nicht der Fall. Bei P. Royeri ist der Kiel viel stärker gekrümmt und auch kräftiger ausgeprägt. Dazu kommt, dass bei P. latum vorläufig eine Tarnula nicht nachzuweisen ist. Die hintere Muskelleiste ist an dem bezüglichen Exemplare von P. latum — DE LoRIOL stellt dies 1. ec. in Frage — völlig intact. u | 49] MEGALoDoN, PACHYERISMA UND DICERAS. 1 Fig. 2. Fig. 6. Pachyerisma chamaeforme, SCHLOTHEIM SP. Fig. 8. MmZ wos Pachyerisma Royeri, BAayan. Fig. 8 ist verkleinerte Copie nach DE Lorıor, VIII, Taf. XXXI, Fig. 1a. Das Original stammt aus den Pterocerien von Valfın und befindet sich im Museum von Lyon. Der hintere Seitenzahn ist — wie DE LORIOL VIII, p. 269 ausdrücklich hervorhebt, — an dem abgebildeten Exemplare abgerieben und infolge dessen wenig auffallend. Berichte VI. Heft 2. 4 18 BorHM: [50 Pachymegalodon gehört nach den obigen Darlegungen zu Pachy- erisma. Was aber wird nun mit Durga crassa und Durga trigonalis, welche v,. TauscHn, XII, p. 29 zu Pachymegalodon stellt? Ist die (sattung Durga, wie der genannte Autor meint, überhaupt nicht auf- recht zu erhalten ? Nach meiner Auffassung gehören jene beiden Arten zu Durga, denn Durga ist nach wie vor, ja mehr als zuvor, ein selbstständiges (senus. Die Durgen stimmen mit Pachyerisma vollkommen im Schlossbau überein. Dies wurde schon bei Aufstellung der (rattung (II, p. 775) und besonders später (III, p. 734) auf das be- stimmteste hervorgehoben. Hiermit zerfallen die bezüglichen Be- merkungen v. TauscH’s XII, p. 24, wie mir scheint, von selbst. Dagegen unterscheidet sich Durga von Pachyerisma durch den völlig anderen Verlauf des Kiels, welcher die ganze äussere Gestalt der Schale bedingt!) und ihr ein „Ledaartiges Ansehen giebt“. Sie unterscheidet sich ferner durch den Mangel einer hinteren Muskelleiste, welche bei Pachyerisma stets entwickelt ist. Uebergänge zwischen Durga und Pachyerisma = Pachymegalodon sind nicht vorhanden. Pachyerisma chamaeforme im besonderen unterscheidet sich auch durch Artmerkmale von den Durgen. Diese Artmerkmale sind (III, p. 730, 1, 2, 4): — 1. Das Verhältniss der Höhe zur Länge. 2. Das geringe Vorspringen des Vorderrandes über den Wirbel. 3. Der zweite Kiel in der hinteren Abfallfläche. „Zwischenformen, welche (XII, p. 27, Fussnote) in Bezug auf die äussere Gestalt und auf das Auftreten der Kiele den Uebergang von Pachymegalodus chamaeformis zu den geschnäbelten und einkieligen Arten vermitteln“, und welche XII, p. 25—27 eine grosse Rolle spielen, sind nach meinen Beobachtungen nicht vorhanden. Hiermit ist wol auch die Fussnote XII, p. 27 zur Erledigung gebracht. C. Schon wiederholt hat man, veranlasst durch die grosse Aehn- lichkeit im äusseren Habitus, versucht, Megalodon mit Diceras in Verbindung zu bringen. Ohne bestreiten zu wollen, dass zwischen beiden ein genetischer Zusammenhang besteht, habe ich an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass ein directer Vergleich der bezüg- !) Man sieht den Verlauf dieses Kiels sehr deutlich dargestellt bei dem Typus der Gattung, 1I, Taf. XIX, Fig. 1. Hiermit dürften die Bemerkungen v. TauscH’s XII, p. 25 beantwortet sein. 51] MEGALoDoN, PACHYERISMA UND DICERAS. 19 lichen Schlösser auf bisher unüberwindliche Schwierigkeiten stösst (I, p. 611). Um so erstaunter war ich, bei einer Art, welche bis- her anstandslos von allen Seiten — auch von mir — zu Megalodon gerechnet worden ist, ein echtes Diceras-Schloss zu finden. Es ist dies Megalodon pumilus, GÜnBEL. Diese kleine Art tritt, wie Pachyerisma chamaeforme, in den grauen Kalken auf. Bezüglich der vorhandenen Literatur darf ich auf den Nachweis XII, p. 21 verweisen. Die bisherigen Beschrei- bungen stützen sich — wie ich mich z. B. an den Originalen v. Tauscn’s überzeugen konnte — auf unzulängliches Material. Es hat die linke Klappe nicht zwei Zähne, sondern nur einen Zahn, der dicht am Vorderrande liegt. Dem entsprechend ist auch hinter dem Hauptzahne der rechten Klappe eine Zahngrube nicht vorhanden'). Ich habe in neuester Zeit rechte und linke Klappen von dem bekannten Fundpuncte in der valle del Paradiso präparirt, welche wenigstens die Hauptzähne in vollkommener und einwurfsfreier Erhaltung zeigen. Das Schloss ist nach Anordnung, Form und Grösse dieser Zähne ein typisches Diceraten-Schloss. Mit dem Schlosse von Megalodon eueullatus vermag ich dasselbe nicht zu vereinigen. Schon das Zurückführen beider Schlösser auf ein- ander scheint mir vorläufig sehr schwierig, und nicht ohne grossen Zwang möglich zu sein. Ich möchte für Megalodon pumilus eine neue Gattung Protodiceras vorschlagen. Dieselbe würde sich fol- gendermaassen characterisiren. Protodiceras, n. g. Schale bauchig, mehr oder weniger oval, concentrisch gestreift. Die Wirbel sind breit und kräftig entwickelt, nach vorn eingerollt. Die Oberfläche ist durch einen vom Wirbel zum unteren Rande verlaufenden Kiel in 2 Felder geteilt. Laumula vorhanden oder fehlend. Das Band liegt äusserlich in einer Ligamentfurche und ist nach vorn gegabelt. ') Zahngrube und entsprechender Zahn der linken Klappe sind mehrfach, zuletzt XII, p. 22 angegeben worden. Die als Zahn und Zahngrube gedeuteten Bildungen sind an manchen Exemplaren — keineswegs an allen — in der Tat zu beobachten Diese Bildungen sind durch Verwittrung entstanden. Letztere spielt in den grauen Kalken Venetiens, ebenso wie in denen der Sarthe, eine grosse Rolle. Vergl. Zeitschrift d. deutschen geolog. Gesellschaft, Bd. XL, 1888, p- 661; sowie die bedeutsame Fussnote 2, XII, p. 21. 4* 20 BoEHm: [52 In der rechten Klappe (Fig. 9) befindet sich auf kräftig entwickelter Schlossplatte ein langgestreckter, etwas ohrförmig ge- krümmter Zahn. Derselbe schliesst sich vorn unmittelbar an den Vorderrand der Schale an und zieht vom Wirbel rückwärts und abwärts. Hinter diesem Zahne ist keine Zahngrube vor- handen. Vor und unter demselben befindet sich die Grube mit dem kleinen Vorderzahne (bourrelet, BayLz). Der vordere Muskel- eindruck liegt unmittelbar unterhalb der Schlossplatte und ist stark vertieft. Vordere und hintere Seitenzähne anscheinend nicht ent- wickelt. Der hintere Muskeleindruck ist noch nicht beobachtet. Fig. 9°). ug 1 Protodiceras pumilum, GÜMBEL Sp. In der linken Klappe (VI, Taf. I, Fig. 12; XII, Taf. III, Fig. 9) beobachtet man eine kräftige Schlossplatte mit grosser Zahngrube. Hinter der letzteren ist kein Zahn vorhanden. Vor derselben erhebt sich ein kräftiger Hauptzahn. Derselbe stösst vorn an den vorderen Rand der Klappe. Auf seiner Unterseite ist er hufeisenförmig ausgehöhlt und greift um den vorderen, kleinen Zahn (bourrelet) der rechten Klappe. Vordere und hintere Seiten- zähne anscheinend nicht entwickelt. Der hintere Muskeleindruck noch nicht beobachtet. Typus: Protodiceras pumilum, GÜMBEL Sp. (Megalodon). Vergleiche und Bemerkungen. Die neue Gattung zeigt das typische Diceraten-Schloss. Besonders characteristisch für das- selbe ist der kleine vordere Zahn (Fig. 9) der rechten, der huf- eisenförmig gestaltete, umfassende Zahn der linken Klappe. Letz- teren findet man in derselben Ausbildung z. B. bei Diceras Luci, Palaeontographica, Supplement II, Abtl. IV, 1883, Taf. LVI, Fig. 3. Ob, wie bei Diceras, keine Seitenzähne entwickelt sind, ob, wie dort der hintere Muskeleindruck auf einer Leiste liegt, muss vorläufig dahin gestellt bleiben. Aber auch abgesehen davon kann man Protodiceras !) Valle del Paradiso bei Verona. Meine Sammlung. 53] M&saLopon, PACHYERISMA UND DICERAS. 91 nicht mit Diceras vereinigen. Erstere ist überwiegend stark ungleich- klappig, letztere gleichklappig. Mit Megalodon eucullatus vermag ich __ wie schon bemerkt — unsere Gattung nicht in Verbindung zu bringen. Protodiceras dürfte der genetische Vorläufer von Diceras sein. Beide treten colonienweise auf. Jedoch ist bei ersterem noch nie die Spur einer Ansatzfläche gefunden worden, welche bei Diceras häufig beobachtet wird. Es scheint demnach, als ob Protodiceras im Laufe der Entwicklung sessil geworden sei und zwar derart, dass die eine Klappe nach unten, die andere nach oben kam. Vielleicht wurde hierdurch — wie schon von vielen Seiten betont — die fast stets vorhandene Ungleichklappigkeit von Diceras hervorgerufen. Es möge diesbezüglich auf die Ausführungen von Jackson — Phylogeny of the Pelecypoda; Memoirs of the Boston society of natural history; Vol. IV, Nr. VIII, 1890, p. 322 — verwiesen werden, obgleich dieser Autor in seinen Folgerungen wol zu weit geht. Noch wenige Worte über die Abstammung der Gattung Chama und damit — wie wenigstens allgemein angenommen — der Gattung Diceras. In neuerer Zeit hat speciell FISCHER IV, p. 1049 auf die Embryonalschale von Echinochama areinella, LINNE sp. hingewiesen. Man kann diese Schale bei fast allen Exemplaren der genannten Art beobachten. Die Embryonalschale ist sehr ungleichseitig, mit weit nach vorn gerückten Wirbeln, von erhabenen, ziemlich entfernt von einander stehenden, concentrischen Lamellen bedeckt. Zwischen den letzteren beobachtet man feine, concentrische Linien. Die Embryonalschale von Echinochama arcinella ist frei und gleichklappig. Sie weist demnach, wenn sonst man derselben eine grössere Bedeutung zuerkennt, darauf hin, dass der Ursprung von Echinochama auch Chama und Diceras? — bei freien, gleichklappigen Pelecypoden zu suchen ist. Es ist gewiss ganz interessant, dass man auf diesem Wege zu dem Resultate gelangt, die Stammform von Diceras müsse frei und gleichklappig, d. h. wie Protodiceras pumilum, gewesen sein. Allein hierbei muss denn doch erwähnt werden, dass die Embryonalschale von Eehinochama arcinella nicht die mindeste, äussere Aehn- lichkeit weder mit Megalodon, noch mit Protodiceras, noch mit Dieeras besitzt. FiscHEr findet, dass jenes frühe Stadium in der Form an Venerupis erinnert. Ich würde, wie STEINMANN, eher an Astarten aus der Gruppe der Astarte Studeri — Palae- ontographica, Bd. 28, p. 149 — denken. Auch gehört Venerupis zu den Sinupalliaten; Astarte wie Echinochama zu den Integripalliaten. 29 BoEHM: [54 Wie dem aber auch sei; weder Venerupis noch Astarte Studeri vermag ich mit den drei oben genannten Gattungen zu verbinden. Die äusseren Formen hier und dort sind vollkommen von ein- ander verschieden. Es bedarf weiterer Untersuchungen, um uns über die Bedeutung und systematische Verwendbarkeit der Embryonal- schalen bei Peleeypoden aufzuklären. Schluss. Folgende Puncte möchte ich hier hervorheben: 1) Die „Gattung“ Cardium ist polyphyletisch und muss dem- nach in eine Reihe selbstständiger Genera zerlegt werden. Pachy- erisma ist der Vorläufer einer dieser Gattungen, vielleicht von Fragum oder Serripes. Pachyerisma seinerseits stammt von mittel- devonischen Megalodonten ab. 2) Die Untergattung Pachymegalodon besitzt eine hintere Muskel- leiste und ist mit Pachyerisma zu vereinigen. Letzteres Genus reicht demnach bis in die grauen Kalke zurück. 3) Durga ist eine selbstständige Gattung. 4) Megalodon pumilus aus den grauen Kalken, Typus der neuen Gattung Protodiceras, besitzt ein typisches Diceraten-Schloss. Die Art dürfte der Vorläufer des im Jura erscheinenden Genus Diceras sein. Der Zusammenhang zwischen Megalodon cucullatus und Pro- todiceras ıst sehr wahrscheimlich, aber vorläufig nicht nachweisbar. 55] wD o MEGALODoN, PACHYERISMA UND DICERAS. Verzeichniss der im Text mit römischen Ziffern eitirten I. LI. III. I V: VI XL. XI. IV. BoEHnM. BoEHnm. BoEHM. FISCHER. GÜNBEL. HOoERNES. . HoERNES. . DE LorIoL. . QUENSTEDT. Literatur. Ueber die Beziehungen von Pachyrisma, Megalodon, Diceras und Caprina. — Zeitschrift d. deutschen geolog. Gesellschaft, Bd. XXXIV, p. 602. — Berlin 1882. Beitrag zur Kenntniss der grauen Kalke in Venetien. — Zeitschrift d. deutschen geolog. Gesellschaft, Bd. XXXVI, p- 737. — Berlin 1884. Die Gattungen Pachymegalodon und Durga. — Zeitschrift d. deutschen geolog. Gesellschaft, Bd. XXX VIII, p. 727. — Berlin 1886. Manuel de Conchyliologie et de Paleontologie chonchylio- logique. — Paris 1887. Die Dachsteinbinalve (Megalodon triqueter) und ihre alpinen Verwandten. — Sitzungsberichte d. mathem.-naturw. Classe d. Kaiserl. Akademie d. Wissenschaften, Bd. XLV, Abtl. I, p. 325. — Wien 1862. Materialien zu einer Monographie der Gattung Megalodus mit besonderer Berücksichtigung der mesozoischen Formen. — Denkschriften d. ımathem.-naturw. Classe d. Kaiserl. Aka- demie d. Wissenschaften, Bd. XLII, p. 91. — Wien 1880. Die Entfaltung des Megalodus-Stammes in den jüngeren mesozoischen Formationen. — Kosmos, V, p. 416. — 1881. Etudes sur les Mollusques des couches coralligenes de Valfın (Jura). Troisieme partie. — M&moires de la societ& paleon- tologique Suisse. Vol. XV, p. 225. — Basel u. Genf 1888. Handbuch der Petrefaktenkunde. III. Aufl. — Tübingen 1885. STEINMANN und DÖDERLEIN. Elemente der Palaeontologie. — Leipzig 1890. . v. Tausch. v. Tausch. WOODWARD. ZITTEL. Ueber die Beziehungen der neuen Gattung Durga G. BoEHM zu den Megalodontiden, speciell zu Pachymegalodon GÜMBEL. — Verhandlungen d.K.K. geolog. Reichsanstalt, 1885, p. 163. — Wien 1885. Zur Kenntniss der Fauna der „Grauen Kalke* der Süd- Alpen. — Abhandlungen d. K. K. geolog. Reichsanstalt, Bd. XV, Heft 2. — Wien 1890. A Manual of the Mollusca etc. III. ed. — London 1875. Handbuch der Palaeontologie, I. Abtl., II. Bd. — München u. Leipzig 1881—-1885. 94 BoEHM: MEGALoDoN, PACHYERISMA UND DICERAS. [56 Astarte 53. > Studeri 53f. Cardiidae 42. Cardium 41f. 54. " septiferum 42. Chama 53. Diceras 33. 50. 53 f. ® arietinum 45. Durga 43. 45. 50. 54. ».. »erassa 44f. 50. »„ trigonalis 50. Echinochama 53. 3 arcinella 53. Fragum 41f. 54. Goniocardium 41. Hippopodium 37. = Guibalı 37. 5 ponderosum 37. Laevicardium 41. Lunulicardia 41f. Megalodon 33ft. a chamaeformis 44. Register. Megalodon cucullatus 33 ff. = pumilus 33 ff, Opis 42. Pachyerisma 33 ff. r cf. Beaumonti 48. = chamaeforme 33 ff. „ crassum 48. 5 latum 48. L; Royeri 48. 22 septiferum 42. Pachymegalodon 33 ff. A chamaeformis 33 ff. n erassus 43. DV. 5 trigonalis 43. 50. Protocardia 41. Protodiceras 51 ff. a pumilum 5211. Pterocardia 41. Serripes 37. 41f. 54. Tropidocardium 41. Venerupis 5äf. Untersuchung einer hahnenfedrigen Ente. Von Arthur Willey B.Sc., London. Bekanntlich bezeichnet man als Hahnenfedrigkeit eme bei den Vögeln nicht seltene Abnormität, bei welcher weibliche Individuen das männliche Gefieder zeigen. Die Erscheinung war schon im Alterthum bekannt. In neuester Zeit ist dieselbe eingehend beobachtet worden und hat man der Untersuchung der inneren Organe gebührende Aufmerksamkeit ge- schenkt. Ich verweise auf die gründliche und umfassende Darstellung, welche ALEXANDER BRANDT vor zwei Jahren in der Zeitschrift für wiss, Zoologie veröffentlicht hat!) und gehe zu der Beschreibung des mir vorliegenden Falles über. Als ich in diesem Frühjahr während einiger Monate in dem zoologischen Institut zu Freiburg arbeitete, hatte Herr Geheimrath WeEISMANN die Güte, mir eine hahnenfedrige Ente (Anas boschas vor. dom. L.) zur Untersuchung zu überlassen. !) Branpr „Anatomisches und Allgemeines über die sogenannte Hahnen- fedrigkeit und über anderweitige Geschlechtsanomalien bei Vögeln“. Zeitschrift für wiss. Zool. Bd. XLVIII. 1889. BRANDT fasst unter dem Namen der Arrhenoidie alle die Fälle zu- sammen, in welchen bei Vögeln oder andern Thieren (z. B. Cerviden) weibliche Individuen die secundären Geschlechtscharaktere der männlichen mehr oder weniger vollständig annehmen. Bei den Vögeln zeigt sich die Arrhenoidie nicht allein im Gefieder, sondern kann auch in andern Örganisationseigenthümlichkeiten (z. B. Sporenentwicklung bei hahnenfedrigen Hennen) und in gewissen Trieben (Versuche der Begattung mit Weibchen (?), Kraehen der hahnenfedrigen Hennen) zum Ausdruck kommen. Das Auftreten der Hahnenfedrigkeit ist keineswegs auf domestieirte Vögel beschränkt; Branpt beschreibt und eitirt zahlreiche Fälle bei Fasanen, Birk- hennen, Auerhennen u. s. w. 2 WILLEY: [58 Das Gefieder der Ente war dem männlichen sehr ähnlich. Da die beigegebenen Bilder dasselbe deutlich zeigen, ist eine eingehende Beschreibung nicht nöthig. Zu erwähnen ist die dunkelgrüne Farbe des Kopfes und Halses, das weisse Halsband (welches vorn deut- licher war als an den Seiten), der schwarze Bürzel und besonders die vier gekrümmten Schwanzfedern. Die kastanienbraune Färbung der Vorderbrust, welche in der Regel bei der männlichen Ente ge- troffen wird, war nicht vorhanden. Die anatomische Untersuchung der Ente zeigte Folgendes: Der linke Oviduct!) erschien beim äusseren Anblick nahezu normal; das Abdominalostium und die Mündung in die Kloake waren beide nachzuweisen. Die Wände waren eher dünner als diejenigen eines zum Vergleich beigezogenen normalen Oviducts, abgesehen von dem unteren Theil desselben, wo die Wände sehr dick waren und so fest auf einander lagen, dass es nicht möglich war, eine Borste in diesen Theil des Oviducts einzuführen. Auf Querschnitten, welche durch diesen Theil eine kurze Strecke oberhalb der Mündung gemacht wurden, zeigte es sich, dass die Wandung des Oviducts von einer Seite her in das Lumen hinein vorgewuchert und mit der- jenigen der anderen Seite verschmolzen war, so dass das Lumen in zwei abgetheilt wurde. Die partielle Obliteration des Oviducts an dieser Stelle musste offenbar den etwaigen Durchgang eines Eies hemmen und kann wohl mit der Degeneration des Ovariums in Beziehung gesetzt werden’). Das Ovarıum war stark rückgebildet. Es erschien als eine flache Gewebemasse, welche von dem umgebenden Gewebe nur durch die kleinen weissen Flecken unterschieden werden konnte. Ein Mesovarium war nicht vorhanden; das Ovarium lag der linken Nebenniere und der Vena Cava dicht auf. Zum Zweck der microscopischen Untersuchung wurde das Ova- rıum mit der Nebenniere auf 10 bis 15 Minuten in eine heisse !) Der rechte Oviduct fehlte, eine Thatsache, welche ohne Bedeutung ist. In einer normalen Ente, welche ich verglich, war ein ansehnliches Rudiment des rechten Oviducts vorhanden. Das gelegentliche Vorkommen eines rudi- mentären rechten Oviducts bei der Ente ist seit langer Zeit bekannt (siehe Broxn’s Thierreich VI. Bd. 4. Abth., Vögel von GAanDow, 1890, S. 842). ?) In den meisten Fällen, welche von BranprT beschrieben wurden, kann die Degeneration des Ovariums offenbar auf eine Anormalität des Oviducts zurückgeführt werden, welcher entweder an einem Ende verschlossen war oder vollständig fehlte. 59] UNTERSUCHUNG EINER HAHNENFEDRIGEN ENTE. 3 Mischung von concentrirter wässeriger Sublimatlösung (1 Theil) und 70°/, Alkohol (2 Theile) gebracht. Die Schnitte zeigten, dass die meisten Eier schon resorbirt waren und es schien, dass manchmal Blutgefässe ihren Platz ein- genommen hatten. Die Eier, welche auf den Schnitten getroffen wurden, waren alle in einem mehr oder weniger vorgeschrittenen Stadium der Resorption. An der Oberfläche der Eizellen fand sich nirgends mehr eine epitheliale Follikelauskleidung vor. Die Substanz des einzelnen Eies war nicht mehr durch eine scharfe Grenze von dem bindegewebigen Stroma geschieden und stets sah man das Eindringen wandernder Bindegewebszellen in die Masse des Eies. BRANDT (loc. cit.) hat das Einwandern von Follikelzellen beschrieben und abgebildet, aber in dem vorliegenden Falle waren die Follikelzellen nicht mehr zu erkennen und ich glaube daher, dass die eindringenden Zellen wandernde Stromazellen sind‘). Die Figuren 1 und 2 zeigen zwei Eizellen, in welche zahlreiche Wander- zellen eingedrungen sind. Bei Fig. 1 hat der Schnitt das Keim- bläschen der Eizelle getroffen, in welchem das Nucleoplasma geschrumpft ist und weder ein Nucleolus noch ein Chromatinnetz mehr zu sehen war. Die beobachteten Eigenthümlichkeiten der hahnenfedrigen Ente waren also folgende: A. Aeusserlich: Beinahe vollständig männliches Gefieder. B. Innerlich: !) Neuerdings sind die Resorptionserscheinungen im Ovarium der Amphi- bien von Ruce (Morph. Jahrbuch Bd. XV. 1889) ausführlich beschrieben worden. RuGe zeigt, in welcher Weise sowohl Follikelzellen als auch Stromazellen an der Resorption der in der Rückbildung begriffenen Eier Antheil nehmen. 4 WILLEY: [60 1. Oviduct von normaler Länge und Gestalt, aber am unteren Ende mit verdickter Wandung und zweigetheiltem Lumen. 2. Fehlen eines Mesovariums. 3. Reduktion des Ovariums. Fehlen der traubigen Oberfläche. Follikelepithel an den Eizellen nicht zu erkennen. Alle Ei- zellen in Resorption begriffen mit eindringenden Wander- zellen. Die Lebensgeschichte der Ente ist leider nicht mit hinreichender Genauigkeit und genügender Sicherheit bekannt. Seit zwei Jahren wurde die Ente im zoologischen Institut gehalten und hat während dieser Zeit keine Eier gelegt, obgleich Gelegenheit zur Begattung gegeben war. Der frühere Besitzer der Ente giebt Folgendes an: Die Ente soll mehrere Jahre hindurch Eier gelegt haben. Sie sei von Jugend auf hahnenfedrig gewesen. Es soll in derselben Zucht noch mehrere solche Enten gegeben haben. Leider ist keine mehr davon zu finden. Wenn die mitgetheilten Angaben richtig sind, so bildet der Fall ein Seitenstück zu demjenigen, welchen Dr. R. MEyER be- schrieben und abgebildet hat, nämlich einer Henne mit männlichem Gefieder und Sporen, welche für einen Hahn gehalten wurde, bis sie anfıng Eier zu legen!). Solche Fälle werden wohl am natürlichsten in der Weise erklärt, dass durch Vererbung eine Uebertragung männlicher Charaktere auf das Weibchen stattfand, wie sie ja in der phyletischen Entwicklung der Arten vielfach vorgekommen sein muss. Vielleicht findet man dieselbe bei domesticirten Thieren häufiger vor als bei wilden, weil sie dort, falls sie für Weibchen nachtheilig ist, durch Untergang ihrer Träger rasch wieder ausgetilgt wird. Nach dem anatomischen Befund aber wird man geneigt sein anzunehmen, dass in dem vorliegenden Falle wie in so vielen anderen Fällen das Auftreten der Hahnenfedrigkeit mit dem Aufhören der Funktion des Ovariums in Correlation steht?). Freilich wider- !) „Der zoologische Garten“, Frankfurt a. M. Bd. VII 1866. S. 167. Mit Rücksicht auf solche Fälle schreibt BRANDT: „Die Arrhenoidie kann unabhängig von einer veränderten Beschaffenheit der Genitalien als Ausdruck einer selbständigen Variabilität äusserer Merkmale auftreten.“ 2) Das Auftreten der Hahnenfedrigkeit wird von den Autoren (KoRscHELT, Branpr) folgendermassen erklärt. Die männlichen Geschlechtscharaktere (Ge- fieder, Kamm, Sporen, Gesang u. s. w.) seien bei den weiblichen Individuen so- 61] UNTERSUCHUNG EINER HAHNENFEDRIGEN ENTE. 5 sprechen dieser Auffassung die obenerwähnten Angaben des früheren Besitzers, nach welchen die Ente von Jugend auf das hahnenfedrige Gefieder gezeigt und Eier gelegt habe. Ich kann die Zuverlässigkeit dieser Angaben nicht controliren und muss es dahingestellt sein lassen, ob die eine oder die andere derselben unrichtig ist. Obgleich die Hahnenfedrigkeit meistens nur in höherem Alter auftritt, so giebt es doch Fälle, in welchen sie schon in jüngerem Alter, ja sogar sogleich nach dem Jugendgefieder erscheint (ver- gleiche BRAnDT loc. cit. Seiten 109 und 113); aoqw jene Fälle, in welchen solche hahnenfedrige Thiere Eier legen, scheinen sehr selten zu sein und in der Regel ist die Hahnenfedrigkeit eine Folge der Sterilität. Eine Ente, bei welcher die Hahnenfedrigkeit mit der eintretenden Sterilität im 12ten Jahre erschien, ist von KORSCHELT beschrieben worden!). TicHoMIROW untersuchte eine hahnenfedrige Ente, welche im dritten Lebensjahr stand und deren Eierstock ganz rudimentär war (eitirt von BRANDT). zusagen latent vorhanden. Ihre Ausprägung sei aber durch die den Organismus sehr in Anspruch nehmende Thätigkeit der weiblichen Genitalorgane gehemmt; wenn die letztere aufhöre, so könnten die männlichen Merkmale hervortreten. !) Tageblatt der 60. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte. Wiesbaden 1887. S. 252. Freiburg i. B., Mai 1891. Zoologisches Institut der Universität. Erklärung der Tafel. Von der hahnenfedrigen Ente wurden in zwei Ansichten Photographien aufgenommen, welche auf Tafel I reprodueiert sind. Ueber die Reduction der chromatischen Elemente in der Samenbildung von Gryllotalpa vulgaris Latr. Von Dr. Otto vom Rath. (Vorläufige Mittheilung.) Bekanntlich ist die Frage an welcher Stelle und in welcher Weise in der Spermatogenese die von WEISMANN theoretisch geforderte Reduction der chro- matischen Substanz stattfindet von den Autoren verschiedentlich beantwortet worden. In erster Linie kommen hier die wichtigen Arbeiten von OÖ. HrrTrwıe (Vergleich d. Ei- und Samenbildung bei Nematoden, Archiv f. mik. Anat. Bd. 36. 1890) und von HEnkıng (Untersuchungen über die ersten Entwickelungsvorgänge in den Eiern der Insecten. II. Ueber Spermatog. u. d. Bezieh. z. Eientwickl. bei Pyrrhocoris apterus L. Zeitschr. f. wiss. Zool. LI. 4) in Betracht. Auf die übrigen diesbezüglichen Angaben in der Literatur kann ich hier nicht eingehen. Nach O. Herrwic findet bei der Ei- und Samenbildung von Ascaris megalocephala bei der zweiten der beiden letzten unmittelbar (mit Ueberspringen des bläschenförmigen Ruhezustandes des Kerns) auf einander folgenden Theilungen eine Herabsetzung der Anzahl der chromatischen Elemente auf die Hälfte der ursprünglichen Zahl statt, wodurch verhindert wird, „dass durch die im Be- fruchtungsact erfolgende Verschmelzung zweier Kerne eine Summirung der chromatischen Substanz und der chromatischen Elemente auf das Doppelte des für die betreffende Thierart geltenden Normalmaasses herbeigeführt wird“. Nach Hrnkıng findet dagegen bei der Ei- und Samenbildung von Pyrrhocoris apterus die gewünschte Reduction schon bei der ersten der in Rede stehenden Theilungen statt, und wird die zweite Theilung als eine gewöhnliche Aequations- theilung bezeichnet. HENKING unternimmt fernerhin einen beachtenswerthen Versuch die Hrrrwıg’schen Resultate mit seinen eigenen in Einklang zu bringen und betont unter Anderem, wie mir scheint mit Recht, dass man streng ge- nommen auch bei Ascaris meg. bereits die erste Theilung als Reductionstheilung auffassen könne; bei letzterer Annahme muss man aber mit demselben Rechte auch die zweite Theilung von Ascaris im Gegensatz zu Hrxkme als eine Reductions- und nicht als eine Aequationstheilung bezeichnen. 63] vom RartH: REDUCTION DER CHROMAT. ELEMENTE IN DER SAMENBILDUNG ETC. 9 Meine eigenen Beobachtungen, die ich über die Samenbildung verschiedener Crustaceen und Insecten, zumal aber bei Gryllotalpa angestellt habe, sprechen sehr dafür, dass man wohl berechtigt ist, beide letzten Theilungen als Reductions- theilungen und weder die erste noch die zweite als eine Aequationstheilung anzusprechen. Meine bei Gryllotalpa gewonnenen Resultate möchte ich hier mit wenigen Worten mittheilen, eine mit Abbildungen versehene ausführlichere Darstellung wird in Kurzem folgen. Bei den zahlreichen Theilungen der Samenmutterzellen, die ich im Hoden junger Gryllotalpa-Männchen anfangs Mai auf Schnittserien studirte, zählte ich stets 12 rundliche relativ grosse Chromatinelemente („Chromosomen“). Die Mitosen sind von solchen der Somazellen in nichts verschieden. Es mag bemerkt werden, dass die Längsspaltung des Chromatinfadens schon im Knäuelstadium auftritt, zu einer Zeit, wenn die Durchschnürung des Fadens zur Bildung der Segmente noch nicht erkennbar ist. Es erscheint dies aber keineswegs als etwas exceptionelles, da FLemmme (Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle, II. Theil, Archiv f. mikr. Anat. Bd. XXXVII) den interessanten Nachweis geliefert hat, dass auch bei gewöhnlichen Körperzellen, z. B. den meisten Gewebe- zellen des Salamanders, bereits im Spiremstadium bei geeigneter Conservirung die Längsspaltung der Fäden deutlich erkennbar ist (pg. 744—747). Durch die Längsspaltung der Fäden im Spiremstadium wird die Durchschnürung der 12 Chromosomen in der Aequatorialebene der Samenmutterzellen frühzeitig vor- bereitet. Gegen Ende Mai angefertigte Schnitte zeigten einen Theil der Samen- mutterzellen im Ruhestadium, die anderen waren bereits in Vorbereitung zur vorletzten Theilung. Die Knäuelstadien sind hier von ganz besonderem Interesse. Bereits in dem Stadium des feinfaserigen Knäuels, in welchem noch zwei deut- liche Nucleolen kenntlich waren, erfolgte eine Längsspaltung des (oder der) Chromatinfäden, während zwei auseinanderweichende winzige Centrosomen gleichzeitig zu erkennen waren. Gegen Ende des Knäuelstadiums erscheint das Chromatin des Kerns bei mittelstarker Vergrösserung in Form von 6 groben mit Höckern versehenen Ringen, die sich bei starker Oelimmersion (1200—1500 facher Vergr.) als je eine Gruppe von 4 durch Lininfäden mit einander ver- bundenen sternchenförmigen Chromosomen erwiesen; diese 24 Chromosomen des Kerns sind auch alle unter einander durch Lininfäden von gekörneltem Aussehen verbunden; offenbar stehen die 4 Chromosomen jeder Gruppe zu ein- ander in einem intimeren Verhältnisse, als zu denen der anderen Gruppen, aber eine chromatische Verbindung zwischen denselben existirt nicht. Es sind also 6 Gruppen von je 4 Chromosomen vorhanden; durch die beiden folgenden Theilungen entstehen 4 Spermatozoen, deren jedes 6 Chromo- somen und zwar je 1 Chromosom aus jeder Gruppe erhält. In jeder Gruppe sind die 4 Chromosomen in Form eines Vierecks (an den Ecken eines Quadrates) angeordnet; bei der ersten Theilung wird das Viereck durch eine dem einen Paar der Seitenwände parallele Trennungslinie getheilt und bei der zweiten Theilung ist die Theilungslinie senkrecht auf der ersten, geht also dem anderen Paar der Wände des ursprünglichen Vierecks parallel. Der Verlauf der beiden Theilungen ist folgender: Indem die 24 Chromosomen, die allmählich ihre Sternchenform verlieren und rund werden, sich „zweireihig“ (cf. HexkınG) aufstellen, das heisst je 12 zu 3 vom RatH: REDUCTION DER CHROMAT. ELEMENTE IN DER SAMENBILDUNG ETC. [64 jeder Seite der Aequatorialebene zu stehen kommen, bekommt bei dem jetzt erfolgenden Auseinanderrücken jede Tochterzelle 12 Chromosomen und damit ist die erste Reductionstheilung vollzogen. Wie die Chromosomen ursprünglich zu je vieren zusammengeordnet waren, erscheinen sie jetzt je zu zweien als zusammengehörig. Bei der nun unmittelbar (das heisst mit Ueberspringen des bläschen- förmigen Ruhezustandes des Kerns) erfolgenden zweiten Theilung, die wie gewöhnlich senkrecht auf die erste stattfindet, werden auch jeweils die 2 zu einander gehörenden Chromosomen getrennt und jede Enkelzelle hat jetzt 6 Chromosomen. Hiermit ist die zweite Reductionstheilung vollzogen. Der Kern der unreifen Samenzelle zeigt in einem gewissen Stadium eine grosse Aehnlich- keit mit dem den beiden letzten Theilungen vorhergehenden Knäuelstadium ; wie dort 6 Gruppen von je 4 Chromosomen vorlagen, so sind jetzt in derselben Anordnung 6 einzelne Chromosomen vorhanden, welche auch wieder Sternchen- form besitzen und durch Lininfäden verbunden sind. Die Umwandlung der unreifen Samenzellen in die Spermatozoen findet im Juli, hauptsächlich in der zweiten Hälfte dieses Monats statt. Die Befruchtung scheint Ende Juli oder Anfangs August zu erfolgen, denn die Weibchen, welche Anfangs August gefangen wurden, hatten die Eier bereits abgelegt. Zum Schluss möchte ich noch bemerken, dass das Eigenartige der Vor- gänge darin liegt, dass beim Beginn der vorletzten Theilung die Zahl der Chromosomen das Doppelte der typischen Zahl beträgt, dass ferner bei der vorletzten Theilung die verdoppelte Zahl auf die gewöhnliche Zahl reducirt und bei der letzten Theilung die gewöhnliche Zahl auf die Hälfte herab- gesetzt wird. Freiburg i. B., 15. September 1891. Zoologisches Institut der Universität. MECHIVEL JUL 5 ya Lithiotis problematica, Gümbel. Von Georg Boehm, a. 0. Professor an der Universität Freiburg i. Br. Mit 3 Tafeln in Lichtdruck. Vorliegende Arbeit wurde durch die neueren Publicationen von v. GümgßEn (IV) und v. Tauscn (IX) über Zöthiotis problematica veranlasst. Bei meinen Studien standen mir zuerst nur Stücke zu Ge- bote, welche ich selbst aus den grauen Kalken Venetiens mitgebracht und der Freiburger Universitäts-Sammlung übergeben habe. Später floss mir durch .das freundliche Entgegenkommen der Fachgenossen von vielen Seiten Material zu. Herr DE CoBELLI in Rovereto und Herr v. Tausch in Wien stellten die gesammten Originale von Ostrea (Tri- chites) Loppiana, TAUSCH sp., zur Verfügung. Herrn BeykıchH verdanke ich das sehr imteressante Material, welches sich unter dem Namen Lithiotis problematica in dem Berliner Museum für Naturkunde befand. Durch die Liebenswürdigkeit der Herren v. GÜMBEL, NıCOLis und v. ZerreL standen mir die verschiedenen Sammlungen in Mün- chen und Verona zu Gebote. Vor allem aber fühle ich mich Herrn DE ZIGno in Padua tief verpflichtet, der nicht nur seine schöne Sammlung erneut mit mir durchging und besprach, sondern mir auch, was immer ich an Material wünschte, sofort nach Freiburg sendete.e. Herr Baron DE ZiGnoO möge mir nicht zürmen, wenn ich bezüglich Zithiotis problematica zu einer Anschauung komme, die mit der semigen nicht übereinstimmt. Allen genannten Herren für ihr freundliches Entgegenkommen auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank. Berichte VI. Heft 3. 5 J Bosun . [66 Lithiotis problematica nannte V. GÜMBEL (111) jenes sonderbare Fossil, welches in den grauen Kalken der Südalpen — und auch des Departements der Sarthe — massenhaft auftritt, und dort geradezu ein Gestein-bildendes Element repräsentirt. Ueber die systematische Stellung desselben gehen die Ansichten der Palaeontologen in sel- tener Weise auseinander. Schon SpapA hat 1744!) unser Fossil in zwar roher aber unverkennbarer Weise dargestellt (VI, Taf. 9). Es heisst im Texte, l. c. p. 53: „Lapides monstruosi abunde occurrunt in valle, quae dieitur Anguilla di Lughezzano, qui etiam aspectu suo folia demonstrare videntur. Nihilominus minime ad folia, sed potius ad tegumen- tum cujusdam piscis crustacei eos pertinere puto; quam tamen opinionem aliorum judicio permitto.“ MassAaLoNnGo glaubte, nach den Mitteilungen v. Zıano’s (XT, p. 129), es könne sich wol um eine Auster handeln. Suess (VII) hält das Vorkommen für eine flache und dickschalige Perna. v. GÜMBEL stellte Zithiotis problematica zuerst zu den Kalkalgen (III, p. 48), in neuester Zeit in die Nähe von oder direkt zu Ostrea (IV). DE ZiGno bestritt die Zugehörigkeit zu den Kalkalgen. Er ist geneigt, Zäthiotis problematica den Monokotyledonen zuzu- weisen (XI, p. 135). Nach v. Tausch gehört ein Teil von Zithiotis problematica zu Trichites, während bei einem anderen Teile — speciell auch bei den gegabelten Exemplaren — „die Pflanzennatur nicht zu läugnen sein wird.“ (IX). Vielfach zeigen die grauen Kalke characteristische, weisse Streifen und Bänder von faserigem oder krystallinischem Kalk- spat, welche grell aus dem dunklen Gestein hervorleuchten. Man deutet diese Streifen und Bänder gewöhnlich als Durchschnitte der sog. Lithiotis problematica, allein nachweislich werden sie zuweilen von Pernen-Durchschnitten hervorgerufen, An der Osteria di Marce- sina in den Sette Comuni z. B., sowie im Departement der Sarthe gelang es, als Erzeuger jener Bänder echte Pernen mit geradem Schlossrand und zahlreichen Bandgruben aus dem Gesteine heraus zu schlagen. Es hat das nichts Ueberraschendes, denn in den grauen Kalken sowol Venetiens (I, p. 746) als auch der Sarthe?) sind Per- nen an einzelnen Stellen massenhaft angehäuft. ') Aeltere Werke stehen mir nicht zur Verfügung. Vergl. die Angaben X, p. 55 und XI, p. 132. ?) 1888, Zeitschrift d. deutschen geolog. Gesellschaft, Bd. XL, p. 659. 67] LituioTis PROBLEMATICA. 3 Ich vermute, dass ähnliche Beobachtungen und Erwägungen Herın Surss (VII) veranlasst haben, die weissen Durchschnitte in den grauen Kalken als von Perna herrührend zu deuten. Die eigentliche Zithiotis problematica, d. h. also diejenige, welche von v. GünseL (III, Taf. II, Fig. 13—14) unter diesem Namen beschrieben und abgebildet wurde, ist keine Perna. Doch bevor ich auf die Günger’sche Art eingehe, sei es mir gestattet, einige andere Formen zu behandeln, die mit Zithiotis problematica in Verbindung gebracht worden sind, und in der Tat in naher Be- ziehung zu diesem Fossil stehen. Specieller Teil. 1. Ostrea Loppiana, Tausch sp. Taf. II, Fig. 1—2. — Taf. IH, Fig. 4. 1879. ?Lithiotis problematica, Zıcno, XI, Taf. I, Fig. 3 (von Fig. 1 und 2). 1890. Trichites Loppianus, Tausch, VIII, p. 18, Taf. V, Fig. 5, 6a, b, 7. 1891. Ostrea Loppiana, BOEHM, II, p. 531. Die Art hat eine verhältnissmässig dünne Schale und ist meist von ausgesprochen dreiseitiger (Taf. II, Fig. 2—VIII, Taf. V, Fig. 5, 6a, 7), seltener von länglich ovaler (Taf. II, Fig. 1) Form. Die Oberfläche ist mit groben, concentrischen Lamellen und — wenn gut erhalten — mit feinen, concentrischen Linien (VIII, Taf. V, Fig. 6b) bedeckt. Die Wirbel sind flach, nicht übergebogen, wenig hervortretend, bald gestreckt. bald mehr bald weniger stark nach vorn oder nach hinten gekrümmt. Eine schmale rinnenförmige Liga- mentgrube erstreckt sich — stets? — vom Wirbel ziemlich tief in das Innere der Schale. Beide Klappen haben bald mehr schmale (Taf. III, Fig. 4), bald breiter entwickelte (Taf. II, Fig. 1) Seiten- ränder. Dieselben sind blätterig und bestehen aus einer grossen An- zahl von auf eimander gelagerten Lamellen. Die linke, untere Klappe ist meist schwach vertieft oder flach (Taf. IIT, Fig. 4), seltener mehr rinnenförmig ausgehöhlt (Taf. II, Fig. 1). Der Muskeleindruck ist ziemlich gross, halbrund, wenig vertieft, oben und vorn abgestutzt, unten und hinten gerundet, mit concentrischen Lamellen und Linien bedeckt. Er ist aus der Mittel- linie etwas nach hinten gerückt. 4 BoEHM [68 Die rechte, obere Klappe ist auf der Innenseite entweder ganz wenig vertieft oder flach, oder sogar nach innen gewölbt. Bei den meisten Exemplaren (Taf. II, Fig. 2) ist die Innenfläche am Wirbel mehr oder weniger stark nach innen gewölbt und wird weiter- hin flach oder sogar schwach vertieft. Nicht selten, wie bei Taf. II, Fig. 2, verläuft hierbei der gewölbte Teil in eine schmale Falte. Auf der Aussenfläche ist von alledem nichts zu beobachten. Dieselbe ist — ganz unabhängig von der Innenfläche — flach oder schwach konkav. Der Muskeleindruck der rechten, oberen Klappe ist noch nicht beobachtet. Vergleiche und Bemerkungen. Die Species unterscheidet sich durch ihren Habitus sowie durch die — stets vorhandene? — rinnen- förmige Ligamentgrube von den mir bekannten Ostreen. Ob die Ligamentgrube ein wesentliches Merkmal ist, wage ich nicht zu ent- scheiden. Dieselbe ist bei einem der nicht abgebildeten Berliner Exemplare zu einem feinen Risse reduzirt. Das Taf. IE EEE dargestellte Exemplar weicht ziemlich beträchtlich von den drei- seitigen, flachen Individuen ab. Doch sind Uebergänge vorhanden und bei der ungemeinen Veränderlichkeit der Schalenform gerade bei Austern möchte ich eine Abtrennung hier nicht vornehmen. Herr v. Tausch erwähnt bei unserer Art VIII, p. 19 „faserige Structur“ und stellt, wol in Folge davon, die obige Species — deren iussere Form eher für Ostrea spricht — zu Trichites'). Nun aber beobachtet man bei Trichites, je nach der Erhaltung, verschiedene Schalenstructuren. Gut erhaltene Stücke zeigen das bekannte Gefüge regelmässiger, mehrseitiger Prismen, welches so überaus bezeichnend ist, dass es selbst Bruchstücke sofort erkennen lässt. Bei weniger euter Erhaltung verwandelt sich diese characteristische Structur in eine „faserige“. Letztere tritt aber nicht nur bei Trichites, sondern in genau der gleichen Weise z. B. bei den Pernen der grauen Kalke oder auch bei Ostrea columba, LAMARCK sp. aus dem Cenoman von le Mans auf. Die „faserige Structur“ an sich dürfte also nicht be- weisend für 7richites wirken. Beobachtet man nun bei der obigen Art an irgend einer Stelle eines Exemplars die bezeichnende Trichites-Structur? Ganz sicher nicht, wie ich nach Durchmusterung sämmtlichen Original-Materials mit Bestimmtheit behaupten darf. Hier und da sieht man das zweite, 1) Vergl. IX, p. 37. ray - 69] LITHIOTIS PROBLEMATICA. 5 das faserige Schalengefüge. Dieses aber ist, wie oben dargelegt, keineswegs ausschlaggebend für 7röchites. Der Muskeleindruck war bisher bei unserer Art noch nicht beobachtet’). Herr v. Tausch glaubt, VIII, p. 19, dass „eine ziem- lich grosse, aber recht seichte Vertiefung“ an eimem nicht abgebil- deten Exemplare der k. k. geolog. Reichsanstalt vielleicht als Muskel- eindruck zu deuten wäre. Das Stück liegt mir vor. Die seichte Vertiefung ist zwar nicht der Muskeleindruck, dürfte aber dem Felde entsprechen, welches Taf. III, Fig. 4, über dem Eindruck ausgebildet ist. Die Umgrenzung dieses Feldes passt sich in auffälliger Weise dem Kontur des Eindrucks an. Man möchte glauben, dass der Muskel innerhalb des Feldes vorgerückt ist, dass die verschiedenen, !) Das Exemplar Taf. III, Fig. 4, stammt aus dem städtischen Museum zu Rovereto, welches letztere ich aus eigener Anschauung nicht kenne. Herr v. Tausch, dem bei Abfassung seiner grossen Monographie (VIII) dieses Museum zur Verfügung stand, befand sich wol in derselben Lage, denn sonst wäre ihm jenes wichtige Stück schwerlich entgangen, Aber wie erklärt sich das Folgende? Auf meine Bitte an Herrn v. Tausch, mir das Original-Material. von Trichites Loppianus, welches sich in der k. k. geolog. Reichsanstalt befindet, zu leihen, ging mir mit einem freundlichen Schreiben des genannten Autors ein Kistchen zu, dessen Inhalt laut Original-Etiquette der k. k. geolog. Reichsanstalt „Süd vom westlichen Ende des Lago di Loppio, Mergelschichten unter dem Oolitkalk* gefunden wurde. Das Kistchen enthielt nicht nur die gewünschte Ostrea Loppiana, sondern zu meinem Erstaunen ausserdem: 1) Sieben Exemplare der typischen Lithöotis problematica mit Riefen, wie v. Gümger, III, Taf. II, Fig. 14a, b und oe Zieno, XI, Taf. I, Fig. 2, sie ab- bildet. Herr v. Tausch erwähnt dieses Vorkommen in VIII nicht. Vergl. p. 12, Fussnote ). 2) Zwei schöne Schlösser, rechte Klappen, von Opisoma excavata, ent- sprechend dem Schlosse, welches aus den grauen Kalken Venetiens I, Taf. XXI, Fig. 2, abgebildet ist. Weder Art noch Gattung werden von Herrn v. Tausch in seiner umfangreichen Monographie erwähnt! 3) Ein sehr schönes Exemplar von Mytilus mirabilis, Lerstws sp.; linke Klappe. In v. Tausch, VIII, p. 15, heisst es: „In dem gesammten Material, welches mir aus Südtirol und den Sette Comuni vorlag, befand sich kein Exemplar, welches mit der genannten Art — nämlich Mytilus mirabilis — identifieirt werden konnte, obwohl sehr nahe verwandte Formen in ziemlich reicher Individuenzahl in demselben vorkommen.“! Vom Lago di Loppio in Südtirol führt übrigens Herr v. Tavsch auch keine verwandte Form, weder Mytilus noch Modiola an. Nebenbei bemerkt, habe ich das Material genau in dem Zustande gelassen, in welchem es sich befand. Die Stücke waren insgesammt so sauber präparirt, dass jedes Herrichten meinerseits unnöthig war. 6 BoEHnM: [70 von ihm erzeugten Vertiefungen nach und nach überkalkt wurden und hierbei die erhabenen Ränder der ehemaligen Eindrücke stehen geblieben sind. Uebrigens befindet sich an dem Exemplar Fig. 4 hinter dem Felde eine Längsfurche, die ich nicht deuten kann. Untersuchte Stücke: 25. Vorkommen: Graue Kalke: 1) Lago di Loppio in Südtirol. Polytechnikum in München. Städtisches Museum in Rovereto. Samm- ung Nicolis in Verona. K.K. geolog. Reichsanstalt in Wien. 2) Unterhalb Ceredo, Weg nach Lugo. Provinz Verona. Königl. Museum für Naturkunde in Berlin. Das Königl. Museum für Naturkunde in Berlin besitzt noch 4 Exemplare aus den grauen Kalken der Provinz Verona, welche zwar mangelhaft erhalten sind, jedoch am ehesten hierher zu stellen sein möchten. Dieselben stammen aus der valle di Squaranto bei S. Francesco (2), aus der valle Pantena (1) und vom Ponte di Vejo (1). Interessant ist vor allem das eine Exemplar von S. Fran- cesco wegen seiner Verwitterung. Die groben Liamellen der Aussen- seite sind ganz abgerieben und durch tiefe Furchen von einander getrennt. Die Lamellen des einen Innenrandes zeigen Verwitterungs- erscheinungen ungefähr wie das Exemplar XT, Taf. I, Fig. 3. Uebrigens ist letzteres, sehr mangelhafte Exemplar vielleicht besser zu der später zu beschreibenden Ostrea problematica, var. lithiotis zu stellen. 2. Ostrea Loppiana, Tausch sp. var. Taf. IL, Fig. 3—4. Mehrere Exemplare möchte ich hier zusammenfassen. Die Varie- tät unterscheidet sich von der typischen Ostrea Loppiana nur da- durch, dass die Schale sich, wie die Abbildungen zeigen, plötzlich — und zwar, wie es scheint, einseitig nach hinten zu — stark er- weitert. Ob die linke, untere Klappe Fig. 3 und die rechte, obere Klappe Fig. 4 eine Ligamentfurche besessen haben, wage ich nicht zu entscheiden. An den betreffenden Stücken ist nichts davon zu beobachten. Auch lässt sich an ihnen die Grenze zwischen Bandfeld und eigentlicher Schale nicht feststellen. Dagegen zeigt ein nicht ab- gebildetes Stück der Sammlung DE ZıGno’s, welches dem Exemplar - 71] LITHIOTIS PROBLEMATICA. 7 Fig. 3 entspricht, dieselbe Ligamentfurche, wie die typische Ostrea Loppiana. Die Varietät erreicht zuweilen beträchtliche Maasse. Ein Bruch- stück der linken Klappe in der Freiburger Universitäts-Sammlung, welches hierher zu stellen sein dürfte, besitzt eine Ligamentfurche von 15 cm Länge. Und dabei ist die Wirbelpartie nicht erhalten. An diesem Exemplare ist die Ligamentfurche nach unten nicht scharf abgesetzt, sondern verläuft in einen erhabenen Wulst. Vergleiche und Bemerkungen. Die eben behandelten Formen wurden nur der Uebersicht wegen getrennt von Ostrea Loppiana behandelt. Das unterscheidende Merkmal ist, da es sich um Ostrea handelt, ohne Belang. Auch enthält das Berliner königl. Museum für Naturkunde ein Stück, welches den Uebergang zu der typischen Ostrea Loppiana vermittelt. Untersuchte Stücke: 4. Vorkommen: Graue Kalke: 1) Valle dell’ Anguilla bei Verona. Königl. Museum für Naturkunde in Berlin, 2 Ex. 2) Provinzen Verona oder Vicenza. Universitäts-Sammlung Frei- burg i. B., 1 Ex. — Sammlung DE Zıeno in Padua, 1 Ex. 3. Ostrea problematica, GÜNBEL. Taf. III, Fig. 1-3. 1871. Lithiotis problematica, GümBEL, III, Taf. II, Fig. 14a, b. 1879. Lithiotis problematica, DE Zıexo, p. p. XI, Taf. I, Fig. 2 (non Fig. 1 u. 5). 1890. Ostrea lithiotis oder Lithiotis ostreacina, GÜMBEL, IV, p. 67, Fig. 1. 1891. ZTrichites, sp. Tausch, IX. Von der obigen Form liegt fast stets nur der Wirbelteil mit der Bandgrube (Fig. 1 u. 2) vor. Mir ist ein einziges Stück (Fig. 3) bekannt, welches zugleich die eigentliche Schale besitzt. Die Aussenfläche der Wirbelteile zeigt, übereinstimmend mit den Angaben v. GÜümgEr’s (IV, p. 65), in typischer Weise die schuppig- blättrige Beschaffenheit gewisser Muschelschalen. Man beobachtet eine solche Beschaffenheit z. B. bei Ostrea, bei Perna und auch bei manchen 7richiten. Die Innenfläche der Wirbelspitzen besitzt einen mit Riefen erfüllten Mittelteil. Diese Riefen oder Rinnen sind durch grössere — III, Fig. 14a, b — oder kleinere Zwischenräume oder 8 BoERM: [72 grössere und kleinere Zwischenräume (Fig. 1) von einander getrennt. Der Mittelteil ist — soweit zu beobachten — gestreckt (Fig. 1 u. 2) oder mehr oder weniger gekrümmt (Fig. 3). Das Mittelstück ist ın seiner ganzen vorliegenden Erstreckung ziemlich gleich breit (Fig. 1) oder spitzt sich nach einer Seite auffallend zu (Fig. 3). An beide Seiten des Mittelstücks sind schräg verlaufende, blattartige Lamellen mehr oder weniger gleichmässig angesetzt. Die — im Zusammenhang mit dem Wirbelteil überaus selten erhaltene — eigentliche Schale Fig. 3 zeigt eine Form, wie man sie bei Austern vielfach kennt. Der Muskeleindruck ist noch nicht beobachtet. Vergleiche und Bemerkungen. Die Species unterscheidet sich von Ostrea Loppiana nicht nur durch die auffallenden Längsrinnen im Bandfelde, sondern auch dadurch, dass bei Ostrea Loppiana eine einzelne Bandfurche entwickelt ist, die der Ostrea problemalica fehlt. Ersterer Unterschied ist, wie ich glaube, nicht wesentlich. Die Längsrinnen dürften, wie schon II, p. 532 kurz erwähnt, eine Ver- witterungserscheinung sein. Im Miocän von la Carolina in Anda- lusien habe ich zahlreiche Ostrea erassissima gesammelt. An einigen dieser Stücke ist das Bandfeld nur quer gerunzelt und concentrisch gestreift, wie V, Taf. 81; an anderen bemerkt man neben der con- centrischen Skulptur schwächere (V, Taf. 84) und stärkere Längs- linien (V, Taf. 83, Fig. 1 u. 2), auf welche schon v. GÜnBEL (IV, p. 66) die Aufmerksamkeit gelenkt hat. Das grösste Exemplar, welches seiner Grösse wegen später noch einmal zu erwähnen sein wird, ge- hört zu denen mit Längslinien im Bandfelde. Die Oberfläche des letzteren ist an einzelnen Stellen verwittert; an diesen Stellen zeigen sich dieselben Rinnen, wie sie bei Zithiotis problematica auftreten, und wie sie bei SPADA, v. GÜMBEL, DE ZIGNO und hier abgebildet sind. Die Rinnen entsprechen nach meinem Dafürhalten den Längs- linien und sind — aus diesen hervorgehend — durch Verwitterung stärker vertieft. Die auffallende Riefung spricht demnach, wie ich glaube, nicht gegen eine Vereinigung des GÜmBEL’schen Fossils mit Oszrea. Ebenso wenig tut dies (IV, p. 67) die stark einseitige Krümmung des Wirbels, Fig. 3. Derartige, selbst stärkere Krümmungen kommen z. B. auch bei Ostrea crassissima vor (V, Taf: 83, Fig. 1). In seiner vielfach eitirten Arbeit schätzt v. GÜMBEL (IV, p. 67) unsere Ostrea auf 0,25—0,30 m. Dies ist eine ansehnliche Grösse, 7 3] LiTHIOTIS PROBLEMATICA. 9 aber für Ostrea keineswegs aussergewöhnlich. Die oben erwähnte, grösste Ostrea crassissima von la Carolina misst 0,52 m. Und dabei sind Wirbel und Unterrand abgebrochen. Die Gesammtlänge dürfte mehr als 0,60 m betragen haben'). Es wurde oben erwähnt, dass bei Oszrea problematica im Gegen- satz zu Ostrea Loppiana eine Bandfurche nicht entwickelt ist. Ob dies ein wesentlicher Unterschied ist, wage ich nicht zu entscheiden. Es darf hier darauf hingewiesen werden, dass, wie oben erwähnt, bei einem Exemplare der Ostrea Loppiana die Bandfurche zu einem feinen Risse reduzirt ist, und dass bei den beiden abgebildeten Stücken der Ostrea Loppiana var. eine Bandfurche nicht zu beobachten ist. Obiges Vorkommen ist die eigentliche Zithöotis problematica, d. h. diejenige, welche von v. GÜMBEL mit diesem Namen bezeichnet wurde. Herr v. Tausch hatte IX, p. 37, Gelegenheit, in München sowol das GÜünßEr’sche Material als auch die 7richiten von KEL- HEIM zu studiren, und hält gegen v. GÜMBEL an seiner Ansicht fest, dass jenes Material zu 7richites gehöre. Ich kann mich hier kurz fassen. Die 7röchiten von KELHEIM zeigen in ausgezeichneter Weise die typische 7röchites-Structur. Das gesammte Günger’sche Material zeigt nichts dergleichen?). Wol beobachtet man hier und da „aus- gezeichnet faserige Schalenstructur* (IX, p. 37). Diese aber ist, wie vorher ausgeführt, für 7richites keineswegs bezeichnend. Ferner besitzt das Günger’sche Material als auffälligstes Merkmal die oben behandelten Längsrinnen, die Herr v. Tausch vollkommen mit Still- schweigen übergeht. Ich vermag diese Längsrinnen mit Tröchites nicht in Einklang zu bringen. Zithiotis problematica, GÜMBEL gehört sicherlich nicht zu Trichites. Untersuchte Stücke: 35. Vorkommen: Graue Kalke: 1) Lago di Loppio in Südtirol. K. K. geolog. Reichsanstalt in Wien. 2) Provinzen Verona oder Vicenza. Universitäts-Sammlung Frei- burg i. B., Münchener palaeontolog. Museum, Münchener Polytech- nikum, Sammlung DE Zıeno in Padua, Sammlung NıcoLıs in Verona. ‘) In der Erklärung zu IV, Fig. 1 heisst es „die Muschel, fünfmal verkleinert.“ . Es dürfte hier ein lapsus calami vorliegen. Ich glaube, dass für IV, Fig. 1 und für unsere Taf. III, Fig. 3, dasselbe Original aus dem Münchener palaeontolog. Museum vorgelegen hat. Ist dies wirklich der Fall, so ist IV, Fig. 1 nicht !/s n. G., sondern — wie unsere Abbildung — natürliche Grösse. ?) v. GÜmBEL fand, mikroskopisch untersuchend, bei Lithiotis problematica die „zellig faserige Textur, wie bei Austernschalen“. Vergl. IV, p. 65. 10 BoEHM: [7 4 4, Ostrea problematica, GÜNBEL, var. lithiotis, BoEHM. Taf. IV, Fig. 1. 1879. Lithiotes problematica, Zıeno, XI, Taf. I, Fig. I (Fig. 32), von Fig. 2. Non Ostrea lithöotis, GümBEL, IV, p. 67. Von der obigen Varietät liegt, wie ich glaube, meist nur die Band- grube, zuweilen (Fig. 1) mit einem geringen Teil der Schale vor. Die Grenze zwischen Bandfeld und eigentlicher Schale ist — wenn überhaupt — nicht immer mit Sicherheit festzustellen. Ganze Exem- plare wurden nach meiner Auffassung noch niemals beobachtet. Die Bandgrube ist zumeist von bedeutenden Dimensionen '), eine derselben misst wol cc. 35 cm. Die Grube ist schmal, wenig vertieft oder flach, von Wülsten eingefasst. Die Seitenränder sind bald schmal, bald breiter, und bestehen aus einer grossen Anzahl auf einander gelagerter Lamellen. Nach dem Exemplar Taf. IV, Fig. 1, zu schliessen, scheint das Bandfeld in einen schmalen Wohnraum überzugehen. Der Muskeleindruck wurde noch nicht beobachtet. Vergleiche und Bemerkungen. Die Varietät „/lhöotis“ unter- scheidet sich von der typischen Ostrea problematica durch das schmale Bandfeld, sowie durch den Mangel an Längsriefen in dem- selben. Beide Merkmale sind nicht wesentlich. Die Breite des Bandfeldes wechselt z. B. auch bei Ostrea crassissima, LAMARCK in ausserordentlicher Weise. Die Längsriefen sind nach meiner Auf- fassung, wie oben dargelegt, nur eine Verwitterungserscheinung und treten ausserdem an einer typischen var. löthiotis — wenn auch nur - schwach auf. Obgleich also die trennenden Merkmale systema- tische Bedeutung nicht beanspruchen dürfen, verleihen sie dennoch der Varietät — wenigstens soweit mir das Material bekannt ist — gegenüber der typischen Ostrea problemaltica ein so überaus ver- schiedenes Ansehen, dass die Trennung sich aus practischen Gründen wol empfiehlt. Ich war nie im Zweifel, welche Stücke der Varietät lithiotis zugewiesen werden sollten. Uebrigens ist dieselbe, soweit mir bekannt, bisher nur an einem Punkte gefunden worden. 1) Einzelne Pelecypoden gelangen in den grauen Kalken zu beträchtlichen Maassen. In der Sammlung des Herrn Baron pe Zıexo in Padua befindet sich das Bandfeld einer Perna, deren nicht vollständig erhaltene Gruben die Länge von Tem besitzen. Fundort: Cima di Malera, Provinz Verona. LITHIOTIS PROBLEMATICA. 11 1 Dr Les Wie bei den vorher behandelten Formen so treten auch hier eigentümliche Verwitterungserscheinungen auf. Bei einem Stück der Zıeno’schen Sammlung z. B. erinnern die Lamellen des einen Innenrandes an die einander folgenden Rippen eines flach gedrückten Wirbeltieres. Man vergl. die Schlussbemerkungen zu Ostrea Loppiana. Untersuchte Stücke: 20. Vorkommen: Graue Kalke: Marana nördlich Örespadoro, Pro- vinz Vicenza. Museum in Verona, 16 Ex. Sammlung DE Zi6no in Padua 3 Ex. Münchener palaeontologisches Museum, 1 Ex. Allgemeiner Teil. Im Vorhergehenden wurde versucht, sämmtliche Formen, die man bisher mit Zöthiotis problematica in Verbindung gebracht hat, als 2 Species von Ostrea zu deuten. ‚Jeder Art wurde eine Varietät beigefügt, doch haben letztere — wie oben hervorgehoben — nur problematischen Wert. Aber selbst das ist mir zweifelhaft, ob die beiden Arten, nämlich Ostrea Loppiana und 0. problematica auf- recht zu erhalten sind. Beide unterscheiden sich eigentlich bloss dadurch, dass bei ersterer eine schmale Bandfurche entwickelt ist, die letzterer fehlt. Sollte auch dieses Merkmal nicht von Belang sein, so hätten wir es nur mit einer Art von grosser Variabilität zu tun, die den Namen Ostrea problematica, (sÜMBEL, führen müsste '). Die grosse Mannigfaltigkeit, wenigstens im Habitus unserer umfassen- den Species, hätte ihr Analogon bei Ostrea crassissima, LAMARCK. Auch bei letzterer giebt es flache und gewölbte, breite und schmale Individuen; solche mit auffallend schmaler, und solche mit sehr breiter Bandgrube; solche, bei denen das Ligamentfeld starke Längs- streifung zeigt, und solche, bei denen diese Streifung völlig fehlt. Wie Eingangs bemerkt, hat v. GümBEn Zithiotis problematica früher (III) zu den Kalkalgen gestellt. Da der Autor diese An- sicht selbst aufgegeben hat (IV), so brauchen wir sie hier nicht zu berücksichtigen. Auch die Annahme, Zithiotis problematica könne teil- weise zu Trichites gehören (IX), bedarf nach den obigen Darlegungen 1) In Betreff der Artbezeichnung vergl.: 1891, Wänner, Neues Jahrbuch für Mineralogie etc. Bd. I, pag. -— 433 —. Ostrea problematica, Münster — 1843, Beiträge zur Petrefactenkunde, Heft 1, Aufl. II, p. 114 — ist ein völlig todt- geborener Name und hat keine Berechtigung auf Beibehaltung in der Nomenklatur. 12 BoEHnm: [76 nicht mehr der ausführlichen Widerlegung. Unsere Fossilien besitzen eben nicht das typische 7röchites-Gefüge. Es ist auch schwer denk- bar, dass eine so sinnfällige Structur Forschern, wie BENECKE, vV. GÜMBEL, NEUMAYR, DE ZIGno und zahlreichen anderen stetig entgangen sein sollte. Bleibt schliesslich noch die Ansicht, dass Zithiotis eine Pflanze sei. Herr v. Tausch weist (IX) für die Pflanzennatur auf „gegabelte Exemplare“ hin. Dergleichen sind in den grauen Kalken nicht selten. Es sind — wie vielleicht Taf. III, Fig. 2, verglichen mit Fig. 1 beweist — zerbrochene Stücke von Ostrea problematica. Herr Baron DE Zıano betrachtet Stücke, wie Taf. III, Fig. 1 und Taf. IV, Fig. 1, als Pflanzen. Hierbei werden der längsgeriefte oder glatte Mittelteil als Stengel, die seitlichen Lamellen als Blätter ge- deutet. Nun aber wird Niemand, der das Original zu Taf. III, Fig. 3, gesehen hat, bezweifeln, dass hier ein Zweischaler vorliegt. Anderer- seits stellt das Bandfeld dieser Art, für sich allein genommen, durch- aus den gerieften Mittelteil einer Zithiotis im Ziı@no’schen Sinne dar'). Und doch soll dieser so überaus charakteristische Teil bald das Bandfeld eines Zweischalers, bald der Stengel einer Pflanze sein. Was die Deutung. des glatten Mittelteils als Stengel, und der Lamellen als Blätter betrifft, so möge auf das Exemplar Taf. IV, Fig. 1, aus der ZıGno’schen Sammlung verwiesen sein. Dieses schöne Stück ist eines derjenigen, welches die Pflanzennatur von Zithiotis beweisen sollte (II, p. 531). Allein, wie ich glauben möchte, ähnelt es in auffallender Weise der daneben abgebildeten Ostrea crassissima. In seiner bekannten Arbeit über Zäithiotis problematica (XI) führt DE Zıeno vier Puncte?) gegen die Pelecypoden-Natur, be- ziehentlich für die pflanzliche Natur unseres Vorkommens an. 1) Die weissen Bänder in den grauen Kalken, welche von Lithiotis herrühren, sind bisweilen derart gefaltet und gekrümmt, 1) Die k. k. geolog. Reichsanstalt in Wien besitzt ein derartiges Band- feld vom Lago di Loppio, welches zufällig im Habitus dem Bandfelde IV, p. 66, Fig. 1 entspricht, aber grösser ist, als dieses. Selbst dieses Stück ist in VIII nicht erwähnt, obgleich dort, p. 19 v. Gümser’s IV, Fig. 1 reprodueirt wird! Niemand würde, wie ich glaube, zaudern, das Stück als eine typische Lithiotis problematica zu bezeichnen. Ein ähnliches Fragment besitzt Herr NicoLis in Verona aus den grauen Kalken seiner, von ihm mit so ausgezeichnetem Erfolge durchforschten Provinz. Er zeigte es mir als Typus eines „gegabelten Exemplars“. ?) Sind die „beweiswürdigen Daten“ IX, p. 37, 1891, von diesen Puncten von 1879 verschieden ? zur | LITHIOTIS PROBLEMATICA. 13 dass ein elastischer, biegsamer Körper vorgelegen haben muss. Eine Pelecypoden-Schale wäre zerbrochen (XI, p. 130). Hierzu sei, ganz abgesehen von anderen Einwänden, bemerkt, dass Ostrea problematica wanchmal an verschiedenen Stellen sehr verschieden abblättert und verwittert. Man könnte an mir vorliegen- den Stücken nicht nur stark gefaltete Durchschnitte, sondern selbst solche mit zahlreichen ein- und ausspringenden Winkeln herstellen. 2) Lithiotis problematica geht nach und nach in kohlige Substanz über (XI, p. 131). Es ist mir nicht erinnerlich, einen wirklichen Uebergang in der Natur oder in Sammlungen gesehen zu haben. Wol hat Herr DE ZiGno mir Gagat-Stücke übergeben, welche er als Zithiotis be- zeichnet. Aber, wenn dieselben auch Riefen zeigen, welche an die des Exemplars Taf. III, Fig. 1, erinnern könnten, so glaube ich des- halb noch nicht, jene Gagat-Stücke zu Zöithiotis stellen zu dürfen. Ferner ist Zithiotis häufig von kohliger Substanz umgeben. Allein fast alle Pernen, Megalodonten, Durgen, Chemnitzen und anderen Fossilien, die ich in dem valtle del Paradiso und dem valle dell’ Anguilla bei Verona gesammelt habe, sind in derselben Weise von kohliger Substanz umgeben, manchmal sogar ganz davon bedeckt. Die betreffenden Schichten der grauen Kalke sind eben an vielen Orten kohleführend. 3) Bei Zithiotis ist noch niemals die Schlossregion einer Ostrea beobachtet worden (XI, p. 130). Nach der oben entwickelten Auffassung soll es gerade die Schloss- region sein, welche fast immer vorliegt. Danach würde es vielmehr einer Erklärung bedürfen, warum das Schloss so häufig, die eigent- liche Schale so selten erhalten ist. Ich verweise diesbezüglich auf die Darlegungen v. GümßeEr’s, IV, p. 65. Bemerkt sei nur noch, dass im Miocän von la Carolina in Andalusien — wo sich Ostrea crassissima in zahllosen Exemplaren findet — vielfach nur die Wirbelteile erhalten sind. Vergl. Taf. IV, Fig. 2. 4) Das stete Fehlen eines Muskeleindrucks bei Zöthiotis zeigt, dass eine Ostrea nicht vorliegen kann (XI, p. 130). Wir kennen nach der obigen Auffassung von Ostrea proble- matica überhaupt nur ein Exemplar, Taf. III, Fig. 3, an welchem der Muskeleindruck — oder auch die Mantellinie — zu erwarten wären. Dass sie an diesem einen Stücke nicht erhalten sind, ist nicht auffallend. Was aber Ostrea Loppiana betrifft, so liegt hier der Muskeleindruck vor (Taf. III, Fig. 4), und dieses Vorkommen 14 BoEHn: [78 wird nicht nur von v. Tausch in Beziehung zu Zithiotis gebracht (VIII, p. 19), sondern es war sogar von v. (FÜMBEL und NIcoLis direct mit typischer Zithiotis problematica zusammen gelegt worden. An dem engen Zusammenhang dieser Formen ist kaum zu zweifeln, und nur schwer wird man sich entschliessen, die eine als Pelecypod, die andere als Pflanze zu betrachten. Schluss. Folgende Puncte möchte ich hier hervorheben: 1) Die Formen, welche man als Zithiotis problematica bezeichnet hat, sind Austern. Vielfach ist nur das Bandfeld erhalten. Die in letzterem häufig auftretenden Riefen sind eine Verwitterungs- erscheinung. Derartige Riefen zeigen sich auch im Bandfelde tertiärer Ostreen. 2) Trichites Loppianus, TauscH, ist eine Ostrea. Die Form steht, wie bereits v. Tausch erkannt hat, der sogenannten Zöthiotis zum mindesten sehr nahe. 3) Die überaus zahlreichen, weissen Bänder und Streifen in den grauen Kalken rühren nicht nur von Durchschnitten der erwähnten Austern her, sondern sind nachweislich zum Teil auch Durchschnitte von Pernen. a der 1. II. IV. vIm. im Text . BoEHM. BoEHM. (GÜMBEL. GÜMBEL. . M. HoeERrnESs. . SPADA. . SUESS. Tausch. . Tausch. . TIGNO. . ZIGNO. [LiTHIoTIS PROBLEMATICA. 15 Verzeiehniss mit römischen Ziffern eitirten Literatur. Beitrag zur Kenntniss der grauen Kalke in Venetien. — Zeitschrift d. deutschen geolog. Gesellschaft, Bd. XXXVI, p- 737. — Berlin 1884. Ueber Lithiotis problematica, GümgEL. — Zeitschrift d. deutschen geolog. Gesellschaft, Bd. XLIII, p. 531. — Berlin 1891. Die sogenannten Nulliporen (Lithothamnium und Dactylopora) und ihre Betheiligung an der Zusammensetzung der Kalk- gesteine. Erster Teil. Die Nulliporen des Pflanzenreichs (Lithothamnium).— Abhandl. d. k. bayer. Akademie d. Wissen- schaften. Cl. II, Bd. XI, Abtl. I, p. 48. — München 1871. Lithiotis problematica Güme. eine Muschel. — Verhandl. d. k. k. geolog. Reichsanstalt, p. 64. — Wien 1890. Fossile Mollusken des Wiener Beckens. — Abhandl. d. k. k. geolog. Reichsanstalt, B. IV. — Wien 1870. Corporum lapidefactorum agri veronensis Catalogus. — Verona 1744. Studien über die Gliederung der Trias ete. Nr. I. Raibl. Jahrbuch d. k. k. geolog. Reichsanstalt, Bd. XVII, p. 580. — Wien 1867. Zur Kenntniss der Fauna der „Grauen Kalke* der Süd- Alpen. — Abhandl. d. k. k. geolog. Reichsanstalt, Bd. XV, Heft 2. — Wien 1890. Bericht etc. über eine etc. Studienreise nach Süddeutschland. — Verhandl. d.k. k. geolog. Reichsanstalt, p. 37. — Wien 1891. Fossile Pflanzen aus Marmorschichten im Venetianischen. — Verhandl. d. k. k. geolog. Reichsanstalt p. 54. — Wien 1871. Annotazioni paleontologiche. — Sulla Lithiotis problematica di GümßEL. — Memorie del R. Istituto Veneto, Bd. XXI, p. 129. — Venedig 1879. (Man vergl. die Literaturangaben in III, X und XI.) 16 [80 Erklärung der Tafel II. Alle Exemplare stammen aus den grauen Kalken der Provinz Verona und befinden sich im Kel. Museum für Naturkunde zu Berlin. Figur 1—2. Ostrea Loppiana, Tausch sp. '/ n. @. Unterhalb Ceredo, Weg nach Lugo. 1. Untere, linke Klappe. p- 3. 2. Obere, rechte 5 p. 4. Fiour 3—4. Ostrea Loppiana, Tausch sp. var. '/.n. @. Valle dell’ Anguilla. 3. Untere, linke Klappe. p. 6. 4. Obere, rechte Re p.u6. Erklärung der Tafel IIl. Alle Exemplare stammen aus den grauen Kalken der Süd-Alpen. Figur 1-2. Ostrea problematica, GümgEL. Bruchstück der Bandgrube.. Frei- burger Universitäts-Sammlung. 1. any p,., 7: 2. N.G. Sog. gegabeltes Exemplar. p. 12. Figur 3. Dieselbe Art. Vollständiges Exemplar. N. G@. Original zu GÜNMBEL, IV, p. 66, Fig. 1. Münchener palaeontologisches Museum. p. T. Figur 4. Ostrea Loppiana, Tausch sp. Lago di Loppio in Südtirol. Exemplar mit Muskeleindruck. '/e n. @.. Städtisches Museum in Rovereto. p. 4. Erklärung der Tafel IV. Fig. 1. Ostrea problematica, GÜMBEL var. lithiotis, Bornm. Graue Kalke von Marana, oberhalb Crespadoro, Provinz Vicenza. Bandgrube mit Schalen- teil. 2/ n. G. Sammlung des Herrn Baron pE Zıeno in Padua. p. 10. Fig. 2. Ostrea erassissima, LAmArck. Miocän von la Carolina in Andalusien. Banderube mit Schalenteil. "/ n. G. Freiburger Universitäts-Sammlung. p. 12. 81] 1 Ueber die Oercarie von Amphistomum subelavatum. Von Dr. A. Lang. (Aus dem zoologischen Institut der Universität Freiburg i. B.) Trotzdem Amphistomum subelavatum Rud. (= Diplodiscus sub- clavatus Diesing) einer der bekanntesten Trematoden ist und im Rectum unserer einheimischen Amphibien durchaus nicht selten ge- funden wird, liegen über den Entwickelungsgang dieses Wurmes doch nur ganz unvollständige Angaben vor. Es ist mir nun ge- lungen zu beobachten, wie die ÜOercarie aus dem Zwischenwirth in den definitiven Wirth gelangt. Ich fand die freischwimmende Cercarie zufällig in einem Aquarium, dessen Wasser einem Tümpel des hiesigen botanischen Gartens entnommen war. Man kann die- selbe schon mit blossem Auge besonders in flachen weissen Gefässen leicht sehen, da sie mit dem Schwanze etwa 2 mm misst, eine graue Farbe besitzt, und auch durch die bekannte eigenthümliche Bewe- gung auffällt, welche auf dem peitschenartigen Hin- und Herschlagen des Schwanzes beruht. Zunächst galt es nun festzustellen, welche von den in dem Wasser vorhandenen Schnecken die bisherigen Wirthe der Üercarien gewesen waren. Es lag nahe, erst Planorbis marginatus Drap. zu untersuchen, welches Thier von PAGENSTECHER!) und von DIESING ?) als Zwischenwirth angegeben wird. Ich fand aber weder Cercarien noch !) PAGENSTECHER, „Trematoden und Trematodenlarven“. Heidelberg 1857. PAGENSTECHER nennt die betreffende Cercarie: Cercaria diplocotylea. ?) Dıesine, Systema Helminthum. Wien 1850. Dieses, Revision der Cer- carien. Wien 1855. Diesme nennt die Cercarie: Diplocotyle mutabile. Berichte VI. Heft 3. 6 ) Lane: [82 Redien vor, trotzdem ich sehr viele Exemplare zerzupfte. Nachdem ich noch zwei andere Schneckenspecies vergeblich untersucht hatte, konnte ich endlich in dem kleinen, kaum 7 mm grossen Planorbis contortus (L.) Müll. den Zwischenwirth der Cercarie nachweisen. Die oberen Windungen des Schneckengehäuses waren mit Redien und Cercarien mehr oder weniger vollständig erfüllt. Manchmal war die Leber völlig, selbst die Zwitterdrüse zum Theil zerstört und der Darm verdrängt. Die Schnecken gehen ohne Zweifel aus- nahmslos zu Grunde an den Zerstörungen, die der Parasit in ihren (eweben anrichtet. Sprorocysten fanden sich keine vor; es scheint also, dass die Redien (wenigstens im Sommer) direct aus dem Em- bryo sich entwickeln. Weiterhin war festzustellen, in welcher Weise die Cercarien in den definitiven Wirth übertragen werden. Die Fütterungsversuche, die ich mit den aus dem Wasser herausgefangenen freischwimmen- den Larven an Fröschen und Kaulquappen austellte, hatten nega- tiven Erfolg, wie vorauszusehen war. Dass sich die Cercarien durch die Haut in den Körper des definitiven Wirths oder eines zweiten Zwischenwirths einbohren würden, schien desshalb unwahrschemlich, weil sie keinen Bohrstachel besitzen. Sie konnten also nur ency- stirt mn den Darm kommen oder aber per anum in denselben ein- dringen. Auch letzterer Modus schien mir mit zu grossen Schwierig- keiten verbunden, trotzdem die Cercarie in hohem Grad contractil!) und beweglich ist; er gewann aber an Wahrscheinlichkeit, als ich sah, dass die zu Fröschen oder Tritonen gebrachten Larven grosses Interesse an denselben zeigten, wenn sie in ihre Nähe kamen. Sie umschwammen die Thiere fortwährend, liessen sich auf der Haut nieder, saugten sich fest, dehnten und streckten den Vorderkörper, um sich nach einiger Zeit wieder loszulösen und weiter zu schwim- men. Um den vermutheten Vorgang zu beschleunigen, spritzte ich einem Frosch einige Üercarien durch den After ein und fand auch nach 24 Stunden von 4 Individuen eines noch lebend vor. Die übrigen sind mir wahrscheinlich in der Kothmasse entgangen. Nach diesem Versuche konnte man annehmen, dass das Eindringen per anum normalerweise erfolge. Aber bei der nebenhergehenden histo- logisch-anatomischen Untersuchung kamen mir Bedenken, wozu denn bei einem solchen Modus der Einwanderung die Encystirungsfähig- !) Wie es auch von anderen Üercarien bekannt ist. Vergl. R. LEUCKART, Parasiten des Menschen. 2. Aufl. 4. Lief. Leipzig und Heidelberg 1886. p. 134. 83] ÜEBER DIE ÜERCARIE VON ÄMPHISTOMUM SUBCLAVATUM. 5 keit eingerichtet sei, die ich unter dem Deckglas oft zu beobachten Gelegenheit hatte; dazu kommt noch, dass bei der Encystirung ge- wisse larvale Elemente, die weiter unten zu besprechenden Stäbchen- zellen, welche im ganzen Körper der Cercarie in grosser Menge zerstreut liegen, eine grosse Rolle spielen. Es war folglich zu ver- muthen, dass die Uebertragung im encystirten Zustand erfolge. Auf Wasser-Insecten setzten sich die Cercarien nicht fest, nahmen auch gar keine Notiz von solchen, wenn man sie mit denselben zu- sammenbrachte.e Während ich mich mit diesen Versuchen beschäf- tigte, setzte ich zugleich meine Beobachtungen an mit Fröschen zu- sammengebrachten CÜercarien fort und fand nun bei sorgfältiger Untersuchung, dass von einer bestimmten Anzahl derselben nach einigen Stunden nicht mehr alle vorhanden waren, abgesehen von denen, die abgestorben am Boden des Gefässes lagen oder sich an dessen Wand festgeheftet und encystirt hatten. Wo hatten sich aber die fehlenden encystirt, oder was war aus ihnen geworden? Die Frage war gelöst, als ich zufällig auf einem Hautfetzen eines sich häutenden Frosches einige Cysten entdeckte und auch bei anderen sich häutenden Exemplaren auf der abgestreiften Haut eingekap- selte Cercarien fand. Vor der Häutung waren die COysten schwer zu sehen, weil sich die Üercarien meist auf dunkel pigmentirten Stellen der Haut der Amphibien einkapseln. Ich war infolge dieser Beobachtung zu der Annahme gezwungen, dass die Wirthe der Am- phistomen dadurch zu ihren unliebsamen Gästen kommen, dass sie, im Bestreben sich bei der Häutung der lästigen Hautfetzen mit dem Munde zu entledigen, letztere mit den daraufsitzenden Oysten ver- schlucken. Dass Amphibien ihre abgestreifte Haut fressen, ist ja bekannt; mein verehrter Lehrer Herr Geheimrath WEIsMmAnn konnte mir die Thatsache für Tritonen nach eigener Beobachtung bestäti- gen, bei KxnAuEr!) fand ich dieselben Angaben für Anuren. An meinen Versuchsthieren konnte ich den Vorgang nicht beobachten, vermuthlich, weil die sich häutenden Thiere in den kleinen Aquarien sich zu lebhaft bewegten, so dass die Haut meist in kleinen Fetzen abgerissen wurde. Ich verfütterte die mit Cysten besetzte Haut und habe die aus denselben befreiten jungen Amphistomen in verschiedenen Fällen im Rectum der Versuchsthiere wieder aufgefunden. Manche von ihnen hatten sich bereits mit dem Bauchsaugnapf an der Darm- wand festgeheftet, andere krochen noch im Darminhalt umher. Die !) F.K. Knaver, Naturgeschichte der Lurche. Wien 1878, 6*r 4 Lane: [84 Thiere waren kaum merklich gewachsen, doch war ihr Darm schon mit aufgenommener Nahrung angefüllt und die Pigmentflecken der Augen, welche bekanntlich beim geschlechtsreifen Thier allmälig verschwinden, erschienen nicht mehr scharf begrenzt, sondern schon etwas diffus'). Auf experimentellem Wege habe ich gefunden, dass die Cysten bei Zusatz frischen Magensaftes sich zugleich mit den ihnen anhaftenden Epidermisfetzen auflösen, so dass die jungen Am- phistomen frei werden. Die Lebensgeschichte der Cercarien ist demnach folgende: Die- selben verlassen die Schnecke wahrscheinlich auf dem Wege des Enddarms, da sie, wie ich gesehen habe, an der gemeinsamen Oeff- nung der Athemhöhle und des Enddarms hervorkommen. Lange müssen sie sich oft abmühen, um sich von dem zähen Schleim der Schnecke abzulösen. Sie schwimmen dann im Wasser umher und viele sterben an Ermattung, bevor sie ihren definitiven Wirth ge- funden haben. Manche behalten nach vergeblichem Umherschwimmen noch soviel Kraft, sich an irgend einem Gegenstand einzukapseln?), wo sie später absterben, ohne zur Erhaltung der Art beizutragen. Die Lebensdauer der Cercarie in freischwimmendem Zustande be- trägt etwa 15 Stunden. Hat die Üercarie einen passenden Wirth (Anuren oder Urodelen) gefunden, so umschwimmt sie ihn prüfend, lässt sich dann auf dem Körper, meist an den Seiten, nieder und saugt sich mit dem Bauchsaugnapf fest. Durch heftiges Schütteln wird der Schwanz abgestossen. Gleichzeitig wird unter steten Con- tractionen des Körpers eine homogene Schleimschicht ausgeschieden, die im Wasser rasch erhärtet. Nachdem dies geschehen, wird (wie man unter dem Mikroscop leicht constatiren kann) jenes Drüsen- secret in Stäbchenform aus den sogenannten „Stäbchenzellen“ °) aus- !) In diesem Sommer habe ich einen sich häutenden Triton untersucht (welcher demselben Tümpel entnommen war, in welchem ich die Cercarien ge- funden hatte) und auf der abgestreiften Haut 12 Cysten angetroffen, ein Beweis dafür, dass die Encystirung auf der Haut nicht zufällig in den Aquarien zu Stande kam, sondern in der Natur der gewöhnliche Modus der Uebertragung in den definitiven Wirth ist. ?) Beiläufig sei hier erwähnt, dass Sousmo (Arch. ital. de Biologie, T.V, p. 55) bei der Cercarie eines anderen Amphistomum (conicum?) das Einkapseln auf Gras und anderen Gegenständen beobachtet hat. >) Diese Zellen wurden schon von WAGENER (R. WAGENER, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Eingeweidewürmer. Natuurkundige Verhandelingen. Haarlem 1857) und Fınıpreı (M&moire pour servir ä l’histoire genetique des Tre- matodes, 1854) beobachtet und beschrieben. 85] ÜEBER DIE ÜERCARIE VON AMNPHISTOMUM SUBCLAVATUM. 5 gestossen. Unter fortwährenden Drehungen des Körpers werden diese Stäbchen an die Innenwand der primären Cyste angedrückt, mit welcher sie dann zu einer ausserordentlich widerstandsfähigen Hülle verschmelzen. Die Oystenbildung ist demnach eine ähnliche, wie sie LEuckART und TnuomAs beim Leberegel beschrieben haben‘). Um den Rand des Bauchsaugnapfes stehen die Stäbchenzellen am dich- testen. Da nämlich der Saugnapf selbst keine Stäbchenzellen be- sitzt, ist die Stelle, wo er sich angesaugt hat, anfangs von Secret frei und wird dasselbe für diese Stelle vom Rande her geliefert. Im encystirten Thier sind die Stäbchenzellen bis auf ganz wenige Reste verschwunden, sie sind also lediglich larvale Elemente. Die Cysten werden noch von Seiten des Wirthes durch eine Epidermiswucherung eingehüllt und sind so gegen Druck und Stoss aufs Beste geschützt. Die stets feuchte Haut der Lurche bewahrt sie auch vor dem Ein- trocknen. Wenn das Amphibium sich häutet und die Haut frisst, werden die Oystenhüllen verdaut und die freigewordenen Amphisto- men gelangen in das Rectum, wo sie geschlechtsreif werden. Ich gehe nun dazu über, den Bau der ÜÖercarie kurz zu be- schreiben. Den besten Einblick in die Organisation der Cercarie hat WAGENER (l. c.) gegeben, dem wir schöne Abbildungen des Em- bryo, der Redie, der Cercarie und des geschlechtsreifen Thieres ver- danken. Ich habe die Cercarie sowohl lebend, als auch auf Schnitt- serien untersucht. Zur Conservirung diente heisse alkoholische Sublimatlösung. Ich wandte sowohl einfache Färbungen mit Pikro- karmin und Hämatoxylin, als auch Doppelfärbungen mit Pikrokarmin und Hämatoxylin und Pikrokarmin und Bleu de Lion an. Letztere Methode ergab sehr schön differenzirte Bilder. Der Körper der ÜUercarie ist mit einer homogenen, stachellosen, porösen Hautschicht bedeckt, in der, soweit sie dem Körper angehört, keine Kerne mehr beobachtet werden, während in der Hautschicht des Schwanzes solche in grosser Zahl am conservirten Thier zu sehen sind. Der Hautmuskelschlauch unterscheidet sich nicht von dem- jenigen anderer Üercarien (vergl. SCHWARZE)?). Unter dem Haut- muskelschlauch liegen Pigmentzellen und die oben mehrfach erwähn- t) LEUCKART, Parasiten des Menschen. 2. Aufl. 1. Bd. p. 261 u. p. 280 u.f. LEucKART, Zur Entwickelungsgeschichte des Leberegels. Zoologischer An- zeiger 1882. p. 526. Tuowas, The life history of the Liver-Fluke. Quart. Journ. of. mier. Sc. January 1883. 2) SCHWARZE, Die postembryonale Entwicklung der Trematoden. Zeitschrift f. wiss. Zoologie. 43. Bd. Leipzig 1885. 6 Lane: [86 ten Stäbchenzellen. Letztere sind flaschenförmige Zellen, welche mehr oder weniger tief im Parenchym eingebettet sind und an die Stäbchenzellen der Turbellarien erinnern. Ihr Kern liegt gewöhn- lich der Zellwand an. Die Stäbchen liegen bündelweise im Innern der Zellen und haben die oben geschilderte Function bei der Cysten- bildung. Die Stäbchenzellen münden mit dünnem Ausführungsgang zwischen den halbmondförmigen Pigmentzellen aus. Diese letzteren liegen dem Hautmuskelschlauch hart an. Ihr Kern liegt ebenfalls peripher, das Pigment ist meist der inneren Zellwand angelagert. Der Darmtractus ist schon vollständig entwickelt. Der Mund- saugnapf, dessen oberer Rand etwas über den untern hervorragt, ist characteristisch durch die zwei Divertikel, die auf beiden Seiten dorsalwärts gelegen die Mundhöhle vergrössern und somit die Saug- kraft verstärken. Er wird durch eine bindegewebige Hülle vom Körperparenchym derart abgegrenzt, dass er durch einen gelinden Deckglasdruck vollständig aus dem Körper herausgedrückt wer- den kann. An dem Bauchsaugnapf, welcher bekanntlich bei Amphistomum an das Hinterende des Körpers gerückt ist, findet sich ebenfalls eine besondere Einrichtung zur Vergrösserung seiner Leistungsfähigkeit. Auf dem Grunde desselben erhebt sich nämlich ein Zapfen, der beim Ansaugen wie der Kolben einer Druckpumpe wirkt, indem er erst die Oeffnung, welche innerhalb des angedrückten kreisrunden Randes des Saugnapfes bleibt, verschliesst und dann, indem er sich zurückzieht, einen grossen luftleeren Raum herstellt. Der langgestreckte Pharynx inserirt auf der Ventralseite des Mundsaugnapfes in der Medianebene oberhalb der Divertikel. Er macht eine S-förmige Biegung nach hinten und erweitert sich hier zum Oesophagus. Von diesem aus entspringen die Darmschenkel, mit schmaler Ansatzstelle beginnend. Sie nähern sich erst der Dorsal- seite, krümmen sich dann ventralwärts und endigen ventral dicht am Bauchsaugnapf. Von dem Genitalapparat sind bei der Cercarie die Hoden am weitesten entwickelt. Sie liegen zwischen den Darmschenkeln; der eine ist von kugliger Gestalt und nimmt fast den ganzen Raum zwischen jenen und der Ventral- und Dorsalseite des Thieres ein, der andere ist flach gedrückt und etwa um die Hälfte kleiner. Auf der Höhe der Verzweigung des Darmes beginnt an der Ventralseite ein länglicher Zellencomplex, welcher sich zwischen den Darm- schenkeln hindurch bis an die Dorsalseite des Hodens erstreckt und 87] UÜEBER DIE ÜERCARIE VON AMPHISTOMUM SUBCLAVATUM. 7 in seinem ventralen Theil die Anlage zweier Lumina zeigt. Dieser Zellenstrang ist die Anlage der ausführenden Canäle des männlichen und weiblichen Geschlechtsapparats '). Der unterste Theil, in dem die zwei Lumina beobachtet werden, entspricht dem Cirrhusbeutel und dem Endstück des Uterus. Hinter dem Hoden, dem dorsalen Rand des Bauchsaugnapfes genähert, findet sich ein zweiter Zellen- complex, aus welchem, wie der Vergleich mit dem Genitalapparat des geschlechtsreifen Thieres zeigt, Ovarium, Erleiter, Laurer’scher Kanal, Dottergänge und Schalendrüse hervorgehen. Der Körper- wand genähert liegen in der Ebene der Darmschenkel einige kuglige Zellengruppen, aus denen sich später die Dotterstöcke bilden. Interessant und bisher noch nirgends ausführlich dargestellt ist der Excretionsapparat der Cercarie. Die contractile Blase liegt in der Medianebene im Hinterende des Körpers und mündet am dor- salen Rand des grossen Saugnapfes (resp. Bauchsaugnapfes). Die Blase gabelt sich in zwei rechtwinklig nach oben gebogene Schenkel. An ihren oberen Enden münden zwei mächtige Schläuche von dem- selben Durchmesser wie jene ein, die sich in mehrfachen Windungen über und unter den Darmschenkeln nach vorn bis zu den Augen- flecken hinziehen. Sie sind sehr auffallend, da sie eigenthümliche, grössere und kleinere, concentrisch geschichtete Kugeln enthalten, welche vermuthlich Harnsäureconceremente sind. Wahrscheinlich werden Excretionsprodukte bei der Üercarie an dieser Stelle abgelagert, und diese bilden dann später die bekannten dunkeln Körnchen, welche im postlarvalen Leben die Blasenschenkel des geschlechtsreifen Am- phistomum erfüllen und durch die Contractionen derselben allmälig entleert werden. Am hintern Theil der Blase münden die zwei Hauptstämme des vielfach verzweigten Wassergefässsytems des Kör- pers ein. Der Verlauf dieser Sammelcanäle ist im Wesentlichen auf der Figur dargestellt. Die einzelnen Canäle sind sehr contractil, d. h. man sieht, dass ıhr Lumen sich abwechselnd erweitert und verschmälert; wahrscheinlich ersetzen sie durch diese Eigenschaft die Wimperflammen, die ich trotz sorgfältiger Untersuchung bei der Cercarie nicht nachweisen konnte, während ich dieselben im ge- schlechtsreifen Thiere häufig beobachtet habe. Durch den Porus excretorius setzt sich das Wassergefässsystem in den Schwanz fort, !) Im Habitus gleicht derselbe den entsprechenden Zellengruppen, welche bei Bucephalus von ZıiesLer (H. E. ZiesLer, Bucephalus und Gasterostomum. Zeitschr. für wissensch. Zool. Bd. XXXIX) und bei verschiedenen anderen Cer- carien von SCHWARZE (l. ec.) beschrieben worden sind. 8 Lane: [88 wie weiter unten geschildert werden wird. Zu beiden Seiten des kurzen Schlauches, der zum Porus führt, laufen zwei Canäle, welche die Ausführungsgänge des Kanalsystems des Bauchsaugnapfes sind. Figurenerklärung. Excretionssystem der Cercarie, etwas schematisirt Vergrösserung: 160. O Auge. Msg Umriss des Mundsaugnapfes. B Contractile Blase. Bs Blasenschenkel. H Harnsäureconcremente. Sk Sammelkanäle. Bsg Um- riss des Bauchsaugnapfes. K Kanalsystem des Bauchsaugnapfes. S Schwanz. Bz Blasenzellen. Lm Längsmuskulaturr. P Porus exceretorius. L Lumen des Schwanzes. Letzteres besteht aus einem rosettenförmigen Konvolut von Schlingen, die den Bauchsaugnapf bis an die Aussenfläche verlaufend durch- setzen, dort umbiegen und in zwei symmetrisch zur Medianebene lie- genden Centren zusammenlaufen. Von diesen aus gehen die oben erwähnten Oanäle zur Blase. Der Schwanz der Oercarie ist mit seinem etwas verschmälerten und von sehr starker Längsmusculatur durchzogenen Ansatztheil oberhalb des dorsalen Randes des Bauchsaugnapfes am Körper be- festigt. Er ist mit derselben Hautschicht überkleidet wie der Körper, 89] ÜEBER DIE ÜERCARIE VON AMPHISTOMUM SUBCLAVATUM. 9 jedoch liegen in derselben , wie auch SCHWARZE (l. c.) bei Üercaria armata beobachtete, noch eine Menge Kerne. Seine Axe wird aber nicht, wie SCHWARZE von jener Üercarie angibt, von einem axialen contractilen Strang gebildet, sondern es bleibt zwischen den grossen Zellen, welche die Hauptmasse des Schwanzes bilden, in der Mitte ein Spaltraum frei, der durch den Porus excretorius mit der Blase communicirt. Sein Lumen ist nur als solcher zu erkennen, wenn durch die rythmischen Contractionen der Blase, welche 2—3 mal in der Minute erfolgen, der Inhalt der letzteren durch den Porus in den Schwanz getrieben wird ). Es drängt sich dann ein Flüssig- keitstropfen zwischen den grossen Zellen („Blasenzellen“, wie sie SCHWARZE nennt) hindurch und man gewinnt das Bild, als ob diese letzteren einen sich peristaltisch bewegenden Kanal umschlössen. Diese „Blasenzellen“ (deren Function SCHWARZE meiner Ansicht nach richtig beurtheilt hat, indem er von ihnen sagt, dass sie die Erzeuger des inneren Drucks (Turgor) seien und somit die Spannung der Haut resp. des Hautmuskelschlauchs bewirkten) sind so gross, dass sie nur zu zwei, höchstens drei auf einem Querschnitt erschei- nen. Sie werden nach aussen von einer zweiten Zellenlage umgeben, deren einzelne Zellen viel kleiner sind; ich zweifle nicht daran, dass diese Zellen die Längenmuskelfasern erzeugt haben, welche in regel- mässigen Abständen unter der Hautschicht des Schwanzes sich hin- ziehen und die Oberfläche desselben längsgestreift erscheinen lassen. Ihre Zellengrenzen sind nur noch theilweise erhalten, dagegen sind ihre Kerne leicht nachweisbar. Der axiale Spaltraum des Schwanzes mündet etwas oberhalb der Schwanzspitze nach aussen durch zwei kurze Ausführungskanäle, die schon WAGENER (l. c.) gesehen hat. !) Nach der Angabe von ZiEstErR (l. c.) mündet auch bei Bucephalus die Endblase des Excretionssystems in den Schwanz ein. Ueber spezifische Variation bei Arthropoden, im Besonderen über die Schutzanpassungen der Krabben ') von Dr. Valentin Häcker, Assistent am zoologisehen Institut der Universität Freiburg i. B. Wer die Werke von Darwın und WALLACE durchliest, dem fällt es auf, dass unter den herangezogenen Beispielen bestimmte Ord- nungen und Familien immer und immer wiederkehren. Wenn dies zum Theil auch in einer besonders intensiven Durchforschung der betreffenden Formenkreise begründet sein mag, so ist andrerseits nicht zu verkennen, dass in den verschiedenen Thiergruppen die Variation in verschiedenem Grade und in verschiedener Richtung wirksam ist und es wird aus theoretischen Gründen von Interesse sein, der Frage nach dem relativen Mass derselben näher zu treten. Wenden wir uns im Speziellen der grossen Gruppe der Arthro- poden zu. Die bekanntesten und eklatantesten Beispiele für spezielle Anpassungen wurden bereits von den Begründern der Abstammungs- lehre eben diesem Thierkreise entnommen und in Folge der erhöhten Aufmerksamkeit, welche die heutige Naturwissenschaft der Biologie dieser Thiere zuwendet, wird unsere Kenntniss fast täglich durch die Ermittlung neuer merkwürdiger Thatsachen bereichert?). Es !) Nach einem in der „Naturforschenden Gesellschaft“ im Freiburg im De- zember 1891 gehaltenen Vortrag. ’) Es mag zum Theil in der Natur des Gegenstandes gelegen sein, wenn in dem überaus gründlichen Werke L. GANnGLBAUER's die Käfer von Mittel- europa, dessen 1. Band (Familienreihe Caraboidea) soeben erschienen ist, die biologischen Verhältnisse so wenig Berücksichtigung finden. Zwar betont der Verfasser ausdrücklich in der Vorrede die rein systematische Tendenz des Buches, allein es würde gerade ein Systematiker sich ein grosses Verdienst erwerben, 91] HÄCKER: ÜEBER SPEZIFISCHE VARIATION BEI ÄRTHROPODEN. ) 2 soll im Folgenden an einigen Beispielen von speziellen Anpassungen, welche zum Theil erst neuerdings bekannt wurden, gezeigt werden, dass gewisse Anpassungskategorien mit Vorliebe oder fast ausschliesslich in bestimmten Gruppen auftreten, dass sie aber dann hier den mannigfachsten Ausdruck finden und die verschiedensten Organe in ihren Dienst stellen, so dass wir von einer spezifischen Variation der betreffenden Gruppen reden können. Fassen wir zunächst diesogenannten sekundären Geschlechts- charaktere ins Auge, d. h. solche Geschlechtsunterschiede, welche mit der eigentlichen Fortpflanzungsthätigkeit und den Organen, welche dieser vorstehen, nur in mittelbarem funktionellen und morphologi- schen Zusammenhang stehen. Wenn wir die zahlreichen Familien der Käfer durchmustern, so finden wir, dass in verhältnissmässig sehr wenigen derselben sekundäre Geschlechtscharaktere zur Bildung auffallender Habitusformen beitragen, und es ist bedeutungsvoll, dass sie gerade in der einen Gruppe der Blatthornkäfer in so mannig- faltiger Weise auftreten!). Bekanntlich unterscheiden sich bei dem hieher gehörigen Maikäfer (Melolontha) und seinen Verwandten (Polyphylla) die Geschlechter durch verschieden starke Ausbildung der blättrigen Fühlerkeule; das Männchen des Hirschkäfers (Lucanus) ist durch die enorme Vergrösserung des Oberkiefers kenntlich und das des Nashornkäfers (Öryctes) trägt am Kopfe und Halsschild verschiedene horn- und zahnförmige Auswüchse. Fast in jeder Gattung dieser Gruppe treten so besonders geartete (Greschlechts- charaktere auf ’?). wenn er in einem so umfangreichen Werke seinen eigenen biologischen Erfah- rungen Raum geben und dadurch den Sammler auf die innige Beziehung zwischen Systematik und Biologie hinweisen würde. !) Schon Darwmn hat in seiner „Entstehung der Arten“ darauf hingewiesen, dass sekundäre Geschlechtscharaktere sehr gern in den Arten eines und desselben Genus verschieden und dass sie ungewöhnlich variabel in den Individuen einer und derselben Spezies sind. In seinem Werke „das Varüren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestikation“ führt er die Hühnerrassen als Beispiel an und bespricht u. a. die grossen Abweichungen, welche der Kamm in den ver- schiedenen Rassen erleidet. ®) Bei Dynastes: Stirn des J' in ein Horn verlängert, welches von einem Horne des Vorderrückens überragt wird; Färbungsunterschiede der Geschlechter, Valgus: Hinterleib des $ in einen langen Legestachel verlängert; Gnorimus: Mittelschienen des 5 stark gebogen; Goliathus: 5’ mit gehörntem Kopfschild; Ateuchus sacer: Hinterschienen des $ rothbraun gewimpert; Copris: g' mit hornförmigen und höckerigen Erhebungen am Kopf und Halsschild; bei einzel- HäÄckER: [92 os Vergleichen wir mit den Blatthornkäfern die grosse, hochent- wickelte Gruppe der Laufkäfer. Beinahe als einziger sekundärer (+eschlechtscharakter tritt hier beim Männchen die Erweiterung einiger Tarsalglieder des vorderen Beinpaares auf; an der Unterseite der- selben stellen verschieden gebildete Hafthaare, die bei einzelnen Gattungen die Form gestielter Saugnäpfe annehmen, eine zum Festhalten des Weibchens dienende Sohle dar. Dieses Merk- mal nun ist fast durch die ganze, gegen 10 000 Arten ent- haltende Familie verbreitet und wir müssen hier eine von uralten Vorfahren her fixirte Beziehung zwischen der Anlage der Fort- pflanzungsorgane und derjenigen der vorderen Extremitäten annehmen. Jedenfalls hat diese Beziehung aber auch schon zu einer Zeit be- standen, als von dem Stamme der Laufkäfer eine oder mehrere Gruppen sich abzweigten und zum Wasserleben übergingen. Denn auch bei den Schwimmkäfern (Dytiscidae, Gyrinidae, Hydrophi- lidae), welche in wichtigen Zügen ihrer Organisation, z. B. im Bau des Abdomens und der Anordnung der Flügeladern, mit den Lauf- käfern übereinstimmen, finden wir bekanntlich beim Männchen analoge Umbildungen der vorderen Tarsen. Interessant ist es weiter, das Auftreten dieses alten Erbgutes des Caraboideenstammes!) bei einer etwas entfernter stehenden Gruppe, den Raubkäfern (Staphy- linidae), zu verfolgen. Auch bei einzelnen Gattungen dieser Familie findet sich eine Erweiterung der Tarsalglieder der Vorderbeine vor; allein sehr bezeichnend ist es, dass das Auftreten dieses Merk- males sogar innerhalb nächstverwandter Artgruppen, z. B. einzelner Gattungen, ein schwankendes ist, und ferner, dass dasselbe in ein- zelnen Fällen auch auf das weibliche Geschlecht übertragen ist. Jedenfalls besteht also hier keine bestimmte Beziehung zwischen der Anlage des männlichen Genitalapparates und derjenigen der vorderen Extremitäten, wie sich eine solche vielleicht bei den gemein- schaftlichen Vorfahren des Caraboideenstammes und der Raubkäfer vorgefunden haben mag. Fassen wir die besprochenen Verhältnisse kurz zusammen. Die spezifische Variation der Blatthornkäfer äussert sich vornehm- lich darin, dass im Laufe der Stammesgeschichte die geschlechts- nen Onitis-Arten: Vorderschenkel des 9’ mit wunderlich geformten Fortsätzen bewehrt. 1) Unter dem Namen „Caraboidea“ werden gegenwärtig u. A. Sandkäfer, Laufkäfer, Schwimm-, Taumel- und Wasserkäfer in einer Unterordnung zusammen- gefasst. 93] ÜEBER SPEZIFISCHE VARIATION BEI ARSTHROPODEN. 4 bestimmenden Faktoren auf die Anlage bald dieses, bald jenes „vege- tativen“ Organs einen Einfluss erlangen konnten, ohne dass im Uebrigen im Gresammthabitus erhebliche Verschiebungen eingetreten sind. Im (regensatz zu dieser „spezifischen Labilität“ macht sich bei den Carabo- ideen in der besprochenen Richtung eine auffallende Stabilität be- merklich, indem hier mit dem Auftreten der männlichen Tendenz stets die Entwicklung eines ganz bestimmten sekundären Merk- mals im Zusammenhang steht. Diese verschiedene „spezifische Variation“ in beiden Gruppen tritt aber noch in anderer Weise hervor. Während im ÖOrganisationsplan der Blatthornkäfer Schutz- färbung und Schutzgestaltung keine wesentliche Rolle zu spielen scheinen, zeigt die zweitgenannte Gruppe in Färbung und Skulptur der Flügeldecken weitgehende Anpassungen an die Umgebung. Be- reits WALLACE!) hat von diesem Gesichtspunkt aus die hieher ge- hörige Familie der Sandkäfer beleuchtet und dabei der verschiedensten Färbungsabstufungen gedacht zwischen dem Broncegelb der auf san- digen Seegestaden lebenden Cicindela maritima und dem tief sammt- artigen Grün der Ü. gloriosa, welch letztere auf den malayischen Inseln auf nassen, moosigen Steinen lebt. Ich weise auch hin auf die auf den baumlosen Kuppen unserer Schwarzwaldberge weit ver- breitete Laufkäferform, Carabus arvensis, welche in ihren verschiedenen Nuancen zwischen Grün und Kupferroth in vortrefflicher Harmonie zum braunen Haideboden sich befindet. Diese Art pflegt am lichten Tage ihrer Beute nachzugehen und steht damit im Gegensatz zu einer Anzahl schwarz und dunkelviolett gefärbter Verwandten. Un- beschadet der Wahrung des Gesammthabitus äussert sich also bei den Laufkäfern die „spezifische Variation“ hauptsächlich in Abände- rungen der Färbung und Skulptur der Flügeldecken ?). Noch mehr vielleicht als bei den Käfern und überhaupt bei den Insekten finden sich Belege für den eingangs ausgesprochenen Satz 1) A.R. WanrAcH, Beiträge zur Theorie der natürlichen Zuchtwahl. Deutsche Ausg. Erlangen 1870. S. 64. 2?) WALLAcH sagt (l. c., S. 113): „Da die Aussenbedeckung der Insekten mehr oder weniger solide und hornig ist, so sind sie im Stande, fast eine jede Ab- änderung zu erleiden, ohne irgend eine wesentliche Modifikation des inneren Baues.“ Bis zu welchem Grade Körperumrisse und Körperbedeckung die mannig- faltigsten Abänderungen erleiden können, ohne dass der Grundtypus der Organi- sation verloren geht, dafür liefert namentlich die Gruppe der Gespenstheu- schrecken mit ihren beiden Haupttypen, der Stab- und Blattheuschrecken, einen bemerkenswerthen Belege. e HäcKER: [94 in der Klasse der Krebsthiere. Gleichwie dort die Blatthornkäfer, so zeichnen sich auch hier einzelne Gruppen durch ihre weitgehende Tendenz zu sexueller Differenzirung aus. So ist z. B. bei den freilebenden Copepoden von den vorderen Antennen bis zum fünften Fusspaar kaum ein Extremitätenpaar vorhanden, das nicht bei dieser oder jener Form unter ihre Herrschaft gestellt ist. Dieser charak- teristische Zug in der Organisation der Copepoden erfährt aber eine unglaubliche Steigerung bei den parasitischen Formen, bei denen im Zusammenhang mit ihrer schmarotzenden Lebensweise die weit- gehendsten Deformirungen namentlich des weiblichen Körpers her- vortreten. Gewissermassen als Gegenbild zu der eben erwähnten Gruppe lässt sich eine andere Abtheilung der Crustaceen, die zehnfüssigen Krebse, mit den Laufkäfern in Parallele bringen. Wir haben es mit einer wohlbegrenzten Ordnung zu thun, die im Bau der wich- tigeren Organe eine grosse Gleichartigkeit aufweist und in welcher die äusseren Geschlechtsunterschiede im Wesentlichen auf das Ab- domen und seine Anhänge beschränkt sind. Während also hier die- jenigen Einrichtungen, welche der Erhaltung der Art dienen, weniger als formverändernde Elemente auftreten, zeigt sich eine Reihe von Anpassungen und Instinkten, welche mehr auf die Erhaltung des Individuums abzielen. Besonders bei den kurzschwänzigen De- kapoden oder Krabben lässt sich stufenweise die Entwicklung von solchen Einrichtungen und Instinkten verfolgen, welche dem Thiere am Meeresgrund Deckung gegen Sicht und Angriff gewähren. Einzelne Arten — namentlich unter den hochstehenden Bogen- krabben hat sich diese Form des Instinkts erhalten — verscharren sich oberflächlich in den Sand, verlassen aber bei allzu grosser An- näherung eines Gegners das provisorische Versteck und vertrauen der Beweglichkeit ihrer Beine. Eine Steigerung dieses Schutz- instinktes ist Hand in Hand mit der Weiterausbildung bestimmter Organe bei der Schamkrabbe (Calappa) eingetreten. Die Scheeren des ersten Thorakalbeinpaares sind bei dieser Form mächtig ent- wickelt, und indem sie sich dicht an den Körper anlegen, vermögen sie vollständig die Mund- und Brusttheile zu bedecken, so dass auf dieser Seite ein doppelter Panzer einen Angriff auf die an und für sich schwächeren Körperstellen abwehrt. Zugleich aber besitzt das Thier, wie die ersterwähnten Arten, den Instinkt, sich einzugraben. Meistens werden die schaufelförmigen Scheeren als diejenigen Glied- massen aufgefasst, mit Hülfe deren die Einscharrung vornehmlich 95] ÜEBER SPEZIFISCHE VARIATION BEI ÄRTHROPODEN. 6 vor sich geht'). Es scheint mir aber nach Beobachtung an lebenden Thieren ihre Mitwirkung eine mehr indirekte zu sein. Wenn näm- lich eine Krabbe im Begriff ist, sich einzugraben, so sieht man sie zuerst mit den säbelförmigen Gangbeinen den Boden lockern. Es erfolgen dann mit kurzen Pausen einzelne Stösse, während welcher das Thier ruckweise in den Boden versinkt und der Sand wallförmig im Umkreise seines Körpers emporquillt. Nach jedem einzelnen Ruck scheint sich das Thier gewissermassen aufzublähen, indem es mit den Scheeren den vorn liegenden Sand von sich wegdrückt und so einen freien Raum zwischen Scheeren und Körper entstehen lässt. Nunmehr setzen die Gangbeine ihre Arbeit fort und der aufgelockerte Sand mag dabei zum Theil in den Raum hinter den Scheeren herein- gescharrt werden. Beim nächsten Ruck schliessen sich die gelüfteten Schaufeln wieder eng an den Körper an und der dadurch erzeugte, nach abwärts gerichtete Wasserstrom treibt den gelockerten Sand zu allen Seiten aus der Höhlung heraus und im Umkreise des Thieres nach oben. Die Einscharrung vollzieht sich innerhalb weniger Se- kunden und so vollständig, dass nur noch der Scheitel mit den ge- stielten Augen hervorragt. In anderer Weise, gewissermassen eine noch höhere Ausbildungs- stufe des fraglichen Instinktes vertretend, passen sich die Drei- eckskrabben an die Umgebung an. Ein schwedischer Forscher, AURIVILLIUS, hat neuerdings diese Thiere untersucht und die Er- gebnisse seiner Beobachtungen in einer ausführlichen Arbeit nieder- gelegt ).. Direkt aus dem Meere entnommene Krabben dieser Formengruppe sind jedes Mal dicht mit Florideen, Polypen- und Moosthierstöcken und anderen Fremdkörpern bedeckt. Eine sorg- fältige Beobachtung gefangener Thiere liess nun AurıviLLıvs erkennen, dass sich dieselben selbstthätig mit den erwähnten Algen und Thier- kolonien bepflanzen. Wird einer Hyas ihre Bekleidung vollständig abgenommen, so geht sie, wenn ihr Gelegenheit geboten wird, sofort daran, sich von neuem zu maskiren. Stehen ihr z. B. Spongienstöcke zur Verfügung, so reisst sie mit den Scheeren kleine Stückchen ab und führt sie zunächst zum Munde, wo sie dieselben zwischen den äusseren Mundtheilen einige Sekunden hin- und herbewegt. Sodann t) R. ScHMIDTLEIN, Beobachtungen über die Lebensweise einiger Seethiere etc. Mitth. aus d. zool. Station z. Neapel. 1. Bd. 1879. S. 24. 2) Carl W. S. Aurıvıruıus, Die Maskirung der oxyrhynchen Dekapoden durch besondere Anpassungen ihres Körperbaues vermittelt. Kgl. Svensk. Vet.-Akad. Handl. 23. Bd. Stockholm. 7 HÄCKER: [96 bringt sie die Schwammstückchen nach der Dorsalfläche oder Seiten- gegend des Schildes oder auf die Oberfläche der Thorakalbeine, um sie daselbst durch Hin- und Herreiben zu befestigen. Die Befesti- gung erfolgt entweder auf derselben Seite, auf welcher sich die eben thätige Scheere befindet, innerhalb des bogenförmigen Bezirkes, der sich auf der Oberseite des Schildes von der Rostralspitze bis etwa in die Herzregion erstreckt, oder es werden die Stückchen unter dem Körper hindurch auf die Branchialregion oder Oberseite der Thorakalfüsse der anderen Seite gebracht. An den erwähnten Körperstellen und nur an diesen befinden sich besondere Angelhäkchen, welche zur Befestigung der Beklei- dung dienen. Diese eigenthümlichen sichelförmigen Gebilde sind an ihrer Umbiegungsstelle mit Seitenhäkchen versehen, wodurch die Fixirung eine höchst ausgiebige wird. In gleicher Weise werden auf dem Rücken der Hyas nach AurivırLıus Florideen, Hydroiden und Bryozoen befestigt. Auch Röhrenwürmer und Balaniden treten auf derselben auf, allein sie erweisen sich dadurch, dass sie auch an solchen Körperstellen sitzen, welche für die Scheeren nicht erreich- bar sind, als spontane Ansiedler. Demgemäss finden sie sich auch nur bei alten oder siechen Thieren, bei welchen der Panzerwechsel seltener eintritt. Eine ähnliche Selbstmaskirung lässt sich auch bei den übrigen Dreieckskrabben nachweisen ') und AurıvirLıus’ Meinung geht dahin, dass die Angelhäkchen, welche zur Befestigung der Bekleidung dienen, eine charakteristische Eigenthümlichkeit eben dieser Familie bilden. Eine Selbstmaskirung anderer Art findet sich bekanntlich bei den Rückenfüssern, für welche ich die Wollkrabbe (Dromia) als Beispiel vorführen möchte. Mit dem hoch eingelenkten vierten und fünften Beinpaar hält diese Krabbe einen Schwamm- oder Ascidien- stock über ihrem Rücken fest und trägt diesen lebenden Schirm bei ihren allerdings nicht ausgedehnten und wenig lebhaft ausgeführten Wanderungen mit sich herum. Ich habe selbst Gelegenheit gehabt, eine grössere Anzahl dieser Krabben zu halten und zu beobachten, uud habe mich davon überzeugen können, dass es sich um einen einfachen Schutzinstinkt handelt und nicht, wie bei dem bekannten Verhältniss zwischen Einsiedlerkrebs und Seeanemone, um eine 1) An grösseren Exemplaren von Maja kann man mit blossem Auge er- kennen, wie zweckmässig z. B. halmförmige, etwas schräg zur Mittellinie des Rückens befestigte Pflanzentheile durch die von beiden Seiten über sie herüber- greifenden Häkchen verankert sind. 97] UÜEBER SPEZIFISCHE VARIATIÖN BEI ÄRTHROPODEN. s eigentliche Symbiose. Allerdings leben Schwamm und Ascidien- kolonie auf dem Rücken der Krabbe ungestört fort, wachsen weiter und schmiegen sich dabei an die gewölbte Oberfläche der Krabbe an, geniessen auch zugleich den Vortheil eines öfteren Ortswechsels, allein der Instinkt der Krabbe ist keineswegs an eine bestimmte Art angewiesen. Ich habe dieselben Krabben hintereinander ver- schiedene Spezies von Synascidien und von Spongien !), dazwischen auch einmal einen durch Kalkalgenstückchen beschwerten Wachsklum- pen aufnehmen und herumtragen sehen. Ein gewisses Verständniss für zoologische Systematik, wie sie dem Einsiedlerkrebs entschieden zukommt, geht der Krabbe offenbar ab. Die Grösse und Form des aufgenommenen Stückes ist ihr, wenigstens in der Gefangenschaft, zunächst ganz gleichgiltig. Kleine Individuen verschwinden oft ganz unter der Masse des aufgeladenen Thierstocks, grössere begnügen sich im Nothfall damit, auf dem hintersten Theile des Thorax ein kleines Ascidienpolster mit sich herumzutragen. Die Aufnahme des lebenden Schirmes erfolgt unter höchst eigenthümlichen Manipula- tionen. Ein schalenförmiges Stück eines Ascidienstocks, welches, seine hohle Seite nach oben kehrend im Aquarium liegt, wird in der Weise aufgeladen, dass die Krabbe zunächst halb über die Höh- lung wegklettert, mit den vorderen Gliedmassenpaaren den jenseitigen Rand fasst, sich sodann, das ergriffene Stück festhaltend, nach hinten überschlägt und so auf den Rücken zu liegen kommt. Gleichzeitig geben die vorderen Gliedmassen das Stück nach hinten an das dritte bis fünfte Beinpaar ab und, unter kräftiger Mitwirkung namentlich des dritten Paares, wird die Haube über die kleinen Rückenfüsse geschoben, worauf sich die Krabbe seitwärts dreht und aufrichtet. Sehr häufig ergreift sie auch den Gegenstand mit dem nach hinten gerichteten dritten Beinpaar, führt dann kopfwärts einen regelrechten Purzelbaum aus und vollendet auf dem Rücken liegend die Befestig- ung in der oben angedeuteten Weise. Für den geringen Grad von Unterscheidungsvermögen, über welchen diese Krabbe verfügt, sprechen auch noch andere Züge. Sie versucht ein schwammüberzogenes Schneckenhaus, das die Be- hausung eines Einsiedlerkrebses bildet, in der gleichen Weise auf- !) Auf frisch dem Meere entnommenen Wollkrabben fand ich in Neapel ausser Suberites die verschiedensten Synascidien, Distaplia, Didemnoides, Ama- roecium, Aplidium, Polycyclus; namentlich häufig trugen sie eine in gelben, dunkelblauen und schwärzlichen Abarten vorkommende Didemnoides - Form welche ich nicht näher zu bestimmen vermochte. Berichte VI. Heft 3. | 1) HäcKER: [98 zunehmen, wie einen Ascidienstock, unbekimmert darum, dass der rechtmässige Eigenthümer aus seinem Gelass heraus seine Vertheidi- gungswaffen in Thätigkeit setzt; sie lässt sich sogar, mit den Klauen des mittleren Beinpaares an das Schneckenhaus angeklammert, ge- raume Zeit apathisch von dem Krebse herumschleppen, wenn dieser dem lästigen Eindringling durch die Flucht zu entkommen sucht. Häufig sieht man auch ein grösseres Individuum einen Ascidien- stock sammt der kleinen Artgenossin, welche sich zuvor in den Besitz desselben gesetzt hat, aufnehmen, so dass letztere in hülfloser Weise auf dem Rücken des Usurpators baumelt. Ich habe in keinem Fall beobachten können, dass die Krabbe bei dem Versuch einer Besitzergreifung zuvor den seitherigen Inhaber gewaltsam zu vertrei- ben sucht. Mögen nun vielleicht auch die nicht ganz naturgemässen Verhältnisse, unter denen sich die Thiere im Aquarium befinden, von einem gewissen Einfluss sein, jedenfalls geht aus allem hervor, dass der Instinkt der Wollkrabbe ein verhältnissmässig noch roher und unentwickelter ist, und man könnte sich die Frage vorlegen, wie derselbe wohl zu Stande kam. Interessant ist in dieser Beziehung eine Mittheilung des schwedischen Forschers über seine Hyas: In ein mit Algen und Spongien versehenes Aquarium wurden mehrere mit Florideen bekleidete Krabben gebracht. Nach einiger Zeit stellte sich heraus, dass einzelne derselben an Stelle ihrer pflanzlichen Be- deekung Spongienstückchen aufgenommen hatten. Diese neu mas- kirten Thiere zeigten aber stets gegenüber den übrigen, noch mit Algen bedeckten insoferne ein auffallendes Verhalten, als sie sich mit dem nach hinten gerichteten vierten und fünften Beinpaar an den im Aquarium befindlichen, festsitzenden Spongienstöcken fest- klammerten, und indem sie so bewegungslos dicht vor denselben vor Anker lagen, gewissermassen die Wirkung ihrer eigenen Spongien- bekleidung verstärkten. Man kann sich vorstellen, dass frühe Vor- fahren der Wollkrabbe in gleicher Weise mit den beiden auf den Rücken gerückten Beinpaaren an irgend einen über den Boden her- vorragenden Thierstock sich anklammerten und so durch dieses diehte sich Anschmiegen an einen erhabenen Gegenstand ihre äussere Form weniger auffallend machten. Allmählich bildete sich dann wohl der Instinkt in der Richtung weiter, dass die Krabben irgend welche lockere oder freiliegende Fremdkörper aufnehmen , wie dies z. B. für die Dorippe lanata und für die mit Muschelschalen sich mas- kirende Hypoconcha gilt. Endlich lösten sie selbstthätig mit den Scheeren Stücke von Thierkolonien los und passten deren Form ei ÜRBER SPEZIFISCHE VARIATION BEI ÄRTHROPODEN,. 10 durch festes Andrücken in zweckentsprechender Weise ihrer ge- wölbten Oberfläche an. Als ich die Dromia genauer untersuchte, fand ich am vorderen Rande des Rückenschildes, welcher gewöhnlich nicht mehr von dem aufgenommenen Fremdkörper bedeckt ist, sowie auf der Oberseite der vorderen Beinpaare die nämlichen Angelhäkchen, welche Aurivittius bei den Dreieckskrabben beschreibt und als Eigen- thümlichkeit dieser Gruppe betrachten zu können glaubt. In Fig. A ist ein derartiges sichelförmiges Haar des Stirnrandes abgebildet: Fig. B. man erkennt in den unteren Partieen eine helle äussere und eine undurchsichtige innere Schicht, welche von einander scharf getrennt sind, sowie ein die ganze Länge des Grebildes durchziehendes Lumen, dessen körniger Inhalt, wie der Längsschnitt (Fig. B) zeigt, mit den zipfelförmigen Plasmafortsätzen der Matrixzellen im Zusammenhang steht. Die Art, wie das Haar in der Chitinbedeckung der Körper- wand eingelenkt ist, ist gleichfalls aus dem Längsschnitt ersichtlich. An der umgebogenen Hälfte des Haares zeigt die Chitinsubstanz, oberflächlich gesehen, eine faserige Struktur und an der oberen Kante der Sichel ist sie in zapfenförmige, senkrecht zum Lumen gestellte Pallisaden zerklüftet. An der Umbiegungsstelle befinden sich des Weiteren zahlreiche Seitenborsten, welche allerlei Detritus, Foraminiferenschalen, Copepodenhäute u. A. festhalten. Es fragt sich nun, ob auch hier die charakteristische Krümmung dieser Gebilde irgend einem besonderen Zwecke dient. Ein solcher ist nun allerdings nicht ohne Weiteres einzusehen, da ein gerades 1 11 HÄCKER: ÜkBER SPEZIFISCHE VARIATION BEI ÄRTHROPODEN. [100 befiedertes Haar den zur Bildung einer Schutzkruste dienenden Detritus kaum weniger gut festhalten würde, als ein gekrümmtes. Wohl aber legt ein Vergleich mit den Dreieckskrabben, wo das Auftreten ebenso geformter Angelhäkchen Hand in Hand mit der Ausbildung eines bestimmten Instinkts geht, die Vermuthung nahe, dass auch bei den Vorfahren der Dromia die Angelhäkchen einmal eine ähnliche Funktion hatten, nämlich die Befestigung einer aus- giebigeren, aus Hydroiden, Bryozoen und Florideen bestehenden Bedeckung zu erleichtern. Damit dass die hinteren Beinpaare all- mählich die Funktion erhielten, grössere Thierstöcke auf dem Rücken festzuhalten, haben sich allmählich die auf dem Rücken befindlichen Angelhaare zurück gebildet, und nur auf dem Stirntheil, der meistens ungeschützt bleibt, und auf der Oberseite der vorderen Beinpaare haben sich dieselben in ihrer eigenthümlichen Form erhalten, freilich ohne mehr ihre ursprüngliche Funktion in vollem Umfang auszuüben. Ich möchte zum Schluss noch auf einen Punkt aufmerksam machen. Vielfach wird neuerdings angenommen, dass die Krabben diphyletisch aus den Langschwänzen, bezw. den Anomuren her- vorgegangen sind. Gewisse anatomische Merkmale lassen darauf schliessen und namentlich ist es die larvale Entwicklung, welche darauf hinzuweisen scheint, dass die Rückenfüsser, zu welchen Dromia gehört, eine selbständig entstandene oder jedenfalls früh selbständig gewordene Reihe darstellen. Die Rückenfüsserlarve schliesst sich an die Anomurenlarve viel direkter an, während die übrigen Krabben- larven sich durch bestimmte Merkmale, das Auftreten eines Dorsal- stachels und die späte Entwicklung des dritten Maxillarfusses unter- scheiden. Wenn nun die Rückenfüsser selbständig entstanden sind, so können natürlich auch die erwähnten Instinkte und Anpassungen nicht in direkten Zusammenhang mit denen anderer Krabben ge- bracht werden und wir haben es offenbar mit einer Parallelentwick- lung zu thun, die aber um so interessanter ist, als anscheinend im Lauf der Vorfahrenreihe unserer Dromia hintereinander zwei verschiedene Arten von Maskirung sich gefolgt sind. Es würde dies als ein Beleg für den vorausgeschickten Satz aufzu- fassen sein, dass, wo einmal irgend eine bestimmte Anpassungstendenz vorhanden ist, dieselbe den mannigfaltigsten Ausdruck zu finden und die verschiedenartigsten Organe in ihren Dienst zu stellen pflegt, so zwar, dass, wie es bei Dromia der Fall zu sein scheint, im Lauf der Phylogenie eine Form fallen gelassen und durch eine zweite, derselben Kategorie zugehörige Anpassung abgelöst werden kann. 101] 1 Kritik einiger Fälle von scheinbarer Vererbung von Verletzungen. Von Dr. O. vom Rath. Wenn man darüber discutirt, ob die ım individuellen Leben erworbenen Eigenschaften sich vererben, wird gewöhnlich zunächst die Specialfrage') erörtert, ob für Verletzungen und Verstümme- lungen eine Vererbung angenommen werden darf. In verschiedenen Schriften hat WEISMANN (32) gezeigt, dass die bisher bekannt ge- wordenen Fälle von angeblicher Vererbung von Verletzungen vor einer sorgfältigen Kritik nicht Stand halten, und weit davon entfernt sind, als einwurfsfreie Beweise gelten zu können. Es ist bei der Beurtheilung solcher Fälle um so grössere Vorsicht nöthig, weil es häufig recht schwer zu entscheiden ist, ob die bei dem väterlichen oder mütterlichen Individuum vorhandene Abnormität wirklich durch einen äusseren Eingriff verursacht oder aber als angeborene (blasto- gene) Keimesvariation entstanden ist. Von denjenigen Autoren, welche eime Vererbung erworbener Eigenschaften leugnen, nähert sich am meisten der Pathologe E. ZIEGLER (35) der WEISMAnN’schen Anschauungsweise, und seine werthvollen Schriften, in welchen er !) Die Specialfrage von der Vererbung von Verletzungen ist von der grössten Wichtigkeit, da ein einziger völlig einwurfsfreier Fall einer solchen Ver- erbung genügen würde, die gesammte Frage von der Vererbung erwor- bener Eigenschaften endgültig zu entscheiden, da dann auch die Möglich- keit der Vererbung sämmtlicher im individuellen Leben erworbener Eigen- schaften in physischer wie in intelleetueller Beziehung zugegeben werden müsste. Beiläufig möchte ich hier erwähnen, dass gegenwärtig einige Autoren und mit ihnen ein Theil der gebildeten Laien geneigt sind, eine Vererbung von ein- maligen Verletzungen und Verstümmelungen in Abrede zu stellen, dagegen eine Vererbung von erworbenen Eigenschaften im Grossen und Ganzen für möglich zu halten, 2 von RarH: [102 a die neuesten Arbeiten über Vererbung und Abstammungslehre und ihre Bedeutung für die Pathologie bespricht, bilden wichtige Er- sänzungen zu den WEISMAnN’schen Arbeiten. Unter anderem betont E. ZıEGLER, „dass im Einzelleben erworbene pathologische Eigen- schaften sich nicht vererben, und dass die erste Entstehung vererb- barer Krankheiten und Missbildungen nicht in der Erwerbung ent- sprechender Veränderungen während des Lebens Eines der Eltern, sondern in Keimesvariationen zu suchen sei.“ Es liegt nun keineswegs in meiner Absicht, auf die umfangreiche hierher gehörige Literatur!) einzugehen, der Zweck meines Aufsatzes ist vielmehr der, einige interessante Fälle von scheinbarer Vererbung von Verletzungen mitzutheilen, die ich aus eigener Anschauung kennen lernte und sorgfältig prüfen konnte. Wenn nun auch einige dieser Fälle eine definitive Entscheidung nicht zulassen, dürfte es doch nicht unnütz sein sie zu erörtern, da gerade an solchen Beispielen, die auf den ersten Blick gar keinen Zweifel an der Thatsache einer solchen Vererbung aufkommen lassen, am besten gezeigt werden kann, mit welcher peinlichen Sorgfalt ein unparteiischer Beobachter den wahren Sachverhalt prüfen und beurtheilen muss. Bevor ich nun mit meiner Beschreibung beginne, will ich darauf hinweisen, dass von den Autoren der Ausdruck erworbene Eigen- schaften vielfach in ganz verschiedenem Sinne verwendet wird. WEIS- MANN hat sich hierüber folgendermassen geäussert: „Da die Bezeichnung von erworbenen Charakteren nicht von Allen in dem scharf um- grenzten Sinn genommen wird, in dem sie von Zoologen und Bo- tanikern gebraucht wird, so schlug ich vor, in Fällen, wo ein Miss- verstehen möglich ist, statt erworben das Wort somatogen zu gebrauchen, d. h. vom Körper-Soma im Gegensatz zur Keimes- substanz ausgegangen, solche Eigenschaften aber, die aus der Be- schaffenheit des Keimes hervorgegangen sind als blastogene. Wenn man einem Menschen einen Finger abschneidet, so ist seine Vier- fingrigkeit eme somatogene oder erworbene Eigenschaft; wenn !) Ich verweise in erster Linie auf die im nachstehenden Literaturver- zeichniss genannten wichtigen Arbeiten von WEISMANN (32), ZIEGLER (35), Emer (9), KoELLIKER (16), VırcHow (28), Craus (5) und anderer Autoren. Bei- läufig möchte ich noch daran erinnern, dass vor zwei Jahren die Frage von der Erblichkeit erworbener Eigenschaften von van BEMMELEN (1) in einer historisch- kritischen Untersuchung unter Hinweis des von WEISMANN eingenommenen Standpunktes aus, unter Berücksichtigung der wichtigsten Literatur, im klarer und treffender Weise besprochen wurde. 103] KRITIK EINIGER FÄLLE VON SCHEINBARER VERERBUNG VON VERLETZUNGEN. 3 dagegen ein Kind mit sechs Fingern geboren wird, so muss diese Sechsfingrigkeit aus einer eigenthümlichen Beschaffenheit der Keimes- substanz!) hervorgegangen sein, sie ist also eine blastogene Eigen- schaft.“ Ich werde mich in meiner Beschreibung der WEIsMAanN’schen Ausdrucksweise anschliessen. Der Sachverhalt des ersten Falles ist folgender: In einer mir nahestehenden Familie wurde ein in jeder Beziehung tadelloses Hunde- pärchen (Terrier) gehalten, von welchem Männchen wie Weibchen nachgewiesener Weise von vollkommen normalen Eltern abstammten, und die ihrerseits in mehreren Würfen stets normale Junge erzeugt hatten. Durch einen unglücklichen Sturz erlitt gelegentlich das Männchen einen Bruch des oberen Theiles des rechten humerus, demzufolge bis auf den heutigen Tag eine mit beständigem Hinken verbundene eigenthümliche Stellung der beschädigten Extremität zu- rückblieb. Bei dem nächsten Wurfe, der einige Zeit nach voll- kommener Heilung des Vaters erfolgte, wurden drei Junge geboren, ein Weibchen und zwei Männchen. Das vollkommen normale junge Weibchen starb bald nach der Geburt und kurz darauf verendete auch die Mutter. Von den beiden jungen Männchen war das eine !) Die Frage ob zwischen Keimzellen und Somazellen ein so scharfer und principieller Unterschied gemacht werden darf, wie es WEISMANN betont, sodass den Somazellen jede Spur von Keimplasma abgeht, ist bekanntlich von den Autoren in verschiedenem Sinne beantwortet und beispielsweise von KOELLIKER (16) entschieden verneint worden. Dass übrigens bei niederen Pflanzen der Unterschied zwischen somatischen und Propagationszellen noch gering sein kann, ist von WeEıIsmanN selbst wie folet ausgesprochen worden (Biol. Centralbl. Bd. X Nr. 1 u. 2): „DE Vrıes (29), der ausgezeichnete Botaniker hat darauf hin- gewiesen, dass gewisse Bestandtheile des Zellkörpers, z. B. die Chromatophoren der Algen, direct von der mütterlichen Eizelle auf den Tochterorganismus über- tragen werden, während die männliche Keimzelle gewöhnlich keine Chromato- phoren enthält. Hier wäre also, wie es scheint, eine Vererbung somatogener Variationen möglich. Bei diesen niederen Pflanzen ist eben der Unterschied zwischen somatischen und Propagationszellen noch gering und der Körper der Eizelle braucht nicht eine völlige Umwandlung in chemischer und structureller Beziehung zu erleiden, wenn er sich zum Körper der somatischen Zellen des Tochter-Individuums entwickelt. Was hat das aber zu thun mit dem Problem, ob z. B. der Klavierspieler durch Uebung erzielte Kräftigung seiner Finger- muskeln auf seine Nachkommen vererben kann? Wie gelangt dieses Uebungs- resultat in seine Keimzellen? Darin liegt das Räthsel, welches Diejenigen zu lösen haben, welche eine Vererbung somatogener Charaktere behaupten.“ Diese Specialfrage kommt übrigens für unsere Zwecke weniger in Betracht, da man die Frage der Vererbung erworbener Eigenschaften zunächst als eine rein em- pirische betrachten kann. +1 vom RATH: [104 in jeder Beziehung normal gebaut und in Färbung und Gestalt das treue Ebenbild der Mutter, während das andere Männchen nicht nur auf das genaueste dem Vater glich, sondern auch wie dieser ein abnorm gestelltes rechtes Vorderbein besass und auf diesem Beine von Geburt an bis auf den heutigen Tag, wo das Thier längst ausgewachsen ist, beständig hinkt. Sämmtliche Augenzeugen waren bei dem Anblick dieser Hunde von der Thatsache einer Vererbung einer einmaligen Verletzung vollkommen überzeugt. Mein Augenmerk war begreiflicher Weise sofort darauf gerichtet festzustellen, ob sich wirklich die in Rede stehenden Eigenthümlich- keiten bei Vater und Sohn genau entsprachen. Zunächst consta- tirte ich, dass bei dem Vaterhunde das rechte Vorderbein seit dem Sturze von dem linken wesentlich verschieden war und stets blieb und, dass das Thier auf diesem Beine beständig und in stets gleicher Weise hinkte. Eine gewisse Schwäche und grosse Empfindlichkeit ist in der gesammten Schultergegend und zumal an der Stelle, an welcher die Verletzung stattgefunden hatte, auch noch heute bemerk- bar und ist in ganz auffallender Weise die gesammte Muskulatur am humerus zurückgebildet. Die Stellung des verletzten Beines (besonders vom Ellenbogengelenk abwärts) weicht in eigenthümlicher Art von der des unverletzten linken Beines ab. Die gesammte Ex- tremität hat ein vollkommen verkrüppeltes Aussehen und ist der scheinbar verkürzte Unterarm und Fuss dieses rechten Vorderbeines unverkennbar O-förmig gestellt und die gesammte Extremität auf- fallend nach innen verdreht. Die Untersuchung des hinkenden jungen Hundes ergab Folgen- des: An dem rechten Vorderbeine konnte ich trotz sorgfältiger Be- fühlung eine empfindliche Stelle oder eine Abnormität des humerus oder der Muskulatur nicht ausfindig machen, vielmehr ist dies rechte Vorderbein dem linken äusserlich vollkommen gleich, aber entschieden anders gestellt: wie dieses. Während nun bei dem Vaterhunde das rechte Bein O-förmig und der Fuss nach innen gerichtet ist, lässt das entsprechende Bein des jungen Hundes genau die umgekehrte Tendenz der Stellung erkennen, es ist eher X-förmig gestellt und der Fuss nach aussen gerichtet, aber lange nicht in dem Masse als der entsprechende Fuss des Vaters nach innen. Es fällt der Unterschied in der Beinstellung der beiden jungen Hunde, wenn man diese neben einander beobachtet, lange nicht so. auf, als wenn man den Vater- hund und den hinkenden Sohn neben einander vergleicht. Bei den meist recht lebhaften Bewegungen der Thiere tritt der Unterschied 1 05] KRITIK EINIGER FÄLLE VON SCHEINBARER VERERBUNG VON V ERLETZUNGEN. 5 in der Beinstellung übrigens nicht so deutlich zu Tage, als wenn die Thiere sich langsam bewegen oder still stehen. Zur Beurtheilung des Falles ist zunächst zu constatiren, dass die eventuell als vererbt aufzufassende Abnormität des jungen Hundes mit der erworbenen Deformität des väterlichen Hundes in mehr- facher Beziehung, insbesondere in Hinsicht auf die Beinstellung, nicht übereinstimmt. Es ist, wie mir scheint, eine zweifache Deutung des Falles möglich. Entweder man nimmt an, dass die Abnormität des jungen Hundes ohne jede Vererbung als eine, in ihren Ursachen nicht weiter verfolgbare Keimesvariation aufgetreten sei, und, dass ein Fall von Vererbung nur scheinbar entstanden sei, weil zufällig das väterliche Thier an demselben Beine eine erworbene Abnormität zeigte, an welchem bei dem jungen Thier eine Abnormität durch Variation auftrat, oder aber man betrachtet die erworbene Abnor- ınität des väterlichen Thieres als die Ursache der angeborenen Ab- normität des jungen Hundes; dann ist aber wohl zu beachten, dass die vererbte Eigenthümlichkeit der ursprünglichen recht wenig ähn- lich ist; es würde folglich nur eine gewisse Beeinflussung vorliegen, aber nicht eine derartige Vererbung, wie wir sie bei individuellen Variationen (blastogenen Abänderungen) wahrnehmen, bei welchen die vererbte Eigenthümlichkeit von der vererbenden vielleicht graduell verschieden, aber ihr immer ähnlich ist. Was das Hinken bei den beiden Hunden angeht, so glaube ich nicht, dass man diesem Umstande eine grössere Bedeutung beilegen darf. Beide Hunde hinken zwar auf demselben Beine, der Vater stets gleichmässig, der Sohn bald stärker, bald schwächer und oft kaum merklich, damit ist aber keineswegs gesagt, dass dem Hinken beider Thiere auch die gleiche Ursache zu Grunde liegt; bekannt- lich hinken Vierfüssler und zumal Hunde und Pferde m Folge der aller verschiedenartigsten Ursachen und es ist meist recht schwer, den eigentlichen Grund dieses Hinkens ausfindig zu machen. Im vorliegenden Falle ist beim Vaterhunde das Hinken offenbar eine Folge des Sturzes; bei dem Sohn ist es mir ebensowenig wie anderen Untersuchern gelungen, den wahren Grund zu ermitteln, da nirgendwo eine schmerzhafte Stelle am gesammten Körper zu entdecken war. Der folgende Fall ist so einfach und klar, dass über seine Deu- tung kein Zweifel obwalten kann. Ein Herr S., ein vollkommen normal und wohl proportionirt gebauter Mann, hatte von ‚Jugend auf die Gewohnheit, seine rechte Fussspitze in stets gleicher Weise mehr nach aussen zu setzen wie die linke, ein Umstand, der zumal 6 vom RATH: l 106 beim Tanzen auffiel und gleichfalls deutlich bei den im Schnee oder feuchten Boden hinterlassenen Spuren hervortrat. Diese Gewohn- heit haben seine sämmtlichen Kinder (drei Söhne) geerbt, nur mit dem Unterschiede, dass bei ihnen ausser dem rechten auch der linke Fuss in stets gleicher auffälliger Weise nach aussen gerichtet ist. Da nun der Vater des Herrn S. als junger Mann in Folge eines Schlaganfalls eine Lähmungserscheinung des rechten Beines zurück- behielt, derzufolge dies Bein mit auftallend nach aussen gerichtetem Fusse nachgeschleppt wurde, so nahm man an, dass die vom alten Herrn 8. erworbene (somatogene) Eigenschaft des nach aussen ge- richteten rechten Fusses sich auf seinen Sohn und in einem ver- stärkten Masse auch auf die drei Enkel vererbt habe. Da ich der betreffenden Familie nahe stehe, war es mir leicht die nothwendigen Erkundigungen einzuziehen, und ich konnte feststellen, dass Herr S. junior schon einige Jahre alt war, als sein Vater den Schlaganfall erlitt und ferner, dass der alte Herr S. von Jugend auf über eine gewisse Schwäche in dem rechten Beine geklagt hat, und erst durch den Schlaganfall eine wesentliche Verschlimmerung im Gesammt- zustand des Beines auftrat. Will man nun den nach aussen ge- richteten Fuss des Herrn S. junior mit dem Gebrechen seines Vaters in Beziehung bringen, was nach meiner Ansicht gar nicht noth- wendig ist, so kann es sich hier nur um eine bei Vater und Sohn angeborene, also blastogene, aber keineswegs somatogene Eigen- schaft handeln. Derartige Gewohnheiten von eigenthümlichen Fuss- stellungen treten nicht selten plötzlich und ohne sichtbaren Grund bei irgend welcher Person auf, ohne dass jemals in der Familie der- selben ein ähnlicher Fall bekannt geworden wäre. Ich kenne eben- falls einen Herrn, der von Jugend auf die Gewohnheit hat, seinen rechten Fuss stets in auffallender Weise nach innen zu setzen, so dass man scherzhaft von demselben sagte, er habe zwei linke Füsse, aber weder bei den Eltern, Geschwistern, Kindern, noch sonstigen Verwandten des Betreffenden ist je eine besondere Neigung zu einer auffälligen Fussstellung bemerkt worden. Der aäritte Fall, über welchen ich jetzt berichten werde, kam zu meiner Kenntniss, als in meiner Familie in Folge der eben ge- schilderten Beispiele die Frage von der Vererbung von Verletzungen lebhaft diskutirt wurde und so wurde mir dieser Fall als ein ganz untrüglicher Beweis von der Möglichkeit ja Thatsache einer solchen Vererbung vorgehalten. Dieser Fall ist um so imteressanter, als es sich um die schembare Vererbung eines „Schmisses“ handelt. 107] KRITIK EINIGER FÄLLE VON SCHEINBARER VERERBUNG VON VERLETZUNGEN. rl Ein Herr H. hatte als Student auf seiner rechten Wange einen in verticaler Richtung verlaufenden bedeutenden Säbelhieb davon- getragen und für seine ganze Lebenszeit eine auffallende Narbe zurück- behalten. Da nun von den Kindern des betreffenden Herrn eine Tochter genau an derselben Stelle der rechten Wange ein Mutter- mal in Form einer feinen rothen Schmarre von der Länge der Narbe des Vaters mit auf die Welt brachte, nahm man keinen Anstand, dieses Mal mit dem Schmiss des Vaters in genetischen Zusammen- hang zu bringen, und, da obendrein von den fünf Kindern dieser Dame ein Sohn ebenfalls genau an derselben Stelle wie seine Mutter von Geburt an ein gleich langes Mal besass, zweifelte man keinen Augenblick daran, dass die Narbe des Grossvaters, eine erworbene (somatogene) Eigenschaft sich auf die Tochter und den Enkel ver- erbt habe. So überzeugend nun auch dieser Fall auf den ersten Blick zu sein scheint, so dürfte er doch weit davon entfernt sein, einen wirklichen einwurfsfreien Beweis von der Vererbung einer Ver- letzung zu liefern. Zunächst möchte ich nicht zu erwähnen unterlassen, dass ich die in Rede stehende Familie seit langen Jahren kenne, ohne dass mir jemals dies eigenthümliche „ererbte“ Mal bei der Dame oder ihrem Sohne aufgefallen wäre, bis ich auf dasselbe aufmerksam ge- macht wurde und die thatsächliche Existenz desselben constatiren konnte. Bei der Dame wie ihrem Sohne ist in den ersten Lebens- jahren dies charakteristische Familienmal sehr auffallend gewesen; es hat sich ‘dann nach und nach verwischt, ohne aber völlig ge- schwunden zu sein. Die alte Frau H. (die Grossmutter des be- treffenden jungen Herrn) lebt noch und hat nach ihrer eigenen Aussage auf der rechten Wange nie ein solches Mal besessen, zur Zeit fehlt sicherlich jede Spur hiervon, so dass man an eine Ver- erbung seitens des Grossvaters (des alten Herrn H.) zu denken ge- neigt sein wird. Leider ist dieser Herr seit langen Jahren verstorben und es war mir leider unmöglich, festzustellen, ob derselbe nicht auch schon von Geburt an ein solches Mal auf seiner rechten Wange besessen hat, dessen Existenz allmählich in Vergessenheit!) gerathen !) Wie leicht solche angeborene Male und zumal wenn dieselben nur in frühester Kindheit auffallen vergessen werden können, ersehen wir aus folgen- der Schilderung. Der in Rede stehende junge Mann, der wie sein Grossvater links focht und gleichfalls auf seiner rechten Wange und der Stirne eine ganze Anzahl von Schmissen davongetragen hat, ist zur Zeit Vater von zwei Kindern, die von dem Familienmal keine Spur erkennen lassen. Die junge Frau dieses g vom RatH: [108 ist, zumal als auf dieser Wange die grosse Narbe und eine Anzahl kleinerer Schmisse hinzutraten. Ausser dieser Möglichkeit darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass nicht selten eigenthümliche Merk- male von Kindern mit auf die Welt gebracht werden, ohne dass jemals in der betreffenden Familie oder bei Verwandten dieselben oder ähnliche Merkmale beobachtet wären. Dass dann auch ein- mal ein solches Mal bei einem Kinde genau an einer Stelle sein kann, an welcher der Vater einen Schmiss besitzt, hat eigentlich gar nichts überraschendes oder gar wunderbares an sich. In ähn- lichem Sinne hat sich früher schon WEISMANN ausgesprochen, ehe überhaupt ein solcher Fall von scheinbarer Vererbung eines Schmisses vorgelegen hat. „So will ich auch nicht bezweifeln, sagt Weiıs- MANN, dass unter den vielen Tausenden von Studirten, deren Ge- sicht von sog. Schmissen geziert ist, auch einmal einer sich befinden könnte, dessen Sohn an der nämlichen Stelle ein Muttermal hat, an welcher beim Vater die Narbe sich befindet. Es kommen ja mancherlei Muttermäler vor, warum nicht auch einmal eines gerade an dieser Stelle und gerade von der Gestalt emer Narbe? Dann hätten wir also einen Fall, wie ihn sich die Anhänger der Lehre von der Ver- erbung erworbener Eigenschaften längst gewünscht haben, einen Fall, von dem sie meinten, er würde allein schon genügen, um das ganze (sebäude der Gegner über den Haufen zu werfen. Aber inwiefern Herrn, die ich als Verwandte von frühester Kindheit an kenne, hat auf ihrer Stirn und dem behaarten Theile des Kopfes eine etwa sechs Centimeter lange röthliche Schmarre mit auf die Welt gebracht, während weder bei ihren Gross- eltern, Eltern, Geschwistern noch sonstigen Verwandten jemals ein derartiges Mal aufgetreten ist. Nach und nach ist dieses Muttermal ziemlich undeutlich geworden und obendrein dadurch, dass absichtlich dem Kinde das Lockenhaar in die von Natur aus auffallend hohe Stirn hineingekämmt wurde, vollkommen in Vergessenheit gerathen. Ich habe mich persönlich davon überzeugt, dass weder die Geschwister der jungen Frau noch ihr Gatte und sonstige Angehörige von der Existenz des Males eine Ahnung hatten, ja dass die Dame selbst nichts davon wusste und nur durch die Versicherunger ihrer Mutter, welche meine indisereten Angaben bestätigte, sich von dem thatsächlichen Vorhandensein dieses Males überzeugen liess; zur Zeit ist übrigens nur noch eine ganz schwache, kaum wahrnehmbare Spur dieses Males zu erkennen. Hätte nun ein Kind dieses Ehepaares irgend welches Mal auf der Stirn mit auf die Welt gebracht, würde man sicherlich dieses Zeichen mit einem der Stirnschmisse des Vaters in genetischen Zusammenhang gebracht haben, da das angeborene Mal auf der Stirne der Mutter längst in Vergessenheit gerathen war, man hätte also mit grosser Wahrscheinlichkeit fälschlich von der Vererbung eines Schmisses ge- sprochen. 109] KRITIK EINIGER FÄLLE VON SCHEINBARER VERERBUNG VON VERLETZUNGEN. ü wäre denn ein solcher Fall, wenn er wirklich nachgewiesen würde, mehr im Stande, die behauptete Art der Vererbung zu erweisen, als jener von v. BAER erzählte Fall, die Behauptung vom Versehen ')? Ich meine in der ganz ausserordentlichen Seltenheit solcher Fälle liegt ein starker Hinweis darauf, dass es sich um ein zufälliges Zu- sammentreffen handelt, nicht um ein Kausales. Könnten wirklich Schmisse vererbt werden, so müssten wir erwarten, solchen der väter- lichen Narbe correspondirenden Muttermälern sehr häufig zu be- gegnen, in nahezu allen Fällen nämlich, in denen der Sohn die Ge- sichtsbildung des Vaters geerbt hat.“ Aus der vorstehenden Schilderung haben wir ersehen, dass die von mir beschriebenen scheinbar so überzeugenden Fälle von der Vererbung einmaliger Verletzungen sicherlich nicht zu Gunsten dieser Theorie sprechen und nichts weniger. als beweiskräftig sind; sie schliessen sich zum Theil den von WeEısumanN besprochenen Fällen an, !) Beiläufig möchte ich erwähnen, wie verbreitet immer noch der Glaube vom Versehen schwangerer Frauen auch in den Kreisen der sogenannten Ge- bildeten ist, und ich möchte foleenden Fall der sich gleichfalls in einer be- kannten Familie ereignet hat nur als Curiosum mittheilen. Ein Herr X. fuhr mit seiner Tochter, die im vierten Monate schwanger war, spazieren. Durch einen unglücklichen Zufall gerieth der Lieblingshund der jungen Frau unter die Räder und wurde grässlich verstümmelt. Bei dem An- blich des stark blutenden Thieres machte die entsetzte Dame unwillkürlich eine Bewegung mit der rechten Hand nach der Kreuzgesend und siehe da, das rechtzeitig geborene vollkommen normale Kind hatte in der Kreuzgegend einen grossen blutrothen Fleck! Herr X. versicherte mir, dass weder in seiner Fa- milie noch in der seiner Frau jemals ein ähnliches Muttermal vorgekommen sei, und so war man sich darüber einig, dass dies rothe Mal des Kindes mit der Bewegung der Mutter beim Anblick des blutenden Hundes in directer Be- ziehung stehen müsse. Ich konnte der Familie nur meine besten Glückwünsche aussprechen, dass die junge Frau soviel mit zarter Mutterliebe gepaarte Geistes- gegenwart besessen habe, dass sie die Handbewegung gerade in die Kreuz- gegend gemacht, denn hätte sie, wie es bei schrecklichen Anblicken die Regel zu sein pflegt, sich mit der Hand die Augen bedeckt, so hätte das Kind eine eigenthümliche Zierde des Gesichtes etwa in der Gestalt einer blutrothen Nase mit auf die Welt bringen müssen. Näher auf die Unmöglichkeit eines Versehens Schwangerer einzugehen halte ich für überflüssig, ist es doch zur Genüge bekannt, dass von dem Augenblick der Befruchtung des Eies durch das Spermatozoon über das Geschick des Embryo sowohl was seine Gestalt als seine Einzelanlagen angeht entschieden ist. Selbstverständlich werden bei dem innigen Zusammenhange der Frucht mit der Mutter Erkrankungen letzterer, welche den Gesammtorganismus betreffen auch störend auf den Embryo einwirken, aber weder schöne noch hässliche Anblicke seitens der Schwangeren können an der Gestalt des Embryo die geringste Veränderung hervorrufen. 10 vom Rarn: 11 10 bei welchen der directe Nachweis erbracht werden konnte, dass die in Rede stehenden Eigenthümlichkeiten bei dem Kinde und dem Vater respective der Mutter („Elter* Weısmann’s) sich überhaupt gar nicht entsprachen und in keinem genetischen Zusammenhang standen. Die Momente, welche der Annahme der Theorie von der Ver- erbung von Verletzungen entgegenstehen, sind zumal von WEISMANN und ZIEGLER so eingehend besprochen worden, dass ich hier nicht weiter auf dieselben zurückkommen will. Die erhobenen Bedenken haben sich aber in letzter Zeit keineswegs vermindert, vielmehr sind dieseiben durch neue Arbeiten, welche uns in das Wesen und die Vorgänge der Befruchtung tiefer eindringen liessen (WEISMANN’s Amphimixis) noch wesentlich vermehrt worden. Wenn es nun auch keinem Zweifel unterliegt, dass durch die Annahme der Vererbung von Verletzungen und der übrigen im individuellen Leben erworbenen Eigenthümlichkeiten die Erscheinungen der Descendenztheorie eine bequeme und einfache Erklärung finden, so berechtigt uns dieser Umstand umso weniger zu einer unbedingten Annahme dieser Voraus- setzungen, da sich, wie WEISMANN gezeigt hat, sämmtliche Erschei- nungen der Descendenztheorie auch ohne Zuhülfenahme des LamAarck’- schen Princips ebenso einfach und ungezwungen erklären lassen. Von besonderer Wichtigkeit für die Beurtheilung der Streitfrage sind die vielfach besprochenen Mäuseversuche Weısmann’s. Bekanntlich wurden die künstlichen Verstümmelungen dieser Thiere stets bei beiden Eltern durch viele Generationen ohne jeden sichtbaren Er- folg vorgenommen; auch ergaben ähnliche, neuerdings bekannt ge- gebene Versuche sowohl von RırzEema Bos (3) als von J. ROSENTHAL (3) dasselbe negative Resultat. Wenn nun auch diese Mäuseversuche allein keineswegs so ohne weiteres, wie WEISMANN ausdrücklich betont, einen diresten Beweis dafür liefern, „dass Verletzungen überhaupt nicht vererbt werden können, da solche Versuche bis in’s Unendliche fortgesetzt werden müssten“, so muss doch wohl nach diesen übereinstimmenden negativen Resultaten die Möglichkeit einer Vererbung einmaliger Verletzungen gänzlich fallen gelassen werden und die durch viele Generationen hindurch stets bei beiden Eltern wiederholten Verstümmelungen mindestens recht unwahrscheinlich erscheinen. Hiermit möchte ich aber ebensowenig wie WEISMANN, ZIEGLER u. A. jeden umgestaltenden Einfluss äusserer Einwirkungen und Reize auf das Keimplasma in Abrede stellen. Man kann sich leicht davon überzeugen, dass Klimawechsel, geänderte Temperatur, al 1] KRITIK EINIGER FÄLLE VON SCHEINBARER VERERBUNG VON VERLETZUNGEN. 11 Licht- und Feuchtigkeitsverhältnisse, andere Ernährungsweise etc. den Organismus von Thier und Pflanze ganz unverkennbar umgestalten, und es steht nichts im Wege, dass bei längerer Einwirkung solcher äusserlichen Einwirkungen und Reize auch die Molecularstructur des Keimplasmas eine Veränderung erfährt, die zu einer Vererbung der Umgestaltungen führen kann; dabei darf aber vor allen Dingen nicht vergessen werden, dass keineswegs zuerst die Somazellen durch den Reiz verändert werden, und, dass dann dieser Reiz von diesen Zellen allmählich durch irgend welchen unaufgeklärten Vorgang (Pangenese oder intracelluläre Pangenese) auf das Plasma der Keimzellen über- tragen wird; die Einwirkung auf das Keimplasma ist vielmehr eine directe, und wenn dann durch längere Einwirkung eine Umgestal- tung der Structur dieses Plasmas zu Stande kommt und Vererbung eintritt, so haben wir einfach die Vererbung von blastogenen, aber keineswegs von somatogenen Charakteren vor uns und hiermit wird von der Vererbung erworbener Eigenschaften auch nicht das Geringste zugestanden. 12 10. IT: 16. 17: 18. 19 .VAN BEMMELEN. . BoNnNET. Rırzema Bos. Brock. . CLAUS. . DETMER. . DINGFELDER. . DÖDERLEN. . EIMER. GEDDES ET THonson. HAAcKE. . HATScHEK. . HENSEN. . ©. HERTwWIe. . HOFFMANN. KOoLLMANN. von NÄGELI. .M. NussßBAum. voN KOELLIKER. vom RatH: [112 Literatur-Verzeichniss. Deerfelijkheid van verworven eigenschappen s’Gravenhage 1890. Die stummelschwänzigen Hunde im Hinblick auf die Vererbung erworbener Eigenschaften, Beitr. z. pathol. Anat. Bd. IV. Zur Frage der Vererbung von Traumatismen, Biolog. Centralbl. XI. Bd. No. 23. 1892. ibidem ein Zusatz zu voriger Arbeit von J. Rosenthal. Einige ältere Autoren über die Vererbung erworbener Eigen- schaften, Biol. Centralbl. VIII, p. 491. Ueber die Werthschätzung der natürlichen Zuchtwahl als Er- klärungsprincip, Wien 1888. Zum Problem der Vererbung, Archiv f.d.ges. Physiol., XL, 1887. Beitrag zur Vererbung erworbener Eigenschaften, Biol. Cen- tralbl. VII, p. 427 und VIII, p. 210. Schwanzlose Katzen, Zool. Anz. X u. Biol. Centralbl. VII, pg. 721. Die Entstehung der Arten auf Grund von Vererben erworbener Eigenschaften. I. Theil, Jena 1888. The evolution of sex, London 1889. Das Endergebniss aus W eismann’s Schrift: Ueber die Zahl der Richtungskörper und über ihre Bedeutung für die Vererbung, Biol. Centralbl. VIII, p. 282 und 330. Bedeutung der geschlechtlichen Fortpflanzung, Biol. Centralbl. VII und Prager med. Wochenschrift. 1887. Die Grundlagen der Vererbung, Zeitschrift f. wiss. Landwirth- schaft, Berlin 1885. Vergleich der Ei- und Samenbildung bei Nematoden, Eine Grundlage für celluläre Streitfragen, Archiv f. mikr. Anat. Bd. 36. 1890. Culturversuche über Variationen im Pflanzenreiche. Botan. Zeitung, 1887. Das Karyoplasma und die Vererbung, Zeitschrift f. wiss. Zool. 1886, und Eröffnungsrede der ersten Versammlung d. anat. Gesellsch. in Leipzig, Anat. Anzeiger 1888. Vererbung erworbener Eigenschaften, Biol. Centralbl. VII, Handskelet und Hyperdactylie, Anat. Anzeiger III. 1888. Mechanisch-physiol. Theorie d. Abstammungslehre, München 1884. Ueber die Veränderungen d. Geschlechtsproducte bis zur Ei- furchung, ein Beitrag zur Lehre von der Vererbung, Archiv f. mik. Anat. Bd. 23. lt 3] KRITIK EINIGER FÄLLE VONSCHEINBARER VERERBUNG VON V ERLETZUNGEN. 13 20. 31. 32. 33 34 ÖRTH. . RICHTER. . RoTH. . Rovx. . ScHIESS. . SCHILLER-TIETZ. . STRASBURGER. . VINES. . VIRCHOW. .DE VRIES. . WALDEYER. WEIGERT. WEISMANN. . WIEDERSHEIM. . ZACHARTIAS, . E. ZıesLEr. Ueber die Entstehung und Vererbung individueller Eigen- schaften, Leipzig 1887. Zur Theorie d. Continuität d. Keimplasmas, Biol. Centralbl.VIT; Zur Vererbung erworb. Eigensch. ib. VIII; Ueber d. experi- mentelle Darsteilung der Spina bifida, Anat. Anz. III, Thatsachen d. Vererbung. 1885. Der Kampf der Theile im Organismus, Leipzig 1881; Beiträge zur Entwickelungsmechanik des Embryo. Virchow’s Archiv. Bd, IE Uebertragung erworb. Eigensch. Biol. Centralbl. VII. Inzucht und Consanguinität, Osterwieck 1887; Vererbung er- worb. Eigensch. Biol. Centralbl. VIII. Neue Untersuchungen über den Befruchtungsvorgang bei den Phanerogamen als Grundlage für eine Theorie d. Zeugung. Jena 1884. Lectures on the Physiology of Plants, Cambridge 1886. Ueber Transformismus, Biol. Centralbl. VII, Ueber künstliche Verunstaltungen des menschl. Körpers, Vortr.geh.aufd. Naturf. Köln 1888. Intracelluläre Pangenesis, Jena 1889. Ueber Karyokinese und ihre Bedeutung für die Vererbung. Deutsch. med. Wochenschr. 1889. Neuere Vererbungstheorien, Schmidt’s Jahrbücher 1887. Ueber die Dauer des Lebens 1881; Ueber Vererbung 1883; Ueber Leben und Tod 1883; Die Kontinuität des Keimplasmas als Grundlage einer Theorie der Vererbung 1885; Die Bedeutung der sexuellen Fortpflanzung für die Selektions-Theorie 1886; Ueber die Zahl der Richtungskörper und über ihre Bedeutung für die Vererbung 1887; Ueber die „vermeintlichen“ botani- schen Beweise für eine Vererbung erworbener Eigenschaften 1888; Ueber die Hypothese einer Vererbung von Verletzungen 1888. (Diese 8 Abhandlungen sind zu einem Buch vereinigt in englischer Uebersetzung unter dem Titel „Essays upon Heredity and Kindred Biological Problems“ 1889 in Oxford erschienen.) Amphimixis oder die Vermischung der Individuen. 1891. Der Bau des Menschen als Zeugniss für seine Vergangenheit, Freiburg 1887. Ueber schwanzlose Katzen, Biol. Centralbl. VIII; Zur Frage der Vererbung von Traumatismen ibidem VIII; Das Fort- erben von Schwanzverstümmelungen bei Katzen ibidem VIL. Können erworbene pathologische Eigenschaften ererbt werden und wie entstehen erbliche Krankheiten und Missbildungen ? Beitr. zur pathol. Anat. I. Bd.; Die neuesten Arbeiten über Vererbung und Abstammungslehre und ihre Bedeutung für die Pathologie ibidem Bd. IV; Ueber Tubereulose und Schwindsucht. Sammlung klin. Vorträge No. 151, 1878. Berichte VI. Hett 3. 8 1 [114 Eine Mittheilung über Kernvermehrung und Schwärmer- bildung bei Süsswasser-Rhizopoden. Von Dr. August Gruber, Professor der Zoologie in Freiburg i. B. Die Vermehrung der Süsswasser-Rhizopoden durch einfache Zweitheilung ist in ihren feinsten Einzelheiten durch die bekannten Untersuchungen an Euglypha alveolata !) auf das Genaueste bekannt geworden. Ganz anders verhält es sich mit der Fortpflanzung durch rasch aufeinander folgende Theilungen und Schwärmerbildung. Es sind zwar schon viele Beobachtungen mitgetheilt worden, die sich darauf beziehen, aber dieselben sind theils lückenhaft, theils lassen sie die Vermuthung aufkommen, dass es sich nicht um Sprösslinge des Rhizopoden selbst, sondern um parasitische Organismen handelt, welche aus der Schale oder aus dem Protoplasmaleib des betreffen- den Individuums hervorgekrochen waren und dadurch eine Täuschung veranlasst hatten. In den folgenden Zeilen will ich einen Beitrag liefern, der einerseits unsere Kenntnisse der Schwärmerbildung um ein Weniges vermehren und andererseits zeigen soll, wie leicht man in die eben erwähnte Täuschung verfallen kann. Schon mehreremale ist bei Arcella vulgaris eine Schwileneh bildung beschrieben worden ?) und die Beobachtungen von Buck 1) SCHEWIAKOFF. Ueber die karyokinet. Kerntheilg. d. Euglypha alveolata. Morphol. Jahrb. Bd. 13. '!) Vgl. Bürschtı. Zur Kenntniss d. Fortpfl. bei Arcella vulgaris. Arch. 11 5] GRUBER: EINE MITTHEILUNG ©. KERNVERMEHRUNG U. SCHWÄRMERBILDUNGETC. 9 und CATTANEOo lassen wohl keinen Zweifel, dass es sich um wirk- liche Sprösslinge handelte. Sie sahen nämlich die kleinen amöben- artigen Organismen, welche aus der Arcellaschale hervorgekrochen waren, sich allmählich zu kleinen Arcellen umbilden. Was gar nicht oder nicht richtig bei diesem Sprossungsvorgang dargestellt worden ist, ist das Verhalten des Kernes. Die Präparationsmittel waren damals noch ungenügende und ausserdem hatte man noch wenig Kenntniss von der Bedeutung des Kernes, dem Bau desselben und dem Verlaufe der Kerntheilung. Daher kam es, dass Buck zu Deutungen über eine Art Sporulation des Kernes kam, welche nach dem heutigen Stande unserer Kenntnisse nicht mehr annehmbar er- scheinen. Ohne mich auf eine weitere Kritisirung der früheren Ar- beiten einzulassen, will ich die Frage aufwerfen, wie hat man sich die Rolle des Kernes bei der Schwärmerbildung der Arcella zu denken? Die Antwort ist: Der Kern muss sich durch Theilung so vielfach vermehren, als Theilsprösslinge gebildet werden sollen und diese Theilung muss eine indirekte sein. Was den zweiten Punkt betrifft, so ist die indirekte Kernthei- lung bei Euglypha allerdings auf’s Genaueste bekannt geworden und wir sind wohl berechtigt, sie überall bei normalen Theilungsvorgängen der Rhizopoden vorauszusetzen. Nachgewiesen wurde sie aber sonst nirgends, so viel auch — dies kann ich wenigstens von mir selbst sagen — darnach gesucht wurde. Gerade bei der gewöhnlichen zweikernigen Arcella, bei welcher doch nach der Theilung, so muss man annehmen, nur ein einziger Kern vorhanden und die auch bei der Entwicklung aus Schwärmern ursprünglich einkernig ist (s. CAT- TANEO), konnte ich hoffen einmal auf eine Kerntheilung zu stossen. Seit Jahren habe ich die Arcellen, die ich zufällig — und manchmal in srossen Mengen — vorfand, darauf hin untersucht, aber immer ver- geblich. Erst in jüngster Zeit kam mir ein Präparat unter die Hände, bei welchem ich das Gesuchte fand, nämlich eine einkernige Arcella, wo der Kern in deutlicher indirekter Theilung begriffen ist (Fig. 1). Der Kern befindet sich in dem Stadium der Theilung, wo die Schleifen bereits alle nach den Polen gewandert sind, also dem Stadium der Tochtersterne. Das Bild entspricht vollkommen demjenigen, welches SCHEWIAKOFF !) auf seiner Fig. 16, Taf. VII f. mikr. Anat. Bd. XI. Buck. Einige Rhizopodenstudien Z. f. wiss. Zool. Bd. XXX. CATTANEO. Intorno all’ ontogenesi dell’ arcella vulgar. atti soc. ital. d. sc. natur. XXI. BE1.36 8*+ 3 GRUBER: [116 von Englypha abgebildet hat. Doch sind hier die Spindelfasern noch nicht durchgerissen, sondern vollkommen zusammenhängend. Auffallend ist die ausserordentlich grosse Anzahl von Spindelfasern, die ganz dicht zusammenliegen. Sie sind etwas ausgebogen, d. h. die Spindel ist nicht ganz gestreckt, was der Einwirkung der Rea- gentien zugeschrieben werden muss. Uebrigens ist auch die Zahl der Schleifen eine beträchtliche. Centrosomen (Polkörperchen SCHE- WIAKOFF’s) sind auf dem Präparate nicht zu sehen, doch zweifle ich nicht, dass dieselben vorhanden waren. Sehr deutlich ist die Kernmembran zu sehen, welche also auch hier während des Thei- lungsprozesses erhalten bleibt; sie steht von der Spindelfigur weit ab und es ist ein heller Hof zwischen ihr und der Spindel zu sehen. Dies wenige genügt, um die typische mitotische Kerntheilung auch bei der ersten Familie der thalamaphoren Rhizopoden nach- zuweisen. Bei dem eigenthümlichen Bau des Arcellakernes und seiner verhältnissmässigen Grösse wäre eine genaue Beobachtung des ganzen Kerntheilungsprozesses sehr interessant. Vor der Hand müssen wir uns mit der Kenntniss dieser einen Phase begnügen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass weitere Vermehrungen der Kerne in derselben Weise verlaufen werden. Nicht gar selten findet man Arcellen, die mehr als zwei Kerne, deren drei oder vier enthalten; seltener dagegen sind die Fälle, wo die Zahl der Kerne eine grosse ist. Auf Fig. 2 kann ich eine solche darstellen, welche neunzehn Kerne hat und Fig. 3 gibt ein Exemplar wieder, bei dem ich so- gar zweiunddreissig zählen konnte. Die Kerne der letzteren Arcella sind entsprechend kleiner als die der neunzehnkernigen, etwa halb so gross als jene. Trotz ihrer Kleinheit lassen immer noch den Typus des Arcellakernes erkennen. Es ist klar, dass diese ausser- ordentliche Vermehrung der Kerne mit der Schwärmerbildung zu- sammenhängt, welche von den früher genannten Autoren beschrieben worden ist. Es geht aber auch daraus hervor, dass die Angaben nicht richtig sein können, wornach der Kern in den Theilsprösslingen sich erst nachträglich bilden soll (Buck, CATTANEO). Damals stand eben die Lehre „omnis nucleus e nucleo“* noch nicht so fest, wie heute. Es gibt zwar gewisse Phasen im Leben mancher Protozoen gerade so wie im Entwicklungsgang mancher Metazoen, in welchen es auch unserer heutigen Technik nicht immer gelingen will, den Kern sichtbar zu machen. Wir dürfen aber desshalb doch nicht annehmen, dass derselbe nicht vorhanden ist. Dies gilt z. B. besonders für encystirte Protisten und ich hahe gerade bei Arcellen solche Beob- al 7] EınE MITTHEILUNG ÜBER KERNVERMEHRUNG U. SCHWÄRMERBILDUNG ETC. 4 achtungen gemacht. Nur wenn die Öyste gesprengt wird, ist an eine Kernfärbung zu denken; aber auch dann zeigt sich, dass der Kern die Fähigkeit, Farbstoffe aufzunehmen, fast ganz verloren hat. Erst nach langer Einwirkung starker Färbemittel gelang es mir, bei einer zerdrückten Arcellacyste den Kern als blassröthlichen Hauch zu erkennen, während sonst gerade der Arcellakern im freien Zustand sich ausserordentlich leicht färben lässt. Eine bedeutende Vermehrung von Kernen ist früher auch schon von Difflugia mitgetheilt worden und ich selbst könnte noch einen Fall anführen, wo bei dem einkernigen Lecythium hyalinum in einem Exemplar acht Kerne vorhanden waren (Fig. 6). Auch hier hing die Kernvermehrung offenbar mit einer Schwärmerbildung zusammen, zumal sich in demselben Aquarium kleine nackte Rhizopoden vor- fanden, die einen Kern vom Bau des Lecythium-Kernes enthielten und ausserdem noch kleine beschalte Exemplare von Lecythium, ebenfalls mit einem Kern (Fig. 7). Wie bei Arcella werden sich also auch hier die Theilsprösslinge erst im Laufe des Wachsthums mit ihrer dünnen Schale umgeben. 2 Während das bisher Gesagte. die Thatsache vollkommen be- stätigt, dass die Süsswasserrhizopoden sich ausser durch einfache Zweitheilung auch durch Schwärmerbildung fortpflanzen können, soll im Folgenden noch darauf hingewiesen werden, wie leicht man auf diesem Gebiete zu Täuschungen veranlasst werden kann: Zu der- selben Zeit nämlich, wo die von mir beobachteten Arcellen in Kern- vermehrung begriffen waren, fanden sich in den Schalen mancher Exemplare sowohl wie auch ausserhalb viele kleine, einkernige Amö- ben. Nichts würde näher liegen, als diese für die Schwärmerspröss- linge der Arcellen zu erklären, aber ein Umstand beweist, dass dies falsch wäre. In manchen Schalen nämlich waren die beiden Kerne der Arcella noch in unveränderter Gestalt und Grösse neben den Amöben vorhanden, konnten also nicht zur Entstehung der kleinen Amöbenkerne Veranlassung gegeben haben. Die kleinen Rhizopo- den sind also nichts anderes, als Parasiten, an welchen die Arcellen offenbar zu Grunde gehen. In manchen Fällen waren die kleinen Schmarotzer ganz in den Leib der Arcella eingedrungen und gerade dadurch wurde besonders leicht eine endogene Sprossenbildung vor- getäuscht; doch waren wie gesagt auch hier ganz deutlich die bei- den Arcella-Kerne zu sehen. Wie ich dies auch sonst bei den Protozoen oft beobachtet habe, ist es der Kern, der beim Ab- sterben am spätesten zerfällt. So zeigt Fig. 5 eine Arcella, deren 5 GRUBER: EINE MITTHEILUNG ÜBER KERNVERMEHRUNG ETC. [118 Körper fast ganz aufgezehrt ist, während die beiden grossen Kerne noch ganz vollkommen erhalten sind. Buck, der einige ganz ähn- liche Bilder gegeben hat, wie ich, hat solche Protoplasmabrocken, die noch den Kern enthielten als grosse Theilsprösslinge bezeichnet, während sie einfach Ueberbleibsel der zerstörten Arcella sind. Wenn es noch eines Beweises bedürfte, dass die kleinen Amö- ben keine Schwärmer von Arcella sondern selbständige Rhizopoden waren, so könnte man noch die Abbildung auf Fig. 4 heranziehen, wo von den in einer leeren Arcellaschale sich bewegenden Amöben eine eben in Zweitheilung begriffen ist, was bei einem Schwärmer- sprössling nicht vorkommen würde. Vielleicht gelingt es mir später einmal, diesen positiven und negativen Beiträgen zur Entwicklungs- geschichte der Rhizopoden noch Weiteres hinzuzufügen. Tafelerklärung. Tafel.Y_ Die Figuren 1—5 sind nach Dauerpräparaten hergestellt. Vergrösserung Zeiss Ocul. 3 Obj. E. Fig. 6 und 7 nach dem Leben. Fig. 1. Arcella vulgaris, bei welcher der Kern im Stadium der Tochter- sterne in Mitose begriffen ist. Fig. 2. Eine Arcella mit 19 Kernen. Fig. 3. Eine solche mit 32 Kernen. Fig. 4. Eine Arcella-Schale mit zahlreichen parasitischen Amöben. Eine davon in Theilung. Fig. 5. Ein Individuum, das bis auf die zwei Kerne fast ganz zerstört ist; eine grössere Anzahl von parasitischen Amöben ist in der Schale. Fig. 6. Ein Lecythium hyalinum mit 8 Kernen. Fig. 7. Ein kleines Individuum mit einem Kern. 119] ) Ueber den Fussmuskeleindruck bei Pachyerisma. Von Georg Boehm, a. 0. Professor an der Universität Freiburg i. B. In dem vor kurzer Zeit durch Herrn Surss veröffentlichten, nachgelassenen Werke von NEUMAYR „Beiträge zu einer morpho- logischen Eintheilung der Bivalven“ (Denkschr. d. mathem.-naturw. Cl. d. K. Akad. d. Wissenschaften, Bd. 58, Wien, 1891) heisst es p. 782, Fussnote '): „Da bei Pachymegalodon die hintere Muskelleiste zu fehlen scheint, und überdiess ein accessorischer Muskel- eindruck auf einem der Schlosszähne vorhanden ist, so kann die Gattung nicht mit Pachyrisma vereinigt werden.“ Was zunächst die hintere Muskelleiste betrifft, so wurde — aller- dings erst nach NEUMAYRS viel beklagtem Tode — darauf hingewiesen, dass eine solche auch bei Pachymegalodon entwickelt ist. (Vor- liegende Berichte, Bd. VI, p. 45 ff.) Bliebe als trennendes Merk- mal nach NEUMAYR der accessorische Muskeleindruck. Allein dieser ist bei Pachyerisma ebenso entwickelt, wie bei Pachy- megalodon. Schon Bayan sagt 1874 von der linken Klappe des Pachyerisma Tombecki „impression du rötracteur du pied visible au dessous de la dent anterieure“*. (Bulletin de la soc. g&ol. de France, Serie 3, Bd. 2, p. 332.) Nun bin ich allerdings dieser bestimmt lautenden Angabe gegenüber etwas misstrauisch. Bei Pachyerisma !) Man vergleiche auch den Text. 9 BoEHM: ÜEBER DEN FUSSMUSKELEINDRUCK BEI PACHYERISMA. [120 nämlich greift häufig der vordere Seitenzahn der rechten unter den entsprechenden Zahn der linken Klappe. Hierdurch erhält die Unterfläche des letzteren einen entsprechenden Eindruck, wie man dies z. B. auch bei recenten Cardien') leicht beobachten kann. Ist nun BAYAN’s „impression du retracteur du pied“ wirklich die Fuss- muskelspur oder nicht vielmehr der Eindruck des Gegenzahnes der rechten Klappe? Ich kenne das Original nicht, doch fällt jenes Bedenken rechten Klappen gegenüber fort. Berücksichtigen wir deshalb hier nur diese! An den Münchener Stücken von Pachyerisma cf. BEAUMONTI, ZEUSCHNER (Palaeontographica, Supplement 2, Abthl. 4, 1883, p. 507) glaube ich den accessorischen Muskeleindruck auf der Unterfläche des vorderen Seitenzahnes zu erkennen. Doch ist das abgerollte Material vielleicht nicht ganz einwandsfrei. Dagegen zeigt das Pachyerisma aus den oberen Korallenkalken von Tonnerre im Besitze des Herrn G. COTTEAU (Palaeontographica, l. c. p. 509, Fussnote) — wie ich mich neuestens überzeugt habe — deutlichst den Fussmuskeleindruck. Und ebenso verhält es sich mit dem Pachyerisma latum, BOEHM von Kelheim. Pachyerisma besitzt einen Fussmuskeleindruck auf der Unter- fläche des vorderen Seitenzahnes wie Pachymegalodon. Nach diesem Merkmale wie nach allen anderen ist Pachymegalodon mit Pachy- erisma zu vereinigen. !) Auf den Zusammenhang von Pachyerisma septiferum, BUVIGNIER sp. mit Cardium wird von DE LoRIOL in seiner neuesten Arbeit entschieden hingewiesen. (M&m. de la soc. paleont. Suisse, Bd. 18, 1891, p. 187.) Vergleichende Studien über Eruptivgesteine und Erzführung in Chile und Ungarn. Von W. Moericke in Freiburg i. B. In einer früheren Arbeit!) habe ich schon auf die Beziehungen hingewiesen, welche in Chile zwischen dem Vorkommen von Gold und Silber und dem Auftreten gewisser Eruptivgesteine bestehen und habe einige, wie mir schien, analoge Erzvorkommnisse in Ungarn und Siebenbürgen zum Vergleich herangezogen. Um jedoch selbst von dem geologischen Vorkommen der Edelmetalle in Ungarn eine richtige Vorstellung zu gewinnen, besuchte ich in den letzten Osterferien eines der dortigen Erzreviere. Meine Wahl war auf Schemnitz gefallen nicht nur desshalb, weil diese Localität den be- deutendsten Edelmetalldistrict von ganz Ungarn repräsentirt, sondern besonders auch darum, weil die dortigen geologischen Verhältnisse am eingehendsten studirt sind und seit neuerer Zeit eine gute geologi- sche Karte ?) über diese Gegend existirt. Durch die Güte des Herrn Professor v. SzaBö in Budapest mit Empfehlungen versehen wurde ich von den Herren Bergbeamten in Schemnitz auf das liebens- würdigste aufgenommen und freundlichst unterstützt, so dass ich mich in Folge dessen während meines neuntägigen Aufenthaltes daselbst über die geologischen Verhältnisse rascher zu orientiren vermochte, als es sonst hätte der Fall sein können. Allen diesen Herren, besonders aber den Herren Professor v. SzaBö, Ministerialrath v. Hüutı ') W. MoERIcKE, Einige Beobachtungen über Chilenische Erzlagerstätten und ihre Beziehungen zu Eruptivgesteinen in Tschermak’s mineralog.-petrograph. Mitth. 1891, p. 186—198. *) Geolog. Karte der Umgebung von Schemnitz, im Maasstab 1:28800 von J. Szagö, L. UseH und 8. GESELL. Berichte VI. Heft A. 9 D) MOoERICKE: [122 und Montaningenieur v. CseH, welch’ letzterer Herr die Güte hatte, mich auf meinen sämmtlichen Excursionen zu begleiten, möchte ich auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank hiefür ausdrücken. Schon früher wurde von hervorragender Seite!) auf die grosse Aehnlichkeit hingewiesen, welche zwischen den Eruptivgesteinen und den mit ihnen im Zusammenhang stehenden edlen Erzlagerstätten der Cordilleren im Westen von Amerika einerseits und den jüngeren vulcanischen Gesteinen und Erzgängen der Karpathen in Ungarn andererseits bestehen. In diesem Aufsatze möchte ich speciell die eruptiven Felsarten von Chile nebst ihren edlen Lagerstätten, soweit sie mir aus eigener Anschauung bekannt geworden sind, etwas genauer mit den analogen (Gresteinen und Erzgängen von Ungarn zu vergleichen suchen. Wenn wir einen Blick auf die jüngst von Professor STEINMANN angefertigte geologische Uebersichtskarte?) von Südamerika werfen und hiebei besonders das Gebiet der Republik Chile in’s Auge fassen, so sehen wir, dass dem Gestade des stillen Ocean entlang ein mit rother Farbe bezeichneter ziemlich schmaler Streifen sich von Süd nach Nord mit nur geringer Unterbrechung bis in den südlichsten Theil der Provinz Antofogasta hinzieht. Dieser rothe Streifen stellt ungefähr das Gebiet der sogenannten Küsten-Cordillere (Cordillera de la costa) dar, welche sich wenigstens in geologischer Hinsicht viel- fach deutlich von der viel gewaltigeren im Osten von ihr aufsteigenden Andencordillere (Cordillera de los Andes) scheidet. Zwischen beiden Cordilleren liegt das grosse chilenische Längsthal (Llano longitudinal), welches etwas nördlich von der Hauptstadt Santiago beginnt und sich mit sanfter Neigung nach abwärts gen Süden bis zum Meerbusen von Reloncavi erstreckt. Nördlich von dieser Längsebene findet orographisch keine Scheidung mehr zwischen den beiden Codilleren statt, die Bergzüge gehen allmählich in einander über. Das Küstengebirge ist im mittleren und nördlichen Chile, wo- bei wir jedoch von den im chilenisch-peruanischen Krieg occupirten Provinzen absehen, zum weit aus grössten Theil aus älteren Ge- steinen aufgebaut. Es sind dieses zum Theil Gneisse und krystailine Schiefer, vor allem aber, wahrscheinlich palaeozoische, mehr oder weniger saure Massengesteine von vollkrystalliner Structur und ziemlich 1) F. v. Rıcntuoren, Führer für Forschungsreisende 1886 und an anderen Orten. — E. Surss, Die Zukunft des Goldes 1877. 2) Südamerika in Berauaus’ Physikal-Atlas, geolog. Abth. Nr. 14. 123] VERGL. STUDIEN ÜBER ERUPTIVGESTEINE U. ERZFÜHRUNG IN ÖHILE U. UNGARN. 53 einförmiger Zusammensetzung, welche je nach dem Vorherrschen oder Zurücktreten des einen oder anderen Mineralgemengtheils als Granitite, Syenite oder Diorite zu bezeichnen sind. Letztere Gesteins- abänderungen scheinen wenigstens in den Provinzen Santiago und Atacama vorzuherrschen. Wie schon erwähnt zieht sich die aus diesen alten plutonischen Gesteinen gebildete Küstencordillere bis in die Provinz Antofogasta hin, ohne dass jedoch diese altkrystallinen Gesteinszüge die gleichnamige an der See gelegene Provinzialhaupt- stadt erreichten, sie finden vielmehr schon südlich von derselben ıhr Ende. Unterbrochen werden sie jedoch bereits vorher und zwar im Departement Taltal in der Nähe des durch seine Salpeterausfuhr bekannten Hafenort gleichen Namens, durch eine grössere Masse jüngerer eruptiver Felsarten von wesentlich anderer mineralogischen Zusammensetzung. Dieselben treten im Osten der Küstencordillere auch schon in den südlicheren Provinzen auf, sie spielen am Aufbau der chilenischen Hauptecordillere eine hervorragende Rolle. Nach Norden ziehen sie sich allmählich mehr gegen Westen hin bis sie endlich bis dicht an den stillen Ocean herantreten, um an Stelle der alten Tiefengesteine die Gebirge an der Küste bis zu der im südlichen Peru gelegenen Stadt Arica hin zusammenzusetzen. Diese Felsarten von vorwiegend basischem Charakter unterscheiden sich schon durch ihre dunklere Färbung von den lichteren älteren plutonischen Gebilden. Sie bestehen hauptsächlich aus Plagioklas und Augit, wozu gelegentlich noch Hornblende oder bei gewissen Varietäten auch Olivin hinzutritt. Umänderungen in Grünsteine bedingt durch Umwandlung der basischen Gemengtheile in viriditische Substanzen finden bei ihnen sehr häufig statt. Wegen der meist porphyrischen, öfters auch mandelsteinartigen Structur sind diese Gesteine wohl am rich- tigsten in die Familie der Augitporphyrite und Melaphyre, wie sie Rosengusch auffasst, zu stellen. Sie treten in ausgedehnten Decken, grosse (Gebirgszüge zusammensetzend, auf oder bilden Gänge in Sedimenten und zwar sowohl mehr oder weniger verticale als auch nach Art der Diabasgesteine lagerförmige. Eine sehr gewöhnliche Erscheinung bei diesen Felsarten ist der Uebergang des massigen Gesteins nach aussen hin in oft deutlich geschichtete Tuffe und Conglomerate oder in ungeschichtete Brececien. Diese Trümmer- gesteine besitzen in den chilenischen Anden wohl eine noch grössere Verbreitung als die massigen. Eine weitere Eigenthümlichkeit dieser eruptiven Producte ist ihre innige Verknüpfung mit sedimentären Schichten, besonders mit Kalksteinen. Hauptsächlich in der Provinz 9* 4 MOERICKE: [124 Atacama finden sich im Grebiete der in Rede stehenden Porphyrite oft recht beträchtliche Schollen von Kalksteinen, welche den in ihnen vorkommenden Versteinerungen nach zum Theil zum Jura (Lias und Dogger), zum Theil zur unteren Kreide gehören. Mit diesen Kalksedimenten pflegen diese Eruptivgesteine nebst ihren Tuffmassen sehr häufig zu wechsellagern. Zum Theil wohl ebenso alt als Lias!) ist ein anderer Theil dieser Massengesteine doch sicherlich noch viel jünger, da sie an verschiedenen Orten jurassische und untercretacische Kalksteine durchsetzen und dieselben am Con- tact mit ihnen in Granatfels umgewandelt sind, wie man dieses z. B. in Chafiarcillo deutlich beobachten kann. Gewaltigen, während der Jura- und Kreidezeit wahrscheinlich unter Meeresbedeckung erfolgten vulcanischen Ausbrüchen verdanken diese basischen Felsarten, sowie die sie begleitenden Tuffmassen ihre Entstehung. Nicht selten werden sie in den Anden von gewaltigen Stöcken massiger Gesteine durchbrochen, welche trotz ihres offenbar jungen Alters ein echt plutonisches Gepräge besitzen. Es sind dies die von STELZNER unter dem Namen „Andengesteine“ zusammengefassten jugendlichen Andengranite und Andendiorite. In der Wüste Atacama, wo weder Vegetation noch Humus die Felsen dem beobachtenden Auge des Geologen verhüllen, lässt sich das geologische Auftreten dieser Ge- steine viel deutlicher verfolgen, als es in den südlicheren Theilen des Landes der Fall ist. Man kann daselbst an verschiedenen Orten wie z. B. bei Remolinos und Puquios im Departement Copiapö wahrnehmen, wie von den stockförmigen Massen dieser lichtgefärbten Andengesteine lange schlangenförmige Apophysen in die sie um- gebenden mesozoischen meist dunkelgrünen Porphyrite auslaufen, so dass an ihrem jüngeren Alter nicht zu zweifeln ist. Man kann somit kein Bedenken tragen, ihnen ein verhältnissmässig jugendliches, obercretacisches oder alttertiäres Alter zuzuschreiben. Die Anden- gesteine gehören zum Theil zu den Amphibolgranititen, zum grossen Theil zu den Quarzdioriten und zum Theil zu den Ausgitdioriten, jedoch hängen diese verschiedenen Gesteinsvarietäten auf das engste mit einander zusammen. Die Augit führende Abänderung fand ich besonders schön entwickelt unweit Puquios, einem etwas nordöstlich der Stadt Copiapö gelegenen Oertchen. Der Ausgitdiorit tritt daselbst im innigsten Verband mit gewöhnlichem Andendiorit !) Vergl. STEINMANN, Reisenotizen aus Chile. N. J. f.M. G. u. P. 1884. Bd. I. p. 199-203. 1 25] VERGL. STUDIEN ÜBERERUPTIVGESTEINE U. ERZFÜHRUNG IN CHILE U. UNGARN. 5 (Quarzdiorit) stockförmig im Gebiet der Porphyrite auf. Er besitzt wie der normale Quarzdiorit eine vollkrystalline Structur, ist jedoch etwas feinkörniger als dieser und von etwas dunklerer Farbe. U. d. M. bemerkt man, dass an Stelle der Hornblende, welche in dem helleren Diorit ziemlich reichlich vorhanden ist, neben dem häufigen Biotit ein diallagartiger Augit auftritt. Einen ähnlichen Andendiorit (Quarzaugitdiorit), welcher übrigens neben Biotit und Augit auch noch Hornblende enthält, beschrieb schon STELZNER !) aus einem viel weiter im Süden gelegenen Theile der Anden. Wie bei den älteren sauren Tiefengesteinen tritt auch im Bereich ihrer jüngeren Vertreter häufig Turmalin auf, welcher sich entweder in gut ausgebildeten Krystallen zusammen mit Quarz auf Klüften an- gesiedelt hat, oder mit letzteren oft vollkommen dichte schwarze Turmalinquarzfelsen zusammensetzt. Eigentliche Quarztrachyte (Li- parite) scheinen in Chile nicht gerade sehr verbreitet zu sein, wenig- stens traf ich sie in grösseren Massen nur in der östlich der Stadt Taltal gelegenen Sierra de Guanaco an. Um so häufiger begegnet man jüngeren basischen Gesteinen und zwar nicht nur in den höheren Theilen der Anden, sondern auch ın ihren westlichen Ausläufern, wie z.B. am Üerro San Cristöbal?) in der Nähe der Stadt Santiago. Ebenso setzen sie viele der insel- artig aus der grossen Längsebene hervorragenden Kegeln und Berge zusammen, wie z. B. den inmitten der chilenischen Hauptstadt be- findlichen Cerro Santa Lucia und den nicht sehr weit davon entfernten Cerro de Renca. Häufig sind diese tertiären Andesite noch von Tuffen und breccienartigen Obsidianströmen umgeben, welche sie wie in einen Mantel hüllen. Diese Schlackenhülle stellt offenbar noch die Ueberreste des einstigen Aufschüttungskegels dar, in welchem die massige Lava kuppenförmig erstarrte. Oft ragen bei diesen Vulcanruinen nur die Gipfel der andesitischen Kuppen aus den ringsum lagernden Schlacken hervor. Soweit meine Kenntnisse reichen, gehören diese (jung-)tertiären Laven zum Theil den Horn- blende-Augit-Andesiten, zum Theil den Pyroxenandesiten an. Be- sonders bei letzteren findet man häufig säulenförmige Absonderungen, welche ich bei den mesozoischen Augitporphyriten niemals beob- achtet habe. Diese jungen Eruptivgesteine bilden den Uebergang zu !) STELZNER, Beiträge zur Geologie und Paläontologie der argentinischen Republik 1885, p. 211. ?) W. MOoERIcCKE, Das Eruptivgebiet des S. Cristöbal bei Santiago (Chile) in Tschermak’s mineral.-petrograph. Mitth. 1891, p. 143—155. 6 MOoERICKE: [126 den modernen Laven der in den höchsten Theilen der Anden sich erhebenden Vulcane. Die Producte der noch in Solfatarenthätigkeit befindlichen Vulcane Tupungato in der Provinz Santiago und Chillan (Volcan viejo) in der Provinz Nuble sind zu den olivinführenden Pyroxenandesiten, vielleicht auch zu den Pyroxenbasalten zu stellen. Im engsten Verhältniss zu den tectonischen Störungen und ganz besonders zu den damit im Zusammenhang stehenden eruptiven Vor- gängen, deren Producte wir in den ausgedehnten Massen von Eruptiv- gesteinen vor uns haben, welche heutigentags den weitaus grössten Theil des Gebietes der chilenischen Republik zusammensetzen, steht die grosse Zahl von Erzlagerstätten, welche über das ganze Land hin vertheilt sind. So gross auch die Anzahl der Gold und Silber führenden Gänge in Chile sein mag, so wird sie doch noch über- troffen durch die Menge der Kupfergänge, welche die Republik eine Zeit lang zum ersten Kupferproducenten der Welt gemacht haben. Während man nun mit Kupfererzen angefüllte Spalten in allen mög- lichen Gesteinen antrifft, sind die edlen Silbererze mit Vorliebe an die basischen Eruptivgesteine gebunden und zwar sind es vornehmlich die mesozoischen Augitporphyrite und Melaphyre nebst ihren Tuff- massen, in deren Bereich sie am häufigsten aufzutreten pflegen. Noch viel exclusiver als das Silber verhält sich in Bezug auf das Vorkommen in Eruptivgesteinen das Gold, welches nahezu aus- schliesslich in sauren Massengesteinen oder wenigstens nur in deren nächster Nähe angetroffen wird. Da, wie wir früher schon bemerkt haben, kieselreiche eruptive Felsarten in der Küstencordillere die grösste Verbreitung besitzen, so gehören auch diesem Gebirgszuge die meisten goldführenden Quarzgänge an, ohne jedoch auf dasselbe allein beschränkt zu sein. Auch im Gebiet der Hauptcordillere finden sich, wenn auch mehr vereinzelt, noch goldführende Gänge, welche mit den jüngeren sauren Massengesteinen den „Andengesteinen* und Quarztrachyten in Verbindung stehen. Die reichsten Silber- distriete des Landes hingegen wie Rodaito und Arqueros in der Provinz Coquimbo, Los Bordos, Chanarcillo und La Florida in der Provinz Atacama liegen in einer mehr oder weniger östlich von der Küstencordillere gelegenen Linie dort, wo am westlichen Abhange der Andencordillere die mesozoischen basischen Eruptivgesteine ihre Hauptentwicklung besitzen. Da sich aber, wie bereits erwähnt, diese eruptiven Felsarten nach Norden zu allmählich der Küste des stillen ÖOceans nähern, so treffen wir nun auch hier, an Stelle der weiter im Süden befindlichen Goldquarzgänge, Gänge mit edlen Silbererzen 127] VERGL. STUDIEN ÜBER ERUPTIVGESTEINE U. ERZFÜHRUNG IN CHILE U. UNGARN. 7 an, wie in Esmeralda und Argolla im Departement Taltal und in den etwas östlich der Hafenstadt Iquique gelegenen Erzdistriceten von Santa Rosa und Huantajaya. Hieraus geht deutlich hervor, dass die verschiedene räumliche Verbreitung der beiden Edelmetalle (old und Silber lediglich von den geologischen Verhältnissen und zwar Insonderheit von dem Auftreten der verschiedenartigen Eruptiv- gesteinen bedingt ist. Dieses war auch schon DomEYkKo aufgefallen, welcher während seines mehr als 40jährigen Aufenthalts in Chile (relegenheit fand, nahezu sämmtliche damals bedeutenderen Erz- distriete des Landes zu besuchen. Besonders interessant ist, was DOMEYKO!) in dieser Hinsicht von dem Erzgebiet von Los Ladrillos berichtet. Nach diesem Forscher besteht die Basis des etwas nordöstlich der Stadt Copiapö gelegenen Cerro de Ladrillos aus einem älteren körnigen Diorit, von ganz derselben Beschaffenheit, wie die Gesteine, welche die zur Küstencordillere gehörigen Berge zwischen dem Hafenort Caldera und der Stadt Copiapö zusammensetzen. Wie ge- wöhnlich in diesen älteren Massengesteinen finden sich auch im Diorit von Ladrillos Quarzgänge mit Gold und goldhaltigen Kupfererzen. Auf diesem älteren Gestein liegt nun eine mächtige Decke von Porphyriten nebst deren geschichteten Trümmergesteinen, welche den oberen Theil des Berges von Ladrillos bilden. Sobald nun die Gänge aus dem unterliegenden Diorit in diese darüber befindlichen basischen Gesteine hineinsetzen, wird die Gangausfüllung eine wesent- lich andere. An Stelle des Quarzes treten späthige Gangarten, besonders Kalkspath und das Gold, sowie die goldhaltigen Kupfer- erze werden allmählich durch edle Silbererze ersetzt. Aus den Gold- gängen im sauren Diorit wurden in den basischen Porphyriten Silber- gänge, Ganz Ähnliche Verhältnisse traf ich selbst etwas südlich von Ladtrillos, im Thale des Rio de Copiapö, in der Nähe von Punta Brava an. Daselbst durchsetzt ein schon von Darwın?) als granitischer Andesit er- wähnter Andendiorit (Quarzdiorit) stockförmig einen langen Bergzug, welcher aus Augitporphyriten nebst deren hier sehr deutlich geschichteten Tuffen und Conglomeraten gebildet wird. In diesem jungen Diorit nun, welcher sich durch seine helle Farbe scharf von den rings ihn umgebenden grünsteinartigen Augitporphyritmassen abhebt, treten wie !) Domeyko, Sur la constitution göologique du Chili. Annales des mines 1846, p. 373. ?) Darwin, Geologische Beobachtungen über Süd-Amerika. Stuttgart 1878, p- 330. 8 MoERICKE: [128 in den analogen älteren sauren Felsarten der Küstencordillere (uarzgänge mit Gold- und Kupfererzen auf, die jedoch schon seit längerer Zeit nicht mehr abgebaut werden. Den benachbarten ba- sischen Augitporphyriten hingegen gehören die reichen Lagerstätten edler Silbererze von Los Bordos und San Antonio an. Wäre nun hier bei Punta Brava am Contacte des Andendiorits mit den Ausgit- porphyriten eine mächtige, in die Tiefe reichende Spalte entstanden und dieselbe wäre später mit Erzen ausgefüllt worden, so hätten wir höchst wahrscheinlich heute einen Gold und Silber führenden Gang vor uns, ähnlich dem Comstocklode in Nordamerika. In der That verhalten sich auch im Washoe-Distriet nach den Beschreibungen BEcker’s!) die beiden Edelmetalle Gold und Silber in Bezug auf die Eruptivgesteine genau so wie in Chile. Auch dort sollen die Gänge, welche im Quarzdiorit aufsitzen, wie z. B. in Ceder Hill die Grube Peytona, fast nur Gold enthalten. Während der eigentliche Com- stockgang, welcher sich zum grossen Theile am Contact zwischen Quarzdiorit und Augitporphyrit (Diabasporphyrit) befindet, neben Gold auch reiche Silbererze enthält. Aber auch hier sollen diejenigen Parthien des Gangs, welche hauptsächlich nur mit dem Diorit in Berührung kommen, silberarmes Gold enthalten, während er dort, wo der Augitporphyrit vorherrscht, zum eigentlichen Silbergang wird. Es ist also auch hier das Gold wieder an das saure Eruptivgestein gebunden, während das Silber mit dem Auftreten des Augitporphy- rits im directen Zusammenhang zu stehen scheint. Nachdem nun die chilenischen Eruptivgesteine und ihre Alters- beziehungen zu einander, sowie die im Zusammenhang mit ihnen stehenden edlen Erzlagerstätten in grossen Zügen geschildert sind, kann ich mich den analogen Verhältnissen in Ungarn und Sieben- bürgen zuwenden. Wie an dem westlichen Abhange der chilenischen Andenkette, so treten auch im südlichen Innenrande der Karpathen grosse Massen vulcanischer Gesteine auf. Wie dort, wenn auch im geringerem Maasse, spielen auch in Ungarn und zwar ganz besonders in Siebenbürgen, basische Eruptivgesteine, welche gleichfalls als Augit- porphyrite und Melaphyre bezeichnet werden, am Aufbau der dor- tigen Gebirge eine Rolle. Den Untersuchungen von v. HAUER ?)?) und 1) ef. BECKER, Geology of the Comstock Lode and the Washoe District 1882, p. 268. 273. 282. 386. Vergl. auch v. Rar#, Verh. d. naturhist. Ver. f. Rheinl. u. Westph. 1884, p. 78. 2) v. HAuUER und STAcHE, Geologie Siebenbürgens 1885, p. 162—169. °) v. Hauer, Die Geologie und ihre Anwendung etc. 1875, p. 424—425. 1 29] VERGL. STUDIEN ÜBER ERUPTIVGESTEINE U. ERZFÜHRUNG IN CHILE U. UNGARN. 9 TsScHERMAK !) verdanken wir hauptsächlich die nähere Kenntniss dieser Gesteine. Wie im Chile, so werden diese Felsarten auch in Siebenbürgen von Tuffmassen begleitet und sie stehen auch hier in enger Verknüpfung mit den daselbst auftretenden Kalkschollen, welche zum Jura gerechnet werden. Zum Theil werden sie sammt ihren Tuffen von den Kalksteinen überlagert und daher für älter als diese erklärt. Zum Theil scheinen sie aber auch auf die Tektonik der jurassischen Sedimente nicht ohne Einfluss gewesen zu sein und es sind Fälle bekannt, in welchen diese Eruptivgesteine Blöcke von titho- nischem Kalkstein in ihrer Masse eingeschlossen enthalten. Es dürfte demnach auch hier ein Theil dieser Augitporphyrite und Melaphyre noch jünger sein als die Juraformation. Sie sind vielleicht, wie ihre Vertreter in Chile, während der Jura- und Kreide-Zeit empor- gedrungen, wie v. HAUER annimmt. Indessen scheinen die Unter- suchungen der österreichisch-ungarischen Geologen über das Alter dieser Felsarten noch keineswegs abgeschlossen zu sein?), so viel steht jedoch heute schon fest, dass ihr Erscheinen in die mesozoische Periode fällt. Sie sind somit in den Karpathen als die Vorläufer der tertiären trachytischen und andesitischen Gesteine anzusehen. Auch werden sie häufig von jüngeren sauren Eruptivgesteinen durch- setzt, wie z. B. bei Boieza von Daciten. Es ist nicht ganz unwahr- scheinlich, dass auch die in der nächsten Nähe der Stadt Schemnitz anstehenden Augit-Plagioklas-Gesteine, welche nach vom Rarn)in jeder Hinsicht echten Diabasporphyriten entsprechen, zu den mesozoischen Ausitporphyriten gehören. Im Pacherstollen werden eben diese Fels- arten von einem jüngeren sauren Eruptivgestein, einem typischen Liparit in Gestalt eines mächtigen Gangs durchsetzt. Es kann da- her jedenfalls darüber kein Zweifel bestehen, dass das basische Augit- gestein älter ist als der ihn durchsetzende saure Trachyt. Wie in den Anden Südamerikas, so treten auch in Ungarn an verschiedenen Orten eruptive Gebilde auf, welche vollkommen den Charakter von Tiefengesteinen besitzen und welche z. B. im Banat Kreidekalke durchsetzen und am Contact verändert haben, wodurch ihr verhält- nissmässig jugendliches Alter bewiesen ist. Auch im Distriet von !) TScHERMAK, Die Porphyrgesteine Oesterreichs 1869, p. 181—230. ?) Vergl. auch HersicH, Das Szeklerland mit Berücksichtigung der an- grenzenden Landestheile. Mitth. der K. ung. geolog. Anst. 1878 und an anderen Orten. ®) v. Raru, Ueber seine Besuche in Kremnitz und Schemnitz. Verh. des naturh. Ver. für Rheinl. u. Westph. 1878, p. 131. 10 MOERICKE: [130 Schemnitz und zwar in der Nähe des Oertchens Hodritsch trifft man derartige Felsarten an und ich hatte bei meinem kürzlichen Besuche daselbst Gelegenheit, mich von der ausserordentlichen Aehnlichkeit _ dieser Gesteine mit den sogenannten Andengesteinen Chiles zu über- zeugen. Wie bei diesen kann man auch bei jenen Amphibolgranite, Quarzdiorite und Quarzaugitdiorite unterscheiden. Auch der Tur- malin fehlt ihnen nicht, denn nur in ihrem Bereich tritt im Bezirk von Schemnitz dieses Mineral auf, Diese jungplutonischen Felsarten sowohl als auch die in ihrer Nähe befindlichen Gneisse und Schiefer werden von zahlreichen Eruptivgesteinsgängen durchzogen. Dieselben werden nach v. SzaB6!), an welchen ich mich bei Besprechung der jüngeren Eruptivgesteine von Schemnitz hauptsächlich halte, von einem aus Biotit, Orthoklos, Andesin und Quarz bestehenden Tra- chyt mit porphyrischer Structur gebildet. Ein anderes, gleichfalls saures Eruptivgestein, welches im Schemnitzer Distriet eine nicht geringe Verbreitung hat, besteht aus Biotit, Andesin, Labrador und Quarz und entspricht dem Dacit, einer Gesteinsart, welche bekannt- lich in Siebenbürgen, dem alten Dacien, von welchem sie ihren Namen entlehnte, ihre Hauptentwicklung besitzt. Die bisher unter dem besonderen Namen als Rhyolithe bezeichneten Felsarten, welche auch im Umkreis von Schemnitz in beträchtlichen Massen auftreten, sind nach v. SzABO nichts anderes als durch Einwirkung eines Jüngeren basischen Eruptivgesteins secundär veränderte Quarztrachyte und Dacite. Diesen quarzhaltigen tertiären Massengesteinen folgen dann wieder wie in Chile basische Laven. Es sind dies Amphibolandesite und Pyroxenandesite, welch’ letztere besonders auch in der weiteren Umgebung von Schemnitz eine hervorragende Rolle spielen. Nach den Schilderungen von v. ANDRIAN?) scheinen diese jungen Andesite in ihrem geologischen Auftreten die grösste Aehnlichkeit mit den analogen Gesteinen Chiles zu besitzen. Säulenförmige Absonderungen scheinen auch bei ihnen nicht selten vorzukommen und zum grossen Theil stecken sie auch noch in ihrer Schlackenhülle. Leider war es mir bei meinem Aufenthalte in Schemnitz nicht mehr möglich, die Localitäten bei Benedek und Ladomer aufzusuchen, woselbst nach v. ANDRIAN diese jungtertiären basischen Andesite besonders schön 2) J. v. Szas6, Classification des roches adoptee dans la nouvelle Carte esologique du distriet minier de Schemnitz en 1885. Geschichte der Geologie von Schemnitz 1885 und an anderen Orten. 2) v. Anprıan, Das südwestliche Ende des Schemnitz-Kremnitzer Trachyt- stockes. J.d.K.K.g. R. 1866, p. 39. 13 1] VERGL. STUDIEN ÜBER ERUPTIVGESTEINE U. ERZFÜHRUNG IN CHILE U. UnGaRN. 1] vorkommen, jedoch traf ich auch in der Nähe von Königsberg typische Pyroxenandesite an. Olivin führende Pyroxenandesite und Basalte sind auch hier die jüngsten Laven, mitihnen fand die vulcanische Thätigkeit in Ungarn ihr Ende. Gerade so wie in Chile stehen auch in den Karpathen die edlen Erzlagerstätten im engsten Zusammenhang mit den erup- tiven Felsarten. Auch hier sind es wieder die sauren Massengesteine, welche die Träger des Goldes zu sein pflegen. Bei Magurka ist es ein älterer Granitit und im Banat bei Moravitza und ÖOravitza sind es die jugendlichen Quarzdiorite, in welchen Goldquarzgänge auf- treten. Den @uarzandesiten oder Daciten gehören die reichsten Goldlagerstätten Siebenbürgens wie Verespatak und Nagyag an. Wohl trifft man in diesem Lande vereinzelt auch Goldgänge in den basischen Augitporphyriten und Melaphyren an; aber doch nur dann, wie es scheint, wenn dieselben von jüngeren sauren Eruptivgesteinen durchsetzt werden oder sich wenigstens in deren unmittelbarer Nähe befinden. Auf letztere ist denn auch in diesen Fällen nach der Ansicht von TSCHERMAK!) und PosEpnY?) der Goldgehalt der Gänge zurückzuführen. Ein besonderes Interesse beansprucht der Erzdistriet von Schemnitz wegen der eigenthümlichen Verbreitung von Gold und Silber. Im Grossen und Ganzen zwar eine Lagerstätte edler Silber- erze kommen in Schemnitz doch auch einzelne (Gänge vor, welche einen so beträchtlichen Gehalt an Gold besitzen, dass sie geradezu als Goldgänge bezeichnet werden. Im nördlichen Theile des Erz- reviers bei Hodritsch, Vichne und Eisenbach trifit man fast nur edle Silbergänge an, welche nur einen ganz geringen Goldgehalt haben. Dieselben setzen sowohl in den tertiären Amphibolgranititen und Augitdioriten als auch in den benachbarten Gneissen und Schiefern auf, ohne dass diese verschiedenartigen Nebengesteine einen bemerkenswerthen Einfluss auf die Erzführung ausübten. Stets werden jedoch die Erzgänge von Eruptivgesteinsgängen begleitet, welche aus dem porphyrischen Biotit-Orthoklas- Andesin- Trachyt bestehen. Höchst wahrscheinlich stehen diese Eruptivgesteinsgänge mit der Bildung der Erzgangspalten im Zusammenhang, ob sie jedoch auch mit der Erzführung in ursächlichem Zusammenhang stehen, ist fraglich. Etwas südlich von diesen Silbererzgängen, in unmittelbarer Nähe der Stadt Schemnitz selbst, findet sich eine zweite Silberzone. Wie \) TscHERMAK, Porphyrgesteine Oesterreichs 1869, p. 200—218. °) Posepny, Allgemeines Bild der Erzführung im siebenbürgischen Bergbau- distriet. J.d.K.K.g.R. 1868, p. 301. 12 MOERICKE: [132 in Chile ist es hier ein Augit-Plagioklas-Gestein, welches das Mutter- gestein der edlen Silbererze ist. Quarz und Späthe begleiten in diesen Gängen die Erze, jedoch soll nach LoLLoK!) auch hier das Vorhandensein von Kalkspath besonders günstig auf die Silber- führung einwirken, während bei Ueberhandnehmen des Quarzes eine Abnahme der Silbererze stattfinden soll. Als eigentliche Gold- gänge sind besonders die etwas nordöstlich der Stadt Schemnitz gelegenen Gänge von Dillen sowie das gleichnamige Quarzlager zu bezeichnen, ferner die südwestlich davon gelegenen Gänge von Moderstollen und endlich noch der ganz im nordwestlichen Theile des Reviers befindliche Dreiköniggang. Wir haben früher gezeigt, wie die verschiedenen Verbreitungszonen von Gold und Silber in Chile und nach BECKER auch im Washoe-District lediglich nur von dem Auftreten der verschiedenartigen Eruptivgesteine bedingt werden. Es liegt daher nahe, für den District von Schemnitz dasselbe anzu- nehmen. Wenn wir einen Blick auf die geologische Karte von Schemnitz werfen, so finden wir, dass die sämmtlichen zuvor als Goldgänge bezeichneten Gruben sich im Gebiete des Quarz-Biotit- Andesin-Labradorit-Trachyts (Daecit) befinden. Es ist dieses die- selbe Felsart, welche auch in Siebenbürgen mit dem Vorkommen des Goldes auf das engste verknüpft ist. Nach LıiroLp sind die gold- reichen Dillner Gänge nur die durch die Basaltkuppe des Calvarien- berges unterbrochene Fortsetzung des Grünerzgangs. Letzterer Gang verläuft wie die meisten Silbergänge von Schemnitz im Augit-Plagioklas- Gestein und enthält fast nur edle Silbererze, sobald nun in der Nähe von Dillen die Gänge in den Daecit treten, werden die Silbererze spärlich und Gold nebst goldhaltigen Kiesen treten an ihre Stelle. Für den Einfluss des Quarz-Biotit-Andesin-Labradorit-Trachyts auf die Gold- führung der Schemnitzer Gänge spricht besonders auch der Umstand, dass eben dieses Gestein in seiner Menge selbst goldhaltig ist. Nach den zu Schemnitz angestellten chemischen Untersuchungen besitzt nämlich der zwischen Kieshübel und Kolpach anstehende Dacit einen nicht ganz unbeträchtlichen Gehalt an Gold, wobei zu bemerken ist, dass sich daselbst in nächster Nähe keine Goldgänge befinden. Man wird daher annehmen müssen, dass das Gold, wie in Guanaco?), zu gleicher Zeit mit dem Eruptivgestein aus dem Erdinnern emporgekommen ist. !) Vergl. LıpoLp, Der Bergbau von Schemnitz in Ungarn. J.d.K.K.g.R. 1867, p. 403 u. 406. 2) Verel. W. Morrıcke, Einige Beobachtungen über chilenische Erzlager- stätten etc. in Tschermak’s mineral.-petrograph. Mitth. 1891, p. 194. 1 33] VERGL. STUDIEN ÜBER ERUPTIVGESTEINE U. ERZFÜHRUNG IN CHILE U. UNGARN. 13 Mit dem interessanten Goldvorkommen von Guanaco in Chile zeigt besonders die Goldlagerstätte von Königsberg bei Schemnitz viele Aehnlichkeit. Wie dort ist auch hier ein Quarztrachyt, der zum Theil stark verkieselt, zum Theil aber auch kaolinisch verändert ist, der Erz- träger. Auch hier scheint es, gerade wie dort, nicht zu eigentlichen in grössere Tiefen reichenden Gangspalten gekommen zu sein, sondern das Gold fand sich in unregelmässigen Hohlräumen oder Quarzlinsen vor). Hiermit steht denn wohl auch die trotz des Reichthums der Erze nur verhältnissmässig kurze Blüthezeit dieser Lagerstätte in Verbindung. Aus dem bisher Gesagten dürfte zur Genüge hervorgehen, dass zwischen den Eruptivgesteinen und edlen Erzlagerstätten der Cor- dilleren Chiles und denjenigen der Karpathen Ungarns die aller- srössten Analogien herrschen. In Chile fanden während der Jura- und Kreidezeit gewaltige Eruptionen basischer Gesteine statt, welche die ausgedehnten Massen der Augitporphyrite und Melaphyre dar- stellen. Ebenso erfolgten auch in Ungarn in der mesozoischen Periode vulcanische Ausbrüche, welchen die dortigen Augitporphyrite und Meta- phyre ihre Entstehung verdanken. Gegen die Tertiärzeit hin trat in bei- den Ländern ein Wechsel in der Art der vulcanischen Producte ein. Auf die basischen Porphyrite folgen saure dioritische und granitische ° Massengesteine, ferner echte Quarztrachyte und Dacite. Die vul- canischen Ergüsse, welche diese kiesesaurereichen Felsarten lieferten, dürften wohl bis in die Mitte der Tertiärzeit fortgedauert haben. Um diese Zeit stellen sich allmählich wieder mehr basische Glieder ein. Es sind dieses Amphibolandesite (Hornblende-Augit-Andesite) und Pyroxenandesite, deren Olivin führende Modificationen zu den echten Basalten überführen. Mit den letzteren erlosch in Ungarn wohl zur Pliocänzeit die vulcanische Thätigkeit, während sie in den Anden von Chile, wenn auch in geringerem Maasse als früher, noch heute fortdauert. Als directe Folge der vulcanischen Vorgänge haben wir die Erzlagerstätten zu betrachten. In beiden Ländern sehen wir das Gold an die sauren Massengesteine geknüpft, während sich das Silber in Chile vornehmlich an die basischen Augit-Pla- gioklas-Gesteine hält, welchen auch die reichen Silbergänge des eigentlichen Schemnitzer Reviers angehören. Wie in Chile sind allem Anschein nach auch im District von Schemnitz die eigenthümlichen Verbreitungszonen von Gold und Silber allein nur auf das Vor- kommen der verschiedenen Eruptivgesteine zurückzuführen. t) Vergl. v. AnprIan, Das südwestliche Ende des Schemnitz-Kremnitzer Trachytstocks. J. d.K.K. g. R. 1866, p. 386. 1 134] Ein Beitrag zur Kenntniss der Kreide in den Venetianer Alpen. Von Georg Boehm, a. 0. Professor an der Universität Freiburg i. B. Die hier zu behandelnden Kreidebildungen wurden bereits in zwei früheren Mitteilungen (I, p. 545, 1885; II, p. 203, 1887) von mir erwähnt. In I führte ich p. 548 an, dass in der Nähe des Lago di Santa Oroce, am westlichen Thalgehänge über Cima Fadalto, Gosaubildungen — charakterisirt vor allem durch Caprina Aguilloni und Zippurites cornuvaccinum — auftreten. An einem zweiten Fund- ort, dem Öol dei Schiosi, glaubte ich I, p. 546 „eine grosse Caprina mit schön erhaltenen Radialkanälen, sowie eine kleine Art, die wahr- scheinlich zu Caprotina gehört“ gefunden zu haben. Später war ich geneigt, jene Caprina eher zu Plagioptychus zu stellen, und zwar wegen des stark verästelten Kanalsystems (II, p. 204). Nun erschienen in den Jahren 1886—1890 mehrere Abhandlungen von DouvvitLL& (III—VI), welche unsere bisherigen Ansichten über Plagioptychus, Caprina und Hippurites cornuvaccinum wesentlich modifiziren. Um allein das hier Interessirende hervor zu heben, so zeigt sich, dass am Mantelrande der erst genannten Gattung nicht nur stark verästelte (V, p. 718, Fig. 5; p. 719, Fig. 6), sondern auch einfach verzweigte Kanäle (V, p. 722, Fig. 7) auftreten, wie bei Caprina (V, p. 703, Fig. 3). Hiernach sind beide Gattungen also nicht zu trennen. Dagegen besitzt Caprina, im Gegensatz zu Plagioptychus, inneres Ligament und ferner grosse Kanäle sowohl ausserhalb des vorderen Muskeleindrucks der linken, oberen Klappe (V, p. 703, Fig. 3, Oma), als auch ausserhalb des hinteren Muskel- eindrucks der rechten, unteren Klappe (V, p. 702, Fig. 2, omp.). 135] BoEHM: Ein BEITRAG ZUR KENNTNISS DER KREIDE IN DEN VENET. ÄLPEN. 2 Es sind dies unterscheidende Merkmale!) (V, p. 724, p. 726), welche man früher kaum beachtet hatte. Ferner fand Herr DouviLe, dass unter dem Namen Zippurites cornuvaccinum von den ver- schiedenen Autoren sehr verschiedenartiges zusammengefasst worden ist (VI, p. 6). Nach alledem bedurften meine Fossilien des Lago di Santa Croce und des Col dei Schiosi erneuter Bearbeitung. Um eine möglichst breite Grundlage zu schaften, habe ich im September vorigen Jahres speziell an letzterem Fundpunkt Aufsammlungen im grossen vorgenommen und glaube nun folgendes feststellen zu können: 1. In dem Steinbruche über Cima Fadalto ist das Auftreten von Caprina Aguwilloni zweifelhaft. Hippurites cornuwvaccinum liegt von dort nicht vor. 2. Am Col dei Schiosi habe ich weder Cuprotina noch Plagio- ptychus gefunden. Dagegen ist die Gattung Caprina allerdings ver- treten. Die Lokalität zeichnet sich sogar durch einen überraschen- den Reichtum an Capriniden im Sinne Fischer’s (VII, p. 1054) aus. Doch bevor ich auf palaeontologische Beschreibungen eingehe, sei es mir gestattet, einige allgemeine Bemerkungen über unsere Fundpunkte und deren Faunen zu machen. l. Der Fundpunkt über Cima Fadalto. Die Annahme, dass hier Gosaubildungen entwickelt seien, stützte sich (I, p. 548) auf folgende Arten: Caprina Aguwilloni, ORBIGNY. Hippurites cornuvaccinum, BRONN. Actaeonella giganlea, ORBIGNY. Actaeonella laeris, ORBIGNY. Von diesen dürfen die beiden letzteren grössere stratigraphische Bedeutung kaum beanspruchen, denn Actaeonellen sind in ihren Merkmalen recht indifferent. Die Form, welche ich als Caprina Aguilloni bezeichnet habe, könnte nach den Kanälen am Mantel- !) Um diesbezügliche, weitere Ausführungen zu vermeiden, verweise ich auf die Arbeiten von DouviLı# (III—VT), denen ich mich durchaus angeschlossen habe. 3 BoEHnm: [136 rande der linken, oberen Klappe allerdings eine Caprina sein. Allein zu einer sicheren, generischen Bestimmung fehlt die Kennt- niss der vorderen, oberen Kanäle (Oma, V, p. 703, Fig. 3), sowie die Kenntniss des Ligaments und der gesammten rechten, unteren Klappe. Bliebe als Leitfossil für Gosaubildungen nur Zippurites cornuvaceinum! Allem nach Dovvizuk (VI, p. 6) ist diese viel- genannte und viel missdeutete Art von unserer venetianischen Form völlig verschieden. Es liegt in letzterer anscheinend eine neue Spezies vor. Demnach kann ich, gestützt auf das Vorkommen von Hippurites sp. bisher nur sagen, dass unsere Schichten wahrscheinlich nicht älter als Turon sind. IH. Der Col dei Schiosi bei Polcenigo. 1) Geologischer Teil. In einer seiner sehr dankenswerten Publikationen über die obige Lokalität (XI, p. 10, Fussnote) deutet Pırona an, dass die dort vorkommenden „Caprinen“ über der eigentlichen Schiosi-Fauna lagern dürften. Nach meinen Beobachtungen möchte ich glauben, dass die Caprinen mit den anderen Fossilien jener Fauna zusammen vorkommen und einen wichtigen Bestandteil der letzteren bilden. Der reichste hier zu erwähnende Fundpunkt befindet sich, so- weit mir bekannt, am südlichen Rande einer grossen Dolline nörd- lich von der capanna Schiosi. Dort treten in grossen Massen jene Formen auf, die PıronA vor allem in X und XI beschrieben hat. Von dorther rührt aber auch die in Textfigur 3 dargestellte Platte. Dieses Stück ist es, welches ich früher für Caprina (I, p. 546) oder Plagioptychus (I, p. 204) hielt. Es dürfte zu Sphaeru- caprina oder Caprinula gehören. Vom Rande jener Dolline stammt ferner die in Textfigur 1 und Taf. VI, Fig. 2 ab- gebildete Caprina schiosensis. Des weiteren fand ich in einer Mauer an der capanna Schiosi einen Gesteinsblock, der mit grossen Capriniden völlig erfüllt war. Ich selbst habe aus demselben nicht weniger als 17 Exemplare heraus geschlagen, darunter Sphaerucaprina forojuliensis, Taf. VI, Fig. 1 und Schiosia schiosensis, Taf. VIL u. VIII. Derselbe Block enthielt aber auch zwei jener kleinen 137] Em BEITRAG ZUR KENNTNISS DER KREIDE IN DEN VENETIANER ALPEN. 4 Sphaeruliten!), die für die typische Schiosi-Fauna so überaus charak- teristisch sind und welche an der oben erwähnten Dolline zahl- reich aufgelesen werden können. Ferner fand ich die Taf. IX dar- gestellte Schiosia carinata an einer Lokalität, welche von meinen eingeborenen Begleitern Bocca Candaglia genannt wurde. Darüber — also nicht darunter! — sammelten wir mehrere Exemplare von Diceras Pironai, ebenfalls eine bezeichnende Art der eigentlichen Schiosi-Fauna im Sinne Pıronas. Hiernach glaube ich annehmen zu dürfen, dass die Capriniden nicht über jener Fauna lagern, sondern im Gegenteil zu derselben gehören. Als gute Fundorte nenne ich den schon erwähnten südlichen Rand der Dolline nördlich von der capanna Schiosi, ferner einen Punkt nordöstlich von der Dolline, welchen meine Begleiter „deposito“ nannten. „Deposito, weil hier die Arbeiter ihr Werkzeug hinterlegen.“ Ziemlich ergiebig ist Bocca Candaglia, weniger gut die Umgebung der Hütten von Ceresera. Eine Lokalität, die ich nicht selbst besucht habe, die aber sehr schön erhaltene Arten unserer Fauna führt, heisst — wenn sonst der beigefügte Zettel zuverlässig ist — Lama d’Ortus (?). Der Punkt soll unter der capanna Schiosi, zwischen dieser und Can de Piera (XI, p. 10 Fussnote) liegen. Schliesslich möchte ich noch die Hütte von Torrione (?)?) erwähnen. Hier gewinnt der sonst so einförmige Kalk ein etwas anderes Ansehen, es treten nämlich in demselben Schmitzen und Streifen eines grünlichen Thones auf. Das Gestein ist erfüllt von Fossilien, doch vermochte ich irgend ein besseres Stück nicht herauszuschlagen. Es liegt mir, speziell durch die letztjährigen Aufsammlungen, ein ausserordentlich reiches Material der Schiosi-Fauna vor. Ob unter diesem, welches zum grössten Teile aus Gastropoden und Pelecypoden besteht — sich stratigraphisch verwendbare Arten be- finden, wage ich noch nicht mit Bestimmtheit zu entscheiden. Doch habe ich wenig Hoffnung. Man hat es hier ganz überwiegend, wenn nicht ausschliesslich, mit neuen F'ormen zu thun. Die Kalke des Col dei Schiosi wurden zuerst von PIRONA — gestützt auf das angebliche Vorkommen von Aeqwienia Lonsdalei, !) Im Gegensatz zu Fischer (VII, p. 1065) und in Uebereinstimmung mit v. Zırten (XII, p. 88) nenne ich, wie dies bisher allgemein üblich war, die Formen mit eingefaltetem Ligament Sphaerulites, nicht Radiolites. 2) Auf der mir zu Gebote stehenden Karte 1:75000 finde ich von diesen Namen nur Schiosi, (M.) Ceresera und (M.) Candaeglia. Berichte VI. Heft 4. 10 5 BoEHnm: [138 Orbigny und Sphaerulites erratica, Pictet und Campiche — für Ur- gonien gehalten (X, p. 4). Allein die angebliche Regquienia Lons- dalei ist eine neue Art Diceras (Apricardia) Pironai (1, p. 546; I, p. 203; XI, p. 5, Taf. I, Fig. 1—12, Taf. II, Fig. 1—4). Das Schloss der linken Klappe ist Taf. VI, Fig. 4 dargestellt. Was Sphaerulites erratica betrifft, so ist dies eine meines Wissens ganz ungenügend bekannte Art (I, p. 546). Es liegt demnach kein Grund vor, unsere Kalke für Urgonien zu halten. Allein ebenso wenig möchte ich bestimmt behaupten, dass sie zum 7uron gehören. Für letzteres Alter schien mir zur Zeit das Vorkommen von Apricardia, von Plagioptychus und Sphaerulites cf. radiosus zu sprechen (II, p. 203). Nun aber ist die erstere, wie Douvi£ue später nachgewiesen hat, keineswegs auf 7Turon beschränkt (IV, p. 763, p. 766), und der vermeintliche Plagioptychus gehört sicherlich nicht zu dieser Gattung. Bliebe Sphaerulites cf. radiosus. Allein gegenüber den zahllosen Sphaeruliten des Col dei Schiosi ist, obgleich sie das Schloss der Oberklappe vielfach in vorzüglicher Erhaltung zeigen, grosse Vorsicht geboten. Die Oberflächen-Skulptur nämlich, für genaue Bestimmung in dieser Gruppe sehr wichtig, ist an meinem gesammten Material nirgends gut erhalten. Eine direkte Identifizirung mit Sphaerulites radiosus würde mir schon aus diesem (Grunde unthunlich erscheinen. Bei dieser Sachlage wäre es natürlich sehr erwünscht, auf dem Col dei Schiosi Ammoniten zu finden. Dass sie, wenn auch sehr selten, vorkommen, ist zweifellos. Ich selbst habe an der oben erwähnten Dolline ein kleines Zytoceras aus dem Gestein heraus präparirt. Doch halte ich dessen genaue Bestimmung für kaum möglich. Immerhin möchte ich auf diesen Fund hinweisen. Viel- leicht gelingt es Anderen besser, als mir'). Wie man aus obigen Darlegungen ersieht, ist das Alter unserer Kalke noch nicht bekannt. Zum Ziancone?) freilich gehören die- selben sicher nicht. !) Führer sind auf dem überaus monotonen Kalkplateau des Col dei Schiosi sehr nützlich. Ich kann als solche Pietro Donadel, Guardia boschiva in Coltura di Polcenigo und seinen Sohn Luigi aufs beste empfehlen. Es genügt wohl, zu sagen, dass ersterer durch Herrn PıronA, diesen ausgezeichneten Durchforscher seines Friaul, herangebildet worden ist. Vater und Sohn Donadel kennen alle von mir genannten Fundpunkte, sowie auch die von PıronaA in IX beschriebenen Liokalitäten. ?) Zeitschrift d. Deutschen geolog. Gesellschaft, Bd. XLII, 1890, p. 762. 139] Eın BEITRAG ZUR KENNTNISS DER KREIDE IN DEN VENETIANER ALPEN. 6 2) Palaeontologischer Teil. Im Nachfolgenden sollen besonders einige Capriniden vom Col dei Schiosi beschrieben werden. Das bezügliche Material setzt dem direkten Blosslegen der inneren Einrichtungen häufig unüberwind- liche Schwierigkeiten entgegen. Ich war deshalb meist auf Durch- schneiden der Stücke mit nachfolgendem Poliren der Schnittflächen angewiesen. Es ist dies ein Weg, den DouviLL& grade bei den uns beschäftigenden Formen mit grossem Erfolge betreten hat. Um Wiederholungen zu vermeiden und mich auf die Diagnosen be- schränken zu können, verweise ich bezüglich der Auffassung unseres Materials auf die schönen Arbeiten III, IV, V, nach denen ich mich gerichtet habe. Die dort angewendete Bezeichnung der einzelnen Teile habe ich — um den Vergleich möglichst zu er- leichtern — direkt übernommen. Herrn DouviLLE danke ich auf's herzlichste für die überaus liebenswürdige Unterstützung, die er mir bei meinen Untersuchungen nach allen Richtungen hat zu Teil werden lassen. Bevor ich zu den Capriniden übergehe nur wenige Worte über 1. Diceras (Apricardia) Pironai, Boehm. Taf. "VL. ERig.,4, 1885. Diceras Pironae, BoEHm. I, p. 546. 1886. Diceras Pironai, Pırona. XI, p.5; Taf. I, Fig. 1-12; Taf. II, Fig. 1—4. 1887. Apricardia? Pironai, Borum. II, p. 203. Die Gattung Apricardia, Gueranger wurde von DovviLuk, IV, p. 763 näher begründet. Ohne an dieser Stelle darauf eingehen zu wollen, ob Apricardia mit Diceras zu vereinigen ist oder nicht (II, p. 204), möchte ich hier nur bemerken, dass das Vorkommen vom Col dei Schiosi jedenfalls zu Apröcardia im Sinne von Dovviuun gehört. Das Studium der französischen Originale in der Reole des Mines in Paris — deren prächtige Sammlungen mir in liberalster Weise zugänglich waren — lässt mir hierüber keinen Zweifel. Taf. VI, Fig. 4 zeigt den Schlossapparat der linken Klappe. Man beobachtet die kräftige Schlossplatte, welche sich nach vorn zu einem Zahne verdickt. Letzterer ist zerbrochen. Die sich unter der Schlossplatte bis zum Wirbel erstreckende, hintere Muskel- leiste der linken Klappe, welche Pırona 1. c. Taf. I, Fig. 11 dar- 10* 7 BoEnn: [140 stellt, habe ich nicht blosslegen können. Dagegen besitze ich Stein- kerne, welche die entsprechende Furche deutlichst zeigen. Diceras Pironai ist besonders an der Eingangs erwähnten Dolline auf dem Col dei Schiosi ausserordentlich häufig. Ich besitze von dieser Art ca. 100 Exemplare. 2. Caprina schiosensis, n. Sp. Textfig. 1. — Taf. VI, Fig. 2. Die vorliegende Unterklappe ist kegelförmig, mit deutlicher, äusserer Ligamentfurche, welche sich vom Wirbel der Länge nach zum Schalenrande erstreckt. Der Wirbel ist nach hinten, d. h. der Ligamentfurche zu gebogen, hebt sich aber nicht ab, sondern lagert unmittelbar der Schale auf. Die Oberfläche ist mit radialen Rippen bedeckt, die durch ungefähr ebenso breite Zwischenräume getrennt sind. Beide werden von dichtstehenden, feinen, konzentrischen Linien gekreuzt. Der Querschnitt Textfig. 1 zeigt sehr deutlich den Zahn N, dessen etwas unbestimmter Kontur mit Punkten an- gedeutet ist; die beiden Zahngruben d° und d; die accessorische (Grube 05’; die innere Ligamentgrube Z/; die ausserhalb des hinteren Muskeleindrucks »»p entwickelten Kanäle omp; sowie die Ansatz- Fig. 1. — Schnitt durch die rechte, untere Klappe von Caprina schiosensis, n. SP. N Zahn der rechten Klappe; b‘, b Zahngruben; L Ligamentgrube; ma, mp vorderer und hinterer Muskeleindruck; omp Kanäle ausserhalb des hinteren Muskeleindrucks, ob‘ accessorische Grube; D Wohnraum des Thieres. stellen für den vorderen und den hinteren Muskeleindruck ma und mp. An der oberen Fläche des auf Fig. 1 gehörigen Schnittstückes sieht man unmittelbar am Ligament einen hinteren Kanal (V, p. 702, Fig. 2, 0p); ferner ausserhalb »a drei kleine Gruben. Letztere sind gerundet und nehmen von vorn nach hinten an Grösse ab. 141] Eın BEITRAG ZUR KENNTNISS DER KREIDE IN DEN VENETIANER ALPEN. 8 Die zugehörige Oberklappe ist nicht mit Sicherheit fest- zustellen. Bemerkungen. Die auffallende Uebereinstimmung unseres Quer- schnittes Textfig. 1 mit der Darstellung bei DouviLLk, V, p. 702, Fig. 2 lässt kaum zweifeln, dass hier eine Unterklappe von Caprina vorliegt. Mit einer der schon beschriebenen Arten vermag ich unsere Spezies nicht zu identifiziren. Es wurde oben angegeben, dass nicht nur ausserhalb des hinteren, sondern auch ausserhalb des vorderen Muskeleindrucks Kanäle oder Höhlungen vorhanden sind. Letztere dürften wenig tief und deshalb von dem in Fig. 1 dargestellten Schnitt nicht getroffen sein. Ich vermute, dass diese vorderen Kanäle denen ent- sprechen, welche DouvILL£, V, p. 703 und 705 erwähnt. Vorkommen: Dolline nördlich capanna Schiosi. 3. Caprina sp. Taf. VI, Fig. 3. Die linke Klappe ist kapuzenförmig und besitzt einen breiten stark nach hinten übergebogenen, der Schale unmittelbar auflagern- den Wirbel. Oberflächenskulptur ist nicht erhalten, dagegen treten durch Verwitterung die Radialkanäle sehr deutlich hervor. Im Querschnitt beobachtet man, ganz wie bei den bekannten Ober- klappen von Plagioptychus, sehr deutlich den kräftigen Hauptzahn 2%, von welchem fast rechtwinklig zu einander 2 Lamellen ausgehen. Eine der Lamellen »»a, deren Rand fast parallel dem Schalenrande verläuft, dürfte den vorderen Muskeleindruck getragen haben. Die andere trennt die Haupthöhlung @ von der accessorischen Grube »“. Letztere erstreckt sich bis nahe an den Schlossrand und bildet hier die Zahngrube » für den Zahn der rechten Klappe. Ausserdem sieht man sehr deutlich die innere Ligamentgrube Z zwischen dem hinteren, randlichen Zahn 3 und der Zahngrube ». Die peripheri- schen Kanäle gliedern sich in zwei Gruppen. Die erste entwickelt sich am Mantel- und Vorder-Rande. Sie umfasst ausschliess- lich schmale, radiale Kanäle, die aber nur zum Teil etwas deutlicher sichtbar sind. Die zweite Gruppe findet sich ausserhalb der Leiste, welche den vorderen Muskeleindruck trägt. Hier er- kennt man grössere, polygonale Kanäle, doch sind dieselben zu wenig deutlich, um bildlich dargestellt werden zu können. 9 | BoEHMm: [142 Bemerkungen. Die rechte, untere Klappe der eben beschriebenen 'aprina sp. ist mit Sicherheit nicht nachweisbar. In Folge dessen ist die Gattungsbestimmung zweifelhaft. Uebrigens liegt mir noch eine grosse Zahl linker Klappen vor, die — äusserlich sehr mannig- faltig gestaltet — in ihrer inneren Einrichtung der eben beschriebenen 'aprina sp. entsprechen. Ich hoffe, dieselben in einer späteren Arbeit eingehend darstellen zu können. Vorkommen: Capanna Schiosi. (Aus einer Mauer). 4. Sphaerucaprina forojuliensis, n. sp. Textfig. 2. — Taf. VI, Fig. 1. Die linke Klappe ist kapuzenförmig und besitzt einen stark nach hinten übergebogenen, nur mangelhaft erhaltenen Wirbel. Oberflächenskulptur ist nicht erhalten, dagegen treten durch Ver- witterung die Radialkanäle sehr deutlich hervor. Im Innern be- obachtet man den kräftigen, vorderen Zahn 2°, von welchem fast rechtwinklig zu einander zwei Lamellen ausgehen. Eine derselben, deren Rand fast parallel dem Schalenrande verläuft, dürfte den vorderen Muskeleindruck getragen haben. Die andere begrenzt die Haupthöhlung nach hinten. Weiteres ist im Innern der Klappe nicht bloss zu legen, auch ist das Ligament nicht Fig. 2. — Mantelrandkanäle der linken, oberen Klappe von Sphaerucaprina forojuliensis, n. Sp. ed Ze! ® 7] U) U: Ar D 9 \\ MM BALD zu beobachten. Die Mantelrandkanäle, cf. Textfigur 2, sind zweifacher Art. Die einen, äusseren, besitzen nur radiale Zwischenwände ohne Querlamellen. Die inneren dagegen sind durch Querlamellen ab- geschlossen, die mehr oder weniger senkrecht zu den radialen Zwi- schenwänden stehen. Die inneren Kanäle, von sehr verschiedener Grösse, sind rundlich oder polygonal, die äusseren schmal, länglich radial. NN Y Bemerkungen. Das dargestellte Exemplar kann seines eben geschilderten Kanalbaues wegen nicht zu Caprina gehören, denn dieses (renus besitzt — ebenso wie Plagioptychus — am Mantelrande nur radiale Kanäle. Freilich, ob unsere Form gerade zu Sphaeru- 143] Eım BEITRAG ZUR KENNTNISS DER KREIDE IN DEN VENETIANER ÄLPEN. 10 caprina') gehört, ist sehr zweifelhaft. Ich habe mich — nicht ohne schwere Bedenken — für die letztere Gattung entschieden, aber nur aus dem Grunde, weil die in Textfigur 2 dargestellten Kanäle einiger- massen an die von Sphaerucaprina Woodwardi, Gemmellaro (VAL, Taf. I, Fig. 5) erinnern. Zu einer sicheren, generischen Bestimmung unserer Form wäre vor allem die Kenntniss der rechten, unteren Klappe erforderlich. Sollte letztere ähnliche Kanäle haben, wie die dargestellte linke Klappe, so hätte man es vermutlich mit einer Capri- nula?) zu thun. Sphaerucaprina wäre alsdann ausgeschlossen, denn nach GEMMELLARO entspricht deren rechte, untere Klappe der von Caprina, besässe demnach keine eigentlichen Manteirandkanäle. Vorkommen: Capanna Schiosi. — In einem Block mit Oa- prina sp. 5. Sphaerucaprina? Textfig. 3. Von dem auf nebenstehender Seite dargestellten Exemplar liegt nur eine Scheibe vor, die beiderseits geschliffen worden ist. Die Schlifflächen sind nicht parallel; die Scheibe ist vorn — oben in der Stellung der Figur — 18 mm, hinten 6 mm dick. Die Kanäle sind durch Gelatine Pauspapier direkt vom Original auf den Stein übertragen worden, sind also durchaus richtig. Der übrige Bau der Schale wurde von der anderen Seite der Platte — wo er besser erhalten ist — auf dieselbe Weise übernommen. Man hat es hier mit der linken, oberen Klappe einer Form zu thun, deren Schloss dem von Caprina sp. entspricht. Be- züglich der Kanäle verweise ich auf die Beschreibung bei Sphaeru- caprina forojuliensis. Eigentümlich ist die Gestaltung des einen grossen Kanals links von 3 in der Figur. Unmittelbar vor dem Ligament L liegen zwei grosse Gruben. Ob etwa die eine derselben Ligamentgrube ist, vermag ich nicht zu entscheiden. Ausserhalb des vorderen Muskeleindrucks, über der Leiste »»a, sind keine Kanäle zu beobachten. Bemerkungen. Ich darf hier auf die bezügliche Rubrik bei Sphaerucaprina forojuliensis verweisen. Vielleicht hat man es nur mit einem sehr grossen Exemplar derselben Art zu thun. Vorkommen: Dolline nördlich capanna Schiosi. !) Exemplare der typischen Sphaerucaprina liegen mir nicht vor. ?) Die Gattung Jchthyosarcolithus, Desmarets (IV, p. 791) konnte, als mir fast gänzlich unbekannt, nicht eingehend berücksichtigt werden. [144 BoEHm: 11 ,„.n. sect. iosia Sch sehr ungleichklappig. Die grosse linke lappe spiral, r ’ Schale dick 's9IOIy], sOp umeauyoy H :oquın) OydsLIossaode ‚u !ossnpf dodayury pun 1019p10A du ‘vw !syuowesr] sop Sunypezumg op 7 :oqnasuyez u !uyerz aoaoyury ZT ‘a910pA0A ‚I LI 9 SON geschlossenen Spirale eingedreht, die Hauptwindung nach hinten gerichtet. Die kleinere, rechte Klappe t, zu einer freien oder enurıdngnıapyds au addery} 919g0 ‘oyur aIp yoanp yruyag — 'E "III stark verlänger kapuzenförmig gewölbt, mit dicht am Schlossrande gelegenem, stark um- gebogenen Wirbel. Aeussere Schalenschicht sehr dünn, mit radialen Rippen bedeckt; letztere werden von feiner, konzentrischer Streifung 145] Eın BEITRAG ZUR KENNTNISS DER KREIDE IN DEN VENETIANER ALPEN. 12 durchkreuzt. Innere Schicht porzellanartig, mächtig entwickelt. Wohn- raum des Tieres klein. Die Bandfurche verläuft auf der grösseren Klappe äusserlich bis zur Spitze des Wirbels. Sie biegt nach innen ein und bildet eine wohlentwickelte, innere Ligament- srube. Die linke Klappe zeigt hinter dem Wohnraum des Tieres, durch eine dünne Scheidewand von ihm getrennt, eine zweite, accesso- rische Höhlung, die sich bis in die Nähe des Schlossrandes erstreckt und hier die Zahngrube für den Zahn der rechten, kleineren Klappe bildet. Die innere Schalenschicht beider Klappen ist von parallelen Kanälen durchzogen die sich in zwei Gruppen sondern. Die erste ist auf den Mantelrand und Vorderrand beschränkt uud zeigt aus- schliesslich radiale, niemals polygonale Kanäle. Die zweite Gruppe ist am Schlossrande entwickelt und umfasst unregelmässige, grosse und kleine, rundliche, ovale oder polygonale Kanäle. An der abgewit- terten Oberfläche treten die inneren Röhren als Radialfurchen zu Tage. Schloss wahrscheinlich ähnlich wie bei Caprinula entwickelt. Typus: Schiosia schiosensis, n. sect.; n. sp. Bemerkungen. Die oben charakterisirte Schiosia steht der Gattung Caprinula, ORBIGNY jedenfalls recht nahe. Dort wie hier sind Mantelrandkanäle in beiden Klappen entwickelt und auch die Schlösser scheinen grössere Differenzen nicht aufzuweisen. Hingegen sind bei Caprinula — soweit mir bekannt — nicht nur radiale, sondern auch polygonale Mantelrandkanäle entwickelt; bei Schöosia ausschliess- lich die ersteren. Nun aber scheinen nach dieser Richtung hin Uebergänge vorhanden zu sein. So sieht man bei Caprinula Boissyi, OrBIGNY (V, Taf. XXII) innerhalb der radialen Kanäle die poly- sonalen zum Teil sehr gross und deutlich entwickelt; während letz- tere bei einer Caprinula von Alcantara (V, Taf. XXII, Fig. 6a) auffallend zurücktreten. Da einfaches und komplizirtes Kanalsystem jedenfalls in unmittelbarem, genetischen Zusammenhang stehen, habe ich vorgezogen, Schiosia nicht als neue Gattung oder Untergattung, sondern nur als eine Section von Caprinula aufzufassen. 6. Schiosia schiosensis, n. sp. Taf. VII; Taf. VIII, Fig. 1—2. Bezüglich dieser Art darf ich auf die obige Sectionsdiagnose und auf die bildlichen Darstellungen verweisen. Der Wirbel der kleineren, rechten Klappe ist nach vorn eingerollt. BB BoEHM: |146 Bemerkungen. An dem Taf. VIII, Fig. 2 dargestellten Exem- plare sieht man, in der Figur weiss gelassen, sehr deutlich den Zahn N der kleinen, rechten Klappe, welcher im der Zahngrube » der grossen, linken Klappe steckt. Der Zusammenhang beider Klappen Taf. VII ist — besonders wegen der üblen Erhaltung der kleineren Klappe — nirgends deutlich zu beobachten. Es schien demnach immerhin möglich, dass beide überhaupt nicht zusammen gehören. Zur Feststellung des Sachverhalts wurde ein Schnitt in der Richtung der Verbindungslinie der beiden Wirbel gelegt. An der so erhaltenen Schnittfläche kann man deutlich beobachten, dass die Schalenränder beider Klappen zusammen passen. Vorkommen: Capanna Schiosi. — In einem Block mit Ca- prina sp. und Sphaerucaprina forojuliensis. 7. Schiosia carinata, n. sp? Taf. IX, Fig. 1—2. Die obere, linke Klappe ist geschlossen spiral eingerollt und zeigt mindestens 3 Windungen. Die äussere Windung löst sich nach der Mündung zu aus der Spirale, doch ist dieselbe gerade hier als- bald abgebrochen. An der Externseite zeigt die Klappe, wenigstens auf der ersten und dem Beginn der zweiten Windung, einen auffal- lenden Kiel. Weiterhin scheint derselbe undeutlicher zu werden. Oberflächenskulptur ist nicht erhalten. An verwitterten Stellen sieht man die Radialkanäle, welche als Furchen vom Wirbel zum Schalen- rande verlaufen. Die Bandfurche ist weder aussen noch auf dem Querschnitt zu beobachten. Letzterer, Fig. 2, zeigt die Haupthöhlung G, sowie die accessorische Grube »‘. Eine deutliche Scheidewand trennt »° von der Zahngrube n. Bemerkungen. Da die kleinere, rechte Klappe und das innere Ligament nicht nachzuweisen sind, so bleibt die Gattungsbestimmung zweifelhaft. Immerhin dürfte die Gruppirung der Höhlungen und Kanäle es recht wahrscheinlich machen, dass man es auch hier mit einer Schiosia zu thun hat. Von Schiosia schiosensis unterscheidet sich unsere Form schon äusserlich durch den sehr auffallenden Kiel und die geschlossene Spirale. Wenn unsere Form wirklich zu Schiosia gehört, so würden diese Merkmale für sich allein zur Aufrecht- haltung einer eigenen Art kaum genügen. Nach dem mir vorliegenden Material nämlich scheint die linke Klappe von Schiosia selbst bei Pe 147] Eın BEITRAG ZUR KENNTNISS DER KREIDE IN DEN VENETIANER ALPEN. 14 einer und derselben Art äusserlich sehr variabel zu sein. Schiosia carinata wäre demnach vielleicht nur eine Varietät der „schöosensis“. Vorkommen: Bocca Candaglia. Schluss. Folgende Punkte möchte ich hier hervorheben: 1) Die von Pırona beschriebene Fauna des Col dei Schiosi ent- hält auch zahlreiche Capriniden. 2) Dieselben stellen, soweit bisher bekannt, durchweg neue Spezies dar, die zum mindesten zwei verschiedenen Gattungen angehören. 3) Die Kalke des Col dei Schiosi gehören nach ihrer Fauna der oberen Kreide an. Die Gattung Caprina soll — ebenso wie Caprinula — das obere Cenoman charakterisiren. Der Fundpunkt über Cima Fadalto dürfte nicht älter als Turon sein. 15 der 1. I: „ XII. im Text . BoEHM. BoEHM. DOouVILLE. . DovvILLE. . DouviLLE. . DouvILLE. . FIscHER. . GEMMELLARO. PiIRoNA. . Pırona. . PıronAa. v. ZITTEL. BoEHn: [148 Verzeichniss mit römischen Ziffern eitirten Literatur. Ueber südalpine Kreideablagerungen. — Zeitschrift d. Deut- schen geolog. Gesellschaft, Bd. XXXVIlL, p. 544. — Berlin 1885. Das Alter der Kalke des Col dei Schiosi. — Zeitschrift d. Deutschen geolog. Gesellschaft, Bd. XXXIX, p. 203. — Berlin 1887. Essai sur la Morphologie des Rudistes. — Bulletin d. |]. Societe Geolog. de France, 3° serie, Bd. XIV, p. 389. — Paris 1886. Sur quelques formes peu connues de la famille des Chamides. — Bulletin d. 1. Societe Geolog. de France, 3° serie, Bd. XV, p- 756. — Paris 1887. Etudes sur les Caprines. — Bulletin d. 1. Societe Geolog. de France, 3° serie, Bd. XVI, p. 699. — Paris 1888. Etudes sur les Rudistes. Revision des principales esp£ces d’Hippurites. — M&moires de la Societe Geolog. de France. Paleontologie. I, Paris 1890; II, Paris 1892. Manuel de Conchyliologie ete. — Paris 1887. Caprinellidi della zona superiore della ciaca dei dintorni di Palermo. — Palermo 1865. Sulla fauna fossile giurese del monte Cavallo in Friuli. — Memorie d. Reale Istituto veneto di scienze, lettere ed arti, Bd. XX. Sep.-Abdruck. — Venezia 1878. Nuovi fossili del terreno cretaceo del Friuli. — Memorie d. Reale Istituto veneto di scienze, lettere ed arti, Bd. XXI. Sep.-Abdruck. — Venezia 1884. Due Chamacee nuove del terreno ceretaceo del Friuli. — Memorie d. Reale Istituto veneto di scienze, lettere ed arti, Bd. XXI. Sep.-Abdruck. — Venezia 1886. Handbuch der Palaeontologie. I. Abtl. Palaeozoologie, Bd. II. — München u. Leipzig 1881—1885. 149] Em BEITRAG ZUR KHNNTNISS DER KREIDE IN DEN VENETIANER ALPEN. 16 Erklärung der Tafeln. Alle Exemplare sind in natürlicher Grösse dargestellt und befinden sich in meiner Sammlung. B', B = Vorderer und hinterer Zahn der linken, oberen Klappe. G — Wohnraum des Thieres. L — Innere Ligamentgrube. ma, mp — Vorderer und hinterer Muskel. n' — Accessorische Grube. n — Zahngrube der linken Klappe. N — Zahn der rechten Klappe. Tafel VI. Fig. 1. Sphaerucaprina forojuliensis, n. sp. — Linke Klappe. — Capanna Schiosi. — p. 142. Fig. 2. Caprina schiosensis, n. sp. — Rechte Klappe mit der äusseren Ligamentfurche. — Col dei Schiosi. — p. 140. Fig. 3. Caprina sp. — Linke Klappe. — Capanna Schiosi. — p. 141. Fig. 4. Diceras Pironai, Borum. -—- Linke Klappe. — Col dei Schiosi. — p. 139. Tafel VII. Schiosia schiosensis, n. sect; n. sp. Beide Klappen im Zusammenhang. — Hintere Ansicht. — Capanna Schiosi. — p. 145. Tafel VII. Fig. 1. Schiosia schiosensis, n. sect; n. sp. Dasselbe Exemplar wie auf Tafel VII. — Vordere Ansicht der linken Klappe. — p. 145. Fig. 2. Dasselbe Exemplar. — Ansicht auf den angeschliffenen Innen- raum. — Kanäle, soweit sie nicht ausgefüllt, sind durch Punkte umrandet. (Die Rippen stehen bei beiden Figuren etwas zu dicht aneinander.) Tafel IX. Fig. 1. Schiosia carinata, n. sp.? — Wirbelansicht der linken Klappe. — Bocca Candaglia. — p. 146. Fig. 2. Dasselbe Exemplar. — Ansicht auf den angeschliffenen Innenraum. 1 [150 Bemerkungen über die tektonischen Beziehungen der oberrheinischen Tiefebene zu dem nordschweizerischen Kettenjura. Von G. Steinmann. (Mit einer Kartenskizze.) Die Ueberschiebungszone des Kettenjura über den Tafeljura, deren eingehende Untersuchung Herr Münusere !) in dankenswerther Weise in Angriff genommen hat, findet bekanntlich ihr westliches Ende an einer Linie, welche vom W-Abhang des Dinkelberges in nahezu meridionaler Richtung hart W an der hohen Winde vorbei auf Solothurn zu verläuft. Die Bedeutung dieser Linie für die Tek- tonik des Juragebirges wurde schon vor längerer Zeit von A. MÜLLER?) erkannt, welcher dieselbe für die unmittelbare Fortsetzung der grossen Abbruchlinie am W-Rande des Schwarzwaldes erklärte. In der That ist ein directer Zusammenhang der Haupt-Schwarzwald- verwerfung mit der Flexur des Dinkelberges und des Baseler Tafel- jura bis zur Mont Terrible-Kette (Fig. 1, VI) nachweisbar. Aber diese wichtige Dislocationslinie, welche man passender Weise als Schwarzwaldlinie bezeichnen kann, endigt offenbar nicht an der Mont Terrible-Kette, sondern sie beeinflusst auch noch den Bau der südlicheren Ketten bis in die Gegend von Solothurn. Sie trennt innerhalb des Kettenjura zwei verschieden gebaute Stücke, wie aus !) Eclogae Geologicae Helvetiae, I, 5, S. 397. 1889. Ferner Vortrag des- selben Autors, gehalten auf der XXV. Vers. des oberrh. geol. Ver. zu Basel, April 1892. ?) Verh. der naturf. Ges. Basel, Bd. II, S. 386. Bd. VI, S. 450 und 461. — Beitr. z. geol. Karte d. Schweiz, Bd. T, 8. 45. 151] STEINMANN: BEMERKUNGEN ÜBER DIE TEKTONISCHEN BEZIEHUNGEN ETC. 2 folgenden, zum Theil schon von A. MÜLLER betonten Thhatsachen ersichtlich wird: 1. Die Ueberschiebungszone des Kettenjura über den Tafel- jura endist im W an der Schwarzwaldlinie. Wenn auch in den westlichen Ketten locale Ueberschiebungen nicht gänzlich fehlen dürften, so existiert doch nirgends eine geschlossene Ueberschiebungs- zone und wir sehen nirgends Muschelkalk auf die jüngsten Schichten der sedimentären Serie (Malm oder Tertiär) hinaufgeschoben. Vor- jurassische (Keuper-) und altjurassische (Lias-) Schichten erscheinen nur noch hier und dort als Kerne der tief aufgeschnittenen Anti- klinalen. Muschelkalk tritt in letzteren überhaupt nicht mehr zu Tage, was um so mehr bemerkt zu werden verdient, als sich dessen Auftreten im östlichen Jura keineswegs auf die Ueberschiebungszone beschränkt, derselbe vielmehr auch in der Weissensteinkette hart O von der verlängerten Schwarzwaldlinie (am Balmberge bei Solo- thurn) aufgerissen ist. 2. Dem Kettenjura ist im W der Schwarzwaldlinie kein Tafel- jura vorgelagert, vielmehr dringen die Juraketten bis zur oberrhei- nischen Tiefebene und etwa 10 km weiter nach N vor, als im OÖ derselben (Fig. 1, I—-V). Daher stösst der Baseler Tafeljura im W an Kettenjura und biegt sich an seinem W-Rande flexurartig zur Tiefe. 3. Der Kettenjura im W der Schwarzwaldlinie ist im Gregen- satz zum östlichen Teil dadurch ausgezeichnet, dass die Ketten vielfach weit auseinanderweichen und dass sich mehr oder minder breite, mit postjurassischen Bildungen erfüllte Becken zwischen dieselben einschieben. Da die Lagerung der Schichten in diesen Becken eine nur wenig gestörte, schwach muldenförmige oder hori- zontale ist, so könnte man sie auch als Tafelstücke bezeichnen, zumal manche derselben sehr breit sind, wie die Becken von Laufen (L) und Delsberg (D), während die kleineren, wie diejenigen von Münster (M) und Tavannes (T)) schon wegen ihrer elliptischen Gestalt mehr die Bezeichnung von Becken verdienen. Im O der Schwarz- waldlinie ist nur ein derartiges Becken von erheblicher Ausdehnung vorhanden, nämlich dasjenige von Balsthal (B) und dieses liegt bezeichnender Weise zwischen den beiden südlichsten Ketten, der Moron- (XII) und der Weissenstein- (XIII) Kette. Seine Aus- dehnung ist gering im Vergleich zu den Becken von Laufen, Dels- berg und Tavannes. 4. Die Einwirkung der Schwarzwaldlinie wird weiterhin bemerkbar in dem Auftreten der Rothmatte-Kette (X), welche das unregel- 3 STEINMANN: BEMERKUNGEN ÜBER DIE TEKTONISCHEN BEZIEHUNGEN DER [152 mässig verlaufende Verbindungsstück zwischen der Mont-Kette (IX) und der Raimeux-Kette (XI) bildet; ferner in der Heraushebung der aus glacialer Bedeckung nur auf eine kurze Strecke emportauchen- den St. Verena-Kette im N von Solothurn (XV), welche durch die verlängerte Schwarzwaldlinie gegen W abgeschnitten wird. Die erwähnten Merkmale können nur zum Theil für den ganzen westlichen Jura als bezeichnend gelten. Ausgedehnte Ueberschie- bungen und Muschelkalkaufbrüche fehlen zwar dem Gebirge bis zu seiner Vereinigung mit den Alpen, aber das Vordringen der Jura- ketten über die als Fortsetzung der baseler-aargauischen Ueber- schiebungszone sich darstellende Mont Terrible- Kette hinaus beschränkt sich auf die an die Schwarzwaldlinie zunächst angrenzende Region von etwa 30 km Breite. Auf diesen Theil entfällt auch hauptsächlich die Einschaltung der erwähnten Tafelstücke. Als westliche Grenze dieses Mittelstücks des Kettenjura ergibt sich eine Linie, die der Schwarzwaldlinie fast genau parallel, in der Richtung Mont Terrible — Neuveville am Bieler See durch den Jura gezogen gedacht werden muss. Dieselbe schneidet in ihrer nördlichen Fortsetzung die vor- geschobenen Ketten (I—V) ab und trennt sie von dem W an- stossenden Tafeljura des Elsgau, sie schneidet durch den Virgations- punkt des Mont Terrible und trifft die südlichen Ketten grossenteils gerade an solchen Punkten, wo dieselben eine mehr oder minder scharfe Knickung erleiden, die bei den Ölos-du-Doubs- (VII) und Caquerelle- (VIII) Ketten nach S konvex, bei dem nördlichen Aste der Moron-Kette und bei der Weissenstein-Kette nach N konvex ist. Der Doubs tritt hart an diese Linie heran, überschreitet sie aber nicht, sondern biegt unter Durchbrechung der Olos-du-Doubs- Kette nach der gleichen Richtung zurück, in welcher er gekommen. Das System der südlichsten Ketten (Chasseral-Kette mit ihren Aesten — XIV) scheint von dem Einfluss dieser Linie unberührt zu bleiben. Wie schon erwähnt bildet diese Linie auch die W- Grenze für die grossen Becken, namentlich für dasjenige von Dels- berg, welches fast die ganze Breite des Mittelstücks einnimmt. Aus diesen Thatsachen können wir entnehmen, dass der west- lichen Begrenzungslinie eine ähnliche Bedeutung für den Bau des Faltenjura zukommt wie der Schwarzwaldlinie; es liegt daher nahe, zu untersuchen, ob sie auch in ähnlicher Beziehung zu den Bruch- linien des Rheinthals steht wie jene. Hier im W liegen derartige Beziehungen aber nicht so offen zu Tage; denn vor dem Berner Jura breitet sich die sanftgewellte Landschaft des Sundgau aus, in 153] OBERRHEINISCHEN TIEFEBENE ZU DEM NORDSCHWEIZERISCHEN KETTENJURA. 4 welcher aus der pliocänen und pleistocänen Bedeckung jurassische Schichten gar nicht, oligocäne Ablagerungen aber nur an einzelnen Stellen heraustreten. Aber auch die letzteren vermögen uns für die vorliegende Frage keinen sichern Aufschluss zu gewähren, da in direeter Fortsetzung der westlichen Begrenzungslinie des Mittelstückes (zwischen Altkirch und Dammerkirch) pleistocäne Bildungen das Tertiär verdecken. Am SO-Rande der Vogesen treffen wir aber auf ein anders gerichtetes System von Dislocationen, dessen Richtung von dem im Jura ermittelten abweicht. Von Belfort bis zum Aus- tritt der Thur aus dem Gebirge verläuft die Abbruchslinie, bezw. Flexur der Vogesen in SW—NO-Richtung; wir befinden uns hier im Bereiche der vom französischen Centralplateau gegen das obere Rheinthal zu verlaufenden variscischen Brüche, welche im süd- westlichen Deutschland so vielfach mit den Rheinthalbrüchen interferiren und die, wie ich an einer andern Stelle wahrscheinlich zu machen versucht habe!), ihren Einfluss auch noch jenseits des Rheins, in der Breisgauer Bucht, geltend machen. Zwischen Thur- und Lauchthal schwenkt die SW—-NO-Richtung allmählich in die SSW-—NNO-Richtung ein und dort, wo die Abbruchslinie noch weiter nach N zu umbiest, treffen wir auf das als Becken von Winzfelden bekannte Einbruchsfeld, ein Gegenstück zur Breisgauer Bucht. Die Umrandung desselben wird theils durch Dislocationen des variscischen Systems (NW-Rand des Beckens), theils durch solche des Rheinthal-Systems bestimmt. Letzteres herrscht am O- Rande des Beckens (namentlich im nördlichen Theile desselben) und auch die Hauptabbruchslinie der Vogesen im N des Winzfelder Beckens folgt zunächst der gleichen Richtung. Mit anderen Worten, die im der Breite von Colmar annähernd meridional gerichtete Vogesen-Abbruchlinie setzt am Aussenrande des Winzfelder Ein- bruchsfeldes fort, ihre südliche Fortsetzung wird aber von pleisto- cäner Bedeckung verhüllt. Verlängert man diese, dem Rheinthal- System folgende Dislocationslinie durch den Sundgau hindurch nach S, so fällt sie zusammen mit der westlichen Begrenzungslinie des Mittelstücks des Kettenjura, welcher wir eine ähnliche Rolle zuweisen konnten wie der Schwarzwaldlinie, namentlich soweit das Vordringen der Juraketten über die Mont Terrible-Linie hinaus und die Ein- schaltung der Tafelstücke zwischen die Ketten in Betracht kommt. !) STEINMANN und GRAEFF: Geolog. Führer d. Umgeb. von Freiburg. Frei- burg i. B. 1890, S. 134. Berichte VI. Heft 4. 11 5 STEINMANN: BEMERKUNGEN ÜBER DIE TEKTONISCHEN BEZIEHUNGEN DER [154 Gerade dieser Umstand scheint mir die wichtigste Stütze für die Annahme zu bieten, dass die westliche Begrenzungslinie des Mittel- stücks nichts anderes als die Fortsetzung der Vogesenlinie darstellt, und dass der eigenartige Bau und die scharfe Begrenzung des Mittelstücks durch das Eingreifen der beiden Hauptabbruchslinien des Rheinthals in das Faltengebirge bedingt werden. Abgesehen von der Ohasseral-Kette (XIV), auf welche sich der Einfluss der Vogesenlinie nicht mehr zu erstrecken scheint, könnte man das Mittel- stück als Rheinthaler Kettenjura bezeichnen, da es genau im Rheinthal im engeren Sinn liest, d. h. dem grabenartigen Einbruchs- felde, soweit dasselbe von nahezu meridionalen Dislocationslinien eingeschlossen ist. Wir wollen den Bau des Rheinthalstücks noch etwas genauer betrachten. Die der Mont Terrible-Kette vorgelagerten 4 Faltenzüge (I—V) stellen nur relativ schwache und zum Theil unregelmässig gebaute Gewölbe dar, in denen tiefere Schichten als Bathonien nicht freigelegt sind, während in den südlichen Ketten an mehreren Orten ältere Jurahorizonte, selbst Keuper sichtbar werden. Der nördlichste Faltenzug (I, II) zerfällt in zwei convexe, durch eine tiefe pleistocäne Ausbuchtung getrennte Bogenstücke, die Bürgerwaldkette im W (I) und die viel kürzere Flühenkette im O (II). Die erstere erfährt bei Pfirt (Pf.) ihrerseits eine Zweiteilung, ihr westlicher Flügel biegt rechtwinklich nach SW um und hält diese Richtung bis zu seinem Ende strenge ein. Hier macht sich offenbar das variscische Bruch- system geltend und zwar scheint gerade diese Dislocationslinie, welche die vorderste Jurakette schräg abschneidet, einen ziemlich weit- gehenden Einfluss zu besitzen. In ihrer südwestlichen Verlängerung trifft sie die Mont Terrible - Kette genau im W des scharfen Knickes und das Umbiegungsstück selbst verläuft in dieser Richtung. Weiterhin scheint sie ziemlich genau mit dem äusseren Rande des westschweizer Jura zusammen zu fallen, wie ja auch die Faltenzüge des Neuenburger Jura dieser Richtung folgen. Ihre nordöstliche Verlängerung trifft das steilabfallende NW-Ende des Isteiner Klotzes und bildet von hier ab über Müllheim bis in die Gegend von Sulzburg die Grenze zwischen der immer mehr und mehr gegen den Schwarz- wald zurückweichenden Vorbergszone und den pleistocänen Auf- füllungen. Von Sulzburg .bis in die Gegend von Freiburg fällt aber die Haupt-Schwarzwaldverwerfung selbst in ihre Verlängerung. Wir wollen diese Dislocation die Sundgaulinie nennen. Die nächstfolgende Blauen-Kette (III) zeigt die Zweiteilung und 155] OBERRHEINISCHEN TIEFEBENE ZU DEM NORDSCHWEIZERISCHEN KETTENJURA. 6 den bogenförmigen Verlauf der beiden Theilstücke (der Blauen-Kette s. str. im O, der Blochmont-Kette im W) noch deutlich, wenn auch weniger scharf ausgeprägt als die äusserste. An den beiden folgenden, der Bueberg- (IV) und der Movelier-Kette (V) wird eine Zwei- teilung nicht bemerkt, ihr Verlauf ist ziemlich genau OW, wie der der folgenden Mont Terrible-Kette, als deren Aeste sie wohl auf- zufassen sind. Im Becken von Laufen (L) verlieren sie ihren Falten- charakter, es ist aber nicht ganz unwahrscheinlich, dass ihr tektonisches Aequivalent jenseits der Schwarzwaldlinie zum Theil in der von A. MürLer als Hasenhubel-Kette bezeichneten äussersten Ueber- schiebung, bezw. Falte des Baseler Kettenjura erblickt werden darf. Eine Zweiteilung des Rhemthalstücks durch eine Mittellinie, wie sie uns in den beiden äussersten Ketten entgegentritt, lässt sich auch im S der Mont Terrible-Kette wahrnehmen. Die Birs durch- bricht diese letztere gerade in ihrer Mitte. Das Becken von Delsberg (D) besteht aus einem weiteren westlichen und einem engeren öst- lichen Stück. Die nahezu meridional verlaufende, schwach nach SW abgelenkte Mittellinie scheidet sie. Wo die Mont- (IX) und die Raimeux- (XI) Kette von ihr getroffen werden (im W des Münster- thals), erleiden beide eine bogenförmige Ausbuchtung nach S; die Moron-Kette erfährt sogar eine scheinbare Unterbrechung, und auch die Abzweigungsstelle der Ohasseral-Kette (XIV) von der Weissen- steinkette (XIII) fällt, wenn auch nicht ganz genau, in ihre Verlängerung. Die von den Tafelstücken, bezw. Becken eingenommenen Flächen- räume fallen etwa zu gleichen Theilen auf beide Seiten der Mittel- linie. Da letztere die gleiche Richtung besitzt wie Schwarzwald- und Vogesenlinie, so erscheint es nicht allzu gewagt, auch in ihr eine Fortsetzung des Rheinthal- Bruchsystems zu vermuthen. Ihre nördliche Fortsetzung fällt ziemlich genau in die Mitte der ober- rheinischen Tiefebene, wo der Nachweis ihres Vorhandenseins zunächst nicht zu erbringen ist. Wohl aber könnte man die von GRAEFF'!) sup- ponirte Bruchlinie, welche die Eruptivmassen des Kaiserstuhles gegen W abgrenzt, als ihre Fortsetzung deuten, da dieselbe ebenfalls ziemlich genau in die Mitte des Rheinthals zu liegen kommt und den beiden Haupt-Bruchlinien des Rheinthals parallel verläuft. Ich verkenne keineswegs die Unsicherheit, welche der Annahme einer oberrheinischen Mittellinie anhaftet, kann aber doch nicht !) STEINMANN und GRAEFF: Geolog. Führer d. Umgebung von Freiburg. Freiburg i. B. 1892, T. III. ılE 7 STEINMANN: BEMERKUNGEN ÜBER DIE TEKTONISCHEN BEZIEHUNGEN DER [156 umhin, angesichts des ausgesprochen symmetrischen Baus der Abbruchs- region zu beiden Seiten der Rheinthalmitte — nur die variscischen Bruchlinien stören die Symmetrie — das Vorhandensein einer mittleren Dislocationslinie für sehr wahrscheinlich zu halten. Wie dem aber auch sein möge, die geschilderten Verhältnisse drängen zu der Ueberzeugung, dass der Bau des Kettenjura erst verständlich wird durch Verfolgung der Dislocationen des umgebenden Einbruch- gebiets. Für den östlichen Kettenjura hat man ja bekanntlich eine directe Beeinflussung durch den krystallinen Kern des Schwarz- waldes angenommen. In der That fällt die Ueberschiebungszone annähernd genau auf dasjenige Stück des Gebirges, welches dem Schwarzwalde vorgelagert ist, d. h. zwischen die Schwarzwaldlinie und die Reuss-Aare-Linie. Letztere scheidet den einfach gebauten „Lägernjura“ vom „Ueberschiebungsjura“. Wenn diese Linie auch nicht als ausgesprochene Verwerfung im Tafeljura und am Schwarzwald sichtbar wird, so kann doch ihre Bedeutung für den Bau des Tafeljura nicht bezweifelt werden. Am Aarethal endist die Mandacher Verwerfung, welche dem WSW-- ONO gerichteten Schwarzwaldrande parallel läuft, und östlich vom Aarethal nimmt der Tafeljura die ausgesprochen nordwestliche Streichrichtung an, die er bis zum Randen beibehält. Im Ueberschiebungsjura lassen sich zwei Regionen von ab- weichendem Bau unterscheiden. Die westliche Region liegt zwischen der Schwarzwaldlinie und dem Hauenstein!), eben dort, wo die Raimeux- (XI) und die Moron- (XII) Kette sich der Mont Terrible- Kette angliedern und mit in die Ueberschiebungszone eingehen. Auf dieser Strecke besitzt die Ueberschiebungszone einen besonderen Charakter?) und ihr Verlauf ist WO. Am Hauenstein tritt in Folge der Einbeziehung der südlichen Ketten eine Beugung in der Streich- richtung des Gebirgs nach N um etwa 30° und eine Veränderung der Ueberschiebungszone ein. Die östliche Region des Ueberschiebungs- jura fällt zwischen den Hauenstein und die Reuss-Aare-Linie. Ent- sprechend diesen beiden Regionen ist auch der Bau des Vorlandes !) Genauer ausgedrückt: Eptingen i. W. d. Hauenstein. !) Die Eigenart dieses Teils der Ueberschiebungszone besteht, wie A. Mürter (l. c. Bd. VII 1878) nachgewiesen hat, in der besonderen Breite der über den Tafeljura hinüber geschobenen Jura- bezw. auch Keuperschichten (bis zu 1,5 km), während diese Schichten im O des Hauenstein zumeist nur in der Gestalt kleiner, zerdrückter Schollen vor der Muschelkalk-Ueberschiebung auftreten. 157] OBERRHEINISCHEN TIEFEBENE ZU DEM NORDSCHWEIZERISCHEN KETTENJURA. 8 ein verschiedener. Auf der östlichen Strecke tritt der krystalline Kern des Schwarzwaldes spornartig vorspringend am nächsten an das Faltengebirge heran, auf der westlichen wird er durch das Ein- bruchsfeld des Dinkelbergs weiter davon getrennt. Man könnte dementsprechend von einem „Schwarzwaldstück“ und von einem „Dinkelbergstück* innerhalb des Ueberschiebungsjura sprechen. Ein Blick auf die Karte zeigt uns die Verschiedenheit des Wasserabflusses in den unterschiedenen Gebieten des nordschweizer Jura. Zwischen dem Ueberschiebungsjura und dem Lägernstücke brechen die Hauptwasseradern der Nordschweiz durch das Falten- gebirge. Im Ueberschiebungsjura fehlen die grossen Querthäler ganz, während das Rheinthalstück, wenn man von der Chasseralkette (XIV) und der äussersten Kette (des Bürgerwaldes I) absieht, fast aus- schliesslich von der Birs entwässert wird, welche alle die Haupt- ketten durchbricht, um schliesslich entlang der Schwarzwaldflexur dem Rhein zuzufliessen. Der Bau und die Gliederung des nordschweizerischen Faltenjura erscheint somit in strenger Abhängigkeit von den Dislocationen des vorliegenden und westlich daran grenzenden Tafellandes. Die varis- eischen und Rheinthal-Verwerfungen und -Flexuren haben den Ver- lauf der Faltenzüge bestimmt, sie müssen also der Faltung voraus- gegangen sein. Es fehlt im Jura aber auch nicht an Erscheinungen, welche beweisen, dass auch das fertige Faltengebirge noch von Ver- werfungen betroffen wurde. Eingebrochene, nachträglich ausgeglättete Falten!) werden an mehreren Orten angetroffen. Die Dislocationen, welche sie verursachten, scheinen in das vorliegende Tafelland fort- zusetzen. Diese T'hatsachen lassen hoffen, dass eine erneute Auf nahme des schweizerischen Jura, welcher unter Aufgabe des Axioms vom Fehlen der Verwerfungen im Faltengebirge die Lagerungs- verhältnisse in objectiver Weise im Maassstabe 1:25 000 zur Dar- stellung bringt, in Verbindung mit den entsprechenden Aufnahmen im Vorlande uns die mannigfachen und interessanten Beziehungen zwischen Bruch- und Faltungsgebieten wird aufdecken helfen. ‘) Als das klarste der mir bekannten Beispiele für den nachträglichen Ein- bruch einer Falte erwähne ich die Homberg-Kette zwischen Bukten und Läufel- fingen (N vom Hauenstein), die ich unter der freundlichen Führung des Herrn MünHtLBERG im April 1892 kennen lernte. Der westliche Teil des N-Flügels der Homberg-Kette ist eingebrochen und liegt ein Stück weit fast horizontal. Die Zertrümmerungs-Erscheinungen an der Abbruchstelle im SO von Bukten und die Stauchungen in dem ausgeglätteten Theile (an der Strasse von Bukten nach Läufelfingen) dürften eine andere Deutung als unzutreffend erscheinen lassen, % STEINMANN: BEMERKUNGEN ÜBER DIE TEKTONISCHEN BEZIEHUNGEN DER [158 Tektonische Kartenskizze des oberen Rheinthar-Gebiets und des mittelschweizerischen Jura. Maassstab 1 : 950 000, en Inakeden 2 Uberschiebungszone FIIUTeTn Haupt- Bruchtinen ( Rachgemesere) ML au Desgl (vermulhele) En Nordgre nze des Jura DE 1 59] OBERRHEINISCHEN TIEFEBENE ZU DEM NORDSCHWEIZERISCHEN KETTENJURA. 10 Erläuterung zur Kartenskizze. Der Uebersichtlichkeit wegen sind auf beistehender Kartenskizze nur die Haupt-Bruchlinien und die Haupt-Ketten dargestellt, im Besondern sind die zahlreichen Verwerfungen des Dinkelberges und des Tafel-Jura fortgelassen. Die Abkürzungen der Städtenamen dürften ohne Weiteres verständlich sein. Es bedeuten: I. Bürgerwald-Kette. II. Flühen- - lII. Blauenberge- „ (der westl. Theil derselben —= Blochmont-Kette). IV. Bueberg- E V. Movelier- 4 VI. Mt. Terrible- „ VII. Clos-du-Doubs- „ VIII. Caquerelle- . IX. Mont- = X. Rothmatte- XI. Raimeux- „ (= Passwang-Kette, Muemliswyler Kette). XII. Moron- » (= Hauenstein-Kette). XIII. Weissenstein- „ XIV. Chasseral- = XV. St. Verena- „ D = Becken von Delsbereg. I — e „ Laufen. Il == z „ Münster. I, = > » Tavannes. 12), — & „ Balsthal. 1 | [160 Die heterotypische Kerntheilung im Gyklus der generativen Zellen. Von Dr. Valentin Häcker, Privatdozent und Assistent am zoologischen Institut der Universität Freiburg i. Br. Bekanntlich verlaufen, wenn man von den besonderen, während der Ei- und Samenreife auftretenden Typen absieht, bei sämmtlichen wirklich regenerativen, thierischen Zellvermehrungsprozessen die Kern- theilungen im Allgemeinen in der Weise, dass die Anzahl der von den Tochterkernen übernommenen chromatischen Elemente (der „Chromosomen“ WALDEYER’s und BovErrs, der „Idanten“ Weıs- MANN’s) gleich der Anzahl der Elemente ist, welche in das Ruhe- stadium des Mutterkerns eingegangen waren. Wenn demnach in den verschiedenartigen Geweben des Organismus diese Anzahl von Kern- generation zu Kerngeneration wirklich identisch bleibt, so muss sie sich auch zurückverfolgen lassen bis in die Embryonalzellen, von denen sich diese Gewebe ableiten, und in letzter Linie bis zu der ersten Furchungstheilung. Umgekehrt wird also die Gesammtzahl der in den beiden sich copulirenden Geschlechtskernen vorhandenen Elemente die für die betreffende Spezies typische Elementezahl dar- stellen. Dass die Zahl der Elemente in den Kernen verschiedenartiger Gewebe bei einer und derselben Thierart in der That die gleiche ist, wurde zuerst von FLEuMminG (8, S. 52) für Epithel- und Binde- gewebskerne von Salamandra auf’s höchste wahrscheinlich gemacht, später wurde dann die von ihm gefundene Zahl — 24 — von RABL (12) für die Kerne des Mundbodenepithels der Salamanderlarve bestätigt. Für die vegetativen Gewebe der Pflanzen konnte nun freilich von STRASBURGER (14, S. 49) eine volle Constanz der Segmentzahl 161] HÄCKER: DIE HETEROTYP. KERNTHEILUNG IM ÜYKLUS DER GENERAT. ZELLEN. >) nicht bestätigt werden. „Auffallend häufig, sagt STRASBURGER, ist mir dort die Zahl sechzehn begegnet, doch meist mit merklichen Abweichungen. Wie weit solche gehen können, zeigt am besten das Endosperm von Allium odorum, das fast in jedem Präparat auf- fallende Schwankungen bietet. Völlig constant in ihrer Fadenzahl scheinen nur, so weit die Beobachtungen reichen, die Zellkerne gene- rativer Zellen zu sein. Für die Pollenmutterzellen von Liliumarten konnte ich dies wenigstens mit voller Sicherheit constatiren, da ich Zählungen an Hunderten von Zellen vorgenommen habe“. Ich werde im Folgenden versuchen den Nachweis zu führen, dass auch in thierischen @eweben — ausserhalb der Samen- und Eireife — bis zu einem gewissen Grade Schwankungen in der Zahl der chromatischen Theilungseinheiten möglich sind, dass aber diese Schwankungen von dem jeweiligen Kerntheilungstypus abhängig sind und dass mit denselben keine dauernde Reduktion der Anzahl der Elemente ver- bunden zu sein braucht, in dem Sinne, wie eine solche während der letzten vorbereitenden Theilungen der reifenden Geschlechtskerne stattfindet. Den Ausgangspunkt für diese Betrachtungen mögen die auf- fälligen Befunde im Ei von Üyclops bilden, in welchem bei derjenigen Theilung, welche die beiden Urgenitalzellen liefert, beiderseits nur je vier Theilelemente auftreten, während sich bei sämmtlichen Theilungen der Blastodermkerne und ebenso im Ovarium bei den Theilungen der Urkeimzellen die Normalzahl „acht“ findet. Ich habe mich in meiner früheren Arbeit (6) dahin ausgesprochen: „Es liegt also bezüglich der Zahl der Theilungseinheiten eine „Reduktions- theilung“ vor, indem die beiden Derivate von A (aı und ae) an Stelle der Normalzahl „acht“ nur noch je vier Schleifen enthalten. Oder, wenn wir uns auf diejenigen T'heilungseinheiten beziehen, in welche das gesammte Chromatin während der Metakinese zerlegt ist, und wenn wir die Annahme machen, dass diesemorphologischen Elemente in sämmtlichen verschiedenen Kerntheilungstypen physiologisch gleich- werthig sind (d. h. mit WEISMANN stets auch die gleiche Anzahl von „Iden“ enthalten), so befindet sich in den Derivaten aı und ag ebenso viele Einheiten, wie im zweiten Richtungskörper, in der befruchteten Eizelle und in der Samenzelle und halb so viele als in sämmtlichen übrigen Kernen“. Die gemachte Voraussetzung, dass die Theilelemente in sämmt- lichen verschiedenen Kerntheilungstypen physiologisch gleichwerthig 3 HÄcKER: - [162 sind, ist eine hypothetische Annahme, welche allerdings unsern Ge- sammtanschauungen im Ganzen entsprechen würde; es lassen sich jedoch, wie aus dem Folgenden hervorgehen wird, Thatsachen an- führen, welche gegen dieselbe sprechen, d. h. es lässt sich wahr- scheinlich machen, dass in dem angeführten Falle der Genitalzellen von Cyclops keine Reduktionstheilung in dem oben angedeuteten Sinne vorliegt. Den Schlüssel liefert uns die Thatsache, dass die T'heilung, aus welcher die beiden Urgenitalzellen hervorgehen, dem FLEMMING’schen heterotypischen Theilungsschema folgt. Ich werde mich bei den folgenden Ausführungen mehrfach auf noch unveröffentlichte Befunde von Herrn Dr. Orro vom RartH zu beziehen haben. Ich spreche auch an dieser Stelle meinem erfahrenen Kollegen und Arbeitsgenossen den wärmsten Dank aus für die Uneigen- nützigkeit, mit der er mir die reichen Schätze seiner Präparaten- Sammlung zur Verfügung gestellt hat. 1. Der Verlauf der heterotypischen Theilung. Es ist vielleicht angebracht, wenn ich hier kurz an den Verlauf des hetero- typischen Theilungsmodus erinnere und dabei die Eigenthümlichkeiten, welche denselben gegenüber der gewöhnlichen Mitose charakterisiren, hervorhebe. Ich folge dabei zunächst der FLEMMING’schen Dar- stellung und wiederhole seine Schemen A und B (vgl. 4, Taf. XXV]) in freier Wiedergabe: das Schema A (Taf. X) stellt die gewöhnliche Mitose, wie sie in den Epithel- und Bindegewebskernen von Sala- mandra verläuft, das Schema B (Taf. XI) die heterotypische Theilung der Spermatocytenkerne dar. Wir sehen in beiden Fällen die Kerntheilung ihren Anfang nehmen mit der Bildung eines Spirems mit längsgespaltenem Faden (A, Fig. 1 und B, 1). Als bemerkenswerther Unterschied ist indessen hervorzuheben, dass bei der heterotypischen Form (B, Fig. 1) der Knäuel weniger dicht ist und dass sich hier die Längsspaltung und der Parallelismus der Fäden weniger auffallend macht, „da wegen der kugligen Form dieser Knäuel die vielen Deckungen und Verkürzungs- bilder der Fäden recht hinderlich sind, sodann auch deshalb, weil die Spaltfäden hier sehr bald und sehr unregelmässig von .einander rücken, so dass dann nachher der Parallelismus nicht mehr überall her- vortritt“ (FLEMMING, 4, S. 404). Es wird nämlich — bei der hetero- typischen Mitose — schon in diesem Stadium die völlige Längs- trennung der Schwesterfäden, d. h. ihre Entfernung von einander, 1 63] DIE HETEROTYPISCHE KERNTHEILUNG IM CYKLUS DER GENERATIVEN ZELLEN. 4 vollzogen — „im Gegensatz zu der gewöhnlichen Mitose, bei welcher bekanntlich diese völlige Längstrennung erst im Stadium der Meta- kinese abläuft und die Halbfäden dann sofort nach verschiedenen Seiten des Aequators separirt werden“ (FLEMMING, 4, S. 405). Sehr wesentliche Unterschiede zeigen die Asterstadien beider Formen (A, 2 und B, 2). Es sind hier zwei Punkte namentlich bemerkenswerth: 1) in den Mitosen der Epithel- uud Bindegewebskerne ist die Anzahl der Doppelfadensegmente, in welche sich das Spirem durch Quertheilung zerlegt, doppelt so gross (24), als ın der heterotypischen Mitose (12); 2) in A ordnen sich die Doppelfadensegmente in Form von ziemlich regelmässigen, hufeisenförmigen Doppelschleifen in der Weise in der Aequatorebene an, dass sie mit ihren Um- biegungstellen im Allgemeinen im Aequator liegen, während die Schenkel der Schleifen strahlenförmig nach aussen divergiren; in B dagegen verkleben je zwei zusammengehörige Toochterfäden an ihren Enden miteinander und bilden mehr oder weniger homogene Ringe, welche unter dem Einfluss sich entgegenwirkender Richt- und Torsions- kräfte unter mancherlei Krümmungen und Verschlingungen über die seitlich entstandene achromatische Spindel „gezerrt und gespannt, und allmählig ihren Reifen entsprechend gerichtet“ werden (FLEMNMING, 4, S. 408). Die Metakinese (A, 3 und B, 3) verläuft bei der gewöhn- lichen Mitose sehr rasch und zwar in der Weise, dass die beiden Schwesterschleifen sich allmählig ihrem ganzen Verlaufe nach voll- ständig von einander entfernen. Bei der heterotypischen Mitose dauert die Metakinese relativ sehr lange: die Ringe haben sich in Form von sehr langgestreckten Ellipsen den Fäden der Spindel entlang angeordnet, in der Weise, dass die ursprüng- lichen Verklebungsstellen in die Aequatorebene zu liegen kommen (Tonnenform). An diesen Stellen befinden sich zuweilen eigenthümliche knöpfchenartige Anschwellungen, in andern Fällen kann jetzt schon an einigen dieser ursprünglichen Verklebungs- stellen der definitive Durchbruch erfolgt sein. Im Dyasterstadium (A, 4 und B, 4) sehen wir in beiden Fällen die Schleifen an die Pole rücken: bei der heterotypischen Mitose tritt dabei die eigenthümliche Erscheinung hervor, dass die Schleifen sich normal noch einmal der Länge nach spalten. > HÄCKER: [164 Fassen wir die Hauptunterschiede zum Schlusse kurz zusammen: (sewöhnliche Mitose: Heterotypische Mitose (Salamandra). 1) Spirem: Sehr dichter Doppel- Knäuel locker, die Längsspal- fadenknäuel. tung und der Parallelismus der Tochterfäden macht sich weniger auffallend. 2) Aster: a) Die Anzahl der Seg- Die Anzahl der Segmente ist mente ist doppelt so gross halb so gross als bei der gewöhn- als bei der heterotypischen lichen Form. Form. b) Die Fadenenden zeigen keine Die Schwesterfäden sind an den Verklebung. Enden mit einander verklebt (Ringbildung). c) Die Schwesterfäden haben Die Schwesterfäden zeigen viel- sich noch nicht von einander facheWindungen, Verschlingungen getrennt, sondern bewahren und Abweichungen vom Paralle- noch vollkommenen Paral- lismus. lelismus. 3) Metakinese: Entfernung der Anordnung der Ringe in die Tochterfäden von einander. Längsrichtung der Spindel (Ton- nenform): DieVerklebungsstellen kommen in die Aequatorebene zu liegen. 4) Dyaster: Die Schleifen zeigen Die Schleifen zeigen sekundäre keinesekundäre Längsspaltung. Längsbildung. 2. Die heterotypische Theilung in der Urgenitalzelle von Üycelops. Wenn in der Eientwicklung von Oyclops die vor- letzte gemeinschaftliche Theilung der Blastodermkerne abgelaufen ist, so tritt, wie ich in (6) ausgeführt habe, eine grosse Zelle aus der Peripherie des Eies ins Innere, die „Stammzelle“ der Urmesoderm- und Urgenitalzellen. Dieselbe theilt sich zunächst, anscheinend nach dem Schema der gewöhnlichen Mitose, und liefert die primäre Urmeso- dermzelle und die primäre Urgenitalzelle. Während aber die erstere von diesen beiden zunächst wieder in die Peripherie der Blastula und speziell zwischen die Urentodermzellen zurückgedrängt wird, theilt sich die primäre Urgenitalzelle im Innern des Eies sofort ein zweites Mal und zwar entspricht der hiebei eingeschlagene 165] DIE HETEROTYPISCHE KERNTHEILUNG IM CYKLUS DER GENERATIVEN ZELLEN. 6 Theilungsmodus in allen wichtigen Zügen dem Schema der hetero- typischen Mitose. Die wenigen Abweichungen, welche sich dabei gegenüber dem Salamandertypus herausstellen, finden eine einfache Erklärung bei Berücksichtigung der physiologischen Verschieden- werthigkeit der Zellelemente in diesem und in jenem Falle. Als einen Hauptunterschied des in der Genitalzelle von Öyelops sich abspielenden Theilungsmodus gegenüber dem Freummine’schen Schema habe ich früher den Umstand hervorgehoben, dass bei Üyclops der fraglichen Theilung ein Spiremstadium mit längsgespaltenem COhromatinfaden zu fehlen scheine. (Dieser Befund war mir damals weniger befremd- lich, weil zu Anfang dieser Theilung nur acht Chromatinelemente auftreten, d. h. ebensoviele, als die primäre Urgenitalzelle bei der Theilung der Stammzelle übernommen hatte, und weil also eine direkte Zurückführung der ersteren auf die letzteren annehmbar schien. Immerhin musste aber das scheinbare Fehlen eines Stadiums, welches allen übrigen indirekten Kerntheilungsprocessen (mit Aus- nahme der letzten Theilung der reifenden Geschlechtszellen) zu- kommt, auffallend sein). Inzwischen stiess ich bei einer erneuten Durchsicht meiner Präparate mehrfach auf Bilder, welche mit Rücksicht auf die Lage des Eies im Eiersack und namentlich im Hinblick auf das Vor- handensein der durch Chromatinreichthum ausgezeichneten Schwester- zelle (B-Zelle, primären Urmesodermzelle) mit Sicherheit als solche Doppelfaden-Spireme zu deuten waren, die nicht der Theilung der Stammzelle angehörten, sondern zwischen dieser und der Theilung der Urgenitalzelle lagen. Dass dieses Stadium mir lange entgangen war, hat seinen Grund in den besonderen Eigenthümlichkeiten, welche das Spirem der heterotypischen Theilung darbietet. Auch FTLEu- MING betont, dass ihm die Längsspaltung des Spiremfadens lange Zeit entgangen sei und bereits Eingangs des ersten Kapitels ist der betreffenden Worte FrLEemuinG’s gedacht worden, aus welchen die Besonderheiten des fraglichen Stadiums ersichtlich sind. Nach dem (resagten existirt also auch in der Urgenitalzelle von Cyclops ein Doppelfadenstadium, welches dem Stadium B, 1 (Taf. XI) bei Sala- mandra entspricht. Diesem Spiremstadium sind nun in der Zeitfolge diejenigen Bilder anzureihen, welche dem Stadium B, 2 (Taf. XI) entsprechen. Der Doppelfaden hat sich — nicht wie bei den übrigen Kern- theilungen bei Oyclops in acht, sondern — in vier Doppelfaden- ri Häcker: [166 segmente zerlegt. Die Schwesterfäden haben dabei die Tendenz, an ihren Enden mit einander zu verkleben, allen es scheinen auch irgend welche centrifugale Richtkräfte mitzuspielen, welche die zu- sammengehörigen Schwesterfäden wenigstens vorübergehend voll- ständig auseinanderzuschleudern im Stande sind. Diese temporäre Trennung der zusammengehörigen Elemente kann so weit gehen, dass der Parallelismus überhaupt anscheinend aufgehoben wird und dass höchstens noch die besondere Form der Krümmung die ur- sprüngliche Zusammengehörigkeit erschliessen lässt (Taf. XII, Fig. 1, Copie nach 6, Taf. XXIV, Fig. 6). Ich habe in meiner früheren Arbeit speciell das zuletzt erwähnte Bild auf ein bedeutend jüngeres Stadium bezogen. Der Umstand nämlich, dass in dem betreffenden Ei die Schwesterzelle (B-Zelle, primäre Urmesodermzelle) noch nicht vollständig in die Peripherie der Blastodermkerne zurückgetreten ist und dass in ihr die acht bei der Theilung der Stammzelle übernommenen Ohromatinstäbchen anscheinend noch vollständige Selbständigkeit bewahren, führte mich zu der Annahme, dass man es mit dem gleichzeitigen Uebergang der beiden Zellen aus dem Dyaster- in das Dispiremstadium zu thun habe. Es musste dabei allerdings ein bedeutendes Wachsthum der acht Chromatinelemente der primären Urgenitalzelle angenommen werden und ebenso musste ihre besondere Form auffallen. — Man hat nun zu berücksichtigen, dass die B-Zelle auch in andern Fällen ihren Wiedereintritt in die Reihe der Blastodermkerne verzögert, dass sie bezüglich ihres Eintritts in die folgende Theilung gegen- über ihrer Schwesterzelle, der A-Zelle, in den meisten Fällen im Rückstand ist und dass überhaupt auf zeitliche Verhältnisse ein ge- ringerer Werth zu legen ist, da es sich hier nur um äusserst kleine Zeiträume handeln kann, innerhalb deren sich alle diese Vorgänge abspielen. Es würde also sehr wohl denkbar sein, dass die A- und B-Zelle schon kurz nach ihrer Trennung in ihrer Entwicklung so weit auseinandergehen, dass die erstere bereits wieder in das Aster- stadium der folgenden (heterotypischen) Theilung eingetreten ist, während in der letzteren die Theilelemente der vorangegangenen Theilung noch ihre Selbständigkeit bewahren. Ich möchte also das Stadium der Figur 1 (Taf. XII), wie oben angedeutet wurde, als eine besondere Phase des Asters der heterotypischen Theilung auf- fassen: denn nur mit dieser Annahme ist die bedeutende Grösse der acht in der primären Urgenitalzelle befindlichen chromatischen Elemente — dieselben sind mindestens zweimal so lang, als die Ele- 1. 16 7| DIE HETEROTYPISCHE K ERNTHEILUNG IM ÜYKLUS DER GENERATIVEN ZELLEN. 8 mente der B-Zelle — vereinbar und ebenso findet bei dieser An- nahme, wie wir sehen werden, die besondere herzförmige Gestalt der Elemente eine einfache Erklärung. Es würde also anzunehmen sein, dass sich dem Spiremstadium mit längsgespaltenem Faden im Allgemeinen Bilder anschliessen, welche dem Schema B, 2 entsprechen, dass aber das für die hetero- typische Theilungsform charakteristische Bestreben der Tochterfäden, frühzeitig ihre engere Verbindung aufzugeben, unter Umständen ihre vollkommene Selbständigkeit (Taf. XII, Fig. 1) herbeiführen kann. Im Uebrigen verläuft die heterotypische Theilung in der für Salamandra beschriebenen Weise mit typischer Ring- und Tonnen- - bildung, wie bereits in (6) ausgeführt worden ist. Es ist nur noch hervorzuheben, dass bei Cyclops die Schleifen im Dyasterstadium keine Längsspaltung zeigen, dass sie dagegen vielfach an ihrer polaren Umbiegungsstelle quer durchbrochen sind, so dass jede Schleife die Form eines Doppelstäbchens annimmt. Es wird weiter unten auf die Bedeutung dieser beiden Abweichungen vom Salamander-Typus zurückgekommen werden. Ich möchte nunmehr versuchen, unter Berücksichtigung der bisher angeführten Thatsachen die morphologische Bedeutung der verschiedenen Abweichungen, welche die heterotypische Theilung gegenüber dem gewöhnlichen Verlauf der Mitose zeigt, darzulegen und werde dann in den folgenden Abschnitten noch einzelne Be- obachtungen hervorzuheben haben, welche direct oder indirect als Stützen der hier ausgesprochenen Auffassung herangezogen werden können und vielleicht Anhaltspunkte für eine physiologische Deutung der Vorgänge liefern. Stellen wir uns dasjenige Entwick- lungsstadium eines Copepoden-Eies vor, in welchem sämmtliche Blastodermkerne das Asterstadium mit zweimal acht kleinen, schleifenförmigen Elementen zeigen. Kurze Zeit darauf bemerken wir dann im Innern des Eies eine grosse Zelle, deren Kern nur zweimal vier, aber beiläufig zweimal so lange Elemente aufweist. Da nun gerade die Frage nach einer etwaigen Reduction der Chromosomenzahl es ist, welche zur Zeit unter den kern- geschichtlichen Problemen ein ganz besonderes Interesse in Anspruch nimmt, so fällt in unserem Falle zunächst die im Oyclus der gene- rativen Zellen unerwartet wiederauftretende „Reductionstheilung“ auf. Würden nun aber gegen unsere Anschauung, dass im All- gemeinen die Zahl der Chromosomen innerhalb einer Spezies die nämliche ist, auch sonst erhebliche Einwände zu machen sein und 9 HäÄcKER: [168 würden wir, wie es die botanischen Autoren beschreiben, auch andern Orts in nebeneinander liegenden Kernen Zahlenunterschiede nachweisen können, so würde in unserm Fall nicht das gegenseitige Zahlenverhältniss der Chromosomen einerseits in den Blasto- dermkernen, andrerseits in der Genitalzelle, sondern die ganz auffallend verschiedene Grösse derselben in erster Linie in die Augen springen. Es kann nun allerdings der Einwand erhoben werden, dass sich im Verlauf der embryonalen Entwicklung wohl aller Thiere in den Kernen der verschiedenen Gewebe anscheinend beträchtliche Differenzen bezüglich der Masse und Dichtigkeit der färbbaren Substanz vorfinden; aber wir haben in unserem Fall die- jenige embryonale Phase vor uns, in welcher überhaupt zum ersten Male eine functionelle Differenzirung der Zellen auftritt und wir sehen die allernächsten „Verwandten“ der (Genitalzelle kurz vor ihr selbst und wiederum geringe Zeit nach ihr in Theilungen eintreten. Es muss daher das scheinbar unvermittelte Auftreten grosser Theil- elemente in der Genitalzelle besonders auffallen. Versuchen wir nun die Annahme zu machen, dass sich ein Chromatinelement der Genitalzelle zusammensetze aus zwei aneinander gereihten Elementen niedrigerer Ordnung, deren jedes morphologisch und physiologisch einem Element der Blastodermkerne entspreche. Nehmen wir also an, dass die vier grossen Doppelfadensegmente der Genitalzelle den Werth von acht halb so langen blastodermalen Doppelfadenabschnitten haben. Es wäre dann, wie mir scheint, in der nächstliegenden Weise der scheinbare Widerspruch beseitigt, der darin liegt, dass in nächstverwandten Zellen hier zweimal acht kleine, dort zweimal vier grosse Elemente sich finden. Wir würden uns also vorstellen, dass bei der gewöhnlichen Mitose bei dem Uebergang des Kerns aus dem Spiremstadium in den Aster der zusammenhängende Doppelfaden sich zunächst mittelst Quertheilung in den bei FLEMMING durch bezeichneten Punkten in vier Doppelfadensegmente (Viertelssegmente) theile und dass diese letzteren dann eine weitere Quertheilung eingehen, indem sie in ihren Mittelpunkten (den X-Punkten im FLemnumng’schen Schema) eine abermalige Zerlegung erfahren: das Resultat sind demnach acht Doppelfadensegmente. Im Schema © (8. 10) sind in der oberen Reihe unter 1 zwei durch Zerlegung eines Viertelssegmentes entstandene Achtelssegmente dargestellt, deren Schwesterfäden im Dyasterstadium an die beiden entgegengesetzten Pole treten (C, 1, untere Reihe). Der Unterschied der heterotypische Mitosen 169] DIE HETEROTYPISCHE KERNTHEILUNG IM ÖYKLUS DER GENERATIVEN ZELLEN. 10 besteht nun darin, dass an den mit #%* bezeichneten Punkten der Zusammenhang gewahrt bleibt. Anstatt dass dann im Dyaster- stadium die Tochterfäden dieser acht Achtelssegmente an die Pole rücken (C, 1), nehmen die Tochterfäden der Viertelssegmente selber Schleifenform an und treten als solche an die Pole (©, 2); in Wirk- lichkeit zeigen freilich die Viertelssegmente des Doppelfadens eine Endverklebung der Schwesterfäden und daher wird der Vorgang nicht nach dem Schema C, 2, sondern nach €, 3 eingeleitet werden. Ir 2: C. SR 4. * %* FE; a en mer var 2 Ur + * * * %* * * e a R = AL LAT m | + + ir TIEFE NYr Bi Ir I . Luz . : 2 a Mit unserer Annahme, dass wir es in der Genitalzelle mit doppelwerthigen chromatischen Theilungseinheiten zu thun haben, stehen nun, abgesehen von den Grössen- und Zahlenverhältnissen der Elemente, hauptsächlich zwei Beobachtungen bei CÜyclops in vollem Einklang und finden, wie mir scheint, nur durch sie eine befriedigende Erklärung: 1) Es kommt einmal in Betracht die eigenthümliche Herzform der Schleifen, welche in gewissen Stadien der Prophase auftritt (Taf. XII, Fig. 1). Wie erwähnt, hat man sich in dieser Figur je zwei der Schleifen als zusammengehörige Toochterfäden eines Doppel- fadenabschnittes vorzustellen, welche jedoch im Spiel gegeneinander- wirkender Richtkräfte vorübergehend ihre Verbindung mit einander verloren haben. Bei den Elementen von ausgeprägter Herzform ent- sprechen dann wohl die Gelenkstellen, in welchen die beiden Schleifen- hälften in geschweiftem Bogen zusammenstossen, den *- Punkten: offenbar ist auch hier noch eine gewisse Neigung der Elemente vorhanden, an diesen Punkten zum Durch- bruch zu gelangen, wie dies bei Oyclops bei der gewöhnlichen Mitose die Regel ist, und diese Tendenz, eine Segmentirung in den %-Punkten einzugehen, findet vielleicht einen weiteren Ausdruck in den mannigfachen Verschlingungen und Krümmungen, welche an den Doppelfadensegmenten der heterotypischen Mitose zur Zeit des Berichte VI. Heft 4. 12 11 Häcker: [170 Asterstadiums wahrgenommen werden, und zu deren Erklärung das Vorhandensein von Kräften angenommen werden muss, welche im Innern der chromatischen Substanz wirksam sind. 2) Der secundäre Durchbruch der an die Pole ge- rückten Schleifen an ihren Umbiegungsstellen findet gleichfalls eine einfache Erklärung bei der Annahme, dass jede Schleife, also jeder Halbring, zwei zusammenhängende Segmente darstelle. Ich habe diesen secundären Durchbruch, wie ich früher (6) mittheilte, auf verschiedenen Bildern mit Sicherheit feststellen können, ohne mir damals über dieses Vorkommniss eine befriedigende Erklärung geben zu können. Nimmt man aber an, dass es sich hier um einen verspäteten Durchbruch an prädestinirten Stellen handle, so kann, wie ein Vergleich von Schema C, 1 und Ü, 4 zeigt, die Schlussphase der gewöhnlichen und diejenigen der heterotypischen Mitose direct mit einander verglichen werden: die Anzahl der an die Pole gelangten Elemente ist in beiden Fällen die nämliche, nur ihre Bewegungsweise und im Zu- sammenhang damit ihre besondere Gestalt eine ver- schiedene. 3) Das sonstige Auftreten der heterotypischen Theilung im Öyclusder generativen Zellen bei Öyclops. Wir haben gesehen, dass sich einerseits in den Follikeln des Sala- manderhodens, andrerseits in der frühsten genitalen Anlage bei einer Crustaceen-Art Kerntheilungsvorgänge finden, welche einmal nach ihrem Verlauf im Allgemeinen und ausserdem nach dem Habitus der dabei als Theilungseinheiten figurirenden chromatischen Ele- mente als homologe Erscheinungen aufgefasst werden dürfen. Es handelt sich nunmehr um die Frage, ob die in beiden Fällen fest- gestellte besondere Form der Kerntheilung auch hier wie dort die gleiche physiologische Bedeutung habe. Zunächst fällt auf, dass man es in dem einen, wie in dem anderen Falle mit Gewebselementen zu thun habe, welche dem generativen Zellen-ÖOyclus angehören. Da es aber weit von einander abliegende Etappen dieses Kreislaufes und zwar bei zwei durchaus verschiedenen Thierformen sind, wo diese beiden typischen Fälle vorkommen, so muss gesucht werden, ob nicht bei den beiden Formen auch in vollkommen homologen Organen be- ziehungsweise Entwicklungsstadien vergleichbare Verhältnisse sich wiederfinden. az 1| DIE HETEROTYPISCHE KERNTHEILUNG IMÜYKLUSDERGENERATIVENZELLEN. ] 9 Ich habe daher meine Copepoden-Präparate einer erneuten Durchsicht unterzogen und ich kam dabei zu dem Ergebnisse, dass in der That nicht nur an derjenigen Stelle der Eientwick- lung, welche muthmasslich dem Fnemmin@’schen Stadium entspricht, sondern auch andern Orts innerhalb des Cyelus der generativen Zellen Theilungsformen auftreten, welche nach dem Schema der heterotypischen Theilung verlaufen oder als Verkürzungen derselben betrachtet werden können. Zunächst wandte ich mich der letzten Theilung der Urei- zellen zu, also demjenigen im Ovarium sich abspielenden Theilungs- vorgang, welcher die Eimutterzellen liefert. Diese letzteren Zellen treten dann, bekanntlich zunächst ohne eine weitere Theilung einzugehen, in die „Wachsthumsphase“ ein und speichern in den Endabschnitten des Ovariums und in den Eigängen, welche mit mehrfachen blinden Ausläufern die blutführenden Gewebe durch- setzen, das Dottermaterial in sich auf. Erst kurz vor der Eiablage gehen dann die Kerne der Eimutterzellen die beiden Theilungen der „Reifungsphase“ ein, deren Produkte die Richtungskörper und die befruchtungsfähige Eizelle sind. Schon früher waren mir bei Canthocamptus und noch mehr. bei Cyclops signatus die eigenthümlichen Bilder aufgefallen, welche bei der letzten Theilung der Ureizellen auftreten und welche in ihrem Habitus sich in keiner Weise mit den Bildern, wie sie die gewöhn- liche Mitose bei Oyclops zeigt, decken. Ich bin jedoch desshalb nicht weiter auf dieselben eingegangen, weil ich damals das Haupt- gewicht auf andere Stadien legte und weil sich eine genaue Analyse der ersteren als mit grossen Schwierigkeiten verbunden heraus- stellte. Denn leider bewegen sich die fraglichen Bilder so nahe an der Grenze dessen, was ÖOel-Immersionen und Apochromaten zu leisten im Stande sind, dass nur eine vergleichende Betrachtung zum Ziele führen kann. Nachdem mir nun aber innerhalb des Keimzellen-Cyclus der Copepoden vergleichbare Vorkommnisse zur Beobachtung gekommen waren, konnte ich bei Cyclops signatus, welcher unter allen von mir untersuchten Copepoden in dieser Be- ziehung die günstigsten Verhältnisse darbietet, wenigstens in ein wichtiges Stadium einen vollkommen befriedigenden Einblick er- langen. Es handelt sich um diejenige Phase, in welcher sich die bereits gesonderten Fadensegmente zum Aster an- ordnen. Diese Bilder, von denen ich in Taf. XII, Fig. 2 einige wieder- 12* 13 HÄcKER: [172 gebe, entsprechen, wie ich vorausschicken möchte, den FLEMMING’ schen Figuren 13—20 (4) und meinen Figuren 6—9 (6). Es geht aus der hier wiedergegebenen Skizze hervor, dass sich die Fadenzüge mehr und mehr senkrecht zu einer und derselben Durchmesserebene des Kerns, dem späteren Spindeläquator, anordnen (Fig. 2, a, e), wobei häufig einzelne Fadenabschnitte in weitem Bogen in den freien Kernraum ausspringen, während der Rest in schwer entwirrbarem Gefüge sich zu einem „äquatorialen Kranz“ zusammen- schliesst (Fig. 2, d). Es kommen auf diese Weise Bilder zu Stande, welche allein schon in ihrem Gesammthabitus jeden Vergleich mit irgend einem der Stadien von sich abweisen, welche die gewöhnliche Mitose bei Oyclops darbietet, und welche schon bei Anwendung schwächerer Vergrösserungen an das Asterstadium der heterotypischen Theilung erinnern. Es kommt hinzu, dass einzelne abgesprengte Fadenabschnitte die Form in sich geschlossener Ringe zeigen und dass dieselben dann schätzungsweise ein Viertel der gesammten Masse der chromatischen Substanz umfassen (Fig. 2, a, c), und nicht minder bedeutungsvoll sind diejenigen Bilder, in denen die Schenkel eines hufeisenförmigen Abschnitts unter spitzen Winkeln mit je einem andern, im Gewirr des Fadencomplexes sich verlierenden Faden- abschnitte zusammenstossen (Fig. 2, a, rechts; d, links oben; f, oben). Wir haben es hier offenbar jedesmal mit einem durch Endverklebung zweier Schwesterfäden entstandenen Ringe zu thun, dessen eine Hälfte freiliest, während die andere in die verworrene Hauptmasse der Fäden eintaucht. Bezüglich der Prophasen, d.h. der den Aster vorbereitenden Phasen, habe ich nachträglich zu bemerken, dass im Stadium des Doppelfadenspirems und noch später beim Uebergang zum Aster fast mit Regelmässigkeit ein blindes Fadenende den kleinen, bläschenförmigen Nucleolus mit dem excentrisch im Kernraum ge- lagerten Fadenknäuel verbindet (Fig. 2, a, b, c, e). Bei unserer Unkenntniss betreffend die Rolle, welche der Nucleolus während der Kerntheilung spielt, ist eine sichere Deutung dieser Beziehung selbst- verständlich nicht möglich. Ich möchte hier nur darauf hinweisen, dass auch bei dem Umordnungsprocesse, den die Doppelfadenschlinge in der Eizelle von Cantho camptus vor den Richtungstheilungen ein- geht, Lagerungsbeziehungen zwischen Nucleolus und chromatischer Substanz sich bemerklich machen. Dieselben äussern sich darin, dass in den Anfangsstadien des fraglichen Prozesses die Züge der Faden- schlinge im Allgemeinen die Richtung nach der Einbuchtung des 173] Die HETEROTYPISCHE KERNTHEILUNG IMÜYKLUSDER GENERATIVENZELLEN. 14 bohnenförmigen Kernkörpers annehmen, dass dann aus demselben unter plötzlicher Verkleinerung eine Masse austritt und dass auch später der chromatische Ring an einer Stelle mit dem Rest des Kernkörpers in direkter Verbindung steht. Da in beiden Fällen das Wachsthum der chromatischen Substanz beendet ist, so wird man am ehesten noch zu der Verstellung geführt, dass die zur Theilung sich anschickende chromatische Substanz dem Kernkörper Stoffe entnimmt, welche bei der Dissociation der Theilungselemente chemisch wirksam sind. Was die Anaphasen, d. h. die Vorgänge zwischen dem Aus- einanderrücken der Schwesterelemente bis zum Uebergang derselben in das Tochterspirem, anbelangt, so ist vor Allem zu bemerken, dass die an die Pole rückenden Elemente nicht die Gestalt von Schleifchen oder Winkeln, sondern von geraden Stäbchen haben, welche parallel zur Spindelaxe liegen (vgl. Fig. 2, g). Wir hätten es also auch hier mit derjenigen Abart der heterotypischen Theilung zu thun, bei welcher die Viertelssegmente während der Wanderung an die Pole nachträglich in Paare von Achtelssegmenten zerfallen (S. 10, Schema C, 4). Diese in der Urgenitalzelle ver- einzelt vorkommende Theilung tritt hier offenbar in regelmässiger Weise ein. Es ist weiter von Bedeutung, dass die acht stäbchenförmigen Elemente, welche an jeden der Pole treten, bereits bei ihrem Auseinanderrücken die Andeutung einer Längsspaltung zeigen. Es ist dies diejenige Längsspaltung, welche der chromatische Faden während des ganzen ferneren Verlaufs der Övogenese beibehält. Zunächst zerlegen sich die Stäbchen allerdings in eine bestimmte Anzahl von Ühromatin-Doppelkügelchen, welche aber durch feine Linien-Doppelfäden verbunden bleiben, allein während der Wachsthumsphase der Eizelle schliessen sich diese Doppel- kügelchen wieder zusammen und es entsteht dadurch zunächst eine continuirliche Doppelfadenschlinge. Auf diese Längsspaltung der Chromatinstäbehen werde ich unten zurückzukommen haben. Sie erinnert an den von FLEMMING für Salamandra beschriebenen „sonderbaren und einstweilen un- erklärlichen Vorgang“: die „zweite“ Längsspaltung der Dyaster- schleifen, welche nach diesem Autor in normaler und durch- gehender Weise bei der heterotypischen Theilung in den Spermato- ceysten auftritt. Verfolgen wir weiter die Vorgänge, die sich im ferneren 15 Häcker: 1 74 Verlauf der Ovogenese von Öyclops abspielen. Wir stehen nun- mehr vor einem zweiten Theilungsvorgang, der mit der hetero- typischen Theilungsform in Verbindung zu bringen ist: es ist die erste Theilung der Reifungsphase (Bildung des ersten Richtungs- körpers). Der Doppelfaden zerlegt sich zunächst wieder in vier Doppelfadensegmente, welche an ihren Enden (an den +-Punkten) eine Verklebung, in ihrer Mitte (bei X) eine Knickung aufweisen (Schema D, 2). Allein es scheint eine bedeutende Verkürzung des Theilungsvorgangs stattzufinden, indem es nicht zu einer Um- lagerung der Fäden in der Weise kommt, dass die Verklebungs- stellen in die Aequatorebene zu liegen kommen, während die &-Punkte die Winkel der Schleifen bilden, vielmehr findet in den *X- Punkten selbst eine Zerlegung statt und die acht Segmente verkürzen sich sodann unter Aufgabe der Endverklebung zu acht Doppelstäbchen, von denen vier in den ersten Richtungskörper eingehen, vier im Ei verbleiben. Die die Vertheilung einleitenden Vorgänge, d.h. die an- fängliche Zerlegung in Viertelssegmente (anstatt einer mehr oder weniger subitanen Zerlegung in Achtelssegmente, wie bei der gewöhnlichen Mitose von ÜOyclops), die Endverklebung der Schwesterfäden und endlich die vielfachen Verschlingungen und Krümmungen der Doppelfadensegmente weisen darauf hin, dass auch hier ursprünglich eine heterotypische Theilung angesetzt wurde, dass dieselbe aber — wohl in Anpassung an die spezielle Bedeutung des Theilungsvorgangs, dem überhaupt der Stempel des Rudimentären aufgedrückt ist — von der Metakinese an einen abgekürzten Ver- lauf genommen hat. Eine noch weitere Verkürzung tritt in der unmittelbar darauf folgenden zweiten Theilung der Reifungsphase (Bildung des zweiten Richtungskörpers) auf, indem hier einfach die acht im Ei ver- bleibenden Elemente zu vieren auf Eikern und zweiten Richtungs- N 17 5] DIE HETEROTYPISCHE KERNTHEILUNG IM CYKLUS DER GENERATIVEN ZELLEN. 16 körper vertheilt werden und zwar wahrscheinlich in der Art, dass die Doppelstäbchen als solche eine Vertheilung auf die beiden Theil- kerne erfahren. Es würde zu weit führen, wenn ich hier den Versuch machen wollte, die zahlreichen Beobachtungen früherer Forscher, welche auf die Reifungsvorgänge bei der Ei- und Samenzelle Bezug haben, mit der obigen Darstellung, welche zunächst nur für Cyclops Geltung hat, in Einklang zu bringen. Ich möchte nur mit ein paar Worten auf diejenigen Fälle zurückkommen, in denen vor Beginn der Reifungs- theilungen Vierergruppen von kleinen kugligen Elementen beobachtet worden sind. Solche Bilder hat Boveri (1) für die Eizelle einer Meduse (Tiara), HENKING (7, Fig. 20) für die Samenzellen von Pyrrhocoris und O. vom Rarn (13) für die Samenzellen ver- schiedener Pulmonaten (Helix pomatia, Limax agrestis) und für diejenigen von Gryllotalpa angegeben. Bei letzterer Form findet vor der ersten Reifungstheilung eine Zerlegung des Doppelfadens statt. „Während aber früher bei den Ursamenzellen durch Quer- theilungen des Doppelfadens stets 12 Segmente hervorgingen, wird der Doppelfaden jetzt nur an 6 Stellen der Quere nach durch- geschnürt; es kann folglich jeder der jetzt entstandenen Abschnitte zwei Segmenten gleichgesetzt werden.“ Durch Endverklebung der Schwesterfäden entstehen 6 Chromatinringe und aus diesen gehen 6 Vierergruppen in der Weise hervor, dass sich aus jedem Ring 4 sternchenförmige durch Linien mit einander verbundene Chromo- somen herausdifferenziren. Bei der ersten Theilung wird das Viereck durch eine dem einen Paar der Seitenwände parallele Trennungs- linie getheilt und bei der zweiten Theilung ist die Theilungslinie senkrecht auf der ersten, geht also dem andern Paar der Wände des ursprünglichen Vierecks parallel. Jedes der vier durch die beiden Theilungen aus einer Samenmutterzelle hervorgehende Sperma- tozoon erhält also je ein Chromosom aus jedem Viereck. Man kann diese Bilder mit den bei Oyclops vor der ersten Reifungstheilung auftretenden Ringen (Schema D, 2) direct ver- gleichen: Ein sternchenförmiges Chromoson bei Gryllotalpa entspricht bei Cyclops jedesmal dem vierten Theil eines durch Endverklebung der Schwesterfäden entstandenen Ringes, also je einem zwischen einem +- und einem X-Punkt gelegenen Fadenabschnitt. Wie bei Cyclops, so bleiben auch hier zwei im ursprünglichen Spirem hintereinander liegende Segmente, dort zwei Fadenabschnitte oder Stäbchen, hier zwei 17 HäÄcKER: [176 Kugelchromosomen, in engerem Zusammenhang und vereinigen sich mit dem entsprechenden Schwesterpaare zu einem ringförmigen, viertheiligen (Grebilde. Der Unterschied besteht also nur darin, dass bei Gryllotalpa eine Segmentirung des Doppelfadens in Elemente niedrigerer Ordnung stattfindet: vielleicht entsprechen dieselben physiologisch je einem der Kugelsegmente, aus welchen jedes Stäb- chen von Oyclops zusammengesetzt ist. Es geht aus dem Vergleich hervor, dass die beiden Theilungsrichtungen, nach welchen die Ver- theilung der vier Chromosomen derVierergruppe von Gryllotalpa erfolgt, unter sich nicht gleichwerthig sind. Die eine entspricht einer Längs- theilungs-, die andere einer Segmentirungs- oder Quertheilungsebene. Bemerkenswerth sind bezüglich des Zusammenhanges zwischen den beiden bei Salamandra und Cyclops einerseits, bei Gryllotalpa andererseits auftretenden Theilungsformen, zwei Vorkommnisse, auf welche mich Herr Dr. vom RartH in freundschaftlichster Weise hin- gewiesen hat. Es finden sich nämlich sowohl in der Spermatogenese einer einheimischen Rana-Spezies, als auch in der Ovogenese bei einzelnen marinen Copepoden!) Ringbildungen, welche, wie ich mich an vom Raru's Präparaten überzeugen konnte, vollkommen mit den Bildern bei Gryllotalpa übereinstimmen. Nun treten aber bei nahen Verwandten der obgenannten Formen, bei Salamandra und beziehungsweise bei Uyclops, an den betreffenden Stellen Doppelfadensegmente mit Endverklebung der Schwesterfäden auf und es wäre damit vom vergleichenden Standpunkt aus ein Beweis für die Homologie der Doppelfadenringe und der Vierergruppen geliefert. Es ist vorläufig nicht zu entscheiden, in welcher von den beiden Formen sich uns die ursprünglicheren Verhältnisse darstellen oder ob sie nicht vielleicht in einem und demselben noch einfacheren (Grundschema ihre gemeinsame Wurzel haben. Ganz ähnliche Bilder, wie sie die Vierergruppen von Gryllotalpa darstellen, beschreibt FremmiınG als anomale Abweichungen für die Spermatocytenbildung von Salamandra (4, Fig. 46—50): „die chromatischen Segmente sind zum kleinen Theil noch deutlich als zweischenklige Fädenschleifen gekennzeichnet. Die meisten Segmente aber sind so abgeändert, dass jeder Schleifenschenkel aut der Form eines Kügelchens angeschwollen ist, dabei die je zwei ') Nähere Einzelheiten hierüber, sowie über die Verhältnisse bei den Am- phibien, werden demnächst von Dr. OÖ. vom RATH an anderer Stelle veröffent- Jicht werden, 7 7] DIE HETEROTYPISCHE KERNTHEILUNG IM ÜYKLUS DER GENERATIVEN ZELLEN. 18 Schwesterschleifen (aus der Längsspaltung) sich nicht von einander dislocirt haben, wie es sonst in der Metakinese geschieht: sondern sie beharren bei einander und es finden sich also Gruppen von je vier Kügelchen, von denen je zwei aneinanderhängen. Diese liegen anscheinend ganz regellos über die ganze Spindel hingestreut, nur offenbar mit der Tendenz, sich nach den Polen anzuhäufen.“ Diejenigen Bilder FrLeunming’s, welche pluripolare und asymmetrische Theilungen zeigen, würden nun allerdings auf zufällige Aberrationen der Kerntheilung hinweisen, aber die Anordnung des Chromatins zu Vierergruppen, welche eine so allgemeine Verbreitung in den reifen- den Keimeizellen zeigen, und die unregelmässige Art, wie diese Gruppen über die Spindel hingestreut sind, legen die Vermuthung nahe, dass man es hier mit den vorbereitenden Stadien, welche der ersten Theilung der Reifungsphase vorangehen, zu thun hat. Es sei endlich noch auf Bilder von Carxor') (2) hingewiesen, welche beweisen, dass eine dem Salamandertypus sehr nahe stehende Abart der heterotypischen Theilungsform auch in der Gruppe der Würmer bei der Reifung der Eizelle auftritt. Und zwar ist dieses Vorkommniss desshalb bedeutungsvoll, weil daraus hervorgeht, dass ursprünglich auch die zweite Theilung der Reifungsphase nach dem heterotypischen Schema sich anlegt. Die fraglichen Bilder beziehen sich auf einen Namatoden aus dem Magen von Vespertilio auritus, Ophiostomum mucronatum. Die Schleifenzüge des Keimbläschens stellen beim Eintritt in die erste Theilung 6 parallel zur Spindel- axe gelegene Segmente dar; dieselben verkürzen sich und schnüren sich im Aequator ein, während sich zugleich an ihnen eine Längs- spaltung bemerklich macht (Carxoy, Fig. 184). Dieses Stadium entspricht offenbar der Phase B, 3 im heterotypischen Schema (s. Tafel X). Es findet nun die Vertheilung der Halbringe auf Ei und ersten Richtungskörper statt, aber anstatt dass die 6 im Ei verbliebenen Halbringe oder Doppelstäbchen sich (wie bei Üyclops) zu dreien auf Eikern und zweiten Richtungskörper vertheilen, wiederholt sich im ersteren der gleiche Theilungsvorgang- ') Es ist mir hier nicht möglich, auf das von CarnoY in seiner umfang- reichen Arbeit: La Cytodierese chez les Arthropodes. La Cellule. Tome I 1885 niedergelegte Material einzugehen. Zahlreiche Bilder CarxoY's erinnern sehr an die heterotypische Theilungsform, ich muss jedoch im Interesse der Kürze und Uebersichtlichkeit darauf verzichten, eine Kritik der einzelnen Bei- spiele zu unternehmen, zumal das Vorkommen der heterotypischen Theilung bei den Arthropoden durch die obigen Ausführungen genügend erwiesen ist. 19 HäckER: [178 Es scheinen nämlich, wie aus Carxor’s Figuren 192 und 194 her- vorgeht, die 6 Halbringe (nach abermaliger Endverklebung der Schwesterfäden) sich wieder in der bekannten Tonnenform anzuordnen und zum zweiten Male in der bekannten Weise sich zu theilen. Offenbar tritt hier also wieder eine besondere Modification auf, welche sich aus zwei ursprünglich hintereinander folgenden hetero- typischen Theilungen herausgebildet hat. Ich bemerke übrigens, dass die von mir hier gegebene Darstellung sich selbstverständlich nicht mit der Carvoy’schen deckt. Bei einer weitergehenden Heranziehung anderer Beobachtungs- gruppen stösst man auf mehr oder weniger erhebliche Schwierig- keiten, im Besonderen gelingt es nicht wohl, das klassische Unter- suchungsobject für diese Fragen, Ascaris megalocephala, in den Rahmen des heterotypischen Schemas einzufügen. Wenn wir auch nach dem bisher Gesagten so viel feststellen können, dass bei den verschiedensten Thierformen innerhalb des Oyklus der generativen Zellen von der gewöhnlichen Mitose abweichende Theilungsformen auftreten, so ist ja, wie oben angedeutet wurde, noch lange nicht erwiesen, dass gerade der Salamander-Typus den Ausgangspunkt und die Grundform für dieselben bildet, obwohl seine einfachen Be- ziehungen zur gewöhnlichen Mitose darauf hinzuweisen scheinen. Jedenfalls ist es von Bedeutung, dass bei so verschiedenen Formen- reihen, wie es einerseits die Wirbelthiere, andererseits die Arthro- poden sind, ein und dasselbe Schema auftritt, und ich glaube, dass es von einigem Werth ist, wenigstens eine Anzahl mit Sicherheit vergleichbarer Vorkommnisse vor einem einheitlichen Gesichtspunkte aus zusammenfassen zu können. Ueberall da, wo eine Zer- legung des Doppelfadenspirems in Doppelfadensegmente stattfindet, deren Anzahl geringer und zwar im All- gemeinen halb so gross als die in den somatischen Zellen auftretende „Normalzahl“ ist, überall, wo wir eine temporäre FEndverklebung der Doppelfaden- abschnitte (Ringbildung) und eine Anordnung dieser geschlossenen Schleifen in parallel zur Spindelaxe verlaufenden Zügen (Tonnenbildung) antreffen, werden wir die Vorkommnisse auf das heterotypische Schema (Salamander- Typus) zurückführen können. In den Fällen ferner, wo die aus- einanderrückenden und an die Pole tretenden Halbringe (durch Spaltung an der Umbiegungsstelle) die Form von Doppelstäbchen annehmen, wird es sich um eine besondere Abart (Öyclops-Typus) 1 79] DIE HETEROTYPISCHE KERNTHEILUNG IM ÜYKLUS DER GENERATIVENZELLEN. 920 handeln, welche sich insofern wieder mehr der gewöhnlichen Mitose anschliesst, als die resultirende Anzahl der Theilungselemente und deren qualitativer Werth genau den Verhältnissen bei letzterer entspricht. Sehr wahrscheinlich kommt dann noch die weitere Ab- art vor, dass die Doppelfadensegmente sich parallel zur Spindelaxe einstellen, aber ohne eine Umordnung in der Weise zu erfahren, dass die Verklebungsstellen in den Aequator zu liegen kommen. Vielmehr gleiten bei der Metakinese die Schwesterfäden gewisser- massen nur aneinander vorbei und wandern, immer noch parallel zur Spindelaxe gerichtet, den Polen zu. Endlich ist eine letzte Ab- art im Gryllotalpa-Typus zu suchen, bei welchem die vier zu einem Ring sich zusammenschliessenden Elemente Theilungseinheiten niedrigerer Ordnung repräsentiren. Auch in dem mehr oder minder hohen Grade von Vollständig- keit, mit welcher sich der zweite Theilungsprocess der Reifungs- phase abspielt, zeigt sich, man möchte sagen, die grösste Willkür, und diese Verschiedenheit bringt es mit sich, dass in dem einen Fall die Paare von Schwesterelementen als solche auf Ei und Rich- tungskörper vertheilt werden (Cyclops), in andern Fällen ihre Trennung erfolgen kann. Gerade darin aber, dass in der reifenden Keimzelle auf so ver- . schiedenen Wegen immer wieder dasselbe Ziel, die Halbirung der Anzahl der chromatischen Elemente, erreicht wird, kann wohl eine Stütze für diejenigen Theorien erblickt werden, welche den Vor- gängen während der Reifungsphase eine hochbedeutsame biologische Rolle zuerkennen. Wir haben die heterotypische Mitose bei Oyclops in der Ur- genitalzelle, bei der letzten Theilung der Ureizellen und endlich in verkürzter Form bei den Theilungen der Reifungsphase wieder- gefunden. Sie tritt aber noch an einer vierten Stelle im Zyklus der generativen Zellen auf, nämlich in der ersten Furchungs- theilung. Es sind mir neuerdings von zwei Öyclops-Arten (brevi- cornis Claus und agilis Koch) die betreffenden Stadien mehrfach zu Gesicht gekommen, und ich bin daher im Stande den Verlauf der Copulation und der ersten Furchungstheilung in ihren Hauptzügen zu schildern. Ich kann dabei noch zwei weitere Arten (signatus Koch und strenuns Fisch.) heranziehen, von welchen ich gleichfalls einzelne Stadien besitze. Während des Austritts des Eies aus dem Genitalporus ist die Chromatinmasse des weiblichen Kerns noch auf die vier Stäbchen vertheilt, welche derselbe bei der zweiten Rich- 9] HÄcKER: [180 tungstheilung übernommen hatte. Dieselben zeigen in manchen Fällen (Cyclops signatus) noch eine paarweise Anordnung. Zu gleicher Zeit tritt der Spermakern, welcher gleichfalls vier Chromatinstäbchen enthält, in die Eizelle ein. Die beiden Kerne legen sich nunmehr für einige Zeit neben einander und zeigen die bekannte Bläschenform mit feinem Fadengerüst; es wird damit der Satz bestätigt, dass in den meisten, genauer untersuchten Fällen Ei- und Spermakern nicht verschmelzen (Boverr). Dieser Wachsthums- und Erholungszustand dauert mehr oder weniger lange. Ich kann keine genaueren An- gaben über diejenigen pelagischen Copepoden machen, welche ihre Eier einzeln ablegen (Heterocope, COetochilus). Bei den „halb- pelagischen“ Formen jedoch, welche den letzteren bezüglich des Verlaufs der Eireife und Eientwieklung am nächsten stehen, z. B. bei Cyclops strenuns, bei welchem die neuen Eiersäckchen hervor- zutreten beginnen, ehe sich noch die Embryonen des vorhergehenden Satzes vom Mutterthiere befreit haben, scheint dieses Stadium einen ziemlichen Zeitraum einzunehmen, während es bei Cyelops brevi- cornis und agilis, deren Eiersäcke längere Zeit nach dem Freiwerden der vorigen Nauplius-Generation gebildet werden, von kürzerer Dauer ist. Die Kernmembranen lösen sich nunmehr auf und es bildet sich ein typisches Doppelfadenspirem aus. Während aber bei brevicornis die chromatischen Substanzen der beiden Geschlechtskerne - ihre Selbständigkeit wahren, bildet bei Cyclops agilis das Doppel- fadenspirem ein vollständig zusammenhängendes Ganzes!) (Taf! RIE Fig. 3a). Es kann nunmehr vorübergehend zur Segmentirung des Doppelfadens in acht Doppelstäbchen kommen und die Schwester- elemente können dabei sogar zeitweise ihre paarweise Zusammen- lagerung aufgeben, es kann aber auch nur eine Zerlegung in Viertels- segmente mit Endverklebung der Schwesterfäden und Knickung in den x-Punkten erfolgen (Fig. 3b), in der Weise, wie dies bei der Vorbereitung zur ersten Richtungstheilung auftritt. In jedem Falle aber ordnen sich zum Schluss beim Auftreten der achromatischen Spindel die vier Doppelfadensegmente mit ihrer Längsrichtung parallel zur Spindelaxe an und es kommt auf diese Weise eine typische Tonnenform zu Stande (Fig. 3c), wie ich dies sowohl für Cyclops agilis als für brevicornis feststellen konnte. Jedenfalls ist !) Bei Cyclops tenuicornis Claus fand ich noch im Zweizellenstadium die Abkömmlinge des männlichen und weiblichen Geschlechtskernes als selbständige Gebilde nebeneinanderliegen (5). 18 1] DIE HETEROTYPISCHE KERNTHEILUNG IM ÜYKLUS DER GENERATIVEN ZELLEN. 99 bemerkenswerth und für die heterotypische Theilungsform charak- teristisch, dass in der ersten Furchungsspindel ringförmige Chromatin- gebilde auftreten, deren Anzahl halb so gross ist als die Normal- zahl (8) der chromatischen Elemente. Da nun in der Furchungsspindel während der metakinetischen Phase 16 Elemente zu erwarten sind, so muss jeder Ring, wie es dem heterotypischen Schema ent- spricht, aus 4 Elementen zusammengesetzt sein. Auch IscnıkawA (10) ist bei seinen eingehenden Untersuchungen über die Befruchtung bei einem Oalaniden (Diaptomus), übrigens von andern Betrachtungen aus, zu einem Vergleich mit FLEMMING’s heterotypischer Mitose geführt worden. Er schreibt wenigstens be- züglich der vor der ersten Furchungstheilung in den beiden Ge- schlechtskernen auftretenden Elemente: „Their number is, however, no longer four but eight. Whether this is brought about by the transverse division of the elements or by a longitudinal division, I am not able to tell. Still I think I am quite justified in supposing that this doubling of the number of chromatic elements before the formation of a spindle is the same phenomenon as that observed by FLEMMING and others in the division of many animal and vegetable cells (FLemmıng’s „heterotypische Form“).“ Es sei zum Schluss bemerkt, dass ich mehrfach an den Polen der Spindel je 2 dicht neben einander liegende Centrosomen wahr- nahm, und ich glaube, dass mit dieser unvollständigen Vereinigung derselben die eigenthümlich flache Ausbreitung der Attraktions- sphären in Zusammenhang steht. 4. Die heterotypische Theilungssform im Salamander- hoden. FLEMMING hat im Salamanderhoden neben der heterotypischen Theilungsform noch einen zweiten Modus gefunden, den er unter der Bezeichnung „homöotypische Theilung“ beschrieben hat. Die Ab- weichungen desselben von der in Epithel- und Bindegewebskernen auftretenden Mitose sind abgesehen von der halb so grossen Anzahl der Theilungseinheiten (12 anstatt 24) folgende: „1) wie- derum die Lockerheit der Knäuelform (wie bei der heterotypischen Theilung; 2) in der Metakinese eine relativ frühere, völlige Separation der Schwestertäden der Längsspaltung; 3) Prolongation der Meta- kinese in der Weise, dass die so separirten und dislocirten Segment- hälften noch längere Zeit in der Nähe des Aequators verweilen, ehe sie sich zu den Tochtersternen ordnen“, 95 Häckkr: [182 Die zeitliche Vertheilung der beiden Formen der heterotypischen und homöotypischen Mitose ist folgende: bei der ersten Vermehrung des Canalepithels, welche zur Bildung der Spermatocysten führt, wurde stets die homöotypische Form beobachtet. Bei der im Sommer auftretenden reichlichen Zellvermehrung, welche die drei (renerationen der Spermatocyten liefert, tritt anfänglich (bei der ersten (Greneration) mit wenigen Ausnahmen die heterotypische Form auf, bei der zweiten Generation stellt sich bereits wieder die homöotypische Form reichlich neben der heterotypischen ein ‚und endlich bei der letzten Generation zeigen sich beide Formen ziemlich gleich häufig. Ich eitiere hier noch eine auf die räumliche Vertheilung beider Zelltheilungsformen bezügliche Bemerkung FLemming’s: „Fast durch- weg findet man in je einer Spermatocyste alle Theilungen entweder von heterotypischer oder von homöotypischer Form. Selten kommen Ausnahmen davon vor; diese aber sind ganz sicher. In zwei Fällen bis jetzt habe ich Cystendurchschnitte mit Zellen des grössesten im Sommer vorkommenden Kalibers gefunden, in denen die grösseste Zahl der Zellen in heterotypischer Theilung, eine Minderzahl aber in homöotypischer standen, und es konnte dabei ganz sichergestellt werden, dass beide einer und derselben Oyste angehörten; Zellen mit Mitosen der einen Form grenzen unmittelbar an solche mit der andern. In einigen Fällen habe ich dies ebenso bei Tochtergenerationen gefunden“. Die von FLEMMING beschriebene heterotypische Theilung wurde mehrfach, im besondern neuderdings von OSKAR HERTWIG (9) zu den Reifungstheilungen während der Ei- und Samenbildung, wie sie für andre Formen beschrieben worden sind, in Beziehung gesetzt. Der eben genannte Forscher vergleicht die Endverklebung der Schwester- fäden mit einem Stadium, welches die erste Theilung der Samen- mutterzelle von Ascaris megalocephala (also die erste T'heilung der Reifungsphase) einleitet. Ein wichtiger Unterschied besteht allerdings darin, dass bei Ascaris die Verklebung in der Mitte der Tochter- fäden eintritt. Bezüglich der bei Salamandra auftretenden zweiten Längsspaltung der Dyasterschleifen äussert sich O. HERTWIG in folgender Weise: „Ich glaube, dass der bei Ascaris genau fest- gestellte Hergang den Schlüssel zum Verständniss liefert. Die zweite Längsspaltung der Fäden ist wahrscheinlich auch schon früher vor- bereitet und sie wird gegen Ende der ersten Theilung der Samen- mutterzelle äusserlich sichtbar, weil an die erste T'heilung sich un- mittelbar eine zweite mit Ueberspringung des Ruhestadiums sich 183] DIE HETEROTYPISCHE KERNTHEILUNG IM ÖYKLUS DER GENERATIVEN ZELLEN. 94 anschliesst. FLEMMING bemerkt zwar in seiner Arbeit von einem solchen Vorgang nichts; da aber bei Salamandra man auf ein Com- biniren der einzelnen Stadien angewiesen ist, muss wohl diese Mög- lichkeit in das Auge gefasst und noch einmal geprüft werden. Einen Hinweis könnte man in der Bemerkung FLEuuis@’s finden, dass die Metakinese bei den Spermatocysten auffallend lange dauert. Ist meine Deutung richtig, so ist die Uebereinstimmung mit Ascaris eine grosse. Im bläschenförmigen Kern der Samenmutterzelle werden aus der Kernsubstanz anstatt 24 nur 12 primäre Fäden angelegt, diese aber werden ihrer Länge nach zweimal gespalten, zuerst in Toochterfäden, dann in Enkelfäden, sodass die Gesammtzahl schliesslich auf 48 anwächst. Die Spaltung in secundäre Fäden erfolgt wie bei Ascaris schon im bläschenförmigen Kern, während die Spaltung in tertiäre oder Enkelfäden in abweichender Weise erst am Ende des ersten Theilprocesses auftritt. Diese 48 Fäden werden durch eine zwei- malige Zelltheilung ohne eingeschobenes Ruhestadium auf vier Samen- zellen vertheilt, so dass jede zwölf, also die Hälfte der für Salamandra typischen Zahl von chromatischen Elementen erhält“. Ich habe die Worte O. Herrwıs’s ausführlich wiedergegeben, weil aus denselben hervorgeht, dass die Deutung der heterotypischen Theilung im Salamanderhoden als erste Theilung der Reifungsphase nur unter der Annahme zulässig ist, dass eine zweite Thei- lung FrLemming vollständig entgangen ist. Es sprechen aber gegen die Homologie beider Vorgänge in erster Linie die FLemuın@’schen Befunde selbst, nach welchen die hetero- typische Theilung in drei aufeianderfolgenden, durch die verschiedene Grösse der Zellen wohl unterscheidbaren Generationen zu beobachten ist und zwar neben einer andern, der gewöhnlichen Mitose sich nähernden Theilungsform, nach welchen also das Auftreten jenes besonderen Typus sich keineswegs mit einer speziellen Entwicklungs- phase deckt. Nun wurde aber für die Reifungstheilungen der Ei- und Samenzelle, seit dem dieselben von PLATNER zum ersten Mal zu einander in Homologie gesetzt worden sind, immer wieder als charakteristische Eigenthümlichkeit bestätigt, dass dieselben durch einen längeren Ruhezustand des Kerns von den Theilungen der Vermehrungsphase zeitlich und örtlich abgegrenzt sind, dass sie — abgesehen von den parthenogenetischen Eiern — in der Zweizahl auftreten und dass die beiden Theilungen sich selbst unmittelbar aufeinanderfolgen. Keiner dieser Punkte tritt mit genügender Klarheit hervor, wenn man die heterotypischen Theilungsvorgänge im Sala- 95 HÄcKER: [184 manderhoden mit einer oder mit den beiden Reifungstheilungen homologisirt. Es wurde oben vermuthungsweise ausgesprochen, dass eine der von FLEMMING als abnorm bezeichneten, im Salamanderhoden auf- tretenden Theilungsformen in die eigentliche Reifungsphase ein- zureihen ist. Ich vermag die Richtigkeit dieser Vermuthung nicht an Präparaten erweisen. Das würde nur möglich sein, wenn es gelänge, die Vorbereitungsstadien, welche diese „anomalen“ Theilungen ein- leiten, genauer kennen zu lernen. Unter denselben müsste, wie aus allen Analogien hervorgeht, ein Doppelfadenstadium zu finden sein, dessen Doppelfaden früher oder später durch Spaltung eines einfachen Fadens entstanden ist. Nun habe ich aber für die Reifung des Copepodeneies gezeigt, dass die Spaltung des Fadens sich durch ein Stadium hindurch, in welchem der Doppelfaden in ein System von Chromatin-Doppelkügelchen und Linin-Doppelfäden zerlegt ist, zurückverfolgen lässt bis auf die Dyaster der letzten Thei- lung der Ureizellen, indem bereits in diesen die Elemente eine Längsspaltung zeigen. Diese Dyaster stellen aber die Endphasen einer Theilung vor, welche in allen wesentlichen Punkten mit dem heterotypischen Schema übereinstimmt. Wir werden also zu der Vermuthung geführt, dass wir in der heterotypischen Theilung im Salamanderhoden die eigentliche Homologie zu den T'heilungen der Ursamenzellen und speziell zur letzten derselben vor uns haben und dass die sekundäre Längsspaltung der Dyasterschleifen derjenigen frühzeitigen Längsspaltung entspricht, welche bei der letzten Theilung der Ureizellen der Copepoden an den Dyasterschleifen auftritt, dass sie also die bis auf die letzte Theilung der Ursamenzellen zurückverschobene Verdoppelung der chromatischen Ele- mente darstellt. Ich glaube nicht, dass sich als Einwand gegen diese Auffassung anführen lässt, dass, wenn die drei innerhalb der Spermatocysten stattfindenden Theilungen zu den Theilungen der Ursamen- bezw. Ureizellen in Beziehung gesetzt werden, jene aller- ersten Theilungen bei Salamandra ohne Homologie darstehen, durch welche die erste Vermehrung des Canalepithels und damit die erste Bildung der Spermatocysten oder Follikel selbst erzielt wird: es ist einleuchtend, dass der Aufbau und die Reifung des zusammen- gesetzen Wirbelthierhodens eine viel komplizirtere Aufeinanderfolge von Zellgenerationen zur Voraussetzung hat, als dies bei dem ein- fachen Geschlechtsdrüsenschlauch niederer Crustaceen der Fall ist. in welcher Weise freilich mit diesem zusammengesetzten Bar die % 18 5] DIE HETEROTYPISCHE KERNTHEILUNG IM ÜYKLUS DER GENERATIVENZELLEN. 96 „homöotypischen Theilungen“, welche gleichfalls halb so viel Theilungs- einheiten zeigen, als die Mitosen somatischer Gewebe, im Zusammen- hang stehen, darüber müssen erneute Untersuchungen Aufschluss geben. Ich habe die frühzeitige Längsspaltung des Chromatinfadens und die damit verbundene Verdopplung der Anzahl der Elemente bei Betrachtung der Copepoden als einen Vorgang aufgefasst, der höchst wahrscheinlich unabhängig von den beiden Theilungen der Reifungs- phase ist. Abgesehen von der weiten Zurückverlegung desselben bis in das Stadium unmittelbar nach der letzten Theilung der Ureizellen schien mir ein Zusammenhang mit der ersten Theilung der Reifungs- phase desshalb unmöglich, weil bei den Copepoden bei der letzteren die Doppelelemte als solche auf Ei und ersten Richtungs- körper vertheilt werden, weil also die Produkte der Längsspaltung zunächst überhaupt nicht auseinanderrücken. Eine Beziehung der Längsspaltung zur zweiten Theilung hat aber zur Voraussetzung, dass beide Theilungen nach zwei verschiedenen Richtungen hin abnorm sind; dies schien mir unannehmbar zu sein, namentlich mit Rücksicht auf den im übrigen gleichartigen Charakter der beiden Theilungen. Aus diesen Betrachtungen schien hervorzugeheu, dass die Verdopplung des Fadens (Diplese) ein unabhängiger Vorgang ist, und es lag nahe, ihn mit Rücksicht auf die im Ovarium eintretende vorübergehende Disgregation des Doppelfadens als einen reduzirten Kerntheilungsprocess zu betrachten, der vielleicht an Stelle einer letzten Theilung der Ureizellen getreten ist. Nachdem sich nun aber, wie aus den obigen Ausführungen hervorgeht, herausgestellt hat, dass die beiden Theilungen der Reifungs- phase bei allem (emeinsamen, das sie in Anlage und Durchführung zeigen, dennoch so viel spezifische Abweichungen, so viel Verschieden- heiten, namentlich auch bezüglich des Grades, bis zu welchem ihre Verkürzung fortschreitet und bezüglich des Zeitpunktes, in welchem dieselbe einsetzt, zeigen, möchte ich es für weniger bedenklich halten, die Verdopplung auch bei den CGopepoden direkt mit der ersten Theilung in Verbindung zu bringen. Auffallend bleibt immerhin die Einschaltung des Disgregationsstadiums, in welchem sich die längs- gespaltenen Chromatinstäbchen in ein System von Chromatindoppel- kügelchen und Linin-Doppelfäden zerlegen, um sich sodann wieder zu einer kontinuirlichen Fadenschlinge zusammenzuschliessen. Das- selbe dürfte dann nicht wohl anders denn als vorübergehendes „Ruhe- stadium“ mit persistierender Längsspaltung gedeutet werden. Berichte VI. Heft 4. 13 97 HäÄckeER: [186 Wenn unsere Anschauung über die morphologische Bedeutung der heterotypischen Theilung richtig ist, dann findet also m den Theilungen, welche im Salamanderhoden nach diesem Schema ver- laufen, keine Reduktion der Chromosomenzahl statt, da ja jede Schleife ein doppelwerthiges Element darstellt und unzerlegt an den Pol tritt. In letzterem Punkte äussert sich ein kleiner Unter- schied gegenüber dem Cyclops-Typus, welcher jedoch nach den Aus- führungen des zweiten Kapitels von keiner principiellen Bedeutung ist. In dem einen Fall — bei Salamandra — bleiben nämlich die an die Pole rückenden Schleifen, deren jede zwei Elemente darstellt, an ihrer Umbiegungsstelle undurchbrochen, bei Oyclops dagegen findet während der Wanderung an die Pole, theilweise vielleicht schon früher eine sekundäre Zerlegung der Viertelssegmente in Achtelssegmente und damit eine Verwandlung der „Schleifen“ in „Doppelstäbchen“ statt. | Wie mir Herr Dr. vom Rarn mündlich mittheilte und wie ich mich an seinen Präparaten selbst überzeugen konnte, treten auch im Hoden der Tritonen heterotypische Theilungen mit schönen Tonnen- formen auf und zwar wurden solche bis jetzt gefunden bei sämmt- lichen drei in nächster Umgebung von Freiburg vorkommenden Spezies, nämlich bei Triton cristatus, igneus (alpestris) und palmatus (helveticus). Die Figuren bei der kleinsten von diesen drei Arten, T. palmatus, stehen denen bei Salamandra an Grösse nnd Deutlich- keit kaum nach, wie uns ein Vergleich mit Präparaten zeigte, welche von zahlreichen im Juni durch vom Rarn selbst gefangenen und sofort konservirten Exemplaren von Salamandra maculosa stammten. Die betreffenden Palmatus-Präparate rührten von den Monaten Juni — August her. 5. Die heterotypische Theilungsform im Mäusehoden. Nach den Untersuchungen von HERMANN (8) gehen in den Kernen der Spermatocysten des Mäusehodens aus dem lockeren Spirem mit längs- gespaltenem Faden Ringe hervor, welche ausschliesslich im der Peripherie des Kernes gelagert sind. Die einzelnen Chromatinringe stehen dabei mit einander durch achromatische Fasern in Verbindung, welche nach HERMANN wahrscheinlich die erste Andeutung der achromatischen Spindel darstellen. Vielleicht wird durch diese Figuren das Asterstadium ersetzt. Ungemein häufig ist das Stadium der Metakinese (Aequatiorialplatte): „es haben sich die Chromatinringe 18 7] DIE HETEROTYPISCHE KERNTHEILUNG IM ÜYKLUS DER GENERTAIVEN ZELLEN. 98 zu der inzwischen ausserordentlich deutlich auftretenden Spindel orientirt, und es besitzt die chromatische Figur die eigenthümliche Form einer Tonne, deren Längsreifen eben von den Ohromatinringen gebildet werden“. „Mit dem Nachweis dieser eigenthümlichen Ring- bildung dürften wir wohl berechtigt sein zu der Annahme, dass in ähnlicher Weise wie beim Salamander, auch bei der Maus die Theilung der Spermatocytenkerne abweichend von dem Schema der gewöhn- lichen Karyokinese erfolgt, unter Bildung ähnlicher Formen, wie sie von FLEMMInG beim Salamander als charakteristisch für den hetero- typischen Typus festgestellt wurden.“ Es erfolgt dann später im Aequator eine Theilung der Chromatinringe in je zwei typische u-förmige Schleifen, welche rasch auseinanderrücken. Eine secundäre Längsspaltung der an die Pole rücken- den Tochterschleifen konnte von HERMANN „bei der Subtilität der ganzen Verhältnisse“ ') nicht beobachtet werden. Wir werden eine solche selbstverständlich nur in dem Fall zu erwarten haben, wenn die bei der Maus beobachtete Entwicklungs- phase genau derjenigen entspricht, in welcher bei Salamandra die heterotypische Theilung mit längsgespaltenen Dyasterschleifen vor- kommt. Nun ist nach dem bisher Gesagten innerhalb der Sperma- tocysten oder Follikeln nicht nur eine Reihenfolge von mehreren (senerationen von Ursamenzellen, sondern es sind hier ausserdem noch die beiden Theilungen der Reifungsphase zu suchen. Wir sind aber bereits bei einem anderen Objecte darauf aufmerksam ge- worden, dass, wenn überhaupt bei einer Form die heterotypische Theilungsform im Cyelus der generativen Zellen auftritt, sowohl während der Vermehrungs-, als während der Reifungs- phase Theilungsvorgänge auftreten können, welche sich auf dieses Schema zurückführen lassen. Wenn also im Mäusehoden eine heterotypische Theilungsform auftritt, so ist immerhin die Möglich- keit vorhanden, dass dieselbe der letzteren Entwicklungsphase an- gehört, auch dann, wenn die im Salamanderhoden beobachtete heterotypische Theilung aus theoretischen Gründen an anderer Stelle eingereiht werden muss. Es wäre sehr gut denkbar, dass in der That keine secundäre Längsspaltung der Dyasterschleifen vorhanden ist. Dann würde uns vielleicht eine andere Beobachtung Herwann’s Anhaltspunkte !) Vom RatHu und ich haben uns davon überzeugt, dass die Verhältnisse bei der Maus in der That nicht sehr günstig liegen. Immerhin sahen wir mehr- fach Spindeln, welche im Aequator deutlich acht Ringe zeigten. 13* 29 HÄcKER: [188 für eine Deutung des Theilungsvorgangs liefern. HERMANN gibt nämlich an, dass das Polarkörperchen oder Centrosoma stets aus zwei hart nebeneinander liegenden Pünktchen besteht. Nun wurde aber von verschiedenen Autoren eine während der ersten Thei- lung der Reifungsphase auftretende frühzeitige Verdopplung der beiden Centrosomen angegeben, so schon von PLATNER (11) für die vorletzte Theilung der Spermatocyten von Limax agrestis, wo be- reits während des Endstadiums der Karyokinese an der äussersten Spitze des Pols zwei dunkle runde nebeneinander liegende Körper- chen beobachtet wurden. Von der unmittelbar folgenden zweiten Theilung haben sich also hier gewisse Specialvorgänge, z. B. die Verdopplung des Centrosomas, in die vorangehende Theilung herein- geschoben. Nun folgen allerdings auch die Theilungen der Ur- samenzellen rasch aufeinander und wir wissen nicht, ob nicht durch eine genauere Untersuchung bei einem geeigneten Object auch hier eine frühzeitige Verdopplung des Üentrosomas festgestellt wird; vorläufig würde aber sowohl das Fehlen der secundären Längs- spaltung der Dyasterschleifen als auch die Verdopplung des Centro- somas sehr gut mit der Annahme im Einklang stehen, dass der von HERMANN beschriebene heterotypische Theilungsvorgang die erste Reifungstheilung, also die vorletzte in der Spermatogenese verlaufende Theilung darstellt. 6) Zusammenfassung. Wir haben in folgenden Fällen das Auftreten der heterotypi- schen Theilung beziehungsweise ihrer Verkürzungsformen fest- gestellt: 1) im Hoden von Salamandra: ? letzte Theilung der Ursamen- zellen (Salamandra-Typus); ebenso im Hoden von 3 Tri- tonen (cristatus, igneus, palmatus); 2) im Hoden der Maus: ? erste Thheilung der Reifungsphase; 3) im Ovarıum von Öyclops: letzte Theilung der Ureizellen; 4) im Ovarium von Üyclops: in verkürzter Form die erste und in noch mehr verkürzter Gestalt die zweite Theilung der Reifungsphase; 5) im Ei von Öyelops: erste Furchungstheilung; 6) im Ei von Öyclops: erste Theilung der Urgenitalzelle (Öy- clops-Typus). 1 89] DIE HETEROTYPISCHE KERNTHEILUNG IM ÜYKLUS DER GENERATIVENZELLEN. 30 In allen Fällen begegnen wir einer Zerlegung des Doppelfadens in eine halb so grosse Anzahl von Segmenten, verglichen mit der Anzahl der Segmente in somatischen Zellkernen (bei der Maus konnte dies nicht festgestellt werden), die Doppelfadensegmente bilden sich durch Endverklebung der Schwesterfäden zu Ringen um und diese Ringe ordnen sich zur Tonnenfigur an. Es tritt später eine Spaltung der Ringe im Aequator ein und die Halbringe rücken an die entsprechenden Pole (Salamandra-Typus). Seeundäre Längsspaltung der Dyasterschleifen wurden in den Fällen 1) und 3) festgestellt. Secundäre Quertheilung der Dyasterschleifen in den Umbiegungsstellen ( »-Punkten), also nachträgliche Wiederherstellung der „Normalzahl“, liess sich im Fall 3) immer, in den Fällen 5) und 6) mitunter konstatiren (Öyelops-Typus). Direct vergleichbar sind nun ohne Weiteres alle diejenigen in der Ovogenese und Spermatogenese auftretenden Fälle, wo vor dem Eintritt in die Reifungstheilungen das Chromatin sich anfangs in Ringform anordnet und wo dann aus diesen Ringen vier im Viereck gestellte Kugelchromosomen hervorgehen. Es kommt hier nur desshalb nicht zu den typischen Bildern, weil jeder Faden- abschnitt (Achtelssegment bei Öyelops) auf ein kugliges Gebilde niedrigerer Ordnung reducirt erscheint. Ich möchte diese besondere Abart, welche demnach ihre Ursache in einer relativ weitergehenden Segmentirung hat, als den Gryllotalpa-Typus der heterotypischen Theilung bezeichnen, weil es die Samenzellen von Gryllotalpa sind, bei welchen unter den bisher bekannt gewordenen Fällen die Ver- hältnisse, was Grösse und Anzahl der chromatischen Elemente an- belangt, am günstigsten liegen. Dieser Typus wurde festgestellt bei Arthropoden (Pyrrhocoris, Gryllotalpa, marinen Copepoden), Mol- lusken (Helix, TLimax) und Amphibien (Rana). Wenn wir einen Blick auf die obige Zusammenstellung werfen, so fällt in erster Linie auf, dass es stets Stadien aus dem Cyclus der generativen Zellen sind, in welchen die hetero- typische Theilung vorkommt. Es muss gleich hier bemerkt werden, dass allerdings die Kerntheilungen der übrigen Gewebe in der Regel kleinere und weniger gut zu interpretirende Bilder dar- bieten und dass sie sich auch im Allgemeinen bis jetzt keiner so eingehenden Untersuchung erfreut haben: aber andererseits ist an- zuführen, dass gerade bei den beiden Formen, bei welchen die fragliche Theilung in typischer Gestalt auftritt, in genügender Weise 31 HÄcKER: [190 Theilungen von somatischen Kernen bekannt geworden sind, bei Salamandra solche von Epithel- und Bindegewebskernen, bei Cyclops von embryonalen Ektoderm-, Entoderm- und Mesodermkernen. So- weit sich also nach den bisherigen Untersuchungen feststellen lässt, treten die heterotypische Theilung und ihre Abarten ausschliesslich im Üyclus der generativen Zellen auf. Ihr besonderes Wesen würde darin begründet sein, dass sie bezüglich der Zerlegung des Doppelfadens in Segmente um eine Stufe zurückbleibt gegenüber den somatischen Mitosen: es findet in den Prophasen nur ein Durchbruch in den f-Punkten, aber nicht mehr in den *-Punkten statt. Secundär, nämlich während des Auseinanderrückens der Schleifen, kann dann der Durchbruch in den prädestinirten &-Punkten erfolgen (Öyclops-Typus). Auch STRASBURGER (14) konstatirt in den generativen Zellen der Pflanzen eine Neigung zur Reduction der Segmentzahl. So führen z. B. die Pollenmutterzellen von Lilium, Tradescantia, Helle- borus foetidus 12, die von Alstroemeria und Allium 8 Kernfäden, während bei allen diesen Pflanzen in den vegetativen Geweben 16 Segmente auftreten. Dies gilt speciell für die Kerne der Antherenwandung, andererseits aber auch für die sich theilenden Archesporzellen, die Urmutterzellen des Pollens. Es mag fraglich erscheinen, ob man es bei dieser Reduction der Chromosomenzahl in den Pollenmutterzellen mit einer wirklichen Reduction zu thun hat, welche der in den thierischen Ei- und Samenzellen vor der Be- fruchtung auftretenden Reduction entspricht, oder ob dieselbe nur scheinbar ist, ob also hier Verhältnisse in Betracht kommen, die mit dem heterotypischen Theilungsschema in Zusammenhang zu bringen sind. Man kann sich noch fragen, welche physiologische Bedeutung das Ausbleiben der letzten Segmentirung bei den Theilungen der generativen Kerne hat. Es liegt vielleicht nahe, an die Erhaltung ursprünglicherer Charaktere innerhalb des CUyclus der generativen Zellen gegenüber den somatischen Zellen zu denken. Voraussetzung wäre dabei, dass die phyletische Weiterentwicklung der Kern- theilungen Hand in Hand mit einer zunehmenden Segmentirung des Fadens im Asterstadium geht. Aber auch dann, wenn wirklich die heterotypische Theilung gewissermassen eine primitivere Stufe der Mitose darstellen würde, verglichen mit den Mitosen, welche in den somatischen Geweben vorkommen, so ist damit in keiner Weise ihr 19 1] DIE HETEROTYPISCHE KERNTHEILUNG IM ÜYKLUS DER GENERATIVENZELLEN. 3 9 in den verschiedensten Thiergruppen paralleles Auftreten innerhalb des CUyclus der generativen Zellen erklärt. Es ist vielmehr an- zunehmen, dass dieser Zusammenhang eine tiefere biologische Be- deutung hat. Es wird bei ausgedehnteren Untersuchungen bei zahlreicheren Objecten möglich sein, dieser Frage näher zu treten. Vorläufig dürfte der Befund in der Urgenitalzelle von Cyclops eine mehr practisch-diagnostische Bedeutung haben, insofern bei einer etwaigen Wiederauffindung des heterotypischen Theilungsmodus in embryonalen Zellen eine Interpretation der letzteren als genitaler Elemente nahe gelegt wird,auch dann, wenn die Verfolgung ihres weiteren Schicksals mit Schwierigkeiten verbunden ist. Freiburg i. B., den 23. Juli 1892. 33 (Sy! 10. . Bovkrı, Tn. . Carxoy, J. B. . FLemmme, W. . Fremmine, W. . Häcker, V. . Häcker, \. . Henkıne, H. . Hermann, F. . Herrwiıe, OÖ. IScHIKAWA, C. 11. PLATNER, G. 12. RABL, C. 13. vom Rats, O. . WALDEYER, W. . WEISMANN, A. Häcker: [1 92 Literatur. Zellen-Studien III. Ueber das Verhalten der chromatischen Kernsubstanz bei der Bildung der Richtungskörper und bei der Befruchtung. Jen. Zeitschr. 24. Bd. 189%. La cytodierese de l’oeuf. La vesieule germinative et les olobules polaires chez quelques Nematodes. La Cellule. 3. Bd. 1886. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserschei- nungen. III. Theil. Arch. f. mikr. Anat. 20. Bd. 1882. Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. Arch. f. mikr. Anat. 29. Bd. 1887. Die Eibildung bei Cyclops und Canthocamptus. Zool. Jahrh. Abth. f. Anat. und Ontog. 5. Bd. 1892. Die Kerntheilungsvorgänge bei der Mesoderm- und Ento- dermbildung von Cyclops. Arch. f. mikr. Anat. 39. Bd, 1892. Untersuchungen über die ersten Entwicklungsvorgänge in den Eiern der Insekten. II. Ueber Spermatogenese und deren Beziehung zur Eientwicklung bei Pyrrhocoris ap- terus L. Zeitschr. f. wiss. Zool. 51. Bd. 1891. Beiträge zur Histologie des Hodens. Arch. f. mikr. Anat. 34. Bd. 1889. Vergleich der Ei- und Samenbildung bei Nematoden. Eine Grundlage für celluläre Streitfragen. Arch. f. mikr. Anat. 36. Bd. 1890. Studies of reproductive elements. 1. Spermatogenesis, ovogenesis, and fertilization in Diaptomus sp. Journ. of the Coll. of Se., Imp. Univ., Japan. 5. Bd. 1891. Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungs- erscheinungen. Arch. f. mikr. Anat. 33. Bd. 1889. Ueber Zelltheilung. Morph. Jahrb. 10. Bd. 1885. Zur Kenntniss der Spermatogenese von Gryllotalpa vulgaris Latr. Mit besonderer Berücksichtigung der Frage der Reductionstheilung. Arch. f. mikr. Anat. 40. Bd. 1892. . STRASBURGER, E. Ueber Kern- und Zelltheilung im Pflanzenreiche, nebst einem Anhang über Befruchtung. Jena 1888. Ueber Karyokinese und ihre Beziehungen zu den Befruch- tungsvorgängen. Arch. f. mikr. Anat. 32. Bd. 1888. Amphimixis oder: Die Vermischung der Individuen. Jena 1891. Zu ee EEE 19 3] DIE HETEROTYPISCHE KERNTHEILUNG IM CYKLUS DER GENERATIVENZELLEN. 34 Erklärung der Abbildungen auf den Tafeln und im Text. Tafel X. Schema A. Gewöhnliche Mitose (nach Fremumng). 1. Spirem. 2. Aster. 3. Metakinese. 4. Dyaster. Tafel XI. Schema B. Heterotypische Mitose (frei nach FLEMMING). 1. Spirem. 2. Aster. 3. Metakinese. 4. Dyaster. Tafel XII. Fig. 1. a: Urgenitalzelle (A) und Urmesodermzelle (B) im Ei von Cyclops brevicornis. (Nach 6, Taf. XXIV, Fig. 6). b: Herzförmige Schleife aus der Urgenitalzelle. Fig. 2. Letzte Theilung der Ureizellen von Cyelops signatus. a—f: An- ordnung zum Aster. Man sieht häufig ein blindes Fadenende mit dem bläschen- förmigen Nucleolus in Verbindung treten. &: Dyaster der besten Theilung. Die Schleifen haben sich an der Umbiegungsstelle gespalten und die Einzelstäbchen zeigen die Längsspaltung (Diplose). Bios 37 1. Furchungstheilung. a) Spiremstadium bei Cyelop asilis, Oberflächenansicht. Die Fadenzüge stehen in Verbindung mit einander. b) Ueber- gang zum Asterstadium bei Cyclops brevicornis. Die väterlichen und mütter- lichen Elemente sind in zwei getrennten Gruppen gelagert. c) Cyelops agilis: erste Furchungsspindel mit flacher Ausbreitung der Attraktionssphären. Schema € (Text S. 10), 1. Schema der gewöhnlichen Mitose. 2—-4. Schema der heterotypischen Mitose, Schema D (Text S. 15). Schema der ersten Richtungstheilung bei Cyelops. x ug hieg ww er x DisT ; E 4% al EHE Bin j „erarticih hr ei 5 Ne EILLIE ON. WE ne ler $ j Fr be CRY ty iaklartoknla Zu BE a N f, A ' E23 v N ii ‚5 Melle j ; mn BIT R; Pan Ben ale ur 12 j i ’ e le fr i © er kan nern ie anfonkt Her, Br rd alt nis zöraik 1 Air Neasenahk. all h . a Fasi 9 | l N . Ag # R or ber EB ., NET TE ER I, Fi Wo 2 SverftekaenT% BR - gt IN s ‚u i 2 Pi$ Eat ' TE N; SITE U arm er N. b rail ei j : 5 i EM ‚te 4: sd URUENR ar ron 2 et = ne Pr) DT) 4 Du 14 . , tal! y \ N Man y % 12 27a ri 123 I! ah) r gt Ber. d. Naturf. Ges. Freiburg i. B. Bd.VI. a Ener oe u Akadem.Verlagsbuchhl. v. J.C. B. Mohr (Paul Siebeek) Freiburg i/B. Alberttypie v. Jos. Albert in München. Tafel II. Bd: VL d. Naturf. Ges. Freiburg i. B. Ber. ern Ber. d. Naturf. Ges. Freiburg i. B. Band VI. Tafel III. u e . Y * A 3 u « - — . u Ze |r > En Le” 2, . 5 u * - ne >% q j - e u ” ” 3 ».rSe j - “ IF % 4 & ; - u u = . _ “a 9 Ze Fr FR BI eG 3 Bl 7 y 27 Eu Su u u Ze Tafel EV: Fz- Dad. Ber. d. Naturf. @es. Freiburg i. B. Ber. d. Naturf‘ Ges. Freiburg i. B Ba. VI Tafel I l.Sphaerucaprina forojuliensis,n. Sp. 2.Caprina schiosensis,n. sp 3. Gaprina sp. *. Dieeras Pironai, Boehm. SISUHSOLUIS PISONPS u 101 IA PIE GT Pmgagy SD Janpy pP ng ds u 'SIsU9SOLIS BISONDKE HI 190] IA PI I rbmgogz son Jmpy pP .0g M ; dsu eyeurde) eISoNpS DL IA vg I bamquagz 500 Janpy po] Ber. d. Naturf‘Ges.Freiburg i.B.Bd.M. Tal. 2: Fig. 2. VW Haecker del. z er EC Angerer & böschl ph ie Akadem.Verlagsbuchhl.v JCB Mohr (Paul Siebeck) Fretbug YB. D %r £ Ber. d. Naturf0es.Freiburg i.B.ba.. Taf X EV Haeck: 7 dd d !. Ü Ar gerer & böschl MT en Akadem.Verlagsbuchhl.v JCEB Mohr (Paul Stebeck) Freiburg VB. Mr aeen Ber. d. Naturf-Ges.Freiburg i.B.Bd.M. Taf. AH. Fig-1. Fig.2. B 1/4 er del. 3 : C Angerer & Göschl ph. ae di Akadem.Verlagsbuchhl.v. JCB Mohr (Paul Siebeck:) Frerburg YB. I 4 BERICHTE Hl, BD 4 DER NATURFÜRSCHENDEN GESELLSCHAFT ZU FREIBURG 1. B, IN VERBINDUNG MIT Dr. Dr. F. HiLDEBRAND, J. LÜROTH, J. von KRIES, G. STEINMANN, E. 'WARBURG, A. WEISMANN, R. WIEDERSHEIM, PROFESSOREN AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG HERAUSGEGEBEN VON DEM PRÄSIDENTEN DER GESELLSCHAFT DR. AUGUST GRÜUBER, PROFESSOR DER ZOOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG. SECHSTER BAND. ERSTES HEFT. INHALT: J. v. KRIES, UksBER pie BEZIEHUNGEN DER PHySsIk UND DER PuysıoLoste. E.WARBURG, ÜEBER DEN AUFSCHWUNG DER MODERNEN NATURWISSENSCHAFT. V. HAECKER, Dir RicHTUNGSKÖRPERBILDUNG BEI CYCLOPS UND ÜANTHOCAMPTUS. FREIBURG I. B. 1891. AKADEMISCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG VON J. C. B. MOHR (PAUL SIEBECK). ‚betr. Wiedersheim, Der Bau des Menschen Mit einer Beilage von J. C. B. Mohr in Freiburg i. als Zeugniss für seine Vergangenheit. Inhalt. Ueber die Beziehungen der Physik und der Physiologie. Rede, gehalten bei der Einweihung des physikalischen und physiologischen Instituts der Universität Freiburg ı. B. am 14. Mai 1891. Von Professor Dr. v. Krıks, Director des physiologischen Instituts . Ueber den Aufschwung der modernen Netekosenkeha Et gehalten bei der Einweihung des neuen physikalischen Instituts zu Freiburg i. B. am 14. Mai 1891. Von Professor Dr. E. WARBURG, Director des physikalischen Instituts Die Richtungskörperbildung bei Cyclops und Canthocamptus (Vorläufige Mittheilung). Von Dr. VALENTIN HÄCKER, Assistent am zoologischen Institut . Vor Kurzem ist erschienen: Greeologischer Führer der Umgebung von Freiburg. Bearbeitet von Dr. 6. Steinmann und Dr. Fr. Graeff, Professoren an der Universität Freiburg. Mit 5 z. Th. colorirten Tafeln und 16 Phototypien. Klein 8. 1890. (VII. 141 S.) In Ganzleinwand geb. M. 5.—. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C., B. Mohr (Paul Siebeck) in Freiburg i.B, Seite 18.0 30 . 2 F BERICHTE DEC 1891 - JNTURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT ZU FREIBURG L B IN VERBINDUNG MIT Dr. Dr. F. Hınpesranp, J. Lürorn, J. von Krıes, G. STEINMANN, E. WAarBURG, A. WEISMANN, R. WIEDERSHEIM, PROFESSOREN AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG HERAUSGEGEBEN VON DEM PRÄSIDENTEN DER GESELLSCHAFT DR. AUGUST GRUBER, PROFESSOR DER ZOOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG. SECHSTER BAND. ZWEITES HEFT, MIT ı TAFEL,. ea: G. BOEHM, Mr64Lopon, PAcHYERISMA UND DicerAs. A, WILLEY, UNTERSUCHUNG EINER HAHNENFEDRIGEN ENTE. O0. VOM RATH, UEBER DIE REDUCTION DER CHROMATISCHEN ELEMENTE IN DER SAMEN- BILDUNG VON GRYLLOTALPA VULGARIS LATR. FREIBURG I. B. 1891. - AKADEMISCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG VON J. C. B. MOHR (PAUL SIEBECR). Jı Inhalt EBEN .Megalodon, Pachyerisma und Diceras.. Von Professor Dr. = GYBOHM. 00 nn a ee Untersuchungen einer hahnenfedrigen Ente. Von A. WıLey, B. Se., London. sn a Reduction der chromatischen Elemente in der Samenbildung von Gryllotalpa vulgaris Latr. Vorläufige Mittheilung v00.Dr. O:2VOM: RATB=2 3 22 wen Be Demnächst wird erscheinen: Studien zur Pulslehre Dr. J. von Kries, Professor an der Universität Freiburg i. B. Mit zahlreichen Abbildungen im Text und einer Tafel. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) in Freiburg i. B. naar 100P arm, Vet, GRRETT ae CO es. DERICHTE HR: DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT ZU FREIBURG L B. IN VERBINDUNG MIT Dr. Dr. F. HıLpEBrAnD, J. LÜROTH, J. von Krıes, G. STEINMANN, E. WARBURG, A. WEISMANN, R. WIEDERSHEIM, . PROFESSOREN. AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG HERAUSGEGEBEN VON DEM PRÄSIDENTEN DER GESELLSCHAFT DR. AUGUST GRUBER, PROFESSOR DER ZOOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG. SECHSTER BAND. DRITTES HEFT. MIT 4 TAFELN. INHALT: G. BOEHM, Lirtuiortis PROBLEMATICA, GÜMBEL. A. LANG, UÜEBER DIE CERCARIK VON AMPHISTOMUM SUBCLAYATUM. V, HAECKER, ÜEBER SPECIFISCHE VARIATION BEI ARTHROPODEN, IM BESONDEREN ÜBER DIE SCHUTZANPASSUNGEN DER KRABBEN. OÖ. vom- RATH, Krırık EINIGER FÄLLE VON SCHEINBARER VERERBUNG VON VERLETZUNGEN. A. GRUBER, Eme MiTTHEILUNG ÜBER KERNVERMEHRUNG UND SCHWÄRMERBILDUNG BEI SüsswAsser-RHIzuPpoDEn. G. BOEHM, UEBER DEN FUSSMUSKEL- EINDRUCK BEI PACHYERISMA. FREIBURG I. B. 1892. AKADEMISCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG VON J. C. B. MOHR (PAUL SIEBECK). Inhalt. Seit Lithiotis problematica, Gümbel. Von Professor Dr. G. BoEHM. 2 Mit-Talel I—IV a RER TS Tafelerklärung Seite 80. Ueber die Cercarie von Amphistomum subelavatum. Von DEHASTANGE TE re RER 3 Ueber specifische Variation bei Arthropoden, im Besonderen über die Schutzanpassungen bei Krabben. Von Dr. WALHABOEERU N. Se ae a Kritik einiger Fälle von scheinbarer Vererbung von Verletzungen. Von -»Dr.\O: vom BRAtm ame ee re Eine Mittheilung über Kernvermehrung und Schwärmerbildung bei Süsswasser-Rhizopoden. Von Professor Dr. A. GRUBER. Mit Tafel V Re OT 114 Tafelerklärung Seite 118. Ueber den Fussmuskeleindruck bei Pachyerisma. Von Professor D8;..G. BOEHMENS ARTS ee N SR RR In meinem Verlage ist erschienen: Studien zur Pulslehre von Dr. J. von Kries, Professor an der Universität Freiburg i. B. Mit 56 Abbildungen im Text und 1 Tafel. Lex. 8. (VIII. 1468.) M. 7.—. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr (P. Siebeck) in Freiburg i. B. AUSGEGEBEN IM SEPTEMBER 1892. =... BERICHTE DER VTORFORSCHENDEN GESELLSCHAFT ZU FREIBURG I. B. IN VERBINDUNG MIT /, Dr. Dr. F. HıLDEBRAND, J. LÜROTH, J. von KrıEs, G. STEINMANN, E. WARBURG, A. WEISMANN, R. WIEDERSHEIM, PROFESSOREN AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG HERAUSGEGEBEN VON DR. AUGUST GRUBER, PROFESSOR DER ZOOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG. SECHSTER BAND. VIERTES HEFT. MIT 7 TAFELN. INHALT: W. MOERICKE, VERGLEICHENDE STUDIEN ÜBER ERUPTIVGESTEINE UND ERZFÜHRUNG IN CHILE UND Ungarn. G. BOEHM, Em Berrras ZUR KENNTNISS DER KREIDE IN DEN VENETIANER ALPEN. G. STEIN- MANN, BEMERKUNGEN ÜBER DIE TEKTONISCHEN BEZIEHUNGEN DER OBERRHEINISCHEN TIEFEBENE ZU DEM NORDSCHWEIZERISCHEN KETTEN- Jura. V. HAECKER, DiE HETEROTYPISCHE KERNTHEILUNG IM ÖYKLus DER GENERATIVEN ZELLEN. FREIBURG I. B. 1892. AKADEMISCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG VON J. C. B. MOHR (PAUL SIEBECK). Vergleichende Studien über Eruptivgesteine und Erzführung in Chile und Ungarn. Von Dr. W. MoERICKE Ein. Beitrag zur Kenntniss der Kreide in den Venetianer Alpen. Von Professor Dr. G. Borum. Mit Tafel VI-IX Tafelerklärung Seite 149. Bemerkungen über die tektonischen Beziehungen der ober- rheinischen Tiefebene zu dem nordschweizerischen Ketten- jura. Von Professor Dr. G. STEINMANN i Die heterotypische Kerntheilung im Cyklus der generativen Zellen. Von Privatdocent Dr. V. HAEcKEr. Mit Tafel X—XH ES Rh Tafelerklärung Seite 193. Seite 121 134 150 160 In meinem Verlage erscheint: Kurze Anleitung | Auffindung der Gifte Dr. W. Autenrieth. In meinem Verlage ist erschienen: Studien zur Pulslehre von Dr. J. von Kries, Professor an der Universität Freiburg i. B. Mit 56 Abbildungen im Text und 1 Tafel. Lex. 8. (VIII. 146 S) M. 7.—. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr (P. Siebeck) in Freiburg i. B. ee a zn G Berichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. B. Erscheinungsweise und redactionelle Bestimmungen. Jährlich erscheint ein Band, der in zwanglosen Heften ausgegeben wird. 24 Druckbogen, wobei auch jede den Raum einer Druckseite einnehmende Tafel als 1 Druckbogen gerechnet wird, bilden einen Band. Der Abonnementspreis ist auf M. 12.— festgesetzt. Einzelne Hefte werden nur zu erhöhtem Ladenpreise abgegeben, Band I enthält: 15 Druckbogen, 10 Tafeln, zusammen 25 Bogen. Band II enthält: 18 Druckbogen, 6 Tafeln, zusammen 24 Bogen. Band III enthält: 10 Druckbogen, 8 Tafeln, 4 Doppeltafeln, zusammen 26 Bogen. Band IV enthält: 21 Druckbogen, 2 Tafeln, 3 Doppeltafeln, zusammen 29 Bogen. Band V enthält: 18 Druckbogen, 6 Tafeln, zusammen 24 Bogen. “In den Berichten finden Aufnahme: I. Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwissenschaften, II. Kürzere Mittheilungen über bevorstehende grössere Publicationen, neue Funde etc. etc. Die für die „Berichte“ bestimmten Beiträge sind in vollständig druck- fertigem Zustande an ein Mitglied der Redactions-Commission einzusenden. Die Redactions-Commission besteht zur Zeit aus den Herren: Professor Dr. A. GruBeEr, Hofrath Professor Dr. J. Lürort# und Professor Dr. G. STEINMAnN. Ueber die Aufnahme und Reihenfolge der Beiträge entscheidet lediglich die von der Naturforschenden Gesellschaft ernannte Redactions-Commission. Auch ist mit dieser über die etwaige Beigabe von Tafeln und Illustrationen zu verhandeln. Von jedem Beitrag erhält der betr. Mitarbeiter 40 Separat-Abzüge gratis, weitere Separat- Abzüge werden auf Wunsch von der Gesellschaft geliefert und von ihr nach Vereinbarung von Fall zu Fall berechnet. Die Separat-Abzüge müssen spätestens bei Rücksendung der Correctur bestellt werden. Separat-Abzüge von Abhandlungen können dem Autor erst am Tage der Ausgabe des betr. Heftes zugestellt werden; Separat-Abzüge von „kleineren Mittheilungen“ dagegen sofort. Die in den Berichten zum Abdruck gelangten Abhandlungen dürfen von den betreffenden Autoren erst 2 Jahre vom Erscheinen des betreffenden Berichte- heftes an gerechnet anderweitig veröffentlicht werden. Die Redactions-Commission. Die Verlagshandlung. Verlag von J. ©. B. Mohr (Paul Siebeck) in Freiburg 1.18, Berichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. B, Band I—-III & M. 10. —. 33, AN D-SIEVE AM: HI I. Die NAGELFLUH VON ALPERSBACH IM SCHWARZWALDE. Von Professor Dr. G. ‚STEINMANN. Mit 4 Zinkographieen. ÜEBER EINIGE RHIZOPODEN AUS DEM GENUESER HAFEN. Von Professor Dr. Ana, GHUBER, Mit 1 lithographischen Tafel. DIE MITTLERE KAMMHÖHE DER BERNER ALPEN. Von Professor Dr. Lupwıe NEUMANN. ÜEBER PARTIELLE BEFRUCHTUNG. Von A. WEISMmAnN und Ü. IscHIkAwA. II. NAcHTRAG ZU DER NOTIZ ÜBER „PARTIELLE BEFBUCHTUNG“. Von A. WEISMANN und ©. IscHIkAWwA. ÜEBER DEN DARMKANAL DER EPHEMERIDEN. Von Dr. A. FRITZE. Mit 2 lithographischen Tafeln. III. Zur AxaTomIE UND PHYSIOLOGIE VON PROTOPTERUS ANNECTENS. Von W.N. PARKER, Professor der Biologie am University College in Cardiff. ZUR ÜRGESCHICHTE DES BECKENS. Von Professor Dr. R. WIEDERSHEIM. VORLÄUFIGE MITTHEILUNG ÜBER DIE ÜRGANISATION DER AMMONITEN. Von Professor Dr. G. STEINMANN. ÜEBER DAS ALTER DES APENNINKALKES VON CAPrRı ° Von Professor Dr. G&. STEINMANN. | IV. ÜEBER DEN WERTH DER SPECIALISIRUNG FÜR DIE ERFORSCHUNG UND AUFFASSUNG DER NATUR. Von Professor Dr. A. GRUBER. Mit 16 Holzschnitten. GEDANKENÜBERTRAGUNG. Von Privatdocent Dr. Hveo MÜNSTERBERG. V. Die EnxTsTEHUNG DES BLUTES DER WIRBELTHIERE. Von Professor Dr. H. E. Zie6LEr. Mit 5 Zinkographieen. ÜEBER DEN HEUTIGEN STAND DER FRAGE VON DER GLYCOSURIE UND ÜBER DIE BESTIMMUNG DER GESAMMTKOHLENHYDRATAUSSCHEIDUNG IM MENSCHLICHEN HARN. Von Privatdocent Dr. LADISLAUS v. ÜDRÄNSZKY. Zur KENNTNISS DER REACTIONSZEITEN. Von Dr. JULIUS BARTENSTEIN. Em BEITRAG ZUR KENNTNISS FOSSILER OPHIUREN. Von Professor Dr. GEoRG M. 3 £ \ rn Mit 2 lithographischen Tafeln. ÜEBER SCHALEN- UND KALKSTEINBILDUNG. Von Professor Dr. @. STEINMANN. BANDV M. 12—. I. UEBER DIE FORTPFLANZUNG DER DIPLOPODEN (CHILOGNATHEN). Von Dr. O0. vom Rarn. Mit 1 lithographischen Tafel. VERGLEICHENDE UNTERSUCHUNGEN ÜBER MORPHOLOGIE UND BIOLOGIE DER FORTPFLANZUNG BEI DER GATTUNG VoLvox. Von Professor Dr. L. Krein. Mit 5 lithographischen Tafeln. II. Die AUFGABEN DER ÖFFENTLICHEN GESUNDHEITSPFLEGE UND IHRE GESCHICHT- LICHE ENTWICKELUNG. Von Professor Dr. M. ScHoTTELis. BERICHT ÜBER DIE INFLUENZA-EPIDEMIE IN FREIBURG (VERHANDLUNGEN DES VEREINS FREIBURGER AERZTE). Von Dr. H. RemHoro, derzeit Schriftführer des Vereins. Zur BioLOGIE DER DiPLopoven. Von Dr. O. vom RATH. Die NATURFORSCHENDE GESELLSCHAFT ZU FREIBURG I. B. IN DEN SIEBZIG JAHREN IHRES BESTEHENS. NEBST EINEM REGISTER IHRER SÄMMTLICHEN PUBLIKATIONEN UND EINEM MITGLIEDERVERZEICHNISSE, herausgegeben vom derzeitigen Vorsitzenden Dr. A. GRUBER, Professor der Zoologie. Druck von C. A. Wagner in Freiburg i. B. ———