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Verzeichnis der Mitarbeiter:

Dr. Arnd, Privatdocent, Bern.

Dr. Ritter v. Baſch. Prof., Wien. Dr.v. Brandt, Prof., Klaufenburg. Dr. Brieger, Profeſſor, Berlin. Dr. Bufchke, Privatdocent, Berlin. Dr.R.Cobn, Profeſſor, Breslau. Dr.v.Criegern, Privatdocent, Kiel. Dr. Czerny, Erz., Prof., Heidelberg. Dr. Dannemann, Privatd., Gießen. Dr. Eichhorft, Profeifor, Zürich. Dr.v.Elifcher, Profeſſor, Budapeft. Dr. Erben, Privatdocent, Wien. Dr. Fick, Privatdocent, Zürich.

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Dr. v. Leyden, Profeſſor, Berlin. Dr.Loos, Profeſſor, Innsbruck. Dr. Lubarſch, Brof.,Gr.=Lichterfelde. Dr. Dann, Privatdocent, Breslau.

Dr. Job. Müller, PBrof., Würzburg. Dr.Nekäm, Profeſſor, Budapeft. Dr.Niedner, Stab3arzt, Berlin. Dr. Frhr. v. Notthafft, Münden. Dr. Pfifter, Profeſſor, Freiburg i. B.

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Dr. v.Mofetig-Doorhof, Prof. Wien.

Dr. Piftor, Geh. Ob.Med. Rat, Berlin.

Dr. Schreiber, Privatdoc., Göttingen.

Die Öefundbeit

Ihre Erhaltung ihre Störungen ihre Wiederberftellung.

Ein Rand- und Nachfchlage- buch für jedermann.

Unter Mitwirkung von 52 erften ärztlichen Autoritäten Rn nu. Sun ut mn un nn ne ee (Profefforen und Privatdocenten der Univerfitäten des Deutfchen Reichs, Öfterreich- Ungarns, der Schweiz etc.) herausgegeben von Profeffor Dr. R. Koßmann in Berlin und

Privatdocent Dr. Jul. Weiß

in Wien.

1600 Seiten Text mit ca.350 Abbildungen, 12 mehr- und vielen einfarbigen Tafeln.

Vollftändig in 40 Lieferungen zum Preife von je 40 Pf. (= 48 Reller).

Was bringt „Die Gefundbeit“?

In allen Schichten der Gebildeten be— ſteht der Drang nach Aufklärung über die Vorgänge am eigenen Leibe in ge— ſunden und ktranken Tagen. Das erklaͤrt fi) Daraus, daß uns in der Zeit unferer Schulbildung alle möglichen, für unfer Fortkommen nüglichen Dinge gelehrt und zum Verjtändnis gebracht werden, daß wir Dagegen über den eigenen Körper unmiffend oder zum mindeften unge— aufgeklärt bleiben. Wir müſfen meiſt durch eigene Erfahrung klug wer— den, wobei aber recht oft ſchwer wieder gutzumachende Schädigungen unſerer Ge— ſundheit das Lehrgeld abgeben. Darum tft es eine Pflicht für jedermann, fidh auch in geſundheitlichen Dingen beizeiten zu unterrichten und nicht erfi dann, wenn Krankheit Dies dringend nötig madıt.

Für Diefen Zweck bieten wir in der „Geſundheit“ ein Werf, das

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iſt, zu deſſen Abfaſſung ſich 54 der her— vorragendſten Arzte der Gegenwart yeah und Docenten der Univerjitäten

eutſchlands, Oſterreichs, der Schweiz ꝛc. vereinigt haben, ein Werk, welches die neueſten Ergebniſſe mediziniſcher Forſchung in einer für jedermann verſtändlichen Form enthält. Nicht die Anſichten und Erfahrun— gen eines Einzelnen bieıet diefes neue, ernite

Rand- und Nachſchlagebuch für die Familie,

fondern die Herausgeber haben im Hinblid auf dte ungeheure Ausdehnung Des Geſamt— gebietes der medizinischen Wiſſenſchaft für jeden befonderen Zweig einen anderen, auf dem betreffenden Gebiet al$ Autorität be— tannten Mitarbeiter gewonnen, wie das Ver— zeichniS und die nachſtehende Inhaltsüber— ficht erfennen laſſen.

„Die Geſundheit“ verbreitet fich über alle Gebiete der Heilfunde rinichließlich des heutigen Tages fo gebietertich Aufflä- rung erfordernden Geichlechtslebens, fie befaßt fh nit 7 allen Abſchnitten des menfchlichen x

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Sp fann das Merk nach mehrjähriger, forgfältiger Bor- bereitung dem Publifun übergeben werden als in feiner Art einzig und unerreicht dDaitehend, als ein Hausbuch, das wertvoll ift für jedermann, auch) für diejenigen, welche andere, ähnliche Werfe bereits be- figen. Um die Anichaffung des Werkes jedermann bequem zu machen, erfolgt die Ausgabe in 40 Lieferungen zum Preiſe von je 40 Pf.

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Alle 14 Tage gelangt eine Lieferung zur Verjendung. Beitellungen nehmen alle Buch- und Kolportagehand— lungen entgegen.

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Lieferung I und folgende.

Vollftändig in 40 Lieferungen zum Preife von je 40 Pf. | 12 Po Sant (= 48 Reller). Behandlung mit Wajjer: Ort und Datum: Name und Stand: Kreuzbinde.

Inhalts⸗ AUberſicht.

Erſter Band.

Einleitung von Prof. Dr. med. et phil. R. Kof- mann in Berlin.

Allgemeiner Teil. I.

II.

II.

IV.

VI.

Bau und Lebens— tätigfeit de3 ge funden menſchlich. Körper von sr Medizinalrat Prof. Dr. G. Fritſch in Berlin.

Krankheitsbegriff u. Krankheits— urſachen von Prof. Dr. Lubarſch in Groß-Lichterfelde.

Das Erkennen der Krankheiten von Prof. Dr. Leo in Bonn.

Die Verhütung von Krankheiten von Geh. Medizinalrat Prof. Dr. von Leyden und Stabdarzt Dr. Niedner in Berlin.

. Staatlidje und ſoziale Gejund-

heitspflege von Geh. Obermedizinal« rat Dr. Piftor in Berlin.

Arzt und Patient von Prof. Dr. med. et phil. R. Koßmann in Berlin.

VII. Heilmittel und Heilmethoden.

1,

2.

6

VIII.

Arzneibehandlung von Privatdocent Dr. Jul. Weiß in Wien. Behandlung mit Waſſer und Maſſage von Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Brieger in Berlin und Stabsarzt Dr. Krebs in Hannover.

. Behandlung mit Apparaten und

Snitrumenten von Privatdocent Dr. Herz in Wien.

. Bäder, Kurorte und Heilftätten von

Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Sena- tor in Berlin.

. Operative Behandlung von Hofrat

Prof. Dr. von Mojetig-Moor- hof in Wien und Erz. Geh. Nat Prof. Dr. Ezerny in Heidelberg.

. Piyhiiche Behandlung von Prof. Dr.

Freud in Wien.

Gifte und Vergiftungen von Prof. Dr. Wahholz in Krakau.

Zahnwechſel.

II.

III.

Im:

. Die Krankheiten

Spezieller Teil.

. Die Krankheiten der Bewegungs-

vrgane.

. Die Krankheiten ar Hofrat Prof.

r.von®Brandt in Klauſenburg u. PBrivatdocent Dr. Arnd in Bern.

der Knochen

der Gelenke

. Die Krankheiten der Muskeln, Seh—

nen und Schleimbeutel von Prof. Dr. Vulpius in Heidelberg.

Die Krankheiten der Kreislauf- Drgane.

. Die Krankheiten des Herzens von Pri—

vatdoc. Dr. von Eriegern in Biel.

. Die Krankheiten der Gefäße von Prof.

Dr. Ritter von Bash in Wien und Hofrat Prof. Dr. von Brandt in Slaujenburg.

. Die Krankheiten der Lymphadern und

Lymphdrüſen von Privatdocent Dr. Sul. Weiß in Wien.

Die Krankheiten der Atmungs— organe.

. Die Krankheiten der Naje von Privat:

docent Dr. Heymann in Xeipzig.

. Die Krankheiten des Kehlkopfes und

der Luitröhre von Prof. Dr. Jurasz in Heidelberg.

. Die Krankheiten der Lunge von Prof.

Dr. Hilbert in Königsberg.

Die Krankheiten ungsorgane.

der Verdau—

. Die Krankheiten der Zähne und des

Mundes von Zahnarzt Dr. Ernit

VI.

VII. .Das Weib und ſein Geſchlechtsleben

VIII.

Steffen, Direktor der ſtädt. Schul⸗ zahnklinik in Straßburg i. €.

. Die Krankheiten der Epeiferöhre und

des Magen von Privatdocent Dr. Emil Schütz in Wien.

. Die Krankheiten des Darmes von

Privatdocent Dr. Ernft Schreiber in Göttingen.

. Die Krankheiten der Leber von Prof.

Dr. Joh. Müller in Würzburg.

« Die Krankheiten der Milz und der

Bauchſpeicheldrüſe von Privatdocent Dr. Jul. Weiß in Wien.

. Die Krankheiten der Ausichei-

Dungdorgane.

. Die Krankheiten der Niere von Prof.

Dr. Eihhorft in Zürich.

. Die Krankheiten der harnabführenden

Wege von Privatdocent Dr. Frhr. von Notthafft in Münden.

. Die Krankheiten der Organe mit inne-

rer Ausfcheidun Dr. Zul. Wei

von Privatdocent in Wien.

. Die nicht geſchlechtlichen Krankheiten

der männlichen Zeugungßorgane von Privatdoc. Dr. Buſchke in Berlin.

Die Geſchlechtskrankheiteun von Prof. Dr. Leſſer in Berlin und Prof. Dr. Finger in Wien. Anhang: Der Gejchledhtstrieb und feine Störungen von Privatdocent Dr. Frhr von Notthafft in Münden.

Zweiter Band. Die Zranentrantheiten.

von Prof. Dr. Ludwig Klein

wächter in Gzernomiß.

. Die Frauenkrankheiten von Prof.

Dr. Ludwig Kleinwädter in Gzernowig und Prof. Dr. me. et phil. R. Koßmann in Berlin.

Die Mutterjchnft und ihre Stö- rungen.

Einleitung von Prof. Dr. Ludwig Kleinwächter in Czernowitz.

. Die Schwangerſchaft und ihre Stö—

rungen von Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Guſſerow und Dr. Bruno Wolff in Berlin.

. Die Geburt und ihre Störungen von

Prof. Dr. K. A. Herzfeld in Wien.

a

IX.

XI.

XII.

XIII.

XIV.

. Dad Wochenbett und das Säugege—

ſchäft von Prof. Dr. von Eliſcher in Budapeſt.

Die Sänglings- und Kinderkrank⸗ heiten.

. Säuglingßernährung u. Säuglings⸗

dv . Dr. ——— rJohanneſſen

. Die Krankheiten des Säuglingsalters

von Prof. Dr. Johanneſſen in Chriſtiania. N

. Die Krankheiten des fpäteren Kindes»

alter von Prof. Dr. 2008 in Inns⸗ brud.

. Die Krankheiten des Nerven-

ſyſtems.

. Die Krankheiten des Gehirnes von

Prof. Dr. Pfiſter in Freiburg i. B. und Privatdoc. Dr. Erben in Wien.

. Die Krankheiten des Rückenmarkes

von Prof. Dr. Seeligmüller in Halle a. S.

. Die Krankheiten der Nerven von

Privatdoc. Dr. Mann in Breslau.

Die Geiftesftörungen von Prof.

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. Die Krankheiten des Gehörorganeg

von Brof. Dr. Haug in Münden.

. Der Gerudjfinn und feine Störungen

von Privatdocent Dr. Heymann in Leipzig.

. Der Geſchmackſinn und feine Störun-

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Inhalts-Verzeichnis.

=) Seite Die Briefe der Königin. Roman von Auguste @roner CEORBEIZUNG). 2 u u a ee 3 7 Schützende Engel. Novellette von Else Kraft. . . . 87

Mit JIlustrationen von Richard Mahn. Panzerschiff und Torpedo. Bilder aus dem modernen Seekriege. Uon Martin Howiz . . 2.2... 101 Mit 13 Jllustrationen. Mutter Lea. Eine heitere Geschichte. Von Jenny Limburg 122 Unser jüngster Wintersport. Allerlei vom Schneeschuh-

laufen. Von Ch. v. Wittembergk . . . 2. .2.2...185 Mit 10 Jllustrationen. Die Tischordnung. Bumoreske von Rudolf Lurtius . . 174 Das Lebendigbegrabenwerden bei den Yogis. Indische SPIZZE ANNE 3 5 0 Eee +

Mit 5 Jllustrationen. Im Bannkreis von Geroldseck. Bilder aus Kufstein und

seiner Umgebung. Von herm. Giersberg . . . . 197 mit 7 JNustrationen,

Mannigialtiges: Auf dem Blockadebreher - - > 2 2 2 20202 0..213 Neue Erfindungen: I. Dampfwasch= und =spülmaschine . . . . . 219 mit Jllustration, IL. Praktische 2 vo u Wa oa 1280

Mit 2 Jllustrationen,

6

Inbalts-Verzeichnis.

Unverdiente Ehrungen .

Eine Weinzunge .

Seltsame UVolksheilmittel

Den Kurzsihligen . . . 2...

. Ein Käfig für Tiermodelle

Mit Jlustration Ein merkwürdiges Studentenleben . Sonderbare Urteile Die japanischen Götterkugeln Der echte Ocdhse . ne An der türkisch-bulgarischen Grenze Mit 2 Jllustrationen. Künstlerlaune und Polenwitz Eine neue Pferdesprache Zur Dienstmädchennot . Edelmann und Gentleman Mönche als Feuerwehr Die Rache des Atztes .

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ALINA

Die Briefe der Königin. Roman von Augufte Sroner.

(Fortfe&ung.) 73 (Nachdruck verboten.) rançois Cutrie, ja, den kannte Gargajjon, fannte ihn noch aus den Zeiten her, in denen Frankreich ihm das jchönfte Land der Erde zu Sein ſchien. Damals hatten Eutrie und er auf derſelben Schiffsbank geſeſſen und die Nee mit den filbernen Fiſchen miteinander in den Bauch ihres Boote3 geleert, und beide waren froh und zufrieden ge- wejen, wenn fie nach ſchwerer Tagesarbeit in Mutter Margots Hütte ihr Fifchgericht und ein Stück Brot dazu hatten, und gab es einmal einen Schlud Wein oder einen Honigkuchen, wie ihn jo gut nur die alte Margot be- reiten konnte, dann war e3 für alle drei ein Feſttag. Ja, an die gute Alte dachte Leonide Gargaſſon jebt, und dann dachte er an feinen Jugendfreund und an das kleine Häuschen am Meere und an das blau: gewürfelte Bettzeug, darunter e3. fich jo aut jchlief. ‚Aber nur jo, wie ein reines, fonnendurchwärmtes Morgen: Lüftchen durch einen verödeten Garten bufcht, jo huſchten durch jein Hirn die lieben, jauberen Gedanken. Sie blieben nicht. Ex war ſchon wieder im Schatten feiner

8 Die Briefe der Königin.

DELETE SEE SERIE TER TER THE TEE! TEL TER TEL TEL TEL TEL TREE ZELL TEL LLL, Silberpappeln am Fuße de3 Strephon, und da gab e3 nicht3 Saubere3.

„Sutrie hat Ihnen alſo erzählt, daß ich folchen Aus: grabungen nicht abhold bin?“ fagte er lauernd. „Und mehr hat er Ahnen von mir nicht berichtet?”

„O doch. Er dachte an feine Yugendzeit zurüd, und zu diefer gehörten auch Sie.”

„Erzählte er nicht auch von fpäteren Tagen ?*

„Auch. Ich weiß zum Beifpiel, daß Sie Ihren Arbeitgeber erjchlügen.”

„zen Schurken!” murmelte Gargafjon, der fichtlich der Neue nicht zugänglich war.

„Weil ex Ihnen einmal Sonntags nicht freigeben wollte,“ fuhr Ruſtin fort.

„Stimmt!“ gab der Vlarfeiller zu, und aus feinem tal: ten Lächeln konnte man entnehmen, daß er aud) heute noch bereit jei, für eine Geringfügigleit ein Leben zu fordern.

Sohn Ruftin jchauderte troßdem nicht vor diefem Mann zurüd. Er war ja felber auch von diefer Art. Es gibt ſchon folche Beitien in Menjchengeltalt.

„Stimmt!“ hatte Gargafjon vorhin gefagt und hatte dann wieder getrunfen, wonach er feinem Gegenüber lauernd in die Augen ſah.

„Wann fol e3 denn fein?” erlundigte er fich in ziemlich dunkler Art.

Ruftin jpürte es ganz deutlich, daß der Schurke ihn nicht glaubte, aber ex ließ fich nicht3 merken. Ganz harmlos tuend fteuerte er auf fein Biel zu. Vorerſt zudte er einmal die Achjel, dann ſagte er gleichgültig: „Run, eine gar große Eile hat e3 ja nicht. Heute oder morgen kommen Belannte von mir bier an. Da kann ich mich nicht fogleich frei machen.”

„So! Warum denn nicht?”

„Run, einer der Herren ift mir verwandt und rechnet,

Roman von Augufte Groner. g SEHALESEAL TEL TEL TELL TEE TEL TEL CELTEREL CE TEE TEL CELL TEE TEL TEN mwenigftens folang er in Athen weilen wird, auf meine Führung. Freilich, wenn die ganze Gefellichaft Mara: thon auffuchen wird, werde ich wohl überflüjfig fein.“

Leonide Öargaffon begann zu gähnen. Was wollte diejer Menjch eigentlich von ihm? Wie fam er dazu, fein Intereſſe in Anjpruch nehmen zu wollen, wenn er nod) nicht einmal wußte, wann fein Unternehmen auszuführen fein werde? Meinte er denn, Gargaſſon warte. auf ein paar Geldjtüde? Der Tonnte fich ganz andere Summen verdienen. Aber jest horchte er auf dieſer Fremde wurde ihm plößlich interejjant.

Sohn Austin hatte in aller Ruhe weitergefprochen. Er hatte erwähnt, daß fein Vetter, Ralph Taylor, um Griechenland3 Hiftoriiche Stätten zu jehen, eigens von Amerifa berübergefommen jei, und daß fich ein be- rühmter franzöfifcher Schriftfteller, ein nicht meniger berühmter döfterreichifcher Gelehrter und eine wunder: jchöne junge Dame in feiner Gejellichaft befänden.

„Sie alle,“ fuhr Ruſtin fort, „interejjieren fich uns gemein für die gejchichtlichen Stätten dieſes Landes. est waren fie in Olympia, und nun wollen fie auch Athen und deflen Umgebung kennen lernen und natür- lich vor allem Marathon. Ah!” Auftin feufzte jetzt „märe ich ein vielfacher Millionär wie mein Vetter, ich wüßte mir fchon andere Tiebhabereien, aber ich bin gegen ihn ein armer Teufel, und fomit —“

„Müffen Sie fich mit heimlichen Ausgrabungen be- gnügen,” fiel Gargafjon merkwürdig lächelnd ein, „und müſſen Ihrem Vetter den Führer abgeben. Wenn Sie ihn nur au gut führen.”

„Sie meinen, nicht ins DVerderben führen?”

Nun lächelte auch Ruſtin.

Die beiden begannen fich zu verjtehen.

„Iſt denn die Gegend von Marathon auch ficher ?”

10 Die Briefe der Königin.

TEE TH FEHLT TREE TEL TEN VEHEL SEHE SEHR > TORE TOOL TEUER TEEN TEEN SELL, erkundigte fich Auftin. Er ging jest gerade auf fein Biel los.

Gargaſſon zuckte die Achfeln. „Für gewöhnlich ift ſie ficher,” jagte er nach einer Weile; „wenn Sie oder ich dort zu tum hätten, uns beiden gejchähe nichts.“

„Aber Millionäre könnten unliebe Begegnungen haben, meinen Sie?“

„Ja wenn man e3 ficher weiß, daß fie Millionäre find.“

„So gibt es aljo wirklich Banditen in der Gegend?”

„Banditen!" Der Wirt mar ehrlich aufgebracht. „Freie Männer gibt e3, die fich um alberne Geſetze nicht fümmern.“

„Cutrie fagte mir, daß Sie folche fennen. Stimmt auch das?“

„Auch das ftimmt,“ gab der Marfeiller nach einigem Überlegen zu.

Ruſtins lauernde Augen ſenkten fich wieder. „Es märe jehr unangenehm, wenn die Gefellfchaft in die Hände folcher Leute käme,“ jagte er jehr langſam.

Gargafjon entgegnete ebenfo bedächtig: „Für wen wäre da3 unangenehm?”

Der andere lächelte. „Nun für die Gejellfchaft natürlich, für andere felbjtverjtändlich nicht.“

Der kluge Gargafion wußte jett ſchon alles, und die Ungeduld hieß es ihn wünjchen, bald zu Ende zu fonımen. „Wann machen alfo diefe Leute den Ausflug nach Marathon?” fragte er.

Ruſtin zudte die Echultern. „Das weiß ich noch nicht,“ entgegnete er mürrifh. „Darum müſſen fich andere kümmern. Ich habe jchon das Meinige getan.”

Gargaljon zog eine fchmierige Brieftafche hervor und juchte jest in feiner geräumigen Taſche nach einem Bleiftift. Er fand jedoch feinen, und fo nejtelte Ruſtin

Roman von AUSUDS S ron il den —— von der Ubrfette lo8 und * ihn dem Wirte hin. Es war ein durch ſeine Faſſung recht teurer Stift, denn dieſe beſtand aus Gold, das ein feines, dichtes Geflecht darſtellte, an deſſen Maſchen etliche Rubine gleich Perlen angereiht waren. Es war eine ganz eigenartig hübſche Arbeit.

Gargaſſon griff nach dem Stift und notierte ſich den Namen. Aber damit war Ruftin nicht gedient. Es durfte nicht Ralph allein gefangen und entführt werden, denn wäre dies gejchehen, dann hätte man e3 fofort ge- mußt, auf weſſen Anregung bin dies gefchehen ſei. O nein, die ganze Geſellſchaft oder wenigstens mehrere Mit: glieder derjelben mußten Ralphs Schickſal teilen, nur dann war die Sache für ihn ungefährlihd. Er hatte des „berühmten“ Franzoſen und des nicht weniger „be- rühmten“ Öfterreichers, fowie der ausnehmend „ſchönen“ Frau nicht umfonft gedacht. Berühmte Männer und jchöne Frauen haben ja immer einen bejonderen Wert, auch in den Augen von Banditen, denn dieſe dürfen hoffen, daß derartige von ihnen Entführte für ſchweres Geld ausgelöft werden. Millionäre freilich find immer da3 Sicherjte, deshalb hatte ja Ruſtin auch jeines Vetter zuerjt Erwähnung getan, jet aber wollte er, daß Gar- gaſſon auch der anderen nicht vergefje, und jo nannte er _ auch Deronges, Herlands und Lavinias Namen, und dabei fiel ihm auch ein, daß er Urfache habe, Manil zu zürnen.

„Auch Taylor Freund, er heißt Manil,” log er raſch, „it ein jehr reicher Wann. Der befitt Silberberg- werte in Chile, ift aber noch nicht lange ein Kröſus, war vor wenigen Jahren noch Diener eines großen Herrn und Tann fich noch nicht daran gewöhnen, num jelber wie ein Herr aufzutreten.”

Er war jeelenvergnügt, daß ihm auch dies noch ein- gefallen war. Dann bejchrieb ex Gargaſſon, der ficdh

12 ‚Die Sriefe der ——

ELSE TELLER alle Pamen notiert Batte, die betreffenden PBerjönlich- feiten auf3 genaueite.

Der Marfeiller ließ es fich angelegen jein, fich die not- mwendigen Notizen zu machen, und war joeben damit zu ſtande gekommen, als ein fehriller Schrei im Haufe ertönte.

„Was gibt’3 da drinnen?” erkundigte fich ARuftin.

„Ah! Mein Weib hat ihren Anfall,” erklärte Gar: gafjon fich erhebend. „Sie ift Epileptiterin.. Ich muß hinein, denn fie iſt allein. Sagen Sie mir nur noch raſch, was Ihr Anteil fein fol wenn alles gebt, wie wir wünjchen.“

Ruftin ſchaute ihn verwundert an. Daran hatte er noch gar nicht gedacht. Er wollte ja gar nichts wenigſtens nichts von diefen Leuten, und er wußte ja auch jegt fchon, daß er eine Auslöfung Ralph mit allen Mitteln verhindern müjfe, denn nur Ralphs Tod war es, was ihm jelbjt helfen Fonnte.

„Reden Sie, reden Sie Doch!” drängte fein Wirt, während unheimliches Stöhnen aus dem Haufe kam.

Da erhob fih Ruſtin. „Nichts beanfpruche ich. Gehen Sie, und hier für den Wein.” Dabei warf er ein Goldftüd auf den Tiſch.

„And mit welchem Schiffe Tommt die Gejelljchaft?“ fragte Gargafjon nod).

„Mit der „Savoia“.“

Der Wirt lief ſchon ins Haus.

Ruſtin ſchaute ihm jpöttifch lächelnd nad), dann zog er, noch immer an dem ZTijche ftehend, den heute be- hobenen Briefausder Tajche und las noch einmal: „Tue ſchnell, was Du tun willſt. AR. muß früher fort fein als Rob., den ich auf mich nehme. Hüte Dich heimzukommen. Rob. weiß alles. Sein Brief gilt nicht. Laß es mich unter verabredeter Chiffre in meiner Zeitung wiſſen, mo Dich der nächite Brief trifft. Sm treuer Xiebe Deine M.“

Roman von Augufte Groner. 13 SEIELN SEHE ELLI TEL REEL TEL ELLI TEE TEE TEEN SEHE TEE TREE SELL TEL TEL TEL TEL,

Ruftin ftarrte lange auf das Schreiben, dann nahm ex fein Feuerzeug aus der Tafche und fette ein Zünd- bölzchen und damit feiner Mutter Brief in Brand.

Er achtete fehr forgfältig darauf, daß diefer voll» itändig zu Aſche werde, dann aber fteckte er fich nicht minder forgfältig eine feine Zigarre an und ging.

Eine gute Weile war es ganz ftill in der Schente, dann trat der Wirt wieder heraus. Er hatte feine Kranke zu Bette gebracht und wollte jehen, ob fein Gaft noch da jei.

Nein, der war nicht mehr da. Er verjchwand ſo⸗ eben an der Biegung der Straße.

Leonide Gargafjon ſchaute ihm fpöttifceh nach. „Hab’ ihn für einen Efel gehalten,” brummte er, „aber er iſt ein Fuchs. Mir aber ift er doch nicht fchlau genug. Wir räumen niemandem die Leute aus den Wege, wenn fich’s nicht auch für uns rentiert. Mein Lieber, wir werden uns die Pafjagiere der „Savoia” genau anjehen, bevor wir einem von ihnen auch nur ein Haar krümmen.“

Und mährend der Marfeiller das dachte, fpielten feine Finger mit dem goldenen Schreibftift, den zurüd- zugeben er vergejjen hatte.

Zweiundzwanzigstes Kapitel.

Jenſeits der Schente erſtreckte fich ein Olivenwäld— Ken, das ftraßenmwärts von dichtem Buſchwerke geſäumt wurde und hinter welchen die wenig bemachjene Höhe des Lykabettos aufjteigt.

Als Gargaſſon wieder zu feiner Kranken zurüd- gelehrt mar, regte es fich hinter einem jener Büfche. Ganz vorfichtig, wie er hergelommen mar, entfernte fich jest auch der ältliche Mann wieder, welcher Auftin von der Stadt her gefolgt war. Er hatte nur wenige, be— langloje Worte von dem vernommen, mwa3 die beiden

14 Die Briefe der Königin.

SL TEL FEHLT EG SEGEL DHL SWL LE TERN DELL VALLE ELLE TEL REEL THU SEO, bejprochen hatten, aber daß Ruſtin nicht zu der fehr verdächtig ausfehenden Schenle herausgekommen mar, um Belanglofes mit deren Eigentümer zu reden, das itand feit, und das eifrige Schreiben des Wirtes ver- riet überdies, daß es diefem darım zu tun fei, das Wichtigfte von dem, was zwifchen ihm und feinem Gaſte befprochen worden mar, nicht zu vergefjen.

Der ältlihe Mann war nicht ganz zufrieden mit dem NRefultat feiner Beobachtung, aber er hatte Geduld. „sch werde fchon noch dahinter kommen,“ murmelte er, und während er zwifchen den Dliven hinging, dachte er an einen Namen, den Francois Cutrie, der Steuer: mann der „Eirce”, in einem feiner Geſpräche mit John Ruſtin öfters erwähnt hatte.

Die Wilkins hatte damals beiden nicht To recht nahe kommen fünnen. Sie "hatte jedoch erlaufcht, daß wieder von dem Banditenwefen in Italien und Griechenland die Nede gewefen war, und jo mochte der gehörte Name immerhin damit in Verbindung ftehen. Da ihr Beruf fie gelehrt Hatte, daß auch die geringite Kleinigkeit bei Ver— folgung irgend eines Falles nicht überfehen werden dürfe, hatte fie fich jenen erlaufchten Namen notiert.

Deſſen erinnerte fie fich jet, und fo 309 auch fie ihr Notizbuch aus der Tafche und fuchte nach jenem Namen. Sie erinnerte fich, daß es ein franzöfifcher Name gewefen war. ya, da ftand er ja: Gargaſſon.

Wer war diefer Gargaſſon? Pafür interejfierte ſich Frau Wilkins derzeit lebhaft.

Der Wirt diefer entlegenen Schenfe war ein Fran— zoſe, ſprach menigftens Franzöfifch. Nun, ob der un: heimlich ausfehende Menſch fo hieß, da3 ließ fich ja wohl bald ermitteln.

Meiter der Stadt zu faß ein Hirte im Schatten eines verlafjenen Steinbruches und jah träge feinen

Roman von Augufte Groner. 15 RL SELL TEE SEELE TEL TEL TREE SEHEN TREE SCHULTE TREE TEL STEEL TEE CELL TC TEN luftigen Ziegen zu, die da3 wenige Grün abfragen, das aus den Spalten des Gefteines wuchs. Zu dieſem Hirten trat der ältlihe Mann, warf ihm einige Münzen in den Schoß und fragte, felber über fich ſchmunzelnd, im mwunderbarften klaſſiſchen Griechifch, wie der Mann heiße, dem die oben an der Straße liegende Schenke gehöre. Der Burfche fehaute verwundert auf den Frager, deſſen Rede ihm vielleicht nicht ganz verftändlich, jeden- falls aber ſehr gefchraubt feheinen mochte, dann lächelte auch er und antwortete in minder wundervollem Neu- griechifch, und zwar in der Mundart des Volkes. Nun, einen Namen, den Namen Gargafjon, den der ‚junge Burfche allerdings ein bißchen anders ausſprach, verftand die Wilkins, und mit dem Klang diefes ihr plößlich jehr bedeutungsvoll gewordenen Namens im Ohr ging fie gleich darauf fehr raſch weiter. Sie mußte ja Ruftin, noch ehe der die Stadt erreichte, wieder vor die Augen befommen. Die Bodenfurche zwifchen den bei- den Hügeln wurde jeßt breiter, und der Weg ſenkte fich. Die junge Frau, die derzeit wie ein Ältlicher Mann aus ſah, Tonnte ein gutes Stüd des Weges vor fich fehen. Etliche Hundert Schritte vor ihr ging Ruſtin. Er bummelte ganz gemächlich feines Wegs, nahm fich jo- gar Zeit zu botanifieren. | - Ein Rafenfled feitlich der Straße, durchwirkt von blutroten und amethyitfarbigen Anemonen, fejjelte jeine Aufmerkſamkeit; dann wieder fuhr feine Hand über eine Felswand, aus deren vielen Riſſen Ajphodelos und die roſenrote Saponaria blühten, neben denen jtarr und trogig Agaven ihre blaugrauen Blätter ausftredten. D, Sohn Ruftin ift derzeit ganz friedlich gejtimmt, der denkt jet an nichts Schlimmes! Aber nein, felbit jest ift er nicht harmlos. Als die Willins die Stelle erreichte, an der er, wie fie gemeint,

16 Die Briefe der Königin.

ER TEHLL e.ti EHL TEHELL TEOLLL TER ROLLE TER TER TERGEE TREE TEL TEL SE WOHLE EL SEELE fich der Blumen erfreute, fieht fie, daß er die Anemonen zertreten und die anderen Blüten aus den Felsfurchen geriffen und zu Boden geworfen hat.

„Die richtige Vernichtungsmut; die richtige Mörder: natur!” denkt die junge Frau, und ihre Lippen fchließen fich fefter. Dann blidt fie auf. Ein Schatten ift auf den * weißlichen Staub der Straße gefallen, der Schatten eines Menfchen. Ein junger Burfche fehleicht auf dem Wege, der aufdem Hügel oben, gleichlaufend mit der Straße, fich hinzieht, Ruftin nad. Warum dudt er fich, warum bleibt er zumeilen fiehen, warum mirft er fich jest gar zur Erde nieder?

Ruſtin ift ftehen geblieben und blidt den Weg zus rüd, den er joeben gegangen. Jetzt geht er weiter. Da erhebt ich auch der Burfche und jeßt feinen Weg wieder fort. Und diefer Vorgang wiederholt fich noch einmal.

Da begreift die Wilkins. Gargaſſon weiß nicht, wer jein Auftraggeber ift und fo jehidt er ihm einen nach, der dies ermitteln foll.

Die Wilkins beobachtet, wie er Ruſtin bis zu deſſen Hotel folgt, wie der Burjche alsdann eine Furze Unter: redung mit einem der Hausdiener hat und dann ficht- lich befriedigt zurückehrt.

Wenige Stunden jpäter ſaß Frau Wilkins ganz nahe von Ruſtin im Speijefaale, merkte, daß fein Appetit nicht3 zu wünſchen übrig ließ, und fpeifte jelber mit guter Luft die vortrefflich bereiteten Gerichte, die ihr nach der mehrtägigen, echt griechijchen Verköſtigung auf der „Circe” eine wahre Labung waren, und las dann es gejchah Feine zehn Meter fern von Ruſtin den Brief, auf deffen Umfchlag eine Männerhand die Adreſſe gejegt Hatte, und der eigentlich auf ganz uns rechtmäßige Weife in ihre Hand gekommen war.

Roman von Augufte Groner. 17

FELL TEL TEL TEA TEL TEEL TELLLN TEHLLL DEREN TEE TER BREI SEELE EHLERS ALL REEL TEL

Und diefer Brief lautete: „Dein Stiefvater befiehlt Dir, Sofort heimzukommen. Erfülft Du feinen Befehl nicht, bift Du nicht in längftens zehn Tagen nach Em- pfang diefes Briefes hier, dann wird Ralph von Deinen ihn betreffenden Vorhaben unterrichtet werden. Die Bemeismittel liegen bereits vor, und Du biſt al3dann verloren. Kommſt Du aber fofort zurüd und trifft Ralph fein Unfall mehr, dann mwill Dein Stiefvater um meinetwillen Gnade für Recht ergehen lafjen und Dich jchonen. Deine unglüdliche Mutter.”

Die Willins las diefen Brief bereit3 zum zweiten Male. Er Hatte fie nicht einmal beim erftmaligen Leſen aufgeregt. Aber recht war es ihr, daß nun alles klar vor ihren Augen dalag, denn es war nicht zu bezweifeln, daß Ralphs eigene Mutter diefen Brief gejchrieben hatte.

Weniger ficher war es, daß fie ihn freimillig ge= jchrieben. Diefer ftrenge, harte Ton paßte nicht zu der Frau, deren vermwerfliche Mutterliebe Sohn Ruſtin zu dem hatte werden lafjen, was er geworden war. Auch fprach die von Männerhand gejchriebene Adrefje für die Annahme, daß Robinjon Taylor den Brief veranlaßt, diktiert und zur Sicherheit auch felber aufgegeben habe.

Freilich, Frauenlift fchlägt gar oft Männerklugbeit. Sicher war es, daß für Ruſtin gleichzeitig mit diefem Brief noch ein anderer, unter einer wohl nur ihm und einer zweiten Perſon befannten Chiffre vorhanden ge: wejen war. War dieje zweite PBerfon vielleicht feine Diutter? Und war diefer andere Brief nicht vielleicht gleichzeitig oder erſt nach dem Schreiben, das die Wilfins jest in der Hand hielt, abgefandt worden? Und hatte diefer andere Brief nicht etwa das Gegenteil von dem enthalten, was Frau Dorothea Taylor bier, ficherlich nur geziwungen, gejchrieben? Ach, es gibt fo viele Fragen, die niemals beantwortet werden! —-

1906. VII, 2

15 Die Briefe der Königin. FULL NE HL, VAL TER TEL TEL VRHLNEEHL UL TUE TÄLER VAL VHS TEE

DaB aud) Sohn Ruftin fich allerlei fragte, zeigte der Gang zur Poſt, den er gleich nach Tifche antrat. Natürlich ging auch die Wilkins zur Poſt und entnahm aus dem Umftande, daß der Beamte, wie heute morgen, abermals in etlichen Fächern Nachſchau hielt, Ruſtin habe wieder unter verfchiedenen Adreßangaben nach Briefen gefragt.

Aber wieder war dies: umſonſt gemefen.

Sohn Ruftin ging in fehr übler Stimmung aus dem Poſtamte und begab fich nach dem Bahnhofe, wo er die Ankunftszeiten der Züge ftudierte. Gr mußte ja fo gut wie die Willins, daß auch die „Savoia” am 1. Okto⸗ ber in den Piräus einlaufen follte. Nun, heute war diefer Zag. Am Morgen war von der „Savoia“ noch nicht zu ſehen gemwefen, aber jet fonnte fie Schon angelommen jein. Da war es denn gut, fich in der Nähe des Bahn: hofes aufzuhalten und natürlich) auch die Straße zu beobachten, weldye vom Piräus nad) Athen führt.

Beides war ganz gut von einem Kaffeehaufe aus möglich, das an der Ede der Hermesftraße liegt, oder welches fich mwenigftens in jener Zeit dort befand. Bor dem eleganten Lokal ftanden einige Reihen Kleiner Tijche, an welchen fich viele Gäfte niedergelafjen Hatten, denn e3 war auf dem Schattigen, Iuftigen Blage gut zu fißen. Auch gab es daſelbſt ftet3 viel Verkehr, und jo konnte man fich da ftundenlang zerfireuen. Und Zerjtreuung liebt der Grieche, zu dejjen Eigentümlichleit es über: dies gehört, niemals etwas zu tun zu haben.

An. diefen vielen Tifchen gab es noch einige un: beſetzte Pläße, deren einen Sohn Ruſtin einnahm. Gleich danach ließ fich ein ältlicher Herr in feiner Nähe nieder, und zwar an einem Tifch, an welchem fehon ein alter, vornehm ausfehender Mann faß, bei dem er fich in fran— zöfifcher Sprache mit leicht verjchleierter Stimme artig er- kundigte, ob man e3 ihm geftatte, hier Platz zu nehmen.

Roman von Augufte Groner. 19 SEELE TH TEL CELL SEE SEELE SELL SCH STELL TEL SEAL TEL FELL EEE FL ET

Die3 wurde ebenfo freundlich gewährt, als es er- beten worden war, und nicht lange danach hatte fich zwiſchen den beiden Herren ein gemütliche Gejpräd) angebahnt. Der Neuangelommene erzählte, daß er aus Amerika herübergefommen ſei, um jich Europa3 größte Merkwürdigkeiten anzufehen und die europäifchen Sitten zu ftudieren. Sim Verlaufe des Geſprächs erwähnte er al3- dann, daß er einftmeilen Spanien und Italien bereijt habe und in Sizilien faft das Opfer eines räuberifchen Überfalles gemorden wäre, daß man ihn fehon entführt, ihn jedoch wieder freigelaffen habe, nachdem man fid) da- von überzeugte, daß er ein wenig bemittelter Journaliſt ſei.

„Sind bier die Straßen vielleicht auch fo unficher?“ fragte er.

Herr Romanidis, Schiffsreeder aus der Patiſſia— itraße, zudte die Achjeln. „Sicher und nicht ficher, wie man es nimnt,” meinte er, „der Arme kann bei uns zu jeder Stunde unangefochten durch das ganze Land fommen, aber einen, der eine größere Summe wert ift, dem möchte ich e3 nicht raten, ohne zuverläfjige Be: deefung zu reifen.” |

„Iſt es denn richtig, daß es bier Leute gibt, die es fich zum Gefchäfte machen, den Banditen Spionendienfte zu leijten und ihnen die Reiſenden zu bezeichnen, deren Entführung fich lohnt?”

„Aud) das ift leider richtig. Die Bolizei kennt fo» gar etliche diejer Schufte ganz genau.”

„And jtedt fie nicht ein?“

„Was wollen Sie von unjerer armen Polizei? Gie iſt nicht aufs befte organifiert, kläglich bezahlt, und auch ihre Zahl ijt eine viel zu geringe gegenüber der Anzahl ihrer öffentlichen und geheimen Gegner.”

„Da find aljo vermutlich die Banditen beſſer or: ganijtert!” fagte der Ausländer lächelnd.

20 Die Briefe der Königin. SEAL FELL FELL TR THE SEELE EELLL TERELL TEL SEELE TR TEL TEL TEL ER TSEHL,

„D, die find famos organifiert. Die halten eine ſtramme Disziplin und haben, was man von unferem Gicherheitsinftitut nicht behaupten kann, eine Unzahl Helfer und Freunde im Volke.“

„Man erzählte mir,” begann der Amerikaner, fich zu dem Griechen binüberbeugend, „daß ein Franzofe, ein gewiſſer Gargafjon, der irgendwo vor der Stadt eine Schenfe hält, ein fehon ziemlich ſchwer belajtetes Individuum fein fol.“

Romanidis wurde jeßt lebhaft. „Gargaſſon? Ab, Gargafjon!” mumelte er.

„Heben Sie ſchon von ihm gehört? Kennen Gie ihn?” fragte der Zeitungsmann raſch.

Der Grieche lächelte grimmig. „Ob ich ihn Tenne!“ fagte er. „Er ijt die rechte Hand von Kephas.“

„Wer iſt Kephas?“

„Er wäre der herrlichite Grieche, wenn er nicht ein fo großer Schurke wäre. An Schönheit ift er ein An— tinous, an Kraft ein Heralles, aber er verwendet alles Schöne und Herrliche, das in ihm ift, zum Böfen. Die Meiber macht er durch feine Schönheit verrüdt, und die Männer unterwirft er Sich mittels feiner Kraft. Eines nur ift lobensmwert an ihm: er fennt die Faljch- heit nicht und nicht die Lift. Er ift wie der Bär, der aus den Bergen niederfteigt, geraden Weges kommt er und erdrüdt, die ihm feindlich find, zwiſchen feinen Taten.”

„In welche er fich Die, die ihm feindlich find, durch einen Geriebeneren hat treiben lafjen,” Forrigierte der Ameritaner des Griechen Charalterijierung, die mehr ein Lobgeſang auf Kephas, als eine Verurteilung war.

Romanidis gab lächelnd zu, daß es fich fo verhalte. „Jedenfalls aber ijt der jchöne Kephas zweifellos einer der anftändigften Banditen Griechenlands, und fait alle feine Landsleute ſchwärmen eigentlich heimlich für ihn.”

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Roman von Augufte Groner. 2] SIELTTEL NHL TEEL SSELLICHL TCHLL CH TELLER STEAL TEL TEL SCHL/ EHLLTLLTE LIE

„Aber für Gargaffon ſchwärmt doch hoffentlich nie: mand ?” |

„Ab, Gargaſſon ift eben nichts als ein Schurke.“

„Seltfame Anſchauung!“ dachte die Wilkins da eben tönte ein Pfiff vom Bahnhof herüber. Es war ein Zug vom Piräus gekommen. Fran Wilkins, welche Ruſtin nicht aus den Augen gelaffen hatte, ſah, wie diefer fich erhob und fich dann dem Bahnhoſe zumandte. .

Da rief auch fie den BZahlfellner herbei, empfahl fi bei Herrn Romanidis und wollte ſchon gehen, da hielt der Grieche fie plöglid am Arme feit.

„Bas gibt es?“ fragte fie gelaflen.

„Der Wolf fommt, wenn man ihn nennt.“

„Kephas?“ Die Willin3 war nun doch überrascht.

„Kein, Gargaffon !” entgegnete Romanidis und deutete auf die Tür des Raffeehaufes, in welcher foeben zwei Män— ner erjehienen. „Der Kleinere iſt es,” fette ex hinzu.

Der Ameritaner nidte. „Ab,“ meinte er angeregt, „der mit dem hübjchen goldenen Bleiftift an der Uhrkette?“

„ga, diefer.”

„Sehr interejfant! Glauben Sie, daß er wegfährt?“

Romanidis lächelte eigentümlich. „Ich glaube eher, daß er jemand erwartet.”

„Run der Mann interefjiert mich, ich möchte ihn ein wenig beobachten.”

Mit diefen Worten empfahl fich der freundliche Amerikaner von dem freundlichen Griechen. Er beobachtete wirklich Gargaſſon, der feinerfeits wieder Ruſtin nicht aus den Augen ließ, was der Wilfins natürlich nicht entging.

Ruſtin ftand in einem dunklen Winkel, aber fo dunfel war dieſer nicht, daß es feine beiden Beobachter nicht hätten wahrnehmen Tönnen, daß er fich plöglich noch mehr in den Schatten drüdte, auf welche Wahrneb- mung bin fie ihre Augen der Tür zuwandten, durch

22 Die Briefe der Königin.

SELL TEIL FELL ETELL IEREL α SCHE TRUE TELLER UEEE EHLTECHLL THE STTUHLL TE TEL, welche die Angelommenen foeben in die Halle zu ftrömen begannen.

Der blumenüberladene Hut von Rofine Mengs war das erfte Belannte, das der Willind in die Augen fiel, dann ſah fie Marthas hübſches Geficht mit glückſeligem Ausdrud auf den neben ihr fchreitenden Doktor ge— richtet, und danach tauchte der wadere alte Profeffor auf, deſſen ſchwärmeriſch glänzende Augen fich fehn- füchtig nad) dem Ausgang der Halle richteten, wo er endlich den Fuß auf den Boden der göttergeliebten Stadt fegen jollte.

Und nach und nach famen aud) alle anderen zum Borjchein: die Riefengeftalt Knut Chriftenfens, das englifche Ehepaar, dem die alte Verwandte mie ein Schatten folgte, Lehmann, defjen glänzende Auglein vergnüglich an dem Geficht einer bildhübfchen Drangen: verläuferin hängen blieben, und Ladany, der ziemlich verdrofjen darein fah. Und ganz zum Schluffe fam Lavinia mit ihren beiden Freunden, denen Manil und die Morris auf dem Fuße folgten. Lavinia, wunder: hübſch in ihrem grauen NReijeloftüm, redete mit Deronge, der dicht neben ihr ging, während Ralph mit Manıl irgend etwas beſprach.

Eine Minute lang batte die Wilkins Auftin und Gargaffon aus den Augen verloren jetzt ſuchte fie beide mit den Bliden, aber feiner von ihnen befand fich) mehr an dem Ort, an melchem ex früher gemefen, und ſchon wollte die Wilkins fie juchen gehen, als dicht hinter ihr eine ihr befannte Stimme fragte: „Was wollen Sie denn bier?“

Frau Wilkins rührte ſich nicht, aber um fo ans geftrengter laufchte fie. Der die Frage geitellt hatte, war Sohn Ruſtin gemwefen. Er batte Franzöſiſch ges jprochen, und in diefer Sprache antwortete ihm auch

Roman von Augufte Öroner. 23 SELL FELL SEELE TEL TEL TEELLL TER TEL EEE EL TEL FL FL TITEL TR LTE die rauhe Stimme eines anderen. Es entmwidelte fich ein kurzes Geſpräch.

„Machen Sie kein Aufſehen, Herr Dunois oder wie Sie ſonſt heißen mögen —“

„Woher wiſſen Sie?“

„Ich habe Ihnen jemand nachgeſchickt.“

„Infam!“

„Nur keine Empfindlichkeit! Ich habe es nicht gern, mit mir ganz Unbekannten in Verbindung zu ſtehen.“

„Alſo reden Sie. Was wollen Sie?“

„Iſt das die Geſellſchaft, von der Sie redeten?“

„Ja.“

„Die Hauptperſon iſt wohl der hübſche Mann mit dem weißen Hut?“

„Ja.“

„Und der, mit welchem er redet?“

„Iſt der Beſitzer der Silberbergwerke.“

„Welcher iſt der Franzoſe?“

„Der, welcher neben der Dame geht.“

„Wahrhaftig ein verteufelt ſchönes Frauenzimmer. Aber der berühmte Gelehrte, wo iſt der?“

„Er betritt ſoeben die Straße.“

Die Wilkins wußte genug. Sie folgte den zweien nicht, die jetzt, zu irgend einer Meinungsdifferenz gekommen, ſich an eine leer gewordene Stelle der Halle zurück— zogen. Zu auffallend wäre es geweſen, wenn ſie ſich in ihre Nähe begeben hätte, daher beeilte fie ſich, ihre Freunde zu erreichen, welche joeben auf den Pla hinaustraten.

„Alſo im Hotel D’Angleterre finden wir ung,” fagte Deronge foeben zu Lavinia, welcher Ralph in einen Wagen half und fi) dann er wußte gar nicht, wie ſehr beeilte, neben ihr Bla zu nehmen.

Lavinia fchien dies nicht zu bemerlen, denn fie be- Tchäftigte fich nur mit Deronge. „Kommen Sie aber

24 Die Briefe der Königin. EICHLER SELL TE TEL LEE TREE SELL RESELLER TREE TR bald. Es ift fo unangenehm, allein in einer fremden Stadt zu fein.”

Ralph bi ſich auf die Lippen, während der Fran— zoſe verficherte, er wolle nur nach Briefen fragen und dann gleich nad) dem Hotel gehen.

„Sie fühlen fich alfo neben mir ganz allein in diefer fremden Stadt?” fragte Ralph, fich weit vorbeugend, um in die Augen der jungen Frau Jchauen zu können.

hr Blid war ganz kalt, ihr Wefen völlig unbemesgt, al3 fie ihm antwortete: „Mein lieber Taylor, das Zufammen- fein während diejer Reife hat uns fo weit voneinander entfernt, daß ich leider mit voller Richtigkeit jagen Tann, ich bin allein, wenngleich Sie dicht neben mir find.”

„Lavinia!“

„Laſſen Sie das, Ralph. Ich glaube es Ihnen ja, daß Sie noch nicht ganz kalt gegen mich geworden ſind; aber weit entfernt davon, mich deſſen zu freuen, iſt mir das Bewußtſein peinlich, daß Sie, trotzdem Sie mir nicht trauen, noch mit einer gewiſſen Art von Wärme an mich denken. Spüren Sie denn nicht, daß mir dieſe Gattung von Intereſſe wie eine Beleidigung iſt?“

Unwillkürlich drückte ſie ſich ſo eng in die Ecke des Wagens, daß ſie dadurch jede Berührung mit Ralph vermied.

„Ich bin Ihnen alſo widerwärtig geworden?“ fragte er bitter.

Sie dachte, während der Wagen durch die ſehr be— lebte Hermesſtraße rollte, eine Weile nach. „Nein,“ ant— wortete ſie dann ehrlich, „nein, Sie ſind mir nicht wider— wärtig geworden. Ich habe nur kein Vertrauen mehr zu Ihnen, und das hat Sie mir ſo ganz fremd gemacht.“

Er ſeufzte. „Wird das nie wieder anders werden?“ fragte er traurig.

Sie lächelte bitter. „Können Sie ſich eine Situation

Roman von Augufte Groner. 25 SEISL EEE TEEN TEL EHE TEEL TEE TEE TER OEL TER FELL TECHN SCH TR RL oorftellen, in der unfere jetzt fo tief verftimmten Emp- findungen, unſere gegenfeitige Gereiztheit, unſer gegen- feitiger Grimm hinwegſchmelzen könnten, fo ganz ver: ſchwinden könnten, daß es wieder fo warm und fo Licht in ung würde, wie es früher in ung gemefen ift, wenn wir nur aneinander dachten?”

Ralph Hatte unwilllürlich ihre Hand ergriffen. „Das waren ja gute, liebe Worte, Lavinia. Daß Sie fie noch fanden, ift mir ein Zeichen —“

„Wofür denn?“ jpöttelte fie, ihm ihre Hand entziehend. „Ab, Ralph, ich habe von etwas Totem gefprochen, da bin ich ein bißchen weich geworden, das ift alles.”

Der Wagen bielt.

Zavinia erhob fih. „Meinen roten Schirm hat hoffentlich die Morris,” fagte fie und dann, fich beim Aussteigen leicht auf Taylors Arm ftügend: „Nicht wahr, Sie achten darauf, daß man uns nicht wieder mit Maſtix verjegten Wein vorjegt?*

Ralph war ſich denn doch zu gut, folcher Kälte gegenüber warm zu bleiben. Er verneigte fich artig. „Gewiß will ich darauf achten,” fagte er, „denn au ich liebe diefen Harzgeſchmack nicht.”

Dann führte er fie in den pflanzengefchmücten Flur.

Deronge, der mit der Wilkins verabredet hatte, daß der, welcher zuerjt in Athen eingetroffen fei, den anderen "in der Bahnhofshalle erwarten jolle, betrat diefe wieder. Er hatte ja im Hafen drüben die „Circe“ vor Anker liegen fehen, mußte alfo, daß die Wilkins fich ſchon hier befinde.

Er ließ feine Blicke über die Leute gleiten, melche fich noch in der Halle befanden. Es waren ihrer nimmer gar viele, trotzdem konnte er niemand darunter ent- deden, in welchem er die junge Frau vermuten Eonnte.

Aber entdedte er auch die Gefuchte nicht, jo machte

26 Die Briefe der Königin.

FELL TEA GERA SEHE THE WELL TEL TELLUS TEIL! SELL RE ET REN SEAL ERENTO TEE EAN, er doch eine andere Entdedung. In einem Wintel redeten zwei Männer in beftiger Weife miteinander und in einem von ihnen erlannte er, troß deſſen Verkleidung, Sohn Ruftin.

„Kann ich Feuer belommen, mein Herr?“ redete ihn da in artiger Weife ein ältliher Mann an und erhob ſchon in feiner mit abgetragenen Handfchuhen bededten Hand eine Higarette.

Deronge ftreifte die Aſche feiner Zigarre ab und ließ den anderen die feinige anzünden.

„Ein munderjchöner Tag zur Ankunft in unferer Stadt,” bemerkte, höflich den Hut lüftend, mit etwas verjchleierter Stimme der ältliche Herr.

Der Franzofe hatte jedoch keine Luft, mit fremden Leuten ein gleichgültiges Gefpräch zu führen; er ver: abjchiedete fich durch eine ftumme Verbeugung und wandte fic den zwei anderen zu.

„Nicht jo nahe, lieber Deronge! ES ift nicht gut, wenn Auftin Sie jest ſieht,“ ſagte in dieſem Augen- blid die Stimme der Frau Wilfins.

Der Franzofe blidte überrafcht auf. Es ftand nie- mand al3 der ältliche Herr bei ihm. Der faßte ihn jest unter dem Arm und führte ihn auf die Straße hinaus.

„&3 ijt ja faum glaublich!" ſagte Deronge, feinen Begleiter verwundert betrachtend.

Der ältliche Herr lächelte. Da enthüllten fich aller: dings Zähne von folcher Tadellojigkeit, daß fie zu dem welfen Geſichte nicht paßten, und al3 er für einen Moment die Augengläfer abnahm, lachten der Wilkins kluge Augen den Sranzojen an.

Diefe Augen wurden jedoch fehr fchnell wieder ernit. „Ich muß Sie heute abend noch fprechen,” ſagte die Wilkins. „Sie treffen mich im Hotel d'Egypte, Zimmer dreizehn.“

Roman von Augufte Groner. 27 FERLL TEHL EHL CELL CELL TER SELL CH TREE TEIHLL TEHERAN TETHÄL EHE TEEN

„D, eine Unglüdszahl!” meinte Deronge lächelmd.

Cie antwortete darauf nichts, fondern ftieg, ihm winkend, in einen halbverdedten Wagen, der mit anderen vor dem Bahnbofe hielt.

„Was gibt es?“

„Steigen Sie ein, aber beugen Sie fich zurüd. Ruſtin kommt. Schauen Sie fih den Mann an, der bei ihm ijt.”

„Es find jetzt zwei bei ihm,” entgegnete Deronge, durch das Fenſterchen blidend, das in dem Lederdache de3 Wagens eingelafjen war.

„Der eine ift ein Sremdenführer,” fagte die Wilkins, „den anderen meine ich den, der Ruſtins Schreib- jtift an der Uhrkette trägt.”

„Wahrhaftig! Iſt das ein Freund von ihm?“

„Ein Helfer, mehr kann ich Ihnen jetzt nicht fagen. Cie jehen, der Kerl befteigt auch einen Wagen. Biel- leicht ift e8 gut, daß ich fehon einen habe. Jedenfalls ‚will ich diefen Menfchen noch ein wenig im Auge be- halten. Abends alfo fehen wir und. So jebt können Sie ausfteigen. Ruftin ift jehr in Gedanken verfunfen, er wird es nicht bemerken, wenn Sie fich ihm ein biß- chen widmen. Adieu!“

Ein flühtiger Händedrud. Deronge ftand fchon auf der Straße. Der Wagenlenter, ein miürrifcher, verlottert ausſehender Menjch, fragte in einem fchlechten Franzöfifch, wohin er zu fahren habe. Gein Fahrgaſt gab ihm den Auftrag, dem braungeftrichenen Wagen zu folgen, der foeben in die. Hermesftraße einbog.

Hätte die Willins gejehen, wie häßlich der Kutſcher lächelte, als er das Pferd in Bewegung fette, fie hätte e3 fich vielleicht überlegt, dem braungeftrichenen Land⸗ fuhrwerk zu folgen, darin Gargaffon, es felber lenkend, vor ihr ber fuhr.

Es war etwa vier Uhr, als die beiden Gefährte die

28 Die Briefe der Königin.

FRLL TEL TOLL TEA TEL TEE TEL TEL TELLER TEL ETLL ERLTTEL NEN Stadt an ihrem anderen Ende wieder verließen. Und als fie, feine finfhundert Schritte voneinander entfernt, auf die Straße nach Kephefia einbogen, lagen bie Schatten der Bäume fehon recht lang hingedehnt auf dem ftaubigen Weg.

Die Willins zog ihren ganz ausgezeichneten „Führer durch Athen und Umgebung” zu Rat, wohin die Fahrt wohl gebe, und da Gargaffon und danad) aud) ihr Wagen im Riffostale bei dem freundlichen Dorfe Ampe- lofipi auf eine rechts gelegene Landſtraße abbogen, mußte fie, daß fie fich auf dem Fahrwege nach Mara- thon befänden. Einen Augenblid lang überlegte fie, ob jte nicht umkehren folle, denn bei dem Gedanten, daß Ruſtin ſich nun wieder jo nahe bei Ralph befinde, wurde ihr um legteren bang, dann aber überlegte fie, daß Ruſtin es ja jet offenbar Gargafjon und deſſen Helfershelfern über: laſſen wolle, ihm Ralph aus den Wege zu räumen, und daß aljo augenblidlich Feine Gefahr für legteren beſtehe.

Außerdem war es höchſt wahrjcheinlich von großer Wichtigkeit, zu erfahren, warum Gargafjon juft heute, nad) den Konferenzen mit Ruftin und nad) Befichtigung der Paſſagiere der „Savoia“, über Land fuhr.

Anfangs Hatte der ältliche Herr, der da fo ohne jedes gejchichtliche Synterejfe dem vom Abendfonnengold überjtrahlten Pentelikon entgegenfuhr, es verjucht, mit feinem Rutjcher ein Geſpräch anzuknüpfen, allein Der mürrifche Kerl fand es kaum der Mühe wert, zu ant— worten, und jo begnügte fein Paſſagier fich ſchließlich damit, den Weg und deijen Umgebung ftill zu beobach- ten, fich an den charakterijtifchen Geſtalten zu erfreuen, die ziemlich häufig auf diefer viel begangenen und viel befahrenen Straße zu fehen waren.

Daß auch lebteres der Fall war, begünftigte die Verfolgung Gargaffons, denn daß ein einziger Wagen

Roman von Augufte Groner. 29 SEELE STEEL TEL TEE TEL TEL ZT ESEL STEEL TER ES TEL TEL TEE ERHLL TEHHL TEN fo lange ſchon inter dem feinigen ber war, das hätte ihn vielleicht ftugig gemacht; aber da es ihrer mehrere waren, die ihm folgten, ihn überholten und ihm ent- gegenlamen, legte er, wiewohl er fich öfters umgejehen hatte, dem einen Wagen feine Bedeutung bei.

Dean hatte Kharvati ſchon Hinter fih. ES ift dies ein Dorf, welches am Südabfalle des Pentelikon am Flüßchen Balana liegt. Etwa eine halbe Fahrſtunde dftlih von Kharvati fchmiegen fich an mit Dliven be- Itandene Hügel die Ruinen des Dorfes Pitjermi. ALS diefe jchon tief eingehült in die Schatten des Abends vor dem Wagen der Wilkins auftauchten, hielt der Kutſcher plöglich das Roß an.

„Kann denn der Herr auch zahlen?” fragte er.

Die Willins redete nicht ein Wort, aber fie reichte dem Manne ein Zehnfranfenftüd. Sie hätte ihm ohne weiteres das Doppelte gegeben, aber er brauchte nicht zu willen, daß fie ziemlich viel Geld bei fich hatte.

Der Kutſcher drehte die goldene Münze zwiſchen den Fingern. „Iſt Das alles, was mir der Herr gibt?“ fragte er verdrojjen. |

Sein Paſſagier nickte. „Einjtweilen ift es alles,“ entgegnete er. „Ich war nicht darauf vorbereitet, eine fo weite Fahrt zu machen. Wenn wir wieder in der Stadt find, ſollen Sie noch einmal zehn Franken erhalten.”

„Legen Sie noch fünf dazu!“

„set nicht. Ich könnte e3 nicht, wenn ich felbit wollte. Ich fagte Ihnen ja fchon, daß ich nicht mehr Geld bei mir habe.”

„Ich glaube es nicht.” |

Der ältlihe Herr hatte einen Revolver hervor: gezogen. „Ich kann Gie doch nicht damit bezahlt machen,” fagte er mit Beziehung und drehte da3 ge- fährliche Ding langfam Hin und her. Per Mond,

30 Die ae a non

Be ehe über die © Berge ftieg, ließ den blanten Zauf ſehr deutlich erglänzen. „Fahren Sie alfo zu,“ fuhr der Reifende fort, „jonjt verlieren wir den anderen Wagen ganz aus dem Gefichte.“

„Jedenfalls muß ich erſt mein Pferd tränken,“ er— mwiderte mürrifch der Kutſcher.

Dagegen ließ fich nichts einmenden. Wohl dachte die Wilkins jogleich, daß eine bejtimmte Abficht da- binter fei, denn das Tier hatte fich bei dem ganz ge: mächlichen Trab und in der fchon lange berrjchenden Abendkühle durchaus nicht erhigt. Aber was wollte fie tun? Sie war ja doch in dieſes Menfchen Hand und tonnte ihn höchſtens durd) das Verſprechen einer jehr reichlichen Bezahlung ihrem Wollen gefügig machen.

Der Kutfcher trieb fein Pferd, das er zu dem dicht an der Straße fließenden Bach gelenkt hatte, wieder zur Straße hinauf und fuhr meiter.

„Beeilen Sie fich! Ich möchte die Fahrt nicht nublos gemacht haben,” rief fein Paſſagier ihm ärgerlich zu.

Der Rutjcher grinfte nur, mwa3 freilich jener nicht ſehen konnte. Aber die verfallenen Häufer rechts und links an der Straße konnte er fehen, dieſe verddeten, toten Häuschen, au3 deren Tür und Senjteröffnungen fchauriges Dunkel fchaute.

Aber, was war denn da3? Hatte nicht foeben jebt ein Licht aufgebligt? Dort, wo die Häuschen Dichter ſtanden, wo unter einigen alten Edelkaftanien, die ihre weitausladenden Aſte über eine ganze Gruppe der öden Bauten breiteten, tieferes Dunkel berrfchte.

Nein e3 war feine Täufchung geweſen! Wieder hatte e8 jet dort drüben aufgeleuchtet. Pitjermi war demnach doch nicht fo ganz verlaffen, wie das Reiſe— handbuch e3 angab, da3 die Wilkins zu Anfang ihrer Fahrt über diefe Straße befragt hatte. Die Dorfruinen

Roman von Augufte Groner. 31 SRH TOLL SEHE PERL SEHE» VOL, TEL LL TR TEAM TEL TEL TEL TEL ULLA TEL UL Th lagen jett ſchon hinter dem nun mie vafend dahin fahrenden Wagen. Da gab e3 plöglich einen Ruck.

Der Wagen hielt; der Kutſcher ftieg fluchend ab.

„Was gibt e8 denn?” erkundigte fich der Fahrgalt.

„Der Herr muß ausfteigen,” fagte ziemlich höflich der andere. :

„Warum?“

„sch muß erſt fchauen, was am Wagen gefchehen tft.“

Dagegen war wieder nichts einzuwenden. Die Wil: kins ſtieg aljo aus.

„Hat der Herr Zündhölzchen bei fich?“

„Ja.“

Der Mond ſchien freilich ſehr hell, aber umſo tiefer waren auch die Schatten. Gegen den Gebrauch von Zündhölzchen war alſo abermals nichts Vernünftiges zu ſagen; dennoch hatte die Wilkins das Gefühl, daß ſie genarrt werde. Mißtrauiſch reichte ſie dem Kutſcher die Zündholzſchachtel hin, aber er achtete nicht darauf. Das Pferd, vermutlich von ihm ſelber dazu gebracht, drängte ſo gegen den Rand des Straßengrabens hin, daß die Wilkins, wollte ſie nicht hineingeſtoßen werden, gezwungen war, raſch hinter den Wagen zu treten.

Sie mußte dabei einen Schotterhaufen überklettern. Sie ſtand auch bald wieder auf feſtem Boden und lächelte, ſo wie man in einer höchſt unangenehmen und dabei komiſchen Situation eben lächelt.

Sie ſchaute dabei dem raſch ſich umwendenden und da= vonfaujfenden Wagen nad), auf dejjen Pferd der Kutſcher wie toll loshieb und dachte feelenruhig: „Jetzt heißt es vorfichtig fein! Diefes Manöver hat eine Bedeutung.” Danach verficherte fie fi) noch einmal des Befiges ihres Revolvers und ging auf das verddete Dorf zu, zwiſchen defjen erftien Mauern der Wagen fchon verjchwunden war.

Nach wenigen Minuten Hatte fie es erreicht. Sie

32 Die Briefe der Königin. SEE THE TEL TEL TEL FELL TEL STELL TEL FT FELL TUELL, TR TEL TEL CHILE DELL ARE ging nicht auf der Straße. Sie wollte PBitjermi wenn möglich ungefehen und ungeftört betreten, wollte fich davon Überzeugen, melcdher Art die Menſchen feien, deren Dafein fich vorhin durch das Licht verraten hatte, und wollte ihr demnächſtiges Handeln danach einrichten. ft vielleicht Pitfermi auch Gargaſſons Ziel ge: mwejen? Hat der Kutſcher, der fich fchließlich fo merk- würdig benahm, den Schurken vielleicht gelaunt? Hat er nicht vielleicht auch Kenntnis davon, daß Pitſermi des öfteren Gargafjons Ziel ift, und bat es nur mit ihm nicht verderben oder hat er mich ihm und den anderen vielleicht gar in die Hände liefern wollen?

Das alles fragte fich die Wilfins, während fie, oft Halt machend und vorfichtig umbherfpähend und ge jpannt laufchend, fich dem Dorfe näherte. Aber nichts, gar nichts regte fich. Eine Eule nur ſchreit in der Ferne.

„Ex ift nur ein Heiner Schurke!” denkt die Wilkins fih ihres Kutfchers erinnernd. „Er hat wohl nur aus Feigheit gehandelt.“

Wieder hält fie an. Es hat ein Pferd gemwiehert.

„Db das ein Rappe ift oder ein Salbe?“ denkt die Zaufcherin. Sie felbjt ijt mit einem Falben hierher gefommen, Gargaſſons Roß war ein Rappe.

Wieder macht fie ein paar Schritte. Jetzt blitzt ihr ſchon das Licht entgegen, dieſes Licht, das im Schatten der Bäume doppelt grell wirft.

- Man jcheint fich nicht davor zu fürchten, daß diejes Licht gejehen wird. Oder fühlt man fich nur fo ficher, weil der Ort jo entlegen, jo unheimlich und zum min: deiten Nacht3 fo gemieden if. Penn tagsüber wird Pitjermi, das ja von der Landſtraße durchzogen iſt, von al den Fuhrwerken paffiert, die zwijchen Athen und der Ebene von Marathon Menfchen oder Waren von Ort zu Ort zu bringen haben.

Roman von Augufte Öroner. 3 SEAL SEHE TUE TEL TE EHE VRUL STEHE ZELL IOHAL TEL THALE TEL FRE FEHLT ELLE

Noch ein Dutzend Schritte. Die Wilkins weiß jetzt fchon, daß ihr Kutſcher nur ein kleiner Schurfe ift. Er bat fie nicht verraten, aber ficherlich kennt er Gar: gaffons Auf und Gefchäftsftellen. Hier ift eine ſolche. Des Marfeiller3 Rappe, nicht ausgefchirrt, aber behag- lich das Heu freffend, davon man ihm einen großen Bund vorgeworfen hat, ftehbt vor einer halboffenen Tür. Hinter diefer Tür zeigt fich ein Fahler Raum, in welchem fich drei Perſonen befinden.

Die Wilfins zweifelt feinen Augenblid daran, daß eine diejer Perſonen Kephas iſt Kephas, für welchen fogar der alte Kaufherr Romanidis ein bißchen ſchwärmt.

Auf einem Teppich Liegt mehr als er figt ein fchöner, etwa dreißigjähriger Mann, der offenbar etwas auf fich hält.

eine Fuftanella *) iſt blütenweiß, fein tunefifcher Fez jamt der jchmeren Seidentroddel glänzt vor Neu- beit, feine Gelefi **) aus feinem blauen Tuch ift reich mit Seide gejtidt und verbrämt. Er raucht aus einer edelfteinbejegten Pfeife, deren fich ein Sultan nicht zu fchämen brauchte, und hat eine fo ftolze Miene, als fei er von Rechts wegen der Herr über Leben und Tod, wozu er ſich von Unrecht3 wegen ja wirklich gemacht hat.

Neben diejem jchönen Menfchen hockt Gargaffon, deſſen brutale Häßlichleit jegt noch unangenehmer her— vortritt. Die dritte anweſende Perſon ift ein ältlicher Mann von auffallender Größe und Hagerkeit und einer richtigen Galgenphyfiognomie.

Der jchöne Grieche und der häßliche Marfeiller reden eifrig, aber ganz leife miteinander.

Die Willins Tann dies jest ſchon unterjcheiden, *) Weites rockähnliches Beinkleid.

”*) ade. 1905, VII. 8

34 Die Briefe der Königin.

TILL VGL SWEAE TORE POLL TERLLL FELL EC HE, HL ALTE ILL TUE EHE HAL TEHL EHÄE TENE: denn fie ift feine zehn Schritte mehr von der Türöffnung entfernt, durch welche man in den kahlen Raum bliden kann. Sie Tann folche Annäherung wagen, denn dichtes Eichengeftrüpp dedt fie.

Und nun merkt fie, daß noch jemand in den Zimmer fein muß. Der Lange, Hagere hat jemandem mit der Fauft gedroht, heimlich ift es gefchehen, Hinter des ſchönen Griechen Rüden. Aber nicht diefem hat die Drohung gegolten, der Zange hatte fich dabei von ihn abgemendet.

Gargaffon und der Grieche müſſen jest mit ihren Abmachungen zu Ende gefommen fein, denn fie erheben fih. Und jest reden fie lauter; fie verabfchieden fich. Dabei nennt Gargaffon des anderen Namen. Diefer Antinous heißt richtig Kephas. Aber er ift nicht nur ſchön, er ift auch ftolz oder richtiger gejagt hochmütig. Er bemerkt die Hand nicht, welche Gargaſſon ihm bin hält. Ein Furzer Befehl und der Hagere, den er Antipas nennt, eilt Hinaus. Zwei Minuten jpäter führt er ein gefattelte8 Pferd vor die Hausruine.

Und nun weiß die Willins jchon, daß fich auch ein Weib dort drinnen befindet. Ein Weinen, ein Wimmern ift hörbar, feit Kephas ſich zum Aufbruch bereit ge: macht. Es iſt nicht zu verftehen, um was die jedenfalls Bedauernsmwerte fleht, aber daß fie heragerreißend fleht, das verfteht man. Der Willins wird Heiß und kalt beim Anhören diefer Wehlaute. Sie, die felber einft in der Hand eines Schurten war, weiß, was ein Weib leiden kann. Unwillkürlich legt fich ihre Hand um den Griff des Revolver.

Einen Augenblid lang zögert Kephas noch auf der Schwelle, dann wird fein Geficht jteinern. „Geh!“ jagt er laut und gebieterifch zu dem Franzoſen. Da jchleicht Gargaſſon zu feinem Wagen und fährt fofort ab.

Als des Rappen Huffchläge verflungen find, redet

Roman von Augufie Groner. 35 EEHLLTEHLL TEE TR TRUE: TRELLL ERELLL SEES RL TEL CH TEL TEE SEAL TEL SEAL TEL TEL: Kephas noch einmal. Wieder fchaut er nach dein Winkel, gegen welchen Antipas früher hingedroht hat, und au3 welchem noch immer die Laute der Berzmeiflung kommen.

Hochaufgerichtet, den herrlichen Kopf ftolz zurüd: gewendet, jagt der Bandit eifig kalt: „Du bift eine Ber: räterin. Antipa3 verfahre mit dir, wie ich befohlen.“

In der nächſten Minute fprengt er. davon.

Antipa3 aber ift ein Teufel. Sein Geficht ift voll Grauſamkeit, voll Luft, weil er ftrafen darf. Er will fi nicht beeilen, denn Quälen ift angenehmer, al3 gequält haben. Mit feiner langen Flinte jpielend, fehaut er lachend auf die, zu deren Henker ihn Kephas beftimmt bat.

Er redet zu ihr, verhöhnt fie. Die Hand der Wil: kins fpannt fich feiter um den Nevolver. Ganz leije Tchleicht fie zum Fenſter heran. Und nun fieht fie auch die Unglüdliche. Es ift eine noch ziemlich junge Frau, der das Entjegen aus den Augen ſchaut. Sie kniet vor Anti- pas und ftrecdt ihm wimmernd die Hände entgegen.

Er aber lacht und hebt die lange Flinte und legt auf das Weib an.

Ein Schuß knallt. Ein Schrei, ein Heulen folgt ihm. Antipas läßt die Flinte finten und macht einen wilden Sprung. Der Zeigefinger feiner rechten Hand ift weggefchofien. |

„Das genügt Hoffentlich!” jagt ruhig der ältliche Mann, welcher jet auf der Schwelle fteht. Er hat es in jeiner Mutterfprache gejagt, aber es tut nichts, daß der andere fie nicht verfteht, er verfteht ja doch, was der Fremde von ihm mill.

Uber der Grimm ift jebt größer in ihm als der Schmerz. Blisfchnell greift er in feinen Gürtel, und dann fauft ein ſchwerer Gegenftand durch die Luft.

Der ältliche Mann ſinkt Iautlo3 zufanımen.

Antipas, wiewohl von Schmerz gepeinigt, will wieder

36 Die Briefe der Königin. RL SCAHL TEE TEL EL TEE STEEL TEL TER SELL TEHELL SEHELL TR SEHE TER TAHL TUN TEL, nach feiner Waffe greifen. Aber die ift fchon in guten Händen. Das Weib, das er hat töten wollen, hält ihm jest den Lauf entgegen.

Einen Moment lang bohren fich die Blicke der beiden ineinander. Dann fchleicht der Feigling fich hinaus. .

Einer Statue gleich verharrt das Weib unbemwegt in ihrer Stellung, bi3 von draußen her Hufjchlag hör: bar wird, der langfam auf der Straße verhallt.

Eine Weile wartet die junge Frau noch, dann legt fie die Flinte auf den Boden und fniet neben dem hin, der fie gerettet hat.

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Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Am Abend nach feiner Ankunft in Athen begab jich Deronge, wie zwijchen ihm und der Wilfins verabredet worden war, in das Hotel D’Egypte. Es fing joeben zu Dunkeln an, al3 er an die Tür des Zimmers, das die fatale Nummer dreizehn trug, pochte.

Es wurde ihm nicht aufgetan.

Er fam im Verlaufe des Abends noch zweimal, * gegen Mitternacht pochte er abermals an. Allein der Herr, welcher das Zimmer gemietet hatte, war noch immer nicht heimgefommen.

Deronge verbrachte auf diefe Nachricht hin Feine ganz ruhige Nacht. Er war nicht gerade ernftlich bejorgt um die Amerilanerin, aber doch fo weit beunruhigt, um feinen richtigen Schlaf zu finden. Mit Kohn Auftin war fie nicht zufammengeraten, dejjen war er ziemlid) ficher, denn er hatte jenen im Berlauf des Nachmittags und Abends fajt nicht aus den Augen verloren.

Ruſtin Hatte offenbar nichts Beftimmtes vor. Er jaß, was für den ihn beobachtenden Deronge nicht eben unterhaltlich war, ftundenlang vor einem Kaffeehaufe,

Roman von Augufte Groner. 37 SEAL TEL TH TEL TEL TEL RL LL TREE FELGE SCHALE TEL TECH α TH TEL TOLL TOLL TEL, ging dann in fein Hotel, und fuchte fein Zimmer auf. Er wohnte feit heute dort und zwar unter dem Namen Dunois. Mit dem Manne, welcher derzeit feinen hübſchen Schreibftift trug, hatte Ruſtin nicht mehr ver: - kehrt, e8 müßte denn in den furzen Zeiträumen gemefen fein, während deren Deronge im Hotel D’Egypte die Wil- kins befucht hatte. Mit Ruftin alfo hatte das Fernbleiben der jungen Frau mwenigften3 unmittelbar nicht3 zu tun.

Warum aber war fie nicht in ihr Hotel zurüdgelehrt und hatte auch Feinerlei Nachricht dahin gelangen lafjen?

Deronge hatte, wie gejagt, Feine angenehme Nacht. Es war ihm auch ärgerlich, daß er, wenn die Willins bi zum Morgen des Tommenden Tages nicht wenig: jtens ein Qebenszeichen gegeben Hatte, an dem Ausflug nach Marathon nicht teilnehmen konnte. Diejen jofort auszuführen, Hatte die Gejelichaft nämlich an der - Abendtafel fich geeinigt, denn der Hotelbefißer war der Meinung, daß das bisher jo gute Wetter in Bälde umjchlagen werde, und riet feinen Gäften, die jetzt noch) Schöne: Beit zu den:meiteren Ausflügen zu benüßen.

Ob denn die Straßen auch ficher jeien? So er: kundigte ſich Ladany, und e3 wurde ihm verfichert, daß - jest faum etwas vorfommen dürfte, da erſt vor etlichen Wochen die Gendarmerie das ganze Gebirge abgejtreift habe, nachdem im Frühjahr allerdings mehrfache Ent: führungen ftattgefunden hätten.

Dieſe Partie nach Marathon gehört für Gefchichts: freunde zu den lohnendften. Es wurde daher befchloffen, fie zuerft auszuführen. Der Hotelier verpflichtete fich, Reitpferde und Broviant für zwei Tage beizufchaffen und auch feinen Gäſten vier des Weges Tundige, gut bewaffnete Männer aus feiner Dienerjchaft mitzugeben.

Den Ausflug wollten der Profeffor, Martha und der inzwiſchen zu ihrem Verlobten avancierte Doktor,

38 Die Briefe der Königin.

SEAL HL TEL SEELE EA CHE TRUE UL EL EHLERS RL BEL EHE, ferner Lavinia, Deronge, Ralph, Ladany, Frau Mengs und Manil machen.

Knut Ehriftenfen hatte ein wunderbares Modell ent: dedt, eine wahre Bladiatorengeftalt; ihn hielt die Kunſt alſo in Athen feft, die Clarkes aber blieben zurüd, weil fie Belannte gefunden hatten, und der Profefforin war ein fo weiter Ritt zu befchwerlich. Lehmann wieder fonnte fich von den Spezialitäten nicht trennen, die man, allerdings nicht jeden verführend, in den griedht: fchen Speifehäufern vorgefegt erhält, und die Morris hatte fich unterwegs einen Anfall von Rheuma ermworben, dem eine mehrtägige Nube recht gut tat.

Natürlich wußte Deronge jet fchon, daß er felbit kaum Marathon fehen würde, denn wenn Frau Willing nicht vor dem Aufbruch zurüdtehrte, mußte er ihr Kommen jelbftverftändlicy abwarten oder aud) diefen Gedanken erwog er ſchon nach ihr forfchen.

Für fteben Uhr Morgen? mar der Aufbruch feit: gejegt. Eine halbe Stunde vorher £lopfte Deronge abers mals bei Nummer dreizehn. E3 war wieder umfonft. Ein Kellner, der fveben den Korridor paffierte, fagte, daß der Herr von Nummer dreizehn noch nicht heim: gefommen ſei; der Schlüjfel hänge noch auf dem Brette beim Portier.

„Alfo Sie fommen wirklich nicht mit?” fragte La> vinia verftiimmt, als fie jah, Daß Deronge jo gar Leine Anjtalten machte, reifefertig zu werden.

„Am liebjten bliebe auch ich zurüd,” bemerkte Ralph, der ja wußte, weshalb man diesmal de3 Freundes Ge⸗ ſellſchaft entbehren mußte.

Ein wenig überraſcht von Taylors Worten blickte Lavinia dieſen an, reichte raſch Deronge die Hand zum Abſchied und beſtieg dann ihr Pferd. Taylor zögerte einen Augenblick, folgte ihr aber dann, und einige Mi⸗

Roman von Augufte Groner. 39 STIEFEL SH SELL SEELE TEL TORE TEEELLTEELL ECLLHL SCHULTE CELL TEL TEL EEE RR EHE nuten fpäterrittdie ganze Reifegefellichaftfort. Die Zurück— bleibenden fchauten ihnen, auf dem Trottoir ftehend, nach.

„Run, nun, Sie haben e3 aber eilig!” fagte De— zonge zu einem Burfchen, der fich, zmifchen ihm und Knut fich dDurchdrängend, gegen den Schloßplat wandte.

Der Kerl grinfte ihn frech an und eilte weiter.

„Ein wirkliches Galgengeficht!” bemerkte Ehriftenfen, in die Tafche greifend. „Mich wundert nur, daß ich meine Börſe noch habe. Der Kerl bat übrigens geftern auch Schon hier herumgeftanden.”

„So?“ |

Deronge war zerftreut. Es tat ihm leid, daß er zurücbleiben mußte, und er dachte nun fchon in ſchwerer Sorge an ie Wilkins.

Die Reiſenden am Echloßgarten entlang bie Straße nad Kephiſia eingefchlagen. Soeben verſchwand das ſehr mittelmäßige Pferd, welches Manil ritt, hinter ben Pflanzengruppen des Vorparkes, da jagte ein anderer Reiter an den Zurüdgebliebenen und noch vor dem Hotel Blaudernden vorüber. Der Burfche war es, der fich vorhin fo unverfcehämt zwiſchen ihnen durchs gedrängt hatte. Er verjchwand in der Univerfität3- ſtraße. Wohl bemerkte ihn Deronge, aber er brachte ihn mit feinen fortziehenden Freunden in leinerlei Ver— bindung, konnte dies ja gar nicht fun, denn er wußte nicht, daß diefer Reiter nach Gargaſſons Schente jagte, woſelbſt ex meldete, daB die bemußte Gejelljchaft nach Marathon aufgebrochen Sei.

Und Deronge wußte auch nicht, Daß diefes Burjchen Herr derſelbe Mann ſei, den die Wilkins ihm geſtern in Ruſtins Geſellſchaft gezeigt und an deſſen Uhrtette des Amerikaners Schreibſtift baumelte.

In recht gedrückter Stimmung wollte Deronge als

40 Die Briefe der Königin.

SEAL TEIL TEL TREE ELLE TTIELL DELL! SEELE TEEHL TEL HL EL TEL TTHLLL TELN TEL TEL TEL, letter jveben in das Hotel treten, da hielt er noch einen Augenblid lang inne. Ex befand fich ſchon im Schatten einer der Dleandergruppen, welche den breiten Eingang flanlierten, und fo konnte der, welcher da draußen vor: überging, ihn nicht fehen. Diefer rafch Vorübergehende warf einen Blid in den Flur, einen merkwürdig ftechen: den, ſcharfen Blid, und dabei lächelte er höhnifch.

Der fo lächelte, war Ruſtin.

Deronge ging recht nachdenklich in fein immer. Er überlegte, ob er nicht etwa jetzt ſchon das Fehlen der Wilkins bei der Polizei melden ſolle aber war dies nicht doch noch verfrüht? Bei den Unternehmungen der Wilkins Tonnten ja fo manche Berjchiebungen ein- treten. Wie leicht konnte fie bei Verfolgung einer Sache oder einer Perſon aufgehalten werden, jo daß fie eine Verabredung nicht einzuhalten vermochte.

Deronge wartete alfo bis zmölf Uhr. Er blieb aber nicht in feinem Zimmer, das hätte feine Unruhe nicht. gelitten. Er ging zwiſchen den beiden, gar nicht weit voneinander befindlichen Hotel3 auf und ab.

Ein wenig nad) zwölf Uhr war e3, da blieb er plöß- lich bei der Mündung einer Duergaffe jtehen.

„Gott jei Dank!” fagte er. „Aber mein Gott, wie jehen Sie denn aus?”

Sm Schatten der Häufer diefer Gaffe, deren eine Ede das Hotel D’Egypte bildet, war langſam ein ält- licher Wann dahergefommen, unter deifen Hut ſich ein fcehmarzer Verband zeigte, und der einen feinen, natür: lich gefchlofienen Regenschirm und eine lange Flinte trug.

„Beben Sie mir den Arm!” bat der Herr. „So fomme ich jchneller vorwärts.”

Fünf Minuten fpäter ftredte fich die Wilkins an- gekleidet, wie fie war, auf da3 Sofa ihres Zimmers. Sie war troß ihres Übelbefindens in guter Laune.

Roman von Augufte Groner. 41 SIEH SEAL TIL TTLEL SRAL TE TREE SELL TEL STEEL CEHLL TÜEL TEE TC TELLER

„So und jeßt,” bat fie, „breiten Sie eine Dede über mich, und dann bejtellen Sie mir einen ftarfen Zee. Ich Habe feit geftern drei Uhr nichts gegeifen.“

Deronge tat, was fie wünfchte, dann fette er fich zu ihr. „Brauchen Sie Hilfe?” fragte er teilnehmend.

Sie fehüttelte den Kopf.

„Sie hatten aber doch ein Erlebnis?” fragte er.

„Und ob! Aber ich bin froh, daß ich es hatte.“

„Diefe Flinte ift ein Andenken daran?”

„Diefe Flinte und diefer Morgenftern.” Die Wil- fin holte eine nußgroße eiferne Kugel, die mit derben, ebenfalls eijernen Stacheln bejeßt war, aus ihrer Tafche und legte fie auf den Tiſch.

„Da tt ja Blut daran!” fagte Deronge.

„Das meinige.“

„Sind Sie ſchwer verwundet?”

„sch hätte ſchon noch mehr ausgehalten, und zudem wurde ich liebreich gepflegt.”

„Bon wem?”

„Bon einer, der ich einen Kleinen Dienft ermeifen fonnte. Sie hat dann freilich das Weite fuchen müffen, denn fie muß Verfolgung fürchten. Dann nun dann habe ich, als es Tag geworden war, an der Landftraße auf jemand gewartet, der mich mitnehmen konnte. Ein Weinbauer ijt’3 geweſen, der irgend einem Wirt bier Malvafier zuführte. Sie jehen, ich bin in guter Gefellichaft zurücdgelommen.”

Sie war doch recht matt, die arme Wilkins.

Deronge wollte fie nicht weiterreden laſſen.

Aber fie jelbjt ließ fich feine Ruhe. „Haben Gie nur feine Sorge. Ich rapple mich jchon wieder auf. Ich habe eben ein bißchen Fieber, denn es iſt viel Zau gefallen, und ich bin feine Blume, mir tut der Tau nicht gut. Dazu kam noch das Wundfieber —“

42 Die Briefe der Königin. SEAT TEL TELELTEELFUELTELLTELLTRLLTTEL TEIL TTELTEHLTTHLTTEL TOHL TER TEE:

„Und da nehmen Sie Tee?“

„Lieber Deronge zuerſt muß die Kälte aus mir heraus, alles andere gibt fih dann von felbjt. Ich fenne mich. Zwei Stunden Schlaf und ich bin wieder frifch, wenigſtens halbwegs frifch. Aber jet reden Sie. Haben Sie unferen Freund Ruftin ein bißchen beob: achten können?“

„Das Tonnte ich. Er hat fich ganz unverdächtig benommen.“

„Und mit niemand verkehrt?“

„Soweit ich weiß, nein. Aber mit wen meinen Sie denn, daß er bier verlehren ſoll? Er ift ja noch feine vierundzmanzig Stunden in then.“

„Er bat Feine Drei Stunden dazu gebraucht, um mit einem der größten Schurten der Stadt gut Freund zu werden.“

„gu welchen Zweck?“

„Willen Sie, wer Kephas iſt?“

Die Willins winkte eine Antwort ab, denn foeben brachte der Kellner den Tee und Zubehör.

„Sperren Sie Hinter dem Menfchen zu,“ bat fie.

Deronge tat ed. „Sie find ja völlig eingehüllt in fchauerliche Geheimniſſe!“ bemerkte er dann lächelnd.

Sie nidte. „Wilfen Sie, wer Kephas ijt?” fragte fie noch einmal.

Er verneinte.

„Einer der ſchönſten Männer, die ich jemals fah.”

O!“

„Und daneben einer der gefährlichſten Banditen- häuptlinge, welche die Leute, die fich ins Gebirge ich meine den Pentelikon wagen, entführen, um durch ihre Auslöſung Geld zu gewinnen. Das Gefchäft geht ſehr gut. Kephas lebt meine nächtliche Freundin hat es mir gefagt mie ein Fürft, Eleidet fich, das

Roman von Augufte Öroner. | 43 SELL TEL TEL ETEEL TEL TRELLEREEL TOHELL, BELLE, DELL TELLER OL THU EL α, habe ich felber gejehen, mit Gejchmad und raucht gold» farbenen Tabak aus edeljteinbefegten Pfeifen.”

Die Wilkins hatte fich, während fte fo redete, auf: gerichtet und hatte begonnen, fich den Tee herzurichten, deshalb bemerkte fie es nicht, daß fich im ganzen Weſen ihres Zuhörer eine peinliche Spannung immer deut: licher ausdrüdte. Jetzt aber fchaute ſie, ein Schinten- fehnittchen zwifchen den Zähnen, auf und fragte: „a, mas ijt Ihnen denn?”

„Sie redeten vom Pentelikon?“

„3a.“

„Und von einer Räuberbande?“

„Gewiß.“

„Deren Führer Sie geſehen haben?“

„Geſtern abend, ja und zwar in Geſellſchaft des Mannes, dem ich folgte.“

„Des Mannes, der mit Ruſtin geredet?“

„Ja. Und Ruſtin hat ihn geſtern morgen auf— geſucht. Der Mann heißt Gargaſſon, und Ruſtin, der ſchon auf der „Circe“ von ihm erfahren, hat ihn geſtern früh aufgeſucht, um ihm die Geſellſchaft der „Savoia“ zu beſchreiben und um es ihn wiſſen zu laſſen, daß ein Millionär, ein paar Berühmtheiten eine davon ſind Sie, mein lieber Deronge und eine wunderſchöne Frau darunter ſeien.“

Deronge wiſchte ſich den Schweiß von der Stirne.

Da erhob ſich die Wilkins. Die Decke zur Seite werfend ſagte ſie: „Ich verſtehe Ihre Faſſungsloſigkeit nicht. Man wird die Leutchen eben keine Ausflüge machen, aber Ruſtin, den ich endlich überweiſen kann, feſtnehmen laſſen. Dann iſt ja alles gut.“

„Taylor, Lavinia und noch einige von unſerer Geſell— ſchaft ſind heute früh weggeritten,“ ſagte der Franzoſe.

„Wohin ſind ſie geritten?“ fragte Frau Wilkins haſtig.

44 Die Briefe der Königin. DOLL STELL STEEL TROLL WERL TREE TORE TESLLL TCHLEL TEHHLTELL TELLEL VRSHEL TRBELL TEL TR, kl SEAL

„Shr Ziel ift Marathon. Sie find über Kephifia geritten.”

Die Wilkins feste fic) wieder. Ein Schwindel hatte fie Dazu gezwungen. „Da erreicht Ruftin wahrſcheinlich feinen Zmed,” ſagte fie.

Set war ed Deronge, der einen hoffenden Gedanten faßte. „Man wird Taylor auslöfen wie die anderen. Man ınuß eben, wenn es wirklich zu einer Gefangen: nehmung kommt, nach Geld telegraphieren.“

Die Wilkins fenfzte. „Ich fürchte,” ſagte fie, „Daß Ralph Taylor, wenn aud) alle anderen ausgelöft werden, nicht mehr aus Kephas' Händen kommt. Ruſtin, der dies alles jo-jchlau eingerichtet hat, wird wohl dafür jorgen, daB fein Vetter diesmal ficher ftirbt.”

Deronge ließ den Kopf finten. Er dachte an das böhnifche Lächeln, an den boshaften Blid Ruſtins. Ralph war diesmal verloren. |

„Gehen Sie fofort zur Polizei und bitten Gie, daß man der Gejellfchaft eine Abteilung Gendarmen nad}: Thict,” riet die Wilfins. „Wir haben leider genug Gründe, um dieſes Anfuchen unterftügen zu können.“

Der Franzoje hatte fich jchon erhoben. „Ich finde Sie hier, wenn ich zurückkomme?“

Die Wilkins lächelte trüb. „Diesmal finden Gie mich ficher bier.”

Es dauerte wohl eine Stunde, bi3 Deronge wieder an der Tür von Nummer dreizehn pochte. Er war nicht allein. Ein Herr von der amerilanijchen Gejandt- Ihaft und ein Bolizeibeamter begleiteten ihn.

Es trat ihnen fein ältlicher Herr, es fam ihnen eine junge bübfche Dame entgegen, die einen Tunftgerechten Verband um den Kopf trug und deren Wangen ein wenig bleich waren.

Roman von Augufte Groner. 45

Sie trug den Herren in Kürze vor, wie es zwifchen Ralph Taylor und Kohn Ruſtin ftand, mas in Co- piaps, in der Villa am See und während diefer Reife gejchehen war, und erzählte ihnen ebenfo prägnant, was jeit dem geftrigen Morgen und der laufenden Stunde vorgefallen. Und fchließlich Iegte fie ihnen fämtliche, gejtern von ihr behobenen Briefe vor, natürlich auch das von ihr fehon geöffnete Schreiben an Ruftin. Es war auch ein Brief an Deronge dabei, ferner ein Brief an Ralph Taylor mit dem Stempel „Pullman“ und ein. Brief an Lavinia Gerald mit dem Stempel „Belgrad“. Nachdem man in Ruftins Schreiben Einficht ge- nommen, erbrach man auch den an Taylor gerichteten Brief; er war von einer „Jane“ gefchrieben und unter: zeichnet worden, enthielt die Frage, weshalb das nad dem Hotel Sontinental, New York, abgefandte Telegramm und der nach Ajaccio adreffierte Brief nicht beantwortet worden feien, Llagte einen „John“ an, falſch und fchlecht zu jein, und |prach die Meinung aus, daß „John“ nod) entlarvt werden müffe, worüber allerdings feine ganz verblendete Mutter zu Grunde gehen würde. Auch wurde in diefem Schreiben erwähnt, daß Onkel Robinfon ſich wohl befinde, fo wohl wenigſtens, ſchrieb Jane, als dies in feiner Lage möglich ift, denn diefe ift fehr übel. „Zu mußt das, was ich Dir jest eröffnen will, lieber Ralph, ja doch erfahren. Er felber müßte es Dir am Ende diefes Jahres fagen, da will Lieber ich. es heute jhon tun, damit Du dem armen alten Mann, der ja trotz allem fo herzensgut ift, gefaßt entgegentreten fannft. Alſo Onkel Robinfon hat mit feinem und auch mit Deinem Gelde fpekuliert und bat ungeheure Verlujte gehabt. Wie viel Vermögen Du noch beſitzeſt, das weiß ich nicht, weiß nur, daß diefe Verlufte durchaus nicht nur eine Phantaſie des armen Onkels find, denn was

46 Die Briefe der Königin. TEIL SL SEGEL SEHE FRE SELL EHL ZERÄLSTELL ZAHL STEH L VEHLTELL SAHHMLIVENMLSZEHL TULLN L er mir gejtern, von Gewiſſensbiſſen faſt erdrüdt, dar: über mitteilte, da8 bat Tante Dorothea, welche Zeugin dieſes peinvollen Gejtändnifjfes war, beftätigt. Es wird gut fein, wenn Du bald heimkommſt.“

Diefes Schreiben lag ſchon feit mehreren Tagen in Athen. Es war ein Brief, der feine Xefer recht bejorgt machte. Da auch Lavinia, die Adrejlatin des anderen Briefes, fich derzeit in einer mindeltens kritiſchen Si— tuation befand, eröffnete man auch diefen.

Er fam von einer „Tante Bogumitfch”, die ungemein liebevoll jchrieb. Sie teilte ihrer Nichte unter anderem mit, daß fie von der Königin in Nifch empfangen worden jei, und daß Natalie noch ruhelofer als jonft jei, daß jedoch diesmal ihr Zuftand nichts mit Eiferfucht zu tun habe. Es feien ihr Schriften abhanden gekommen, und fie fürchte deren Auftauchen faft ebenfojehr wie ihr Xer- Ihmwundenbleiben. „Auch Deiner gedachte fie,” jchrieb Tante Bogumitjch, „und läßt Div durch mich jagen, daß ihr der Vorfall auf der Terazia unendlich leid täte, daß Franafjomitfch ihr über Dich volljtändig die Augen geöffnet Habe, und daß fie am Tage nach dem peinlichen Ge: chehnis habe zu Dir lommen wollen, um Dir volle Satis— fattion zu bieten. Aber eben an diejem Tage habe jie den Diebjtahl entdedt und darüber alles andere vergeijen. Und am nächiten Morgen warſt Du ja ſchon abgereijt.”

Das mochte für Frau Gerald recht interefjant fein, die gegenwärtigen Leſer des Briefes interejjierte indejjen nur fein Schluß. Diefer lautete: „Daß ich mit Dir allenfalls den Winter in Italien zubringe, das iſt leider ganz ausgeſchloſſen. Du weißt ja, Deine Mutter und ich müfjen jparfam leben —“

„Hat die Dame noch andere, vielleicht reiche Ver—⸗ wandte?” erkundigte fich der Herr von der Geſandtſchaft, dem natürlich, wie auch den drei anderen, Die Frage des

Roman von Augufte Groner. 47 TECHN TEE EL CELL STEEL CE TEEN STTEHL CT TEL TCCHHL FELL TEL CEHAN TEL STEHL TECH FULL, Löfegeldes vorſchwebte. Denn daB e3 zur Zahlung eines folchen fommen werde, war ja nahezu jchon zweifellos.

Deronge war in der Lage, diefe Stage beftimmt verneinen zu können, fette jedoch Hinzu: „Hinfichtlich Frau Geralds ift mir nicht bange. Wenn es wirklich dazu kommt, daß fie ausgelöſt werden muß, wird dies zweifellos geſchehen.“

Er taufchte bei diefen Worten einen Blid mit der Willins, den dieſe durch ein Kopfnicken beantwortete.

Und dann fragte er den Gefandtjchaftsbeamten, ob Serbien politifch in Athen vertreten fei, und erhielt die Auskunft, DaB es fogar einen außerordentlichen Ge— fandten, Herrn Kaljewitſch, hier habe, welcher aller: dings derzeit auf einer Dienftreife begriffen jei. Deronge notierte fich die Adreſſe dieſes Herrn. Die Willins aber hatte haftig nach Hut und Handjchuhen gegriffen.

„Sie wollen ausgehen?” vief Deronge.

Sie lächelte müde. „Wenn Sie mir diefen Herrn Auftin ſuchen wollten, wäre es mir freilich lieber. Ich jchliefe jegt gern ein paar Stunden.“

Deronge hatte ihr Hut und Handſchuhe weggenoinmen. „Sol ich Ihnen nicht doch einen Arzt ſchicken?“

„Richt nötig. Ich habe noch nicht vergeſſen, was man in meinem Falle zu tun hat.“

Eine Minute ſpäter war Frau Wilkins allein.

„Ein famoſes Weib!“ ſagte der Amerikaner, als die drei Herren die Treppe hinuntergingen.

„Eine ſelten tüchtige Frau!“ antwortete Deronge trocken.

Am Tore unten trennte ſich der Herr aus der amerikaniſchen Geſandtſchaft von Deronge und dem Polizeibeamten, und dieſe begaben ſich nach dem Hotel, in welchem Ruſtin ſich einlogiert hatte.

Sie waren auf einem kleinen Umweg dahin ge—

48 Die Briefe der Königin.

SELL STE SOHLE FRE LS να REEL TOOL TOLL VL TROLL URL RL ELSE OL TULL langt. Der Polizeibeamte hatte ſich Hilfe geholt. Zwei Agenten folgten ihm. Weiter hatte man feinen Aufent- halt mehr. Es ging alles ganz glatt ab.

Als man an die Tür des Zimmers pochte, welches jeit gejtern Herr Dunois bemohnte, öffnete er felbft. Er wich vor den vier Männern langfam zurüd. Offen: bar war er auf ſolchen Beſuch nicht gefaßt gemefen. Er hätte ihm vielleicht nicht einmal die richtige Bedeutung beigelegt, wenn nicht Dexonge einer feiner Bejucher ge: mwejen wäre. Daß ihm diejer unter den beftehenden Ver- bältnifjen harmloſe Leute zum Befuche bringen werde, war aus dem Kreiſe aller Möglichkeiten ausgefchlofien.

Sohn Ruſtin jandte einen Bli der Verzweiflung durch das Zimmer, aber er wohnte im oberjten Stod- werte, ein Sprung da hinunter wäre der Tod gemejen.

Die Herren waren eingetreten, und der lebte, der hereingefommen war, hatte die Tür hinter fich gejchloffen.

„Bas wollen Sie?” fragte jegt Ruſtin heiſer. Er hatte fich jo weit gefaßt, daß er reden konnte.

„Sie find verhaftet, Herr Dunois!“ antwortete vortretend der PBolizeibeamte.

Auftin Hatte mit einem Schlag feine Frechheit wieder zurüdgemwonnen. Er lächelte jet. „Warum verhaftet man mich? Ich werde mich befchweren.“

Deronge, empört über folche Kedheit, trat jet vor. „sch begreife Sie nicht, John Auftin,” fagte er zornig. „sch denke, Frau Wilkins hat Ihnen doch Ahr Sünden- regifter deutlich genug vorgehalten.“

„Die Willins ift eine Schwägerin!” Es lag tatjäch- lich eine tiefe Verachtung in des Schurken Worten, und daneben kam ein tiefer Haß zum Ausdrud,

Der Franzofe lächelte farkajtifh. „Ich glaube e3 gern, daß Ihnen dieſe Frau unangenehn gemorden ift,“ fagte er.

Roman von Augufte Groner. 49 SELL TEA FL TEEN TEA TELLER CR TELLER TEE EHEN STELLE FELL TEEN FRI ZTRENN,

„D, id fürchte die Wilkins nicht!” prählte Ruftin.

„Nicht? Und doch haben Sie die „Savoia” eiligft verlafien und find in Ihrer jetigen Geftalt auf der „Circe“ hierher gereift.”

„Wer fagt das?“

„Frau Willind. Sie ift auch auf der „Eirce” hierher gelommen.”

Ruftin taumelte zurüd. „Frau Willins und ich ich Mm

Deronge fuhr eifig fort: „Sie wollen fagen, daß Sie fie nicht gefehen haben. Aber fie war dennoch immer in Ihrer Nähe. Erinnern Gie fich des Land: manne3 mit der Badengefchmulft?“

Der entlarvte Schurke Inirfchte wütend mit den Zähnen.

„Sie war auch mit Ihnen zugleich bei Gargaſſons Schenke und ift diefem, nachdem er und Gie in der Bahnhofhalle die Baflagiere der „Savoia” fich betrachtet hatten, zu Kephas gefolgt. Wollen Sie noch mehr wiſſen? Oder find Sie nicht mehr neugierig, wie diefer legte Anjchlag auf Taylors Leben ausgehen wird? Sch ehe nämlich, daB Sie fchon zur Abreije gerüjtet find.“

„Mit dem Schnelldampfer „Poſeidon“ wollte ex fahren,” bemerlte der Polizijt, ein Schiffsbillett, das neben Ruſtins ſchon verjchlofjener Tafche lag, an fich nehmend. „Das Schiff geht in zwei Stunden ab. Wir find aljo gerade noch zu rechter Zeit gelommen.”

a, fie waren noch zu rechter Zeit gelommen, um ihn an der Abreife zu hindern, nicht aber an der Flucht, an der fchauerlichen Flucht in da3 <yenfeits.

Einige rafche Schritte, ein Sprung nach dem offen- jtehenden Fenſter und er verjchwand in der Ziefe.

Man hörte feinen Körper fchmer auffallen, dann da3 Schreien und das Zufammenlaufen von Leuten.

1906. VIL 4

50 Die Briefe der Königin. EHE EL SELL ELSE TTELLI TEIL TEL SCH 2 EREHELTELL THIEL VORLLL TELLER EG,

„Das war das Llarite und einfachlte Schuldbekennt— nis,” fagte ernft der Beamte. „Ich habe alſo hier nicht3 mehr zu tun. Bitte, mein Herr, fommen Sie.“

Deronge, der recht blaß gemorden mar, ging gleich den anderen aus dem Bimmer, da3 der Kommiſſär ab- fperrte und deſſen Schlüffel er zu fich ftedte.

. Unten hielt Deronge fich nicht auf. Was da zu tun war, konnte nicht feines Amtes fein.

Auch die Wilkins wollte er nicht ftören, denn für den Augenblic gab es für fie auch nichts zu tun. Alber auch in fein Hotel mochte er nicht gehen. Er wollte der alten lieben Profefforin nicht unter die Augen kommen.

„Das heißt man eine VBergnügungsteije!” dachte er wieder, während er nach dem Telegraphenamte ging.

Dort gab er an feinen Pariſer Bantier eine Depejche auf. Sie lautete: „Brauche al mein Geld. Weiſen Sie es mir fo fihnell als möglich telegraphifch an.“

Als die Depefche erledigt war, ging Deronge zum Bolizeiamte und erfuhr dort, daß foeben zehn Gen: darmen den Reiſenden nachgefandt worden feien.

Und noch etwas erfuhr er. Gargaſſon war ſchon fejtgenommen worden.

„Mehr Läßt fich einftweilen für unfere Freunde nicht tun?” erkundigte ex fich.

Die Frage wurde entjchieden verneint.

„Warum babe denn ich mich der Expedition nicht anjchließen dürfen? Es ift fchredlich, fo ganz untätig bier bleiben zu müſſen!“ murrte er.

Man berubigteihn. Nugenblidlich wijje man ja noch gar nicht, ob es wirklich zu einer Entführung der Bedroh: ten fäme, und dieihnen nachgefandten Gendarmen jeien tüchtige, erprobte, mit allen Eiyentümlichleiten des Lan⸗ des vertraute Leute, welche ihr möglichjtes tun würden, die Geſellſchaft noch rechtzeitig zu erreichen.

Roman von Augufte Groner. 51 OEL TER EHE SELL TREE TEL FELL TEL , TECH TEL FRE TEL TEL TEL TEL TEA TE,

Serbiens Gejandter, Herr Raljewitfch, bei welchem er alsdann vorfprechen wollte, befand ſich augenblidlich gleich dem Gefandten Amerikas nicht in der Stadt, wurde jedoch im Verlaufe der kommenden Nacht zurüdermwartet.

Deronge ließ einige Zeilen an ihn zurüd und begab fih dann in das Hotel D’Egypte, wo er Frau Wilkins ſchon ziemlich wohlauf vorfand.

Das Ende Kohn Ruſtins vegte fie nicht weiter auf. „Es ift am beften fo, nicht nur für ihn, fondern auch für feine Verwandten.” Das mar alles, was fie zu bemerken hatte. Und wahrlich, Kohn Ruſtin verdiente nicht mehr.

„Dann habe ich noch zwei Neuigkeiten,” fuhr Der ronge in feinem Berichte fort.

„Nun?“

„Gargaſſon ift Schon feftgenommen.“

Die Willins nicte befriedigt. „Und?“ fragte fie dann.

„Frau Gerald3 Bruder ift im Duell gefallen, mie man mir brieflich witgeteilt hat.”

Das bemegte die Wilkins ſchon mehr. „OD, die arnıe Frau!’ fagte fie bedauernd. „Sie hat jest ſchlimme Tage. Hat fie ihn denn fehr geliebt?”

Deronge zudte die Schultern. „Er war nicht viel wert, denn ich weiß, daß er ihr Schande und taufend Derlegenheiten bereitete. &3 iſt auch in Bezug auf ihn gut, daß es fo gekommen ift.“

„Hübfche Leichenreden halten wir, da3 muß man fagen!” bemerkte die Willins herben Tones. „Daß e3 auch fo viele niedrige Kreaturen gibt! Ich bin oft ganz erfüllt von Haß gegen die Menfchen.”

Deronge blidte fie freundlich au. „Das habe ich ſchon in der kurzen Zeit, in der ich Sie kenne, öfters bemerkt,” jagte er lächelnd. „Sie befigen gar fein Herz mehr. Zum Beifpiel: der Armut gegenüber find Gie ganz teilnahmlos da geben Sie nicht mit vollen Hän-

52 Die Briefe der Königin.

SELF SCHULE TER EEE TEE TEL TEL TEL TEL TEL TER FELL TEHHL THE HL TEL, den, und die kranke Frau in Ajaccio, mit der Sie heim: lich fo viel zu reden hatten, die hat Ihnen natürlich auch nur den Saum des Kleides gefüßt, weil Sie ihr Ihren Menfchenhaß jo recht nachdrüdlich zeigten.”

„Ab, laflen Sie das!” wehrte die Willins ab. „Ich habe wenig Bedürfniffe und verdiene viel Geld. Was fol ich denn damit machen? Aber ich glaube, man klopft.“

Der Hotelbeſitzer trat ein. „Es iſt beſorgt, Ma— dame,“ ſagte er, die hübſche Frau, in die ſich der ält— liche Mann verwandelt hatte, bewundernd betrachtend. „Das Geld kann, ſo erfuhr ich, morgen um dieſe Zeit angewieſen ſein.“

über das Geſicht der Wilkins war eine feine Röte gehuſcht. Sie war ein bißchen verlegen.

Der Hotelier fuhr, ihren Wink nicht beachtend, tröftend fort: „Es iſt übrigens noch gar nicht ausgemacht, daß Kephas diefe zehntaufend Dollars einſtecken wird.”

„Schon gut ich danfe Ihnen.“

Die fonft fo freundliche Frau drehte ihrem dienit- fertigen Bewunderer ärgerlich den Rüden.

Deronge lächelte. Als fie wieder allein waren, er: griff er ihre Hand. „Wieder ein Beweis, wie tief Ihr Menſchenhaß ift,” fagte er. „Für wen halten Sie denn das Geld bereit?“

„Zur Auslöjung des Profeſſors,“ gab fie jet un- befangen zu. „Ich habe. ihn aufrichtig lieb gewonnen und ich weiß, daß jeine Familie ein etwa not: wendig werdendes Löfegeld nicht leiften fann. Und feine Fran iſt kränklich und lebt faft nur für ihn ich meine, fie würde es nicht überleben, wenn Kephas, der Schöne Kephas er ift entjeglich Taltblütig den alten Herrn niederſchöſſe.“

Deronge preßte die Zähne aufeinander. Geine

Roman von Augufte Groner. 55 Trage Hang ganz grimmig. „Er ift aljo wirklich defjen fähig, diefer fchönfte Grieche?”

Die Willins nidte nur.

„Run, da ift’8 ja gut, daß wir auf alle Fälle unjere Vorbereitungen getroffen haben.”

„Sie auch?”

Jetzt nidte er. |

Die Willind war nachdenklich geworden. Nach einer Weile trat fie zu Deronge und jagte: „Werden Sie e3 mir übelnehmen, wenn ich mich in Ihre Privatverhält- niffe mifche?“

„Es wird mir wohl tun.”

„Wieviel lafien Sie fi) kommen?“

„Etwa neunzigtaufend Franken.“

„Iſt Diefe Summe alles, was Sie haben?“

„So ziemlich. Ich erbte vor ein paar fahren das Doppelte aber Sie willen ja, Geld, da3 man nicht verdient, bleibt nicht gern bei einem. Ich habe viel ausgegeben und jo jtebe ich jeßt bei etwa neungzig- taufend Franten —“

„Dann ift das Opfer zu groß. Sie Dürfen nämlich, nach dem Brief diefer Jane zu urteilen, nicht ficher auf NRüderjtattung rechnen.”

„Ich weiß, aber Sie bringen ja unter verfelben Borausfegung ein ebenjo großes Opfer.”

„Doch nicht. Ich habe mir noch weitere zehntaufend Dollars zurücdbehalten, und ich bin jung ich kann noch viel arbeiten.”

„Werfen Sie mir Doch nicht meine Jahre vor!” entgegnete Deronge feherzend. Und dann fuhr er erniter fort: „Wiebe Freundin erlauben Sie mir, daß ich Sie fo nenne aljo liebe Freundin, ich bin noch immer meine zehntaufend Franken fürs Jahr wert. Ein lite rarifches Unternehmen hat mir fo viel noch im ver-

54 Die Briefe der Königin.

DHL TEHL TEL TEL STEHEN TÜLLTTELLLEHL STALTCHULTTELTRLTRLL TEL SUHLIRHL NE gangenen Frühjahr geboten. Bis Ende Oktober fann ich mir die Sache überlegen. Sie ſehen ich werde nicht in$ Armenhaus gehen müfjen, wenn ich diefes Geld verliere.“

„Run da habe ich freilich nichts mehr zu jagen!“ meinte die Wilkins.

Aber Deronge bielt ihre Hand feſt. „Doch doch! Eie wollten noch etwas jagen. Ihre Augen leuchten ja förmlid. Was die fo hübjch anlündigen, das möchte ich Doch deutlich hören.”

Die junge Frau lächelte. „Nun ich kann's Ihnen ja jagen. Ich dachte ſoeben daran, wie glüdlich wir eigentlich find. Wir können ruhig unfer Geld hingeben, denn erjtens bedeutet es uns nicht übermäßig viel, und zweitens können mir uns immer wieder das wenige Schaffen, da8 wir brauchen.“

„Das freut Sie jo ſehr?“

„Ja, denn es bedeutet, daß wir freie Menjchen find und das ift herrlich herrlich!”

„Sie haben recht! Das ift herrlich!” gab Deronge au.

Er mar jedoch davon nicht fo begeijtert als die Millins, die bochaufgerichtet, mit lächelnden Mund und leuchtenden Augen vor ihm ftand.

„Es ijt herrlich!” wiederholte er noch einmal. Aber wenn auch fein Geilt davon überzeugt war, irgend etwas in ihm wollte fich nicht mitfreuen. Er fpürte in diefem Augenblid, daß er alt jei, daß er nimmer die ftolze Kraft in fich jpüre, die fich allein genug tit; er fühlte, daß die Freiheit für ihn nimmermehr gar fo großen Wert habe, denn er jehnte fich ja förmlich nach einem Gebundenfein, nach einem Anjchluß.

Ceine Worte Fangen in einem ihnen widersprechen den Geufzer aus.

Die Wilkins ahnte, was in ihm vorging, und Ienlte deshalb raſch Das Geſpräch auf ein anderes Thema.

Toman von Augufte Groner. 55 EL TEL TE SELL FL L STEEL TER TEHLL FEAL STEH TILL: SELL FL SELL RL EEE ELLE, „Wiffen unfere anderen Heifegenofien, daß acht der Unferen in Lebensgefahr find?” erkundigte fie fich.

„Nein. Der Brofejjorin wegen habe ich mich nicht einmal in die Nähe des Hotels gemagt.”

„Die Arme würde fidh freilich und vielleicht ganz überflüffigermweife gräßlich ängftigen.”

„Ganz gewiß überflüffigermeife, da Sie ihr ja den alten Mann losfaufen wollen.” In de3 Franzoſen Geifte mußte ein humoriftifcher Gedanke entftanden fein. Er brachte ihn zum Lachen ja, hellauf lachte er in diefer Stunde, in welcher feine Seele gleichwohl voll Kummer und Sorge war. „Wie viele Vorträge etwa haben Gie denn von Herland gehört?” fragte er.

„Ich denke jchon, daß es fünf oder ſechs waren. Warum fragen Sie danach?“

„un, ich dachte joeben daran, daß wohl nod) nies mals ein Profeſſor für feine Vorträge fo hoch honoriert worden iſt. Gie bezahlen da eine jede Vorleſung mit etwa zweitaujfend Dollars.”

Des Hotelier3 Prophezeiung hatte fich früher er: fült, als er felber gemeint. Gegen Abend waren ſchwere Wolfen im Often aufgeftiegen, und al3 e3 völlig Nacht gemorden war, tobte ein mächtige Gemitter über ganz Attila. Am Lejeziimmer des Hotel3 dD’Angleterre waren noch um Mitternacht etliche Leute verfammelt nicht zu freundlichem Geplauder, auch nicht zu einer . Beratung, e3 gab ja nicht3 zu beraten, man konnte nur warten, in erzwungener Geduld abwarten, ob fich nicht Schon in nächfter Stunde etwas ereignen werde.

So faßen denn Deronge, die Wilkins, die jegt auch bierher überfiedelt war, Chriftenfen, Herr Lehmann und der Hotelbefiger beifammen und taujchten hie und da eine Bemerkung ana.

56 Die Briefe der Königin. SEAL TA SEHHL GEH STALL TEIL TETELL, TEE ELLE STEHE TEL TECHL TEL EHL TEHL TEL TIL

Sogar Lehmann, der ſich ſonſt doch nur für feinen Gaumen intereffierte, war aufrichtig bewegt von dem Schickſal feiner Neifegefährten. Uber er fand es auch ungemein interefjant, daß ſich folches während feiner Bergnügungsreife ereignen konnte. Als es ein Uhr wurde, zog er fich jedoch mit der fehr vernünftigen Bemerkung, daB man ja doch nicht helfen könne, zurüd.

„Sie follten wie Herr Lehmann tun,” riet Deronge der Wilkins. „Sie jehen nicht frifeh aus.” Die beiden ſaßen in einer Senjternifche. Das Fenſter war offen.

Statt ihm zu antworten, erhob fich die junge Frau und laufchte auf die Straße hinaus.

„Es Tommen Reiter fie halten vor dem Haufe!“ fagte fie aufgeregt, und jetzt jah fie jehr frisch aus.

Der Hotelier war auf ihre Worte hin hinausgeeilt.

Die anderen folgten ihm. Der Portier hatte das Tor ſchon geöffnet.

Doktor Lange und Martha ritten herein; einer der Leute, welche der Hotelier der Geſellſchaft mitgegeben, folgte ihnen. Lange war am linfen Arm, der Diener an der Schulter verwundet.

Man bob Martha aus dem Sattel. Sie ſank der Wilkins fchluchzend an die Brut.

Keiner fragte mit Worten.

Zange, der jehr ermüdet ausjah, gab ihren angjft: vollen Bliden Auskunft. „Die übrigen find mwahrfchein lich in der Gewalt des Kephas, wenn nicht einer oder der andere —“

Er redete nicht weiter. Gr biß die Zähne zu— fammen.

Vierundzwanzigstes Rapitel.

Ohne merkliche Beſchwerde hatten die Ausflügler den

Meg bis zu dem hoch auf dem PBenteliton gelegenen

Bd a

roman von Augufte Groner. 57 RL ETALTEREÄL SEELE TRATSCH TEL TIL TH CELL TUHL FELL TER FELL THU TEE, Dörflein Stamata zurüdgelegt. Nach dem bier ein: genonmenen Mittagsmahle aber, als der Weg fie noch tiefer in das Gebirge führte, wurde diefer fo fchlecht, dag Frau Meng3, die es im ftillen ſchon längft bereute, mitgelommen zu fein, ihrem Unmut recht ausdruds» volle Worte verlieh.

Ladany, für Strapazen auch nicht befonders ein- genommen, war verdrojjen hinter dem Profeffor, Ralph und Lavinia zurücgeblieben und fo in die Nähe der alten Kokette geraten. Und nun ſchimpften beide meid- lich miteinander. Es mar ganz jelbftverftändlich, daß Ladany an und für ſich fchon in übler Laune mar.

Geit die Wilkins feine Zeitungsintrige entdedt und zu nichte gemacht hatte, und feitdem, troß wiederholten Anfuchens, kein Geld mehr von König Milan gefommen mar, und auch Nilifor nichts mehr von fich hatte hören lajfen, verwünfchte Yadany diefe Reiſe. Es war ja feine Tätigkeit nach jeder Richtung hin gelähmt. Er mußte nicht, ob er Milan und Nilifor al Freunde oder als Feinde zu betrachten habe, ob er aljo für oder gegen fie arbeiten jolle. Hatte Nilifor die Bapiere etwa jchon in Händen und vielleicht auch ſchon für fich allein verwertet?

Bei diefem Gedanken ſchloß Ladany jedesmal grim- mig die Zähne. Es gibt ja auch eine Verbrecherehre, aber der herabgelommene Edelmann jchäßte feinen Freund jo niedrig ein, daß er ihm nicht einmal den Bejig diefer Gattung von Ehre zutraute, und er wäre am liebiten fogleich nach Belgrad zurüdgelehrt. Aber er hatte nicht mehr fo viel Geld, um eine neue Schiffs— farte löjen zu können, und die „Savoia* trat erjt am 6. Oktober ihre Fahrt nach Fiume an, bis wohin er die Fahrt und Verpflegung fchon bezahlt hatte. So machte er denn auch dieſen Ausflug mit. Er hätte Die wenigen noch fehlenden Tage nicht in Ruhe verbringen können.

58 Die Briefe der Königin.

&3 gab aljo ihrer mehrere in der Gefellichaft, melde diejer Ausflug nicht eben viele Freude bereitete.

Doktor Lange jedoch, feine Verlobte und fein künf— tiger Schwiegervater maren, allerdings aus jehr ver- fchiedenen Gründen, äußerft befriedigt von diefem Ritt durch ein wahrhaftig nicht übermäßig fchönes Bergland. Die jungen Leute wären ebenfo glüdlich durch eine fibirifche Tundra geritten, denn fie machten eben Geite an Seite den Weg, und Herland mar felig, denn er follte ja Marathon jehen, Marathon, auf dejjen Boden die Athener fi) für alle Zeiten das fchönfte Blatt in ihren Ruhmeskranz geflochten hatten.

Es war um die Beit, in der die Strahlen der Sonne goldiger werden und die Schatten fich violett zu färben beginnen, als die Gefellfchaft nach abermaliger kurzer Naft aufbrach, um auf einem ſchmalen Saumpfad nach dem Tale des Chadabrabaches zu reiten, in welchem der Fleden Marathon liegt. Die Mehrzahl der Neifenden war jchon in einer fchluchtartigen Einſenkung verſchwun— den. Nur Lange und Manil, Martha und einer der

Hotelbedienfteten befanden fich noch auf der Raſtſtelle. | Dokor Lange Hatte es nämlich für notwendig be- funden, den Gattel von Marthas Pferd feſter zu Schnallen, und Manil war ihm dabei behilflich, während der andere Diener, Jannis mit Namen, noch einmal die übrigen Pferde zu einer Duelle führte, die bier ben Boden entjprang.

Rlöglic) fiel vor ihnen ein Schuß, dem gleich danach nod) etliche andere folgten.

„Auf die Pferde!” rief Jannis. „Unjere Neijenden find auf Räuber gejtoßen.”

„Mein Vater!” fchrie Martha, „Gott im Himmel mein Bater!” Und fie mollte, verwirrt vor Angft, zu Fuß nach dem Engpaß laufen, Hinter welchen die

Roman von Augufte Öroner. 59 SELL TTELTTRLTCEHEL TEL TEL TEL αα α TEE DELL EL TEA TRATEN TR anderen joeben erſt verfchwunden waren. Aber Lange hielt fiezurüid. „Stehen Sie mir dafür, daß Sie diefe Dame ficher nach Stamata zurüdbringen?” fragte er Jannis.

„sch Ttehe für nichts,” antwortete diefer haftig und fichtlich von einer allerdings fehr gerechtfertigten Furcht gequält.

Er jaß auch ſchon zu Pferde.

In demſelben Augenblid ſah Lange, wie Manil, ſein Tier zurücklaſſend, in die Schlucht einbog. Da hob er die totenbleiche Martha auf ihren Braunen und warf ſich ſelber auch auf ſein Roß. Schon hatten ſie faſt die kleine felsumgürtete Bergwieſe hinter ſich, da ſauſten ihnen ein paar Kugeln nach.

„Reitet weiter! Ich decke euren Weg!“ ſchrie der Doktor ſeiner Braut und Jannis zu, hielt ſein Pferd an und wandte ſich, den Revolver in der Hand, zurück.

Wieder knallte es. Lange fühlte einen Schlag und einen ſtechenden Schmerz im linken Arm, und er ſah zwei Kerle auf einem Felſen oberhalb des Weges auftauchen.

Jetzt hatte er ein Ziel, und ſeine rechte Hand war noch ſtark und ſicher.

Sein Schuß hatte getroffen. Der eine der Angreifer ſtieß einen Schrei aus und fiel auf ſein Geſicht.

In demſelben Moment ſchrie aber auch Jannis auf. Lange, einen Blick hinter ſich werfend, ſah, wie der arme Kerl wankte. Da ſchoß er noch einmal. Ob er getroffen? Er wußte es nicht, er ſah nur, wie der auf dem Felſen oben eine heftige Bewegung machte und dann verſchwand.

„Jetzt raſch weiter!“ rief Lange und beeilte ſich den Weg zu erreichen, der nach Stamata führte.

Sie hatten Glück. Es zeigte ſich ihnen kein Wege— lagerer mehr.

Nach einer Stunde etwa tauchte das Dörflein vor

60 Die Briefe der Königin.

EL CHAL TEELN TELL TLNAUL TEL FELL TEL TEE TEL TEA EL FALL EL ELLE SHELL ihnen auf. Es mar ein peinvoller Witt gemefen, den Das geängftigte Mädchen und die beiden nermundeten Männer zurüdgelegt hatten. Nun aber waren fie in Sicherheit, und der Doktor konnte fich die Zeit gönnen, aus Jannis Schulter die Kugel zu entfernen und ihn tunftgerecht zu verbinden, ſowie auch fich felbft mit Marthas Hilfe einen Verband anzulegen.

Bern hätte Yange dem fiebernden Piener ein paar Stunden Ruhe gegönnt, aber er fah es ein, daß der Vorfall fo rafch als möglich den Behörden zur Kenntnis gebracht werden müſſe. Freilich auch diefe konnten jest wenig mehr tun. Man mußte fogar noch recht vor: fichtig mit den Banditen umgehen und konnte eigentlich nicht3 al3 abwarten, wieviel Löſegeld fie fordern würden.

So brachen denn die drei Geretteten noch vor Duntel- werden auf, mußten jedoch bei einem Hirten unterwegs wieder Raſt machen, denn ein furchtbares Unmetter hatte fich erhoben, dem weder Noß noch Reiter ſtand— halten fonnten, und fo kamen fie erjt in fpäter Stunde durch das totenftille Kephifia und erft lange nach Mitter- nacht nach Athen.

Am frühen Morgen verfammelte fich der Neft der „Savoia“:Gejellfchaft in dem Leſezimmer des Hotel3. Auch die Profeſſorin mußte jeßt, was gejchehen war. Erbarmenswert bleich war fie, von der weinenden Martha geftügt, heruntergefommen. Gleich Hinter ihr trat Deronge mit Frau Wilkins ein.

„D, Sie find auch verwundet?“ rief Martha.

Frau Wilkins nidte ihr nur freundlich zu; ihre Auf- merkſamkeit galt jegt der Profefjorin, deren Ausjehen geradezu beängftigend war. Die junge Frau ſetzte fich zu ihr und nahm die eifig kalten Hände der Armen zwiſchen Die ihrigen. „Nur keine Angjt, liebe Frau

Roman von Augufte Groner. 61 SE SCHE TEL TR ER EL SEELE TEEN TR TERN WEHEN SEAL HL FL TEE TEA LH TEN,

Profeffor!” Tagte fie herzlich. „Das Löfegeld für Ihren Mann liegt fchon bereit, e8 wird wohl auch) noch für Ihre Schmefter reichen. Morgen oder längjtens über- morgen haben Sie beide wieder.”

Die Profefforin ftarrte die Sprecherin eine Weile verftändnislos an, dann begriff fie. Langfam, ganz langjam ſtieg eine feine Nöte in ihr Geficht, und der Ausdrud der Dual, der es hatte erſtarren laffen, ver: lor fih. Die Arme Schluchzte laut auf. Das mar ſchon Befreiung vom Schlimmiten, von der herzlähmenden, gräßlichen Angſt, die das Blut und die Gedanken ftocden läßt. „Wie ift das zu verjtehen?” fragte Martha.

„Frau Willind wird Ihren Bater und Gie hörten es ja auch Ihre Tante losfaufen,” ant- mwortete Deronge. „Sie jegte nämlich voraus, dag —“

„Daß wir es nicht Fönnen,” vollendete Martha den begonnenen Sat, und das Aufflammen ihrer Wangen und ihr fehmerzliches Seufzen fagten nur zu deutlich, daß dies wirklich der Fall Set.

Inzwiſchen waren auch Lange und die Morris ein- getreten, ebenfo die Clarkes und Lehmann herbei- gefommen. Der Doktor gefellte fich tröjtend zu feinen Damen. „Mama,” fagte ex, „ich bin, wie Sie ſchon wiſſen, nicht reich, aber ich denfe, zur Auslöfung des Vaters wird das, was ich habe, reichen. Ich babe fo- eben um mein Geld telegrapbiert.”

Die Brofefforin lächelte ihm meinend zu, Martha fiel ihm einfach um den Hals. Dann erzählte fie ihm, wie großherzig Frau Wilkins fei.

Er ſchaute die junge Frau eine Weile fprachlos an, dann ergriff er ihre Hand und Füßte fie. Seine Augen glänzten dabei in Tränen.

„Machen Sie doch fein folches Wejen!” ſagte die Amerikanerin lächelnd. „Man kann doch einen Men-

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62 Die Briefe der Königin.

FR VORSLL BESERE αα ER HL TERLLL SOHLE FEHLER HL ESEL EEE RALF ERLERNTE SELL USE, [chen nicht fterben Iaffen, wenn man's durch Geld ab- zuwenden vermag.”

„Aber Sie, die und ganz fremd —“

Die Wilfins lachte herb auf. „Mein lieber Doktor,” fagte fie, „ich habe mit einem mir Nächjititehenden fo - Tchredliche Erfahrungen gemacht, daß ich feither für die mir fremden Leute eine gewiſſe Schwärmerei empfinde.”

„Kann ich denn gar nichts tun?” fagte im felben Augenblide im entgegengefegten Winkel des Zimmers die Morris mit bleichen Lippen zu Deronge. Ihr hatte man auch exit vor einer Biertelftunde gefagt, was ge- ſchehen mar.

Der Franzoje Elopfte ihr beruhigend auf die Achjel. „Nichts, liebe Morris," entgegnete er, „auch ich Tann nicht3 tun al3 abwarten, wieviel Geld die Räuber für Ralph und Ihre Herrin und Manil verlangen werden.”

„Aber könnten wir denn nicht fogleih an König Milan depefchieren ?*

Der Morris war, während fie diefe Frage tat, das Blut ins Gefiht gejtiegen, aber zugleich ſchaute fie ganz trogig darein.

Wieder klopfte Deronge ihr auf die Schulter. „Cie haben ganz recht, liebe Morris, wir können uns ja für Frau Gerald nur nad) Eerbien menden. Ich merde auch, fobald ich nur erſt Beftimmtes weiß, beiden Maje— jtäten den Sachverhalt telegraphieren.”

Noch hatte er nicht zu Ende geredet, da kam der Hotelier herein. Er trug mehr, als er fie führte die Mengs. Sie jah erbarmensmert und zugleich lächerlich aus, denn ihre auffallende Toilette war durchnäßt und zerinittert, und ihr falfches Haar hing, heute auffallen der als fonit, halb gelöft um ihr Geficht, in dem fich die Schminke vermifcht hatte.

Aber die Situation war zu tragifch, als dad man

Roman von Augufte Groner. 63 ELLE ES TELLER S TEL ERE S EHLL TEA ERLL TCHLTRALL TH, auf. die Lächerlichkeit dieſer Erfcheinung viel geachtet hätte.

„Die Dame ijt zu Pferde gekommen,“ fagte der Hotelier.

„Allein?“ fragte der Doltor.

Der Mann zudte die Achfeln. Da trat Deronge auf die total Erfchöpfte zu. „Sind Sie ganz allein zurüdgeritten?” fragte er. |

Sie konnte nur den Kopf fchütteln. Aber dann be- ſann fie fich und fuchte mit zitternder Hand nach irgend etwa3 in ihrer Gürteltafche. Doch fie konnte nicht ein» mal deren Schloß öffnen.

Da tat ed Deronge. Er fand in dem Täſchchen einen Brief, einen richtigen Brief, der an ihn ſelbſt adreffiert war. Es war ein recht feines Kuvert, welches ein genau dazu pafjendes Briefblatt umfchloß, darauf in eleganter Schrift, aber in einem etwas mangelhaften Franzöſiſch folgendes gefchrieben Stand:

„Für Herrn Taylor 300,000 Franten, für die Dame Gerald 200,000 . für Herrn Ladany 20,000 Pi

520,000 Sranten.

Die einzelnen Geldbeiräge find vom 5. Oktober Mergens an in Pitfermi, im Haufe unter den drei Raftanien, zu hinterlegen. Ich will bis zum Morgen des 7. DOftober Geduld haben. Am Mittag diefes Tages jtirbt derjenige, der bis dahin nicht ausgelöft worden iſt. Das Geld bat eine einzelne Berjon zu bringen.

Kephas.“ Das war kurz und ungemein deutlich.

Frau Herland und Martha ſchauten jehmeratmend einander an. Was war mit dem Profefjfor geſchehen? Eine ganze Weile, nachdem Deronge die famoje Rech—⸗ nung über drei Menjchenleben feinen Reifegenofjen vor: gelejen, herrjchte tiefite Stille.

64 Die Briefe der Königin. VEALSTEREL VE TELLLETELL STEEL FERLLSTLEL TERAL ETEL TEL TEL TRELEL FAL FEHLT EL,

„günfhundertzmanzigtaufend Franken alſo,“ fagte dann die Wilkins troden, „da3 ift eigentlich nicht viel für drei gefunde Leute. Kephas ift ein kulanter Ge- ſchäftsmann.“

„Wo iſt Pitſermi?“ erkundigte ſich Lange.

Er hatte ſich an den Hotelbeſitzer gewendet, aber diefer bot der Mengs ſoeben ein Gläschen Kognak.

Und ſo antwortete Frau Wilkins: „Pitſermi, das eine Dorfruine iſt, liegt am Fahrwege von hier nach Marathon. Man kann es von Athen aus in etwa drei Stunden erreichen.“

„Woher wiſſen Sie das?“ fragte Lange verwundert.

Aber Frau Wilkins konnte nicht ſogleich darauf antworten, denn jetzt war die Mengs ſchon ſo weit, daß ſie reden konnte.

Deronge, der ſie beobachtet hatte, trat wieder an ſie heran. „Können Sie uns jetzt Auskunft geben?“ fragte er.

Sie nickte matt.

„Iſt jemand von den drei Perſonen, die in den Händen der Banditen ſind, verwundet worden?“

„Solange ich bei ihnen war, nicht.“

„Und was iſt's mit Ihrem Schwager?“

Sie zuckte die Achſeln.

„And mit Manil?“

„Ich habe ihn nicht auf dem Kampfplate gejehen.”

„Kennen Sie den Ort, an dem man unjere Freunde feſthält?“

„Nein. Ich würde nicht wieder hinfinden.“

„Iſt die Stelle auch nicht genannt worden?“

„Nein.“

„Sind Ihnen auch nicht berittene Gendarmen be— gegnet?“

„Bei einem Dorf, das im Gebirge liegt, ſind wir

Roman von Augufte Groner. 65 SEAL CL TEN TEL TELL EL TEL TCCHL TTEAL FT TEE VEHLL CEHEEL TEHHLL RHLLL OEL ERHAEFENL > mitten in der Nacht mehreren Berittenen begegnet. Ich glaube, daB es Gendarmen waren.”

„Wen verjtehen Sie unter wir?“

„Mich und den Mann, der mic) bis zum Schloß. garten begleitet hat.“

„Aha! Und die Gendarmen haben Sie und Ihren Begleiter nicht aufgehalten?”

„Er bieß mich fehmeigen und führte mein Pferd abjeit3.” |

„Sie waren die ganze Nacht unterwegs?”

„Sa. Es mar fo ein langer, bäßlicher, wüſter Kerl, der mich herbrachte,” fuhr die Dame plöglich To zornig fort, daß über das Geficht von etlichen ihrer Zuhörer ein verftohlenes Lächeln fchlich.

„Hieß er vielleicht Antipas?” fragte die Wilkins.

Frau Mengs ftarrte fie an. „Woher wiſſen Sie, daß dies fein Name war?”

„sh Habe ihn kennen gelernt,“ entgegnete gleich: mütig die Amerifanerin. „In Pitfermi draußen,“ fuhr fie zu Lange gewendet fort. „Seinetwegen muß ich jest mit verbundenem Kopf berumlaufen.”

Da mar die Meng3 plöglich vom Seſſel gefallen. Sie Hatte bemerkt, wie fie ausſah, und da mar ſie ohnmächtig geworden. Der Hotelier und Clarke hoben fie auf. Zange wollte ihnen folgen, aber die Wilkins war fchon an der Tür. „Laflen Sie das, lieber Kol: lege,” fagte fie freundlich, „ich werde fie ſchon wieder beritellen. Hier find Sie zudem nicht gut zu entbehren.”

Sie deutete auf die ebenfall3 mit einer Ohnmacht fämpfenden Profeſſorin und ging.

Deronge hatte feinen Hut ergriffen. „Ich tele: graphiere jet an Ralphs Familie und an das Könige» paar auch wegen Ladanys,” ſetzte er hinzu.

1906. VII. [3

66 Die Briefe der Königin. CR TEL TEL TE TEL FRE FON TEE THE TEL HL CHA TEL TEL TEL STEEL TULLN

Eine Stunde fpäter traf Deronge wieder im Hotel ein. Auf dem Korridor trat ihm die Wilkins entgegen.

„Endlich!“ fagte fie und reichte ihm ein Notizbuch.

„Hätten Sie mich gebraucht?“ erkundigte er fich.

„D nein! Mein „endlich“ bezieht fich nicht auf Ihr Kommen.”

„Sondern ?”

„Leſen Sie!”

Erit jet bemerkte Deronge, daß er Taylor Notiz: buch in der Hand hatte. Er fchlug e3 auf und fuchte nach der letten befchriebenen Geite.

„Diefe alte Kokette ift doch zu gar nichts zu ge brauchen,“ bemerkte die Wilkins, „nicht einmal eine Beitellung kann fie ordentlich beforgen.“

Deronge hatte gelejen. Auch er lächelte jegt, und auch er rief vergnügt: „Nun, endlich!“

Damit jtedte er das Notizbuch zu fi, und dann jehüttelten fie fich die Hände, wie e3 Leute tun, die eine gute, eine recht gute Nachricht erhalten haben.

Aber ihre frohe Stimmung hielt nicht an.

„Was aber iſt's mit Herland?” jagte die Wilkins.

Und Deronge wiederholte: „ja, was iſt's mit Her: land?” J BR

Sünfundzwanzigstes Kapitel.

Ralph und Lavinia, der Profeffor und Ladany, fowie die Mengs und drei der Diener hatten, wie fchon erwähnt, einige Minuten vor den anderen den NRajt- plag verlafjfen. Sie hatten den nun wieder abwärts führenden Weg in das Chadabratal eingefchlagen. Es ift dies ein zu Anfang fchluchtartiger Weg. Hohe Fels: wände fäumen ihn ein, da und dort it er bejchattet von Stecheichenbüfchen oder von den mweitausladenden Aſten einer Kaftanie. Einer der Diener ritt voran, ihn

Roman von Augufte Groner. 67 SELL TEEELLLTEHEL TEE FEHLEN SEE TERN STEEL TEEN SCHALE TH TEL TEL TEL TEN folgten Herland und Lavinia, die ſich während des ganzen Tages in unauffälliger Weiſe zu diefem gehalten hatte, dann kamen Ralph, die Mengs und Ladany. Zwei Diener bejchloffen den. Zug.

Man war noch Feine fünfhundert Schritte in die Schlucht eingedrungen, da gefchah es, daß der Zug in Verwirrung geriet. Man befand fi) au einer Stelle, wo Das Buſchwerk befonders dicht war. Ein Mann, ein munderfchöner Mann auf einem herrlichen Rappen bielt, wie aus der Erde gezaubert, vor den Neifenden. Zu gleicher Zeit rafchelte e3 in den Büfchen, aus denen elma ein Dutzend Männer fprangen.

Noch war fein Laut geworden, nur ein Angitruf. Die Mengs hatte ihn ausgeftoßen und war dann ohn- mächtig in die Arme eines langen, mageren Kerls ge: fallen, der die Hand verbunden trug. Im nächiten Augenblid knatterten Schüffe. Sonderbarermweije wurden nur die drei Diener getroffen, und fonderbarerweife war jeder nur jo weit verwundet, daß er kampfunfähig war. Sedem jaß eine Kugel im rechten Arm. Nun, Diefes Ziel zu treffen, iſt kein übermäßig großes Kunſtſtück für einen guten Schüßen, wenn er kaum fünf Meter von feinem Biele entfernt ift. Der ſchöne Kephas aber ver- fügte über lauter gute Schüßen, und feine Leute waren vortrefflich injtruiert. Er felber wußte es ja auch immer ganz genau, wie er bei feinen Geſchäften vor- zugehen habe. Er mordete nicht und ließ nicht morden, wenn er e3 vermeiden konnte.

Die drei Getroffenen, die ja ſchließlich auch gern lebten, ergaben ſich Tlugermweife ohne weiteres. Gie wurden einfach weggeführt. Die Banditen hatten zu ihrer Bejeitigung nicht einmal drei Minuten gebraucht.

In diejen drei Minuten hatte fich natürlich auch noch anderes ereignet. Als Ralph den Mann auf-

68 Die Briefe der Königin.

SEE TEL TEE CELL TEHLLL TEL TEILE TEISE EHE EHE SEHE DEE TEE TEHLE TERN TER, tauchen, al3 er den Pijtolenlauf funteln ſah, Hatte auch er fchon feinen Revolver in der Hand und hatte fein Pferd, trogdem ihn zwei der Räuber daran hindern wollten, neben Laviniad Braunen gezwungen. Aber er gebrauchte feine Waffe nicht. Sich die Kippe blutig beißend, ließ er fich den Revolver aus der zudenden Hand nehmen, denn das Haupt diejer fo famos ge- fchulten Bande batte kalt Lächelnd feine Waffe auf Lavinia gerichtet.

Auch der Profeſſor Hatte beim Anblid des Banditen unmilllürlich in die Tafche feines Rockes gegriffen, aber e3 Tnijterte nur ein Manuffript darin, den funfelnagel- neuen Revolver, den er fich eigens für diefen Ausflug gekauft, Hatte er im Hotel vergeflen. Er grämte und ſchämte fich nicht jehr deswegen, Denn er fah ja fchon, daß bier eine Waffe nichts nüßte.

Ladany hatte man feine Waffe einfach aus der Taſche genommen; er hatte gar feine Miene gemacht, fie ge- . brauchen zu wollen; ex fah überhaupt gar nicht Friegerifch aus, dazu war er zu bleich, dazu zitterte er zu fehr.

Nicht einmal Lavinia war jo erjchroden als diejer Held, aber fie war gleich den anderen Gefangenen außerordentlich erjtaunt, al3 der ſchöne Räuber, dem feine nationale Tracht famos jtand, einen Zettel her: vorzog und nach einem Blif darauf in franzöfifcher Sprache fragte: „Sind Sie Herr Taylor?” Geine bligenden Augen waren dabei auf Ralph gerichtet. Er mußte alfo ſchon ziemlich ficher fein, mer von den drei Herren der Genannte fei.

Taylor Hatte fich bereit3 in feine Lage gefunden, feine Miene war fehon mieder ruhig, und um feinen Mund zudte ein Lächeln. Er merkte, daß e3 fich hier nicht um das Leben, jondern nur um Geld handle.

„sa, ich bin Taylor, Ralph Taylor aus Pullman

Roman von Augufte Groner. 69 SELL STELL TEL TEE TEL TEL CE TEL TC CELL TEL FT TTEEAL EEHLL TEL STATT TEL in den ereinigten Staaten Nordamerikas,” antwortete er, fich ironifch verbeugend.

„And Sie find. der berühmte Gelehrte Herland?" fuhr Kephas nach einer abermaligen Einfichtnahme in feinen Bettel, zu dem Profeſſor gewendet, fort.

Der liebe alte Herr bejahte bezüglich feines Namens, aber feine Befcheidenheit erlaubte es nicht, aud) das Wort „berühmt“ für fich in Anfpruch zu nehmen. Er wies dieſes Beiwort in reinſtem Griechifch zurüd.

Darüber lächelte nun auch der Bandit, beharrte je- doch in -einem weit weniger ſchönen Griechifch darauf, daß der alte Herr berühmt, jehr berühmt fei. Erft als er dies in recht bejtimmter Weife feitgejtellt hatte, wandte er fih an den Ungarn.

„Sie heißen Teronge?” fuhr er diefen ungnädig an. Der Mann, der fich gar fo fehr fürchtete, war ihm fichtlich nicht ſympathiſch.

Ladany Tnidte völlig zufammen. Er hatte nicht ein⸗ mal ſo viel Stimme, daß er deutlich verneinen konnte.

Da tat es Frau Gerald für ihn. Faſt zornig tat fie es, denn es zwang fie, ſich ihres abweſenden Freun— des anzunehmen. Niemand, nicht einmal dieſer Bandit, ſollte dieſen Feigling für Deronge halten.

Kephas verbeugte ſich vor der ſchönen Frau. „Ma: dame Gerald?“ fragte er.

Sie nickte.

Als dieſes Examen angeſichts zehn geladener Pi— ſtolen beendet war, wollte Kephas ſein Pferd wenden, da rief Ralph ihm zu: „Ein Wort noch!“

Der Grieche hielt mit einer eleganten Bewegung an. „Sprechen Sie!“

„Senden Sie die beiden Damen in ſicherer Beglei- tung fogleich nach Athen zurüd. Es wird Ihnen Fein Schaden daraus erwachſen. Ich bürge dafür.”

—— —— nn

70 Die Briefe der Königin. REEL TOLL VOGEL EEE TITELS. SELL TETHLL, REEL TER TEL. TER REEL EL TEL TEL TEA TELLER

„Ste find ja fehr reich,” bemerkte Kephas, „aber es wird auch fehr viel Geld koſten.“

Ralph fchaute ihn überrafcht an, überlegte einen

Augenblid lang und fragte dann: „Wer hat Ahnen da3 gefagt? Einer, der mit uns gereift ift?“ Dies bejahte der Bandit. Und nun mußte Ralph alles, mußte, daß Kohn ihn diejen Streich gejpielt, daß diefer das Namensverzeichnis geliefert habe und natür- lich auch bezüglich feines Reichtums ficherlich noch über: triebene Angaben gemacht hatte, daß daher das Löſe— geld fehr Hoch geftellt werden würde. Und blisfchnell fuhr ihm auch der naheliegende Gedante durch den Sinn, wie es in Johns Intereſſe liege, daß dieſes Löfe- geld überhaupt nicht gezahlt werde. Kohn Auftin war wohl bereit5 ficher, Daß fein Vetter diefes Abenteuer nicht überleben werde.

Und noch ein Gedante ceritand ebenfo vafch in des jungen Mannes Kopf. Lavinia mußte das Gräßliche, da3 dieſer Gefangennahme folgen würde, erfpart bleiben, Lavinia mußte, noch ehe fie jest von ihm getrennt wurde, mwiljen, wie es ihm ums Herz war.

Er atmete tief auf, und Laviniad Hand faſſend ſchaute er dem Banditenchef ruhig in die Augen. „Na,“ fagte er, „ich bin reich genug, um das Löjegeld zu zahlen, daS Sie für mich, für uns alle begehren werden. Ich jage: für uns alle, denn diefer Herr,” er zeigte auf den erſt jet die Faſſung verlierenden Profeſſor, „iſt zwar jehr gelehrt und auch ſonſt eine hochgeachtete Perjönlichkeit, aber er, jomwie auch die andere Dame und Herr Ladany find nicht in der Lage, über größere Summen verfügen zu können. Und auch” eine flammende Nöte jchoß Taylor ins Geficht und feine Augen leuchteten „Frau Gerald verfügt nicht fo reichlich über Geld, daß fie Sie befriedigen könnte.

Roman von Augufte Groner. 71 SELL TEL STALL FULL FTSE STELL FELL TEA TR TELLER FREULTEHELL FREL TRUE TCHLL TER Alfo können Sie ſich nuran mich halten, und Sie follen zufrieden gejtellt werden.”

„Ralph!“ Lavinia konnte nichts weiter hervorbringen als diefen Namen.

Taylor beugte fich zu ihr hinüber. „Glauben Sie auf andere Meife frei werden zu können?“ fragte er lächelnd.

hr traten Tränen in die Augen. Sie war mirl- lich in einer peinvollen Zage, fo hilflos, fo ganz hilflos, wenn ſie fich nicht von ihm helfen ließ, der fie Durch fein Mißtrauen fo tief gekränkt und beleidigt hatte. „Auf was Hin fol ich denn Das gefchehen laſſen?“ jtammelte fie, und es ſchauten ihr dabei Schmerz und Born aus den Augen.

Taylor jedoch fah jest recht ruhig und gar nicht unglüdlich aus. Ja, er jah aus wie einer, der etwas Großes, Herrliches vor hat, denn fein Geficht war mie durchleuchtet, und fein Blid war ftrahlend. Lavinias Hand feithaltend und ihr tief in die Augen fchauend fagte er: „Reden Sie nicht fo. Wir werden ja doch einſt Mann und Frau fein.”

„Ralph —!“

Wieder kam fie nicht weiter. Diefe freilich ſeltſame, aber durch die Umftände hervorgerufene und entjchuldigte Werbung war ihr zu unerwartet gefommen.

Aber Taylor merkte jchon, daß nicht Zorn fie ver- ftummen ließ, denn fie entzog ihm die Hand nicht, und wenn auch ihr Mund nicht redete, jo redeten Doch ihre Augen, und diefe Tprachen recht deutlich.

Taylor atmete tief auf. Lavinia wenigjtens war jet gerettet. „Sie können alſo,“ mandte er fih an den Banditen, „die Damen und den Herrn Profeſſor fofort nah Athen zurüctehren laſſen. Nur dieſen Herrn” Taylor blidte auf Ladany „erbitte ich mir zur Geſellſchaft.“

72 Die Briefe der Königin. TEL TEL TEL ERLITT CHA He THALE he HL RL TEL TR RA NL ITEHLIEE L,

Der jchöne Kephas dachte eine Weile nah, dann richtete er ficy höher im Sattel auf und antwortete in verbindlihem Tone: „ch Tann leider Ihren Wunjch nicht erfüllen. Ich hoffe jedoch, Sie alle nach kurzer Zeit entlaffen zu können.“

„Sie jenden aber doch fofort jemand zu dneeh Sreunden 2* fragte Ralph.

Kephas nickte.

„But. Wenn Sie des Geldes ficher fein wollen, jo ſchicen Sie, was ich jetzt ſchreiben werde, an Herrn Deronge.“

Ralph ſchrieb in ſein Notizbuch etliche Zeilen und reichte es ſodann nebſt ſeinem Bleiſtift dem Profeſſor. Der las und unterſchrieb. Dasſelbe tat LYadany, dem das Büchlein auch gereicht wurde.

„Es wäre mir lieb, wenn auch Sie diefes Kleine Dokument unterfchrieben,” wandte fich Taylor aladann an Kephas und übergab diefem das Notizbuh. Auch diejer la8 und unterschrieb.

Er mußte mit dem „Lleinen Dokument“ ganz ein- veritanden fein, denn er ſchmunzelte, al3 er das Büch- lein zu fich fteckte, und ſagte: „Es ilt für Sie und mich gut, daB Sie mir feine Schwierigkeiten machen.“

Danach überblicdte er feine Leute und gab ihnen einen Wink. Daraufhin verfchwanden die Biftolen, je zwei der Banditen nahmen einen der Gefangenen in die Mitte, und der Zug feßte fich in Bewegung.

Kephas und neben ihm Herland blieben an der Spite. Der Profeffor war ziemlich verwirrt von all dem, was fich in den letzten Minuten -zugetragen hatte. Er mußte daneben auch noc immer an Martha denten.

Sn feinem erſten Schreden Hatte er fchon ihren Namen auf den Lippen gehabt, aber er hatte fich noch rechtzeitig bejonnen. Ein Blid, den er die Schlucht

Roman von Augufte Groner. 73 SEAL STALL TEL SELL TEL STEEL TCEHL TEL STELL SAL TEL TEL TEL TEL TFT TEN binauffandte, hatte ihn darüber belehrt, daß fie und Lange nicht in der Nähe jeien. Sie befanden fich aljo noch auf dem Raftplage und fonnten fich vielleicht retten.

Die drei Verwundeten wurden vorausgefchicdt. Die zitternde Frau Mengs, die Kephas niemals ohne ein ironisches Lächeln anfehen konnte, war dazu bejtimmt, als Botin nach Athen aurückzureiten. ,

Der Tonnenbefchienene Hohlweg mit feinem Grün und dem blauen Himmel darüber verriet durch nicht? mehr das unheimliche Gejchehnis, welches jich darin abgefpielt hatte. Und dennoch mußte einer, an welchen vorhin niemand gedacht hatte, was bier ſoeben gefchehen jei. Manil war ed, der vom Ende der Schlucht her einen Zeil der Vorgänge beobachtet hatte. Die Hände ge- bat, die zornfprühenden Augen auf die Banditen ge- richtet, preßte er feinen jchlanfen Leib in eine Fels—⸗ jpalte und beobachtete von dorther den Vorgang. Und al3 die Bande mit ihren Gefangenen abgezogen war, tletterte Manil zur Höhe hinan und lief oben meiter. Er hielt fi immer am Rande der den Weg fäumen- den Feljen, und ſehr bald ſah er den Zug wieder vor fih. Diefem auch weiterhin unbemerkt zu folgen, war eine jchwierige Aufgabe, aber der treue Menſch hatte fie fich geftellt und führte fie durch.

Manil mußte fi) zumeilen auf den Boden werfen, um von denen, die da unten Hinzogen, nicht gejehen zu werden; oft mußte ihn ein Strauch oder ein Felsvor⸗ ſprung verdeden. Zumeilen hätte er Gelegenheit gehabt, eine Kugel einem ficheren Ziele zuzufenden, aber er wagte folch ein Rachewerk nicht, denn er Tonnte fich’3 denfen, daß einer der Gefangenen, wenn nicht alle, mit dem Leben dafür hätten büßen müſſen.

Vielleicht eine Stunde lang ſchlich der Chilene fo hinter den anderen her, dann verließen diefe die Schlucht

74 Die Briefe der Königin.

EHE TOR FLSLLLITTEELL, TOSCL TEL TER TEL EL REEL TEL HL TEL TA TER TERN! und bogen feitwärts in ein waldreiches Tal ein, darin es ſchon dDämmerig war, denn außer den Bäumen bes Tchattete e8 auch das finftere Gewölk, das fich jet über dem Pentelikon aufzutürmen begann.

Manil tonnte von nun an fo nahe an die langjam MWeiterziehenden heranlommen, daß er troß der Däm⸗ merung fehon ihre Geftalten unterfchied. Da machte er die Wahrnehmung, daß fie fi anders gruppiert hatten. Jetzt ritt der ſchöne Mann, der offenbar das Haupt der Bande mar, zmifchen dem Profeſſor und Ladany dahin, welche zwei Gefangenen allerdings noch von je einem der Räuber flankiert wurden. Ladany verhielt fich völlig apathijch, aber Herland war dafür um fo lebhafter, und wäre Manil den beiden näher ge: weſen, jo hätte er gejtaunt, denn dann hätte er ges wußt, daß der Profeſſor dem Griechen allerlei Inter— effantes über Marathon erzählte.

Der Profejjor hielt tatjächlich Kephas einen dieſen ſichtlich feſſelnden Vortrag über Vorgänge, die fich vor Sahrtaufenden auf dem klaſſiſchen Boden abgefpielt hatten, auf welchem er jest dahinritt.

Herland handelte fehr klug, freilich jo klug, wie es zumeilen Kinder find, welche inftinttiv das Wichtige tun und das Richtige treffen. Er gewann Kephas, der ein glühender Patriot war, durch feine Liebe zu Griechen: land, in dejjen ruhmreichjtem Orte jener geboren war. Kephas Hatte noch niemal3 jemand mit folcher Bes geilterung von Marathon reden Hören; ex betrachtete den alten Herrn mit immer freundlicher werdenden ' Augen und fragte ihn ſchließlich, ob er ihm die Schrift, welche er über Miltiades und die Schladht von Mara⸗ thon gefchrieben, jenden wolle, wenn ex ihn freiließe.

Herland verfprach dies natürlich und ſagte Kephas zu, er werde ihm eine griechijche Überfegung davon ſchicken.

Roman von Augufte Groner. 75 SELL TEL THALE SCHE ER TEE TREE TEL EEE ER TEL CH TEL ELLE HU FREU TEEN

Diefe Verhandlung murde von den beiden in aller Freundſchaft geführt, nachdem gleich zu Anfang ihres Geſpräches Herland dem Banditen jeinen Gehalt be- ziffert und feine mohlgeordneten, aber immerhin be- fcheidenen Lebensverhältniffe dargelegt hatte, woraus Kephas erkannte, daB ein griechifcher Räuber fich bei weitem bejjer ftehe al3 ein deutſcher Profejfor. Es ging ein folcher Odem von Wahrhaftigkeit von Her- land aus, daß der Bandit ihm aufs Wort glaubte und ihm zufagte, daß er nach wenigen Tagen nach Athen zurüdlehren könne.

Herland war diefer Zufage jehr froh, denn einer: feit3 lebte er noch jehr gern und anderfeit3 wäre es ihm doch recht peinlich gemejen, der Großmut des zwar jehr liebenswürdigen, aber ihm doch jchlieglich fern- ftehbenden Taylor fein Leben verdanten zu müſſen.

‘a, der liebe alte Profeſſor atmete wirklich froh auf, als er den Räuber fo gemütlich ſah, und er fnüpfte an dieſe Gemütlichkeit die Hoffnung, fie auch für feine Leidensgenofjen ausnügen zu können. Ganz jachte fing er die Sache an. Kephas verftand jedoch jogleich, wo hinaus er wolle, und fagte ihm, daß er daS Unternehmen nicht ohne etwas dabei zu verdienen gewagt haben wolle. Die ſchöne Dame aber, Taylor und der andere Herr müß- ten ausgelöjt werden. Darüber folle der Profeſſor fein Wort mehr verlieren, wenn er ihn nicht erzürnen wolle.

Nun iſt es eine kitzlige Sache, einen Banditen zu erzürnen, in deſſen Gewalt man ij. Dem guten Her: land blieb nichts übrig, al3 über diefen Gegenjtand zu jchmeigen umd wieder das Thema aufzunehmen, das dem Fürchterlichen, an dejjen Seite er dahinritt, ges nehm und das jedenfall unverfänglich war.

Manil, der die zwei fo im beſten Einvernehmen ſah, mwunderte ſich nicht wenig darüber. Über eine

76 Die Briefe der Königin.

TER TUE SEE TEL FELL TEL FELL TEL FUEL TEL TEE TEL TEL TEL TEL TEL TER TER, andere Mahrnehmung war er nicht ganz fo erjtaunt. Dicht hinter Kephas und feinen Begleitern ritten Ralph und Lavinia, ebenfalls recht? und lints flankiert von je zwei bi8 an die Zähne bewaffneten Banditen. Pie beiden fahen in Anbetracht ihrer derzeitigen Situation mertwürdig froh aus. Manil wußte längft, wie e3 mit einen Heron befielli fei und wie unglüdlich diefer fich in letzter Zeit gefühlt hatte. Damit ſchien es nun plöß- lich vorbei zu fein. Beim Schein des erften Blitzes, der joeben herunterfuhr, ſah Manil, wie fein Herr fich mit leuchtender Miene zu der Dame herüberbeugte und ihr froh Lächelnd etwas jagte. Das war ja, ald ob beide einen Spazierritt machten, und nicht, als ob fie geziwungenermaßen diefen Weg ritten. Nun Die Freiheit hatten fie wohl für einftmweilen verloren, aber ihr Benehmen fprach deutlich dafür fie hatten bei diefer Gelegenheit einander gefunden.

Manil lächelte mehmütig; er mußte jeiner Schwejter gedenten. Wie hatte die diefen Mann geliebt! Aber Taylor hatte auch als guter Menſch an ihr gehandelt, er hatte fich die Schwäche des liebenden Mädchens nicht zu nuße gemacht und ex hatte fo fehmerzlich ges weint, als fie jeinetwillen gejtorben war. Dieje Tränen hatte Manil feinem Herrn noch nicht vergefjen. Der einfache Menjch nahm diefe fo felbftverjtändlichen Tränen wie die Leiltung eines großen Edeljinnes hin. Daher auch jest feine Freude über feines Gebieters frohe Stimmung.

Während er fo vorfichtig durch den Wald jchlich, lächelte auch er. Der Wald Hatte ja keine Schreden für ihn, denn der Wald war feine erjte Heimat ge: weſen, und jein erjter Umgang fein viel befjerer, als die Männer waren, deren Schlupfwintel ex jebt zu Gunjten feines Herrn ausfundfchaften wollte. Er fah, daß der Zug Halt machte, daß das Haupt der Bande

Roman von Augufte Groner. 17 SEE TEE TEE EEE TEL TEL α, TELL CCHL TEE TEL TEL TEL TER TER CHE TEL TE eine Strede vorausritt, und daß zwei feiner Leute ihm folgten. Nach einer kurzen Beratung teilte fich der Zug. Kephas ritt mit dem Vrofeffor und vier von feinen Leuten anf der breiten Waldftraße fort. Die fieben anderen Banditen nahmen Taylor, Lavinia und den Ungarn in ihre Mitte und fchlugen einen Pfad ein, der tiefer in den Wald führte.

Ehe dies gefchah, war Herland zu feinen Freunden herübergefommen und hatte mit ihnen eine kurze Unter: redung gehabt. Händefchüttelnd hatten fie jich getrennt.

Es ſah das alles eigentlich ganz gemütlich aus. Manil fehüttelte an diefem Abend mehrmals den Kopf. Er wußte doch auch, was Räuber feien, fie waren in feiner Heimat ja leider feine Seltenheit. Aber jo ging e3 bei ihm daheim niemals zu. Wenn es da zu einem derartigen Zufammenftoß gelommen war, gab es Teine Unterhandlungen oder gar Unterhaltungen, da Tnallte es einfach hüben und drüben, und wer nicht entlommen fonnte, der blieb eben verwundet oder tot auf dem Bla. Sa, Manil wunderte fich fehr und zwar nicht zum erjten Male über die europäijchen Sitten.

Nachdem der Zug fich geteilt hatte, blieb der Chilene natürlich in der Nähe jener Gruppe, welcher fein Herr angehörte. Er mußte jeßt jehr vorfichtig jein, denn recht oft ſchon bligte e8 und zwar jo andauernd und jo unangenehm hell, daß der treue Menjch Gefahr lief, von den Banditen gefehen zu werden. So war es ihm recht lieb, daß der neuerliche Nitt nicht lang dauerte.

Eben fielen die eriten jchweren Tropfen, als der Wald fich Lichtete und auf einer jedenfall3 Fünjtlich hergeftellten Blöße fich ein Eleines Haus zeigte, Das jamt einer mächtigen Buche dicht an einer Tahlen Berg» wand jtand, welche dieſes verjtedte Bläschen faft in einem Halbrund einfaßte. Vor diefem Häuschen halfen

78 Die Briefe der Königin. SELL TEL SELL SEELE TOLL SCHE VOOLLLERELL ERGEL TORE, TOLL TTRLE α SELL SCH ÄL TRHLITCHHEL > die Banditen den drei Entführten von den Pferden dann wurde ihnen befohlen, einzutreten.

Manil ſtand jegt viel zu weit, um Einzelheiten wahr- nehmen zu können, wiernohl die nun fchon in ganz furzen Zwiſchenräumen niederfahrenden Blitze zumeilen die Nacht fast zum Tage machten. Er gewahrte nur, daß die drei in dem Haufe verfchwanden und daß bald danach fich eines von dejjen SFenftern erhellte.. Das Häuschen Hatte alſo mindeſtens zwei Räume.

Das zu entdeden, war dem Chilenen nicht angenehm. Er dachte ja ſchon an eine Befreiung der Gefangenen, und diefe fonnte erfchwert werden durch den Umſtand, daß es fich Dort drüben un mehr als eine Tür und um mehr als eine Wand handelte, wenn einer zu den Gefangenen, oder diefe ins Freie gelangen wollten.

Es dauerte nicht lange, jo flamnıte e3 auch hinter dem zweiten Senfter auf, und nun bemerkte Manil, daß zwijchen den zwei erhellten Räumen fich eine Art Flur befinden müſſe, denn die Tür des Häuschens ftand offen, und man ſah durch fie in einen finjteren Raum hinein.

Der Ehilene war jet über die Näumlichkeiten, in denen die Entführten untergebracht morden waren, orientiert. „Auch gut!” dachte er. „Wenn man es nur weiß, wa3 zu überwinden ift!“

Er 308 fich gleich darauf tiefer in den Wald zurüd, denn vier der Banditen, welche fich foeben alle noch in dem Häuschen befunden hatten, traten ins Sreie.

Sie redeten lebhaft miteinander, und einer von ihnen führte die Pferde vor, welche man bei der Ankunft au die fchmeren Gitter der Fleinen Fenſter gebunden hatte.

Es waren jedoch nur drei Pferde da; dies brachte die Männer indejfen nicht in Verlegenheit. Die zwei Hagerjten von ihnen beftiegen eben das Eräftigfte der

Roman von Augufte Groner. 79 SH TEL TEL TEIL SELL VERLLL TEIL TER TRATEN SEHE DELL TEL ELLE TRHL TEL TEL, Noffe. Einige Minuten fpäter waren fie auf dem Wald⸗ pfade verſchwunden.

Set war Manil jehr beforgt, denn nun war das Fortlommen der drei Gefangenen ſehr erjchmwert, falls es ihm überhaupt gelang, ihnen zur Freiheit zu ver- helfen. Und auch für ihn ſelbſt wurde die Situation recht unangenehm, denn immer heftiger fing das Wetter zu toben an, Blitz um Blitz faufte nieder, unaufbörlich rollten Donner, und der Sturm mütete jo arg, daß ringsum Zweige und Aſte brachen und Trachend in die Tiefe fuhren. Dazu kamen ſchwere Regengüffe nieder.

Aber eben jet wurde e3 ihm wieder leichter zu Mute. Er hatte eine neue Wahrnehmung gemacht. Einer der Räuber war herausgelommen, trug einen großen Krug auf der Schulter und begab ſich damit zu einer Duelle, deren Dafein Manil erſt jegt befannt wurde. Mit dem gefüllten Kruge Tehrte der Mann rafch wieder in daS Häuschen zurüd.

est Stand Manil nicht mehr unter den Bäumen. Die kurz mwährende Dunkelheit benütend, war ex bi$ zu den Feljen geeilt und fchlich ſich nun an diefen ent- lang bis dicht zum Häuschen heran. Als der Waſſer— bringer wieder darin verſchwunden war, Iugte der Chi- lene vorfichtig durch das Fenſter. Er jah ein Stübchen, darin fi) an Geräten nichts als ein Lager, ein Tifch und zwei Bänke befanden. Auf dem Tifche brannte ein Ollämpchen. Sein matter Schein beleuchtete die drei Gefangenen. Taylor und Frau Gerald redeten ſcheinbar ganz gemütsrubig miteinander. Ladany faß im fernjten Winkel des Raumes. Bis auf ihn, der vor ſich Hin ftarrte, ſah alles ziemlich gemütlich aus. Weniger gemütlich waren die fejten Mauern, aus denen die Wände beitanden, und die dicken Gitter an den Fenftern.

Seht ſchauten die Gefangenen auf. Ihre Blide

80 Die Briefe der Königin.

SELTEN TEEEL TEL TORE TEL WERL REES VERGEHEN TER TEL TEL TRHL TEL richteten fich auf das Fenſter, daran einer gepocht hatte und daran fich jet ein Geficht zeigte, das ihnen allen befanntwar. Es nidte ihnen zu und dann verſchwand e3.

„Manil iſt da,” ſagte bochaufatmend die junge Frau, „er wird —“ Gie redete nicht weiter. Nalph hatte den Finger auf den Mund gelegt. Gleichzeitig tajjelte der fchmwere Riegel, die Tür ging auf, und nun ereignete fich etwas, das niemand erwartet hatte.

Der eine ihrer Hüter brachte ihnen einen Korb, der feine Meizenbrot und auserlefen jchöne Früchte ent: hielt. Auch ftellte ex einen feltfan geformten Krug mit Wein und einen anderen mit Waffer auf den Tifch, dann entfernte er fich wieder. Er hatte fein Wort gejprochen.

Aber er hatte noch etwas anderes zurüdgelafien, einen filbernen Becher, der ein fein gearbeitetes Wappen und eine Devife in deutfcher Sprache trug. Ralph und die junge Frau fahen einander mit fprechenden Bliden an. Lavinia kroch ein Schauer über den Rüden. Aud) Ralph fühlte ein gemilfes Unbehagen, und Ladany, der auch feinen Schluß gezogen hatte, war jegt noch bleicher.

„Kun, Hunger leiden läßt der Herr diefer Berge uns nicht,” jcherzte Taylor, der die Geliebte beruhigen wollte und der ja tatjachlich nicht mehr ſehr bedrüct mar von der Lage, in welcher er fich befand, denn er mußte fchon, wieviel Geld er und Lavinia für den Tchönen Banditenhäuptling wert waren. Geit Ralph annehmen Tonnte, daß feine Zeilen ficher in die Hände Deronges kommen würden, war er eben nicht mehr jehr beforgt. Deronge mußte es wohl in ein paar Stunden ſchon wiſſen, was gefchehen, und wer der eigentliche An- jtifter der Tat war. Er und die Willins würden Johns diesmal gar zu pfiffig angelegten Anjchlag fchon vereiteln.

So dachte Taylor und fchloß demnach noch nicht mit dem Leben ab, das gerade jest doppelt jchön vor

Roman von Augufte Groner. 81 SEE TEL, STELL TEE TEL TEHELLZ SEES TEHLLL SELL UELI TEL SCHE TEHL ihm lag. Schier übermütig bediente ex feine Tünftige Frau, und es koſtete ihm nicht viel, fie dazu zu bewegen, einige Bilfen zu genießen. Aber aus dem Becher wollte fie nicht trinten. Die Vorftellungen, die fich mit feinem Hierfein verfnüpften, waren gar zu graufiger Natur.

So trank fie alfo aus dem Kruge ein paar Schlud von dem köſtlichen Waffer. Auch Ralph verjchmähte das vegetarifche Mahl nicht, das indefjen ganz plötzlich geftört wurde. Ladany, mehrmals zum Mitefjen aufge: fordert, Hatte fich bis jeßt nicht geregt, nun aber ſtand er plöglich vor Ralph, nein, lag vor diejem auf den Knieen.

„Was ift Ihnen denn?” fragte Taylor zurüd- tretend, denn es war ihn widerlich, daß diefer Mlenfch, der eine fo jeltjame und feinenfall3 ehrenhafte Rolle gefpielt, jest fo ganz den Kopf verloren hatte.

Auch Lavinia, die feine Schlechtigfeit ja noch ge: nauer kannte, efelte er an. Unmillfürlich 309 fie den Saum ihres Kleides zurüd, und er bemerkte es. Ein Aus: drud faſt rührender Hilflofigkeit und Angſt zeigte fich in feinem Gefichte, da3 fich, als werde er plöglich ſchwach, fenkte. Auch feine Arme, früher mit leidenfchaftlicher Bewegung ausgeftrecdt, hingen jetzt jchlaff nieder.

„Alfo was ift’3? Reden Sie!” fuhr Taylor ihn an.

Ladany erhob jcheu die Augen. „Sie und Frau Gerald haſſen mich,” begann ex flotternd, „jo fo widerlich bin ich Syhnen beiden, daß Sie fogar meine Berührung jchenen, wie joll ich e3 denn da glauben, daß daß —*

„Na, kommen Sie nur zu Ende!” fagte Taylor rauh. „Daß ich Sie loskaufe, wollten Sie vermutlich fagen. Sinn hat das freilich nicht viel, denn Sie find mir nicht nur fremd, Sie find mir tatjächlich und zwar mit gutem Grunde verhaßt; aber e3 mwiderjtrebt mir

dennoch, Sie einem elenden Tode zu überliefern.“ 1906. VII. 6

2. Die Briefe der Königin. FETTE STELL TE FELL FELL FERHLL TEEEL TR TEL TEL TEL TR FELL TER TEN TEL TE,

„So wollen, jo werden Sie wirklich ?”

„Bei Ihnen bat ein gegebenes Wort wohl wenig Wert?“ bemerkte Taylör jarlaftifh. „Da ich es Ihnen zugefagt habe, daß Sie mit ung frei fein werden, können Sie fich darauf verlaffen, daß es gejchieht freilich unter der Bedingung, daß Sie fich niemals mehr in Frau Gerald: Nähe erbliclen laſſen.“

„Nie mehr, o nie mehr!” beteuerte Ladany eifrig. „Und da Sie dieſe Angſt von mir grHEmmEn haben, will ich enthüllen —“

„Was denn?” unterbrach ihn Ralph raſch. „Habe ich Sie um Enthüllungen erfucht? Ich habe nicht vor, ivgend jemand in der Sache, die Sie nur meinen fönnen, zu bemühen.“

„aber Frau Gerald ift in der Tat un—“

„Bitte, ftehen Sie auf und laffen Sie Frau Gerald aus dem Spiele. Die Ehre diefer Dame jteht jo hoch über dem, wa3 Sie allenfalls noch an Ehrbegriffen in ſich haben, daß Sie keinenfalls die geeignete Perſön⸗ lichkeit find, Zeugnis für meine künftige Gattin ab— zulegen. Aljo lajjen Cie das jein. Ich vertraue jeden: falls nur meinen eigenen Eindrüden und meinem Herzen. Wie diefe entjchieden, das haben Sie ja gejehen.”

Ralph ſchaute auf. Lavinia hatte fich erhoben. Ihre Augen waren voll Tränen. Sie kämpfte fichtlich mit einem Entſchluß.

„Lavinia?“ vief er erjchroden.

„Ralph, Sie follen alles wilfen, und dann dann können Sie ja Ihren Entjchluß zurüdnchmen.”

Er jah fie zittern. Wie eine Schuldige ftand fie vor ihm. Aber er glaubte ihrem Ausfehen nicht. Er drückte fie auf ihren Sig nieder, ftrich zärtlich über ihr blafjes Geficht und ſagte leife: „Ich will ja nichts willen, Liebjte, ich will did) aber anhören, falls e3 dich

Roman von Augufte Groner. 83. TEL TEL EEE FCHAL TEEN TEREL TEL FELL FELL TEL TE TEN TEL EL FELL TEN drängt zu reden. Nur fage ich div im voraus, daß ich dich nicht mehr freigebe. Was immer du mir jet oder irgend einmal eröffnen wirft, es fann feinen vermindernden Eins fluß auf meine Liebe haben und auf meine Achtung zu dir.“

Ralph Taylor war wirklich gar nicht neugierig auf das Gejtändnis feiner Liebften, er war nur ungeheuer ärgerlich, daß die Gegenwart diefes widermärtigen Kerls ihm jeden Zärtlichfeitsausbruch unmöglich machte.

Lavinia aber. dachte derzeit nicht an Zärtlichkeiten, die war jeßt ganz erfüllt von Trauer und bitterer Scham, denn ſoeben war es ihr eingefallen, daß fie . Ralph die volle Wahrheit fchuldig ſei. Die Ein- mifchung Ladanys hatte fie urplöglich wieder an all das erinnert, was fie zumeilen vergaß, an die Ge- ſunkenheit ihres Bruders und an ihre eigene Schwäche.

Und jo beichtete fie denn-die eigene und die fremde Sünde. Ralph hielt ihre Hände dabei feſt und zwang jte, ihm in die Augen zu fehen. Und da gemwahrte fie, daß feiner Liebe nimmermehr beizufommmen jei.:

„Dein Bruder bat aljo gejtohlen? Nun, ihn will ich ja nicht heiraten, und deine und feine Ehre, da3 ift ja Gott fei Dank nicht eins.”

Das war alles, was Taylor über Nilifors Tat äußerte, und al3 er das Geftändnis vernahm, daß fie, die er liebte und die ihn liebte, einen Augenblick lang geblendet war von dem Glanz der Königsfrone, die ihr leidenfchaftliche Liebe hatte auf das Haupt drüden wollen, da wurde er allerdings eruft, aber er blieb gerecht.

„Die Berfuchung war fehr, jehr groß,“ fagte ex ruhig und fügte dann mit ftrahlendem Lächeln hinzu: „Aber :da du ihr nicht erlegen bift, können wir beide itolz jein, denn nicht nur dein Stolz, auch die. Liebe, die du für mich empfindeft, hat fie dich befiegen lafjen.“

„sa, auch die Liebe zu dir!”

84 Die Briefe der Königin. TEHELL STEEL THE TEE HL TEE FELL STELLEN CELL 2 SEAL TOLLE TEL STEEL TEL STEHEN TEL EEHLTTELL SEN

Ganz leije vedete Lavinia, aber die Nöte, die ihr ins Geſicht ftieg, vedete gar deutlich mit, und da geſchah e3, daß Ralph Taylor, die Gegenwart Ladanys ignorierend, Frau Lavinia Gerald zum erjten Male Tüßte.

Was jedoch bei folchen Vorkommniſſen fo oft ge— fchildert wird, daß die Liebenden plößlich auseinander fahren, das ift auch diesmal zu berichten. Pie zwei fuhren auseinander, denn am Fenjter ließ fich wieder ein Geräusch hören. Wiederum zeigte fich dort Manils Geficht und feine Hände, welche fi) an einer der Heinen Glastafeln zu ſchaffen machten. Er hatte dieje eingedrüct, aber ihre Teile fielen nicht klirrend in das Stübehen, fie blieben an Manils Tafchentuch leben, das in Harz getaucht war. „Mehr Tann ich einjtweilen

nicht tun,” flüfterte der Chilene, Taylor durch die ent- ſtandene Öffnung feinen Revolver reichend.

Im nächſten Mugenblid war er verfchwunden.

Ralph fühlte fich, trogdem er fich in fein Schickſal ergeben hatte, um einiges leichter. Es war ja immerhin möglich, daß ihm die Waffe nötig wurde. Einftweilen freilich bevorzugte er um Lavinias willen den Frieden.

„Es kommt jemand,” warnte Ladany, der jebt wieder feinen Bla neben der Tür eingenommen hatte.

Zaylor ftand ſchon am Tifche und langte nach einer Frucht. Aber es kam niemand. Einer der Männer war aus dem jenjeitigen Raum in den Flur und durch diejen ins Freie gegangen. Er fehlug die Tür hinter fich zu oder vielleicht tat dies auch der Wind.

Die Gefangenen laufchten. Die Schritte draußen verhallten raſch. Man hörte nichts als das Rauſchen der Bäume, al3 das Saufen des Windes.

Aber jest war noch etwas zu hören: ein Schrei, ein gellender Schrei. Lavinia ftarrte geängftigt Taylor an, der jelbjt blaß geworden mar.

Roman von Augufte Groner. 85

SELELZITTELEEEL TEL TEL SEELE FERLL TER FELL SELL TER TER TEL SELTEN

„Sie kommen!“ jchrie Ladany und flüchtete in den fernften Winkel des Raumes.

Draußen mar e3 laut geworden. Die beiden noch im Haufe befindlichen Banditen rannten durch . den Flur. Worüber fie fich fchreiend verftändigten, Tonnte man nicht verftehen. Aber jeßt wurde der Riegel zurüd- gejtoßen, und der eine der Räuber fchaute dDrohend herein. Ralph hatte fich zwischen die Tür und das Senfter geftellt. Das war gut, denn des braunen Burfchen Augen waren ſcharf. Nachdem er ſehr bezeichnend feine lange Flinte gefchwungen und feine ebenfall3 merkwürdig lange Biftole vorgemwiejen hatte, 309 ex fich raſch zurüd.

Wieder Tuarrte der Niegel, wieder waren die Ge- fangenen allein mit der ſchrecklichen Angſt, daß Manil etwas geſchehen ſein könne.

Vor dem Fenſter, aus welchem jetzt zwei Menſchen angeſtrengt in die Nacht hinausſehen, die einmal un— durchdringlich ſchwarz und gleich danach wieder blen— dend hell iſt, fiel ein Schuß. Auf der Waldblöße draußen rangen zwei Männer miteinander. |

„Manil, laſſen Sie fich zu Boden bringen!“ fehreit Ralph und ftößt noch eine Senftertafel ein.

Der Chilene hat begriffen. Er tut, als habe ihn die Kraft verlafjen, und läßt fich zu Boden fallen.

Gein Gegner iſt mit ihm bingefiürzt, aber ijt doch obenauf geblieben. Jetzt aber herrjcht joeben Duntel- beit. Manil befigt noch feine ganze Kraft; er ver: wendet fie derzeit dazu, jeinen Feind feitzuhalten. Nun fährt wieder ein blendender Bliß bernieder, dem ein jhwächerer aus dem Fenſter folgt. Sn demfelben Augenblid heult der Räuber auf, und dann fallen warme Tropfen auf Manils Geficht, und ex bat feine Kraft nimmer nötig. Er hält eine Leiche in den Fäuſten.

86 Die Briefe der Königin. SEA TTIHL, FELL SEHE TERELL SHELL TOOL! ERSELITERLL TREE! ERS TOBELI TERELI SELL WELL TEN TILL STELL,

Er fchnellt auf, jchüttelt den fchweren Körper von fi und rennt zu dem Häuschen.

Eben, ald Ralph den Revolver ſenkt, ſtößt Lavinia einen leifen Schrei aus. Die Tür fliegt auf, und der dritte der Banditen fteht auf der Schwelle.

Es muß ein Fluch fein, den er zifcht, während er feine Biftole erhebt. Sm nächften Moment Tuallt es zweimal, und zwei Männer find geftürgt.

(Fortfegung folgt.)

Schüßende Engel.

Novellette von Elfe Krafft.

Mit Jlluftrationen o

von Richard Mahn. Machdruck verboten.)

ndlich Gott jei Dank! ch fie!”

Sie drücdte fich ganz tief in die Ede des Ubteil3 hinein und 309 nervös den Fenfter: vorhang herunter.

„Wozu?“ fragte ex lächelnd, ihn wieder zurüd- jchiebend. „Der Sonne wegen?“

Eie wurde rot und fehüttelte den Kopf. „Quälen Sie mich nicht fo, Franz, bitte!“

„Aber —“ er beugte fich und küßte die Hand der ſchönen Frau, „wie werde ich meine füße Kläre quälen!”

Sie wehrte ihm. „Nicht fo noch nicht! Um Gottes willen, Franz, wenn uns jemand fieht! Fahrt der Zug noch immer nicht ab? Er ſcheint jehr bejegt zu jein. Ich Hatte jolche Angſt, Belannte zu treffen. Iſt der Frühzug nach diefer Richtung hin immer fo befegt?*

Er zucdte die Achjeln und jah fie unverwandt an. „Wohl faum. Jetzt find Schulferien, da ift der Ver: fehr größer. Aber daß Sie jo ängitlich find, Kläre! Sit das Ihr großer Mut, von dem Sie fprachen? Sch habe übrigens dem Schaffner genug gegeben. Er wird fich hüten, jemand in unjer Abteil zu laſſen.“

88 Schübende Engel. SELL, TOLL TEL TREE TEL TEL TREE ERHELLTERLLN TRREL ERLL TOLL THALE TORLLL> ZELTE TEL TEL;

Sie lehnte fich beruhigter zurüd. Ihren Augen aber tat die Sommerfonne meh, die in zitternden Linien über die Sitze ftrich. Cie Hatte fich diefe endliche Er: Iöjung von verhaßten Ketten, dieſen Beginn wenigſtens zu wunderſeliger Freiheit und Selbftändigleit eigentlich noch ſchöner vorgejftellt.

„Einfteigen!* riefen die Schaffner draußen.

Es klappten Türen, es entjtand ein haftendes Durch- einander, ein aufgeregtes Hin und Her auf dem Bahn- fteig. |

Die junge Fran hatte fich wieder tief in das Polfter der Lehne gedrüdt.

Er ſaß dicht neben ihr. „Biſt du froh, Kläre?“

Sie atmete ſchwer. „Noch nicht fo... bitte, noch nicht! Erft muß muß Walter, muß mein Mann die Scheidungsklage eingereicht haben. Und er wird es doch tun, wenn ich ihn Jo heimlich verlajje? Nicht wahr, er muß es doc) tun?”

Er lächelte jorglos. „Aber jelbjtverftändlich! Seien Sie doch nicht fo ſchrecklich töricht, Liebſte, Einzigfte! Ein Menſch von fo philiftröfen Grundfägen!*

Gie hob den Kopf und fah ihn furdtjam an. Als er aber immer noc) lächelte, lächelte fie auch. Unmill- fürlich neigte fie fich ihm entgegen.

„Dann dann werden wir aber immer nur glüd: lich jein, Franz!“

Im nächiten Augenblid Hätte ex fie ficherlich auf den lächelnden Mund geküßt, wenn fie nicht, durch den gellenden Pfiff der Lokomotive erjchredt, zurückgezuckt wäre.

In demjelben Moment wurde auch noch die Tür aufgeriffen, und etwas Kleines, Zappelndes und Blondes wurde in den Abteil Hineingefchoben. Der Zugführer wendete fi) brummend an die vor der Tür ftehende

Novellette von Elfe Krafft. 89

SELL TEL TEL TEEN FTAL TEE TEL SEAL TEE TEL TEL CELL STELL TEEN STALL SL FUEL EN

junge Frau: „Da hätten Sie ſich auch ein bißchen mehr beeilen können!“

Die junge Mutter meinte faft vor Aufregung. „Ach,

dieje Hebjagd mit zwei jo wilden Kindern! Lotte

Hans, daß ihr mir um Gottes willen nicht aus Fenfter geht. Ihr bleibt auf eurem Pla fiten bis nach MWiefenhagen. Großmama Holt euch) ab. Kinder Kinder, jeid bloß artig unterwegs!“

Sie beugte fich in ven Wagen hinein, um die blonden Kleinen noch einmal abzuküſſen, als fie die fremde Dame bemerfte.

90 Schüßende Engel. FRRELL TUI GER! TER TER TERHLL TER TESLLL TEL SEHE TEE TER TR TER TEL SL TEHEL TEL

Ein Freudenſchimmer glitt über das bejorgte atmen antliß. | „Sie dürfen mich nicht für unbejcheiden halten, gnädige Fran, aber Sie find wohl fo liebenswürdig und nehmen fich meiner beiden Kinder ein wenig an. Es ijt die erjte Reiſe, die fie allein unternehmen zur Großmama. Lotte ijt exit fünf Sabre, und Hans —*

Sie konnte nicht weiterfprechen, da der Zugführer ihr die Tür vor der Nafe zufchlug. „Das geht nicht, meine Dame, der Zug kann Ihretwegen nicht hier jtehen bleiben!“

Sie wich befümmert zurüd.

Lottchen jcehrie „Mama“, Hans fehmenfte ftolz die blaue Matrofenmibe, und fort ging’s.

„Nette Beſcherung!“ knirſchte der Herr im Wagen. „Die hatten uns gerade noch gefehlt!“

Fran Kläre ſah ganz blaß aus. Gie ärgerte fid) über die fremden Kinder. Schon die eigenen daheim waren ihr bis zum heutigen Tage ziemlich fremd ge- blieben. Sie hatten ihre Kinderfrau, ihre Gouvernante Haus, Garten und Hof waren fo groß, fie war immer froh gemwefen, wenn fie nicht3 von DD zu hören brauchte.

Sie rückte unwillkürlich von der Kleinen, hellen Ge- ftalt zurücd, die mit fo großen, bangen Augen dicht vor ihr ſaß. Dann ſah fie ihren Begleiter an und ſchwieg.

Der zerrte ärgerlich an feinem Bart. „ES hat da— bei gar feinen Zweck, auf der nächſten Station in ein anderes Abteil zu gehen,” meinte er in franzöjifcher Sprache. „Es iſt alles bejegt, "und die Bälger hier wird man vor Wieſenhagen nicht mehr los. Nette Befcherung! Wir wollen lieber nur bis Lindftädt fahren, Kläre. Dort bleiben wir bis zum Abend, um mit dent Nachtzug nach Köln weiterzudampfen.“

Novellette von Elfe Krafft. 91 SELL TEE STELL TEL TEL TREE TREE CELL SELL STEEL TEL FELL TREALL THE TER TEE STEEL TUE

Sie fehüttelte ganz entjegt den Kopf. „Nein, nein nicht mit dem Nachtzug! Sie müflen mich noch heute in die Benfion bringen, 100 ich die en Wochen bleiben will.”

Sie hatte Deutjch gefprochen.

Der ungefähr neunjährige Knabe, der bisher am Fenſter geftanden, drehte fi) um. Er ſah die Dame aufmerlfam an, lachte dann und jagte: „Du mußt noch in 'ne Benfion?. Und bift doch ſchon fo alt wie Mama! Das ift doch bloß für Kleine Mädchens, die PBenfion! Wir fahren zu unferer Großmama. Weißt du, was die bat?“ |

„ne ganze Maſſe Buttchens hat fie, die Omama, und zwei Biegen,” fiel Lottchen jofort ein.

„So,“ fagte Frau Kläre nur. Sie rüdte noch näher an ihren Begleiter heran. Ihr wurde der große, glän— zende Kinderblid, der an ihrem Geficht hing, unbehaglid).

Der Mann, dem zuliebe fie heute in die Welt, in die Syreiheit hinausfuhr, während ihr Gatte ahnung?: 108 dem Ärztefongreß beimohnte, Tonnte fich noch immer nicht über die unerwünjchte Reiſegeſellſchaft beruhigen.

„Set dich jegt endlich Hin, du Bengel!“ berrjchte er den Knaben. an. „Dieje3 ewige Hin- und Herlaufen von einem Fenſter zum anderen paßt fich nicht.”

„Warum denn nicht?” fragte Hans. „Ich muß dod) jehen, mo die Züge fahren.“

„Ich will auch die Züge fehen!“ flehte Lottchen, von ihrem Sig herabrutjchend, fich mit beiden Armchen gegen die Knie Frau Kläres ſtemmend und Durch das Fenſter an ihrer Seite hindurchjpähend.

Die Schmale Frauenhand zucte nervös zurüc, als. fie die warmen, Meinen Finger in den ihren fühlte.

„Bleib hübſch auf deinen Blage fiten! Haft du nicht gehört, wa deine Mama gejagt hat?”

92 Schüßende Engel.

SEAL TSLER LET TNL SEN LTELEEL FELL TEE FELL FELL TEL FUEL FE TEL TEL TG

Das Kind blieb regungs— lo8 vor ihr ſtehen. Ein bemundernder Blick ſtreifte das Frauen— antlitz. Leiſe, vorſichtig ſtrich dann das Händchen über den feinen Kleiderſtoff, der vor ihm war. „Du biſt ſo ſchön, beinahe ſo ſchön wie meine Mama!“

Der Mann ärgerte ſich über dieſes Geſchwätz. Ex jchob das Kind unjanft von Fran Kläre fort, die felt-

Novellette von Elfe Krafft. 93 SELL TEL TEL THE TEL EIG CHE CELL SEEN TEEN FELL SEAL TEL EL SAL CN FELL IT, ‚ſam ſtarr vor fich hin blidte. „Du bift eine ganz un— gezogene Range! Geb dich fofort hin!”

„Tu's nicht, Lotte!” ftichelte Hans. „Der Onkel da bat dir nichts zu jagen. Komm lieber mal an mein Fenfter hier. Siehſt du die Kühe da drüben? Sylt ’ne ganz weiße dabei. Und gud mal, Lotte, wie der Hund zwilchen die Schafe fährt!“

Lotte trippelte zu dem Bruder bin, und beide Kinder ftectten die Köpfe zujammen.

Frau Kläres Begleiter jchüttelte verzmeifelt den Ropf. „ch könnte die Bande erwürgen!” meinte ex halb ärgerlich, Halb lachend. „Scheint ein ganz frecher Bengel zu fein, der unge. Aber das ſah man ja aud) der Mutter an. So was kennt ja feine Erziehung, feine Strenge.“

ALS die junge Frau nicht antwortete, nahm ex ihre Hand und jtreichelte fie.

„Meine ſüße, arme Kläre! "Seien Sie doc nicht fo zaghaft! Jetzt wird das Leben erſt fchön!“

Sie ſah ihn nicht an. Wie magnetiich angezogen wanderte ihr Blid zu dem hellen Kinderköpfchen, defjen Mund foeben zu ihr gejagt Hatte: „Du bift fo ſchön, beinahe fo jchön wie meine Mama!” Die Frau war doch aber gar nicht ſchön, da3 hatte fie felbft vorhin gefehen. Im Gegenteil eher häßlich mit den blajjen, jchmalen Geficht, über dem glatt und fchlicht die Haare lagen.

„Warum fprechen Sie nicht mit mir?“ fragte der Herr flüfternd.

Sie ſah ihn an, ala müſſe fie fich exit befinnen, wer er eigentlich war. Ihre Gedanten waren foeben einen ungewohnten Weg gegangen. Zurüd nach dem Haufe, da3 fie heute morgen heimlich verlaffen, in ein Zimmer, in ein hohes, helles Zimmer, dem Garten zu gelegen.

94 Schügende Engel.

α TELLL SESHLL FELL RL TEILEN TERELL TRHELI TEELLL TERGL WORELL SEHE SEAL TEE ER TIL FECHU STALL, Dort fchliefen zwei Kinder ein Knabe .und ein Mädchen. Der Knabe war noch jehr Klein, er begann wohl gerade die erjten Worte zu ſtammeln, fie wußte es felbjt nicht recht. Aber das Mädchen, Hilde, die war ebenfo alt wie die fremde Kleine bier, und hatte auch fo goldene Haar und jo dunkle blaue Augen. Nur immer fo ftill, fo jeheu, fo ernſt blieb fie in der Mutter Nähe. Sie hatte niemals gefagt: „Du biſt fo ſchön, Mama!“

Der Mann lachte gezwungen. „Sie machen ein Geficht, Klare! Ich Tenne Sie ja gar nicht wieder! Sind Sie mir böfe?“

Sie jehüttelte den Kopf. „Nein.“

Er flüfterte weiter: „Das dürfen Sie auch nicht, Kläre. Sch habe Sie mahnfinnig lieb! Ceien Sie doch froh, von fo einem Sonderling und Bücherwurm, mie Ihr Manı einer ilt, erlöft zu werden. Der verjtand Sie ja gar nicht! Er nahm überhaupt keine Rücjicht auf Ihre Wünfche. Immer dort in der Einfamleit, in den alten, großen Landhaus, Ihnen Feine Freude, Teine Abwechslung gönnend, nur das eigene Heim mein Gott, wie haben Sie das nur fech8 lange fahre aus: gehalten!”

Sie hob die Schultern. „Wie man da3 eben jo aus— halt, wa3 einem bejtimmt tft.”

„Aber Sie find doch feine Sklavin!“

Sie fehüttelte den Kopf. hr fam das Wort plöß- lich zu hart vor, wenn fie des eruſten, fleißigen Mannes dachte, der ihr Batte war. „Er hat mich niemal3 ge- zwungen,“ meinte fie leife, „nur fireng, jonderbar war er oft. Mehr wie ein Vater al3 ein Gatte. Und das“ fie richtete ſich troßig auf „ich will das nun nicht mehr!“

Er triumphierte. Er ließ ihre Hand nicht mehr los.

Novellette von Elfe Krafft. 95 SEE TE TEE TEL THE TEL TLL TEL SEAL TELLL SEHE TR TEN TREALTTEL TER FIELEN,

Sie vergaß das Haus und das Kinderzimmer darin auch wieder. Es kam eine jüße Schwäche über fie an des Mannes Seite, der jo weich zu flüftern verftand.

Plötzlich fuhr fie erjchredt auf.

Lottchen ſchrie fürchterlich.

Hans hatte am Fenſter nicht genug Platz gehabt und hatte die Schweſter zur Seite geſtoßen, als fie nicht weichen wollte.

Diele Tränen rannen über das Rindergeficht. „Mama, ich will zu meiner Mama!”

„WwWillſt du ftill fein! Ich werfe Dich aus dem Wagen, wenn du jo brüllft!” jchalt der dert.

Hans frohlodte. „Siehft du! Ja wahrhaftig, dann fliegft du in den Graben da prüben an den Wiejen und liegft im Waſſer bei den Fröfchen. Ich aber fahr’ alleine zur Großmama.“

Lottes Schreien ging in trampfhaftes Schluchzen über. Inſtinktiv wandte fich das bange Mädchen zu Frau Kläre und ſtreckte Die Arme nach ihr aus. „Nimm mich auf'n Schoß, Tante. Nicht aus'm Fenſter werfen, bitte bitte!“

Faſt mechaniſch hob ſich die Sand der jungen Fran. Im nächiten Augenblid ſaß das fremde Kind wirklich auf ihrem Schoß ganz nah an ihrem Herzen.

Lotte weinte jet nicht mehr.

„Sol ich dich mal tüchtig lieb Haben? Ganz fo wie meine Mama?“

Sie preßte die runden, dien Armchen feit um Frau Kläres Hals. Dunkelrot wurde fie dabei vor An— ftrengung.*)

„So mehr kann = aber nicht,“ meinte fie treu: herzig.

*) Siehe das Titelbild.

96 Schüßende Engel. STEEL TEIL SELL FRE FELL TEIL TEL DOHEL TRREL TEL TREE EREL TUN EL,

„Das ijt auch nicht nötig,“ jpöttelte der Herr. „Geh jegt ganz ſchnell da herunter.“

Das Kind drüdte fi) nur noch feſter an Fran Klare heran.

Sie mwunderte fich felber, daß fie es litt. „Laſſen Sie fie nur,” meinte fie.

Er wendete fich verlegt ab, zog eine Zeitung hervor und beganı zu Iefen. |

Hanz ſchaute wieder zum Fenſter hinaus und fragte bei jeder Station, ob das nun Wiefenhagen fei.

Rottchen begann zu erzählen. „Wenn ich bei Omama bin, Tante, ıwerd’ ich wohl Sehnjucht nach Mama krie- gen. Aber die Omama ift auch gut, und hat die vielen Puttchens. Und bald kommt ja meine Mama auch zur Omama.“ |

„Warum ijt fie denn nicht gleich mit euch gefahren ?* fragte Frau Kläre.

Lottchen fah fie vorwurfsvoll an. „Na, fie wird doch Bapa nicht allein laſſen! Der arme Bapa bat immer fo viel zu tun. Aber dann ift Mama immer jehr lieb zu Bapa, wenn er kommt, und dann lacht er gleich.“

Als die junge Frau darauf feine Antwort gab, fuhr das Kind ruhig zu erzählen fort.

„Sa, und wenn Papa auch Ferien bat, dann kommt er mit Mama auch zur Omama. Dann wird's erſt ſchön!“

„So!“ ſagte Frau Kläre. Es war da etwas in ihrer Bruſt emporgekommen, das ſeltſam ſchwer und drückend wurde und ihre Sinne ganz dumpf und wirr machte.

„Ich bin bloß neugierig, wer Abends immer mit mir beten wird. Allein kann ich's doch noch nicht! Und ich werd’ wohl meinen, wenn meine Mama Abends nicht am Bett fit und mir vom lieben Gott erzählt,

NNovellette von Elfe Krafft. 97 SEHLI TESLL TEEN . TOEELL TEILEN FR TEE TERN TOLL TORE TEL TEE CELL TEL TEL EEE TE der die Engel zu mir berunterfchict, damit ich aud) immer gefund und brav bleibe. Beteft du auch immer, Tante?” „Nein!“ fagte die junge Frau kurz und hatt.

Sottchen ſah ordentlich befiimmert aus. „Ad, das iſt ſchade! Dann haſt du wohl auch kein kleines Mädchen, die du fo arg lieb haft, und die die Engel —“

Der Mann fuhr von feiner Zeitung empor.: Er mar bei dem Geplauder fehon ein paarmal nervös mit den Fingern durch das Haar gefahren, das feucht und in Strähnen an den Schläfen faß. „Das ift ja eine blödfinnige Hitze! Seben Gie doch bloß die Jöre von Ihrem Schoß, Kläre, das Kind Tann einen ja verrüdt machen!“ |

Die junge Frau hörte nicht. Sie jaß wie entgeijtert da. Sie fah ein Bild plößlich vor fih. Es war nod) gar nicht lange her, al3 diejes Bild Wahrheit gemwejen. Da hatte fie in ihrem Zimmer gefejjen, einfam, ver: bittert und jchlecht gelaunt. Durch die offene Tür aber fam etwas Kleines, Lichtes daher, mit wehenden blonden, gelöften Haaren. Ihre Hilde war es. „Ich bin dem Fräulein weggelaufen, Mama! Sie hat mich geſchlagen!“ fchluchzte das Kind.

Und dabei hatte es die Arme ausgeftredt, weit weit, al3 müßte nun die Mutter ihr Feines, weinendes Mädchen ans Herz nehmen und es tröjten. |

Hatte fie das damals nicht gejehen, da es ihr doch heute einfiel? Nein, fie hatte es wohl nicht gefehen. Denn fie war böje geworden und hatte das Kind wieder fortgefchickt, und jtumm, mit fehlaff herabhängenden Armen war Hilde gegangen. -

Frau Kläre jchob mit einem Ruck das fremde Kind von ihren Schoß. Sie ftand auf und fah in den Sommer: tag hinaus. ES war eine fo große Sehnfucht in ihr,

1806 VII. 7

98 Schüßende Engel.

E STEEL VORGE TOLL EL TREE! TROLL TREE EROLS RELLI WELL TORI DESSEN TEILE TEL TREE α, daß e3 vor ihren Augen zu flirren und zu brennen begann, jo daß fie gar nicht3 mehr von den vorüber- fliegenden Wiefen, Feldern und Menfchen erkennen konnte. |

Lotte war zu ihrem Bruder hingelaufen.

„Kläre!” bat der Mann weich.

Sie ſchob feine Hand zurüd. „Bitte, laffen Sie mich!“

Es war wie ein Stöhnen in ihr, als fie das fagte.

„Aber was haben Sie denn nur, Kläre?“

Sie meinte fall. „Sagen Eie doch nicht immer „Kläre*! Sch kann das nicht mehr hören. Sch ich fann überhaupt nicht mehr, ich —“

Er war blaß geworden. „Was nicht mehr?”

Gie antwortete nicht.

Der Zug fuhr langjamer, in der Ferne tauchten Häufer, Türme auf.

Die junge Fran zitterte. „Was kommt fir eine Station?”

„Wird wohl Wiejenhagen fein,” antwortete er.

„Ich Tteige dort aus! Sch muß dort ausfteigen!” wiederholte fie gequält, al3 er den Kopf fchüttelte.

„Aber ich bitte Sie warum denn nur?”

Sie richtete fi) auf. Ihr Blid verlor das Unfreie. „Weil ich mit dem nächften Zug zurüdfahre.”

Er verftand nicht. „Zurüd wohin zurück?“

„gu zu meinen Kindern!”

Da jagte er nicht3 mehr. Er trat von ihr fort und jegte fich wieder auf feinen Platz. Aber die Hand, die da3 Zeitungsblatt empornahm, zudte, und um den Mund lag ein häßlicher Zug.

Fran Kläre fah ihn nicht. Sie hielt die Stirn gegen das Fenjterglas gedrüdt.

Der Zug fuhr langjamer. Die Häufer, die Türme kamen näber.

Novellette von Elfe Krafit. 99 Hans wurde aufmerkſam. „Kommt jet Wiejen- bagen?“ fragte er, ſich umblidend. „Ja,“ antwortete die junge Fran. Rottchen klatſchte in die Hände. „Ich freu’ mich ad, wie freu’ ich mich, Tante!” Das Kinderjauchzen ging wie ein Echo durch die

Frauenſeele. Wenn fie nun zurückkam in das große Haus, würde fie zuerjt in das Kinderzimmer gehen.

„Mam— ma,” würde der Bub jagen und zappelnd mit den Händchen nach ihr greifen. Und fie würde die Arme ausſtrecken, weit weit, und würde ihn und Hilde ans Herz nehmen, alle, alle Tage.

Der Zug bielt.

„Wieſenhagen!“ riefen die Echaffner.

ie die Wilden ftürmten die Kinder zur Tür.

Frau Kläre folgte.

100 Schütende Engel. VGL TOOL SOLL TORE SEGEL TEL DREI WOELLI TORE SEELEN DESEL! REEL DELL TER BREI REEL DEE ELLL!

Der Mann erhob fih auch, aber fie wehrte ihm, fie flehte ihn förmlich an, fie allein zu laffen.

Da blieb er troßig fiten.

Auf dem Bahnfteig jtand eine liebe alte Dame. Hans’ und Lottes Großmama.

Fran Rläre hatte unmwilllürlich die Hand des Heinen Mädchens genommen, um fie felber der Großmutter zuzuführen. | |

Die lächelte, als fie ihre Entelchen ſah.

Und Lotte hob fich auf den Zehenjpigen, um der Tante einen Kuß zum Abjchied zu geben.

- Die junge Frau neigte fi) und küßte den dar: gebotenen Kindermund. Es war ein fo köſtliches Ge- fühl, wenn fie dabei. an die eigenen Kinder dachte.

Die würde fie nun auch das Beten lehren, beten um jcehügende Engel.

*

VER

Danzerfchiff und Torpedo.

Bilder aus dem modernen Seehriege.

Von Martin Rowib. mit 13 Illuftrationen. B_9) (Nachdruck verboten.)

N: ichweren Verlufte, die gleich im Beginn des jegigen ojtafiatifchen Krieges die rujjische Marine erleiden mußte, haben in der ganzen Welt daS größte Aufjehen erregt. Zumal in den Staaten, die wie unjer Deutjches Reich im Begriff find, mit den größten Opfern ihre Flotten durch neue große Banzerjchiffe immer mehr zu verſtärken, mußten die erjten Erfolge der Japaner über die ruffifchen Seeftreitfräfte zu denken geben. Welch ein Triumph der kleinen Torpedoboote über die von Ranonen größten Kalibers ftrogenden Panzerkoloſſe war doch der erjte Angriff der Sapaner auf das vor Port Arthur liegende Gejchwader! Drei der größten Schiffe der ruffiichen Flotte, die Linienfchiffe „Retwiſan“ und „Bobjeda”, ſowie der Panzerkreuzer „Ballada” wurden in jener verhängnispollen Nacht durch ein paar wohl— gezielte Torpedoſchüſſe außer Gefecht gejegt. Kein Wunder, daß unter dem Eindrud diefer Nachricht allent- halben Zmeifel laut wurden, ob daS Bauen von neuen PBanzerfchlachtichiffen, von denen eines rund 25 Millionen

102 Panzerfchiff und Torpedo.

STEEL TOCHL TESSLL TEL SUEEL EEE ESEL TTEELN SEE TREE ORGEL TEL TREE SEELE DHL TEL SELL TI, Mark Eojtet, fich wirklich noch empfiehlt in Anbetracht der Hilflofigleit diefer Schiffe gegenüber der unheim— lichen Angriffsweife der Leinen gemandten Torpedo— boote. Und nicht nur in englifchen und amerifanifchen Blättern, fondern auch in deutjchen Tonnte man lefen, daß der Torpedo fortan al3 die Hauptwaffe im Eee- krieg zu gelten habe.

Aber fchon der meitere Verlauf des Krieges hat gezeigt, daß dieſe Einfchägung doch eine irrige war. Hilflos ift ein Banzerjchiff dem Torpedo gegenüber nur, wenn e3 troß all feiner Kanonen und all feiner Beob- achtungsmittel ein Torpedoboot fo nahe an fich heran- tommen läßt, daß dieſes einen ficher und jcharf treffen- den Schuß abgeben kann. Für diefen Fall wird von Kapitän Foß in jeiner „Marinelunde“ jogar ange: nommen, daß auch das ftärkfte Linienfchiff zwei Tor: pedotreffer großen Kalibers nicht überleben, ein älteres aber jchon an einem genug haben werde. Dagegen kann die fchwere Artillerie diefer Panzerſchiffe ſchon auf 9000 Meter Entfernung gegen herannahende Tor: pedofahrzeuge operieren, während der Torpedo nur gegen einen höchitens 500 Meter entfernten Schiff3- boden erfolgreich wirken kann. Im allgemeinen wird in der deutjchen Marine auf 300 bis 400 Meter Ent: fernung mit Torpedos gejchojlen. ı

Daß im Kriege ein Torpedoboot fich auf jolche Nahe an ein gut geführtes und gut bemachtes Panzerſchiff heranfchleichen Tann, ohne bemerkt und in Grund ge: bohrt zu werden, ift nach der Anficht aller Marine: antoritäten nur als Ausnahme zu betrachten. Eine folche Ausnahme war eben auch der Gieg der japa- nifchen Torpedobootjlottille über die drei obengenann: ten ruſſiſchen Banzerfchiffe im Hafen von Port Arthur.

Zur Löfung der größten und wichtigften Aufgaben des

von Martin Rowis. 108

SEE TTS IE TR FRE FR FELL FR FRE TEL EU TU,

Seekriegs, jo jehreibt Kapitän v. Buftau in einer Abhand- lung über die ftrittige Frage, find die Torpedoboote wegen

Abfchießen von Torpedos.

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104

| Panzerfhiff und Torpedo.

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ihrer Kleinheit und ihrer geringen Seeausdauer in feiner Weiſe befähigt. Sie fönnen weder den Ozean und deſſen große Ber: fehrsftraßen längere Zeit abpatrouiflieren, noch ei: nen Hafen blodieren oder gar einen feindlichen An- griff gegen die feindlichen Küften durchführen; ja ſelbſt im Aufklärungs— und Nachrichtendienſt leiſten ſie wegen ihrer ge— ringen Maſthöhe nur be— ſchränktes. Für alle ſolche Zwecke braucht man ſee— fähige, ſtark armierte, gut geſchützte und mit zahl— reicher Beſatzung be— mannte große Schiffe; von Torpedofahrzeugen darf man auf dieſen Ge— bieten nur Hilfsdienſte untergeordneter Art ver— langen. Die Art von Kriegführung, für welche die Torpedofahrzeuge in erſter Linie beſtimmt ſind, iſt der ſchnelle, energiſche Vorſtoß ge— gen den Feind innerhalb

beſtimmter ——— und zeitlicher Grenzen, wie ſie

durch den geringen

Kohlenvorrat und die phyſiſche

Von Martin Ronib. 105

SELL SELL FELL TEE TEE FELL TEL TE CELL TE TEL FELL TR TEL TEL CL TEL TER

Torpedoboot im feindlichen Feuer.

Leijtungsfähigkeit der nur kleinen Beſatzung vorgezeich- net find,

106 Danzerfhhiff und Torpedo. SELL TSTAHL TEL TEL REAL FTEL FELL TEE FTSLLN αα WERE SEELE ELLI SELL REN TER TEL, Aber auch unter diejer Einſchränkung können Tor: pedobootsunternehmungen nur dann auf Erfolg hoffen, wenn eine Reihe von weiteren Borbedingungen erfüllt ift. Wenn dies nicht der Fall ift, wenn die Torpedofahrzeuge während des Tages nicht durch ſtärker bewehrte Kriegs— Ichiffe in die Nähe des Feindes geführt werden, und wenn fie in der Nacht es mit einem mwohlvorbereiteten und wadjfamen Gegner zu tun haben, jo werden fie nicht nur wenig ausrichten, fondern vielmehr felber befländig der Gefahr der Vernichtung ausgefegt fein. Am hellen Tage wird ein Angriff von Torpedobootfahrzeugen allein auf ein frei mandvrierendes geſchütztes Kriegsfchiff völlig ausficht3los fein. Wenn das lestere den Angreifern nicht den Gefallen tut, geradeswegs auf fie loszuſteuern, jondern irgend einen Kurs einjchlägt, der die Zeit der Annäherung verlängert, oder wenn es auch nur ftoppt, . fo werden die Boote, die dennoch zum Angriff heranzu— kommen verjuchen, faſt mit Sicherheit einzeln vernichtet werden. Auch artillerijtijch ift jelbjt eine größere Anzahl von Torpedofahrzeugen einem modernen Kreuzer nicht ge= wachſen, da leßterer eine viel jtetigere Gefchügplattform auf der immer bewegten See darjtellt und durch den Gang der Schrauben nicht in fo ſtark vibrierende, das Zielen erheblich erjchwerende Bewegungen gerät wie feine Keineren Gegner. Wenn daher Torpedoboote, die nicht durch größere Begleitjchiffe gefhügt find, am Tage auf den Feind ftoßen, jo bleibt ihnen nichts übrig, als zu verjuchen, auszumeichen oder fich zurüczuziehen. Das aber muß auch Kapitän v. Puſtau zugeben, daß mit wachjfender Dunkelheit die Gefährlichkeit der Torpedo: fahrzeuge fteigt, zumal für ſolche Schladhtjchiffe, die vor: Anker Liegen, wie dies ja auch neuerdings wieder durd) den erfolgreichen Angriff des Kommandanten Jezo auf das ruſſiſche Schlachtſchiff „Sfemwaftopol” im Schuße

Von Martin Rowitß. 107 CELL FEHLSEHLLSCHL TILL TECH SEHE SELL SELL TETELL TELLER TEHLL TEE STELL TECH FRA SCHE, eines nächtlichen Schneejturmes auf der Außenreede des Hafens von Port Arthur erwieſen worden ijt.

Um dieſe Gefährlichkeit dem Laien recht deutlich zu machen, iſt es nötig, zunädjt einmal die Waffe felbjt, den Torpedo, näher ins Auge zu fallen.

Das Wort Torpedo iſt ſpaniſch und bezeichnet eigentlich den Bit: terrochen, jenen Fiſch, deſſen elek—⸗ triſche Organe ſich bei Berührung entladen. Das Wort wurde früher für jeden mit Exploſivſtoff gefüll- ten, zum Zerſtören feindlicher Schiffe bejtimmten Minentörper angemwandt,. bedeutet heutzutage E aber ohne weitere Bezeichnung den : von Lupis und Whitehead in 3 Fiume 1867 erfundenen automo- F bilen „Fiſchtorpedo“, der gegen— S wärtig in allen Kriegsmarinen ein- geführt iſt.

Dieſer Fiſchtorpedo iſt nach der Definition, die Kapitän Foß in dem oben ſchon einmal ange— führten vortrefflichen Werk „Ma— rinekunde“ von ihm gibt, ein unterſeeiſches Sprenggeſchoß aus Stahlbronze von zigarrenähnlicher Geſtalt, 5 Meter Länge, 45 Zenti— meter Durchmeſſer und 530 Kilo— gramm Gewicht. In ſeinem Kopf trägt er eine Spreng— ladung von 90 Kilogramm Schießbaumwolle. Ein früher gebräuchliches Modell von 35 Zentimeter Durchmeſſer iſt

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Torpedo im Lancierrohr.

108 Panzerfchiff und Torpedo.

TOLL SCHE TERLL SEES FRE TREE THE SEE POOL VRR SEHE TRUE URL TG ER RL TULLN: gegenüber. den modernen Linienjchiffen nicht mehr wirk— fam genug. Dies Geſchoß wird aus einem Lancierrohr in der beabfichtigten Richtung ins Waffer gefchoffen. So— bald der Torpedo in das Waller eingetreten ift, beginnen in feinem Innern fehr finnreich erdachte Apparate ihre Tätigkeit. Der erſte derjelben, in Geftalt einer kleinen Dreizylindermafchine, fest mittel3 zweier ineinander: gelagerten hohen Schraubenmwellen am Schmwanzende der Stahlhülſe zwei Schrauben in Gang, von denen die eine fic) nad) links, die andere nach recht3 dreht (fiehe das Bild auf ©. 109) Die Mafchinenfammer liegt uns mittelbar hinter dem Luftkefjel, in welchem Luft bis auf 100 Atmofphären Spannung komprimiert wird. Diefe Preßluft treibt die Mafchine. Sie gelangt in die drei Zylinder derjelben eine Sekunde fpäter, nachdem der Dffuungshahn, der beim Abfeuern an einen VBorfprung im Lancierrohr ftößt und dadurd) nach hinten gelegt wird, ihr den Austritt geftattet, treibt fie aljo in dem Augen- blid an, in melchem der Torpedo ins Waller gelangt iſt. Die verbrauchte Luft entweicht durch die hohlen Schran- benmwellen im Tunneljtüd und wirft im Kielwaſſer des vor: wärtsftürmenden Torpedos große Blafen auf, an denen man den Lauf beobachten kann. Die dem Torpedo mit: geteilte Schnelligteit beträgt 15 bis 16 Meter in der Ge: tunde; er legt demnach 500 Meter in rund 32 Sekunden zurüd. Vor dem Luftlefjel befindet fich die Schwimm— kammer (der Tiefenapparat). Auf eine elaſtiſche Scheibe wirkt von außen der Wafferdrud und biegt fie um jo mehr ein, je tiefer der Torpedo taucht. An diefe elaftifche Scheibe ift ein im Tunnelftücd befindliches Geſtänge angeloppelt, das zwei am Schwanzjtüd zu beiden Seiten der Schraus ben befindliche Horizontalruder nach oben oder unten ausjchlagen läßt, je nachdem der auf der Blatte jtehende hydroſtatiſche Drud fich verſtärkt oder verringert, während

Von Martin Rowib. 109 die fombinierte Wirkung eines frei jchwingenden Pendels einer zu heftigen Tätigkeit der Ruder entgegenmirkt.

Diefe Einrichtung ift im allgemeinen jo getroffen, daß die Nuder horizontal liegen, wenn der Drud auf der Platte einer Wafferfäule von 3 Meter entjpricht,

Schrauben und Ruder eines im Dancierrohr liegenden Torpedos..

das heißt wenn der Torpedo fich in diefer Tiefe unter der Wafjeroberfläche bewegt. Wenn er in folcher Tiefe ein gepanzertes Schiff trifft, jo berührt er den Schiffsboden unterhalb der Banzerung, wo die Wirkung der Spreng- ladung natürlich das Schiff am empfindlichjten trifft.

Sobald der Torpedo das Biel trifft, ſtößt eine der drei Greifnaſen, die über feine vordere Spiße hinaus:

*(T awGpujnpyuawocp) aↄ lva sur Ba wap inv opadıon A0ualjopjaßgp ul

110 DPanzerfdiff und Torpedo. ragen, zurüd und feßt einen Zünder, die Gefecht3piftole, in Tätigleit, der die im Kopf befindliche Sprengladung

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zur Exploſion bringt. Dieſe ſchlägt, wenn ſie unmittel— bar an der Schiffswand erfolgt, ein großes Loch in dieſelbe.

Von Martin Ronib. 111

EELYI TEIL SELL FELL TEL TEL ESEL ELLE FL EEE EL FELL FELL TEL FRE TS, Wir geben unferen Leſern zwei vortreffliche Mo: mentaufnahmen eines eben abgejchofjenen Torpedos

auf den Meg ins Wafjer; die beiden Potographien jtellen die Bormwärtsbewegung in Intervallen von einer halben Sekunde dar bei einer Gejchwindigkeit von

Ein abgefcyoffener Torpedo auf dem Weg ins Waffer (Momentaufnahme 2).

112 Panzerfchiff und Torpedo.

SELL SELL STILL TUSL SESLLI TEEN TEREL! REEL ERLLLN RL OEHELI ORELL ORRELN SELL RL ER TEL FO, 50 Kilometer die Etunde. Go leicht und glatt der Torpedo in das Waſſer gleitet, jo bewirkt die Waſſer— verdrangung dennoch, wie das folgende Bild darftellt, ein bedeutendes Aufjprigen de3 Waſſers, das vom Bord des angegriffenen Schiffes bei Tag leicht zu beob- achten ift. Zwei andere Bilder veranfchaulichen den Weg, den der auf einen Schiffsboden gerichtete Tor: pedo im Waſſer nimmt (©. 104) und da3 gleichzeitige Abfeuern zweier Gefchoffe (S. 103) auf zwei nebeneitts ander lagernde PRNISISE vom Bord eines Torpedo: bootes.

Verfehlt der Torpedo ſein Ziel, ſo öffnet ſich, nach— dem er eine gewiſſe Strecke zum Beiſpiel 600 Meter gelaufen iſt, ein Ventil, durch welches Waſſer in den Torpedo tritt, der infolgedeſſen verſinkt. Das ſoll bes wirken, daß der auf ein beſtimmtes Ziel abgefeuerte Torpedo nicht etwa einem zufällig hinter demſelben liegenden befreundeten Schiff gefährlich werde. Bei Schießübungen dagegen wird die Maſchine nach Ab— laufen einer gewiſſen Diſtanz dadurch angehalten, daß das Ventil zwiſchen Luftkeſſel und Maſchine ſich ſchließt. Gleichzeitig legen ſich beide Horizontalruder nach oben und bewirken, daß der Torpedo aus dem Waſſer ſpringt, an deſſen Oberfläche er dann treibt. Er kann durch Boote „eingefangen“ und ſpäter zu einem neuen Schuß. verwendet werden. Unfere drei auf die Geiten 114, 115 und 117 verteilten Abbildungen lafjen genau ver- folgen, wie ein fo eingefangener Torpedo mittels eines Krans aus dem Boot an Bord gehißt wird, um dort bis zur neuen Verwendung aufbewahrt zu werden.

Bisweilen kann die nad) den Schießübungen aus» gefandte BootSmannfchaft eines der verloren gegangenen Gejchoffe nicht finden; das treibt dann herrenlos auf den Wellen, bis e8 irgendwo ans Land geworfen wird.

Von Martin Rowib. 113 SEAL TEE TEL TEL SEE FELL STELL SEELE SELL FELL FELL STEH FELL STELL SUSE TEL CE, Das jremdartige Ding, das dann einem toten Rieſen— fifch ähnlich auf dem Strande liegt, ift für den Finder . wertvolles Strandgut. Die Marinevermwaltung zahlt für jeden ihr verloren gegangenen Torpedo einen Finder: lohn von mehreren hundert Mark. Unſer Bild auf ©. 118 zeigt einen folchen gejtrandeten Stahlfiſch.

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Auffprisen des Walfers beim Eintritt des abgefchoffenen Torpedos ins Meer.

Bevor es zum Bau befonderer Torpedoboote kam, gab es jchon Torpedobatterien zur Berteidigung von Häfen. Man benugt hier zum Abfchießen der Torpedos unter Waſſer liegende dDurchbrochene Abgangsrohre, aus denen der Torpedo heraustritt, nachdem durch ein Hebel: werk das Ventil geöffnet worden ijt, daS den Zutritt der Preßluft zur Majchine gejtattet. Bei der Verwen— dung folcher unter Wajjer befindlichen Torpedorohre auf Schiffen, die in Fahrt find, erhält der austretende Tor:

1905. VII. 8

114 Danzerfdhiff und Torpedo.

STELFTTELTRELTTELN STIL TTS STELL TREE CELL TREE TEEN SEES SELL CT STEEL, SELL FELL FRA, pedo eine Ablenkung durch den feitlichen Waſſerdruck. Er iſt daher noch mit einer mechanischen Vorrichtung verfehen, die ihn zwingt, in die Schußrichtung zurüd- zulehren. Alle mit Torpedos ausgerüfteten Schiffe, ſowie die Torpedoboote haben eingebaute Ausſtoß- oder

——-

Zurücbringen eines fehlgegangenen Torpedos. I.

Zancierrohre, aus denen der Torpedo unter gleichzeitiger Spnbetriebjegung feiner Machine durch Luftdruck oder eine fleine Bulverladung fehnell herausgeftoßen wird. Das Schiff jelbft dient hierbei gewijfermaßen als Lafette, da es jo geftenert werden muß, daß das Torpedorohr in die Rich: tung kommt, in welcher der Torpedo laufen joll. Die Lan cierrohre find im Bug, im Hed und den Breitjeiten einge— baut und liegen teil3 unter, teils über dem Waſſerſpiegel.

Von Martin Rowitz. 115

SEA FELL TFT STEEL STELL STELL SELL STELL TEEN TEL ESEL TEL TEEN SELL STELL FELL SEAL TER Weſentlich vereinfacht wurde die Oberwaſſerlancie— rung durch Einführung der Torpedofanonen. Dies find in einer Lafette liegende Torpedorohre, die mittjchiffs auf Drehjcheiben oder um einen Zapfen drehbar aufgeftellt

——

Zurückbringen eines fehlgegangenen Torpedos. II.

find. Für die Breitſeitlancierung durch eine aufzuklap— pende Schußpforte ftehen fie mit Rädern auf Ded oder fie hängen mit einem vorderen und hinteren Trag— bügel und Gleitrollen an einer unter Ded angebrachten Transportjchiene. Da der Schwerpunkt des Torpedos in feiner vorderen Hälfte Liegt, jo beginnt er fich zu jfenfen, bevor er das Rohr völlig verlafjjen hat. Des: halb ijt die obere Kante des Torpedorohrs zungenartig

116 Panzerjchiff und Torpedo.

STELL TECH TER, TEL SEHE TEE SEELE TEELLL TEL TOOL ALL TRLLE DEE TER TR TEE TIL, verlängert und dafür geforgt, daß der Torpedo mittels eines Anaggens Führung in der Nute an der Unter- fläche der Verlängerung bat.

Unfer Bild, da3 das Abſchießen zweier Geſchoſſe aus zwei Torpedolanonen nach zwei nebeneinander lagernden Schiffen von Bord eines Torpedoboot3 dar: ftellt (fiehe ©. 103) zeigt vorn eine Torpedofanone in Tätigfeit.

Die in Schicehau gebauten Torpedoboote der deutfchen Marine find aus Stahl, 30 bis 35 Meter lang, 3 Meter breit und haben einen Tiefgang von 2 Meter. Sie find für eine Befagung von 12 big 24 Leuten eingerichtet; ihr Anstrich ift ſchmutzig graugrün, um ihr Erjcheinen möglichjt unauffällig zu machen. Sie haben nur geringe Höhe über Wafjer, der vordere Teil trägt ein gemölb- te8 Dec, und zu beiden Eeiten des jehr jcharfen Vor— deritevens ragen die Ausftoßeohre hervor. Unter den Walfiſchdeck befindet fich die Ausftoßvorrichtung und die Zuftpumpe, aud) find hier Torpedos und Munition unter: gebracht. Über diefem Raum liegt der Mannfchaftsraum. Im vorderen Turn wird das Boot gefteuert, der hintere enthält eine Handſteuervorrichtung; unter ihm liegt die Rommandantenfajüte. Beide Zürme find mit einer Revolverlanone ausgerüftet. Im Kejjelraum arbeitet eine Mafchine zur Erzeugung des Untermwindgebläjes in der Teuerung, die einen Lokomotivkeſſel heizt. Der Dampfdrud beträgt 10 bis 12 Atmofphären. Die Ma- ſchine ift eine Ddreizylindrige Verbundmaſchine, welche der Schraubenmwelle 380 Umdrehungen in der Minute erteilt. Bei der ſcharfen Form des Boote kann es mit diefer Mafchinenkraft eine Geſchwindigkeit von 30 Knoten erreichen. Die Kohlenbunker zu beiden Seiten des Kejjel- raums bieten der Majchine gegen feindliche Gejchojie einigen, aber allerdings nur geringen Schub. Noch ift

Von Martin Rowib. 117

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der Dynamomafchine zum Betrieb des Scheinmwerfers zu gedenken und des Kaſelowskyſchen Signalapparat3.

Ein Hauptgrundjaß bei Verwendung der Torpedo

boote ijt das gleichzeitige Ausjenden mehrerer derjelben

Zurückbringen eines fehlgegangenen Torpedos. III.

zum Angriff, fei e8 von der Küfte aus oder im Schuß eines Geſchwaders von größeren Schladhtjchiffen. Diejes Manöver hat, zumal Nachts, deswegen Ausficht zu ge- lingen, weil das feindliche Schiff feine Aufmerkſamkeit nicht auf ſämtliche angreifende Boote gleichzeitig richten fann; während es fich gegen einige der Boote ver- teidigt, wird das eine oder andere Boot Gelegenheit finden, feinen Torpedo abzujchießen.

118 Danzerfchiff und Torpedo. SELL TEL SHELL TEL TEL SELL TEEN SELL TEL FELL FELL TEE TEE FELL STEEL FR TEL TS, Daß die Panzerung der Schiffe den Schiffsboden frei lafjen muß, ijt den Torpedo gegenüber ihre größte Schwäche. Da aber das Gejamtgemwicht des Panzer: deds und des Gürtelpanzers ſchon jo jchwer ift, daß das mit zahlreichen Gejchügen ſchwerſten Kaliber3 und großen Kohlenvorräten ausgerüftete Schiff feine weitere

Ans Ufer gefpülter Torpedo.

Delaftung verträgt, jo it man auf die {dee der Tor- pedoſchutznetze gekommen. Dieje aus ſtarken Stahldraht- ringen bergeftellten Nee werden bei Gefahr an Spieren in einer gewiſſen Entfernung vom Schiff in folcher Weife angebracht, daß der unter Wafjer befindliche Teil des Schiffes volllommen durch die Nee gededt wird. Der beranjchießende Torpedo verfängt fi) in dem Wege, und die hierbei erfolgende Exrplofion kann dem Schiff faum gefährlich werden.

Das Ausbringen und Bergen Ddiejer Nebe iſt unter

Von Martin Ronib. 119 TEL! FELL TEL TREE TEE TEL TEL TEL TEL FRE TEEN TEL TEL TEL TEL FEAL CELL TE normalen Verhältnijfen und bei geübter Mannſchaft fein jchwieriges Manöver. Doch liegt es in ihrer Be:

Das Schießen mit Armftrong-Torpedos. SER

ichaffenheit, daß fie leicht verroften, und feitdem Die Scherenapparate erfunden wurden, mit denen man den

120 Danzer und

verfieht, der mit Hilfe derjelben * die Netze doch vordringt, iſt dieſes Schutzmittel ſehr ent- wertet.

Einen beſſeren Schutz gegen Torpedoangriffe ge⸗ währen die „Torpedozerſtörer“. Es ſind dies Schiffe vom Typus der Torpedoboote, die fie jedoch an Mächtig— keit und Schnelligkeit übertreffen. Sie begleiten auch die eigenen Torpedoboote, und heißen deshalb in der deutfchen Flotte Divifionsboote. Diefelben jind mit drei Ausftoßapparaten und ſechs Schnellladefanonen auss gerüftet..

Das wichtigste Verteidigungsmittel der Panzerſchiffe find aber die eigenen Schnelllade: und Revolverkanonen, deren Aufſtellung an Bord zum Teil auf den Gefechts- majten fo bejchaffen ift, daß da3 Schiff nach allen Richtungen hin feuern kann. Ebenfo funktionieren in der Nacht die eleftrijchen Scheinwerfer, die um eine vertitale Achſe drehbar find und den ganzen Horizont abzufuchen geftatten. Es ift allgemein üblich, daß die Flotten des Nachts „abgeblendet”, das heißt ohne Licht zu zeigen, fahren und ihre Scheinwerfer erſt dann gegen Die Boote richten, wenn dieſe in der Dunkelheit auf: tauchen. Die plöglich erjtrahlenden Lichtmafjen der Scheinwerfer blenden die Angeleuchteten nicht wenig, jo daß ein ficheres Schießen für eine Weile unmög- lich iſt.

Aus alledem geht deutlich hervor, daß es den Tor⸗ pedobooten ſehr ſchwer gemacht iſt, zu einem erfolg- reichen Schuß auf ein Banzerjchiff zu fommen, und daß anderfeit3 die Möglichkeit, von folcden Booten an- gegriffen zu werden, an die Aufmerkſamkeit des Schiffs- führer und feiner Leute außerordentliche Anforderungen ftellt. Sehr bedenklich kann fich dies Verhältnis zu Un- gunften der Panzerſchiffe verjchieben, wenn die in der

Von Martin Romib. 121 WALES SL FULL TER DELL THU TOOL TRETEN THALE CHAM UNE ELLE britifchen Marine jegt zur Einführung tommenden Arm: ftrong-Torpedo8 den Erwartungen entjprechen, die in der engliſchen Preſſe laut werden.

Bei dieſem Gefchoß kommt die drahtloſe Telegrapbie zur Anmendung. Clektrifche Wellen regeln den Lauf des abgefchofjenen Torpedos, und der jeine Spur mit dem Fernrohr verfolgende Schüge ift in der Lage, je nach Bedarf die Richtung des Geſchoſſes noch im Laufe zu ändern, wie unjer leßtes Bild es veranjchaulicht.

FR.

Mutter Lea.

Eine heitere GSeſchichte. Von Jenny Limburg.

>) (Nachdruck verboten.)

eter und Lea waren ein junges Paar. Gie lebten in Glück und Behagen, denn fie hatten feine Nahrungsjorgen. hr Herr, der alte verwitwete Baumeiſter Nellbod, jorgte in ausgiebigem Maße für ihre Bedürfnilfe, deren materielle Befriedigung feiner Wirtjchafterin, der rührigen Frau Fleck, oblag.

Peter und Lea waren ein prächtiges Paar. Wo fie erjchienen, erregten fie Bewunderung.

Sie waren von der gleichen Faffeebraunen Farbe, hatten glänzende, jamtweiche Felle und lange, hängende, breitlappige Ohren. Aus jchmalen Köpfen blickten leb— bafte, Fuge Augen, die furzen Frummen Beine trugen leicht die biegjam ſchlanken, langgeftrecten Leiber mit den dünnen Nuten.

Diejer genauen Schilderung wird wohl jeder auf: merkſame Lejer entnehmen, daß es fich nicht um ein Menfchenpaar handelt, fondern um ein Dacelpaar.

Peter ftanımte aus dem Böhmerlande Ob von deutjchen oder tſchechiſchen Eltern, konnte nicht ermittelt werden. Wahrjcheinlich aus einer Mifchehe. Das ergab

Von 1 Jenny Eimburg, 123 * a daraus, er ex beide Idiome beherrjchte und fomwohl auf deutfche als auf tichechifche Rufe hörte. Es ergab fich ferner aus feinem Stammbaum: fein Vater hieß Michel, feine Mutter Bozena, jein Groß vater Wenzel, jeine Großmutter Nanerl.

Daß Lea dagegen dem Süden entjprojjen war, glaubte man ihrem Herrn aufs Wort, auch) ohne daß er ihren Stammbaum vormies, denn Lea zeigte ein echt füdliches Temperament. Sie war doppelt fo bemeglich als ihr Männchen. Bis Peter fich einmal umdrebte, tat fie e3 zweimal. Bis er auf. den Ruf feines Herrn fih auf die kurzen frummen Beine ftellte, fprang fie dem Buaumeifter ſchon auf den Schoß. Wenn Beter fremde Leute bloß anfläffte, bellte fie mit ganzem Zungen: aufwand. Wurden beide von ihrem Herrn auf einen Spaziergang mitgenommen, trabte Peter fein manierlich neben oder hinter dem alten Baumeifter einher, Frau Lea aber tänzelte flott, umhüpfte und umfprang ihn und ihren Peter bald rechts, bald Links, zerrte und zupfte vejpeftlos an den langen Obrlappen ihres Ehe- heren, bis es ihr gelang, den ruhigen, wohlerzogenen Philifter in eine regelrechte Balgerei zu verwideln, welcher ichließlich der Steden des Herrn Nellbod ein unrühm- liches Ende machen mußte.

Hierbei 309 zumeift der unjchuldige Peter den lürzeren. Denn knapp im legten Augenblid, bevor der Spazier- ſtab ihr blanfes Fell ftreifte, pflegte Lea aalgleich zu entjchlüpfen, und der ihr zugedachte Hieb jaß auf den Rüden des armen Peters. Wit hinterliftig ſchadenfrohen Augen jchielte fie aus ficherer Entfernung ihr heulen: des Männchen an. So charafterlos war fie. Ein rechter Ausbund.

Aus alledem ift zu erfehen, daß die Erhaltung des ehelichen Friedens einzig und allein Peters Verdienſt

124 Mutter Lea.

SHLLSEHGLL SERGEL FELELL 3 TRUE ERLRL 3 SWALE TOBULL SERLRE TLES TERAL URL TUE SOLL SCHUHE SEHE TU SEHR war. Trotzdem war fie, da fie ihn gehörig ſchmeicheln konnte, viel mehr, al3 der gefegte Peter, des Baumeijters erklärter Liebling.

Peter trug fein Los würdevoll wie ein Philofoph. Diefe jchöne Ruhe verließ ihn bloß in Fällen, wo er Urſache zur Eiferfucht erhielt. Und die erhielt er zur Genüge. Lea war nämlich ſehr gefallſüchtig. War ein fremder Hund in Sicht, ſcharwenzelte fie fo lange um ihn herum, bis fie feine Aufmerkſamkeit und Bewunde- rung erregte.

Vergebens knurrte Peter. Sie feharmuzierte mit jedem hergelaufenen Köter. Wohl flüchtete fie, wenn der Bewunderer zudringlich wurde, unter Beter3 Schuß, denn im Grunde meinte fie es nicht ernft mit ihrer Ge— fallſucht. Sie wollte fich bloß ein wenig unterhalten und fühlte fich nie mwohler, als wenn fie von einer ganzen Schar von VBerehrern umgeben mar.

Wurde die Sache aber dem Peter zu bunt, jo fuhr er wütend in feine Rivalen ein, fchnappte und biß um ih, bis er fie vertrieb. Vergnügt zog dann Lea mit dem fieghaften Männchen heimwärts und tat jehr zärt- lich mit ihm.

Alſo war Lea bejchaffen, und der gute Peter fand fich darein. Er jagte es zwar nicht, denn er konnte nicht fprechen; aber ficherlich dachte er es im ftillen: „Da Tann man nichts machen. Sie ift eben eine heiß- blütige Italienerin.“ Und er horchte gerührt, wenn fein Herr irgend einem Belannten die Gejchichte feiner und Lead Begegnung erzählte. Die war aber auch roman— tifch genug. Eine echte, rechte Liebesidylle.

Sn Arco war e3 geiwejen, in dem jonnigen ſüd— tirolifehen Winterkurort, in dem Magnolien⸗, Dliven- und Lorbeerbäume ihren Schatten warfen, Fächer: und Phönirpalmen und Aloen von ihrer tropifchen Heimat

Von Jenny Limburg. 125 SELL TECH TEL TELEL TEL SEE SOHLE SCHALTE TECH 2 ERLL ERLÄUTERT TEL TU, raunten und flüfterten, dunkle Zyprelfen raufchten und goldgelbe Bitronen fehimmerten. Dort hatte fich Peter im le&ten Winter mit feinem Herren aufgehalten, der an einem hartnädigen Luftröhrenkatarrh litt. Der Bau- meiſter war mißmutig. Kein Stammcafs, feine Schadh- partie, feine Pfeife. Alles, was feit Jahren fein Leben fchön, behaglich und Lebenswert geftaltete und woran er mit Leib und Seele hing, war ihm durch die Ärzte entzogen worden. Pafür mußte er täglich jo und fo viele Stunden in der freien Luft fein, ſich bei der Kur- mufit langweilen, ejfen, was fein Magen in fich faſſen fonnte, und endlofe Spaziergänge machen, ohne ein Wort zu fprechen. |

Auf folch einem einfamen Wege war e3 gemefen, daß Beter zum erften Male auf feine Lea ftieß. Hinter dem reichvergoldeten Barfgitter einer vornehmen Pilla lag fie langgejtredt auf dem meißen Kies und ließ ihr blantes braunes Fell von der lieben Sonne bejcheinen, daß es nur jo glänzte und jpiegelte.

Sie jehen und lieben, war für Peter eind. Unruhig lief er an dem Gitter entlang und ſuchte einen Spalt, um hindurchzuſchlüpfen. Bergebens.

Auch der Baumeijter war ftehen geblieben. Über: raſcht wanderten feine Augen von jeinem Peter zu den fremden Dadelweibchen und wieder zurück. Welch eine Ahnlichkeit! Diefelbe tiefbraune Kaffeefarbe, diefelben mandelförmig gejchnittenen, feuchtfcehimmernden Braun— augen, dieſelbe Körperlänge. Nur eine gemilfe Bart: heit der Rnochenbildung bei dem Weibchen Aal fie voneinander.

Sie ſchien noch fehr jung zu fein. Ser Rellbock konnte das alles genau wahrnehmen, denn auch das Dackelweibchen war herbeigelaufen, angelockt durch den bellenden Raſſengenoſſen. Und nun beſchnüffelten ſie

126 Mutter Lea.

einander, fomweit e3 das neidifche Gitter zwijchen ihnen zuließ. Ä

„Lea!“ rief eine heifere Frauenſtimme hinter dem Rhododendron⸗ und Xorbeergebüfch.

Lea kümmerte fich nicht darum und blieb ruhig anı Gitter jtehen. Sie war ganz verfunfen in Peters An- blick. .

„Lea!“ rief Die Frauenjtimme noch einmal und jchon etwas näher.

Das Dadelmweibchen wandte den jehmalen Kopf un- geduldig nach der Seite, als ob es jagen wollte: „Ich bitte, mich nicht zu ſtören. Hab’ jegt was Befjeres zu tun.” Und fie unterhielt fich weiter mit ihrem neuen Verehrer.

Da kam die Herrin hüſtelnd heran. Es war eine hochgewachſene Matrone mit grauen Haaren, die ſich glattgeſcheitelt um das ovale bräunliche Geſicht legten. Sie trug einen loſen grauen Flanellſchlafrock, hemdartig ohne jeden Faltenwurf genäht, und ſah ſehr erhitzt aus, da ſie eben auf ihrem Streckſeſſel der Sonnenkur obgelegen hatte. Durch Leas Verſchwinden beſorgt, hatte ſie ſie unterbrochen.

Wie viele Väter und Mütter durch ihre Kinder raſch Belanntjchaften jchließen, jo der Baumeifter Nell- bock und die Hofrätin Mel durch ihre Dadel. Er grüßte und ftellte jich vor, fie dankte freundlich. Dann begannen fie, einander Annehmlichkeiten zu fagen. Jeder lobte des anderen Dadel.

Der Baumeifter folgte mit jeinem Peter der Ein- ladung der Hofrätin und ließ fich auf eine Weile in ihrem fonnigen Palmen: und Orangenhain nieder.

Sie klagten einander ihre Förperlichen Zuftände und empfablen jelbjterprobte Mittel. Selbjtverftändlich fiegte die weibliche Überredungsfunft. Frauen find geborene

Von Jenny Limburg. 127 SEEH STEH SEE TEL TEE TEE TEE TEE TEE , TEL TER TEL TE CL TUN Ürzte. Mit leidenfchaftlicher Überzeugung pries die Hof- rätin einen fogenannten Holztee an, den fie ftatt des Waſſers tagüber trinfe; auch die von ihr gepflegte Sonnenkur. Doch beftand fle darauf, daß fie in Flanell oder fonft in einem MWolljtoff vorgenommen werde.

„Denn wiſſen ©’, Herr Baumeifter, jo mie daS. kranke Tier fich einfach in die Sonne legt, um gejund zu werden, jo muß e3 auch der Menfch tun, der ja auch nicht viel anderes ift als ein zmweibeiniges Tier. Und nicht einmal das befiere. Da uns aber das haarige Fell fehlt, müffen wir uns halt eins überziehen. Der mwollige Stoff hindert einerfeits die Sonnenftrahlen, die empfindliche Menfchenhaut zu verfengen, anderfeit3 aber faugt er die Lichtwärme in fich auf und führt fie kon— zentriert den edlen inneren Organen zu.”

So verfocht fie ihre flanellene Sonnenheilmethode und ließ erjt locker, als fie den Baumeifter aud) dafür. gewonnen hatte.

Nach diefer kurzen Abfchweifung kehrten fie zu ihrem Ausgangsthema zurüd, zu den Hunden. Mit aufleuch: tendem Blid mies die Hofrätin auf die beiden Dadel bin, die fich in jeligem Übermut im grünen Raſen mwälz- ten, und fagte: „Das gäb’ ein Paar und ein Dadel- gefchlecht, an dem man feine Herzensfreude hätt’. Was, Herr Baumeiſter?“

‚Herr Rellbod jtimmte zu und meinte heiter: „Ich hätt’ nicht gegen eine Verbindung des-jungen Paares einzuwenden. Menn Fran Hofrätin auch einverftanden find, jegen wir gleich die Vertragspunkte auf.”

„Die wären?“ fragte die Hofrätin gefpannt.

„Sie geben mir und Peter ihre hübſche Lea mit. Dafür verpflicht’ ich mich, das eritgeborene Dadelpärchen, das aus diefer Verbindung hervorgehen follte, Ihnen zu überlafien.“

128 Mutter Lea. SEGEL TOLL TEHELZ TREE TOLLE FRE TERLLLZ , RUE TER TOELL TER TERLEL TEL Z RUE RL

Die Augen der Hofrätin blinzelten, al3 ob fie zu Iharf ing LXicht gefehen hätte. Ein Dadelpaar! Das war feit langer Zeit ihr innigfter Wunfch. Allein ſich von ihrer Lea trennen das war aud) feine kleine Zumutung. Gie hatte fie vor drei Monaten in Neapel einem Lazzarone, der Gott weiß wie in ihren Bellt gelangt war, um zehn Lire abgefauft und da3 fchmieg- fame Tierchen jehr liebgewonnen, trotzdem e3 ihr eigent- lich viel zu fchaffen gab. Aber ein Dadelpärchen, das wäre noch viel, viel fchöner. Das wäre geradezu wundervoll.

Sie verfuchte den Handel zu ihren Gunjten zu wenden. „Wie wär's, Herr Baumeifter, wenn wir’ umgekehrt machten? Laſſen Sie Ihren Peter hier!“

Dagegen verwahrte fich der alte Herr aber mit aller Entfchiedenheit. Der Dadel jei das legte Gejchent feiner vor zwei fahren verjtorbenen Frau, und ſchon aus Pietät hänge er an dem Tier. Übrigens jei es geheiligte Sitte, dab das Weib dem Manne zu folgen habe. Und was beim Menſchen als richtig gelte, dürfte wohl auch beim Tier Anıendung finden. Die Frau Hofrätin möge fich die Sache bis morgen um Diefe Stunde überlegen. Da werde er mit feinem “Beter wieder vorfprechen und für ihn neuerdings um Lea anhalten. |

Der Zwieſpalt, in dem die Hofrätin zurücblieb, war groß. Wohl war fie für den vielverheißenden Plan Feuer und Flamme. Allein das Opfer, da3 von ihr verlangt wurde, war doch zu ſchwer. Wenn ihre Lea wenigftens in der Nähe bleiben könnte. Aber jo weit meg, nach Wien!

Als der Banmeifter nächften Tags mit feinem Peter zur Brautwerbung eintraf, war die Hofrätin nod) immer unentfchloffen. Je mehr fie nachjann, defto zäher ge-

Von Jenny Limburg. 129 SSILL TER TEE TEN TEL TEEN TEL TEL TITELN REN TEL CE TEEN TEN TEL TEE FL TER ftaltete fich zwar ihr Wunſch nach dem Belig eines Dadelpärchens, und im Geijte jah fie fich ſchon von einem zahlreichen blühenden Dadelgejchlecht umgeben. Dann erwog fie aber, ob die fichere Lea nicht doch bejjer wäre, als die wohl mögliche, immerhin aber nicht ganz jichere junge Generation.

Endlich machte der Baumeifter ihren Zweifeln ein Ende. Er fchlug vor, Lea auf ein Probejahr mit- zunehmen. Sollten die in dem Ablommen fußenden Bedingungen nicht erfüllt werden, würde Lea dann wieder in den Beſitz ihrer Herrin übergehen.

Da zögerte denn die Hofrätin nicht länger und willigte ein. E3 ward ein regelvechter Vertrag in zwei Abjchriften aufgejegt und gegengezeichnet; auch wurde beiderjeit3 eine le&tmillige Verfügung eingeschaltet, daß im Falle des Ableben3 des einen Bertragjchließers beide Dadel dem anderen gehören follten.

Stolz wie ein Staatsmann, der ein wichtiges Bünd— nis abgejchlojfen Hatte, 309g der Baumeifter mit den beiden Dadeln ab.

Der Abjchied der Hofrätin von ihrer Lea war rührend. Mit feuchten Augen band fie ihr ein fchönes rotes Band um den Hals und herzte und Füßte fie. Dann ſah fie der Abziehenden nach, bis fte um Die Straßenede verfchwunden mar.

Lea hingegen zeigte keinerlei Scheidemeh. Es erwies fich nicht einmal als nötig, fie an die Leine zu nehmen. Wie bypnotifiert folgte fie Peters Spuren.

Peter trabte mit ſelbſtbewußter Befigermiene einher. Gleich von der erjten Stunde an bewies er, daß er jeine jungen Eheherrnrechte zu wahren wiſſe. Kein fremder Hund durfte feinem hübſchen, ſchlanken Dadel- weibchen nahen. Kec fiel er fogar einen großen Neu— fundländer an, der fich durch fein zorniges un nicht

1908. VII.

130 Mutter ea.

SELL TEL SEE STATS FL TEL TEN TER RL TEL TEE STELL TER STELLT TEN TROLL, fernhalten ließ. Und es wäre ihm fchlimm ergangen, wenn fein Herr ihm nicht mit dem Rohrſtock zu Hilfe gelommen wäre.

Frau Fled, des Baumeijters ältliche Wirtjchafterin, war nicht jehr erbaut, als ihr Herr mit dem Familien: zuwachs eintraf. Das ließ fich aber der alte Herr nicht weiter anfechten, denn die temperamentvolle Lea hatte jich feine Gunft im Flug erobert. Nichts konnte fie daraus verdrängen, nicht einmal die vielen Placereien, die ihm aus ihrem Beſitz ermuchfen.

Für Peter aber begann ein wahres Märtyrertum.

Für alles Unfchöne und Unrechte, das feine Lea im Haufe beging und der Wahrheit die Ehre, fie beging viel ward er mitverantmwortlich gemacht.

Lea fchien feine jehr gute Erziehung erhalten zu haben, oder überhaupt fchlecht veranlagt zu jein. Gie befand fich ganz und gar jenfeit$ von Gut und Böfe.

Der Unterfchied zwiſchen Mein und Dein war ihr jedenfall3 gänzlich fremd. Auch Tannte fie nicht den toftipieligen Wert guter Kleider und Einrichtungsftüde. Sie ftahl, wa3 fie irgendwie erreichen Tonnte: Fleiſch, Eier, Obſt, ausfühlende Mehlſpeiſen, überhaupt allerlei Schledereien von Gang: und Küchenfenjtern, verfchleppte, zerriß und zerbiß Schuhe, Stiefel, Kleider, Möbel, Tep— piche. Da fie fich aber ſehr felten erwiſchen ließ, man hingegen Beter häufig an Ort und Stelle herumjchnüffeln oder hinter ihr einhertrotten ſah, hielt man in vielen Fällen ihn für den Mijjetäter und Dieb, zumindelt für den Aufpajjer und Hehler. Ihm ſtrich man daher aufs Kerbholz, mas von Rechts wegen Lea gebührt hätte.

Was half ihm alles Heulen und Winjeln? Geine Betenerungen, daß er bloß al3 Warner und Abmahner gemwaltet Hatte, wurden von den NRächern nicht ver- Itanden. Ihn hatte man, feine Mitfchuldige war ent-

Von (Jenny Limburg. 13Y wiſcht. Und bekanntlich kann man feinen Hund prügeln, den man nicht hat.

Gelangte er endlich zu feiner Lea, erblühte ihm eine neue Enttäufchung. Denn während an ihm die ungerechte Lynchjuſtiz geübt worden war, hatte fein liebes Weibchen ihren Raub allemal in irgend einem geſchützten Schlupfmintel vollends verjchmauft. Nicht einmal Knochen ließ fie ihm übrig. Auch die aemapte fie mit ihren gefunden Zähnen.

Und doch trug Peter feiner Lean nichts oe Er hatte eben ein lammfrommes Gemüt, oder er liebte fie zu jehr. |

Frau Fleck aber durchfchaute fie gründlich. Sie nannte fie nicht anders als die „heimtückiſche Italienerin“ und bedauerte Beter oft wegen feines nichtswürdigen Weibchens.

„Ja, ja, bei den Tieren iſt's halt gerad' ſo wie bei den Menſchen,“ pflegte ſie zu ſagen. „Die bravſten Männer haben die nichtsnutzigſten Weiber und die ärgſten Männer die beſten Frauen. Ja, ja, es iſt halt ſchon ſo im Leben.“ Sie ſagte das mit vieler Empfindung, denn der letztere Fall war ihr Vos ges weſen. Sie Hatte durch ihren Geligen viel Kummer und Sorge gehabt.

Bald wurde der Baumeifter durch Lea in ernfte Miphelligkeiten gebracht. Ihm als dem Hausherren fonnte die Wohnung natürlich nicht gefündigt merden, dafür aber fagten ihm zmei feiner größten und älteften Mietsparteien auf.

Um fi die guten Mieter zu erhalten, befchloß er, jelber auszuziehen. Ohnehin war ihm die Wohnung jeit dem Tode feiner Frau verleidet, und nur aus Bes quemlichfeit oder Gewohnheit hatte er fich nicht zu dem Entſchluß aufraffen können, fie zu verlajjen. Nun aber

132 Mutter Dea.

SE TC TEE TH FEHLT TEL TEL TRBELL VRR TORE TEHELL PESLLL TELLEL TEE VORLETZTEN, tat er es und führte einen langgebegten Plan aus, nänlich nach Hiebing zu überfiedeln. Draußen in der Auhofſtraße ftand eine von ihm erbaute Kleine Billa. Bor zehn Jahren hatte er das freundliche Halbftod» häuschen für eine verwitwete Generalin mitten in einen Blumengarten hineingezaubert; im legten Winter war die Eigentümerin geftorben, und ihre zwei Söhne, Offi⸗ ziere, der eine in Südungarn, der andere in Galizien jtationiert, wollten das Beine Landhaus gern verkaufen. Der Baumeifter erwarb e3 billig zurüd und 309 nun mit Wirifchaft und Dadeln hinaus ins Grüne. Hier in der halbländlichen Umgebung, wo ihr Leas über: jprudelndes Temperament weniger zu jchaffen gab, ge- wöhnte ſich Frau Fled denn auch allmählih an fie, ja, es fam die Beit, mo fogar fie für die „talienerin” warm wurde.

Und da3 gefchah folgendermaßen.

Schon während der erjten Sommermonate war Lea etwas ruhiger geworden. Sie ſah Familienfreuden ent- gegen. Pflichtjchuldigit meldete es der Baumeifter der Hofrätin, die ſchon ungeduldige Briefe gejchrieben hatte, nun aber bocherfreut war. Sie fandte für Lea aus Igls bei Innsbruck, wo fie überfommerte, ein eigen: händig geftictes Hundedeckchen und eine große Schachtel vol der feinjten englifchen Hundeluchen.

Leider follten alle gehegten Wünſche und Erwartungen bitter getäufcht werden.

Lea warf drei Weibchenjunge. Und mie es auf diefer Melt nun einmal jo ungerecht zugeht, daß die mweib- lichen Exrdenpilger bei ihrem erjten Erfcheinen nie fo willlommen geheißen werden al3 die männlichen, fo auch bei den Hunden. Hier ſogar noch ärger. Niemand wollte Zeas kleine Töchterchen haben nicht einmal geſchenkt. Vierzehn Tage jpäter gab der Baumeifter

Von Jenny Limburg. 133 Befehl, die Jungen im Wienfluß zu ertränten. Das gefchah denn auch, aber bloß mit zweien. Des dritten nahm ſich die zufällig anmefende Schmweiter der Frau led an, eine Hausbejorgerin aus Preßbaum.

Nach dem Verſchwinden ihrer Jungen blieb Lea in unfagbar gedrücdter Stimmung zurüd. Sie ver- ſchmähte jede Nahrung, irrte ftundenlang herum, beroch den Boden nad) allen Seiten, und da fie Neigung zum Durchgehen zeigte, wurde fie eingefperrt gehalten.

Dennoch entjchlüpfte fie am nächſten Morgen in einem unbemwachten Augenblid und verfchwand. Vers gebens juchte man fie bis zum jpäten Abend mit Peters Hilfe. Am Wienfluß, dort, wo man die zwei ungen ins Waffer geworfen hatte, irrte und fchnüffelte Peter am längiten herum. Bier verlor fich aber die weitere Fährte.

Mißmutig ſaß Herr Rellbock zwei Tage ſpäter mit ſeiner Pfeife auf der Veranda ſeines Hauſes. Vor ihm lag die briefliche Antwort der Hofrätin auf ſein letztes Schreiben, in dem er um eine Terminverlängerung an⸗ geſucht hatte. Sie bewilligte ſie zwar, doch nur mit ſchwerem Herzen, wie ſie ſchrieb, da ihr nach Lea ſchon ſehr bange war. Als endgültigen Zeitpunkt zur Er: füllung der PBertragsbedingungen oder der Nückgabe Leas jegte fie nun den 1. Auguſt des nächiten Jahres fejt. Auf eine weitere Berfchiebung wollte jie fich feines: falls mehr einlafjen.

Der Baumeiſter paffte in der ärgiten Brummbaß: flimmung vor fich hin.

Das war ein rechtes Pech mit der Lea! Exit die Enttäufhung mit den ungen, dann ihr Verſchwinden. So ein tolles Vieh! Diefes Entweichen, nachdem fie nun drei Vierteljahre Zeit gehabt hatte, fich einzugemöhnen, war doch der ärgfte Streich unter den vielen, die fie

134 Mutter Dea.

ILL ZTEELL STONE α TELEL TEELL SEGEL TERN TEL SELL TEE EL ER IT ſchon begangen Hatte. Rein Verlaß auf dieſen Kal— falter, dachte er ärgerlich. Was wird die Hofrätim jagen, wenn fie’3 erfährt!

Der Briefträger unterbrach feine verdrießlichen Be: trachtungen. Gr brachte eine Poſtkarte.

Diefe Iautete:

„Hochwollgeborne gnedige Herr!

Die Lea iS heint frieh ankummen, gonz verwüldert, beſchmirt und hungerik und kan ſich nit riehren. Groſe Freid mit kleine Tea, leckt die Tea in eimfurt. J gib ihr zum Freſſen, den ſie is ganz von Fleiſch gfalln. Hätts glei ſchriben, hobs aber ollweil ſo gnedig mit dera Orbeit. Solls mei Ferdl hambringa die Lea?

Mit hankus ergebenſte Barbara Nottig.“

Urplötzlich war des Baumeiſters ſchlechte Stimmung verflogen. Er pfiff feinem Peter, der ſtill im Winkel fauerte und feinen Herrn unverwandt anfah, und eilte troß der jpäten Nachmittagsſtunde zur Stadtbahnjtation. „Borwärts, Peter! Komm zur Lea, diefem Sapper- mentsviecherl!“ jagte er unterwegs gutgelaumnt zu feinem Dadel. Und Beter fprang freudig an jeinen Herrn empor, als ob er ihn verjtanden hätte.

„Ja, ja, Alterchen, das iſt ein Taufendfafja, deine Lea! So ein gejcheiteg Mord3viecherl gibt’S weit und breit nicht,“ fuhr der Baumeilter fort.

Bald darauf gab's ein frohes Wiederjehen, ein Bellen, - ein Springen, ein Herumjagen, ein Schweifwedeln. Wie toll vor Freude irrte Lea zwiſchen ihrem Herrn, ihrem Peter und ihrem ungen hin und wieder.

Der Baumeifter bob das anfgeregte Tier auf feinen Schoß und ftreichelte den abgemagerten Körper. Ein Meilcden leckte Lea ihres Herrn Geficht und Hände, dann aber zappelie fie jo lange, bis er fie wieder zu ihrem Jungen hinunterließ.

Von (Jenny Limburg. 135 SELL FALSE FELL TC FEHLTEN FRE TEEN FG TEL FELL TEL CCHLL GEHN TEL TEA TORE,

Alle Bewohner der Villa umjtanden die Gruppe und beiprachen das Ereignis. Anderthalb Tage war Lea herumgeirrt, bis fie die fihere Spur ihres \yungen entdedt hatte. Zu Tode erichöpft, winfelnd und feuchend war fie an der Gartenpforte erjchienen. Pie Kinder fürchteten fich vor der verwahrloft ausfehenden Hündin, die mit heraushängender Zunge, lechzend und fchnaufend, Einlaß beifchte, bald an der Gartenpforte herumfraßte, bald durch das Gitter ſchlüpfen oder es überklettern wollte. Man jagte fie mit Steden und Steinen fort. Alles Scheuchen aber half nichts. Immer wieder Troch Lea heran, bis die Hausbeforgerin auf den Lärm berausfam, fie erfannte und einlieg. Ein Wunder war e3, daß fie weder von den Anechten des Wajen- meifters, noch fonft von Unberufenen eingefangen worden mar. |

Herr Rellbock bejchloß, fie einige Zeit bei ihren sungen zu lafjen und erſt dann abzuholen, bis fie fich ihm leichter entwöhnen würde.

Als er fich mit Peter auf den Weg zur Station begab, lief Lea aufgeregt ein gutes Stück mit, blieb mehrmals ſtehen, blidte bellend nach dem Garten zurüd, in dem ihr Kleines noch ziemlich unbeholfen trippelte, dann folgte fie den fich Entfernenden. Schon glaubte der Baumeifter, daß ihre Anhänglichkeit an ihn und Peter dennoch größer wäre als ihre Mutterliebe, da ſah er fich in feinen Erwartungen getäufcht. Bei einer MWegbiegung blieb Lea ftehen, und als fie das Haus, das ihr Junges barg, nicht mehr ſah, ging’s in ge: ſtrecktem Lauf zurüd.

Peter machte Anftalten, ihr zu folgen. Auf einen Iharfen Pfiff aber kam er mit eingezogenem Schmeif und gejenttem Kopf zurüd und folgte zögernd feinem Herrn.

136 mutter ea.

Drei Tage ſpäter gefchab m wieder etwas ———

Abermals traf eine Karte von Frau Nottig ein: „Wollgeborene gnedige Herr!

Die Lea iS furt. Furt mitſamt die Tea. Die herrſchaftn in Haus manen, ſie is nit herkummen um zu Bleibn, ſundern ſie is herkummen um das Junge zu hollen und Sie is ham mitſamt die Tea. J mans a. Drei junge Herrichaftn aus die Auguftenvilla fein mit mein Ferdl furtgeradelt, um Lea und Ihr Lan zu juchn. Mir wiſſen nit, ob fie'3 findn tun. J bobs mit die Orbeit ollweil gnedig, funjt tät i a fuchn.

Mit hankus ergebenfte Barbara Nottig.” Wieder wurde alles aufgeboten, um Lea zu fuchen. Der Baumeifter mietete ein halbes Dutzend Buben, die mit SSeuereifer an die Sache gingen. Ein jeder wollte den guten Finderlohn erwerben. Alle Wiener Abendblätter brachten die DVerluftanzeige des Herrn Rellbock nebit einer anfehnlichen Lohnverheißung.

Noch zwei Perſonen beteiligten fich an der Expedition: Frau Fled, die durch Leas Mutterliebe und Hunde: treue tief gerührt war, und Tonerl Linzer, der zehn: jährige Sohn des Hofphotographen gegenüber, der zu Leas ergebenften Freunden gehörte.

Die Wege, Wiefen und Wälder zwifchen Hütteldorf und Purkersdorf widerhallten von Pfiffen und Rufen nach Lea. Alles vergebens. Erſt am zweiten Vor: mittag blinkte ein Lichtftrahl.

Sgener Trupp der Zea-Expedition, der unter der per- fünlichen Führung des Baumeifters ftand und Peter und Tonerl zum Vortrab hatte, fand eine Spur, eine bloß ſchwache, aber immerhin etwas.

Es war eine zerzaufte und eingedrüdte Stelle im Grummet eines Heufchobers, der am Waldesfaume bei Weidlingau ftand. Der unaufhörlich ſchnüffelnde Beter

Von Jenny Limburg. 137 DES TEIELL TEL α TEHSLL SESLLL TER SEHE SEHE SEHEN SEHE SCHE TIL SELL REEL TEL IE hatte die Suchenden bingeführt, beroch die Stelle laut ſchnaufend und zerwühlte fie, al3 ob er feine Lea dar: unter hervorkratzen mollte.

Hier mußte diefe mit ihrem Jungen gerajtet, viel: leicht auch genächtigt haben. Per klugen Hündin war e3 wohl zuzumuten, daß fie bei eingetretener Müdigkeit ihres ungen in dem abſeits gelegenen Heuſchober Schuß gefucht Hatte.

Die weitere Fährte führte durch den Wald. Ein neuer Beweis von Leas Verſchlagenheit. Wo es nur anging, ſchien fie die belebten Wege und Straßen zu meiden.

In der Nähe von Hütteldorf, im Ufergebüfch des Kienfluffes, ftießen fie auf eine zmeite Raſtſtelle.

Hier aber verlor fich jede weitere Spur.

Hatte Lea die infolge der Dürre fehr feichte Wien überfegt, oder war fie vom Schickſal ereilt und ein- gefangen worden? Wer Tonnte das willen?

Die Mitglieder der Expedition äußerten die ſchlimm⸗ jten Befürchtungen. Jede Hoffnung ward aufgegeben. Tonerl Linzer weinte heiße Tränen, während er neben Peter, der auch Kopf und Schweif hängen ließ, einher: marfchierte. Müde und abgejpannt gab der Baumeifter gegen ſechs Uhr Abends die Suche auf und fuhr mit feinem Forfchertrupp beim. Infolge der anftrengenden Märfche der zwei Tage ftellten fich heftige Schmerzen in feinen rheumatifchen Beinen ein.

Brummend und fluchend faß er in feinem von Tas balsqualm erfüllten Wohnzimmer und jehimpfte über’ feine dumme MWeichherzigkeit, die ihn vor fünf Tagen gehindert hatte, den verwünjchten Teufelsbalg einfach an die Leine zu nehmen und mit nach Haufe zu fehleppen. Einige Tage jpäter würde fie fich ſchon beruhigt haben. So aber waren äußerſt geringe Ausfichten vorhanden,

138 Dutter Lea.

SELL TEE FEELL TREE TERSLL THE TEBELL SOLL STELL TEL SEHE TEE SHELL FRE WOLLE 5 daß Lea bei al ihrer Durchtriebenheit den Unbilden des weiten Weges ftandhalten und glüdlich heimfinden würde.

Mit der noch unbeholfenen Tea konnte fie bei heran nahender Gefahr unmöglich fo raſch und fo ficher ent- wiſchen mie auf dem Hinmweg, da fie allein gemefen war. Die GStrede mwimmelte von Fuhrwerken aller Art, von anftändigen, aber aud) von verdächtigen Fuß: gängern, Haufierern und Bettlern. Leicht Tonnte fie mit ihrem ungen von einem Fuhrtnecht oder Strolch eingefangen und mitgenommen worden fein, wenn fie nicht gar den Wasnerknechten in die Schlinge gelaufen war. Denn fie war auch ohne Maulkorb.

Es war nur gut, daß fi um acht Uhr der Hof: photograph Linzer, der Nachbar des Baumeifters, zur Schachpartie einfand. Nachdem er Leas Klugheit und Muttertreue gebührend bewundert und dem Baumeifter anläßlich ihres Verluftes fein Beileid ausgedrüdt hatte, begannen die Herren ihr Spiel, und beim Schach vergaß der Baumeifter auch wirklich feinen Kummer um ea.

Gegen zehn Uhr, als Herr Nellbod eben das Schach: brett umjtülpte, um die Figuren wieder einzuräumen, bob Peter plößlich den Kopf, fpigte die Ohren und borchte. Unter beftigem Gebell lief er gleich darauf zur Tür und kratzte eifrig daran.

„a3 bat nur der Kerl?” fragte Herr Kellbod und ftand auf, um zu öffnen.

Lautes Gekreiſch von Sranenjtimmen unterbrach ihn. „Herrjeh, die Lea! Herr v. Rellbod, die Lea ift da!” jehrie die Haushälterin und riß die Zimmertür auf.

Lea! Sie war es wirklich, die Vielgefuchte!

Mit gefträubten Fell, blutend und kotbeſpritzt, trabte fie herein, im Maul ihr Junges tragend.

Von Jenny Limburg. 139 - DERLLI DELL, ESEL HELL TREE THE TEL TH TEE TEE ERNEST TEL SCHE TUE

Als ob fie etwas apportiert hätte, Troch fie auf dem Bauch zu ihrem Herrn, ließ ihr Junges aus der Schnauze und lag minfelnd und am ganzen Körper zitternd vor ihm. Sie atmete Furz und feuchend, und die Zunge hing ihr weit heraus. Und erjt die Augen! Der Banmeifter behauptete fpäter, den Ausdruck diejer Augen nie wieder vergeffen zu können. Ein jolcher Schmerz lag darin.

Er büdte fih und fah, daß das unge tot war. Mitleidig flreichelte er die Hündin und gab ihr zärtliche Worte: „No, fei ruhig, meine kleine Lea! Mach dir nichtS draus! Gei ruhig, meine brave Lea, es ijt ſchon wieder gut, iſt ſchon wieder gut!”

Das Streicheln ließ fie fich gefallen. Als er ihr aber das tote unge, das fie zwiſchen ihren Vorderpfoten hielt, wegnehmen mollte, ſchnappte fie nach feiner Hand.

„Sapperlot! Da ſchaut's ber! Go was hat fie noch nie getan!” ſagte er verwundert.

„Meiner Treu, jelbjt bei den ärgften Hieben nicht,“ bejtätigte Frau Fleck. „Jerum, jerum, da3 arme Tierl!“

Reuchend und winjelnd lag Lea und ledte unauf: börlich ihre Kleine tote Tea, al3 ob fie hoffte, fie da- durch wieder zum Leben zu erweden. Häufig wandte fie den Kopf wie klagend nach ihrem Herrn hin. Dann verjuchte fie mit Schnauze und Vorderpfoten ihr Junges auf die Beine zu.ftellen. Als fie aber merkte, daB das tote Tierchen nicht Ttehen fonnte und immer wieder haltlos zuſammenknickte, begann fie wieder zu heulen, ergreifend, nervenerregend.

smmer wieder verjuchte fie es, leckte, fchob und hob das tote Hündchen, drehte es haſtig herum, in dem leidenjchaftlichen Bemühen, es zu beleben und immer wieder ftieß fie, wenn ihr die Erfolglofigteit zum Be— wußtfein fam, ein erjchütternde3 Klagegeheul aus.

140 Mutter ea. ALL FELL, TR) EEE TRBELL TROLL EL THU VERLOREN TEHEL TEILE VL TEAL TEL TEL TEL L STELL,

„Wer mir noch einmal fagt, daß fo ein Zier feine Geele hat, der friegt von mir Grobheiten,“ Inurrte der Baumeifter. „Die treibt’3 ja wie ein Menfch.”

„Noch Ärger, denn jo Hab’ ich noch feine Mutter gefehen,” behauptete der Hofphotograph Linzer.

Herr Nellbod mandte fih ab und verließ das Zimmer. Er konnte e3 nicht länger mitanjehen. Peter umfreifte feine Lea und das tote unge unruhig und verwirrt und befchnüffelte fie unter Bellen.

Die Hündin ließ alle Leckerbiſſen, die man ihr hins fchob, unberührt. Bloß ihren Durft löfchte jie. Allein jo gierig fie trank, wandte fie doch alle Augenblide den Kopf nach ihrem Jungen, ängjtlich beforgt, ob man es ihr nicht wegnahm. Alles Rufen, Locken und Schmeicheln war umfonit. Sie gab es nicht ber, war aud nicht von der Stelle zu bringen. Schließlich mußte man ihr dort im Zimmer ein Lager herrichten.

Wie e3 gekommen war, ob Tea gebiffen oder durd) einen Steinwurf getötet worden war, erfuhr man nicht. Vielleicht war fie durch Überanftrengung verendet. Lea beulte und winfelte die ganze Nacht hindurch. Ber Baumeifter Tonnte fein Auge jehließen. Und doch er: laubte er nicht, daß fie in eine entfernte Rammer ge: bracht wurde.

Dreimal ftand er auf, um nach dem Tlagenden Tier zu jehen. jedesmal fand er fie neben ihrem toten ungen bingeftredt, es leclend und herummendend.

Wenn der fladernde Kerzenfchein auf fie fiel, Inurrte fie; erkannte fie aber ihren Herrn, legte fie den Kopf mit den unfäglich traurigen Augen auf den Kleinen regloſen Tierkörper und fehlug mit dem dünnen Schmeif den Boden.

So hielt Lea Totenwacht bei ihrem Jungen.

Am nächſten Morgen war ihre Erfichöpfung fo groß,

Von Jenny Limburg. 141 SL TEL TEL TEE TEEN STELL TEL EHEN TEE TEN SELL FELL EL FL, daß fie willenlos alles mit fich gefchehen ließ. Der Baumeifter hob fie auf jein Knie, öffnete ihr die Schnauge, während Frau Fled ihr füßen Milchlaffee eingoß. Auch einige geweichte Semmelbroden mußte fie fchluden. Dann badeten und wuſchen fte fie, und da zeigten fich mehrere von Bijlen und Steinwürfen herrührende Wunden.

Arme Lea, die du fonft fo mwohlbehütet lebtejt wie das feine Schoßhündchen einer Brinzejjin was für Gefahren und Unbill mußtejt du bejtanden haben! Und nicht nur von bijjigen vierbeinigen Feinden, jondern auch von fchlechten zweibeinigen. Sie wurde verbunden, gehegt und gepflegt. Unterdefjen hatte man den Kleinen Hundeladaver entfernt. Wohl zappelte und heulte Lea noch eine Weile, allein Schlaf und Mattigleit entnerpten fie. Und als ihr Herr fie auf ihr altes Lager ins Zimmer trug, fielen ihr die Lider über die traurigen Augen zu, und fie fehlief ein.

Jedes Geräufch wurde von ihr ferngehalten mie von einem ſchwerkranken Menfchen. Stundenlang wartete Tonerl geduldig auf ihr Erwachen. Er hatte alle Taſchen voll guter Sachen, die er feiner Mutter ab- gebettelt hatte, um fie der Lea zu bringen.

Die Tage vergingen, Lea genas und fand fich wieder zurecht. Scheinbar war fie wieder die alte; nur Frau Fleck behauptete, daß fie ich ſehr zu ihren Gunjten verändert hätte. Das konnte aber bei der guten Frau auch Einbildung fein. Seit dem Drama mit dem toten Jungen hatte fie Lea tief ins Herz gejchloffen, ſah fie daher mit milderen Augen an als früher. _

Es hätte aber ein reines Wunder fein müffen, wenn Lea nicht übermütig geworden wäre. Alles verhätjchelte fie, von der Greislerin angefangen, die ihr bei jedem Bejuch in ihrem Laden irgend etwas Schmadhaftes zuſteckte, bis zur Oberjtin in der Roſenvilla, die ihr

142 Mutter Dea.

SIEH TEE OH STELL FEN TEE FELL TEL TEEEL TEE RL TEL TEL TEL VERHLL TEL EN TTS eigenhändig ein blaufeidenes Halsband ftickte, daS die Inſchrift trug: „Der aufopfernden Mutter in Verehrung gewidmet.”

Nun aber baßte der alte Baumeijter allen bunten Firlefanz. Da auch Lea feine Abneigung zu teilen fhien und mit den Vorderpfoten fortwährend an dem zarten Band Herumzerrte, nahm er es ihr ab. Und nur an Tagen, an denen Lea mit Frau Fled in der Nofenvilla als Gaſt erfchien, wie es die Frau Oberftin fi) ausgebeten hatte, wurde jie mit dem Halsband ge- ſchmückt.

Lea war zu einer kleinen Berühmtheit in Hietzing geworden. Ihre frühere Herrin, die Hofrätin, ſchrieb auch zärtliche Briefe. Zwar konnte Lea ſie nicht leſen, aber ſie wedelte jedesmal verſtändnisvoll mit dem Schwanze, wenn der Baumeiſter zu ihr ſagte: „Lea, das Frauerl laßt dich ſchön grüßen!“

Im nächſten Sommer warf Lea abermals Junge. Diesmal täuſchte ſie nicht die gehegten Erwartungen, denn es gab zwei Männchen und zwei Weibchen. In Hietzing entſtand ein wahrer Kampf um Lead Spröß- linge. Man riß fich förmlich um fie ſelbſt um die weiblichen, was viel heißen will.

Die erjten Tage war ein ftete3 Kommen und Gehen. Bon den entferntejten Belannten wurde der Baumeijter um eines von den jungen bejtürmt. Um fie alle zu befriedigen, hätte Lea mindeiten3 dreißig Jungen das Dafein fchenten müſſen.

Der alte Rellbock jchwebte in der größten Gefahr, fi eine Menge Feinde auf den Hals zu laden. Er aber kümmerte fich wenig darum.

Eingedenk jenes traurigen Ereignifjes vom Vorjahr, bejchloß er, einjtweilen alle bei Mutter Lea zu belaffen. Erjt im Herbſt follte die Hofrätin ein Doppeltes Pflicht-

Von Jenny Limburg. 143 eremplar nach Arco erhalten, ein Männchen und ein Weibchen. Damit waren die Vertragsbedingungen er: füllt, und er in unanfechtbarem Befiß der Lea. Das zweite Männchenjunge wollte er im Haus behalten, das zweite Weibchen aber der Oberſtin verehren, die ihn darum fehr gebeten hatte. Da blieb e3 menigitens in der Nähe der Mutter Lea.

Bon folhen angenehmen Gedanken erfüllt, fam er von einem Spaziergang beim. Da barrte jeiner eine unangenehme Enttäufchung.

Frau Fled eilte ihm jchon am Gartengitter ent» gegen und rief ihm zu: „Herr v. Rellbod, Leas kungen find fort! Nein wie vom Erdboden verfchludt.“

Der Baumeijter blieb mit einem Geficht jtehen, das alles, nur nicht geiftreich war. „Unfinn! Das kann doch gar nicht fein!“

„Meiner Seel’ und Gott, jie find nicht da!“ er- eiferte ich Fran Fleck. „Um drei waren |’ noch unten im Garten; vor einer Stund’ geh’ ich nachjchau’n, da ind ſ' fort.“ |

„Und die Lea?”

„Die ift drin im Zimmer.”

„Heult j’ und winfelt ſ'?“

. „Gar nicht ein bißchen. Das ift’3 eben, wo ich mic) nicht auskenn'! Die Lea ift luſtig und fidel, als ob nicht3 paſſiert wär'.“

Der Baumeiſter traute ſeinen Ohren nicht. Er ging ins Haus und pfiff nach Lea.

Sofort war ſie zur Stelle. Schmeichelnd und ſchweif— wedelnd kam ſie ihrem Herrn entgegen, zeigte keine Spur von Traurigkeit, vielmehr eine gewiſſe freudige Aufregung.

„Lea, wo ſind deine Jungen, he?“

Lea legte ſich platt vor ihn hin, ſchlug mit der

144 Mutter ea.

TEE TEL FELL TOLL TEL TEEN TEA THAN TEL TEE SEHE TEL TTS TEL TEL SELL TEL FE dünnen Rute den Boden und legte die Schnauze demütig auf ihres Herrn Fuß.

Kellbod büdte fih und kraute ihren Kopf und Nüden. „Lea, dumme kleine Lea, was iſt denn mit dir? Wo find deine Kleinen?“

Lea kugelte fi) vor Vergnügen. Bom Rüden drehte jie fich bligfchnell auf den Baud), vom Bauch auf den Rüden, wedelte heftig mit dem Schweif und mwadelte mit den langen Obrlappen. Aus den feucht verfchleiers ten Augen gliterte es jo eigentümlich, fo Liftig und fchadenfrob, wie zuzeiten, da fie ihrem Peter oder ihrem Herrn irgend einen Schabernad gefpielt hatte.

„Da kennt Sich Fein Menjch aus!” brummte der Baumeifter ärgerlich und ftieß fie mit dem Fuß weg. Und auf einmal fam ihm ein häßlicher, ein fchredlicher Gedante. Er hatte von Hundemüttern gehört, die den Ratern gleich ihre Jungen auffräßen. Wie, wenn Lea

Doch nein. Das Fonnte nicht jein. Das war bei Lea, die fchon bei ihren eriten Sprößlingen eine fo leidenjchaftlicde Mutterliebe bemiefen Hatte und ihre zweiten feit acht Tagen jo rührend betreute, gänzlich ausgefchlojjen. Vielleicht Peter? ... Auch nicht. Der war gar nicht daheim, jondern mit auf dem Spagier- gang gemwejen. Wo zum Kudud waren aljo die Jungen hingeraten?

Wie peinlich! Was würde die Hofrätin jagen, die ſchon mit Recht ungeduldig des Dadelpärchen3 harrte!

Einen abermaligen Aufſchub würde fie gewiß nicht bemwilligen, ihm vielmehr die Lea ohne Pardon ab- nehmen.

Der Baumeilter 309 die Brauen hoch empor. Geinet- wegen follte fie ihn nehmen, den Wechjelbalg, mit dem er ſchon jo viel Aufregungen und Pladereien gehabt und der ihn ein folches Heidengeld geloftet hatte. Zwei

Von Jenny Limburg. 145 VEREL. DRELLLTEHLEI TEE TEL TEIL FRE FELL TEHLL! 2 DEHGL SELL TER TEL TEL TEL TER TEL TU Dutend Dadelmeibchen hätte er um das Geld Taufen können. Welch ein Unterjchied zwifchen diefem unrubigen Irrwiſch und Peter, der ihm noch nie eine Minute des Verdruſſes bereitet hatte, vielmehr behäbig und fromm dahinlebte, wie es fich für einen ehrenmwerten Hunde- philijter ziemte! Allein al fein Arger Half nichts. Pie Heinen vierbeinigen Erdenpilger waren und blieben verschwunden.

Da fiel ihm ein, daß Peter ein guter Spürhund war. Er pfiff ihm. „Such die Jungen, Peter! Such die Jungen uch!”

Neue Vermunderung des Baumeijters. Lea jprang nämlich heftig um Peter herum und bellte ihn wütend an, al3 ob fie es ihm mehren wollte. Als aber Peter, dem wiederholten Gebot feines Herrn folgend, fich von ihr nicht abhalten ließ und witternd dahintrabte, änderte fie plöglich ihr Benehmen. Schnüffelnd lief fie vor ihrem Männchen einher, und Beter, der dumme Beter, lief hinter ihr drein wie ſonſt immer.

Natürlich fand man feine Jungen. Der alte Bau: meilter fam aus dem Staunen nicht heraus. So was war ihm in feinem ganzen Leben nicht vorgefommen. Und bei all feinem Zorn mußte ex lachen.

Ruhig wie fonft ftredte fich Lea auf ihr Lager beim Dfen im Zimmer ihres Herrn. Nach einer Weile aber hörte der Baumeilter im Sinftern leifes Tappen von Hundepfoten, gleich darauf ein ſchwaches Fenſterklirren. Schnell machte er Licht. Zu fpät. Lea war verfchwunden. Nur Peter reckte und dehnte fich fchläfrig auf feinem Lager. Das Dackelweibchen aber mußte durch das Fenſter, das der Baumeifter während der Sommer: nächte ſtets offen ließ, entwijcht fein.

Nellbod jtand auf, rief und pfiff in den Garten hinaus. Lea meldete jich nicht. Schimpfend legte er

1905. VII. 10

146 (Dutter Lea.

EL TEE TITELS RE 2 BL TEE TELLLL TER TTELLL TER TERLLL STEEL TEBLLL DREH TEL DRIN TREE, fich ind Bett zurüd. So ein Teufel3balg, dieſe Lea! Die war ja rein verhert. Nicht zum Beilommen war ihr. Vielleicht war’3 wirklich das gefcheitefte, fie wieder ihrer Herrin zurüdzuftellen. Das tolle Tier brachte ihn ja um die Ruhe feiner alten Tage. Soll fich die Hofrätin mit ihr ärgern. Er hatte genug.

Sp dachte er. Als er aber am nächſten Morgen ermachte, lag Lea auf ihrem Lager und fehlief friedlich, ſchnarchte ſogar. |

Kopfſchüttelnd ſah der Baumeijter hin. Sie kam ihm ruppig und abgehegt vor, und er ließ fie jchlafen.

Beim Frühftüd fraß fie für zwei. Peter kam ent- ichieden zu kurz. Als fie nachher ihren Herrn um: jchmeichelte, ihm die Hände ledte und fi) an ihn jchmiegte, vergaß er jeinen Groll nebjt den finjteren Vorfägen der Nacht. Und er hatte bloß den einen Wunſch, daß fich die ungen lebendig vorfänden, da— mit er der Hofrätin gegenüber feiner Vertragspflicht ledig werden und Lea behalten könnte.

Berftreut überflogen feine Augen das Mlorgenblatt; auch die Pfeife wollte ihm nicht munden.

„Intel Rellbod!" jcholl auf einmal eine Knaben- ftimme durch die offene Verandatür.

Der alte Herr bob den Kopf: „Wer ruft?”

„Ich.“

„Wer iſt der Ich?“

„Der Toni.“

„So, der Tonerl. Was willſt du denn?“

„Sind Leas Jungen ſchon da?“

„Nein.“

„Iſt's wahr, daß Lea in der Nacht durchgegangen und erſt früh wiedergekommen iſt?“

„Ja. Aber laß mich in Ruh'.“

Eine Pauſe.

Von Jenny Limburg. 147 ESEL SEHE SELL TWHLLL TEL SELL SEEN TEE DELL STEG TER SELL TEL TEEN TEL CT FR TE,

„Onkel Rellbod!” hieß e3 gleich darauf.

„Was gibt’3 denn wieder?“

„Ich Ihaff Dir Leas ungen ber.“

Der Baumeifter ging mit feiner Pfeife zum Veranda⸗ geländer. Unten ſtand Tonerl Linzer mit ſelbſtbewußter Miene, beide Hände in den Hoſentaſchen, und klimperte mit bunten Glaskugeln, von denen er einen großen Vorrat beſaß.

„Du wärſt mir der Rechte!“ meinte der Baumeiſter zweifelnd.

„Ich ſchaff' ſie dir her, mehr ſag' ich nicht. Tot oder lebendig ich find' ſie. Du kannſt dich auf mich verlaſſen, Onkel Rellbock. Im Indianerkrieg bin ich der beſte Kundſchafter.“

„Na, meinetwegen. Zeig alſo deine Kunſt.“

„Was krieg' ich, wenn ich ſie bring'?“

„Exit bring’ fie, dann werden wir ſchon einig werden. Aber lebendig müjjen j’ fein.”

Tonerl war nicht einverjtanden. „Weißt du, Ontel, das gibt’3 nicht. Lebendig Tann ich die Viecher nicht machen, wenn fie tot find.”

Das war logifeh richtig.

„Seh nur. Ein Sechjerl kriegſt du auf alle Fälle.”

Tonerl ſchneuzte fich geräuſchvoll. „Geht auch nicht, denn Geld darf ich nicht nehmen. Aber Marken, Ab- ziehbilder oder Silberpapier.”

„Meinetwegen. Schau nur, daß du meiterfommit.”

„Alſo gut. Wenn ich pfeil’, jo kommſt du mir ge- ſchwind nad,” ſagte Toni und entfernte fich mit der Würde eines Indianerhäuptlings nach dem rückwärtigen Zeil de3 Gartens.

Als der Baumeifter ind Zimmer zurückkehrte, brachte ihm das Pienftmädchen eine Viſitenkarte mit der Mel: dung, die Dame warte draußen.

148 Mutter Lea. STIL TEL TEL TER TEL TER SEHE TEE! TEE TER FL TAG TEL EL FELL TEE,

Er ſchob fein Augenglas zurecht und las: „Hofrätin Mel.“

Für den Augenblid hatte er nur die Empfindung tödlichen Schredens. Es gab ihm einen fürmlichen Nud. Dann überlam ihn ein grimmiger Humor. Na, die traf gerade recht ein. Das konnte ja nett werden.

„Herein mit der Dame!” ſchnauzte er da3 Mädchen an, das verdugt hinauseilte und die Tür offen ließ.

Auf der Schwelle erfchien die Hofrätin im Reife: kleid. Am Arm hing ihr ein mit rotem Plüfch ge- füttertes Körbchen.

Mit jtrahlendem Geftcht jchritt fie auf den Baus meifter zu. „Grüß Sie der Himmel, lieber Herr Rell- bo! Na, wie geht’3? Das ift eine Überrafchung, wie? ch komm’ direft vom Bahnhof. Hab’ feine Ruh’ gehabt, möcht’ halt meine kleinen Dadel haben. Sind fie ſchon transportabel, die herzigen Viecherl?*

„Einftweilen noch nicht,” verjegte der Baumeifter zweideutig.

„Noch nicht? Na, dann werde ich halt warten und mich hier in einem Hotel einmieten. Die ſtarke Hochgebirgsluft in Tirol greift mir ohnehin die Nerven an. Sie erlauben doch, daß ich täglich nach den Kleinen herſchau'?“

Er knurrte eine unverſtändliche Antwort und ſchob ihr einen Seſſel hin. Der Hofrätin entging ſeine ab— lehnende Haltung; ihre ſuchenden Augen hatten Lea entdeckt. |

„zea! Meine fchöne: Lea! Da bift du ja! Komm zum Frauerl! Na, jo komm, mein Tierl! Was ift denn mit dir? Du belljt dein Frauerl an? Kennſt du's denn nicht mehr? Ah fo, du bellſt aus Freude, mein braves Tierl. Sa, ja, ja, aus Freude. Na, jo fomm zum Srauerl!*

Von Jenny Limburg. 149 EL TH TTEAL CHE TEL RL SCHULTE TER FERN TEL FELL SELL TEL FL TEL TEL FEN Lea erkannte wohl die frühere Herrin, bellte aber fort und irrte unruhig zwischen ihr und dem Baumeijter bin und ber, offenbar unficher, wem fie fich zuwenden jolle. Endlich wurde fie von der Hofrätin ermifcht und zärtlich auf den Schoß gehoben. „No, was gibt’3? Kannſt denn nicht mehr das Pfotl geben? Hajt es verleint, das Pfotlgeben? Wo haft du deine Kleinen, meine Lea? Da fehau her, was für ein munderfchönes Neifelörberl ich für fie mitgebracht hab’. Fein und weich ausmattiert wie eine Wiege. Da drinnen werden fie berrfchaftlich reifen, die lieben Dingerl.“ „Exit müſſen wir fie haben,“ meinte der Baumeifter ſarkaſtiſch. „Wen müſſen wir haben?“ fragte die Hofrätin arglos. „Die Jungen.“ „Barum ?* „Weil fie fort find!“ verfegte er grimmig. Die Hofrätin fah ihn verblüfft an. „Hören ©’ auf! Sie fcherzen wohl?” „galt mir nicht ein. Seit gejtern find die ungen verjchwunden. Der Kudud weiß, wohin.“ Sm Geficht der Hofrätin prägte fich tiefes Mißtrauen aus. „Sie meinen, daß —“ „Nichts mein' ich. Es iſt Tatſache!“ unterbrach er ſie unwirſch. Die alte Dame ließ Lea aus ihren Armen und erhob ſich kerzengerade. „Wieſo ſind ſie verſchwunden?“ „Das weiß ich auch nicht.“ „Sind ſie tot?“ „Weiß es nicht.“ „Sind ſie geſtohlen?“ „Weiß ich ebenſowenig.“ „Haben ſie ſich verlaufen?“

150 Mutter ea. TEL TER TEL TEE TEL FELL TEL FEHLTEN TEL SELL TER ELLE TEL TEEN THU TEL TEL

„Weiß es nicht, glaub’ es aber nicht, da fie noch gar nicht laufen können.“

„Du lieber Himmel, wie fomm’ ich dann zu meinen Dadeln?” fragte die Hofrätin gereizt.

„Iſt mir auch unklar. Fragen Sie die Lea.”

Der finftere Argwohn der Hofrätin nahm zu. Ba ging was vor, das war Bar. Der Baumeifter wollte ihr die vertragsmäßigen Dadel vorenthalten. Das würde fie fich aber keineswegs bieten lafjen. Es gab noch eine Gerechtigkeit in Dfterreich.

Vorläufig hielt fie aber noch an fich und fagte voll Würde: „Mein Herr, damit werd’ ich mich nicht ab: jpeifen lajjen. Ich hab’ meine Lea falt zwei Jahre lang ſchwer entbehrt nun mill ich nicht leer ausgehen.“

„Da kann ich Syhnen leider nicht helfen.“

„sch werde mir einen Rechtsanwalt nehmen.“

„Das fteht Ihnen frei.”

„Und werde mein Recht fuchen.”

„Bitte.“

„Bor allem nehm’ ich meine Lea mit.”

„Tun Sie, wa3 Gie nicht lafjen können!“ fuhr der alte Herr wütend los. |

„Gewiß. Komm, meine Lea!”

Lea war aber nicht mehr da. Während die beiden fi) immer mehr in Hitze Hineinredeten, war fie lang: fam dur) die offene Für auf die Veranda hinaus- fpaziert. Im Vorbeigehen fchnappte fie nach Sliegen. Ab und zu wandte fie den fchmalen Kopf nach dem Zimmer zurüd, und als fie ſah, daß niemand fie be- achtete, tappte fie ruhig die Stufen in den Garten hinab. Sie mwitterte mit der feinen Spürnaje in der fonnigen Luft und jappte wieder nach Fliegen.

Sp jchweifte fie ein Hein wenig herum; nach einem Daftigen Spähblick aber ftredte fie plöglich den ſchlanken

Von (Jenny Limburg. 151 SEE TER FELL TEL TESELL TEL FELL TEE TEL TEA TEL TEL SEAL TEL TRHL ELTA TEE, Leib und nahm Reißaus. Faft platt auf dem Bauche ſchoß Lea über den grünen Raſen, unaufhaltfam bis zu den ſchmalen Waſſerkanal im rüdmärtigen Garten, den fie mit einem Sag nahm. Durch den grünen Zattenzaun, der den Befit des Herrn Rellbod von der Sahrftraße trennte, hindurchjchlüpfend, verſchwand fie aus dem Garten.

Dort aber ereilte fie ihr Schidjal.

Tonerl lag draußen auf der Lauer. Er folgte ihr leife mit gedudtem Körper und auf allen vieren triechend, wie es fich feiner Anficht nach für einen wirk— lichen Indianerhäuptling ziemte. Und er ſah, wie Lean jenfeit3 der Straße auf den gemauerten niederen Sodel eines eifernen Parkgitterd fprang und an einer lücden- haften Stelle aalgleich durchkroch.

Gleichfall3 auf den Gitterjocel fpringen, die Hajel: nußjtauden jenſeits vorfichtig auseinanderbiegen und bindurchfpähen, war für Tonerl das Werk eines Augen: blid3. Er jpähte und borchte. Und der Erfolg blieb nicht aus. Er fah, daß Frau Lea Hinter einem nahen baufälligen chinefifchen Bavillon verjchwand, aus dem bald darauf ein leifes Duielen hervortönte.

Beinahe hätte er ein Hurra ausgeſtoßen. Noch rechtzeitig befann ex fich aber, daß ein Indianerhäupt— ling ayf einem ähnlichen Poſten ficher mäuschenitill bleiben würde. Alſo ſchwieg auch er. Nur mit der Zunge jchnalzte er ein wenig. Das konnte er doch nicht unterlaſſen.

Leas Junge waren gefunden. Dort in dem ver— wahrloſten Pavillon mußten ſie ſtecken. Jetzt galt es, den Onkel Rellbock ſchnell zu benachrichtigen.

In ſteifer Haltung und mit zornrotem Geſicht ſtand die Hofrätin vor dem Baumeiſter und forderte die jungen Dackel oder ihre Lea.

152 "Dutter Dea. SER SELL SEHE TREE TEHLLL TEL TER TEEN TECH TEELL TER TEL TEL TEL TEL TA FELL TEE,

„Nehmen Sie fich das Teufelsvieh! Mir liegt nichts mehr daran!” jchrie der Baumeiſter. Auch er hatte einen toten Kopf und drehte wütend an feinem grauen Schnauzbart.

Plöglich tönten jchrille Pfiffe aus dem unteren Garten herauf. Hallo, der Tonerlpfiff das bedeutete etwas.

„Kommen ©’ mit, wenn Gie wollen!” fagte er bajtig und wenig höflich zur Hofrätin und eilte hinaus.

Mißtrauiſch folgte die alte Dame.

Schon von weitem brüllte der Tonerl: „Ontel Rell bod, die ungen find gefunden!“

„Ro, zum Rudud?”

„In der Oberftin ihrem chinefifchen Pavillon.”

„Was der Tauſend! Leben fie denn?“

„Ich börte fie quielen,” fagte Tonerl und büpfte im Sagdfieber von einem Bein aufs andere.

„But! Renn voraus und bitt in meinem Namen, man fol die hintere Parktür aufjperren, daß ich den weiten Ummeg erjpar’.”

Wie ein Pfeil Schoß Tonerl dahin. Der Baumeifter fpra nichts. Mit der Miene eines tief beleidigten Deannes ging er vor der Hofrätin einher. Auch fie ſchwieg. Sie mußten nicht lange an der Pforte warten. Bald erjchien jenfeitS des Gitter der Tonerl mit dem Gärtner. Die Tür fnarrte, und fie traten ein. Xeife ging es zu dem binfälligen Luſthaus.

Sm Erdgefchoß fanden fie nichts. ALS fie aber die ſchmale Holztreppe zu tem turmartigen Aufbau empor: tlommen und die angelehnte Tür aufjtießen, bot fich ihnen ein ſeltſames Bild.

In einer niederen alten Kiſte, deren Boden mit Stroh gededt war, lag Lea und fäugte ihre vier Jungen. ALS fie der unwilllommenen Bejucher anfichtig wurde, jtieß jie ein klägliches Geheul aus und fletjchte die

Von Jenny Limburg. 153 Zähne gegen die Eintretenden. Mit Schnauze und Pfoten ftieß fie ihre ungen Hinter das Stroh und deckte fie mit ihrem zitternden Körper. Ihre Augen fahen mit einem furchtfamen und doch wilden Ausdrud umber.

„Ra, na, na, meine brave Lea, du brauchſt dich nicht zu fürchten! Es gefchieht deinen ungen nichts. Gar nichts gefchieht ihnen. Laß nur gut fein! Du bit das befte und klügſte Viecherl unter Gottes Sonne,” jagte der Baumeijter und klopfte und ftreichelte zärtlich Tea - Nüden. „Sei nur ruhig, mein braves Tierl, fei ruhig!”

Und als ob Lea ihren Herrn verjtanden hätte, hörte fie auf zu winſeln und zu heulen und ledte ihm die Hände. Verwirrt ftand die Hofrätin daneben.

„Alfo, gnädige Frau,” wandte fich der Baumeijter an fie, „da find Ihre Dadel. Sie jehen, wie jehr Sie mir unrecht getan haben. Lea jelber hat ihre Jungen verjchleppt und verjtedt, um fie vor der Grauſamkeit der Menjchen zu bewahren. Arme Heine Lea! Sie bat die Martern, die ihr bei ihren erften gungen zu- gefügt wurden, nicht vergeſſen und wollte fich ſchützen.“ Der Baumeifter fehüttelte den Kopf. „Das überfteigt alles bisher Dagemwefene. Ich hab’ graue Haare, aber fo was hab’ ich noch nicht erlebt.”

Die Hofrätin nickte zuftimmend und reichte ihm die Hand: „Seien S’ mir nicht bös, lieber Baumeijter. Ich war aufgeregt.”

„Laſſen wir's gut fein, Frau Hofrätin, wir find eben nur Menfchen und feine Engel. Aber wiſſen ©’ was? Bevor ich zugebe, daß der Lea ihre Jungen mweggenommen werden, jag’ ich Ihnen folgendes: Nehmen Sie fie mitjamt den Jungen.“

Tonerl, der neben den Hunden gefauert hatte, lief her- bei. „Onkel Rellbod, die Lea? ... Du gibft die Lea her?“

„Sib Ruh’, Bub! Das verftehft du nicht.“

154 (Dutter Dea.

„Aber ich,” fagte die Hofratin mit Würde. „Und ich werd’ e3 nicht zugeben, daß Sie, der Sie mit Lea fo viel Plage gehabt haben, nun leer ausgehen. Willen S' was, mein lieber Herr Baumeifter, ich bin eine alte Frau ohne Familienanhang. Außer der Lea und zwei Neffen, die mit Anftand auf mein feliges Ende warten, befig’ ich feine Sterbensfeele.. Da werd’ ich halt mein Zelt in Hieging auffchlagen. Gelt, Freunderl, Gie werden mir behilflich fein, in der Nähe eine paſſende Wohnung oder eine Billa zum Anlauf zu finden? Dann bleiben die ungen bei Lea. Wir beide aber halten gute Freundſchaft und betreuen fie.“

„Ra und das Neifelörberl da?’ fragte der Baus meifter und blinzelte farkaftifch Das feine Ding an.

„Darin bring’ ich unferen Dadeln allemal, wann ih komm', irgend einen befonderen Leckerbiſſen,“ ver: jegte die Hofrätin munter. |

„Einverjtanden!” jagte der Baumeifter und ſchlug ein.

„Die Lea bleibt! Die Lea bleibt!’ fchrie Tonerl und tanzte vor Freude auf einem Bein, während er das andere mit der Hand emporbielt.

Die zwei alten Leute führten ihren Vorjat aus. Ob: zwar Leas Nachlommenfchaft jich im Laufe der Zeittüchtig vermehrte, durfte Feines verfchentt oder verkauft werden. In den: Park der Nachbarvilla, die die Hofrätin Mel an: gefauft hatte, erhob ſich an Stelle des chinefischen Pas villong ein fchöner Hundezwinger. Dort hauſte Mutter Lea mit Rindern und Kindeskindern in Glüd und Freuden.

Die beiden Alten aber, die nie anders al3 mit einer Schar Dadeln auf der Straße erjchienen, wurden jtadt: befannte Figuren in Hieging und Umgebung Man nannte fie nur Dadelmama und Dadelpapa woraus fie fich aber herzlich wenig machten.

Av)

Unfer jüngfter Winterfport. Allerlei vom Schneefchublaufen. Von Th. v. Wittembergk.

Ks) mit 10 Jlluftrationen. (Nachdruck verboten.) er Winter iſt für die Sportfreunde eine Zeit der

Entfagung. Schwimmen und Rudern verhindert die Eisdede auf Flüſſen und Seen, die Bewegungs: jpiele, wie Fußball und Lawn Tennis, verbieten fich durch die rauhe Witterung, und ſelbſt das Radfahren wird, folange der Winter noch milde ift, durch die Ermweichung des Bodens und fpäter, wenn der Froft eingefeßt hat, durch Unebenheiten und Schnee faft un- möglich gemacht. Zwar bringt uns der Winter als einen gemiljen Erſatz das Schlittſchuhlaufen, aber leider finden fich nicht überall Eisbahnen vor, und außerdem ijt der Schlittjchuhläufer an den befchränften Raun der Fahrbahn gebunden, während vielen Sports— freunden gerade da3 fchrantenlofe Umhertummeln den größten Genuß bereitet.

Um fo freudiger ift es daher zu begrüßen, daß fich jegt auch bei und mehr und mehr ein Winterjport ein: bürgert, der feinen Berehrern geitattet, Durch Flur und Wald, über Berg und Tal mit Windeseile dahin- zugleiten, das Schneejchuhlaufen.

Schneefchuhe in verjchiedenen Formen find bei allen

156 Unfer jüngfler Winterfport.

SL TEHGLL DEE TIL WESEL STEHEN FREE TREE FELL TEE TEEN DELL SELL TEL THE TEL TR TOLL Völkern des hohen Nordens verbreitet. In Europa finden jte ihre häufigfte Anwendung in Norwegen. Je weiter man von dort nach Oſten jchreitet, über Aſien nach Amerika, deſto breiter werden die Schneefchube. So find die Schneefchuhe der nordfibirifchen Völker— ſchaften rundliche, mit Fellen überzogene Weidengeflechte, während die nordamerikanifchen Indianer kreisförmige Holzplatten benügen, die ebenfall3 mit Fellſtücken um- teidet find. Es jcheint daher, daß die Schneefchube, wie es auch fonft jo oft der Fal ijt, eine allgemeine menfchliche Erfindung find, die überall dort entitand, wo die Menfchen durch die Natur des Landes ge: zwungen waren, fich oft über weit ausgedehnte Schnee» flächen zu bewegen. Nach Europa haben die Schnee: ſchuhe die Lappen gebracht, jener finnifche Volks— ftamm, der in der Borzeit in Skandinavien ein wanderte. Bon ihnen übernahmen dann die Vorfahren . der heutigen Normeger die Schneefchuhe. Darauf mweift mwenigftens eine Nachricht des griechifchen Schriftitellers Prokop bin, der in der Mitte des 6. Jahrhunderts n. Chr. lebte. Derſelbe erwähnt, daß die Normannen oder Nordländer, die in Standinavien lebten, ihre nomadifchen Nachbarn Skridfinnen nannten. Skrid oder Skrida bedeutet aber Gleiten und zwar bejonder3 das Fortgleiten auf Schneejchuhen. Es muß aljo den Normannen diefe Fortbewegung auf Schneefchuhen ans fänglich unbelannt gemejen fein, denn fonft wäre es ihnen nicht fo auffällig erjchienen, daß fie danach die ihnen benachbarte Völkerſchaft benannten.

Über die Gemandtheit der Lappen im Gebrauch der Schneejchuhe find uns aus vergangenen Jahrhunderten verjchiedentliche Nachrichten erhalten. So fehildert eine alte norwegijche Ehronit aus dem 12. Jahrhundert Die Lappen als tüchtige Jäger, die in Fellzelten wohnen.

Von Th. v. Wittembergk. 157 ERLATFTTLETERLETNL TESTS SENSE TEL TEL FELL STELL TEL EL FR TEL EL TU Wenn fie fich auf eine Wanderung begeben, jo nehmen fie die Zelte auf den Rüden, befeitigen glatte hölzerne Stangen, die fie Aandrer nennen, | unter die Füße und eilen jchneller als Vögel über den Schnee und die Berge dahin. Nandrer it noch jetzt die Bezeichnung der Lappen für die Schnee: ſchuhe. Um diefelbe Zeit herum jind aber auch ſchon die Norweger jelbjt voll: endete Schneejchuhläufer geworden. Denn in dem „Königsſpiegel“, einer etwa im Sabre 1205 gejchriebenen Chronik, heißt es: „Verwunde— rung aber wird e3 erregen, daß ein Mann, der nicht jchneller zu Fuß iſt als andere, fobald er 7 bis 8 Ellen lange, dünne Bret- ter unter feine Füße bindet, Vö— gel im Fluge oder die jchnell- ften Windhunde und Renntiere im Laufe überholt, welch leb- tere doch Doppelt jo ſchnell lau— fen wie ein Hirjch, denn es gibt eine ganze Anzahl von Männern, die ihre Schneejchuhe jo gut zu gebrauchen willen, daß fie im

; ; j rfchied Lauf mit ihrem Spieß neun ——

Renntiere und noch mehr zu

treffen vermögen. In anderen Gegenden, wo die Leute an ſo etwas nicht gewöhnt ſind, wird ſich kaum ein Mann finden, der nicht alle Gewandtheit einbüßt, ſo—

158 Unfer jüngfter Winterfport.

TEL TOLL SEGEL TEE TEHL,T I αα TEL TELLER TEL TRALL TRULL VER EA THE TEE HL, bald ſolche Holzftüde an feine Füße gebunden werden. Wir verftehen diefe Sache aus dem Grunde und haben im Winter, wenn Schnee liegt, Gelegenheit genug, Männer zu jehen, die diefe Lift oder Runft anwenden.”

Die Schneefchube, die man heute in Norwegen ge- braucht, werden meijt aus Fichtenholz angefertigt. Sie find ungefähr 2°. Meter lang, zumeilen aber auch türzer, und A bis 6 Zentimeter breit. Man unterfcheidet nach der Form drei größere Gruppen. Bei der Öjlerdal- gruppe find die Echuhe an beiden Enden aufgebogen, und der linke Schub ift etwas länger als der rechte, der Andor genannt wird. Bei der Finnmarksgruppe jind beide Schuhe gleich lang und haben eine breite, tiefe Austehlung längs ihrer ganzen Sohle. Die Schuhe der Telemarl3gruppe jind vorn an der Aufbiegungsitelle breiter und verjüngen fich nach hinten. Auf der Sohlen- fläche find fie mit einer feichten Rinne verjfehen. Auch ift der ganze Schub leicht gebogen, fo daß er eine leichte Wellenlinie darftellt, die beim Auftreten federt und da- durch das Laufen erleichtert. Diefe lettere Form ift für unjere Gegenden am geeignetjten. Der Fuß wird in der Mitte des Schuhes befeitigt, indem die Fußſpitze unter eine Kappe gejchoben wird. Außerdem läuft noch von der Kappe ein Riemen um die Ferſe herum, der dem Fuß einen weiteren Halt bietet, aber doch das Heben und Senken desfelben gejtattet. In den größeren Städten gibt es jest gewöhnlich Gefchäfte, mo man Schneejchuhe oder Eli (ſprich Schi), wie fie im Nor: wegijchen bezeichnet werden, fertig kaufen kann.

Die Anfangsgründe zur Erlernung des Schneeſchuh— laufens jind nicht allzu fchwer, größere Gewandtheit und Gicherheit Tann aber nur durch längere Übung erworben werden. Zunächſt ijt darauf zu achten, daß die Schneefchuhe nicht aufgehoben werden dürfen. Der

Das Anfchnallen.

160 Unfer jüngfter Winterfport. SEHE TER STEEL FELL TEL TEESLL DELL TR TEELLL TRELLL TEHLLL TREELN TREE TEL TEL TR TH TR Läufer darf alfo damit nicht ftapfen, fondern er muß die Füße fchiebend über den Schnee führen. Dabei bat man ſich etwas nach vorwärts überzubeugen, wäh. rend der Körper elaftifch und leicht den Bewegungen folgt. Auch ein Seitwärtsausfchreiten, wie es beim Schlittſchuhlaufen geübt wird, ift zu vermeiden. Biel: mehr foll immer ein Fuß parallel zum anderen vor- gejchoben werden, jo daß von den GSchuben eine parallele Spur im Schnee binterbleibt. Am leichtejten gejtaltet fich natürlich die Fortbewegung auf ebenem Terrain. Da aber der Schneejchuhläufer befähigt fein jol, alle Hinderniffe des Bodens mit Leichtigkeit zu nehmen, fo iſt es empfehlenswerter, auch gleich im Ans fang die erjten Übungen nicht auf einer völlig glatten Fläche, wie etwa einer Chaufjee, fondern auf einem Stück Aderland oder einem etwas geneigten Berghang, mo auch Unebenheiten vorkommen, anzuftellen. Da: durch gewinnt man von vornherein eine größere Sicher: beit, jo daß man fpäter vor fchmwierigerem Gelände nicht zurüdichredt. |

Die Hauptfache ift fürs erfte, daB man fich im Gleichgewicht zu halten lernt. Hierzu gibt eine gute Hilfe ein längerer Stab. Keinesfall3 foll aber der Stab dazu gebraucht werden, fich fortzufchieben. Ge— wöhnt man fich diejes an, fo wird man e3 nie zu einer größeren Fertigkeit bringen. Später, wenn man feiner zur Unterftügung des Gleichgemwicht3 nicht mehr bedarf, fol er nur noch zum Bremfen oder auch zum Lenken benüßt werden. Bejjer aber iſt es, wenn man ihn dann überhaupt beifeite läßt. Neuerdings gebrauchen ihn denn auch gefchickte Schneefchuhläufer gar nicht mehr.

Der Anfang hierzu wurde von den jungen Burjchen der normwegiichen Landfchaft Telemarken gemacht, die wegen ihrer Meifterfchaft im Schneefchuhlaufen berühmt

—— ——— PER

1905.

VII.

Bergabmärts,

11

162 Unfer jüngfter Winterfport. SELL EEELL STELL SEEN STELL SELL SELL STALL TEEN FELL TEE STELL find. Gie zeigten, daß man ohne den für unentbehr: lich gehaltenen Stab viel größere Schwierigkeiten über: winden kann, fobald man nur eine gründliche Herr: jhaft über die Schneefchuhe beſitzt. Zudem ijt aber auch die Haltung des Körpers eine freiere und vorteil: baftere.

Ein guter Schneejchuhläufer erreicht auf ebener Bahn mindeſtens die doppelte Gejchmwindigleit eines

Der Anfab.

tüchtigen Fußgängers. Aber auch anfteigendes Gelände verlangjant die Fortbewegung nicht beträchtlich. Sanfte Erhebungen werden in Zicdzadlinien genommen. ft der Hang jteiler, fo wendet man die Spiten der Schnees ſchuhe nach ausmärts, bi3 fie einen fo großen Winkel gegeneinander bilden, wie e3 der Abfall des Berges erfordert. Sodann wird immer ein Fuß vor den anderen gejeßt. Die Spur im Schnee erhält dadurch große Ühnlichleit mit dem fogenannten Herenjtich der Nähe: rinnen.

Bergabwärts geht die Fahrt ganz von ſelbſt, und

Von Th. v. Wittembergk. 163 STELL STEH TEN FRE STEEL STELL STELL SELL SELL FL ET TCTEL STIL ETEL TEA SELL STELL ES, zwar mit bedeutender Geſchwindigkeit. Da man bei einer Fahrt, die mit faufender Schnelligkeit über einen Hang binabgeht, nie im voraus wiſſen Tann, ob man nicht plößlich auf ein Hindernis, ein Felsftüd, einen Baumftumpf oder einen Abgrund ftößt, jo iſt es wenig: ſtens für den, der im Gebirge auf Schneefchuhen Läuft, unbedingt notwendig, daß er die Fertigkeit erwirbt, jo: fort anhalten zu fünnen. Dies erreicht man dadurch,

Der Abfprung.

daß man den Körper mit einem Ruck auf die Seite wirft und jo beide Schneeſchuhe quer ftellt.

Eine vortreffliche Übung ift der Luftfprung. Hat er auch praktiſch wenig Bedeutung, fo ftählt er doch den Mut und verleiht dem Springer volllommene Herrſchaft über feinen Körper. Eifrig gepflegt mird der Luftjprung von den Normwegern. Wollen fie einen Luftſprung ausführen, jo juchen fie eine Schneefchanze auf, die entweder vom Wind aufgemworfen oder künſt— lich) zufammengejchaufelt worden ift. Häufig verlängert man den Sprung noch dadurch, daß man den Anlauf

164 Unfer jüngfter Winterfport.

TER CELL STELL TEE TEEN STELL FELL FELL ERELL EETEL TEE ELF TUE, auf der Kante der Schneejchanze nimmt. Auf Ddieje MWeife fann man 20 bis 25 Meter durch die Luft fchweben. Während der Luftfahrt Halten fich manche Läufer gerade wie eine Kerze, während andere die Unter: ſchenkel anziehen. Gelangt man unten an, jo jchiebt man da3 rechte Bein vor das Linke und finkt einen Augenblid in das linke Knie, fauft aber dabei in fliegen: der Fahrt weiter. Es ift ein prächtiger Anblicd, einen tüchtigen Schneefchuhläufer beim Luftſprung zu beobach— ten. Friſch und Teck ftürmt ex den Abhang des Berges herunter, duckt fich wenige Schritte vor dem Sprung zufammen, nimmt auf der Schanzenlante einen Anjat und fliegt mie eine Schwalbe dahin, um 20 bis 25 Meter meiter abwärts die Erde zu berühren und in einer Schneewolfe daponzueilen. Allerdings ſtürzt der Springer auch zumeilen nieder, aber die Weichheit des Schnee3 verhindert es gewöhnlich, daß der Läufer ernit- licheren Schaden erleidet.

Nicht jeder Schnee eignet fich in gleich guter Weife zum Schneefchuhlaufen. Iſt er ſehr feucht, dann ballt er fi und bleibt an den Schuhen hängen. Cbenfo fährt es fich auf frifchgefallenem Schnee nicht leicht, denn auch er jegt fich an den Schuben feit. Dagegen gleitet es ſich vortrefflich dahin auf Schnee, der bei Taumetter gefallen ijt und darauf fcharfer Kälte aus: gefegt war. Noch bejjer aber ift es, wenn der Schnee erft etwas fehmilzt und darauf zu einer felten Kruſte gefriert. Fällt dann noch obendrein eine ganz dünne Schicht Schnee oder ſetzt fich Reif an, fo gibt es eine Bahn erjten Ranges.

Sehr empfehlenswert ift e3, mit der Einübung de3 Schneejchuhlaufend jchon in der Kindheit anzufangen, denn gerade der frühzeitige Beginn verbürgt die höchite Fertigkeit. So gejchieht es in Norwegen auf dem Lande,

Von Th. v. Wittembergk. 165

Die Bauern: fnaben und eben= jo die Mädchen zählen noch nicht viel mehr al3 vier

Skifport auf dem Feldberg.

EU

166 Unfer jüngfter Winterfport.

SEHLL TEE TEIL TEL TESLLL VRHELL, TEL TER TEL TEL , CHEN FL TR ER FE TEN Sabre, fo wilfen fie fchon, welche Form ein guter Schneeſchuh haben muß, welches Holz dazu zu wählen ift, und wie die Weidenzmweige” zu biegen find, mit denen fie die Schuhe an den Füßen befeftigen. Schnee iſt in Hülle und Fülle vorhanden, und Berge haben fie meift unmittelbar vor dem Haufe. Auf Schnee: jchuhen müflen fie den Weg zur Schule zurüdlegen, und auf Schneefchuhen verbringen fie die Zeit zwi jchen den Unterrichtsftunden. Der Lehrer ift oft felbft mit dabei und ftellt fih an die Spitze der: Heinen Schar. Und meld ein Felt ift e3 den ganzen Winter hindurch an den Sonntagnachmittagen, wenn fich Kin: der und Erwachſene vor dem Dorf verfammeln, um fich im Wettjtreit zu meſſen und fich zu unterhalten, jo- lange das Tageslicht ausreicht.

Für den Norweger iſt das Schneefchuhlaufen un- entbehrlih. Früh im Herbft wirbeln fehon die dichten Schneefloden nieder, verhüllen Berg und Tal mit ihren weichen Bolftern und verjchwinden erft jpät im Früh: ling wieder. Wege find in manchen Gegenden nur fehr jpärlich vorhanden, und ein jeder, jei e8 Mann oder Meib, der von einem Hof zum anderen will, muß die Schneeſchuhe anfchnallen, denn fonft verfinkt er im Schnee bis über die Hüften. Much auf der Jagd be- nüßgen die norwegijchen Bauern die Schneefchuhe viel. Früher jagte man auf denſelben das Renntier und das Elen. Denn es ift für einen geübten Schneefchuhläufer nicht ſchwierig, das fliehende Wild einzuholen, da es im Schnee einfinkt und nur mühſam vorwärts fonımt. Es war eine jpannende Jagd, die ſowohl Stärke als auch Ausdauer und Gewandtheit erforderte. Jetzt legt der norwegiſche Bauer die Schneefchuhe Hauptfüchlich beim Schneehuhnfchießen und Dohnenfang im Gebirge an.

Auch dieſe Jagd hat wunderbare Reize. Herrlich ift

Von Th. v. Wittembergk. 167 STEATTELTCEHEAL SEELE SELTEN SELL TEEN STELL TEL CHEN TEL STELL STELL FRESSEN TEL TEN, es, die jchneebeladenen Berge zu durchſtreifen, wenn die Schneehühner, die jo weiß find, daß fie fich kaum von ihrer Umgebung unterfcheiden laſſen, im Birken: gebüfch umberflattern und gadern. Und wenn dann die Beute erlegt ift, und mit der Büchje und dem Jagd—

Norwegifcher Jäger auf Schneefchuben.

neß auf dem Nücen die Heimfahrt in jaufender Ge: Ihmwindigkeit über die langen Abhänge angetreten wird, dann wird die Bruft frei, und die Augen bligen voll jtolzer Freude. Ebenſo bedient fich der norwegiſche Bauer der Schneefchuhe auf der Hafenjagd, ja, es ge: Ichieht zumeilen, daß er auf Schneefchuhen den Bären in jeiner Höhle auffucht oder auf ihnen den Luchs oder

Auf eben

170 Unfer jüngfter Winterfport.

TREHLL FL TEL SEHE! SEAL TEL TEL TEUL DELL SELL TEL TEL TEE, Vielfraß, die aufgefchredt wurden, verfolgt. Dem Lappen ift e8 etwas ganz Gemöhnliches, auf Schneefchuhen feinem ärgjten Feind, dem Wolf, nachzufegen, big er ihn fchießen oder mit dem Stab totjchlagen kann.

Sn den füdlicheren Teilen Norwegens werden all: jährlich Wettlämpfe abgehalten, bei denen die beiten Dauerläufer oder Luftſpringer mit Preifen ausgezeichnet werden. Zu welchen Leiftungen man e3 bier bringt, zeigt ein Wettlauf, der in Chriftiania ftattfand. Pie Bahn war 50 Kilometer lang und ging zum großen Teil über hügeliges, unebene® Waldgebiet. Unterwegs waren die verjchiedenften Hinderniſſe aufgeſtellt. Der Sieger legte die Strede in 4 Stunden 26 Minuten zurüd. Der längite Dauerlaufiwurde von dem Nordpol: forfcher Nordenſtjöld angeregt und im nördlichen Schwe— den ausgefochten. Es beteiligten jich Daran außer einem Norweger fünf Lappen. Der erſte wurde der Lappe Tuorda, der Nordenftjöld auf feiner grönländifchen Reife begleitet hatte. Er legte die Bahn von 220 Kilometer in 21 Stunden 22 Minuten zurüd. Der zweite Läufer, eben- falls ein Zappe, kam fünf Minuten jpäter als Tuorda, und der legte der Teilnehmer 46 Minuten nach diefem an.

Auch bei uns hat man fich jegt zu. jportlichen Wett: tämpfen zufammengetan. Mittelpunfte hierfür find in Siddeutjchland der Feldberg im Schwarzwald mit dem Hotel Feldberg und in Mitteldeutfchland An— dreasberg im Harz. ES werden hier alljährlich, meijt im Januar, Wettlämpfe im Schnelllaufen und Springen abgehalten, wobei fehr beachtungsmwerte Leiſtungen er: zielt werden.

Auch praktifche Verwendung haben die Schneefchube bei und nach denjelben Richtungen hin wie in Nor: wegen bereit gefunden. In Norwegen find fchpn jeit Anfang des 18. Jahrhunderts befondere Schnee:

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Infanterie auf Schneefchuhen.

172 Unfer jüngfter Winterfport. SELL TEE STEEL STEEL TEEN STELL SEEN TEL STELL TEA L SEHEN SEHLL TEE CELL STEEL TEL CELL TE ſchuhläuferkompanien errichtet, die jeden Winter ihre Übungen als Aufllärungstruppen vornehmen mußten. In einer Verordnung vom Jahre 1710 heißt es: „Daß diefe Kompanien nur aus den beiten und rajchejten Männern, die in den Negimentern vorhanden find und fich gutwillig und mit frifchem Mut dazu hergeben,“ gebildet werden jollen. Im Jahre 1747 wurden dann ſechs Kompanien zu je 100 Mann eingerichtet und 1768 ein Drago— nerregiment auf— gelöſt und zu vier Schneeſchuhläu— ferkompanien um— gewandelt. Im Jahre 1804 wurde eine be— ſondere Exerzier— Der Poſtbote auf Schneeſchuhen. ge Des noch mehrfach verändert und den fortjchreitenden mili- tärifchen Anforderungen angepaßt wurde. Dieſes Bei- jpiel hat man auch in Deutjchland nachgeahmt. Go find unter anderem vom 2. Bataillon des Infanterie— regiments in Goslar, vom Syägerbataillon Graf York v. Wartenburg (Dftpreußen) Nr. 1 in Ortel3burg und vom Magdeburgijchen Sägerbataillon Nr. 4 Übungen auf Schneejchuhen abgehalten worden, die fehr befrie— digende Ergebnilje lieferten. Ebenjo haben die Schneeſchuhe verjchiedentlich beim Forſtperſonal Eingang gefunden. Zwar hantelt e3 fich

Von Th. v. Wittembergk. 173 FL TEL SELL FELL SELL TEL TER THE TEL TOESLL TELLL TEHLLL OOHELI SEE SELL TE TEL TUE hierbei weniger um Jagdzwecke, als zur Durchführung des SForftdienftes, aber auch fo leiften die Schneefchuhe die beften Dienfte. Bei hohem Schnee ift es dem Forft- perfonal vielfach nicht möglich, zu den Futterſtellen des Wildes zu gelangen. Mittels der Schneefchuhe aber lönnen die Forſtaufſeher dem Wild überallhin Futter bringen, jo daß es vor dem Berhungern bewahrt bleibt. Endlich legen auch die Landpojtboten in manchen Gegenden, wie in Oftpreußen, im Harz, im bayrifchen Wald und in Thüringen, Schneefchuhe an. Während fie ſonſt mühſam durch den Schnee ftapften, fliegen jie jest in faufender Schnelle dahin.

Das Schneejchuhlaufen Träftigt ungemein, denn durch die Bewegungen der Füße, der Arme und. des Oberlörperd zur Erhaltung des Gleichgewichts und durch den Aufenthalt in der frischen, Haren Winterluft erfährt der ganze Körper eine alljeitige Durcharbeitung und wohltätige Anregung.

Die Tifhyordnung.

NRumoreske von Rudolf Curtius.

(Nachdruck verboten.)

m Speiſezimmer des NRegierungsafjejjors Martin

holt die große flämifche Standuhr aus matten, gefchnigtem Eichenholz zum Schlage halb neun aus, mit jenem tiefen Tone, der die Mitte zwifchen dem Dröhnen eines chinefifchen Gongs und dem Krähen eines Kochinchinahahnes hält. Frau Emmi hat dem Herrn Gemahl jchon zum dritten Male die Kaffeetafje gefüllt, die diefer achtlos Ieert, während er, in feine Zeitung vertieft, die Ernennungen jtudiert und be- vechnet, daß er bis zum Regierungsrat mindejtens noch drei Jahre zu warten habe.

MWiederholt hat das junge, elegante Frauchen, das der Aſſeſſor im vergangenen Frühjahr heimgeführt hat, Ichon zum Neden Anlauf genommen, aber alles Ränſ— pern und die verjchiedenftien Hms und Has haben die Aufmerkſamkeit des Gatten nicht von feiner Lektüre abziehen können. Jetzt, da das Pienjtmädchen das KRaffeegeichirr abgeräunt, und die Tür Hinter fich ge- ſchloſſen hat, kann Frau Emmi nicht länger an jich halten und jagt mit jenem Tone der ungeduldigen Eigenmilligkeit, der ihm an ihr als Mädchen immer

Rumoreske von Rudolf Curtius. 175 EU TEHLLL TERLEL TEREL TEE EHEN TRLLN TEL TEL TELLER TEE TEL TEEN TEN TREE TEA TE jo gewaltig imponiert hat: „Jetzt lege aber endlich die Zeitung hin und hilf mir die Tifchordnung machen.”

„Muß das jest fehon fein?” gibt der Angeredete zurück, indem ex fich eine Zigarre anzündet und einen täglichen Blid in den trübe und verdrießlich zu den Fenſtern bhereindämmernden, nebligen Wintermorgen wirft.

„Run, ich dächte Doch, es wäre die höchite Zeit,“ ers widert fie ftarf piliert. „Das erſte Felt, das wir in unferem Haushalt geben! Und ich habe doch noch den ganzen Tag alle Hände voll zu tun. Du freilich geht vornehm jett auf dein Bureau, Tommft um halb vier zurüd, läßt inzwifchen Gott den guten Herin und mich die geplagte Hausfrau fein und runzeljt als un: gnädiger Jupiter dDonnergrollend die Stirn, wenn heute abend nicht alles Klappt.“

„Ich babe gar nicht gewußt, daß ich ein folcher Barbar bin,” erwidert er, den rechten Arm um die ſchlanke Taille feines Frauchens legend. „Aber gib halt den Rram einmal her! In fünf Minuten ift ja alles gemacht.”

„In fünf Minuten ift ja alles gemacht,” echot fie höhnend zurüd, indem fie einen Kleinen Stoß Karten, die fie auf dem Büfett beveit gehalten, jamt Bleiftift und Papier berbeihbolt. Dann läßt fie fich neben ihm nieder, ihm einen Kuß auf die bärtige Wange gerade dorthin applizierend, mo eine weiße Narbe zeigt, daß der Durchzieher geſeſſen hat, den er auf feiner erjten Menfur als Markomannenfuchs von feinem Gegens paulanten zur Abfuhr erhalten bat.

„Alfo da ift zunächft mein Oberregierungsrat Späth famt Frau und Fräulein Tochter,“ beginnt er, die ein» gelaufenen Antworten fchnell noch einmal durchmufternd; „dann der Doktor Edardtsberg mit feiner Gattin

176 Die Tifchordnung.

ENGEL TEEN TREE TEL TEL TEL TER TRELLN TER TEL TER ER TEL TEL TEA TEL TEL NE, der Oberlehrer Herzberg jamt Frau laſſen Gott jei Dank ablehnend danten General und Generalin v. Mittnig und Fräulein Poldi werden e3 fich zur Ehre Ihäßen, zu erjcheinen; ditto Fräulein Lademann von der alten Garde, unfer mandernder Lokalanzeiger. Major Wurmbrandt und der taube Profefjor Behrends jagen natürlich auch zu. Na, die beiden fegen wir links und recht8 von Fräulein Yademann; die können da über dieſes würdige Schlacht: und NAuinenfeld hinweg über die Erftürmung von Saint Privat und die neuefle Papyrusrolle aus der Zeit Ramfes’ des Großen mits einander kohlen.“

„Aber wer wird denn fo fchredlich boshaft fein!“ unterbricht Frau Emmi, fanft feinen mwohlfrifierten Scheitel jtreichelnd. „Es find doch die treuen Freunde deiner Eltern, die dich auf dem Knie gejchaufelt haben. Und auf Fräulein Lademann laffe ich ſchon gar nichts tommen. Es iſt häßlich von dir, Egon, daß du immer jo über fie jpotteft. Sie bat ein goldenes Herz.“

„a, bejonders für ihre Kagen! Übrigens hab’ ich es ja nicht jo böfe gemeint,” begütigt der Affefjor, feiner Frau einzeln die rofigen Fingerfpigen küſſend. „Bleibt alfo noch der Leutnant Tiedgens und Die Krone aller Referendare, Herr Stägemann, meine Stüße und Stab in Rirchenbauangelegenheiten, übrigens ein unfchuldiger Engel in allem, mas Recht und Gejehe betrifft. Macht ſechs Weiblein und fieben Männlein, in Summa dreizehn, uns beide eingerechnet aljo grade eine Mandel. Nun, du Hlügfte aller Geheinrat3- töchter zwifchen Konſtanz und Memel, ſag an, welche ift die Krone der Frauen, die unferer Tafel präfidieren ſoll?“

„Natürlich die Generalin. Ihr Mann nimmt unter unſeren Gäſten den höchſten Rang ein.“

Rumoreske von Rudolf Curtius. 177 SEELE TRIELL TEE TEL VOGEL TEHEELDOHLLESDRELLL DBELL! SEELE SEHE TOHELL TH DTULAL TRUE TEE ERLL TSLE

„So?“ erwidert der Herr Gemahl, mitleidsvoll lächelnd. „Das KRommandieren verfteht fie allerdings, als ob fie den braven Mittnitz nicht erſt geheiratet hätte, kurz bevor der Herr Oberſt und Regiments kommandeur den blauen Bogen und als Pflajter darauf den Titel eines Generalmajors erhielt. Übrigens kennſt du wohl nicht das Sprichwort: Und ift er einmal pen: fioniert, fich niemand mehr um ihn geniert?*”

„Werden denn die Frauen mitpenfioniert?“

„Gewiß werden fie das, mein Kind! Und dabei ift fie exit fünfundzwanzig Jahre alt, alfo ausgerechnet zwei ganze “Jahre älter als du. Alſo ein volles Viertel- jahrhundert wird auf uns herabpräfidieren. Das ſollteſt du Dir doch felber jagen, daß das nicht geht.”

„Mein Alter brauchteft du mir aber deswegen dod) nicht wieder vorzumerfen ,“ antwortet Frau Emmi jchnippifch und mit fcehmollender Miene. „Oder war ih) etwa daran fchuld, daß der Herr Afleffor drei Winter mit mir tanzte, ehe er geruhbte, allergnädigit anzufragen, ob ich die Seine werden wollte?“

„Aber jo laß das doch nur gut fein; ich befenne und bereue, daß ich ein hartgejottener Böſewicht bin,” bejchwichtigte der Aſſeſſor. „Aber auf den Ehrenplag bat nun einmal nur eine ältere Dame Anfpruch.“

„fo Fräulein Lademann?“

„Aber wo denkſt du bin, Emmi! Haft du jemals jhon gehört, daß man eine unverheiratete Dame auf den Ehrenplat geſetzt hat?”

„O gewiß! Bei den Kleineren Gefellfchaften, die Papa-im Winter in Liegnig gab, war auf dem Prä— jidentenftubl meiftens eine unverebelichte Dame, Fräu- lein v. Liebenfels, und niemal® hat jemand gefunden, daß das unpajjend ſei.“

„3a, in Liegnig!” gab der Aſſeſſor gedehnt zurück;

1905. VII. 129

1.78 Die Tifhordnung.

DELL TEE TEIL FRE TEL ETHL TEELL FOR TEE TERLL SELL SRG TEL TEA TEL TELLER, „Liegnitz ift eben nicht Berlin! Und fieh mal, mein Lieb, wenn wir Fräulein Lademann auf den Ehrenfiß jegen, jo verzeihbt ung das die regierende Frau Ober- regierungsrat nie, und dein Mann ift fo Heilig und ficher in fünf Jahren noch immer Aſſeſſor, wie er fi jest eben wieder verzweiflungsvoll fein letztes ſpär— liche8 Haar wegen der unjeligen Tiſchordnung aus- rauft.“

„Nun, damit hat es wohl noch ſeine guten Wege,“ erwidert Frau Emmi, dem Gatten ein brennendes Streichholz für ſeine ausgegangene Havanna präjen: tierend. „Zugeſtanden alſo! Frau Oberregierungsrat bekommt den Ehrenplatz, denn darauf ſteuerſt du ja nur los! Wer erhält dann den Vorzug, ſie zu Tiſche zu führen?“

„Natürlich der General.“

„Ei, mein kluger Herr und Gebieter, weißt du denn nicht mehr, wie die beiden übers Kreuz miteinander waren, als der Amtsrichter Kunde gleichzeitig der Poldi und der Agathe den Hof machte amd —“

„als beide Familien,” fette der Aſſeſſor die Rede fort, „eine Erklärung erwarteten, fich lieber nach Goldap verjegen ließ, um fein bedrohtes Ich aus dem Kreuz: feuer in Sicherheit zu bringen. Da3 ift freilich wahr,“ monologijierte er nachdenklich weiter. „Aber wie wäre es mit dem Major?”

„Der fchreit, als ob er eine Brigade zu fomman- dieren hätte, und du weißt, Frau Späth bat Nerven.“

„And mas für melche!” Iachte der Aſſeſſor, einen verjtohlenen Seitenblid nach der Uhr merfend, deren Zeiger fich der neunten Stunde näherten. „Alfo dann muß der Profeſſor daran glauben.”

„Damit er ihre wieder mie neulich bei Marquards eine Stunde lang von den Mumienbildern aus el Fayam

Fiumoreske von Rudolf Curtiue. 179 vorerzählt, was fie natürlich für eine nichtswürdige Anzüglichkeit gehalten hat.”

„Dann bleibt nur noch der Doktor Edardisberg übrig,” meinte der Afjeffor mit einer dumpfen Grabes- ftimme, „denn den Leutnant und den Referendar mirft du ihr Doch wohl nicht zur Seite geben wollen?”

„Durchaus nicht, denn die brauchen mir für Die jungen Damen,” ſtimmte Frau Emmi freudigft bei, die Namen auf dem Bogen notierend, wo ein miß- ratenes längliches Viereck die Tafel vorjtellen follte. „Nun aber weiter.”

Meiter aber ging es nicht; denn in demfelben Augen- blid erhob der hölzerne Kochinchinahahn wieder feine . Stimme, um zu verlfünden, daß es neun Uhr fei. Per Affeffor, der in den letten Minuten fchon mit Zeichen fichtlicher Unruhe auf feinem Stuhl herumgerüdt war, erhob fich, indem er meinte: „Aber jeßt entjchuldigft du mich wohl. Du fehlt, ih muß ins Amt. Wer weiß, ob ich mit dem nächften Straßenbahnmwagen mit: tomme, und Pünktlichkeit ift die erjte Pflicht eines ge- wilfenhaften Staut3dieners. Übrigens müßtejt du nicht die kluge Tochter meiner hochverehrten Frau Schmieger: mutter fein, wenn dir ‚nicht ohne mich die Tifchordnung ipielend gelänge, bei deren Entwurf dir die Mitwirkung deines gedanfenarmen Gatten nur hinderlich jein Tann.“

Damit erhielt Frau Emmi ihren Abfchiedstuß, und unter einigen gefucht linkiſchen Tanzjtundenverbeu- gungen fehlüpfte der Aſſeſſor auf dem weichen Teppich lautlos zur Tür hinaus, nicht ohne dabei an das Dienſtmädchen anzurennen, von welcher es ungemiß jein fonnte, ob fie gehorcht hatte oder wirklich daS ge: reinigte Kaffeegefchire hatte bereintragen wollen, das bei dem unerwarteten Zufammenftoß Elivrend zu Boden fiel. '

180 Die Tifchordnung. SELL TEL FEHLEN TORE VOL TREE TEL TEL TEE FELL TEN ERRLLLTERHL TORE TEE DELL TEL TEL

Als der Aſſeſſor gegen drei Uhr wieder nach Haufe kam, hatte die kleine Frau mit vielem Nachdenken und oftmals von Köchin, Stubenmädchen und Lohndiener, die nach dem und jenem zu fragen famen, eine Tijch: ordnung zufammengebracht, die als die einzig glücdliche Löſung der Schwierigleiten vom Gatten fofort zum Gejeg erhoben wurde, wobei er nicht unterließ, frob- lodend zu betonen, wie jehr ex recht gehabt habe, Dieje Aufgabe allein ihrem Scharfjinne zu überlafjen.

Sichtlich beruhigt feste fi) das Ehepaar zu dem heute befonders frugalen Mittageſſen, als es Llingelte, und die Zofe ein Billett hereinbrachte, laut welchem Doltor Edardtsberg und Frau auf da3 tiefjte be- dauerten, durch eine plögliche Erkrankung der Mutter des Doktors zur fofortigen Abreife nach Magdeburg gezwungen zu fein, weswegen fie auf die Ehre zc. zc. verzichten müßten.

Mit einem wilden Fluch, der die Zofe zu jofortigem Rückzug veranlaßte, fehleuderte der Aſſeſſor das Billett von fich, das die mühevoll ausgefonnene Tifchordnung volljtändig über den Haufen warf. Dann begann man aufs neue die Arbeit; aber e3 wollte nicht zufammen- gehen, und obwohl man fich endlich zu dem tolltühnen Unterfangen entfchloß, die Frau Oberregierungsrat durch den General zu Tiſch führen zu lafjen, entdedte man die gräßliche Tatfache, DaB es nun dreizehn Ber- onen jeien.

„Unmöglich!“ ächzte der Aſſeſſor.

„Unmöglich!“ beſtätigte ratlos die Gattin.

Endlich raffte ſich der Aſſeſſor zu einem energiſchen Entſchluſſe auf. „Hier können nur noch Steinbrechers helfen wenn ſie nämlich wollen,“ ſetzte er nach einem Augenblick zögernd hinzu.

Das Steinbrecherſche Ehepaar bewohnte nämlich

Rumoreske von Rudolf Curtius. 181 das unter der Wohnung des Aſſeſſors belegene Quar— tier im erſten Stod. Man hatte fich vor wenigen Monaten in der Sommerfrifche in Friedrich3roda kennen gelernt und angenehme Tage miteinander verlebt. Herr Steinbrecher hatte ſchon vor vielen fahren die kaum begonnene Rechtsanmwaltspraris an den Nagel gehängt, um als juriftifcher Beirat in den Pienft einer großen Berficherungsgejellfchaft zu treten. Der Umjtand, daß da3 eben feine Staat3anftellung war, bildete den Grund, weshalb man in Berlin den Verkehr nicht weiter fort- gejegt hatte, fondern es bei einem Höflichkeitsbeſuch bewenden ließ, der ebenfo höflich erwidert wurde, ohne daB man daraus weitere gejellichaftliche Ronjequenzen 308.

„Auf nach Canoſſa!“ dellamierte der Affeffor in tragifomifcher Haltung, „wir müſſen augenblidlich hin- untergehen, de- und wehmütig den wahren Sachverhalt einbefennen; und, wie ich fie zu fennen glaube, werden fie uns nicht im Stiche Laffen.”

„Aber was werden unfere anderen Gäfte dazu fagen?” wagte Frau Emmi jchüchtern einzuwenden.

Der Aſſeſſor wurde plöglich ſehr ernſt. „Stein- brecher,” begann er, „ilt ein gebildeter, feiner Mann, ebenjo wie. die anderen, die heute an unjerem Tifche figen werden, und verdient fich Durch anftrengende Geiſtesarbeit da3 Dreifache meines Gehaltes. Seiner Frau aber braucht er fich in feinem Geſellſchaftskreiſe zu fchämen. Darum Tomm, fonft bricht auch dieſer legte Rettungsanter.”

So ftieg man denn eine Treppe tiefer. Es ging bejjer, als man erwartete. DBereitwilligit jagte da3 jo viel ältere Ehepaar zu, welches ihren etwas be: fangenen Bejuchern mit dem berzlichiten Entgegen- fommen über das Beinliche der Lage hinmweghalf.

182 Die Tifchordnung.

ELF TEL FEN TEST FELL TOLL TEL TEL TECH EL EL TELLER FELL TH, Oben wieder angelommen, griff der Aſſeſſor aber ſchleunigſt nach feinem Hute, um fich nach fo viel Auf- regung noch ſchnell, ehe feine Hausherrnpflichten be: gannen, im nahen Spatenbräu mit einem Glafe Echten zu ſtärken.

Um acht Uhr ftrahlien die Zimmer des Ehe: paar3 Martin im feenhaften Lichterglanze, und der Kochinchinahahn hatte kaum die bedeutungsvolle Stunde ausgerufen, als der LZohndiener auch ſchon die Türen vor Herin und Frau GSteinbrecher öffnete. Noch ehe man aber zum Sigen gekommen war, läutete es zum zweiten Wale, worauf der dienende Geift an Frau Emmi, die leichenblaß wurde, ein zierliche3, duftendes Billett überreichte, das, nach den Parfüm zu fchließen, nur von UOberregierungsrat3 fommen Tonnte.

„Berehrter Herr Kollege!” fchrieb der Oberregie⸗ rungsrat. „Meine Frau hat in letter Stunde wieder ihre Migräne befommen. Um Ihnen Ihre Tifchordnung nicht umzumerjen, bleibe auch ich zu Haufe, jchide Ihnen aber Doch wenigſtens unſere Agathe, welche Fräulein Lademann unter ihre ſchützenden Fittiche nehmen wird.“

„Nun ſchlägt es wieder dreizehn,“ ſtöhnte der Aſſeſſor, ſich an eine Ebenholzſäule anlehnend, daß die darauf poſtierte Büſte beinahe heruntergeſtürzt wäre.

„Ja, jetzt ſind wir wieder dreizehn!“ kam es faſt tonlos von Frau Emmis Lippen.

„Alle Mühe umſonſt!“ knurrte der Aſſeſſor weiter. „Das nächſte Mal laſſe ich meine Gäſte beim Tee aus— knobeln, wie ſie ſitzen ſollen. Was nun?“

„Nur gemach,“ ergriff Herr Steinbrecher das Wort. „Nichts einfacher als das; laſſen Sie mich nur machen, denn ich habe ein unfehlbares Rezept für ſolche Fälle.“

„sa, und tauſendmal ja,“ erwiderten wie aus

Rumoreske von Rudolf Curtiue. 188 TEL KRL FEHLT L TEE. α TEE TEL TEL TECH SEAL TEL TEN TREAL TEL TEILTE einem Munde die Gaftgeber, „Sie haben Generalvoll- macht.“

Steinbrecher öffnete die Tür zum anftoßenden Speijezimmer, in welches ihm das Martinjche Ehepaar, neugierig auf fein Tun, folgte. Dort fammelte er alle von Frau Emmi3 Hand fchön gefchriebenen Tijchlarten ein, riß fie mitten durch und ließ fie in der Taſche feines Fradfchoßes verfchwinden.

„Um Gottes willen, was tun Sie denn?” jammerte der Aſſeſſor in verzweifelten Tönen.

Aber weitere Erörterungen murden durch die An- kunft neuer Gäſte abgejchnitten, durch deren Empfang der Afleffor und feine Gattin völlig in Anfpruch genommen wurden. Er wurde fich feiner ſchwierigen Lage auch erft wieder bewußt, al3 der Xohndiener meldete, daß ans gerichtet jei.

Suchenden Blicks jchaute er fich nach Herrn Stein» brecher um, der al3 getreuer Mentor auch fehon Hinter ihm ftand und ihm zuflüfterte: „Nun fordern Sie die Herren ganz einfach auf, die Damen zu Tijche zu führen.

Mechanifch befolgte der Aſſeſſor die Weifung, denn Zögern war ausgejchlojjen und nutzlos. Wie man ge- trade im Geſpräch war, bildeten fich die Baare.. Man ſah zwar manches erjtaunte Geficht, um jo mehr als man auch an der Tafel feine Plätze belegt fand. Das war ja gegen alles Herlommen! Aber in der nächiten Minute jaß man.

Als der Aſſeſſor dann, während der erite Gang herumgereicht wurde, jeine Leidensgefchichte mit der Zifehordnung erzählte, löſte fich die Verwunderung in allgemeine Heiterkeit. Man behauptete noch lange nachher, jich jelten fo gut unterhalten au haben mie bei Martins.

Va

Das Lebendigbegrabenwerden bei den Vogis.

Indifhe Skizze von Dr. T. Witry.

mit 5 Illuftrationen. 2, (Nachdruck verboten.) chon im Anfange des 19. Jahrhunderts gelangten

Erzählungen nach Europa, nach welchen fäljchlich Falire genannte Angehörige der indijchen Astetenjelte der Yogis das Vermögen bejigen jollten, jich in einen dem Winterjchlafe gewiſſer Tiere ähnlichen Zuftand zu verfegen und in diefem längere Zeit, jelbjt monatelang in abgefchloffenen Räumen, jogar unter der Erde, zu vermeilen, ohne das Leben einzubüßen. Es iſt begreif: lich, daß fpeziell das Lebendigbegrabenwerden der Yogis lebhaftes Intereſſe erregte.

Die genauere Kenntnis diejer Zuftände verdanten wir dem Deutjchen H. Walter, dem Franzojen Blois und dem Oxforder Profejjor Mar Müller, der übrigens auch ein Deutjcher war.

Zwijchen Fakiren und Yogis bejteht ein tiefgehender Unterfchied. Die Falire find mohammedanijche Bettel- mönche, Derwiſche, während der Yogi immer ein Hindu it und der Religion des Brahmanismus angehört.

Von Dr. T. Witry. 185 TEL TOLL FOR TORE TER SEELE TEL HL TER TEE TEL EL EL TEL TUE TEL EHEN

Der Lebenszweck der Yogis ift die Vereinigung (Yoga) mit der Weltfeele, dem Brahman. Um bieje zu erreichen, üben fie fich nach den Vorfchriften des Yogaſyſtems entweder in philofophifchen und religiöfen Betrachtungen und Verſenkungen, oder auf der niederen Stufe in Faften, Kafteiungen und allen möglichen Arten von Lörperlichen Torturen, und viele gelangen nach und nad) dahin, das Atembedürfnis und die anderen Lebensfunktionen auf ein Minimum zu ber ſchränken.

Die Ausüber der Yoga leben abſeits von der großen Menge und haben meift einen oder mehrere Schüler um fich, denen fie ihre Geheimnifje mitteilen. Manche genießen beim Volke den Auf von Heiligen.

So hat uns Mar Müller da3 Leben des Yogi Rama: kriſchna bejchrieben. Diefer Mann hatte Teine höhere Bildung genofjen und konnte faum einige Worte Sans- frit. Er lebte im Schatten der Palmen und Bananen eine heiligen Haines und war faft bejtändig in El» itafe. Aber in diefer nervöſen Kriſe unterhielt ex fich immer mit den zahlreichen Befuchern, welche aus allen Zeilen Bengalen? zu ihm ftrömten. Seine Worte waren ſanft, und er weinte viel. Mar Müller bat jeine Lehren gejammelt. Es ift eine lange Folge myjftifcher Ergüffe und Parabeln. Außer feinem Gotte verehrte dieſer Yogi auch jene der anderen Völker. Er zitierte voM Verehrung die Sprüche der Bibel, die Bere des Korans. Er ftarb im Alter von fechzig Jahren. Um fich volljtändig der Askeſe widmen au fönnen, hatte er feine Frau verlajfen. Später 308 diefe jedoch in feine Nähe und forgte für feine täg- lichen Lebensbedürfniffe. Er nannte fie dafür Mutter. Seine Schüler behaupten, er jei im „Samadhi”, in diefer erwähnten Art Ekſtaſe, verklärt geweſen und babe fich

186 Das Lebendigbegrabenwerden bei den Vogis. SL CT STELL SELL FRE FL SEAL SELL FIR FELL EREL SSL TCTHL CK L SCH TEL TEL IF dabei einige Fuß über dem Boden INORnEUS in der Luft erhalten.

Sein Schüler Bivelanandha, welcher erſt vor kurzem ftarb, hat in Nordamerika jährliche Vortragsreifen aus: geführt und dort auch über die Törperlich-religiüfen Übungen der Yogaſchule gejprochen.

—— BR

Doppelzelle von Vogis.

Die höchite und legte Vereinigung mit dem Brab: man gejchieht im jogenannten Tiefjchlaf, einer Art Scheintod, der eintritt, indem man den Lebensprozeß auf das äußerſte verlangſamt. Die Nerven ſollen in völlige Gefühlloſigkeit geraten, der ganze innere Menſch ſoll in eine ſo große Ruhe kommen, daß die Beſchau— lichkeit durch keinerlei von außen kommende Eindrücke geſtört wird. Darum lebt der Nogi allein oder auch zu zweien in einer unterirdifchen Zelle, der gupha.

Von Dr. T. Witry. - 187 Diejelbe ift flein, hat nur eine niedrige Tür und liegt in einer Gegend, wo wenig Verkehr ift. Sie tft von einer Mauer umgeben. Der Yogi hat nur die aller notwendigften Geräte des täglichen Lebens. Als Stab dient ihm ein eiferner Dreizad, um den er gerne die Lieblingsblume der Götter, den Jasmin, windet. ALS Teppih für feine 4 Betrachtungen Hat er gern ein Tiger: fell, weil diejes ihn

elektriſch ifoliert.

Sein Bett beſteht aus Gras, Blättern und Wolle. Fleiſch und Alfohol genießt er nie; Milch, Reis, Butter und Honig find feine Haupt» nahrungsmittel.

Um die höchſte Stufe des Myſtizis— mus, die Ekſtaſe, zu erreichen, untermwirft ex fich nun jahrelang einem Syftem erprob: ter gymnaftifcher Übungen, die alle darauf hinaus: laufen, den Stoffverbrauch des Körper3 auf ein Mi- nimum herabzufegen. Diefe Übungen heißen „Ajanas”.

Es gibt deren 32. So müffen zum Beifpiel Arme und Beine in die ſchwierigſten Pofitionen gebracht wer: den. Wer das „Padmaſana“ fertig bringen will, muß den vechten Fuß auf den linken Oberſchenkel und den linken Fuß auf den rechten Oberſchenkel legen; dann kreuzt er beide Hände auf dem Rücken und erfaßt die Zehen

Vogi in Aſanaſtellung. J.

188 Das Debendigbegrabenwerden bei den Vogis. STEH TFT TEEN SELL SELL SELL SELL TEL STELL TEL TEEN TEL SEAL SELL SELL TEL TEA TE - der gelveuzten Füße. Nun ftüßt er das Kinn auf die Bruft und firiert mit den Bliden die Nafenjpige. Bis zu welcher alrobatenhaften Verrenkung der Körper: ſtellung dieſe Übungen führen, zeigen die Ajanaftel- lungen unferer Abbildungen, auf denen die Beine - nach Hinten und oben, feit am Rüden liegend, übereinans ‚der gejchlagen find, und der Vogi troß- dem volle Bewe— gungsfreiheit der Arme und des Kopfes

beibehält.

Angenehm find dieje heiligen Stel: lungen ficherlich

nicht, aber die ſchwerſte Übung ift die Beherrjchung des Atems, das „Pra—⸗

nayanıa“.

Zu diefem Zwecke Yogi in Afanaftellung. II. gie e > n Zungenbändchen, alle acht Tage einen. Nach jedem Einfchnitte „melkt“ ex feine Zunge, daS heißt er zieht fie fo weit al3 möglich heraus, um fie zu ver: längern, er faftet dabei in immer fteigendem Maße und übt fich darin, die Atmung mehr und mehr zu verringern und faft ganz aufzuheben. Iſt die Zunge lang genug, fo beginnt er mit den Übungen, fie zu „verſchlucken“, jo daß fie die Luftröhre jchließt. Iſt er fo weit gelangt, daß er dadurch die Atmung zum

‚».

Von Dr. T. Witry. 189 SELTFTELTFELNTFTELECTEL STEEL STE TEE FELL STEEL TEL TR FELL FU CA RL, Stilftand bringen Tann, dann faftet er zwei Tage völlig, füllt Magen und Därme mit Luft, fest fich in die heilige Stellung, atmet tief und füllt auch die Zunge mit Luft. Dann fchließt er die Kehle mit der zurüd- gelegten Zunge, atmet nicht mehr und ift nun bereit zum Yoga⸗ oder Ziefichlaf, zum hyſte— riſchen Scheintod. In dieſem Zuſtandekann er lebendig begraben werden.

Dies ſcheint feſt— zuſtehen, denn ob— wohl die Leichtgläu⸗ bigkeit, die Einbil— dungskraft und auch die Hinterliſt der Hindus groß ſind, ſo kann man doch wohl jene Fälle des Le— bendigbegrabenwer⸗ dens als wahr an— nehmen, welche in den letzten 25 Jah— ren in Gegenwart Afanaftellung der Meditation. und unter Kontrolle von Europäern ftattgefunden haben. Wir fennen drei derartige authentifche Fälle. Ä

Der erſte kam in Kalkutta vor. Der Militärarzt Doltor Paul Nobin-Chander war Zeuge davon. Der zweite wurde in Lahore im PBandfchab beobachtet und von Doktor Mac Gregor befchrieben. Der dritte fpielte in Dſchaiſalmir in Radſchputana. Der Leutnant U. H. Boileau fehildert ihn ung.

190 Das Lebendigbegrabenwerden bei den Vogis. SRIELLDEBGE! SCHLLL VEGEL TER! 2 TROLL TORE VRELLL TEL TEHELL SEI TEE THE ERELL TEE TEL TEL TE,

Ich will auf die zwei legten Fälle, welche typijch find, näher eingehen.

Der eine der Vogis kam durch Labore und ließ verfünden, er werde fich in einer Kiſte auf eine gewiſſe Zeit in die Erde vergraben laffen. Der Mabaradicha Randſchit befchloß, den Mann auf die Probe zu Stellen. Der Yogi wurde alfo in eine hölzerne Kiſte gelegt, melche eine Doppeltür hatte, die mit Riegel und Schloß verſchloſſen war. Dieje Art Sarg wurde nun im Bar: ‚terre eines Haufes, da3 freijtehend in einem Garten lag, eingegraben. Die Tür des Haufes wurde ebenfalls verſchloſſen. Der Garten felber mar von einer hohen Mauer umgeben, und das Tor darin war vermanert worden. Um zu verhindern, daß irgend jemand fih nähern könne, waren Schildwachen um die Mauer herum aufgeftellt, welche regelmäßig abgeldjt wurden.

Diefe feharfe Überwachung dauerte 40 Tage und 40 Nächte. Nachdem diefer durch den Vogi jelbit feſt— gejegte Termin verjtrichen mar, wurde der Eingegrabene in Gegenwart des Maharadfcha, defjen Enkels, einiger Sirdars, darunter General Ventura, des Kapitäns Warole und des Doktor Mac Gregor ausgegraben. Man legte eine Brefche in die Mauer, öffnete Die Haustür und legte die Kifte bloß. Der Yogi wurde in dem weißen Zuche gefunden, worin er begraben worden war. Die Hände und die Arme waren feit an die Seiten angepreßt, und die Beine gefreuzt. Man goß ihm zuerft warmes Wafjer über das Haupt, dann zog man die Machspfropfen aus feiner Nafe, die er fich felbft vorher eingelegt hatte. Sogleich atmete der Mann tief; man öffnete ihm den Mund. Die Zunge lag feit am Gaumen; fie murde losgeldjt und mit Effenzen eingerieben. Desgleichen die Lippen. Während dDiefer ganzen Zeit fühlte Doktor Mac Gregor Teinen

Von Dr. T. Witry. 191 SEAL TEL TFT TEN SCHE FELL TREL TEE TG Pulsichlag, obgleich die Temperatur des Körpers weit über der normalen war. Die Beine und Arme wurden losgelöft und in normale Stellung gebracht, die Lider

- Der lebendig begraben gemefene Raridas

wurden emporgehoben und gerieben. Die Augen felber hatten einen trüben, verfchleierten Blick gleich dem eines Toten. |

Nach und nach jedoch kam Leben in den Mann.

192 Das Liebendigbegrabenwerden bei den Vogie. EL TOULL SEHE! TOLL TCHLL TEIL TOLL TELE TEHE TER TEL TR TEL TEL TEL EL EHE TLLL, Der Puls wurde wahrnehmbar, und die Temperatur des Körpers fant. Der Ermachende konnte anfangs nur einige Worte hervorbringen, die ſchwach verftänd- lich waren und mit großer Anftrengung von den Lippen geformt wurden. Aber bald erholte er fich völlig. Er erhielt von denn Maharadſcha eine goldene Kette, feidene Tücher und Goldbehänge und eine große Summe Geldes.

Er hieß Haridas. Viele hochgeftellte englifche Damen intereffierten fich für ihn und priefen ihn der Welt als das Mufter eines Heiligen. Aber er enttäufchte die ——— Weſen ſchwer. Nachdem er durch die Freigebig— I feit des Maharadſcha ein nach feinen Begriffen mohl- babender Mann geworden mar, verfchmand er eines Tages mit einer hübfchen Hindufrau und ging mit ihr ins Himalayagebirge. |

Auch der in Dichaifalmir eingegrabene Yogi gibt den Phyfiologen und Piychologen zu denten. Er war ein Mann von 35 Jahren, der ftändig herummanbderte und fich für große Summen begraben ließ. Als ihn der Leutnant Boileau beobachtete, hatte ihn der dortige Radſcha kommen Yaffen, um durch ihn einen Thron- erben zu erbitten. Man grub den Yogi in einem Kleinen Gebäude ein, das 10 Fuß zu 8 Fuß groß war. In den Boden war ein Zoch gemacht, das nur 3 Fuß zu 2 Fuß maß und nur 1 Meter tief war. Dort hinein hodte fich der Yogi, eingenäht in ein LZeichentuch, die Fußfohlen am Magen anliegend und die Hände auf der Bruft gekreuzt. Zwei ſchwere Bohlen, die 6 Zuß lang und mehrere Zoll did waren, verjchlojjen da8 Grab. Die Zwifchenräume wurden mit Gips verftrichen. Pie Tür des Gebäudes wurde vermauert, und Wächter wurden rundherum aufgeftellt.

Nach einem Monate öffnete man das Grab. Ber Yogi war bewußtlos, die Augen waren gefchloffen, die

Von Dr. T. Witry. 198 SCHULTE TEL RL TEL EL TEL TEREEL TREE TEL TEA EEE TEN SEN STILL TEL TUN TE Hände jteif, die Magengegend eingefallen, und Die Zähne waren dermaßen feft aufeinandergepreßt, daß man fie mit einem eifernen Inſtrumente öffnen mußte, um dem Manne etwas Waffer einflößen zu können. Er blieb auch ſehr ſchwach, al3 er zu ich gelommen war, und mußte von zwei Männern geftügt merden.

W. Dsborne erzählt noch außerordentlichere Einzel: heiten von einem Vogi aus dem Jahre 1840. Man entkleidete den Yogi gänzlich und hüllte ihn in ein Tuch ein. AlS er in Lethargie verfallen mar, fiegelte man das Tuch mit dem Giegel des Radjcha rundum zu und legte den Mann dann in eine Holztifte, die ebenfall3 augejiegelt wurde. Diejen Sarg hing man in einem unterirdifchen Gemölbe auf, daS mit Erde zu: gejchüttet und in welche Gerſte gefät wurde. Im Beit- raume von ſechs Monaten ließ der Radſcha aus Vor—⸗ fiht den Yogi mehrere Male bloßlegen. Man fand ihn immer in derfelben Stellung.

Endlidh, nach zehn Monaten, wurde ex definitiv ausgegraben. Der Kopf war warın, der übrige Reſt de3 Körpers kalt, aber ſonſt ohne Veränderungen.

Dsborne fügt hinzu, daß die Engländer den Ver— ſuch unter noch jtrengeren Vorfichtsmaßregeln wieder— holen wollten. Man verfprach dem Manne 1500 Rupien und eine Jahresrente von 200 Pfund Sterling, wenn er unter verriegelten Türen und unter der Bewachung englifcher Soldaten den Verſuch wiederhole. Aber er verlangte, daß auch feinen Glaubensgenoſſen ein zweiter Schlüſſel zum Grabe eingehändigt werde, und daß nur Indier die Wache beziehen follten. Er fürchte, ſagte er, daß die englifche Regierung feinen lethargijchen Schlaf dazu benüße, um ihn fterben zu lafjen. So fand der Verſuch nicht ftatt.

Wie beitehen nun dieſe außerordentlichen Leiltungen 1905. VII. 13

194 Das Lebendigbegrabenwerden bei den Vogis. SIEAL TEL TEL TEE SELL EN EN SELL STELL STELL SCHALE , vor der Kritit de3 unbefangenen Zujchaners und des Gelehrten?

Jules Bois, welcher diefe Phänomene eingehend in Indien ftudierte, fehreibt darüber: „ch ftehe diefen Erjeheinungen mit einem, übrigens ſympathiſchen, Mißs frauen gegenüber. Pie Guphas, welche ich befuchte und worin der Yogaſchlaf geübt wird, Laffen der äußeren Luft immer Zutritt. GSelbft wenn man annimmt, daß fie völlig verfchlofjen waren, blieb für den Yogi, welcher nicht mehr zu atmen fchien, aber dennoch ſchwach und in langen Intervallen atmete, ein für ihn genügender Kubilinhalt Luft. Dann muß man berüdjichtigen, daß da3 Haus und der Garten, worin der Jogi vergraben ift, zwar jcharf überwacht wird, nicht aber der Raum ſelbſt, worin er liegt. Nun aber übertreffen die Ge: fchmeidigfeit und Rift der Aſiaten alles Denkbare. Warım läßt fich denn folch ein Mogi nicht einfach in einen Ölasjarg einjchließen, welcher in einem der großen chemifchen Laboratorien von Lahore aufgeftellt werden tönnte? Dort würden ihn englifche Gelehrte ruhig, fühl und vorurteilslos überwachen.”

Bois hält es für möglich, daß der Yogi etwas Nab- rung mit in fein Grab nehmen faun; daß er, dank der Gefchmeidigfeit, welche er durch die gymnaſtiſchen Übungen der „Aſana“ erlangt hat, feine Stellung ver: andern kann; ferner, daß ex felbjt oder feine Glaubens: genofjen auf irgend eine Art für genügende Zufuhr frischer Luft jorgen.

Andere Beobachter halten die Sache fir möglich, und e3 muß zugegeben werden, daß wir ein Analogon für den Vogafchlaf im Winterfchlaf mancher Tiere haben. Auch in Europa gibt es überdies Fälle von jchweren byfterifchen Zuftänden, bei denen Das Leben jahrelang bei äußerft geringer Nahrungsaufnahme .er:

Von Dr. T. Witry. | 195 SIE CHLLTSEHTTLLLTTEL SEEN STAHL TILL KL TEL TEN, balten bleibt. Endlich liefert uns die Gefchichte der Anachoreten und der Heiligen und die Annalen unjerer Sgerenanftalten Beweiſe dafür, daß Menjchen wochen: lang mit den minimaljten Mengen Nahrung und Waſſer leben können.

In den Bereich der Unmöglichkeit gehören dem: nach diefe Phänomene nicht. Syahrelanger Schlaf wird auch bei uns nicht fo felten von den Arzten beobachtet. Und jo fönnen mir denn auch einem Nervenarzte, Dot: tor Löwenfeld, das Schlußwort laffen. Er zitiert den Sanskrittext über die Ekſtaſe: „Von allen Zuftänden befreit, von allen Gedanken verlaffen, iſt nun der Jogi gleich einem Toten, aber erlöftl. Der Yogi, der Sa— madhi erreicht hat, wird vom Tode nicht verzehrt, vom Karma nicht gequält und von feinen anderen erreicht. Der Yogi, der Samadhi erreicht hat, fennt weder Ge: ruch, noch Gefchmad, noch Farbe, noch Taftgefühl, noch Laut, noch fich jelbft, noch einen anderen. Sein Geift Ihläft nicht, auch wacht er nicht, ift von Erinnerung und Vergeſſen befreit; er geht nicht zu Grunde, auch entjteht er nicht. Wer Samadhi erreicht hat, der ift erlöft. Der kennt weder Kälte noch) Wärme, meder Glüd noch. Unglüd, weder Ehre noch Berachtung. Wer gefund und im wachen Zujtande gleich einem Schlafenden verweilt und weder aus- noch einatmet, der iſt jicher erlöft; der Yogi, der Samadhi erreicht hat, ift unverleglich für alle Waffen, von Sterblichen nicht zu übermwältigen, unangreifbar für Zauberei.“

Mit diefen Worten wird ein Zuftand gefchildert, der an manche Zuftände Hyfterifcher Lethargie erinnert, in welchem die ftärkjten äußeren Neize feine Reaktion hervorrufen und die Zirkulationg- und NRefpirations- tätigkeit auf ein Minimum berabgefegt ift hyſteriſcher Scheintod.

195 Das bLebendigbegrabenmwerden bei den Vogis. TEL EWIGE TEIL RE TEL TERLLL TEL TEL SEHE TEE REEL TUEEL TEHEL TRELN TEL TEL TEL TEL,

Bei näherer Betrachtung des gejamten von den Yogis zur Erzielung des Yogaſchlafes gebrauchten Vers fahrens läßt fich nicht verfennen, daß diefelben zum Zeil Mittel anwenden, ähnlich denen, die wir gegen mwärtig zur Einleitung der Hypnofe benügen. Die ſyſtematiſche Ablentung der Aufmerkſamkeit von der Außenwelt, welche durch Ruhe der Umgebung begünftigt wird, das anhaltende Verweilen in bejtimmten Gtel- lungen, die Firation, die zum Teil allein, zum Teil in Verbindung mit anderen Übungen gebraucht und offenbar als eine ſehr gemichtige und deshalb geheim zu haltende Prozedur betrachtet wird, das Horchen auf Geräufche im Innern des Körpers u. f. w. alle dieje Maßnahmen müſſen al3 zum Teil die Hypnoje vorbereitende, zum Zeil die Hypnoſe hervorbringende Einwirkungen betrachtet werden.

Die Kunft der Atmungshbemmung wird wahrjchein- lich nicht durch Übung allein, fondern auch durch Antofuggeftion in der Hypnoje erreicht, und durch diefes Phänomen und feine Folgen erfuhr erſt die Autohypnoje die Ummandlung in jenen feheintodartigen Zuftand, der in der jüngeren Periode der Sanskrit— literatur gejchildert ift.

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Im Bannkreis von Geroldseck.

Bilder aus Kufſtein und ſeiner Umgebung. Von Rerm. Giersberg.

Dit 7 Illuftrationen. (Nachdruck verboten.)

Meifenden, den das Dampfroß zum eriten Male von München ber durch das liebliche Inntal den Tiroler Bergen zuführt, wartet gar manche anmutige Überrajchung. Reines der zahlreichen fchönen Landſchafts— bilder auf dieſer Strede aber dürfte einen fo tiefen und nachhaltigen Eindruck auf ihn hervorbringen al3 der Anbli der plößlich auf jchroffer Felſenhöhe vor ihm auffteigenden alten Feſte von Kufjtein. Während die Bahn bis dahin zwijchen den dicht an den Fluß herantretenden Bergen dahingefahren ift, öffnet fich hier, an der Grenze zwifchen Bayern und Tirol, un: erwartet ein weites Amphitheater, deſſen Umrahmung gewaltige, bimmelanjtrebende Bergftöde bilden und deſſen Inneres wie ein prächtiger, farbenbunter Teppich erjcheint.

Nirgends in feinem ganzen Laufe hat der muntere Inn eine jo reizvolle Uferjzenerie aufzuweiſen wie hier, und es ift zu bedauern, daß die große Mehrzahl

198 Im Bannkreis von Geroldsec.

SEA TEL TTELLTTEL TEE TEL TEE TEE TEL TEEN TEL FERN TER TTS FR TER TR TEL, der Reiſenden nicht länger in Kufjtein verweilt, als es für die umvermeidliche und zumeiſt recht unmill- kommene Zolltevifion erforderlich if. Ein Aufenthalt von mehreren Tagen würde ficherlich niemand gereuen. Denn wenn jchon das jreundliche Beraftädtchen jelbft eines Bejuches jehr wohl wert ift, jo bietet feine nähere und weitere Umgebung vollends des Anziehenden und Intereſſanten eine ſchier unerjchöpfliche Fülle.

Was dem Ankömmling zuerjt ins Auge fällt, ift natürlich die einft jo bedeutende Seftung, um die in manchen erbitterten Kampfe heiß und lange gerungen worden ift und die fich geraume Zeit hindurch jogar des Rufes der Uneinnehmbarleit erfreute. Don fteiler Feljenhöhe dräut fie ins Tal hinab, dem Laien auch heute noch gar ftattlic) und trugig erjcheinend. Hoc) über die troßigen Wälle ragt der mächtige Rundbau des Kaiſerturms mit feinem jeltfam geformten Dache empor. Er war einft der Bergfried der alten Feſtung Geroldseck, dann aber diente er viele Jahre als öſter— reichiſches Staatsgefängnis für politiſche Verbrecher. Von ihm aus genießt man einen wundervollen Rund— blick über die Stadt und das weite Tal mit ſeinen geſegneten Feldern und reichen Obſtkulturen, ſeinen ſtatt— lichen Bauerngehöften und überallhin verſtreuten zier— lichen Kirchlein und Kapellen.

Die Feſtungswerke find zumeiſt in daS harte Fels— gejtein gehauen, und der Umſtand, daß e3 nur einen einzigen Zugang hatte, trug in jenen entlegenen Beiten, wo die Belagerungstunft noch ſehr weit von ihrer jegigen Höhe entfernt war, gewiß nicht wenig dazu bei, Geroldseck zu einem Starken, fat unübermwindlichen Boll: wert zu machen.

Das Städtchen Kufſtein felbft mit feinen wenig mehr als viertaufend Einwohnern zieht fich anmutig

Von Rerm. Giersberg. 199 SELL BEL ERLL TEL STALTFTAL EEE STELL STELL STELL THE TEEL SELL FELL TEL TEL TIL TU unterhalb der Feſtung an beiden Ufern des Innfluſſes dahin. Es hat nur menige, allerdings meift breite und ſchöne Straßen, deren ftattliche Häufer mit ihren Giebeln und Erfern, ihren blumengefchmücten Fenjtern und freundlichen grünen Fenfterläden überaus wohnlich und anheimelnd wirken. Gleich wenn man vom Bahn: bofe aus über die Innbrücke die Stadt betritt, trifft

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Straße in Kufftein.

man aufden auf unjerem Bilde jichtbaren eijernen Bruns: nen, der mit jeinen edlen gotischen Formen eine hervor: tragende Fünftlerifche Zierde Kufſteins bildet. Auch an an- deren hübjchen Denkmälern der profanen Kunſt fehlt e3 nicht. So errichteten die dankbaren Einwohner ihrem ehemaligen Bürgermeijter Anton Kink, der fich hohe Ver: dienste um die jegtin fo großer Blüte ftehende Kufjteiner Zementinduſtrie erwarb, auf dem oberen Ctadtplaße ein jchönes Monument, und auf dem zu Füßen des Kal:

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202 Im Bannkreis von Geroldseck.

SEE TEIL TEE TEE FELL TECH FRE TECHN TEE TEL CR THE TEL TERN TEL TEL TEL FU varienberges liegenden Sriedhofe erhebt fich ein Dent- mal de3 berühmten Nationaldölonomen Friedrich Lift, der bier im Jahre 1846 aus dem Leben jchied.

An ſehenswerten Kirchenbauten bat Kufitein nicht weniger als drei aufzumeifen. Die Stadtpfarrkirche ift beſonders interejjant Durch die fie umgebenden alten Epitaphien und durch das auf dem Kirchplatze ftehende, im fahre 1898 errichtete Denkmal für den als Geel- forger und Wohltäter um Kufftein hochverdienten De- Hanten D. M. Hörfarter. Auch die benachbarte Drei: faltigkeitskirche, in deren jetziger Gruftlapelle einft die Waffen und Rüftungen der Feftungsbefagung verwahrt wurden, iſt reich an bemerlenswerten Grabjteinen. In der jchönen Krantenhausfirche zum Heiligen Geijt da- gegen wird die Aufmerkſamkeit des Befuchers zumeift durch Frestomalereien von bedeutendem Fünjtlerifchen Werte gefejjelt, welche die Baſilika ſchmücken.

Wer fich Zeit laßt, die halbvermitterten und vom Zahn der Zeit arg benagten Inſchriften auf den Gruft: platten der Kuffteiner Kirchen zu entziffern, der wird dabei anf manchen Namen ftoßen, der in der Gefchichte der Feſte Geroldsed einen bedeutfamen Platz einnimmt. Denn die trogigen Werke, die heute nur nod) den fried— lichen. Zmeden eines Kaſernements dienen, haben eine jehr bewegte, an friegerifchen Ereigniffen und ſchweren Nöten reiche Vergangenheit. Urkundlich zwar wird die Burg Geroldseck erft im Jahre 1205 genannt, aber ihre Entjtehung ift wohl um ein beträchtliches weiter zurück: zudatieren. Sie war einjt das Eigentum der berüchtig: ten Tiroler Erzfürftin Margarete Maultafch, der Ge- mablin Ludwigs des Brandenburgers, und in dem er- bitterten Streit um ihre Erbſchaft bildete fie einen jehr wertvollen und heiß begehrten Gegenftand des Kampfes.

Aus ihrer ſpäteren Gefchichte mag al3 eine be-

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Der Waſſerfall des Sparchen.

204 Im ®annkreis von Geroldseck.

SELL TEL PERL TEE TER TEELLE α, TERELE ELLE SEAL ELSE EHAE ELLE SEHE SCH L 5 ſonders interefjante Epifode hier die Belagerung der | Feltung durch Kaiſer Marimilian I. im Jahre 1504 erwähnt werden. Der tapfere Ritter Hans v. Pien- zenau verteidigte die Burg damals mit wahrem Löwen— mute gegen den an Zahl und Bewaffnung weit über: legenen Feind. Aber er vertraute der Feſtigkeit der Teljenmauern doch wohl mit allzu großer Zuverficht. Sonſt hätte er fich wahrjcheinlich gehütet, den. Zorn des Belagerers, deſſen Gejchoffe lange Zeit hindurch den Werken jo wenig anzuhaben vermochten, auch noch durch grimmigen Hohn zu reizen. Man erzählt, daß der Pienzenauer in feinem Übermut die leicht be: Shädigten Stellen der Mauer täglich vor den Augen der Feinde mit Bejen ablehren ließ und daß dies fpöt: tiiche Gebaren den Kaifer Max auf das äußerfte auf: brachte. Bon Innsbruck ber ließ er fich die beiden größten Gejchüge kommen, die zu jener Zeit überhaupt exiſtierten. Ihre gewaltigen Steinkugeln brachen denn auch wirklich den Widerftand der Verteidiger, und der allzu dreijte Pienzenauer erlitt mit fiebzehn feiner Leute auf Befehl des unverjöhnlichen Kaijers den Tod durch) Hentershand.

Seitdem ift Kufjtein noch wiederholt aus dem öſter— reichifchen in den bayrifchen und aus dem bayrijchen wieder in den öfterreichifchen Beſitz übergegangen. Schwere Heimfuchungen und PDrangfalierungen mußte e3 bis in die Zeit der Tiroler Feldzüge hinein erdulden, bis e3 im Jahre 1814 durch den Wiener Frieden end: gültig unter die Herrſchaft des habsburgiſchen Doppel- adlers fan.

Noch intereffanter als die Stadt ſelbſt ift, wie ſchon oben erwähnt, ihre nähere und weitere landjchaftliche Umgebung. Ein Kranz lieblich begrünter Vorberge leitet auf der einen Seite zu der hochragenden Gruppe

Die Teufelskanzel.

206 Im Bannkreis von Geroldseck.

SELL TSTIA TFT TEL TEL TEE CHE TEL FELL des Mendeliteins binüber, während ſich am anderen Ufer des Inn die gigantifchen, zadigen Wände des Wilden Kaifers erheben. Dem nad) Schmwierigteiten und Gefahren lüfternen Hochtouriſten ift überreiche Gelegen- heit geboten, von Kufſtein aus feiner PBaflion in einer Anzahl Iohnender Bergbejteigungen zu genügen.

Auch der einfache Spaziergänger von mittlerer Reiitungsfähigkeit aber, den es nicht nach dem NRuhme de3 Bergkrarlers verlangt, findet vollauf feine Rech- nung. Schon von dem bequem zu erfteigenden Ralvarien- berg unmittelbar bei der Stadt genießt er eine ent- züdende Ausficht über das meite Tal des unteren Inn bi3 zu den weißfchimmernd in der Ferne aufragenden - GStubaier Gletfchern. Als ein lohnender Ausflug ift auch ein Spaziergang durch das enge Weißachtal zu empfehlen. Denn bier befinden fich jene indus jtrielen Werke, aus denen der anerkannt befte hydraus liſche Kalk- und Bortlandzement hervorgeht, und die eine Duelle des Wohlſtandes für das heutige Kufitein bilden. P

An dem hübjchen Luftlurort Kienberg vorüber tritt dev Wanderer in die malerijche Kienbergklamm ein. Leichte Holzitege führen an den fchroff aufs fteigenden Selsmwänden dahin. Drunten aber raufchen und braufen die wilden Gebirgswaſſer, deren weißer Sifcht hie und da bis zu dem Spaziergänger berauf- . jprißt. |

Weiter, aber auch viel lohnender ift der Ausflug ins Raifertal, defjen Hammartigen Eingang man in einer halben Stunde bei der Mühle und dem Hammer- wert Sparchen erreicht. Dort bildet in romantijcher Felfenumgebung der Sparchenbach einen hübfchen Wafferfal. Dann beginnt das Steigen. Auf einer ſchmalen Holztreppe, die der Neuling nicht ohne ein

Von Rerm. Giersberg. 207 EINER FSLL SRH SCH (( Gefühl leifen Bangens pajlieren mag, gelangt man von bier an der ausfichtsreichen Neapelbant vorüber auf den Kaiſertalweg. Er bietet an landfchaftlicher Ro—

mantik alles, was die ausfchmeifendfte Touriftenphans tafjie jich wünjchen und erträumen mag.

Seinen Abſchluß bildet der mächtige Stod des Raijergebirges, von dem Marimilian Schmidt, der fein: finnige Renner der Tiroler Alpenmelt, mit vollen Rechte jagt: „Der Hochlaifer iſt in Wahrheit ein Fürſt unter den Bergen, der feinen Namen mit Ehren trägt. Bon.

203 Im Bannkreis von Geroldsec.

DELL TELELL TEIL TREE THE TORELL TOLL TERN FELL TREE SER TEL SL SER ILL FELL TN, welcher Seite man ihn aud) betrachtet, immer zeigt er ih vol erhabener Majeftät, ſtolz ragt fein fteinerner Gliederbau empor über alle die umliegenden Berge, jelbjt über die böchiten, die wie treue Vaſallen fich an ihn fchmiegen. Sie alle find bis zum Scheitel mit fcehönen, waldesgrünem Mantel bedect, nur der Raijer hebt fein jtolzes Haupt unverhüllt in die Lüfte. Und wahrhaft Föniglich erjcheint er im Golde der Morgens fonne oder wenn ihn die Burpurglut des feheidenden Geſtirnes umleuchtet.”

Geitab vom Gaſthaus „Zum Beiten” im Raijertal gelangt man zu einer intereffanten Felsbildung, der „Teufekslanzel“, die wir unferen Leſern gleichfalls im Bilde vorführen. Einem von Gigantenhänden aus— geführten Riefenturme vergleichbar, ragt die einfame Klippe aus dem umgebenden Gebirge empor. Auf leiterartigen Stiegen, die indeſſen nur fcehmindelfreien Perſonen zu empfehlen find, gelangt man zu ihrer Höhe hinauf, um von dort einen herrlichen Blick tief in das bayrijche Land hinein’ zu genießen.

Ein anderer Spaziergang von Kufftein führt das Inntal abwärts zu der hart au der Grenze zwi— jhen Bayern und Tirol gelegenen, in zierlichen goti- chen Formen errichteten König Otto» Kapelle. Gie wurde an der Stelle erbaut, wo am 6. Dezember 1832 der mit kaum fiebzehn Jahren zum König der Griechen erwählte Wittelsbacher Prinz Otto den legten Abjchied von feinem Heimatlande nahm. Picht dabei Liegt das Wirtshaus „Zur Klauſe“ mit feinem terraffen- artig angelegten Garten und feiner weinumrankten Veranda, auf der ſich's gar behaglich zechen oder träumen läßt. Wunderjchön ift von hier der Blid auf den Wilden Kaifer und auf die Feftung Geroldsed. Keiner aber follte verfäumen, dem über der Klauſe aufiteigens

Von Rerm. Giersberg. 209 den Tierberg mit den Neften feiner ehedem jo jtolzen Burg und feiner alten Kapelle einen Besuch abzuftatten. Da oben gibt es auch einen Ausfichtsturm, von dem aus das jchöne Rundbild fich noch um ein beträchtliches erweitert. Sein Hüter iſt einalter | = ce, Einjiedler, der zu: gleich den Dienjt eines Mesners bei der Kapelle, in der allmöchentlich einmal Gottes: dient gehalten wird, zu verjehen bat.

Dur) präch- tigen, ſchattigen Wald jteigt der

Spaziergänger zum dunkelgrünen Hechtjee hinunter. Eine Kahnfahrt auf dem ftillen, klaren Bergwaſſer bat ihre ganz be— fonderen Reize jchon um der teils lieblichen, teils wild grotesten Umrahmung der Ufer willen. Die Baden: wand des Raijergebirges präjentiert fich von hier aus in ihrer ganzen, imponierenden Schönheit. Auch der GEgeljee, der PBirillenfee und der Längjee, die im Ge— biete des Tierberges liegen, find wohl eines Bejuches

wert. 1905. VII. 14

Die König Otto-Kapelle.

210 Im Bannkreis von Geroldseck. SAL TEL TEL TEE TEL TER TEHLLL DELL! TEE TEL TEHELL TER THE FALL EEE EL TEL TEL Y

Andere hervorragend jchöne Punkte in der Ums gebung von Kufftein, wie die Wallfahrtskapelle Bärn- ftatt, das Söllandertal mit den Ortſchaften Elmau, Scheffau und Söll, das Durertal und der Hof AYufing, der ehemalige Sommerfig der Margarete Maultafch, erfordern um ihrer größeren Entfernung willen fchon einen bedeutenderen Zeitaufwand; aber der Reijende, der fich diefen Aufwand gejtattet, wird ficherlich feine Urjache haben, feinen Entfchluß zu bereuen. Man kann die Eigenart der Landfchaftsbilder, die fich ihm in ftetem Wechjel darbieten, nicht beffer charakterifieren, al3 e3 der ſchon oben zitierte Maximilian Schmidt tut, wenn er jagt:

„Iſt auch Fels und Wald vorherrfchend in diefer großartigen Gegend und fühlen wir mehr al3 einmal unjer Herz beklommen von der übermwältigenden All- gemalt der Natur, die uns fo Hein und machtlos, fo als ein Nichts erjcheinen läßt, jo ift doch auch der lieb- lichen Idylle mancher Spielraum gelaffen. Wunders ſchöne, jtattlide Bauernhöfe mit blumengefchmücdten, zierlich gefchnigten Zaubengängen und ſchlanken Gloden- türmehen liegen inmitten üppig grüner Wiejen oder unter dem Blättergemirr fruchtreicher Objtbaume. Und das Innere diejer Höfe entjpricht volllommen dem ein- ladenden Außeren. Helle freundliche Stuben mit blant:- gejcheuerten ZTifcehen und Böden, dem mächtigen Kachel- ofen und dem zierlich aufgepugten Altärchen in der Fenſterecke machen einen ungewöhnlich wohnlichen Ein; drud, und durd) die Kleinen Fenſter fällt der Blid auf die reichen Sruchtfelder, welche auf den janjt fich dem Inn zu abdachenden Hängen gelagert find. Überall auf den Höhen funfeln im Strahl der Sonne die vergoldeten Turmkreuze der Dorflicchen, wie der einfamen Wald: fapellen, und von den VBorfprüngen der Berge oder von

Von Rerm. Giersberg. 211 STEAÄFTEH TÜTE TEL FRE TEEN ifolierten Felſenkegeln ſprechen zu uns die Zeugen einer längjt entſchwundenen, vomantijcheren Zeit, altersgraue

——

Beim Einfiedler auf dem Tierberg.

Bogen, zerbrödelnde Ruinen. Es ift die Gejchichte Tirols, die fich uns in ihnen offenbart.

212 Im Bannkreis von Geroldseck. SAL TEHGLL TEE TEEEL TR FELL TEL SELL TEELLL TEL TEL TEL TEL TEL THALE EA TER Was bier unferem Blicke begegnet, fei ed nun eine Heine, lachende Idylle, zu üppigftem Genuffe ladend, jei e3 eine düfiere Wildnis, die Grauen erregt, immer ist das Bild verlodend und zum Befchauen ladend, und wie derjenige, welcher das Waſſer der Fontana Trevi gefojtet, Rom nimmermehr zu vergeffen vermag, fo empfindet auch jeder eine ewige Scehnfucht näch dieſer Gegend, dem e3 vergönnt war, die Wunder Ddiefer er- habenen Welt zu fchauen und dann auszuruhen in dem lieblichen und gaftlichen Städtchen Kufftein.”

(Dannigfaltiges.

OD

(Nachdruck verboten.)

Auf dem Blockadebrecher. Ein furchtbarer Schneejturm peitjcht in der falten Novembernacht die Fluten des Gelben Meeres. » Hochauf jchleudern die erregten Wogen einen Heinen, jcharfgebauten Dampfer, um ihn im nächiten Moment in die Tiefe des Wellentales verfinten zu lajjen. Doch tapfer kämpft die Jacht vorwärt3, immer vorwärts geht ihr Lauf. Es iſt erjt acht Uhr, aber längſt herrſcht tiefe Finjternis. Im runden Kommandohäuschen der „Lady“ jtehen zwei Männer, der eine die Hand an der Dampf: jtenerung, der zweite in daS Studium der Karte der von den Kapanern belagerten Fejtung Port Arthur vertieft. Außer dem abgedämpften eleftrifchen Licht über ihm ijt Feinerlei Beleuchtung zu erbliden, denn die Jacht fährt ohne die vorihriftsmäßigen Lichter.

Man Sieht es ihrer Bauart an, daß fie für befondere Zwede bejtimmt ijt. Schmal und lang gebaut, mit zurüc- gejtellten Majten, eilt jie wie ein Nennpferd Durch den Sturm dahin, eine Sturzfee nach der anderen überwindend. Wie Statuen jtehen die beiden Ausgudmänner vorn am Bug. Der Sturm treibt ihnen die feinen, ſcharſen Eis— flimmer wie Nadeln ins Geficht, der Schnee umhüllt die ehernen Gejtalten mit einer enganliegenden Krujte; doch unerjchütterlich fuchen fie mit den Nachtgläjern die jtock finjtere Nacht zu durchdringen.

214 Ä Mannigfaltiges. SEE TEL TEEN TILL TEREL FELL TEL TEL TERN FELL TEL TR SEHEN EL FL FL TR FE,

„Zwei Strich recht3 voraus Land in Sicht!“ ruft jebt der eine zur Kommandobrüde empor.

Die beiden Männer im Häuschen werfen einen Blic auf die Karte. „Das iſt Hungliau.“

„Bir fahren jehr genau. Trotz des Sturmes nicht um vier Strih vom Kurs.“

„Am zehn Uhr können wir im Hafen fein, wenn uns die Japaner nicht abfangen.”

„Die „Lady“ mit ihren zweiunddreißig Knoten in der Stunde nimmt es fehon mit den Japanern auf. Nur den Zorpedobooten müjjen wir vom Leibe bleiben. Aber lieber fahre ich auf den Grund, als daß ich mich fangen laſſe. Wir müfjen eben alles wagen. Die Eingefchlojjenen haben unjere Ladung ſehr nötig, und fünfzig Prozent Reingewinn für ung ift auch feine Kleinigkeit.“

„Allerdings. Beträgt ungefähr achtzehntaufend Pfund Sterling.”

Die Zeit vergeht, der Sturm läßt etwas nad).

„gu dumm, Sohn! Jetzt, wo wir den Sturm zur Dedung brauchen könnten, ſchwindet er.“

„Läßt fich nicht8 machen. Aber jet Licht aus, fonjt fönnten wir bemerkt werden.”

Im nächjiten Moment herrfcht Finjternis über das ganze Ded der „Lady“.

Der Kapitän ruft nach dem Bootsmann.

„Bil, alle Leute auf Ded, zu den Mafchinen noch zwei Heizer!”

Die Bootsmannspfeife jchrillt über das Berded, und in wenigen Minuten ift die Mannjchaft auf ihrem Poſten, der weiteren Befehle harrend.

Weiter und weiter geht die Fahrt. Der Kapitän hat die Fenjter des Kommandohäuschens geöffnet, der eiskalte Wind benimmt den beiden fajt den Atem. Doch unbemweg- lich jtehen die beiden, der Kapitän John ©. die linfe Hand am Majchinentelegraphen, in der rechten ein Nachtfernrohr, neben fich feinen Bruder und Miteigentümer der „Lady“, William ©., am Dampfiteuer.

Mannigfaltiges. 215 EIG TEHLLL SELL! TEL SWL TROLL TERAL EHE SERLALTEHEL VRLLLDRHHL DELL DELL TEE DELL SELTENE

Längſt iſt die Inſel Hungliau verſchwunden, da hallt der Ruf des Ausguds: „Licht Nordoft zu Oft!“

Ein Ruck an der Kurbel, der Zeiger des Telegraphen zeigt auf: Langfam vorwärts! An jelben Augenblic ver: mindert der Mafchinift die Schnelligkeit. Aufmerkſam jehen die Brüder durch die Gläſer.

„E83 wird ein Erfagdampfer der Japaner fein; er hat anfcheinend Kurs von Tſchemulpo herauf.”

„Sa. Seht heißt's Vorſicht. William, laß ihn nicht aus den Augen!”

Das Licht wird größer und größer und hält fchließlich, nur um einige Knoten von der „Lady“ entfernt, mit ihr gleichen Kurs.

„Bob!“

„Hier.“

„Hinauf in den Maſt!“

Mit affenartiger Geſchwindigkeit vollzieht der Matrofe den Befehl. Der Kapitän tritt zum Sprachrohr.

„Iſt genug Dampf für höchſte Dampfkraft?“

„Yes!“ tönt es aus dem Mafchinenraum zurüd.

„But! Feuer verdeden!”*)

Viertelftunde um Biertelftunde verrinnt, der Japaner verfolgt rubig feinen Kurs, ohne anjcheinend die „Lady“ zu bemerfen.

Da hallt der Ruf vom Majt herunter: „Kriegsichiff links voraus!“

„Mit Lichtern?”

„sa!“

„sohn, der Sapaner rechts nähert fich,“ meldet im gleichen Augenblid Rilliam.

Blisfchnell Öffnet Kohn eine Blendlaterne und wirft einen Blick auf die Karte. Ein Moment genügt ihm zur Drientierung, denn er fennt dag Gelbe Meer, wie feine Rajüte.

*) ‚„Feuer verdeden” gejchieht, um ſich nicht Durch aus dem Kamin entfteigenden Rauch und Funken dem Gegner bemerkbar zu machen.

216 Mannigfaltiges. SEHLLLTEHLL SEE TEEN TEL TEC DELL TEE SEELEN SEGEL TER SELL TEL TEL TEEN DEAL SEAL TEL,

„Jetzt muß die „Lady“ zeigen, wa3 fie Tann.”

Ein Moment no, dann Elingelt der Telegraph „Voll⸗ dampf voraus". Die „Lady“ jchießt wie ein Durchgehender Nenner dahin. Sohn hat den Telegraphen in der Linken, das Dampfjteuer in der Rechten. Vorwärts, immer vor—⸗ wärts geht die fchnelle Fahrt. Da unmillfürlich ſchließt jeder die Augen überflutet greller Lichtfchein den Dampfer, der vom Ausgud apifierte japanifche Kreuzer läßt feinen eleftriichen Scheinwerfer fpielen.

Blisfchnell überlegt Kohn: Bi zum Hafen find noch fünfzehn bis achtzehn Knoten. Kinfchließen darf er jich nicht laſſen, font ift er verloren. Alfo: Heil in der Flucht!

Ein Rud, und die Kurbelfliegt auf „Höchſte Dampfkraft“.

Der ganze Schifjsrumpf erzittert unter der furchtbaren Arbeit der Mafchine, die Maften Inaden, die Schiffswände ächzen und ftöhnen. Nur die Bemannung bewahrt eiferne Ruhe. Obwohl der Wind den Körper bis ins Snnerite erfchauern läßt, bleiben die Leute wie Statuen auf ihren Poſten.

Jetzt blitzt es drüben an Bord des Japaners auf ein Donner und hoch über die „Lady“ ſauſt das Geſchoß hinweg.

„Der macht die ganze Linie rebelliſch. Möchte nur lachen, wenn ihre eigenen Schiffe getroffen würden.“

„Jetzt hilft uns nur Schnelligkeit. Ich muß die Feuer freigeben, ſonſt haben wir zu wenig Dampf.“

„Feuer frei! Noch mehr Dampf!“ hallt der Befehl durch das Sprachrohr.

Im Mafchinenraum herrjeht eine furchtbare Hitze. Acht Männer jtehen vor der Feuerung und werfen Brennmaterial in die rote Glut. Sie find bi3 auf den Gürtel entkleidet, und Doch rinnt ihnen der Schweiß in Strömen herab. Eine gräßliche Atmoſphäre herrfcht in dem Höllenraum und Doch weichen Die ſchwarzen Gefellen nicht vom Plabe. Sie wiſſen, die Rettung hängt von ihnen ab.

Mit furchtbarer Gefchwindigfeit geht die Fahrt dahin. Der zuerjt bemerkte Sapaner ift längft überholt und ver:

Mannigfaltiges. 217 SELL TEEN EL STELL TEL TREE TEL TEL TEL TCHLLL TEL SELL TEL TAI TER L SAL FL/ TE ſchwunden. Gelaffen fteht John am Steuer und fieht nach dem verfolgenden Kreuzer aus, welcher das Schießen ein: gejtellt hat und fortwährend den Scheinwerfer jpielen läßt.

Da hallt der Ruf des Ausguds vom Maſt: „Torpedo: boot rechts! Senkrecht auf die „Lady“ !“

„Seht geht’3 uns an den Kragen, Kohn.“

„Roh nicht.“

Einen Moment verfagt der Scheinwerfer, und Sohn be: nüst das. Ein Rud, das Steuer fliegt herum nach recht3, und im nächſten Moment fauft die „Lady“ hart an einem Torpedoboot vorbei, welches gerade zum Schuß gewendet bat, und verfchwindet im Dunkeln.

„Ventile befchweren!“ halt der Befehl durch Das Sprachrohr.

„Richt möglich,“ meldet der Mafchinift zurück.

„Muß gehen! Für einige Minuten wird’3 der Kejjel Thon aushalten.“

Eine Sekunde dann beginnt der ganze Bau zu ächzen, mit rafender Eile bohrt fich die Schraube in die widerftrebenden Wogen. Das Berded erzittert in langen Schwingungen, lang Tann es fo nicht gehen, ſonſt halten die Keffelmände den Drud nicht aus. Hochauf ſpritzt der weiße Gifht am Bug und durchnäßt den Ausgud. Ganz auf die Seite geneigt fauft die „Lady“ dahin. Jetzt fpielt der Scheinwerfer wieder, und in feinem gelben Licht ſieht Sohn Thon die Anhöhen Port Arthur aus den Fluten emporjteigen, aber zu feinem Schreden auch dicht vor der „Lady“ ein Heines dunkles Etwas: ein Torpedoboot, welches fi) der Jacht Direft in den Weg gelegt hat.

Da faßt Kohn einen verzweifelten Entjchluß. Zum Hafen find noch wenige Knoten, geradeaus aber fann er nicht, und links voraus iſt gefährliches Fahrwaſſer, zahlreiche Meeresarme von jtellenmweife geringer Tiefe, von denen aber einige plößlich vor Feljen endigen. Doch e3 bleibt Fein anderer Ausweg.

Im felben Moment hallt der Auf des Ausgud3 vom Maſt: „Zorpedoboot hinten rechts! Kurs auf „Lady“ !“

218 Mannigfaltiges. SELL TERLEL TER TEL TEL TERN TEL TULLN TORE ELL TEL TEL TEL RL TEL FELL SELL,

Kurz entfchlofjfen reißt John das Steuer herum, und Die acht wendet links.

„Die Keffel halten den Drucd nicht mehr lange aus,” tönt e8 au dem Mafchinenraum.

„Eine Minute noch?“

„50

„But, dann herunterfeßen.”“

„Land voraus!" meldet der Ausguck von vorn.

Im felben Moment wird die Fahrt langfamer, das furchtbare Zittern des Dampfers hört auf, der Mafchinift hat die Ventile freigeben müffen. Bor der „Lady“ öffnet jich ein breiter Arm; eine Wendung, und die Kacht fährt ein.

„Halbe Dampffraft!” Elingelt der Telegraph.

Langſamer geht die Fahrt dahin. Die Lichter der japa— niſchen Zorpedoboote find nicht mehr fichtbar. |

Jetzt fährt die „Lady“ in einen Querarm ein.

„Halt du rechte Direktion, Kohn?“

„Beſtimmt.“

„Torpedobodt hinter uns!“ hallt es vom Ausguck.

„Der Kerl iſt waghalſig. Volldampf voraus!“

Sofort geht's wieder in früherem Tempo dahin.

„Den Kerl ſieht man nicht mehr, John.“

„Wird wahrſcheinlich die Lichter ausgelöſcht haben. Aber laß mich jetzt, ich muß meine ganze Aufmerkſamkeit nach vorn richten.“

Vorwärts, immer vorwärts geht es. Dreimal bereits hat die „Lady“ gewendet, und ſchon glaubt John, frohlocken zu können, da hallt der Ruf von vorn: „Land voraus!“

„Verwünſcht! Da bin ich in einen falſchen Arm geraten.“

„Stopp! Volldampf zurück!“

Zweimal klingelt der Telegraph, langſam, immer lang- ſamer wird die Fahrt, jetzt Halt, und nun bohrt ſich die Schraube verkehrt in die Fluten ein. Zurück, immer zurück geht die Fahrt. Bei der Mündung eines Seitenarmes angekommen, kann ſich John wieder orientieren.

„Stopp! Volldampf voraus!“

Einige Sekunden und die „Lady“ iſt im richtigen Fahrwaſſer.

Mannigfaltiges. 2319 SEITE TEL STELLT TEE FRIH TFTEL FELL TTEA TEEN FTEELL TEL TEE TEL FELL TEL TEL

Noch wenige Minuten rafcher Fahrt, und der Blockade: brecher läuft in den Hafen ein, vom rufjifchen Kommando erwartet, welches die Hebjagd dankt der Scheinwerfer be- merkt hatte.

In eleganter Kurve fteuert John die „Lady“ an den Anterplaß, und unter dDonnerndem „Hurra“ rafjeln die Anker in die Tiefe. A. W.

Neue Erfindungen: I Dampfwaſch- und -fpül maſchine. Einen ganz neuen derartigen Apparat, von Louis Wagner fon: ſtruiert, bringtdas

PBatentanwalt- bureau Sad in Leipzig zur Ans zeige. Er erhält feinen Charalter Dadurch, Daß über der Feuerungeines mit Wajjerraum umgebenen Ofens ein Keſſel aufge: fegt iſt, der Die

Waſchvorrichtung are * Ei R WAGNERS rung erwärmt ſo— 1 PER

CHINE _D.R.G:M

wohl das Waller im Ofenmantel, als auch im Waſch⸗ fejjel. Der Wajjer: raum des Dfen3 wird unmittelbar an die Wajjerlei- rn = tungangefchloffen, —— un. während mittels

eines bejonderen Hahnes Wajjer nach dem Wajchkejjel ge: leitet wird. Am Kejjel befindet fich ein Ablaufhahn, durch welchen das Spülen der Wäfche ungemein erleichtert wird.

220 Mannigfaltiges.

Die Vorrich: tung zum Wafchen ift mit

dem Dedel von Keffel abnehmbar, jo daß letzterer auch für andere Zwecke verwendbar wird.

II. Prak⸗ tifhe Scheren. Die Betriebe der Solinger Stahlwarenfab- rifen find be- fannt Dafür, nicht nur

praftifche Neuheiten anzufertigen, jondern au die bisher hergeſtellten Waren, mie Meſſer, Scheren, Gabeln und Werk: zeuge für befondere Zwecke, derartig zu ver— beſſern, daß dieſe nicht nur

eine einzige

Berrihtung zu erfüllen haben, fondern

derer mehrere. So fabriziert

jetzt die Firma F. W. Klever junior in So- lingen zwei Neuheiten, deren Bielfeitig- keit nicht3 zu wünfchen übrig läßt, und deren Kon:

ftruftion und Ausführung

nit nur originell, jondern wirklich praftijch und gediegen erfcheint.

Es iſt dies eine Nähuten— filten:

ſchere und eine Werkzeug- tajchenfchere. Eritere be: jißtaußerder Schere noch ein Trenn: 3 mejjer, eine H Nadelbüchfe und eine Garnſpule mit weißem und ſchwar— zem Zwirn. 77 Diefe Teile werden in einem eleganten Lederetui mit darin befind: lichem Fingerhut geliefert, fo daß alfo fämtliche notwendigen

Die Nähutenfilienfchere.

Mannigfaltiges. 221 SEE TEL TEL TEL TEL TEL TEEN TEL TEL TEL TEA TE TEL EL TEE TOTEN

Beitandteile eines Nähkaſtens vereinigt find, um auf dem Spaziergange oder auf der Reiſe entjtandene Kleider: ſchäden fofort wieder ausbefjern zu fönnen. Um das Trennmefjer zu ge: brauchen, öffnet man die Echere bis zum äußerſten PBrehpunft und hebt dann einen Scherenteil von dem an: deren ab. | Die zweite Neuheit ſtellt eine Wer: zeugtafchenfchere dar, deren Teile fehr intereffant zufammengejftellt find. Unter den 18 verjchiedenartigiten Verwendungen heben wir die fol: genden hervor: Knopflochichere Rohrzange Zigarrenabfehneider Drabtabfchneider Lineal Ham— mer Zentimetermaß Nagelfeile GSchraubenzieher Zigarren: kiftenöffner Glasſchneider Glasbrecher Radiermeſſer u. |. w. Der Gebrauch ijt ein fehr ein- facher, man öffnet Die Schere bi3 zum äußerjten Drehpunkt und verwendet jeden einzel— nen Teil in entſprechen—⸗

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der Weile. PR. Anverdiente Ehrun- nen. Die berühmte

Wejtminjterabtei zu Yon- don, die in noch höherem Grade als die Sanft Paulskathedrale als Ruh: meshalle und National: Die werkzeugtafchenfchere. heiligtum gefchäßt wird,

iſt als Begräbnigjtätte der verdienſtvollſten Perjönlich- feiten Englands jebt fast gefüllt. Hier ruhen oder find durch

gg

222 MDannigfaltiges.

SELL TEL SELL TEL TR TEL TR TEL TEE TEL TEEELL FELL TERLLN TEL SHELL TR TER CHE, Marmordentmäler verherrliht faft alle großen Staats— männer, wie Pitt, For, Palmerſton, Beaconzfield; Ge: lehrte wie Newton, Herfchel, Macaulay, Darwin u. |. w. Im ſüdlichen Querfchiff, der „Dichterecle”, ruhen Chaucer, Shafejpeare, Goldfmith, Thaderay, Händel, Burns, Dickens, Longfellow, Tennyjon u. f. w. Aber unter diejfen Ruheſtätten hervorragender Toten find auch einige, über deren Anmejen- beit an einem ſolchen Orte man unmillfürlich ftaunen muß.

Da iſt zum Beifpiel die Begräbnigjtätte eine3 Mannes, dem fein weiteres Verdienſt diefem Platz verfchaffte als das, zu feiner Zeit der ältefte Mann Englands gemefen zu fein. Er hieß Thomas Parr und hat während feiner Lebensdauer von 152 Jahren die Regierungen zehn engli« Icher Könige überdauert. Seit feinem 90. Sahre fol er in Zavernen und Gafthäufern al3 Sehenswürdigkeit gezeigt worden fein, und hierdurch verdiente er ſich vielleicht das Anrecht auf einen Pla unter den Größten einer Nation.

Ein anderes Denkmal ift feinem Geringeren al3 dem Preisfechter Kohn Broughton gewidmet. Sein Begräbnis an diefem Orte wurde mit großem Ponp begangen und unter Beteiligung einer riefigen Menfchenmenge trugen ihn fünf feiner Rumpane zu Grabe. |

Thomas Tynnes einziges Berdienft, im Natiognalheilig- tum Englands bejtattet zu werden, ift, daß er, ſelbſt ein Raufbold Schlimmiter Sorte, im Jahre 1632 in Pal Mall bei einer Rauferei erfchlagen wurde.

Aphra Behn war die Tochter eines Barbierd. Sie jchrieb während der Regierungszeit König Karl3 II. eine Anzahl der jtandaldfeiten Theaterftücde. Sie wurde der Ehre, in der Wejtminjterabtet bejtattet zu werden, ebenfo mit Un- recht gewürdigt, wie die begabte, aber höchit leichtfertige Schaufpielerin Anne Dldfield. Diefer jtellt ſogar ihr Leichen- jtein ein fchlimmes Zeugnis aus, denn feine Auffchrift befagt, daß der Geiftliche jie „gern und zu feiner größten Genug: tuung“ bejtattet habe. W. Et.

Eine Weinzunge. -- Der verjtorbene Bolititer und Schriftiteller Karl Braun aus Wiesbaden, auch als ehes

Mannigfaltiges. 228 maliges Mitglied des Deutſchen Reichstages bekannt, trieb auch Weinkunde mit redlichem Eifer und glänzendem Er— folge. Davon hatte auch der Miniſter v. Friedenthal ge—⸗ hört und wollte Braun einmal auf die Probe jtellen. Der Minifter hatte große Geſellſchaft geladen; vor zahl- reicher Korona follte Braun um den Ruf der Weinmeifter- ſchaft gebrasht werden. Schon war manches erlefene Fläjch- chen geleert, und al3 der Wirt dachte, daß die Zunge des Gaſtes an Feinheit eingebüßt haben könnte, wurde diefer aufgefordert, feine Wiffenfchaft und Kunjt zu zeigen. Frau v. Friedenthal felbft überreichte ihm die aller Urſprungs— zeichen ermangelnde Flafche. Außer Braun war ein zweiter theinländifcher Abgeordneter anmefend, auch einer mit „Wein- Inochen“. Beide zogen ich zu ernfter Arbeit in ein Kabinett zurüd.

Nach dem erſten Nippen fagte Brauns Kollege: „Rüdess heimer Hinterhäufer, zweifellos Rüdesheimer Hinterhäufer!” Braun nicte zuftimmend, und der Kollege fragte: „Sollen wir fofort in den Saal zurüdtehren?“

„Roc nicht,“ ermwiderte Braun und nippte wieder. „Hören Sie, lieber Kollege, der Rüdesheimer hat einen Doppelgänger, zum Verwechfeln ähnlich; es ift ein Hatten- heimer Riesling, der wenig bekannt ift, denn der Berg, auf welchem er wächſt, hat geringe Ausdehnung. Diejen Hatten: heimer werden wir hier vor uns haben.”

Der zweite Weinprüfer bemerkte: „Allerdings ift unter den Hattenheimer Gemwächfen eines, welches ganz den Rüdes- heimer Charakter hat. Aber ich follte meinen, die große Hinterhäufer Kreszenz anzunehmen, liegt doch näher als das Heine Stüd in Hattenheim.”

Braun jagte lächelnd: „Umgekehrt! Sch habe nämlich zufällig diefer Tage gehört, daß ein Verwandter Frieden: thal3 einen Teil jenes Hattenheimer Bergjtüds angelauft bat.”

Beide Iachten herzlich und Tehrten nun in den Saal zurüd, wo mittlerweile Friedenthal die Gefellfchaft ing Ver- trauen gezogen hatte, wie er Braun hineinzulegen hoffe.

=

224 Tannigfaltiges. F

Unter allgemeiner Spannung trug dieſer die Eigentüm— lichkeiten des Rüdesheimer Hinterhäuſers vor, die ſich alle in dem geprüften Weine vorfänden. Dann aber ſchloß er . mit der Bemerkung, daß ein minimales Element, ein flüch- tiges Salz, leicht wie ein Frühlingshaudh, diefem Weine eigen fei, welches nicht dem NRüdesheimer, fondern einen. Heinen Berge in Hattenheim angehöre.

Da erjcholl ein ungeheurer Jubel, und Friedenthal jelbit gratulierte Braun zu feiner unbefiegbaren Weinzunge. €. 7.

Seltfame Bolksheilmittel. Unter dem Bolt hat e3 von jeher Quadjalber gegeben, deren eigenartigen, oft myjftifchen Heilmitteln man viel Vertrauen entgegenbrachte, e3 kann daher fein Wunder nehmen, wenn noch heute die Kurpfujcher ihr Unmefen treiben und leider recht gute Ge— ſchäfte machen, obwohl e3 doch genug approbierte Ärzte gibt. Und manche füdflawifche „Baba“ oder „Hadzila” übt ihre befchräntte Heilkunft wohl noch gemwijlenhafter aus als die nur auf Gewinn um jeden Preis bedadhten jtädtifchen Scharlatane.. Wenn auch die Mittelchen der ländlichen Heilfünjtlerinnen zuweilen recht fonderbar vom Nimbus der Zauberei ummoben und mit allerlei geheimnispollem, un- jinnigen Hokuspokus verbunden find, wodurch fie ja der Land: bevölferung um fo wichtiger und wirkungsvoller erfcheinen, fo tragen fie doch nicht felten den Keim des gefunden In— jtinfte3 in fich, wie das gegen Bleichjuht angewandte Mittel verrät: Von drei Apfeln, die auf einem Zmeige gewachfen fein müſſen, wird der eine halb durchgefchnitten, und dag Mefjer muß einen Tag und eine Nacht darin jtecfen bleiben. Dann verjpeijt die Bleichfüchtige den Apfel, fragt da3 Meſſer ab und trinft das Abgefchabte in Wein oder Branntwein. Unbewußt dient bier das Eifer als ganz zwedmäßiges Heilmittel.

In folder Weile hat fich im Laufe der Zeit eine ſo— genannte Volksmedizin herausgebildet, die manchmal bei dem abfoluten Mangel an gefchulten Ärzten in der Tat nicht ganz zu verachten if. Da wird zum Beifpiel bei Augenleiden ein Stückchen Kerze, das in der Kirche gebrannt

Mannigfaltiges. 225 Sα, TELEL TERSLL TEL SEAN TEEN TTELN TEL SEE CHE CEHEL TEL TEL TA ETEL TEL TS hat, mit Safran in Milch gekocht. In diefe Flüſſigkeit taucht man Läppchen und legt fie auf die Augen. Tatfächlich üben Umfchläge von warmer Milch eine lindernde Wirkung aus.

Gegen giftige Biffe wird Tabaklauge gebraudht. Sonder: barer fieht ſchon das Mittel gegen den Ausfchlag der Kinder aus: Mit Mehl, das irgendwo entwendet fein muß, werden die Kleinen betreut und in den warmen Badofen geitect, der mit in der Neujahrsnacht geftohlenem Holz geheizt ift. Solcher feltfamen Mittel gibt es eine große Zahl.

Zumeilen jteht die Heilfünftlerin eines Dorfes in großem Anfehen, ja im Rufe einer Wunderdoftorin, und die Leute pilgern von mweither zu ihr. Die Salben und Tränflein, welche fie aus Kräutern bereitet und verabfolgt, find vielleicht den zweifelhaften Meditamenten der modernen Rurpfufcher fogar vorzuziehen, denn die le&teren Mittel ent- halten häufig jchädliche Stoffe. und Gifte, Dinge, welche der ländlichen Duadjalberin nicht erreichbar find. Ihr liefern meiftens Heilfräuter das Material zu den Arznei- mitteln und Salben. Oft wendet das Volk die Wurzeln und Blätter im Rohzuſtande an; Die leidenden Körperjtellen werden einfach damit bejtrichen. Die Wurzel des Bibernell zum Beifpiel wird in diefer Weife gegen Zahnjchmerz ge- braucht.

Zu den beliebten Geheimmittelchen zählen auch die Amu— lette, die von ſolch einer Wunderdoktorin angefertigt und verkauft werden. Mann, Weib und Kind tragen dieſe Dinger, ſie ſollen gegen Krankheit und allerlei Unheil, auch gegen den böſen Blick ſchützen. Übrigens machen ſich die ärmeren Leute einfache Amulette ſelbſt zurecht, nämlich kleine Säckchen mit Kohle, Salz, Knoblauch, Kräutern, Alaun und anderem gefüllt. Sie werden auf dem bloßen Körper getragen. Wohlhabendere beſitzen Amulette, oft uralte Erbſtücke aus edlem Metall, die durch irgend eine geheimnisvolle Prozedur beſondere Heil- und Wirkungskraft erlangt haben.

Den unbedeutendſten und geringſten Dingen mißt man

1906. VII 15

226 Mannigfaltiges.

FERN SEELE TEIL TEL TER STELL TEL TEL TEHELN FELL TEE TR FRE FELL TELLER, eine bejondere Wirkung zu; da bindet man zum Beifpiel dem kranken Säugling ein rotes Band um das Ärmchen, damit die Krämpfe fchwinden, ein Eidechſenſchwanzſtückchen wird gegen Fieber auf bloßem Leibe getragen. Kranke räuchert man auch gern und zwar mit Kerzenftückhen und Meihrauch, Doch müſſen diefe entwendet fein; nur dann haben fie befondere Heilkraft.

Die ländliche Kurpfufcherin begnügt ſich übrigens mit fehr geringem Lohn, von Armen nimmt fie meift gar nicht3 an. Gewöhnlich tragen die Bäuerinnen ihre Schuld in Naturalien, Sped, Yedervieh u. f. w. ab. Eh. T.

Den Kurzſichtigen fpielen ihre Augen manchen verdrieß- lichen Streich, befonders da die Kurzlichtigfeit, bei großen Geijtern zumal, häufig noch mit einer gewiſſen Zerftreutheit und Unachtſamkeit verbunden ift. Wie unangenehm zum Beifpiel, wenn man, wie e3 einjt dem dDramatifchen Dichter Roderich Anſchütz paffierte, einem Omnibus zwei Straßen weit nachläuft, ihn endlich einholt, dem Kutfcher zuruft, man wolle einjteigen, und dann erſt entjeßt bemerkt, daß daS be- treffende Gefährt fein Omnibus, fondern ein Leichen: wagen ift. Bon demjelben Dichter erzählt man auch, daß, als er einer fchönen weiblichen Reiſebekanntſchaft an der Table d'hote galanterweife roten Wein einjchenfen wollte, er nicht bemerkte, daß das Glas noch verkehrt, mit dem Boden nach oben, dajtand, wie es in Bafthäufern gebräuch- lich ift.

Noch üblere Folgen hat die Kurzfichtigfeit beinahe für einen Gelehrten gehabt, der eine Vergnügungsreife unter: nommen hatte. Er ftieg in einem Hotel in Erlau in Uns garn ab und wollte bald nachher dert Kellner fchellen. Eleftrifche Leitungen gab es Damals noch nicht, der Gelehrte ging alfo auf die Entdedung einer Glockenſchnur aus. Bei der Unzuverläffigfeit feiner Augen verließ er fich lieber auf den Taſtſinn und taftete aufmerkſam an den Wänden ent- lang. Lange juchte er jo umber, und ſchon wollte er un- geduldig werden, da fand er endlich, was er wünjchte. Eine fenfrecht herabhängende Schnur geriet ihm in die Hände;

Dannigfaltiges. 227 SELL! SELL TREE TEE ESEL TTEHEL EEEN CELL COLL SAL TRRLLL TERELL TEL TILL ELLI ERLITTEN TEN, hocherfreut zog er daran, aber er hörte nur ein Schnurren ſtatt eines Geklingels.

„Die Geſchichte geht etwas ſchwer,“ dachte er und wieder: holte feinen Verſuch in Träftigerer Weife, indem er fich mit voller Körperlaft an die Schnur hing. Wieder fchnurrte e3, aber es trachte auch zugleich in ominöfer Weife und herab aus der Höhe ftürzte auf den armen Kurzfichtigen eine mächtige alte Schwarzwälderuhr, deren Gewichtfchnüre der Unglüdliche für einen Ölodenzug gehalten hatte. Die Uhr ging in Trümmer, und der Anftifter des Schadens mußte fie teuer bezahlen, froh, daß fie ihn wenigſtens nicht totgefchlagen hatte. C. T.

Ein Käfig für Tiermodelſe. Um den zahlreichen . Malern entgegenzufonmen, die bei der Verwaltung de3 Zoologifhen Gartens in New York um Erlaubnis ein- kommen, eines der Tiere nach der Natur abzeichnen oder malen zu Dürfen, ift neuerdings im Raubtierhaus des Gartens ein bejonderer Käfig, eingerichtet worden. Er liegt abſeits von den eigentlichen Tierfäfigen, vor denen die Menge fich meijt fo drängt, daß e3 den Künftlern bisher fehr erfchwert war, eines der in ihren Bewegungen fo prächtigen Raubtiere nach der Natur zu ftudieren. _

Unfere Abbildung veranſchaulicht, wie ein Löwe aus feinem gewöhnlichen Käfig in den „Studienkäfig“ verjegt wird. Es gefchieht durch den Kleinen Tranzsportläfig, in . dem er noch gejenkten Hauptes und offenbar fehr verdroffen über den Wechjel der Lage ſitzt. Der Platte über diefem Heinen, jtark vergitterten Käfig entjpricht genau ein Loch im Boden des Studienfäfigs. Sobald es gelungen ift, das Tier zu veranlafjen, aus dem geöffneten Eleinen Ges fängnis in das größere hineinzufpazieren, jo läßt der Wärter das erjtere auf mechanischem Wege in der Verſenkung vers fchwinden, bis die Platte genau das Loch im Boden jchließt. Der Studienfäfig ift neunzehn Fuß lang, neun Fuß breit und fieben Zuß hoch. Das Gitter, das ihn oben und an den vier Seiten umgibt, it ehr großmaſchig; ſtarke durchfichtige Slasplatten ergänzen diefen Schuß. Zur Regulierung der

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228 Mannigfaltiges. Beleuchtung ftehen den Künftlern olivengrüne Vorhänge zur Verfügung. So ijt ihnen Gelegenheit geboten, das von

ihnen erlefene Tier ungeftört zu jtudieren und abzu:

bilden. J. P. Ein merkwürdiges Studentenleben. Der Bürger und

Barbier Rudolf Ehlich zu Eisleben hatte einen Sohn, Yalob,

Mannigfaltiges. 229 der bei —* das Barbierhandwerk erlernte und, nachdem er Geſelle geworden, 1762 nach Leipzig ging, um dort Me— dizin zu ſtudieren. Sein Talent wurde von den Profeſſoren rühmlichſt anerkannt; dagegen ließ ſein Lebenswandel zu wünſchen übrig. Er lebte locker, hatte unaufhörlich Händel, prügelte ſich mit den Stadtknechten herum, malträtierte die Füchſe, „ſoff zur Ungebühr“, kurz er benahm ſich ſo, daß er ſchließlich von der Hochſchule entfernt werden mußte. Ohne einer Seele Lebewohl zu ſagen, ſchnürte Jakob Ehlich ſein Bündel und ging, ohne zu wiſſen wohin, in die weite Welt.

In Eger fand er im Gaſthauſe eine Geſellſchaft wars dernder Komödianten, die beim Bierkruge ſaß. Da hörte er, wie die Direktorin über den Tod ihres Mannes Tlagte. „Was nun anfangen?“ rief fie. „Wir haben morgen abend „Prinz Schnudi und Prinzeffin Evakathel“ angekündigt, aber wo nun den Schnudi hernehmen ?“

Sofort jtand Ehlich auf, näherte fich der Direktorin und jtellte fich al3 bisheriger Leipziger Komödiant vor, der, wenn fie es genehmige, die Rolle des „Prinzen Schnudi“ zu jpielen erbötig fei. Voller Freude nahm ihn die Direk— torin beim Wort, und Ehlich Töfte feine Aufgabe ganz vor: trefflich.

So wurde aus dem vertriebenen Leipziger Studenten ein wandernder Komödiant. Bald verliebte er fich in die Direktorin und zog mit ihr und der ehrenfeiten Gefellfchaft in Böhmen und Schlefien herum. Endlich wurde er der Geſellſchaft überdrüffig, ging über Mähren, wo er einige Male in Iglau, Brünn und Znaim öffentlich auftrat, nad) Wien und wurde hier im Jahre 1770 unter dem Namen Neineggs, welchen er jich beigelegt, als Schaufpieler an- genommen. Aber auch diefe Stellung war nicht geeignet, ihn zu fejleln. Er dankte ab, ging nach Zirnau in Ungarn und promovierte fpäter in Pet zum Doktor der Medizin. Das Krankenbeſuchen gefiel ihm aber auch bald nicht mehr, und er ging zum Bergmwefen über. Er wurde als Prafti: fant in Schemni mit Hundert Talern Gehalt angeitellt;

230 Mannigfaltiges. aber fein unijteter ®eift vertrieb ihn auch von hier und be— wog ihn, fein Glüd in der Türkei zu fuchen.

Er reifte nach Benedig und von da nad) Smyrna. Weil aber bei den Türken für ihn nichts zu tun war, ging er nach Georgien. Dort wurde er Arzt und Liebling des Prinzen Heraklius der ihm die Würde eines Bey verlieh. In dieſer Eigenjchaft bereijte er 1782 den Kaukaſus und ging dann nad) Rußland. Die Kaiferin Katharina empfing ihn auf Empfehlung von Petersburger Gelehrten, welchen er durch eine Schrift über den Kaukaſus befannt geworden, als einen Mann von Bedeutung. Die Kaiferin beauftragte Jakob Ehli) mit einer Sendung nad) Georgien an den Prinzen Heraklius, zum Zwede feiner Unterwerfung unter das ruſſiſche Zepter, die auch wirklich im Jahre 1783 durch ihn zu Stande kam. Zuletzt bekleidete Ehlich in Petersburg die Amter eines Kollegienrates, eines Direktors des In— jtitut3 für Wundärzte und eines bejtändigen Sekretär de3 mediziniichen Kollegiums.

Ganz entiprechend feinem Leben jtarb Jakob Ehlich im Sabre 1793 an den Folgen einer nächtlichen Schwel- gerei. C. T.

Sonderbare Arteile. Es werden den Gerichten oft Fälle vorgetragen, die in befriedigender Weiſe zu löſen häufig fat unmöglich erjcheint. So wurde in einem kleinen Staate von Nordamerifa vor wenig Sahren ein gewiſſer James Lockwell wegen Körperverlegung unter Anklage gejtellt. Er hatte jich mit feinem Bruder wegen einer Kleinigfeit ge- zankt, und die Zankenden waren bald zu Tätlichfeiten über: gegangen. Während der Prügelei verjegte James feinem Gegner einen Hieb in3 Geficht und ftieß ihn dabei unglüd- feligermweife mit einer kleinen Feile, die er in der Hand hielt, in das linfe Auge. Leider wurde auch das andere Auge in Mitleidenschaft gezogen, und der Mann erblindete vollſtändig. Nun wurde, wie erwähnt, James Lockwell unter Anklage gejtellt. Der Angeklagte war volljtändig zerfnirfeht, und feine Neue war fo aufrichtig, daß der Nichter ihn nicht ins Gefängnis fchiekte, ſondern ihn dazu

Mannigfaltiges. 231 verurteilte, Zeit feines Lebens für den Unterhalt feines Bruders zu forgen. Mit Freuden unterzog ſich der Anz geflagte diefer Buße, und die beiden Brüder lebten von da ab in beftem Einvernehmen, da James in jeder Weife für den Unglüdlichen forgte.

Ein außergemöhnliches Urteil wurde vor einigen Fahren von einem irländifchen Richter gefällt. Ein Angellagter war bejchuldigt, aus Rache das Vieh feiner Nachbarn ver: jtümmelt zu haben, und die Jury, die ausfchlieglich aus Landwirten beitand, hielt den Mann von vornherein für jchuldig. Sie ging auch nicht auf die Gründe ein, Die der Angeklagte zu feiner Rechtfertigung beibrachte, ſondern fehrte von der Beratung mit dem Schuldigiprudh zurüd. Der Richter war jedoch anderer Meinung, zeigte indes feine Überraschung, fondern teilte dem Angeklagten, einem Manne von 66 Jahren, mit, er wäre des Verbrechens, deſſen man ihn angellagt, für ſchuldig befunden worden, und er würde zu einem Jahre Gefängnis verurteilt. Da das Geſetz aber Strafaufjfchub gejtatte, jo erlläre er, daß die Verbüßung der Strafe erft nach 60 Jahren zu erfolgen hätte. Der überrafchte Angeklagte dankte dem Richter herz- lich, verneigte fich etwas ironisch vor den Geſchworenen und 308 fich zurüd. Drei Jahre fpäter ftellte fich heraus, dab er volljtändig unschuldig war, und dag erfte Urteil wurde aufgehoben. sn

Die japanifhen Göfterkugeln. Die Tojtbariten Au: mwelen der Welt find, nach Anficht der Japaner, die japas niſchen „Götterkugeln“, deren Material auf der Inſel Hodo gefunden wird. Im „Oftaftatifchen Lloyd“ fchreibt einer der wenigen Europäer, die diefe merfwürdigen Steine ge- jehen haben, folgendes: „Ein zu einem unabfehbaren Zrümmerhaufen verwandeltes Gebirge enthält Kriftalldrufen in Finger: und Handdide, die durch Vermwitterung mit einem ſchmutzig gelbbraunen Überzug von Eifenorydhydrat über- zogen find. Der davon eingefchlofjene reine Bergkriſtall wurde von bejonders geübten Steinfchleifern des Reiches der aufgehenden Sonne in langwierigen Prozeſſen zu Kugeln

232 Mannigfaltiges.

SELL TEHL TEL TEBLLL TOLL TERLLL TEL! TREE FOLGEN TREE TERN LE TEE SHUÄL SOLL DELL TELLER, geformt, gewöhnlich 4 Zentimeter im Durchmeſſer hal: tend. Die größte, 17 Zentimeter im Burchmeffer, ift im Befige des japanifchen Kronſchatzes. Am Sabre 1873 follte fie zur Weltaugsftellung nach Wien gebracht werden. Das Schiff fcheiterte noch angefichtS der taufend Inſeln, und Jahre hindurch fuchten Taucher emfig den Meeres: boden ab, bis endlich ein glüdlicher Zufall das Kleinod wiederfinden ließ. Nun wird e3 in der Taiferlichen Schab-: fammer gehütet und feiner Gefahr einer Seefahrt wieder ausgeſetzt.

Die „Götterkugeln“ ſind die einzigen kompakten Körper, welche infolge ihrer unglaublichen Reinheit vollkommen un: fichtbar find. Die Kugelform, die abfolute Klarheit des Ma- terial3 bieten dem Auge weder außen noch innen Anhalt3: punfte, fo daß auf dem Plate, den fie einnimmt, nichts fichtbar erjcheint als die Bilder, die fich auf der Kugel fpiegeln. An die Hand genommen läßt nur das Gefühl es merken, daß fich ein Gegenjtand darin befindet; diefer felbft ent- zieht fich dem menschlichen Auge. Wird das feltfame Ge: bilde auf eine dunkle Unterlage gelegt und diefe in Drehung verjegt, wodurd natürlich auch die Kugel um ihre Achſe gedreht wird, fo vermag man auch diefe Bewegung nicht wahrzunehmen; da die Abfpieglungen auf der Kugelober: fläche der Drehung nicht folgen, bleiben die fich fpiegeln- den Gegenjtände an ihrem Plate. Erft wenn durch ein aufgeflebtes Blättchen Papier oder einen farbigen Bunft die Kugel gezeichnet wird, ijt die Drehung bemerkbar; doc die Kugel ſelbſt bleibt unfichtbar, weil nur die Merkmale, der Punkt oder daS Papierblättchen, dem Auge einen An baltspunft bieten.“ C. T.

Der echte Ochſe. In einem kleinen Städtchen im ſüd— lichen Wales, das wegen ſeiner ſchönen landſchaftlichen Um— gebung und feines milden Klimas viel von Touriſten be— ſucht wird, Tehrte feit vielen Jahren im Herbit regelmäßig der alte Herzog von 2. ein und wohnte während feiner Anweſenheit ftet3 in dem vortrefflichen alten Gaſthauſe „Zum Ochſen“. Dieſer regelmäßig wiederkehrende Beſuch

"Dannigfaltiges. 233 TEIL TEL TEL TECH TOOL SOHLE TER TEEN TEE TERLLN ETLL TER TELLER TEL TEL TEL TR diente dem Wirt natürlich zur Nellame, und da er fonft bei nicht zu hohen Preifen gute Verpflegung lieferte, machte er zum Ärger feines ihm gegenübermohnenden Konkurrenten das allerbeite Gefchäft in der Stadt.

In Dankbarkeit hierfür bat er den Herzog bei feinem legten Aufenthalt, ihm zu erlauben, feinen Gaſthof nad jeinem vornehmen Wohltäter „Herzog von 2.” nennen zu dürfen. Der gutmütige alte Herr erlaubte es gerne, und jofort ließ der Wirt das alte Schild herabnehmen und dafür ein farbenprächtige3 neue? mit dem Bildni des Herzog und der Unterfchrift „Zum Herzog von L.“ über der Tür anbringen. Kein Menſch war ftolzer und ver: gnügter als unfer Wirt.

Seine Freude follte aber nur von Turzer Dauer fein, denn fchon wenige Tage darauf fah er zu feinem großen Ärger, daß fein Rivale auf der anderen Straßenfeite eben» falls fein altes Schild herabnehmen und dafür ein neues anbringen ließ, das einen prächtigen Ochfen, fein eigenes früheres Wirtfchaftsfchild, zeigte. Alle Fremden, die von nun an in die Stadt famen und allüberall von der guten Bemirtung im „Ochjen“ gehört hatten, vom „Herzog von L.“ aber nicht3 ahnten, fuchten nun den neuen „Ochſen“ auf, und der „Herzog“ blieb leer von Bäjten.

Was tun? Tag und Nacht zergrübelte ſich der frühere Ochfenmwirt den Kopf, um einen Weg zu finden, die Gäſte wieder in jein Haus zu loden. Den Herzogsnamen Tonnte und wollte er nicht aufgeben, auch konnte er, weil ja der Nachbar ſich den „Ochſen“ angeeignet hatte, diefen nicht mehr führen. Da kam ihm plößlich ein Gedanke. Er be- ftellte den Maler und gab ihm feinen Auftrag.

Am anderen Tage konnten Fremde und Einheimifche unter dem Bildni3 des Herzogs folgendes leſen: „Zum Herzog von %., dies ijt der alte, allein echte Original: ochſe!“ W. St.

Au der kürkiſchbulgariſchen Grenze. Trotz Der Be: mühungen der europäifchen Diplomatie, troß des ſchein— baren guten Willen! der Türkei gleicht Bulgarien immer

234 Mannigfaltiges. noch einem Vulkan, deſſen Ausbruch jederzeit zu befürch: ten ijt. Unfere beiden Abbildungen von der türkijch-bul-

Die Grenz3poften auf der Brücke von Barakovo.

garifchen Grenze find photographifhe Aufnahmen eines Zeitungsforrefpondenten, der neuerdings Bulgarien bereifte,

Mannigfaltiges. 235

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und geben einen deutlichen Begriff von dem Zuftand der Kriegsbereitfchaft an der türkifch - bulgarifchen Grenze. Zwiſchen türfifchen und bulgarifchen Patrouillen ift e3 hier ſchon wiederholt zu Scharmüßeln gekommen; befonders von fich reden machte das in der Nähe der Brüde von Bara-

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Bulgariſcher Grenzpoſten mit Kriegshunden.

kovo. Über dieſe Brücke führt die Straße von Sofia nach Dſchumaja; fie verbindet die Ufer eines Bergbaches vom Nilo-Dagh, der fich ganz in der Nähe in die Struma er- gießt. Kotjcherinovo iſt daS lebte bulgarifche, Barakovo das erjte türkifche Dorf an der Straße. Die eine Hälfte der Brücde gehört zu Bulgarien, die andere zur Türkei. Das erjte unferer Bilder zeigt den bulgarifchen und den türkiſchen Poſten, die auf der Mitte der Brücke nebenein:

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236 MDannigfaltiges.

SELL TREE TEL TREELL TOLL TREE STELL TER SRH αι TREE TEE THE TRLL TEEAL SHUEL DERLL OEL ander von einem ®eländer zum anderen auf und ab patrouil- lieren. Der Türke trägt dunklen Mantel, weiße Gamafchen und einen ſcharlachroten Feß, der Bulgare die bräunlich- graue Uniform mit der Feldmütze.

Auf einem Paß im Rilogebirge zeigt da3 andere Bild bulgarifche Soldaten mit Kriegshunden. Die Kriegshunde werden in der bulgarifchen Armee in derjelben Weife ver: wandt wie in der deutfchen. Die ftarlen Schäferhunde haben im Vorpoſtendienſt die Aufmerkfamfeit der Pojten zu unterftügen und Meldungen zu den Feldwakhen zu bringen. Auch werden fie für den Ernjtfall Darauf drefjiert, die Truppen in der Schüßenlinie mit Munition zu verjehen und Vermwundete aufzufuchen. 8.9.

Künſtlerlaune und Polenwig. Sean Abel, ein aus: gezeichneter Sänger und Lautenfpieler der Stapelle des Königs Karl II. von England, hatte feine Stellung zur Zeit der Revolution von 1688 verloren und jah fich genötigt, auszumwandern und als Konzertgeber umbherzuziehen. Er befuchte auf dieſe Weife Holland, Deutfchland und Polen. In letterem Lande begegnete ihm ein jonderbare3 Erlebnis.

In Warſchau wurde er nämlich eingeladen, vor dem Könige zu fingen. Abell beliebte es aber, jich zu weigern, Da er mehr Honorar herausfchlagen wollte, er entjchuldigte fih, und auf eine zweite an ihn ergangene Einladung wiederholte er feine Weigerung fchriftlihd. ES ward ihm darauf förmlich der Befehl gegeben, bei Hofe zu erfcheinen. Diefen Befehle mußte der Künftler wohl oder übel nach: fommen.

- Sn dem Palafte angefommen, führte man ihn in einen geräumigen Saal, um den in der Höhe eine Galerie lief. Sn der Mitte des Saales jtand ein Sefjel, welchen man dem Künftler anbot. Aber kaum hatte er fich niedergelafjen, als der Sefjel und mit ihm der Künjtler durch einen vers ſteckten künſtlichen Mechanismus bis zur Höhe der ©alerie emporgehoben wurde. In demfelben Augenblide erſchien der König auf der Galerie, umgeben von feinem ganzen Hofitaate. Auf ein vom Könige jofort gegebenes Zeichen

Mannigfaltiges. 237

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öffneten fich unten die Saaltüren, und man Jah durd) fie vier gewaltige braune Bären in den Saal ftürzen, die mit verlangenden Blicken zu dem droben hängenden Seffel und feinem Inſaſſen binaufbrummten. Ber König jtellte nun dem KRünftler die Wahl, entweder auf der Stelle zu fingen oder in den Saal mitten unter die wilden Bären hinabs gelaffen zu werden. Jean Abel befann fich nicht Lange, er kam diefer liebenswürdigen Einladung Jofort nad) und fang auf dem Seſſel ſitzend fein Beites.

" Später gejtand er felbft, daß er nie in feinem geben befjer bei Stimme gemwefen ſei als damals. C. T.

Eine neue Yferdeſprache, Das heißt eine Sprache für Pferde, nicht eine folche von Pferden, fteht in Ausficht. Daß Pferde höchſt intelligente Tiere find, ift allgemein bekannt, ebenfo, daß fie den Willen ihres Herrn erfennen und be» folgen lernen ohne Anwendung von Peitjche, Sporn oder Zügel, einfach durch Achtgeben auf die bei denjelben An- läffen regelmäßig wiederholten Zurufe.

Natürlich it aber der Wortſchatz des edlen und nübß- lichen Vierfüßers, beſſer gefagt, feine Auffaffung eines folchen, nur jehr beſchränkt. Solange das Pferd ſich in den Händen desfelben Herrn befindet, ift die Verjtändigung leicht zu erzielen, weil eben die nämlichen, fejtitehenden Befehle die Wünfche des Herrn zum Ausdrud bringen. Die Not geht für dag arme Tier erjt an, wenn es feinen Beſitzer wechſelt. Der neue Herr bedient fich anderer Worte, anderer Laute, anderer Zeichen, um dem Pferde begreiflich zu machen, welche Bewegungen er von ihm aus: geführt zu ſehen wünſcht. Dieſe neue Sprache ift dem Tiere aber nicht verfjtändlich, es weiß nicht, was von ihm erwartet wird. Der jebige Befiger fommt in den allerhäufigiten Fällen gar nicht auf den Gedanken, daß dies Die Urfache des vermweigerten Gehorfam3 bei feinem neuen Rofje fei; er hält e3 für eigenfinnig, faul und was nicht alle und wendet zur Bekräftigung feiner Ausrufe fo lange Peitfche und Sporn, Zügel, Zaum und Gebiß an, bis da8 arme Tier mit Hilfe diefer Zmangsmaßregeln und

235 Dannigfaltiges.

SEELE STEH TEL FÜLLN SELL STELLE FILE FELL TEIL TERELL TEL TILL TER TEL FEHLTEN REEL, unter vielen Qualen die neue Sprache verjtehen gelernt hat, die jest mit ihm geredet wird.

Ein namhafter Pferdefenner ift nun auf den beber: zigenswerten Gedanken gelommen, diefem Übeljtande da— durch abzuhelfen, daß er für alle Pferdebefiter und zwar der ganzen zivilifierten Welt eine einheitliche Pferdeſprache in Vorſchlag bringt. Er meint, vier Silben, die in allen Sprachen wiederzugeben feien, genügten, um teil3 einzeln, teil3 in Verdopplung alles auszudrüden, wa3 den unent« behrlichen Bofabelfchat eines Gaules zu bilden habe. Es find die Silben hi, bo, be und ha.

Er fchlägt vor, daß hi die Bedeutung haben jolle, das Pferd möge fich vorwärts bewegen, hi hi im Trab. Ha folle anzeigen, daß das Tier fich nach rechts menden und in der Bewegung verharren müffe, ba ba, daß auf die Wendung nach recht3 ein Stillftand zu folgen habe. Ebenfo nach links mit be und be he. Ho folle Stilfftand bes deuten und bo ho die Bewegung nad) rücdwärt®.

Es wäre unleugbar eine Wohltat für Tier und Menſch, wenn fich in diefer Weife eine Einigung erzielen ließe, ſei e3 auch vorläufig nur eine teilweiſe, Iandjchaftlich begrenzte.

Nebenbei bemerkt ift auch unter den Hundeliebhabern Englands eine Bewegung im Gange, die fich bemüht, eine der eben vorgefchlagenen verwandte einheitliche Sprache für daS fo weit verbreitete Hundegefchleht einzuführen, das fogar noch Fosmopolitifcher ift als das Pferdegejchlecht, jo daß eine Weltfprache auch hier recht wohl zu empfehlen wäre. C. D.

Zur Dienſtmädchennot. Um dieſem immer mehr hervortretenden Übelſtand unſeres modernen Lebens, über den ſo manche Hausfrau ſeufzt, abzuhelfen, ſind ſchon viele Verſuche gemacht worden. Dankbar iſt es anzu—⸗ erkennen, Daß auch der FröbelsOberlin:Berein in Berlin mit feinen Sausmädchenfchulen eingefprungen ift, um dieſer Not zu fteuern. Für Diejenigen, die nicht im ftande find, diefe Schulen zu befuchen, iſt eine ganze Anzahl von „Katechismen“ herausgegeben worden, über die ſich im

Mannigfaltiges. 239 SELL SEHE SELL SELL SELL TEL TEL SEAL FELL FELL TEEN TEL EL TEL SS TEL, Inſeratenteil dieſes Bandes eine Anzeige befindet, auf welche wir hiermit hinweiſen wollen. Wer fich des Ber: triebes dieſer Katechismen unter feinem Bekanntenkreiſe annimmt, wird fich den Dank vieler verdienen. EN.

Edelmann nnd Gentleman. Der englifche Begriff „Gentleman“ ift nur ſchwer in3 Deutfche zu überjeßen. Im allgemeinen verfteht man darunter den gebildeten Mann von gefelfhaftlihem Takt und ehrenwertem Charafter.

Sn einem der vornehmften Londoner Klub3 vermißte fürzlich eines der Mitglieder einen wertvollen neuen Regen: Ihirm. Trotz ſorgſamſter Nachforſchung war nichts über den Verbleib zu erfahren und eines Tages prangte an der mit grünem Tuch überzogenen Tafel, die in englifchen Klubs die Stelle unferes „ſchwarzen Brettes“ verfieht, eine Karte, die folgende Mitteilung trug: „Der Edelmann, der meinen neuen ſchwarzſeidenen Regenfhirm mit Elfenbeingriff mit» genommen hat, wird hiermit dringend gebeten, ihn beim PBortier wieder abzuliefern, da ich ihn felber brauche.”

Natürlich rief dieſe Notiz .eine förmliche Revolution unter den adligen Mitgliedern des Klubs hervor, und fie jeßten es Durch, daß der Ehrenrat zufammentrat, um über die Beleidigung, die durch den Wortlaut der Notiz ihrer ganzen Klafje angetan worden war, zu Gericht zu fißen.

Auf die Frage, warum er gerade einen Edelmann be- Iehuldige, feinen Schirm genommen zu haben, ermwiderte das vorgeladene Mitglied: „Meine Herren, ich berufe mid) auf Paragraph 1 der Sagungen unferes Klub3. Derfelbe lautet: Als Mitglieder des Klubs werden nur Eodelleute und Gentlemen aufgenommen. Ein Gentleman im wahren Sinne des Wortes hat meinen Schirm ficher nicht angerührt, ‚meine Herren. Alfo kann nur eines der adligen Mitglieder ihn genommen haben.“

Die Yolge war eine fofortige Abänderung des Worts lautes des betreffenden Paragraphen. Edelleute und Gentle- men unterjchieden fich fünftig nicht mehr. W. St.

Mönche als Feuerwehr. Bier Drden, Franziskaner, Jakobiner, Auguftiner und KRarmeliter, haben einft in der

240 Mannigfaltiges.

SEHE TWELN TEREL TEREL TEL SEELE TEHELI SELL TER TEL STELL TTHEL SER TER, SELL FL , Hauptitadt Frankreichs das Rettungswerk geübt, das heute durchweg den amtlich eingeübten Feuerwehrtruppen obliegt, und zwar unentgeltlich und aus freien Stüden. Die Haus: regel ihrer in den Faubourg3 St. Jacques und St. Hilaire gelegenen Klöſter machte ihnen diefen Dienst zur befonderen Pfliht. Beim erjten Alarmruf Tonnten die Parifer des 17. und 18. Zahrhundert3 diefe „Helden der Kutte”, wie Nichelieu fie nannte, von den hochgelegenen Borftädten im Sturmjchritt herbeieilen jehen. In mehreren Kolonnen von oft 30, oft 50 Mann, jeder die Art im Gürtel und auf dem Nücen den aus Binjen geflochtenen, lederbegürteten Löſch— eimer, bewegten fie jich in gejchlofjenen Reihen der Unglüd3- jtätte zu, während jeder Kolonne eine Art Nachhut mit Leitern, Hallen, Stricden und den übrigen Not und Wet: tungSapparaten folgte. C. T.

Die Rache des Arztes. Dr. Rateliffe war zu ſeiner Zeit der geſuchteſte und beliebteſte Arzt Londons. Leider liebte er die Flaſche ſo ſehr, daß er oft ſeinen Beruf darüber vernachläſſigte.

Er ſaß eines Tages in der von ihm bevorzugten Wein— ſtube, als ein Herr atemlos hereinſtürzte und mit bebender Stimme rief: „Um Gottes willen, Doktor, kommen Sie ſchnell mit mir, meine Schwiegermutter liegt im Sterben!“

„Sie erlauben wohl, daß ich erſt austrinke,“ ſagte ruhig der Doktor.

Doch der andere, welcher ſeinen Mann kannte, verſuchte weder Bitten noch Drohungen, ſondern nahm einfach das Glas des Arztes und ſchüttete deſſen Inhalt zum Fenſter hinaus.

Bebend vor Zorn konnte Dr. Rateliffe anfangs kein Wort ſprechen; dann ſchrie er: „Sie Flegel, Sie Grobian! Warten Sie, Ihre Schwiegermutter foll mich an Ihnen noch rächen!”

Damit ftürzte er fort und wendete all feine ärztliche Kunſt auf, um die Kranke wieder gefund zu machen. €. 7.

Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Theodor Freund in Stuttgart, in Öfterreich-Ungarn verantwortlich Dr. Ernit Berles in Wien.

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Dessau i. Anhalt. Älteste und grösste Anstalt Nord- und Mittel-Deutschlands.

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1. 20jährige Patientin bei der Aufnahme. 2. 20jährige Patientin nad) Smonatlidher Be- handlung. Wahstumsentwidelung 6 cm

HBoffnungsloser Fall!

; Die vorjtehend abgebildeten VPhotographien zeigen eine illuftrierte Krankengeſchichte wohl eines der ſchwerſten Fälle, den ich in meiner zwanzigjährigen Praxis mit gutem Erfolg zu behandeln G©elegen- heit hatte. | Zweck der heutigen Veröffentlichung ift immer wieder, zu erklären, \ daß es Feine komplizierten Verkrümmungen der Wirbelfäule gibt, \ daß vielmehr die verfchiedenjten VBerfuche der Behandlung die Ber- f frümmung fompliziert und unbeilbar machen; durch viele hunderte | von Fällen kann ich das zur Genüge bemweifen. | Aufklärung tft hier immer wieder nötig, daß ohne Operation, ohne andauernde Bettruhe, ohne Gipsverbände, ohne Chloroform- Narkoſe auch die ſchwerſten VBerfrümmungen faft ohne Ausnahme hei rechtzeitigem Beginn der Behandlung auf natürlichem Wege ohne Gemaltmittel zu heilen find.

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III 3 1951 DO1 241 877 9

WILSON ANNEX