7 55 * f 75 2. 11 . \ — ur * 2 . . nn . . — 1 ‘ 4 D c ee, D * N N £ EM NY * 8 > S SHIT € 72 Er: . 0 — 2 8 | b 1397 Av: Ww:Gibson-invr LAT, . 22 Aa 32 7 Über Orchideen. n. 2 . . 0 F. Boyle. über Orchideen. Deutſche Original-Ausgabe, herausgegeben von Dr. F. Aränzlin, Profeſſor in Berlin. RA N K 80 NIC AL GAR. Mit 8 Farbendrucktafeln. Berlin. Verlagsbuchhandlung Paul Parey. Verlag für Landwirtſchaft, Gartenbau und Forſtweſen. S W.., Bedemannſtraße 10. 1896. FEB 2 0 193 AN mW TORE ANNA HARBRN, Dorwort des Herausgebers. Das Buch, welches hier in deutſcher Sprache zu allen denen reden ſoll, die für Orchideen, ihre Kultur und alles, was auf ſie Bezug hat, ein reges und ſtetes Intereſſe haben, iſt von einem Manne verfaßt, welcher als äſthetiſch gebildeter und für ſein Thema leidenſchaftlich begeiſterter Laie zu Laien redet. Er will begeiſtern, wie er ſelber begeiſtert iſt; er will den Orchideen Freunde erwerben bei allen denen, welche einer Freude an Pflanzen und ganzer Hingabe an die Kultur ihrer Lieblinge fähig ſind; ex will ein Glück und eine innere Genugthuung, welche er ſelber tagtäglich erfährt, ſo vielen Menſchen zu verſchaffen ſuchen, als ihm möglich iſt. Er ver— ſucht alle Mittel der Überredung, in allen Formen, die nach unſerem kontinentalen Geſchmack oft gar zu opulente Schilde— rung der Schönheit nicht minder, wie die Ableugnung der Schwierigkeiten ihrer Kultur, die Hoffnung auf möglichen Gewinn durch vorteilhafte Käufe, wie die verlockende Ausſicht auf eine mit glücklicher Hand gezogene Hybride. Alles und jedes, was irgend ſich beibringen läßt, führt der Autor ins Feld, um den Orchideen und ihrer Kultur neue Gläubige zu gewinnen. Ein Prophet, der an die Lehre glaubt, welche er predigt, und fie ausbreiten will! Daß Herr Boyle bei den Schilderungen ſeiner gärt— neriſchen Verſuche und bei den Ratſchlägen für beginnende Orchideenzüchter zunächſt an England gedacht hat, iſt natür— lich; aber der Grundgedanke des Werkes gilt auch für unſere Verhältniſſe, und auch für uns gelten die Sätze, daß Probieren über Studieren geht, und daß eine ehrliche Begeiſterung und Liebe zu den Pflanzen mancher Schwierigkeiten Herr wird, welche zuerſt unüberwindlich ſchienen. VI Vorwort. Ich muß noch ein paar Worte über meinen Anteil an der deutſchen Ausgabe hinzufügen. Ich erhielt von dem Ver— leger, Herrn Dr. Parey, das fertige Manuffript mit der Bitte, es einer genauen Reviſion zu unterziehen, welche freilich drin— gend nötig war. Die Anfangskapitel hatte ich ganz neu zu überſetzen; bei den ſpäteren Kapiteln, welche von vornherein beſſer überſetzt waren, habe ich mich darauf beſchränkt, die Anglicismen ꝛc. zu beſeitigen, habe aber ſonſt den Autor zu Worte kommen laſſen. Hätte ich mich zu einer vollſtändigen Umarbeitung des Werkes entſchloſſen, wozu man mich, wie ich noch einmal bemerke, nicht aufgefordert hatte, ſo würde ich, ſo ſehr ich den Grundgedanken des ganzen Buches billige, doch ſehr vieles anders ausgedrückt haben. In einigen Fällen habe ich durch Noten unter dem Text meiner Anſicht Ausdruck gegeben, aber ich habe mir auch hierin Beſchränkung auferlegt. Ein Botaniker muß ja notwendigerweiſe manches anders be— urteilen, als ein Liebhaber, und ich habe es auch hier vor— gezogen, den Autor ſeine Sache allein führen zu laſſen. Dies vorweg zu bemerken hielt ich der Kritik gegenüber für er— forderlich. — Ich hoffe für den Autor wie für den Verleger, daß das Buch viele Freunde finde und dem Zwecke diene, welchem der Autor ſich und ſeine Feder gewidmet hat: Freude und Begeiſterung für die Kultur der Orchideen zu erwecken. Niemand wird es aus der Hand legen, ohne die Befriedigung, welche uns dann überkommt, wenn wir auf eine ganze, aus einem Stück beſtehende Perſönlichkeit ſtoßen, und das iſt hier der Fall. Dies muß und wird zweifelsohne auch denjenigen Leſern die Lektüre des Buches angenehm machen, welche in dieſer oder jener Beziehung anderer Anſchauung ſind. Berlin-Gr. Lichterfelde, Frühling 1896. Dr. F. Nränzlin. Inhalt. Seite 777 Erites Kapitel: Wie ich es anfing, Gartenbau zu treiben 5 j 11 // / c nn 17 Viertes Kapitel: Eine Orchideen-Auktian ss 24 Fünftes Kapitel: Orchideen im allgemeinen 39 Sechſtes Kapitel: Kalthaus⸗-Orchideee nnn 53 Siebentes Kapitel: Orchideen des temperierten Hauſes - 87 Achtes Kapitel: Warmhaus⸗-Orchideess 115 Neuntes Kapitel: Eine verſchollene Orchideen 143 Zehntes Kapitel: Eine Orchideen⸗ʒ⸗ amm 150 Elftes Kapitel: Über Züchtung von Orchideen und Kreuzungsformen 170 Einleitung. Der Zweck, welchen ich durch dies Buch erreichen wollte, iſt am klarſten in einem Briefe dargelegt, welchen ich vor einigen Monaten an eine Zeitungs-Redaktion richtete und welchen ich hier im Wortlaut mitteile: „Ich bin Ihnen dafür dankbar, daß Sie Ihre Leſer auf mein kleines Werk aufmerkſam machten, in welchem ich mir Mühe gab, zu beweiſen, daß es auch für Perſonen mit be— ſcheidenem Vermögen ſehr wohl möglich ſei, ſich das Glück des Beſitzes einer Orchideenſammlung zu verſchaffen. Dieſe Erkenntnis allgemeiner zu machen, erachte ich für den Bei— trag, welchen ich zu dem Glück meiner Mitmenſchen beiſteuere, und ich bilde mir ein, daß er ebenſoviel wert iſt, als manches Wort, welches von Kanzeln oder politiſchen Rednerbühnen herab geſprochen wird. In einem Punkte aber irrt ſich Ihr Berichterſtatter, indem er mir zugleich ein Kompliment macht, nämlich darin, daß ich über eine beſondere Befähigung zur Orchideenkultur verfügen müſſe, wenn es mir möglich ſei, dieſe mit nicht größeren Koſten zu betreiben, als jede andere Kultur von Gewächshauspflanzen und — ohne Gärtner. Ich bin in der glücklichen Lage, eine Menge von Herren zu kennen und einige Damen dazu, welche nach keiner Richtung hin beſſer daran ſind, als ihre Nachbarn und welche, gleich mir, auch keine beſonderen Schwierigkeiten gefunden haben. Wenn nun das Vergnügen, welches dieſe Leute haben, auch nur zu einem geringen Teil durch Orchideen. 1 DD Einleitung. meine Aufſätze veranlaßt it, jo habe ich meinen Zeitgenoſſen wenigſtens etwas Gutes gethan.“ In der Hoffnung, dies erreichen zu können, habe ich frühere Aufſätze zuſammengeſtellt und ſehe mit einiger Genug— thuung, daß kaum irgend eine Angabe der Verbeſſerung bedarf, obwohl manche der Artikel vor Jahren geſchrieben ſind; aber es geht in dieſem Zweige des Wiſſens, wie in jedem anderen, wer ſtudiert, ſammelt fortwährend neue Thatſachen. So habe auch ich verſucht, meine Eſſays entſprechend neuzugeſtalten, beſonders durch Hinzufügung der Artikel über „Baſtarderzeugung“, ein Thema, für welches das große Publikum bisher kein Intereſſe hatte, weil es abſolut nichts davon erfuhr; denn thatſächlich hat ſich niemand die Mühe gegeben, einen Bericht über die wundervollen und überraſchenden Ergebniſſe zu verfaſſen, welche auf dieſem Gebiete gerade in den letzten Jahren erzielt worden ſind. Es liegt nicht in dem Rahmen meines Werkes, den ganzen Umfang dieſer Arbeiten darzulegen, jedoch wird jeder, der ſich nicht durch die Überſchrift des Kapitels abſchrecken läßt, finden, wie hochintereſſant der Gegenſtand iſt. Dieſe Eſſays ſollen nicht mehr und nicht weniger ſein, als Plaudereien eines Mannes von Bildung über Orchideen. Sie enthalten natürlich eine Menge von Thatſachen, welche, wo es nicht zu umgehen war, etwas ausführlich dargelegt ſind, ſich aber wohl kaum irgendwo in knapperer Form be— handelt finden. Da mich alles intereſſiert, was Orchideen angeht, ſo habe ich mir erlaubt, dies bei anderen vorauszu— ſetzen. Denn es iſt bei mir zum Glaubensartikel geworden, daß alles, was einen Gebildeten intereſſiert, alle Gebildeten intereſſieren müſſe, ſofern es nur in einer klaren und an— ſprechenden Form vorgetragen wird. Bisher haben Gelehrte und Fachmänner die Freuden der Orchideenkunde auf ihre Art genoſſen. Sie haben unendliche wiſſenſchaftliche Arbeiten darüber geſchrieben, welche in wiſſenſchaftlichen oder Garten— Einleitung. 3 bauwerken eingeſargt ſind. Wenige Menſchen ahnten, daß hinter dieſer trockenen Außenſeite ein erfreulicher Kern ſtecke. Orchideen waren von etwas Geheimnisvollem umgeben, ab und zu drang eine kurze Notiz in die Zeitungen, daß dieſe oder jene Pflanze mit einem unglaublichen Namen zu irgend einem fabel— haften Preiſe gekauft oder verkauft worden ſei. Derartige Nach— richten tragen in den Augen des Publikums weſentlich dazu bei, die ganze Frage noch unnahbarer zu machen, und es iſt höchſte Zeit, daß dieſes Vorurteil dauernd beſeitigt wird. Viel— leicht trägt dies Buch mit dazu bei, und dann hat es ſeine Schuldigkeit gethan — wenn es Leſer findet. Die farbigen Tafeln ſind verkleinerte Reproduktionen der Meiſterwerke des Herrn Moon und der „Reichenbachia“ ) ent— lehnt. Ich verdanke die Erlaubnis, ſie benutzen zu dürfen, der Liebenswürdigkeit des Herausgebers dieſes Prachtwerkes, Herrn Friedr. Sander. Genaue Kulturanweiſungen habe ich nicht gegeben. Niemand iſt mehr überzeugt, als ich, daß ein derartiges Buch hochnotwendig iſt; denn niemand hat durch unangenehmere und koſtſpieligere Mißgriffe die falſchen Angaben der landläufigen Bücher ſo zu büßen gehabt, als ich. Obwohl für Anfänger beſtimmt, ſind dieſe Bücher ſämtlich doch nur für Eingeweihte 1) Reichenbachia. Chromolithographiſche Abbildung, Beſchreibung und Kulturanweiſung der ſchönſten Orchideen. Unter Mitwirkung wiſſenſchaftlicher Autoritäten herausgegeben von F. Sander in St. Albans, England. Gr. Folio. In Heften à 4 Tafeln nebſt Text in deutſcher, engliſcher und franzöſiſcher Sprache. Berlin, Verlagsbuchhandlung Paul Parey. 12 Hefte bilden einen Band. Subfſkriptionspreis à Heft 10 M. Bereits erſchienen: Erſte Serie, Band 1, 48 Tafeln mit Text, 1889. 220 M. „ 2, 48 Tafeln mit Text, 1890. 120 „ Zweite Serie, „ 1, 48 Tafeln mit Text, 1892. 120 „ „ 2, 48 Tafeln mit Text, 1894. 120 „ 1* 4 Einleitung. gejchrieben. Und dies iſt ganz natürlich. Jeder, welcher es, worin es immer ſein mag, zu einer gewiſſen Fertigkeit gebracht hat, beſitzt erfahrungsmäßig keine Vorſtellung mehr von der abſoluten Unwiſſenheit des Anfängers. Er nimmt unwillkürlich eine gewiſſe Summe von Kenntniffen als ſelbſt— verſtändlich an, und er wird es vernachläſſigen, den Schüler über die allererſten Lehrſätze zu unterrichten, obwohl dieſe die wichtigſten ſind. Sodann ſind Gärtner in der Regel nicht in der Lage oder daran gewöhnt, das, was ſie ſagen wollen, formell genügend zu beherrſchen und es in der richtigen Art und Weiſe auszudrücken, dergeſtalt, daß ſie ſicher ſind, von dem Publikum, für welches ſie ſchreiben ſollen, durchaus ver— ſtanden zu werden, namentlich von ſolchen Leuten, welche noch keine Ahnung von der Sache haben. Die kurzen Angaben in der „Reichenbachia“ ſind vor— trefflich, aber wer citiert gern Notizen, welche in Foliobänden zerſtreut ſind! Veitch's Manual of Orchidaceous Plants iſt ein Muſter von Klarheit und eine Fundgrube des Wiſſens. Die verſchiedenen Auflagen von Williams' Orchid-Grower's Manual haben den Wert des Buches erwieſen, und ich trage kein Bedenken, dies für das nützlichſte der mir bekannt ge— wordenen Werke zu erklären, aber alle ſind nur für Leute ge— ſchrieben, welche die Anfangsgründe hinter ſich haben. Dies iſt der Grund, weshalb ich einige Winke über die Kultur hin— zugefügt habe, und ich halte ſie keineswegs für nutzlos. — Sollte dies kleine Buch eine weitere Auflage erleben, was ich in Anbetracht der vielen Vorarbeiten wünſchen muß, ſo will ich gern noch einmal den Leſern wiederholen, wie abſolut un— wiſſend ich ſelbſt vor 8 Jahren war, und meinen neugeworbenen Genoſſen mitteilen, wie man Orchideen kultiviert. Erſtes Kapitel. Wie ich es anfing, Gartenbau zu treiben. Um meine kleine Villa und alles, was ſie enthält, hat ſich bei meinen Bekannten ein ganzer Kranz von Sagen ge— bildet, von denen noch jetzt die eine oder andere erzählt wird. Ich habe dafür geſorgt, daß zu den Wundern meines Hauſes noch weitere hinzugekommen find. Meine Lehr- und Wander- jahre ſind vorüber, aber indem ich dieſen glücklichſten Teil meines Lebens ſehr wider meinen Willen ſchließe, bleibt mir wenigſtens der Troſt, daß ich eine hoch intereſſante Be— ſchäftigung gefunden habe, welche beſſer zu ergrauten Haaren paßt. In dieſem Buche handelt es ſich allerdings mehr um mein Orchideenhaus als um mein Haus ſelbſt. Ein Mann, welcher in ſeiner Jugend wenig Botanik gelernt und dies Wenige möglichſt vollſtändig vergeſſen hat, entſchließt ſich nicht leicht zu dieſem Gebiet der höheren Gartenkunſt, und im Gefühl ſeiner abſoluten Unwiſſenheit wird er allen den über— triebenen und abenteuerlichen Gerüchten Glauben ſchenken, welche ſich an Orchideen und ihre Kultur knüpfen, und da Aufklärung eine langſam arbeitende Macht iſt, wird ein ſolcher Mann ſeinen Weg an den Fehlern meſſen können, welche er gemacht hat, bevor er zum Ziele gelangte. Mein Grundſtück iſt annähernd 900 qm groß. Ziehen wir hiervon den Platz für das Haus und die notwendigen Wege ab, ſo bleibt ein äußerſt winziges Stückchen Land übrig, und viele leidlich begüterte Leute in den Vororten 6 Erſtes Kapitel. verfügen über Gärten von größerem oder gleichem Umfang. Die Lage des Grundſtückes iſt in der Hauptſache eine nörd⸗ liche, was bekanntlich auch kein Vorzug iſt. Auf dieſer Seite habe ich zwiſchen Haus und Gartenzaun 14 m Abſtand, auf der Oſtſeite 16 m, auf der Südſeite 19 m und auf der Weſtſeite nur einen ſchmalen Gang. Wer ſich dieſe Ab— meſſungen klar zu machen ſucht, wird im beſten Falle lachen, andernfalls die Naſe rümpfen nnd jagen: Das ſoll ein Garten ſein, über welchen der Herr eine Studie ſchreiben will? Es mag Platz genug ſein, ein Paar Hunde unterzubringen, oder eine Partie Lawn- tennis zu ſpielen, oder einen Teppich zu klopfen, vielleicht reicht es ſogar für eine Verſammlung aller derjenigen Gebildeten, welche Herrn Gladſtone aufrichtig be— wundern, aber nimmermehr für einen leidlichen Garten mit Roſen, um ſie körbeweis zu ſchneiden, mit Beerenobſt, um Fruchtgelee für eine Familie zu kochen, mit Champignons, Tomaten, Waſſerroſen und Orchideen. Die indiſchen Gaukler, welche auf der Veranda eines Bungalow in 20 Minuten einen Mangobaum hervorwachſen laſſen, mögen ſo etwas fertig bringen, aber ein ehrlicher Chriſtenmenſch nicht. Und doch verſichere ich allen Ernſtes, daß ich nicht nur dies fertig gebracht habe, ich gedenke ſogar an die Glaubenskraft meiner Leſer noch ganz andere Anforderungen zu ſtellen. Als ich vor nun 16 Jahren meinen Garten zuerſt in Augenſchein nahm, ſtand vor der Vorderthür eine große Cypreſſe inmitten eines runden Beetes, auf deſſen größerer Hälfte über— haupt keine Blumen gediehen, auf der kleineren aber nur in verkümmertem Zuſtand. Dieſer Platz war eingeſchloſſen von einem Fahrweg; eine dichte Reihe von Linden, von Cypreſſen unterbrochen, überwucherte die Stackete auf allen Seiten, ein dichtes kleines Bosquet verdeckte die Hinterthür, eine Trauer— eſche, übrigens ein ſchöngewachſener Baum, ſtand an der Oſt— ſeite. Der Anblick dieſer hübſchen grünen Waldlichtung war Erſtes Kapitel. 7 * ganz eigenartig, aber ein Kind konnte einſehen, wie groß nach Abzug des Schattens der verfügbar gebliebene Raum für Gras und Blumen ſein konnte, und wie jammervoll das Ausſehen beider war. Außerhalb dieſes dichten Gebüſches war der ver— fügbare Platz mit Kartoffeln bepflanzt und mit einem großen Gehege für Hühner beſetzt. Zunächſt verpflanzte ich meine Cypreſſe. Man ſagte mir, Bäume von ſolcher Größe ſeien nicht mehr verpflanzbar, aber es ging trotzdem, und jetzt füllt dieſer Baum einen vor— mals leeren, ſeitabliegenden Platz in angenehmſter Weiſe aus. Den Fahrweg ließ ich beſeitigen und ſchuf einen genügend breiten Fußweg. Alsdann fällte ich eine ganze Anzahl Bäume, und nun konnte das liebe Sonnenlicht endlich wieder einmal in meinen Garten ſcheinen; dann beſeitigte ich das Gebüſch und die Hühnervolièren, deren Beſtandteile ich zur Verſtärkung der Umzäunung verwandte, und ſchließlich auch die Kartoffeln — kurz, ich machte tabula rasa. Dann entließ ich meine Arbeiter und begann nachzudenken. Ich hatte die Abſicht, mein eigner Gärtner zu ſein; da ich aber ſchon vor 16 Jahren einen Abſcheu vor dem Bücken hatte und das Knieen mir ſchwer fiel, ſo war ich genötigt, die Beete zu erhöhen. Als ich nach Jahr und Tag von einer Reiſe zurückkehrte, fand ich, daß die eichenen Pfoſten, mit welchen die hohen Beete abgeſteift waren und welche aus jungem Holz beſtanden hatten, ſämtlich ver— fault waren. Um dieſem Übelſtand ein für allemal vorzu- beugen, wählte ich Thonröhren als Pfoſten, die erſte meiner Ideen, welche nachträglich die Billigung berühmter Autoritäten gefunden hat. Erſtlich geben fie den Inſekten keinen Unter— ſchlupf, ſodann können ſie mit Erde gefüllt als Blumentöpfe dienen und irgend eine hübſche Schaupflanze aufnehmen, eine Lobelia, ein Pyrethrum, eine Saxifraga oder was ſonſt, und es läßt ſich ſo mit einer feſten Kante ein ſehr gefälliger An— blick vereinigen. Aber noch immer mußte ich mich bücken, und 8 Erſtes Kapitel. natürlich fiel mir dies mehr und mehr läſtig. Eines Tages blitzte ein Gedanke in mir auf, ein Gedanke, welcher ſpäter das leitende Prinzip meiner Gartenkunſt wurde und vielleicht dieſe ganze Abhandlung leſenswert macht. Warum ſollte ich nicht alle Beete auf einer mir zuſagenden Höhe haben, welche mir das Bücken erſparte? Da kein Gärtner früher auf einen ähnlichen Einfall geraten war, ſo erſchien der Koſtenpunkt zu— nächſt als das einzige Hindernis. Da ich gerade damals für längere Zeit von Hauſe abweſend ſein mußte, gab ich den Befehl, daß kein Müll oder Abfall das Haus verlaſſen ſollte, und fand natürlich bei meiner Rückkehr einen gewaltigen Haufen davon vor. Damit nicht genug, ſchloß ich mit den Straßen- reinigern einen Vertrag und erhielt von ihnen Kehricht zu 1 Schilling die Fuhre. !) Indem ich mit den Grenzen meines Grundſtücks begann, führte ich einen Wall von 3 Fuß Höhe auf, bepflanzte die Grenze mit Strauchwerk und ließ einen hübſch breiten Rand für Blumen. Dies gelang über Er— warten; denn alles, Blumen wie Sträucher, trieben und blühten in dieſem Kompoſt und unter dem Einfluß des Sonnen— lichtes ſo ſchön, daß ich auf dieſem Wege weiterzugehen beſchloß. Der Boden des Gartens iſt ſchwerer Kies alſo für Roſen ganz beſonders ungünſtig, und in noch nicht weit zu— rückliegender Zeit war mein Garten ein Sumpf. Der kleine Raſen— fleck ſah nur im Hochſommer erträglich aus. Die Roſenfrage nahm ich zuerſt in Angriff. Die Büſche und Hochſtämme ſtanden hinter dem Hauſe, auf der Südſeite natürlich, aber eine Reihe von 1) Die Abfuhr des Straßenkehrichts macht in vielen Städten Englands viel größere Koſten, als bei uns in Deutſchland, dasſelbe gilt von der ausgeſchachteten Erde bei Neubauten, welche geradezu eine Kalamität werden kann. Der Preis, 1 Schilling für die Fuhre Straßen⸗ kehricht, bedeutet für die Lieferanten ein geradezu glänzendes Geſchäft. — Anmerkung des Überſetzers. Erſtes Kapitel. 9 Obſtbäumen begann ernſtlich ſie zu beſchatten. Erfahrene Leute verſicherten mir, daß, wenn ich meine Wälle ſo hoch aufführte, als ich beabſichtigte, die Bäume unweigerlich ein— gehen würden. Ich ließ die Warnung unbeachtet, und — meine Bäume gingen nicht ein. Der erhöhte Wall bildet einen auf der Innenſeite 9—10 m breiten Halbmond mit 22 m Entfernung zwiſchen den Hörnern und nach hinten hinter den Obſtbäumen viereckig abſchneidend. Dort läuft ein Weg entlang, zwiſchen dem Wall und dem Gartenſtacket, und in dem ſchmalen Raum beiderſeits ziehe ich Pflanzen, welche man nicht leicht zu kaufen bekommt, wie Kerbel, Schnitt— lauch und Esdragon; auch habe ich dort Beete von Sellerie und Miſtbeetkäſten, welche zur Sommerzeit, wo ſie nicht zur Anzucht von Pflanzen gebraucht werden, einige Gurken ent— halten. Nicht ein Zoll Boden in meinem Garten iſt unbenutzt. Der Halbmond alſo iſt mit Roſen beſetzt. Nachdem das Erdreich des erhöhten Walles ſich ſoviel als möglich geſenkt hatte, ſtand es noch ca. / m über dem Pfade; in dieſer Höhe trotzten ſie jahrelang der Beſchattung, und zum größeren Teile werden ſie dies fernerhin thun, mindeſtens ſo lange, als ich ein Intereſſe daran habe, daß dort Roſen gedeihen. Trotzdem blieb ein Platz übrig — zum Glück der unwichtigſte des ganzen Gartens wo der von Jahr zu Jahr dichter werdende Schatten die Oberhand gewann, und den ich ihm überlaſſen mußte. Dort pflanzte ich Saxifraga hypnoides, durch deren Raſen im Frühling Primeln, verſchiedene Zwiebel— gewächſe, alsdann Glockenblumen hervorbrechen, während Töpfe von Scharlach-Geranium und ähnliche Pflanzen den Rand des grünen Teppichs bilden, Pflanzen, welche man je nach Bedarf und Wunſch durch andere erſetzen kann. Die Verwendung dieſer Saxifraga iſt in der That eine meiner beſten Ideen. Da ich fand, daß Gras auf dem ſteilen Abhang meiner Dämme nicht gedeihen wollte, beſetzte ich ſie mit einzelnen 10 Erſtes Kapitel. Büſcheln dieſer Pflanze, welche ſich ausbreiteten, bis ſie ſich zu— ſammenſchloſſen und einen, das ganze Jahr hindurch dauernden grünen Teppich bildeten, welcher im Frühling zur Blütezeit weiß erſcheint, wie eine unberührte Schneedecke. So alſo find die Pfade meiner Roſenbeete geſäumt, und eine hübſchere Kante iſt ſchwerlich denkbar. Bei einem ſo beſchränkten Raum iſt die Auswahl von Roſen von Wichtigkeit. Ich habe den Thee-Roſen, Noiſette— Roſen und beſonders den Bengali-Roſen den Vorzug gegeben, da gewiſſe Roſenſorten zu viel Platz fortnehmen. Heute, in der zweiten Hälfte des Oktober, kann ich 50 Roſen pflücken, und ich hoffe jeden Morgen, bis zu Ende des Monats, dieſe Anzahl zu haben, vorausgeſetzt, daß der Oktober hell und ſonnig bleibt. Von den Bengali-Roſen haben ſich beſonders zwei Varietäten bei mir bewährt, nämlich Camoëns und Mad. J. Messimy; ihre Färbung iſt völlig anders, als die der anderen Roſen, die Blumen ſind außerordentlich graziös und der Wuchs iſt kräftig. Der winzige, aber trotzdem recht unangenehme Raſen— fleck wurde nächſtdem in Angriff genommen. Ich hob den Raſen auf, ſetzte Drainröhren die Wegkante entlang, füllte mit Straßenkehricht auf bis zur Höhe der Röhren, und legte den Raſen wieder darauf. In jede Röhre kam eine Epheu— ranke, und jetzt bilden die Drainröhren ebenſoviel grün ums rankte Säulen an beiden Seiten des Pfades. — Dergeſtalt iſt nun in meinem ganzen Garten jedes Stück mit Ausnahme der Wege über ſein urſprüngliches Niveau gehoben, ſtellen— weis ſo hoch, daß es unmöglich iſt, vom Wege aus über die Häupter der Pflanzen hinwegzuſehen. Jeder Gärtner wird verſtehen, wie üppig unter dieſen Verhältniſſen die Pflanzen gedeihen. Enthuſiaſtiſche Beſucher behaupten ſogar, ich hätte „Scenerie“, maleriſche Effekte und reizende Überraſchungen in dieſem Garten von noch nicht 900 Quadratmeter Größe. — Zweites Kapitel. 11 Wie dem ſein mag, ich habe ſicher Blumen in Hülle und Fülle, Früchte und — völlige Abgeſchloſſenheit. Obwohl es überall Häuſer in der nächſten Nachbarſchaft giebt, ſo iſt von ihnen, ſolange die Bäume belaubt ſind, doch nur an gewiſſen Stellen ein kleines Stückchen ſichtbar. Zweites Kapitel. Ich war alſo mein eigener Gärtner. Vor 16 Jahren verſtand ich nicht das Mindeſte von der Sache, und der Gang meiner Erziehung war ebenſo amüſant wie koſtſpielig (ein nachgerade etwas abgenutzter Witz). In dieſen ſo weit zurück— liegenden Tagen waren die Geranien, die harten, ausdauern— den Stauden und ähnliche jetzt häufige Sachen ziemlich unbekannt. Emſig ſtudierte ich die Kataloge der Züchter, ich hielt Umſchau, nicht nur nach Neuheiten, ſondern nach inter— eſſanten Neuheiten. Keine von allen dieſen Pflanzen gedieh, ſoviel ich mich erinnern kann. Ungeduldig und verſtimmt faßte ich einige höchſt merkwürdige Entſchlüſſe, um aus meiner Unwiſſenheit in gärtneriſchen Dingen herauszukommen. Einer dieſer Entſchlüſſe, deſſen ich mich noch erinnere, war der, nur Zwiebelgewächſe zu kultivieren. Mit Zwiebelgewächſen giebt es keinen Arger, man pflanzt ſie und ſie thun ihre Schuldigkeit und blühen. Ein liebenswürdiger Freund in Kew) unterzog ſich der Mühe und ſtellte eine Liſte von Pflanzen 1) Kew, an der Themſe oberhalb Londons gelegen, iſt berühmt durch die Royal Gardens und das Royal Herbarium. Beide Inſtitute ſind die reichſten ihrer Art und der Centralpunkt, an welchen alle An— 12 Zweites Kapitel. zuſammen, welche, wenn alles gut ging, das ganze Jahr hin— durch blühen ſollten. Aber ſiehe da, der Hochſommer zeigte eine klaffende Lücke, alſo gerade diejenige Zeit, zu welcher Gärten am ſchönſten ſein ſollen. Gleichwohl ließ ich die Idee noch nicht fallen, ſondern ſandte meine Liſte an Gardener's Chronicle zu einer ungefähren Schätzung der Koſten. Dieſe beliefen ſich auf einige hundert Pfund Sterling, und darauf— hin ließ ich die Idee fallen. Mein liebenswürdiger Freund gab mir jedoch eine andere Idee ein, für welche ich ſein Andenken ſtets ſegnen werde. Er machte mir klar, daß Zwiebelgewächſe ſtets ſteif und ge— zwungen ausſehen, wenn man ſie nicht in großen Mengen pflanzt, wie man es leicht mit den billigeren Sorten, wie Tulpen und ähnlichen, thun kann. Ein Hintergrund von niedrigen, lebhaft gefärbten, einjährigen Pflanzen würde dazu beitragen, dieſen Übelſtand abzuſchwächen. Ich befolgte den Wink und befolge ihn bis zum heutigen Tage, wo ich mehr von der Sache verſtehe. Seit dieſer Zeit find Frühlings- Zwiebelgewächſe eine Spezialität meines Gartens geblieben. Ich kaufe ſie jährlich im Herbſt bei Protheroe & Morris in Cheapſide, aber nicht nach den mir zugeſandten Katalogen, und komme auf dieſe Art verhältnismäßig billig dazu. Nachdem ich meine Tulpen, Narciſſen und ähnliche hohe Pflanzen untergebracht habe, fülle ich den Grund der Beete mit Myosotis oder Silene pendula oder beiden, welche während des Winters grün bleiben und im Frühling einen dichten Teppich bilden.) Durch ihn hindurch brechen dann die Tulpen, die ſchneeweißen Narciſſen und die großen goldgelben Glocken des Daffodill (Narcissus Pseudo-Nareissus) und ſehen auf dieſem fragen gärtneriſchen und botaniſchen Inhalts aus England und allen britiſchen Kolonien gerichtet werden. 1) Iſt in dem milden Klima von Südengland möglich, bei uns jedoch abſolut undenkbar. — Anmerkung des üÜberſetzers. Zweites Kapitel. 13 Untergrund viel ſchöner aus, als auf nackter Erde. Ich möchte die Bemerkung wagen, daß kein Garten auf Erden beſſer aus— ſehen kann, als der meinige, wenn alle dieſe Zwiebelgewächſe mit den Pflanzen, welche ihren Untergrund bilden, gleichzeitig blühen. Ich habe dieſe Art der Bepflanzung noch nie ander— wärts gefunden.“) Noch eines anderen Projektes erinnere ich mich. Waſſerpflanzen brauchen bekanntlich keine beſondere Pflege, der geſchickteſte Gärtner kann ſie nicht verbeſſern und der un— geſchickteſte ſie nicht verderben. Ich hatte thatſächlich die Idee, meinen Raſenplatz in ein mit Portlandzement aus— gemauertes Baſſin von 2 Fuß Tiefe umzugeſtalten, welches mit einem Heizapparat verſehen werden ſollte, um darin tropiſche Nymphaeaceen und ähnliches zu kultivieren. Die Idee war nicht ganz ſo thöricht, als Laien es ſich viellleicht vorſtellen, denn zwei meiner Bekannten haben thatſächlich Victoria regia in offenen Gartenteichen kultiviert, allerdings hatten fie mehr als nur ein Paar Quadratmeter Gartenland.?) Ich würde den Plan auch durchgeführt haben, wenn ich ſicher geweſen wäre, für die dazu nötige Zeit in England bleiben zu können. Inzwiſchen ließ ich zwei große Holzkäſten und einen kleineren, auf Füßen ſtehenden konſtruieren, welche innen mit Zinkblech ausgekleidet wurden. Meine Herren Sachverſtändigen hatten viel Freude an meinem Unternehmen und weisſagten mir, daß weder Fiſch noch Pflanze in dieſen Zinkgefäßen 1) Daß dieſe Art der Bepflanzung ſelten vorkommt, iſt richtig; empfohlen iſt ſie mehrfach in Gardener's Chronicle und auch in den Publikationen des Berliner Vereins zur Beförderung des Gartenbaues. — Anmerkung des üÜberſetzers. 2) Nein, die Idee iſt gar nicht jo übel und iſt auch bei uns u. a. von den Kommerzienräten Borſig in Moabit und Gruſon in Buckau bei Magdeburg ausgeführt. Dieſe Herren hatten aber außer großen Baſſins auch eine ſehr ausgiebige Heizung zur Verfügung. 14 Zweites Kapitel. leben könnten. In bezug auf Punkt 1 hatten ſie recht, aber im Punkt 2, welches doch ihre eigenſte Domäne war, irrten ſie ſich wieder einmal gründlich. Jahre lang kultivierte ich alle Arten von Nymphaeaceen und ſonſtigen Waſſerpflanzen, welche vortrefflich gediehen, bis meine großen Baſſins leck wurden. Inzwiſchen hatte ich das ABC der Feſtlandgärtnerei gelernt, ließ die Baſſins nicht wiederherſtellen, ſondern machte einfach Löcher in den Boden, pflanzte Pampasgras und bunt— blättrige Eulalia in die Mitte, andere ornamentale Gräſer an den Rand, umgab das Ganze mit Lobelia und erneuerte ſo im Hochſommer das liebliche Bild der Frühlingsflora. Im nächſten Jahre werde ich die Baſſins mit Anomatheca cru- enta bepflanzen, dem am ſchönſten blühenden Graſe, wenn dieſer Ausdruck bei Gräſern überhaupt zuläſſig iſt. Dieſe reizende ſüdafrikaniſche Pflanze iſt wenig bekannt, ich hoffe aber, daß meine Leſer mir für dieſe Notiz Dank wiſſen werden. Sie werden den von den Händlern geforderten Marktpreis ſicherlich hoch finden, aber die Pflanze läßt ſich ohne große Schwierigkeit dazu bringen, Samen zu tragen und dann ver— mehrt ſie ſich raſch. In meinem geſchützt liegenden Garten finde ich Anomatheca ziemlich widerſtandsfähig. Der kleine Zinkbehälter exiſtiert noch und beherbergt Nymphaea odorata, von der ich jährlich einige Blüten ernte, hauptſächlich iſt er aber dem Aponogeton distachyum überlaſſen, der Kap— Lilie. Sie trägt bei mir im offenen Baſſin reichlich Samen und wenn dasſelbe tiefer läge, würden ihre eigenartigen, ſtark duftenden Blütenſtände ſo dicht ſtehen, wie die Gras— halme um das Baſſin herum, ein Anblick, wie man ihn im Garten des mir befreundeten Herrn Harriſon in Shortlands ſehen konnte. Da mein Baſſin 2 Fuß über dem Niveau des Bodens lag und die Luft es von allen Seiten umwehen konnte, ſo fror jeden Winter ſein ganzer Inhalt, Boden und alles, zu einem ſoliden Eisblock zuſammen. Daß eine Kap— Zweites Kapitel. 15 pflanze eine ſolche Behandlung aushält, iſt ganz und gar gegen die landläufigen Angaben der Bücher, aber meine ſtarken Aponogeton hielten dieſe Temperaturen aus, nur die jungen Pflanzen gingen zu Grunde. Trotzdem die Notiz von ge— wiſſem Werte ſein mag, halte ich es doch für beſſer, die Knollen dieſer Pflanze froſtfrei zu überwintern. Da ich nun über Waſſer verfügte, jo mußte mein Augen- merk darauf gerichtet ſein, die Nacktſchnecken zu vernichten, indem ich ihre natürlichen Feinde vermehrte. Jene Beete und Ein— faſſungen von Saxifraga hypnoides, welche ich vorhin erwähnte, erfordern einige Vorſicht; denn, wenn die Menſchen ſie be— wundern, die Nacktſchnecken bewundern ſie noch viel mehr. Ich empfehle daher die Anpflanzung derſelben nur dann, wenn genügend für die Feinde dieſer Schnecken geſorgt iſt. Der Weg, welchen ich wählte, mag vielleicht nicht jedermann paſſend erſcheinen. Ich laſſe mir von irgend einem Jungen für einen Sixpence einen Eimer voll Froſchlaich beſorgen. Bisweilen rechnete ich mir mit Hochgenuß aus, wie viel tauſende kräftiger und unternehmungsluſtiger Batrachier ich erziehen und zu meinem und meiner Nachbarn Beſten in die Welt ſenden würde. — Es ſind gerade genug übrig geblieben, um mir zu dienen; denn ich bemerke wenig von Nackt— ſchnecken, aber von allen meinen Fröſchen müſſen 99 % -umfommen. Sollten Amſeln und Droſſeln junge Fröſche freſſen. Beide ſind merkwürdig häufig bei mir. Oder ſollte es der Gelbrand (Dytiscus marginalis) ſein, welcher mir ſamt jeinen Larven in einem Jahre den ganzen Satz meiner Kaulquappen aufgefreſſen hat? Ich habe meinen Nachbarn die Wohlthat erwieſen oder habe ſie wenigſtens dazu angetrieben, ſich die eine oder andere Art von Fröſchen zu halten. Vor 3 Jahren kaufte ich 25 hübſche grüne Laubfröſche, welche in meinem Odontogloſſum-Hauſe wohnen und dort die Inſekten vertilgen ſollten. Jeder Ventilator darin iſt mit durchlochtem Zinkblech 16 Zweites Kapitel. bedeckt, um das Eindringen von Inſekten zu verhindern, gleich- wohl gelang es meinen Laubfröſchen auf eine Art, die an das Wunderbare ſtreift, zu entkommen. Einige wurden im Garten attrapiert und zurückgebracht, aber ſie fanden wiederum ihren Weg in die friſche Luft und plötzlich waren meine Obſtbäume mit Stimme begabt. Soweit, glaube ich, ſind meine Er— fahrungen dieſelben, wie diejenigen aller Leute, welche ſich mit Laubfröſchen beſchäftigt haben; aber in dieſem Falle überlebten meine Fröſche 2 Winter, darunter einen außergewöhnlich harten. Meine Fröſche ſangen im nächſten Sommer recht fröhlich, aber — in dem Garten meines Nachbars. Ich bin mit der Familie nicht näher bekannt, freue mich aber, daß ich für einen unſchuldigen Zeitvertreib ihrer Mitglieder ſo gut geſorgt habe. Dem Charakter der Laubfröſche nachzuſpüren iſt jedenfalls beluſtigend, obwohl Gärtner von ihnen mehr oder minder verächtlich reden. Meiſtens excellieren ſie durch ihre Neigung auszureißen, und ſcheinbar haben ſie auch keine Neigung, Inſekten wegzufangen, da ſie den Tag über regungslos daſitzen als ein hübſches, aber nutzloſes Dekorationsſtück.“) Alle dieſe Tiere führen eine nächtliche Lebensweiſe, und wer ſich die Mühe nimmt, wie ich es oft gethan habe, bei Nacht ſein Treibhaus zu beſuchen, wird die Fröſche fleißig an der Arbeit finden und ſehen, wie ſie mit wunderbarer Gelenkigkeit zwiſchen den Blättern herumkriechen und blitzſchnell auf ihre Beute los— 1) Bei dieſer ganzen Abhandlung über das Leben und Treiben der Laubfröſche, welche ganz und gar kindlich klingt, möge man berüd- ſichtigen, daß mit Ausnahme des ſtellenweis ziemlich häufigen Teich- froſches alle unſere Lurche in England fehlen. Kröten werden, um Regenwürmer und Nacktſchnecken zu vertilgen, aus Frankreich importiert. Daß der Herr Verfaſſer, um Erdſchnecken zu vertilgen, ſich Baumfröſche anſchaffte, beweiſt, wie unwiſſend er anfänglich hinſichtlich der einfachſten Fragen war. Drittes Kapitel. 17 fahren. Blaſenfüße und Blattläuſe freſſen fie allerdings nicht; ſie ſind zu winzig für dieſe Jäger der Nacht. Holzwürmer, Tauſendfüße und vor allen Dingen Schaben, dieſe tötlichen Feinde der Orchideenkulturen, ſind ihre hauptſächlichſten Opfer. Ich rate daher allen, welche die Tiere am Ausreißen hindern können, dazu, Laubfröſche in den Gewächshäuſern zu halten. Endlich komme ich zu den Orchideen und ihrer Kultur. Es folgt mit Naturnotwendigkeit, daß ein Mann, welcher viel von der Welt geſehen hat und für Gartenkultur begeiſtert iſt, im Laufe der Jahre auf dieſen Zweig des Gartenbaues verfallen muß — falſche Beſcheidenheit wäre hier weniger am Platze, als irgendwo ſonſt — ich habe mit der Kultur von Orchideen ſchöne und große Erfolge erzielt und werde, ſo Gott will, noch mehr und größere davontragen. Aber dieſes Thema kann nicht ſo beiläufig am Ende eines Kapitels abgehandelt werden. Drittes Kapitel. In den Tagen meiner Lehrlingszeit baute ich ein großes Gewächshaus. Da ich zu ungeſchickt war, meine Pflanzen im Freien zu kultivieren, glaubte ich, daß dies unter un— natürlichen Bedingungen leichter ſein müſſe. Ich hoffe, daß dieſe meine Memoiren die Hoffnung manches an ſich und der Welt verzweifelnden Amateurs neu beleben werden. Sei ſeine Unwiſſenheit noch ſo groß, ſie kann nicht größer ſein als meine vor einigen Jahren, und doch kann ich nun ſagen: „Ich hab's erreicht.“ Was mein Gewächshaus gekoſtet hat? Brr, mir ſchaudert die Haut, wenn ich daran denke. Rechnen wir es billig und ſagen wir: ſechsmal mehr als den Höchſtbetrag, Orchideen. 2 18 Drittes Kapitel. für welchen ich es jetzt bauen würde. Und dafür war denn auch alles grundſchlecht. Von dem urſprünglichen Plan iſt heute nichts mehr übrig, ausgenommen einige Fehler. Natitr- lich gedieh nichts, ausgenommen Inſekten. Mehltau befiel meine Roſen im Augenblick, wo ſie eingeſetzt waren; die Kamellien warfen ihre Knospen mit geradezu mathematiſcher Genauigkeit ab; Azaleen wurden von den Blaſenfüßen (Thrips) aufgefreſſen. Blattläuſe und Schildläuſe fanden ſich ein, wie zu einem Feſte; Geranien und Pelargonien wuchſen rieſenhaft, weigerten ſich aber ſtandhaft zu blühen. Ich fragte unſeren Sachverſtändigen, welcher für das Wohl von einem Dutzend Villengärten verantwortlich war — einen erfahrenen Mann, welcher ein Renommee zu verlieren hatte, und den ich reich— lich dafür bezahlte. Der würdige Mann ſagte nach einer genauen Beſichtigung: „Dieſer dichte Fußboden hält das Waſſer; ſie müſſen morgens und abends das Waſſer ſorg— fältig aufwiſchen laſſen.“ Und dieſer gute Mann hatte einen großen Wirkungskreis, und ſeine Anſicht wurde von allen meinen Nachbarn und von mir als Evangelium be— trachtet! Meine Pflanzen brauchten auf dem nichtsnutzigen undurchläſſigen Fußboden nicht etwa weniger Waſſer, ſondern mehr. Ich erwähne dies, um zu warnen. Männer, wie dieſer bilden aber einen ziemlich bedeutenden Beſtandteil ſeiner Klaſſe. Als ich nun an meiner Gartenkunſt, drinnen und draußen, verzweifelte, dachte ich ab und zu an Orchideen. Ich hatte in Oſt und Weſt, d. h. in ihrer eigentlichen Heimat, viele von ihnen geſehen und wußte, daß ihr Wachstum ſich an ſtrenge Geſetze bindet. Andere Pflanzen — Roſen z. B. — ſpielen einem fort- während Streiche. Bald verlangt ihre Behandlung dies, bald jenes, Dinge, deren Natur nicht einmal ſcharf präciſiert werden kann, auch nicht von routinierten Gärtnern, welche den Gegenſtand inwendig und auswendig kennen und beherrſchen. Drittes Kapitel. 19 Erfahrung allein, und noch dazu eine ſolche von recht ſchmutziger und langweiliger Außenſeite, giebt die nötige Bürgſchaft für Erfolge, falls nicht irgendwelche Extravaganzen unerklärlicher Art die Roſen zu einem Akt ſchnöder Undankbarkeit veranlaſſen, welcher aller Vorausſicht ſpottet. Ich wußte, daß Orchideen ſich ganz anders verhalten. Jede Gruppe verlangt allerdings ihre eigenen Bedingungen; kann man dieſe nicht erfüllen, jo iſt das Geld für die Pflanzen weggeworfen. Sind aber die nötigen Vorausſetzungen vorhanden, ſind die armen Pflanzen nach unaufhörlichem Beſitzwechſel zur Ruhe gekommen, to kann man mit mathematiſcher Sicherheit darauf rechnen, daß, wenn die und die Behandlung angewandt wird, dieſes oder jenes Ergebnis die notwendige Folge ſein wird. Ich war damals noch nicht darüber im klaren, daß auch manche von ihnen der genaueſten Nachforſchung über Urſache und Wirkung ſpotten. Daß dies öfter eintritt, iſt jetzt eine allgemein be— kannte Thatſache, ſie ſtößt aber die Regel nicht um; denn dieſe ſcheinbaren Ausnahmen werden ebenfalls von ſtrengen Geſetzen regiert, welche wir für den Augenblick noch nicht kennen. Von dieſen Erwägungen ausgehend, glaubte ich, an— nehmen zu dürfen, daß die Kultur von Orchideen das natur- gemäße Gebiet für einen begeiſterten und intelligenten Pflanzen— liebhaber ſei, welchem das techniſche Können fehle, um ge— wöhnliche Pflanzen ziehen zu können; denn — ſo nahm ich an — Orchideenkultur iſt Kopfarbeit, die anderen Kulturen Handarbeit. Aber ich teilte die allgemein verbreitete, jetzt als abſurd widerlegte Annahme, daß Orchideen koſtſpielig in der Anſchaffung und in der Behandlung ſeien, und ich hielt an dieſem Vorurteil ſo feſt, daß es mir nie einfiel, ſelbſt anzu— fragen, ob und weswegen ſie teurer ſein ſollten, als Azaleen und Gardenien. Es war ſchließlich ein Zufall, welcher den Bann der Unwiſſenheit brach. Als ich eines Tages das Auktionslokal von Stevens beſuchte, um Blumenzwiebeln zu DE 20 Drittes Kapitel. kaufen, ſah ich eine Cattleya Mossiae in Blüte, welche bei der letzten Auktion keinen Käufer gefunden hatte. Ein glück— licher Impuls trieb mich an, nach dem Preiſe zu fragen. Vier Schillinge antwortete der unſchätzbare Charles. Die Sache ſchien mir unglaublich, es mußte ein Irrtum dabei ſein, aber wann wäre Charles je ein Irrtum paſſiert? Als er den Preis wiederholte, ergriff ich meine koſtbare Cattleya, warf das Geld auf den Tiſch und floh mit ihr die King Street entlang, als ob mir jemand auf den Ferſen wäre. Da mich aber niemand verfolgte und die Herren Stevens in den nächſten Tagen meinen Schatz nicht wieder zurückforderten, ſo erwog ich den Vorfall näher. Vielleicht hatten ſie eine Konkursmaſſe auszuverkaufen und vielleicht kam ſo etwas öfter vor. Ich kehrte alſo zurück. „Charles,“ ſagte ich, „Sie verkauften mir vor ein paar Tagen eine Cattleya Mossiae.“ Charles, wie immer in Hemdsärmeln, jortierte und ſummierte ein halbes Hundert von Zetteln und Notizen aller Art mit der Genauigkeit einer Rechenmaſchine. „Ich glaube, ja, Herr“, war ſeine Antwort. „War ſie nicht ziemlich teuer?“ fragte ich. „Das iſt ihre Sache, Herr“, antwortete er lachend. „Kann ich öfter eingetopfte Pflanzen von Cattleya Mossiae für 4 Schilling das Stück erhalten?“ fragte ich weiter. | „Geben Sie mir Auftrag, und ich werde Ihnen im Laufe eines Monats ſo viel verſchaffen, als Sie irgend wünſchen.“ Das kam über mich wie eine Offenbarung, und ich glaube, es wird eine Offenbarung für viele meiner Leſer ſein. Das Publikum hört von großen Summen, welche für Orchideen gezahlt ſind, und nimmt an, daß dieſe nur die äußerſten Grenzen ſehr hoher Durchſchnittspreiſe ſind. Thatſächlich hat das Publikum keine Ahnung von den gewöhnlichen Preiſen. Einer Drittes Kapitel. 21 unſerer größten Züchter, welcher erſt neuerdings begonnen hat, Orchideen zu züchten, ſagte mir, daß der höchſte Preis, welchen er für Cattleyen und Dendrobien gezahlt habe, ½ Krone, alſo 2,50 Mark geweſen ſei und 1 Schilling für Odontogloſſen und Oncidien. Zu dieſem Preiſe hat er jetzt eine ſchöne Sammlung zuſammengebracht, und da manches Exemplar des Anteils, welchen er auf der Auktion erſtand, ſich gut ent— wickelt, erhält er ſchließlich ſoviel Pfund Sterling, als er Pence verausgabt hatte, zurück. Denn es handelt ſich bei den oben genannten Preiſen natürlich nur um Exemplare, welche gleich nach ihrer Ankunft auf einer Auktion erſtanden ſind. Obwohl dieſe Frage eigentlich nicht unter die Überſchrift „Orchideen“ oder „Mein Garten“ gehört, will ich doch ein paar intereſſante Fälle hier erwähnen. Ich kaufte einſt eine Kiſte, 2 Fuß lang und 1 Fuß breit, halb voll von Odon— togloſſen für 8 Schilling 6 Pence (= 8,50 Mark). Es waren kleine Exemplare, aber tadellos geſund, denn von den 53 Töpfen, welche ich damit füllte, ging nicht einer zu Grunde. Die minder wertvollen Exemplare verkaufte ich einige Jahre ſpäter, nachdem ſie angewachſen und richtig beſtimmt waren, mit einem ganz fabelhaften Nutzen. Ein anderes Mal kaufte ich 3 Bündel von Odontoglossum Alexandrae var. Pachense, welche für ſehr ſchön gilt, für 15 Schillinge. Sie füllten im ganzen 36 Töpfe (je 3 Bulben für 1 Topf), da ich nicht Platz genug hatte, ſie einzeln einzutopfen. — Aber genug hiervon. — Ich wollte zu Nutz und Frommen anderer ebenſo unbemittelter Amateure als ich ſelbſt bin, nur zeigen, daß die Koſtſpieligkeit ſchließlich kein Hinderungsgrund iſt, wenn ſie ſonſt Luſt zu dieſer Kultur haben, — vorausgeſetzt, daß ſie keine Ausſtellungsexemplare und Wunder von Schön— heit verlangen. Jene Cattleya Mossiae war meine erſte Orchidee, ich kaufte ſie im Jahre 1884. Sie ſchwand dahin und manche 22 Drittes Kapitel. andere iſt ihr inzwiſchen nachgefolgt; aber ich wußte nun genug und hatte, wie ich jchon ſagte, meine Scheu über— wunden. Nun galt es, die allgemeinen Kulturbedingungen feſtzuſtellen, über welche aber die Bücher keine rechte Auskunft geben, da ſie alle den Fehler beſitzen, die erſten Schritte, mit welchen der Unterricht beginnen muß, zu flüchtig zu behandeln. Ich hatte ferner nicht das Glück, einen gleichgeſinnten Freund oder einen kundigen Gärtner zu kennen, welcher mich auf meine Fehler aufmerkſam machte, bis ich ſie ſchließlich ſelbſt erkannte. So ſagte mir z. B. kein Menſch, daß der cementierte Fußboden meines Gewächshauſes ein verhängnisvoller Fehler ſei, und als ich, bereits etwas entmutigt, den kleinen, in der Einleitung oben erwähnten Gang überglaſen ließ, ließ man mich ruhig den Fehler noch einmal machen. Meine Maßregeln, die Luft feucht zu erhalten, waren zum Teil ſehr ſinnreich, aber ſie ent— ſprachen leider dem Zweck nicht. Es iſt nicht leicht, ein ſauberes und klares Material zum Bedecken des Cement— pflaſters zu finden, aber bevor man ein ſolches gefunden hat, iſt es nutzlos, Orchideen kultivieren zu wollen. Ich bin überzeugt, daß in 99 Fällen von hundert der Mißerfolg ſich auf einen ungeeigneten Fußboden zurückführen läßt. Glaſierte Platten, welche ſo häufig angewandt werden, ſind bei weitem ſchlimmer als anderes Pflaſter. Mögen meine Erfahrungen anderen Leuten zur Warnung dienen! Als ich eines Tages die Liſte eines Fabrikanten von Orchideentöpfen durchlas, fand ich „Seeſand für Gartenwege“ angezeigt, und damit war das ſeit Jahren Geſuchte endlich gefunden. Seeſand hält Waſſer, giebt eine klare feſte Ober— fläche, er braucht nicht gerollt zu werden, er nimmt keine Fußſpuren an und beſchmutzt die Füße der darüber Gehenden nicht. Am nächſten Abend war der Fußboden mit einer 6 Zoll hohen Sandſchicht bedeckt, und ſofort begannen meine Orchideen nicht nur zu vegetieren, ſondern auch zu blühen. Drittes Kapitel. 23 Lange vorher hatte ich natürlich für eine gute Waſſerleitung von dem Hauptrohr aus geſorgt, um in jedem Hauſe Wafjer- dunſt erzeugen zu können. Ringsherum läuft ein Bleirohr mit klemmen Abzugsrohren in 12 Zoll Entfernung von einander, an welche mit Hilfe eines Verbindungsſtückes aus Gummi der Verſtäuber angeſetzt werden kann; bei einer Drehung des Hahnes ſchießt der Strahl heraus und in 10 Minuten iſt der Fußboden überſchwemmt und das Haus in einen flachen Pfuhl verwandelt; aber 5 Minuten ſpäter iſt keine Spur von Waſſer mehr zu ſehen. Nun erſt fühle ich jo recht die Freude der Orchideenkultur. Es bleibt immerhin noch viel zu lernen, recht viel ſogar. Es giebt annähernd 5000 kultivierte Arten, von welchen eine beunruhigend große Anzahl ge— wiſſe Verſchiedenheiten in der Kultur verlangt, um zur Voll- kommenheit zu gelangen. Der Amateur kann unmöglich alle dieſe Einzelheiten im Kopfe haben, und wenn er ſich vorher zu genau unterrichtet, wird er leicht in Schrecken geraten und unſicher werden, anſtatt die Sache gehen zu laſſen. Solche zu ängſtlichen Gemüter möchte ich beruhigen. Vollkommenheit iſt ſtets ein hohes Ziel, aber die Orchideen wollen es auf ihre Weiſe erreichen, die oft ſehr von unſerer abweicht. Oft ſteuern ſie unſeren beſten Abſichten entgegen, aber wenn man ihnen nur einigermaßen die Möglichkeit des Gedeihens giebt, ſo ſuchen ſie mit bewundernswerter Geduld die Irrtümer zu ver— beſſern, welche wir anfänglich machten. Dieſe Möglichkeit des Gedeihens liegt, wie ich bereits ausgeführt habe, in den drei Hauptbedingungen, Luftfeuchtigkeit, Ventilation und Licht. Sind dieſe drei Faktoren vorhanden, ſo mag man zu den Büchern greifen, die Autoritäten befragen und nach und nach ſein Wiſſen bis zu dem Grade erweitern, um die beſonderen Anſprüche jeder Gruppe zu kennen. So mag im Laufe der Zeit der Augenblick kommen, welcher mir beſchieden war, als eines Tages ein großer Schriftgelehrter mir die Ehre erwies, 24 Viertes Kapitel. — meiner Einladung Folge zu leiſten. Als der Gewaltige in mein kleines Odontogloſſum-Haus getreten war, wanderten ſeine Blicke auf und ab und von rechts nach links, und ſchließ— lich brach er in die gewichtigen Worte aus: „Mein Herr, das iſt keine Amateur⸗-Sammlung, was Sie hier haben.“ Ich habe in dieſen einleitenden Kapiteln einige aus meiner Erfahrung abgeleitete Winke niederlegen wollen, die ſchätzbar für andere ſein mögen, welche (wie der alte Juvenal ſich ausdrückte) nicht mehr von der Erde beſitzen, als ein Eidechſenloch. Der Raum iſt groß genug, um uns unendlich viel Freude, Unterhaltung und ſogar Gewinn zu bringen, wenn der Beſitzer ſich die Mühe nimmt, ſelbſt Hand anzulegen. Ein Enthuſiaſt für mein Heim, wie ich es nun einmal bin, würde ich mir keinen Fuß Garten dazu wünſchen.“) Viertes Kapitel. Eine Grehideen-Auktion. Bald nach 9 Uhr beginnen die Habitués der Auktionen von Protheroe & Morris ſich im Auktionslokal in Cheapſide zu verſammeln. Auf Tiſchen aus rohen Brettern an den Wänden des Saales ſind die einzelnen „Lots“ oder Anteile 1) Es verdient bemerkt zu werden, daß, als die erſten dieſer Aufſätze in der St. James Gazette erſchienen, der Redakteur von ver— ſchiedenen Seiten Warnbriefe erhielt, des Inhalts, daß der Autor ihm und den Leſern etwas vorſchwindele oder, um es zarter auszudrücken, ſeine Leichtgläubigkeit mißbraucht. Zum Glück war mein Freund in der Lage, zu antworten, daß er perſönlich jede Garantie für die Richtig— keit meiner Angaben übernehmen könne. — Anmerkung des Verfaſſers. Viertes Kapitel. 25 ausgelegt;') Knollen und Stämme von jeder Geſtalt, große und kleine, verwelkt oder grün, mit ſtumpfer oder glänzender Oberfläche, hier und da mit einem braunen Blatte und mit Maſſen von Wurzeln, trocken wie vorjähriges Farnkraut. Nicht eine Spur von all der zukünftigen Schönheit, den glänzenden Farben und bizarren Formen zeigt dieſer wunderliche Haufen. Auf einem Seitentiſch ſtehen ein paar Dutzend eingetopfter, oder, wie es richtiger heißt, „etablierter“?) Pflanzen, welche die Eigentümer bei dieſer Gelegenheit mit verkaufen wollen. Ihre diesjährigen Triebe ſind leuchtend grün, aber die alten Bulben ſind ebenſo ſaftlos, als die der neu angekommenen. Sehr wenige blühen bereits — die Sommermonate bilden nämlich eine Ruhepauſe zwiſchen der Pracht des Frühlings- und der ſanfteren Schönheit des Herbſtflors. Einige große Dendrobien (Dendrob. Dahlhousianum) z. B. zeigen unzeitige Blüten und verraten dem Eingeweihten, daß ſie nur zum Schein eingetopft ſind. Dieſe Blütentrauben waren in den Wäldern Indiens vorgebildet, lagen während des Transportes in ſtarrer Ruhe und erwachten zum Leben, ſobald ſie in eine 1) Es iſt eine eigne Sache mit dem Verdeutſchen techniſcher Aus- drücke. Jede Wiſſenſchaft und jedes Gewerbe hat ihr nationales oder internationales Rotwälſch, welches nur die Eingeweihten verſtehen und zu verſtehen brauchen, und worin ſie ſich wohl fühlen. Wer Bücher, wie dieſes hier lieſt, wird mit den Ausdrücken des Orchideengeſchäftes Beſcheid wiſſen oder ſie bald kennen lernen. Es iſt ganz und gar müßig, ſich hier nationaldeutſch drapieren zu wollen. Für Äußerungen unſeres Nationalbewußtſeins ſind andere Gelegenheiten geeigneter, als die Überſetzung von Büchern, welche dem praktiſchen Bedürfnis dienen ſollen. — Anmerkung des Überſetzers. 2) Das engliſche Wort „established“ kann auf ſehr verſchiedene Weiſe überſetzt werden. Unſer deutſches Wort „eingetopft“ paßt nicht recht für Orchideen, da viele von ihnen gar nicht in Töpfen kultiviert werden können, ſondern in Körben oder an Blöcken. „Bewurzelt“ paßt auch nicht, da viele Orchideen ſchon auf dem Transport reichlich Wur— zeln bilden. — Anmerkung des Überſetzers. 26 Viertes Kapitel. ihnen zuſagende Atmoſphäre kamen. Unſer Intereſſe gilt heute nur den unſchönen Dingen, welche längs der Wände auf— gehäuft liegen. Die gewöhnlichen Beſucher dieſer Auktionen bilden eine Art von Familie, aber für gewöhnlich eine höchſt merkwürdige und völlig verſchieden von den Orchideenhändlern von Profeſſion. Kein ſchwarzes Schaf iſt unter ihnen, und ein Streit, der ſich lediglich um ein kleines Misverſtändnis drehen kann, gehört zu den ſeltenſten Vorkommniſſen. Die großen Orchideenzüchter ſind Männer von Reichtum, die Amateure Männer von Stand und Bildung. Jeder kennt alle anderen, und eine angenehme Vertraulichkeit herrſcht. Wir treffen dort ſehr häufig einen Herzog, welcher ſeine gemachten Notizen vergleicht und Auto— ritäten um ihre Anſicht bittet; einige Geiſtliche von hohem Range, Männer des hohen und niederen Adels, die Agenten großer Amateure und, wie ſelbſtverſtändlich, die Vertreter der großen Handelsfirmen. Der Kreis dieſer Elite der Orchideen— kenner iſt ſelbſt jetzt noch ſo klein, daß alle Geſichter einander bekannt ſind, und daß jeder von den Anweſenden es über— nehmen könnte, einem Neuangekommenen alle Namen zu nennen. Es ſteht zu hoffen, daß dies nicht mehr lange der Fall ſein wird. Und ſo wie das Geheimnisvolle und Über— triebene, welches die Orchideen umgiebt, verſchwindet, wird auch der kleine, auserwählte Zirkel von Käufern verſchwinden, und wenn damit der fröhliche und ſympathiſche Charakter dieſer Verſteigerungen verloren geht, ſo werden doch alle, welche Blumen und die Verbreitung ihrer Kultur lieben, dies gern mit in den Kauf nehmen. Das Geſpräch dreht ſich natürlich meiſt um Orchideen. Die Herren gehen an den Tiſchen entlang, prüfen hier eine Bulbe, dort einen Wurzelſtock, deſſen Lebensfähigkeit ſie im Augenblick richtig taxieren. Die anweſenden Gärtner nehmen die Gelegenheit wahr, ihre Neuheiten vorzuſtellen, und auf— 1 Viertes Kapitel. 27 fallende oder ſeltene Blumen machen hier ihren erſten Eintritt in die Welt. Herrn Bull's Vertreter geht umher und zeigt dem einen oder anderen der Herren den Inhalt einer kleinen Schachtel, eine Aristolochia elegans, mit ihren ſchönen dunkelrot auf weißem Grund gezeichneten Blumen und eine neue Varietät von Impatiens; er verteilt letztere, und die Herren dekorieren ihre Knopflöcher mit den ſchönen, blaßroſa— roten Blumen. Die Erregung ſteigt jetzt ſelten noch ſo hoch, wie in den Zeiten, deren ſich die meiſten der Lebenden noch erinnern, als Orchideen, welche jetzt Gemeingut geworden ſind, nur von Millionären erſtanden werden konnten. Die Dampfkraft und Handelsunternehmungen haben es dahin gebracht, daß man für Schillinge und Pence oft dieſelben Pflanzen erhält, welche vor 20 Jahren Pfunde Sterling koſteten. Es giebt noch Leute genug — und ſie ſind noch keineswegs alt und grau — welche ſich der Scene erinnern, als Masdevallia Tovarensis zuerſt in größerer Menge zur Verſteigerung gelangte. Die zarten, weißen Blumen waren ſeit Jahren bekannt, da ein Anſiedler der Deutſchen Kolonie in Tovar in Neu-Granada ein Exemplar an einen Freund in Mancheſter geſchickt hatte, welcher die Pflanze teilte. Jedes Teilſtück brachte eine große Summe, und die Käufer wiederholten die Operation, ſo oft ihre Stückchen es zuließen. So hatte ſich ein feſter Preis von 1 Guinee pro Stück gebildet; Importeure gab es nicht viele in jenen Tagen, und das häufige Vorkommen des Namens Tovar in Südamerika führte ſie irre. Schließlich wagte ſich Herr F. Sander daran und beauftragte ſeinen Sammler, Herrn Arnold, damit, die Pflanze zu finden. Arnold war ein Mann von großer Energie und hitzigem Temperament. Die Sage berichtet, daß er einſt eine Unternehmung aufgab, einzig und allein, weil ein ihm mitgegebenes Gewehr bereits gebraucht war. Die Folge rechtfertigte allerdings ſeine — Klugheit, 28 Viertes Kapitel. denn ſein Genoſſe, der arme Herr Berggren, hatte das Un— glück, daß ein bereits gebrauchtes Gewehr, welches er von ſeinem belgiſchen Auftraggeber erhalten hatte, beim Abfeuern zeriprang und ihn zeitlebens zum Krüppel machte. Im Augenblick ſeiner Abreiſe hatte Arnold eine Scene mit den Bahnbeamten. Er hatte einen Sack mit Sphagnum bei ſich, um ſeine koſtbaren Pflanzen zu verpacken, und man wollte ihn daraufhin nicht mit dem Schnellzug fahren laſſen. Man ſagt, daß der Stations-Vorſteher der Waterloo-Station nie einen ſo heißen Tag gehabt habe. Kurz, er war ein Mann, welchem etwas zuzutrauen war. Ein junger Paſſagier bewies unterwegs Herrn Arnold viel Sympathie, und dieſer erfuhr zu ſeinem Vergnügen, daß auch er die Abſicht habe, nach Caracas zu reiſen, als Vertreter einer Exportfirma in Birmingham. Einem ſolchen Manne gegenüber wäre Geheimniskrämerei nicht am Platze geweſen, um ſo weniger, als die Fragen dieſes jungen Mannes abſolute Unwiſſenheit über Orchideen verrieten, und bevor die Reiſe beendet war, kannte dieſer alle Wünſche und Hoffnungen Arnolds bezüglich ſeiner aufzuſuchenden Orchideen. In Caracas hatte jedoch das Gaukelſpiel ein Ende, denn dort erfuhr Arnold, daß ſein Reiſender in Manu— faktur- und Stückgütern ein ganz bekannter Sammler eines bekannten Orchideenzüchters war. Er ſagte nichts, ließ ſeinen Mann ruhig abreiſen, überholte ihn in einem Dorfe in der Nähe, wo derſelbe gerade zur Nacht aß, ging in das Zimmer, deſſen Thür er abſchloß, legte einen Revolver auf den Tiſch und forderte ihn auf, zu fechten. Es ſollte, wie Arnold ſagte, ein ehrlich Gefecht werden, aber einer von beiden ſollte fallen. Der Verräter war von dem Ernſt der Lage ſo überzeugt — wie es bei dem bekannten Charakter Arnolds ſein mußte — daß er unter den Tiſch kroch und gegen abſolute Unterwerfung freien Abzug einhandelte. So erhielt Herr F. Sander in an— gemeſſener Zeit 40 000 Stück Masdevallia Tovarensis, welche 2 Viertes Kapitel. 20 — direkt in das Auktionslokal gelangten. Infolge davon ſank binnen einem Monat der Preis von 1 Guinee pro Stück auf den Bruchteil eines Schillings. Andere große Verſteigerungen waren die, als Phalae- nopsis Sanderiana und Vanda Sanderiana zum Verkauf kamen und Summen von ſchier unglaublicher Höhe angelegt wurden. Sodann diejenige, als Cypripedium Spicerianum, ypriped. Curtisii und Laelia anceps alba verkauft wurden. Jetzt ſind ſolche aufregende Auktionen ſeltener geworden. Das Jahr 1891 brachte uns jedoch noch zwei ſolcher Scenen, als Cattleya labiata autumnalis und Dendrobium Phalaenopsis Schroederianum zur Verſteigerung kamen. Die erſtgenannte Pflanze wird noch einmal in einem beſonderen Kapitel „ver— lorne Orchideen“ beſprochen werden; an die andere knüpft ſich ein intereſſanter Zwiſchenfall, und bei beiden Pflanzen iſt Herr Sander der Held der Geſchichte. Dendrob. Phalaenopsis Schroederianum war keineswegs ganz und gar neu. Der botaniſche Garten in Kew hatte vor mehreren Jahren zwei Pflanzen von irgend einer auſtral-aſiatiſchen Inſel erhalten. Ein Stück derſelben erhielt Herr Lee in Leatherhead, ein anderes Herr Baron Schröder, und als Herrn Lee's große Sammlung verkauft wurde, erſtand Herr Baron Schröder auch dies Exem— plar für 35 & und beſaß nun die beiden einzigen, in Privat- händen befindlichen Exemplare der Pflanze, welche inzwiſchen ſeinen Namen erhalten hatte. Unter dieſen Umſtänden mußte der Import einiger Kiſten lebender Exemplare dieſer Pflanze für den glücklichen Unter— nehmer ein gutes Geſchäft werden. Es war inzwiſchen ſoviel bekannt geworden, daß Neu-Guinea die Heimat der Pflanze ſein müßte, und dorthin wurde Herr W. Micholitz entſendet. Er fand die Pflanze ohne Schwierigkeit und ſammelte eine große Menge Exemplare. Aber nun begann die Not. Das Schiff, welches die Kiſten an Bord hatte, verbrannte im Hafen 30 Viertes Kapitel. (Singapore), und Herr Micholitz rettete nur das nackte Leben. Er telegraphierte die troſtloſe Nachricht: „Schiff brennt, was thun?“ — „Zurückgehen“ war die Antwort ſeines Auftrag— gebers. „Zu ſpät, Regenzeit“ antwortete Herr Micholitz. „Zurückgehen“ antwortete Herr Sander. Und er ging zurück. Dies geſchah auf holländiſchem Gebiet. „Soviel iſt ſicher“, ſchrieb Herr Micholitz, „daß dies hier die unliebens— würdigſten Menſchen auf Erden ſind. Als ich ihnen ſagte, daß es ſehr unfreundlich von ihnen wäre, von einem ſchiff— brüchigen Manne etwas zu verlangen, erließen ſie mir dreißig Prozent von meiner Überfahrt, und ich zahlte 201 Dollars anſtatt 280 Dollars.“ Er erreichte jedoch Neu-Guinea wieder und fand auch die Dendrobien wieder und ſogar eine noch beſſere Varietät und größere Menge als das erſte Mal. Aber ſie wuchſen zwiſchen Gebeinen und Skeletten auf einem Kirch— hof der Eingeborenen. Dieſe Leute legen ihre Toten in eine leichte Kiſte, welche ſie zur Zeit der Hochflut auf die Felſen ſtellen, Plätze, welche diese Dendrobien beſonders lieben. Herr Micholitz brauchte ſeinen ganzen Takt und ſeine an— ziehendſten Geſchenke, um von den Papuas auch nur die Er— laubnis zu erhalten, daß er ſich der Stelle nähern dürfe. Aber Bronzedraht erwies ſich als unwiderſtehlich. Sie duldeten es nicht nur, daß er die Gebeine ihrer Vorfahren in ihrer Ruhe ſtöre, ſondern halfen ihm ſogar den Raub zu verpacken. Nur eine Bedingung machten ſie dabei, nämlich die, daß ein Lieb— lings-Götzenbild mit in die Kiſten verpackt würde. Als dies zugeſtanden war, führten ſie einen Tanz um die Kiſten auf und halfen ſie forttransportieren. Diesmal ging alles gut, und zur gehörigen Zeit waren die Tiſche des Auktionslokals mit Tauſenden einer Pflanze beladen, welche, bevor die Sendung angekündigt war, zu den Perlen einer der reichſten Sammlungen der Welt gehört hatte. Zwei bemerkenswerte Stücke machten bei dieſer Auktion Aufſehen: das eben erwähnte Götzenbild und ein Schädel, Viertes Kapitel. 31 an welchem eins der Dendrobien feſtſaß. Beide waren als Trophäen und Merkwürdigkeiten aufgeſtellt, aber nicht zum Verkauf. Aus Mißverſtändnis ward das Götzenbild mit verſteigert. Es brachte nur eine Kleinigkeit ein — jedoch gerade ſoviel als es wert war (?). Aber da Herr Walter von Rothſchild es durchaus für ſein Muſeum wünſchte, ſo bat Herr Sander, als er erfuhr, was geſchehen war, den Käufer, in den Rückkauf zu willigen; aber dieſer weigerte ſich. ) Es war in der That ein großer Tag. Viele Koryphäen der Orchideenkultur waren entweder in Perſon zugegen oder hatten ihre Agenten oder Gärtner hingeſchickt. Derartige Er— folge riefen natürlich auch die Konkurrenz ins Feld, aber Neu— Guinea iſt ein gefährliches Land, und erſt letzthin wurde be— kannt, daß ein Herr White von Winchmore Hill auf der Suche nach ebendemſelben Dendrobium Phalaenopsis Schroede- rianum ſeinen Tod gefunden habe. Ich erwähnte vorher die große Verſteigerung von Cypri— pedium Curtisii, an welche ſich auch eine merkwürdige kleine Geſchichte knüpft. Herr Curtis, jetzt Direktor des botaniſchen Gartens zu Penang, ſandte dieſe Pflanze im Jahre 1882 aus Sumatra, als er noch für die Firma Veitch & Sohn reiſte. Die Sendung war ſehr klein und da keine weitere folgte, ſo ſtieg die Pflanze ſehr im Preiſe. Herr Sander gab nun ſeinem Sammler den Auftrag, nach ihr Umſchau zu halten, denn der urſprüngliche Fundort wurde natürlich geheim gehalten. Fünf Jahre lang ſuchte Herr Ericksſon vergeblich (ſelbſtverſtändlich ſammelte er in dieſer Zeit vielerlei anderes Gute) und gab zu— letzt die Hoffnung auf. Bei einer ſeiner Expeditionen auf Sumatra beſtieg er einen Berg, deſſen Name natürlich nicht 1) Die Stelle lautet wörtlich: But Hon. Walt. de Rotlıschild fancied it for his museum, and on learning what had happened Mr. Sander begged the purchaser to name his own price. That indi- vidual refused. ae Viertes Kapitel. hierher gehört, der aber gleichwohl ſo bekannt und ſo oft be— ſtiegen iſt, daß die Holländiſche Regierung auf ſeinem Gipfel eine Schutzhütte gebaut hat. Dort blieb Herr Ericksſon zur Nacht. Manche früheren Beſucher hatten, wie dies in der— artigen Gebäuden der Fall zu ſein pflegt, ihre Namen und allerhand Bemerkungen an die Wände geſchrieben, unter dieſen bemerkte Herr Ericksſon, als er ſich im Morgengrauen von ſeinem Lager erhob, das Bild eines Cypripedium mit grüner Blüte, weißen Spitzen und Adern, roten Flecken und purpurner Lippe. „Curtisii, beim Zeus“ rief Ericksſon in ſeinem heimat— lichen Schwediſch, indem er auffprang. Kein Zweifel war möglich! Unter der Zeichnung ſtand: „C. &.’3 Beitrag zur Ausſchmückung dieſes Ortes.“ Mr. Ericksſon ſchrieb darunter: „Beitrag dankend angenommen, Cypripedium geſammelt. C. E.“ Aber Tag auf Tag verſtrich, und er ſuchte die Pflanze ver— geblich, wenn ſich auch ſeine Kiſten mit anderen Schätzen füllten. Hätte die Skizze ſeine Hoffnung nicht aufrecht er— halten, ſo würde er den Platz lange verlaſſen haben. Es war ja möglich, daß Herr Curtis die Blume rein aus Zufall gewählt hatte, um die Wand zu ſchmücken, da keiner der Eingebornen ſie zu kennen ſchien. So gab ſchließlich Ericksſon den Befehl, zu packen und wollte am nächſten Tage abreiſen, da erhielt er am nämlichen Abend von einem ſeiner Leute die Blume. Eine höchſt eigentümliche Geſchichte, wenn man will, aber eine, deren Genauigkeit ich verbürgen kann. Zu einer anderen Klaſſe von Verſteigerungen, welche aber in ihrer Art ebenſo berühmt wurden, gehörte die vom 11. März des letzten Jahres (1892). Ein hervorragender Importeur vom Feſtlande kündigte die Entdeckung eines neuen Odontoglossum an. Nicht weniger als 6 Varietäten der! typiſchen Art waren mit aufgezählt, um die öffentliche Auf— merkſamkeit auf die Pflanze und ihre Vorzüge zu lenken, und unter den obwaltenden Umſtänden ſchien dies thatſächlich keine Viertes Kapitel. 33 Übertreibung zu ſein. Es war „eine große Neuheit“, be— ſtimmt, ein „Kleinod der ſchönſten Sammlungen zu werden, eine „Lieblingsblume“ und „die anziehendſte aller Pflanzen“. Die Blüten ſollten zart roſa-purpurn ſein, die einzelnen Blüten⸗ teile am Grunde prachtvoll violett. Kurz, es war das blaue Odontoglossum und verdiente ſehr wohl den Beinamen „coeleste“. Und der ganze Vorrat von 200 Stück ſollte dem enthuſiasmierten britiſchen Publikum überlaſſen werden. Was Wunder, daß die Räume von Protheroe & Morris an jenem Morgen des 11. März mit einer dichten Menge gefüllt waren. Nur wenige Amateure und große Züchter waren ab— weſend und nicht durch Abgeſandte vertreten. Als der große Moment nahte und die Erwartung längſt den höchſten Grad erreicht hatte, ward eine Orchidee hereingebracht und vor die Verſammlung geſtellt. Die ausgelernten Orchideenkenner be— ſahen ſie mit einem flüchtigen Blick und ſagten dann: „Sehr nett, aber wir möchten „Odontoglossum coeleste* jehen“. Der unglückſelige Agent erklärte mit Beſtimmtheit, daß dies die herrliche Pflanze ſei. Zuerſt wollte niemand daran glauben, da alle es für einen gewagten Scherz hielten; als es aber ſchließlich klar wurde, daß dies „Kleinod“, die „große neue Art“, nichts anderes als das ſehr hübſche, aber längſt bekannte Odontoglossum ramosissimum ſei, erhob ſich ein ſolches Ge— lächter und ſolcher Tumult, daß die Auktion geſchloſſen werden mußte. Es kamen noch einige ähnliche Fälle derſelben Art vor, welche aber nicht ſo arg waren. Heute richtet ſich jedoch unſer beſonderes Intereſſe auf die Neuheiten, welche Herr Edward Wallace in zum Teil noch unbetretenen Gegenden geſammelt hat. Herr Wallace, welcher zugegen iſt, hat keine Abenteuer zu erzählen; aber er teilt uns, natürlich mit gehöriger Vorſicht, mit, in welchen Teilen Süd⸗ Amerikas er feine Koſtbarkeiten geſammelt hat. Es giebt da eine Gegend, welche nur die in Geographie Bewanderten Orchideen. 3 34 Viertes Kapitel. einigermaßen genau kennen, einen Grenzdiſtrikt zwiſchen Peru, Ecuador, Columbien, Venezuela und Braſilien; er wird von wandernden Indianerſtämmen durchzogen, und ein botaniſcher Reiſender hat ihn bisher noch nicht betreten. Herr Wallace folgte dem Zuge der Central-Cordilleren von Columbien aus 150 Meilen weiter ſüdlich, er kam durch eine Reihe von Thälern, die reichſten, welche dieſer trotz ſeiner Jugend weit gereiſte Mann geſehen hatte, und welche Myriaden von Herden ernähren. Meilenweit erſtrecken ſich die unvergleichlichen Weiden von Pajadena-Gras; aber die wilden Herden, welche nie in einen Stall kamen, ſind ihre einzigen Bewohner. Hier wächſt an Bergabhängen die jo ſeltene weiße Bletia Sherrattiana, ferner eine andere noch unbekannte Erdorchidee, welche Blüten— ſtände von 2 bis 3 Fuß Höhe mit 10 bis 12 Blüten, die Sobralia-ähnlich, purpurrot und 3 bis 4 Zoll breit ſind, treibt, und dann noch eine dritte Art, welche an Felſen wächſt und wie Maſſen von friſchgefallenem Schnee aus— ſieht. Dieſe Erzählungen klingen aufregend, werden aber von den Herren ſehr kühl angehört. Dieſelben würden ſich vielleicht für den niedrigſten Preis derartiger Seltenheiten, noch mehr aber dafür intereſſieren, welche etwaigen Chancen für ein glückliches Gelingen die Kultur derſelben bietet. Händler ſind im allgemeinen Neuheiten gegenüber ſehr mißtrauiſch, ganz beſonders bei Erdorchideen, und aus naheliegenden Gründen wird ihre Abneigung von den Beſitzern der großen Samm— lungen geteilt. Herr Burbidge hat die Schätzung aufgeſtellt, daß ungefähr 1500 —2000 Arten und Varietäten von Orchi— deen in unſeren Sammlungen vorhanden ſind, eine beun— ruhigend hohe Ziffer, welche ganz darnach angethan iſt, die Annahme zu unterſtützen, daß aus den bisher durchforſchten Gegenden keine der Kultur würdige Orchidee mehr zu erwarten ſei. Außer Frage iſt es aber, daß die Zahl der Orchideen, welche die Sammler des Mitnehmens nicht wert geachtet Viertes Kapitel. 35 haben, ſechs mal größer iſt. Daraus folgt, daß Neuheiten die Wahrſcheinlichkeit, etwas Gutes zu ſein, gegen ſich haben. Viele Arten von weiter Verbreitung zeigen je nach der Ort— lichkeit, von welcher ſie kommen, leichte Abweichungen. Im großen und ganzen ziehen die regelrechten Orchideenzüchter es vor, daß zuvor ein Kulturverſuch gemacht wird, und ſie zahlen lieber einen höheren Preis, wenn ſie ſicher ſind, daß die Pflanze etwas wert iſt, als einige Schillinge, wenn ſie ſicher erwarten können, von der Pflanze nur Mühe und die ſtarke Wahrſcheinlichkeit eines Miserfolges zu haben. — Sonſt er- zählt uns Herr Wallace nichts von ſeinem neuentdeckten Lande. Die Indianer nahmen ihn freundlich auf, nachdem er Freund— ſchaft mit einer alten Frau geſchloſſen hatte, und machten ihm während ſeines viertägigen Aufenthaltes das Leben nach ihrer Art angenehm. Der Auktionator hat inzwiſchen mit ſeinen Käufern ge— plaudert. Er fühlt ſelbſt ein Intereſſe an ſeiner Ware, und wie ſollte es anders ſein bei Gegenſtänden von ſolcher Schön— heit! Es werden ihm auch gelegentlich Pflanzen aus anderen Klaſſen übergeben, welche der Eigentümer als „Unica“ an— ſieht, und von welchen er bei der Verſteigerung unglaubliche Preiſe erwartet. Unica müßten es allerdings ſein, welche die Feuerprobe dieſer ſcharfen und geübten Augen unbehelligt paſſieren können. Plumeria alba z. B. wird vorgelegt, und zwar von einem keineswegs unerfahrenen Gärtner, aber mit ſoviel Scheu und Vorſicht, wie ſie ſich für eine der exquiſiteſten Blumen und das einzige Exemplar in England ſchickt. Aber ein heiteres Lächeln geht rundum, und einer der Herren ſtellt in einem recht gut verſtändlichen Flüſterton für die nächſte Verſteigerung ein Dutzend Exemplare für nur einen Bruchteil des geforderten Preiſes zur Verfügung. So geht ein fröh— liches Plaudern durch die Geſellſchaft, bis auf den Glocken— ſchlag / 1 Uhr der Auktionator ſeine Tribüne beſteigt. 36 Viertes Kapitel. Einhundert Lots Odontoglossum Alexandrae des beſten Typus und von tadelloſer Beſchaffenheit kommen ihm zuerſt unter die Hand. Hinſichtlich des zweiten Punktes iſt jeder der Anweſenden hinreichend Kenner, um ihn zu beurteilen, und hinſichtlich des erſten iſt man gern geneigt, den Ver— käufern Glauben zu ſchenken. Die Bulben ſind prall und blank mit dem kleinen, hervorbrechenden Triebe zwiſchen den Wurzeln. Doch es ſcheint keine Nachfrage nach Odontoglossum Alexandrae vorhanden zu jein. Eine hübſche kleine Gruppe von Bulben geht für 11 Schillinge fort, und jede von ihnen wird im nächſten Frühling eine oder gar zwei Riſpen der weißen, rotbraun gefleckten Blüten tragen. Dann hört das Bieten auf. Der Auktionator ruft aus: „Wünſcht niemand Crispums?“ und ſchiebt dann mit einem Ruck die 99 übrig- gebliebenen Anteile zur Seite. Es hieße die Leſer langweilen, wollte ich auf dieſe Weiſe den ganzen Katalog einer Orchideenverſteigerung durchgehen und den für jede Gruppe von Pflanzen erzielten Preis be— ſprechen. Dieſe Preiſe für noch nicht etablierte Pflanzen und Bulben ändern ſich von Woche zu Woche und ſind ſtarken Schwankungen ausgeſetzt. Verſchiedene Umſtände haben Ein— fluß darauf, beſonders die Jahreszeit. Am beſten verkaufen ſie ſich im Frühling, wo Monate von Licht und Sonnen- ſchein bevorſtehen, um die Wirkungen der langen Reiſe aus— zugleichen. Der Käufer kann ſie dann erſtarken laſſen, bevor die dunkeln Tage eines engliſchen Winters herannahen, und jeder Monat ſpäter vermindert ihm ſeine Ausſichten. Im Auguſt iſt es bereits zu ſpät, und im September hörten die periodiſchen Auktionen bis vor kurzem ganz auf. Einige wenige Sendungen, welche durch Zufall ſich verſpätet haben, treffen noch ab und zu ein, oder ſolche von Abſendern, welche Neulinge im Ge— ſchäft ſind. Die Größe der möglichen Schwankungen zeigt das Beiſpiel von Odontoglossum Alexandrae zur Genüge, Viertes Kapitel. 37 dieſelben Exemplare würden im April um mehr als das Doppelte des Preiſes unter heftigem Überſteigern verkauft worden ſein. Immerhin mag jeder, welcher dieſe Königin der Blumen zu beſitzen wünſcht, ſie zu jeder Zeit für einige Schillinge kaufen. Der Ruf der Importeure und ihre Verſicherung, daß die Pflanzen zum beſten Typus gehören, geben dieſen mehr Wert als gewöhnlich. Vielleicht verſucht der Importeur ſein Glück in dieſer Saiſon noch einmal, und ſchließlich topft er die un— verkauften Bulben ein und verkauft ſie im nächſten Frühling als etabliert. Auf die Odontoglossum folgt vielleicht ein Oncidium luridum, eine breitblättrige, hübſche!) Orchidee, bei welcher ein ungeübtes Auge überhaupt keine Bulben entdeckt. Dieſe Pflanze beherrſcht immer (?) die Auktion, wenn ſie billig an— geboten wird, und 10 Schilling mag als ein guter Preis für ein Stück von mäßiger Größe gelten. Wenn ſie gut gedeiht, bringt ſie im nächſten Sommer einen Blütenſtand von 6 bis 7 Fuß Länge mit hunderten von gelb, braun und orange gefleckten Blumen. Oncidium juneifolium, die nächſte an der Reihe, iſt zunächſt uns und auch den anderen unbekannt. Es erfolgt kein Angebot auf dieſe Bündel binſenähnlicher Blätter, obwohl verſichert wird, daß ſie das ganze Jahr hindurch ihre kleinen, gelben Blumen hervorbringe. Epidendrum bicornutum anderer- ſeits iſt wohlbekannt und wird, wenn man ſie blühend ſieht, was aber ſelten der Fall iſt, viel bewundert. Die Beſchreibung ihrer weißen, rot gefleckten Blüten klingt mehr wie eine Sage, als wie ein Bericht von Augenzeugen. Von dem und jenem wird erzählt, die Pflanze wüchſe bei ihm wie Kohl, aber der Erfolg ſei ihm ſelbſt rätſelhaft. In Kew ſoll 1) Nicht immer. Die Pflanze iſt ungeheuer variabel und hat neben ſehr hübſchen Varietäten ſehr unſchön gefärbte. In Deutichland - iſt ſie wenig beliebt. — Anmerkung des Überſetzers. 38 Viertes Kapitel. man in einem gewiſſen Teil eines gewiſſen Hauſes keine Schwierigkeiten damit haben. Die meiſten Exemplare ſind gut im Wachstum und erzielen Durchſchnittspreiſe von 12 Schilling 6 Pence bis 15 Schilling. Welch ein Unterſchied zwiſchen dieſen Preiſen und jenen, welche ſich im Bewußtſein der großen Menge feſtgeſetzt haben! Mir ſpeziell fehlen alle ſelbſterlebten Beiſpiele ſolcher hohen Preiſe, und ich kann nur wiederholen, daß heutzutage Schillinge da gezahlt werden, wo früher Pfunde Sterling ge— zahlt wurden. So im Jahre 1846. Damals brachte eine jo häufige Pflanze wie Barkeria elegans 5 bis 17 £ pro Stück; Epidendrum Stamfordianum 5 &; Dendrobium formosum 15 &; Aörides maculosum, crispum und odo- ratum 20, 21 und 16 K. Niemand darf nun aber glauben, daß dieſe jo teuer bezahlten Exemplare in irgend einer Hin ſicht beſſer geweſen ſeien, als die, welche wir jetzt erhalten, nein, ganz ſicher iſt, daß ſie damals in ſchlechterem Zuſtand in Europa ankamen. Heute iſt der höchſte Preis 30 Schilling, und nur ein großes Exemplar wird ihn erzielen. Mir iſt es erſtaunlich, warum ſo wenig Leute Orchideen kultivieren. Jedes beliebige moderne Gartenbuch lehrt, daß mindeſtens 500 Arten oder Varietäten, welche reichlich blühen und ſicher eben jo ſchön als irgend welche anderen Blumen find, ohne künſt— liche Wärme leicht 7 bis 8 Monate des Jahres kultiviert werden können.!) Es ſind nur dieſe Legenden, welche das Publikum von der Orchideenkultur abſchrecken, und ein Nach— mittag in einem Auktionslokal zugebracht, iſt eines der beſten Mittel, dieſelben zu vernichten. ) In England ja; in Mittel- und Norddeutſchland keinenfalls ſo lange. — Anmerkung des Überſetzers. Fünftes Kapitel. 39 Fünftes Kapitel. Orchideen im allgemeinen. Dieſen Gegenſtand und alles, was ſich über die hiſtoriſche Entwickelung der Orchideenkunde, über die wiſſenſchaftlichen Fragen, welche hierbei in Betracht kommen, oder gar über die praktiſche Seite der Sache ſagen ließe, in dem kurzen Rahmen eines Kapitels zu behandeln, iſt ganz und gar unmöglich. Ich bin ein Enthuſiaſt und will meine Geſichtspunkte, ſo zwingend ſie für mich ſein mögen, hier niemandem auf— drängen. Meine Abſicht iſt, herumzuſchweifen und dem Fluge meiner Gedanken zu folgen, wie ſie entſtehen, viel— leicht nicht ganz ohne beſtimmtes Ziel, aber ohne mich an die Richtung zu binden. Ich hoffe, daß ich die Kritik wiſſen— ſchaftlich gebildeter Leſer nicht herausfordere und ſolche, welche der Frage gleichgiltig gegenüber ſtehen, unterhalte. | Liebenswürdige Philoſophen, welche glauben, daß die Hilfsquellen der Natur, falls ſie richtig geſucht und gefunden werden, vollauf genügen, jedes geſunde Bedürfnis der Menſchen zu befriedigen, ſollten eigentlich von Haufe aus Orchideen— freunde ſein. Beim Beginn unſeres Jahrhunderts war die Wiſſenſchaft der Blumenzucht ziemlich ſo weit, wie wir heute ſind. Unter mancherlei Mißſtänden, welche wir jetzt vermeiden — ich nenne nur die Heißluftheizung und die unvollkommene Ventilation — zogen unſere Väter und Großväter ihre Pflanzen genau ſo gut, wie wir; mancherlei Verbeſſerungen — beſonders in der Anlage der Häuſer — ſind ſeither erfunden, aber in betreff des ſchließlichen Erfolges bedeuten alle unſere heutigen Verbeſſerungen keinen Fortſchritt. Männer, welche ſich nach etwas anderem und einem neuen Feld für ihre Thätigkeit ſehnten, ſchauten ſchon lange nach einem ſolchen aus und 40 Fünftes Kapitel. fanden es bald. Linné hatte im Jahre 1763 einmal über exotiſche Orchideen geſprochen, obwohl ſeine Kenntniſſe ſich nur auf Herbarpflanzen und Abbildungen beſchränkt haben, und wie Herr Caſtle nachwies, hat 30 Jahre zuvor eine importierte Knolle, welche Leben zeigte und eingepflanzt wurde, geblüht; den Namen kennen wir nicht mehr. So erfuhren die Garten- freunde, gerade als ihnen beſonders an einer ſolchen Nachricht gelegen ſein mußte, daß eine große Familie von bisher noch unbekannten Pflanzen ihrer Aufmerkſamkeit und Pflege warte, Pflanzen von wunderbarer und geheimnisvoller Schönheit. Je unklarer die erſten Notizen waren, deſto mehr wuchs das Intereſſe von Jahr zu Jahr Während ſchon einige hundert Arten in Büchern beſchrieben waren, betrug die Ziffer der in Kultur befindlichen Arten, derjenigen, welche Sir Joſeph Banks geſammelt hatte und unſerer einheimiſchen dazu höchſtens 50. Im Jahre 1813 konnte ſelbſt Kew nur 118 Arten aufweiſen. Die Amateure ſtanden in Hoffnung und atemloſer Erwartung, bis ſie in den Beſitz dieſer Schätze kämen. Schritt für Schritt öffnete ſich das neue Gebiet, und mit Freude ward es in Beſitz genommen. Im Jahre 1830 gab es bereits eine Reihe von Sammlungen, welche damals für voll— ſtändig galten und noch jetzt ihren faſt zur Sage gewordenen Ruhm beſitzen, und gelegentlich der letzten Orchideen-Konferenz konnte Herr O'Brien jagen: er fürchte, daß wir mit vielen Exemplaren nicht konkurrieren könnten, welche einſtmals in den Jahren 1835 bis 1850 auf den Gartenbau-Ausſtellungen in Chiswick ausgeſtellt geweſen ſeien. Auszüge aus den Berichten, welche er mitteilte, unterſtützen dieſe Annahme. Man kultivierte weniger Arten, aber man hielt auf „Schau— pflanzen“, und wir leſen da erſtaunliche Dinge. So erzählte Mrs. Lawrence, die Mutter unſeres Oberhauptes Sir Trevor Lawrence von einem Aerides mit 30 bis 40 Ahren, einer Cattleya mit 20 Blütenſtänden, einem Epidendrum bicor- Fünftes Kapitel. 41 nutum, dieſer bisher ſo ſchwer zu ziehenden Art, mit vielen Blütenſtänden und einem Oncidium, welches einen Blüten- ſtand goldener Blüten trug, der 4 Fuß im Durchmeſſer hatte. Damals gab es Rieſenexemplare in unſeren Gewächshäuſern. So war der Wunſch der Blumenfreunde erfüllt, und im Jahre 1852 konnte Herr B. S. Williams es wagen, ſein Buch „Orchids for the Million“ zu publizieren, ein Buch, welches ſpäter unter dem Titel „The Orchid Grower's Manual“ einen wohlverdienten Ruf erhielt.!) Eine Beſchäftigung war ſomit entdeckt, an welcher das Intereſſe und die Freude von Jahr zu Jahr wuchs; denn alle, welche ſich die Mühe nahmen gründlich zu prüfen, fanden, daß dieſe Meiſterwerke der Natur, in unſer Klima und unter unſeren düſteren Himmel verpflanzt, mit einer Sicherheit und Regelmäßigkeit zum Blühen gebracht werden konnten, wie kaum in ihrer Heimat. Die Schwierig⸗ keiten der Kultur erwieſen ſich im großen und ganzen als Mythus, und wenn auch die große Maſſe der Bevölkerung — die Millionen — Herrn Williams' Aufruf nicht folgten, ſo thaten es die oberſten Zehntauſend und dieſe mit Freuden. — Ich ſagte, daß die Orchideen und ihre Kultur ſich gerade in einem Augenblicke eingefunden hätten, als die gebildete Welt anfing, ſich nach etwas zu ſehnen, welches ihrem Hunger nach Beſchäftigung genügte. Leute von Geſchmack werden leicht ermüdet durch die konventionelle Schönheit, in welche die Kunſt aller früheren Generationen ihr Schönheitsideal gekleidet hat. Vielleicht iſt das ein Fehler, vielleicht ein Mangel an gutem Geſchmack; ſicher iſt jedenfalls, daß dieſe Auffaſſung exiſtiert und Berückſichtigung verlangt. Ein Gemälde, eine Bildſäule, eine Porzellanvaſe, kurz irgend ein Gegenſtand der bildenden Kunſt iſt und bleibt ſtets derſelbe, mag er ſo ent— zückend ſein wie immer. Das Einzige, was man damit 1) Das Buch iſt in der That vortrefflich und hat bis jetzt 7 ſtarke Auflagen erlebt. — Anm. d. Überſ. 42 Fünftes Kapitel. machen kann, iſt, ihn unter verſchiedener Beleuchtung zu betrachten. Théophile Gautier hat in einem Augenblick un— beſonnenen Freimutes einmal geſagt, wenn Raphaels „Ver— klärung“ in ſeinem Zimmer hinge, würde er ſicher nach einiger Zeit Fehler daran entdecken, unbedeutende und lächerlich geringe Fehler, aber immerhin ſolche, welche ihm für den Augenblick den vollen Genuß dieſes Kunſtwerkes verleiden würden. Ich erwähne dieſe Notiz hier, welche vielen meiner Leſer an⸗ ſtößig erſcheinen wird, weil ich glaube, daß Gautier's Einfluß auf das äſthetiſch gebildete Publikum größer iſt, als der jedes anderen Schriftſtellers. Tauſende, welche nie eine Zeile ſeiner Schriften geleſen haben, ſind indirekt von ihm beeinflußt, und die Empfindungen, welchen er vor zwei Generationen Worte gab, liegen jetzt gewiſſermaßen in der Luft und find Gemein— gut aller oder doch vieler geworden. Die Beſitzer großer Sammlungen, welche viel Geld für ihre Kunſtwerke bezahlten, werden ſich natürlich dagegen ſträuben; aber in der Regel achten die Beſitzer ſolcher Koſtbarkeiten auf ſie nicht mehr als auf ihre wertvollen Tiſche und Stühle; derjenige jedoch, welcher in der That ein Kunſtkenner und Liebhaber iſt, kann leicht dazu kommen, vor dieſen lebloſen Schönheiten ungeduldig zu werden, wenn er ſie ſtets vor ſich hat. „O, daß dieſe Lippen ſprechen könnten!“ rief Cowper aus. „O, daß dieſe herrlichen Geſtalten ſich neu gruppieren oder in eine andere Beleuchtung kommen, oder nur irgend etwas thun möchten!“ ruft der Aſthetiker nach, wenn er ſie eine Weile bewundert hat. „O, daß der Wind dieſe herrliche See kräuſeln wollte, daß das Grün des Sommers zum Gelb des Herbſtes, daß Nacht zum Tage, Wolken in Sonnenſchein und Sonnenſchein zu Wolken ſich wandeln möchten!“ Aber littera scripta manet, und ebenſo bleibt jeder Pinſelſtrich für die Ewigkeit, bleibt ſtets der Bogen einer Apolloſtatue geſpannt. Man mag ein Gedicht leſen, bis man es auswendig weiß, doch wird Fünftes Kapitel. 43 ſtets das geſprochene Wort die Verſe unſerem Ohr nahe bringen, als wäre es das erſte Mal. Maler mögen ihre Leinwand zur Seite ſtellen und nach kurzer Zeit gleichſam mit neuen Augen wieder vor ſie treten, ein Käufer und Liebhaber jedoch, welcher einmal von dieſer Krankheit der Überſättigung ergriffen iſt, hat keine ſolche Hilfsmittel. Mag er ſeine Kunſtwerke Jahre lang nicht ſehen, es genügt ein einziger Blick, um alle Überſättigung auf der Stelle zurück— zurufen. Ich habe ſelbſt einen Fall genau beobachtet, wo ein vortreffliches Bild von Geröme zu einem wahren Alp wurde. Das jährliche Sinken der Preiſe für Gemälde iſt zumeiſt dar— aus zu erklären, daß die ewige Unveränderlichkeit der Bilder geradezu eine Averſion gegen ſie erzeugt, und dieſe Averſion macht ſich gerade unter der beſſeren Klaſſe von Beſchützern der Kunſt bemerkbar. Für Leute dieſer Art ſind Orchideen eine glückverheißende Erholung. Keine Einbildungskraft kann ihre Lieblichkeit, die Rundung ihrer Geſtalten, ihre Farben, ihre Anmut in jedem einzelnen Teil, wie in ihrer Geſamtwirkung beſchreiben. Ich ſah einſt in Italien (oder war es zu Oxford in Taylor's Institution?) die Handzeichnungen Raphael's für die Verzier— ungen in dem neuen Palaſt Leo's X., und ich füge in Parentheſe hinzu, daß niemand eine Ahnung von der Über— legenheit dieſes Künſtlergenies haben kann, der nicht dieſe, rein auf den groben Effekt berechneten Studien geſehen hat. Unter dieſen Skizzen waren idealiſierte Blumen, ſchön und herrlich wie aus dem Feenland und doch wie tot und kalt und irdiſch im Vergleich mit der Pracht eines einzigen Blütenſtandes von Odontoglossum Alexandrae. Meine Meinung völlig klar zu ſtellen, iſt den erfahrenen Leſern gegenüber nicht nötig, und anderen Leuten werden Worte doch keine rechte Vorſtellung von der Sache geben, aber während ich dieſe Zeilen ſchreibe, ſteht vor mir eine Riſpe von Oneidium erispum, und über 44 Fünftes Kapitel. dieſe will ich nicht ſtillſchweigend hinweggehen. Welcher Farbenkünſtler möchte es wagen, dieſes ſchimmernde Braun mit matter Goldfarbe zuſammenzuſtellen; welcher der Form noch jo kundige Meiſter kann dieſe kräftigen und doch jo zarten Wellenlinien der breiten Petalen bilden; und welche menſchliche Einbildungskraft kann dieſe Blütenbüſchel ſo zierlich anordnen! Es iſt der Inbegriff aller Grazie und Schönheit. Hätte ich unter meinen Freunden einen Atheiſten — natürlich müßte er ein Mann von Geiſt und feiner Empfindung ſein, ſo würde ich dieſen Zweig vor ihn hinſtellen und auf ſeine Antwort warten. Wenn Salomo in aller ſeiner Herrlichkeit nicht gekleidet war, wie eine Lilie auf dem Felde, ſo haben die Engel des Himmels kein mehr aus Duft und Ather ge— wobenes Kleid als die Blüten einer Orchidee. Doch wieder zur Sache. — Viele Leute, denen der Gartenbau im allgemeinen gleich— giltig iſt, denen die proſaiſchen Arbeiten mit ihrem Schmutz, das Düngen und alle die ſonſtigen Prozeduren wie Graben und Hacken unangenehm ſind, lieben dennoch die Blumen. Für ſolche Leute ſind Orchideen eine wahre Erlöſung. Nehmen wir z. B. mein Oncidium. Es ſteht in einer Art Blumen- topf, einem mit Moos gefüllten Behälter, aber nur der Bequemlichkeit halber; denn der ganze Blütenſtand mit ſeinen großen Blumen entſpringt aus einem Scheit Holz. Kein Schmutz oder feuchte Erde umgiebt ihn, wir ſehen nichts weiter außer den Wurzeln, welche den Block umgeben, und dem Draht, welcher zum Aufhängen dient. Die Pflanze ver- langt keine weitere Wartung als ihr tägliches Bad. Seit dem Tage, wo ich ſie im letzten Jahre an den Block band, nach— dem ſie ihrer Heimat und all ihren Freunden entriſſen und in Stevens' Auktionsſälen für armſeliges Silber verkauft war, ſeit dieſer Zeit habe ich ſie nicht weiter berührt, außer um ſie einzutauchen und wieder an ihren Haken zu hängen. Wenn Fünftes Kapitel. 45 die Blumen verwelken, wird ſich das Spiel wiederholen, und ſie wird hoffentlich treiben und weiterwachſen, bis ſie mich im nächſten Jahre wieder mit ihren Blüten erfreut, und ſo Jahr für Jahr, bis der Holzblock verweſt iſt. Dann bringe ich ſie ſorgfältig auf ein größeres Holzſtück, und das Spiel beginnt von neuem. Wahrſcheinlich wird es mir gelingen, ſie umzu— pflanzen, ohne die Wurzeln zu verletzen, und in künftigen Jahren werde ich nicht einen, ſondern zwei oder gar drei Blütenſtände ernten, dann eine Anzahl und ſo fort und fort, indem ich die Pflanze teile und vermehre, und ſo wird ſie weiter wachſen, bis die letzten meiner Nachkommen tot ſind. Dies wird der natürliche Verlauf der Dinge ſein. Ob meine Nachkommen ſorgſam genug ſein werden, der Pflanze ihr ſchönes Wechſelſpiel weiter zu ermöglichen, iſt natürlich ihre Sache und wird meiner Kontrolle entzogen ſein. Außer allen möglichen anderen Vorzügen, denen die Orchideen ihre bevorzugte Stellung verdanken, können ſie ſich auch rühmen, unſterblich zu ſein. Als Sir Trevor Lawrence im Jahre 1885 unſeren berühmten Kongreß eröffnete, ſagte er: „Ich ſehe bei den meiſten von ihnen keinen Grund, wes— wegen ſie je ſterben ſollten. Alle Teile der Orchideenpflanze werden Jahr für Jahr neugebildet, und es giebt thatſächlich keine Urſache, weshalb ſie aufhören ſollten, zu leben, wenn ſie nicht, wie dies in der Gefangenſchaft vorkommen kann, durch Fehler in der Behandlung getötet werden.“ Sir Trevor ſprach damals zu Autoritäten, zu einem Parterre von Königen im Reiche der Botanik, ſonſt hätte er ſich weiter über dieſen Text auslaſſen müſſen. Die epiphytiſchen Orchideen bilden, ganz allgemein aufgefaßt, einen Körper, welcher aus mehreren Teilſtücken oder Gliedern beſteht und von einem Haupt- oder Gipfeltrieb abgeſchloſſen iſt. Die Cirkulation des Saftes pulſiert durch die ganze Maſſe, mit entſprechend geringerer Lebhaftigkeit natürlich in den Teilen, welche geblüht haben 46 Fünftes Kapitel. und welche der fortwachſende Teil hinter ſich läßt. Bei einem gewiſſen Alter hört unzweifelhaft die Cirkulation in dieſen ab— ſterbenden Gliedern auf; aber bisher fehlt uns die ſichere Kenntnis, wie lange es dauert, bis die ausgeblühten Bulben eines Oncidium oder einer Cattleya eines natürlichen Todes ſterben. Man ſchneidet vielleicht die lebloſen Bulben ab, wenn ſie zu faulen beginnen, und ſiehe da, vielleicht nach 12 Monaten ſprießt ein kleiner Trieb aus irgend einem welken und unſicht— baren „Auge“, welches jahrelang ſchlief, und beginnt nun ein ſelbſtändiges Daſein. Ich bin als Orchideenzüchter noch nicht alt genug, um beurteilen zu können, wie lange dieſe Pflanzen ein ſcheinbar überflüſſiges Glied beibehalten können. Die wundervolle Organiſation dieſer Pflanzen iſt vor allen Dingen durch Vorſicht und Umſicht gekennzeichnet, ſie haben ſoviel Sehnen an ihrem Bogen und Pfeile in ihrem Köcher, als ſie können und behalten ſie ſolange als möglich. Der zarte, junge Trieb kann durch tauſenderlei Urſachen zu Grunde gehen, aber dieſer Unfall treibt dieſe unbezähmbaren Pflanzen nur dazu an, ihn durch zwei oder mehr neue zu erſetzen. — Weſen, welche ſo für die Unſterblichkeit beſtimmt erſcheinen, ſind ſchwer zu töten. Unter allen Freuden, welche uns geiſtige Genüſſe ge— währen, kenne ich keine, welche ſich mit der Genugthuung ver— gleichen läßt, wenn man einer vernachläſſigten Orchidee die Geſundheit wiedergiebt. Man kann ſolche Exemplare für Kupfermünzen kaufen, ſeltene Arten dazu und von einer Größe und ſo ſtattlich anzuſchauen, daß die Händler ſie auf eben— ſoviel Sovereigns ſchätzen würden, wenn ſie ſie geſund auf ihren Verkaufstiſchen liegen hätten. Ich will Namen und Einzel— heiten beiſeite laſſen und nur kurz ſagen, daß ich ſelbſt auf der Auktion mehr als 20 Töpfe für 5 Schilling gekauft habe, und darunter keine Art mehr als zwei- oder dreimal. Die Hälfte von ihnen war rettungslos krank, einige hatten zufällige Fünftes Kapitel. 47 Beſchädigungen erlitten, aber der größere Teil war ein Opfer ungeſchickter Behandlung geweſen, und auf deren Wiederher— ſtellung durfte ich rechnen. Orchideen erzählen oft ihre eigne Geſchichte in unauslöſchlichen Schriftzügen, mag es ihnen gut oder ſchlecht ergangen ſein, und als Herr O'Brien auf jener Konferenz thatſächlich vor dem verſammelten Rat der er— fahrenſten und gelehrteſten Orchideenkenner behauptete, daß Orchideen ebenſo wie Haustiere es bald herausfinden, ob man ihnen wohl oder übel will, und daß ſie die Hand lieben, welche ihnen gutes thut, daß ſie ihren Wärter kennen und ihm ihre Wünſche mitteilen, als ob ſie ſprechen könnten, da folgte auf dieſe, etwas ſehr extravagante Behauptung natür— lich Heiterkeit, aber kein Spott, und wer die unendlich vielen Handgriffe, Methoden und ſonſtige Beſonderheiten erwägt, welche bei manchen Orchideen angewandt werden müſſen, um ihnen genug zu thun, möchte ſie für vernunftbegabte Weſen halten. Daß ſie ihre Geſchichte in nicht mißzuverſtehenden Zügen tragen, iſt ohne weiteres zuzugeben. Ich habe da eine Cattleya, für welche ich im letzten Herbſt ungefähr einen Schilling zahlte; ich hielt ſie, obwohl ſie keinen Namen hatte, für wertvoll. Sie verriet mir, daß irgend ein grauſamer Menſch ſie vor fünf Jahren wahrſcheinlich als importierte Pflanze mit zwei Bulben auf einer Auktion erſtand; denn dieſe ſtehen noch wie zwei Säulen verſchwundener Herrlichkeit unter Trümmern. Sie maßen oder richtiger meſſen jetzt noch 8 Zoll in Höhe, bei / Zoll im Durchmeſſer. Im erſten Jahre brachte der Un— glücksmenſch den Trieb auf 3 ½ Zoll unſeres Maßſtabes, in der nächſten Saiſon auf 2 Zoll, in der dritten auf 1¼ Zoll. Da begriff die geduldige Pflanze, daß irgend etwas faul ſei in ihrer Behandlung und ſuchte ſich dadurch zu helfen, daß ſie das machte, was wir einen Hintertrieb nennen (d. h. ſie trieb aus einer der alten Bulben), wodurch ſie alſo zwei fort— 48 Fünftes Kapitel. wachſende Triebe erhielt. Im vierten Jahre ſchwand der ſtärkere von beiden bis auf weniger als einen Zoll und die Dicke eines Strohhalms, während der andere mit Mühe und Not die Größe eines Weizenkornes erreichte und dann das Wachstum aufgab. nie eine Spur einer Blüte zu ſehen bekommen hat. Da end— lich nach 5 Jahren gab er die Quälerei auf und ſetzte die Pflanze in Freiheit, und ich übernahm es, den verkümmerten Dulder wieder herzuſtellen. Sofort begann die Pflanze ſich dankbar zu erweiſen, und augenblicklich, wo der Sommer noch nicht ganz zu Ende iſt, hat der Vordertrieb die Stärke wieder— gewonnen, welche er in drei Jahren verloren hatte, während der Hintertrieb, welcher tot zu ſein ſchien, die beſte Bulbe übertrumpft, welche mein Vorgänger erzielt hat. Und ſolcher Pflanzen beſitze ich hunderte, Krüppel, welche ihre Geſundheit wiedergewinnen, Kranke, welche ſich von ihrem Sterbebett erheben. Ob es wohl eine ruhigere Freude giebt, als ſo morgens durch meine Häuſer zu ſchlendern? Mir wenigſtens hat das Leben und Erlebniſſe in mancher Herren Länder und unter den verſchiedenſten Verhältniſſen nichts dem Ahnliches zu bieten vermocht. Und jeder meiner Leſer kann dies erreichen; denn ich bin, aber nicht im gewöhnlichen Sinne des Wortes, mein eigner Gärtner und dulde nicht, daß irgend jemand die Hand an meine Orchideen legt. Und wenn ich, ein vielbeſchäftigter Mann, der als Journaliſt, als Feuilletoniſt und Romanſchriftſteller vom Ertrag ſeiner Feder lebt, wenn ich Hunderte von Orchideen ziehen kann und ſo geſund, daß ich ſtolz darauf bin, ſie erfahrenen Männern zeigen zu dürfen, wenn ich ſie ohne andere Hilfe kultiviere, als im Notfall gelegentliche Aushilfe durch die Damen des Hauſes oder eine Aufwärterin, ſo iſt wohl ſicher, daß die Unternehmung keinerlei Schwierigkeiten bietet und wenig Koſten verurſacht. Ich glaube, daß dies Argument dazu angethan 4 Fünftes Kapitel. 49 iſt, dem Aberglauben von den unüberwindlichen Schwierig— keiten der Orchideenkultur einen Stoß zu verſetzen. Ich habe nicht die Abſicht, hier die Grundzüge der Orchideenkultur zu erörtern, möchte aber nur einen Punkt erwähnen. Orchideen ſind im ganzen gleichgültig gegen Einzelheiten. Genügen ihnen die Kulturbedingungen im großen und ganzen, ſo werden ſie gedeihen, und uns von jeder Angſt um ihr Wohlbefinden befreien; vernachläſſigen wir die Hauptbedingungen, ſo kann keine Pflege im kleinen dieſen Fehler wieder gut machen. Der Herr, welcher meine Cattleya in einen ſo jammervollen Zu— ſtand gebracht hat, hatte ſich die größte Mühe gegeben, hatte, wie es ſehr glaubhaft erſcheint, eine Unmenge Bücher nach- geſchlagen, hatte alle Ratſchläge befolgt und endete damit, die Orchideen für unberechenbar zu erklären. Gerade das Gegen— teil iſt der Fall. Kein lebendes Weſen folgt mit jo unverbrüch— lichem Gehorſam einigen einfachen Geſetzen, keine Maſchine wirkt Geſetze, von welchen ihr Daſein abhängt, erfüllt. Am beſten ſehen wir dies an einigen, zur Zeit noch nicht aufgeklärten Fällen, welche ich hier als Beiſpiel an— führe. — Einige rückſichtsloſe Eiferer haben unſere ehrwürdige Roſe von ihrem Thron geſtoßen und Phalaenopsis als Königin der Blumen gehuldigt. Laſſen wir die Frage der Pietät zunächſt beiſeite, ſo bleibt die Thatſache beſtehen, daß Phalaenopsis, wenigſtens vom Standpunkt des Kultivateurs aus, zu den intereſſanteſten Blumen gehören. Zu den Arteu und Gattungen, welche alle Aufmerkſamkeiten ſpröde zurück— weiſen und deren es viele giebt, gehören die Phalaenopsis nicht, und ich finde, daß ſie bei mir mit dem ruhigen Wohlgefallen eines gut gedeihenden Kohlkopfes wachſen; aber ich bin mir bewußt, daß dies ein Zufall ſein kann. Die all- gemeinen Bedingungen ſind in jedem Hauſe erfüllt, in welchem indiſche Orchideen gut gedeihen, aber von Zeit zu Zeit kommen Orchideen. 4 50 Fünftes Kapitel. uns Winke, daß dieſe oder jene Bedingungen, welche ſich nicht überall vorfinden, für das Gedeihen der Phalaenopsis unerläßlich ſeien. Über dieſe Fragen cirkulieren mancherlei Geſchichten, von welchen ich nur zwei erwähnen will, beide abſolut ſicher überliefert und leicht auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Die Vorſtände der Kew-Gärten beſchloſſen, ein Phalaenopsis-Haus zu bauen, ausgeſtattet mit allem Komfort, welchen Erfahrung und Wiſſenſchaften auszudenken vermochten; aber als es vor 6 oder 8 Jahren eröffnet wurde, gedieh keine der zahlreichen Arten und Varietäten von Phalaenopsis darin, und nach fruchtloſen Anſtrengungen ſah ſich Herr Thyſelton Dyer (Direktor der Royal Gardens) genötigt, eine andere Verwendung für das Haus zu finden, und es dient jetzt dazu, blühende Pflanzen auszuſtellen. Sir Trevor Lawrence erzählt, daß er 600 & für denſelben Zweck und mit demſelben Mißerfolg fortwarf; und doch kann jeder ſicher annehmen, daß eben dieſe Phalaenopsis in 9 von 10 gut eingerichteten Häuſern wunderbar gut wachſen und in 19 von 20 wenigſtens erträglich. Nichts deſtoweniger gilt es bei den Kultivateuren als eine Hauptregel, daß Phalaenopsis nie von der Stelle entfernt werden ſollten, wo ſie gut gedeihen, ihre Haken ſind geheiligt wie der, an welchen Horaz ſeine Leyer aufhing. Und man kann dies nicht einmal für ſo unvernünftig erklären, da der Augenſchein lehrt, daß das Wohlbefinden dieſer Pflanzen von Geſetzen beherrſcht wird, die zu ergründen uns bisher nicht geglückt iſt. Es würde verkehrt ſein, wollte ich den Eindruck hervor— rufen, daß Orchideenkultur gerade ſo leicht ſei, wie Gemüſe— Gärtnerei; aber für die Klaſſe von Leuten, welche ich gern für dieſe Kulturen begeiſtern möchte, haben die Launen, welche Phalaenopsis und einige andere Arten zeigen, genau ſo wenig zu bedeuten, wie die Schreckniſſe der Tiefe für einen Themſeſchiffer. Wieviel Tauſende von Hausbeſitzern in und um London haben ein „Bischen Glas“ für die Kultur von Fünftes Kapitel. 51 Geranien, Fuchſien ꝛc. Als fie begannen, hatten ſie höhern Ehrgeiz, aber Mißerfolge haben ſie im Laufe der Zeit be— ſcheidener gemacht, wenn nicht gar verzweifeln laſſen, und nun begnügt ſich der arme Mann mit irgend etwas, was erträglich grün ausſieht und einige verkümmerte Blumen zeigt. Der Grund iſt, daß ausdauernde Pflanzen unter Glas ſehr ſorgfältig behandelt ſein wollen, und da alle um— gebenden Bedingungen unnatürliche ſind, ſo ſteht ſolch ein unglücklicher Liebhaber zwiſchen Inſektenplage auf der einen Seite und Mehlthau auf der anderen, wie zwiſchen dem Teufel und der tiefen See. Unter ſolchen Umſtänden können ſelbſt leicht zu ziehende Pflanzen ihre Launen bekommen und ihr Unbehagen über die Behandlung in überraſchender Form zeigen, zumal da ihr Leben von Geſetzen beherrſcht wird, welche nicht ſo leicht mit Händen zu greifen ſind und welche keine Anderung zulaſſen. Die Orchideen jedoch, welche zu kultivieren ein unbemittelter Mann unternehmen kann, ſpielen ſolche Poſſen nicht. Für einen Schilling kann er ſich ein Buch kaufen, welches ihn über die Species und die nötigſten Vor— kenntniſſe belehrt; eine weitere Ausgabe von 5 * wird ihm für ſeine Lebenszeit und länger genügen, denn Orchideen ſind unſterblich. Es iſt nichts weiter nötig, als etwas Intelli— genz. — Nicht einmal Wärme, wenn er „kalte Orchideen“ für ſeine Sammlung gewählt hat; es genügt bei dieſen, nur den Froſt fernzuhalten. Einen Ausſpruch, wie dieſen letzten, würde ich vor fünf Jahren noch nicht gewagt haben, bis ich St. Albans beſucht hatte, aber in dem Kalthauſe dieſes Blumenpalaſtes, mit welchem Herr F. San— der den alten Burgflecken verſchönert hat, waren alle Ge— ſtelle gefüllt, bevor die Heizung ganz fertig war, und oft fiel das Thermometer auf den Gefrierpunkt. Ein weſentlicher Schaden entſtand, ſoweit ich erfuhr, hieraus nicht, obwohl Mr. Godseff (F. Sander's Manager) es nicht gerade liebte. 4* 52 Fünftes Kapitel. Wer im Frühling jemals den Anblick genoſſen hat, wenn dieſe Felder von Odontoglossum zu blühen beginnen, wird zweifeln, ob es etwas Vollendeteres geben kann und ob in dieſer Welt etwas dem gleich kommt. Ich kann es nicht unterlaſſen, den Anblick, welchen die große Galerie bietet, wenigſtens annähernd zu beſchreiben. Man ſtelle ſich einen 400 Fuß langen und 6 Fuß breiten Korridor vor, in welchem unter dem Glasdach ſoviel Körbe hängen, als irgend Platz haben; man ſtelle ſich dann vor, daß von jedem dieſer Körbe eine oder mehrere Riſpen ſchneeweißer Blüten herabhängen (wie viele es ſein mögen, iſt nicht einmal annähernd zu ſchätzen), daß man über ſeinem Haupte ein Blätterdickicht hat, wie die Tropenwälder es bieten und daß von dieſem die ſchnee— weißen Blüten gleich Schmetterlingen herabſchweben. Keines ſterblichen Menſchen Phantaſie kann ſich dies Bild in ſeiner ganzen Glorie ausmalen. Noch ein Wort zum Schluß. Wenn der eine oder der andere der Leute, zu denen ich hauptſächlich ſpreche, mir er— widert: „Ich wage es nicht, obwohl ich es möchte“, der höre die Erfahrung eines Enthuſiaſten, wie Herr Caſtle ſie in ſeiner kleinen Schrift „Über Orchideen“ erzählt. Der betr. Herr hatte einen Glaskaſten am Fenſter ſeines Wohnzimmers, 6 Fuß lang und 3 Fuß tief. Er ließ Röhren hindurchziehen, welche er vermutlich mit Gas anheizte. „Ehrgeiziger, als ich es war,“ ſagt Mr. Caſtle, „unternahm es der Beſitzer, in dieſem Miniaturgewächshaus unter reichlicher Anwendung von Waſſer Orchideen in einem der rauchigſten Stadtteile Londons zu züchten. Ich will die erſtaunliche Liſte der ſeltenen und ſchönen Pflanzen hier nicht aufzählen, ſondern nur erwähnen, daß es 25 Arten zarter und ſchöner Pflanzen des Warm— hauſes waren.“ Wenn unter ſolchen Umſtänden ſo Großes erreicht werden konnte, mit welchem Recht kann man dann noch von Schwierigkeiten bei der Orchideenkultur reden! Sechſtes Kapitel. 53 Sechſtes Kapitel. Aalthaus⸗ Orchideen. Dieſes Thema würde jeden gebildeten Leſer, ja, jeden Beſitzer einer Villa intereſſieren, wenn man ihn zu der Über— zeugung bringen könnte, daß ſich die Kultur dieſer Pflanzen ſehr gut mit ſeinen praktiſchen Intereſſen in Einklang bringen ließe. Vielleicht wird mit der Zeit das Publikum eines beſſeren belehrt werden. Sachkundigen erſcheint es auffallend, daß, trotzdem Orchideen ſchon ſo bekannt ſind und ſo viel von ihnen die Rede iſt, noch immer ſo viel unrichtige Vorſtellungen die Oberhand haben. Allein ich weiß aus Erfahrung, daß die meiſten, und unter ihnen ſelbſt große Blumenliebhaber, ſie für phantaſtiſche und geheimnisvolle Geſchöpfe halten, welche nur für Narren und Millionäre beſtimmt zu ſein ſcheinen. Ich verſuche ſeit langer Zeit mein beſtes und halte es eben für meine Pflicht, dieſen Irrtum zu beſeitigen und ein wenig mehr Licht in dieſe Angelegenheit zu bringen. Meiner Meinung nach haben die Fachmänner ſchuld an ſolchen Miß— verſtändniſſen. Sie ſuchen nämlich einen Schleier darüber zu decken und die Sache geheim zu halten. Ihr Mißmut ward laut, als vor 40 Jahren Herr B. S. Williams die erſte Auflage ſeines berühmten Werkes über Orchideen er— ſcheinen ließ. Sicher iſt, daß es keine andere Pflanzengattung giebt, die ſich ſo leicht kultivieren läßt und ſo leicht die Mühe bezahlt macht, wie die Kalthaus-Orchideen. Faſt alle Gattungen dieſer gewaltigen Familie weiſen Arten auf, welche in einem gemäßigten Klima einheimiſch ſind, wenn ſie nicht geradezu der gemäßigten Zone der Erde angehöreu. Ich entſinne mich in dieſem Augenblicke nur zweier Gattungen, welche Ausnahmen bilden, Vanda und Phalaenopsis. Natürlich giebt es mehr ſolcher Ausnahmen — ſelbſt beim Schreiben dieſer Zeilen fielen mir ein Dutzend 54 Sechſtes Kapitel. anderer Arten ein — allein der Mangel an Raum zwingt mich, nur die allgemein gültigen Thatſachen zu beſprechen. Es giebt mindeſtens hundert Gattungen und mehr denn zwei— tauſend Arten, die überall gedeihen, ſolange ſie froſtfrei ge— halten werden. Allein ein vernünftiger Menſch wird ſich ſchon mit den großen Gattungen Odontoglossum, Oncidium, Cypripedium und Lycaste begnügen, und an dieſen und ihren unzähligen Varietäten kann er viel Freude erleben. Sie haben alle Reize in ſich vereinigt, immergrünes Laub, anmutigen Wuchs und Blumen, welche zu den Meiſterwerken der Natur zu rechnen ſind. Der arme Mann, welcher dieſelben mit Er— folg in ſeinem beſcheidenen Gewächshauſe heranzieht, hat keinen Grund, den Reichen um ſeine prächtigen Cattleyen und Aerides zu beneiden. Ich möchte es in die Welt hinausrufen, daß von zehn Bewohnern der Vorſtädte Londons, welche dieſes Buch in die Hand nehmen, neun die lieblichſten Orchideen züchten können, wenn ſie nur den Mut hätten, es zu verſuchen. Die Odontogloſſen nehmen natürlich den erſten Rang ein, und es fällt ſchwer, alle ihre Vorzüge aufzuzählen. Eine ihrer beſten Eigenſchaften iſt die, daß ſie je nach der Reifezeit ihrer Bulben ihre Blüten zu jeder Jahres— zeit entfalten. Und gerade hierin liegt der große Wert für den Liebhaber. Ein Gärtner, der ihnen die richtige Pflege zu teil werden läßt, bringt ſie innerhalb weniger Wochen alleſamt zur Blüte. So gewähren große Sammlungen in den Monaten April bis Juni einen anmutigen Anblick, welchen ſelbſt der Garten Eden nicht übertreffen kann. Allein nach dieſer herrlichen Blütezeit tritt ein Stillſtand ein und für den Reſt des Jahres ſind die Kalthäuſer jedes Schmuckes bar. In einem großen Geſchäfte iſt dies kaum fühlbar; denn ſobald die Odontogloſſen abgeblüht haben, kommen andere Arten mit den mannigfaltigſten Farben zur Blüte. Umſomehr aber macht ſich dieſe Periode dem Liebhaber bemerkbar, der nur eine beſchränkte Anzahl von Töpfen hat, denn er hat keine Sechſtes Kapitel. 55 Blumen in ſeinem Hauſe. Doch die Odontogloſſen helfen ihm dieſe Schwierigkeit zu überwinden. Obgleich ihre Blütezeit in das Frühjahr fällt, ſo halten ſie nicht immer ſtreng an dieſer Regel feſt. Der geringſte Fehler in der Kultur hält die Blüten oft um einige Wochen, ja ſogar Monate zurück. Und ſo kann der Fall eintreten, daß der Eigentümer von einem Dutzend Pflanzen das ganze Jahr hindurch ſich ihrer Blüten erfreut, manchmal gar zwei oder mehrere Riſpen zu gleicher Zeit hat, da bei zweckmäßiger Behandlung die meiſten Odontogloſſenblüten vier Wochen lang friſch bleiben. Ein anderer Vorzug, den ſie mit einigen Arten der kalten Abteilung gemein haben, iſt ihre Gewohnheit, ſelbſt im Winter ihr Wachstum fortzuſetzen. Sie haben keine Ruhe— zeit; das ganze Jahr hindurch ſind ſie mit der Bildung neuer Bulben, friſchen Laubes und junger Wurzeln beſchäftigt, bis die Entſtehung des Blumentriebes ſie zwingt, ihre ganze Kraft auf die Entfaltung der Blüten zu verwenden. Aber der Winter iſt die wichtigſte Zeit, und ich glaube, ein jeder wird einſehen, wie wertvoll dieſer Gang der Entwicklung iſt; er bringt Abwechslung in die langen, öden Tage, wo das Leben anderer Pflanzen ſtillzuſtehen ſcheint. Iſt es ſo gering an— zuſchlagen, wenn ſich an dieſe Pflanzen Betrachtungen knüpfen, wie man ſie an einem Sonntagmorgen beim Durchwandern ſeines Gewächshauſes empfindet? Und zu dieſer Jahreszeit macht die Pflege eitel Freude. Wir fragen uns nicht ängſt— lich, wenn wir unſeren täglichen Geſchäften nachgehen, ob die „ſorgſame Hausfrau“, als ſie ausging, vergaß, Marie daran zu erinnern, die Fenſterläden zu ſchließen; ob Marie dieſem Befehle, falls er gegeben wurde, gehorchte; oder ob die verhaßten Patentluftklappen nicht wieder aufgeſprungen ſind? Die grüne Fliege macht uns keine großen Sorgen. Ein einmaliges Beſpritzen am Tage und ein einmaliges Gießen während der Woche genügt. Das fällt ſicherlich keinem ſchwer; und das Reſultat, welches zu erwarten ſteht, iſt koſtbar. 56 Sechſtes Kapitel. Sehr wenige von denen, die Odontoglossum kultivieren, ſcheinen ſich um die Geſchichte dieſer Gattung, ihre Bedeutung im Handel gekümmert zu haben, und doch iſt es ein eigenes Ding mit ihnen. Sie ſind ausſchließlich amerikaniſchen Urſprunges. Von der Nordgrenze Mexikos bis zur Südgrenze von Peru — mit Ausnahme von Braſilien, d. h. oberflächlich geſagt, erſtreckt ſich ihr Heimatland. Dieſe Ausdehnung iſt in vieler Hinſicht auffallend zu nennen. Die Temperatur allein kann nicht dieſe Grenze beſtimmen, weil einerſeits die an ſehr kalte Standorte gewöhnten Sophronitis und einige der kälteſten Cattleyen ebenfalls von Braſilien kommen. Andererſeits findet man Odontogl. Roezlii, eine ſehr heiße Varietät, und Odontogl. vexillariuum, ebenfalls eine warme Species, bis in dieſes Gebiet hinein verbreitet. Warum dieſe nicht einen Schritt weiter rücken, ſelbſt wenn ſie die Gemeinſchaft mit ihren Schweſtern oben in den Bergen, den Sophronitis, auch ver— weigern ſollten, iſt und bleibt uns ein Rätſel. Anderswo trifft man ſie im Überfluß an. Die Sammler können faſt mit Sicherheit berechnen, wann alle jene Odontoglossum Diſtrikte, die ſie durchſtreift haben, völlig erſchöpft ſein werden. Südamerika iſt freilich groß, und eine Tagereiſe abſeits der bisher betretenen Wege führt oft in eine noch völlig unbekannte Welt. Doch auch dem wird bald ein Ende geſetzt ſein. Die Engländer allein haben ganze Provinzen ihrer koſtbaren Schätze beraubt, und die ganze civiliſierte Welt ſtürzt ſich heutzutage auf ſolche Unternehmungen. Man giebt uns die traurige Verſicherung, daß, wenn die Odontogloſſen einmal in einer Gegend aus— gerottet ſind, Jahrhunderte bis zu ihrem Wiedererſcheinen ver— gehen werden. Die meiſten anderen Orchideen vermehren ſich ſo ſchnell, daß ſie ſchon nach Verlauf einiger Jahre den Schaden erſetzt haben. Aus Gründen, welche uns noch voll- Sechſtes Kapitel. 57 ſtändig unbekannt ſind, machen jedoch die Odontogloſſen eine Ausnahme. In England hat trotz aller Mühe bis jetzt nie— mand mit Erfolg Pflanzen aus Samen herangezogen; nicht einmal ſeine beſten Züchter, die Herren Cookſon und Veitch und einige andere können Erfolge aufweiſen. In Frankreich iſt man unter dem Einfluſſe des Klimas glücklicher geweſen; denn die Herren Bleu & Moreau haben aus Samen gezogene Odonto— gloſſen zur Blüte gebracht. Auch Mr. Jacob, der Orchideen— züchter in der Gärtnerei des Herrn Edmund de Rothſchild zu Armainvilliers, hat eine beträchtliche Zahl junger Sämlinge. Weswegen ſich gerade die Odontogloſſen ſo ablehnend ver— halten, iſt eine bisher noch ſtreitige und überaus ſchwer zu beantwortende Frage; denn auch an importierten und wilden Exemplaren ſind Samenkapſeln ungemein ſelten, eine Erſcheinung, welche ſonſt nur noch bei Cypripedium beobachtet iſt. Dies iſt der beſte Beweis, daß ſie ſelbſt in ihrer Heimat äußerſt ſelten Frucht anſetzen. Die Keimfähigkeit ihrer Samen iſt jedoch ſehr bedeutend, und ſie ſind widerſtandsfähiger wie die anderen Orchideen. Doch genügt dies leider nicht, die Verluſte raſch auszugleichen, welche die Sammler verurſachen und einer von Odontogloſſen entblößten Gegend ihren Schmuck raſch wieder— zuverſchaffen. Ich will hier eine Beobachtung, welche von Herrn Roezl gemacht wurde, einſchalten. Er erzählt, daß Odon— togloſſen in einer Höhe von 30 Fuß auf Zweigen wachſen; ſelten findet man ſie noch bei 35 Fuß Höhe, ſeltener ſchon bei 25; höher oder tiefer ſteigen ſie nie. Hier liegt ohne Zweifel das Geheimnis, weshalb ſie ſo ſelten Frucht anſetzen; allein, ich will hier keine weiteren Erklärungen abgeben, denn je tiefer man in dieſes Thema einzudringen ſucht, deſto mehr häufen ſich die Schwierigkeiten. Bei uns in Europa ſcheint die Höhe keinen Einfluß zu haben, da ſie in unſeren Gewächs— häuſern mit jedem Standorte vorlieb nehmen, und blühen, ſo 58 Sechſtes Kapitel. lange die Hauptbedingungen für ihr Gedeihen vorhanden find. Allein in der Heimat keimt der Same nur eben in dieſer Höhe, ſonſt nicht. Nichtsdeſtoweniger ſcheint Roezl dem Ge— heimnis auf die Spur gekommen zu ſein, und die Zukunft wird vielleicht mehr Licht in die Frage bringen. Der Royal Horticultural Society von England gebührt die Ehre, zuerſt methodiſch und nach wiſſenſchaftlichen Grund— ſätzen Orchideen in Europa eingeführt zu haben. Die Herren Weir und Fortune waren ihre erſten Reiſenden; ein dritter, Theodor Hartweg, entdeckte im Jahre 1842 Odontoglossum Alexandrae, allein er ſandte nur trockene Exemplare herüber. Nach dieſen beſchrieb Lindley die Pflanze, wobei er durch eine Skizze eines ſpaniſchen oder peruvianiſchen Künſtlers, Tagala mit Namen, unterſtützt wurde. Hierbei geriet er in einige Irrtümer, von denen uns jedoch der wiſſenſchaftliche weniger angeht. Er beſchrieb nämlich die Farbe der Blume als gelb mit einem pur— purnen Centrum. So war auch die Zeichnung Tagala's, welche noch heute exiſtiert, koloriert. Das iſt um ſo merkwürdiger, als er die von Hartweg geſandte Blume, welche weiß war, vor ſich hatte. Allein gelbe Odontogl. Alexandrae find ſeitdem gefunden worden, und wir verdanken der Royal Hort. Soc. die Entdeckung und Einführung auch dieſer wunder— vollen Pflanze. John Weir, der Reiſende der Geſellſchaft, ſandte im Jahre 1862 lebende Exemplare herüber, und man kann ſich nicht wundern, daß die Botaniker ſie anfangs für eine Neuheit hielten. Als ſolche benannte Bateman die Pflanze nach der jungen Prinzeſſin von Wales — eine in jeder Beziehung ſehr angemeſſene Widmung. Später— hin nahmen einige reiche Amateure, wie der Herzog von Devonſhire u. a., dieſe Importe in die Hand. Allein geſchäfts— kundige Leute kamen bald zu der Anſicht, daß mit dieſer neuen Einführung ein großer Verdienſt verbunden war, und ließen deshalb ſolche Maſſen herüberſchicken, daß die R. H. Soc. Sechſtes Kapitel. e 59 nunmehr das Nutzloſe ihrer Unternehmungen einſah und ſie infolgedeſſen aufgab. Beſonders zu nennen ſind hier die Herren Rolliſſon in Tooting, Veitch & Sohn in Chelſea und Low & Co. in Clapton, die ſich auf dieſe Unternehmungen einließen. Eine dieſer Firmen iſt jetzt erloſchen; die zweite hat ſich beſonders auf das Züchten von Hybriden von Orchideen gelegt, während die letzte ihre Unternehmungen noch fortſetzt. Vor circa 20 Jahren pflegten faſt alle bedeutenden Handels— gärtnereien Londons Sammler auszuſenden; doch die meiſten laſſen heutzutage durch Korreſpondenten von Zeit zu Zeit Sendungen herüberſchicken. Denn die Ausgaben für einen Sammler ſind ſehr groß, ſelbſt wenn ſeine Auslagen nicht die für ihn beſtimmte Summe überſchreiten — geſchweige denn, daß manche nicht der Verſuchung widerſtehen können, eine fingierte Rechnung aufzuſtellen. Ferner ſind auf der langen Reiſe große Verluſte an Pflanzen zu befürchten, was bei ſüd— amerikaniſchen Importationen beſonders häufig der Fall iſt. Hunderte von Malen iſt es vorgekommen, daß die monate— langen Mühen, Gefahren und Leiden der Sammler und die großen Ausgaben abſolut weggeworfenes Geld waren. Zwanzig⸗ oder dreißigtauſend geſammelte Pflanzen, die hoch von den Bergen oder aus undurchdringlichen Wäldern geholt, ſorgfältig in Kiſten gepackt und verladen waren, deren Fracht allein ſich auf 300 bis 800 £ belief — ich habe perſönlich Fälle mit erlebt, wo dieſelbe 500 £ überſchritt — waren bei ihrer Landung in England ohne jede Spur von Leben! Selbſt wenn Dampfſchiffahrts-Geſellſchaften in ſolchen Fällen die Fracht herunterſetzen würden, ſo kann der Spekulant beim Offnen der Kiſten immerhin einen Verluſt von einigen hundert Pfunden zu verzeichnen haben. Hoffnung iſt natürlich vor— handen, daß die nächſte Sendung den Verluſt decken wird; allein das iſt immer eine große Frage. Kein Wunder, daß Geſchäftsleute, deren Betrieb nicht ausſchließlich der Kultur 60 Secchſtes Kapitel. von Orchideen gewidmet iſt, ſich dem Riſiko der Einfüh— rungen zu entziehen ſuchen und mit neuem Enthuſiasmus zu ihren Roſen, Lilien und Narciſſen zurückgekehrt ſind. Und noch ein anderer Punkt fällt ſchwer ins Gewicht. Der Verluſt an Leben unter den Sammlern iſt im Verhältnis größer geweſen, als bei irgend einem anderen Unternehmen. In früheren Zeiten wurden ſie aufs Geratewohl aus den intelligenten und vertrauenswürdigſten Angeſtellten der Firma ausgewählt. Beſonders die Zuverläſſigkeit fiel ſchwer ins Gewicht. So lenkte irgend ein anſtändiger junger Mann, welcher vielleicht das engliſche Klima ſchon nicht gut vertrug, tapfer ſeine Schritte in die ungeſundeſten Gegenden, wo die nötigen Nahrungsmittel ſchwer zu finden und ſchwerer zu verdauen ſind. Tag für Tag waren ſeine Kleider vollſtändig durchnäßt, und das Fieber in ſeinen verſchiedenen Geſtalten kam ſo regelmäßig, wie die Tage auf einander folgen. Monatelang fand er keinen Menſchen, mit dem er ſich verſtändlich machen konnte. Ich könnte eine ganze Liſte von Märtyrern der Orchi— dologie anführen. Von Herrn Sander's Sammlern allein ging Falkenberg in Panama, Klaboch in Mexiko, Endres am Rio Hacha, Wallis in Ecuador, Schroeder in Sierra Leone, Arnold auf dem Orinoco, Digance in Braſilien und Braun in Madagaskar zu Grunde. Sir Trevor Lawrence erwähnt einen Fall, wo ein eifriger Forſcher 14 Tage lang bis an den Bauch im Moraſt herumwatete, um eine ſeltene Pflanze aufzufinden. Es iſt mir nicht bekannt, ob dieſes Beiſpiel von Enthuſiasmus auf Thatſachen beruht; allein wir wiſſen, daß es Selten— heiten giebt, deren Auffindung gleiche Gefahren und Leiden erfordern können. Hätte man auch den Mut dazu, ſeine Mit- menſchen anzuſpornen, ſich in derartige Leiden und Gefahren zu ſtürzen, ſo würde der Erfolg einer ſolchen Expedition doch ſicherlich ſehr zweifelhaft ſein. Denn die Entdeckung des Standortes einer neuen oder wertvollen Orchidee iſt nur der Sechſtes Kapitel. 61 erſte Schritt zur Ausführung des Unternehmens; dann erſt beginnen die eigentlichen Schwierigkeiten. Der Pflanze hab— haft zu werden, ſie von ihrem Standorte ſicher in bewohnte Gegenden zu bringen, dort zu verpacken und ſie durch das von der Hitze durchglühte Unterland nach dem weitentfernten See— hafen zu ſchaffen, iſt die ſchwierigſte Aufgabe des Sammlers. Oft kommt es vor, daß der glückliche, eben erſt in den Beſitz ſeines Schatzes gelangte Entdecker erkrankt und nicht die nötige Sorgfalt auf ſeine Pflanzen verwenden kann, wodurch der ganze Transport zu Grunde geht. Und wie oft iſt es nicht vorgekommen, daß durch den Tod des mutigen Forſchers das ganze Unternehmen zum Stillſtand kam. So iſt es nicht zu verwundern, daß der anfangs ſo große Eifer für dieſe Unter— nehmungen mehr und mehr erloſch und eine Firma nach der anderen davon Abſtand nahm. Wie ſchon oben bemerkt, iſt die Heimat der Odonto— gloſſen Südamerika, und zwar trifft man ſie in den ge— birgigen Gegenden dieſes Erdteils faſt überall an. Wenngleich es übereilt ſein würde, zu ſagen, welches die ſchönſte der Orchideen iſt, ſo wird niemand beſtreiten, daß Odontoglossum erispum Alexandrae als die Königin dieſer Gattung zu bezeichnen iſt. Es ſtammt aus Columbien, woſelbſt Sammler, die ſich auf die Suche danach begeben, in Bogota ihr Haupt- quartier aufzuſchlagen pflegen. Von hier aus machen ſie ihre Streifzüge; entweder begeben ſie ſich zehn Tagereiſen weit nach dem Süden, um dort ihre Operationen zur Auffindung guter Varietäten mit breiten Blumenblättern zu beginnen, oder ſie ſchlagen ſich nordwärts, woſelbſt die Art mit ſchmalen Blumenblättern häufig iſt. Solche Ausflüge werden auf Maul— tieren gemacht. Ihre erſte Sorge beim Eintreffen auf ihrem Arbeitsfelde iſt, einen bewaldeten Teil des Gebirges zu mieten, woſelbſt ſie Beute zu machen hoffen. Ich habe verſucht, mich in den Beſitz eines ſolchen Pachtkontraktes zu ſetzen; allein die 62 Sechſtes Kapitel. Sache wird geheim gehalten. Nachdem der Kontrakt ab— geſchloſſen iſt, nehmen ſie 20, 50 oder 100 Eingeborne, je nach Umſtänden, an, welche ſofort mit dem Fällen der Bäume beginnen müſſen. Inzwiſchen bleibt der Sammler zurück und errichtet aus Holz eine hinreichend geräumige Baracke, welche zur Aufnahme der geſammelten Pflanzen und zum Trocknen und Reinigen derſelben beſtimmt iſt, um ſie transportfähig zu machen. Alsdann ſchließt er ſich, wenn er klug iſt, ſelbſt ſeinen Leuten an, um durch ſeine Gegenwart ihren Eifer anzuſpornen; denn ohne Aufſicht geben ſich die Ein— gebornen zu ſehr ihrer Trägheit hin. Das Fällen der Bäume nimmt eine beträchtliche Zeit in Anſpruch, und die Arbeit iſt oft mit nur ſehr wenig Erfolg gekrönt. Man darf wohl die Behauptung aufſtellen, daß für je drei Pflanzen eines Odontoglossum, welche jetzt in Europa kultiviert werden, ein Baum der Axt zum Opfer fiel. Das will viel ſagen, wenn man bedenkt, daß ſeit vielen Jahren Tauſende und aber Tauſende nach Europa gebracht wurden. Allein der Zweck heiligt die Mittel; es bleibt eben kein anderes Mittel übrig. Ein Europäer iſt nicht imſtande, mit gleicher Geſchicklichkeit und Schnelligkeit in die Wildnis einzudringen wie die Ein— gebornen, und dieſe ſind zum Erklettern der Bäume zu träge, ſodaß das Fällen der einzige Weg zum Erreichen der Beute iſt. Holz hat in ſolchen Gegenden eben noch keinen Wert, jedoch die Zeit, wo die Regierung ein Hindernis in den Weg legen wird, rückt immer näher. Durchſchnittlich werden auf jedem Baume nicht mehr als fünf Odontoglossum cerispum gefunden. Als eine große Ausnahme muß hier erwähnt werden, daß Herr Kerbach einſt 53 Pflanzen dieſer Art auf einem einzigen Baum vorfand. Daß dagegen andere Arten, wie z. B. Od. gloriosum, eine minder wertvolle Art, in 50 oder 60 Exem— plaren angetroffen werden, iſt keine Seltenheit. Die Ein— Sechſtes Kapitel. 63 gebornen erhalten für jede Pflanze ohne Rückſicht auf Species und Qualität 50 Pfennig. Iſt der Kontrakt abgelaufen, ſo kehrt der Sammler nach ſeinem Speicher zurück, woſelbſt er die ganze Beute einer ſorgfältigen Muſterung unterwirft. Alle etwas beſchädigten Pflanzen werden ausgeleſen, um ein Faulwerden auf der bevorſtehenden langen Reiſe zu verhüten. Nachdem alle ge— reinigt und getrocknet ſind, werden ſie mit Kupferdraht an Stäbe befeſtigt, welche in Kiſten feſtgenagelt werden. Die Erfahrung lehrt, daß gewiſſe Vorſchriften bei der Verpackung ſtreng zu beachten ſind. Die Stöcke haben gewöhnlich einen Zoll im Durchmeſſer, und die Kiſten, die zur Aufnahme der Pflanzen dienen, ſind 2 Fuß und 3 Zoll breit und nur 2 Fuß tief; nicht mehr und nicht weniger. Wenn alles zur Abreiſe gerüſtet iſt, werden die Maultiere mit den Kiſten be— packt, und der Zug ſetzt ſich nach Bogota in Bewegung, welches vielleicht nach einem Marſche von zehn Tagen er— reicht wird. Hier wird nochmals und zum letzten Male eine ſorgfältige Unterſuchung der Kiſten vorgenommen und dann geht es weiter nach Honda am Magdalenen-Strome, von wo ſie noch bis vor kurzem auf Flößen auf einer Fahrt von 14 Tagen nach Savanilla gebracht wurden. Jetzt hat eine amerikaniſche Geſellſchaft einige Dampfſchiffe mit plattem Boden bauen laſſen, welche jetzt dieſelbe Strecke in 7 Tagen zurücklegen, und ſo die Gefahren der Reiſe um die Hälfte vermindern. Trotz alledem ſind dieſelben ſchrecklich genug. Nicht der ge— ringſte Luftzug kühlt die ſchwüle Atmoſphäre in der Zeit, wo der Sammler ſeine Schätze in Sicherheit zu bringen ſucht. Die Kiſten ſind oben auf Deck untergebracht, da die ſchwere, drückende Luft im Schiffsraum den Pflanzen mehr ſchaden würde, als oben die brennende Sonne. Leinwanddecken ſind zum Schutz gegen dieſelbe über die Kiſten geworfen, und darüber iſt eine Decke von Palmblättern gebreitet, die fort— 64 Sechſtes Kapitel. während zur Kühlung mit Waſſer beſprengt werden. Und doch, trotz aller Vorſichtsmaßregeln, beginnt oft das Zer— ſtörungswerk in den Kiſten. Jedoch noch eine andere Sorge bedrückt den Sammler. Vielleicht iſt das Dampfſchiff, auf welchem er ſeine Schätze zu verladen hofft, bei ſeiner Ankunft in Savanilla bereits ab— gefahren, in welchem Falle er tagelang auf den nächſten Dampfer in der furchtbaren Hitze warten muß. Und dann heißt es auf die Verladung bedacht zu ſein. Auf Deck können die Pflanzen von Seewaſſer beſchädigt werden, im Schiffs— raum iſt die Luft zu drückend und in der Mitte des Schiffes kann die Gefahr vorliegen, daß die Pflanzen durch die Hitze der Maſchine geröſtet werden. Während ich dies ſchreibe, er— fahre ich, daß Herr Sander 70 Kiſten durch eben dieſen Übelſtand, wie man vermutet, verloren hat. So gänzlich hoffnungslos iſt der Zuſtand der Pflanzen, daß er nicht ein- mal eine Unterſuchung derſelben in Anbetracht der Koſten unternehmen will. Sie liegen in Southampton, woſelbſt ſie für jedermann offen ſtehen, und jeder der Beteiligten wird demjenigen Dank wiſſen, welcher ſie fortholt. Der Leſer kann ſich denken, welch große Frachtkoſten dafür verausgabt ſind. Die Royal Mail Company nimmt für Fracht von Manzanilla 750 £. Ich könnte einen ähnlichen Fall, woſelbſt die Koſten noch höher waren, von einer Sendung mit Phalaenopsis anführen. Ich muß hier erwähnen, daß ſelbſt die größten Verſicherungs-Geſellſchaften keine Verſicherung auf Pflanzen an— nehmen; der Eigentümer hat die ganze Gefahr ſelbſt zu tragen. Es wundert mich daher ſtets, daß man — alles dies in Betracht gezogen — die Pflanzen ſo billig verkaufen kann. Viele hoffen natürlich auf ein weiteres Fallen der Preiſe und das wird ſicherlich bei einigen Arten eintreten. Allein die Geſchäftsleute erwarten das Gegenteil. Od. Harryanum erinnert mich immer — ſo bizarr der Vergleich ſein mag — an ein Gewitter. Der Kontraſt ihrer Sechſtes Kapitel. 65 dicken, braunen Flecken mit dem himmelblauen Schlunde und der breiten ſchneeigen Lippe machen ſtets auf mich dieſen Ein— druck. Der Vergleich klingt vernunftswidrig, allein „on est fait comme ca“, wie Zola's Nana ſich ſelbſt entſchuldigt. Dieſe auffallende Pflanze „Harryanum“ zu nennen, iſt höchſt ſeltſam. Das Publikum intereſſiert ſich wenig für die Um— ſtände, welche die Benennung einer Pflanze veranlaſſen. Allein, wenn es irgend eine giebt, die einen beſonderen Namen be— anſprucht, reſp. verdient hätte, ſo iſt es meiner Meinung nach dieſe. Wahrſcheinlich kündigte Roezl auf Grund des Berichtes irgend eines ſeiner Indianer — was jedoch ſpäter ſeinem Ge— dächtnis entfiel — die Entdeckung eines neuen Odontoglossum in derſelben Gegend an, wo nach ſeinem Tode O. Harryanum gefunden wurde. Dieſe Prophezeiung iſt ſpäter als ein Beiſpiel jenes Inſtinktes hingeſtellt worden, welcher dieſen berühmten Sammler zu leiten pflegte. Die erſten Pflanzen wurden im Jahre 1885 in einer kleinen Kiſte von Senor Pantocha in Columbien an die Herren Horsman geſandt und blühten im folgenden Jahre in den Gewächshäuſern der Herren Veitch. Der ein— fältigſte Menſch, welcher dieſes Wunder, das von einem noch unbekannten Gebiete kam, ſieht, kann ſich die Aufregung vorſtellen, welche die Entfaltung dieſer Blumen hervorrief. Roezl's Vorausſagung kam manchem ſeiner Bekannten in Erinnerung; aber Herr Sander ſetzte ein noch größeres Ver— trauen auf ſeines alten Freundes Scharfſinn. Er ſandte auf der Stelle einen Sammler nach dem Orte, den Roezl angegeben, aber ſelbſt niemals beſucht hatte, und dieſer war ſo glücklich, dort jenen Schatz in Maſſen anzutreffen. Die Anekdoten, welche ſich an die Entdeckung mancher Orchideen knüpfen, werden vielleicht eines Tages ge— ſammelt und veröffentlicht werden, und ich glaube feſt, daß ein ſolches Werk ebenſo intereſſant für das große Orchideen. 5 66 Sechſtes Kapitel. Publikum ſein wird, als für die eigentlichen Kenner dieſer Pflanzen. Bis jetzt habe ich nur von Columbiſchen Odontogloſſen geſprochen, welche als die härteſten dieſer Gattung hingeſtellt werden. In derſelben Temperatur wie ſie, wachſen auch die Kalthaus-Masdevallien, deren Transport als außerordent— lich ſchwierig gilt. Roezl ſandte einſt auf eigene Rechnung und Gefahr eine große Menge dieſer Species, 27000 an der Zahl, die zu jener Zeit ein kleines Vermögen repräſentierten, herüber. Trotzdem der ſo erfahrene Sammler die größte Vor— ſicht beim Verpacken hatte walten laſſen, waren beim Offnen der Kiſten doch nur zwei Pflanzen am Leben, alle übrigen waren auf dem langen Transporte zu Grunde gegangen. Die beiden Überlebenden wurden von ſeinem Agenten in Stevens' Auktionslokale zum Preiſe von 40 Guineen das Stück verkauft. Doch ich muß noch etwas länger bei den Odontogloſſen ſtehen bleiben. Iſt die Einführung der nördlichen Species ſchon ein gewagtes Geſchäft, jo it es das Sammeln der— jenigen von Peru und Ecuador noch in weit höherem Grade. Im Vergleich mit den ſüdlichen Territorien find die Verkehrs- wege in Columbien, woſelbſt die Bevölkerung civiliſierter iſt, bedeutend beſſer und bequemer. Ein jeder, welcher aus dieſen ſüdlichen Provinzen eine Sendung von Odontoglossum naevium in guter Beſchaffenheit auf den Markt bringen könnte, würde mit einem Schlage ein reicher Mann ſein. Der Standort dieſes Odontoglossum iſt wohl bekannt, und ſeine Nichteinführung in Europa hängt nicht jo ſehr von ſeiner zarten Natur ab, als von den Gefahren, die mit ſeinem Hab— haftwerden verbunden ſind. Kein noch ſo kühner Sammler läßt ſich willig ein zweites Mal auf dieſes Abenteuer ein, und kein Unternehmer iſt ſo rückſichtslos, einen ſeiner Leute dazu zu drängen. Mit der echten Varietät von O. Hallii verhält es ſich faſt ebenſo. Hinderniſſe aller Art treten auf Sechſtes Kapitel. 67 der Suche nach dieſer Art dem Sammler in den Weg. Reißende Ströme hat er zu paſſieren und ſteile Abhänge zu erklettern, von denen ein Fehltritt ihm den ſicheren Tod bringen würde. Und dann heißt, es denſelben Weg mit den beladenen Maul— tieren zurückkehren und ſo zum zweiten Male dieſelben Ge— fahren zu überwinden. Die Roraima-Berge gelten heutzutage für ein verhältnismäßig leicht zu paſſierendes Gebiet; wenn man nun bedenkt, daß auf dieſem Wege die Kanoes 32 mal entladen und wieder beladen werden müſſen, ſo kann man ſich leicht eine Vorſtellung davon machen, was ein „ſchwieriger Weg“ heißen will. Auf ſeinem Rückwege vom Roraima— Gebirge verlor Herr Dreſſel, ein Sammler des Herrn Sander, ſein Herbarium im Eſſequibo-Fluſſe. Botaniker allein können das Troſtloſe eines ſolchen Verluſtes beurteilen, und man braucht wohl nicht erſt hinzuzufügen, daß auch alles andere in den Fluten verſank. Wir könnten uns noch länger bei den Odontogloſſen aufhalten, allein die Zeit drängt. In keiner Gattung der Orchideen ſind natürliche Hybriden ſo häufig und ſo ſchwer auf ihren Urſprung zurückzuführen, wie in dieſer. Manchmal kann man die Abkunft ganz genau erkennen und die Kreuzung bis auf einige frühere Generationen zurückführen. In der Regel jedoch ſind ſolche Abkömmlinge das Reſultat von gegenſeitigen Kreuzungen, welche während Jahrhunderten alle möglichen überraſchenden Verbindungen eingegangen ſind. Lie viele können z. B. die Abkunft von Herrn Bull’s Odontoglossum delectabile verfolgen — einer Hybride mit elfenbeinweißen Blumenblättern, angehaucht von einem röt— lichen Schimmer, über und über rot gefleckt und mit einer goldigen Lippe geſchmückt? Oder von Herrn Sander's Odonto- glossum Alberti Edwardi, deſſen prächtige Petalen von einem goldenen Rande umſäumt ſind? Ein anderes iſt hellroſa, 5* 68 Sechſtes Kapitel. aber dicht geſprenkelt mit blaßpurpurnen Tupfen und am Rande mit gleichfarbigen Flecken verſehen, die ſo dicht zu— ſammenſitzen, daß der ganze Rand wie gefranſt erſcheint. Solche Kleinodien finden ſich ganz unerwartet unter den Einführungen. Kein Zeichen verrät ihre Herrlichkeit, als bis die Blume ſich öffnet. Erſt dann entdeckt der Beſitzer, daß die Pflanze, welche er für einige Schillinge erwarb, einen Wert von mehreren Guineen hat. Lycaste iſt eine andere Gattung, die ebenfalls in Amerika heimiſch iſt und die ſich durch die Leichtigkeit ihrer Kultur ſelbſt als Zimmerpflanze ſehr beliebt gemacht hat. Prof. Reichenbach bemerkt in einem ſeiner berühmten Werke, daß viele Leute, denen Orchideen ſonſt unbekannt ſind, dieſe Species in ihren Sammlungen unter anderen Pflanzen ziehen. Ich rede von dieſer Gattung ohne jedes Vorurteil; denn in meinen Augen ſind ihre Blüten ſteif, ſchwerfällig und arm an Farben. Allein es giebt auch unter ihnen ganz beſondere Ausnahmen. Vor allen Dingen ſpottet Lycaste Skinneri alba, die ſchnee⸗ weiße Form, jeder Beſchreibung. Ihre große Blume erſcheint wie aus Marmor gemeißelt, und dies aufdringliche rohe Ausſehen welches, — wenigſtens nach meinem Geſchmack — der gefärbten Stammart eigen iſt, iſt hier zu faſt jungfräu— licher Zartheit gemildert. Die typiſche Form hat mehr als 100 Farbenvarietäten aufzuweiſen. Alle Schattierungen von dem hellſten Rot bis zum dunkelſten Purpur ſind vorhanden; ſo iſt oft die Lippe ſo tief purpurrot gefärbt und dabei ſo weich, daß ſie wie ein Sammetkiſſen erſcheint. Ich möchte dies deshalb erwähnen, weil meine ſoeben ausgeſprochene Abneigung gegen dieſe Pflanze ſich eigentlich nur auf die gewöhnliche Form bezieht. Wie groß der Unterſchied zwiſchen den verſchiedenen Varietäten iſt, kann man leicht nach den Preiſen beurteilen, die zwiſchen 3¼ Schilling und 35 Guineen ſchwanken. Sechſtes Kapitel. 69 Die Wälder Guatemalas ſind der Lieblingsaufenthalt dieſer Lycaſten, und ich habe nie gehört, daß das Sammeln der— ſelben mit ſo vielen Abenteuern verknüpft iſt, wie bei den Odon— togloſſen. Im großen Ganzen ſind ſie alle ohne beſondere Schwierigkeiten zu erhalten, und ihr leichter Transport und leichtes Wachstum machen ſie ſo äußerſt billig. Ihre Wider— ſtandsfähigkeit iſt ſo groß, daß ſie eigentlich nur durch „vor— ſätzliche Tötung“ ihr Leben einbüßen. Dies iſt ohne Zweifel ein Grund, weshalb ſie ſich einer ſolchen Beliebtheit erfreuen, allein es giebt noch mehr an ihnen zu loben. Mitten im troſtloſen Winter ergötzt uns L. Skinneri mit ihren Blumen, und alle anderen Arten entfalten mehr oder weniger ihre Pracht in der trüben Jahreszeit. Und erſt ihre Willigkeit zum Blühen! Sechs, zwölf, fünfzehn und mehr Blüten er— zeugt eine einzige Bulbe, welche für eine lange Zeit ihre volle Pracht und Herrlichkeit bewahren. Die außerordentliche Dicke ihrer Blumenblätter macht ſie gegen plötzliche Anderung der Luft und Temperatur äußerſt widerſtandsfähig, jo daß man ſie Tag und Nacht monatelang als Zimmerſchmuck benutzen kann. Herr Williams erzählt einen ſolchen Fall. Eine Dame kaufte L. Skinneri in voller Blüte am 2. Februar, die Pflanze wurde ins Wohnzimmer geſtellt, und noch am 18. Mai war ſie in ſo gutem Zuſtande, daß der Verkäufer ſie als brauch— bar zurücknahm. Ich habe ſogar von noch erſtaunlicheren Fällen berichten hören. Eine etwas ſeltenere Art iſt L. aromatica, welche eine unendliche Maſſe kleiner, gelber, dreieckiger Blüten mit herrlichem Dufte zum Vorſchein bringt. Ich kenne keine Blume, welche von Damen ihres Aromas wegen mehr geliebt wird als dieſe, und die Erfahrung lehrt mich, daß kein Verbot ſie von dem Abpflücken einer ſolchen Blume zurückſchreckt. L. cruenta verdient faſt denſelben Ruf, und für die Schönheit von L. leucantha ſind kaum Worte zu finden; die— ſelbe darf ſehr wohl der L. Skinneri alba an die Seite 70 Sechſtes Kapitel. geſtellt werden. In der Zuſammenſtellung der blaßgrünen und ſchneeweißen Blätter ihrer Blüten hat die Natur ein Meiſterwerk geſchaffen. Dieſe Species iſt noch ziemlich ſelten und wird infolgedeſſen noch ziemlich teuer bezahlt. Für Kenner und Züchter haben die Lycaſten noch einen anderen großen Vorteil aufzuweiſen, nämlich ihre Willigkeit, Kreuzungs— formen zu bilden. Nur wenige Liebhaber haben ſich bis jetzt auf dieſes Experiment eingelaſſen, und die Geſchäftsleute haben weniger Zeit oder Neigung dafür. Sie nehmen lieber Kreu— zungen vor, deren Erfolg mit Sicherheit zu berechnen iſt. Daher ſind erſt wenige Verſuche damit gemacht worden und, ſoviel ich weiß, hat noch kein Sämling geblüht. Man hat jedoch davon ſchon viele nicht allein direkte Kreuzungen, ſondern auch ſolche mit ähnlichen Gattungen, wie Zygopetalum, Anguloa und Maxillaria erzielt. Es giebt wohl keine Gattung, welche ſo weit über die Erde verbreitet iſt, wie Cypripedium, auch Pantoffelblume genannt, wenigſtens wüßte ich keine andere zu nennen. Von China bis Peru, nein, von Archangel bis zur Torres-Straße, um mich ſo auszudrücken, iſt dieſe Gattung anzutreffen. Kurz und gut, mit Ausnahme Afrikas und der gemäßigten Teile Auſtraliens, giebt es kein größeres Gebiet auf Erden, welches nicht Cypripedien erzeugt. Und es giebt Botaniker, welche es für möglich halten, daß ſie auch noch in dieſen Erdteilen (wenigſtens in Auſtralien) angetroffen werden. Wir haben eine keineswegs wertloſe Art auch in England und Deutſch— land aufzuweiſen, nämlich C. Calceolus. Sie tritt allerdings jetzt nur noch ſelten wild wachſend auf, während man fie in Kultur häufig antrifft. Amerika erzeugt eine ziem- lich harte Art, welche einen leichten trockenen Froſt aus— hält. Unſeren naſſen Wintern dagegen iſt ſie nicht gewachſen. Herr Godſeff erzählte mir, daß er in den Sümpfen von New— Jerſey, welche für einige Monate im Winter vollſtändig zu— Sechſtes Kapitel. 71 frieren, Cypripedium spectabile in größter Üppigkeit habe wachſen ſehen. Hier in England würde dieſelbe Art ſelbſt an ge— ſchützten Stellen unfehlbar zu Grunde gehen.!) Jene herr— lichen Arten, welche man in den Frühjahrs-Ausſtellungen an— trifft, ſind alle in ruhendem Zuſtande eingeführt worden. Von den Vereinigten Staaten Nord-Amerikas kommen Cypri- pedium candidum, C. parviflorum, C. pubescens und manche andere mehr oder weniger wertvolle Arten. Kanada und Sibirien erzeugen C. guttatum, C. macranthum und andere. Ich ſelbſt brachte von Rußland eine herrliche, im Handel unbekannte Species mit einer großen goldigen Blume nach England; allein alle faulten nach und nach. Deshalb ſind jene ſchönen, harten Varietäten, deren Kultur ſo leicht erſcheint, keineswegs zu empfehlen. Für denſelben Preis kann man andere erwerben, die von heißeren Gegenden kommen und mehr an unſere Kulturbedingungen gewöhnt ſind. Den erſten Rang unter den Cypripedien nimmt unſtreitig C. insigne von Nepal ein, eine der älteſten Kalthaus-Orchideen in Kultur. Jederman kennt ihre typiſche oder Stammform, welche ſo verbreitet iſt, daß ich ſie einſt auf einer Ausſtellung von Zimmerpflanzen in Weſtminſter vorfand. Mit Recht darf man behaupten, daß dieſe alte Form heutzutage wenig Wert hat, nachdem ſo viele beſſere Varietäten eingeführt worden ſind. Als Beweis dafür mag angeführt werden, daß vor nicht langer Zeit eine kleine Pflanze von C. insigne, natürlich eine brillante Form, für 30 Guineen verkauft wurde. Solche Fälle kommen von Zeit zu Zeit vor und gehören zu den intereſſanteſten Ereigniſſen im Leben eines Züchters. Man glaubt, eine ganz gewöhnliche Sorte für einen geringen Preis erworben zu haben, und wenn die Pflanzen zur Blüte kommen, ſtellt ſich heraus, daß ſie einen Wert von 100 Pfund Sterling 1) Iſt in Deutſchland meiſt winterhart, z. B. im botaniſchen Garten zu Berlin. 72 Sechſtes Kapitel. oder mehr repräſentieren. Jeder erfahrene Sammler kann viele ſolcher Beiſpiele anführen, und ich will hier den Leſern die Geſchichte von C. Spicerianum als ſchlagenden Beweis vor Augen führen. Es erſchien unter einer Anzahl von Cypripedum insigne in der Sammlung der Frau Spicer in Twickenham. Erſtaunt über die ungewöhnliche neue Erſcheinung unter den altgewohnten und bekannten Inſigne-Blumen ließ ſie Herrn Veitch bitten, dieſelbe in Augenſchein zu nehmen, und mit Freude erwarb er die Pflanze zum Preiſe von 70 Guineen. Im Ver— lauf der nächſten Jahre hörte man wenig von dieſer neuen Erſcheinung. Die Pflanze ließ ſich leicht vermehren, war aber ihres hohen Preiſes wegen nur etwas für Millionäre oder Herzöge. Es wurde zwar kein Geheimnis daraus gemacht, daß die Pflanze in der Sammlung der Frau Spicer auf— getaucht war; aber eine fremde Dame um Aufklärung über den Urſprung dieſer Neuheit zu bitten, galt in den Augen der Geſchäftsleute als eine zu gewagte Verletzung des geſellſchaft— lichen Anſtandes. So blieb die Geſchichte dieſer Pflanze noch im Dunkeln. Die Herren Spicer waren und ſind noch heute weithin bekannte Papierfabrikanten; aber zwiſchen der Fabrikation des Papieres und indiſchen Orchideen beſtehen doch weder innere noch äußere Beziehungen. Man erfuhr ſchließlich durch vorſichtige Erkundigungen, daß ein Sohn der Frau Spicer eine Thee-Plantage in Aſſam hätte. Das ge— nügte. Gleich mit dem nächſten Dampfer wurde Herr Förſter— mann nach Aſſam auf die Suche ausgeſandt, woſelbſt er nach einer glücklichen Reiſe ſich nach der Beſitzung des Herrn Spicer aufmachte. Daſelbſt angelangt, bat er um Arbeit, welche ihm jedoch nicht gewährt werden konnte; aber Thee— pflanzer ſind gaſtfreie Leute, und Herr Spicer lud ihn ein, für 1 oder 2 Tage bei ihm zu bleiben. Doch zeigte ſich im Laufe der Unterhaltung keine Gelegenheit, das Geſpräch Sechſtes Kapitel. 73 auf Orchideen zu bringen — vielleicht weil Herr Förſtermann die Sache zu fein aufing. Eines Tages jedoch lud der Oberaufſeher der Theefarm ihn zur Teilnahme an einer Jagd ein, welcher Einladung er mit Freuden folgte. Gelegentlich bemerkte dieſer: „Wir werden an der Stelle vorbeikommen, wo die Orchidee gefunden wurde, von der man ſo viel Aufhebens in England gemacht hat“. Man kann ſich denken, daß Förſtermann die Ohren ſpitzte. Nun im Beſitze des Geheim— niſſes, verabſchiedete er ſich von ſeinem Gaſtgeber und machte ſich an die Arbeit, welche ihm wegen der un— geheuren Menge der Pflanzen wenig Schwierigkeiten bereitete. Allein inmitten ſeines Triumphes ſtellte ſich ihm ein Tiger in den Weg, und alle Aufmunterung, ſeine Leute vorwärts zu bringen, war vergebens. Herr Förſtermann war kein „Shikari“; allein er fühlte ſich doch verpflichtet, ſein Leben für die Wiſſenſchaft und für die Ehre Englands einzuſetzen. Mutig rückte er ſelbſt dem Tiger zu Leibe und ſtreckte ihn nach hartem Kampfe nieder. Noch heute ſchmückt ſein Fell das Empfangszimmer des Herrn Sander. Um kurz zu ſein — eines Donnerſtags wurde wie gewöhnlich eine Pflanze von Cypripedium Spicerianum in Stevens’ Auktionslokale für 60 Guineen verkauft, und ſchon am nächſtfolgenden Donners— tage konnte jedermann eine ſchöne Pflanze für 1 Guinee er— werben. | Cypripedien ſind die Lieblingsorchideen unſerer Zeit ge— worden. In ihnen ſind, mit Ausnahme der Farbenſchönheit, — wenigſtens nach meiner Anſicht — alle Vorzüge vereinigt. Denn kein einziges hat eine klare, beſtimmte Farbe, ſelbſt das herrliche Cypripedium niveum iſt nicht rein weiß. Jedoch ſind meine Anſichten keineswegs maßgebend. Jedenfalls verdient dieſe Gattung aus vielen anderen Gründen be— vorzugt zu werden. Vor allen Dingen iſt ſie für die Wiſſenſchaft von ſehr großem Intereſſe. Ferner ihre unendliche 74 Sechſtes Kapitel. Verſchiedenheit in Form und Geſtalt, ihre Abwechslung in den Farbentönen, ihre leichte Kultur und ihre Willigkeit zur Kreuzbefruchtung,) von der man auf einen ſicheren Erfolg rechnen darf, alles dies trägt dazu bei, ſie als nützlich und wertvoll in den Augen der Orchideenzüchter hinzuſtellen. Mit der Kultur derjenigen Species, die aus ſehr heißen Ländern kommen, ſind natürlich Schwierigkeiten verbunden; die Kalthaus— arten jedoch gedeihen überall, ſo lange man ihnen genügend Luft, Licht und Waſſer zukommen läßt, von letzterem ge— nug im Sommer und nicht zu wenig im Winter. Ich rede hier nicht von den amerikaniſchen und ſibiriſchen Arten, mit deren Kultur für den Liebhaber nur ein zweifelhafter Erfolg verbunden iſt; auch nicht von dem von Hongkong kommenden Cypr. purpuratum. Dieſe machen ſelbſt dem gewiegteſten Züchter harte Arbeit. Unter den Märtyrern der Orchidologie nimmt Herr Pearce einen erſten Platz ein. Ihm verdanken wir u. a. jene Begonien-Hybriden, welche in unſern Gärten zur Schmückung der Beete ꝛc. ſo heimiſch geworden ſind. Er war der Ent— decker der drei Originalarten, welche die Stammeltern aller jetzigen Hybriden geworden find: Begonia Pearcii, B. Veitchii und B. Boliviensis. Auch die Ehre und das Verdienſt der Auffindung von Masdevallia Veitchii, auf deren Entdeckung Jahre hindurch Mühe und Arbeit verſchwendet war, iſt ihm zuzuſchreiben. In den Dienſten des Herrn Bull ſtehend, ſegelte er zum zweitenmal nach Peru, um nochmals eine Ladung dieſer herrlichen Neuheit herüberzubringen. Unglücklicher⸗ weiſe für ihn ſowohl wie für uns mußte er in Panama ſeine Reiſe unterbrechen. Irgendwo in dieſer Gegend findet ſich eine prächtige Art, Cypripedium planifolium, von der je— doch nur Herbarium-Exemplare vorhanden ſind. Das war ein Sporn für ſeinen Ehrgeiz, und er konnte der Ver— 1) Siehe Kapitel über Hybridiſierung. > Sechſtes Kapitel. 75 ſuchung, auch dieſer Pflanze habhaft zu werden, nicht wider— ſtehen. Trotz aller Mahnungen der dortigen Eingebornen, daß noch kein weißer Mann von den Standorten derſelben zurückgekehrt ſei, machte er ſich auf den Weg. Einige Wochen ſpäter wurde er von den Indianern in elendem Zuſtande zurückgebracht und ſtarb einige Tage darauf. Auch er mußte, ohne ſeinen Zweck erreicht zu haben, ſeine Kühnheit mit dem Tode büßen. Die Gattung Oncidium iſt ebenfalls und ausſchließlich ein Bewohner der neuen Welt. Eine der Haupteigenſchaften der Oncidien iſt ihre herrliche Farbe. Ich habe Leute ſagen oder vielmehr ſich beklagen hören, daß ſie alle gelb ſeien. Das iſt im gewiſſen Sinne des Wortes und bei oberfläch— licher Betrachtung wahr; denn wohl der größte Teil weiſt dieſe Farbe auf. Allein die Natur giebt uns hier abermals einen Beweis ihrer Fürſorge für das Intereſſe oder den äſthetiſch entwickelten Sinn derer, welche ſich gern mit ihr beſchäftigen. Hätten wir keine Oncidien in unſeren Kalthäuſern, jo fehlte uns eine klare, geſättigte, gelbe Grundfarbe vollſtändig. Odontogloſſen zeigen zwar häufig genug einen Hauch von orange— gelber oder rötlich gelber Farbe; allein im großen Ganzen iſt ihre Grundfarbe weiß. Masdevallia verſieht uns mit ſcharlach, orangegelb und purpur, Lycaste mit grün und ſchmutzig gelb, Sophronitis mit karmeſin und Mesospinidium mit roſa ꝛc. Von blau darf gar nicht die Rede ſein, ſelbſt wenn man, wie es ſo häufig irrtümlich geſchieht, Utricularia zu den Orchideen rechnen würde. Nur fünf Species der großen Familie zeigen dieſe Farbe, und alle ſind Warmhaus— arten. So füllt Oncidium eine große Lücke in unſeren Kalthäuſern aus. Mehr als 50 Arten zeigen ein wunder— volles, klares Goldgelb, welches bei keiner anderen Gattung ſeinesgleichen findet. So Oneidium macranthum! Mit Recht 76 Sechſtes Kapitel. iſt es als ein Meiſterwerk der Natur zu betrachten und ihm deshalb einer der erſten Plätze unter allen Orchideen einzu— räumen. Wer, wie ich, ein begeiſterter Liebhaber der Orchideen iſt, verfällt oft in den Fehler, bald dieſer, bald jener Schönheit den erſten Preis zuzuſprechen. Auch ich weiß mich dieſer Sünde ſchuldig. Darum, meine Leſer, ſucht ſelbſt eine Gelegenheit, dieſes Oncidium macranthum in ſeiner Pracht zu bewundern und fällt dann ein Urteil. Oft wird man jedoch für lange Zeit auf die Folter geſpannt, bevor es ſeine wundervollen Blüten zur Entfaltung bringt. Dr. Wallace berichtet von einem Falle, wo 18 lange Monate von der Entſtehung des Blütenſtiels bis zum Offnen der erſten Blüte vergingen. Die lange Dauer ihrer Schönheit jedoch giebt uns gewiſſermaßen eine entſprechende Ent— ſchädigung. Die Natur kam der Phantaſie des Künſtlers zuvor, als ſie dieſes Oneidium macranthum ſchuf. So und nicht anders würde ein Künſtler eine „Harmonie“ von Gold und Bronze ſchaffen, hätte die Natur ihr Meiſterwerk in den Wäldern von Ecuador verborgen gehalten. Faſt ebenſo ſchön und herrlich ſind Oncidium serratum, O. superbiens und O. sculptum zu nennen, deren Lippe allerdings bedeutend kleiner iſt. Die letzte dieſer drei Arten iſt noch ſehr ſelten; ihr Blütenſtand erreicht die Länge von ca. 12 Fuß. Die Blumen ſind ziemlich klein, von glänzend bronzebrauner Farbe und ſo fein gekräuſelt, wie kein Kräuſeleiſen es hervor— bringen könnte, mit einem goldigen Rande von unendlicher Zartheit. Oncidium serratum iſt bedeutend größer und hat graziös geſtellte Blumen. Ganz auffallend iſt die Haltung ihrer Petalen, welche mit ihren Enden zuſammenſtoßen und ſo einen Kreis von braungoldiger Farbe um die Säule bilden. Der Zweck dieſer eigentümlichen Anordnung — denn daß ſie einen Zweck hat, iſt zweifellos — wird uns vielleicht mit der Zeit offenbart werden. Der Analogie nach zu urteilen, Sechſtes Kapitel. 77 darf man glauben, daß das Inſekt, welches die Befruchtung dieſes Oncidiums vermittelt, dieſen Ring als Standort benutzt, um von da aus ſeinen Rüſſel in die Blume zu tauchen. Die vierte dieſer Species, Oncidium superbiens, verdient zu den Schönheiten erſten Ranges gerechnet zu werden. Die braun— grünen Sepalen ſind gelb gerändert, die Petalen weiß und mit einer blaß⸗purpurnen Farbe gezeichnet. Die Lippe iſt ſehr klein, purpurn und mit einer goldgelben Erhöhung verſehen. Ganz abnorm und ſonderbar iſt Oncidium fuscatum. Von der Rückſeite betrachtet, tritt uns die Form eines ge— blumten!) Kreuzes mit gleich langen Armen vor Augen. Von der Vorderſeite geſehen, wird das unterſte Glied von einer breiten, unverhältnismäßig großen Lippe verborgen. Dunkel- braun iſt die vorherrſchende Farbe, während jeder Arm mit einer weißen Spitze endet. Auch die Mitte der Lippe iſt dunkelbraun, umgeben von einer etwas helleren Zone, welche nach den Rändern zu in Weiß übergeht. Dieſe Farbenab— ſtufungen treten nicht ſchroff zu Tage, ſondern gehen allmählich in einander über. Botaniker würden mit großem Intereſſe eine ſolche Blume zerlegen; aber die Gelegenheit dazu bietet ſich nur ſelten dar. Es iſt kaum zu verſtehen, wie die Natur die Beſtandteile der Blüte auf dieſe vier ſchmalen Arme und eine Lippe hat beſchränken können. Manchmal zeigt dieſe Art auch viel glänzendere Farben. In dem kleinen botaniſchen Garten in Florenz bei Santa Maria Maggiore ſah ich zu meinem Erſtaunen ein Oncidium fuscatum mit einer ſcharlach— roten Lippe und von einer überaus glänzenden Färbung. Dieſe Sammlung weiſt gute Kultur-Erfolge auf. Da jedoch Orchideen in Italien noch wenig bekannt ſind, ſo ahnte man nicht, was für einen bedeutenden Wert dieſes Oncidium repräſentierte. Man darf wohl jagen, daß gerade bei Oncidien 1) Heraldiſche Bezeichnung. 78 Sechſtes Kapitel. die ſtaunenswerteſten Farbenzuſammenſtellungen vorkommen; doch möchte ich in meinen Ausdrücken vorſichtig ſein und keine unnötigen Beiworte gebrauchen. Obgleich ich hier auf die Kultur nicht weiter eingehen kann, ſo möchte ich doch einen Wink geben. Gärtner, welche eine gemiſchte Sammlung von Pflanzen in ihren Häuſern haben, ſchrecken häufig vor einem Verſuche mit Orchideen zurück wegen des Ungeziefers, wovon letztere häufig befallen werden, und weil ſie das Räuchern mit Tabak nicht vertragen können. Die Pflanzen durch Waſchen rein zu halten, koſtet zuviel Zeit und Mühe, und ihr Vorurteil iſt daher wohl ge— rechtfertigt. Allein ſchadet auch der direkte Rauch den Pflanzen, ſo können ſie dem Einfluſſe des Tabakdampfes wohl wider— ſtehen. Ein ſcharfſinniger Franzoſe erfand kürzlich eine Maſchine zu dieſem Zwecke, worauf er ſich in England das Patent er— warb, und welche ſehr zu empfehlen iſt. Die „Thanatophore“, wie dieſelbe genannt wird, tötet jedes Inſekt im Bereiche ihres Dampfes mit Ausnahme der Schildlaus, von der jedoch Kalthaus-Orchideen wenig befallen werden. In jeder Eiſen— warenhandlung iſt dieſer Apparat zu erhalten. Alles in allem genommen: für die unendliche Freude, die uns Kalthaus⸗Orchideen bereiten, verlangen fie nur Licht, Schutz vor der heißen Sommerſonne und vor Froſt im Winter, genügende Feuchtigkeit — und eine verſtändige Hand, welche für ſie ſorgt. Es iſt mir erlaubt worden, hier einen Brief abdrucken zu laſſen, in welchem manche Punkte, deren ich ſchon Er— wähnung gethan, noch deutlicher klargelegt werden. Dem Enthuſiaſten wird dieſer Brief wenig Freude bereiten, er wird ausrufen: „Wären doch die Schwierigkeiten und Gefahren, die mit der Einführung der Orchideen verbunden ſind, noch größer, ſo daß den Plünderungen für eine Zeit lang Einhalt gethan würde!“ Sechſtes Kapitel. 79 19. Januar 1893. Sehr geehrter Herr! Ich bin im Beſitze Ihrer beiden Briefe, in denen Sie Nachfrage nach Cattleya Lawrenceana, Pancratium Guianense und Catasetum pileatum halten, und bitte zu entſchuldigen, daß ich dieſelben erſt heute beantworte. Ich war auf einem Ausfluge ins Innere des Landes be— griffen und erkrankte bei meiner Rückkehr; außerdem nahmen andere Geſchäfte meine ganze Zeit in Anſpruch, ſo daß ich keine Gelegenheit zum Schreiben fand. Ich will Ihnen hier einige Aufklärungen über das Sammeln von Orchideen in dieſer Colonie geben. Vor etwa 6 oder 7 Jahren, ehe die Goldinduſtrie ihren Anfang nahm, wagten es nur wenige, in das Innere des Landes einzudringen. Arbeitskräfte und alle nötigen Ausrüſtungsgegenſtände waren für ſehr niedrige Preiſe zu erhalten und das Reiſen und der Tauſchhandel mit Gewinn verbunden. An Arbeitslohn bezahlte man den Eingebornen 1 Schilling pro Tag, während Schiffer, welche die Böte durch die reißenden Flüſſe und Stromſchnellen lenkten, 64 Cents erhielten. Heutzutage werden erſtere mit 64 bis 80 Cents bezahlt und letztere verlangen einen Lohn von 1,50 bis 2 Dollars per Tag, und obendrein iſt es ſchwierig, über— haupt genügend Kräfte zu erhalten. Die Miete eines Bootes für 3 bis 4 Monate belief ſich auf 8 bis 10 Dollars; jetzt hat man faſt dieſelbe Summe pro Tag zu bezahlen, und an allem dieſem iſt die raſche Entwicklung der Gold— induſtrie ſchuld. Rechnet man eine Reiſe von 25 Tagen zu Waſſer, bevor man die Savannah -Ländereien erreicht, und eine Fahrt von 5 bis 7 Tagen ſtromabwärts auf der Rückfahrt nebſt 2 bis 3 Tagen Raſt, ſo kann man ſich leicht eine Idee von den großen Ausgaben machen. Dann, 80 Sechſtes Kapitel. nach Verlauf von ca. 3 Monaten, wenn man mit dem Sammeln fertig iſt, muß man denſelben Weg zurückkehren, wodurch die Ausgaben natürlich verdoppelt werden. Neben— bei ſind die Gefahren zu bedenken, welche mit einer ſolchen Bootfahrt durch die Stromſchnellen verbunden ſind. Oft genug kommt es vor, daß in den Stromſchnellen die Böte mitſamt der koſtbaren Ladung verloren gehen; ja, zuweilen ſind ſogar Menſchenverluſte dabei zu beklagen. Erſt im letzten Monate ereigneten ſich zwei ſolcher Unfälle; bei dem einen fanden 7 Perſonen, bei dem anderen 12 ihren Tod in den Wellen. Nur ſo weit die Flüſſe ſchiffbar ſind, ſind die Bootführer und Schwarzen zur Teilnahme an dem Unternehmen zu gewinnen. Nichts kann ſie zu einem Vordringen unter die Indianerſtämme bewegen, da ſie fürchten, von ihnen vergiftet oder erdroſſelt zu werden. So müſſen wir uns ganz und gar auf die Indianer ver— laſſen, welche ſehr ſchwer zu finden ſind, da die Umgegend von Roſario nur ſchwach bevölkert iſt. Vor ca. 4 Jahren brachen unter den Bewohnern die Blattern und Maſern aus, welche viele Opfer forderten, ſo daß die Überlebenden aus dieſem Gebiet flüchteten und ganze Diſtrikte ſeither unbewohnt geblieben ſind. — Im Verein mit Herr Osmers machte ich mich vor fünf Jahren nach Roraima auf den Weg; Herr Osmers brach jedoch zuſammen, bevor wir die Savannah erreichten. Hier lag er eine Woche in hoffnungsloſem Zuſtande, doch erholte er ſich allmählich und ſchleppte ſich mit Mühe in die Savannah, woſelbſt ich ihn in der Nähe von Roraima verließ. Unſer Unternehmen war mit Erfolg gekrönt, indem wir ca. 3000 Pflanzen verſchiedener Art in guter Beſchaffenheit zujammen- brachten. Allein, da Osmers noch zu ſchwach zum Auf— bruche war, ſo blieb er in der Savannah zurück, während ich mich nach Roraima auf den Weg machte. Daſelbſt Sechſtes Kapitel. 81 fand ich, mit Ausnahme von Cattl. Lawrenceana, welches von meinen Vorgängern völlig ausgerottet war, alles. Bei meiner Rückkehr fand ich Osmers mehr tot als lebendig vor, da er einen neuen Anfall ſeiner Krankheit bekommen hatte. Dazu hatten ihn faſt alle unſere Leute verlaſſen aus Furcht vor den Indianern, welche drei ihrer Genoſſen getötet hatten. Zum Glück fühlte ſich Osmers bald ſtark genug, und wir rüſteten uns zur Abreiſe. In— zwiſchen kehrten einige unſerer Leute zurück, und ſo ſandte ich Osmers mit einem Teil der Beute voraus, während ich bei dem Reſt zurückblieb, bis die mit erſterem weg— geſandten Leute mich abholten. Hätten wir eine genügende Anzahl Kräfte gehabt, ſo wäre alles glatt abgelaufen. Dies war noch, bevor die große Sterblichkeit unter den Indianern auftrat. Im letzten Jahre ſchloß ich mich Kromer an, mit dem ich auf meinem Rückwege zuſammentraf. Strom— aufwärts bis zur Quelle des Fluſſes ging alles ganz gut, aber dann hatten wir mit manchen Schwierigkeiten zu kämpfen. Wir konnten nur 8 Indianer, welche in den Goldminen gearbeitet hatten, zur Teilnahme an unſerem Unternehmen gewinnen, da die ganze Gegend verlaſſen war, und hatten einem jeden pro Tag einen halben Dollar Arbeitslohn zu bezahlen. So konnten wir nur einen Teil der geſammelten Pflanzen in die Savannah fort— ſchaffen und mußten unſere Leute verſchiedene Male zu— rückſenden, um den Reſt unſerer Beute zu holen. Wir er— reichten die Savannah halb verhungert, da wir nur wenig Nahrungsmittel bekommen konnten. Cattl. Lawrenceana fanden wir ſehr vereinzelt vor und konnten nicht mehr als 1500 Stück zuſammenbringen. Roraima an und für ſich iſt durch die Indianer völlig entblößt worden, ſo daß ein Abſuchen dieſer Gegend verlorene Mühe war. In der Orchideen. 6 82 Sechſtes Kapitel. Umgegend von Roraima hielten wir uns ca. 14 Tage auf und ſammelten eine Menge Utricularia Campbelliana, U. Humboldtii und U. montana. Auch Zygopetalum, Cypr. Lindleyanum, Sobralia, Liliastrum, Cypr. Schomburg- kianum, Zygopetalum Burkei u. a. fanden wir genügend vor, während wir von One. nigratum nur 50 Exemplare antrafen. Von Cattl. Lawrenceana dagegen war feine Spur vorhanden. Obgleich unſere Kollektion nicht jehr groß war, ſo hatten wir doch aus Mangel an genügenden Arbeitskräften unſere größte Not, dieſelbe fortzuſchaffen. Außerdem trat die Regenzeit ein, und unſere Pflanzen litten trotz all' unſerer Sorgfalt ſehr durch die Näſſe. Dazu wurden unſere Indianer des mehrmaligen Hin- und das Kurubinggebirge zu erreichen. In dieſer Zeit waren wir ſtets nahe daran zu verhungern; zwar fanden wir einige Nahrungsmittel auf dem Kurubinggebirge, doch gingen fie uns beim Überſetzen über einen kleinen Fluß zum größten Teil wieder verloren, während der Reſt durch den nun mit voller Kraft eintretenden Regen ungenießbar wurde. Daß wir beſtändig bis auf die Haut durchnäßt waren, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Neun volle Tage gebrauchten wir, um unſere Pflanzen über das Gebirge zu ſchaffen, woſelbſt uns unſer Boot erwartete, um uns den Fluß hinunterzubringen. Zwei und einen halben Tag hatten wir abſolut nichts zu eſſen. Unſere Pflanzen litten ſehr von dem heftigen Regen, und außerdem warfen die Indianer einen großen Teil weg, da die völlig durch— näßten Körbe zu ſchwer zu transportieren waren, wodurch wir die beſten Pflanzen verloren. An unſerem Ziel angelangt, mußten wir 8 Tage auf unſer Boot warten, da infolge des Regens die Flüſſe angeſchwollen waren und dadurch die Fahrt erſchwerten. Sechſtes Kapitel. 83 Es traf jedoch endlich ein, wenn auch mit nur ſehr wenig Lebensmitteln. Sobald wir die erſten Goldminen erreichten, verſah uns einer meiner Freunde mit friſchen Lebensmitteln, und dann ſetzten wir neu geſtärkt unſere Reiſe fort. Bei den Kapurifällen jedoch erwartete uns ein anderes Mißgeſchick. Das Boot lief auf einem Felſen feſt und ſank, wodurch unſere Pflanzen unter Waſſer ge— ſetzt wurden. Jedoch nach angeſtrengter Arbeit von einigen Stunden gelang es uns, das Boot wieder flott zu machen und ohne Verluſt an Pflanzen unſere Fahrt zu vollenden. Beim Auspacken der Schätze zeigte es ſich, daß wir im ganzen nur 900 Cattl. Lawrenceana nach Hauſe gebracht hatten, wovon nur der dritte Teil gut zu nennen war, während zwei Drittel ſchlecht oder zu klein waren. Die ganze Reiſe dauerte ca. 3⅛ Monate und koſtete uns mehr als 2500 Dollars. Außerdem hatte ich meinen Fuß durch einen Splitter eines verfaulten Baumſtammes vergiftet und lag 4 Monate lang mit den heftigſten Schmerzen darnieder. Hieraus können Sie ſchließen, daß das Orchideen— Sammeln kein Vergnügen iſt, und ich möchte Sie darauf aufmerkſam machen, daß Cattl. Lawrenceana ſehr ſelten im Innern des Landes geworden iſt. Die Ausgaben für den Transport auf den Flüſſen ſind infolge der Goldinduſtrie ungewöhnlich hoch, ja, richtiger geſagt, unvernünftig hoch geſtiegen. Den Arbeitern muß man neben der Verpflegung 64 Cents bis 1 Dollar pro Tag bezahlen. Überhaupt ſind Indianer kaum zu erhalten und die wenigen zu unſinnig hohen Löhnen; ſie arbeiten für die Goldgräber, bauen Hütten und Häuſer für ſie, roden das Unterholz aus und jagen für ſie. Selbſt wenn Herr Kromer ſo glücklich geweſen wäre, 3000 bis 4000 Cattl. Lawrenceana zu finden, ſo hätten wir aus Mangel an Trägern dieſelben nicht fortſchaffen können. 6 * 84 Sechſtes Kapitel. Ferner muß ich erwähnen, daß heutzutage auf das Sammeln von Orchideen eine Gebühr von 100 Dollar zu entrichten iſt, welche Mr. Kromer ebenfalls zu bezahlen hatte, und dazu kommt eine Ausfuhrſteuer von 2 Cents auf jede Pflanze. Daraus können Sie ſchließen, daß das Sammeln mit großen Ausgaben verbunden iſt, und außerdem iſt der Erfolg ein ſehr zweifelhafter, ſelbſt dann, wenn man mit der Gegend, den Sitten und Gebräuchen der Eingeborenen vollſtändig vertraut iſt. Unſere letzte Expedition koſtete einſchließlich der Überfahrt der Herren Kromer und Steigfer 2500 bis 2900 Dollar. Wenn Sie abſolut Cattl. Lawren- ceana haben wollen, jo muß ich Ihnen raten, ſelbſt herüber zu ſchicken; ob Sie aber Erfolg haben werden, iſt eine große Frage. Was mich perſönlich anbetrifft, ſo befaſſe ich mich neben der Bäckerei auch mit dem Auffinden von Gold und werde mich in einigen Monaten ebenfalls in die Savannah begeben. Im Falle Sie eine Expedition unternehmen würden, ſtelle ich ihnen die beſten Em— pfehlungen zur Verfügung, und wir könnten vielleicht ein Abkommen treffen. Jedenfalls würden Sie die Überfahrts⸗ koſten eines Sammlers dadurch ſparen. Mit dem Packen von Pflanzen für die Überfahrt bin ich in jeder Beziehung vollſtändig vertraut. Ich bitte meinen ausführlichen Bericht und die ſchlechte Handſchrift entſchuldigen zu wollen. Sollten Sie zu einer Expediton geneigt ſein, ſo bitte ich Sie, mir eine Liſte der gewünſchten Pflanzen einſenden zu wollen, damit ich Ihnen den Standort der Pflanzen mitteilen kann; C. superba z. B. wächſt nicht in demſelben Diſtrikt wie C. Lawrenceana, ſondern viel ſüdlicher. Bevor ich ſchließe, möchte ich Sie bitten, mir die Preiſe von 25 der ſchönſten und beſten ſüdamerikaniſchen Orchideen mitzuteilen, die ich für meine eigene Sammlung Sechſtes Kapitel. 85 haben möchte, als Cattleya Medellii, Cattl. Trianae, Odontogl. erispum, Miltonia vexillaria, Cattleya labiata ac. Ich erwarte möglichſt baldige Antwort und werde Ihnen mit der nächſten Poſt eine Liſte derjenigen Pflanzen ſenden, die in dieſer Kolonie anzutreffen ſind. Auf unſerer letzten Reiſe fanden wir auf dem Roraima— gebirge, woſelbſt wir übernachteten, ein neues Oncidium mit gewaltigen Bulben, vielleicht mag es auch ein Catasetum ſein. Wir fanden jedoch nur 2 Pflanzen, von denen eine verloren ging, während ich die andere Herrn Rodway anvertraute. Sie hatte jedoch zu ſehr auf der Reiſe ge— litten und ſtarb ab, ohne jemals geblüht zu haben, ſo daß wir den Wert der Pflanze nicht beurteilen konnten. In der Erwartung Ihrer gef. Antwort. Ihr ergebener Seyler. P. S. Sollten Sie einen Sammler nach hier ſenden oder Ihnen irgend welche Auskunft erwünſcht ſein, ſo ſtehe ich gern zu Dienſten. Einer der erfahrenſten Sammler, Herr Overſluys, ſchreibt vom Rio de Yanayacca, im Januar 1893, wie folgt: | „Hier iſt es abſolut notwendig, ſich an die Spitze ſeiner Leute zu ſtellen, die zu furchtſam ſind, in die Wälder einzudringen. Ihre Angſt iſt nicht einmal unbegründet, denn die meiſten werden krank und das Eindringen iſt un— gemein ſchwierig, da der Wald faſt undurchdringlich iſt, ſo daß man nur mit großer Mühe vorwärts kommt. Außer— dem iſt man unzähligen Inſekten preisgegeben, die einen bis zum Wahnſinn peinigen. Ich ſelbſt bin über und über mit Wunden von den Inſektenſtichen bedeckt und habe keine Stelle, auch nur ſo groß wie ein Schilling, an meinen 86 Siebentes Kapitel. Händen, die nicht von der roten Spinne und anderen In— ſekten zerſtochen iſt. Von fünf Leuten, die ich mit mir nahm, ſind zwei erkrankt, während ein dritter das Weite ſuchte. Morgen erwarte ich friſche Indianer, welche jedoch nicht von Mengobamba kommen. Es fällt ſchwer, Leute zu gewinnen, welche in die Wälder gehen ſollen, und mehr wie 8 oder 10 kann ich nicht anſtellen, da ich beſtändig hinter ihnen her ſein muß, um ſie zur Arbeit anzuſpornen. Mit Geld kann man hier nichts erreichen; man muß eben Glück haben und ſeine Leute gut zu behandeln wiſſen. Sie ver— langen weniger Geld als gute Verpflegung, und Nahrungs— mittel ſind hier ſehr ſchwer zu erhalten. Die Orchideen kommen ſehr vereinzelt vor, nur ein einziger Baum trug drei Exemplare. Die höchſten und dickſten Bäume ſind ihr Lieblingsaufenthalt, und bevor man ans Fällen gehen kann, muß der Grund von den Schlinggewächſen und fingerdicken Lianen geſäubert werden, um ſehen zu können, was an Orchideen auf den Aſten wächſt. Es iſt in der That ein ſchweres Stück Arbeit. Die Natur hat dieſe Cattleya aufs beſte geſchützt. Keinem Menſchen kann eine ſolche Arbeit Vergnügen machen.“ — Hier bricht er plötzlich ſeinen Brief ab: „Ich will ſchreiben ſo bald ich kann, die Mosquitos laſſen mich keinen Augenblick in Ruhe.“ Siebentes Kapitel. 87 Siebentes Kapitel. Orchideen des temperierten Hauſes. Orchideen des temperierten Hauſes ſind ſolche, welche ein Minimum von 15,5 C. (60° F.) während des Wachs— tums nötig haben, das während der Ruhezeit nicht unter 12 bis 139 C. (55° F.) herabſinken darf. Für das Maximum iſt keine beſtimmte Grenze während des Wachstums geſetzt, während der Ruhezeit dagegen muß Sorge getragen werden, daß die Temperatur unter 15,5“ bleibt, da ſonſt ſehr oft Miß— erfolge vorkommen. Auf Grund dieſer Bedingungen müſſen die Gewächshäuſer in unſerem Klima 9 Monate hindurch ge— heizt werden. Orchideen des Warmhauſes verlangen das ganze Jahr hindurch Heizung, und nur ganz vereinzelt kommt es vor, daß hier die Nächte warm genug ſind, um die künſtliche Erwärmung einſtellen zu können. Zu dieſem trockenen Thema über Temperaturen will ich jedoch zur Ermutigung derjenigen, denen die große Kohlen— rechnung wenig Freude bereitet, hinzufügen, daß die Kalthäuſer nur bis Ende Mai künſtliche Erwärmung nötig haben. In einem nach Süden gelegenen Hauſe können manche Gattungen und Arten, welche für gewöhnlich als „temperiert“ bezeichnet werden, ohne künſtliche Wärme mit beſtem Erfolg gezogen werden, es ſei denn, daß die Jahreszeit ungewöhnlich rauh und die Temperatur demgemäß eine niedrige iſt. Temperierte Orchideen kommen von einer ſubtropiſchen Gegend oder von den Bergen einer heißeren Zone, wo ihre Schweſtern, die Orchideen des „heißen Hauſes“, die Ebene bewohnen. Es herrſcht alſo dasſelbe Verhältnis wie zwiſchen den temperierten und kalten Orchideen. Dieſe bewohnen die Höhen der gemäßigten Zone, während jene ſich in den Thälern aufhalten. Zu erſteren gehören vor allen die Odontogloſſen. 88 Siebentes Kapitel. Allein auch unter dieſen befindet ſich eine Art, welche eine temperierte Kultur beanſprucht, Odontoglossum vexillarium, von manchen Botanikern auch Miltonia vexillaria genannt. Dieſe Art iſt ſehr beliebt geworden, und ich muß ihr einen Ehrenplatz unter den Orchideen einräumen, wenn ich auch für meine Perſon mich dieſem Urteile kaum anſchließen kann. Der Name an und für ſich iſt ſo eigentümlich, daß man ſich über die Gründe klar werden muß, weshalb der Autor (Prof. Reichenbach) gerade dieſe Bezeichnung wählte. Vexillum!) — Fahne — iſt ein genügend bekanntes Wort — vexilla- rium ſoll in dieſem Falle wohl heißen Fahnen ähnlich; eine Anwendung des Wortes, welche leicht zu verſtehen iſt und welche denjenigen, welche mit den alten römiſchen Regiments- farben vertraut ſind, ſofort verſtändlich iſt. Die flachen, platten Blumen hängen von den Blumenſtielen herab wie das Vexillum am Bas-Nelief der Statue des Antoninus. Für mich iſt ihre Farbe geſchmacklos, wenigſtens in der Regel, und die Haltung im ganzen ſteif; allein die Mode nimmt, wie in manchen andern Dingen, auch bei Orchideen wenig Rückſicht darauf, ob ein Ding geſchmackvoll iſt oder geſchmacklos. Ich wiederhole nochmals ausdrücklich, daß dem in der Regel ſo iſt; denn es giebt manche unſchätzbaren Exemplare, deren Farben brillant ſind, gewiſſermaßen die Quinteſſenz dieſer Art und unter einer Million unintereſſanter Blumen durch Schönheit hervorragend. Die kleinſten von dieſen verdienen ohne Zweifel ſelbſt von denen beachtet zu werden, die Raum zur Anzucht von Rieſen— eremplaren haben. Sie wachſen raſch zu großen Pflanzen heran. Hier in England giebt es Exemplare von Im Durch- meſſer, die hunderte von Blumen zur ſelben Zeit hervorbringen und mit ihrer blaßgrünen Belaubung monatelang höchſt 1) Die römiſchen Reiter hatten kleine bannerähnliche Vexilla oder Standarten. Die Feldzeichen des Fußvolkes waren, wie bekannt, die Legionsadler. Siebentes Kapitel. 89 wirkungsvoll ausſehen. Vier Blütenſtände entipringen oft aus einer einzigen Bulbe; aber eine dergeſtalt üppige Schön— heit ſollte im ganzen genoſſen und keiner kritiſchen Analyſe unterzogen werden. Eingeführt wurde dieſes Odontoglossum von Columbien. Es giebt deren zwei Formen: die kleine, gleichmäßig rötlich gefärbte, welche im Herbſt ihre Blumen entfaltet, wurde von Frank Klaboch, dem Neffen des berühmten Sammlers Roezl, am Dagua⸗-⸗Fluſſe in Antioquia entdeckt. Acht Jahre hindurch verſuchte er, kleine Sendungen dieſer Pflanze lebend nach Europa zu bringen; allein ſeine Mühe ſchien vergebens, ſämt— liche Pflanzen ſtarben auf der langen Reiſe, und als endlich die richtige Verpackungsweiſe zur ſicheren Überführung nach Europa aufgefunden war, erlag der arme Klaboch den Ein— flüſſen des dortigen Klimas. Jene Gegend iſt ein entſetz— liches Land, vielleicht das naſſeſte auf der ganzen Erde und daher für den Europäer äußerſt gefährlich, obgleich für Sammler ſehr ergiebig, da neben dieſem Odontoglossum noch verſchiedene wertvolle Cattleyen dort vorkommen. Aber die Verkehrsmittel und Wege ſind noch ſehr primitiv. Nur mittelſt Kanoes und mit Hilfe der Indianer können die Sammler ihre Beute fortſchaffen. Wenn Käufer wüßten, wie beſchwerlich, koſtſpielig und gefährlich es iſt, dieſes Odonto- glossum zu ſammeln, ſo würden ſie die für dieſe Art ver— langten Preiſe nicht für zu hoch halten. Herr Sander erhielt einſt eine Sendung von 40000 Pflanzen und ſchätzte ſich glücklich, daß noch 3000 bei der Ankunft ein Lebenszeichen in ſich hatten. Herr Watſon, Aſſiſtent am botaniſchen Garten zu Kew, erzählt einige höchſt ergötzliche Einzelheiten, welche ſich an die Geſchichte dieſer Art knüpfen. Im Jahre 1867 wurde das Odontoglossum vexillarium zum erſtenmal von Profeſſor Reichenbach genau beſchrieben. In ſeiner Beſchreibung erzählt 90 Siebentes Kapitel. er, daß ihm von einem Freunde eine Blume unter folgenden Bedingungen geliehen worden ſei: 1. ſie keinem andern zu zeigen, 2. nicht viel davon zu reden, 3. keine Zeichnung davon zu machen, 4. ſie nicht photographieren zu laſſen, und endlich 5. nicht mehr als dreimal einen Blick darauf zu werfen. Hier mag noch erwähnt werden, daß Herr Watſon die erſte Entdeckung dieſer Species dem verſtorbenen Herrn Bow— man zuſchreibt. Wie dem auch ſein mag, in Bezug auf die oben beſchriebene von Antioquia ſtammende Varietät iſt jeden— falls der von mir gegebene Bericht der richtige. Die andere Varietät ſtammt aus der Gegend von Frontino, ca. 250 englische Meilen nördlich von der oben beſchriebenen, und iſt — Botaniker würden ſagen ſelbſt— verſtändlich — vollſtändig verſchieden. Gerade die geographiſche Verbreitung iſt es, welche uns oft veranlaßt, Abweichungen in der Form von verhältnismäßig geringem Werte als Art— charaktere zu betrachten. Ich ſah einſt 3 Odontogloſſen neben einander geſtellt, welche ſelbſt ein Kenner für Varietäten der— ſelben Pflanze gehalten haben würde, wäre er nicht ganz genau mit ihnen vertraut. Es waren Odontoglossum Williamsi, Od. grande und Od. Schlieperianum. Od. grande iſt auf den erſten Blick durch ſeine großen, ſtarren, geſpreizten Blumen von gelber, braun geſprenkelter Farbe zu erkennen. Als einzelne Blume iſt ſie bizarr, in einer Gruppe dagegen äußerſt effektvoll. Daneben ſtand O. Williamsi nur durch etwas geringere Größe verſchieden, während das dritte, O. Schlieperianum, ſich durch noch kleinere Geſtalt aus— zeichnet. Alle drei ſind in Bezug auf den Wuchs vollkommen gleich und doch gelten die beiden letzten als beſondere Species, und nicht als Varietäten von O. grande. Sie Siebentes Kapitel. 91 find alle beide durch ca. 10 Längengrade und 10 Breiten- grade von O. grande entfernt, und man kann mit Sicherheit ſagen, daß keine Zwiſchenformen in den dazwiſchen liegenden Gebieten vorkommen. 10 Längengrade bedeuten aber dort eine größere Entfernung als bei uns. Ahnliche und noch ſonderbarere Fälle ſind in vielen Orchideen-Gattungen zu finden. Das Odontogl. vexillarium von Frontino wächſt kühler und hat bedeutend größere Blumen, die von den reinſten bis zu den dunkelſten Farben variieren. Seine Blüte— zeit fällt in den Mai und Juni. Als beſte Varietät, die nicht ihres gleichen findet, iſt Odontoglossum vexillarium superbum genannt worden; es findet ſich äußerſt ſelten und zeichnet ſich vor allen anderen durch den tief dunklen Fleck im Zentrum der Lippe aus. Möglicherweiſe iſt es eine natürliche Hybride zwiſchen der Antioquia-Varietät und Odontoglossum Roezlii. Die Ausſicht, ein kleines Stück dieſer Pflanze unter einem Bündel des gewöhnlichen Odonto— glossum vexillarium zu finden, ruft oft eine große Erregung unter den Käufern hervor. Herr Bath hatte ſolches Glück auf einer Auktion in dem Lokale des Herrn Stevens. Er zahlte 2 Schilling für ein kleines ſchwaches Stück von superbum, welches er, dank der ſorgfältigen Pflege, die er ihm an— gedeihen ließ, zum Preiſe von 72 & an Sir Trevor Lawrence verkaufte, der ſich freute, eine ſolche einzige Pflanze in ſeinen Beſitz zu bekommen. Hierbei fällt mir eine ähnliche kleine Geſchichte ein. Unter einer Anzahl von Cypripedium insigne, die in St. Albans eintrafen, bemerkte Herr Sander zufällig eine Pflanze, die ſtatt des gewöhnlich braunen Blütenſtiels einen gelben trug. Scharfe Augen ſind für den Orchideenzüchter unentbehrliches Handwerkszeug; denn die kleinſte Abweichung muß bei dieſen zu Variationen geneigten Pflanzen genau beobachtet werden. Sorgfältig ſtellte Herr Sander dieſe Pflanze beiſeite, welche als einzige unter Tauſenden, 92 Siebentes Kapitel. man kann ſagen Myriaden, von Cyp. insigne ſeit der erſten Einführung dieſe Abweichung zeigte. Welch' eine Aufregung, als ſich die Blume öffnete, die vollſtändig goldgelb war! Die Pflanze wurde geteilt und die eine Hälfte für 75 Guineen an einen Privatmann verkauft, während die andere Hälfte auf einer Auktion für 100 Guineen verſteigert wurde. Jetzt hat ſchon einer der Käufer ſeine Pflanze geteilt und zwei Stücke zu je 100 Guineen davon abgegeben. Eine andere Pflanze wurde von Herrn Sander zwecks Hybridiſierung zum Preiſe von 250 Guineen () zurückgekauft. Beim Niederſchreiben dieſer Zeilen fällt mir ein ähnliches Ereignis ein. Ein Herr Harvey, ein Advokat in Liverpool, bemerkte bei ſeinem Beſuche in St. Albans am 24. Juli 1883 eine Pflanze von Laelia anceps, an deren Bulben die Ringe höher hinaufgingen, wie es gewöhnlich der Fall iſt. In dem Glauben, daß dies ein ungewöhnliches Zeichen ſei, kaufte er die Pflanze für 2 Guineen. Seine Ahnung hatte ihn nicht betrogen; am 1. Dezember 1888 verkaufte er dieſelbe Pflanze wiederum an Herrn Sander zum Preiſe von 200 £. Sie entpuppte ſich als die beſte bisher bekannte Form von L. anceps, von rötlichweißer Farbe, welche zu Ehren des be— rühmten amerikaniſchen Amateurs F. L. Ames L. a. Amesiana genannt wurde. Einem jeden Orchideenzüchter kann ein ſolches Glück bevorſtehen. Die Gattung der Cattleyen (Laelia mit inbegriffen) iſt unſtreitig als die ſchönſte der Orchideen zu bezeichnen, nur die Odontogloſſen, von denen mehr Species in Kultur ſind, können ihnen ebenbürtig zur Seite geſtellt werden. Sechzig verſchiedene Varietäten und Species von Cattleya werden bis jetzt in den Sammlungen der Liebhaber kultiviert, die ſich ganz beſonders mit dieſer Gruppe beſchäftigen. Aber auch unter den verſchiedenen ſogenannten Arten ſind viele reich an Varietäten, über deren botaniſchen Wert jedoch die Meinungen ſehr geteilt ſind. Sie ſind ohne Ausnahme Siebentes Kapitel. 93 amerikaniſchen Urſprungs und auf der ganzen Strecke zwiſchen Mexiko und der Republik Argentinien anzutreffen. Dieſe Pflanzen gehören nicht zu meinen beſonderen Lieblingen, aus denſelben Gründen, aus welchen meine Ab— neigung gegen Odontoglossum vexillarium entſpringt. Die Cattleyen ſind ſo aufdringlich ſchön, ſie haben ſo große Blumen, daß ſie die Bewunderung gewiſſermaßen ertrotzen. Und doch iſt im großen Ganzen ihre Erſcheinung eine recht kindliche zu nennen! Sie kommen mir vor wie ein aufge— wecktes Kind, das noch keinen feinen Farbenſinn hat und noch zu jung iſt, um einen Unterſchied zwiſchen einer auffallenden und einer reizenden Form zu finden. Doch, ich darf nicht zu weit gehen. Die Geſchichte derjenigen Orchideen, die ſchon ſeit langer Zeit in unſerer Kultur ſind, kann man nicht genau verfolgen. Die erſte Cattleya, welche meines Wiſſens nach Europa ein— geführt wurde, war C. violacea Loddigesii. Wie der Name ſchon andeutet, war ſie von der bekannten Firma Loddiges, der wir viele Neueinführungen verdanken, in den Handel ge— bracht worden. Zwei Jahre ſpäter erſchien C. labiata, auf die wir noch genauer zurückkommen werden. Dann kam C. Mossiae von Caracas und endlich C. Trianae von Tolima in Columbien, welche den Namen ihres Entdeckers trägt. Oberſt Trian darf nicht in Vergeſſenheit geraten, da er aus dieſer abgeſchloſſenen Gegend ſtammt und ein Botaniker iſt. Wenn man bedenkt, daß dieſe Cattleya in Millionen von Exemplaren auf der ganzen Erde jetzt in Kultur ſich befindet, ſo könnte man wohl zu der Annahme kommen, daß ſie in ihrer Heimat wie Unkraut wachſen muß. Doch ſcheint ſie niemals ſehr häufig angetroffen worden zu ſein, ja, augenblicklich iſt ſie ſo ſelten geworden, daß man es kaum der Mühe wert hält, Sammler danach auszuſenden. 94 Siebentes Kapitel. Wahrſcheinlich hat der Oberſt, als er die volle Aus— rottung dieſer Species kommen ſah, dem Übel vorgebeugt und in einem verborgenen Winkel durch Anpflanzung einiger Exemplare dieſe Cattleya vom ſicheren Untergange gerettet. Mit Cattleya Mossiae verhält es ſich faſt ebenſo, wenn nicht noch ſchlimmer. Dieſe Thatſachen enthalten eine Warnung. Innerhalb 70 Jahren ſind zwei, früher ziemlich häufige Orchideen, die ſich ſehr leicht vermehren ließen, in ihrer Heimat faſt voll— ſtändig ausgerottet worden. Wie lange können unter ſolchen Umſtänden ſelten vorkommende Exemplare erhalten bleiben, wenn man bedenkt, daß die Nachfrage von Jahr zu Jahr zunimmt und die Verkehrsmittel und -Wege auf der ganzen Welt ſo leicht gemacht werden? Arten, welche auf Inſeln ihre Heimat haben, müſſen als ausgerottet betrachtet werden, wenn ſie nicht, wie Laelia elegans, ihre Zuflucht in uner⸗ reichbaren Klippen haben. Es iſt dies nur eine Frage der Zeit; aber wir wollen hoffen, daß die Regierungen dem Einhalt thun werden, bevor es zu ſpät ſein wird. Herr Burbidge, Kurator des botan. Gartens in Edinburgh, äußerte ſich dahin, daß ein Orchideen-Liebhaber hier und da eine Pflanzung in der Heimat der Orchideen an— legen, und ſich ſorgfältig auf die Kreuzung derſelben legen ſollte. „Man kann“, ſagt er, „ebenſogroßen Vorteil aus der Anzucht von Orchideen als aus der Viehzucht ziehen — und was mich anbetrifft, ſo möchte ich erſterer den Vorzug geben.“ Ganz ſicher wird dies im Laufe der Zeit ausgeführt werden, wenn auch nicht ſo ſehr wegen der Züchtung von Hybriden, als um einfach Handelswaare für den täglichen Be— darf zu liefern. Diejenigen, welche glauben — und es giebt deren viele — daß die epiphytiſchen Orchideen unter keinen Um— ſtänden in unſern Gewächshäuſern ſo gut gedeihen, wie in Siebentes Kapitel. 95 ihrer Heimat, dürften mit ihrer Behauptung ſehr im Irrtum ſein. Zweifellos iſt es möglich, ſagen ſie, dieſelben mit Erfolg heranzuziehen und zum Blühen zu bringen und bei ſorgfältiger Pflege ſogar ihre Blumen zu einer ebenſo vollkommenen Aus— bildung zu bringen, wie die Natur es vermag. Allein, von Jahr zu Jahr wird ihr Trieb ſchwächer, bis endlich ihre Lebenskraft völlig erſchöpft iſt. Daß dies oft der Fall iſt, kann man zwar nicht leugnen; aber wenn man Pflanzen ſieht, die ſeit mehr denn 20 oder 30 Jahren von ihren Be— ſitzern gehegt und gepflegt ſind und von Jahr zu Jahr an Größe und Schönheit zunehmen, ſo muß man ſich ſagen, daß das plötzliche Hinſterben anderer Pflanzen nur unſerer ver— kehrten Behandlung zuzuſchreiben iſt. Herr Trevor Lawrence bemerkte einſt: „Was die Langlebigkeit der Orchideen anbetrifft, ſo beſitze ich ein Exemplar, welches, wie ich beſtimmt weiß, über 50 Jahre in dieſem Lande geweſen iſt, und wahrſcheinlich noch 20 Jahre länger — Renanthera coccinea.“ Die ſchönſten Exemplare von Cattleyen in der Kollektion des Herrn Stevenſon Clarke ſind von kleinen, importierten Stücken herangezogen worden. Gäbe es noch mehr Samm— lungen, welchen man nachſagen könnte, daß fie ein halbes Jahr— hundert unter derſelben ſorgſamen Hand geſtanden hätten, ſo würden wir uns ein richtiges Urteil bilden können. In der Regel aber ſind die Daten des Einkaufs nicht genau notiert worden; erſt in den letzten Jahren verwendet man mehr Sorg— falt darauf. Hier muß eine Cattleya erwähnt werden, welche vor mindeſtens 70 Jahren bis zu ihrer Wiedereinführung im Jahre 1890 in Europa ſchon exiſtiert haben muß, nämlich Cattleya labiata autumnalis. Wenn wir eine mehr denn zweijährige Pflanze dieſer echten herbſtblühenden Cattleya ſehen, ſo wiſſen wir, daß dieſe Pflanze, oder wenigſtens eine un— mittelbare Verwandte von ihr, um das Jahr 1818 herum ein— 96 Siebentes Kapitel. geführt worden ſein muß; denn ſo weit wie bekannt, iſt nie eine Pflanze aus Samen herangezogen worden.“) Wenn ich von einer gewiſſen Gleichgiltigkeit meinerſeits gegen Cattleyen ſpreche, ſo rede ich natürlich nur von der größeren Menge. Die ſchönſte, ſtattlichſte und erhabenſte aller Blumen iſt unbeſtreitbar Cattleya Dowiana oder C. aurea, welche nur eine geographiſche Varietät der erſteren iſt. Sie wachſen mehr als 1000 Meilen von einander ent— fernt, die eine in Columbien, die andere in Coſta Rica. In der Zwiſchenregion ſcheint weder die eine noch die andere vorzukommen. Auch nicht ein Zeichen, das auf irgend einen Zuſammenhang der beiden Varietäten hinweiſen könnte, iſt vorhanden, was vielleicht an der mangelhaften Durch- forſchung der atlantiſchen Küſte von Süd-Amerika liegen mag. Zu meiner Zeit wurde dieſes Land vom Kap Camarin bis Chagres von vollſtändig unabhängigen wilden Stämmen bewohnt, unabhängig nicht nur dem Namen ſondern der Sache nach. Denn die Mosquito-Indianer werden auch rechtlich als unabhängig angeſehen; einige hundert Quadrat- meilen bewohnen die Guatuſos, aus deren Mitte niemals ein Europäer zurückgekehrt iſt. Während meines Aufenthalts in dieſem Gebiete waren nur die Talamancas als weniger feindlich geſinnt bekannt, von denen kühne Handelsleute bis— weilen zu erzählen wußten. Von kühnem Geiſte beſeelt, machte ich den Verſuch, eine Expedition zu dieſen Talamancas auszurüſten; allein in San Joſé de Coſta Rica fand ſich kein Freiwilliger, der ſich in ein ſolches Abentener ſtürzen wollte, und noch heute danke ich meinem Schöpfer, daß das Unternehmen ſich zerſchlug. Seitdem iſt ein Weg durch die Wildnis nach Limon gebahnt und einige unglückliche Eng— länder haben das Geld hergegeben für eine Eiſenbahn mitten durch das Gebiet dieſer wilden Stämme. Von einem 1) Siehe das Kapitel: „Eine verſchollene Orchidee“ Siebentes Kapitel. 97 Ingenieur jedoch, der erſt vor zwei Jahren durch dieſe Gegend kam, wurde mir verſichert, daß noch niemand in die Wälder dort einzudringen gewagt habe. Deshalb mag vielleicht in ihnen ein Verbindungsglied zwiſchen Cattleya Dowiana und aurea verborgen ſein, was jedoch ebenſogut bezweifelt werden mag. Bloße Worte genügen kaum, um die Schönheit dieſer beiden Cattleyen auszumalen. In beiden ſind die Haupt- farben gelb und karmeſinrot vorherrſchend, aber mit ſehr wichtigen Modifikationen. In Cattleya aurea ſind die Petalen und Sepalen reingelb; die Lippe jedoch iſt von karmeſinroten Linien durchzogen. Cattleya Dowiana dagegen zeigt an ihren Sepalen karmeſinrote Zeichnungen, während die Grundfarbe der Lippe ein dunkles Purpur iſt, durchzogen von netzförmigen goldgelben Adern. Nun ſtelle man ſich vier ſolcher Blumen, jede einen halben Fuß breit, an einem Blütenſtiele vor! Aber Worte reichen da nicht aus. C. Dowiana wurde um das Jahr 1850 von Warscewicz entdeckt, welcher Berichte über ihre Schönheit nach Hauſe ſandte, die kaum glaublich ſchienen. Seine Ausſagen wurden von manchem kühl denkenden Engländer als ganz unmöglich bezeichnet, und da leider ſeine wenigen nach Europa geſandten Pflanzen unterwegs ſtarben, ſo war die Sache vorläufig zu Ende. Hier mag ein anderer Umſtand neueren Datums er— wähnt werden, welcher beweiſt, daß das klare Zeugnis eines Sammlers vom engliſchen Publikum kurz und bündig als unmöglich reſp. erlogen bezeichnet wurde. Herr St. Leger, wohnhaft in Aſuncion, der Hauptſtadt Paraguays, teilte einem Freunde brieflich eine vielleicht etwas ſehr warm empfundene Beſchreibung einer in jener Gegend vorkommenden Orchidee mit. Dieſe Schilderung erregte in England Heiterkeit und wurde nicht geglaubt. Herr St. Orchideen. 7 98 Siebentes Kapitel. Leger durch dieſe Verwerfung ſeiner Ausſage gereizt, ſandte einige getrocknete Blumen als Beweis herüber, um die Un— gläubigen dadurch zum Schweigen zu bringen. Im Jahre 1883 brachte er eine Anzahl dieſer Pflanzen nach England und bot ſie öffentlich in einer Auktion zum Verkauf an; allein es ſchien keine rechte Kaufluſt vorhanden zu ſein. Nur wenige erwarben, teils aus Neugierde, teils aus Vertrauen zu St. Leger, einige Pflanzen für eine ſehr geringe Summe. Welch' eine Überraſchung für ſie, als ſich nach Verlauf einiger Monate die erſte Blume öffnete und ſich das jetzt wohl bekannte Oncidium Jonesianum ihren Augen darbot. Man muß jedoch andererſeits zugeben, daß Orchideenzüchter ihre guten Gründe haben, ungläubig zu werden. Wenn ihr Urteil ſie gelegentlich einmal auf einen falſchen Weg geführt hat, ſo kommt die Sache in die Offentlichkeit und ſie müſſen dafür den Spott des Publikums einſtecken. Viel Erfahrung und mancher Verluſt haben ſie demnach mißtrauiſch und in ihren Bemerkungen cyniſch gemacht, ſobald ein neues Wunder- ding von Orchidee angeprieſen wird. Gerade in dieſem Falle mit Herrn St. Leger mußten ſeine Behauptungen umſomehr verdächtig erſcheinen, als die äußere Erſcheinung ſeiner Neuheit ſehr viel Ahnlichkeit mit Oncidium Cebolleta, einer faſt wertloſen Species, hatte. Es iſt zu bedauern, daß bis jetzt dieſe Schönheit ſehr ſchwer zu kultivieren iſt. Cattleya Dowiana wurde zum zweitenmal von Herrn Arce entdeckt, welcher auf die Suche nach Vögeln ausging. Es muß für Warscewicz ein großartiges Ereignis geweſen ſein, als ſich die erſte Blume öffnete, da die ganze gärtneriſche Welt bei ihrem Erſcheinen geradezu in Aufregung geriet. Cattleya aurea hat eine weniger abenteuerliche Vorgeſchichte. Wallis fand ſie im Jahre 1868 in der Provinz Antioquia und wiederum an dem Weſtufer des Magdalenenſtroms; ſie iſt jedoch äußerſt ſelten. Dieſe Cattleya wird in ihrer Siebentes Kapitel. 99 Heimat oft von einem Inſekt befallen, deſſen Eier dann leicht nach Europa eingeſchleppt werden. Ein größerer Feind jedoch iſt die Fliege, welche ſich oft an Cattl. Mendellii zeigt, wegen deren Liebhaber und Züchter ein Vorurteil gegen dieſe Cattleya hatten, bis durch eifriges Studium ein ſicheres Mittel zur Ausrottung dieſes Inſekts gefunden war. Ein erfahrener Züchter erkennt auf den erſten Blick die Gegenwart dieſer Fliege. Sie bohrt ein kleines Loch in das ſchlafende Auge der Cattleya, glücklicherweiſe meiſt an einem Hintertrieb, und legt in die Mitte ein Ei hinein. Der Trieb beginnt plötzlich ſich zu vergrößern und ſcheint ſich in den Augen eines Unerfahrenen ſehr ſchnell zu entwickeln. Allein, ein ſorg— fältiger Beobachter bemerkt leicht, daß die Ausdehnung des jungen Triebes in die Länge nicht mit der zunehmenden Breite Schritt hält. Ich habe die traurige Erfahrung gemacht, daß dieſe Fliege, gewöhnlich „Weavil“ genannt, auch häufig an Laelia purpurata vorkommt und überhaupt alle Cattleyen heimſucht. Das einzige Mittel, um der Ausbreitung dieſer Fliege vorzubeugen, beſteht darin, alle befallenen Teile abzuſchneiden und zu verbrennen. Man kann alſo Cattleya Mendellii ebenſo gefahrlos wie andere Cattleyen importieren, wenn ſie nicht zu einer ungünſtigen Zeit geſammelt iſt. Unter die herrlichſten, ſeltenſten und wertvollſten Cattleyen iſt Cattleya Hardyana zu rechnen, wahrſcheinlich eine natür— liche Hybride zwiſchen Cattleya aurea und Cattleya gigas Sanderiana. Wenige haben ſie geſehen, und daß 200 Guineen für eine Pflanze gezahlt werden, iſt abſolut keine Seltenheit. Die dunkelroſafarbene Blume iſt außerordentlich groß, die Lippe magentafarben, goldgelb geadert. An Cattleya San- deriana knüpft ſich eine intereſſante Erzählung. Herr Mau, einer von Herrn Sander's Sammlern, befand ſich auf der Suche nach Odontoglossum crispum in Bogota. Auf ſeinen Streifzügen durch die Wälder, bemerkte er eine im Ruhezu— 7* 100 Siebentes Kapitel. ſtande befindliche Cattleya und ſammelte verſchiedene Stücke, welche ihm zufällig in den Weg kamen, ohne irgend beſondere Notiz davon zu nehmen. Neben ſeiner Beute an Odon- toglossum brachte er 4 Kiſten voll mit nach Hauſe, und man kann ſich lebhaft denken, daß das Offnen derſelben ein wichtiges Ereignis in Herrn Sander's Leben war. Die Pflanzen zeigten viele trockene Blütentriebe vom letzten Jahre, welche ſo auffallend groß waren, daß man die Art für neu halten mußte. So unvorhergeſehen und unerwartet eine ſolche hervorragende Neuheit zu erhalten, iſt ein Ereignis, welches kaum innerhalb 50 Jahren ſeines Gleichen findet. Herr Mau wurde ſofort zurückgeſandt, um jede noch ſo kleine Pflanze zu ſammeln. Inzwiſchen wurden die wenigen mitgebrachten Pflanzen hier kultiviert. Herr Brymer, deſſen Name durch das Dendrobium Brymerianum unſterblich gemacht iſt, er— warb ein Stück, welches unter ſorgfältiger Kultur ſich bald in ſeinen Gewächshäuſern heimiſch fühlte. Der Zufall wollte es, daß bei der Rückkehr des Herrn Mau, welcher einige Tauſend Pflanzen mit ſich brachte, diejenige des Herrn Brymer ihre erſte Blume entfaltete. Das war ein zweites wichtiges Ereignis für Herrn Sander, als ſich die große Blüte öffnete und ihre roſigen Sepalen und Petalen entfaltete, und dabei eine Lippe im prächtigſten Purpur zeigte, mit einem weißen Fleck an jeder Seite. Als die Pflanzen in Stevens' Auktions— lokale zum Verkauf kommen ſollten, war Herr Brymer ſo freundlich, ſeine blühende Pflanze als Empfehlung daſelbſt aufſtellen zu laſſen, während die Herrn Stevens aus einem Stück grünen Zeuges einen paſſenden Hintergrund ſchufen, von welchem die Pflanze ſich wirkungsvoll abhob. Die Auf— regung, welche an dieſem Tage auf der Auktion herrſchte, iſt kaum zu beſchreiben. Der Ertrag ſoll die Summe von 2000 £ noch überſchritten haben. Unter den bekannteſten Cattleyen, als Mossiae, Trianae, Mendellii u. ſ. w., ſind weiße Varietäten vertreten. Ein Siebentes Kapitel. 101 durchaus weißes Exemplar iſt jedoch äußerſt ſelten und er— zielt ſtets einen hohen Preis. Die ſchönſte von allen iſt Cattleya Skinneri alba. Seit vielen Generationen ſammeln die Bewohner von Coſta Rica jedes kleine Stück, deſſen ſie habhaft werden können, um ſie auf den Dächern ihrer aus Erde gebauten Kirchen anzupflanzen. Roezl und ſeine Vor— gänger kauften ohne viele Überredung von den Prieſtern dieſe halb heiligen Pflanzen, teils auch überredeten ſie die Ein— wohner, ſie zu ſtehlen oder führten dies gelegentlich perſönlich aus. Doch dem iſt jetzt ein Ende geſetzt. Auf ehrliche Art und Weiſe kann man ſich äußerſt ſelten in den Beſitz dieſer Cattleya ſetzen, und bei der Ankunft eines Sammlers werden Wachen ausgeſtellt, um den heiligen Schmuck der Kirchen zu behüten. In den Wäldern ſelbſt iſt niemals eine ſolche Pflanze angetroffen worden. Daſſelbe gilt von Laelia anceps alba. Die Gattung Laelia unterſcheidet ſich von Cattleya durch das Vorhanden— ſein von 8 Pollen- oder Blütenſtaubmaſſen, während ſich bei Cattleya deren 4 finden. In meinen Augen iſt dieſe Gattung im ganzen noch reizender. Laien können kaum faſſen, daß Orchideen in ihrer Heimat ebenſo häufig in wild— wachſendem Zuſtande vorkommen wie Fingerhut und Löwen— zahn bei uns. Alle Überredungskunſt iſt nutzlos, ſie glauben es einfach nicht, und von ihrem Standpunkt aus iſt ihr Unglaube zu verſtehen. Laelia purpurata wird zu den Warmhaus-Orchideen gerechnet, Laelia anceps dagegen erfordert nicht ſo große Wärme. Manche kultivieren ſie im Kalthauſe, wenn ſie ſie der vollen Sonne ausſetzen. Selbſt die ſchlechteſte Form iſt noch ſchön zu nennen. Ich ſah einſt in der Sammlung des Herrn Eaſtey ein Exemplar mit 23 Blütenriſpen, deren Blumen alle zur ſelben Zeit voll entwickelt waren. Solch Anblick iſt kaum mit Worten gewöhnlicher Proſa zu beſchreiben. 102 Siebentes Kapitel. Aber wenn ein Enthuſiaſt angeſichts ſolcher Schönheit ſich in einer anderen Welt zu befinden glaubt, was wird er ſagen oder empfinden, wenn er die ſchneeweiße Varietät, Laelia anceps alba, ſieht! Ich kannte einen Mann, welcher zur Plage für ſich und andere bei jeder Gelegenheit eine vulgäre Bemerkung zur Hand hatte; angeſichts dieſer Pflanze verging ſelbſt ihm der Spott. Sogar die Halbblutindianer Mexikos, welche nur für Pferde, Hahnenkämpfe und das, was ſie Liebe nennen, Sinn haben, verehren dieſe himmliſche Blume. Die Indianer beten ſie gradezu an. Wie ihre Stammesgenoſſen im Süden die Cattleya Skinneri alba von Generation zu Generation auf ihre Kirchen pflanzen und gleichſam als heilig verehren, ſo ſammeln fie die Laelia anceps alba und pflanzen fie in der Nähe ihrer Hütten an. So ſorgfältig ſammeln ſie jedes kleine Exemplar, daß man weder das eine noch das andere jemals in den Wäldern aufgefunden hat. Alle nach Europa ge— brachten Pflanzen wurden den Einwohnern abgekauft, und heut— zutage iſt es ſehr ſchwer auch nur einer kleinen Pflanze habhaft zu werden. Die erſte Laelia anceps alba kam vor ca. 50 Jahren nach England und wurde wahrſcheinlich von einem eingeborenen Händler an einen ſeiner engliſchen Geſchäftsfreunde geſandt. Allein wir haben keine ſichere Gewähr, weder hierfür, noch für andere Einführungen aus dieſer Zeit. Herr Dawſon von Meadowbank kam auf irgend eine Art in den Beſitz der Pflanze, welche er vermehrte und teilte. Alle Verſuche, ſie in den Wäldern ihrer Heimat aufzufinden, waren vergebens, und in den Gärten der Indianer vermuteten die Sammler ſie nicht. Jahre verſtrichen, ohne daß eine zweite Pflanze nach Europa kam. Da bekam Herr Sander eine glückliche Idee. Er ſandte einen Sammler aus, Pflanzen dieſer Laelia in Knoſpen zu ſammeln, um die Welt durch das Anbieten einer Maſſe in Blüte in Staunen zu ſetzen. Herr Bartholomäus wurde mit Siebentes Kapitel. 103 dieſer Miſſion beauftragt, welche er inſofern löſte, als er ca. 40 Pflanzen mit Blütentrieben erwarb. Sorgfältig be— feſtigte er fie an Stäben, die der Länge nach in Kiſten feſt⸗ genagelt wurden, und ſandte ſie per Schiff nach San Francisco. Von hier durcheilten fie mit Schnellzugsgeſchwindigkeit die Strecke zwiſchen San Francisco und New-York, von wo ſie ohne Verzug auf der Umbria, die damals ihre erſte Reiſe machte, nach Liverpool geſchifft wurden. Alles ging ſoweit ganz gut, und mit Vertrauen ſah Herr Sander der baldigen Erfüllung ſeines Wunſches entgegen. Allein beim Offnen der Kiſten zeigte es ſich, daß die Blütentriebe auf der langen Reiſe aus Mangel an friſcher Luft alleſamt vertrocknet waren. Noch einmal iſt derſelbe Verſuch wiederholt worden, jedoch mit gleichem Reſultate. Die Blütenknoſpen von L. anceps können die Seeluft nicht vertragen. — Die Catasetum-Arten gehören zwar nicht zu den Schönheiten der Familie; mit Ausnahme von Catasetum pileatum, gewöhnlich C. Bungerothi ge- nannt, und C. barbatum giebt es wohl keine, welche einer beſonderen Beachtung wert iſt. C. fimbriatum iſt zwar ſehr hübſch zu nennen, aber nur ſelten bringen wir ſie in unſerem Klima zur Blüte. Soweit ich mich entſinne, habe ich nur einmal eine Pflanze geſehen, welche im Begriff war, ihre Blüten zu öffnen. Keine Gattung jedoch giebt mehr Material zum wiſſenſchaftlichen Studium wie gerade die Cataſeten, und eben deshalb waren ſie die Lieblinge Darwins. Selbſt Nicht⸗Botaniker, welche aufmerkſam das Gedeihen ihrer Pflanzen beobachten, und mit Luſt und Liebe durch ihre Gewächshäuſer ſchlendern, können ſich an den ſo zu ſagen akrobatiſchen Vorſtellungen der Cataſeten ergötzen. Die Säule trägt zwei Hörner. Bei der leiſeſten Berührung der— ſelben ſpringen die Pollenmaſſen plötzlich ab, wie ein Geſchoß aus einer Wurfmaſchine. C. pileatum iſt wirklich hübſch zu nennen; die Blumen meſſen ca. 10 em im Durchmeſſer und 104 Siebentes Kapitel. find elfenbeinfarben mit einer rundlichen Vertiefung im Centrum der Lippe, welche ein Thema für lange wiſſenſchaftliche Unter— ſuchungen bildet. Die verwegene Verſchwendung der Farben in dieſer Pflanzenfamilie zeigt ſich am deutlichſten in C. callo- sum, einer Neuheit, welche von Caracas ſtammt. Die Sepalen und Petalen dieſes Catasetum find ſchmutzigbraun. Die Säule iſt leuchtend orangegelb, die Lippe kupfrig-grün, an der Spitze orangegelb. | Nur ſelten findet man in Sammlungen Schomburgfias vertreten, was wohl daran liegt, daß dieſelben äußerſt wider— ſpenſtig ſind und nur ſelten dem Gärtner durch gutes Gedeihen Freude bereiten. Es iſt ſchade, daß dieſe herrlichen Pflanzen, unter denen Schomburgkia tibicinis den erſten Rang ein⸗ nimmt, ſo ſpröde ſind; denn nur wenig Leute haben den Vorzug gehabt, fie in Blüte zu ſehen. Die dichtſitzenden, herab— hängenden Blumen haben eine dunkle, purpurrote Farbe, die Sepalen und Petalen ſind ſehr zierlich gedreht, gewellt und gefranſt, die Lippe ſtellt eine große, ebenfalls purpurne Röhre dar, welche vorn durch einen gelben Fleck geziert iſt. Der zwiſchen den nach innen gebogenen Seitenlappen ſichtbare Teil it von ſtark hervortretenden karmoiſinroten Leiſten durchzogen. Dieſe Art iſt biologiſch intereſſant. Sie ſtammt von Honduras, woſelbſt ihre großen hohlen Bulben von den Kindern als Trompeten benutzt werden. Am Grunde der— ſelben befindet ſich ein Loch — wie ein Zündloch ſo zu ſagen — deſſen Zweck von den Botanikern noch nicht feſtgeſtellt iſt. “) Vielleicht hätte Herr Belt, wenn er in dieſer Gegend gereiſt wäre, auch dies Geheimnis enthüllt, wie er es in dem ähnlichen Falle mit dem „Bulldorn“ gethan hat. Die großen Dornen dieſes Buſches wieſen ein ebenſolches Loch auf, und durch lange Beobachtungen lieferte er den Beweis, daß dieſes Loch 1) Iſt längſt bekannt. Die Bulben aller Schomburgkia werden von Ameiſen bewohnt. Siebentes Kapitel. 105 — einer gewiſſen Ameiſe als Zufluchtsort diene, deren Aufgabe es it, die jungen Triebe zu ſchützen“. (Siehe Belt's „Naturalist in Nicaragua“, S. 218.) Importeure kennen nur zu genau das Inſekt, welches Schomburgkia tibicinis bewohnt, ſelbſt noch die lange Reiſe überlebt und ſich zum Kampfe ſtellt, wenn die Kiſten geöffnet werden. Die meiſten Dendrobien ſind zu den temperierten Orchi— deen zu rechnen. Von den Warmhaus⸗-Arten, welche zahl— reich vorhanden ſind, und den Kalthaus-Arten, deren es wenige giebt, rede ich hier nicht. Wenn die frühzeitig angeſetzten Triebe am 1. Juni ſchon gut entwickelt ſind, wenn das Wetter warm bleibt und das Haus Sonne genug hat, und wenn ſie dort bis Ende Juli bei reichlicher Bewäſſerung bleiben, ſo werden ſie ohne irgend welche weitere Mühe vortrefflich gedeihen und im nächſten Winter uns durch reichliche Blüten für die geringe Mühe entſchädigen. Bei einer ſolchen Behandlung gedeihen D. Wardianum, Falconeri, crassinode, Pierardii, crystal- linum, unter Umſtänden auch Devonianum und vor allen Dingen D. nobile vortrefflich, was ich aus eigener Erfahrung behaupten kann. Dendr. Wardianum wird heutzutage faſt ausſchließlich aus Burmah eingeführt, und zwar aus der Nähe der Rubin— Minen, woſelbſt ihr Lieblingsaufenthalt zu ſein ſcheint. Als die erſte Pflanze im Jahre 1858 von Aſſam kam, hielten die Botaniker ſie für eine Varietät von D. Falconeri. Dieſer Irrtum war damals verzeihlich; denn die aſſamiſche Varietät hat weniger kräftige und dabei herabhängende Bulben wie unſere heutigen Exemplare. Vor der Annexion von Burmah war das Sammeln von Orchideen daſelbſt ein ſehr ſchwieriges Geſchäft. Die römiſch-katholiſchen Miſſionare betrieben das— ſelbe als eine Art Nebenverdienſt, und jeder dort eindringende Sammler wurde mit mißtrauiſchen Augen angeſehen. Man 106 Siebentes Kapitel. verbot ihm, die Mauern der Stadt Bhamo zu verlaſſen, wo— durch er gezwungen war, Eingeborne nach den gewünſchten Pflanzen auszuſenden, während er ſelbſt hilflos in der Stadt liegen bleiben mußte. Seine Rivalen, die Geiſtlichen, welche beſſer mit den Sitten und der Sprache des Landes vertraut waren, genoſſen größere Freiheiten. Sie organiſierten eine Art Streifkorps, welches um die Stadt herumſchwärmte und die mit Beute beladenen Eingeborenen bei deren Rückkehr überfiel. Unzweifelhaft erhielt auch irgend jemand den Wert der ſolchergeſtalt gemachten Beute; aber wer ſchließ— lich der Glückliche war, blieb ſchwer feſtzuſtellen, und der un— glückliche Reiſende war auf alle Fälle der Enttäuſchte. Es kam zu ſehr unerfreulichen Auftritten, beſonders bei 2 oder 3 Gelegenheiten, wo die Sammler die Stadtthore erreicht hatten, ohne abgefangen zu werden. Die unglücklichen Reiſenden nämlich, welche in der Welt nichts zu thun hatten, bewachten fortwährend die 4 Thore der Stadt, rannten von einem zum andern, um auszuſchauen, ob einer ihrer Leute käme; das lieſt ſich ſehr komiſch, aber für derartigen Sport iſt Burmah etwas zu warm. Zu guter Letzt reichte Herr Sander eine Petition an den öſterreichiſchen Erzbiſchof ein, unter deſſen geiſtlicher Herrſchaft dieſe Miſſionare ſtanden, und bewirkte dadurch einige Erleichterung. Von den Rubin-Minen kommt noch ein anderes Dendrobium, welches jedoch ſo ſelten iſt, daß ich es nur er— wähne, um die Aufmerkſamkeit der Reiſenden darauf zu lenken, nämlich D. rhodopterygium. In der Sammlung des Herrn Trevor Lawrence befindet oder befand ſich ein Exemplar, während in St. Albans drei ſolcher vorhanden ſind. Herr Trevor Lawrence war ebenfalls der glückliche Beſitzer einer ſcharlachroten Species von Burmah; allein die Pflanze ging ein, bevor ſie einen Namen erhielt, und kein zweites Exemplar iſt bis jetzt gefunden worden. Auch auf Sumatra befindet ſich ein Siebentes Kapitel. 107 ſolches ſcharlachrotes Dendrobium, D. Forstermanni, welches jedoch ebenfalls äußerſt ſelten iſt. Herr Baron Schroeder ſoll 3 Exemplare desſelben beſitzen, die jedoch bis jetzt noch nicht geblüht haben. Ein anderes ſehr intereſſantes Dendrobium von Burmah iſt D. Brymerianum, bei dem wir ſeiner Ent— deckung wegen einige Augenblicke ſtehen bleiben müſſen. Es wurde von den Miſſionaren ohne Namen und Beſchreibung nach Europa geſandt, und da die Pflanzen augenſcheinlich noch nicht geblüht hatten, ſo wurden ſie verhältnismäßig billig verkauft. Man kann ſich Herrn Brymer's Verwunderung vorſtellen, als ſich die erſte Blume öffnete. Die Form iſt einzig in ihrer Art; die glänzend goldgelbe Lippe iſt bis zur Hälfte zart gefranſt, ähnlich wie bei Nanodes Medusae und Brassavola Digbyana. Warum die Natur es mit einer ſolch auffallenden Lippe verſehen hat, iſt eine Frage, welche ſich, wie viele andere, jedem, auch dem gedankenloſeſten Orchideenzüchter, von ſelbſt aufdrängt. Dendrobium nobile iſt ſo gut bekannt, daß es wohl kaum einer Erwähnung bedarf. Vielleicht kommt die Zeit, wo ſchwärmeriſche Jünglinge in ihren dichteriſchen Leiſtungen nicht Butterblumen und Gänſeblümchen, ſondern Dendrobium nobile anſingen; nur mit einem guten Reim wird es ſeine Schwierigkeit haben. Nicht ſo gewöhnlich iſt Dendrobium nobile var. nobilius, welches unter einer an die Herren Rolliſſon gerichteten Sendung auftauchte. Es wurde vermehrt und vier kleine Stücke verkauft, die ſich noch heute in Kultur befinden. Aber mit dem Rückwärtsgehen dieſer ſo wohlbekannten und um die Orchideenkunde wohlverdienten Firma wurde die Mutterpflanze vernachläſſigt und befand ſich bei dem Verkauf der Sammlungen in ſolch miſerablem Zuſtande, daß kaum ein Gebot für eine Pflanze abgegeben wurde, welche ihr Gewicht in Gold hätte wert ſein ſollen. Ein Handelsgärtner erwarb ſie ſchließlich 108 Siebentes Kapitel. für 30 Schillinge. Unter ſorgſamer Pflege gelang es ihm, die Pflanze wieder ſoweit in die Höhe zu bringen, daß er eine Anzahl junger Pflanzen davon zu erzielen vermochte, worauf er die Mutterpflanze für 40 & verkaufte. Aber von D. nobile giebt es noch andere Varietäten, welche ſelbſt noch wertvoller als D. nobile nobilius ſind. D. nobile Sanderianum hat viel Ahnlichkeit mit letzterem in der Form, iſt jedoch bedeutend kleiner, aber dunkler gefärbt. Weiße Varietäten ſind ebenfalls vertreten. Baron Schroeder hat ein ſolches aufzuweiſen. Eins wurde in Stevens' Auktionslokal angeboten und als das einzig in Kultur exiſtierende Exemplar hingeſtellt, was jedoch be— ſtritten werden muß. Urſprünglich war es von Herrn Sander mit D. nob. Sanderianum importiert worden. 43 & wurden dafür geboten, aber der glückliche Beſitzer wollte es dafür nicht hingeben, da Albinos bei Dendrobien ſehr ſelten ſind. D. nobile Cooksoni gab Veranlaſſung zu einem unliebſamen Mißverſtändniſſe. Es erſchien in der Sammlung des Herrn Lange und unterſchied ſich durch ein umgekehrtes Farbenverhältnis von dem gewöhnlichen D. nobile. Es ſcheint, als ob die Zahl der verſchiedenen Varietäten kein Ende hat. Wenn allgemein bekannt wäre, wie viel Intereſſantes und welche Überraſchung die Blüte einer wirklich neuen ein— geführten Orchidee bringen kann, ſo würden die Auktionslokale ſicher nicht alle Käufer faſſen können, während jetzt jedes neue Geſicht ſofort auffällt. Es giebt Bücher genug, die geſchrieben ſind, um mehr Licht über dieſe Pflanzenfamilie zu verbreiten. Allein, wer lieſt wohl ſolche Bücher? Keiner. — Selbſt Kenner benutzen ſolche Werke höchſtens als Nachſchlagebuch. Die Sepalen und Petalen des D. n. Cooksoni find an den Enden weiß, der karminrote Fleck iſt ebenfalls vorhanden, die Innenſeite der Blume dagegen dunkelrot. Herr Lange bemerkte ſicherlich dieſe auffallende Färbung, legte aber kein Siebentes Kapitel. 109 beſonderes Gewicht darauf. Herr Cookſon war bei einem Beſuche, welchen er Herrn Lange machte, ganz von der Schön— heit der Pflanze hingeriſſen und bat ſeinen Freund, ihm ein Exemplar in Tauſch zu überlaſſen. Gern willigte dieſer ein, und Herr Cookſon hatte nun nichts Eiligeres zu thun, als eine Blume an Prof. Reichenbach zu ſenden, welcher ganz entzückt von der lieblichen Erſcheinung war und ſie zu Ehren des Senders D. n. Cooksoni nannte. Dagegen proteſtierte jedoch Herr Lange, welcher ſie nach ſeinem Beſitztum Heathfield- sayeanum benannt wiſſen wollte. Reichenbach jedoch weigerte ſich, auf derartige perſönliche Beweggründe hin eine Anderung des Namens vorzunehmen. Als Botaniker konnte und durfte er nicht anders verfahren: Was geſchrieben ſteht, das bleibt geſchrieben. Von Neu-Guinea werden ſicherlich noch wundervolle Arten zu erwarten ſein.!) Verſchiedene Neuheiten von dort ſind bereits in Kultur, während von anderen nur trockene Blumen exiſtieren. Zu erwähnen ſind D. Phalaenopsis Schroederianum, D. Goldiei, eine Varietät von D. super- biens, aber noch größer als dieſe. Das ſchneeweiße D. Alber- tisii, ferner D. Broomfieldianum, welches an Laelia anceps alba erinnert, woraus folgt, daß es als das ſchönſte von allen Dendrobien zu bezeichnen iſt. Die Schönheit dieſer Species beruht hauptſächlich in der Lippe, welche bald lavendelblau, bald rot angehaucht erſcheint. Eine andere Art iſt ſehr nahe mit D. bigibbum verwandt, jedoch größer in Form und mit ſpitzeren Sepalen; ſie iſt D. Statterianum getauft worden; die Farbe iſt leuchtend dunkelroſa, welche nach der Lippe zu noch tiefer erſcheint. Die Seitenlappen ſind zurückgebogen und bilden eine Art Röhre, während der mittlere Lappen gerade— aus ſteht und von dunkel-purpurnen Adern durchzogen it. Wie D. bigibbum, ſo hat auch dieſe Art auf der Lippe einen 1) Sind inzwiſchen eingetroffen; Dendrobium Victoriae Augustae z. B. iſt 2 m hoch mit Riſpen von / —1 m Länge. 110 Siebentes Kapitel. hervorſtehenden, behaarten Kamm, welcher jedoch nicht weiß, ſondern dunkel-purpurrot gefärbt iſt. Ich gebe die ausführ— liche Beſchreibung dieſer Art, weil ſie nur wenigen bekannt iſt. Sicherlich werden im Laufe der Zeit die holländiſchen und deutſchen Gebiete Neu-Guineas uns noch mit wunder— baren Neuheiten verjehen. ?) Erſt kürzlich hatte ich den Vorzug, das lieblichſte Dendrobium, welches ich je geſehen habe, zu bewundern: D. atro-violaceum. Die prächtigſten Blumen hängen wie Trauben herunter, ca. 10—12 an einem Triebe. Die Sepalen und Petalen ſind elfenbeinfarbig, von einem leichten grünen Hauch überzogen und über und über grün gefleckt. Die Lippe iſt zurückgebogen und bildet eine Art Trichter, deſſen Außenſeite dunkel-violett gefärbt iſt, während die ganze Lippe von ebenſolchen Adern durchzogen wird. Ich habe inzwiſchen gehört, daß das Publikum von dieſer Pflanze nichts wiſſen will. Die Blütenſtände hängen zu ſehr herab und die Farbenkontraſte ſeien zu auf— fällig. Sollte das wirklich die Anſicht vieler ſein, ſo iſt es ganz und gar nutzlos, Kunſtſchulen zu gründen und dem Publikum durch Wandervorträge über Aſthetik irgend ein Kunſt— verſtändnis beibringen zu wollen. Dann iſt uns (Engländern) ein Sinn für Kunſt verſagt.?) 1) Sehr richtig! Was das deutſche Gebiet betrifft, jo ſind jedoch die wirklichen Herren dieſes Landes die Eingeborenen, welche ſich ein Eindringen in ihr Gebiet ebenſo energiſch wie erfolgreich verbeten haben. Die paar Fetzen des Landes, welche ſich z. Z. noch nominell in den Händen der Neu-Guinea-Kompagnie befinden, haben eine ſehr ſchöne Ausbeute an neuen Pflanzen aller Art ergeben, welche bekanntlich auch wiſſenſchaftlich bearbeitet ſind. Das Vordringen anderer Sammler haben trotz der von Berlin aus erlaſſenen Weiſungen die dortigen Autoritäten nach Möglichkeit gehindert. 2) Daß Caviar nichts für das Volk iſt, ſollte Herrn Boyle be- kannt ſein, wenigſtens wußte es vor nun 300 Jahren bereits ein Eng- länder, mag ſein Name Shakeſpeare oder Baco gelautet haben. Siebentes Kapitel. 111 Auch Madagaskar wird uns noch manche Neuheiten liefern. Es hat uns bereits mit einem roten Cymbidium überraſcht. Daß ein ſolches Wunder exiſtierte, war ſchon be— kannt, und drei Sammler ſetzten ihr Leben aufs Spiel, des— ſelben habhaft zu werden. Zwei von ihnen ſahen Europa niemals wieder. Der Dritte fand zwar den Schatz, kehrte aber mit vollſtändig zerrütteter Geſundheit nach Hauſe zurück. Diejenigen Gegenden Madagaskars, welche für Botaniker und Sammler am meiſten Intereſſe haben, müſſen in der That die ungeſundeſten und gefährlichſten Diſtrikte dieſer Inſel ſein. Léon Humblot ſpeiſte einſt mit ſeinem Bruder und 6 Lands— leuten in Tamatave, von wo ſie ihre Erforſchungsreiſe zu Gunſten der Wiſſenſchaft in das Innere antraten. Nach Verlauf von 12 Monaten war er der einzige Überlebende. Einer dieſer Unglücklichen, welcher für Herrn Cutler in Blooms— bury Street, London, Schmetterlinge und Vögel ſammelte, ſchoß, wie allgemein geſagt wird, auf ein Götzenbild der Ein— geborenen. Aus Wut darüber tränkten ihn die Prieſter mit Fett und verbrannten ihn. Herr Humblot ſelbſt hatte ſchreck— liche Abenteuer zu beſtehen. Er ſtand in Verbindung mit der franzöſiſchen geographiſchen Geſellſchaft und entdeckte vor ca. 10 Jahren Phajus Humblotii und Ph. tuberculosus in den ungeſundeſten Moräſten tief im Innern des Landes. Einige wenige Pflanzen überlebten die lange Reiſe und wurden unter beträchtlicher Aufregung in Stevens' Auktionslokale zum Verkauf angeboten. Zum zweiten Male ſetzte Humblot ſein Leben für dieſes Unternehmen ein und ſammelte eine große Menge für Herrn Sander, aber um welchen Preis! Zwölf Monate lang lag er totkrank im Hospital zu Mayotte, und bei ſeiner Ankunft in Marſeille wurde er von den Arzten auf— gegeben. Ph. Humblotii iſt in der That ein Wunder von Schönheit, die Blüte von blaß-roſaroter Farbe, mit einer großen dunkelroten Lippe und einer hellgrünen Säule verſehen. 112 Siebentes Kapitel. Ein jeder, welcher jeinen „Darwin“ genügend kennt, weiß, daß Madagaskar die Heimat von Angraecum iſt. Alleſamt ſind heimiſch in Afrika,“) ſo viel ich weiß, mit Aus— nahme des A. falcatum, welches ſonderbarerweiſe von Japan ſtammt. Man muß in der That vermuten, daß dieſe Species vor langer, langer Zeit von den unternehmenden Japanern nach dorthin gebracht und akklimatiſiert wurde. Ebenſo komiſch iſt, daß die einzige Aörides und ein Dendrobium, welche außerhalb der tropiſchen Zone gefunden wurden, auch in Japan vorkommen.?) A. arcuatum ſtammt von Transvaal, und man darf mit Recht hoffen, daß noch andere in Süd— Afrika mit der Zeit entdeckt werden. Ein roſarotes Angraecum, welches noch ſehr ſelten iſt, bewohnt die Weſtküſte. Soweit bekannt, iſt dies die einzige bunte?) Species. Es trägt den Namen des Herrn Du Chaillu, welcher unglücklicherweiſe den Fundort vergeſſen hat. Alle Verſuche, den Standort in ſein 1) Nein, denn es giebt braſiliſche Angraecum-Arten, welche botaniſch nicht gut von der Gattung zu trennen ſind. Allerdings ſind es ſämtlich kleinblütige Arten, „botanical Orchids“ im ſchlimmſten Sinne des Wortes. 2) Dieſe Methode, pflanzengeographiſche Schwierigkeiten zu löſen, macht der Phantaſie Herrn Boyle's alle Ehre, aber auch nur dieſer. Weswegen die Japaner, falls ſie je Madagaskar betraten, was abſolut unerwieſen iſt, gerade eine direkt unſchöne Pflanze mit nach Hauſe nahmen, deren Kultur noch dazu gar nicht leicht iſt, und die ſchöneren, leichter zu kultivierenden Arten ſtehen ließen, iſt eine Frage, welche ſelbſt unſer phantaſievoller Autor nicht ſofort wird beantworten können. — Schließlich möchte doch auch noch die That— ſache zu berückſichtigen ſein, daß Angr. falcatum gar nicht in Madagaskar wächſt, alſo nicht von dort irgend wohin eingeführt werden konnte. 3) Angraecum Chailluanum iſt nicht bunt, es iſt tief creme- farben und hat etwa die Farbe von etwas angealtertem Elfenbein. Es giebt nur ein Angraecum von nicht weißer Farbe, nämlich Angr. citratum, bei welchem dieſer gelb-weiße Farbenton noch etwas mehr ponce iſt. Siebentes Kapitel. 113 Gedächtnis zurückzurufen, waren vergebens, er entſinnt ſich nur, daß er es einſt auf ſeiner Rückreiſe nach Europa auf einem kleinen Streifzuge vorfand. Herr Sander würde ſofort einen Sammler danach ausgeſandt haben, wenn er ihm nähere Angaben hätte machen können. Das ausgezeichnet ſchöne Angr. Sanderianum ſtammt von den Comoren; es iſt eine entzückende Pflanze mit herr— lichem Duft. Nach den Berichten der Sammler wächſt es in einem irdiſchen Paradieſe. Schon kleine junge Pflanzen erregen die Bewunderung des Beſchauers durch ihre lieblichen ſchneeweißen 20—30 em langen Blütenriſpen. Welch’ herr— liches Bild ein in St. Albans gezüchtetes großes Exemplar mit meterlangen Blütenriſpen bot, iſt ſchwer zu be— ſchreiben. A. Scottianum ſtammt von Zanzibar und wurde von Sir John Kirk entdeckt.!) Zu erwähnen iſt ferner A. caudatum von Sierra Leone, welches durch ſeine Sporne, die 15—20 em lang find, an A. sesquipedale erinnert. Zu dieſer Gruppe find noch A. Leonis und Kotschyi zu rechnen, deren Sporne die Länge von ca. 10 em er— reichen, während diejenigen von A. Scottianum und Ellisii nur eine Länge von ca. 7 em aufzuweiſen haben. Natür⸗ lich hängt die volle Ausbildung der Blüten und ſomit auch der Sporne von der Geſchicklichkeit des Gärtners ab. Die Gattung Angraecum iſt alſo wenigſtens mit einem ſtarken Teil ihres ganzen Beſtandes in Madagaskar heimiſch. Sie hat einen beſonderen Reiz vor allen anderen Gattungen durch die an jeder Art höchſt auffallenden Merkmale, be— ſonders in der Struktur der „Säule“, alſo gerade in dem Organe, welchem alle Botaniker die höchſte Beachtung 1) Nein. Der Entdecker dieſer ſchönen Pflanze iſt ein Deutſcher Namens Johann Maria Hildebrandt, ein Mann, welcher vor Leon Humblot und beſſer als Ellis unſere Kenntnis der Flora von Madagaskar gefördert hat. Orchideen. 2 114 Siebentes Kapitel. ſchenken und deſſen Wichtigkeit Ch. Darwin in ſeiner be— kannten Arbeit äußerſt ſcharfſinnig entwickelt hat. Die Frage, ob die Pflanze Angraecum oder Aeranthus sesquipedalis zu nennen iſt, oder wie ſonſt noch, iſt von rein botaniſchem Intereſſe. Entdeckt wurde ſie vor ca. 30 Jahren von dem Miſſionar Ellis, welcher die erſten Pflanzen nach Europa ſandte. Der ſtattliche Wuchs, die herrlichen gelblichweißen Blüten ziehen die Bewunderung aller auf ſich, und der Sporn bietet ein Problem zu tiefem Nachdenken. In unſerer Kultur erreicht die Länge desſelben 20—25 cm, welche jedoch in der Heimat weit überſchritten wird. Er hat die Dicke einer Gänſekiels, iſt vollkommen hohl und nur an der Spitze mit einer Flüſſigkeit angefüllt. Auf Grund eingehenden Studiums des Baues der Blüte knüpfte Darwin an dieſen Sporn eine Hypotheſe, die unter den Ungläubigen Lachen und Kopfſchütteln erregte. Bei der ungewöhnlichen Länge des Spornes machte er auf die Thatſache aufmerkſam, daß der Honig ſich auf dem Grunde ungefähr 25 em von der Offnung entfernt, befinde. Unter der Vorausſetzung, daß jeder auch noch ſo kleine Teil der Blüte gleichmäßigen Anteil an der Arbeit der Befruchtung nehmen müſſe, und daß alle Teile in Wechſelbeziehung zu einander ſtehen müßten, ſchloß er, daß es auf Madagaskar ein Inſekt (wahrſcheinlich einen Nachtfalter) geben müſſe, deſſen Rüſſel den Honig zu erreichen und alſo die Pollenmaſſen wegzuholen imſtande ſei. Wäre der Nektar der Offnung der Blüte näher, ſo würde ein Inſekt mit ſchwächerem und kürzerem Rüſſel imſtande ſein, ihn aufzu— ſaugen, ohne das Staubgefäß zu berühren. Dieſe Folge— rung zeigt die intenſive geiſtige Kraft Darwins in ihrer ganzen Größe. Auf Grund eines logiſchen Prozeſſes konſtruierte er ſich ein noch nie geſehenes Inſekt, und er ſetzte ſo großes Vertrauen auf ſeine Schlußfolgerung, daß er erklärte: „Wenn dieſes Achtes Kapitel. 115 große Inſekt in Madagaskar ausſtirbt, ſo wird ſicherlich das Angraecum sesquipedale ebenfalls zu Grunde gehen.“ Ob Darwins Behauptung durch die Auffindung eines ſolchen Inſektes in Madagaskar zur Wahrheit geworden iſt, habe ich nicht feſtſtellen können. Aber man lacht nicht ſtraflos über Darwin. Lange vor feinem Tode wurde in Süd-Braſilien ein Nacht- falter aufgefunden, deſſen Rüſſel ca. 22 — 25 em lang iſt und deshalb zur Befruchtung dieſes Angraecums lang genug wäre. Bei dem heutigen Stand der ganzen Frage herrſcht jedoch kein Zweifel, daß ein ähnliches Inſekt auf Madagaskar exiſtieren muß. Achtes Kapitel. Warmhaus⸗ Orchideen. In den vorhergehenden Kapiteln habe ich mein Beſtes gethan, den Beweis zu liefern, daß die Kultur der Orchideen abſolut kein Geheimnis iſt. Die Naturgeſetze ſind klar und einfach, leicht zu verſtehen und zu handhaben, und Ausnahmen giebt es nur in einigen wenigen Fällen. Die Kultur der Odontogloſſen und Dendrobien iſt natürlich nicht dieſelbe wie die der Roſen; aber eine einigermaßen intelligente Perſon lernt es leicht, fie zu behandeln. Mit Warmhaus-Orchideen iſt die Sache ein wenig ſchwieriger, allein die Beſitzer eines Warm— hauſes beſchäftigen in der Regel einen mit der Kultur ver— trauten Gärtner. Die Warmhaus-Orchideen kommen meiſt aus den Ebenen der heißen Zone und ſind reicher an Arten, wie die der kalten und gemäßigten Zone. Auch ſind ſie häufigen Abweichungen von den Kulturregeln unterworfen, und eben deshalb nicht jedermann zu empfehlen. Sie ver— 8 * 116 Achtes Kapitel. langen im Winter eine Mindeſttemperatur von 15,5° C in der Nacht und von 21—22 C. im Sommer, was bei unſerem Klima eine unausgeſetzte Heizung erfordert. Als die wärmſte von allen Orchideen iſt wohl Peristeria elata zu nennen, die Espiritu Santo-Blume, „Blume des heiligen Geiſtes“ genannt. Beim Anblick dieſer Blume kann man die Schwärmerei der Spanier verſtehen, als ihnen die— ſelbe zum erſten Male vor Augen kam. Glaubt man doch eine weiße Taube mit ausgebreiteten Flügeln zum Himmel emporſchwebend zu ſehen. Vielleicht an demſelben Tage drang das Gerücht von der Größe und dem Reichtum Perus zu ihnen, und dieſes himmliſche Zeichen ermutigte ſie vorzudringen. Allein das Reich der Inkas widerſtand dem Einfalle dieſer Räuber, obgleich ſie die Entdeckung der Blume des Espiritu Santo für ein günſtiges Zeichen hielten. Peristeria elata iſt eine jo wohlbekannte Pflanze, daß es zwecklos wäre, mich länger mit einer Beſchreibung aufzuhalten; allein ein kleines Ereignis aus ihrer Geſchichte bedarf hier der Erwähnung. Der berühmte Sammler Benedikt Roezl reiſte im Jahre 1868 über Panama heimwärts. Die Fahrt nach Colon koſtete damals 60 Dollar, ein ſchönes Stück Geld, welches ausgeben zu müſſen Roezl ſehr bedauerte. Er fand jedoch heraus, daß die Eiſenbahngeſellſchaft Fahrkarten von Station zu Station zu ermäßigten Preiſen ausgab, um ihren Beamten Erleichterungen zu verſchaffen. Roezl zog ebenfalls Vorteil aus dieſem Syſtem und legte ſo die Reiſe über den Iſthmus für 5 Dollar zurück. Auf einer Zwiſchenſtation mußte er einige Stunden auf den nächſten Zug warten, und er benutzte dieſe Zeit, um einen kleinen Aus— flug in die nächſte Umgebung zu machen. Peristeria traf er in Maſſe an — allein Roezl befand ſich auf ſeiner Ferien— reiſe. Zu ſeinem größten Erſtaunen jedoch fand er eine Masdevallia, eine Gattung, welche keineswegs ein Freund von allzuviel Sonne iſt, im heißeſten Sonnenſcheine, Seite an Achtes Kapitel. 117 Seite der Peristeria. Er konnte dem Drange nicht wider- ſtehen, mit geübter Hand einige dieſer Pflanzen ihrem Stand- orte zu entreißen, und brachte ſie lebend nach England. Am ſelben Tage, als ſie zum Verkauf angeboten wurden, kam die Kunde von Livingſton's Tod nach London, und dieſe Gelegen— heit benutzend taufte er ſeine Pflanze M. Livingstoniana. Nur wenige kennen den Standort dieſer ſeltenſten aller Mas— devallien, und kein Exemplar iſt ſeitdem wieder nach Europa gekommen. Die hübſche Blume iſt weiß, roſa an den Enden, mit gelben Schweifen an den 3 Sepalen. Sie gedieh in der nächſten Umgebung der Station Culebras an der Panama— Eiſenbahn. Ob ſie jetzt noch dort wächſt? Bei Culebras ſcheiterte bekanntlich die Rieſenenergie des Herrn von Leſſeps; die Gegend hatte wenigſtens vorübergehend ein ganz anderes Ausſehen erhalten, wenn ſie auch jetzt wieder in Todesſchweigen zurückgeſunken iſt. Die Vanden gehören zweifellos zu den „wärmſten“ Gattungen, und nimmt Vanda Sanderiana den erſten Platz ein. Sie wurde auf Mindanao, der ſüdlichſten der Philippinen, von Herrn Roebelin entdeckt, als er ſich auf der Suche nach dem roten Phalaenopsis befand, auf welches wir noch zurück— kommen werden. Vanda Sanderiana iſt die impoſanteſte unter den Schönheiten dieſer Gattung, in gewiſſer Hinſicht faſt zu impoſant und wuchtig, ſowohl im Wuchs, wie in den gewaltigen Blüten. Dieſe haben einen Durchmeſſer von 7 em. Die Grundfarbe iſt blaßlila, braungelb überzogen und mit einem Netze von rotbraunen Adern bedeckt. Bis— weilen ſitzen mehr als 12 Blüten an einem Blütenſtand, von denen eine Pflanze oftmals 4 bis 5 hervorbringt. Vom praktiſchen Standpunkte aus iſt jedoch mit dieſer Vanda kein gutes Geſchäft verbunden. Zunächſt kommt ſie ſehr ſelten vor, und dann iſt das Sammeln derſelben mit großen Schwierigkeiten verbunden, da ſie 118 Achtes Kapitel. hoch oben auf Bäumen wächſt, welche zu dieſem Zwecke ge— fällt werden müſſen. Ferner überſtehen nur wenige Pflanzen die lange Reiſe. Dazu kommt noch, daß der Sammler Ein— geborene zum Sammeln anſtellen muß, welche pro Pflanze, ohne Rückſicht auf die Größe derſelben, bezahlt werden. Sehr natürlich iſt es daher, das die ſchlauen Eingeborenen manche ſchöne große Pflanzen in Stücke zerſchneiden, um die Anzahl größer erſcheinen zu laſſen. Daß manche ſolcher Stücke ſich zu Tode bluten, iſt ihnen natürlich einerlei; ſie ſtreichen ihr Geld ein. Außerdem kommen die Manilla-Dampfer nur einmal monat- lich nach Mindanao. Da man nun ca. 3 Monate ſammeln muß, um ſoviel Pflanzen zuſammenzubringen, daß ein kleiner Vorteil dabei herauskommt, ſo haben am Ende dieſer Zeit alle Pflanzen, welche in den erſten Tagen geſammelt wurden, ihre Lebenskraft eingebüßt; denn Vanda hat keine Bulben und alſo keine Reſervenahrung zur Verfügung. Zwiſchen Manilla und Singapore iſt nur alle vierzehn Tage Dampfſchifffahrts-Ver⸗ bindung, und dann hängt der Sammler auch noch von der Gnade oder Ungnade des Kapitäns ab, ob dieſer eine ſolche Ladung an Bord nehmen will. Im bejahenden Falle errichtet der Sammler ſich eine Art Stellage aus Bambusrohr, auf der er ſeine Pflanzen ausbreitet, die er während der vierzehntägigen Reiſe täglich mehrere Male begießen muß und durch Schattendecken vor den direkten Sonnenſtrahlen zu ſchützen hat. Sehr oft kommt es vor, daß Kapitäne ſich zu einer ſolchen Ladung ſehr ſchwer oder gar nicht verſtehen wollen. In Singapore an— gelangt, iſt es notwendig, die Pflanzen einer nochmaligen ge— nauen Unterſuchung zu unterwerfen, um ſie für die Weiterfahrt nach Hauſe verſandfähig zu machen. Auch dann wird oft die Ladung von den Schnelldampfern verſchmäht, und der Sammler kann ſich glücklich ſchätzen, wenn eines der Thee— ſchiffe in Singapore ſich ſeiner erbarmt und ihn ſamt ſeiner koſtbaren Beute in 35 Tagen nach England bringt. Achtes Kapitel. 119 Zieht man alle dieſe Mühen und Gefahren in Be— tracht, jo darf man ſich nicht wundern, daß Vanda San- deriana eine koſtbare Pflanze iſt. Die ſtärkſte Pflanze, die je Europa erreichte, wurde von Sir Trevor Lawrence für 80 Guineen erworben. Sie hatte 8 Triebe, von denen die größten über 1 m lang waren. Trotz dieſes hohen Preiſes hat bis jetzt keine Einführung wirklichen Nutzen gebracht. Die hauptſächliche Heimat der Vanda-Arten iſt Java. Im vollen Schmucke ihrer dichten, dunkelgrünen Belaubung gewähren ſie einen prachtvollen Anblick. Ob bei einem ge— wiſſen Alter die unteren Blätter abfallen, kann ich nicht ſagen. In Herrn Sander's Sammlung befindet ſich ein Rieſenexemplar von Vanda suavis mit elf Trieben, welches im Jahre 1847 ein⸗ geführt wurde. Der längſte Trieb mißt ca. 5 m und iſt von oben bis unten im Beſitze aller Blätter. Bei ſchlechter Kultur laſſen ſie leicht die unteren Blätter fallen. Den häßlichen Anblick kann man natürlich dadurch aus der Welt ſchaffen, daß man den Trieb vom Stamme abſchneidet und den oberen Teil desſelben friſch einpflanzt. Das ſchönſte Exemplar, von dem ich je hörte, ſoll im Beſitze des Barons Alphonſe von Rothſchild in Ferrières bei Paris ſein, und zwar iſt dies eine Vanda Lowii. Sie beanſprucht einen großen Raum, und alhährlich ſind ihre 12 Stämme mit einer Unzahl von 3—4 m langen Blüten- riſpen geſchmückt, welche mit Tauſenden von gelben und braunen Blüten bedeckt ſind. Vanda-Arten bewohnen den ganzen malayiſchen Archipel, und auch auf dem Feſtland von Indien find ſie nicht ſelten. Die herrliche Vanda teres kommt von Sylhet und aus Burmah, und mag als Abzeichen des Hauſes „Rothſchild“ gelten. In Frankfurt, Wien, Ferrieres und Gunnersbury, alſo in allen Sitzen dieſer Familie, werden große Mengen dieſer Pflanzen kultiviert und bringen Jahr für Jahr ihren herrlichen Blütenflor hervor. Im Verein mit Palmen und Farnen bieten ſie ein Bild, an welchem ſich 120 Achtes Kapitel. das Auge kaum ſatt ſehen kann. Eine kleine Geſchichte knüpft ſich an dieſe Vanda, gelegentlich eines Beſuches der Königin von England in Waddesdon. Vanda teres hatte zum erſten Male in Europa und zwar in Syon-Houſe bei Kew geblüht, und die erſten Blüten wurden der damaligen jungen Prinzeſſin in Form eines kleinen Bouquets überreicht. Viele Jahre ſpäter geſchah es, daß Baron Ferdinand von Rothſchild dieſelbe Blume zu dem Bouquet wählte, welches er der jetzigen Königin bei ihrem Beſuche überreichte; außer— dem war der ganze Speiſeſaal damit geſchmückt. Dies zeigt uns, daß eine Pflanze, welche vor mehr als 60 Jahren eine Gabe, wert einer Königin, war, jetzt ſo allgemein ge— worden iſt, daß ſie in Maſſen zur Zimmerdekoration Ver— wendung findet. Tauſende von Unterthanen der jetzigen Königin genießen dieſelbe Freude, welche ihr vor ihrer Regierung nur von einem Herzog als etwas Außerordentliches geboten werden konnte. Es ließen ſich viele Betrachtungen hieran knüpfen; doch kehren wir zu unſerem Thema zurück. Vanda teres iſt nicht ſo gewöhnlich, daß eine Be— ſchreibung überflüſſig wäre. Sie gehört zu der Klaſſe der wenigen kletternden Orchideen und erſteigt die ſonnigſten Sproſſen unſerer ſonnigen Gewächshäuſer. Wenn man die Kultur ſtreng ihren Gewohnheiten anpaßt, ſo kann man ſie leicht zum Blühen bringen; andernfalls werden ſelbſt ge— ſchickte Gärtner eine undankbare Arbeit mit ihr haben. Sir Hugh Low erzählte mir, er habe alle Bäume rund um das Gouvernements-Gebäude in Penang mit Vanda teres und ihrer nächſten Verwandten, Vanda Hookeri, bekleidet, welche ſich ſo wohl fühlten, daß er täglich einen Korb voll dieſer herrlichen Blumen ſammeln laſſen konnte. Eine ſehr ſeltene Varietät iſt Vanda limbata von der Inſel Timor; ihre Sepalen und Petalen ſind von dunkelgelber Farbe mit purpurnen Spitzen und weißen Streifen und wie eine Schaufel geformt. Achtes Kapitel. 121 Es möge mir erlaubt ſein, hier eine perſönliche Erinnerung einzuſchalten in der Hoffnung, daß einer meiner Leſer vielleicht imſtande ſein wird, uns das Gewünſchte zu ſchaffen. Vor langen Jahren, welche mir jetzt wie eine andere Exiſtenz vor meiner jetzigen erſcheinen, auf einer Reiſe in Borneo, beſuchte ich die Antimon-Minen von Bidi. Der Direktor, Herr Bentley, zeigte mir vor ſeinem Hauſe einen großen Tapong-Baum, auf welchem eine, nach ſeiner Ausſage, blaue Orchidee wachſen ſollte. In Bezug auf die Namen der Orchideen waren wir damals in der Wildnis ſowohl wie in England ſelbſt noch ſehr unwiſſend. Nach meiner Rückkehr nach England veröffentlichte ich eine Beſchreibung dieſer blauen Orchidee nach dem Bericht des Herrn Bentley, wonach „die Blüten in einer blauen Riſpe von den Aſten herunter hingen und ein ſolch' herrliches Bild darboten, wie es die Kunſt nicht wiedergeben könne.“ Dieſe Pflanze galt als einzig in ihrer Art, und ſelbſt Einwohner dieſer Gegend, Malayen und Dayaks, kannten ſie nicht. Was das für eine Orchidee war, iſt eine unbeantwortete Frage ge— blieben; daß ſie jedoch wirklich exiſtierte, iſt eine Thatſache. Herr Bentley ſandte die Pflanze an den Direktor der Minen— Geſellſchaft nach England, woſelbſt ſie in guter Beſchaffenheit anlangte. Ich ſelbſt ſah den Brief, in welchem Herr Templar den Empfang beſtätigte und einen Check von 100 £ dafür einſchloß. Was weiter aus der Pflanze wurde, iſt mir nie— mals zu Ohren gekommen. Unwillkürlich vermutet man, daß eine Orchidee mit blauen Blütenriſpen eine Vanda ſein muß. Die Beſchreibung mag für Vanda coerulea paſſend ſein; allein dieſe kommt von den Khaſya-Bergen. Käme Vanda coerulescens von jener Gegend, jo hätten wir die Antwort auf die Frage gefunden; allein ſie ſtammt aus Burmah und iſt wie Vanda coerulea nicht auf Bäumen zu finden. Vielleicht kann einer meiner Leſer über den Verbleib der Pflanze des Herrn Templar Auskunft geben. 122 Achtes Kapitel. Die Renanthera-Arten verlangen im allgemeinen große Hitze. Es möge mir geſtattet ſein, hier zu nutz und frommen mancher Käufer einen kleinen Geſchäftskniff gewiſſer Firmen feſtzunageln, bei welchem es ſich zumeiſt um R. coceinea handelt. Nach den botaniſchen Berichten ſtammt die Pflanze bekanntlich aus Cochinchina. Orchideen, die ſoweit her kommen, müſſen natürlich bei ihrer Ankunft ſehr eingeſchrumpft ſein. Umſomehr ſind ſelbſt erfahrene Gärtner, wenn ſie auf den Auktionen Pflanzen von friſchem Ausſehen mit ſaftigen Blättern erblicken, überzeugt, daß dieſelben in beſter Be— ſchaffenheit und voller Lebenskraft ſind. Dem Anſcheine nach müſſen die Pflanzen bereits ein Jahr lang in Kultur geweſen ſein, und man kauft im vollen Vertrauen auf ein ferneres gutes Gedeihen. Nur zu oft jedoch tritt eine merkwürdige Veränderung mit den Pflanzen ein. Die Blätter ſchrumpfen ein, ſie bekommen ein krankes Aus— ſehen und nach Verlauf einiger Wochen ſehen ſie ebenſo troſtlos aus wie friſch importierte Pflanzen. Der Grund iſt ſonderbar. Durch irgend einen Zufall fanden einige Pflanzen dieſer Renanthera coccinea ihren Weg nach Rio, wo ſie wie Unkraut wachſen und größer und ſtärker werden wie in ihrer aſiatiſchen Heimat. Händler mit etwas weitem Gewiſſen benutzen dieſen Umſtand und bringen friſch ein— getopfte, in voller Lebenskraft ſtehende Pflanzen auf den engliſchen Markt. Bei der geringen Entfernung kommen die Pflanzen in friſchem, ſaftigen Zuſtande an und werden zum Verkauf geſtellt, bevor das Einſchrumpfen der Stämme und Blätter eintritt. Möge dieſe Aufklärung zur Vorſicht beim Ein⸗ kaufe mahnen! Es iſt die alte Geſchichte: kauft gut etablierte Orchideen nur von den großen Importhäuſern, ſo lange ihr nicht vorzieht, eure Pflanzen ſelber heranzuziehen. Renanthera coccinea iſt eine zweite kletternde Species und verlangt noch mehr wie V. teres einen Platz unter dem Achtes Kapitel. 123 Dache des Gewächshauſes, wo die Sonne ihre ſtärkſte Macht entwickelt. Selbſt bei der beſten Pflege dauert es oft lange, bevor ſie ihre edelgeformten, dunkelroten und orangegelben Blüten ent— faltet. Andererſeits wächſt ſie ſtark und raſch und iſt an und für ſich von dekorativem Werte. Der Herzog von Devon— ſhire kultiviert Exemplare in Chatsworth, welche alljährlich regelmäßig im reichſten Blütenflore prangen. Dieſe Pflanzen ſtehen in einer Höhe von ca. 6m, klettern an Birkenſtämmen empor und nehmen ihren jetzigen Standort ſeit ca. 50 Jahren ein. Zu dieſer Gruppe gehört noch eine andere Art, welche jedoch unter dem Namen Vanda Lowii bekannter iſt, als unter dem Namen Renanthera, und welche man zu den botaniſchen Kurioſitäten rechnen muß. Wie (gelegentlich) Cataſetum und Cyenoches erzeugt ſie zwei verſchiedene Arten von Blüten an ein und demſelben Blütenſchaft. Bei den beiden erſtgenannten Gattungen handelt es ſich um die auch äußerlich verſchiedenen männlichen und weiblichen Blüten, bei R. Lowii dagegen hat die Wiſſenſchaft noch nicht den Grund für dieſe Erſchei— nung entdeckt. Die gewöhnliche Färbung der Blüten iſt grünlichgelb, mit braunen Flecken; ſie meſſen ca. 8 em im Durchmeſſer und bekleiden einen Blütentrieb von ca. 3,5 m Länge. Die beiden erſten Blüten an der Baſis aber bilden einen ſtrengen Kontraſt zu den übrigen. Sie ſind bedeutend kleiner, verſchieden in ihrer Geſtalt, ſchwarzgelb von Farbe und rötlich gefleckt. Es würde ein großes Verdienſt ſein, Licht in dieſe zur Zeit noch dunkle Frage zu bringen. Infolge der großen Liebhaberei verbreiten ſich die Orchideen heutzutage mit Schnelligkeit über die ganze Erde, und man dürfte ſich nicht wundern, wenn man hörte, daß gelegentlich irgend eine Art, in ein anderes paſſendes Klima verpflanzt, ſich höchſt üppig entwickelt, wie dies bei R. coceinea beobachtet worden iſt. Bis jetzt kann ich noch keine andere Art nennen; allein Herr Sander verſichert 124 Achtes Kapitel. mich, daß in Gegenden, die ſelbſt Orchideen erzeugen, eine große Nachfrage nach dieſen Pflanzen herrſcht. Einen Beweis dafür liefert ein bereits oben erwähnter Brief. Selbſt Hindus, Chineſen, Japaneſen und Siameſen von hohem Range zählt Herr Sander zu ſeinen Kunden. Nicht ſelten laufen Be— ſtellungen von Kaufleuten aus Calkutta, Singapore, Hongkong, Rio de Janeiro und auch aus kleineren Städten ein. Es klingt in der That komiſch, daß manche dieſer Herren Pflanzen unter großen Koſten kommen laſſen, welche ein einigermaßen intelligenter Eingeborener in beliebiger Menge und mit ge— ringen Koſten für fie ſammeln könnte. Die hauptſächlichen Be— ſtellungen beziehen ſich jedoch in der Regel auf Pflanzen, welche in den betreffenden Ländern nicht wachſen. Natürlich kultivieren ſie ihre Pflanzen im Freien, und man darf hoffen, daß die— ſelben gelegentlich Samen tragen werden.!) Selbſt das im vorigen Kapitel erwähnte Angr. sesquipedale würde in Süd⸗Braſilien ein Infekt finden, welches ſeine Befruchtung bewirken könnte. (?) Die Arten, welche ein ihren Anforde— rungen entſprechendes Klima finden, werden ſich von ſelbſt fort— pflanzen. Man darf faſt mit Beſtimmtheit glauben, daß die Zeit nahe iſt, wo man Cattleyen in den Wäldern Indiens, Dendrobien am Amazonenſtrom und Phalaenopsis in den Küſtenländern von Central-Amerika antreffen wird. Und es giebt viele, die ungeduldig dieſer Zeit entgegenſehen. Herr Burbidge machte in einer Orchideen-Konferenz den Vorſchlag, daß Plantagenbeſitzer in einem für Orchideen geeigneten Klima ſelbige in Maſſe für den Export heranziehen ſollten. Die Idee iſt ausgezeichnet, und wenn infolge der großen Konkurrenz Thee, Kaffee, Zucker und andere Produkte 1) Mit dieſer Hoffnung ſteht es ſchwach. Die Vanilla-Kultur iſt überall, wo ſie regelmäßige Erträge liefern ſoll, auf künſtliche Befruch— tung angewieſen. Achtes Kapitel. 123 Oſt⸗ und Weſtindiens keinen großen Nutzen mehr abwerfen, ſo werden vielleicht manche Pflanzer dieſe Kultur in die Hand nehmen.!) Vielleicht wird ſie bereits gehandhabt, ohne daß bis jetzt Reſultate bekannt geworden ſind. Einen Fall, der allerdings wenig Mut einflößt, kann ich hier anführen. Ein Sammler des Herrn Sander, Herr Kerbach, verheiratete ſich in Columbien und beſchloß, dem Rate des Herrn Burbidge Folge zu leiſten. Er legte eine Orchideenpflanzung an und verſuchte durch Kreuzung neue Arten zu ſchaffen. Allein es iſt mir nicht bekannt, ob er Kenntniſſe in der Kultur der Orchideen beſaß. Daß er den Anfang mit dem ſo ſchwierigen Züchten von Hybriden machte, war ein ſehr kühnes Unternehmen, und bereits nach Verlauf von 18 Monaten?) ſah er ein, daß ſeine neue Beſchäftigung nicht den erwünſchten Erfolg hatte, weshalb er bat, wiederum in die Dienſte ſeines früheren Herrn eingeſtellt zu werden. Es iſt klar, daß der zukünftige Orchideen-Züchter vorſichtig zu Werke gehen und hübſch beſcheiden zunächſt mit den Pflanzen beginnen muß, welche in ſeiner Nachbarſchaft wachſen, um einem befriedigenden Reſultate ſeiner Arbeit entgegenſehen zu können; denn nicht nur in unſeren Gewächshäuſern zeigen die Orchideen unerklärliches Behagen und Mißbehagen. Manche haben in dem reichen civiliſierten Coſta Rica Verſuche mit Cattl. Dowiana, teils zum Vergnügen, teils für geſchäftliche Zwecke, angeſtellt, jedoch alle ohne Reſultat. In dieſen tro— 1) Sit längſt geſchehen. Ich erinnere an Herrn v. Türkheim, welcher auf ſeiner Kaffeeplantage in Alta Vera Paz Lycaste Skinneri alba für den Export züchtet. Ob Engländer es bisher gethan haben, weiß ich nicht. Ferner an Herrn Rich. Pfau, San Joje, Coſta Rica. 2) Was wollen 18 Monate bei ſolcher Arbeit ſagen. Zwiſchen Ausſaat und Blüte vergingen bei Stanhopea Spindleriana Kreuzung von St. oculata und tigrina) 4 Jahre, bei Cattleyen können 10 Jahre darüber hingehen. (Siehe das Schlußkapitel.) 126 Achtes Kapitel. piſchen Gegenden finden in ſehr beſchränktem Umkreiſe geringe klimatiſche Veränderungen ſtatt, welche auf Pflanzen, deren Exiſtenz größtenteils von der Luft abhängt, ſofort ihren ſtörenden Einfluß ausüben. Man ſagt z. B., daß die Tricho— pilia⸗Arten ihre Heimſtätte in Bogota haben. Und doch iſt es eine Thatſache, daß ſie in unmittelbarer Nähe dieſer Stadt nicht gedeihen wollen, während in der Entfernung von einigen Meilen die Wälder damit angefüllt ſind. Dies beweiſt, daß der Orchideenpflanzer ſehr vorſichtig zu Werke gehen muß. Pflanzen, welche in derſelben Gegend wachſen, muß er ver— mehren und nicht übereilig ſeine Sammlung auf den Markt bringen wollen. In der Regel halten ſich friſch aus den Wäldern geholte und in ihrer Heimat etablierte Pflanzen nicht ſo gut wie friſchgeſammelte unetablierte. Der Grund iſt vermutlich der, daß die Pflanzen den Reſt ihrer Kraft verausgabt haben, um ſich in die neuen Bedingungen hineinzufinden und nun die ganz veränderten Bedingungen auf dem Transport nicht ertragen können. Nicht etablierte Pflanzen befinden ſich da— gegen in einer Art Schlafzuſtand. Von einem Herrn höre ich jedoch, der wirklich mit Erfolg ſeine Orchideen kultiviert. Es iſt Herr Rand, welcher in Braſilien am Rio Negro eine neu angelegte Pflanzung von Hevea Brasiliensis, einem dort einheimiſchen Kautſchukbaume von hohem Werte, beſitzt. Vor einigen Jahren wandte ſich derſelbe an Herrn Godſeff in St. Albans mit der Bitte, ihm einige Vanda Sanderiana und andere öſtliche Arten zu ſenden. In Tauſch ſchickte er ein neues Epidendrum, welches ihm zu Ehren Ep. Randii genannt wurde, herüber. Es iſt eine der ſchönſten dieſer Gattung, mit braunen Sepalen und Petalen, einer karmeſinroten Lippe und zwei großen weißen Seitenflügeln. Er kultiviert am Rio Negro dieſes Epidendrum wie noch manche andere einheimiſche Art auf Bambusgeſtellen in großem Maßſtabe, desgleichen gedeiht eine Achtes Kapitel. 12772 weiße Cattleya superba, welche Herr Rand perſönlich ent— deckte, vorzüglich unter ſeiner Pflege. Nach ſeinen letzten Berichten ſcheinen ſich die orientaliſchen Arten jenſeits des atlantiſchen Oceans ganz wohl zu fühlen und ſich vollſtändig dem dortigen Klima anzupaſſen. Alle Vanda-Arten ſollten in der Heimat der Cattl. superba gut gedeihen, überhaupt jede Pflanze, welche eine feuchte Atmoſphäre zu ihrem Gedeihen nötig hat. Obgleich faſt alle Cattleyen mit einer mittleren Temperatur vorlieb nehmen, ſo verlangen doch einige wenige das Warmhaus. Von zweien, Cattl. Dowiana und Cattl. aurea, habe ich bereits in einem früheren Kapitel Rühmens genug gemacht. In Sa. Catharina in Braſilien wächſt Cattl. guttata Leopoldi im Verein mit Laelia elegans und L. purpurata. Vor 20 Jahren waren dieſe vier ſo häufig, daß ihre völlige Aus— rottung ganz unmöglich ſchien. Doch kein Sammler beſucht heutzutage noch jene Gegend. Berge und Thäler, welche in den bunteſten Farben prangten, liegen öde und jeden Schmuckes beraubt da, trotzdem die Natur ihre Schätze wohl verborgen hielt. Laelia elegans und Cattl. guttata Leopoldi wachſen auf ſchroffen, ſteilen Felſen, die für den menſchlichen Fuß kaum betretbar ſind. Die Blüten der erſteren ſind weiß und rot, die der letzteren ſchokoladenbraun mit dunkelroten Flecken und einer tief-purpurnen Lippe. Jene Gegend muß im vollen Schmucke ihrer Blumen einen herrlichen Anblick gewährt haben, wie wohl kaum jemals wieder zu erwarten ſteht. An Stricken ließen ſich die Eingebornen herab, um der koſtbaren Beute habhaft zu werden, und rotteten alljährlich alles aus, was in ihren Bereich kam. Nur wenige Exemplare, die auf ganz unzugänglichen Felſen wuchſen, blieben verſchont, und ein jeder Beſitzer einer L. elegans ſollte ſich ſeines Eigentums wegen glücklich ſchätzen. Als die beſte Varietät iſt L. elegans Statteriana zu nennen. Der karminrote Fleck am Ende 128 Achtes Kapitel. der ſchneeweißen Lippe hebt ſich ſcharf und deutlich ab, wie von Künſtlerhand geſchaffen. Cattl. guttata Leopoldi ſtammt aus einer anderen Gegend. Sie verbreitet einen lieblichen Geruch. In St. Albans ſah ich neulich eine Pflanze mit 3 Blütentrieben in voller Blüte; jeder Trieb wies ca. 20 einzelne Blüten auf, und ihr Duft übertraf den aller anderen Pflanzen in demſelben Hauſe. Die Vernichtung hat ferner Laelia purpurata in Sa. Catharina ereilt, von wo die beſten in Kultur befindlichen Varietäten ſtammen. Der vollen tropiſchen Sonne ausgeſetzt, auf ſteilen Felswänden, die über die unzugänglichſten Moräſte hervorragten, jo wurde dieſe Laelia angetroffen. Manche Gärtner geben dieſer Laelia zu viel Schatten, wodurch ein gutes Reſultat unmöglich wird. Eine geringere Varietät gedeiht auch auf dem Feſtlande, woſelbſt ſie auf Bäumen wachſend gefunden wird, während die auf Sa. Catharina nur an Felſen angetroffen wurde. Cattl. Acklandiae nimmt ebenfalls einen hohen Rang unter den Warmhaus-Orchideen ein. Sie gehört zu den Zwerg— pflanzen dieſer Klaſſe und erregt allgemeines Erſtaunen durch die auffallende Größe ihrer Blüten, deren ſie zwei an jedem Blütentriebe trägt. Sie meſſen 5 em im Durchmeſſer; die Sepalen und Petalen ſind auf ſchokoladenbraunem Grunde gelb geſtreift; die Lippe iſt groß, roſa bis dunkel-purpurn gefärbt. Sie ſtammt von Bahia, woſelbſt ſie Seite an Seite mit Cattl. amethystoglossa wächſt, einer reizenden Arten, mit langen, dünnen Bulben, an deren Spitze ſich 2 Blätter entwickeln. Wenn beide zuſammen blühen, muß die Wirkung eines ſolchen Blumenbeetes in der That einzig ſein, oben die in Büſcheln ſtehenden Blüten der Cattl. amethystoglossa, von rötlichblauer Färbung mit purpurnen Flecken und einer amethyſtfarbenen Lippe, darunter die ſchokoladenfarbenen Blüten der Cattl. Acklandiae mit ihren roſafarbenen Lippen. Achtes Kapitel. 129 Cattleya superba kommt, wie ſchon bemerkt wurde, ebenfalls am Rio Negro in Braſilien vor; ſie hat einen großen Verbreitungsbezirk, ſelbſt am oberen Rio Meta in Kolumbien iſt ſie anzutreffen. Gärtner halten wegen ihrer ſchwierigen Kultur nicht viel von ihr, da ſie nur ſelten und ſehr ſchwer zum Blühen zu bringen iſt. Wahrſcheinlich iſt der Mangel an genügend ſtarkem Sonnenſchein der Grund. Baron Hruby, ein böhmiſcher Edelmann und Beſitzer einer der bekannteſten und beiten Sammlungen Oſterreichs, dazu ein Orchideen-Liebhaber und Enthuſiaſt, wie es wenige giebt, ſcheint jedoch keine großen Schwierigkeiten mit ihr zu haben. Seine Sammlung ſteht mit Recht in gutem Rufe wegen der ausgezeichneten Kultur ſeiner Pflanzen. Selbſt die Warm— haus-Orchideen wachſen dort wie Unkraut. Wir Engländer müſſen uns tröſten, daß Kalthaus-Orchideen unter unſerm trüben Himmel gedeihen, und es wäre unklug, mit Leuten wetteifern zu wollen, denen ein helles trocknes Klima gewiſſe Kulturen erleichtert. Der Kurator des botaniſchen Gartens in Kew verſichert uns jedoch in ſeiner kleinen, aber ausgezeichneten Broſchüre „die Orchideen“, daß der veritorbene Herr Spyers Cattleya superba mit Erfolg kultivierte, und ſetzt auch ſeine Methode auseinander. Ich ſelbſt habe niemals die Blume geſehen. Herr Watſon beſchreibt ſie folgendermaßen: „Die Blüten meſſen 12 em im Durchmeſſer, fie find von leuchtend roſaroter Farbe, weißlich angehaucht und äußerſt wohlriechend. Die Lippe iſt nierenfömig, dunkel-purpurn mit einem weißen und gelben Flecken am mittleren Abſchnitt. Die ſpitzen Seitenlappen umſchließen die Säule wie eine Röhre.“ In derſelben Gegend wie Cattleya superba wächſt unter ganz ungewöhnlichen Umſtänden Galeandra Devoniana. Ihr Lieblingsaufenthalt iſt die höchſte Spitze einer gewiſſen Palme in Sümpfen, die ſelbſt die Eingeborenen wegen der dort herrſchenden Fieber und Mosquitos fürchten. Sie wurde Orchideen. 9 130 Achtes Kapitel. von Sir Robert Schomburgk entdeckt, welcher ihre Blüten mit unſrem Fingerhut (Digitalis) verglich. Die röhrenförmigen Blüten ſind purpurn, die Lippe iſt ſchneeweiß mit lila Streifen im Schlunde. Die Phalaenopsis gehören ebenfalls zu den Warmhaus— Orchideen und nehmen als eine der älteren Gattungen noch immer einen hervorragenden Rang unter den Orchideen ein. Wir beſitzen eine Beſchreibung und Zeichnung aus dem Jahre 1750, während erſt im Jahre 1838 eine lebende Pflanze in den Beſitz der Herren Rolliſſon kam, welche ſie an den Herzog von Devonſhire für 100 £ verkauften. Es giebt viele Leute, welche die großen Phalaenopſis-Arten als die lieblichſten und ſchönſten Orchideen betrachten, und ohne Zweifel muß ihnen ein hoher Wert zugeſtanden werden. Die meiſten ſtammen von den Philippinen, von Java, Borneo, Cochinchina und Burmah; ſelbſt in Aſſam ſind einige Arten vertreten. Oberſt Berkeley fand während ſeines Auf— enthaltes als Gouverneur auf den Andamanen Inſeln das ſchneeweiße Phal. tetraspis und das purpurne Ph. speciosa, beide auf niedrigen Büſchen wachſend. So viel mir bekannt iſt, gedeihen faſt alle Arten in der nächſten Nähe des Meeres, wo die Atmoſphäre mit Salz getränkt iſt. Dies iſt bei der Kultur in Erwägung zu ziehen. Herr Partington, einer der berühmteſten Phalaenopſis-Kultivateure ſeiner Zeit, pflegte Salz auf die Wege ſeines Phalaenopſis-Hauſes zu ſtreuen, um durch die Ausdunſtung deſſelben die Luft damit zu ſättigen. Heutzutage werden die Phalaenopsis der Lady Howard de Walden zu Maidſtone, deren Gärtner denſelben Prinzipien huldigt, als die beſten angeſehen. Dieſe Pflanzen ſtehen unter Einflüſſen, welche uns noch ganz unbekannt ſind. Nur die Erfahrung allein kann uns mit der Zeit Aufſchluß geben, ob ein gewiſſes Haus oder eine gewiſſe Umgebung zu ihrem Ge— deihen nötig iſt. Es iſt eitel Geldverſchwendung, von Achtes Kapitel. 131 Zeit zu Zeit Anderungen in der Kultur vorzunehmen. Wenn ſie einmal den ihnen gegebenen Platz nicht lieben, ſo iſt nichts mit ihnen zu machen. Wahrſcheinlich iſt Maidſtone in Kent, das Beſitztum der Lady Howard de Walden, be— ſonders für ihre Bedürfniſſe geeignet; jedenfalls aber verſteht auch ihr Gärtner aus den günſtigen Bedingungen den beſten Vorteil zu ziehen. Einige ſeiner Pflanzen haben zehn Blätter! Dem Laien mag es ſeltſam klingen, wenn eine ſolche That— ſache einer Erwähnung wert erachtet wird, allein eine ein— gehende Erklärung würde ſich zu tief in techniſche Einzelheiten verlieren. Bemerkt mag hier noch werden, daß auch die berühmte Schwanenhals-Orchidee, Cyenoches chlorochilon, in Maid— ſtone beſſer gedeiht, als irgendwo ſonſt in England. Die erſten, welche Phalaenopsis in England einführten, waren die Herren Rolliſſon in Tooting, deren Geſchäft ſchon ſeit Jahren nicht mehr beſteht, das aber in den Annalen der Gärtnerei als eines der erſten großen Geſchäfte dieſer Art fortleben wird. Im Jahre 1836 führten ſie ein lebendes Exemplar von Phalaenopsis amabilis ein, welche Art bereits 80 Jahre früher beſchrieben und abgebildet war. Einige Monate danach war der Herzog von Devonſhire ſo glücklich, Ph. Schilleriana lebend nach Europa zu ſchaffen. Der ver— ſtorbene Herr B. S. Williams erzählte mir einen eigentümlichen Vorfall, welcher ſich mit dieſer Art zutrug. Es hieß, ſie komme von den Philippinen und verlange daher eine ſehr warme, feuchte Temperatur. Zufällig jedoch geriet ein kleines Stück in eins ſeiner Kalthäuſer in Holloway, welches dort monatelang unbeachtet blieb. Als endlich der Vorfall bemerkt wurde, ſtellte es ſich zur allgemeinen Verwunderung heraus, daß das Tropenkind in dem kälteren Hauſe ſich kräftiger ent— wickelt hatte als da, wo ihm, wie man annahm, die richtige Wärme zu teil geworden war. Als Kurioſität wurde die Pflanze dort ungeſtört gelaſſen, und ich fand ſie nach vier Jahren 9 * 132 Achtes Kapitel. noch in vollem Beſitze ihrer Kraft. Niemand ſoll Sich jedoch hierdurch veranlaßt fühlen, ſeine Phalaenopsis mit Odontogloſſen zuſammen kultivieren zu wollen; Herr Williams ſelber verſuchte niemals dasſelbe Kunſtſtück mit einer zweiten Pflanze. Dieſes Vorkommnis iſt eine jener Überraſchungen, welche ein Orchideenzüchter von Zeit zu Zeit erlebt. Es giebt viele ſeltene Arten dieſer Gattung, welche man in Katalogen kaum verzeichnet findet. Für Liebhaber, denen eine Neuheit oder Seltenheit ſtets willkommen iſt, will ich hier einige Namen anführen. Ph. Manni, benannt zu Ehren des Herrn Mann, des früheren Direktors des indiſchen Forſtdepartements, iſt gelb und rot; Ph. cornucervi gelb und braun; Ph. Portei, eine natürliche Hybride zwiſchen Ph. rosea und Ph. Aphrodite, blüht weiß mit einer amethyſt— farbenen Lippe. Sie kommt äußerſt ſelten in Wäldern in der Nähe von Manila vor. Das ſchönſte von allen iſt Ph. Sande- riana, an welches ſich wiederum eine kleine Erzählung knüpft. Sobald es den Eingebornen der Philippinen verſtändlich wurde, daß die Erzeugniſſe ihrer Natur in Europa ſehr geſucht waren, erzählten ſie von einer ſcharlachroten Varietät eines Phalaenopsis, welche das Herz der Sammler vor Freude hüpfen ließ. Allein das koſtbare Ding wurde niemals ge— funden, und trotz eifrigen Nachforſchens konnte auch kein glaub— würdiger Zeuge aufgefunden werden, welcher die Pflanze mit eigenen Augen geſehen hatte. Jahr für Jahr ging dahin, und das ſcharlachrote Phalaenopsis wurde Gegenſtand des Spottes. Die Eingebornen ließen jedoch nicht von ihrer Ausſage ab, und Herr Sander war ſo ſehr von dem Vorhandenſein der Pflanze überzeugt, daß er beim Eröffnen einer neuen Dampfer— linie Herrn Roebelin ausſandte, um der Sache auf den Grund zu kommen. Sein Eifer und ſeine Klugheit halfen ihm wie gewöhnlich zum Ziel, und nach Verlauf von ca. 25 Jahren wurde das Gerücht zum Teil wenigſtens zur Wahrheit. Achtes Kapitel. 133 Ph. Sanderiana iſt freilich nicht ſcharlachrot, aber wenigſtens dunkelroſa und jedenfalls eine herrliche Pflanze. Demſelben Sammler verdanken wir die Einführung eines der ſtolzeſten Aerides, A. Lawrenciae, mit wachs⸗ artigen Blüten von weißer Farbe, die mit purpurnen Flecken und einer tiefpurpurnen Lippe geziert ſind. Neben der herr— lichen Farbenſchönheit hat es auch den Vorzug, die größte Art dieſer Gattung zu ſein. Roebelin ſandte zwei Pflanzen aus dem fernſten Oſten nach Hauſe, von denen er weder eine Blüte geſehen noch eine Beſchreibung erhalten hatte. Drei Jahre lang wurden ſie in St. Albans kultiviert, bevor eine derſelben zur Blüte kam. Zu einer Auktion nach London gebracht, ging ſie für den Preis von 235 Guineen in den Beſitz von Sir Trevor Lawrence über. | Manche Coelogynen, die als „kalt“ bezeichnet werden, gedeihen während des Wachstums entſchieden beſſer in der Temperatur eines Warmhauſes. Coelogyne cristata ſtammt von Nepal, wo ſie ſich im heißeſten Sonnenſchein am wohlſten fühlt. Doch ich will nur einige wenige anführen, die eine warme Temperatur nötig haben. Zu den auffallendſten und zugleich ſchönſten der Gattung gehört Coel. pandurata aus Borneo. Die Riſpe iſt mehr treffend als ſchön beſchrieben worden als eine Reihe 3 / cm breiter, grüner Fröſche mit ſchwarzen Zungen. Die ganze Blüte iſt glänzend grün, die Lippe iſt von mehreren Furchen, welche mit ſchwarzen, ſammetartigen Haaren beſetzt ſind, durchzogen, ſo daß es ausſieht, als ob ſie wie eine Zunge aus dem Munde heraushängen. Es iſt ſonderbar, daß eine ſo wunderbar ſchöne Pflanze ſo ſelten kultiviert vorkommt; jedoch glaube ich, daß ſie ſich bei uns nur wenig heimiſch fühlt. Coel. Dayana, auch auf Borneo einheimiſch, eine unſerer neueſten Einführungen, iſt nach Herrn Day in Tottenham bei London benannt. Es möge mir geſtattet ſein, hier eine Bemerkung zur Ermutigung für arme aber begeiſterte 134 Achtes Kapitel. Mitglieder unſerer Orchideen-Brüderſchaft einzufchalten. Als Herr Day kürzlich ſeine Sammlung verkaufte, zahlte ein amerikaniſches Syndikat 12000 & baar, und die zurück— gebliebenen Pflanzen brachten auf der Auktion weitere 12000 &; jo wenigſtens lautet der bisher nicht wider— rufene Bericht.!) Coel. Dayana iſt ſelten und demzu— folge hoch im Preiſe, jedoch hat Herr Sander kürzlich eine große Anzahl eingeführt. Die Riſpe iſt zuweilen meterlang und bildet einen hängenden Kranz von leder— gelben, chokoladefarbig geſtreiften Blumen. Coel. Massangeana von Aſſam gleicht der vorhergehenden, jedoch iſt die Lippe dunkel⸗karmeſinbraun, mit gelben Linien und weißem Rande. Die neueſte und bei weitem ſchönſte der ganzen Gattung iſt Coel. Sanderiana, eingeführt durch den Herrn, deſſen Namen ſie trägt und der der „König der Orchideen“ genannt wird. Dieſe prächtige Art hat bis jetzt nur einmal in Europa geblüht; Baron Ferdinand von Rothſchild iſt der glückliche Beſitzer. Die ſchneeweißen Blüten, gewöhnlich ſechs an einer Riſpe und jede 3½ cm breit, haben ganz dunkelbraune Streifen auf der Lippe. Gefunden wurde ſie auf Borneo von Herrn Förſtermann, demſelben Sammler, der das prachtvolle, ſcharlachrote Dendrobium auffand, welches in einem früheren Kapitel erwähnt wurde. Meine Angabe, daß Baron Schröder drei Exemplare beſäße, hat ſich inzwiſchen als ein Irrtum herausgeſtellt. Herr Förſtermann konnte ſich blos drei Exemplare verſchaffen, von welchen zwei auf der Reiſe eingingen; Herr Baron Schröder kaufte das dritte, welches jedoch ebenfalls zu Grunde ging, und bis jetzt ſind keine weiteren gefunden worden. Von Oneidien giebt es manche Arten, welche Warmhaus— Kultur verlangen. Zu ihnen gehört O. splendidum, deſſen Geſchichte eigenartig iſt. Zuerſt tauchte es in Frankreich vor 1) Wobei nicht geſagt iſt, was Herrn Day die Sammlung ge— koſtet hat. Achtes Kapitel. 135 ungefähr dreißig Jahren auf. Ein Schiffskapitän brachte ein halbes Dutzend Exemplare nach St. Lazare heim, welche er dem Eigentümer des Schiffes, Herrn Herman gab. Letzterer über— gab ſie den Herren Thibaut und Ketteler in Sceaux, welche die Exemplare teilten, die dann in verſchiedene Hände kamen. Zwei der Originalſtücke fanden ihren Weg nach England, und auch dieſe ſcheinen geteilt worden zu ſein. Die Annalen des alten Auktionslokals in King Street bezeugen, daß eifrige Bieter den Preis für ein winziges Stück mit einem Blatt bis auf 30 Guineen (600) Mark trieben. Die ganze Einführung ver— ſchwand in kurzer Zeit, was nicht zu verwundern iſt, wenn alle Exemplare auf jo’ unbarmherzige Weiſe zerſtückelt wurden. Seitdem war dieſe Art verloren, bis Herr Sander ſeine Auf— merkſamkeit auf ſie lenkte. Kein Bericht war vorhanden, wo— her ſie gekommen war. Der Name des Schiffes oder ſelbſt der des Kapitäns hätte Aufſchluß gegeben, wäre ein ſolcher zu finden geweſen; denn man hätte dann aus dem Schiffstage— buch erſehen können, welche Häfen beſucht worden waren. Ich könnte von geheimnißvollen Orchideen erzählen, deren Heimat auf weniger genaue Angaben hin aufgefunden wurde. Jedoch hier war kein Anhaltspunkt. Herr Sander hatte die Pflanze ſorgfältig beobachtet, während noch einige Exemplare am Leben waren, und der Bau ihres Blattes brachte ihn auf die Vermutung, daß ſie der Flora von Central-Amerika an— gehören und ferner, daß ſie in einer ſehr warmen Gegend ein— heimiſch ſein müſſe. Er beauftragte daher einen ſeiner Reiſenden, Herrn Oversluys, die koſtbare Pflanze in Coſta Rica zu ſuchen. Ein Jahr nach dem andern verſtrich, bis Herr Oversluys mit Entſchiedenheit erklärte, daß O. splendidum vielleicht im Himmel oder in der Hölle wachſe, jedoch nicht in Coſta Rica zu finden ſei. Aber Theoretiker ſind halsſtarrig, und Jahr für Jahr wurde er zurückgeſandt. Endlich im Jahre 1882, als 136 Achtes Kapitel. er durch eine bereits öfters durchforſchte Gegend ritt, ſah er auf einer graſigen Ebene große Flächen mit blaßgelben Blüten geſprenkelt. Er hatte dieſelben ſchon wiederholt bemerkt, ſie aber nicht weiter beachtet, da es ſein Beruf war, Orchideen zu ſammeln. Bei dieſer Gelegenheit fügte es ſich, daß er einer dieſer Maſſen nahe kam und nun das geſuchte Oncidium erkannte. Es war dies der gewöhnliche Fall. Das Geſuchte wird überſehen, weil es zu nahe und ins Auge fallend iſt. Indes hatte Herr Oversluys wenigſtens die eine Enſchuldigung: wer konnte ahnen, ein Oncidium im hohen Graſe, der vollen Sonnenhitze ausgeſetzt, zu finden? Oneidium Lanceanum iſt wahrſcheinlich die „wärmſte“ Art dieſer Gattung. Die Glücklichen, welche es kultivieren können, behaupten, es biete keine Schwierigkeit; aber wenn es nicht kräftig und vollkommen geſund iſt, bekommt es „Flecken“ (Spots) und geht ſchnell zu Grunde. In den Gewächshäuſern der „New Plant & Bulb Company“ zu Colcheſter (nun er— loſchen) gedieh O. Lanceanum mit einer erſtaunlichen Üppig- keit und entwickelte ſolche enorme Blätter, daß es, dicht am Glaſe hängend, mitten im Sommer Beſchattung überflüſſig machte.!) Doch dies war ein außergewöhnlicher Fall. Der Anblick iſt unbeſtreitbar großartig, wenn die Pflanze in voller Blüte ſteht. Die Sepalen und Petalen ſind gelb, mit breiten braunen Streifen, die Lippe iſt violett. Die Riſpen bleiben einen, mitunter zwei Monate in voller Schönheit. Ein Oncidium, welches jederzeit die Aufmerkſamkeit des Publikums auf ſich zieht und die dankbare Anerkennung ſeiner Beſitzer findet, iſt O. Papilio. Die ſeltſame Form der Blüte bezauberte den Herzog von Devonſhire — Großvater des jetzigen — der wohl der erſte engliſche Pflanzen-Liebhaber von hohem Range war, in ſolchem Maße, daß er ſich verſucht 1) Sollte die Seeluft hierbei mitgewirkt haben? a u Achtes Kapitel. 137 fühlte, die Forſchungsreiſen zu unternehmen, durch welche jo viele ſchöne Pflanzen in Europa eingeführt wurden. Die „Schmetterlings-Orchidee“ iſt ſo bekannt, daß ich mich nicht bei ihrer Beſchreibung aufhalte. Nun ſtelle man ſich aber dieſe interreſſante Blume ganz in Blau vor, anſtatt in Gold und Braun! Ich habe nie erfahren können, woraufhin dies Gerücht entſtanden ſein kann. Aber der berühmte Lind— ley ſtarb mit dem unerſchütterlichen Vertrauen, daß ein blaues O. Papilio zu finden ſei. Einſt glaubte er, ein Exemplar zu haben, jedoch blühte es, und mit ſeinem Triumph war es für dieſes Mal nichts. Ich ſelbſt hörte davon vor zwei Jahren und gab mich der Hoffnung hin, daß etwas an der Sache ſei. Ein Freund, welcher in Natal lebte, verſicherte mir, es auf dem Tiſch des Direktors des botaniſchen Gartens zu Durban geſehen zu haben; es ſtellte ſich jedoch heraus, daß es eine der ſchönen Erd-Orchideen geweſen war, von denen Süd— Afrika eine ſo große Menge aufzuweiſen hat, und welche in unſren Sammlungen immer noch recht ſpärlich vertreten ſind. Es giebt Gärtner, wie Herr Cook zu Loughborough, bei welchen Disa grandiflora wie Unkraut wächſt. Herr Watjon in Kew erklärte, daß Disa racemosa üppig unter verhältnis- mäßig einfachen Kultur-Bedingungen gedeiht. Ich erzielte ein gleiches Reſultat mit Disa Cooperi, jedoch ohne eine beſondere Geſchicklichkeit meinerſeits. Ein kleiner Triumph gebührt indes mir allein. Ganz im Anfang, noch angeſpornt durch den Mut gänzlicher Unwiſſenheit und mit einem von keinerlei Detailkenntnis getrübten Blick, kaufte ich acht Bulben von Disa discolor und brachte alle zur Blüte. Niemand in Europa hatte dies zuvor gethan, noch niemand hat verſucht, es zu wiederholen, wie ich aufrichtig hoffe; denn eine wert— loſere Blume giebt es nicht. Doch hier hieß es — Ego feci — und das Exemplar im Kew-Herbarium trägt meinen Namen. 138 Achtes Kapitel. Gerüchte jollten indes nicht unbeachtet bleiben, wenn es gewiß iſt, daß ſie von einheimiſchen Quellen zu uns kommen. Einige der am meiſten Aufſehen erregenden Funde ſind von je her aufmerkſamen Eingebornen zu verdanken geweſen. Die Geſchichte von Phalaenopsis Sanderiana habe ich bereits er— zählt. Ein Zulu war es ferner, welcher den Sammler auf die Spur der neuen gelben Calla brachte. Die blaue Utri- cularia war der Beſchreibung nach bekannt, und ihre Exiſtenz wurde lange bezweifelt, ehe ſie ſelbſt gefunden wurde. Utri— cularia gehören in der That nicht zu den Orchideen, jedoch Botaniker allein halten an dem Unterſchied feſt. Das Orchideen züchtende Publikum hat es ſich einmal angewöhnt, ſie zu den Orchideen zu rechnen. Die Eingebornen von Aſſam behaupten, daß ein hellgelbes Cymbidium von unbeſchreiblicher Schönheit dort vorkomme, und wir hoffen, es eines Tages zu entdecken. Die Malagaſchen reden von einem ſcharlachroten Cymbidium. Die meiſten Epidendren vertragen ſo viel Wärme, als ihnen während ihres Wachstums zugeführt werden kann. Alle verlangen mehr Sonnenſchein, als England ihnen bieten kann. Die Orchideen-Liebhaber ſcheinen mit den ſchönen Formen dieſer Gattung nicht ſo bekannt zu ſein, als ſie es ſollten. Sie ſetzen ein Mißtrauen in alle eingeführten Epidendren. Manche wertloſe Arten allerdings gleichen in ihrem Habitus den beſten, ſo daß die aufmerkſamſten Kenner nicht daran denken, auf einer Auktion zu kaufen, wenn ſie kein Vertrauen in des Verkäufers Ehrlichkeit ſetzen und ſeiner Beſchreibung Glauben ſchenken. Aber einige der ſelten anzutreffenden Arten ſind wunderbar ſchön; an einem ſonnigen Platz ſind fie leicht zu ziehen und gar nicht koſtſpielig. Epiden- drum rhizophorum iſt in E. radicans !) umgetauft 1) Hier irrt ſich Herr Boyle, denn er redet thatſächlich von zwei ganz verſchiedenen Pflanzen. Die Bevorzugung des Namens radicans iſt wiſſenſchaftlich gerechtfertigt. Ep. radicans wächſt nur in Mexico und Guatemala, nicht in Braſilien. Achtes Kapitel. 139 worden, ein Name, welcher auf die mexikaniſche Varietät zu beſchränken wäre; denn die Pflanze kommt auch in Braſilien vor, jedoch mit einem Unterſchied. Die erſtere wächſt auf Sträuchern als wahrer Epiphyt, die letztere hat ihre Wurzeln im Boden am Fuße der höchſten Bäume und ſteigt bis zum äußerſten Gipfel, vielleicht fünfzig Meter hoch empor. Die Blüten zeigen ebenfalls Unterſchiede; aber im allgemeinen ſind ſie glänzend orangerot, die Lippe iſt gelb mit ſcharlach— rotem Rande. Vierzig oder fünfzig derſelben zu einem herab— hängenden Büſchel vereinigt, gewähren einen prächtigen Anblick. Herr Watſon ſah vor einigen Jahren eine Pflanze, welche 86 Blütenköpfe trug. Die Blütezeit dauert drei Monate. Epid. prismatocarpum iſt ebenfalls recht hübſch, mit ſchmalen dolchförmigen Sepalen und Petalen, rahmweiß mit ſchwarzen Flecken, die Lippe purpur-braun oder violett, mit blaßgelbem Rande. Von den vielen Dendrobien für Warmhaus-Kultur liefert Auſtralien einen guten Teil. Hier iſt zunächſt D. bigibbum zu nennen, welches ſelbſtverſtändlich zu bekannt iſt, um einer Beſchreibung zu bedürfen; es iſt auf den kleinen Inſeln der Torres⸗Straße einheimiſch. Dieſe Art blühte in Kew ſchon im Jahre 1824, jedoch die Pflanze ging ein. Die Herren Loddiges in Hackney führten es dreißig Jahre ſpäter von neuem ein. Es folgt D. Johannis aus Queensland. Seine Blüten ſind braun und gelb, leicht orangefarben geſtreift, die Blumen— blätter ſind ſeltſam gedreht. D. superbiens, ebenfalls von der Zorres-Straße, iſt roſa-purpurn mit weiß geränderten Sepalen und Petalen, die Lippe iſt karmeſinrot. Das ſchönſte von allen iſt D. Phalaenopsis. Es entwickelt unmittelbar unter der Spitze der Scheinbulbe eine lange ſchlanke Riſpe, welche ſechs oder mehr Blüten von 3½ em Durchmeſſer trägt. Die Sepalen ſind lanzettförmig, die Petalen zweimal ſo breit, roſa-lila mit dunkleren Adern, die Lippe mit überwölbenden 140 Achtes Kapitel. Seitenlappen karmeſinbraun im Schlunde, blaſſer und ge— ſtreift am vorderen Rande. Es wurde zuerſt im Jahre 1880 durch Herrn Forbes von Timor Laut nach Kew geſandt. Aber Herr Fitzgerald hatte einige Jahre zuvor Abbildungen von einer in der Hauptſache gleichen Art veröffentlicht, welche er auf dem Beſitztum des Kapitän Bloomfield zu Balmain in Queensland, nahe an tauſend Meilen ſüdlich von Timor, gefunden hatte. Herr Sander ließ es aufſuchen und hat Herrn Fitzgeralds Varietät unter den Namen D. Phalaenopsis Statterianum eingeführt. Es iſt kleiner als die Grundform und karmeſinfarben anſtatt lila. Die Bolbophyllum-Arten gehören zu den Wundern der Natur. Es ſei hier beiläufig erwähnt, obſchon es nicht von Bedeutung iſt, daß dieſe Gattung die größte und vielleicht die kleinſte aller Orchideen enthält. B. Beccarii hat Blätter, welche / m lang und 20 bis 25 cm breit ſind! Seine Stämme umſchlingen die dickſten Bäume und können von Unkundigen für die Windungen einer Boa gehalten werden. Außerdem verbreitet dieſe Art den abſcheulichſten Geruch, welcher in der Pflanzenwelt vor— kommt, was viel ſagen will. Doch dieſe Punkte ſind unwichtig. Der Reiz der Bolbophyllen liegt in ihrer Fähigkeit, Inſekten zu fangen. Diejenigen, welche die Ausſtellung der Londoner Gartenbau-Geſellſchaft im „Temple“ im vorigen Jahre be— ſuchten und denen es gelang, durch die Menge zu dringen, die vor dem von Sir Trevor Lawrence ausgeſtellten B. bar- bigerum verſammelt war, konnten etwas davon ſehen. Dieſe kleine aber höchſt wunderbare Pflanze ſtammt von Sierra Leone. Die lange gelbe Lippe iſt mit der Säule nur ganz leicht verbunden, ſo daß ſie unaufhörlich in Bewegung iſt. An dem äußerſten Ende befindet ſich eine Bürſte von ſeiden— artigen Haaren, welche ſich vor- und rückwärts mit maſchinen— Achtes Kapitel. 141 mäßiger Genauigkeit bewegen; kein Wunder, daß die Pflanze von den Eingeborenen für lebend gehalten wird. Der Zweck dieſer Verrichtung iſt, Fliegen zu fangen, was andere Arten auf ähnliche, wenn auch weniger raffinierte Weiſe bewerkſtelligen. Einige find auch ſehr hübſch, wie B. Lobbii, das durch ſeine reine, klare Orangenfarbe den Blick feſſelt. Die Lippe balan— ciert leicht und zittert bei jedem Hauch. Wenn der dünne Stiel durch eine Fliege, welche an die Blüte anſtößt, zurückgebogen wird, dreht ſich das zitternde Käppchen und hängt hervorſtehend; ein anderes leichtes Schütteln, wenn die Fliege ſich dem Saftbehälter nähert und es fällt Hals über Kopf, wie ein Schuß, herab und ſchließt das Inſekt ein, wodurch die Blume befruchtet wird. Wenn wir wünſchten, in einem klugen Kinde Intereſſe zur Botanik zu erregen — mit Rückſicht auf den Geſchmack am Schönen — jo würden wir ihm B. Lobbii verſchaffen müſſen. B. Dearei iſt auch ſehr niedlich, goldbraun mit rot gefleckt, mit einem breiten oberen Sepalum, und ſehr ſchmalen flatternden Petalen; die unteren Sepalen haben breite rote Streifen, die Lippe iſt gelb und natürlich wie immer eingelenkt auf einer Art von Thürangel; jedoch ſind die gymnaſtiſchen Vorſtellungen dieſer Art nicht ſo auffallend als die der meiſten anderen Arten dieſer Gattung. Ein neues Bolbophyllum, B. Godseffianum, wurde kürzlich von den Philippinen eingeführt. Es beſitzt dieſelbe Vorrichtung, iſt aber viel ſchöner. Die Blumen find 2½ cm breit und haben die Farbe von „altem Gold“ mit karmeſinroten Streifen an den Petalen. Das obere Sepalum zeigt einen faſt durchſichtigen Hautſaum, welcher das Ausſehen von Silberſtickerei hervorruft. Bis zur Einführung des Bolbophyllum Beccarii im Jahre 1867, wurden die Grammatophyllen als die Rieſen der Familie betrachtet. Herr Arthur Keyſer, holländiſcher 142 Achtes Kapitel. Reſident zu Selangeor, erzählt von einem Exemplar, welches an einem Durianbaume gefunden wurde. Es war mehr als zwei Meter hoch, über vier Meter breit, trug ſieben Blütenriſpen und hatte ein Gewicht, welches fünf— zehn Mann kaum zu tragen imſtande waren. Herr F. W. Burbidge hörte in der Nacht einen Baum im Walde fallen, von dem er vier Meilen entfernt war. (?) Als er den Ort aufſuchte, fand er auf dem Stamme ein Grammatophyllum, groß genug, um einen Frachtwagen zu füllen, welches eben ſeine goldbraunen, gefleckten Blüten öffnete. Die Riſpen waren dick und zwei Meter lang. Wir dürfen nicht hoffen, daß wir je ſolche Koloſſe in Europa zu ſehen bekommen. Die ganze Gattung enthält ausſchließlich ſolche unbezwingbare Geſtalten. G. speciosum erreicht in der Kultur zwei Meter Höhe, iſt alſo hoch genug, um beſcheidene Liebhaber zufrieden zu Stellen, beſonders wenn es Blätter von mehr als ½ m Länge ausbildet. Die Blüten haben — oder ſollten es wenigſtens — 8 em im Durchmeſſer; ſie ſind tiefgelb und purpurrot gefleckt. In Kew ſind gegenwärtig Rieſenexemplare in Kultur, von welchen große Dinge erwartet werden. Es folgt G. Measureseanum, nach Herrn Meaſures, einem bekannten Liebhaber, benannt. Die Blüten find blaß⸗-lederfarbig, braun gefleckt, die Enden der Petalen und Sepalen mit Flecken der gleichen Nüance getüpfelt. In den letzten Monaten hat Herr Sander von den Philippinen G. multiflorum erhalten, welches nicht nur das ſchönſte, ſondern auch das am leichteſten zu kultivierende von allen bis jetzt eingeführten zu ſein ſcheint. Die blaßgrünen und gelben, braun geſprenkelten Blüten ſtehen nicht ver— einzelt wie gewöhnlich, ſondern kaum einen Centimeter von einander entfernt und hängen in Guirlanden herab. Wir können uns der Hoffnung hingeben, daß wir in kurzer Zeit imſtande ſein werden, ſelbſt ein Urteil zu fällen; denn Herr Sander hat dem Neuntes Kapitel. 143 königlichen Garten zu Kew ein Geſchenk mit einem Pracht— exemplar gemacht, welches unſtreitig die gewaltigſte Orchidee iſt, die jemals nach Europa gebracht wurde. Sie iſt im Viktoria⸗Hauſe zu finden, wo ſie üppig wächſt. Ihre ſchlangen— ähnlichen Stämme find 3 m hoch, und die alten Blüten— ſtände ragten bis zu 6 m Höhe empor. Ueuntes Kapitel. Eine verſchollene Orchidee. Nicht wenige Orchideen ſind verſchollen oder vielleicht verloren, d. h. ſie ſind beſchrieben worden, benannt, ſchmachten auch wohl noch in großen Sammlungen, aber, da nichts über ihre Herkunft bekannt iſt, können ſie nicht wieder gefunden werden. Dies iſt der Fall mit Cattleya Jongheana, Cym- bidium Hookerianum und Cypripedium Fairianum. Jedoch eine, auf welche der Titel noch vor einigen Tagen genau ge— paßt hätte, iſt inzwiſchen wiedergefunden: Cattleya labiata vera. Sie war die erſte, welche den Namen Cattleya trug, obſchon nicht die erſte aus dieſer Gattung, welche ent— deckt wurde; denn dies war C. Loddigesii. Dieſe iſt einige Jahre länger bekannt, wurde jedoch damals Epidendrum genannt. Es iſt ſonderbar, wie die Wiſſenſchaft in der neueren Zeit bisweilen zu Anſichten des vorwiſſenſchaftlichen Zeitalters zurückkehrt. Profeſſor Reichenbach hat bekanntlich in ſeinen rein botaniſchen Arbeiten (z. B. im VI. Band von Walper's Annalen) die Gattung Cattleya abgeſchafft und alle Arten derſelben unter Epidendrum gebracht. Cattl. labiata vera wurde durch Herrn W. Swainſon aus Braſilien an 144 Neuntes Kapitel. Dr. Lindley geſandt und kam im Jahre 1818 in Liverpool an. Dies iſt ſicher feſtgeſtellt, denn Dr. Lindley erwähnt es in ſeinen „Collectanea Botanica“; aber Märchen und Fabeln aller Art haben die Thatſachen dieſes Ereigniſſes inzwiſchen verdunkelt. Es wird allgemein berichtet, daß Sir W. Jackſon Hooker, Profeſſor der Botanik zu Glasgow, Herrn Swainſon, welcher in Braſilien naturwiſſenſchaftliche Objekte ſammelte, bat, ihm einige Flechten zu ſenden. Dieſer that es, und in den Kiſten kamen eine Maſſe Orchideen an, welche zur Verpackung der Flechten gedient hatten. Weniger paſſendes Material hätte nicht gefunden werden können; es ſcheint, daß es hauptſächlich als Stopfmaterial angewandt wurde, um den Inhalt der Kiſten feſt zu halten. Der Gewährsmann für dieſe Einzelheiten, die nicht ohne Wichtigkeit ſind, iſt Sir Joſ. Paxton. Die Orchidee, welche unter ſolchen erniedrigenden Umſtänden ankam, erwies ſich als neu, und Lindley gab ihr den Namen Cattl. labiata; damals war kein Grund vorhanden, „vera“ hinzuzufügen. Er ſtellte eine neue Gattung auf und rettete ſo für alle Zeiten das Andenken an Herrn Cattley, einen bedeutenden Gartenbeſitzer zu Barnet. Es war kein Grund vorhanden, zu vermuten, daß es eine ſeltene Art ſei. Einige Jahre ſpäter ſandte Herr Gardner, ein Reiſender, welcher Vögel und Schmetterlinge ſammelte, eine Maſſe Cattleyen nach Hauſe, die er auf den ſteilen Abhängen der Pedro Bonita-Gebirgs— kette und auch auf der Gavea gefunden hatte. Dieſe Orchideen gingen einige Zeit unter dem Namen C. labiata. Paxton gratulierte damals ſich und der Welt in ſeinem „Flower Garden“, daß der Vorrat von dieſer ſchönen Pflanze ſo be— deutend vergrößert ſei. Man bedenke, es war die Zeit der Poſtwagen, wo Botaniker nicht ſo viel Gelegenheit hatten, Vergleiche anzuſtellen. Es iſt zu erwähnen, daß Gardner's Cattleya am nächſten verwandt mit der von Swainſon eingeführten war; ſie iſt heutzutage bekannt als C. labiata Neuntes Kapitel. 145 Warneri. Die echte Form hat jedoch unverkennbare Merkmale. Einige ihrer Verwandten zeigen ſehr ſelten eine doppelte Blüten— ſcheide, welche aber bei C. labiata vera nie fehlt, und es iſt eine intereſſante Frage, weshalb dieſe allein ihre Blüten ſo ſorgfältig beſchützt. Man könnte — mit dem nötigen Vorbehalt — vermuten, daß ihr Standort noch feuchter ſei, als der von anderen Varietäten. Sodann haben einige Pflanzen Blätter, welche rot, andere ſolche, welche grün auf der Unterſeite ſind, und die Blütenſcheiden ſind dann ſtets ebenſo gefärbt; dieſe Sonderbarkeit kommt jedoch regelmäßig nur bei C. labiata Warneri vor. Drittens — und dies iſt der größte Vorzug unſerer Pflanze — blüht ſie im ſpäten Herbſt und füllt ſomit eine Lücke in der Blütezeit unſerer Orchideen aus. Diejenigen, welche eine ſolche Pflanze beſitzen, können das ganze Jahr hindurch Cattleyen in Blüte haben; aber nur ſie allein. — Dementſprechend bildet ſie in der Einteilung der „Reichenbachia“ eine Sektion für ſich allein, als die einzige Art, welche nach der Ruhezeit Blüten aus dem dies— jährigen Triebe bringt. Sektion II enthält die Arten, welche noch vor der Ruhezeit aus dem Jahrestrieb blühen, Sektion III diejenigen, welche aus dem vorjährigen Triebe nach der Ruhe— zeit blühen. Alle dieſe Abteilungen haben zahlreiche Arten; C. labiata vera ſteht jedoch allein. Wir brauchen nicht auf den Streit einzugehen, welcher ſich bei Einführung von Cattleya Mossiae im Jahre 1840 erhob, und an Erbitterung zunahm, als andere Formen derſelben Klaſſe erſchienen, ja auch jetzt noch nicht aufgehört hat. Es genügt, zu erwähnen, daß J. Lindley ſich weigerte, C. Mossiae als eine bejondere Art anzuerkennen, obwohl er allein den Handelsgärtnern gegenüberſtand, welche noch eine Schar von begeiſterten Liebhabern hinter ſich hatten. Der große Botaniker erklärte, er könne in der prächtigen neuen Cattleya nichts ſehen, was ihn berechtige, ſie als eine „Art“ Orchideen. 10 146 Neuntes Kapitel. von der bereits bekannten C. labiata zu unterſcheiden, aus— genommen die immer ſchwankende Färbung. Die Art und Weiſe des Wuchſes und die Blütezeit ſeien keine wiſſen— ſchaftlich brauchbaren Merkmale. Da der Bau der Pflanzen in der Hauptſache identiſch iſt, ſo war das Zugeſtänd— nis, daß C. Mossiae als eine Abart der C. labiata zu betrachten ſei, das äußerſte, was er (Lindley) bewilligen wollte. Dies geſchah im Jahre 1840. Fünfzehn Jahre ſpäter kam C. Warscewiczi, jetzt gigas genannt, in den Handel, ein Jahr ſpäter C. Trianae, C. Dowiana im Jahre 1866 und C. Mendellii im Jahre 1870, alle, genau genommen, nur Formen von Cattl. labiata. Bei jeder Einführung wurde der Streit erneuert und iſt bis jetzt noch nicht vorüber. Aber auf Lindley folgte Sir Joſeph Hooker und auf Hooker Reichenbach als höchſte Autorität, und jeder behauptete ſeinen Standpunkt. Selbſtverſtändlich ſind viele Cattleyen als ſo— genannte Arten anerkannt, jedoch Lindleys Standpunkt iſt noch der allein giltige. Kehren wir nun zur verſchollenen Orchidee zurück. Mit der Zeit wurde der Wert von C. labiata vera anerkannt, die wenigen exiſtierenden Exemplare — aus der Einführung des Herrn Swainſon — brachten immer höhere und höhere Preiſe; ihre Vorzüge waren zu auffallend. Abgeſehen von ihrer Blütezeit, erwies ſie ſich als die kräftigſt wachſende und am leichteſten zu kultivierende Cattleya. Ihre Form war wenigſtens ſo ſchön als die irgend einer anderen, und ſie zeigte eine außergewöhnliche Neigung zu variieren. Nur wenige Pflanzen waren, wie geſagt, in Kultur, aber dieſe enthielten drei Varietäten. Van Houtte führt uns in ſeiner „Flore des serres“ zwei vor: C. labiata candida von Syon-Houſe, rein weiß mit Ausnahme des ockergelben Schlundes, welcher bei allen Exemplaren vorkommt, und C. labiata pieta, dunkel⸗ rot, aus der Sammlung des Herrn J. J. Blandy in Reading. Neuntes Kapitel. 147 Die dritte, C. labiata Pescatorei, weiß mit dunkelrotem Fleck auf der Lippe, war erſt Eigentum der Herren Rouget-Chau— vier in Paris, jetzt gehört ſie dem Herzog von Maſſa. Unter ſolchen Umſtänden fingen die Händler an, ſich ernſtlich zu regen. Anfänglich hatten in der That die Unter— nehmungsluſtigſten gehofft, eine Pflanze einführen zu können, welche ſie für ſehr häufig hielten, da ſie in Rio als Pack— material gebraucht wurde. Doch bald wurden ſie ihres Irrtums inne. Rio als den Mittelpunkt betrachtend, begaben ſich Sammler nach allen Richtungen. Wahrſcheinlich giebt es kein bedeutendes Importgeſchäft weder in England noch auf dem Feſtlande, welches nicht Geld — und bisweilen recht bedeutende Summen — aufgewendet hat, um C. labiata vera aufzuſuchen. Eben ſo wahrſcheinlich iſt es aber, daß niemand bei dieſer Spekulation verloren hat; denn obwohl man von der geſuchten Pflanze keine Spur fand, ja nicht einmal ein Gerücht über ihr Vorkommen hörte, ſo wurden doch von allen Sammlern neue Orchideen, neue Zwiebeln — hauptſächlich Eucharis — Dipladenien, Bromeliaceen, Caladien, Maranten, Ariſtolochien und andere mehr entdeckt. Demzufolge hat die verlorene Orchidee der Botanik im beſonderen und der Menſch— heit im allgemeinen unermeßliche Dienſte geleiſtet. Man kann ſagen, daß die Jagd nach ihr ſiebzig Jahre anhielt, daß ſie Sammler veranlaßte, Wege durch faſt alle Provinzen Braſiliens einzuſchlagen; faſt alle — denn es giebt noch heutzutage ganz undurchforſchte Strecken. Ein Reiſender könnte z. B. von Para nach Bogota, ca. 2000 (engl.) Meilen weit, durch noch unberührtes Gebiet reiſen, welches ſich nach beiden Seiten in einer Breite von 600 Meilen erſtreckt. Man möchte fragen, was Herr Swainſon, falls er am Leben war, that, während ſeine Entdeckung ſo die Welt aufregte. Er lebte noch, und zwar in Neu-Seeland, bis zum Jahre 1855; aber er bot keine Hilfe, und es kann kaum bezweifelt werden, daß er nicht 10 * 148 Neuntes Kapitel. imſtande war, jolche zu leiſten. Die Orchideen waren wohl zufällig in ſeine Hände gekommen, möglicherweiſe in entfernten Gegenden von einem Unbekannten, der in Rio ſtarb, ge— ſammelt. Swainſon fand ſie und gebrauchte ſie als Pack— material für ſeine Flechten. Nicht weniger ſonderbar iſt es in dieſer merkwürdigen Geſchichte, daß verſchiedene Stücke der echten alten Pflanze während jener Zeit auftauchten. Lord Howe beſitzt ein ſchönes Exemplar in Bothwell Caſtle, welches nicht von Swainſons Einführung herrührte. Sein Gärtner ſchrieb vor fünf Jahren: „Ich bin ganz ſicher, daß mein Neffe mir er— zählte, das kleine Stück, welches ich von ihm vor vierzig Jahren erhielt, rühre von einer friſch importierten Pflanze her, welche mit einem Schiff der Herren Horsfall angekommen war.“ Lord Fitzwilliam ſcheint eine Pflanze durch ein anderes Schiff erhalten zu haben. Jedoch der ſtaunenerregendſte Fall ereignete ſich in neuerer Zeit. Vor ungefähr ſieben Jahren erſchienen zwei Pflanzen in dem Gewächshaus des Zoologiſchen Gartens in Regent's Park; wie ſie dahin kamen, wird ein ewiges Geheimnis bleiben. Herr Bartlett, der Direktor des Zoolo— giſchen Gartens, verkaufte ſie für einen hohen Preis; doch konnte er eine gleiche Summe, die ihm geboten wurde für Auskunft, auf welche Weiſe die Pflanzen in ſeine Hände gekommen waren, nicht verdienen; denn er war nicht im— ſtande, eine ſolche zu erteilen. Ohne Zweifel kamen ſie in Geſellſchaft einiger Affen an; aber wann und aus welcher Gegend Südamerikas konnte auch die genaueſte Durchſicht ſeiner Bücher nicht ergeben. Im Jahre 1885 erhielt Dr. Regel, Direktor des botaniſchen Gartens zu St. Petersburg, einige Pflanzen. Und nun berichten die Garten-Zeitungen, daß die ver— lorene Orchidee gefunden worden iſt, und zwar durch Herrn Sander in St. Albans. Sicherlich verdient er dieſes Glück, Neuntes Kapitel. 149 wenn ein zwanzigjähriges Suchen jo genannt werden kann. Ich glaube, es war um das Jahr 1875, daß Herr Sander den Sammler Arnold ausſandte, welcher fünf Jahre hin— durch Venezuela bereiſte. Er glaubte ſich verſichert zu haben, daß die Pflanze nicht in Braſilien zu ſuchen ſei. Nach Columbia ſich wendend, ließ er in den folgenden Jahren durch Cheſterton, Bartholomeus, Kerbach und die Brüder Klaboch dies Gebiet abſuchen. Nach Braſilien zurückkehrend, durch— forſchten ſeine Reiſenden Oversluys, Smith, Weſtwood jeden Fuß— breit Landes, welchen Swainſon, ſeinen Büchern nach, betreten hatte. Zu derſelben Zeit folgte Clarke Gardners Spur durch die Pedro Bonita- und Topſail-Berge. Dann durchſtreifte Osmers die ganze Küſtenlinie Braſiliens von Norden nach Süden, für welche Reiſe er fünf Jahre gebrauchte. Endlich unternahm Digance die Suche, ſtarb aber noch in demſelben Jahre. Dieſen Männern verdanken wir zahlloſe große Ent— deckungen. Um blos die bedeutendſten zu erwähnen: ſo fand Arnold Cattleya Percivalliana. Von Columbien wurde ge— bracht: Odont. vex. rubellum, Bollea coelestis, Pescatorea Klabochorum; Smith jandte Cattleya O’Brieniana, Clarke die Zwergcattleyen pumila und praestans; Lawrenceſon fand Cattleya Schroederae, Cheſterton Cattleya Sanderiana, Digance Cattleya Diganceana, welche am 8. September 1890 einen Preis von der königl. Gartenbau-Geſellſchaft erhielt. Jedoch nicht die leiſeſte Spur wurde von der ver— lorenen Orchidee entdeckt. Im Jahre 1889 wurde ein Sammler von Herrn Moreau in Paris nach Central- und Nord-Braſilien geſchickt, um Inſekten aufzuſuchen. Er ſandte fünfzig Pflanzen; denn Herr Moreau iſt auch ein Orchideen-Liebhaber, und da er keinen Grund hatte, den Fundort zu verheimlichen, als Herr Sander bei einem Beſuche den ſo lange geſuchten Schatz er— kannte, gab er jede mögliche Auskunft. Inzwiſchen hatte die 150 Zehntes Kapitel. Internationale Gartenbau-Geſellſchaft zu Brüſſel eine Anzahl Pflanzen erhalten und, ſie als Neuheit betrachtend, ihnen den Namen C. Warocqueana gegeben, in welchem Irrtum ſie beharrte, bis Herr Sander den Markt überſchwemmte. Zehntes Kapitel. Eine Grchideen⸗Farm. Meine Aufſätze brachten mir eine Flut von Anfragen, was ebenſo verwirrend als ſchmeichelhaft für einen beſchäftig— ten Journaliſten iſt. Je 3 von 4 Briefen lauten ſo: „Ich liebe Orchideen; ich hatte keine Ahnung, daß ſie ſo leicht zu kultivieren und ſo billig ſind. Ich will damit anfangen. Wollen Sie ſo freundlich ſein, mich zu unterrichten“ — hier wurden dann die verſchiedenſten Wünſche laut. Über die Temperatur und die Blumentöpfe, die Auswahl der Arten und die Erdſorte, die Bauart eines Glashauſes und die Brauch— barkeit für den Fenſtergarten, mit Abſchweifungen aller Art dazwiſchen, wurde ich um Rat gefragt. Ich beantwortete die Anfragen, ſo gut ich konnte. Es iſt indes zu befürchten, daß die genaueſten Fragen und die weitgehendſten Beantwortungen durch die Poſt nicht die Grundlage, das A BC der Wiſſen— ſchaft, liefern, welches den gänzlich Unerfahrenen not thut; auch iſt dies nicht leicht aus Handbüchern zu erlernen. Ge— ſchrieben von Männern, die von ihrer Jugend an mit dem A BC der Orchideenkunde vertraut find, enthalten dieſe Werke, welche die Anfangsgründe lehren wollen, beklagenswerte Lücken. Es iſt wenig, was ich in der Sache thun kann; doch im Zehntes Kapitel. 151 Vertrauen, daß die Kultur dieſer Pflanzen binnen kurzem jo allgemein ſein wird, wie die der Pelargonien unter Glas — und feſt überzeugt, daß derjenige, der dies beſchleunigt, ein wirklicher Wohlthäter in ſeinem Fache iſt — bin ich bereit, alles zu thun, was in meinen Kräften ſteht. Indem ich die Mittel bedenke, durch welche dieſes Ziel erreicht werden kann, erſcheint es mir weſentlich, daß ich zunächſt vermeide, den Studierenden zu langweilen. Er ſoll ſo geleitet werden, daß er fühlt, wie angenehm die Beſchäftigung ſelbſt dann iſt, wenn die proſaiſchen Einzelheiten behandelt werden, und es ſcheint mir nach reiflicher Überlegung, daß die Beſchreibung einer großen Orchideen— Handelsgärtnerei am beſten unſerm Zwecke entſprechen würde. Da kann ich zugleich Mittel und Wege, wie auch die Er— gebniſſe zeigen. Wir kommen, ſo zu ſagen, mit einem Schritt vom Getreideboden ins Erntefeld, von der Werkſtätte zum vollendeten Erzeugnis. „Orchideen-Farm“ iſt keine übertriebene Benennung des Etabliſſements zu St. Albans. Hier allein in ganz Europa ſind, ſo viel ich weiß, drei Morgen Landes (mehr als ein 1 ha) ausſchließlich für Orchideen-Kultur in Anſpruch genommen. Es iſt möglich, daß es noch größere Gewächshäuſer giebt — alles iſt ja möglich; jedoch ſind ſolche mehr oder weniger für verſchiedene Pflanzen-Gattungen beſtimmt, und die einzelnen Abteilungen ſind nicht ſämtlich unter einem Dache zu finden. In dem Geſchäft, welches ich zur Erläuterung unſeres Themas gewählt habe, braucht man bloß einen Korridor zu überſchreiten, um aus den Arbeits-Schuppen in den Schau— raum zu treten. Wir können unſere prüfende Beſichtigung am Wohnhauſe beginnen. Sachverſtändige der Landwirt— ſchaft beſuchen, glaube ich, Scheunen, Ställe, Maſchinenräume und dergleichen, ehe ſie die Felder beſichtigen. Wir wollen daſſelbe thun, doch unſer Weg bietet uns außergewöhnliche 152 Zehntes Kapitel. Zerſtreuung. Er führt von der Hausthür unter einem glas— bedeckten, etwa zehn Meter langen Bogengang hin, bis er an einer Wand von Tuffſtein endet; dieſe reicht bis an das Dach und nötigt den Beſucher, ſich entweder rechts oder links zu wenden. Waſſer rinnt herunter und fällt plätſchernd in ein Baſſin. Die ſchroffe Vorderſeite iſt von unten bis oben mit Orchideen beſetzt. Coelogynen haben ihre herabhängenden Blütenriſpen verloren, die bis vor kurzer Zeit den Felſen wie mit Schnee bekleideten. Aber da ſind Cymbidien mit ihren ge— bogenen Riſpen von grünen und ſchokoladefarbenen Blüten; Dickichte von Dendrobien mit zahlloſen elfenbeinweißen und roſaroten, purpurnen und orangefarbenen Blüten; ſcharlachrote Anthurien, große Maſſen von Phajus und immergrünen Calanthen, mit Dutzenden von Blütenſtengeln aus den breiten Blättern aufſteigend; Cypripedien von wunderbarer Form und auffallender Färbung; Oncidien, welche ihre ellenlangen, ſchlanken Guirlanden herabhängen laſſen, mit Blüten goldgelb und ge— fleckt, purpurn und weiß, in Hunderten von Nüancen. Die Spitze des Fekſens iſt durchweg mit Cattleyen beſetzt, eine glänzend dunkelgrüne Bewaldung gegen den blauen Himmel. Die Trianaes ſind faſt vorüber, doch kommt hier und da eine verſpätete Schönheit zum Vorſchein, weiß oder roſa mit karme— ſinroter ſammetartiger Lippe. Im allgemeinen ſind ſie durch Mossiaes erſetzt. Auf meterbreiten Beeten erheben ſich Dutzende großer Blüten in allen Nüancen von fleiſchfarben, karmeſin und purpurroſa. Hier iſt die in der Heimat ausgerottete Laelia elegans von jo ſtämmigem und üppigem Wuchſe, daß die beraubten Inſelbewohner wohl einen Troſt beim Anſchauen derſelben finden würden. Über alle dem rankt an dem Gitterwerk des Daches, der vollen Sonne aus— geſetzt, Vanda teres empor, in Blättern und Stamm rund wie ein Bleiſtift, welche das Eiſenwerk bald mit ihren karmenſinroten, gold- und fleiſchfarbenen Blüten bekleiden Zehntes Kapitel. 153 wird.) Der Weg nach unſerm Okonomiehofe unterſcheidet ſich von den gewöhnlichen dieſer Art, er führt durch ein Zauberland. Wir finden eine Thür durch eine Felſenpartie maskiert, ähnlich der, welche ich oben ſchwach und unvollkommen zu be— ſchreiben verſuchte; ſie führt auf einen breiten Korridor, der in ſeiner ganzen Länge von ca. 130 m mit mexicaniſchen Orchideen in Körben, ſo dicht wie nur möglich, behängt iſt. Links befindet ſich eine Reihe von Glashäuſern, rechts unter dem Niveau des Korridors die Werkſtätte; das Ende iſt zur Zeit durch Baſt— matten verſperrt. Doch deutet dieſe Zwiſchenwand darauf hin, daß etwas geplant iſt, was nicht wenig zu den verblüffenden Sehenswürdigkeiten hier beitragen wird. Der Beſitzer hat bereits zur Beförderung ſeiner Waren eine Zweigbahn und findet es vorteilhaft, eine Station für ſich und für die Bequem— lichkeit ſeiner Kunden zu haben. Hinter der Zwiſchenwand liegt jetzt eine Maſſe von Trümmern und Schlamm, von ge— brochenen Mauern und Heißwaſſerröhren, die mit Filz eingewickelt ſind, um die kalte Luft abzuhalten. Vor einigen Wochen war dieſe Wildnis mit Glas bedeckt, jedoch war es nötig, die Enden der langen Häuſer zu beſeitigen, um Raum für den Bau zu gewinnen, in welchen Beſucher direkt aus dem Eiſen— bahnwagen treten. Der Bahnſteig iſt bereits fertig, nett und ſauber, ebenſo ſind die großen Keſſel, die imſtande wären, eine Baumwollſpinnerei zu treiben, neu gebaut in ihren Heiz— ſtellen. Emſige Regſamkeit bietet ſich unſeren Blicken, wenn wir durch Offnungen in der Wand des Korridors hinunter ſehen. Hier iſt das Zimmer der Setzer für das prächtige dreiſprachige Werk über Orchidologie Die „Reichenbachia“, welches langſam 1) Ich war zu voreilig. Vanda teres weigerte ſich zu blühen. (Anmerkung des Verfaſſers.) 154 Zehntes Kapitel. von Jahr zu Jahr fortſchreitet; da iſt die Druckerei ohne Schnellpreſſen oder arbeiterſparende Maſchinerie; jedoch die geſchickteſten Arbeitsleute, das ſchönſte Papier, die beſten und koſtſpieligſten Arten der Vervielfältigung ſind hier zu finden, um mit den großen Werken der Vergangen- heit durch Abbildungen aus dem Gebiete moderner Wiſſen— ſchaft zu wetteifern. Dieſe Abteilung brauchen wir jedoch nicht zu beſuchen, auch nicht die Räume weiter unten, wo mechaniſche Arbeiten verrichtet werden. Der „Einführungsraum“ erfordert zuerſt Beachtung. Hier langen Woche für Woche Kiſten zu Fünfzigen und Hun— derten aus allen Gegenden der Welt an, werden ausgepackt und der Inhalt wird aufgeſchichtet, bis oben Platz gemacht werden kann. Es iſt ein langer, breiter, niedriger Raum, mit Tiſchen an der Wand und in der Mitte, angefüllt mit Dingen, welche dem Uneingeweihten zum größten Teil als trockne Stöcke oder tote Zwiebeln erſcheinen. Orchideen überall! Sie hängen in dichten Bündeln von der Decke herab, liegen auf und unter jedem Tiſch und hängen an den Wänden. Arbeitsleute gehen fortwährend ab und zu mit Laſten, welche eine Karre füllen könnten, und während der ganzen Zeit häufen ſich unter den Händen einer kleinen Gruppe von Arbeitern in der Mitte des Raumes neue Vorräte an. Sie ſind beim Auspacken von ſoeben angekommenen Kiſten, welche, 80 an der Zahl, geſtern abend von Burmah eingetroffen ſind, und während wir zuſehen, bringt ein Burſche ein Telegramm, 50 weitere Kiſten von Mexiko ankündigend, welche auf der Waterloo-Station um 2 Uhr 30 Min. nachmittags eintreffen. Groß iſt der Verdruß und die Beſorgnis bei dieſer Nachricht; denn irgendwo iſt ein Fehler gemacht worden; die Anzeige hätte 3 Stunden früher eintreffen ſollen. Orchideen dürfen nicht auf Stationen ein⸗ treffen, ohne daß ein erfahrener und verſchwiegener Mann Zehntes Kapitel. 155 zum Empfang gegenwärtig ift, und der nächſte Zug geht exit um 2 Uhr 44 Min. von St. Albans ab. Groß iſt die Empfindung der Verantwortlichkeit, aufregend die Befürchtung einer Widerwärtigkeit, welche durch dieſes Verſehen hervor— gerufen wird. Die Kiſten aus Burmah ſind mit Dendrobien gefüllt, crassinode und Wardianum in Schichten ſo dicht wie möglich mit D. Falconeri als Packmaterial. Gewiß eine großartige Sache, anſtatt der Hobelſpäne oder Moos eine Orchidee von Wert zu verwenden, doch ebenſo paſſend wie einträglich; denn dieſes Packmaterial wird nächſtens zur Auktion geſandt und für einen verhältnismäßig geringeren Preis als der des wertvolleren Inhalts verkauft werden. Wir bemerken, daß die erfahrenen Arbeitsleute beim Auspacken dieſer koſtbaren Stöcke behutſam zu Werke gehen; bei der Behandlung von Dendrobien iſt ja nicht ſoviel Gefahr und Unannehmlichkeit zu befürchten als bei anderen Arten; aber Schiffsratten ſpringen mit— unter heraus und verſetzen ihnen abſcheuliche Biſſe. Skorpione und Tauſendfüße find in den dichten Wurzeln von D. Falconeri gefunden worden, ſtechende Ameiſen und ſehr große Spinnen ſind durchaus nichts Unerhörtes, während Kellerraſſeln von Rieſengröße erwartet und ſofort getötet werden müſſen. Aber die Leute werden bald vorſichtig durch Erfahrungen mit weit gefährlicheren Ladungen. In den Maſſen von Arundina bambusaefolia unter jenem Tiſch lauern gewiß Tauſendfüßler, vielleicht gar Skorpione, die bei der erſten Durchſicht nicht bemerkt worden ſind. Glücklicherweiſe iſt dieſes Ungeziefer bei der Ankunft durch die Kälte träge und betäubt, und bis jetzt iſt keiner von den Leuten — vorſichtig wie ſie ſind — geſtochen worden; doch Ameiſen ſind lebhaft und tückiſch wie daheim. Eine Sendung von Epidendrum bicornutum verlangt etwas Mut. Eine ſehr häßliche Ameiſe liebt die hohlen Bulben; wenn ſie geſtört wird, ſchießt fie mit Blitzesſchnelle heraus 156 Zehntes Kapitel. und verſetzt der Hand oder dem Arm einen Stich, dem ſchwer zu entgehen iſt. Am ſchwierigſten ſind die Kiſten zu hand— haben, welche Schomburgkia tibicinis enthalten. Dieſe prächtige Orchidee iſt ſo ſchwierig zur Blüte zu bringen, daß ſehr wenige es verſuchen. Ich habe die Blüten nur zweimal geſehen. Die Packer zollen dem Widerwillen des Publikums, es zu kaufen, ihren ganzen Beifall, da dieſe Abneigung die Einführung ſeltener macht; denn der erſte Arbeiter iſt wiederholt durch Ameiſen verletzt worden. Hingegen werden auch intereſſante Merkwürdigkeiten gefunden, tropiſche Käfer, Inſekten und Cocons. Dendrobien ſind beſonders bei Faltern beliebt, D. Wardianum iſt mit ihren Geſpinſten bedeckt, jedoch ſind dieſe gewöhnlich leer. Bisher haben die Leute keine Schmetterlingspuppen aufbewahrt, augenblicklich haben ſie jedoch einige von unbekannten Arten gefunden. Der Eigentümer bekommt zuweilen komiſche Ratſchläge und fremdartige An— erbietungen zu Hilfeleiſtungen. Da von Inſekten die Rede iſt, erinnert er ſich eines Briefes, den er in der vorigen Woche erhielt. Er lautet alſo: Meine Herren! Ich habe gehört, daß Sie bedeutende Orchideen-Züchter ſind; habe ich recht, wenn ich annehme, daß die Pflanzen in ihrem Wachstum oder ihrer Fortpflanzung oft von Inſekten oder Raupen heimgeſucht werden, welche ihr Gedeihen verhindern oder aufhalten, und daß dieſe Inſekten oder Raupen durch kleine Schlangen vernichtet werden können? Ich habe Ländereien in meinem Beſitz, und wenn kleine Schlangen Ihnen in Ihrer Orchideen-Kultur nützlich ſind, ſo ſchreiben Sie mir, da ich Ihnen welche liefern könnte, wenn ich wüßte, daß dieſelben Wert für Sie haben. Von da ſteigen wir nach den Pflanz-Räumen, wo ein Dutzend Leute ſich bemühen, mit dem Wachstum der ein— Zehntes Kapitel. 157 geführten Pflanzen Schritt zu halten, d. h. von Tag zu Tag diejenigen einzupflanzen, welche ſo ſchnell Wurzeln ſchlagen, daß Verzögerung nachteilig ſein würde. Die breiten Tiſche in der Mitte ſind mit Moos, Heide- und Lauberde und weißem Sande bedeckt, an jeder Seite ſind Handlanger mit Sieben und Miſchen der Erde beſchäftigt, während Knaben mit Töpfen und Körben, Holzblöcken, Scherben und Holzkohlen ab und zu gehen. Dieſe Materialien ſind haufenweiſe an den Wänden auf Gerüſten aufgeſpeichert; ſie füllen die halb unterirdiſchen Räume, welche wir im Vorübergehen erblickten. Dieſe Abtei— lung unſerer Farm gleicht einer Fabrik. Wieder nach der Oberfläche aufſteigend und quer über den Korridor ſchreitend, wollen wir Nr. 1 der gegenüber— liegenden Glashäuſer beſichtigen. Ich kann mir nicht ein— bilden und noch weniger kann ich beſchreiben, welchen Eindruck dieſer Anblick auf einen völligen Neuling machen würde. Dieſe Häuſer — es ſind deren zwölf nebeneinander — ſind 60 m lang, und das ſchmalſte iſt 11 m breit. Dasjenige, welches wir betreten, iſt nur für Odontoglossum crispum und einige Masdevallien beſtimmt. Hier waren eines Tages 22000 Töpfe; mehrere Tauſend ſind verkauft, andere Tauſende herein— gebracht worden, und die Anzahl, welche es gegenwärtig ent— hält, kann nicht überſchlagen werden. Der Beſitzer hat keine Zeit, ſich in dergleichen Berechnungen einzulaſſen, er treibt en gros-Handel. Man telegraphiere eine Beſtellung auf tauſend „Criſpums,“ und es wird kein Aufſehen in dieſem Geſchäft erregen. Man glaubt im allgemeinen, daß nur ein Groß— händler einen ſolchen Auftrag erteilen könne, doch dies iſt durchaus nicht der Fall. Niemand würde es glauben, wenn er es nicht von einem der großen Handelsgärtner gehört hätte, in welchem Maßſtabe Orchideen von Privatperſonen kultiviert werden. Unſer Freund hat einen Kunden, welcher ſeinen Vorrat von O. crispum allein auf der Höhe von 158 Zehntes Kapitel. 10000 Stück hält; doch andere, welche weniger genau nach— zählen, mögen vielleicht noch mehr haben. Der Thür gegenüber iſt ein hohes Gerüſt mit Stufen, einem Gang in der Mitte und Tiſchen an jeder Seite. Dieſe ſind voll von O. crispum, jedes mit einer oder zwei Blütenriſpen, welche herabhängen, ſich ineinander flechten und wieder aufwärts ſteigen. Nicht alle ſind gegenwärtig in Blüte. Dieſen ſehenswerten Anblick werden wir erſt im nächſten Monat genießen. Zwei Monate dauert die Blütezeit, und nur ganz allmählich nehmen die Blüten ab, ſo daß der zufällige Beſucher die Verringerung kaum bemerkt. So lang und dicht ſind die Blütenriſpen, ſo groß die einzelnen Blüten, daß das Haus von oben bis unten mit ſchneeweißen Guirlanden geſchmückt erſcheint. Doch hier iſt noch mehr zu ſehen. Oben befinden ſich ganze Reihen von Körben mit herabhängenden Blütenriſpen. Auf breiten Tiſchen an der Wand unter der Stellage entfalten tauſend andere ihre kleinen, jedoch nicht weniger ſchönen Blumen. Wer kann dieſen Anblick beſchreiben? Ich bin es nicht imſtande! Die Einrichtungen der Farm ſind es jedoch, mit me wir uns jetzt beſchäftigen wollen, und da giebt es manches zu ſehen, woauf der Liebhaber ſein Augenmerk richten ſollte. Betrachten wir zunächſt die Backſteine unter unſeren Füßen. Sie haben eine Vertiefung, welche Waſſer enthält, obgleich die Fußbekleidung des Beſuchers trocken bleibt. Auf jeder Seite des Weges liegen flache Tröge, die immer mit Waſſer gefüllt ſind. Unter der Stellage iſt ein Haufen von Laub, hier von einem Waſſerbehälter, da von einer grünen Farngruppe unterbrochen. Dünne, durchlöcherte, eiſerne Röhren durchlaufen das Haus von einem Ende zum andern, ſo daß, wenn ein Hahn aufgedreht wird, die Beete durchnäßt, die Tröge und Backſteine gefüllt werden, ohne daß eine Pflanze getroffen wird. Unter ſolch fortwährender Durchnäſſung geht Zehntes Kapitel. 159 das Laub unter den Tiſchen in Verweſung über und entwickelt ähnliche Gaſe und Dämpfe, als die, in welchen die Orchideen in ihrer Heimat ſich ſo wohl befunden haben. Nach dieſem Muſter ſollte der Liebhaber ſein Gewächshaus einzurichten ſuchen, jedoch meine ich nicht, daß dieſe umſtändlichen Vor— richtungen alle weſentlich ſind. Nur wenn, wie hier, mit der Natur gewetteifert wird, ſolche Blumen und Knollen hervorzubringen, wie es nur unter ſo ſeltenen Bedingungen geſchehen kann, nur dann empfiehlt es ſich, dies Syſtem nachzuahmen. Indes nehmen es Orchideen nicht ſo genau. Am anderen Ende öffnet ſich dieſes Haus in einen prächtigen Bau, ausſchließlich zur Ausſtellung blühender Exemplare beſtimmt, welche eine größere Wärme erfordern. Er iſt 100 m lang, 9 m breit und 6 m hoch. Die darin befindlichen Röhren würden aneinander gelegt nahezu eine engliſche Meile lang ſein. Wir ſehen, welche Hülfsmittel dieſem Geſchäft zu Gebote ſtehen, wenn es ſich darum handelt, ſolch eine Schauſtellung zu veranſtalten. Hier ſtehen die mächtigen Schaupflanzen von Cymbidium Lowii, von denen neun die Beſucher der Gartenbau-Ausſtellung in Berlin, im Jahre 1889, in Erſtaunen ſetzten, mit 150 Blütenriſpen, alle zu gleicher Zeit geöffnet. Wir bemerken hier eine Menge Pflanzen, welche faſt ebenſo ſchön ſind, und hunderte, welche ein königlicher Gärtner mit Stolz betrachten würde. Sie überragen eine die andere in einer großen Gruppe. Auch andere Cymbidien find hier, aber nicht das ſchöne C. eburneum. Seine großen weißen Blüten, welche aufrecht an einer kurzen Riſpe ſtehen, ſchmücken ein Kalthaus, in welchem ſie ſich durch ihren herrlichen Duft bemerkbar machen, noch ehe wir ſie ſehen. Weiter vorn befindet ſich eine Gruppe von Dendrobien, ſo mit Blüten bedeckt, daß die Blätter nicht zu ſehen ſind. Das lieblichſte von allen, nach meinem Geſchmack, wenn über— haupt Vergleiche geſtattet find, iſt D. luteolum von 160 Zehntes Kapitel. zartem Schlüſſelblumengelb; leider iſt es jelten zu ſehen, da es ſich nicht an unſere Behandlung gewöhnen will. Nun kommt eine Gruppe von Cattleyen und Vandeen aus ver— ſchiedenen Gattungen. Der Weg iſt an einer Seite mit Begonia corallina eingefaßt, einer Art, welche zu ſehr wuchert und zu kleine Blüten hat, um einen Platz im gewöhnlichen Gewächshaus zu verdienen, hier aber, wo ſie ſich an das Glasdach rankt und zu jeder Jahreszeit mit unzählbaren roſa— farbenen Sproſſen geſchmückt iſt, prächtig ausſieht. Hinter dieſem Ausſtellungs-Hauſe liegen die kleinen zur Züchtung von Kreuzungen beſtimmten Abteilungen, auf welche ich in einem andern Kapitel zurück komme. Hier ſind auch die Phalaenopſis, die Vandeen, die Bollea, Pescatorea, Andectochilus und andere zierliche aber eigenſinnige Schön— heiten untergebracht. Wir treten in die zweite Reihe der Gewächshäuſer ein, welche den Odontogloſſen, Masdevallien und „kalten“ Orchi— deen vorbehalten iſt. Sie ſind ebenſo gefüllt wie die vorher— gehenden. Nun gelangen wir wieder in den Korridor und nach Nummer drei, welches von Cattleyen und dergleichen in Be— ſitz genommen iſt. Hier iſt eine hohe Felſengruppe, mit einem Teich am Fuße, in welchem das Waſſer angenehm plätſchert. Viele beſonders große Exemplare ſind hier ausgepflanzt, Cypri— pedien, Cattleyen, Sobralien, Phajus, Laelien, Zygopetalum und hundert andre, alles Prachtexemplare, das will ſagen mit zehn, zwanzig, fünfzig Blütenriſpen. Ich will keine weitere Beſchreibung verſuchen. Wer Kenner iſt, dem wird die ein— fache Aufführung der Namen genügen, dem Nichtkenner kann dieſer Anblick nicht durch Worte beſchrieben werden. Doch die Sobralien verdienen beſonderer Erwähnung. Hier ſtehen ſie in Maſſen, mehr als ½ m dick, wie ein Bambusdickicht, mit einer Menge ihrer großen Blüten am Ende der Stengel, im all— 5 > 1 . 9 N 8 E g u u 4 1 5 £ * j w F “ B N 5 . 44 ws B 38 b ö 2 2 * * 9 PL) 1 * 4 >» IR: u 8 19 > FR j ‚ a ” — > . = b | 1 “2 u 2 4 > . 9 u N m: * 1 Zehntes Kapitel. 161 gemeinen an Iris (?) erinnernd, aber vergrößert und doch noch ſchöner. Die Natur machte ſich einen Spaß, wenn ſie jeder dieſer edlen Blumen nur einen Tag gab, während häßliche braune Epidendren ſechs oder neun Monate andauern. Ich glaube, es giebt, wenigſtens unter den Orchideen, keine Pflanze, welche die Sobralien an ſtolzer Haltung, verbunden mit Zartheit, übertrifft. Ich darf mich nicht zu lange bei dem Wunderbaren vor uns, über uns und an unſerer Seite aufhalten, eine Andeutung muß genügen. Da ſind Körbe mit Laelia anceps, 1 m im Durchmeſſer, ganz ſo wie ſie vom Baume abgenommen ſind und wie ſie in den Urwäldern ſeit Jahrhunderten wuchſen. Eine von ihnen, die weiße Varietät — welche äſtethiſch gebildete Un— gläubige anbeten könnten, auch wenn ſie ſonſt an Nichts glauben — öffnete zu Weihnachten hundert Riſpen. Wir halten uns nicht mit genauem Zählen auf, und wer hätte wohl dazu Luſt; aber ein begeiſterter Philiſter zählte eines Tages die Blumen der ungeheuren Maſſe jener Laelia albida, und ſtellte feit, daß ſie ſich auf zweihundert und elf beliefen, wenn er nicht, wie jemand vermutete, Blüten und Blütenſtände verwechſelt hat, in welchem Falle die Zahl mit zwei oder drei multipliziert werden müßte. Doch dergleichen macht hier kein Aufſehen. In der Nähe ſteht die höchſt ſeltene ſcharlachrot blühende Utricularia, welche in den Blattwinkeln einer Vriesea wächſt, wie in einer immer gefüllten Schale; bis jetzt iſt jedoch ihre Blüte in Europa blos mit geiſtigen Augen geſehen worden. Es iſt bekannt, oder es ſollte bekannt ſein, daß die Utricularien nicht zu den Orchideen gehören, ja garnicht einmal in die ent— fernte Verwandtſchaft derſelben; ſie werden jedoch ſo allgemein mit ihnen kultiviert und verlangen eine ſo ähnliche Behand— lung, daß Herr Sander ſie ebenfalls führt. Eine kleine Ge— ſchichte knüpft ſich an die ſchöne U. Campbelli. Es war zur Zeit der allgemeinen Jagd nach Cattleya labiata. Herr Sander, durch eine Notiz Sir Robert Schom— Orchideen. 11 162 Zehntes Kapitel. burgk's irre geführt, ſandte einen Sammler nach den Roraima— Bergen in Guiana, mit dem gemeſſenen Befehl, nur auf dieſe Pflanze zu fahnden und alles andre bei Seite zu laſſen. Acht Monate lang wanderte dieſer unter den Indianern auf und ab, durch Urwald und Lichtungen, über Waldſtröme und Felſen, fand aber weder C. labiata noch die ſeltſame von Sir Robert Schomburgk beſchriebene Art. Dagegen ſtieß er auf die ſchöne Utricularia Campbelli, und trotz des erhaltenen Befehls brachte er ſie an die Küſte; doch nur wenige er— reichten England lebendig. Sechs Wochen wanderten ſie auf den Rücken der Träger von ihren Bergen herab nach dem Eſſequibo-Fluß, von da ſechs weitere Wochen im Kahn nach Georgetown mit zwanzigmaligem Umladen, dann wurden ſie eingeſchifft. Die einzige Möglichkeit, die Pflanzen lebend zu erhalten, iſt, ſie ungeſtört in den Moosballen zu laſſen, in welchen ſie wachſen, ebenſo wie andere Arten in den Blatt- winkeln der Vriesea. | Ich erlaube mir hier eine kleine Abſchweifung. Man könnte es für unwahrſcheinlich halten, daß eine ſtarkwüchſige Pflanze mit auffallenden Blüten und charakteriſtiſchen Kenn— zeichen für ein halbes Jahrhundert und mehr den Augen des Sammlers entgehen ſollte, der doch mit der Sache vertraut iſt und ermuntert wird, keine Koſten zu ſparen, wenn die geringſte Ausſicht für ein günſtiges Reſultat vorhanden iſt. Doch wenn die näheren Umſtände in Betracht gezogen werden, hört das Wunderbare daran auf. Ich ſelbſt habe Monate hin— durch in Borneo, Central-Amerika und der Weſtküſte die Wälder Afrikas durchſtreift und nach meiner Erfahrung kann ich im Gegenteil nicht begreifen, wie das Aufſuchen einer gewiſſen Pflanze anders mit Erfolg gekrönt werden kann als durch reinen Zufall. Eine Nadel in einem Heubunde zu ſuchen, iſt ein mehr verſprechendes Unternehmen im Vergleich mit dem Auf— finden einer Orchidee, welche im Gipfel der dicht belaubten Zehntes Kapitel. 163 Bäume wächſt. Thatſächlich finden die Sammler ſelten das, was zu ſuchen ſie ausgeſchickt werden, wenn die Gegend nicht bereits bereiſt war und die Eingebornen demzufolge nicht darin eingeweiht ſind, dem wiſſenſchaftlichen Reiſenden be— hilflich zu ſein. Dies bezieht ſich keineswegs auf Orchideen allein. Wenige Menſchen, die paar Eingeweihten ausgenommen, wiſſen, daß Eucharis amazonica nur einmal gefunden wurde, d. h., daß nur eine Sendung nach Europa gekommen iſt, von welcher alle die Millionen Exemplare abſtammen, die ſich gegenwärtig in Kultur befinden. Wo die Pflanze zu Hauſe iſt, wiſſen wir nicht. Faſt ein ganzes Menſchenalter hindurch ſind gewandte Reiſende nach ihr ausgeſchickt worden. Herr Sander nahm auch an der Suche teil, und hat wenigſtens die Genugthuung gehabt, daß nahe verwandte Arten, nämlich Eucharis Mastersii und Eucharis Sanderiana, durch ſeine Sammler entdeckt wurden; jedoch die Zwiebel der altbekannten Art iſt noch zu ſuchen. Doch, nehmen wir unſere Wanderung wieder auf. In dieſem dritten Hauſe befindet ſich eine große Kollektion von Cattl. Trianae, welche ſo ſpät im vorigen Jahre ankam, daß die Blütenſcheiden ſich zu gleicher Zeit mit denen von Cattl. Mossiae öffneten. Ich ſcheue davor zurück, einen Überſchlag zu machen, wie viel tauſend Blüten gegenwärtig offen ſind. So wie die Odontogloſſen ihre Tiſche mit ſchneeweißen Guirlanden, ſo bedecken dieſe Cattleyen die ihrigen mit ihren aufrechten Blütenſtänden in weiß, roſa und purpurn mit zahl— loſen Farben-Nüancen. Plötzlich ſtutzt unſer Führer und ſchaut nach einem Korb, der oben an der Decke ſchier unerreichbar hängt. Er enthält einen glatt ausſehenden Gegenſtand, ſehr grün und dick, ſicherlich etwas Gutes zu eſſen. Doch nein! das iſt zweifellos ein Blütentrieb, was dort aus der Achſel des fleiſchigen Blattes hervordringt. Schon iſt er 4 em lang, 11* 164 Zehntes Kapitel. dick wie ein Bleiſtift, mit einer dicken Knoſpe an der Spitze. Dergleichen angenehme Überraſchungen hat zuweilen der Orchideen-Züchter! Die Pflanze kam von Borneo vor ſo viel Jahren, daß die Notiz darüber verloren iſt; aber der älteſte Gehilfe erinnert ſich ihrer als eines armſeligen Krüppels, welcher, zwiſchen Leben und Tod hängend, von einem Jahr zum anderen mit fortgeſchleppt wurde. Intereſſant iſt das Geſpräch, welches nun beginnt. „Mehr einer Vanda als etwas anderem ähnlich, aber doch keine Vanda“, entſcheiden die Sach— kundigen bis auf weiteres. Sie der beſonderen Sorgfalt der verantwortlichen Hände anempfehlend, gehen wir weiter. Hier erblicken wir auf einem Gerüſt die gewichtige Maſſe des größten Catasetum, welches jemals gefunden, ja von welchem jemals berichtet wurde, ungefähr ſo, wie ſie in ihrem heimatlichen Walde in Guatemala gelegen haben mag. Die Pflanze iſt in dem Zuſtande, „plump“ zu werden, oder Fleiſch anzuſetzen. Orchideen ſchrumpfen auf ihren langen Reiſen ein, und es iſt die erſte Sorge des Empfängers, jene glatte und geſunde Rundung wieder herzuſtellen, welche auf ein gutes Gewiſſen, gute Verdauung und die Fähigkeit, jeder be— ſcheidenen Anforderung genügen zu können, ſchließen läßt. Unter den Stellagen ſind Tauſende verdorrter Stöcke, zu— ſammengeſchrumpfter und gefurchter Bulben unmittelbar über den oben erwähnten Haufen von Laub aufgehängt; ſie „pumpen ſich voll“ in dem feuchten Schatten. Das größere Exemplar von Catasetum — es ſind ihrer zwei vorhanden — iſt ungefähr 1,3 m lang, 1 m breit und 50 cm dick; wie viel Hunderte von Blüten es bringen wird, entzieht ſich der Berechnung. Ich machte die Bemer— kung, daß es, geteilt und in paſſende Töpfe gepflanzt, ein Kalthaus von nicht unbedeutender Größe füllen würde, aber eine Teilung desſelben ſcheint nicht beabſichtigt zu ſein. Der Züchter hat einige Kunden, die begierig ſein werden, dieſe Zehntes Kapitel. 165 merkwürdigſte aller Orchideen zu erwerben, ſobald ſie auf den Markt kommt. Am anderen Ende des Hauſes befindet ſich wieder eine Felspartie, ebenfalls mit einem kleinen Springbrunnen und ſo viel merkwürdigen Pflanzen, daß deren Schilderung allein den mir zur Verfügung ſtehenden Raum beanſpruchen würde. Doch glücklicherweiſe ſteht obenan eine Cattleya Mossiae, ein Seitenſtück des Catasetum und ganz entſchieden die um— fangreichſte Orchidee irgend einer Art, die je nach Europa gebracht worden iſt. Jahrelang ſtrich Herr Sander, ſozuſagen, um ſie herum und gebrauchte ſeine ſchlaueſten und diplo— matiſchſten Agenten dazu, ſie zu erwerben. Denn es war keine wilde Pflanze, ſondern ſie wuchs auf einem hohen Baume neben der Hütte eines Indianers, nahe bei Carracas, und war ſein Eigentum ſo gut wie die Früchte ſeiner Pflan— zung. Sein Urgroßvater, ſo ſagte er, hätte ſie „gepflanzt“, was jedoch höchſt unwahrſcheinlich iſt. Dieſe Rieſenpflanze hatte zwei Aſte des Baumes umarmt und bedeckte ſie ſo gänzlich, daß nur die nackten Holzteile an der Spitze ſichtbar waren; natürlich wurden die Aſte oberhalb und unterhalb der Pflanze abgeſägt. Ich nahm das Maß jo genau wie es bei einem ſo unregelmäßig gewachſenen Gegenſtande möglich iſt, und fand, daß der Stock allein, die Blätter nicht ge— rechnet, 1,60 m in der Höhe und 1,3 m im Durchmeſſer hat, es handelt ſich, wohlverſtanden, um eine Pflanze, deren Lebensſaft durch alle die tauſend Glieder cirkuliert; ich wenig— ſtens konnte keine Stelle bemerken, wo der Saftumlauf durch Verwundung oder Krankheit geſtört war, oder wo außerhalb ſtehende Scheinbulben eine ſelbſtändige Exiſtenz führten. Als ich von Laelia elegans ſprach, bemerkte ich, daß die braſilianiſchen Inſelbewohner, die ſie verloren haben, ſich tröſten würden, wenn ſie ſehen könnten, wie heimiſch ſie ſich in der Verbannung fühlt. Der freundliche Leſer hält dies 166 Zehntes Kapitel. vielleicht für eine Übertreibung, doch dem iſt nicht ſo. Die Indianer im tropiſchen Amerika hegen für eine ſchöne Orchidee eine ſolche Vorliebe, daß in vielen Fällen keine Summe und kein Anerbieten von Wert ſie veranlaßt, ſich von ihr zu trennen, und das Eigentumsrecht iſt ausdrücklich gewähr— leiſtet für jedes Exemplar, das in der Nähe eines Dorfes wächſt. Ob der Grund dieſes Gefühls Aberglaube iſt oder Geſchmack, Schönheitsſinn oder Wetteifer in dem Beſtreben ihre Kirchen zu ſchmücken, habe ich nicht zu ermitteln vermocht. Beſonders ſtark iſt es in Coſta Rica entwickelt und dort wenigſtens durch den letztaufgeführten Grund genügend zu erklären. Wundervoll über alle Einbildung muß der Anblick dieſer ein— ſamen Waldkirchen, die kein Europäer außer dem Sammler beſucht, an einem Feſttage ſein. Herr Roezl, deſſen Name ſo bekannt unter den Botanikern iſt, hinterließ eine Beſchreibung des Anblicks, als er zum erſten Male Laelia majalis ſah. Er ſagt: „Die Kirche war bekränzt mit ihren Guirlanden, und ſolche Erregung ergriff mich, daß es mir den Atem benahm.“ Dieſer Bericht iſt ganz glaubwürdig; diejenigen, welche dieſe wundervolle Pflanze jetzt ſehen und auf die Schönheit des Anblicks vorbereitet ſind, können kaum Worte finden, um ihrem Gefühl Ausdruck zu geben; wie viel mehr muß das der Fall geweſen ſein bei einem Enthuſiaſten, der unvorbereitet dieſe Blume ſah, welche allerdings ein Gruß aus einer beſſeren Welt zu ſein ſcheint, und noch dazu nicht einen einzelnen Zweig, ſondern Guirlanden davon! Herr Noezl erzählt weiter von Sträußen von Masdevallia Harryana, ca. 1 m und mehr im Durchmeſſer. Die Eingeborenen zeigten ihm „Gärten“, wo dieſe Art als Schmuck für ihre Kirche gezogen wurde; ſie waren zwar nicht kultiviert, aber ſicherlich angepflanzt und erſtreckten ſich über viele Morgen. Der Indianer, dem die oben beſchriebene Cattleya Mossiae gehörte, weigerte ſich jahrelang, ſich von ihr zu Zehntes Kapitel. 167 trennen; er wurde jedoch ſchließlich durch eine Flinte von be— ſonderer Schönheit, welche anderen wertvollen Geſchenken hin— zugefügt wurde, umgeſtimmt. Eine Laterna magica übt großen Einfluß in derartigen Angelegenheiten aus, und der Sammler nimmt heutzutage eine oder mehrere derſelben als Ausrüſtung mit ſich. Mit dieſem Reizmittel und 47 £ bar er- warb Herr Sander ſeine erſte C. Mossiae alba; jedoch iſt dies in einem anderen Falle nicht gelungen, trotz eines Gebotes von 100 £ in Dollars oder in Waren nach Belieben des Indianers. Wir kommen jetzt in ein weites und luftiges Haus, beſtimmt zur Kultur der Victoria regia und anderer tropiſcher Waifer- pflanzen. Es erfüllte ſeinen Zweck für einige Zeit, und ich habe dieſe Pflanzen nie wieder unter Umſtänden geſehen, die ſo geeignet waren, ihre Reize zur Entfaltung zu bringen. Da ſich jedoch in den Baſſins eine unglaubliche Maſſe kleiner ſchwarzer Fliegen entwickelte, wurde die Kultur dieſer Nymphaeen aufgegeben. Einige wenige wurden beibehalten, gerade genug, um das Baſſin mit ihren blauen und roten Blüten zu ſchmücken. Die Decke iſt jetzt dicht mit Körben behängt, welche Dendrobium, Coelogyne, Oncidium, Spathoglottis und ſolche Arten ent— halten, die in der Nähe dampfenden Waſſers ſich wohl fühlen. Mir fehlen aber jetzt die Worte, und die Wunder hier müſſen unbeſchrieben bleiben. Wir haben bisher nur vier der zwölf Häuſer und dieſe nur oberflächlich in Augenſchein genommen. Das nächſte iſt wiederum ein temperiertes, voll von Cattleyen, Oncidien, die ſtets Wärme erfordern, Lycaſten und Cypripedien — die Auf— führung der Namen allein würde den ganzen, mir zu Gebote ſtehenden Raum beanſpruchen. Bei jedem Schritt ſehe ich bemerkenswerte Pflanzen, über welche ſich eine Abhandlung ſchreiben ließe; aber wir müſſen weiter gehen. Das ſechſte Haus iſt wieder kalt und für Odontoglossum und der— gleichen beſtimmt. Das ſiebente enthält Dendrobien. Beim 168 Zehntes Kapitel. Eintritt ſehen wir aber vor uns eine Lycaste Skinneri, welche in einer erſtaunlichen Weiſe die unendliche Fähigkeit der Orchideen, zu variieren, zeigt. Ich habe eine entſchiedene perſönliche Abneigung gegen dieſe Art mit ihrer aufdringlichen und an— maßenden Färbung und ihrer ſteifen Haltung. Doch hier ſehen wir ein Exemplar von ganz hervorragender Schönheit. Welch prächtige Aderung der purpur oder roſa geſäumten Blätter! Welch ein Glanz der ſammetnen Lippe, die von karmeſin in tiefes dunkelrubinrot übergeht! Und hier iſt eine neue Brassia, erſt kürzlich von Profeſſor Reichenbach!) benannt. Dieſe ſeltſame Pflanze iſt noch wunder— barer, als die ganze Verwandtſchaft der Oneidien. Ihr Sepalum it 8 em lang, der „Schwanzteil“ 13 em, mit einer rieſigen Lippe dazwiſchen. In Mexiko ſoll ſie an manchen Orten Polypen- oder Octopus-Blume genannt werden, ein ſehr be— zeichnender Name. Anſtatt der gewöhnlichen, etwas blaſſen Färbung beſitzt dieſe hier eine ganz beſtimmte Farbe, obſchon der Grundton ebenfalls blaßgelb und grün iſt; die erhabenen roten und dunkelgrünen Punkte darauf gleichen Sammetflecken auf Muſſelin. Im achten Hauſe treffen wir wieder auf Odontogloſſen und andere Kalthaus-Arten. Hier iſt eine Anzahl von Hybriden oder vielmehr von Pflanzen, welche man für natürliche Hybriden hält, und über welche ich viel zu ſagen hätte, wenn der Platz es irgend erlaubte. Natürliche Hybriden ſind Pflanzen, welche, nach ihrem Vorkommen zu urteilen, ſelbſtändige Arten zu ſein ſcheinen, die aber bei näherer Betrachtung und Prüfung als Kreuzungen zweier verſchiedener Arten erkannt werden. Inter— eſſante Fragen ließen ſich bei der Betrachtung jeder dieſer ſchönen Schaupflanzen aufwerfen, welche ſämtlich auf Kreuzungen zwiſchen Odontoglossum Lindleyanum und O. crispum 1) Prof. Reichenbach ſtarb zu Hamburg im Mai 1889. Zehntes Kapitel. 169 zurückzuführen ſind und doch alle verſchieden ausſehen. Aber wir müſſen weiter zum neunten Hauſe, von welchem das zehnte ſich abzweigt. Hier iſt es warm, und Dämmerung herrſcht über dem Teile, wo die Angehörigen verſchiedener hochtropiſcher Gattungen ſich von den Strapazen der Reiſe erholen, wieder mit Saft füllen und Wurzeln ſchlagen. Dieſe zarten Kinder der Tropen mögen wohl über eine ſolche Lehrzeit entrüſtet ſein. Es muß ſie erniedrigen, ſich auf dieſen Beeten von Aſche und Moos ausgelegt, darüber verkehrt aufgehängt, oder wohl gar in die Aſche eingepflanzt zu ſehen; jedoch wenn ſie ſo vernünftig ſind, wie manche glauben, werden ſie einſehen, daß es nur zu ihrem Beſten geſchieht. Am Ende des Hauſes in vollem Sonnenſchein ſteht ein kleiner Hain von Vanda teres, ſo dicht als ihre ſteifen Zweige es erlauben. Doch weiter! Hier hängen Holzſtücke ſo verfault, daß ſie kaum zuſammenhalten; doch winzige grüne Punkte darauf deuten dem Erfahrenen an, daß ſie binnen kurzem mit grünen hängenden Blättern und, nach hoffentlich abermals kurzer Zeit, mit blauen, weißen und ſcharlachroten. Blüten von Utricularia geſchmückt ſein werden. Von dieſem Warmhauſe aus öffnet ſich ein ſehr langes, enges Haus, wo Kalthaus-Arten auf Moos und Topſſcherben ausgelegt, ſich wieder mit Saft füllen. Viele davon zeigen bereits ſtarken Wuchs. Die Pleiones oder „indiſchen Crocus“ blühen reichlich, wie ſie da liegen! Dieſe neu eingeführten Pflanzen ſind zur Ernte, d. h. zum Verkauf reif, noch ehe ſie recht beſorgt, d. h. eingetopft werden können. Schöne, ſeltene und koſt— ſpielige Pflanzen können hier meterweiſe gemeſſen werden; viele Fuß hoch liegen ſie auf den Stellagen und warten auf Beſorgung ſeitens rühriger Arbeiter. Leider können wir nur einen kurzen Blick darauf werfen. Das nächſte Haus enthält Odontogloſſen, aber ſo dicht ausgepflanzt, wie Pflänz— 170 Elftes Kapitel. linge für Teppichbeete in einer Handelsgärtnerei. Auch ſie warten, bis ſie an die Reihe kommen, um in Töpfe geſetzt zu werden. Der übrige Raum iſt jetzt angefüllt mit Ladungen von neu angekommenen Pflanzen. Doch genug davon! Wie wenig von all den Wundern der Orchideen ich auf unſerer Wanderung meinen Leſern habe vorführen können, und wie ſehr ich mit meiner Schilderung hinter der ſchönen Wirklichkeit zurückgeblieben bin, das weiß niemand beſſer als ich ſelbſt. Elftes Kapitel. über Züchtung von Orchideen und Krenzunas- formen. Ich erkläre vorweg, daß dies kein wiſſenſchaftliches Kapitel iſt. Es iſt für die Tauſende von Männern und Frauen geſchrieben, welche eine kleine Gruppe von Orchideen mit Liebe pflegen und das Wunderwerk ihres Baues mit eben ſo großem Erſtaunen als Intereſſe beobachten. Sie leſen von ſolchen Züchtungen, ſie ſehen die Reſultate in wertvollen Exemplaren, ſie verſchaffen ſich Bücher und ſtudieren Ab— handlungen darüber. Aber je mehr ſie ſich in die Unterſuchung vertiefen, deſto mehr kommen ſie in der Regel zu der Über— zeugung, daß dieſe Geheimniſſe außerhalb des Bereiches ihrer Erkenntnis liegen. Ich erinnere mich keiner Abhandlung, deren ernſthafter Zweck es iſt, die Uneingeweihten zu belehren. Laſſen wir zunächſt die techniſchen Ausdrücke bei Seite — wiewohl auch dieſes Hindernis groß genug iſt — ſo ſetzt jede der mir zu Geſicht gekommenen Abhandlungen die mechaniſchen Elftes Kapitel. 171 Handgriffe als bekannt voraus. Alle ſind ſie von Sachver— ſtändigen für Sachverſtändige geſchrieben. Meine Abſicht iſt umgekehrt, zu zeigen, daß ein Kind oder der einfältigſte Gärtner fähig iſt, die Operation zu verrichten, welche ſehr leicht iſt, ſobald man weiß, wie man zu Werke zu gehen hat. Eine junge Dame meines Hauſes amüſierte ſich, nachdem ſie eben etwas mit Cypripedium bekannt geworden war, damit, die unglaublichſten Kombinationen zu ſtande zu bringen: Dendrobium mit Odontoglossum, Epidendrum mit Oncidium, Oncidium mit Odontoglossum und dergleichen mehr. Es iſt unnötig, einem Erfahrenen zu ſagen, daß in jedem Falle die Samenkapſel anzuſchwellen begann. Ich erwähne dieſen Um— ſtand nur zum Beweis, wie einfach dieſe Operationen ſind, ſo— bald einmal ein Wink gegeben und verſtanden iſt. Orchideen-Liebhaber von einer gewiſſen Kühnheit ſind eigentlich erforderlich und erwünſcht, weil bis jetzt die Gärtner von Fach dieſe Operation zu ſehr in einer Richtung vor— genommen haben. Die Namen Veitch, Dominy, Seden u. ſ. w. werden beſtehen, wenn die mancher Gelehrten vergeſſen ſind; aber Geſchäftsleute ſind genötigt, ihren Eifer auf ſolche Ver— ſuche zu konzentrieren, welche ſich bezahlt machen. Phan— taſtiſche Kreuzungen erfordern natürlich einen Aufwand von Zeit, Platz und Arbeit; erſt in den letzten Jahren ſind einige ſolcher Verſuche ernſthaft unternommen worden, und um ſo mehr ſind die Beſtrebungen der Herren Veitch in dieſer Rich— tung deshalb anzuerkennen. Es iſt anzunehmen, daß, wenn erſt das Züchten von Hybriden eine gewöhnliche Beſchäftiguug für Orchideen— Beſitzer wird — und die Zeit hierfür rückt ſchnell heran — leicht eine vollſtändige Umwälzung die Folge ſein dürfte. Es wird, glaube ich, die lange Liſte von ſogenannten reinen „Arten“ und gar „Gattungen“, welche heutigen Tages noch anerkannt 172 Elftes Kapitel. find, bedeutend verkürzt werden.!) Ich glaube, unmaßgeb- . lich, wie es einem Ungelehrten gebührt, daß manche Unter- ſcheidungs-Merkmale, welche bis jetzt als weſentliche Merk— male einer echten Art galten, ſich in Zukunft als ſolche einer Hybride ausweiſen werden, als das Reſultat einer vor Jahr— hunderten ſtattgehabten Kreuzung. Beweiſen läßt ſich ſo etwas meiſt nicht, da das menſchliche Leben ſo kurz iſt; aber es wird eine ſolche Menge von Wahrſcheinlichkeitsgründen geſammelt werden, daß vernünftige Leute nicht länger im Zweifel ſein können. Natürlich wird man in botaniſchen Werken dieſe Arten beibehalten, jedoch als Hybriden bezeichnen, als die Nachkommenſchaft vielleicht von wiederum unzähligen Hybriden.) Ich bin mehr und mehr der Meinung, daß ſelbſt die Anſicht über Gattungen eine große Umgeſtaltung erleiden wird, und ich weiß, daß Leute von Anſehen meine Anſicht völlig teilen, obwohl ſie nicht kühn genug ſind, für dieſe Anſicht ſchon jetzt einzutreten. Noch vor wenigen Jahren wären dieſe Annahmen als Unſinn erſchienen, da alle Thatſachen mangelten, um ſie zu beweiſen. So wie unſere Vorfahren glaubten, daß eine Orchidee durch Menſchenhand zu befruchten unmöglich ſei, ſo glaubten wir bis vor kurzem, daß Gattungen ſich nicht kreuzen ließen. Doch beginnt auch dieſer Glaube zu ſchwanken. Obſchon Kreuzungen von zwei Gattungen bisher nicht gern vorgenommen wurden, da man nur wenig Gutes von ihnen erwartete, ſo ſind doch ſolche Reſultate erzielt worden, daß ein weites Feld zu Verſuchen für Leute, wie ich, offen liegt. Wenn Cattleya mit Sophronitis, Sophronitis mit 1) Das glaube ich auch. K. 2) Auch dieſer Fall iſt inzwiſchen eingetreten. Cypripedium Cur- tisii, bisher als „Art“ angeſehen, iſt nachkonſtruiert und als Baſtard nachgewieſen worden. Elftes Kapitel. 173 Epidendrum, Odontoglossum mit Zygopetalum, Coelogyne mit Calanthe gekreuzt ſind, jo darf man alles erwarten. Wie viel Hybriden beſitzen wir augenblicklich, etabliert, und von Hand zu Hand gehend, ſo gut wie natürliche Arten? Es iſt keine genaue Urkunde darüber vorhanden; aber in einem Kataloge eines franzöſiſchen Händlers ſind diejenigen, welche er liefern kann, mit franzöſiſcher Genauigkeit aufgeführt; ſie be— laufen ſich auf 416; doch ſind eine lebhafte Einbildung und kaufmänniſcher Unternehmungsgeiſt den Franzoſen nicht weniger charakteriſtiſch als Genauigkeit. In dem wertvollen „Manual“ der Herren Veitch, in welchem eine Fülle von Einzelheiten niedergelegt iſt, finde ich 10 Hybriden von Calanthe, 13 von Cattleya und 15 von Laelia, außerdem 16 „natürliche Hybriden“, d. h. Arten, welche auf gewiſſe Wahrſcheinlichkeitsgründe hin ſo klaſſifiziert find, ſodann die wunderbare Sophro -Cattleya, den Baſtard zweier Gattungen, 14 künſtliche Dendrobium-Hybriden, und eine, möglicherweiſe natürliche, ſowie 87 künſtliche Cypripedium— Hybriden beſchrieben. Was die Anzahl der wirklich vorhandenen betrifft, ſo iſt dieſe ſo ausgedehnt und vermehrtſich ſo ſchnell, daß die Zählung aufgegeben worden iſt. Von Phajus iſt eine Hybride bekannt, aber mehrere durch Vereinigung mit Calanthe entſtandene; von Chysis zwei, von Epidendrum eine, von Miltonia eine und zwei ſogenannte „natürliche“; von Masde- vallia zehn, darunter zwei „natürliche“ u. ſ. w. Es iſt in Betracht zu ziehen, daß dieſe erſtaunlichen Reſultate während eines Menſchenalters erzielt wurden. Herr Sander in St. Albans bewahrt eine intereſſante Reliquie auf, das einzige jetzt noch lebende Exemplar der erſten Hybride. Dies iſt Cattl. hybrida, die erſte dieſer Gattung, welche Herr Dominy, der verſtorbene Geſchäftsführer der Herren Veitch, auf Antrieb des Herrn Harris in Exeter zum größten Erſtaunen unſerer Großväter züchtete. Herr Harris war alſo der erſte, welcher 174 Elftes Kapitel. lehrte, wie Orchideen zu befruchten ſeien, und der ſomit der Orchidologie ein neues Feld eröffnete. Dieſe Pflanze war jahrelang vergeſſen, bis ſie Herr Sander zufällig bei Dr. Jeniſch in Hamburg fand und ſie nun als eine Merkwürdigkeit be— wahrt; denn an und für ſich hat ſie keinen gärtneriſchen Wert. Dominy's erſtes Reſultat, thatſächlich die allererſte zur Blüte gebrachte Garten-Hybride, war Calanthe Dominyj, ein Abkömmling von C. Masuca und C. furcata. Bemerkt mag hier ein für allemal ſein, daß bei ſolchen Doppelnamen der Name der Mutter oder Samenträgerin ſtets voran ſteht. Aber noch ein weiteres Intereſſe iſt mit C. Dominyi verknüpft. Beide Eltern gehören zu der Veratrifolia-Gruppe der Calanthen, und merkwürdigerweiſe iſt aus dieſer Abteilung noch keine andere Hybride gezüchtet worden. Wir haben hier eins der zahl— loſen bisher unaufgeklärten Geheimniſſe der Kreuzung. Die epiphytiſchen Calanthen, z. B. C. vestita, wollen ſich nicht mit den terreſtriſchen, wie C. veratrifolia, kreuzen laſſen, und ebenſo weigern ſich die Baſtardformen beider, dies zu thun. Im Jahre 1859 blühte C. Veitchii, aus C. rosea (welche in der Regel noch Limatodes rosea genannt wird) und C. vestita entſtanden. Keine Orchidee iſt ſo allgemein bekannt, und keine ſo ſchön in ihrer Einfachheit. Obgleich der Erfolg ſo bemerkens— wert und der Weg dazu ſcheinbar ſo leicht war, ſo vergingen doch 20 Jahre, ehe ſelbſt die Herren Veitch eine andere Hybride von Calanthe erzielten. Im Jahre 1878 brachte Seden ſeine Calanthe Sedeni aus C. Veitchi und C. vestita zur Blüte. Andere traten nun in die Schranken, namentlich Sir Trevor Lawrence, die Herren Cookſon und Charles Winn. Doch iſt das Genus klein; oft wurden dieſelben Arten gewählt, der Nachkommenſchaft aber neue Namen gegeben, ohne daß der eine wußte, was anderwärts der andere bereits erreicht hatte. Das Geheimnis, welches ich andeutete, wiederholt ſich vielfältig.: Große Gruppen von Arten verweigern eine Kreuzung mit ihren nächſten Verwandten, ſelbſt ſolche, die Elftes Kapitel. 175 von Botanikern als nahezu identiſch betrachtet werden. Indes iſt guter Grund zu der Hoffnung vorhanden, daß weitere Erfahrungen manchen dieſer bisher beſtehenden „Grundſätze“ beſeitigen werden. So iſt wiederholt und noch in den letzten Auflagen unſerer maßgeblichen Orchideen-Werke beſtimmt erklärt worden, daß ſüdamerikaniſche Cattleyen, die nicht nur unter ſich, ſondern auch mit den braſilianiſchen Laelien ge— kreuzt, fruchtbar ſind, eine Verbindung mit ihrer mexikaniſchen Verwandtſchaft verweigern. Baron Schroeder beſitzt eine Hybride von ſolchen Eltern dieſer entfernten Verwandtſchaft, nämlich von Cattl. eitrina (mexikaniſcher) und Cattl. inter- media (braſilianiſcher) Herkunft. Sie wurde von Fräulein Harris zu Lamberhurt in Kent gezüchtet, aber leider nur in einem einzigem Exemplar, welches ſchon wiederholt geblüht hat. Herr Sander hat Cattl. guttata Leopoldii aus Braſilien mit Cattl. Dowiana aus Coſta Rica gekreuzt, was Cattl. Chamberliana ergab; Laelia crispa aus Braſilien mit der— ſelben Pollenpflanze, woraus Laelio-Cattl. Pallas entſtand; Laelia flava aus Braſilien mit Cattl. Skinneri aus Coſta Rica, woraus Laelio-Cattl. Marriottiana entſtand; Laelia pumila aus Braſilien mit Cattl. Dowiana aus Coſta Rica, das Produkt heißt Laelio-Cattl. Normanni; Laelia Dig- byana aus Central-Amerika mit Cattl. Mossiae aus Venezuela, Laelio-Cattl. Digbyana-Mossiae gebend; Cattl. Mossiae aus Venezuela mit Laelia cinnabarina aus Braſilien = Laelio-Cattl. Phoebe. Bis jetzt noch umbenannt, da fie noch nicht geblüht haben, find die in derſelben Gärtnerei gezüchteten Baſtarde von Cattl. citrina aus Mexico und Laelia purpurata aus Braſilien; Cattl. Harrisoniae aus Braſilien mit Cattl. citrina; Laelia anceps aus Mexico mit Epidendrum ciliare aus Columbia. In anderen Gattungen ſind mehrere Hybriden, mexikaniſcher und ſüdamerikaniſcher Abkommenſchaft, gezüchtet worden, wie L. anceps & Epid. 176 Elftes Kapitel. ciliare, Sophronitis grandiflora & Epid. radicans; Epid. xanthinum & Epid. radicans. Bei den Cypripedien, die ſich am leichteſten und ſicher— ſten kreuzen laſſen, find oſtindiſche und amerikaniſche Arten mit— einander unfruchtbar. Die Herren Veitch erzielten, wie ſie beſtimmt glauben, ſolch eine Kreuzung in einem Falle. Sech— zehn Jahre lang wuchſen die Pflanzen und wuchſen, bis man glaubte, ſie würden wie gewöhnlich zu blühen verweigern. Ich ſchrieb, um genaue Nachrichten zu erhalten, und erhielt zur Antwort, daß endlich ein Exemplar zur Blüte gekommen ſei; es zeige jedoch keine Spur amerikaniſchen Einfluſſes und man ſei zu der Gewißheit gekommen, daß ein Fehler entweder in der Operation oder beim Einſchreiben begangen worden ſei. Ferner enthalten die Kapſeln von einer Menge bigeneriſcher Befruchtungen oft nicht ein einziges Samenkorn. In anderen Fällen ſchien der Same ausgezeichnet zu ſein, aber er weigerte ſich zu keimen, und ferner zeigten gewiſſe Sämlinge von 2 Gat— tungen nicht die geringſte Verwandtſchaft mit einer der Eltern. Zygopetalum Mackayi iſt bei Herrn Veitch, Herrn Cookſon und ohne Zweifel auch bei andern mit verſchiedenen Odonto— gloſſen befruchtet worden; doch die Blüten haben ſich ſtets als die des Zygopetalum Mackayi erwieſen, was, je mehr man darüber nachdenkt, deſto unerklärlicher erſcheint. Die Hybriden zeigen die Eigenſchaften der Eltern, doch neigen ſie ſich im allgemeinen, wie in den erwähnten extrem— ſten Fällen, der einen Seite mehr zu als der andern.!) Wenn eine Cattleya oder eine Laelia von der einblättrigen Sektion mit einer der zweiblättrigen befruchtet worden iſt, ſo bringen einige Nachkommen aus derſelben Kapſel zwei Blätter, andere nur eins, und andere wieder tragen an verſchiedenen Trieben bald eins bald zwei abwechſelnd, ohne ſich an eine uns bis jetzt bekannte Regel zu binden. So iſt es mit der hübſchen 1) In den meiſten gut beobachteten Fällen überwog der Einfluß des Vaters, alſo der Pflanze, welche den Pollen lieferte. — K. Elftes Kapitel. 1 Laelia Maynardii aus L. Dayana und Cattleya dolosa, welche von Herrn Sander gezüchtet und nach Herrn Maynard benannt wurde, der dieſen Kreuzungs-Kulturen ſpeciell vor— ſteht. Catt. dolosa hat zwei Blätter, L. Dayana hat ein Blatt, das Produkt aus beiden hat abwechſelnd zwei und eins. Die Sepalen und Petalen ſind von gleicher roſa-karmeſinroter Färbung, mit einer tieferen Nuance geadert, die Lippe iſt vom hellſten karmeſin, lang, breit und platt, und über der Säule, welche wie bei Catt. dolosa ſcharf niedergedrückt iſt, ſchön ge— krümmt. Wie man ſieht, überwiegt der Einfluß von Catt. dolosa. Die erſte Gattungs-Kreuzung erfordert ſchon ihrer eigenen Vorzüge wegen einen beſonderen Abſchnitt für ſich allein.“) Sophro-Cattleya Batemaniana wurde bei Herrn Veitch von Sophronitis grandiflora und Catt. intermedia erzielt; ſie blühte im Auguſt 1886. Die Petalen und Sepalen ſind ſcharlach-roſa, die Lippe iſt blaß-lila, amethyſtrot gerandet und roſapurpurn betropft. Unter Dendrobien iſt nur eine natürliche Hybride feſt— geſtellt, ohne Zweifel ein Abkömmling von D. erassinode und D. Wardianum. (?) Die Herren J. Laing und Söhne in Foreſt Hill haben ein ſchönes Exemplar davon; es hat den Wuchs des letzteren und die Blüte des erſteren, iſt aber größer und ſchöner. Man vermutet, daß es noch andere natürliche Dendrobien-Hybriden giebt; von künſtlich gezüchteten ſind nicht weniger als fünfzig vorhanden. Phaius — oft Phajus geſchrieben — iſt ſo nahe mit Calanthe verwandt, daß für Kreuzungszwecke wenigſtens kein Unterſchied in Betracht kommt. Dominy gewann Ph. irroratus von Ph. grandifolius und Calanthe vestita; Seden machte dieſelbe Kreuzung, gebrauchte aber die Varietät C. v. rubro- 1) Das iſt Geſchmacksſache. Ich habe die Pflanze bei Baron Schröder in the Dell bei Staines blühend geſehen. Sie iſt entſchieden mehr intereſſant als hübſch. Orchideen. 12 178 Elftes Kapitel. oculata und erhielt Ph. purpureus. Diejer Erfolg iſt um jo intereſſanter, als eine der Eltern immergrün, die andre da— gegen laubabwerfend iſt. Hierin liegt wahrſcheinlich der Grund, daß nur wenige von den Sämlingen fortkommen; ſie zeigen den erſteren Habitus. Herr Cookſon allein hat bis jetzt einen Erfolg mit Kreuzung zweier Arten von Phaius gehabt. Ph. Cooksoni iſt aus Ph. Wallichii und Ph. tuberculosus entſtanden. Man kann ſagen, daß dies mit Ausnahme von Calanthe Veitchii die beſte bis jetzt gewonnene Hybride iſt, “ wenn man alle Eigenſchaften, ſtattliches Ausſehen, Blühbar— keit, auffallende Färbung und verhältnismäßig leichte Kultur in Betracht zieht. Eine Bulbe bringt bis zu vier Blüten— ſtänden, in einem zwölfzölligen Topfe wurden deren 28 gezählt, jeder mit ungefähr 30 Blüten. Seden hat zwei Kreuzungen von Chysis gemacht, beide mit Zuhülfenahme der prächtigen, aber raſch verblühenden Ch. bractescens, einer der lieblichſten Orchideen mit großen weißen Blüten mit goldigem Centrum. Von Ch. aurea hat niemand, glaube ich, bis jetzt Samen bekommen. Dieſe Art hat das ſeltene Vorrecht der Selbſtbefruchtung. Warum? möchte man fragen — und ſie macht begierig davon Ge— brauch, ſobald oder ſchon bevor die Blume ſich zu öffnen be— ginnt; denn wie wachſam auch die Züchter ſein mögen, man hat bis jetzt ſtets die Narben durch die eignen Pollenſchläuche befruchtet gefunden, noch ehe eine Kreuzbefruchtung ausgeführt werden konnte. Ein hybrides Epidendrum iſt erzielt worden, nämlich Epid. O’Brienianum von Epid. evectum und Epid. radicans, erſteres purpurn, letzteres ſcharlach; die neue Pflanze blüht hellkarmeſin und iſt den beiden ohnehin nahe verwandten 1) Ja, dieſe Pflanze iſt unbedingt herrlich. Sie hat die Schön— heit von Ph. tuberculosus, welche ſehr ſchwer, und die unbändige Lebenskraft von Ph. Wallichii, welche leicht zu kultivieren iſt. Elftes Kapitel. 179 Pflanzen ziemlich gleich. Es war eine recht überflüſſige Mühe, dieſe Kreuzung vorzunehmen. Die Miltonien zählen zwei natürliche Hybriden und eine künſtliche, Mil. Bleuana von Mil. vexillaria und Mil. Roezlii, zwei Pflanzen, welche gewöhnlich zu den Odonto— gloſſen gerechnet werden. Herr Bleu und die Herren Veitch machten dieſe Kreuzung ungefähr gleichzeitig, doch blühten die Sämlinge des erſteren im Jahre 1889, die der letzteren erſt 1891. Hier haben wir einen Beweis für den Vorteil, welchen franzöſiſche Gärtner genießen. Selbſt ſoweit nördlich wie Paris machten ein heiterer Himmel und reichlicher Sonnen— ſchein einen Unterſchied von mehr als zwölf Monaten. Wenn Italiener zu hybridiſieren beginnen, werden wir Wunder ſehen — und erſt Griechen und Egypter! Masdevallien ſind durch ihre Färbung in der Regel, und mitunter durch ſtarken Geruch, für Inſekten ſo anziehend — und werden auch ſo leicht befruchtet — daß man glauben ſollte, in dieſer Gattung manche natürliche Hybriden zu finden; und doch ſind nur wenige vorhanden. Reichenbach mutmaßte, daß zwei Arten, welche ihm zur Unterſuchung gegeben waren, Abkömmlinge beſtimmter Eltern ſeien. Daraufhin hat Seden beide aus der Kreuzung, die Reichenbach angab, erzielt. Unter Phalaenopsis haben wir drei natürliche Hybriden; Ph. intermedia erſchien zuerſt unter einem Transport von Ph. Aphrodite im Jahre 1852. Herr Porte, ein franzöſiſcher Kaufmann, brachte im Jahre 1861 zwei Exemplare nach Europa. Sie waren etwas verſchieden, und er gab ihnen ſeinen Namen. Die Herren Low führten im Jahre 1874 mehrere ein, von denen abermals eine etwas abweichend war und nach Herrn Brymer benannt wurde. Seitdem ſind drei gefunden worden, aber immer in der Nachbarſchaft von Ph. Aphrodite; das beſte bekannte Exemplar iſt im Beſitz von Baron Rothſchild. Daß 12 * Am 180 Elftes Kapitel. ſie natürliche Hybriden waren, konnte von vorn herein kaum beſtritten werden; Seden kreuzte Ph. Aphrodite nachträglich mit Ph. rosea und lieferte damit den experimentellen Nachweis. Unſere Garten-Hybriden ſind Ph. F. L. Ames, ein Ergebnis von Ph. amabilis und Ph. intermedia, und Ph. Hariettae von Ph. amabilis nnd Ph. violacea gezüchtet und nach der Tochter des Herrn Eraſtus Corning in Albany, Nord-Amerika, benannt. Unter den Oneidien giebt es bis jetzt nur zwei natür— liche Hybriden, und dieſe ſind noch zweifelhaft; einige andere hält man dafür; Garten-Hybriden giebt es, meines Wiſſens, noch nicht. Ahnlich it es, wie bereits gejagt, mit Odontogloſſen, jedoch befruchten dieſe ſich gegenſeitig ſo leicht im natürlichen Zuſtande, daß ein großer Teil der ſogenannten Arten wahr— ſcheinlich Hybriden ſind. Ich komme hierauf ſpäter zurück. Ich habe die Cypripedien bis zuletzt gelaſſen, weil dieſe außerordentlich interreſſante Gattung etwas mehr verlangt, als eine trockne Aufzählung. Darwin legte dar und verſuchte zu beweiſen, daß das Cypripedium die Urform der Orchideen vorſtelle. Er kannte kein Bindeglied zwiſchen dieſer und den ſpäteren, gewiſſermaßen vollendeteren Gattungen; und es iſt ſicher, daß eine gewaltige Vernichtung ſtattgefunden haben muß, die eine Unzahl von Zwiſchenarten hinweg geräumt hat, während dieſe einzige Gattung, welche an eine frühere und einfachere Bauart der großen Orchideen -Klaſſe erinnert, ver— ihont blieb. Die geographiſche Verbreitung beweiſt, daß Cypripedien in früheren Zeiten viel gewöhnlicher waren und einen größeren Flächenraum als jetzt einnahmen. Ihr Aus— ſterben ſetzt ſich auch jetzt noch fort, wie es mit anderen ur— ſprünglichen Formen der Fall iſt. Die Herrn Veitch weiſen darauf hin, daß, obgleich wenige Pflanzen⸗Gattungen ſoweit über die Erde verbreitet ſind, wie Elftes Kapitel. 181 Cypripedium, die einzelnen Arten doch auf Gebiete von ge— ringer Ausdehnung beſchränkt ſind und oft abgeſondert und von ihrer Verwandſchaft entfernt vorkommen. Einige ſind ſo ſelten, daß wir von Glück ſagen können, daß durch Zufall einige Exemplare in unſre Häuſer kamen, ehe es zu ſpät war; denn ſie ſcheinen ſogar erſt in dieſem Jahrhundert ausgeſtorben zu ſein. Die Herren Veitch führen einige ſchlagende Beiſpiele an. Alle von Cyp. Fairieanum exiſtierenden Exemplare ſind Abkömmlinge von drei oder vier, welche zufällig im Jahre 1856 eingeführt wurden. Zwei Stückchen von Cyp. super- biens fanden ſich in einer Sendung von Cyp. barbatum, keine andern ſind ſeitdem gefunden worden, und es iſt zweifel— haft, ob dieſe Art in der Heimat überhaupt noch vorkommt. Nur drei Pflanzen von Cyp. Mastersianum wurden ent— deckt. Herr Bull erhielt ſie in einer Kiſte mit ver⸗ ſchiedenen Cypripedien, welche vom Direktor des botaniſchen Gartens zu Buitenzorg auf Java geſandt wurden; jedoch konnte weder dieſer Herr, noch ſein Nachfolger ein anderes Exemplar finden. Dieſe drei müſſen zufällig in den Garten gekommen ſein, vielleicht als Geſchenk eines reiſenden Holländers. Cyp. purpuratum iſt in Hongkong faſt ausgeſtorben und verſchwindet ſchnell auf dem Feſtlande. Es wird noch gelegent— lich in dem Garten eines Eingeborenen geſehen, der, ſo wird uns berichtet, ſich ſtandhaft weigert, es zu verkaufen. Dies mag denen unglaublich erſcheinen, welche den Chineſen kennen, doch Herr Roebelin beſtätigt es; eine Abſonderlichkeit mehr bei dieſem Volk, welches deren ſchon ſo viele beſitzt. Sammler hoffen eine neue Heimat von Cyp. purpuratum in Formoſa zu finden, wenn es ihnen erlaubt ſein wird, dieſe Inſel zu bereiſen. Selbſt unſer einheimiſches Cyp. Calceolus iſt faſt verſchwunden; wir erhalten es nur aus Central-Europa, aber ſelbſt da, wo es in Maſſe vorkam, vermindert es ſich mehr 182 Elftes Kapitel. und mehr.!) Dasſelbe wird aus Nord-Amerika und Japan berichtet. Im direkten Gegenſatz hierzu ſteht die Thatſache, daß Cypripedien ſich mit merkwürdiger Leichtigkeit vermehren, ſobald ihren geringen Anſprüchen Genüge geleiſtet wird, und es iſt keine Gefahr vorhanden, daß eine Art, welche vom Ausſterben gerettet wurde, unter der Pflege des Menſchen umkommen wird. Dies ſcheint ein Widerſpruch zu ſein. Warum ſollte eine Pflanze unter künſtlichen Verhältniſſen beſſer gedeihen als da, wo ſie von der Natur hingeſtellt wurde? Der Grund liegt in dem altertümlichen Bau der Cypripedien, welcher von Darwin nachgewieſen wurde. Ihre Zeit iſt vorüber und die Natur läßt ſie von der Erdoberfläche verſchwinden. Eine ſtufenweiſe Anderung der Umſtände macht es dieſer Urform der Orchideen ſchwerer, zu beſtehen, und, die drohende Gefahr gewiſſermaßen erkennend, nimmt ſie dankbar unſere Hilfe an. Die eine Urſache des Ausſterbens iſt leicht zu verſtehen. Cypripedien können ſich nicht ſelbſt befruchten, ein einziges ausgenommen, Cyp. Schlimii, welches — infolgedeſſen, möchte man ſagen — ſehr ſchwierig einzuführen und zu ziehen iſt; überdies blüht es ſo reichlich, daß die Sämlinge immer ſchwächlich ſind.?) Bei allen Arten iſt der Fort— pflanzungsapparat derart, daß die Blüten nicht durch Zufall befruchtet werden können, und nur wenige Inſekten ſind imſtande, dieſen Dienſt zu leiſten. Dr. Hermann Müller beobachtete ſehr emſig Cyp. Calceolus. Er bemerkte jedoch nur fünf Arten von Inſekten, welche es befruchteten. Cyp. Calceolus beſitzt Wohlgeruch und Honig, ein Lockmittel, welches keine der tropiſchen Arten hat. Ihre Farben ſind 1) Weil es rückſichtslos ausgerottet wird und unſere Wälder ver- ſchwinden. Wo die Förſter die Pflanzenhyänen fernhalten, gedeiht es wunderſchön. 2) Dieſen Zuſammenhang verſtehe ich nicht. Ich muß hier noch einmal bemerken, daß ich lediglich die Überſetzung revidiert habe. — K. Elftes Kapitel. 183 nicht auffallend genug. Die Lippe iſt mehr eine Falle als ein Lockmittel. Große Inſekten, welche hineinkriechen und mit der Pollenmaſſe beladen ſind, werden gefangen und durch den klebrigen Stoff feſtgehalten, wenn ſie verſuchen durch die Seitenauswege zu entweichen, durch welche hindurchzudringen kleinere Inſekten zu ſchwach ſind. Natürliche Hybriden kommen ſo ſelten vor, daß ihr Vorhandenſein direkt verneint wird. Das iſt zwar nicht ganz richtig; wenn wir jedoch den Bau dieſer Gattung in Betracht ziehen, jo erſcheint es nicht mehr außergewöhnlich, daß Cypri— pedien ſich ſo ſelten natürlich befruchten. Cattleyen, Odontogloſſen und ähnliche Arten leben zuſammen auf demſelben Baume dicht bei einander, während die Cypripedien größtenteils entfernt von einander, jede Art für ſich, wachſen. Der Grund hierfür iſt bereits erwähnt — Naturgeſetze haben ſie in den Zwiſchenräumen, welche nicht geeignet waren, eine verurteilte Gattung zu erhalten, aus— ſterben laſſen. Ohne Zweifel ſind Cypripedien ſelten fruchtbar, wenigſtens in ihrer Heimat. Die Schwierigkeiten, welche Inſekten finden, dieſen Dienſt zu leiſten, wurden bereits erwähnt. Herr Godſeff macht mich auf einen Grund aufmerkſam, der noch merkwür— diger und auffallender iſt. Wenn eine Biene die Pollenmaſſe einer Cattleya z. B. forträgt, hängt dieſelbe am Kopf oder der Bruſt mittelſt eines klebrigen Stoffes, der ſich an der Pollen— maſſe befindet, ſo daß, wenn ſie zu einer anderen Blume fliegt, ſie den Pollen auswärts auf die Narbe bringt, während bei den Cypripedien kein ſolcher Stoff vorhanden iſt; die klebrige Seite des Pollen ſelbſt iſt auswärts gewandt und hängt ſich an einen dort eindringenden Gegenſtand.!“) Demzufolge nimmt 1) Richtiger wäre geweſen, zu jagen, daß die beiden Staubgefäße in der Regel ſtark auswärts gedreht find. Übrigens iſt dieſe ganze Aus- führung ſtark anfechtbar. — K. 184 Elftes Kapitel. ein Inſekt, welches durch Zufall an die Pollenmaſſe ſtößt, ſie ſozuſagen verkehrt hinweg. Beim Beſuch der nächſten Blume bietet ſich nicht der zur Befruchtung nötige Teil dar, ſondern ein kleines unfruchtbares Kügelchen, welches dahinter ift. !) Man darf annehmen, daß dieſe Gattung in früherer Zeit, als ſie dieſelben Vorteile genoß, deren die ſpäteren Orchideenformen ſich jetzt erfreuen, auch Mittel und Wege zur Befruchtung hatte, welche gegenwärtig verſchwunden ſind. Unter ſolchen ungünſtigen Umſtänden iſt es nicht zu erwarten, oft Samenkapſeln an eingeführten Cypripedien zu finden. Die Herren Veitch erklären, daß ſie an der Menge Pflanzen, welche durch ihre Hände gingen, ſelten eine ſolche 1) Das wäre richtig, wenn die Inſekten das ganze Staubgefäß mitnähmen, was aber ſchlechterdings unmöglich iſt. Ich bin in der Lage, dieſe ganze Auslaſſung über die Befruchtung von Cypripedien als verfehlt bezeichnen zu müſſen. Der Herr Verfaſſer befindet ſich hier auf keinem ihm vertrauten Terrain. Ich kann nicht Punkt für Punkt dis⸗ kutieren, möchte aber nur auf zweierlei aufmerkſam machen. Die Cypri⸗ pedien ſind in unſeren Sammlungen eingeſtandenermaßen leicht befruchtbar und ſetzen reichlich Samen an, ſodann ſind ſie leicht auf vegetativem Wege vermehrbar — beides iſt kein Zeichen von Altersſchwäche. Ferner, da die Befruchtung nur durch Inſekten bewirkt werden kann, ſo würden wir eher ein ungeheures Sterben unter gewiſſen Inſektenabteilungen annehmen müſſen, durch welches die zur Befruchtung unumgänglich nötigen Tiere vermindert oder vernichtet wurden. Eine maſſenhafte Vernichtung von Turdus viscivorus, der Miſteldroſſel, würde nach einer Reihe von Jahren genau dieſelbe Erſcheinung bei unſerer Miſtel herbei— führen, und die Miſtel macht doch wahrlich keinen altertümlichen oder ſonſtwie ſchwächlichen Eindruck. Was die ſyſtematiſche Stellung der Cypripedien angeht, jo glaube ich allerdings, daß zwiſchen ihnen und den übrigen Orchideen ſehr viele Bindeglieder fehlen; ich gehe indeſſen noch weiter und behaupte, daß ſie mit dieſer Familie nichts weiter als den allgemeinen Typus der Monocotylen gemeinſam haben, im übrigen aber einer ganz anderen Formenreihe angehören. Sie nehmen ſich unter den Orchideen ebenſo unnatürlich aus, als an einer anderen Stelle des Syſtems. Ein weiteres Eingehen auf dieſe Frage iſt hier natürlich un— möglich. — K. Elftes Kapitel. 185 ſahen. Mit einigen Arten iſt es jedoch nicht ſo ſchlimm beſtellt. Als die Herren Thompſon in Clovenfords eine Anzahl von Cyp. Spicerianum einführten, als es zum erſten mal auf den Markt kam, fanden ſie einige Kapſeln, aus welchen ſie einige Hundert Sämlinge erzogen. Kapſeln, voll von reifen Samen, finden ſich ferner oft an importierten Cyp. insigne. In den aufgeführten Fällen finden wir die Erklärung für eine außergewöhnliche Thatſache. Hybriden oder auf künſtlichem Wege erzogene natürliche Arten ſind ſtärker im Wuchs und bringen beſſere Blumen als ihre wilden Ver— wandten. Der Grund iſt, daß ſie in ihrer Gefangenſchaft reichliche Nahrung erhalten und alles gethan wird, es ihnen angenehm zu machen, während die Natur, in der Abſicht, eine Pflanzenform, die ſie nicht länger billigt, los zu werden, ſie vernachläſſigt und verhungern läßt.“) Dieſelbe Folgerung macht es uns verſtändlich, weshalb Cypripedien ſich ſo leicht zu Kreuzbefruchtungen bereit finden laſſen. Darwin lehrte uns, daß Arten, welche ſchwerlich hoffen können, auf gewöhnliche Art befruchtet zu werden, ſich anſtrengen, die Verrichtung ſo leicht und ſicher wie möglich unter gegebenen Bedingungen zu machen, und keine dieſer ſeltenen Gelegenheiten unbenutzt zu laſſen. Und ſo iſt es auch, und Orchideenzüchter erklären, daß „jedermann“ ſich heutzutage mit dem Kreuzen von Cypripedien beſchäftigt. In der That haben ſich viele Leute dieſem angenehmen und intereſſanten Zeitvertreib gewidmet, daß die Botaniker es aufgegeben haben, die zahlloſen Kunſtprodukte wiſſenſchaftlich feſtzuſtellen und zu buchen. Die erſte Hybride von Cypri- pedium wurde von Dominy im Jahre 1869 gezüchtet und nach Dr. Harris benannt, der, wie bereits geſagt, ihn zur 1) Wie brutal! Glaubt Herr Boyle an die Natur als eine be— wußt handelnde Potenz? — K. 186 Elftes Kapitel. Befruchtung veranlaßt hatte. Seden züchtete die nächſte im Jahre 1874, nämlich Cyp. Sedeni von Cyp. Schlimii und Cyp. longiflorum, bemerkenswert als der einzige bis jetzt be— kannte Fall, daß Sämlinge ſtets gleich ſind, gleichviel, welche der Elternpflanzen den Pollen geliefert hat. In jedem anderen Falle ſind ſie verſchieden, je nachdem die Funktionen der Eltern wechſeln. Ich will in aller Kürze zwei oder drei Thatſachen be— rühren, die uns als Laien unerklärlich erſcheinen, wenn wir nicht die Lehre von einer ſpeziellen Schöpfung an Ort und Stelle zulaſſen wollen. Oncidium cucullatum wächſt üppig in gewiſſen beſchränkten Bezirken von Peru, Ecuador, Co— lumbia und Venezuela, kommt aber in den weiten, dazwiſchen liegenden Gebieten nicht vor, ebenſowenig irgend ein anderes Oncidium, welches als unmittelbarer Vorfahre angeſehen werden könnte. Iſt es anzunehmen, daß Winde oder Vögel es über hohe Gebirge und breite Flüſſe, mehr als 2000 Meilen weit, nach vier verſchiedenen Richtungen trugen, um es auf einem engen Landſtrich anzuſiedeln?!) Es iſt eine ſchwierige Frage; ich für meinen Teil möchte eher denken, daß gebildete Auswanderer es mit ſich nahmen. Aber ſelbſt Wind und Vögel konnten nicht den Samen von Dendrobium heterocarpum von Ceylon nach Burmah und von Burmah nach Luzon auf den Philippinen bringen, wenigſtens kann ich es nicht glauben. Wären die Pflanzen einander gleich an den verſchiedenen Plätzen, ſo würde es weniger von Bedeutung ſein. Aber D. heterocarpum von Ceylon hat eine lange dünne Bulbe mit hellgelben Blüten, das von Burmah iſt kurz und dick mit blaſſerer Färbung, das von Luzon iſt mehr als 1 m hoch, alſo höher als alle 1) Für dieſen Fall, wie für zahlreiche ähnliche, giebt die An- nahme einer Eiszeit eine gute Erklärung. O. cucullatum iſt eine aus⸗ geſprochene Berg-Orchidee. Elftes Kapitel. 187 ſeine Verwandten, während die Blüten von derſelben Farbe ſind wie bei der zunächſt ſtehenden Varietät; und doch ſind alle 3 botaniſch genau dieſelbe Pflanze. Ich habe bereits andere Fälle aufgeführt. Erfahrung hat gelehrt, daß wir in England keine Odontogloſſum-Sämlinge erziehen können; ſehr, ſehr wenige ſind überhaupt bis jetzt gewonnen worden. Ver— ſuche in Frankreich ſind beſſer gelungen. Baron Adolf von Rothſchild hat gegenwärtig vier verſchiedene Hybriden von Odontogloſſum mit Knoſpen in ſeinem Garten in Amanvilliers bei Paris, und auch Herr Moreau hat verſchiedene Sämlinge. Sachverſtändige geben jetzt zu, daß eine große Anzahl unſerer Odontogloſſen möglicherweiſe natürliche Hybriden ſein können; fo viele können zweifellos (?) als ſolche bezeichnet werden, daß das Spekulationsfeld faſt keine Grenzen hat.!) O. excellens iſt ſicher (2?) ein Abkömmling von O. Pescatorü und O. trium- phans, O. elegans von O. cirrhosum und O. Halli, O. Wattianum von O. Harryanum und O. hystrix. Es muß bemerkt werden, daß wir bis jetzt die Abſtammung nicht weiter als bis zu den Eltern verfolgen können, einige ſehr wenige Fälle ausgenommen; jedoch haben Verbindungen ſeit undenklichen Zeiten ſtattgefunden. Ohne Zweifel ſind die Orchideen die jüngſten Kinder der Flora, aber zugleich ihre lieblichſten. Wir können die vermiſchte Abkommenſchaft er— kennen von O. crispum Alexandrae, gepaart mit O. glorio— sum, O. luteo-purpureum und O. Lindleyanum. Dieſe Eltern wachſen nahe bei einander, und es konnte an Verbin— dungen nicht fehlen. Wir kennen ſchon jetzt einige doppelte Kreuzungen, z. B. O. lanceanum, das Reſultat einer Verbindung zwiſchen O. crispum Alexandrae und O. Rückerianum, letzteres eine Hybride der erſteren mit O. gloriosum. Wenn 1) Bis jetzt iſt, wie Herr Boyle ſelbſt an anderen Orten zugegeben hat, noch kein Odontogloſſum künſtlich nachgebildet worden; von zweifellos iſt alſo keine Rede. 188 Elftes Kapitel. wir bedenken, daß O. Roezlii am Ufer des Fluſſes Cauca, O. vexillarium höher hinauf, dagegen O. vexillarium superbum zwiſchen beiden wächſt, ſo können wir dreiſt die Sonderbarkeit eines breiten dunklen Fleckens auf der Lippe des letzteren dem Einfluß von O. Roezlii zuſchreiben. Des— gleichen, wenn wir unſeren Standpunkt zu Manaos am Amazonenſtrom nehmen, jo finden wir im Oſten Cattleya superba, im Weſten C. Eldorado und in der Mitte C. Bry- meriana, welche ſicherlich als ein Verbindungsglied der beiden Arten angeſehen werden kann. Ob das ſtimmt, wird ſich bald herausſtellen; denn Herr Alfred Bleu hat die Kreuzung zwiſchen C. superba und C. Eldorado vorgenommen und die Blume wird mit nicht geringem Intereſſe erwartet.“) Dieſe Fälle und viele andere ſind handgreiflich. (?) Wir ſehen heutzutage die Entſtehung einer Varietät. In tauſend oder zehntauſend Jahren wird ſie ſich vielleicht durch Verbin— dungen aller Art, durch veränderte äußere Umſtände zu einer Species entwickelt, oder es ſogar zum Rang einer Gattung gebracht haben. Ich habe mehrere Male Herrn Cookſon genannt. Über Züchtung von Kreuzungen zu ſprechen, ohne Bezugnahme auf ſeine erſtaunlichen Leiſtungen, würde in der That un— natürlich erſcheinen. Eines Sonntag Nachmittags, vor zehn Jahren, beſchäftigte er ſich, nachdem er Darwins Buch geleſen hatte, mit der Erforſchung der Struktur einiger Cypripedien und befruchtete ſie. Zu ſeinem Erſtaunen fingen die Samen— kapſeln an zu ſchwellen, und zu gleicher Zeit ſtieg Herrn Cookſons Begeiſterung für ſolchen Zeitvertreib. Er wußte damals nicht, und glücklicherweiſe gaben ihm dieſe Verſuche 1) Es wäre den Engländern in Verulamium (St. Albans) und anderwärts der alte Satz Bacos von Verulam ins Gedächtnis zu rufen, daß das Experiment und dies allein entſcheidet, und daß Spekulationen ſich leicht ins Blaue verlieren. — K. Elftes Kapitel. 189 keinen Grund zu vermuten, daß ſehr leicht Pſeudo-Befruchtung durch irgend etwas bewirkt werden kann. So ungemein empfindlich iſt nämlich die Narbenfläche der Cypripedien, daß ſie auf bloße Berührung reagiert. Auf die Erregung hin, welche nur durch ein Blattſtückchen verurſacht werden kann, wird ſie alle äußerlich ſichtbaren Stadien der Befruchtung durchmachen. Der Fruchtknoten wird anſchwellen, reifen und in gewiſſer Zeit mit allem Anſchein der Befruchtung aufſpringen, jedoch iſt, wie voraus zu ſehen, kein Same vorhanden. An— fänger dürfen daher nicht ſo leichtgläubig ſein, wenn ihre kühnen Verſuche auch vielverſprechend erſcheinen. Von dieſem Tage an widmete Herr Cookſon ſeine Muße der Züchtung von Hybriden und erzielte jene Ergebniſſe, welche jedem, der Intereſſe an Orchideen findet, bekannt ſind. Im Anfang hatte er reichlich Mißerfolge, jedoch wurden deren weniger und weniger, ſo daß er jetzt vertrauensvoll auf 75 Proz. Pflänz— linge rechnet. Doch hat dies keinen Bezug auf Gattungs— Kreuzungen, welchen er bis jetzt ſeine Aufmerkſamkeit weniger geſchenkt hat. Mit Cypripedien anfangend, hat er jetzt 94 Hybriden gezüchtet; dieſe ſind ſamt und ſonders von 140 Samenkapſeln gewonnen. Von Calanthen erzielte er 16 Hybriden aus 19 Kapſeln, von Dendrobien 36 aus 41 Kapſeln, von Masdevallien 4 Hybriden aus 17 Kapſeln, von Odontogloſſen keine aus 9 Kapſeln; von Phajus 2 aus 2 Kapſeln; von Vanda keine aus einer Kapſel und von bigeneriſchen Hybriden eine aus 9 Kapſeln. Außerdem mag vielleicht noch die eine oder andere vorhanden ſein, jedoch erzeugt aus einer ſo ungewöhnlichen Verbindung und unter ſo zweifelhaften Umſtänden, daß Herr Cookſon nicht davon ſprechen will, bis er die Blüte geſehen hat. Es liegt nicht in dem Bereiche dieſes Kapitels, die Erfolge dieſes Herrn im einzelnen zu beſprechen, jedoch ſelbſt für Botaniker und Fach— leute wird es von Intereſſe ſein, einige der merkwürdigſten 190 Elftes Kapitel. Kreuzungen kennen zu lernen; denn ſie ſind bisher nicht ver— öffentlicht. Phajus Wallichii Laelia praestans Ich führe auf gut Glück folgende an: > Phajus tubereulosus > Cattleya Dowiana ® purpurata x ” ” 5 5 > Laelia grandis tenebrosa x 5 >< Cattleya Mendellii — „ marginata x Laelia elegans Cooksoni Cattleya Mendellii h KRUTDDFEER 5 Trianae X „ harpophylla 8 Percivalliana 8 5 8 Lawrenceana >< Cattleya Mossiae & gigas Se 1 Gaskelliana @ crispa >< 8 5 A Dowiana >< > 8 4 Schofieldiana NEE gigas imperialis P Leopoldii >€ 4 Dowiana Cypripedium Stonei > Cypripedium Godefroyae 5 5 < 5 Spicerianum = Sanderianum X 5 Veitchii Spicerianum X 3 Sanderianum 55 Jo 5 5 vexillarium Dendrobium nobile nobilius & Dendrobium Falconeri a 3 A 2 nobile Cooksonianum 2 Wardianum X 5 aureum % 55 > a Linawianum A luteolum > 3 nobile nobilius Masdevallia Tovarensis >< Masdevallia bella 5 Shuttleworthii & 3 Tovarensis 77 77 N 79 rosea Von dieſen und und vielen anderen hat Herr Cookſon in dieſem Augenblick 15000 Pflanzen. Da mein Endzweck der iſt, Liebhaber zu ermuntern, ein gleiches zu thun, mag es mir vergönnt ſein, etwas zu berühren, was unter anderen Um— ſtänden nicht am Platze wäre. Orchideenzüchter möchten gern wiſſen, wie viel die Kollektion des Herrn Cookſon einbringen .r würde, wenn man ſie kluger Weiſe auf den Markt brächte. 8 Elftes Kapitel. 191 Ich will nicht die Abſchätzungen, welche ich gehört habe, erwähnen; es genüge, zu ſagen, daß ſich der Wert auf viele, viele Tauſend Pfund Sterling beläuft, daß der Unterſchied zwiſchen der höchſten und niedrigſten ein hübſches Vermögen vorſtellt. Und dieſe große Summe iſt nur durch Verſtand erworben, ohne erhöhte Ausgaben, durch Kühnheit von An— fang an, Nachdenken, Sorgfalt und Geduld, ohne beſondere Kenntnis; denn vor 10 Jahren wußte Herr Cookſon nicht mehr von Orchideen als irgend jemand, der ſich für ſie inter— eſſiert, und ſein Gärtner war zuerſt ebenſo unwiſſend und von Vorurteil eingenommen. Die Ausſicht, großen Reichtum durch eine angenehme Beſchäftigung zu erwerben, ſollte, denke ich, zu Unternehmungen ermutigen. Jedoch dürfen Liebhaber keine Zeit verlieren. Faſt jeder der berufsmäßigen Orchideenzüchter bereitet ſich vor, in die Schranken zu treten. Dieſe müſſen jedoch ihre Aufmerkſamkeit auf ſolche Kreuzungen richten, welche das Publikum anziehen. Ich rate meinen Leſern, kühn, ja ſogar verwegen zu ſein. Es iſt erfreulich, zu hören, daß Herr Cookſon die Abſicht hat, von jetzt an bigeneriſche Befruchtungen aufmerkſam zu beobachten.“) Der gewöhnliche Beweggrund, Orchideen zu kreuzen, iſt natürlich derſelbe, welcher den Blumiſten in anderen Reichen der Botanik anſpornt. Er ſucht Färbungen, Formen, verſchiedene Eigentümlichkeiten auf neue Weiſe zu verbinden. Orchideen bieten ſich in gewiſſen Grenzen mit beſonderer Leichtigkeit zu Verſuchen dar, und die bei ihnen auftretenden Farben ſcheinen uns gewiſſermaßen einzuladen, Miſchungen vorzunehmen. Betrachten wir Species und Genera zuſammen, ſo iſt gelb vor— herrſchend, welches ſpeziell in der großen Abteilung der Oncidien die Oberhand hat. Purpur und purpurbraun kommen ihm zu— 1) Herr Cookſon ſchreibt mir: Zollen Sie meinem jetzigen Gärtner, William Murray, einige Anerkennung, der ſolche in hohem Maße ver— dient. — Autor. 192 Elftes Kapitel. nächſt, weil ſie bei Cattleyen in hohem Grade vertreten ſind. Es folgt grün, wenn wir die ganze Gruppe der Epidendren einſchließen — von denen jedoch nur wenige ſchön zu nennen ſind. Von Magenta (braun) der ſeltenſten der natür— lichen Färbungen, haben wir nur wenige; karmeſin in tauſend Nuancen iſt zahlreich; rein weiß iſt ziemlich ſelten, orange— farben noch ſeltener, ſcharlach ſehr ungewöhnlich und blau faſt unbekannt, jedoch ausnahmsweiſe ſchön in den wenigen vorkommenden Fällen. Deshalb iſt die Verſuchung zum Züchten von Hybriden, um Färbungen zu gewinnen, be— ſonders ſtark. Sie iſt um ſo ſtärker durch die prickelnde Ungewißheit, wie wohl der Erfolg der Arbeit ſein wird. Soviel ich bis jetzt gehört oder geleſen habe, iſt niemand im ſtande, Regeln aufzuſtellen, welche auf das Reſultat der Verbindungen ſchließen laſſen. Im allgemeinen ſind beide Eltern in den Abkömmlingen vertreten; aber wie und in welchem Grade einer von ihnen die Oberhand haben, in welchen Teilen, Färbungen oder Form einer Hybride die gemiſchte Abkunft ſich zeigen wird, darüber wagen ſelbſt Erfahrene eine Mutmaßung nicht zu äußern, einige leichte Fälle ausgenommen.!) Nach ſorgfältiger Wahl der Eltern mit einem klaren Begriff von dem beabſichtigten Zwecke muß man blind darauf los gehen. Sehr oft wird das gewünſchte Ziel in gehöriger Zeit erreicht, ſehr oft kommt etwas ganz Unerwartetes zum Vorſchein, doch faſt immer iſt das Reſultat ſchön, ob es nun dem Zweck des Züchters entſpricht oder nicht. (2) Außer dem direkten Erfolg bietet aber die Hybridiſierung noch auch einen Nutzen inbezug auf die Kultur. So z. B. iſt das liebliche Cypripedium Fairieanum ſo ſchwierig zu kultivieren, daß ) In allen von mir unterſuchten Fällen, wo die Eltern ſicher nachweisbar waren, hatte ausnahmslos die Pollenpflanze den Hauptanteil. Elftes Kapitel. 193 nur wenige Händler es ſtets vorrätig halten; durch Kreuzung mit Cyp. barbatum von Mount Ophir, einer wetterharten kalten Art, erhalten wir Cyp. vexillarium, welches die feſte Konſtitution der letzteren und viel von der Schönheit der erſteren hat. Cyp. Sanderianum aus dem malayijchen Archipel verlangt eine ſehr dumpfe Hitze, welche ſogar ſeine Verwandten ſelten lieben. Es iſt jedoch mit Cyp. insigne gekreuzt worden, welches überall gedeiht, und obgleich die Sämlinge bis jetzt nicht geblüht haben, ſo iſt doch nicht zu bezweifeln, daß ſie ebenſo gärtneriſch brauchbar ausfallen als die vorher genannten. Die ſchönſten Varietäten von Cyp. insigne ſind in großer Menge zu ſolchen Zwecken verwendet worden. Wir haben ferner das auffallende Cyp. hirsutissi- mum; es hat Sepalen von einem unbeſtimmten Gelbgrün, it mit Härchen beſetzt und ſehr nett gefranſt mit beinahe verblüffendem Kontraſt von hellem Purpur. Für's erſte iſt es ſehr „warm“, und zweitens würde es von noch größerem Effekt ſein, wenn etwas weiß eingeführt werden könnte; es iſt mit Cyp. niveum gekreuzt worden, und zuverſicht— lich erwartet man, daß die Abkömmlinge kühlere Behandlung vertragen, während das obere Sepalum Weiß zeigen wird. Ebenſo iſt die reizende Masdevallia Tovarensis warm, weiß und niedrig; gekreuzt mit Masd. bella nimmt ſie deren Eigen— ſchaften an, d. h. kühl, im Wuchs hoch und in der Färbung rot und gelb, wie Herr Cookſon bewieſen hat. Ferner wird Phalaenopsis Wightii, zierlich von Wuchs und klein von Blüte, kräftig durch Kreuzung mit Phal. grandiflora, ohne jedoch ihren zarten Farbenton zu verlieren. Es mag hier erwähnt werden, daß die erſte Medaille, welche von der Royal Horticult. Society für einen Sämling einer Hybride unter freier Beteiligung ausgeſetzt war, mit Laelia Arnoldiana im Jahre 1891 gewonnen wurde. Die— ſelbe Varietät gewann 1892 den erſten Preis. Sie war bei Orchideen. 13 194 Elftes Kapitel. Herrn Sander von L. purpurata und Cattl. labiata ge⸗ zogen, im Jahre 1881 angeſät und blühte 1891. Und nun zu der Art des Arbeitens, durch welche dieſe und zehntauſend andere wünſchenswerte Erfolge erzielt werden können. Ich will nicht von mir ſelbſt ſprechen, da das Publikum keinen Grund hat, gerade mir Glauben zu ſchenken. Betrachten wir das Verfahren, wie es in dem großen Ge— ſchäft des Herrn Sander in St. Albans gehandhabt wird. Vor allen Dingen ſind zum Züchten von Hybriden die niedrigen unbeſchatteten Häuſer beſtimmt im Gegenſatz zu den hohen, hundert und mehr Meter langen Bauten, in welchen die Pflanzen nur wachſen und blühen. Ihre Satteldächer kann man mit der Hand berühren, und das Glas wird immer ſorg— fältig gereinigt. Das erſte und letzte, was der Züchter fordert, iſt Licht, Licht und wiederum Licht. Mangel desſelben iſt viel- leicht der Grund für alle getäuſchten Hoffnungen. Die große Mehrzahl der Orchideen, auf die ich Bezug nehme, haben ihre Heimat in tropiſchen Ländern, ſelbſt die kalten Odontogloſſen und Masdevallien verdanken dieſe Eigenſchaft nicht dem Breiten— grade, ſondern weil ſie Bergbewohner ſind. Sie wachſen jo nahe dem Aquator, daß ſie den Sonnenſchein faſt ſenkrecht erhalten, und dies länger als ein halbes Jahr. Doch auf unſerer geſegneten Inſel fallen an dem hellſten Tage im Hoch— ſommer die Sonnenſtrahlen höchſtens unter einem Winkel von 28 o, welcher aber immermehr zunimmt, bis ſie im Winter Mühe haben, ſich durch die Nebel bei einem Winkel von 75“ hindurch zu er Der Leſer mag die Verhältniſſe ſelbſt berechnen; doch muß noch die dicke Luft und die ungeheure Zahl der nebligen Tage in Betracht gezogen werden. Wir können demnach nicht den geringſten Teil des Lichtes entbehren. Der reifende Same muß dicht unter dem Glaſe ſtehen, und jo brennend auch die Sonne fein mag, kein Schatten darf ge— geben werden. Wahrſcheinlich iſt es, daß die Mutterpflanze verbrennt, ganz ficher iſt, daß ſie ſehr leiden wird. Elftes Kapitel. 195 Ein ſolches Haus iſt zum Kreuzen der Cypripedien ge— eignet. Ich wähle dieſe Gattung zur Erläuterung, da ſie, wie geſagt, ſo ſehr leicht und ſo ſicher iſt, daß ſelbſt eine verſtändige junge Dame alle Sonderbarkeiten des Baues der— ſelben nach einer einzigen Lektion ſo völlig beherrſcht, um ſich mit ihr ebenſo gut wie mit Dendrobien, Oncidien, Odonto— gloſſen, Epidendren und, ich weiß nicht mit wie vielen anderen, zurecht zu finden. Die Blätter ſind bis jetzt noch grün und glatt, mit manchen ſonderbaren Überreſten von Blüten und manchem Fruchtknoten, der eben zu ſchwellen angefangen hat. Jeder Blumenſtengel, der befruchtet worden iſt, trägt ein nettes Etikett, welches den Namen des Vaters und das Datum der Kreuzung angiebt. Die Natur verliert keine Zeit, man kann faſt ſagen, die Scheibe beginnt ſofort anzuſchwellen. Der Teil, welchen man die Säule nennt, iſt der Endpunkt des Fruchtknotens, der drei, oder ſechs, auch neun Centimeter von dem Blüten- ſtengel hinter der Blüte einnimmt. Schon nach wenigen Tagen wird die Anſchwellung ſichtbar. Die unbefruchtete Blume fällt zur beſtimmten Zeit ab, jedoch die befruchtete bleibt, das Labellum ausgenommen, erhalten, bis der Same reif iſt, was vielleicht nach einem halben Jahre eintritt; ſelbſt— verſtändlich verwelkt ſie. Sehr eigentümlich und unerklärbar ſind die Entwickelungen, welche ſich bei verſchiedenen Genera | oder ſelbſt Species nach der Befruchtung zeigen. Bei den Warſcewiczellen zum Beiſpiel ſchwillt nicht allein der Frucht— knoten, ſondern die ganze Säule an. Phalaenopsis Ludde- manniana iſt beſonders merkwürdig. Die ſchönen Streifen und Flecken in roſa, braun und purpur nehmen ſofort eine grün— liche Färbung an. Einige Tage ſpäter löſt ſich, wie Be— obachter behaupten, die Lippe mit einen Ruck ab, dann werden die Petalen und Sepalen, welche übrig bleiben, fleiſchiger, dicker und dicker, während die Nüancen verblaſſen und das 13* 196 Elftes Kapitel. Grün zunimmt, bis ſie endlich die Form einer unregelmäßigen Blüte aus feſtem grünem Wachs annehmen. Unſer Cypripedium wird den Samen in ungefähr 12 Monaten, vielleicht auch etwas mehr oder weniger Zeit reifen. Dann platzt die Kapſel, welche 2¼ em lang iſt und 1 em im Durchmeſſer hat. Herr Maynard, verantwort- licher Leiter dieſer Abteilung im Geſchäft von F. Sander und Co. in St. Albans, ſchneidet ſie ab, öffnet ſie weit, und ſtreut die Tauſende von Samen, vielleicht 150000, über Töpfe, in denen Orchideen wachſen. Nach unendlich vielen Verſuchen hat ſich dies Mittel am beſten bewährt. Der Same, feiner als ein Staubkorn, beginnt ſofort anzu— ſchwellen, erreicht die Größe eines Senfkorns, und in fünf oder ſechs Wochen, oder eben ſo viel Monaten, erſcheint ein winziges Blättchen, dann eine kleine Wurzel, bald ein andres Blatt, und in vier bis fünf Jahren können wir die Blüte der Hybride erwarten. Natürlich ſind ſie lange zuvor in ihre beſondern Töpfe gepflanzt worden. Seltſame Ereigniſſe kommen oft bei derartigen Verſuchen vor, wie man ſich denken kann. Vor neun Jahren kreuzte Herr Godſeff Catasetum macrocarpum mit Catasetum callosum. Der Same kam zur Reife und wurde zur rechten Zeit ge— ſäet, jedoch keimte nichts an der betreffenden Stelle. Lange Zeit nachher bemerkte Herr Godſeff ein kleines grünes Fleckchen in einer Spalte über der Thür deſſelben Hauſes. Es wuchs und wuchs ſehr ſchnell, obwohl es niemals Waſſer bekam außer durch einen ſeltenen Zufall, bis die Kenner es für ein junges Catasetum erklären konnten, und hier iſt es ſeitdem ge— wachſen, ohne daß ihm Aufmerkſamkeit geſchenkt wurde; denn es iſt eine der Grundregeln der Orchideen-Kultur, eine Pflanze ungeſtört da zu laſſen, wo ſie ſich wohl befindet, ſo fremdartig auch die Umſtände erſcheinen mögen. Dieſes Cataſetumkorn fand, vom Winde fortgetragen, als es geſäet Elftes Kapitel. 197 wurde, einen angemeſſenen Platz, wo es ſich niederließ und lebendig wurde, während alle ſeine Gefährten, für welche be— ſondere Vorkehrungen getroffen waren, ohne ein Lebenszeichen umkamen. Es gedeiht in der Feuchtigkeit des Hauſes und in einigen Jahren wird es blühen. In einem anderen Falle fand man, als alle Hoffnung aufgegeben war, daß der aus— geſäete Same aufgehen würde, unter dem hölzernen Gitter— werk, welches den Weg im Hauſe bildete, eine hübſche Anzahl von Sämlingen. 5 Der Liebhaber, welcher uns ſoweit mit Intereſſe gefolgt iſt, wird fragen, wie lange es dauern kann, bis wir ein Reſultat unſeres Verfahrens erwarten können? Zuerſt muß in Betracht gezogen werden, daß ſich die Zeit mehr und mehr verkürzt, je nach den Erfahrungen, welche wir gemacht haben. Die folgende Aufſtellung laſſe ich unverändert, da ſie von Herrn Veitch, unſerer älteſten Autorität, in der letzten Auf— lage ſeines Buches gegeben wird. Doch auf der diesjährigen Ausſtellung im Temple führte Herr Norman Cookſon Catt- leya William Murray, einen Abkömmling von Catt. Men- dellii & Catt. Lawrenceana, vor, eine herrliche Pflanze, welche ein Zeugnis erſter Klaſſe erhielt und erſt vier Jahre alt war. Die ſchnellſte Entwicklung hat man bis jetzt bei Calanthe Alexandri gefunden, mit welcher Herr Cookſon ein Zeugnis erſter Klaſſe von der Königlichen Gartenbau-Geſellſchaft er— warb. Sie blühte innerhalb dreier Jahre nach der Befruchtung. Dendrobien ſind vielleicht die, welche am früheſten Erfolg zeigen. Pflanzen ſind innerhalb zweier Monate nach der Aus— ſaat pikiert worden und haben im vierten Jahre geblüht. Dann folgen Phajus und Calanthe, Masdevallien; Chyſis und Cypripedien erfordern vier oder fünf Jahre, Lycaſten ſieben bis acht, Laelien und Cattleyen zehn bis zwölf Jahre. Dies ſind Herrn Veitch's Berechnungen im allgemeinen, aber es giebt, wie ſich denken läßt, unendliche Abweichungen. So 198 Elftes Kapitel. blühte ſeine Laelia triophthalma im achten Jahre, während ſeine Laelia caloglossa bis zum neunzehnten zögerte. Be— ſonders eigentümliche Streiche macht die Gattung Zygope- talum. Z. maxillare gekreuzt mit Z. Mackayi verlangt fünf Jahre bis zum Blühen, aber neun Jahre im umgekehrten Falle. Ein ähnlicher Fall iſt auch unter den Cypripedien zu finden. C. Schlimii, gekreuzt mit C. longifolium, blüht in vier Jahren, umgekehrt aber in ſechs. Es kann daher nicht in Abrede geſtellt werden, daß die Belohnung des Züchters lange auf ſich warten läßt; um ſo ernſter ſollte man daher bei den Kreuzungen darauf bedacht ſein, Reſultate anzuſtreben, welche des Wartens wert ſind. Druck von Fr. Stollberg in Merſeburg. Verlagsbuchhandlung Paul Parey in Berlin SW., Hedemannstrasse 10. Stein’s Orchideenbuch. Beschreibung, Abbildung und Kulturanweisung der empfehlenswertesten Arten. Mit 184 Textabbildungen. Gebunden, Preis 20 M. Die Orchideenkultur hat in Deutschland während des letzten Jahrzehnts ausserordentlich an Ausdehnung gewonnen, und in den weitesten Kreisen anerkennt man jetzt das Bedürfnis, Orchideen nicht mehr als einzelne Prunkblumen, sondern auch in grossen Mengen in den Handelsgärtnereien zu ziehen. Für Orchideenlieb- haber und Kultivateure machte sich daher auch von Jahr zu Jahr mehr der Mangel eines guten Handbuches fühlbar, welches eine korrekte Schilderung der Arten und Varietäten mit einer Kultur- anweisung verbindet und die empfehlenswertesten Formen in guten Abbildungen bringt. Deswegen glaubt der Verfasser mit der vor- liegenden Zusammenstellung Gärtnern und Liebhabern in gleicher Weise zu dienen, da in ihr alle kulturwerten Arten berücksichtigt sind. Reichenbachia. Chromolithographische Abbildung, Beschreibung und Kulturanweisung der schönsten Orchideen. Unter Mitwirkung wissenschaftlicher Autoritäten herausgegeben von F. Sander in St. Albans, England. 4 Bände mit je 48 Tafeln nebst Text. Preis 580 M. Auf Tafeln im Format von 40 zu 54 Centimeter sind die Orchideen in natürlicher Grösse und Farbenpracht chromolithograpisch so vollendet abgebildet, wie es bei Blumen bisher vielleicht niemals gelungen, und der in deutscher, englischer und französischer Sprache abgefasste Text fusst auf den Erfahrungen jahrelanger Kultur-Praxis. Zu beziehen durch jede Buchhandlung. Verlagsbuchhandlung Paul Parey in Berlin SW., Hedemannstrasse 10. Vilmorin's Blumengärtnerei. Beschreibung, Kultur und Verwendung des gesamten Pflanzenmaterials für deutsche Gärten. Dritte, neubearbeitete Auflage, Unter Mitwirkung von herausgegeben von A. Siebert, A. Voss Direktor des Palmengartens zu Frank- in Berlin, früher Institutsgärtner furt a.M. in Göttingen. Ait 1272 Textabbildungen u. 400 bunten Blumenbildern auf 100 Farbendrucktafeln. Zwei starke Bände in Gross-Lexikonformat. In Halbleder gebunden, Preis 56 M. Ein Buch, wie diese dritte, neubearbeitete Auflage von Vil- morin's Blumengärtnerei gab es bisher nicht; es war noch nie die Vollständigkeit, unbedingte Zuverlässigkeit und praktische Brauchbarkeit erreicht, welche von Gärtnern und Liebhabern sehnlichst gewünscht war. Der erste, über 1200 Seiten in Gross-Lexikonformat umfassende Teil ist eine mit 1272 schwarzen und 400 farbigen Abbildungen geschmückte, nach Familien und Gattungen geordnete, vollständige Deutsche Gartenflora mit 100 Farbendruektafeln (Freilandpflanzen, Kalt- und Warmhauspflanzen). An der Spitze befindet sich ein alphabetisches Verzeichnis aller im Werke vorkommenden Pflanzennamen, sowohl der botanischen (einschliesslich der Synonyme) wie der deutschen, und durch den Druck ist kenntlich gemacht, welches die gültige, korrekte Be- zeichnung ist. Im zweiten Band, dem an ge w. andten Teil des Werkes, finden sich in übersichtlicher W eise die Grundzüge der Gartenkultur behandelt, und dann folgen Aufstellungen und Register der ver- schiedensten Art. Es sind nämlich die Pflanzen gruppiert, je nach- dem sie sich zur Einfassung und Beflanzung von Rabatten, zur Einzel- oder Gruppenverwendung, zu Teppichbeeten oder Trupps eignen; die Schattenpflanzen, die wohlriechenden Pflanzen, die Pflanzen mit farbigem Laub, die Schlingpflanzen, die Pflanzen mit Zier- früchten etc. sind zusammengestellt. Desgleichen sind die Blumen nach ihrer Farbe geordnet und in einem Blütekalender nach der Zeit ihrer Blüte. Des weiteren enthält dieser Teil eine ausführ- liche, durch zahlreiche Pläne erläuterte Anleitung zur Anlage ein- heitlicher Gartenszenerien, farbenreicher Blumenteppiche, Rabatten- bepflanzungen u. s. w. Trotz des grossen Umfanges hat das Werk im Vertrauen auf einen aussergewöhnlich grossen Absatz einen in Anbetracht des Gebotenen überraschend niedrigen Preis. Was ein Konversations-Lexikon für das allgemeine Wissen bedeutet, das leistet der neue Vilmorin für die Ziergärtnerei und ist deshalb unentbehrlich für Jedermann, der nach Beruf oder Neigung sich mit einem Garten beschäftigt. Zu beziehen durch jede Buchhandlung. 24322 RT ö 1 — FR . —— 8 ER 5 Bez 2, — 8 55