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Kibrarn of the Museum

OF

COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS.

Dounded by private subscription, in 1861.

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Deposited by ALEX. AGASSIZ.

No. f1 f 7# ? : Augasl /4 _ Ahcember 19, 1893

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BERICHTE

DER

NATURFÜRSCHENDEN GESELLSCHAFT

ZU

FREIBURG IB.

IN VERBINDUNG MIT

Dr. Dr. F. HiLDEBRAND, J. LÜROTH, J. von KRIES, G. STEINMANN, E. WARBURG, A. WEISMANN, R. WIEDERSHEIM,

PROFESSOREN AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG,

HERAUSGEGEBEN VON

DR. AUGUST GRUBER,

PROFESSOR DER ZOOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG.

SIEBENTER BAND.

MIT Ss TAFELN UND 47 ABBILDUNGEN IM TEXT.

FREIBURG 1. B. UND LEIPZIG 1893.

AKADEMISCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG VON J. C. B. MOHR (PAUL SIEBECK).

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Inhalt des siebenten Bandes.

Das Recht der Uebersetzung in fremde Sprachen behält sich die Verlagshandlung für jede einzelne Abhandlung vor.

Das Kulmgebiet von Lenzkirch im Schwarzwald. Von Dr. R. HERRMANN. Mit einer geologischen Uebersichtskarte, Tafel I. Notiz zur Uebersichtskarte Seite 35. Historisches zur Lehre von der Continuität des naıız Von Geheimrath Professor Dr. A. Weısmann . er Ueber die Reflexion und die Resonanz der Hektzlächen elektrischen Schwingungen. Von Privatdozent Dr. L. ZEuxper. Mit 1 Ab- bildung im Text 1 Mikroskopische Vivisektion. Von Profsiser Dr. Me Geueke. Mit 13 Ab- bildungen im Text a: Beiträge zur Algenflora des Schwarewaldes hd der Hhomebenes Von Professor W. ScuwmiptLe in Mannheim. Mit Tafel I—VI*. Figurenerklärung Seite 44 und 45. Ueber die Bedeutung des Hauptnucleolus. Vorläufige Mittheilung. Von Privatdozent Dr. V. HAEcKER : Untersuchungen über die geologischen Verhilonke zwhchen Kafıdem und Lörrach im badischen Oberlande. Von Dr. Fr. Prarr. Mit Tafel VII Beobachtungen über den Genitalapparat eines zweijährigen Weibchens von Chimpanse. Von cand. med. Kexkırzı Horıvcaı. Mit 10 Ab- bildungen im Text a RENTE RE Coelastarte und Heteropis. Von Professor Dr. G. Boeum. Mit Tafel VIIL Tafelerklärung Seite 178. Zur Kenntniss des Olfactorius. Von STEWART LEE. Mit 9 Figuren . Ueber die Entwickelung des Wintereies von Moina paradoxa Weism. (Vorläufige Mittheilung.) Von Privatdozent Dr. V. HAEcKER . Statistisches und Klinisches über Scharlach. Von B. HıLDEBRAND. Assistenz- arzt an der med. Klinik. Mit 14 Figuren . . . . ...»

Seite

1

36

* Berichtigung. Die Tafeln sind in der Figurenerklärung und im Texte der Abhandlung irrthümlicherweise als I—V bezeichnet, bezw. citirt worden.

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Das Kulmgebiet von Lenzkirch im

Schwarzwald. Von Dr. Rafael Herrmann.

(Mit einer geologischen Uebersichtskarte T. I.)

1. Verbreitung des Kulm im südlichen Schwarzwald.

Der gewöhnlich als Kulm zusammengefasste Schichtencomplex des südlichen Schwarzwaldes findet sich in fünf! durch Granit bezw. Gneiss von einander getrennten Partien. Bei Badenweiler beginnt der Kulm an der Hauptverwerfung des Rheinthalabbruchs und reicht gegen Osten bis Schweighof. Nach einer kurzen Unter- brechung durch Granit setzen die Kulmgesteine in östlicher Rich- tung wieder ein, verbreiten sich in beträchtlicher Ausdehnung über Schönau bis in die Gegend von Menzenschwand, wo eine grosse Granitmasse ihre östliche Grenze bildet. Ueberschreitet man auch diese, so gelangt man in das Kulmgebiet von Lenzkirch, welches zum Gegenstand meimer Untersuchung gewählt wurde. Diese drei Verbreitungsgebiete zeigen einen gewissen Zusammenhang, indem sie sich m WO-Richtung an einander reihen. Die kleine Partie von Kulmeonglomerat bei Sulzburg ist nur durch einen schmalen Gneissstreifen von dem Badenweiler Kulmgebiet getrennt und steht in enger Beziehung zu dem dortigen Conglomerat. Scheinbar ganz isolirt von diesen im Streichen sich an einander schliessenden Vor- kommnissen stand bisher dasjenige von Kandern. Durch das neu aufgefundene Vorkommen am Blauen wird aber eine Verbindung hergestellt, welche schliessen lässt, dass in früherer Zeit der Kulm im südlichen Schwarzwald wohl eine zusammenhängende Decke ge- bildet hat.

! Kürzlich ist am SO-Abhang des Blauen ein weiteres, bisher noch nicht bekanntes Vorkommen aufgefunden worden (Mitth. d. gr. bad. geol. Landesanst. Bd. II, S. 644).

Berichte VII. Heft 1. 1

) HERRMANN: [2 2. Ueberblick über die wichtigste Literatur.

Die ältesten, aber noch wenig ausführlichen Angaben über das Uebergangsgebirge finden sich bei Von DECHEN, ÖEYNHAUSEN und La Rocnz!. Dieselben sind später von MERIAN? bei seiner aus- führlicheren Darstellung mit verwerthet worden. MERIAN unter- scheidet unter den Gesteinen des Uebergangsgebirges schwarze Thonschiefer, ein mehr oder minder grobes Conglomerat, welches wesentlich aus Granit, Porphyr, Gneiss, Quarz und Thonschiefer besteht, und porphyrische Gesteine, unter denen sich namentlich granophyrischer Quarzporphyr und der sogenannte Trümmerporphyr durch Massenhaftigkeit des Vorkommens auszeichnen. Die ver- breitetsten Sedimente sind nach ihm die schwarzen Schiefer; die Conglomerate hingegen treten in dem Schönauer Gebiet sehr zurück. Ausserdem macht MERIAN aufmerksam auf den Unterschied in der (restemsbeschaffenheit, welcher sich in der höheren Krystallinität der schwarzen Schiefer gegenüber den Conglomeraten und Grau- wacken ausdrückt.

Auch über die Lagerungsverhältnisse giebt MERIAN schon wichtige Andeutungen. Er weist darauf hin, dass die drei Haupt- verbreitungsgebiete des Uebergangsgebirges sich n WSW—ONO- Richtung an einander reihen, und dass das Streichen der Sedimente sowohl, als auch des nördlich gelegenen Gneisses im Allgemeinen dieser Richtung entspricht. Ebenfalls beobachtete er die stark ge- störten Lagerungsverhältnisse im Wiesenthal bei Utzenfeld und (seschwend, wo Gneiss auf dem nach Norden einfallenden Kulm- schiefer liegt. Den ganzen Schichtencomplex theilt MERIAN nach damaliger Bezeichnungsweise dem Uebergangsgebirge zu.

Auch FROMHERZ? hält es in seiner Mittheilung über das Ueber- gangsgebirge im südlichen Schwarzwald für unzweifelhaft, dass man nach den Pflanzenresten und der mineralischen Beschaffenheit der Gesteine es mit Sedimenten des Uebergangsgebirges zu thun habe, ohne jedoch zu einer Entscheidung darüber zu gelangen, ob die Schichten dem Silur oder Devon einzureihen seien. Das Vorkommen von Schiefergeröllen im Conglomerat wird zwar schon von MERIAN erwähnt, findet aber erst eine richtige Würdigung bei FRROMHERZ,

! v. ÖEYNHAUSEN, V. DECHEN und v. LA RocHE. Geognostische Umrisse der Rheinländer zwischen Basel und Mainz. Essen 1825.

° Meran, Beiträge zur Geognosie II. Basel 1821.

° Neues Jahrbuch für Mineralogie 1847, S. 813.

3] Das KULMGEBIET VON LENZKIRCH IM SCHWARZWALD. 3

welcher daraus folgerichtig auf ein im Allgemeinen höheres Alter der Thonschiefer schloss.

Während FROMHERZ die Zweitheilung der Kulmsedimente deut- lich erkannte, betrachtete er dieselben doch den Massengesteinen gegenüber als ein Ganzes. Er kam dadurch zu dem Schlusse, dass nach der Ablagerung der ganzen Sedimente noch grosse Ausbrüche granitischer und porphyrischer Gesteine stattgefunden haben mussten, er übersah aber dabei, dass Granitgänge nur in den Thhonschiefern und den denselben eingelagerten Amphiboliten, nicht aber in den Conglomeraten auftreten.

FROMHERZ denkt sich die ganze Ablagerung in einer alten von Osten nach Westen verlaufenden Thalmulde des Schwarzwaldes, welche auch jenseits des Rheines tief in die damals noch mit ihm zusammenhängenden Vogesen fortsetzte, entstanden.

Nachdem SANXDBERGER! bereits im Jahre 1856 nach den von MERIAN gesammelten Pflanzenresten das Alter der Grauwacken zu bestimmen in der Lage war, hat derselbe in neuerer Zeit eine Zu- sammenfassung aller Pflanzenfunde der Badenweiler und Lenz- kircher Gegend veröffentlicht. Die erwähnten Pflanzen sind:

Archaeocalamites radiatus BROGN. sp. L. B.

Sphenophyllum tenerrimum ETTinGsH. m. s. B.

Cardiopteris Hochstelteri ETTINGSH. sp. B.

Cardiopteris frondosa GOEPP. sp. B.

Archaeopteris dissecta (&OEPP. sp. B.

Adiantites tenuifolius GOEPP. sp. B. L.

Lepidodendron Veltheimianum. STERNE. sp. B. L.

Ulodendron sp. B.

Cordaites aff. tenuistriatus GOEPP. sp. L.

(L bedeutet Lenzkirch, B Badenweiler).

Die Flora ist von der des Kulm der Vogesen und anderer Gegenden nicht unterschieden.

Auch Lepsrus erwähnt die Kulmbildungen des Schwarzwaldes®. Er meint die Verwerfungen, welche eine Differenz der Höhe der einzelnen Kulmpartien im Streichen hervorgerufen haben, seien

" Das Steinkohlengebirge im Schwarzwald. Leonh. Jahrb. f. Min. 1856, S. 334. ° Ueber Steinkohlenformation und Rothliegendes im Schwarzwald und deren Floren. Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. 1890, 40. Band, 1. Heft. ° Die oberrheinische Tiefebene in „Forschungen zur deutschen Landes- und Völkerkunde“, herausgeg. von Dr. R. Leumans, Band I, Heft 2. Stuttgart 1885. le

4 HERRMANN: [4

jüngeren Ursprungs. Der Granit des Blauen gehöre schon zu den längs des Rheinthals abgesunkenen Partien, da die Schiefer bei Badenweiler um 300m tiefer lägen als ihre östliche Fortsetzung auf der Sirnitz am Belchen, eine Auffassung, welcher Eck! wie uns scheint, mit Recht entgegentritt.

SANDBERGER hat in seiner letzgenannten Arbeit darauf auf- merksam gemacht, dass möglicher Weise für die fossilleeren Thon- schiefer ein präkarbonisches Alter anzunehmen sei. Dieser Ansicht vermag sich Eck nicht anzuschliessen; ebenso wenig hält er die Annahme für gerechtfertigt, dass, wie FROMHERZ meinte, hier z. Z. der unteren Kohlenformation die erste grosse Spalte in dem noch zusammenhängenden südwestdeutschen Urgebirge gebildet worden sei, welche die Niederung erzeugt habe, in der die Conglomerate zur Ablagerung gekommen seien.

Ausser diesen Arbeiten, welche den schwarzwälder Kulm im (sanzen behandeln, giebt es noch eine Untersuchung von VOGEL- GESANG über den Kulm bei Lenzkirch im Besonderen aus dem Jahre 1862. Dieselbe ist nicht im Druck erschienen, das Manuscript liegt in der fürstl. Fürstenbergischen geologischen Sammlung zu Donau- eschingen und wurde mir von Herrn Hofrath HOPFGARTNER gütigst zur Verfügung gestellt.

VOGELGESANG giebt im dieser Arbeit eine genaue Beschreibung aller damals existirender Aufschlüsse. Auf der beigefügten Karte ist eine Gliederung der Kulmsedimente nicht versucht worden, nur Granite und Porphyre wurden ausgeschieden. Wenn ich bezüglich der Verbreitung des Kulm zu etwas anderen Resultaten gekommen bin als VOGELGESANG, so findet dieses seine Erklärung wohl darin, dass jener aus losen Blöcken auf anstehendes Gestein schloss, ein Verfahren, welches in dem Lenzkircher Gebiet um so weniger ge- rechtfertigt erscheint, als dasselbe fast überall von Glacialmassen bedeckt ist.

Ich werde in meiner Arbeit noch häufiger Gelegenheit haben, auf einzelne Beobachtungen VOGELGESANG’s zurückzukommen,

Die von fast allen Autoren betonte innige Verknüpfung der Kulmsedimente mit massigen Gesteinen veranlasste mich, mein Augenmerk in erster Linie auf das gegenseitige Verhältniss der beiden, mithin auch auf die Gliederung der Kulmsedimente zu

" Geognostische Verhältnisse des Schwarzwaldes ete. (Jahrh. d. V. £. vaterl. Naturkunde i. Württemberg 1887, S. 222 ff.).

-

5] Das KULMGEBIET VON LENZKIRCH IM SCHWARZWALD. 5

richten. Das Lenzkircher Gebiet schien dazu besonders geeignet, da hier Trümmerporphyre in verhältnissmässig wenig gestörter Lage- rung auftreten. Die Tektonik des Gebiets konnte aus Mangel an guten Aufschlüssen und grösseren Thaleinschnitten, sowie wegen des Vorhandenseins einer ausgedehnten Moränebedeckung nur im All- gemeinen festgestellt werden. Von Werth würde dieselbe auch erst im Zusammenhang mit den übrigen, besser aufgeschlossenen Kulm- gebieten des südlichen Schwarzwaldes sein können.

Die Untersuchungen wurden hauptsächlich m den Sommer- monaten der Jahre 1890 und 91 ausgeführt, und bei der gelegent- lichen Anwesenheit der Herren Professoren STEINMANN und GRÄFF war ich in der Lage, deren Urtheil an Ort und Stelle einholen und benützen zu können. Im Besonderen hatte ich mich bei der Aus- arbeitung im geologischen Institut zu Freiburg ı. B. ihrer werth- vollen Unterstützung zu erfreuen, wofür ich beiden Herren hier meinen verbindlichsten Dank ausspreche.

Das untersuchte Gebiet stellt im Grossen und Ganzen em Hochplateau dar, umgrenzt von den Flüssen Seebach im Norden, Gutach im Osten, Geschindbach im Südosten, Aha im Südwesten und Westen. In der Mitte wird das Gebiet durchschnitten von der Haslach, welche alle Wasser aus der Umgegend aufnimmt. Der grösste Theil der Höhen ist mit Wald bestanden, in der Nähe der Dörfer finden sich Felder und Wiesen. Grössere Steilabstürze fehlen fast ganz, die ausgesprochene Rundhöckerlandschaft mahnt an die einstige Vergletscherung und über weite Flächen lässt sich eine Moränebedeckung aus der letzten Eiszeit constatiren, welche das anstehende ältere Gestein in unliebsamer Weise verhüllt.

3. Die Gesteine des Kulmgebietes.

In dem Lenzkircher Kulmgebiete treten Granite, Porphyre in (rängen und Decken, Sedimente in der Form von schwarzen Schiefern, (Grauwacken und Conglomeraten auf. Den schwarzen Schiefern fehlt häufig jegliche Schichtung, sie sind theilweise hochgradig krystallin und zeigen eine grosse Mannigfaltigkeit in ihrer Ausbildungsweise. Es wird daher angezeigt sein, mit der Behandlung derjenigen Gesteine zu beginnen, welche die geringste nachträgliche Veränderung erlitten haben, nämlich der massigen Gesteine.

6 HERRMANN: [6

a. Granitische Gesteine.

Das Kulmgebiet wird fast ringsum von granitischen Gesteinen umschlossen, im Süden von dem porphyrartigen Granitit (Biotit- granit) des Schluchsees (Schluchseegranit), im Osten und Westen von dem Granit (Zweiglimmergranit) des Hochfirst (Eisenbachgranit der älteren Geologen) bezw. der Bärhalde. Auf die Umgrenzung wird erst später näher einzugehen sein. Aeltere Autoren sprechen von Uebergängen zwischen den beiden genannten Granitarten, nach meinen Beobachtungen sind dieselben überall wohl zu scheiden und scharf zu trennen.

o) Der Granit des Hochfirst wurde im Jahre 1872 von VOGELGESANG ziemlich eingehend beschrieben!. Derselbe stellt ein grobkörniges Gemenge von Quarz, Feldspath, Muskovit und Biotit dar. Der vorherrschende, roth gefärbte Feldspath giebt dem Gestein die Farbe. Der Muskovit ist häufig rosettenförmig angeordnet. Von Uebergemengtheilen erwähnt VOGELGESANG Titanit und Tur- malin.

Das Gestein ist stets gleichmässig körnig, führt also keine eim- sprenglingsartigen Feldspäthe, dagegen fällt schon bei mikroskopischer Beobachtung auf, dass der Quarz verhältnissmässig grosse, rundliche Körner bildet. Im Dünnschliff erkennt man neben den angeführten Mineralien ziemlich erhebliche Mengen von Plagioklas. Der Menge nach tritt der Plagioklas dem Orthoklas gegenüber nicht merklich zurück. Quarz ist reichlich vorhanden, heller und dunkler Glimmer finden sich in ungefähr gleichem Verhältniss. Der Quarz zeigt auch mikroskopisch eine entschiedene Tendenz zu idiomorpher Begrenzung. Die Orthoklasindividuen sind gross aber nicht sehr wohlbegrenzt, durch Kaolinisirung meist getrübt und ungemein reichlich von Albit- schnüren durchzogen. Zuweilen erreicht der im Orthoklas ein- geschaltete Albit grössere Dimensionen, und es ist dann bei ganz regelmässiger Begrenzung desselben eine deutliche feine Zwillings- lamellirung zu erkennen. Der Albit ist wasserhell durchsichtig.

Viel schärfer idiomorph als der Orthoklas sind die durchweg kleineren Individuen des Plagioklas, welcher nach seiner Aus- löschungsschiefe zum Oligoklas gerechnet werden muss. In ziem- licher Verbreitung beobachtet man in den Zwischenräumen, welche die Hauptgemengtheile lassen, eine Art feinkörniger Grundmasse, nm

! Beiträge zur Statistik d. i. Verwaltung des Grossherzogth. Baden, Heft XXX, S. 26ff. Section Triberg und Donaueschingen. Karlsruhe 1872.

7] Das KULMGEBIET VON LENZKIRCH IM SCHWARZWALD, 7

welcher neben Quarz besonders Plagioklas in wohl begrenzten Kry- stallen sich vorfindet.

Dieser Granit setzt den grössten Theil des Hochfirst zusammen. Im Südwesten des Kulmgebiets ist er aufgeschlossen an der Strasse von Aha nach Altglashütte in der Nähe des erstgenannten Ortes, und die weite Verbreitung von Lesestücken und Gruss an dem Wege von Aha an dem Bildstem vorüber zum Kohlplatz lässt seine An- wesenheit hier mit einer gewissen Sicherheit annehmen. An den genannten Likalitäten zeigt das Gestein bald mehr bald weniger deutliche Spuren des Gebirgsdruckes. Im Granit des Hochfirst sind sie verhältnissmässig schwach und nur mikroskopisch zu erkennen. Sie bestehen im undulöser Auslöschung des @uarzes, nur selten verbunden mit einer beginnenden Feldereintheilung in seinen Körnern. Auch die Glimmermineralien schemen nicht auffallend beeinflusst. Schon deutlicher sind die Wirkungen an den Feldspäthen, besonders an den grossen Orthoklasen. Diese besitzen Andeutungen randlicher Kataklase und auch die schon erwähnte Durchdringung durch Albit wird in der Weise gedeutet werden müssen, dass in Folge des Druckes aus dem vermuthlich Na-reichen Orthoklas eine Abschei- dung von Albitsubstanz stattfand. |

In dem Aufschluss bei Aha ist das Gestein von zahllosen z. Th. spiegelnden Rutschflächen durchsetzt, wodurch es eine fast grobflaserige Struktur erhält. Mikroskopisch beobachtet man hier die bekannten Phänomene der Kataklase in ausgezeichneter Weise.

Im Norden (genauer im Nordwesten) wird das untersuchte Ge- biet begrenzt durch einen schmalen in der Richtung SW—NO ver- laufenden, langgestreckten Gesteinsstreifen von granitischer Zusammen- setzung, aber schieferigem Habitus. Das Gestein ist der mächtigen Moränebedeckung wegen nur an verhältnissmässig wenigen Punkten aufgeschlossen, so an dem neuen Wege von Saig nach Falkau (Steinbruch), an der neuen Strasse von Lenzkirch nach Titisee bei der scharfen Biegung der Strasse am Schlaucherbühl (hier von einem Porphyrgang durchsetzt), an der gleichen Strasse bei Ueberschreitung des von Saig kommenden Baches und an diesem Bache südlich, näher bei Mühlingen, ferner an dem Fusse der Pfeiferhalde am Wege von Lenzkirch nach Falkau längs der Haslach, endlich an der Strasse Schluchsee-Altglashütte beim Windgfällweiher.

Die nähere Untersuchung dieser Gesteinsvorkommnisse nöthigt zur Auffassung derselben als durch Druck geschieferter granitischer Gesteine von einer Zusammensetzung, welche derjenigen des be-

8 HERRMANN: [8

schriebenen Zweiglimmergranits sehr nahe steht. 'Turmalin ist ın denselben in verschiedenen Mengen vorhanden, auch blassrother Granat wurde in einzelnen, wohl erhaltenen Kryställchen der Form 202 beobachtet. Die Korngrösse ist durchweg geringer als bei dem oben beschriebenen Gestein und wird gelegentlich sogar sehr klein. Nach der mikroskopischen Untersuchung kann die häufige, in aus- gezeichneter Weise hervortretende Schieferung nur als Druckschiefe- rung aufgefasst werden.

In Betreff des Vorkommens lässt sich nicht mit aller Sicherheit erkennen, ob zahlreiche Gänge vorliegen oder ein zusammenhängender Streifen eines granitischen Gesteins. Die Thatsache, dass längs der Westgrenze des Bärhaldemassivs eine feimkörnige, aplitische Rand- zone des Zweiglimmergranits nachgewiesen wurde, macht es für mich wahrscheinlicher, dass hier etwas Aehnliches vorliegt. Es mag dabei zunächst unentschieden bleiben, zu welchem Granitmassiv man diesen Gesteinsstreifen ziehen soll. Derselbe wurde von ScHiLL! als Granit, von Eck als Gneiss kartirt?.

Interessant ist noch ein sehr feinkörniger, weinrother Granit welcher am Bache bei Mühlingen anstehend beobachtet wurde. Derselbe zeigt zwar auch die Wirkung starken Druckes, aber die einzelnen @uarzbruchstücke, welche für gewöhnlich ausgezackte Ränder haben, sind hier offenbar nachträglich weiter gewachsen und wieder zu runden Körnern ausgeheilt, ganz in derselben Weise, wie dieses bei den sogenannten Krystallsandsteinen der Fall zu sein pflegt.

Ein feinkörniges Gestein granitischer Zusammensetzung, welches eine grosse Verbreitung im untersuchten Gebiet besitzt, nimmt eine Art Mittelstellung zwischen Granit und Porphyr ein. Er wird zweckentsprechender beim letzteren behandelt werden.

£) Der Granitit der Umgebungen des Schluchsees ist ziem- lich grobkörnig und stets ausgezeichnet porphyrartig durch in ziem- licher Menge im demselben zerstreute, einsprenglingsartige, grosse Orthoklaskrystalle. Gegen die Südgrenze des Kulmgebiets werden nicht nur die Orthoklasindividuen kleiner und weniger zahlreich, sondern das Gestein wird überhaupt durchgehends feinkörniger. Längs der Grenze sind die Aufschlüsse nicht gerade häufig, aber doch genügend, um den Zusammenhang sicher erkennen zu lassen.

' Geolog. Uebersichtskarte d. Grossh. Baden in 6 Blättern 1:200.000 1857. Geogn. Uebersichtskarte des Schwarzwalds, südl. Blatt 1:200.000. Lahr 1886.

9] Das KULMGEBIET VON LENZKIRCH IM SCHWARZWALD. 0)

Die besten Aufschlüsse finden sich im Osten in der tiefen Erosionsrinne der Wutach, an der Haslach und an der Mündung des Erlebächle, ferner an der Strasse von Kappel nach Neustadt, wo Steinbrüche in dem Gesteine angelegt sind. Es setzt den Pflumm- berg zusammen und tritt an der schmalen Schwende auf. Weiter westlich bildet es grosse Felspartien am Ostabhange des Stutz bei Unter-Fischbach und grenzt in äusserst feinkörniger Ausbildung auf der Höhe dieses Berges an das beim Granit am Schlusse erwähnte feinkörnige Gestein mit zweierlei Glimmer. In der Form von Rund- höckern beobachtete ich den Granitit nördlich des Schluchsees bei Unter-Aha und mit etwas weissem Glimmer und gleichmässig grob- körnig noch etwas weiter nördlich bei dem Wirthshause an der Strasse Schluchsee-Altglashütte.

An den genannten Lokalitäten ist das Gestem, abgesehen von den erwähnten Ausnahmen, klein- bis femkörnig entwickelt und führt nicht sehr zahlreiche Eimsprengling eines glasglänzenden, röthlichen, wohl umgrenzten Orthoklas in mässig grossen Individuen. Ausser dem einen erwähnten Vorkommen! konnte neben dem ziemlich reichlich vorhandenen Biotit ein weisser Glimmer nirgend beobachtet werden.

U. d. M. erkennt man, dass neben Orthoklas sich Plagioklas in fast gleicher Menge vorfindet. Der Plagioklas, wahrscheinlich Oligoklas, ist stets leistenförmig ausgebildet und in ausgezeichneter Weise idiomorph begrenzt, besser und schärfer als der Orthoklas. Der Quarz füllt in deutlichster Weise die Zwischenräume aus, ist niemals auch nur annähernd krystallographisch begrenzt. Der Glimmer findet sich in zahlreichen, scharf umgrenzten Blättchen. Der einsprenglingsartige Orthoklas führt zahlreiche Einschlüsse der übrigen Gemenstheile.

Druckerscheinungen sind im Allgemeinen kaum zu erkennen, nur direkt an der Grenze gegen Kulmgesteine treten solche aut unter Verhältnissen, welche auf Störungen im ursprünglichen Ver- bande hindeuten, so zwischen Schleifmühle und Lochmühle u. s. w. Um so wichtiger ist der Umstand, dass an mehreren Orten an der Strasse Kappel-Neustadt nahe bei Kappel und an der Wutach, sowie jenseits der Wutach am Abhang des Hirschbühl ein gang-

Das Gestein ist hier am Wegrande in kleinen Felspartien anstehend und befindet sich in stark gepresstem bezw. geschiefertem Zustande. Der weisse Glimmer hat grosse Axenwinkel.

10 HERRMANN: [10

förmiges Eingreifen des Granitits in Kulmschiefer sicher zu be- obachten ist.

Sehr merkwürdig und schwer verständlich ist das Auftreten eines Gesteinskörpers,, welcher dieselbe Zusammensetzung, aber flaserige, augengneissartige Structur besitzt und ausser allem Zu- sammenhang mit der Hauptmasse des Granitits steht. Seine Ver- breitung reicht vom Windgfällweiher bis zum Stossfelsen, im Süden grenzt er an Kulmschiefer. Die Aufschlüsse in diesem Gesteine sind wenig günstig. Bei einer im Ganzen gleichen Zusammensetzung, wie sie schon für die südlichen Vorkommnisse von Granitit be- schrieben wurde, ist ein gewisses Schwanken im Gehalt an dunklem Glimmer auffallend, doch scheinen im Allgememen verhältnissmässig slimmerreiche Gesteine vorzuherrschen und auch der Plagioklas in relativ grosser Menge vorhanden zu sein.

Die Struktur ist unzweifelhaft durch Gebirgsdruck nachträglich erzeugt, denn der Quarz ist durchweg in kleine, eckige, verzahnte Bruchstücke zerlegt, welche zusammen mit Bruchstückchen von Feld- spath die einsprenglingsartigen, grossen Feldspathe umgeben. Letztere zeigen randliche Kataklase. Der Glimmer ist gestaucht und auf- geblättert, die eimzelnen Blättehen und Strähne sind in einer Art fluidaler Anordnung um die Feldspäthe geschmiegt. Diese Vor- kommnisse haben genau das Aussehen, wie die schon von der Loch- mühle und Schleifmühle erwähnten, geschieferten Gesteine. Man hat es wohl mit Bildungen zu thun, ähnlich dem von SAUER beschrie- benen Durbachit, welcher als eine porphyrartige, geschieferte Rand- facies des Durbacher Granits aufgefasst wurde. Die Schwierigkeit der Deutung unseres Gesteinsvorkommnisses liegt darin, dass sich zwischen demselben und dem Hauptmassiv des Schluchseegranits Zweiglimmergranit und Kulmschiefer einschieben.

Ein ganz isolirtes Gesteinsvorkommen ist dem soeben beschrie- benen sehr ähnlich, nur feinkörniger und nicht so deutlich porphyr- artig. Es tritt an der Pfeiferhalde auf, am Wege längs der Haslach im Gebiete des geschieferten feinkörnigen Granits und wird von (ranggranit durchbrochen.

Zwischen Saig und Lenzkirch setzt im Zweiglimmergranit ein ganz feinkörniger, braun gefärbter Granitit als Gang auf, welcher sich durch das häufige Auftreten mikropegmatitischer Strukturen auszeichnet.

11] Das KULMGEBIET VON LENZKIRCH IM SCHWARZWALD. ET

Ausserdem giebt es innerhalb des Verbreitungsgebietes beider Granite weisse und rothe Gesteine von granitischer Zusammensetzung, welche nach ihrem Habitus sich keiner der oben geschilderten Ab- arten direkt unterordnen. Sie bestehen meist ganz überwiegend aus Orthoklas und Quarz und finden sich ähnlich auch im den Schiefern bei Mühlingen, auf der Berger Höhe und bei Saig wieder. Druck- erscheinungen sind stets vorhanden, zuweilen wechseln glimmerreiche mit glimmerarmen Lagen ab, so dass dadurch eine gneissartige Struktur entsteht.

b. Porphyrische Gesteine.

o) Quarzporphyr ist bei Lenzkirch reichlich vorhanden. Er bildet eine grosse zusammenhängende Decke am Hasselberg, Stutz (bei Schwende) und Stöckleberg, vereinzelte kleinere Vorkommnisse sind am Hochschirm, am Stossfelsen, am Winterwald bei Ober- Fischbach und am Kuhberg zwischen Saig und Mühlingen, hier ın Steinbrüchen an der Strasse Lenzkirch-Titisee aufgeschlossen. Schmale Gänge finden sich in grosser Menge im Gebiet der Con- glomerate und alten Schiefer des Kulmgebiets. Näher untersucht wurde vor allen Dingen das Gestein des grossen deckenförmigen Vorkommens. Es ist ein ziemlich glimmerarmer, aber sehr quarz- reicher Porphyr, dessen Grundmasse grösstentheils ausgezeichnet granophyrisch entwickelt ist. Man kann daher wohl von einer (Grranophyrdecke sprechen. Die Einsprenglinge sind klein und treten makroskopisch sehr wenig in die Erscheinung, so dass das Gestein für das blosse Auge nur aus brauner Grundmasse zu bestehen scheint. U. d. M. beobachtet man, dass die im Ganzen nicht sehr zahlreichen Einsprenglinge in erster Reihe aus Quarz bestehen, welcher ausgezeichnet krystallographisch begrenzt ist und die be- kannten Einbuchtungen von Grundmasse gelegentlich sehr schön zeigt. Etwas weniger reichlich ist der Feldspath unter den Ein- sprenglingen. Man erkennt Orthoklas in Karlsbader Zwillingen und daneben etwas zurücktretend und in kleineren Individuen Plagioklas. Die Feldspäthe sind gleichfalls meistens gut ausgebildet. Der Glimmer ist ziemlich spärlich vertreten. Die Grundmasse ist wie gewöhnlich sehr wechselvoll gestaltet. Während manche Partien der- selben fast ausschliesslich aus den bekannten granophyrischen Durch- wachsungen bestehen, sind andre auf weite Erstreckung als Mikro- granit entwickelt. Unter den granophyrischen Durchwachsungen selbst herrscht die grösste Mannigfaltigkeit. Man findet die büschel-

12 HERRMANN: [12

förmigen Ansätze an die Einsprenglinge, die selbständig auftreten- den radial gebauten Kugeln und palmwedelförmigen Gebilde, kurz, alle die schönen Strukturdetails, die H. RosEnBuscH! von den Gesteinen der Granophyrdecke des Rosskopf in den Vogesen be- schrieben hat. Mit diesem Vorkommen hat das meinige überhaupt eine solche Aehnlichkeit, dass man Handstücke wie Schliffe beider Vorkommnisse leicht verwechseln könnte.

Sehr zierlich ist die Struktur einer Gesteinsprobe vom Gipfel des Stöcklebergs. Hier werden die aus Quarz und Feldspath be- stehenden Einsprenglinge von grossen granophyrischen Büscheln und Kugeln umgeben, und die dazwischen liegenden Theile der Grund- masse bestehen aus einem äusserst feinkörnigen Mikrogranit, ın welchem einzeln zerstreut kleine Granophyrkugeln liegen.

Mit dem genannten Vorkommen in den Vogesen hat das von Lenzkirch aber auch noch gemem, dass hier wie dort der Porphyr auf’s Innigste verknüpft ist mit einem Gestein von ähnlicher Zu- sammensetzung aber mehr granitischer Structur. ROSENBUSCH deutete das Verhältniss der beiden Gesteine so, dass er das grani- tische Gestein als tieferen, mehr zentral gelegenen Regionen des (resteinskörpers angehörend betrachtete, wo dasselbe unter Verhält- nissen fest wurde, die denjenigen nahe stehen, welche wir als eine Tiefengesteinsstructur bedingend anzunehmen uns gewöhnt haben. Solche granitische Kerne von grossen Porphyrmassen sind seither aus den verschiedensten Gebieten bekannt geworden, es mag nur an die Luganer Vorkommnisse erinnert werden.

Das mit dem Lenzkircher Granophyr in Verbindung stehende (Gestein ist ein feinkörniger, brauner, meist etwas drusiger Granit mit schon makroskopisch sehr an Granophyr erinnerndem Habitus. Mit blossem Auge erkennt man einige grössere, einsprenglingsartige Quarzkrystalle, weissen Glimmer in Rosetten, mit der Lupe auch Feldspath und Quarz in körnigem Gemenge, die Grundmasse bildend. Bei Beobachtung u. d. M. findet man noch dunklen Glimmer, stets unter Ausscheidung von Brauneisen zersetzt, und Plagioklas in wohl ausgebildeten Krystallen; Quarz und Orthoklas sind etwa in gleichen Verhältnissen vorhanden. Der Quarz ist dem Orthoklas gegenüber auffallend gut idiomorph begrenzt. Ein eigentlicher Gegensatz zwischen Eimsprenglingen und Grundmasse ist noch nicht vorhanden,

! RosENBUSCH, Die Steiger Schiefer und ihre Contactzone an den Grani- titen von Barr-Andlau und Hohwald in Abhandlungen zur geol. Spec.-Karte von Elsass-Lothringen. Band I, Heft 2.

13] Das KULMGEBIET voN LENZKIRCH IM SCHWARZWALD. 18

abgesehen von einem Theil des Quarzes, welcher in zwei Generationen vorhanden ist. Grössere Partien des Gesteinsschlifies zeigen noch die regellose Anordnung der Gemengtheile wie bei Granit, andere die gesetzmässige Verwachsung von Orthoklas und Quarz wie m den Schriftgraniten (Mikropegmatit).

Das ist die Ausbildung des Gesteins wie es sich in zusammen- hängender Masse von der Haslachbrücke oberhalb Lenzkirch bis gegen Saig und Mühlingen, dann über die Berger Höhe bis nach Raithenbuch und zum Urseewald verfolgen lässt. Ganz genau ebenso ausgebildet findet man es auf dem Stutz bei Unter-Fischbach, wo es, wie schon oben erwähnt, südlich von feinkörnigem Granitit um- fasst wird.

Die Aufschlüsse in diesem Gestein an den Strassen Lenzkirch- Titisee, Lenzkirch-Fischbach und am Stutz sind vorzüglich. Ganz besonders interessant und bemerkenswerth erscheint der Umstand, dass dieses Gestein nicht nur dem Granophyr in struktureller Aus- bildung nahe steht, sondern dass es auch unverkennbare Beziehungen zu den grobkörnigen Graniten am Hochfirst und der Bärhalde be- sitzt. Ein Vergleich der Beschreibungen beider Gesteine lässt dieses erkennen. Es steht gewissermassen vermittelnd zwischen Granophyr und Hochfirstgranit, und es ist interessant die einzelnen Eigen- schaften in der graduellen Abänderung in diesen drei Gresteinen zu verfolgen. Ich mache besonders aufmerksam auf die Anwesenheit des weissen Glimmers im Mittelgestein, sowie auf die Andeutungen porphyrischer Struktur schon beim grobkörnigen Granit, welche sich im Auftreten ziemlich idiomorphen Quarzes und in der Ausbildung einer Art Grundmasse kund giebt.

Zu meinem Bedauern war es mir nicht möglich, auch die chemischen Beziehungen der drei Gesteine an der Hand von Bausch- analysen zu vergleichen, da mir die Zeit zur Ausführung dieser Ar- beiten nicht mehr zu Gebote stand, als ich mich entschlossen hatte, auch die randlichen Granitmassen in den Kreis meiner Untersuch- ungen zu ziehen.

Hervorzuheben ist vielleicht folgender Unterschied gegenüber dem sonst so ähnlichen Vorkommen in den Vogesen. Dort steht der Granophyr in Beziehung zu Granitit, hier zu Granit, daher der Unterschied in der mineralogischen Zusammensetzung der beiden Mittelgesteine.

Nicht unerwähnt soll schliesslich bleiben, dass unser Mittelgestein in seiner Struktur und Zusammensetzung ungemein erinnert an die

14 HERRMANN: [14

aplitische Randzone auf der Westseite des Bärhalde-Granitmassivs, welches früher schon erwähnt wurde.

Die schmalen Quarzporphyrgänge führen durchweg Gesteine von einem Habitus, welcher von dem des deckenförmig auftretenden Granophyr wenig abweicht, einerlei ob dieselben im Granitit oder in den Sedimentgesteinen des Kulm aufsetzen. Die mikroskopische Untersuchung emer Anzahl derselben lässt erkennen, dass im All- gemeinen die Einsprenglinge reichlicher sind, als im Deckengestein, insbesondere trifft dies zu für den Glimmer und den Quarz. Die Struktur der Grundmasse ist fast durchweg granophyrisch, in ein- zelnen Fällen wird das Korn allerdings so fen, dass die Struktur nur schwierig zu beurtheilen ist. Felsophyrische oder glasige Aus- bildung wurde nirgends mit Sicherheit nachgewiesen.

Von den vielen Gängen erwähne ich einen, der das Kulm- Conglomerat durchsetzend sich von der Lochmühle bis nach Kappel verfolgen lässt, ein anderer setzt im Augengneiss bei der Kapelle in Raithenbuch auf, andere im älteren schwarzen Schiefer westlich vom Windgfällweiher an der Strasse Aha-Altglashütte, bei Kappel an der Strasse von Kappel nach Neustadt, an der Gutach bei der Säge westlich vom Hirschbühl im Trümmerporphyr, am Wege von Ruhbühl bei Unterlenzkirch nach Schluchsee im Granitit u. s. w.

£) Als Glimmerporphyrit muss ein schwarzes (Gestein be- zeichnet werden, welches die Granophyrdecke an mehreren Punkten, so an der Strasse von Lenzkirch nach Fischbach am Hasselberg, in Form schmaler Gänge durchbrochen hat. Dasselbe ist auch am Hochschirm in ähnlichem Verbande zu beobachten. Das unbewaft- nete Auge unterscheidet in der dunkelgrauen bis schwarzen, dichten (srundmasse zahlreiche Blättehen dunklen Glimmers und ziemlich reichlich Feldspathkrystalle als Einsprenglinge. U. d. M. erkennt man, dass die Feldspäthe fast sämmtlich zahlreiche, ziemlich feine Zwillingslamellen besitzen und nach ihrer Auslöschungsschiefe dem Oligoklas zugerechnet werden müssen. Indess scheinen auch einige grössere Orthoklaseinsprenglinge vorhanden zu sein. Der Glimmer findet sich in wohlbegrenzten Blättchen in erheblicher Menge als Einsprengling, Quarz scheint ganz zu fehlen. Die Grundmasse be- steht, soweit die Bestandtheile derselben bestimmbar sind, wesentlich aus Orthoklas und dunklem Glimmer. Beide Gemengtheile sind bei etwas grösserem Korn scharf ausgebildet, der Feldspath in Leistchen, der Glimmer in Blättchen; oft sinken die Dimensionen so sehr, dass eine Erkennung der Form, geschweige denn eine scharfe Bestimmung

15] Das KVLMGEBIET VON LENZKIRCH IM SCHWARZWALD. 15

unmöglich wird. Apatit ist ziemlich reichlich vorhanden in kleinen, scharf ausgebildeten Leistehen. Der Feldspath beider Generationen ist meist noch frisch erhalten, der Glimmer stets chloritisirt.

Der Kieselsäuregehalt beträgt nach der Bestimmung von Herrn Dr. ScaEip in Freiburg 67,47 °/o. Derselbe scheint mit Rücksicht auf die mineralische Zusammensetzung des Gesteins etwas hoch, und man wird zu seiner Erklärung zur Annahme von Quarz in der Grundmasse gezwungen. Diese Annahme wird bis zu gewissem Grade wahrschemlich durch den Vergleich unseres Gesteims mit einem anscheinend gangförmig im Kulm von Badenweiler auftreten- den Vorkommen. Dieses von SANDBERGER! als älterer Prophyr, von WOLLEMANN? als Quarzporphyrit bezeichnete Gestein vom verlas- senen Pochwerk Vogelbach, zwischen Badenweiler und Schweighof, hat mit dem meinigen zwar habituell keine grosse Aehnlichkeit, da- gegen ist der Mineralbestand und die chemische Zusammensetzung bei beiden sehr nahe übereinstimmend. Das Vogelbachgestein führt zwar nach WOLLEMANN (Juarzeinsprenglinge, dieselben müssen aber nicht sehr reichlich vorhanden und wohl nicht vorherrschend sein, denn die Handstücke und ein Dünnschliff des Vorkommens in der Sammlung des Herrn Prof. GrÄFF enthalten dieselben nicht. Der Kieselsäuregehalt ist mit 66,92 demjenigen unseres Porphyrits sehr nahe. Die Grundmasse des Vogelbachgesteins führt reichlich Quarz und zeigt bei relativ bedeutender Korngrösse mikrogranitische und prachtvoll granophyrische Entwicklung. Das Vogelbachvorkommen ist zusammen mit denjenigen Gesteinen, welche in so überaus zahlreichen Gängen den Kulm von Schönau-Menzenschwand durchsetzen, auf der Eck’schen Schwarzwaldkarte als Glimmersyenitporphyr (theils quarzfrei, theils etwas Quarz führend) bezeichnet worden. Da bei allen diesen Gesteinen Plagioklas unter den Einsprenglingen vor- herrscht, wird man für dieselben die Bezeichuung Porphyrit vorziehen müssen. (senauere, besonders auch chemische Untersuchung aller porphyrischer Gesteine des Kulm und ein Vergleich derselben mit den benachbarten Graniten würde sehr erwünscht und lohnend er- scheinen. Ich will hier nur noch darauf aufmerksam machen, dass der SiO° Gehalt dieser postkulmischen Gesteine denjenigen der „körnigen Porphyre“ und „Krystallporphyre* A. Scuuipr’s? aus dem Münsterthale übersteigt.

! Beiträge zur Statistik etc. Heft 7, 1858.

®2 Zur Kenntniss der Erzlagerstätte von Badenweiler. Inaug.-Diss. 1887. ® Geologie des Münsterthals im bad. Schwarzwald. Heidelberg 1886—89.

aa HERRMANN: [16

Für die Untersuchungen im Kulmgebiet von Lenzkirch ist der Glimmerporphyrit deshalb von Bedeutung, weil derselbe das haupt- sächlichste Material zur Bildung des sog. Trümmerporphyrs geliefert hat. Diese zuerst von P. MERIAN erwähnte und benannte Bildung wurde auch von VOGELGESANG loc. cit. besprochen. Da aber eine mikroskopische Untersuchung des vorhandenen Materials nicht vorgenommen wurde, musste auch von vornherein auf eine Deutung der Bildungsweise verzichtet werden.

Nach meinen Beobachtungen bildet der Trümmerporphyr zwei grössere Partien im Kulmgebiet von Lenzkirch. Die eine liest zwischen Hochfirst, Kappel und der Gutach, noch etwas östlich über den Fluss himübergreifend, das andere Vorkommen umfasst das Gebiet zwischen Sommerberg, Stöckleberg und Berger Höhe. Ein isolirter Fundpunkt findet sich beim Pavillon auf dem Hoch- schirm.

Das Gestein stellt in seinem verbreitetsten Typus eine Breccie dar, bestehend aus einem dichten, schwarzen Kitt, in welchem reich- lich scharfeckige und scharfkantige Bruchstücke eines rothen, por- phyrischen Gesteins eingebettet liegen. Weniger häufig beobachtet man in demselben Bruchstücke von Schiefergesteinen, welche in den meisten Fällen gleichfalls scharfkantig sind, zuweilen aber An- deutungen von Rundung erkennen lassen. Diese Einschlüsse sind so fest mit der schwarzen Zwischenmasse verwachsen, dass ihre Um- grenzung beim Anschlagen ohne Einfluss auf das Zerspringen des (resteins bleibt. Der Trümmerporphyr bildet hohe Felswände ohne eine Spur von Schichtung.

Die nähere Untersuchung der rothen Gesteinsbruchstücke zeigt, dass ihr Material identisch oder mindestens sehr ähnlich ist dem schon beschriebenen, gangförmig im Granophyr aufsetzenden Glimmer- porphyrit. Eine Kieselsäurebestimmung ergab zwar nur 63,68 °)o. Die allerdings ziemlich erhebliche Differenz dürfte aber nicht schwer zu erklären sein durch den zersetzten Zustand und durch die schon oben angedeuteten Schwankungen in dem mineralischen und chemi- schen Bestand dieses Gesteins. Die rothe Färbung wird bedingt durch die völlige Zersetzung des reichlich vorhandenen Glimmers unter Auscheidung von Eisenoxyd. In der Grundmasse finden sich Andeutungen von Granophyrstructur. Diese Bruchstücke haben meistens etwa Wallnussgrösse, ihre Grösse kann aber weit erheb- licher werden und auch bis zu mikroskopischen Dimensionen herab- sinken. Die Schieferbruchstücke entstammen den später zu be-

17] Das KULMGEBIET VON LENZKIRCH IM SCHWARZWALD. 17

sprechenden Gesteinen des älteren Schieferkomplexes, sie bestehen aus Thonschiefer, Kieselschiefer und Grauwacke. Ihre Dimensionen sind in der Regel nicht bedeutend, doch kommen auch einzelne sehr grosse Schollen vor, wie dieses ein etwa tischgrosser Einschluss am unteren Fusswege des Stöckleberges beweist.

Der Trümmerporphyr ist nicht überall gleichartig entwickelt, sondern zeigt grosse Schwankungen in seiner Zusammensetzung. Bald schemt er für das blosse Auge lediglich aus den grösseren, rothen Brocken, eingebettet in reichlicher, homogener, dichter Kitt- masse zu bestehen, bald gesellen sich dazu mehr oder weniger reich- liche Schiefereinschlüsse, während andere Vorkommnisse dadurch einen ganz anderen Habitus annehmen, dass das Cement mehr und mehr zurücktritt, und die Gesteinsmasse dann ein mehr gleichartiges, srob- bis feinkörniges Aggregat eckiger Bruchstücke darstellt. Nur verhältnissmässig kleine Gesteinsparthien bestehen ganz ausschliess- lich aus der homogenen, dichten Kittmasse.

Von ganz besonderem Interesse und für die Frage nach der Ent- stehung der ganzen Gesteinsbildung wichtig ist die Natur des Üemen- tes. Leider stellen sich gerade hier der Untersuchung nicht unerheb- liche Schwierigkeiten entgegen. Dieselben beruhen zum Theil auf dem unfrischen Erhaltungszustand, zum Theil auf der geringen Korn- grösse. Jedenfalls geht aus meinen Untersuchungen an zahlreichen Schliffen hervor, dass der Kitt nicht in allen Fällen derselbe und gleichartig ist.

Die mikroskopische Untersuchung lässt folgende Fälle unter- scheiden:

1. Den Kitt bildet ein Glimmerporphyrit, nach mineralischer Zu- sammensetzung und Structur durchaus ähnlich demjenigen der gang- artigen Vorkommnisse und der rothen Brocken im Trümmerporphyr, jedoch mit nur 57,51°/o Si O2. Solches Verhalten zeigt jener Haupt- typus, der nach makroskopischem Befund in reichlicher homogener, dunkler Kittmasse rothe, eckige Bruchstücke des durch Zersetzung ‚rothen Glimmerporphyrits enthält. Hier bestehen demnach Kitt und Einschlüsse aus demselben, oder doch sehr ähnlichem rein eruptivem Material in verschiedenem Erhaltungszustand. Man muss diese Bil- dungen als Agglomeratlaven bezeichnen und würde die Entstehung der- selben sich in ähnlicher Weise denken müssen wie die der Blocklaven an den recenten Vulkanen, d. h. durch Zerbersten von Lavadecken und Wiederverkittung der entstandenen Bruchstücke durch nach- dringendes, noch flüssiges Material. Das Zerbersten in eckige, scharf-

Berichte VII. Heft 1. >)

18 HERRMANN: [18

kantige Stücke spricht für eine rasche Erkaltung. Vielleicht war der Erguss ein untermeerischer.

2. Der Kitt besteht gleichfalls, wenigstens zum grössten Theile, aus Glimmerporphyrit. Hier erscheint jedoch die Glimmerporphyrit- masse nicht eimheitlich und kompakt, sondern in einzelne, meist an- nähernd gleich grosse, unregelmässig rundliche Schollen aufgelöst. Diese Schollen haben etwas gerundete und eingebuchtete Ränder und berühren sich nahezu vollständig oder lassen grössere Zwischen- räume zwischen sich. Im ersteren Falle treten die Umgrenzungen derselben dadurch hervor, dass sich längs derselben (zwischen den Schollen) feine Nädelchen und Fäserchen befinden. Die Natur der letzteren ist meist nicht mehr mit Sicherheit bestimmbar, zum Theil gehören sie offenbar Glimmermmeralien an, zum Theil dürften die- selben kohliger Natur sein. Vereinzelt findet sich dabei auch ein klastisches Korn von Quarz oder Feldspath, in seltenen Fällen em idiomorph begrenzter Porphyrquarz. Sind die Zwischenräume zwischen den Schollen der porphyrischen Kittmasse grösser, so häufen sich die erwähnten klastischen Partikel, nehmen zum Theil grössere Dimensionen an, und man erkennt kleine Schieferbruch- stücke. Leider war nicht zu entscheiden, ob diese klastischen Theile nochmals wieder eingebettet sind in einem homogenen (porphyri- schen?) Gestemsmagma, oder ob eine anderweitige Verkittungs- substanz, etwa Kieselsäure, vorliege. Ist das Erstere der Fall, dann haben wir genetisch eine Wiederholung des unter 1. beschriebenen Vorganges. Liegt der zweite Fall vor, dann hätte wohl eine noch- malige Zertrümmerung, nicht aber eme Wiederverkittung durch nach- dringendes Eruptivmaterial stattgefunden.

3. Grössere rothe Porphyritbrocken und relativ zahlreiche Schieferbruchstücke liegen m einem Cement, im welchem mikro- skopisch nur das obengenannte klastische Material erkannt werden kann. Auch hier dürfte wohl Si O2 den festen Zusammenhalt ver- mitteln. Manche Schieferbruchstücke zeigen Rundung der Kanten.

4. Das Gestein besteht nur aus kleineren, annähernd gleich- grossen Bruchstücken von Mineralien (Quarz, Feldspath, Glimmer), Gesteinen (Porphyrit, Schiefer), opaken Substanzen und relativ reich- lichem Porphyrquarz.

Während 1 und 2 ganz bezw. zum Theil als Agglomeratlaven zu deuten sind, muss man 3 und 4 als Breccien oder Tluffe auffassen.

Infolge dieses ungleichartigen Verhaltens einzelner Theile des geologisch eine einheitliche Masse bildenden Gesteinskörpers ist es

19] Das KULMGEBIET Von LENZKIRCH IM SCHWARZWALD. 19

nicht leicht, sich eine Vorstellung von der Entstehung des Trümmer- porphyrs zu machen. Vielleicht kommt die folgende Auffassung den natürlichen Vorgängen nahe.

Am Boden eines Meeresbeckens, dessen abradirender Wirkung ein älterer Schieferkomplex ausgesetzt ist, und in welchem daher auch neue Sedimentation des aufgearbeiteten Materials stattfindet, ergiessen sich Lavamassen von der Zusammensetzung des Glimmer- porphyrits. Durch die rasche Abkühlung der Oberfläche des decken- förmigen Ergusses findet eine relativ rasche Verfestigung und Zer- sprengung desselben in eckige Bruchstücke statt. Nachdringendes Magma von derselben (oder ganz ähnlicher) Zusammensetzung ver- kittet diese Bruchstücke und schliesst wohl auch gelegentlich Schiefer- brocken mit ein. In dem nachdringenden Kitt vollzieht sich derselbe Vorgang der Zertrümmerung, jedoch vor seiner vollständigen Ver- festigung; daher die gerundete Form der mikroskopischen Schollen. Entweder hat nun nachdringendes Eruptivmaterial Bruchstücke der Sedimente bei der Verfestigung mit aufgenommen, oder die Ver- kittung der Schollen und des klastischen Materials hat durch Si O2 stattgefunden. (Letztere ist in den Gesteinen als Ausfüllungsmaterial von Hohlräumen, in Pseudomorphosen nach Feldspath u. s. w. that- sächlich beobachtbar.) Gegen die Ufer hin überwiegt klastisches Material. Hier finden sich auch reichlich grössere Bruchstücke der von der Denudation betroffenen Schiefer mit zur Breccie verarbeitet. (sanz nahe am Ufer gelangten in die letztere auch gelegentlich durch den Wellenschlag der Brandung grosse Blöcke des Schiefers.

Die letztere Ausbildung führt dann gewissermassen hinüber zu dem Kulmconglomerat, welches ausschliesslich aus wohl gerundetem Gre- steinsmaterial besteht und sich dadurch als eme Küstenbildung docu- mentirt. Das Uonglomerat ist geologisch an den Trümmerporphyr geknüpft, es bildet gewissermassen den obersten, jüngsten Horizont desselben. Zur Zeit seiner Entstehung war aber ausser den älteren Schiefern auch der Granit und ein Theil des Trümmerporphyrs bloss- gelegt, denn es finden sich Gerölle dieser Gesteine in demselben. Der (sranophyr war entweder nicht mehr entblösst oder sein Material war nicht jenem Meere zugänglich, da es im Conglomerat fehlt. Unter der Voraussetzung, dass der Trümmerporphyr und die in der Granophyr- decke aufsetzenden Porphyritgänge gleichaltrig sind, ergiebt sich für den Trümmerporphyr ein jüngeres Alter als für die Granophyrdecke. Der geologische Verband steht damit nicht im Widerspruch, wie die Auf- schlüsse am Hochschirm und Stöckleberg zeigen.

50 HERRMANN: [20

Eimigermassen auffallend ist das relativ häufige Auftreten von Porphyrquarz in den breceiösen Arten des Trümmerporphyrs wegen des Umstandes, dass die Porphyrite gar keine (oder doch nur wenige) (uarzeinsprenglinge führen, Einschlüsse von Quarzporphyr im Trüm- merporphyr aber nirgends beobachtet wurden.

c. Sedimente.

Die Sedimentärgesteine des Kulmgebietes gliedern sich natur- semässer Weise 1. ın ältere, schwarze, meist verhärtete Schiefer und (srauwacken und 2. in jüngere Conglomerate, Grauwacken und Schiefer. Beide Gruppen unterscheiden sich sowohl durch ihre Lagerungsverhältnisse als durch ihre Gesteinsbeschaftenheit.

9) Die älteren schwarzen Schiefer nehmen einen wesentlichen Antheil an dem Aufbau des Lenzkircher Kulmgebietes. Ihre grösste Verbreitung finden sie zwischen Aha und dem Stossfelsen, sie setzen ferner die Berger Höhe zusammen und treten in ver- einzelten Partien bei Saig und Kappel, sowie in den Porphyren ddes Stöckleberges, Hochschirms und Hasselberges auf. Fast über- all zeichnet sich das Gestein durch grosse Härte, durch das Fehlen der Schichtung und durch einen feinkrystallinen Habitus aus. Nur an wenigen Stellen treten deutlich geschichtete, schwarz oder gelblich gefärbte Thhonschiefer auf, so am Bildstein, bei Aha, am Hasselberg und Hochschirm. Dieselben bestehen aus sehr fenem Mineraldetritus, mit organischer Substanz und Eisenerzen so stark untermischt, dass es schwer fällt die einzelnen Gemeng- theile zu bestimmen, doch scheint Quarz vorzuherrschen. Gehärtet und ohne Spur von Schichtung beobachtet man Schiefer bei Aha, welche sich mikroskopisch von obigen Gesteinen nicht unterscheiden lassen. Dadurch, dass das Korn gröber wird, gehen die Thonschiefer in Grauwacken über. Auch diese bestehen aus Mineralbruchstücken ; mono- kliner und trikliner Feldspath, Quarz und Biotit sind die Hauptbestand- theile. Ausserdem enthalten dieselben zuweilen Brocken feinkörnigen Schiefers und Bruchstücke von Hornblende führenden Gesteinen.,

VOGELGESANG! beschreibt vom Bildstein Schiefer, in denen sich schwarze Flecken aus der heller gewordenen Grundmasse deutlich herausheben und fasst diese Erscheinung als durch Verwitterung bedingt auf. Auch ich habe diese Gesteine am Bildstein wieder- gefunden und ganz ähnliche Bildungen auch bei Oberfischbach und

" Manuscript in Donaueschingen.

21] Das KULMGEBIET VON LENZKIRCH IM SCHWARZWALD. 9]

Kappel beobachtet. Bei den Gesteinen vom Bildstein heben sich die schwarzen Flecken sehr deutlich von der Grundmasse ab, welche graue Färbung besitzt und Seidenglanz zeigt. Ihre Ausbildung ist im Grossen und Ganzen diejenige normaler, unveränderter Thon- schiefer, nur hat eine Anreicherung von Glimmer stattgefunden. Die Flecken werden durch Anhäufung organischer Substanz hervor- gerufen. Bei Oberfischbach heben sich die Flecken kaum noch von der schwarzen Grundmasse ab. Letztere zeigt einen fein krystallinen Habitus, welcher den Flecken fehlt. Mikroskopisch haben die Flecken dasselbe Aussehen wie am Bildstem, die Grundmasse zeichnet sich durch grösseren Reichthum an feinen braunen Glimmer- blättchen aus, sie erhält dadurch ein hornfelsartiges Ansehen.

Den höchsten Grad von Krystallinität zeigt em Schiefer am Fusse des Stossfelsens. In der braunen, deutlich krystallmen Ge- steinsmasse liegen unregelmässig zerstreut scharf begrenzte, schwarze Schiefereinschlüsse, welche nicht den Eindruck von Flecken machen. Stellenweise z. B. östlich vom Absturz des Stossfelsens treten an die Stelle der runden Einschlüsse schmale, schwarze Lagen, so dass dadurch das Gestein ein geschiefertes Gepräge annimmt. Ich halte dieselben für ausgezogene Schieferbrocken. Ein Unterschied m dem Grade der Krystallinität zwischen Einschlüssen und Grundmasse ist bei diesen Gesteinen nicht mehr erkennbar. Vielmehr zeichnen sich erstere nur durch ein feineres Korn vor der Grundmasse aus. Unter den gehärteten Schiefern ohne Fleckenbildung schliessen sich sehr viele direct an die gefleckten Schiefer von Oberfischbach an, indem sie vollständig in der fein krystallinen hornfelsartigen Weise ausgebildet sind, wie es von der Grundmasse dieses Flecken- schiefers beschrieben wurde. Bei Saig, Kappel, Lenzkirch und auf der Berger Höhe, bei Fischbach und am Bildsten sind diese Ge- steine häufig. Schon makroskopisch zeigen sie die eigenthümlich chokoladebraune Färbung, wie sie bei contactmetamorphen Gesteinen durch den neu gebildeten braunen Glimmer hervorgerufen wird.

Die im Vorstehenden geschilderten Schiefervorkommnisse bilden eine vollständige Reihe m Bezug auf die krystalline Entwickelung ihrer Grundmasse von unverändertem Thonschiefer und normaler Grauwacke bis zu hochkrystallinen Bildungen mit ausgesprochenem Hornfelscharakter. Da auch die für ein gewisses Stadium der Eruptiveontactwirkung auf Thonschiefer charakteristische Flecken- bildung in ausgezeichneter Weise vorkommt!, so ist nicht daran zu

1 Die Fleckschiefer lassen sich im frischen Zustande zumeist nicht leicht

99 HERRMANN: [22

zweifeln, dass die Schiefer durch den Contact mit den benach- barten Graniten ihren eigenartigen Habitus erhielten, dass contact- metamorphe Thonschiefer und Grauwacken bezw. Grauwackenschiefer vorliegen.

Es ist bemerkenswerth, dass die sonst so bezeichnenden Mineral- neubildungen, so vor allen Dingen der Andalusit hier vollständig zu fehlen scheinen. Die Lenzkircher Vorkommnisse scheinen auch diese Eigenthümlichkeit mit entsprechenden Gesteinen der südlichenV ogesen gemeinsam zu haben, welchen sie auch sonst in hohem Grade ähneln, Das Fehlen der genannten Neubildungen hängt wahrscheinlich mit der stoftlichen Zusammensetzung der unveränderten Gesteine, speziell mit dem verhältnissmässig geringen Thongehalt der grauwackenartigen Schiefer zusammen. |

Mit den beschriebenen Schiefern im engsten Zusammenhange treten aber auch andere Gesteine auf, welche sich makroskopisch häufig schlecht von ihnen unterscheiden lassen. Zuweilen bekommen dieselben ein stärker krystallines Gepräge durch das Vorhandensein klemer, grüner, filzig erscheinender Nadelanhäufungen, welche sich nicht schwer als Hornblende erkennen lassen, endlich als typische, srobkrystalline Hornblendeschiefer ausgebildet sind.

Mikroskopisch kann man mehrere Typen solcher Gesteine unter- scheiden. Auf der Berger Höhe finden sich dichte, schwarze Ge- steine vor, ganz erfüllt von braunen Glimmerblättchen, grünen Hornblendenadeln und farblosen, stark licht- und doppeltbrechenden Mineralkörnern, welche ich für Epidot halten muss. Alle diese Mine- alien liegen in einer farblos durchsichtigen, absolut frischen Feld- spathmatrix. Diese Gesteine erinnern sehr an manche linsenförmig im benachbarten Gneiss des südlichen Schwarzwaldes auftretende Hornblendegesteine. Auch die für manche jener Vorkommnisse so charakteristische Ocellarstructur FiscHeEr’s findet sich hier angedeutet.

In anderen (esteinsvorkommnissen tritt der braune Glimmer zurück, und Hornblende wird der herrschende basische Gemenstheil. Sie hat uralitischen Habitus und bildet entweder feine Nädelchen, welche sich häufig parallel anordnen, oder grössere prismatische Individuen. Tianit ist ein sehr häufiger accessorischer Gemengtheil.

Einen besonders bemerkenswerthen Typus stellen Gesteine dar, welche bei Kappel an der Strasse Kappel—Neustadt anstehen und

makroskopisch als solche erkennen; dagegen heben sich auf der verwitterten Oberfläche die schwarzen Flecken von grauer Grundmasse scharf ab.

23] Das KULMGEBIET VON LENZKIRCH IM SCHWARZWALD. 23

vereinzelt auf der Berger Höhe vorkommen. Schon makroskopisch erkennbar treten hier in dem grünen geschieferten Gestein wasser- helle Feldspathkrystalle auf, welche sich nach mikroskopischer Unter- suchung als Plagioklas erweisen. Dieselben sind relativ gross, scharf ausgebildet und häufig nach dem Karlsbader- und Albitgesetz gleichzeitig verzwillingt. Entweder sind sie die einzigen Einspreng- linge, oder daneben findet man wohl auch vereinzelte, grössere, meist nicht sehr scharf begrenzte, sondern randlich etwas aus- gefaserte Hornblendemdividuen. Die Grundmasse besteht aus der- selben Hornblende in kleinen Individuen und einem farblosen, wasserhellen Mineral, welches nach Doppelberechnung und Spalt- barkeit als Feldspath gedeutet werden muss. Beide Grundmasse- gemengtheile entbehren der eigenen Begrenzung, sind vielmehr rund- lich und in einer Richtung etwas in die Länge gezogen. Durch diese Anordnung wird eine Art fluidaler Structur erzeugt, welche sich besonders um die Einsprenglinge sehr deutlich bemerkbar macht und die makroskopisch sichtbare Schieferstructur hervorruft. Druck- erscheinungen sind nicht sicher erkennbar. Nur die Plagioklas- einsprenglinge sind vielfach geborsten, die Risse aber wieder durch Feldspathsubstanz verkittet. Oefters sind mehrere Bruchstücke von Feldspath mit gerundeten Kanten wirr durch einander geschoben und bilden so knäuelartige Aggregate. An einzelnen Individuen ist eine randliche Korrosion deutlich erkennbar. In dem Vorkommen von Kappel findet man einzelne Körner eines rothbraun durch- sichtigen, isotropen Mimerals.

Das Auftreten von Hornblende führenden Mineralaggregaten in den veränderten Grauwacken wurde schon früher erwähnt. Die enge Vergesellschaftung der Amphibolschiefer mit den schwarzen Kulm- schiefern bei Kappel und auf der Berger Höhe lassen es unzweifelhaft erscheinen, dass man es hier mit ungefähr gleichaltrigen Bildungen zu thun hat. Dafür spricht ebenfalls eine Notiz bei VOGELGESANG:

„Auf der Höhe zwischen dem Renner Wald und der Reiters- wies ist der Schiefer, der hier gegen Nord von grobflaserigem Gneiss begrenzt ist, vielfach von Porphyren durchbrochen und umschliesst Nester und Trümer von rothem Granitgneiss, sowie lagerförmige Einschaltungen von Hornblendegestem.“

Von grossem Interesse, aber nicht ganz leicht zu beantworten ist die Frage nach der Entstehung dieser Hornblendeschiefer. Dass dieselben ursprüngliche Bildungen seien, ist nach unseren heutigen Anschauungen und nach der Art ihres Auftretens, Verbandes und

24 HERRMANN: [24

Habitus durchaus unwahrschemlich. Sie sind wohl umgewandelte Sedimente oder massige Gesteine. Normale klastische Schiefer, speciell die bei Lenzkirch vorliegenden können als ursprüngliches Gestein des germgen Mg-Gehalts wegen wohl nicht in Frage kommen. Man wird vielleicht an Mg-reiche Eruptivgesteine oder deren Tuffe zu denken haben. Es mag daran erinnert werden, dass u. a. SAuER! ganz ähnliche Gresteme auf Section Meissen aus Diabastuffen ableitet, welche silurischen Gesteinen eingelagert und mit diesen der contactmetamorphen Veränderung durch Syenit aus- gesetzt waren. MıitcH? erkannte andererseits solche Gesteine am Taunus und Soonwald als dynamometamorph veränderte Diabase. Auch Lossen® erwähnt aus dem Harz im Gabbro und Brocken- granit das Vorkommen von Schollen metamorpher Sedimente mit Einlagerungen eines Hornblendegesteins, welches aller Wahrschein- lichkeit nach aus Diabas entstanden ist.

Man kennt nun in den Kulmschiefern benachbarter Gegenden seit langer Zeit basische Eruptivgesteine (Labradorporphyre etc.). Es scheinen auch im südlichen Schwarzwalde, wenn auch in geringer Masse diabasartige Gesteine vorzukommen (St. Blasien, Badenweiler). Speciell an letzterer Lokalität stehen sie in mehr oder weniger uralitisirttem Zustande mit Kulmschichten in Verbindung. Man wird wohl auch für die Lenzkircher Vorkommnisse eine Entstehung aus diabasähnlichem Material annehmen dürfen, um so mehr als die letzte, eingehender beschriebene Art hier vorkommender Amphibol- schiefer direkt auf ein basisches Eruptivgestein als ursprüngliches Material hinzuweisen scheint. Ob Contact- oder Dynamometamor- phose die Umwandlung verursachte, mag zunächst noch dahin- gestellt bleiben.

In einem Stembruch bei Aha tritt Kieselschiefer auf. Das harte, splittrige, schwarz und weiss gebänderte Gestem zeigt unter dem Mikroskop die typische Kieselschieferstructur, kleine, runde (Juarzaugen von organischer Substanz umgeben. Diesen Kiesel- schiefer konnte ich nur an der einen Lokalität bei Aha constatiren. Dass derselbe aber eine grössere Verbreitung haben muss, geht

! Sauer, Erläuterungen zur geol. Specialkarte des Königr. Sachsen. Section Meissen.

® MıvcH, Die Diabasschiefer des Taunus. I.-D. Heidelberg 1889; auch i. d. Zeitschr. d. d. geol. Ges. 1889, Bd. 41, S. 394.

® Jahrb. d. k. preuss. geol. Landesanst. u. Bergacademie z. Berlin f. d. J. 1889. Berl. 1892, p. XXVI.

25] Das KULNGEBIET VON LENZKIRCH IM SCHWARZWALD. 35

schon daraus hervor, dass in der Freiburger Sammlung ein Kiesel- schieferstück von Kappel liegt. Dasselbe bekommt im Dünnschliff dadurch ein sehr merkwürdiges Ansehen, dass die Quarzaugen stark in die Länge gezogen sind.

Die auffallende Structur der Kieselschiefer hat schon häufig Erklärungsversuche veranlasst. Die wahrscheinlichste ist wohl, dass die runden Quarzaugen schlecht erhaltene, mit Quarz erfüllte Radio- larienschaalen darstellen. Erst kürzlich hat GrEIM' wieder diese Frage erörtert und Kieselschiefer aus den verschiedensten Gegenden zur Untersuchung herangezogen. Ich glaube in der That, dass es nicht schwer fallen kann, Kieselschiefer mit runden @uarzaugen einerseits und unzweifelhafte Radiolarienschiefer andererseits durch eine ununterbrochene Reihe von Mittelgliedern zu verbinden. Die ungünstige Beschaffenheit der aus unserem Gebiet vorliegenden Stücke gestattet eine sichere Entscheidung für den vorliegenden Fall jedoch nicht.

£) Ein ganz anderes Bild als die älteren schwarzen Schiefer bietet das Conglomeratgebiet, welches sich zwischen Lenzkirch und Kappel ausdehnt. Mit den bei weitem vorherrschenden Öon- glomeraten vergesellschaftet finden sich auch hier Grauwacken und schwarze Schiefer. Es ist aber möglich, (diese Gesteine auf. den ersten Blick von den ähnlich zusammengesetzten Gliedern des Com- plexes der älteren schwarzen Schiefer zu unterscheiden.

Die Grauwacken haben eine rothe oder graue Färbung, führen häufig deutlich erkennbare Pflanzenreste und zeigen gar keine oder doch nur eine derartig geringe Härtung, dass der Unterschied zwischen diesen Gesteinen und den hell klingenden, splittrigen, älteren Grau- wacken sofort in die Augen fällt. Diese Gesteine treten auch als grosse schollenförmige Einschlüsse in dem Trümmer-Porphyr (?) am Stöckleberg und Hasselberg auf,

-Ein ganz ähnlicher Unterschied ergiebt sich auch in Bezug auf die Thonschiefer. Mikroskopisch nicht wesentlich verschieden von den wenigen Vorkommnissen unveränderter älterer Schiefer bei Aha und am Hasselberg sind die im Kulmconglomerat auftretenden Thon- schiefer weich und deutlich geschichtet. In denselben finden sich gelegentlich Pflanzenreste, von denen verhältnissmässig wohlerhaltene Exemplare durch SANDBERGER von Lenzkirch und Badenweiler be- schrieben worden sind.

Während diese Gesteine hauptsächlich aus Mineralienbruch-

! Dr. G. Grem, Beitrag zur Kenntniss der Kieselschiefer. Würzburg 1891.

26 HERRMANN: [26

sticken bestehen und nur vereinzelt kleine Einschlüsse von Porphyr und Thonschiefer führen, giebt das grobe Oonglomerat die Mög- lichkeit, diejenigen Gesteine mit Sicherheit zu ermitteln, welche in diesen Sedimenten aufgearbeitet worden sind. Die benachbarten Granite sind reichlich vertreten, ebenso der Glimmerporphyrit und Trümmerporphyr und die Gesteine aus dem Gebiet der schwarzen Schiefer; dagegen scheint der Gneiss vollständig zu fehlen und auch Granophyr habe ich nirgends gefunden.

Das Cement der Conglomerate besteht aus kleinen, meist gleich- falls gerundeten Bruchstücken von Gesteinen und Mineralien, welche durch eine fremde Kittsubstanz (Si O2?) verbunden sind.

Die Gesteine, welche im Lenzkircher Kulmgebiet auftreten, sind also folgende:

1. Eruptiv-Gesteine.

Granit, grobkörnig, feinkörnig, geschiefert.

Granitit, feinkörnig, geschiefert (Augengneiss).

Granitische Granggesteine.

@Quarzporphyr als Decke und in Gängen.

Porphyrit in Gängen und als Hauptbestandtheil des Trümmer- porphyrs.

2. Sedimente.

a. im Gebiet der älteren schwarzen Schiefer. Ungehärtete und gehärtete Schiefer und Grauwacken. Fleckenschiefer.

Horntels.

Kieselschiefer.

Amphibolschiefer.

b. ım Gebiet des Oonglomerates.

Weiche, pflanzenführende Schiefer.

(Grauwacken.

Conglomerate.

c. als Einschlüsse im Porphyr. Wenig veränderte Grauwacken und Thonschiefer.

27] Das KULMGEBIET VON LENZKIRCH IM SCHWARZWALD. 97

4, Verbands- und Altersverhältnisse.

In dem Lenzkircher Kulmgebiet ist man zur Erklärung der Tektonik auf einige günstige Aufschlüsse angewiesen, welche das Verhältniss der verschiedenen Gesteine zu einander erkennen lassen. Im Grossen und Ganzen ergiebt sich, dass die vier Gestemstypen des Kulmgebietes: Schiefer, Granit, Porphyr und Conglomerat in vier getrennten Partien die Oberhand gewinnen (siehe Karte).

Trotzdem sehr viele Steinbrüche in den älteren Schiefern ge- trieben sind, ist das liegende derselben in normaler Lagerung nirgends aufgeschlossen. Der Schiefer selbst ist stark zerklüftet, meist ohne Andeutung einer Schichtung, häufig in Hornfels oder Fleckenschiefer umgewandelt, und die wenigen Punkte, an denen man Streichen und Fallen bestimmen kann, ergeben ganz verschiedene Resultate.

Den Öontact zwischen Granit und Granitit habe ich zwar nirgends aufgeschlossen gefunden. Trotzdem ist kein Zweifel, dass beide nicht durch Uebergänge mit einander verknüpft sind, wie VOGEL- GESANG! unter ähnlichen Verhältnissen für die Triberger Gegend anzunehmen geneigt ist. Man hat es vielmehr mit zwei getrennten, selbstständigen Massen verschiedener Zusammensetzung und Structur zu thun.

Wo wir Granite mit den Schiefern in Verbindung treten sehen, befinden sie sich in durchgreifender Lagerung zu denselben. So liegt zwar an der Strasse von Aha nach Altglashütte im ersten Steinbruch Schiefer neben bezw. über grobkörnigem Granit, letzterer ist jedoch geschiefert und zeigt starke Druckerscheinungen, der Schiefer ist an der Grenze zermalmt und mit Trümmern des Granits vermischt, so dass zwischen Granit und Schiefer eine breite Zone einer gemischten Reibungsbreccie entstanden ist. Als eine normale Auflagerung der Schiefer auf dem Granit kann man also dieses Auftreten nicht betrachten. Auch die schmalen Porphyrgänge, welche den Schiefer an dieser Stelle durchsetzen, zeigen in der Nähe der Contactfläche zwischen Schiefer und Granit auffällige Zertrümmerungsphänomene Wir glauben daher nicht zu irren, wenn wir diese Erscheinungen als die Folgen einer Dislokation auf- fassen, welche den Schiefer auf einer schräg geneigten Fläche ab- gleiten liess. Andererseits fand ich an der Strasse von Kappel nach Neustadt mehrfach den Granitit die Schiefer gangförmig durchsetzend.

!) Beiträge z. Stat. d. i. Verwaltung d. Grossherzogth, Baden, Heft XXX.

98 HERRMANN: [28

Wir befinden uns hier an der Südgrenze des Kulmgebietes. Dieselbe wird von Fischbach bis Kappel von feinkörnigem Granitit gebildet. Südlich von Kappel an der Strasse findet sich nun ein mehrfacher Wechsel von Schiefer und Granitit. Im weiteren Ver- laufe geht die Strasse ın einem Bogen um den Hochfirst herum. Hier trifft man überall Granitit. Erst in der Nähe der Säge im (rutachthale stellt sich wieder Schiefer ein, ebenfalls von Granitit durchbrochen, und es gewinnt den Anschein, als wenn man hier wieder die Grenze zwischen Granitit und Schiefer vor sich hätte. Die Grenze des Granitit gegen das Kulmgebiet lässt sich auch auf dem linken Ufer der Gutach leicht erkennen. Am Hirsch- bühl wurde ein loser Block gefunden, welcher das gangförmige Auf- setzen des Granitits im Amphibolschiefer zeigt. Gegen NO ver- schmälert sich zwar der Kulmstreifen, welcher den Granit vom Granitit trennt, so dass schliesslich der Contact der beiden Granit- massen sichtbar werden müsste, Leider verschwindet aber gerade hier das krystalline Gebirge unter der Buntsandsteindecke, bezw. eren Geröllen.

Die vereimzelten Schieferpartien auf der Berger Höhe, von Saig und nördlich von Kappel sind überall von Granit umgeben, der direkte Contact zwischen beiden (Gesteinen ist aber nirgends aufgeschlossen. Die Schieferscholle der Berger Höhe ist ausgezeichnet durch das Auftreten von Amphiboliten in grosser Verbreitung und von Hornfels mit Eimschlüssen feinkörniger Schieferbrocken. Aber auch hier kann man an eine normale Auflagerung der als Denu- dlationsreste aufzufassenden Schiefereomplexe auf Granit nicht denken, da die Contactmetamorphose, welche die Schiefer erlitten haben, für eine durchgreifende Lagerung des Granits sprechen.

Die porphyrischen Gesteine gewinnen, wie schon erwähnt, ihre grösste Verbreitung südlich vom Granit zwischen Fischbach und Lenzkirch. Aller Wahrscheinlichkeit nach breiten sie sich hier als Decken aus, da sie eine bedeutende horizontale Ausdehnung besitzen und in dem ganzen Gebiet neben ihnen nur ganz vereinzelt und in kleineren Partien Schiefer auftreten. In den Decken muss man unterscheiden den Granophyr und den Trümmerporphyr. Ueber ihre petrographischen Verschiedenheiten cf. pag. 11fl. Da Gänge von Porphyrit von der petrographischen Beschaffenheit, wie er den Trümmerporphyr bildet, im Granophyr auftreten, dürfte der Letztere älter sein. Auf dieselben Altersverhältnisse weisen auch die unter eimander sehr ähnlichen Lagerungsverhältnisse am Stöckleberg und

29] Das KULMGERIET vVoN LENZKIRCH IM SCHWARZWALD. 29

Hochschirm. Die Gipfel dieser Berge werden von Granophyr ge- bildet, nur hier und da tritt Porphyrit wahrscheinlich gangförmig darin auf. Am Fusse der Berge wird Granophyr, der nur an ein- zelnen Stellen zu Tage tritt, von Trümmerporphyr umhüllt,

Auf die nahen structurellen Beziehungen des Granophyrs zu dem feinkörnigen Granit wurde schon hingewiesen und die geolo- gische Deutung dieser Verhältnisse versucht. Das Hauptverbreitungs- gebiet der granitischen Ausbildung ist rings von Granophyr umgeben. Allerdings dürfte das Vorkommen am Kuhberg bei Saig wohl gang- förmig sein. Ob das Granophyrvorkommen westlich Oberfischbach die Fortsetzung der Decke des Hasselbergs darstellt oder gleichfalls als Gang aufzufassen ist, lässt sich nicht entscheiden. Dasselbe könnte in Beziehung stehen zu dem feinkörnigen Granit des Stutz bei Unterfischbach.

Das Liegende der Trümmerporphyrdecke ist bei Lenzkirch auf- geschlossen. Nähert man sich von Mühlingen kommend Lenzkirch, so geht man zuerst nur durch femkörnigen Granit. Dicht bei der Haslachbrücke wird dieser durch eine steile Verwerfung abgeschnitten, auf welche im Süden Trümmerporphyr mit schwarzen Schiefern als Liegendem folgt. Der Schiefer fällt unter 35° SSO.

Sowohl im Granophyr als auch im Trümmerporphyr finden sich Schiefereinschlüsse nicht nur in kleinen Brocken, sondern auch in grösseren einige Meter mächtigen Einschlüssen, von denen man zum Theil mit Sicherheit nachweisen kann, dass sie rings von Porphyr umgeben sind. Ihre Gesteine lassen sich theilweise mit Gesteinen aus dem Schiefergebiet identificiren, ein anderer Theil jedoch setzt sich aus unveränderten gröberen Grauwacken mit deutlicher Schich- tung und Spuren von Pflanzenresten zusammen.

Porphyrische Gesteine treten auch sonst noch in grösseren deckenförmigen Massen auf. So wurde schon hervorgehoben, dass der südliche Theil des Hochfirst aus Trümmerporphyr besteht. Jedoch ist das deckenförmige Auftreten zuweilen nur ein schein- bares, indem man es in Wirklichkeit vielleicht mit Lagergängen zu thun hat. In dem Steinbruch nördlich von Mühlingen zum Beispiel findet man unter Amphibolit, welcher wahrscheinlich in naher Be- ziehung zu den Amphiboliten der Berger Höhe steht, Granophyr, der sich in mehr felsophyrischer Ausbildung am Kuhberg aufwärts und abwärts verfolgen lässt. In dem nahen Bachemschnitt folgt nördlich auf den Granophyr feinkörniger Granit. Während letzterer starke Druckerscheinungen aufweist, ist der Granophyr vollständig

30 HERRMANN: [30

frei daran. Man muss ihn also wohl als gangförmige Intrusiv- masse auf der Grenze von Granit und Amphibolit betrachten.

Ein besonders bemerkenswerthes Profil findet sich am Stoss- felsen. An seinem Fusse steht hornfelsartige Grauwacke mit Schiefereinschlüssen an. Der Steilabsturz des Felsens wird aus Granophyr gebildet, auf der Spitze findet sich Granitit in augen- gneissartiger Ausbildung und darüber wieder Porphyr. Der Granitit lässt sich westlich bis zum Windgefällweiher verfolgen. Auch hier zeigt der Granophyr keine Spur von Druckwirkung. Der Augen- gneiss scheint einen grossen Einschluss in dem wohl gangförmigen Granophyr darzustellen.

Die Zusammensetzung des Stossfelsens gewinnt noch an Be- deutung, wenn man ihn mit seiner Umgebung vergleicht. Im Süden wird das Gfäll fast bis zur Höhe des Stossfelsens nur aus Schiefern zusammengesetzt und im Osten besteht der Gehängeschotter zuerst aus Schiefer, den man auch auf dem Gipfel der Kappler Höhe an- stehend findet, weiter östlich stellt sich Zweiglimmergranit ein.

Ein deutlich gangförmiges Auftreten von Quarzporphyr wird in dien Schiefern und Conglomeraten vielfach beobachtet.

Als letztes und jüngstes Glied der Kulmgesteine smd noch die Conglomerate zu besprechen. Dieselben scheinen ganz auf das Ge- biet um Kappel und Lenzkirch beschränkt zu sein, ihre Unterlage ist nirgends aufgeschlossen, doch kann es nach den Lagerungs- verhältnissen keinem Zweifel unterliegen, dass bei Lenzkirch und Kappel der mit denselben genetisch eng verknüpfte Trümmerporphyr bezw. ältere Schiefer ihr Liegendes bilden. Zur Bestimmung von Streichen und Fallen eignen sich die Conglomerate schlecht, und ist man zur Beurtheilung ihrer Lagerung auf eingeschaltete Grau- wackenbänke angewiesen. Am Haslachufer liessen sich einige Be- stimmungen machen, welche ein NO—SW-Streichen mit geringen Schwankungen ergaben, das SO-Fallen ist im Allgemeinen gering, mit dem NW-Fallen sind durchweg stärkere Neigungswinkel ver- knüpft.

Das sind kurz zusammengefasst die thatsächlich zu beobachten- (den Verhältnisse. Aus denselben scheint sich mir folgendes zu ergeben:

In dem Kulmgebiet bei Lenzkirch lassen sich zwei Complexe sedimentärer Ablagerungen deutlich von einander sondern, die älteren schwarzen Schiefer und feinkörnigen Grauwacken einerseits, die jüngeren weichen Schiefer, Conglomerate und Grauwacken andererseits.

31] Das KULMGEBIET VON LENZKIRCH IM SCHWARZWALD. 31

Der Komplex der älteren schwarzen Schiefer besteht aus Thon- schiefern mit untergeordneten Kieselschiefer- und feineren Grauwacken- einlagerungen. Sie zeigen fast durchgehends Härtung und durch das Auftreten von Fleckenschiefer und Hornfels die Wirkung der Contaktmetamorphose. In den hierher gehörigen Grauwacken finden sich Schiefereinschlüsse, es war also bei ihrer Bildung der Schiefer schon der Erosion preisgegeben. Die Conglomerate sind fast gar nicht verändert, sie treten nur in einem beschränkten Gebiete zwischen Lenzkirch und Kappel auf. Thonschiefer-, Granit- und Porphyr- gerölle in denselben verrathen ihr jüngeres Alter.

Die älteren schwarzen Schiefer sind so stark in ihrer Lagerung gestört, dass es mir nicht gelang, eine herrschende Streichrichtung herauszufinden. Im Gegensatz dazu zeigen die Conglomerate einen schwach muldenförmigen Bau mit NO-SW gerichteter Achse.

Aus dem Conglomeratgebiet stammen die Pflanzenreste der Kulm- flora, welche SANDBERGER beschrieben hat, während die älteren schwar- zen Schiefer noch keine organischen Reste geliefert haben. Es lässt sich daher nicht mit Sicherheit erweisen, dass sie dem Kulm angehören, sie finden sich jedoch meist in enger Verbindung mit den Conglomera- ten und ihre Verbreitungsgebiete fallen im Allgemeinen zusammen.

An krystallinen Felsarten finden sich Granite und Porphyre. Den Graniten muss man die Contacterscheinungen an den Schiefern zuschreiben, sie befinden sich überall in durchgreifender Lagerung zu den Schiefern, sind also jünger als diese.

Dieses gilt jedoch streng genommen nur für den Granitit, da der grobkörnige Granit nirgends im Contact mit den Schiefern autf- geschlossen ist. Da auch der Contact zwischen den beiden Haupt- arten granitischer Gesteine, dem grobkörnigen Granit und dem Gra- nitit im untersuchten (rebiet nirgends sichtbar ist, lässt sich über ihr relatives Alter nichts aussagen. Der Contact des Granitits mit dem feinkörnigen Granit am Stutz bei Unterfischbach lässt zwar hier den (Grranitit als jünger erscheinen, doch möchte ich daraus nicht ohne Weiteres auch auf ein höheres Alter des grobkörnigen Granits schliessen. Diese Frage wird voraussichtlich im dem direct süd- westlich angrenzenden Gebiet zu lösen sein.

Die Porphyrdecken, aus Granophyr und Trümmerporphyr be- stehend, zeigen an einigen Stellen den älteren schwarzen Schiefer als Liegendes, an anderen Punkten lassen zahlreiche Schiefer- und Grauwackeneinschlüsse in denselben vermuthen, dass diese Sedimente fast überall das Liegende bilden.

392 HERRMANN: [32

Wo Granophyr und Trümmerporphyr in nähere Verbindung treten, ist der Granophyr älter.

Porphyrgänge treten sowohl in den älteren schwarzen Schiefern als auch noch im den Conglomeraten auf.

Wir hätten also als Altersfolge der Gesteine: Schiefer, Granit, Porphyr und Trümmerporphyr, Conglomerat, Porphyr.

Das älteste Gestein, das wir im Schwarzwald kennen, ist der Gneiss. Da zwischen diesem und den älteren Thonschiefern im oberen Schwarzwald keine Sedimente bekannt sind, so müssen wir annehmen, dass er den Meeresboden gebildet hat, auf dem sich Thon und Sand ursprünglich ablagerten; aus diesen bildeten sich später die Thonschiefer. Die Gleichförmigkeit der Thonschiefer, nicht nur bei Lenzkirch, sondern auch in dem grossen Schönauer Gebiet, spricht für eine marine Ablagerung und zwar aus nicht allzu geringer Meerestiefe. Auf dieselbe Bildungsweise deuten auch die Kieselschiefer, falls eine Erklärung derselben als Radiolarien- schiefer richtig sein sollte. Zur Zeit der Ablagerung der älteren Schiefer scheinen sowohl in der Badenweiler Gegend als auch im Lenzkircher Gebiete basische Gesteinsmassen von diabasischer oder dioritischer Zusammensetzung gefördert worden zu sein. In Folge der hochgradigen Veränderung, welche sie mit den Schiefern zu- sammen erlitten haben, lässt sich aber weder ihre Zusammensetzung noch die Art ihres Auftretens bis jetzt mit Sicherheit erkennen.

Die feineren Grauwacken im Schiefergebiet müssen als etwas jüngere Bildungen im Vergleich zu den Schiefern aufgefasst werden da sie Schieferbrocken einschliessen. Es macht sich‘ bei ihnen ın der Gesteinsbeschaftenheit die Küstennähe geltend, und die Ein- schlüsse deuten darauf hin, dass die ältesten Schiefer schon auf- sefaltet und der Erosion preisgegeben waren. Der Faltungsprozess dürfte sich meiner Ansicht nach in der Weise geäussert haben, dass er die Schieferhülle vom Gneiss abhob. Lakkolithenartig schob sich dann der Granit zwischen Gneiss und Schiefer ein, denn nirgends mehr findet sich bei Lenzkirch der Gneiss als Liegendes der Schiefer. Letztere wurden durch den injieirten Granit verändert und in Horn- fels und Fleckenschiefer umgewandelt.

Nach der Intrusion der Granite nahmen Faltung und Sediment- bildung ihren Fortgang. Für Ersteres sprechen die vielfach zu be- obachtenden randlichen Druckerscheinungen des Granits, sowie die Dislocationen, welche die jüngeren Grauwacken erfahren haben. Von besonderer Beweiskraft im dieser Beziehung darf das schon von

33] Das KULNGEBIET VON LENZKIRCH IM SCHWARZWALD. 33

MERIAN! beobachtete Profil von Geschwend im Wiesenthal gelten, wo ein Durbachit ähnlicher Augengneiss von Norden her über die älteren Kulmschiefer hinübergeschoben ist und in directer Ueber- lagerung derselben sichtbar wird. Die Porphyrausbrüche scheinen den Abschluss des intensiven Faltungs- und Ueberschiebungs- vorganges zu bezeichnen, denn die Porphyre zeigen im Gegensatz zu den Graniten fast nirgends Druckerscheinungen.

Die pflanzenführenden Schiefer, Grauwacken und Conglomerate haben als die jüngsten Absätze der Kulmzeit zu gelten. Sie zeigen keine Contactmetamorphose, ihre Lagerung ist wenig gestört. Sie ent- halten Gerölle von Granit, älterem Schiefer und solche von Glimmer- porphyrit, es fehlt aber, wie es schemt, das Material des Gneiss und des Granophyrs. Hieraus können wir entnehmen, dass zur jüngeren Kulmzeit die Granite schon vielfach von der Hülle der älteren Schiefer durch Abtragung befreit und der Aufbereitung zugänglich waren, wäh- rend Gneiss und Granophyr der Abtragung entzogen blieben.

Das Alter der in unserem Gebiet nachweisbaren Brüche lässt sich nur annähernd festlegen. Jedenfalls ist es ein postgranitisches und postporphyrisches. Ob diese Dislocationen aber zur jüngeren Kulmzeit oder zur Zeit der productiven Kohlenformation bezw. des Perm oder endlich zur Neogenzeit erfolgten, muss zur Zeit ganz unentschieden bleiben.

Will man den Versuch machen, die Gestemmsfolge des Schwarz- wälder Kulmgebietes mit anderen Gegenden Deutschlands zu paral- lelisiren, so fordern die Vogesen wegen ihrer nahen Lage zunächst zu einem Vergleich heraus. VAN WERVECKE? hat kürzlich eine Ueber- sicht der Kulmgesteme der Vogesen nach Altersfolge und Mächtigkeit veröffentlicht. Es fällt sofort auf, dass in petrographischer Be- ziehung eine grosse Uebereinstimmung herrscht, sogar der Trümmer- porphyr, das charakteristischste Gestein des Schwarzwälder Kulm, findet sich jenseits des Rheinthals mit gleichem Habitus wieder. Die mächtigen Decken von Labradorporphyrit, welche in den Vogesen weit verbreitet sind, scheinen im Schwarzwald, wenn auch nicht gerade zu fehlen, so doch stark zurück zu treten. Dagegen sind in den Vogesen wie im Schwarzwalde die ältesten, vorwiegend schief- rigen Gesteine des Kulm durch den Granit contactmetamorph ver-

! Merian, Geognostische Uebersicht des südlichen Schwarzwaldes. Basel 1831, p. 119. 2 Van WERVECKE, Profile zu den Excursionen der deutsch. geol. Ges. im Anschl. an d. Versamml. i. Strassburg i. E. August 1892, p. 1. Berichte VII. Heft 1. 3

34 HERRMANN: [34

ändert, so dass der Granit sicher jünger ist als ein Theil der Kulmsedimente. Ein derartig grobes Conglomerat, wie es bei Baden- weiler und Lenzkirch sich vorfindet, scheint in den Vogesen gänzlich zu fehlen. Möglicher Weise entspricht daher der Kulm der Vogesen überhaupt nur der unteren und mittleren Stufe des Lenzkircher Kulm- gebietes einschliesslich des Trümmerporphyrs.

Interessante Beziehungen ergeben sich zu den Kulmvorkomm- nissen im Harz und Thüringer Walde. Nach v. GRODDECK ! muss man einen Unterschied machen zwischen solchen Gegenden, in denen die Kulmschichten von mächtigen Ablagerungen des productiven Carbon begleitet sind und solchen, wo das produktive Carbon nur schwach vertreten ist. In jenen Gegenden (Westphalen, Schlesien, Sachsen) ist durch die ganze Carbonzeit in Folge einer mehrfachen Strand- verschiebung eine mehrmalige Conglomeratbildung ermöglicht worden. Man kann also nicht von einer unteren Schiefer- und einer oberen Conglomeratbildung sprechen. Im Harz und in Thüringen hingegen, wo das productive Carbon nur sehr schwach entwickelt ist, fand vor Ablagerung der Oonglomerate die Haupterhebung des Gebirges statt. (ewaltige Gebirgsstörungen unterbrachen darauf in diesen Gegenden die Bildung von Sedimenten. Das sind Verhältnisse, die sich mit meimen Beobachtungen bei Lenzkirch vollkommen decken. LIEBE? beobachtete ferner, dass das Granitmassiv des Hennebergs in Thü- ringen jünger sei als die älteren Kulmschiefer, dagegen älter als die Lamporphyre, welche er für jungearbonisch hält. Nach Lossex? hat sich bei den geologischen Aufnahmen auf dem Blatte Harzburg herausgestellt, dass der „Eckergneiss“ eine besonders deutlich kry- stalline Ausbildungspotenz der Oberharzer Kulmschichten innerhalb der Oontactzone um Granitit und Gabbro darstellt. Man hat mit ihnen zusammen Hornfelse, Flecken- und Knotenschiefer gefunden.

Es lassen sich also im Harz, im Thüringen und im Schwarzwald eine ältere Schiefer- und eime jüngere Conglomeratbildung unter- scheiden. In diesen Gebieten, sowie in den Vogesen hat sich für die benachbarten Granitmassive ein kulmisches Alter herausgestellt.

! V. GRoDDEcK, Zur Kenntniss des Oberharzer Kulm, Jahrb. d. k. preuss. geol. Landesanst. u. Bergacademie zu Berlin f. d. J. 1882. Berl. 1883, p. 64ft.

° Liege, Uebersicht über den Schichtenaufbau Ostthüringens. Abh. z. geol. Spec.-Karte v. Preussen u. d. Thür. St. Band V, Heft 4, Berlin 1884, Nachschr. p. 530, vgl. auch p. 423 ff.

® Jahrb. d. k. preuss. geol. Landesanst. u. Bergacademie z. Berlin f. d.J. 1889. Berlin 1892, p. XXVL.

© ou

35] Das KULMGEBIET VON LENZKIRCH IM SCHWARZWALD.

Notiz zur Uebersichtskarte.

Die topographische Grundlage der Karte wurde nach der neuen topo- graphischen Karte für das Grossherzogthum Baden im Maassstab 1:25000 durch photographische Reduction auf die Hälfte hergestellt.

Wie schon im Text erwähnt, ist fast das ganze Gebiet mit pleistocänen Bildungen bedeckt. Auf der Karte wurden dieselben nur dort ausgezeichnet, wo sich auf grössere Erstreckung keine Anhaltspunkte für eine Bestimmung des anstehenden Gesteins ergaben.

Die Grenzen zwischen den einzelnen Gesteinen mussten nach den spär- lichen Aufschlüssen häufig ergänzt werden, was durch den vielfach schematischen Verlauf derselben zum Ausdruck gebracht ist.

3*

1 [36

Historisches zur Lehre von der Continuität des Keimplasma’s.

Von August Weismann.

Ein Aufsatz von M. Nussßaum ! macht mich darauf aufmerksam, dass sich in meinem kürzlich erschienenen Buche „Das Keimplasma, eine Theorie der Vererbung“, Jena 1892, an einer Stelle ein Irrthum eingeschlichen hat, den ich sobald wie möglich verbessern möchte.

In dem Abschnitt „Historisches zur Continuität des Keim- plasma’s“ habe ich G. JÄGER den Gedanken zugeschrieben, dass der Körper der höheren Organismen aus zweierlei Zellen bestehe, aus „ontogenetischen“ und „philogenetischen“, und dass die Letzteren, die Fortpflanzungszellen, nicht ein Produkt der Ersteren sind, sondern direkt von der elterlichen Keimzelle abstammen. Dies ist insofern ungenau, als JÄGER nicht ausdrücklich von Zellen spricht, sondern von „Keimprotoplasma“. Vermuthlich sah er von einer morpho- logischen Präcisirung ab, weil der betreffende Theil seines Buches ? nicht die Morphologie, sondern die Physiologie des Thieres behandelt. Jedenfalls verstand er aber unter „Keimprotoplasma* den Körper der Keimzelle, wie das nicht nur aus den Anschauungen der Zeit hervorgeht, in welcher er schrieb (1878), sondern auch aus verschie- denen Stellen des Buches selbst; so heisst es z. B. auf p. 198: „Im Allgemeinen besteht die Eibildung in einer eigenen Art von Mästung des Keimprotoplasma’s*“.

Mein Versehen würde also bedeutungslos sein, wenn ich nicht, in der Meinung, den Ausdruck „Continuität des Keimplasma’s“ überhaupt zuerst angewandt zu haben, es beanstandet hätte, dass dies von anderer Seite her? JÄGER zugeschrieben wurde. Dies war insofern unberechtigt, als JÄGER gerade von einer „Continuität des Keimprotoplasma’s“ damals schon gesprochen hatte. Ich nehme daher den gegen GEDDES und Thomson in einer Anmerkung meines Buches (p. 263 der deutschen, p. 200 der englischen Ausgabe) aus- gesprochenen Vorwurf zurück. Der Irrthum würde mir wohl kaum

! Archiv für mikroskopische Anatomie, Bd. XXXXTI, 1893.

® G. JÄGER „Lehrbuch der allgemeinen Zoologie“, II. Abtheilung: Physio- logie. Leipzig 1878.

° In dem Buch von GEDDEs und Tmonmson „Evolution of Sex“, Edin- burgsh 1890, p. 93.

37] Weısmann: HISTORISCHESZUR LEHRE VONDER CONTINUITÄTDES KEIMPLASMA’S. 2

begegnet sein, wenn ich nicht den betreffenden Abschnitt meines Buches fern von meiner Bibliothek ausgearbeitet hätte. Wer übrigens meine Theorie kennt, wie ich sie im Wesentlichen seit 1885 fest- gehalten habe, wird es vielleicht begreiflich finden, wenn sich in meinem Gedächtniss diese wörtliche Uebereinstimmung der JäGgEr’schen und meiner Oontinuitäts-Hypothese so vollständig ver- wischen konnte, denn ihrem Wesen nach sind die beiden Vor- stellungen doch recht verschieden; mein „Keimplasma“ ist ein Theil der Chromosomen des Kerns, kein Zellkörper, und meine „Conti- nuität“ beruht nicht auf ununterbrochenem Zusammenhang der Keim- zellen-Körper zweier Generationen, sondern auf der Annahme, dass gewisse, von der Eizelle ausgehende Zellfolgen, die Zellen der Keim- bahn, Keimplasma in gebundenem und inaktiven Zustand beigemischt enthalten.

Es war also auch völlig berechtigt, wenn ich meine und JÄGER’s Vorstellungen über diese Vorgänge auseinander gehalten zu sehen wünschte, auch handelte es sich dabei nicht etwa um eine Prioritäts- frage. Ich habe längst anerkannt, dass mehrere Forscher vor mir und unabhängig von einander auf den Grundgedanken eines direkten Zusammenhangs des Keimmaterials der aufeinander folgenden Genera- tionen in mehr oder weniger klarer und bestimmter Form gekommen sind: RıcHArRD OwEn (1849), Francis GALTON (1872), GusTAvV JÄGER (1878), RAUBER (1880) und M. Nusssaum (1880). Ich sollte denken, dass die kurze geschichtliche Darstellung, wie ich sie davon in meinem Buche gegeben habe, wenn ich den eben verbesserten Irrtbum abziehe, dem Thatbestand so ziemlich entspräche.

M. Nussgaum ist nicht dieser Meinung und zieht in dem oben erwähnten Aufsatz, der sich „Beiträge zur Lehre von der Fortpflan- zung und Vererbung“ nennt, gegen mich und meine Darsteliung zu Felde. Er glaubt seine eigenen Leistungen nicht hinreichend ge- würdigt und scheint überhaupt zu finden, dass ich „durch meine experimentellen und schriftstellerischen Leistungen“ zu sehr „in den Vordergrund getreten sei“, ihm und seinen Verdiensten gegenüber. Schon eine frühere seiner Reklamationen schiebt mir geradezu eine Nachtreterschaft ihm gegenüber zu!. Ich bin damals nicht darauf eingegangen und verzichte auch jetzt darauf, es zu thun. Wenn Herr NussBAuMm ein so grosses Vergnügen darin findet, sich vorzu- stellen, dass ich meine Gedanken von ihm beziehe, so will ich ihn darin nicht stören. Die Akten liegen ja vor, und die Zeit wird nicht ausbleiben, die im Stande ist, unparteiisch zu urtheilen.

Freiburg i. Br., 25. Febr. 1893.

! Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. XXXV, p. 111, 1890.

1 38]

Ueber die Reflexion und die Resonanz der Hrrtz’schen elektrischen Schwingungen.

Von

Privatdocent Dr. L. Zehnder.

1. Vor zwei Jahren ist von Herrn Prof. HAGENBACH und mir eine Arbeit über: „Die Natur der Funken bei den Herrz’schen elektrischen Schwingungen“ veröffentlicht worden!, welche offenbar in anderer Weise ausgelegt wird, als es meinen Anschauungen ent- spricht; ich möchte deshalb diesen meinen Anschauungen in Folgen- dem etwas präzisere Fassung geben und gleichzeitig Herrn HERTZ meinerseits entgegenkommen, welcher unsere Erklärungen der Re- flexion und der Resonanz unter der Annahme, dass Partialentladungen in seinen primären Leitern die wirksamen elektrischen Schwingungen liefern, abwartet?.

In jener Arbeit berichteten wir über einen seinerzeit von Herrn HAGENBACH vorgenommenen Versuch, die Blechtafel, welche bei den Herrz’schen Spiegel-Versuchen den Strahl elektrischer Kraft ab- schneiden soll, nicht nur in der „Querstellung“, wie von Herrn HERTZ angegeben, sondern auch in der „Längsstellung“ nämlich in der durch die Fokallinien beider Spiegel gelegten Ebene zwischen diesen Spiegeln aufzustellen, wodurch gleichfalls die Funken in der sekundären Funkenstrecke zum Verschwinden gebracht werden konnten. Weil überdies Anfang und Schluss unserer Arbeit so redigirt sind, dass es den Anschein haben möchte, als wären die Verfasser Gegner der Faırapay-MAxwerr'schen Theorie, so kann die Vermuthung Platz greifen, es sei der erwähnte HaGEnBAcH’sche Versuch ganz direkt als Einwand unsererseits gegen diese Theorie zu betrachten, und in diesem Sinne hat vielleicht Herr Hertz die

! HAGENBACH u. ZEHNDER, Verh. d. Basl. nat. Ges. 9 (2) p. 509; Wied. Ann. 43 p. 610; Arch. de Geneve 26 p. 21; Exxer’s Rep. 27 p. 496. 1891. * Hertz, Unters. üb. d. Ausbreit. der el. Kraft, p. 18. Leipzig 1892.

39] ZEHNDER: ÜEBER DIE REFLEXION UND RESONANZ ETC. 9

Veröffentlichung jenes Versuches aufgefasst!. Ich möchte mich aber meinerseits gegen diese Auffassung verwahren, denn jene auf die Farapay-MAaxwEun'sche Theorie bezüglichen Stellen sind aus einem Compromiss unserer beiden völlig heterogenen Anschauungen hervor- gegangen, und insbesondere habe ich schon lange vor der Inangrifi- nahme unserer gemeinschaftlichen Arbeit die endliche Fortpflanzungs- geschwindigkeit elektrischer Schwingungen im Luftraume als durch die bedeutenden Untersuchungen des Herrn Hertz erwiesen be- trachtet; auch habe ich vor der ersten Veröffentlichung unserer mehr erwähnten Arbeit jene Störungen der sekundären Funken durch die längsgestellte Blechtafel als Interferenzwirkungen bezeichnet.

2. Nach meiner Auffassung liegt aber der Schwerpunkt unserer Arbeit in der experimentellen Untersuchung von elektrischen Vor- gängen, welche sich während der Primärfunken im sekundären Leiter abspielen. Wir haben dabei gefunden, dass die beiden sekundären Leiterhälften nicht regelmässig abwechselnd in gleicher Weise positive und negative Ladungen erhalten, sondern dass sie nach einer gewissen (Gresetzmässigkeit eine ausgesprochene Einseitigkeit, eine elektrische „Polarität“ erkennen lassen, welche die entgegen- gesetzte Richtung annimmt, wenn die Richtung der Entladungen im primären Leiter die entgegengesetzte wird. Diese Polarität vermag ich heute so wenig wie damals aus den Herrz’schen Vorstellungen über seine wirksamen primären Funken zu deuten, während aus der Annahme einseitig gerichteter Partialentladungen, wie wir sie in unserer Arbeit aufgestellt haben, nothwendiger Weise auf gewisse Einseitigkeiten bei den im sekundären Leiter durch Inductions- wirkungen zu Stande kommenden elektrischen Bewegungen geschlossen werden muss.

3. Aber nicht nur diese bei unseren Versuchen gefundene Polarität, sondern auch die Herrz’schen Grundversuche selbst und vielleicht sogar alle Versuche mit Herrz’schen elektrischen Schwin- gungen lassen sich in einfacher Weise mit Partialentladungen er- klären, wenn man noch die weitere naheliegende Annahme macht, die Zeit vom Entstehen eines ersten Partialfunkens bis zum Ent- stehen eines zweiten solchen sei für den experimentell aus- probirten Abstand beider primären Leiterhälften gleich der von Herrn Hertz als Schwingungsdauer seines Leiters bezeichneten Zeit, und jene Zeit werde durch das Verschwinden jenes ersten Partial-

I Hrarz vl)e pls, pr 2392

3 ZEHNDER: ÜEBER DIE REFLEXION UND RESONANZ [40

funkens nahezu halbirt. Denkt man sich nämlich Herrz’sche primäre Leiter linear ausgeführt, mit Stromzuführung unmittelbar neben der Funkenstrecke F, so ist klar, dass bei

der Ladung der Leiter die Elektrieitäten in der Richtung von der Funkenstrecke zu den Enden der | Leiter, bei der Entladung in umgekehrtem Sinne J

F strömen müssen, und es wird, wenn nur die Zufuhr der Elektricitäten vom Inductorium her eine ge- nügend reichliche ist, ihre Ausgleichung durcn Ent- ladung in der Funkenstrecke kaum wesentlich schneller vor sich gehen, als der Ladungsvorgang, so dass also

die Bewegung der Elektrieitäten im primären Leiter im einen Sinne ungefähr ebenso lange andauern wird, als diejenige im anderen Sinne. Die in solcher Weise durch Partialentladungen gegebene Schwingungs- dauer der elektrischen Bewegungen im primären Leiter ist aber theilweise abhängig nicht nur von der während jedes Inductions- stromes veränderlichen, also mehr oder weniger reichlichen Zufuhr der Elektricität durch das Inductorium, sondern auch von der grösseren oder geringeren Leitungsfähigkeit der Funkenstrecke während der Entladung'; sie wird somit ihrerseits im Verlaufe jeder zwischen den primären Leiterhälften zu Stande kommenden Ge- sammtentladung etwas veränderlich sein.

4. Fassen wir die elektrischen Schwingungen im Herrz’schen primären Leiter als Partialentladungen von der von mir eben an- genommenen Beschaffenheit auf, so haben wir die Reflexion solcher elektrischer Schwingungen an Drahtenden und im Luftraume an Drahtgittern oder an ebenen metallischen Wänden mit ihren stehen- den Wellen, die Concentration der von einer Linie ausgehenden Strahlen elektrischer Kraft durch entsprechende parabolische Cylinder- spiegel, sodann die Polarisation und Brechung elektrischer Strahlen ganz so zu erklären, wie alles dies von Herrn HERTZ selber schon erklärt worden ist. Ein Unterschied besteht nur in der Deutung des Beobachtungsergebnisses, dass die auftretenden Knoten niemals scharf ausgebildet sind, sondern in bekannter Weise von Knoten zu Knoten an Schärfe verlieren. Abgesehen von dem selbstverständ- lichen Einfluss der Amplitudenverminderung in Folge des Reflexions- vorganges wird dieses Resultat von Herrn HErTz einer starken Dämpfung im primären Leiter zugeschrieben, während ich dasselbe

! Vergl. HAGENBACH u. ZEHNDER, Wied. Ann. 43, p. 614/5. 1891.

41] DER HERTZ’SCHEN ELEKTRISCHEN SCHWINGUNGEN. 4

05)

aus unserer Hypothese der Partialentladungen durch die in 3. er- wähnte Veränderlichkeit der Schwingungsdauer der einzelnen auf einander folgenden zu einer Gesammtentladung gehörenden Partial- entladungen erklären möchte, der zu Folge sich Wellen von etwas ungleicher Wellenlänge übereinander lagern.

5. In anderer Beziehung will mir aber ungeachtet der ver- schiedenen Ansichten über die Natur der Herrz’schen elektrischen Schwingungen im primären Leiter die Schlussweise des Herrn

HERTZ bei der Diskussion der Lage der Knoten und Bäuche der im Luftraume beobachteten stehenden Wellen nicht recht einleuchten. In seiner Arbeit: „Ueber elektrodynamische Wellen im Luftraume und deren Reflexion“! schreibt Herr Herrz nämlich auf p. 614 über die Lage der Knoten bei einer reflektirenden Metallwand: „Wäre die Wand vollkommen leitend, so müsste sich in ihrer Fläche selber ein Knotenpunkt ausbilden. Denn im Innern und an der Grenze eines vollkommenen Leiters kann die elektrische Kraft stets nur verschwindend klein sein. Nun kann unsere Wand nicht als vollkommen leitend gelten. Denn zum Theil ist sie nicht einmal metallisch, und so weit sie metallisch ist, ist sie nicht sehr aus- gedehnt“ u.s.w. Darnach glaubt also wohl Herr Herrz, dass bei einer vollkommen leitenden, möglicher Weise auch bei einer ganz metallischen reflektirenden Wand von unendlicher Grösse der Knoten in der Wand liegen müsste. Diese Annahme scheint mir aber nicht stichhaltig. Denn durch die an der Wand ankommenden Schwin- gungen elektrischer Kraft e, werden in der Wand selbst elektrische Schwingungen, Ströme z gleicher Periode, inducirt, und von diesen gehen diejenigen sekundären Schwingungen elektrischer Kräfte e, aus, welche sich mit jenen ankommenden elektrischen Kräften e, zu stehenden Wellen vor der Wand zusammensetzen. Damit sich nun in der Wand selbst ein Knoten ausbilde, müsste durch diesen Re- flexionsvorgang die Phase der Schwingungen der elektrischen Kraft um eine halbe Wellenlänge geändert werden, was wohl im All- gemeinen nicht der Fall ist. Denn es würde die Phase der in der Wand induzirten elektrischen Schwingungen, der Ströme ö, unter An- nahme der Anwendbarkeit des Onu’schen Gesetzes, gleich der Phase der induzirenden eben aus dem Dielektricum in die Wand ein- tretenden Schwingungen elektrischer Kraft sein. Die von jenen elektrischen Schwingungen () ausgehenden sekundären elektrischen

! Hertz, Wied. Ann. 34, p. 609. 1888.

5 ZEHNDER: ÜEBER DIE REFLEXION UND RESONANZ [42

di, dt’ Viertel-Wellenlänge Phasenänderung gegen ö und gegen e, als Folge des Reflexionsvorganges, und setzen wir dieselben mit den primären elektrischen Kräften e, zusammen, so ergeben sich vor der reflek- tirenden Wand stehende Wellen, deren erster Knoten um °?/s Wellen- längen von der Wand absteht, so dass scheinbar ein Knoten um Us Wellenlänge hinter der Wand liegen wird.

Nehmen wir aber an, das Onm’sche Gesetz sei für diese schnellen elektrischen Schwingungen nicht mehr streng gültig, so müssen wir auf eine Verzögerung der in der Wand induzirten elektrischen Schwingungen schliessen, und dementsprechend würde der dadurch hervorgerufenen Phasenänderung zu Folge der scheinbare Knoten noch weiter hinter die Wand zu liegen kommen. Anderseits sind unsere wirklichen metallischen Wände nicht unendlich gross, an ihren Rändern kommen Ladungen zu Stande, und demnach werden die in solchen (im Verhältniss zur Wellenlänge der elektrischen Schwingungen nicht sehr ausgedehnten) Wänden induzirten elek- trischen Schwingungen ein entsprechendes Voreilen! zeigen können, in welchem Falle der hinter der Wand liegende scheinbare Knoten sich gegen die Wand hin bewegen wird’?.

6. Mit diesen Folgerungen scheinen die thatsächlichen Beob- achtungen übereinzustimmen, denn Herr Hertz selber hat bei seinen Messungen stehender elektrischer Wellen im Luftraume einen schein- baren Knoten etwa !ıı Wellenlänge hinter der Wand gefunden?, als er eine der unendlich grossen nahezu gleichwerthige Wand, näm- lich ein Zinkblech von 4m Höhe und 2m Breite verwendete, welches Blech er „durch Drähte mit den (zahlreich an der Wand sich hin- ziehenden) Gasleitungen und mit einer nahen Wasserleitung in Ver- bindung gesetzt und wobei er insbesondere dafür Sorge getragen

Kräfte e, sind aber gegeben durch sie zeigen nur eine

! Vergl. Trouron, Phil. Mag. (5) 32, p. 85. 1891.

° Das Resultat des in 1. erwähnten HacengacH’schen Versuches, dass die Funken im sekundären Leiter auch zum Verschwinden gebracht werden können durch eine leitende Wand, welche in der „Längsstellung“ zwischen die beiden Spiegel geschoben wird, möchte ich im Wesentlichen gleichfalls aus einer Phasenänderung herleiten, welche die in jener Wand entstehenden und sich in ihr fortpflanzenden gegen die in der Luft selbst sich weiter bewegenden Schwin- gungen elektrischer Kräfte erhalten, so dass zwischen diesen beiden gegen den sekundären Spiegel forteilenden Wellensystemen Interferenzen zu Stande kommen, welche die sekundären Funken mehr oder weniger zu stören vermögen.

® Hertz, Wied. Ann. 34, p. 619. 1888.

>

43] DER HERTZ’SCHEN ELEKTRISCHEN SCHWINGUNGEN. 6

hat, dass an dem oberen und unteren Ende des Blechs die sich daselbst etwa ansammelnde Elektrieität möglichst frei abfliessen konnte“. Mit einer kleineren Wand von nur 3m Höhe haben die Herren Sarasın und DE LA RıvE die Knoten annähernd in der Wand erhalten”; und endlich erwähne ich Untersuchungen von Herrn Trouron?’, welcher eine Abhängigkeit der Knotenlage von den Dimensionen der reflektirenden Wand gefunden und eingehen- der untersucht hat.

7. Bei metallischen Wänden von endlichen Dimensionen treten an den entsprechenden Rändern der Blechtafeln während der elek- trischen Schwingungen periodisch sich ändernde Ladungen auf, und die angesammelten Elektrieitäten gleichen sich zum Theil auf den Rückflächen solcher Wände aus, so dass sich die elektrischen Schwin- gungen, theilweise wenigstens, um die Ränder herum auf jene Rück- flächen fortpflanzen. In diesem Sinne sind auch grosse Wände für elektrische Schwingungen doch nicht völlig undurchlässig.

Die Thatsache der theilweisen Durchlässigkeit eines aus par- allelen Drähten gebildeten Gitters auch für elektrische Schwingungen, welche der Drahtrichtung parallel sind, ist leicht zu verstehen, und sie liess sich bei der von mir kürzlich beschriebenen objectiven Dar- stellung der Hexrrz’schen Spiegelversuche* nachweisen, da meine Entladungsröhre in der Fokallinie des sekundären Spiegels trotz des Zwischenstellens eines solchen Drahtgitters zwischen beide Spiegel doch während des primären Funkenspiels aufleuchtete, wenn nur der Abstand der beiden Spiegel nicht ein so grosser war, dass schon bei geringer Vermehrung desselben das Funkenspiel in der sekun- dären Funkenstrecke der Röhre versagte. Aber auch eine Blech- tafel ist in ähnlicher Weise durchlässig. Ich verdeckte nämlich den primären Spiegel durch eine dicht an denselben herangeschobene Blechtafel von der Höhe des Spiegels und von einer so grossen Breite, dass die Tafel auf beiden Seiten den Spiegel um mehr als 20 cm überragte, während der sekundäre Spiegel in der gewöhn- lichen Anordnung dem primären in einiger Entfernung gegenüber- stand. Obgleich ich nun primären und sekundären Spiegel, sowie die Blechtafel durch verschiedene Drahtleitungen, welche in flies- sendes Leitungswasser tauchten, vollkommen zur Erde ableitete und

! Herz, 1. cp 68%

® Sarasın und DE LA Rıvz, C. R. 112, p. 658. 1891. ® Trouron, Phil. Mag. (5) 32, p. 80. 1891.

* ZEHNDER, Wied. Ann. 47, p. 77. 1892.

7 ZEHNDER: ÜEBER DIE REFLEXION UND RESONANZ [44

damit elektrostatische Wirkungen abschnitt, wurde meine leicht an- sprechende im sekundären Spiegel befindliche Entladungsröhre durch das Funkenspiel im primären Leiter doch zum Aufleuchten gebracht, und es unterblieb dies erst, als ich die Verbindungen der sekundären Leiterhälften mit der sekundären Funkenstrecke der Entladungs- röhre löste. So leicht ansprechend war eine von diesen letzteren, dass dieselbe sogar dann im Innern des sekundären Spiegels während des primären Funkenspiels aufleuchtete, wenn nur primärer und sekundärer Spiegel nahe an einander gestellt wurden, ihre Oefinungen nach derselben Richtung gekehrt, ohne dass eine leitende Wand den Strahl elektrischer Kraft aus dem primären in den sekundären Spiegel reflektirte !.

8. Unsere bisherigen Betrachtungen über die Reflexion elek- trischer Schwingungen liessen sich durchführen, ohne dass es nöthig war, sich der Hertz’schen oder der von mir in 3. erläuterten Auf- fassung der Natur der HeErTtz’schen elektrischen Schwingungen im primären Leiter anzuschliessen. Hält man aber die primären Schwin- gungen für Partialentladungen und bezweifelt man damit mehr oder weniger die Möglichkeit des Zustandekommens von elektrischen Schwingungen in den Herrz’schen Leitern in dem von Herrn HERTZ angenommenen und von der Theorie als möglich bezeichneten Sinne, dann ist man wohl consequenter Weise genöthigt, für die von Herrn HERTZ experimentell constatirte Thatsache, dass gewissen Dimensions- verhältnissen zwischen seinen primären und sekundären Leitern ein Maximum der Wirkung der elektrischen Schwingungen im primären auf die elektrischen Bewegungen im sekundären Leiter entspricht, welche Erscheinungen derselbe als elektrische Resonanz be- zeichnete, eine neue Erklärung zu geben. Ich möchte deshalb in Folgendem zu zeigen versuchen, dass sich das Auftreten einer solchen Maximalwirkung auch unter der Annahme von Partial- entladungen im primären Leiter verstehen lässt, wenn man die sekundären Leiter als ungeschlossene Leiter auffasst, wie sie ja den thatsächlichen Verhältnissen bei den Herrz’schen Versuchen stets entsprechen.

Von Partialentladungen, welche, wie ich in 3. erläutert habe, genügend rasch und in annähernd gleichen Intervallen auf einander folgen, werden mehr oder weniger periodisch und gleichmässig sich

! Bei weiter von einander abstehenden Spiegeln leuchtete eine solche empfindlich eingestellte Röhre zwar nicht mehr ohne jede Reflexion, aber doch schon bei der Reflexion durch den menschlichen Körper auf.

45] DER HERTZ’SCHEN ELEKTRISCHEN SCHWINGUNGEN. 8

ändernde elektromotorische Kräfte in ihrer Richtung regelmässig mit einander abwechselnd in positiver und negativer Richtung wir- kend in den Raum hinaus gesandt. Trifft eine solche erste elektromotorische Kraft zum Beispiel einen aus zwei gleichen Hälften bestehenden dem primären parallel gestellten geradlinigen sekundären Leiter, so bewirkt dieselbe in beiden Leiterhälften eine Elektricitäts- vertheilung, welche mit der elektromotorischen Kraft (ihr etwas nacheilend) zu- und abnehmen wird. Nach Aufhören dieser elektro- motorischen Kraft sucht sich im sekundären Leiter der frühere Zustand wieder vollständig herzustellen. Ist also durch die erste elektromotorische Kraft in der Funkenstrecke dieses Leiters ein Funke eingeleitet und dadurch eine gewisse Elektricitätsmenge aus seiner einen Hälfte in die andere übergeführt worden, so strömen nach der Abnahme jener elektromotorischen Kraft die Elektricitäten zur Funkenstrecke zurück, suchen sich in ihr wiederum auszugleichen. Auf die erste folgt sodann die zweite entgegengesetzt gerichtete elektromotorische Kraft. Sind nun die Längen der sekundären Leiterhälften gerade so ausprobirt, dass diese zweite elektromoto- rische Kraft in demjenigen Augenblicke an der sekundären Funken- strecke die grösstmögliche Potentialdifterenz hervorbringt, in welchem durch das Zurückströmen der, durch jene erste elektromotorische Kraft geschiedenen, Elektricitäten gleichfalls" die grösstmögliche Potentialdifferenz an der nämlichen Funkenstrecke erzeugt wird, dann addiren sich diese Potentialdifferenzen, so dass wir ein Maxi- mum derselben und demnach ein Maximum des gesammten Funken- spiels erhalten; denn ganz ähnlich werden nun die dritte elektro- motorische Kraft mit der zweiten, die vierte mit der” dritten zusammenwirken u. s. f£. Sind die sekundären Leiter nicht gerad- linig, sondern kreisrund oder rechteckig geformt, so werden doch in analoger Weise wie eben angegeben bei gewissen Dimensions- verhältnissen in ihnen Maximalwirkungen zu Stande kommen, sie werden auf elektrische Schwingungen von bestimmter Periode am leichtesten ansprechen, auch wenn die in ihnen induzirten elektrischen Bewegungen, ohne von langsam absterbenden elektrischen Schwin- gungen gefolgt zu werden, aufhören, sobald einmal die sie induzi- renden elektrischen Bewegungen im primären Leiter die Partial- entladungen verschwunden sind.

9. Mit zwei Folgerungen aus der Annahme von Partial- entladungen, dass nämlich sekundäre Leiter bei gewissen ihnen eigenthümlichen Schwingungsdauern auf elektrische Impulse am

9 ZEHNDER: ÜEBER DIE REFLEXION UND RESONANZ ETC. [46

leichtesten ansprechen, und dass die so wenig scharf ausgebildeten Knoten stehender elektrischer Wellen (4.) doch sekundäre Leiter noch ansprechen lassen, haben wir diejenigen Grundlagen gewonnen, auf deren Basis die Herren HERTZ, BJERKNES und POINCARE die von den Herren Sarasın und DE LA RıvE gefundene Erscheinung der multiplen Resonanz so gedeutet haben!, wie sie auch mittelst der Partialentladungen zu deuten ist.

Indem ich glaube, dass die übrigen Versuche mit HErrz’schen elektrischen Schwingungen unter der Annahme von Partialentladungen sich gleichfalls erklären lassen, möchte ich nochmals hervorheben, dass diese meine Auffassung der Reflexion und der Resonanz elektrischer Schwingungen mit den experimentellen Resultaten unserer Basler Versuche, welche eine elektrische Polarität im sekundären Leiter ergaben, in bester Uebereimstimmung steht, während mir diese Re- sultate mit der Anschauungsweise des Herrn Hertz über die Natur seiner schnellen elektrischen Schwingungen nicht vereinbar erscheinen.

ı Hertz, Ueb. d. Ausbr. d. el. Kr., p. 17/18. Leipzig 1892.

Freiburg i. B., Januar 1893.

Mikroskopische Vivisektion. Von

Dr. A. Gruber, Prof. d. Zoologie.

Ein Vortrag gehalten in der „Akademischen Gesellschaft* zu Freiburg i. Br.

Meine Damen und Herren!

Vor einigen Jahren habe ich an dieser Stelle einen Vortrag gehalten, der betitelt war: „Ueber den Werth der Specialisirung für die Erforschung und Auffassung der Natur“!. Ich hatte mir darin zur Aufgabe gestellt, einen einzelligen Organismus in allen Einzelheiten seines Körperbaues und seiner Lebensäusserungen zu beschreiben und ich hoffe, dass es mir damals gelungen ist, nach- zuweisen, dass das Eindringen in solche kleinste Kleinigkeiten der ÖOrganismenwelt, wenn in richtiger Weise aufgefasst, weit entfernt ist, uns zu Spitzfindigkeiten zu führen, sondern dass eine solche Specialforschung, wenn der Blick dabei auf das Ganze gerichtet bleibt, uns zu wichtigen allgemeinen Schlüssen zu führen im Stande ist. Zu meiner Freude ist meinen Ausführungen emige Anerkennung zu Theil geworden und so glaubte ich Ihnen heute gewissermassen eine Fortsetzung davon geben zu dürfen. Während ich damals die nor- male Anatomie und Physiologie einer jener winzigen mikroskopischen Organismen meiner Betrachtung zu Grunde legte, möchte ich heute auch die experimentelle Physiologie und theilweise die pathologische Anatomie eines Einzelligen als Ausgangspunkt allgemeiner Reflek- tionen wählen. Ich habe das’im Titel meines Vortrages „Mikros- kopische Vivisektion“ schon ausgedrückt. Das Objekt meiner früheren Untersuchungen war ein kleiner Wurzelfüsser des süssen Wassers,

! Diese Zeitschrift Bd. IV, Heft 4, 1889.

2, G RUBER: [48

die Euglypha alveolata, während ich heute ein Infusionsthierchen, das schon seit lange bekannte „Trompetenthierchen“, Stentor, und zwar speciell den blauen Stentor, (St. coeruleus) wähle. Mit der Euglypha hat der Stentor das gemein, dass er eines der best- bekannten unter den Urthieren ist und dass er gerade in neuester Zeit der Gegenstand sehr eingehender Forschungen gewesen ist. Es scheint, dass zum ersten Male TrEMBLEY im Jahre 1744 Sten- toren und zwar als „Tunnel like polypi“ beschrieben hat und seither haben sich über 30 Forscher mit ‚diesem Infusorium beschäftigt !. Unter den Infusorien, den mikroskopischen Bewohnern der Süsswasser- Seen, Teiche und Tümpel ist der Stentor coeruleus ein Riese, denn die grösseren Exemplare sind mit blossem Auge sehr wohl sichtbar, wenn sie in raschem Laufe durch das Wasser unseres Aquariums gleiten oder an den Blättern irgend einer Wasserpflanze festgeheftet sitzen. Im Schwimmen hat der Körper eine ovale oder kegelförmige Gestalt, während er beim festsitzenden Thiere sich bald zu einer langen schwanken Röhre ausziehen, bald zur Kugel zu- sammenschnurren kann (s. Fig.1). Die allergrössten Exemplare können im ganz ausgestreckten Zustande einen Millimeter und mehr messen, also eine respektabele Grösse im Vergleich mit den unsichtbar kleinen Genossen des Infusorienreiches; eine ansehnliche (srösse auch für den Mikroskopiker, Fig. 1. der mit dem Hunderdstel und Tausend-

Eine Colonie von Stentoren, theils aus- stel eines Millimeters zu rechnen ge gestreckt, theils zusammengezogen. wohnt ist. Aber wie klein wird Einige Exemplare schwimmend. Ein diese Grösse für das Auge, welches Tbier in Theilung. in der Natur die Bilder zu sehen gewohnt ist, welche sich ihm mühelos einprägen. Ein Punkt mit der Bleistiftspitze auf diesem Papier würde einen mittel- grossen Stentor in natürlicher Grösse wiedergeben, während die Abbildung Fig. 2, deren Dimensionen ja nicht übertrieben gross gewählt sind, schon die vieltausendfache Vergrösserung

! Ich lasse das Litteraturverzeichniss über Stentor am Schlusse dieses Aufsatzes folgen.

49] MIKROSKOPISCHE VIVISEKTION. 3

des Infusoriums darstellt. Sehen wir uns nun den Stentor coeru- leus etwas näher an (Fig. 2), so deutet der Gattungsname sehr richtig auf den trompetenförmigen Bau hin, den das Thier im ausgestreckten Zustande aufweist, während der Art- name der schönen blauen Färbung entnommen ward, welche diesen Stentor vor anderen seinesgleichen un- terscheidet. DieFärbungist auf zahlreiche Streifen oder Rippen beschränkt, die in regelmässigem Laufe von vorn nach hinten verlaufen, vorne breite und hinten immer feiner werdende Bänder darstellend. Diese Bänder überziehen auch vorne ein Feld, das sich wie eine Art Deckel über die Oeffnung der Trompete lest, wenn ich so sagen darf, es ist das Stirnfeld oder Scheitelfeld. An der einen Ecke desselben sehen wir die Streifen zusammen- laufen und sich zu einer Spirale gedreht in die Tiefe senken, wie ein Strudel, der sich im strömenden Wasser bildet. Das ist der Weg zum Schlund und zur Mundöffnung des Infuso- riums, welche direkt in das Innere des Körpers führt.

Fig. 2.

euidsrkssh underdiöken Ein Stentor coeruleus auf einem Algenfaden sitzend. i S Schlund; ve pulsirende Vacuole; N Nahrung;

keinen Hohlraum vorstel- M Grosskern (macronucleus); m Kleinkern (micro-

len, oder, wie es der alte nucleus); Ps Protoplasmafäden (Pseudopodien) als

EHRENBERG noch that, Haftapparate.

ein System von Organen, Magen, Darm u. s. w., sondern der Berichte VII. Heft 1. 4

4 GRUBER: [50

ganze Stentorenkörper besteht aus einer einheitlichen Protoplasma- masse, an welcher wir eine festere Rinde und ein weicheres Innen- plasma unterscheiden können, in welches die Nahrungstheile hinein- gedrückt und in welchem sie verdaut werden. Die unverdaulichen Reste der pflanzlichen und thierischen Organismen, werden an einer bestimmten Stelle der Rindenzone von Zeit zu Zeit ausgestossen. Ich kann hier gleich erwähnen, dass das Plasma des Stentors, wie das aller Organismen eine wabenförmige oder schaumartige Struktur zeigt, die trotz ihrer Feinheit und Kleinheit aber wohl nur ein sehr grober Ausdruck der unfassbar complicirten Struktur sein können, die solch ein einzelliger Mikrokosmos besitzen muss.

Dass ein präformirter Magenraum und überhaupt Verdauungs- organe im höheren Sinne im Inneren nicht existiren, zeigen die Fälle, wie der hier abgebildete (Fig. 3), wo ein Stentor einen be- sonders grossen Nahrungskörper, hier eine Closteria, verschluckt hat oder auch wo ein lebendes sich an- fangs noch rasch im Körper hin- und herbewegendes Thierchen aufgenommen ward; da müsste ja sonst Alles zerrissen und zersplittert worden sein. Wie bei allen Urthieren des süssen Wassers findet sich auch bei Stentor eine pulsirende Blase, welche in regel- mässigen Pulsationen sich nach aussen entleert und wieder füllt. Sie ist auf Fig. 2 rechts oben einge- zeichnet. Wie ich schon in dem früheren Vortrage

Bio. 3. mitgetheilt, scheint es keinem Zweifel zu unterliegen, Bin Stentor der dass ein steter Kreislauf von Wasser und zwar sauer- eine grosse Clo- Stoffhaltigem Wasser durch den Körper hindurch statt-

steria ver- findet und dass die Blase dazu dient dieses Athem- schluckt hat. wasser und wahrscheinlich auch Sekrete, Resultate des Stoffwechsels, aus dem Körper abzuführen, auszupumpen.

Sehen wir uns nun den Stentor noch einmal von Aussen an, so finden wir zunächst den ganzen Körper bedeckt mit feinen Wimperchen, welche in den Rinnen zwischen den blauen rippen- förmigen Streifen dichtgedrängt stehen und in fortwährender Be- wegung sind. Den vorderen Theil des Körpers, also das Scheitel- feld umstehen viel grössere, stärkere Wimperorgane. Diese grosse Wimpern setzen sich in den gewundenen Schlund hinein fort und erzeugen einen lebhaften Strudel im Wasser, der alle in die Nähe des T'hieres kommende Körper heran- und hereinreisst. Jetzt haben wir eines Organes noch nicht gedacht, das auf Fig. 2 als rosen-

51] MIKROSKOPISCHE VIVISEKTION. 5

kranzförmiger Körper zu sehen ist. Das ist der Kern des Stentor, der nicht eine kugelige oder ovale Masse darstellt, wie es bei den Kernen anderer Organismen meistens der Fall ist, sondern in ein- zelne Theile zerschnürt ist, die in der That an die Perlen eines Rosenkranzes erinnern. Warum der Kern von Stentor coeruleus diesen Bau zeigt, zumal andere nahestehende Arten z. B. einen band- förmigen Kern haben, ist uns unbekannt. Der Stentor ist also nichts weiter als eine Zelle mit Zellleib und Zellkern und ich könnte, wie ich es in meinem Vortrage über Euglypha that, wieder auf die wunderbare Thatsache hinweisen, dass dieser, wie wir später noch eingehender untersuchen wollen, so komplieirt gebaute Or- ganismus seinem mor- phologischen Werthe nach gleichsteht einem der Bausteine, welche zu Tausenden, zu Mil- lionen und Milliarden den Körper der höheren Thiere und Pflanzen zusammensetzen.

Die Vermehrung des Stentor geschieht durch Theilung und zwar sind die Vorgänge dabei genau bekannt (Fig. 4). An einer be- stimmten Zone des Stentorenkörpers sieht man ein Wimperband auftreten, das in seiner Fig. 4.

Zusammensetzung dem Ein Stentor im Beginn der Theilung. Wpb. das Wimperbande ent- Wimperband; rn. Wpb.dasneuentstehende Wimperband,

spricht, welches das Scheitelfeld umgiebt. Dieses Band wächst in die Länge, eine grössere Anzahl von Körperstreifen gewissermassen 4*

6 ÜRUBER: [52

durchschneidend. Wenn es die definitive Länge erreicht, beginnt der Körper einer dexiotropen Spirale folgend sich einzuschnüren, das neuentstandene Wimperband biegt sich zusammen, das neuent- standene Scheitelfeld umschliessend und sich zum neuen Schlund in die Tiefe senkend. Die Einschnü- rung wird immer tiefer und schliess- lich haben wir zwei vollkommen gleiche Individuen, welche nur noch mittelst einer schmalen Brücke zu- sammenhängen (Fig. 5); diese reisst auch noch durch und die beiden Tochterindividuen schwimmen jedes seines Weges davon. Während dieses Prozesses ist auch der Kern nicht ruhig geblieben. Er hatte sich in eine compakte ovale Masse zusammengezogen, in welcher dann ein Gewirr von Fäden sichtbar Fig. 5. wurde. Die Fäden und mit ihnen Theilung von Stentor. A Beginn, B der Kern hatten sich in die Länge Ende der Theilung, M der Grosskern gezogen und der erstere war genau (Maeronucleus) in Theilung. in seiner Mitte durchgeschnürt wor- den. Auf diese Weise kann eine Halbirung des Kernmaterials genauer vorgenommen werden, alsin dem rosenkranzförmigen Zustande desselben. Nachdem jedes der Tochterindividuen seine Hälfte vom Kern erhalten, nimmt letzterer wieder in beiden Thieren seine normale Gestalt an (Fig. 5). Von Zeit zu Zeit tritt im Leben der Stentoren ein Vorgang ein, der zunächst als das Gegentheil der Theilung angesehen wer- den könnte, statt der Verdoppelung der Individuen sehen wir zwei zusammenschmelzen. Die Verschmelzung ist aber keine völlige, sondern beruht nur auf einer innigen Verwachsung der beiden Körper am Vorderende; nach einiger Zeit trennen sich die beiden Stentoren wieder von einander. Das ist die bei den wimpertragenden Infusorien allgemein verbreitete Conjugation, also nicht Copulation, d.h. vollkommenes in einander Aufgehen zweier Individuen, wie wir sie sonst bei den einzelligen Thieren und Pflanzen allgemein ver- breitet finden. Die überaus interessanten inneren Vorgänge, welche sich an den Kernen der conjugirten Thiere abspielen, sind erst in neuerer Zeit genau bekannt geworden. : Der Verlauf ist im grossen und ganzen folgender (vgl. die Fig. 6):

53] MıkROSKOPISCHE VIVISEKTION. 7

Nachdem die beiden Stentoren zusammengewachsen sind, zer- fällt der rosenkranzförmige Kern in einzelne Stücke (II. M); zu gleicher Zeit wachsen mehrere winzige Kügelchen, die vorher kaum sichtbar neben dem Kerne gelegen hatten (Fig. 6 »»), dadurch, dass

Fig. 6.

Der Konjugationsprocess bei Stentor M der Grosskern, m der Klein- kern; von II—IX ist M im Zerfall begriffen; cpm, die copulirenden Kleinkerne, bei III in Theilung; M und m’ der neue Gross- und Kleinkern nach auf-

gehobener Konjugation.

8 GRUBER: [54

sie sich aufblähen, zu bläschenförmigen Gebilden heran (II. »»). Das sind die Kleinkerne (Mikronuclei) im Gegensatz. zum Grosskern (Makronucleus).

Die Infusorien sind bis jetzt die einzigen Organismen, bei welchen man eine derartige Trennung der Kernsubstanz kennt. Die herangewachsenen Kleinkerne vermehren sich und zwar unter Veränderungen, die man als indirekte Kerntheilung jetzt in der ganzen Organismenwelt kennt. Von den so vermehrten Kleinkernen bleibt aber schliesslich in jedem Thier nur ein einziger übrig, die anderen zerfallen alle. Der bestehenbleibende, in den Figuren als Copulations-Micronucleus bezeichnet, theilt sich (III. ») und jeder entsendet eine Theilhälfte in das andere Thier hinüber durch die Plasmabrücke hindurch, welche die Stentoren verbindet (IV.). Mit dem Austausch der Kleinkerne allein ist es aber nicht gethan, sondern die ausgetauschten Kleinkerne verschmelzen mit den zurück- gebliebenen (V. cpm), es findet also eine Kerncopulation statt. Aus diesem Verschmelzungsprodukt gehen nun nach mehrfacher Theilung (VI. cpm) Kerntheile hervor, von denen sich die einen zum neuen Grosskern (VII—X. M'), die anderen zu neuen Klein- kernen entwickeln (VII—X. m‘). Der alte Grosskern ist während dessen immer mehr zerfallen und schliesslich ganz resorbirt worden. Bald nach dem Austausch der Kleinkerne hatten sich die Stentoren wieder von einander getrennt und waren jeder seines Weges ge- schwommen. Es liegt auf der Hand, dass das Wesentlichste an dem ganzen merkwürdigen Vorgange die Verschmelzung zweier aus verschiedenen Individuen stammenden Kernbestandtheile ist, also derselbe Process, auf welchem die Befruchtung bei allen Organismen beruht.

Wenden wir uns nun, nachdem wir den Stentor coeruleus ge- nauer kennen gelernt haben, zu den physiologischen Experimenten, bei welchen er als Objekt gedient hat. Zunächst galt es einmal die Frage zu beantworten, ist auch den Einzelligen, bei welchen wir ja den Ausgangspunkt für die höhere Organismenwelt zu suchen haben, Regenerationsfähigkeit eigen, d.h. die Kraft, verloren ge- gangene Theile wieder zu ersetzen. Bekanntlich giebt es viele Thiere, besonders auf den unteren Stufen des Stammbaumes und vor allen Dingen Pflanzen, welchen diese Kraft in ausgedehntem Masse eigen ist. Es ist aber offenbar nicht eine Eigenschaft, die der ge- sammten lebenden Materie zukommt, sondern es hängt dieselbe mit den Lebensbedingungen der betreffenden Organismen zusammen,

5 5] MIKROSKOPISCHE VIVISEKTION. 9

d. h. ist nur denjenigen gegeben, welche im Leben auch in die Lage kommen, Theile ihres Körpers einzubüssen. Wie verhalten sich hier die Infusorien ?

Bedient man sich eines scharfschneidenden feinen Instrumentes, so gelingt es bei einiger Uebung nicht unschwer den Stentor coeruleus unter der Lupe oder dem Mikroskop in beliebiger Weise zu zerschneiden (vgl. die Fig. 7). Trennt man z. B. das Infusorium, dem man fast alles Wasser entzogen hat, damit es ruhig liegt, durch einen horizontalen Schnitt in zwei Theile und lässt rasch wieder Wasser zufliessen, so werden beide Theilstücke frei umherschwimmen; man isolirt sie in kleinen Uhrschälchen und nach etwa 24 Stunden stellt sich heraus, dass beide Stücke wieder ganz vollkommene, normale Stentoren geworden sind, das vordere hat sich also am Hinterende regenerirt, das hintere hat ein neues Scheitelfeld mit den grossen Wimpern, dem Schlund und Mund und auch eine

Ric, 7.

Regeneration bei einem in 3 Se A, B, C zerschnittenen Stentor; ve die pulsirende Vacuole; 5 das sich regenerirende Scheitelfeld. pulsirende Blase erhalten. Aber auch ein Mittelstück aus dem Stentor, das man erhält, wenn man zwei parallele Schnitte führt, wie auf Figur 7 zu sehen, regenerirt sich in 24 Stunden zum voll- kommenen Infusorium, aber immer so, dass an der Seite, welche vorher nach vorne gelegen, das neue Vorderende und an der anderen das Hinterende sich bildet. Die Plasmatheile, welche sich zu den

10 GRUBER: [56

neuzubildenden Organen zusammenfügen, bleiben also immer orientirt und das hat man gerade so bei den Zellen der sich regenerirenden vielzelligen Thiere beobachtet. Die Seite des Theilstücks, welche vorher nach vorne lag, erzeugt die Organe des Vorderendes und umgekehrt. Dass es nicht eine beschränkte Anzahl von Plasma- theilchen ist, welche allein die Fähigkeit besitzt, die verloren ge- sangenen Körpertheile wieder aufzubauen, sieht man daraus, dass auch sehr kleine Stücke regenerationsfähig sind. So nahm ich z. B. von einem Stentor ausgehend die künstliche Theilung viermal hinter- einander vor; immer waren nach 24 Stunden die Stücke wieder regenerirt. Da aber kein Wachsthum dazwischen erfolgen konnte, waren die künstlichen Ururenkel so klein, dass endlich eine fünfte Zerschneidung misslang.

Noch wunderbarer erscheint die Regenerationskraft des Proto- plasmas, wenn wir erfahren, wie komplicirt die Organe sind, welche in der kurzen Zeit von 24 Stunden FU aufgebaut werden müssen. Ich % habe absichtlich die eingehende Beschreibung derselben bis an dieser Stelle verschoben. Wie gesagt ist der ganze Körper von körnigen und von hellen Streifen } überzogen, den blauen Rippen- = und den sogenannten Zwischen- 4 streifen. Wendet man die stärk- IS ## sten Vergrösserungen an, so er- N _ giebt sich folgendes Bild (vgl. 5 Fig. 8): In den Rippenstreifen (7) liegen die blauen Farbkörnchen, welche dem Stentor seine Färbung geben, deutlich sieht man ausser- dem die wabenförmige Struktur der Rinde hervortreten. Die

ERENSUNN

MÄR,

VENEN NEN

Ein kleines Stück zweier Körperstreifen Körnchen, schen me v. Stentor coeruleus, A von der Fläche, DB _ 2

TORE . NEE im optischen Querschnitt R blauer Rippen- Zwischenstreifen (2) über und streif; z farbloser Zwischenstreif; m Muskel- wennes gelingt durch Anwendung

fibrille; w Wimpern; © Längsansicht; D geeigneter Reagentien den Sten- Querschnitt einer Muskelfibrille,. noch

r tor gewissermassen zu häuten, stärker vergrössert.

so erhält man ein Bild wie das auf Fig. 9. In den Zwischenstreifen aber liegen im Grunde feine

MIKROSKOPISCHE VIVISEKTION. [3

Fasern, welche von vorne nach hinten verlaufen und welche als Muskelfibrillen (»2) gedeutet werden, die also A

die ausserordentliche Kontraktionsfähigkeit : des Stentorenkörpers bedingen. Es sind homo- gen erscheinende Fäden von ovalem Querschnitt (D), die überdies noch eine (uerstreifung er- kennen lassen (C). Ueber ihnen an der Seite des Zwischenstreifens erheben sich die feinen Körperwimpern (zw). Die Fig.9 und 10 können die Verhältnisse deutlicher erklären, als eine ausführliche Beschreibung. Die Streifen auf dem Stirnfeld sind von denen des übrigen Kör- pers nicht unterschieden; sie stammen ja auch ® von diesen her, wie wir bei der Theilung Fig. 9.

sahen. Sonst hat aber das Vorderende noch 4 die abgehobene oberste

2 i \ Schicht dreier blauer

besonders ausgebildete Organe, die einer Br pehstreilen von Stenter näheren Betrachtung bedürfen; das sind die .oeruleus. B ein „gehäu- grossen Stirnwimpern. Dieselben stellen tetes“ Stück. w die Wim- nämlich nicht einfache Fäden vor, sondern pern, m die Muskelfibrillen. sogenannte Wimperplatten oder Membranellen, d.h. Blättchen, waulE deutlich ihre Entstehung aus der Verschmelzung einer Reihe von einzelnen Wimpern erkennen lassen. Solcher Blättchen sind es zweie, die sich zusammenlegen und auf dieseW eise eine Membra- nelle erzeugen. Die Blättchen stehen auf Leisten auf, die bei starker Vergrösserung sehr deut- lich zu sehen sind, wie die Fig. 10 es versinnbildlicht. Von jeder Membranelle senkt sich nun ein Fortsatz, die sogenannte Basal- 4 arei Stirnwimpern (Membranellen) lamelle, in das weiche Innen- v. Stentor, B eine solche von der Seite plasma ein und endigt in einem (schematisch), m die Wimperplatten, Bl feinen Fädchen, dem Endfaden. Basallamelle, Ef Endfaden, Bf Basal- Alle Endfäden des ganzen Wim- fibrille, © die Basis einer Membranelle. perkranzes werden vereinigt durch einen unter den Basallamellen herlaufenden Faden, die Basalfıbrille, welche auf der halbschematischen Fig. 10 dargestellt ist. Dieser ganze wunderbar komplicirte Apparat

Care reoree oRousnen vun =

12 (GRUBER: |58

hat offenbar die Bedeutung, die Wimperbewegung zu reguliren; wenigstens spricht hierfür das Experiment. Die Wimperung läuft wie eine Welle über den ganzen Wimperkranz hin, macht man aber an irgend einer Stelle des Kranzes einen Einschnitt, so setzt sich die Welle nicht auf die andere Seite des Schnittes fort, sondern die Bewegung ist von hier an keine korrespondirende mehr. Schliesslich soll noch die Fig. 11 ein Bild davon geben, in welch merkwürdiger sinn- reicher Weise der durch spiralige Einsenkung des Scheitelfeldes entstandene Schlundapparat konstruirt ist

Diese für einen ein- zelligen Organismus er- staunlich feinen Apparate und wie viel feinere

Fig. 11. werden sich überdies noch

Der Schlundapparat von Stentor. Wpb Wimper- unserer Beobachtung ent- band, Bf die Basalfıbrille (vgl. Fig. 10), m Mund.

ziehen diese alle wer- den bei der künstlichen Theilung aus scheinbar indifferentem Material aufgebaut und zwar in verhältnissmässig kurzer Zeit. Merkwürdiger- weise geht die Neubildung beim dekapitirten Stentor den gleichen Schritt wie bei der natürlichen Zweitheilung, es entsteht also der neue Wimperkranz auf der Seite des Thieres und am vorderen Ende, wo die Wundfläche zuerst ein feinkörniges Wesen annimmt, legen sich die Streifen zum Scheitelfelde an, um welches sich dann der Wimperkranz herumlegt (s. Fig. 7). Diese Thatsache scheint mir schon darauf hinzuweisen, dass die Regenerationsfähigkeit keine zu- fällige, sondern eine von der Natur gewollte Eigenschäft des Stentor- Protoplasmas ist, dass also, wie wir das bei den regenerationsfähigen vielzelligen Organismen annehmen müssen, auch bei den Einzelligen die Kraft verloren gegangene Theile zu ersetzen, desshalb besteht, weil die Thiere auch im normalen Leben allerlei Verletzungen durch Feinde und ungünstige Lebensbedingungen davon tragen. Damit hängt es wohl auch zusammen, dass manche Infusorien die Regene- rationsfähigkeit zu besitzen scheinen, so z. B. eine im Darme des Frosches in Massen lebende Form (Opalina ranarum); diese ist als Parasit eben äusseren Fährlichkeiten nicht ausgesetzt.

Wenn man den merkwürdig konstruirten Wimpermechanismus

5 9] MIKROSKOPISCHE VIVISEKTION. 13

und seine Verwendung zu zweckentsprechenden Bewegungen be- trachtet, wird man selbstverständlich auf die Frage kommen, ob nicht auch ein nervöser Apparat im Infusorienkörper vorhanden sei, der die physischen und psychischen Vorgänge beherrscht und leitet. Die Annahme, wonach im Innenplasma Nervenbahnen vorhanden sein können, wiederlegt die Beobachtung, dass dasselbe einem Brei ähnlich beweglich ist; aber auch die Rinde scheint Nervenbahnen nicht zu enthalten, wenigstens nicht solche, welche mit einem Oentral- organ in Verbindung stehen. Dagegen spricht z. B. die Beobachtung, dass zwei in Theilung begriffene Stentoren, so lange nur eine, wenn auch noch so dünne, Brücke zwischen ihnen besteht (Fig. 5), gleich- gerichtete oder wenigstens zweckentsprechende Bewegungen aus- führen; das wäre ja nicht denkbar, wenn Beide "ein selbständiges nervöses ÜCentralorgan besässen. Aber noch viel sicherer spricht auch hier das Experiment: Auch die vom Körper abgeschnittenen Theilstücke behalten ihr Bewegungsvermögen, so lange sie überhaupt lebensfähig sind bei, die Wimpern z. B. schlagen ganz wie bei dem unverletzten Thier, ich will gleich hinzufügen, auch bei solchen Theilstücken, welche bei der Operation keinen Antheil am Kerne mitbekommen haben. In sehr eingehender Weise sind die Wirkungen studirt worden, welche Licht und Wärmereize, mechanische, aku- stische, chemische und galvanische Reize auf den Infusorienkörper ausüben. Ganz dieselben Reaktionen, ganz identische Reizbewegungen zeigen die künstlich erzeugten Theilstücke, also kleine aus dem Zu- sammenhang mit dem Gesammtorganismus gerissene Fetzen. Wie wäre das möglich, wenn ein Centralorgan und ein von demselben ausgehendes und von ihm abhängiges Nervensystem vorhanden wäre?

Wenn wir andererseits doch am Infusorienkörper alle Aeusserungen eines mit Nervensystem ausgestatteten Organismus erkennen, so müssen wir schliessen, dass jedes Plasmatheilchen, nervöses Oentralorgan und Leitungsbahn in einer Person sein muss, d. h. dass die nervöse Potenz des einzelligen Thieres und wohl der Zelle überhaupt eine Diffuse ist.

Die Willensäusserungen beherrschen jedes Protoplasmaelement ganz gleichmässig oder, wie es auch ausgedrückt worden ist, „jedes Protpplasma-Elementartheilchen hat seine eigene selbständige Psyche“!, Hiermit widerlegt sich selbst die Ansicht, welche in dem Kern, dem Organ, welches keiner Zelle fehlt, das psychische Centrum der Zelle, aber auch des einzelligen Organismus sehen wollte. Ueber die Be-

! VERWoRn, Psycho-Physiolog. Protistenstudien. Jena 1889, p. 190.

14 GRUBER: [60

deutung des Kernes aber ins Klare zu kommen, war wohl die Haupt- veranlassung zu den vivisektorischen Experimenten an Infusorien und von diesem (resichtspunkt aus, müssen wir jetzt nochmals auf dieselben zurückkommen.

Wir sahen, dass alle möglichen vom Stentor abgeschnittenen Stücke sich zu regeneriren im Stande waren, wie auf den Figuren 7 A, B, C angegeben ist. Macht man aber z. B. einen Versuch in der Weise, dass man von einer grösseren Anzahl von Stentoren aufs Geradewohl die Hinterenden abschneidet und bringt letztere in ein kleines Uhrschälchen, so zeigt sich meistens, dass am anderen Tage nicht alle Theilstücke wieder regenerirt sind. Gelingt es, dieselben mit den bekannten Kernfärbungsmitteln zu behandeln, so stellt sich heraus, dass die Nichtregenerirten kernlos sind und nur diejenigen, welche im Stande waren, sich wieder zu regeneriren bei der Operation ein Stück des Kernes mit bekommen haben. Man kann den Ver- such in verschiedenster Weise wiederholen. Fig. 12 z. B. zeigt einen in 3 Stücke zerschnittenen Stentor, wo die Schnitte so geführt wurden, dass die Theile A und 2 kernlos wurden, während der mittlere den Kern enthielt. Da zeigt sich denn, dass die beiden ersten Stücke die verloren gegangenen Theile nicht wieder zu ersetzen ver- mochten, sich zusammenkugelten, keine neuen Wimpern, keinen Mund, keine kontraktile Blase mehr erzeugten, und dann allmählich

zu Grunde gingen. Auch Stücke, die am vorderen Theil des Körpers so heraus- geschnitten BR werden, dass Hay kein Theil m gi! des Kernes "o HAN 0 / mitgeht, sind "ON >07 nicht im

Standesichzu

Fig. 12. regeneriren,

Ein Stentor, bei welchem die abgeschnittenen Stücke A und B sie gehen zu sich nicht regeneriren, weil sie kernlos sind. Grund, auch

wenn sie Schlund und Mund enthalten. Sie schwimmen wohl noch eine

6 1] MIKROSKOPISCHE VIVISEKTION. 15

Zeit lang scheinbar munter umher, aber allmählich wird das Proto- plasma blasig, ofienbar dadurch, dass Wasser eindringt und der Körper zerfällt, ohne irgend welche Neubildung zu Stande gebracht zu haben. Man kann das Experiment wiederholen so oft und wie man will, immer wird man dasselbe Resultat erhalten. Ein Fort- vegetiren des Theilstückes für kürzere oder längere Zeit ist möglich, die Bewegungsfähigkeit, die Empfindlichkeit ist nicht gestört, aber der Wundheilungsprocess ist kein durchgreifender und wie gesagt, nichts von dem was verloren gegangen, kann ersetzt werden. Neue Organe können ohne Zuthun des Kerns nicht entstehen. Ich sagte oben, dass man bei den Infusorien zwei getrennte Kernbestandtheile unterscheiden muss, die Grosskerne und die Kleinkerne. Dass es der Grosskern ist, welcher die Organbildung im Infusorium ver- anlasst und überhaupt ermöglicht, sei es nun bei der natürlichen Theilung oder bei der künstlichen Durchschneidung, bestätigt ein weiteres Experiment:

Stentoren wurden im conjugirten Zustande zerschnitten. Wie gesagt geht bei der Oonjugation der alte Grosskern zu Grunde, während sich aus den copulirenden Kleinkernen ein neuer Gross- kern aufbaut. Bei solchen Stentoren nun, bei welchen der Gross- kern im Zerfall begriffen war (Fig. 6 II—VII), fand keine Regene- ration statt trotz der Anwesenheit der Kleinkerne, der Stentor verhielt sich also wie ein kernloses Theilstück; erst in dem Stadium, wo der Kleinkern die Gestalt und damit auch den physiologischen Charakter des Grosskernes angenommen hatte (Fig. 7 VIII) trat das Regenerationsvermögen wieder in vollem Maasse ein.

Im Kleinkern der Infusorien haben wir offenbar nur ein Reservoir für die Kräfte zu sehen, welche dann zur Wirkung gelangen, wenn sich aus ihm der Grosskern aufgebaut hat.

Wir werden aus all’ diesen Beobachtungen den Schluss ziehen müssen, dass der Kern das wichtigste Organ der Zelle ist. Alle Differenzirungen des Zellkörpers haben ihre Quelle im Kern gehabt, der Kern ist es, mit anderen Worten, welcher der Zelle ihre Phy- siognomie aufdrückt.

‚Wie wunderbar stimmen diese Resultate unserer Experimente mit den Entdeckungen zusammen, welche auf dem Gebiete der Be- fruchtungslehre gemacht worden sind. Auch hier hat sich heraus- gestellt, dass der Kern der Keimzelle es ist, welcher alle Eigen- schaften in sich trägt, die später während und nach vollendeter Entwicklung an dem Organismus zum Ausdruck kommen. Wie beim

16 GRUBER: [62

Stentor der Kern den individuellen Charakter des Infusoriums be- stimmt, so muss beim vielzelligen Organismus der Kern der sich entwickelnden Eizelle die Charaktere aller aus ihr hervorgehenden Zellfolgen und somit des ganzen Individuums in sich eingeschlossen halten. Wie kann man sich aber den mechanischen Process denken, durch welchen bei einem Stentor der Kern z. B. ein Wimperplätt- chen mit all’ seinen Theilen zur Entstehung bringt? Stellen wir uns zur Erklärung auf den Standpunkt, welchen WEISMANN! in seinem grossen Werke „Das Keimplasma, eine Theorie der Vererbung“, einnimmt, so sind alle Eigenschaften der Zelle, also hier des In- fusoriums, an kleinste Lebenselemente gebunden, welche im Kerne enthalten sind; um nun ein Zellorgan aufzubauen, müssen diese Elementartheilchen aus dem Kerne austreten, müssen an den Ort hinwandern, wo das Organ zu entstehen hat, und dort das noch indifferente Körperplasma zur Umgestaltung veranlassen.

Uns ein Bild von der gewaltigen Anzahl der auf winzigem Raume zusammengedrängten Elemente zu machen, wird uns wohl schwer, dass sie aber da sein müssen, daran wird nach allem, was wir jetzt wissen, nicht mehr gezweifelt werden können. |

Bei einer so überaus komplieirt gebauten Zelle, wie es der Stentor ist, muss natürlich auch eine sehr grosse Verschiedenartig- keit der formbestimmenden Lebenselemente angenommen werden. Die (rewebezelle irgend eines Organes höherer Organismen hingegen ist in Folge der Arbeitstheilung in ihren Leistungen und dem- entsprechend auch in ihrem Bau sehr viel einfacher geworden und im Allgemeinen wird deren Kern wohl nur wenige Arten von jenen Elementartheilen enthalten. So komplieirt auch der Bau des Sten- tors und damit die uns unsichtbare Struktur des Kernes ist, was ist dies im Verhältniss zum Kern der Keimzelle, aus welchem eine hochentwickelte Pflanze oder ein Wirbelthier hervorzugehen hat. Das scheinbar Unfassliche aber in dieser Vorstellung wird uns fass- licher, wenn wir bedenken, dass, so gross auch der Unterschied zwischen einem Infusorium und einem hochorganisirten Thiere sei, derselbe doch ein qualitativer nicht ist. Wir können uns vor- stellen, dass dieselben Lebenselemente hier und dort zur Grundlage dienen, nur in immer neue Combinationen gebracht. Diese Verwandt- schaft zeigt sich sehr deutlich an der Uebereinstimmung mancher Organe der Infusorien mit solchen höheren Organismen. Ein merk-

' Weıismans, Das Keimplasma, eine Theorie der Vererbung Jena 1892.

-

63] MiIKRoSKOPISCHE VIVISEKTION. ı,;

würdiges Beispiel liefert uns abermals der Stentor coeruleus: Wie ich schon sagte bestehen die Wimpern oder Membranellen am Scheitelfeld des Stentor aus zwei an einander liegenden Plättchen, von denen jedes aus zusammengeschmolzenen Cilien entstanden ist; wir unterscheiden weiter die Basalleisten, die Basallamelle und deren Endfaden. Betrachten wir dagegen eine Wimperzelle, wie sie bei Mollusken vorkommen, eine so- genannte Eckzelle einer Kugel- muschel Oyclas (Fig. 13). Welch merkwürdigeUebereinstimmung! Da finden wir ganz ebenso die beiden aus einzelnen Oilien ver- schmolzenen und zu einer Mem- branelle vereinigten Platten; wir sehen, von oben betrachtet, die beiden parallelen Leisten oder Basen derselben, gerade wie beim Stentor; weiter er- kennen wir mit vollkommener N) Deutlichkeit eine Basallamelle, die / ebenfalls in einen Endfaden aus- läuft, alles bis ins Einzelne wie bei

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dem Wimperapparat des Infuso- \ INN : : ö ANNE, riums, nur dass es sich dabei um 1 Nm an

eine ganze Zelle handelt, wie uns schon der Zellkern erkennen lässt, der neben der Basallamelle deut- lich hervortritt.

Wenn wir also annehmen, dass kleinste Lebens-Einheiten von bestimmtem Charakter den Aufbau der Wimper des Stentors bewerk- Fig. 13. stelligen, andere die Muskelfaser Oben Membranellen von Stentor erzeugen, andere die Bestandtheile a ad Bin. 10. Late der Rinde, die Körpercilien u. s. w., ee ER er

(Cyclas cornea). A von der Fläche, so werden wir bei der Eckzelle der B von der Seite (3 Zellen); m Mem- hochorganisirten Muschel sagen branellen, Bl Basallamellen, Ef End- können, sie enthält vorwiegend faden, K Kerne. U Die Basis einer nur solche Lebenselemente, welche een eine Membranelle mit ihren Nebenapparaten erzeugen. Diese Ele-

18 GRUBER: [64

mentartheilchen der Muschelwimperzelle müssen aber gleich sein und sich in gleicher Weise kombinirt haben, wie jene, welche der Kern des Stentor zum Aufbau der Stentorenwimper entsandt hat, denn die Gebilde sind in ihrem Bau und ihrer Funktion einander gleich. So finden wir also in einem Thiere, das schon hoch auf der Stufen- leiter der vielzelligen Organismen steht, dieselben Grundelemente wieder wie in dem einzelligen Infusionsthierchen. Es möge dies genügen meine Damen und Herren, um Ihnen zu zeigen, dass wir doch zu recht weittragenden Schlüssen gelangen können selbst durch so unscheinbare an den kleinsten Lebewesen ausgeführte Versuche. In der That sind diese Experimente im Vergleich mit den meisten anderen auf dem Gebiete der Experimentalphysiologie sehr wenig schwierig. Es gehört nichts weiter dazu als eine ruhige Hand und eine einfache Ueberlegung! Noch eins: Uns erscheint es wenig, wenn wir sagen: eine ruhige Hand und eine einfache Ueberlegung, aber bedenken Sie welch’ komplizirter Mechanismus, welches ver- wickelte Ineinandergreifen von Nerven, Muskeln, Sehnen, Knochen, Blutgefässen u. s. w. doch dazu gehört, um das zu Stande zu bringen, was wir eine ruhige Hand nennen und gar eine einfache Ueber- legung! Noch sind wir trotz der ungeheueren Fortschritte der Wissenschaft nicht im Stande, all die Bahnen des mechanischen Prozesses zu verfolgen, der zu einem einfachen Gedanken führt. Und doch haben wir gesehen, dass auch in dem mikroskopisch kleinen einzelligen Infusorium dieselben Grundelemente vorhanden sind, welche durch unendliche Entfaltung und Umstellung schliesslich auch zum Aufbau der Krone der Schöpfung, des Menschen geführt haben müssen. Wieder und wieder der Beweis von dem göttlich einfachen aber auch göttlich gewaltigen Gesetze der Einheit der Natur!

Anmerkung.

Der Aufsatz ist hier so abgedruckt, wie er als populärer Vortrag gehalten worden war. Es ist daher von einem kritischen Abwägen fremder Beobach- tungen und Ansichten gegenüber den eieenen Abstand genommen.

6 5] MIKROSKOPISCHE VIVISEKTION. 19

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er)

n

6 7] MIKROSKOPISCHE VIVISEKTION. 91

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Bemerkungen über die Abbildungen.

Fig. 4 ist nach ScHuUBERG (Zur Kenntn. d. Stentor coeruleus s. Litteraturverz.).

Fig. 6. Die Bilder sind theilweise nach bildlichen und schriftlichen Angaben von Bauprant (Nouvelles recherches etc. s. Litteraturverz.) und Maupas (Le rajeunissement Karyogamique chez les cilies. Arch. d. Zool. exp. et gener. 2 Ser Vol. VII) frei entworfen. Maupas’s Angaben beziehen sich auf die nahe verwandte Art Spirostomum

Fig. 7 und 12 sind nach meinen eigenen Angaben und denen Barsıanrts (. c.) frei entworfen.

Fig. 8. Nach den Abbildungen in BürschLr's Protozoen (Class. u. Ordn. etc., s. Litteraturverz.).

Fig. 10. Nach ScHuBer@’s Angaben (l.c) schematisch dargestellt.

Fig. 11. Nach ScHusBEre (l. c.).

Fig. 13. Nach EnGELMaNN, Th. W., Zur Anatomie und Physiologie d. Flimmer- zellen. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 23, 1880, Taf. V. Die Abbildung ist insofern ein wenig verändert, als bei EnGELMANN die Membranelle durch Reagentien in ihre einzelnen Fasern aufgelöst ist.

5*

Beiträge zur Algenflora des Schwarzwaldes und der Rheinebene.,

Von

W. Schmidle,

Professor in Mannheim.

Das folgende Algenverzeichniss enthält vorzüglich Desmidiaceen und Palmellaceen: Diatomeen, Characeen und die blaugrünen Algen sind nicht berücksichtigt, die übrigen Algenfamilien nur mehr anhangsweise. Was deshalb über die Verbreitung der Algen im (rebiete gesagt wird, betrifft vor Allem die beiden erstgenannten Familien.

Ein glücklicher Zufall fügte es, dass ich weit auseinander liegende Gebiete der Rheinebene und des Schwarzwaldes genau untersuchen konnte!. Dadurch wurde ich in den Stand gesetzt, mir über die Verbreitung der Algen in der badischen Rhein- ebene und dem Schwarzwalde ein im Ganzen wohl richtiges Bild machen zu können, wenn auch noch grosse Gebiete nicht durch- forscht sind. Denn die natürliche Beschaffenheit der dazwischen- liegenden Lokalitäten ist ja doch keine gänzlich verschiedene, und so werden meine Ansichten über die geographische Vertheilung noch in manchem zwar modificirt, im Allgemeinen aber als richtig an- gesehen werden können.

Ich unterscheide für Baden (ausgenommen ist noch die Boden- seegegend, die Baar, der Odenwald) in algologischer Hinsicht drei Florengebiete, nämlich dasjenige des Schwarzwaldes, der kalkreichen (rewässer der Rheinebene, und das der kalkarmen. Diese drei Regionen sind durch das Vorherrschen und Fehlen gewisser Arten und Familien so sehr verschieden, dass es oft möglich ist, einem Mischpräparate von Algen derselben Lokalität von vornherein an- zusehen, aus welchem Gebiete es stammt.

ı Es sind dieses besonders die Gegenden um Müllheim, St. Peter im Schwarzwalde, Freiburg, Baden-Baden und fast alle Schwarzwaldseen. Ausserdem erhielt ich von Herrn LAUTERBORN eine Reihe von Präparaten und Material aus den Torfsümpfen von Kaiserslautern und dem Altrhein von Neuhofen.

69] ScHumipLE: BEITRÄGE Z. ALGENFLORA D. SCHWARZWALDES U.DER RHEINEBENE. 9

Keinem Sphagnumsumpfe des Schwarzwaldes fehlen G@ymnozyga bambusina JAKOBS., Hyalotheka dissiliens BREB., Penium digitus BrEB., Penium oblongum DE By., Disphinctium cucurbita REINSCH., Mierastarias truncata BREB., Docidium minutum RALrs, Tetmemorus Brebissonii RALFS, und wenn auch seltener Teimemorus grannulatus RALFSs. Ueberall in Gräben und Teichen der sumpfigen Schwarz- waldwiesen findet man Eremosphaera viridis DE By., Drapernaldia glomerata A@., Chlamydomonas Reinhardii DanG. An den Tannen wächst stellenweise häufig 7rentepohlia abietina WILLE und an den Steinen namentlich im höheren Schwarzwald 7rentepohlia iolithus Wiırrk., der Veilchenstein. Fast in jedem schnell fliessenden kleinen (sewässer kommt veremzelt Datrachospermum moniliforme ROTH vor und namentlich in grösseren Aydrurus foetidus KırcH. Dagegen dürfen alle diese Algen mit wenigen Ausnahmen nicht oder nur selten in der Ebene angetroffen werden.

Umgekehrt findet man nicht im Schwarzwald dagegen häufiger in der Ebene: Botrydium grannulatum RoSTAF. namentlich an den lehmigen Ufern grösserer Flüsse, in stehenden Gewässern Volvor globator EurßBG. und Volvor aureus EHRBRG. und oft bedeckt Hydrodietyon reticulatum LAGERH. die ganze Oberfläche der Wasser- tümpel. Doch sind die beiden Florengebiete der Ebene selbst nicht durch solche charakterisirende Algenspecies von einander getrennt, sondern mehr durch den allgemeinen Charakter. Die kalkarmen Gewässer sind nämlich durchweg, wie auch der Schwarz- wald, reich an Desmidiaceen und ärmer an Fadenalgen, während in den kalkreichen die letzteren weit vorherrschen. Desmidiaceen fehlen hier oft vollständig oder sind sehr vereinzelt, dafür aber findet man von ihnen, abgesehen von einigen Ubiquisten (Cosmarium botrytis MENEGH., Closterium Dianae EHRBRG., Eua- strum binale RALFS u.s.w.) in diesem Gebiete meist sehr seltene und noch wenig studirte Formen, wie aus dem Verzeichniss hervorgeht.

Speciell charakteristisch für die laufenden Brunnen des Kalk- gebietes, die eine sehr interessante Algenflora enthalten, ist das ver- breitete Vorkommen von Mischococcus conferricola NAEG. in ver- schiedenen Formen.

Was die Ausdehnung der beiden Florengebiete in der Rhein- ebene betrifft, so gehören die Vorberge des Schwarzwaldes, welche von Heitersheim südwärts ihre grösste Ausdehnung erhalten, der vor ihnen liegende Theil der Rheinebene, der Kaiserstuhl, und namentlich der ganze Rhein mit seinen Altwassern (wahrscheinlich

3 SCHMIDLE: [70

in Folge des Durchbruches durch den Jura) zum Gebiet der kalk- reichen Gewässer. Das Gebiet der kalkarmen Region dagegen ist besonders vertreten in dem Theil der Rheinebene, der von Freiburg bis nach Oos-Baden längs des Schwarzwaldes sich hinzieht und be- sitzt den grössten Formenreichthum in den Hanflöchern, die sich überall auf dieser Strecke befinden. Wie reich die Flora derselben ist, geht am besten daraus hervor, dass ich in einem einzigen, dem genauer durchsuchten Hanfloche zwischen Sinzheim und Halberstung (bei Oos-Baden) nicht weniger als 72 verschiedene Species fand, 43 Desmidiaceen, 17 Palmellaceen, der Rest Fadenalgen. Dabei stellt dieses Hanfloch (Hanfreze von Sinzheim im Verzeichniss) einen etwa 20 m. langen, 2m. breiten, und 1m. tiefen Graben dar, dessen Grund mit einem langfluthenden Moose bedeckt ist. Daraus er- hebt sich im Sommer eine reiche Vegetation von Acorus calamus L. Das Hanfloch liegt frei im Ackerfelde (rechts vom Wege Sinzheim- Halberstung) und wird gespeist von kaum fliessendem Wasser aus einem stagnirenden Graben. Seit Jahren ist es ausser Gebrauch, nur einige Weidenbündel sah ich einmal eingelegt.

Ebenso reiche Fundorte sind im Schwarzwalde die Torfmoore, die häufig die Ufer der Schwarzwaldseen theilweise umgeben. Nament- lich der nördliche Schwarzwald (Kaltenbron, Wildhornsee) ist reich an solchen, die erst zum geringsten Theile untersucht sind. Auch die vielen oft winzigen Teiche des südlichen Schwarzwaldes, die zur Wiesenbewässerung dienen sind oft solche Fundorte ersten Ranges, und, wenn man zur günstigen Zeit, im Frühjahre, sammelt, dann und wann die moorigen Wiesengräben.

Veröffentlicht ist über diese reiche Algenflora noch sehr wenig. Ausser den bekannten Werken von NAEGELI: Die neueren Algen- systeme, und Gattungen einzelliger Algen, von A. Braun: Betrach- tungen über die Erscheinung der Verjüngung etc., Algarum unicellarum genera nova u.a., und Dr Baryr: Ueber die Familien der Conjugaten u. a., in welchen namentlich Algen der Freiburger Gegend beschrieben wurden, ausser JACK, LEINER und STIZENBERGER: Kryptogamen Badens, eine Sammlung, welche jedoch keine Desmidiaceen und wenige Palmellaceen enthält, sind mir nur noch bekannt geworden zwei Abhandlungen von Dr. EyricH: Beiträge zur Kenntniss der Algenflora der Umgebung Mannheims 1866, und Beiträge zur Kemntniss der Aryptogamenflora Badens 1887, und neuerdings eine solche von Askexasy und FÖRSTER: Beiträge zur Badischen Algenflora. Diese Literaturangaben machen jedoch

7 1] BEITRÄGE ZUR ALGENFLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE. 4

keinen Anspruch auf Vollständigkeit, und es sind nur solche Ab- handlungen erwähnt, in welchen Chlorophyceen (excl. Characeen) aufgeführt werden.

Um noch kurz die Ursachen der eben auseinandergesetzten, unterschiedlichen Vertheilung der Algen im Gebiete zu berühren, so halte ich, wie schon durch die Benennung der Florengebiete an- gedeutet, die chemische Beschaffenheit des Wassers für eine der wichtigsten. Durch sie ist z. B. bedingt, dass die Schwarzwaldflora und die der Hanflöcher reich an Desmöidiaceenformen sind. Doch übt auch die physikalische Beschaffenheit des Wassers (fliessendes, stehendes, Moor-Brunnenwasser) einen grossen Einfluss aus und ebenso die Vegetation der Phanerogamen und Moose (z. B. Sphagnum), die selbst wieder von den genannten Ursachen abhängt. Viel weniger in Betracht kommt nach meiner Meinung die Höhenlage und die dadurch bedingten klimatischen Verhältnisse. Denn nur so lässt sich z. B. die grosse Uebereinstimmung der Schwarzwaldflora mit jener der Moore von Kaiserslautern erklären, beides sind Floren von Sphagnumsümpfen, und daher der grosse Abstand zur Flora unserer Rheinebene, wo solche Moore fehlen. Nur so begreift sich das Vorkommen nordischer Algen in unserem Gebiete (siehe das Verzeichniss) oder z. B. dasjenige von Batrachospermum moniliforme RorH im Rheine bei Mannheim nach Askenasy und FÖRSTER, das sich bei uns sonst nur wieder in den Bächen des Gebirges findet; die Pflanze verlangt zu ihrem Gedeihen schnellfliessendes Wasser, das im Allgemeinen der Ebene fehlt. Solche Beispiele liessen sich noch manche beibringen.

Ueber die Art des Einsammelns der Algen will ich nur be- merken, dass ich der praktischen Methode gefolgt bin, welche Herr Professor Dr. Krein in Nr. 54 der Mittheilungen des badischen bot. Vereins und anderwärts veröffentlicht hat.

Die Arten der grösseren Gattungen sind meist in der Ordnung auf- geführt, wie De Toxt im Sylloge Algarum es gethan hat. Darnach sind auch die nach meiner Ansicht neuen Formen eingeordnet. Es sind dieses folgende:

hirchneriella n. g.: hkirchneriella lunata, Microspora amoena var. crassa, Cladophora striata, Mischococcus confervicola var. ramosa, Coelastrum pulchrum, Penium Mooreanum var. constriclum, Closterium augustatum var. subrectum, Disph. quadratum var. Willei, ‚Kanthidium antilopaeum var. leve, Disphinctium globosum var. sub- viride, Cosmarium Meneghini var. granatoides, Cosm. Braunü var.

‚7 SCHMIDLE: [72

lobatum, f. deformata, Cosm. Naegelianum var. crenulatum, Cosm. nitidulum var. subundulatum, Cosm. scenedesmus var. intermedium Gutw. forma glabra, Cosm. subceucumis, Cosm. Wittrokii var. elonga- tum, Cosm. substriatum NORDST. var. minus, Cosm. insigne, Cosm. reniforme var. retusum, Cosm. intermedium forma minor, C. sub- crenatum var. Nordstedtiü, Cosm. subpachydermum, C. lobulatum, Cosm. subbroomei, Euastrum insigne var. elegans, Eu. humerosum vor. mammosum, Staur. Nigrae Silvae, Staur. hystriz var. pauci- spinosum, Micrasterias cruz Melitensis var. ornalum.

Für Deutschland neu (nach DE Toxı Sylloge Algarum) sind folgende: Botryococcus calcareusWEST., Trochiscia stagnalis HANSG., Microspora pachyderma LAGERH., Spirogyra neglecta Krz6G., Spi- rogyra ternala RıipArT., Mesotaenium Endlicherianum var. grande NorD., Penium closterioides var. interrupta WeEst., Closterium gra- cile BREB., Disph. curtum var, exiguum HAns6., Disphinctium pseu- damoenum nob. = Cosm. pseudam WILLE, Disph. speciosum HANSG., Nanthidium fasciculatum var. ornatum NORDST., Nanthidium Bre- bissonü var. basidentatum BÖRGESEN, (osm. granatum var. crenula- tum NoRrpDst., Cosm. eriguum ARcH., Cosm. constrictum DEULP., C. lejodermum GAY., Cosm. alpinum Rac., C. serangulare LuND., C. solidum NORD., Ü. biremum forma major LuxD., C. quadrum Luxp. et var. minor Norv., (. botrylis var. tumidum WOLLE, €. reniforme var. compressum NORD., Cosm. eyclicum LunD., Cosm. pseudobroomei WOLLE, (, praemorsum BREB., C. phaseolus var. achondrum BoLD et var. eleratum Norv., Cosm. subprotumidum NoRrD., C. subcostatum NoRD., Arthrodesmus bifidus BREB., Euas- rum ansalum var. sublobatum DEup., Euastrum inerme LunD., Staurastrum mulicum var. depressum BOLD, Staur. orbiculatum forma minor NORD., Staur. inconspicuum var. crassum GAY, Staur. turgescens DE Nor., Staur. bienneanum var. ellipticum WILLE., Staur. sezcoslaltum var. Iruncatum Rac., et var. productum WEST., Staur. pseudosebaldi var. simplicior WEST. !.

Zum Schlusse komme ich noch der angenehmen Pflicht nach, Herrn Lehramtsprakt. FÖRSTErR und Herrn Oand. rer. LAUTERBORN für die gütige Ueberlassung des von ihnen gesammelten Materiales meinen besten Dank zu sagen.

! Diese in Deutschland noch nicht nachgewiesenen Formen sind meist

solche, welche erst in neuerer Zeit benannt wurden.

73] BEITRÄGE ZUR ALGENFLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE. 6

I. Klasse Rhodophyceae.

1. Zemanea torrulosa SIROD.

An den Felsen des Zweribachfalles bei St. Peter häufig, 2. Sept. 1892.

2. Lemanea fluviatilis AG.

In schnell fliessenden Gebirgsbächen an Steinen und Holz fest- gewachsen in der sog. „Neuwelt“ bei St. Peter zerstreut, Sept. 1892.

3. Batrachospermum moniliforme RoTH.

An Steinen etc. überall in den Bächen des Schwarzwaldes zer- streut das ganze Jahr über.

4. Chantransia chalybea FR1ES.

In einem Brunnen bei Baden-Baden am Moose festsitzend, Sept. 1891; bei Freiburg im Gewerbekanal an Wasserpflanzen, Aug. 1892.

II. Klasse Chlorophyceae. Ordnung Confervoideae.

5. Caleochaeta: scutata BREB.

An der Unterseite von Lemma trisulca L. in den Hanflöchern von Sinzheim zerstreut, Juli 1890 fructificirend gefunden. |

6. Caleochaeta irregularis PRINGSH. Jahrb. f. w. Bot. 1860, Tab. I, Fig. 1 und 6.

Aus einem seichten Tümpel bei Sandweiher in der Nähe Badens, Mai 1890; nicht fructificirend.

7. Herposteiron repens WITTR. = Aphanoch. repens COORE Fr. Wale. Tab, EXXX, Fig. 3,

An Fadenalgen im sog. Woogsee bei Rastatt, Juni 1890, im Altrhein bei Neuenburg, bei Mannheim etc. zerstreut.

S. OVedogonium echinospermum A. BR.

In einem Teiche bei St. Peter häufig, Aug. 1890 fructificirend gefunden.

9. Enteromorpha inlestinalis LiSK, var crispa KTz6.

Ziemlich häufig im Neckar an ruhigen Stellen auf dem Wasser in Ballen treibend bei Mannheim und Edingen, Sept. 1892.

ı Schizomeris Leibleinii Krzs., welches nach RABENHoRsT in Waldsümpfen bei Baden vorkommen soll, ist nach meiner Ansicht daselbst verschwunden, einmal weil es trotz eifrigen Suchens nicht mehr gefunden werden konnte, und dann weil der einzige grössere Waldsumpf der Umgebung zu einem sogenannten Waldsee umgewandelt wurde.

7 SCHMIDLE: [74

10. Vlothrix zonata KTzG:

In Brunnen bei Baden-Baden, ebenso bei Müllheim nicht selten den ganzen Sommer über.

11. UVothrix rigidula Krze.

In einem Brunnen bei Dürkheim, bayr. Pfalz, an einer eisernen Zuleitungsröhre festsitzend, Juni und Okt. 1892.

12. Ulothriz moniliformis KrTz6.

In einem Brunnen bei Eimeldingen (Lörrach), Frühjahr 1892.

13. Stigeoclonium tenue KTz6G.

In einem Graben zwischen Baden und Oos an Wasserpflanzen, Spätjahr 1889, häufig.

14. Stigeoclonium nudiusculum KTz6.

Mit voriger Pflanze, jedoch seltener.

15. Stöigeoclonium thermale A. Br.

Im Abflusse des Thermalwassers von Badenweiler an den Wänden eines Grabens festgewachsen, Febr. 1892.

16. Chaetophora pisiformis AG.

In Gräben und Teichen bei Baden-Baden fast das ganze Jahr.

17. Chaetophora elegans AG.

Wie obige, doch zerstreut; in einem hölzernen Brunnentroge bei Rechtenbach (Freiburg) in grosser Menge, Sommer 1891.

18. Chaetophora elegans var. longipila HANSGIRG.

Im Woogsee bei Rastatt, Juni 1890, sehr zerstreut.

19. Chaetophora tuberculosa Hook.

In einem Teiche bei Baden-Baden (Eisweiher) häufig an Holz festsitzend, Febr. und März 1890.

20. Chaetophora cornu damae A.

Hanfloch bei Sinzheim sehr zerstreut, Sommer 1890.

21. Drapernaldia glomerata AG.

Bei Baden-Baden und St. Peter ete. in Gräben häufig im Früh- jahr und Sommer.

22. Conferva bombycina A6.

Bei Baden-Baden etc. verbreitet.

23. Conferva tenerrima KTz6.

In Gräben bei Badenweiler etc. verbreitet.

24. Conferva fuscesceus Rbn.

In einem moorigen Strassengraben bei Kellersbild (Baden- Baden), Sommer 1890.

25. Microspora fontinalis (BECK) Ds Toxt.

In einem Brunnen bei Lichtenthal von Herrn Dr. LanGe erhalten.

75] BEITRÄGE ZUR ALGENFLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE. 8

26. Microspora amoena Ralfs var. crassa mihi.

Die Zellen sind um ein !/s breiter als beim Typus, vor der Theilung doppelt so lang; die gewöhnliche Breite ist 32 u, die Länge 44m; sonst wie der Typus.

Diese Pflanze steht Conferra Ansonöi var. breris NORDST. sehr nahe und unterscheidet sich nur durch die frische grüne Farbe. Hab. 1. Kir, 1.

In den Brunnen der Umgebung Müllheims (Hach, Zunzingen) zerstreut, an der steinernen Brunnenschale angewachsen.

Auch von Herrn Dr. HüerLın erhielt ich aus der Dreisam ein dahin gehöriges Exemplar.

27. Microspora pachyderma LAGERH. = Conferra pachyderma Wire, Algol. Mittheilg. pag. 466, Tab. XVII, Fig. 57—63.

Sehr selten in einem Teiche bei St. Peter, Ostern 1892.

28. Cladophora glomeralta KTzG.

Bei Neuenburg an den Schiffen der Schiffsbrücke häufig.

29, Cladophora declinata var. fluitans, HANSGIRG.

Bei Herrenwies an Steinen eines (Grebirgsbaches, Sommer 1890.

30. Chladophora callicoma KTzG.

An Steinen eines Baches bei Oos.

31. Cladophora fracta, KTzG.

In einem Weiher bei Hausbaden (Badenweiler) sehr reichlich. Sommer 1891.

42. Cladophora (Aegagropyla) striata n. sp. Dunkelgrün, zer- brechlich, kugelige Räschen bildend, ca. 1,5 dm im Durchmesser. Fäden meist dichotom verzweigt. Die Zweige entspringen an den oberen Zellenden der Basalzellen, selten an den unteren. Oben ist die Verzweigung sehr reichlich und besteht häufig aus kurzen, oft einzelligen Zweigchen; Stamm und Zweige nach oben meist dicker werdend, selten sich wieder verschmälernd; die Endzellen sind ent- weder cylindrisch und breit abgerundet oder häufig keulenförmig am oberen Ende angeschwollen, dasselbe gilt auch überhaupt von den oberen Zellen der Zweigchen. Meistens ist die Zelllänge das Drei- bis Vierfache der Breite, doch selbst oft das Zwölfache. Die Breite der Basalzellen ist ca. 40x, der Mittelzellen bis 110 und 120u, der Endzellen 80 bis 110». Die Zellhaut ist meistens stark entwickelt und nach Entfernung des Chlorophylis fein und dicht längsgestreift. 2ab:1, Fig. 2’ und >.

In einem Brunnen bei Grethen (bei Dürkheim in der bayr. Pfalz) im Moose an der Brunnenschale hängend, selten, Nov. 1892.

9 ScHMIDLE: [76

33. Trentepohlia abietina WILLE.

Bei Baden-Baden an Tannen, auf dem Feldberg gegen St. Wilhelm.

34. Trentepohlia iolithus WITTR.

Ueberall auf dem höheren Schwarzwald, rothe Ueberzüge an Steinen bildend, namentlich in der Umgebung des Feldberges.

Trentepohlia iolithus var. bovinum Rasn.

Mit obiger.

35. Trentepohlia aurea MART.

Baden-Baden an feuchten Baumstämmen, bei Müllheim an Wasserrinnen, Sommer und Spätjahr 1891, 1892.

Ordnung Syphoneae.

36. Vaucheria sessilis DE ÜC.

Oos bei Baden-Baden, Hanflöcher von Sinzheim, zu verschiedenen Zeiten des Sommers fructifieirend gefunden.

37. Vaucheria terrestris LyNGB., bei Virnheim (Mannheim) häufig; März 1893 fructificirend.

38. Vaucheria hamata W ALZ.

In einem feuchten Waldgraben zwischen Baden und Eberstein- burg, im Altneckar bei Mannheim im November 1892 fructifieirend.

39. Botrydium granulatum ROoSTAF. et WOROoN.

In einem Garten in Badscheuern zerstreut, Frühjahr 1889 und 1890 von Herrn Lehramtsprakt. RuskA gefunden; an den Ufern des Neckars gemein (vgl. Askexasy und FÖRSTER, Beiträge etc.).

Ordnung Protococcoideae.

Familie Valvocaceae (Flagellatae) (inclusive einiger A/agellaten mit braunem Farbstoffe).

40. Chromophyton Rosanowii WOR. ex p. (vgl. HansGirG, Prodromus der Algenflora von Böhmen, pag. 29.)

Bildete einen gelben Staubanflug auf einem Waldtümpel am Battert bei Baden-Baden, Juli 1889.

41. Dinobryon sertularia EHRBRG.

Bei Ludwigshafen in Gräben und Teichen zerstreut, Herbst 1891, 1892.

42. Synura Uvella Eurse (Stein’s Infusorien III, Tab. XIV).

In Teichen bei Baden und St. Peter zerstreut das ganze Jahr über,

43. Synerypta Volrox EHRBG.

77] BEITRÄGE ZUR ÄLGENFLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE. 10

In einem Eisweiher bei Baden zerstreut, Febr. und März 1891 unter dem Eise gefunden.

44. Volvox globator EHRBG.

Hanfrezen von Sinzheim häufig bis in den Winter hinein, bei Mannheim in Tümpeln seltener.

45. Volvoxr aureus KIRCHNER.

In den Hanfrezen von Sinzheim mit obiger Art.

46. Eudorina elegans EHRBRG.

In den Hanfrezen von Sinzheim, in Teichen bei Baden, St. Peter zerstreut.

47. Pandorina morum BORY.

In einem Tümpel eines Kalksteinbruches bei Baden-Baden das Wasser grün färbend, sonst mit voriger Art zerstreut.

48. Gonium pectorale MULL.

In einem Eisweiher bei Baden unter dem Eise ziemlich häufig, Febr. und März 1891, zerstreut bei St. Peter und Mannheim,

49. Chloraster gyrans STEIN.

In einem Graben bei Ludwigshafen selten, Spätjahr 1891.

50. Chloropeltis hispidula STEIN.

Mit obiger Art selten.

51. Chlamydomonas Ehrenbergii GOROSCHANKIN (Bulletin soc. imp. & Moscou 1891).

In Teichen bei St. Peter sehr zerstreut mit Chl. Kleinii mihi, Aug. 1892.

52. Chlamydomonas Reinhardii DANGEARD pulrisculus AUT. (vgl. Bulletin etc.).

Bei St. Peter in einem Teiche das Wasser grün färbend mit Euglena sanguinea EHRBRG.;in einem Brunnen ebendaselbst, Aug. 1892.

53. Chlamydomonas Kleinii mihi!.

Die Gestalt der Makrozoogonidien ist länglich rund bis eylindrisch, an beiden Enden abgerundet, 32—-28w. lang, 12—8. breit. Am Vorderende ohne Schnabel. Die zwei Geisseln überragen den Körper an Grösse. Ihre Basis ist farblos mit zwei contractilen Vacuolen, in der vorderen Körperhälfte ein lineales, rothbraunes Stigma. In der Längsachse sind zwei umhüllte Pyrenoide symmetrisch vor und hinter dem centralen Zellkern. Die Chromatophoren bestehen aus eng aneinanderliegenden Längsbändern, die oft eine etwas spiralige Drehung zeigen, mit gelapptem Rande, selten anastomosirend, oder verzweigt oder unterbrochen.

ı Zu Ehren von Herrn Prof. Dr. Lupwıs Kıeın. Vgl. Flora 1893, Heft L

1 SCHMIDLE: [78

Die Makrozoogonidien bilden nach kurzem Schwärmen schleimig grüne Ueberzüge über Holz, Wasserpflanzen etc., indem sie ohne Verlust der Geisseln sich mit einer Gallerthülle umgeben.

Sie vermehren sich in diesem Zustande durch Quertheilung. Aehnlich gebaute Mikrozoogonidien wurden ebenfalls beobachtet. Tab. I, Fig. 4 und 5. In der Umgebung St. Peters in Teichen und Brunnen häufig fast zu jeder Jahreszeit.

Unterscheidet sich von dem ähnlichen Chlamyd. grandis STEIN oblusa ÜIENKOWSKI durch das Fehlen eines Schnabels, die kon- stante Zweizahl der Pyrenoide, die geringere Grösse, die mehr ob- longe Körpergestalt und die Beschaffenheit des Chromatophors. Von Chl. obtusa A. Br., welches kein Stigma besitzt, und Chi. Steinüi Goro. ist es schon durch die Anzahl der Pyrenoide unterschieden. Chl. metastigma STEIN ist kleiner und hat das Stigma in der hinteren Körperhälfte,

Haematococcus lacustris ROSTAF.

In Felsenlöchern im Dreisambette bei Freiburg, August 1892.

55. Phacus pleuronectus EHRBG.

Bei Baden-Baden in Teichen häufig.

56. Phacus pyrum STEIN.

In einem Graben bei Ludwigshafen zerstreut, Okt. 1891.

57. Euglena viridis EHRBG.

Bei Baden-Baden, St. Peter etc. häufig in Teichen und Gräben.

58. Euglena sanguinea EurB6.

In einem Teiche bei St. Peter und Güntersthal häufig, Aug. 1892.

Familie ?Palmellaceae.

59. Hydrodictyon reticulatam LAGERN.

In einem Teiche bei Baden-Baden und ın den Hanfrezen von Sinzheim das Wasser grün überziehend. Spätsommer und Herbst 1890 und 1891.

60. Pediastrum integrum NAEG. Einzellige Algen Tab. V, Fig. 4.

In einem seichten Tümpel bei Sandweiher (Baden-Baden) Sommer 1890 selten.

61. Pediastrum Boryanum EHRBRG.

Hanfrezen von Sinzheim, bei St. Peter etc. zerstreut.

In dem Altrhein von Neuhofen häufiger (Oct. 92) in einer durch schlanke, an der Spitze kolbig verdickte Fortsätze ausgezeichneten Form.

79] Beimräse zur ALGENFLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE. 12

62. Pediastrum Boryanım var. granulatum A. Br.

Sandweiher mit obiger Alge, Hanfrezen bei Sinzheim und Reutti, in Teichen bei St. Peter zerstreut. Sehr häufig in einem Brunnen in Königschaffhausen am Kaiserstuhl unter Oladophorarasen Aug. 1892.

63. Pediastrum dupler MEYER a genuinum LAGERN.

St. Peter in Teichen selten; häufig in einer Hanfreze bei Reutti, selten bei Sinzheim.

64. Pediastrum letras RALFS.

Hanfreze von Sinzheim zerstreut, seltener bei St. Peter.

65. Pediastrum bidentulum A. Br. CookE brit. Fr. W. A.

Mab; WunBisHl:

Hanfrezen von Sinzheim, sehr selten, Sommer 1890.

66. Pediastrum rotula EHRBG. (COOKE, brit. Fr. W. A., Tab. 18, Fig. 2d.)

Hanfrezen von Reutti, sehr selten, Aug. 1892.

67. Coelastrum microporum NAEG., häufig in den Teichen bei St. Peter, Hanfrezen von Sinzheim und Reutti.

68. Coelastrum pulchrum n. sp.; vergl. Berichte der deutschen bot. Gesellschaft, 10. Jahrg., Heft 4.

Die Zellen sind rund, mit dicker Zellhaut und tragen 5 bis 6 seitliche farblose, starke Fortsätze in regelmässigen Abständen, wo- durch sie zu einem zierlichen, mit grossen, mehr oder weniger regel- mässigen Lücken versehenem Netzwerk gegenseitig verbunden sind. Ein ähnlicher Fortsatz ragt frei nach aussen. Coenobien kugelig, bis 72 w im Durchmesser, Zellen bis 12 u ohne Hülle, Hülle bis 3 ».

Die Alge ist von dem zunächst verwandten Coel. cubicum NAEG. nach NAEGELT's genauer Beschreibung in „Einzell. Algen“, pag. 97 und Fig. C2 Tab. V grundverschieden..

Tab-al,jcBie;210.

Sehr zerstreut in den Torfmooren bei Kaiserslautern und in Teichen bei St. Peter.

Am letzten Standorte wurde noch eine Form bemerkt, welche bei etwas kleineren runden Zellen keine nach aussen gerichtete Fortsätze trägt, ebenso fehlen auch die Verbindungsbrücken zwischen den einzelnen Zellen, welche bloss durch Berührung der starken Zellhäute miteinander in Verbindung stehen. Es scheint mir diese Form identisch mit:

69. Coelastrum? robustrum ReEınscH. Algenflora von Franken, pag. 88, und eine durch Grösse der Zellen und Stärke der Zellhaut ausgezeichnete Variation von Coelastrum microporum NAEG. zu sein.

13 SCHMIDLE: [80 Vel: Tab JE.

Ebendahin scheint mir auch das kaum zu unterscheidende ‘Coe-

lastrum spaericum var. compacta MoEBıus, Flora 1892, zu gehören. Coelastrum cubicum NAEG., Einzell. Algen.

In dem Dreisamsandfang bei Freiburg, Aug. 1892, selten.

71. Scenedesmus bijugatus Krz6.

Hanfrezen von Sinzheim ziemlich häufig.

72. Scenedesmus quadricauda BREB.

In einem Tümpel bei Sandweiher sehr häufig, bei Mannheim zerstreut.

73. Scenedesmus obliquus KTZG.

In einer steinernen Brunnenschale bei Baden, das Wasser grün färbend, mit Ahaphidium polymorphum FRESEN.

74. Mischococcus confervicola NAEG.

Bei Neuenburg im Tümpeln der Rheininsel, in der Umgebung von Müllheim (namentlich in Brunnen) häufig an Wasserpflanzen festsitzend und auf Holz oft bis 2 dem hohe, freudig-grüne, schlei- mige Räschen bildend, ebenso in Brunnen bei Ebringen. Februar und März häufig, im Sommer selten werdend. In einem Brunnen bei Zunzingen (Müllheim), wo die Alge Februar 1891 besonders reichlich vegetirte, fand ich eine Form:

75. Mischococcus confervicola forma ramosa mihi.

Die Pflanze ist nicht dichotom verzweigt, sondern der Stamm zertheilt sich in 4 Aeste, von welchen einer eine falsche Hauptachse bildet. Tab. I, Fig. 6—10. |

Die Bildung des Gallertstieles findet man fast überall ungenau be- schrieben und gezeichnet nämlich so, wie er aussieht, wenn die wasser- reiche Gallerte durch Austrocknung, Alkohol oder contrahirende Färbe- mittel geschrumpft ist. Am besten nfacht man die ungefärbt kaum sicht- bare Gallerte dadurch deutlich, dass man eine sehr schwache wässerige Lösung von Diamantfuchsin vom Rande des Deckglases aus langsam zu- treten lässt. Man sieht dann an guten Präparaten, bei welchen keine Con- traction stattgefunden hat, dass der Gallertstiel ebenso dick, oft dicker als die einzelnen Zellen ist, dass an der Ursprungsstelle des Zweiges in der Gallerte ein runder hohler Raum sich befindet, in welchem ursprüng- lich die ungetheilte Scheitelzelle des Zweiges sich befunden zu haben scheint, ferner dass die Endzellen der Zweige in der Gallerte sich befinden und von derselben oft wievon einem weiten Mantel, Tab. I, Fig. 9, umgeben sind. Zu einem ähnlichen Resultate scheint Borzı nach der mir gütigst zugeschickten Tafel (Tav. X) in einer mir

r 81l BEITRÄGE ZUR ÄLGENFLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE. 14

nicht zugänglichen Abhandlung seiner Studi algologiei fasc. II ge- kommen zu sein.

76. Sciadium arbuscula A. Br,

In den Hanfrezen von Sinzheim höchst selten; Sommer 1890.

77. Ophiocytium majus NAEG.

In Gräben bei Baden-Baden zerstreut.

78. Ophiocytium cochleare A. Ba.

Hanfrezen bei Sinzheim ziemlich selten, häufig bei Neuenburg.

79. Selenastrum gracile REINSCH.

In den Hanflöchern bei Reutti zerstreut, Aug. 1892.

80. Rhaphidium polymorphum FRESEN.

Bei Baden-Baden etc. häufig.

81. Rhaphidium conrolutum Ren.

in einer Algenkultur aus der Gegend von Mannheim häufig, Jnli 1892.

82. Polyedrium trigonum NAEG.

In einem Graben bei Baden-Baden unter Spirogyren selten.

83. Polyedrium tetragorum NAEG.

Hanfrezen von Sinzheim, sehr selten.

Ss4. Polyedrium enorme DE By.

Hanfrezen von Sinzheim, sehr selten.

85. Polyedrium lobulatum N AEG.

Bei Kaiserslautern höchst selten, ebenso bei Mannheim in einem Rheintümpel des Neckarauer Waldes.

86. Eremospaera viridis DE By.

Bei St. Peter in Wiesengräben häufig, im Nonnenmattweiher zerstreut.

57. Characium obtusum A. Br.

Bei Baden-Baden in einem Teiche an Uyklops festsitzend und dieselben grün überziehend, Sommer 1889.

88. Characium longipes RBH.

Bei Baden-Baden in einem Graben an Fadenalgen ziemlich häufig, bei Mannheim seltener, Sommer 1892.

89. Tetraspora erplanata AG.

In einem Graben bei St. Peter, Herbst 1891.

90. Tetraspora lubrica A.

In einem Waldgraben bei Baden-Baden, Sommer 1889.

91. Tetraspora gelatinosa A. BR.

In einem kleinen Teiche bei St. Peter, Aug. 1890, in den

Hanfrezen von Sinzheim, Frühjahr 1890. Berichte VII. Heft 1.

{er}

15 SCHMIDLE: [82

92. Schizochlamys gelatinosa A. BR.

In einem kleinen Teiche bei St. Peter, Aug. 1890.

kirchneriella n. g.'.

Die Zellen sind halbmondförmig, mehr oder weniger stark ge- krümmt und liegen oft regellos, oft alle mit der concaven Seite nach derselben Richtung gewendet, oft zerstreut, oft haufenweise beisammen, in einem formlosen Gallertlager. Dasselbe ist mikros- kopisch klein, doch von verschiedener Grösse, von 40 u im Durch- messer bis zu einem halben Millimeter; die Anzahl der eingeschlos- senen Zellen schwankt darnach von 4 bis zur Vielzahl.

Die Vermehrung geschieht durch Theilung. Die einzelnen Zellen theilen sich der Länge nach in 4 Tochterzellen, welche zuerst mit der concaven Seite nach gleicher Richtung gewendet, von der Mutterzellhaut umschlossen bleiben, vgl. Tab. II, Fig. 3, bis diese zerfliesst und zur Bildung des Gallertlagers beiträgt. Die Tochterzellen theilen sich oft rasch wieder, ohne vorher durch die verschleimenden Zellhäute im Gallertlager zerstreut worden zu sein, wodurch Nester von einer oft grossen Anzahl von Zellen im Gallert- lager entstehen, die wohl von einander getrennt sind, anfangs immer nach derselben Richtung schauen und nie mit dem Rücken einander zugekehrt oder wie bei Sel/enastrum verwachsen sind.

Die Anzahl solcher genäherter Zellen ist jedoch meist vier.

93. hkirchneriella lunata n. sp. = Rhaphidium convolutum var. /unara KiRCHNER. Algenfl. von Schlesien pag. 114.

Zellen 3 bis 5 u breit, zweimal so lang, an den Enden mehr oder weniger zugespitzt.

Viele Tabak. Irund?2:

In den Hanfrezen von Reutti zerstreut, Aug. 1892, häufiger in einem Rheinthümpel des Neckarauer Waldes bei Mannheim, Sommer 1892. An dem letzten Fundort wurden noch Gallertlager mit etwas grösseren halbmondförmigen Zellen bemerkt, welche zudem an den Enden deutlich abgerundet waren, so dass sie mir nicht zur obigen Art gehörend erscheinen, sondern wahrscheinlich eine weitere Art bilden.

Herr Prof. Dr. KırcHxeEr, dem ich einige Abbildungen der ge- fundenen Exemplare übersandte, hatte die Güte, mir darüber folgendes mitzutheilen: „Die mir zugesandten Abbildungen fraglicher Alge stim- men ganz mit Ahaphidium convolutum var. lunare überein und auch

1 Zu Ehren von Herrn Prof. Dr. Kırcuxer in Hohenheim.

83] BEITRÄGE ZUR ÄLGENFLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE. 16

mit den Abbildungen, die ich früher davon gemacht habe. Aus der (Grruppirung der Zellen meiner Abbildungen schliesse ich, dass ebenfalls eine Grallerteinbettung vorhanden war. Die systematische Stellung dieser Alge war zweifelhaft. LAGERHEIM (Bidray till Kännedomen oın Stock- holmstr. Pediastreer, Protococcoc6er och Palmellaceer) erklärt sie für identisch mit Selenastrum Bibraianum R., wovon ich deshalb nicht überzeugt bin, weil bei Sel/enastrum die sichelförmigen Zellen miteinan- der verwachsen sind und eine Gallertumhüllung fehlt. Zu Ahaphidium gehört wegen dieser letzteren die Alge auch nicht. Man muss sie zu den Pleurococcaceen im Sinne von Wir stellen, in die Nähe von Schizochlamys, meiner Ansicht als neue Gattung, welche durch die Gestalt der Zellen, die von Ihnen beobachtete Zelltheilung und das gallertartige Lager sehr gut characterisirt ist. Ob nicht manche jetzt zu Selenastrum gerechnete Formen dann ebenfalls zu dieser Gattung gerechnet werden müssen, wäre die Sache weiterer Untersuchung.“

Es stimmt dieses ganz mit meiner eigenen Auffassung überein, und ich habe nur hinzuzufügen, dass es mir an dem einen Fundort (Neckarauer Wald) nie gelang, eine Selenastrumart aufzufinden. Auch war es mir möglich, die Alge ein Jahr lang im Freien ständig, wenn auch immer in wenigen Exemplaren zu beobachten, und einmal einen Monat lang isolirt zu cultiviren, ohne je Veränderungen zu bemerken, welche auf einen Zusammenhang mit Ahaphidium oder Selenastrum hin- deuteten; sie zeigte constant das geschilderte Verhalten. Nach dem, was wir bis jetzt über die Entwickelung von ARhaphidium und Sele- nasirum sicheres wissen, müssen wir die genannte Alge als eine nicht zu diesen Gattungen gehörige Form betrachten. Als ein weiteres trennendes Merkmal scheint mir noch das Verhalten bei der Zell- theilung angeführt werden zu müssen. Bei Se/enastrum theilt sich die Zellhaut mit und die zweite Theilung ist eine schiefe. Das erste ist hier sicher nicht der Fall, und das zweite konnte ich bis jetzt nicht bemerken, die zweite Theilung schien mir auch Längstheilung zu sein.

Zum Genus Aörchneriella müssen nach den Zeichnungen noch gerechnet werden: Scenedesmus? radiatus in RACIBORSKI: Nowe Gatunki Zielenic, Krakow 1893, tab. III, fig. 11, pag. 2, und Wesr.: Selenastrum obesum in Jour. Roy. Microsc. Soc. 1892, pag. 22, tab. X, fig. 50—52. Die in den Abbildungen ersichtliche Gruppirung setzt auch bei diesen beiden Formen ein Gallertlager voraus, das, wie es scheint, von den Autoren übersehen wurde.

94. Palmodactylon simplexr NAEG. Einz. Algen. Tab. II.

6*

17 SCHMIDLE: | [84

St. Peter in einem Graben zerstreut mit der Form:

95. Palmodactylon subramosum NAEG. ]. c.

Letztere Form auch in den Hanfrezen von Sinzheim selten.

96. Staurogenia rectangularis A. Br. COORE, Brit. Fr. W. Ale. Tab. XVILI, Fig. 3.

In den Hanfrezen von Sinzheim selten im Sommer 1889, häu- figer im Frühjahr 1890, selten im October 1891 bei Ludwigshafen, ziemlich häufig im Frühjahr 1892 bei Mannheim im Neckarauer Walde und Juli 1892 im Hafengebiete.

97. Dictyospaerium pulchellum W 00».

In den Hanfrezen von Sinzheim und bei Reutti ziemlich häufig.

98. Dietyospaerium Ehrenbergianum NAEG.

Mit obiger seltener.

99. Dimorphococcus lunatus A. BR.

Sehr häufig in einer Hanfreze bei Reutti, Aug. 1892, selten in der Dreisam bei Freiburg und im Sandfang bei Freiburg, Aug. 1892.

100. Nephrocytium Agardhianum NAEG.

Hanfrezen von Sinzheim und Reutti zerstreut.

101. Oocystis Naegelii A. Br.

Bei Sinzheim mit obiger seltener.

102. Apiocystis Braunii NaE6.. Einzell. Algen, Tab. II, A 1.

In einem Rheintümpel zwischen Mannheim und Neckarau von März bis Juni 1892 häufig.

103. Gloeocystis gigas LAGERH.

In den Hanfrezen von Sinzheim zerstreut.

104. Botryococcus Braunmü KTz6.

In eimem Brunnen bei Müllheim selten, häufiger in den Alt- rheinen bei Mannheim, ‚Juni 1892.

105. botryococcus caleareus WeEstT.: Journal of Botany 1891, pag. 192, tab. XVII, fig. 6.

Bei Virnheim in Sümpfen, März 1893, zerstreut.

106. Pleurococeus mucosus RBu.

An einem Baumstrunk am Waldsee bei Baden-Baden eine schleimige grüne Masse bildend, Frühjahr 1890.

107. Palmella mucosa KTz6.

In einem Brunnen bei Ebersteinburg am Moose haftend.

108. Palmella botryoides KTzc.

An einem Baumstamme am Waldsee bei Baden-Baden, October 1890.

85] BEITRÄGE ZUR ALGENFLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE. 18

109. Porphyridium ceruentum NAEG.

Auf feuchter Erde in der Salzsaline bei Dürkheim. Aug. 1892. 110. Trochiscia stagnalis HAns6.

Sümpfe bei Mannheim, März 1893.

Ordnung Conjugatae. Familie Zygnemaceae.

111. Messocarpus scalaris Hass.

Im Bellgrab bei Mannheim, Juni 1892 fructificirend, zerstreut.

112. Mongeotia viridis WITTR.

In einem Graben bei Geroldsau, Baden-Baden, zerstreut, Juni 1890.

113. Zygnema cruciatum A6.

In Gräben bei Baden-Baden und S. Peter häufig.

114. Zygnema ericetorum Hansg. var. terrestre Kirch.

St. Peter, auf überrieseltem, sumpfigem Wiesenboden Frühjahr 1590 u. 1891.

115. Spirogyra porticalis ÖLEVE.

In einem Gartenteich bei Baden-Baden, Graben bei Müllheim Mai 1890 u. 1891 fructificirend.

116. Spirogyra cateniformis Hass.

In einem Waldgraben des Abtsmoorwaldes bei Bühl, Mai 1890 fructificirend.

117. Spirogyra varians KTZ6.

Aus einem Graben bei Geroldsau, Sommer 1890 fructificirend.

118. Spirogyra mazima W ITTR.

Hanfrezen von Sinzheim zerstreut, Frühjahr 1890 fructificirend.

119. Spirogyra crassa KTz6.

Waldgraben im Abtsmoorwald bei Bühl, Mai 1890 fructificirend.

120. Spirogyra longata KTze.

St. Peter in Teichen, Aug. 1891, Bellgrab bei Mannheim, Juni 1892 fructificirend.

Spirogyra ternata Rıparr (Petit. Spirog. Paris p. 26, Tab. VIII, Fig. 4—17).

In einem Graben des Abtsmoorwaldes bei Bühl, Mai 1890 fructifieirend.

121. Spirogyra bellis CRONAU.

In einem Sumpfe vor Sinzheim, Frühjahr 1890 fructificirend.

122. Spirogyra tenuissima KTz6G.

Wie oben.

19 SCHMIDLE: [86

123. var. Naegelüi Petit.

Bei Geroldsau in einem Graben, fructifieirend Sommer 1890.

124. Spirogyra neglecta KTZG.

Baden-Baden in Gräben April 1890 fructificirend.

125. Spirogyra Weberi KrzG.

Hanfrezen von Sinzheim April 1890, in einem Brunnen von Ihringen Aug. 1892.

Familie Desmidiaceae.

126. Hyalotheka dissiliens BREB.

In einem Eisweiher bei Baden Febr. 1890, Herrenwiesersee, bei St. Peter in Teichen und Gräben, bei Kaiserslautern ziemlich häufig.

127. Hyalotheka mucosa EHRBG.

Hanflöcher von Sinzheim Spätjahr 1889 und Frühjahr 1890 häufig, gegen den Sommer verschwindend.

128. Gymnozyga moniliformis EHRBG.

Hohloh-, Herrenwieser-, Nonnenmattweihersee, bei St. Peter und Kaiserslautern häufig.

129. Sphaerozosma vertebratum RAULFS.

Hantlöcher von Sinzheim, in einem Teiche von St. Peter häufig.

130. Sphaerozosma ezcavatum BRAULFS.

Hanflöcher von Sinzheim sehr zerstreut, ebenso bei St. Peter in einem Teiche.

131. Sphaerozosma depressum RABH.

In einem Teiche bei St. Peter zerstreut.

132. Sphaerozosma pulchellum RABH.

Im Nonnenmattweihersee zerstreut, Juni 1891; ebenso im Hoh- lohsee und Herrenwiesersee: dort meistens in die einzelnen Zellen aufgelöst, welche dann genau das Aussehen hatten, von Cosm. Ham- meri var. relusiforme WILLE, Bidrag til Kundsk. om Norg. Fresk- vand, Pl. I, Fig. XVI, jedoch kleiner waren.

133. Desmidium Swartzii Ac.

St. Peter in Teeichen häufig, bei Kaiserslautern, in den Hanf- rezen von Sinzheim zerstreut.

134. Desmidium aptogonum BReE».

In einem Tümpel auf der Rheininsel bei Neuenburg, Frühjahr 1891.

135. Desmidium ceylindricum Greve = Didymoprium Grevillei KT6.

Herrenwiesersee, St. Peter stellenweise häufig, im Sandfange der Dreisam bei Freiburg i. B. Aug. 1892 häufig.

87] BEITRÄGE ZUR ALGENFLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE. 90

136. Genicularia spirotaenia DE By.

Im grossen Weiher bei St. Peter Ostern 1892 häufie.

137. Cosmocladium pulchellum DE By.

In den Hanfrezen von Sinzheim selten, häufiger bei Kaisers- lautern.

138. Mesotaenium Endlicherianum NAEG.

In Gräben bei St. Peter und Baden, im Herrenwiesersee ziem- lich häufig.

var. grande NORDST.

In einem Toorftümpel der Badenerhöhe im Schlamme des Bodens sehr häufig, Sommer 1889.

139. Spirotaenia condensata BREB

In einem Eisweiher bei Baden-Baden, Febr. u. März 1890 sehr häufig, bei St. Peter Frühjahr und Herbst 1891 zerstreut, ebenso im Nonnenmattweihersee Juni 1891 zersreut.

140. Spirotaenia obscura RALFS.

Sehr häufig im Aug. 1892 im Moore von Erlenbruck.

141. Cylindrocystis Brebissonii MENEGH.

Hohlohsee zerstreut, Mai 1890.

142. Penium margaritaceum BREB. var. punclatum RALFS. Wet Kress Desm. Ostpr. pag. 21, Tab. II 18b.

Bei St. Peter Ostern 1892 im „grossen Weiher“ ziemlich zerstreut, häufiger in den Torfmooren von Kaiserslautern Sept. 1892.

Die beobachteten Formen zeigten sämmtliche, wie bei RALrs Tab. 25, Fig. 1d keine Einschnürung in der Mitte, sondern waren oft eylindrisch, nur gegen die breit abgerundeten Enden etwas ver- schmälert, oft mehr oder weniger spindelförmig. Breite 24 ıw. Die Punkte waren zu Längsstreifen verschmolzen. Tab. II, Fig. 4 stellt ein Exemplar von St. Peter vor, Fig. 5 eines von Kaiserslautern, die sämmtlich bedeutend kleiner sind.

143. Penium cylindrus BREB»B.

Herrenwiesersee sehr selten.

144. Penium eylindrus BrEB. var. silesiacum Kırcn = Calocy- lindrus cyl. var. siles. KırcH., Algen Schlesiens pag. 143.

Die von mir beobachtete Form aus dem Torfmoore von Kaisers- lautern ist 46 u lang, 12 u breit, zeigt kaum sichtbare Einschnürung in der Mitte und ist mit stumpfen, kegelförmigen Warzen dicht und unregelmässig besetzt. Vgl. Tab. II, Fig. 6. Sehr selten in einem Präparate von Herrn LAUTERBORN.

9] SCHMIDLE: [88

145. Penium digitus BREB.

Häufig im Schwarzwalde, St. Peter, Hohlohsee, Herrenwieser- see, ebenso bei Kaiserslautern.

146. Penium interruptum BREB.

195 u lang, 50 w breit, sonst wie Typus. Selten in dem Torf- moore bei Kaiserslautern.

147. Penium closterioides RALFS.

Im „grossen Weiher“ bei St. Peter auf dem Grunde selten, Ostern 1892.

Penium closterioides RALFS forma interrupta WeEsT.: Jour. Roy. Microsc. Soc. 1892, pag. 9.

Rab. I Rie

Das Chlorophyll ist wie bei Penium interruptum viermal unter- brochen, die Gestalt jedoch schmal spindelförmig, wie bei Penium closterioides Endvacuolen vorhanden, 240 1. lang, 40—44 u breit.

In dem Torfmoore von Kaiserslautern zerstreut, Aug. 1892.

148. Penium Naegelii Brep. (NAEG. Einzellige Algen, pag. 108, Tab. SIG»:

Bei St. Peter in einem Wiesengraben, Pfingsten 1890, sehr selten.

149. Penium navicula BREB.

Häufig mit folgender Species, seltener bei St. Peter und Kaisers- lautern.

150. Penium Mooreanum ÄRCHER.

Unter den beobachteten Exemplaren kommen etwa in gleicher Mischung Formen vor, welche in der Mitte spitz eingeschnürt sind (Fig. d), und solche, welche vollkommen elliptisch sind, Fig. a und b, nebst vielen Mittelgliedern. Die Zellhaut ist glatt und weiss, der Scheitel breit abgerundet, das Chlorophyll ist in der Mitte bald unter- brochen, bald nicht (bei kleinen Formen), Endvacuolen fehlen; Länge 20—26 y, Breite 12 », gewöhnliche Länge 24 1.

Vgl. Tab. IL, Fig. 8 und 9.

Danach der Diagnose Penium MooreanumArcn. keine Einschnürung hat, sokann man die mit einer solchen versehenen Exemplareabtrennenals

var. constricta

Tabx I, „Rıg.210.und. 11;

Sehr häufig im ersten Frühjahr 1890 in einem kleinen Wald- graben oberhalb des Herrengutes bei Baden-Baden mit Penium navicula BREB. und einigen Öosmarien- und Staurastrum-Arten !.

Nach De Toni Sylloge Algarum pag. 862 wurde Pen. Mooreanum ArcH. schon von SURINGAR bei Baden-Baden beobachtet.

89] BEITRÄGE ZUR ALGENFLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE. 99

151. Penium oblongum DE By.

Bei St. Peter und im Herrenwiesersee etc, auf dem Schwarz- walde sehr zerstreut.

152. Penium lamellosum WOLLE Desm. U.S., Tab. 5, Fig. 4.

In den Torfsümpfen von Kaiserslautern ziemlich häufig, Aug. 1892.

153. Closterium gracile BreB. WOLLE Desm. U. S., Tab. VI, Fig. 4—5.

In den Hanfrezen von Sinzheim sehr selten, April 1890.

154. Closterium juncidum RALFS brit. Desm. Tab. XXIX, Fig.6.

Einmal beobachtet in einem Eisweiher bei Baden, erstes Früh- jahr 1890.

155. Closterium macilentum BrEB. WOLLE Desm.U.S, Tab. VI, Fig. 6.

In den Torfmooren von Kaiserslautern sehr selten, Aug. 1892.

156. Closterium angustatum Krze. RaLrs Brit. Desm. Tab. XXIX, Fig. 4.

Im „grossen Weiher“ bei St. Peter Ostern 1892 selten; häufig bei Kaiserslautern Aug. 1892. Vgl. Tab. II, Fig. 12.

Ebendaselbst befanden sich unter dem Typus noch eine beinahe vollständig gerade und kaum verschmälerte Formen, vgl. Tab. I, Fig. 13, 320 u lang, 20 uw breit, mit brauner Zellhaut:

rar. subrecta nob. Vgl. auch WOLLE Desm. U. St. Tab. VI, Fig. 21.

157. Closterium didymotocum ÖORDA. RALFS Tab. X X VIII, Fig.7.

Im „grossen Weiher“ bei St. Peter Ostern 1892 selten.

158. Closterium acerosum EHRBG.

Bei St. Peter in einem Teiche häufig, seltener bei Eberstein- burg, in den Hanfrezen von Sinzheim, bei Rechtenbach in emem Brunnen; häufig bei Kaiserslautern.

159. var. minus HANTscH.

142 u lang, 20 u breit; in einem Waldgraben des Abtsmoor- waldes zersreut. Bei St. Peter wurden neben der typischen Form lange und sehr schmale Formen beobachtet mit brauner, nicht gestreifter Zellhaut, Länge 370 ıw, Breite 20 u.

160. Closterium striolatum, 0. typicum KuEess Desm. Ostpr. ab. I, Fie.A4a.

In den Hanfrezen von Sinzheim im Juni 1890 häufig, bei St. Peter in Gräben zerstreut, bei Kaiserslautern ziemlich häufig Aug. 1892.

161. Closterium striolatum forma erectum KLEBs Desm. Ostrp. Tab. II, Fig. 3 und 4b.

93 SCHMIDLE: [90

In einem Graben von Baden gegen Oos häufig; seltener in einem solchen des Abtsmooswaldes.

162. Closterium attenuatum EHRENBERG. RaLrs Brit. Desm. Dab. XXI FRier

In den Hanfrezen von Sinzheim sehr selten, Frühjahr 1890.

163. Closterium Lumnula NiTzscH.

Baden, in dem Waldgraben beim Hungerberg sehr häufig, ebenso bei Kaiserslautern, seltener bei St. Peter und in einem Brunnen bei Rechtenbach.

164. Closterium Delpontei (Kress). De Toni Sylloge Algarum pag. 832. Kress. Desm. Ostpr. Tab. II, Fig. 6a.

In den Hanfrezen von Sinzheim zerstreut.

165. Closterium intermedium RALFS.

Bei St. Peter in Gräben sehr zerstreut.

166. Closterium acutum BREB. RALrs Brit. Desm. Tab. XXX, Fig. 5.

In einem Waldgraben bei Baden mit Pen. Mooreanum sehr zerstreut, Frühjahr 1890.

167. Closterium lineatum EuRrBG. WOLLE Desm. U. St. Tab. VI, Bi2,016.

In den Hanfrezen von Sinzheim äusserst selten.

168. Closterium Dianae EHRBG.

In den Hanfrezen von Sinzheim und bei Baden etc. häufig.

169. var arcuatum RaABn.

St. Peter in einem Graben sehr selten.

170. Closterium acuminatum Kr1z6. WOLLE Desm. U. St. Tab. VII, Fig. 18—19.

In einem Graben bei Bingen (zwischen Lörrach und Müllheim) ziemlich häufig, März 1891.

171. Closterium Venus KrTz6.

Sinzheimer Hanfrezen und bei St. Peter häufig.

172. Closterium Archerianum b compressum KLEBs. Desm. Östpr. Taf. T, Fig. 11ab.

Häufig in einem Eisweier bei Baden-Baden, Febr. 1890.

Die beobachtenden Formen waren etwas grösser als die von Kress: 192 y lang, 18 u. breit.

173. Closterium Jenneri RALrs.

Sinzheimer Hanflöcher selten.

174. Closterium Ehrenbergii MENxEGn.

Sinzheimer Hanfrezen zerstreut; sehr häufig in den Brunnen der

91] BEITRÄGE ZUR ÄLGENFLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE. 94

Umgebung Müllheims, doch sind hier die Formen in der Mitte der Bauchseite kaum angeschwollen. Sandfang an der Dreisam bei Freiburg.

175. Closterium moniliferum EHRENBERG.

Sinzheimer Hanfrezen zerstreut, ebenso im Herrenwiesersee, häufig bei Binzen.

var. concavum KLEBS. Desm. Ostpr. Tab. I, Fig. 5b.

Im Altrhein bei Neuhofen (Bayr. Pfalz) ziemlich häufig, Sept. 1892. Vergl. Tab. II, Fig. 14.

Unsere Form dürfte der von RAcıBorskI in „Desmidya wpodrozy na Okoloziami“ 1892 gezeichneten Tab. I, Fig. 37, pag. 34 nahe stehen.

176. Closterium Leibleinü KrzG.

In den Hanfrezen von Sinzheim und bei Rechtenbach zerstreut.

177. Closterium Ralfsii BREB.

In den Hanfrezen bei Sinzheim ziemlich selten.

178. Closterium rostratum EHRENBERG.

In einem Eisweiher bei Baden-Baden zerstreut mit (7. Archeri- anım $. compressum; ebenso bei Sandtorf, Nov. 1892.

179. Closterium pronum BRE».

Sehr selten in einem Sumpfe bei Steinbach (Baden-Baden), Mai 1890. |

180. Disph. ceurtum var. erziguum Hanse. ]. c. pag. 184.

In Eschbach bei Freiburg auf überrieseltem Brunnentroge, März 1893, ziemlich häufig.

151. Disphinctium palangula HansG. Prodrom. pag. 184.

Herrenwiesersee zerstreut.

182. Disphinctium globosum Haxs6. 1. c. pag. 243.

In einem Graben zwischen Baden und Oos nicht häufig.

1853. Disphinct. globosum var. subviride n. var.

Zellen in der Gestalt von D. gl. var. compressum WILLE: Fersk- van. Nov. Semlja, pag. 45, tab. XIII, fig. 43a, doch mit kreis- runder Scheitelansicht und glatter Zellhaut. Länge ca. 32 1, Breite 18 u, am Isthmus 14 u.

VekfRabkrVLeFieJ8:

Im Neuhofner Altrhein und bei Virnheim zerstreut.

154. Disphincltium conatum DE By.

Dreisamsandfang bei Freiburg, Aug. 1892, ziemlich häufig.

155. Disphinetium quadratum var. Willei nob Cosmarium qua- dratum forma W ıLLE in Ferskvandsalger fra Novaja Sem]ja Tab. XII, Bire22070. 21; Pag? 37.

25 SCHMIDLE:! [9 8

Die Seiten der Halbzelle sehr breit abgerundet, der Scheitel con- vex, die Mitteleinschnürung seicht und bald erweitert; zwei Chlorophyliplatten mit je einem Pyrenoid in der Halbzelle. Scheitel- ansicht rund. Grösse nach WILL 1. c. 50--61 1, forma major bis 761, meine Exemplare 56—61 1; Breite nach WILLE 30—37 y, forma major bis 46; meine Exemplare 32 u. bis 44 u.

Vgl. Tab. II, Fig. 17w.2:

Ziemlich häufig, nicht mit dem Typus vermischt, in einem Rheintümpel bei Neckarau, Mai 1892.

186. Disphinctium quadratum Hans6. forma.

Tabl, Ries!

Scheitel der Halbzellen hoch convex, Einschnürung ziemlich tief, innen erweitert, zwei Pyrenoide in der Halbzelle. Zellhaut glatt; 68 u lang, 40 u breit, Isthmus 20. Aehnlich der von BORGE: Ett little Bidrag till Sibiriens etc. Stockholm 1891, Fig. VI gezeich- neten Form, doch mit tiefer Einschnürung wie bei RAurs brit. Desm. Tab. XV, Fig. 1a.

Zwischen Mannheim und Neckarau in einem Rheimtümpel selten, Mai 1892.

187. Disphinctium cucurbita REINSCH.

Herrenwiesersee, Hohlohsee, Nonnenmattweihersee zerstreut. Ebenso bei St. Peter in einem Teiche und bei Kaiserslautern.

188. Disphinclium pseudoamoenum nob. = Cosmarium pseud- amoenum WILLE Bidr. Sydemar. Algenfl. pag. 18, Tab. I, Fig. 37.

Ich gebe die Diagnose dieser bis jetzt in Europa nicht ge- fundenen Desmidiacee. Mittelgross, 21. dick, ungefähr 2 mal länger als breit, 51 zu 26, beinahe cylindrisch, an den beiden Enden breit abgerundet, in der Mitte wenig eingeschnürt, die Einschnürung bald er- weitert, am Isthmus 201. breit, die Scheitelansicht elliptisch bis rund, die Membran der Länge nach kerbig-warzig. 2 Pyrenoide in jeder Halbzelle.

Die von mir beobachteten Exemplare stimmen in Form und (Grösse mit den von WILLE beobachteten genau überein. Die starken (rraneln jedoch stehen, wie es NorDsSTEDT Freschw. Alg. of N. Zeal and Austral pag. 50 beschreibt, in Horizontal und Querreihen, ohne dass jedoch, wie bei seiner Variation basilare, die zwei unteren Hori- zontalreihen am Isthmus doppelt granulirte Riefen bildeten.

Vgl. Tab. III, Fig. 4 u. 5.

Zerstreut im Nonnenmattweihersee, Juni 1891.

Ich rechne vorliegende Desmidiacee zur Gattung Disphinetium NAEG. wegen der geringen Mitteleinschnürung.

93] BEITRÄGE ZUR ALGFNFLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE 26

189. Disphinctium annulatum NAEC.

In den Hanfrezen von Sinzheim äusserst selten.

190. Disphinctium speciosum HansG. forma minor WILLE Ferskvandsalger fra Novaja Semlja, Tab. XII, Fig. 28.

Dreisam bei Freiburg, Aug. 1892, zerstreut.

191. Disphinctium notabile HansG. Prodr. pag. 186 = (osm. notab. BREB. WOLLE Desm. U. St., Tab. XLII, Fig. 12.

In einem Weiher bei Ebersteinburg (Baden-Baden) sehr zerstreut.

192. Docidium baculum DE By.

Ziemlich häufig bei Kaiserslautern, 1889; Sandfang der Dreisam bei Freiburg selten, Aug. 1892.

193. Docidium minutum RAULFS.

HanssirG Prodomus pag. 188, Delp. Desmid. Tab. XX.

Herrenwiesersee, Hohlohsee, Nonnenmattweihersee häufig.

194. Tetmemorus Brebissonii RALFS.

Hohlohsee, . Herrenwiesersee, Nonnenmattweiher, St. Peter, Kaiserslautern verbreitet.

195. Tetmemorus granulatus RAUFS.

Herrenwiesersee etc. seltener, ebenso bei Kaiserslautern, häufig in einem Wiesengraben bei St. Peter an Pfingsten 1890.

196. Tetmemorus levis RALFS.

Selten an einem feuchten Felsen beim Geroldsauer Wasserfall (Baden-Baden), ebenso in einem Waldgraben mit /en. Mooreanum ARCHER bei Baden, häufiger in einem Graben bei St. Peter.

Die beobachteten Exemplare waren oft etwas grösser als der Typus, 86 zu 20 u bei Geroldsau, 86 zu 24. bei St. Peter.

197. Tetmemorus minutus DE By.

Sehr selten im Herrenwiesersee. Länge 62 u, Breite 16 1.

198. Pleurotaenium Ehrenbergii DELP.

In den Hanfrezen von Sinzheim zerstreut, ebenso bei St. Peter in Teichen.

199. Pleurotaenium truncatum NAEG.

In Tümpeln im Hafengebiete von Mannheim, Juli 1892, ziem- lich häufig.

200. Pleurotaenium nodulosum DE By.

Im Dreisamsandfang bei Freiburg i. B. ziemlich häufig.

201. Pleurotaenium corronalum RABH.

Raurs. Brit. Desmid, Tab. XXXV, Fig. 6.

In einem Rheintümpel bei Neuenburg selten, Frühjahr 1891, in einem Eisweiher bei Baden, bei Kaiserslautern zerstreut.

97 SCHNIDLE: [94

Die bei Neuenburg und Kaiserslautern gefundenen Exemplare waren nur %4 1 resp. 231. breit.

202. Cosmaridium cucumis Gar. Conj. Tab. II = ?Cosmar. cucumis Corda.

In einem Rheintümpel bei Neuenburg zerstreut, Frühjahr 1891, in den Hanfrezen von Sinzheim selten.

203. Cosmaridium Ralfsii HAnsG. Prodr. pag. 244 (osm. Ralfsii Krz6.

Bei Kaiserslautern selten, Aug. 1892.

204. Nanthidium armaltum RALFS.

Bei Kaiserslautern ziemlich häufig, seltener im Moore bei Erlen- bruck, Aug. 1892.

205. Nanthidium aculeatum RALFS.

Bei Baden-Baden gegen Oos in Gräben selten, ebenso im Alt- rhein bei Neuhofen Bayr. Pfalz, Oct. 1892.

206. Nanthidium fasciculatum EHRENBERG var. ornatum NORD- STEDT Desmidieer fr. Grönland.

In den Hanfrezen von Sinzheim sehr zerstreut.

Ich gebe von meinen Exemplaren, welche mir mit der genannten Variation identisch zu sem scheinen, nach der in De Toxy Syliloge Algarum pag. 919 enthaltenen Beschreibung, folgende Diagnose:

Zellen so lang als breit, Halbzellen fast sechseckig, mit nieren- förmiger Basis und geradem Scheitel, an den oberen 4 Ecken der Halbzelle sind je zwei kurze (121. lange) gerade, oder leicht ge- krümmte Stacheln, Zellhaut glatt oder sehr leicht punktirt; in der Mitte jeder Halbzelle ist eine flache runde Anschwellung mit kreisförmig gestellten scharfen Graneln. Länge und Breite 60 u, Isthmus 14 u.

MelzabsIıE Rıe.6ab.

207. Aanthidium antilopaeum KrTz6.

In Gräben bei St. Peter selten, Aug. 1891.

NXanthidium antilopaeum KTzG. var. leve n. var,

Velalabıl, Bigsc;

Halbzellen elliptisch mit 4 Paar kurzen (12 1), starken, geraden Dornen. Zellhaut vollständig glatt und ohne Anschwellung.

Diese Variation nebst der Var. canadense Josh. in Journ. of. Bot. vol. XXIII, pag. 34 bildet den Uebergang zu Aanth. fasciculatum EHRENBERG, von welchem es sich durch die stark erweiterte Mittel- einschnürung unterscheidet. Es scheint mir deshalb am richtigsten Nanth. fasciculatum EuRrBG und Aanth. antilopaeum Krza als

95] BEITRÄGE ZUR ALGENFLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE, 98

Variationen einer Art zu betrachten, wie CookE und RALrSs, REINSCH etc. es thun. Ziemlich häufig an einer Stelle des Hoh- lohsees, Mai 1890.

208. Nanthidium cristatum BREB».

Im Dreisamsandfang bei Freiburg selten, Aug. 1892.

209. Nanth. Brebissoniüi var. basidentatum Börgesen Bornholms Desmidie-Flora pag. 151, Tab. VI, Fig. 11.

Bei Hugstetten (Freiburg) März 1893 selten.

210. Cosmarium granalum BREB.

Hanfrezen von Sinzheim ziemlich zerstreut, in einem Rhein- tümpel des Neckarauerwaldes ebenso, Frühjahr 1892, im Hafengebiet von Mannheim, Juli 1893.

var crenulatum NORDST.

Mit der typischen Form an den beiden letzten Fundorten zer- streut.

Tab. III, Fig. 8.

211. Cosmarium moniliforme RALFS.

In den Torfmooren bei Kaiserslautern ziemlich selten, Aug. 1892.

212. Cosmarium eriguum ARCHER. WILLE Norges Desmid. Tab. I, Fig. 14.

Im Dreisamsandfang bei der Karthause (Freiburg i. B.) selten, Aug. 1892.

Die Dimensionen waren 26 1 lang, 15 u. breit.

213. Cosmarium constrietum DELP. Desm. subalp. Tab. VII, Fig. 10—15.

Iın Herrenwiesersee und bei Kaiserslautern selten.

214. Cosmarium biocculatum BREB.

In den Hanfrezen von Sinzheim sehr zerstreut.

215. Cosmarium leiodermum Gay. Essai. Monogr. Conj. TabelsiRig. 16;

In einem Rheintümpel der Neuenburger Insel, März 1891, selten.

216. Cosmarium Meneghinii BrEB.

In den Hanfrezen von Sinzheim, bei St. Peter in Teichen, bei Mannheim etc. in der Form genwnum Kırch. Algen Schlesiens, pag. 148, zerstreut.

217. var. concinuum RABn.

Bei Mannheim und im Herrenwiesersee selten mit obiger.

218. var. granatoides nob.

Seiten der Halbzellen gerade mit je zwei welligen Erhebungen,

29 SCHMIDLE: [96

Scheitel hoch convex abgerundet; glatt, 1 Pyrenoid. 16. lang, 11 breit.

Bei Virnheim März 1893 ziemlich selten.

Pab-Vak Rig, 15.

219. Cosmarium crenulatum NAEG. Einz. Alg. Tab. VIIA, Fig. 7, pag. 120, forma c.

Zerstreut in den Hanfrezen von Sinzheim, in den Rheintümpeln der Umgebung Mannheims, Frühjahr 1892.

Dab--ERl, Ric. 9.

Neben dieser Form kam am letzten Fundort unter dem Typus noch eine durch 8 starke wellenförmige Buchten ausgezeichnete Form vor, welche zudem noch etwas grösser war, 251. lang, 181. breit. Dieselbe dürfte identisch sein mit der von OÖ. BoRGE in: Ett litel Bidrag till Sibiriens Chlorophyllophyce-Flora 1891 gezeich- neten Variation (Fig. 7): Cosmarium Meneghinii forma Reinschüi. Ich ziehe diese Form zu der von NÄGELI scharf bestimmten Art, die von Cosm. Meneghinii BrEB schon durch die halbkreisförmige Gestalt der Halbzellen genugsam ausgezeichnet ist.

Cosmarium crenulatum Naeg. var. Reinschüi nob.

Dab-Rl Ri 210:

220. Cosmarium braunii Reinsch ex par.

Algenflora von FRANKEN pag. 115. Formae A, a, Tab. X, Fig. 3a (nicht die anderen Figuren).

In einem Rheintümpel des Neckarauer Waldes ziemlich häufig.

Die hier beobachteten Formen waren constant durch die Grösse (36 bis 34 1. lang, 32 bis 30 u breit) von dem fast um die Hälfte kleineren Cosmarium NMeneghinii BREB ausgezeichnet, weshalb ich glaubte, sie von diesem trennen zu müssen. Dagegen varlirten sie, wie durch die Fig. 11 bis 14, Tab. III nachgewiesen ist, in der Art, dass jede der beiden Seitenlappen sich wieder ausbuchtet. Fig. 11 u. 12 zeigen den Uebergang; die oberen Halbzellen sind typisch ausgebildet, bei den unteren hat sich der dem Isthmus zu- nächst liegende Lappen schon ausgebuchtet, der andere nicht; Fig. 13 zeigt, wie sich auch dieser zu spalten beginnt, bei Fig. 14 sind beide Lappen auf jeder Seite der Halbzelle ausgebuchtet. Ich fasse die Formen zusammen zu der Variation:

Cosm. Braunii var, lobulatum.

Ferner varıirt die Art in der Hinsicht, dass der durch die starke Einbuchtung an der oberen Ecke vorgezogene Scheitel etwas zurücktritt, wodurch die Zelle etwas breiter erscheint. Die Lappen

.

97] BEITRÄGE ZUR ALGENFLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE. 30

des Seitenrandes sind dann mehr oder weniger unregelmässig aus- gebildet, meist wieder gelappt. Diese Formen, welche mit dem Typus keine Aehnlichkeit mehr zeigen, aber unbestreitbar zur Art gehören, bilden die Variation:

Cosmarium Braunii forma deformata.

Fig. 15, Tab. III zeigt den Uebergang zu dieser Variation, die obere Zellhälfte gehört der Variation /odulatum an, die untere der zuletzt genannten Form.

Die Zellhaut ist bei allen Formen glatt oder meist sehr fein punktirt.

Weitaus am meisten war am genannten Fundort zu jeder Zeit die zar. lobulatum vertreten.

221. Cosmar. crenatum BRALFS.

Bei St. Peter in Teichen, in den Hanfrezen von Sinzheim, in einem Waldgraben bei Baden ziemlich selten.

222. Cosm. crenatum var. nanum WILLE.

Dimensionen 281 lang, 20 u breit, 231 lang und 211. breit.

An feuchten Felsen des &eroldsauer Wasserfalls ziemlich selten, und auf dem Grunde des Neckars an stark fliessenden Stellen in Thorearasen. Die Exemplare des letztgenannten Fuundortes sind durch die starke Zellhaut und grosse Breite rel. zur Länge aus- gezeichnet.

223. Cosmarium alpinum BRacız. Desm. Polon. Tab. II, Fig. 2.

Bei St. Peter in Teeichen ziemlich selten.

224. Cosmarium Naegelianum BREB crenatum NAEG. Einz. Alg. Tab. VIIA, Fig. 8.

Bei St. Peter in Gräben ziemlich selten, ebenso in den Hanf- rezen bei Sinzheim.

Cosm. Naegelianum var. crenulatum nob.

Zellen grösser als beim Typus, 36 bis 46 1. lang, 30 bis 38 1. breit. Zellhälften trapischh mit konvexen, 4 bis 8mal ge- buchteten Seiten; Scheitel schmäler als bei den von NAEGELI gezeichneten Formen, und immer gerade abgestutzt. Zellhaut durch breite flache Erhebungen, die konzentrisch liegen, punktirt bis granulirt. Scheitelansicht und Chlorophyll wie beim Typus.

Tab. IH, Bie’16abetur1

Diese Form zeigt eine weitere Ausbildung des welligen Seiten- randes, welcher schon bei NAEGELI ]. c. als sehr variabel ge-

schildert wird. Berichte VII. Heft 1. 7

31 SCHMIDLE: [98

In einem Rheintümpel des Neckarauerwaldes sehr zerstreut, Frühjahr 1891.

225. Cosmarium linctum RALFS.

Im Nonnenmattweihersee ziemlich zerstreut, Juni 1891.

226. Cosm. nitidulum forma nach BÖRGESEN: Flora Brasil. centr. 1890, pag. 41, tab. IV, fig. 36a.

Alle beobachteten Exemplare zeigten konstant die oben bezeich- nete Form, nie eine andere. Dabei befand sich noch

var. subundulata nob, von derselben Form und Grösse: 40 1 lang, 32 p. breit, die Seiten jedoch leicht gewellt. Zellhaut glatt, 1 Pyrenoid.

In einem Tümpel des Neckarauer Waldes selten, Frühjahr 1892.

ab. Ill, Pig.18au: b, de Var tie:

227. Cosmarium subeucumis nob.

Zellen 54 bis 64 lang, 44 bis 45 u breit; Mitteleinschnürung tief, nach innen erweitert, am Isthmus 19 bis 17 u breit, Halbzellen hoch abgerundet, wie bei Cosmaridium Cucumis GAY, Zellhaut glatt; in jeder Halbzelle zwei Chlorophyllplatten mit je einem Pyrenoid. Scheitelansicht breit elliptisch.

Vel.. Tab. III, Fig.'20, 21,22:

Viele dahin gehörende Formen wurden wahrscheinlich früher mit Cosmaridium cucumis GAY zusammen zu (osmarium cucumis Cora gerechnet, welches nun in Folge der verschiedenen Chloro- phylistructur in die beiden Arten zerfällt.

Durch die geschilderte Chlorophylistructur ist u. A. von (os- maridium cucumis GAY (man vgl. Essai monogr. conjug. p. 78, Pl. II, Fig. 19), das ich anderwärts auffand, gänzlich verschieden.

In einem Teiche bei St. Peter, Juni 1891, häufig, ohne dass hier auch nur eine Form von Cosmaridium cucumis GAY hätte aufgefunden werden können.

228. Cosmarium pseudopyramidatum LuxD.

Im Herrenwiesersee ziemlich häufig. Dimensionen 66 bis 68 u. lang, 44 bis 48 1. breit.

229. Cosmarium serangulare LUNDELL Desm. Suec. Tab. II, Fig. 23.

Im Sandfange der Dreisam bei Freiburg i. B., Aug. 1892 selten.

230. Cosm. scenedesmus var. intermedium Gutwinski]. e. p. 46, Dab.T, Bigl28.

Bei Virnheim zerstreut mit einer

forma glabra nob.

09] BEITRÄGE ZUR ÄLGENFLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE. 32

Zellhaut glatt, sonst wie vor.

Tab. VI, Role,

231. Cosmarium Regnesii ReısscH. Algefl. von FRANKEN. Tab. VII, Fig. 8.

In den Hanfrezen von Sinzheim sehr selten.

232. Cosmarium punctulatum BREB.

In der genuinen Form in den Rheintümpeln um Mannheim zerstreut, bei Freiburg in der Dreisam, Aug. 1892.

233. (Cosmarium orbiculatum RALFS.

In den Sinzheimer Hanfrezen ziemlich häufig, zerstreut in einem Teiche bei St. Peter.

234. Cosmarium Wittrockii Lusnpd. Desm. Suec. Tab. III, Fig. 14.

Die beobachteten Formen zeichnen sich durch etwas grössere Dimensionen aus als bei Luxp. pag. 31; Länge 241, Breite 20 bis 24 u, sonst wie Typus.

Vgl. Tab. III, Fig. 22a u. b, Fig. 23.

In einem Rheintümpel des Neckarauer Waldes zerstreut; im Hafengebiete von Mannheim. Am letzteren Fundorte war noch eine Variation:

Cosm. Wittrockii var. elongata nob.

Zellen 35%» lang, 261 breit, Zellhaut feiner granulirt, Ein- schnürung stumpfwinkliger, obere Ecken mehr abgerundet, sonst wie Typus.

Vgl. Tab. III, Fig. 24a u. b.

235. Cosmarium solidum NorpstT. Desm. Spetsb. Tab. VI, Bis. 322:

Sehr zerstreut in einem Rheintümpel des Neckarauer Waldes, Frühjahr 1892.

236. Cosmarium margaritiferum MENEGH.

Bei St. Peter in Teichen, im Hafengebiete Mannheims zerstreut.

237. Cosmarium botrytis MENEGH.

Sinzheimer Hanfrezen ziemlich häufig, bei St. Peter in Teichen zerstreut, ebenso in der Umgebung Mannheims und am Kaiserstuhl.

var. tumidum WOLLE. Desm. U. St. XVII, Fig. 3—5 und meine Arbeit in den „Berichten der d. bot. Gesellsch.“. Tab. XI, Fig. 13, 14.

Hanfrezen von Sinzheim ziemlich häufig.

Vgl. Tab. IH, Fig. 25a u. b.

238. Cosmarium tetraophthalmum BREB.

33 ScHNIDLE: [100

Am Kaiserstuhl in Brunnen zerstreut, bei St. Peter in einem Teiche selten.

239. Cosmarium reniforme ÄRCHER.

In den Hanfrezen von Sinzheim und Reutti ziemlich häufig, bei St. Peter in Teichen zerstreut.

Cosm. reniforme var, compressum NORDSTEDT. Fr.W. Alg. of N. Zeal. pag. 46. Tab. V.

Hanfrezen von Sinzheim unter der typischen Form zerstreut.

Cosm. reniforme var. retusum SCHMIDLE, in den Berichten d. d. bot. Gesellsch. 1892.

Wie die Variation compressum Norp., doch der Scheitel etwas, aber deutlich zurückgezogen; Zellen so lang als breit; 56 zu d6u.

In den Hanfrezen von Sinzheim mit obiger Form.

VelsDab..IV,; Eig. 1a u. 1b.

240. Cosmärium Brebissonii MENEGH.

Sehr selten im schlammigen Grunde des „grossen Weihers“ bei St. Peter, Ostern 1892.

241. Cosmarium cyelicum LuxD. Desm. Suec. Tab. III, Fig. 6.

In einem Wiesengraben bei St. Peter, Pfingsten 1891, sehr selten.

242. Cosm. insigne n. Sp.

Zellen 42 —52 1, lang, 40—42 y. breit, ca. 281 dick. Isthmus: tief, nach innen etwas, nach aussen stärker erweitert. Halbzellen mit kaum nierenförmiger, fast gerader Basis, abgerundeten unteren Ecken, senkrecht ansteigenden konvexen Seiten, breit abgerundeten oberen Ecken und eben solchem Scheitel. Zellhaut überall granu- lirt, unterhalb des Scheitels mit 2 gekrümmten Horizontal- reihen starker runder Warzen. Scheitelansicht breit elliptisch,, ohne Tumor. 2 Pyrenoide in der Halbzelle.

Selten in den Sümpfen bei Virnheim (Mannheim), März 1893.

Tab. VI, Fig. 14.

Die Granulation hat mit der von Cosm. heragonum NORDST. Desm. Brasil. grosse Aehnlichkeit.

243. Cosmarium an pseudobroomei? WOLLE, Desm. U. St., pag. 86. Tab. LI, Fig. 36, 37.

Zellen 40 1 lang, 361. breit, 20%. dick, quadratisch, Mittel- einschnürung eng, Ecken abgerundet, Seiten gerade ansteigend, Scheitel gerade oder breit abgerundet und in die geraden Seiten übergehend, Zellen in senkrechten Reihen fein granulirt. Je zwei

101] BEITRÄGE ZUR ALGENFLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE. 34

Pyrenoide in der Halbzelle, Scheitelansicht elliptisch mit abgerundeten Seiten.

Tabs DVeskis DasurrbuHig. 3.

Die Form variirt häufig derart, dass die Seiten nicht gerade ansteigen, sondern etwas nach innen geneigt sind.

Ziemlich zerstreut in einem Rheintümpel des Neckarauer Waldes, Frühjahr 1892.

244. Cosmarium spec?

Zellen oblong 60 lang, 44. breit, Einschnürung ziemlich seicht, oft eng, oft weit; meist nach aussen erweitert, die Ecken abgerundet, die Seiten gerade ansteigend oder etwas divergirend und in den breit abgerundeten Scheitel übergehend, die Basis der Halbzelle meist nierenförmig. Die Zellhaut ist mit flach abgerundeten starken Warzen besetzt, welche mehr oder weniger genau in der (Quincunx geordnet stehen; die Scheitelansicht ist breit elliptisch, mit abgerundeten Seiten; die Zellhaut in der Mitte der Halbzelle ist oft verdickt, jedoch so, dass kein Tumor dadurch gebildet wird.

Tab. IV, Fig. 4ab u. Fig. 5.

Im Hafengebiete von Mannheim am Grund eines seichten Tümpels ziemlich häufig, Juli 1892.

245. Cosmarium quadrum Luxd. Desm. Suec. p. 25. Tab. II,

Big. IT.

In Sümpfen bei Virnheim März 1893 selten mit var. minus Norpst. Bidray till. Känned. ete., p. 11.

Länge der Variation 56 u, der Breite 48 u.

246. Cosmarium intermedium Der. Spec. Desm. subalp. Tab. VIII, Fig. 7—10; forma minor nob.

Die Grösse beträgt blos 50 bis 60 ı, die Breite 44 bis 48 1; fein und unregelmässig granulirt.

Tab IV Big.6abie.

247. Cosmarium praemorsum BrEB. ÜOoOKE Brit. Desm. Pag 104, Pap- ER Rio: 2:

Diese Form scheint mir eine durch die geringe (srösse aus- gezeichnete Var. von Cosm. botrytis Menegh. In einem Rhein- tümpel des Neckarauer Waldes sehr zerstreut, März 1891.

248. Cosmarium suberenalum HaxTscH. WOLLE. Desm. U. St., Mab! XVTIREje6, 7, Rab XI, Big. 20.

Bei Neuenburg in einem Rheintümpel ziemlich häufig, ebenso bei St. Peter in Gräben.

Im Hafengebiete von Mannheim befand sich im Juli 1892 in

35 SCHMIDLE: [102

einem seichten Rheintümpel eine Variation, welche Zyopten bildete:

Cosm. suberenatum var. Nordstedtii nob.

Halbzellen mit 4 bis 5 meist abgestutzten Lappen auf jeder konvexen Seite, Scheitel gerade abgestutzt; auf der wohlentwickelten Anschwellung oberhalb des Isthmus befinden sich mehrere (meist 8) Punkte, welche im Kreise nm einen centralen geordnet sind. Zell- haut ausserdem mit feinen, unregelmässig stehenden Punkten besetzt. Ein Pyrenoid in der Halbzelle. Zellen 25 bis 27 ı. lang, 24 1 breit.

Babai\sc Ries, Sazund'b, 9.

Die kugeligen, 34 ı. im Durchmesser grossen Zypoten sind mit vielen, starken und kurzen Prominenzen besetzt, welche in drei Dornen endigen.

249. Cosmarium substriatum NoRDsT. Algae aq. dule. exsicc. No. 977; descriptio pag. 42 cum icone. var. minus nob.

Die Grösse der beobachteten Formen betrug blos 16 w, die Breite ebenfalls. Die Papille in der Scheitelansicht war deutlich zu sehen.

Tab. IV, Fig. 10a und b.

In den Rheintümpeln der Umgebung Mannheims zerstreut, März bis Juli i892.

250. Cosmarium phaseolus BREB.

Bei Neuenburg, Frühjahr 1891, im einem Rheintümpel selten, ebenso bei Mannheim in den Hafenanlagen, Juli 1892.

var. achondrum BowLv. Bidrag till Kännedomen etc. Tab. V, Fig. 7 und meine Abbildungen |]. c. Tab. XI, Fig. 17, 18.

Mab. IV, Bie. Ila’undcb:

Bei St. Peter August 1891 ziemlich häufig in einem Teiche mit folgender Variation:

var. elevatum Norp. Bidrag till Kännedomen om. Syndl. N. D. Fig. 5abc und meine Arbeit 1. c. Fig. 15, 16.

Dab: IV, Big. 12a und h.

Die Formen der ersten Variation zeigten eine geringere Grösse von blos 20 bis 24 u; die der zweiten waren wie die der ersten fein punktirt.

251. Cosmarium coelatum RAUrs Brit. Desm. Tab. XVII, Fig.1.

In einem Waldgraben bei Baden-Baden, erstes Frühjahr 1890 sehr zerstreut.

252. Cosmarium subprotumidum NORDST. NORDST, et WITTR. Desm. Ital. Tyrol. pag. 38, Tab. XII, Fig. 14.

103] BEITRÄGE ZUR ALGENFLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE. 36

Bei St. Peter im „grossen Weiher“ im Schlamme, Ostern 1892 sehr selten.

Tab. IV, Fig. 13a und b.

253. Cosmarium subpachydermum n. sp.

Halbzellen nierenförmig, breit abgerundet, Einschnürung_ tief, nach innen und aussen erweitert, Zellhaut punktirt, Zellen 38 u bis 48 u. lang, 38 bis 44 u. breit; zwei Pyrenoide in jeder Halbzelle. Seitenansicht mit runden Halbzellen, Scheitelansicht breit ellip- tisch, an den Enden breit abgerundet, mit mehr oder weniger deut- licher Anschwellung oberhalb des Isthmus.

Zygoten eiförmig 40 ı. lang, 33 u. breit, mit glatter Zellhaut.

Tab. IV, Fig. 14 bis 18.

Diese Art hat in der Frontalansicht das Aussehen von Cosm. pachydermum, unterscheidet sich jedoch durch die viel geringere Grösse, und durch die bei voller Scheitelansicht sichtbare Anschwel- lung über dem Isthmus.

Bei Mannheim in den Hafenanlagen auf dem schlammigen Grunde seichter Rheintümpel Juli 1892 zerstreut, seltener in einem Tümpel des Neckarauer Waldes Oktober 1892. Am ersten Fundorte reich- lich fructificirend.

Eine auffällige Eigenthümlichkeit zeigten diejenigen Exemplare, welche in Konjugation eingegangen waren. Sie zeigten nämlich fast durchweg etwas kleinere Dimensionen als die nicht konjugirenden, und namentlich die eine Halbzelle, die aus der letzten der Konjugation vorhergehenden Theilung ent- standen war, blieb meist weit in den Dimensionen hinter der anderen zurück, wenn sie auch eine volle Ausbildung der Zellhaut aufwies; vgl. Fig. 16 u. 17.

Es scheint mir daraus hervorzugehen, dass die Fähigkeit, sich durch Theilung zu vermehren, bei diesen Exemplaren erschöpft war, und deshalb zur Konjugation geschritten wurde.

254. Cosm. bireme forma major. LuxD.

Desm. Suec. pag. 38.

Bei Virnheim in Sümpfen, März 1893, ziemlich selten.

Die beobachteten Exemplare waren 19 20 v. lang, 18—19 u. breit.

Tab. VI, Fig. 16.

255. Cosmarium subeostatum NORD. in NORDST. et Wırrr. Desm. Ital. Tyrol. pag. 38, Tab. XII, Fig. 13 und meine Arbeit l. c. Tab. XI, Fig. 10, 11, 12.

Bei St. Peter in Teichen zerstreut, August 1890 und 1891.

37 SCHMIDLE: 1 04

256. Cosmarium Turpinüi BREB.

Im Hafengebiete von Mannheim, Juli 1892 zerstreut.

Die Formen sind etwas kleiner als der Typus; 60». lang und breit.

257. Cosmarium ornatum BRALFS.

Bei St. Peter in Gräben und in den Sinzheimer Hanfrezen ziemlich selten; häufiger in einem Präparate von Herrn Lauterborn aus dem Moore von Kaiserslautern.

258. Cosmarium lobulatum n. sp.

Halbzellen halbkreisförmig bis trapezisch, am Scheitel gerade abgestutzt, die Seiten mehr oder weniger konvex und meist sechsmal gegen den Scheitel deutlicher gekerbt; Zellhaut koncentrisch punktirt bis granulirt, in der Mitte oberhalb des Isthmus mit einer stärker granulirten Anschwellung, die Graneln derselben meist mehr oder weniger regelmässig koncentrisch geordet. Zwei Pyrenoide in jeder Halbzelle. Die Scheitelansicht elliptisch mit abgerundeten Enden, deutlicher Anschwellung auf der Mitte der Breitseiten, die meist mit 3 Graneln versehen ist. Mitteleinschnürung eng, untere Ecken abgerundet. Länge 44 bis 38 , Breite 36 bis 38 u. Tab. IV, Fig. 19 bis 21.

Dieser Art steht Cosm. corbula 8 pyreti forma latior GUT- wınskı, Flora ete. Tab. II, Fig. 29, pag. 61 sehr nahe und unter- scheidet sich ausser in den Dimensionen durch die mehr trapezische Gestalt; es dürfte deshalb wohl besser als Variation zu unserer Form gezogen werden und dann den Uebergang bilden zu dem durch konkave Seiten ausgezeichneten (osm. corbula BREB.

Im Hafengebiete von Mannheim, Juli 1892, auf dem schlammigen Grunde seichter Rheintümpel ziemlich häufig.

259. Cosmarium subbroomei n. sp.

Zellen im Umfang fast quadratisch mit wenig abgerundeten unteren, mehr abgerundeten oberen, senkrechten, geraden oder wenig konvexen Seiten, am Scheitel mehr oder weniger breit abgerundet, Mitteleinschnürung lineal, Zellhaut mit in senkrechten Reihen stehen- den Graneln besetzt, der runde Tumor über dem Isthmus jedoch unregelmässig granulirt. . Scheitelansicht elliptisch, der wenig hervor- tretende Tumor mit meist drei stärkeren Graneln besetzt. Je zwei Pyrenoide in der Halbzelle. Zellen 40 u lang, 36 w. breit.

Tab. IV, Fig. 22 bis 24.

Dadurch, dass die Granulation des Tumors von der der übrigen Zelle abweicht, steht diese Art dem Cosmarium mineapolitanum Hanse. sehr nahe und ist von Cosmartum Broomei Tmuw. getrennt.

105] BEITRÄGE ZUR ÄLGENFLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE. 38

Von ersterem ist es jedoch durch die Chlorophylistruktur, Grösse und Zellform verschieden, von letzterem ausserdem durch den mehr abgerundeten Scheitel und die feinere Granulation.

260. Cosmarium protractum ÄRCHER,

In einem Rheintümpel des Neckarauer Waldes selten, Früh- jahr 1892.

261. Arthrodesmus incus HassaL. Forma b. nach LUNDELL. Desm. Suec. pag. 55.

Herrenwiesersee und Hohlohsee selten.

262. Arthrodesmus convergens EHRBRG.

In den Hanfrezen von Sinzheim ziemlich häufig, seltener bei St. Peter in Teichen und bei Freiburg.

263. Arthrodesmus octocornis EHRBRG.

Im Nonnenmattweiher zerstreut.

264. Arthrodesmus bifidus BREB. COORE brit. Desm. Tab. XLVIII.

Tab. IV, Fig. 25a und b.

Sehr selten in den Mooren bei Kaiserslautern, August 1892.

265. Euastrum verrucosum EHRBRG.

In den Hanflöchern von Sinzheim, in den Gräben des Abtsmoor- waldes, in Teichen bei St. Peter ziemlich häufig.

266. Euastrum erosum LuxD. Desm. Suec. Tab. II, Fig. 6.

Sehr selten im Nonnenmattweiher.

267. Euastrum binale RALFS.

An feuchten Felsen beim Geroldsauer Wasserfall, im Nonnen- mattweiher, bei St. Peter zerstreut in der typischen Form.

268. Euastrum oblongum RALFS.

Abtsmoorwald bei St. Peter in Gräben und Teichen, Nonnen- mattweiher, Kaiserslautern zerstreut, ebenso bei Freiburg ıi. B.

269. Euastrum crassum KTZG.

Ziemlich häufig bei Kaiserslautern.

270. Euastrum affine RALFS.

Im Nonnenmattweiher zerstreut.

271. Euastrum insigne var. elegans. nob.

Die Zellen breit im Verhältniss zur Länge; ca. 100 w. lang, 60 u breit. Die Seiten sind nicht im ganzen Verlaufe konkav, sondern zeigen unten eine nach auswärts und aufwärts gerichtete Ausbiegung. Die beiden Basalanschwellungen sind sehr gross, ziezen- förmig, die Membran deutlich granulirt.

Tab..V,, Pig. 7:un8:

Im Nonnenmattweihersee selten, Juni 1891.

39 SCHMIDLE: [106

272. Euastrum didelta RALrs.

In den Torfmooren von Kaiserslautern zerstrent.

var. sinuatum Gay Essaı, Tab. I, Fig. 11.

Im Nonnenmattweihersee zerstreut.

273. Euastrum humerosum RALFS, var. mammosa nob.

Form und Grösse wie bei dem Typus; an der Basis der Halbzelle mit drei spitzen, ziemlich grossen, gegen den Isthmus gerich- teten Anschwellungen; mit den beiden äusseren sind meist noch zwei kleinere darüberstehende verschmolzen; in der oberen Hälfte der Halbzelle sind nicht zwei, sondern nochmals drei und am oberen Ende wieder zwei Warzen. Zellhaut punktirt.

In den Torfmooren von Kaiserslautern zerstreut, August 1892. Tab. V.Bissosmeno.

274. Euastrum ausalum BRALFS.

Bei St. Peter in einem Graben ziemlich häufig; zerstreut bei Kaiserslautern.

var. sublobatum DELP. Desm. subalp. Tab. VI, Fig. 35 bis 36.

Bei St. Peter unter dem Typus.

275. Euastrum eirculare Hass.

Bei Kaiserslautern in den Toorfmooren zerstreut.

276. Euastrum elegans KTZG.

In den Hanfrezen von Sinzheim, im Hohlohsee, Herrenwieser- see, bei St. Peter ziemlich häufig.

277. Euastrum inerme Luxp. Tab. I, Fig. 3.

In den Hanfrezen von Sinzheim sehr zerstreut.

278. Euastrum denticulatum Gay amoenum Gay ESSAL. belo IE, Aber ne

In den Hanfrezen von Sinzheim zerstreut, ebenso im Nonnenmatt- weiher, bei Kaiserslautern und im Sandfang der Dreisam bei Freiburg

279. Micrasterias truncata BREB.

Herrenwieser- Hohloh- Nonnenmattweihersee ziemlich häufig, ebenso bei St. Peter und Kaiserslautern, selten im Dreisamsandfang bei Freiburg.

280. Micrasterias rolata RAULFS.

Bei St. Peter und Kaiserslautern zerstreut.

281. Micrasterias denticeulata RAuLrS.

Sinzheimer Hanflöcher sehr zerstreut, häufig m einem Teiche bei St. Peter, seltener bei Kaiserslautern.

282. Micrasterias crux melitensis EHRBRG.

Bei Reutti in den Hanfrezen zerstreut.

10 7] BEITRÄGE ZUR ALGENFLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE, 40

var. ornalum nob.

Membran fein punktirt, stärker zwischen den Hörnern des Mittellappens.

Im Dreisamsandfang bei Freiburg i. B. ziemlich häufig.

Tab; oKig. It.

283. Staurastrum dejectum BREB.

In den Hanfrezen von Sinzheim und bei St. Peter ziemlich häufig, bei Freiburg im Sandfang selten.

Staur. dejectum forma.

Sehr kurze nach aufwärts gerichtete Dornen.

ab: DV ERie.26, UI2R:

Selten in einem Rheintümpel der Mannheimer Hafenanlagen, Juli 1892 zerstreut, häufig bei Virnheim, März 1893.

284. Staurastrum Dickiei RALrs.

Bei St. Peter in einem Teiche (ca. 1200 m hoch) ziemlich häufig, August 1891.

285. Staurastrum cuspidatum BREB.

Bei St. Peter in einem nahegelegenen Teiche ziemlich häufig.

286. Staurastrum cristatum NAEG. Einzel. Algen pag. 127, Tab. VIII C.

In den Hanfrezen von Sinzheim zerstreut.

287. Staurastrum avicula BREB.

In einem Teiche bei St. Peter selten.

288, Staurastrum furcatum BREB.

Im Hohlohsee ziemlich zerstreut.

289. Staurastrum pseudofurcigerum REINSCH.

Im Herrenwiesersee und Nonnenmattweihersee zerstreut.

290. Staurastrum Reinschii Roy. COOKE brit. Desm. Tab. LI, Fig. 4.

Im Herrenwiesersee ziemlich selten.

291. Staurastrum denticeulatum ArcH.

Hanfrezen von Sinzheim zerstreut.

292. Staurastrum Nigrae silvae. SCHMIDLE in: Berichte der Deutsch. bot. Gesellschaft, Tab. XI, Fig. 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, pag. 207.

18 bis 20 w lang und breit, Halbzellen elliptisch, auf jeder Seite in 2 Dornen ausgehend, mit breit konvexem Scheitel, der in der Mitte 4 Dornen trägt, so dass in der Frontalansicht je 2 bei- einander stehen. Zwischen diesen Dornen und den Ecken sind ausser- dem kleinere Dornen, welche in quer über die Arme der Halbzellen laufende‘ Reihen geordnet sind; die Mitteleinschnürung ist spitz-

41 SCHMIDLE: 11 08

winklig nach aussen erweitert. Scheitelansicht dreieckig, die Seiten etwas konkav, die Ecken gehen in emen Dorn aus. In der Mitte des Dreiecks ist ein Kranz von 6 grösseren Dornen, zwischen diesen und den Ecken liegen dann die ‚Querreihen der kleineren Dornen. Tab. V. Big chi

Diese Form ist vielleicht identisch mit Staur. spec. GUTWINSKI l;‘c.:pag. 70, Tab I TEE

Herrenwieser- und Nonnenmattweihersee sehr zerstreut, Sommer 1889 und 1891.

Die Exemplare des letzten Fundortes Fig. 2a u. b. zeigten schwächere, aber dafür eine grössere Anzahl der kleinen in Quer- reihen gestellten Dornen, meist mehr als eine Querreihe.

293. Staurastrum hystrice RaLFs. Tab. XXIL Fig. 5, Tab. V, Eis. b.

294. var. paucispinosum nob. Tab. V, Fig. 6.

Während der Typus eine grössere Anzahl Dornen an jeder Ecke trägt (gewöhnlich stehen 8 bis 10 in einem schief an der Halbzelle herunterlaufenden Kreise, während dazu noch in der ein- geschlossenen Ecke 1 bis 2 stehen, vgl. auch Rarrs 1. c. Fig. 5e u. 5d), befinden sich hier an jeder Ecke nur 4 im. Kreise stehende Dornen und häufig noch ein centraler, diese sind aber dafür be- deutend stärker entwickelt, bis ca. 16 u lang. Zellen 20 u. lang, 20 1. breit.

Die Varietät wird dadurch dem Staurastrum quadrangulare BrEB, wie COOKE Brit. Desm. Tab. 55, Fig. 4 (nicht RALrs oder WOLLE) es zeichnet, sehr ähnlich.

Die typische Form ziemlich häufig im Herrenwiesersee, Mai 1889, selten darunter die Variation.

295. Staurastrum polytrichum PERTY.

In den Hanfrezen von Sinzheim, im Herrenwiesersee, bei St. Peter in Gräben überall ziemlich selten.

296. Staurastrum echinalum BREB.

In den Hanflöchern von Sinzheim und Reutti ziemlich selten.

297. Staurasirum saronicum BULNH.

Sehr selten in dem grossen Weiher hinter St. Peter, Ostern 1892.

298. Staurastrum spongiosum BREB.

Bei Kaiserslautern in Torfmooren zerstreut.

299. Staurastrum multicum BREB.

Hanfrezen von Sinzheim selten, bei Freiburg im Dreisamsand- fang ebenso, August 1892.

1( 9] BEITRÄGE ZUR ÄLGENFLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE. 492

300. var. depressum BouLp (Naeg. Einz. Alg. Tab.VIIIA, Fig. 1).

Dimensionen: 25 uw lang und breit.

In einem Graben bei St. Peter ziemlich selten.

301. Staurastrum obiculare RALFS.

Hanfrezen von Sinzheim, im Herrenwiesersee ziemlich selten, häufig in einem Eisweiher bei Baden, in der typischen Form, forma major NORDST.

'orma minor NORDST.

Hanfrezen von Reutti ziemlich häufig, bei St. Peter in Teichen zerstreut.

302. Staurastrum pygmaeum BREB.

In einem Waldgraben bei Baden-Baden zerstreut, erstes Früh- jahr 1890.

303. Staurastrum inconspicuum NORDST, var. crassum GAY: Essai Monogr. Tab. II, Fig. 10.

Im Herrenwieser- und Nonnenmattweihersee zerstreut.

304. Staurastrum striolatum ARCHER.

Feuchte Felsen beim Geroldsauer Wasserfall sehr zerstreut.

305. Staurastrum turgescens De Not. Ü00KE Brit. Desm. Tab. LXVI, Fig. 4.

Dimensionen etwas geringer: 36w lang, 28 bis 32w. breit. Tab: IV, Eie. 28a u. b.

Bei St. Peter im „dem grossen Weiher“ im Schlamme, Ostern 1892 ziemlich selten.

306. Staurastrum punctulatum BREB.

Bei St. Peter mit obiger häufiger, ebenso bei Freiburg in der Dreisam, August 1892.

307. Staurastrum alternans BREB.

Mit obiger Art selten.

308. Staurastrum dilatatum EHRBRG.

1) Form nach Raurs: Brit. Desm. Tab. XXI, Fig. Sa u. Sc, pag. 133.

Bei St. Peter in einem Waldtümpel zerstreut, August 1891.

2) Form nach WorLE: Desm. U. St. Tab. LII, Fig. 32 bis 33, pag. 128.

In Spirogyrarasen aus der Wiese bei Schopfheim, Dezember 1892 zerstreut.

309. Staurastrum Bienneanum RaBH. var. ellipticum WILLE. Feiskwandsalgar fr. Nov. Sem. pag. 50, Tab: XIII, Fig. 49.

Dimensionen etwas kleiner, wie bei WoLLE Desm. U. St.

43 SCHMIDLE: 11 10

pag. 124, nämlich 33 » lang und 33 ı. breit. Die Frontalansicht genau wie bei WorrE Tab. 42, Fig. 1, die Scheitelansicht wie bei WILLE.

Tab. IV, Kg 2%:

Im „grossen Weiher“ bei St. Peter auf dem Schlamme, Ostern 1892 selten.

310. Staurastrum brachiatum Raurs. Tab. 23, Fig. 9.

Im Herrenwiesersee sehr selten.

311. Staurastrum polymorphum BRE».

Bei Baden-Baden und St. Peter in Gräben und Teichen zerstreut.

312. Staurastrum gracile RALFS.

In den Hanfrezen von Sinzheim ziemlich häufig, zerstreut in Teichen und Gräben bei St. Peter.

313. Staurastrum aculealum MENEGH.

Bei St. Peter in einem Graben selten, ebenso in einem Teiche Ostern 1392; bei Freiburg im Sandfang bei der Karthause, August 1892.

314. Staurastrum furcigerum BREB.

Sinzheimer Hanfrezen, bei St. Peter in Teichen ziemlich häufig.

315. Staurastrum leve Raurs Brit. Desm. XXIII, Fig. 10.

In einem Rheintümpel der Neuenburger Insel, Sommer 1891 selten.

316. Staurastrum sercostatum BREB. RALFS Brit. Desm. XXL, Pier 73.

Bei St. Peter in einem Graben ziemlich selten, ebenso bei Baden-Baden in einem Eisweiher, März 1890, beidemal mit der Variation:

var. truncatum RacıB. Desm. pol. Tab. III, Fig. 14.

St. sercostatum var. productum WEST. Journ. R. Micr. Soc. 1832. -Bab. 8, Eig. 34, passe

Die bei Virnheim, März 1593, beobachteten Formen zeigten etwas andere Dimensionen: 46 u lang, 43 p. breit.

317. Staur. pseudosebaldi var. simplicior WEST. ]. c., pag. 21, Fig. 37.

Im Hafengebiet von Mannheim ziemlich selten.

171] BEITRÄGE ZUR ALGENFLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE.

44

Figurenerklärung. Tab. T. Fig. 1. Conferva amoena var. crassa n. var. Vergr. 600. pag. 8. Fig. 2 u. 3. Cladophora striata n. sp. Vergr. 50. pag. 8. Fig. 4, 5. Chlamyndomonas Kleinii n. sp. Vergr. 1000 und 500. pag. 10. Fig. 6. Mischococeus confervicola var. ramosa n. var. Vergr. ca. 500. pag. 13.

Fig. 7, 8, 9. Mischococeus confervicola NAEG. Fig. 7 den Uebergang zur obigen Variation darstellend. Fig. 8 ein junges Individuum, Fig. 9 ein Zweig-

ende. Vergr. ca. 500. pag. 13. Fig. 10. Ooelastrum pulchrum n. sp. Vergr. 500. pag. 12. Fig: 1. > ?robustum REınscH. Vergr. 500. pag. 12.

Tabs ılk

Fig. 1, 2, 3. Körchneriella lunata n. g. et sp. Fig. 1 und 2 eine vier- und achtzellige Familie darstellend, Fig. 3 die Vermehrung durch Viertheilung. pag. 15. Fig. 4 u. 5. Penium margaritaceum var. punctatum Raurs. Vergr. 500

Fig. 6. Penium ceylindrus var. silesiacum Kırcan. Vergr. 450. pag. 20. oO Oo {=} Rie.>7. elosterioides var. interrupta WEST. Verer. 500. pag. 21. Fio. 8, 9. Penium Mooreanum Arcna. Verer. 500. pae. 21. fo} I = oO Bie10,.11.., > var constrictum n. var. Vergr. 500. pag.21. Fig. 12. Olosterium angustatum Krze. Vergr. ca. 420. pag. 22. Fig. 13. 5 Kr var, subrectumn.var. Vergr. ca. 420. pag.22. Fig. 14. B moniliferum var, concavum KLeEs. Vergr. ca. 420. pag.24. Tab. III. Fig. 1, 2. Disphinctium quadratum var. Willein. var. Vergr. ca.420. pag. 24. Fig. 3 2 5 forma. Vergr. ca. 500. pag. 25. Fig. 4, 5. n pseudamoenum (WILLE) nob. Vergr. ca 500. pag. 25. ig. 6. Xanthidium fascieulatum var. ornatum Norpst. 500. pag. 27.

1

i 5 erenulatum NAEG. Vergr. 500. pag. 29.

F

Fig. 7. Nanthidium antilopaeum var. laeve n. var, Vergr. 500. pag. 27. Fig. 8. Casmarium granatum var. crenulatum NoRDST, Vergr. 500. pag. 28. Fig. 9 F

ig. 10. x ha var. Reinschü nob. Vergr. ca. 900. pag. 29.

Fig. 11, 12, 13, 14. Cosmarium Brauni var. lobulata n. var. Veregr. pag. 29. i Fig. 15. Cosmarium Braunii form. deformata. Vergr. 500. pag. 30.

500.

Fig. 16 u. 17. Cosmarium Naegelianum var. erenulatum n. var. Vergr.

ca. 500. pag. 30.

dl.

Fig. 18. Cosm. nitidulum Brep. forma. Vergr. 500. pag. 31.

Fig 19. var. subundulatum. Vergr. 500. pag. Pie. 20,21, 22. subeucumis n. sp. Vergr. ca. 600, 600, 450. pag. 31. Fig. 23. Wittrockii Lux. Vergr. 500 und 1000. pag. 3 Fig. 24. . » var. elongatum n. var. Vergr. 500. pag. 3 Fig. 25. botrytis var. tumidum Worte. Vergr. 500. pag. 3

45 ScHMIDLE: BEITRÄGE Z. ALGENFLORA D. SCHWARZWALDESU. D. RHEINEBENE. Ei 12

Hs aaa a m

[er

und 900. Fig pag. 35.

Fig Fig

pag. 37.

Bo

RR

pag. 40.

3-0 5 : ö ga a a oa m m 0 a 09 08

ar

ne]

pag.

3 0 09 09

Dabr-DVe | 1. Cosmarium reniforme var. retusum n. var. Vergr. 500. pag. 33.

. 2u.8. 5 pseudobroomei WOLLE. Vergr. 500. pae. 83. .4u.5. s spec. Vergr. ca. 560. pag. 34. 226

: # intermedium forma minor nob. Vergr. 500. pag. 34. La suberenatum var. Nordstedtii n. var. Vergr. 500, 500 Fig. 8e stellt eine Zygote dar. pag. 35.

10. Cosmarium substriatum NORDST. var. minus nob. Vergr. 1000.

er 1l. a phaseolus var. achondrum BoLpT. Vergr. 500. pag. 35.

12% = n elevatum Norpst. Vergr. 500. pag. 35.

213% 5, subprotumidum Norpst. Vergr. 500. pag. 35. Fig. copulirende Individuen, Fig. 18 eine Zygote. pag. 36,

.

14—18. Cosmarium subpachydermum n. sp. Vergr. ca. 450. Fig. 16, 17

19, 20, 21. Cosmarium lobulatum n. sp. Vergr. ca. 420. pag. 37. DOM DAE a subbroomei n. sp. n 200, 420, 420.

25. Arthrodesmus bifidus BREB. Vergr. ca. 900. pag. 38.

. 26, 27. Staurastrum dejectum forma. Vergr. 900, 500. pag. 40.

" turgescens DE Nor. Vergr. 500. pag. 42. 5 bienneanum var. ellipticumW ILLE. Vergr.500. pag.42.

nD a2

Mabsıve

g. 1,2, 3, 4. Staurastrum Nigrae Sivae nob. Vergr. 1000, 1000, 500, 900,

5. Staurastrum hystrie RaLrs. Vergr. ca. 900. pag. 41. 6. Rn n var. paucispinosumn.var. Vergr.ca.900.pag.4l.

. 7, 8. Euastrum insigne var. elegans n. var. Vergr. 300 und 900. pag. 38. . EI), P humerosum var.mammosan. var. Vergr.ca.420. pag. 39. . 11. Micrasterias erux melitensis var. ornata nob. Vergr. ca. 420. pag. 40. . 12. Cosmarium bireme forma major Luxp. Vergr. 500. pag. 36.

. 13. Disphinetium globosum var. subviride n. var. Vergr. 500. pag. 24. . 14. Cosmarium insigne n. sp. Vergr. 500. pag. 33.

15. > Meneghinü var. gramatoides n. var. pag. 28.

„16. n Scenedesmus var. intermedium Gurw. forma. Vergr. 500.

113] 1

Ueber die Bedeutung des Hauptnucleolus.

Vorläufige Mittheilung!. Von

Dr. Valentin Häcker,

Privatdozent und Assistent am zoologischen Institut der Universität Freiburg i. B.

Ausgehend von der verschiedenen Beschaffenheit der Nucleolen, bin ich in einer früheren Untersuchung”? zur Aufstellung einer An- zahl von Keimbläschen-Typen gelangt. Die beiden Extreme dieser Reihe werden dargestellt einerseits durch das Keimbläschen zahl- reicher Wirbelthiere mit „Nebennucleolen* von wechselnder Zahl, Grösse und Form, andererseits durch das Keimbläschen der Echino- dermen, welches einen einzigen, stetig wachsenden und form- beständigen „Hauptnucleolus“* beherbergt. In den Nebennucleolen des erstgenannten Typus sahen wir Stoffwechselprodukte, welche bei den in der chromatischen Substanz sich abspielenden Spaltungs- vorgängen abgeschieden werden und sich innerhalb des Kernraums bis zur Auflösung der Kernmembran anhäufen; den Hauptnucleolus fassten wir mit Berücksichtigung der Thatsache, dass derselbe in vikarirender Weise an Stelle der Nebennucleolen auftreten kann, als einen im Lauf der Phylogenie besonders differenzirten Nebennucleolus auf, als ein Organulum, welches die bei der Umbildung und dem Wachsthum der chromatischen Substanz entstehenden Spaltprodukte in sich aufnimmt, umsetzt und speichert.

! Die ausführliche Arbeit wird unter dem Titel: „Das Keimbläschen u. s. w. II. Theil“ im Archiv für mikroskopische Anatomie erscheinen. In derselben wird auch auf die mikrochemischen Verhältnisse eingegangen werden. ®2 V. Hicker, Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageveränderungen, I. Theil. Arch. f. mikr. Anat. 41. Bd. 1893. Berichte VII. Heft 1. 8

9 Häcker: [114

Die nähere Begründung dieser Auffassung findet sich in der Eingangs citirten Arbeit: in der vorliegenden Mittheilung soll nur einer neuerdings gemachten Beobachtung gedacht werden, welche die obige Ansicht über die Bedeutung des Hauptnucleolus zu stützen und zu erweitern im Stande ist. Die Untersuchung der lebenden Eizellen eines Seeigels (Echinus microtuberculatus) führte zu dem Ergebniss, dass die grosse, centrale Vakuole des Hauptnucleolus in periodischem Rythmus bis auf das Maxi- mum ihrer Ausdehnung heranwächst und dann wieder unter Annahme einer excentrischen Lage bis zum vollständigen Schwund abnimmt. Mit diesem Spiel, dessen Periode bei verschiedenen Objekten den Zeitraum von vier bis acht Stunden in Anspruch nimmt, geht Hand in Hand eine periodische Veränderung der peri- pherischen Rindenvakuolen des Hauptnucleolus: während der Diastole der Centralvakuole sehen wir die kleinen Rindenvakuolen langsam an Zahl und Grösse abnehmen, zur Zeit der Systole da- gegen erfolgt in gleichem Maasse eine entsprechende Wiederzunahme derselben. Wenn sich auch ein Zusammenfliessen der kleinen Rindenvakuolen mit der wachsenden Centralvakuole der direkten Be- obachtung entzieht, so werden wir doch mit der Annahme nicht fehlgehen, dass das Wachsthum der Centralvakuole auf Kosten der ‘peripherischen Vakuolen vor sich geht und dass die letzteren also als Bildungselemente der ersteren zu betrachten sind. Alles in Allem stellt also der Hauptnucleolus mit seinem Vakuolensystem einen pulsirenden Apparat dar, welcher aus dem umgebenden Kern- saft gewisse Stoffe in sich aufnimmt und in seinem Innern umsetzt. Das eine der bei dem letzteren Vorgang entstehenden („sekundären“) Spaltprodukte wird innerhalb der Rindensubstanz des Hauptnucleolus abgeschieden und bildet das Material, aus welchem sich der stetig wachsende Hauptnucleolus aufbaut; das andere sammelt sich in flüssiger Form zunächst in den Rinden- oder, wie wir sie jetzt nennen können, Bildungsvakuolen an und geht von diesen aus in die Oentralvakuole über. Während der Systole der letzteren erfolgt die Entleerung dieser flüssigen Substanz nach aussen. Ziehen wir nun wieder die oben erwähnte Thhatsache heran, dass der Hauptnucleolus bei gewissen Formen in morphologischer Hinsicht vikarirend an Stelle der Nebennucleolen tritt, so gelangen wir bezüglich der Physiologie der Vorgänge zu der Auffassung, dass der Hauptnucleolus die bei der Umbildung der chromatischen Substanz sich abspaltenden Stoffe in sich aufnimmt und emer weiteren „sekundären“ Umsetzung

115] UEBER DIE BEDEUTUNG DES HAUPTNUCLEOLUS. 3

unterwirft. Das eine der sekundären Spaltprodukte, welches die Be- deutung eines Sekrets haben dürfte, wird im Hauptnucleolus auf- gespeichert und liefert so das Material für dessen stetige Vergrösse- rung, das andere wird als flüssiges (wässeriges) Excret periodisch nach aussen abgeschieden.

Was die Bildung, die rhythmische Veränderung und die Funktion der Nucleolus-Vakuolen anbelangt, so zeigen dieselben grosse Aehn- lichkeit mit den kontraktilen Vakuolen der Protozoen und es dürften nur zwei Punkte zu erwähnen sein, in denen sich anscheinend Unter- schiede bemerklich machen: es sind dies einmal die Länge der Perioden und zweitens der Sitz der Vakuolen in dem einen und im anderen Fall.

Was den ersten dieser Punkte anbelangt, so ist daran zu er- innern, dass die Perioden bei den Protozoen im Allgemeinen ungleich kürzere sind. Beispielsweise folgen sich bei den meisten Flagellaten 4—12 Kontraktionen in der Minute. Doch finden sich, zumal bei den Ciliaten, auch Fälle mit länger dauernden Perioden und es ist vor Allem hervorzuheben, dass bei parasitischen Formen, entsprechend dem langsameren Verlauf der Stoffwechselvorgänge, bedeutend grössere Zeiträume (bei dem im Darm des Seeigels schmarotzenden Cryptochilum Echini z. B. 20 Minuten) zwischen je zwei Kontrak- tionen zu beobachten sind. Mit diesen Vorkommnissen ist denn auch ein Uebergang gewonnen zu den Verhältnissen im Keimbläschen des Seeigel-Eies, welches naturgemäss eine geringere Energie der Lebensvorgänge aufweist, als das frei bewegliche Protozoon.

Bezüglich des zweiten Punktes, der Lage der Vakuolen, ist zu bemerken, dass bekanntlich die kontraktilen Vakuolen der Protozoen frei, d. h. ohne spezielle Differenzirung des umgebenden Plasmas, in den peripherischen Schichten der Zellsubstanz gelagert sind. Im Keimbläschen dagegen finden wir die Vakuolen im Innern eines besonders differenzirten Organulums, des Hauptnucleolus. Auch hier können wir indess einen bedeutungsvollen Unterschied nicht finden, denn die eben erwähnte Eigenthümlichkeit des excretorischen Apparats des Keimbläschens wird uns verständlich, wenn wir auf die phyletische Entstehung desselben einen Blick werfen.

Wir können uns von derselben in folgender Weise eine Vor- stellung machen.

Im einfachsten Falle (Furchungskerne von Cyelops, Keimbläs- chen der mehrgebärenden Cyelops strenuus-Weibchen, Wirbelthier- keimbläschen) häufen sich die von der chromatischen Substanz

8*+

4 HÄCKER: ÜEBER DIE BEDEUTUNG DES HAUPTNUCLEOLUS. [1 16

abgeschiedenen Spaltprodukte als „Nebennucleolen* bis zum Schwund der Keimbläschenwandung an, um sich sodann ihrerseits aufzulösen. Wir können dabei die Frage zunächst offen lassen, ob die Neben- nucleolen einfache Exkrettropfen sind oder ob sie als vorgebildete Bläschen („Vakuolen“ der Botaniker) die Spaltprodukte des Chro- matins in sich aufnehmen.

In einem zweiten Fall schiessen die einzelnen Nucleolen zu einem grösseren schaumigen (Gebilde, einem unechten Hauptnucleolus (Pseudo-Nucleolus), zusammen und harren in dieser Form der Auf- lösung der Kernmembran.

Drittens kann sich einer der Nebennucleolen zu einem „Haupt- nucleolus“ differenziren und nimmt dann als solcher die gesammte vom COhromatin abgespaltene Flüssigkeit in sich auf. Der physio- logische Vorgang ist dann ein komplizirterer, indem sich die Spalt- produkte innerhalb des nucleolären Plasmas abermals spalten. Eines der sekundären Spaltprodukte stellt nach Obigem die Substanz des Nucleolus dar, das andere wird in flüssiger Form in den Rinden- vakuolen abgeschieden. Das in letzteren sich ansammelnde Exkret wird von der im Laufe des Kernwachsthums langsam sich ver- grössernden (nicht-periodischen) Uentralvakuole aufgenommen, welche zur Zeit der Auflösung der Kernmembran das Maximum ihres Wachs- thums erreicht. Die Schrumpfung des Hauptnucleolus und die Ent- leerung des Excrets erfolgt erst mit dem Eintritt des Kerns in die Mitose (Keimbläschen von (anthocamptus, Keimbläschen und Blasto- dermkerne von Sida und Aythotrephes).

Der vierte Fall wird durch das Echiniden-Keimbläschen dar- gestellt, in welchem entsprechend der längeren Lebensdauer der Eizelle nicht nur eine einmalige, sondern eine rhythmisch sich wiederholende Auffüllung und Entleerung der Oentralvakuole erfolgt.

Wir haben damit die Stufe erreicht, in welchem der Haupt- nucleolus ein rythmisch pulsirendes Organ von exkretorischer und gleichzeitig wahrscheinlich auch sekretorischer (sekret- speichernder) Bedeutung darstellt. Inwieweit auch die letzt- genannte Funktion dem später als „Metanucleolus“ aus dem Keim- bläschen ausscheidenden Hauptnucleolus zuzuschreiben ist, darüber müssen spätere Untersuchungen entscheiden.

Freiburg i. B., den 23. April 1893.

Untersuchungen über die geologischen Ver- hältnisse zwischen Kandern und Lörrach im badischen Oberlande.

Von

Di, Era Pfaff,

Assistent am geol.-miner. Institute der Universität Freiburg i. B.

Binleitung.

Zu den noch weniger bekannten, aber in mehrfacher Hinsicht interessanten Gebieten des badischen Oberlandes, gehört die weitere Umgebung von Kandern, insbesondere die (regend, welche vom Schwarzwald im Norden und vom Wiesefluss im Süden eingeschlossen wird. Wir besitzen aus älterer Zeit eine Zusammenstellung der bei Kandern entwickelten Formationen von Hv@!, neuere umfassendere Arbeiten liegen über dieses Grebiet nicht vor. Wohl aber sind auf der geologischen Uebersichtskarte des Schwarzwaldes von Eck die Lagerungsverhältnisse, soweit der Massstab 1:200000 es gestattet, in vorzüglicher Weise zur Darstellung gelangt. Freilich lassen sich die komplieirten Lagerungsverhältnisse, welche sich gerade in der Nähe von Kandern vorfinden, wo die N.-S. streichende Haupt- Schwarzwaldverwerfung von der O.-8.-0.—W.-N.-W. verlaufenden Kanderer Querverwerfung geschnitten wird, selbst auf der top. Karte 1:25000 nicht überall klar zum Ausdruck bringen. Die Zer- stückelung der Sedimente ist hier häufig eine so weitgehende, dass in der Nähe der Hauptverwerfungslinie oft nur wenige Meter breite und im Streichen bald auskeilende Schollen eines Formationsgliedes, zwischen ältere und jüngere Schichten eingeklemmt auftreten, und die kartographische Auszeichnung derselben in dem genannten Mass- stabe fast unmöglich wird.

ı Hus, Kurze Beschreib. d. geogn. Verhältnisse d. Umgeg. v. Kandern in: LEONHARD, Beiträge z. mineral. u. geol. Kenntn. d. Grossh. Baden. I. Heft. 1853.

2 PFAFF: 1 18

Die Verfolgung der einzelnen Formationsglieder wird besonders auch durch den Umstand erschwert, dass gerade hier diluviale Bildungen, im bes. Löss und Lehm, vielfach aber auch Moränen auf weite Strecken ausschliesslich sichtbar sind.

Ich verfolgte bei meinen Untersuchungen hauptsächlich den Zweck, die Lagerungsverhältnisse der Sedimente im S. von Kandern längs der verlängerten Haupt-Schwarzwaldverwerfung klar zu stellen und zu ermitteln, in welcher Weise die Abbruchserscheinungen sich ändern bei allmählicher Entfernung vom Schwarzwaldrande. Hierbei war zunächst eine möglichst genaue Gliederung der triassischen, ju- rassischen und oligocänen Schichten nöthig, namentlich aber des Rothliegenden und Buntsandsteins, über welche ausser der Dar- stellung auf der Eckr’schen Karte nur sehr unvollständige Daten vorlagen. Der Buntsandsten am S.-Rande des Schwarzwaldes ist vor längeren Jahren vom verstorbenen Dr. A. Merian zum Theil untersucht und gegliedert worden; an der Veröffentlichung seiner Arbeit wurde er durch einen frühzeitigen Tod verhindert. Da das von ihm untersuchte Gebiet sich östlich an das von mir begangene anschliesst, so entsprach ich gerne dem Vorschlage des Herrn Professor Schmipr in Basel, die hinterlassenen Aufzeichnungen des Dr. Meran meiner Darstellung des Buntsandsteins einzufügen, da auf diese Weise ein ziemlich vollständiger Ueberblick über die Aus- bildung dieser Formation im Süden des Schwarzwaldes gewonnen wird.

Herr Professor STEINMANN, welcher mich zur Bearbeitung dieses Gebietes anregte, hatte die Liebenswürdigkeit, mich häufig auf meinen Gängen hierbei zu begleiten. Mit Freuden benütze ich hier die Gelegenheit, ihm hierfür, sowie für seine nach jeder Richtung hin bereitwillige und gütige Unterstützung meinen besten Dank aus- zudrücken.

1. Granit.

Die Granitmasse des südlichen Schwarzwaldes, welche bei Kan- dern an die Sedimentärbildungen stösst, besteht wie es scheint zum grössten Theil aus „Blauengranit“, das heisst einem biotitführenden Granit von ziemlich grobem Korn und schwach entwickelter por- phyrischer Structur. Die auf der Karte als „Hohe Stückbäume* bezeichnete Höhe besteht fast ganz aus diesem Gestein. An der Grenze des Granitgebietes gegen die südlich daran stossenden Sedi- mente tritt aber vielfach ein feinkörniger Zweiglimmergranit auf,

119] UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE GEOLOG. VERHÄLTNISSE IM BAD. ÜBERLANDE. 3

dessen Verhältniss zum Blauengranit sich allerdings nicht sicher fest- stellen liess. Es muss vor der Hand unentschieden bleiben, ob beide Gesteine durch Uebergänge mit einander verknüpft sind und seitlich in einander übergehen, oder ob sie sich durchsetzen und welches in diesem Falle das Jüngere ist.

Am Zweiglimmergranit bemerkt man fast überall Veränderungen seiner urprünglichen Structur. An vielen Stellen besitzt er eine ausgesprochene Schieferstructur, sodass sich das Gestein in ganz dünne Lagen zerspalten lässt. Der gewöhnlichen Bezeichnungsweise nach würde man von einem Gneisse sprechen, allein innerhalb der (resteinslagen ist die körnige Structur oft noch deutlich sichtbar, an anderen Stellen verliert sich die Schieferung und die feinere Parallel- structur ganz, und das Gestein erscheint nur noch von Klüften und Rutschflächen durchsetzt, im Uebrigen aber als normaler Granit. In der Nähe der Scheideck konnte ich die Streichrichtung des hier ziemlich stark geschieferten Granites als ziemlich genau N.-S. und die Fallrichtung auf 30° W. bestimmen. Die Klüfte und Rutsch- flächen, welche den Granit in der Nähe der beiden Abbruchslinien des Gebirges durchziehen, möchte ich von der beschriebenen Schie- ferung gesondert betrachten. Diese verlaufen zum grossen Theil allerdings in derselben Richtung wie die Schieferung, das heisst N.-S., dagegen zeigen sie niemals übereinstimmende Fallwinkel und fast nirgends Spuren von Pressung oder Rutschflächen. Das Gestein wird durch sie in mehr oder weniger dicke Platten zerlegt: ich konnte solche von weniger als 3 cm. Stärke beobachten. Diese Kluftflächen stehen, wie ich vermuthe, mit der Entstehung der Haupt- Schwarzwaldverwerfung in Verbindung, und dürften daher wesentlich jünger sein als die Schieferung, welche wir nach analogen Vor- kommnissen in anderen Theilen des Grebirges als einen zur Carbon- zeit erfolgten Vorgang auffassen müssen.

An der Strasse von Kandern nach Schlächtenhaus sieht man mehrfach ausgezeichnete Rutschflächen, die in geringer Zahl den (rranit durchsetzen. Sie folgen, soweit ich ihren Verlauf feststellen konnte, einer wesentlich anderen Richtung als die Klüfte. Während letztere die Richtung der Hauptverwerfung einhalten, verlaufen die Rutschflächen mehr oder weniger parallel der Kanderer @uerver- werfung. So ist am anstehenden Granit bei Kilometerstein 2,5 auf der Scheideckstrasse eine sehr schöne Rutschfläche sichtbar, deren Streichrichtung fast genau O.-8.-0.—W.-N.-W. verläuft, also in der Richtung mit jener Verwerfungslinie übereinstimmt. Meist ist die

4 PFAFF: [120

Streifung auf den Rutschflächen sehr deutlich erkennbar, die Streifen sind schwach nach abwärts in westlicher Richtung über die Fläche gezogen, und deuten auf ein W. und abwärts gerichtetes Verschieben der einzelnen Granitstücke. Dieser Umstand ist für die relative Altersbestimmung dieser Dislocation von gewisser Bedeutung, denn. zur Zeit als diese der Querverwerfung parallele Dislocation sich auslöste, musste im W. ein relativ niederes Gebiet gelegen haben, nach welchem ein Abwärtsgleiten möglich war. Mit anderen Worten, die N.-S. gerichtete Hauptverwerfung muss zum Theil schon vor Eintritt der Querverwerfung ausgelöst gewesen sein.

2. Das Rothliegende.

Wandert man auf der am S8.-W.-Abhange der „hohen Stück- bäume“ von Kandern nach Schlächtenhaus führenden Strasse, so durchschreitet man in mehrfacher Wiederholung bald Granit, bald rothe Sandsteine, die tiefsten Schichten des Rothliegenden.

Die Gesteine, welche das Rothliegende hauptsächlich aufbauen, sind grobkörnige, rothviolette lockere Sandsteine, die mehr oder weniger deutlich geschichtet sind und häufig Bruchstücke von Kar- neol, manganhaltigen Dolomit, sowie jedoch seltener Porphyr- brocken enthalten. Zwischen diesen Arkosesandsteinen finden sich nicht zu selten Conglomerate, deren Gerölle von Kopf- bis Nuss- grösse schwankt, und feinkörnige Tigersandsteine, die einen ziemlich widerstandsfähigen Baustein liefern. Neben diesen Arkosen nehmen einen nicht unbeträchtlichen Antheil hochrothe, bröcklige Thone, die fast überall einen geringen Dolomitgehalt verrathen und stellen- weise von ziemlich reinen Dolomitbänken durchzogen werden.

Die tiefsten Schichten, die in den meisten Fällen unmittelbar an den (sranit stossen, sind die schon erwähnten rothvioletten lockeren Sandsteine, die an der Strasse zwischen Weitenau und Hofen ein grobes Uonglomerat enthalten, und in ihren höheren Lagen mehrere sehr verschieden mächtige Bänke von hartem Arkosesand- stein und rothen sandigen Thonen, in denen sich vereinzelte Por- phyrstücke fanden, führen. Am besten aufgeschlossen sind dieselben an der von Kandern nach Schlächtenhaus, und an der von Enken- stein nach Hausen führenden Strasse, woselbst sie eine Mäcktigkeit bis zu 40 m erlangen. Ueberlagert werden diese Schichten von hochrothen, fast stets glimmerleeren, bröckligen Thonen, welche ver- schiedene Dolomitbänke enthalten, die am besten bei Enkenstein, an der Scheideck und in einern Graben südlich des Glashüttenhofes auf-

121] UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE GEOLOG. VERHÄLTNISSE IM BAD. ÜBERLANDE. 5

geschlossen sind. Diese Dolomitbänke keilen an vielen Stellen aus, und sind öfters schon so sehr zersetzt, dass sie nur noch Spuren von Magnesia enthalten, und sich nur durch ihre hellere Farbe von den sie umschliessenden hochrothbraunen Thonen unterscheiden lassen. Die rothen Thone, die am besten am N.-Abhange des Munzen- berges, an einer von der Scheideck nach 8.-O. abzweigenden Wald- strasse blossgelegt sind, haben eine Mächtigkeit von annähernd 40 m und werden von Gesteinen überlagert, die viele Aehnlichkeit mit den tiefsten Schichten dieser Formation haben. Sie bestehen ebenfalls wieder aus hoch- bis violettrothen lockeren Sandsteinen und sandigen Thonen, in denen sich aber sehr häufig grob- bis feinkörnige Bänke eines ziemlich widerstandsfähigen Sandsteines, und eine 0,5 m mäch- tige Conglomeratbank, zusammengesetzt aus krystallinen, ungefähr nussgrossen Geröllen finden. Neben dieser Bank liegen in der ganzen Abtheilung Karneolbruchstücke und Dolomitüberreste zerstreut, die besonders in der oberen Hälfte eine grössere Verbreitung erlangen. Die Mächtigkeit dieser Bildung schwankt zwischen 40 und 90 m.

Hiernach zerfällt das Rothliegende in unserer Gegend in drei Abtheilungen, von denen die untere hauptsächlich aus groben Sand- steinen, die mittlere aus rothen Thonen mit Dolomitbänken, die obere aus sandigen Karneol- und Dolomitüberreste führenden festen und lockeren Sandsteinen besteht. Die untere findet sich fast nur am Granit angelagert, die mittlere am N.-Abhange des Munzen- berges, im oberen Wollbachthale und bei Enkenstein, und die obere am Munzenberg, im Winterholenthal, Heilisaubach-Sorrmatthal und am S.-Abhange des Entengast bei Schopfheim. Bemerkt mag noch werden, dass die hier angenommene (Griederung mit der von Herrn EcK auf der geologischen Uebersichtskarte des Schwarzwaldes zur Darstellung gebrachten vollständig übereinstimmt.

Von Versteinerungen konnte ich hier ebensowenig, wie von den sonst im unteren Rothliegenden vorkommenden verkieselten Hölzern etwas finden.

3. Die Trias. a. Der Buntsandstein.

Gleich über den lockeren Sandsteinen mit den häufigen Dolomit- überresten, den jüngsten Schichten des Rothliegenden, folgen, be- sonders deutlich sichtbar an der Auffuhr zu dem grossen Steinbruch unterhalb Rechberg im Heilisaubachthale, festere, ziemlich feinkörnige, wenig glimmerhaltende und kaolinführende Sandsteinbänke, die

6 PFArRF: [1 233

tiefsten hier beobachtbaren Ablagerungen des Buntsandsteines. Das Profil dieser Stelle ist von oben nach unten Folgendes: 4 m rothe Letten wechsellagernd mit dün- nen Sandsteinbänken 2 _ blauviolette T’hone 2.5 Kieselsandstein, häufig_mit Dolomit- , Zwischenschichten. überresten und Löchern 1 rothe Thone mit helleren Sandstein- bänken wechsellagernd 2.5 mhellvioletter, feinkörniger Sandstein mit Diagonalstructur

Hauptbunt- 0.5 rothe Letten Bo 2.5 harter, violetter Sandstein mit Diago- j x nalstructur 10 m rother, weicher Sandstein, wechsellagernd mit rothen 'T'honen, mürber Sandstein, nie

mit Dolomitknollen und Karneol, die jüngsten Schichten des Rothliegenden Ein weiteres Profil, das zum Theil dieselben und höhere Theile der Zwischenschichten enthält, findet sich an der gegenüberliegenden Höhe, am Luchskopf, einem Bergvorsprunge „der Nassen Küche“, es liegen hier von oben nach unten: 1.5mhellrother Sandstein 0.5 blauviolette Letten 3 hellrother Sandstein, feinkörnig, ziemlich hart, wechsel- lagernd mit blauvioletten Letten 2 heller, fester Sandstein mit Löchern, kleinen Dolomit- putzen, Sandsteinkugeln und Concretionen 1.5 violetter harter Sandstein mit Diagonalstructur Schutt Ein weiteres Profil, das zum Theil diese und höhere Schichten mit enthält, findet sich ungefähr 800 m thalabwärts in einem kleinen Bruche, hier finden sich folgende Schichten: von oben nach unten: 1.5mviolette Letten 2 violette dick- und dünnbankige Sandsteine 2 hellrother (violett) Kieselsandstein mit Löchern und Dolomitüberresten. 8 rothe Letten wechsellagernd mit rothen feinkörnigen Sandsteinbänken Schutt

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123] UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE GEOLOG. VERHÄLTNISSE IM BAD. ÜBERLANDE. f

In der daneben einmündenden kleineren Schlucht stehen oben dieselben höheren Lagen mit dem Kieselsandstein wieder an, und wenige Meter davon entfernt trifft man dann in einem kleinen Bruche folgendes Profil: von oben nach unten:

1m blaue und rothe Thone

3 dünnplattige Sandsteine, glimmerreich, mit Wellen-

furchen 1 rothe Letten mit auskeilenden Sandsteinbänken, 3 Sandsteine, glimmerreich, in Platten brechend und Glimmeranhäufungen auf den Schichtflächen

0.5 Chirotheriumsandstein mit Fährten

2.5 Sandstein mit weniger Glimmer. Zwischenschichten. Liegendes verdeckt

Die sich weiter nach oben anschliessenden Schichten trifft man an mehreren Punkten gut aufgeschlossen, am besten wohl mit in einem alten Bruche, der in der Nähe jenes schon erwähnten unter- halb Rechberg gelegenen, aber ungefähr 20 m höher angelegt ist; hier zeigt sich folgendes Profil:

1m helle, gelbe Sandsteinbank mit viel weissem Glimmer

1.5 rothe Thone

1 rothe Thone, meist dünngeschichtet und glimmerreich

2 _ weniger geschichtete Sandsteine

Sandsteine in Platten brechend, mit Glimmeranhäu- fungen und Wellenfurchen

Wenn schon in den beiden letzten Profilen einige Verschieden- heiten herrschen, so stimmen doch die höheren Lagen des Ersten, welche durch das Auftreten der Wellenfurchen ausgezeichnet sind, mit den tieferen des Letzteren so genau überein, dass kein Zweifel an der Uebereinstimmung der Horizonte bleibt. In Folge dessen liegt der Chirotheriumsandstein zwischen der Kieselschicht und den dünnplattigen glimmerreichen Gesteinen, die den Voltziensandsteinen anderer Gegenden entsprechen dürften.

Der Chirotheriumsandstein ist ein sehr feinkörniger, hellvioletter harter Sandstein, dessen Mächtigkeit zwischen 0.5 und mehreren Metern schwankt und worin sich in dem obenerwähnten Bruche im Heilisaubachthale Fährtenabdrücke fanden.

Eine andere Oertlichkeit, an der sich die Ueberlagerung dieses Gesteins vom Voltziensandstein gut beobachten lässt, ist das Eulen- loch, ein vom Munzenberg in S.-W.-Richtung nach Nebenau herunter- führendes Thal, woselbst sich in letzterem mehrere unbestimmbare

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8 PFAFF: [124

Pflanzenstengelabdrücke beobachten liessen. Die obersten Lagen dieses Sandsteines und seine Grenzschichten gegen Wellenkalk sind gut aufgeschlossen im untersten verlassenen Bruche des Heilisaubach- thales, wo sich folgendes Profil findet: im Lehm als Hangendes | Ww Dt & ellenkalk. 1 gelbe, thonige, mürbe Sandsteine | 3 rother Thon, fein geschichtet 4 rother, glimmerreicher, dünngeschichteter ( Voltziensand- Sandstein stein. Liegendes verschüttet Auffallend ist, dass der auf den Schichtflächen namentlich im oberen Buntsandstein so massenhaft angehäufte Glimmer fast durchweg dunkel ist, und sich heller nur in der früher erwähnten Bank in grösserer Menge findet. Am Munzenberge zeigten sich an einer Waldstrasse gleich über den jüngsten Schichten des Roth- liegenden ungefähr 170 m über dem Orte Nebenau und sonst noch an mehreren Orten, zahlreiche Quarzgerölle und Brocken von Sand- stein, die ich als Aequivalent des Hauptconglomerates ansehen möchte. Da dieses in der ganzen Umgegend bis jetzt nur im Winterholenthale und an der S.-Seite des Heuberges im Wollbach- thale an einer Fuhr neben dem Eisengraben anstehend gefunden wurde, wo es sich dicht über den jüngsten Schichten des Rothliegen den befindet, so kann sein Vorhandensein an dieser Stelle als sicher angenommen werden. Um jedoch die Lage dieses Horizontes unter den Zwischenschichten klar zu zeigen, will ich ein bei Schopfheim sichtbares Profil herbeiziehen. Hier finden sich an der nördlich davon gelegenen Höhe, oberhalb des Schützenhauses, folgende Schichten: 2m Feinkörnige, hellviolette, meistens verkieselte Sand- steine mit Löchern und Dolomitüberresten (Kiesel- sandstein) 1 blauviolette Letten 0.5 weisser, weicher Sandstein 1 rothe Letten 1 weisser Sandstein 1 rothe Letten 0.5 weisser, lockerer Sandstein, getigert, mit Dolomit- überresten, 0.5 rothe Letten 0.3 helle Bank, z. Th. fein getigert /

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9

1 25] UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE GEOLOG. VERHÄLTNISSE IM BAD. ÜBERLANDE.

0.5 bläuliche Sandsteinbank

1 Letten

3 feinkörniger Sandstein

0,5 stark von Dolomitüberresten und rothen Thongallen

durchsetzte Sandsteinbank

1 rother Thon

2m hellrother, feinkörniger fester Sand-

stein

3 fester, harter, feinkörniger, Sandstein,

das Conglomerat enthaltend Liegendes verschüttet.

An der Hand der geschilderten Profile lässt sich nun der Buntsandstein in unserem Gebiet in folgende Unterabtheilungen zerlegen. Der nur sehr schwach entwickelte Hauptbuntsand- stein tritt als fester harter Bausandstein auf, in dessen oberen Lagen an einigen Stellen das Hauptconglomerat sich findet. Ueberlagert wird er durch die Zwischenschichten, die aus rothen, in ihren oberen Schichten dagegen fast durchweg blauvioletten harten Sandsteinen und Thonen bestehen, die oben einen leicht zu findenden Horizont, den Kieselsandstein mit den Dolomitüberresten und Sandsteinconcretionen oder Kugeln führen. Begrenzt werden sie nach oben vom Ühirotheriumsandstein. Sie erreichen eine Mächtigkeit von durchschnittlich 50 m. Das Röth oder der Voltzien- sandstein zeichnet sich durch seinen reichen Glimmergehalt, seine rothe Farbe und seine Neigung in Platten zu brechen, aus. Seine Mächtigkeit schwankt zwischen 15 und 20 m.

Der Buntsandstein bildet in unserem (Grebiete eine dem Roth- liegenden concordant auflagernde Tafel, die schwach nach S8.-W. ein- fällt, und an ihrem westlichen Rande von der grossen N.-S. verlaufen- den Verwerfung mitbetroffen wird.

Neben dieser Lagerungsstörung erlitten einzelne Theile gegen- einander eine Verschiebung, die auf derselben gleichbleibenden Unterlage erfolgt sein muss, was sich aus öfters auftretenden fast vertikalen Rutschflächen erkennen lässt. Diese Rutschflächen finden sich im Eulenloch im Sorrmatthale und am schönsten im unteren Heilisaubachthale. Bemerkenswerth ist, dass die Streich- richtung dieser Rutschflächen fast überall die gleiche, nämlich eine S.-W.—N.-O. ist.

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| Hauptbuntsandstein.

10 PFAFF: [126

Ich lasse nun einen Auszug aus dem literarischen Nachlasse des verstorbenen Dr. MErIAN, welcher sich auf die Gliederung des Buntsandsteines im O., des von mir untersuchten Gebietes bezieht, folgen, und bemerke dazu, dass ich meinerseits die von ihm auf- genommenen Profile auch selbst theilweise untersucht habe, um den Vergleich mit meinem Gebiet sicher ausführen zu können.

Der Buntsandstein in der Umgegend von Schopfheim und Deger- felden nach einem Manuscript des verstorbenen A. MERIAN zusammengestellt.

[Wir betrachten zunächst die aufgezeichneten Profile, und ver- suchen dann eine Gleichstellung mit den schon beschriebenen Hori- zonten herbeizuführen.]

Am Entengast, nördlich von Schopfheim, findet sich über dem Hammer, ungefähr (2 km östlich von dem p. 14 Angeführten) folgen- des Profil:

Zuoberst liegen im Walde mittel- bis feinkörnige, glimmer- haltige Sandstene von getigerten Bänken durchzogen, darunter

2m hellvioletter, weisser, fester, feinkörniger Sandstein,

an einigen Stellen fein getigert. (Ohirotheriumsand-

stein?)

1 mittelkörniger, mürber, weisser Sandstein

1 rothe und violette sandige Mergel, wenig Glimmer führend

1 mittel- bis feinkörniger, grünlich weisser, mürber

Sandstein mit thonigem Bindemittel 2.5 violetter, mittel- bis femkörniger, mürber Sandstein 1.3 rothe und grüne Mergel, wechsellagernd mit dünnen Sandsteinbänken 0.3 grünlichweisser, getigerter Sandstein, mürbe T

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0.7 rothe und grüne sandige Mergel 1.5 m mittelkörnige, violette, getigerte Sand- steine 8—10 mittel- bis grobkörnige, feste, röth- Haupt-

liche Bausandsteine mit wenig Binde- ( buntsandstein. mittel und einzelnen Lagen kleiner (rerölle Ein weiteres Profil findet sich in einem verlassenen Bruche etwas nördlich davon, hier liegen:

127] UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE GEOLOG. VERHÄLTNISSE IM BAD. ÜBERLANDE. 1]

20m (?) auf der Höhe feinkörnige, glimmerreiche, rothe Sand- steine, (wohl Voltziensandstein),

? rothe Mergel, 0.9 mittel- bis grobkörniger, weisser bis röthlicher Tiger- sandstein, 0.4 violetter, weiss gebänderter, mittelkörniger, mürber Sandstein. 0.3 röthlichweisser, getigerter Sandstein mit rothen Mergeln wechsellagernd. ? hellrother bis weisser Sandstein, in Haupt- den untersten Lagen zahlreiche Ge- / buntsandstein. rölle führend (?)

Weitere Profile werden aus dieser Gegend nicht erwähnt, nur führt noch MeErIAN an, dass auf der Höhe des Entengast selbst Voltziensandstein, und in einem Bruche am Eichbühl Zwischen- schichten aufgeschlossen sind, in denen sich eine sehr kieselreiche Sandsteinbank befindet, die vielfach dolomitische Einschlüsse enthält. Aus diesen Mittheilungen ist demnach ersichtlich, dass hier der Hauptbuntsandstein mit den Conglomeraten, die Zwischenschichten mit dem Kieselsandstein und der Voltziensandstein entwickelt sind. Es ist somit die Ausbildung eine fast gleiche wie am Munzenberg, was sich namentlich darin äussert, dass ich bei einer Begehung dieses Gebietes in einem Steinbruch, an der Strasse von Oberbürgeln herab nach Maulburg, den Chirotheriumsandstein auffinden konnte, der hier auf den Schichtflächen weniger gut erhaltene Fährten in srösserer Anzahl eingedrückt enthält; ebenso findet er sich am Entengast östlich von der Beyerhütte in den hier ziemlich umfangreich in Betrieb stehenden Brüchen. Dass die Ausbildung des Buntsand- steines hier auch in ihren Einzelheiten mit der oben genannten Gegend übereinstimmt, beweist, dass A. MERTAN von einem Stein- bruch auf dem Entengast, und von den Stechpalmen am Scheinberg, sowie vom Dachsgraben ein stark löcheriges, sehr kieselreiches Ge- stein beschreibt, in dem Kugelconcretionen eingebettet liegen, die dem Kugelsandstein vom Luchskopf am Munzenberg gleichzustellen sind.

Weitere Profile beschreibt MErIAn vom Rheinthale selbst, so von Rheinfelden, wo sich folgende Schichten finden: Alluviale Geschiebe.

12 PFAFF: |128

0.5 m violetter, mittelkörniger Sandstein mit kalkigem Bindemittel, knollig abgesondert

0.3 feste, violette Sandsteinbank

0.8 violette, ziemlich grobkörnige Sandsteinbank mit Dolomiteinschlüssen.

0.4 Karneolbank, grobkörniger, weissvioletter Sandstein mit Karneol imprägnirt und Dolomitkrystalle in Höhlungen,

7 wenig mächtige Sandsteinbänke, wechsellagernd mit rothem, viel Glimmer führendem (?) Thon von ver- schiedenem Korn

2 rothe, grobkörnige Sandsteme mit Diagonalstructur, das Üonglomerat enthaltend

Von einer nicht genauer beschriebenen Stelle im Walde am

Eichberg, wird dann weiter ein harter Kieselsandstein, Dolomit und Sandconcretionen enthaltend, als Pseudomorphosensandstein be- zeichnet.

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Haupt- | buntsandstein (?).

Es findet sich demnach auch hier wieder am rechten Rheinufer der Hauptbuntsandstein mit dem Conglomerat, darüber folgen dann die Zwischenschichten mit der Karneolbank, dem Kugelhorizont und Kieselsandsten. Als allgemeines Merkmal trifft man ebenfalls die blauviolette Färbung in den Zwischenschichten, dagegen scheint das Röth nicht aufgeschlossen zu sein.

Weitere Profile sind aufgeführt vom linken Rheinufer, aus der (Gegend zwischen Rheinfelden und Kaiseraugst:

Unterer Muschelkalk. |

2m rothe, sandige, glimmerreiche Mergel, wechsellagernd mit einzelnen bis 0.3 m mächtigen, grünlichweissen, glimmerführenden Sandsteinbänken

2 rothe, sandige Mergel

1 mittel- bis feinkörniger, grünlich-grauer Sandstein mit Malachiteinschlüssen

1.7 rothe, sandige, grüngefleckte Mergel

0.5 grüne, sandige Mergel mit weissem Glimmer

x

3 Sandstein En mittlerem Korn, ver- | Ze ee worren zerklüftet

traf

129] UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE GEOLOG. VERHÄLTNISSE IM BAD. ÜBERLAND. 13

2 mittelkörniger, fester Sandstein, vio- lett, oben grünlich, mit ziemlich starkem Kalkgehalt

1 grünlicher, violetter Sandstein mit Zwischenschichten. Dolomiteinschlüssen und Karneol- brocken Karneolbank.

Nicht weit davon liegt ein zweiter Aufschluss, in dem folgende Lagerung zu erkennen ist:

Alluviale Gerölle.

Wellenkalk.

0.5 m violette Mergel,

7—-8 rothe und grüne Mergel mit eingelagerten glimmerreichen,

thonigen, dünnschiefrigen, feinkörnigen Sandsteinbänken. 0.7 grünlichgrauer, thoniger, glimmerreicher

Sandstein 8-10 rothe und grüne Mergel Voltzien- 3 dunkelrother, feinkörniger, mergeliger ( sandstein (?).

Sandstein mit viel hellem Glimmer, dünn geschichtet und kalkhaltig

1.4 rothe Sandmergel

1.6 verschieden gefärbte Mergel mit Sand-

steinbänken wechsellagernd

Eine kleme Strecke stromaufwärts folgt die Karneolbank.

Wenn auch diese Profile über die Entwickelung des links- rheinischen Buntsandsteines keinen besonders guten Aufschluss geben, so geht doch soviel daraus hervor, dass die Zwischenschichten mit dem darüber lagernden Röth entwickelt sind.

Vom Stalleggerhof im Wutachthale beschreibt MErtN noch ein Profil, in dem zwar die Schichtenfolge nicht deutlich auf- geschlossen ist, das aber die Vergleichung der Karneolschichte mit dem Kieselsandstein und dem Kugelhorizont zulässt; es liegen hier:

Bunte Mergel und (sesteine des Röth.

Weisser bis fleischrother, harter, diekbankiger Chirotherium-

Sandstein mit mergeligen a sandstein ?

Dolomite und dolomitische Sandsteine und

Mergel mit Karneol und reichlichem Kiesel- gehalt

Violetter, thoniger Sandstein

Weisser, zersetzter Sandstein

Rothe, sandige Mergel Berichte VII. Heft 1.

Zwischen- schichten (2).

Zwischen- schichten (?).

14 PFArr: [130

Weisser bis fleischrother Sandstein mit Haupt- bunten Mergelzwischenlagen buntsandstein (?).

Wie aus diesem, allerdings nicht genauer durchgeführten Profil ersichtlich ist, liegt der Karneol in dem Kieselsandstein, der überall durch seinen Dolomitgehalt ausgezeichnet ist. In den von mir oben angeführten Profilen liegt diese Kieselsandsteinbank direct über der Karneolbank, es dürfte daher wohl gerechtfertigt erscheinen, diese beiden Horizonte als gleichaltrig zu betrachten. Wie aus dem Aufschluss am Luchskopf und aus anderen ersichtlich ist, liest der Kugelhorizont überall in dem Kieselsandstein, oder gleich darüber, und es läge demnach im Kieselsandstein mit den Dolomit- einschlüssen, dem Kugelhorizont und der Karneolschichte ein und derselbe Horizont vor. Betrachten wir noch einmal kurz die Ent- wickelung des hier näher beschriebenen Buntsandsteines, so ergiebt sich, dass seine Ausbildung, von kleinen örtlichen Verschiedenheiten abgesehen, eine fast vollständig gleichartige ist. In allen tieferen Aufschlüssen lagert zu unterst das Conglomerat, darüber folgen mehrere Meter Sandsteine wechsellagernd mit verschiedengefärbten Thonen, die in ihren höheren Lagen überall eine blauviolette Fär- bung erlangen, und von einer Karneolschichte oder einem harten, kieseligen, dolomitführenden Sandstein, oder aber von einem Kiesel- sandstein mit Sandsteinconcretionen überlagert worden sind. Einige Meter darüber folgt dann an mehreren Stellen bis jetzt nachweis- bar der Chirotheriumsandstein über dem der typische Voltziensand- stein lagert.

Ausser den schon mitgetheilten Profilen enthält das MerrAv’sche Manuscript eine fast vollständige Aufzählung der Verbreitung der einzelnen Horizonte am Rande des S.- und des S.-O.-Schwarzwaldes; da nun daraus auch auf die gleichartige Entwickelung des Bunt- sandsteines geschlossen werden kann, so möge das Manuscript im Auszuge folgen.

Die tiefsten Schichten des Buntsandsteines, die sich haupt- sächlich durch das Conglomerat auszeichnen, finden sich bei Schopf- heim, Herthern, Schmitzingen im Wutachthale und am linken Rhein- ufer bei Zeiningen. Eine weit grössere Verbreitung scheint der nächste Horizont, die Karneolschicht zu erlangen, indem sie schon

131] UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE GEOLOG. VERHÄLTNISSE IM BAD. ÜBERLAND. 15

von SCHILL aus der Gegend von Donaueschingen und von SCHALCH! aus dem Wutachthal erwähnt wird; weiter tritt sie auf bei Riedern, im Haselbachthale, bei Degerfelden, Noggenschwiel, Weilheim und in der Säckinger Gegend. Am linken Rheinufer steht sie an bei Kaiseraugst, Nieder-Mumpf und Zeiningen. Die Verbreitung des Röth genauer zu verfolgen, scheint unnöthig, da derselbe sich fast an allen oben genannten Stellen findet und sein Character sich überall gleich bleibt.

Das Liegende des Buntsandsteines am südlichen Schwarzwald rheinaufwärts bis nach Laufenburg bildet in den meisten Fällen das obere Rothliegende, nur an einigen Punkten, so bei Dieseln im Hasel- bachthale, bei Hämmern und Unteralpfen ist es der Gneiss.

Was nun schliesslich die Mächtigkeit des Buntsandsteines be- trifft, so scheint dieselbe nach OÖ. und S. ©. allmählich abzunehmen, da sie am Munzenberg noch 60, bei Schopfheim 50, im Wutach- thale 30, bei Degerfelden noch 40 m beträgt.

b.. Den: MuscheLlkalk

Gleich über den rothen Thonen, den obersten Schichten des Buntsandsteines lagern auf den meisten Höhen nördlich des Wiese- flusses helle, gelbe Letten, als tiefste Schichten des Muschelkalkes. Im Norden unseres Gebietes, wo der Muschelkalk nur eine geringe Mächtigkeit besitzt und starke Lagerungsstörungen erfahren hat, ist es nicht gut möglich die genauere Schichtenfolge zu beobachten und eine Gliederung durchzuführen, leichter gelingt dies in der Nähe des Wiesethales, wo seine Lagerung noch eine ursprünglichere und er mehrfach in Steinbrüchen aufgeschlossen ist. Die tiefsten Schich- ten sind im Süden des Gebietes am besten bei Inzlingen sichtbar, hier findet sich folgendes Profil:

0.5 Sandige Kalkbank mit schlechterhaltenen Gervillien, 1.5 gelber Thon,

0.5 hellvioletter Thon,

2 rothe Thone des Röth.

Sandige Bänke mit darunter lagernden hellen Thonen finden sich dann nördlich von Lörrach am Stockert, wo sie in Brocken im Wegeinschnitt sich beobachten liessen. Westlich von dieser Höhe, an der O.-Seite der Dornhalde zeigt sich ein weiteres Profil, das die höheren Schichten mitenthält, jedoch öfters durch (Graswuchs u. s. w. unterbrochen ist. Es liegen hier:

3 ScHancH: Beiträge z. Kenntniss d. Trias am südöstl. Schwarzwald. Schaffhausen 1873. g*

16 PFAFF: 1 32

Graue Kalke ohne Versteinerungen,

durch Glimmerlagen öfters dünnplattige graue Kalke,

Kalk mit Lima striata,

gelbe Lietten,

10—15 m. tiefer: sandige Bänke.

An der gegenüberliegenden Höhe, dem Lingert sind die Schichten etwas besser aufgeschlossen, es finden sich hier:

Dolomitische Kalke,

helle Kalkbänke, Zellenkalk,

fein geschichtete Thonschiefer, in denen eine mit Serpeln an-

gefüllte Kalkbank liegt,

dolomitische Kalkbänke,

dunkelgraue, bituminöse dünn geschichtete Tlhonmergel,

10—15 m tiefer, Bank mit Lima striata,

gelbe Letten.

An der Westseite der Dornhalde bei Hauingen liegen zu oberst die oben erwähnten grauen Kalke, mehrere Meter darunter stehen Kalke mit der Trochitenbank an, unter der sich etwas tiefer Zellenkalke und unter diesen die grauen, bituminösen, dünn geschichte- ten Thonmergel fanden, jedoch um etwa 12m höher gelegen, als an der gegenüber stehenden Thalseite des Lingert, woraus sich ein. W.-Fallen der Schichten zu circa ergiebt.

Ein weiterer Aufschluss findet sich in dem Steinbruch bei Haagen, hier liegen von oben nach unten:

10 m die dolomitische Region des Muschelkalkes,

8 graue, ziemlich dünn geschichtete Kalke mit Ceratites nodosus,

2,5 dunkle, graue Kalke, in denen hellere von unkenntlichen.

Muschelresten angefüllte Bänke Rogenstein liegen.

Die höchsten Schichten des Muschelkalkes finden sich am besten in den grossen, östlich von Lörrach gelegenen Brüchen auf- geschlossen, in denen sie in einer Mächtigkeit von 19—20 m ab- gebaut werden. Zu unterst liegen hier ziemlich dick geschichtete dunkle Kalke, in denen sich bis jetzt noch keine Versteinerungen finden liessen, weiter hinauf folgen jene helleren Rogensteinbänke, die hier sehr häufig auskeilen und von dünn geschichteten dunklen Kalken überlagert werden, die ihrerseits nach oben zu in ein helles dolo- mitisches Gestein übergehen, in dem sich häufig Fischschuppen und Lingula tenuissima Bronn antreften lassen. Durchzogen werden diese Kalke ungefähr 1 m unter der Oberfläche von einer oft vollständig zusammenhängenden Chalcedonbank.

133] UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE GEOLOG. VERHÄLTNISSE IM BAD. ÜBERLAND. 17

Die nördlich der Wiese vorkommenden Muschelkalkpartien bilden nur geringfügige Ausläufer des Muschelkalkes am Dinkelberg. Seine Verbreitung beschränkt sich auf die. kleinen Kuppen des Stockert und der Dornhalde und auf einen schmalen Streifen von oft nur 300 m Breite, der von Haagen in N.-Richtung bis nach Kandern streicht. Auf den beiden erstgenannten Höhen liegt er fast noch horizontal, auf der O.-Seite des Lingert fallen die Schichten mit W. ein, und erlangen im Steinbruch bei Haagen selbst ein Fallen von 35° W., das sich mit Annäherung an den Schwarzwald immer mehr steigert, so dass es schliesslich im -Kanderbett 60° erreicht, ja so- gar in ein überkipptes mit 60° nach O. übergeht.

Da der Muschelkalk in diesem ganzen Gebiete sehr arm an Versteinerungen ist, so liess sich nur eine Dreitheilung vornehmen.

Der untere Muschelkalk beginnt mit hellen Letten, die dolo- mitische Sandsteinlagen mit Gervillien enthalten und von bituminösen dunklen Schieferletten abgeschlossen werden.

Der mittlere besteht hauptsächlich aus hellen dolomitischen Gesteinen, die ebenfalls mit bituminösen 'Letten wechsellagern, in denen sich hin und wieder Gypsschnüre finden, und die von Zellen- dolomit überlagert werden.

Der obere beginnt mit dem Trochitenkalk, dem an einigen Stellen oolitische Bänke folgen; über diesen lagern dann dünngeschichtete Bänke mit Ceratites nodosus de Haan, die nach oben in die dolomiti- sche Region übergehen. Letztere zeichnet sich durch ihre Fischreste und Ziöngula tenuiss. aus und wird von einer Karneollage durchzogen.

Der untere Muschelkalk findet sich allein vertreten am Stockert, dagegen finden sich an der Dornhalde und am Lingert alle drei Abtheilungen; der mittlere (und obere?) lässt sich nachweisen in den alten Steinbrüchen an der Hohen Strasse, dann unterer und oberer in den Meyerhölzern und im Eulenloche bei Nebenau. Weiter nördlich verschwinden öfters in Folge der Lagerungsstörungen einzelne Theile des Muschelkalkes, so findet sich nördlich von letztgenanntem Orte noch auf dem rechten Wollbachufer oberer, und im Wollbach- bette selbst mittlerer und unterer, die sich dann längs des Eisen- grabens auf den Heuberg hinauf ziehen. In dem Munzenbachthale dagegen scheint wieder unterer bis oberer entwickelt zu sein, doch sind hier die Aufschlüsse sehr ungünstig. Jenseits des Wollbach- thales am N.-Abhange des Heuberges im Lichsen trifft man wieder oberen und mittleren, die sich nach kurzer Erstreckung auskeilen und erst wieder im Kanderbette selbst anstehend zu beobachten sind.

18 PFAFF: [134

c. Der Keuper.

Nördlich von Haagen, auf der W.-Seite des grossen Bruches, mündet das kleine von N. kommende Lingmatthal in das Wiesethal. Hart auf den obersten Bänken des Muschelkalkes, durch welchen das Thal in seinem Unterlaufe führt, lagern wenig oberhalb des. Punktes 315,9 der top. Karte hellgraue, harte, schlecht geschichtete Thone mit Estheria minuta Alb., die der Lettenkohle zuzurechnen sind. Die höheren Schichten des Keupers liegen hier meistens in den Reb- bergen verdeckt, doch treten etwas westlich davon, als Liegendes des Lias, rothe Thonmergel auf. Auf dem Rücken des Hünerberges, Öst- lich von Lörrach, sieht man folgendes Profil: Muschelkalk, blaugrüne Thone mit Estheria, nur in den obersten Lagen sichtbar, dolomi- tische hellgraue Bank, blaue und rothe Thone. Fast dieselbe Schichten- reihe tritt etwas weiter südlich am Waldesrande östlich vom Schädel- berg wieder zu Tage, doch konnte hier die Estheria nicht gefunden werden. Im Kanderbett, oberhalb der Brücke finden sich etwas andere Schichten, die aus grauen, dünngeschichteten, schlechterhal- tene Pflanzenreste führenden T'honen mit ziemlichem Glimmergehalt bestehen, an die sich etwas abwärts hellgraue, harte Mergel an- schliessen, die jedoch nur durch einen Gypsstollen aufgeschlossen worden sind!, dessen Gyps nach Hus ebenfalls aus dieser Formation stammt.

Ausser der schon angeführten Estheria und den Pflanzenresten fanden sich keinerlei andere organische Reste. Die grauen Letten und Dolomitbänke dürften der Lettenkohle, die rothen Thone dem mittleren Keuper angehören. Rhätische Schichten fehlen unserem (rebiete gänzlich.

4. Der Jura.

Fast an allen Stellen, wo der Keuper zu beobachten ist, finden sich über seinen jüngsten Schichten, den rothen oder grauen Thonen, dunkle, öfters Versteinerungen führende Kalke, die tiefsten Schichten des Jura. Da die Verbreitung dieser Formation in unserem Gebiet gering ist, und die Aufschlüsse meistens sehr ungünstig sind, sie auch schon vielfach eingehend untersucht wurde (ich erwähne nur die Arbeiten von P. MeErıan, Beiträge zur Geognosie, FROMMHERZ,

ı Hus: Kurze Beschreibung d. geogn. Verhältnisse d. Umgegend von Kan- dern: Beiträge z. mineral. und geogn. Kenntniss d. Grossh. Bad.

135] UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE GEOLOG. VERHÄLTNISSE IM BAD. ÜBERLAND. 19

Die Juraformation des Breisgaues, Hug, 1. c., so scheint. es über- flüssig eine genauere Beschreibung davon zu geben.

Der Lias. Am besten aufgeschlossen ist der Lias im Kander- bett bei der oberen Brücke; wenige Meter unterhalb derselben stehen die Arcuatenkalke an, die bachabwärts von dunklen Kalken, in denen Monotis papyria Qu. nicht zu selten ist, überlagert werden (Lias ß.); kurz vor dem Gypsstollen folgen die Posidonomyen- schiefer in stark gestörter Lagerung, welche die jüngsten anstehen- den, jetzt sichtbaren Juragesteine im oberen Kanderbett sind. Die Streichrichtung der Schichten verläuft ebenfalls wieder fast N.-S. und das Fallen ist W. mit 45°. Verfolgt man die Streichriehtung nach S. weiter, so trifft man den Lias erst wieder im Wollbach- thal, dann jenseits des Röttlerwaldes im Wiesethal bei Haagen, wo die Arietenkalke sehr gut aufgeschlossen sind, und auf dem Hüner- berg bei Lörrach.

Der Dogger. Die stärkste Mächtigkeit von allen Jura- ablagerungen zeigt im Kandergebiet der Dogger. Seine tiefsten Schichten, die Opalinusthone konnten bis jetzt anstehend oberfläch- lich nirgends beobachtet werden, dagegen wurden sie vom Gyps- stollen im Kanderbett durchfahren, und werden daher nicht selten bachabwärts unter den anderen Geröllen angetroffen. Jüngere Schichten sind an der N.-Seite des Heuberges nirgends sichtbar, dagegen finden sich im Erzloche am S.-Abhang dieses Berges am Anfang des Waldes graue, ziemlich feinkörnige Kalke anstehend, über denen etwa 8 m. höher rothe, schwach oolithische, reichlich Crinoiden- stielglieder führende Kalksteine, die typischen Murchisonaeschichten folgen, die etwas höher von grauen, ziemlich harten Mergeln den Sowerbyi-Schichten überlagert werden, die ihrerseits nach oben vom Hauptoolith begrenzt sind. Die vollständigste Schichtenfolge des Doggers findet sich am Heuberg östlich von Lörrach, doch konnte die Mächtigkeit der einzelnen Schichten, da die Abhänge einerseits von Gras und Rebbergen vollständig überzogen, andererseits sehr stark überrollt sind, nicht genauer festgestellt werden, und die Schichten lediglich aus den am N.-W.-Abhange gefundenen Gesteinen und Versteinerungen bestimmt werden; hieraus liessen sich die Murchi- sonae-, Sowerbyi-, Humphriesi-Schichten, Giganteusthone, Subfur- caten-Schichten und der Hauptrogenstein, der oben auch auf der Spitze selbst ansteht, nachweisen. Weiter wäre nur noch die unter dem Namen Mumienhorizont bekannte grobe Ausbildung des Rogen- steines, welche am N.-Abhange des Röttlerschlosses ansteht, zu

20 PFAFF: [136

erwähnen. Unter den Schichten des Doggers besitzt der Rogenstein die grösste Mächtigkeit, die im Durchschnitt 50 m erreichen dürfte. Von Stetten an zieht sich der Rogenstein über den Schädelberg und von hier der allgemeinen Streichrichtung folgend weiter über das Röttlerschloss durch das Steinbüchsle bei Wollbach bis nach Egerten, woselbst in ıhm ausgebreitete Steinbrüche betrieben werden.

Wie alle erwähnten Formationen, so streicht auch der Dogger von Stetten bis nach Egerten N.-S. bei einem W.-Fallen von 50—30°, in der Nähe dieses Ortes aber ändert er plötzlich seine Streich- und Fallrichtung und nimmt, was namentlich in dem diesem Orte am nächsten gelegenen Bruche am deutlichsten sichtbar ist, ein O.-W.-Streichen bei S.-Fallen mit ungefähr 30° an.

Der Malm. Vom oberen Jura findet sich in unserem Ge- biete nur der Oxfordthon! und Üorallenkalk; ersterer, als graue Thone mit häufigen Kalkknollen ist nur am W.-Ufer der Kander unterhalb Kandern als ziemlich schmaler Streifen zu beobachten, dagegen bildete der Oxfordkalk ziemlich beträchtliche Höhen, so in unserem Gebiete den Behlen und den Suffert bei Holzen. Am linken Kanderufer liegt er am Fusse des Heuberges wenige Minuten unter- halb Kandern selbst in einem grösseren Bruche aufgeschlossen, und Jässt sich von hier bis in den Wald hinein verfolgen. Obwohl bei der undeutlichen Schichtung dieser Kalke die Streichrichtung nicht genau bestimmt werden kann, so geht doch soviel daraus hervor, dass sie bei Holzen und Hammerstein O.-W. streichen und S. ein- fallen. Weiter treten noch die Corallenkalke am Röttler Schloss auf, wo sie sowohl im Schlosshofe selbst als auch auf dem nach Röttlerweiler herabführenden Weg anstehend zu beobachten sind.

5. Das Tertiär.

Die am Isteiner Klotzen zwischen dem Jura und den marinen Absätzen des Oligocäns eingeschalteten Melanienkalke scheinen in der (Gegend von Kandern vollständig zu fehlen; es beginnt vielmehr das Oligocän überall mit marinen Schichten, die bekanntlich gerade hier durch eine reiche Meeresfauna ausgezeichnet sind. Das Vorkommen des Meeressandes am Röttler Schloss ist lange bekannt”; auch von einem südlicheren Punkte (Stetten) hat schon früher SANDBERGER das Auftreten von Ost. callifera Lmk. angegeben. Es haben sich ferner

! STEIMANN und LeEnT: Die Renggerithone im bad. Oberlande. Mittheil. d. Grossh. bad. geolog. Landesanst. 11. Bd. XVI.

® LEONHARD: Geog. Skizze d. Grossh. Baden.

® SANDBERGER: Conchylien d. Mainz. Tertiärbeckens.

137] UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE GEOLOG. VERHÄLTNISSE IM BAD. ÜBERLAND. 9]

beim Anlegen eines Stollens zur Gewinnung von Bohnerz bei Hammer- stein die Amphisyleschiefer gezeigt!, und bei Holzen sind Pflanzen- reste in einem glimmerigen Sandstein vorgekommen.

Die am Rande des Schwarzwaldes vorhandene Ausbildung des Oligocäns in Form von mächtigen fossilleeren Kalkconglomeraten, Kalksandsteinen und Mergeln ist auch S. und S.-W. von Kandern am Heuberg und am Behlen zu beobachten. In den grossen Stein- brüchen, unterhalb erstgenannter Höhe, und am Behlen zwischen Hammerstein und Holzen trifft man eine derartige Schichtenfolge gut entblösst. Schon in diesen sonst gewöhnlich fossilfreien Schichten sind Fossilien nicht selten. Es fanden sich in den Steinbrüchen bei Kandern Mytilus socialis Braun, Mytilus tenuis Dresh. und Cyrena sp. nicht selten als Abdrücke auf den feinkörnigen Kalksandstein- platten, ersterer insbesonders in grosser Individuenzahl. Da diese, wie FÖRSTER? nachgewiesen hat, die bezeichnenden Formen des mitteloligocänen plattigen Steinmergels von Kleinkembs sind, so dürfen wir daher auch diese Schichtenfolge als dem Mitteloligocän angehörig betrachten.

Nur wenig abweichend von dieser Schichtenfolge am Heuberg zeigt sich jene am Behlen zwischen Hammerstein und Holzen. Hier liegen zu unterst auf den Corallenkalken des Oxford fossilleere Cong- lomerate, über denen die plattigen Kalksandsteine mit Mytilus tenuis und socialis folgen. In den Oxfordkalken sind die eocänen Bohn- erze taschenförmig® eingelagert und gaben früher gerade hier Ge- legenheit zu einer ziemlich ausgebreiteten bergmännischen Gewinnung. Als Hangendes der Kalksandstene und Conglomerate wurden bei Anlage eines Stollens unweit Hammerstein die Amphisyleschiefer durchfahren, die jetzt anstehend jedoch fossilleer, nur noch an der Strasse von Holzen zum Holzeneinig zu beobachten sind. Dagegen lassen sich an der alten Halde, die vor dem Ausgange des jetzt nicht mehr gangbaren Stollens an der Strasse zwischen Hammer- stein und Holzen liest, noch jetzt Fossilien, insbesondere Fisch- schuppen und Algenreste sammeln. Letztere erwecken durch ihre Aehnlichkeit mit den im alpinen Flysch so weit verbreiteten Chondri- tes arbuscula Heer, besonderes Interesse. Leider liegen bei unseren Funden die Zweige übereinander, wodurch der Vergleich mit den

! H. v. Meyer: Neu. Jahrb. 1863, p. 449.

° Förster: Mittheilungen üb. d. oberelsässische Tertiär. Tagbl. d. 58. Vers. deut. Natrf. u. Aerzte i Strassb.

Hug: 2.2.0.

22 PFAFF: [138

Flyschformen etwas erschwert ist. Immerhin dürfte der Fund bei der Aehnlichkeit des Gesteines und des geologischen Horizontes Beachtung verdienen.

Im Hangenden der Amphisyleschiefer treten etwa 400 m süd- lich des Stollens hellgelbe glimmerreiche Sande auf, die von einigen festeren Sandsteinbänken durchzogen werden. Diese Schichten sind in einer kleinen Grube aufgeschlossen, und fallen mit 30° nach S.-8.-O. bei einem W.-N.-W. 0.-8.-O.-Streichen und stimmen darin mit den Conglomeraten und Kalksandsteinen am Behlen an der Basis des Mitteloligocäns überein. Besser aufgeschlossen finden sich diese Sande am Laufelberg, nördlich Fischingen am Rhein, woselbst sie die N.-Wand des zu diesem Orte sich herabziehenden Thalkessels bilden. Ebenso wie bei Hammerstein enthalten sie auch hier Zwischenlager von weichen, glimmerhaltigen Sandsteinbänken, in welchen nicht an schlechterhaltene Pflanzenreste eingebettet liegen.

Berücksichtigt man einerseits die Lagerung dieser Schichten, die das Hangende der Amphisyleschiefer bilden (cf. Prof. N. 9), andererseits ihren petrographischen Charakter, so kann wohl kaum ein Zweifel bestehen, dass hier ein den Uyrenenmergeln, spec. den Schleichsanden ', gleichzustellende Ablagerung vorliegt.

Ausser an diesen beiden Punkten treten die Schleichsande noch oberhalb Egisholz am Waldesrande, im Altengrund südlich von Nebenau, und in der Nähe des Röttler Schlosses auf.

Als jüngste tertiäre Ablagerungen finden sich in unserem Ge- biet die miocänen Süsswasserkalke. An der 8.-O.-Abdachung des Laufelberges überlagern sie die Schleichsande. Am besten auf- geschlossen und am mächtigsten entwickelt sind sie wohl an dem längst bekannten Punkte, dem Untertüllinger Berg. Auf der N.-Seite reichen sie bis zum Orte Röttlerweiler und bilden im Wiesethale selbst an einigen Stellen die Ufer des Flussbettes. Sie erreichen daher an diesem Berg zum mindesten eine Mächtigkeit von 180 m.

Ein sehr schönes Profil, welches mit Ausnahme des Rothliegen- den alle in unserem Gebiete auftretenden Formationen entblösst, und namentlich die Stellung der Amphisyleschiefer und Schleichsande feststellen lässt, zieht sich über das Röttler Schloss in ungefähr O.-W.- Richtung (ef. d. Prof. 7). Die ältesten Schichten bestehen aus Röth, darüber folgen bei Haagen unterer, mittlerer und oberer Muschel- kalk, dann die Lettenkohle und mittlerer Keuper, dem sich der Lias, Dogger und Malm anschliessen. Darüber liegen, dem Tertiär

ı Lepsıus: Das Mainzer Tertiärbecken, p. 80.

139] UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE GEOLOG. VERHÄLTNISSE IM BAD. ÖBERLAND. 25

angehörig, feinere Conglomerate, Meeressand, gröbere Conglomerate, die besonders im Wegeinschnitt zwischen der Hohen Strasse und dem Schlosse gut aufgeschlossen sind und kürzlich bei einer Brunnen- anlage im Orte Röttlerweiler selbst entblösst wurden. Das Hangende bilden hier die Amphisyleschiefer, die ihrerseits direct wieder von den Schleichsanden überlagert werden, welch’ letztere an der Strasse in der Nähe des Wirthshauses anstehen. Ueber der letztgenannten Stufe folgt wahrscheinlich noch ein grobes Conglomerat, das oben im Walde als loses Gerölle aufgeschlossen ist. Es findet sich demnach hier das gleiche Profil wieder wie bei Hammerstein: Con- glomerate, Amphisyleschiefer, Schleichsande, mit dem Unterschiede nur, dass hier sich noch ein (?) oberes Conglomerat eingeschoben hat, über dessen Entwickelung sich bei Hammerstein in Folge der diluvialen Ueberdeckung nichts Genaueres ermitteln lässt.

6. Pliocän und Pleistocän.

Die meisten niedrigen Vorberge, Bergabhänge und Thäler unseres (rebietes werden von Lehm- oder Geröllablagerungen über- zogen, so dass anstehendes Gestein hauptsächlich nur in Bachein- schnitten, Strassen und Steinbrüchen zum Vorschein kommt. Die (reröllablagerungen, welche hier in Betracht kommen, zerfallen in solche, deren Material ausschliesslich aus Schwarzwaldgesteinen be- steht, und solche, deren Material einen ausgeprägten alpinen Habitus hat. Ebenso wie sie sich durch ihre Zusammensetzung leicht unter- scheiden lassen, können sie auch durch die Erhaltung ihrer Be- standtheile und ihrer Lage als jüngere oder ältere Bildungen unter- schieden werden.

A. Pliocän.

Die älteste Geröllablagerung findet sich auf der, S. von Kandern gelegenen Höhe, dem Heuberg, wo eine Grube zur Gewinnung eines feuerfesten T'hones in Betrieb ist. Wir treffen hier (von oben nach unten) eine ungefähr 0.5m mächtige Ablagerung von gelbem und braunem Thon, dessen Liegendes eine 1,8m mächtige Geröllanhäufung bildet. Hierin fällt zuerst die sehr beträchliche Menge von kopfgrossen und grösseren Buntsandstein-Geröllen in die Augen, die ungefähr !/ıo der ganzen Ablagerung ausmachen, und in einem feinen hellen Thon ein- gebettet liegen. Neben dem Buntsandstein erkennt man jedoch viel seltener Porphyr und ganz vereinzelt Granit und Grneiss. Nach den Angaben der Arbeiter und einem von mir, jedoch an anderer Stelle gemachten Funde, enthalten diese Thone auch noch Chalcedon-

24 PFrarrF: [140

stücke aus dem Muschelkalk. Das Liegende des Profiles bildet eine häufig auskeilende Lage eines fast weissen Thones, die mit Vorliebe zur Verarbeitung gewonnen wird. |

Ungefähr 4—500 m südlich dieser Grube ist zum Abbau des Thönes ein Stollen etwa 15m unterhalb der Höhe in den Berg getrieben. In einem nicht verschaalten Querstollen lässt sich die Structur dieser Ablagerung am besten erkennen. Diese zeigt sich aus bald voll- ständig gerundeten, bald mehr eckigen Geschieben, die häufig auf der Spitze stehen, zusammengesetzt. Das Verhältniss des Bunt- sandsteines zur ganzen Masse ist fast das gleiche wie in der Thon- srube, dagegen sind erkennbare Grerölle von Granit und Gneiss so häufig, dass sie die Ablagerung vorwiegend zusammen zu setzen scheinen. In die einzelnen Zwischenräume der Gerölle klemmt sich ein freier heller Thon, der dem Ganzen eine gewisse Festigkeit verleiht. Porphyrstücke treten, soviel noch sichtbar, ziemlich zurück. Was nun den Erhaltungszustand der einzelnen Bestandtheile betrifft, so zeigt sich, dass weitaus die Mehrzahl so stark zersetzt ist, dass sie sofort beim Herausnehmen zu einem feinen Thon zerfallen, und nur (Quarz neben einigen Glimmerblättchen als einstiger Bestandtheil er- kannt werden kann. Dass aber ihre frühere Gestalt noch so weit erhalten geblieben ist, ist dem Umstande zuzuschreiben, dass sie durch den femen Thon zu einem Ganzen verkittet sind. Der Bunt- sandstein hat neben dem Porphyr, der auch öfters noch erkennbar ist, noch einigermassen seine frühere Festigkeit behalten, doch ist auch er in den meisten Fällen fast vollständig gebleicht, und zer- fällt unter dem Hammer zu Sand; nur einige Stücke, die der Kiesel- schichte angehören, haben theilweise noch ihre einstige Färbung und Festigkeit beibehalten. Schichtung lässt sich in der ganzen Ab- lagerung fast nirgends wahrnehmen. (reschrammte Gerölle konnten nicht beobachtet werden, was aber bei dem Erhaltungszustande auch kaum zu erwarten ist. Es nehmen demnach an der Zusammensetzung der ganzen Ablagerung krystalline Gesteine, Buntsandstein und wahrscheinlich auch Muschelkalk und Rothliegendes Theil. Die Schichten der letzten Formation besitzen aber eine viel zu geringe Widerstandsfähigkeit, um in einer anderen als thonigen oder sandigen Gestalt noch erhalten zu sein.

Betrachtet man das Auftreten dieser Gerölle, so scheint es sehr unwahrscheinlich, dass sie durch Flussanschwemmung an ihren jetzigen Ort gelangt seien, da die Höhe des Heuberges nach allen Seiten isolirt ist; auf der N.-Seite allein ist sie durch einen Sattel, der ungefähr

141] UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE GEOLOG. VERHÄLTNISSE IM BAD. ÜBERLAND. 95

70m tiefer liegt als jene Thongrube, von den gegenüberliegenden (Granithöhen getrennt.

Auch im N. auf dem Granit liegt kein grösseres Flussgebiet, welches auf den Heuberg hätte zufliessen können. Es ist demnach ein Zusammenhang dieser Ablagerung, die nach verschiedenen An- gaben eine Mächtigkeit von 30 m erreichen soll, mit irgend einem Flusssystem, das den Transport solcher Geröllmassen hätte besorgen können, nicht ersichtlich, selbst wenn man sich die Einsattelung des Rothen Raines erst nach Ablagerung der Geröllanhäufung entstanden denkt. Sie muss desshalb, wie auch die ähnlichen Ablagerungen im Elsass!, auf die Thätigkeit von Gletschern zurückgeführt werden.

Die Verbreitung dieser Bildung ist nur sehr beschränkt; auf letztgenannter Höhe nimmt sie nur die oberste Höhe ein und zieht sich nur an einer Stelle, westlich des Fahrenbodens bis gegen 30m am Ab- hange herunter, während sich an den tieferen Theilen der Gehänge andere, gleich näher zu besprechende Geröllablagerungen befinden.

Aehnlich scheinen die Verhältnisse auf den beiden östlich vom Heuberg gelegenen Buntsandsteinhöhen, dem Munzenberge und der Nassen Küche zu liegen, wo früher auch die feuerfesten T’hone an verschiedenen Stellen aber ebenfalls auf den höchsten Theilen ge- graben wurden. Jetzt lässt sich die Verbreitung dieser Ablagerungen, der zu starken Bewaldung halber, nur noch unvollkommen er- mitteln, doch scheint sich dieselbe wenigstens vom Munzenberg herab auf der Höhe des Bergrückens bis zum Röttler Schloss zu er- strecken, wo an der Abzweigung des Weges zu dieser Ruine von der hohen Strasse sich jetzt noch die verlassenen Thongruben finden. Die Gesteine dieser Ablagerung sind, wie wir obon sahen, theils krystalline, wie sie jetzt im südl. Schwarzwalde anstehen, theils sedi- mentäre, welche jetzt dem Gebirge fehlen (Buntsandstein und Muschel- kalk). Demnach kann nach der Art des Auftretens auf den höchsten Erhebungen des sedimentären Gebietes in unmittelbarer Nähe des G&ebirges kein Zweifel darüber obwalten, dass der Ursprung des Materiales im Gebirge zu suchen ist.

Nun finden sich in diesen Ablagerungen Buntsandsteingerölle, die dem Horizont des Hauptconglomerates zuzuzählen sind, ziemlich häufig mit einer sehr starken Entwickelung des ÜConglomerates. Dieses aber ist gerade im S. des Schwarzwaldes sehr schwach ent- wickelt. Jene Conglomeratgeschiebe müssen daher aus einer Gegend

! Mitth. d. Comm. f. d. geolog. Land.-Unters. v. Elsass u. Loth Bd. II 1892, S. XXXIV.

96 PFAFF: [142

stammen, in welcher das Conglomerat stärker ausgebildet war. Aus allem diesem ergiebt sich als berechtigter Schluss, dass in früheren Zeiten auf dem Schwarzwalde der Buntsandstein und wahrscheinlich der Muschelkalk! noch gelegen haben, und dass die Bildung dieser Ablagerungen in jene entlegene Zeit fällt. Ihr relativ hohes Alter wird auch aus dem hohen Grade der Zersetzung der krystallinen Gerölle und aus der Bleichung, die der Buntsandstein fast durchweg erfahren hat, wahrscheinlich. Im Vergleich mit den ähnlichen Bil- dungen im Elsass scheinen unsere Schottermassen keinerlei Ver- schiedenheiten zu besitzen, weswegen wir hier auch für sie die übliche pliocäne Altersbezeichnung annehmen.

B. Pleistocän.

a) Alte Moränen. Am Heuberge findet sich unterhalb des vorhin erwähnten Niveaus fast an allen von der hier nur zu üppigen Bewaldung freien Stellen eine den ebenbesprochenen pliocänen Ab- lagerungen ähnliche, aber viel weiter verbreitete Geröllablagerung. In einem festgepressten hellgelben bis braunen, grandigen Thone liegen grössere und kleinere, mehr oder weniger gerundete Blöcke von Buntsandstein und Porphyr, seltener von Granit und Gmneiss und Muschelkalkchalcedon. Zum Unterschiede von den pliocänen Ab- lagerungen zeichnet sich hier der Buntsandstein meistens durch die, wenn auch nicht vollständige Erhaltung der ursprünglichen Färbung, Härte und Widerstandsfähigkeit, und ganz besonders durch eine braune Rinde, die die meisten Blöcke überzieht, aus. Beide Ab- lagerungen zeichnen sich durch die reichliche Betheiligung des Bunt- sandsteines aus. Die krystallinen Gesteine, besonders der Por- phyr, lassen sich noch als solche erkennen, und sind noch nicht ganz in eine kaolinartige Masse umgewandelt. Tiefer gehende Auf- schlüsse fehlen in diesen Ablagerungen fast ganz, der einzige einiger- massen gute befindet sich im Moosgraben östlich von Wittlingen a. d, Kander. Hier fällt namentlich die bedeutende Grösse der zahl- reichen Buntsandsteinblöcke auf, welche öfters einen Durchmesser von lm erreichen und untermischt mit zahlreicheren kleineren im Thon eingebettet liegen. Im mittleren Theile des Grabens (un- gefähr 355 m ü. d. M.) liegt eine Blockanhäufung, die dadurch ent-

! Vergl. van WERWERE: Ueber d. Pliocän d. Unter-Elsass. Mitthl. d. geol. Landesanst. v. Elsass u. Loth. Bd. III.

143] UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE GEOLOG. VERHÄLTNISSE IM BAD. ÜBERLAND. om

standen ist, dass der Bach das lose, mürbe Material weggeführt, und so die grösseren Blöcke zusammengehäuft hat, ohne sie selbst weiterschaffen zu können.

Diese Blockmassen, die, wie schon erwähnt, eine ziemlich be- trächtliche Verbreitung in unserem (Gebiete besitzen, ziehen sich an den Abhängen der höheren Berge hin, oder aber liegen auf den niedrigeren Höhen selbst. Am Heuberge lassen ‚sie sich auf beiden Seiten (O.-W.) bis gegen Wollbach hin verfolgen, dann trifft man sie wieder auf dem rechten Kanderufer am Behlen und im Holzen- einig. Sie überqueren also hier erstens das ziemlich tiefe Kander- thal und dann die ziemlich breite Einsattlung zwischen Holzen und Hammerstein, um sich noch nördlich von Maugenhard im Walde (Holzeneinig) zu verbreiten. An den vom Munzenberg herabziehenden Rücken finden sie sich ebenfalls auf der W.- wie auf der O.-Seite und ziehen sich herab bis zur Lucke, der Einsattelung zwischen Rümmingen und Röttlerweiler. Ferner sind sie sehr stark entwickelt im Stein- büchsle südlich von Wollbach und lassen sich auch auf dem Lingert, der Dornhalde und dem Stockert, dem Ausläufer der Nassen Küche nachweisen. Ebenso wie die pliocänen Geröllmassen des Heu- berges, besitzen auch diese Blockanhäufungen ihr Analogon im Oberelsass, sowohl in Bezug auf ihr Auftreten als auch bezüglich ihrer Zusammensetzung. Die Reste dieser &erölldecke, welche, wie es scheint, alle niedrigen Erhebungen in gleichförmiger Weise über- zogen hat, treten in künstlichen Aufschlüssen vielerorts zu Tage, so in dem Steinbruch des Oligocän unterhalb Kandern. Ferner beobachtet man m den Klüften des Muschelkalkbruches bei Nebenau eine Ausfüllung, die vorwiegend aus dem Material der alten Moräne besteht, während die Gerölldecke selbst jetzt ganz verschwunden ist.

b) Hochterrasseder Wieseundder Kander. Wesentlich ver- schieden von den eben besprochenen Blockanhäufungen finden sich in unserem Gebiete an mehreren Stellen Geröllmassen, deren haupt- sächlichster Bestandtheil krystalline Schwarzwaldgesteine, nur unter- geordnet auch Sedimentärgesteine bilden. Ebenso wie in ihrer Zusammensetzung ist auch ihr Auftreten ein anderes. Während nämlich jene Blockanhäufungen, wie oben ausgeführt, sich über die Thäler hinweg fortsetzen, scheinen diese Ablagerungen hauptsächlich den Flussbetten zu folgen. Wohl am besten aufgeschlossen findet sich diese Schotterbildung bei Maulburg unfern Schopfheim in einem Steinbruch wieseabwärts auf dem rechten Ufer. Hier liegt ungefähr

28 PFAFF: [144

4m über den heutigen Wasserspiegel auf Letten des Buntsand- steines aufgelagert eine circa 3m mächtige Geröllmasse, deren haupt- sächlichster Bestandtheil Granit und Gneiss ist, seltener findet sich Porphyr, Buntsandsten und Muschelkalk. Obwohl die Zersetzung schon ziemlich weit fortgeschritten ist, so können doch noch die einzelnen krystallinen Gerölle gut erkannt werden, während der Buntsandstein noch. fast sein früheres Aussehen bewahrt hat. Da- gegen ist der Muschelkalk in den meisten Fällen schon ziemlich stark der Verwitterung anheimgefallen. Die Grösse der einzelnen (serölle ist ziemlich wechselnd und übersteigt fast nie Kopf- grösse, während die Mehrzahl Faustgrösse besitzt. Schichtung lässt sich in der Ablagerung fast nirgends erkennen. Ueberlagert wird diese Geröllbildung von braunem Lehm, der eine Mächtigkeit von 0.5m erreicht. Obwohl das Liegende hier weicher Letten bildet, so zeigt sich doch nirgends darin eine Störung, die auf einseitig erfolgten Druck oder sonstige mechanische Einwirkung schliessen liesse. Diese Schotter liegen 360 m ü. d. M. oder 90 m über der Rheinebene.

Näher dem Rheine, unterhalb der Ziegelei bei Stetten unfern Lörrach, findet sich auf dem (andern) linken Flussufer eme Ab- lagerung, die der eben geschilderten fast vollkommen gleicht. Auch hier haben krystalline Gesteine bedeutend die Oberhand, während sedimentäre stark zurücktreten. Ebenso ist von deutlicher Schich- tung nichts wahrzunehmen, dagegen scheinen im Durchschnitt die einzelnen Gerölle etwas kleiner zu sein als bei dem obenbeschriebenen Vorkommen, jedenfalls sind kopfgrosse Gerölle bei Stetten fast nicht zu beobachten. Das Liegende ist hier nicht aufgeschlossen, dagegen bildet das Hangende Lehm. Die Höhe dieses Vorkommeus beträgt 325m ü.d.M. oder 55 m über der Rheinebene.

Weitere Aufschlüsse konnten im Wiesethale nicht beobachtet werden, dagegen findet sich gegenüber von Rümmingen, an der alten baseler Landstrasse eine kleine Grube, in der sich dieselbe Schotterbildung beobachten lässt. Auch hier trifft man starkes Vorherrschen des krystallinen Materials, während sedimentäre Ge- steine stark in den Hintergrund treten. Verwitterung und Structur stimmen mit dem Vorkommen bei Stetten und Maulburg fast voll- kommen überein. Ueberlagert wird diese Schotterablagerung von Lehm, während das Liegende nicht aufgeschlossen und somit auch die Mächtigkeit der Ablagerung nicht bestimmbar ist. Die Höhe be- trägt ungefähr 290 m ü. d. M. oder 20 m über der Rheinebene.

145] UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE GEOLOG. VERHÄLTNISSE IM BAD. ÜBERLAND. 99

c) Schottermassen des Rheines. Die einzige be- merkenswerthe Ablagerung von älteren alpinen (Greröllmassen befindet sich unterhalb Oettlingen am Absturz zur Rheinebene. Ueber der Strasse, die von der nach Basel führenden Hauptstrasse zu diesem Orte hinaufsteigt, befindet sich ein kleiner Bachriss, welcher eine aus alpinem Gestein bestehende harte Nagelfluh in einer Höhe von ungefähr 295 m über d. M. oder 25 m über der Rhein- ebene angeschnitten hat. Dieser Bachriss, dessen unterer Theil stark verrollt ist, durchneidet einige Meter über der Strasse einen roth- braunen, stark thonigen Grus, der aus zersetztem Schwarzwaldmaterial besteht und wahrscheinlich der Hochterrasse der Kander entstammt. Weiter oben folgt nun angeschwemmter Löss und Lehm in einer Mächtigkeit von ungefähr 3 m. Die Nagelfluh, aus wechselnden Lagen von gröberem und feinerem Material zusammengesetzt, ist ungefähr 9m mächtig und enthält ausschliesslich alpine Gesteinsarten, nämlich Radiolarienhornsteine, verschiedene Alpenkalke, Q@uarzite u. s. w., Gesteine, die, wie es scheint, mit denjenigen übereinstimmen, welche die benachbarte Niederterrasse des Rheines zusammensetzen. Obwohl dieser Aufschluss im Ganzen nicht besonders günstig ist und auch horizontale Bohrungen kein sicheres Ergebniss lieferten, so konnte doch aus einer hart neben der anstehenden Nagelfluh senkrecht ausgeführten Bohrung, welche in einer Tiefe von ungefähr 2,5—3 m grössere Lösskindel antraf, geschlossen werden, dass die Nagelfluh höchst wahrschemlich auf älterem Löss auflagert. Für die Beurtheilung des Alters der Nagelfluh, namentlich in Bezug auf die zunächst gelegenen Vorkommnisse von Schwarzwaldschottern, ist es ferner von Bedeutung, dass das oben beschriebene Vorkomm- niss von Schwarzwald-Hochterasse bei Rümmingen 3 km kander- aufwärts gelegen im gleichen, wenn nicht gar in tieferem Niveau (circa 295 m) liegt. Nach dem allgemein herrschenden Gefälle der Hochterrasse gegen das Rheinthal zu müsste die Hochterrasse hier in einem viel tieferen Niveau zu erwarten sein.

Auf der Nagelfluh selbst ist nur jüngerer Löss anstehend zu be- obachten, während älterer Löss mit grossen Lösskindeln oder als Höhenlehm nicht aufgefunden werden konnte.

Aus den angeführten Gründen glaube ich die Nagelfluh für eine jüngere Bildung als die Hochterasse ansehen zu müssen. Da jedoch weiter rheinabwärts kein ähnliches Vorkommen bekannt ist, so dürfte eine sichere Entscheidung über ihr Alter am ehesten weiter auf-

wärts im Rheinthal i. Bes. in der Gegend bei Basel zu erwarten sein. Berichte VII. Heft 1. 10

30 PFAFF: [146

Nach der von DU PASQUIER eingeführten Bezeichnung würde diese Nagelfluh als rheinische Hochterasse zu bezeichnen sein. Nach- dem aber, wie mir Herr Prof. STEINMANN mittheilt!, im badischen Oberlande eine zwischen Hoch- und Niederterrasse fallende Auf- schüttung nachgewiesen ist, welche dem älteren Löss auflagert, und von Jüngerem bedeckt wird, dürfte auch unsere Ablagerung mit dem dort angewandten Namen Mittelterrasse belegt werden müssen.

Den übrigen pleistocänen Bildungen unseres Gebietes habe ich keine besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Nur der Vollständig- keit wegen möge hier angeführt werden, dass im Thale der Wiese und Kander jüngere nicht von Löss bedeckte Geröllmassen sich weit verbreitet finden, die als Schwarzwälder Niederterrasse zu be- zeichnen sind, und dass ferner Löss und Lehm eine sehr ausgedehnte Verbreitung in diesem Gebiete besitzen.

7. Die Lagerungsverhältnisse.

Durch genaue Kartirung im Masstab 1:25000 des etwa 9 km breiten Streifens zwischen Kandern und Lörrach habe ich den Verlauf und die Art der Ausbildung der verlängerten Haupt-Schwarz- walddislocationslinie zu verfolgen versucht und glaube, trotz der ausgedehnten diluvialen Bedeckung, welche den Einblick in die tekto- nischen Verhältnisse dieses Gebietes sehr erschwert, an der Hand einiger Profile und der auf Tafel VII gegebenen tektonischen Skizze ein annähernd richtiges Bild der Lagerungsverhältnisse geben zu können!

Zur allgemeinen Orientirung verweise ich auf die geologische Uebersichtskarte von Eck. Auf derselben ist ersichtlich, dass die Haupt-Schwarzwalddislocation von Badenweiler bis Kandern, ab- gesehen von einer Aus- und Einbuchtung etwa in der Mitte zwischen beiden Orten, einen genau meridionalen Verlauf besitzt. Sie trägt auf dieser Strecke, ebenso wie weiter im N. in der Gegend von Sulzburg?, durchgängig den Character einer Verwerfung, indem keineswegs immer die ältesten der hier entwickelten postearbonischen Sedimente, sondern auch jüngere Formationsglieder hart an das Grundgebirge zu liegen kommen. Ebenso fehlt es nicht an den- jenigen Erscheinungen, welche mit der Spaltenbildung im Rheinthale verknüpft zu sein pflegen, d. h. an der Verkieselung der an die Dislocationslinie angrenzenden Gesteine. Zwischen der 8.-O.-Ecke

! Vergl. STEINMANN: Mittheil. d. bad. geol. Landesanstalt Bd. III. ® Vergl. LEext: Der westliche Schwarzwaldrand zwischen Staufen und Baden- weiler (Mitth. d. Gr. Bad. Geol. Landesanst. Bd. II. 1893).

147] UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE GEOLOG. VERHÄLTNISSE IM BAD. ÜBERLAND, 31

des Schwarzwaldes bei Kandern und dem Rheine ändert sich aber der Character der Dislocation. Auf der Eck’schen Karte ist die Schwarzwald-Verwerfung bis in die Gegend von Nebenau fortgehend, dann aber nach S. zu aufhörend gezeichnet. Weiter im S. lassen die von GILLIERON ! entworfenen Profile des Westrandes des Dinkel- berges bei Basel nur ein flexurartiges Abbiegen der Sedimente gegen die Rheinebene zu erkennen. Der Uebergang der Verwerfung in die Flexur vollzieht sich nun keineswegs allmählich und gleichmässig, es scheinen vielmehr die beiden schräg auf die Hauptdislocationslinie treffenden Q@uerverwerfungen einen Wechsel von Verwerfung und Flexur zu bedingen. Wir wollen zunächst den Verlauf der wichtig- sten Dislocationen unseres Gebietes kennen lernen (Vgl. Taf. VII).

An der kanderer Ecke treffen zwei Dislocationslinien, die Haupt-Schwarzwalddislocation und die kanderer Querverwerfung zusammen; in Folge dessen sind gerade hier die Lagerungsverhältnisse sehr verwickelt. Jene zieht östlich‘ von Kandern vom W.-Fusse des Schwarzwaldgranitmassives in S.-Richtung weiter ungefähr über die Orte Nebenau, Röttler Schloss, Lörrach hinweg bis zum S.-W.- Abhange des Dinkelberges bei Basel und durchquert, wie GILLIERON ? gezeigt hat, oberhalb dieser Stadt den Rhein, mit fast überall gleich- bleibendem, von N.—S. streichendem Verlauf. Die Schichten fallen in der Nähe derselben meist mehr oder weniger steil nach W., stellenweise sogar nach O., das heisst widersinnig.

Die zweite Dislocationslinie, die kanderer Querverwerfung, zieht von der kanderer Ecke in S8.-O.-Richtung am Abhange des (rranitstockes entlang nach Schlächtenhaus; auf ihr herrscht 8.-O. —N.-W.-Streichen und S8.-W.-Fallen der Schichten von 10-—40°,

Eine weitere Störungslinie wird ungefähr durch die Orte Holzen, Hammerstein, Egerten bezeichnet, hier herrscht im Allgemeinen ° W.-N.-W.—8.-8.-O.-Streichen und 8.-S.-W.-Fallen bis zu 30°.

Die beiden letztgenannten Dislocationen laufen nahezu parallel und stossen unter Winkeln von ungefähr 60° bezw. 120° auf die Hauptlinie.

Es hebt sich auf diese Weise ein durch den Verlauf dieser Störungslinien vorgezeichnetes Gebiet gestörter Schichtenlage von der umgebenden Tafelregion, in welcher die Schichten horizontal oder nur ganz schwach geneigt liegen, ab.

ı Eclogae, Geol. Helvet. II, 1. März 1890. ® Eclog. Geol. Helv. II, 1. März 1890.

10%

32 PFAFF: [148

Die verlängerte Schwarzwalddislocation hat das Gebiet im W. derselben ganz allgemein gesenkt, während durch die O.-Quer- dislocation eine Senkung des S.-W.-Theiles eingetreten ist. Daher besitzen die ältesten Sedimente (Rothliegendes, Buntsandstein) ihre Hauptverbreitung im S.-O., die jüngsten (die miocänen Süsswasser- kalke) im S.-W.

Im Kanderbette oberhalb Kandern (Taf. VII Fig. 1) befinden wir uns noch im Bereiche der Schwarzwaldverwerfung. Hier ist die abgesunkene Sedimentreihe vom mittleren Muschelkalk bis zum unteren Dogger höhere Schichten konnten nicht mehr beobachtet werden vollständig entwickelt, der Muschelkalk ist allerdings in seiner Mächtigkeit stark redueirt. Zwischen das granitische Grund- gebirge und den mittleren Muschelkalk schiebt sich aber noch eine schmale Lage Rothliegendes, und zwar die mittlere Abtheilung des- selben ein. Wir hätten hier also streng genommen zwei gesonderte Ver- werfungen, eine zwischen Granit und mittlerem Rothliegendem, durch welche das untere Rothliegende ausfällt, und eine zweite, durch welche das mittlere Rothliegende in unmittelbare Berührung zu dem mittleren Muschelkalk gebracht wird, durch welche also das obere Rothliegende der Buntsandstein und der untere Muschelkalk zum Verschwinden gebracht worden ist. Ungefähr 100m südlich davon, im Einschnitte der alten Scheideckstrasse, stehen dann die Zwischenschichten an der westlichen Strassenböschung an, die hier unmittelbar an den Granit stossen. Von dieser Stelle zieht sich der Buntsandstein in derselben Richtung die Höhe hinan, wenigstens steht jenseits des Bachbettes und weiter oben im Walde oberer an, um unterhalb der sehr steil ansteigenden Muschelkalkkuppe, nördlich des Fasanengartens, zu ver- schwinden. Eine kleine Strecke aufwärts lagert sich dann an das Rothliegende der Muschelkalk. Es trennt somit die Verwerfung zuerst den Granit vom Rothliegenden, dann den Granit vom Bunt- sandstein (Prof. 2), weiter das Rothliegende vom Buntsandstein und schliesslich das Rothliegende vom Muschelkalk (Taf. VII, Prof. 3).

Die im Profil 2 sichtbaren steil gestellten Sedimente der Trias (einschliesslich des unteren Lias), müssen sich gegen W. zu sehr rasch verflachen, sei es durch Beugung, sei es in Folge einer weiteren Verwerfung, denn die auf der W.-Seite des Heuberges in Stein- brüchen aufgeschlossenen Schichten des Oxfordkalkes und der oli- socänen Conglomerate und Sandsteine zeigen nur noch eine ganz schwache Neigung. Leider ist das Zwischenstück hier durch Wald- bedeckung der Beobachtung entzogen. Deutlicher liegen die Ver-

149] UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE GEOLOG. VERHÄLTNISSE IM BAD. ÜBERLAND. 33

hältnisse etwas weiter südlich (Prof. 3). Hier trennt die Haupt- störungslinie das mässig steil gestellte obere Rothliegende vom zum Theil widersinnig einfallenden Muschelkalk. Im Keuper scheint sich die Steilstellung der Schichten und dann der Uebergang in ein W.- Fallen zu vollziehen. Hart neben dem Keuper liegt aber schon das Tertiärconglomerat, so dass hier eine zweite, mit der Hauptverwerfung parallel verlaufende Bruchlinie angenommen werden muss. Der O.- Theil des Profil 3 zeigt uns die schwach westlich geneigte, durch die Kandrer Querverwerfung vom Granit abgetrennte, vollständige Schichtenfolge des Rothliegenden. Weiterhin scheint die Haupt- verwerfung aber in Flexur! überzugehen, wenigstens erscheint neben dem Eisengraben am S.-Abhange des Heuberges in regelmässiger Reihenfolge Rothliegendes, Hauptbuntsandstein mit Conglomerat, Zwischenschichten (vielleicht auch Voltziensandsten und unterer Muschelkalk) und mittlerer und oberer Muschelkalk, letzterer mit circa 45° W. einfallend. Jenseits des Wollbaches am anderen Bachufer liegen am N.-O.-Abhange des kleinen Bergvorsprunges, dem Körnle- brunnen gegenüber, oberes Rothliegendes, Zwischenschichten, V oltzien- sandstein, alle in stark gestörter Lagerung, so dass das Fallen zwischen S.-W. und N.-W. schwankt. Gegen W. findet sich im Munzenbach- und Wollbachbett unterer, mittlerer und oberer Muschel- kalk, die zusammen eine Mächtigkeit von annähernd 200 m erlangen und N.-S. streichen, bei W.-Fallen von 45—50° (Prof. 4). Von hier zieht sich der Muschelkalk ungefähr 500 m bachabwärts, allein im Wollbachbette beobachtbar, worin mittlerer und unterer Muschelkalk anzustehen scheinen, denen sich dann auf dem rechten Ufer, näher bei Egerten, mittlerer und oberer Muschelkalk anschliessen, die ihrerseits in normaler Folge von Keuper, Lias und Dogger überlagert werden.

In dieser Gegend kann von einer Verwerfung nicht mehr ge- sprochen werden, denn die Schichtenfolge ist vollständig und die Schichtenneigung des abgebogenen Theiles sehr gleichförmig. Es ist auch nicht gerade wahrscheinlich, dass die pleistocänen Bil- dungen, welche sich zwischen dem jüngsten sichtbaren Gliede der Juraformation, dem Dogger, und den Aufschlüssen im Oligocän bei Egisholz ausbreiten, eine Verwerfung verdecken. Es erklärt sich die Aenderung der Lagerung eifach durch Verflachen der Schichtenlage, wie solches auch sonst beobachtet wird.

Weiter bachabwärts folgt dann auf dem linken Wollbachufer

! x der Profile.

34 PFAFF: [150

am Waldesranle der obere Muschelkalk, der sich von hier fast un- unterbrochen verfolgbar bis zum Wiesethale erstreckt, im Winterholen- thale aber, östlichvon Nebenau, von einer kleinen, ungefähr N.-O.—8.-W. streichenden Verwerfung durchzogen wird, welche den S.-Theil gegen den N.-Theil gesenkt hat (Prof. 8). Nördlich von letztgenanntem Orte trifft die Hammersteiner Flexur unter einem Winkel von 60° auf die verlängerte Hauptschwarzwalddislocation. Die Folge dieses Zu- sammentreftens ist offenbar das abweichende O.-W.-Streichen des Rogensteines im Bruche nördlich von Egerten, und das erneute Ueber- sehen der Flexur auf der Hauptlinie inVerwerfung, wie es in der Karten- skizze und dem Profil 5 eingetragen wurde. Diese Verwerfung wird schon dadurch leicht kenntlich, dass im Alten Grund hart neben dem oberen Muschelkalk der oligocäne Schleichsand zu liegen kommt (ef.2.Prof. 5).

Nun verschwindet auf längere Zeit jeder gute Aufschluss. Erst im oberen Lingmatthal tritt am westlichen Bachufer Keuper zu Tage und wenig oberhalb auf dem östlichen oberer Muschelkalk. Relativ sehr voll- ständig sind die Aufschlüsse, welche nördlich vom Wiesethal triassische, jurassische und tertiäre Schichten gerade im Bereiche der Haupt- dislocationslinie entblössen (Fig. 6). Hier ist von einer Verwerfung nichts mehr zu sehen, vielmehr lässt sich hier die ganze Schichtenreihe vom oberen Buntsandstein bis zum Miocän (mit Ausnahme der durch Ueberrollung fast vollständig verdeckten Schichten des unteren und mittleren Doggers) ohne erkennbaren Sprung verfolgen. Im O.-Theile der ungefähr 3 km breiten Flexur ist die Neigung der obersten Schichten nur schwach (mittlerer Muschelkalk am Lingert 7°, oberer Muschelkalk auf der W.-Seite des Lingert 30°). Weiter gegen Westen nimmt die Steigung zu, indem der Lias mit 45° und der obere Dogger und Malm am Röttler Schloss mit 47%—55° gegen W. einfallen. Von hier schwächt sich die Steilstellung wieder ab, indem die Schleichsande noch mit 45° geneigt sind, um allmählich wieder in horizontale Lagerung überzugehen. Die Breite der steil- gestellten Schichten (zwischen 30° und 55°) beträgt 1,5 km.

Ganz analog liegen die Verhältnisse bei Lörrach (Prof. 7). Leider sind hier die Aufschlüsse viel mangelhafter, doch lässt die vom oberen Muschelkalk bis zum oberen Dogger beobachtbare Schichten- folge auf ein gleiches Verhalten wie beim Röttler Schloss schliessen.

Die kanderer Querverwerfung, welche in der kanderer Ecke von der Hauptschwarzwaldverwerfung abzweigt, verläuft längs des Granitgebirges. Sie scheint überall eine scharfe Bruchlinie zu

151] UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE GEOLOG. VERHÄLTNISSE IM BAD. ÜBERLAND,. 35

sein, und bezeichnet die Verwerfung des Rothliegenden gegen den Granit. In der Nähe der Hauptschwarzwaldverwerfung finden sich in den abgesunkenen Sedimenten, dem Rothliegenden, die stärksten Fallwinkel, die bis zu 30° steigen, weiter gegen S.-O. nehmen sie ab und sinken bis auf 10° herunter. Gegen Süden zu verflacht sich die Schichtenlage bald, so dass ungefähr 1 km von der Verwerfungs- linie am Munzenberg die Schichten nur noch sehr schwacht geneigt sind.

Bei Egerten stösst, wie schon erwähnt, die Holzen-Hammer- steiner @uerdislocation auf die Hauptschwarzwalddislocation. So- weit aus den allerdings mangelhaften Aufschlüssen ersichtlich ist, ist sie eine Flexur, die den W. von der Kander und S. von Hammer- stein gelegenen Theil unseres Gebietes in ein tieferes Niveau ge- bracht hat.

Eine andere Art von Dislocationserscheinungen wäre noch zu erwähnen, nämlich die schon angeführten vertikalen Gleitflächen, die sich an mehreren Stellen im Buntsandstein, wie im Eulenloch, beim Hexenbrünnle, im Jungholz, im Sorrmatthal und im Heilisaubach- thale vorfinden, deren Streichrichtung auffallender Weise, von kleinen Unregelmässigkeiten abgesehen, überall S.-W.—N.-O. verläuft. Diese (Greitflächen rühren demnach von nahezu in derselben Richtung er- folgten Verschiebungen her und zwar ist, wie aus dem Verlauf der Schrammung auf den Rutschflächen im Eulenloch, im Sorrmatthale und im Heilisaubachthale ersichtlich ist, der S.-O.-Theil stets stärker nach 8.-O. bewegt worden, als der N.-W.

Betrachten wir noch einmal kurz den Verlauf der Haupt- schwarzwalddislocationslinie von Kandern bis zum Rhein. Von der kanderer Ecke bis zum Heuberg, also annähernd auf einer Strecke von 1 km, ist sie eine Verwerfung, die auf kurze Strecke von einer zweiten parallel laufenden Bruchlinie begleitet wird. Weiter südlich vervollständigt sich die Schichtenfolge derart, dass nur noch von einer Flexur gesprochen werden kann, die sich bis nach Egerten verfolgen lässt. Hier, wo die Hammersteiner Flexur zur Haupt- dislocation stösst, tritt wieder Bruch ein, der sich als Verwerfung bis in den Altengrund erstreckt. Weiter südlich geht nun abermals aus der Verwerfung eine Flexur hervor, die, an einigen Stellen fast ihrer ganzen Breite nach aufgeschlossen, sich bis zum Rhein fortsetzt.

Es herrscht demnach auf der Strecke von der kanderer Ecke bis zum Rheine ein mehrmaliger Wechsel zwischen Flexur und Ver-

36 PFAFF: UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE GEOLOG. VERHÄLTNISSEIM BAD. ÜBERLAND. 1 52

werfung. Es drängt sich nun die Frage auf: Wie hat man sich diesen Wechsel vorzustellen, und was bedingt das Unterbrechen der Flexur? Und weiter: Wie soll man, um einen richtigen Ueberblick auf einer Karte zu gewinnen, die als Flexur sich fortsetzende Ver- werfung am besten auszeichnen ?

Betrachten wir ein sich von einem Tafellande allmählich ab- senkendes Stück. Bei einseitigem Absinken wird sich zuerst eine als schwache Flexur bemerkbare Schichtenstörung einstellen. Wie wir uns auch die Niveaustörungen in den tieferen T'heilen der Erde selbst vorstellen, so werden doch, was sich auch fast an allen weiter aufgeschlossenen Flexuren beobachten lässt, verschiedene Stellen der Schichten im Bereiche der schon eingetretenen Flexur, verschiedene Störungswirkungen auszuhalten haben. An den Punkten, die ent- weder von dem Dislocationsprocess am stärksten betroffen werden, oder die am wenigsten Widerstand leisten können, wird das stärkste Abbiegen stattfinden, das heisst, hier werden sich die stärksten Fallwinkel zeigen. Geht nun das Absinken weiter, so wird ein Ausziehen, ein Verdünnen der Schichten stattfinden, bis schliesslich bei zu weitem Fortschreiten der Dislocation ein Bruch entsteht; die Flexur geht nun in eine Verwerfung über. Eine Flexur wird sich also in einem Schichtensystem so kundgeben, dass keiner von den vorhandenen Horizonten ausfällt, bei einer Verwerfung dagegen wird jeder beliebige jüngere neben jedem älteren liegen können, wie z. B. Tertiär neben Muschelkalk (vgl. Prof. 5).

Fragen wir nun noch, wo bei einer gegebenen Flexur ein Zer- reissen der Schichten eintreten, dass heisst an welcher Stelle sich bei weiterfortschreitender Dislocation die Verwerfung einstellen würde, so spricht alles dafür, dass es an der am stärksten von der Dislocation in Anspruch genommenen Stelle sein wird, und das ist gerade, wie oben erwähnt, die Stelle der steilsten Schichtenstellung.

Hieraus ergiebt sich nun, dass wir die Verlängerung der Ver- werfung an die Stelle der Flexur legen müssen, an welcher die grössten Fallwinkel auftreten.

In Folge dessen wurde auch auf der beiliegenden Kartenskizze die Verlängerung der Verwerfungslinie mit einer besonders punktirten Linie über diejenigen Punkte der Flexur gelegt, an welchen das stärkste Einfallen zu finden ist.

153] 1

Beobachtungen über den Genitalapparat eines zweijährigen Weibehens von Chimpanse.

Von

Kenkitzi Horiuchi, Cand. med.

Aus dem anatomischen Institut der Universität Freiburg i. B.

I.

Beschreibung des Präparates.

Das Präparat stammt von Dr. ©. KLoBERG, welcher dasselbe nach vorheriger Sublimat-Alkoholbehandlung aus Banana (Congo- mündung) einsandte. Nieren und äussere Geschlechtstheile waren nicht mehr vorhanden, alles Uebrige zeigte sich bestens conservirt. Mein hochverehrter Lehrer, Herr Professor WIEDERSHEIM, hatte die Güte mir dasselbe zur Untersuchung zu überlassen. Hiefür, wie auch für seine liebenswürdige Anleitung und Unterstützung, die er mir im Laufe meiner Arbeit in zuvorkommender Weise angedeihen liess, sei es mir erlaubt, an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Ebenso sage ich Herrn H. Enpkes für die Ertheilung verschiedener guter Winke, wie namentlich auch für die Herstellung mehrerer Zeichnungen, meinen innigsten Dank.

Die Abbildung 1 stellt die Organe von rückwärts nach Ent- fernung des Mastdarms dar

Der Uterus (Fig. 1, uf) zeigt typisch den kindlichen Habitus des Menschen. Sein von Peritoneum überdeckter, von der Umgebung scharf sich abhebender und in den Bauchraum hereinragender Ab- schnitt, d. h. der Fundus, weist nicht nur in seiner Gestaltung, son- dern auch in seinen Beziehungen zur Umgebung deutliche Anklänge

P) Horiıucai: [154

an menschlliche Verhältnisse auf. So ist z. B. das Corpus uteri vorne, der vorgelagerten Harnblase (Fig. 1, Bl) entsprechend, mehr abgeplattet, indess die nach hinten sehende Fläche convexer vor- springt.

Wie beim Men- schen so handelt es sich auch beim Chimpansen vorne und hinten vom Uterus um eine taschenartige Vertiefung, welche vom Bauchfell aus- gekleidet ist. Die Tiefe der Excavatio recto-uterina liess sich nicht mehr er- mitteln, diejenige der Excavatio ve- sico -uterina be- trägt 5, 75—6 mm. Diese Tasche be- : sitzt etwa die Form Fig. 1. Blase und innere Geschlechtsorgane eines gleichseitigen

in Situ. Von hinten gesehen. Dreieckes mit ab- Bl Harnblase, | gerundeter Spitze, Amp Ampulle des Eileiters, welch. lizezender

Lrot Ligamentum rotundum, G dihd TMasch Lop Ligamentum ovarii proprium, zum ee:

Ov Ovarium, entspricht. Die Ba- Ovd Oviduct, sis des Dreieckes Ut Fundus uteri. fällt mit dem Ta-

schenausgang zusammen, indessen die beiden Schenkel des Taschen- dreieckes von den divergirenden Lig. rotunda (Fig. 1, Zrot) gebildet werden. Diese steigen, jeweils von der seitlichen und zum Theil noch von der vorderen Uteruswand unterhalb der Tubenansatzes entspringend, nach vorne lateralwärts empor und ziehen dabei an dem seitlichen Theile des Harnblasengrundes vorüber. Die grösste Dicke des in das Becken hereinragenden Uterusgrundes beträgt von vorne nach hinten gemessen circa 6 mm, seine grösste Breite, von der Furche des Lig. ovarii proprium und der Tube der einen Seite zu

155] BEOBACHTUNGEN Ü. D. GENITALAPPARAT EINES WEIBCHENS V. CHIMPANSE. 3

der der anderen Seite gemessen, circa 9 mm. Die Form und Lage- verhältnisse des mittleren und unteren Uterusabschnittes sollen später geschildert werden, da zu ihrer Klarlegung präparatorische Eingriffe nöthig sind. Ohne solche lässt sich schon vom Douglas’schen Raume aus erkennen, dass es sich um eineAbweichung der Längsaxe der Gebärmutter nach links handelt, ein Umstand, dem übrigens keine Bedeutung zugemessen werden kann, da die Organe nicht mehr in ihrer natürlichen Lage sondern in herausgeschnittenem Zustand in meine Hände gelangten.

Jene Verschiebung nach links spricht sich auch in dem da und dort auftretenden asymmetrischen Verhalten einzelner paarig an- gelegter Organe, z. B. der Lig. rotunda, der Tuben, der Fim- brien und Ovarien aus.

Die beiden Ovarien (Fig. 1, Or) sind ungleich voluminöser als es die oben erwähnte, infantile Uterusform erwarten lässt. Ihre Form nähert sich bereits dem Aussehen der Ovarien eines geschlechtsreifen Weibes, d.h. sie sind länglich oval und von vorn nach hinten ziemlich stark abgeplattet (Fig. 2, Or). Das rechte Ovarıum ist kürzer und etwas schmäler als das linke; letzteres ist 17 mm lang und 7 mm breit, während ersteres nur etwa 16 mm lang und 5 mm breit ist.

Das stumpfe Ende (Extremitas uterina) schaut gegen den Uterus und kommt bis in dessen unmittelbare Nähe zu liegen, so dass zwischen beiden Ovarien nur ein medianer Spielraum von 8 mm existirt.

Das spitze Ende (Extremitas lateralis) ist nach abwärts und auswärts gerichtet.

Die Grenze des Keimepithels ist mit blossem Auge nicht zu ermitteln.

In natürlicher Lage unterscheidet man an jedem Ovarium eine hintere, wenig nach oben (kopfwärts) geneigte, so wie eine untere, nach vorne und abwärts schauende Fläche. Letztere ist fast ganz glatt und besitzt nur wenige Einkerbungen. Erstere dagegen (Fig. 1) ist besonders an ihrem oberen (vorderen) und hinteren (unteren), direct in den Douglas’schen Raum schauenden Rande reichlich von tiefeinschneidenden Furchen durchzogen; diese Furchen sind besonders stark ausgeprägt am oberen (vorderen) Rand und erinnern da und dort an die Cicatriculae, wie sie beim Menschen nach Berstung eines Follikels zurückzubleiben pflegen; kurz, auf den ersten Anblick würde man, von den menschlichen Verhältnissen aus- gehend, unbedingt auf Ovarien schliessen, die bereits in der Ovulation

4 HorIucHT: 11 56

begriffen sind. An der vorderen und hinteren Fläche kommt es da und dort zu fast vollständiger Abschnürung kleinster Läppchen von der Hauptmasse (Fig. 2, ++).

An der Stelle, wo der obere Rand medianwärts in die Extremitas uterina umzubiegen im Begriffe steht, geht das nur wenig durch das bedeckende Peritoneum durchschimmernde Lig. ovarii proprium ab; es ist kurz, dick und nur 4—5 mm lang (Fig. 1, 2, 3, Zop). Dicht an dessen Insertionsstelle am Uterus geht vom Fundus des letzteren der Eileiter ab und zieht parallel mit dem oberen Rande des Ovariums lateral und etwas nach abwärts (Fig. 1, 2, 3, Ovd).

Oberhalb der Extremitas lateralis des Ovariums schwillt der Eileiter zu einer starken Ampulle an (Fig. 1, Amp), biegt dann steil nach unten ab und begrenzt so medianwärts einen Raum, in welchem eine vom übrigen Lig. latum sich deutlich abhebende, compacte, härtliche Masse liegt, welche sich am oberen Rand des Ovariums hinzieht und sich dabei medianwärts etwas verschmälert. Sie entspricht dem Parovarıum. Dies gilt für die rechte Seite.

Fig.2. Ovarium und Tube der rechten Seite; die Tube ausgestreckt (vergrössert).

Spalte Spalte im Morsus diaboli,

—+- kleine, warzenartige Prominenzen am Ovarium,

Ri Rinne auf der Fimbria ovarica,

Fimb Fimbrien am Morsus diaboli,

Fimb! Grössere Fimbrien am Morsus diaboli, welche das Ostium abdominale tubae begrenzen,

Fur Furchen auf der Fimbria ovarica, welche bei X% blindsackartig endigen,

Fimbov Fimbria ovarica (lateraler Abschnitt),

Fimpov! Fimbria ovarica (proximaler, ovarialer Abschnitt),

Oabd Ostium abdominale tubae,

Ovd Oviduct,

Ov Ovarium,

Lop Ligamentum ovarii proprium

157] BEOBACHTUNGEN Ü. D. GENITALAPPARAT EINES WEIBCHENS VON CHIMPANSE. 5

Die Länge der Tuben beträgt, ihre künstliche Streckung voraus- gesetzt, 28 bis 29 mm, ihre Breite durchschnittlich 1,5 bis 2,0 mm. Der Morsus diaboli, als Umgrenzung des Ostium abdominale tubae, zeigt kurze, bald mehr blätterige, bald mehr höckerige, derbe Fimbrien (Fig. 2, #imb); diese umranden eine muschelförmige Aus- höhlung, in deren Tiefe und Basis das Ostium abdom. tubae sich befindet (Fig. 2, Oabd). An seinem peripheren Rande zeigt das muschelartige Gebilde an der auf Fig. 2 besonders bezeichneten Stelle eine tiefe Spalte. Zu beiden Seiten derselben befinden sich an der Peripherie des Muschelbogens die kurzen, flachen Fimbrien; von welchen aus feine und feinste Rinnen und Rinnchen gegen das Ostium abdominale tubae hin verlaufen.

An der Peripherie des Ostium abdominale gruppiren sich im Anschluss an die soeben besprochenen flachen Fimbrien solche von mehr höckerigem und derbem Aussehen (Fimb 1); sie lassen aber zwischen sich eine rinnenförmige Vertiefung (Fig. 2, Ai), welche sich vom Ostium abdominale tubae aus auf die Fimbria ovarica fortsetzt.

Was die Fimbria ovarica (Fig. 2, Fimbov) selbst betrifft, so ist sie durch parallel verlaufende, gegen das Ovarium gerichtete Furchen charakterisirt (Fig. 2, Fur). Die Erhebungen zwischen den Furchen sind am besten mit längshalbirten, lanzettförmigen Blättern zu vergleichen, welche mit ihren schwach concaven Rändern parallel gestellt sind und die nach beiden Seiten hin sich allmählich abflachen. Zwischen der Fimbria ovarica der rechten und linken Seite bestehen gewisse Unterschiede, die mir der Beachtung nicht unwerth erscheinen. Während sich nämlich die linke Fimbria ovarica vom Ostium ab- dominale tubae bis dicht an das entsprechende Ovarium hinzieht, ist sie rechterseits scheinbar verkürzt. Selbstverständlich beginnt sie auch am Ostium abdominale tubae, allein sie reicht in ihrer blätte- rigen Beschaffenheit nicht an das Ovarium heran, sondern bildet mit Ausläufern ihres Fältchensystems die Umrandung zweier dicht neben einander liegender und, wie es scheint, blind endigender Oefinungen, welche lateralwärts schauen (Fig. 2, X).

Von dieser Stelle aus setzt sich die Fimbria ovarica in Form eines glatten, anfänglich stark verdickten, allmählich sich verflachenden und verschmälernden Wulstes bis an das Ovarium hin fort (Fig. 2, Fimbor }).

Die Fimbria ovarica ist in ihrer ganzen Ausdehnung, vom Ostium abdominale tubae an bis zum Ovarium gemessen, 8,5—9 mm lang und zeigt an ihrer breitesten Stelle einen Querdurchmesser von un- gefähr 1,25 mm.

6 Horıucht: [158

Das Ligt. infundibulo-pelvicum ist mit grosser Deutlichkeit nachzuweisen. Es sieht, den freien lateralen Rand des unteren Theiles - des Lig. latum bildend, nach aussen, unten und wenig hinten.

Die bereits erwähnte Harnblase ist so voluminös, dass sie das ganze Bild sozusagen beherrscht (Fig. 1, 5B/). Von zungen- förmiger Gestalt (in collabirtem Zustand) ist sie vom Grunde der Excavatio vesico-uterina an gemessen 47 mm lang und misst in ihrem grössten Breitendurchmesser c. 24mm. Da sie den Uterus um ein Bedeutendes überragt, so kann man den zwischen ihr und dem Mast- darm befindlichen Raum im Grossen und Ganzen als Bursa vesico- rectalis bezeichnen: in so ferne aber ihr unterer Abschnitt durch den in die Bauchhöhle hereinragenden Fundus uteri in der Frontal- ebene getheilt wird, zerfällt die Tasche, wie bereits erwähnt, in eine vordere Excavatio vesico-uterina und eine hintere Excavatio recto-uterina; letztere ist mit dm Douglas’schen Raum identisch.

Die hintere und obere Fläche der Blase ist von Bauchfell über- deckt, desgleichen auch ihr seitlicher Rand.

Zu beiden Seiten der Blase, in einiger Entfernung von ihr, sind unter dem Bauchfell Theile der Arteriae umbilicales, resp. der Ligamenta vesico-umbilicalia nachzuweisen.

I. Beschreibung der isolirten, freipräparirten Beckenorgane.

Die im Vorstehenden beschriebenen Verhältnisse lassen sich an dem Präparate ohne Weiteres ermitteln; eine Einsicht in die Ge- staltung der einzelnen Organe dagegen kann man nur durch präpara- torische Eingriffe gewinnen.

Was zunächst die Harnblase betrifft, so zeigt eine Eröffnung derselben von der Ventralseite, dass die Schleimhaut in gröbere und feinere Längsfalten gelegt ist, wovon die feineren wahrscheinlich als natürliche, die gröberen dagegen wohl durch die Contraction der Blasenwand hervorgerufen, zu betrachten sind.

Die Einmündungsverhältnisse der Ureteren stimmen mit den- jenigen des Menschen überein. Die Oefinungen am Blasengrund liegen bei dem Chimpansen-Kind nur 2 mm auseinander und sind leicht zu sondiren.

Durch die geringe Entfernung der beiden Ureterenmündungen von einander und die rasch erfolgende Verengung der Harnblase zur

159] BEOBACHTUNGEN Ü. D. GENITALAPPARAT EINES WEIBCHENS VON CHIMPANSE. 7

Urethra sind die Grössenverhältnisse des Trigonum Lieu- taudii im allgemeinen, wie namentlich an dessen Basis, sehr reducirte. Ich wende mich nun zu einer speciellen Schilderung des Uterus.

Der Versuch, den Uterus von seiner Umgebung zu isoliren, um seine Formverhältnisse ganz übersehen zu können, stösst auf keine Schwierig- keit. In seiner äusseren Configuration ähnelt das Organ einem etwa cy- linderförmigen Körper, an welchem sich ein oberes, von der übrigen Masse durch eine leichte Einschnürung abgesetztes und ein unteres Ende unter- scheiden lässt. Ersteres, Font welches dem Corpus mit A \ dem Fundus uteri (Fig. 3, Fdut) entspricht, besitzt etwa die Ausdehnung einer starken Erbse, und steht mit den Oviducten (Ord), den Ligamentarotundaund Ligamenta ovarii propria in Verbindung (Zop).

Das untere Ende des Uterus zeigt eine ungleich stärkere Auftreibung als das obere; es erscheint klöppelförmig und re- präsentirt das vaginale Fig- 3. Uterus von hinten gesehen, Va-

g0rd

Ende des Cervix (Fie. 3, gina aufgeschlitzt (vergrössert). ana a ö b. 4, Cut, Ovag). Von den Cut Terwersaliezus er 2 Fdut Fundus uteri,

das Ostium vaginale

h Ov Ovarium, (Fig. 3, 4, Ovag) begren- Ovd Oviduct, zenden beiden Lippen ragt Ovag Ostium vaginale uteri, die vordere wie beim Men- Lop Ligamentum ovarii proprium, schen tiefer herab als die Vag Vagina.

„hintere. Die gesammte Portio vaginalis ist circa 3 mm lang, 7'/e mm breit und besitzt einen Sagitaldurchmesser von 5'/a mm.

Der Muttermund ist eine 4'/s mm breite Querspalte.

Um diese eben beschriebene Portio vaginalis zu Gesicht zu bekommen, ist es nothwendig, die Scheide von ihrer Rückseite aus durch einen in der Mittellinie geführten Schnitt zu eröffnen (Fig. 4). Die Scheide selbst bietet bezüglich ihrer Schleimhautoberfläche in ihrer dem Fornix angehörigen und benachbarten Partie ein Quer-, in ihren weiter nach abwärts und dem Introitus vaginale nahe ge-

8 Horivcht: [160

legenen Abschnitten ein Längs-Falten-System dar. Das erstere ist unzweifelhaft mit den Columnae rugarum des Menschen zu identificiren. Führt man den die Vaginalwand trennenden Schnitt durch die Uteruswand weiter bis zum Scheitel des Fundus hinauf, so bieten sich hinsichtlich der Configuration der Uteruswandung wie auch des Cavum uteri folgende, höchst eigen- thümliche Verhältnisse dar.

Dem an die Portio vaginalis sich anschliessenden, keulenförmigen Cervix uteri entsprechend zeigt die Uteruswandung im Längs- schnitt die Form eines ungleichschenkeligen Dreieckes, dessen grösste Seite als Basis dem ziemlich engen Üervical-Kanal zugewendet ist, dessen kleinste der Circum- ferenz der vom Fornix um- gebenen Portio vag. uter. ent- spricht, und dessen dritte Seite durch die äussere Grenzcon- tour des durchschnittenen Cervix uteri gebildet wird.

Ich habe die drei Seiten dieses Dreieckes auf der Fig. 4 in der bei der Beschreibung eingehaltenen Reihenfolge mit B C und D bezeichnet.

Das Lumen des Üer- vicalabschnittes der Gebär- mutter bildet, da die Vorder- und Hinterwand sich fast Fig.4. Uterusund Vagina, vonhinten berühren, einen sehr engen, durch einen Längsschnitt eröffnet frontal gestellten Spaltraum

Mar) E (Fig. 4, Ccerv). Auf beiden B C D Begränzungsränder der Uteruswand. Seiten, d. h. da wo die hin-

Fdut Fundus uteri, N her, tere und die vordere Wand

Cut Cervix uteri, ineinander umbiegen, zeigt Ocerv Cavum cervieis uteri, die Mucosa eigenthümliche, u Een flechtwerkartig angeordnete

Einkerbungen, in welche von

‚„Fdut " Cavut

Oint Ostium uteri internum, Plic, Plic! Falten der Cervical- bezw. Uterin-

Schleirakant der Gegenseite eben so ange-

2 . Ord Oviduct, ordnete grössere und kleinere Vag Vagina. Schleimhautfalten eingreifen.

Die Anordnung der Mucosa erinnert an die Plicae palmatae

161] BrogachtunGen Ü. D. GENITALAPPARAT EINES WEIBCHENS VON ÜHIMPANSE. 9

des Menschen und setzt sich durch den ganzen Cervix uteri hin- durch fort. Weiter nach oben zu erheben sich aber die Schleimhaut- falten viel stärker als beim Menschen, sie wachsen zu Spitzchen, breiteren Lamellen und wohl auch zu gedrungeneren Zacken aus, welche das Oervixlumen ungemein beschränken, ja fast zum Ver- schwinden bringen (Fig. 4, Plic.).

Im Bereich des inneren Muttermundes (Fig. 4, Oint) schiebt sich der ganze Falten-Üomplex pfropfenartig in das Uteruslumen ein, wie dies aus Fig. 4, und noch deut- licher aus der einen Längsdurchschnitt darstellenden, leicht schema- tisirten Fig. 5 bei Oint und Plie zu ersehen ist.

Der in die Gebärmutter-Höhle sich öff- Zig.d nende Cervix-Canal ist somit an seiner Mün- Font gyd dung von einem hohen, ausgezackten _ ET Wall umgeben, welcher sich an seiner N, ..SL.-.-2üe äusseren Circumferenz durch einen Ringgraben Fe 2 i gegen das Uteruslumen absetzt. dint

Auf Grund dieses Verhaltens kann man die Gegend des inneren Muttermundes am passendsten mit einem Krater und dem ihn umgebenden Aschenkegel vergleichen.

Ein sehr eigenthümliches Aussehen bietet der innere Muttermund vom Cavum uteri aus Vrag

gesehen dar (Fig. 6). Fie. 5. Dasselbe Die oben geschilderten Fältchen und Object wie Figur 4, Zäckchen erlöschen nun keineswegs plötzlich schematisch.

i ö er rd ndus uteri in der Höhe des Os uteri internum, sondern Ft Fundus uteri, Cavut Cavum uteri,

sie setzen sich auch noch jenseits des oben rt Cervix en erwähnten Ringgrabens an der Schleimhaut Ojnt Ostium uteri inter- der Gebärmutterhöhle fort, um dann ganz num, allmählich zu verstreichen (Fig. 4, 6, Pliet). Ovag Ostium vaginale Im Gegensatz zu den vom Menschen her Ba en bekannten Verhältnissen, setzt sich der enge rende Die Cervical-Oanal nicht etwa in ein ebenfalls zusschleimhaut, enges, einen frontal gestellten Spaltraum dar- Ovd Oviduet, stellendes Uteruscavum fort, sondern letzteres YV«9 Vagina. beginnt sofort im Bereich des inneren Muttermundes als ein verhältnissmässig weiter, blasenförmiger Hohl- raum, der und darin liegt wieder ein bemerkenswerther Unter- schied vom menschlichen Weibe von einer nur sehr dünnen Muskel- Berichte VII. Heft 1. 11

10 Horıvcat: 1 623

wand begrenzt wird (Fig. 4, 5, Cavut). Diese verdünnt sich um so mehr, je weiter sie sich zum Fundus emporwölbt (Fig. 4, Fdut.)

Ich wende mich nun zur Schilderung der feineren Struc- tur des Ovarıums.

Behufs mikroskopischer Untersuchung wurde das linke Ovarium in zwei Hälften zer- lest, mit Piero- und Alaun-

- carmin behandelt und in N Schnitte von ungefähr 15 ı. Dicke zerlegt.

Unter dem Mikroskope beobachtet man am Ovarıum Verhältnisse, die von denen Plie, Plie! Falten an der Uebergangsstelle beim ı us

des Cervix in das Corpus uteri. ren Säugethieren kaum oder

gar nicht abweichen.

Zu äusserst sieht man das Ovarium von der an vielen Stellen eingekerbten Tunica albuginea umrandet; von einem Keim- Epithel auf der freien Oberfläche ist nichts nachzuweisen, was wohl auf die Art der Conservirung zurückzuführen ist. Nach einwärts von der Albuginea folgt die von zahlreichen Ureiern bezw. Eiballen durchsetzte Substantia parenchymatosa und noch weiter centralwärts trifft man auf die mit Blutgefässen reichlich versehene Marksubstanz s. Zona vasculosa (Fig. 7, a, Ta, Zp). Die Tunica albuginea besteht aus ziemlich kurzen, derben Binde- gewebfasern mit eingestreuten Spindelzellen in mehrschichtigen Lagen. Sie ordnet sich an der Uebergangsgrenze in die Substantia paren- chymatosa in ein Gerüstwerk um, welches aus gröberen und feineren Trabekeln bestehend, die einzelnen Ureier, Einester und Follikel aus den verschiedensten Altersstadien umfasst. Die gröberen Trab- ekeln gehen von den schon erwähnten Einkerbungen aus.

Um die jüngeren Follikel herum ist das Ovarialstroma in der Tiefe äusserst zellreich. Die Zellen sind meist spindelförmig, mit langen Ausläufern versehen. Da, wo stärkere Gefässstämme diese Zellenschicht durchsetzen, sind dieselben, wie dies von WAL- DEYER für den Menschen bereits geschildert worden ist, von stärkeren Bindegewebszügen begleitet. Dieselben breiten sich gegen die Peri-

| Fig. 6 rich

Plic i f < ...Plie

Re P} Plie Fig. 6. Os uteri internum vom Uterus-Cavum aus gesehen (ver- grössert).

163] BEOBACHTUNGEN Ü. D. GENITALAPPARAT EINES WEIBCHENS VON CHIMPANSE. 11

Fig. 7a Schnitt durch die periphere Zone des Ovariums Ta Tunica albuginea, Zp Zona parenchymatosa, UrE Ureier. bcede Verschiedene Ureier (UrE), z. Th. von der Theka

(Th) umgeben.

f Reifer Follikel, EEi, M gra Membrana granulosa.

1b*

12 Horrucht: [164

pherie hin schirmartig aus und haben zwischen dem zarteren Zellen- gewebe das Aussehen von Gerüstbalken. In dem der Parenchym- zone zunächst liegenden Theile des Ovarıum befinden sich zahlreiche Blutgefässe in einem mehr längsfaserigen und weniger festen Binde- gewebe, dem zahlreiche elastische und glatte Muskelemente beige- mischt sind. Dieses Stroma ist bis zum Hilus ovarii zu verfolgen, wo es sich noch mehr auflockert, die grossen eindringenden (refässe umflicht und auch Nester von Leukocyten umschliesst.

Was die Lage der Follikel betrifft, so finden sich die klei- neren derselben dicht unter der Albuginea (Fig. 7a); zum Theil liegen sie auch in Gruppen zusammen („Üorticalzellen“ von SCHRÖN).

In der Grösse zeigen sich ziemlich starke Schwankungen und dies gilt auch für die Form (vgl. Fig. 7 b—c). Gegen die Zona vasculosa zu werden die Gebilde grössser, und man hat allmählich wohl ausgebildete GraAr’sche Follikel mit allem Zubehör (Granu- losazellen ect.) vor sich (Fig. 7f).

Wie das Ovarıum, so wurden auch die Eileiter zunächst in drei grössere Stücke, ein uterines, mittleres und laterales Stück, zerlegt. ‚Jedem dieser drei Oviduct-Bezirke wurde eine Anzahl von _Querschnitten von 10—15 1 entnommen.

Fig. 8 abc Querschnitte durch die Tube (vergl. den Text).

Die Uebereinstimmung mit den menschlichen Verhältnissen ist eine vollkommene, nur erscheint das Faltensystem der Schleimhaut, zumal in der Ampulle, noch complicirter, d. h. feiner gegliedert, so dass auf dem Querschnitt (Fig. 8 c) ein zartes, dendritriches Gefüge entsteht. Auch gegen den Isthmus hin finden sich noch

165] BEOBACHTUNGEN Ü. D. GENITALAPPARAT EINES WEIBCHENS VON ÜHINPANSE. 13

reichliche Längsfalten mit Ausläufern (Fig. 5 b), während sie sich am uterinen Ende des Oviductes ungleich einfacher gestalten (Fig. 8 a).

Das Schleimhaut-Epithel ist eylindrisch, von den Flimmerhaaren zeigte sich nichts mehr erhalten.

Nach aussen von der Mucosa folgt die Muskelwand, welche aus den bekannten zwei Schichten, einer ringförmigen und longi- tudinalen, besteht. Erstere ist viel kräftiger und einheitlicher ent- wickelt als letztere, doch wechselt dies, wie es scheint, an verschiedenen Stellen. Die subperitoneale Adventitia besteht aus lockerem Bindegewebe und ist sehr gefässreich.

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Fig. 9aundb. Zwei Schnitte durch die Uteruswand. Me Mucosa Plice Falten der Mucosa. Gl, Gl Drüsen.

Auf Figur 9a und 5 habe ich zwei Querschnitte durch die Uterus-Wand dargestellt. Sie stammen aus dem Uebergang in die obere Üervicalpartie, und dem entsprechend sind die oben beschrie- benen Schleimhautfalten z. Th. noch mit getroffen (vel. Fig. 9 b).

Das Epithel ist hoch, palissadenförmig und ..eigt da und dort noch die Spur der Flimmerhaare. Unter der Mucosa erscheinen, in sehr kernreiches Bindegewebe eingebettet, die schlauchförmigen Drüsen (Fig. 9 a und b bei 6, @l). Derartige Drüsen finden sich auch noch entlang der ganzen Vagina, doch werden sie gegen das untere Ende derselben allmählich spärlicher (Fig. 10 d). Das

14

Horıucat:

[166

Epithel der Vaginalschleimhaut ist mehrschichtig und besteht aus cubischen und rundlichen Elementen, welche jedoch an ihrer freien

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Fig. 10, abcd. Schnitte durch die Vaginalwand. Me Mucosa vaginae,

GI, Gl Glandulae vaginales. Fläche keine Abplattung erkennen lassen. daran der Üonservirungsgrad die Schuld (Fig. 10).

Möglicherweise

trägt

167 ] BEOBACHTUNGEN Ü. D. GENITALAPPARAT EINES WEIBCHENS VON CHIMPANSE. 15

Von dem Pudendum muliebre externum war, wie bereits erwähnt, nichts erhalten.

So ergiebt sich aus einer allgemeinen Betrachtung, dass die Verhältnisse des weiblichen (Generations- Apparates vom Ohim- pansen mit denjenigen des Menschen fast in allen wesent- lichen Punkten übereinstimmen. Unterschiede bestehen in der früh- zeitigeren Entwicklung des Ovarıums, insofern dasselbe in der Aus- bildung der Follikel schon viel weiter fortgeschritten ist, als dies bei einem menschlichen Kinde desselben Alters der Fall zu sein pflegt.

Sehr auffallend und von dem inneren Muttermund des mensch- lichen Weibes stark abweichend ist der Uebergang der oberen Cervicalparthiein den eigentlichen Ute- rus-Körper, und dasselbe gilt für das blasenförmige Lu- men sowie für de dünne Wandung des Uterus. Endlich wären noch zu erwähnen die eigenthümliche Ausbil- dung des Morsus diaboli, dasOstium abdominale tubae, jene muschelartige Bildung und dieconm- pilneirben Haltensysteme der Fimbria ovarıca. Es müsste von grossem Interesse sein, auf alle diese Punkte auch bei den andern Anthropoiden und den übrigen Affen das Augenmerk zu richten. Vielleicht würde es auch gelingen, bei Kindern und menschlichen Embryonen parallele Ver- hältnisse aufzudecken. Dies müssen künftige Untersuchungen lehren, und dabei wären dann auch die letzten Reste der Urniere, das Parovarium und Epoophoron, in den Kreis der Betrach- tung zu ziehen. Ich würde die beiden letzteren Organe in vor- stehender Schilderung schon berücksichtigt haben, allein das Prä- parat war gerade an der betreffenden Stelle (linkerseits) verletzt, d. h. eingeschnitten, bezw. zerrissen, was auf die (bereits in Banana erfolgte) Art und Weise der Herausnahme aus dem Becken zurück- zuführen, also nicht meine Schuld ist. Auf der rechten Seite zeigte sich das Präparat, welches schon auf der Reise hierher in sehr starkem Alkohol conservirt worden war, ausserordentlich geschrumpft und bretthart. In Folge dessen war auch mit Aufhellungsmitteln sowie durch Praeparation mit Messer und Pincette nichts mehr zu erreichen. Auch Serienschnitte führten zu keinem befriedigenden Resultat, immerhin aber liessen sich der GArrner’sche Gang und einige Kanälchen des Parovariums nachweisen. Letztere lagen viel

16 Horıvcaı: BEOBACHTUNGEN Ü.D. GENITALAPPARAT E. WEIBCHENS V.CHIMPANSE. 1 68

enger (paketartig) aneinander, als dies beim menschlichen Paro- varıum der Fall zu sein pflegt, und zeigten sich in starker Rück- bildung begriffen. Zur Eruirung der epithelialen Auskleidung reichte der Conservirungsgrad nicht aus, und dasselbe gilt für die Inner- vation des Ovariums, welcher ich, im Hinblick auf die interessanten Befunde H. Rırsr’s an menschlichen Ovarien, gerne eine ein- gehende Berücksichtigung hätte angedeihen lassen.

So bleibt noch Vieles zu thun übrig, vielleicht aber besitzen auch die wenigen Bruchstücke, die ich durch diesen Aufsatz zu liefern im Stande war, angesichts des interessanten Objectes, immer- hin einigen Werth.

Freiburg i. B. im März 1893.

169] 1

Coelastarte und Heteropis, Von

Georg Boehm. a. 0. Professor an der Universität Freiburg i. B.

Mit Tafel VIII.

Vor einiger Zeit erwarb ich durch den Mineralienhändler Herrn STUER in Paris eine Reihe Pelecypoden aus dem Bajocien von May, Calvados. Vor allem fielen unter denselben mehrere Exemplare von Astarte ercavata, J. SOWERBY auf. Dieselben stimmen mit den typischen, englischen Exemplaren von RODBOROUGH, die mir von Herrn BENECKE aus der Strassburger Sammlung freundlichst zur Verfügung gestellt wurden, völlig überen. Es mag hier zunächst eine Beschreibung der viel genannten Art folgen.

Astarte excavata, J. SOWERBY.

Taf. VIIL, Fig. 13.

1821. Astarte excavata, J. SOWERBY. The Mineral Conchology of Great Britain etc. Bd.IH, px 34, Taf 233,

1878. Astarte excavata, 8. S. Buckman. On the species of Astarte, from the Inferior Oolite of the Sherborne distriet. Proceedings of the Dorset Natural History and Antiquarian Field Club. Vol. 2, p. 87, Fig. 9.

1878. Astarte excavata, GOTTSCHE. Beiträge zur Geologie und Palaeontologie der Argentinischen Republik. II. Palaeontolog. Theil. 2. Lieferung. Palaeontographica, Suppl. III, Lieferung II, Heft 2, p. 30, Taf. VII, Fig. 9-10.

Die Species ist sehr ungleichseitig, lang gestreckt, bald läng-

lich vierseitig bald mehr oval, meist comprimirt, selten etwas auf- Berichte VII. Heft 2. 12

2 BoEHnm: [170

gebläht, mit auffallend flachen, sehr wenig hervortretenden Wirbeln. Die Vorderseite ist bedeutend kürzer als die Hinterseite. Die Lunula ist ziemlich gross, schmal und sehr stark vertieft. Das Ligament liegt äusserlich in einer lanzettförmigen und tiefen Area. Die oberen Ränder derselben sind scharf und nähern sich einander. Die Flächen der Area sind etwas concav und treten nach unten keilförmig zu- sammen. Die Oberfläche ist mit concentrischen Runzeln bedeckt, auf und zwischen ihnen finden sich feine, concentrische Linien. Lunula und Ligamentarea zeigen nur die feineren Linien. Radiale Skulptur ist nicht vorhanden. Der Schalenrand ist innen feingekerbt.

Der Schlossapparat der rechten Klappe, Taf. VIIL, Fig. 1, besitzt einen kräftigen Hauptzahn, der vielleicht auf der Oberfläche die Andeutung einer Längsfurche zeigt. Beide Seitenflächen dieses Zahnes sind stark quer gerieft.- Vor und hinter dem Zahne befindet sich je eine Grube zur Aufnahme der Zähne der linken Klappe. Vor der vorderen Grube ist dicht am Lunularrande ein zweiter, schwächerer Zahn entwickelt. Von letzterem erstreckt sich eine Er- hebung zum oberen Rande des vorderen Muskeleindruckes, die zwischen sich und dem Rande der Lunula eine langgestreckte Furche freilässt. Im hinteren Theile des Oberrandes beobachtet man eine weitere Furche, doch ist ein eigentlicher, hinterer Seitenzahn nicht ent- wickelt.

Der vordere Schliessmuskeleindruck ist länglich oval, nach oben hin stark vertieft, nach unten von einem deutlichen Wulste umgeben. Der Eindruck des hinteren Adductors ist flach, schwach ausgeprägt. Der vordere Fussmuskeleindruck liegt auf der Unter- fläche der oben erwähnten Erhebung. Er ist klein, aber sehr deut- lich, stark vertieft und gerundet.

Der Schlossapparat der linken Klappe, Taf. VIII, Fig. 2, zeigt zwei Zähne, zwischen denen sich die Grube für den Hauptzahn der rechten Klappe befindet. Die inneren Seitenflächen beider Zähne sind quer gerieft. Vor dem vorderen Zahne befindet sich eine kleinere Grube zur Aufnahme des entsprechenden Zahnes der rechten Klappe. Von dieser Grube zieht sich wie in der rechten Klappe eine Furche unter dem Unterrande der Lunula und parallel demselben zum vorderen Muskeleindruck. Im hinteren. Teile des Oberrandes beobachtet man, ebenfalls wie in der rechten Klappe, eine weitere Furche, unter welcher sich eine zahnartige Leiste er- hebt. Der vordere Schliessmuskeleindruck und der vordere Fuss- muskeleindruck wie in der rechten Klappe.

171] COELASTARTE UND HETERoPIS. 3

Bemerkungen. Soweit nur das Schloss in Betracht kommt, hat man es hier mit einer Astzarte Typus: Astarte sulcata, Da Costa zu thun. Auffällig und abweichend könnte die Quer- riefung der Zähne erscheinen, doch kann ich mit v. WÖHRMANN! diesem Merkmal irgend welche grössere, systematische Bedeutung nicht zuschreiben. Mit letzterem Autor bin ich der Ansicht, dass auf die Kerbung der Zähne viel zu viel Gewicht gelegt worden ist. Schwerlich kann man dasselbe als Charakteristikum grösserer Gruppen verwenden. Abgesehen von den überzeugenden Beispielen, welche v. WÖHRMANN und BiTTNEr? anführen, sieht man Querriefung der Zähne zum Beispiel an Venericardia planicosta und Y. pectuncularis, während bei anderen Arten, die den genannten nahe stehen, die Kerbung völlig fehlt.

Eine Gattung, die in ihrem Schlossbau an Astarte ercavata erinnert und auch die Kerbung der Zähne zeigt, ist die cretaceische, südafrikanische Seedachia, NEUMAYR?. Von letzterer liegt mir Dank der Liebenswürdigkeit der Herren FraAas und Fuchs das gesammte Stuttgarter und Wiener Material vor. An einen engeren Zusammen- hang mit Astarle ercavata ist kaum zu denken, da die Formen äusser- lich völlig verschieden sind.

Ich wies oben darauf hin, dass bei unserer Art Lunula und Ligamentarea schmal und stark vertieft. sind. Besonders die letztere ist recht auffällig. Bei geschlossenen Klappen würde man kaum auf die Vermutung kommen, dass eine Area überhaupt ent- wickelt sei. Die oberen Schalenränder liegen hinter dem Wirbel anscheinend dicht an einander. Es bedarf der Präparation mit einer langen, feinen Nadel, um die Ligamentarea derart bloss zu legen, wie dies Fig. 3 zeigt. (Gewöhnlich werden hierbei auch die

oberen Ränder verletzt, denn sie biegen sich über der muldenförmig ausgehöhlten, nach unten keilförmig geschlossenen Ligamentarea etwas zusammen. Sehr ähnliche Verhältnisse der Lunula und Liga-

! Jahrbuch der k.k. geolog. R.-A. Wien 1893, p. 4.

® In der Arbeit „Ueber die Herkunft der Unioniden“, Sitzungsber. d. k. Akad. etc. Mathem.-naturw. Classe. Bd. XCVIII, Abth. 1, Wien 1889, p. (8) 4, Fussnote 2 heisst es, dass die Streifung der Zähne bei Seebachia und einzelnen Astarten sich nicht entfernt mit der entsprechenden Riefung bei Trigonia ver- gleichen liesse. Ich kann dem nicht beistimmen. Ich finde in dieser Beziehung keinen irgendwie wesentlichen Unterschied zwischen Seebachia Bronnt, KRAUSS sp. und Trigonia nodosa, SOWERBY zwischen Grotriana semicostata, SPEYER und Trigonia Bronni, Acassız. Man vergl. Brrrxer, Verhandl. der k. k. geolog. R.-A. Wien 1892, pag. 237, Fussnoten.

12*

-

4 BoEHm: [172

mentarea zeigen sich bei Grofriana, SPEYER!. Von dieser stehen mir durch die grosse Güte des Herrn v. KOENEN Grotriana semi- costata, SPEYER und @. Zunularis, PhiLippi sp. zur Verfügung. Nicht nur sind Lunula und Ligamentarea wie bei unserer Astarte entwickelt, sondern es findet sich auch die Querriefung der Zähne, wie dies schon SPEYER für den Hauptzahn der rechten Klappe an- gegeben hat. Nach alledem ist kaum zu bezweifeln, dass Astarte ercavata und Grotriana einander recht nahe stehen, aber die äusseren Formen sind auch hier von einander verschieden. Jene Species ist flach, länglich viereckig mit weit nach vorn gerückten Wirbeln. Grotriana umfasst runde Arten mit mehr mittelständigem Wirbel.

Von Formen, welche zur Gruppe der Astarte ercavrata gehören möchte ich hier, ohne auf Vollständigkeit der Liste Anspruch zu machen, nennen:

1. Astarte discoidea, BuviGnIER.

1852. Astarte discoidea, BUVIGNIER. Statistique geologique etc. du dep. de la Meuse, Atlas, p. 18, Taf. XV, Fig. 42—44.

Aus dem weissen Jura.

2. Astarte excavata, J. SOWERBY. Taf. VIII, Fig. 1—3.

Die Art wurde oben ausführlich beschrieben. Sie findet sich weit verbreitet, besonders im Unteroolit von England und Frank-

reich. ZIETEN Die Versteinerungen Württembergs, p. 95, Taf. LXXIL, Fig. 3a, b giebt sie vom Stuifenberg sowie vom Nipf bei Bopfingen an. OPPEL Die ‚Juraformation etc. p. 403 erwähnt

die Art aus der Boller Gegend und, in der Sammlung des Herrn Fraas befindlich, von der Wutach. In der Münchener palaeonto- logischen Sammlung liegt eine schöne, rechte Klappe, die wohl hierher gehören dürfte. Die Etiquette lautet „Vielleicht brauner

! Grotriana ist nicht, wie in Handbüchern angegeben, auf das Oligocän beschränkt. Mit Sroriczka möchte ich @. jugosa, Forbes sp. aus der indischen Kreide zu Grotriana stellen. Die Ausführungen von MEzx, Report of the U. St. geological survey of the Territories, Vol. IX, p. 123 halte ich nicht für richtig. Man vergl. v. Korxes, Palaeontographica, Bd. XVI, p. 253. Uebrigens dürfte Grotriana auch im Jura verbreitet sein.

175] COELASTARTE UND HETEROPIS. 5

Jura £, von Gammelshausen. Aus der Zıerex’schen Sammlung“ !. Aus dem Stuttgarter Naturalienkabinet war Herr FraAs so freund- lich, mir ein reiches Material zur Verfügung zu stellen. Es stammt zumeist aus den Murchisonae-Schichten von Gosheim bei Spaichingen. Eine linke Klappe dürfte zu Astarte ercavata beta zu rechnen sein, doch vermochte ich das Schloss nicht bloss zu legen.

Astarte ercavala, var. compressiuscula, MORRIS und LycETT aus dem Grossoolit ist mir nicht genügend bekannt. Man vergleiche Quarterly Journal of the geological society of London, Bd. IX, 1853, p- 343. Ob unsere Species, wie mehrfach angegeben, auch im Lias vorkommt, wage ich nicht zu entscheiden. Astarte ercavata, GOLD- FUSS, Petrefacta Germaniae, 11, p. 190 ist nicht die Art von SOWERBY, sondern vielmehr cf. 1. c.p. 304 Astarte subltetragona, Münster. Man vergleiche F. ROEMER, Bemerkungen über die Gat- tung Astarte, Neues Jahrbuch für Mineralogie etc. 1843, p. 67.

Aus dem Bajocien.

3. Astarte excavata beta, WUENSTEDT. 1858. Astarte excavata beta, QUENSTEDT. Der Jura, p. 360, Taf. 48, Fig. 27. Herr Branco war so freundlich, mir das Original v. QUENSTEDT’S zu leihen. Ligamentarea ist mit Sicherheit nicht zu beobachten, doch zweifle ich nicht an dem Vorhandensein einer solchen. Die Species unterscheidet sich von Astarte ercarata, SOWERBY durch geringere Länge.

Aus dem braunen Jura £.

4. Astarte Longlandsi, Tate.

1867. Astarte Longlandsi, Tate. On some Secondary Fossils from South Africa. The Quarterly Journal of the geological society of London, Bd. 23, p. 158, Tat VII! Big; 5;a,;,b.

Aus der Kreide Südafrikas.

5. Astarte Rzehaki, Bornm.

1883. Astarte Rzehaki, Bornm. Die Bivalven der Stramberger Schichten. Palaeontographica, Suppl. II, Abt. IV, p. 558, Taf. 62, Fig. 33.

Die Originale liegen mir durch die Freundlichkeit des Herrn v. ZırrEL vor. Eine Ligamentarea ist mit Sicherheit nicht zu be-

1 GOTTSCHE, 1. ce. Fig. 10.

6 BoEHm: [1 74

obachten, dagegen glaube ich jetzt eine tiefe Lunula wahrzunehmen. Die Stücke sind zu mangelhaft erhalten, um dies mit Sicherheit zu behaupten.

Aus dem Tithon.

Vielleicht gehört hierher auch die durch ihre ausserordentliche Flachheit sehr seltsame

Astarte? discus, SHARPE.

1850. Astarte? discus, SHARPE. On the Secondary Distriet of Portugal etc. The Quarterly Journal of the geological society of London, Bd. 6, paar. ART Bie, Aa,ıb; >:

Die oben genannten Arten zeichnen sich durch ihre ungewöhn- liche Flachheit und die wenig hervortretenden Wirbel aus. Ferner sind sie alle sehr ungleichseitig, mit weit nach vorn gelegenen Wirbeln, auch dürften sie insgesammt stark vertiefte Lunula und stark vertiefte Ligamentarea besitzen. Die Gruppe ist sehr charak- teristisch, vielleicht empfiehlt es sich, dieselbe unter dem Namen Coelastarte n. sect. zusammen zu fassen. Typus: Astarte ercavata, J. SOWERBY.

Ueberaus nahe steht Aszarte Cotleaui, ORBIGNY, welche ın neuester Zeit wiederholt von DE Lor1oL dargestellt worden ist!. Die Art gehört ihrer ganzen äusseren Form nach zu Coelastarte, allein sie besitzt, wie DE LORIOL, speciell in Etages superieurs de Boulogne s. M., p. 101 (256) hervorhebt, keine Spur von Lunula und Area. Mir stehen von ÄAstarte Cotteaui nur mangelhafte Exemplare aus dem Korallenoolit von Coulange-sur-Yonne zur Verfügung.

Eine weitere, sehr nahestehende Form ist Astarte suprajurensis, A. RoEMER sp.°, von der ich Taf. VIII, Fig. 4 das Schloss der linken Klappe zur Darstellung bringe. Das Stück stammt aus mittlerem Kimmeridge, den Pteroceras-Schichten von Ahlem, ich verdanke es Herrn STRUCKMANN.

Lunula und Ligamentarea sind auch hier tief, ungemein schmal aber deutlich entwickelt. Das Schloss zeigt die beiden Hauptzähne und die Furche im hinteren Teile des Oberrandes wie Astarte

11891. pe LorıoL, Jura Bernois, Abhandl. Schweiz. Pal.-Ges. Bd. XVII, p. 236. Man vergl. die Literatur-Angaben an dieser Stelle.

®2 1878. STRUCKMANN, Der obere Jura der Umgegend von Hannover, p. 42, Nr. 179, Taf. II, Fig. 67.

175] ÜOELASTARTE UND HETEROPIS. 7

ercavala. Hinter dem vorderen Fussmuskeleindruck sind noch drei ähnliche Eindrücke entwickelt, von denen der hinterste mehr nach dem Inneren der Klappe zu gerückt ist. Auch Astarte suprajurensis steht Coelastarte sehr nahe, sie unterscheidet sich von letzterer Sectio durch ihre weit weniger ungleichseitige Form. Auf die Be- ziehungen von Astarte suprajurensis zu Astarte berno-jurensis, ETALLON, A. Desori, COTTEAU und A. monsbeliardensis, CONTEJEAN vermag ich nicht näher einzugehen, da mir die drei letzteren Arten nicht vorliegen.

Wie eben dargelest ist Coelastarte nach allen Richtungen durch Uebergänge mit anderen Astarten verknüpft. Ich betrachte Coelastarte nur als eine Sectio, welche den praktischen Vorteil bietet, dass sie durch ihren Habitus leicht aufzufassen ist. Einen grösseren, systematischen Wert vermögen nach meiner Auffassung auch Grotriana, SPEYER und Praeconia, STOLICZKA ! der letzteren steht Coelastarte ebenfalls sehr nahe nicht zu beanspruchen. (rünstiger liegen die Verhältnisse für

Opis carinata, QUENSTEDT. Taf. VIII, Fig. 5—6. 1858. Opis carinata, QUENSTEDT. Der Jura, pag. 762, Taf. 93, Fig. 13.

Schon vor längerer Zeit war Herr Branco so entgegenkommend, mir die ausgezeichneten Originale nicht nur von dieser Art, sondern auch von Opis lunulata silicea, QJUENSTEDT zur Verfügung zu stellen. Die Erhaltung dieser Nattheimer Vorkommnisse lässt kaum etwas zu wünschen übrig. Letztere ist von Opös lunulata, J. SOWERBY sp. jedenfalls verschieden. Schon die hintere Abdachung lässt beide Arten leicht auseinander halten. Sie ist bei der Nattheimer Species durchgehend stärker vertieft, und man wird diese deshalb nach den Regeln der Priorität Opis Goldfussi, ORBIGNY nennen müssen. Dagegen halte ich die englischen und französischen Vorkommnisse der Opis Zlunulata, von denen ich ein reiches Material besitze, für identisch.

Bei Opis carinata erstreckt sich die etwas ausgehöhlte, hintere Muskelplatte nicht unter die Schlossplatte, sondern schliesst sich

! NEUMAYR, Beiträge zu einer morphologischen Eintheilung der Bivalven, Denksch. d. k. Akad. etc. Mathem.-naturw. Classe. Bd. LVIII, Wien, 1891, p- 774, Fussnote 3,

Dr BoEHn: [176

derselben vielmehr an, ähnlich wie bei Diceras Luci, DEFRANCE. Zu diesem auffallenden Merkmal kommt aber noch ein Unterschied im Schlossbau. Bei den meisten Opis ist die rechte Klappe

nur die Hauptzähne berücksichtigt einzähnig, die linke Klappe zweizähnig. Der linke, hintere ist der Hauptzahn und liegt auch

wenn er fast nur allein entwickelt ist, wie bei Opös Zunulata unmittel- bar am Schalenrande. Bei Opis carinata ist, gerade umgekehrt, die rechte Klappe zweizähnig, die linke Klappe einzähnig, so dass der Zahn der linken Klappe nicht am Schalenrande liegt, sondern von demselben durch eine grosse Zahngrube getrennt ist. Dazu kommt, dass in der linken und wahrscheinlich auch m der rechten Klappe ein langgestreckter vorderer Seitenzahn entwickelt ist. Mit diesen Merkmalen dürfte die Aufstellung einer Gattung gerechtfertigt sein, die ich Heteropis nenne. Dieselbe würde sich folgendermassen characterisiren :

Heteropis, n. g.

Aeusserlich wie eine normale Opis mit stark übergebogenem Wirbel. Lunula kaum angedeutet. Linke Klappe einen Haupt- zahn, vor und hinter demselben je eine Zahngrube. Der Ansatz des hinteren Muskels durch eine Platte verstärkt, die im der Ebene der Schlossplatte liest und sich der letzteren unmittelbar anschliesst.

Typus: Heteropis carinata, QUENSTEDT Sp.

Weisser Jura, NATTHEIM.

Bemerkungen. Die Stellung des Zahnes der linken Klappe erinnert an Opis Raulini, BUVIGNIER (Statistique geologique etc. du dep. de la Meuse. Atlas, p. 17, Taf. XIV, Fig. 22—26). Mir ist diese Art aus eigener Anschauung nicht bekannt, doch erstreckt sich nach der Abbildung 1. c. Fig. 26 bei Opis Raulini die Muskel- leiste unter die Schlossplatte.e Man könnte auch an Platopis, WHITFIELD aus der syrischen Kreide denken. (Bulletin of the American Museum of Natural History,Vol. III, p. 399.) Doch scheint mir, nach den Abbildungen ]. c. p. 400 zu schliessen, der Schloss- charakter durch die „lateral sockets“ ein wesentlich anderer. Auch fehlt die hintere Muskelleiste.

Heteropis carinalta, (JUENSTEDT sp. liegt mir in 2 linken Klappen vor. Das eine Exemplar ist das Original QuENSTEDT’s, das andere, welches Taf. VIII, Fig. 5—6 abgebildet ist, befindet sich in meiner

177] COELASTARTE UND HETEROPIS. 9

Sammlung. An letzterem beobachtet man ganz deutlich, dass die hintere Wand der hinteren Zahngrube quer gekerbt ist. Dies wurde auch bei Fig. 5 zur Darstellung gebracht. Man darf daraus wohl den Schluss ziehen, dass die hintere Fläche des hinteren Zahnes der rechten Klappe quer gekerbt war. An dem Tübinger Originale ist von jener Riefung nichts zu sehen. QUENSTEDT, Der Jura, p. 762 giebt an, dass die Art ganz glatt ist und dass jede Spur einer ver- tieften Lunula fehlt. Letztere ist, wenn auch nur schwach, an- gedeutet, und mein Exemplar zeigt deutlich eine feine, concentrische Streifung, die sich über die ganze Klappe erstreckt.

10

Figur 13.

Figur 4.

Figur 5—6.

BOEHM: ÜOELASTARTE UND HETEROPIS. [178

Tafel VIII.

Astarte excavata, J. SOwERBY. Bajocien von May (Calvados). Yı.

1 u. 2. Rechte und linke Klappe.

3. Ansicht von oben. Die oberen Ränder der Ligamentarea sind beim Präpariren etwas abgebrochen. Sie liegen noch näher aneinander, als die Abbildung dies zeiet.

Astarte suprajurensis, A. ROEMER sp. Mittlerer Kimmeridge, Pteroceras-Schichten von Ahlem. Linke Klappe !/ı.

Heteropis carinata, ()UENSTEDT sp. Oberer weisser Jura von Natt- heim. Linke Klappe *ı. Der Strich !/ı zeigt die natürliche Grösse.

Das Original zu Fig. 4 befindet sich in der Sammlung des Herrn STRUCKMANN in Hannover, die übrigen Originale sind aus meiner Sammlung.

179] 1

Z/ur Kenntniss des Olfactorius.

Von

Stewart Lee.

Aus dem anatomischen Institut der Universität Freiburg i. B.

Als ich mich vor mehr als einem Jahr auf das hiesige ana- tomische Institut begab, um mich mit der vergleichenden Anatomie des Grehirnes zu beschäftigen, lenkte mein verehrter Lehrer, Herr Professor WIEDERSHEIM, meine Aufmerksamkeit u. a. auf das Rhinencephalon. Zwar war es meine Absicht, nur die centralen (rebiete des Olfactorius, den Hippocampus und seine Verhältnisse zum Manteltheil zu untersuchen: doch stellte es sich dabei als wünschenswerth heraus, mich auch über den Lobus olfactorius und den Riechnerven etwas eingehender zu orientiren, wobei dann Nasen- höhle und JAcoBson’sches Organ berücksichtigt werden mussten. Dabei sind mir gewisse T'hatsachen aufgefallen, die zum Verständniss des Olfactorius beitragen können, und die ich in aller Kürze hier mit- zutheilen mir grlaube. Hierzu fühle ich mich um so mehr veran- lasst, da BURCKHARDT! neuerdings in seiner Arbeit über Proto- pterus dem gleichen Thema ein Kapitel gewidmet hat, worm er zu Ansichten gekommen ist, die wesentlich von den meinigen abweichen. Am leichtesten werde ich dabei verfahren, wenn ich gleich an BURCKHARDT anschliesse und die Punkte hervorhebe, in denen meine Auffassüng von der seinigen abweicht. Zugleich will ich noch be- merken, dass ich, um jedes Missverständniss auszuschliessen, dieselbe

! BURCKHARDT, Das Centralnervensystem von Protopterus annectens, Berlin 1892.

P) Lee: [180

Nomenclatur gebrauchen werde, die auch BURCKHARDT angewandt hat; nämlich Gliederung des Olfactorius in Bulbus, Tractus und Tuberculum, das Ganze als Lobus aufgefasst. Was diese Nomen- clatur betrifft, so ist sie nach BURCKHARDT zuerst von GEGENBAUR 1874 aufgestellt worden und soll neuerdings von (FORONOWITSCH geltend gemacht worden sein. In der Hoffnung nun bei dem letzt- genannten Autor eine nähere Charakterisirung der einzelnen Olfac- toriusabschnitte zu finden, habe ich die betreifende Arbeit! genau durchgelesen, leider aber nur folgende Erörterung gefunden. Nach dem Verhalten der Tractus olfactorii zum Vorderhirn unterscheidet G. zwei Gruppen von Selachiern: solche, bei denen die Höhlen der Tractus olfactorii directe Fortsetzungen der paarigen Ventrikel der Hemisphaeren sind, wie z. B. bei Hexanchus (MıktucHo MacraAY, Taf. II 8—13) und solche, bei denen die Höhlen der T'ractus olfac- tor als seitliche Abzweigungen des V orderhirnventrikels erscheinen, wie z.B. bei Scyllium canicula. G.fährt dann folgendermassen fort:

„Bei vielen Selachiern dieser letzten Gruppe (hauptsächlich bei Rochen) ist der laterale Abschnitt des Vorderhirns, aus welchem die Tractus olfactorii entspringen, zu einer besonderen Anschwellung differenzirt. Es ist mehrfach von anderer Seite hervorgehoben wor- den, dass diese Anschwellungen, die Tractus selbst, sowie die End- anschwellungen der Tractus (Tubercula olfactoria oder Bulbi olfac- torii), aus welchen die Nervi olfactorii entspringen, zu den Üentral- organen zu rechnen seien. Um eine für meine Zwecke unnütze Zer- splitterung des Begriffes zu vermeiden, bezeichne ich die Vorder- hirnanschwellungen mit Tractus olfactorii und seine Bulbi durch den Sammelterminus Lobi olfactoru.“

Es ist aus Obigem zu ersehen, 1) dass bei der ersten Gruppe GORONOWITSCH kein Tuberculum angiebt, 2) dass er bei der zweiten Gruppe die seitliche Anschwellung nicht Tuberculum nennt, sondern Tuberceulum und Bulbus als gleichbedeutend gebraucht, was mit einer Geltendmachung der von BURCKHARDT angewandten Nomenclatur nicht übereinstimmt, und 3) dass er jede Zerlegung des Olfactorius in einzelne Abschnitte für seine Zwecke für unnütz erklärt, folglich auch keine nähere Charakterisirung der einzelnen Theile giebt und das sanze (sebilde mit dem Sammelterminus Lobus olfactorius bezeichnet. Eine Bezeichnung, die er auch an allen folgenden Stellen durchaus aufrecht erhält.

! (GORONOWITSCH, Das Gehirn und die Cranialnerven von Acipenser ruthenus. Morph. Jahrb. 1888.

181] Zur KENNTNISS DES ÖLFACTORIUS. 3

Kehren wir nun wieder zu BURCKHARDT und seiner Auffassung zurück. B. stellt als Typus der einfachsten Verhältnisse Mustelus auf, bei dem der Lobus olfactorius eine einfache Vorstülpung des Vorderhirns repräsentirt, deren Höhle zeitlebens in Communication mit der Vorderhirnhöhle bleibt. Es ist hier ebensowenig von einem differen- zirten Tuberculum die Rede wie bei der 1. Gruppe von GORONO- WITSCH. Auf einem weiteren Stadium phyletischer Entwicklung findet B. den Lobus auf eine grössere Strecke ausgezogen, wobei er sich in einen soliden Bulbus, einen Tractus und ein Tuber- culum gegliedert hat, welch letzteres dem Vorderhirn seitlich an- sitzt. Dieser Typus würde also etwa der 2. Gruppe von GORONO- WITSCH entsprechen. Eine histologische Differenzirung des Tuberculum erwähnt auch BURCKHARDT nicht.

Es ist aus dem Vorhergehenden ersichtlich, dass das Tuberculum als morphologisch abgegrenzter Hirntheil nicht immer vorhanden ist, so z.B. bei der 1. Gruppe von GORONOWITSCH und bei gewissen Typen der zweiten, wie denn auch Ronox! bei seiner zweiten Gruppe der Haie bemerkt (pag. 10). „Die zur Aufnahme der Tractus olfactorii bestimmten seitlichen Vorderhirnausbuchtungen erfahren keineswegs eine ausgesprochene Abgrenzung von den benachbarten Vorderhirn- massen, sie verschmelzen vielmehr allmählich an ihren vorderen Enden mit den Tractus olfactori, an ihren basalen Theilen mit den late- ralen Vorderhirnmassen.“ Fernerhin ist darauf aufmerkam zu machen, dass keiner der genannten Autoren eine histologische Differenzirung des Tuberculum angiebt noch irgend ein Merkmal anführt, wodurch es vou den lateralen Vorderhirnmassen unterschieden werden könnte. Wir müssen nun diese Punkte im Auge behalten, wenn wir zu der BURCKHARDT’schen Auffassung der Verhältnisse bei den Amphibien übergehen,

Hier giebt nämlich BurRCKHARDT an: „Der Bulbus ist verschwun- den, Tractus und Fila olfactoria fliessen direkt in einander über und am Vorderhirn ist das Tuberculum stehen geblieben und ziemlich stark entwickelt.“ Hierbei stellt dann BURCKHARDT zwei Mößglich- keiten auf: gänzlicher Schwund des Bulbus oder Vereinigung mit dem Tuberculum, für welch letztere Auffassung die Zweitheilung des Nerven sprechen würde, entsprechend der Zweitheilung der Nasen- schleimhaut in Riechgrube und JacogBsox’sches Organ. Ein gänz-

! Romon, Das Centralorgan des Nervensystems der Selachier. Denkschr. der k. k. Akad. Wien 1878.

4 Lex: [182

licher Schwund eines für den Olfactorius so wichtigen Abschnittes wie der Bulbus, braucht, finde ich, überhaupt keine weitere Bespre- chung, und von Vereinigung kann auch nicht gut geredet werden. Entsteht ja nur die Dreitheilung des Lobus olfactorius dadurch, dass der Bulbus, sich eng an die Riechkapsel anschmiegend, beim weiteren Wachsthum mit nach vorn gezogen wird, wobei der ihn mit dem Vorderhirn verbindende Theil verschmälert wird und sich mehr oder minder scharf vom vorderen und hinteren Theile abhebt. Bliebe aber der Bulbus in Situ, so wären die einzelnen Abschnitte nicht von einander morphologisch zu unterscheiden, und gerade dieses Verhalten haben wir bei den Amphibien. Dass hier der Bulbus sicher vorliegt, beweisen uns die Glomeruli olfactorii, welche für den Bulbus so charakteristisch sind und in einem Tuberculum noch nie gesehen worden sind. BURCKHARDT hat sich wahrscheinlich bei seiner Beurtheilung durch die morphologischen Verhältnisse irre leiten lassen und hat dabei die histologische Struktur nicht näher berücksichtigt, sonst hätte er sicherlich andere Gründe geltend zu machen vermocht, als die Zweitheilung des Nerven, die für die An- nahme sprechen würden, dass der Bulbus sich mit dem Tubereulum vereinigt hätte und dass wir es hier (bei den Amphibien) nur mit den Fila, nicht mit Tractus und Fila zu thun hätten. Es ist mir aller- dings von Seiten BURCKHARDT’s unverständlich, dass er diese Zwei- theilung als gegen die Natur eines Tractus sprechend anführt, da er doch kurz vorher angegeben hat, ein zweitheiliger Tractus sei bei Protopterus vorhanden. (Gerade diese Zweitheilung, die wir meines Wissens bei den Selachiern niemals vorfinden, liess den Verdacht in mir aufsteigen, dass BURCKHARDT sich getäuscht haben könnte, und dass wir es hier nicht mit einem Tractus zu thun hätten. Nach den Tafeln von BURCKHARDT war dies nicht sicher zu entscheiden, da er keine Abbildungen, weder vom Tuberculum noch vom Bulbus, giebt. Es stand mir aber eine Schnittserie durch den vorderen Theil des Kopfes vom Protopterus zur Verfügung, die von der Nasenspitze bis fast zum Tuberculum reichte, die sich also auf jeden Fall noch weiter proximalwärts erstreckte als nöthig wäre, um einen Bulbus nachzuweisen, wenn er vorhanden wäre. Es war mir aber nicht möglich diesen Hirntheil nachzuweisen, vielmehr war ich im Stande, die einzelnen Faserbündel von der Riechschleimhaut aus zu verfolgen bis sie, zu einem einheitlichen Nervenstamm vereinigt, dem (rehirn sich näherten, was bei dem Vorhandensein eines Bulbus un- möglich gewesen wäre. Wir müssen also unbedingt annehmen,

183] Zur KENNTNISS DES ÖLFACTORIUS. 5

dass hier nur der Nervus olfactorius, nicht aber der Tractus vorliegt, sodass der Abschnitt, den BuRCKHARDT als Tuberculum auf- fasst, als Lobus olfactorius zu bezeichnen ist. Obgleich meine eigene Schnittserie nicht bis zum Lobus reicht und ich dessen Structur nicht zu ermitteln vermag, fühle ich mich doch zu obigem Schlusse berechtigt, da BURCKHARDT auch den Lobus der Amphibien, wo die Structur des Bulbus so deutlich zu finden ist, als Tuberculum auf- fasst. Sodann würde auch die Zweitheilung gut mit anderen That- sachen übereinstimmen, wie ich nachher zeigen werde.

Reptilien. Werfen wir einen Blick auf die Reptilien und sehen wir, wie BURCKHARDT die Verhältnisse des Olfactorius bei ihnen zu erklären versucht. Was übrigens zunächst den Ceratodus betrifit, so äussert B. sich folgendermassen.

„Es kommt hier (Ceratodus) nicht zur Bildung eines Tractus und der Recessus olfactorius reicht bis in den Bulbus hinein. Genau derselbe Zustand kehrt bei Reptilien wieder und tritt sogar bei gewissen Säugethieren noch in dieser ursprünglichen Form auf, z. B. beim Pferd.“ Darin, dass es bei den Reptilien überhaupt nicht zur Bildung eines Tractus komme, kann ich mit BURCKHARDT nicht über- einstimmen. Zwar finden wir dieses Verhalten bei gewissen Rep- tilien, z. B. bei Anguis fragilis, Amphisbaena, Thyphlops, bei anderen Typen hingegen haben wir einen wohl differenzirten Tractus, der unter Umständen eine ziemlich bedeutende Länge er- reichen kann; wie aus dem Bilde von Hatteria punctata erhellt (WIEDERSHEIM, Grundriss der Vergleichenden Anatomie, 1893, S. 261, Fig. 185). Dieses verschiedene Verhalten des Lobus beruht, wie ich finde, auf folgende Ursachen:

Bei sämmtlichen Typen der erstgenannten Gruppe haben wir es mit Reptilien zu thun, bei denen die Augen nie zu einer solchen Entwicklung gelangen, dass sie einen Druck auf die zwischen ihnen liegenden Lobi ausüben könnten, so dass letztere in ihrer ursprüng- lichen Gestalt verharren, d.h. als einfache Ausstülpungen des Vorder- hirns. Bei der letztgenannten Reptilien-Gruppe dagegen erfahren die Lobi jederseits einen starken Druck von den wohlausgebildeten Augen, wodurch sie in die Tractus und .in die nach vorn verdrängten Bulbi gegliedert werden. Dass hier die Druckverhältnisse den wirksamsten Faktor bilden, beweist uns ein Querschnitt durch den Tractus (s. Fig. 1). Dieser ist nämlich nicht rund oder oval, wie bei einem ausgezogenen Tractus, sondern mehr dreieckig im Querschnitt, ent- sprechend dem jederseits ausgeübten Drucke.

Lee: [184

Hinsichtlich der Beziehungen, die BURCKHARDT zwischen den Rep- tilien und Oeratodus aufstellt, kann ich ihm weder beistimmen noch

Fig. 1. Querschnitt durch den Tractus olfactorius von GECKO.

Tr.O. —= Tractus olfactorius. V.Tr.O: = Wentriculus Tractus olfactorii.

widersprechen, da das Gehirn von Üeratodus zu wenig genau bekannt ist. Sind doch aus den 11 Merkmalen, die BURCKHARDT auf seiner Tabelle (S. 52—53) als wichtig für eine Be- stimmung angiebt, 7 mit einem Frage- zeichen versehen.

Wenn wir nun die Thatsachen, wie sie im Vorhergehenden dargestellt wurden, überlegen, werden wir finden, dass ihre Auffassung und Deutung uns keine Schwierigkeit bereiten kann und dass wir dabei nicht gezwungen werden

einen Schwund des Bulbus anzunehmen. Die verschiedenen Ent- wicklungstypen lassen sich in folgende drei Gruppen sondern.

Fig. 4.

Fig. 5.

Fig. 2, 3, 4, 5. Schematische Darstellung der Entwicklung des Lobus olfaetorius. Erklärung im Text.

V.H. Vorderhirn. G. = Gehirn. L.O. —= Löbus olfactorius. B.O. Bulbus

olfactorius. Tr.O, Tractus olfactorius. Tub.O. Tubereulum olfactorium.

F.O. = Fila olfactorıa.

G1.0. = Glomeruli olfactorü.

1. Selachier. Lobus olfactorius und Riechorgan legen sich früh in der embryonalen Entwicklung eng aneinander und werden

185] Zur KENNTNISS DES ÖLFACTORIUS. 7

vermittelst der Fila olfactoria mit einander verbunden. Wenn dann im Laufe der Entwicklung Gehirn und Geruchsorgan immer weiter von einander abrücken, so behält der Lobus seine enge Verbin- dung mit dem Riechorgan bei und wird mehr oder minder lang aus- gezogen. Es sind hier nach dem Verhalten der Tractus zum Vorder- hirn zwei Gruppen zu unterscheiden (KORONOWITSCH).

a) Der Lobus entsteht als vordere Ausbuchtung des Gehirns, und der Ventrikel des Vorderhirns setzt sich direkt m dem Lobus fort. Wie früher erwähnt wurde, ist hier kein Tuberculum vor- handen.

b) Der Lobus entsteht als seitliche Ausbuchtung des Vorder- hirns. Es sind diese Verhältnisse am leichtesten in den beigegebenen schematischen Figuren zu überblicken (Fig. 2—5).

Fig. 2 würde etwa ein Stadium repräsentiren, wo Riechorgane und Gehirn schon angelegt sind, wo beide aber noch keine Verbin- dung mit einander eingegangen haben.

Fig. 3. Das Geruchsorgan senkt sich tiefer und der Lobus olfactorius fängt an, sich aus dem Vorderhirn zu differenziren.

Fig. 4 Riechorgan und Gehirn haben sich schon an einander gelest und sind durch die Fila mit einander verbunden. In diesem Stadium ist der Bulbus nur ganz undeutlich vom Tractus abzugrenzen und letzterer geht unmerklich in das Vorderhirn über.

Fig. 5. Gehirn und Riechorgan sind in Folge ungleichen Wachs- thums zwischen Schädel und Gehirn auseinander gerückt, wobei der Lobus, da sein vorderster Theil seine enge Verbindung mit dem Riech- organ beibehält, in die Länge gezogen ist. Es lässt sich jetzt der Lobus in einzelne Abschnitte zerfällen, die aber nicht von einander scharf abgegrenzt sind, sondern unmerklich in ‚einander übergehen. 1) Dicht am Geruchsorgan befindet sich der Bulbus, der die (Glomeruli olfactorii enthält, die das erste Verbindungsglied zwischen (Gehirn und Geruchsorgan herstellen. 2) Ein langer, schmaler Theil, der den Bulbus mit dem Gehirn verbindet Tractus olfactorius. Letzterer kann unmerklich in das Vorderhirn übergehen oder aber 3) es befindet sich an der Uebergangsstelle ein mehr oder minder scharf umgrenztes Gebiet, Tuberculum olfactorium. Ob mit dieser morphologischen Umgrenzung des Tuberceulum auch eine histologische Differenzirung Hand in Hand geht, vermochte ich ebensowenig zu ermitteln wie meine Vorgänger, da mein Material sich nicht zu ge- eigneten Färbemethoden verwenden lies. Es muss also der zu-

künftigen Forschung überlassen werden zu bestimmen, ob wir es hier Berichte VII. Heft 2. 13

8 | Lee: [186

mit einem physiologisch umgrenzten Gebiet zu thun haben und ob, wie BURCKHARDT vermuthet, der Hippocampus aus dem hinteren Theile hervorgehe.

2. Protopterus und Amphibien. Lobus und Weruchsorgan kommen hier nicht zu einer engen Verwachsung. Die Fila olfactoria wachsen —- zu zwei Nerven vereinigt zum Lobus hin und gehen hier vermittelst der Glomeruli olfactorii ihre Verbindung mit dem Oentral- organe ein. Der Lobus bleibt ungegliedert mit dem Gehirn ver- wachsen, folglich kann auch kein Tractus entstehen. Ist das Tuber- culum bei den Selachiern ein histologisch umgrenztes Gebiet, das mit dem Olfactorius in Verbindung steht, so wird auch wohl sein Homologon bei den Amphibien nachzuweisen sein.

3. Reptilien. Der Lobus olfactorius entsteht als direkte Fort- setzung des Vorderhirns, und der Seitenventrikel des letzteren setzt sich in den Lobus fort. Letzterer geht auch hier keine enge Verbindung mit dem Riechorgane ein. Bei der späteren Entwicklung sind dann zweierlei Möglichkeiten vorhanden.

a) Bei Formen wie Anguis fragilis, Amphisbaena und Typhlops, wo die Lobi keinen Druck durch die Augen erfahren, verharren sie in ihrer ungegliederten Form.

b) Bei anderen Typen, z. B. Lacerta, werden die Lobi jeder- seits von den Augen zusammengedrückt, wobei sie sich in die nach vorn verdrängten Bulbi und in die Tractus gliedern. Ein Traetus ist also bei dieser Gruppe ebensowohl vorhanden wie bei Selachiern, nur wird er durch andere entwicklungsmechanische Ursachen bedingt.

Ganoiden und Teleostier. Nach eigenen Untersuchungen kann ich hierüber nichts berichten, doch scheint eine Erklärung der Verhältnisse, wie sie bei den Autoren geschildert werden, keine Schwierigkeit zu bieten. Bei den Ganoiden bleiben die Lobi ol- factorii ungegliedert mit dem Gehirn in enger Verbindung. Bei den Teleostiern kann dies zwar auch der Fall sein, oder aber sie werden in die Länge gezogen und gliedern sich in einen Bulbus und Trac- tus. Ich kann aber in dieser Verschiedenartigkeit der Ausbildung nicht mit BURCKHARDT einen Beweis für den hohen physiologi- schen Werth des Olfactorius bei den Teleostiern erblicken, sondern glaube, dass es nur durch entwicklungsmechanische Ursachen be- dingt sein wird, ob der Lobus ungegliedert bleibt oder in die Länge gezogen wird.

187] Zur KENNTNISS DES ÖLFACTORIUS. 9

Der Riechnerv.

Nachdem ich im Vorhergehenden versucht habe die Homo- logieen der einzelnen Olfactorius-Abschnitte bei den verschiedenen Wirbelthierklassen festzustellen, möchte ich noch die Ansichten, zu denen ich über die Zweitheilung des Riechnery gelangt bin, erwähnen, da sie wesentlich von den bisherigen abweichen. Bei den Reptilien wird bekanntlich diese Zweitheilung in der Weise erklärt, dass der eine Ast zur Riechgrube, der andere zum JacoBsox’schen Organe gehen soll, und nachdem durch die Sarasın ! bei Ichthyo- phis und durch BurckHArpT? bei Triton das Homologon des JAacoBsoN’schen Organes der Reptilien für die Amphibien nach- gewiesen wurde, könnte man geneigt sein, dieselbe Erklärung auch auı letztere zu übertragen. Scheint diese Erklärung auf die Amphibien und Reptilien zu passen, was, wie ich nachher zeigen werde, in Wirk- lichkeit nicht der Fall ist, so lässt sie uns bei Protopterus vol- lends im Stich. So wurde ich denn zu dem Schlusse gedrängt, dass die doppelte Wurzel der Riechnerven nicht durch das Vorhanden- sein des JacoBsox’schen Organes bedingt sein kann, sondern dass wir nach einer anderen Ursache suchen müssen, wenn wir dieselbe Erscheinung bei den verschiedenen Klassen (Protopterus Amphi- bien Reptilien) von einem einheitlichen Standpunkte auffassen wollen. Aus diesem Grunde habe ich die Selachier in den Bereich meiner Untersuchung gezogen, um zu ermitteln, wie es sich hier mit der doppelten Olfactorius-Wurzel verhalte.

Da hier der Bulbus eng an die Riechschleimhaut sich anschliesst, so kann es sich freilich nicht um zwei getrennte Nerven handeln, wohl aber könnte man aus dem morphologischen Verhalten des Bulbus, aus dem Verlauf der Fila gegen den letzteren zu und aus der Anordnung der Glomeruli, entscheiden, ob eine doppelte Wurzel vorhanden sei, oder nicht. Was nun die makroskopischen Verhältnisse des Bulbus betrifft, so können wir uns am besten nach den Abbildungen von MiktLucHo MAcLAy und von RoHox (l. ec.) orientiren. Bei einer Durch- musterung der Abbildungen bei den genannten Autoren finden wir, dass ein zweifaches Verhalten vorliegt. Bei einigen, wie z. B. bei

! P. und F. Sarasın, Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschungen auf Ceylon, Bd. II, 1887—1890.

2 BURCKHARDT, Untersuchungen am Gehirn- und Geruchsorgan von Triton und Ichthyophis. Zeitsch. für wiss. Zool., Bd. 52.

13*

10 Lee: [188

Hexanchus griseus (MmktucHo MacraAy, Taf. II, Fig. 8A), ist keine äussere Gliederung sichtbar: bei weitaus den meisten Typen ist sie aber deutlich ausgeprägt; bei Carcharias glaucus (MikLuUcHo Macray, Taf. IV, 11 A) ist der Lobus sogar in zwei vollständig getrennte Hälften gegliedert.

Das mikroskopische Bild entspricht auch, z. B. auf einem Hori- zontalschnitt von Scyllium canicula, vollständig den makroskopi- schen Verhältnissen. Die Fila ziehen beiderseits nach ihrem Austritt

aus der Riechschleimhaut zu grossen Bündeln

NO vereinigt nach den entgegengesetzten Seiten

Co VW des Bulbus, treten hier ein und lösen sich in

die Glomeruli auf. Die beiden Gruppen der -HW letzteren sind median von einander getrennt und es findet keine Durchkreuzung der Fasern von einer (ruppe zur anderen statt, wie BURCK- HARDT es für Ichthyophis angiebt. Da der Bulbus hier eng an die Riechschleimhaut sich anschmiegt, so kann, wie bemerkt wurde, von zwei Nerven nicht geredet werden; wäre aber der Bul- bus in situ \ (am Grehirn) N geblieben, so dass die Fila

VM.

Fig. 6. Gehirn von KW.

Spelerpes fuscus Fig. 7. Längsschnitt durch das Vor- M die Länge

von unten. derhirn von Salamandrina per- gezogen WOT- N.O, = Nervus ol- spieillata. den wären, factorius. V.W. N.O. = Nervus olfactorius. V.W. so würden die Vordere Wurzel. H.W, Vordere Wurzel. H.W. Hintere beiden Bün- Hintere Wurzel. Wurzel.

del der letz- teren zwei Nerven darstellen, wie es bei Protopterus der Fall ist. Es scheint mir also, dass die Zweitheilung, wie sie bei Scyllium vor- liest, mit der gleichen Erscheinung bei Protopterus, den Amphibien und Reptilien homologisirt werden muss.

Untersuchen wir daraufhin die Amphibien und Reptilien, von denen mir ein viel reichlicheres Material zu Gebote stand, und sehen wir, ob sämmtliche Thatsachen damit in Einklang stehen.

Bei den Amphibien liegt, wie WIEDERSHEIM schon vor

189] Zur KENNTNISS DES ÖLFACTORIUS. 11

vielen Jahren gezeigt hat, diese Theilung in ihrer schärfsten Form bei Pipa vor. Hier sind die beiden Wurzeln vollständig von einander getrennt und die beiden Aeste treffen erst nach ihrem Aus- tritt aus dem Gehirn zusammen. Ein ähnliches Verhalten finden wir bei Spelerpes fuscus (Geotriton), Fig. 6. Hier ist die hintere Wurzel, wie bei den Anuren, äusserlich deutlich sichtbar. Die Fasern verlassen aber nicht sofort den Lobus wie bei Pipa, sondern laufen an demselben entlang und treten dann, mit den Fasern der ersten Wurzel vereinigt, in den Lobus. In makroskopischer Beziehung scheint es sich also nur um eine Wurzel zu handeln, auf Schnitten aber ist aufs deutlichste zu sehen, dass zwei vollständig von einander getrennte Wurzeln in Betracht kommen. An die Verhältnisse, wie sie bei Speler- pes vorliegen, lassen sich die von Salamandrina perspicillata leicht anreihen (Fig. 7). Hier ist die hintere Wurzel nicht mehr äusser- lich sichtbar, nur auf Schnitten findet man, dass sie immer noch vor- handen ist, aber in die Länge gezogen, so dass im vorderen Theile kleine Gruppen von Glomeruli ganz abgetrennt liegen. Auf Schnitten, die mehr nach aussen fallen, verschwinden dagegen die vorderen Aus- läufer, nur der hinterste Abschnitt ist zu sehen und dieser reicht bis zur äussersten Grenze des Gehirns und verursacht hier eine leichte Anschwellung, die aber viel zu schwach ist, um äusserlich sichtbar zu sein. Schnitte, die etwas medianwärts von dem in Fig. 7 abgebildeten Schnitte gelegt sind, zeigen die hintere Wurzel gar nicht mehr, und nur die vordere ist nunmehr stark entwickelt zu sehen. Es scheint hier also offen- bar eine Verlagerung der hinteren Wurzel, nach der Austrittsstelle des Nerven, also nach vorne hin, stattgefunden zu haben, eine Ver- lagerung, die bei Triton und Ichthyophis vollständig durch- geführt erscheint. Wir sehen also, dass wir mit Hülfe der angegebenen Zwischenstufen Formen wie Triton leicht aus solchen herleiten können, bei denen die zwei Wurzeln vollständig von einander getrennt sind, so dass wir auch hier zu der Annahme berechtigt sind, dass die Zweitheilung das primitive Verhalten darstellt.

Nasenhöhle der Amphibien und Reptilien.

Wir können bei dieser Gelegenheit gleich die Nasenhöhlen der obgenannten Amphibien zur Sprache bringen. Fig. 8 stellt einen Quer- schnitt durch das Geruchsorgan von Spelerpes dar. Die untere Ausbuchtung würde das Homologon des Jacogson’schen Organes bei Triton und Ichthyophis repräsentiren. Das Riechepithel in dieser Ausbuchtung ist etwas höher als in der übrigen Nasenhöhle, auch

12 Les: [190

sind die Kerne mehr reihenförmig angeordnet. Querschnitte durch die Nase von Salamandrina bieten fast genau das gleiche Bild. Was das Epithel betrifft, so mag erwähnt werden, dass sowohl in der Haupt- wie in der Nebenhöhle (Jacopsox’sches Organ) die BLAUE’- schen Geruchsknospen sehr schön zu sehen sind. Von grösserem Interesse ist dagegen die Nasenhöhle von Pipa, gerade weil es bis jetzt nicht gelungen ist, zu bestimmen, was bei den Anuren als Homo- logon des JACOBSOoN’-

schen Organes zu gelten Fig. 8. Querschnitt durch die rechte Nasenhöhlle Hat. Bei Pi pa nun von Salamandrina perspicillata. N.O. = Nervus olfactorius. N.H. = Nasenhöhle. Th.N. Thränennasengang. J.O.— Jacogson’sches Organ.

liegen die Verhältnisse so klar, dass man keinen Augenblick darüber im Zweifel sein kann. Fig. 9 stellt einen Querschnitt durch die rechte Nasenhöhle dar. Unten rechts (aussen) liegt das JacoBson’sche Organ. Vorn als Blindsack anfangend zieht es neben der Nasenhöhle entlang, um mit letzterer auf einer kurzen Strecke in der Gegend der Cho- ane in Verbindung zu treten. Es überragt ein wenig jene Verbindungs- stelle nach rück- wärts und hört dann als Blind-

Fig. 9. Querschnitt durch die rechte Nasenhöhle sack auf. von Pipa dorsigera (junges Exemplar). Das Epithel N.H. = Nasenhöhle. N.O. = Nervus olfactorius.

ist auf der ganzen Strecke mächtig | entwickelt,so dass das Lumen auf ein Minimum reducirt wird. Unten links median- wärts ist die JAcoBsoN’sche Drüse angeschnitten. Auf weiteren Schnitten kann man sie verfolgen bis sie, das Epithel des JAcoB- sow’schen Organes durchbrechend, in dessen Lumen einmündet. Der

J.D. = Jacogson’sche Drüse. J.O. = JacoBsonx’sches Organ.

191] Zur KENNTNISS DES ÖLFACTORIUS 13

mächtige Ast des Riechnerven, der zur Innervirung des Örganes dient, ist auf dem Bilde im Längsschnitt zu sehen. Den Thränen- nasengang habe ich nicht gesehen. Auf die Homologieen der einzelnen Abschnitte mit denen der übrigen Anuren werde ich hier nicht näher eingehen, da es mich etwas weit führen würde und ich ein anders- mal darauf zurückzukommen hoffe.

Reptilien. Was nun die Reptilien betrifft so kann ich sie sehr summarisch behandeln. Hier ist der doppelte Ursprung des Olfactorius schon längst bekannt und zwar wurde er, wie anfangs erwähnt, aus der Zweitheilung des Riechorgans in Riechgrube und JacogBsoN’sches Organ erklärt. Doch bin ich gewissen Thatsachen begegnet, die, sogar hier, wo jene Erklärung am einleuchtendsten scheint, entschieden dagegen sprechen. Bei Typhlops nämlich, wo das JacoBsox' sche Organ eine so starke Entwicklung erlangt hat, dass die Nasenhöhle davon theilweise ganz eingeengt wird, erhält das Organ nicht nur die Fasern der hinteren Wurzel, sondern auch starke Faserbündel aus der vor- deren, ein Verhalten, das mit der genannten Theorie absolut nicht im Einklang steht. Fasst man dagegen die Zweitheilung als etwas Primitives auf, so lässt sie sich, wie in der Zusammenfassung gezeigt werden wird, sehr leicht verstehen.

Rückblick.

Um nun die Schlüsse, die sich aus Obigem ergeben, kurz zu- sammenzufassen, so bestehen sie in Folgendem:

1. Ein Versuch, den doppelten Ursprung des Olfactorius aus der Doppelnatur der Nasenhöhle (d.h. Hauptnasenhöhle und JACOBSON’'sches Organ) zu erklären, ist schon bei Reptilien nicht durchführbar und lässt uns bei den Fischen vollends im Stiche, so dass wir also gezwungen werden, eine andere Erklärung zu suchen, die uns ermöglicht, sämmtliche Thatsachen einheitlich aufzufassen.

2. Diese Erklärung besteht darin, dass wir den doppelten Ursprung als ein primitives Verhalten erkannt haben, das uns schon bei den Selachiern entgegentritt, sich bei den Dipnoi (Protopterus) wiederfindet und auf Amphibien und Reptilien übertragen worden ist. Im Laufe der phyletischen Entwicklung hat sich nun die einfache Nasenhöhle, wie sie uns z. B. noch bei Proteus entgegentritt, in zwei Theile getrennt, Haupt- und Nebennasenhöhle (Jacogson’sches Organ). Letztere tritt in ihrer einfachsten Form als seitliche Ausbuchtung auf, die in ihrer ganzen Ausdehnung mit der Hauptnasenhöhle in Verbin-

14 LEE: Zur KENNTNISS DES ÖLFACTORIUS. [192

dung steht. Im Laufe der Entwicklung hat sie sich aber immer mehr von letzterer abgeschnürt, so dass sie bei Ichthyophis nur noch in die Choane mündet, bei den Reptilien aber überhaupt nicht mehr mit der Nasenhöhle in Verbindung steht. Bei ihrem ersten Auftreten in der Phylogenie musste sie selbstverständlich in den Bereich desjenigen Astes des Riechnerven fallen, der die betreffende Seite des Geruchsorganes innervirte, wobei sie freilich nur einen Theil der Wurzel in Anspruch nehmen konnte. Dieses Verhalten haben wir meiner Ansicht nach noch bei Spelerpes vor uns, denn wenn man bedenkt, wie klein die Nebennasenhöhle im Vergleich zur Hauptnasenhöhle und wie stark andrerseits die hintere Wurzel ent- wickelt ist, so ist es kaum wahrscheinlich, dass letztere nur zur In- nervirung der Nebennasenhöhle Verwendung finden soll. Mit Gewiss- heit kann man es allerdings nicht behaupten, da die einzelnen Fasern von ihrem Austritt aus dem Lobus bis zur Riechhöhle nicht zu ver- folgen sind.

Indem nun das Organ im Laufe der phylogenetischen Ent- wicklung immer an Mächtigkeit zugenommen hat, wurde ein immer srösserer Theil der hinteren Wurzel dafür in Anspruch genommen. In Folge dessen kann es sogar auf das Gebiet der anderen Wurzel übergreifen und folglich auch noch Fasern von letzterer erhalten, wie z.B. bei Typhlops.

Ganoiden und Teleostier. Was diese beiden Gruppen be- trifft, so habe ich absichtlich nichts darüber geäussert, da meine eigenen Untersuchungen darüber sich noch nicht weit genug erstrecken und die Angaben, die man im der Literatur vorfindet, zu unsicher und zu widersprechend sind.

193] 1

Ueber die Entwicklung des Wintereies von Moina paradoxa Weism.

(Vorläufige Mittheilung) Von

Dr. Valentin Häcker,

Privatdozent und Assistent am zoologischen Institute der Universität Freiburg i. Brsg.

Schon seit mehreren Jahren habe ich mich mit vergleichenden Untersuchungen über die Entwicklung der Winter- und Sommereier der Daphniden beschäftigt. Es wurde dabei weniger auf phyletisch verwerthbare Resultate gerechnet, als vielmehr die Frage im Auge behalten, inwieweit durch äussere Bedingungen die Phasen der Entwicklung verschoben und ihre einzelnen Bilder verändert werden können, ohne dass das Schlussglied der Entwicklungsreihe, diefertigeForm, modifizirt wird. Ohne Zweifel decken sich die Aufgaben einer solchen Untersuchung vielfach mit denjenigen, welche die experimentelle Entwicklungsmechanik sich stellt, und eben die raschen Fortschritte der letztgenannten Forschungs- richtung lassen parallel laufende Untersuchungen berechtigt erscheinen, die auf dem Boden der vergleichenden Entwicklungsmechanik sich bewegend, den bestimmenden Einfluss mechanischer, und zwar ın diesem Fall natürlicher Einwirkungen auf die Entwicklung des Organismus im Auge haben.

Erhebliche Schwierigkeiten in der Beschaffung und Behandlung der Wintereier haben die Arbeit vielfach unterbrochen und verzögert, und nur allmählich, nach einzelnen glücklichen Funden, schlossen sich

P) HäckER: [194

die Bilder zu einer Reihe zusammen. Ich schicke der demnächst erscheinenden, ausführlichen Arbeit ın kurzer Form die wichtigsten, auf die Entwicklung der Wintereier bezüglichen Ergebnisse voraus.

Das länglich-ovale Winterei von Moina paradoxa Weism. besitzt in dem Dauerstadium, in welchem es Emtrocknung und Frost über- steht, ein gleichmässiges Blastoderm. Der von dem letzteren um- schlossene Nahrungsdotter ist von zahlreichen Dotterkernen (Vitello- phagen) durchsetzt, welche in den letzten Furchungsstadien, an gleich- mässig über die gesammte Eioberfläche vertheilten Punkten, durch radiäre, mitotische Theilungen der Blastodermkerne ihre Entstehung genommen hatten und von hier aus staffelweise in das Innere des Nahrungsdotters gerückt waren. In der Nähe des hinteren Eipoles befindet sich regelmässig eine dichtere Gruppe von Dotterkernen, welche einen Anhaltspunkt für die Orientierung späterer Stadien dar- bietet. Im Uebrigen ist eine solche insofern erleichtert, als der hintere Pol, derselbe, in dessen Nähe die Richtungskörper sich gebildet hatten, stets der Dorsalkante des Ephippiums, d. h. der die Wintereier umhüllenden, abgestreiften Schale des Mutterthieres, zu- nächst liegt.

Sehr bald nach der Zufuhr von Wasser, bezw. nach dem Auf- thauen, setzt die Weiterentwicklung des Eies ein: die Dotter- haut, die sich während der letzten Furchungsstadien gebildet hatte, hebt sich ab und wird in späteren Stadien durch eine zweite chiti- nöse Hülle ersetzt. Sehr frühe macht sich auch hier, wie beim Sommerei, die paarig angelegte Scheitelplatte durch ihre mächtigen, mit 1—2 grossen Nucleolen versehenen Kerne bemerklich und eine Reihe von Einkerbungen und Einstülpungen treten auf. Es ist dies zunächst eme an der Dorsalseite ihren Ur- sprung nehmende, dann aber bald in zwei Hälften nach der Ventral- seite herabrückende Querfurche, an deren vorderem Rande später die zweiten Antennen hervorsprossen; ferner eine zweite, der ersten parallele Kerbe, welche sich zwischen die Maxillarregion und den eigentlichen Thorax einschiebt; endlich das Proctodäum und eine kleine napfförmige Einsenkung an der Dorsalseite, welche vielleicht als „Dorsalorgan“ (Anlage der Nackendrüse) gedeutet werden darf. Von der Bildung eines unteren Blattes ist in diesen Stadien noch nichts zu bemerken.

Letzteres tritt zur Zeit, wenn bereits die drei ersten Schwimm- fusspaare angelegt sind, im Form einer einfachen Zellschicht auf, welche an der Ventralseite dem Ektoderm aufgelagert ist und sich

1 95] ÜEBER DIE ENTWICKLUNG DES WINTEREIES VON MOINA PARADOXA WEISM. 3

von hier aus an den Seitenwandungen des Embryos heraufzieht. Wenn mir auch geeignete Querschnittserien “ehlen, an welchen die Entstehung des unteren Blattes Schritt für Schritt verfolgt werden kann, so geht doch aus den vorhandenen Tangential- und Schräg- schnitten soviel hervor, dass dasselbe in der gleichen Weise aus einer „Blastozone* (Keimstreif) seinen Ursprung nimmt, wie dies Samassa ! neuerdings für die Sommereier von Moina und anderer Daphniden in Ergänzung der GROBBEN’schen grundlegenden Untersuchungen ? beschrieben hat. Die erste Anlage des Mitteldarms lässt sich in einem etwas späteren Stadium zur Zeit, wenn alle fünf Schwimmfusspaare in der Entfaltung begriffen sind in der Form eines aus mehreren Zellreihen bestehenden Stranges an der Ventral- seite des Embryos, zwischen den lateralen Abschnitten des unteren Blattes, erkennen. Die Dotterkerne bestehen um diese Zeit noch in grosser Anzahl und dürften sich später, wie GROBBEN und SA- MASSA für de vom unteren Blatt sich loslösenden Dotterzellen der Sommereier annehmen, in Fettkörperzellen um- wandeln. Jedenfalls sind sie bei der Bildung des Mitteldarms nicht direkt betheiligt.

In der nämlichen Entwicklungsperiode sieht man auch die ersten genitalen Elemente in Form grosser, blasser Kerne zu beiden Seiten des Thorax, in der Höhe der hinteren Schwimmfusspaare, dem Mesoderm anliegen. Bei dem eben ausschlüpfenden Thiere sind dann die Ovarien aus den Wintereiern gehen bekanntlich nur Weibchen hervor zu beiden Seiten des Mitteldarmes als lange, wurstförmige, mit grossen Keimzellen ausgefüllte Schläuche

gelagert. Wenn wir mit KoRSCHELT und HEIDER (Lehrbuch, S. 337) das Entoderm im weiteren physiologischen Sinn genommen in zwei

Parthien theilen: „eine plastische, welche zum Aufbau des späteren Mitteldarmsäckchens verwendet wird, und eine abortive, deren Zellen ausschliesslich als Vitellophagen fungiren“, so gipfelt der Haupt- unterschied der Sommer- und Wintereientwicklung, wie das folgende Schema zeigt, einerseits in dem Zeitpunkt des Auftretens jeder

! Samassa, P., Die Keimblätterbildung bei den Cladoceren. I. Moina recti- rostris Baird. Arch. f. mikr. An., 41. Bd, 3. Heft. 1893. II. Arch. f. mikr. An., 41. Bd., 4. Heft. 1893.

GROBBEN, Ü., Die Entwicklungsgeschichte der Moina rectirostris. Arb. Zool. Inst. Wien, 2. Bd. 1879.

4 HÄCKER: ÜEBER DIE ENTWICKLUNG DES WINTEREIES ETC. [196

dieser beiden Parthien, andrerseits in dem Einsetzen der Gestalt-

bildung: ® Wintereier. Sommereier. Blastoderm Blastoderm / f N i N Blastoderm Vitellophagen Ektoderm unteres Blatt (Beginn der Gestaltbildung) PA N Z N unteres Blatt Vitellophagen Ektoderm unteres Blatt (Beginn der Gestaltbildung) % u / N Mitteldarm Mesoderm Mitteldarm Mesoderm

In welcher Beziehung diese Verschiedenheiten zur Nahrungs- dottermenge stehen, soll in der ausführlichen Arbeit näher erörtert werden. Hier möchte ich nur noch bemerken, dass meine früher gelegentlich ! ausgesprochene Annahme, dass die Dotterkerne eigent- liche Entodermelemente darstellen und dass also beim Winterei von Moina eine Entodermbildung durch multipolare Delamination statt- finde, durch die inzwischen beigebrachten Thatsachen hinfällig ge- worden ist. Ich muss daher Samassa in seinen diesbezüglichen Zweifeln ? vollkommen Recht geben, ohne jedoch meine, von SAMASSA’S Ansichten wesentlich abweichenden Anschauungen über den phyle- tischen Rang der verschiedenen Typen der Entodermbildung zu ver- lassen.

! Häcker, V., Die Kerntheilungsvorgänge bei der Mesoderm- und Ento- dermbildung von Öyclops. Arch. f. mikr. An, 59. Bd. 1892. 2 en ES ba

Freiburg im Brsg., den 11. August 1893.

197] 1

Statistisches und Klinisches über Scharlach. Von B. Hildebrand.

Assistenzarzt an der med. Klinik.

Aus der medicinischen Klinik zu Freiburg i. B.

In den letzten zehn Jahren wurde in verschiedenen Theilen Deutschlands, namentlich aber in England, und insbesondere in Lon- don, ein häufigeres Auftreten des Scharlachs beobachtet. Hier in Freiburg zeigte diese Krankheit gleichfalls mehrere Jahre hindurch eine auffällige Zunahme.

Es war daher von Interesse, das einschlägige Beobachtungs- material der hiesigen medicinischen Klinik in dieser Richtung zu untersuchen und mit den an anderen Orten bezüglich der Scharlach- frequenz gemachten Beobachtungen zu vergleichen. Dabei muss aber sogleich vorausgeschickt werden, dass aus der Anzahl der jährlichen hiesigen Hospitalaufnahmen an Scharlach nicht ohne weiteres ein sicherer Rückschluss auf die jeweils bestehende Häufigkeit dieser Krankheit in der ganzen Stadt gemacht werden darf. Man kann daraus höchstens auf die Häufigkeit der Erkrankungen in den Be- völkerungsklassen schliessen, welche in Ermangelung genügender häus- licher Pflege hauptsächlich der Hospitalpflege bedürfen. Und selbst in diesen Bevölkerungsschichten werden häufig Kinder, weil sie leichter zu Hause verpflegt werden können, nicht dem Hospital über- wiesen. Es sind meist die besonderen äusseren Verhältnisse oder der Rath des Arztes, was die Aufnahme in’s Hospital veranlasst. Immerhin wird namentlich bei grösserer Verbreitung der Krankheit die Zahl-der Hospitalaufnahmen an derselben ein gewisses Bild von dem Auftreten der Krankheit in der Stadt und von dem Verlauf einer Epidemie geben.

9 HILDEBRAND: R 98

Um über das Verhältniss der Hospitalaufnahmen an Scharlach zu der Gesammtzahl der in der Stadt und im Kreis Freiburg und im ganzen (srossherzosthum Baden vorgekommenen Scharlach- erkrankungsfälle eine klarere Anschauung zu gewinnen, haben wir die amtliche Statistik, soweit dieselbe reicht, zum Vergleich heran- gezogen. Dies war aber erst vom Jahre 1882 an möglich, da erst vom genannten Jahre an eine solche Statistik veröffentlicht wird!.

Unsere Arbeit umfasst die Jahrgänge 1876—91 inclusive. In diesen Jahren wurden im Ganzen 378 Fälle von Scharlach in die medieimische Klinik zu Freiburg aufgenommen. Die Patienten kamen meist aus der Stadt, nur acht wurden aus der Umgebung, aus dem Bereiche des Kreises zugeführt.

Vertheilung der Fälle auf die einzelnen Jahre.

Die Vertheilung der in die Klinik aufgenommenen Scharlach- fälle auf die einzelnen Jahre ist am besten aus folgender Kurve,

Kurve 1.

65

60 EEEE

[SEI SO no

as

Fig. 1. Vertheilung der in die Klinik aufgenommenen Scharlachfälle auf die einzelnen Jahre.

unter welcher für jedes Jahr die betreffende Anzahl angegeben ist, ersichtlich.

Man sieht daraus, dass die Zahl der Erkrankungen in den ein- zelnen Jahren ganz auffällige Schwankungen macht, dass sie bald

! Medizinische Statistik aus den Statistischen Mittheilungen für das Gross- herzogthum Baden herausgegeben vom Grossherzoglichen statistischen Bureau.

Bd. IIHI-- VID.

199] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH. 3

ein Ansteigen bald ein Absinken zeigt, ohne jedoch ganz auf Null herunterzugehen : es treten von Zeit zu Zeit bei fortdauerndem Vor- kommen von Scharlach grössere oder kleinere Epidemien auf.

Die Zeit der Beobachtung ist zu kurz, um mit Sicherheit eine Gesetzmässigkeit in dem zeitlichen Auftreten der einzelnen Epi- demien erkennen zu können. Es hat vielleicht den Anschein, als ob die einzelne Epidemiewelle einen Zeitraum von vier Jahren um- fasse, wobei die Höhe dieser Welle eine sehr verschiedene sein kann, und gewöhnlich einem raschen Ansteigen ein langsames Abfallen folst !.

Das Jahr 1887 nimmt eine Sonderstellung ein, wie sogleich ge- zeigt werden wird.

Die folgenden Kurven lassen für die Jahre 1882—91 die Zahlen der in den einzelnen Jahren in das Spital aufgenommenen Fälle mit den entsprechenden Zahlen der Erkrankungen in der Gemeinde ver- gleichen und zeigen ihr gegenseitiges Verhältniss, ausgedrückt durch eine Kurve, welche angiebt, wie viel Procent der in der Stadt vorgekommenen Erkrankungen jeweils in’s Spital aufgenommen wurden.

Man erkennt, dass die Kurven a und b im Allgemeinen an- nähernd ähnliche Schwankungen machen, dass sie aber auch in ein- zelnen Jahren, besonders im Jahr 1887, sich sehr ungleich verhalten, und dass man somit keinenfalls immer aus der Höhe der ersteren einen sicheren Rückschluss auf die der letzteren machen kann. Es mag dies von der Bösartigkeit der einzelnen Epidemien oder anderen Umständen, insbesondere davon abhängen, dass in einem Jahr mehr die ärmere Bevölkerungsschicht, aus der vorwiegend die Hospital- aufnahmen erfolgen, in einem anderen mehr die Olasse der Wohl- habenden befallen wird.

Besonders auffallend ist das Verhältniss der beiden Kurven im Jahr 1887, wo nicht weniger als 87,33 °/, der in der Gemeinde vor- gekommenen Erkrankungen in das Spital aufgenommen wurden. Als Grund hierfür ist sicher eine Hausepidemie anzusehen, die in dem Hause Nro. 8 der Weberstrasse ausgebrochen war.

Nicht weniger als 18 Fälle wurden aus dem damals von meh- reren kinderreichen Familien bewohnten Hause und Hinterhause auf- genommen.

! Vgl. Tuomas, Scharlach, Gestaltung der Epidemien, Periodieität, in v. Zıemssen’s Handbuch der Speciellen Pathologie und Therapie, Acute In- fectionskrankheiten II, S. 210 ff.

4 HILDEBRAND: [200

Durchschnittlich wurden in den die Vergleichung ermöglichenden zehn Jahren etwas über 34 °/o der in der Gemeinde vorgekommenen Erkrankungen in das Spital aufgenommen, vom Jahr 1887 abge- sehen, im Minimum 19 und im Maximum 49 ®/o.

Kurve 2.

a. In’s Spital aufgenommene Fälle.

b. In der Gemeinde vorgekommene Erkrankungen.

c. Wie viel °/ der in der Gemeinde vorgekommenen Erkrankungen in’s Spital aufgenommen wurden.

1 EREERZ ETF 2)

Bee = Fast an —— ee —— |

35 1075) 72

32,72 | 22,22

Folgende Tabelle über die Scharlachfrequenz in der Gemeinde und Kreis Freiburg und dem Grossherzogthum Baden zeigt, dass die Steigerung der Scharlachfrequenz in Freiburg keineswegs immer gleichen Schritt hielt mit der Verbreitung der Krankheit im ganzen Lande oder auch nur im Kreise. Dies deutet darauf hin, dass ört- liche Verbreitungsursachen eine sehr grosse Rolle spielen und dass epidemische Steigerungen an verschiedenen Orten des gleichen Be- zirks zu sehr verschiedenen Zeiten auftreten können.

201] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH. 5

Jahr Gemeinde Kreis Gr. Baden 1882 sl 566 5360 1853 28 206 2680 1884 35 32 1887 1585 55 1087 1200 1886 12 134 1360 1887 54 128 1456 1858 152 497 2938 1889 151 340 3195 1890 147 306 2685 1891 ala 642 1968

Interessant ist es hier, die Zahlen der Scharlachfrequenz im Kreis Freiburg (Kurve 3a) mit den entsprechenden aus der von C. Gimmel in seiner Arbeit über Scharlach bei Erwachsenen auf- gestellten Tabelle der Scharlachfrequenz in Zürich nebst Aussen- gemeinden (Kurve 3b) zu vergleichen !,

Kurve 3.

1881| 1882) 1833|1884 |1885 | 1886 ıse7 sel 289) neue a ze

Be

Fig. 3.

Beide Kurven zeigen in den Jahren 1882—88 incl. fast ganz den gleichen Verlauf.

Vertheilung auf die einzelnen Monate.

Nach englischen Berichten z. B. einer Statistik aus dem South- Western Fever-Hospital in London? sind es vor allen die Herbst-

! Scharlach bei Erwachsenen v. ©. GmmmEr, Deutsches Archiv für klinische Mediein, 51. Bd., 1. Heft. An analysis of 1008 cases of scarlet fever admitted into the South- Berichte VII. Heft 2. 14

He

& HiLDERBRAnND: |202

monate, in denen die Scharlacherkrankungen sich besonders mehren. Für Freiburg trifit dies nicht zu. Eine feste Regel lässt sich für hier jedenfalls nicht aufstellen. In den einzelnen Jahren fiel bald auf diesen bald auf jenen Monat das Maximum der Erkrankungen, die Sommer- und Herbstmonate nicht ausgeschlossen. Im Ganzen indess zeigen gerade die Winter- und Frühjahrsmonate eine ziem- lich gesteigerte Frequenz, wie aus der folgenden Kurve 4a ersicht- lich ist. Die darunter befindliche die Hospitalaufnahmen in den einzelnen Monaten angebende Kurve 4b zeigt dagegen nur wenige

Kurve 4.

a. Gesammte Scharlachfrequenz in der Gemeinde Freiburg in den einzelnen Monaten der Jahre 1882—91.

[en Ba], re | ee EB Se=z2r. rare een Seal een] See ee | To a FF Er Er SENSE A a HR ET SS Er NE | BESSER [FEB BEE re Dre DS Se ee [ee | 77, EEE [Eee [Emmen | (ee ER NE TOT Tel] 725 HEESBE REN] DESERIDEN] ERDE) RESTE] [REITER] RER] Besen [ERDE en | So ea De SEIEN ae 571) EEE BEREEEENG) EEE DE REG RE INTER GE BE |, Br ee ee In re Em m u DET ENTE ZETS BE > EZ] [ER] 17 Seren | ee a De Br ee] Br EBENE PERBZREE [ERBE DI] [pre (ee Een [Fee sn Para Een [a er DE ne |. Te ee Te eG u rue m ee eu Dre

Schwankungen, nur im Juli sinkt sie ebenfalls erheblicher, Die Kurve a ist natürlich die maassgebendere.

Folgende Kurve giebt einen Einblick in das Verhalten der Scharlachfrequenz in der Gemeinde Freiburg in den einzelnen Monaten der Jahre 1888, 89 und 90.

Man sieht ferner aus dieser Kurve, dass der Auf- und Abstieg einer grösseren Epidemie durchaus kein gleichmässiger ist. Die im Jahre 1888 beginnende Epidemie konnte durch die Sommer- und Herbstmonate an ihrer Zunahme nur vorübergehend gehindert werden. Im Frühjahr 1889 erreichte sie ibr Maximum und der jetzt folgende Abfall wurde in den Sommer- und Herbstmonaten zu einem fast voll- ständigen Erlöschen der Krankheit. Dass die Kraft der Epidemie

Western Fever-Hospital during the year 1890 by F. Foorp CAıGEr. The Lancet June 6 and 13. 1891. Vgl. auch Thomas 8. 206.

203] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH. 7

aber noch nicht vollständig gebrochen war, zeigte ihr neues Auftreten im Frühjahr 1890, Kurve 5. Scharlac hfrequenz i in der Gemeinde Freiburg in den einzelnen Monaten der Jahre 1888, 89 und 90 graphisch dargestellt.

1888 1889 1890

{nf ya al nf ann huhu HEIENENE REDE SRARERABEEN ER, NRENNZERERRETINLEREEENEENENNNENENENEE) EREOBRESRENE BER EEER SE 7A EEERERENERET A EL HEREREEEHHEN SS NGENNE

ERRNESELERDARAEE N RAER Eee ERENAELEVZEREEREERERERLNZERENGEREE ERBE ER ISEELEREREEARPN TEE ER RRARBR Bee PleReRERFPTF

Fig. 5. Vertheilung der Fälle nach dem Geschlecht.

Unter den 378 Fällen ist das männliche Geschlecht 168 Mal, d.h. mit 44,4 °/. vertreten, das weibliche 210 Mal, d.h. mit 55,6 °/o, also überwiegend. In den einzelnen Jahren indess steht das Maxı- mum bald auf der einen, bald auf der anderen Seite, wie das auch anderwärts beobachtet wurde!.

Vertheilung der Fälle nach dem Lebensalter.

Die Betheiligung der Lebensalter zeigt im Vergleich zu anderen Berichten und Statistiken, wie z. B. der bereits oben angeführten Londoner, aus der die folgende Kurve (6a) entnommen ist, eine nicht unerhebliche Abweichung von der sonst gemachten Beobachtung, dass in der Zeit vom 5.—10. Lebensalter die Erkrankung an Schar- lach am häufigsten ist.

Die Kurve unserer Hospital-Statistik (6b) erreicht auch in dem Zeitraum vom 5.—10. Lebensjahr ihr Maximum und sinkt vom 10.—15. Lebensjahr rasch ab. Vom 15.—20. Lebensjahr steigt sie dagegen wieder zu einer Höhe auf, die der im 5.—10. Lebensjahr fast gleichkommt. Diese Eigenthümlichkeit verdankt ihre Entstehung wohl sicher allein der bereits eingangs erwähnten Thatsache, dass die hiesige medicinische Klinik keine besondere Kinderabtheilung be-

! Vol. Tuomas, Scharlach, S. 191. 14*

8 HILDERRAND: [2 04

sitzt und dass also überhaupt vorwiegend Erwachsene aufgenommen werden, ferner dem Umstand, dass die Patienten vom 15.—25. Lebens- jahr fast ausschliesslich der dienenden Klasse angehörten, die im

Falle einer Erkrankung das Spital aufsuchen müssen. Kurve 6a. über

5-10 10-155 15-20 20-25 25-30 30-35 35-40

Fig. 6. Es ist dieser Eigenthümlichkeit unserer Kurve also kein allge-

meiner Werth beizulegen, Kurve 6b.

Dass dennoch die Mehrzahl der aufgenommenen Patienten im 5.—10. Lebensjahr stand, beweist eben nur wieder, wie sehr gerade

diese Zeit zur Erkrankung disponirt ist. Beide Geschlechter zeigen die erwähnte Eigenthümlichkeit in

205] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH, 9

gleicher Weise; worauf es beruht, dass für das weibliche Geschlecht das Maximum in’s 4. Lebensjahr fällt, während es vom männlichen

Kurve 7. —— männlich. ----- weiblich.

aim =! = elalohele) Far een ers HT FREFERERFFFFSPASS EIER 2 PelleieiaajeieNlerzgjiemeheige eine ee] u BENNEBERENLSUNEERNENLBENNNEN EEE LER are Eee ey Sei Sfenkyieleiseiansefs NN NyRsSN

Beben

2 N) 12345678901 28 4 516 1718 19 20a 2283 4 3 26 27 28 29 30

Fig. 8.

erst im 8. erreicht wird, ist nicht ersichtlich und bei unseren ver- hältnissmässig kleinen Zahlen auch wohl unwesentlich. Der jüngste Patient war 1'/ı, der älteste 47 Jahre alt.

Spitalinfectionen.

Spitalinfectionen kamen 23mal vor und zwar 7mal auf der medi- cinischen und 16mal auf der chirurgischen Klinik. Die grosse Ueber- zahl in der letzteren rührt hauptsächlich von einer kleinen 8 Fälle umfassenden Epidemie her, die im Jahre 1889 auf der chirurgischen Kinderabtheilung ausgebrochen war. Die Anzahl der übrigen 8 Fälle ist aber im Verhältniss zu 7 Fällen auf der medieinischen Klinik, wo Scharlachfälle aufgenommen werden und daher viel mehr Gelegen- heit zur Infection geboten ist, sehr auffallend. Es kann dies nur dadurch erklärt werden, das von aussen durch Besuch oder das Personal Infectionskeime hereingebracht wurden und dass diesen durch Operationswunden eine günstige Gelegenheit zum Eindringen und Hervorrufen des „chirurgischen Scharlach“ geboten wurde. In der That befinden sich unter den 8 Fällen 5, an denen Operationen vor- genommen worden waren.

10 EILDEBRAND: [206

Auf der medicinischen Klinik kam Scharlach nie epidemisch vor, es ist dies wohl hauptsächlich der schon mehrmals hervor- gehobenen T'hatsache zu verdanken, dass hier nur wenige Kinder auf- genommen werden, also nur sehr selten sich eine grössere Anzahl besonders Disponirter im Spital zusammenfindet, und dass nach Mög- lichkeit Vorsorge getroffen wird, um Verschleppung der Krankheit vorzubeugen.

Mortalität.

Von den 378 Fällen starben im Ganzen 28, die Sterblichkeit betrug somit im Durchschnitt 7,41 °o.

Ueber das Verhalten der Mortalität in den einzelnen ‚Jahren für das Spital sowohl als Gemeinde und Kreis Freiburg, wie für das ganze Grossherzogthum Baden (für letztere in den Jahren 1882—91) geben die beifolgenden Tabellen Aufschluss:

Todesfälle an Scharlach im Spital.

Jahr Jjaufgenommen| gestorben °/o 1876 16 1 6,25 1877 15 | 2 13,33 1878 I 1 1a 1879 2 1880 30 7 23,33 1881 21 = == 1882 14 1 7,15 1883 5 = 1884 17 1835 18 = 1886 16 1887 45 1 2,22 1888 58 Z, 12,08 1889 58 6 10,34 1890 29 2 6,89 1891 22 378 25 7,41

207] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH. 11

| Spital Gemeinde Kreis een ih DI Togo alersne 0% Tersanie |, 90 lem] Tahe Zahl der | der Er- [Zahl der | der Er- |Zahl der | der Er- |Zahl der | der Er- Todes- kran- Todes- | kran- Todes- | kran- Todes- | kran-

fäle | kungen fälle kungen fälle | kungen fälle kungen

1882 1 7,15 6 7,4 50 8,83 722 | 13,39 1883 _ D 17,85 | 43 21,07 302,27 1884 -— 2 5,7 14 17,07.1,219,.:0141,61 1885 _ == 2 1,85 177 | 14,75 1586 = -- 3 4,16 10 7,47 120 8,82 1887 1 2,22 2 3,7 7 5,39 129 8,36 1888 7% 112,08 T 4,6 it 6,24 | 239 8,13 1889 6 |10,34| ı1 7,28 | 31 ORTE AN. KEG 1890 ER (aaalein] WARE RR er aaa a Male 6,211, 178 | .6,63 1891 | 3 2,56 | 22 3,42 130 6,61

|

Sie zeigen, dass die Mortalität in den einzelnen Jahren in ziem-

lich weiten Grenzen schwankte, ferner dass die Mortalität in Spital, (Gemeinde, Kreis und Grossherzogthum zur gleichen Zeit oft eine verschiedene war. Dass die Mortalität im Spital oft eine grössere war, ist leicht erklärlich, da die schwereren Erkrankungen eher zur Spitalaufnahme gelangten. Ein Procentsatz von 7,39 ist nach Tno- MAS als ein sehr günstiger anzusehen, freilich wird diese Zahl in einigen Jahren nicht unerheblich überschritten.

Auf die einzelnen Monate vertheilten sich die 28 Todesfälle im Ganzen folgendermassen: Januar 4, Februar 1, März 3, April 6, Mail, Juni 3, Juli 1, August 3, September 3, Oktober 0, November 0, Dezember 3. Es fällt demnach die Mehrzahl der Todesfälle ent- sprechend der oben dargelegten grösseren Anzahl der Erkrankungen ebenfalls auf die Winter- und Frühjahrsmonate.

Auf die beiden Geschlechter vertheilen sich die Todesfälle nicht in ganz gleicher Weise; auf das männliche Geschlecht kommen 15 Todesfälle = 53,57 °/ der Gesammtsterblichkeit, auf das weibliche 13 Fälle = 46,43 %%. Der Unterschied ist indess bei der niedrigen Zahl kein wesentlicher.

Von den 28 Fällen betrafen 5 das 2., 3. und 4. Lebensjahr zusammen genommen, 17 die Periode vom 5.—10. Lebensjahr, die übrigen 6 vertheilen sich auf die Zeit vom 11.—21. Lebensjahr. Nach

12 HILDEBRAND: [208

der Londoner Statistik wurden die meisten Kinder vor vollendetem 5. Lebensjahr dahingerafft!. /

Wir lassen hier eine Uebersicht der Todesfälle mit kurzen An- gaben über Krankheitsverlauf und Sectionsbefund folgen:

I. G. Karoline, 18. Jahre, Aufn. 8. April 1876, exit. let. 12. April. Ueber den klinischen Verlauf ist nichts näheres bekannt. Sectionsbefund: Kräftiger Allgemeinzustand, auf den Tonsillen graulicher schwer abziehbarer Belag, Katarrh des Kehlkopfs und der Bronchien, Lungen ? Mässiges Fettherz. Milz und Leber gross. Stauungsniere.

Todesursache: Diphtheritis faucium.

II. W. Emma, 4 Jahre, Aufn. 18. Aug. 1877, exit. let. 25. Aug. Am 15. Aug. mit Hitze und Mattigkeit erkrankt, 16. Aug. starke Athemnoth, 18. Aug. Exanthem. Bei der Aufnahme guter Ernährungszustand. Exanthem an den unteren Extremitäten leicht hämorrhagisch, am weichen Gaumen geringer Belag. Lungen und Herz normal, keine Athemnoth. Harn eiweissfrei, Temp. 40°, Puls 148.

Vom 21. Aug. an entwickelt sich unter stets hoher Temperatur von der (Gegend hinter dem linken Ohr und der rechten Halsseite ausgehend eine hoch- gradige den Hals nach vorn zu vollständig einschliessende Angina Ludovici, Zugleich treten sehr schmerzhafte Gelenkschwellungen auf. Unter gesteigerter Unruhe und schliesslicher Somnolenz erfolgt der Exitus am 25. Aug. Harn stets eiweissfrei,

Sectionsbefund: Phlegmone des Halszellgewebes, Lungenödem, trübe Schwellung der Nieren, ferner Pleuritis, Pericarditis und Peritonitis.

Todesursache: Angina Ludovici, Sepsis.

III. M. Marie, 9 Jahre, Aufn. 21. Aug. 1877 exit. let. 24. Aug. Am 18. Aug. auf der chirurgischen Klinik wegen Lymphdrüsentumors an der linken Halsseite operirt, am 19. Aug. Fieber 39,5° Unruhe, am 20. Aug. Exanthem. 21. Aug. grosse Unruhe, heftige Kopfschmerzen, Rachenuntersuchung wegen des Verbandes unmöglich, Brustorgane normal, Leib aufgetrieben, Stuhl angehalten. Temp 40°. Fortdauernde Unruhe, keine Secretverhaltung in der noch nicht geschlossenen Wunde. Harn stets eiweisfrei. 24. Aug. Exitus.

Sectionsbefund: Lungenödem, eitrige Peritonitis, Milz weich, gross, ebenso die Leber, Nieren gross, blutreich, stellenweise fettige Degeneration.

Todesursache: Peritonitis.

IV. A. Gottlieb, 20 Jahre, Aufn. 7. Juni 1878, exit. let. 10. Jun. Am 6. Juni mit Halsschmerzen und Frost erkrankt, 7. Juni. Mittelguter Ernäh- rungszustand, blasse Gesichtsfarbe. Patient macht den Eindruck eines Schwer- kranken, Angina ohne Belag, schwaches Exanthem, Temp. 40°, Puls 144 auf- fallend klein. Die Angina wird in den folgenden Tagen stärker, es treten schmerzhafte Lymphdrüsenschwellungen am Halse auf. Stuhl diarrhoisch. Die Temperatur steigt auf 41,3, der Puls auf 148, Bäder von 20° C. und 15—20 Minuten Dauer werden schlecht vertragen und haben keine grosse Wirkung, unter zunehmender Schwäche am 10. Juni Exitus.

! Vgl. auch Tuonas 8. 323ff.

209] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH. 13

Sectionsbefund: Diphtheritis faucium, doppelseitige stark eitrige Bron- chitis, Infiltration des linken Oberlappens, Hypostase beider Lungen. Herz? Stauungsleber, -milz, -nieren. Schwellung einiger Pryerscher Plaques und Follikel.

Todesursache: Diphtherie, Bronchopneumonie.

V. B. Maria, 8'/a Jahre, Aufn. 14. Jan 1880, exit. let. 23, Jan. Am 12. Jan. mit Erbrechen, Frost und Schluckbeschwerden erkrankt, am 13. Jan, Exanthem. 14. Jan. Angina mit Belägen, starke rachitische Verbildung des Thorax. Temp. 39,6, Puls 154. In den folgenden Tagen sinkt das Fieber, Patient ist dabei sehr unruhig. 18. Jan. heftig juckende Urticaria, in der folgenden Nacht starke Delirien. 19. Jan. Urticaria fast verschwunden. Exan- them beinah abgeblasst, Desquamation, Harn ohne Eiweiss. 22. Jan. Nächte noch immer unruhig. Temperatur Abends bis 38,5, heute Somnolenz, im Harn etwas Eiweiss, gegen Abend Koma, schnarchende Respiration. 23. Jan. Morgens Exitus in völligem Koma, die Respiration war 2 Stunden vorher un- regelmässig stertorös, der Puls klein, fadenförmig, der letzte Urin enthielt etwas mehr Eiweiss, granulirte und hyaline Cylinder, einige Blutkörperchen.

Section war nicht gestattet.

Todesursache: Da Patientin schon in der Entfieberung Nervensymptome gezeigt hatte, so ist der Tod durch Uraemie in dem Beginn einer Nephritis nicht unwahrscheinlich.

VI. Pf. August, 4 Jahre, Aufn. 23. April 1880, exit. let. 24. April. Tem- peratur und Puls hoch: 40,5 und 152, sonst nichts angegeben.

Sectionsbefund: Guter Ernährungszustand, Diphtheritis faucium, Laryngitis, Tracheitis catarrhalis, Bronchopneumonie. Herzmuskulatur im Ganzen blass und grauweiss gefleckt. Nephritis, Kapsel leicht abziehbar. Milz vergrössert. Mesen- terialdrüsen sehr stark geschwellt und geröthet, Darmfollikel theils grau, theils roth, nicht besonders geschwellt.

Todesursache: Diphtherie, Bronchopneumonie.

VII. B. Fritz, 1'/s Jahre, Aufn. 23. März 1880, exit. let. 27. März. Etwa vor 8 Tagen erkrankt. 23. März Angina mit gelbgrünen Belägen auf beiden Tonsillen. Diarrhoe, Temp. 40,7. Bei-unverändertem Rachenbefund, Diarrhoe und hoher, dureh Bäder kaum zu beeinflussender Temperatur, Exitus 27. März. Harn ?

Sectionsbefund ?

Todesursache: Diphtherie ?

VIII. G. Albert, 6'/g Jahre, Aufn. 2. Sept. 1880, exit. let. 3. Sept. Ueber den Beginn der Erkrankung ist nichts bekannt. Bei der Aufnahme membranöse Desquamation an den Füssen, allgemeines Oedem, Harn stark eiweisshaltig, auf der rechten Lunge hinten unten feuchte Rasselgeräusche, keine Dämpfung. 3. Sept. Apathie, Incontinenz, Zunahme des Oedems, Puls klein, Respiration unregelmässig. Zunahme der Rasselgeräusche rechts hinten unten. Im Harn rothe und weisse Blutkörperchen, hyaline und granulirte Cylinder. Nach einem warmen Bad mit nachfolgender Einwicklung zunehmende Bewusstlosigkeit, klo- nische Zuckungen im Gebiet des linken N. facialis, Pupillen ziemlich weit, rea- giren kaum, Bulbi nach rechts und oben fixirt. Nach 2,0 Chloralhydrat, Auf- hören der Krämpfe, dagegen unter zunehmendem Lungenödem Exitus.

14 HiILDEBRAND: [2 10

Sectionsbefund: Allgemeiner Hydrops. Herzmuskel blass, Bronchitis, Pneumonia catarrhalis, Milz und Leber vergrössert.

Venen an der Hirnbasis stark gefüllt, weniger an der Convexität, nur die mehr nach hinten gelegenen etwas stärker, Pia zart, Gyri überall deutlich ab- geflacht. Ventrikel nicht erweitert. Grosshirnrinde stark durchfeuchtet, in den hinteren Partien reichliche Blutpunkte, vorn mehr blass, blutarm. Graue Sub- stanz blass, auch im Kleinhirn.

Todesursache : Uraemie, Bronchopneumonie.

IX. B. Frieda, 7 Jahre, Aufn. 2. Dez. 1880, exit. let. 5. Dez. Temp. 40,8 per rect. Puls 160. Harn eiweisshaltig, weiter nichts angegeben. Todesursache?

X. B. Katharina, 5 Jahre, Aufn. 12. Dez. 1880, exit. let. 12. Dez. Temp. 40,3 per rect. Puls 198, weiter nichts angegeben. Todesursache ?

XI. M. Marie, 14 Jahre, Aufn. 12. Dez. 1880, exit. let. 30. Dez. Am 9. Dez. mit Halsweh erkrankt, bei der Aufnahme am 12. Dez. ausgebildetes Exanthem, Angina mit mässig grossen, grauweissen Belägen auf den Tonsillen. Temp. 39,8, Puls 126. Harn schwach eiweisshaltig. Allgemeinbefinden gut.

20. Dez. Bisher nichts Besonderes, das Exanthem ist ganz abgeblasst, die Tonsillen haben sich gereinigt. Das Fieber fiel gleichmässig ab, am 18. Dez. trat jedoch bereits eine neue Steigerung bis 38,5 auf, die am folgenden Tag wieder zurückging. Letzte Nacht sehr unruhig, mehrmals Erbrechen, der Harn enthält heute grosse Mengen Eiweiss, freie Blutkörperchen und Epithelien, massenhafte granulirte und Epitheleylinder. Ziehende Schmerzen im Unterleib Temp. 39,1, Puls 98.

22. Dez. Gesicht leicht gedunsen, mehrmals Erbrechen, Harnmenge ver- mindert, Harn wie am 20. Dez.

28. Dez. Die Urinmenge hat langsam aber stetig zugenommen, Harn weniger eiweisshaltig.. Kein Erbrechen.

29. Dez. Vormittags Kopfweh. Am Nachmittag gegen 5 Uhr mehrmals Erbrechen, wiederholt Zuckungen in den Gesichtsmuskeln und etwa 10 Minuten lang kann Patient die vorgehaltene Hand nicht sehen. Bewusstsein anscheinend auch vorübergehend gestört. '/7 Uhr heftige Kopfschmerzen besonders in der Stirne, Gesicht leicht gedunsen und geröthet. Plötzlich Zuckungen in den Mus- keln der oberen Gesichtshälfte, weniger der unteren. Die Augen machen theils Bewegungen von rechts nach links, theils werden sie minutenlang ganz nach rechts gewendet. Dauer des Anfalls etwa 5 Minuten. Nach kurzer Zeit Wieder- holung des Anfalls. Ophthalmoskopisch nichts nachweisbar. Harnmenge wieder vermindert, Eiweissgehalt vermehrt. Auf den Lungen nichts abnormes.

Nach einem warmen Bad von 37,5° C. mit nachfolgender Einwicklung, während Patientin etwas hustet, leidlicher Schlaf, in dem Patientin zuweilen stöhnt.

30. Dez. Morgens nur wenig Kopfweh, Gesicht leicht gedunsen, sonst keine Oedeme. Gegen !/sl0O Uhr neuer Anfall, klonische Krämpfe auch der Arme.

4 Uhr Nachmittags warmes Bad von 37,5° ©. mit folgender Einpackung. Nach kurzer Zeit Athemnoth, spärlicher, leicht blutiger, seröser, schaumiger Aus-

211] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH. 15

wurf. Unter den Erscheinungen eines acut auftretenden Lungenödems geht Patientin in einer halben Stunde zu Grunde.

Sectionsbefund: Hypertrophie und Dilatation des Herzen. Nephritis. Milz und Leber vergrössert. Gehirn?

Todesursache: Nephritis, Dilatatio cordis,

XII. B. Emil, 9 Jahre. Aufn. 28. Juni 1882, exit. let. 4. Juli. Ueber den klinischen Verlauf ist nichts bekannt, die Diagnose lautet: Nephritis post scar- latinam, Uraemie.

Sectionsbefund: Allgemeiner Hydrops. Hypertrophie und Dilatation des Herzens, seine Muskulatur blassgrauu. Pneumonia catarrhalis, Milz, Leber und Mesenterialdrüsen vergrössert. Nephritis, links doppelte Uretheren.

Oedem und Hyperaemie des Gehirns mit Abflachung der Gyri.

Todesursache: Nephritis, Dilatatio cordis, Pneumonia catarrhalis, urämi- scher Anfall.

XIII. D. Josef, 7 Jahre, Aufn. 28. Aug. 1887, exit. let. 20. Sept. Erkrankt am 27. Aug. Am 28. Aug. mässiger Allgemeinzustand, schwaches Exanthem, Harn eiweissfrei, Temp. 39,8. Das Fieber fällt in den folgenden Tagen lang- sam ab, vom 9. Sept. ab sind die Abendtemperaturen immer noch subfrebril bis 37,6. Harn stets eiweissfrei.

Vom 13. Sept. ab enthält der Harn Eiweiss und Cylinder, seine Menge ist vermindert, es tritt urämisches Erbrechen auf 20. Sept. Exitus.

Sectionsbefund: Allgemeiner Hydrops. Herz hypertrophisch und dilatirt. Milz vergrössert.

Nephritis, Nieren bis auf’s Doppelte vergrössert, Mesenterialdrüsen ge- geschwollen, Lungen nichts, Gehirn?

Todesursache: Nephritis, Dilatatio cordis, Uraemie.

XIV. H. Ottilie, 21/ Jahre, Aufn. 5. Jan. 1888, exit. let. 29. Jan. Patientin lag bereits vier Wochen auf der chirurgischen Kinderbaracke wegen Spondylitis dorsalis und wurde dort auf unbekannte Weise mit Scharlach infieirt.

Exanthem und Angina boten nichts besonderes. Das Fieber, am ersten Tage bis 39,6, hatte am vierten Tag bereits wieder die Norm erreicht, in den folgenden Tagen traten jedoch abends stets subfebrile Temperaturen bis 37,8 auf. Harn stets eiweissfrei.

16. Jan. Desquamation.

17. Jan. Panaritium digiti III. dextri.

20. Jan. Nachmittags, Ansteigen der Temperatur bis 38,9, Erbrechen, Oedem der Augenlider, 21. Jan. Harn stark eiweisshaltig, hyaline Cylinder mit Epi- thelien, Erbrechen, ophthalmoskopisch nichts. Temp. 39,2. In den folgenden Tagen sinkt die Temperatur, am 27. Jan. neues Ansteigen, heiserer Husten, Ronchi, Erscheinungen von Croup des Kehlkopfs. 29. Jan. Inspiratorische Dyspnoe, keine Beläge im Rachen. L. V. O. Dämpfung. Um 12 Uhr Mittags Tracheotomie, nach der die Dyspnoe fortbesteht. Am Abend L. V.O. und in der linken Axilla oben ausgedehnte Dämpfung mit tympanitischem Beiklang und krepitirendem Rasseln. 9 Uhr Exitus.

Sectionsbefund: Nephritis, Pneumonie.

Todesursache: Nephritis, Pneumonie.

XV. Sch. Josefa, 16 Jahre, Aufn. 27. Jan. 1888, exit let. 10. März. Patientin befand sich seit 27. Jan. wegen Angina catarrh. und Hypertrophie der

16 HILDEBRAND: [212

Tonsillen in der medicinischen Klinik. Am 15. Febr. Tonsillotomie auf der chirurgischen Klinik. 16. Febr. Mittags Frost, Abends Temp. 40, Puls 138. Röthung im Rachen, rechts auch etwas Belag. 17. Febr. Exanthem. 19. Febr. Bei andauernd hohem Fieber bis 39,6, heute im linken Knie- und rechten Handgelenk rheumatoide Schmerzen. 20. Febr. Erster Herzton geräuschähn- lich, bisher ganz normaler Befund. 21. Febr. Die befallenen Gelenke deutlich geschwollen, Durchfälle, einmal Erbrechen, geringe Albuminurie. 23. Febr. Temperatur noch hoch, Gelenkschmerzen fortbestehend. Schmerzen im Epi- gastrium und auf beiden Seiten des Thorax. Herztöne wie am 20. Febr. Auf den untersten Theilen des Sternums ein ganz kurzes schabendes Geräusch zwi- schen Systole und Diastole.. Albuminurie ziemlich stark. Specif. Gewicht des Harns 1026. Angina fast abgelaufen. 24. Febr. Am Thorax R.H.U. etwas Dämpfung, nach vorn leicht schräg abfallend, cerepitirendes und suberepitirendes Rasseln. Herzdämpfung nach oben etwas verbreitert, abends auch L. H. U. knarrende suberepitirende Rasselgeräusche. Temperatur noch hochfebril bis 39,7.

25. Febr. Dyspnoe, Puls weich, Temperatur hoch 39,3—40,0 Am Herzen überall schabendes pericardiales Reibegeräusch, Verbreiterung der Herzdämpf- ung nach oben und nach rechts. R.H. U. stärkere Dämpfung, abgeschwächtes Athmen. Im Harn ziemlich viel Eiweiss und einige hyaline Cylinder. Keine Oedeme.

26. Febr. Fieber stark remittirend 38,0 und 39,5. Keine Gelenksschmerzen mehr. Apathie, Benommenheit, Antworten aber klar. Hie und da leichte un- regelmässige Zuckungen in den Armen, häufiges Erbrechen vom Charakter des Cerebralen, nicht nach Nahrungsaufnahme, Meteorismus, Obstipation, im Epi- gastrium starke Spannung. Sehr lautes pericardiales Reibegeräusch über der ganzen Herzdämpfung, die nunmehr bis zum Jugulum hinaufreicht, nach links geht sie nur bis zur Mamillarlinie. Im linken Interscapularraum ein rein systo- lisches scheinbar mehr blasendes Geräusch hörbar. Abends wachsende Öyanose, 18 Resp. gegen 28 am Abend vorher, ganz auffallende Verlangsamung der Re- spiration. L. V.O. unterhalb der Olavikel Schall etwas tympanitisch, L. H. U. dichtes Rasseln, jetzt auch etwas Dämpfung.

27. Febr. Nur noch subfebrile Temperatur, starke Blässe und Cyanose, Respiration verlangsamt, etwas irregulär, Jactation, Leib gespannt und auf- getrieben. Puls nicht übermässig frequent, ziemlich voll und regelmässig. Im Harn nur wenig Eiweiss, Speciv. Gewicht 1012, Chloride sehr stark vermindert, keine Oedeme. Ophthalmoskopisch: Links nichts Besonderes, rechts grosse flache lämorrhagie am temporalen Rande der Papille. Keine Neuritis.

28. Febr. Collapstemperaturen 35,6, Puls 108 regelmässig. Cheyne-Stokes’ Athmungsphänomen, die einzelnen Phasen nur sehr kurz, dabei starke Jactation, Patientin bohrt in den Kissen, starke Action der auxiliären Inspiratoren, Sehnen- reflexe gesteigert, Fussphänomen, starke Somnolenz, Patientin schluckt schlecht, heute Morgen auffallend viel Urin ins Bett. R. H. U. Dämpfung nicht gestiegen, pleuritisches Reibegeräusch. Abends Temperatur unter Frost wieder auf 38,6 gestiegen. Herzspitze deutlich dicht einwärts der Mamillarlinie fühlbar, an der Spitze jetzt systolisches Geräusch, nach rechts noch pericardiales Reiben.

Im linken Augenhintergrund jetzt zwei ähnliche Blutungen in der Nähe der Papille wie rechts.

213] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH. 17

29. Febr. Vollständiges Koma, Unruhe, Wadenmuskulatur hyperästhetisch Temp. 39,1. Abends. Patientin hat viel Urin ins Bett gehen lassen, reagirt wieder auf Anrufen, schluckt besser.

Respiration noch irregulär aber weniger verlangsamt. Puls regelmässig, ziemlich kräftig.

1. März. Cyanose etwas geringer, Lippen weniger blass, Extremitäten warm, Respiration etwas häufiger, weniger irregulär, Husten kräftig, starker Pruritus cutaneus, am Kreuzbein Decubitus.

2. März. Sensorium viel freier, Unruhe geringer, Respiration fast regel- mässig, kein Erbrechen mehr, reichliche Nahrungsaufnahme, Pericardialerguss etwas geringer, noch lautes Reibegeräusch, links extrapericardiales Reiben. In beiden Augen noch ein paar frische Hämorrhaeien.

5. März. Patientin ist ziemlich klar, lässt nur im Schlaf noch unter sich gehen. Im Harn nur ganz wenig Eiweiss. Thorax: L. H. im Interscapularraum dichtes suberepitirendes Rasseln, R. H. U. Dämpfung stärker.

6. März. Lamelläre Desquamation an den Händen. Remittirendes Fieber 39,0, Puls 132, weich, durch die Respiration deutlich beeinflusst. Respiration regelmässig 32—34.

8. März. Athmung wieder sehr mühsam 32, Puls frequent und irregulär 150, links in der Seite pleuritisches Reibegeräusch.

9. März. Wieder starke Blässe und Cyanose, L.V. O. mittelblasiges und erepitirendes Rasseln, V. ©. beiderseits Ronchi, starker Hustenreiz. Herz- dämpfung bis zum Jugulum, Herztöne dumpf und schwach, jetzt kein Geräusch.

10. März. Puls nach Dieitalis zwar voller, aber nicht langsamer, starke Cyanose, wachsende Somnolenz, Jactation, Schweiss, Zuckungen, Abends Puls 162, Respiration ganz irregulär. 10 Uhr Exitus.

Sectionsbefund: Keine Oedeme, im Abdomen und beiden Pleurahöhlen klare gelbe Flüssigkeit, Herzbeutel durch eine reichliche Menge röthlich ge- färbter Flüssigkeit sehr stark aufgetrieben. Auf der Innenfläche des Herzbeutels wie auf der Oberfläche des Herzens zahlreiche blasse granulationsähnliche Auf- lagerungen. Herzfleisch blassgelb bis grau, am linken Ventrikel ist die Wand etwas verdickt. In der Muskulatur einzelne stecknadelkopferosse, unregelmässig begrenzte Herde, die sich durch ihre blasse Färbung von der Umgebung ab- heben. Tricuspidal- und Mitralklappe ohne besondere Veränderungen, an den Semilunarklappen der Aorta dagegen befindet sich in der Mitte der einzelnen Klappensegel und am Rande je eine leicht röthliche Granulation.

Pneumonische Infiltration beider Unterlappen, in der rechten Spitze ein und im linken Unterlappen zwei haselnussgrosse vollständig abgekapselte ver- kreidete"tuberculöse Herde. Bronchialdrüsen vergrössert, nicht verkäst.

Milz und Mesenterialdrüsen vergrössert. Leber butreich, Andeutung von Muskatnussleber.

Nephritis. Kapsel leicht lösbar.

Gehirn: Dura mater nicht verdickt, Innenfläche glatt, Pia diffus leicht geröthet, Consistenz des Gehirns ziemlich fest, beide Ventrikel enthalten eine Spur klarer durchsichtiger Flüssigkeit. Durchschnitt durch die Grosshirnhemi- sphären zeigt eine mässig grosse Zahl von Blutungen. Marksubstanz glänzend und feucht. Der vierte Ventrikel zeigt nıchts besonderes. Consistenz des Klein-

18 HILDEBRAND: [214

hirns deutlich weicher wie die der Grosshirnrinde. Pons und Medulia ohne Abnormitäten.

Todesursache: Pericarditis, Pneumonie.

XVI. R. Eugen, 81/2 Jahre, Aufn. 30. Mai 1888, exit. let. 31. Mai. Ueber den Beginn der Erkrankung ist nichts bekannt. Bei der Aufnahme starke Dys- pnoe, mittelblasige Rasselgeräusche auf beiden Lungen, Temp. 34,5, Puls ca. 120, schwach. Am nächsten Morgen hochgradiger Hydrops, 10°/ Uhr Exitus.

Sectionsbefund: Guter Ernährungszustand, allgemeiner Hydrops. Herz hypertrophisch und dilatirt, Muskulatur blassgrau, an einzelnen Stellen gelblich. Pneumonische Infiltration beider Oberlappen, diffuse Bronchitis.

Leber und Milz vergrössert, ebenso die PEyzr’schen Plaques und Follikel.

Nephritis, Kapsel leicht lösbar.

Dura mater mässig injicirt, glatt, Pia an einzelnen Stellen etwas milchig getrübt. Seitenventrikel ziemlich weit, eine mässige Menge Flüssigkeit ent- haltend. Consistenz des Gehirns ziemlich weich, auf dem Durchschnitt zahl- reiche Blutpunkte.

Todesursache: Nephritis, Dilatatio cordis, Pneumonia catarrhalıs.

XVII. R. Wilhelm, 7 Jahre, Aufn. 16. Juni 1888, exit. let. 28. Juni. Ueber den Beginn der Erkrankung ist nichts bekannt. Bei der Aufnahme mässiger Ernährungszustand, gedunsenes blasses Aussehen. Herzspitze in der Mamillarlinie. Der Harn enthält viel Eiweiss, Cylinder und einige rothe Blut- körperchen. Temp. 38,3, Puls 90. Temperatur und Puls bieten in den näch- sten Tagen nichts besonderes, der Eiweissgehalt wird geringer.

23. Juni. Erbrechen. Tonsillen stark vergrössert, ohne Belag. Harn stark bluthaltige. Temp. 37,8, Puls 96. Unter zunehmendem Oedem und Ent- wicklung einer Bronchopneumonie beiderseits erfolgt der Exitus am 28. Juni.

Sectionsbefund: Hydrops auch der Pleura- und Bauchhöhle. Hypertrophia et Dilatatio cordis. Pneumonia catarrh. lat. utriusque. Nephritis. Leber, Milz, Mesenterialdrüsen, PEvEer’sche Plaques vergrössert.

Todesursache: Nephritis, Dilatat. cord. Pneum. catarrh.

XVII. W. Roman, 6 Jahre, Aufn. 21. Juni 1888, exit. let. 24. Juni. Beginn des Scharlach etwa vor 14 Tagen, erst seit gestern Halsbeschwerden und Engigkeit.

21. Juni. Mässiger Ernährungszustand, Abschuppung besonders an den Händen und Füssen, starke Dyspnoe, daher 9 Uhr Abends Tracheotomie.

Temp. 39,3, Puls 168.

22, Juni. Tonsillen stark geschwollen mit eitrigem Belag, Drüsenschwellung am Hals, seröser Ausfluss aus der Nase. Harn enthält viel Eiweiss, Cylinder und rothe Blutkörperchen.

23. Juni Mittags. Kanülenwechsel, Blutung aus der Tracheotomiewunde, Auftreten eines Hautemphysems von der Wunde aus. In der folgenden Nacht Exitus.

Sectionsbefund: Oedem des Umnterhautzellgewebes, kein Höhlenhydrops. Hypertrophia et Dilatatio cordis, Muskulatur grauroth. Diphtheritis faucium et laryngis, Bronchitis erouposa, Pneumonia catarrhalis.

Nephritis, Kapsel leicht ablösbar.

Leber, Milz und Mesenterialdrüsen vergrössert.

Todesursache: Diphtherie, Pneumonia catarrhalıs.

9 5] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH. 19

XIX. O. Karl, 4 Jahre, Au. 25. Aug. 1888, exit. let. 18. Sept. Er- krankung vor einigen Tagen. Bei der Aufnahme ausgesprochene Diphtherie des Rachens, ein Geschwür reicht auf den rechten oberen Alveolenrand über. Temp. 39,7, sinkt in den folgenden Tagen, steigt aber am 1. Sept. wieder und bleibt bis zum Exitus hoch febril bis 40,2. Es entwickelt sich zunächst eine diffuse harte Infiltration der rechten Wange, über der die Haut gangränös wird, so dass am 12. Sept. eine spontane Perforation erfolgt. Der Zerstörungsprozess greift rapid auf den rechten Oberkieferknochen über und führt zu seiner Bloss- legung und Nekrose, am 18. Sept. erfolgt der Exitus. Im Ham ist stets etwas Eiweiss.

Sectionsbefund: Ausser der oben genannten Affection starke Bronchitis ohne Infiltrationen der Lungen. Herz ohne Besonderes (?).

Nephritis.

Milz und Mesenterialdrüsen geschwollen, leicht auch die Pryer'schen Plaques.

Todesursache: Noma, Bronchitis, Nephritis.

XX. A. Helene, 8 Jahre, Aufn. 10. Jan. 1889, exit. let. 23. Jan. Patientin wird wegen schwerer Rachendiphtherie aufgenommen, in ein Zimmer, in welchem sich keine Scharlachkranken befinden noch befunden haben. Anf den Tonsillen ausgedehnte missfarbene Beläge, Uvula ödematös, Halslymphdrüsen stark ge- schwollen, kein Exanthem.

12. Jan. Die Temperatur, die bisher 38,5 nicht überschritten hat, steigt heute bis 40,0, der Puls von 108 auf 132, L. U. in der Axilla grobes Rasseln

13. Jan. Am Rumpf verdächtige Röthe. Temp. 39,4, Puls 138.

14. Jan. Erbrechen, deutliches Scharlachexanthem. Temp. 40,0, Puls 138. Schwellung im Hals im Abnehmen.

15. Jan. Im Harn, bisher immer gering eiweisshaltig, heute viel Eiweiss. Epitheleylinder und rothe Blutkörperchen

16. Jan. Fehlschlucken, Flüssigkeit läuft zur Nase heraus. Schmerzen im linken Fussgelenk. Temp. 38,5, Puls 132.

17. Jan. Stomatitis et Coryza diphtheritica, Harn unverändert. L’H. U. in der linken Seite Rasselgeräusche. Temp. 38,6, Puls 132.

In den folgenden Tagen bessern sich die Stomatitis und die Halsaffection, der Harn wird weniger eiweisshaltig. Die Temperatur kehrt zur Norm zurück.

21. Jan. Patientin schluckt gut, viel Husten, sehr blasses Aussehen. Apathie, Somnolenz, Galopprythmus der Herztöne. Temp. 36,8, Puls 120.

23. Jan. Abends plötzlicher Collaps und Exitus.

Sectionsbefund: Magere weibliche Leiche. Im Herzbeutel eine ziemlich reichliche Menge klarer gelber Flüssigkeit. Hypertrophia et Dilatatio cordis, Muskulatur blassgrau mit Fettglanz. Pneumonia catarrhalis.

Milz und Mesenterialdrüsen geschwellt.

Nephritis, Kapsel leicht lösbar.

Todesursache: Dilatatio cordis, Pneumonia catarrhalis.

XXI. F. Marie, 1'/e Jahre, Aufn. 17. Febr. 1889, exit. let. 8. März. Am 16. Febr. erkrankt. 17. Febr. deutliches Exanthem, geringe Angina, Temp. 39,2.

In den folgenden Tagen kehrt die Temperatur zur Norm zurück, dagegen tritt am 6. Tag ohne besondere Temperaturerhöhung eine Stomatitis fibrinosa auf. Am 8. Tag gesellt sich dazu ein heiserer Husten mit leichten inspira-

20 HiILDEBRAND: [216

torischen Einziehungen. Am 14. Tag ist die Stomatitis besser, dagegen eine Blepharoconjunetivitis links aufgetreten, die auch das rechte Auge befällt und beiderseits zur Pannusbildung führt. Am 18. Tag ist das Gesicht etwas gedunsen, und am 19. Tag tritt so starke Heiserkeit und inspiratorische Dyspnoe auf, dass am Abend die Tracheotomie gemacht werden muss. Aus der Trachea werden kleine Membranen entfernt. Am folgenden Tag Exitus. Harn in den letzten Tagen gering eiweisshaltig.

Eine Section scheint nicht gemacht worden zu sein.

Todesursache : Descendirender Croup.

XXI. Sch. Adolf, 3 Jahre, Aufn. 16. Nov. 1888, exit. let. 23. Jan. 1889. Ueber den klinischen Verlauf ist nichts bekannt.

Sectionsbefund: Schlechter Ernährungszustand, Desquamation an Brust, Bauch und Füssen. Tuberculosis miliaris. Abgekapselter Pyopneumothorax links unten, Tubereulose beider Lungen

Nephritis.

Leber und Milz vergrössert.

Todesursache: Tubereulosis miliaris.

XXIII. Br. Jakob, 4 Jahre, Aufn. 22. Febr. 1889, exit. let. 22. Febr. Ueber den klinischen Verlauf ist nichts Näheres bekannt, es war wegen Diphthe- ritis die Tracheotomie gemacht worden.

Sectionsbefund: Mässiger Ernährungszustand. Erweiterung des linken Ventrikels.. Bronchitis, Pneumonia catarrhalis pulm. dextr. Milz, Leber und Mesenterialdrüsen vergrössert. Nephritis, Kapsel leicht lösbar. Gangrän der Umgebung der Tracheotomiewunde. Tonsillen ohne Belag, in der Trachea Reste von Belägen.

Todesursache: Diphtherie, Pneum, catarrh.

XXIV. M. Heinrich, 10 Jahre, Aufn. 5. März 1889, exit. let. 2. April 1889. Patient lag seit einiger Zeit auf der chirurgischen Kinderabtheilung und wurde dort mit Scharlach infieirt. Bei der Aufnahme in die medicinische Klinik deut- liches Exanthem, leichte Angina. Temp. 39,8. Die Temperatur nähert sich am 8. Tage der Norm, zeigt aber in der folgenden Zeit unregelmässige Schwan- kungen, es entwickeln sich leichte Drüsenschwellungen zu beiden Seiten des Halses. Am 18. Tag Oedem im Gesicht und am Kreuzbein, wiederholtes Er- brechen. 20. Tag. Harn stark eiweisshaltig mit Cylindern, Menge vermindert, Puls irregulär. 23. Tag. Harn auch bluthaltig, Oedeme und Harnmenge un- verändert, ophthalmoskopisch nichts nachweisbar 26. Tag. Mittags und abends drei urämische Anfälle mit epileptiformen Convulsionen. Temp. 38,4, Puls 144. Respiration stöhnend und frequent. Ueber den Lungen L. V. O. in grosser Aus- dehnung gedämpft - tympanitischer Schall und dichtes crepitirendes Rasseln, L. H. U. ebenfalls Dämpfung. Sensorium stark benommen. Am folgenden Morgen Collaps, Dämpfung auch in der linken Axilla, Exitus ®/all Uhr Vormittags.

Sectionsbefund: Miliartuberculose beider Lungen, in denen alte Herde fehlen, ferner der Leber und der vergrösserten Milz. Käsige Herde in der Marksubstanz der linken Niere. Nephritis, Hypertrophie und Dilatation des Herzens, Muskulatur gelbgrau. Mesenterialdrüsen und Follikel geschwellt. Keine Meningitis tuberculosa, kein Oedem der Pia, Gyri etwas abgeflacht. Tuber- culose des linken Knie- und Fussgelenks.

Todesursache: Tuberculosis miliaris.

217] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH. 91

XXV. H. Marie, 3 Jahre, Aufn. 4. März 1889, exit. let. 17. April. Patientin lag auf der chirurgischen Kinderabtheilung wegen Gelenktuberculose und er- krankte dort an Scharlach. Bei der Aufnahme in die medieinische Klinik schwaches Exanthem, leichte Angina, Temp. 39,7 geht am Abend noch auf 37,2 zurück. In der folgenden Zeit unregelmässige Schwankungen (Tuberculose). Bis zum 22. März nichts besonderes, heute Harn etwas eiweisshaltig. 2. April neue Angina mit diphtheritischen Belägen auf beiden Tonsillen. 6. April starke Dyspnoe, Tracheotomie, Trachea frei. 7. April mehrmaliges Erbrechen, Urin stark eiweisshaltig und hämorrhagisch, Temp. 40,5. 8. April R.H.O. auf der Lunge klingendes Rasseln. Der Urin wird in den nächsten Tagen weniger ei- weisshaltig, enthält noch Blut. In Folge von Wunddiphtherie treten gelegent- lich des Kanülenwechsels Nachblutungen auf. Unter zunehmender Schwäche Exitus 17. April.

Sectionsbefund: Dilatation des Herzens, seine Muskulatur blassgrau, katarr- halische Pneumonie der linken Lunge mit einzelnen kleinen verkästen Herden, Bronchialdrüsen verkäst. Membranen in Kehlkopf und Trachea. Milz und Mesenterialdrüsen wenig geschwellt, Leber vergrössert mit deutlichen miliaren Tuberkeln auf der Oberfläche. Nephritis, Tuberculose des rechten Kniegelenks.

Todesursache: Diphtherie, katarrhalische Pneumonie. Dilat. cord. Nephrit.

XXVL St. Karl, 7 Jahre, Aufn. 19. März 1889, exit. let. 22. März. Patient war schon zu Beginn der Erkrankung gegen Ende Februar im Spital gewesen, dann aber von den Eltern Anfangs März gegen ärztlichen Rath wieder ab- geholt worden.

Bei der zweiten Aufnahme Desquamation an den Händen, leichtes Oedem um die Augen. Im Rachen ausgedehnte Beläge und starke Schwellung, Nasen- diphtherie und Larynxstenose. Harn stark hämorrhagisch und eiweisshaltig mit vielen Cylindern. Temp. 38,6.

20. März Abends. Tracheotomie, Membranen in der Trachea. 22. März. Stärkeres Oedem des Gesichts, Cyanose, Orthopnoe, Somnolenz, Puls klein, Ex- tremitäten kühl, Exitus.

Sectionsbefund: Rachen- und Kehlkopfdiphtherie, descendirender Croup, katarrhalische Pneumonie, Bronchialdrüsen rechts verkäst, Herz vergrössert, linker Ventrikel hypertrophirt, Muskulatur braunroth.

Nephritis, Leber, Milz und Mesenterialdrüsen vergrössert.

Todesursache: Diphtherie, katarrhalische Pneumonie.

XXVI. Tr. Karl, 181/s Jahre, Aufn. 15. April 1890, exit. let. 17. April. Am 14. April mit Frost, Kopfschmerzen und Brechreiz erkrankt. Bei der Auf- nahme deutliches Exanthem, Angina mit Belag auf der linken Tonsille, Temp. 40,0. Kräftiger Ernährungszustand, Sensorium frei, Patient macht den Eindruck eines Schwerkranken.

16. April. Temperatur sehr hoch, andauernd 40,0, durch Bäder von 26° ©. wenig beeinflusst, Nahrungsaufnahme gut, leichte Albuminurie. In der folgenden Nacht Collaps und Exitus.

Sectionsbefund: Diphtherie der Rachenorgane, descendirender Croup, katar- rhalische Pneumonie. An Herz und Nieren keine besonderen Veränderungen, Milz stark vergrössert, 15 cm lang, 9 cm breit, 4'/ cm hoch. Follikel sichtbar.

Auf dem Durchschnitt Leber grauroth, Zeichnung der Acini nicht deutlich.

Todesursache: Diphtherie, katarrhalische Pneumonie.

Berichte VII. Heft 2. 15

29 HILDEBRAND: [218

XXVII. St. Lydia, 6 Jahre, Aufn. 18. April 1890, exit. let. 28. April. Vor 8 Tagen erkrankt, bei der Aufnahme noch Reste des Exanthems, am Halse beginnende Desquamation, Angina und Coryza diphtheritica mit starker Ulce- ration namentlich links am vorderen Gaumenbogen, starke Drüsenschwellung, deutliche Albuminurie. Temp. 39,2, bis zum Exitus ziemlich hoch.

23. April. Otitis med. dextr. 25. April Heiserkeit.

28. April. Exitus. Harn stets eiweisshaltig mit Epitheleylindern.

Sectionsbefund: Diphtherie der Rachenorgane, Kehlkopf und Trachea frei. Bronchitis diffusa, katarrhalisch pneumonische Herde in beiden Unterlappen. Linker Ventrikel deutlich erweitert, Muskulatur blass, graugelb.

Milz und Leber vergrössert, ebenso die Mesenterialdrüsen und Darmfollikel. Nephritis.

Todesursache: Diphtherie, katarrhalische Pneumonie, Dilatatio cordis.

Die Hauptrolle in der Herbeiführung des letalen Ausgangs, nämlich 11 Mal, spielte demnach in den obigen 28 Todesfällen die Diphtherie, die in 9 Fällen auf die tieferen Luftwege übergriff und eine katarrhalische Pneumonie verursachte, auch in den 2 anderen Fällen (VII. und besonders XXI.) ist eine solche Uom- plication mit Bronchopneumonie sehr wahrscheinlich. Die beiden in wenigen Tagen zum Exitus führenden Fälle IV. und XXVIL. sind besonders interessant, weil bei ihnen die complicirende Diphtherie intra vitam nicht so in den Vordergrund trat, so dass man geneigt sein konnte, das schwere Krankheitsbild auf die „Schwere der Scharlachinfection“ zurückzuführen. Erst die Section lieferte die richtige Erklärung. Mit der Diphtherie in verwandtschaftlicher Beziehung stehen ferner der Fall II. von Angina Ludovici mit nachfolgender Sepsis und der Fall XIX. mit Noma.

Nephritis trat in 8 Fällen in den Vordergrund und endete fünf Mal ebenfalls mit Pneumonie, worunter zwei Mal auch urämische Erscheinungen auftraten, zwei Mal hauptsächlich durch Uraemie, wo- von bei dem einen eine mit Muskeldegeneration verbundene starke Herzdilatation vorhanden war, einmal durch Herzinsufficienz bei Dilatation und Hypertrophie des Herzens. Die Dilatation und Muskel- degeneration spielte auch in den übrigen Fällen sicher eine nicht unwesentliche Rolle.

Ein Fall (XV) endete durch Pericarditis und Pneumonie, einer durch Peritonitis und zwei schliesslich durch Miliartuber- culose.

In 3 Fällen konnte die Todesursache wegen Mangels an Auf- zeichnungen nicht festgestellt werden.

Die gesundheitlichen Verhältnisse der Patienten und der Um- stand, ob sie früh oder spät in Spitalbehandlung kamen und daher

219] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH. 23

in der Reconvalescenz gut überwacht werden konnten, übten auf die Sterblichkeit einen wesentlichen Einfluss.

In 7 Fällen wurden die Patienten erst aufgenommen, als die Erkrankung bereits 1—3 Wochen im Gange war und eine schlimme Wendung genommen hatte. In einem dieser Fälle rächte sich der Unverstand der Eltern, die ihr Kind vorzeitig aus dem Spital ge- nommen hatten, in sehr bitterer Weise.

In 3 Fällen war der Allgemeinzustand kein besonders guter.

In 6 Fällen befanden sich im Körper mehr oder weniger ausgedehnte tuberculöse Herde, in zweien davon brach in- folgedessen Miliartuberculose aus, an zweien waren, allerdings nur kleine, chirurgische Operationen vorgenommen worden.

Soweit man es bestimmen konnte, fielen 3 Todesfälle in die 1., 2 in die 2., 5 in die 3., 6 in die 4#., 1 in die 5. und 1 in die 7. Woche der Erkrankung.

Wir wollen nun noch die hauptsächlichsten Krankheitserschei- nungen, wie sie sich bei den beobachteten Fällen zeigten, im Ein- zelnen einer eingehenderen Besprechung unterziehen und es mögen dabei einige interessantere Fälle mitgetheilt werden. |

Das Fieber.

Da die grössere Mehrzahl der Fälle erst emige Tage nach Be- ginn der Erkrankung aufgenommen wurde, so kann im Allgemeinen über den ganzen Verlauf des Fiebers in den beobachteten Fällen nichts Sicheres gesagt werden. Die häufigste Form des Fieberverlaufs in den genauer beobachteten uncomplicirten Fällen war der, dass am 3. oder 4. Tag die höchste Temperatur erreicht wurde und dann in den folgenden Tagen mehr oder weniger rasch der Abfall eintrat, so dass in der 2. Krankheitswoche die Temperatur wieder zur Norm zurückgekehrt war.

Eine typische Curve, für welche uns die Beobachtung vom 2. Krankheitstage an zur Verfügung stand ist die folgende (Fig. 9).

Sch. Stefanie, 6 Jahre, vom 17. Jan. bis 18. Febr. 1881 wegen Scharlachs

im Spital. Bei der Aufnahme typisches Exanthem, Angina mit leichtem Belag, Harn leicht eiweisshaltig, später nicht mehr, Puls 148. In der Höhe

O2

des Fiebers wurden 6 Bäder (0 in der Kurve) von 25° C. und 10 Minuten Dauer gegeben.

15”

94 HiLDEBRAND: [220

Verschieden davon war der Fieberverlauf in den folgenden

Fällen: GERLIEIKEKIEIKIEN

> | |

SRBErTEFTEFF Seren Be Baal Bee jez

ARIBEBEemrear

M. Maria, 25 Jahre alt, vom 8. Mai bis 22. Juni 1886 wegen Scharlachs im Spital. Patientin hatte eine alte Mitralinsufficienz, der Verlauf der Schar- lacherkrankung war ein normaler. Exanthem mit Nachlass des Fiebers ab- geblasst. Puls 132.

HERERESFEBHR eS297Er Eee =

Abgesehen von complieirten Fällen (besonders bei starker di- phtherieartiger Angina mit Drüsenschwellung) zeigten sich auch sonst einige Abweichungen vom normalen Fieberverlauf. So erreichte im folgenden Fall die Temperatur nach sehr niedrigem Anfangsstande erst am 5. Tag ihr Maximum und sank dann ebenso langsam ab, am 9. Tag folgte nochmals eine leichte Steigerung.

221] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARTACH. 35

R. Albert, 16 Jahre, vom 6. April bis 24. Mai 1889 im klinischen Hospital, seit dem 15. März auf der chirurgischen Klinik wegen Fractura tibiae dextr., dort infieirt. Verlauf sehr leicht, ein Grund für den eigenthümlichen Fieber- verlauf liess sich nicht auffinden.

R.Albert.

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Nicht zu selten erreichte das Fieber gleich am 1. Tag seinen Gipfel und fiel an dem gleichen oder folgenden Tagen ebenso rasch

wieder ab.

H. Marie, 3 Jahre, am 4. März 1889 wegen Sc. aufgenommen, am 17. April 7, hatte ein leichtes Exanthem und eine leichte Angina, den weiteren Verlauf vgl. Nr. XXV der Gestorbenen.

H.Marie

In der Mehrzahl der Fälle erreichte das Fieber eine Höhe von 39,5—40,5°, in wenigen auch 41°. Bei Erwachsenen war

96 HILDEBRAND: [2 22

die Temperatur meist viel niedriger und stieg zuweilen kaum über 38 °.

Ein Fall verlief fast ganz fieberlos.

Von dem von FÜRBRINGER! unter den Nachkrankheiten des Scharlach angeführten „Nachfieber“ kam ein sicherer Fall zur Be- obachtung.

L. Marie, 29 Jahre, wegen Polyarthritis rheum. und Mitralinsufficienz seit 19. Jan. 1888 im Spital und dort am 17. Febr. mit Se. infieirt (vgl. In- cubationszeit). Der übrige Verlauf bot nichts besonderes. Das Fieber war am 8. Tag normal abgefallen und blieb auch die folgenden drei Tage auf der Norm. Am 12. Tag plötzlich unter Frost 'Anstieg der Temperatur auf 40,2° und ebenso rascher Abfall, ohne dass ein Grund hierfür aufgefunden werden konnte.

Mare

Fälle mit intermittensartigem Fieberverlauf kamen nicht vor, auch keine mit typhösem Verlauf?.

Nicht selten traten während des Fiebers, besonders im Abfall Delirien und sogar psychotische Zustände auf®.

W. Luise, 34 Jahre, Ladnerin, am 26. Febr. 1880 wegen Sc. aufgenommen (über die Infeetion und Incubationszeit vgl. diese). In der Familie keine Geistes- krankheiten. Bei der Aufnahme ist Patientin von kräftigem Körperbau, hat ein starkes Exanthem, auf den Tonsillen einige grauweisse erbsengrosse flache Beläge. Herztöne rein, Temperatur 39,8, Puls 134.

! Real-Eneyclopädie der gesammten Heilkunde von EuLEnBURe, Bd. XVII, S. 472.

® Lırten, Beiträge. zur Lehre von der Scarlatina, Charit&-Annalen 1882, Vgl. auch Tuomas, Scharlach, S. 273.

® Tomas, Scharlach, S. 273 und 299. HexochH, Kinderkrankheiten, S. 666.

223] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH. DT

27. Febr. Patientin hat wenig geschlafen, war unruhig, sprach viel. Tem- peratur am Morgen 37,8, überstieg 38,6 im Lauf des Tages nicht. Nachmittags gegen 2 Uhr traten ziemlich plötzlich unter Röthung des Gesichts und der Con- junctiven lebhafte Delirien auf, die bald so heftig wurden, dass Patientin stets bewacht werden musste, Sie hörte Musik, sah verschiedene Gestalten, die mit ihr Streit anfingen, Fliegen in die Stube brachten u. s. w. Sie wollte fortwährend das Bett verlassen. Temperatur Abends 38,4, Puls 140, irregulär und aus- setzend. Auf ein laues Bad 26° C. nur ganz kurze Beruhigung, dann wieder heftige Delirien, die erst auf zweimalige Verabreichung von 1,5 Chloralhydrat und 0,008 Morphin aufhörten und in Schlaf übergingen. Das Exanthem war unverändert.

38. Febr. Bis 9 Uhr Morgens ruhiger Schlaf. Patientin ist Vormittags ruhig aber von der Realität ihrer Delirien noch überzeugt. Nachmittags wieder starke Delirien, Patientin will das Bett verlassen. Temperatur 37,6, Puls 94, sehr unregelmässig, über der Herzspitze lautes systolisches Geräusch. Exan- them blasst ab. Auf Chloral mit Morphin wieder Schlaf.

29. Febr. Patientin ist ruhig und fieberfrei, Temperatur 37,3, Puls 82, regelmässig, systolisches Geräusch schwächer, Appetit und Stuhl normal, Harn schwach opalescent.

3. März. Exanthem ganz abgeblasst, seit gestern an den Händen be- ginnende Desquamation, kein Belag mehr auf den Tonsillen, Gaumen noch schwach geröthet. Noch leises systolisches Geräusch an der Herzspitze. Schlaf gut, stets ganz ruhig.

1. April. Patientin wird heute geheilt entlassen, keine Albuminurie weiter aufgetreten, Herztöne seit langer Zeit rein, Desquamation beendet.

Das Exanthem.

Das Exanthem trat meist am 2. nicht selten auch erst am 3. und gar 4. Tage auf und verschwand wieder mit dem Abfall des Fiebers, dauerte demnach etwa 4—5 Tage. In seiner Stärke stimmte es meist mit der Höhe des Fiebers überein, so dass bei hohem Fieber ein starkes, bei niederem ein schwaches Exanthem auftrat, ohne indess immer an dieser Regel festzuhalten. Neben der ge- wöhnlichen, diffusen, gleichmässigen Röthung der Haut mit dichter Punktirung kamen einige Fälle von Scarlatina variegata und hämorrhagica vor, letztere gehörten nicht immer schweren Fällen an!.

Einmal war das Exanthem so schwach, dass die Diagnose Scharlach sich nur auf die bestehende Angina und die später er- folgende geringe aber deutliche Abschuppung stützte, auch war nach- gewiesen, dass Patientin Gelegenheit zur Infection mit Sc. gehabt hatte ?.

! Tnomas, Scharlach, S. 222 und 297. ® Vol. Hexocn, Kinderkrankheiten, S. 675. Tomas, Scharlach, S. 269.

28 HILDEBRAND: [224

M. Marie, 30 Jahre, am 23. Juni mit Schüttelfrost und Halsweh erkrankt, war am 21. ‚Juni in einem Hause gewesen, wo laut Aussage des Arztes Kinder an Sc. erkrankt waren. Bei der Aufnahme am 25. Juni kein deutliches Exan- them, dagegen Angina mit leichten Belägen auf den Tonsillen. Die Temperatur stieg am 26. Juni auf 39,4, der Puls auf 130, beide kehrten erst innerhalb 8 Tagen langsam zur Norm zurück. Am 2. und 3. Juli enthielt der Harn etwas Eiweiss, am 9. Juli zeigte sich eine deutliche Desquamation an den Händen, an den Fingerspitzen beginnend, auch an Hals und Brust trat sie leicht auf.

Patientin wurde am 25. Juli in der 5. Woche der Erkrankung geheilt entlassen.

In einem anderen Fall trat gegen Ende der 2. Krankheits- woche unter fortbestehendem Fieber eine Art von Recidiv des Ex- anthems auf!.

M. Anny, 15 Jahre, am 15. Mai 1889 mit Erbrechen und Halsweh erkrankt. Bei der Aufnahme am 17. Mai charakteristisches Scharlachexanthem am Rumpf und den oberen Extremitäten, leichte Angina, Temperatur 39,0. Ueber den weiteren Fieberlauf siehe Curve, es wurden zur Abkühlung Bäder (0) von 24°C. und 10 Minuten Dauer gegeben,

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Fig. 14.

Die Angina wurde stärker, es bildete sich ein Belag auch auf der Uvula und Drüsenschwellung am Unterkiefer aus. Das Exanthem war bereits am Ab- blassen, da traten unter neuer Fiebersteigerung am 25. Mai masernartige, bren- nende Flecken im Gesicht auf, am 26. auch an den Händen und Armen. (NB. Die Kranke hatte kein Anzneimittel, das etwa als Ursache des Exanthems hätte beschuldigt werden können, erhalten.)

27. Mai. An der Dorsalseite beider Vorderarme, auf die Hände über- gehend, eine Reihe erhabener, theils masern-, theils urticariaartiger Flecken. An Brust und Rücken kein Ausschlag. Im Gesicht bestanden dieselben Flecken

! Thomas, Scharlach, S. 295 ff. Hexoc#, Kinderkrankheit, S. 644 und 673 ff.

225] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH. 29

ohne Conjunctivitis, jetzt fast nichts mehr dort zu sehen. Desquamation am Rumpf. Das Exanthem blasst an diesem Tage und in der nächsten Nacht ab, die Temperatur kehrt zur Norm zurück. Der fernere Verlauf bot nichts weiter Bemerkenswerthes.

In zwei Fällen trat zur Zeit der Entfieberung und des Ab- blassens des Exanthems eine heftig juckende über den ganzen Körper

sich ausbreitende Urticaria auf (Fall V der Gestorbenen).

Die Desquamation.

Der Beginn der kleienförmigen Desquamation trat meist etwa am 7. Tage ein, als das Fieber bereits stark im Rückgang war, doch begann dieselbe in emigen Fällen auch früher, einmal schon am 3. Tag, in anderen dagegen erst später. Viel später begann die lamellöse Abschuppung an den Händen und Füssen, und während die erstere meist in wenigen Tagen beendigt war, erstreckte sich diese auf einige Wochen. Zusammen dauerte die gesammte Des- quamation meistens 4—6 Wochen.

In einem Falle war die Desquamation erst nach 10 Wochen beendet.

Zusammenstellung der Desquamationsdauer.

Zusammen Männliche Weibliche

=: 2 Wochen 3 2

| 1

3 3 I | 3 Ba A er 19 4 15 En Diiaiägt, 21 13 8 Eu Oye 8 3 5 n 6 2 4 n„ 8 n 1 > 1 2) I ir; 7 Due 10 | 1 | = Er 1 I 24 38

Nur in diesen 62 Fällen finden sich in den Krankengeschichten genaue Angaben über die Dauer der Desquamation. In den übrigen, soweit sie in Genesung ausgingen und nicht schwerer complieirt waren, kann aber auf das Ende der Desquamation aus der Dauer des Spitalaufenthalts geschlossen werden, da grundsätzlich kein Scharlachreconvalescent vor völliger Beendigung derselben aus dem Hospital entlassen wurde.

30 HILDEBRAND: [ 2926

Dauer des Spitalaufenthalts in uncomplicirten Fällen.

Zusammen Männlich Weiblich

Bis 1 Woche N 2 N 2 2 N 3 7 6 2 4 NE 23 17 6 a 49 20 29 RR & 4 18 26 BEN ur 41 19 22 ER) N 23 12 11 N N N 14 4 10

| 202 94 108

Für die Berechnung der Desquamationszeit ist mindestens eine Woche von der Dauer des Spitalaufenthalts abzurechnen und es er- gibt sich daher aus obiger Tabelle für die Dauer der Desquamation in der vorwiegenden Zahl der Fälle ebenfalls ein Zeitraum von 4—6 Wochen.

In zwei Fällen entstanden während der Abschuppung Panaritien, in einem anderen einige kleine Furunkel am Gesäss, 4 Mal traten Erysipele auf, zweimal des Gesichts, einmal am linken Arm und einmal am linken Oberschenkel.

Die Angina und ihre Complicationen.

In den meisten Fällen bestand die Angina in einer einfachen entzündlichen Röthung und Schwellung der Schleimhaut des Rachens und seiner Gebilde.

In einem Falle traten leichte Hämorrhagien auf den ent- zündeten Theilen auf, sonst zeigte der Fall nichts Bemerkenswerthes. In 92 = 29% der Fälle bildeten sich auf den Tonsillen, Gaumen- bögen und Uvula kleinere oder grössere festhaftende gelblich weisse Beläge, die sich entweder bald wieder verkleinerten und abstiessen oder auch grösser wurden und confluirten, so dass das Bild dem der Rachendiphtherie sehr ähnlich wurde. Das Fieber zog sich in diesen letzteren gewöhnlich bis zur Abstossung der Beläge und zur Aus- heilung der entstandenen Geschwüre hinaus. In keinem der ge-

227] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH, 31

nesenden Fälle war der Process ein so tiefgreifender, dass Defecte im Rachen zurückgeblieben wären.

In zwei Fällen entstanden kleine Abscesse in den Tonsillen. In 13 = 4°/o der Fälle war die Rachenaffection eine sehr schwere und es bestand wahrscheinlich eine Mischinfeetion mit wirklicher Di- phtherie, die entweder vorher, nachher oder gleichzeitig mit der Scharlachinfection erfolgt war. In drei dieser Fälle traten Lähmungs- erscheinungen in der Gaumen- und Kehlkopfmuskulatur auf (vgl. Fall XX der Gestorbenen). In sieben der Fälle musste wegen Kehlkopfdiphtherie die Tracheotomie ausgeführt werden, fünf davon gingen zu Grunde. Von den 13 Fällen kamen nur drei mit dem Leben davon, die übrigen 10 = 77 °% erlagen, meist einer katarrhali- schen Pneumonie (vgl. die Gestorbenen).

Ein bemerkenswerther Fall, bei welchem trotz zeitweiser sehr schwerer Erscheinungen das Leben erhalten blieb, war der folgende:

W. Heinrich, 3 Jahre, am 6. März 1889 wegen „Diphtherie“ aufgenommen, kleine Beläge auf beiden Tonsillen, Heiserkeit, leichte inspiratorische Dyspnoe, Harn eiweissfrei, Temperatur 37,9, Puls 132, kein Exanthem.

9. März. Dyspnoe fast verschwunden, dagegen steigt das Fieber auf 39,0’ der Puls auf 156.

10. März. Exanthem auf dem Rücken. Temperatur 39,4, Puls 156, Harn leicht eiweisshaltig. Mischinfeetion mit Scarlatina.

17. März. Verlauf bisher normal, Temperatur 36,5, Puls 120, leicht irregulär, Abends wieder stärkere Dyspnoe, frische kleine Beläge im Rachen, um 10!/sh muss die Tracheotomie ausgeführt werden.

19. März. Im Halse ausgedehnte confluirende festsitzende Beläge, aus der Kanüle werden Membranen ausgehustet, Temperatur 39,2, Puls 156.

22. März. Beläge fast abgestossen, Temperatur 39,0, Puls 144.

25. März. Patient sehr schwach, 1. Herzton sehr leise. RVO unterhalb der Olavikel eine kleine Stelle mit kleinblasigem Rasseln. Häufiges Fehlschlucken, Harn enthält etwas Eiweiss und einige Cylinder. Temperatur 38,5, Puls 144.

30. März. Kanüle entfernt, Temperatur 37,2, Puls 126.

7. April. Galopprythmus der Herztöne, Harn stets eiweisshaltig, Tem- peratur 37,5, Puls 120 irregulär.

13. April. Kein Galopprythmus mehr, Temperatur 37,7, Puls 126 regel- mässig, Harn ziemlich stark eiweisshaltig.

16. April. Trachealwunde ganz verheilt, Patient äusserst schwach, Stimme stark näselnd, rein inspiratorischer Stridor, kein Fehlschlucken mehr, Incon- tinenz, Patellarreflexe scheinen zu fehlen, Sensibilität an den Beinen erhalten. Temperatur 37,2.

23. April. Seit einigen Tagen wird täglich 0,0015 Strychnin. nitrie. in- Jieirt. Patient näselt weniger, fühlt seine Bedürfnisse wieder, wenn auch nicht immer. Inspiratorischer Stridor erheblich geringer, Temperatur 37,3, Puls 132, Harn noch stets leicht eiweisshaltig.

32 HILDEBRAND: [228

15. Mai. Patient heute geheilt entlassen, Puls hie und da noch etwas irregulär.

Die Schleimhaut der Nase wurde in 12 Fällen von dem Entzündungsprocess ergriffen, vier Mal in Gestalt eines mehr oder weniger starken einfachen Katarrhs mit gleichzeitig einfach katarrha- lischer Angina; acht Mal in Verbindung mit Belägen auf den Ton- sillen und Gaumenbögen in Gestalt einer eitrigen, in drei Fällen auch diphtheritischen Coryza.

Stomatitis stellte sich in sieben Fällen ein, darunter einmal mit Diphtherie des Nasenrachenraums, einmal (Fall XXI der Ge- storbenen) als Stomatitis fibrinosa mit nachfolgendem -descendirenden Croup bei leichter primärer Angina, einmal als Stomatitis ulcerosa mit starrer Infiltration der Oberlippe bei gleichzeitiger schon vorher bestehender Keratitis ulcerosa und schliesslich einmal (Fall XIX der (restorbenen) in einer sehr bösartigen nekrotisirenden unter dem Bilde der Noma verlaufenden Form.

Otitis media trat in 12 Fällen ein, darunter sieben Mal doppel- seitig.

Schwellung und Empfindlichkeit der Halslymphdrüsen kamen sowohl bei gewöhnlicher katarrhalischer als bei Angina mit Belägen nicht selten vor. Nur in vier Fällen war die Entzündung eine stärkere und es kam in dreien zur Abscessbildung und Ineision.

Das Halsbindegewebe war nur in zwei Fällen stärker be- theiligt, einmal m Form einer submentalen Phlegmone mit Abscess- bildung, das andere Mal entwickelte sich in kurzer Zeit das schwere Krankheitsbild einer sehr bösartigen Angina Ludoviei (Fall II der Gestorbenen). In 10 Fällen trat in der Reconvalescenz eine neue Angina auf und führte in einem durch Hinzutreten von Di- phtherie zum Tode (Fall XXV der Gestorbenen).

Rheumatische Erscheinungen.

Rheumatische Erschemungen traten in 54 = 17°) der Fälle auf. Auffallend stark ist dabei das weibliche Geschlecht betheiligt, unter 180 weiblichen Patienten 44 Mal, d. h. mit 24°, während unter 140 männlichen nur 10, d. h. 7, 15° befallen wurden. (sIMMEL! fand in Zürich Männer und Weiber in ganz gleichmässiger Anzahl ergriffen. Eine grössere Uebereinstimmung mit den Züricher Beobachtungen zeigte die Betheiligung von Erwachsenen und Kindern.

! GInmEL, Scharlach bei Erwachsenen s. 0.

229] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH. 3a

Von Kindern wurden im Zürich 5°, von Erwachsenen nahezu 18°/o, also mehr als drei Mal soviel wie von den ersteren befallen. Ein fast gleiches Verhältniss besteht bei unseren Fällen, indem von 178 Kindern 16, d. h. 8,98 °/, von 142 Erwachsenen 38, d.h. 26,76 °/o befallen wurden, also auch etwas mehr als drei Mal soviel wie von den ersteren.

Einen genaueren Aufschluss über die Betheiligung in den ein- zelnen Quinquennien gibt folgende Tabelle.

Lebensalter r ee Rheumat. °/o 1— 5 54 4 7,5 6—10 Er 5 6,5

11—15 47 7 14,5 16—20 70 21 30,0 21—25 42 11 26,2 über 25 30 6 20,0

Die Affection zeigte sich meist am Ende der ersten und zu Beginn der zweiten Krankheitswoche, gegen Beginn der Ent- fieberung und der Desquamation.

Sie trat ein

nach Beg. d. Erkkg.| 3Mal | 5,6 °%%

am 194 las Sag 1,2, ENT, 6 ? 11,1 » n 5. 7 12 ? 22,2 6. ? 8 ? 14,8 ? ? ? 6 ? 11,1 n n 8. ? 4 ? 7,4 » ? 9. 6 ? 11,1 ? ? 10 ? 2 7 3,7 ? 11. 7 1 7 1,85 n n 12. n 0 u ? 14. ? 1 ? 1,85 ? 42. ? L ? 1,85 ?

Die Erscheinungen bestanden in Anschwellung und Schmerz- haftigkeit mehrerer Gelenke und in Neuralgien. Deutliche Anschwel- lung trat nur in 10 Fällen auf und nur in einem von diesen (Fall II der Gestorbenen) wäre es vielleicht zur Vereiterung gekommen, hätte nicht schon vorher eine eitrige Peritonitis den Exitus herbeigeführt.

34 HILDEBRAND: [230

Von den Gelenken zeigten sich am häufigsten die Handgelenke ergriffen, nämlich 33 Mal, die Schultergelenke 17 Mal, Fussgelenke 13 Mal, Kniegelenke 12 Mal, Ellenbogengelenke 11 Mal, Finger- gelenke drei Mal und Hüttgelenk ein Mal. Die Wirbelsäule war drei Mal schmerzhaft.

Neuralgien traten drei Mal auf, eine Brachialneuralgie am 6. Tag, eine Ischias am 14. Tag und eine Supraorbitalneuralgie am 42. Tag.

Das Anfangsfieber war meist ein hohes gewesen, in 34 62,96 °)o der Fälle erreichte es 40,0° und mehr, beim Ausbruch der Er- scheinungen hatte es nur in drei Fällen noch eine Höhe bis zu 40,0°.

In 25 = 46°% der Fälle war die Angina eine stärkere mit festsitzenden Belägen gewesen.

Hier mag noch ein Fall angeführt werden, in dem rheuma- tische Erscheinungen und eine offenbar embolische Affection der Haut ähnlich einer Purpura haemorrhagica mit Hautgangrän, aber mit Ausgang in Heilung, auftraten.

S. Karoline, 12 Jahre, wegen spinaler Kinderlähmung auf der chirurgischen Klinik, erkrankte dort am 2. März 1889 an Scharlach und wurde sogleich auf die medicinische Klinik verlegt. Schlechter Ernährungszustand, deutliches Exan- them, Angina mit Belägen, die in den nächsten Tagen die Tonsillen und die Uvula bedecken. Temperatur in den ersten Tagen bis 40,4, Puls bis 168.

5. März. Exanthem klein hämorrhagisch, Temperatur 39,6, Puls 156.

6. März. Schmerzen in den Handgelenken, Temperatur 88,9, Puls 144.

11. März. Schmerzen im linken Arm, Temperatur 38,5, Puls 120.

16. März. Herumziehende Schmerzen in den Gliedern, im Epigastrium und in der Herzgegend. Im Hals noch kleine Reste von Belägen zu sehen, Tem- peratur 37,8, Puls 120.

17. März. Abends. Schmerzen im 2. Interphalangialgelenk des linken Mittelfingers, Temperatur 38,5, Puls 120.

18. März Vormittags. Ueber Mittag haben sich in wenig Stunden mul- tiple, äusserst schmerzhafte Gelenkschwellungen an beiden Armen (Finger-, Hand- und Ellbogengelenk) entwickelt, ausserdem an den Ellbogengelenken und an der Streckseite der Vorderarme kleine knotige Infiltrationen der Haut von Erbsen- bis Bohnengrösse mit hämorrhagischem Centrum und blassem Hof. Erbrechen. Ophthalmoskopisch nichts Abnormes. Herztöne rein. Temperatur 38,5, Puls 132.

19. März. Auch an den Ohrmuscheln, sowie an der Gesässgegend analoge Hauteruptionen, zum Theil in Form von kleinen Petechien, zum Theil von grösseren hämorrhagisch infiltrirten Knoten, da und dort blasenförmige Ab- hebungen der Epidermis, an den befallenen Gelenken starkes periarticuläres Oedem, Erbrechen, Herzaktion aufgerest, im Harn etwas Eiweiss. Temperatur 38,2, Puls 138. Ordination: Eisblase auf's Herz, 6 X 0,5 Natr. salicyl.

23 1] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH. 35

20. März. Im Hals sind wieder frische Beläge an verschiedenen Stellen aufgetreten mit Neigung zur Confluenz. Die Hautaffeetionen an der Streck- seite der Ellbogengelenke haben sich in grosse hämorrhagische gan- gränöse Plaques mit rothem Entzündungshof umgewandelt. Die Gelenk- schwellungen sind etwas geringer, Erbrechen, Herzaktion sehr erregt. Tem- peratur 39,3, Puls 172, Eisblase auf’s Herz, Breiumschläge um die Arme, Natr. salicyl. 6 X 0,5.

21. März. Keine frischen Hauteruptionen, der Rumpf mit Ausnahme der Regio glutaea ganz frei, ebenso die gelähmten Unterextremitäten. Erbrechen. Temperatur 39,1, Puls 150. Antipyrin 5 X 0,5.

22. März. Gelenkschwellungen, namentlich an den Ellbogen geringer, links der ganze Handrücken ödematös. An beiden Oberschenkeln spärliche frische Hauteruptionen, rechts auch eine mehr in die Tiefe bis auf die Fascie greifende Hämorrhagie. Auch an den Oberarmen einige frische hämorrhagische Knötchen. Im Rachen ausgedehnte nekrotische Beläge, auch an der Zungen- und Mundschleimhaut missfarbige gangrä- nöse festhaftende Plaques, intensiver Foetor. Zahnfleisch geschwollen, leicht blutend, stark jauchigseröse Nasensekretion. Temperatur 39,2, Puls 132.

25. März. Keine frischen Hauteruptionen, Gelenkschwellungen überall geringer. 1. Herzton geräuschartig, Harn leicht eiweisshaltig. Temperatur 39,2, Puls 162, Eisblase, 2 X 0,5 Antipyrin.

28. März. Benommenheit, Urin in's Bett, starke Salivation, die Beläge in Hals und Mund begrenzen sich, Harn eiweisshaltig. Temperatur 38,7, Puls 156.

30. März. Beläge zum Theil abgestossen. Temperatur 37,9, Puls 150.

4. April Die gangränös hämorrhagischen Hautpartien an der Streckseite der Ellbogen haben sich nach und nach ganz abgestossen, es finden sich jetzt dort grosse gut aussehende Granulationsflächen. 1. Herzton immer etwas unrein, konstant erhöhte Pulsfrequenz, durch Digitalis nur vorübergehend zu beeinflussen. Temperatur 38,0, Puls 144.

22. April. Erbrechen, Frost, Erysipel am linken Oberschenkel. Tem- peratur 40,0, Puls 150.

25. April. Erysipel abgeblasst, Ellbogengelenke jetzt aktiv und passiv frei beweglich. Temperatur 37,5, Puls 120 irregulär.

30. April. Desquamation beendet. Temperatur 37,9, Puls 108 irregulär.

7. Mai. Patient noch anämisch. Temperatur 37,4, Puls 96, zur chirur- gischen Klinik zurückverlegt.

Complicationen von Seiten der serösen Häute.

Pleuritis trat in fünf Fällen auf, drei Mal in Verbindung mit rheumatischen Erscheinungen, davon zwei Mal gleichzeitig mit Peri- carditis (Fall II und XVI der Gestorbenen), ein Mal entstand sie aus einer tiefgreifenden Bronchitis, ein Mal zugleich mit einer Nephritis.

Pericarditis wurde drei Mal beobachtet, in allen drei Fällen waren auch rheumatische Erscheinungen aufgetreten, Fall II und XVI der Gestorbenen, ferner folgender Fall:

36 HILDEBRAND: [232

W. Elise, 12 Jahre, am 16. Juni 1889 Abends mit Hals-, Kopfweh und Erbrechen erkrankt, Spitalaufnahme.

17. Juni. Exanthem am Rumpf und an den Extremitäten, Angina mit starker Tonsillenschwellung, in den folgenden Tagen auch Belag. Kurzes systo- lisches Kratzen im 3. Intercostalraum links vom Sternum. Temperatur 40,1, Puls 156.

19. Juni. Schmerzen im rechten Handgelenk. Temperatur 39,0, Puls 120, Natr. salieyl. 6 X 0,5.

24. Juni. Auf den Tonsillen noch ein fester Belag. Temperatur 39,2, Puls 114.

26. Juni. Schmerzen im linken Handgelenk. Temperatur 39,2, Puls 108.

27. Juni. Beginn der Desquamation am Rumpf. Temperatur 39,2, Puls 126.

28. Juni. Weiches pericardiales Reibegeräusch im 3. Intercostalraum links vom Sternum, Herzthätigkeit aufgeregt, Herzdämpfung bis zum rechten Sternal- rand. Spitze im 5. Intercostalraum etwas auswärts der Mamillarlinie. Tem- peratur 38,6, Puls 138. 2 x 0,5 Natr. salicyl. Eisblase auf’s Herz.

4. Juli. Herzdämpfung überschreitet den rechten Sternalrand an der 5. Rippe um 3 cm, reicht bis zum Jugulum hinauf, nach links 2 cm jenseits der Mamillarlinie im 5. ICR, deutliches pericardiales Reiben. LHU am Thorax bis zum Angulus scapulae (7. Brustwirbel) Dämpfung und schwaches Bronchial- athmen, R. H. U. bis zum 8. Brustwirbel Dämpfung und unbestimmtes ab- geschwächtes Athmen. Temperatur 37,8, Puls 120.

11. Juli. Kein Reibegeräusch mehr, die Temperatur sinkt langsam zur Norm, der Puls auf 84. Natr. salieyl. wird bis zum 22. Juli fortgegeben.

12. Juli. Herzspitze im 5. ICR 1'/s cm links von der Mamillarlinie, 1. Ton an der Spitze von einem kurzen weichen Geräusch gefolgt, systolisches Kratzen im 3. ICR links vom Sternum, 2. Pulmonalton verstärkt, 2, Aortenton ebenfalls laut, Herzdämpfung bis zum rechten Sternalrand, nach oben bis zur 3. Rippe, Leber und Milz nicht vergrössert, Harn eiweissfrei. Entlassung.

Im Laufe des Monats September häufiges Herzklopfen, Herzbefund unver- ändert, zwei Mal enthielt der Harn Spuren von Eiweiss.

Peritonitis kam zwei Mal vor (Fall II und III der Ge- storbenen).

Complicationen von Seiten des Herzens.

Endocarditis trat im Ganzen wahrscheinlich nur in sechs Fällen auf. In einem Fall (X VI der Gestorbenen) wurde sie durch die Section aufgefunden. Intra vitam hatten in diesem Falle keine deut- lichen Erscheinungen einer Endocarditis bestanden, das systolische Geräusch an der Herzspitze in der ersten Zeit der Erkrankung konnte durch die kleinen Auflagerungen auf den Aortenklappen nicht bewirkt worden sein. Dagegen sind die Hämorrhagien in der Netzhaut beider Augen vielleicht als die Folge von Embolien auf- zufassen, freilich bestand auch eine leichte Nephritis. Eine Endo- carditis war vermuthlich auch in dem unter Pericarditis angeführten

233] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH. 37

Falle Elise W. vorhanden und diese letztere war vielleicht gerade durch die erstere entstanden. In den vier übrigen Fällen zeigten sich deutlich die Erscheinungen eines sich entwickelnden und be- stehen bleibenden Klappenfehlers und zwar von Insufficienz der Mitralklappe. Es trat ein systolisches Geräusch an der Spitze auf, der zweite Pulmonalton wurde klappend, die Herzdämpfung nach rechts verbreitert, der Spitzenstoss hebend, diese Erscheinungen blieben bestehen. Rheumatische Erscheinungen waren auch vor- handen.

Kr. Thekla, 18 Jahre, am 10. Jan. 1889 an Scharlach erkrankt, auf- genommen am 11. Jan.. Das Fieber war in den ersten Tagen sehr hoch bis 40,7° und liess sich durch Bäder von 22° C. und 10 Minuten Dauer nur wenig beeinflussen, Puls 132, ausgesprochenes Exanthem. Angina mit Belägen, Milz vergrössert. Herzspitzenstoss etwas hebend, kurzes systolisches Geräusch an der Herzspitze. Fieber und Puls sanken erst nach 10 Tagen allmählich auf die Norm herunter, dabei traten Delirien und Gesichtshallucinationen auf. Am 14. Jan. Schmerzen in den Handeelenken. Das systolische Geräusch dauert fort, dabei tritt Galopprythmus der Herztöne auf. 21. Jan. Puls 102 irregulär, der Harn bisher leicht eiweisshaltig, heute eiweissfrei. 22. Jan. Systolisches Geräusch lauter und rauher, Herzspitzenstoss verbreitert, starke Carotiden- pulsation. Temperatur 57,7, Puls 96.

20. Febr. Das systolische Geräusch an der Herzspitze besteht fort, ist bald dumpfer, bald etwas rauher, Herzspitzenstoss dicht einwärts der Mamillar- linie, Herzdämpfung nach rechts !/s fingerbreit jenseits des rechten Sternal- randes, der 2. Pulmonalton nicht deutlich verstärkt, Herzaktion in letzter Zeit weniger erregt, hie und da etwas irregulär, 72. Harn stets eiweissfrei. 2. März. Seit einiger Zeit wieder mehr Herzklopfen, Pulsus celer, nicht beschleunigt, das systolische Geräusch jetzt ziemlich scharf, nirgends ein diastolisches, Tem- . peratur 37,7, Puls 120. 18. März. Bei der Entlassung an der Herzspitze scharfes systolisches Geräusch, hie und da auch kurzer Nachschlag nach dem 2. Ton. 2. Pulmonalton nicht deutlich verstärkt, Lippen immer ein wenig eyanotisch, Harn eiweissfrei.

In 23 Fällen waren die Erscheinungen von gestörter Herz- thätigkeit nur vorübergehende. Sie bestanden zuweilen nur in Unregelmässigkeit des Pulses, ferner im Auftreten von systolischen (seräuschen und in einigen Fällen sogar in einer Verbreiterung der Herzdämpfung nach rechts und einem klappenden zweiten Pulmonalton, so dass eine Mitralinsufficienz diagnostizirt werden musste. Da diese Erscheinungen jedoch im Laufe des Spitalaufenthalts wieder gänzlich verschwanden, so handelte es sich in diesen Fällen wahrscheinlich nur um Erkrankungen des Herzmuskels und um Erweiterungen des Herzens wie sie auch bei anderen Infectionskrankheiten beobachtet werden. Dass die Erkrankung des Herzmuskels in der That eine

sehr häufige war, bewies die bei der Section der oben angeführten Berichte VII. Heft 2. 16

38 Dee : [234

Fälle so oft aufgefundene fettige Degeneration und Erweiterung des Herzens !,

D. Walburga, 16 Jahre, am 21. April 1891 an Scharlach erkrankt, bei der Aufnahme am 25. April deutliches Exanthem, fibrinöse Beläge auf beiden Ton- sillen, Gliederschmerzen, Temperatur 40,0, Puls 108. Temperatur in den fol- genden Tagen stets bis über 39,0, Patientin phantasirt etwas und schläft schlecht. 28. April. Anschwellung beider Hand- und Fussgelenke, systolisches Geräusch am Herzen, Gaumen und Tonsillen noch stark geschwollen und geröthet, Unter- kieferwinkellymphdrüsen geschwollen und schmerzhaft. Natr. salieyl. 2 X 05. 2. Mai. An der Herzspitze systolisches Blasen, 2. Pulmonalton verstärkt, starke Schmerzen in allen Gelenken. Temperatur 38,6, Puls 108, war die Tage vorher bis auf 138 gestiegen.

6. Mai. An der Herzspitze lautes systolisches langgezogenes Blasen, über der Aorta 2. Ton unrein, 2. Pulmonalton verstärkt, Herzdämpfung reicht bis zur Mitte des Sternums nach rechts, nach links bis zur Mamillarlinie. Tem- peratur 38,1, Puls 120, regelmässig.

23. Mai. Nur noch ein blasendes Geräusch über der Mitralis, Temperatur und Puls schon seit mehreren Tagen normal.

4. Juni. Bei der Entlassung Herztöne rein, Spitzenstoss an normaler Stelle.

In den obigen 23 Fällen bestand keine klinisch nachweisbare Nephritis und auch keinerlei Albuminurie während der Reconvalescenz. Diese waren in 10 weiteren mit Herzerscheinungen einhergehenden Fällen vorhanden und daher konnten hier die Erscheinungen der

Herzaffection mit der Nierenerkrankung im Zusammenhang stehen.

Albuminurie und Nephritis.

In 141 = 44°% der Fälle traten zu Beginn der Erkrankung mässige Eiweissmengen und hie und da auch Cylinder im Harn auf. In den meisten dieser Fälle konnte diese Albumimurie durch das Fieber bedingt sein, in nicht wenigen indess war das Fieber so niedrig, dass dies allein kaum eine Albuminurie veranlassen konnte. In vier Fällen war diese frühzeitige Albuminurie eine stärkere, und in zwei davon enthielt der Harn einige Tage hindurch mikroskopisch auch weisse und rothe Blutkörperchen, bei dem einen bestand eine starke Angina mit Belägen, beide hatten hohes Fieber und im Abfall desselben Delirien.

Ferner muss hier ein Fall angeführt werden, bei dem am Ende der ersten Krankheitswoche unter plötzlicher erheblicher Steigerung des bereits abgefallenen Fiebers ein stärkerer Eiweissgehalt und

! RomBER6, Ueber die Erkrankungen des Herzmuskels bei Typhus ab- dominalis, Scharlach und Diphtherie. Deutsches Archiv für klinische Medizin.

Bd. XLVIII.

235] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH. 39

mikroskopisch auch rothe Blutkörperchen und COylinder auftraten. Das Fieber sank rasch wieder ab, die Albuminurie aber dauerte fort, es liessen sich auch noch einige rothe Blut- körperchen und Cylinder nachweisen, bis am 21. Tag plötzlich eine typische hämorrhagische Scharlachnephritis und

bald auch urämische Erscheinungen auftraten.

St. Paula, 7 Jahre, wegen Lipoma teleangiectodes antibrachii sin. auf der chirurgischen Klinik operirt, erkrankte dort am 5. März 1889 an Scharlach und wurde sogleich auf die med. Klinik verlegt. Bei der Aufnahme Exanthem am Rumpf, schwache katarrhalische Angina. Temp. 39,2, Puls 120, der Harn ent- hält in den folgenden Tagen etwas Eiweiss. 10. März Temp. 37,5, Puls 84, leicht irregulär. 11. März Morgens Temp. 36,5, steigt im Laufe des Nachmittags auf 39,8, Puls 120. Erbrechen, Abends nach einem Bade von 23° C. 10 Minuten Dauer 37,8. 12. März Temperatur steigt wieder bis 39,0, im Harn heute ziem- lich viel Eiweiss. 13. März Temperatur heute nur 37,6, im Harn mikroskopisch rothe Blutkörperchen und Cylinder nachweisbar. 14. März Temp. 36,8, Puls 72, noch etwas irregulär, Harn noch opal. In den folgenden Tagen keine weiteren Erscheinungen, der Harn bleibt stets leicht eiweisshaltig, es lassen sich noch einmal rothe Blutkörperchen und Cylinder in demselben nachweisen.

25. März 21. Krankheitstag. Der Harn plötzlich stark bluthaltig bei mäs- sigem Eiweissgehalt, Menge des Harns leicht vermindert, Temp. 37,0, Puls 84. Vom 31. März bis 9. April urämischer Zustand mit Convulsionen, Bewusstseins- und Sehstörungen, die Papillen zuerst unverändert, werden an den Grenzen leicht verwaschen. Vom 6. April bis 10. April kommt ein Erysipel von der Operations- narbe ausgehend hinzu, dasselbe übt aber keinen weiteren Einfluss aus. Der Harn bleibt bis zum 13. April leicht bluthaltig und bis zur Entlassung am 11. Mai lassen sich noch Spuren von Eiweiss nachweisen, die Veränderungen im Augenhintergrund sind wieder zurückgegangen.

Zur typischen klinischen Scharlachnephritis gehören diese Fälle jedenfalls nicht, sie lassen sich aber erklären, wenn man mit SÖRENsEN! annimmt, dass bei Scharlach die Nieren schon sehr frühzeitig afhıcirt sein können, ohne dass dies im klinischen Bilde besonders hervorzu- treten braucht. Die Möglichkeit indess einer ganz frühen, selbst hämorrhagischen Nephritis ist besonders bei Complication mit Di- phtherie und mit Rücksicht auf obigen Fall, wo eine solche nicht offen

vorlag, sofort zuzugeben.

Oedeme oder gar urämische Erscheinungen wurden so früh niemals beobachtet.

Von diesen 141 Fällen zeigten 94 später gar keine Erscheinungen mehr seitens der Nieren, in den übrigen 47 trat später nochmals vorübergehende Albuminurie resp. die typische Scharlachnephritis auf.

1 SÖRENSEN, Ueber Scharlachnephritis, Zeitschr. für klin. Mediein, Bd. XVIII,

H. 3 und 4. 16*

40 HILDEBRAND: [2 36

Vorübergehende, in der Recovalescenz auftretende Albuminurie zeigte sich m 45 = 14° der Fälle. Sie erschien nur an einzelnen Tagen, nur in zwei Fällen mit einigen weissen und rothen Blutkörperchen und Cylindern. Harnverminderung, Oedeme oder urämische Erscheinungen traten in diesen Fällen nicht auf. Diese vorübergehende Albuminurie trat auf:

11 Mal in der 2. Woche,

IS ne n)

El De ae n)

An nn °- n)

5 2 N 6.

also am meisten auch dann, wenn die typische Scharlachnephritis aufzutreten pflegt.

Eine ausgesprochene Nephritis erschien in 62 = 19° der Fälle. Es trat in der Reconvalescenz während mehr als min- destens einer Woche andauernde Albuminurie auf, ferner Verminde- rung der Harnmenge, Oedeme und leichte T’emperatursteigerungen, 19 Mal war der Harn hämorrhagisch und 11 Mal zeigten sich urämische Symptome.

In einigen Fällen wurde die Nephritis mit einer leichten Tempera- tursteigerung eröffnet (Fall XI der Gest.), in anderen traten zu- nächst Oedeme und Erbrechen auf (Fall XIV der Gest.), zuweilen waren einige Tage vorher Unregelmässigkeiten des Pulses auf- getreten.

Die mit Beginn der Nephritis verminderte Harnmenge stieg ge- wöhnlich nach acht Tagen unter Abnahme der Albuminurie wieder an, in einigen Fällen trat vorübergehend wieder Verminderung der Harnmenge und Steigerung der Eiweissausscheidung auf.

Die urämischen Erscheinungen stellten sich mit Ausnahme eines Falles (XI der Gest.) bald mit Beginn der Nephritis ein. Sie be- standen in Erbrechen, Kopfschmerzen, Oonvulsionen, Amblyopien und Bewusstseinsstörungen, im Augenhintergrund zeigten sich nur in dem oben angeführten Fall St. Verwaschensein der Papillen und in dem Fall XV der Gestorbenen Hämorrhagien in der Retina beider Augen, die bei der bestehenden Endocarditis nicht mit Sicherheit auf die Nephritis und Urämie zurückzuführen sind. Vier gingen in vollständige Genesung aus, die übrigen sieben gingen theils durch die Intoxication theils anderweitig zu Grunde (vergl. die Gestor- benen). |

237] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH. 41

K. Emil, 5 Jahre, am 26. Aug. 1887 erkrankt, bei der Aufnahme am 27. Aug. Angina mit Belägen, Harn etwas eiweisshaltig, Temp. 39,8, Puls 170.

28. Aug. Exanthem, Temp. 40,1, Puls 168, die Temperatur sinkt in den folgenden Tagen, das Exanthem blasst ab.

31. Aug. Schmerzen in beiden Handgelenken, am linken etwas Schwellung, Harn eiweissfrei, Temp. 37,9, Puls 124.

5. Sept. Beginn der Desquamation, Harn eiweissfrei, Temp. 37,5, Puls 98, etwas irregulär.

6. Sept. (12. Tag) Harn leicht eiweisshaltig, Temp. 37,4, Puls 92,

9. Sept. Morgens. Patient bisher stets ruhig und klar, ist heute früh plötzlich sehr aufgeregt, schreckhaft, hallucinirt, schreit oft unmotivirt, das Gesicht ist blass, an den Augenlidern leichtes Oedem. Harn leicht eiweisshaltig, klar, Temp. 37,2, Puls 96, etwas irregulär.

Mittags. Im Harn gar kein Eiweiss, dagegen vereinzelte hyaline Cylin- der und Nierenepithelien und einzelne ausgelaugte rothe Blutkörperchen, Temp. 38,2, Puls 108, Therapie: Infus. Sennae comp. 2x 10,0. 8 trockene Schröpf- köpfe in die Nierengegend, Priessnitz um den Leib, Nachmittags warmes Bad, 38° C., 30 Minuten, mit nachfolgendem warmem Wickel.

Abends. Patient hat stark geschwitzt, ist ruhiger aber immer noch schreck- haft. Auffallender Wechsel in der Weite der Pupillen, Temp. 37,2, Puls 108.

8. Sept. Patient ist ruhiger, keine Convulsionen, kein Erbrechen, Harn leicht eiweisshaltig, Menge stark vermindert, Temp. 37,4, Puls 98.

9. Sept. Im Harn wenig Eiweiss, keine Cylinder nachweisbar, Menge’ zu- nehmend 950 cem, Temp. 37,2, Puls 84.

10. Sept. Harn eiweissfrei, Menge 1200 ccm, Temp. 37,4, Puls 96.

12. Sept. Patient noch etwas schreckhaft, sonst psychisch wieder normal, Harn stets eiweissfrei, Menge 1400 ecm, Temp. 36,9, Puls 108.

16. Sept. Harn wieder leicht eiweisshaltig, Menge 1200 ccm, Oedem um die Augenlider, Temp. 37,6, Puls 78.

Vom 17. Sept. bis 25. Sept. enthält der Harn wieder ziemlich viel Eiweiss, dabei auch reichlich körnige und epitheliale Cylinder und Detritus, da- gegen keine rothen Blutkörperchen, seine Menge ist vorübergehend bis auf 800 cem vermindert, im Abdomen und beiden Pleurahöhlen deutliche Ergüsse. Die Temperatur stieg nur am 18. Sept. auf 38,2, der Puls auf 126, Erbrechen trat einmal auf, sonst keine urämischen Erscheinungen.

16. Sept. Bei der heutigen Entlassung ist der Harn noch leicht eiweiss- haltig, Temp. 37,5, Puls 104.

Unter 49 Fällen, bei denen sich der Beginn der klinischen Ne- phritis genauer bestimmen liess, fiel derselbe

8 Mal in die 2. Woche, 27 N” N” 3. N 13 N N N 4.

1 N” N N T. Pr]

H= DD

HILDEBRAND: [238

Von den Lebensaltern zeigte sich befallen

das 1.— 5. 14 Mal in 21,87°/ der Erkrankten,

n„ 6.—10. 27 5 5 29,67% 7 n „dd.ld. De 18,37°/o n 2) n„ 16.—20. 6 „6,890 n ? 21.—25. 5 men 10,42°/o ?

Die Neigung zur Erkrankung an Nephritis war demnach in den ersten 15 Lebensjahren am grössten.

Ueber die Dauer der Eiweissausscheidung lässt sich kein genauer Ueberblick geben. Von den mit Nephritis Befallenen starben 18, ferner wurden mehrere bereits mit Nephritis aufgenommen und schliess- lich wurden mehrere vor Beendigung der Albuminurie nach vollen- deter Desquamation bei subjectivem Wohlbefinden zur weiteren Pflege nach Hause entlassen. Soweit es sich indess feststellen liess, dauerte die Albuminurie meist 3—4 Wochen, natürlich kam auch kürzere und längere Dauer vor, wie dies bei der grossen Verschiedenheit der Intensität der Nierenaffection bei Scharlach leicht erklärlich ist.

Der Digestionsapparat.

Initiales Erbrechen war sehr häufig, weitere erheblichere Störungen von Seiten des Magens kamen nicht vor.

Häufig bestand zu Beginn der Erkrankung etwas Verstopfung, die indess bald nachliess, Durchfälle waren seltener. Nur in zwei Fällen traten stärkere Durchfälle in der Reconvalescenz auf, einmal bei einem 2'/sjährigen Kind, welches vor drei Wochen die Masern durchgemacht hatte und im Verlauf des Scharlachs eine Otitis media bekam. Bei diesem traten in der vierten Woche unter Fieber bis 39,6° heftige Durchfälle mit starkem Meteorismus auf, dieselben dauerten etwa drei Wochen an, das Kind erholte sich nur langsam. In dem anderen Fall handelte es sich um ein 22jähriges Mädchen, bei welchem in der fünften Woche ein Dickdarmkatarrh mit schlei- migen Stühlen auftrat unter kaum nennenswerthen Temperatur- steigerungen bis 37,6°.

Bei den Sectionen fanden sich häufig die Darmfollikel und PEYER- schen Plaques, sowie die Mesenterfialdrüsen mehr oder weniger ge- schwellt, ohne dass während des Lebens erhebliche Darmerscheinungen aufgetreten waren. Icterus zeigte sich in fünf Fällen, drei Mal nur ganz leicht zu Beginn bei leichter Obstipation. In zwei Fällen war er stärker, in dem einen handelte es sich um eine alte Cholelithiasis, in dem

239] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH. 43

anderen um ein schwächliches 2!/sjähriges Kind. Dasselbe fieberte zu Anfang nur wenig und zeigte ein schwaches Exanthem. In den folgenden Tagen stieg die Temperatur bis 39,5° es entwickelte sich eine Otitis media, zugleich erschien bei schwacher Obstipation ein deutlicher Icterus mit gallenlosen Stühlen und leichter Vergrösse- rung der Leber. Mit Ablauf des Fiebers und Ausheilung der Otitis ging auch der Ieterus wieder zurück.

Die Leber zeigte sich bei den Sectionen häufig vergrössert und blutreich.

Die Milz konnte in den meisten Fällen als vergrössert nach- gewiesen werden und war sehr oft fühlbar. In einem Fall war sie sehr stark vergrössert, es betraf dies einen dreijährigen Knaben, der infolge einer eitrigen Otitis media drei Wochen lang hoch fieberte und auch eine leichte Nephritis bekam. Das Blut zeigte keine Ver- änderungen.

Bei den Sectionen wurde die Milz stets vergrössert und öfters auch weich und schlaff angetroffen.

Complicationen von Seiten der Lungen.

Bronchitis! trat in 31:= 9,7°/o der Fälle auf, 20 Mal zu Beginn der Erkrankung während des Fiebers, 11 Mal im späteren Verlauf nach dem Auftreten einer Nephritis. Ob die Angina eine rein katarrhalische oder eine solche mit diphtheritischen Belägen war, hatte keinen wesentlichen Einfluss.

Katarrhalische Pneumonien traten in 19 Fällen auf, 15 davon gingen zu Grunde, darunter waren 10 durch Diphtherie und 5 durch Nephritis complicirt und diese Complicationen hatten die Pneumonie veranlasst.

Von den übrigen vier Fällen griff in dreien die zu Beginn im Fieber auftretende und nicht durch Diphtherie hervorgerufene Bron- chitis in den Unterlappen auf das Lungengewebe über und führte zur Bildung von mehr oder weniger ausgedehnten catarrhalisch pneu- monischen Herden, in einem auch zu leichter trockener Pleuritis. In einem Fall war die Bronchitis nach dem Eintreten einer hämor- rhagischen Nephritis entstanden und führte zu einer leichten Infil- tration des linken Unterlappens mit pleuritischen Erscheinungen.

! Tomas, Scharlach S. 655. HenxocH, Kinderkrankheiten S. 236.

44 HiILDERRAND: [240

Die Incubationszeit.

Die Incubationszeit liess sich nur in zehn Fällen mit ziem- licher Genauigkeit feststellen. Diese zehn Fälle mögen gleich hier aufgeführt werden.

I. M. Marie, 9 Jahre. Seit 13. Aug. 1877 auf der chirurgischen Klinik wegen Lymphdrüsentumors an der linken Halsseite, am 18. Aug. operir. Am 19. Aug. Unruhe, Temp. 39,5. 20. Aug. Exanthem, über den weiteren Verlaut vgl. Fall III der Gestorbenen.

Die Incubationszeit, die wohl sicher erst von der Operation an zu rechnen ist, betrug nicht mehr als 24 Stunden.

II. W. Luise, 34 Jahre, Ladnerin. Am 21. Febr. 1880 besuchte Patientin ein scharlachkrankes Kind und verweilte etwa eine halbe Stunde in dem Zimmer desselben, ohne indess dabei mit dem Kind oder dessen Bett in nähere Berüh- rung zu kommen. 22. Febr. Morgens Halsweh. 23. Febr. Erbrechen, Durchfall, Frost. 24. und 25. Febr. Halswen und Schluckbeschwerden. Am 26. Febr. wurde der Ausschlag an den Armen entdeckt und Patientin suchte das Spital auf. Patientin fieberte hoch und hatte Defervescenzdelirien (vergl. diese) sonst bot der Verlauf nichts besonderes.

Die Ineubationszeit betrug weniger als 24 Stunden.

III. M. Anna, 20 Jahre, Dienstmädcehen. Patientin befand sich seit 20. Dez. 1880 wegen eines Abscesses am rechten Oberschenkel auf‘ der chirur- gischen Klinik. 24. Dez. Incision, Patientin fühlt sich erheblich erleichtert. In der folgenden Nacht gegen 11 Uhr plötzlich Hitze, am nächsten Morgen Exanthem.

Patientin bekam in der Reconvalescenz eine leichte Nephritis.

Inceubationszeit kaum mehr als 12 Stunden.

IV. Sch. Josefa, 16 Jahre. Patientin war am 27. Jan. 1888 wegen Angina catarrh. und Tonsillitis hypertrophica auf die medicinische Klinik aufgenommen. 15. Febr. Tonsillotomie auf der chirurgischen Klinik. 16. Febr. Mittags Schüttel- frost, Angina. 17. Febr. Exanthem. Der Fall verlief letal, vgl. Fall XV der Gestorbenen. Die Incubationszeit betrug nur 24 Stunden, der Beginn ist wohl sicher von der Tonsillotomie an zu rechnen, Patientin war zwar am Tage vorher mit 2 Scharlachreconvalescenten in einem Separatzimmer zusammengekommen, dieselben waren aber vollständig frei von Abschuppung, gebadet und frisch gekleidet und wurden entlassen. Das Zimmer, in welchem Patientin lag, be- findet sich auf demselben Corridor, wie das Scharlach-Isolirzimmer, welches noch durch einen mit Carbolwasser feuchtgehaltenen Vorhang besonders abgeschlossen ist. Die das Scharlachzimmer Betretenden haben einen Ueberzug über ihre Kleider anzulegen und Unberufenen ist der Zutritt unbedingt untersagt. Immer- hin ist es möglich, dass beim Ein- und Ausgehen des Arztes und der pflegenden Schwester in der Luft schwebende Scharlachkeime aus dem Zimmer in den Corridor geweht werden können. Die Fenster des Corridors sind stets offen. Patientin war auf diesen Corridor, aber nie in das Scharlachzimmer gekommen, die Infection kann als nur entweder durch Vermittlung jener Scharlachrecon-

241] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH. 45

valescenten, oder durch aus der Luft des Corridors aufgenommene Keime, welche erst, nachdem eine Wunde im Hals gesetzt war, zur Wirksamkeit gelangten, zu Stande gekommen sein.

V. L. Marie, 29 Jahre. Patientin war am 19. Jan. 1888 wegen eines Recidivs von Polyarthritis rheumatica und alter Mitralinsufficienz aufgenommen. Am Abend des 15. Febr. war die vorige Patientin Sch., die am 16. Febr. er- krankte, in das Bett neben die L. gelegt worden. Am 17. Febr. Morgens Angina, Brechreiz, Mittags Exanthem.

Incubationszeit jedenfalls nicht länger als 36 Stunden.

VI. M. Friedrich, 18 Jahre, seit 12. Nov. 1887 wegen Gehirntumors im Spital. Am 6. Febr. 1888 ist bemerkt: Nachdem am Tag vorher ein Patient mit Scharlach nur wenige Stunden im Nachbarbett des Patienten gelegen hatte, erkrankt dieser an Angina, dem bald ein typisches Scharlachexanthem folgt.

Ineubationszeit weniger als 24 Stunden.

VII. W. Theodor, 15. Jahre, Kellner. Patient hatte am 6. Juni 1888 Abends eine scharlachkranke Schwägerin besucht. 7. Juni Halsschmerzen. 8. Juni Exanthem. Patient bekam in der Reconvalescenz eine leichte Nephritis.

Ineubationszeit weniger als 18 Stunden.

VIII. St. Richard, 8 Jahre. Patient kam am 15. Juni 1890 mit einem scharlachkranken Knaben zusammen. 16. Juni Morgens Schluckbeschwerden, bald Exanthem.,

Incubationszeit nicht mehr als 18 Stunden.

IX. S. Fanny, 5 Jahre. Eine Schwester der Patientin war am 16. Dez. nach sechswöchentlichem Spitalaufenthalt wegen Scharlach und nach vollendeter Desquamation entlassen worden. In der Nacht vom 16. auf den 17. Dez. sehliet Patientin mit dieser zusammen in einem Bett, am 17. Dez. Exanthem.

Incubationszeit 12—18 Stunden.

X. S. Sophie, 13 Jahre. Patientin, Schwester der vorigen, erkrankte in der Nacht vom 17. auf den 18. Dez. mit Hals- und Kopfweh. 19. Dez. Exanthem

Incubationszeit 24—36 Stunden.

Es dauerte demnach die Incubationszeit:

bis zu 12 Stunden in 1 Fall, le len, nn 24 n # n nn 96 n n 2 »

Die obigen Fälle bestätigen nur die in neuerer Zeit wiederholt gemachte Beobachtung, dass die Incubationszeit bei Scharlach eine sehr kurze sei, ein Fall für eine Incubationszeit von 4—7 Tagen konnte nicht beigebracht werden!.

1 SÖRENSEN, Ueber die Incubationszeit des Scharlachfiebers. Internationale klinische Rundschau 1889. Bäumter, Prophylaxis des Scharlachs. Münchner med. Wochenschrift 1888, No. 42. Tomas, Scharlach, S. 175ff. Bonn, Scharlach, Gerhard Handbuch der Kinderkrankheiten, 2. Bd., S. 255. HzxocH, Kinderkrankheiten S. 676. FÜRBRINGER, Scharlach, Realencyclopädie Eulen- burg, Bd. XVII, S. 462.

46 HILDEBRAND: [242

Die Behandlung.

Die Behandlung war stets eine rein symptomatische. Die Pa- tienten wurden zunächst in einem besonderen, möglichst gut lüft- baren Krankensaal, untergebracht.

Im Beginn der Erkrankung wurde, wenn das Fieber sehr hoch war, die Temperatur in den letzten Jahren ausschliesslich durch abkühlende Bäder von 22—28° ©. und 10 Minuten Dauer herab- gesetzt, nur in: sehr schweren Fällen versagten sie ihre Wirkung. In den ersten Jahren unserer Beobachtung wurden hie und da auch Chinin und das salicylsaure Natron als Antipyretica gegeben. Ueber einen. wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung oder Verhütung einer späteren Nephritis konnten keine Beobachtungen gemacht wer- den. Durch die Bäder wurde zugleich durch Anregung der Respi- ration schwereren Complicationen von Seiten der Lungen vorgebeugt.

Die Angina wurde mit Gurgelwässern, bestehend in hyper- mangansauren und chlorsauren Kalilösungen bekämpft. Bei Di- phtherie wurden die Beläge mit Sulfur praecipitatum gepudert, eine Behandlungsmethode, welche bei Rachendiphtherie uns in zahl- reichen Fällen überraschend günstige Resultate geliefert hat, auch Eisstückchen zum Schlucken und Priessnitz’sche Umschläge wurden gegeben. Bei Betheiligung des Nasenrachenraums und des Mittelohrs mit Perforation des Trommelfells, wurden diese Höhlen mit desinfizirenden Lösungen ausgespült. Abscesse und Phleg- monen, die allerdings selten waren, wurden mit Ineisionen behandelt. Bei absteigender Diphtherie musste wiederholt die Tracheotomie ausgeführt werden, von den wenigen postdiphterithischen Lähmungen

wurden bei einer (s. o. 8. 31) Strychnininjectionen mit Erfolg an- gewendet.

Gegen die rheumatischen Erscheinungen, Pleuritis und Pericarditis wurde das salicylsaure Natron gegeben.

Der Stuhlgang wurde je nach Obstipation oder Diarrhoe durch abführende oder stopfende Mittel geregelt.

Nach Beginn der Abschuppung wurde jeden zweiten Tag ein warmes Bad mit besonderer Reinigung der Haut durch Seife, in letzter Zeit Resorcinseife, gegeben und dies bis nach Vollendung der Desquamation fortgesetzt. Einreibungen der Haut mit Carbolöl wurden früher, in den letzten Jahren nicht mehr vorgenommen.

! THomas, p. 334.

243] STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH. 47

Um jede Gelegenheit zur Entstehung einer Nephritis durch Erkältung zu verhüten, wurden die Patienten auch noch während der Desquamation bis zum Ende der vierten Krankheitswoche im Bett gehalten. Beim Eintreten einer solchen wurden die Nieren nach Möglichkeit durch Priessnitzsche Umschläge, trockne Schröpfköpfe in der Nierengegend, heisse Bäder von 35° ©. mit nachfolgender Ein- wicklung, Abführmittel entlastet, auch Pilocarpin wurde in einzelnen Fällen innerlich und subcutan angewendet. Das Herz wurde, wenn nöthig mit Digitalis unterstützt. Gegen die urämischen Convulsionen wurden ausserdem Morphin, Chloral und in zwei Fällen auch Chloro- forminhalationen angewendet.

Bei Complicationen von Seiten des Herzens wurden Eis- blasen, Digitalis und Strophantus verordnet.

In schweren Fällen wurde bei ungenügender Nahrungsaufnahme die Ernährung durch Pepton- und Eierklysmata energisch unterstützt.

In der Reconvalescenz erhielten die Patienten in den meisten Fällen zur Hebung der zurückgebliebenen Anaemie ein Eisenpräparat und zwar vorzüglich das Malzextract mit Eisen.

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AUSGEGEBEN IM JUNI 1893.

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DER

NATURFORSCHENDEN GRSELLSCHAFT

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IN VERBINDUNG MIT

Dr. Dr. F. HiLpEBRAND, J. LüRoTH, J. von KrIEs, G. STEINMAnN, E. WARBURG, A. WEISMANN, R. WIEDERSHEIM,

PROFESSOREN AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG,

HERAUSGEGEBEN VON

DR. AUGUST GRUÜBER,

PROFESSOR DER ZOOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG.

SIEBENTER BAND. ERSTES HEFT. MIT 7 TAFELN UND 24 ABBILDUNGEN IM TEXT.

INHALT: R. HERRMANN, Das KULMGEBIET von LENZKIRCH IM SCHWARZWALD A. WEISMANN, HisTorIscHES ZUR LEHRE VON DER CONTINUITÄT DES Kemprasma’s. L. ZEHNDER, UEBER DIE REFLEXION UND DIE ReE- SONANZ DER HERTZ’SCHEN ELEKTRISCHEN SCHWINGUNGEN. A. GRUBER, MIKROSKOPISCHE VIVISEKTIONn. W.SCHMIDLE, BkıtrÄäsE ZUR ALGEN- FLORA DES SCHWARZWALDES UND DER RHEINEBENE. V. HAECKER, UÜEBER DIE BEDEUTUNG Des HauprsucreoLus. FR. PFAFF, UNteR- SUCHUNGEN ÜBER DIE GEOLOGISCHEN VERHÄLTNISSE ZWISCHEN KANDERN UND LÖRRACH IM BADISCHEN ÖBERLANDE. KENKITZI HORIUCHI, BEOBACHTUNGEN ÜBER DEN GENITALAPPARAT EINES ZWEIJÄHRIGEN WEIB- CHENS VON ÜHIMPANSE.

FREIBURG I. B. UND LEIPZIG 1893.

AKADEMISCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG VON J. C. B. MOHR N (PAUL SIEBECK).

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Das Kulmgebiet von Lenzkirch im Schwarzwald. Von Dr. R. HERRMANN. Mit einer geologischen Uebersichtskarte Talea, BR en a re

Notiz zur Uebersichtskarte Seite 85.

Historisches zur Lehre von der Continuität des Keimplasma’s. Von Geheimrath Professor Dr. A. WEISMANN 2

Ueber die Reflexion und die Resonanz der Hertz’schen elektri- schen Schwingungen. Von Privatdozent Dr. L. ZEHNDER. Mit! Abbildung: im. Det. 5:8. 00 De

Mikroskopische Vivisektion. Von Professor Dr. A. GRUBER. Mit 13 Abbildungen im Text Se N

Beiträge zur Algenflora des Schwarzwaldes und der Rhein- ebene. Von Professor W. ScHMmiDLE in Mannheim. Mit Tafel II—VI* : :

Figurenerklärung Seite 44 und 45.

Ueber die Bedeutung des Hauptnucleolus. Vorläufige Mit- teilung. Von Privatdozent Dr. V. HAECKER

Untersuchungen über die geologischen Verhältnisse zwischen Kandern und Lörrach im badischen Oberlande. Von Dr. Fr. PrArr. Mit Tafel VIL RR

Beobachtungen über den Genitalapparat eines zweijährigen 'Weibchens von Chimpanse.. Von cand. med. Kenkıtzı Horıen Mit 10 Abbildungen im Text

* Berichtigung. Die Tafeln sind in der Figurenerklärung und im

Seite

36

38

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153

Texte

der Abhandlung irrthümlicherweise als I—V bezeichnet, bezw. citirt worden.

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AUSGEGEBEN IM NOVEMBER 1893.

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NATURFÜRSCHENDEN GESELLSCHAFT

11,918 | zu FREIBURG IL B.

IN VERBINDUNG MIT

Dr. Dr. F. HILDEBRAND, J. LÜROTH, J: Von KrıEs, G. STEINMANN E. WARBURG, A. WEISMANN, R. WIEDERSHEIM,

PROFESSOREN AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG,

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HERAUSGEGEBEN VON

DR. AUGUST GRUBER,

PROFESSOR DER ZOOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG.

SIEBENTER BAND.

ZWEITES HEFT.

MIT 1 En UND 23 ABBILDUNGEN IM TEXT.

# INHALT: G. BOEHM, CostasTarıe unn Herteropıs. STEWART LEE, Zur N 8 - KENNTNiss DES ÖLFAcCTORIUS. V.HAECKER, ÜEBER DIE EEINTWICKLUNG

© 0 pms WINTRREIES von Morxa paranoxa Weısı. B. HILDEBRAND, RR STATISTISCHES UND KLINISCHES ÜBER SCHARLACH.

FREIBURG I. B, unp LEIPZIG 1893.

4 AKADEMISCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG VON J. B. MOHR (PAUL SIEBECK).

Inhalt.

Seite Coelastarte und Heteropis. Von Professor Dr. G. BoEHM.

Mitt Tafel VEER a es a N Tafelerklärung Seite 178. Zur Kenntniss des Olfactorius. Von Stewart Leer. Mit 9.Kieuren:. er, . ; > Ueber die Entwicklung des Wiitersiee von Möine aradoes nn (Vorläufige Mittheilung.) Von Privatdocent INS SHÄBCKER. u ee le ee und Klinisches über Shan. Von B. HitLpE- BRAND, Assistenzarzt an der med. Klinik. Mit 14 Figuren 197

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Jede L. franco geg. 10 Pf. in Briefmark., w. bei Bestelle. einrechne. Aufträge f. Obj., w. nicht im gewöhnl. N.-Handel vorkom., gerne an- genom. Bitte auf Doppelkarte.

F. SıkorA, Naturalist, Annanarivo, Madagascar, via Marseille.

Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) in Freiburg i. B. und Leipzig.

Autenrieth, Dr. W., Erster Assistent am chem. Universit.-Laboratorium (med. Fac.) zu Freiburg i. B., Kurze Anleitung zur Auffindung der Gifte und stark wirkender Arzneistoffe. Zum Gebrauche in chemischen Laboratorien. Gr. 8. 1892. M. 2.50. Geb. M. 3.50.

Cloetta-Filehne, Lehrbuch der Arzneimittellehre und Arzneiverord- nungslehre. Achte verbesserte Auflage. Gr. 8. 1893. M. 6.—. Geb. M. 7.—.

Soeben ist erschienen:

Hildebrandt, Dr. med. H., Kompendium der Toxikologie. Gr. 8. 1893. M. 1.40. Geb. M. 2.40.