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CALIFORNIA

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DAVIS

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Biochemische Zeitschrift.

Beiträge zur chemischen Physiologie und Pathologie.

Herausgegeben von

F. Buchner-Berlin, P. Ehrlich-Frankfurt a. M., F. Hofmeister- Straßburg i. E., C. von Noorden-Wien, E. Salkowski - Berlin, N. Zuntz-Berlin.

unter Mitwirkung von

L. Asher-Bern, J. Bang-Lund, @. Bertrand-Paris, A. Bickel-Berlin, F. Blamenthal-Berlin, Chr. Bohr-Kopenhagen, A. Bonanni-Rom, F. Bottazzi-Neapel, O. Bredig-Heidelberg, A. Durig-Wien, F. Ehrlich-Berlin, &. Embden-Frankfurt a. Main, 8. Flexner-New York, 8. Fränkel-Wien, E. Freund-Wien, U. Friedemann-Berlin, E. Friedmann-Berlin, O.v. Fürth- Wien, G. Galeotti-Neapel, H. J. Hamburger-Groningen, A. Heftter-Berlin, W. Houbner- Göttingen, R. Höber-Zürich, M. Jacoby-Heidelberg, R. Kobert-Rostock, M. Kumagawa- Tokio, F. Landolf-Buenos-Aires, L. Langstein-Berlin, P.A.Levene-NewYork, Levon Lieber- mann-Budapest, J.Loeb-Berkeley, A. Loewy-Berlin, A.Magnus-Levy-Berlin, J.A.Mandel- New York, L. Marchlewski-Krakau, P. Mayer-Karlsbad, L. Michaelis-Berlin, J. Morgen- roth-Berlin, W. Nernst-Berlin, W. Ostwald-Leipzig, W.Palladin-St. Petersburg, W. Paull- Wien, R. Pteiffer-Königsberg, E. P. Piok-Wien, J. Pohl-Prag, Ch. Porcher-Lyon, F. Rech- mann-Breslau, 8. Salaskin-St. Petersburg, N. Sieber-St. Petersburg, M. Biegfried-Leipszig, Zà. H. Skraup-Wien, 8. P. L. Sörensen-Kopenhagen, K., Spiro-Straßburg, E. H. Starling- London, F. Tangi-Budapest, H. v. Tappeiner-München, H. Thoms-Berlin, J. Traube-Char- lottenburg, A. J. Je Vandevelde-Gent, A. Wohl-Danzig, J. Wohlgemuth-Berlin.

Redigiert von C. Neuberg-Berlin.

Sechzehnter Band.

Mit 1 Tafel;

Berlin. Verlag von Julius Springer. 1909.

UNIVERSITY OF CALIFORNIA LIBRARY PROF, DR L MICHALLIS COLLEGE OF AGRICULTURE DAVIS A

Druck von Oscar Brandsteiter, Leipzig.

Inhaltsverzeichnis.

Neuberg, €. Dimitri Ivanovitsch Kurajeff . . . . 2 2. 2 2 sese Marchlewski, L. Studien in der Chlorophyligruppe IM. de ee e Haensel, B. Über den Eisen- und Phosphorgehalt unserer Vegetabilien Blumenthal, Ferdinand und Ernst Jacoby. Über Atoxyl. I.. ... . Paladino, Raffaele. Über die schwarze Kephalopodentinte . . . . . Oppenbeimer, Carl. Über die Beteiligung des elementaren Wasserstoffes

Pobl, Julius. Verhalten der Phtalsäure im tierisohen Organismus . Basaki, Takaoki. Über die Aktivierung der hämolytischen Wirkung des Meerschweinchenserums durch Aminosäuren . . . 2... ... Michaelis, Leonor. Elektrische Überführung von Fermenten. I.. .. Närenberg, A. Zur Kenntnis des Jodthyreoglobulins . . . ... . Zeglia, Paul. Untersuchungen über das diastatische Ferment der Leber Rzentkowski, Casimir v. Beitrag zur Physiologie der Galle. . . . . Loeb, Leo. Über die zweite Gerinnung des Blutes von Limulus . . Reoßmeisl, Josef. Untersuchungen über die Milch kastrierter Kühe . Traube, J. Über Partbenogenese . - . 2... . ee Een Falk, Fritz. Zur Kenntnis des Kephalins . .... v2. 2 00. Strada, Ferdinando. Über das Nucleoproteid des Eites . . ... . Levene, P. A. und D. D. van Siyke. Über Plastein. II. . Eppinger, Hans und Frits Tedesko. Zur Lehre von der Säurevergiftung IIT. Kudo, T. Über die Beziehungen zwischen der Menge des Magensaftes und seinem Pepsingehalt . . . 2.2 2 2: 2 2 2 220200 ne Kudo, T. Beitrag zur Kenntnis des Schicksals der Hefe im Tierkörper Rode, T. Über den Einfluß der Elektrizität auf die Fermente . . . Pringsheim, Hans. Bemerkungen zur Mitwirkung von Bakterien an der Fuselölbildung . . . 2.2 2 2 2 er 0er een ne Levene, P. A. Notiz zur Darstellung der Glucothionsäure TER! Neuberg, Carl. Bemerkung über die „Glucothionsäure . . .... Marchlewski, 8. Berichtigung . . . » s.s.s’ ——— Bang, Ivar. Physiko-chemische Verhältnisse der Blutkörperchen Grazia, Francesco de, Über ein neues Hämatin . . . . .. 2...

©/867

Hausmann, Walther. Die photodynamische Wirkung des Chlorophylis und ihre Beziehung zur photosynthetischen Assimilation der Pflanze Böhm, Bruno. Fortgesetzte Untersuchungen über die Permeabilität der GefäßBwände . . ». . 2 2 0 0 en e e Cappezzuoll, Cesare. Mineralstoffzusammensetzung der Knochen bei Osteomalacie . . . . asses ir an ae Ae AN Reach, Felix. Das Verhalten der Leber gegen körperfremde Eiweißstoffe Fränkel, Sigmund. Über Lipoide. IL. . . . 22 2222200 Fränkel, Sigmund. Über Lipoide. IL. . . .. s.es 2022020. Hata, 8. Zur Isolierung der Leberfermente, insbesondere des gelatino- Iytischen Leberfermentes . . . 2 2 2: 2 2 2 nr cse een. Kochmann, Martin. Der Einfluß des Äthylalkohols auf die Hefegärung Levene, P. A. Über die gepaarten Phosphorsäuren in Pflanzensamen

Neuberg, Carl. Notiz über Phytin. . ... 2... 220220000. Butkewitsch, Wi., Das Ammoniak als Umwandlungsprodukt stickstoff- haltiger Stoffe in höheren Pflanzen . . , . 2: 222200. Freund, Walther. Zur Kenntnis des Fett- und Kalkstoffwechsels im Bäuglingsalter i < > s c 8 a 2.4 u ns 8 ze ars Henri, Victor. Elektrische Überführung von Fermenten ......

Michaelis, L. Erwiderung auf die vorangehende Notiz von V. Henri Wolf, Charles G. L. und Emil Österberg. Der Eiweißstoffwechsel bei

Kohlenoxydvergiftung . . . . 2 2 0 2 er rer Michaelis, Leonor. Elektrische Überführung von Fermenten. II... Rona, P. und L. Michaelis. Über die Adsorption des Zuckers . . .

60— -— Tr

Die ‚Biochemische Zeitschrift“ hat den Heimgang des Professors

Dimitri Ivanovitsch Kurajeff

zu beklagen, der am 21. November 1908 im 0. Lebens- jahre plötzlich verschied. |

Kurajeff war am 17. September 1869 als Sohn eines Beamten in einem kleinen Ort des Ufimer- Gou- vernemente geboren. Nach Beendigung des Gymnasiums studierte er von 1889 bis 1894 an der Militär-medizini- schen Akademie zu St. Petersburg. Dann bildete er sich gleichfalls in Petersburg unter Danilewskis Leitung während der Jahre 1894 bis 1896 speziell in der physiologischen Chemie aus und erlangte 1896 mit einer Dissertation ‚Über die Eiweißkörper der ruhen- den und tätigen Muskeln“ den medizinischen Doktor- grad.

Die Regierung bewilligte ihm die Mittel für einen zweijährigen Aufenthalt im Auslande, den er zu Stu- dien im Straßburger Laboratorium bei F. Hofmeister und im Marburger Institut bei A. Kossel verwandte. Nach seiner Heimkehr habilitierte er sich 1899 als Privatdozent an der Militär-medizinischen Akademie zu St. Petersburg. 1902 wurde er von dort nach Char- kow als Leiter des Physiologisch-chemischen Univer- sitätslaboratoriums berufen und 1907 zum ordentlichen Professor ernannt. Den im folgenden Jahre an ihn ergangenen Ruf als Nachfolger Danilewskis lehnte er ab.

Biochemische Zeitschrift Band 16. 1

Kurajeff entwickelte in Charkow eine rege Unter- richtstätigkeit, auch nahm er an der Reorganisation des Frauenhochschulstudiums regen Anteil.

Mitten aus voller Wirksamkeit riß ihn der Tod. Während einer Vorlesung verlor er die Besinnung und erlag vier Tage später im besten Mannesalter dem ein- getretenen Gehirnschlage.

Seine Arbeiten, die größtenteils in deutscher Sprache erschienen sind, sichern ihm ein bleibendes und ehrenvolles Andenken. Sie betreffen hauptsächlich die Protamine und Jodeiweißkörper; namentlich bleibt sein Name dauernd mit der Plasteinforschung verknüpft.

C. Neuberg. -

Studien in der Chlorophyligruppe IIL

Eine neue Abbaumethode in der Chlorophylichemie. Von | L. Marchlewski. (Aus dem medizinisch-chemischen Laboratorium in Krakau.) (Eingegangen am 23. Dezember 1908.)

Bekanntlich sind jetzt zwei Methoden des Abbaues der Chlorophylle bekannt. Die eine benutzt die Wirkung der Wasserstoffionen, die andere die der Hydroxylionen. Die erste führt zu den Chlorophyllanen (Phyllogen, Phäophytin) und dann zum Phyllocyanin und Phylloxanthin, die andere zum Alka- chlorophyll, aus welchem Phyllotaonin, bzw. Allophyllotaonin erhalten werden kann. Der Unterschied zwischen den beiden Reihen der in dieser Art erhaltenen Körper ist nicht unbedeutend, und die Bestrebungen, einen Übergang von der einen Gruppe zu der anderen zu finden, haben bis jetzt nicht zu ganz sicheren Resultaten geführt. In dieser Beziehung ist nur einer Angabe von E. Schunck zu gedenken, nach welcher Phyllocyanin durch Alkaliwirkung in Phyllotaonin umwandelbar sein soll.

Im nachfolgenden soll eine Methode beschrieben werden, welche in sehr glatter Art es gestattet, von den Säureabbau- produkten des Chlorophylls, bzw. der Chlorophylle zu den Alkali- abbauprodukten überzugehen. Sie stützt sich auf eine Reaktion eines Körpers, welcher überaus interessant ist, und dessen ein- gehenderes Studium ohne Frage sehr viel zur Aufklärung der chemischen Natur der Chlorophylle beitragen dürfte.

In der ersten Abhandlung dieser Serie von Studien in der Chlorophyligruppe!) wurde ein Körper beschrieben, welcher zu den komplexen Metallsalzverbindungen der Chorophylle zu zählen ist, und welcher auffallend die Eigenschaften der Chloro-

1) Dieso Zeitschr. 10, 131, 1908. 1*

4 L. Marchlewski:

phylle imitiert, nämlich die Zinkverbindung, welche Chlorophyllan (Phyllogen, Phäophytin) bei der Behandlung seiner alkoholischen Lösung mit Zn (OH), und Kohlensäure liefert. Dieselbe wird im Gegensatz zu anderen derartigen Metallverbindungen der Chlorophylie leicht durch schwache Säuren zersetzt unter Ab- scheidung von Kohlensäure und Regenierung von Chlorophyllan. Dabei verliert sie ihre prächtige grüne Farbe, um der bekannten olivgrünbraunen des. Chlorophyllans Platz zu machen. Ich habe nun gefunden, daß der in Rede stehende Körper nicht nur das Verhalten der Chlorophylile zu Säuren imitiert, sondern auch zu Alkalien. Wird nämlich seine alkoholische Lösung mit Kaliumhydrat versetzt, so büßt sie sehr bald ihre prächtige rote Fluorescenz nahezu vollständig ein. Nach längerem Stehen bildet sich ein dunkelgrüner Bodenabsatz in Form von abge- grenzten kugeligen Aggregaten, welcher in Wasser vollständig mit prächtig grüner Farbe löslich ist. Dasselbe Verhalten zeigt die über ihm stehende alkoholische Lösung; nach dem Ver- dünnen mit Wasser erhält man eine vollständig klare Lösung, aus welcher Äther nur spurenweise einen grünen Farbstoff ent- zieht, während die Hauptmasse des Farbstoffs in der wässerigen Lösung zurückbleibt. Wird letztere von nouem mit Äther überschüttet und mit Oxalsäure behutsam versetzt, so wird das Kaliumsalz des neuen Farbstofis zersetzt, die Farbsäure in Freiheit gesetzt und jetzt vom Äther aufgenommen, wobei eine prächtig rot fluorescierende grünblaue Lösung entsteht. Dieser Körper verhält sich durchweg wie Alkachloro- phyli und unterscheidet sich von letzterem hauptsächlich da- durch, daß, während das längst bekannte Chlorophyllderivat magnesiumhaltig ist, der neue Körper Zink enthält, und zwar, wie später ausführlich gezeigt werden soll, in nicht unbeträcht- licher Quantität.

Die ätherische Lösung des neuen Körpers hinterläßt beim Verdampfen eine stahlblaue glänzende Masse, welche sehr an das Alkachlorophyli erinnert und welche in Äther und den Alkoholen, sowie in Chloroform ziemlich leicht, in Benzol und Schwefelkohlenstoff sehr schwer auch bei Siedehitze und in Petrol- äther ganz unlöslich ist.!)

ı) In welcher Art diese Substanz weiter gereinigt werden kann, soll später angegeben werden.

Studien in der Chlorophyligruppe IIL 5

In spektroskopischer Beziehung erinnert die Substanz eben- falls an Alkachlorophyll. Ihre ätherische Lösung wird aber bei dem Verdampfen augenscheinlich etwas verändert, da der Abdampfrückstand ein etwas anderes Spektrum zeigt als die ursprüngliche Lösung.

Eine frische ätherische Lösung des Körpers!) zeigte bei ge- nügender Verdünnung fünf Bänder. Das erste Band im Rot ist von einem Schatten begleitet. Die 1 mm dicke Schicht der untersuchten Lösung zeigte folgende Winkeldifferenzen im Martens-Königschen Spektralphotometer:

Gelbes Quecksilberlicht der Heräusschen Lampe 69,1? Grünes 5 = j 60,2’. Band 1: A 677—637 Schatten von A 622 an, sich Band 1 anschließend Band 2: A 609—592 3: A 566—554,5 4: A 536—534,0 5: A 506—492,0.

Eine noch weiter verdünnte Lösung, deren photometrische Konstanten durch die Werte 38,5° für Gelb und 33,5° für Grün charakterisiert sind, zeigt zwei ungefähr gleich starke schmale Bänder erkennen, deren Lage den folgenden Wellen- längen entspricht:

| Band la: A 676—661 lb: A 650—643.

Die Bänder im stärker gebrochenen Spektrumteile sind so schwach, daß die Ermittelung ihrer Lage nicht gut möglich ist.

Der Charakter des neuen Körpers wird besonders genau durch das Studium seiner Zersetzungsprodukte unter dem Ein- fluß konzentrierter Salzsäure bestimmt. Er liefert hierbei näm- lich Phyllotaonin, bzw. Allophyllotaonin, resp. Phytorhodine. Der Versuch wurde mit dem oben erwähnten Kaliumsalz des neuen Körpers ausgeführt. Seine Lösung in konzentrierter Salzsäure wurde über Nacht bei gewöhnlicher Temperatur stehen gelassen und dann in viel Wasser gegossen. Nach dem Neutralisieren des größten Teiles der Salzsäure wurde der Farbstoff mit Äther

1) Als Rohmaterial wurde Brennesselblätter-Chlorophyllan (Phyllogen) benutzt.

6 L. Marchlewski:

extrahiert und die ätherische Lösung der Fraktionierung mit Säuren verschiedener Konzentration unterworfen. Es zeigte sich, daß die Hauptmenge des Farbstofis von 6°/, Salzsäure in Form eines blaugrünen Salzes aufgenommen wurde. Daneben konnte die Anwesenheit von geringen Mengen schwächer basi- scher Produkte konstatiert werden, nämlich solcher, welche rasch nur von 15°/,, bzw. 20°/, Säure der ätherischen Lösung entzogen wurden. Letztere brauchen uns hier vorläufig nicht zu interessieren.

Die 6°/,ige Salzsäurelösung wurde nach dem teilweisen Neutralisieren mit Äther extrahiert. Erhalten wurde hierbei eine olivgrüne Lösung, welche das Spektrum einer Phyllotaonin- lösung zeigte. Eine verdünnte Lösung, in 10 mm Schicht unter- sucht, gab folgende Werte: Winkeldifferenz für Hg-Gelb 35,3°, für Hg-Grün 47,5°.

: A 690—650 : A 622—602 : kaum sichtbar : A 538—525 : A 511—487.

Entscheidend war der folgende Versuch. Wurde die äthe- rische Lösung eingedampft und der Rückstand in Chloroform gelöst, die Lösung eingedampft und diese Prozedur noch zwei- mal wiederholt, so wird ein in Äther schwer löslicher Körper erhalten, welcher in Chloroform mit rötlich-brauner Farbe löslich ist und das Spektrum des Allophyllotaonins zeigt. Wird der- selbe mit wässeriger verdünnter Natronlauge auf dem Wasser- bade erwärmt, die Lösung nach dem Abkühlen angesäuert und ausgeäthert, so erhält man wieder eine ätherische Lösung des Phyllotaonins. Kurz, der in der 6°/,igen Säurefraktion vor- liegende Farbstoff verhält sich genau wie Phyllotaonin nach den Studien von mir mit Kozniewski.!) Eine Chloroform- lösung dieses Allophyllotaonins, dessen spektrophotometrische Konstanten die folgenden waren: Hg-Blau 82,8°, Hg-Grün 71,15°, Hg-Gelb 63,6° bei 10 mm Bchichtendioke zeigte folgende Bänder:

am wm bi =

1) Bull. de l’Acad. des Sciences de Cracovie 1907, 619,

Studien in der Chlorophyligruppe IIL 7

Band 1: A 712—680 2: A 652—632 3: A 556—538 4: A 516—502 aw 5: A 490—470.

Die Umwandlung dieses Allophyllotoanins in Phytorhodine unter dem Einfluß von HCl-baltigem Alkohol bei Wasserbad- temperatur findet ebenfalls glatt statt, worauf ich später noch zurückkommen werde. Schließlich muß noch darauf hingewiesen werden, daß diese Muttersubstanz des Phyllotaonins beim Er- hitzen mit KOH auf hohe Temperaturen eine rote Substanz gibt, welche schwächer basisch ist als Phylloporphyrin und höchstwahrscheinlich mit dem Alloporphyrin identisch sein wird. Auf diese Angelegenheiten komme ich später noch aus- führlich zurück, aber das bereits Gesagte zeigt schlagend, daß der neue hier besprochene Körper tatsächlich durchaus analoge Reaktionen zeigt wie Alkachlorophyli. Seine Bedeutung in der Chlorophylichemie wird auf den ersten Blick durch die folgende Tabelle erläutert:

Chlorophylie

d Zn-Prophyllotaonin Alkachlorophyli x D, -+ Säuren

Phylioxanthin + Phyllocyanin Phyllotsonin

In obiger Tabelle wurde der Kürze wegen die komplexe Zinkkohlensäureverbindung der Chlorophyllane „Zinkchlorophyli‘“ benannt, ein Name, der mit den Eigenschaften der Substanz tatsächlich gut harmonisiertt, ohne natürlich andeuten zu sollen, daß das natürliche Produkt von dem künstlichen sich nur durch einen Gehalt an Magnesium anstatt Zink unter- ‘scheidet.

8 L. Marchlewski: Studien in der Chlorophyligruppe III.

Das Umwandlungsprodukt dieses Zinkchlorophylis unter dem Einfluß von Alkalien soll als Muttersubstanz des Phyllo- taonins mit „Zink-Prophyllotaonin‘“ bezeichnet werden. Es ist sehr wahrscheinlich, daß diese Substanz von dem Alkachlorophyli sich tatsächlich nur durch den Zinkgehalt unterscheidet, und letztere Substanz wäre dann als „Magnesium-Prophyllotaonin“ zu bezeichnen.

Die oben besprochenen Reaktionen machen es also mög- lich, auf einfache, durchsichtige Art vom Chlorophyllan zum Phyllotaonin zu gelangen. Sie beweisen auch, daß die Art der Verknüpfung des Metalls für die Natur der bei der Säure- spaltung entstehenden Produkte ausschlaggebend ist, und end- lich, daß die Lehre vom magnesiumhaltigen Chlorophyll auf einem neuen Wege gestützt wird. Wie im Zn-Prophyllotoanin, so muß auch im Alkachlorophyli ein Metall stecken, da andern- falls Phyllotaonin aus ihm nicht entstehen könnte.

Die obigen Reaktionen sollen demnächst an dieser Stelle ausführlich besprochen werden, sowie auch solche, welche sich auf andere Zinkkohlensäureverbindungen von Derivaten der Chlorophylle beziehen, welche in dem hiesigen Laboratorium dargestellt und auch bereits zum Teil beschrieben wurden.

Über den Eisen- und Phosphorgehalt unserer Vegetabilien.

Von E. Haensel.

(Aus der biochemischen Abteilung des Instituts für experimentelle Therapie zu Düsseldorf.)

(Eingegangen am 23. Dezember 1908.)

Über die Aschenbestandteile, insbesondere Phosphor und Eisen, der Vegetabilien, wie Gemüse, Obst, Nüsse usw., liegen noch verhältnismäßig wenig Angaben vor. König (Chemie der Nahrungs- und Genußmittel) bezieht sich in der Aufstellung über die Zusammensetzung der Pflanzenaschen hauptsächlich auf Arbeiten von R. Pott und Herapath. Doch auch hier ist die Anzahl der zugrunde liegenden Analysen eine ziemlich geringe; so liegen z. B. für die Asche des Kopfsalates nur drei Analysen vor, für Spinat zwei, für Blumenkohl zwei, für Wal- nüsse und Mandeln je eine Analyse usw. Neuere Unter- suchungen auf Eisen in Nahrungsmitteln verdanken wir G. von Bunge.!) Die Ergebnisse zahlreicher Untersuchungen auf Phosphor in Nahrungsmitteln veröffentlichte Balland in seiner Arbeit „Sur la distribution du phosphore dans les aliments.‘“?)

Auf Anregung von Herrn Dr. Nerking übernahm ich die dankbare Aufgabe, eine große Anzahl unserer vegetabilischen Nahrungsmittel einer genauen Bestimmung des Aschengehaltes auf Eisen und Phosphor zu unterziehen.

Die Aschenbestimmung wurde in der bekannten Weise aus- geführt, daß eine bestimmte Menge der Substanz entweder 5

1) Zeitschr. f. Biol. 41, 155, 1901. (Der Kalk- und Eisengehalt

unserer Nahrung.) 2) Journ. de pharm. et de chim. 25, 9. Jan. 1907.

10 E. Haensel:

oder 10g in der Platinschale vorsichtig verascht wurde, die Asche wurde mit destilliertem Wasser befeuchtet, getrocknet, geglüht und gewogen.

Die Bestimmung der Phosphorsäure erfolgte nach der Sonnenscheinschen Methode. Die Substanz wurde verascht, die Asche in Salpetersäure gelöst und mit Wasser aufgenommen. Die Phosphorsäure wurde über die Stufe des Ammonium- phosphormolybdates als Ammoniummagnesiumphosphat gefällt und als pyrophosphorsaures Magnesium bestimmt.

Zur Bestimmung des Eisenoxyds wurde die Asche in Salzsäure gelöst und mit wenig Salpetersäure oxydiert. Dio Lösung wurde stark mit destilliertem Wasser verdünnt und durch Zusatz von Natriumkarbonat fast neutralisiert, mit neu- tralem essigsauren Natrium versetzt, bis ein flockiger Nieder- schlag entstand, etwas Essigsäure dazugegeben und zum Sieden erhitzt. Der Niederschlag von basisch essigsaurem Eisen wurde heiß filtriert, mit heißem Wasser ausgewaschen und in Salzsäure gelöst. In der salzsäuren Lösung wurde das Eisen mit Am- moniak gefällt und als Fe,O, bestimmt.

Die Resultate meiner Untersuchungen sind in nachstehen- den Tabelleu übersichtlich aufgestellt.

Tabelle I gibt die Werte in der natürlichen Substanz an, Tabelle II in der lufttrockenen Substanz. In Tabelle IlI sind die Untersuchungsergebnisse auf den Aschengehalt der luft- trocknen Substanz berechnet aufgestellt.

Tabelle I. Trocken- Phosphor- Wasser abai Asche Saure Eisenoxyd in Prozenten

Endivien. ..... 92,03 7,97 0,9766 0,1012 0,03188 0,9607 _ 0,1002 0,03188

Kopfsalat .... . 91,91 8,09 1,2377 0,1401 0,05582 1,3394 0,1148 0,05404

Winterkohl. .... 83,10 16,9 1,5436 0,2004 0,05475 1,6568 0,2077 0,05577

Spinat ....... 91,93 8,07 1,6559 0,1358 0,03631

1,6535 0,1354 0,03551 Grüne Bohnen . . . 86,25 13,75 0,8975 0,1480 0,01485 0,8782 0,1455 0,01430

Gelbe Bohnen . . . 86,25 13,75 0,4950 0,1221 0,00633 (Wachsbohnen) 0,5077 0,1237 0,00687

Eisen- und Phosphorgehalt unserer Vegetabilien. 11

Tabelle I (Fortsetzung).

Trocken- Phosphor- m. Wasser al ie Asche eg Eisenoxyd in Prozenten

Kohlrabi ...... 87,24 12,76 0,9064 0,1370 0,00638 (Kopf) 0,9090 0,1360 0,00612 Kohlrabi. ..... 81,56 18,44 1,8840 0,1934 0,06822 (Blätter) 1,9177 0,1881 0,07154 Sellerio ...... 86,59 13,41 0,9896 0,2261 0,01716 (Kopf) 0,9843 0,2209 0,01663 Sellerie ...... 85,28 14,72 1,8900 0,1764 0,04003 (Blätter) 1,8606 0,1685 0,03897 Weißkraut .. ... 92,12 7,88 0,5490 0,0653 0,00284 0,5579 0,0693 0,00315

Rotkraut. ..... 90,55 9,44 0,6117 0,0662 0,00207 0,6098 0,0650 0,00189

Möhren ...... 86,84 13,16 0,7580 0,1000 0,01289 0,7554 0,1006 0,01316

Blumenkohl . 88,18 11,82 0,7635 0,1374 0,00378 0,7606 0,1377 . 0,00355

Wirsingkohl 86,72 13,26 0,8406 0,1001 0,00742 0,8327 0,0998 0,00769

Rettich. .. .... 86,33 13,67 0,9432 0,1056 0,00383 0,9514 1,1059 0,00437

Tomaten .. .... 93,10 6,40 0,4057 0,0576 0,00064 0,4108 0,0571 0,00076

Zwiebeln . .... . 85,82 14,18 0,4792 0,1066 0,00353 0,4736 0,1059 0,00425

Rote Rüben . 82,85 17,15 0,8588 0,1500 0,00858 0,8698 0,1504 0,00892

Kartoffeln . . . . . 79,60 20,40 0,7588 0,0952 0,01836 (Magnum bonum) 0,7668 0,0966 0,02162 Kartoffeln ..... 78,30 21,70 1,0698 0,1642 0,01172 (rotschalig) 1,0658 0,1616 0,01085 Pfifferling `... 91,70 8,30 0,8157 0,0731 0,01112 0,8142 0,0699 0,01062

Gelber Hahnenkamm 92,27 7,13 0,4947 0,0960 0,00294 (Ziegenbart) 0,4993 0,0930 0,00309 Steinpilz . .. .. » 85,90 14,10 0,7924 0,1455 0,00169 0,7839 0,1403 0,00113

Äpfel ....... 81,62 18,38 0,1746 0,0178 0,00074 0,1801 0,0192 0,0007 4 Bananen `. ..... 14,78 15,22 0,3035 0,0344 0,000304 0,3165 0,0359 0,000304

Feigen. ...... 18,24 81,76 2,3546 0,1062 0,03597 (getrocknet) 2,2892 0,1022 0,03597

12 E. Haensel:

Tabelle II. Asche Phosphorsäure Eisenoxyd in Prozenten Endivien . ....... 12,30 1,27 0,400 12,10 1,257 0,400 Kopfsalat . ...... 15,30 1,7324 0,690 15,06 1,4187 0,668 Winterkobl `, ..... 9,720 1,1860 0,324 í 1,2293 0,330 Spinat. . 2. 22.2.0. 20,52 1,6833 0,450 20,49 1,6782 0,440 Grüne Bohnen ` . . . . 5,80 1,0767 0,108 5,60 1,0584 0,104 Gelbe Bohnen .. ... 3,60 0,8952 0,046 (Wachsbohnen) 3,62 0,9003 0,050 Kohlrabi ....... 7,124 1,0737 0,050 (Kopf) 7,100 1,0661 j

Kohlrabi . . ...... 10,22 0,9947 0,370 (Blätter) 10,40 1,0202 0,388 Sellerie . `, 7,38 1,6858 0,128 (Kopf) 7,34 1,6476 0,124 Sellerie . . . . 2. 2.2 .. 12,84 1,1986 0,272 (Blätter) 12,64 1,1477 0,258 Weißkraut `, . . . . 2... 6,968 0,8289 0,036 7,080 0,8798 0,040 Rotkraut . .. 22.2. 6,48 0,7014 0,022 6,46 0,6890 0,020 Möhren . . ....2.. 5.76 0,7600 0,098 5,74 0,7651 0,100 Blumenkohl ....... 6,46 1,1630 0,032 6,452 1,1655 0,030 Wirsingkohl ....... 6,34 0,7550 0,058 6,28 0,7530 0,056 Rettich . .. . 2.2... 6,90 0,7728 0,028 6,96 0,7753 0,032 Tomaten . ....... 6,34 0,885 0,010 6,42 0,8926 0,012 Zwiebeln . . . 2.2.2... 3,38 0,7524 0,032 3,34 0,7396 . 0,030 Rote Rüben . . ..... 8,008 0,8748 0,050 6,072 0,8798 0,062 Kartoffeln . . . ..... 3,72 0,4647 0,090 (Magnum bonum) 3,76 0,4896 0,106 Kartoffeln . . . . .... 4,93 0,7567 0,054 (rotschalig) 4,91 0,7447 0,050 Piffering . ....... 9,828 0,8798 0,134 9,810 0,8416 0,128 Gelber Hahnenkamm . . . 6,40 0,8926 0,038 (Ziegenbart) 6,46 0,9308 0,040 Steinpilz. .. 2... 0...» 6,62 1,0329 0,012

5,56 0,9947 0,008

Eisen- und Phosphorgehalt unserer Vegetabilien.

Tabelle II (Fortsetzung). Asche Phosphorsäure Eisenoxyd

in Prozenten

Apfel: e E E CN A š 0,95 0,0969 0,004 0,98 0,1045 0,004

Bananen ......o.. 1,994 0,2244 0,002 | 2,080 0,2346 0,002

Feigen .....: 2.2... 2,88 0,130 0,044 (getrocknet) 2,80 0,125 0,042 Erdnüse ........ 2,404 1,0151 0,004 2,408 1,0533 0,006

Haselnüsse . .. ..... 2,23 0,8594 0,012 2,22 0,8544 0,010

Walnüsse `, . 2.2 22.0. 2,112 0,9896

2136 1.0150 Spuren

Paranüss . . . . 2... 2,870 1,3797 - 0,016 2,864 1,3594 0,016

Kokosnüsse ....... 0,956 0,3188 0,008 0,960 0,3188 0,010

Mandeln. . . . 2. .... 2,836 0,8620 0,010 2,826 0,8544 0,010

Tabelle III.

Endieien . ...... S 12,30 10,566 3,2528 12,10 10,391 3,3060

Kopfsalat ........ 15,30 11,320 4,5100 18,06 9,426 4,4385

Winterkohl . . ..... 9,72 12,20 3,3330 9,804 12,53 3,3360

Spinat... 2.220202... 20,52 8,19 2,1937 2,94 8,19 2,1476 Grüne Bohnen `, . . .. . 5,8 18,69 1,8620 5,66 "18,564 1,8374

Gelbe Bohnen . . ... . 3,60 24,79 1,2770 (Wachsbohnen) 3,62 25,01 1,3813 Kohlrabi . ....... 7,124 15,07 0,7018 (Kopf) 7,100 15,06 0,6760 Koblrabi . ....... 10,22 9,73 3,6277 (Blätter) 10,40 9,81 3,6346 Sellerie . . . 2. 2.2 2.0. 7,38 22,44 1,7344 (Kopf) ` 7.34 22,48 1,6346 Sellerie . . . . 2 2... 12,84 9,335 2,1183 (Blätter) 12,64 9,079 2,0446 Weißkraut. . ...... 6,968 11,015 0,5166 7,08 11,895 0,5649

Rotkraut `, `, 6,48 10,810 0,3395 6,46 10,665 0,3096

Möhren `, . . . 2.2.0. 5,76 13,226 1,7361

5,74 13,281 1,7073

14 E. Haonsel:

Tabelle III (Fortsetzung). Asche Phosphorsäure Eisenoxyd

in Prozenten

Blumenkohl ....... 6,48 18,034 0,4953 6,452 * 18,025 0,4649 Wirsingkohl ....... 6,34 12,054 0,9148 6,28 11,908 0,8917 Rettich . . . . 2.2... 6,90 11,139 0,4058 6,96 11,188 0,4590 Tomaten ........ 6,34 13,903 0,1577 6,42 13,959 0,1867 Zwiebeln . -. .. 2...» 3,38 22,26 0,9467 3,34 22,14 0,8982 Rote Rüben R 5,008 17,346 0,9985 5,072 17,438 1,0232 Kartoffeln . A 3,72 12,526 2,4193 (Magnum bonum) 3,76 13,021 2,8191 Kartoffeln . . ». . 2... 4,93 15,349 1,0953 (rotschalig) 4,91 15,155 1,0181 Pfifferling . . ...... 9,828 8,954 1,3614 9,810 8,677 1,3046 Gelber Hahnenkamm . . . 6,40 13,915 0,5935 (Ziegenbart) 6,46 14,241 0,6191 Steinpilz . . . 2.2.2... 6,62 18,379 0,2135 6,56 17,878 0,1439 Apfel... 28. u ca 0,95 10,20 0,4210 0,98 10,66 0,4082 Bananen ...... i 1,944 11,254 0,1003 2,08 11,278 0,0916 Feigen `, :.. 2.2.2... 2,88 4,51 1,5277 2,80 4,464 1,5000 Erdnüsse `... 2,404 43,741 0,1664 2,408 42,23 0,2492 Haselnüsse. . . ..... 223 39,435 0,5381 2,22 38,489 0,4505

Walnüsse . . 2.2.2202. 2,112 46,856 2.136 47,518 Spuren Paranüsse . . .... A 2,87 48,004 0,5575 2,868 47.466 0,5579 Kokosnüse . . . 2... 0,956 33,207 1,0416 0,960 33,347 0,8370 Mandeln. . . . 2.2... 2,836 30,395 0,3526 | 2,826 30,234 0,3538

Es hat sich bei diesen Untersuchungen herausgestellt, daß der Eisengehalt mancher Vegetabilien seither teils überschätzt wurde, zum Teil auch unterschätzt. So ist die vielfach herr- schende Ansicht, daß der Spinat die eisenreichste der als Nah- rungsmittel dienenden Pflanzen sei, nicht zutreffend. Dieses

Eisen- und Phosphorgehalt unserer Vegatabilien. 15

beweist ein Vergleich der für Spinat gefundenen Eisenwerte mit dem Eisengehalt des Kopfsalates.

Zur vergleichenden Übersicht habe ich in den nachfolgenden Tabellen IV und V die einzelnen Vegetabilien nach der Höhe des Phosphor-, bzw. des Eisengehaltes geordnet aufgestellt. Die Zahlen sind die auf 100g Asche berechneten Werte.

Tabelle IV.

Paranüsse . ...... 48,004 Bis Phosphorsäure, auf Asohe berechnet 47,466 Wealnüsse . 0o ee o o »%s 46,856 29 99 93 99 LE! 47,618 Erdnüse ....... 43,741 vg Se F e 42,230 Haselnüsse . ..... 39,435 ,, 7 be Ce S 38,489 Kokomüse . . ... . 33,207 ‚, F ep np 33,347 Mandeln e e ù e o o e ù 30,395 en TT 30,234 Gelbe Bohnen . . .. . 24,79 TT np TT (Wachsbohnen) 25.01 Sellerie . . . . e e e 22,44 sn 99 nm D on ` (Kopf) 22,48 Zwiebeln ....... 22.26 ,, Se ve Se Se 22,14 Grüne Bohnen. ... . 18,69 nm IT IT 18,564 Steinpilz we re ar ie 18,379 IT IT nn ` 17,878 Blumenkohl e e e > e e 18,034 IT (D sg ”„ II 18,025 Rote Rüben Fr 17,364 99 17,488 Kartoffeln Kier a 15,349 en TT 99 TT (rotschalig) 15,155 Kohlrabi ....... 15,070 ,, Ge F sp (Kopf) 15.060 Gelber Hahnenkamm . . 13,915 ge op » (Ziegenbart) 14,241 Tomaten e e e e > o o 13,903 an nm TP 9 gg 13,959 Möhren `, . 2... ... 13,226 IT nm 13,281 Kartoffeln `, . ..... 12,526 an ` IT (Magnum bonum) 13,021 Winterkohl sg e RE E e 12,200 en IT

12,530

16 E. Haensel:

Tabelle IV (Fortsetzung).

Wireingkohl . .... . SE Bio Phosphorsäure, auf Asche berechnet Bananen . ...... 11,254 „, = F * * 11,278 Weißkraut.. . . .... 11,015 „, oi Pr re e 11,895 Rettich . .. ..... 11,139 ,, e 2 ss * 11,188 Rotkraut . . .. . . . 10,818 F de S 10,665 Endivien . `, 10,566 ,, S d up ve 10,391 Kopfsalat ....... 11,320 ,, j , » »» 9,426 Apfel. z-e d-a ae 10,200 „, e e F Se 10,660 Kohlrabi . ...... 9,370 ,, F e S 5 (Blätter) 9,810 Sellerie . ....... 9,335 ,, e e e (Blätter) 9,079 Spinat . .. 2.2... 8,190 „, * 8,1 Pfifferling . ...... 8,957 Se e * 8,977 Feigen `... 4,510 i P » 4, Tabelle V. Kopfsalat . ........ 4,51 0/, Eisenoxyd, auf Agche berechnet 4,4385 Kohlrabi Bee eier er EE 3,6277 sp nm np (Blätter) 3,6346 Winterkohl . . ...... 3,333 ge eg Fr 3,366 Endivien . . . . 2.2 2.%. 3,2528 F 5 j e 3,3060 Kartoffeln Sei ag, a e A Vi 2,4193 an (Magnum bonum) 2.8191 Spinat . . 2-2 2220200. 2,1937 d 5 * = 2,1476 Sellerie . . . . 2. 2.2. 2,1183 sn mn (Blätter) 2,0446 Grüne Bohnen . ..... 1,8620 „, Se m ep T 1,8374 Möhren....... 1,7361 e e * F 1,7073 Sellerie . . ». . . 2 220. 1,7344 ,, 5 ee e Se

(Kopf) 1,6890

Eisen- und Phosphorgehalt unserer Vegetabilien. 17

Tabelle V (Fortsetzung).

Feigen . .... 22.2.0. 1,5277 Bis Eisenoxyd, auf Asche berechnet ‚5000 Pffferling `... .... 1,3614 T ep e 1,3046 Gelte Bohnen e e e ò e o o 1,2770 TE ag 29 LE 38 (Wachsbohnen) 1,3813 Kartoffeln. . . .. 2... 1,0953 „, e de ge ge (rotschalig) 1,0181 Rote Rüben a a Tee a a 0,9985 ap TT 1,0232 Kokosnüsse . . . . 2... 1,0416 5 o sg 0,8370 Zwiebeln . . . . 2 22 .. 0,9467 ,, e m T 7 0,8982 Wirsing . . . 0,9148 „p DE s 0,8917 Kohlrabi . . ... 2... 0,7018 „, ? j j 5 (Kopf) 0,6760 Gelber Hahnenkamm `. . . 0,5935 , e ge e ss (Ziegenbart) 0,6191 Paranüss `. .. . 2.22... 0,5575 j e 5 0,5579 Weißkraut . . .. 2 2.02. 0,5166 nm D nm mp 0,5649 Haselnüsse . . . 2.22 .. 0,5381 nn nm 2 0,4505 Blumenkohl `, ....... 0,4953 „, og ge F 0,4649 Rettich `, . . . 2. 222.2. 0,4058 „, 2 e 5 5 0,4590 Apfel. coya era ar re N 0,4210 e A * 0,4082 Mandeln ar Na en a et 0,3626 IP 99 IT TE 0,3538 Rotkraut e e e e e ne e 0,3395 39 (E 39 29 LE: 0,3 Erdnüsse da Ferne tan re Nee vie 0,1664 an TT TT 0,2492 Steinpilz `... 0,2135 5 a 5 0,1439 Tomaten e e e e e e e ò œ 0,1577 29 +9 IO LH 99 0,1867 Bananen an de sa ee än ua 0,1003 zm np nm 0,0916 Walnüse . . . 2 222.0. Spuren *

Der Zubereitung der pflanzlichen Nahrungsmittel geht fast immer ein Abkochen mit Wasser voraus. Ein wesentlicher Biochemische Zeitschrift Band 16. d

18 E. Haensel.

Bestandteil der mineralischen Substanzen geht in dem Abkoch- wasser in Lösung, und da dieses Wasser keine Verwendung findet, gehen diese für die Ernährung wichtigen Stoffe teil- weise verloren. Einen Versuch, die Menge des beim Kochen entstehenden Eisenverlustes zu ermitteln, nahm ich mit Spinat und Kopfsalat vor.

Die gewaschenen und zerkleinerten Pflanzen wurden mit destilliertem Wasser kalt angesetzt, dann zum Sieden er- hitzt und etwa 1 Stunde darin erhalten. Der unlösliche Teil wurde von dem löslichen durch Filtrieren getrennt und beides getrocknet, bzw. eingedampft. Aus 1004 g Spinat wurden 104,4 g unlöslicher Rückstand und 76,95 g löslicher Extrakt gewonnen. 1120 g Kopfsalat ergaben 39,85 g unlöslichen Rückstand und 24,65 g löslichen Extrakt. Eine vorgenommene Eisenbestimmung ergab folgende Resultate:

unlöslicher Rückstand: löslicher Extrakt:

Spinat . ... e 0,73°/, Eisenoxyd 0,17°/, Eisenoxyd 0,66 „, nm 0,15 nm Kopfsalat u 0,84 0,36 nm nm 0,85 99 LE 0,39 29

Es erfolgt aus diesen Versuchen, daß man für Gemüse, von denen man das zum Abkochen benutzte Wasser nicht ver- wendet, nicht den vollen Eisenwert, den die natürliche Pflanze hat, annehmen darf.

Anschließend an diese Aschenuntersuchungen nahm ich noch in einigen Vegetabilien Bestimmungen von Lecithin und Stick- stoff vor.

Zur Ermittlung des Lecithins wurden die Substanzen zu- erst 12 Stunden bei 60°C mit absolutem Alkohol ausgezogen, der Alkohol wurde abfiltriert und bei 60° C verdunstet. Dann erfolgte eine Extraktion mit Chloroform im Soxlethapparat während 20 Stunden. Der Alkoholrückstand wurde mit Chloro- form aufgenommen und mit dem zur Extraktion verwendeten Chloroform vereinigt. Das Chloroform wurde verdunstet und der Extrakt mit Soda und Salpeter vorsichtig verascht. In der Asche wurde die Phosphorsäure als Mg,P,O, bestimmt und daraus die Menge des Lecithins berechnet.

Die Stickstoffbestimmung erfolgte nach der Kjeldahl- methode.

Eisen- und Phosphorgehalt unserer Vegetabilien.

Schwämme.

Gefundene Menge Mg,P,0,

0,1510°/, 0,1470 0,152 0,164 0,066 0,0693

Nüsse.

Gefundene Menge Mg,P,0,

Stickstoff 2,156°/, ‚240 9? 1,512 1,456 , 2,044 2,044 nm

Lecithin 0,5452°/, 0,5162 0,2545 0,2545

2*

Über Atoxyl. Dritte Mitteilung. Von Ferdinand Blumenthal und Ernst Jacoby. (Aus der chemischen Abteilung des Pathologischen Instituts zu Berlin.) (Eingegangen am 17. Dezember 1908.)

Im Jahre 1863 stellte Bechamp durch Erhitzen von arsensaurem Anilin eine Verbindung dar, die er für das Anilid der Arsensäure hielt. Nach der Böchampschen Methode wurde im Jahre 1901 in dem wissenschaftlichen Laboratorium der Vereinigten Chemischen Werke eine Arsenverbindung dargestellt und in Übereinstimmung mit den Angaben B&champs für das Metaarsensäureanilid gehalten. Dies Produkt hat der eine von uns 1901 als erster auf seine toxikologischen und pharmakolo- gischen Eigenschaften geprüft und seine Einführung in die Therapie als relativ wenig giftiges Arsenpräparat empfohlen. Das Präparat erhielt den Namen Atoxyl.!) 1907 stellte Fourneau?) fest, daß das Atoxyl ein Natriumsalz war. Er hielt es für die Natriumverbindung eines Orthoarsensäureanilids.. Moore, Nierenstein und Todd?) zeigten dann, daß das Präparat drei Moleküle Krystallwasser enthielt.

Erst P. Ehrlich und Bertheim haben die Konstitution des Atoxyls völlig aufgeklärt. Sie zeigten, daß es das Mono- natriumsalz der p-Amidophenylarsinsäure sei, und daß der Krystallwassergehalt der einzelnen Produkte zwischen zwei und sechs Molekülen schwankt.*)

1) Medizinische Woche 1902.

2) Journ. Pharm. Chim. 6. Ser. 25, 332.

3) Biochem. Journ. 2, 324, 1907.

4) Berl. klin. Wochenschr. 1907, Nr. 10 und Ber. d Deutsch. chem. Ges. 20. Juli 1907.

F. Blumenthal und E Jacoby: Über Atoxyl. III. 21

Die günstigen therapeutischen Eigenschaften, welche das Atoxyl bei der Behandlung der Trypanosomen-Krankheiten, insbesondere der Schlafkrankheit hatte, ferner seine kurativen Eigenschaften den Spirochaeten gegenüber, insbesondere denen der Syphilis (Uhlenhuth, Metchnikoff, Salmon), veran- laßte zahlreiche Kliniker, sich mit der Anwendung des Atoxyls besonders bei der Syphilis zu beschäftigen. Das Resultat ist, daß eine Beeinflussung der Syphilis durch Atoxyl statthat, daß es aber wünschenswert ist, diese Wirkung noch in irgend- einer Weise zu verstärken. Uhlenhuth, Nierenstein und Todd haben dabei an eine Kombination des Atoxyls mit Quecksilberresp.Quecksilberpräparatengedacht.Blumen- thal und Herschmann haben Jod in den Benzolring ein- geführt.) Auf diesem Wege hoffte man, die Wirksamkeit des Arsen durch andere bei der Syphilis wirksame Körper zu ver- stärken. Der zweite Weg besteht darin, aus dem Atoxyl selbst nur durch Veränderungen am Ärsenrest neue Körper zu erhalten, von denen man sich eine größere Wirksamkeit als von dem ursprünglichen Atoxyl versprach. Dieser zweite Weg ist zuerst und besonders von Ehrlich?), aber auch von uns?) beschritten worden.

Für das Anilin ist bekannt, daß durch Substituierung der Wasserstoffatome in der Amidogruppe weniger giftige und pharmazeutisch wirksamere Körper entstehen. Führt man in die Amidogruppe eine Aocetylgruppe ein, so erhält man das Acetanilid, einen Körper, der bekanntlich enorme antifebrile Eigenschaften hat und dabei erheblich weniger giftig ist als das Anilin. In gleicher Weise hat Ehrlich durch Substituie- rung des einen H der Amidogruppe durch ein Acetyl- radikal das Acetylatoxyl, das er Arsacetin nennt, als erheblich ungiftiger bei Tieren, Ratten, Mäusen und Hunden, als das Atoxyl gefunden. Diese Tatsache können wir für Kaninchen bestätigen.

Mehrere Kaninchen von 21/, bis 31/, kg erhielten 0,4 bis 0,5 g Atoxylum crystallisatum.*) Innerhalb 2 bis 6 Tagen starben diese Tiere,

1) Diese Zeitschr. 10, 248, 1908.

2) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 1908.

3) L 0.

D Die hier verwandten Präparate stammen aus dem wissenschaft- lichen Laboratorium der Vereinigten chem. Werke in Charlottenburg.

22 F. Blumenthal und E. Jacoby:

während gleich schwere Kaninchen 0,6 bis 0,8 g Acetylatoxyl ertrugen. Erst bei 0,9g Acetylatoxyl traten Krankheitserscheinungen auf, und ein Tier, welches 1 g bekommen hatte, starb nach 5 Tagen. Die Krankbeits- erscheinungen bei Kaninchen bestehen hauptsächlich zuerst in ziemlich schnell einsetzender Oligurie und Anurie. Wird Urin entleert, so enthält er meist Blut. Selbst Tiere, welche durchkommen, zeigen in den ersten 2 Tsgen bei Dosen von 0,3 bis 0,4 g Atoxyl eine Verminderung des Urins. Bei der Sektion findet man starke Hämorrhagien in den meisten Organen, insbesondere eine hyperämische Niere. Das gleiche gilt vom Acetylatoxyl, nur daß eben bei diesem die Dosen erheblich größer ge- wählt werden können.

An dieser Stelle ein Wort über die Nomenklatur. Ehrlich hat analog der Sulfanilsäure die Atoxylsäure als Arsanilsäure bezeichnet und das Atoxyl, d. h. das Mononatriumsalz der- selben, als Arsanil. Wir würden uns dieser Bezeichnung an- schließen, wenn nicht der Name Atoxyl bereits allgemein be- kannt wäre. Daß dieser Name ein Phantasiename ist, spricht nicht gegen seinen Gebrauch in wissenschaftlichen Arbeiten. Es liegt daher für uns keine Veranlassung vor, den Namen Atoxyl, der von uns bisher gebraucht wurde, aufzugeben, um so mehr, da diese Gruppe der Arsenverbindungen fast nur medizinisches Interesse hat. Das Ehrlichsche Arsanil ist identisch mit Atoxyl und Arsanilsäure mit Atoxylsäure.

Ersetzt man nun in der Amidogruppe die beiden H- Atome durch Methylgruppen, so gelangt man zu der von Michaelis dargestellten Dimethylphenylarsinsäure. Ihre Giftigkeit ist größer als die des Acetylatoxyls und un- gefähr die gleiche wie die des Atoxyls.

Ein Kaninchen von 2630 g starb bei eirer Dosis von 0,4g, während 0,3g von einem Kaninchen von 2540g vertragen wurden. Es wurde das Natriumsalz dieser Verbindung angewandt.

Diese Beispiele zeigen, daß Substituierungen an der Amidogruppe der Körper der Atoxylgruppe für die Giftigkeit von erheblicher Bedeutung sein können es ließen sich natürlich durch Einführung verschiedenster Radikale noch weitere Produkte in beliebiger Menge darstellen, wie dies für das Anilin geschehen ist.

Abweichend verhalten sich die Quecksilberpräparate. Wir erhielten ein Quecksilbersalz, indem wir Atoxyl mit einer ge- sättigten Lösung von Mercurichlorid versetzten. Diese Queck- silberverbindung zersetzt sich bei Zusatz von Natronlauge unter

Über Atoxyl. II. 23

Gelbfärbung. (Bildung von Quecksilberoxyd.) Es ist also da- mit ausgeschlossen, daß das Quecksilber sich im Kern selbst in ähnlicher Bindung wie das Arsen befindet. Nach der im Laboratorium der Ver. chem. Werke angestellten Analyse ent- hält dieses Salz 24,2°/, Arsen, 32,3°/, Quecksilber.

Ein analoges Quecksilbersalz läßt sich aus dem Acetyl- atoxyl gewinnen. Diese beiden Quecksilbersalze haben wir in bezug auf ihre Giftigkeit miteinander verglichen.

Ein Kaninchen, 2710 g, das 0,2g des Quecksilbersalzes des Atoxyls erhalten hatte, starb nach 4 Tagen.

Ein Kaninchen, 1980 g, das 0,1 g erhalten hatte, nach 6 Tagen.

Ein Kaninchen, 2700 g, erhält 0,2 g acetylatoxylsaures Quecksilber, stirbt nach 4 Tagen.

Kaninchen, 2350 g, erhält 0,1 g, stirbt nach 7 Tagen.

Als Krankheitserscheinungen sind zu konstatieren bei den mit 0,2 g atoxylsaurem und acetylatoxylsaurem Quecksilber vergifteten Kaninchen fast völlige Anurie. Die Tiere litten an starken Durch- fällen, und es ließen sich nach dem Tode in der Niere starke Anämie und verfettete Zellen konstatieren. Die Därme waren stark hyperämisch und zeigten Geschwürsbildungen. In der Niere waren ferner starke Kalkablagerungen. Ähnlich, nur milder, waren die Symptome bei den mit 0,l g vergifteten Tieren.

Diese Quecksilbersalze sind in Wasser unlöslich. Wir haben sie daher mit Öl verrieben den Tieren eingespritzt.

Unsere Erwartung, daß entsprechend der geringeren Giftigkeit des Acetylatoxyls dem Atoxyl gegenüber das ent- sprechende Quecksilbersalz des Acetylatoxyls sich als erheblich ungiftiger erweisen würde als das atoxylsaure Quecksilber, wurde durch diese Versuche nicht bestätigt. Es war ein markanter Unterschied in der Giftigkeit beider Prä- parate in unseren Versuchen nicht zu konstatieren.

Blumenthal und Herschmann haben früher gezeigt, daß sich die Amidogruppe im Atoxyl durch Jod ersetzen läßt. Das so dargestellte Natriumsalz der p-Jodphenyl- arsinsäure hatte sich giftiger gezeigt als das Atoxyl. Dosen von 0,2g waren für Kaninchen von 2 bis 3kg tödlich. Als wir nunmehr durch Behandeln mit Mercurichlorid das Queck- silbersalz dieser Säure darstellten, zeigte sich, daß dies Präparat für Kaninchen weniger giftig war als die erwähnten Queck- silbersalze des Atoxyls und des Acetylatoxyls, denn die Tiere

24 F. Blumenthal und E. Jacoby:

zeigten nach Einspritzen von 0,1 bis 0,13 g keine Krankheits- erscheinungen. Erst ein Tier, welches 0,2 g erhalten hatte, starb.

Kaninchen, 2145g, erhält 0,2g des Quecksilbersalzes der p-Jod- phenylarsinsäure in Öl verrieben. Das Tier lebt 4 Tage, hat aber völlige Anurie in der ganzen Zeit. Auch nach dem Tode wird in der Blase kein Urin gefunden. Die Nieren sind sehr anämisch, im Darm starke Invagination einer Darmschlinge, Blutungen und Geschwürs- bildung.

Kaninchen, 3270 g, erhält 0,1 g des Quecksilbersalzes der p-Jod- phenylarsinsäure in Öl subcutan. Das Tier ist dauernd gesund.

Kaninchen, 2470 g, erhält das gleiche, Tier ist dauernd gesund.

Kaninchen, 2750 g, erhält 0,13 g des gleichen Präparates in Öl sub- cutan; dauernd gesund.

Es war also dieses Salz etaws ungiftiger als die Queck- silbersalze des Atoxyls und des Acetylatoxyls. Es ist dies um so auffallender, als das Natriumsalz der p-Jod- phenylarsinsäure erheblich giftiger ist als Atoxyl. Wir finden also für die Quecksilbersalze, daß die Intaktheit der Amidogruppe irrelevant zu sein scheint, und der größere oder geringere Gehalt an Quecksilber scheint hier den Grad der Toxizität zu bedingen. Wir werden später nachweisen, daß die geringere Giftigkeit nicht auf schlechtere Resorption dieses Salzes gegenüber den beiden anderen Quecksilbersalzen beruht, welche ebenfalls unlöslich sind. Die relative Un- giftigkeit des Quecksilbersalzes der p-Jodphenylarsin- säure ist um so auffallender, als in ihm gleichzeitig drei äußerst differente Körper: Arsen, Quecksilber und Jod enthalten sind.

Lüdecke hat unter Erhaltung der Amidogruppe des Atoxyls Jod in diese Verbindung eingeführt und ist zu dem p-Jodamidophenylarsinsäurenatrium gelangt. Dieses zeigte sich für Kaninchen nicht weniger giftig als das von Blumen- thal und Herschmann dargestellte p-Jodphenylarsinsäure- natrium, obwohl in der ersteren die Amidogruppe erhalten, die im letzteren durch Jod ersetzt war.

Es sind von uns auch Untersuchungen angestellt worden mit Präparaten, an denen Veränderungen an der Arsen- gruppe vorgenommen waren, zuerst mit einem von Karl Lüdecke durch Reduktion aus Atoxyl erhaltenen p-Amido- phenylarsinoxyd. Dieses tötet ebenso wie das entsprechende

Über Atoxyl; III. 25

acetylierte Präparat in Dosen von 0,1 bzw. 0,2 g Kaninchen innerhalb weniger Stunden.

So erhielt ein Kaninchen von 2740 g 0,2g dcs p-Amidophenyl- arsinoxyds subcutan. Das Präparat ist in Wasser unlöslich und wurde als Aufschwemmung eingespritzt, wobei ein Teil bei der Einspritzung daneben ging. Das Tier starb bereits zwei Stunden später unter Krämpfen.

Kaninchen von 2800 g erhielt 0,02 g derselben Substanz. Es starb drei Tage später. Eine anologe Giftigkeit zeigte das p-Acetylamido- phenylarsinoxyd.

Wir sehen also, daß dies Präparat, das ein Reduktions- produkt aus Atoxyl darstellt, eine enorme Giftigkeit dem Atoxyl gegenüber besitzt. Weit weniger giftig zeigte sich ein noch weiter reduziertes Atoxyl. Wir untersuchten das salzsaure Salz einer solchen Verbindung, die ziemlich ungiftig war. Kaninchen von 2365 g erhielt 0,2 g des salzsauren Arsenanilins und zeigte keinerlei Krankheitserscheinungen.

Wir kommen also zu folgenden Ergebnissen:

L Für das Natriumsalz der p-Amidophenylarsinsäure (Atoxyl) scheint die allgemeine Regel Geltung zu haben, daß Veränderungen der Amidogruppe für die Giftigkeit von Be- deutung sind in dem Sinne, wie dies Ehrlich und Bertheim zuerst gezeigt haben, daß die Einführung von Säureradikalen (Essigsäure) zur erheblichen Verminderung der Giftigkeit bei- trägt. Andere Veränderungen an der Amidogruppe, z. B. die Einführung von Methylgruppen vermindert die Giftigkeit nicht. Vollständige Ersetzung der Amidogruppe z. B. durch Jod hat eine Erhöhung der Giftigkeit zur Folge; ebenso der durch Ehrlich vorgenommene Ersatz der Amidogruppe durch eine Hydroxylgruppe.

2. Nimmt man an Stelle des Natriumsalzes die Queck- silberverbindungen, so spielen die Veränderungen in der Amido- gruppe anscheinend für die Frage der Giftigkeit keine aus- schlaggebende Rolle. Es kann sogar, wie das bei den Queck- silbersalzen der p-Jodphenylarsinsäure der Fall war, ein un- giftigeres Produkt resultieren. Für die Giftigkeit der Queck- silberpräparate scheint der Gehalt an Quecksilber von größerer Bedeutung als die Veränderungen an der Amidogruppe zu sein.

3. Veränderungen an der Arsengruppe führen zu ganz er- heblichen Veränderungen der Giftigkeit. Die Reduktionspro-

26 F. Blumenthal und E. Jacoby:

dukte des Atoxyls und Acetylatoxyls können unter Umständen um das 20- bis 30fache die Giftigkeit des Atoxyls über- steigen.

Findet im Tierkörper eine Bildung von Anilin aus Atoxyl statt?

Wir haben schon oben erwähnt, daß bereits in der ersten Publikation im Jahre 1902 der eine von uns behauptet hat, daß es bei der Anwendung von Atoxyl nicht zu einer Vergiftung des Organismus mit Anilin kommt, daß also irgendwelche toxischen Mengen Anilin nicht abgespalten werden. Auf Grund der Sektionsbefunde bei Kaninchen und Hunden (Hämorrhagien in den verschiedensten Organen, insbesondere in der Niere, in der Blase und dem Darm) kam er zu dem Ergebnis, daß es sich bei der Atoxylvergiftung und -Wirkung lediglich um Arsenwirkungen handelte Eine Bildung von Anilin aus Atoxyl war zwar nach der chemischen Konstitution möglich, sowohl bei Annahme der ersten Formel als Metaarsensäure- anilid, als auch später, wenn auch schwerer, bei der richtigen Annahme als Natriumsalz der p-Amidophenylarsinsäure. Da aber immer wieder von der Möglichkeit, daß sich Anilin in wirksamen und toxischen Mengen im Organismus aus Atoxyl abspalten könne, in der Literatur die Rede war, so haben Blumenthal und Herschmann von neuem die Frage der Anilinabspaltung nach Atoxyleinspritzung aufgenommen und sind dabei zu einem absolut negativen Resultat gelangt. Weder war Anilin direkt im Harn, noch das aus Anilin entstehende p-Amidophenol nachweisbar. Beim Kaninchen haben wir öfters in dem ein bis mehrere Stunden nach Ein- spritzung gelassenen Harn eine deutliche Indophenolreaktion be- kommen. Beim menschlichen Harn haben wir sie meist ver- mißt oder nur angedeutet gefunden. Es standen uns allerdings nur Harne mit 0,1—0,2g Atoxyl subcutan gegeben zur Ver- fügung. In einem früher untersuchten Fall waren 0,4g Atoxyl gespritzt worden, aber nur eine Mischprobe des innerhalb der ersten 24 Stunden entleerten Harns untersucht worden. Das Resultat war negativ. Da aber Atoxyl selbst die Indophenol- reaktion gibt, so beweist der positive Ausfall dieser Probe nichts für die Bildung von Anilin im Tierkörper.

Über Atoxyl. III. 27

Sticker!) hat sich neuerdings bei Hunden anatomisch mit der Frage der Anilin- und Arsenvergiftung beschäftigt und kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, daß nach Atoxyleinführung keinerlei anatomische Veränderungen entstehen, welche auf Anilinvergiftung zu beziehen sind. Auch neuerdings von uns angestellte Versuche, welche zur Aufgabe hatten, nach Atoxylinjektion eine Vermehrung der Ätherschwefel- säuren im Harn nachzuweisen, wie sie nach Bildung von p-Amidophenol im Tierkörper sich konstatieren lassen müßte, hatten ein absolut negatives Ergebnis.

Wir haben also bei der Wirkung und Vergiftung durch Atoxylkörper die Arsengruppe bzw. andere differente Körper, Quecksilber, Jod usw. lediglich in Betracht zu ziehen, wobei wir allerdings die eigenartige Konstitution der Körper berück- sichtigen müssen. (Siehe oben.)

Wirkungsart des Atoxyls im Tierkörper.

Wenn wir die Trypanosomen- und Spirochätenkrankheiten für diese Betrachtung zugrunde legen, so geschieht das, weil an ihnen die Wirkung direkt erkannt werden kann und zwar aus der Fähigkeit oder Unfähigkeit des Atoxyls die Mikro- organismen abzutöten. Für die Wirkung kommen im wesent- lichen folgende Anschauungen in Frage:

L Das Atoxyl wirkt im Tierkörper auf die Try- panosomen ein, indem es dieselben wie ein Antisep- tikum direkt abtötet.

2. Das Atoxyl wird im Körper in einem bestimmten Organ abgelagert.

3. Das Atoxyl wird im Tierkörper in eine andere für die Mikroorganismen bactericide Substanz um- gewandelt.

4. Das Atoxyl regt die Organe zur Bildung von Vorgängen und Stoffen an, wodurch die Mikroorza- nismen vernichtet werden.

1) Sticker, Berl. klin. Wochenschr. 1908.

28 F. Blumenthal und E. Jacoby:

l. Einwirkung des Atoxyls und seiner Derivate auf die Trypanosomen.

Reagensglasversuche von Ehrlich, Nierenstein und Todd, Uhlenhuth und anderen haben gezeigt, daß eine direkte Ver- nichtung der Trypanosomen und Spirochäten durch Atoxyl nicht statthat. M. Jacoby und Schütze!) fanden erst durch ziem- lich konzentrierte Atoxyllösungen 2!/, bis 5°/, deutliche Be- einflussung. Weit stärker wirkte arsenige Säure (Löffler und Rühs, M. Jacoby und Schütze). Noch intensiver als arse- nige Säure wirken dagegen einige Atoxylderivate, namentlich Reduktionsprodukte (P. Ehrlich’). Ehrlich hat mit dem p-Phenolarsinoxyd Trypanosomen direkt abgetötet, und noch wirksamer zeigte sich das von ihm dargestellte Arsenophenyl- glycin (Ehrlich, Wendelstadt?).. Uhlenhuth und Man- teufel*) konstatierten die direkte Abtötung der Spirochäten durch die oben erwähnten Quecksilbersalze, während Atoxyl gegen Spirochäten direkt nicht wirkte; ferner durch p-Ami- dophenylarsinoxyd. Es ist demnach kein Zweifel, daß dem Atoxyl nahestehende Körper und Verbindungen des AtoxylsmitHgexistieren, dieim Gegensatzzuihm selbst eine sehr intensive, direkt abtötende Einwirkung auf die Trypanosomen und Spirochäten ausüben.

2. Verteilung des Atoxyls im Tierkörper.

Wir haben in einer früheren Arbeit nachgewiesen, daß bei Kaninchen das Arsen nach Einspritzung von Atoxyl noch nach 16 Stunden im Blute in erheblicher Menge nachweisbar ist, daß dagegen in anderen Organen gar keine oder nur geringe Mengen von Arsen vorhanden sind. Wir fanden es beim Kaninchen in relativ größerer Menge nur noch in der Knochen- substanz, in kleinen Mengen in der Leber und im Gehirn. Daraus schlossen wir, daß eine eigentliche Bindung des Atoxyls oder Arsens an die Gewebe nicht stattfindet und daß

1) Diese Zeitschr. 12, 193, 1908.

2) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 1908 u. a.

3) Wendelstadt, Berl. klin. Wochenschr., Dez. 1908. 4) Med, Klinik 1908.

Über Atoxyl. lII. 29

die Hauptwirkung im Blute statthat.e. Wedemann!) kon- statierte bei Ratten, daß Arsen nach Atoxylinjektion in re- lativ großer Menge im Blute und auch in der Leber nach- weisbar ist, selten fand er es in der Niere, fast nie in anderen Organen. Croner und Seligmann?) konstatierten beim Hunde, daß nach Atoxyleinspritzung Arsen in der Leber gefunden werden konnte. Aus diesen Befunden geht hervor, daß das Atoxyl in wesentlicher Menge nur im Blute kreist, und daß ein geringer Teil desselben in der Knochensubstanz und in der Leber beim gesunden Tier abgelagert wird. Ob beim Kranken eine besondere Affinität des Arsens zu dem erkrankten Organ stattfindet, ist durch diese Untersuchungen natürlich nicht ent- schieden. In einem mit Atoxyl behandelten Falle von Sarkom beim Hunde fand Blumenthal es in dem Tumor. Über die Verteilung des Arsenatoxyls beim Menschen liegen bisher keine Untersuchungen vor.

3. Veränderung des Atoxyls im Tierkörper.

Die erste Annahme über die Wirkung des Atoxyls war, daß Atoxyl dadurch insbesondere wirken könnte, daß der arsen- haltige Komplex als arsenige Säure abgespalten würde, und diese in statu nascendi eine ganz andere Wirkung entfalten könne, als direkt eingeführte arsenige Säure’). Hat doch die arsenige Säure im Reagensglas eine direkte Wirkung auf die Trypanosomen und Spirochäten. Diese Ansicht konnte aber bisher von keinem der Untersucher, welche sich mit der Frage beschäftigt haben, auch von uns nicht bestätigt werden, denn es ist bisher nicht arsenige Säure oder Arsen in anorganischer Form im Harn von Atoxylgespritzten in einwandsfreier Weise nachgewiesen worden. Insbesondere möchten wir hier auf die Arbeit von Welander*) hinweisen. Wenn aber auch bisher anorganisches Arsen im Harn nicht einwandsfrei nachgewiesen werden könne, so ist natürlich nicht gesagt, daß es nicht in dieser Form im Organismus, z. B. in der Leber, in den Knochen,

1) Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt 1905. 2) Deutsche med. Wochenschr. 1907.

3) Med. Klinik 1907.

4) Archiv für Syphilis usw. 1907.

30 F. Blumenthal und E. Jacoby:

in den Haaren zur Ablagerung und zur Wirkung kommt, und daß diese Mengen so langsam und in so kleiner Menge aus- geschieden werden, daß sich die Substanz, als welche das anorganische Arsen im Harne erscheint, nicht identifizieren läßt. Groß kann ja die Menge Arsen, die im Organismus als arsenige Säure zur Wirkung kommt, bei der großen Giftigkeit derselben nicht ein.

Das Arsen, welches wir im Harn nach der Atoxyleinspritzung nachweisen können, ist in einer Form vorhanden, welche darauf schließen läßt, daß ein wesentlicher Teil des Atoxyls als solches oder als ein resp. mehrere der dem Atoxyl nahestehenden Körper ausgeschieden wird.!) Genauer sind diese Körper noch nicht identifiziert.

Ehrlich hat angenommen, daß das Atoxyl im Organis- mus zu einer Substanz reduziert wird, welche direkt die Try- panosomen abtötet. Diese Annahme findet eine Bestätigung in folgenden Tatsachen. Erstens sind einige aus dem Atoxyl dargestellte Reduktionsprodukte. wie z. B. das p-Amidophen- ylarsinoxyd und das von Ehrlich dargestellte Phenylarsinoxyd, im Reagensglase heftige Gifte für die Trypanosomen, wäh- rend das beim Atoxyl nicht der Fall ist. Zweitens hat Leva- diti?) gezeigt, daß das Atoxyl beim Vermischen mit ver- schiedenen Organen, z. B. Leber, Muskeln, die Fähigkeit gewinnt, Trypanosomen abzutöten, also wahrscheinlich in den wirksamen Körper umgewandelt wird. Drittens hat Fried- berger?) gefunden, daß das Atoxyl mit einer reduzierenden Substanz, der Thioglykolsäure, versetzt, befähigt wird, Try- panosomen zu vernichten, und viertens ist es uns gelungen, im Harn Atoxylbehandelter mit -Naphthylamin einen Niederschlag zu bekommen, welcher sich von dem Atoxyl-/-Naphthylamin- niederschlag unterschied, also einem dem Atoxyl nahestehenden Körper zukam. Dieser Farbstoff zeigt in bezug auf Farbe und Un- löslichkeit in Lauge eine Übereinstimmung mit einem von uns aus dem p-Amidophenylarsinoxyd mit 8-Naphthylamin gewonnenen

1) Blumenthal-Herschman le Lockemann u. Paucke, Deutsche med. Wochenschr. 1908. Blumenthal, Deutsche med. Wochenschr. 1908.

2) Soc. de biol. compt. rend. 1908.

3) Berl. klin. Wochenschr. 1908.

Über Atoxyl. III. 3l

Azofarbstoff. Alle diese Punkte tragen dazu bei, es sehr wahr- scheinlich zu machen, daß ein Teil des Atoxyls wenigstens im Organismus zu einer ihm nahestehenden Substanz reduziert wird, und daß diese für die Wirksamkeit des Atoxyls im Tier- körper von erheblicher Bedeutung ist. Natürlich ist damit nicht gesagt, daß dies den einzigen Wirkungsmodus des Atoxyls auf die Trypanosomen und Spirochäten darstellt. Es ist viel- mehr sehr wahrscheinlich, daß das Atoxyl auch noch in anderer Weise wirkt. Daß die Reduktionsprodukte, welche im Organis- mus dabei gebildet werden können, für denselben von nicht so großer Giftigkeit sein können, wie z. B. das p-Amido- phenylarsinoxyd, oder daß es sich doch höchstens um Spuren von dieser oder einer ähnlichen Substanz handeln kann, geht aas Versuchen hervor, die wir angestellt haben.

Wir haben Leberbrei, auch Muskelbrei, mit 2°/,iger Atoxyllösung versetzt. Nach mehrtägigem Stehen im Brutschrank unter Chloroform- zusatz gelang es nicht, nachzuweisen, daß sich erhebliche Mengen einer giftigen Substanz, wie wir das beim p-Amidophenylarsinoxyd gesehen haben, bildeten. Wie oben gezeigt, töten noch 0,02 g dieser Substanz ein Kaninchen von 2800 g. Ferner haben wir einem Kaninchen 0,5 g Atoxyl subcutan eingespritzt. Nach drei Stunden wurde das Tier durch Verbluten getötet. Mit diesem Blut, ca. 20 ccm, wurde ein anderes Kaninchen gespritzt. Auch hier ließ sich keine erhöhte Giftigkeit nach- weisen. Es war also im Blut keine stark giftig wirkende Substanz zu konstatieren.

Es geht daraus hervor, daß entweder die aus dem Atoxyl entstehenden Reduktionsprodukte nicht identisch sind mit dem p-Amidophenylarsinoxyd, oder daß nur minimale Spuren von dieser Substanz gebildet werden, oder daß die entstehenden Reduktionsprodukte, falls sie giftig sind, sofort im Organismus weiter entgiftet werden. Man konnte bei dieser Sachlage daran denken, daß noch andere Vorgänge für die Wirksamkeit des

Atoxyls in Frage kamen,

4. daß nämlich im Organismus eine Anregung von Vorgängen statthat, welche die Trypanosomen ver- nichten.

Es ist klar, daß man dabei auch an die Erregung einer Hyperleukocytose dachte. Bisher konnte eine solche im Experiment nicht mit wünschenswerter Sicherheit nachgewiesen werden. Irgendwelche phagocytotischen Vorgänge vermißten

32 F. Blumenthal und E. Jacoby:

Martin Jacoby und Schütze in einer großen Anzahl darauf- hin angestellter Untersuchungen.

Wir haben früher die Meinung vertreten, daß die Hauptwirkung des Atoxyls im Blute statthat, wo es entweder direkt durch Abspaltung arseniger Säure wirkt oder auch katalytisch in Funktion treten kann, indem es auf für die Heilung wichtige Vorgänge einwirkt. Wir standen damals noch unter der Vor- stellung, daß ein arsenhaltiger Körper nur durch Abspalten von arseniger Säure wirken könne, denn es war uns damals noch unbekannt, daß ein Teil des Atoxyls in organischer Form ausgeschieden wurde. Wenn wir also heute annehmen, daß ein Teil des Atoxyls auch in organischer Form zur Wirksamkeit gelangt, so hat der von uns damals aus- gesprochene Satz doch nichts von seiner Berechtigung verloren. Auch heute noch sind wir der Ansicht, daß das Atoxyl kata- lytisch diejenigen Funktionen des Organismus, welche für die Abtötung der Mikroorganismen von Bedeutung sind, mobilisiert und eine Resorption von Krankeitsprozessen anregt, und auch teilweise durch Abspaltung von arseniger Säure in statu nascendi wirkt. Hinzugekommen ist nur, daß das Atoxyl auch als Reduktionsprodukt, das heißt in organischer Form, wirksam sein kann. Nach Robert Koch wird durch eine Abtötung einzelner Krankheitserreger eine Resorption von Krankheits- prozessen durch das Atoxyl in die Wege geleitet. Dadurch entstehen Immunstoffe, welche die Ursache einer gewissen Immunität werden. Wir sehen also, daß wir zwar eine Reihe von Vermutungen und Wahrscheinlichkeiten über die Atoxyl- wirkung im Organismus haben, daß aber als gesicherte Tat- sache nur die Wirksamkeit des Atoxyls im Tierkörper gegen- über der Nichtwirksamkeit im Reagensglase bestehen bleibt. Alles, was über die Vorgänge, auf denen die Wirksam- keit im Tierkörper beruht, gesagt ist, ist bisher nur Hypothese.

Wie Woithe auf der Naturforscherversammlung in Köln treffend hervorgehoben hat, haben wir in dem Atoxyl zum ersten Male ein inneres Antisepticum kennen gelernt, welches im Gegensatz zu den bekannten Antisepticis im Rea- gensglase nicht wirkt. Ehrlich hat ferner darauf hingewiesen, daß die uns bekannten Antiseptica, z. B. Sublimat, schon des-

Über Atoxyl. I. 33

halb im Tierkörper nicht angewendet werden können, weil ihre Giftdosis für die Zellen kleiner ist, als ihre Giftdosis für die Mikroorganismen. Glücklicherweise ist das bei dem Atoxyl und seinen Derivaten nicht der Fall. Vielleicht schlummert in dem Arzneischatz der Chemie, namentlich der Anilinkörper, noch manches innere Antisepticum, welches bisher nur dadurch noch nicht aufgedeckt wurde, weil es ähnlich wie das Atoxyl im Reagensglas keine Wirkung entfaltet, und wir bisher ge- wohnt waren, nur solche Substanzen am Tierkörper zu prüfen, welche uns im Reagensglas als wirksam ge- genüber Mikroorganismen erschienen. Mit neuer Hoff- nung dürfen wir daher, nachdem diese Ansicht durch die Forschungen am Atoxyl als eine Irrlehre erkannt ist, wieder an die Suche innerlich wirkender Antiseptica gehen.

Nachweis des Atoxyls und seiner Derivate im Harı.

Blumenthal und Herschmann haben zuerst nach- gewiesen, daß der Harn Atoxylbehandelter nach Diazotieren mit Salzsäure und Natriumnitrit und Zusatz von a-Naphthol eine prachtvolle Rotfärbung gibt, die auf der Bildung eines Azofarbstofis mit «-Naphthol beruht. Ehrlich und Bertheim, welche zuerst die Diazotierung des Atoxyls vorgenommen haben, hatten vorher gezeigt, daß das diazotierte Atoxyl mit f-Naph- thylamin einen roten Farbstoff gibt, welcher sich in kalter Sodalösung in schön roter Farbe löste. Auch diese Reaktion gibt der Harn Atoxylbehandelter, nur daß nicht immer ein roter Farbstoff entsteht, der sich in kalter Soda löst, sondern die Niederschläge, welche sich bilden, sind entweder schön rot (Lockemann und Paucke), oder mehr braun gefärbt (Blumen- thal und Herschmann, Lockemann und Paucke). Die braunen Niederschläge sind teilweise gar nicht in Soda löslich, teilweise auch nicht einmal in Natronlauge. Diese Reaktionen geben die Harne Atoxylbehandelter in der Regel nur in den ersten bis 24 Stunden nach der Atoxylinjektion, wobei die Menge der Injektion von Bedeutung ist: 0,2—0,5 g. Einige Male haben wir auch später als nach 24 Stunden noch eine Reaktion bekommen. Croner und Seligmann und Locke-

mann und Paucke stellten fest, daß nach wiederholter Atoxyl- Biochemische Zeitschrift Band 16. 3

34 F. Blumenthal und E. Jacoby:

injektion die Ausscheidung des Arsens bzw. des Atoxyls und der ihnen nahestehenden Produkte stark verzögert wird. Das gleiche ist der Fall beim Kaninchen. Diese gleichen Reak- tionen mit «-Naphthol und f-Naphthylamin geben nun auch die von uns dargestellten Derivate des Atoxyls, so z. B. die Quecksilberverbindung. Das Quecksilbersalz des Atoxyls wird mit Salzsäure und Natriumnitrit diazotiert und mit Zehntel- lösung von salzsaurem ß-Naphthylamin versetzt. Es bildet sich ein ziegelroter Niederschlag, der in Soda mit purpurroter Farbe löslich ist. Beim Ansäuern mit Salzsäure bildet sich wieder ein Niederschlag, der sich bei weiterem Zusatze von Salzsäure mit purpurroter Farbe auflöst. Das gleiche zeigt sich bei dem Quecksilbersalz des Acetylatoxyls, nur muß dasselbe vor der Diazotierung durch Kochen mit Salzsäure verseift werden.

p-jodamidophenylarsinsaures Natrium. Beim An- säuern mit Salzsäure fällt erst das salzsaure Salz aus, dann bei weiterem Zusatz tritt Lösung ein. Nach Diazotieren mit Natriumnitrit und Zusatz von salzsaurem $-Naphthylamin bildet sich ein purpurroter Niederschlag, der in Soda mit orangeroter Farbe löslich ist. Beim Ansäuern mit Salzsäure bildet sich ein roter Niederschlag, der sich bei weiterem Zusatz von Salz- säure auflöst.

p-Amidophenylarsinoxyd. Nach Zusatz von Salzsäure und Natriumnitrit und salzsaurem f-Naphthylamin entsteht ein dunkelroter Niederschlag, der fast unlöslich ist in heißer Natron- lauge. Kaninchen erhält 0,7 g Acetylatoxyl in 10°/,iger wässe- riger Lösung. Nach 24 Stunden ist kein Urin vorhanden, das Tier ist krank. Nach 48 Stunden werden 30 com Urin entleert, der Harn gibt nach Verseifung die a-Naphtholprobe und die Probe mit f-Naphthylamin. |

Kaninchen, Gewicht 3100 g, erhält 0,4 g Atoxyl subcutan. Nach 24 Stunden 90 ccm Harn; die a-Naphtholprobe ist positiv, ebenso die Probe mit f-Naphthylamin.

Kaninchen, Gewicht 3565 g, erhält 0,5 g Acetylatoxyl. Nach 24 Stunden wird der Harn untersucht: «-Naphtholprobe nach Kochen des Harns mit Salzsäure positiv, nach 48 Stunden nach Kochen des Harns mit HCl ebenfalls positiv; ohne vor- heriges Kochen mit Salzsäure ist die Reaktion negativ.

Über Atoxyl. II. 35

Wir ersehen daraus, daß das Acetylatoxyl und seine Hg-Verbindungen unverseift den Organismus verlassen.

Ein Kaninchen von 2700 g, das 0,2g acetylatoxylsaures Quecksilber subcutan bekommen kat, entleert 24 Stunden nach der Injektion 20 bis 25 ccm Harn. Direkt gibt der Harn nicht die a-Naphtholprobe. Nach Kochen mit Salzsäure ist die «-Naphtolreaktion schwach positiv. Nach 4 Tagen stirbt das ` Tier, in der Blase sind 20 bis 25 ccm; die «-Naphtholreaktion ist erst nach Kochen mit Salzsäure positiv.

Kaninchen, Gewicht 2710 g, erhält 0,2 g atoxylsaures Queck- silber. Vier Tage später ist das Tier tot. Der in der Blase befindliche Harn gibt die «-Naphtholreaktion; desgleichen beim Kochen mit Salzsäure und Chromsäure eine dunkle Färbung.

Kaninchen, Gewicht 2350 g, erhält 0,1 g acetylatoxylsaures Quecksilber subcutan. Vier Tage wird kein Harn gelassen, am fünften Tage läßt das Tier 190 ccm Harn. Nach Kochen mit Salzsäure war die a-Naphtholreaktion zweifelhaft; direkt absolut negativ. Zwei Tage später ist das Tier tot.

Kaninchen, Gewicht 1950 g, erhält 0,1 g atoxylsaures Quecksilber subkutan. Nach 24 Stunden sind 46 ccm Harn vorhanden. Die Chromsäurereaktion ist negativ, die «-Naphthol- reaktion positiv. Am zweiten Tage sind 90 ccm Harn vor- handen. Die a-Naphtolreaktion ist schwach. Am dritten Tage 25 ccm Harn, u-Naptholreaktion negativ.

Kaninchen, Gewicht 2580 g, erhält 0,3 g Atoxyl. Nach einer Stunde 20 ccm Harn, keine Naphtholreaktion; nach 48 Stunden werden 180 ccm Harn gelassen, a-Naphtholreaktion stark; nach 72 Stunden 9 ccm Harn, schwache a-Naphtholreaktion.

Kaninchen, Gewicht 2950 g, 0,5 g Atoxyl per os; nach 24 Stunden 20 ccm Harn, a-Naphtholreaktion positiv. Von da ab wird kein Harn mehr entleert bis zum Tode des Tiers, der nach drei Tagen eintritt.

Wir haben einige Versuche angestellt, um zu sehen, wie schnell die a-Naphtholreaktion nach Atoxyl resp. Acetylatoxyl- injektion beim Kaninohen und Menschen auftritt. Bei letzte- rem haben wir nur Atoxyl eingespritzt.

Die a-Naphtholreaktion ist im Harn solcher Kaninchen be- reits in den 1 bis 2 Stunden nach der Injektion gelassenen

Portionen positiv und nach 24 Stunden meist schon wieder 3*

36 F. Blumenthal und E. Jacoby: Über Atoxyl. IH.

verschwunden. Allerdings konnten diese Versuche nur mit kleinen Dosen 0,1 g Atoxyl resp. 0,2 g Acetylatoxyl angestellt werden. Nimmt man nämlich größere Dosen, so tritt meist bei den Kaninchen Oligurie auf, und der erste Harn erscheint selten vor 24 Stunden; in diesen Fällen ist dann häufig die a-Naphtholprobe noch nach 48 Stunden post Inject. vorhanden. Bei einem nephritischen Kaninchen zog sich der positive Aus- fall der Probe über drei Tage hin.

Beim Menschen ist bei kleineren Dosen 0,1 g die Probe nur in den 2 bis 8 Stunden post. Inject. gelassenen Urinproben positiv gewesen. Bei steigenden Dosen scheint nach den wenigen Erfahrungen, die wir machen konnten, der Harn ent- sprechend länger die Reaktion zu geben. Auch hier dürfte die Intaktheit der Niere für die Schnelligkeit der Ausscheidung der Atoxylkörper eine Rolle spielen. Es war früher die Rede von der relativ geringeren Giftigkeit des Quecksilbersalzes der p-Jodphenylarsinsäure gegenüber den Quecksilbersalzen der Atoxyl-, resp. Acetylatoxylsäure. Man konnte daran denken, daß diese Salze, da sie unlöslich (in Öl) injiziert wurden, an und für sich schlecht und untereinander verschieden schnell resorbiert wurden. Beides scheint nicht der Fall zu sein. Denn schon drei Stunden nach einer Injektion des Hg-Salzes der p-Jodphenylarsinsäure war reichlich Jod im Harn zu kon- statieren. Die stärkste Jodprobe gab der innerhalb der ersten 24 Stunden gelassene Harn; schwächer waren die Jodproben der am 2. und 3. Tage post Inject. gelassenen Harnmengen; später waren noch einige Tage Spuren von Jod nachweisbar. Direkt gab der Harn niemals die Jodprobe. Erst nach Ver- aschen des Harns war sie positiv. Daraus geht hervor, daß das Jod nicht in anorganischer Form ausgeschieden wird, wenigstens nicht in nachweisbarer Menge.

Über die schwarze Kephalopodentinte.

Von Raffaele Paladino.

(Aus der chemischen Abteilung der zoologischen Station und dem physiologisch-chemischen Institut der Universität zu Neapel.)

(Eingegangen am 15. Dezember 1908.)

Man weiß, daß alle Kephalopoden eine birnförmige, mehr oder weniger ausgedehnte schwarze Masse längs der Mittellinie besitzen, die sich an den Mastdarm lehnt und mit der Leber fast verbunden ist. Sie wird mit dem Namen von Schwarz- blase oder Tintenbeutel bezeichnet, und bildet eben das Charak- teristicum der Kephalopoden. Er tritt unter den anderen blaß erscheinenden Organen hervor, was bei der Durchschneidung dieser Tiere sofort in die Augen fällt.

Aus der Literatur geht hervor, daß dieses Organ bereits die Aufmerksamkeit öfter auf sich gelenkt hat; obgleich man aber schon seit Aristoteles den Tintenbeutel und seinen Inhalt kennt, so weiß man doch wenig über die Zusammen- setzung dieses Sekrets. Aus dem Werke von Fürth!), welchem ich die am Ende dieser Arbeit angegebenen Citate entnehme, sehe ich u. a., daB Bizio bei der Reinigung der Mollusken- tinte dieselbe mit Wasser und Alkohol behandelte, sie dann mit verdünnter Salpetersäure lange kochen ließ und den Rück- stand, das Melanin, mit Kaliumcarbonat und Wasser wusch.

Desfosses und Variot ließen lange Zeit hindurch das Pigment in verdünnter Kalilauge und dann in verdünnter Salz- säure liegen; sie analysierten endlich den mit Wasser gut aus- gewaschenen und getrockneten Rückstand.

1) Vergleichende chemische Physiologie der niederen Tiere.

38 R. Paladino:

Girod reinigte den Farbstoff mit Alkohol und Äther, mit Kaliumcarbonatlösung, mit verdünnter Salzsäure und schließlich warmem Wasser.

Man sieht daraus, wie unvollständig die Untersuchungen über diese und ähnliche gefärbte Sekrete sind. Daher unter- nahm ich es auf Rat von Prof. Malerba, einen Beitrag zu zu der chemischen Kenntnis der Kephalopodentinte zu liefern. Zunächst sei über die Eledone-Moscatatinte berichtet, die man noch nicht untersucht hat und von dem Tiere in kleiner Quan- tität erhält. Es folgen dann Untersuchungen über Sepia officinalis, die uns in größerer Quantität zu Gebote stand; hieran schließt sich die Prüfung des Pigmentes, welches dieses Sekret bildet, nämlich des Melanins, das mit den schon be- kannten Melaninen verglichen werden soll.

Um mir die Sepia möglichst gut zu verschaffen, entfernte ich die Blase, als das Tier noch lebte oder sogleich nach seinem Tode.

Die in solcher Weise erhaltene Flüssigkeit war dick, von einer braunschwarzen, starken Färbung, ohne einen charakteri- stischen Geruch und von alkalischer Reaktion. Unter dem Mikro- skop erkannte man eine Grundflüssigkeit, in welcher sich eine außerordentliche Zahl kleiner isolierter oder gruppierter Körper- chen außer mit Pigment beladenen Zellen bemerken ließ.

Chemische Untersuchung.

Die Methode, die ich wählte, war die nämliche bei dem Eledonen- und Sepiaschwarz, und die Resultate waren, wie man bemerken wird, nur in Hinsicht der quantitativen Daten verschieden.

Ich begann damit, im Trockenschrank bei 100° C mehrere Gramme von gesammelter Sepia zu trocknen, bis ich keine Ver- änderung bei verschiedenen Wägungen mehr bemerkte. Ich erhielt dabei einen festen Rückstand. Die Differenz zeigte die Quantität des in der angewandten Substanz enthaltenen Wassers an. Später behandelte ich gleicherweise eine größere Sepiamenge. Ich wog dann 4g des getrockneten Rückstandes, die ich zur Bestimmung der organischen löslichen Stoffe gebrauchte. Ich fügte mehrere Volumina Alkohol hinzu und De das Ganze

Über die schwarze Kephalopodentinte. 39

24 Stunden lang stehen; ich schüttelte es mehrfach um und sammelte es endlich auf einem Filter und wusch es successive mit siedendem Wasser, mit 90°/,igem, mit absolutem kaltem und dann mit siedendem Alkohol und endlich mit Alkohol und Äther. |

Die auf diese Weise erhaltenen verschiedenen Extrakte wurden nacheinander in einer Platinschale auf dem Wasserbade verdunstet und der Rückstand im Trockenschrank bei 100° C zur Gewichtskonstanz getrocknet. Das erhaltene Gewicht zeigte die organischen, löslichen Substanzen und die löslichen Salze an. Dieser Rückstand wurde dann in derselben Schale, in der man ihn getrocknet hatte, verascht, um die organischen Substanzen zu zerstören; das erhaltene Gewicht zeigte die löslichen Mineral- substanzen an. Der Unterschied zwischen dem Gewicht der organischen löslichen Substanzen und löslichen Salze und das Gewicht der löslichen Mineralstoffe zeigte das Gewicht der lös- lichen organischen Substanzen an. Es wurde inzwischen der auf dem Filter gebliebene Teil im Trockenschranke getrocknet, mit dem Filter verascht und dann gewogen. Dieses Gewicht ergab die unlöslichen Mineralsubstanzen. Endlich erhielt man das Gewicht der unlöslichen organischen Stoffe aus der Differenz zwischen dem Gewicht der ursprünglich angewandten Substanz (4g) und dem Totalgewicht der löslichen und unlöslichen Mineralsubstanzen und der löslichen organischen Substanzen. Ich werde am Ende dieser Arbeit in Prozenten die Ergebnisse dieser quantitativen Untersuchungen angeben.

Qualitative Untersuchungen. Asche.

Folgende Untersuchungen wurden sowohl mit der Sepien- asche von Eledonen-Moscata als von Sepia officinalis aus- geführt. Die darin gefundenen Basen und Säuren waren in beiden Fällen dieselben: daher werde ich eine gemeinsame Be- schreibung geben.

Die fein pulverisierten Aschen waren grauweiß. Ich sammelte sie in einem kleinen Kolben, welcher destilliertes Wasser enthielt, und erwärmte denselben gewöhnlich bis zum Sieden. Nicht alles löste sich im Wasser auf, sondern es blieb ein ungelöster Teil, den ich abfiltrierte und sammelte.

40 R. Paladino:

Die wässerige alkalisch reagierende Lösung wurde folgenden Proben unterzogen.

Ein kleiner Teil wurde fast völlig eingedampft und der Rückstand im Wasser gelöst. Ein in diese Lösung getauchter Platindraht gab in der Flamme eine gelbe Farbe, die das Natrium charakterisiert. Der Ausfall dieser Probe wurde durch den weißen Niederschlag bestätigt, den man mit metaantimon- saurem Kalium erhält. Außerdem gab die Behandlung mit Platinchlorid den gelben Niederschlag des Platindoppelsalzes.

Ammoniumoxalat gab einen leichten weißen Niederschlag, der auf eine kleine Quantität Kalk wies. Wegen der Abwesen- heit von Magnesium entstand kein charakteristischer Nieder- schlag von Ammoniummagnesiumphosphat auf Zusatz von phosphorsaurem Natrium plus Ammoniumchlorid. Natrium, Kalium und Calcium sind also die bei der Prüfung des lös- lichen Aschenanteiles identifizierten Basen.

Ein anderer Teil der wässerigen ursprünglichen Lösung wurde dann bis zu einem kleinen Volumen konzentriert. Einige Tropfen Salzsäure erzeugten ein lebhaftes Aufbrausen und die Entwicklung eines Gases, welches das Kalkwasser trübte: es war also Kohlensäure. Die Schwefelsäure wurde mit Salzsäure und Chlorbarium in einer anderen Probe der ursprünglichen Lösung nachgewiesen.

In einem kleinen Teil der ursprünglichen Lösung wurde mit Salpetersäure und Silbernitrat die Gegenwart von Chloriden festgestellt.

Phosphorsäure konnte weder mit Magnesiamischung noch mit Molybdanlösung aufgefunden werden.

Die schon genannten Basen sind also an HCl, H,CO, und H,SO, gebunden.

Der unlösliche Aschenanteil wurde mit warmer Salz- säure behandelt. Man erhielt einen rötlichen Rückstand von Eisenoxyd, der sich nach Zugabe einiger Tropfen von Salpeter- säure ganz auflöste. Schwefelwasserstoff gab keinen Niederschlag, sodaß die Aschen weder Kupfer noch ein anderes Metall dieser Gruppe enthielten. Ammoniak erzeugte keine charakteristisehe Färbung und Ferrocyankalium verursachte keinen Niederschlag. Mit den oben erwähnten Reagenzien konnte man auch hier die Anwesenheit von Kalk und Natrium dartun. Zu einem Teile

Über die schwarze Kephalopodentinte. 41

der Flüssigkeit fügte man Ammoniumchlorid und Ammoniak hinzu und erwärmte das ganze bis zum Sieden. In dem braunroten flockigen Niederschlag ergab sich die Anwesenheit von Eisenoxyd, aber nicht von Ferriphosphat wegen des Fehlens von Phosphorsäure.. Außerdem wurde Eisen mittels Schwefelammonium, mit Ferrocyankalium und Ammonium- rhodanid erkannt.

Organische Substanzen und farbige Grundstoffe des schwarzen Sekrets.

Die verschiedenen Untersuchungen mit dem wässerigen, alkoholischen und ätherischen Extrakt gaben ein negatives Resultat, was folgende Substanzen anbelangt: Harnstoff, Harn- säure, Dextrose usw. Man konnte aber auf die Anwesenheit fettiger Substanzen schließen, deren Natur man der kleinen Quantität wegen nicht bestimmen konnte. Dasselbe kann man von den organischen unlöslichen Substanzen sagen. Sie be- stehen fast ganz aus den schwarzgefärbten Substanzen, dem Melanin.

Melanin. Um diesen Stoff in möglichst reiner Form zu gewinnen, wurde folgende Behandlung vorgenommen. Vor allem ließ man die Sepia sehr lange in Alkohol stehen. Man filtrierte sie, und der dichte, feste Niederschlag wurde mit Ather und Wasser gewaschen. Nach solcher Weise wurden die löslichen organischen Substanzen abgesondert. Dann ließ man den Niederschlag trocknen, und dann ließ man ihn in Essigsäure 21 Stunden bei gelinder Temperatur liegen, um die Eiweißstoffe abzutrennen. Man sammelte dann alles auf dem Filter und wusch es mit verdünnter Essigsäure und destilliertem Wasser, bis man eine saure Reaktion hatte. Nachdem man den Niederschlag von allen Säurenspuren befreit hatte, ließ man ihn in einer leichten Kaliumcarbonatlösung mit einigen Tropfen Lauge 21 Stunden lang in gelinder Wärme liegen. Man schüttelte dann und wann nur, damit sich der durch Alkohol niedergeschlagene Schleim löse. Unter der Wirkung der alkalischen Flüssigkeit sammelten sich auf dem Boden des Gefäßes die Pigmentkügelchen, indem sie eine dichte Schicht bildeten, welche nach der Klärung mehr- mals gewaschen wurde. Es wurde die Substanz nach dem

42 R. Paladino:

Waschen in einen Kolben gebracht, in welchem sich eine dünne Salzsäurelösung befand, nachdem man ihn etwas erwärmt hatte. Man ließ das Ganze durch einen Tag ruhen. Die Pigment- granulationen setzten sich wieder ab und wurden so lange ge- waschen, bis die saure Reaktion verschwunden war. Endlich wurde die Substanz zuerst auf dem Wasserbade und dann im Schrank bei 100° C getrocknet. Es war ein schwarzes glanz- loses Pulver, welches als chemisch rein gelten kann, da es, auf dem Platinblech verbrannt, keinen Rückstand hinterließ.

Eigenschaften.

Das Melanin der Kephalopodentinte ist Wasser, Alkohol, Ather und in verdünnten Alkalien unlöslich. Konzentrierte Kalilauge nimmt in Berührung damit eine leichte bräunliche Farbe an. Schwefelsäure färbt sich beim Erwärmen braun; die Salpetersäure gibt eine rotbraune Lösung unter Entwick- lung rötlicher Dämpfe. Calciumchlorid und Chlorwasser ent- färben es. Wenn es in Anwesenheit von Natronkalk erwärmt wird, entwickelt sich Ammoniak. Es ist also eine stick- stoffhaltige Substanz. Im Vergleich mit anderen schon be- kannten Melaninen stellt dies keine besondere Reaktion dar. Man erhält jedoch keine Eiweißreaktion. Die Sepia bildet, wie das Melanin der Geschwülste, eine schwarze, glanzlose Masse. Sie ist in den Lösungen der neutralen Salze und in verdünnten Säuren unlöslich. Sie ist teilweise in konzentrierter Essigsäure löslich. Aus den alkalischen Lösungen wird das Melanin durch Säuren niedergeschlagen, wie durch Barytwasser, Bleizucker oder durch Sättigung mit MgSO,. Man kann daraus schließen, daß das Melanin der Kephalopodentinte dem Melanin der Geschwülste, der Haare, der Haut, der Chorioidea gleicht und nur durch seinen Eiseninhalt charakterisiert ist. Während man in der Tat, noch nicht sicher ist, ob die anderen Melanine, besonders die der Geschwülste, Eisen enthalten, so ist die von mir daraufhin untersuchte Sepia daran reich.

Chemische Prüfungen. Eisenuntersuchung.

Nachdem ich eine kleine Quantität des Stoffes in einer Platinschale verascht hatte, habe ich sie mit Wasser be-

Über die schwarze Kephalopodentinte. ° 43

handelt und die Lösung in ein Probierröhrchen gegossen. Ich fügte Salzsäure hinzu und die Reaktionen mit Ferrocyan- kalium und schwefelsaurem Ammonium zeigten eine bedeutende Quantität Eisen an. `

Schwefeluntersuchung.

Die Substanz wird in einer Silberschale mit Kalisalpeter geschmolzen und die erhaltene weiße Masse in Wasser gelöst. Die Lösung wurde mit Salzsäure und dann mit Bariumchlorid versetzt. Der weiße, unlösliche Niederschlag von BaSO, be- wies die Anwesenheit von Schwefelsäure.

Stickstoff-Bestimmung.

Eine Stickstoffbestimmung nach der Methode von Kiel. dahl mit 1g der ganz trockenen Substanz ergab in der ge- wöhnlichen Weise einen Gehalt von 5,6°/, Stickstoff.

Kohlen- und Wasserstoff-Bestimmung.

0,3704g der mit Bleichromat verbrannten Substanz ergaben

C = 52,40°|, H = 4,02°/,- Zusammenfassung.

Die gesamten Ergebnisse meiner chemischen qualitativen und quantitativen Untersuchungen über das schwarze Kephalo- podensekret sind in folgender Tabelle zusammengestellt:

I. Sekret von Eledone moscata. Wasser ee ee ehe ee ee ee a 40,00°/, Lösliche organische Substanzen und lösliche Salze 6,35 „, Lösliche Mineralsubstanzen . - « © e . e 4,06 ,

Lösliche organische Substanzen . . . . . . 2,32, Unlösliche Mineralsubstanzen ee ee 60T Unlösliche organische Substanzen . . . . . 40,60

II. Sekret von Sepia officinalis.

Wasser . . 2 2 ernennen. 20,00°/, Lösliche organische Substanzen und lösliche Salze 19,00 ,,

41 R. Paladino: Über die schwarze Kephalopodentinte.

Lösliche Mineralsubstanzen . . . 2 . . . 850° Lösliche organische Substanzen . . . . . . ` ZB, Unlösliche Mineralsubstanzen . . . . . . LIBO Unlösliche organische Substanzen . . . . . 34,00,

III. Die Zusammensetzung des untersuchten Melanins, ist folgende: C:52,4°/, H:4,02°/, N: 5,60/, S und Fe vorhanden. Im Vergleich mit den anderen schon bekannten Melaninen ist es durch das Eisen, das es ganz sicher enthält, charak- terisiert.

Literatur.

R. Bizio, Chemische Untersuchung der Sepientinte. Giornale di Fisica 8, 1825.

Landerez, Über die Sepiatinte. Vierteljahrsschr. für prakt. Pharmacie 4, 1855.

Schwarzenbach, Die schwarze Farbe des Sepien, Idem idem 11, 1862.

Girod, Recherches chimiques sur le produit de la Seoretion de la poche de noir chez les Cephalopodes. Compt. rend. 92, 1880.

Über die Beteiligung des elementaren Wasserstoffes an dem Stoffwechsel der Tiere.

Von Carl Oppenheimer.

(Aus dem tierphysiologischen Institut der Landwirtschaftlichen Hoch- schule zu Berlin.)

(Eingegangen am 25. Dezember 1908.)

Die Frage, ob sich der Wasserstoff in elementarer Form an den Stoffwechselvorgängen in den Organen des tierischen Körpers beteiligt, ist ernstlich bisher überhaupt noch nicht ge- prüft worden. Daß sich Wasserstoff neben Methan in den Ausscheidungen findet, ist eine allbekannte Tatsache, ebenso aber auch, daß er mindestens zum weitaus größten Teile bakte- riellen Prozessen im Darm seine Entstehung verdankt. Die mit Abspaltung von Wasserstoff einhergehende Gärung der Kohlen- hydrate, die Buttersäuregärung des Zuckers und der Milchsäure, ebenso die Bildung von Wasserstoff neben Methan bei der Zellulosegärung durch die Tätigkeit bestimmter Mikroben ist ja heute ein wohlbekanntes Gebiet geworden und so das Auf- treten gasförmigen Wasserstoffes zunächst in den Darmgasen, dann aber auch in der Ausscheidung durch Haut und Lunge (Tacke)!) in jeder Weise aufgeklärt.

Ob aber metabolisch Wasserstoff bei der Umsetzung der Stoffe in den Geweben gebildet wird, oder ob der Körper imstande ist, die dem Wasserstoff innewohnende Energie durch seine metabolische Verbrennung auszunutzen, darüber ist, wie gesagt, nichts Sicheres bekannt, und nur wenige Hinweise finden sich in der Literatur.

ı) Tacke, Über die Bedeutung der brennbaren Gase im tierischen Organismus, Inaug. Dissert. Berlin 1884. Dee. d. Deutsch. chem. Ges. 17,1827.

46 C. Oppenheimer:

Regnault und Reiset!) fanden unter dem Einfluß der Einatmung eines wasserstoffreicheren Gemisches ein Ansteigen des Sauerstoffverbrauches, das sie selbst auf eine stärkere Ab- kühlung und dementsprechend intensivere Atemtätigkeit des Versuchstieres zurückführen wollen.

Dieselben fanden ferner bei Versuchen an Tieren in einer wasserstoffreichen Atmosphäre eine geringfügige Abnahme der vorhandenen Wasserstoffmenge. Sie glauben indessen nicht, diesen Verlust auf einen wirklichen Verbrauch dieses Stoffes im Tierkörper zurückführen zu müssen, sondern erklären ihn durch einen Ersatz von absorbiertem Stickstoff der Gewebs- flüssigkeiten durch Wasserstoff.

Demgegenüber vertreten Voit und Pettenkofer?) die Ansicht, daß der erhöhte Sauerstoffverbrauch darin seine Er- klärung finden möge, daß der im Darm durch Gärung ent- standene Wasserstoff nun in die Blutbahn übergehe und dort zu Wasser verbrannt werde, eine Ansicht, die auch neuer- dings wieder Matacci?) vertritt.

Voit und Pettenkofer nehmen an, daß die Eigenart der Regnaultschen Versuche, nämlich die dauernde Zirkulation derselben Luft, eine gewisse Anreicherung des Blutes an Wasser- stoff veranlasse, die nun zu einer Verbrennung dieses Gases führen solle. Im Gegensatz dazu finden sie bei ihren Ver- suchen den Wasserstoff frei in den Ausscheidungen, weil bei ihrer ständigen Erneuerung der Luft es nie zu einer stark ge- steigerten Tension des Wasserstoffes im Blute kommen kann.

Unser Apparat, der eine ausreichend genaue Bilanz der eingeatmeten und ausgeatmeten Gase aufzustellen gestattet, ermöglichte es, diesem nicht unwichtigen Problem direkt experi- mentell näher zu treten. Er ermöglicht es ferner, die Wasser- stoffmenge sehr reichlich zu nehmen, also die Gewebe unter einen sehr hohen Partialdruck zu setzen, wodurch die Be- dingungen für eine etwaige Verbrennung von Wasserstoff be- sonders günstig gestaltet werden. Wenn man ein Tier, bei dem eine nennenswerte Wasserstofferzeugung im Darm nicht anzu- nehmen war, in einer Atmosphäre atmen ließ, die eine erheb-

1) Regnault u. Reiset, Annal. Physique & Chim. 73, 1850.

2) Pettenkofer u. Voit, Annal. Chem. Pharm. Suppl, II, 1862, 68. 3) Matacci, Arch. ital. d. Biol. 42, 1905.

Beteiligung d. elementaren Wasserstoffes am Stoffwechsel d. Tiere. 47

liche und genau bekannte Menge Wasserstoff enthielt, so mußte die Endbilanz ergeben, ob sich die anfangs vorhandene Menge vermehrt oder vermindert hatte.

Als geeignetes Objekt dafür boten sich nüchterne Hunde dar. Wie ich ständig bei meinen früheren Beobachtungen zu konstatieren Gelegenheit hatte, scheiden diese Tiere auch in 24 Stunden gar keine oder nur äußerst winzige Mengen brenn- barer Gase aus; ihre Darmgärung ist also sehr gering zu schätzen. Wenn man nun solche Tiere in einer sehr wasserstoffreichen Atmosphäre atmen läßt, so würde eine analytisch nachweisbare Veränderung des Wasserstoffvorrates im Atemkasten eindeutig für Verbrennung oder Neubildung des Gases im Tierkörper sprechen. Dazu ist die Genauigkeit unseres Apparates völlig ausreichend, die ich für den Stickstoff auf etwa 100 ccm be- rechnet habe.

Da dieser Fehler als eine der wesentlichsten Quellen die Unsicherheit der Temperaturbestimmungen, also des Total- volumens der Kastenluft in sich schließt, so wäre der relative Fehler bei einem Wasserstoffgehalt von ca. 20°/, gegenüber den 80°/, Stickstoff der Atmosphäre auf etwa 25ccm zu ver- anschlagen. Dazu kommt, daß man den Wasserstoff direkt bestimmt, nicht wie den Stickstoff als Rest, wobei sich alle Fehler auf den Stickstoff häufen. Allerdings hat die Explosions- methode nach Geppert mit einem Fehler von etwa 0,03 bis 0,05°/, zu rechnen, was bei 1601 einem Fehler in den Wasser- stoffwerten von 50 bis 80 ccm entspricht.

80 ccm Wasserstoff sind aber gleich rund 7 mg, eine im 24stündigen Stoffwechsel eines Hundes sehr geringe Größe.

Natürlich muß die von Regnault und Reiset erwähnte Ausgleichung von Gewebestickstoff gegen Wasserstoff als Fehler- quelle ausgeschaltet werden. Dies erreicht man einfach da- durch, daß man den Versuch erst dann beginnt, wenn das Tier bereits eine Zeitlang das Gemisch geatmet hat, also die Ausgleichung vollzogen ist.

Ich habe nun zunächst eine Reihe von Versuchen an nüchternen Hunden angestellt, die in folgender Weise durch- geführt wurden. Da es mir zunächst nur darauf ankam, die Bilanz des Wasserstoffes allein festzustellen, so verzichtete ich auf einen wirklichen kompletten Respirationsversuch, d.h.

48 C. Oppenheimer:

ich bestimmte weder den Sauerverbrauch noch die Kohlen- säureproduktion, sondern ließ die Tiere längere Zeit (24 Stunden) in einem abgeschlossenen Raume mit einer bekannten Menge Wasserstoff respirieren und bestimmte nur die Anfangs- und Endwerte dieses Gases. Ein Versuch wurde dann komplett durchgeführt. Im einzelnen war die Versuchsanordnung folgende: Nachdem die Temperatur des Kastens und der äußere Baro- meterstand abgelesen war, wurde das Tier in den Kasten ein- gebracht und dieser, sowie das Thermobarometer verschlossen. Dann wurde mit Hilfe einer Strahlpumpe so lange evakuiert, bis der Druck um etwa 26 bis 30 om Hg verringert war. In das so entstandene Vakuum wurde zuerst guter Sauerstoff ein- gelassen, so daß der Druck um 60 bis 70mm Hg anstieg, dann der Rest an Minusdruck durch Wasserstoff aus einer Bombe ausgeglichen. Auf diese Weise erhielt ich einen Wasser- stoffgehalt der Innenluft von ca. 20°/, ohne Verminderung des O,-Gehaltes. |

Dann wurde der Kasten versenkt und etwa 1 Stunde ventiliertt, um einerseits eine Ausgleichung der Temperatur herbeizuführen, andererseits eine Ausgleichung der Gase im Körperinnern mit der umgebenden Atmosphäre. Dann wurde eine Analysenprobe der Kastenluft entnommen, darauf Mano- meter und Thermobarometer abgelesen, und dieser Zeitpunkt als der Beginn des Versuches angenommen. Die Kohlensäure wurde in der üblichen Weise in den Kaliventilen absorbiert und als Ersatz des verbrauchten aus einer Bombe Sauerstoff eingeleitet. Nach Ablauf der Versuchszeit (meist 24 Stunden) wurden wieder die nötigen Ablesungen gemacht, und nachher eine Analysenprobe entnommen. In einer Probe des Gases wurde über Hg die Kohlensäure bestimmt, eine andere Probe wurde mit einer Kalikugel von Kohlensäure befreit, und im Geppert- schen Apparat über Hg mittels Verpuffung der Wasserstoff bestimmt. Eine jedesmal vorgenommene Kontrolle mit KOH ergab die Abwesenheit von Methan. In einigen Fällen wurden diese Analysen durch eine weitere Analyse im neuen Zuntz- schen Apparat über Wasser mit Explosion in der Explosions- pipette kontrolliert.

Aus den Werten für das kohlensäurefreie Gas wurde durch Umrechnung der Wasserstoffgehalt des Gesamtgases und mit

Beteiligung d. elementaren Wasserstoffes am Stoffwechsel d. Tiere. 49

den aus den Werten für Druck und Temperatur berechneten Volumina im Anfange und am Schluß des Versuches der abso- lute Gehalt an Wasserstoff bestimmt.

Bei nüchternen Hunden fand sich konstant eine sehr kleine Erhöhung des Anfangsgehaltes an Wasserstoff, 20 bis in einem Falle 70 com. Da l ccm Wasserstoff rund 0,09 mg wiegt, so handelt es sich um Werte von 2 bis 7 mg Wasserstoff. Ob diese geringfügigen Differenzen auf die oben erwähnten Fehler, die zufällig immer in derselben Richtung lagen, oder auf eine Wasserstoffgärung im Darm zurückzuführen sind, wird sich kaum entscheiden lassen. Am wahrscheinlichsten ist es, anzu- nehmen, daß sie zum größten Teil durch die Volumabnahme der Kastenluft infolge der Zunahme der Lauge (s. d. unten folg. Auseinandersetzungen) bedingt sind. Diese wäre auf etwa 90 ocm = 20 ccm H, zu schätzen. Es käme auch noch folgende Möglichkeit in Betracht. Im Anfang des Versuches enthielt viel- leicht doch der Darm noch eine gewisse Menge Gase, die sich nun vor den ersten Ablesungen mit dem Wasserstoffgehalt des Kastens ausgeglichen hätten. Im Laufe der 24 Stunden kollabiert nun der Darm ganz, und nun treten diese kleinen Wasserstoffmengen wieder in die Kastenluft über. Indessen scheinen mir Spekulationen über diese geringfügigen Mengen müßig. |

Jedenfalls aber kann man mit Sicherheit annehmen, daß selbst bei so hohen Wasserstofftensionen im Blute der Versuchs- tiere eine Verbrennung dieses Gases im Stoffwechsel nicht eintritt. Eine solche Verbrennung von Wasserstoff würde, wie ohne weiteres ersichtlich, durch Erhöhung des Sauerstoffkonsums. ohne Steigerung der Kohlensäureproduktion den RQ herab- setzen. Umgekehrt würde ein Freiwerden größerer Mengen von Wasserstoff aus organischer Bindung Sauerstoff im Stoff- wechsel freigeben, der zu metabolischen Verbrennungsprozessen benutzt werden und damit, wie auch schon Pettenkofer und Voit angeben, den RQ über die Norm steigern könnte. Beim Hunde liegt also jedenfalls für solche Annahme gar kein Grund vor. Selbst bei Tieren, die mehrere Tage gehungert hatten, fand keine Verbrennung von Wasserstoff in den Geweben statt, und die scheinbare Produktion an diesem Gase bewegt sich

ebenfalls in so engen Grenzen, daß ihr gar keine Bedeutung Biochemische Zeitschrift Band 16. 4

50 C. Oppenheimer:

zuzumessen ist. Beim Gewebsstoffwechsel des Hundes spielt also der elementare Wasserstoff gerade so wenig eine Rolle, wie der elementare Stickstoff.

Den Tieren ist die Energie, die im Wasserstoff gebunden ist, für eine direkte Benutzung unerreichbar. Es muß dies um so mehr betont werden, als der Satz durchaus nicht für alle Lebewesen gilt. Gerade in neuerer Zeit sind eine Reihe von Bakterien bekannt geworden, die in der Lage sind, den Wasser- stoff sich nutzbar zu machen.

Diese Anpassung ist ja für den Kreislauf des Stoffes von sehr großer Bedeutung, da sie die ungeheuren Mengen Wasser- stoff, die in der Natur durch Gärungsprozesse entstehen, wieder in den allgemeinen Nutzbereich zurückführt, so daß auch diese Energie durch Verbrennung in Zellen ausgenutzt werden kann.

Das Säugetier aber ist, wie gesagt, unfähig, sich dieser Energiequelle zu bedienen. Beim Hunde läßt sich dies leicht entscheiden, Ich habe nun außerdem noch einige Versuche an Kaninchen gemacht, die ich zwecks möglichster Ausschaltung der Darmgärung erst einige Wochen mit Weizen fütterte und dann hungern ließ. Die Resultate waren aber wechselnd, so daß diese Versuche keine rechte Entscheidung bringen. Ich fand zwar einmal bei einem Nüchterntier in Wasserstoffatmo- sphäre gar keine Änderung des Wasserstoffgehaltes, in anderen Fällen aber schien die Darmgärung doch nicht unterdrückt, und es ergeben sich beträchtliche Zuwachswerte sowohl bei Been. rationsversuchen in gewöhnlicher Luft, als auch in Wasserstoff- atmosphäre. Versuche, die Tiere durch langes Hungern mit Maulkorb so weit zu bringen, daß der Darm wirklich leer wurde, schlugen mir fehl, da die Tiere alle starben.

Auch hier ergibt sich jedenfalls nicht der geringste Anhalts- "punkt, daß etwa Wasserstoff im Stoffwechsel verbraucht würde. Wir können also mit völliger Sicherheit annehmen, daß eine Beteiligung elementaren Wasserstoffs am Stoff- wechsel der untersuchten Tiere nicht stattfindet.

Ich möchte die Gelegenheit benutzen, um mich mit den Ausstellungen, die Krogh (Diese Zeitschr. 7, 24) an meiner Methodik gemacht hat, sachlich auseinanderzusetzen.

Krogh gibt seine Resultate wie Regnault in Prozenten des gesamten verbrauchten Sauerstofis an, während ich es vor-

Beteiligung d. elementaren Wasserstoffes am Stoffwechsel d. Tiere. 51

gezogen habe, die gefundenen Stickstoffdifferenzen direkt in Kubikzentimetern zu geben. Krogh schließt daran eine Kritik meiner Behauptung, daß die Differenzen in der Stickstoffbilanz mit dem Sauerstoffbedarf in keinem inneren Zusammenhange stehen, und meint im Gegenteil, daß der Sauerstoffverbrauch als das Maß des Gesamtstoffwechsels die beste Relation abgibt. Dem kann ich nach wie vor nicht beistimmen. Wenn man, wie wir beide übereinstimmend tun, die scheinbaren Stickstoff- werte nicht auf wahre Änderungen, sondern auf Fehler zurückführt, so entfällt jede Beziehung zu Stoffwechselvor- gängen, und es ist dann das Einleuchtendste, diese Zahlen einfach in absoluten Werten anzugeben, resp. sie auf Tier- gewicht zu beziehen, um sie zu vergleichen. Wenn sie aber wahre Werte darstellten, so wäre das richtigste Maß der Gesamt- stickstoffumsatz, der seinerseits in keinem direkten Verhältnis zum Sauerstoffverbrauch stehen muß, wie ich des näheren aus- geführt habe. Damit entfällt aber eben auch eine direkte Beziehung der Sticokstoffdifferenzen zum Sauerstoff- verbrauch. Für die kleinen Tiere, besonders die Mäuse, bilden sich sogar gegenüber den größeren Tieren, die ich be- nutzt habe, Differenzen heraus, die Kroghs Zahlen günstiger als die meinen erscheinen lassen, weil eben bei Mäusen mit ihrer großen Oberfläche der Sauerstofibedarf pro Kilo viel größer ist, als bei Hunden. Setzt man also diesen in den Nenner, so werden dadurch tatsächlich die Kroghschen Zahlen ver- bessert, während sie durch die angeführte Vergleichung in relativen, auf Gewicht bezogenen Werten sich mehr den meinen nähern. Es stützt dies also meine Angabe, daß die Kroghschen Werte relativ etwa in derselben Größenordnung liegen, wie die meinen. Sie sind eben nur eine Funktion des Apparates, nicht der Umsetzungen des Tieres.

2. Einer der prinzipiell wichtigsten und interessantesten Einwände Kroghs gegen die Genauigkeit meiner Zahlen ist die mangelnde Berücksichtigung der Volumabnahme des Tieres einerseits, der Volumzunahme der Lauge anderer- seits. Wie aus H. 437 meiner Arbeit hervorgeht, habe ich diese Frage durchaus nicht übersehen, vielmehr genau dieselben Berechnungen und Volummessungen der Lauge wie K. an-

gestellt, die auch zu denselben zahlenmäßigen Resultaten ge- A8

52 C. Oppenheimer:

führt haben. Ich bedauere also, daß ich diese Berechnung nicht auch, wie K. es getan, mit veröffentlicht habe. Richtig ist die Überlegung sicher, aber welche Höhe können bei meinen Versuchen die Fehler erreichen? Krogh gibt selbst an, daß für 100 1 Kohlensäure eine faktische Volumabnahme des Tieres von rund 15 ccm bei Stärkeverbrennung entsteht, also eine Volum- zunahme des ursprünglich vorhandenen Gasgemisches um den- selben Wert, der nun eine Zunahme des Laugenvolums um 116ccm für 100 1 CO,, also eine entsprechende Abnahme des Volums der Kastenluft gegenübersteht. Bei Anerkennung dieser Rech- nung hätte man also für 1001 Kohlensäure mit einer faktischen Abnahme von 116 15 = 101 ccm für Kohlenhydratverbrennung zu rechnen. Für reine Fettverbrennung fällt die Volumabnahme der Gewebe fort, es wäre also die totale Volumzunahme der Lauge mit 116ccm bei 1001 Kohlensäure zu rechnen. Daß sich für Eiweißnahrung sichere Werte überhaupt nicht aufstellen lassen, gibt K. selbst an. Man hat demnach für einen Teil meiner Versuche an Hunden mit sehr reicher Fleischnahrung keine sicheren Grundlagen für die Aufstellung der Korrektur. Bei einer Kohlensäureproduktion von rund 801 in einem langen Nüchternversuch mit reiner Fettverbrennung, erreicht der Fehler mit 93 ccm Volumenabnahme der Kastenluft entsprechend einer Korrektur von 74 ccm für den Stickstoff seinen höchsten Wert. Durch die mangelnde Berücksichtigung dieser Korrektur waren, wie K. zeigt, meine Resultate etwas verbessert worden. Meine Weglassung der Volumverminderung durch Zunahme der Lauge hat in der Tat eine Stickstoffvermehrung bis zum Höchst- betrage von 0,8 œ< 93 == 74 ccm vorgetäuscht. Ä

3. Die Frage der Wasserdampfspannung ist sicher nicht ohne Bedeutung. Ich habe durch feuchtes Aufwischen des Kastens vor dem Versuch, sowie häufig durch Dampfeinlassen in den Arbeitsraum versucht, die Luft möglichst zu sättigen, jedoch wird diese Sache nicht leicht zur Zufriedenheit zu er- ledigen sein. Hier liegt also sicher wieder ein Fehler, der mit der Größe des Kastens ansteigt.

4. Die Angriffe Kroghs gegen unsere Luftanalyse sind gänzlich unberechtigt. Seit Jahrzehnten sind im Zuntzschen Institut viele Tausende von Analysen ausgeführt worden, die man doch nicht mit einem Federstrich als falsch hinstellen

Beteiligung d. elementaren Wasserstoffes am Stoffwechsel d. Tiere. 53

kann. Wenn man die Gase über saurem Wasser in den Sammel- röhren so auffängt, daß sie nur mit der Oberfläche der Flüssig- keit in Berührung kommen, und beim Aufbewahren kein Wasser mehr in den Röhren sich befindet, ferner der Kohlen- säuregehalt 4°/, nicht übersteigt, so sind keine Fehler der Kohlensäurebestimmung gegenüber der Analyse über Quecksilber nachweisbar. Außerdem würde der von Krogh vermutete Fehler im umgekehrten Sinne liegen, wie mein Durchschnitts- fehler, der ein geringes Defizit aufweist, denn er sollte ein Mehr an Stickstoff vortäuschen.

Die Anmerkung von K. zu demselben Gegenstand, daß die Bestimmung der Kohlensäure aus der ausgepumpten Lauge vielleicht auch über Wasser gemacht wäre, beruht auf einer unbegründeten Vermutung. Diese Kontrollen sind mit der Blutgaspumpe und dann über Quecksilber gemacht worden,

5. Zu den im wesentlichen unberechtigten Vorwürfen ge- hören auch die gegen das bei uns benutzte Thermobaro- meter. Ich habe nie behauptet, daß dieses Instrument nun eine ideale Methode zur Messung der Temperatur wäre. Ich bleibe aber unbedingt dabei, daß es eine wesentliche Verbesse- rung nicht nur gegen die ganz ungenaue Messung im Wasser, sondern auch gegen die im Kasten mittels eines einfachen Thermometers ist. Man kann in einem Kasten, in dem sich ein Tier als Wärmequelle befindet, selbst bei guter Ventilation keine sichere Messung der Mitteltemperatur erzielen, wie Voit und Pettenkofer gegen Seegen direkt nachgewiesen haben. Daß Zinn irgendwie beträchtliche Mengen Sauerstoff in den kurzen Stunden des Versuches absorbieren soll, ist eine gänzlich beweis- lose Behauptung, die im übrigen von mir experimentell widerlegt worden ist, da ich mehrfach das Thermobarometer nach dem Versuche noch tagelang geschlossen ließ, und seine Änderungen mit Außentemperatur und Barometer verglich, ohne auf einen solchen Fehler zu stoßen. Daß das Thermobarometer der Wand des Kastens zu sehr anliegt, ist ein zweifelloser Mißstand, dem ich bei unserem neuen Apparate (cfr. Biochem. Zeitschr. 14) abzuhelfen bestrebt war. Ich bleibe dabei stehen, daß das Instrument von allen einfacheren Vorrichtungen jedenfalls die besten Resultate liefert, obzwar natürlich nicht ideale.

6. Vollkommen willkürlich ist ferner die Einschätzung der

54 l C. Oppenheimer:

Fehler, die beim Einbringen des Tieres in den Apparat sich einstellen. Krogh gibt an, die Zeit, die vom Einbringen des Tieres bis zur Schließung des Kastens verstreicht, soll eine Minute betragen, was natürlich kolossale Fehler ergeben müßte. In Wirklichkeit dauerte dies vielleicht zwei Sekunden. Ein Diener hielt das Tier, ein anderer den Deckel. Der eine schob das Tier hinein, der andere schob den Deckel an und in dem- selben Augenblick schloß ich selbst die Quetschhähne an den Schläuchen, und die Absperrung war vollzogen. Die so ent- standenen Fehler können nur minimal sein, und die Erörte- rungen, die K. daran knüpft, sind gegenstandslos,

Aus seinen Einwänden zieht K. das Fazit, daß ich die meisten Fehler hätte vermeiden können, wenn ich nach der Seegenschen Methode den Versuch erst eine Weile zur Aus- gleichung hätte gehen lassen, und dann in einem bestimmten Moment durch Ablesung der Daten und Probeentnahme den eigentlichen Versuch begonnen hätte. Das klingt sehr plausibel, ist aber doch nicht so, wie K. annimmt. Zwar vermeidet man einige Fehler, macht aber neue dafür.

Besonders kompliziert gestaltete sich bei unserem älteren Apparat die Probeentnahme aus der Lauge zur Kohlensäure- bestimmung. Hier muß aus jedem Ventil eine Probe ent- nommen und durch Wasser ersetzt werden, um in dieser Anfangsprobe das Verhältnis vom Gesamt-K zum gebundenen K zu bestimmen. Das kostet Zeit, und während dieser Zeit gibt es notwendigerweise wieder Fehler. Wo die Kohlen- säurebestimmung wie bei den hier beschriebenen Wasserstoff- versuchen nicht in Betracht kam, habe ich dies Verfahren angewendet; es war ja ohnehin in diesem Falle wegen der künstlichen Veränderung der Gasmischung notwendig. Diesen Hauptübelstand, die äußerst unbequeme Probeentnahme der Lauge, haben wir bei der Umgestaltung des Apparates ver- bessert, so daß dies nunmehr wirklich kein Hindernis mehr wäre, und wir werden dies Verfahren in geeigneten Fällen zur Anwendung bringen.

Von der Aufdeckung meiner Fehler durch Krogh bleibt also nicht sehr viel übrig. Die Zunahme der Lauge durch die Kohlensäure und die mangelhafte Gasanalyse sind die einzig greifbaren, und davon ist der letztere zurückzuweisen. Daß die

Beteiligung d. elementaren Wasserstoffes am Stoffwechsel d. Tiere. 55

Fehler vorhanden sind, habe ich ja nie geleugnet, und habe ja auch mit aller Bestimmtheit die Abweichungen nicht als faktische, sondern eben als Fehler hingestellt. Ich bin Krogh sehr dankbar, daß er sich so große Mühe gegeben hat, die zahllosen kleinen Fehler, die sich beim Arbeiten mit einem solchen großen Apparat einschleichen, näher zu präzisieren. Er hat sie bei den winzigen Dimensionen seiner Apparate leichter vermeiden können, wobei ich im übrigen nicht einen Moment zögere, die Genialität seiner Versuchsanordnungen anzuerkennen. Vorläufig aber muß ich sagen: daß meine Fehler sich bei tausendfach so schweren Tieren in derselben Größenord- nung bewegen, wie die von Krogh, das kann kein objektiv Urteilender leugnen.

Protokolle. Lauf. Nr. 1. Versuch vom 13. Mai 1907.

Versuchsobjekt: Hund,

Gewicht: 8400; Dauer: 24 h.; Ernährung: nüchtern. Anfangswerte: Temp. 17,3, Bar. corr. 759,8, Man.+ 1,42, Thermobar. 2,29 Endwerte: +1,84, A -+1,80 Anfangsvol. 159,6 1 bei 17,3 und 763,51 mm Hg = 147,42 1 reduziert Endvol. 189,61 17,3° 773,84 = 148,851 Analyse: H vorher 13,86°/,

H nachher 13,69

Wasserstoffbilanz. Vorher vorhanden 20,43 1 Nachher a 20,46 1 -+ 0,03 1

Lauf. Nr. 2. Versuch vom 28. Mai 1907.

Versuchsobjekt: Hund.

Gewicht: 7300; Dauer: 23 h.; Ernährung: nüchtern. Anfangswerte: Temp. 14,2, Bar. oorr. 759,6, Man. 1,9. Thermobar. 5,4 Endwerte: = 0,6, 5 7,33 Anfangsvol. 160,7 1 bei 14,2° und 163,1 Ges Hg = 150,20 1 Endvol. 160,71 Län 764,13 = 150,581 Analyse: Anfangsgas 20,63°/, Ha

Endgas 20,53

56 C. Oppenheimer:

Wasserstoffbilanz. Vorher vorhanden 30,996 1 Nachher à 31,018 1 -+ 0,022 1 Bemerkungen: In den 31,018 1 Wasserstoff (Endgas) sind 98 cm? Wasser- stoff aus der Probeentnahme eingerechnet, die bei diesem Versuch irrtümlich vor der Manometerablesung erfolgt ist. Durch Analyse wurde 30,92 ] gefunden.

Lauf. Nr. 3, Versuch vom 12. Juni 1907.

Versuchsobjekt: Hund.

Gewicht: 6550; Dauer: 24 bh: Ernährung: nüchtern; Anfangswerte: Temp. 17,7. Bar.corr. 761,0, Man. 6,21, Thermobar.— 2,62

Endwerte: ew +1,46, n +0,4 Anfangsvol. 161, e l bei 17,7 und 757,4 mm SCH = 146,62 1 Endvol. 161,51 17,7° 762,05 = 147,65 1

Analyse: Anfangsgas 20,08°|, H, Endgas 19,99 Wasserstoffbilanz.

Vorher vorhanden 29,44 1 Nachher = 29,49 1

| +0,051

Lauf. Nr. 4. |

Versuch vom 3. Juli 1907. Versuchsobjekt: Hund.

Gewicht: 6500; Dauer: 24 h.; Ernährung: nüchtern (3 Tage). Anfangswerte: Temp. 14,6, Bar.oorr.753,8, Man. 3,05, Thermobar. 1,10

Endwerte: s n +4,95, š 1,80 Anfangsvol. 161,5 1 bei 14,6° SH 751,85 mm Hg = 148,77 1 Endvol. l 14,6% 760,25 = 150,46 1 Analyse: Anf. 17,31°/, H, Ende 17,14 Wasserstoffbilanz.

Vorher vorhanden 25,751 Nachher 25,79 1

-+0,04 1 Lauf. Nr. 6. Versuch vom 10. Juli 1907. Versuchsobjekt: Hund.

Gowicht: 6500; Dauer: 24 h.; Ernährung: nüchtern. Anfangswerte: Temp. 18,0, Bar. corr. 763,5, Man.+13,12, Thermobar.— 1,32 Enndwerte: = S + 3,50, = 4,4

Beteiligung d. elementaren Wasserstoffes am Stoffwechsel d. Tiere. 57 Anfangsvol. 161,5 l bei 18,0% und 777,94 mm Hg = 151,53 1

Endvol. l 1800 714 = 149,831 Analyse: Anf. CO,= 0,12 H, = 17,35

Ende CO, = 0,21 17,63 (Geppert)\ w: S ) Mittel 17,59. Wasserstoffbilanz. Vorher vorhanden 26,29 1 Nachher e 26,36 1

+0,07 1

Lauf. Nr. 6. Versuch vom 16. Oktober 1907. Versuchsobjekt: Zwei Kaninchen. Gewicht: 5500; Dauer: 24 h.; Ernährung: vorher einige Tage Weizen, L Tag Hunger. Anfangswerte: Temp. 16,00, Bar. corr. 756,4, Man. 2,50, Thermobar.— 3,23 Endwerte: S e —0,63, ` +7,60 Anfangsvol. 162,5 1 bei 16,00° und 757,13 mm Hg = 149,72 l Endvol. 162,51 16,00° 748,17 = 147,96 1 Analyse: Anf. CO,= 0,16°, | H, = 23,40 Ende CO, = 0,08 n H, = 24,38 ,„

| Wasserstoffbilanz. Vorher vorhanden 38,04 1 | Methan gebildet = Null, Nachher = 36,07 1 +1,03 1 Bemerkungen: Ob der erhebliche H-Zuwachs einem reellen Zuwachs durch Darmgärung allein entspricht, ist angesichts des auffallend kleinen CO,-Wertes der Luftanalyse nicht absolut sicher. Die H,- Bestimmung geschah in einer von CO, vorher befreiten Gasprobe. Wenn der CO,-Wert also etwas höher, nämlich wie meist etwa 0,2—0,3°/, wäre, würde der H dadurch geringer werden, bei 0,3°|, 35,99. Doch bleibt auch dann noch ein reeller Zuwachs von 091 H.

| Kompletter Respirationsversuch. Lauf. Nr. 7, Versuch vom 21. November 1907. : Versuchsobjekt: Zwei Kaninchen. Gewicht: vorher 4000, nachher 4000 (nicht ganz genau, aus den Gew.- And. interpoliert); Dauer: 24 h.; Ernährung: 6 Tage Milch, 2 Tage Hunger, im Versuch desgl.

58 C. Oppenheimer:

Anfangswerte: Temp. 12,4, Bar. corr. 773,5, Man. -+ 12,6, Thermobar. + 23,5 Endwerte: e e „+ 8,7, a + 18,0 Anfangsvol. 163,4 1 bei 12,4° und 762,6 mm Hg == 154,26 1 Endvol. 163,41 124% 764,2 = 1564,58 1

Analyse Ende 0,20 °/o 22,14 68,04 19,62

00 100,00°/, O, (Schluß) nach Geppert 22,11°/,

N in O = 7,40°/ (wohl etwas zu hoch).

Sauerstoffbilanz.

Vorher vorhanden 37,59 1

Nachher 8 35,221 = 3,37 1 3,37 1

aus Gasom. 74,4 Kilo bei 12° und 104,63 Thb. = 71,091

74,46 1

davon ab N, im O, = 5,26 1 5281 Nettosauerstoffverbrauch 69,20 1 0,721 per Kilo und Stunde.

Kohlendioxydbilanz. Vorher vorhanden 0,411 Aus Lauge 63,121 Total 63,02 1 RQ =- 0,91 Nachher , 0,31 1 0,10 1 Stickstoffbilanz.

Vorher vorhanden 85,94 1 N, aus O, (7,4°/,) = 5,26 1 Fehler = 1,48 } Nachher = 89,72 1

3,78 1 Wasserstoffbilanz. Vorher vorhanden 30,33 1 Methan gebildet Null. Nachher = 30,33 1 Null 1

Bemerkungen: Der scheinbare, sehr große Stiokstoffehler liegt höchst- wahrscheinlich in einer falschen Sauerstoffanalyse. Eine Analyse des O aus der Bombe ergab nur 6,05°/, N (nach Loewys Methode, also vermutlich auch noch etwas zu hoch). Es würde sich dadurch der

Beteiligung d. elementaren Wasserstoffes am Stoffwechsel d. Tiere. 59

Sauerstoffverbrauch auf ca. 701 erhöhen, was für die Wasser- stoff-Frage gänzlich ohne Belang ist.

Beispiel eines Nüchternversuches ohne Wasserstoffzusatz. Lauf. Nr. 8. | Versuch vom 5. Dezember 1907. Versuchsobjekt: Zwei Kaninchen. Gewicht: vorher 3935, nachher 3815; Dauer: 24 h.; Ernährung: vorher Milch- diät, 1 Tag Hunger, nichts im Kasten. Anfangswerte: Temp. 23°, Bar. oorr. 750,8, Man. Null, Thermobar Null

Endwerte: š a sw 13,9, e 0,4 Anfangsvol. 163,1 1 bei 23° und 750,8 mm Hg = 144,84 1 Endvol. 163,11 23° 747,3 = 142,16 1 Analyse Anfang Ende CO, = 0,08 WA 0,50 y” 18,29 81,07 0,14 100,00 °/, N in O = 6,05 °/, Sauerstoffbilanz. Vorher vorhanden 30,20 1 Nachher e 26,00 1 = 4,20 1 aus Gasom. 76,37 Kilo bei 10° und 106,98 Thb. 72,99 1 77,19 1 davon ab N, im O, =4,42 1 4,42 1 Nettosauerstoffverbrauch 72,771 = 0,788 per Kilo und Stunde.

Kohlendioxydbilanz.

Vorher vorhanden 0,116 1 Aus Lauge 63,111 Total 63,561 RQ = 0,873 Nachher a 0.565 1 0,450 1 Wasserstoffbilanz. l Vorher vorhanden Null Methan gebildet Null. Nachher > 0,200 1 Zuwachs 200 ccm.

Untersuchungen über den Blutzucker V. Der Zuckergehalt der Blutkörperchen.

Von

P. Rona und L. Michaelis.

(Aus dem biochemischen Laboratorium des Städt. Krankenhauses am Urban in Berlin.)

(Eingegangen am 30; Dezember 1908.)

Während der Gehalt der Blutflüssigkeit an Traubenzucker seit langer Zeit bekannt ist, sind die Angaben über einen etwaigen Gehalt der Blutkörperchen an Zucker sehr spärlich, und wo sie gemacht sind, in negativem Sinne.!) Die Ursache für die ungenügende Bearbeitung dieser Frage liegt darin, daß die bisherigen Methoden der Zuckerbestimmung bei der An- wendung auf die Blutkörperchen den größten Schwierigkeiten begegnen. Die meisten Methoden vermeiden es (Alkoholmethode, die Methoden von Abeles, Schenck), den Inhalt der Blut- körperchen vor der Enteiweißung in Lösung zu bringen; die Blutkörperchen werden in toto koaguliert, ohne daß ihr In- halt vorher gründlich ausgelaugt wird. Bei der von uns ange- gebenen Enteiweißung durch Adsorption werden nun die Blut- körperchen zunächst aufgelöst, und daher schien uns diese Methode zum Studium der Frage über den etwaigen Zucker- gehalt der Blutkörperchen besonders gut geeignet.

1) J. G. Otto, Über den Gehalt des Blutes an Zucker und redu- zierenden Substanzen unter verschiedenen Umständen. Pflügers Arch. 85, 467, 1885. E. Abderhalden, Zur quantitativen Analyse des Blutes. Zeitschr. f. physiol. Chem. 23, 521, 1897 u. 25, 67, 1898. O. Hammarsten sagt in seinem Lehrbuch der physiol. Chem. 6. Aufl. 1907, 239: „Der Zucker gehört, wie es scheint, nur dem Serum und nicht den Blut- körperchen an“.

P. Rona und L. Michaelis: Untersuchungen über den Blutzucker V. 61

Wir stellten uns deshalb die Aufgabe, nach diesem Ver- fahren den Inhalt der Blutkörperchen auf Zucker zu unter- suchen. |

Die Ausführung der Enteiweißung von Serum oder Plasma wie von Blut haben wir an früherer Stelle genau angegeben.!) Die Enteiweißung der Blutkörperchenlösung gestaltet sich im Prinzip ebenso wie die des Blutes: Die Blutkörperchen werden ?/, Stunden mit 3000 Touren pro Minute abzentrifugiert, mit CiNa-Lösung wiederholt gewaschen und möglichst weitgehend zussammenzentrifugiert, mit bekannten Mengen von destilliertem Wasser in einen vorher tarierten Kolben gespült und ihre Menge durch Wägung festgestellt. Dann werden etwa je 50 g Blutkörper- chen auf 2000 ccm mit Wasser aufgefüllt. Zu der lackfarbenen Flüssigkeit wird eine auszuprobierende Menge Eisenhydroxyd- lösung zugegeben, dann noch eine geringe Menge (ca. 10 g) eines Elektrolyten, wozu man am besten ein Sulfat wählt, weil die zweiwertigen Anionen gegen das kathodische Eisenhydr- oxyd viel wirksamer sind als die einwertigen. Man kann zwi- schen verschiedenen Sulfaten wählen; wir halten aber, wenn nicht besondere Gründe es verbieten, im allgemeinen MgSO, für das beste, weil es nachher wegen seiner großen Löslichkeit das Einengen auf sehr kleine Volumina ermöglicht. Zu den Gründen, die das MgSO, für unangebracht erscheinen lassen, gehört die nachträgliche Vergärung mit Hefe, welche durch Mg sehr ge- hemmt wird. Wir benutzten daher in diesen Fällen die Sulfate von K, Na oder Zn. Die nachträgliche Vergärung wird bei genügender Verdünnung durch K und Na nicht gestört, durch Zn dadurch ermöglicht, daß sich dieses durch Soda leicht ent- fernen läßt. Der Zusatz von Eisenlösung soll so weit getrieben. werden, daß ein abfiltriertes Pröbchen nur noch ganz wenig Hämoglobin enthält. Dann wird die Flüssigkeit durch mehrere sehr große Faltenfilter abfiltriert und ein möglichst großer ali- quoter Teil weiter verarbeitet. Jetzt wird die Entfernung des Hämoglobins durch nochmaligen Zusatz von kleineren Mengen Eisenlösung ohne Schwierigkeit beendigt, wieder ein möglichst großer aliquoter Teil abfiltriert, das nun wasserklare, eiweiß- freie Filtrat bei leicht essigsaurer Reaktion auf ein möglichst

1) Vgl.dieseZeitschr. 7,329, 1908, 13, 121 (mit B. O p pler) 14, 476, 1908:

62 P. Rona und L, Michaelis:

kleines Volumen eingeengt, derart, daß der zugegebene Elek- trolyt noch gerade ganz in Lösung bleibt, und polarisiert.?)

Trotz des zweimaligen Verlustes an Material gelingt es meist leicht, ?/, der gesamten Blutkörperchenmenge wieder zu ge- winnen. Die Methode ist nicht ganz so schematisch einfach wie beim Serum, und man muß die Mengen der notwendigen Eisenhydroxydlösung (die etwa die 7 bis 8 fache Gewichtsmenge der angewandten Blutkörperchenmenge beträgt) ausprobieren; jedoch ist es uns niemals begegnet, daB sich die Enteiweißung nicht hätte glatt durchführen lassen.

Wir geben ein Beispiel, wie eine derartige Bestimmung sich gestaltet:

69 g gewaschene Blutkörperchen werden auf ein Volumen von 3390 ocm gebracht, worunter 10 g ZnSO, und 400 ccm zugesetzte Eisen-

lösung inbegriffen sind. Hiervon werden durch Filtration wiedergewonnen 2660 com, welche noch eine Spur Hämoglobin enthalten. Es werden

1) Kontrollversuche zeigten, daß die Drehung !/, °/,iger Trauben- zuckerlösungen in destilliertem Wasser und in fast gesättigter Lösung von MgSO, und ZnSO, völlig gleich ist. Eine ev. vorhandene Wirkung des zugesetzten Elektrolyten, wie auch die der Säure auf die Drehung wurde durch Kontrollversuche genau geprüft und in Übereinstimmung mit den in der Literatur vorhandenen Angaben gefunden, daß sie diese nicht oder nicht in irgendwie nennenswerter Weise beeinflussen: Vgl. hierüber u. a E. Jungfleisch und L. Grimbert. Sur le sucre interverti. Compt. rend. 108, 144. Ullek, Zur Kenntnis der Kohlen- hydrate, Zeitschr. f. d. ges. Brauwesen 15, 15. Chem. Centralbl. 1892, 433. E. Rimbaoh, Zum Verhalten optisch aktiver Körper in Gemischen zweier Lösungsmittel. Zeitschr. f. physikal. Chem. 9, 689 [706], 1892, R. Pribram, Über den Einfluß der Gegenwart inakt. Substanzen auf die polaristrobometr. Best. des Traubenzuckers.. Monatsh. d. Chem. 9, 395, 1889. N. Wender, Über den Einfluß inakt. Substanzen auf das Drehungsvermögen sehr verd. Traubenzuckerlösungen. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 24, 2200, 1891. Heinrich Trey, Ein weiterer Beitrag zur Birotation der Glykose. Zeitschr. f. physikal. Chem. 22, 424, 1897. E. Born- träger, Über die Best. des Zuckers und über die polarimetr. Unters. bei Süßweinen. Zeitschr. f. anal. Chem. 1898, 144 [171]. J. de Ko- walski und P. Tomartschenko, Influence des sels sur le pouvoir rotat. des sucres. Arch. Sc. phys. nat. Genöve [4], Il, 294. A. Rosen- heim und H. Itzig, Über einige kompl. Salze der Weinsäure und Äpfel- säure und ihr spez. Drehungsvermögen. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 82, 3439, 1900. Vgl. hingegen die Wirkung der Alkalien und der alkalischen Salze: Lobry de Bruyn und v. Ekenstein, Action des alcalis sur les sucres. Rec. d travaux chim. des Pays-Bas 15, 92. VgL auch H. Großmann, Über die Bedeutung von Bleisalzen für die polarimetr. Unters. des Harns und der Gewebssäfte. Diese Zeitschr. 1, 339, 1906.

Untersuchungen über den Blutzucker V. 63

hierzu 150 ccm halbverdünnte Eisenlösung zugefügt. Das nunmehr hämoglobin- und eiweißfreie Filtrat (2580 ocom) wird auf 24 oom eingeengt und polarisiert. Gefunde Drehung beträgt 0,270%°. Daraus berechnet sich der Zuckergehalt pro 100g Blutkörperchen zu i

Nach der Vergärung war die Drehung 0,00°.

Wir untersuchten auf diesem Wege den Zuckergehalt von sieben verschiedenen Hundeblutproben direkt nach der Entnahme des Blutes aus der Carotis unter Zugabe von FNa, und zwar bestimmten wir in jedem Falle den Zuckergehalt an zwei ver- schiedenen Portionen des Plasmas, an zwei verschiedenen Por- tionen des Blutes und an den gesamten Blutkörperchen, die von den Plasmaproben abzentrifugiert waren. Diese Versuche

hatten folgendes Resultat:

Tabelle Li Gefundener Zucker in 100 com Blutkörperchen

Blut Plasma in 100g in 100 ocm

Hund I ..... , 0,169g 0,186 g 0,077 g 0,085 g 0,164 g 0,178 g

Hund H...... 0,170 g 0,196 g 0,130 g 0,143 g 0,184 g 0,205 g

Hund MI ..... 0,154 g 0,169 g 0,098 g 0,108 g 0,154 g 0,171 g

Hund IV ..... 0,168 g 0,186 g 0,167 g 0,183 g 0,185 g 0,173 g

Hud V...... 0,223 g 0,284 g 0,083 g 0,091 g 0,216 g 0,279 g

Hund VI ..... 0,193 g 0.179 g 0,119 g 0,130 g 0,198 g 0,175g

Hund VO ..... 0,103 g 0,115 g 0,047 g 0,052 g 0,094 g 0,116g

Hund VIN .... 0,108g 0,125 g 0,572 g 0,063 g

Bevor wir aber in den Folgerungen aus diesem Befund weiter gehen, müssen wir uns vergewissern, daß der Zucker, den wir in den Blutkörperchen zu finden glauben, nicht auf die zwischen den Blutkörperchen zurückbleibenden Serumreste zu beziehen ist. Diese Menge Serum kann bei der Art, wie wir die Blutkörperchen gewannen Zentrifugieren bei einer

1) Jede Zahl dieser Tabelle ist das Ergebnis einer besonderen Be-

stimmung; nur die letzte Kolonne ist aus der vorletzten berechnet unter der Annahme des spez. Gew. der Blutkörperchen = 1,1.

64, | P. Rona und L. Michaelis:

sehr hohen Tourenzahl, Waschen mit CINa-Lösung auf alle Fälle nur gering sein. In der Tat zeigte das Waschwasser bei Stichproben nur */, bis 1 pro Mille Eiweiß; die zwischen den Blutkörperchen zurückgebliebene Flüssigkeit stellt also eine etwa hundertfache Serumverdünnung dar; wenn wir diese Flüssigkeit bei der Wägung der Blutkörperchen als Blut- körperchen‘“ mitwägen, so machen wir damit nur einen Fehler zuungunsten unserer Annahme. Aber selbst angenommen, daß unverdünntes Serum zwischen den Blutkörperchen zurück- bleibt und die Menge desselben !/,, des Blutkörperchengewichts beträgt, was übertrieben hoch gerechnet ist, so zeigt die ein- fache Rechnung, daß dies den von uns gefundenen Zuckergehalt der Blutkörperchen in keiner Weise erklärt. Abgesehen davon, ist die annähernde Gleichheit des Zuckergehaltes im Plasma und im Gesamtblut nur durch den Zuckergehalt der Blut- körperchen erklärbar; bei den früheren Methoden, bei denen die Blutkörperchen nicht ausgelaugt wurden, tritt ja der Unter- schied im Zuckergehalt von Plasma und Blut deutlich zutage.

Ferner müssen wir uns vergewissern, daß die durch Polari- metrie erhaltenen Drehungen wirklich ganz auf Traubenzucker zu beziehen sind und nicht durch die Gegenwart anderer, rechts- oder linksdrehender Substanzen beeinflußt werden. Es ist be- kannt!), daß im Blute auch linksdrehende Substanzen vor- kommen, und wir können das z. B. für das Kaninchenserum durchaus bestätigen. In unseren Hundeblutproben waren da- gegen die durch linksdrehende Substanzen hervorgerufenen Drehungen so gering, das wir sie für unsere Zwecke vollkommen vernachlässigen können. Die geringen Spuren von Linksdrehung, die wir manchmal nach der Vergärung der betreffenden Lösungen erhalten haben, überschritten nur gerade das Bereich der Fehlergrenzen. In den meisten Fällen war die Drehung der vergorenen Flüssigkeiten eindeutig gleich 0.

Um diese festzustellen, wurden die eingeengten Flüssig- keiten nach der Polarisation mit Wasser verdünnt, auf eine gegen Phenolphthalein neutrale Reaktion (bis zur eben voll-

1) Vgl. Paul Mayer, Zeitschr. f. physiol. Chem. 32, 518. Lépine und Boulud, Compt. rend. 133, 138; 134, 398; 135, 139; 138, 610; 143, 500, 539. Vgl. auch die Arbeit von J. G. Otto Ll. c.

Untersuchungen über den Blutzucker V. Oh

kommenen Entfärbung) gebracht und mit Hefe versetzt, Am nächsten Tage wurde das Filtrat auf das vorherige Volumen wieder eingeengt, durch etwas Kaolin geklärt und wieder polari- siert. War als Elektrolyt ZnSO, verwendet worden, so wurde dieses vor der Gärung durch Soda als Carbonat niedergeschlagen, wobei der Zusatz der Soda nur bis zu eben deutlich alka- lischer Reaktion getrieben und das Filtrat sofort wieder neutra- lisiertt wurde. Einen Einblick in die Größenverhältnisse der ursprünglichen Drehung zu derjenigen nach der Vergärung geben folgende Beispiele: Der Drehungswinkel der eingeengten Flüssig- keit war vor der Gärung im Blute 4 0,535°, nach der Gärung —0,034°, im Plasma vor der Gärung 1,028°, nach derselben 0,011° (Hund I). Drehungswinkel im Blute vor der Gärung 0,713°, nach d G. —0,031°; im Plasma vor d. G. 1,223°, nach d. G. 0,017; in den Blutkörperchen vor d. G. 0,270°, nach d. G. (Hund II). Drehungswinkel im Blute vor d. G. 0,555°, nach d G. 0,01’; im Plasma vor d. G. 1,012°, nach d. G. —0,03°; in den Blutkörperchen vor d. G. 0,297°, nach d. G. (Hund III). Bei den Hunden IV bis VII war die Drehung nach der Vergärung überall gleich 0°. Daraus geht hervor, daß wir die abgelesenen Drehungen praktisch ganz auf Traubenzucker beziehen dürfen.!)

Die Versuche müssen sich außerdem gegenseitig kontrollieren. Wenn wir den gefundenen Zuckergehalt des Serums und den gefundenen Zuckergehalt der Blutkörperchen berücksichtigen und das Verhältnis von Blutkörperchensubstanz und Flüssigkeit im Blute kennen, so muß sich daraus ein Wert für den Zucker- gehalt des Gesamtblutes berechnen lassen, der mit dem direkt gefundenen übereinstimmt. Unter der Annahme, daß das Ver- hältnis von Blutkörperchenmasse zur Masse der Blutflüssigkeit 44:56 ist?), und daß das spezifische Gewicht der Blutkörperchen 1,1 ist, kommen wir zu folgenden Zahlen:

1) Wir können nicht mit Sicherheit behaupten, daß im Hundeblut überhaupt kein linksdrehender Körper vorhanden ist; es wäre denkbar, daß dieser durch das Eisenhydroxyd adsorbiert wird, zumal dieser frag- liche Körper voraussichtlich eine Säure sein dürfte. Gegen diese An- nahme spricht allerdings, daß im Kaninchenserum trotz Anwendung der „Eisenmethode‘‘ der linksdrehende Körper dem Nachweis nicht entging.

2) Vgl. E. Abderhalden l. o.

Biochemische Zeitschrift Band 16. 5

66 P. Rona und L. Michaelis:

Tabelle II.

44 ccm Blut- 56 com Plasma körperchen 100ccm Blut

enthalten enthalten enthalten g Zucker

g Zucker g Zucker berechnet beobachtet Hund I... . 0,102 0,037 0,139 0,171 Hund II ... 0112 0,063 0,175 0,178 Hund III . . . 0,095 0,048 0,143 0,154 Hund 1V . . . 0,100 0,081 0,181 0,177 Hund V . . . 0,157 0,040 0,197 0,219 Hund VI . . . 0,099 0.057 0.156 0,195 Hund VII... 0,064 0,023 0,087 0,098 Hund VIII . . 0,067 0,028 0,095 0,107

Diese Zahlen zeigen, daß in den Fällen II, III, IV, VII und VIII die Übereinstimmung der gefundenen und berechneten Werte praktisch vollkommen ist. Aber auch im Fall I, V und VI ist die Übereinstimmung, wenn auch nicht so gut, doch nicht unbefriedigend. Die Differenzen sind sämtlich in dem Sinne, daß wir in den Blutkörperchen etwas zu wenig Zucker finden. Möglicherweise ist das darauf zurückzuführen, daß die gerade bei den Blutkörperchen notwendigen langwierigen Manipulationen zu Zuckerverlusten führen.

Überblicken wir nun die gewonnenen Resultate, so finden wir, daß die Blutkörperchen Traubenzucker in erheb- lichen Mengen enthalten. Der Gehalt des Serums und der Blutkörperchen an Zucker ist manchmal fast gleich, in anderen Fällen sehr deutlich verschieden. Bei der allgemein angenom- menen Impermeabilität der Blutkörperchen für Zucker kann es nicht wundernehmen, daß die Zuckerkonzentrationen innerhalb und außerhalb der Blutkörperchen nicht immer gleich end. 7) ist es doch mit dem Gehalt an Na- und K-Ionen innerhalb und außerhalb der Blutkörperchen ebenso. Die Frage, wie denn überhaupt Zucker in die Blutkörperchen hineinkommt, ist mit Gewißheit bisher ebensowenig zu beantworten, wie die Frage,

1) Der Begriff der „Konzentration“ des Zuckers in den Blutkörper- chen ist allerdings bisher nicht scharf zu definieren. Es ist mögliob, daß das feste Gerüst der Blutkörperchen als Lösungsmittel für den Zucker nicht in Betracht kommt; dann wäre nur der wäßrige Anteil der Blut- körperchen als Lösungsmittel für den Zucker zu rechnen. und die „Kon- zentration‘“ der Zuckerlösung in den Blutkörperchen würde höher aus- fallen als nach unserer Rechnung.

Untersuchungen über den Blutzucker V. 67

auf welchem Wege die Salze hineinkommen, die ja die Wand des Blutkörperchens auf dem Wege der Diffusion auch nicht passieren können. Wenigstens glauben wir an der Impermeabilität für die Blutkörperchen festhalten zu müssen und kein Recht zu haben, die höchst beachtenswerten von Jacques Loeb!) gefundenen Tatsachen, die die Permeabilität mancher anderer Zellarten für Salze wahrscheinlich machen, auf unser Material übertragen zu dürfen.

Sobald aber prinzipiell erwiesen ist, daß der Zuckergehalt inner- und außerhalb der Blutkörperchen nicht gleich zu sein braucht, liegt es jetzt nahe, die Schwankungen des Blut- körperohenzuckers unter physiologischen und pathologischen Verhältnissen zu studieren. Zufälligerweise gibt uns einer unserer Versuche einen Fingerzeig in dieser Richtung: in Ver- such V findet sich ein ungewöhnlich hoher Zuckerwert im Plasma, der vielleicht auf die Wirkung der Narkose zu be- ziehen ist.) In demselben Falle ist aber der Zuckergehalt der Blutkörperchen nicht nur nicht vermehrt, sondern ist be- sonders niedrig, so daß der Zuckergehalt des Gesamtblutes kaum erhöht ist. Ob etwas Ähnliches die Regel ist oder nicht, müssen natürlich erst weitere Versuche lehren, aber die Un- abhängigkeit des Zuckergehaltes im Plasma und in den Blut- körperchen offenbart sich in diesem Falle besonders deutlich.

Diese am Hundeblut gewonnenen Ergebnisse können wir jedoch wenigstens nach unseren bisherigen Erfahrungen nicht ohne weiteres auf andere Tierarten übertragen. So fanden wir bei Kaninchen in zwei Fällen in den Blutkörperchen keine rechtsdrehende Substanz, hingegen, wie bereits erwähnt, im Serum nach der Vergärung eine starke Linksdrehung; in einem Falle bei (allerdings nicht ganz frischen) Rinderblutkörperchen keine Rechts-, sondern ausgesprochene Linksdrehung.

1) Jacques Loeb, Über den Unterschied zwischen isosmotischen und isotonischen Lösungen usw. Diese Zeitschr. 11, 144, 1908. 2) Vgl. hierzu auch J. G. Otto L o.

Verhalten der Phtalsäure im tierischen Organismus. Von Julius Pohl. (Aus dem pharmakologischen Institut der deutschen Universität Prag.) (Eingegangen am 12. Januar 1909.)

M. C. Porcher (Lyon) hat in einer jüngst erschienenen Arbeit!) das schon oft behandelte Thema des Phtalsäureschick- sals wieder aufgenommen. Er kommt zum Schluß, daß Meta- und Paraphtalsäure zu 75°/, im Harn wieder erscheinen, Ortho- phtalsäure hingegen fast vollständig im Hundeorganismus ver- brannt werde. Diese letztere Angabe steht in vollem Wider- spruch mit einem Befund, den E. Pribram?) in meinem La- boratorium erhoben hat. Porcher setzt sich über diese Er- fahrungen mit einer Fußnote hinweg, der er die Bemerkung anfügt: „Die Erfahrungen dieses Forschers sind keineswegs über- zeugend.“

Bei dieser Sachlage hielt ich mich für verpflichtet, die Angabe Pribrams resp. Porchers einer neuerlichen Kontrolle zu unterziehen.

Porchers Verfahren besteht in Salzsäurefällung der im Vakuum abgedampften alkoholischen Harnextrakte; einen ana- lytischen Beleg über die Zulässigkeit, die Fehlergrenzen des Verfahrens enthält seine Arbeit nicht. Pribram hingegen findet von 0,1 g dem Harn zugesetzter Phtalsäure 0,0992 wieder. Ich habe daher Pribrams Verfahren bei der Nachprüfung bei- behalten und führe dasselbe hier vorerst noch einmal an:

1) Verhalten der drei Phtalsäuren im Organismus des Hundes. Diese Zeitschr. 14, 351, 1908.

2) Zur Lehre v. d. physiolog. Wirkungen carbocyclischer Säuren. III. Schicksal der Phtalsäure im tierischen Organismus. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 51, 378, 1904.

J. Pohl: Verhalten der Phtalsäure im tierischen Organismus. 69

„Der Harn wird mit dem 5 bis 8fachen Volumen Alkohol verdünnt, filtriert, das gemessene Filtrat mit Bariumacetat (5°/,) ausgefällt, ca. 1 bis 2 Stunden stehen gelassen, der Niederschlag aufs Filter gebracht, mit Alkohol farblos gewaschen, getrocknet. Der das Bariumphtalat enthaltende Niederschlag wird samt dem Filter in eine entsprechende Stöpselflasche gebracht, mit ver- dünnter Schwefelsäure angesäuert und mit Äther ausgeschüttelt (5 bis 6 mal, bis der Äther rückstandlos abdunstet), Nach dem Abdestillieren des Äthers bleibt die Phtalsäure krystallinisch zurück. Da sie aber immer noch mit Harnfarbstoffen imprägniert ist, muß noch nachfolgender Reinigungsprozeß des obigen Rück- standes erfolgen.

Der Rückstand wird mit Natriumhydroxyd und wenig Wasser gelöst, quantitativ in einen Meßcylinder gebracht und mit einer geringen Menge Kupfersulfat, 2 bis 5 ccm, versetzt (die Reaktion aber muß dauernd alkalisch bleiben!); der Nieder- schlag schlägt die meisten Farbstoffe mit nieder. Das gemessene Filtrat wird angesäuert, mit Äther bis zur Erschöpfung aus- geschüttelt und letzterer aus einem gewogenen Kölbchen ab- destilliert. Der Rückstand ist dann fast rein weiß, er wird gewogen.“

Ich habe mittels dieses Verfahrens aus 20 com einer 1°/, Phtalsäurelösung (Phtalsäure gewogen, mit NaOH gelöst) statt 0,20 erhalten: 0,199.

Die folgenden Tierversuche habe ich, um hierin mit Porcher übereinzustimmen, am Hunde durchgeführt, die Sub- stanz aber wurde, in beabsichtigtem Gegensatz zu letzterem, subcutan eingeführt.

Versuch 1.

Hündin, 6500 g, erhält am 15. Dez. 20 com obiger Lösung = 0,199 g Phtalsäure subcutan. Harn der nächsten 24h 120 cem = 0,194 Phtalsäure (nach Abzug der aus gleichem Volumen Normalharns berechneten Verunreinigungen).

Versuch 2.

Dasselbe Tier. Subcutan 0,198 g. In den nächsten 24h 190 ccm Harn mit 0,157 g Phtalsä.re (ebenfalls nach Abzug der auf ein gleiches Volumen Normalharns erhaltenen Ver- unreinigungen).

70 J. Pohl: Verhalten der Phtalsäure im tierischen Organismus.

Insbesondere der 1. Versuch berechtigt zum Ausspruch, daß auch der Hundeorganismus Orthophtalsäure quan- titativ unangegriffen ausscheidet.

Der prinzipielle Fehler Porchers liegt (außer in der me- thodischen Unsicherheit seines Verfahrens) darin, daß er, obwohl schon Pribram von den zersetzenden Bedingungen im Darm- lumen spricht, die Substanz oral und nicht subcutan gereicht hat. Wie sehr hierdurch die Möglichkeit einer Abschätzung tatsächlich resorbierter Substanzmengen aufgehoben wird, erhellt aus folgendem

Versuch 3.

0,1958 Phtalsäure werden in 100 ccm Menschenharn gelöst und nach Impfung mit einem Klümpchen Hundefaeces durch 2 Tage bei etwa 30° stehen gelassen. Maximale Fäulnis des Gemenges. Nach obigem Verfahren wiedergewonnen 0,0761 Phtal- säure 38,8°/, (ohne weiteren Abzug). Somit zumindest Ver- lust von 61,2°/..

Uber die Aktivierang der hämolytischen Wirkung des Meerschweinchenserums durch Aminosäuren.

Von Takaoki Sasaki, Tokio. (Aus der bakteriologischen Abteilung des Pathologischen Instituts zu Berlin.) (Eingegangen am 1. Januar 1909.)

Seit längerer Zeit mit dem Studium des Einflusses der Aminosäuren auf die Reaktionen der verschiedensten Immun- substanzen beschäftigt, zog ich auch die Hämolysine des Blut- serums in den Kreis meiner Untersuchungen. Eine Beobach- tung, die ich bei Gelegenheit dieser Untersuchungen machte und die mir von Interesse scheint, möchte ich im folgenden mitteilen.

Das Meerschweinchenserum, welches an und für sich sehr wenig hämolytisch auf Ziegen- und Pferde- blutkörperchen wirkt, wird durch Alanin sowie Glyko- koll stark aktiviert. Die Hämolyse infolge der Akti- vierung durch Alanin bleibt beinahe völlig aus, wenn das Meerschweinchenserum vorher im Wasserbade 40 Minuten auf 50° erwärmt worden war, während dasjenige Komplement, welches durch Immunisierung gewonnenen Amboceptor (Ziegen- kaninchen) aktiviert, dabei fast ganz erhalten bleibt. Diese Aktivierung durch Alanin findet sich regelmäßig und in höherem Maße nur bei Meerschweinchenserum, und zwar immer bei Verwendung von Ziegenblut und Pferdeblut, auch von Rinder- blut und Kaninchenblut, während bei Anwendung von art- eigenem Blut, Hundeblut und Menschenblut (wo in den von mir untersuchten Fällen, 0,4 M-S, 1,0 Blutaufschwemmung 5°/ ig, Gesamtvol. 2,5 ccm, auch ohne Alanin keine Hämo- lyse zutage tritt) keine Aktivierung durch Alanin stattfindet.

12 T. Sasaki:

Bekanntlich zeigt das Blut verschiedener Spezies eine wenig aufgeklärte, verschieden hohe Empfindlichkeit gegenüber der hämolytischen Wirkung der Normalsera der verschiedenen fremden Tierarten. Ich habe systematisch eine Reihe von Kombinationen von Hunde-, Kaninchen-, Meerschweinchen-, Pferde-, Rinder- und Ziegenserum mit den Blutkörperchen der genannten Tiere und des Menschen und die Beeinflussung dieser Hämolyse durch Alanin untersucht. Bei Hunde-, Rinder- und Ziegenserum zeigte sich keine besondere Beeinflussung der hämolytischen Wirkung durch Alanin, während beim Kaninchen- serum auffallenderweise im Gegensatz zum Meerschweinchen- serum die hämolytische Wirkung durch Alanin gehemmt wird.?)

Ich habe besonders das Alanin bei den Versuchen in Betracht gezogen, weil dasselbe ein einfaches und fast nie fehlendes, leicht in Wasser lösliches Spaltungsprodukt der Eiweiß- körper ist und seine basische und saure Eigenschaft ganz in Gleichgewicht steht, wodurch man beim Versuch nicht durch Hämolyse infolge des Säure- resp. Basencharakters desselben gestört wird. Weiterhin habe ich festgestellt, daß das Glyko- koll dieselbe, und zwar in äquimolekulaler Menge auch quan- titativ fast gleiche Wirkung hat wie das Alanin. Aus der Überlegung, daß die chemische Konfiguration bei diesem Phä- nomen eventuell von Einfluß sein kann, habe ich mit d- und l-Alanin und dl-Alanin?) denselben Versuch angestellt und keinen deutlichen Unterschied beobachtet. Deswegen habe ich bei weiteren Versuchen immer di. Alanin benutzt. Im folgenden seien einige aus der Reihe der zahlreichen Versuche mitgeteilt, bei deren Ausführung ich mich der Unterstützung von Herrn Prof. Morgenroth erfreute.

Die Versuche wurden im Medium von 0,85°/, Kochsalz- lösung ausgeführt. Zwanzig verschiedene frische Meer-

1) Vielleicht steht in Beziehung mit dieser Erscheinung die inter- essante Beobachtung von Cernovod6danu, der fand, daß zwei Sera A und B bei der Hämolyse von Blutkörperchen der Gattung C sich gegen- seitig aktivieren können, sich aber bei der Wirkung auf solche der Gattung D gegenseitig neutralisieren. P. Cernovod6danu, Etude de Chemolyse produite par des melanges de serums normaux. Compt. rend. 61, zitiert nach Biochem. Centralbl. 6, 77.

2) d-Alanin aus Seide durch Hydrolyse; l-Alanin aus dl-Alanin nach F. Ehrlich; dl-Alanin von Kahlbaum.

Aktivierung d. Meerschweinohenserumhämolyse durch Aminosäuren. 73

schweinchensera gaben ohne Ausnahme dasselbe Resultat. Das Phänomen tritt auch in anderen Medien, so in isotonischer Rohrzuckerlösung zutage, indem das Meerschweinchenserum in der Rohrzuckerlösung an und für sich auf Ziegenblut ziemlich ausgeprägt hämolytisch wirkt und dieso Hämolyse durch Alanin stark befördert wird.

Versuch mit Meerschweinchenserum und Ziegenblut.

M-S Hämolyse 1. 0,4 wenig 2. 0,3 sehr wenig 3. 0,2 Spur 4. 0,1 Spürchen 5. 0,5 t/o d 6. 0,25 d T. 0,1 0 8. 0 0

Überall je 1,0 ccm 5°/, Ziegenblut (zweimal gewaschen), Gesamtvolum 2,5 ccm. Derselbe Versuch unter Zusatz der Alaninlösung.

M-S Hämolyse l. 0,4 ccm komplett 2. 0,3 komplett 3. 0,2 sehr stark 4. 0,1 ziemlich stark 5. 0,5 1/0 wenig 6. 0,25 Spur 7. 0,1 0 8. d 0

Überall je 1,0 ccm 5°/, Ziegenblut und dl-Alanin, 1,0 g in 10 ccm 0,85°/, Kochsalzlösung gelöst.

Beide Versuche 2 Stunden im Brütschrank bei 37°, dann im Eisschrank bis zum nächsten Tage.

Auf welcher Eigenschaft des Alanins beruht diese akti- vierende Wirkung?

Um zu untersuchen, ob die Erscheinung durch den Säure- oder Basencharakter oder durch physikalische Momente, und zwar die Permeabilität der Blutkörperchen für das Alanin

74 T, Sasaki:

hervorgerufen wird, habe ich Versuche mit Meerschweinchen- serum und Ziegenblut (ohne Alanin) unter Zusatz von Säure, Natronlauge, Harnstoff, der leicht in die Blutzellen eindringt, Eieralbumin, Pepton (Witte) angestellt und keine Spur von Beförderung der Hämolyse konstatiert. Die angeführten Substanzen hemmen vielmehr, wie weitere Versuche zeigten, die Wirkung des Alanins.

Daß alle zugesetzten Substanzen in der Menge und Kon- zentration an und für sich keine Hämolyse hervorrufen, wurde durch Kontrollen festgestellt. Aus den ganzen Versuchsreihen seien hier nur folgende Angaben zur Orientierung mitgeteilt.

M-S Alanin Zusätze Hämolyse

l. 0,2ccm O0 0 Spürchen 2 0,2 1,0ccm 0 stark 3. 0,2 1,0 0,2 ` -HCl wenig 4 0,2 1,0 0,2 an Malonsäure weni

e ‚2790 "Malonsäur g 5. 0,2 1,0 0,2 = -NaOH Spur 6. 0,2 1,0 0,2 Harnstoff sehr wenig

(1,0 g auf 10 ccm) 7. 0,2 1,0 0,2 Pepton (Witte) mäßig (l g auf 50 ccm) 8. 0,2 1,0 0,2 Eieralbumin ziemlich stark (Merck)

(1,0 g auf 50 ccm)

Zuletzt 5°/, Ziegenblut in 0,86°/, Kochsalzlösung überall je 1,0ccm. Die Versuche 2 Stunden im Brutofen, dann im Eisschrank bis zum nächsten Tage gelassen und beobachtet.

Daß das Alanin in gewisser Konzentration ziemlich leicht in rote Blutzellen eindringt, zeigen die folgenden Tatsachen: Das Blutkörperchen erleidet keine Hämolyse sogar in 10°/, Ala- ninlösung (in 0,85 °/, Kochsalzlösung gelöst), wie Gryns!) auch bei Harnstoff gefunden hat und auf gleichmäßige Ver- teilung des Harnstoffes auf Blutkörperchen und Umgebung, wodurch der hinzugefügte Harnstoff außerstande ist, eine os-

1) Hamburger, Osmotischer Druck und Ionenlehre 1, 208.

Aktivierung d. Meerschweinchenserumhämolyse durch Am nosäuren. 75

motische Druckdifferenz zu verursachen, zurückführte. Dies geschieht selbstverständlich nur infolge der Permeabilität. Wie es: sich auch sonst bei an und für sich ungiftigen Substanzen - beobachten läßt, tritt auch mit Alanin sofort Hämolyse ein, wenn man die Blutzelle einige Zeit in einer konzentrierten Lösung der Substanz in physiologischer Kochsalzlösung auf- schwemmt, dann nach Zentrifugieren und Abgießen der Flüssig- keit wieder physiologische Kochsalzlösung zusetzt. Dies be- weist das Eindringen des Alanins in die Blutzelle.

Daß die Zelle durch das Eindringen des Alanins an und für sich keine Schädigung erfährt, die etwa dieselbe Wir- kung wie die Verankerung des Amboceptors hätte, und daß sie gleichzeitig Alanin nicht fest zurückhält, besagt der folgende Versuch: 9 cem 5°/, Ziegenblut (einmal gewaschen) und 6,0ccm dl-Alaninlösung (1,0 g auf 10 ccm) gemischt, in 2 Röhren ge- teilt, 2 Stunden in Brütschrank, dann zentrifugiert, die obere Flüssigkeit allmählich ganz vorsichtig mit Kochsalzlösung ver- dünnt, um die Auflösung infolge der plötzlichen, osmotischen Veränderungen zu vermeiden. Endlich ganz abgegossen, mit 0,85°/, Kochsalzlösung gefüllt, so in sedimentiertem Zustande bis zum nächsten Tage im Eisschrank aufbewahrt und dann umgerührt, von neuem zentrifugiert, abgegossen, auf Deem gefüllt.

Versuch mit dem mit Alanin vorbehandelten Ziegenblut. Überall je 1,0 ccm von mit Alanin behandeltem Ziegenblut.

M-S Hämolyse l. 0,4 ccm wenig 2. 0,3 sehr wenig 3. 0,2 sehr wenig Spur 4. 0,1 Spur 5. ND Spürchen 6. 0 0

Kontrolle mit demselben Meerschweinchenserum und dem- selben unbehandelten Ziegenblut.

M-S Hämolyse 1. 0,4 ccm wenig 2. 0,3 sehr wenig 3. 0,2 Spur 4. 0,1 Spürchen 5. 0,5 1/0 d 6. d 0

76 T. Sasaki:

Dieselbe Kontrolle unter Zusatz der Alaninlösung.

M-S Hämolyse l. 0,4 ccm komplett 2. 0,3 komplett 3. 0,2 fast komplett 4. 0,1 stark 5. 0.51/10 sehr wenig Spur 6. d d

Überall je 1,0 ccm dl-Alaninlösung (1,0g auf 10 ccm) und 5°/, Ziegenblut (2 mal gew.).

Ist die Substanz, die bei dem Phänomen die Hauptrolle spielt, ein Komplement? Die Definition des Komplements exakt anzugeben, ist wohl heute noch kaum möglich, wenn auch in letzter Zeit auf die Ähnlichkeit seiner Wirkung mit Seifenhämolyse!) vielfach hingewiesen worden ist. Das Ver- halten thermischen Einflüssen gegenüber bietet sicher einen ge- wissen Anhaltspunkt, kann aber nicht als ausschlaggebendes Kriterium angesehen werden, solange das Wesen der „Thermo- labilität“ der Komplemente noch unaufgeklärt ist. Ähnliche Bedenken hat auch schon Noguchi betrefis der Inaktivierung der Komplemente ausgesprochen. Der Beobachtung vonv.Lieber- mann?), welche darin besteht, daß die durch Serumalbumin gehemmte Seifenhämolyse infolge eines geringen Zusatzes von Ölsäure wieder zutage tritt und daß die aktive Ölsäuremischung bei 56 bis 60°C inaktiviert wird, stehe ich zwar in bezug auf ihre Beziehung zur spezifischen Hämolyse mit Reserve gegen- über, halte sie aber immerhin für ein Beispiel von Thermo- labilität, das zur Vorsicht in der Beurteilung dieser Vorgänge mahnt, ebenso auch das Verhalten eines Gemenges von tauro- cholsaurem oder glykocholsaurem Natrium und Serumalbumin?) beim Erhitzen auf 60°C. H. Sachs‘) hat gleichfalls neulich

1) L. v. Liebermann, Über Hämagglutination und Hämatolyse, Arch. f. Hygiene 52. H. Noguchi, Über gewisse chemische Komple- mentsubstanzen. Diese Zeitschr. 6.

2) L. v. Liebermann, Über Hämagglutination und Hämatolyse. Arch. f. Hygiene 52.

3) B. v. Fenyvessy, Über die hämolytische Wirkung der Gallen- säure und ihrer Salze. Diese Zeitschr. 5.

4) H. Sachs, Bemerkung über die Inaktivierung von Lipoiden in eiweißhaltigen Lösungen. Wiener klin. Wochenschr. 1908, 322.

Aktivierung d. Meerschweinchenserumhämolyse durch Aminosäuren. 77

gegenüber der Beobachtung von H. Raubischek und V. Ruß!) „über die Aufhebung der Thermoresistenz der Pyocyanase in eiweißhaltiger Lösung“ auf seine Beobachtung hingewiesen, daß das Lecithin, wenn es mit Hämoglobinlösung gemischt ist, durch ein halbstündiges Erhitzen auf 62° C seine kobragiftaktivierende Wirkung verliert.

Das Verhalten des Meerschweinchenserums gegenüber der Alanin- Aktivierung nach vorheriger Einwirkung höherer Tem- peraturen zeigen folgende Versuchsbeispiele.

8 Reagensgläser mit je 1,0 com Meerschweinchenserum werden im Wasserbade auf 50° C erhitzt, jede 5 Minuten heraus- genommen in Eiswasser gesteckt:

MS (40 Min. erhitzt) dl-Alanin Hämolyse l. 0,2 ccm 1,0 ccm Spur M-S (unerhitzt) 2. 0,2 cem 1,0 komplett 3. 0,2 d

Alle Versuche je 1,0 ccm 5°/, Ziegenblut (2mal gee ).

Komplementbestimmung vor und nach dem Erhitzen als Kontrolle.

M-S (unerhitzt) Hämolyse

l. 0,1 ccm komplett 2. 0,5 komplett 3. 0,25 komplett 4. 0,1 fast komplett 5. d d

MS (40 Min. erhitzt) Hämolyse l 0,1 ccm komplett 2. 0,5 fast komplett 3 0,25 mäßig 4. 0,1 Spur

Beide Versuche überall je 1,0 ccm 5°/, Ziegenblut (2 mal gew.) und 0,5 ccm TL, Amboc. (Ziegenblut-Kaninchenserum, 0,25 cem Tan komplett lösend).

Die Hämolyse infolge der Aktivierung durch Alanin bleibt schon nach 40 Minuten langem Erwärmen auf 50° (0,2 ccm

(Lo

78 T. Sasaki:

Serum) bis auf Spuren aus, während die komplementierende Wirkung desselben erhitzten Serums auf Immunamboceptor fast komplett erhalten bleibt. Diese neue Erscheinung spricht für die Komplementnatur der durch Alanin aktivierten Substanz, die offenbar von dem bei der Aktivierung des Immunambo- ceptors wirksamen Komplement verschieden ist.

Die Anschauung!), daß in jedem Serum eine Reihe ver- schiedener komplementartiger Substanzen vorhanden sein könnten, wurde schon seit lange behauptet und experimentell bewiesen.?)

Die Beeinflussung des Komplements, welches den schon oben benutzten Immunambocepter aktiviert, durch Alanin zeigt der folgende Versuch: Amboceptor (Ziegenblut-Kaninchenserum, komplett lösende Dosis 0,25!/,,.) überall je 0,1 ccm bis auf Nr. 7. Überall auch zuletzt 5°/, Ziegenblut (2mal gew.). 1,0 ccm.

M-S Hämolyse 1. 0,5 ccm komplett 2. 0.25 komplett 3. 0,1 sehr stark 4. OB, ziemlich stark 5. 0,25 Spur 6. 0 d 7. 0 0

Derselbe Versuch unter Zusatz der Alaninlösung. Zuerst überall je 1,0 ccm dl-Alaninlösung (1g auf 10 cem).

M-S Hämolyse l. 0,5 ccm komplett 2. 0,25 komplett 3. 0,1 mäßig wenig 4. 0.5! /i0 sehr wenig 5. 0,25 0 6. d 0

1) Ehrlich und Morgenroth, und Ehrlich und H. Sachs, Über die Vielheit der Komplemente des Serums. Gesamm. Arbeiten zur Im- munitätsforschung. Berlin 1904.

2) Ich möchte nicht unerwähnt lassen, daß der zeitliche Ablauf -<

der Wärmeinaktivierung je nach dem Individuum schwankt, wenn das Phänomen auch bei Meerschweinchenserum nie fehlt. Die Inaktivierung ist in der Zeit von 40 Minuten bei 50° nicht immer vollständig. So wirkte z. B. ein Meerschweinchenserum in der Menge 0,2ccm auf 1 0 ccm 65°/, Ziegenblut ohne Alanin nur in Spuren hämoiytisch, unter Alanin- zusatz (l auf 10) komplett lösend, nach 50 Minuten bei 50° trat mit Alanin noch mäßige Hämolyse auf.

Aktivierung d. Meerschweinohenserumhämolyse durch Aminosäuren. 79

Das Komplement des spezifischen Amboceptors wird also durch Alanin vielmehr ein wenig gehemmt.

Die bei der aktivierenden Einwirkung des Alanins in Frage kommende Substanz kann ein noch inaktives Komplement sein, das durch Alanin zur Wirkung gebracht wird. Sicheres läßt sich bis auf weiteres über den Mechanismus dieser Vorgänge und ihr Substrat nicht angeben.

Es sei noch kurz einiges über die Beeinflussung anderer hämolytischer Gifte durch Alanin resp. Glykokoll mitgeteilt.

Hämol. Gifte Hämolyse A) 1. N - Asparaginsäure 0,25 ccm komplett 2. unter Zusatz von 1,0 ccm Alanin- resp. Glykokollösung d N B) 1. 1 ggg ` Weinsäure 1,0 ccm komplett 2 unter Zusatz von 1,0 ccm Glykokollsg. 0 C) 1. Zeg -Malonsäure 1,0 ccm komplett 2. unter Zusatz von 1,0 cem Glykokollsg. d D) 1. e -Salzsäure 0,25 ccm komplett 2 unter Zusatz von 1,0 ccm Glykokollsg. 0 N E) 1. 100 -NaOH 1,0 cc komplett 2 unter Zusatz von 1,0 cem Glykokollsg. 0 F) 1 Lecithin?) 0,5 ccm sehr stark 2. unter Zusatz von 1,0 cem Alaninlsg. wenig G) 1. Öls. Na (Merk)?) 0,5 ccm fast komplett 2 unter Zusatz von 1,0 ccm Alaninlsg. mäßig H) 1 Saponin (Kahlbaum, 1:5000) 0,25ccm Spur 2. unter Zusatz von 1,0 ccm Alaninlsg. komplett

dl-Alaninlösung :1,0g auf 10 ccm in 0,85°/, Kochsalzlösung. Glykokollösung : 0,84 g auf 10 com in derselben Menge Koch- salzlösung gelöst.

1) Lecithin (Kahlbaum) 0,5g in 10 ccm Methylalkohol, davon 1,0 ccm 49com 0,85°/, Kochsalzlösung.

2) as von 1°/, Stammlösung.

80 T.Sasaki: Aktivier. d Meerschweinchenserumhämolyse d. Aminosäuren.

Die Eigenschaft der neutralen Aminosäure, die Säuren und die Basen gegenüber der Blutzelle ungiftig zu machen, ist wahrscheinlich aus ihrem amphoteren Charakter zu erklären. Immerhin scheint es mir eine interessante Tatsache für ge- wisse biologische Probleme zu sein, daß sie auch so die giftige Wirkung der anderen, an basischen resp. sauren Eigenschaften überwiegenden Aminosäuren aufhebt. Wir sehen also hier eine deutliche Hemmung der Säure- resp. Basenhämolyse und eine mäßige der Lecithin- und Seifenhämolyse durch Alanin resp. Glykokoll, auffallenderweise aber bedeutende Beförderung der Saponinhämolyse. Diese letzte wird aber nach Arrhenius?) durch Lecithin und durch fettlösende Körper, wie Alkohol und Äther erniedrigt, während die Hämolyse durch Säuren durch Lecithin stark befördert wird und die durch Basen unbeeinflußt bleibt. Die hemmende Wirkung der Serumeiweißkörper gegen Gallen- und Seifenhämolyse ist schon bekannt. Bemerkenswert ist noch die relativ geringe Hemmung der Seifenhämolyse durch Alanin, während dasselbe bei Alkalihämolyse so stark zu hemmen imstande ist. Die Hämolyse durch Seife wird also wahrscheinlich nicht nur durch Alkaliwırkung verursacht, sondern auch durch andere Faktoren, wie schon R. Koch bei der desinfizierenden Wirkung der Seife?) annahm; wahrscheinlich spielt bei der Hämolyse auch ihr Lösungsvermögen gegenüber den Lipoiden eine große Rolle.

1) S. Arrhenius, Versuche über Hämolyse. Diese Zeitschr. 11. 2) H. Reichenbach, Die desinfizierenden Bestandteile der Seifen. Zeitschr. f. Hygiene 59.

Elektrische Überführung von Fermenten. I. Das Invertin.

Von Leonor Michaelis.

(Aus dem bakteriologischen Laboratorium des Städt. Krankenhauses am Urban zu Berlin.)

(Eingegangen am 9. Januar 1909.) Mit 1 Figur im Text.

Die Überführungsversuche mit Fermenten, Toxinen und eiweißartigen Stoffen haben den Zweck, den elektroochemischen Charakter dieser Substanzen festzustellen. Die zweite Methode, welche dasselbe Ziel hat, ist die Adsorptionsanalyse, unter der Voraussetzung, daß die Adsorption nachweislich nur auf elek- trischem Wege und nicht mechanisch erfolgt.

Die Adsorptionsmethode, von der ich in früheren Arbeiten wiederholt Gebrauch machte, ist erheblich einfacher als die elektrische Überführung und hat daneben noch den Vorteil, daß der Versuch fast gar keine Zeit erfordert, so daß bei sehr empfindlichen Substanzen Verluste durch spontane Zersetzungen nicht zu fürchten sind. Wir werden uns also auf die Adsorp- tionsanalyse verlassen können, wenn wir die geeignete Auswahl unter den adsorbierenden Substanzen treffen: nämlich nur die- jenigen benutzen, die nur ein elektrisches und kein mechani- nisches Adsorptionsvermögen besitzen.) Wir müssen uns nur an geeigneten Beispielen überzeugen, daß beide Methoden identische Resultate geben. In diesem Sinne unternahm ich es, die Überführung des Invertins zu untersuchen, weil dieses Ferment so besonders charakteristische Resultate bei der Ad-

1) S. besonders Michaelis und Rona, diese Zeitschr., 15, 196, 1008. Biochemische Zeitschrift Band 16. 6

82 L. Michaelis:

sorptionsanalyse ergeben hatte, indem es sich im Gegensatz zu den meisten anderen Fermenten nicht als amphoter, sondern als ausgesprochen sauer erwies.

Die elektrischen Überführungsversuche bieten nun gewisse Schwierigkeiten. In verschiedener Weise wurde die Überführung von Toxinen von Biltz, Much und Siebert!) sodann von Bechhold,?) weiterhin von Field und Teague?) und zuletzt von Landsteiner und Pauli‘) versucht. Die Schwierigkeit liegt in der Vermeidung der sekundären Einflüsse der elektro- lytischen Produkte auf das Ferment, welche Konzentrations- verschiebungen hervortäuschen können, wo es sich um bloße Zerstörung der Substanz handelt. Die wichtigsten sekundären Produkte der Elektrolyse sind die Säuren, die sich an der Anode, und die Basen, die sich an der Kathode bilden. Säure- empfindliche Stoffe werden daher an der Anode, alkaliempfind- liche an der Kathode leicht zerstört. Deshalb wurde wieder- holt versucht, von der einfachen Anordnung, wie man sie bei Überführungsversuchen mit Ionenlösungen anwendet, abzugehen. Diese einfache Anordnung besteht schematisch nämlich darin, daß der ganze Überführungsraum in zwei Hälften geteilt wird, die anodische und die kathodische, und die durch den Strom- durchgang hervorgerufene Konzentrationsverschiebung auf den beiden Seiten gemessen wird. Pauli°) bediente sich dreier Räume:

I II IH

Pt | Eiweißlösung | Eiweißlösung | Eiweißlösung | Pt

Alle 3 Räume wurden zunächst mit der gleichen Eiweiß- lösung gefüllt und nach Durchgang des Stroms die Konzentration von I und von III mit der als Kontrolle dienenden Lösung II verglichen.

Eine nützliche Abänderung stellt die Anordnung I u IH IV Pt | Wasser | Ferment | Ferment | Wasser | Pt

1) Behrings Beiträge 1905.

2) Münch. med. Wochenschr. 1907, Nr. 39.

3) Journ. of experim. Med. 9, 86, 1907.

4) 25. Kongreß f. inn. Med., Wien 1908, BI.

5) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 7, 531, 1906.

Elektrische Überführung von Fermenten. L 83

dar, welche in dem ‚„Glockenapparat“ von Bechhold ver- wirklicht ist. Der Raum I dient nur zur Aufnahme der Elek- troden, ebenso der Raum IV. Zwischen I und II sowie zwischen III und IV befindet sich eine Pergamentmembran. Raum II und III werden mit der gleichen Fermentlösung gefüllt, und nach Beendigung des Versuches die Konzentrationsverschie- bungen in den Räumen II und III gemessen. Die Elektroden sind so von den zu analysierenden Flüssigkeiten räumlich ge- trennt, und das Auftreten der sauren und alkalischen Reaktion wird so wenigstens verlangsamt.

Eine andere Anordnung, welche sich in den Apparaten von Field und Teague, sowie von Landsteiner und Pauli findet, besteht darin, daß das Ferment in einem Mittelgefäß sich befindet und von hier je nach dem Wanderungssinn in ein vorher fermentfreies seitliches Gefäß wandert:

I D IH IV V Pt | Wasser | Wasser | Ferment | Wasser | Wasser | Pt

I und V enthält Wasser und die Elektroden, II und IV enthält vor Durchgang des Stromes nur Wasser oder eine in- differente Elektrolytlösung, III wird mit der Fermentlösung beschickt. Nach Durchgang des Stromes ist das Ferment ent- weder nach II oder nach IV herübergewandert. Der Vorteil dieser Versuchsanordnung besteht darin, daß zur Feststellung der Wanderung nicht eine geringfügige Konzentrationsdifferenz gemessen zu werden braucht, welche bei Fermenten oft schwer festzustellen ist; es hängt ja die Reaktionsgeschwindigkeit der Fermente, aus der wir allein auf ihre Konzentration schließen können, auch von anderen Einflüssen, als von ihrer Konzen- tration, besonders von Reaktionsänderungen ab, welche in vollkommener Weise auf dem bisherigen Wege doch nicht aus- geschaltet werden konnten.

Diese Anordnung ist besser als die früheren. Aber trotz- dem war es mir nicht möglich, das Auftreten der alkalischen oder der sauren Reaktion selbst in den von den Elek- troden entfernten Räumen II und IV ganz zu unterdrücken, wenn der Strom längere Zeit durchgeleitet wurde. Der Kunst- griff, dessen sich Field und Teague bedienen, daß sie das

Gefäß II und IV mit Agar füllen und es ihnen so ermöglicht 6*

84 : L. Michaelis:

wird, die Flüssigkeit in I und V in Intervallen zu erneuern, ist für Fermente, die man aus dem Agar schwer wieder in Freiheit setzen kann, nicht gut anwendbar, dürfte auch wegen der elektrischen Endosmose in den capillaren Hohl- räumen des Agars ihre Bedenken haben.

Der Übelstand aller dieser Anordnungen liegt in der Wahl der Elektroden. Es wird ganz allgemein Platin dazu benutzt. Nimmt man statt dessen unpolarsierbare Elektroden, so ist die ganze Schwierigkeit des Auftretens schäd- licher Reaktionsänderungen beseitigt. Eine unpolari- sierbare Elektrode ist bekanntlich ein Metall, welches in die Lösung eines seiner Salze taucht. Wenn man also z. B. als Elektroden Zink und als Lösung für den Raum I und V Zink- sulfat benutzt, so kann eine Änderung der Reaktion nicht eintreten. Es muß nur soviel Zn SO, zugegeben werden, daß auf der Kathodenseite auch nach Beendigung des Versuches noch etwas Zn in Lösung bleibt.

Die Anordnung des Apparates schließt sich an die von Landsteiner

Fig. 1. und Pauli gegebene an, mit Änderung der Elektrode.

Ein U-förmiges Gefäß II, III, IV ist durch durchbohrte Glashähne A und B in drei Abteilungen geteilt. Nach oben werden die seitlichen Gefäße durch einen Gummistopfen in zwei gebogene Glasrohre fortgesetzt, die untereinander durch seitliche Stutzen mit Hahn C verbunden werden können. In den seitlichen Enden befinden sich Zinkstäbe als Elektroden. Der Apparat‘) wird folgendermaßen gefüllt. Zunächst wird der Raum III mit der Invertinlösung gefüllt und dann die Hähne A und B geschlossen. Dann werden die Räume II und IV ausgewaschen und mit destilliertem Wasser gefüllt, ebenso die Rohre I und V mitsamt dem Verbindungsschlauch bei offenem

1) Der Apparat ist von den Vereinigten Fabriken für Laboratoriums- bedarf, Berlin N, zu beziehen.

Elektrische Überführung von Fermenten. I. 85

Hahn C. Dann wird durch die seitlichen Enden der Glasrohre beiderseits ca. 1 g Zinksulfat in Substanz hineingegeben, so daß es in die kugligen Erweiterungen des Rohres herunterfällt, und die Elektroden aus Zink hineingestekt. Nachdem das Niveau sich vermittels des Verbindungsschlauches reguliert hat, wird der Hahn C geschlossen, der Strom von 110 Volt Klemmen- spannung eingeschaltet, und zuletzt werden die Hähne A und B vorsichtig geöffnet. Die Stromstärke ist bei dieser Anordnung etwa 0,0005 Ampere. Die Dauer des Versuches kann gut auf 48 Stunden ausgedehnt werden, ohne daß in II und IV saure oder alkalische Reaktion auftritt.?) |

Das Invertin wurde hergestellt, indem 50 g Preßhefe mit Sand zerrieben und mit 200 ccm Chloroformwasser im Schüttel- apparat 6 Stunden lang ausgelaugt und zum Schluß mit Kaolin geklärt und filtriert wurden. °)

Die Versuche fielen nun folgendermaßen aus:

Anordnung: Kathode | Za BO oi. e IV (et) Anod A e - n - e Gand | Waser | Ferment | Wasser | Tosun kas Zn

Nach Beendigung des Stromdurchganges wird der Inhalt von II und IV auf Invertin untersucht. 5 ccm der entnommenen Flüssigkeit + 1 ocm einer Rohrzuckerlösung drehen im Rohr von 18,9 mm bei ca. 18° Temperatur:

Versuch 1 (Dauer des Stromdurchganges 24 Std.).

Anodische_ Flüssigkeit Kathodische Flüssigkeit Zeit Drehung Zeit Drehung 0 —-2,10° 0 2,45° 24 Std. --0,50° 24 Std. 2,45° Versuch 2 (Stromdauer 48 Std.).

0 4-5,21° 5,61° 21 Min. --4,60° 5,61° 1 +-3,04° 5,61° 112 ,, —-1,92° Ä 5,61° 22 Std. —1,80° 5,61°

1) Wenn es, bei anderen Fermenten oder Toxinen, auch darauf an- kommen sollte, jede Spur Zn aus IV fernzuhalten, so wählt man an der Anodenseite eine andere Anordnung: Silber in ClNa-Lösung. Die in Lösung gehenden Ag-Ionen werden dann in Form von Ae) sofort entfernt.

2) Vgl. Michaelis, diese Zeitschr. 7, 488, 1908.

86 L. Michaelis: Elektrische Überführung von Fermenten. I. Versuch 3 (Stromdauer 24 Std.).

0 +6,28° -+6,35° ll Min. -1-6,15° -+6,35° 40 +6,05° +6,35° 97 + 6,35° 24 Std. —0,60° +6,35°

Resultat: In allen Fällen ist die Kathodenseite völlig frei von Fer- ment, die Anodenseite stark fermenthaltig.

Es wurde nunmehr untersucht, ob durch Erhöhung der H+-Ionenkonzentration nicht eine Umladung des Invertins zu erreichen ist, wie es nach Hardy!) für koaguliertes, nach Paulin auch für genuines Eiweiß sehr leicht gelingt.

Versuch 4. Anordnung: I II In IV v Kathode|Zn-80, |", nu. "eo Eesig-| 0, a lösung SA lösung | WE! Zn

| (Stromdauer 24 Std.) Danach Inhalt von II und von IV mit Rohrzucker ver- setzt. Drehung im 10 om-Rohr:

Anodische Flüssigkeit Kathodische Flüssigkeit Zeit Drehung Drehung 0 -+ 5,95° 835, IN 90 Min. —+-5,43° —-5,90° 195 +-4,76° —-5,90° 24 Std, —0,26° —-5,85° 12 1,95 —-5,80°

Es zeigt sich also, daß das Invertin unabhängig von der Reaktion des Mediums ausgesprochen anodisch wandert.

Es ergibt sich somit einstimmig sowohl durch Adsorptionsanalyse wie duroh elektrische Überführung, daß das Invertin eine ausgesprochene Säure ist.

1) Journ. of Physiol, 24, 288, 1899. 2) Beiträge z. ohem. Physiol. u, Pathol. 7, 531, 1906.

Zur Kenntnis des Jodthyreoglobulins. Dem Andenken von Prof. D. Kurajeff gewidmet. Von A. Nürenberg. (Aus dem physiologisch-chemischen Laboratorium der Universität Charkow.) (Eingegangen am 7. Januar 1909.)

Das Jodthyreoglobulin, dessen chemische Untersuchung ich auf Veranlassung des Herrn Prof. D. Kurajeff unternahm, hat Oswald!) zuerst aus den wässerigen Auszügen der Schild- drüse vom Menschen, Ochsen, Schwein, Hammel und Kalb erhalten und als den größten Teil des Kolloids in der Drüse dieser Tiere erkannt.

1. Darstellnng, Eigenschaften und Zusammensetzung des Jodihyreoglobulins.

Die Trennungsmethode beruht auf den Eigenschaften der Ausfällungsgrenze der Eiweißkörper der Schilddrüse bei Ammon- sulfatsättigung derer wässerigen Auszüge. Das Jodthyreoglobulin, welches nach Oswald ein Gemisch von jodhaltigem und jod- freiem globulinartigen Eiweißkörpern ist, fällt bei einer Salz- konzentration von 2,6 bis 4,4 Zehntelsättigung der Lösung völlig aus; während das jodfreie, phosphorhaltige Nucleoproteid der Drüsenextrakte nur bei 6,4 Zehntelsättigung auszufallen beginnt, um bei 8,2 völlig ausgesalzt zu erscheinen.

Dem Verfahren von Oswald?) im allgemeinen folgend, haben wir drei Haupt- und zwei Nebenpräparate dargestellt.

1) Über die chemische Beschaffenheit und die Funktion der Schild- drüse. Straßburg 1900. 2) 1. o. Biochemische Zeitschrift Band 16. 7

88 A. Nürenberg:

Die Schilddrüsen aus den Leichen frisch getöteter Ochsen wurden vom Schlachthause direkt ins Laboratorium gebracht, von Fett und Bindegewebe möglichst befreit, zum Abwaschen von Blut auf die Hälfte zerschnitten und mit kaltem Wasser, welches man mehrmals, bis es sich nicht mehr färbte, erneuerte, im Eisschranke mehrere Stunden lang gelassen. Darauf wurde das Drüsengewebe mittels Lackmaschine und durch Zerreiben im Mörser mit Glassand zerkleinert, dann mit physiologischer (0,8°/,) Kochsalzlösung mehrmals extrahiert.

In den vereinigten Auszügen erzeugte der Zusatz des gleichen Volumens gesättigter Ammonsulfatlösung einen rötlich gefärbten flockigen Niederschlag, der dreimal in Wasser gelöst, klar filtriert, durch Ammonsulfat bei demselben Sättigungsgrade jedesmal wiederum ausgefällt, abfiltriert mit halbgesättigter Ammonsulfatlösung auf dem Filter, bis die rote Farbe ver- schwand, nachgewaschen wurde (Niederschlag A). Alle beschrie- benen Operationen wurden im Eisschranke unter Zusatz von alkoholischer Thymollösung und mit Hilfe der üblichen Be- schleunigungsmaßnahmen ausgeführt.

Durch Versetzen der mittels Dialysieren von Ammonsulfat befreiten Lösung des Niederschlages A mit Alkohol (96°/,) wurde das Präparat B als weißer flockiger Niederschlag gewonnen.

Zur Darstellung des Präparats C wurde der Niederschlag A in Wasser gelöst, filtriert, mit verdünnter Essigsäure ausgefällt, in einem großen Volumen von sehr schwach alkalisiertem Wasser (1 Teil NaOH auf 1000 Teile Wasser) gelöst, durch Essigsäure wiederum ausgefällt, auf einem Filter gesammelt, noch zweimal ebenso gelöst und ausgefällt und endlich so lange auf dem Filter mit schwach angesäuertem Wasser gewaschen, bis das Waschwasser sich auf Bariumchloridzusatz nicht mehr trübte.

Die Darstellung des Präparats D weicht vom Oswald- schen Verfahren nur dadurch ab, daß Aceton (Siedep. 56 bis 57°) anstatt Alkohol (s. o. Präparat B) benutzt wurde.

Das Präparat E erhielten wir zufällig als Niederschlag im Dialysator bei Darstellung des Präparats B.

Als Präparat F haben wir ein aus dem gesonderten dritten Extrakt des Drüsenbreies wie Niederschlag A erhaltenes und in Wasser unlösliches Präparat untersucht. Also war Präparat F weder durch Alkohol noch durch Aceton, noch

Ka

Zur Kenntnis des Jodthyreoglobulins. 89

durch Essigsäure gefällt und von Ammonsulfat bloß durch Abwaschen mit destilliertem Wasser auf dem Filter möglichst befreit. Die Untersuchung dieses Präparates hatte zum Zweck, die Einwirkung der in den ersten Drüsenextrakten eventuell anhaftenden Bluteiweißkörper auf die elementar -analytischen Daten der Präparate B und C zu studieren. |

In allgemeiner Charakteristik zeigten unsere Präparate keinen wesentlichen Unterschied zwischeneinander und stimmten mit dem Oswaldschen!) Thyreoglobulin aus den Schilddrüsen von Schweinen völlig überein.

Aus wässeriger Lösung wird der Körper durch Magnesium- sulfat bei Sättigung derselben und durch Ammonsulfat bei Halbsättigung ausgefällt.

Im destillierten Wasser erwies sich Thyreoglobulin fast unlöslich, etwas besser löste es sich beim Zusatz von Neutral- salzen und leicht in stark verdünnten Alkalien. In wässerigen Lösungen erzeugt der Zusatz von Essig- bzw. Salzsäure einen Niederschlag, der im Überschusse derselben löslich ist, während durch verdünnte Schwefel- bzw. Salpetersäure diese Sedimen- tierung des Körpers nur aus mäßig salzhaltigen Lösungen be- wirkt wird, und dabei löst sich das ausgefällte Thyreoglobulin beim Überschusse der Säuren nicht.

Die üblichen Farben, Alkaloid- und Fällungsproben der Eiweißkörper fallen alle positiv aus.

Auch die Ehrlichsche Aldehydreaktion [nach Rohde?) resp. Steensma?) ausgeführt] ist deutlich positiv.

Die Coagulationstemperatur beim 10°/,igen Magnesium- sulfatgehalt der Lösung liegt bei 63 bis 65°. Bei 50° wird die Lösung schon etwas trüb.

Die Proben auf freies Jod sowie anorganische Jodverbin- dungen gaben ein negatives, während dieselben nach Schmelzung der Substanz mit einem jodfreien Gemisch von Soda und Salpeter ein deutlich positives Resultat ergaben.

Eine Reihe von Versuchen, den bei Halbsättigung mit Ammonsulfat erhaltenen Niederschlag durch Essigsäure, Alkohol, Aceton, Neutralsalze usw. zu trennen, blieb erfolglos.

1) L o. 9. 2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 44, 161. 3) Ibidem 47, 25.

A. Nürenberg:

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91

Zur Kenntnis des Jodthyreoglobulins.

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92 A. Nürenberg:

Die Präparate B, C, D, E und F wurden gesondert von- einander mehrmals mit kaltem und siedendem Alkohol bear- beitet, im Soxhletschen Extraktionsapparat möglichst entfettet, bei Zimmertemperatur getrocknet, im Mörser fein zerrieben und endlich nach dem Trocknen im Wärmeschranke bei 110° C bis zur Gewichtskonstanz der Elementaranalyse unterworfen. Die Ergebnisse der letzteren sind in den Tabellen (S. 90—91) zusammengestellt:

Elementare Zusammensetzung des Thyreoglobulins auf aschefreie Substanz berechnet:

Thyreoglobulin.

C

H

N 16,72 15,55 15,59

S 1,89

J 0,81 į; 0,64 0,59 Ph

Nicht vorhanden

2. Untersuchung der hydrolytischen Spaltungsprodukte des Thyreoglobulins.

Bei der Hydrolyse kleiner Mengen des Thyreoglobulins durch Pepsin, Trypsin, verdünnte und konzentrierte Salzsäure (je 5 bis 7 g), Barytwasser (50 g) hat Oswald?) Thyrosin, Leucin und Glutaminsäure von den einfachen Spaltungsprodukten iso- liert, ohne aber die gefundenen Körper in üblicher Weise zu identifizieren.

A. Spaltung mit konzentrierter Schwefelsäure.

217 g des luftrockenen Thyreoglobulins (Präparate B und C) wurden in einem Rundkolben mit 1240 ccm Schwefelsäure vom spez. Gew. 1,070 bei 15° R (10,19°/,) übergossen, 24 Stunden

(Le 27. 2) ]. o. 43 bis 54

Zur Kenntnis des Jodthyreoglobulins. 93

lang stehen gelassen und darauf mit Rückflußkühler auf dem Paraffinbade 5 Stunden lang gekocht. Der von dunkelbraun- gefärbter Flüssigkeit abfiltrierte Niederschlag wurde mit 10°/,iger Schwefelsäure und schwefelsäurehaltigem Wasser nachgewaschen und als Jodothyrin untersucht.?)

Das Filtrat, der Rest des Niederschlages nach dreifachem Extrahieren desselben durch Alkohol und das schwefelsäure- haltige Waschwasser wurden vereinigt, stark eingeengt und wie folgt untersucht.

Durch einen Vorversuch wurde die Geschwindigkeit der völligen Zersetzung des Thyreoglobulins durch Kochen mit kon- zentrierter Schwefelsäure ermittelt.

2,0 der Substanz gaben nach 10stündigem Kochen mit 12 ccm destillierten Wassers und 6,0 g Schwefelsäure (1,84) (Quantitätsverhältnisse nach Kossel-Kutschers Vorschrift) ?) keine Biuretreaktion mehr.

Diesen Angaben gemäß wurde das nach Abtrennung des Jodothyrins gebliebene schwefelhaltige Gemisch zur Unter- suchung der einfachen Spaltungsprodukte verarbeitet.

Das Untersuchungsmaterial wurde in einen Meßkolben von 1500com Gehalt gebracht, bis zur Marke mit destilliertem Wasser aufgefüllt und der Schwefelsäuregehalt in einem aliquoten Teile (5 com) durch Titrieren mit */,,.N Natronlauge und Phenolphthalein ermittelt.

Gefunden im Gemische:

Schwefelsäure . . . . . 508,038, Destilliertes Wasser. . . . 992 com.

Berechnet zur Zersetzung von 217,0 g Thyreoglobulin, ent- sprechend dem beschriebenen Vorversuche:

Schwefelsäure . . . . . . 651,0g, Destilliertes Wasser . . . . 1302 ccm.

Dementsprechend wurden 310 com Wasser und 143,0 g Schwefelsäure zugefügt und im Rundkolben mit Rückflußkühler auf dem Paraffinbade 10 Stunden lang gekocht.

1) Nürenberg, Zur Kenntnis des Jodothyrins. Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 10, 125. 2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 31, 165.

94 A. Nürenberg:

Die schwarzbraune Flüssigkeit gab keine Biuretreaktion mehr. Der ausgeschiedene schwarze pulverartige Niederschlag wurde abgesaugt, mit siedendem Wasser mehrmals aufgerührt, wiederum abgesaugt und auf der Nutsche nachgewaschen, bis das ablaufende Wasser sich nicht mehr färbte. Der Nieder- schlag enthielt Jod weder in anorganisch noch in organisch gebundener Form.

Die vereinigten Filtrate und Waschwasser, deren Volum 3 Liter betrug, wurden von Schwefelsäure durch Galoium- chlorid, von Ammoniak durch Kochen mit Magnesiumoxyd, von Magnesium durch Barytwasser befreit und endlich der Baryt durch Schwefelsäure genau entfernt. Bei diesen Ope- rationen wurden jedesmal die Niederschläge abfiltriert und mit heißem Wasser nachgewaschen. Das Filtrat mit dem Wasch- wasser vereinigt, stellte eine schwach saure, schwarzbraun gefärbte Flüssigkeit von 6,800 com Volum dar (Filtrat B).

B. Isolierung und Bestimmung der Basen,

Aus dem Filtrate B wurden Arginin und Histidin nach dem Verfahren von Kossel und Kutscher?) abgetrennt. Zu diesem Zwecke wurde in einem aliquoten Teile desselben das zur Sättigung nötige Quantum des Silbers vorläufig festgestellt und darauf das ganze Filtrat B mit Silbersulfat im Überschusse unter Erwärmen auf dem Woasserbade versetzt, dann auf 40° abgekühlt und mit Atzbaryt im Mörser teilweise angerührt.

Das dabei Abgeschiedene wurde jedesmal abgenutscht, mit Barytwasser und siedendem destilliertem Wasser nach- gewaschen.

Das Filtrat wurde mit dem Waschwasser vereinigt, das nach Zusatz von Silbersulfat keinen Niederschlag mehr gab (Fil- trat E), mit Schwefelsäure angesäuert und zur Untersuchung auf Lysin und eventuell vorhandene Aminosäuren benutzt. Die gesamten, die Arginin- und Histidinsilberverbindungen enthalten- den Niederschläge wurden in mit Schwefelsäure schwach ange- säuertem Wasser gelöst; das ausgeschiedene Bariumsulfat abge- saugt und das hell gefärbte jodfreie Filtrat zur Isolierung des Arginins und des Histidins verarbeitet (Filtrat D).

3) L o.

Zur Kenntnis des Jodthyreoglobulins. 95

Das Filtrat D wurde vom Silber durch Schwefelwasserstoff und von Schwefelsäure durch Baryt befreit, das Filtrat ein- gedampft, mit Salpetersäure angesäuert und mit Silbernitrat unter Berücksichtigung der Endreaktion mit Barytwasser ge- sättigt.

Die Trennung der Silbersalze der Basen voneinander wurde mittels Ausfällen des Histidinsilbers durch vorsichtigen Zusatz von verdünntem Barytwasser bewirkt. Da die Proben mit Barytwasser und ammoniakalischer Silbernitratlösung keine deutlichen Resultate gaben, wurde das Ende der Abtrennung des Histidins vermittels der Paulischen!) Reaktion festgestellt.

Arginin. Das Filtrat vom Histidinsilber wurde im Mörser teilweise mit Bariumhydrat angerührt, das Abgeschiedene ab- gesaugt, nachgewaschen, in schwefelsäurehaltiges Wasser ge- bracht. Im Filtrate vom schwefelsauren Baryt wurde das Silber durch Scohwefelwasserstoff, das gebliebene Bariumhydrat durch Schwefelsäure, der Überschuß der letzteren durch Barytwasser und endlich das Baryt durch Kohlensäure gefällt. Das Filtrat und das Waschwasser wurden vereinigt, auf 100 ccm unter mehrmaliger Filtration vom Ausgeschiedenen eingeengt, durch 10°/,ige Salpetersäure bis zu schwachsaurer Reaktion an- gesäuert und mit Silbernitrat unter Berücksichtigung der Endreaktion mit Barytwasser gesättigt. Der abgeschiedene schwarzbraune Niederschlag wurde abgesaugt, nachgewaschen und das Filtrat zum Auskrystallisieren des sauren Arginin- silbernitrats eingeengt.

Die erhaltenen charakteristischen Krystalle wurden zweimal aus Wasser umkrystallisiert und über Schwefelsäure getrocknet. Das erhaltene Präparat schmolz bei 179 bis 183° [Gule- witsch®) 176 bis 183°], und zeigte folgenden Silbergehalt:

1. 0,1712g gaben beim Glühen 0,0454 Ag.

Eine andere Portion des Argininsilbernitrats wurde aus der Mutterlauge der beschriebenen Krystalle durch Alkohol aus- gefällt, gewaschen und ebenso wie die erste getrocknet.

2. 0,1592 g gaben beim Glühen 0,0422 Ag, 3. 0,0048 di » 0,0797 Ag.

1) Ibidem 42, 508. 3) Zeitschr. f. phyisoL Chem. 27, 178.

96 A. Nürenberg:

Gefunden Berechnet für 1. 26,518 °/, Ag, C. H.. N.O, NHO,-AgNO;: 2. 26,507 3. 26,531 , 26,50 °/, Ag.

Histidin. Der oben beschriebene, Histidinsilber ent- haltende Niederschlag wurde im Mörser mit schwefelhaltigem Wasser angerührt, das schwefelsaure Barium abgesaugt und das Filtrat von Silber durch Schwefelwasserstoff und von letzterem durch Eindampfen befreit und zur Isolierung des Histidins benutzt.

Weder durch Fällung mit frisch bereitetem Quecksilber- sulfat in 15°/, Schwefelsäurelösung noch durch Fällung mit kaltgesättigter Sublimatlösung gelang es, eine genügende Menge analysenreiner Substanz darzustellen; obwohl die beim Ein- dampfen der salzsauren, von Quecksilber, Schwefelsäure und Baryt üblicherweise befreiten und durch Erhitzen mit Thier- kohle entfärbter Lösung ausgeschiedenen spärlichen Krystalle eine scharf positive Reaktion mit Diazobenzosulfosäure gaben.

Das Lysin wurde als Pikrat identifiziert. Zur Isolierung der Base benutzten wir das obenerwähnte Filtrat E. In üblicher Weise wurde das Filtrat von Silber, Schwefelsäure und Baryt befreit, auf 1 Liter eingedampft und durch 10°/,ige Phos- phorwolframsäure sorgfältig ausgefällt. Der erhaltene Nieder- schlag wurde mit krystallinischem Bariumhydrat und Wasser im Mörser gerührt, das Bariumphosphorwolframat abgesaugt und im Filtrate der Baryt durch Kohlensäure abgeschieden. Das Filtrat wurde mit dem Waschwasser vereinigt und stark eingeengt, nach dem Verfahren von Kossel!) mit heißer gesättigter alkoholischer Pikrinsäurelösung vorsichtig versetzt, solange Fällung entstand. Der gelbe Niederschlag wurde aus heißer wässeriger Lösung auskrystalliiiert. Die erhaltene krystallinische Substanz wurde zweimal ebenso umkrystallisiert, bei 110° getrocknet und der Stickstoffbestimmung nach Dumas unterworfen.

1. 0,1258 g gaben 21,2ccm N bei 23°C und 749 mm Druck 2. 0,0734 A8 33 12,2 32 (E (E 22° 38 29 749 33 29

(Le

E

Zur Kenntnis des Jodthyreoglobulins. 97

Gefunden Berechent für 1. 18,71 ur N, C,H, N, O, C,H,(NO,),OH: 2. 18,59 , 18,66 N.

C. Isolierung und Bestimmung der Monoaminosäuren.!)

Tyrosin. Die Mutterlauge des Lysinpikrats wurde mit Schwefelsäure angesäuert, durch mehrmaliges Ausschütteln mit Ather von Pikrinsäure, durch Barytwasser von Schwefelsäure befreit und dem Reste des Filtrats E beigemengt. In der erhaltenen Flüssigkeit wurde Phosphorwolframsäure durch Bariumhydrat, der Überschuß des letzteren durch Schwefel- säure genau entfernt.

Die vereinigten Filtrate und Waschwasser wurden bis zur beginnenden Krystallisation eingeengt. Das bei Zimmertempe- ratur Ausgeschiedene wurde abgesaugt, mit eiskaltem Wasser mehrmals nachgewaschen, mit Tierkohle in wässeriger Lösung entfärbt, durch Kochen mit Eisessig gereinigt, aus ammonia- kalischer Lösung umkrystallisiert, bei 110° zur Gewichtskonstanz getrocknet und der Stickstoffbestimmung unterworfen.

0,1560 g der Substanz gaben 12,3816 mg N

Gefunden Berechnet für 7,936 Pla N, C,H, NO,: 7,73 °), N.

Die charakteristischen schneeweißen Krystalle schmolzen bei 295° C und gaben eine scharfe Millonsche Reaktion.

Die Ausscheidung der Krystalle wurde mehrmals wiederholt, bis die Mutterlauge fast keine Millonsche Reaktion mehr gab.

Glutaminsäure. Die Mutterlauge des Tyrosins wurde mit dem Waschwasser vereinigt, mit Tierkohle entfärbt und stark unter vermindertem Drucke eingeengt und mit gasförmiger Salzsäure gesättigt. Im Eisschranke erstarrte die Flüssigkeit zu einer fast festen Masse, die auch nach Beimengung von Alkohol nicht filtrierbar erschien oder bei weiterem Zusatz desselben teilweise sich löste, ohne einen Krystallbrei übrig zu lassen. Sie wurde in Wasser gelöst, von Alkohol durch Ein- dampfen befreit, weniger stark, aber doch bis zur Sirupkonsistenz unter vermindertem Drucke eingeengt, mit gasförmiger Salzsäure

1) Die Stickstoffbestimmungen wurden nach Dumas ausgeführt.

98 A; Nürenberg:

gesättigt; nun schied die Flüssigkeit bereits in der Wärme, mehr noch im Eisschranke einen krystallinischen Niederschlag ab. Die Krystalle wurden auf einem Filter gesammelt, mit eis- kaltem Alkohol nachgewaschen, mit Tierkohle entfärbt, ein- gedampft und nach abermaliger Sättigung mit Salzsäure um- krystallisiert. Mit der im Exsikkator über Schwefelsäure und Atzkali und danach bei 110° getrockneten Substanz wurde einer Chlorbestimmung ausgeführt.

1,0434 g der Substanz gaben 0,8038 AgCl oder 0,1988 Cl.

Gefunden Berechnet für 19,05°/, Cl, C,H,0,N.HCl: e 19,35°/, Cl.

Die Schmelzpunktbestimmung ergab 193 bis 194° C.

Bereitung der Ester. Die salzsauren Mutterlaugen wurden mit dem Waschalkohol vereinigt, unter vermindertem Druck möglichst stark eingeengt, mit 600 ccm absolutem Alkohol über- gossen und mit gasförmiger Salzsäure gesättig. Die Esteri- fizierung wurde noch zweimal wiederholt. Nachdem ein Versuch, das Chlorhydrat des Glykokollesters aus dem erhaltenen Ge- mische, abzuscheiden erfolglos geblieben war, wurde die Esteri- fikation noch zweimal wiederholt, das Gemisch bei 35 bis 40° unter vermindertem Druck möglichst stark eingedampft, in einen 500 com fassenden Meßkolben gebracht und unter Nachwaschen des Gefäßes mit absolutem Alkohol bis zur Marke aufgefüllt.

Die im aliquoten Teile (5 oom) der sorgfältig gemischten Lösung zweimal nach Volhard-Arnoldscher Methode aus- geführte Chlorbestimmung ergab einen Chlorgehalt derselben ent- sprechend 43,068g NaCl. Die Ester wurden durch Natrium- äthylat in Freiheit gesetzt. Zu diesem Zwecke wurden 50,059 g alkoholfreien Natriumäthylats (Natrongehalt 16,932 g, entspre- chend 43,068g Natriumchlorid) dem mit Äther überschichteten Gemisch unter Abkühlung und sorgfältiger Umrührung zu- gefügt. Die Ausscheidung des gebildeten Natriumohlorids wurde durch Zufügung von Äther beschleunigt. Das Natriumchlorid wurde abgesaugt und mit absolutem Alkohol nachgewaschen. Das Filtrat wurde mit dem Waschalkohol vereinigt, durch wasser- freies Natriumsulfat unter sorgfältigem Umrühren entwässert und vom Trockenmittel abfiltriert. Ather und Alkohol wurden unter

Zur Kenntnis des Jodthyreoglobulins. 99

20 mm Druck und bei 35 bis 38° des Wasserbades möglichst

abdestilliert und stellten das unten beschriebene äther-alkoho-

lische Destillat dar. Der schwarzbraune Rückstand sirupöser

Konsistenz wurde in einen Destillierkolben gebracht und in

folgende Fraktionen zerlegt:

1. Fraktion: bis 60° (Temp. des Wasserbades) bei 15 mm Druck (Wasserpumpe).

2. Fraktion: 60 bis 100° (Temp. desWasserbades) bei 15 mm Druck (Wasserpumpe).

3. Fraktion: 100 bis 160° (Temp. des Bades aus Woodscher Legie- rung) bei 0,5 mm Druck (Ölpumpe; Fischer-Harriesscher Apparat).

4. Fraktion : 160 bis 205° (Temp. des Bades aus Woodscher Legie- rung) bei 0,5 mm Druck (Ölpumpe; Fischer-Harriesscher- Apparat).

Das ätherisch-alkoholische Destillat wurde mit kon-- zentrierter Salzsäure angesäuert, zur Trockne im Vakuum einge- engt, durch Tierkohle entfärbt und wieder eingeengt. Der Rück- stand wurde wiederholt im absoluten Alkohol gelöst und mit gasförmiger Salzsäure gesättigt. Nach 3stündigem Stehen des Gemisches, dem ein Kryställchen Glykokollesterchlorhydrat eingeimpft wurde, im Eisschranke schieden sich weiße Krystalle- aus, die abgesaugt, nachgewaschen und zweimal aus heißem absolutem Alkohol umkrystallisiert wurden.

0,1608 der lufttrockenen Substanz gaben 16,016 mg N.

Gefunden Berechnet für 9,96 °/, N C,H, ‚0, NC1 10,03 h N

Die Substanz schmolz bei 144° C.

Fraktion l wurde durch 5stünd. Kochen mit der 10fachen. Menge destillierten Wassers verseift, bis zur Trockne eingeengt und mit 5facher Menge siedenden absoluten Alkohols dreimal. extrahiert. Der Rückstand wurde in absoluten Alkohol gebracht, mit gasförmiger Salzsäure gesättigt, im Vakuum eingeengt und ebenso noch zweimal bearbeitet. Die spärlichen beim Stehen des Gemisches im Eisschranke nach Einimpfung eines Kryställchens. von Glykokollesterchlorhydrat ausgeschiedenen Krystalle reichten nur für eine Schmelzpunktbestimmung. Die letztere ergab 144° C..

100 A. Nürenberg:

Das Filtrat vom Krystallbrei wurde mit gelbem Bleioxyd von Salzsäure, mit Schwefelwasserstoff' vom überschüssigen Blei, durch Abdampfen vom Schwefelwasserstoff befreit und durch Tierkohle entfärbt. Nachdem mehrere Versuche, das gereinigte Filtrat zu krystallisieren, fehlschlugen, wurde die stark ein- geengte heiße Lösung mit absolutem Alkohol versetzt. Der ausgeschiedene schneeweiße Niederschlag wurde abgesaugt, mit Alkohol nachgewaschen, zweimal aus Wasser umkrystallisiert, bei 110° getrocknet und der Analyse unterworfen.

0,1070g der Substanz gaben 16,5982 mg N.

Gefunden Berechnet für 15,51°/, N C,H,NO, 15,73 N

Der Schmelzpunkt lag bei 293 bis 296°.

Ein Teil der Substanz wurde zur Darstellung des Alanin- kupfers verbraucht. Die durch Zusatz von Kupfercarbonat erhaltene, aus Wasser zweimal umkrystallisierte Substanz zeigte folgenden Kupfergehalt:

0,2102g der trockenen Substanz gaben 0,1105 CuO.

Gefunden Berechnet für 42°], Cu C,H,NO,Cu 42,15 °/, Cu

Die Fraktion 2 wurde ebenso wie die erste verseift und mit Alkohol extrahiert. Der Rückstand der Aminosäuren wurde bis zur Trockne eingedampft, in siedendem destilliertem Wasser gelöst und mit absolutem Alkohol ausgefällt. Das Auflösen und Ausfällen wurde noch zweimal wiederholt. Die aus siedendem Wasser zweimal umkrystallisierte Substanz wurde bei 110° ge- trocknet und einer Stickstoffbestimmung unterworfen.

0,1678g der Substanz gaben 17,7434mg N.

Gefunden Berechnet für 10,57 Et N C,H, ON 10,68 N

Die alkoholischen Auszüge beider Fraktionen wurden ver- einigt und zur Isolierung des Prolins verarbeitet. Zu diesem Zwecke wurde die alkoholische Lösung mehrmals zur Trockne verdampft und wiederum mit absolutem Alkohol ausgezogen.

\

Zur Kenntnis des Jodthyreoglobulins. 101

Nachdem der Rückstand im Alkohol völlig löslich erschien, wurde das Prolin aus stark eingeengter alkoholischer Lösung mit gesättigter alkoholischer Sublimatlösung dem Kossel- Dakinschen!) Verfahren folgend gefällt. Trotz sorgfältiger Reinigung und Entfärbung durch Tierkohle konnten wir keine zur Identifizierung genügende Menge der Substanz darstellen. Ebenso erhielten wir nur spärliche Krystalle beim Versuche, die Kupferverbindungen des racemischen und aktiven Prolins nach Fischers?) Vorschrift getrennt zu isolieren.

Die Fraktion 3 wurde mehrmals mit Ather extrahiert. Die vereinigten ätherischen Auszüge wurden mit gleichem Volumen destillierten Wassers wiederholt geschüttelt.

Das Waschwasser wurde dem Reste der Fraktion beigemengt, 1?/, Stunde lang mit 10facher Menge Barytwasser gekocht, durch Schwefelsäure vom Baryt befreit, eingeengt und in konzentrierter Salzsäure gelöst. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, das Glutaminsäurechlorhydrat auszukrystallisieren, wurde die salz- saure Lösung verdampft, in Wasser gelöst und durch Kochen mit Bleioxyd von Salzsäure befreit. Die jetzt beim Eindampfen langsam ausgeschiedenen Krystalle wurden abfiltriert, mit Tier- kohle entfärbt und mehrmals aus Wasser umkrystallisiert. Das mittels Kupfercarbonat dargestellte Asparaginkupfer wurde bei 110° getrocknet und der Analyse unterworfen.

0,2068 g der Substanz gaben 0,0838 g CuO.

Gefunden Berechnet für 32,38°/, Cu C,H,NO, Cu | 32,61 Yo Cu

Fraktion 4 wurde ebenso wie die 3. verarbeitet. Auch hier konnte Glutaminsäurechlorhydrat nicht isoliert werden. Das erhaltene asparaginsaure Kupfer wurde durch eine Kupfer- bestimmung identifiziert.

0,1274g der Substanz gaben 0,0516 g CuO. Gefunden 32,33°/, Cu

Die ätherischen Auszüge beider Fraktionen wurden aus Mangel an Material vereinigt, mit konzentrierter Salzsäure versetzt und

1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 41, 410.

2) Untersuchungen über Aminosäuren, Proteine und Polypeptide. S. 64, Berlin 1906.

102 A. Nürenberg:

zur Trockne eingeengt. Ein Versuch, den Rückstand aus kon- zentrierter Salzsäure umzukrystallisieren, schlug fehl: es entstand ein dicker schwarzer Sirup. Der letztere wurde in destilliertem Wasser gelöst, durch Kochen mit Tierkohle möglichst entfärbt, wiederum zur Trokne eingeengt und dann aus konzentrierter Salzsäure auskrystallisiert. Die ausgeschiedenen Krystalle wurden ebenso umkrystallisiert, in Ammoniak gelöst, eingeengt, mit eis- kaltem Wasser mehrmals bearbeitet, in siedendem Wasser ge- löst und aus heißer Lösung mit absolutem Alkohol ausgefällt. Die Substanz wurde vorläufig im Exssikator, dann bei 110° getrocknet und einer Stickstoffbestimmung unterworfen.

0,1458 g der Substanz gaben 12,9688 mg N

Gefunden Berechnet für 8,90%, N C,H,,0,N 8,48 Ts N

Nach abermaliger Bearbeitung mit Salzsäure, Ammoniak und Wasser wurde wieder ein krystallinischer Niederschlag in der geschilderter Weise mit absolutem Alkohol ausgefällt und mehrmals aus Wasser umkrystallisiert.

0,0933 g der Substanz gaben 7,7112 mg N.

Gefunden

8,26 °/, N

D. Spaltung mit Barytwasser.

Nach einem Vorversuche mit 5,0g Thyreoglobulin wurden 60,3g lufttrockenes, pulverisiertes Thyreoglobulin in einem Rundkolben unter Rückflußkühler auf einem Paraffinbade mit 2300 cem heiß- gesättigtem Barytwasser 30 Stunden lang gekocht. Das Thyreo- globulin löste sich sehr leicht. Die rötlich gefärbte Lösung wurde vom ausgeschiedenen Ätzbaryt abfiltriert. Das Filtrat wurde durch Kohlensäure und verdünnte Schwefelsäure vom überschüssigen Baryum befreit. Die erhaltene rotgelb gefärbte Flüssigkeit gab keine Biuretreaktion, enthielt kein freies Jod, dagegen fiel die Probe auf Jod mit Chloroform nach Nitrit- und Schwefelsäurezusatz schwach positiv aus. Die Flüssigkeit wurde dem Dreohsel!)-Henzeschen?) Verfahren folgend zur

1) Zeitschr. f. Biol. 33, N. F. 15, 99, 1896. 2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 38, 73, 1903.

Zur Kenntnis des Jodthyreoglobulins. 103

Darstellung des eventuell vorhandenen Dijodtyrosins (resp. der Drechselschen!) Jodgorgosäure) verarbeitet. Zu diesem Zwecke wurde die Flüssigkeit, solange noch ein Niederschlag entstand, mit 1Oprozentiger Silbernitratlösung versetzt. Das Ausgeschiedene wurdeabfiltriert, mitWasser nachgewaschen, in verdünnter Salpeter- säure gelöst. Das bei der Neutralisation der Salpetersäure- lösung mit verdünntem Ammoniak Ausgeschiedene wurde ab- filtriert, mit Wasser etwas nachgewaschen, in heißem Wasser suspendiert und durch Schwefelwasserstoff zersetzt. Das Filtrat, das keine anorganische Jodverbindungen, dagegen organisches Jod enthielt, wurde zur Entfernung des Schwefelwasserstoffs eingeengt, durch Tierkohle entfärbt und stark eingedampft. Die erhaltenen sehr spärlichen Krystalle erschienen jodfrei, gaben eine scharf positive Millonsche Reaktion. Leider konnte eine Reinigung und genauere Analyse der Substanz wegen mangels an Material nicht erfüllt werden. Die Mutterlauge der Krystalle schied nach Alkoholzusatz einen amorphen Niederschlag ab, enthielt anorganisches Jod. `

Das Filtrat von dem beschriebenen Silberniederschlage wurde zur Entfernung des Silbers mit Schwefelwasserstoff zer- setzt, mit Schwefelsäure angesäuert und durch Phosphorwolfram- säure ausgefällt.e. Der entstandene Niederschlag wurde wie üblich von Schwefel- und Phosphorwolframsäure durch Baryt- wasser befreit; das überschüssige Baryum wurde durch Kohlen- und verdünnte Schwefelsäure entfernt. Die erhaltene Lösung enthielt kein anorganisches, dagegen. organisch gebundenes Jod. Mehrere Versuche, eine organische Jodverbindung durch Aus- fällen mittels Silbernitratlösung, direkte Krystallisation usw. zu isolieren, blieben erfolglos. Beim Eindampfen der Lösung er- schien ein sirupöser Rest, der eine positive Probe auf an- organisches Jod gab, dagegen fiel die Millonsche Reaktion negativ aus. Das Filtrat vom Phosphorwolframatniederschlage enthielt kein Jod. Es wurde in üblicher Weise von Phosphor- wolframsäure befreit, durch Kochen mit Tierkohle entfärbt und zur Entfernung der leicht krystallisierenden Partien, bis noch eine Krystallisation entstand, eingeengt. Die vereinigten Mutterlaugen wurden unter Abfiltrieren des Ausgeschiedenen

1) Zeitschr. f. Biol. 83, N. F. 15, 99, 1896. Biochemische Zeitchrift Band 16. 8

104 A. Nürenberg:

zu diokem Sirup eingeengt. Der letztere wurde mit siedendem absolutem Alkohol wiederholt extrahiert. Die vereinigten alkoho- lischen Auszüge wurden zur Trockne eingedampft. Der Rück- stand wurde wieder mit Alkohol ausgezogen, das Ungelöste ab- filtriert. Dieses Mal löste sich der Rückstand nach Abdampfen des Alkohols in Alkohol vollständig. Aus der dunkelbraun gefärbten alkoholischen Lösung wurde die a-Pyrrolidincarbon- säure nach dem Verfahren von Kossel und Dakin?) isoliert. Zu diesem Zweoke wurde die alkoholische Lösung eingeengt und mit gesättigter alkoholischer Sublimatlösung, bis noch ein Nieder- schlag entstand, versetzt. Nach 24 Stunden wurde das Aus- geschiedene abfiltriert, in Wasser aufgeschwemmt, von Queck- silber durch Schwefelwasserstoff, von Salzsäure durch Silber- sulfat und von Schwefelsäure durch Barytwasser befreit. Das erhaltene Filtrat wurde durch Kochen mit Tierkohle entfärbt und zur Trockne eingedampft. Der Rückstand wurde mit heißem Alkohol aufgenommen und die Lösung erkalten gelassen. Die ausgeschiedenen spärlichen Krystalle wurden abgesaugt und wieder in heißem Alkohol gelöst. Zu der erkalteten konzen- trierten Flüssigkeit wurde vorsichtig eine geringe Menge Äther zugefügt. Die abgeschiedenen schneeweißen Krystalle wurden abgesaugt, gepulvert und bei 110° bis zur Gewichstkonstanz getrocknet. Das Präparat schmolz bei 205 bis 206°. Wegen Mangels an Material konnte keine direkte Identifizierung des Präparate durch Elementaranalyse ausgeführt werden. Des- wegen wurde durch Kupferoxyd das Kupfersalz des racemischen Prolins dargestellt, mit demselben bei der Analyse der durch fraktionierte Destillation erhaltenen Produkte dargestellten Körper vereinigt, zweimal umkrystallisiert, bei 110° bis zur Gewichts- konstanz getrocknet und der Kupferbestimmung unterworfen. 0,1480 g der Substanz gaben 0,0401 CuO.

Gefunden Berechnet für 21,62 * Cu C,.H,.0,N,Cu 21,81 tla Cu

E. Spaltung durch Verdauungsfermente.

Pepsin. 20,0 g lufttrockenes pulverisiertes Thyreoglobulin wurden im Wärmeschrank bei 35° bis 37°C mit 1100 ccm

1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 41, 410.

Zur Kenntnis des Jodthyreoglobulins. 105

2!/,°/, HCl und 0,1 g Pepsin sicc. Grübler zwei Monate lang stehen gelassen. Das Gemisch wurde öfters umgerührt und auf Pepsin durch Verdauungsproben mit Fibrin geprüft. Nötigen- falls wurde Pepsin zugefügt. Der zum Ende des Versuches abgeschiedene braune Niederschlag wurde abfiltriert und mit Wasser nachgewaschen. Der Niederschlag wurde in schwach alkalisiertem Wasser gelöst (Natriumcarbonatlösung), abfiltriert, durch Salzsäure wiederum bei schwach saurer Reaktion aus- gefällt, abermals ebenso gelöst, abfiltriert, ausgefällt, und endlich auf dem Filter mit Wasser machgewaschen.

In allgemeiner Charakteristik zeugte der Niederschlag keinen wesentlichen Unterschied vom dem bei Oswald!) und war dem durch Spaltung mit verdünnter Schwefelsäure er- haltenen Jodothyrin*) ähnlich.

Niederschlag Filtrat

Biuretreaktion negativ positiv Millonsche Probe a eg Ehrlichsche Aldehydreaktion®) F F Adamkjewitschsche Probe á 5 Xantoproteinreaktion positiv Ge Anorganisches Jod nicht vorhanden Organisches Jod vorhanden

Der Niederschlag wurde analog dem früher für Jodothyrin beschriebenen Verfahren*) untersucht.

Versuch 1. Der Niederschlag im Wasser aufgeschwemmt, gerührt, in einen Papinschen Kessel gebracht. Druck 5 bis 6 Atmosphären. Versuchsdauer 1 Stunde.

Millonsche Probe negativ Ehrlichsche ,, I

Versuch 2. Dasselbe Versuchsmaterial. Druck im Papin-

schen Kessel 5 bis Bil Atm. Versuchsdauer 2 Stunden.

Ehrlichsche Probe positiv Millonsche e negativ ı)Lc. 4.

2) Baumanns Thyreojodin. Zeitschr. f. physiol. Chem. 21, 319 u. a. Oswald, 1. e. 47. D Nach Rhode, Zeitechr. f. physiol. Chem. 44, 161, und Steensma (ebenda 47, 25) ausgeführt. 4) Nürenberg, Beiträge zur chem. Physiol. u. Pathol. 10, 125. Ch

106 A. Nürenberg:

Versuch 3 mit selbem Materiale bei denselben Versuchs- bedingungen und Versuchsdauer 3 Stunden gab denselben Er- folg. Die Anwesenheit von anorganischen Jodverbindungen wurde konstatiert.

Versuch 4. Das gebliebene Versuchsmaterial wurde ge- teilt. Einer Portion (a) wurde Cerussa anglica zugefügt. Die andere unverändert gelassen (Portion b). Beide Portionen wurden im Papinschen Kessel 3 Stunden lang bei 5 bis 6 Atm. stehen gelassen.

- Portion a Portion b Ehrlichsche Probe Millonsche Probe

Erepsin. Die Erepsinlösung wurde nach Cohnheims!) Vorschrift dargestellt. Ein mittelgroßer Hund wurde 5 Tage lang mit Fleisch gefüttert. Dem im Laufe der Verdauung frisch getöteten Tiere (Durschneidung der Halsgefäße) wurde der Dünndarm entnommen, aufgeschlitzt, mit Wasser abgespült. Die Dünndarmschleimhaut wurde mit einem scharfkantigen Glasstücke abgeschabt, gründlich mit Glassand zerrieben, zwei- mal mit physiologischer Kochsalzlösung (0,9°/,) extrahiert (6 und 12 Stunden lang) und mit einer Tinkturenpresse aus- gepreßt. Die erhaltene Flüssigkeit wurde durch ein Koliertuch durchgelassen und mit gesättigter Ammonsulfatlösung (3 Teile auf 2 Teile der Flüssigkeit) gefällt. Der entstandene Nieder- schlag wurde 72 Stunden lang dialisiert, das trübe Dialisat abfiltriert. Das Filtrat enthielt Spuren von coagulablem Eiweiß. 500 ccm der Erepsinlösung wurden dem obenerwähnten, mit Natriumcarbonat etwas überneutralisierten Filtrate des pep- sinischen Verdauungsgemisches, dessen Volumen 950 ccm groß war, zugefügt. Das Gemisch wurde 6 Monate lang unter Chloro- form- und Tuluolzusatz, ständiger Umrührung und mehrmaliger Zufügung frisch bereiteter Erepsinlösung im Brutschrank bei 35° bis 37°C der Verdauung unterworfen. Der beim Abfiltrieren des Gemisches auf dem Filter hinterbliebene, sehr spärliche braune Niederschlag reichte leider für eine genaue Untersuchung nicht. Die Proben auf Jod mit Chloroform fielen beim Nitrit- und Schwefelsäurezusatz, sowie nach Verschmelzung mit Soda

l deutlich positiv

1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 83, 451 u. a.

Zur Kenntnis des Jodthyreoglobulins; 107

und Salpeter negativ aus. Das Filtrat, das sich bei Sättigung mit Ammonsulfat trübte, wurde ebenso wie bei der Baryt- spaltung dem Henzeschen Verfahren folgend bearbeitet. Der Silberniederschlag enthielt keine organischen Jodverbindungen. Beim Ausfällen des Filtrats vom Silberniederschlage mit Phos- phorwolframsäure gingen dieselben in Niederschlag über, wäh- rend das Filtrat vom Phosphorwolframsäureniederschlage kein Jod enthielt. Wegen Mangels an Material konnte keine weitere Untersuchung der erhaltenen Spaltungsprodukte ausgeführt werden. |

Trypsin. 127,5 lufttrookenes pulverisiertes Thyreoglobulin wurden in 2550 ccm eine 0,2 prozentige Natriumcarbonatlösung gebracht, mit 1,0 g Pankreatin Rhenania versetzt und 8 Monate lang im Wärmeschrank bei 35° bis 37° bei Chloroform- und Toluolzusatz unter öfterer Umrührung der Verdauung überlassen. Pankreatin wurde unter Kontrolle der Verdauungsprobe mit Fibrin nötigenfalls portionsweise zugefügt (im ganzen wurden 3,5 g des genannten Präparate verbraucht).

Das anfangs trübe Gemisch wurde zum Ende des Ver- suches klar und schied einen dunkelbraun gefärbten Nieder- schlag ab. Der letztere wurde abfiltriert, mit Wasser gründlich nachgewaschen. Der in kaltem und heißem Wasser, Alkohol, Ammoniak, Ather, Aceton und Chloroform unslösliche Nieder- schlag löste sich leicht in alkoholischem Ammoniak (2 Teile Alkohol absolut., 1 Teil Ammoniak), um beim Abdampfen des letzteren wieder auszufallen. Der zweimal im alkoholischen Ammoniak gelöste und unter Abdampfen des Ammoniaks aus- gefällte Niederschlag wurde abfiltriert und mit Wasser nach- gewaschen. Er enthielt kein anorganisches, dagegen viel organisches Jod (die Probe auf Jod mit Chloroform fiel nur nach der Verschmelzung positiv aus), gab keine Biuretreaktion, keine Millonsche und Ehrlichsche Reaktion, löste sich leicht im Eisessig und 25°/,iger Schwefelsäure. Trotz wiederholter Extrahierung mit Eisessig, Entfärbung durch Tierkohle, konnte keine Krystallisation beim Abdampfen der Lösung erreicht werden. Beim Abdampfen der Essigsäure auf dem Wasserbade bei 40° Temperatur des letzteren hinterblieb ein rot gefärbter ölartiger klarer Rest. Derselbe löste sich teilweise in heißem Wasser. Die Probe auf Jod mit Chloroform nach Nitrit- und Schwefel-

108 A. Nürenberg:

säurezusatz fiel im Filtrate positiv aus. Eine genauere Unter- suchung erschien wegen Mangels an Material und Verunreinigung mit anorganischen Jodverbindungen unerfüllbar.

Das Filtrat des Gemisches der tryptischen Verdauung, das eine schwach positive Biureteaktion gab, wurde neutralisiert, mit Schwefelsäure bis zum 5°/,igen Gehalt derselben angesäuert und mit Phosphorwolframsäure ausgefëllt, Der erhaltene Niederschlag wurde von Schwefelsäure und Phosphorwolfram- säure üblicherweise durch Barytwasser befreit. Er enthielt organisches Jod. Die wässerige Lösung des Ausgefällten wurde nach Drechsel-Henzeschen Verfahren zur Darstellung des Dijodthyrosins bearbeitet. Bei Ausfällen mit Silbernitrat ent- stand ein ganz spärlioher Niederschlag, der nach einer Be- arbeitung mit Schwefelwasserstoff und nachheriger Einengung auf dem Wasserbade anorganisches Jod enthielt. Eine organische Jodverbindung krystallinisch zu isolieren gelang nicht.

Das Filtrat vom Phosphorwolframatniederschlage enthielt viel anorganisches Jod. (Die Probe auf Jod mit Chloroform nach Nitrit- und Schwefelsäurezusatz fiel stark positiv aus.)

Auch hier erschienen die Bemühungen, dem Henzeschen Verfahren folgend das Dijodthyrosin zu isolieren, erfolglos.

3. Verteilung des Stickstofls unter den Spaltungsprodukten des Thyreoglobulins.

Die quantitative Untersuchung der hydrolytischen Spaltungs- produkte des Thyreoglobulins wurde genau nach den Vorschriften von Kossel und Kutscher ausgeführt.

Dazu wurden 16,1502 g des lufttrockenen Thyreoglobulins verwendet.

1,4660 g desselben Präparats verloren beim Austrocknen im Wärmekasten bei 110° 0,1638 g Wasser.

Dementsprechend wurde 16,1502 nn = 14,3457 g

trockenen Thyreoglobulins, das 15,6°/, Stickstoff enthielt, mit Schwefelsäure unter obenerwähnten Bedingungen gespalten. Die Ergebnisse sind aus folgender Tabelle ersichtlich:

Zur Kenntnis des Jodthyreoglobulins. 109

Tabelle I. Verteilung des Stiokstofis unter den Spaltungsprodukten d. Thyreoglobulins.

m Gesamt- stickstoffs Gesamtmenge . | 2,233| 110,0| A; Basenstiokstofl . . ... » 2 2 2... 0,699) 3,23) Devon in a) Ammoniak . ..... /018]| 6,27 b) Histidin ....... 01101 4,92 0) Arginin. ....... ]|0,195]| 8,71 d) Lysin. .... 2.2... 10276] 12,33 B. Stickstoff in unbekannter Form . . . 1 1,539) 6877| Davon a) im ersten schwarzen Nieder- r ee e | 0,073 b) im Baryt-Magnesianieder | 0,438

schlage c) in den Niederschlägen bei der Trennung der Arginin- Histidinfraktion . .... | 0,052 |} 31,77 d) in den Niederschlägen bei der Trennung des Histidins vom Arginin ....... | 0,081 e) in den Niederschlägen bei der Trennuug des Lysins von der „Aminosäurenfraktion.| |! 0,067 f) im Filtrat nach der Ent- fernung des Lysins („Amino- i 37,00

100,00

Zusammenfassung,

1. Die 5 von mir aus den Schilddrüsen von Ochsen auf verschiedene Weise den Oswaldschen Angaben folgend dar- gestellten Präparate von Jodthyreoglobulin zeigen große Ahn- lichkeit untereinander in ihrer elementaren Zusammensetzung

110 A. Nürenberg: Zur Kenntnis des Jodthyreoglobulins.

und stehen in dieser Beziehung dem Oswaldschen Thyreo- globulin aus demselben Materiale sehr nahe.

2. Unter den hydrolytischen Spaltungsprodukten des Jod- thyreoglobulins konnte ich Arginin, Histidin (?), Lysin, Tyrosin, Glutaminsäure, Glykokoll, Alanin, Leucin, Phenylalanin, As- paraginsäure und a-Pyrrolidincarbonsäure nachweisen.

3. Was die jodbindende Gruppe der natürlich vorkommen- den Eiweißkörper anbelangt, liefern meine Untersuchungen an 2 Präparaten des Jodothyrins (bei einer Spaltung mit ver- dünnter Schwefelsäure, bei der andern durch Pepsinverdauung dargestellt) weitere Beweise für die Vermutung, daß die Amino- säuren der aromatischen Reihe,!) hauptsächlich Tyrosin und Tryptophan im Jodthyreoglobulin (eventuell ein Teil der ge- nannten Körper) jodhaltig sind.

4. Zwischen den Spaltungsprodukten des Thyreoglobulins bei Barytspaltung konnte ich das Dijodtyrosin nicht isolieren; es liegt aber die Vermutung nahe, daß derselbe Körper vor- handen und unter den Bearbeitungsbedingungen unter Abspal- tung des Jods zerstört war.

5. Da die Versuche, aus den bei der Spaltung des Jod- thyreoglobulins durch Verdauungsfermente erhaltenen Produkten jodierte Aminosäuren zu isolieren wegen der Abspaltung des Jods bei der Reinigung derselben mißlangen, beabsichtige ich, das Jodthyreoglobulin nach den neueren Angaben über jodhaltige Polypeptide von E. Abderhalden?) zu untersuchen. Dazu sollte auf Grund der bekannten Tatsachen (L. Scott) die Spaltung durch Trypsin?) am besten geeignet sein und der bei diesem Spaltungsversuche abgeschiedene Niederschlag die meiste Auf- merksamkeit verdienen.

6. Was die Spaltung der Pepsina- Albumosen durch Erepsin anbelangt, soll der Versuch mit größerem Materiale und mit besseren Präparaten der Fermentlösung wiederholt werden. | ` 1) Ausführliche Literaturangaben s. Nürenberg, Zur Kenntnis des Jodothyrins. Beiträge zur chem. Physiol. u. Pathol. 10, 125.

2) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 7, 1237, 41. Jahrg., 1908. Abder-

halden und Guggenheim Synthese von Polypeptiden, Derivate des 2,5-Dijod-l-tyrosins.

Untersuchungen über das diastatische Ferment der Leber.

Von Paul Zegla.

(Aus der experimentell-biologischen Abteilung des Pathologischen Instituts der Universität Berlin.)

(Eingegangen am 5. Januar 1809.)

Auch heute noch ist die Existenz einer spezifischen Leber- diastase keineswegs so allgemein anerkannt, daß es sich bei Untersuchungen auf diesem Gebiete erübrigt, auf diese prinzipielle Frage einzugehen. Noch immer stellen namhafte Forscher das Vorkommen eines der Leber selbst zugehörigen amylolytischen Fermentes in Abrede und halten die Diastase des Blutes und der Lymphe für das bei der Umwandlung des Leber-Glykogens in Zucker wirksame Ferment. Ja einige bestreiten überhaupt die enzymatische Natur des Glykogenabbaues und erklären diesen für einen rein vitalen, an die Tätigkeit der Leberzelle geknüpften Prozeß.

Claude Bernard!) selbst, der Entdecker des Glykogens, stellte sich entschieden auf den Standpunkt, daß die Zuoker- bildung in der Leber ein fermentativer Vorgang sei, nicht ein Resultat des Zellstoffwechsels. Er legte die Leber in Alkohol, wusch aus und trocknete und erhielt, wenn er die Leberpulpa auskochte, keinen Zucker, wohl aber beim Befeuchten mit Wasser und schwachem Erwärmen.

v. Wittich?) gelang es dann 1873 aus der blutleeren, in Alkohol gehärteten und dann zerriebenen Leber das Enzym

1) Claude Bernard, Compt. rend. de l’acadömie des sciences, Sitzung vom 24. September 1855. De, Wittich, Über das Leberferment. Pflügers Archiv 7, 28, 1873.

112 P. Zegle:

mit Glycerin zu extrahieren und die diastatische Wirksamkeit dieses Leberglycerinauszuges nachzuweisen.

Paton?!), der anfangs Daer gegenüber die Beweiskraft dieser Methode bestritt, weil durch die Alkoholbehandlung nicht jede Protoplasmatätigkeit ausgeschaltet sei, mußte später seinen Irrtum eingestehen, nachdem Tebb°) gezeigt hatte, daß selbst ein halbes Jahr unter Alkohol gelegenes Leberpulver noch im- stande ist, Stärke und Maltose in Dextrose zu verwandeln.

Nun wurde von Dastre’) ein andrer Einwand gegen alle bisherigen Versuche geltend gemacht, daß nämlich die Zucker- bildung in obigen Fällen auf Bakterienwirkung zurückzuführen sei; er begründete dies damit, daß eigene, unter antiseptischen Kautelen (Erwärmen auf 55°, Abkühlen auf 0°, Zusatz von 10°/, Natriumborat) ausgeführte Untersuchungen keine Sacchari- fikation in den Leberextrakten gezeigt hätten. Aber die für die Beweiskraft der Dastreschen Versuchsanordnung erforder- liche Voraussetzung, daß durch jene Einwirkungen das Ferment nicht geschädigt wird, ist durch nichts bewiesen.

Erst E. Salkowski*) (1891) wandte eine Methode an, welche die Antisepeis wahrte, dabei aber die Wirksamkeit dee Ferments fast unbeeinträchtigt ließ und es dennoch ermöglichte, die Lebenstätigkeit der Leberzellen selbst auszuschalten. Sie bestand in der Anwendung des Chloroforms. Salkowski zeigte, daß mit Chloroformwasser digerierter, filtrierter und aus- gewasehener Leberbrei das Glykogen sowohl wie zugesetzte Stärke völlig verzuckerte; im Kontrollversuch, bei dem das Enzym durch Siedehitze zerstört war, fand sich reichlich Gly- kogen und nur spurenweis Zucker.

Eine ganz ähnliche Methodik, nämlich Zusatz einer 1°/,igen Fluornatriumlösung zum Leberbrei, wodurch nachgewiesenermaßen jede Protoplasmawirkung aufgehoben, das Ferment jedoch intakt

nn =

1) N. Paton, A further study of hepatio glyoogenesis, Journ. of physiol 22, 121.

2) Tebb, Hydrolysis of glycogen. Ibid. 22, 423.

3) Dastre, Recherches sur les ferments hépatiques. Arch. de physiol. norm. et pathol. 21, 69, 1888.

4) Salkowski, Über die Autodigestion der Organe. Festschrift für v. Leyden 1891, 90.

Über das diastatische Ferment der Leber. 113

gelassen wird, lieferte Arthus und Huber’) sowie Lussana?) und Pick°) ganz analoge Resultate.

Gegenüber diesen übereinstimmenden Ergebnissen können die negativen Resultate, die Cavazzani*) bei der Injektion von Methylviolett und Chinin erhielt, nicht ins Gewicht fallen. Cavazzani, der Hauptvertreter der Lehre vom rein vitalen, durch die Leberzelle selbst, ohne ein Ferment, bewirkten Gly- kogenabbau, nahm an, daß Methylviolett und Chinin in gleicher Weise wirken wie Chloroform und Fluornatrium, also nur die Lebensphänomene der Zellen, nicht aber enzymatische Vorgänge beeinflussen. Da er nun nach intravenöser Injektion jener beiden Stoffe geringere Werte für die Verzuckerung fand als in der Leber von Kontrolltieren, glaubte er die Lehre vom Leber- ferment ablehnen zu müssen.

Die Versuche Cavazzanis haben aber von Bial’) und Pick eine eingehende Kritik erfahren. Beide weisen mit Recht darauf hin, daß (ganz abgesehen von Einwänden technischer Art) der Nachweis, daß jene chemischen Agenzien die diaste- tischen Prozesse nicht hemmen, von dem italienischen Autor nur für den Einfluß der Blut- und Speicheldiastase auf Stärke geführt sei, nicht aber für Leberdiastase und Glykogen. Pick (l. c. 175) hat denn auch in der Tat gefunden, daß Methyl- violett eine leichte, Chinin eine deutlich hemmende Wirkung bei der Glykogenhydrolyse durch Leberdiastase ausübt.

In neuester Zeit hat dann Wohlgemuth®) noch einen weiteren, wohl unanfechtbaren Beweis dafür erbracht, daß die Glykogenumwandlung in der Leber ein fermentativer Vorgang ist, der nicht an den Stoffwechsel der lebenden Zelle gebunden

1) Arthus und Huber, Ferments solubles et ferments figures. Arch; de Physiol. 1892, 651.

2) F. Lussana, Sugli soambi respiratori del fegato e sul valore in rapporto all’ amilolisi epatica. Arch. di fisiol. 2, 4, 445, 1905.

3) F. Pick, Über das glykogenspaltende Ferment der Leber. Bei- träge z. chem. Physiol. u. Pathol. 3, 163, 1903.

4) Cavazzani, Uber die Veränderungen der Leberzellen usw. Pflügers Archiv 57, 81, 1894.

$) Bial, Ist die Zuckerbildung in der Leber Funktion diastatischer Enzyme oder vitaler Tätigkeit der Leberzellen? Du Bois’ Archiv 1901, 247.

D Wohlgemuth, J., Untersuchungen über die Diastasen. Diese Zeitschr. 9, 29, 1908,

114 P. Zegla:

ist, sondern von dieser losgelöst werden kann. Nach dem Vor- gehen von E. Buchner bei der Darstellung der zellfreien Zymase zerrieb Wohlgemuth die entblutete und zerkleinerte Leber eines Hundes gründlich mit Quarzsand und setzte sie in der Buchnerschen Presse einem Druck von 200 Atmosphären aus; nur der Preßsaft, welcher bei einem Druck von 100 bis 200 Atmosphären abfloß, wurde untersucht, und alle diese Fraktionen zeigten eine hohe diastatische Kraft. Da bei diesem energischen Verfahren die lebende Zelle absolut sicher vernichtet wird, also eine vitale Funktion ausgeschlossen ist, muß hiernach die rein enzymatische Natur der Zuckerbildung in der Leber als bewiesen gelten.

Auch ein anderes Bedenken bezüglich der Art der Diastase hat sich als hinfällig erwiesen. Seegen?) sowie Musculus und v. Mering?) fanden, daß Glykogen bei der Einwirkung von Speichel- und Pankreasdiastase nur bis zur Maltose, durch das Leberferment aber bis zur Glucose abgebaut wird. Darin sahen einige Forscher (Seegen, Kratschmer) ein Hindernis für die Annahme einer Diastasewirkung bei der Entstehung des Leber- zuckers aus Glykogen. Aber Bial?) wies nach, daß auch im Blutserum eine Diastase vorkommt, die Glykogen in Trauben- zucker verwandelt, so daß also die Dextrosebildung keine spezifische Eigentümlichkeit des Leberferments darstellt, und jener prinzipielle Unterschied fortfällt.

Derselbe Autor jedoch, der diese Schwierigkeit behob, brachte selbst ein neues retardierendes Moment in die jetzt scheinbar gesicherte Lehre von der Existenz einer spezifischen Leberdiastase.

Aus eben jenem Grunde, aus dem Bial die Berechtigung ableitete, das glykogenspaltende Agens als eine echte Diastase aufzufassen, nämlich aus ihrer Übereinstimmung mit dem dia- statischen Ferment des Blutes, aus demselben Grunde schloß er nun, daß die Leberdiastase nichts andres sei als in die Leber gelangendes Blutferment. Er leugnet also das Vorkommen einer

1) Seegen, Centralbl. f£. med. Wiss. 14, 850, 1876.

2) Musculus und v. Mering, Zeitschr. f. physiol. Chem. 2, 403, 1878/79.

3) Bial, Über das diastatische Ferment des Blut- und Lymph- serums. Pflügers Archiv 52, 149, 1892.

Über das diastatische Ferment der Leber. 115

von der Leber selbst erzeugten Diastase und sieht in der An- nahme einer Umwandlung des Glykogens durch das diastatische Blut- und Lymphferment „die einfachste und ungezwungenste Erklärung, auch für die Mechanik der Zuckerbildung in der Leber des lebenden Tieres‘; für die überlebende Leber gilt ihm diese Auffassung sogar „als nach allen Richtungen bewiesen‘“ (l. c. 255). |

In der Tat spricht vieles für die Bialsche Anschauung, zu der sich auch Rahmann"), Neumeister?) und Schlesinger?) bekennen, eine Anschauung, die übrigens bereite 1872 von Tiegel*) und 1889 von Dubourg?) vertreten worden war.

In dem Verhalten der Leber- und Blutdiastase besteht wirklich eine weitgehende Übereinstimmung, wie erst in neuerer Zeit wieder von Borchardt‘) gezeigt wurde. Beide wirken auf Stärke, Glykogen und Maltose; die Abbauprodukte, welche- dabei entstehen, sind bei beiden die gleichen: Dextrine und Traubenzucker; Erwärmung und Alkoholeinwirkung beeinflussen sie in nahezu gleicher Weise. Ferner besteht zumeist bei ver- schiedenen Tieren ein Parallelismus in der Stärke der diasta- tischen Wirkung von Leber und Blut (Pugliese und Dome- nichini’).

Weiterhin ließ sich gegen viele Versuche, die die Wirksam- keit einer der Leber spezifischen Diastase beweisen sollten, mit Recht einwenden, daß das Organ nicht völlig blutfrei war. Das gilt auch für diejenigen Fälle, in denen die Drüse ent- bluteter Tiere verwandt wurde, denn diese enthält (wie zahl- reiche eigene Versuche lehrten) stets noch Reste von Blut, die- nicht vernachlässigt werden dürfen.

1) Röhmann und Bial, Über den Einfluß der Lymphagoga auf die diastatische Wirkung der Lymphe. Pflügers Archiv 55, 419, 1893.

3) Neumeister, Lehrbuch d. physiol. Chem. 2. Aufl., 1897, S. 132.

3) Sohlesinger, Über den Ursprung des diastatischen Fermentes. im Blute. Deutsche med. Wochenschr. 34, 593, 1908.

4) Tiegel, Über eine Fermentwirkung des Blutes. Pflügers Archiv 6, 391, 1872.

5) Dubourg, Recherches sur l’amylase de l’urine. Thèse de Paris 1889.

6) Borchardt, Über das zuckerbildende Ferment der Leber. Pflügers- Archiv 100, 259, 1903.

7) Pugliese und Domenichini, Contributo allo studio dell’ enzima. saccharificante del fegato. Archivio Farmacol. 12, Heft 4, 1907.

116 P. Zegla:

Dieses Bedenken fällt aber fort bei den Untersuchungen von v.Wittich, Arthusund Huber, Tebb, Pick, Borchardt, Bang und Wohlgemuth, bei denen ausdrücklich hervorgehoben wird, daß die Lebern so lange von der Pfortader aus durch- spült wurden, bis das Spülwasser aus den Lebervenen farblos abfloß. Die diastatische Wirkung ist hier unzweifelhaft am blutfreien Organ nachgewiesen. Daß auch die Lymphe, deren Diastase nach Biel Rohmann hier in Betracht kommt, völlig entfernt ist, läßt sich freilich nicht sinnfällig beweisen. Aber gerade die Hypothese von der Beteiligung der Lymphdiastase am Glykogenabbau der Leber steht auf sehr schwachen Füßen.

Röhmann und Bial leiten sie aus der Beobachtung ab, daß unter Einwirkung der Heidenhainschen Lymphagoga 1. Ordnung (Stauung der V. cava, Injektionen von Pepton und anderen Stoffen) die Intensität der Lymphdiastase erhöht und gleichzeitig die Saocharifikation in der Leber (bei unveränderter Blutdiastase) gesteigert wird.

Aber selbst einer ihrer Mitarbeiter, Borchardt, wendet hiergegen ein, daß diese Wirkung der Lymphagoga sich auch so erklären läßt, daß sie nicht als Reiz auf die Capillaren der Gefäße, sondern als Reiz auf die Leberzellen wirken, so daß diese mehr Ferment absondern, das dann naturgemäß in die Lymphe gelangt (l. c. 262).

Daß es sich in der Tat so verhält, ist 2 Jahre später von Kusmine') experimentell erwiesen werden. Diese zeigte, daß die Lymphagoga typische morphologische Veränderungen an den Leberzellen hervorrufen (Verdichtung des Protoplasmas, Un- deutlichwerden der Zellgrenzen) und speziell auch das Glykogen ganz oder doch in erheblichem Maße zum Schwinden bringen.

Ferner ist die diastatische Kraft der Lymphe, wie Röh- mann und Bial?) selbst gefunden haben, noch geringer als die des Blutserums, das bereits in seiner Wirksamkeit hinter der Leberdiastase zurücksteht (Borchardt, 1. c. 296, Pick, 1. 0.174). Man müßte also, wenn man sich auf den Standpunkt von Bial

1) K. Kusmine, Untersuchungen über die Eigenschaften und die Entstehung der Lymphe. 6. Mitteilung: Über den Einfluß der Lympha- goga (Lebergifte) auf die Leber. Zeitschr. f. Biol. 46, 554, 1905.

2) Bial, Über das diastatische Ferment des Blut- und Lymph- serums. Pflügers Archiv 52.

Über das diastatische Ferment der Leber. 117

und Röhmann stellt, annehmen, daß die Diastase dort, wo sie entsteht, spärlicher ist als an den Orten, zu denen sie erst sekundär hingelangt. Das ist doch sehr unwahrscheinlich.

Auch Pflüger!) hat sich gegen die Ableitung der Leber- diastase von der der Gewebssäfte gewandt und mit Recht be- tont, daß man ebensogut das Blutferment als ausgewandertes Leberferment hinstellen könnte (l. c. 380).

Nach alledem scheint uns die Bial-Röhmannsche Auf- fassung nicht mehr haltbar. Es liegt unseres Erachtens kein Grund vor, die Entstehung des in der Leber nachgewiesenen Ferments anderswohin zu verlegen als in die Leberzelle selbst. „Der Ort, wo die Enzyme entstehen, sind die lebendigen Zellen, besonders die der Drüsen. Wie wir uns die Diastase der Speichel- drüsen und des Pankreas in den Zellen der letzteren gebildet denken, so werden wir die Leberdiastase als Produkt der Leber- zelle betrachten‘ (Pflüger, Le 380).

Daß diese Auffassung von einer spezifischen Leberdiastase nicht identisch ist mit der rein vitalen Auffassung der Glykogen- umwandlung, wie sie Cavazzani vertritt, bedarf wohl nach dem oben Gesagten keiner näheren Ausführung.

Methodik.

Zum Studium des saccharifizierenden Leberferments haben sich alle früheren Forscher vor Wohlgemuth, also noch bis in die jüngste Zeit, einer nicht nur sehr komplizierten, sondern auch ihr Ziel nur auf Umwegen erreichenden Methodik bedient.

Da es an einem zuverlässigen Verfahren zur quantitativen Bestimmung diastatischer Organfermente fehlte, mußten sie darauf verzichten, die Fermentwirkung selbst zu ermitteln, was sie eigentlich erstrebten. Statt dessen bestimmten sie an dem die Leberdiastase enthaltenden Extrakte die Menge der produ- zierten Dextrose oder des abgebauten Glykogens. Natürlich mußte diese Bestimmung auch an einer Kontrollprobe, in der das Ferment zerstört war, durchgeführt werden. _

Das war eine langwierige Methode, die zudem große Übung im quantitativen Arbeiten erforderte. Was aber noch weit wichtiger

A Pflüger, Das Glykogen, 2. Aufi., 1905.

118 P. Zegla:

ist: der ermittelte prozentische Glykogenumsatz war wegen des wechselnden Glykogengehalts der Leber kein direkter Maßstab für die Fermentmenge, die dabei wirksam gewesen war. Denn die gleiche Quantität Diastase muß bei geringem Glykogen- vorrat prozentualiter mehr Zucker bilden als bei hohem. Bang!) ist der Ansicht, daß diese Frage, ob man ein Recht habe, aus dem beobachteten Glykogenumsatz auf eine be- stimmte Fermentquantität zu schließen, wohl alle früheren Forscher von dem Studium des Leberenzyms abgehalten hat (l. c. S. 415). Der genannte Autor hat bezüglich dieser wich- tigen Fehlerquelle besondere Versuche angestellt und muß immerhin zugeben, daß man aus dem prozentualen Umsatz des Glykogens nur annähernd auf die Fermentmenge schließen kann, und auch dies nur dann, wenn nicht allzu kleine Gly- kogenquantitäten vorliegen. So weit ich sehe, hat nur Bang selbst diesen Fehler durch Zusatz von Glykogen zu Lebern, die daran sehr arm waren, zu eliminieren gesucht.

Sodann ist noch auf ein anderes prinzipielles Bedenken aufmerksam zu machen, welches der alten Methode, das diastatische Vermögen nach der Menge der entstandenen Endprodukte zu beurteilen, anhaftet. Es ist das die durch Bial erwiesene Tatsache, daß die Diastase durch eben jene Endprodukte in ihrer Kraft gehemmt wird, so daß Ferment- quantität und Menge der gebildeten Abbauprodukte in keinem einfachen Verhältnis stehen.

Als letzter und schwerwiegendster Einwand gegen eine Methodik, die sich auf die Bestimmung der Dextrose stützt, kommt in Betracht, daß neben dem Abbau des Glykogens zu Traubenzucker eine Zerstörung der Glucose durch Gilykolyse stattfindet. Das ist ein Faktor, dessen Größe man gar nicht kennt, da quantitative Untersuchungen über Glykolyse nicht vorliegen, und den man auch nicht schätzungsweise in Rech- nung ziehen kann, da man nicht weiß, ob Diastasewirkung und Glykolyse parallel laufen.

Alle diese Schwierigkeiten und Fehlerquellen vermeidet die

1) Bang, Ljungdahl und Bohm, Untersuchungen über den Giykogenumsatz in der Kaninchenleber. 1. Mittel Beiträge z. ohem. Physiol. u. Pathol. 9, 408, 1907.

Über das diastatische Ferment der Leber. 119

Methode Wohlgemuths'!), welche die diastatische Leistung als solche zu ermitteln erlaubt, also im Gegensatz zu den früher angewandten eine direkte Untersuchungsmethode der Fermentwirkung ist. Dazu hat sie vor jener Methode der quantitativen Glykogenbestimmung den Vorzug großer Ein- fachheit.

Das Verfahren besteht darin, daß man in Reagensgläsern absteigende Mengen von Leberpreßsaft mit der gleichen Menge (5com) einer 1°/ igen Stärkelösung versetzt, etwas Toluol auf jedes Röhrchen tut, verkorkt und alle Gläschen 24 Stunden lang im Thermostaten einer Temperatur von 38°C aussetzt. Nach Beendigung der Digestion wird zu jedem der Röhrchen, nachdem sie mit Wasser aufgefüllt sind, ein Tropfen al, „-Jod- lösung gegeben und umgeschüttelt. Wo noch unverdaute Stärke ist, zeigen die Gläschen eine blaue und blauviolette Farbe, während in allen Röhrchen, die einen gelben bis roten Farbenton aufweisen, die Stärke völlig bis mindestens zum Erythrodextrin abgebaut ist. Dasjenige Reagensglas, das gerade noch positive Jodreaktion am Blauviolett erkennen läßt, bezeichnet die Grenze (limes) der Fermentwirksamkeit, denn in ihm ist noch eine Spur unabgebauter Stärke. Das vorher- gehende Röhrchen, welches durch das Ausbleiben der Blau- färbung beweist, daß sämtliche Stärke in ihm völlig umgewan- delt ist, dient zur Berechnung der diastatischen Kraft (D), die auf 1 com der Fermentlösung bezogen wird.

Enthielt dieses Röhrchen z. B. 0,2 ccm der Fermentlösung,

so waren 0,2 com Leberpreßsaft gerade imstande, in 24 Stunden bei 38°C 5 com der 1°/,igen Stärkelösung vollkommen ab- zubauen, also 1 ccm fünfmal so viel = 25 com Stärkelösung. Folglich ergibt sich als diastatische Kraft von 1 ccm in 24 Stunden bei 38° C:

380 Dsn = 25.

Diese Wohlgemuthsche Methode wurde bei den im fol- genden mitgeteilten Untersuchungen angewandt. Indem ich bezüglich aller Einzelheiten auf die Originalarbeit verweise, will ich nur diejenigen Besonderheiten hervorheben, die sich speziell

1) J. Wohlgemuth, Über eine neue Methode zur quantitativen Bestimmung des diastatischen Ferments. Diese Zeitschr. 9, 1, 1908, Biochemische Zeitschrift Band 16. 9

120 P. Zegla:

bei der Anwendung der Methode auf das Leberferment er- gaben. |

Der Leberpreßsaft, aus der durch Ausspülen und nach dem Zerschneiden durch nochmaliges Auswaschen sorgfältig entbluteten Leber unter der Handpresse gewonnen, wurde ohne jede Verdünng?) mittels einer in ?/,,, com geteilten Pipette auf eine Reihe von Reagensgläsern verteilt. Das Pipettieren geht ohne jede Schwierigkeit, wenn man nur beim Pressen durch Verwendung starker Tücher dafür gesorgt hat, daß nicht Leber- brei in Substanz sich dem Saft beimischen kann; am besten eignet sich das für die Buchnersche Presse gearbeitete Preßtuch.

Der Toluolzusatz ist wegen der langen Digestionsdauer von 24 Stunden nötig, um bakterielle Zersetzungen auszuschließen. Der lange Aufenthalt der Fermentlösung im Brutschrank ist seinerseits bedingt durch die relativ geringe diastatische Kraft der Leber.

= Nach dem Herausnehmen der Gläser aus dem Thermo-

staten zeigen diese einen trüben Bodensatz, der von ausgefallenen Eiweißstoffen der Leber herrührt; man darf daher nicht, wenn man für die Endreaktion klare Lösungen erhalten will, direkt mit Wasser auffüllen und mit Jodlösung versetzen (wie bei Speichel- oder Pankreasdiastase), sondern man muß, was Wohl- gemuth auch besonders betont, die über dem trüben Satz stehende Flüssigkeit abgießen und sie mit Wasser verdünnen. Wenn man dies beachtet, bekommt man nach Jodzusatz stets scharfe Farbunterschiede. Dabei ist es für den Ausfall der Jod- reaktion gleichgültig, ob man die Trennung der klaren Flüssig- keit von dem trüben Satz quantitativ vornimmt oder bis l ccm von ihr im Reagensglas zurückläßt.

Die Mengenverhältnisse der Leberdiastase in der Zeit nach dem Tode.

Mit dieser Methode wurden von mir auf Veranlassung von Herrn Dr. Wohlgemuth einzelne gerade jetzt zur Diskussion

1) Nur bei den ersten Versuchen und später dann, wenn Röhrchen mit Bruchteilen eines Decigramms beschickt werden mußten, wurde der Preßsaft mit physiologischer Kochsalzlösung verdünnt.

Über das diastatische Ferment der Leber. 121

stehende Fragen über das Verhalten der Leberdiastase in An- griff genommen und außerdem ein Punkt, welcher bisher noch gar nicht untersucht worden war. Es ist das die Frage nach der Fermentquantität unmittelbar nach dem Tode und in den darauffolgenden Stunden. Gerade diese Frage aber ist für alle auf den Menschen selbst bezügliche Fermentstudien von großer Wichtigkeit, da die Organe der Leiche gewöhnlich erst viele Stunden nach dem Tode zur Untersuchung kommen. Darf man nun die Befunde, die an einer Leber einen Tag nach dem Tode erhoben wurden, als normale ansehen, und wenn nicht, kann man wenigstens annähernd auf die Verhältnisse zur Zeit des Todes rückschließen und so Vergleichswerte für die am Tiere ermittelten Daten gewinnen ?

Die nachfolgende Untersuchungsreihe gibt darüber Aus- kunft. Es kamen 15 Lebern zur Untersuchung, 5 von Ka- ninchen, 5vonHunden, 1 Rinderleber und 4Lebern vom Menschen. Bei den Kaninchen und Hunden wurde die Drüse unmittelbar nach dem Tode entnommen und sofort verarbeitet; die Rinder- leber (direkt vom Schlachthof bezogen) kam 2 Stunden nach der Schlachtung zur Untersuchung. Die Sektion der mensch- lichen Leichen wurden 12, 19, 21 Stunden post mortem aus- geführt ; in einem Falle lag der Eintritt des Todes sogar 4 Tage zurück.

In allen Fällen wurden die Lebern durch Ausspülen und Auswaschen aufs gründlichste von Blut befreit, bindegewebige Anteile entfernt und der Preßsaft in der oben beschriebenen Weise mittels Handpresse gewonnen. Von dem Preßsaft wurde eine Portion sofort angesetzt und 24 Stunden unter Toluol im Brutschrank gehalten, der Rest des Saftes, gleichfalls mit Toluol versetzt, bei Zimmertemperatur aufbewahrt und 24 Stun- den später, eventuell auch noch nach 48 und mehr Stunden in derselben Weise untersucht.

Alles Nähere, insbesondere jede Abweichung von der Regel ist aus den Tabellen ersichtlich, die ich nunmehr folgen lasse.

9%

122 P. Zegla:

Versuch 1.

Kaninchenleber. Gesundes, nicht operiertes Tier, durch Entbluten getötet.

Nach 24stündiger Aufbewahrung bei 16° C

Sofort untersucht

Menge des Preßsaftes

RE 12,5

Versuch 2.

Kanincohenleber. Versuchstier, doppelseitige Vagusdurchscheidung, künstliche Atmung, Ouabaininjektion.

Nach 24stündiger Aufbewahrung bei 16° C

Menge des Sofort Preßsaftes untersucht

= 12,5

38° 38° Dye = 31,25 | DS

Versuch 3. Kaninohenleber. Gesundes Tier, entblutet.

Nach 24stündiger | Nach 48stündiger Aufbewahrung Aufbewahrung bei 16° C bei 16° C

Sofort untersucht

Menge des Preßsaftes

Hundeleber.

Über das diastatische Ferment der Leber.

| Versuch 4. Kaninchenleber. Tier durch Nackenschlag getötet.

Versuch 5. Kaninohenleber. Tier durch Naokenschlag getötet.

Nach 24stündiger Aufbewahrung bei 16° C

Sofort untersucht

Versuch 6.

salzlösung verdünnt,

Gesunder Hund, durch Entbluten getötet; Leber in der Fleischmaschine zerkleinert, Brei in 3 Portionen zu je 100 g geteilt, zu jeder 10 ocm 0,85°/, Kochsalzlösung zugesetzt. preßt, 2. Portion 24, 3. Portion 48 Stunden unter Toluol bei Zimmer- temperatur aufbewahrt und dann gepreßt. In allen 3 Reihen ist für die Mengen unter 0,1 com der Preßsaft 10fach mit physiologischer Koch-

l. Portion sofort ge-

124 Ä P. Zegla:

Sofort Nach 24stündiger | Nach 48stündiger Aufbewahrung Aufbewahrung

tersucht et bei 16° C bei 16° C

ee

Versuch 7. Hundeleber. 2 Portionen Leberbrei à 45 g, zu jeder 5 com 0,85°/, Kochsalzlösung. Im übrigen wie in Versuch 6.

Menge des Sofort Nach 24stündiger

Aufbewahrung Pr f eBsaftes untersucht

Über das diastatische Ferment der Leber. 125

Versuch 9. Hundeleber. Gesunder Hund, entblutet.

Nach 24stündiger

Menge des Sofort Preßsaftes untersucht Aufbewahrung bei 16°C

Versuch 10. Hundeleber. Nicht operierter Hund, Tod aus unbekannter Ursache. Menge d Sofort Nach 48- Preß- unter- ` saftes sucht

Versuch 11. Rinderleber. 2 Stunden nach der Schlachtung ausgepreßt.

Nach 24 stündiger Auf- Nach. Menge des ` bewahrung (bei 16°) 48 Proßsaftes des Brei des , reies | proßsaftes | bei 16°C

126 P. Zegla:

Versuch 12. Menschenleber, normal, 4 Tage nach dem Tode, hatte auf Eis gelegen.

Nach 48 stündiger Aufbewahrun

Versuch 13. Menschenleber. Frau, Tod an Nachblutung nach Exstirpation des oar- cinomatösen Uterus. Leber 19 Stunden post mortem herausgenommen.

Versuch 14. Menschenleber. Leber einer Frau, die an Extrauteringravidität und __Peritonitis gestorben war, 21 Stunden p. m. herausgenommen.

Nach 24 stündiger | Nach 48 stündiger Menge d f tersuch $i En SES Aufbew. bei 16° | Aufbew. bei 16°

em = 70h p. m.

Preßsaftes 22h p. m.

1,0

0,64 + 0,4 limes 0,25 0,16

0,1

Über das diastatische Ferment der Leber. 127

Versuch 15. Menschenleber. Leber eines Mannes, bei dem sich eine mit der linken Hirnhemisphäre kommunizierende Knochencyste des Hinterhauptsbeines fand. Sektion 22 Stunden post mortem.

In diesen 15 Fällen zeigt also 13 mal die diastatische Kraft der Leber eine Abnahme nach dem Tode, wenn der Preß- saft oder der Organbrei (Versuch 6, 7 und 11) unter Toluol bei Zimmertemperatur aufbewahrt wird.

Nur zweimal (Versuch 1 und 12) bleibt der Wert derselbe. Versuch 12 wird weiter unten zu besprechen sein; für Fall 1 ist zu bemerken, daß hier (wegen der geringen Menge an Preßsaft) die Quantität des Ferments nach 48 und mehr Stunden nicht bestimmt werden konnte. Daß aber die Abnahme auch erst nach dem zweiten Tage einsetzen kann, beweist Ver- such 8. Die Regel allerdings ist, daß bereits 24 Stunden nach dem Tode ein deutlicher Fermentschwund zu konstatieren ist. Er ist am bedeutendsten dort, wo der Ausgangswert für die Dia- stase hoch ist, daher besonders augenfällig in den Versuchen mit Hundeleher, wo ich die höchsten Diastasewerte (d = 125) fand. So sinkt die Fermentkonzentration in Versuch 6 und 9 von D 125 unmittelbar nach dem Tode auf D = 50 innerhalb 24 Stunden, also um 60°/,. Auch in Fall 2, wo mit 31,25 ein für die Kaninchenleber sehr hoher Wert vorliegt, beträgt die Abnahme auf 12,5 in 24 Stunden 60°/,. Ebenso bei der Rinderleber (12,5: 5), wo allerdings aus der einen Untersuchung nichts auf die normale Höhe der Leberdiastase beim Rind geschlossen werden kann. In allen andern Fällen sinkt die Enzymmenge nicht unter die Hälfte des Anfangswertes.

Ein mehr als einmaliges Absinken habe ich auch inner-

128 P. Zegla:

halb längerer Zeit nicht beobachtet; das Niveau, auf welches der Wert nach 1 oder 2 Tagen gesunken ist, scheint, wie aus den Versuchen 8 und besonders 10 hervorgeht, dasselbe zu bleiben noch bis zu 7 Tagen nach dem Tode.

Die untersuchten menschlichen Lebern (Versuch 13, 14, 15) lieferten analoge Resultate wie die Tierorgane. 14 bis 22 Stunden post mortem untersucht, zeigen sie um die 40. und 70. Stunde nach dem Tode einen Abfall der diastatischen Kraft von 5 auf 3,1, von 12,5 auf 7,8. Auch hier war bei einer bis auf 4 Tage ausgedehnten Uutersuchungsreihe (Nr. 13) nur ein einmaliges Absinken festzustellen.

Hieraus erklärt sich wohl auch ohne weiteres, daß in Fall 12 der diastatische Wert unverändert derselbe bleibt. Die Leber kam erst 4 Tage nach dem Tode zur Untersuchung; um diese Zeit pflegt, wie bereits ausgeführt, der Fermentschwund schon eingetreten zu sein, und da eine mehrmalige Verminderung nicht statthat, zeigt sich an allen drei Tagen der gleiche Wert von D 5, der in diesem Falle wohl als Minimalwert auf- zufassen ist. |

Es mag hier erwähnt werden, daß auch für die Muskel- diastase in 2 Fällen ein Absinken nach dem Tode unter den gleichen Bedingungen konstatiert werden konnte. Der in der Buchnerpresse gewonnene Muskelpreßsaft, von 2 gesunden, entbluteten Kaninchen stammend, zeigte nach derselben Methode untersucht die Werte:

m En mr

Nach 24 stündiger | Nach 48 stündiger Aufbewahrung Aufbewahrung bei 16°C bei 16°C

Sofort untersucht

Versuch 16: Dër _

3,1 24h

Versuch 17:

gg eo Don

Die oben aufgeworfene Frage muß also dahin beantwortet werden, daß die an mehr als 24 Stunden alten menschlichen Lebern ermittelten Diastasewerte nicht ohne weiteres in Parallele gesetzt werden dürfen mit den Ergebnissen des Tierversuchs,

6,25 5 5

Über das diastatische Ferment der Leber. 129

sondern daß der nachgewiesene Fermentschwund bei solchen Vergleichen in Rechnung gezogen werden muß. Dagegen scheint uns nichts im Wege zu stehen, Fermentwerte menschlicher Lebern, die innerhalb gleicher Zeiträume untersucht sind, unter- einander zu vergleichen.

Als mögliche Ursachen der Fermentabnahme kommen wie bei jeder Enzymhemmung viele Momente in Betracht. Es kann sich um die Wirkung eines Antiferments handeln, das in der Zeit nach dem Tode auftritt, es können Abbauprodukte der Diastase selbst hemmend wirken, es können schließlich Produkte der Autolyse das Ferment schädigen. Die erste An- nahme ist die unwahrscheinlichste, da das Vorkommen einer spezifischen, natürlichen (nicht künstlich erzeugten) Antidiastase nioht sicher steht. Die Hemmung der Diastase durch ihre eigenen Abbauprodukte (Lea!) ist wohl kaum so stark, daß man aus ihr allein jenen starken Fermentverlust erklären könnte.

Am wahrscheinlichsten ist wohl die Schädigung von Stoffen abzuleiten, die sich bei der Autolyse der Leber bilden, ins- besondere den sauren Eiweißspaltprodukten.”) Von den in

Versuch 8 (vergl. oben).

Hundeleber. 72 Stunden bei 16°C unter Toluol aufbewahrter Preßsaft.

Menge des + loom 1°] Zusa 00 Preßsaftes oane = Milchsäurelösung

4 4 + + + + mes

1) Lea, Journ. of Physiol. 11, 234, 1890. 23) J. Wohlgemuth, |. c.

130 P. Zegla:

Betracht kommenden organischen Säuren konnte ich von der Milchsäure nachweisen, daß sie die Leberdiastase in 1°/,, Lösung stark hemmt (Versuch 8).

Verhalten der Leberdiastase bei verschiedenen Glykosurien und beim Diabetes.

Eine zweite wichtige Frage, die in letzter Zeit besonders von Bang!)?) in Angriff genommen wurde, ist die, ob die Zuckerproduktion beim Diabetes und den verschiedenen Glyko- surien bedingt ist durch eine vermehrte Tätigkeit der Leber- diastase. Bang hat mit seinen Mitarbeitern Ljungdahl und Bohm zu diesem Zweck den Glykogengehalt und -umsatz der Kaninchenleber untersucht und ist dabei zu wertvollen Ergeb- nissen gekommen. Es lag nahe, diese Untersuchungen mit der Methode der quantitativen Fermentbestimmung von Wohl- gemuth aufzunehmen, um zu sehen, ob auf diesem direkteren Wege dieselben Resultate zu erhalten sind.

Ich wählte zum Studium der durch Gifte und nervöse Reize erzeugten Glykosurien die gleichen Versuchstiere wie Bang, Kaninchen, und prüfte an ihnen das Verhalten der Leberdiastase bei Phlorizin-, Phloretin- und Adrenalinglykosurie sowie bei Vagusdurchschneidung und Nackenschlag. Ferner kamen zur Untersuchung 2 Fälle von menschlichem Diabetes und 3 Fälle von Pankreasdiabetes beim Hunde.

a) Phlorizin- und Phloretinglykosurie.

Schon v. Mering?), der Entdecker der „Phlorizindiabetes“, zeigte, daß sowohl das Phlorizin als auch das Phloretin, welches bei der Hydrolyse des Glykosids neben Dextrose entsteht,

1) Bang, Ljungdahl und Bohm, Untersuchungen über den Glykogenumsatz in der Kaninchenleber. Beitr. z. chem. Physiol. u. Pathol. 9, 408 bis 430, 1907 (1. Mitteil.); 10, 1 bis 34 (2. MitteiL); 10, 312 bis 319 (3. Mitteil.).

2) Bang, Untersuchungen über das Verhalten der Leberdiastase bei Pankreasdiabetes. Ibid. 10, 320 bis 323, 1907.

3) v. Mering, Über experimentellen Diabetes. Arch, f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 23, 142, 1887.

Über das diastatische Ferment der Leber. 131

Zuckerausscheidung hervorruft. Bang hat nun in Gemein- schaft mit Ljungdahl und Bohm (op. oit. 3. Mittel S. 314£.) einen interessanten Unterschied zwischen der Wirkung des Glykosids und der seiner zuokerfreien Komponente gefunden. Während nämlich der Glykogenumsatz nach Phlorizinvergiftung nur in zweien seiner Versuche wesentlich erhöht war, zeigte sich, daß nach Injektionen von Phloretin die ‚„Fermentpro- duktion“ in der Leber in allen Fällen unzweifelhaft ge- stiegen war.

Nun bestimmt ja Bang nicht eigentlich die Ferment- produktion, sondern schließt nur auf sie aus dem ermittelten Glykogenumsatz. Die recht erhebliche Verstärkung desselben nach Phlorizininjektion in jenen 2 Versuchen (Nr. 142 und 143) sieht er wegen des geringen Glykogenvorrats dieser beiden Fälle als nicht beweisend an.

Als ich die Angaben Bangs über die differente Wirkung des Glykosids und seiner Komponente mit Wohlgemuths Methode nachprüfte, die ja unabhängig von der Menge des präformierten Leberglykogens ist, habe ich diesen bedeutenden Unterschied nicht konstatieren können; vielmehr zeigten sich beide Gifte fermentsteigernd. Ich gebe aber zu, daß die Zahl der Fälle, über die ich zurzeit verfüge, viel geringer ist als die stattliche Reihe von Versuchen, die Bang und seine Mit- arbeiter aufweisen können.

Von 3 Kaninchen, die etwa die gleichen Mengen Phlorizin (auf das Körpergewicht bezogen) wie bei Bang erhielten (siehe die folgenden Protokolle), zeigten 2 (Versuch 19 und 20) eine deutliche Vermehrung der Leberdiastase, nämlich den Wert Dies 20, während dieser für die normale Kaninchenleber nicht über 12,5 hinausgeht. Im 3. Falle (Nr. 21) war allerdings die Fermentvermehrung ausgeblieben.

Das Phlorizin war in allen Fällen nach Auflösung in wässe- riger Piperazinlösung körperwarm in die Bauchhöhle injiziert worden. In allen Fällen trat Glykosurie ein. Die Tiere wurden IL bis 1 Stunde nach dem Erscheinen des Zuckers im Harn, d.h. nicht ganz 2 Stunden nach der Einspritzung, getötet.

132 P. Zegla:

Versuch 19.

Kaninchen, 1700 g schwer, gesund. 11h 10:2g Phlorizin intraperitonal injiziert. 12h 0 : Glykosurie.

1h 0 : Tötung durch Entbluten.

Leberpreßsaft sofort untersucht.

Ei

Menge dee + Beem Preßsaftes 1°/, Stärkelösung `

Versuch 20.

Kaninchen, 1320 g schwer, gesund. 11h 45:1g Phlorizin intraperitoneal injiziert. 12h 30: Glykosurie.

1h 30: Tötung durch Entbluten.

Leberpreßsaft sofort untersucht.

Menge des + Beem Preßsaftes 1°/, Stärkelösung

Versuch 21.

Kaninchen, 1550 g schwer, gesund. ll h 30:1g Phlorizin intraperitoneal injiziert. 1h 30: Glykosurie. 2h 0 : Tötung durch Entbluten.

Über das diastatische Ferment der Leber. 133

Leberpreßsaft sofort untersucht.

Menge des + Boom Preoßsaftes 19/, Stärkelösung

In den beiden Fällen von Phloretinglykosurie wurde eine Erhöhung der Fermentmenge, und zwar nur auf denselben Wert wie bei den Phlorizinversuchen, nämlich DZ = 20, ge- funden. Die Kaninchen erhielten, wie bei Bang, 0,6g Phloretin (in Piperazinlösung) intraperitoneal injiziert. Bereits nach 1 Stunde war Zucker im Harn zu konstatieren.

Versuch 22. Kaninchen, 1200 g schwer, gesund; 10h 45:0,6g Phloretin intraperitoneal injiziert. 11 h 45: Glykosurie. 12h 45: Tötung durch Entbluten. Leberpreßeaft sofort untersucht.

Menge des + 5 com Preßeaftes 1°/, Stärkelösung

380 D on™ 0

Versuch 23. Kaninchen, 1070 g schwer, gesund. 10h 25: 0,6g Phloretin intraperitoneal injiziert. 11h 25: Glykosurie. 12h 0 : Tötung durch Entbluten.

134 P. Zegla: Leberpreßsaft sofort untersucht.

Menge des + Beem Preßsaftes 1°/, Stärkelösung

Die vermehrte Fermentproduktion der Leber bei der Phlo- rizin- und Phloretinglykosurie ist ein neuer Beweis dafür, daß es sich bei dieser Vergiftung nicht ausschließlich um eine größere Permeabilität der Niere für den in normaler Menge vorhandenen Blutzucker handelt. Der Befund steht in Übereinstimmung mit den Beobachtungen von Gläßner und E. P. Pick), die nachwiesen, daß beim Phlorizindiabetes auch die Leber das Gift gebunden enthält, und daß die Injektion des Extraktes einer solchen Leber bei gesunden Tieren Glykosurie erzeugt (l. o. S. 484). Der Angriffsort des Phlorizins scheint also nicht nur die Niere zu sein, sondern das Gift wirkt auch auf die Leber im Sinne einer vermehrten diastatischen Tätigkeit; ob direkt oder nur reflektorisch von der Niere aus, ist eine Frage, die auch Bang offen lassen muß.

b) Adrenalinglykosurie.

Übermäßige Zuckerbildung auf Kosten des Glykogens ist auch als Ursache der Adrenalinglykosurie nachgewiesen worden [Doyon?), Drummond und Paton’), Bierry und Gatin- Gruzewska*), Iwanoff°)]. Bei vergleichenden Untersuchungen

1) Gläßner u. E. P. Pick, Über Phlorizindiabetes. Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 10, 473, 1907.

2) Doyon, Compt. rend. de la Soc. de Biol. 4, 66, 1904.

3) Drummond und Paton, Journ. of Physiol. 31, 92, 1904.

4) Bierry und Gatin-Gruzewska, Compt. rend. de la Soc. de Biol. 58, 902, 1905.

H Iwanoff, Dissertat., Petersburg 1905, und Centralbl. f. Physiol. 19, 891, 1905.

Über das diastatische Ferment der Leber. 135

des Muskel- und Leberglykogens adrenalinvergifteter Tiere hat aber Agadschanianz!) im Laboratorium von E. Salkowski gezeigt, daß die Wirkung auf die Muskulatur viel eklatanter ist als auf die Leber. Das Muskelglykogen war in allen seinen 4 Versuchen völlig zum Schwund gebracht, dagegen das Leberglykogen nur in 2 Fällen, in den beiden anderen waren noch deutliche Mengen davon erhalten.

Dem letzten Befund entspricht die eine meiner Beobach- tungen, wo bei starker Adrenalinglykosurie sich ein etwa nor- maler Wert für die Leberdiastase fand:

Versuch 24.

Kaninchen, 1500 g schwer, gesund. 10h 25: 1 ccm Suprarenin. hydrochlor,; 1°/,, in physiol: Kochsalzlösung subcutan injiziert. 1h0 : Glykosurie. 2h 30: Tötung durch Entbluten;

Leberpreßsaft sofort untersucht.

Menge des + Beem PreBsaftes 1°/, Stärkelösung

38° D 7.81

Ein zweites Kaninchen wies dagegen nach Einspritzung der gleichen Adrenalindosis eine sehr große Diastasemenge in der Leber auf:

Versuch 25.

Kaninchen, 1500g schwer, gesund. lh 0:1ccm Suprarenin. hydrochlor: 1°/,, in physiol. Kochsalzlösung subcutan injiziert. 3h 30: Glykosurie. 4h 30: Tötung durch Halsschnitt:

1) Agadschanianz, diese Zeitschr. 2, 148, 1907. Biochemische Zeitschrift Band 16. 10

136 P. Zegla: Leberpreßsaft sofort untersucht.

Menge des —- Beem Preßsaftes 1°/, Stärkelösung

Es ist das der höchste Fermentwert, den ich bei der Kaninchen- leber beobachtet habe. Er fand sich nur noch einmal, nämlich bei einem Fall von Vagusdurchschneidung (siehe Versuch 2).

c) Glykosurie nach Vagusdurchschneidung.

Die bloße Durchschneidung des N. vagus, der die zentri- petale Bahn von der Leber zum Bernardschen Zuckerzentrum bildet, wirkt ganz wie eine Reizung des zentralen Vagusendes, nämlich erregend auf das Zuckerzentrum [Eckhard!)] und ruft kurzdauernde Glykosurie hervor. 1 Stunde nach der Vagus- durchschneidung zeigte die Leber in dem zitierten Versuch 2 jenen hohen Diastasewert von 31,25 für D

Leider ist der Fall noch durch eine (zu anderem Zweck ausgeführte) Injektion von dem Pfeilgift Ouabain kompliziert. Daß aber die Durchschneidung des N. vagus allein imstande ist, den Fermentgehalt der Leber zu erhöhen, ist bereits in der wiederholt zitierten Arbeit Bangs (2. Mitteil. S. 19) aus- geführt. Da mir nur dieser eine Versuch zur Verfügung stand, muß ich es mir versagen, auf die äußerst wichtigen Schluß- folgerungen einzugehen, die Bang aus seinen zahlreicheren Unter- suchungen bezüglich der Herkunft des Zuckers nach Vagus- reizung (Muskeldiabetes) zieht.

d) Fermentvermehrung nach dem Nackenschlag.

Den Untersuchungen Bangs verdanken wir noch die Kenntnis einer anderen bisher unbekannten Tatsache. Bang

1) Eckhard, Beiträge z. Anat. u; Physiol. 8, 77, 1879.

Über das diastatische Ferment der Leber. 137

fand, daß der Glykogenumsatz in der Leber derjenigen Kaninchen, die er, abweichend von seinem sonstigen Verfahren durch einen Schlag mit dem Hammer auf den Hinterkopf töten ließ, ein weit bedeutenderer war als in den übrigen Fällen. Eine eigens in dieser Richtung ausgeführte systematische Untersuchung lehrte ihn dann, daß in der Tat der Nackensehlag an sich (nicht der Tod des Tieres) den Glykogenumsatz der Leber steigert. Da der Schlag gerade die Gegend des Zuckerzentrums trifft, hält es Bang für wahrscheinlich, daß wir es hier, ganz wie bei der Pigüre, mit einer nervösen Erregung dieses Bernard schen Zentrums zu tun haben. Er erinnert daran, daß auch in der menschlichen Pathologie das Auftreten von Diabetes nach Er- schütterung des Kopfes beobachtet ist.

Ich konnte mich in 2 Fällen davon überzeugen, daß der Nackenschlag beim Kaninchen eine Hyperproduktion der Leber- diastase hervorruft. Die Versuche sind bereits oben angeführt (Nr. 4 und 5); sie zeigen beide den erhöhten Wert von D, =20. Auch die Angabe Bangs, daß die Ferment- produktion gleich nach Einwirkung des mechanischen Reizes einsetzt, findet in diesen Versuchen eine Bestätigung, denn die Enzymvermehrung wurde an der sofort nach dem Schlage herausgenommenen Leber festgestellt.

e) Verhalten der Leberdiastase beim Diabetes.

Im auffälligsten Gegensatz zu der Bedeutung, die man seit Claude Bernard der Leber für die Entstehung der Zuckerkrankheit und insbesondere für die Pathogenese des Pankreasdiabetes (Sauerbeck,!) Pflüger,°)) beimißt, stehen unsere geringen Kenntnisse von dem Verhalten des glykogen- spaltenden Leberferments bei dieser Krankheit. Zwar liegen eine ganze Anzahl von Beobachtungen über die Diastase bei Diabetes vor, sie beziehen sich aber vorwiegend auf die Diastase des Blutes (Lépine, Kaufmann, Barral, Bainbridge u. Beddard, Schlesinger, Müller), zum Teil auf die des Harns (Plösz u. Tiegel, Lépine, Loeper u. Ficai) und des Stuhls (Müller). Angaben über die Leberdiastase beim Dia-

1) Sauerbeck, Virchows Archiv 177. Supplem., 1—122, 1904. 2) Pflüger, Das Glykogen, 496, 2. Aufl., 1905: „Die Leber ist in erster Linie das funktionell kranke Organ des Diabetikers“. 10*

138 P. Zegla:

betes finde ich dagegen nur bei Bainbridge und Beddard?) sowie bei Bang’).

Die erstgenannten Autoren haben sowohl menschliche Fälle von Diabetes wie solche nach Pankreasexstirpation bei Katzen untersucht; sie können aber über das quantitative Verhalten des diastatischen Leberenzyms nichts aussagen, weil ihnen ent- sprechende Beobachtungen gesunder Fälle fehlen („No attempt was made to ascertain whether the amount of enzyme present was greater or less than that found in normal animals, 1.c.p. 95) Gerade die Mengenverhältnisse der Diastase aber interessieren hier ausschließlich, da man wegen der bekannten Glykogen- verarmung der diabetischen Leber versucht ist, eine gesteigerte Fermenttätigkeit anzunehmon.

Ebensowenig kann Bang seine an pankreasdiabetischen Hunden ermittelten Werte für die Leberdiastase mit denen ge- sunder Hunde vergleichen, da seine ausgedehnten Untersuchungen über das Leberferment normaler Tiere sich auf Kaninchen be- ziehen. (Beim Kaninchen ist eine Pankreasexstirpation aus anatomischen Gründen unmöglich, andererseits konnte Bang aus äußeren Gründen jene großen Versuchsreihen an Hunden nicht ausführen).

Was nun Bang in seinen 3 Fällen von Pankreasdiabetes findet, ist, daß der ermittelte Glykogenumsatz, im Durchschnitt 9,5°/,, „einer Fermentquantität entspricht, die nur unwesent- lich die bei normalen, wohlgenährten Kaninchen [!] gefundenen Werte übersteigt‘ (l. c. p. 322).

Nun geht aus meinen oben mitgeteilten Versuchen (1—10) an gesunden Hunden hervor, daß die diastatische Kraft der Hundeleber in der Regel viel größer ist als die der Kaninchen- leber. Hält man dies mit Bangs Befund zusammen, so er- gibt sich eine namhafte Verminderung der Leberdiastase beim pankreasdiabetischen Hunde. Denn Diastasewerte gleich denen der Kaninchenleber weist die normale Hundeleber gewöhnlich nicht auf.

Wenn also bereits Bang die Tatsache auffällt, daß die

1) Bainbridge u. Beddard, The diastatio ferment in the tissues in diabetes mellitus. Bio-Chemio. Journ. 2, 89. 1906.

®) Bang, Untersuchungen über das Verhalten der Leberdiastase bei Pankreasdiabetes. Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 10, 320, 1907.

Über das diastatische Ferment der Leber. 139

Fermentproduktion beim pankreasdiabetischen Hunde nicht vermehrt ist, trotzdem doch die Leber kein oder nur eine Spur Glykogen enthielt, so verstärkt sich das Befremden noch, wenn man, wie wir, in Wirklichkeit eine Fermentverminderung aus Bangs Versuchen entnimmt.

Die 3 Fälle von Pankreasdiabetes beim Hunde, über die ich verfüge, liefern eine Bestätigung jener Tatsache.

Versuch 26.

Schwarzer Spitz. Totalexstirpation des Pankreas. Danach durchschnitt- lich 4—5°/, Zucker im Harn. 10 Tage nach der Operation wird der Hund durch Entbluten getötet. Die Leber ist stark verfettet, sie wird mit physiologischer Kochsalzlösung von der Pfortader aus durchspült, bis das Wasser farblos abläuft, in der Fleischmaschine zerkleinert, mit Quarzsand verrieben und in der Buchnerpresse zerpreßt. Es werden 2 Fraktionen gewonnen, die erste bei einem Druck von 50—100 Atmo- sphären, die zweite bei 300 Atmosphären. Leberpreßsaft sofort untersucht.

Menge des ; : Proßsattes 1. Fraktion 2. Fraktion a limes

38° Don Di

Versuch 27.

Schwarzer, männlicher Hund; überlebt die Pankreasexstirpation 8 Tage, (bis 5°/, Zucker), wird am 9. Tag morgens tot aufgefunden. Leber wie in Versuch 26 behandelt, Preßsaft sofort untersucht.

Menge des + Beem Preßeaftes 1°/, Siärkelösung

140 P. Zegla:

Bei diesem Falle ist zu beachten, daß die Leber zirka 12 Stunden nach dem Tode zur Verarbeitung kam; daher wohl der etwas niedrige Wert.

Versuch 28.

Box, lebt 40 Tage nach der Exstirpation des Pankreas, wechselnde

Zuckermengen im Harn (3—6°/,) ; Tötung durch Entbluten. Leber in

der gleichen Weise wie in Versuch 26 verarbeitet, Preßsaft sofort untersucht.

Menge des + 5 ccm Preßsaftes 1°/ Stärkelösung

Wenn man die hier nach Pankreasexstirpation beim Hunde ermittelten Werte für die Leberdiastase: Diar 50 resp. 31,25 und 62,5 dem bei normalen Hunden (Versuch 6—10) auffällig konstant gefundenen Wert von D = 125 gegenüberstellt, ist

eine Verminderung unverkennbar. Wie ist aber eine solche Herabsetzung des diastatischen Vermögens mit dem gleich- zeitigen Glykogenschwund in der Leber zu vereinen? Unseres Erachtens trifft hier die Erklärung, die Bang selber gibt, völlig das Richtige: Beim Pankreasdiabetes ist wahrscheinlich die Glykogenbildung verändert und zwar entweder völlig auf- gehoben oder stark vermindert. Man kann sich wohl vorstellen, daß diese mangelhafte Fähigkeit der Leber, den ihr zugeführten Zucker in Glykogen umzuwandeln, zur Glykosurie führt, selbst wenn das diastatische Vermögen, d.h. die Zuckerbildung aus Glykogen, danieder liegt. Insbesondere hat diese Annahme keine Schwierigkeiten, wenn man die jetzt weit verbreitete An- schauung von der Zuckerbildung aus Eiweiß teilt.

Vielleicht darf man auch die verminderte Glykogenbildung

Über das diastatische Ferment der Leber. 141

beim Pankreasdiabetes direkt in Beziehung setzen zu der ver- minderten Diastase ; da man neuerdings annimmt, daß Ferment- wirkungen auch in umgekehrter Richtung verlaufen können (Reversion des enzymatischen Prozesses), wäre es möglich, daß der Leberdiastase neben ihrer abbauenden auch jene syn- thetische, glykogenbildende Funktion zukommt. (Bainbridge und Beddard, l. c. p. 89, Wohlgemuth!?)).

Die Leberdiastase beim Diabetes des Menschen ist bis- her nur von Bainbridge und Beddard untersucht worden; wie schon zu Beginn dieses Abschnittes bemerkt wurde, ent- halten sich diese Autoren, weil ihnen Beobachtungen an Nicht- diabetikern fehlen, eines Urteils über die gefundene Ferment- menge. Sie geben nur an (l. c. p. 95), daß sie das Enzym in 4 Fällen stets fanden (auch in jenen beiden Fällen, in denen sie die Blutdiastase vermißten).

2 Fälle von menschlichem Diabetes, die ich untersuchen

konnte, wiesen die Werte D —= 31 und 5 auf:

Versuch 29.

Zuckerkranker, 53jähr. Mann. Polyurie. Abmagerung, Polyphagie, Poly-

dipsie. Quantitative Angaben über den Zucker im Harn liegen nicht

vor, dagegen wurde auf der chirurg. Abteilung, der der Patient angehörte,

Acetessigsäure nachgewiesen. Im Anschluß an einen Karbunkel des

Nackens trat Erisypel ein; Tod an Pneumonie. Die Leber wurde

24 Stunden nach dem Tode untersucht; die Leiche hatte während dieser Zeit im Kühlraum gelegen.

Menge des Preßsaft 24 Stund. Preßsaftes p. m. untersucht

1) Wohlgemuth, J., Leber u. Galle, Oppenheimers Handbuch der Biochemie, 8, 162, 1908;

142 P. Zegla:

Versuch 30.

Menschlicher Diabetes. Klinische Diagnose: Diabetes mellitus, Coma. Nähere Daten fehlen. Sektion 18 Stunden post mortem. Leber normal.

Menge des Preßsaft 18 Stund. Preßsaftes p. m. untersucht

Diese Zahlen entsprechen annähernd den bei Nichtdiabe- tikern gefundenen Werten für die Diastase der Leber innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Tode (cf. Versuch 13—15). Daß sie normale Werte darstellen, kann man natürlich von ihnen ebensowenig behaupten, wie von jenen Befunden an nicht- diabetischen Menschen.

Zusammenfassung.

1. Die Glykogenspaltung in der Leber ist ein rein enzy- matischer von der lebenden Zelle loszulösender Vorgang.

2. Das glykogenspaltende Enzym kommt der Leber als solcher zu und ist nicht als eingewanderte Blut- oder Lymph- diastase anzusehen.

3. Zum Studium diastatischer Prozesse ist die direkte Methode der quantitativen Fermentbestimmung von Wohl- gemuth geeigneter als die indirekten Methoden der Berechnung des Glykogenumsatzes oder der Zuckerproduktion.

4. Die Menge der Diastase nimmt in der bei Zimmer- temperatur unter Toluol aufbewahrten Leber während der Zeit nach dem Tode ab.

5. Die Abnahme tritt in der Regel innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Tode ein; ein nochmaliger Ferment- schwund. wurde nicht beobachtet.

6. Dieser Fermentverlust, der bis zu 60°/, betragen kann,

Über das diastatische Ferment der Leber. 143

ist bei der Untersuchung der Leber menschlicher Leichen in Rechnung zu ziehen.

7. Sowohl bei Phlorizin- wie bei Phloretinglykosurie der Kaninchen tritt eine Vermehrung der Leberdiastase ein.

8. Die Adrenalinglykosurie beim Kaninchen kann mit ge- steigerter diastatischer Kraft der Leber einhergehen.

9. Vagusdurchschneidung bewirkt beim Kaninchen starke Vermehrung der Leberdiastase.

10. Ebenso wirkt der Nackenschlag beim Kaninchen.

11. Beim Pankreasdiabetes des Hundes fand sich die Leber- diastase vermindert.

12. Beim Diabetes des Menschen scheint eine Vermin- derung zu fehlen, doch sind hier weitere Beobachtungen dringend nötig.

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Beitrag zur Physiologie der Galle. Von Casimir v. Rzentkowski. (Aus der II. Abteilung des Wola-Krankenhauses zu Warschau.) (Eingegangen am 4. Januar 1909.)

Die Patientin, an der die unten angeführten Unter- suchungen ausgeführt worden sind, wurde Anfang März 1908 in meine Abteilung aufgenommen. Typische Schmerzanfälle in der Gegend des Chauffardschen hepato-sternalen Punktes, kurzdauernde und hoch fieberhafte Attacken und vorüber- gehender Icterus, sowie kurze Dauer der Erkrankung und Fehlen von Symptomen seitens der Gallenblase veranlaßten mich, die Diagnose Lithiasis ductus choledochi zu stellen. Ver- schiedene Mittel, welche therapeutisch ihre Anwendung fanden (KJ, Natrium salicylicum, Öleingießungen, Methylenblau, Nar- cotica usw.) hatten keinen günstigen Einfluß auf den Zustand der Kranken; der letztere wurde im Gegenteil allmählich immer schlimmer. Dies veranlaßte mich, der Patientin eine Operation vorzuschlagen, welche auch vom Herrn Kollegen Borsuk am 28. Mai 1908 ansgeführt wurde (Choledochotomie). Die Operation bestätigte die klinische Diagnose: es wurde nämlich ein walnußgroßer Stein im Ductus choledochus ge- funden, entfernt und die Drainage des Ductus hepatious vor- genommen. Das äußere Ende des Schlauches wurde mit einem Glasgefäß verbunden, in dem die Galle 24stündlich gesammelt wurde. Es sei hinzugefügt, daß 6 Wochen nach der Operation die Kranke als geheilt entlassen werden konnte.

Die Galle, die mir zu Gebote stand, stammte also aus dem Ductus hepaticus.

147

C. v. Rzentkowski: Beitrag zur Physiologie der Galle.

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148 C. v; Rzentkowski:

Die 24 stündige Menge. Wie aus der Tabelle ersicht- lich, betrug die Tagesmenge der Galle im Laufe vom 29. April bis zum 9. Mai (mit Ausnahme des 6. Mai) im Mittel zirka 575 ocm mit Schwankungen zwischen 360 ccm und 870 ccm. Höchstwahrscheinlich war dies die gesamte Tagesmenge der Galle, welche in der Leber gebildet wurde, da der Kot der Patientin während der ganzen Untersuchungsdauer vollständig entfärbt war und der Verband nur sehr selten eine Spur von Verfärbung zeigte. Übrigens ist die angeführte Tagesmenge im Vergleich zu den Befunden anderer Autoren normal.

Das spezifische Gewicht der untersuchten Galle betrug im Mittel 1005 mit Schwankungen zwischen 1003 und 1006, was den Befunden anderer Autoren vollkommen entspricht.

Der Gefrierpunkt der Galle schwankte in ziemlich weiten Grenzen von 0,52° bis —0,58° und betrug im Mittel —0,543°, etwas weniger als der des Blutes, welcher wie be- kannt normalerweise 0,56 ° ist. Da der Kochsalzgehalt der untersuchten Galle im Mittel 0,6931°/, betrug, so darf man wohl schließen, daß das A der Galle fast ausschließlich von dem Kochsalzgehalt derselben abhängig ist. Die Galle bildet also mit ihrer 4 0,543° keine Ausnahme von der, wie es scheint, allgemeinen Regel, daß die Drüsenzellen aus dem Blute Sekrete bilden, deren A niedriger als dasjenige des Blutes ist. Dasselbe trifft auch für den Magensaft!), dessen A zirka —0,50° beträgt, den Pankreassaft mit seinem A = —0,46° bis 0,49° usw. zu. Auch der Harn bildet in dieser Beziehung keine Ausnahme, denn die Erhöhung seiner molekularen Kon- zentration stellt eine sekundäre Erscheinung dar, welche in den Kanälchen stattfindet, während der Harn in den Knäueln ein A des Blutes oder vielleicht ein etwas kleineres besitzt.

Die Stickstoffverbindungen. Außer Mucin enthält die Galle, wie bekannt, folgende stickstoffhaltigen Bestandteile:

a) Gallenfarbstoffe und b) Gallensäuren.

Das Mucin stellt ein eigentliches Sekret der Schleimhaut der Gallengänge dar, während die übrigen genannten Bestand- teile, sowohl die Farbstoffe als auch die Säuren, Produkte des

1) Eigene Untersuchungen s. unten.

Beitrag zur Physiologie der Galle. 149

Eiweißstoffwechsels sind, so daß sie als spezifische Exkrete der Leberzellen betrachtet werden können, ebenso wie z. B. der Harnstoff als das Endprodukt des Eiweißstoffwechsels ein Nierenexkret bildet. Demnach stehen die Gallenfarbstoffe sowie die Gallensäuren ihrem Ursprunge nach ziemlich nahe, indem sie alle aus dem Eiweißmolekül stammen. Da ich über die Verteilung der stickstoffhaltigen Bestandteile der Galle keine Zahlen besitze (so für die Mucin-N-Fraktion, die N-Fraktion der Gallenfarbstoffe, diejenige der Gallensäuren usw.), was üb- rigens nicht in den Rahmen meiner Untersuchungen lag, so möchte ich den ganzen Stickstoffgehalt der Galle insgesamt als Kriterium der exkretorischen Leistungsfähigkeit der Galle be- züglich derjenigen Produkte des Eiweißstoffwechsels, welche durch die Leber eliminiert werden sollen, betrachten. Der Stickstoffgehalt der Galle ist also bei unserer Patientin von diesem Standpunkte aus analysiert.

Der Stickstoffgehalt der Galle betrug nämlich in den ersten Tagen nach der Operation, in denen die Patientin fast gar keine Nahrung zu sich nahm, im Mittel 0,07°/, (für die Unter- suchungstage Nr. 2, 3, 4 u. 5), was pro Tag etwa 0,4025g N ausmacht. Diese Stickstoffmenge entspricht einer Eiweißversetzung von 0,4025 >< 6,25 2,5157 g. Da die Patientin in dieser Periode etwa 9 bis 1l g N pro die mit dem Harn ausschied (10,5213 g), so betrug der gesamte Eiweißumsatz etwa 66,7 g. Aus diesen Zahlen läßt sich der Schluß ziehen, daß der Eiweißumsatz in den Leberzellen nur einen ganz geringen Anteil des gesamten Eiweißumsatzes ausmacht, und zwar etwa 2°/,.

Dieses Verhältnis ist ziemlich konstant, denn wenn auch der prozentuale Stickstoffgehalt der Galle in den späteren Perioden, als die Kranke normal ernährt wurde, etwas niedriger war, so war dann die Gesamtmenge der Galle entsprechend größer. An einzelnen Tagen blieb jedoch der N-Gehalt der Galle\verhältnismäßig klein, sogar geringer, als die oben an- geführte Mittelzahl für die I. Periode (die Hungerperiode), und zwar:

am 5. Juni: Gallenmenge 870 com; Gesamt-N 0,3815,

was einer Eiweißmenge von etwa 2,38 g entspricht,

am 6. Juni: Gallenmenge 790 ccm; Gesamt-N 0,3555,

was einer Eiweißmenge von etwa 2,22 g entspricht.

150 C. e Rzentkowski:

Doch finden wir auch hier schließlich zirka 2,3 e Eiweiß pro die, fast ebensoviel wie früher (2,5 g). Dies beweist, daß die Leber in bezug auf die umgearbeitete Eiweißmenge sich auf einem gleichen Niveau erhält, unabhängig von der allge- meinen Ernährung des Körpers.

Wir gehen nun zur Besprechung der Trockensubstanz der Galle bei unserer Patientin über. Auch hier wird es vor- teilhafter sein, die Trockensubstanz nach den Perioden zu be- trachten : die I. Periode vom 29. Mai bis zum 2. Juni (ein- schließlich) entspricht der Zeit ungenügender Ernährung nach der Operation; die II. Periode vom 3. Juni bis zum 5. Juni entspricht der Zeit voller Ernährung und der Darreichung von NaCl, in der UI Periode wurden der Patientin verschiedene Medikamente dargereicht, wie KJ, salicylsaures Natron. Außer- dem möchte ich in dieser Rubrik zwei Bestandteile unter- scheiden, und zwar die Chloride und die Achloride.

Tabelle II.

_ Trockensubstanz allenmenge| die mittleren tägl. Mengen

im Mittel I; Bemerkungen

$ | Die tägliche 2 jG

®

Du

6,41 (1,38°/,)|Unterernährung 9,425 (1,37°/,)|Norm. Ernährung + NaCl 9,6326 (1,45°/,)|Norm. Ernährung + KJ

2,9638| 3,446 5,079 | 4,346 3,464 | 4,1686

|

Die dritte Zahlenreihe der vorstehenden Tabellen wird ihre Besprechung weiter unten finden, und zwar bei der Betrachtung der Kochsalzausscheidung durch die Galle. Hier wollen wir unsere Aufmerksamkeit der vierten und der fünften Zahlen- reihe widmen, d. h. also den Achloriden sowie der gesamten Trockensubstanz der Galle.

Die Literaturangaben über den Trockenrückstand der Galle lauten sehr verschieden; dies zeigen z. B. die Zahlen von Westphalen 22,5°/,, von Oscar Jacobsen 22,4 bis 22,8°/,, und von Hammarsten über 30°/,.'); andere Autoren fan- den dagegen viel kleinere Zahlen, und zwar 12—18°/,,. Meine eigenen Untersuchungen ergaben, wie aus der Tabelle ersicht-

1) cit. nach Neumeister, Lehrbuch d. physiol. Chem. 2. Aufl. S. 197.

Beitrag zur Physiologie der Galle. 151

lich 1,37°/,, 1,38°/,, 1,45°/,, im Mittel 1,4°/,,. Am wenigsten schied meine Patientin in der I. Periode, d.h. in derjenigen mit ungenügender Ernährung aus, und zwar 6,41 g Trocken- substanz pro die. Bei voller Ernährung stieg die Menge der Trockensubstanz auf 9,42 u. 9,63 g pro die: dabei wächst aber auch die Menge der Galle, so daß der prozentuale Gehalt der letzteren an Trockensubstanz, die Konzentration der Galle also, unver- ändert blieb. Doch darf das scheinbar einfache Verhältnis zwischen der Menge der Trockensubstanz der Galle und dem Ernährungszustand nicht verallgemeinert werden. Denn zeigte die bei der Autopsie aus der Gallenblase entnommene Galle in einem Falle von Carcinom der Gallengänge (bedeutende Unterernährung, lange Zeit bestehende vollständige Anorexie, mehrfach entleerter Ascites) folgenden Gehalt an Trocken- substanz :

a) 5,2931 ccm Galle enthielt 0,1761 g Trockensubstanz = 3,32°/,

b) 4,5534 com Galle enthielt 0,1471 g Trockensubstanz = 3,23°/,

Zwar hatten wir es in diesem Falle mit Gallenstauung zu tun, was a priori eine Wasserresorption in der Gallenblase ver- muten lassen könnte, doch widerspricht dem jedenfalls der Kochsalzgehalt dieser Galle, welcher 0,6903 °/, betrug, d. h. eben- soviel wie in dem hier besprechenden Falle. Es folgt daraus, daß der Hunger keinen bedeutenderen Einfluß auf den Trocken- rückstand der Galle ausübt.

Die Achloride der Galle, d. h. also die Gesamtmenge der Gallenfarbstoffe und der Gallensäuren, des Mucins, des Chole- sterins, der anderen Mineralsalze usw. steigt mit der Zunahme der Tagesmenge der Galle. Es fehlen mir Zahlen über die Ver- teilung der einzelnen Bestandteile der Trockensubstanz, wes- wegen ich darüber nichts Näheres aussagen kann.

Der Kochsalzgehalt der Galle, welcher das eigentliche Ziel meiner Untersuchungen darstellte, gibt auch zu mancherlei Bemerkungen Anlaß. Alle Autoren, welche sich mit der Analyse der Galle beschäftigten, geben zwar einstimmig an, daß der Gehalt der Galle an Kochsalz ziemlich groß ist, doch schenkt

keiner dieser Erscheinung eine größere Aufmerksamkeit. Die Biochemische Zeitschrift Band 16. 11

in Mittel 29.291

152 C. v. Rzentkowski:

Ursache dessen liegt wohl daran, daß die Analysen der Galle mit wenigen Ausnahmen bis jetzt nicht von Klinikern, sondern von Chemikern ausgeführt wurden, und daß man erst in jüngster Zeit die wichtige Rolle des Kochsalzes für die Physiologie und besonders für die Pathologie kennen gelernt hat.

Bei der Besprechung des Kochsalzgehaltes der Galle bei unserer Patientin müssen wir drei Perioden unterscheiden. Die I. Periode (vom 29. Mai bis zum 2. Juni) entspricht der un- genügenden Ernährung nach der Operation. Die II. Periode (vom 3. Juni bis 6. Juni) entspricht der voller Ernährung und der Kochsalzdarreichung und die III. Periode der gewöhnlichen Ernährung ohne Kochsalzzusatz.

Periode I (Mittelzahlen): 24stündige Gallenmenge 459 ccm; , NaCl 0,6692°/,; 24stündige Kochsalzmenge in der Galle 3,0507 g; °/, Kochsalzgehalt der Trockensubstanz der Galle 45,5°/,.

Zum Vergleich möchte ich hier Kochsalzuntersuchungen der Galle auch in manchen anderen Fällen anführen, und zwar: a) der oben erwähnte Fall von Carcinom der Gallengänge: Kochsalz- gehalt der bei der Autopsie aus der Gallenblase gewonnenen Galle 0,6903°/,; b) ein Fall von Pneumonia crouposa mit Icterus : Kochsalzgehalt der bei der Autopsie aus der Gallenblase ge- wonnenen Galle 0,4446°/,. Obwohl diese letztere Zahl etwas kleiner ist als die beiden ersten, beweisen doch alle diese drei Fälle, daß der Kochsalzgehalt der Galle ganz bedeutend ist, und daß die tägliche Kochsalzmenge, welche mit der Galle ins Duodenum eingeführt wird, ziemlich hoch ist; sie kann sogar größer sein als die 24stündige Kochsalzmenge im Harn.

Wenn wir die Zahl 0,6692 °/, als Mittelzahl für den Koch- salzgehalt der Galle betrachten, so ergibt sich, daß der Koch- salzgehalt der Galle größer ist, als derjenige des Blutplasmas, welches nach meinen Untersuchungen im Mittel 0,5401 °/, NaCl (Mittelzahl aus 6 Bestimmungen) mit Schwankungen zwischen 0,5265 und 0,5616 °/, enthält!). Dies beweist also, daß die Aus- scheidung des Kochsalzes mit der Galle keinen Filtrations-

1) Über den Koohsalzgehalt des Blutes beim gesunden und kranken Menschen. Przegl. Lek. 1903.

Beitrag zur Physiologie der Galle. 153

prozeß im Sinne der mechanischen Theorie der Osmose und der Ausgleichung der Molekularkonzentration auf den beiden Seiten einer tierischen Membran (Blut Leberzelle Galle) darstellt, sondern daß es ein eigentlicher Exkretionsprozeß, ein aktiver Prozeß biochemischer Natur ist.

Wollen wir nun sehen, woher stammt also der Kochsalz- gehalt der Galle, wohin wird das Kochsalz eingeführt und was für Bedeutung kann dies für die allgemeinen Körperprozesse besitzen.

Es ist klar, daß das Kochsalz den Leberzellen mit dem Blute der V. Portae zugeführt wird, d. h. also aus allen beinahe Organen der Bauchhöhle, hauptsächlich aus dem Magendarm- kanal. Im Kot werden gewöhnlich nur ganz geringe Mengen Kochsalz gefunden. So fand ich bei meiner Patientin in der II. Periode, also bei überreichlicher Kochsalzzufuhr, in 10,1197 g Kot (frisch gewogen) kaum 0,00468 g NaCl; das macht also 0,04°/,, oder mit anderen Worten so gut wie eine Spur. Daraus folgt, daß das gesamte Kochsalz, welches aus dem Magen in den Darm hineinkommt, auch die Leber passieren muß.

Die Periode II belehrt, daß bei vergrößerter Kochsalz- zufuhr auch der Kochsalzgehalt der Galle größer wird. Der prozentuale Kochsalzgehalt der Galle beträgt jetzt nämlich im Mittel 0,7374 °/, (Per. I 0,6692°/,); der Kochsalzgehalt der Trockensubstanz 53,9°/, (Per. I 45,5°/,) und die 24stündige Kochsalzmenge 5,0796 g (Per. I 3,0607 g).

In der Periode III bei unveränderter Nahrungszufuhr, jedoch ohne Kochsalzzuschlag sinkt der Kochsalzgehalt der Galle auf 0,7014 °/, (im Mittel), was pro die 4,6187 g ausmacht und dem Kochsalzgehalt der Trockensubstanz von 47,6°/, ent- spricht. Die Tabelle III illustriert am besten die hier be- schriebenen Unterschiede.

Tabelle III.

Hunger Normale Ernährung + NaCl Normale Ernährung

11*

154 C. v. Rzentkowski:

Aus der Tabelle ist folgendes ersichtlich: 1. der Kochsalz- gehalt der Galle ist in der Hungerperiode geringer als bei voller Ernährung. 2. Die vergrößerte Kochsalzzufuhr steigert den prozentualen und den absoluten Kochsalzgehalt der Galle (Periode II). Danach ist der Kochsalzgehalt der Nahrung die Hauptquelle des Gallenkochsalzes. Da jedoch das mit dem Portablut in die Leber resorbierte Kochsalz sofort durch die Leber- zellen secerniert und dem Duodenum wieder zugeführt wird, so haben wir hier mit einer unaufhörbaren Kochsalzzirkulation zu tun: das Blut der V. Portaa die Leberzellen das Duodenum und zurück. Vom teleologischen Standpunkte aus hat diese hier von mir zum erstenmal hervorgehobene Erscheinung die Bedeutung, überschüssige Kochsalzmengen von dem ge- samten Blutkreislauf fernzuhalten. Höchst wahrschein- lich reguliert also dieser Prozeß den Kochsalzgehalt des Blutes; es werden dadurch die Körperzellen vom überschüssigen Koch- salz über das physiologische Optimum hinaus gestützt. Der überschüssige Zucker im Blute der V. Portae wird durch die Leberzellen in Form von Glykogen zurückgehalten, was das Blut des gesamten Kreislaufs von der Hyperglykämie, wie sie beim Diabetes mellitus vorkommt und welche hier den Orga- nismus schädlich ist, schützt. Eine analoge Erscheinung be- steht auch mit dem Kochsalz; doch handelt es sich hier um einen Krystalloid, welcher in größerer Menge in den Leber- zellen nicht zurückgehalten werden kann. Der Überschuß wird mit der Galle ausgeschieden und gelangt ins Duodenum und nur ein Teil des Kochsalz kommt in den Blutkreislauf des Körpers.

Es fragt sich nun, ob diese großen Kochsalzmengen, welche mit der Galle in den Darm zurückkehren, keinen hemmenden Ein- fluß auf die Wirkung der Verdauungsfermente ausüben. Die Frage: ist deshalb gerechtfertigt, da sowohl von anderen Autoren, wie von mir selbst!), eine schädliche Wirkung des Kochsalzes auf die proteolytische Verdauung im Magen festgestellt wurde. Weitere Untersuchungen müssen deshalb die Kontrolle übernehmen, ob und inwiefern das Kochsalz die Wirkung der Pankreasfermente hemmt. Es läßt sich auch schon jetzt sagen, daß die auf ein-

1) Studien über die proteolytische Wirkung des Magensaftes. Mém. d. Warsch. Med. Ges. 1903.

Beitrag zur Physiologie der Galle. 155

mal ins Duodenum mit der Galle zufließenden Kochsalzmengen gering sind, denn größere Gallenmengen und somit viel Koch- salz zeitweise in der Gallenblase zurückgehalten werden.

Wenn wir die Analysen der aus dem Ductus hepaticus stammenden Galle mit den Ergebnissen der Untersuchung der aus der Gallenblase entnommenen Galle vergleichen, so ergibt sich, daß das Kochsalz, im Gegensatz zu der Meinung anderer Autoren, in der Gallenblase nicht resorbiert zu werden scheint.

Die oben angeführten Untersuchungen ergaben also die bisher unbekannte sehr wichtige Rolle der Leber und der Galle in dem Kochsalzhaushalt des Körpers. Die Einzelheiten der hier festgestellten Erscheinung, der feinere Mechanismus der- selben sowie ihre Veränderungen in pathologischen Zuständen, besonders auch bei Kochsalzretentionen, werden Gegenstand meiner weiteren Untersuchungen darstellen.

Gegen das Ende der III. Periode wurde durch den Schlauch nicht der gesamte 24stündige Gallenmenge ausgeschieden: des- wegen mußten die quantitativen Untersuchungen abgebrochen werden, und es wurde versucht, ob manche Arzneimittel (Jod- kalium, Natrium salicylicum) bei oraler Darreichung in der Galle erscheinen und ob im Raum dieses Versuches irgend welcher Einfluß dieser Mittel auf die Ausscheidung und die Zusammen- setzung der Galle festgestellt werden konnte. |

Jodkalium. Es sei zunächst die Methodik, deren ich mich dabei bediente, kurz besprochen: es wurde also zu der Galle etwas rauchende Salpetersäure zugeseszt und diese Mischung mit Stärkepapier untersucht. Die Voruntersuchung ergab, daß man auf diese Weise das zugesetzte KJ sehr leicht entdecken kann, und zwar im Verhältnis: 2 Tropfen einer 3°/,igen KJ- Lösung auf 5ccm Galle; dies ist also 0,0036 KJ in 5ccm Galle oder beinahe 0,06 °/,.

Am 6. Juni wurden der Kranken 4,0 KJ in Dosi refracta per os gegeben; an den darauffolgenden Tagen, und zwar vom 7. bis zum 15. Juni, zeigte der Harn einen sehr deutlichen, gegen Schluß einen etwas geringeren Jodgehalt.

In der Galle fiel die Jodreaktion negativ aus, es konnten auch keine Abweichungen in der Zusammensetzung der Galle festgestellt werden (Tab. I).

156 C. v. Rzentkowski: Beitrag zur Physiologie der Galle.

Natrium salicylicum. Hier mußte ich mich darauf be- schränken, zu untersuchen, ob das salioylsaure Natron über- haupt mit der Galle ausgeschieden wird oder nicht, da schon am 10. Juni die Galle in ganz kleinen Mengen durch die Kanüle ausgeschieden wurde und die letztere am nächsten Tage ent- fernt werden mußte. Die Bestimmung geschah durch Zusatz von FeCl,; um eine violette Verfärbung der Galle besser zu erkennen, mußte die letztere 20mal verdünnt werden; auf diese Weise konnte festgestellt werden, daß durch Zusatz von 3 Tropfen einer 1°/,igen Natriumsalicylatlösung zu 2,5ccm Galle (in 50 ccm Wasser) eine sehr deutliche violette Verfärbung mit einigen Tropfen FeCl,-Lösung erhalten wird; dies entspricht einer 0,07°/,igen Natriumsalioylatlösung in der Galle.

Am 9. Juni erhielt Patientin pro os 8,0 Natr. salic. in dosi refracta. An den folgenden Tagen konnte die Salicylsäure im Harn sehr deutlich nachgewiesen werden. In der Galle fiel jedoch die Reaktion niemals positiv aus. Es konnte nur ein etwas kleinerer prozentualer Kochsalzgehalt und ein etwas größerer N- und Trockenrückstandsgehalt der Galle fest- gestellt werden.

Es wurden also weder das Jodkalium, noch das salicyl- saure Natron in unserem Falle mit der Galle ausgeschieden. Dieses Ergebnis ist so unerwartet, daß es noch nicht ver- allgemeinert werden kann. Jedenfalls sind zur Bestätigung dieser interessanten Resultate weitere Untersuchungen nötig, welche in entsprechenden Fällen von mir vorgenommen werden.

Über die zweite Gerinnung des Blutes von Limulus. Von Leo Loeb.

(Aus dem Marine Biological Laboratory, Woods Holl, Mass., und dem Laboratorium für experimentelle Pathologie der University of Pennsylvania, Philadelphia.)

(Eingegangen am 8. Januar 1909.)

In früheren Mitteilungen!) wurden die Bedingungen, unter denen das Hummerblut gerinnt, eingehend untersucht; auch wurden genauere Angaben über die sogenannte erste Gerinnung des Blutes einiger anderer Arthropoden gemacht. Es wurde hierbei gelegentlich erwähnt, daß auch beim Blut von Limulus nach Ablauf der Hauptgerinnung weitere Niederschläge in dem restierenden Plasma sich bilden können. Im folgenden sollen einige genauere Angaben über diese zweite Gerinnung gemacht werden.

1. Das zu diesen Versuchen benutzte Limulusplasma wurde auf zwei verschiedene Weisen dargestellt. a) Das Blut wurde vermittels eines Troikarts erhalten, der in das Herz durch das Rückengelenk eingestoßen wurde. Das Blut wurde in Schalen aufgefangen, die während des Ausfließens und nach beendigtem Ausfließen geschüttelt wurden. So wurde im Verlaufe weniger Minuten ein Gerinnsel von Fäden erhalten, von dem abfiltriert wurde. Das so erhaltene Plasma wurde auf Eis aufbewahrt. Dieses Plasma war also durch Defibrinieren (Entfernen des Zellfibrins) erhalten. b) Das Blut wurde in ähnlicher Weise durch einen Troikart erhalten und in mit Paraffin ausgekleideten Schalen aufgefangen. Diese Schalen standen in Eiswasser, und jede

1) Siehe Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 5, 6, 8 und 9, sowie Virchows Archiv 173 und 185.

158 L. Loeb:

erhielt etwa 8 bis 10 ccm Blut. Die Blutzellen sanken unter diesen Umständen allmählich auf den Boden der Schale, wo sie einen dünnen Belag bildeten. Nach etwa 1?/, bis 1?/, Stunden wurde das klare überstehende Plasma mit einer Pipette abge- hoben und auf Eis gestellt. In anderen Fällen wurde das Plasma vor dem Gebrauche eine halbe Stunde lang auf 52° erwärmt.

Das Plasma wurde nachher in der Weise benutzt, daß in den einzelnen Fällen je 2 oder 3 com in ein kleines Petri- schälchen gebracht und sodann die verschiedenen Reagenzien zugesetzt wurden.

2. Einwirkung von Muskelextrakten auf Limulus- plasma. Zu diesen Versuchen wurde Hummer- und Limulus- muskelextrakt benutzt. Die Muskeln von drei Hummern resp. einem großen Limulus wurden zerstoßen und mit 50 ccm destil- liertem Wasser verrieben. Diese Mischung wurde über Nacht auf Eis stehen gelassen; vor dem Gebrauche wurden die Extrakte filtriert. Ein Teil dieser Filtrate wurde eine halbe Stunde auf 62° erwärmt. Wie ich früher zeigte, bewirkt Hummermuskel- extrakt die Gerinnung des Hummerplasmas in ganz kurzer Zeit. 3 ccm Hummerplasma werden durch 0,1l ccm Hummermuskel- extrakt gewöhnlich im Laufe einer oder mehrerer Minuten zur Gerinnung gebracht. Nach !/,stündiger Erwärmung auf 45° hatte ein solcher Extrakt seine Gerinnung erregende Wirkung verloren. Limulusmuskelextrakt war auf Hummerplasma ohne Wirkung. Prüft man nun diese verschiedenen erwärmten und nicht erwärmten Extrakte gegenüber Limulusplasma, so war die Wirkung dieselbe, wenn erwärmte oder nicht erwärmte Extrakte des Hummer- oder Limulusmuskels benutzt wurden. Während Limulusplasma ohne Zusatz entweder ganz klar blieb oder ge- wöhnlich erst am nächsten Morgen ganz kleine Flöckchen zeigte, bewirkte Zusatz von 0,1 ccm Muskelextrakt oder von einem Muskelstück schon nach wenigen Stunden gewöhnlich Flocken- bildung, die dann am nächsten Morgen noch stärker war. Hierbei machte es keinen Unterschied, ob die Extrakte oder Muskelstücke erhitzt oder frisch waren; beide wirkten in gleicher Weise. Einmal wirkten die einen kräftiger, das andere Mal die anderen. Meist wurden die Muskelstücke oder Extrakte eine halbe Stunde lang auf 52° erwärmt, in einem Falle auf 78°.

Über die zweite Gerinnung des Blutes von Limulus. 159

In einem Versuch war das Limulusplasma der spontanen Ge- rinnung nahe; hier bewirkte nun Zusatz der erhitzten oder nicht erhitzten Muskelextrakte eine deutliche Beschleunigung der gelatinösen Gerinnung des Plasmas.!) Es besteht kein Unterschied in der Wirkung zwischen Hummer- und Limulus- muskelextrakt. Wir müssen aus diesen Befunden den Schluß ziehen, daß die Muskelextrakte und Muskelstücke Gerinnungs- erscheinungen im Limulusplasma auf eine nicht spezifische Weise hervorrufen, vielleicht durch Änderung der Reaktion des Plasmas. Es kann auch Flockenbildung durch Zusatz sehr geringer Mengen von Säuren oder Alkalien in dem Limulusplasma bewirkt werden. Daß der Mangel an spezifischer Wirkung von seiten der Muskel- extrakte nicht auf CaCl,-Mangel beruht, geht schon daraus

hervor, daß ein Zusatz von noch 1 oder 2 Tropfen 5 CaCl;

zu 2 ccm Plasma 4 0,1l cem Extrakt eine Änderung nicht herbeiführt.

3. Prüft man die Wirkung von Zellfibrin auf Limulus- plasma, so findet man häufig nichts weiter als nach einigen Stunden einen sehr geringfügigen gelatinösen Belag am Boden des Schälchens, und um das Fibrinstück kann sich ebenfalls ein kleiner gelatinöser Niederschlag gebildet haben. Erhitzt man solche Fibrinstücke auf 52° oder 54°, so kann die Wirkung sehr ähn- lich sein. Ganz anders verhält es sich, falls man Hummerzell- fibrin in ein Schälchen mit Hummerplasma legt; im Verlaufe von 1 oder 2 Stunden oder schon in kürzerer Zeit bewirkt solches Hummerzellfibrin sehr starke Koagulation des Hummer- plasmas. Durch Erhitzen auf 50 bis 52° wird solches Hummer- zellfibrin unwirksam. Diese Beobachtungen, die ich schon in früheren Jahren gemacht hatte, konnte ich in neuen Versuchen bestätigen. Auch Extrakt aus Limuluszellfibrin in destilliertem Wasser, der in ähnlicher Weise wie früher der Extrakt aus Hummerzellfibrin gewonnen wurde, braucht keine merkliche Gerinnung in Limulusplasma hervorzurufen, sondern kann ledig-

1) Ähnliche Befunde erhob ich schon früher beim Hummerplasma. Der spontanen Gerinnung nahes Plasma kann z. B. durch auf 50° er- bitztee Hummerzellfibrin, das gegenüber beständigem Hummerplasma ganz unwirksam ist, in seiner Gerinnung beschleunigt werden. Es handelt sich hierbei wohl um die Wirkung nicht spezifischer Substanzen.

160 L. Loeb:

lich zu einer geringfügigen Flockenbildung führen, wie in ähn- licher Weise erhitzte, inaktivierte Muskelstücke wirken. Nun gelang es mir aber, in weiteren Versuchen einen Extrakt aus Limuluszellfibrin herzustellen, der sehr wirksam gegen Limulus- plasma sein kann und von dem 0,2 bis 0,4 ccm 2ccm Limulus- plasma in wenigen Stunden zur festen Gerinnung bringen. Zu diesem Zwecke wird Limuluszellfibrin fein zerschnitten und mit Limulusserum und destilliertem Wasser versetzt 1 Tag lang auf Eis gehalten. Nicht in jedem Falle ist ein solcher Extrakt gleich wirksam. Wirksamer Extrakt bewirkt deutliche Gerinnung schon in Quantitäten von 0,2ccm, von schwachem Extrakt braucht man, um eine deutliche Wirkung zu erzielen, 1 ccm. Die Variabilität in der Wirkung hängt nicht nur von dem Extrakte ab, sondern auch von dem Limulusplasma, das nicht in jedem Falle mit derselben Leichtigkeit zur Gerinnung gebracht werden kann. Nach !/,stündigem Erwärmen auf 52° ist die Koagulabilität des Limulusplasmas nicht in erheblicher Weise verändert. Diese Variabilität in den verschiedenen Plasmen macht sich auch festen Stücken von Zellfibrin von Limulus gegenüber be- merkbar. Auch hier findet man Plasmen, denen gegenüber das Zellfibrin aktiver als gewöhnlich und wo die koagulierende Wirkung ganz deutlich ist.

Die Zellfibrinextrakte verhalten sich dem Erwärmen gegen- über nicht alle in gleicher Weise. Gewisse Zellfibrinextrakte von Limulus konnten !/, Stunde lang auf 60° erwärmt werden, ohne ihre koagulierende Wirkung gegenüber Limulusplasma verloren zu haben oder ohne merklich geschwächt zu sein. Ebenso wurden solche Extrakte wiederholt !/, Stunde auf 54° erwärmt, ohne merklich von ihrer Wirkung zu verlieren. Ganz anders verhält sich Hummerzellfibrinextrakt; dieser wird Hummer- plasma gegenüber völlig unwirksam nach Erhitzen auf 52°. In anderen Fällen wurde durch Erwärmen auf 54° der Limulus- extrakt deutlich abgeschwächt und in wieder anderen Fällen verlor er hierdurch seine Wirkung vollständig.

Worauf diese Verschiedenheiten in dem Verhalten beruhen, läßt sich vorläufig nicht sagen. In einem Versuch wurde be- obachtet, daß am ersten Tag ein Limuluszellfibrinextrakt durch Erwärmen nicht abgeschwächt wurde, wohl aber am zweiten und dritten Tage, obwohl der nicht erwärmte Extrakt an Kraft

Über die zweite Gerinnung des Blutes von Limulus. 161

anscheinend nicht verloren hatte. Auch Zellfibrinstücke von Limulus zeigten eine gewisse Variabilität in ihrer Widerstands- fähigkeit gegenüber Erwärmen, die aber weniger ausgesprochen war, da schon die koagulierende Wirkung nicht erwärmter Zell- fibrinstücke nicht so ausgesprochen wie die wirksamer Zell- fibrinextrakte war.

Hummerzellfibrin oder Hummerzellfibrinextrakt war ge- wöhnlich bedeutend schwächer gegenüber Limulusplasma, und man konnte meist im Zweifel sein, ob es sich hierbei um eine wirkliche Gerinnung handelte, wie sie durch Limuluszellfibrin- extrakt hervorgerufen wird, oder um Niederschläge, wie sie bei der Mischung von Limulusserum mit dem Serum anderer Arthro- poden auftreten. Doch bewirkte Hummerzellfibrinextrakt zu- weilen im Limulusplasma eine geringfügige Ausscheidung einer Gallerte; es ist daher wahrscheinlich, daß hier eine ähnliche Wirkung wie bei Limuluszellfibrinextrakt vorliegt. Durch Er- wärmen verliert der Hummerzellfibrinextrakt diese Wirkung. Limuluszellfibrin oder Limuluszellfibrinextrakt bewirken auch in manchen Fällen Gerinnung im Hummerplasma. Aber diese ist gewöhnlich merklich schwächer, als die durch Hummerzell- fibrin bewirkte. Dies tritt besonders zutage, wenn man die Wirkung der Zellfibrinstücke des Hummers und des Limulus- hummerplasmas gegenüber vergleicht; das Hummerzellfibrin wirkt dann stärker. Falls man die Zellfibrinextrakte benutzt, kommt ein anderer Faktor störend zur Geltung. Limuluszell- fibrinextrakt ist nämlich offenbar viel widerstandsfähiger als Hummerzellfibrinextrakt, wie sich das schon aus seiner Wider- standsfähigkeit gegenüber Erwärmen ergibt; auch sonst läßt sich der Limuluszellfibrinextrakt viel leichter tagelang fast un- verändert erhalten, während der Hummerzellfibrinextrakt sehr leicht seine Wirksamkeit verliert. Es scheint demnach, daß auch Hummer- und Limuluszellfibrinextrakte eine spezifische Adaption ihren eigenen Blutplasmen gegenüber in ähnlicher Weise besitzen, wie ich das früher im Falle der Muskelextrakte (und anderer Gewebsextrakte) bei Wirbeltieren und Wirbellosen nachgewiesen habe. Doch sollen hierüber bei Gelegenheit noch weitere Versuche angestellt werden, ehe das als sichergestellt betrachtet werden kann.

4. Wir können aus den angeführten Versuchen den Schluß

162 L. Loeb:

ziehen, daß in den Blutzellen des Limulus eine Substanz vor- handen ist, die eine koagulable Substanz im Limulusplasma und in geringerem Grade auch in dem Plasma gewisser anderer Arthropoden zur Gerinnung bringt. Hierbei zeigt sich, daß dieselbe Substanz in den Limulusblutzellen auf Limulusplasma und auf Hummerplasma wirkt, da Extrakte, die auf das eine Plasma stärker wirken, auch das andere Plasma schneller zur Gerinnung bringen. Ob die im Limulusplasma zur Gerinnung gebrachte Substanz dem im Wirbeltierblute und im Hummer- plasma vorhandenem Fibrinogen ähnlich ist, kann vorläufig nicht angegeben werden. Es ist mir bisher nicht gelungen, durch Sättigung mit NaCl aus Limulusblut in ähnlicher Weise ein Fibrinogen herzustellen, wie das beim Hummerblut ge- schah. Vielleicht ist diese Substanz im Limulusplasma in viel geringerer Menge als im Hummerplasma vorhanden. Dem entspräche dann auch die Tatsache, daß Limulusmuskelextrakt wirkungslos ist, ähnlich wie ich das früher bei den Muskel- extrakten solcher Arthropoden fand, die nur eine geringe oder anscheinend gar keine zweite Gerinnung zeigen, also gar kein oder nur wenig Fibrinogen besitzen. Auch bei Limulus ist die zweite Gerinnung ja viel schwächer als beim Hummer.

5. Der Nachweis spezifisch gerinnungsbeschleunigender Sub- stanzen in den Limulusblutzellen legt die Erwägung nahe, ob es sich nicht auch bei der sog. ersten Gerinnung des Limulus- blutes um eine solche Gerinnung einer fibrinogenähnlichen Substanz handelt. Schon früher habe ich Versuche und Be- obachtungen angeführt, die gegen diese Annahme sprechen. Dagegen spricht auch folgende weitere Beobachtung: Falls man Wirbeltierblut defibriniert, besteht das erhaltene faserige Material aus dem ausgeschiedenen Fibrin, das in seinen Maschen Zellen einschließt. Anders in dem defibrinierten Blut des Limulus. Hier besteht das Gerinnsel lediglich aus Zellen, die zusammenkleben. Es ist ganz unmöglich, irgendwelche Fasern hier zu sehen, die extracellulär wären. Die zur Defibrinierung führende Bewegung des Blutes sollte wie beim Wirbeltierblute zu einer Retraktion des Fibrins führen, das als Faserwerk sichtbar würde. Nun kann man zuweilen beobachten, daß, falls man ein Stück Limuluszellfibrin, das durch Defibrinieren erhalten wurde, auf einen Objektträger legt und vor dem Aus-

Über die zweite Gerinnung des Blutes von Limulus. 163.

trocknen schützt, nach einiger Zeit eine Anzahl der aggluti- nierten Blutzellen am Rande des Stückes sich ausbreiten; ein Vorgang, der doch kaum möglich wäre, falls die Zellen in extra- celluläres Fibrin eingeschlossen wären. Jedenfalls muß eine Zellveränderung primär vorhanden sein. Erst diese führt zum Freiwerden der gerinnungserregenden Substanzen. Solche Zell. veränderungen werden hauptsächlich durch mechanische Fak- toren bedingt, wie sie beim Ausfließen des Blutes in Wirksamkeit. treten. Nun haben wir aber früher gezeigt, daß diese primären Zellveränderungen schon allein zu einer Veränderung der Zell- oberfläche führen, die als Folge dieser Veränderung klebrig wird. Eine Mitwirkung von extracellulärem Fibrin ist also. zur Bildung des Zellfibrins nicht nötig. Jedenfalls könnte es sich nur um die Beteiligung außerordentlich geringer Mengen extracellulären Fibrins bei der durch Defibrinieren beschleunigten ersten Gerinnung des Limulusblutes handeln.!)

Zusammenfassung.

In den Blutzellen von Limulus finden sich Substanzen, welche die Gerinnung des Limulusplasmas beschleunigen; die- selben unterscheiden sich durch ihre Widerstandsfähigkeit gegen Wärme von ähnlichen Substanzen in den Hummerblutzellen.. Die in den Hummerblut- und in den Limulusblutzellen vor- handenen gerinnungsbeschleunigenden Substanzen sind wahr- scheinlich an ihre Blutplasmen spezifisch adaptiert. In dem. Muskel des Limulus sind gerinnungsbeschleunigende Substanzen gegenüber Limulusplasma nicht nachweisbar; dies entspricht der Tatsache, daß bei Limulus die zweite Gerinnung im Ver- gleich zu Hummerplasma und den Plasmen einiger anderer Arthropoden nur geringfügig ist. Bisher konnten Gewebs- koaguline nur in den Muskeln solcher Arthropoden nachgewiesen werden, bei welchen die zweite Gerinnung sehr beträchtlich war..

1) Hierfür spricht auch die folgende Beobachtung: In 2 Fällen wurde das Blut desselben Limulus zum Teil nach der ersten, zum Teil: nach der zweiten Methode erhalten und beide Plasma in ihrer Koagulier-- barkeit verglichen. In einem Falle waren beide Plasmen ganz gleich; es war also beim Defibrinieren kein Verlust an Fibrinogen eingetreten. Weitere Versuche müssen zeigen, ob ein solches Verhalten die Regel ist..

Untersuchungen über die Milch kastrierter Kühe.

Von Josef Rossmeisl.

(Aus dem chemischen Institut der k. u. k. Tierärztlichen Hochschule in Wien.)

(Eingegangen am 13. Januar 1909.)

Der Einfluß, den die Kastration der Milchkühe auf die Dauer der Laktationsperiode, auf die Quantität und die Qua- lität der Milch, sowie auf die Mastfähigkeit der operierten Tiere ausübt, ist seit langer Zeit Gegenstand der Untersuchungen von seiten tierärztlicher und landwirtschaftlicher Fachmänner ge- wesen. An Stimmen für und gegen die Kastration der Milch- kühe fehlt es nicht.

Schon im 18. Jahrhundert kastrierten Tierärzte in Sachsen und Schweden mit gutem Erfolge; sie konstatierten eine Ver- längerung der Laktationsperiode Über Anregung des nord- amerikanischen Landwirtes Thomas Winn im Jahre 1823 wurde die Idee neu aufgenommen. Namentlich haben sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts französische, deutsche und italienische Tierärzte mit der Frage eingehender beschäftigt, die Milch wurde der ohemischen Analyse unterzogen, die Bestimmung des Körper- gewichtes wurde systematisch vorgenommen, der Milchertrag und die Länge der Laktationsperiode genau verzeichnet.

So kommt Londet!) (1855) auf Grund der Untersuchung der Milch zweier Kühe vor und nach der Kastration zu dem Schlusse, daß die Milch nach der Kastration etwas reicher an Fett und Eiweiß geworden sei.

1) Zitiert nach B. Martiny, Die Milch, ihr Wesen und ihre Ver- wertung. 1871.

J. Rossmeisl: Miloh kastrierter Kühe. 165

Marchand!) hat im Jahre 1857 Durchschnittsproben der Milch von Kühen derselben Gegend untersucht und gelangt zu dem Resultate, daß der Fettgehalt bedeutend gesteigert, der Zuckergehalt hingegen nicht erhöht sei.

Ähnliche Angaben macht M. Gouin!), welcher auf Grund von Analysen der Milch findet, daß der Eiweiß- und Zucker- gehalt etwas und der Fettgehalt erheblich größer ist als vor der Kastration.

Nähere Angaben über die Zusammensetzung der Milch zu verschiedenen Zeiten nach der Kastration macht Dieulafait?) (1864), welcher die Milch dreier Kühe chemisch untersucht hat. Nachstehende Tabelle veranschaulicht seine Befunde:

Nr. | Zeit der Melkung

Fett

Eiweiß- stoffe

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` | 3 Monate später | 86,26 4,14 | 3,77 | 5,03 | 0,81 vor der Kastration | 87,64 | 12,36 | 3,11 418 | 4,2 0,85 6 Wochen später | 86,58 | 13,42 | 4,03 | 4,45 | 4,14 | 0,80

vm | vor der Kastration| 87,65 | 12,35 | 3,16 4,40 4,20 | 0,60 4 Monate später | 86,94 | 13,06 | 3,98 | 4,17 | 4,30 | 0,61

Nach diesen sechs Analysen ist der Fettgehalt nach der Kastration durchwegs größer, hingegen zeigt der Gehalt an Eiweiß, Zucker und Asche nur Schwankungen nach beiden Richtungen.

Ch. Haccius?) (1882) berichtet: In einem Falle blieb die Menge der abgesonderten Milch nach der Operation gleich groß wie vorher, aber das Sekret wurde gehaltreicher an Fett und Eiweiß.

Im Jahre 1891 hat Musso*) Untersuchungen über die Durchschnittsmilch von Kühen vor und nach der Kastration veröffentlicht und gefunden, daß nach der Kastration der

1) Zitiert nach B. Martiny.

3) Journ. d. agrio. pract. 28 I, 520.

3) „Über Kastration der Milchkühe‘, Alpenwirtschaftliche Monats- blätter von Schatzmann 1882, 35.

*) Milchzeitung 1891, 20, 745.

166 J. Rossmeisl:

Eiweiß- und Zuckergehalt etwas gesteigert sei, diese Steigerung sei aber beim Fettgehalte auffallend. Er fügt speziell hinzu: „Die Kühe geben nach der Kastration vom 2. bis 3. Tage an eher mehr als weniger Milch.“

Jakobs!) wählte Tiere aus, die im Stadium der besten Milchergiebigkeit standen und kastrierte sie, um das Brünstig- werden zu verhindern und die Laktationsperiode zu verlängern. Er kommt zum Schlusse: Durch die Kastration sinkt zwar das tägliche Milchquantum, das Gesamterträgnis aber steigt, weil die Laktationsperiode länger dauert. Der Fleischansatz steht im direkten Verhältnisse zum Sinken der Milchmenge.

J. Oceanu?) (1897) berichtet über die Milch einer von ihm kastrierten Büffelkuh und faßt die Erfolge der Ovariotomie in folgenden Punkten zusammen:

1. Veränderung des Gesamthabitus neben Verschwinden des Brünstigsein,

2. Verlängerung der Laktationsperiode, 3. Verbesserung der Qualität der Milch, 4. größere Mastfähigkeit.

Er gibt ebenfalls zu, daß die tägliche Milchmenge sinkt, konstatiert aber eine Verlängerung der Laktationszeit von 6 Monaten auf über 10 Monate. Durch chemische Analysen stellt er fest, daß der Gehalt an Zucker und Butterfett in der Milch nach der Kastration zugenommen hat. Der Fettgehalt der Milch der unkastrierten Büffelkuh ist 4,95°/,, 6 Monate später nach der Kastration 6,01°/, und nach 2 weiteren Mo- naten 8,61°/,. Der Zuckergehalt bewegt sich in gleichen Zeit- räumen in folgenden Verhältnissen: 3,98 : 5,02: 5,03°/,. Ferner wird als Folge der Kastration bessere Mastfähigkeit und die Erlangung eines größeren Schlachtgewichtes verzeichnet.

Im Jahre 1901 hat Falk?) seine Erfahrungen veröffentlicht. Er kastriert nur gesunde, gute Milchkühe, welche bei einer Tagesmelkung von 15 bis 12 l angelangt sind. Die Vorteile der Kastration gipfeln nach seinen Erfahrungen in folgenden Punkten:

1) Annales de med. vet. 58, 73. 2) Recueil de med. vet. 1897, 244. 3) Berl. tierärztliche Wochenschr. 1901, 233.

Milch kastrierter Kühe, 167

1. Stiersichtigkeit und Ovarialerkrankungen können durch die Operation behoben werden.

2. Nach Leblanc?) soll die Milch fett- und caseinreicher sein, namentlich soll der Fettgehalt um ein Drittel steigen.

3. Die Qualität des Fleisches kastrierter Kühe ist sehr ähnlich dem Fleische von Mastochsen. Das Schlachtgewicht fällt besser aus als bei unkastrierten Kühen.

4. Die Laktationsperiode wird bei gleich gut zusammen- gesetzter Milch bis auf 18 bis 24 Monate verlängert, wodurch ein größeres Milchquantum erzielt wird. Während sich das Jahresquantum einer mittleren unkastrierten Kuh auf 2000 bis 2600 1 Milch beläuft, wächst das Quantum einer mittleren kastrierten Kuh auf 3500 1, einer besseren auf 5000 bis 6000 l an.

5. Die kastrierten Tiere mästen sich besser, wodurch Futter- ersparnis eintritt.

Wie aus den vorhergegangenen Zusammenstellungen der Literatur ersichtlich ist, wird wohl nur so viel über die Wirkung der Kastration als feststehend angenommen werden können: Die Milch wird im allgemeinen fettreicher, der tägliche Milch- ertrag sinkt wohl, die Laktationsperiode dauert aber länger, dadurch wird im allgemeinen der Gesamtertrag an Milch be- deutend erhöht; ist die Milch versiegt, dann mästen sich die Kühe besser, die Qualität des Fleisches wird eine bessere und das Schlachtgewicht steigt.

Durch das Entgegenkommen der Gutsverwaltung ‚„Rehgras‘‘ in Weißenbach an der Triesting (Niederösterreich), der an dieser Stelle der Dank ausgesprochen sei, war es mir möglich die Milch fünf kastrierter Kühe durch längere Zeit systematisch zu untersuchen.

Die Ovariotomie war an diesen Kühen von Herrn Dr. Leo- pold Reisinger?) in Wien vorgenommen worden, und zwar nach einer von ihm geübten Modifikation der Methode nach Charlier.

Die Kühe befanden sich fortwährend im Stalle. Jede Kuh wurde täglich mit 8 bis 10 kg Heuhäcksel und 2 bis 3 kg

1) Bulletin de la société 1899, 110. 2) „Über Kastration von Kühen“, Tierärztliches Centralbl. 1906, Nr. 6 u. 7. Biochemische Zeitschrift Band 16. 12

168 J. Rossmeisl:

eines „Kraftfutters‘‘ gefüttert. Das „Kraftfutter‘‘ bestand ent- weder aus Futtermehl, Gerstenschrot, Mais oder Melasse.

Die Kühe wurden dreimal im Tage gemolken. Aus der gemischten Mittagsmelkung wurde die Probe zur chemischen Untersuchung entnommen.

War der tägliche Milchertrag einer Kuh unter 6 l herab- gesunken, dann wurde sie geschlachtet.

An der Milch einer sechsten Kuh, welche nicht kastriert worden war und welche sich in demselben Stalle unter gleichen Futter- und Lebensbedingungen wie die fünf kastrierten Kühe befand, wurden ebenfalls systematische Aufzeichnungen des Milchertrages und systematische chemische Untersuchungen vor- genommen. Leider konnten die erhaltenen Zahlen aus einem später anzuführenden Grunde zur Kontrolle nicht herangezogen werden.

Das spezifische Gewicht der Milch wurde mit der hydro- statischen Wage bei 15° C bestimmt, Trockensubstanz und Asche nach den allgemein üblichen Methoden, der Fettgehalt endlich in Gerbers Flachbutyrometer.

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen seien im folgenden nur aus dem Grunde veröffentlicht, weil so weit ausgedehnte Beobachtungen der Laktation nach der Ovariotomie bisher in der Literatur nicht verzeichnet sind. Die vor der Operation von diesen Kühen gelieferte Milch stand mir leider nicht zur Verfügung.

Die Resultate der Beobachtungen und Untersuchungen folgen nunmehr in tabellarischer Form:

Die Kuh, die drei Monate vor der Kastration melkend war, gibt noch durch weitere 10 Monate Milch, also im ganzen 13 Monate.

Diese Kuh war schon 4 Monate vor der Kastration melkend und wurde 5 Monate nach dieser Operation der Schlachtung zugeführt; sie gab also durch 9 Monate Milch.

Zu diesem Falle sei noch bemerkt, daß bei der Kastration Pyometra konstatiert wurde. Die Operation wurde trotzdem zu Ende geführt. Ferner zeigte diese Kuh mehrmals nach der Kastration „Rindern“. Die Schlachtung ergab Lockerung

der Ligatur an einem Ovarium und Cystenbildung an dem- selben.

169

Milch kastrierter Kühe.

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Milch kastrierter Kühe, 175

Das Tier gab vor der Kastration 6 Monate lang Milch und nach der Kastration durch weitere 11 Monate; im ganzen also durch 17 Monate.

Die Kuh war 5 Monate vor der Kastration gemolken wor- den und gab bis zur Schlachtung noch ein Jahr Milch; im ganzen also 17 Monate.

Nach der Kastration zeigte diese Kuh durch längere Zeit schlechte Freßlust und wurde am 7./V. 1906 geschlachtet. Sie war 3 Monate vor der Kastration gemolken worden und gab noch durch 6 weitere Monate Milch, im ganzen also durch 9 Monate.

Die Laktationsperiode dauerte bei diesem Kontrolltiere 24 Monate.

Übersieht man nun die angeführten Daten und versucht sich daraus ein Bild über die Veränderungen zu bilden, die durch die Kastration hervorgerufen worden sind, so ist es nicht leicht, sofort zu einem einheitlichen, allen Fällen gerecht werden- dem Urteile zu kommen.

Bedingen ja doch vor allem anderen Unterschiede in der Rasse und im Alter auch beträchtliche Unterschiede in der Dauer der Laktationsperiode, in der Größe des Milchertrages und in der Zusammensetzung der Milch; man muß sogar mit erheblichen individuellen Unterschieden rechnen, für die man keinerlei Ursachen zu finden vermag.

Im allgemeinen soll bei diesen Betrachtungen von folgendem Gedanken ausgegangen werden. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß Tiere, welche ihrer Geschlechtsdrüsen beraubt worden sind, wenn sie gesund sind, zur Mast neigen; es sei nur kurz an die Mast der Ochsen, der kastrierten Eber, der Kapaune und Poularde erinnert. Auch am Menschen können ähnliche Beobachtungen gemacht werden. Fast sprichwörtlich ist ja die Fettleibigkeit der Eunuchen, und Frauen, an welchen die Ovari- otomie vorgenommen wurde, blühen, wenn sie von ihrer Krank- heit durch die Operation geheilt worden sind, auffallend rasch auf.

So wäre auch an der Kuh nach der Kastration eine Er- scheinung der Mast von vornherein zu erwarten. In dieser Beziehung muß aber die von der Kuh gelieferte Milch als etwas zur Kuh Gehöriges betrachtet werden. Es dürfen daher die Erscheinungen der Mast nicht nur am Körper, d. i. im Fleisch-

176 J. Rossmeisl:

und Fettansatze gesucht werden, sondern sie können sich auch in der Milch vorfinden und können sich dort äußern in der Verlängerung der Laktationsperiode, Erhöhung des Milch- ertrages, Erhöhung des Gehaltes an einzelnen Bestandteilen der Milch.

Nun müßte es wohl als reiner Zufall bezeichnet werden, wenn sich die Erscheinungen der Mast bei allen Versuchstieren in allen den aufgezählten Punkten zeigen würden, ja es dürfte auch kaum zu erwarten sein, daß sich bei allen Tieren, die ja verschieden alt sind und verschiedener Rasse angehören, in denselben Punkten Masterscheinungen aufweisen werden. Es werden vielmehr bei den verschiedenen Tieren die Erscheinungen der Mast auch in verschiedenen Punkten zu suchen sein. Aus diesem Grunde muß auch jeder Fall in jedem Punkte einzeln betrachtet werden.

Was zunächst nun die durch die Kastration bewirkte Ver- längerung der Laktationsperiode anbelangt, so kann natürlich hier nur die Zeit in Betracht kommen, während welcher die Tagesmenge der Milch rationell anzusprechen ist. Im allgemeinen nimmt man die Laktationsperiode einer unkastrierten Milchkuh mit durchschnittlich 300 Melktagen an, doch unterliegt diese Zeit hauptsächlich den Einflüssen der Rasse, des Individuums und des Alters. So versiegen z. B. Kuhländer Milchtiere, wenn wir den Angaben Werners!) folgen, mit 200 bis 250 Melktagen. Auch die Individualität spielt eine große Rolle, so ist bekannt, daß Kühe, die nach dem letzten Kalbe nicht mehr gravid geworden sind und auch nicht kastriert waren, 3 bis 4, ja sogar bis 5 Jahre Milch nach dem letzten Kalbe gaben. Unser Kontroll- tier Nr. 125, das nicht kastriert wurde, gibt durch 24 Monate Milch in einer Durchschnittsleistung von 8 Litern pro Tag. Es ist also als vereinzelter Ausnahmsfall zu betrachten, der zum Vergleiche nicht herangezogen werden kann. Überhaupt sind die Versuchsergebnisse bei dieser Kuh so eigentümliche, daß der Gedanke nicht von der Hand zu weisen ist, ob nicht diese Kuh steril geworden ist und daher einer kastrierten gleich- zustellen wäre.

Auch das Alter macht seinen Einfluß geltend, indem nach

1) Werner, Die Rinderzucht.

Milch kastrierter Kühe. 177

den Angaben von Fleischmann!) die größte Milchergiebigkeit mit dem 8. Jahre erreicht ist.

Betrachtet man nun die Resultate der 5 kastrierten Kühe nach den vorliegenden Gesichtspunkten bis zur Zeit ihrer Schlachtung, so stellen sich die Verhältnisse folgendermaßen:

Nr. 12: Murbodner, 6 Jahre alt, gibt 13 Monate Milch, durchschnittlich 71 pro Tag, beiläufige Jahresmenge 2600 kg.

Nr. 16: Mürztaler, 9 Jahre alt, gibt 9 Monate Milch, durch- schnittlich 71 pro Tag, beiläufige Jahresmenge 1940 kg®).

Nr. 71: Kuhländer, 10 Jahre alt, gibt 17 Monate Milch, durch- schnittlich 91 pro Tag, beiläufige Jahresmenge 3300 kg.

Nr. 100: Kuhländer, 7 Jahre alt, gibt 17 Monate Milch, durch- schnittlich 8,51 pro Tag, beiläufige Jahresmenge 3150 kg.

Nr. 102: Murbodner, 8 Jahre alt, gibt 9 Monate Milch, durch- schnittlich 6,81 pro Tag, beiläufige Jahresmenge 1870 kg’).

Folgt man den Angaben der landwirtschaftlichen Kreise über Milchleistung, so kann man mit den durch die Kastration erzielten Erfolgen in dieser Hinsicht nicht unzufrieden sein. So gibt Werner den Jahresdurchschnittsertrag bei der Murbodner Rasse auf 1500 bis 1800 oan und die Versuchstiere dieser Rasse Nr. 12 und Nr. 102 liefern nach den Aufzeichnungen 2600 kg (in 12 Monaten) und 1870kg (in 9 Monaten). Nach eben dieser Quelle, bei der die Leistungsfähigkeit der Kuhländer bei einer Laktationszeit von 200 bis 250 Tagen auf ungefähr 2500 kg Milch, bei besserer Haltung in der Umgebung von Wien auf höchstens 3000 kg angegeben werden, würden die günstigen Ein- flüsse der Kastration für die Versuchstiere dieser Rasse Nr. 71 und Nr. 100 augenscheinlich sein, da Nr. 71 (10 Jahre alt) bei einer Laktationszeit von 17 Monaten (517 Melktagen) ein Mindest- Jahresquantum von 3300 kg und Nr. 100 bei gleichlanger Lak- tationszeit in demselben Zeitraume eine Jahresleistung von 3150 kg Milch aufwies. Was die Versuchstiere der Mürztaler Rasse anbelangt, so gibt Werner deren durchschnittliche Jahres- menge auf 1500 bis 1800 kg Milch an und bewertet die ganz guten Tiere auf 3000kg Milch pro Jahr. Nr. 16 dieser Rasse (9 Jahre alt) gibt bis zur Schlachtung 9 Monate Milch in einer

1) Lehrbuch der Milchwirtschaft. 2?) Nr. 16 und Nr. 102 in 9 Monaten.

178 J. Rossmeisl:

Menge von mindestens 1950 kg bei einer durchschnittliohen Tages- leistung von 7 Litern. Es übertrifft also auch dieses Versuchs- tier, trotz der kurzen Versuchszeit, die mittlere Durchschnitts- leistung. Dabei ist aber auch noch die Krankheit der Kuh in in Betracht zu ziehen.

Was nun die angeblich durch die Kastration erlangte Mast- leistung anbetrifft, so dürfte man beim Vergleiche der nach- stehenden Angaben über Lebendgewicht zur Zeit der Kastration und Lebendgewicht zur Zeit der Schlachtung wohl zu einem nur wenig befriedigenden Resultate gelangen; doch sei andrer- seits hervorgehoben, daß auch keine erheblichen Gewichts- abnahmen stattgefunden haben.

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Lebendgewicht Lebendgewicht Dauernde Auf-

Nr. Rasse zur Zeit zur Zeit stellung nach der Kastration |der Schlachtung| Monaten

435 kg

490 kg

595 kg

515 kg 520 kg

Die Zusammensetzung der Milch der Versuchstiere kann in nachfolgender Tabelle, in welche die Durchschnittszahlen ein- gesetzt sind, ersehen werden.

N Trookensubstanz | Fettgehalt r $ = 8 l D e im Mittel | im Mittel

Murbodner

Diese Zahlen für Trockensubstanz und Fett ähneln sehr den genauen Aufzeichnungen von E. Ramm!) über die Melk- resultate und Analysen der Milch der Jersey- und Guernsey- Kühe in der akademischen Gutswirtschaft zu Bonn-Poppelsdorf. Es sind dies Zahlen, wie sie nur bei diesen besten Milchrassen gefunden worden sind. Namentlich fällt der Fettgehalt ganz

1) E. Ramm, Milchzeitung 1897, 26, 487—489.

Milch kastrierter Kühe. 179

besonders auf, wenn man bedenkt, daß nach Angaben von Fleischmann!) der mittlere Fettgehalt der Kuhmilch mit 3,25°/, im allgemeinen angenommen wird und nach dieser Quelle ein Fettgehalt von 4,5°/, als obere Grenze gilt. Nach- dem in den vorliegenden Versuchen eine größere Reihe von Beobachtungen vorliegt und der Fettgehalt konstant die obere Grenze erreicht oder in vielen Fällen sie sogar überschreitet, so kann man Zufälligkeiten wohl ausschließen und den hohen Fettgehalt nur der günstigen Einwirkung der Kastration nach dieser Richtung hin zuschreiben.

Allerdings sind die hier in Betracht kommenden Rassen solche, deren Milch fettreicher ist, als der Fleischmannschen Mittelzahl entspricht. So gibt Siedel*) den Fettgelialt der Milch der Murbodner Rasse im Mittel zu 4,05°/, an, den der Mürztaler Rasse im Mittel zu 3,58°/, an, König?) den der Mürztaler Rasse mit 4,16°/, und Werner") den der Kuhländer Rasse mit 3,5 bis 4,4°/, Mit Ausnahme des Versuchstieres. Nr. 71 werden auch diese Mittelwerte von den bei den Versuchs- tieren gefundenen Zahlen übertroffen, oft sogar in beträcht- lichem Maße.

Nr. | Eiweiß + Milchzuoker Milchasche in °/o in Ti 12 0,70 16 0,78 71 0,69 100 0,77 102 0,79

Fleischmann’) gibt die Menge an Eiweiß und Zucker im Mittel mit 8,10°/, an, König‘) für die Mürztaler Rasse im Mittel mit 8,07°/,, für die Kuhländer Rasse mit 7,94°/,, für die Jersey-Rasse beispielsweise mit 9,07°/,. Die Menge an Zucker

1) W. Fleischmann, Lehrbuch der Milchwirtschaft.

2) Siedel, Wiener landwirtschaftl. Zeitg. 1891, 20, 323.

3) König, Chemische Zusammensetzung der menschlichen Nahrungs-- und Genußmittel, Berlin 1903, 8. 162.

4) Werner, Die Rinderzucht, S. 271 und 382.

8) Fleischmann, Lehrbuch der Milchwirtschaft.

6) König, Chemische Zusammensetzung der menschlichen Nahrungs-. und Germußmittel S. 136, 162,

180 d. Rossmeisl:

und Eiweiß der Milch unserer Versuchstiere bewegt sich eben- falls in diesen Werten und zeigt eher eine Tendenz nach oben.

Auch die Milchasche hält sich in mittleren Grenzen, was wohl vermutet werden konnte, da bekannterweise der Aschen- gehalt in fast allen tierischen Flüssigkeiten eine ziemliche Über- einstimmung aufweist.

Um nun ein Gesamturteil über die Erfolge der Kastration bei den Versuchstieren zu gewinnen, seien die in den vorher- gehenden ` Zeilen gefällten Einzelurteile in einer Tabelle zu- sammengefaßt:

Lak 1 Gehalt der Milch

an Körper- An- ertrag E Zucker | gewicht | merkung Fett |} Eiweiß ee =

tations- periode

12 ver- erhöht | normal | Tkg zu- längert genommen 16] etwas nur erhöht | 8 3kg zu- | Pyometra, kürzer wenig i Ss : genommen | Cysten- erhöht B | bildung 71| beträcht- | erhöht | wenig ; & 15 kg ab- lich ver- unter dem | genommen längert Mittel 2 100 | beträcht- | erhöht | beträcht- S 10kg ab- lich ver- lich A genommen längert erhöht E 102] etwas kaum | erhöht 18kg zu- | schlechte kürzer | erhöht | | genommen | Freßlust

In dieser Tabelle läßt sich die Bestätigung des Gedankens, welcher am Eingange dieser Beobachtungen aufgestellt worden ist, nicht verkennen; die Masterscheinungen äußern sich tat- sächlich bei verschiedenen Individuen in verschiedener Be- ziehung, ja in einzelnen Punkten ist sogar ein Rückgang, sozu- sagen eine Abmagerung, wenn auch in bescheidenstem Maße, unverkennbar. Nichtsdestoweniger überwiegen in allen Fällen die „Masterscheinungen‘‘; dies würde jedenfalls sehr zugunsten der Kastration sprechen. Ohne mir auf Grund dieser Versuche ein endgültiges Urteil über den Wert dieses Eingriffes anmaßen zu wollen, sei nur soviel bemerkt, daß diese Ergebnisse jeden- falls sehr zur Aufstellung großer Versuchsreihen unter Berück- sichtigung aller erwähnter Umstände ermuntern.

Miloh kastrierter Kühe. 181

Betrachtet man insbesondere die Resultate der Versuche, welche an den beiden Kühen Nr.71 und Nr. 100 gewonnen wurden, so liegt der Gedanke nahe, daß die Rasse eine wichtige Rolle spielt. Es ist daher die Forderung Reisingers!) wohl anzu- erkennen, daß bei künftigen Versuchen der Hauptwert auf die glückliche Auswahl der zu kastrierenden Kühe in Berücksichti- gung der Rasse, des Alters und der Individualität gelegt werden muß, so daß neben der Behebung gewisser Krankheiten (Ovarial- erkrankungen usw.) oder Beseitigung mancher Unbequemlich- keiten (z. B. Stiersucht, Belästigung der anderen Tiere usw.) durch die Operation noch zugleich ein ökonomischer Vorteil der Kastration erreicht werden könnte.

1) Reisinger, Tierärztl. Centralbl. 1906, Nr. 6 u. 7.

Über Parthenogenese. Von

J. Traube.

(Aus dem physikalisch-ohemischen Institut der Technischen Hochschule zu Charlottenburg.)

(Eingegangen am 19. Januar 1909.)

In verschiedenen Abhandlungen!) habe ich die Ansicht ver- fochten, daß die osmotische Kraft in erster Linie bedingt ist durch die Oberflächenspannungsdifferenz (bzw. Binnendrucks- differenz) die beiden durch die Membran getrennten Flüssig- keiten. Eine wässerige Lösung von geringerer Oberflächen- spannung (gegen Luft) diosmiert in Richtung derjenigen von größerer Oberflächenspannung. Je mehr ein Stoff die Ober- flächenspannung des Wassers erniedrigt, um so größer ist nach Gibbs Prinzip sein Bestreben, in die Oberfläche zu wandern und so die Bedingungen zu schaffen, daß eine zweite Phase (beispielsweise ein Lipoid) denselben adsorbieren oder lösen kann. So kann man sich nicht wundern, wenn vielfach, aber nicht immer die Lipoidlöslichkeit und der Teilungskoeffizient der Erniedri- gung der Oberflächenspannung parallel geht.

Wenden wir diese Betrachtungen an auf die schönen Unter- suchungen von J. Löb über die Parthenogenese insbesondere durch Fettsäuren und ähnliche Stoffe, so ergibt sich folgendes:

Die Fettsäure wird von der Oberfläche des Eies auf- genommen, und zwar bei Gegenwart von Lipoiden um so leichter, je mehr die Länge die Oberflächenspannung des Wassers erniedrigt. Wird nun das so vorbehandelte Ei wieder in See-

1) J. Traube, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 105, 541 u, 559, 1904 und 123, 419, 1908. Verhdi. d Deutsch. physikal. Ges. 10, 880, 1908 und Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 42, 86, 1909.

J. Traube: Über Parthenogenese. 183

wasser gesetzt, oder in eine entsprechende Chlornatriumlösung, so ist eine Druckdifferenz vorhanden, welche, vom Innern des Eies nach außen wirkend, eine Sekretion veranlaßt, die zur Membranbildung führt. Jene Druckdifferenz ist um so größer, je mehr der betreffende Stoff die Oberflächenspannung des Wassers erniedrigt.

Hiernach wirkt ein in Wasser gelöster Stoff, beispeilsweise eine Säure in parthenogenetischem Sinne um so günstiger, je mehr der Stoff die Oberflächenspannung vermindert.

Auf diesen innigen Zusammenhang von Parthenogenese und Oberflächenspannung habe ich in meiner Abhandlung (Pflügers Arch. 123, 426 und 427) bereits hingewiesen. Da in- dessen Herr Löb in seiner soeben in dieser Zeitschr. 15, 254 erschienenen Arbeit über: Chemische Konstitution und physio- logische Wirksamkeit der Säuren meine Ausführungen mit keinem Worte erwähnt hat, so möchte ich auf Grund der neueren schönen Versuchsergebnisse von Löb deren Berechti- gung und vor allem deren Vorzüge vor den Annahmen von Löb dartun.

Nach Löb nimmt die parthenogenetische Wirksamkeit der Fettsäuren sehr erheblich zu mit wachsendem Molekulargewicht.

Folgendes sind nach meinen früheren Untersuchungen!)

bei 15°C die Capillaritätskonstanten y = EX in mg mm für

SI. wäßrige Fettsäurelösungen

715 Wasser . . 2 2020202020. 7830 n/, Ameisensäure . . . . . . 714 Essigsäure . . . . . . . 6,8l vw Propionsäure . . . , . . 613 Buttersäure . . . . . . 489 JIsobuttersäure . . . . . 482 Isovaleriansäure . . . . 3,56

Die Oxyfettsäuren haben nach J. Löb eine wesentlich ge- ringere Wirkung auf die Membranbildung (Oxybuttersäuren usw.).

Folgende Zusammenstellung zeigt die diesem Verhalten entsprechende erhebliche Zunahme der Oberflächenspannung ~ beim Eintritt der Hydroxylgruppe.

1) Liebigs Ann. 265, 30. Biochemische Zeitschrift Band 16. 13

184 J. Traube:

716 SI Essigsäure . . . . . . . 6,8l Glykolsäure . . . . . . 7,24 a Isobuttersäure nn. 4,82 Oxyisobuttersäure . . . . 6,45

Noch wesentlich geringer (im Vergleich mit Oxybuttersäure und Oxypropionsäure) ist die parthenogenetische Wirksamkeit der zwei- und mehrbasischen Säuren. Diesem Verhalten ent- spricht ihr capillares Verhalten

Yıs al, Oxalsäure . . . . .. 727 Bemsteinsäure . . . . . 7,08 Weinsäure . . . 2.20.20. 7,2% Citronensäure e be e EH

Die geringste Wirksamkeit nach Lob entfalten die starken Mineralsäuren (HCl, HNO, und H,SO,), und von diesen kommt die schwächste Wirksamkeit, der Schwefelsäure hinzu.

Die Konstanten der Oberflächenspannungen!) sind:

Jus n/, Chlorwasserstofsäure . . . 7,28 Salpetersäure . . . HS) Schwefelsäure . . . . . . 7830

Von weiteren Stoffen, welche durch Zusatz zum Seewasser leicht eine Membranbildung verursachen, nennt Löb: Chloro- form, Amylien, Benzol, Toluol usw., Benzoesäure, Saponin, Solanin, gallensaure Salze usw.

Alle diese Stoffe erniedrigen die Oberflächenspannung des Wassers, wenn sie mit demselben in Berührung, oder in dem- selben gelöst sind, in hohem Maße.

Fettsaure Salze, wie Natriumacetate, sind nach Löb nicht ganz unwirksam, aber bei weitem nicht so wirksam, wie die freien Fettsäuren.

Die Konstante der Oberflächenspannung ist für

Zus SI Natriumacetat . . . . . 731 Essigsäure . . . . . . . 6,8l

1) Traube, Verhdl. d. Deutsch. physikal. Ges. 10, 891, 1908.

Über Parthenogenese. 185

Man erkennt, daß die Übereinstimmung meiner Annahmen mit den Versuchsergebnissen von Löb durchaus befriedigend ist. Daß übrigens noch sekundär konstitutionelle Einflüsse bei der Parthenogenese mitwirken können, soll nicht in Abrede gestellt werden.

Dagegen kann ich den Annahmen von Löb 1l. o. nicht zustimmen. Löb meint, daß der Teilungskoeffizient im Sinne von Overton sowie die Geschwindigkeit der Osmose maßgebend ist, und daß Säuren, wie beispielsweise die starken Mineral- säuren, welche in Lipoiden unlöslich sind, in der Weise wirken, daß sie aus den in der Hülle des Eies etwa vorhandenen fett- sauren Salzen die Säuren freimachen.

Wäre diese Annahme richtig, so wäre es unverständlich, weshalb die starken Mineralsäuren nicht besser, sondern schlechter wirken als die zweibasischen organischen Säuren, und wenn der Teilungskoeffizient Öl: Wasser maßgebend wäre, dann dürften die genannten Säuren, ja selbst die Milchsäure, Oxybutter- säure und Stoffe wie Natriumacetat usw. überhaupt nicht wirk- sam sein, da ich kürzlich!) gezeigt habe, daß ein in Wasser gelöster Stoff nur dann in eine zweite lipoide Phase eintritt, wenn die Oberflächenspannungserniedrigung der wäßrigen Phase einen gewissen Schwellenwert überschreitet. So geht beispiels- weise beim Schütteln alkoholischer oder essigsaurer Benzollösungen mit Wasser sämtlicher Alkohol, bzw. Essigsäure in das Wasser über, da die Oberflächenspannungserniedrigung des Wassers durch Äthylalkohol oder Essigsäure jenen Schwellenwert nicht erreicht. Die fernere Annahme Löbs, daß die Geschwindigkeit des Eintritts der Säuren in die Eizelle für ihr Verhalten maß- gebend sein soll, steht mit den Werten der Diffusionskonstanten der freien Säuren in schroffstem Widerspruch, und die Behaup- tung Löbs, daß die Eier zu ihrer Entwicklung in reines See- wasser zurückgebracht werden, weil die freien Wasserstoffjonen schädlich seien, ist doch recht unbefriedigend.

Nach meiner Ansicht ist es allerdings nötig, daß die be- treffenden Säuren in die Oberfläche des Eies eindringen (oder adsorbiert werden), aber es ist gleichgültig, ob dieselben, wie etwa die höheren Fettsäuren von den Lipoiden des Eies oder

1) Verhdl. d. Deutsch. physikal. Ges. 10, 901, 1908. 13*

186 J. Traube: Über Parthenogenese.

wie die zweibasischen Säuren usw. von der kolloidalen wäßrigen Phase gelöst werden. Ein sekundärer Faktor ist auch die Geschwindigkeit des Eindringens.

Maßgebend aber ist die eapillare Druckdifferenz, welche infolge des Eindringens (oder der Adsorption) zwischen der Oberfläche des Eies und dem umgeben- den wäßrigen Medium sich herausbildet.

Für ein Ei, welches beispielsweise Buttersäure aufgenommen hat, ist diese Druckdifferenz in buttersäurehaltigem Seewasser 0 oder sehr gering, sie ist aber groß in buttersäurefreiem See- wasser, und noch ein wenig größer, wenn dasselbe hyper- tonisch ist.

Diese Deutung, welche ich den interessanten Versuchs- ergebnissen von Löb hiernach gebe, verdient schon deshalb Beachtung, weil es sich im vorliegenden Falle nur um einen Spezialfall von zahlreichen biologischen, physiologi- schen und pathologischen Vorgängen handelt, auf welche sich meine experimentell begründete Annahme über das Wesen der osmotischen Kraft mit gleichem Erfolge anwenden läßt. !) Ich erinnere an die Hämolyse der Blutkörperchen, die nar- kotische und baktericide Wirkung gewisser Stoffe usw.

Schließlich möchte ich mir erlauben, an Herrn Löb die Frage zu richten, ob Säureester eine wesentlich geringere parthenogenetische Wirksamkeit entfalten als die isomeren Fett- säuren, denn da auch zahlreiche nicht saure Stoffe membran- bildend wirken, so wäre es doch bedeutungsvoll, zu wissen, ob. und wie weit überhaupt die ‚„Säurenatur der wirksamen Stoffe‘ mitwirkt.

1) Traube, Pflügers Arch. 105, 541 u. 559, 1904 und 123, 419. 1908. und diese Zeitschr. 10, 371—403, 1908. Traube und Blumenthal, Arch. f. experim. Pathol. u. Phbarmakol. 2, 117, 1905.

Zur Kenntnis des Kephalins. Von

Fritz Falk, Graz. (Aus dem physiologisch-ohemischen Institut in Straßburg.) (Eingegangen am 21. Januar 1909.)

Wie ich in meiner Arbeit über die Zusammensetzung der peripheren Nerven erwähnt habe,!) weisen die vorliegenden An- gaben über das Kephalin keine befriedigende Übereinstimmung auf. Besonders auffällig ist aber, daß sich mir die Zusammen- setzung des aus Menschenhirn einerseits, aus menschlichem Ischiadicus andererseits erhaltenen Kephalins als wesentlich ver- schieden herausstellte, obgleich die Darstellungsmethode in beiden Fällen die gleiche war. Das Hirnkephalin ergab ein Verhältnis von P:N gleich 1:2, während sich für das Ischiadicuskephalin das Verhältnis 1:1 ermitteln ließ, letzteres in Übereinstimmung mit den von Thudichum, Koch und Cousin für Gehirn- kephalin erhaltenen Werten. Ich habe damals bemerkt, daß die beobachteten Verschiedenheiten auf die Existenz mehrerer der Kephalingruppe angehöriger Individuen hinzudeuten scheinen, und habe weitere Untersuchungen in Aussicht gestellt.

Leider habe ich die Absicht, auf diesem Wege die Natur des Kephalins aufzuklären, aus äußeren Gründen aufgeben müssen. Im nachstehenden teile ich nur die mir schon bei Publikation der angeführten Arbeit vorliegenden Beobachtungen mit, soweit sie zur Erläuterung des dort geäußerten und zur - Förderung weiterer einschlägiger Versuche dienen können.

I. Darstellung des Kephalins.

Frisches Menschenhirn wird von seinen Häuten, von gröberen Gefäßen und von Blut gereinigt, durch ein feines Sieb getrieben,

1) Diese Zeitschr. 18, 153.

188 Fr. Falk:

der Brei auf Glasplatten aufgestrichen und bei einer 50° nicht übersteigenden Temperatur getrocknet.

Benzolextraktion. 500g dieses sich fettig anfühlenden Trockenpulvers werden mit ca. 21 Benzol im Kolben 8 Stunden kochend extrahiert. Die dunkelbraun gefärbte, grünlich fluores- cierende Lösung wird kalt vom unlöslichen Rückstand abge- saugt, letzterer getrocknet, fein gepulvert, und die Extraktion so oft wiederholt, bis frisches Extraktionsmittel nichts mehr aufnimmt. Die Extrakte werden vereinigt und das Benzol durch Destillation im Vakuum bei 50° vollständig entfernt. Es bleibt eine braune, zähe, schaumige Masse zurück.

Acetonbehandlung. Diese Masse wird mit ca. 1 1 Aceton übergossen und auf dem Wasserbad mit Rückflußkühler längere Zeit gekocht. Das Lösungsmittel färbt sich dabei gelb. Aus dem heißen Filtrat krystallisiert beim Erkalten Cholesterin aus. Es werden, solange viel Cholesterin in Lösung ist, auch Cere- broside und Phosphatide, die an sich darin unlöslich sind, auf- genommen. Auch Kephalin kann nachgewiesen werden. Der in heißem Aceton unlösliche Rückstand bleibt, am Gilase haftend, als zähflüssige Masse zurück. Die Acetonbehandlung wird öfters wiederholt, bis alles Cholesterin extrahiert ist. Die späteren Auszüge sind immer weniger gefärbt.

Ätherbehandlung. Die zurückgebliebene erkaltete Masse wird mit 2 bis 31 wasserfreiem Äther versetzt. Dabei gehen gefärbte Substanzen in Lösung und ein weißer Niederschlag setzt sich ab. Zum gründlichen Dekantieren muß der Kolben mit der Lösung 24 Stunden im Eisschrank stehen bleiben. Ist die Lösung über dem Niederschlag nicht vollständig klar, so wird die ganze Flüssigkeit zentrifugiert. Der Niederschlag, öfters mit Ather gewaschen, trocknet zu einer leicht gelben, harten, wachsartigen Masse ein. Es handelt sich um die Haupt- menge der Cerebroside. Die ätherische Lösung soll auch nach dem Einengen keinen Niederschlag geben.

Diese Lösung enthält die große Menge der Phosphatide. Im durchfallenden Licht ist sie dunkelbraunrot gefärbt, im auf- fallenden Licht zeigt sie sehr deutliche grüne Fluorescenz, wie dies gewöhnlich Kephalinlösungen tun.

Alkoholbehandlung. Die eingeengte ätherische Lösung wird mit der mehrfachen Menge absoluten Alkohols versetzt,

Zur Kenntnis des Kephalins. 189

wobei das Kephalin als lichtgelber flockiger Niederschlag aus- fällt und durch Zentrifugieren von der Äther-Alkohollösung ge- trennt wird. Hat man mit wasserfreien Lösungsmitteln ge- arbeitet, und war bei der Ätherbehandlung der Lösung keine Gelegenheit gegeben worden, Wasser aus der Luft aufzunehmen, so fällt schon nach dem ersten Alkoholzusatz das Kephalin flockig aus. Im anderen Fall setzt sich an den Wänden des Gefäßes ein brauner schleimiger Niederschlag ab. Dieser muß wieder mit wasserfreiem Äther aufgenommen und mit Alkohol gefällt werden.

Aus der Äther-Alkohollösung kann man dann neuerdings Kephalin gewinnen, indem man im Vakuum abdestilliert, den Rückstand mit wenig Äther löst und wieder mit Alkohol fällt. Die Kephalinniederschläge werden gesammelt und im Vakuum über Schwefelsäure aufbewahrt. Die auf diese Weise erhaltene Ausbeute an Rohkephalin beträgt ca. 10°/, des trockenen Ausgangsmaterials.

Reinigung. Da alle Versuche Kephalin krystallisiert zu erhalten, fehlschlugen, so habe ich mich bei der Reinigung des Kephalins, wie auch Koch und Cousin, auf die Anwendung von Lösungsmitteln beschränkt. Bei der Veränderlichkeit des Kephalins schien mir die Anwendung eingreifenderer Reagenzien (Salzsäure, Metallsalze) nicht rätlich.

Das Rohkephalin wurde demnach wiederholt in Äther ge- löst und mit Alkohol gefällt, der Niederschlag mit absolutem Alkohol ausgekocht. Ein Präparat wurde überdies mit heißem Essigäther gelöst, aus dem das Kephalin beim Erkalten wieder ausfiel.

II. Eigenschaften und Zusammensetzung.

Da meine Kephalinpräparate bei der Analyse eine von den vorliegenden Angaben abweichende Zusammensetzung ergaben, seien deren Eigenschaften kurz angeführt, obgleich sie in der Hauptsache den Beobachtungen von Thudichum'!) und von Koch?) entsprechen.

Das erhaltene Kephalin war ein amorphes, lichtgelb ge- färbtes, sehr stark hygroskopisches Pulver von deutlich elektri-

1) Chemische Konstitution des Gehirns. Tübingen 1901. 2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 35 u. 37.

190 Fr. Falk:

schen Eigenschaften. Wurde etwas davon mit Essigäther ver- rieben und letzterer im Vakuum abgedunstet, so ließ der Rück- stand zwischen gekreuzten Nicols betrachtet Doppel- brechung und Farbenwechsel erkennen. Krystalle waren nie wahrnehmbar. Es war gut löslich in Ather, Chloroform, Benzol, Schwefelkohlenstoff, schlechter löslich in Eisessig, unlöslich in kaltem und warmem absoluten Alkohol und Aceton. In heißem Essigäther löste es sich und fiel beim Erkalten zum Teil wieder sus, desgleichen im Amylalkohol. In Chloroform, Eisessig oder Schwefelkohlenstoff gelöst wurde es durch Aceton im Überschuß schlechter gefällt als durch Alkohol. In Äther war es in allen Ver- hältnissen löslich und fiel bei Abkühlung der Lösung auf bis 10° in leichten Flocken aus. In Wasser aufgenommen quoll es auf, löste sich zu schleimigen Fäden und gab schließlich eine auch in stärkeren Konzentrationen gut haltbare kolloidale Lösung. Daraus wurden mit den meisten Reagenzien Kephalin- verbindungen ausgefällt, die teils ein gequollen-gelatinöses, teils ein mehr oder weniger voluminös-flockiges Aussehen hatten. Koch hat eine Reihe solcher Fällungen genauer beschrieben. Der Schmelzpunkt wurde bei wiederholter Darstellung zwischen 176 bis 180° gefunden. Es schmolz zu gelben öligen Tropfen und zersetzte sich erst bei etwas höherer Temperatur. Ein über Schwefelsäure im Vakuum aufbewahrtes Präparat wurde nach ca. 3 Monaten verändert gefunden. Es roch ranzig und zersetzte sich jetzt über 130° ohne zu schmelzen.

Zur Analyse kamen 2 Präparate, welche die in meiner früheren Arbeit angeführten Zahlen ergaben.

C H N P Präparat I. ...... 56,74 9,03 2,91 3,28 2,90 Präparat II ...... 57,56 9,21 2,59 3,08 2,93 3,23

P:N in Präparat I = 1: 1,96

in Präparat II —= 1: 1,93 Wie schon erwähnt, enthielten meine Präparate im Ver- hältnis zum Phosphor einen doppelt so hohen Stickstoffgehalt, als er sonst bei Kephalinpräparaten beobachtet ist. Thu- dichum weist auf die Existenz eines Amidokephalins hin. Bei dem Umstand, daß es bisher nicht gelungen ist, das Kephalin

Zur Kenntnis des Kephalins. 191

krystallisiert zu erhalten, möchte ich mich jedoch weiterer Schlußfolgerungen enthalten.

III. Oxydation der Kephalinsäure.

Die Spaltungsprodukte des Kephalins sind vonThudichum!) und von Cousin?) studiert werden. Thudichum hydrolysierte mit kaustischem Natron und mit Baryt. Unter den Spaltungs- produkten fand er Glycerinphosphorsäure, drei verschiedene Basen, wovon er eine als Neurin anspricht, und zwei Fettsäuren, und zwar Stearinsäure, deren Schmelzpunkt meist etwas unter 69,5° lag, und eine flüssige, ungesättigte Fettsäure, der er den Namen Kephalinsäure gab. Durch diese „spezifische‘‘ Fett- säure soll die Gruppe der Kephaline in ähnlicher Weise charak- terisiert sein, wie die Lecithane durch die Ölsäure. Er analy- sierte verschiedene Präparate von kephalinsaurem Barium. Die aus den gefundenen Werten berechneten Formeln schwanken zwischen Bai, ,H,,0,),, B&a(C,,H,,0,), und Ba(C, H. O,),.

Cousin untersuchte bloß die Fettsäuren. Er spaltete sein Kephalinpräparat zuerst 2 bis 3 Stunden mit verdünnter Salz- säure, dann 15 bis 16 Stunden mit alkoholischer Natronlauge, und fand zwei Arten von Fettsäuren.

l. feste, gesättigte, unter diesen eine Stearinsäure, die er mit der gewöhnlichen Stearinsäure identifiziert, und

2. flüssige, ungesättigte, unter diesen eine Fettsäure, die er als der Linolsäurereihe angehörig bezeichnet. Er nennt sie ebenfalls Kephalinsäure und berechnet aus den Analysenzahlen für die freie Säure die Formel C ,H,,0,. Eine der Ölsäure ent- sprechende Fettsäure fand er nicht.

Zur Spaltung meiner Kephalinpräparate verwandte ich, da meine Hauptaufmerksamkeit auf die Kephalinsäure gerichtet war, Barythydrat. Es zeigte sich bald, daß zur vollständigen Ab- sättigung der entstehenden Spaltungsprodukte sehr viel Barium- hydroxyd notwendig war. Es wurde dabei so verfahren, daß Kephalin in Portionen von 20 bis 25g in dem 100fachen Ge- wicht destillierten Wassers zu einer gleichmäßigen Emulsion gelöst, und allmählich zu der in einem geräumigen Silberkessel

1) a. a. O. 2) Journ. d. Pharm. et Chim. [6] 24, 101, 1906.

192 Fr. Falk:

befindlichen heiß gesättigten Barytlösung zugesetzt wurde. Das Kochen wurde 12 bis 16 Stunden unterhalten. Nach dieser Zeit enthielt der ätherische Auszug aus einer Probe des filtrierten Rückstandes keinen Phosphor mehr, so daß ich annehmen konnte, daß alles Kephalin bis zu den Fettsäuren gespalten war. Nun wurde die ganze Flüssigkeit heiß abgesaugt und der Rückstand mit heißem Wasser bis zum Verschwinden der alka- lischen Reaktion nachgewaschen.

In dem wässerigen Filtrat konnte ich nach Entfernen des über- schüssigen Bariums mit Kohlensäure, Einengen der Flüssigkeit bis zur Trockene und Extraktion der alkohollöslichen Substanzen, in dem Rüok- stand Glycerinphosphorsäure nachweisen. Unter den alkohollöslichen Substanzen suchte ich nach den stickstofihaltigen Basen, doch ohne Erfolg.

Das auf dem Filter zurückgebliebene lichtgelbe Pulver enthielt die Bariumsalze der Fettsäuren und außerdem phosphor- saures und kohlensaures Barium. Es wurde in den ersten Versuchen gut getrocknet und im Soxhletapparat in kleinen Portionen mit Äther extrahiert.

Da diese Extraktion längere Zeit in Anspruch nahm und schlechte Ausbeuten gab, so wurde bei weiteren Versuchen das gesamte pulverige Gemenge zunächst mit einer Lösung von kohlensaurem Ammonium auf dem Wasserbade eingedampft, der Rückstand mit Ammoniakwasser aufgenommen und die Lösung mit Chlorbarium versetzt, wodurch die Bariumseifen der Fettsäuren ausfielen. Diese wurden auf einem Filter ge- sammelt, mit Wasser gründlich nachgewaschen, auf dem Wasser- bad und nachträglich im Vakuumexsiccator getrocknet. Das trockene Pulver wurde in einem Kolben mit viel wasserfreiem Äther versetzt und nach Zufügen von Tierkoble am Rückfluß- kühler eine Zeit lang im Sieden erhalten.

Durch die Behandlung mit Äther wurden die ätherlöslichen fettsauren Bariumsalze von den ätherunlöslichen getrennt. Aus den letzteren wurde nach Zerlegen mit Säure und öfterem Um- krystallisieren aus Alkohol eine in zarten Plättchen krystalli- sierende Fettsäure mit dem Schmelzpunkt 65 bis 66° gewonnen. Es ist dies der Schmelzpunkt der von Cousin und Thudichum aus dem Kephalin isolierten Stearinsäure.

Die Lösung der ätherlöslichen Barytseifen war vollständig klar, dunkelbraunrot gefärbt und zeigte grüne Fluorescenz.

Zur Kenntnis des Kephalins. 193

Sie verhielt sich nicht nur dem Aussehen, sondern auch den Fällungsereaktionen nach ähnlich einer ätherischen Kephalin- lösung. Sie wurde eingeengt und mit Alkohol im Überschuß gefällt, das in lichtgelben Flocken ausfallende kephalinsaure Barium abzentrifugiert, mit absolutem Alkohol nachgewaschen und getrocknet.

Kephalinsäure. Wurde die Bariumseife mit Salzsäure gespalten, so fiel die freie Fettsäure in groben Flocken aus, die gesammelt und mit Wasser gewaschen eine pastöse, gela- tinöse Masse gaben. Die Kephalinsäure ist auch in Aceton und Alkohol gut löslich. Krystallisstionsversuche mit der freien Fettsäure blieben ohne Erfolg. Da die freie Säure und ihre Salze die für analytische Zwecke verlangte Gewähr der Rein- heit nicht boten, so wurde zunächst versucht, in anderer Weise zu einem krystallinischen, gut definierbaren Derivat zu gelangen.

Bromierung führte nicht zum Ziel Dem in Eisessig gelösten kephalinsauren Barium wurde in der Kälte Brom tropfenweise zugesetzt. Die Flüssigkeit entfärbte anfangs das zugeführte Brom sehr rasch, später langsamer. Es trat dabei ein feiner flockiger Niederschlag auf, der als bromierter Körper nachgewiesen werden konnte und eigentümliche Lösungs- verhältnisse zeigte. Ein krystallinisches oder doppelbrechendes Reaktions- produkt konnte ich nicht erhalten.

Befriedigende Resultate gab die Oxydation mit Kalium- permanganat.

Hazura und Friedreich!) oxydierten eine Anzahl von flüssigen, ungesättigten der Linolsäurereihe angehörenden Fett- säuren mit Permanganat bei alkalischer Reaktion und erhielten krystallisierende Polyoxyfettsäuren mit charakteristischem Schmelzpunkt. Saytzeff?) bediente sich des Permanganates zur Oxydation der Ölsäure, aus der er eine Dioxystearinsäure vom Schmelzpunkte 136,5° erhielt.

Es lag nahe, einen ähnlichen Versuch mit der Kephalin- säure zu machen.

Kephalinsaures Barium wurde mit einer wässerigen Lösung von Kaliumcarbonat gekocht, das Bariumcarbonat durch Zentri- fugieren von der opalisierenden Lösung getrennt. Die letztere wurde in einen großen Kolben gebracht, mit ca. 50 com kon-

1) Monatshefte f. Chem. 1887. 2) Journ. f. prakt. Chem. 2.

194 Fr. Falk: Zur Kenntnis des Kephalins.

zentrierter Kalilauge versetzt, stark verdünnt und durch all- mähliches Einführen einer 3°/,igen Kaliumpermanganatlösung anfangs bei gewöhnlicher Temperatur, später unter Erwärmen oxydiert. Die Entfärbung ging anfangs prompt vor sich. Nach beendeter Oxydation war der Niederschlag des braunroten Mangansuperoxyds suspendiert in einer farblosen, wasserklaren Lösung. Es wurde nun soviel Natriumbisulfitlösung eingebracht, bis auf Zusatz von Salzsäure der Braunsteinniederschlag sich vollständig löste. Als saure Reaktion eingetreten war, fiel reichlich ein flockiger weißer Niederschlag einer Fettsäure aus. Dieser wurde auf ein Filter gebracht, gründlich mit Wasser gewaschen und im Exsiccator getrocknet.

Die erhaltene Fettsäure wurde in Aceton gelöst, von den anorganischen Beimengungen befreit, und nach dem Einengen die konzentrierte Lösung der Krystallisation überlassen. Es krystallisierten zarte kugelförmige Gebilde aus, die unter ge- eigneten Bedingungen zu großen scholligen Formen zusammen- wuchsen. Mikroskopisch zeigten die Krystallaggregate im durch- fallenden Licht stellenweise eine konzentrische Schichtung.

Der Schmelzpunkt ging nach öfterem Umkrystallisieren von 100° bis 122° hinauf. Die bei der letzten Krystallisation schön ausgebildeten Krystallgruppen wurden für die Analyse verwendet. Sie gaben ein etwas gelb gefärbtes Pulver mit dem Schmelzpunkt 122°,

0,0882 g Substanz gaben 0,2214 g CO, resp. 68,46°/, C

0,0973g H,O resp; 12,34°/, H

Berechnet für Berechnet für = bangen: C,,H3s0, C,H30, C = 68,46°/, C = 69,03/, C = 68,30°/, H = 12,34 H = 11,590/, H 11,47°j, O = 19,200), O = 19,38°/, O = 20,23°0/,

Der Wasserstoffwert ist offenbar zu hoch, die berechnete Formel daher nur von orientierendem Wert. Näheres über die Natur der Substanz sollen weitere im hiesigen Laboratorium in Gang befindliche Untersuchungen lehren.

Über das Nucleoproteid des Eiters. Von Ferdinando Strada, Pavia. (Aus dem physiologisch-ohemischen Institut zu Straßburg.) (Eingegangen am 21. Januar 1909.)

L

In einer 1837 erschienenen Dissertation hat Güterbock!} darauf aufmerksam gemacht, daß sich im Eiterserum neben anderen Eiweißstoffen ein durch Essigsäure fällbarer, im Über- schuß der Säure unlöslicher Eiweißkörper findet. Er suchte- ihn in der Art zu isolieren, daß er Eiter mit kochendem Alkohol koagulierte, die Flüssigkeit kolierte und den Nieder- schlag mit Wasser auszog. Dabei ging der durch Essigsäure- fällbare Körper neben wenig Eiweiß in Lösung, während die Hauptmasse der Eiweißstoffe ungelöst zurückblieb. Güterbock nannte den Körper Pen", Er ist seitdem von den Autoren. öfters erwähnt, aber nur sehr unvollkommen untersucht worden.

C. G. Lehmann?) gibt an, daß sich das Pyin nicht in jedem Eiter findet. Im Wundeiter gesunder Personen soll es. ganz fehlen.

Boedeker?) fand ee im Eiter bei Phosphornekrose und. in einem Muskelabsceß, vermißte es aber in einem Senkungs- abeceß.

Scherer*) versuchte die Zusammensetzung des Pyins zu. ermitteln. Er koagulierte die eitrige Flüssigkeit durch Kochen,

1) L. Güterbock, De pure et granulatione. Berlin 1837.

2) C. G. Lehmann, Lehrb. d physiol. Chem. 8, 135, 1853, 2. Aufl.

3) Boedeker, Kleine Beiträge zur chemischen Kenntnis des Eiters. Zeitschr. f. rat. Med. 6, 1, 188, 1855. NR

4) J. Scherer, Chemische und mikroskopische Untersuchungen zur Pathologie. Heidelberg 1843.

196 F. Strada:

fällte das Filtrat mit Alkohol und extrahierte den Niederschlag nacheinander mit kochendem Alkohol, mit Äther und Wasser, bzw. als sich der Niederschlag etwas wasserlöslich erwies, mit verdünntem Alkohol. Ein Präparat, das aus dem durch Ein- schnitt entleerten Eiter einer Struma inflammatoria stammte, gab nach Abzug der reichlich vorhandenen, vorzugsweise aus Kalk und Phosphorsäure bestehenden Asche folgende Zahlen: C = 54,856 H = 7,257 N = 15,339 °/,..

Die Analyse eines zweiten Präparats, das Scherer selbst für minder zuverlässig erklärt, ergab:

O = 52,147 H = 7,206 N = 22,361 °/,.

Hoppe-Seyler!) bemerkt, daß er bei wiederholten Ver- suchen weder im Eiterserum noch in den Eiterkörperchen „Pyin‘‘ angetroffen habe.

Hingegen spricht sich Hammarsten?) dahin aus, daß der Eiter bisweilen, nämlich wenn er längere Zeit im Körper ver- weilt habe, ein, wie es scheint, durch Maceration der Eiter- zellen aus der hyalinen Substanz derselben entstandenes Nucleo- albumin oder Nucleoproteid enthalte, das von Essigsäure gefällt und von überschüssiger Säure nur sehr schwer gelöst werde. Er hält es für das Pyin älterer Autoren. Dieses scheine daher ein Nucleoproteid zu sein.

II. Darstellung und Zusammensetzung des Nucleoproteids.

Auf Wunsch von Prof. Hofmeister habe ich mich bemüht, größere Mengen des wenig studierten Körpers darzustellen und ihn der Analyse zuzuführen.

Die von mir untersuchten Eiterproben stammten zumeist aus vom Chirurgen entleerten Kongestionsabscessen. Es gelang gelegentlich erhebliche Mengen von Eiter (bis zu 2!/, Liter) zu erhalten. In einem Fall wurde der Eiter bei der Autopsie gewonnen. Daneben habe ich auch nichttuberkulösen Eiter untersucht, in dem Streptokokken und Staphylokokken nach- gewiesen waren. In der Regel wurde der Eiter vor der Ver- arbeitung der Autolyse unterworfen. Da der Eiter schon beim Verweilen in der Eiterhöhle autolytische Veränderungen

5) F. Hoppe-Seyler, Physiol. Chem., 787, 1881. €) O. Hammarsten, Lehrb. d. physiol. Chem., 267, 1907, 6. Auflage.

Über das Nucleoproteid des Eiters. 197

durchmacht, so erscheint die Autolyse des entleerten Eiters nur als eine Weiterführung der in vivo begonnenen Verände- rungen. In der Tat nimmt auch der aus ganz frischen Abs- cessen entleerte Eiter bei der Autolyse zusehends eine Be- schaffenheit an, die dem Eiter chronischer Prozesse ähnelt.

Für die Darstellung des Pyins ist die bei der Autolyse statthabende Selbstverdauung von großem Vorteil, da sie seine Trennung von anderen weniger widerstandsfähigen Eiweiß- stoffen außerordentlich erleichtert.

Ich verfuhr in der Regel wie folgt: Die eitrige Flüssigkeit wurde in der Schüttelmaschine mit einem Überschuß von Toluol aufs innigste gemischt; dann 2 bis 4 Wochen im Brutofen bei 40°C gehalten, wobei sich zwei Schichten bildeten; eine untere durchsichtige von grüner oder grünbrauner Farbe, und eine obere rahmähnliche von gelblichem Ton. Wenn sich diese Trennung vollzogen hatte, dekantierte ich die rahmähnliche Schicht ab, filtrierte die untere durchsichtige Flüssigkeit und versetzte sie (nach Verdünnung mit 1 bis 2 Volumen Wasser) mit 2—3°/ iger Essigsäure, bis der ausfallende schleimig-flockige ` Niederschlag nicht mehr zunahm.

Ähnlich verfuhr ich mit Eiter aus chronischen Abscessen, wo von der Autolyse abgesehen wurde. Der Eiter wurde mit 2 bis 3 Volumen 0,9°/ iger Kochsalzlösung versetzt, in der Schüttel- maschine geschüttelt, dann zentrifugiertt. Der genügend klare Teil der Flüssigkeit wurde dann mit Essigsäure gefällt.

Die Ausbeute an der essigsäurefällbaren Substanz war an- scheinend bei autolysiertem tuberkulösen Eiter am reichlichsten, etwas geringer bei autolysiertem Staphylokokken-Eiter und bei tuberkulösem nicht autolysierten Eiter.

Der Essigsäureniederschlag wurde durch Filtrieren oder durch Zentrifugieren gesammelt, unter Zusatz von möglichst wenig Lauge in Wasser gelöst, die verdünnte Lösung filtriert, neuerdings mit Essigsäure ausgefällt und die Umfällung noch zwei bis dreimal wiederholt.

Dabei verlor die Substanz allmählich ihre ursprüngliche schleimige und fadenziehende Beschaffenheit; die Fällung er- schien schließlich kleinflockig.

Die mit Wasser, Alkohol und Äther erschöpfte, erst im Vakuum, zuletzt bei 100° getrocknete Substanz, stellte ein

198 F. Strada:

weißes bis gelbliches Pulver dar. Sie war in Essigsäure un- löslich, löste sich, wenngleich schwierig, in verdünnter Lauge, und zeigte die allgemeinen Eiweißreaktionen. Sie enthielt eine erhebliche Menge von Phosphor. Nachstehend die Zusammen- setzung von verschiedenen Präparaten (Schwefel wurde nicht bestimmt):

Ans INNE

Eiter I (tuberkulöser Eiter), 18- tägige Autolyse .

Eiter II (tuberkulöser Eiter), 21- tägige Autolyse. ...

Eiter VI (tuberkulöser Eiter), nicht autolysiert . . .

Eiter III (Staphylokokken- und Streptokokken-Eiter), 20- tägige Autolyse. . . .

49,65 FS ag 0,65 Ra =

|

50,08 | 6,98 | 15,50 0,80—0,86)

| | 48,76 1,56 |2,173) | |

| | | | | Aan bk 8 s

e | | |

Ein Teil der aus Eiter II erhaltenen Substanz, die im Mittel 0,83°/, P enthielt, wurde nach der letzten Essigsäure- fällung in Barytwasser gelöst. Sie ging zum größten Teil in Lösung. Der abfiltrierte Rückstand wurde mit Essigsäure von Baryt befreit und enthielt dann getrocknet 2,02°/, Phosphor.

Der aus der Lösung mit Essigsäure fällbare Körper gab 0,63°/, Phosphor. Er wurde nochmals in Barytwasser gelöst und neuerdings mit Essigsäure gefällt. Die ausgewaschene Substanz ergab den gleichen Phosphorgehalt (0,63°/,).

Bei Kochen mit 2°/,iger und mit 5°/,iger Schwefelsäure durch 3 Stunden wurde keine reduzierende Lösung erhalten. Der Versuch, Nucleinbasen mit Hilfe der Silberfällung nach- zuweisen, gab trotz jedesmaliger Verwendung von etwa !/, g Substanz, das eine Mal eine zweifelhafte, das andere Mal eine deutliche, aber sehr geringe Trübung.

Diese Ergebnisse bestätigen die Richtigkeit von Ham- marstens Angabe über das Vorkommen von Nucleoproteid im Eiter. Unzweifelhaft hat Güterbocks Pen: der Haupt-

1) Bestimmt nach Dumas. 2) Bestimmt nach Neumann. 3) Fast ausschließlich Phosphoraäure.

Über das Nuoleoproteid des Eiters. 199

sache nach aus diesem Nucleoproteid bestanden. Daß die Analysen Scherers abweichende Zahlen ergaben, erklärt sich aus dem Umstand, daß er das Pyin nicht durch Essigsäure- zusatz, sondern durch Alkoholfällung darstellte, wobei natur- gemäß eine Beimengung anderer eiweißartiger und sonstiger Stoffe eintrat, die durch das nachfolgende unvollkommene Aus- waschen (mit verdünntem Alkohol) nicht beseitigt wurde. Übrigens bietet auch die von mir angewendete Darstellungs- methode keine Gewähr für die Einheitlichkeit des durch Essig- säure fällbaren Eiweißkörpers. Auch möchte ich die Frage, ob es sich um ein echtes Nucleoproteid oder einen Pseudo- nucleinkörper handelt, noch nicht für endgültig entschieden halten. Es dürfte sich daher vorläufig empfehlen, den histo- risch gegebenen, nicht weiter präjudizierenden Namen „Pyin“ für den aus Eiterserum durch Essigsäure fällbaren, im Über- schuß unlöslichen, phosphorhaltigen Körper festzuhalten.

III. Ist das „Pyin“ bei der amyloiden Entartung beteiligt?

Bekanntlich haben chronische Eiterungen einen hervor- ragenden Anteil an der Entwicklung der Amyloidose beim Menschen. Auch bei Tieren läßt sich durch Erzeugung von Abscessen amyloide Entartung herbeiführen. Welche Bedeu- tung dabei dem Eiter und seinen Bestandteilen zukommt, ist nicht aufgeklärt.

Manche Beobachter sind geneigt, eine solche Bedeutung ganz zu leugnen und die Amyloidose ganz als Folge der Lebens- tätigkeit von Mikroorganismen aufzufassen. Die Abscesse wären dieser Auffassung zufolge nur die Bildungsherde der Amyloid erzeugenden Bakteriengifte [Krawkow')]. Hingegen sprechen zahlreiche Versuche, wo durch Injektion von Terpentinöl, Silber- nitrat, Kupfersulfat [Czerny*), Nowak’), Schepilewsky*)], durch Injektion von Fermenten (Schepilewski), namentlich

1) N. P. Krawkow, De la degenerescenoe amyloide etc. Arch. de Med. experim. et d’Anat. pathol. 1896, No. 1 et 2.

2) A. Czerny, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 31, 1893.

3) Nowak, Experimentelle Untersuchungen über die Ätiologie der Amyloidosis.. Virchows Archiv 152, 162 1898.

4) Schepilewski, Experimentelle Beiträge zur Frage der amy- loiden Degeneration. Centralbl; f. Bakter. O. P. 25, 849 1899.

Biochemische Zeitschrift Band 16. 14

200 F. Strada:

aber durch Injektion von abgetöteten Bakterien oder Bakterien- proteinen [Davidsohn!), Kretz*)] Amyloidbildung herbei- geführt werden konnte, dafür, daß es dazu lebender Bakterien nicht bedarf.

Dies steht in Einklang mit der klinischen Beobachtung, daß Amyloidose auch bei Bildung von Geschwülsten (Sarkomen, Hypernephromen) auftreten kann, unter Bedingungen, die eine Infektion ausschließen. Wohl aber ist in solchen Fällen ein intravitaler Zellzerfall anzunehmen. Auch wenn bei Tieren auf Injektion von Kulturflüssigkeiten, abgetöteten Kulturen, z. T. such von lebenden Bakterien, z. B. bei Hühnern, Amyloidose ohne vorgängige Abscessbildung zur Entwicklung kam, so ist damit ein Zerfall von Leukocyten oder anderen zelligen Ele- menten nicht ausgeschlossen.

Da die Milz einerseits bei der Amyloidose in hervorragender Weise beteiligt ist, andererseits zur Ablagerung von beim Zer- fall der Leukocyten freiwerdenden Produkten dient, kann man daran denken, daß ihr dabei eine besondere Rolle zufällt. Dieser Umstand und das Vorkommen von Amyloid bei Leu- kämie, Pseudoleukämie und bei der Entwicklung multipler Myelome macht es begreiflich, daß man wiederholt an die Her- kunft der in den Organen abgelagerten amyloiden Substanz aus Leukocyten gedacht hat. Zwar hat die Beobachtung von Czerny, betreffend das Vorkommen einer mit Jod sich färbenden Substanz in den Leukocyten, eine verschiedene Deutung er- fahren, doch sind hervorragende Pathologen auch jetzt ge- neigt, anzunehmen, daß den Geweben von dem Erkrankungs- herd aus durch das Blut zwar nicht das Amyloid selbst, wohl aber eine Vorstufe desselben zugeführt wird, die sich am Orte der Ablagerung erst in typisches Amyloid umwandelt [Ribbert?) Ziegler*)]. Der Ursprung dieser Vorstufe wäre dann in zer- fallenden Eiter- oder Gewebszellen zu suchen. Bei der Um-

1) C. Davidsohn, Untersuchungen über die Ätiologie des Amy- loids. Virchows Archiv 192, Heft 2, 1908.

DR Kretz, Technik der Antikörpererzeugung an großen Tieren. Handb. d. Technik u. Methodik d. Immunitätsforschung, 2, 29.

D Ribbert, Lehrbuch der allgemeinen Pathologie, 229, 1091.

t) Ziegler, Lehrbuch der allgemeinen Pathologie, 11. Auflage, 231, 1906.

Über das Nuoleoproteid des Eitere. 201

wandlung dieser Vorstufe kann an fermentative Vorgänge ge- dacht werden (Davidsohn). Die früher naheliegende Annahme, daß das Amyloid durch Verbindung eines Eiweißstoffs mit Chon- droitinschwefelsäure entsteht, kann nach den jüngsten Feststell- ungen von Hanssen!), wonach das isolierte Amyloid keine Chon- droitinschwefelsäure enthält, nicht mehr in Betracht kommen. Nach dem Gesagten ist es gerechtfertigt, unter den Be- standteilen des Eiters eine Substanz zu suchen, die als Vor- stufe des Amyloids den Organen zugeführt wird, oder aber auf anderem Wege zur Ablagerung von Amyloid Anlaß gibt. Versuche, durch Injektion von bestimmten Eiterbestand- teilen Amyloidose zu erzielen, scheinen bisher nicht angestellt worden zu sein. Von Interesse sind jedoch in dieser Richtung einige Versuche von Nowak (el, bei denen der Eiter eines Empyems teils frisch, teils nach Sterilisation im Dampfkoch- topf und Filtration durch sterilisierte Filter inokuliert wurde. Durch Injektion von 34 ccm bzw. 312 ccm solchen sterilen Eiters wurde bei zwei Hühnern typisches Amyloid in Milz, Leber und Niere hervorgerufen, obgleich eine echte Eiterung fehlte. Danach ist die amyloidogene Substanz, wie man sie nennen könnte, unter den hitzebeständigen Bestandteilen des Eiters zu suchen. Da das Pyin ein sehr charakteristischer Bestandteil des Eiters ist, der bei chronischen Prozessen, wie sie vorzugsweise zu amyloider Infiltration führen, relativ reichlicher aufzutreten scheint, der ferner bei einfachem Erhitzen des nativen Eiters nicht koaguliert wird, so habe ich, als mir isoliertes Pyin in genügender Menge zur Verfügung stand, den Versuch unter-

nommen, damit bei Mäusen Amyloidose hervorzurufen.

Es kamen dabei Pyinpräparate von Eiter II und VI (s. oben) zur Verwendung. Die Substanz wurde mit möglichst wenig Natronlauge in Wasser gelöst und die Lösung so weit verdünnt, daß sie 5°/, der trockenen Substanz enthielt. Die kaum alkalisch reagierende Flüssig- keit wurde an drei Tagen je 30 Minuten bei 100° gehalten. Von dieser Lösung wurde den Versuchstieren jeden zweiten Tag, zeitweise sogar täglich 0,7 bis 1,0 ccm intraperitoneal oder subcutan beigebracht.

Eine Anzahl der Tiere erhielt daneben im Hinblick auf den auch von Hanssen gefundenen erhöhten Gehalt der amyloiden Organe an Chendroitinschwefelsäure auch subcutane Injektionen von 0,5 bis 1,0 com einer 5°/,igen Lösung von chondroitinschwefelsaurem Natron. (Zwei

1) O. Hanssen, diese Zeitschr. 13, 185, 1908. 14*

202 F. Strada: Über das Nucleoproteid des Eiters.

etwas kleinere Versuchstiere erhielten dieses allein. Sie gingen zuerst ein, nach 20 und 23 Tagen, zeigten außer Abmagerung keinerlei makro- skopische Veränderungen.)

Die Injektionen hatten in keinem Falle nennenswerte örtliche Ver- änderungen zur Folge. Bei Tieren, die wenige Stunden nach einer Injektion zugrunde gingen, war bloß gelatinöses Ödem im Unterhautbindegewebe nachweisbar. 24 Stunden nach der Injektion war jede Spur desselben verschwunden. Nur in einem Falle beobachtete ich nach Injektion von Chondroitinschwefelsäure das Auftreten einer rotbraunen, harten Plaque von etwa l cm Durchmesser, die in 7 bis 8 Tagen verschwand.

Die Beobachtungsdauer betrug 16 bis 65 Tage. Zwei Mäuse, die bis zum 65. Tage lebten die eine hatte Pyin von Eiter II, die andere von Eiter VI, und beide bis zum 40. Tage Chondroitinschwefelsäure er- halten wurden mit Chloroform getötet.

Die Versuchstiere zeigten im allgemeinen mehr oder weniger aus- gesprochene Abmagerung. In dieser Richtung war die Chondroitin- schwefelsäure wirksamer als das Pyin. Die erwähnten zwei überlebenden Tiere erholten sich nach Aussetzen der Injektionen von Chondroitin- schwefelsäure, obgleich die Beibringung von Pyin fortgesetzt wurde.

Das Resultat war in Betreff der Amyloidbildung durchaus negativ. Es wurde zwar in einigen Fällen Schwellung der Milz und Nieren, öfter der Lymphdrüsen beobachtet. In den Versuchen, wo intraperitoneale Pyininjektionen gemacht worden waren, fan- den sich, bei Abwesenheit von peritonitischen Veränderungen, Milz und Nieren vergrößert, resistenter und von einem eigentüm- lichen Glanz, so daß an Amyloid gedacht werden konnte. Doch ergab die mikroskopische Untersuchung von Serienschnitten der Organe weder nach 2 bis 3stündiger Fixation in 10°/, Formalin, noch nach 3 bis 4stündiger Härtung in Alkohol oder Sublimat irgendwelche sichere Anzeichen von amyloider Infiltration.

Leider wurde verabsäumt, auch das frische Material mikro-

skopisch zu untersuchen.

Inwieweit dieses Ergebnis verallgemeinert werden darf, kann nur eine Wiederholung des Versuches, vor allem an anderen Tierarten lehren. Sollte sich das negative Ergebnis bestätigen, so ist damit noch nicht die Möglichkeit ausge- schlossen, daß die phosphorfreie Komponente des Pyins Amy- loid erzeugt. Dann aber müssen auch die mannigfachen anderen Bestandteile des Eiters nach dieser Richtung geprüft werden.

Über einschlägige, im physiologisch-chemischen Institut be- gonnene Versuche soll später berichtet werden.

Über Plastein. II. Mitteilung.

Von P. A. Levene und D. D. van Slyke. (Aus dem Rockefeller Institute for Medical Research in New York.) (Eingegangen am 9. Januar 1909.) Mit 1 Figur im Text.

Die Resultate der Untersuchung über die hydrolytische Spaltung des Plasteins, über die in der ersten Mitteilung!) be- richtet wurde, haben ergeben, daß Plastein aus denselben Kom- ponenten wie die komplizierteren Proteine oder die primären Spaltungsprodukte derselben besteht. Der analytische Weg lieferte keine entscheidenden Beweise für die richtige Stellung des Plasteins.. Man konnte auch nicht erwarten, mittels der Methode der Molekulargewichtsbestimmung über die echte Natur des Plasteins zu entscheiden.

Nun ist es aber bekannt, daß während der Verdauung?) der Proteine die Viscosität?) der ursprünglichen Lösung merklich ab- nimmt. Diese Beobachtung enthält in sich den Beweis, daß schon die Lösungen der primären Verdauungsprodukte eine niedrigere Zähigkeit als die nativen Proteine besitzen. Man konnte also durch die Viscositätsbestimmung einer Protein- lösung beurteilen, ob die gelöste Substanz das unveränderte Protein oder dessen Abbauprodukt vorstellt. In der folgenden Mitteilung sind die Resultate einer Untersuchung nach dieser Methode angegeben.

1) Diese Zeitschr. 13, 458, 1908. 2) Spriggs, Zeitschr. f. physiol. Chem. 35, 465, 1902. 3) Bayliss, Journ. of Physiol. 36, 221, 1907.

204 P A. Levene und D D. van Slyke:

Experimenteller Teil.

Fibrin und Plastein wurden bei Zimmertemperatur in normal Natronhydrat-Lösung aufgelöst (eine Menge ent- sprechend 0,400 g trockener Substanz in 10,0 ccm) und die Viscosität bestimmt, sobald völlige Lösung des Proteins erfolgt war. Zum Vergleiche wurden ähnliche Bestimmungen mit Heteroalbumose, Kasein (nach Hammarsten, von C. A F. Kahlbaum), Glutein, Gliadin und Edestin angestellt. Die Resultate der Bestimmungen sind in der folgenden Tabelle an- gegeben.

Die angegebenen Zahlen drücken das Verhältnis un

Tw aus, wobei T die Zeit ist, in welcher die betreffende Lösung

bei 23°C durch das Ostwaldsche Viscosimeter fließt, und Tw die Zeit, welche destilliertes Wasser hierzu gebraucht. (Für das benutzte Viskosimeter war Tw = 126,0”). S ist der Zeit- abstand von dem Momente an, wo die Substanz in die Normal- lösung eingetragen war, bis zur Zeit des Versuches. Die Ver- suche konnten nicht immer in genau denselben Perioden vor- genommen werden. Die Lösungen waren alle ganz klar, mit Ausnahme der des Gliadins, welche etwas trübe aussah.

Viscosität der Lösungen von Plastein, Heteroalbu- mose und Wittepepton

Hetero- Witte

Plastein alba pepton

S |Viscosität] S |Viscosität]| S |! Viscosität

Die folgenden Kurven stellen graphisch einen Vergleich der Viskositätsverhältnisse von Plastein, Heteroalbumose, Witte- pepton, Fibrin und Kasein dar.

Über Plastein. II. 205

Vergleicht man die Ergebnisse der Viscositätsmessungen an Plastein mit denen an Fibrin, so bemerkt man, daß die Fibrinlösung eine größere Viskosität als die Plasteinlösung auf- weist. Sie nahm aber bald unter dem Einflusse der Alkalilösung ab und gegen Ende des Experiments sank sie unter die Vis- cosität der Proteinlösung. Zieht man in Betracht, daß es 4 Stunden dauerte, bis die letzten Flocken des Fibrins in Lö- sung gingen, und daß während dieser Zeit die Hauptmasse der

206 P. A. Levene und D. D. van Siyke: Über Plastein. IL

Substanz der Wirkung des Alkalis ausgesetzt war, so ist man berechtigt anzunehmen, daß die ursprüngliche Fibrinlösung noch eine größere Viscosität besaß, als die erste von uns ge- fundene.

Weiter merkt man, daß die Lösung von Plastein eine viel niedrigere Viscosität bei der ersten Messung besaß, obwohl die Substanz leicht in Lösung ging, so daß die ersten Messung nach 30 Min. nach dem Eintragen der Substanz in die Alkalilösung vorgenommen werden konnte. Die Viscosität bleibt nach einer kleinen Verminderung ziemlich konstant auch nach langdauern- der Einwirkung des Lösungsmittels.

Die Beobachtungen an den Lösungen der anderen Proteine erwiesen, daß sie eine merklich größere Viscosität besaßen als Plastein, obwohl die Viscosität der Lösungen der verschiedenen Proteine voneinander etwas abweicht. Ähnlich wie bei der Fibrinlösung nahm die Viscosität mit der Dauer der Alkaliein- wirkung ab, so daß endlich die Viscosität etwa unter diejenige der Plasteinlösung sank. Nur bei der Gluteinlösung ging die Erniedrigung nicht ganz so weit. Im Gegensatz zu den Be- obachtungen an den Proteinen ergab die Viscositätmessung der Heteroalbumoselösung Zahlen, die denen der Plasteinlösung ähnlich waren.

Alle diese Resultate scheinen die Ansicht zu unterstützen, daß Plastein eher zur Gruppe der Proteosen als der nativen Proteine gehört. Wie bekannt, kommt die Bildung von Pla- steinen zustande, wenn man die Enzyme auf konzentrierte Lösungen der Proteine oder Proteosen einwirken läßt, und es scheint möglich, daß die Plasteine wegen ihrer Schwerlöslichkeit unter diesen Bedingungen aus der Lösung ausfallen, obwohl auch sie nur Abbauprodukte sind.

Doch ist auch die Annahme, daß die Plasteine synthetisch auf Kosten der sekundären Proteosen gebildet sind, nicht ganz ausgeschlossen; wir hoffen, diese Frage weiter verfolgen zu können.

Zur Lehre von der Säurevergiftung.

III. Mitteilung. Von Hans Eppinger und Fritz Tedesko. (Aus der L medizinischen Klinik in Wien.)

(Eingegangen am 24. Januar 1909.)

Während der Drucklegung der II. Mitteilung „über die Lehre von der Säurevergiftung‘‘ erschienen in rascher Aufein- anderfolge zwei kurze Notizen die eine von Pohl und Münzer (l) und die andere von A. Löwy (2). Die erstere bringt Befunde, die wesentlich von denen, die Eppinger (3) in seiner I. Mitteilung vertritt, abweichen und erscheint da- durch geeignet, die Schlüsse Eppingers als hinfällig hinzu- stellen. Die Arbeit Löwys bringt gleichsam eine Entschuldi- gung für den angeblichen Irrtum, dem Eppinger anheim- gefallen sein soll. Auf seine Mitteilungen wurde nur in Rand- bemerkungen eingegangen (4). Aus äußeren Gründen konnten die damals begonnenen Untersuchungen nicht weiter fortgesetzt werden, weswegen auch eine Kritik der Arbeiten von Pohl- Münzer und Löwy unterblieb.

Bis zum Erscheinen der Arbeiten Eppingers bestand folgende Anschauung über das Wesen der Säurevergiftung: wenn man von den Untersuchungen Walters (5) ausgeht, so weiß man seit dieser bedeutenden Arbeit, daß es gelingt, Kaninchen nach Zufuhr von Mineralsäuren ‚„säurezuvergiften‘. Als töd- liche Dosis wurde von ihm 0,9g HCl pro Kilogramm Kaninchen angegeben. Hunde, von denen stillschweigend angenommen wurde, daß sie Fleisch fressen, zeigen sich gegenüber dieser Dosis immun. Auch nach Darreichung selbst der doppelten

208 H. Eppinger und F. Tedesko:

Dosis gelingt es nicht, eine Säurevergiftung zu erzielen. Als wichtige Veränderung findet Walter bei Kaninchen, daß der Kohlensäuregehalt des Blutes vor dem Zugrundegehen des Tieres von einem durchschnittlichen (normalen) Niveau (32°/, CO,) auf zwei und noch weniger Volumprozente herabsinkt. Als eigentliche Todesursache wird eine sog. „innere Erstickung“ beschuldigt. In dem Maße, als die Basen des Blutes durch Säureradikale gebunden werden, ist das zirkulierende Blut nicht mehr imstande, die in den Zellen des Organismus gebildete Kohlensäure abzunehmen. Es scheinen dadurch auch dem Sauerstoff die geeigneten Angriffsstellen für den geregelten Ab- lauf der Oxydationen zu fehlen, weswegen die Zellen in sich ersticken müssen innere Erstickung.

Diese Theorie läßt sich durch weitere Experimente stützen. Walter fand nämlich, daß es gelingt, schon auf der Höhe der Vergiftung sich befindende Tiere noch zu retten, wenn ihnen Sodalösung intravenös verabreicht wurde. Außerdem ließ sich der Beweis erbringen, daß Kaninchen bei Säurevergiftung viel an fixen Alkalien durch den Harn verlieren.

Beim Hunde findet das Gift scheinbar keine geeigneten Angriffspunkte. Dies beweist sowohl das relative Wohlbefinden des Tieres als auch die fehlenden Veränderungen im Blute als auch im Harn. Wenigstens sinkt der Kohlensäurewert im Blute nur um wenige Prozente, und andererseits ist kein be- trächtliches Ansteigen der fixen Harnalkalien zu verzeichnen. Als Ursache der hohen Toleranz der Hunde gegenüber jeglicher Säurevergiftung wird das Vermögen des Hunde, sehr hohe Ammoniakwerte flüssig zu machen, angenommen. In ihr sieht Walter das den Hunden spezifisch zukommende Schutzmittel gegenüber jeglicher Säurevergiftung an. Weil Ammoniak, als Produkt einer in fast unbegrenzten Mengen möglichen Eiweiß- zersetzung, zur Neutralisation aller sauren Körper verwendet werden kann, erscheint der Hundeorganismus gleichsam säure- fest. In dieser, scheinbar nur dem Hunde zukommenden Eigen- tümlichkeit sieht Walter den prinzipiellen Unterschied zwischen beiden Tierklassen; dieser scharfe Kontrast wurde jedoch durch die Untersuchungen Winterbergs (6) etwas gemildert; er konnte nämlich zeigen, daß im Prinzip gar kein so großer Unterschied zwischen dem Stoffwechsel von Kaninchen und

Zur Lehre von der Säurevergiftung. IIL 209

Hund nach Säurevergiftung besteht, indem auch Kaninchen nach Säuredarreichung mit relativ hohen Ammoniakwerten ant- worten können. Wenn auch dieselben gegenüber den hohen Ammoniakzahlen, die beim Hunde gefunden wurden, weit zurück- stehen, so war dadurch doch der tiefe einschneidende Unter- schied gleichsam überbrückt. Limbeck übertrug die Unter- suchungen Walters auf die menschliche Pathologie; er konnte zeigen, daß die Verhältnisse denen beim Menschen ähnlich sind. Auf die umfangreiche Literatur, die diese Fragen auf die Auf- fassung von der Lehre des Coma diabeticorum genommen haben, soll hier nicht eingegangen werden.

Kurz zusammengefaßt läßt sich also sagen, daß bei Tieren, die reichlich Eiweiß genießen, wie der Hund, Säurezufuhr keinen Schaden ausübt, im Gegensatz zum Kaninchen, das unter ge- wöhnlichen Verhältnissen nur sehr wenig Eiweiß als Nahrung bekommt. Dieser Unterschied der Tierarten wurde als gegebene Tatsache hingenommen, dabei aber auf die Nahrung der Tiere gar kein Gewicht gelegt.

Es war daher unter diesen Umständen naheliegend, zu prüfen, ob nicht die Nahrung das Wesentliche ist, d. h. ob nicht auch der Kaninchenorganismus bei Zufuhr von mehr Eiweiß geschützt wird gegen eine für ihn sonst tödliche Säuredosis, und umgekehrt, ob nicht ein Fleischfresser durch Entziehung der Eiweißkost seines Schutzmittels gegen Mineralsäuren beraubt ist.

Für diese Annahme wurden von Eppinger gewichtige Beweise erbracht. Er konnte zeigen, daß Kaninchen, die neben Grünfutter, subcutan Glykokoll oder andere Aminosäure be- kommen, die sonst tödliche Bäuredosis leicht vertragen. Auf Grund des stark gesteigerten Ammoniakexports wurde ge- schlossen, daß die eingeführten Körper eine Quelle für den ge- steigerten Ammoniakexport abgeben können, so daß in dieser Weise die Säuren neutralisiert werden können. Andere N-hal- tige Substanzen, die im Organismus kaum eine Rolle spielen dürften wie z. B. Säureamide —, waren nicht imstande, die Säurevergiftung zu beheben, was auch daran zu erkennen war, daß sie nicht zu einer vermehrten Ammoniakausscheidung Anlaß gaben. Schließlich wurde auch noch der wichtige Beweis erbracht, daß auch Eiweißfütterung ein Kaninchen säurefest machen kann. Auch hier wurde eine starke Ammoniakvermehrung im Harne

210 H. Eppinger und F. Tedesko:

beobachtet. Umgekehrt wurde auch gezeigt, wie wenig resistent gegen Säure ein Hund ist, wenn man ihm im hungernden Zu- stande Säure gibt. Schon verhältnismäßig geringe Mengen ge- nügen, um ihm ein Säurekoma beizubringen. Durch diese Ver- suche zeigte sich der vermeintliche Unterschied im Stoffwechsel der Fleisch- und Pflanzenfresser nur als ein scheinbarer. Er dürfte fast nur von der Nahrung abhängig sein und ist eigent- lich am besten durch den Namen dieser Tiere Fleisch- und Pflanzenfresser bereits gekennzeichnet.

Gegen diese Experimente wurden nun von Pohl und Münzer Einwände erhoben. Von diesen Autoren wurde bereits in einer früheren Arbeit darauf hingewiesen, wie enorm giftig für Kaninchen Ammoniaksalze sind; wegen dieser Annahme erschien es Pohl und Münzer a priori als unwahrscheinlich, daß bei Kaninchen die Säurevergiftung durch Substanzen, die in Form von Ammoniaksalzen neutralisieren sollen, aufgehalten werden kann. Sie haben die Versuche von Eppinger nach- geprüft und sich nicht von der Richtigkeit derselben überzeugen können. Bereits in der zweiten Arbeit von Eppinger wurde (in einer Fußnote) gegen die Versuche von Pohl und Münzer Stellung genommen; insbesondere wurde darauf hingewiesen, daß die von den beiden Autoren angewandten Säuredosen viel zu groß waren. Die Säuremenge ist aber von außerordentlicher Wichtigkeit, nachdem von Eppinger in seinen Arbeiten an- gegeben wurde, daß Aminosäuren eben noch die tödliche Säure- dosis neutralisieren können, nicht aber höhere Dosen. Weiter, hin muß der Begriff „tödliche Säuredosis‘‘ berücksichtigt werden. Von Walter wurde 0,9g HCl pro Kilogramm Tier angegeben. Wir haben neuerdings Gelegenheit gehabt, diese Menge als voll- kommen ausreichende Dosis anzusehen. Wenigstens sind 10 Ka- minchen nach der ursprünglichen Säuremenge prompt an Säure- koma zugrunde gegangen. Löwy bekrittelt diese Dosis. Wir glauben diese Differenzen nur auf verschiedene Nahrungsver- hältnisse zurückführen zu müssen. Wir haben dafür mehrmals Beweise in Händen gehabt: so zeigen sich die Tiere, die mit Hafer gefüttert werden, viel resistenter als Tiere mit Grün- futterkost.

Wir haben uns entschlossen, die Versuche, die der eine von uns vor 3 Jahren vollendet hatte, neuerdings aufzunehmen,

Zur Lehre von der Säurevergiftung. III.

211

und zwar hauptsächlich aus folgendem Grunde: die wichtigste Tatsache, die sich aus den Versuchen Eppingers ergab, war die Feststellung, daß die Nahrungsbedingungen für die Säure-

immunität allein ausschlaggebend seien.

Um diese Tatsache

neuerdings zu festigen, haben wir uns zu folgenden Versuchen

entschlossen.

Tabelle I.

18./XI. 750.710 [250 6,002 052 | Ia og

9,527 9./XL 730.550 |250| 7,18 [0,593 550.730 1250| 8,12 0,600

15,30 11,193

10./XL 720.550 |250| 6,08 (0,553 550.730 1250| 7,44 0,641 13,52 |1,194

11./XI. 720.850 |250| 7,10 10,52 550.730 250| 7,67 0,57

14,77 |1,09

12./XI. 720.600 300! 9,66 0,87 690.730 1250| 5,90 10,30

15,56 11,17

13./XIL. 720.550 |500| 8,19 11,254 650.730 ong 6,43 11,96

14,62 3,214

14./XI. 730.550 [500| 8,53 1,02 650.730 |300| 6,05 10,48

14,58 58 |1,50

7,70 ‚0,445 _8,52 0,481 16,22 0,926 16./XI. 720.550 |250" 7,99 |0,48 650.720 1250| 5,16 0,37

113,16 10,85

0,79

15./X1. 730.800 |250 600.730 |250

16,0

12,5

14,0

17,8

12,0

5,6

12,0

22,0

19,0

0,50 | 0,3 0,19

0,20

0,39 0 234 0,50 | 0,34 0,84 | 0,54 | 4,02 | 4,34 | 0,84 15,016) am) | 0,98 | 4,80|2 Ei 1,18 | 0,82 | 2,00 | 1,80 | 0,73 | 0,57 |

1, ed 0,78 |

3,755

3,405

4,222

3,034

8,965

5,825

2,19

2,434

Hund be- kommt täg- lich 250 g Fleisch.

Gewicht des Tieres 10,1 kg. Tierbekommt von 7 Uhrfrüh (13./X1.) bis 7 Uhr früh (14./XI.) 9,30g HCl.

Eppinger konnte zeigen, daß ein Hund, der nichts zu fressen bekommt, sich anläßlich einer Säurevergiftung ebenso verhält, wie ein Pflanzenfresser.

Ein Hund findet seinen Schutz

212 H. Eppinger und F. Tedesko:

gegen Säuren bloß im Stickstoff der Nahrung. Diese Behaup- tung wurden erschlossen aus Versuchen an Hungerhunden. Immerhin war noch dem Einwande zu begegnen, ob nicht der Hungerzustand in der Insuffizienz des Hundeorganismus gegen Säuren eine Rollen spielen könnte. Wir haben diese Frage zu klären versucht an Hunden, die ausschließlich mit Kohlehydraten und Fett gefüttert wurden. Dadurch konnte der Hunger- zustand ausgeschaltet werden, ohne daß große Stickstoffmengen in Umsatz kamen. Wir möchten zuerst einen Versuch vor- legen, der uns die Wirkungen von 0,9 g Salzsäure pro Kilo- gramm Hund bei Eiweißkost veranschaulichen soll.

Tabelle II.

D Ch Datum 9) MNNE, NaCl | HCI e ee 23./XI. 700.550 250 1,77 |0,44 1,73 1,04 550.750 125011,6 10,346 1,32 |0,79 3,37 10,786; 9,2 | 3,05 |1,83 | 2,032 24./XL 750.550 [2501,82 |0,32 1,50 |0,9 650.750 |250|1,329 |0,245 0,65 |0,39 3,149 |0,565| 9,2 |2,15 11,29 | 2,226 25./XL. 750-550 [2501,03 10,23 1,28 |0,768 550.750 [2500,87 |0,194 0,40 10,24 1,90 |0,424| 7,8 | 1,68 |1,008! 1,945 26./XL. 750-5380 |250|1,038 0, 149 0,50 10,30 530.700 |250!0,935 |0,075 0,025 0,015

1,973 (0,224! 15,0 | 0,525 0,315| 2,02 Gewicht des Tieres

00. I Zeit 27./XI. 700-90 |200 0,476 |0,102| 7,8 |0,80 10,48 | 1,454 | 0.8 ka. In der Zeit

900.1200 1200.0,364 (0,034 1,88 0,113| 1,14 |bis7Uhr früh(28.1X1.) ll er di he 1200.300 (200 0,273 0,051 1,12 10,67 |2,11 | Dos: 1000 BC 390-600 120010,504 |0,051 1,32 0,79 _| 2,65_|{1.e.0,9 HCI p. kg be- kommen. Exitus be- 1 1,617 0,238! 5,12 2,053 h 7,354 reits um 6 Uhr abends

| im Säurekoma.

Dem klaren Versuche ist wenig hinzufügen. Dasselbe Tier, dem der ganze Eingriff weder an seiner Freßlust, noch auch Gewicht etwas geschadet hatte, wird 10 Tage nach der letzten Säuredosis wieder in Versuch genommen. Diesmal bekommt das Tier nur Kohlehydrate und Fett in beliebiger Menge zu fressen (7). Es kommt sogar zu einer leichten N-Sparung;

Zur Lehre von der Säurevergiftung. III. 213

jedenfalls sind die N-Werte, die durch den Harn ausgeschieden werden, sehr klein. Unter diesen Bedingungen bekam das Tier Säure, und zwar war beabsichtigt, dieselbe Säuremenge zu geben, wie im ersten Versuche. Das Tier ging aber viel früher zugrunde. Die Analysen des Harns sind in Tabelle II (S. 212) angegeben.

Durch diese einwandfreien Versuche finden wir die ur- sprünglichen Ansichten, die der eine von uns für die Lehre von der Säurevergiftung vorgebracht hatte, neuerdings be- stätigt. Nur aus dem zirkulierenden, momentan aus der Nah- rung stammenden N, dem labilen Eiweiß, kann Ammoniak ver- flüssigt werden; fixes Organeiweiß scheint für den Lebensprozeß viel zu wichtig, so daß der Organismus, selbst in Gefahr seiner weiteren Existenz, lieber zu den Alkalibeständen des Blutes greift, als zu den fixen Stickstofflagern.

Die gegenteiligen Versuche, nämlich am Pflanzenfresser, wollten wir nicht abermals am Kaninchen fortführen. Wir wählten dazu lieber größere Tiere, nämlich Schafe. Zuerst wurde die tödliche Dosis bei diesem Pflanzenfresser ermittelt. Es zeigte sich dabei, daß, ähnlich wie beim Kaninchen 0,9 g HCl pro Kilogramm vollkommen genügten, um ein Säurekoma zu provozieren.

Tabelle III.

Datum | Menge | N an ur

11./XI. -12Uhr| 200 I.

22,4 | 2,2 Lan 13| 12./XI. -12Uhr| 600 II. 7,14 0,390 22,8 | 3,9 2,232| 5,7 S aD 13./XI. - 12Uhr|1400 III. 5,686 0, 204 25,0 | 2,24 1,389 4,7 | > E 14,/XI. -12Uhr| 700 IV: |5,9780,302/ 24,7 | 1,95 1,200 40 | = = 15./XI. -12Uhr| 300 V. 15,796/0,296| 24,0 | 1,54 An 33 | 2 = 16./XI. -12Uhr| 400 VI. 5,6660, 208 26,4 | 1,50 0,93 | 3,4 Gewicht 18 kg 17./X1.-7Uhr fr.| 600 VII. 3,78 0,326 14,4 1,5 |263533 - 12 Uhr | 150 VIII. 0,325 0,078) 52 | 0,54 0,335 22 AECE -3 Uhr | 500 IX. 1,13 0, 128 11,0 | 4,24 |2,633 20,1 REES -4Uhr|200 X. 0,42 0,058 9,0 | 1,62 1,00418,0 Ferse -5Uhr|200 XI. 0,3920,102 4,7 | 1,68 11,04210,4 |S25 $256 100 | 124 0,769 21,3 [ŽK „83% - 7 Uhr 100 XIII. 0,154 0,027 me 0,539 20,0 ge im es 31 Stunden |VIL.- "XII. 6,5090,756, 10,7 10,7 T1012 6,925 ER DEES

214 H. Eppinger und F. Tedesko:

Zwei weitere Schafe wurden nun durch mehrere Tage mit Plasmon gefüttert. Daneben bekamen sie gewöhnliche Kost

(Rüben und Brot).

Das Plasmon wurde täglich, in der Menge

von 120 g in Wasser gelöst, mit der Schlundsonde eingeflößt.

Der N-Wert steigt bald auf das Dreifache des normalen.

dieser Zeit wurde Säure gereicht. die Tabelle IV. el O o IV.

m nn

Datum EH Menge N NH, wes: NaCl

11 JXL. .12Uhr] 400 1. 12./XI. -12Uhr| 250 II. 13./XI. -12Uhr| 200 III. 14./XI.-12

15./XL -12

4,73 0 4,13 2,99 4,16

6,58

5,44 |1,37 L : nm ‚918

4,4 3,3 3,9 3,4 22 2,0 1,3 1,1 1,3

een 7 0,180 0,284

0,552

0,7182 1,496 1,516 1,248 0,096 0,104 0,77 3,27 0478] 30 4,718

0,37

1,14 [0,707 1,25 0,973

1,35 11,237

2,6 1,61 3,32 2,06 2,72 |1,69 2,64 11,64 0,175,0,108 0,362|0,224 4,06 12,52 6,82 4,23 DAN 12,667 7,852

1,50 | 0,93| 2,5

1,05 0,90 3,24 .| 5,85 EE Summe | X.-XIV. 12,23

21’XL -3Uhr| 250 XV. | 1,42 -7 Uhr 400 XVI.| 1,76 0,41 2,96 | 1,84) 4,4 - 7 Uhri1200 xVII. 5,96 |1,836 9,72 | 6,03| 3,3 - 12 Uhr] 200x111 2,14 de 40 | 32 | 18 3,3 |

2,1 3,2

1,6 1,7

Summe XV. XVIII. I1I,28 3,271 17,70 |10,98| 3,3

22.|XI. -12Uhr|1500-x1x.!11,865:2,03 4,5 2,79 1,3

1,09

1,28

In

Die näheren Details zeigt

HCI [aalsa] j

Kohle- hydrat- fütterung idem + 60g Plasmon 120 g Plasmon täglich

.[X1.)

Das Tier frißt hnliches

Das Tier (16 kg) bekommt 15 g HCI im Laufe von 24 Stunden, von 12 Uhr mittags (19 Außerdem bekam das Tier 120g Plasmon, ebenso an dem folgenden Tage.

bis 12 Uhr mittags (20. / XI.). während dieser Periode sein gewö

Futter.

Die Zahlen sind so beweisend, daß eine nähere Erklärung

gar nicht notwendig erscheint.

Leider sind uns Versuche mit Aminosäuren mißglückt. Aminosäuren, bei Schafen gegeben, erzeugen bereits krampfartige Zustände, in deren weiterem Verlauf die Tiere zugrunde gehen. Meist erfolgt der Exitus bald nach Darreichung, so daß wir nicht einmal den vorübergehenden Einfluß auf die Ammoniak-

sausfuhr studieren konnten.

Zur Lehre von der Säurevergiftung. III. 215

Wir könnten noch Belege erbringen für den Einfluß von Harnstoff auf die Säurevergiftung. Wir kommen zu denselben Resultaten, wie schon früher Eppinger, d.h. auch Harnstoff ist imstande, eine Steigerung der Ammoniakausscheidung herbei- zuführen, im Gegensatz zu Säureamiden, die weder die tödliche Dosis paralysieren können, noch Anlaß zu gesteigerter Ammo- niakurie geben. Auf eine eingehendere Besprechung verzichteten wir und lassen nur die Tabellen V und VI folgen.

Tabelle V.

© Datum Ei N | NE, |_5_|Nacıi| Ha

(NH,)N

4./XII. 12 Uhr- 6./XII. 12 Uhr 5./XIL. 12 Uhr- 6./XIL. 12 Uhr 6./XI. 12 Uhr- 7.[XIL. 12 Uhr 7.[XIL 12 Uhr- 8./XII. 12 Uhr 8./XIL. 12 Uhr- 9./XIL 12 Uhr 9./XIL 12 Uhr- 10./XIL10Uhrfr. 10./XII. 10 Uhr- 11./XIL. 7 Uhr fr. 11./XIL 7 Uhr- 12./XIL 12 Uhr 12./XIL 12 Uhr- GIE. 12 Uhr 18./XIL 12 Uhr- 14./XII. 12 Uhr

300! 3,78

250 3,50

350| 4,557

900| 6,048 | 0,360 | 21

800|14,672 | 0,684 | 27

400|10,248

1200| 9,072 | 1,665 6,7 von 24 Stunden 16 g ROL Keinerlei Zeichen

700 8,330 von Vergiftung.

500; 3,78

500 4,97

Wir kommen somit zu denselben Resultaten, wie wir sie in der II. Mitteilung bereits präzisiert haben. Wir sehen uns nicht gezwungen, einen prinzipiellen Unterschied zwischen Fleisch- und Pflanzenfresser anzunehmen; denn sowohl der Hund, wenn er keine Eiweißkost bekommt, ist leicht säure- zuvergiften, als auch das Schaf ist säurefest, wenn

es Eiweiß zu fressen bekommt. Biochemische Zeitschrift Band 16. 15

216 H. Eppinger u. F. Tedesko: Zur Lehre von der Säurevergiftung. III. Tabelle VI.

© Datum Ei N |NH,

12./XII. 12 Uhr - 13./XII. 12 Uhr 13./XIL. 12 Uhr - 14./XIL 12 Uhr 14./XIL 12 Uhr - 15./XIL 6% p.m.- 15./XIL 5% p.m. 16./XII. 12 Uhr 16./XII. 12 Uhr : 17./X 1. 7 Uhr früh 17./XIL. 7 Uhr früh - 1 Uhr p.m.

0,64 0,384 800'6,08 0,42 | 18,1 | 0,80 0,48 250 3,535/0,278| 16 |0,75 0,45

1200/7,769,0,818| 11,8 | 5,04 (3,024

ul Gewicht des Tieres 19 kg, soll im Laufe von 24 Btd. 17,1 g HCI bekommen. Bereits 20 Stunden nach

8002,924 0,458! 7,8 | 3,44 (2,064 ! | i der ersten Dosis Exitus.

|

Literatur.

. Pohl u. Münzer, Centralbl. f. Physiol. 20, Nr. 7.

. Löwy, Centralbl f. Physiol. 20, Nr. 10.

. Eppinger, Wiener klin. Wochenschr. 1906, Nr. 5.

. Eppinger, Zeitschr. f. experim. Pathol. 8, 530.

. Walter, Arch. f. experim. Pathol. u, Pharmakol. 7, 148.

. Winterberg, Zeitschr. f. physiol. Chem. 25, 152.

. Limbeck, Zeitschr. f. klin. Med. 34, 419.

, Pohl u. Münzer, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 48, 28.

DIO VW Co Ri Fa

Über die Beziehungen zwischen der Menge des Magen- saftes und seinem Pepsingehalt.

Von - T. Kudo, Kioto.

(Aus der experim.-biolog. Abteilung des kgl. Patholog. Instituts der Universität Berlin.)

(Eingegangen am 23. Januar 1909.)

Der Einfluß der chlorarmen Kost auf die Magensekretion ist schon vielfach Gegenstand eingehender Untersuchungen ge- wesen. Wenn wir von älteren Arbeiten absehen, so war es Cahn!) der zuerst feststellte, daß zwischen der Sekretion des Magensaftes und dem Chlorgehalt des Organismus nahe Be- ziehungen bestehen. Er brachte ein bestimmtes Quantum chlorfreien Fleischpulvers in den Magen eines normal ernährten Hundes und fand in dem ausgeheberten Mageninhalt freie Salz- säure. War das Tier zuvor chlorfrei ernährt, so nahm auch die freie Salzsäure allmählich ab. Nach ihm gab die Menge resp. der Mangel der Salzsäure im Mageninhalt geradezu den Grad der Chlorverarmung des Organismus an. Zu einem ähnlichen Resultat kam Pawlow°), der an einem Hund mit Oesophagus- und Magenfistel arbeitete. Er konstatierte, daß nach der Scheinfütterung in den ersten Tagen der Chlorentziehung noch die Sekretion eine normale war, daß sie aber schließlich am 5. Tage vollkommen versiegte. Wohlgemuth?) untersuchte die Ver- hältnisse eingehend an Hunden mit „kleinem Magen‘, da

1) Cahn, Zeitschr. f. physiol. Chem. 10, 522. ` 2) Pawlow, Malen Jahresber. 1904. 3) Wohlgemuth, Arbeiten aus dem Pathologischen Institut zu Berlin, 1906. 15*

218 T. Kudo:

a priori nicht ausgeschlossen war, daß wenn die Speisen direkt in den Magen gelangen, der Reiz dort ein viel größerer ist, als der durch Scheinfütterung ausgelöste. Auch bei dieser Versuchsanordnung zeigte sich, daß die Saftsekretion unter dem Einfluß der Chlorverarmung des Organismus fast vollkommen versiegt und statt dessen vorwiegend Schleim sezerniert wird. Nach Zufuhr von Kochsalz setzte sofort eine reichliche Sekretion ein und der Magensaft zeigte wieder normale Werte.

Was nun den Pepsingehalt des unter dem Einfluß chlor- armer Kost abgesonderten Magensaftes anbetrifft, so hatten die beiden erstgenannten Autoren festgestellt, daß je geringer die Menge des Magensaftes war, um so reicher sein Pepsingehalt wurde.

Speziell der letztere Punkt, das Verhalten des Pepsins bei ständig abnehmender Saftsekretion, schien mir wichtig genug, an einem chlorfrei ernährten Hund ‚mit kleinem Magen‘ genau zu verfolgen. |

Zur Verwendung kam ein kräftiger Hund, dem nach Pawlow ein Magenblindsack angelegt war, und der sich voll- kommen wohl befand. Das Tier erhielt während der ersten drei Tage nüchtern 250 g gehacktes Pferdefleischh Danach wurde jedesmal drei Stunden lang der aus dem ‚‚kleinen Magen“ fließende Saft gemessen, sein Säuregehalt und seine Pepsin- menge bestimmt. Vom vierten Tage ab bekam der Hund 250 g chlorfreies Fleischh dem durch langes Auskochen mit Wasser und Auspressen das Chlor entzogen war. Die chlorfreie: Ernährung wurde auf weitere vier Tage ausgedehnt und mit. dem nach jeder Fütterung gewonnenen Magensaft bezüglich seines Säure- und Fermentgehaltes in der gleichen Weise ver- fahren. Am achten Tage wurde der Hund wieder mit koch- salzreichem Fleisch ernährt und die nämlichen Bestimmungen im Magensaft vorgenommen. Die freie HCl wurde gegen Dimethylamidoazobenzol, die gebundene gegen Phenolphthalein titriert. Die quantitative Bestimmung des Pepsins geschah nach der bekannten Fuldschen Methode.?)

Das Resultat meiner Untersuchungen veranschaulicht folzende Tabelle.

1) Diese Zeitschr. 6, 473.

.|250g NaCl-freies Fl.

bet bei DN Va WG Co CO a a Ga On We 3

Aus ihr geht in Übereinstimmung mit den Resultaten von Wohlgemuth zunächst hervor, daß mit Kochsalzverarmung die Saftsekretion stetig abnimmt, bei Kochsalzzufuhr aber sofort wieder in normalem Umfange vor sich geht. Mit Abnahme der Saftmenge stieg die Menge des Schleimes, so daß an den letzten beiden chlorfreien Tagen fast genau so viel Schleim wie Saft abgesondert wurde. Ferner ließ sich feststellen, daß mit Kochsalzentziehung sofort die freie Salzsäure aus dem Magen fast vollkommen resp. gänzlich verschwand, und daß in dem Verhältnis wie die freie Salzsäure abnahm, auch die Werte für die Gesamtacidität zurückgingen, denn es war ja auch eine reichlichere Gelegenheit für die Schleimneutralisation des Saftes gegeben.

Was endlich die Pepsinmengen anbetrifft, so ergibt sich, daß im Vergleich zu den drei ersten Tagen des Versuches während der Kochsalzentziehung die Fermentmengen ganz gewaltig an- stiegen. So enthielt beispielsweise der Magensaft vom ersten chlorfreien Tag in Leem zehnmal so viel Fermenteinheiten als am ersten Tage des Vorversuches. Auch an den übrigen chlor- freien Tagen war die Pepsinkonzentration eine weit höhere als zu den normalen Zeiten. Betrachten wir nun die in der letzten Kolumne angefürhten absoluten Fermentmengen, so ergibt sich, daß die Zahl der Fermenteinheiten durchgehends fast konstant geblieben war. Das würde heißen, daß von den Magen- drüsen um so mehr Pepsin abgesondert wird, je ge-

220 T. Kudo: Beziehung zwischen Magensaftmenge u. Pepsingehalt.

ringer die Saftmenge ist, und daß umgekehrt um so weniger Ferment im Saft sich findet, je größer sein abgeschiedenes Quantum ist. Diese Gesetzmäßigkeit zwi- schen Saftmenge und Pepsingehalt dürfte indes nur für die gesunde Magenschleimhaut zutreffen. Wie sich dagegen die durch Entzündungen oder sonstige Ursachen geschädigte Magen- schleimhaut in diesem Punkte verhält, darüber können erst - weitere Untersuchungen bei entsprechenden Magenerkrankungen Aufschluß geben. !

Beitrag zur Kenntnis des Schicksals der Hefe im Tierkörper. Von

T. Kudo.

(Aus der experim.-biolog. Abteilung des kgl. Patholog. Instituts der Universität Berlin.)

(Eingegangen am 23. Januar 1909.)

In den letzten Jahren hat bekanntlich die Hefetherapie bei den verschiedensten Krankheiten in mehr oder weniger ausgedehntem Maße Anwendung gefunden. In das Bereich dieser Therapie sind vor allem gewisse Infektionskrankheiten, wie Furunklose [Fink (l), Mosse (GL Scharlach, Masern, Typhus usw. [Heer (3)], ferner Hautkrankheiten [Brocq (4), Bolognesi (5) u. a.], Stoffwechselkrankheiten [Neumann (6), Fink, Bierkowski (7) usw.], Magen-, Darmstörungen [Günz- burg (8), Quinke (6), Roos (10), Roos und Hinsberg (11)] u. dergl. m. einbezogen worden, auch in die Gynäkologie hat die Hefetherapie sich Eingang verschafft [Landau (12), Albrecht (13)], und endlich ist die Herstellung eines Serums [Deutschmannsches Serum (14)] von Tieren, die in geeigneter Weise mit Hefe vorbehandelt waren, gleichfalls auf die oben- genannten therapeutischen Bestrebungen zurückzuführen. Trotz jener zahlreichen therapeutischen Anwendungen ist über die physiologische Wirkung der Hefe im normalen tierischen Or- ganismus noch sehr wenig bekannt.

Es existieren ja allerdings schon vereinzelte Untersuchungen über das Schicksal, das die Hefe unter dem Einfluß der Pepsin- verdauung erfährt; aber gleichviel schien es doch wünschens- wert, auch diesen Gegenstand einer Nachprüfung zu unter- ziehen.

222 T. Kudo:

Denn gerade bei der intragastralen Hefezufuhr kommt die Hefe ja zunächst mit den Verdauungssäften des Magens in Berührung und kann hier bereits eingreifenden Veränderungen unterworfen sein. Es fragt sich nun, wie weit dieser peptische Verdauungsprozeß die in den Hefezellen eingeschlossenen wirk- samen Bestandteile, die Fermente, zerstört, und dabei harrt das Problem auf Antwort, ob es überhaupt die in der Hefe vorhandenen Fermente, oder ob es nicht andere Stoffe sind, die eine therapeutische Wirkung bei den eben genannten Krankheiten hervorrufen, vorausgesetzt natürlich, daß die Heil- erfolge bei der Hefetherapie einer objektiven Kritik gegenüber auf die Dauer Bestand haben.

Das Studium der Wirkung der Hefe auf den Tierkörper ist in der letzten Zeit im hiesigen Laboratorium von ver- schiedenen Seiten in Angriff genommen worden. Mir fiel die Aufgabe zu, das Schicksal des zuckervergärenden Hefefermentes im Verdauungskanal zu verfolgen und speziell zu untersuchen, ob durch Fütterung von Tieren mit Hefe etwa eine Steigerung der glykolytischen Kraft des Tierkörpers hervorgerufen werden kann. Der erste Punkt wurde schon von Neumayer (15) ein- gehend untersucht. Er stellte fest, daß sämtliche Hefearten den ganzen Verdauungskanal des Menschen und der Tiere (Kaninchen und Katze) passieren können, ohne dabei ihr Gärungsvermögen vollständig zu verlieren. Es fand dabei nur eine teilweise Zerstörung der Hefe statt. Ferner konstatierten dieser Autor, sowie Falk (16), Gilkinet (17) u. a., daß die subcutane oder intravenöse Injektion der Hefe nicht schädlich wirkte, daß aber dabei die Hefezellen sehr bald durch die plasmatischen Säfte zersetzt werden.

Zu meinen Untersuchungen benutzte ich erstens frische Preßhefe und Bierhefe, zweitens zwei Hefepräparate, nämlich die von Krauth angegebenen Zymasoltabletten und endlich ein durch Trocknung und Zerkleinerung frischer Bierhefe gewonnenes Hefepulver „Faex‘, von Barsickow hergestellt.

Als ich diese verschiedenen Präparate auf ihre Gärungs- fähigkeit prüfte, stellte sich, was zu erwarten war, heraus, daß die frische Preß- und Bierhefe sofort eine starke Gärung zeigten, daß die Zymasoltabletten erst nach einiger Zeit und

Schicksal der Hefe im Tierkörper. 223

unter bestimmten Reaktionsbedingungen den Zucker im Gärungsröhrchen stark angriffen, während endlich das trookne Hefepulver „Faex‘ eine schwächere Gärungskraft erkennen ließ.

Da aber gerade dieses, wie ich von einem befreundeten Pädiater hörte, bei Verdauungsstörungen, Hautkrankheiten und Konstitutionsanomalien im Kindesalter mit Erfolg angewandt wird, so schien das schon bis zu einem gewissen Grade darauf hinzuweisen, daß das Gärungsferment der Hefe für diese thera- peutischen Effekte nicht in Frage kommt.

Ich habe nun zunächst untersucht, und zwar ebensowohl in vitro, wie am Tier, welches Schicksal die vergärende Kraft der Hefe unter dem Eindruck der peptischen Wirkung erleidet.

I. Versuche in vitro.

Versuch 1 mit der frischen Preßhefe.

Versuchsanordnung: 20 ccm frischer Hundemagensaft (Acidität 88), welcher aus dem „kleinen Magen“ nach Pawlow gewonnen waren, wurden mit 2g frischer Preßhefe gut durch- geschüttelt, davon je Boom auf 4 Reagensgläsern verteilt und sämtliche Röhren in den Brutschrank gebracht. Die erste Portion wurde nach 1 Stunde, die zweite nach 2 Stunden, die dritte nach 3 Stunden und die vierte nach 4 Stunden aus dem Brutschrank entfernt, mit einigen Tropfen "/na-NaHO genau neutralisiert und sodann mit 5 ccm 10°/,iger frischer Trauben- zuokerlösung versetzt. Nun wurde jede Mischung in Gärungs- röhrchen übertragen, mit einigen Tropfen Toluol versetzt, um die bakterielle Gärung zu verhüten, und im Brutschrank (37,5 bis 38°C) 24 Stunden lang stehen gelassen.

nl E m

. l = | Kontrolle ohne ` Dauer der vorangehenden Gärung Magensaft Einwirkung des Magen- ———— h saftes nach 3 Std. | nach 24 Std. | nach 3/4, Std. Ee "ie "ie CH

224 T. Kudo:

Wie man aus dieser Tabelle ersieht, wird die Gärungs- kraft der frischen Preßhefe schon nach einstündiger Einwirkung des Magensaftes beträchtlich gehemmt, während ein Kontroll- versuch zeigt, daß bei sonst gleicher Versuchsanordnung statt Magensaft ist Wasser genommen worden die nämliche Hefen- menge ohne Vorbehandlung mit Magensaft schon nach ?/, Stunde 1°/, Glucose vergoren hat. Mit zunehmender Dauer der Ein- wirkung des Saftes wird die Gärungskraft immer stärker be- einträchtigt.

Versuch 2 mit Zymasoltabletten.

Gleiche Versuchsanordnung, nur wurden 1 resp. 2 Stück Tabletten mit 20 ccm Magensaft (Acidität 88) gut durchgeschüttelt und nach der Neutralisation mit ®/a NaHO jede Portion durch Zusatz von 0,03 com Sie NaHO gleichmäßig schwach alkoholisch gemacht, weil die Tabletten in der den Magensaft enthaltenden Flüssigkeit bei neutraler Reaktion nur spurweise oder gar nicht, dagegen, wie wir weiter unten sehen werden, bei einer schwach alkalischen Reaktion am besten vergoren.

Gärung nach 24 Stunden

Dauer der vorangehenden Einwirkung |—

des Magensaftes mit 1 Tablette | mit 2 Tabletten | vg, | 1 Stunde . .. 2.2222 2200 0,44 0,75 2 Stunden . . 2: 22 2 2. 0,62 ca. 1,25 De a ee or AR 5 0,3 0,88 Eo e a a a a E 0,26 0,84 Kontrolle ohne Magensaft . ... . | 0,45 | l 0,88 E Dieselbe ohne Alkalizusatz (neutral) . | Spur HE 06 E

Aus diesen und analog angeordneten anderen Versuchen ergibt sich, daß das Gärungsferment durch die Wirkung des Magensaftes auf die gepulverten Tabletten zunächst in Frei- heit gesetzt zu werden scheint. Denn nach vorher gegange- ner zweistündiger Digestion mit Magensaft im Brutschrank ist die Wirkung dieses Präparates am stärksten. Aber gleich- zeitig mit dieser den Gärungsprozeß im gewissen Sinne be- günstigenden Wirkung des Magensaftes geht der das Ferment schädigende Einfluß einher, der um so deutlicher hervortritt, je

Schioksal der Hefe im Tierkörper. 225

länger der Magensaft einwirkt. Die Gärungsfähigkeit nur mit Wasser behandelter Hefetabletten war sowohl bei der alkalischen als auch bei der neutralen Reaktion schwächer, als das Gärungs- vermögen von Tabletten, die 2 Stunden mit Magensaft digeriert worden waren.

Im Verlauf weiterer Untersuchungen stellte sich heraus, daß die Reaktion, bei der die verschiedenen Versuche angestellt wurden, nicht gleichgültig ist, was ja übrigens für die Hefe- wirkung auch schon bekannt war. Nur soweit diese Frage mein Thema berührt, will ich sie hier streifen. Folgende Ver- suche illustrieren die Bedeutung der Reaktion bei der Gärung.

Bedeutung der Reaktion bei der Gärung.

Versuch 3 mit der frischen Hefe.

Versuchsanordnung: 5 g Preßhefe wurde in 50 cem Wasser geschwemmt, davon je 5 ccm auf Reagensgläsern verteilt und mit 5 com einer 10°/ igen Traubenzuckerlösung versetzt. Darauf folgte der Zusatz von Normalsalzsäure resp. Natronlauge in verschiedenen Mengen. Nun wurde jede Mischung in Gärungs- röhrchen übertragen und im Brutschrank stehen gelassen.

0,1 eem Se HO „l cem ”/1o-Na HO l 0,3 99 29 0,63 1 0,3 39 í LU TE l 055m 0,47 | 1/05 S e A 01 S-BOl 02 101. °A-NaHO 0,9

0,15 5 0 0 ALR 8 0,52

Versuch 4 mit Zymasoltabletten.

Versuchsanordnung: 5 Stück Tabletten wurden mit 50 com destilliertem Wasser gut geschüttelt, ca. 1 Stunde lang im Zimmer stehen gelassen und mit Sie, HCl genau neutralisiert, weil die Tabletten Alkali enthielten. Das weitere Verfahren wie oben.

226 T. Kudo:

0,0 0 0,1 com Se -H O ioa. 1,08 03 F 0 » 1,25 0,5 0 1,06 01 Pls- HO 0 1 0,15 n 0 0,5

Versuch 5 mit Hefepulver „Faex“.

Gleiche Versuchsanordnung wie bei dem Versuch 3, nur wurde statt frischer Hefe 3 g „Faex‘, eine oa. 5 Stück Zymasol- tabletten entsprechende Menge, genommen.

0,0 0 0,46 0,0 0 0,46 0,1 com sie HO 0 0,3 0,1 com Sie HO 0 0,31 0,3 er 0 0 0,3 e 0 0 0,5 9 ”„ 0 MN 0 0,5 LC 0 0

Aus diesen Versuchsreihen geht hervor, daß die gärende Kraft der frischen Hefe bei neutraler Reaktion am stärksten war, und zwar war schon nach ?/, Stunde 1°/, Traubenzucker vergoren. Sie wurde durch Zusatz von Säure resp. Alkali, und zwar mit der erhöhten Konzentration, immer stärker gehemmt. Dabei wirkte die Salzsäure stärker schädigend als die Natron- lauge, so daß schon bei Zusatz von 0,15 ccm 2/„-HCl die Gärungskraft der Hefe dauernd gehemmt wurde.

Die Zymasoltabletten griffen viel langsamer und viel schwächer den Zucker an, als die frische Hefe, so daß sie nach 5 Stunden noch gar nicht und während 24 Stunden erst 0,6°/, vergoren hatten. Ferner wirkten die Tabletten im Gegensatz zu der frischen Hefe bei saurer resp. alkalischer Reaktion stärker ein, als bei neutraler, und zwar am stärksten beim Zusatz von 0,3 ?/o NaHO. Diese Tatsache stimmt mit

Schicksal der Hefe im Tierkörper. 227

der obenerwähnten Beziehung zwischen Magensaft und Tabletten überein und der Grund dafür kann vielleicht in ganz analoger Weise wie bei dem Magensaft erklärt werden. Mit der erhöhten Konzentration von Säure resp. Alkali wird ihr Gärungsvermögen ebenfalls geschädigt. Aus diesem Grunde wurden die schon mitgeteilten, wie auch die folgenden Versuche mit Tabletten bei einer schwach alkalischen Reaktion angestellt, soweit es nicht ausdrücklich anders vermerkt ist.

Endlich hatte das Hefepulver ‚„Faex‘‘ im allgemeinen sehr geringe Gärungsfähigkeit, und die Spuren von Säure resp. Alkali wirkten auf dasselbe vorübergehend oder gar dauernd hemmend.

I. Tierversuche.

Im allgemeinen war die Versuchsanordnung derart, daß. Hunde, die eine seitliche Fistel am absteigenden Aste des. Duodenums nach der Pawlowschen Methode trugen, mit Hefe oder Hefepräparaten gefüttert wurden, und daß dann in be- stimmten Intervallen der Duodenalinhalt auf sein Gärungs-- vermögen untersucht wurde.

Versuch 6 mit der frischen Hefe.

Versuchsanordnung: 10 g frische Hefe wurden in 100 ccm Wasser aufgeschwemmt und mittels Schlundsonde in den Magen eines nüchternen Hundes eingegossen. Nun wurden Proben des. Darminhaltes nach 1, 2, 3 resp. 4 Stunden entnommen. Jedes- mal wurden 5 com filtriertten Darminhaltes in ein Reagensglas abpipettiert, mit wenigen Tropfen al, NaHO genau neutralisiert. und sodann der Gärungsversuch angestellt.

Hund A.

. Zeit der Entnahme des Gärung nach Darminhaltes nach der 24 Stunden

Fütterung

Darminhalt vor der Fütterung. ..... 0,54

228 T. Kudo:

Versuch 7. Wiederholung.

Hund B. Zeit der Entnahme des Garnag awol 24 Stunden Darminhaltes nach der mit filtriertem | mit nicht filtriertem Fütterung STAR | RER

Darminhalt vor der | Fütterung ...... 0,28 | 0,5

Hieraus ersieht man, daß das Gärungsvermögen des Darm- inhaltes einige Stunden nach der Fütterung von 10 g frischer Hefe mehr oder weniger zugenommen hatte, und daß der nicht filtrierte Darminhalt natürlich eine viel stärkere Wirksamkeit zeigte als der filtrierte.

Versuch 8 mit Zymasoltabletten.

Gleiche Versuchsanordnung wie oben, nur statt frischer Hefe 20 Stück Tabletten 4 100 ccm Wasser einem nüchternen Hunde eingegossen.

Hund A Zeit der Entnahme des Gärung nach 24 Stunden Darminhaltes nach der mit filtriertem mit nicht filtriertem Fütterung Darminhalt Darminbalt EE S %o —— Dia Stunden. ..... 0,58 | 0,61 3 DEES 0,34 | 0,8 4 ee ie 0,32 | 0,82 6 SEET N 0,3 ! 0,87 nn nn

Darminhalt vor der |

Fütterung . ..... 0,35 | 0,61

Aus diesem Versuch geht hervor, daß das Gärungsvermögen des Darminhaltes sich durch die Fütterung von 20 Stück Ta- bletten etwas vermehrte, und daß diese Zunahme bei dem

Schioksal der Hefe im Tierkörper. 229

nicht filtrierten Darminhalte einige Stunden nach der Fütterung ein wenig stärker war, sich aber immer in gewissen Gren- zen hielt.

Versuch 9 mit Zymasoltabletten.

Versuchsanordnung: Hier wurde der Darminhalt zunächst nach dem Eingießen der Probekost (30 g Semmel +- 300 ccm Wasser) und bald wiederum nach der Gabe der nämlichen Probekost + 9 Stück Tabletten entnommen. Die einzelnen Gärungsproben wurden nicht bei schwach alkalischer, sondern bei neutraler Reaktion ausgeführt.

Hund B.

Zeit der Entnahme des Gärung nach 24 Stunden

Darminhaltes nach der mit Probekost |mit Probekost + Tabletten Fütterung

W Keng Sege? "je _ l Stunda ....... 0,58 | 0

2 Stunden . . ..... 0,5 0,48

3 SEENEN Spur | 0,3

4 ——— ae Aa 0 | 0

In diesem Versuch wurde keine Zunahme der Gärungs- fähigkeit des Darminhaltes nachgewiesen.

Ebenso fiel ein entsprechend angestellter Versuch mit dem Hefepulver „Faex“ negativ aus.

Versuch 10 mit Faex.

Versuchsanordnung: Der nüchterne Hund wurde mit 5g Faex + 100 com Wasser gefüttert. |

Hund C. Zeit der Entnahme Gärung nach des Darminhaltes 24 Stunden 1 Stunde .... kein Darminhalt 2 Stunden . . . . 10/9 3 * kein Darminhalt 4

Darminhalt vor der Fütterung...

230 T. Kudo.

Aus allen diesen Versuchen geht hervor, daß die Fütterung von frischer Hefe oder Hefepräparaten in einer regelmäßigen und gesetzmäßigen Weise die Gärungsfähigkeit des Darminhaltes nicht steigert. Wohl sieht man, daß nach der Verfütterung von Hefe gelegentlich 1 bis 2 Stunden später (oder noch später) die Gärungskraft des Darminhaltes ein wenig zunimmt, aber die Zunahme ist so minimal, daß sie praktisch etwa für eine gesteigerte Zuckergärung im Darm bei der Ernährung kaum in Frage kommen dürfte.

Man konnte nun daran denken, daß, wenn auch nach Hefe- fütterung eine vermehrte Gärung im Darminhalt etwa auf Grund ungünstiger Reaktionsbedingungen nicht nachweisbar war, das Gärungsenzym resorbiert würde und auf diese Weise vielleicht eine gesteigerte glykolytische Kraft der Körpersäfte erzielt werden könnte. Daß auch diese Annahme nicht zutrifft, beweisen folgende Versuche:

Versuch 11.

Versuchsanordnung: 4 ungefähr gleich große Kaninchen wurden gleichmäßig ernährt. 2 Kaninchen erhielten 7 bis 10 Tage hindurch außerdem noch täglich 10 Stück Zymasol-Tabletten in 40 ccm Wasser. Ich tötete dann die Tiere durch Entbluten aus der Carotis und verglich die zuckervergärende Kraft des Blut- serums und des durch die Buchnersche Presse gewonnenen Preßsaftes der gesamten Körpermuskulatur der mit Hefe ge- fütterten Tiere und der Kontrolltiere.

A. Kaninchen nach Geiger Fütterung.

Blutserum Muskelpreßsaft

Kontrolle | gefüttert gefüttert

0 0 über 1%, | über 1%,

B. Kaninchen nach 10tägiger Fütterung.

Defibriniertes Blut MuskelpreBsaft Leberpreßsaft

Kontrolle | gefüttert | Kontrolle

gefüttert | Kontrolle

o | o über 1%/, | über 1%/, | über 1%/, | über Lët,

Schicksal der Hefe im Tierkörper. 231

Bei den Gärungsversuchen verglich ich den Fortschritt der Gärung bei den einzelnen Proben von Zeit zu Zeit und fand, daß die Vergärung bei den Gewebspreßsäften erst nach 8 Stunden einsetzte und ohne Unterschied zwischen dem Kontroll- und dem gefütterten Tiere fortschritt, bis endlich nach 24 Stun- den über 1°/, bei allen Proben vergoren war.

Zusammenfassung.

1. Bei den Versuchen in vitro wird die Gärungskraft von Hefe und Hefepräparaten durch Einwirkung des reinen Magen- saftes, welcher dem „kleinen Magen‘ nach Pawlow entstammt, beträchtlich gehemmt. Diese Hemmung nimmt mit der Dauer der Einwirkung des Saftes zu.

2. Mit den Zymasoltabletten geht die Vergärung nach vorgegangener etwa 2stündiger Einwirkung des Magensaftes am stärksten vor sich. Der Grund dafür beruht vielleicht darin, daß das fest eingeschlossene Ferment durch Einwirkung des Magensaftes nach gewisser Zeit in Freiheit gesetzt wird.

3. Das Gärungsvermögen der untersuchten Hefepräparate ist im Vergleich zu dem der frischen Hefe schwächer.

4. Die Reaktion der Flüssigkeit hat einen großen Einfluß auf den Gärungsprozeß. Die frische Hefe wirkt am stärksten in neutraler, die Zymasoltabletten dagegen in schwach alkali- scher Reaktion.

5. Hefe und Hefepräparate werden beim Passieren des Verdauungskanals des Tieres in ihrem Gärungsvermögen ge- schädigt.

6. Die Fütterung von Hefe und Hefepräparaten steigert die Gärungsfähigkeit des Darminhaltes nur wenig.

7. Diese Zunahme ist einige Stunden nach der Fütterung am deutlichsten.

8. Durch Fütterung von Hefe nimmt das Gärungsvermögen des Blutes und der Gewebspreßsäfte nicht zu.

Biochemische Zeitschrift Band 16. 16

232 T. Kudo: Schicksal der Hefe im Tierkörper.

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17. Gilkinet, Arch. de Méd. exper. 9, 881.

OOND Yp m

Über den Einfluß der Elektrizität auf die Fermente. Von T. Kudo.

(Aus der experim.-biolog. Abteilung des kgl. Patholog. Instituts der Universität Berlin.)

(Eingegangen am 23, Januar 1909.)

Während die Folgeerscheinungen der elektrischen Reizung der Drüsen oder ihrer Sekretionsnerven vielfach Gegenstand experimenteller Studien gewesen sind, liegt über die Frage, ob und in welcher Weise die Fermente selbst durch die ver- schiedenen Arten der Elektrizität beeinflußt werden können, bisher eigentlich kaum Untersuchungsmaterial vor. Und doch schien eine Prüfung dieses Gegenstandes sowohl vom theo- retischen wie vom praktischen Standpunkte aus interessant; vom praktischen besonders deshalb, weil die moderne physi- kalische Therapie die Elektrizität in fast allen möglichen An- wendungsarten in ihr Bereich gezogen hat. Aus diesem Grunde war eine detaillierte Kenntnis der Wirkungen der ver- schiedenen Formen der Elektrizität auf die einzelnen Organ- funktionen, speziell die Drüsen, wünschenswert.

Ich untersuchte den Einfluß der konstanten, faradischen und der Teslaströme auf die verschiedenen Verdauungs- fermente, nämlich auf das Ptyalin, Pepsin und Trypsin.

Die Versuchsanordnung war im allgemeinen derart, daß ca. 10 com des betreffenden Verdauungssaftes in einem kleinen Glaszylinder, in dem sich die beiden platinierten Elektroden befanden, der Einwirkung des elektrischen Stromes ausgesetzt wurden. Der Zylinder stand in Eiswasser, um eine etwaige Temperaturerhöhung der Fermentlösung zu vermeiden. Der

Versuch wurde gewöhnlich nach 1/, resp. 1 Stunde unterbrochen, 16°

234 T. Kudo:

dann die Fermentstärke bestimmt und mit jener der nicht be- handelten Fermentlösung verglichen.

I. Einfluß der Elektrizität auf das Ptyalin.

Versuch 1. Galvanischer Strom.

Zur Bestimmung des Ptyalins diente die Wohlgemuth- sche Methode.) Absteigende Mengen von Menschenspeichel wurden mit 5,0 com einer 1°/,igen Stärkelösung versetzt, nach halbstündigem Stehenlassen im Brutschrank der Versuch unter- brochen und zu jedem mit Wasser verdünntem Gläschen ein Tropfen #/ „.Jodlösung zugefügt. Wo die erste blaue Färbung auftrat, lag die untere Grenze der Wirkung. In dieser Weise wurde nativer Speichel und mit galvanischem Strom behandelter auf seinen Fermentgehalt untersucht. Verwendet wurde eine Stromstärke von 4 M.-A.

Wie man aus dieser Tabelle ersieht, wird das Ptyalin bereits nach !/ stündiger Einwirkung des galvanischen Stromes etwas geschädigt. Nach einer Stunde ist die Schädigung schon so stark, daß 0,08 ccm Speichels nicht mehr imstande sind, 5,0 ccm einer 1°/,igen Stärkelösung in 30 Minuten zu verdauen, während noch 0,008 ccm nicht vorbehandelten Speichels die gleiche Menge Stärke in der gleichen Zeit vollkommen verdauten. Der Speichel war somit bezüglich des Ptyalins nach einstündiger

1) J. Wohlgemuth, diese Zeitschr. 9, 1, 1908,

Einfluß der Elektrizität auf die Fermente. 235

Galvanisation auf den 10. Teil seiner früber diastatischen Kraft reduziert.

Ob die Schädigung des Ptyalins primär durch die direkte Einwirkung der Elektrizität auf das Fermentmolekül selber oder sekundär durch irgendeine chemische Umsetzung in der Flüssigkeit zustande kommt, ist schwer zu entscheiden.

Im folgenden Versuch habe ich den Speichel mit Wasser auf das 20 fache verdünnt und galvanisiert. (Stromstärke 4 M.-A.)

Versuch 2 mit dem verdünnten Speichel. (Galvanischer Strom.)

| Native Dauer der Galvanisation | Fermentmenge rdü j g Verdünnung | 21, Std. | 1Std.

Die Schädigung des Ptyalins war bei dem 20fach ver- dünnten Speichel so gering, daß selbst nach einstündiger Galvanisstion noch 0,02 com fähig waren, 5 ccm Stärke zu ver- dauen, während von dem nicht verdünnten, mit Galvanisation behandelten Speichel (s. Versuch 1) erst 0,13 com hierzu im- stande waren.

Versuch 3 mit Anwendung des faradischen Stromes.

Gleiche Versuchsanordnung wie im vorigen. Rollenabstand

Nativer Dauer der Faradisation: | Speichel YA "Ap. | 1Std. 1 18a.

bei 0

236 T. Kudo:

Versuch 4 mit Teslastrom.

‚Versuchsanordnung: Der Strom wurde durch den Speichel, ohne Abkühlung durch Eiswasser, teils mittels darin eingetauchter Elektroden geleitet, teils wurden nur die Funken durch die Lösung hindurchgeschickt. Dabei trat eine Temperaturerhöhung um 3,5°C ein.

Wirkungszeit des Teslastromes

Aus diesen beiden Versuchen geht hervor, daß der Wechsel- strom, sowohl faradischer als auch hochgespannter Strom (Teslastrom), auf die diastatische Kraft des Speichels keinen schädigenden Einfluß auszuüben vermag.

II. Beeinflussung des Pepsins.

A. Durch den galvanischen Strom.

Zur Verwendung kam Hundemagensaft, der aus einem „kleinen Magen“ nach Pawlow stammte. Die Versuchsanordnung war hier die gleiche wie oben. Was die Bestimmung des Pepsingehalts anbetrifft, so bediente ich mich der Fuld- schen!) Methode; dieselbe besteht darin, daß absteigende Mengen Magensaft mit je 2ccm einer 1°/ ‚igen Edestinlösung versetzt und daß nach halbstündiger Digestion bei Zimmer- temperatur 0,3 ccm einer konzentrierten Kochsalzlösung zu jeder Probe zugefügt werden. Diejenige Portion, in welcher die erste Trübung zu erkennen ist, gilt als unterste Grenze der Wirksamkeit.

1) Diese Zeitschr. 6, 473.

Einfluß der Elektrizität auf die Fermente. 237

Versuch 5.

a) Pepsinbestimmung.

| | Dauer der Galvanisation Fermentmenge | Native Saft | 1/, Std. 1 Std.

EE EE EE EE

b) Aciditätsbestimmung.

Dauer der Galvanisation 1/, Std. 1 Std. |

Freie HO . . 82 80 80 Gesamtacidität 106 104 101

Wie man aus dieser Tabelle ersieht, war der Pepsingehalt des nicht vorbehandelten Magensaftes (Kontrolle) so stark, daß 0,01 ccm Saftes 2 com einer 1°/ „igen Edestinlösung in 30 Minuten vollkommen verdauten.

' Nach / stündiger Einwirkung des galvanischen Stromes wurden bereits 0,1 com nötig, um die gleiche Menge Edestin in der gleichen Zeit zu verdauen, so daß also die peptische Kraft des Magensaftes schon auf den 10. Teil reduziert war. Nach einstündiger Galvanisation. war das Pepsin vollkommen zerstört. |

Im folgenden Versuche wurde der mit Wasser auf das 20fache verdünnte Magensaft galvanisiertt. Dabei war die Schädigung des Pepsins genau so stark, wie im nicht ver- dünnten Magensaft.

| Nativer Saft

238 T. Kudo:

Versuch 6 mit verdünntem Magensaft.

a) Pepsinbestimmung.

Dauer der Galvanisation Fermentmenge | Nativer Saft | 1/, Std. 1 Std.

b) Aciditätebestimmung.

Dauer der Galvanisation Nativer Saft m 1/4 Std. 1 Std. Freie HO . . 80 60 20 Gesamtacidität 80 80 20

Hieraus ersieht man, daß die Herabsetzung der Acidität eine Stunde nach der Galvanisation sehr stark war. Es ist also sehr wahrscheinlich, daß die elektrolytischen Vorgänge hier anders verliefen, als im nicht verdünnten Magensafte.

B. Durch den faradischen Strom. Versuch 7.

a) Pepsinbestimmung.

nn mn

Dauer der Faradisation ` Fermentmenge |Nativer Saft 1

Einfluß der Elektrizität auf die Fermente. 239

b) Aciditätsbestimmung.

Dauer der Faradisation

Nativer Bail Freie HC... 80 80 80 Gesamtacidität . 101 101 | 101

C. Durch Teslastron:.

Versuch 8.

Gleiche Versuchsanordnung wie beim Speichel, ohne Eis- kühlung. Temperatur war am Ende des Versuches um 2,5° C gestiegen.

a) Pepsinbestimmung.

Dauer der Einwirkung | Fermentmenge |Nativer Saft —— 15 Min. 45 Min.

4+- + + + + +

b) Aciditätsbestimmung.

| Dauer der Einwirkung | Nativer Saf f ~ 15 Min. 45 Min. Freie HCl... 80 80 80 ` Gesamtacidität . 101 101 | 101

Aus diesen beiden Versuchen geht hervor, daß der. Wechselstrom weder das Pepsin, noch die Acidität irgendwie beeinflußte.

240 T. Kudo:

II. Beeinflussung des Trypsins.

A. Durch den galvanischen Strom. Versuch 9.

Als Untersuchungsobjekt diente zunächst nur eine Pan- kreatinlösung, die aus Le Pankreatin, 50,0 com Wasser und der gleichen Menge Glycerin bestand. Die tryptische Kraft wurde auch hier nach Fuldscher Methode!) bestimmt, und zwar wurden absteigende Mengen Pankreatinlösung mit 2 com einer 2°/,.igen Caseinlösung versetzt; nach einstündigem Stehen im Brutschrank wurden zu jeder Probe durch Zusatz von 3 Tropfen Alkoholessigsäurelösung zugefügt und festgestellt, in welcher Portion die erste Trübung eintrat.

Das Trypsin in der neutralen Lösung wurde, wie das Ptyalin im verdünnten Speichel, von dem galvanischen Strom nur äußerst wenig geschädigt.

Gegen den faradischen Strom verhält sich das Trypsin wie die anderen beiden Fermente.

B. Durch den faradischen Strom. Versuch 10.

—— Native Dauer der Faradisation | Lösung 14Std. | 1Std. `

| | | |

I ++++ | ++++

1) Fuld, Verhdl. d. Ver. f. inn. Med. 1907.

Einfluß der Elektrizität auf die Fermente. 241

C. Durch Teslastrom. Versuch 11. Ohne Eis; die Temperatursteigerung betrug zum Schluß 17° C.

Dauer der Ein- E Native Lösung E) 20 Min.

Kaes

In diesem Versuche zeigte das Ferment durch den Tesla- strom nach 20 Minuten Spuren von Schädigung. Ob die Temperaturerhöhung die Ursache der Schädigung ist, bleibt dahingestellt.

Nun ist es denkbar, daß der Einfluß der Elektrizität speziell des galvanischen Stromes auf das künstliche Pankreas- extrakt deshalb nicht zum Ausdruck kam, weil dasselbe neutrale Reaktion zeigte. Es war immerhin denkbar, daß das Trypsin in alkalisch reagierendem Medium anders sich verhalten würde, als in einem neutralen. Aus diesem Grunde untersuchte ich, ob Galvanisation und Faradisation das im natürlichen Pankreas- saft enthaltene Trypsin schädigen, und zwar verwandte ich menschlichen Pankreassaft, den mir Herr Dr. Wohlgemuth freundlichst zur Verfügung stellte. |

IV. Beeinflussung des Trypsins im menschlichen Pankreassalt. A. Durch den galvanischen Strom. Versuch 12.

Dauer der Galvanisation 1 Std. 1/, Std.

Fermentmenge | Nativer Saft

| +++++

|

|

242 T. Kudo: Einfluß der Elektrizität auf die Fermente.

B. Durch den faradischen Strom.

Versuch 13. | f | Dauer der Paradisation

Fermentmenge |Nativer Saft en

sch 1/, Std. l Std. 1,0 + + 0,64 + + | + 0,40 + + | SE 0,25 -F deser E 0,16 + J + 0,10 = T T 0,064 0,040

Der galvanische Strom übt demnach auf das im mensch- lichen Pankreassaft enthaltene Trypsin ebenfalls nur einen ge- ringen Einfluß aus. Ferner geht aus diesem Versuche hervor, daß das Trypsin gegen HO-Ionen, welohe durch die elektro- lytischen Vorgänge aus dem Alkali in Freiheit gesetzt sind, resistent ist, weit resistenter, als das Ptyalin gegen HO-Ionen ist. Durch den faradischen Strom erleidet das Trypsin eben- falls keine Schädigung.

Fassen wir noch einmal sämtliche Resultate zusammen, so ergibt sich, daß Ptyalin, Pepsin und Trypein sich gegen die Faradisation indifferent verhalten. Auch gegen Teslaströme scheinen die genannten Fermente unempfindlich zu sein, denn nur in demjenigen Versuche, bei dem gleichzeitig eine leichte Temperatursteigerung während des Versuches beobachtet wurde, zeigte sich nachher eine geringe Hemmung. Der galvanische Strom dagegen führte beim Speichel und Magensaft unter allen Umständen bei nur einigermaßen intensiverer Einwirkung eine Schädigung, ja beim Pepsin sogar eine vollständige Vernichtung des Fermentes herbei. Ptyalin ist im Vergleich zum Pepsin dem galvanischen Strom gegenüber wesentlich resistenter; be- sonders in verdünnter Lösung ist seine Schädigung nur sehr gering. Noch resistenter als das Ptyalin ist das Trypsin, mag es sich in einem neutralen Pankreasextrakt oder in einem stark alkalisch reagierenden Pankreassaft befinden.

Es muß dahingestellt bleiben, ob die schädigende Wirkung des galvanischen Stromes durch direkte Zerstörung des Ferment- moleküls selbst bedingt ist oder indirekt durch chemische Um- setzungen, die sich unter dem Einfluß des galvanischen Stromes in dem Medium abspielen.

-=

Bemerkungen zur Mitwirkung von Bakterien an der Fuselölbildung.

Von Hans Pringsheim, (Aus dem chemischen Institut der Universität Berlin.) (Eingegangen am 8. Februar 1909.)

Während das Fuselöl für gewöhnlich aus n-Propyl-Isobutyl- und Amylalkohol besteht, gelang es mir vor kurzem, in einem Kornfuselöl der Weender Brennerei auch Isopropyl- und n- Butylalkohol nachzuweisen.!) Die letztgenannten Alkohole nun sind die Gärprodukte der gewöhnlichen Buttersäurebakterien®), die sich in weiter Verbreitung und ganz besonders auf Früchten, Samen und Knollen finden.) Da nun durch die gleichzeitige Auffindung von n-Butyl- und Isopropylalkohol sehr wahrschein- lich gemacht wurde, daß diese Alkohole durch eine Buttersäure- gärung der Maische entstanden waren, so schloß ich, daß das. von mir untersuchte Fuselöl seinen Ursprung zwei verschiedenen. Vorgängen verdankte, erstens der Wirkung der Hefe auf die Eiweißspaltungsprodukte ihres eigenen und des in den Gär- materialien enthaltenen Eiweiß, wodurch n-Propyl-Isobutyl- und Amylalkohol entstanden waren, und zweitens der Wirkung. der Buttersäurebakterien auf das Gärmaterial, der Isopropyl- und n-Butylalkohol ihren Ursprung verdanken mußten.

Zum Schluß meiner Abhandlung bemerkte ich, daß die- Mitwirkung von Bakterien an der Fuselölbildung in so aus- gesprochener Weise, wie sie in der Weender Brennerei erfolgt

1) H. Pringsheim, diese Zeitschr. 10, 490, 1908. 2) H. Pringsheim, Centralbl. f. Bakt. (Abt. II) 15, 317, 1905. 3) H. Pringsheim, ibid. (Abt. DI) 16, 795, 1906 und 20, 248, 1908.

244 H. Pringsheim:

ist, ein extremer Fall sein müsse, da in den meisten unter- suchten Fuselölen kein Isopropyl- oder n-Butylalkohl aufzufinden war. So sehr ich auch gewünscht hätte, meine Befunde durch eine erneute Auffindung dieser Alkohole in anderen Fuselölen zu ergänzen, so mußte ich doch fürchten, daß mir kein Zufall ein Fuselöl von der gewünschten Zusammensetzung in die Hände spielen würde.

Um so überraschter war ich, als ioh jetzt auf eine mir neue Literaturangabe von Rabuteau!) aufmerksam wurde, der beträchtliche Mengen von n-Butylalkohol in einem Kartoffelfuselöl fand. Neben diesem und den gewöhnlichen Fuselölalkoholen war in dem von Rabuteau untersuchten Kartoffelfuselöl Isopropylalkohol in bedeutender Menge vorhanden. Rabuteau zerlegte sein Fuselöl durch Destillation in folgende Fraktionen.

n-Propylalkohol 30 com Isobutylalkohol 50 Gewöhnlicher Amylalkohol 275 Produkte, die höher als 132° siedeten

und noch Amylalkohol enthielten: 170 ,, Secundärer Amylalkohol 60 Isopropylalkohol 150 ,, n-Butylalkohol 65

Seine Untersuchungen machen den Eindruck völliger Zu- verlässigkeit, da er den Isopropyl- und n-Butylalkohol durch Elementaranalyse, Umwandlung in die Essigsäureester und Siedepunktskontrolle dieser identifizierte und den Isopropyl- alkohol außerdem zu Aceton oxydierte.

Ich glaube daher in den Rabuteauschen Angaben eine Bestätigung der meinen sehen zu dürfen, und ich fühle mich um so berechtigter, meine Schlußfolgerungen über die Mitwirkung der Buttersäurebakterien an der Fuselölbildung auch hier anzuwenden, als in den beiden bisher bekannten Fällen, in denen n-Butylalkohol in bedeutender Menge im Fuselöl aufgefunden wurde, im Ra- buteauschen und in meinem, gleichzeitig gerade der Isopropyl-

1) Rabuteau, Comptes rendus 87, 500, 1878.

Mitwirkung von Bakterien an der Fuselölbildung. 245

alkohol entstanden war. Daß dies für den von Emmerling?) angegebenen Fall nicht gilt, scheint nur natürlich, da bei der geringen Menge des vorhandenen n-Butylalkohols, 25 g auf 10 kg Kornfuselöl, der an sich schwer zu isolierende Isopropyl- alkohol leicht übersehen werden konnte, wenn er nicht über- haupt in seiner Gesamtheit im Wasser des Fuselölbehälters zurückgehalten worden war.

Diesen neuen Beweis für die Mitwirkung von Bakterien an der Fuselölbildung will ich hier anführen, da es nur schwer gelingen wird, solche Beobachtungen, welche für die Theorie der Fuselölbildung von Wichtigkeit sind, durch neue Resultate zu stützen.

1) O. Emmerling, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 35, 694, 1902.

Notiz zur Darstellung der Glucothionsäure. Von P. A. Levene. (Aus dem Rockefeller Institute for Medical Research in New York.) (Eingegangen am 22. Dezember 1908.)

In einer kürzlich erschienenen Arbeit über die „Glucothion- säure“ berichten Mandel und Neuberg!) über die Schwierig- keiten, welche sie bei der Darstellung der Substanz gefunden hatten. Daß solche Schwierigkeiten vorkommen, war mir nicht unbekannt; in einer Publikation,?) welche ich gemeinschaftlich mit Mandel veröffentlichte, erwähnte ich, daß man bei einigen Organen ganz besondere Kunstgriffe zu Hilfe nehmen muß. Zu jener Zeit lag auch nicht so viel daran, die Substanzen in abso- luter Reinheit darzustellen, sondern Kenntnis über die Verbrei- tung der gepaarten Schwefelsäureverbindungen in den Geweben zu erlangen. Es war auch klar, daß die einzelnen Präparate in ihrer elementaren Zusammensetzung voneinander abwichen, und wir waren geneigt, anzunehmen, daß die Unterschiede teilweise durch Verunreinigungen verursacht waren. Daß nicht alle ge- paarten Schwefelsäureverbindungen, die in Geweben vorkommen, identisch sind, war seit mehreren Jahren meine Meinung, und ich habe deswegen den Gruppennamen Glucothionsäure statt Chondroitinschwefelsäure von Schmiedeberg vorgeschlagen. Ob die Glucothionsäure aus den parenchymatösen Organen stets identisch ist oder ob sie nur verwandt sind, kann man gegen- wärtig mit Sicherheit nicht entscheiden. Sie geben aber alle eine

1) J. A. Mandel u. C. Neuberg, Zur Kenntnis der ‚„‚Glucothion- sëurert, Diese Zeitschr. 13, 142, 1908. 2) Zeitschr. f. physiol Chem. 45, 386, 1905.

P. A. Levene: Notiz zur Darstellung der Gluoothionsäure. 247

positive Orcinprobe, enthalten keine Pentose, liefern bei der Hy- drolyse eine Substanz, welche in ein basisches Bariumsalz mit den Eigenschaften des Bariumsalzes der Glucuronsäure übergeführt werden kann. Diese Tatsachen sind in meinen älteren Berichten angegeben, und nach der Publikation von Mandel und Neu- berg") konnte ich mich überzeugen, daß sie alle auch die Probe auf Glucuronsäure mit Naphtoresorcin geben.

Ich stimme Mandel und Neuberg vollkommen darin bei, daß der Erfolg der weiteren Forschung über die Zusammen- setzung der Glucothionsäure von der Ausarbeitung eines Ver- fahrens zur Reindarstellung der Substanz ohne große Verluste abhängen wird; und deswegen teile ich schon jetzt die Ver- besserung im Verfahren mit. Die Rohsubstanz wird nach dem alten Verfahren erhalten, in Wasser gelöst, von Kupfer mit Schwefelwasserstoff befreit und der Schwefelwasserstoff durch Durchblasen von Luft entfernt. Die Lösung wird mit wenig Bariumacetat versetzt und die Substanz mit Eisessig gefällt. Der Niederschlag wird auf Seide über Saugpumpen abfiltriert, mit Alko- hol gewaschen und bei vermindertem Druck über Schwefelsäure getrocknet. Das Trocknen wird vorgenommen, um den Nieder- schlag, der noch Spuren von Nuoleinsäure und von Essigsäure ent- hält, von letzteren möglichst zu befreien, da nucleinsaures Barium in verdünnter Essigsäure teilweise löslich ist. Der Niederschlag, welcher also aus dem Bariumsalze der Nucleinsäure und Gluco- thionsäure entsteht, wird in Wasser aufgenommen, wobei die Nucleinsäure ungelöst bleibt. Das Filtrat wird wieder mit wenig Bariumacetat versetzt und mit Eisessig gefällt. Diese Operation wird wiederholt, bis alle Nucleinsäure entfernt ist. Falls die Organe nicht frisch aus dem Schlachthause erhalten . sind, ist die Reinigung bedeutend mühsamer, weil die ziemlich unlösliche Nucleinsäure durch Autolyse und vielleicht auch durch Bakterienwirkung in eine lösliche Form übergeführt wird, die nicht so leicht wegzuschaffen ist. Die Schwierigkeit, welcher Mandel und Neuberg begegneten, war gerade durch diese Tatsache verursacht. Nach dem angegebenen Verfahren habe ich Glucothionsäure aus dem Sehnenmucin und aus der Milz

1) J. A. Mandel u. C. Neuberg, Naphtoresorein als Reagens auf einige Adehyd- u. Ketonsäuren. Diese Zeitschr. 18, 148, 1908, Biochemische Zeitschrift Band 16. 17

248 P. A. Levene:

dargestellt. Die Substanz aus dem Tendomucin hatte vor der ‘Reinigung eine Zusammensetzung

C. . . 27,29 H. . . 3,64 N. . . 268 S. ©. 485 Ba . . 21,90.

W. A. Jacobs und ich?) hatten für die Substanz die empirische Formel C,,H,,NO,,SBa + H,O angenommen. Die Substanz enthielt noch Spuren von Phosphorsäure. Sie wurde einmal nach dem angegebenen Verfahren gereinigt. 1,0g der getrockneten Substanz wurde für eine Phosphorbestimmung ge- schmolzen. Es gelang aber nicht einmal, Spuren von Phosphor- säure zu finden.

Die Zusammensetzung der gereinigten Substanz war die

folgende:

0,1592g der Substanz gaben bei der Verbrennung 0,1698 g CO, und 0,0635g H,O.

0,2836 g der Substanz gaben beim Erhitzen mit Salzsäure 0,0670g BaSO, und nach weiterem Zusatz von Bariumchloridlösung 0,1250 g BaSO,.

0,4575 g der Substanz verbrauchten bei einer Stickstoff-

bestimmung nach Kjeldahl zur Neutralisation 8,1 ccm Schwefelsäure (l ccm = 0,001 404 N).

Zur Analyse war die Substanz bei 80°C in Vakuum- exsiccator über Phosphorpentoxyd getrocknet.

Ein saures Bariumsalz der Substanz von der empirischen Formel: (C,,H,.NO,,S),Ba + 2 H,O würde

verlangen: Gefunden: C 29,62 29,10 H. . . 44 4,14 N 2,48 2,48 S 5,6 6,01 Ba . . 1229 13,84.

1) Journ. of experim. Med. 10, 557, 1908.

Notiz zur Darstellung der Glucothionsäure. 249

Die hier gefundenen Zahlen scheinen also zu bestätigen, daß die empirische Formel, welche Jacobs und ich für die Glucothionsäure aus dem Sehnenmucin angenommen haben, richtig ist.

Es lag mir nur eine ganz kleine Menge eines alten Prä- parates von Rohglucothionsäure aus der Milz vor. Die Substanz war von Nucleinsäure nicht frei. Die Fällung des Bariumsalzes mittels Eisessig wurde viermal wiederholt. Nach jeder Fällung wurde der Niederschlag im Vakuumexsiccator über Schwefel- säure getrooknet. 0,150 g des getrockneten Bariumsalzes gaben nach dem Schmelzen keine Spur von Phosphorsäure.

17°

Bemerkung über die „Glucothionsäuren“. Von

Carl Neuberg.

Der vorangehenden Mitteilung von Levene?!) entnimmt man, daß seine bisherigen Angaben für die Darstellung von „Glucothionsäure‘ unzulänglich waren. Auffällig ist dabei, daß er diese Tatsache eingestandenermaßen zwar gewußt, aber in seinen zahlreichen Publikationen über diesen Gegenstand un- erwähnt gelassen hat. Angeführt seien zum Beweise dafür nur einige wenige Stellen aus seinen letzten Arbeiten über diese Substanz.

In der Zeitschr. f. physiol. Chem. 45, 386 bis 387 findet man die letzte Vorschrift für die Gewinnung von ‚„Glucothion- säure“, und sie schließt mit den Worten:

„Auf diese Weise hergestellte Substanzen sind biuretfrei und enthalten Nucleinsäure nicht einmal in Spuren (sic!); dabei stimmen sie in allen ihren Eigenschaften mit der Glucothionsäure aus Milz über- ein.‘

In dieser Zeitschr. 4, 78 bis 79 wird über die Ge- winnung der ‚„Glucothionsäure‘ aus Eiter berichtet. Obgleich dieses Material doch gewiß reich an Nucleinsäure ist, findet sich kein Wort über die Möglichkeit der Verunreinigung mit phosphorhaltiger Substanz, sondern nur die Angabe, daß die Darstellung zu typischer „Glucothionsäure‘‘ führe.

Weiter behauptet Levene in der voraufgehenden Notiz 21:

„Daß nicht alle gepaarten Schwefelsäureverbindungen, die in Geweben vorkommen, identisch sind, war seit Jahren meine Meinung.“

1) Diese Zeitschr. 16, 246, 1909.

2) Diese Zeitschr. 16, 246, 1909.

C. Neuberg: Bemerkung über „Glucothionsäuren‘“. 251

Vergebens sucht man nach einem solchen Passus in seinen einschlägigen Mitteilungen, die bis zum Erscheinen der Arbeit von Mandel und mir vorlagen. Schon die Überschrift: „Über die Verbreitung von Glucothionsäure in tierischen Organen“ (Zeitschr. f. physiol. Chem. 45, 386) und der ganze Tenor dieser Mitteifung bezeugen, daß Levene stets nur an eine und dieselbe „Glucothionsäure‘“ gedacht hatte. In der Bioch. Zt. 4, 79 suchte er die Glucothionsäure im Eiter, und es heißt dort: „Es gelang uns, eine Substanz zu er- halten, die alle Eigenschaften dieser Säure besaß.“

Erst nachdem Mandel und ich!) durch die Gegenüber- stellung der ganz unmöglichen Analysenzahlen der S-Gehalt der Ba-Salze ist z. B. höher als der der freien Säuren (!), der N-Gehalt schwankt um 200°/,, der S-Gehalt um fast 300°), auf die mangelnden Beweise für die Einheitlichkeit der ‚„Gluco- thionsäuren“ verschiedener Herkunft aufmerksam gemacht und den 3,07°/, P,O, entsprechenden Phosphorgehalt der nach Levenes Vorschrift aus Nieren hergestellten sog. „Glucothion- säure‘‘ nachgewiesen haben, läßt sich Levene zu den erwähnten Zugeständnissen herbei. Was von seiner Versicherung zu halten ist, er habe mit Mandel gemeinsam auf die Kunstgriffe auf- merksam gemacht, die man zur Erlangung reiner Substanzen anwenden müsse, geht schon aus den gegenteiligen, oben an- geführten Zitaten aus seinen diesbezüglichen Mitteilungen her- vor; gerade für die von Mandel und mir benutzte ‚„Glucothion- säure“ aus Nieren heißt es Zeitschr. f. physiol. Chem. 45, 390 klar und eindeutig:

„Niere. Auch bei diesem Organ gelangt man ohne Schwierigkeiten zu einem reinen Präparat.“

Weiter äußert Levene, die abweichenden Befunde von Mandel und mir seien dadurch zu erklären, daß wir kein frisches, sondern autolysiertes Nierenmaterial verwendet hätten. Abgesehen davon, daß diese Behauptung unzutreffend ist, hat Levene gerade eine vorhergehende Autolyse zur Dar- stellung der „Glucothionsäure‘“ (aus der Leber) em- pfohlen (Zeitschr. f. physiol. Chem. 45, 391). Da er übrigens in derselben Arbeit verspricht, daß durch die angewandte

1) Diese Zeitschr. 13, 142, 1908.

252 C. Neuberg:

Isolierungsmethode alle Nucleinsäure abgetrennt werde, so müßte es gleichgültig sein, ob ein wenig mehr oder weniger Nucleinsäure in Lösung geht.

Nach der voraufgehenden Mitteilung Levenes könnte der Leser den Eindruck gewinnen, daß die nach der alten Vorschrift erwiesenermaßen unmögliche Entfernung der Nucleinsäure durch einfache Fällung der Bariumsalze (statt wie früher der freien Säuren) nunmehr gelingt. Trotz 8maliger Umfällung mit Bariumacetat + Eisessig genau nach Levenes Vorschrift, der nur 4mal angibt, habe ich meine „Glucothionsäure‘“ nicht vom Phosphorgehalt befreien können.

Demnach bleiben alle die Bedenken bestehen, die Mandel und ich gegen die bisherigen Ergebnisse der „Glucothionsäure‘‘- forschung geltend gemacht haben.

Kurz sei noch die Frage nach der Natur des Kohlen- hydrates oder der Kohlenhydratgruppen in der „Glucothion- säure‘‘ berührt.

Zeitschr. f. physiol. Chem. 37, 401 gibt Levene an, durch Hydrolyse von „Glucothionsäure“ ein bei 205° C schmelzendes Hexosazon gewonnen und mit der Substanz eine atypische Oroinreaktion beobachtet zu haben. Zeitschr. f. physiol. Chem. 39, 3 erhielt er ein von der entsprechenden Glucuronsäure- verbindung verschiedenes, in heißem Alkohol lösliches (nicht analysiertes) p-Bromphenylosazon. Zeitschr. f. physiol. Chem. 45, 390 wird nach Behandlung der hydrolysierten Lösung mit überschüssigem Baryt er würde etwa vorhandene Glu- curonsäure mitgefällt haben ein (nicht analysiertes) Osazon vom F. 196° isoliert.

Orgler und Neuberg!) hatten gezeigt, daß bei der Spal- tung der früher als substituiertes Kondensationsprodukt von Glucosamin mit Glucuronsäure aufgefaßten Chondroitinschwefel- säure der Stickstoff z. T. mindestens als eine N-haltige Koblen- hydratsäure auftritt. Letzterer schieben sie auf Grund mehrerer Analysen die Formel C,H,,NO, (Tetraoxyamino- capronsäure) zu. S. Fränkel?) gab ihr später die nur 2 Wasser- stofflatome ärmere Formel C,H, NO, (Aminoglucuronsäure).

2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 37, 407, 1903. 2) Liebigs Ann. 1906, 541.

Bemerkung über „Glucothionsäuren‘. 253

Nachdem dann Mandel und Neuberg?) auf die Gegen- wart einer Kohlenhydratsäure unter den als Spaltungsprodukt der sog. „Glucothionsäure‘‘ hingewiesen hatten, gaben jüngst Levene und Jacobs?) an, als Spaltungsprodukt der „Gluco- thionsäure‘‘ aus Sehnenmucin Glucuronsäure und Amino- glucuronsäure in Form eines „gemischten Bariumsalzes beider Säuren“ erhalten zu haben. Diesmal schmolz das Phenyl- osazon bei 155°, und sie stellten nach der Methode von C. Neu- berg und W. Neimann?) der Hydrolyse mit Bromwasserstoff und gleichzeitigen Oxydation mit Brom eine Substanz dar, die vielleicht zuckersaures Silber war. Jedoch ist keines ihrer primären Produkte so charakterisiert, daß ein sicheres Urteil über dieselben möglich wäre.

Der Mitteilung von Levene und Jacobs ist noch zu ent- nehmen, daß die ‚Tendomucinglucothionsäure“ linksdrehend ist, während die von Mandel und Neuberg untersuchte sog. „Nierenglucothionsäure“ rechtsdrehend war.

Die Chemie der ‚„Glucothionsäure‘ wimmelt von allen nur denkbaren Widersprüchen, und man kann nicht darüber hinweg- täuschen durch die Aufstellung von Formeln für diese amorphen und schlecht charakterisierten Produkte.

Soviel ist nur sicher, daß sie nicht irgendwelche Ester der Glucose sind. '

Die Gegenwart von Glucose unter den Spaltungsprodukten der „Glucothionsäure“ haben Mandel und Neuberg bereits ausgeschlossen. Da überdies die Namensbildung ‚„—thionsäure‘‘ für eine gepaarte Schwefelsäure unrichtig ist, sollte man mit der in jeder Hinsicht irreführenden Bezeichnung „Glucothion- säure‘‘ endgültig aufräumen.

1) Diese Zeitschr. 13, 146, 1908. 3) Journ. of experim. Medio. 10, 557, 1908. 3) Zeitschr. f. physiol. Chem. 44, 127, 1905.

Berichtigung. Von

L. Marchlewski.

In meiner Abhandlung ‚Studien in der Chlorophyligruppe III“ (diese Zeitschr. 16, 3, 1909) befindet sich eine irrige An- gabe, die ich schon jetzt berichtigen möchte. Die Zersetzung des sog. Zink-Chlorophylis erfolgt ohne Abgabe von gas- förmiger Kohlensäure. Die entgegengesetzte irrige Behaup- tung wurde durch die Anwesenheit von geringen Mengen Ver- unreinigungen veranlaßt.

Krakau, den 5. Februar 1909.

Physiko-chemische Verhältnisse der Blutkörperchen. Von Ivar Bang. (Aus dem med.-chemischen Institut der Universität Lund.)

(Eingegangen am 1. Februar 1909.)

Während einer Arbeit über die Bedeutung der Salze für die Kobragifthämolyse zeigte es sich als notwendig, auf ver- schiedene physiko-chemische Verhältnisse der Blutkörperchen näher einzugehen. Da die gefundenen Ergebnisse mehr eine Voraussetzung des Studiums über die Kobragifthämolyse dar- stellen, halte ich es für zweckmäßiger, dieselben für sich zu publizieren, als in der bald druckfähigen Abhandlung über die Kobragifthämolyse aufzunehmen.

Meine Beobachtungen stellen wohl tatsächlich nicht be- sonders viel Neues dar. Da es sich aber hier um wichtige Verhältnisse handelt, welche zudem in diesen speziellen Punkten wenig erforscht worden sind, dürften auch Nachprüfungen besonders mit anderer Methodik —, Berichtigungen und Er- gänzungen ihre Bedeutung nicht entbehren.

Um die Wirkung der Salze bei der Kobragifthämolyse zu studieren, wurde Rohrzuckerblut verwendet, und was ich hier mitzuteilen habe, sind verschiedene Eigenschaften dieses Blutes.

1. Die Agglutination.

Gürber!) hat wohl als erster beobachtet, daß die Blut- körperchen des Rindes u. a. Tiere nach dem Auswaschen der Serumbestandteile mit Rohrzuckerlösungen agglutinieren und daß diese Agglutination nach einer Aufbewahrung von etwa 10 Stunden

1) Habilitationsschrift, Würzburg 1904. Biochemische Zeitschrift Band 16. 18

256 L Bang:

im Eisschranke wieder vollständig gelöst wird. Die Beobachtung ist später von mehreren Forschern bestätigt worden, und wenn man Rohrzuckerblut verwenden will, hat man die Deglutination abzuwarten.

Gürber zeigte weiter, daß diese Agglutination mit der Salzfreiheit der Waschflüssigkeit in engster Beziehung steht, indem schon 0,5°/,, Kochsalz oder 1 auf 10° Na,CO, dieselbe verhindert bzw. die Agglutination wieder aufhebt.

Für Ochsenblut habe auch ich dieselben Tatsachen kon- statieren können. Und als Beleg für die Bedeutung der Salze kann weiter angeführt werden, daß Blutkörperchen in Mannit- oder Alaninlösung sich ebenso verhalten (in Alaninlösung tritt aber keine Deglutination ein). Es ist also gleichgültig für die Agglutinationserscheinung, welche Anelektrolyte man verwendet.

Dagegen werden Blutkörperchen vom Kalb in Rohrzucker- lösung nicht agglutiniertt, wenn man das Blut direkt mit Rohrzuckerlösung behandelt. Wird aber das Blut zuerst mit Kochsalzlösung ausgewaschen, so findet nach Überführung in Rohrzuckerlösung so gut wie immer eine Agglutination statt, nachdem alles Salz entfernt worden ist. Bei solchem Blute tritt auch eine Deglutination nicht immer auf.

Es fragt sich dann, welche Umstände diese Agglutination bedingen. Gehen wir von dem Kalbsblute aus, so ließ sich konstatieren, daß eine voraufgehende Behandlung mit Chloriden, Nitraten oder Sulfaten eine spätere Agglutination zur Folge hat, während die Phosphate (Dinatriumphosphat), Chromate und Carbonate der Alkalien ohne Wirkung waren. Hieraus ist ersichtlich, daß nur die Salze der stärkeren Säuren die Blutkörperchen derartig verändern, daß eine folgende Rohr- zuckerbehandlung Agglutination herbeiführt.

Nun wissen wir aus den Arbeiten Gürbers, Köppes u. a. daß die Kohlensäure der Blutkörperchen bei Aufschwemmung derselben in Salzlösung teilweise mit der Säurekomponente des Salzes ausgetauscht wird. Eine gewisse Quantität Säure wird aufgenommen und eine entsprechende Menge Carbonat tritt in der Außenflüssigkeit auf.

Wäre nun diese Erklärung die richtige, so dürften wir annehmen: 1. daß das Kalbsblut Kohlensäure enthält und 2. daß keine Agglutination durch Salzbehandlung auftreten

Physiko-chemische Verhältnisse der Blutkörperchen. 257

kann, wenn man zuerst für die Entfernung dieser Kohlensäure Sorge trägt.

Das letzte läßt sich bequem dadurch erzielen, daß man das Blut zuerst mit Rohrzuckerlösung behandelt, ehe man dasselbe mit der Salzlösung digeriert.

In der Tat war es auch leicht zu konstatieren, daß solches Blut durch Salzbehandlung keine Fähigkeit erlangt, in Rohr- zuckerlösung zu agglutinieren. Umgekehrt dürfte Kalbsblut in Rohrzuckerlösung durch Behandlung mit Kohlensäure wieder dieselbe Eigenschaft annehmen. Das war auch der Fall. Leitet man einige Sekunden durch solches Blut Kohlensäure, so bewirkt die Salzbehandlung wieder Agglutination. Die Kohlensäure muß aber sehr vorsichtig zugefügt werden, sonst tritt augenblicklich schon hierbei totale Agglutination ein. Diese Agglutination wird auch später gelöst, wenn nicht zu viel CO, zugefügt worden ist. Ebenso kann man immer durch Zusatz von äußerst verdünnter Salzsäure (0,02 bis 0,10 ccm al, HO zu 2ccm Blutaufschwemmung) Agglutination erzielen.

Hiermit ist also die Agglutinationserscheinung des Kalbs- blutes erklärt, und es fragt sich weiter, wie die des Ochsen- blutes zu erklären ist. Wie man erwarten konnte, wird das Ochsenblut tatsächlich wegen des größeren Gehaltes an Kohlen- säure in Rohrzuckerlösung direkt agglutiniert. Schon die dunkle Farbe des Ochsenblutes differiert wesentlich von der hellroten Farbe des Kalbsblutes. Ich habe auch vom Schlacht- haus die Auskunft bekommen, daß das Ochsenblut aller Wahr- scheinlichkeit nach aus V. subclavia herstammt, während das Kalbsblut dagegen aus der Carotis entnommen wird.

Diese Vermutung läßt sich aber leicht bestätigen. Ent- fernt man zuerst die Kohlensäure aus Ochsenblut, so tritt nach Überführung in Rohrzuckerlösung keine Agglutination ein. Und die Entfernung des CO, läßt sich bequem durch Aus- waschen mit isotonischer Chromatlösung darstellen: Die Kohlen- säure diffundiert größtenteils heraus, und das Blut wird nach . Überführung in Rohrzuckerlösung nicht agglutiniert. (Hier wie überall wurde bis zur Entfernung des Salzes mit Rohrzuckerlösung ausgewaschen.)

Zuletzt läßt sich noch ein Experimentum crucis anführen.

In einem Versuche wurden die Ochsenblutkörperchen direkt in 18* |

258 I. Bang:

eine entsprechende Menge Kalbserum übergeführt und nach einigen Minuten mit Rohrzuckerlösung wie gewöhnlich weiter behandelt: Das Blut agglutinierte nicht. Andrerseits wurden die Blutkörperchen des Kalbes in das entsprechende Ochsen- serum übergeführt. Auch hier trat keine Agglutination ein. Das Kalbserum muß demgemäß stärkere alkalische Reaktion besitzen als das Ochsenserum. Demgemäß muß die Kohlen- säure hierin schneller diffundieren als in einer entsprechenden Menge Ochsenserum. Nimmt man aber eine größere Quantität Ochsenserum, so wird auch hierdurch (wie in einem Versuche ge- zeigt wurde) die Kohlensäure der Ochsenblutkörperchen entfernt.

Der Unterschied zwischen Ochsenblut und Kalbsblut ist also darin zu suchen, daß das erste venöses, das letzte arterielles Blut darstellt.

Zuletzt fragt es sich aber, warum beim Kalbsblut die Agglutination bei dem geringen Gehalte an Kohlensäure nicht eintritt, wenn doch eine Beladung mit einer entsprechenden Menge einer starken Säure, wie Salzsäure, eine Agglutination herbeiführt. Man könnte denken, daß vielleicht die schnelle Diffusion der Kohlensäure hierbei von wesentlicher Bedeutung wäre. Sicher ist aber, daß die Blutkörperchen etwas obwohl nur wenig CO, ohne Agglutination enthalten können, indem man, wie bemerkt, sehr vorsichtig etwas CO, hinzufügen kann, ohne daß Agglutination eintritt. Wird aber diese CO, nach Abzentrifugierung der Rohrzuckerlösung durch Salzsäure ersetzt, so agglutiniert das Blut. Die Stärke der Säure ist von Be- deutung.

Andrerseits muß man entschieden die Dissoziation der Säuren berücksichtigen. Die Kohlensäure diffundiert schnell heraus, die stärkeren Säuren viel langsamer.

Dies geht aus der Tatsache hervor, daß die Agglutination von CO,-beladenen Blutkörperchen nach einiger Zeit aufgehoben wird. Dies trifft aber nicht so oft für mit HCl-beladene Blut- körperchen zu. Ist der HCl-Gehalt nur gering, wird zwar die Agglutination, aber nur sehr langsam gelöst. Bei einem größeren Gehalte dagegen blieben die Blutkörperchen agglutiniert.

Hieraus wird auch das Verhältnis des ursprünglichen Blutes erklärt. Das Blut auch arterielles enthält so gut wie immer etwas CO,. Wird das Blut direkt mit Rohrzuckerlösung

Physiko-chemische Verhältnisse der Blutkörperchen. 259

verdünnt, so diffundiert die geringe Menge CO, schnell heraus, und entweder tritt keine Agglutination ein oder sie wird schon während des Auswaschens wieder gelöst. Anders bei Behandlung mit Kochsalz. Hier wird der ursprüngliche CO,-Gehalt gegen einen entsprechenden HClI-Gehalt ausgetauscht, und weil die HCI-Verbindung der Blutkörperchen nur langsam dissoziiert wird, persistiert die meiste Salzsäure mit einer folgenden Ag- glutination, welche zudem nur langsam und unvollständig wieder aufgelöst wird.

Enthalten die Blutkörperchen aber viel CO, wie im venösen Blut, hält sich die meiste Kohlensäure viel länger, und eine Agglutination tritt auf, welche nur langsam aufgelöst wird.

Wenn ich also die Verhältnisse richtig beurteile, ist die Agglutination von einer Säurebeladung abhängig, während der Deglutination die erfolgte Dissoziation der entsprechenden Ver- bindung entspricht.

Diese Auffassung, für welche ich bindende Beweise glaube geliefert zu haben, steht aber im Gegensatz zu der gewöhnlichen, _ wie sie z. B. von Höber formuliert worden ist. Hiernach wird die Agglutination der Blutkörperchen mit der Ausflockerung von Suspensionskolloiden verglichen. Die Suspensionskolloide bleiben in Lösung, wenn sie eine elektrische Ladung besitzen, indem die positiv oder negativ geladenen Suspensionen einander ausfällen. Dagegen ist die Ausflockung von einer elektrischen Neutralisation bedingt. Folglich müssen entgegengesetzt ge- ladene Kolloide einander ausflocken, und dasselbe können auch unter Umständen Salze (mit verschiedener Wanderungsgeschwin- digkeit der Ionen) bewirken.

Bei den Blutkörperchen kann aber wahrscheinlich die Agglutination keiner Entladung entsprechen, indem nur die mit Säuren oder Anionen beladenen Körperchen ausgeflockt werden, während umgekehrt eine Entfernung der Säuren die Agglutination auflöst. Zwar kann man darüber streiten, inwieweit die Säuren als solche oder nur deren Anionen aufgenommen werden. (Es ist aber nicht erwiesen und nicht wahrscheinlich, daß die Blut- körperchen für H-Ionen impermeabel sind, und ich finde über- haupt die von Gürber und Overton angeführten Argumente gegenüber Köppes und Hamburgers Auffassung schwer- wiegend.) Werden aber nur die Anionen aufgenommen, 80 ist es

260 L Bang:

ganz klar, daß wir hierdurch eine elektrische Ladung der Blut- körperchen bekommen müssen, und in solchem Falle werden also nur die elektrisch differenten Blutkörperchen agglutiniert, welches sehr unwahrscheinlich wäre (cf. die Verhältnisse bei den Suspensionskolloiden).

Werden andrerseits sowohl das Anion wie das Kation oder richtiger die Säure als solche aufgenommen, so kann hierdurch kein elektrisches Potential entstehen, und die Agglutination hat also in diesem Falle mit elektrischen Erscheinungen nichts zu tun. Daß diese letzte Auffassung die richtige ist, geht aus der oben erwähnten Beobachtung hervor, daß Kalbsblut in Rohrzuckerlösung nicht, dagegen nach einer vorhergehenden Kochsalzbehandlung agglutiniert wird und daß erst eine größere Quantität Kohlensäure wie im venösen Blut eine Agglutination bewirken kann, welche schon von einer weit kleineren Menge einer starken Säure hervorgebracht wird.

Diese Tatsachen lassen sich wohl am einfachsten so deuten wie schon angeführt daß die Säuren mehr oder weniger leicht dissozierbare Verbindungen mit Lipoidstoffen, besonders der Plasmahaut eingehen. Die hierdurch eingetretene Veränderung bildet die Voraussetzung der Agglutination.

Will man hiernach der Agglutination als physikalisches Phänomen (was sie sicher ist) nähertreten, hat man wohl eher daran zu denken, daß durch die Zusammenklebung der Blut- körperchen die Oberflächenspannung vermindert wird. Nun wissen wir nach Gibbs’ und Thomsons Untersuchungen, daß wenn ein gelöster Stoff die Oberflächenspannung vermindert, seine Konzentrationen an der Oberfläche zunehmen. Wenn folglich meine Vermutung über das Wesen der Agglutination durch Säuren richtig ist, wird diese also durch eine Ansammlung von Lipoiden an der Oberfläche bedingt. Die Lipoiden wandern also von dem Zellinnern an die Oberfläche.

Es ist auch aus anderen Gründen plausibel, daß diese Erscheinung tatsächlich vorkommt. Die Säuren diffundieren ins Zellinnere hinein. Hier befindet sich ein Überschuß von Alkali, und es wird also das entsprechende Salz gebildet, was Hamburger durch Messung des größeren osmotischen Druckes von säurebeladenen Blutkörperchen direkt bewiesen hat. Es ist aber ganz klar, daß eine Vermehrung des Salzgehaltes für die

Physiko-chemische Verhältnisse der Blutkörperchen. 261

gelösten oder suspendierten Lipoide keineswegs gleichgültig ist. Wir wissen ja, daß Phosphatidsuspensionen von Salzen (auch Kochsalz nach des Verfassers Erfahrungen) ausgeflockt werden. Diese ausgeflockten Lipoide können aber in der Lipoidmembran ein gutes Lösungsmittel finden.

Hiermit soll nicht gesagt werden, daß diese Erscheinung die ganze Erklärung darstellt. Im Gegenteil darf man nicht vernachlässigen, daß die Säuren, um diffundieren zu können, erst in der Membran gelöst werden müssen. Da sie aber mit sehr verschiedener Schnelligkeit diffundieren, darf man annehmen, daß diese Lösung keine physikalische, sondern eine chemische darstellt, d. h. die Säuren gehen mit Bestandteilen der Lipoid- membran eine dissozierbare, von dem Partialdruck der Säure abhängige Verbindung ein. Nur unter dieser Voraussetzung lassen sich die oben erwähnten Tatsachen ungezwungen erklären. Durch die dadurch bedingte Alteration der Zusammensetzung der Lipoidmembran wird auch wahrscheinlich die Oberflächen- spannung derselben verändert in casu vermindert —, und die Agglutination folgt.

Hält man an dieser Auffassung fest, so findet die agglu- tinationshemmende Wirkung der Salze der Außenflüssigkeit ihre Erklärung.

Dies vorausgesetzt, daß die Salze tatsächlich auf die Membran einwirken können, und man glaubt bis jetzt, daß die Lipoid- membran für alle Salze, mit Ausnahme von Am,CO, und AmCl ganz impermeabel ist. Mit Unrecht aber, wie später gezeigt werden soll.

Für die alkalisch reagierenden Salze, wie z. B. Na,CO,, dürfte mit Sicherheit die Wirkung darin bestehen, daß die Säure aus der Verbindung der Lipoidmembran gelöst, neutralisiert wird. Die Neutralsalze dagegen bedingen zwar keine Loslösung der Säure, dagegen ist plausibel, daß sie die Eigenschaften der Säureverbindung zu verändern vermögen, indem die Salze selbst von der Membran aufgenommen werden.

Bis jetzt haben wir die Agglutination durch verschiedene Säuren besprochen. Es ist auch interessant, konstatieren zu können, daß Alkalien ebenfalls eine Agglutination bewirken können. Bei dem einwertigen wenig hervortretend, ist beson- ders bei den dreiwertigen Basen, wie Aluminiumoxyd, die Agglu-

262 | L Bang:

tinationswirkung sehr stark. Übrigens habe ich diese Agglu- tination nicht näher studiert.

2. Die Permeabilität der Blutkörperchen.

Bekanntlich hat man auf verschiedene Weise die Imper- meabilität der Blutkörperchen und anderer Zellen für die meisten Salze erwiesen. Schon aus dem Verhalten der Blutkörperchen in iso-, hyp- und hyperisotonischer Kochsalzlösung geht un- zweideutig hervor, daß das Wasser, nicht aber die Salzmoleküle diffundieren. Für Säuren sind sie dagegen permeabel, indem z. B. Kohlensäure schnell durchdringt. Umgekehrt diffundiert nach Überführung in Salzlösung Kohlensäure heraus und wird durch eine entsprechende Menge Säure des Salzes ersetzt. Für Alkalien und Basen sind intakte Zellen überhaupt impermeabel. Nur Ammoniak geht schnell hindurch.

Gegenüber diesen oft bestätigten Tatsachen steht eine Be- obachtung von Gürber,!) welcher zeigte, daß Ochsenblut- körperchen nach mehrmaligen Auswaschungen mit Rohrzucker- lösung langsam das gesamte Chlor und ebenfalls beinahe alles Natrium verlieren. Alles Kochsalz war also herausdiffundiert. Gegen Gürbers Versuchsanordnung läßt sich nun einwenden, daß die Blutkörperchen vielleicht verändert worden waren und also keine physiologischen Objekte mehr darstellten. Erst nach der 28. Auswaschung mit Rohrzuckerlösung wurde näm- lich endgültig eine chlorfreie Waschflüssigkeit (mit entsprechender Chlornatriumfreiheit der Blutkörperchen) erhalten, und, da jede Auswaschung mit einer Abzentrifugierung der Flüssigkeit ver- bunden war, hatte also der Versuch eine sehr lange Zeit ge- dauert, und es ist sehr wohl möglich, sogar wahrscheinlich, daß die vielen Auswaschungen und noch mehr die mechanische Einwirkung der Zentrifugierung die Blutkörperchen stark ver- ändert hatten. Aber selbst davon abgeschen, ist doch eine Diffusion, welche erst im Laufe von Tagen vor sich geht, jedenfalls nicht mit den sonst gewöhnlichen Diffusionserscheinungen zu vergleichen, und das Blut kann also dessenungeachtet als prak- tisch impermeabel für Salze weiterhin angesehen werden. Bekanntlich hat diese Beobachtung Gürbers, welche nicht

1) L. c.

Physiko-chemische Verhältnisse der Blutkörperchen. ` 263

weiter verfolgt worden ist, auch nicht die gewöhnliche Auf- fassung über die Impermeabilität der Salze beeinflußt.

Bei meinen Versuchen mit Kobragift bin ich auch über- all davon ausgegangen, und erst nach vieler Mühe und Arbeit bin ich zuletzt darauf aufmerksam geworden, daß die Blut- körperchen vom Rind verhältnismäßig leicht für Salze, d.h. Kochsalz, permeabel sind. Dies ließ sich bei meiner Methodik, welche von derjenigen Gürbers verschieden war, leicht nachweisen, wenn man einmal darauf aufmerksam ge- worden war.

Bei meiner Versuchsanordnung wurde das Blut mit Rohr- zuckerlösung zu einer 5°/ igen Aufschwemmung verdünnt und damit zweimal ausgewaschen, während in Gürbers Versuchen eine etwa 30°/,ige Blut-Rohrzuckermischung verwendet wurde.

Wurde das Rohrzuckerblut bei Zimmertemperatur einige Zeit 12 bis 16 Stunden stehen gelassen, so war eine charak- teristische Veränderung eingetreten: das Blut wurde nach Ver- dünnung mit mehreren Volumen Wasser nicht aufgelöst. Der Unterschied gegenüber frischem Rohrzuckerblut trat ganz scharf hervor, wenn man Rlutproben zu 2 ccm zentrifugierte, und nach Ersatz eines bestimmten Teiles der Rohrzucker- lösung durch Wasser die Hämolyse der verschiedenen Proben verglich.

Die Blutkörperchen waren in einer 8°/,igen Rohrzucker- lösung aufgeschwemmt. Nach Hamburger liegt die Grenze für das Austreten von Blutfarbstoff bei defibriniertem Rohr- zuckerblut bei 5,4°/, Rohrzucker. In den folgenden Versuchen bedeuten: total = komplette Hämolyse, + -+ + = starke,

-+ -4+ = mäßige, -+ = schwache und == Spur von Hämolyse. Tabelle I. Prozent der Flüssigkeit] Je àn Rohrzacker 5,6 | 5,2 ge og us a0 zing 2,4 | 2,0 Nu

beggen EE EE Esc EE Frisches Blut. . | 0 | | -— total; ` Se Bi ` Dasselbe Blut nach 16} z | "e e? E

Stunden . ; | | , 0 | er

Nach dem 16stündigen Stehen bei Zimmertemperatur wird dasselbe Blut, welches frisch dargestellt bei einer Rohrzucker-

264 | I. Bang:

konzentration von 4°/,, erst bei 1,6°/, Rohrzucker der Lösung aufgelöst. Diese Tatsache wurde in mehreren Versuchen mit neuen Blutsorten sichergestellt. Die Grenze des Austretens von Blutfarbstoff wurde überall bei etwa 2,0°/, Rohrzucker (1,6 bis 2,4°/,) gefunden. Die Veränderung macht sich aber, obwohl in geringerem Grade, viel schneller geltend. In dem obigen Versuche wurde das Blut schon nach 1!/,stündigem Stehen wieder untersucht. Nun bewirkte eine Verdünnung bis 4°/, Rohrzucker starke (+ + +), aber nicht komplette Hämolyse, und 4,4°/, nur Spur von Hämolyse. Wie man sieht, ist die Veränderung schon deutlich nachweisbar.

Nun ist bekannt, daß die Diffusion von der Temperatur abhängig ist, und es ist deswegen nicht ohne Interesse nach- zusehen, wie sich die Verhältnisse beim Rohrzuckerblut ge- stalten. In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse darüber mitgeteilt.

Tabelle II. F ke `" 50/48/4440 | 3,2 zl 2 2, ee BECH

Frisches Blut Jo dÉi E BE

E do. nach 24 h Std. | | | (EE Eu

Na, —— TR,

d e '

|

bei 370. | do. nach 1 Std. | Ein SE a

GE Sir !olol-_| Luz do. nach 17, Std. | ar K J e I | bei 37°... . I 15.0 | j4+4++-| total

Wie man aus der Tabelle sieht, wird schon nach Auf- enthalt von einer halben Stunde im Termostaten das Blut der- artig verändert, daß eine Verdünnung, welche beim frischen Blute totale Hämolyse bewirkt, nun nur schwache Hämolyse hervorruft. Nach einer Stunde ist die Änderung schon weit größer, während sie in der folgenden halben Stunde nur lang- sam fortschreitet. Daß die Diffusion aber noch nicht beendet ist, zeigt die Untersuchung des Blutes nach 18 Stunden bei Zimmertemperatur, indem hier eine Verdünnung bis 2,0°/, Rohrzucker ziemlich schwache (--—) und bis 2,4°/, nur eine Spur von Hämolyse hervorbrachte. Anfangs geht also, wie man erwarten konnte, die Diffusion schnell, mit der Zeit aber, nach-

Physiko-chemische Verhältnisse der Blutkörperchen. 265

dem das meiste Salz herausdiffundiert ist, nur langsam vor sich. Eine Verbindung aber, die schon im Laufe einer Stunde größten- teils hindurchgeht, kann man jedenfalls nicht als impermeabel bezeichnen.

Es hat ein Interesse, nachzusehen, wie die Diffusion des Salzes im Vergleich mit einer als diffusibel anerkannten Ver- bindung erfolgt. Untersuchungen hierüber sind mit Glycerin angestellt worden. Das Blut war überall Kalbsblut, welches nach einer voraufgehenden Kochsalzbehandlung in Rohrzucker- lösung übergeführt wurde. (Das Blut agglutinierte nicht, weil das Salz nicht vollständig ausgewaschen war.) Das Blut wurde erst mit einer bestimmten kleinen Quantität Glycerin digeriert und nach einer bestimmten Zeit die Flüssigkeit abzentrifugiert. Nach Überführung in reine Rohrzuckerlösung platzen die glycerin- haltigen Blutkörperchen des Überdruckes wegen. Wird aber zur neuen Rohrzuckerlösung Glycerin gesetzt, so bleiben die Blut- körperchen unverändert. Die Versuche geben selbstverständ- lich keine Auskunft über den absoluten Gehalt der Blut- körperchen an Glycerin. Dagegen hat man durch Vergleich der Proben die Möglichkeit einer relativen Beurteilung der Ver- hältnisse. Es zeigte sich nun übereinstimmend, daß die maxi- male Glycerinaufnahme bei 37° nach !/, Stunde, ausnahmsweise nach '/, und sehr selten nach 1 Stunde stattgefunden hatte. Bei Zimmertemperatur war derselbe Effekt nach ?/, bis 1 Stunde erreicht. Dagegen war die Glycerinaufnahme bei bis nach einer Stunde noch sehr unvollkommen. (Bei diesen Ver- suchen wurde keine Rücksicht auf die Salzdiffusion genommen. In der Tat sind also die quantitativen Verhältnisse etwas komplizierter.) Bei Rohrzuckerblut ohne vorherige NaCl-Be- handlung scheint das Glycerin noch langsamer einzudringen. Exakt läßt sich dies aber nicht beweisen, und ich sehe von einer weiteren Besprechung dieser Verhältnisse hier deswegen ab. Die Diffusion des Glycerins erfolgt also schneller als dieselbe des Kochsalzes. Dagegen sind die Unterschiede nicht sehr bedeutend. Und jedenfalls kommt zwischen der Diffusion von Wasser und von Glycerin ein bedeutend größerer Unterschied vor als zwischen Glycerin und Kochsalz.

Ich habe bis jetzt vorausgesetzt, daß die erwähnte Ände- rung der Blutkörperchen in bezug auf Austreten des Farbstoffes

266 I. Bang:

durch eine Diffusion von Kochsalz erklärt wird. In dieser Be- ziehung habe ich mich auf die Analysen Gürbers gestützt, nach welchen die rohrzuckerbehandelten Blutkörperchen chlor- und natıiumfrei waren. Gürber bemerkt weiter, daß die Flüssigkeit nicht oder nur äußerst schwach sauer reagierte. Die- selbe Beobachtung habe ich gemacht. Und da die Blutkörper- chen mit einer viel weniger konzentrierten Rohrzuckerlösung isotonisch geworden sind ich kann auch zufügen: Salz- lösung, indem das Rohrzuckerblut in einem Versuche mit dem- selben Erfolg in Kochsalzlösung übergeführt wurde —, ist wohl die gegebene Erklärung hinreichend bewiesen.

Obwohl ich über keine analytischen Belege von meinen eigenen Versuchen verfüge, kann ich doch auf eine andere Weise die Auffassung stützen. Das in Tabelle I besprochene Rohrzuckerblut wurde nach 16stündigem Stehen zentrifugiert und die Blutkörperchen in 0,9°/, Kochsalzlösung übergeführt. Nach 24 Stunden, wie oben, wurden Verdünnungsversuche aus- geführt. Zum Vergleich werden die Ergebnisse des aufbewahrten Rohrzuckerblutes beigefügt.

Tabelle III.

|

Rohrzuokerlösung bzw. | |

NaCl- Lösung ent- S E nommen und mit Pro- 50 | 60 | 65 ' 70 | 75 | 80 zenten Wasser ersetzt I | |

lm —— —— -—

Rohrzuckerblut . . -| | vn ee EIER E: Sr u salzlösung . nep rg

Es wurden Doppelversuche ausgeführt. Beide stimmten gut überein. Wie ersichtlich, wird das Rohrzuckerblut nach Digestion mit Kochsalzlösung bei einer etwas höheren Konzentra- tion aufgelöst als die Kontrolproben, was dafür spricht, daß etwas Salz hineindiffundiert ist. Daß die Unterschiede hier geringer sein müssen als bei der entgegengesetzten Versuchs- anordnung kKochsalzhaltige Blutkörperchen in Rohrzucker- lösung —, ist ohne weiteres ersichtlich.

Die eben erwähnten Versuche geben uns auch die übrigens an und für sich einleuchtende Erklärung der gewöhnlichen Auf- fassung über die Impermeabilität des Kochsalzes, indem man

| total |

Physiko-chemische Verhältnisse der Blutkörperohen. 267

immer das Blut in Kochsalzlösung aufgeschwemmt hat (das Wasser diffundiert viel schneller hindurch, bis Gleichgewicht der Salzkonzentration eingetreten ist).

Es bleibt eine wichtige Beziehung zu berücksichtigen. Wenn die Salze herausdiffundiert sind und das Blut mit einer 0,2 bis 0,3°/,igen Kochsalzlösung, bzw. 2 bis 3°/,igen Rohrzucker- lösung isotonisch geworden ist, müssen die Blutkörperchen selbstverständlich bei Aufschwemmung in einer 0,8°/,igen Koch- salzlösung bzw. 8°/, Rohrzuckerlösung sich in einem stark hyperisotonischen Medium befinden, und man müßte demgemäß. erwarten, daß die Blutkörperchen stark schrumpfen. Das war- aber durchaus nicht der Fall. Nach Aufenthalt von 24 Stunden in Rohrzuckerlösung hatten, wie schon Gürber gesehen hat, die Blutkörperchen ihre Form unverändert beibehalten. Es ist demgemäß wahrscheinlich, anzunehmen, daß nach Entfernung der meisten Salze andere Stoffe einen entsprechenden Druck ausüben.!) Es liegt in dieser Verbindung nahe, an den Quel- lungsdruck zu denken. Nur ist nicht einzusehen, warum der Quellungsdruck nach der Entfernung der Salze größer ge- worden sein soll. Andererseits konnte man auch denken, daß Verbindungen, welche bei Gegenwart von Salzen keinen (osmo- tischen) Druck ausüben können, nach der Entfernung von diesen sich geltend machen können, z. B. indem sie in Lösung gehen. Endlich wäre möglich, daß durch enzymatische Prozesse neue- Verbindungen entstehen können, welche einen Druck ausüben. Man müßte aber dann erwarten, daß dem neuen Druck ent- sprechend die Blutkörperchen bei Verdünnung platzen würden. Allerdings ist es eine interessante Tatsache, daß die Blutkörper- chen sich diesem relativen Überdruck anpassen können, wenn der Druck langsam verändert wird, während sie bei raschen Änderungen des Druckes Volumänderungen unterliegen.

Zuletzt soll erwähnt werden, daß eine Diffusion von Koch- salz auch dann stattfindet, wenn das Blut in eine andere Salzlösung übergeführt wird. Dies trifft sowohl für kochsalz- behandeltes wie für damit nicht behandeltes Rohrzuckerblut zu. Als überzeugende Belege darf ich zwei Versuche anführen, wo.

1) Daß Rohrzucker hineindiffundiert, scheint mir unwahrscheinlich. In diesem Falle müßten die Blutkörperchen bei der Verdünnung platzen,. wenn der Zucker nicht von Eiweiß u. a. aufgenommen wird.

268 I. Bang:

NaCl-behandeltes Rohrzuckerblut in isotonische K,SO,-Lösung übergeführt wurde. Bei dem einen Versuch war gleich nach der Mischung der Chlorgehalt von 20 ccm K,SO,-Abguß = 0,2 ccm a/ 0-AgNO,. Nach einem Tage entsprachen 40 ccm 2,8 ccm Ss AgNO,.!) In dem andern Versuche ergaben 30 com Abguß 0,55 ccm bzw. 1,80 ccm ®/ „.AgNO,. Beim Rohrzuckerblut waren die entsprechenden Ziffern O,lccm und 0,45 cem #/ „AgNO,. Daß diese Tatsachen die angeblichen elektrischen Eigenschaften der Blutkörperchen in neues Licht stellen, ist klar. Es soll hier aber nicht näher darüber diskutiert werden.

Nach Hamburger zeigen Blutkörperchen nach Einwirkung von Säuren beginnenden Farbstoffaustritt in einer stärkeren NaCl-Lösung als zuvor. Die Säure führt eine Schwellung von Blut- körperchen, die in isotonischer Lösung aufgeschwemmt sind, herbei. Diese Erscheinungen werden von Hamburger in der Weise gedeutet, daß die aufgenommene Säure einen Teil der bestehenden Alkali-Eiweißverbindungen im Innern der Blutkörperchen zer- setzt, und es bildet sich ein anorganisches Salz. Hierdurch wird also der Salzgehalt vermehrt, und ein großer osmotischer Druck muß entstehen, indem das befindliche Alkali als Eiweißverbin- dung vorher keinen Druck ausüben kann.

Umgekehrt verändert das Alkali die Blutkörperchen der- artig, daß sie in einer schwächeren NaCl-Lösung Farbstoffaus- tritt zeigen als zuvor. Das Alkali bewirkt auch eine Schrump- fung des Volums (Hamburger). Hamburgers Erklärung hierfür ist die, daß das eintretende Alkali sich mit Eiweiß verbindet. Diese Verbindungen sind nicht ionisiert, während das in Außenflüssigkeit (z. B. Zuckerlösung) befindliche Alkali dis- soziiert ist. „Infolgedessen erfährt die Zuckerlösung, welche die Blutkörperchen umgibt, eine größere Zunahme an wasseranziehen- der Kraft, als die Blutkörperchen selbst. Die Blutkörperchen müssen also schrumpfen.‘ Diese Erklärungen sind aber unrichtig.

1) Ob auch etwas K,SO, hineindiffundiert ist, läßt sich hieraus nicht ersehen. Jedenfalls war das Blutkörperchenvolum unverändert geblieben (cf. die Verhältnisse des Rohrzuckerblutes).. In dem anderen Versuche wurde aber die bemerkenswerte Tatsache gefunden, daß die Resistenz nach dem Stehen in K,SO,-Lösung größer geworden war. Es war also mehr Na-Salz herausdiffundiert als K-Salz hineindiffundiert. Beim Stehen in Kochsalzlösung bleibt aber die Resistenz unverändert.

Physiko-chemische Verhältnisse der Blutkörperchen. 269

Betrefis Alkali ist erstens zu bemerken, daß das Alkali überhaupt impermeabel jedenfalls für intakte Zellen ist; zweitens aber, selbst wenn man dies für einen Augenblick annehmen will, ist es ganz selbstverständlich, daß das Alkali so lange diffundieren muß, bis der Alkalidruck auf beiden Seiten der Lipoidmembran gleich geworden ist. Ob hierbei etwas Alkali als nicht ionisierte Verbindung fixiert wird, ist ganz gleich- gültig. Wenn diese Verbindung keinen Druck ausüben kann, muß selbstverständlich nun mehr Alkali hineindiffundieren, bis die Druckdifferenz ausgeglichen worden ist. Da aber dies tatsächlich nicht geschieht, ist schon hiermit bewiesen 1. daß Hamburgers Erklärung unrichtig sein muß und 2. daß das Alkali überhaupt nicht (schneller als die Salze) hindurch- geht. Wenn dies letzte der Fall war, konnten nämlich die Blutkörperchen nicht schrumpfen, was sie tatsächlich tun.

Wenn also Hamburgers Erklärung unrichtig ist, fragt es sich gleich, welches die richtige Auffassung der Alkaliwirkung ist. Diese geht aus dem Studium der Säurewirkung ohne weiteres klar hervor.

Erstens soll erwähnt werden, daß Hamburgers Be- obachtung über die geringere Resistenz gegen Verdünnung ganz richtig ist, wie die folgende Tabelle zeigt.

Tabelle IV. Proz. NaCl in Lösung nach Verdünnnung REES bi 0,54 00 so os 0,45 NaCl-Blut .......] Blut ....... o | | + l+++ + |+++ _NaCl-Blut-+ 00, . . . a H —— total | `

. Ähnliche Versuche teilt auch Hamburger mit, welcher auch für Rohrzuckerblut denselben Erfolg der CO,-Durch- leitung zeigte.

Diese veränderte Resistenz gegen Verdünnung können uns als wertvolles Kriterium zur Untersuchung dienen, inwieweit eine vorherige Kochsalzbehandlung tatsächlich eine Aufnahme von Salzsäure als eine schwerer dissoziable Verbindung als die ent- sprechende CO,-Verbindung, welche schnell zerlegt wird, be- wirkt. Von meinen vielen Versuchen hierüber kann der folgende

270 I. Bang:

als Beispiel dienen. Das Rohrzuckerblut und NaCl-Rohr- zuckerblut hatten 1 Stunde bei Zimmertemperatur gestanden.

Tabelle V.

nach Verdünnung

Rohrzuckerblut EE oo NaCl-Rohrzuckerblut . . | |-+-+ | total

| total

Unmittelbar nach der Mischung war sicher die Resistenz des Rohrzuckerblutes geringer. Nach meiner Erfahrung diffun- dert auch die CO, bei verschiedenen Blutsorten mit ver- schiedener Schnelligkeit heraus.

Der obige Versuch zeigt aber ganz unzweideutig den Unterschied zwischen dem kochsalzbehandelten und nicht koch- salzbehandelten Rohrzuckerblute, und da wir weiter wissen, daß CO, herausdiffundiert und daß weiter in der Außenflüssigkeit unter Umständen sogar direkt chemisch nachweisbare Quanti- täten von Na,CO, auftreten, steht es über jeden Zweifel, daß die verminderte Resistenz bzw. der größere Innendruck von der aufgenommenen Salzsäure herstammt.

Es hat nun weiter Interesse, konstatieren zu können, daß dieser Überdruck mehrere Stunden andauert. Nach 24 Stunden sind solche Blutkörperchen allgemein ebenso resistent gegen Verdünnung geworden wie das Rohrzuckerblut ohne Koch- salzbehandlung. Sowohl die Salzsäure (als Salz) wie das Koch- salz ist schließlich herausdiffundiert. Ausnahmsweise ist doch ein solches Blut gefunden, welches nach dieser Zeit auch eine geringere Resistenz (und also großen Druck) aufwies, obwohl wahrscheinlich nicht so gering wie ursprünglich. (Quantitative Bestimmungen fehlen.) Andrerseits ist auch ausnahmsweise solches Blut gefunden, bei welchem eine vorherige Kochsalz- behandlung keine verminderte Resistenz gegenüber gewöhnlichem Rohrzuckerblut zeigte. Solches Blut muß praktisch frei von Kohlensäure sein und hat demgemäß keine Salzsäure aufge- nommen. Da überall arterielles Blut verwendet wurde, enthält also auch solches Blut mehr oder weniger Kohlensäure. Ohne bestimmtere Angaben geben zu können, glaube ich mich doch zu der Vermutung berechtigt, daß auch nicht die Diffusions-

Physiko-chemische Verhältnisse der Blutkörperchen. 271

membran der Blutkörperchen ganz konstante Eigenschaften be- sitzen, indem besonders mit der Jahreszeit das Blut sich etwas in dieser Beziehung verschieden verhält (d. h. in bezug auf die Diffusionsgeschwindigkeit;).

Wir können weiter durch das Verfahren die Resistenz- bestimmung beurteilen, inwieweit Unterschiede zwischen Rohr- zuckerblut und Kochsalzblut existieren. Wir haben schon oben aus der Agglutinationserscheinung und Resistenz von kochsalzbehandelten Blutkörperchen in Rohrzuckerlösung einen Unterschied gefunden und haben die Erklärung dafür abgegeben, daß die CO, größtenteils schnell herausdiffundiert, während die Salzsäure länger persistiert. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die vergleichenden Versuche, welche unmittel- bar nach der Darstellung der Aufschwemmungen angestellt wurden.

Tabelle VI.

Verdünnung mit Wasser EEGEN in ui, | 35 40 45 50 55

i JE | ES ++ total | J JJ ee en

Kochsalzblut | + | ++ total total | E Rohrzuckerblut . | | | | ++ | +++ EE EE E EE Rohrzuckerblut . | 0 | + | ++ | tota | ` B WEN e ee total | tot | te e SR bes u | oi | + | total | total |

Der Unterschied ist unverkennbar und besonders deutlich da, wenn das ursprüngliche Blut relativ viel Kohlensäure ent- hält (obwohl nicht genügend, um Agglutination hervorzubringen). Und werden die Versuche nicht unmittelbar nach der Dar- stellung des Rohrzuckerblutes ausgeführt, so sind selbstverständ- lich die Unterschiede noch viel größer. Sonderbar ist es aller- dings, daß kein früherer Forscher diese Unterschiede bemerkt hat. Vielleicht hängt es damit zusammen, daß man immer von Kochsalzblut ausgegangen ist und kochsalzbehandeltes

Rohrzuckerblut verhält sich genau wie Kochsalzblut. Erst Biochemische Zeitschrift Band 16. 19

272 I. Bang:

nach mehreren Stunden ist hier ein Unterschied entstanden, indem das NaCl-Rohrzuckerblut wie bemerkt langsam Säure und Salz verliert, während das Kochsalzblut sich ganz unveränderlich beibehält.

Werden säurebeladene Blutkörperchen mit Alkali oder Alkalicarbonaten behandelt, schrumpfen sie und zeigen größere Resistenz bei Verdünnung mit Wasser, wie Hamburger ge- zeigt hat. Ebenso verhält sich gewöhnliches Kochsalz- und Rohrzuckerblut. Ein Beispiel genügt zur Illustration.

Tabelle VII.

2 ccm NaCl- Blut. . . 0

2 cem NaCl- Blut + I. 0,1 Soda `, .

Rohrzucker- 1

NaCl-Blut Soda zentrf.

NaCl-+CO,..I + ++ IL. NaCl-Blut +

CO, zentrf. NaCl + Soda

Na. Blo +| ` Soda . . |

Wir sehen also, daß nach Sodabehandlung die Blutkörper- chen eine größere Resistenz gegen Verdünnung bzw. einen ge- ringeren osmotischen Innendruck bekommen, welcher zwar nicht die Größe von dem aufbewahrten Rohrzuckerblut erreicht, aber trotzdem sehr wohl nachweisbar ist. Und diese Änderung tritt augenblicklich ein. Auch nach Säurebehandlung ist die Sodawirkung beinahe ebenso groß wie auf das ursprüngliche Blut. Soda diffundiert aber nur langsam durch die Lipoid- membran, und die Wirkung läßt sich also hieraus jedenfalls nicht erklären. Weiter war die Sodalösung eine isotonische, und ein Überdruck kann folglich nicht hieraus erklärt werden.

Physiko-chemische Verhältnisse der Blutkörperchen. 213

Dagegen werden die Erscheinungen ungezwungen erklärt, wenn man annehmen will, daß Soda und Alkali überhaupt ein schnelles Herausdiffundieren der Säure bewirkt.

Die Richtigkeit dieser Auffassung läßt sich in verschiedener Weise beweisen. 1. Wenn Soda eine Verminderung des Innen- druckes bei säurehaltigen Blutkörperchen bewirkt, muß die Säure und nicht das Alkali diffundieren. Diffundierte das Al- kali nämlich hinein, mußte jedenfalls bei Salzsäurebeladung der Innendruck mindestens ebenso groß bleiben, indem Koch- salz gebildet wurde. Von einer Verminderung des Druckes konnte jedenfalls keine Rede sein. 2. Es läßt sich direkt ana- lytisch nachweisen, daß aus salzsäurebeladenen Blutkörperchen bei Sodabehandlung Chlor herausdiffundiert ist.

In einem Versuch wurden 10 com Blut mit 0,9°/, NaCl- Lösung bis 10°/, Blutaufschwemmung verdünnt, zweimal da- mit zentrifugiert und zuletzt einmal mit 8°/, Rohrzucker- lösung ausgewaschen. Die Blutkörperchen wurden mit 50 ccm isotonischer K,SO,-Lösung versetzt, die Flüssigkeit in zwei gleich großen Teilen zu 25 ccm geteilt und der eine Teil mit 1,2 ccm isotonischer Sodalösung versetzt und beide gleich wieder zentrifugiert. Der Chlorgehalt des sodabehandelten Blutes war 0,021°/, (20 ccm Abguß verbrauchten 1,2 com pl, AN, die Kontrollprobe enthielt nur 0,0035°/, (20 ocm Abguß ver- brauchten 0,2 ccm »?/io-AgNO,) Chlor. Der Versuch beweist also unzweideutig, daß Chlor herausdiffundiert.

Die Erklärung hierfür ist auch gegeben. Wenn das salz- säurehaltige Rohrzuckerblut langsam Säure (und Salz) abgibt, war die Erklärung hierfür, daß eine Dissoziation der Säure- verbindung in erster Linie in der Lipoidmembran mit Diffusion der freigemachten Säure stattfindet, indem der Säurepartial- druck der Außenflüssigkeit auf O gesunken war. Es ist klar, daß ein Zusatz von Soda denselben Effekt besitzen muß. Nur bleibt noch der Unterschied, daß bei Sodabehandlung die Dif- fusion sehr schnell von statten geht. Dieser Unterschied ist aber zu erwarten, indem das Soda auch direkt auf die Säure- verbindung einwirken kann, nämlich auf die Säureverbindung der Lipoidmembran und hier direkt die Säure aufnehmen, neutra- lisieren kann. Da weiter die Säure in dem Innern der Blutkörper-

chen in Lösung vorkommen muß, (sonst wäre ein vergrößerter 19*

274 I. Bang:

Innendruck unmöglich), und zwar spurenweise als freie Säure wegen Konkurrenz mit Phosphorsäure, Schwefelsäure und Ei- weiß um das Alkali, bildet sich nach der Neutralisation der Säure-Lipoidmembranverbindung augenblicklich hier eine neue Säureverbindung, welche dann ihrerseits neutralisiert wird usw., bis zuletzt Gleichgewlcht überall eingetreten ist, d. h. bis die Alkalikonzentration auf beiden Seiten der Lipoidmembran gleich geworden ist. Dies wird aber erst dann eintreten können, wenn die verschiedenen Affinitäten im Innern der Körperchen gesättigt worden sind. Und es ist von vornherein ganz klar, daß bei säurebeladenen Blutkörperchen mehr Säure entfernt wird als bei solchen Blutkörperchen, wo eine solche Beladung nicht stattgefunden hat. Dagegen spricht nichts dagegen, daß auch bei den letzten etwas Säure abgegeben werden kann, was z. B. beim Rohrzuckerblut tatsächlich der Fall ist.

Dagegen darf man erwarten, daß eine Sodabehandlung bei einem Blute, welches durch Stehen mit Rohrzuckerlösung sein Kochsalz verloren hat, keinen oder jedenfalls einen weit ge- ringeren Erfolg zeigen soll. Dies ist auch tatsächlich der Fall. In der folgenden Tabelle habe ich einige Versuche hierüber zusammengestellt.

Die Versuche zeigen eine Bestätigung der entwickelten Auffassung. Vergleicht man aber weiter die Resistenz der Blut- körperchen nach dem Stehen in Rohrzuckerlösung mit der Wirkung der Sodabehandlung, so ist die letzte überall geringer, wie man auch erwarten konnte, indem beim Stehen das Koch- salz, nach Sodabehandlung aber nur die Säure diffundiert.

Es fragt sich aber, nach dem wir bei der Sodawirkung ge- sehen, ob nun auch beim Stehen des Rohrzuckerblutes Kochsalz und nicht vielmehr Säure allein herausdiffundiert. Die Frage ist zu verneinen. 1. Dagegen spricht die langsamere Diffusion des kochsalzbehandelten Rohrzuckerblutes gegenüber der schnelleren Diffusion beim nicht mit NaCl-behandelten Rohrzuckerblute; 2. weiter die fehlende Agglutination des Rohrzuckerblutes. Ent- stünde aber eine Säure-Lipoidmembranverbindung, müßte auch eine Agglutination auftreten. 3. Die diflundierte Flüssigkeit rea- giert nicht sauer. Eine Berechnung zeigt, daß die präsumierte Säure sonst hierzu reichlich genügte. 4. Hat doch Gürber gezeigt, daß so gut wie alles Natrium herausdiffundiert ist, und der ur-

275

Physiko-chemische Verhältnisse der Blutkörperchen.

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276 I. Bang: Physiko-chemische Verhältnisse der Blutkörperchen.

sprüngliche Natriumgehalt ist keineswegs gering. 5. Es läßt sich analytisch nachweisen, daß das Blut nach dem Stehen ungefähr dieselbe Quantität Chlor (in einem Versuche 0,0245°/,) wie nach Sodabehandlung (0,021°/,) verloren hat, trotzdem die Druck- verminderung beim ersten größer ist. Dies wäre unverständlich, wenn nur die Säure herausdiffundiert wäre. Dagegen ist denk- bar, daß beim Rohrzuckerblut neben Kochsalz auch etwas Säure (HCl) herausdiffundiert.

Eine andere Frage ist aber, ob bei der Sodabehandlung außer Säure auch Kochsalz hindurchgeht oder ob die Sodaein- wirkung die Membran.durchlässiger macht als zuvor, z. B. durch. Schädigung. Die absolute Alkaliquantität dürfte hierzu nicht zu gering sein, indem z. B. der Muskel bei entsprechender Soda- konzentration (etwa 0,05°/,) geschädigt wird. Trotzdem dürfte die kurze Zeit der Einwirkung kaum eine nennenswerte Schädigung abgeben. Dies geht auch aus der Tatsache hervor, daß die Sodawirkung reversibel ist. Eine folgende Säure- behandlung bringt wieder die für die Säurebeladung charakte- ristische verminderte Resistenz hervor, was mit einer Schädigung der Lipoidmembran unvereinbar ist.

Die mitgeteilten Untersuchungen sind dazu geeignet, unsere Auffassung über den isotonischen Koeffizienten des Blutes etwas zu ändern. Wenn wie gewöhnlich das Blut direkt mit Koch- salzlösung verdünnt wird, muß überall etwas Salzsäure auf- genommen werden, indem alles oder so gut wie alles Blut nicht unbeträchtliche Quantitäten Kohlensäure enthält. Da aber der CO,-Gehalt nicht konstant ist, muß ebenfalls der Säuregehalt und damit der Druck wechseln. Der isotonische Koeffizient kann demgemäß schon nach theoretischen Betrachtungen keine konstante Größe darstellen. Ich glaube deswegen, daß es richtiger wäre, das Blut erst in Rohrzuckerlösung aufzuschwemmen und nach der Diffussion der CO, die Zuckerlösung durch Salz- lösung zu ersetzen. Hier begegnet man allerdings der Schwierig- keit, daß die Salze augenblicklich zu diffundieren anfangen. Wie bemerkt, geht aber diese Diffusion bei gewöhnlicher Temperatur nur langsam von statten und der dadurch bedingte Fehler ist sicher geringer als der durch den CO,-Gehalt bedingte.

Über ein neues Hämatin.

Vorläufige Mitteilung. Von Francesco de Grazia. (Aus dem Laboratorium für klinische Chemie der Kgl. Universität Palermo.) (Eingegangen am 6. Febraar 1909.)

Die Veränderungen, die das Blut unter dem Einflusse der Magenverdauung erleidet, sind noch nicht zum Gegenstand ein- gehender Untersuchungen gemacht worden. Es ist bekannt, daß sich zuweilen das Blut im Mageninhalt in Form eines wasserunlöslichen Pigments vorfindet, welches beim Filtrieren zurückbleibt, derart, daß die Untersuchungen auf Blut positiv ausfallen bei Verwendung des auf dem Filter zurückgebliebenen Materials, während das Filtrat nicht die Reaktionen des Blutes gibt. Weber hat daher empfohlen, den Mageninhalt mit Essigsäure zu mischen und mit Äther auszuziehen. Und man hat beobachtet, daß das in Essigäther lösliche Pigment das Spektrum des sauren Hämatins zeigt.

Die Autoren, welche wie Kowarsky behaupten, daß, wenn der Mageninhalt freie Chlorwasserstoffsäure und erhebliche Mengen organischer Säuren enthält, das Oxyhämoglobin in salzsaures Hämatin überginge, geben keinerlei Beweis für ihre Behauptung, während die Resultate meiner Untersuchungen, welche ich weiter unten mitteilen werde, beweisen, daß unter jenen Verhältnissen sich niemals Hämin, sondern Hämatin bildet.

Es sind außerdem einige Reaktionen eingeführt worden, welche zum Nachweis der geringsten Spuren von Blutfarbstoff im Mageninhalt dienen, und dies ist alles, was wir über den Gegenstand wissen.

278 F, de Grazia:

Zweck vorliegender Arbeit ist es gewesen, zu untersuchen, ob das Hämatin, das durch die (künstliche) Magenverdauung erhalten wird, mit dem durch die gewöhnlichen Herstellungs- methoden gewonnenen identisch ist. Es ist vielfach die Ein- heitlichkeit des Hämatins erörtert und behauptet worden, daß das Vorhandensein verschiedener Hämatine angenommen werden müsse, eben weil die Zusammensetzung des Hämaglobins bei den verschiedenen Tierarten eine verschiedene zu sein scheint (das Hämoglobin der Vögel enthält auch Phosphor), wodurch es erklärlich werden würde, daß die Konstitutionsformel des Hämatins noch nicht in endgültiger Weise festgestellt ist. Die Untersuchungen der letzten Jahre, die vor allem Küster zu danken sind, dürften aller Wahrscheinlichkeit nach zur Annahme führen, daß das Hämatin einheitlich ist und die beobachteten Unterschiede in den von den verschiedenen Forschern gewon- nenen Hämatinen von den verschiedenen Darstellungsweisen, der Neigung des Hämins (denn meistens wird ja das Hämatin aus Hämin dargestellt) zusammen mit den Lösungsmitteln an- gehörigen Elementen auszukrystallisieren (Abderhalden) oder von der Möglichkeit abhängig sind, daß das Hämatin in Kontakt mit den zu seiner Darstellung verwendeten Stoffen zusammengesetzte Äther bildet (Nencki und Zaleski).!)

Dies vorausgeschickt, erscheint die Annahme berechtigt, daß das von der Pepsinverdauung stammende Hämatin von den auf andere Weise bereiteten verschieden sein dürfte. Ich bemerke sogleich, daß bisher nur ein einziger Forscher auf den Gedanken gekommen ist, ein Hämatin durch Einwirkung von Pepsinchlorwasserstoffsäure auf Pferdeblut herzustellen und zu analysieren, und zwar ist dies R. v. Zeynek, dessen Ver- öffentlichung mir erst bekannt wurde, als die vorliegende Arbeit bereits fast fertiggestellt war. Er führte die künstliche Ver- dauung des Blutes unter anderen Bedingungen als ich aus. Zunächst stellte er aus dem Pferdeblut die Oxyhämoglobin- krystalle dar, machte davon eine 5°/,ige Lösung, welche er mit Sauerstoff sättigte, gab dann Salzsäure bis zum Verhältnis

1) Neuerdings haben Vila und Piettre ein Hämatin in krystalli- nischer Form erhalten, indem sie die Oxyhämoglobinkrystalle mit ameisen- säurehaltigem Methylalkohol behandelten. Die prozentuale Zusammen- setzung dieses Produkts ist identisch mit der des amorphen Hämatins.

Über ein neues Hämatin. 279

von 2 bis 3°/,, zu, mischte die Oxyhämoglobinlösung mit einer Auflösung von Pepsin in 4°/,, Salzsäure und ließ die Mischung mehrere Tage bei einer Temperatur von 38 bis 40° C stehen. Darauf verdünnte er die Flüssigkeit stark mit 4°/,, Chlor- wasserstoffsäure.. Es wurde so ein brauner Bodensatz erhalten, während die darüber stehende, ebenfalls braun gefärbte Flüssig- keit bei der chemischen Untersuchung die Anwesenheit kleiner Eisenmengen zeigte und ein dem Hämochromogen ähnliches Spektrum gab.

Das Sediment bestand aus Hämatin in Form eines feinen braunen Breies, dem größere Teilchen von hellgelber Farbe beigemischt waren, zu deren Lösung der Brei mit 1°/,iger Salzsäurelösung geschüttelt wurde. Dann wurde abgegossen und der Hämatinsatz gut mit Wasser ausgewaschen und auf einem Filter gesammelt. Um sich gegen jede Verunreinigung zu sichern, führte Verfasser das so erhaltene Hämatin, anstatt es direkt zu analysieren, mit Hilfe von Aceton und darauf- folgendem Zusatz von Chlorwasserstoffsäure in Hämin über, löste die Häminkrystalle in schwacher Kalilauge, aus der er dann das Hämatin durch verdünnte Schwefelsäure ausfällte. Das Aussehen des so dargestellten Hämatins war vollkommen analog dem des nach anderen Methoden erhaltenen Hämatins. Es war unlöslich in Ather, wenig löslich in Chloroform, etwas mehr in Alkohol und noch mehr in Essigsäureanhydrid und in Pyridin. Die Elementaranalyse führte v. Zeynek dahin, für dieses Hämatin die Formel C,,H,,N,FeO, aufzustellen.

Da, wie bereits erwähnt, meine Absicht die war, das Blut- pigment zu studieren, welches sich im Mageninhalt findet als Resultat der Modifikationen, denen das aus den Gefäßen er- gossene, eine Zeitlang unter der Wirkung des Magensaftes gebliebene Blut unterworfen gewesen ist, stellte ich, noch bevor ich die Arbeit v. Zeyneks kannte, Versuche an, wobei ich mich möglichst den natürlichen Verhältnissen zu nähern suchte. Diese sind allerdings bedeutend einfacher. Ich mischte nämlich frisches defibriniertes Ochsenblut mit künst- licher Magenflüssigkeit, bestehend aus 2 g Salzsäure, 5 g reinem Pepsin, 1 g Natriumchlorid auf 1 Liter destillierten Wassers. Durch Ausprobieren fand ich, daß das zweckdienlichste Ver- hältnis zur Abspaltung des sämtlichen Hämatins vom Globin

280 F. de Grazia:

in 1 Teil Blut auf 9 Teile Verdauungsflüssigkeit bestand. Die Mischung ließ ich im Ofen bei 38°C stehen. Je nach den verschiedenen Pepsinen des Handels vollzog sich die Operation mehr oder weniger rasch, mit dem Merckschen Pepsin nach ca. 12 Stunden, mit anderen Pepsinen nach 24 bis 36 Stunden, mit einigen anderen vollzog sie sich überhaupt nicht, und die Mischung ging in Fäulnis über. Bei Verwendung des Merck- schen Pepsins fand sich nach 12stündigem Stehenlassen im Ofen die Mischung scharf in zwei Schichten getrennt, eine obere viel reichlichere, die keine Spur von Blutfärbung mehr zeigte und mehr oder weniger durchsichtig war, und in eine untere Schicht in Form eines aus bald ganz feinen, bald größeren Teilchen von schwärzlicher Farbe bestehenden Breies. Durch Dekantieren wurden die beiden Schichten getrennt. Die obenstehende Flüssigkeit enthielt kein Eisen, noch gab sie die chemischen Reaktionen des Blutes. Ebensowenig gab sie Hämin- krystalle oder irgend ein Spektrum. Sie enthielt kein Eiweiß, wohl aber Pepton und Chlor. Ich brachte den Hämatinsatz auf gehärtete Schleicher- und Schüllfilter Nr. 575 und wusch sie mit heißem destilliertem Wasser so lange aus, bis das Filtrat pepton- und chlorfrei war. Dann brachte ich mit Hilfe eines Spatels das noch feuchte Sediment in eine Glasschale und trocknete im Wasserbade, da das Hämatin, auf den Filtern ge- trocknet, eine glänzende lackähnliche Schicht bildete, welche dem Papier so stark anhaftete, daß sie nicht davon abgelöst werden konnte. Schließlich trocknete ich das Produkt weiter im Trockenschranke bei 50°C bis zu konstantem Gewicht. Ich erhielt so eine Substanz von schwärzlicher Farbe, krystallini- schem Glanz, in Wirklichkeit aber amorph, unlöslich in Wasser, sehr leicht löslich dagegen in schwacher Natron- oder Kalilauge, Natriumcarbonat oder Ammoniaklösung, weniger leicht in an- gesäuertem Alkoholäther, ebenfalls löslich in nicht angesäuertem Alkohol und in Chloroform, fast unlöslich in nicht angesäuertem Äther. Aus 100 ccm Blut wurden ungefähr 1,20 g trockenes Hämatin erhalten.

Um ein möglichst reines Produkt zu bekommen, löste ich das so erhaltene Hämatin in einer geringen Menge schwacher Kalilauge und fällte dann mit schwacher Chlorwasserstoffsäure- lösung aus. Durch Sammeln des Niederschlages auf gehärteten

Über ein neues Hämatin. 281

Filtern, Auswaschen und Behandeln wie zuvor erzielte ich von neuem das Produkt, welches dasselbe Aussehen wie früher zeigte.

Das erste wie zweite Produkt unterzog ich der Elementar- analyse mit analogen Resultaten, so daß man behaupten kann, daß sie in keiner Weise voneinander abweichen.

Zunächst enthält die von mir gewonnene Substanz kein Chlor, da sie, mit einer mit Kupferoxyd gesättigten Phosphor- salzperle verbrannt, keine Grünfärbung gibt. Ebensowenig enthält sie Schwefel, da bei Glühen in einem Reagensröhrchen mit einem Gemisch von Natriumcarbonat und Magnesium und Behandlung mit Wasser keine violette Färbung mit Nitro- prussidnatrium (Reaktion der Sulfide) eintritt.

Das Eisen wurde nach der folgenden Methode bestimmt. Eine genau abgewogene Substanzmenge wurde in einem Kjel- dahlschen Kölbchen mit konzentrierter Schwefelsäure so lange erhitzt, bis eine braune Flüssigkeit erzielt wurde. Nach dem Erkalten wurden wenige Tropfen konzentrierter Salpetersäure zugesetzt und zum Kochen erhitzt, derart, daß die Salpeter- säure vollständig ausgetrieben wurde. Es wurde so eine klare farblose Flüssigkeit erhalten, und auf dem Boden des Kölbehens setzte sich das Ferrisulfat ab. Mit destilliertem Wasser wurde verdünnt, bei 15°C erkalten lassen und in das Kölbchen mitten in die Flüssigkeit ein an einem Platindraht befestigtes reines Zinkstäbchen eingeführt. Nach einigen Stunden der Wasser- stoffentwicklung wurde leicht im Wasserbad erwärmt, bis die Flüssigkeit bei der Probe mit Rhodankalium keine Färbung mehr gab (Anwesenheit von Ferrisalz).. Ebenso wurde die Flüssigkeit mit in einer alkalischen Lösung von Bleiacetat ge- tränkten Filtrierpapierstreifchen geprüft, um über die Abwesen- heit von Schwefelwasserstoff Gewißheit zu erlangen, welcher sich durch Reduktion der Schwefelsäure bilden konnte. Die Ab- wesenheit von Schwefelwasserstoff bestätigte sich durch die Probe mit alkalischer Nitroprussidnatriumlösung. Darauf wurde die Flüssigkeit auf ein bekanntes Volumen gebracht und das Ferrosulfat mit "/,,-Kaliumpermanganatlösung titriert. 1 ccm dieser Lösung entspricht bekanntlich 0,0056 g Eisen.

Der Stickstoff wurde nach der Dumasschen Methode be- stimmt, der Kohlenstoff und Wasserstoff nach der gewöhnlichen Verbrennungsmethode.

282 F. de Grazia:

I. 0,2170 g Substanz von konstantem Gewicht über Schwefel- säure lieferten 0,1258 g Wasser und 0,4927 g Kohlensäure- anhydrid.

II. 0,1938 g Substanz lieferten 7,70 cem Stickstoff bei der Temperatur von 18°C und korrigiertem Druck von 749 mm (Substanz erhalten durch Blutverdauung mit Pepsin und Chlor- wasserstoffsäure).

III. 0,1248 g Substanz lieferten 5,60 ccm Stickstoff bei der Temperatur von 17° C und korrigierttem Druck von 748 mm (Verdauung des Blutes mit Pepsin und Schwefelsäure).

IV. 0,1560 g Substanz gaben 4,70 ccm Stickstoff bei der Temperatur von 18° C und korrigiertem Druck von 748 mm (längere Verdauung des Blutes mit Pepsin und Chlorwasser- stoffsäure).

V. 0,9819 g Substanz verbrauchten 14,6 ccm einer Din Kaliumpermanganatlösung. |

VI. 0,4974 g Substanz verbrauchten 7,95 ccm einer ?/,o- Kaliumpermanganatlösung.

Auf 100 Teile.

I. II. III. IV. V. VI. C 61,93 H 64 = = = N 4,59 5,20 3,48 Fe = 8,32 8,89 Berechnet für C,H,.N,FeO,

C 62,10

H 6,10

N 4,50

Fe 9,06

Wie man sieht, handelt es sich bei dem von mir erhaltenen Produkt um eine neue Hämatinvarietät, welche hauptsächlich durch einen überaus niedrigen Prozentgehalt an Stickstoff aus- gezeichnet ist. Dieser beträgt ungefähr die Hälfte des Stick- gehaltes nach den alten und den neueren von Nencki und Sieber und Küster gefundenen Formeln und fast ein Drittel vom Stickstoffgehalt des v. Zeynekschen Hämatins (mit 11,28°/, Stickstoff, eine Zahl, die etwas höher ist, als sie der von ihm aufgestellten Formel entsprechen würde), trotzdem sowohl mein

Über ein neues Hämatin. 283

Hämatin wie das v. Zeyneksche durch künstliche Verdauung des Blutes mit salzsaurem Pepsin erhalten worden ist. Zu be- merken ist, daß auch v. Zeynek den Stickstoff nach der Dumasschen Methode bestimmte.

| CHa, N Peti, | 1 CsaHaaN, F60, Cal AR, Bea : (Nencki u. rag Be (neues ' Sieber) | (Büster) |(v. Zeynek) | Hämatin) %/o Die Die D

64,35 62,87 62,10 5,36 5,39 6,10 8,85 | 10,79 4,50 8,81 | so 9,06

| 12,69 | 12,33 18,10

| !

Es ist möglich, daß unter den Versuchsbedingungen, unter denen ich arbeitete, indem ich die Verdauungsflüssigkeit in direktem Kontakt mit frischem defibriniertem Blut brachte, das salzsaure Pepsin energischer eingewirkt hat, indem es nicht nur das Globin von dem Hämatin abspaltete, sondern auch das Hämatinmolekül zum Teil verdaute und spaltete.

Der so niedrige Prozentgehalt an Stickstoff bei meinem Hämatin läßt sich nicht auf ungenügende Reinheit zurück- führen, da die Bestimmung des Eisens sehr gut mit der von mir aufgestellten Formel übereinstimmende Zahlen lieferte. Da- gegen findet die soeben erwähnte Hypothese, daß während der Verdauung das Hämatin selbst angegriffen werde, eine Stütze in den von mir ausgeführten verschiedenen Stickstoffbestim- mungen (siehe oben). In der Tat bezieht sich die erste Stick- stoffbestimmung auf das Produkt der 12stündigen Verdauung des Blutes mit salzsaurem Pepsin, und in diesem Falle ist der Prozentgehalt an Stickstoff fast der theoretische (4,59°/,). Die zweite bezieht sich auf künstliche Verdauung des Blutes, bei welcher die Chlorwasserstofisäure in dem entsprechenden Ver- hältnis durch Schwefelsäure ersetzt wurde. Das zur Entfaltung der Wirkung des Pepsins notwendige saure Medium wurde so respektiert, doch sind wir von den physiologischen Verhältnissen der Verdauung abgewichen, und es wurde ein Hämatin mit weniger niedrigem Prozentgehalt an Stickstoff (5,20°/,) erhalten. Die dritte Bestimmung wurde mit dem Produkt einer längeren Verdauung (3'/, Tage) des Blutes mit chlorwasserstofisaurem

284 F. de Grazia:

Pepsin ausgeführt, indem alle 24 Stunden die über dem Hämatin- sediment stehende Flüssigkeit abgegossen und jedesmal neue Verdauungsflüssigkeit zugesetzt wurde. In diesem Falle wurde eine noch niedrigere Stickstoffzahl erhalten als bei der ersten Bestimmung (3,48°/,).

Das erste von mir erzielte, der Formel C,„H,,N,FeO, ent- sprechende Produkt scheint also die erste Verdauungsphase des Hämatins vorzustellen, dessen Molekül bei Fortdauer der Ein- wirkung der Verdauungsflüssigkeit weiterhin neue Modifikationen erleidet, wodurch es sich immer mehr zu vereinfachen strebt.

Die Untersuchung der bei den Versuchen mit künstlicher Blutverdauung, mit denen wir uns bis jetzt beschäftigt haben, über dem Hämatinsediment stehenden Flüssigkeit gibt folgende Resultate. Dieselbe enthält außer dem Pepton keine sonstige stickstoffhaltige Substanz. Die Ammoniakprobe mit Nessler- schen Reagens fällt negativ aus, ebenso die auf Salpetersäure und salpetrige Säure (mit schwefelsaurer Diphenylaminlösung).

Selbstverständlich sind die Untersuchungen nicht als ab- geschlossen, sondern als kaum begonnen zu betrachten, und ich nehme mir vor, sie fortzuführen in der Absicht, die weiteren Veränderungen des Hämatinmoleküls durch Ver- dauung zu studieren. Überdies habe ich Untersuchungen im Gange zwecks Bestimmung des Einflusses, den der mehr oder weniger lange Kontakt von Verdauungsflüssigkeit auf durch verschiedene Verfahren gewonnene Hämatine ausüben kann.

Ich gehe nun zur Beschreibung der spektroskopischen Eigen- schaften des erhaltenen Hämatins über.

l. Alkalische Lösung. Das Spektrum der alkalischen Lösung schwankt nicht nur je nach der verschiedenen Konzen- tration, sondern vor allem je nach dem Grad der Alkalescenz der Lösung selbst. Man bekommt nämlich unabhängig von dem Hämatingehalt einer gegebenen Lösung einen oder mehrere Absorptionsstreifen in verschiedenen Lagen, je nachdem sich das Hämatin in einer schwächeren oder stärkeren Alkalilösung gelöst findet. Um eine genaue Vorstellung von diesem Ver- halten zu bekommen, habe ich eine gewisse Hämatinmenge bei Anwesenheit der geringst möglichen Kaliumhydroxydmenge gelöst und dann durch tropfenweises Zusetzen konzentrierter Kalilauge die Alkalescenz der Hämatinlösung selbst erhöht,

Über ein neues Hämatin. 285

ohne daß sie zugleich erheblich verdünnt wurde. Eine kleine Menge des Produktes mischte ich in einem Reagensröhrchen mit 5 com destilliertem Wasser und setzte wenige Tropfen einer stark verdünnten (0,10°/,) Kalilauge zu. Unter diesen Ver- hältnissen löste sich das Hämatin etwas schwierig, doch gelang es stets in kurzer Zeit, unter leichtem Erwärmen und Um- rühren der Flüssigkeit mit einem Glasstab eine Lösung von ziemlich intensiv roter Farbe zu erhalten. Filtriert und in einer Dicke von 10 mm mit dem Spektralapparat untersucht, zeigte dieselbe einen schmalen Absorptionsstreifen mit ziemlich scharfen Rändern zwischen C und D, ganz nahe bei O, fast in der gleichen Lage des Absorptionsstreifens des Hämatins in saurer Lösung. Man beobachtete sodann eine diffuse Absorption, welche zwischen D und E in kurzer Entfernung von D begann und sich gegen den rechten Teil des Spektrums hin erstreckte, welcher von E an vollkommen verdunkelt war. Bei Zusatz einiger weiteren Tropfen der 0,10°/,igen Kalilauge trat keinerlei Änderung ein, wurden aber 2 Tropfen einer 10°/,igen Lösung zugesetzt, so bekam man sofort eine Virage des Spektrums, insofern der Absorptionsstreifen leicht nach dem rechten Teil des Spektrums hinrückte, derart, daß er sich stets zwischen C und D, aber näher bei D befand, welches nicht erreicht wurde. Zwischen D und E begann eine diffuse Absorption, welche sich gegen das rechte Ende des Spektrums hin fortsetzte; ihr Anfang aber war im Vergleich zu dem vorausgehenden Spektrum gleichfalls leicht nach rechts gerückt. Dei Zusatz einiger weiteren Tropfen 10°/,iger Kalilauge änderten sich die Dinge nicht; wurden aber 3 bis 4 Tropfen einer POT, (gen Lösung zu- gesetzt, so trat, während der eben erwähnte Absorptionsstreifen zwischen C und D sich weder der Lage noch der Stärke und Breite nach änderte, ein weiterer zwischen D und E fast in unmittelbarer Nähe von D auf. Die Stärke dieses Streifens war bedeutend geringer als der erste, seine Ränder waren ver- schwommen und ungewiß, die Breite gleich der des links von D liegenden Streifens, mit dem er durch einen schmalen, leicht verdunkelten Raum verbunden war. Ebenfalls setzte sich dieser zweite Streifen rechts von D in eine diffuse Absorption fort, welche immer stärker wurde, bis zur vollständigen Verdunkelung des Spektrums in der Nähe von F. Durch weiteren Zusatz

286 F. de Grazia:

konzentrierter Kalilauge änderte sich das Spektrum nicht. Diese aufeinander folgenden Untersuchungen wurden unter Kon- stantbleiben der Intensität der Lichtquelle und der Weite der Lichtspalte des Spektroskops gemacht. Mit stärkeren ebenfalls stark alkalischen Hämatinlösungen wurden die zwei eben be- schriebenen Absorptionsstreifen stärker und schärfer begrenzt, und wenn die Lösung stark gefärbt war, sah man an Stelle der beiden Streifen einen einzigen breiten Streifen, welcher sich von einer auf die andere Seite von D erstreckte, welche Linie ungefähr mit der Achse des Streifens selbst zusammenfiel.

Bei Behandlung der alkalischen Hämatinlösung mit Schwefel- ammonium wurde, gleichgültig welches der Konzentrations- und Alkalescenzgrad der Lösung selbst war, stets ein und das- selbe Spektrum erhalten, bestehend aus zwei Absorptionsstreifen zwischen D und E, von denen der näher bei D gelegene inten- siver war mit fast scharfen Rändern; der andere war von geringerer Stärke, kaum erkennbar bei den schwachen Lösungen oder bei den bei schwacher Dicke untersuchten stärkeren Lösungen. Die intensiv gefärbten Hämatinlösungen zeigten außerdem eine diffuse Absorption des rechten Teiles des Spektrums in Fortsetzung mit dem näher bei E gelegenen Ab- sorptionsstreifen.

Bei Zusatz einiger Tropfen einer Cyankaliumlösung zu der alkalischen Hämatinlösung wurde, welches auch ihre Konzen- tration und der Alkalescenzgrad sein mochte, konstant ein breiter Absorptionsstreifen mit sehr verschwommenen Rändern erhalten, welcher fast den ganzen Raum zwischen D und E einnahm, aber weder die eine noch die andere Linie erreichte, neben einer diffusen Absorption des rechten Teiles dee Spektrums bei den ziemlich gefärbten Hämatinlösungen.

Wurde sodann die alkalische Hämatinlösung, die mit Cyankalium versetzt worden war, mit Schwefelammonium be- handelt, so beobachtete man bei starker Dicke (10 mm) zwei Absorptionsstreifen zwischen D und Z; der linke, näher bei D, war etwas weniger stark als der rechte, schmäler, mit schärferen Rändern, während der Streifen näher bei E breiter, intensiver mit mehr verschwommenen Rändern, so daß die Abtönung seines rechten Bandes etwas über E hinausging. Die diffuse Absorption begann in dem äußersten rechten Abschnitt des

Über ein neues Hämatin. 287

Spektrums nach F. Bei Untersuchung derselben Lösung bei geringerer Dicke sah man deutlich die beiden Streifen zwischen E und F; sie waren fast von der gleichen Stärke, der rechte etwas breiter, erreichte aber nicht E. Beide Streifen erschienen bei dieser Beobachtung etwas schmäler als bei der voraus- gehenden Beobachtung,

2. Saure alkoholische Lösung. Das Spektrum ist aus- gezeichnet durch nur einen Absorptionsstreifen mit fast scharfen Rändern zwischen © und D, sehr nahe bei O, und dann durch eine diffuse Absorption des rechten Teiles des Spektrums.

3. Saure wässerige Lösung. Bei einigen Versuchen unterwarf ich das Blut einer längeren Verdauung, als ich oben anführte.

Sobald sich der Hämatinsatz bildete und die darüber stehende Flüssigkeit farblos war, trennte ich die beiden Schichten durch Dekantieren und gab zu dem Präcipitat neue Verdauungs- flüssigkeit und dies alle 24 Stunden. Nach einigen Tagen blieb die darüber stehende Flüssigkeit dauernd intensiv rot gefärbt, während der Hämatinniederschlag bedeutend verringert war. Nach Filtrieren dieser Flüssigkeit, welche übrigens ziemlich klar war, bekam man bei der spektroskopischen Untersuchung dasselbe Spektrum des Hämatins in saurer alkoholischer Lösung, auf das weiter oben hingewiesen wurde. Nach Alkalinisch- machen erschien das Spektrum des alkalinischen Hämatins, und bei der nachfolgenden Behandlung mit Schwefelammonium trat das Spektrum des Hämochromogens auf. Es besteht daher kein Zweifel darüber, daß ein Teil des Hämatins infolge des längeren Kontaktes mit der salzsauren Pepsinlösung in Lösung gegangen ist (echte Lösung oder kolloidaler Zustand?).

4. Neutrale Lösung. Im Gegensatz zu dem, was all- gemein behauptet wird, lösen sich sowohl mein Hämatin als das des Handels in Alkohol und Chloroform; es lassen sich daher so neutrale Hämatinlösungen erhalten. Mein Hämatin löst sich etwas schwer in den erwähnten Flüssigkeiten, doch wird stets nach kurzer Zeit, in der das Produkt in der Flüssig- keit geschüttelt wird, eine ziemlich intensiv gefärbte klare Lösung erhalten, welche ein sehr deutliches Spektrum gibt. Das Mercksche Hämatin löst sich rasch in den beiden erwähnten

Lösungsmitteln und auch in Äther. Das Spektrum der Chloro- Biochemische Zeitschrift Band 16. 20

288 F. de Grazia:

formlösung ist vollkommen gleich dem der sauren alkoholischen Lösung und der sauren wässerigen Lösung, d. h. man sieht einen Absorptionsstreifen zwischen C und Din der gleichen Lage und von der gleichen Breite und Stärke, wenn die Untersuchung mit Lösungen von gleichem Färbungsgrade gemacht wird, und sodann eine diffuse Absorption, welche zwischen D und Æ be- ginnt. Die alkoholische Lösung gibt ein identisches Spektrum, aber sowohl der Streifen zwischen C und D, wie der Anfang der diffusen Absorption haben eine ganz geringe Verschiebung nach rechts erfahren. Das Verhalten meines Hämatins ist in dieser Hinsicht vollkommen dem des Hämatins des Handels analog. |

Die bis hierher hervorgehobenen spektroskopischen Eigen- schaften machen einige kurze Bemerkungen notwendig. Was zu- nächst das Verhalten der alkalischen Lösung angeht, so weicht das Spektrum oder besser die Spektren von dem Spektrum, welches die Autoren im allgemeinen von dem Hämatin in alkalischer Lösung geben, ab. Alle stimmen darin überein, daß die spektro- skopischen Eigenschaften des Hämatins wenig konstant und schlecht definierbar sind, derart, daß man die spektroskopische Diagnose des Hämatins auf sein Verhalten gegenüber den redu- zierenden Agenzien (Bildung von Hämochromogen) zu stützen pflegt. Nichtsdestoweniger pflegt für das Hämatin in alkalischer Lösung von den Autoren ein Spektrum gegeben zu werden, welches ausgezeichnet ist durch einen einzigen Absorptions- streifen in Gelb, der, in der Mitte des C und D trennenden Raumes beginnend, bis an letztere Linie reicht und etwas über sie hinausgeht, und außerdem durch eine diffuse Ab- sorption des Violett und des ganzen rechtes Teiles des Spektrums. Das von dem von mir dargestellten Hämatin gegebene Spektrum war ein anderes. Der Absorptionsstreifen zwischen C und D war schmäler und reichte nie bis an D. Der von mir unter bestimmten Verhältnissen (siehe oben) weiter nach links, in der Nähe von C, beobachtete Streifen ist von keinem Autor für das Hämatin in alkalischer Lösung angegeben. Ebenso- wenig ist der Absorptionsstreifen rechts in der Nähe von D erwähnt und auch nicht der breite, rechts und links von D sich ausbreitende Absorptionsstreifen, welche Linie fast seine Achse darstellt. Ein Spektrum, das durch die bei starker

Über ein neues Hämatin. 289

Dicke untersuchten konzentrierten und stark alkalischen Lösungen meines Hämatins gegeben wurde. Nichtsdestoweniger kann ich dieses Spektrum nicht als speziell für das von mir dar- gestellte Hämatin ansehen, da das des Handels (Merck) sich fast analog verhält. Letzteres Hämatin gibt in schwach alkalischer Lösung einen Absorptionsstreifen zwischen C und D, welcher nicht bis an D reicht, und läßt, bei starker Dicke und mittlerer Konzentration untersucht, einen weiteren Streifen zwischen D und Æ, in fast unmittelbarer Nähe von D, erkennen. Bei Zusatz einiger Tropfen einer sehr konzentrierten Kalilauge zu der nämlichen Lösung erscheint der letzterwähnte Absorp- tionsstreifen rechts von D evident, so daß man dasselbe Bild bekommt, welches die Lösung des von mir dargestellten Hämatins bietet. Im Spektrum, der auch ganz schwach alkalischen Lösung des Merckschen Hämatins gelang es mir nicht, den bei meinem Hämatin rechts und in der Nähe von C bemerkten Absorptionsstreifen zu sehen.

Eine Eigentümlichkeit scheint mir indessen von Interesse hervorzuheben, die meines Wissens von den Autoren nicht bemerkt worden ist, und zwar ist dies der Einfluß, den der Grad der Alkalescenz auf die Variationen des Hämatinspektrums ausübt. Wie oben beschrieben wurde, lassen sich in einer ganz schwach alkalischen Lösung die Änderungen verfolgen, die das Anfangsspektrum durch den Zusatz progressiv steigender Alkali- mengen erfährt.

Was das Spektrum des von mir dargestellten Hämatins in saurer alkoholischer Lösung angeht, so beobachtete ich, wie erwähnt, konstant nur einen der von den Autoren angegebenen Absorptionsstreifen, welcher am charakteristischsten ist, nämlich den zwischen C und D, in der Nähe von C; denn, wie bekannt, sind in dem Spektrum des Hämatins in saurer Lösung 5 Ab- sorptionsstreifen beobachtet worden. Auch das Mercksche Hämatin gibt, wie mein Hämatin, in saurer alkoholischer Lösung nur einen Absorptionsstreifen zwischen C und D.

Bemerkenswert ist sodann das Verhalten des Hämatins mit Alkohol und Chloroform. Auch das von v. Zeynek be- reitete Hämatin war in Alkohol, weniger in Chloroform löslich.

Es handelt sich um Hämatinlösungen in neutralen Flüssig-

keiten, welche ein von dem von Arnold für das neutrale 20*

290 F. de Grazia:

Hämatin beschriebenen abweichendes Spektrum geben. Dieser Autor sah, als er eine alkoholische Hämatinlösung mit Kalilauge alkalisch machte, daß in dem Augenblick, wo die Reaktion neutral wurde, die braune Färbung der Flüssigkeit in Rot umschlug, ein kleiner Teil des Hämatins gefällt wurde und der größte Teil in neutraler alkoholischer Lösung blieb. Das neutrale Hämatin gibt nach Arnold in geeigneter Verdünnung ein Spektrum, welches durch zwei Absorptionsstreifen zwischen D und E ausgezeichnet ist, die von denen des Oxyhämoglobins dadurch abweichen, daß sie etwas nach rechts verschoben sind und der Streifen rechts stärker und scharfrändiger ist als der links im Gegensatz zu dem Spektrum des Oxyhämoglobins. Meine Beobachtungen lassen erkennen, daß das Hämatin in neutraler Lösung auch ein identisches Spektrum wie das saure Hämatin geben kann.

Schließlich erkennt man aus der oben mitgeteilten spektro- skopischen Untersuchung, daß die alkalische Lösung meines. Hämatins bei Zusatz von Schwefelammonium das charakte- ristische Spektrum des reduzierten Hämatins gibt und ent- sprechend behandelt die Spektren des Cyanhämatins und des reduzierten Cyanhämatins liefert wie jedes andere Hämatin.

Es bleibt mir jetzt nur noch übrig, einiger anderer Eigen- tümlichkeiten Erwähnung zu tun.

Die Anwesenheit der Chlorwasserstoffsäure in der Ver- dauungsflüssigkeit ist zur Bildung des Hämatins nicht not- wendig; dies wird durch Einwirkung des Pepsins in Gegenwart jeder beliebigen anderen Säure erhalten. Ich habe Schwefel- säure, Milchsäure, Essigsäure und auch Salicylsäure versucht. Wie ich bei Besprechung des chemischen Teiles hervorhob, gelangt man bei Substitution der Salzsäure mit Schwefelsäure stets zu einem Hämatin, welches fast den gleichen Prozent- gehalt an Stickstoff zeigt, wie das bei Gegenwart von Salzsäure erhaltene, und dieselben spektroskopischen Eigenschaften be- sitzt. Bringt man in der Verdauungsflüssigkeit Salz-, Milch- und Essigsäure zusammen (Anagr. 2°/,,), so wird ebenfalls ein analoges Hämatin erhalten, wie das bei bloßer Gegenwart von Salzsäure gewonnene, und nicht salzsaures Hämatin, wie einige behauptet haben.

Ich habe auch die Vorgänge untersuchen wollen, die ein-

Über ein neues Hämatin. 291

treten, wenn Blut mit einer Säure bei Abwesenheit von Pepsin in Kontakt gebracht wird, und habe das Blut mit einer 2 bis 40o Salzsäure und 1°/,. Kochsalz enthaltenden Lösung ge- mischt, worauf ich die Mischung im Ofen bei 38° C stehen ließ. Unter diesen Bedingungen wird einerseits ein rotbraunes Sediment, welches das Aussehen des Hämatins hat und auch dessen spektroskopische Eigenschaften zeigt, und andererseits eine darüber stehende stark rot gefärbte Flüssigkeit erhalten, welche sich bei der spektroskopischen Untersuchung wie folgt verhält. Bei starker Dicke (10 mm) und mäßiger Konzentration bemerkt man einen intensiven schmalen Absorptionsstreifen zwischen C und D in unmittelbarer Nähe von C mit scharfem rechtem Rand, während der linke in eine leichte diffuse Ab- sorption übergeht, welche den ganzen Anfangsraum des Spek- trums einnimmt. Man bemerkt sodann eine diffuse Absorption, welche zwischen D und E beginnt und sich gegen das rechte Ende des Spektrums hin fortsetzt. Bei Untersuchung der Flüssigkeit bei geringerer Dicke ist der Streifen nicht mehr sichtbar; dasselbe tritt ein, wenn man die Flüssigkeit bei starker Verdünnung untersucht.

Bei einigen Proben erscheint der angegebene Absorptions- streifen leicht nach rechts, d.h. gegen D verschoben.

Je größer der Säuregehalt der Flüssigkeit ist, desto ge- nauer nimmt der Absorptionsstreifen die zuerst beschriebene Lage ein, welche die dem Spektrum des Methämoglobins in verdünnter Lösung entsprechende ist. Bei Alkalischmachen der Flüssigkeit und Zusatz von Schwefelammonium verschwindet der eben erwähnte Streifen und tritt der zwischen D und E auf, welcher das Spektrum des Hämoglobins charakterisiert.

Die eben beschriebenen spektroskopischen Eigenschaften entsprechen denen des Methämoglobins, und es ist vor allem demonstrativ das Auftreten des Absorptionsstreifens des Hämo- globins unter dem Einfluß der reduzierenden Agentien, so wie für das Hämatin die positive Hämochromogenprobe charakteri- stisch ist.

Nur ist gegenwärtig zu halten, daß die Bedingungen, unter denen in meinem Fall die Bildung dieses Derivates des Oxy- hämoglobins stattgefunden hat, nämlich Behandlung des Blutes mit einer schwachen Salzsäurelösung, verschieden sind von denen,

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unter welchen sich das Methämoglobin zu bilden pflegt, welches unter dem Einfluß verschiedener oxydierender (Ozon, Jod, Chlorate, Permanganate, Ferricyankalium usw.) oder reduzieren- der Agenzien (Wasserstoff, Pyrogallol usw.) oder verschiedener anderen Substanzen (Anilin, Toluidin usw.) entsteht. Anderer- seits ist daran zu erinnern, daß unter dem vorübergehenden Einfluß schwacher organischer Säuren oder stark verdünnter Mineralsäuren ein anderes Derivat des Oxyhämoglobins entsteht, welches ein Zwischenprodukt zwischen diesen und dem Hämatin darstellt und das bereits von Hoppe-Seyler, Stokes, Preyer und Straßburg erkannte und mit Methämoglobin zusammen- geworfene Acidhämoglobin ist, das aber nach den Untersuchungen von Harnack heutzutage als eine besondere Substanz betrachtet wird. Dasselbe gibt ein analoges Spektrum wie das Methämo- globin, ist jedoch noch nicht genau untersucht worden, und man weiß nicht, ob es, mit den reduzierenden Agenzien be- handelt,’sich ebenso wie das Methämoglobin verhält (Cohnheim). Da jedenfalls in meinem Versuch die Substanz dadurch erhalten wurde, daß das Blut mit einer schwachen Mineralsäurelösung zusammengebracht wurde, und sie das Spektrum des Methämo- globins zeigt, welche das nämliche des Acidhämoglobins ist, so halte ich es für wahrscheinlicher, daß es sich, anstatt um Met- hämoglobin um Acidhämoglobin handelt.

Schlußsätze.

Folgende Tatsachen sind durch die vorliegenden Unter- suchungen zu Tage getreten:

Unter dem Einfluß des Pepsins in saurer Lösung auf Blut wird ein Hämatin erhalten, welches den spektroskopischen Eigenschaften nach im allgemeinen den auf andere Weise dar- gestellten Hämatinen entspricht, aber sich von ihnen vor allem dadurch unterscheidet, daß sein Molekül eine geringere Menge Stickstoff enthält. Dieses neue Produkt entspricht der Formel C3»H;,N,FeO, und stellt wahrscheinlich die erste Vereinfachungs- phase des Hämatinmoleküls durch die Pepsinverdauung vor.

Mit dieser Methode wird das Hämatin nicht nur bei An- wesenheit von Salz- oder Schwefelsäure, sondern auch von or- ganischen Säuren allein oder mit Mineralsäuren zusammen er- halten.

Über ein neues Hämatin. 293

Durch Einwirkung der erwähnten Säuren bei Abwesenheit von Pepsin bildet sich Hämatin und Acidhämoglobin.

Der Alkalesoenzgrad der Hämatinlösungen beeinflußt in hohem Maße die Variationen des Spektrums, und gleichzeitig weisen meine Beobachtungen für das alkalische Hämatin spektro- skopische Eigentümlichkeiten nach, die von anderen Autoren nicht erwähnt worden sind.

Das in neutralen Flüssigkeiten (Alkohol, Chloroform) ge- löste Hämatin gibt ein von dem durch Arnold beobachteten

verschiedenes und mit dem des sauren Hämatins identisches Spektrum.

Unter bestimmten Bedingungen kann dasselbe Spektrum

von alkalischen, sauren und neutralen Hämatinlösungen gegeben werden.

Das durch eine längere Verdauung modifizierte Hämatin erlangt die Eigenschaft, in Wasser löslich zu sein.

Literatur.

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Klopstock u. Kowarsky, Praktic. d. klin., chem., mikroskop. u. bakteriol. Untersuchungmeth. 1904.

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Beilstein, Ergänzungsbände zur 3. Aufl. d. Handb. 1906.

Salkowski, Praktic. d. physiol. u. pathol. Chem., 3. Aufl., 1906.

Die photodynamische Wirkung des Chlorophylis und ihre Beziehung zur photosynthetischen Assimilation der Pflanze,

Von Walther Hausmann.

(Aus dem physiologischen Institute der Hochschule für Bodenkultur in Wien.)

(Eingegangen am 1. Februar 1909.)

Die bekannten Untersuchungen H. v. Tappeiners und seiner Schüler über die photodynamische!) Wirkung fluorescie- rierender Substanzen ließen es wünschenswert erscheinen, auch die fluorescierenden Farbstoffe der Pflanze und des Tieres in dieser Richtung zu studieren.

Ganz besonders schien es wichtig, den Hauptrepräsen- tanten der Fluorescenz in der Pflanze, das Chlorophyll, zu untersuchen, da man hoffen konnte, durch Nachweis photo- dynamischer Erscheinungen grüner Pflanzenauszüge eine Reihe von Problemen der Pflanzenphysiologie mit leicht ausführbarer Methodik anzugehen.

Vor kurzem konnte ich an dieser Stelle?) zeigen, daß methylalkoholische Extrakte grüner Pflanzen intensiv photo- dynamisch auf rote Blutkörperchen wirken. Versetzt man Sus-

1) In dieser Mitteilung ist entgegen den beiden letzten in dieser Zeitschr; 14, 275 u. 15, 12 die ursprüngliche Bezeichnung v. Tappeiners „photodynamisch‘“ beibehalten worden, um hierdurch Verwechslungen mit der, photographische Platten sensibilisierenden Wir- kung des Chlorophylis zu vermeiden. Eine ausführlichere Publikation der vorliegenden Arbeit erfolgt in Pringsheims Jahrbüchern f. wissen- schaftl. Botanik.

2) Diese Zeitschr. 12, 331, 1908.

W. Hausmann: Photodyn.Wirk. d. Chlorophylis u. ihre Bezieh. usw. 295

pensionen von gewaschenen roten Blutkörperchen mit den methylalkoholischen Auszügen grüner Blätter, so kommt es in den belichteten Proben zu Hämolyse, während die unbelichteten dies nicht zeigen.

Die photodynamische Wirkung grüner Pflanzenauszüge ließ sich unschwer auch mit Paramäzien nachweisen. In einer vor kurzem an dieser Stelle mitgeteilten Arbeit habe ich gemeinschaft- lich mit W. Kolmer?) darauf hingewiesen, daß man ohne weiteres Paramäzien zum Nachweis photodynamischer Wirkungen auch bei alkohollöslichen Substanzen benützen kann. Es war gezeigt worden, daß die Paramäzien durch den Alkohol nicht so ge- schädigt werden, daß nicht die Anstellung solcher Sensibili- sationsversuche möglich wäre. Betrefis aller Einzelheiten muß auf die eben erwähnte Arbeit verwiesen werden.

So zeigte sich nun ohne weiteres auch bei Paramäzien, wie schon bemerkt, die photodynamische Wirkung chlorophyll- haltiger Pflanzenextrakte. Im Dunkeln blieben die Paramäzien, die vor allem durch sorgfältige Neutralisation der Auszüge vor der freien Säure geschützt werden müssen, am Leben, während sie im Lichte, im Sonnenlichte sowohl, wie im hellen diffusen Tageslichte zugrunde gingen.

Schon in der ersten Mitteilung über diesen Gegenstand habe ich darauf hingewiesen, daß allem Anscheine nach das Chlorophyll der Träger der photodynamischen Eigenschaften oder wenigstens einer der Träger dieser sensibilisierenden Wir- kung der alkoholischen Auszüge ist. R. Willstätter?) ist es nun gelungen, Chlorophyll krystallisiert zu erhalten. Durch Versuche mit diesem Präparate gelang es nachzuweisen, daß in der Tat das Chlorophyll zum mindesten eine der Substanzen ist, welche diese photodynamische Wirkung grüner Pflanzen- auszüge hervorruft.

Ich verdanke Herrn Professor Willstätter krystallisiertes Chlorophyll und möchte ihm auch an dieser Stelle nochmals

1) W. Hausmann u. W. Kolmer, Über die sensibilisierende Wir- kung pflanzlicher und tierischer Farbstoffe auf Paramäzien. Diese Zeit- schr. 15, 12, 1908.

2) R. Willstätter, Untersuchungen über Chlorophyll. VI. R. Will- stätter u. M. Benz, Über krystallisiertes Chlorophyll. Liebigs Annalen 358, 267, 1908.

296 W. Hausmann:

herzlichst für Überlassung der kostbaren Substanz danken. Aus den nachstehenden Tabellen geht deutlichst die ganz enorme photodynamische Kraft des krystallisierten Chlorophyllis hervor.

Die Versuche sind an kalten Wintertagen zum Teil ohne besonderen Schutz gegen die strahlende Wärme ausgeführt. In anderen Versuchen habe ich mich davon überzeugt, daß es sich hier nicht um Wirkung der strahlenden Wärme handelt. In diesen von physiologischen Gesichtspunkten aus unternommenen Untersuchungen kam es mir in erster Linie darauf an, zu zeigen, daß durch irgend einen Anteil des Spektrums diese Wirkung natürlich bei Ausschluß von Erwärmung hervor- gerufen werde. Wie schon bemerkt, ist durch andere Versuche, bei denen Wärmestrahlenfilter vorgelegt wurden, nachgewiesen, daß der ultrarote Anteil des Spektrums bei dieser Chlorophyll- wirkung nicht beteiligt ist. Daß übrigens ultrarote Strahlen auch assimilatorisch wirken können, scheint auch durch Unter- suchungen von Engelmann!) an Purpurbakterien hervorzu- gehen. Bei unserer Versuchsanordnung, bei welcher die Para- mäzien in Reagensröhrchen gehalten wurden, sind die Paramäzien überhaupt nicht sehr empfindlich gegen die strahlende Wärme, wenn nur direkte Erwärmung vermieden wird. Bei dem hämo- lytischen Versuche spielt dies eine noch geringere Rolle.

Die Paramäzienaufschwemmung war durch Kultur aus Heuinfus gewonnen. Sodann wurde durch Aufsteigenlassen in langen Röhren die mit Leitungswasser verdünnten Paramäzien gereinigt.

Die Menge der Chlorophyllösung in Kubikzentimetern, die in der ersten Kolumne der nachfolgenden Tabellen angegeben ist, bezieht sich immer auf die vor der Teilung in der ganzen Probe vorhandene Menge, ebenso wurden 5 cem Paramäzien- aufschwemmung oder Blutkörperchensuspension im ganzen bei jeder Probe verwendet.

Versuche mit Paramäzien. I. Versuch mit einer 0,05°/, Lösung von krystallisiertem Chlorophyll in Methylalkohol, am 17./XI. 1908. Sonne. Nach

1) Th. W. Engelmann, Die Purpurbakterien und ihre Beziehung zum Lichte. Bot. Ztg. (ënn, 661.

Photodyn. Wirk. d. Chlorophylis u. ihre Bez. z. photos. Assim. usw. II. 297

dem Zusatz der Chlorophyllösung zu der Paramäzienaufschwem- mung wurden die Proben geteilt, der eine Teil belichtet, der andere im Dunkeln gehalten.

Bemerkung

Menge der 0,05 0/, | Menge der | Chlorophyllösung in | Paramäzien- e , cem kultur in ccm im Lichte

j

im Dunkeln S

0,2 Nach 2 Minuten alle Paramäzien tot 0,1 nach 7’ tot | 0,05 nach 8’ tot | 0,03 nach 10 tot | 72 0,01 nach 13’ tot | . y g f Überall je | in allen on der Lösung wird ' Proben zahl- 0,1 auf 10 ccm 0,9°/, 5 ccm |reiche Para- NaCl-Lösung ver- | mäzien am dünnt, davon in ccm | Leben 0,5 nach 230’ tot 0,3 nach 60’ tot | 0,1 bleiben anschcinend | ungeschädigt |

Die mit Methylalkohol allein im Licht und Dunkeln an- gesetzten Paramäzien blieben ungeschädigt.

II.

Versuch mit einer 0,05°/, Lösung von krystallisiertem Chlorophyll in Methylalkohol am 21./XII. 1908. Sehr trüber Tag. Die Belichtung erfolgt hinter Doppelfenstern nach Süden auf weißer Unterlage. Nach dem Zusatz des Chlorophylls werden die Proben geteilt, die eine Hälfte belichtet, die andere im Dunkeln gehalten.

Menge der Menge der Bemerkung Paramäzien- Chlorophyll- nET aE TONED lösung in eem im Lichte im Dunkeln

mung in ccm

Nach 3 Stunden alle Paramäzien tot

nach 3 Stunden tot nach 3 Stunden sehr ge- `

Nicht geschädigt

schädigt nach nach 3 Stunden sehr ge- | S Stunden schädigt

nach 3 Stunden nicht ge- schädigt |

298 W. Hausmann:

Die Proben blieben bis zum nächsten Tage, der ebenfalls trüb war, bis um !/,10 Uhr früh am Fenster stehen. In Nr. 3 u. 4 waren alle Paramäzien verendet, in Nr. 5 viele am Leben. Die mit Methylalkohol angesetzten Kontrollproben ohne Chloro- phyli im Lichte und im Dunkeln am Leben. In der im Dun- keln belassenen Hälfte des Chlorophyliversuches waren die Tiere scheinbar ungeschädigt.

Versuche mit roten Blutkörperchen.

Es kam zur Verwendung eine 1°/, Aufschwemmung viermal gewaschener roter Kaninchenblutkörperchen. In einigen Fällen wurde auch Rinderblut verwendet. Aus der großen Reihe der Versuche seien zwei wiedergegeben.

I.

Versuch mit einer 0,05°/, Lösung von krystallisiertem Chlorophyll in Methylalkohol am 17./XI. 1908. Sonne. Nach dem Zusatz der Chlorophyllösung wurden die Proben geteilt, der eine Teil belichtet, die andere im Dunkeln belassen. Viermal gewaschene rote Kaninchenblutkörperchen.

Menge der

Menge der Chloro- | ]0/, Blut- Bemerkung hyllö körperchen- ; : phyllösung in ccm suspension im Lichte im Dunkeln

ek

komplette Hämolyse |

nach 7 Minuten

0,1 nach |

Von dieser Lösung

wird O, Icom auf 10 com |

0,9°/, NaCl-Lösung

verdünnt. Lösung a, davon in ccm

| |

0,5 komplette Hämolyse i R

Überall je nach 9 Minuten or SE e BD 5 Stunden 9,1 nach 30

Von der Lösung a

l ccm auf 10 ocm

0,9 NaCl aufgefüllt, davon in com

d Ee Ee, a

0,5 komplette Hämolyse nach 60 Minuten

0,3 |

0.1 keine Hämolyse nach 60°

Photodyn. Wirk. d. Chlorophylils u. ihre Bez. z. photos. Assim. usw. II. 299

Ich möchte hier bemerken, daß bei diesem, ebenso wie in noch einigen ganz vereinzelten Versuchen die Kontrolle mit 0,5 com Methylalkohol nach mehrstündiger Belichtung hämo- lytisch wurde. Da dies nur ganz vereinzelt auftrat, so ist es wohl auf Verunreinigung zurückzuführen, eventuell auf eingetretene Erwärmung. In Betracht käme diese an sich minimale Wirkung nicht. Zudem habe ich in Verein mit W. Kolmer gezeigt, daß Alkohol sogar imstande ist, die photodynamische Wirkung des Eosins abzuschwächen.

II.

Versuch mit einer 0,05°/, Lösung von krystallisiertem Chlorophyll in Methylalkokol am 13./I. 1909. Sehr trüber Himmel, partielle Schneedecke. Die Belichtung erfolgt hinter Doppel- fenstern nach Süden auf weißer Unterlage. Nach dem Zusatze des Chlorophylis wurden die Proben geteilt, die eine Hälfte belichtet, die andere im Dunkeln belassen. Viermal gewaschene rote Kaninchenblutkörperchen.

Menge der | Menge der Chloro- 10 I Blut-

Nach 1!/, Stunden in Probe 1 deutliche

2.

Von dieser Lösung Hämolyse, | 0,1 ccm auf 10 ccm Proben 2 bis 4 fraglich, : NaCl 0,9°/, verdünnt, Probe 5 negativ; | Keine davon Überall je Hämolyse 2 = 5 ccm nach 21/, Stunden nach 5. 0.1 Probe 1 und 2 kom- | 7 Stunden

plette Hämolyse, Probe

3 fast ganz komplett,

Probe 4 deutlich, Probe 5 keine Hämolyse

Die Kontrollen mit Methylalkohol 0,5, ol im Lichte und im Dunkeln negativ.

Es ist demnach die photodynamische Wirkung des krystalli- sierten Chlorophylis in den großen Verdünnungen von 1:3 Mil- lionen bei trübem Tageslichte noch aufgetreten.

Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, daß ich mir sehr wohl bewußt bin, daß wir bei Verwendung alkoholischer-

300 W. Hausmann:

Pflanzenauszüge und auch des krystallisierten Chlorophylis kaum je ein Chlorophyll in der Form werden untersuchen können, in welcher es in der lebenden Pflanze selbst vorhanden ist. Völlig sicher gestellt ist es jedoch durch unsere Unter- suchungen, daß der grüne fluorescierende Anteil der Auszüge zu mindest einer der Träger der oben beschriebenen Wirkung darstellt, daß also der grüne Farbstoff an sich die photo- dynamische Wirkung auszuüben imstande ist.

Es konnte nun die Frage entstehen, ob nicht etwa durch Vorbelichtung des Chlorophylis ein Körper entstehe, der an sich erst die giftigen Eigenschaften, die eben beschrieben wurden, entfaltet hätte, wie man dies auch Tappeiners Versuchen mit Unrecht entgegen gehalten hatte. Aus zahlreichen Versuchen, von denen hier nur zwei mitgeteilt werden sollen, geht deut- lich hervor, daß dies nicht der Fall ist, sondern daß zum Zu- standekommen dieser Wirkung das gleichzeitige Einwirken von Chlorophyll auf Blut oder Paramäzien im Lichte nötig ist.

Die Versuche wurden so angestellt, daß die vorbelichtete Probe denselben Gehalt an Chlorophyll hatte, wie die der photodynamischen Versuche, da bei Vorbelichtung der konzen- trierten Chlorophyllösung wegen zu starker Färbung die Wir- kung der Strahlen besonders im Inneren der Eprouvette hätte verhindert werden können.

I. Vorbelichtungsversuch mit roten gewaschenen Kaninchenblutkörperchen.

Zu derselben Zeit und unter denselben Belichtungsverhält- nissen wie bei Versuch I, mit roten Blutkörperchen wurden 0,1 und 0,2ccm der 0,05°/, Chlorophyllösung gemischt mit je 5 cem physiologischer Kochsalzlösung durch ?/, Stunden der Sonne aus- gesetzt, ebenso in anderen Eprouvetten 2 Proben von je 5 ccm der 1°/, Blutkörperchensuspension. Hierauf wurden zu jeder von den belichteten Chlorophyliproben je 5 ccm der ebenfalls vor- belichteten Blutkörperchensuspension zugesetzt. Es trat keine Hämolyse ein. Nun wurden die Proben geteilt und die eine Hälfte belichtet, die andere im Dunkeln belassen. Im Lichte kam es nach wenigen Minuten zu Hämolyse. Die Proben im Dunkeln waren nach 4 Stunden nicht hämolytisch.

Photodyn. Wirk. d. Chloro phylls u. ihre Bez. z. photos. Assim. usw. II. 301

II. Vorbelichtungsversuch mit Paramäzien.

Je 0,01, 0,03, 0,05, 0,1 com der 0,05°/, methylalkoholischen Lösung von krystallisiertem Chlorophyll werden zu je 5 com Paramäzienaufschwemmung zugesetzt. Die Proben geteilt, die eine Hälfte belichtet, die andere Hälfte im Dunkeln gelassen. Sehr trüber Tag, 21./XII. 1908, Schneedecke, die Eprouvetten stehen bei der Belichtung hinter Doppelfenstern nach Süden auf weißer Unterlage (photodynamischer Versuch, um zu sehen, ob die Lichtstärke genügend war).

Zu derselben Zeit und auf demselben Eprouvettengestell werden Chlorophyllösungen und davon getrennt Paramäzien- aufschwemmungen belichtet. Die Chlorophyllösungen enthalten je 0,02, 0,06, 0,1, 0,2 ccm in je 5 ccm Brunnenwasser (Vor- belichtungsversuch). In den erstgenannten Proben des photo- dynamischen Versuches sind die in der stärksten Chlorophyll- konzentration befindlichen Paramäzien, die um ?/,11 Uhr ex- poniert wurden, nach einer Stunde fast alle tot. In den übrigen Proben werden die Paramäzien um 3 Uhr tot gefunden. Die Proben mit 0,05 und 0,1 Methylalkohol bleiben ganz normal. Die Chlorophyliproben im Dunkeln ungeschädigt.

Nun werden zu jeder vorbelichteten Chlorophyllösung je 5 ccm vorbelichtete Paramäzienaufschwemmung zugegeben. Die Paramäzien bleiben am Leben. Am nächsten Morgen werden diese in der vorbelichteten Chlorophyllösung lebenden Paramäzien geteilt, die eine Hälfte belichtet, die andere dunkel gehalten. In der belichteten Probe gehen die Tiere ein, in der Dunkel- probe nicht.

Es wirken übrigens, wie nachdrücklich betont werden soll, durch Sonnenlicht vollständig veränderte chlorophylihaltige Pflanzenauszüge noch photodynamisch, doch habe ich bisher nicht festgestellt, ob es sich um Reste unveränderten Chloro- phylis handelt, was jedoch unwahrscheinlich erscheint. Die Wirkung dieses veränderten Chlorophylis könnte, falls es in der Pflanze überhaupt vorkommt, wegen der geänderten Absorptions- verhältnisse nur in einem anderen Spektralbezirke erfolgen, als die des unveränderten Chlorophylis.

Dies führte nun zu der Fragestellung, wie die Chlorophyll- derivate in dieser Richtung sich verhalten. Es war mir durch

302 W. Hausmann;

die große Freundlichkeit von Herrn Professor Marchlewski, dem ich auch an dieser Stelle meinen besten Dank aussprechen möchte, möglich, ein Derivat des Chlorophylis, krystallisiertes Phylloporphyrin, zu untersuchen. Aus der nachfolgenden Tabelle geht hervor, daß auch dieser Körper eine sehr stark photodynamisch wirksame Substanz darstellt.

Versuch.

Lösung von 0,0004 g Phylloporphyrin in 2,5 ccm Methyl- alkohol, nicht alles gelöst. Verwendet wurde eine 1°/, Auf- schwemmung gewaschener, roter Blutkörperchen vom Kaninchen. Der Versuch in durch Nebel scheinendem Sonnenlicht unter- nommen. Die Proben wurden nach dem Zusatz des Phyllo- porphyrins geteilt, zum Teil belichtet, zum Teil im Dunkeln belassen. Kontrollen mit Methylalkohol.

Menge der

Menge der Be ung

zugesetzten | , Plutkörper-

8 , chensuspension im Licht a Dunkeln Lösung in com in ccm im Lichte | ım Wunke

Komplette Hämolyse |

nach 10’ | x Überall je er "Keine Hämolyse SC 5 ccm a op ‚nach 4 Stunden 0,03 nach 35’ | 0,01 nach 1 Stunde |

Nach 5 Stunden beginnen auch die Dunkelproben der zwei stärksten Konzentrationen etwas Hämolyse zu zeigen, die am nächsten Morgen komplett ist. Das Phylloporphyrinpräparat hat also auch im Dunkeln etwas hämolytische Wirkung. Die Kontrollen mit 0,5 und 0,3 ccm Methylalkohol im Hellen und Dunkeln zeigen keine Hämolyse.

Wie ich schon mitgeteilt habe, ist die Fähigkeit, photo- dynamisch zu wirken, auch bei dem Tierkörper entstammenden Substanzen häufig anzutreffen. Ich konnte zeigen, daß die tierische Galle rote Blutkörperchen zu sensibilisieren vermag, während diese Eigenschaft der Galle bei Paramäzien viel schwerer nachweisbar ist. Weiters konnte ich über die photo- dynamische Wirkung des Hämatoporphyrins berichten.!)

1) Diese Zeitschr. 14, 275, 1908 u. 15, 12, 1908,

Photodyn. Wirk. d. Chlorophylis u. ihre Bez. z. photos. Assim. usw. II. 303

E. Schunk und L. Marchlewski!) haben zuerst auf die nahe Verwandtschaft des Abbauproduktes des Chlorophylis, des Phylloporphyrins, mit dem Abkömmling des Blutfarbstoffes, mit dem Hämatoporphyrin hingewiesen. Diese Forscher be- tonten die große Ähnlichkeit des Spektrums beider Körper. Ebenso hat Nencki°) dann auf die Ähnlichkeit der Zusammen- setzung beider Körper aufmerksam gemacht. Ganz besonders ist der Nachweis dieser nahen Verwandtschaft Marchlewski?) gelungen. Er konnte von dem Phylloporphyrin durch Oxydation direkt zum Anhydrid der Hämatinsäure gelangen und so aus dem Chlorophyliderivate Abkömmlinge des Blutfarbstoffes ge- winnen. Ebenso konnte Marchlewski aus Phylloporphyrin Urobilin herstellen.

Wie eben gezeigt wurde, äußert sich diese nahe Zusammen- goehörigkeit des Hämatoporphyrins und des Phyllo- porphyrins auch in der, beiden fluorescierenden Sub- stanzen gemeinschaftlichen Eigenschaft der photo- dynamischen Wirkung.

Es wird nun vor allem die Frage zu beantworten sein, in welchem Zusammenhange die soeben beschriebene photo- dynamische Wirkung des Chlorophylis mit der photosynthetischen Assimilation grüner Pflanzen steht.

Vorerst soll kurz auf die wahrscheinlichst scheinenden Aus- nahmen über die Wirkung des Chlorophylis im Chloroplasten hingewiesen werden.

Die Annahme, daß eine enge Beziehung bestehe zwischen Absorption des Lichtes im Chlorophylikorn und Assimilation, ist schon im Anfang des vorigen Jahrhunderts gemacht worden. (Dumas 1824, Jul. Robert Mayer 1845, Helmholtz 1854.)t)

1) E. Schunk und L. Marchlewski, Zur Chemie des Chlorophylis. Liebigs Annalen 290, 306, 1896.

2) M. Nencki, Über die biologischen Beziehungen des Blatt- und Blutfarbstoffes. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. ?9 III, 2877, 1896.

3) L. Marchlewski, Zur Chemie des Chlorophylis. Journal für praktische Chem. 65, 161, 1902.

4) In dieser Darstellung sind hauptsächlich folgende Werke benützt worden: Fr. Czapek, Biochemie der Pflanzen 1, Jena 1905; L. Jost, Vorlesungen über Pflanzenphysiologie, Jena 1908, sowie H. Molisch, Der gegenwärtige Stand der Lehre von der Kohlensäureassimilation.

Congrès intern. bot. Wien 1905. Ergebnisse 1906, 179. Biochemische Zeitschrift Band 16, 21

304 W. Hausmann:

Lommel hat sich dahin geäußert, „daß die chemische Arbeit in der Pfianzenzelle verrichtet werde durch die lebendige Kraft, welche der Strahl bei der Absorption an die Zelle abgibt“.

Becquerel und später Cros zeigten, daß man durch Chlorophyll Jod und Bromsilber für die Bezirke B C des Spektrums sensibilisieren könne.

Ganz besonders hat zuerst Timiriazeff, das Chlorophyli als Sensibilisator im Assimilationsprozesse angesprochen. Engel- mann!) hat sich dieser Auffassung angeschlossen und das farblose Stroma des Chlorophylikornes direkt mit der photo- graphischen Platte verglichen und die Wirkung des Chlorophylls mit der der Vogelschen Sensibilisatoren.

Durch meine Versuche ist nun gezeigt, daß das Chlorophyll nicht nur die Eigenschaft der photographischen Sensibilisation hat, sondern daß es auch die photodynamische Wirkung fluorescierender Substanzen, die ja auch von Tappeiner als ein, allerdings von der photographischen ganz verschiedener, Sensibilisationsprozeß aufgefaßt wird, besitzt.

Es muß ganz besonders hervorgehoben werden, daß die photodynamische Wirkung der chlorophyll- haltigen Pflanzenauszüge im Versuche, dem in dem Chlorophyllkorne sich abspielenden Prozesse ungemein nahekommt. Hier wie dort haben wir das im Vergleich zur photographischen Platte lichtunempfindliche Sub- strat hier Blut, Paramäzien dort den ungefärbten Chloroplasten. In beiden Fällen ist das Chlorophyll allein als Energieüberträger anzusehen.

Jost?) hat, wie mir scheint, mit vollem Rechte der photo- graphischen Sensibilisationstheorie des Chlorophylis entgegen- gehalten, daß man die Einwirkung des Chlorophylis auf den en sich nicht assimilationsfähigen Chloroplasten nicht mit der Sensibilisierung lichtempfindlicher Platten vergleichen dürfe, da in einem Falle die lichtempfindliche Substanz mit dem licht- unempfindlichen, ungefärbten Chloroplasten verglichen wurden.

Dieser Einwand entfällt, wie aus den obigen Erörterungen hervorgeht, bei der Annahme einer photodynamischen Wirkung des Chlorophylis in der Pflanze, denn hier ist nur nötig, daß

1) Th. W.En gelmann, Farbe u. Assimilation. Bot. Zeitg. 1883, 20. 2?) 1L. e. S. 151.

Photodyn. Wirk. d. Chlorophylis u. ıhre Bez. z. photos. Assim. usw. II. 305

das Chlorophyll als Energieüberträger wirkt. Ein anderes licht- empfindliches Substrat ist nicht nötig und in der Tat auch nicht vorhanden.

Es spricht nun eine Reihe wichtiger Beweispunkte dafür, daß die Annahme, das Chlorophyll wirke im Chlorophyllkorn in der Art photodynamischer Sensibilisatoren, wahrscheinlich er- scheint. Es soll nun ausgeführt werden, daß

l. die Art des Vorkommens des Chlorophylis im Chloro- phylikorn diesen Prozeß möglich erscheinen läßt.

2. Chlorophyll wirkt in jenen Strahlen photodynamisch, in denen die hauptsächlichste Assimilation der Pflanzen erfolgt.

3. Es scheint auch die Lokalisation photodynamischer Eigen- schaften in der Pflanze, soweit ich sie bisher untersuchte, für diese Annahme zu sprechen.

Ad. 1. Kann man annehmen, daß das Chlorophyll eben- falls in der lebenden Pflanze nach Art der photodynamischen Sensibilisatoren wirkt?!) Wir wissen aus den Untersuchungen von v. Tappeiner, daß alle bisher als photodynam bekannten Körper fluorescieren. Es ist weiterhin von v. Tappeiner darauf hingewiesen worden, daß man durch Substanzen, welche die Fluorescenz herabdrücken, auch diese Wirkung herabsetzen kann.

Es wird demnach die Hauptfrage die sein, ob auch das Chlorophyll in der intakten Pflanze fluoresciert. Es scheint nun nach den Angaben der Literatur eine, wenn auch schwache Fluorescenz in der Tat vorzuliegen. Von Lommel wurde jede Fluorescenz der lebenden Blätter in Abrede gestellt. Hagen- bach hat die von ihm zuerst nicht beobachtete Fluorescenz später zugegeben. Auch Reinke hat sich schließlich dieser Annahme angeschlossen, die N. J. C. Müller vertreten hatte"

Nun hatte Hansen?) gezeigt, daß man durch fein emulgierte Öltröpfchen die Fluorescenz alkoholischer Chlorophyllösungen zum Verschwinden bringen könne. Kohl?) wies neben Be- stätigung dieser Versuche nach, daß man auch durch feinstes Quarzpulver dies erzielen könne. Ebenso wie im Versuche mit

1) Bei genauer Durchsicht der Litteratur finde ich, daß Raab unter v. Tappeiners Leitung einen ähnlichen Gedanken erwog, ohne ihm, so weit ich sehe, experimentell näher getreten zu sein. Zeitschr. f. Biol. 39, 540.

2) Cit. nach H Molisch, Lo

21*

306 W. Hausmann:

Öl, kehrt die Fluorescenz zurück, sobald die Partikelchen sich zu Boden gesetzt hatten. Die Fluorescenz des Chlorophylis schien demnach durch das trübe Medium unterdrückt zu werden.

Doch wird, wie Molisch!) sicher mit Recht ausführt, die Fluorescenz nur verdeckt, da der trübe Körper das einfallende Licht nach allen Seiten zurückstrahlt und das Fluorescenzlicht verdeckt. Auch ergibt sich aus meinen oben mitgeteilten Be- funden, daß sogar die Anwesenheit einer so überaus feinen Emulsion, wie sie die roten Blutkörperchen darstellen, die photodynamische Wirkung des Chlorophylis nicht hemmt. Eine Fluorescenz ist in den völlig undurchsichtigen Flüssigkeiten nie zu konstatieren, sie muß jedoch nach dem Ausfall des photodynamischen Versuches vorhanden sein. Es ist dem- nach möglich, daß die Wirkung eines Stoffes, die offenbar mit der Fluorescenz desselben ursächlich zusammenhängt, auftritt, ohne daß die Fluorescenz äußerlich sichtbar wird. Darauf sei in Hinblick auf die Wirkung des Chlorophylis in der Pflanze besonders hingewiesen.

Wir werden demnach annehmen können, daß die zum Eintritte photodynamischer Wirkung in der Pflanze nötige Fluorescenz auch in der lebenden Pflanze vorhanden ist. Der Umstand nun, daß die Fluorescenz in der Pflanze eine so geringe ist, scheint nun direkt eine der Schutzvorrichtungen der Pflanze gegen ihr eigenes Chlorophyll darzustellen.

Wenn wir uns überlegen, in welch’ enormen Verdünnungen das krystallisierte Chlorophyll photodynamisch sowohl auf rote Blutkörperchen wie auf Paramäzien zu wirken vermag, so werden wir direkt an die von Nägeli beschriebenen oligo- dynamischen Wirkungen der Gifte erinnert. Besonders jene Versuche, in denen bei der minimalen Lichtintensität eines trüben Dezembertages sensibilisierende Wirkung des Chlorophylis noch in einer Verdünnung von 1:3000000 zu konstatieren war, lassen es ganz ausgeschlossen erscheinen, daß ähnlich intensive photodynamische Prozesse in der Pflanze selbst sich abspielen könnten. Es wäre kaum möglich, ein Weiterbestehen der Pflanze gegenüber derartig deletärer Wirkungen anzunehmen.

Da muß man sich nun klar machen, daß das Chlorophyll in der Pflanze sicher nicht in so reaktionsfähiger Weise vorhanden

1) J. c.

Photodyn.Wirk. d. Chlorophylis u. ihre Bez. z. photos. Assim. usw. Il. 307

ist, wie in der alkoholischen Lösung. Außerdem sind ja neben Chlorophyll noch andere Farbstoffe im Chloroplasten tätig, denen ja möglicherweise auch abschwächende Wirkungen zu- kommen könnten.

Schließlich sei darauf hingewiesen, daß man nach Busk?) durch Zusatz von Eiweiß die photodynamische Wirkung fluorescierender Stoffe ganz ungemein herabzusetzen, ja sogar aufzuheben vermag.

Diese Schutzvorrichtungen der Pflanze gegen ihr eigenes Chlorophyll ließen sich nun auch experimentell wahrscheinlich machen. Es zeigte sich, daß intensiv gefärbte, methyl-alko- holische Extrakte grüner Blätter ganz ungemein schwächer wirksam waren, als Chlorophyllösungen von krystallisiertem Chlorophyll, welche letztere dem freien Auge überhaupt nicht mehr grün gefärbt erschienen, wie aus folgendem Versuche

hervorgeht. Versuch.

Intensiv gefärbter methylalkoholischer Extrakt von Spinat- blättern wird nach genauer Neutralisation in steigender Menge zu Paramäzienaufschwemmung von je 5 ccm zugesetzt, zugleich wird von einer verdünnten Lösung krystallisierten Chlorophylis mit derselben Kultur unter denselben Belichtungsverhältnissen ein photodynamischer Versuch gemacht. Die mit dem Spinat- auszuge versetzten Paramäzienproben sind deutlich grün gefärbt, die Proben mit der ungemein stark verdünnten Chlorophyll- lösung scheinbar ungefärbt. Die Belichtung am 5./I. 1909 an einem sehr trüben Tage hinter Doppelfenstern nach Süden auf weißer Unterlage. Die Proben in dem Pflanzenextrakte unter- schieden sich nicht von ihrer Dunkelkontrolle. In den Proben mit krystallisiertem Chlorophyll im Lichte verendeten die Para- mäzien nach einigen Stunden, in den Dunkelkontrollen nicht. Analoge Resultate ergaben Vergleichsversuche mit Einwirkung chlorophylihaltiger Pflanzenauszüge und Lösungen des reinen Chlorophylis im Lichte auf rote Blutkörperchen. Auch hier waren die viel intensiver grün gefärbten Blätterextrakte un- gleich weniger wirksam als die kaum gefärbten Lösungen des krystallisierten Chlorophylis.

1) G. Busk, Die photobiologischen Sensibilisatoren und ihre Eiweiß- verbindungen. Diese Zeitschr. 1, 425, 1906.

308 W. Hausmann:

Wir haben demnach alle Ursache anzunehmen, daß das Chlorophyll, welches seine giftigen Eigenschaften im Chloro- phylikorn nicht zu entfalten vermag, hier nach physiologisch allgemein gültigem Gesetze Reizwirkungen ausübt und daß dieser Reiz, der vom Chlorophyll im Lichte auf den an sich lichtunempfindlichen Chloroplast ausgeübt wird, einen der Haupt- momente für die Anregung der photosynthetischen Assimilation grüner Pflanzen darstellt.

Eine andere Vorbedingung für das Zustandekommen photo- dynamischer Wirkung ist das Vorhandensein des Sauerstoffes. Ich werde demnächst auf diese Frage, soweit es das Chlorophyll betrifft, zurückkommen, ebenso auf die Sauerstoff übertragende Wirkung dieses Körpers. Hier soll nur hervorgehoben werden, daß Sauerstoff, dessen Anwesenheit nach Tappeiner für den Eintritt photodynamischer Wirkung nötig ist, auch bei der Wirkung des Chlorophylis im Chlorophylikorn vorhanden ist.

Ad. 2. In welchen Strahlen wirkt Chlorophyll photo- dynamisch?

Wir wissen, daß die hauptsächlichste Assimilation der grünen Pflanzen, die unter der Mithilfe des Chlorophylis sich vollzieht, durch den leuchtenden Teil des Spektrums hervor- gerufen wird. So sicher nun auch es seit langer Zeit bekannt ist, daß der schwächer brechbare Teil des Spektrums der assi- milatorisch wichtigere ist, so bestehen noch immer Differenzen über die Lage des Hauptmaximums der roten Spektralhälfte. Nach Reinke ist es zwischen den Fraunhoferschen Linien | a u. B (A = 720 bis 685 uu), nach Engelmann und Timiriazeff zwischen B u. Č = 685 bis 655 unu), nach Pfeffer zwischen D u. C (4 = 655 bis 590 uu) gelegen.!)

A priori war es nun sehr wahrscheinlich, daß auch die photodynamische Wirkung des Chlorophylis durch die roten Strahlen herbeigeführt werde, da wir durch die Untersuchungen v. Tappeiners wissen, daß jene Strahlen, welche absorbiert werden, auch die Ursache dieser Wirkungen sind. Es stellte sich nun in der Tat heraus, daß die roten Strahlen des Spektrums hauptsächlich die Ursache der photo- dynamischen Wirkung des Chlorophyllis sind.

1) Cit. nach J. Jost, 1. c. S. 147.

Photodyn. Wirk. d. Chlorophylis u. ihre Bez. z. photos. Assim. usw. II. 309

Die Versuche wurden begonnen mit den chlorophylihaltigen Extrakten grüner Blätter. Es kam zuerst Strahlenfilter zur Anwendung, und zwar verwendete ich konzentrierte Lösung von Kupfersulfat zur Absorption der Strahlen ungefähr bis zur Wellenlänge von 550 uu, konzentrierte Eosinlösung und Pikrinsäurelösung zur Absorption der Strahlen von Grün und von Blau bis ins äußerste Ultraviolett. Es zeigte sich nun in den ersten, mit chlorophylihaltigen Pflanzenextrakten an Para- mäzien und mit roten Blutkörperchen angestellten Versuchen, daß in jenen Proben, in denen durch die Kupfersulfatlösung die roten und gelben Strahlen abgehalten wurden, die photodyna- mische Wirkung nur sehr verspätet, wenn überhaupt auftrat.

Es wurden nun mittels folgender Versuchsanordnung die Versuche in spektral zerlegtem Lichte unternommen. Durch einen Spiegel wurde das von einer Bogenlampe durch ein Sieden- topfsches Schwefelkohlenstoffprisma erzeugte Spektrum auf einer Glasplatte entworfen. In die einzelnen Spektralbezirke wur- den Tropfen einer Paramäzienaufschwemmung gesetzt, welche in 5com O0,l ccm der 0,05°/,igen methylalkoholischen Lösung von krystallisiertem Chlorophyll enthielt. Es zeigte sich nun übereinstimmend in einer großen Reihe von Versuchen, daß hauptsächlich in jenen Tropfen, die den BC-Strahlen ausgesetzt waren, die Paramäzien nach kurzer Zeit eingingen, während sie in den übrigen Spektralfarben unbeschädigt blieben. Kon- trollen mit Eosin ergaben mit derselben Versuchsanordnung, daß die grünen, für die ‚Chlorophyliparamäzien‘“ unschädlichen Strahlen die ‚„Eosinparamäzien‘ töteten, so daß in der Tat diese Versuchsanordnung, so weit es bei dieser Art der Licht- zerlegung zu erwarten ist, ausreichende Resultate ergibt.

Diese Versuche, welche ich nur als vorläufig orientierend betrachte, zeigen, daß die Wirkung des krystallisierten Chloro- phylis in jenen Strablenbereichen hauptsächlich erfolgt, in denen das Assimilationsmaximum der Pflanze liegt. Es wird nötig sein, durch Verwendung reiner Gitterspektra die genauere Be- stimmung dieser Strahlen vorzunehmen, vor allem wird zu untersuchen sein, ob das vielleicht wegen stärkerer Absorption der blauen Strahlen durch den Schwefelkohlenstoff bisher nicht beobachtete zweite Assimilationsmaximum Engelmanns viel- leicht auch mit dieser Methodik nachweisbar ist.

310 W. Hausmann:

Ad 3. Die dritte Frage, welche zu beantworten war, war die nach der Lokalisation photodynamischer Eigenschaften in der Pflanze und die Möglichkeit nach einem Zusammenhang zwischen Vorhandensein des Chlorophylis und sensibilisierender Eigenschaften.

Da müssen wir uns nun vor allem klar werden: Was sagt uns eigentlich das Vorkommen photodynamischer Wirkung in dem oder jenem Pflanzenteil? Vorerst können wir sagen, der Nachweis photodynamischer Eigenschaft beweist nur, daß eine fluorescierende Substanz vorhanden ist. Mehr können wir von vornherein aus dem Vorhandensein photodynamischer Wir- kung nicht schließen. Es war demnach sehr wahrscheinlich, daß auch andere Pflanzenfarbstoffe photodynamische Eigen- schaften zeigen, sobald sie fluorescieren, und ich bezweifle gar nicht, daß wir bei darauf gerichteter Untersuchung eine ganze Reihe fluorescierender Pflanzenbestandteile kennen lernen werden.

Durch diese Feststellung wird jedoch der oben versuchte Beweis, daß die photodynamische Wirkung des Chlorophylis in direktem Zusammenhange mit seiner Wirkung im Chlorophyll- korne steht, nicht tangiert.

Denn es muß ganz nachdrücklich betont werden, daß ein Sensibilisator nur dann zu wirken vermag, wenn er an einer Stelle sich befindet, an der er sensibilisierende Eigen- schaften entfalten kann. Ich möchte hier zum Vergleich die photographische Platte heranziehen. Bevor das Eosin oder ein beliebiger anderer Sensibilisator nicht auf die photographische Platte gebracht ist, vorher kann er nicht sensibilisierend wirken. Es gehört bei dieser Art der Sensibilisation eben die licht- empfindliche Platte dazu, damit das Eosin in Wirkung treten könne.

Ganz ebenso werden wir uns vorzustellen haben, daß die Sensibilisatoren der Pflanze nur an jenen Stellen im Lichte zu wirken vermögen, die durch ihren Bau darauf abgestimmt sind, Reize, die ihnen durch photodynamisch wirkende Sensibilisatoren zugehen, entsprechend zu verwerten. Daß natürlich, wie Pfeffer schon seit langer Zeit annahm, auch neben Chlorophyll eine große Anzahl anderer und vielleicht sich gegenseitig beeinflussender Sensibilisatoren im Chlorophylikorn vorhanden sind, scheint mir äußerst wahrscheinlich. Es bedarf aber neben der Fähigkeit

Photodyn. Wirk. d. Chlorophylis u. ihre Bez. z. photos. Assim. usw. II. 311

eines Körpers, die strahlende Energie des Lichtes in eine andere Energieform umzusetzen, wie wir dies bei Chlorophyll kennen gelernt haben, auch noch der Anwesenheit dieses Körpers an richtiger Stelle, an der allein er als Energieüberträger zu wirken vermag.

Der Versuch nach der Lokalisation photodynamischer Eigen- schaften in den verschiedenen Pflanzenteilen mußte demnach wahrscheinlich folgendes Resultat ergeben. In allen jenen Teilen, die Chlorophyll enthielten, mußten sie selbstverständ- lich vorhanden sein. In den anderen Pflanzenbestandteilen konnte sie vorkommen, sie konnte jedoch auch sehr oft fehlen. Soweit ich nach meinen bisherigen, noch nicht abgeschlossenen Versuchen berichten kann, trifft dies Verhalten in der Tat voll- kommen ein.

Zur Entscheidung dieser Frage untersuchte ich methylalko- holische Auszüge verschiedenster Pflanzenteile in dieser Rich- tung. Diese Versuche sind noch nicht abgeschlossen genug, um ausführlich darüber berichten zu können. Nach meinen bisherigen Untersuchungen scheint es mir festzustehen, daß die Extrakte der Blüten und, soweit bisher untersucht, der Früchte, keine photodynamischen Eigenschaften entfalten. Nachstehend sei nur einer von den zahlreich angestellten Versuchen mit- geteilt. Die anderen Versuche sollen anderen Orts mitgeteilt werden.

Versuch.

3,3 g Blütenblätter einer dunkelroten Georgine werden mit 15 cem Methylalkohol extrahiert, davon 0,1, 0,2, 0,3 und 0,5 zu je ö ccm gewaschener Blutkörperchensuspensionen zugesetzt. Der intensivsten Sonne durch ?/, Stunde ausgesetzt, bleiben die Proben negativ. 0,5g der grünen Kelchblätter dieser Blüte werden mit 15ccm Methylalkohol ausgezogen, 0,3 und 0,5ccm rufen bei derselben Art der Belichtung intensive Hämolyse hervor. Daß Zusatz von Anthokyan die photodynamische Wirkung chlorophylihaltiger Extrakte nicht beeinflußt, war ebenfalls nach- zuweisen. Es soll dieser letztere Punkt in Bezug auf das ge- meinschaftliche Vorkommen von Anthokyan und Chlorophyll in den Blättern nächstens besprochen werden.

Bisher bin ich noch nicht auf photodynamisch wirkende Blütenextrakte gestoßen, jedoch zweifle ich nicht daran, daß

312 W. Hausmann: Photodyn. Wirk. d Chlorophylis u. ihre Bez. usw. II.

es auch solche geben wird, und es sind in der Tat ja fluores- cierende Anthokyane beschrieben worden. Ich behalte mir vor, in einiger Zeit über diese Fragen wieder zu berichten und besonders auch auf die Frage der photodynamischen Wirkung grüner und etiolierter Pflanzen einzugehen.

Die bisherigen Ergebnisse lassen sich folgendermaßen zu- sammenfassen:

1. Alkoholische Blätterauszüge wirken photodyna- misch auf rote Blutkörperchen und auf Paramäzien. Diese Wirkung haben wir in erster Linie dem Chloro- phyll zuzuschreiben.

2. Die photodynamische Wirkung chlorophyll- haltiger Pflanzenauszüge und des reinen Chlorophylis erfolgt in jenen Spektralbezirken, in welchen die hauptsächlichste Assimilation der Pflanze stattfindet. Halten wir diese Eigenschaft zusammen mit dem Um- stande, daß auch in der Pflanze eine geringe Fluo- rescenz vorhanden ist, welche nötig ist zum Eintritt der photodynamischen Wirkung, so ist es sehr wahr- scheinlich, daß das Chlorophyll in der Pflanze nach Art der photodynamischen Substanzen wirkend, im Lichte die Assimilation anregt. Ebenso ist der zum Eintritt photodynamischer Wirkung nötige Sauer- stoff in der Pflanze vorhanden.

3. Die bisher bekannt gewordenen Tatsachen über die Verbreitung photodynamischer Substanzen in der Pflanze sprechen ebenfalls für den innigen Zusam- menhang zwischen Photosynthese und photodyna- mischer Wirkung.

4. Phylloporphyrin wirkt ebenso photodynamisch wie Hämatoporphyrin. Die nahe Verwandtschaft zwischen Blutfarbstoff und Chlorophyll erweist sich auch in dieser, ihren Derivaten gemeinschaftlichen Eigenschaft der photodynamischen Wirkung.

Fortgesetzte Untersuchungen über die Permeahbilität der Gefäßwände.

Von Bruno Röhm. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Bern.) (Eingegangen am 11. Februar 1909.) |

Inhaltsverzeichnis.

Einteitünt e eg ee e d a a e A 313 I. Teil. Einfluß des mechanisch gesteigerten Blutdrucks auf den Flüssigkeitsaustausch zwischen Blut und Gewebe . . .... 314

II. Teil. Der Flüssigkeitsaustritt aus den Gefäßen infolge von Adrenalininjektion und der Flüssigkeitseintritt in die Gefäße infolge Blutentzuges . . 2: 2 2 0 ro nr rn 329

IIL Teil. Der Einfluß der Asphyxie auf die Permeabilitätd.Capillaren 343

IV. Teil. Der Einfluß von intravenöser Injektion von Galle auf die Permeabilität der Capillaren `, . . 2.2... onen nn 346

Resultate l

Einleitung.

Die wichtige Frage, durch welche Mittel oder Vorgänge der Flüssigkeits- und Stoffaustausch zwischen Blutcapillaren und Geweben geregelt wird, ist in der letzten Zeit erneut Gegen- stand der Untersuchung gewesen. In einer vorausgegangenen Arbeit über die physiologische Permeabilität der Zellen hat Professor Asher in deren dritten Teil die Permeabilität der Gefäßwände untersucht.!) Er kam dort zu dem Resultat, erstens, daß mechanisch gesteigerter Capillardruck keine Filtration ver- ursacht, zweitens, daß die Gefäßerweiterer keinen Einfluß auf die Permeabilität der Gefäße haben, drittens, daß die spezifische Tätigkeit des durch die betreffenden Capillaren versorgten Or- gans eine leicht nachweisbare Veränderung des Blutes bewirke. Diese Veränderung betraf sowohl die Konzentration des Gesamt- blutes wie auch die Konzentration des Serums. Da diese Re-

1) L. Asher, Diese Zeitschr. 14, 1, 1908.

314 B. Böhm:

sultate nicht im Einklange stehen mit den Ergebnissen einiger anderer Autoren, welche früher über den gleichen Gegenstand gearbeitet haben und da, wie Asher in der zitierten Arbeit hervorgehoben hat, wegen der prinzipiellen Bedeutung der auf- geworfenen Fragen die Sammlung eines weiteren Erfahrungs- materials nötig ist, folgte ich der Aufforderung von Professor Asher, unter seiner Beihilfe erneut die Permeabilität der Ge- fäße zu untersuchen. Diese Untersuchungen sollten sowohl den Einfluß des Blutdrucks wie auch den Einfluß einiger anderen Variabeln auf den Flüssigkeitsaustausch zwischen Blut und Geweben betreffen.

I. Teil.

Einfluß des mechanisch gesteigerten Blutdrucks auf den Flüssigkeitsaustausch zwischen Blut und Gewebe.

Die Frage, ob unter physiologischen Bedingungen eine Filtration stattfindet oder nicht, ist von seiten der Physiologen und der an dieser Frage nicht weniger interessierten Pathologen sehr verschiedentlich beantwortet worden. Einerseits wurde überhaupt das Vorkommen einer Filtration unter physiologischen Bedingungen geleugnet, wie dies z. B. Tigerstedt in seinem bekannten Lehrbuch unter Hinweis auf seine eigenen Erfahrungen und auf diejenigen von Leber getan hat. Andererseits ist es nicht minder bekannt, daß zahlreiche Autoren die Filtration als einen wichtigen Faktor im Organismus ansehen, und es bedarf nur des flüchtigen Hinweises auf die Lehre von der Harnbildung und der Lymphbildung sowie auf die Lehre von den Transsudaten und Ödemen, um die große Rolle hervor- treten zu lassen, welche die Filtration bei zahlreichen Vorgängen im Tiere spielen soll. Ich betrachte es hier nicht als meine Aufgabe, auf die angedeuteten Probleme und die umfangreiche “Literatur dieses Gegenstandes näher einzugehen. Vielmehr darf ich gemäß der gestellten Aufgabe mich auf die neueren Arbei- ten von Hess!) und W. Erb?) einerseits und andererseits auf die oben zitierte Arbeit von Asher bei der Diskussion be- schränken, weil in diesen Arbeiten die weitschichtige Frage-

1) O. Hess, Arch. f. klin. Med. 79, 128, 1903. 2) W. Erb jun., Arch. f. klin. Med. 88, 36, 1906.

Untersuchungen über die Permeabilität der Gefäßwände. 315

stellung auf ein ganz spezielles, auch in den nachfolgenden Experimenten untersuchtes Problem eingeengt wurde. O. Hess hatte unter genauerer Berücksichtigung der zahlreichen früheren Arbeiten den Einfluß der Druckschwankungen im Gefäßsystem und die davon abhängigen physikalischen Vorgänge der Filtration aus Blut in Gewebe und umgekehrt aus Gewebe in Blut mit Hilfe der Ermittelung etwaiger Konzentrationsveränderungen des Blutes untersucht. Er bediente sich wesentlich der Be- stimmung der Blutkörperzahl. Erb, der sich nach ihm, gleich- falls wie O. Hess, in H. Meyers Laboratorium mit dem gleichen Problem beschäftigte, bediente sich der Bestimmung des Trocken- rückstandes des Gesamtblutes. Letztere Methode, richtig ge- handhabt, verdient wohl den Vorzug vor der Bestimmung der Blutkörperchenzahl oder des Hämoglobingehaltes. Hess sowohl wie Erb kommt zu dem Resultat, daß bei Steigerung des Blut- drucks eine Eindickung des Blutes stattfinde, bei Blutdruck- senkung aber eine Verdünnung des Blutes. Sie erklären beide Erscheinungen aus einer Filtration entweder in der einen oder in der andern Richtung, demnach rein mechanisch. Von größerer Bedeutung aber als die von beiden angewandte Methode der Untersuchung des Blutes ist die Art und Weise, wie in beiden Arbeiten die Erhöhung des Blutdruckes bewerkstelligt wurde. Mit ganz verschwindenden Ausnahmen geschah dieselbe durch intravenöse Adrenalininjektion. Ich werde nun auf die Folgen dieses Eingriffes sowie auf gewisse nicht unwesentliche Punkte der beiden Arbeiten, wie auch auf die etwas verschiedenen Resultate erst später eingehen, wenn ich über meine eigenen Versuchsergebnisse bei Adrenalininjektion berichte. Im Gegen- satz zu den beiden genannten Autoren hat Asher auf rein mechanischem Wege Drucksteigerung herbeigeführt und hierbei. keine Konzentrationsveränderung des Blutes nachweisen können. Er kommt deshalb zu dem Schluß, daß rein mechanisch ge- steigerter Druck innerhalb der physiologischen Grenzen keine Filtration im Gefolge habe. Zur Ermittlung der Konzentrations- veränderungen des Blutes bediente sich Asher einerseits der Bestimmung des Trockenrückstandes des Gesamtblutes wie Erb, andererseits benutzte er eine neue Methode, nämlich die Be- stimmung des Brechungsindex des Serums, woraus nach Reis’ Tabellen der Eiweißgehalt des Serums sich berechnen läßt.

316 B. Böhm:

Letztere Methode ergab demnach die etwaigen Konzentrations- ' veränderungen des Blutserums. Die Drucksteigerung geschah erstens durch temporäre Abklemmung der Aorta abdominalis, dicht unter dem Zwerchfell. Hierbei wurde entweder arterielles oder venöses Blut aus dem Kopfgebiet untersucht. Zweitens wurde rein lokal der Blutdruck in der Glandula submaxillaris durch Reizung der Chorda tympani erhöht, nachdem durch vorausgegangene Atropinisierung die spezifische Tätigkeit der Speicheldrüse ausgeschaltet worden war. In einem Fall wurde durch elektrische Reizung der Medulla oblongata der allgemeine Blutdruck erhöht. Im Gegensatz zu dem negativen Ergebnis bei rein mechanischer Drucksteigerung erhielt Asher genau wie Hess und Erb nach Adrenalininjektion eine erhebliche Zu- nahme des Trockenrückstandes im Gesamtblut, also Eindickung desselben. Ferner trat sehr prompt in dem aus einer in starker Tätigkeit befindenden Speicheldrüse ausfließenden venösen Blute sowohl Konzentrationszunahme des Gesamtblutes wie des Serums ein. Es spricht sehr viel dafür, wie Asher in der zitierten Arbeit angeführt hat, daß die Konzentrationsveränderungen des Blutes nach Adrenalininjektion nicht im Zusammenhange stehen mit der dabei beobachteten Steigerung des arteriellen Blutdrucks.

Um von einer neuen Seite her den etwaigen Einfluß der Erhöhung des Blutdrucks auf den Flüssigkeitsaustausch zwischen Blut und Geweben zu prüfen, habe ich durch Reizung des Nervus splanchnicus den Blutdruck erhöht. Da der allgemeine Blutdruck durch diese Reizung gesteigert wird, konnte ich aus einem beliebigen Körperteil arterielles oder venöses Blut zur Prüfung entnehmen. Wichtiger für mich war aber der Umstand, daß ich hierbei insbesondere das Verhalten der Capillaren der Eingeweide auf Drucksteigerung hin untersuchen konnte. Denn es ließ sich leicht die Vermutung aufstellen, daß für die in der Asherschen Arbeit untersuchten Gefäßgebiete eine Abhängigkeit des Flüssigkeitsaustausches infolge Blutdruckschwankungen nicht nachweisbar gewesen wäre, entweder aus methodischen Gründen oder wegen der besondern Permeabilität dieser Gefäßgebiete. Viel Wahrscheinlichkeit hat diese Vermutung allerdings nicht. Nun wird bei Splanchnicusreizung in erster Linie der Capillar- druck in dem Darmgebiet erhöht, so daß die Möglichkeit ge-

Untersuchungen über die Permeabilität der Gefäßwände. 317

boten wird, wenn venöses Blut aus einem Venenstamm des Pfortadergebietes aufgefangen wird, ein sehr wichtiges und nach manchen Autoren mit besondern Permeabilitätseigenschaften ausgestattetes Gefäßgebiet auf sein Verhalten gegen Druck- schwankungen zu untersuchen. Es mag noch darauf hinge- wiesen werden, daß auf Grund der hierfür maßgebenden Arbeit von Bayliss und Starling!) tatsächlich in den Capillaren der Eingeweide der Blutdruck gesteigert ist. Diese Tatsache ist von Bedeutung, und es ist das Verdienst von Bayliss und Starling, für eine große Reihe von in der Experimentalphysio- logie wichtigen Fällen den richtigen Zusammenhang zwischen arteriellem und Capillardruck klargelegt zu haben.

Methodik.

Zu meinen Versuchen dieses ersten Abschnittes dienten Katzen. Dieselben wurden während der ganzen Dauer des Versuchs mit Äther narkotisiert. Der arterielle Blutdruck wurde von einem mit der Carotis verbundenen Quecksilbermanometer auf einen Ludwigschen Kymographion registriert. Vor Er- öffnung der Bauchhöhle wurden Vorkehrungen getroffen, um während der Präparation in der Bauchhöhle die Eingeweide möglichst warm zu halten. Zu diesem Zweck habe ich nach Anlegung des Hautschnittes in der Linea alba an den Rand des einen Hautschnittes einen größeren, vorher in warmer Kochsalz- lösung liegenden Wolllappen angenäht. Nach Eröffnung der Bauchhöhle wurden alle Teile, an denen ich nicht gerade mani- pulierte, vollständig in den warmen Wolllappen eingehüllt, und über den Lappen kamen nach Bedarf weitere feuchte und trockene Wollagen. In gelungenen Versuchen gelang es, auf diese Weise während der ganzen Versuchsdauer die Ein- geweide vor Abkühlung zu bewahren. Ich schritt zunächst zur Präparation des linksseitigen Splanchnicus. Es ist gerade bei der Katze nicht schwer, den Splanchnicus major und minor zwischen dem Austritt aus dem Zwerchfell und dem Ganglion mesentericum superius oberhalb der Nebenniere freizulegen. Die beiden Nerven kommen auf eine Ludwigsche Hartgummi-

1) W. Bayliss und H. Starling, Journ. of Physiol. 16, 159, 1894.

318 B. Böhm:

elektrode für tiefliegende Nerven. Die Elektrode wurde durch eine Naht unverrückbar befestigt. Darauf präparierte ich die Vena lienalis. Die Milz wurde hervorgeholt, und es wurden die zur Milz führenden Arterien abgebunden, um die lästige Schwellung der Milz aufzuheben. Die Vena lienalis wurde zentral abgeklemmt, dann wurden peripherwärts alle Zuflüsse in die Vena lienalis, welche diesseits der Abklemmungsstelle einmündeten, abgebunden und eine Glaskanüle eingeführt. Auf diese Weise habe ich gesichert, daß das ausfließende Venenblut nur aus Gebieten kam, deren Gefäße unter dem direkten Ein- fluß des gereizten Nervus splanchnicus standen. Wie bekannt, ist die Gerinnbarkeit des Pfortaderblutes eine ziemlich große und besonders bei der Katze. Um die Gerinnung aufzuheben, habe ich Hirudin intravenös injiziert. Ich habe so dosiert, daß 0,03 auf das Kilo Katze kam. Injiziert man diese Menge langsam, so ist keine Störung am narkotisierten Tiere bemerk- bar. Die Ungerinnbarkeit des Bluts hält meist genügend lange Zeit an, um das nötige Blut bei verschiedenen Versuchseingriffen zu gewinnen. Aber es muß stets peinlich auf das Auftreten der ersten Gerinnsel geachtet werden, da bei der geringsten Gerinnselbildung das Auffangen des Blutes aus der Vene auf- gegeben werden muß. Bei einzelnen Tieren zeigt sich diese störende Gerinnselbildung schon nach dem Verlauf einer Stunde. Im arteriellen Blut wird die Gerinnung durch Hirudin viel länger hingehalten. Ein zweiter Übelstand bei der Anwendung von Hirudin lag für meine Versuche darin, daß für die kleine Quantität Hirudin immerhin 20 bis 30 ccm physiologischer Kochsalzlösung zur vollständigen Auflösung benötigt werden. Verhältnismäßig für die Kleinheit der Katze ist die Menge der zu injizierenden Flüssigkeit nicht ganz gleichgültig für die Kon- zentration des Blutes. Es wird eine gewisse Verdünnung des Blutes herbeigeführt. Die absoluten Werte der Konzentration des Blutes sind daher in meinen Versuchen niedriger als in der Norm, aber dieser Fehler kann vernachlässigt werden, da es sich in meinen Versuchen um Vergleichung zweier unter ver- schiedenen Versuchsbedingungen rasch hintereinander gewonnenen Blutproben handelt. Auch einen andern Übelstand der Hirudin- injektion glaube ich ähnlich wie Asher beobachtet zu haben, nämlich, daß die bei langdauernden Versuchen in Narkose stets

Untersuchungen über die Permeabilität der Gefäßwände. 319

hervortretende Tendenz zur allmählichen Abnahme des Trocken- gehaltes im Blute durch die Hirudininjektion noch vergrößert wird.

Die Versuche liefen so, daß abwechselnd Blut aus der Vena lienalis bei dem jeweilig herrschenden Blutdruck und bei durch Splanchnicusreizung erhöhten Blutdruck aufgefangen wurde. Gereizt wurde mit einem Induktionsapparat nach Kronecker, die Stärke des Stromes wurde den jeweiligen Bedürfnissen an- gepaßt. Zur Bestimmung des Trockengehalts im Blut wurde das Blut in mittelgroßen, vorher genau gewogenen Trocken- gläschen mit eingeschlifienem Glasstöpsel aufgefangen. Vor dem Auffangen jeder einzelnen Portion wurden erst ein paar Tropfen Blut verloren gegeben, damit nicht etwa das von der vorauf- gehenden Periode in der Vene zurückgebliebene Blut der neuen Probe sich beimengte und dadurch ein falsches Resultat ent- stände. Wenn ich Blut behufs refraktometrischer Bestimmung des Eiweißgehaltes des Serums gewinnen wollte, wurde das Blut in kleinen 3 ccm enthaltende Röhrchen aufgefangen. Durch Zentrifugieren wurde dann klares Serum gewonnen. Die Menge von Blut bei der Entnahme war auf das unumgänglich not- wendige einzuschränken, damit nicht der Blutverlust einen merklichen Einfluß auf die Konzentration des Blutes gewinne. Bei der Kleinheit der Katze wird sich dieser Einfluß nicht in allen Fällen eliminieren lassen, beim Hunde ist das nach der Angabe von Hess der Fall. Aber die Katze hat dem Hunde gegenüber den großen Vorteil, daß man durch Hirudin die Gerinnbarkeit aufheben kann, was beim Hunde der hohen Kosten wegen nicht möglich ist.

Es muß hervorgehoben werden, daß die Vergleichung be- ruhte auf einer Vergleichung des venösen Blutes bei niederem und bei hohem Blutdruck. Würde in den Capillaren der Ein- geweide durch mechanische Drucksteigerung innerhalb der phy- siologischen Grenzen ein Flüssigkeitsaustritt stattfinden, so würde das während der Drucksteigerung ausfließende venöse Blut einen höheren Trockengehalt besitzen als das unter nie- drigem ausfließende. Das Auffangen des Blutes fand statt, nachdem die durch Splanchnicusreizung erzielte Drucksteigerung l Minute lang angedauert hatte. Die Eiweißbestimmung im Serum hat folgenden Wert: Würde eine vermehrte Filtration

bei erhöhtem Drucke stattfinden, so würde eine Zunahme des Biochemische Zeitschrift Band 16. 22

320 B. Böhm:

prozentischen Eiweißgehaltes im Serum sich nachweisen lassen. Denn selbst unter der durchaus berechtigten Annahme, daß das Filtrat aus dem Blutplasma eiweißhaltig sei, wird nach allem, was wir wissen, unter physiologischen Bedingungen der Flüssigkeitsaustritt über den Eiweißaustritt so überwiegen, daß die prozentische Zunahme an Eiweiß der so feinen refrakto- metrischen Methode nicht entgehen könnte. In einigen Fällen habe ich nicht das aus der Vena lienalis ausfließende Blut, sondern arterielles Blut bei niedrigem und hohem Blutdruck untersucht. Die Drucksteigerung bei Splanchnicusreizung kommt ja im ganzen Organismus zur Geltung, und daher mußte sich auch der Einfluß der etwaigen Filtration überall bemerkbar machen. Tatsächlich behaupten ja auch diejenigen Autoren, welche unter physiologischen Bedingungen einen Flüssigkeits- austritt aus den Gefäßen infolge Drucksteigerung annehmen, daß die Konzentrationszunahme des Blutes in einer beliebigen Arterie nachweisbar ist. So hat Erb in seiner mehrfach zitierten Arbeit nach Adrenalininjektion Konzentrationszunahmen im arteriellen Blute nachgewiesen. Über die refraktometrische Eiweißbestimmung, welche von Asher zur Untersuchung der Permeabilitätsverhältnisse eingeführt wurde, habe ich nur zu bemerken, daß ich mich an die Vorschriften gehalten habe, welche er in seiner Arbeit gegeben hat. Die Bestimmung des Trockengehalts im Gesamtblut ist von einigen Autoren be- anstandet worden mit der Behauptung, daß die große Hygro- skopicität des Trockenrückstandes die Erzielung eines konstanten Endgewichtes verhindere. Diese Behauptung steht nicht im Einklange mit den bestimmten Angaben von Erb. Auf Grund meiner Beobachtung schließe ich mich durchaus Erb an, denn ich habe die Wägegläschen im Trockenschranke so lange ge- halten, bis dieselben in der Wage mit eingeschliffenen Glas- stöpfchen gewogen ein konstantes Endgewicht erreicht hatten. Als Endpunkt habe ich betrachtet, wenn die Differenz zweier Wägungen, welche zwischen mehrstündiger wiederholter Trock- nung lagen, unter 1 mg gegangen war.

Zunächst teile ich einige Vorversuche mit, in denen die Splanchnicusreizung nur einen geringen Erfolg erzielte und wo infolge der noch nicht hinreichend ausgebildeten Versuchstechnik der Blutdruck schon im Beginn des Versuchs ein sehr tiefer war.

Untersuchungen über die Permeabilität der Gefäßwände. 321

Versuch 1. Katze, 1 kg. Athernarkose. Kanüle in Milzvene. Splanch- nicus auf Elektrode. Linke Carotis mit Manometer verbunden.

Serum-Eiweißgehalt Nr. Blutdruck | refraktometrisch Bemerkungen

bestimmt i ENSEN 0 Die I on 6,098 | = II 34 6,098 . | mit Reizung III 26 5,989 | u

Aus diesem Versuch geht hervor, daß der prozentische Eiweißgehalt des Serums während der ganzen Versuchsdauer konstant bleibt. Die Drucksteigerung in Periode II hat nicht im mindesten eine Veränderung herbeigeführt. Die Konstanz des prozentischen Eiweißgehaltes könnte an und für sich auf zwei verschiedenen Gründen beruhen. Erstens könnte tatsäch- lich während der Drucksteigerung eine Filtration stattgefunden haben; wenn dabei das Filtrat in seiner Zusammensetzung von derjenigen des Blutplasmas nicht abwiche, könnte auch keine Anderung des prozentischen Eiweißgehaltes eintreten, zweitens könnte auch überhaupt keine Filtration stattgefunden haben. Für die zweite Alternative sprechen außer den oben in meiner Einleitung angegebenen Gründen meine eigenen nachfolgenden

Versuche. Versuch 2.

Katze. Gewicht UI kg. Injektion von 0,04 g Hirudin. Athernarkose. Linke Carotis mit Manometer verbunden. Kanüle in Milzvene. Splanchnicus auf Elektrode.

Serum-Eiweißgehalt | Trockengehalt Blutdruck refraktometrisch des Bemerkungen

Nr. bestimmt Gesamtblutes 7 7 E 8,366 9,133 II 40 8,323 9,066 mit Reizung III 40 | 8,28 9,033 a ? IV 30 | 8,193 9,22

Auch Versuch 2 hat das gleiche Ergebnis wie der vorauf-

gehende. Um die Richtigkeit des refraktometrisch gefundenen 22”

322 B. Böhm:

Eiweißwertes zu kontrollieren, habe ich daneben den Trocken- gehalt des Blutserums mit der Wage bestimmt. Diese Kontrolle, welche auch Asher in seiner Arbeit mehrfach ausgeführt hat, ist deshalb recht erwünscht, weil ja die refraktometrische Be- stimmung an einem einzigen Tropfen gemacht wird, ein Vorzug und ein Nachteil zugleich der Methode. Beide Methoden er- geben, daß im Verlauf des Versuches, sowohl ohne wie mit Splanchnicusreizung, der prozentische Gehalt an Eiweiß und Trockensubstanz im Serum sich gleichbleibt. Allerdings beträgt die Drucksteigerung infolge der Splanchnicusreizung nur 10 mm Quecksilber. Versuch 3.

Katze, etwas über l kg. Athernarkose. Linke Carotis mit Manometer verbunden. Kanüle in Vena jugularis der anderen Seite zwecks Einführung von 0,03 g Hirudin. Splanchnicus auf Elektrode. Kanüle in Milzvene.

Zeit

3552’0” bis 3 52'465”

II 3r 55'100” 325555” 54 18,772 III 40'356" 421720” 48 18,737 IV 4330” 4'45” i 62 18,064 gereizt, | Fall desBlutdrucks | von 62 auf 50 V 411730” 41238” 44 17,606 gereizt |

Im Versuch 3 habe ich nur den Trockengehalt des Ge- samtblutes bestimmt, denn Anderungen im Trockengehalt des Gesamtblutes sind die ausschlaggebenderen bisher gewesen. Heß hatte nach Adrenalininjektion bei hohem arteriellem Druck wohl Eindickung des Gesamtblutes nachweisen können, aber keine solche im Serum. Im Gegensatz hierzu hatte Asher zeigen können, daß bei Anwendung sicherer Methoden als Hess sie benutzte, die Kontentrationszunahme des Serums unter solchen Bedingungen, wo die gleiche Zunahme im Ge- samtblut eintritt, nachweisbar ist. Trotzdem wird man in jedem neuen Fall vorläufig das Hauptgewicht auf die Verhält- nisse des Gesamtblutes legen. Probe I, II und III sind ohne Reizung gewonnen. Der Druck ist wohl infolge der tiefen

Untersuchungen über die Permeabilität der Gefäßwände. 323

Narkose allmählich von 68 bis 48 gefallen. Der Gehalt an Trockensubstanz hat sich auch vermindert von 19,132 bis auf 18,737 °/» Die durch Splanchnicusreizung bewirkte Druck- erhöhung von 48 mg Quecksilber bis auf 62 mg Quecksilber vermag dieser Tendenz zur allmählichen Verminderung des prozentischen Trockengehaltes im Blut nicht Einhalt zu tun, wie Probe IV zeigt. Daraus folgt, daß in diesem Fall mecha nische Drucksteigerung keine Filtration im Gefolge hatte. Probe V ist wiederum bei dem niedrigen Blutdruck von 44 mg Quecksilber gewonnen und zeigt eine Abnahme des Trocken- gehaltes um 0,4°/,. Da vorher bei einer Drucksteigerung von 48 bis 62 mm Quecksilber eine Abnahme des Trockengehaltes um 0,7°/, konstatiert wurde, kann man nicht ohne weiteres die Konzentrationsabnahme des Blutes auf Rückfiltration von Gewebsflüssigkeit infolge Drucksenkung zurückführen. Zum Verständnis der Angaben in den Protokollen erwähne ich, daß die Bemerkung bei einzelnen Proben, daß der Druck von einem höheren zu einem niederen Werte fallend sei, sich auf den kurz dauernden Fall bezieht, der öfters während einer sogar sehr geringfügigen Blutabnahme eintritt.

Versuch 4.

Katze, etwas über 1 kg. AÄthernarkose Hirudininjektion 0,03 mg. Präparation wie sonst.

ö— UL m nn —— a A

| | Blut- Trocken- | druck substanz

Nr Zeit Bemerkungen CERETI ENE an euren mu I 3h 33’20” bis 32 33’ 35” 36 14,338 | II 30 34 45, 32350” 45 14,208 | mit Reizung III 3:370” 323718” 30 13,780 |

| Versuch 4 bedarf nach dem Gesagten keiner weiteren

Erläuterung. Probe II während einer Drucksteigerung infolge Splanchnicusreizung gewonnen, zeigt keine Andeutung einer Zu- nahme der Trockensubstanz infolge von Filtration. Ich gehe zum Bericht einer Reihe von Versuchen über, in denen die Höhe des Blutdrucks auch außerhalb der Reizperioden größer war als in den voraufgegangenen Versuchen. Zunächst Versuch 5.

Zweimal ist in diesem Versuch der Blutdruck infolge von Splanchnicusreizung um je 15 mm Quecksilber gegenüber der

324 B. Böhm:

Versuch 5.

Katze, 1!/, kg. Äthernarkose. Präparation wie sonst. 0,04 g Hirudin aufgelöst in 20 ccm physiologischer Kochsalzlösung, injiziert in zwei Portionen.

I. Portion 3 27’10” bis 32750”. I. ,„ 33030” 3b31'0”.

Feste

Nr. Zeit Druck | Substanz | Bemerkungen ua ne

3 34’ 15” bis 334’ 30” 65 16,929 3 AR 30” 33550” 70 16,097 mit Reizang

III 3370” 33714” 40 15,825 IV 3r 3820” 3538740” 65 15,588 mit Reizung

V 3h40’45” BAIO” 40 15,675 VI 3425” 34230” 50 15,382 mit Reizung

Kontrollperiode gesteigert, ohne daß eine Erhöhung des prozen- tischen Trockengehaltes eingetreten ist. In einem Falle bleibt derselbe konstant, im andern Falle sinkt er um annähernd 0,3°/ Will man sich sehr vorsichtig ausdrücken, so könnte man sagen, eine so geringe Blutdrucksteigerung wie die um 15 mm Quecksilber verursacht keine merklichen Zeichen von Filtration. Würde wirklich Filtration die ihr von manchen zugeschriebene Rolle unter physiologischen Bedingungen spielen, so müßte selbst bei einer Drucksteigerung von nur 15 mm Quecksilber der Sachverhalt ein anderer sein als in meinen Versuchen. Denn bei den natürlichen Erregungen, im Gegen- satz zu den experimentell ausgelösten dürften recht häufig die Druckschwankungen nicht auf viel höhere Beträge sich belaufen, und andererseits ist ein Druckzuwachs von 15 mm Quecksilber ein Wert, der bei einfacher Filtration wohl befähigt wäre, Änderungen in der Filtrationsgröße zu erzielen. Wichtiger als diese Argumentationen erscheint mir aber, daß auch bei größeren!) Druckschwankungen ein Einfluß der Filtration sich ausschließen läßt. Ein Beleg hierfür ist der nachfolgende Versuch 6.

1) Anmerkung bei der Korrektur: In einer neueren, wichtigen Arbeit von J. Schmid aus dem Breslauer physiologischen Institut (J. Schmid, Pflügers Arch. 126, 167, 1909) finden sich bei beiderseitiger Splanohnicus- reizung an der Katze dieselben arteriellen Drucksteigerungen, wie ich sie registrierte.

Untersuchungen über die Permeabilität der Gefäßwände. 325

Versuch 6. Katze, Gewicht 1!/, kg. AÄthernarkose. Präparation wie sonst. Hirudininjektion wieder in zwei Portionen. I. Portion 3525’ bis 3h26’30”. II. 333 335. Im ganzen 0,04g Hirudin, gelöst in 25ccm Kochsalzlösung.

nn —— —ñ—⸗

| Serum-

Ä Feste Eiweiß- Nr. Zeit i Druck | Substanz | gehalt | Bemerkungen

refrakto-

metrisch

Die

3b 38"45” bis 30 39 207 | 100

IT | 3242/40” 3»43'40” | 100 | 17,549 =>

II | #450” 324545” | 80 | 17,841 Fu SS IV | 3470" 3»47 50” | 122 | 17,127 mit Reizung

v las 352o” 80 | 17,375 = = VI | 2830” 48'35” ' 80 | 16,453 aus Arterie | mit Reizung

VII | #100” 4108” |; 47 | 16,470! vn | 41230” 41238” | 70 | | 3,8619 | mit Reizung

IX | 41840 21450” | 40: | 4,2904 X |150 41510” | 6: 4,1809 | mit Reizung

In diesem Versuch bewegte sich der Blutdruck im Anfang zwischen 80 und 100 mm Quecksilber. Um eine Reihe von Werten des Trockengehaltes des Blutes ohne weiteren Eingriff außer den vorangegangenen operativen Maßnahmen und der Andauer der Narkose zu haben, wurden 3 Proben venösen Bluts aus der Vena lienalis aufgefangen. Der Trockengehalt bewegt sich zwischen 17,549°/, und 17,841°/,. Dabei ist gerade der höhere Wert des Trockengehaltes bei dem niedrigsten Druck- wert, nämlich 80 mm vorhanden. Die darauf folgende Splanch- nicusreizung Probe IV erhöht den Druck um 42 mm (von 80 auf 122), dabei sinkt aber der Wert des Trockengehaltes von 17,841°/, auf 17,127°/,. 4 bis 5 Minuten später bei Entnahme der Blutprobe V beträgt der Blutdruck ohne Splanchnicusreizung wieder 80 mm und der Trockengehalt des Blutes 17,395°/,. Der Unterschied zwischen 17,129°/, und 17,375°/, hält sich innerhalb der Differenzen, die vorher bei drei nacheinander aufgefangenen Normalproben beobachtet wurden. Das hier er- haltene Resultat demonstriert in sehr anschaulicher Weise, daß eine erhebliche Drucksteigerung keine Filtration oder vorsichtig

326 B. Böhm:

ausgedrückt, nicht notwendigerweise Filtration hervorruft. Man kann aber noch weiter gehen und gerade aus dem vorliegenden Resultat den weiteren Schluß ziehen, daß nicht allein keine Eindickung des Blutes infolge Filtration, wie das Hess und Erb (außer früheren Autoren) wollen, eingetreten ist, sondern der gesteigerte Blutdruck nicht einmal imstande war, den Flüssig- keitseintritt aus den Geweben in die Blutbahn hintanzuhalten. Es ist klar, daß die Verminderung des Trockengehaltes des Bluts, welche nach Probe III eintritt und im weiteren Verlaufe des Versuches fortschreitet, nur von dem Eintritt von Gewebs- flüssigkeit in die Gefäße herrühren kann. (Das Umgekehrte, Austritt einer so konzentrierten Lösung aus dem Blut, daß deshalb das Blut verdünnter wird, ist bei meinen Versuchen ausgeschlossen und bedarf keiner Diskussion.) Der Flüssigkeits- austritt aus der Gewebsflüssigkeit in die Blutbahn in diesem wie in meinen andern Versuchen kann zum Teil herrühren von der andauernden Narkose und andern Folgen des operativen Vorgehens. Zum Teil beruht er aber auch auf dem sehr fein und prompt spielenden Regulationsmechanismus, der bei Blut- entzügen in Aktion tritt. In dem vorliegenden Versuch hatte ich schließlich am Ende 22,34 ccm Blut im ganzen entzogen. Wenn nun die gleiche Menge durch die verdünntere Gewebsflüssigkeit ersetzt wird, bedeutet das schon für die Blutmenge einer mittel- großen Katze keine geringe Verdünnung. Ich komme später im Zusammenhang auf die Beziehung des genannten Regulations- mechanismus zu der hier behandelten Frage des Einflusses von Blutdruckschwankungen auf den Flüssigkeitsaustausch zwischen Blut und Gewebe zurück. Hier möchte ich nur bemerken, daß ich den Eindruck gewonnen habe (Prof. Asher teilt mir mit, daß er bei seinen Versuchen an Katzen den gleichen Ein- druck gewonnen hat), daB gerade bei der Katze besonders leicht und schon bei sehr geringfügigen Blutentzügen der Flüssig- keitseintritt aus dem Gewebe in die Blutbahn stattfindet. Viel- leicht beruht die große Widerstandsfähigkeit der Katze gegen Blutverlust mit auf dieser Eigentümlichkeit.

Einige Zeit nach der Entnahme von Probe V schienen sich in der Venenkanüle kleine Gerinnsel zu bilden. Ich habe da- her im weiteren Verlauf des Versuchs Blut aus der Carotis ge- nommen. Zwei Proben zur Bestimmung des Trockengehaltes und

Untersuchungen über die Permeabilität der Gefäßwände.. 327

drei Proben zur Bestimmung des Eiweißgehaltes des Serums mit Hilfe des Refraktometers. Es zeigt sich, daß ein Druckunter- schied von 80 mm und 47 mm Quecksilber, durch Splanchnicus- reizung erzielt, nicht den geringsten Unterschied im Trocken- gehalte des Blutes ausmacht. Denn der Trockengehalt beträgt im ersten Fall 16,453°/,, im zweiten 16,470°/, In den drei Proben für die refraktometrische Eiweißbestimmung betragen die arteriellen Druckwerte 70 mm, 40 mm und 66 mm Queck- silber. Bei hohem und niederem Druck war praktisch der Ei- weißgehalt des Serums der gleiche. Es war also nicht durch Austritt einer eiweißärmeren Flüssigkeit als das Serum selbst eine prozentische Eiweißzunahme im zurückbleibenden Serum eingetreten. Asher hat in solchen Fällen, wo wirklich ein Flüssigkeitsaustritt aus den Gefäßen stattfindet, die Eiweiß- zunahme im Serum nachweisen können. Demnach negieren auch diese Teile des Versuchs 6 einen Einfluß der Filtration. In dem nachfolgenden Versuch 7 habe ich von vornherein arte- rielles Blut aus einer Carotis aufgefangen.

Versuch 7. Katze, 1!/, kg. Athernarkose. Präparation wie sonst, doch

ohne Kanüle in der Milzvene, da nur arterielles Blut gewon- nen wird.

| Eiweiß- Feste | gehalt Drack Substanz , Telrakte | Bemerkungen bestimmt to d ”% i ~” | 3a 18 30” bis 16' 34” | 116 | 17,227 | 3217730” 30 17 38 154 | 17,280 | ‘imit Reizung 3a 19 35” 319 40”| 114 | 16,968 | 320 55” aam pol 135 | 16,868 ; wit Reizung 32240” 352% 43”| 135 | 16,773 ! ` mit Reizung 32435” 352437” | 110 17,037 ei Ä * aan 0” 327 or 124 | 16.679 mit Reizung aam ap: »37742”| 104 | 16,602 | |mit Reizung 3h 43’ 200 3b 43’ 32" | 96 | verunglückt 346’ 5” 3646’ 7”: 102 16,673 mit Reizung 351759” 35% 01”! 111 | = 6,7059 : mit Reizung 63740" 35342] 98; 6,77] | 3a 5535” 380 55 377 100 | 6,6191 |mit Reizung

Gesamter Blutentzug 30,1098 g.

328 B. Böhm:

Das Auffangen von arteriellem Blut hat den Vorzug, daß es nicht der eingreifenden Operation bedarf wie der Einbindung einer Kanüle in die Vena lienalis, und daß der Verschluß der Bauchhöhe nach Einlegung des Nervus splanchnicus in eine Elektrode vollständiger gemacht werden kann. Alles dies hat im Gefolge, wie auch Versuch 7 zeigt, daß der Blutdruck im allgemeinen eine größere Höhe behält als sonst. Die Berech- tigung, arterielles Blut zum Vergleich zu benutzen, ohne daß dabei die Grundlagen des Versuchszwecks abgeändert werden, läßt sich leicht erweisen. Zwar hatte Hess bei Drucksteigerung, beziehentlich nach Adrenalininjektion, nur in dem venösen Blut, nicht in dem arteriellen Konzentrationszunahme beziehentlich Flüssigkeitsaustritt nachgewiesen. Bald darauf zeigte aber Erb, daß bei richtiger Versuchsanordnung gleichzeitig im arteriellen und venösen Blut der Flüssigkeitsaustritt nachweisbar ist. Erb hat auch in seiner oben zitierten Arbeit die Annahme beseitigt, welche Hess zur Erklärung seiner abweichenden Befunde auf- gestellt hatte. Bei Splanchnicusreizung ist die direkte Wirkung die auf die Gefäße der Eingeweide, aber die arterielle Druck- steigerung ist zufolge Überragens des Splanchnicusgebiets eine allgemeine. Es wird daher im ganzen Körper der Capillardruck gesteigert werden, um so mehr als nicht wie bei einigen arte- riellen Drucksteigerungen auf der venösen Seite Momente auf- treten, um eine Erhöhung des Capillardrucks zu verhindern. Das einzige, was bei Auffangen von Carotisblut nach Splanch- nicusreizung sich nicht untersuchen läßt, ist die isolierte Unter- suchung der Permeabilität der Eingeweidecapillaren. Da aber die direkte Analyse des Bluts aus der Vena lienalis negative Resultate gab, ist die Berücksichtigung dieses Punktes vorläufig erledigt.

Die Zahlen des Protokolls von Versuch 6 zeigen nun, wie alle bisherigen, daß selbst bei merklichen Steigerungen des Blutdruckes z. B. von 116 auf 154 mm Quecksilber keine Zu- nahme des Trockengehaltes im Blute eintritt. Diesem negativen Befund entspricht auch die weitere Tatsache, daß Drucksteige- rung keine Zunahme des prozentischen Eiweißgehalts im Serum hervorruft.

Das eindeutige Resultat sämtlicher in diesem Abschnitt mitgeteilter Versuche ist also, daß eine durch Splanchnicus- reizung verursachte Drucksteigerung keinen Flüssigkeitsaustritt

Untersuchungen über die Permeabilität der Gefäßwände. 329

aus den Blutgefäßen bewirkt. Daraus schließe ich, daß auch für diesen Fall ganz analog, wie das Asher für Drucksteigerung infolge hoher Aortenkompression und lokal infolge von Reizung eines Gefäßerweiterers gefunden hat, innerhalb der physiolo- gischen Grenzen die Filtration keine Rolle spielt.

II. Teil

Der Flüssigkeitsaustritt aus den Gefäßen infolge von Adre- nalininjektion und der Flüssigkeitseintritt in die Gefäße infolge Blutentzuges.

Mein erneutes Ergebnis, daß mechanische Drucksteigerung keine Filtration hervorruft, läßt es erwünscht erscheinen, noch- mals auf die Folgen der Adrenalininjektion zurückzukommen. Es wird aus meinen nachfolgenden Darlegungen hervorgehen, weshalb es notwendig ist, diese Frage im Zusammenhang mit der Frage nach dem Flüssigkeitseintritt in die Gefäße infolge von Blutentzug zu erörtern. Hess sowohl wie Erb hatten nach Injektion von Adrenalin eine Zunahme der Trockensub- stanz des Blutes beobachtet. Da mit der Adrenalininjektion eine gewaltige Drucksteigerung einhergeht, schlossen sie daraus, daß eine Filtration stattgefunden habe. Asher hat bei einer Nachprüfung des Erfolges der Adrenalininjektion die tatsäch- lichen Befunde von Hess und Erb vollständig bestätigt. Aber er hat darauf hingewiesen, daß der Schluß auf Filtration nicht einwandfrei gezogen werden kann. Erstens ist es nicht sicher, ob tatsächlich trotz hohen Drucks in den größeren Arterien der Capillardruck wesentlich gesteigert sei. Auf den Capillar- druck kommt es, wie Bayliss und Starling gezeigt haben, aber an. Die Kontraktion der kleinsten Arterien infolge Adre- nalinwirkung könnte so stark sein, daß der Capillardruck gar nicht steigt. Tatsächlich beobachtete Asher bei kräftiger Adrenalinwirkung verminderten Ausfluß aus der Vene. Zwei- tens ist die Adrenalininjektion begleitet von mannigfachen Wir- kungen auf die Gewebe. Asher wies bei seinen Versuchen auf die profuse Sekretion einer ganzen Reihe von Drüsen hin und stellte daher das Ergebnis der Adrenalinwirkung in Paral- lele mit dem von ihm nachgewiesenen starken Flüssigkeits- austritt aus den Capillaren infolge spezifischer Tätigkeit der

330 B. Böhm:

Speicheldrüsen. Wirkung auf die Drüsen ist aber nicht der einzige Erfolg des Adrenalins, denn wie Langley und Elliott!) bewiesen haben, hat Adrenalin überall da eine Reizwirkung, wo ein Gewebe vom Sympathicus innerviert wird, und zwar identisch mit der Sympathicuswirkung. Bei so komplexen Ver- hältnissen darf man nicht ohne strengen Beweis den Flüssig- keitsaustritt aus den Gefäßen nach Adrenalininjektion einfach auf Filtration zurückführen. Das um so weniger, als jetzt eine Reihe von Fällen entgegenstehen, wo rein mechanisch be- wirkte Drucksteigerung nicht zur Filtration geführt hat.

Sieht man sich die Versuche mit Adrenalininjektion näher an, insbesondere diejenigen von Erb, als die letzten und ge- nauesten, so stößt man auf einige eigenartige Verhältnisse. Erb selbst weist auf diese Verhältnisse hin, indem er bemerkt, daß es sehr auf die zeitlichen Verhältnisse der Blutentnahme ankommt. So schreibt er z. B. bei einem sehr genau durch- geführten Versuch: ‚‚Der Versuch zeigt, daß im arteriellen Blut bei der ersten Suprarenininjektion eine halbe Minute später, bei der zweiten Suprarenininjektion eine Minute später noch keine Bluteindickung nachweisbar ist!“ Im allgemeinen findet Erb, daß man die Bluteindickung erst ein bis zwei Minuten nach Beginn der Drucksteigerung nachweisen kann, und daß das Maximum der Blutkonzentration erst erreicht wird, wenn der Druck wieder abgesunken ist. Diese Langsamkeit des Eintretens der Bluteindickung nach Adrenalininjektion ist sehr auffallend. Ich habe daher eine Reihe von Versuchen hierüber angestellt.

Zur Methodik ist nur wenig zu bemerken. Ich bediente mich eines sehr wirksamen Nebennierenpräparates, nämlich des Hämostasins des Schweizer Seruminstituts zu Bern. Wie Erb habe ich Blut aus der Carotis zu meinen Bestimmungen des Trockengehaltes benutzt. Um die Wirkung des Adrenalins auf die Vagi auszuschalten und so den höchsten jeweilig erreich- baren Druckwert zu erzielen, habe ich meist vor Beginn des Versuchs eine subcutane Atropininjektion gemacht. In einigen Versuchen, es sind dies die ersten, hatte das betreffende Tier zu Versuchen an der Pankreasdrüse gedient, weshalb der Blut- druck ohne Adrenalininjektion recht niedrig war. Ein solcher Versuch ist z. B. der nachfolgende Nr. 8.

up Elliott, Journ. of Physiol. 32, 401, 1905.

Untersuchungen über die Permeabilität der Gefäßwände 331

Versuch 8. Katze, 271, Pfund. Äthernarkose. Hirudininjektion 11h bis 11h3’, 0,04 g Hirudin aufgelöst in 20 ccm Kochsalzlösung. Vor der ersten Injektion Blutdruck 24 mm.

Zeit der | BI | Feste Nr. Adrenalin- | Zeit der Blutentnahme | ut- | Substanz injektion ‚druck JA

I | 13270” |113% 30” bis 11> Sib 18,67

|

II LII 35 40, 130 0” | 24 18,00

Im us go 11» 3730” 113755” 74 18,43

IV = 114225” 11»43 30| 32 18,36

v Asphyzie Un A8 „114g 50 18,53 ausgeu

In diesem Versuch ist folgendes bemerkenswert. Im all- gemeinen ist bei höherem und niederem Druck der Trocken- gehalt des Blutes ziemlich der gleiche. Probe III zeigt im Einklang mit Erb, daß eine halbe Minute nach der Adrenalin- injektion bei einer Drucksteigerung von 50 mm keine wesent- liche Eindickung des Blutes stattgefunden hat. Auf das Nicht- eintreten einer Bluteindickung bei Asphyxie und Blutdruck- steigerung mache ich voraus hier nur aufmerksam. Ganz ähn- lich liegt die Sache bei Versuch 9.

Versuch 9.

Katze, 2 kg. Hirudininjektion 1’ bis 3% 7’. Athernarkose. Durchschneidung der Vagi.

Zeit der Adrenalin- injektion 3e 56’ 30” bis 3b 56’ 60”

dh ër | 47’ Pg | 64

Man sieht, daß bei einem Druck von 78 mm, 118 mm und 64 mm Quecksilber der Trockengehalt des Blutes nicht wesent- lich verschieden ist. Die beiden höheren Werte sind die Folge von Adrenalininjektion. In Probe II ist zwei Minuten nach der Adrenalininjektion noch keine Bluteindickung nachweisbar. Noch instruktiver ist Versuch 10.

332 B. Böhm:

Versuch 10. Katze 2kg. Athernarkose.

EE

Feste Substanz | Bemerkungen

Zeit der Zeit Adrenalin- | der Blut- injektion ' entnahme

Druck

| 35 20’ 25” bis

mawa | ir 1309245” bis | 90 | 17,20 | mit Asphyxie | STEE III | 3+26'15” bis | 110- | 16,98 | mit Asphyxie 3b 26’ 18” | | 45 Sekunden IV = 3229745” bis > 70 | 17,11 | 3634 5com KEN a8ß ige Atro- | | ı Pinlösung V | 3239’und | 3541745” bis , 104 ` 16,23 | aan | zur | | | VI Ss 3u46' 0" bis | 62 | 1635 = | ELY 7 Zr 32/ | | VII | 3248’ | 3251’40” bis ; 102 | 1641 | = | 3a 51’ 46” | | |

Proben I bis IV sind unter dem Einfluß von Asphyxie entnommen. Diesen Teil des Versuchs werde ich später be- sprechen. 1?/, Minuten nach der ersten Adrenalininjektion, die den Blutdruck von 70 auf 104 mm gebracht hat, ist der Trockengehalt des Blutes nur 16,23°/,, während er vorher 17,11°/, betrug. Eine zweite Adrenalininjektion erhöht den Druck von 62mm auf 102mm. Obwohl aber die Blutent- nahme erst 271. Minuten nach der Adrenalininjektion erfolgt, ist eine Zunahme des Trockengehaltes im Blut nicht nach- weisbar. Bei diesem Versuch fiel es beiläufig auf, daß die sekretorische Wirkung des Adrenalins nicht zur Beobachtung kam.

Im Versuch 11 ist durch eine erste Adrenalininjektion um 4551’30” der Blutdruck von 40 mm auf 150 mm erhöht worden. Der Trockengehalt beträgt 2 15” nach der Injektion nur 15,93°/),.. Etwa 2 Minuten danach beträgt bei einem Blutdruck von 44mm der Trockengehalt 15,61°/ Erb er- klärt diese Persistenz des hohen Trockengehaltes bei großer Blutdrucksenkung aus einer Permeabilitätsveränderung der Ge- fäße infolge der Adrenalininjektion.

Untersuchungen über die Permeabilität der Gefäßwände. 333

Versuch 11. Katze, 2kg. Athernarkose. Hirudin 0,05g. 4h15..

Zeit der Zeit Feste Nr. Adrenalin- der Blut- Druck | Substanz Bemerkungen injektion entnahme 0),

I 4b 51’ 30” 4b 53’ 45” bis 150 | 15,93 Druck vor 53' 52” Adrenalin- | injektion 40 u dh 55' 20” bis 44 | 15,61 4h 55’ 28 4b 58’ 30” 4b 59’ 40” bis 124 14,93 4b RO 55” IV Bh 4'10” bis 44 15,01

Dh A 18”

Lassen wir die Erklärung einen Augenblick auf sich be- ruhen, denn sie erklärt jedenfalls nicht, warum eine zweite Adrenalininjektion, die den Blutdruck von 44mm auf 124 mm im Maximum bringt, nicht allein keine Bluteindickung ver- ursacht, sondern nicht einmal eine Verminderung des Trocken- gehaltes von 15,61°/, auf 14,93°/, verhindert. Nun könnte mit Erb angenommen werden, daß die Zeit von 1!/, Minuten, die zwischen der zweiten Adrenalininjektion und Blutentnahme verstrich, zu kurz gewesen sei. Aber selbst 5 Minuten später ist, wie Probe IV zeigt, der Trockengehalt nicht höher als 15,01.

Versuch 12.

Katze, 21/, kg. Äthernarkose. Hirudininjektion 0,06 g ge-

löst in 25 ccm Kochsalzlösung.

Zeit der Zeit Blut- Feste

Nr. | Adrenalin- der Blut- Substanz | Bemerkungen EEE druck injektion entnahme "ie

22 53’ 196

II | 2557 bis 3b 1740” bis 296 | 3h 0’ 3b 1/45” | III 3h 6’ 30” 3a 8’ 0” bis 296 Atropin- und 3b 8’ 5” | Adrenalin- lösung IV 3b 12° | 120 18,67 |

334 B. Böhm:

Recht bemerkenswert ist das Ergebnis von Versuch 12. Hier wird 1°/, Minuten nach der ersten Adrenalininjektion die Blutentnahme gemacht. Trotzdem zeigt sich trotz der riesigen Druckzunahme von 100 mm (nämlich von 196 mm Quecksilber auf 296 mm) auch nicht die geringste Zunahme des Trocken- gehaltes des Blutes. Die Adrenalininjektion wird 6 Minuten später wiederholt, bringt wiederum den Blutdruck auf 296 mm, und Blut wird 1?/, Minuten später entnommen. Der Gehalt an Trockensubstanz bleibt aber konstant. Er bleibt es bis auf 4 Minuten später, nachdem der Druck inzwischen auf 120 mm Quecksilber heruntergegangen war.

Die ganze Reihe meiner bisher mitgeteilten Versuche bat also ergeben, daß nach Adrenalininjektion Bluteindickung nicht stattgefunden hat. Diesen Befunden stehen entgegen die An- gaben von Hess, von Erb und von Asher. Es könnte daher daran gedacht werden, ob nicht die Ursachen in meiner Me- thodik lägen, aber diese Vermutung, für welche bei sorgfäl- tigster Berücksichtigung aller Fehlerquellen ich keinen Anhalts- punkt gefunden habe, wird überdies widerlegt, da ich auch in der Lage bin, einen positiven Versuch zu bringen.

In diesem Versuch leitete mich die Überlegung, daß es vielleicht gelingen würde, die von anderen beobachtete und von mir bisher vermißte Bluteindickung nach Adrenalininjektion zu erhalten, wenn ich noch mehr Zeit zwischen Adrenalin- injektion und Blutentnahme verstreichen ließe, als in den vorausgegangenen Versuchen. Diese Überlegung führte auch zum Ziel, denn man sieht in Probe V und VI des Versuchs 13 eine sehr ausgeprägte Zunahme des Trockengehaltes des Ge- samtblutes, indem die Werte 20°/, und 20,7°/, erreicht werden, gegenüber 19,2°/, der Probe kurz vorher. Bedenkt man, daß bei Katzen an und für sich im längeren Verlauf eines Ver- suchs mit mehrfachen, wenn auch geringfügigen Blutentnahmen eine fortschreitende Abnahme des Trockengehaltes des Gesamt- blutes eintritt, so bedeutet die Zunahme von mehr als 1°/, an Trockengehalt ziemlich viel Was die zeitlichen Verhält- nisse betrifft, so stehen die Proben IV, V und VI unter dem Einfluß wiederholter und langandauernder Adrenalinwirkung. Ferner verstreichen mehrere Minuten zwischen Adrenalininjektion und Blutentnahme. Die letztere fand statt, nachdem der

Untersuchungen über die Permeabilität der Gefäßwände. 335

Versuch 13. Katze, 2kg. Athernarkose.

6 17"

Zeit der | Zeit | Bl ` Feste | Nr. Adrenalin- der Blut- | | Substanz | Bemerkungen injektion | entnahm | = I 1.321545” bis 134 | 19,9 [Der Druck betrug gie än | aut Injektion von IT |3*18/10” bis) 322 30” bis jgefallen 19,5 Aurch Erbrechen 18 12” 22 33” 30—50 Fall auf 50—30, m SS 3426’ 5” bis | 100 19,1 gen des Druckes age gu | | IV |3» 27’ pm 3115” bis | 110 | 19,2 | Adrenalin- und 317 19" | | Atropinlösung v [3»3835” 388 41 30” bis | 170 | an | 2 41 36” Ä VI 40 45” bis 53'30” bis | 166 | 20,7 ` 50 50” | zupyzaı | VII |4 3740" bis | 70 | 194 |i0Sekundeni2com Ap gragrı | | Blut entzogen, un- | mittelbar darauf VIII | 42 430” bisi 26 | 18,9 Probe VIT und ı 4b A 33” | oe re IX = Ap 6'15” bis | 26 19,1 = |

Druck schon erheblich von seiner maximalen, durch Adrenalin erreichten Höhe herabgesunken war. Bei Probe VI wurde die Blutentnahme 4 Minuten nach der Adrenalininjektion gemacht. Zwischen der Probe I und 1I ereignete sich eine Störung, die aber zu einer nicht uninteressanten Beobachtung führte. Das Tier erbrach nach der ersten Adrenalininjektion, die eine Druck- steigerung bis auf 210 mm bewirkte, heftig, und der Blutdruck sank rapid auf 50 bis 30 mm Quecksilber. 4 Minuten später wurde bei diesem tiefen Blutdruck eine Blutentnahme vor- genommen. Der Trockengehalt betrug 19,5, während vorher bei 134 mm der Trockengehalt 19,9°/, war. Man kann daher nicht sagen, daß der große Drucksturz zu einem merklichen Flüssigkeitseintritt aus den Geweben in die Blutbahn gefübrt hat. Nun hat ja Erb für dieses Nichteintreten einer Wieder- verdünnung des Blutes bei Drucksenkung eine Erklärung ge- geben, indem er im Anschluß an die Untersuchung von Biochemische Zeitschrift Band 16. 23

336 B. Böhm:

A. Exner!) und Meltzer und Auer?) annimmt, daß das Nebennierenextrakt die Permeabilität der Capillarendothelien verringert, und zwar auf längere Zeit hinaus. Es wäre zu prüfen, ob diese Annahme, die den Capillarendothelien neben den mechanischen Momenten der Druckschwankungen eine wichtige Rolle zuweist, zutrifft. Ehe ich aber zu dieser Prü- fung, wie zu derjenigen der Frage nach dem Flüssigkeitseintritt in die Blutgefäße übergehe, möchte ich zusammenfassen, was über den Zusammenhang zwischen Adrenalininjektion, Blut- drucksteigerung und Bluteindickung aus meinen Versuchen so- wie denjenigen anderer Autoren sich ergibt.

Unzweifelhaft besteht kein notwendiger Zusammenhang zwischen Blutdrucksteigerung nach Adrenalininjektion und Blut- eindickung, das haben meine Versuche gelehrt. Liegt das in den zeitlichen Verhältnissen? Die Versuche von Asher an der Speicheldrüse haben gelehrt, daß eine sehr kurz dauernde Tätigkeit der Speicheldrüse z. B. von nur 1 Minute hinreicht, um das durch die Speicheldrüse strömende Blut und Blut- plasma ebenso merklich einzudicken wie Hess und Erb das nach Adrenalininjektion mit hoher Drucksteigerung beschreiben. Demnach ist für einen physiologischen Vorgang, bei dem übrigens nachweisbar die Filtration keine Rolle spielt, sondern möglicherweise die Diffusion, die Beeinflussung des Flüssigkeits- saustausches zwischen Blut und Geweben leicht nachweisbar. Dies beweist, wie rasch der Vorgang durch die Gefäßwand hindurch sich abspielt. Wenn demnach Filtration eine Rolle spielte, müßte sie ebenso schnell wirken. Nun hat Asher gezeigt, daß bei Blutdrucksteigerung infolge von hoher Aorten- kompression und von Reizung der Vasodilatoren, ich habe nachgewiesen, daß bei Drucksteigerung infolge von Splanchnicus- reizung und in einigen Fällen infolge von Adrenalininjektion keine Filtration aus den Gefäßen nachweisbar ist. (Ich werde im nächsten Teil zeigen, daß es auch nicht der Fall ist bei Drucksteigerung durch Asphyxie.) Alles das scheint dafür zu sprechen, daß in denjenigen Fällen, wo nach Adrenalininjektion eine Zunahme des Trockengehaltes des Blutes tatsächlich be-

DA Exner, Zeitschr. f. Heilk. 24, 302, 1903. 2) Meltzer und Auer, Transact. of the association of Amer.

Physiol. 1904.

Untersuchungen über die Permeabilität der Gefäßwände. 337

obachtet wird, dies nicht eine Folge der Blutdrucksteigerung ist. Für diese Anschauung sprechen gerade die zeitlichen Ver- hältnisse. Man beobachtet die Zunahme des Trockengehaltes des Blutes nach Adrenalininjektion erst einige Minuten nach der Injektion am deutlichsten, wenn der Blutdruck schon herab- gesunken ist. Ich möchte daher die Adrenalinwirkung im An- schluB an Ashers frühere Darlegungen folgendermaßen er- klären. Unter dem Einfluß des Adrenalins werden in Drüsen und anderen Organen eine Reihe von Stoffwechselvorgängen zum Teil ziemlich intensiver Art angeregt. Diese werden an und für sich infolge Diffusions- und osmotischen Prozesses, vielleicht auch infolge noch nicht klargelegter Prozesse Flüssig- keitsaustausch zwischen Blut und Gewebe hervorrufen. Da nun aber wegen der hochgradigen Verengerung der kleinsten Arterien der Capillarkreislauf sehr beeinträchtigt wird, kommt anfänglich die Eindickung des Blutes durch Diffusion oder Osmose nicht zum Ausdruck. Erst wenn einige Zeit nach der Adrenalininjektion die maximale Verengerung der klein- sten Arterien abklingt und bei sinkendem Blutdruck ein guter Capillarkreislauf wieder hergestellt wird, kommt es zur nach- weisbaren Eindickung des Blutes. Durch diese Erklärung fügen sich die Erscheinungen bei Adrenalininjektion widerspruchslos in den Zusammenhang der bisher negativen und positiven Tat- sachen und bilden keine Ausnahmestellung mehr.

Meiner Erklärung steht nur noch entgegen die Annahme von Erb, daß Adrenalininjektion die Permeabilität der Capillar- endothelien verringere und deshalb der Filtrationseinfluß nicht sofort zur Geltung komme. Es leuchtet aber ein, daß die oben von mir gegebene Erklärung und die Erbsche An- nahme sich sehr wohl miteinander vertragen; denn wenn, was möglich ist, die Permeabilität der Capillarendothelien durch Adrenalin verringert wird, so muß natürlich auch der etwaige Diffusionsaustausch infolge von Stoffwechselvorgängen darunter leiden. Man kommt also ohne jede Annahme verzögerter Fil- tration aus. Übrigens möchte ich darauf hinweisen, daß es den Anschein hat, als ob in manchen Fällen bei der Katze die Adrenalininjection einen geringeren Einfluß auf die sekre- torischen Vorgänge habe als bei dem Hunde. Ich habe ge-

legentlich in meinen Protokollen vermerkt, daß Tränen- und 23*

338 B. Böhm:

Speichelsekretion nicht beobachtet wurden. Unter diesen Um- ständen muß die Zunahme des Trockengehalts des Blutes ent- sprechend geringer sein.

Es bleibt nun noch zu untersuchen, wie es denn mit der Permeabilität der Capillarendothelien stehe, mit der Geschwin- digkeit, mit welcher sich Flüssigkeitsaustausche bewerkstelligen. An dieser Stelle nehme ich die oben abgebrochene Diskussion hierüber wieder auf. Zunächst einmal die Frage nach der Per- meabilität der Capillarendothelien nach Adrenalininjektion. Aus Erbs eigenen Versuchen geht die Verminderung der Permea- bilität nicht mit Sicherheit hervor. Er betrachtet die lange Andauer der Zunahme des: Trockengehaltes im Blut als ein Anzeichen für diese verminderte Permeablität. Tatsächlich aber hat er in vier Versuchen bei Sinken des Blutdrucks kein Sinken der Blutkonzentration gefunden, wohl aber in drei anderen. Hierdurch entsteht ein eigentümlicher Widerspruch. Im ersteren Fall wird das Verhalten erklärt durch Rückfiltra- tion infolge von Blutdrucksenkung, trotz verminderter Per- meabilität der Capillarendothelien. Im zweiten Fall durch eben diese verminderte Permeabilität, trotz großer Blutdruck- senkung. Hier liegt offenbar eine große Schwierigkeit vor.

Um nun den Einfluß dieser angenommenen verminderten Permeabilität zu prüfen, habe ich untersucht, wie es sich bei einem vorher mit Adrenalin behandelten Tier mit der Blut- verdünnung verhält, wenn man einen Blutentzug macht. Daß infolge eines Blutentzuges mehr oder weniger rasch ein Eintritt von Gewebsflüssigkeit in die Blutbahn stattfindet, ist eine im Verlauf der letzten Jahre vielfach bestätigte und analysierte Tatsache. Der vorliegende Versuch 13 (siehe oben Protokoll) lehrt nun folgendes: Bei Entnahme von Blutprobe VII betrug der Blutdruck 70 mm, der Trockengehalt des Blutes 19,4 °/,. Sofort darauf wurden 42 ccm Blut entzogen, und zwar in 40 Sekunden. Am Schlusse der 40 Sekunden wurde in 3 weiteren Sekunden eine Blutentnahme gemacht. Der Druck sank von 70 auf 27 mm, der Trockengehalt von 19,4°/, auf 18,9°/,. Also hatten 40 Sekunden genügt, um den Trockengehalt um 2/,°/, zu vermindern. Demnach. kann die Permeabilitäts- verminderung keinen so hohen Grad erlangt haben. 2 Minuten später, während der Blutdruck auf dem niedrigen Wert von

Untersuchungen über die Permeabilität der Gefäßwände. 339

26 bleibt, ist der Trockengehalt des Blutes wieder auf 19,1°/, gestiegen, woraus geschlossen werden darf, daß es nicht die Blutdrucksenkung als solche war, die eine Rückfiltration ver- ursachte. Ich möchte nicht in Abrede stellen, daß Adrenalin die Permeabilität der Capillarendothelien überhaupt nicht ver- mindere, nur scheint es mir, daß diese etwaige Verminderung nicht hinreichend groß ist, daß dann, wenn wirklich im Organis- mus ein Flüssigkeitsaustausch zwischen Bluts- und Gewebs- flüssigkeit stattzufinden Gelegenheit hat, dieser Austausch unterdrückt werden kann.

Ganz abgesehen von der soeben behandelten Frage nach der Permeabilität der Capillarendothelien nach Adrenalin- injektion läßt sich, wie dies auch schon früher geschehen. ist, die Veränderung der Blutzusammensetzung nach Blutentzug benutzen, um allgemein gewisse Fragen der Gefäßpermeabilität zu untersuchen. Mir kommt ea in diesem Zusammenhange in erster Linie auf eine genaue Berücksichtigung der zeitlichen Verhältnisse an. Zu diesem Zweck habe ich wie im Versuch 13 in zwei weiteren Versuchen den Trockengehalt des Blutes bei einem bestimmten Blutdruck festgestellt zu einer auf Sekunden genau bekannten Zeit. Darauf habe ich, wiederum unter ge- nauer Bestimmung der Sekundenzahl, eine gewisse Menge Blut entnommen und das in den letzten Sekunden des Blutentzugs ausfließende Blut zur Analyse benutzt. Nach mehreren Minuten wurde dann abermals ein kleiner Blutentzug zur Analyse ge- macht. In den später folgenden Protokollen der Versuche 17 und 18, welche vorher einem anderen Zwecke, der bald aus- einandergesetzt werden wird, diente, finden sich die notwendigen Daten. An dieser Stelle ziehe ich das für die augenblickliche Diskussion Wichtige heraus. In Versuch 17 betrug der Blutdruck Probe V um 11535’55” bis 11h35’58” 62 mm Quecksilber. Der Trockengehalt des Blutes betrug 16,6°/,. Von 11h34’50” bis 1135’15” wurden 21,5 ccm Blut entzogen. Der Druck betrug 11535’ 17” bis 11635’18” 22 bis 24 mm Quecksilber, der Trocken- gehalt 15,9°j,. Es hatten also 28 Sekunden genügt, um den Trockengehalt des Blutes um 0,7°/, zu vermindern. In Ver- such 18, Probe V, betrug um 35h57’35” bis 35737” der Blut- druck 102 mm; der Trockengehalt des Blutes war zu dieser Zeit 17,4°/,. Von 35740” bis 3h58’4”’ wurden 20 ccm Blut

340 B. Böhm:

entzogen und von 3h58’6” bis 3h58’8” eine ganz geringe Menge im Wägegläschen aufgefangen. Der Druck sank auf 36 mm, der Trockengehalt auf 16,4°/.. Es hatten also 28 Sekunden genügt, um den Trockengehalt des Blutes um ein ganzes Pro- zent zu vermindern. Aus diesen beiden Versuchen, wie aus Versuch 13 geht deutlich hervor, daß außerordentlich kleine Zeiten dazu gehören, um sehr merkliche Veränderungen in der Zusammensetzung des Blutes hervorzurufen. Der Regulations- mechanismus, der bei Blutentzug in das Spiel tritt, ist so oft erörtert worden, daß eine Besprechung desselben an dieser Stelle wohl unterbleiben kann. Aber es ist darauf hinzuweisen, daß die große Raschheit, mit welcher Flüssigkeit aus den Ge- weben in die Blutbahn übertritt, den Schluß zuläßt, daß, wenn etwa die Drucksteigerung in den Capillaren als Filtrations- kraft wirken würde, der Flüssigkeitsaustritt aus den Gefäßen wegen der soeben nachgewiesenen Eigenschaft der Capillar- endothelien in sehr kurzer Zeit eintreten und bemerkbar sein würde. Wenn demnach in gewissen Fällen bei einzelnen Ein- griffen bei gleichzeitiger Drucksteigerung erst allmählich ein- tretende Konzentrationszunahme des Blutes beobachtet wird, spricht das sehr dagegen, daß die Konzentrierung durch Fil- tration zustande kam. Andererseits sprechen die soeben bespro- chenen Tatsachen sehr zugunsten der Richtigkeit der von Asher und mir gemachten negativen Beobachtung hinsichtlich des Einflusses der innerhalb physiologischer Grenzen sich haltenden Blutdruckschwankung auf die Zusammensetzung des Blutes. In meinem dritten Teil werde ich neue Beweise hinzufügen. Durch diese bisherigen Darlegungen ist aber die Frage nicht erledigt, ob Blutdrucksenkungen ohne gleichzeitigen Blut- verlust eine Rückfiltration aus der Gewebsflüssigkeit in die Blutbahn veranlassen. Es ist einleuchtend, daß der Vorgang einen höchst zweckmäßigen Regulationsmechanismus darstellen würde, denn durch den Flüssigkeitseintritt in die Blutbahn bei niedrigerem Blutdruck würde dem Sinken des Capillardrucks entgegengewirkt werden. Man kann sich ganz gut vorstellen, daß die Capillaren so eingerichtet sein könnten, daß sie infolge Blutdruckerniedrigung in einen Zustand kämen, der den Flüssig- keitseintritt begünstigte. Notwendigerweise muß aber die bloße Blutdrucksenkung nicht zu einer Verdünnung des Blutes führen.

Untersuchungen über die Permeabilität der Gefäßwände, 341

Erb hat ja selbst Fälle angeführt, wo bei Blutdrucksenkung keine Verdünnung des Blutes nachweisbar war. Auch ich habe öfters Beobachtungen gemacht, wo bei recht niedrigem Blutdruck die Konzentration des Katzenblutes viel höher war, als ich es oft bei höherem Blutdruck beobachtet habe. Als Beleg hierfür bringe ich z. B. nachfolgenden Versuch 14.

Versuch 14. Katze, 2 kg. Athernarkose. 0,05 g Hirudin, aufgelöst in 25 ccm Kochsalzlösung, gegeben 3h46’ bis 48’.

I 4521’ 10” bis AN 21’20’’ 70 18,78

II 4h28’10” 4629735” 60 18,19 II 434720” 43459” | 50 18,18

Der Blutdruck war hier nach einer sehr eingreifenden Operation zu einem bestimmten Zweck auf dem niedrigen Wert zu Anfang 70, schließlich 50 mm Quecksilber angelangt. Trotz- dem und trotz vorausgehender Verdünnung durch Hirudinkoch- salzlösung ist der Trockengehalt des Blutes zu Anfang 18,78 °/,, er sinkt dann aus früher angegebenen Gründen allmählich auf 18,2. Erfahrungen wie die in diesem Versuch niedergelegten sind zahlreiche im Institut gemacht worden. Sie sprechen, wie mir scheint, dagegen, daß bei einer Blutdruckschwankung durch Rückfiltration eine Verdünnung des Blutes stattfinden muß. Aber auch von einer anderen Seite her läßt sich ein Anhaltspunkt dafür bringen, daß nicht Herabsetzung des Ca- pillardrucks den Trockengehalt des Blutes vermindern muß. Es gelingt nämlich umgekehrt zu zeigen, daß trotz sinkenden Capillardrucks eine Zunahme des Trockengehaltes des Blutes eintreten kann; demnach das umgekehrte, was nach der Lehre von der mechanischen Rückfiltration zu erwarten gewesen wäre. Den Beleg hierfür bringt der nachfolgende Versuch 15.

Der Versuch selbst stammt aus einer anderweitigen Ver- suchsreihe am Hund, welche Madame Cuttat mit Prof. Asher angestellt hat. Mir war es verstattet, gleichzeitig für meine Versuchszwecke Blut zu entnehmen. Der Hund, welcher gleich-

342 B. Böhm:

Versuch 15. Hund, 15 kg. Morphium- und Äthernarkose.

Feste Nr. Zeit Druck | Substanz | Bemerkungen LL %*% IL S I| wa | 390 | 16101 100 = 50 cem 10%/, NaCl-Lösung m | wg | 156 ' 6643 | 1œ3=50 10, ,ẹ

| | III 10? 22° 160 | 17,279 ` 108’ Blutentzug von 335 ccm IV 10 52’ 40 | 17,983 | 10432’ = „10

zeitig eine Fistel des Ductus thoracicus hatte, erhielt um 10% und 10b3’ eine intravenöse Injektion von 10°/, Kochsalzlösung. Die Folge war eine starke Erhöhung des Capillardrucks, welche nach dem Vorgang von Bayliss und Starling durch Messung des Drucks in der Vena lienalis beurteilt wurde. Die bekannten und sehr interessanten Folgen einer Injektion hyper- tonischer Lösung sind hydrämische Plethora und erhöhter Ca- pillardruck. Dementsprechend findet sich um 107’ ein Blutdruck in der Vena lienalis von 390 mm Magnesiumsulfat und ein Trockengehalt des Blutes von nur 16,101°/,. Um 10h8’ werden 335 ccm Blut entzogen. Durch diesen Blutentzug wird der abnorm gesteigerte Capillardruck stark herabgesetzt, und dem- entsprechend verzeichnet das Manometer in der Vena lienalis nur noch 156 mm Magnesiumsulfat. Der Druckfall und der Entzug von so viel Blut müßten nun eigentlich eine Verdünnung des Blutes herbeiführen. Trotzdem geschieht das Gegenteil, indem bis 10612’ der Trockengehalt des Blutes schon wieder auf 16,643°/, gestiegen ist. Um 10h22’ ist der Portaldruck, demnach auch der Capillardruck, annähernd der gleiche wie vorher. Der Trockengehalt steigt aber weiter bis auf 17,279°/,. Um 1032 werden abermals 110 ccm Blut entzogen. Der Portaldruck ist um 10652’ bis auf 40 mm Magnesiumsulfat ge- fallen. Im Gegensatz hierzu sehen wir, daß der Trockengehalt des Blutes den höheren Wert von 17,983°/, erreicht hat. Un- zweifelhaft ist durch diesen Versuch bewiesen, daß trotz eines riesigen Falles des Capillardrucks, der beurteilt werden kann nach den beiden Grenzwerten 390 und 40 mm Magnesiumsulfat eben während dieser Periode des Falles eine Bluteindickung

Untersuchungen über die Permeabilität der Gefäßwände.. 343

von 16,101°/, bis auf 17,983°/, stattgefunden hat. Von einer Rückfiltration infolge verminderten Capillardrucks kann dieses mal jedenfalls keine Rede sein.

Es könnte danach gefragt werden, aus welchem Grunde in diesem Versuch der große Blutentzug nicht zu einer Ver- dünnung geführt hat. Es ist hier nicht der Ort, diese etwas komplizierte Frage eingehend zu erörtern. Mir kam es vielmehr darauf an, festzustellen, daß nicht notwendigerweise Fallen des Capillardrucks und Sinken des Trockengehaltes des Blutes Hand in Hand gehen. An der Kompensierung der Verdünnung durch Blutentzug haben wohl mehrere Faktoren mitgewirkt. Asher und Tropp?) und Sollmann?) haben gezeigt, daß nach intra- venöser Injektion größerer Mengen von Salzen in das Blut dieselben zwar bald die Blutbahn verlassen (was durch zahl- reiche frühere Autoren bekannt war), aber anstatt dessen nicht injizierte Substanzen aus den Geweben in die Blutbahn über- treten. Das wird durch die Tatsache bewiesen, daß im Verlauf derartiger Versuche die molekulare Konzentration gemessen durch die Gefrierpunktserniedrigung mehr und mehr wächst. Ferner kommt es, wie zuerst Cohnheim und Lichtheim in ihrer bekannten Arbeit über hydrämische Plethora gelehrt haben, durch hydrämische Plethora, also auch durch intravenöse Injektion, die noch stärker infolge des Reizes durch die Salz- moleküle wirken muß, zur profusen Sekretion. Sekretion be- wirkt aber einen sehr merklichen Flüssigkeitsaustritt aus den Capillaren. Ob noch andere Momente zu der Eindickung des Blutes bei sinkendem Gapillardruck unter den Bedingungen des vorliegenden Versuchs befähigt sind, etwa Änderungen der Permeabilität, lasse ich dahingestellt sein.

Ill. Teil.

Der Einfluß von Asphyxie auf die Permeabilität der Capillaren.

Der Asphyxie habe ich mich als eines weiteren Mittels bedient, um allgemeine Blutdrucksteigerung herbeizuführen. Der Einfluß, den die Blutdiucksteigerung aber etwa auf den

1) Asher und Tropp, Zeitschr. f. Biol. 45, 143. 2) Sollmann, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 46, 1.

344 B. Böhm:

Flüssigkeitsaustritt haben konnte, war aber nicht der wesent- liche Gesichtspunkt, der mich zur Anwendung der Asphyxie veranlaßte. Vielmehr war es die Absicht, den Einfluß der Kohlensäure auf die Permeabilität der Capillaren zu prüfen. Es wird sehr oft behauptet, daß die sauren Stoffwechsel- produkte der Gewebe, von denen die Kohlensäure das ele- mentarste ist, einen hervorragenden Einfluß auf die Permes- bilität besäßen und ihrem Eingreifen die Regelung des Stoff- austrittes aus den Capillaren zuzuschreiben sei. Die Methodik dieser Versuchsreihe ist eine sehr einfache. Beim tracheo- tomierten Tiere wird abwechselnd bei geöffneter und geschlossener Trachealkanüle Blut aus einer Arterie behufs Bestimmung des Trockengehaltes aufgefangen. Der Verschluß der Trachealkanüle dauert so lange, bis das Blut asphyktisch dunkel geworden und der Blutdruck stark gestiegen ist. Gewöhnlich geht er kurz nach der Freigabe der Trachea noch mehr in die Höhe, um dann allmählich wieder zu fallen.

Schon oben gelegentlich anderer Versuche hatte ich den Einfluß der Asphyxie geprüft. Ich verweise auf Probe V des Versuchs 8 und auf die Proben I bis IV des Versuchs 10. Namentlich aus dem letzteren Versuch geht sehr deutlich hervor, daß mit und ohne Asplıyxie der Trockengehalt des Blutes an- nähernd konstant ist. Er schwankt zwischen 16,98°/, und 17,37°/,. Die Druckschwankungen in diesem Versuch sind nicht sehr erhebliche, so daß rein der Einfluß der Änderungen der Blutzusammensetzung zum Ausdruck hätte kommen können.

Hieran schließe ich drei weitere Versuche, welche dem Ein- fluß der Asphyxie auf die Permeabilität der Capillaren gewidmet waren. Da die Verhältnisse in allen dreien sehr ähnlich lagen und dieselben wegen der Durchsichtigkeit des Ergebnisses keiner besondern Besprechung bedürfen, folgen die Protokolle an dieser Stelle hintereinander.

Im Versuch 16 sind die Druckschwankungen nicht sehr erheblich, wohl aber im Versuch 17 und 18. Im ersteren kommen Druckschwankungen von über 70 mm Druck, in letzterem ein- mal von über 100 mm Druck vor. Im Versuch 18 wurde die Wirkung der Asphyxie noch erhöht durch Atropinisierung, wodurch die Erregung des Vagus infolge Asphyxie ausge- schaltet wird.

Untersuchungen über die Permeabilität der Gefäßwände. 345

Versuch 16. Katze, 2kg. 0,05 g Hirudin, gelöst in 30 ccm Kochsalzlösung. Athernarkose.

mn —— a aaa a a a a a a

Feste Nr. Zeit | Druck a

Bemerkungen

PEN EG O

1 | #13°55” bis #1959” 74 |16 16,5 584 II | 4215'45” 4»15'49” | 90 | 16,351 DI | #1610” 1614” | 48 | 16,220 IV | agin æy” 60 | 16,122

Versuch 17. Kaninchen, 2 kg. Morphiumnarkose. Atropin- injektion l mg subcutan.

mit Asphyxie

mit Asphyxie

| Feste

Nr. Zeit : Druck Substanz | Bemerkungen D Se SER IN I |1118'0” bis 11810” | 60 16,8 TI" II | 111950” 1161953”! 130 ; 164 | mit —— | 1181850” bis 11» 19745” III |11526°30” 1152634” | 60 | 16,8 IV [1129 12” 11629 15” | 140 | 16,5 mit Asphyxie | | 1128’ 8’ bis 1129 10” V (Uäg ppm Uäärpën e | 16,6 | = VI | 113517” 1135’18”| 124 15,9 Blutentzug 21,5 ccm | 11534’ 50” bis 1135’ 15° VII | 1114145” 11241/748”| 4 | 15,6 | VIII | 1144718” 11544’20’ i 15,8 mit Asphyxie |

11t 43’ 5” bis 1144’ 10”

Versuch 18. Kaninchen, 2'/, kg. Morphiumnarkose. 1!/, mg Atropinlösung.

—r r

| Feste Nr, Zeit | Druck Substanz Bemerkungen Ih I | aa at: bis 312042” | 115 TE = Dags ang | 166 | 18,0 ` Asphyxie | Ä | 3422/14” bis 31230” II | 2910 32012 | 94i wi | x IV | Or12 zart | 158 j 178 | Asphyxie | | 3549’ 30” bis 3% 5030” V | 35735” 35737” | 102 | 174 | Blutentzug 20 com | | 35740" bis 3b 58’ 4” VI | 3586” 3588” | 36 | 164 | = VII | & r30 , Ae 134” 24 16,1 |

346 B. Böhm:

Gleichgültig, ob nun der Druck hoch oder niedrig ist, ob Asphyxie besteht oder nicht, der Gehalt des Bluts an Trocken- substanz ändert sich nicht wesentlich. Hieraus folgt mit Not- wendigkeit, daß weder infolge gesteigerten Druckes eine ver- mehrte Filtration stattgefunden hat, noch infolge der Wirkung der Asphyxie auf die Gefäßwände eine erhöhte Permeabilität zustande gekommen ist.

Der negative Befund hinsichtlich auch dieser Art von Drucksteigerung schließt sich meinen und Ashers früheren Erfahrungen gleichartig an. Neu und nicht uninteressant ist der Nachweis, daß Kohlensäureanhäufung im Blute die Permea- bilität der Capillarendothelien nicht verändert. Hierdurch ist gezeigt worden, daß dieses allgemeinste Produkt des erhöhten Stoffwechsels nicht ein Beeinflusser der Permeabilität der Ca- pillaren sei. Vielleicht liegt auch in seiner Allgemeinheit die biologische Ursache, weshalb es nicht geeignet ist, als Bcein- flusser der Gefäßpermeabilität zu dienen, und weshalb die Gefäß- wände sich an eine Beeinflussung nicht angepaßt haben. Jedes Gebiet hat besondere Bedürfnisse des stoffllichen Umtausches zwischen Capillaren und Gewebe. Deshalb würde, wenn die Annahme vieler Autoren richtig ist, daß Stoffwechselprodukte der Gewebe die Permeabilität der Capillaren regeln, diese Re- gelung eher durch in jedem Fall spezifische Stoffwechselprodukte zu erwarten sein.

Es wird die Aufgabe künftiger Untersuchungen sein, den nach dieser Richtung ausgebildeten Arbeitshypothesen experi- mentell näher zu treten. Dann wird sich zeigen, ob man mit der angedeuteten Hypothese auf richtiger Fährte ist oder nicht. Es erscheint mir verfrüht, das negative Resultat hinsichtlich der Kohlensäure etwa verallgemeinern zu wollen.

IV. Teil.

Der Einfluß von intravenöser Injektion von Galle auf die Permeabilität der Capillaren.

In der früheren Arbeit von Asher war gezeigt worden, in welcher Art und Weise die spezifische Tätigkeit der Speichel- drüse zu markantem Flüssigkeitsaustausch zwischen Blut und (sewebe führt. Es erschien erwünscht, auch andere Organ-

Untersuchungen über die Permeabilität der Gefäßwände.. 347

tätigkeit hinsichtlich ihres Mechanismus der Beeinflussung zu unterziehen. Vorversuche am Pankreas, die später wieder auf- genommen werden sollen, mußte ich aus äußeren Gründen fallen lassen. Ein anderes Organ, welches leicht der Beein- flussung zugänglich und zugleich ein Ort von größter Bedeu- tung für die Blutzusammensetzung ist, ist die Leber. Die Aufgabe wäre also, die Blutzusammensetzung ohne und mit experimentell angeregter Lebertätigkeit zu untersuchen. Diese Aufgabe ist nicht so leicht wie bei der Speicheldrüse, denn erstens kann man nicht beliebig die Lebertätigkeit ein- und ausschalten, zweitens ist das isolierte Auffangen von Lebervenen- blut nicht ganz einfach.

Methodik.

Aus diesen genannten Gründen mußten einige besondere Vorkehrungen getroffen werden. Lebervenenblut kann man nach der von Lesser angewandten Methode erhalten, indem man ein Katheter in die rechte Jugularis einführt und denselben durch den rechten Vorhof vorschiebt, bis man in die Lebervene gelangt. Es ist aber ersichtlich, daß man während des Ver- suches niemals eine Garantie hat, daß man in der Lebervene ist, und daß kein Blut aus der Vena cava inferior sich zu- mischt. Wegen dieser Unsicherheit wurde von dieser Methode abgesehen und ein indirektes Verfahren angewandt. Dasselbe bestand im folgenden: Zuerst wurde die Aorta abdominalis unterhalb des Abgangs der Arteria mesenterica inferior be- ziehentlich vor der Teilung in die beiden Arteriae iliacae ab- gebunden; sodann wurde die Vena cava inferior etwa in der Höhe des unteren Randes der Niere ligiert. Ferner unterband ich die beiden Arterien und Venae subclaviae. Die Absicht, die hierbei verfolgt wurde, war die, möglichst den Kreislauf ein- zuschränken auf den Kreislauf durch das Pfortadergebiet und die Lunge. Auf diese Weise hatte bei weitem das meiste Blut, welches im großen Kreislauf kreiste, ehe es in das Herz gelangte, die Leber passiert. Würde nun die Leber der Ort größerer Umänderung in der Zusammensetzung des Blutes sein, so würde das so um- geänderte Blut in das rechte Herz kommen, von da durch die Lungen in das linke Herz und in die großen Arterien. Da wir durch Erb wissen, daß die im übrigen Körper gesetzten Ver-

348 B. Böhm:

änderungen der Blutzusammensetzung, wenn sie nur groß genug sind, nicht in der Lunge rückgängig gemacht werden, konnte man erwarten, daß das Blut aus der Carotis bei meiner Versuchsanord- nung anzeigen würde, welche Änderungen das Blut etwa in der Leber erleidet. Ich habe also eine Kanüle in die eine Carotis ge- bunden, um Blut zur Bestimmung des Trockengehalts zu gewinnen. Die andere Carotis wurde mit dem Quecksilbermanometer behufs Aufschreibung des Blutdrucks verbunden. Eine Kanüle wurde in den Ductus choledochus eingebunden und die abfließende Galle in graduierten Gefäßen aufgefangen. Um die Lebertätig- keit anzuregen, injizierte ich in eine Vena jugularis einige Kubik- zentimeter Galle, in einem Falle Rindergalle, in einem zweiten Versuche Hundegalle.. Vorher wurden zwei Proben Blut ent- nommen als Kontrollblut, ehe die Leber durch die injizierte Galle zur erhöhten Tätigkeit angeregt worden war. Als Maß der Tätigkeit diente die abfließende Gallenmenge. Zu diesen Versuchen wurden Hunde benutzt, die sich in Morphiumäther- narkose befanden.

In beiden Versuchen ruhte im Anfang die Absonderung der Galle ganz, wohl ein Einfluß der Operation und Narkose. Durch die Injektion von Galle wurde die Absonderung angeregt. Sie steigerte sich langsam, erreichte ein ganz beträchtliches Maß und klang dann wieder ab. Die Versuche zerfallen dem- nach in zwei Perioden, eine erste Periode mit verminderter Lebertätigkeit und eine zweite Periode mit stark erhöhter Lebertätigkeit. Die Lebertätigkeit wurde beurteilt nach der Gallenabsonderung. Eine weitere Variierung und Abstufung ist wegen der über längere Zeit sich hinstreckenden Wirkung der Galleninjektion auf die Leber nicht ganz leicht und nicht unbedingt nötig.

Die vorstehenden Protokolle ließen folgende Hauptsachen erkennen: Sowohl in Versuch 19 wie 20 ergeben beide Kontroll- proben von Blut, ehe die Lebertätigkeit durch Galleninjektion gesteigert wird, einen genau übereinstimmenden Wert für den Trockengehalt. Vom Blutdruck ist offenbar der Trockengehalt des Blutes in der Normalperiode nicht abhängig, denn im Ver- such 19 beträgt der Blutdruck 94, der Trockengehalt des Blutes 18,7°/,. Im Versuch 20 ist aber der Blutdruck 175, wobei der Trockengehalt des Blutes nur 17,94°/, beträgt.

Untersuchungen über die Permeabilität der Gefäßwände. 349

Versuch 19.

Hund 4 kg. Morphium- Äthernarkose. Präparation wie be- schrieben.

| | Feste | Nr. Zeit Substanz Bemerkungen | P

10» 20 | II | 10è 30 45” bis; 96 | 18,7 ER Galle injiziert 10%37’60” | | bis 10438’ 36” LOS 35’ 47” | | Leem Galle injiziert 10% 39’ 40” | | bis 10: 39’ 50” III | 10643’ 0°’ bis | 100 . 185 |Durch Galleninjektion ein vor-

1 | 102 3# 40” e ed 18,7

10! 43’ 2” | i übergehender Fall des Blut- | | drucks auf 42 IV | 104710’ bs | 90 | 188 | 1032’ Sekretion beginnt 10» 47’ 12” | V | 10657 7” bis | 84 | 185 | Von 10%44’ bis 110’ = 1,6ccm 10? BU 9” | Galle VI | 11e 245” bel 91 | 184 | Von llè bis 1120’ 1,6 com 11h 2'47” | | Galle VII | 11% 22’ 58” 86 187 | = 1127 mr | | e VIII | 11:48 56” bis | 50 : 190 | 11» 4858” | | = IX | 122 2 7” ps | 28 ! 19,5 | Gesamte Gallenmenge bis 12r Y gr | | 12: 1’ 5.6 ccm

Sehr bemerkenswert ist nun der weitere Verlauf der Ver- hältnisse, der in beiden Versuchen ziemlich übereinstimmend ist. Der Blutdruck sinkt in beiden Versuchen allmählich herab. Im Versuch 19 bis auf 28 mm Quecksilber, im Versuch 20 bis auf 85 mm Quecksilber. Der Fall rührt wohl in erster Linie her von der Einwirkung der Galle. Nur nebenher von der Andauer des Versuches in Narkose. Im scharfen Kon- trast zu diesem Verhalten des Blutdrucks steht dasjenige des Trockengehaltes. Derselbe nimmt allmählich in beiden Ver- suchen zu. Bemerkenswerterweise am meisten gerade im Ver- such 19, wo der Blutdruck am tiefsten gesunken ist, denn dort erreicht der Trockengehalt des Blutes schließlich den Wert 19,5 gegenüber 18,7°/, der Normalperiode. Wenn man

350 B. Böhm:

Versuch 20. Hund, 4?/, kg. Morphium-Äthernarkose. Präparation dieselbe.

nn

| Feste | Nr. Zeit : Druck | Substanz | Bemerkungen | h `

I | 322% 22” bis 172 17,98 |2 ccm Galle injiziert 2 32 30” | | | bis 2b 3% 45” 3b 22’ 24” | l | Fall auf 130 II | 328’ ann bis | 175 | 17,90 |2ccm Galle injiziert 3% 36’ 50” 28' 37" | | | bis 34 36’ 56” III | 34’ 66” bis | 162 | 18,30 | Blutdruckfall auf 94 | |

3b 34' 57" | IV | 3641’10” bis 142 18,25 | 3b AU 12” | | V | 54'656” bis | 128 | 18,18 |21/,ccm Galleinjiziert 358’ 35” , bis 3h 58’ 58” 3b 54' 58” | | ' Gallenfluß wird stärker VI | 4 4'56” bis | 120 | 18,31 | Bis 4b @’ 4” 0,75 ccm Galle 4b 4'58” | | VII | 4 16’48” bis ` 104 | 18,49 Bis 18’ 0’ 1,75 ccm Galle 40 16’ 50” | | | vm | 4233738” bis | 85 1844 |Bis Ap 3X 30 2,12 ccm Galle 4n337407 | | IX | As 5” bis | 78 | 18,27 | Bis 4448’ 50 2,46 ccm Galle 48 50° oi |

bedenkt, daß an und für sich während des Versuches der Trockengehalt sich mindern würde, so bedeutet diese Vermehrung und die im Versuch 20 viel mehr als in den nackten Zahlen liegt. Es ist klar, daß hier wiederum die von mir mehrfach betonte Tatsache, daß Blutdrucksenkung und Blutverdün- nung nicht notwendig zusammengehen, sehr schön hervor- tritt. Diese beiden Versuche sind demnach neue Argumente gegen die Lehre von der rein mechanischen Rückfiltration. Die Zunahme des Trockengehaltes des Blutes kann auf zwei Ursachen berunen. Sie kann beruhen auf der Erweckung einer intensiveren Lebertätigkeit durch die Galleninjektion. Dieselbe tut sich in diesen Versuchen kund durch die ge- steigerte Gallenbildung. Die intravenöse Injektion von Galle zeigt aber noch durch ein weiteres Symptom die Erweckung von Lebertätigkeit. Denn Asher hat früher gezeigt, und

Untersuchungen über die Permeabilität der Gefäßwände. 351

Bainbridge hat dies unter Starlings Leitung bestätigt, daß Galleninjektion Bildung vermehrter Lymphe in der Leber ver- ursacht. Nun sind: spezifische Organtätigkeit und vermehrte Lymphbildung genau diejenigen Vorgänge, von denen Bar- croft und Asher nachgewiesen haben, daß sie in der Speichel- drüse zur Eindickung des Blutes führen. Es ist daher nicht unbegründet, den Schluß zu ziehen, daß die Eindickung des Blutes in meinen Versuchen beruhte auf gesteigerter Lebertätig- keit bei gleichzeitiger Blutdrucksenkung.

Die Ursache der Bluteindickung könnte aber auch eine andere sein, sie könnte darauf beruhen, daß die im Blute kreisenden Gallensäuren die Permeabilität der Capillarendo- thelien erhöhen, so daß mehr Flüssigkeit als sonst hindurch- trete. Diejenigen, die großes Gewicht auf das lipoidlösende Vermögen der Galle legen, werden nicht ohne weiteres diese Möglichkeit außer Auge lassen. Dafür spricht auch, daß kein Parallelismus vorliegt zwischen der Größe der Gallenabsonderung und der Zunahme des Trockengehalts, wenigstens was die zeit- lichen Verhältnisse betrifft. Gegen die Annahme, daß die Bluteindickung beruhe auf einer Änderung der Permeabilität der Gefäße, spricht die geringe Menge von Galle, die ich in- jizierte. Ferner spricht wenigstens gegen die Annahme einer all- gemeinen Erhöhung der Gefäßpermeabilität die Tatsache, daß Bainbridge zeigen konnte, daß die Lymphsteigerung nach Injektion von Galle ausbleibt, wenn man die Leberlymphgefäße an der Porta abbindet. Daraus folgt, daß jedenfalls außer- halb der Leber eine durch vermehrte Lymphbildung erkennbare Permeabilitätssteigerung der Capillaren nicht stattfindet. Diese Gründe sprechen für die Annahme, daß die Zunahme des Trockengehalts nach Galleninjektion unter den Bedingungen meiner Versuchsordnung zustande kommt infolge der Vorgänge, welche die vermehrte Tätigkeit in der Leber begleiten. Ich bin der Meinung, daß diese Veränderung der Blutzusammen- setzung infolge isolierter Tätigkeit eines einzigen Organes in meinen Versuchen zum Ausdruck kommen, weil durch die oben beschriebene Versuchsanordnung erreicht wurde, daß ein weit überwiegenderer Teil des Gesamtblutes als sonst fortwährend die Leber durchströmt hatte.

Biochemische Zeitschrift Band 16. 24

352 B. Böhm:

Völlig ausschließen läßt sich natürlich eine Permeabilitäts- änderung infolge der Galleninjektion nicht. Ob man sich aber entscheidet für die Annahme, daß gesteigerte Organtätigkeit oder vermehrte Gefäßpermeabilität den Flüssigkeitsaustritt aus den Gefäßen verursacht habe, so beibt doch eine sehr wich- tige, aus meinen Versuchen sich wiederholt ergebende Tat- sache. Es gelingt nicht, durch einfache mechanische Druck- schwankungen innerhalb der physiologischen Grenzen den Flüssig- keitsaustausch zwischen Blut und Geweben zu beeinflussen, wohl aber durch Mittel, die entweder durch die Stoffwechsel- vorgänge bei Organtätigkeit oder durch direkte Permeabilitäts- beeinflussung wirken.

Resultate.

In der vorausgehenden Arbeit wurden in jedem einzelnen Abschnitt die Ergebnisse nach verschiedenen Richtungen hin beleuchtet. Es bleibt daher hier nur übrig, zum Schluß noch einmal in aller Kürze die wichtigsten Tatsachen zusammen- zufassen.

I.

Mechanische Blutdrucksteigerung infolge von Reizung des Nervus splanchnicus führt zu keiner Zunahme des Trocken- gehaltes weder im Blut aus einer Vene des Pfortadersystems noch aus einer Arterie.

II.

Infolge von Adrenalininjektion kommt es durchaus nicht in allen Fällen, trotz hoher Blutdrucksteigerung, zu einer Zu- nahme des Trockengehaltes des Blutes. Sicher gelangt die Ein- dekung nur zur Beobachtung, wenn man mehrere Minuten, mindestens 3!/, bis 4, nach der Adrenalininjektion wartet. Die Langsamkeit der Bluteindickung nach Adrenalininjektion steht im Gegensatz zu der großen Geschwindigkeit, mit welcher bei Organtätigkeit die Zunahme des Trockengehaltes im Blute eintritt. Die Bluteindickung nach Adrenalininjektion wurde zurückgeführt auf die besonderen Verhältnisse, welche die Adre- nalininjektion begleiten und nicht auf die Blutdruck- Steigerung.

Untersuchungen über die Permeabilität der Gefäßwände. 353

III.

Bei Blutentzug tritt in sehr wenigen Sekunden eine merk- liche Verdünnung des Blutes ein. Der Flüssigkeitsaustausch kann also in sehr kurzer Zeit bewerkstelligt werden. Auch nach Adrenalininjektion tritt nach Blutentzug sehr rasch Blutveraünnung ein, was dagegen spricht, daß die von einigen Autoren angenommene verminderte Permeabilität der Capillaren hinreichend groß sei, um die verzögerten Beeinflussungen des Flüssigkeitsaustausches zwischen Blut und Gewebe nach Adre- nalininjektion zu erklären.

IV.

Blutdrucksenkung und Verdünnung des Blutes gehen durchaus nicht immer Hand in Hand, was dagegen spricht, daß notwendigerweise die Blutdrucksenkung ein Mittel sei, um Flüssigkeitseintritt aus den Geweben in die Blutbahn zu be- wirken.

V.

Bei Asphyxie kommt es nicht zu einer Zunnahme des Trockengehaltes des Blutes. Da durch Asphyxie der Blut-

druck wesentlich gesteigert wurde, ist hierdurch ein neues Ar- gument gewonnen gegen die Annahme, daß innerhalb der physiologischen Grenzen Blutdruckschwankung notwendiger- weise Filtration hervorrufen muß. Zweitens wird durch diese Tatsache bewiesen, daß Kohlensäure entgegen der Annahme mancher Autoren die Permeabilität der Gefäße nicht merklich beeinflußt. Die Frage nach der etwaigen Beeinflussung der Permeabilität der Capillaren muß auf Grund dieses Resultats gerichtet werden auf die Untersuchung einzelner für das be- treffende Gewebe spezifischen Produkte.

VI.

Nach intravenöser Injektion von wenigen Kubikzentimetern Galle beim Hund kommt es bei stark gesteigerter Gallen- absonderung zu einer wesentlichen Zunahme des Trockengehaltes des Blutes. Dabei sinkt stetig der Blutdruck, wodurch ein

neuer Beweis gegen den notwendigen Zusammenhang von Blut- 24*

354 B. Böhm: Untersuchungen über die Permeabilität der Gefäßwände.

drucksenkung und Blutverdünnung gewonnen ist. Die Zu- nahme des Trockengehaltes im Blute unter den vorliegenden Versuchsbedingungen wird zurückgeführt auf die Folge der Stoffiwechselvorgänge bei erhöhter Organtätigkeit, analog wie bei der Speicheldrüss.. Doch mußte nebenher auch an die Möglichkeit der Permeabilitätsbeeinflussung der Capillaren- dothelien infolge der Einwirkung der im Blute kreisenden Gallensäuren gedacht werden.

Mineralstoffzusammensetzung der Knochen bei Osteomalacie.

Von Caesare Cappezzuoli. (Aus der Klinik für innere Medizin in Florenz.) (Eingegangen am 5. Februar 1909.)

Es ist noch nicht genau festgestellt worden, wie die phy- siologische Verknöcherung der Knorpel geschieht. Wir finden z&hlreiche histologische Arbeiten hierüber, jedoch ist über den Chemismus des Vorganges wenig bekannt. Grandis und Co- pella untersuchten die Gliederknorpel in verschiedenen Ver- knöcherungsstadien und fanden, daß beim Verknöcherungsprozeß eine Vermehrung an Ca und P erfolgt, während der Magne- siumgehalt stark abnimmt, also der umgekehrte Vorgang wie bei der Osteomalacie eintritt.

Es wurden bezüglich der letzteren mehrere Hypothesen mit mehr und weniger Glück aufgestellt, hinsichtlich deren ich auf die Literatur!) verweise.

Die folgenden Versuche sind an einem Ostemalacie-Fall ausgeführt, über dessen klinischen Verlauf Levi und Stefa- nelli?) berichtet haben.

Ich wollte intra vitam Untersuchungen über den Mineral- stoffwechsel vornehmen, jedoch ist dies unmöglich gewesen, weil die Patientin Harn und Kot unwillkürlich entleerte.

Bei der Obduktion waren die Knochen sehr verändert, alle mehr oder weniger erweicht, besonders die flachen; die Dicke der langen war stark reduziert; die Oberfläche zeigte zahlreiche größere Öffnungen. Der Schädel war so weich, daß man ihn mit dem Messer leicht durchschneiden konnte. Er

1) Albu-Neuberg, Physiologie und Pathologie des Mineralstoff- wechsels. Berlin 1906.

2) Levy und Stefanelli, Rev. critica di Clinica medioa 1908, Nr. 21 u. 27.

356 C. Cappezzuoli: Mineralstoffzusammensetz. d. Knoch. b. Osteomalacie.

war ein wenig in den Frontalteilen verdickt. Bedeutende Kyphoskoliosis am oberen Teil der Wirbelsäule.

Für die Analysen sammelte ich einige flache Knochen (Hinterhaupt-, Stirn- und Brustbein-, Beckenknochen) sowie lange (Schulter-, Hüften-, Schienbein- und Rippenknochen) und löste deren Periost sorgfältig ab, zerstückelte sie und entfernte das Fett durch Verseifung. Nach dem Trocknen bei 100° bis zur Gewichtskonstanz wurde die Substanz verascht. Ein be- stimmter Teil der Asche wurde in destilliertem Wasser gelöst, wobei nicht alles in Lösung ging, der andere Teil mit Essigsäure und stark verdünnter Salzsäure vollständig in Lösung gebracht. Die Analysen habe ich nach den gebräuchlichen Methoden doppelt ausgeführt, und fand in 100 Teilen der Trocken-

substanz:

Lange Knochen Flache Knochen Asche = 42,46°/, Asche = 39,98 °/,

Asche, wasserlöslich - 41,04°/, 49,09°/, Asche, unlöslich in H,O 58,96°/, 50,91°/, In 100 Teilen der Asche: CaO = 36,05°/, CaO = 32,75°/,

MgO = 1,12°/, MgO = Lann,

PO, = 31,12°/, PO. = 29,15°/, In 100 Teilen der wasserfreien Substanz:

CaO = 14,83°/, CaO = 13,11 °/,

MgO = 0,46°/, MgO = 0,60°/,

PO, = 12,81 °/, P0, = 11,66 °/,

Ca: Mg == 100:2,66 Ca:Mg = 100:3,85

Hieraus geht folgendes hervor:

1. Die prozentuale Menge der Asche und der Trocken- substanz ist vermindert.

2. Alle mineralischen Substanzen im Knochengewebe sind verringert.

3. Die Verminderung an Ca ist stärker als an Mg, und das Verhältnis beider übersteigt das normale mit den Werten 2,66°/ und 3,83°/, statt 1,14°/,.

4. Die chemischen Veränderungen sind in den flachen Knochen stärker als in den langen.

Das Verhalten der Leber gegen körperfremde Eiweißstoffe.

Von Felix Reach.

(Aus dem physiologischen Institut der k. k. Hochschule für Bodenkultur Ä in Wien.)

(Eingegangen am 15. Februar 1909.)

Die Spaltung der Eiweißstoffe in den Organen ist in den letzten Jahren vielfach Gegenstand wissenschaftlicher Unter- suchungen gewesen. Man hat fast stets Organbrei oder Organ- extrakt in vitro zu solchen Untersuchungen verwendet. Da zwischen dem Vorgange bei derartigen Reagensglasversuchen und dem zu erforschenden im lebenden Tierkörper eine große Differenz besteht, so sagen solche Experimente wenig über den Abbau der Eiweißkörper im lebenden Organismus aus. Wir erfahren aus diesen Versuchen nicht, welche Rolle die hydro- lytische Spaltung neben dem oxydativen Abbau spielt. Es ergibt sich daher von selbst die Forderung, diese Umsetzungen auch in Experimenten zu erforschen, bei welchen die Verhält- nisse der im lebenden Tierkörper ähnlichere sind, und es wäre der erste Schritt auf diesem Wege an überlebenden Organen bei erhalten gebliebener Zirkulation zu experimentieren. Indes ist dieser Weg noch wenig beschritten worden. E. Freund’) (und Töpfer) haben eine Anzahl hierhergehöriger Versuche an- gestellt. In einem Teile dieser Untersuchungen wurde die Leber mit defibriniertem Blute durchströmt, und zum Beginne wie am Schlusse die N-Verteilung im Blute untersucht. Freund fand nun, daß die Leber aus den Arterien entnommenes Blut

1) Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 4, 1.

358 F. Reach:

fast gar nicht hinsichtlich seiner Eiweißkörper veränderte; auch zugesetztes art- oder körperfremdes Eiweiß wurde nicht ver- ändert. Nur wenn zu der Durchströmung Pfortaderblut ver- wendet wurde, zeigten sich die Zerfallsprodukte nach der Durchströmung wesentlich vermehrt, und zwar war dies nament- lich dann der Fall, wenn das Pfortaderblut einem in Verdauung befindlichen Tiere entnommen war. Freund folgert aus diesen und anderen Versuchen, daß die Leber nur einen bestimmten Eiweißkörper zu zersetzen imstande sei, der bei der Resorption in der Darmwand entstehen sollte. Auf die weiteren Fol- gerungen Freunds und ihre Begründung soll hier nicht ein- gegangen werden.

Schlüsse, die sich auf die N-Verteilung in der Durch- strömungsflüssigkeit begründen, sind jedenfalls mit einer ge- wissen Unsicherheit behaftet, weil wir den N-Austausch zwischen Organ und Durchströmungsflüssigkeit weder ausschließen noch abschätzen können. Dem Vergleiche der N-Verteilung in der Flüssigkeit am Ende und zu Beginn der Durchströmung liegt die Voraussetzung zugrunde, daß kein N vom Blute in das Organ übergetreten sei und umgekehrt, und daß man es beide male mit denselben N-haltigen Körpern zu tun habe, die nur infolge ihrer Passage durch die Gefäße und Saftkanäle des Organes verändert worden sind. Für diese Voraussetzung fehlt es jedoch an einer tatsächlichen Grundlage.

Es spielt hier noch ein zweites Problem herein, nämlich jenes, das durch die von Voit aufgestellten Begriffe ‚zirku- lierendes Eiweiß“ und „Organeiweiß“ charakterisiert wird. Wir wissen noch immer nicht, ob die Eiweißzersetzungen im Innern des Körpers, hauptsächlich an der einen oder der an- deren Eiweißart vor sich gehen, und wir wissen auch nicht, in welchem Umfange etwa die eine Art des Eiweißes sich in die andere Art verwandeln kann. Der Umstand, daß die auto- lytischen Fermente intracellulär vorkommen, deutet jedoch darauf hin, daß Eiweiß, das zersetzt werden soll, erst in die Körperzellen aufgenommen werden muß.

Da also eine Unsicherheit dadurch entsteht, daß uns nicht bekannt ist, in welchem Umfange wir die N-haltigen Substanzen am Schlusse eines Durchströmungsversuches auf jene bei Be- ginn beziehen dürfen, erschien es zweckmäßig, derartige Ver-

Verhalten der Leber gegen körperfremde Eiweißstoffe. 359

suche unter Verwendung von gewissermaßen bezeichneten Ei- weißmolekülen anzustellen Im folgenden soll über einige Leberdurchströmungen berichtet werden, in denen der Durch- strömungsflüssigkeit Jodeiweiß zugesetzt war. Es bestand da- bei die Absicht, einerseits die J-Verteilung an Stelle der N- verteilung als Maßstab der stattgefundenen Eiweißzersetzungen zu benützen, während andererseits die Verteilung des Jods auf Leber und Durchströmungsflüssigkeit einen Anhaltspunkt für etwaige Speicherung von Jodeiweiß geben konnte. An Stelle der N-Verteilung die J-Verteilung zu untersuchen, haben vor kurzem auch von Fürth und Friedmann!) unternommen bei Versuchen, die im übrigen ganz anderer Art sind als die hier berichteten, und deren Veröffentlichung erst vor kurzem er- folgte, als diese Versuche bereits im Gange waren.

Als Jodeiweiß wurden bei unseren Durchströmungen zwei käufliche Präparate verwendet, und zwar das ‚Jodeigon-Na- trium“ der chemischen Fabrik Helfenberg und eine ‚„Jodalbu- mose‘ der Firma Boehringer in Mannheim.?2) Beide Prä- parate enthielten eine große Menge locker gebundenen Jods und mußten daher erst gereinigt werden. Es geschah dies ähnlich wie in den Versuchen von Fürth und Schwarz?) durch wiederholte Fällung mit Essigsäure aus schwach alkali- scher Lösung. Dieser ReinigungsprozeßB wurde so lange fort- gesetzt, bis die nach der Fällung übrig bleibende Flüssigkeit keine Jodreaktion mehr gab. Dabei nahm der Jodgehalt der Substanz wesentlich ab, so daß er beim Jodeigon-Natrium (wie auch v. Fürth und Schwarz mitteilen) von 11°/, auf ca. 2°/, sank. Überdies verminderte sich bei dieser Behandlung auch die Substanzmenge sehr wesentlich. Zum Schlusse dieses Reinigungsprozesses wurde die Flüssigkeit auf der Nutsche ab- gesaugt, und der Niederschlag im Vakuum getrocknet. Vor dem Versuch wurde der getrocknete Eiweißkörper in Wasser unter Zusatz jener sehr geringen Menge Alkali, die zur Neu- tralisation eben nötig war, gelöst. Diese Lösung wurde bei

1) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 1908, Suppl. (Festschrift f. Schmiedeberg).

2) Beiden Firmen bin ich für die Überlassung von Substanz zu Dank verpflichtet.

3) Pflügers Archiv 124, 145.

360 F. Reach:

Herstellung einer größeren Menge Ringerscher Flüssigkeit wie destilliertes Wasser (also unter Vernachlässigung der gelösten Substanz) verwendet, und diese Ringer-Lösung diente dann in einem Teil der Versuche noch mit Blut gemengt als Durchströmungsflüssigkeit. Bei der Reinigung zweier verschie- dener Proben von Jodeigon-Natrium wurde nicht das gleiche Endprodukt erhalten. Aus der Lösung ließ sich nämlich das eine mal durch Drittelsättigung mit Ammoniumsulfat bereits alle jodhaltige Substanz ausfällen ; dieses Präparat wird weiter- hin als Jodeigon-Natrium I bezeichnet. Bei einem zweiten Präparat waren nach Drittelsättigung noch merkbare Mengen von Jod im Filtrat nachweisbar (Jodeigon-Natrium II). Halb- sättigung mit Ammonsulfat genügte auch hier wie bei der Jodalbumose, um ein völlig jodfreies Filtrat zu erhalten.

Die Methode der Durchströmung schloß sich eng an die Angaben von Locke und Rosenheim!) an. Als Versuchs- tiere dienten Hunde und Katzen. In den Versuchen 6 und 7 waren die Tiere gefüttert, in den übrigen Versuchen hatten sie 2 bis 3 Tage vorher gehungert. Als Durchströmungsflüssigkeit diente meist die mit dem Jodeiweiß versetzte Ringersche Lösung. In den Versuchen 6 und 7 wurde diese Flüssigkeit noch mit Blut gemischt. Das eine mal wurde defibriniertes Blut genommen, Es fiel jedoch in diesem Versuche die Durch- strömung sehr unvollkommen aus. Das nächste mal wurde in folgender Weise vorgegangen: Ein Hund wurde aus der Pfort- ader verblutet, und das Blut durch Zusatz von Hirudin (in Ringerscher Flüssigkeit gelöst) ungerinnbar gemacht. Dieses Blut wurde mit der jodeiweißhaltigen Ringerlösung ge- mischt, und die Leber eines zweiten Hundes damit durch- strömt. Die Verwendung von Hirudin an Stelle des Defibri- nierens scheint auch den Vorteil zu haben, daß es das Blut weniger eingreifend verändert. Wenigstens sprechen dafür einige Versuche von Pfaff und Vejnx-Tyrode°). Bei Durch- strömung der überlebenden Niere konnten diese Autoren nur eine sehr geringe Menge von Harn erhalten, wenn sie de- fibriniertes Blut verwendeten. Hingegen war die Harnmenge

1) Journ. of Physiol. 36. 2) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 29.

Verhalten der Leber gegen körperfremde Eiweißstoffe. 361

eine beträchtliche, wenn sie nicht defibriniertes aber durch Blutegelextrakt ungerinnbar gemachtes Blut verwendeten.

Am Schlusse der Versuche wurde in der Flüssigkeit die Gesamtmenge des vorhandenen Jods nach Veraschung bestimmt. Hierzu diente die colorimetrische Methode in jener Form, die im Berner pharmakologischen Laboratorium ausgearbeitet!) wurde. Es wurde ferner ein Teil der Durchströmungsflüssigkeit mit Ammonsulfat versetzt. Bei Verwendung von Eigon-Na- trium I, bei dem, wie oben angeführt, schon bei Drittelsättigung alle jodhaltige Substanz in den Niederschlag ging, wurde die Drittelsättigung, die Halbsättigung und die Ganzsättigung vor- genommen; bei Verwendung der übrigen Präparate nur die Halb- und Ganzsättigung. Die Ausführung der Jodbestimmung in den ammonsulfatreichen Filtraten erwies sich als einigermaßen umständlich.

Die Leber wurde nach Beendigung der Durchströmung in folgender Weise behandelt. Nachdem sich möglichst viel Flüssigkeit entleert hatte, wurde durch gelinden Druck noch einige Flüssigkeit ausgepreßt, so daß die weitere Untersuchung an dem möglichst „ausgebluteten‘‘ Organ vorgenommen wurde. Es wurden nach Wägung des ganzen Organs ein oder zwei Stücke aus der Umgebung der Porta entnommen, gewogen und im ganzen verascht, oder die ganze Leber durch die Fleisch- hackmaschine geschickt und hierauf die Jodbestimmung an einem (oder 2) aliquoten Teilen vorgenommen. Der Rest der Leber wurde mit Ringerscher Lösung extrahiert; denn es lag im ursprünglichen Versuchsplan, auch hier die Jodverteilung zu untersuchen.

Es zeigte sich nun zunächst, daß die Leber mindestens in manchen Fällen offenbar Jod angehäuft hatte. In zweien der Versuche, nämlich in den Versuchen 1 und 4 enthielt die Leber sogar mehr Jod als die Durchströmungsflüssigkeit. Setzt man den Jodgehalt von 100 ccm Flüssigkeit 100, so betragen die bezüglichen Verhältniszahlen für die Jod- menge in 100 g Leber in dem Versuche Nr. 1 == 139 und in dem Versuche 4 —= 150. Auch in andern Versuchen ist der Gehalt der Leber an Jod ein recht beträchtlicher. Die Ver-

1) Anten, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 48.

362 F. Reach:

hältniszahlen sind im Versuche 3 75, im Versuche 7 = 57, im Versuche 2 = 41]. Auch in diesen Fällen muß man eine Aufspeicherung von Jod in den Leberzellen annehmen, da man sonst voraussetzen müßte, daß ca. 50°/, der ausgebluteten Leber noch aus Durchströmungsflüssigkeit bestanden habe. In zwei weiteren Versuchen war der Jodgehalt der Leber ein ge- ringer. In Versuch 6 war die Durchströmung überhaupt, wie schon erwähnt, eine sehr unvollkommene, und es ist daher kein Wunder, daß die Leber, die hier im ganzen zerkleinert und untersucht wurde, nur Spuren von Jod enthielt. In dem Ver- suche 5 beträgt die, wie oben, berechnete Verhältniszahl 17. In diesem Falle zeigte sich die Leber bei Eröfinung der Bauch- höhle auffallend anämisch, so daß man annehmen kann, daß es sich hier wohl um kein normales Organ gehandelt hat. Daß auch in den übrigen Fällen der Jodgehalt der Leber schwankt, beruht zum Teile wohl ohne Zweifel darauf, daß die Durch- strömung verschieden intensiv war. Zum Teil dürfte der Grund wohl in der verschieden starken Funktion der Leber liegen. Bei Versuchen an überlebenden Organen darf man keine allzu große Regelmäßigkeit erwarten; denn überlebende Organe sind stets absterbende, und es liegt nicht in unserer Hand, die Ge- schwindigkeit, mit der die Organzellen absterben, gleichmäßig zu gestalten. Es scheint jedoch gerade der Umstand, daß auch nach gutgelungener Durchströmung ein so geringer rela- tiver Jodgehalt wie in dem Versuche 5 gefunden wurde, darauf hinzudeuten, daß die Jodspeicherung auch in jenen Fällen, wo wir Verhältniszahlen wie 57 oder 41 hatten, eine recht be- deutende ist. Denn wenn keine Jodspeicherung stattfände, so wäre der Jodgehalt der Leber am Ende der Durchströmung ein Maß für den Gehalt des durchströmten Organs an Durch- strömungsflüssigkeit. Wenn das gut durchströmte Organ nach dem Versuche 5 höchstens 17°/, Flüssigkeit enthielt, so wird man um so mehr annehmen dürfen, daß auch beispielsweise im Versuche 2 wesentlich weniger als 41°/, des Gewichtes aus Durchströmungsflüssigkeit bestand, daß also eine erhebliche Speicherung von jodhaltigem Material stattgefunden hat. Wenn man an die Durchströmung‘ mit der jodeiweißhaltigen Flüssig- keit noch eine Ausspülung mit einer jodfreien anschlösse, so würden solche Versuche noch Näheres darüber aussagen, wie

Verhalten der Leber gegen körperfremde Eiweißstoffe. 363

fest das Jodeiweiß in der Leberzelle gebunden ist. Versuche solcher Art wurden bisher noch nicht angestellt. Es zeigt je- doch ein Teil der hier berichteten Versuche auch ohne dies unzweifelhaft, daß die Leber die zugeführte Substanz auf- gespeichert hat. Daß diese aufgespeicherte Substanz noch die Form des Jodeiweißes hatte, dafür sprechen zweierlei Befunde. Erstens der Umstand, daß sich nur sehr wenig Jod aus der Leber extrahieren ließ, und zweitens, daß die Leber das Jod- eiweiß überhaupt nur in sehr geringem Maße zersetzte.

Mit diesem Befunde stimmt der von Seitz!) erhobene in gewisser Beziehung überein. Letzterer fand nämlich bei Ver- suchen an Vögeln, daß die Leber bei länger dauernder Eiweiß- mast als Vorratsorgan des Organismus für Eiweiß funktioniert.

Die Untersuchung der Durchströmungsflüssigkeit zeigte, daß die Proteolyse eine sehr geringe war. Bei Ganzsättigung war in keinem Falle Jod im Filtrate. Es fand sich also in der Durchströmungsflüssigkeit gar kein über die Stufe der Al- bumosen abgebautes Jodeiweiß. Auch bis zu dieser Stufe ist die Zersetzung dem Umfange nach eine gering. Nur in den Versuchen 1 und 5 ist eine etwas größere Menge (ungefähr 44°/,) so weit abgebaut worden, daß sie bei Drittelsättigung nicht ausfiel. Doch enthielt auch in diesen Fällen das Filtrat nach Halbsättigung kein Jod mehr. Auch die Verwendung von verdünntem Pfortaderblut als Durchströmungsflüssigkeit änderte an der Geringfügigkeit der Zersetzung nichts. Ein Zu- sammenhang zwischen der Aufspeicherung und der Spaltung des zugeführten Jodeiweißes war nicht ersichtlich.

Die Untersuchung der Durchströmungsflüssigkeit auf die J-Verteilung bestätigt also einen Teil dessen, was Freund durch die Untersuchung der N-Verteilung gefunden hat, näm- lich daß die überlebende Leber körperfremdes Eiweiß in größerem Umfange nicht zersetzt.

Fassen wir also die Resultate dieser Untersuchungen kurz zusammen, so können wir folgendes sagen: Über das Ver- halten von körperfremdem Eiweiß in der Leber haben Durchströmungsversuche mit Jodeiweiß gezeigt, daß die Leber das körperfremde Eiweiß aufspeicherte.

1) Pflügers Archiv 111, 1906.

364 F. Reach:

Eine Spaltung des Eiweißes war nur in sehr geringem Umfange und nur in sehr geringem Grade nach- weisbar.

Versuchsprotokolle.

I. Katze, 1,5 kg von Gewicht, Leber 56,6 g. 2 Stunden durchströmt mit Ringer 4 Jodeigon-Natrium Nr. 1 (bei Drittel- sättigung fällbar). 100 ccm Flüssigkeit enthalten 4,8 mg Jod. Filtrat nach Drittelsättigung entsprechend derselben Menge ur- sprünglicher Flüssigkeit 2,1 mg Jod. Filtrat nach Halbsättigung jodfrei. Jodgehalt der Leber auf 100 g umgerechnet 6,7 mg. Hiervon gingen in Lösung 2,8 mg.

II. Hund, 9,5 kg. Leber 288g. 2 Stunden durchströmt mit Ringer 4 Jodalbumose. Auf 100 ccm Flüssigkeit 16 mg Jod. Filtrat nach Halbsättigung 0,6 mg. Nach Ganzsättigung jodfrei. Auf 100 g Leber kommen 6,5 mg Jod; hiervon gehen bei Extraktion mit Ringerscher Flüssigkeit auf dem Wasser- bade in Lösung 1,7 mg.

III. Hund, 6,4 kg. Leber 238 g. 2 Stunden durchströmt mit Ringer -+ Jodalbumose. Auf 100 ccm Flüssigkeit 3,6 mg Jod. Im Filtrat nach Halbsättigung kein Jod. Auf 100 g Leber 2,7 mg Jod, wovon bei Extraktion in der Wärme wie vorhin nur Spuren in Lösung gehen.

IV. Hund, 13,3 kg. Leber 516 g. 2 Stunden durchblutet mit Jodeigon-Natrium Nr. 1. Auf 100 ccm Flüssigkeit 1 mg Jod. Nach Drittelsättigung nur Spuren, nach Halbsättigung gar kein Jod im Filtrat. Auf 100g Leber 15 mg Jod, wovon geringe Mengen in Lösung gehen.

V. Katze, 2,8kg. Die Leber zeigt sich bei Eröffnung des Leibes auffallend blaß, sie wiegt 72 g. 1'/, Stunden durch- strömt mit Jodeigonnatrium Nr. 1. Auf 100 ccm Flüssigkeit 7,4 mg Jod, wovon bei Drittelsättigung 3,0 g ausgefällt werden. Filtrat nach Halbsättigung jodfrei. Die Leber enthielt auf 100 g 1,2 mg Jod. Die in Lösung gegangene Menge wurde nicht bestimmt, weil bei dem geringen Gehalt der Leber an Jod und ihrem geringen Gewicht die Substanzmenge, die nach einer Doppelbestimmung des Gesamtjodes zurückblieb, jeden- falls nur sehr geringe Mengen Jod enthalten konnte.

F. Reach: Verhalten der Leber gegen körperfremde Eiweißstoffe. 365

VI. Hund, 7 kg. Leber 1700 g. Zur Durchströmung wurde defibriniertes Blut desselben Tieres mit einer Lösung von Jod- eigon-Natrium Nr. 2 (Jod erst bei Halbsättigung vollständig aus- fällbar) verdünnt. Die Durchströmung war sehr unvollkommen. In der Leber waren Spuren von Jod nachweisbar. Trotzdem zeigte das Filtrat nach Halbsättigung der Flüssigkeit ebenfalls noch Spuren von Jod.

VII. Einem Hunde von 5 kg wurden 100 ccm Pfortaderblut entnommen und durch Zusatz von etwas Hirudin flüssig er- halten. Sie wurden mit 300 ccm Jodeigon-Natrium Nr. 2 ge- mischt und dienten als Durchströmungsflüssigkeit. Durchströmt wurde die 292 g schwere Leber eines zweiten Hundes von 6,8 kg Gewicht. Die Durchströmungsflüssigkeit enthielt auf 100 ccm 3 mg Jod, wovon nur Spuren in das Filtrat nach Halb- sättigung übergingen. Von zwei untersuchten Leberstücken enthielt das eine 1,5, das andere 1,8 mg Jod.

Über Lipoide. Von Sigmund Fränkel.

Zweite Mitteilung.

Über die ungesättigten Phosphatide der Niere. Von Alexander Nogueira, Montevideo. (Aus dem Laboratorium der L. Spieglerstiftung in Wien.) (Eingegangen am 16. Februar 1909.)

Im Rahmen der Untersuchungen über Lipoide, die in diesem Institut eben durchgeführt werden, haben wir es unter- nommen, die Phosphatide der Niere zu bearbeiten, da uns dieses nicht nur vom physiologischen, sondern auch vom kli- nischen Standpunkte wichtig erschien. Die bisherigen Unter- suchungen über Phosphatide, welche im hiesigen Institute durchgeführt wurden, haben gezeigt, daß der Lipoidgehalt und noch spezieller der Phosphatidgehalt der verschiedenen Organe desselben Tieres sehr verschieden ist, daß die Phosphatide der verschiedenen Organe untereinander sehr verschieden sind, daß aber auch verschiedene Tierarten in gleichen Organen chemisch verschiedene Phosphatide enthalten, so daß das Studium dieser Substanzen sich keineswegs darauf beschränken darf, wie e von mancher Seite geschehen ist, sich mit der bloßen Kon- statierung oder quantitativen Bestimmung des Phosphors in ätherischen Extrakten der Organe zu begnügen, sondern es ist vielmehr notwendig, wenn wir Fortschritte in der Kenntnis dieser Substanzen machen wollen und wenn wir ferner die Rolle dieser Substanzen in der Physiologie und Pathologie verstehen wollen,

A. Nogueira: Über Lipoide. II. 367

diese Substanzen zu isolieren und die einzelnen chemischen Individuen einer weiteren chemischen Untersuchung und Spal- tung zu unterziehen.

Bei Untersuchungen dieser Art haben wir bemerkt, daß kein einziges Organ von denen, die wir bis jetzt in Betracht gezogen haben, nur ein Phosphatid enthält, sondern es waren überall mehrere Phosphatide von verschiedenen Typen zu finden. Merkwürdigerweise fehlen aber in den bisher untersuchten Organen die Phosphatide des Lecithin- typus, das sind Phosphatide, welche je ein Stickstoffatom in Form von Cholin, ein Phosphoratom in Form von Glycerinphosphor- säure, sowie eine gesättigte und eine ungesättigte Fettsäure enthalten.

Über die Phosphatide der Niere sind bis jetzt nur äußerst spärliche Untersuchungen vorgenommen worden und in einer Art (Phosphorbestimmung des Ätherextraktes), die wir schon einleitend kritisiert haben. Die Isolierung chemischer Indi- viduen wurde nicht einmal versucht, und dadurch ist jeder Versuch, sich mit den Phosphatiden der Niere zu beschäftigen, von großer physiologischer Tragweite, wie aus der leider zu wenig beachteten Untersuchung von Leo Liebermann!) zu entnehmen ist. Dieser Forscher hat sich zwar nicht mit der Individualität der Phosphatide beschäftigt, aber er hat die physiologische Rolle dieser Substanzen durch seine einfachen Versuche dem Verständnis nähergerückt. Der in Pepsinsalz- säure unverdauliche Anteil der Nieren sowie das Lecithalbumin aus der Magenschleimhaut geben, mit einer alkalischen Lösung von harnsaurem Natron übergossen, ein intensiv saures Filtrat, ebenso gibt Lecithalbumin mit dem stark alkalisch reagie- renden Dinatriumphosphat ein saures Filtrat, während die Rückstände am Filter stark alkalisch reagieren. Liebermann will nach dieser Beobachtung aus der Anwesenheit von Lecith- albumin im Nierengewebe die Abscheidung des normalen sauren Harns aus alkalischer Blutflüssigkeit erklären; ja, er möchte noch weiter gehen und die Entstehung des harnsauren In- farktes, des Nierensandes, dem Gehalte der Niere an Lecith- albumin zuschreiben, da gewisse Individuen dazu stärker dis-

1) L. Liebermann, Pfiügers Archiv 50, 55. Biochemische Zeitschrift Band 16. 25

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ponieren als andere, was vielleicht mit einem höheren Gehalt der Zellen an Lecithalbumin, welche der Harn in den Nieren passieren muß, zusanımenhängt; ja der alkalische Harn der Pflanzenfresser wäre nach dieser Auffassung darum von solcher Beschaffenheit, weil das Lecithalbumin der harnfiltrierenden Schichten nicht ausreicht, die große Menge von Alkali zu binden, welche bei vegetabilischer Kost im Organismus entsteht. Wie sich die Sache auch immer verhalten mag, so scheint uns diese Auffassung erwähnenswert, als erster Versuch die physiologische Rolle der Nierenphosphatide festzulegen.

Die wenigen anderen Untersuchungen über die Phospha- tide beziehen sich durchaus auf pathologische Nieren des Men- schen, was aus dem Grunde sehr mißlich ist, weil über den physiologischen Gehalt und die Arten der physiologisch vor- kommenden Phosphatide der Menschenniere noch keinerlei, auch nur annähernd ausreichende Untersuchungen vorliegen.

Delamare und Lecene!) fanden, daß die Hypernephrome reich an „Lecithin‘“ sind. Gatti?) gibt an, daß Prüfungen in Grawitz-Tumoren nach Hoppe-Seylers Bestimmungsmethode 3,74°/, Lecithin gaben. Da die Nebennieren sehr reich an Phosphatiden sind, entspricht dieses den histologischen Unter- suchungen, welche den Ursprung dieser Tumoren aus dem Nebennierengewebe feststellen, so daß diese Arbeit viel weniger auf die Niere als auf die Nebenniere sich bezieht. Rübow?) hat den Lecitlingehalt der Niere unter normalen Verhältnissen und bei der Fettdegeneration untersucht. Dieser Lecithingehalt wurde durch Phosphorbestimmung des AÄtherextraktes fest- gestellt. Die Untersuchung der Nieren ein und desselben Indi- viduums ergab, daß beide Organe dieselbe Menge eines äther- löslichen Extraktes enthalten. Die Versuche, durch toxische Einwirkungen eine fettige Degeneration der Niere hervorzurufen, sind mißlungen. Edw. Dunham‘) hat aus Rinderniere die Carnaubasäure C,,H,,O, dargestellt, welche in lipoider Substanz enthalten war und durch Verseifung dieser gewonnen wurde.

1) Delamare et Lecene, Compt. rend. 62, 442.

2) Gatti, Virchows Archiv 150, 417—425.

3) Rübow, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 1906.

1) Edw. Dunham, Acid from beef kidney. Journ. of Biolog. Chem. 1908.

Über Lipoide. II. 369

Die Muttersubstanz der Carnaubasäure wurde nicht rein dar- gestellt, sie wird als ‚cerebronartig‘‘ angegeben. Klemperer?) fand bei der Untersuchung einer normalen Niere 1,38°/, Ather- extrakt, wovon 0,3°/, Cholesterin und 0,6°/, Lecithin waren. Somit fand sich 0,9°/, lipoider Substanzen und noch nicht "Hl reines Fett. In pathologischen Fällen fanden sich sehr erhebliche Lipoidmengen; zweifellos ist ein Lipoidgehalt von 3,22°/,, wie ihn die „Fett“niere bei Morbus Brightii zeigte, ganz außerhalb der Norm. Klemperer glaubt, daß bei der Armut des Blutserums an lipoiden Substanzen, diese Lipoide aus der zugrunde gegangenen Zelle der Niere entstanden sein müssen. Somit würde höherer Gehalt an lipoider Substanz (früher als Fettdegeneration bezeichnet) in Wirklichkeit ein Beweis für Nekrose sein. Das in der Niere sichtbare Fett ist zum größten Teil kein wirkliches Fett, sondern die sichtbar gewordene Lipoidsubstanz der Zelle; eg handelt sich nicht um eine fettige Metamorphose, sondern um eine fettige „Pha- nerose‘‘,

Das Studium der nicht eiweißartigen Zellbestandteile der Niere wird entschieden dazu beitragen, das physiologische Erkennen und Verstehen der biologischen Prozesse der Niere zu fördern, aber dieses Erkennen muß basiert werden auf dem Studium der physiologisch vorkommenden Substanzen bei ver- schiedenen Tierklassen und beim Menschen sowie auf der Ver- änderung dieser Substanzen unter verschiedenen pathologischen Bedingungen.

Die unzureichenden Kenntnisse der chemischen Anatomie dieses Gewebes kann nur zu kurzlebigen Hypothesen, aber nicht zu völligem Erfassen der physiologischen und pathologischen Nierenfunktion führen. Freilich ist diese Art der Forschung ungleich schwieriger, aber nur sie kann unseres Erachtens zu einer völligen Klärung führen, während rein analytische Daten über den Phosphorgehalt des Atherextraktes uns keinerlei Ein- blick in das Wesen der Substanzen und der ablaufenden Pro- zesse gestatten.

Es ist uns gelungen, nach einem im experimentellen Teil detailliert beschriebenen Verfahren aus der Rinderniere drei

1) G. Kemperer, Verhdl. d. Kongr. f. inn. Med. 24, 320.

25*

370 A. Nogueira:

ungesättigte Phosphatide darzustellen. Eins von diesen Phos- phatiden hatte die Eigenschaften des Kephalins, ohne daß wir aber in der Lage wären, bei der geringen Menge, die wir erhielten, dieses Präparat der nach unseren Erfahrungen sehr um- ständlichen Reinigung zu unterziehen, so daß wir nur feststellen konnten, daß diese Substanz aus ihrer ätherischen Lösung durch absoluten Alkohol fällbar und ungemein sauerstofiavid ist. Die Erfahrungen, die im hiesigen Laboratorium mit Kephalin aus Gehirn gemacht wurden, zeigen, daß diese Substanz nur sehr schwierig von anderen sie begleitenden Körpern zu trennen ist und daß man mit kleinen Mengen Trennungen dieser Art über- haupt nicht durchführen kann. Die trockene Substanz war von dunkelgelber Farbe, harzig; bräunte sich stark und rasch im Thermostaten (bei 100°); fängt um 125° an zu schmelzen und zersetzt sich um 135°; die Jodzahl war 70,38°/,. Sie ist leicht löslich in Äther, löslich in Chloroform, sehr wenig löslich in siedendem Alkohol, unlöslich in Wasser und reinem Alkohol.

Aus der kephalinfreien Lösung wurde als Cadmiumver- bindung eine Substanz gefällt, deren Analysen zu der Formel Cl, ach Bad. führt. Diese Substanz erweist sich also als ein ungesättigtes Triaminodiphosphatid, und die zu- grunde liegende Verbindung ist C,H,3,N3P,0O,,. Die Verbindung vermag 2 Moleküle Chlorcadmium zu addieren, ebenso 2 Mole- küle Salzsäure, so daß sie als eine zweibasische Substanz auf- zufassen ist. Die Jodzahl der Cadmiumverbindung ist 63,48; die Jodzahl des freien Phosphatides 82, was für eine sehr un- gesättigte Verbindung spricht. Von den Stickstoffen scheinen zwei in Form von Cholin enthalten zu sein, wenigstens spricht hierfür der Ausfall der Bestimmung der Methylgruppen am Stickstoff, ebenso wie die Addition der zwei Salzsäuren und der zwei Chlorcadmiummoleküle. Über die Bindung des dritten N-Atoms kann nur eine Hydrolyse Aufschluß geben, zu der uns leider keine genügende Menge Substanz zur Ver- fügung steht.

Neben dieser Substanz beobachteten wir eine dritte, welche ein Diaminomonophosphatid ist und völlig differente Eigen- schaften zeigt. Sie addiert keine Salzsäure wie das vorher beschriebene Triaminodiphosphatid, aber sie verbindet sich mit Cadmium. Die Analysen der Cadmiumverbindung führen zu

Über Lipoide. II. 371

der Formel C,,H.,N,PO,.(CdCl,),. Sie ist weitaus weniger un- gesättigt als die vorher beschriebene, da ihre Jodzahl. nur 25,81°/,, resp. die der cadmiumfreien Substanz 37,83°/, ist. Die Bestimmung von Methyl am N führt zu dem Resultate, daß nur das eine von beiden N-Atomen in Form von Cholin vorliegt, und daß noch eine zweite basische Substanz am Auf- baue dieser Verbindung teilnimmt, welche noch nicht ermittelt werden konnte.

Man wird kaum in der Lage sein, bei der relativ geringen Menge Lipoid, welche man aus den Organen erhält, die Frage nach den basischen Produkten zu lösen, bevor uns nicht das Studium der basischen Spaltungsprodukte der Gehirnlipoide mehr Kenntnisse verschafft hat, da ja dieses Gewebe am reich- sten an Phosphatiden ist und die größte Wahrscheinlichkeit bietet, daß man dort zuerst die einzelnen Basen isolieren und deren Konstitution bestimmen kann.

Wir haben also in der Rinderniere bis nun nur drei un- gesättigte Phosphatide beobachten können; das eine hat die Eigenschaften des Kephalins und kommt in relativ geringer Menge vor; wir waren nicht in der Lage, dieses in so geringer Menge vorkommende rein darzustellen. Sehr reichlich enthält die Rinderniere ein stark ungesättigtes Phosphatid, welches als Triaminodiphosphatid anzusehen ist, von basischer Natur, zwei Moleküle Salzsäure und zwei Moleküle Chlorcadmium addiert; diese Verbindung ist relativ sehr sauerstofifreich. Zwei von den drei Stickstoffen sind in Form von Cholin enthalten.

Neben dieser Substanz kommt in geringerer Menge ein Diaminomonophosphatid vor, welches weniger ungesättigt ist, keine Salzsäure addiert, also nicht basischen Charakter hat wie die vorher beschriebene Substanz.

Über gesättigte Phosphatide der Niere sowie über ver- gleichende Untersuchungen bei anderen Tierarten wird später im Rahmen dieser Veröffentlichungen unserer Schule Mitteilung gemacht werden.

Experimenteller Teil, 1700 g ganz frische vom Fett abpräparierte Rindernieren wurden in der Fleischmaschine rasch zerkleinert und der Brei in flachen Porzellanschalen im Thermostaten bei 100° inner-

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halb 4 Stunden zur Trocknis gebracht, hierauf mit 31 Aceton in einem großen, metallenen Soxhlet erschöpfend extrahiert, der Rückstand im Vakuum von Aceton befreit und mit 4 1 schwachem Alkohol siedend heiß extrahiert; dieerhaltenen Lösungen wurden 24 Stunden bei gehalten, wobei ein Niederschlag in der alkoholischen Lösung entstand. Die acetonige Lösung gab mit Cadmiumchlorid keinerlei Fällung. Aber die acetonige Lösung setzte ebenfalls einen Niederschlag ab. Die beiden Nieder- schläge aus der acetonigen und alkoholischen Lösung wurden vereinigt, wiederholt mit Aceton ausgekocht und der Rück- stand völlig restlos in Ather gelöst. Die ätherische Lösung wurde mit absolutem Alkohol gefällt, wobei eine kephalinartige Substanz ausfiel. Diese wurde in Tetrachlorkohlenstoff gelöst und nochmals mit absolutem Alkohol gefällt.

Die ätherisch-alkoholische, kephalinfreie Lösung wurde mit alkoholischer Cadmiumchloridlösung versetzt, solange noch ein Niederschlag sich bildete. Diese Fällung wurde abgesaugt, mit absolutem Alkohol gewaschen, und in einem Kolben mit viel thiophenfreiem Benzol so lange unter Destillation erhitzt, bis das übergehende Benzol völlig klar destillierte. Fast der ganze Cadmiumniederschlag war in siedendem Benzol löslich. Die siedende filtrierte benzolische Lösung wurde mit absolutem Al- kohol gefällt, die Fällung abgesaugt mit absolutem Alkohol ge- waschen und im Vakuum über Schwefelsäure getrocknet.

Ungesättigtes Triaminodiphosphatid.

Wir erhielten auf diese Weise eine leicht gelb gefärbte, pulverige, nicht leicht zerreibliche Masse, welche bei 110° im Thermostaten zur Konstanz getrocknet wurde, wobei sie sich ein wenig färbte.

Wir erhielten von dieser Substanz 10,47 g.

Unter dem Mikroskop erwies sich diese Substanz als nicht Krystallisiert.

Sie schmolz bei 205° scharf ohne Zersetzung und ohne vorhergehendes Sintern. Die Löslichkeitsverhältnisse waren folgende:

Unlöslich in Wasser und in absolutem Alkohol, löslich in Ather und in Benzol, unlöslich in Aceton. Die ätherische Lösung wird von Methylacetat gefällt.

Über Lipoide. II. 373

Eine verdünnte (etwa 1:100) ätherische Lösung der Sub- stanz drehte die Ebene des polarisierten Lichtes im 1 dm-Rohr nicht. Die Untersuchung konzentrierterer Lösungen oder die Verwendung längerer Röhren scheiterte an der gelben Farbe der Lösungen. Für diese Prüfung wurde ein großer Landolt- Lippichscher Apparat benutzt, welcher noch Za abzulesen gestattet.

Die Analysen dieser Substanzen ergaben folgende Werte:

Die Substanzen waren durchwegs bei 110° zur Konstanz getrocknet:

0,2404 g gaben 0,4211 g CO, und 0,1476 g H,O, ent- sprechend 47,772°/, C und 6,868°/, H.

0,5068 g gaben bei der Stickstoffbestimmung nach Dumas 8,79 ccm N bei T. 17° und B 755,8 mm, entsprechend 2,03°/, N.

0,2017 g gaben 0,0432 g CdSO,, entsprechend 11,546°/, Cd. 0,5020 g ,„ 0,0549 g Mg,P,O, ji 3,044°/, P. 0,4685 g ,, 0,2106 g ClAg, e 11,113°/, Cl.

Die Analyse wurde folgendermaßen ausgeführt: C und H wurden mit Bleichromat und vorgelegtem Silber bestimmt.

Für die N-Bestimmung wird viel Substanz wegen der großen N-Armut verwendet.

Die Cadmiumbestimmung erfolgte wegen der Gegenwart von Phosphor nach folgender im hiesigen Laboratorium aus- gearbeiteten und für die Analyse von Cadmiumverbindungen der Phosphatide angewendeten Methode, welche vorzüglich stimmende Werte liefert:

„Es werden ungefähr 0,2 g der Substanz in einem Porzellan- tiegel zur Konstanz gebracht, hierauf mit wenigen Tropfen kon- zentrierter Schwefelsäure übergossen, und mit sehr kleiner Flamme vorsichtig unter dem Herde abgeraucht; sobald alle Salzsäure und Schwefelsäure abgeraucht ist, wird mit einer stärkeren Flamme erhitzt bis alles verbrannt, hierauf löst man den Rückstand quantitativ in 10°/,iger Schwefelsäure (etwa 20 ccm) durch Ausspülen des Tiegels, leitet Schwefelwasserstoff- gas in die Lösung ein; sobald sich das Cadmiumsulfid gut absetzt, filtriert man das Schwefelcadmium auf einem schwe- dischen Filter von 5 cm Durchmesser und wäscht mit 10°/, iger Schwefelsäure nach. Hierauf bringt man den Trichter mit Schwefelcadmium über einen ausgeglühten und gewogenen

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Porzellantiegel und löst das Schwefelcadmium auf dem Filter mit wenig heißer 18 °/ iger Salzsäure und wäscht mit dieser nach. Das Filtrat im Tiegel wird auf dem Wasserbade zur Trockne gebracht, mit einigen Tropfen konzentrierter Schwefel- säure abgeraucht, geglüht und gewogen. Auf diese Weise gelingt es, die Phosphorsäure völlig zu entfernen. Das Wägen des Cadmiumsulfats ist viel sicherer als das des Cadmium- sulfids (s. auch Treadwell. Lehrb. d. anal. Chem. 2).

Die Phosphorsäure wurde, wie immer bei unseren Analysen nach der etwas umständlicheren, aber sehr sicheren Methode von Woy bestimmt.

Die Zusammenstellung der Analysenresultate ergibt in Prozenten:

. 47,772 6,868 2,03

. 11,546

re 3,044

C. .. 2... ILL

O (aus der Differenz) 17,349

Diese Werte lassen, nachdem von den vorhandenen 7 Ele- mente 6 gewichtsanalytisch bestimmt sind, sich für folgende For- mel berechnen:

Kozma

C38 Hiss NaCd; Cls P.O,, =

Diese Formel ergibt berechnet: Gefunden: C 48,11 47,112 H 6,83 6,868 N 215 2,03 Cd 11,54 11,546 P 3,18 3,044 Cl 10,92 11,113

Leider standen uns bei diesem Versuche nicht genügende Mengen für eine Wiederholung der Analyse zur Verfügung, so daß wir diese Formel mit aller Reserve aufstellen wollen, da erst die Hydrolyse uns mehr über die Natur dieser Substanz belehren kann und wir vorläufig nur unser Augenmerk auf die

Relation der für die Phosphatide charakteristischen Elemente N und P lenken.

Über Lipoide. II. 375

Die Substanz ist nach dieser Analyse als das Dichlorhydrat einer Dicadmiumchloridverbindung aufzufassen, und zwar ist die zugrunde liegende Substanz eine Salzsäure addierende ba- sische Substanz, welche als Triaminodiphosphatid aufzufassen ist. Zwei Stickstoffe sind anscheinend in der Lage, Salzsäure zu addieren. Der dritte scheint in anderer Bindung vor- zuliegen.

Um einiges über die Natur dieser Verbindung zu erfahren, wurden noch folgende Bestimmungen ausgeführt:

Jodzahl.

0,3000 g wurden in 20 ccm Chloroform gelöst und 25 ccm Hüblsche Jodlösung zugesetzt und 24 Stunden im Dunklen gehalten und dann in üblicher Weise rücktitriert. Die Ver- bindung verbrauchte 0,190455 g J, entsprechend einer Jodzahl von 63,485. |

Rechnet man nun diese Jodzahl auf die der analysierten Verbindung zugrunde liegende Cadmium- und chlorfreie Sub- stanz C,H, ,,N,P,O,, um, so ergibt sich folgende Berechnung:

0,3 g der Cadmiumverbindung entsprechen 0,2322 g des freien Phosphatids, welche also 0,190 455 g J verbrauchte, daher ist die umgerechnete Jodzahl 82.

Dieses Triaminodiphosphatid ist also eine stark ungesättigte Substanz.

Bestimmung der Methylgruppen am N.

Diese Bestimmung wurde nach der Methode von Herzig und H. Meyer ausgeführt. Es wurde zuerst die Methoxyl- bestimmung und dann die Methyl-am-N-Bestimmung durch- geführt. Es zeigte sich hierbei, was nicht ohne weiteres vor- auszusetzen war, daß man diese Bestimmung in den Cadmium- verbindungen der Phosphatide durchführen kann.

Verwendet wurde 0,7121 g Substanz, diese lieferten im Glycerinbade 0,1257 g Jodsilber, bei weiterem Erhitzen im Sandbade 0,3002 g Jodsilber.

Es scheint, daß sich schon im Gilycerinbade ein Teil der Methylradikale abspalten läßt, wie es ja wiederholt von G. Goldschmied u. a. beobachtet und beschrieben wurde.

376 A. Nogueira:

Addiert man die in beiden Bestimmungen resultierenden Jod-

silberwerte, so ergibt sich daraus 0,4259 g JAg 0,00801966 4 0,01915276 = 0,027 17242 g CH,

entsprechend 3,8°/, Methyl,‘ während sechs CH,-Gruppen ent- sprechend zwei Trimethylamin- resp. zwei Cholingruppen 4,61°/, Methyl verlangen. Fünf Methylgruppen verlangen 3,85°/, Methyl. Ein Vorkommen eines Dimethylamins neben einem Trimethyl- amin erscheint weniger wahrscheinlich als zwei Cholingruppen.

Da die Fehlergrenze nach Herzig und Meyer bis 15°,, des gesamten Alkyls bei Verwendung von freier Base oder Jod- hydrat beträgt, so wird die Ausbeute an berechnetem Methyl von 82,5°/, nicht allzu klein erscheinen und es nach dieser Be- stimmung am wahrscheinlichsten sein, daß zwei N sechs Me- thylgruppen entsprechend in Form von Trimethylamin, resp. Cholin in diesem Phosphatid enthalten sind, was auch mit der durch Analyse gefundenen Addition von zwei Chlorwasserstoff- säuremolekülen völlig übereinstimmt. Über die Art der Bindung des dritten Stickstoffatoms läßt sich nichts aussagen, solange die Hydrolyse nicht weitere Resultate zeitigt.

Diaminomonophosphatid.

Die Nierensubstanz, welche das erstbeschriebene Phos- phatid lieferte, wurde nun mit 2 1 96°/,igen Alkohol siedend heiß extrahiert und wiederholt, hierauf mit 41 85°/,igen Alkohol und 101 75°/,igen Alkohol, bis die alkoholische Lösung mit Cadmiumchlorid keinen Niederschlag mehr gab. Die alko- holischen Lösungen wurden durch Destillation auf 11 ein- geengt; es resultierte eine gelbe Lösung, welche mit alkoholi- schem Cadmiumchlorid gefällt wurde. Diese Fällung wurde ab- gesaugt, wiederholt mit absolutem Alkohol gewaschen.

Wir erhielten von dieser Substanz 3,45 g.

Sie wurde bei 110° C zur Konstanz getrocknet.

Weißgelbes Pulver, sehr leicht zerreiblich, fühlt sich nicht so fettig an, wie die erstbeschriebene Substanz.

Unter dem Mikroskop erscheint sie krystallinisch.

Sie schmilzt bei 215° C ohne Aufschäumen und ohne vor- heriges Sintern.

Sie ist unlöslich in Wasser, Ather, absoluten Alkohol, in heißem Benzol schwer löslich.

Die Analyse ergab folgende Resultate:

Über Lipoide. II. 377

0,2182 g Substanz gaben 0,3032 g CO, und 0,1293 g H,O, entsprechend 37,91°/, C und 6,628°/, H.

0,2217 g gaben bei der N-Bestimmung nach Dumas 4,57 ccm N bei 15,5° T. und 746,2 B, entsprechend 2,454°/, N.

0,2024 g gaben nach der oben beschriebenen Methode 0,0772 g CdSO,, entsprechend 20,561°/, Cd.

0,3951 g gaben nach Woy 0,0416 Mg,P,O,, entsprechend 2,93°/, P.

Zusammenstellung der analytischen Resultate.

Berechnet für Gefunden C,,H,,NaPO,0.2(CdC1,) C 37,91 38,20 H 6,628 6,93 N 2,454 2,62 P 2,93 2,90 Cd 20,561 21,05

Nach dieser Analyse wäre die Substanz als Diaminomono- phosphatid anzusprechen, welches für je einen Stickstoff ein Molekül CdCl, addiert.

Leider konnten mit diesen geringen Mengen weitere Be- stimmungen nicht ausgeführt werden. Der Rest reichte nur für die folgenden zwei Untersuchungen aus.

Jodzahl. 0,3100 g Substanz verbrauchten bei der Jodzahlbestimmung nach Hübl 0,0774517 g J, entsprechend einer Jodzahl von 25,81. Rechnet man diese auf die chlorcadmiumfrei Substanz um, so ergibt sich als Jodzahl 37,83.

Bestimmung von Methyl am N. 0,1441 g Substanz gaben im Gilycerinbade 0,0175 g JAg im Sandbade 0,0809 g JAg

0,0984 g JAg entsprechend 4,35°/, Methyl.

Berechnet für drei Methylgruppen 4,17°/, Methyl.

Aus dieser Analyse läßt sich schließen, daß eines von den beiden Stickstoffatomen in Form von Cholin enthalten ist.

Leider können wir mangels weiterer Substanz und bei der großen Schwierigkeit ihrer Reindarstellung nichts weiteres über die Natur dieses Diaminomonophosphatids aussagen.

Über Lipoide. Von

Sigmund Fränkel.

III. Mitteilung.

Über die Wechselwirkung der ungesättigten Nieren- phosphatide mit Farbstoffen.

Von Alexander Nogueira, Montevideo. (Aus dem Laboratorium der L. Spieglerstiftung in Wien.) (Eingegangen am 10. Februar 1909.)

Es war für uns von Interesse zu sehen, ob nicht etwa die in der vorhergehenden Mitteilung beschriebenen drei Nieren- phosphatide in Beziehungen stehen zu den Veränderungen des Methylenblaues beim Passieren der Niere.

Paul Ehrlich?!) hat schon im Jahre 1885 Farbstoffe be- nützt, um die oxydierenden und reduzierenden Eigenschaften des lebenden Protoplasmas zu studieren. Es ist ja bekannt, daß die Grundlage dieser Methode die Umwandlung resp. Re- duktion der verschiedenen Farbstoffe in ungefärbte resp. weniger farbige Körper, also Leukoderivate, ist.

Ein Jahr später publizierte Ehrlich?) seine neue Methode der vitalen Nervensystemfärbung mittels Methylenblau und er- klärte die verschiedene Färbungsfäbigkeit in den differenten Partien des Nervensystems folgendermaßen: ‚Nervenbläuung und Sauerstoffsättigung stehen in Konnex zueinander, indem

1) P. Ehrlich, Sauerstoffbedürfnis des Organismus, 1885. 23) P.Ehrlich, Methylenblaureaktion des lebenden Nervensystems. Deutsche med. Wochenschr. 1886.

A. Nogueira: Über Lipoide. III. 379

nur die nicht mit Sauerstoff annähernd gesättigten und daher nicht reduktionskräftigen Nervenendigungen sich mit Methylen- blau bereichern.“

Auf dem Gebiete der Physiologie und der klinischen Unter- suchungsmethoden sind diese Untersuchungen nach Ehrlich fortgesetzt worden und wie schon Ehrlich in seinen Arbeiten erwähnt, nach zwei verschiedenen Richtungen hin: erstens wurde die Durchgängigkeit der verschiedenen Farbstoffe durch die Plasmahaut und zweitens die Reduktions- und Oxydations- fähigkeit der verschiedenen Gewebe den Farbstoffen gegenüber studiert. Auf dem ersten Gebiete ergaben die Studien von Overton, daß die Farbstoffe ihre Eigenschaft, vital zu färben, ihrer Löslichkeit in Lipoiden verdanken; diese Substanzen sind in der Plasmahaut nach Overton enthalten. Die histoche- mischen Untersuchungen haben aber kein definitives Resultat ergeben.

Bei physiologischen Prüfungen der Nieren mit Farbstoffen sieht man; daß die Farbstoffe in verändertem Zustande aus- geschieden werden. Man bemühte sich lange, die Art und Weise der Veränderungen dieser Farbstoffe zu studieren. Ins- besondere bei der Nierenfunktionsprüfung mit Methylenblau ergibt sich die große Schwierigkeit, sich darüber klar zu werden, wie und weshalb ein Chromogen in normalen und in größeren Mengen in verschiedenen pathologischen Fällen ausgeschieden wird.

Die Phosphatide, welche wir in der zweiten Mitteilung dieser Serie studierten, sind besonders sauerstoffavid, und man konnte denken, daß diese Substanzen eine große Rolle in dem Oxydations- und Reduktionsprozesse des Protoplasmas spielen und an der Reduktion des Methylenblaus zum Leukoderivat beteiligt sind.

Das Methylenblau ist ein Tetramethylthioninchlorid der Formel

X N(CH,), 1 3,0. C,H,—-N(CH,),Cl Von diesem Tetramethylthioninchlorid sind verschiedene Leukoderivate erhalten worden, aber nur eins ist chemisch definiert und zwar der Tetramethyldiaminothiodiphenyl- amin

380 A. Nogueira: Del, NBA, \C,H, N(CH,),

welches aus Methylenblau durch Reduktion mit Na,S,O, ent- steht. Dieses Leukoderivat oxydiert sich leicht an der Luft und ist in Wasser schwer löslich.

Bei Verwendung des Methylenblaus zu physiologischen und klinischen Untersuchungen hat man neue Leukoderivate, welche sich von einander unterscheiden durch die Entstehung, die Löslichkeit oder die Eigenschaft, sich durch verschiedene Oxydationsmittel in Methylenblau umzuwandeln, beobachtet. F. Müller!) unterscheidet: 1. Ein Leukomethylenblau, dessen Bildung Achard und Castaigne durch alkalische Harngärung erklären. 2. Das durch Kochen mit Essigsäure aus Harn dar- stellbare, in Chloroform unlösliche Leukoderivat. Dieses ist zum ersten Male von Voisin und Hauser‘) im Harn ge- funden worden. 3. Eine von den französischen Autoren nicht erwähnte, durch Kochen ohne Säurezusatz aus Harn darstell- bare Substanz. Diese verschiedenen Leukoderivate wurden noch nicht in vitro dargestellt und entstehen nur durch vitale Reaktionen.

Von diesen verschiedenen Leukoderivaten erscheint als wichtigstes das von Voisin und Hauser beobachtete, welches konstant in normalen Fällen und in größerer Menge in ver- schiedenen pathologischen Fällen ausgeschieden wird.

Verschiedene Erklärungen sind schon für das Entstehen dieses Chromogens von Voisin und Hauser gegeben worden. Diese Autoren glauben, daß durch die reduzierenden Substanzen im Harne diese Reduktion bewirkt wird. Linossierund Bargin’) geben an, daß die alkalische Reaktion des Harnes das Methylen- blau in Chromogen umwandelt. Diese Erklärung ist nur teil- weise richtig: Bei der Einwirkung der Bakterien im Harne entsteht die bekannte alkalische Reaktion, und bei Methylen-

1) F. Müller, Über die Ausscheidung des Methylenblaus durch die Niere. Arch. f. klin. Med. 68, 1899.

2) Voisin et Hauser, Remarques sur l'élimination rénale du bleu de methylöne. Gaz. hebdomadaire 1897.

8) Linossier et Bargin, Influence de la reaction de l'urine sur l’climination du bleu de möthyl&ne. Compt. rend. de la soc. de Biol. 1898.

Über Lipoide. III. 381

blauinjektion und alkalischer Harngärung entsteht ein Chro- mogen (von Achard und Castaigne gefunden), das von dieser alkalischen Harngärung abhängig ist.

Es ist also von Voisin und Hauser keine Erklärung für das Entstehen dieses Chromogens gegeben worden, da ja dieses von der alkalischen Harngärung unabhängig ist. Selbst die Stelle des Organismus, an der diese Methylenblaureduktion stattfindet, ist ganz unbekannt. Müller!) sowie Achard und Castaigne?) geben an, daß die Reduktion des Methylenblaus zum Chromogen im Blute stattfindet und daß in der Niere dieses Chromogen teilweise oxydiert wird. Die Untersuchungen von Albarran und Bernard haben keine sicheren Resultate gezeitigt ` vielleicht verursacht die große Verdünnung des Me- thylenblaus im Blutserum experimentelle Schwierigkeiten. Ehr- lich?) glaubt, daß die verschiedenen Farbstoffe, die zu Ex- perimenten verwendet werden, im Blutserum nur in oxydierten Formen bestehen können, und daß die Reduktionsprozesse in den stark reduktionsfähigen Organen, wie Leber, Niere, Lunge usw., stattfinden.

Nur die genaue Erkenntnis der chemischen Eigenschaften der verschiedenen Gewebe kann uns erlauben, diese Probleme zu erklären, und diesen Weg haben wir in der Niere gewonnen, indem wir diese drei ungesättigten sauerstoffaviden Phosphatide, welche wir in der vorhergehenden Mitteilung beschrieben haben, insbesondere in ihrer Wechselwirkung mitMethylenblau geprüft haben.

1. Das ungesättigte Triaminodiphosphatid wurde mit einer wässerigen Lösung von Methylenblau geprüft. In der Kälte trat eine schwache Entfärbung, welche bei Erwärmen bei un- gefähr 50° stärker wurde, ein. Beim Schütteln mit Luft wird die blaue Farbe nicht regeneriert; bei Zusatz von Essigsäure und beim Kochen tritt die blaue Färbung wieder auf, ohne daß die Färbung die ursprüngliche Intensität wieder erreichen würde. Die reduzierte Lösung wurde mit Chloroform ge- schüttelt, wodurch das Chloroform sich schwach bläute. Ver-

1) Müller loc. cit.

2) Achard et Castaigne, L’examen olinique des fonctions rénales par l’elimination provoquee, 1900.

3) P. Ehrlich, Das Sauerstoffbedürfnis des Organismus.

382 A. Nogueira: Über Lipoide. III.

setzt man die mit Chloroform extrahierte Lösung mit Essig- säure und kocht auf, so erhält man wieder eine blaue Färbung. Das verwendete Methylenblau, welches in Chloroform unlöslich ist, wird von diesem ungesättigten Phosphatid in schwacher Weise in das Leukoderivat, welches dem Chromogen von Voisin und Hauser entspricht und teilweise im chloroformlösliches Methylenblau, wie es im menschlichen Harn vorkommt, um- gewandelt. Ein Teil des Methylenblaus wurde nicht re- generiert.

2. Die Prüfung aber mit dem weniger ungesättigten Di- aminomonophosphatidgabeinestarke Reduktion zu einem Chromogen bei schwachem Anwärmen. Bei Zusatz von Essig- säure und Kochen wurde die primäre Färbung vollständig wieder restituiert.

3. Die kephalinartige Substanz wandelte die blaue Lösung in eine grünblaue Lösung um, bei schwachem Erwärmen trat ein Ausblassen in Grün auf. Bei Schütteln mit Luft wird die ursprünglich blaue Farbe nicht regeneriert, aber bei Kochen und Zusatz von Essigsäure entsteht eine trübe, vollständig blaue Flüssigkeit. Es scheint, daß diese kephalinartige Substanz auch das Chromogen von Voisin und Hauser produziert, aber es ist merkwürdig, daß die Reduktion teilweise eine grüne Sub- stanz liefert. Wir erwähnen, daß das Methylenblau beim Hunde sehr oft und beim Menschen selten (es wurde dies selten, nur in 3 bis 4 Fällen beobachtet) als grüner Farbstoff ausgeschieden wird.

Keines der drei Nierenphosphatide reagiert mit Indig- karmin. Von den drei dargestellten und geprüften Phospha- tiden hat das am stärksten gesättigte die stärkste entfärbende Kraft für Methylenblau. Eine chemische Erklärung für das Zustandekommen müssen wir vorläufig schuldig bleiben.

Wir wissen aber, daß gewisse pathologische Nieren weit- aus stärker Methylenblau vital entfärben, als normale Wir möchten daher die Ansicht äußern, daß es sich vielleicht um eine Anreicherung des pathologischen Gewebes an dem be- schriebenen stark entfärbenden Diaminomonophosphatid han- delt und möchten die Aufmerksamkeit der Fachgenossen dar- auf lenken, gegebenenfalls darauf zu achten.

Zur Isolierung der Leberfermente, insbesondere des gelatinolytischen Leberfermentes.

Von S. Hata, Tokio.

(Aus dem biochemischen Laboratorium des Krankenhauses Moabit in Berlin.)

(Eingegangen am 14. Februar 1909.)

Für die weitere Entwicklung der Kenntnisse auf dem Ge- biete der proteolytischen Organfermente und der übrigen Zell- fermente ist es durchaus wünschenswert, einigermaßen gereinigte und doch gut wirksame Organextrakte zur Verfügung zu haben. Speziell für die eiweißspaltenden Zellfermente muß man ver- suchen, zu Methoden zu gelangen, bei denen die Enzyme zu- gesetzte Eiweißkörper verdauen. Um größere Versuchsreihen durchführen zu können, ist es notwendig, Verfahren anzuwenden, welche ein quantitatives Arbeiten ohne zeitraubende Stickstoff- bestimmungen ermöglichen.

In den ersten Versuchen wurde so vorgegangen, daß frische Pferdeleber möglichst vom Bindegewebe befreit, fein zerhackt, gewogen, mit Quarzsand und Kieselgur zerrieben, dann mit 0,85 °/ iger Kochsalzlösung (1 ccm pro 1 g Leber) versetzt und l Stunde auf dem Schüttelapparat geschüttelt wurde. Über Nacht blieb dieser Leberbrei auf Eis stehen. Nach 20 Stunden wurde dann der Saft durch ein Tuch mit Hilfe einer Preß- maschine ausgepreßt und durch Papier filtriert. Die Filtration ging ganz langsam von statten, und das Filtrat war noch stark trüb und reagierte schwach sauer.

Zur quantitativen Bemessung der Wirksamkeit des Fer- mentes brauche ich immer die Fermische Gelatinemethode, und

zwar in folgender Weise: In eine Reihe von ungefähr gleich Biochemische Zeitschrift Band 16. 26

384 S. Hata:

groBen Reagensgläsern werden absteigende Mengen der zu unter- suchenden Fermentlösung eingefüllt. Mit physiologischer Koch- salzlösung wird der Inhalt aller Röhrchen auf gleiches Volumen, in der Regel auf l ccm, aufgefüllt. Dazu kommt 0,5 ccm von n/ o-Salzsäure und 2 cem von mit Chloroform versetzter 5°/,iger Gelatinelösung. Dieses Gemisch bleibt 6, 12, 24 Stunden lang im Brutschrank, dann eine Nacht im Eisschrank.

Nach dieser Methode zeigte der eben beschriebene trübe Lebersaft folgende Gelatine verflüssigende Kraft:

Menge des Saftes Nach 6stündiger Nach 12 stündiger in com Digestion bei 38° Digestion bei 38°

0,1 fest (—) | fest (—)

02 fest (—) | fest (—)

0,3 fest (—) weich (+)

0,5 weich (+) | flüssig (+)

0,7 weich (+) flüssig (+)

1,0 fest (—) | flüssig (+)

Wie man aus dieser Tabelle ersieht, wird die Gelatin- verflüssigung mit der ansteigenden Fermentmenge immer deut- licher, bei 6stündiger Verdauung war aber auffallenderweise bei höchster Fermentmenge wieder eine schwächere Wirksam- keit zu erkennen. Dieses scheinbar paradoxe Verhalten ist jedoch nicht schwer zu erklären. Weil das Filtrat noch sehr viel Zelltrümmer enthält und demzufolge sehr reich an Eiweiß- gehalt ist, kann man sich vorstellen, daß ein Teil der zuge- setzten Salzsäure sich mit dem Eiweiß verbindet, mit zu- nehmender Filtratmenge die freie Säure immer abnimmt und infolgedessen das Ferment seine Wirkung auf die Gelatine nicht entfalten kann. Das war wirklich der Fall. Wenigstens wurden bei den späteren Versuchen, in denen eiweißärmere Ferment- lösungen angewandt werden, solche Unregelmäßigkeiten nicht mehr beobachtet.

Viele andere Pferdelebern wurden nach demselben Ver- fahren, manchmal auch mehrere Tage lang entweder auf Eis oder auch unter Chloroformzusatz bei Zimmertemperatur extra- hiert. Die Resultate waren ungefähr dieselben. Die Schwan- kung der Wirksamkeit der einzelnen Lebersäfte war nicht sehr groß. Mit einer Ausnahme von einer besonders glykogen-

Leberfermente, insbes. gelatinolytisches Leberferment. 385

reichen Leber, welche durch einfaches Extrahieren mit physio- logischer Kochsalzlösung ohne vorheriges Zerreiben mit Sand eine starke Fermentlösung gab (0,2 cem verflüssigten binnen 6 Stunden 2ccm Gelatine), gaben die Lebern Extrakte, von denen 0,4 bis 0,7 com imstande waren, 2 com Gelatine in 6 Stunden zu erweichen und in 12 Stunden zu verflüssigen:

Nachdem dann durch mehrere vergleichende Untersuchungen festgestellt worden war, daß einfaches Extrahieren mit physio- logischer Kochsalzlösung ohne vorangegangenes Zerreiben mit Quarzsand ein ebenso gutes Resultat gibt wie mit diesem Vor- verfahren, also dieser ziemlich mühsame Handgriff sich gar nicht lohnt, verfuhr ich einfach folgendermaßen. Eine möglichst fein zerhackte und gewogene Leber mit Kochsalzlösung (1l coem pro 1 g) versetzt, gut geschüttelt, blieb eine Nacht auf Eis stehen. Dann wurde der Brei durch ein Koliertuch geseiht und aus- gepreßt, die Flüssigkeit wieder filtriert. Das Filtrat, dem Chloro- form zugesetzt wurde, wurde im Eisschrank aufbewahrt. Vor der Filtration vermeidet man möglichst einen Zusatz von antisep- tischen Mitteln, besonders von Toluol, das die nachherige Arbeit erschwert. Selbstverständlich muß man darauf achten, so schnell wie möglich und an einem kühlen Ort das ganze Ver- fahren durchzuführen, um die inzwischen eintretende Fäulnis nach Kräften zu vermeiden.

Das dieses einfache Verfahren ganz gleiche Resultate liefert wie die vorher erwähnte Kieselgurzerreibungsmethode, zeigt folgendes Beispiel:

Nach 15 nn Digestion bei 38° mit

S Sg i | dem mit vorheriger Kieselgur- einfachem Extrakt | zerreibung gewonnenen Extrakt

Extraktmenge in com

0,1 ee |

© Qt

HHH |

++++ |

| |

Solches Extrakt hat aber noch viele Nachteile. Erstens ist es noch ganz trüb und für manche weitere Arbeiten un-

bequem. Viele Bemühungen, die Extrakte durch Kieselgurfilter 26*

386 S. Hata:

oder Tonfilter zu filtrieren, ließen mich in Stich. Dabei bekam man eine entweder ganz wenig wirksame oder noch etwas trübe und sehr schwach wirksame Flüssigkeit. Ferner hat das Extrakt noch eine große Menge von Eiweiß, so daß es sehr oft bei 6stündiger Digestion jenes oben beschriebene paradoxe Resultat ergab. Dies ist besonders unangenehm für genauere Unter- suchungen. |

Zu einem besseren Verfahren gelangte ich, indem ich an gewisse Erfahrungen von Jacoby anknüpfte. Jacoby!) hat gezeigt, daß das Trypsin durch Salzsäure von Fibrinflocken, an die es adsorbiert ist, abgelöst werden kann. Von dieser Vorstellung aus setzte ich dem trüben Leberextrakt verschie- dene Mengen "/, „-Salzsäure, '/,, 21, ®/,, 1 Volumen zu 1 Volumen Extrakt, hinzu. Nach einigen Stunden wurden diese Gemische filtriert. Diese Filtration ging ziemlich langweilig, und nach der Filtration blieb ein ganz geringer Rückstand, dement- sprechend war das Filtrat noch ganz trüb. Also diese Filtration ist fast zwecklos. Das Filtrat wurde nur mit normaler Soda- lösung ganz vorsichtig neutralisiert. Bei der Neutralisation muß man darauf achten, daß man immer etwas weniger Soda- lösung anwendet, als der vorher zugesetzten Salzsäuremenge eben äquivalent ist. Nach der gut ausgeführten Neutralisation ging die Filtration nunmehr sehr leicht und schnell, und ein- malige Filtration durch gewöhnliches Filtrierpapier gab schon ein ganz klares Filtrat. Nach wiederholten Versuchen fand ich es am besten, daß man ein Volumen von al, HO oder noch zweckmäßiger !/,, Volumen von Normalsalzsäure zu einem Vo- lumen Extrakt zusetzt, und nach einer Stunde ohne vorher- gehende Filtration neutralisiert, dann filtriert.

Das nach diesem Verfahren gewonnene klare Filtrat zeigte, nach seinem Volumenverhältnisse umgerechnet, ebenso starke oder manchmal noch etwas stärkere proteolytische Wirkung, wie die trübe Flüssigkeit, von der das betreffende Filtrat stammte, und trat bei diesem niemals jenes umgekehrte Ver- hältnis zutage, wie es bei jener fast immer der Fall war. Ein Beispiel sieht man in A und B der weiter unten anzu- führenden Tabelle.

1) Diese Zeitschr. 2, 144, 1906.

Leberfermente, insbes. gelatinolytisches Leberferment. 387

Nachdem ich durch diese Versuche mich davon überzeugt hatte, daß die Salzsäure beim Kontakt mit dem Fermente das letztere nicht im geringsten schädigt, bildete ich das Verfahren noch einen Schritt weiter aus. Ich setzte nämlich direkt zu der zerhackten Leber die Säure und etwas Chloroform zu, und ließ das Gemisch eine Zeitlang entweder im Brutschrank oder bei Zimmertemperatur stehen, damit die Autolyse der Leber vor sich gehen konnte und das endocelluläre Ferment in Lö- sung geht. Nach verschiedener Zeit wurde das Digestions- gemisch durch vierfache Gaze koliert und mit der Hand aus- gepreßt, dann mit Sodalösung neutralisiert und filtriert.

Dieses Filtrat hatte sebr starke Kraft. Natürlich hat hier die Zeit und Temperatur, bei der die Digestion der Leber statt- gefunden hat, bis zu einem gewissen Grade eine Bedeutung hinsichtlich der Wirksamkeit des Produktes. Ein dafür aus- schlaggebendes Beispiel gibt ein bald zu erörternder vergleichender Versuch, der mit Hilfe verschiedener Methoden an ein und der- selben Leber ausgeführt wurde.

Von einer fein zerhackten Pferdeleber wurden 8 Portionen von je 100 g abgewogen und folgendermaßen behandelt. Die erste Portion wurde in einer Reibschale tüchtig zerrieben und mit 100 ccm 0,85°/,iger Kochsalzlösung versetzt. In einem Kölbchen blieb sie über Nacht auf Eis stehen. Dann wurde sie durch ein Tuch koliert und filtriert. Das noch ganz trübe und schwach saure Filtrat betrug im ganzen 75 ccm. (Dieses Filtrat bezeichnet man mit A.) Ein Teil von A wurde mit TL Volumen von normaler Salzsäure angesäuert. Nach 2 Stunden wurde mit normaler Sodalösung ganz vorsichtig neutralisiert und filtriert. Das gewonnene ganz klare Filtrat bezeichnen wir mit B.

Die anderen 7 Portionen wurden mit 100 ccm %/,,-Salz- säure, welche daneben 0,85°/, Kochsalz enthält, und 10 ccm Chloroform versetzt. Diese Gemische gut geschüttelt blieben entweder im Brutschrank oder bei Zimmertemperatur verschie- dene Zeit lang, und wurden wiederholt geschüttelt. Nach be- stimmten Zeiten wurden sie durch Gaze koliert, mit normaler Sodalösung neutralisiert und filtriert. Die folgende Tabelle unterrichtet über die Einzelheiten der Resultate des Versuchs.

388 S. Hata:

e 5 £ Filtrat

5 .2 . i g 4 Ss ww =] ki LU

85 | Digestions- | 38 (EI Le zZ 2 E

Be temperatur | Za g E S Eigenschaft S Ei Ki H ccm | ccm À

2 24 Std. | klar bräunlich C klar gelblichbraun 3 3 Tage ein Stich in Grün | 123 | P 4 x 124 | E Zimmer- 5 temperatur 24Std. | 135 | 4,2 | klar rötlichbraun | 128 | F 6 j 3 Tage | 135 | 4,0 klar braun 128 | G 7 j RB - 132 | 3,8 e 125 H 8 Š T y 130 | 3,5 a 125 | I

Wie man aus diesem Beispiel leicht ersieht, bekommt man bei einfacher Extraktion mit Kochsalzlösung trotz mühsamer Auspressung viel weniger Extrakt als beim Digestionsverfahren, welches ganz leicht und antiseptisch durchführbar ist.

Ein besonderer Vorteil dieser Methode besteht aber in der Wirksamkeit der gewonnenen Flüssigkeit, wie aus folgender Tabelle ersichtlich ist.

Bei der Digestion der Leber im Brutschrank geht die Wirksamkeit des Fermentes mit der Zeit verloren, dagegen steigt sie bei Zimmertemperatur immer an. Am besten ge- eignet ist also eine 7tägige Digestion bei Zimmertemperatur.

Ist das Eiweiß durch die Behandlung mit Säure und Alkali größenteils beseitigt, soenthältdasFiltratdoch noch so viel Proteine, daß bei einfachem Kochen ein deutliches Koagulat sich bildet.

Um das Filtrat von dem Eiweiß möglichst zu befreien, versuchte ich die Jacobysche Uranylacetatmethode. Eine nach dieser Methode gereinigte Fermentlösung zeigte zwar H,O,-zer- setzende Wirkung, aber keine gelatinolytische Kraft.

In bezug auf fraktionierte Fällung habe ich einige Versuche mit Alkohol und schwefelsaurem Ammonium angestellt, und fand dies besser als jenes.

Eine Fermentlösung, welche durch eintägige Digestion bei 38° gewonnen war, wurde mit Alkohol versetzt, bis eben 30°/ ige Konzentration erreicht war. Dabei entstand aber nur eine leichte Opalescenz. Erst bei einem Alkoholzusatz von 40°/, trat eine bemerkbare Trübung hervor. Nach 20 Minuten wurde es filtriert, auf dem Filter blieb nur wenig Rückstand. Das

Leberfermente, insbes. gelatinolytisches Leberferment. 389

Verflüssigung von 2 ccm 5°/,iger Gelatinelösung mit der eben beschriebenen verschiedenen Lebersäften.

(+ zeigt Verflüssigung, + Erweichung, keine sichtbare Veränderung.)

Menge von den Säften in com

0,1,0,15/0,2 .0,26|0,3 0,35|0,4|0,5'0,6|0,7. 0,8

Verschiedene | Verdauungs- Lebersäfte Zeit

Einfacher | | HHH, || Séi ES Extrakt | + A behandelt! 6 Std |—|—|—|— —* EEE T CHEN CO Ou Oe pu |—|—|+] | ane EEEE | besse | p| 6s. |-|- |-| +]+]+ ++] Verdaute 2 a |-|-12/+/41+ 4144 1 gl Ee Aere HM e A EE EEN | p| 68s olli a S I na ua BR U ech ES, Jeer ++) | bei Zimmer- 2 ae een mperatur —ñ— —— Digestierte | | 6 Sta. CEET "e, HH EOEOEZEOEIEOEAN +++ +i `

Filtrat wurde auf eine Alkoholkonzentration von 85°/, gebracht. Nun entstand ein reichlicher voluminöser Niederschlag. Nach l Stunde wurde dieser abfiltriert. Die beiden Fraktionsnieder- schläge wurden in einer dem Ausgangsvolumen entsprechenden Flüssigkeitsmenge aufgelöst und zeigten folgende Wirkung:

| Naoh Wis 0,2 |0,3 [0,4 [0,5 | 0,8 10,7 | 1012,0 EE Se Er Na Ra er een Erste Fraktion | | | | | BEER MEHR EE a s stäa. EE TEE DE Zweite Fraktion 12 , +| 4 u. Ausgangsferment- 6 Std | | + | + + | + Tr | + | Se | lösung 12 - +i +i ++ Tale

390 S. Hata: Leberfermente, insbes. gelatinolytisches Leberferment.

Aus dieser Tabelle ersieht man, daß schon bei 40°/, Al- kohol ein wenig von Ferment ausgefällt wird. Aber durch 30°/, Alkohol wird fast kein Eiweiß beseitigt.

Dieselbe Fermentlösung wurde mit einer gesättigten mit einem Tropfen Ammoniak neutralisierten und filtrierten (NH, ),SO,- Lösung versetzt, bis 33°/,ige Sättigung erreicht war. Dabei entstand eine ziemlich deutliche Trübung und darauf etwas Niederschlag. Nach der Filtration wurde das Filtrat weiter bis zu 70°/ iger Sättigung gebracht und wieder filtriert. Beide Fraktionen zeigten folgende Wirksamkeit:

| Nach 0,15 02|03 0,405 0,6 [0,7 | 1,0120 Erste Fraktion | 12 Std. | | | | | | E ————

Zweite Fraktion

12 , Originalfermentlösung wie oben.

Selbstverständlich kann man durch Dialysieren das Salz beseitigen, wenn es nötig ist. Dabei muß man ziemlich viel Ferment opfern.

Durch Sublimatzusatz kann man mehr Eiweiß wegschaffen als durch die eben beschriebene Fraktionierung. Durch Sublimat unwirksam gewordenes Ferment wird bei geeigneter Methode fast vollkommen reaktiviert. Das Verhalten zwischen Ferment und Sublimat wird in einer weiteren Mitteilung bald veröffent- licht werden.

Das proteolytische Ferment der Leber wird durch 20 Mi- nuten lange Erhitzung auf 55° noch nicht, bei 60° nahezu vollkommen, bei 70° gänzlich vernichtet.

Was die anderen fermentativen Wirkungen des Lebersaftes betrifft, so will ich hier nur so viel berühren, wie es mit der oben angegebenen Darstellungsmethode in Beziehung steht. Das H,O,-zersetzende Enzym ist mit dieser Methode ganz gut zu extrahieren und weiter mit Alkohol oder (NH,),SO, zu reinigen. Aldehydase der Leber läßt sich auch mit dieser Methode, der Digestion bei Zimmertemperatur, so gut darstellen wie mit Uranylacetat. Fibrin, geronnenes Hühnereiweiß, erwärmtes Serumeiweiß konnte ich weder mit frischem Leberextrakt noch mit dem durch Digestion dargestellten Präparate in irgend einer Reaktion zur Auflösung bringen. Ebensowenig gelang es mir, Labwirkung nachzuweisen.

Der Einfluß des Äthylalkohols auf die Hefegärung. Von Martin Kochmann. (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Greifswald.) (Eingegangen am 23. Februar 1909.) Mit 1 Figur im Text.

Der Äthylalkohol verdankt für gewöhnlich seine Entstehung der Einwirkung des von der Bierhefe produzierten Fermentes, der Zymase, auf Traubenzuckerlösungen, die dann bekanntlich in ÄAthylalkohol und Kohlensäure zerlegt werden. Vom all- gemein biologischen Standpunkte ist es gewiß nicht ohne einiges Interesse, zu erfahren, ob dem Alkohol ein Einfluß auf diese fermentative Tätigkeit zukomme und in welchem Sinne, be- fördernd oder schädigend, eine etwaige Wirkung sich geltend macht.

Mit Hilfe des von H. Schulz angegebenen Gärungsappa- rates ist es mit nicht zu großen Schwierigkeiten verknüpft, den Gärungsvorgang graphisch zu registrieren. Das Prinzip des Apparates, den H. Schulz!) vor einiger Zeit ausführlich beschrieben hat, ist kurz folgendes: Aus einem mit Trauben- zuckerlösung und Bierhefe beschickten Gärkolben, der in einem Thermostaten bei konstanter Temperatur gehalten wird, wird die produzierte Kohlensäure in ein kleines Quecksilbermano- meter geleitet. Durch den von der CO, hervorgerufenen Druck steigt die Quecksilbersäule und schließt dabei einen elektrischen Stromkreis, in den zwei Magnetspulen eingeschaltet sind. Der eine der Magneten schnellt eine Metallspitze gegen ein gleich-

1) H. Schulz, Ein Apparat zur graphischen Darstellung von Gärungs- vorgängen. Arch. f. d. ges. Physiol. 120, 51, 1997.

392 M. Kochmann:

mäßig fortlaufendes Papier, der andere reißt ein Ventil in die Höhe, welches der im Manometer befindlichen Kohlensäure ge- stattet, nach außen zu entweichen. Das Ventil bleibt durch eine sinnreiche Einrichtung (Schließung eines zweiten Strom- kreises bei Schluß des ersten) so lange geöffnet, bis der Queck- silberspiegel wieder auf Null herabgesunken ist.

Normal 1:400

1: 300 1: 500 1: 200 1:60 Fig. 1.

Um einen etwaigen Einfluß einer toxischen Substanz auf die Hefegärung vergleichend untersuchen zu können, sind eine Reihe derartiger Apparate nötig. Die Gärkolben werden mit einer gleichen Menge einer Traubenzuckerlösung von bestimmtem

Einfluß des Athylalkohols auf die Hefegärung.

393

Die Ergebnisse der vollkommen gleichsinnig verlaufenen Versuche sind durch die folgenden Protokolle belegt:

Versuch vom 2.5. 08.

Protokolle.

Apparat N.|ı | 2 | 3 || 5 | 6 |7 | 8 | 0 |m

Alkohol

DD un a aa aa aa aa aa a sa aa ga a a G

KE? Kä?

a a a 3 mg 3 a a a a Sg a a 3

0

0,5 | 04 0,5 | 0,6 1,0 | 0,7 1,1 | 0,9 14 | 1,5 | 14 16 | 14 1,7 | 1,7 21| 19 26 | 25 2,5 | 24 2,5 | 24 2,5 | 24 2,5 | 2,3 2,4 | 24 2,7 | 24 2,4 | 2,3 2,2 | 2,3 24: 22 24| 23 23 | 21 24| 21 22 | 21 2,3 | 2,0 2,3 | 2,0 2,1 | 2,0 1,5 | 1,9 1,7 | 1,8 1,8 | 1,8 | 1,7 1,5 | 1,6 1,8 | 1,5 1,6 | 1,6 1,5 | 1,4 1,5 | 1,3 14: 13

0,5 0,5 0,9 LI 1,3 1,7 1,8 2,4 2,6 2,6 2,7 2,8 2,8 2,8 2,7 2,7 2,7 2,6 2,7 2,4 2,4 2,3 2,3 2,3 2,2 2,2 2,2 2,1 2,0 1,8 1,8 1,7 1,6 1,4 1,3

LA

0,5 0,5 1,0 1,3 1,4 1,3 1,6 1,7 1,9 1,9 1,9 2,1 22 2,4 2,2 2,3 2,5 2,4 2,3 2,4 2,4 2,3 2,1 2,1 2,4 2,2 2,0 1,8 1,7 1,7 1,8 1,7 1,5 1,4 1,6 1,3

Š nn - Lg ——

Apparat in Unordnung geraten

1:60 |1:70 | 1:80 , 1:80 13 100 1: 2001: 300 1: 400 1: 600

1,5

2,1

2,6

2,3

394 M. Kochmann:

Die Zahlen bedeuten die in je 2 Stunden produzierten Kohlen- säuremengen, wobei der Manometerinhalt als Einheit angenommen wurde. Das Optimum wurde bei Nr. 1 nach 38 Stunden errreicht,

» n 2 3, 4, Bond 6 wird die normale Höhe überhaupt nicht, , 7 Bohon nach 28 Stunden, » 8 nach 20 Stunden, nn H n 18 n und „10 erst wieder nach 24 Stunden erreicht.

Gehalt und einer gleichen Quantität einer nicht zu dicken Hefeaufschwemmung (20 g Hefe auf 100 ccm Flüssigkeit) be- schickt. Zu einem Teil dieser Ansätze wird Alkohol in stei- gender Menge zugesetzt, ein anderer Teil erfährt keinen Zu- satz und dient zur Kontrolle und zum Vergleich. Da alle Kolben bei konstanter Temperatur bleiben und auch sonst dauernd unter denselben Verhältnissen sich befinden, so ist eine Ablesung des barometrischen Druckes nicht nötig, vielmehr sind die von dem gleichmäßig fortlaufenden Papier abgelesenen Resultate ohne weiteres miteinander vergleichbar, da alle Appa- rate durch ein besonderes Eichungsverfahren auf einen gleichen Rauminhalt gebracht worden waren.

Aus diesen Protokollen und der beigefügten Kurve geht mit Sicherheit die Tatsache hervor, daß der Athylalkohol die Hefegärung nicht nur in schädlichem Sinne, sondern bei passen- der Dosierung auch befördernd beeinflussen kann.!) Die Kon- zentrationen des Äthylalkohols, welche die günstige Wirkung hervorzurufen imstande sind, schwanken natürlich etwas, je nach der Menge der zum Versuch verwandten Hefe. Das Optimum der Wirkung liegt im allgemeinen bei einer Kon- zentration von 1:300 bis 500. Der Einfluß macht sich in der Weise geltend, daß der Höhepunkt der Gärung früher eintritt als bei den Kontrollen, welche keinen Alkoholzusatz aufweisen. Auch die Größe der Gärung, d. h. die Menge der in 2 Stunden produzierten Kohlensäure und selbstverständlich auch des Alkohols scheint um ein geringes höher zu sein. Es ist

1) Thibaut (Einfluß der alkoholischen Gärungsprodukte auf Hefe und Gärverlauf. Centralbl. f. Bakt. 2, 742, 1902) konnte schon nach- weisen, daß die Gesamtheit der Endprodukte in kleinen Mengen einen günstigen Einfluß auf den Gärvorgang auszuüben vermag.

Einfluß des Äthylalkohols auf die Hefegärung. 395

Versuch vom 21. 5. 08.

2 Std. 0,6 o5 | o6 | o6 oël op 0,5 4 0,8 06 | 07 | o8 | 08 | 08 0,8 6 , 1,5 12 | 14 | 15 | 08 1,4 8 2,0 1,5 | 20 1,8 2,2 1,7 10 22 20 | 19 26 | 28 | 27 2,1 12 28 | 24 | 21 | 31 | 29 | 32 2,3 4 3,1 28 | 25 | 35 | 30 | 35 2,6 16 3,5 3,1 3,3 | 3,8 | 37 | 37 3,1 18 , 3,5 ss | 35 | 36 | 34 | 39 4,0 on , 3,5 34 | 39 | 40 | 39 | 40 3,9 2 3,8 32 | 3,7 31 3,1 4,2 8,6 4 , 40 | 31 | 32 34 | 32 | 38 | 33 2 3,9 29 | 30 | 33 | 34 | 37 E o 3,8 2,9 8,4 | 3,4 3,4 3,9 E 30 3,1 30 | 32 | 34 | 33 | 38 3,2 2 3,3 3,0 | 31 33 | 32 | 36 3,0 34 3,3 29 | 31 | 33 | 33 | 36 3,1 36 , 3,1 28 | 31 33 | 29 | 35 2,9 38 3,0 2,7 3,1 | 32 | 29 | 34 2,9 0 3,3 27 | 30 30 | 30 | 33 2,8 2 , 31 | 26 | 29 | 29 | 29 | 33 | 28 4 28 24 | 27 | 27 | 26 | 29 2,4 46 2,4 23 | 28 | 26 | 27 | 26 2,2 8 2,3 23 | 25 23 | 23 2,2 50 , 2,0 21 | 23 | 22 | 21 | 24 1,9 2 1,6 18 | 21 1,5 19 | 20 1,7 54 o„ 1,4 18 | 20 | 19 | 1,7 1,6 56 1,3 | 22 | 16 | 16 1,4 58 , LI | 22 | 14 | 13 1,3 en 1,0 1,5 19 ` 14 1,2 1,2 1,2 62 1,2 1,3 1,5 1,3 12 | Ll 1,0 4 1,5 12 | 12 | Ll 10 | 08 0,8 66 , 1,2 11 11 10 | 08 | 07 0,6 Das Optimum wurde erreicht

bei Nr. 1 nach 24 Std, mit 4,0, n 138. ,„ 38, n 20 , n 3,9, n 2O np n 40, aw 20 „, 39, 20 bis 22 Std. mit 4,0 und 4,2, . 18 Std. mit 4,0. Zwei andere Versuche verliefen ebenso wie die vorstehenden.

si CR OH VW Co bi

396 M. Kochmann:

-also durch den anfänglichen Alkoholzusatz die fermentative Spaltung beschleunigt worden, indem das Optimum zeitlich nach vorn verschoben wurde. Anders ausgedrückt bedeutet dies: Durch den künstlich zugefügten Alkohol ist das früher erreicht worden, was normalerweise sonst erst später einzu- treten pflegt.

Wir ersehen daraus, daß das Stoffwechselprodukt der fer- 'mentativen Tätigkeit der Bierhefe diese anzuregen vermag und ‚daß diese Wirkung auch normalerweise offenbar eine Rolle bei der Gärung spielt.

Es deckt dies sich mit den Beobachtungen, die man auch sonst in der Natur im allgemeinen und im tierischen Organis- mus im besondern zu sehen gewohnt ist. Es mag da nur an ‚einen sehr bekannten Vorgang erinnert werden, an die Atmung. Trotz mancher in neuester Zeit verfochtenen gegenteiligen An- sichten darf wohl kein Zweifel darüber bestehen, daß der erste Atemzug der höheren Tiere zu einem großen Teil durch die Überladung des Blutes mit Kohlensäure, einem Stoffwechsel- produkte des Organismus, seine Entstehung verdankt und die Atmung durch diesen Reiz fernerhin auch unterhalten wird. Andere Beispiele sind unter vielen die Anregung der Nieren- sekretion durch die harnfähigen Substanzen und das Größer- werden des Herzschlages unter Einfluß geeigneter Mengen von Harnstoff.

Es verlohnt sich wohl, noch mit einigen Worten auf die Mengen einzugehen, welche den beschleunigenden Einfluß des Alkohols auf den Gärungsprozeß hervorbringen. Die günstigste Wirkung entfalten die Konzentrationen von 1: 300 bis 500. Man könnte glauben, daß dies außerordentlich geringe Quantitäten scien. Bei näherer Betrachtung muß man aber zu der Überzeugung gelangen, daß dem keineswegs so ist, besonders wenn sie mit den Mengen verglichen werden, die beim Menschen zur An- wendung gelangen. Wenn die Organe des Menschen von einer ‚Alkohollösung 1:400 umspült werden sollten, so müßten bei einer Gesamtblutmenge von 5200 ccm Blut (gleich 7,4°/, des Körpergewichts von 70 kg) 13 ccm Alcohol absolutus dauernd ‚im Blute kreisen. Legt man aber dieser Rechnung die Gesamt- flüssigkeitsmenge des Organismus, die nach Munck 64°/, des Körpergewichts beträgt, zugrunde, so müßten 112 com Alcohol

Einfluß des Äthylalkohols auf die Hefegärung. 397

absolutus in dem Wasseranteil des menschlichen Organismus vorhanden sein. Das würden schon ganz erhebliche Mengen bedeuten, die sicher einen toxischen Effekt auslösen müßten, besonders dann, wenn wie bei den Versuchen mit der Hefe, eine Ausscheidung der wirksamen Substanz unmöglich gemacht würde. Es ist ja selbstverständlich, daß die Hefepilze nicht ohne weiteres mit dem Organismus des Menschen verglichen werden können. Jedoch mußte ich eine solche Berechnung anstellen, um die Größe der Alkoholdosis in das rechte Licht zu setzen.

Wenn man versucht, den feineren Mechanismus der günstigen Alkoholwirkung zu erklären, so sind zwei Möglichkeiten vor- handen. Einmal kann die beobachtete Erscheinung dadurch zustande gekommen sein, daß der Alkohol die Tätigkeit des Fermentes, der Zymase, erhöht oder beschleunigt, oder daß er die Produktion der Zymase angeregt hat, d. h. die Lebens- tätigkeit der lebenden Hefezelle erhöht oder beschleunigt hat. Wir wissen durch die Untersuchungen verschiedener Autoren, unter anderen Fujitani!), daß der Alkohol auf die Fermente selbst einen günstigen Einfluß nicht auszuüben scheint. Man müßte deshalb annehmen, daß die Produktion der Fermente eine Zunahme erfahren habe, daß also die Tätigkeit der Hefe- zellen durch das eigene Stoffwechselprodukt angeregt wurde.

Daß der Alkohol in höherer Konzentration einen verlang- samenden Einfluß auf die Hefegärung ausübt, ist selbstverständ- lich und auch schon von Kühl?) gezeigt worden. Diese schäd- liche Wirkung gibt sich in unseren Versuchen dadurch zu erkennen, daß die Menge der produzierten Kohlensäure eine geringere ist als in den zugehörigen Kontrollversuchen. Aber auch in diesen Versuchen, welche die schädliche Wirkung des Athylalkohols offenbaren, läßt sich feststellen, daß es anfangs eine Periode gibt, in der der Alkohol in einer die Gärung be- fördernden Konzentration vorhanden ist. Durch die weitere Auf-

1) J. Fujitani, Über den Einfluß verschiedener Substanzen auf die künstliche Magenverdauung. Arch. int. de Pharmacodyn. et de Therap. 14, 1, 1905.

2) H. Kühl, Die alkoholische Gärung durch Hefe. Apoth.-Zeitg. 22, 728, 1907.

398 M. Kochmann: Einfluß des Äthylalkohols auf die Hefegärung.

spaltung des Zuckers werden aber bald Konzentrationen erreicht, die eine definitive Schädigung erzeugen.

In wenige Sätze zusammengefaßt haben die vorliegenden Versuche folgendes ergeben:

L Mit Hilfe des von H. Schulz angegebenen Gärungs- apparates ist es möglich, den Einfluß des Alkohols auf die Hefegärung graphisch zu registrieren.

2. Konzentrationen von 1:300 bis 500 bedingen einen schnelleren Anstieg der Gärungskurve, was eine Beschleunigung der Kohlensäure- und Alkoholproduktion bedeutet.

3. Diese günstige Einwirkung des Alkohols auf die Hefe- gärung ist ein physiologischer Vorgang, indem hierbei, wie auch in vielen andern Fällen, das Stoffwechselprodukt einen erregen- den Einfluß auf die Tätigkeit des Organismus ausübt, was vom biologischen Standpunkt allgemeineres Interesse verdient.

4. Die erregende Einwirkung des Alkohols auf die fermen- tative Tätigkeit der Bierhefe ist mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine Beschleunigung der Fermentproduktion zu beziehen, und dürfte kaum auf eine Beeinflussung der ATON selbst zurückzuführen sein.

5. Größere Alkoholkonzentrationen üben auf die fermen- tative Spaltung von Zuckerlösungen in Alkohol und Kohlen- säure schließlich eine verlangsamende und hemmende Wirkung aus, wenn auch anfänglich der anregende Einfluß auf die Zell- tätigkeit noch erkannt werden kann.

Über die gepaarten Phosphorsäuren in Pflanzensamen. Von P. A. Levene. (Aus dem Rockefeller Institute for Medical Research in New York.) (Eingegangen am 22. Dezember 1908.)

Vor einigen Jahren!) hatte ich Gelegenheit, die phosphor- haltige Substanz, welche von Palladin®) entdeckt und zu jener Zeit von Schulze und Winterstein?) analysiert war, einer Analyse zu unterwerfen. In meiner Mitteilung über Gluco- phosphorsäure ist über die Resultate kurz berichtet worden. Gleichzeitig mit meiner Arbeit ist die von Posternack*) in den Compt. rend. erschienen. Die erste Mitteilung von Poster- nack war mir zu jener Zeit unbekannt. In meiner Mitteilung über die Glucophosphorsäure waren Beweise für die Anwesen- heit einer Kohlenhydratgruppe im Moleküle dieser Substanz angegeben. Das Verfahren, nach welchem meine Substanz dargestellt war, wich von dem von Posternack etwas ab; ich beabsichtigte deshalb seit Jahren, auf diesen Gegenstand zurück- zukommen; doch war meine Zeit durch andere Arbeiten so in An- spruch genommen, daß ich nicht wieder dazu kam. Unterdessen sind einige andere Arbeiten über die Zusammensetzung dieser Substanz veröffentlicht, welche die Angaben von Posternack be- stätigten, und schließlich erschienen die Arbeiten von Neuberg?) und Suzucki, Yoshimura und Takaishi, welche eine Ände- rung in der Ansicht über die Natur des Phytins nötig machten,

1) Journ. Am. Chem. Soc. 24, 1901, 1902. (Eingegangen Nov. 1901.) ?) Palladin, Zeitschr. f. Biol. 31, 199, 1904. 3) Zeitschr. f. physiol. Chem. 22, 90, 1896. 4) Compt. rend. 137, 3, 5, 18, 1903. 5) Diese Zeitschr. 9, 557, 1908. Biochemische Zeitschrift Band 16. 27

400 P. A. Levene:

und zwar insofern, weil sie die Anwesenheit einer präformierten Zyklose im Moleküle der Substanz zeigten. Für die Richtigkeit seiner Ansicht hat Herr Prof. Neuberg mir freundlichst noch weitere Beweise in einer privaten Mitteilung angegeben. Die elementare Zusammensetzung meiner Substanz besaß mit der von Schulze und Winterstein und mit der Rohsubstanz von Patten und Hart!) deutliche Ähnlichkeit, und doch enthielt meine Verbindung eine ganz bedeutende Menge eines Kohlen- hydrates. Auch wenn ich genau nach den Vorschriften von Posternack verfuhr, erhielt ich Substanzen, die meiner älteren ähnlich waren. Es lag nun die Möglichkeit nahe, daß mein Körper aus einem Gemisch mehrerer phosphorhaltiger Sub- stanzen bestand. Diese Ansicht erwies sich auch als richtig, da es gelang, aus dem Rohmaterial zwei Substanzen zu er- halten, die eine mit kaum Spuren von Inosit und viel Kohlen- hydrat, die andere scheinbar ganz ohne Kohlenhydrat im Mole- küle. Auch aus dem käuflichen Phytin (aus der Fabrik in Basel bezogen) war es möglich, beide Substanzen zu erhalten. Die Trennung beruht auf der verschiedenen Löslichkeit der Substanzen in Eisessig. Die elementare Zusammensetzung der beiden Substanzen ist ziemlich ähnlich. Die Kohlenhydrat enthaltende Substanz gewinnt an Interesse noch dadurch, daß das Kohlenhydrat scheinbar zur Gruppe der Glucuronsäure gehört, und meines Wissens nach sind diese Substanzen im Pflanzenreich noch nicht gefunden worden. Über die Natur des Zuckers werde ich später eingehender berichten.

Experimenteller Teil.

Darstellung und Zusammensetzung der Substanz.

Es sei hier zuerst das ältere Verfahren erwähnt, nach welchem ich die ursprüngliche Substanz erhielt, und dann das neuere mitgeteilt, durch welches die Trennung der zweiten Sub- stanz erreicht war.

Hanfsamenmehl wurde in 5°/,iger Kochsalzlösung auf- gekocht und filtriert. Die durch Kochen nicht koagulierten Proteine werden durch Essigsäure und Pikrinsäure entfernt, das Filtrat vom Pikratniederschlag wurde mit Natronlauge

1) Am. Chem. Journ. 31, 564, 1904.

Über die gepaarten Phosphorsäuren in Pflanzensamen. 401

bis zur ganz schwach sauren Reaktion neutralisiert und mit Kupferchlorid gefällt. Es bildete sich das Kupfersalz des Phytins. Da es aber noch Spuren von Eiweiß enthielt, so wurde das Kupfersalz mit überschüssiger Lauge und Alkohol nach dem Verfahren von Schmiedeberg so lange behandelt, bis alle Spuren von Biuret gebenden Substanzen entfernt waren. Das Kupfersalz wurde dann vom Kupfer durch wiederholtes Auf- lösen in Salzsäure und Fällen mit Alkohol befreit. Die Sub- stanz besaß die Eigenschaften einer gepaarten Phosphorsäure, gab mit Orcin und Salzsäure eine positive Farbenprobe, nach der Hydrolyse mit Mineralsäure reduzierte die Verbindung Feh- lingsohe Lösung. Die Lösung der Substanz ist linksdrehend.

Die Substanz selbst hatte die folgende Zusammensetzung: 0,0957 g der Substanz gaben 0,0661 g CO, und 0,0319g H,O 0,1305g S 0,0617g Me PO. 0,1017g ,„ e » 0,0517g Asche.

Die Substanz von

Schulzeu.Winterstein!) Pattenu.Hart?) Die vorliegende

enthielt: enthielt: Substanz enthielt: C . . 965 17,30 17,94 H . . 2,83 3,63 3,57 P . . 34,66 16,38 13,16 Asche . 67,88 (CaMgK) ==9,53 50,83 (inkl. P.)

Hydrolyse der Substanz mittels 1°/,iger Salzsäure.

10,0g der Substanz wurden mit 500 ccm einer 1°/ igen Salzsäurelösung 6 Stunden lang im Ölbade am Rückflußkühler auf 125° C erhitzt. Die Flüssigkeit wurde genau neutralisiert und auf ein kleines Volumen eingedampft. In einer Probe wurde die Menge des Kohlenhydrates mittels Fehlingscher Lösung bestimmt. Das Kupferhydrat wurde titrimetrisch mit Kaliumcyanat bestimmt. Die Menge des Kohlenhydrates ließ sich auf etwa 25°/, des organischen Teiles berechnen.

Die Hauptlösung wurde dann mit 2,0 g Phenylhydrazin, gelöst in Essigsäure, erhitzt. Es bildete sich dabei Osazon. Aber auch nach zweimaligem Umkrystallisieren war die Substanz

1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 22, 90, 1896. 2) Am. Chem. Journ. 31, 566, 1904. 27*

402 P. A. Levene:

nicht ganz rein. Das Osazon begann bei 165° C zu sintern und schmolz b:i 170° C.

0,0739 g des Osazons gaben bei der Verbrennung 0,1620 g CO, und 0,0430g H,O.

Für C,,H,N,O, berechnet: gefunden: C. . . 60,16 59,81 H .. 611 6,46

Es lag also keine Pentose vor. Davon konnte man sich auch durch eine Furfurolbestimmung überzeugen.

0,3510 g der Substanz gaben bei der Destillation mittels Salzsäure (1,06 spez. Gew.) 0,0247 g Furfurolphloroglucid. Wäre die Kohlenhydratgruppe eine Pentose gewesen, so müßte man ‚viel mehr Phloroglucid erwarten.

Nun wurde versucht, die Substanz nach den Angaben von Posternack darzustellen. Das nach diesem Verfahren erhaltene Kupfersalz wurde von Kupfer mittels Schwefelwasser- stoff befreit, aber dann wurde die Lösung, statt bei vermin- dertem Drucke eingedampft, mittels Alkohol gefällt. Auf diese Weise wurde die Säure aus Pfeffer- und Senfsamen gewonnen. Aus beiden Präparaten konnte nach der Hydrolyse dasselbe Osazon erhalten werden. Beide Präparate gaben die Farben- reaktion eines Kohlenhydrates und unterschieden sich nicht wesentlich von dem nach meinem Verfahren dargestellten Prä- parate.

Zur weiteren Reinigung wurde dann versucht, die Sub- stanz in das Bariumsalz überzuführen. Zu diesem Zwecke löste man sie in verdünnter Salzsäure und fällte mit einer konzen- trierten Lösung von Bariumacetat.

Der Niederschlag wurde wieder in Salzsäure gelöst und mit Bariumacetat gefällt, dann in Eisessig aufgenommen, in welchem er sich anfangs teilweise löste, und über Nacht im Kälteraum bei —1° C stehen gelassen. Der Niederschlag nahm dann ein halb krystallinisches Aussehen an und bestand mikro- skopisch aus Globuliten, die scheinbar aus kleinen Nadeln zu- sammengesetzt waren. Der Niederschlag wurde auf einer Saug- pumpe über Seide filtriert und zunächst an der Luft bis zum konstanten Gewicht und zur Analyse bei 80°C im Vakuum- exsiccator über Phosphorpentoxyd getrocknet. Die Analyse dieses Präparates ergab die folgenden Zahlen:

Über die gepaarten Phosphorsäuren in Pflanzensamen. 403

0,3555 g der Substanz gaben 0,0998 g CO, und 0,0582g H,O

0,4283 g ,‚, 5 0,1838 g MgP,O,

0,3343 g ,, e » 0,2285 g BaSO,

0,2987 g ,„, enthielten 0,2465 g Asche 82,52°/,. Berechnet für das Bariumsalz

des Phytins: Gefunden: C 5,17 7,7 H . . 104 1,81 P 14,94 11,95 Ba . . 44,02 40,14 Asche (als Ba, PO. 82,52.

Die Substanz gab keine Farbenreaktion auf Stärke, aber eine positive Pentosenprobe mit Orcin, und positiv war die Probe von Tollens mit Naphtoresorcin auf Glucuronsäure. Nach der Hydrolyse mit Mineralsäuren reduzierte sie Fehlingsche Lösung.

20 g der Substanz wurden zur quantitativen Bestimmung des Reduktionsvermögens mit 2°/, Schwefelsäure 4 Stunden im Ölbade am Rückflußkühler erhitzt. Nach Entfernung des Bariums erhielt man 80,0 ccm Lösung, von welcher 2,0ccm bei der Reduktion mit Fehlingscher Lösung 0,0085 g Kupferoxydul lieferten. Das Kupferoxydul wurde maßanalytisch mittels Kaliumcyanat bestimmt. Die Ausbeute berechnet sich auf etwa 8°/, Zucker.

1,5646 g der Substanz wurden zur Furfuroldestillation ge- braucht. Die Ausbeute an Phorglucid betrug 0,0946 g.

4,0g der Substanz dienten zur Inositbestimmung. Zu diesem Zwecke wurden sie in zugeschmolzenem Rohre 4 Stunden lang im Ölbade auf 150°C erhitzt. Die abgekühlte, dunkel- braune Lösung wurde quantitativ vom Barium befreit, einge- dampft, mit Alkohol bis zur Entstehung einer Trübung versetzt und über Nacht stehen gelassen. Es bildete sich ein ganz kleiner Niederschlag von typischen Inositkrystallen. Sie gaben eine positive Scherersche Reaktion. Die Ausbeute betrug 0,650 g.

Die vorliegende Substanz wich in ihrer Zusammensetzung vom Phytin nicht viel ab, doch enthielt sie eine ganz beträcht- liche Menge eines Kohlenhydrates.

Nun ergab sich weiter, daß man das Bariumsalz mittels Eisessig in zwei Substanzen trennen konnte. Zu diesem Zwecke

404 P. A. Levene:

löst man das Bariumsalz in möglichst wenig verdünnter Essig- säure oder Salzsäure. Falls man Salzsäure zum Lösen gebraucht, tut man besser, wenn man bis zur Bindung der freien Mineral- säure mit Bariumacetat versetzt. Zu der Lösung dər Barium- salze wird Eisessig so lange gesetzt, als ein Niederschlag ent- steht. Der Niederschlag ist die Kohlenhydrat enthaltende Sub- stanz, das Filtrat enthält das Phytin. Dieses wird aus der Lösung mittels Alkohol gefällt. Wird die Operation einige Male wiederholt, so gelangt man zu einer Substanz, welche zucker- frei ist. Die Analyse eines solchen Präparates ergab die fol- genden Zahlen:

0,2714g der Substanz gaben 0,0564g CO, und 0,0434 g H,O

0,5630g „, » » 0,2727 g Mg,P,O, 0,3215g ‚, We » 0,2460g BaSO, 0,2282g ,, 2 » 0,1858g Asche.

Das Bariumsalz des Phytins hat nach der Neubergschen Formulierung die Zusammensetzung C,H, ,O,,P,Ba, und würde

verlangen: Gefunden ist: C e T1 5,66 H . . 1,04 1,47 P . . 14,94 13,93 Ba. . 44,02 44,48 Asche 81,42.

5,0g der Substanz wurden in einem geschlossenen Rohre mit 25ccm 25°/,iger Schwefelsäure 4 Stunden im Ölbade auf 150°C erhitzt. Es resultierte eine ganz farblose Flüssigkeit. Diese wurde von Schwefelsäure quantitativ befreit und bei vermindertem Drucke eingedampft, mit Alkohol bis zum Ent- stehen einer Trübung versetzt und im Kälteraum bei —1° © stehen gelassen. Es schieden sich die typischen Krystalle des Inosits aus. Die Ausbeute betrug 0,5 g. 0,1373 g der Sub- stanz gaben 0,2000g CO, und 0,0832g H,O.

. Für C,H ,0, berechnet: gefunden: C . . 40,10 39,58 H. . 6,66 6,73.

Auch aus dem käuflichen Phytin läßt sich mittels Eis- essig die kohlenhydrathaltige, gepaarte Phosphorsäure ebenfalls erhalten. Zwei solcher Präparate wurden dargestellt, und zwar

Über die gepaarten Phosphorsäuren in Pflanzensamen. 405

auf folgendem Wege: Wie bekannt, enthält das käufliche Pro- dukt viel Calcium und Magnesium. Um diese zu entfernen, wurde versucht, das käufliche Phytin in das Bariumsalz um- zuwandeln. Da das Produkt immer noch viel Calcium und Magnesium enthielt, so wurde es zuerst vom Barium mittels Schwefelsäure quantitativ befreit, dann vom Calcium mittels Oxalsäure und das Filtrat vom Caliumoxalat mittels Eis- essig gefällt. Der Niederschlag wurde wieder aufgelöst und die Reinigung mittels Oxalsäure wiederholt, das Filtrat auch dieses Mal mit Eisessig gefällt. Der Niederschlag wurde dann an der Saugpumpe über Seide filtriert, mit Alkohol und Äther gewaschen und getrocknet. Er gab eine stark positive Orcin- probe, eine stark ausgesprochene Probe von Tollens auf Glucuronsäure mit Naphtoresorcin.

Nach der Hydrolyse mittels Mineralsäuren reduzierte er Fehlingsche Lösung.

0,4170 g der Substanz gaben 0,3351 g Mg,P,O,, P = 22,36 °/, 0,18858 2 » 0,0687 g CO, und 0,0586 H,O C= 9,84 °/,, H=3,48 DL,

Das zweite Präparat wurde gleich von vornherein mit Oxalsäure gereinigt und mit Eisessig gefällt. Nach mehr- maligem Wiederholen dieser Operation erhielt man eine Sub- stanz, die nach der Hydrolyse mit Mineralsäuren Fehlingsche Lösung stark reduzierte und starke Orcinprobe gab, auch die Naphtoresorcinprobe von Tollens auf Glucuronsäure.

0,3315 g dieser Substanz gaben 0,2742 g Mg,P,0,, P=23°/,.

Phytin nach Posternak und Neuberg C H P verlangt. . . 2. 2... 10,08 3,36 26,07 Die vorliegenden Substanzen enthielten 1. 9,84 3,48 22,36 H. 23,00

Also auch diese Substanzen wichen wenig in ihrer Zu- sammensetzung vom Phytin ab, und doch enthielten sie eine Kohlenhydratgruppe im Molekül.

Notiz über Phytin. Von Carl Neuberg.

Vor einiger Zeit habe ich mitgeteilt,!) daß Phytin als Inositphosphorsäure und nicht als ein Phosphorsäureester des Formaldehyds zu betrachten ist. Dieser Auffassung hat sich auf Grund anderer Versuche E. Winterstein®) ange- schlossen, und die Beobachtungen von U. Suzuki, K. Yoshi- mura und M. Takaishi?) über die enzymatische Spaltung des Phytins in Phosphorsäure und Inosit haben zu demselben Er- gebnis geführt.

In der voraufgehenden Mitteilung gibt nun P. A. Levene‘) an, das Phytin in zwei Substanzen zerlegt zu haben, von denen die eine die eigentliche Inositphosphorsäure, die andere wahrscheinlich eine Glucuronsäure-Phosphorsäure, jeden- falls der linksdrehende Phosphorsäureester eines wahren Kohlenhydrates sein soll.

Ich habe die Angaben von Levene an 8 verschiedenen Phytinpräparaten nachgeprüft, und zwar an

5 verschiedenen Proben des bekannten Calciummagnesium- salzes, 1 Probe reinen Calciumsalzes, Probe Natriumsalz und an Probe freier Phytinsäure, die ich sämtlich der Liberali- tät der Gesellschaft für chemische Industrie in Basel verdanke.

pi ed

1) Diese Zeitschr. 5, 443, 1907 u. 9, 557, 1908.

2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 58, 118, 1908.

3) Bull. of the College of the Agriculture Tokyo 7, 503. 4) Seite 399.

C. Neuberg: Notiz über Phytin. 407

5 von den 8 Präparaten zeigten nicht einmal die Molisch- Udranskische allgemeine Kohlenhydratreaktion, 3 gaben sie so minimal, daß eine zum Vergleich damit vorgenommene Probe mit einer Traubenzuckerlösung von 1:10000 enorm ausfiel. Bei der außerordentlichen Feinheit der Reaktion beweist bekanntlich ein solch schwacher Ausfall gar nichts. Keines der Präparate gab die Naphtoresorceinprobe auf Aldehyd- oder Ketosäuren vom Typus der Glucuronsäure. Auch nach vorauf- gegangener Hydrolyse mit Salzsäure oder Schwefelsäure zeigte keines der Präparate einen positiven Ausfall der genannten Reaktionen, keines eine Reduktion von Fehlingscher Lösung, keines wies vor!) oder nach der Spaltung optische Akti- vität auf.

Demnach kann von der Gegenwart einer Kohlenhydrat- phosphorsäure im Phytin, das nach der ausgezeichneten Me- thode von M. S. Posternak?) gewonnen ist, nicht gut die Rede sein.

Es entzieht sich natürlich ohne eingehende Nachprüfung der Beurteilung, was Levene eigentlich in Händen gehabt hat. Am wahrscheinlichsten ist die Annahme, daß sein von Poster- naks bewährten Angaben abweichendes Verfahren zu anderen unreineren Produkten führt.

Die Gegenwart von Glucuronsäure in den betr. Substanzen, die Levene behauptet, wäre für die Abschätzung der bio- logischen Rolle der Glucuronsäure nicht ohne Bedeutung. Es ist klar, daß ein so häufiges Vorkommen dieser Kohlen- hydratsäure in den pflanzlichen Nahrungsmitteln zu einer Ände- rung unserer Anschauung über die Physiologie der Glucuron- säure führen müßte. Zwar darf es an sich schon als gewagt gelten, daß Levene den positiven Ausfall der Naphtoresorecin- reaktion auf Glucuronsäure bezieht, nachdem Mandel und Neu- berg?) gezeigt haben, daß diese Probe mit einer großen Reihe von Substanzen positiv ausfällt, deren Zahl sich übrigens noch vermehren läßt. Immerhin gibt die Reaktion einen Anhalt für

1) Die unlöslichen Calcium- und Magnesiumsalze wurden zur polari- metrischen Bestimmung in Salzsäure von 5°/, gelöst. 2) Compt. rend. 137, Nr. 3, 5 u. 8, 1903. s) Diese Zeitschr. 13, 148, 1908. Biochemische Zeitschrift Band 16. 278

408 C. Neuberg:

das Vorhandensein von Carbonylsäuren überhaupt ab. Deshalb habe ich die Angaben von Levene, der eine solche Glucuron- säureverbindung aus Hanf-, Pfeffer- und Senfsamen erhalten haben will und die Ähnlichkeit seiner Substanz mit der von A.J. Patten und E. B. Hart!) aus Weizenkleie betont, nach- geprüft, und zwar zunächst mit den enteiweißten Auszügen von zwei Sorten Hanfsamen, schwarzem und weißem Pfeffer, Senfsamen, Weizenkleie und Mandelkleie. Die Naphtoresorcin- probe war hier wenigstens in allen Fällen negativ.

Wie schon Tollens?) angibt, erhält man Färbungen mit Naphto- resorcin und Salzsäure bei fast allen Kohlenhydraten; in Äther geht aber nur das Reaktionsprodukt aus Glucuronsäure mit roter bis blauvioletter Farbe über. Es kommt nun vor, daß von dem roten Farbstoff, den ver- schiedene Zucker erzeugen, beim Ausschütten etwas im Äther suspendiert und namentlich längs der Ätherschicht am Glase haften bleibt. Solche Proben sehen auf den ersten Blick wie positive aus; beim Filtrieren be- merkt man aber, daß der Ätherauszug farblos ist, und das gleiche gewahrt man, wenn die Proben einige Stunden ruhig stehen. Namentlich durch Filtration der abpipettierten Ätherschicht kann man sich vor Täuschungen schützen.

Levene istim Irrtum, wenn er behauptet, als erster Glucuron- säure in Pflanzenprodukten aufgefunden zu haben. Abgesehen davon, daß er einen Nachweis dieser Substanz nicht erbracht hat, haben Tollens und Witsoe?) bereits im Jahre 1900 die Aufmerksamkeit auf ihr Vorkommen im Pflanzenreiche gelenkt, und Tschirch und Cederberg*) sowie Tschirch und Gauch- mann?) haben schon im Jahre 1907 Glucuronsäure unter den Spaltungsprodukten der Glycyrrhizinsäure aus Süßhölzern be- obachtet.

Deshalb soll auch keineswegs die Möglichkeit des öfteren Vorkommens von Glucuronsäure in Pflanzensubstanzen an sich bestritten werden, nur die Angaben von Levene können nicht als Beweis dafür gelten.

Übrigens ist der fragliche Kohlenhydratphosphorsäureester aus den genannten Pflanzensamen von Levene früher anders

') Journ. of the Amer. Chem. Soc. 31, 564, 1904. 2) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 51, 1783, 1908. 3) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 33, 142, 1909.

4) Arch. d Pharm. 245, 97, 1907.

5) Arch. d. Pharm. 246, 545, 1908.

Notiz über Phytin. 409

gedeutet worden. Im Journ. of Amer. Chem. Soc. 24, 191, 1903, gibt Levene an, nach Hydrolyse desselben typisches Glucosazon erhalten zu haben, und er hat daraufhin das natür- liche Vorkommen der ‚Glucophosphorsäure“ proklamiert.

Im Amer. Journ. of Physiol. 8, 11, 1903, wird dasselbe Kohlenhydrat aus eben dieser ‚„Glucophosphorsäure‘“ (!) auf Grund der Phenylhydrazin- und Bromphenylhydrazinverbindung für eine Pentose erklärt. Jetzt ist es zu Glucuronsäure avanciert, obgleich Analysen und Formel für ein Hexosazon (s. die vorherg. Mitteil. S. 402) angegeben sind!

An den beiden genannten Orten teilt Levene übrigens Analysen mit, die einen erheblichen Stickstoffgehalt seiner Substanz anzeigen. Für ein Kupfersalz gibt er z. B. (Journ. of Amer. Chem. Soc. 24, 191) an:

© = 16,95 °,

H = 285

N= 24, P,O, = 24,10 , CuO 35,66 ,,

Asche = 57,67 ,,

Vergleicht man diese Daten mit den Zahlen, die ein Inositphosphorsäureester oder ein isomerer Kohlenhydratphos- phorsäureester verlangt, so sieht man, daß sie weit davon abweichen.

Nachdem durch die Arbeiten von Posternak u. a. be- wiesen wurde, daß Phytin stickstofffrei ist, gibt auch Levene keinen Stickstoffgehalt mehr für seine Substanzen an (siehe die vorhergehende Mitteilung), obgleich er sie aber nach demselben älteren Verfahren gewinnt, das ihn früher zu N-haltigem Material geführt hat.

Endlich ist es noch unverständlich, woraufhin Levene eigentlich eine Trennung seiner Phosphorsäureester in einen Inosit- und in einen Glucuronsäureester behauptet. Die Fraktion nämlich, die nach seinen Angaben die Kohlenhydratsäure ent- halten soll, gibt bei der Spaltung noch 16,25°/, Inosit (0,65 g aus 4,0 g Substanz; s. S. 403), die den wirklichen Inositester enthaltende kohlenhydratfreie Fraktion liefert dagegen 10°/, Inosit (0,5 g aus 5,0 g Substanz; s. S. 404).

410 C. Neuberg: Notiz über Phytin.

Zu allen diesen Widersprüchen tritt schließlich noch die Tatsache, daß für das Vorkommen irgend einer kohlenhydrat- ähnlichen Substanz neben Inosit im Phytin überhaupt kein Platz ist; denn S. Posternak!) hat bereits im Jahre 1903 be- wiesen, daß der gesamte Kohlenstoff des Phytins nach der Hydrolyse quantitativ als Inosit auftritt.

1) Compt. rend. 137, 439, 1903.

Das Ammoniak als Umwandlungsprodukt stickstoff- haltiger Stoffe in höheren Pflanzen.

Vorläufige Mitteilung. Von WI. Butkewitsch.

(Aus dem pflanzenphysiologischen Laboratorium des Instituts für Land- und Forstwirtschaft in Novo-Alexandria.)

(Eingegangen am 4. Januar 1909.) Mit 6 Figuren.

Die Frage nach der Ammoniakbildung bei der regressiven Metamorphose der Stickstoffverbindungen in höheren Pflanzen ist schon mehrfach in der physiologischen Literatur diskutiert worden, konnte aber wegen des mangelnden Tatsachenmaterials bis jetzt keine bestimmte Lösung erfahren.

Ehe ich die Versuche beschreibe, durch welche ich die oben aufgeworfene Frage zu beantworten bemüht war, möchte ich die zu dieser Frage führenden und ihre Bedeutung klar- legenden Erwägungen anführen.

Wenn wir uns zu den genügend untersuchten Umwand- lungen der Eiweißstoffe durch niedere pflanzliche Organismen (Bakterien und Pilze) einerseits und tierische Organismen andrerseits wenden, so finden wir, insofern wir die stickstoff- haltigen Zerfallprodukte dieser Umwandlung berücksichtigen, folgendes für beide identische Schema:

NH Ee NH,

Dieser Prozeß, welcher bei den niederen Pflanzen mit der

Ammoniakbildung beendigt wird, findet bei den Tieren eine

Fortsetzung in der Harnstoff- und Harnsäuresynthese, bei Biochemische Zeitschrift Band 16. 28

412 W. Butkewitsch:

welcher das Ammoniak verbraucht wird (was sein beinahe vollständiges Fehlen beim normalen tierischen Stoffwechsel erklärt).

Was die höheren Pflanzen betrifft, so war bis jetzt nur so viel bekannt, daß der Eiweißzerfall, welcher bei ihnen ebenso wie in den obenerwähnten Fällen mit einer hydro- lytischen Spaltung unter Bildung der bekannten Aminosäuren- komplexe beginnt, zuletzt durch Umwandlung dieser primären Produkte zur Anhäufung von Amiden, wie Asparagin und Glutamin, führt.

Natürlicherweise entsteht nun die Frage, ob auch in diesem Falle der Bildung dieser Endprodukte das Ammoniakstadium vorangeht, welchem wir bei den tierischen und niederen pflanz- lichen Organismen begegnen, oder ob die höheren Pflanzen hierin eine Ausnahme machen. Diese Frage wurde mehrmals in der Literatur berührt und ohne ausreichenden Grund von verschiedenen Autoren bald in diesem, bald in jenem Sinne beantwortet.

Die Annahme, daß der Umwandlung der aus den Eiweiß- körpern entstehenden Aminosäuren in Asparagin eine von Ammoniakbildung begleitete Spaltung derselben vorausgehe, wurde von E. Schulze!) und später auch von anderen Autoren [z. B. Loew?), Prjanischnikow®)] ausgesprochen. l

„Daß im Stoffwechsel der Keimpflanzen“, sagt E. Schulze in einer Arbeit von 1898, „Spaltungsprodukte der Eiweißstoffe einer zur Ammoniakbildung führenden Zersetzung unterliegen können, muß für möglich erklärt werden, um so mehr als das Vorhandensein von Ammoniaksalzen in Keimpflanzen schon nachgewiesen ist.‘ t)

Da aber diese Annahmen durch kein entsprechendes Tat- sachenmaterial gestützt werden konnten, herrschte in der Physiologie bis zuletzt die Meinung, daß in höheren Pflanzen im Gegensatz zu den Tieren und niederen Pflanzen der Eiweiß-

1)S. z.B. E. Schulze, Über den Umsatz der Eiweißstoffe in lebenden Pflanzen. Zeitschr. f. physiol. Chem. 24, 18, 1898.

2) O. Loew, Die chem. Energie der lebenden Zellen. 1899.

3) D. Prjanischnikow, Die Eiweißstoffe und ihre Umwandlungen in der Pflanze. 1899 (russisch).

4) E. Schulze, 1. o. S. 73.

Ammoniak als Umwandlungspr. stiokstoffhalt. Stoffe in höh. Pflanzen. 413

zerfall das Stadium der gewöhnlich darin anzutreffenden Amino- und Amidverbindungen nicht überschreite.

So sagt Pfeffer‘), nachdem er darauf hingewiesen hat, daß beim Eiweißzerfall „in dem animalischen Stoffwechsel zunächst dasselbe Endprodukt (NH,) wie in den Pilzen erzielt wird‘, weiter folgendes: ‚In den höheren Pflanzen scheint die Zertrümmerung der Proteinstoffe der Regel nach nur bis zur Bildung von Amiden usw. durchgeführt zu werden... (Anm.). Die Entstehung von etwas Ammoniak in Keimpflanzen ist wahrscheinlich, doch nicht sichergestellt.‘

Aber wenn wir auch die Anwesenheit von kleinen Ammoniak- mengen in Keimpflanzen als sichergestellt betrachten wollten,°) so bleibt auch dann noch die Frage über seine Bildung bei den Umwandlungen der primären Spaltungsprodukte der Eiweiß- stoffe unentschieden, da gewisse Ammoniskmengen auch bei der primären, hydrolytischen Spaltung derselben gebildet werden können.

Beim Versuch, eine Antwort auf die oben gestellte Frage zu erhalten, war es natürlich, denselben Weg einzuschlagen, den bei der Lösung analoger Fragen die tierische Physiologie eingeschlagen hatte. Dieser Weg besteht in der Feststellung zweier fundamentalen Tatsachen: 1. der Fähigkeit des von außen eingeführten Ammoniaks, sich in Harnstoff oder Harn- säure zu verwandeln, und 2. der Anhäufung von Ammoniak im Organismus in solchen Bedingungen, welche seine Verwand- lung in Harnstoff oder Harnsäure ausschließen oder einschränken (Ausschaltung der Leber).

Es ist klar, daß auch in bezug auf die Pflanze die zu untersuchende Frage auf gleiche Weise zergliedert werden muß, d.h. es muß entschieden werden: 1. ob von außen der Pflanze dargebotenes Ammoniak das Material für Asparagin- (oder Glutamin-) Bildung abgeben kann, und 2. ob man durch Aus- schließen oder Einschränken der Bildung dieses Amids in der Pflanze die Anhäufung von Ammoniak in derselben hervor- rufen kann.

Eine Antwort auf die erste Frage geben die Arbeiten von

1) Pfeffer, Pflanzenphysiologie, II. Aufl., 1, 460, 1897.

2) Siehe N. Castoro, Über das Vorkommen von Ammoniak in Keimpflanzen usw. Zeitschr. f. physiol. Chem. 50, 525, 1907. 28*

414 W. Butkewitsch:

Kinoshita?!) und Suzuki’). Beide Verfasser kommen auf Grund zahlreicher Versuche zu dem Schlusse, daß von außen dargebotenes Ammoniak sich in den Pflanzen in Gegenwart einer genügenden Menge von Kohlenhydraten in Asparagin verwandelt. Bei dieser Bedingung, d. h. bei genügenden Kohlen- hydratmengen, welche sich schon in den zum Versuch benutzten Pflanzen befanden oder denselben von außen dargeboten wurden, verschwand das von demselben aus der Lösung aufgenommene Ammoniak sehr rasch in ihren Geweben, so daß es qualitativ nicht nachzuweisen war, und gleichzeitig nahm die Menge des Asparagins zu; letzteres wurde nach Sachsse bestimmt und in einigen Fällen auch als solches in Krystallen ausgeschieden.

Was die zweite der von uns oben aufgestellten Fragen anbetrifit, so haben wir zurzeit keinerlei Tatsachen, welche uns eine Lösung derselben in diesem oder jenem Sinne ermöglichen könnten.

Bei meinem Versuch, solche Tatsachen zu erhalten, griff

ich zu einem Verfahren, welchem ein noch von Claude Bernard in seinen „Lecons sur les phénomènes de la gie") geäußerter Gedanke zugrunde lag. Dieser Gedanke bestand darin, daß durch Einwirkung gewisser Stoffe auf den Organismus die darin vorgehenden Prozesse differenziert werden können, d. h. einige von denselben sistiert werden, während andere ungestört weiter ablaufen. So besteht nach CL Bernard die Wirkung der Anaesthetica auf den Stoffwechsel im Organismus darin, daß ohne irgendwelche Beeinträchtigungen der Reaktionen der regressiven Metamorphose die organisierenden, synthetischen Prozesse eine Hemmung erfahren.*) "ui Kinoshita, On the assimilation of nitrogen from nitrates and ammonium salte. Bull. of the Coll. of Agric. Imp. University, Tokyo, 2, 200, 1895; ref. in Jahresber. f. Agrikulturchemie N. F. 18, 187, 1896. S. auch O. Loew, Das Asparagin in pflanzenchemischer Beziehung, Chem.-Zeitg. 1896, 143.

2) N. Suzuki, Bull. of the Coll. of Agric, Imp. Univ. Tokyo 2, 409, 1897; ref. in Jahresber. f. Agrikulturchemie N. F. 20, 281, 1898 und Biederm. Centralbl. 1898, 789: Über die Bildung von Asparagin unter verschiedenen Bedingungen.

3) CL Bernard, Leçons sur les phénomènes de la vie communs aux animaux et aux végétaux 1, 272, 1878.

4) Dieser Gedanke Cl. Bernards kann gegenwärtig natürlich nur mit einer gewissen Einschränkung angenommen werden.

Ammoniak als Umwandlungspr. stiokstoffhalt. Stoffe in höh. Pflanzen. 415

Es entstand natürlicherweise der Gedanke, eine derartige einseitige Einwirkung als Mittel für die Auslösung der regressiv verlaufenden Reaktionen aus der Menge der sie im normal funktionierenden Organismus verdeckenden synthetischen Prozesse zu gebrauchen und somit der Frage nach der Bildung des Ammoniaks als eines der Endprodukte des in höheren Pflanzen stattfindenden Stiokstoffumsatzes näher zu rücken. Wenn die Annahme Schulzes und anderer Autoren über die der As- paraginbildung vorausgehende Spaltung der primären Zerfall- produkte der Eiweißstoffe bis zum Ammoniak ein der Wirklich- keit entsprechendes Bild der in der Pflanze stattfindenden Prozesse gibt, so könnte man in Keimlingen, welche der Ein- wirkung gewisser, die Synthese des Asparagins hemmender Stoffe ausgesetzt sind, eine Ansammlung von Ammoniak erwarten. Als für diesen Zweck geeignete Stoffe wählte ich in erster Linie Anaesthetica.

Als ich meine Versuche im Jahre 1902 begann, waren einige Angaben über die Wirkung der Anaesthesie auf den Eiweißumsatz in keimenden Pflanzen in der Arbeit von Sosve vorhanden.!) Indem dieser Verf. Keimlinge verschiedener Pflanzen in Ather- oder Chloroformatmosphäre brachte, fand er, daß die weitere Entwicklung der Keimlinge vollkommen gehemmt wurde, die Atmung und der Eiweißzerfall dagegen beinahe mit derselben Energie wie in normal sich entwiokelnden Keimlingen fort- dauerten. Doch ist in der Arbeit von Soave die uns be- schäftigende Frage nicht berührt, und über die Zusammen- setzung der stickstoffhaltigen Produkte in den anästhesierten Pflanzen macht er gar keine Angaben.?)

1) Marco Soave, Contributo allo studio della funzione fisiologica dei fermenti o ohimioi enzimi nella vita della pianta. Ricerche chimico- fisiologiche sulla germinazione dei semi sotto lazione degli anestetici. Le stazione sperimentali agrarie italiane 82, fasc. 6, 553, 1899.

2) Zaleski (W. Zaleski, Zur Ätherwirkung auf die Stoffumwand- lung in den Pflanzen. Ber. d. Deutsch. botan. Ges. 18, 292, 1900) fand bei seinen Unternehmungen über die Wirkung der Atheranästhesie auf den Stickstoffumsatz in Lupinen- und Weizenkeimlingen, daß die Anästhesie die Energie der Eiweißbildung förderte. Der scheinbare Widerspruch dieser Angaben mit den obenerwähnten Soaves erklärt sich wahrschein- lich dadurch, daß Zaleski eine verhältnismäßig schwache und kurz- andauernde Anästhesie anwandte. Daß die Wirkung desselben auf den

416 W. Butkewitsch:

Beim Beginn meiner Versuche wollte ich zuerst ebenfalls Chloroform und Ather benutzen. Aber einige vorläufige Ver- suche bewogen mich, diese Absicht aufzugeben und das Toluol zu wählen.!)

Versuche mit Toluol.?)

Der zu meinen Versuchen benutzte Apparat (Fig. 1) war demjenigen von Cl. Bernard in seinen Versuchen angewandten ähnlich konstruiert.*) Die zum Versuch benutzten Keimlinge wurden in den oberen Teil des Zylinders a gelegt, dessen Boden mit einer Wasser- und Toluolschicht bedeckt war. Die durch den Zylinder durchgeleitete Luft strich vorher durch das Gefäß b, welches ebenfalls Wasser und Toluol enthielt, und dann durch die obenerwähnte Schicht von Wasser und Toluol im Zylinder a. Die in das Gefäß b einströmende Luft wurde vorher durch Schwefelsäure zur Entfernung des Ammoniaks und

pflanzlichen Stoffwechsel je nach der Menge des anästhesierenden Mittels und seiner Einwirkungszeit sehr verschieden ausfallen kann, zeigen die vom selben Autor später erhaltenen Resultate (W. Zaleski, Zur Frage über den Einfluß der Reize auf die Pflanzenatmung. Warschau 1902, russ.). Bei kurzer Einwirkung des Äthers und bei einem geringen Gehalt seiner Dämpfe in der Atmosphäre wurde die Kohlensäureabgabe gesteigert; bei längerer Wirkungsdauer und größeren Äthermengen wurde das Um- gekehrte beobachtet. Es können hier noch die Angaben von R. Bertel (Ber. d. d. bot. Ges. 20, 454, 1902) über den Einfluß des Chloroforms auf die Bildung des Tyrosins in Lupinenkeimlingen erwähnt werden; doch sind dieselben durch spätere Untersuchungen von E. Schulze und N. Castoro nicht bestätigt worden (Über den Tyrosingehalt der Keim- pflanzen von Lupinus albus. Zeitschr. f. physiol. Chem. 48, 387, 1906).

1) Die Anwendung des Äthers erwies sich ungeeignet, weil der Zufluß seiner Dämpfe zu den anästhesierenden Pflanzen schwer zu regu- lieren war. Beim einfachen Durchleiten eines Luftstroms durch flüssigen Äther erwies sich seine Wirkung zu stark, und die Kohlensäureproduktion der Pflanzen wurde fast vollständig sistiert. Was das Chloroform betriflt, so beeinflußte es den Titer des Barytwassers, indem letzterer bedeutend vermindert wurde, wodurch die Kohlensäurebestimmung unmöglich ge- macht wurde.

2) Diese Versuche wurden schon 1902 ausgeführt und deren Resultate auf der XL Versammlung russischer Naturforscher u. Ärzte in St. Peters- burg mitgeteilt. (S. Tagebuch d. XI. Vers. russ. Naturf. u. Ärzte in St. Petersb. 1902, 387.)

3) 8. CL Bernard, l o.

Ammoniak als Umwandlungspr. stickstoffhalt. Stoffe in höh. Pflanzen. 417

durch Atzkali zur Befreiung von Kohlensäure durchgeleitet. Die durch den Apparat geleitete Luft wurde von Kohlensäure gereinigt, damit durch ein nachheriges Durchleiten durch eine Barytlösung die Kohlensäure- abgabe der anästhesierten Keimlinge geprüft werden konnte. In den auf diese Weise angestellten Versuchen hörte die Entwicklung der Keimlinge auf, die Kohlen- säureausscheidung dauerte dagegen während der ganzen Versuchszeit an.

Zum ersten Versuch wur- Fig. 1. den 2 bis 3tägige Keimlinge- von Lupinus luteus benutzt. In diesem Falle wurde außer dem Versuche mit Toluol noch ein anderer Parallelversuch angestellt, in welchem die Keimlinge in Thymolwasser, welches einen Über- schuß von feinzerriebenem Thymol enthielt, gelegt wurden. In diesem letzteren Versuche, wie auch im Toluolversuche wurde ein kontinuierlicher Luftstrom durchgesaugt, wobei auch hier eine während der ganzen Versuchszeit andauernde Kohlensäure- ausscheidung beobachtet. Von den Keimlingen des erwähnten Alters wurden drei gleiche Portionen zu je 20 g genommen. Die erste wurde sofort zur Analyse verwandt; die beiden anderen zum Versuche mit Toluol und Thymol benutzt, welcher 6 Tage dauerte. Nach Verlauf von 6 Tagen wurden beide Portionen auf dieselbe Weise wie auch die erste analysiert. Die im Toluol gewesenen Keimlinge hatten ein glasiges Aus- sehen und waren bräunlich gefärbt; sie reagierten alkalisch auf Lackmuspapier. Die im Thymolwasser verbliebenen Keimlinge wiesen ebenfalls eine alkalische Reaktion auf. Die Reaktion der frisch genommenen Keimlinge war, wie gewöhnlich, sauer.

Außer den erwähnten drei Proben wurde noch eine Probe derselben Keimlinge von 5 g behufs Bestimmung des Gesamt- stickstoffs genommen und mit Schwefelsäure nach Kjeldahl verbrannt. In den übrigen drei Proben wurde der Stickstoff der durch Tannin und Bleizucker nicht fällbaren Substanzen,

418 W. Butkewitsch:

der Amid- (Asparagin-) Stickstoff nach Sachsse und des Am- moniakstiokstoffs nach Boßhard!) bestimmt.

Bei diesen Bestimmungen wurden folgende Stiokstoffmengen in Prozenten des Gesamtstickstoffs der Keimlinge gefunden:

Versuch A. Keimlinge Nach 6 T. Verweilen

d V 24 in Toluol- in Thymol- We SS dämpfen

N der durch Tannin und Blei- wasser

zucker nicht fällbaren Sub-

gtangen `... 2 00... 29,1 32,0 33,7 Amid- (Asparagin-) N nach

Sachsse 2,5 0,2 1,1 Ammoniak-N Boßhard 1,2 14,4 9,3

Analytischer Beleg. Die im Mörser zerstoßenen Keimlinge wurden mit heißem Wasser ausgelaugt. Die Auszüge wurden, nach Ent- fernung der durch Tannin und Bleizucker fällbaren Substanzen auf ein Volum von 500 ccm gebracht. Aus den auf diese Weise gewonnenen Flüssigkeiten wurden genommen: zur Bestimmung des Gesamtstickstoff- gehalts 75ccom; zur Bestimmung des durch Kochen mit schwacher Salz- säure abepaltbaren Amidstiokstoffs nach Sachsse und des Ammoniak- stiokstoffs nach Boßhard je 200com. Bei allen Bestimmungen wurde zum Auffangen des Ammoniaks !/,, normale Schwefelsäure, zur Titration eine gleiche Lösung von Kaliumhydroxyd angewandt.

Schwefel- Kalilauge Stickstoff in d

säure beim in der go- Titrieren analysierten

Gesamtstickstoff in nommen verbraucht Probe Keimlinge 5g Keimlinge . . 100 38,2 0,08652 0,34608 N der durch Tannin [I g 14,2 0,01512 0,10080 und Bleizuoker nicht $ II E 13,15 0,01659 0,11060 fällb. Subst. (Beem) | III 12,5 0,01750 0,11667 Ammoniak + fI E B aa 0,00518 0,01295 Amid-N nach II 3 8 10,5 0,02030 0,05075 Sachsse (200 ccm) | III Ss S 14,7 0,01442 0,03605 , I 2 23,8 0,00168 0,00420 Ammoniak-N nach } 5 3 10,8 0,01988 0,04970 Boßhard (20000m) | vr 8 15,8 0,01288 0,03220

In beiden Versuchen wurde in den Keimlingen eine An- häufung von bedeutenden Ammoniakmengen festgestellt, dessen Stickstoff bei den Toluol-Versuchen beinahe die Hälfte des Gesamtstickstoffs der durch Tannin nicht fällbaren Substanzen

1) E. Boßhard, Über Ammoniakbestimmung in Pflanzensäften und Päanzenextrakten. Zeitschr. f. anal. Chem. 22, 329, 1883.

Ammoniak als Umwandlungspr. stickstoffhalt. Stoffe in höh. Pflanzen. 419

betrug. Die Menge des Proteinstickstoffs (im unlöslichen Rück- stand und Tanninniederschlag) blieb beinahe unverändert; das Ammoniak hatte sich also auf Kosten der in den Keimlingen befindlichen Zerfallprodukte der Eiweißstoffe (Amide, Amino- säuren usw.) gebildet. Dabei spaltete sich als Ammoniak, wie aus den Analysenzahlen zu sehen ist, nicht nur der Amid- stickstoff des Asparagins, sondern auch der Aminstickstoff der Aminosäuren ab.

Dasselbe Resultat wurde auch in einem anderen Versuche mit 5Btägigen Keimlingen von Lupinus luteus erhalten. Der Versuch wurde ganz ebenso wie der vorhergehende Toluol- Versuch angestellt.

Versuch B.

Keimlinge Nach 3tägigem

vor dem Verweilen in

Versuch Toluoldämpfen N der durch Tannin und Bleizuoker

nicht fällbaren Substanzen. . . 32,1 34,5

Amid-N (Asparagin-N) nach Sachsse 6,1 2,6 Ammoniak-N nach Boßhard ... 0,9 8,3

Analytischer Beleg. Die Analyse wurde auf die gleiche Weise wie im obenstehenden Versuch A ausgeführt. Schwefel- Kalilauge N in g gefunden säure beim in der in ge- Titrieren analysierten 20g

Gesamt - N - Gehalt nommen verbraucht Probe Keimlinge der Keimlinge (5g) 100 43,9 0,07854 0,31416 en old g 14,2 0,01512 0,10080

eiz DI I. 134 0,01624 0,10827 DI. Subst. (75 ccm) $ a kt Ir Be 18,7 ` owes 0,02205 mid-N naoh ( © & 152 001372 0,03430 Sachsse (200 ccm) 3 3

Ammoniak-N nach | I A 242 000112 0,00280

BoBhard (200000) Í II 2 17,55 0,01043 0,02607

In diesem Versuche war die Reaktion des aus den Keim- lingen ausgepreßten Saftes eine neutrale (Lackmus).

Unter den gleichen Bedingungen wie früher wurde noch ein Versuch mit Erbsenkeimlingen (4 bis 5 Tage alt) aus- geführt.

Die Keimlinge wurden der Einwirkung des Toluols während 5 Tagen ausgesetzt. Nach Verlauf dieses Zeitraums blieb die

420 W. Butkewitsch:

Reaktion ihres Preßsaftes sauer. Bei der Analyse wurden darin in Prozenten des Gesamtstickstoffs folgende N-Mengen gefunden:

Versuch C.

Keimlinge Nach 5tägigem

vor dem Verweilen

Versuch in Toluoldämpfen N der durch Tannin und Bleizucker

nicht fällbaren Substanzen. . . 27,9 36,7

Amid-N (Asparagin-N) nach Sachsse 2,3 1,3 Ammoniak-N nach Boßhard ... 1,0 5,3

Analytischer Beleg. Sowohl zum Versuch als auch zur Unter- suchung der ursprünglichen Zusammensetzung der Keimlinge wurden je 40g gewonnen; zur Bestimmung des Gesamtstickstoffs 10 g. Die Analyse

wurde ganz ebenso wie in den vorhergehenden Versuchen ausgeführt. Schwefel- Kalilauge N gefunden in g säure beim in der in ge- Titrieren analysierten 40g Gesamt-N in den nommen verbraucht Probe Keimlinge

Keimlingen (10 g) 100 32,2 0,09492 0,37968 N der durch Tannin und Bleizucker nicht | I fällb. Subst: (750cm | II von 500 ccm) Ammoniak + I Ammid-N nach

n

13,65 0,01589 0,10593 10,0 0,02100 0,14000

21,45 0,00497 0,01243 17,85 0,01001 0,02503 Sachsse (200 ccm) L

Ammoniak-N nach } I 23,9 0,00154 0,00385 Boßhard (200com) J II 19,3 0,00798 0,01995

Auch in diesem Falle ist in den mit Toluol behandelten Keimlingen eine bedeutende Steigerung des Ammoniakgehalts bemerkbar, welche durch die Verminderung des Amidstickstofls des Asparagins nicht gedeckt wird. In diesem Versuch ist eine bedeutendere Verminderung des Proteingehalts bemerkbar, als in den früheren Versuchen mit Lupinen. Vielleicht hängt das davon ab, daß in den Erbsenkeimlingen die Bedingungen für die Wirkung des proteolytischen Enzyms infolge der Erhaltung einer sauren Reaktion sich günstiger gestalteten. In den Ver- suchen A und C wurde außerdem die von den Keimlingen ausgeschiedene Kohlensäure (am ersten und am letzten Tage) bestimmt. Dabei wurden folgende Zahlen erhalten, welche die Mittelwerte der stündlich ausgeschiedenen Kohlensäure in Milli- gramm ausdrücken:

Bei allen Bestimmunge je 25 ccm

Ammoniak als Umwandlungspr. stiokstoffhalt. Stoffe in höh. Pflanzen. 421

Am 1. Tage . . 6,9% VORTON A | Am 6. Tage . . 2,03 Am 1. Tage . . 15,37 versuch © Am 5.Tagee . . 1861.

Die Kohlensäureausscheidung hat also bis zum Ende der Versuche angehalten, doch ist sie zuletzt viel schwächer als am Anfang gewesen.

Um jede Möglichkeit einer Annahme von der Mitwirkung der Mikroorganismen in dem durch obige Versuche festge- stellten Ammoniakanhäufungsprozesse auszuschließen, führte ich noch einen Versuch mit Keimlingen der gelben Lupine in vollständig sterilen Bedingungen aus.

Versuch D Sterilisierte Samen wurden in einem sterili- sierten Apparate zum Keimen gebracht und die auf diese Weise erhaltenen sterilen Keimlinge ähnlich wie in den oben beschriebenen Versuchen der Einwirkung der Toluoldämpfe ausgesetzt.

Die Sterilisation der Samen wurde nach einem zu diesem Zwecke von Prof. N. Chudjakow vorgeschlagenen Verfahren

ausgeführt. Der ganze Apparat, in welchem der Versuch an- gestellt wurde, mit der Sterilisiervorrichtung für die Samen (d e) ist auf Fig. 2 abgebildet.

Die Einrichtung des Apparats ist aus der Abbildung ver- ständlich und braucht nicht genauer beschrieben zu werden.

422 W. Butkewitsch:

Die Kolben a und b und das Rohr d wurden gleichzeitig einer dreimaligen Sterilisation im Kochschen Apparat unterworfen. Das Rohr e wurde auf gleiche Weise einzeln sterilisiert und mit dem oberen Gummischlauch der Röhre d verbunden, nach- dem die zum Versuche bestimmten Samen in dasselbe ein- geführt waren. Im Kolben a befand sich eine Schicht von reinem, mit Wasser befeuchtetem Quarzsand, im Kolben b Wasser. Nach dem Sterilisieren wurden die Öffnungen beider Kolben a und b oberhalb der sie abschließenden Watte mit mit geschmolzenem Siegellack verschlossen.

Zum Versuche wurden 20 g Samen von Lupinus luteus genommen. Die Samen wurden vor dem Einfüllen in das Rohr d sorgfältig mit einer alkoholischen Sublimatlösung ab- gewaschen und der endgültigen Sterilisation erst im Rohre d selbst unterworfen, wobei der unterhalb desselben angesetzte Gummischlauch während dieser Operation mit einem Quetsch- hahn verschlossen blieb. Die Sterilisation selbst bestand darin, daß die Samen zuerst ?/, Stunde lang mit einer alkoholischen Sublimatlösung behandelt und dann mit sterilisiertem Wasser abgespült wurden, wobei diese Operation fünfmal wiederholt wurde. Die Sublimatlösung und das Wasser wurden durch den seitlichen Tubus des Rohres d abgegossen, welcher mit einem mittels Quetschhahn abgeschlossenen Gummirohr ver- sehen war.

Nachdem die Samen sterilisiert waren, wurden sie sorg- fältig so lange mit Wasser abgewaschen, bis keine Chlorreaktion mehr vorhanden war; dann wurde das Rohr d mit Wasser an- gefüllt und die Samen darin zum Aufquellen belassen. Nach 24 Stunden wurde das Wasser abgegossen und die auf- gequollenen Samen durch den vom Quetschhahn befreiten unteren Gummischlauch in den Kolben a übergeführt. Darauf- hin wurde der Hahn wieder am Schlauche festgeschraubt und letzterer oberhalb des Verschlusses abgeschnitten.

Die Samen wurden im Kolben a möglichst gleichmäßig verteilt und während ihrer Keimzeit ein kontinuierlicher Luft- strom durch den Apparat gesogen, die Luft strich dabei vor- läufig durch Schwefelsäure und Kalilauge. Nach 5 bis 6 Tagen nach Beginn dor Keimung, welche bei gewöhnlicher Temperatur vor sich ging, wurde vor dem Kolben b das Gefäß c mit Toluol

Ammoniak als Umwandlungepr. stickstoffhalt. Stoffe in höh. Pflanzen. 423

eingeschaltet. 6 Tage nach Einschaltung des Toluols wurde der Versuch unterbrochen. Die Keimlinge, deren Aussehen ähn- lich wie auch in den früheren Versuchen ein glasiges und deren Färbung eine bräunliche war, wurden aus dem Kolben entfernt, in einem Mörser mit Sand zerrieben und mit heißem Wasser extrahiert. Der im Kolben a befindliche Sand wurde mit Wasser durchgewaschen und dieses Wasser dem aus den Keimlingen gewonnenen Auszuge zugefügt. Dann wurde die ganze Flüssig- keit filtriert und auf 500 ccm gebracht. Die Ammoniakbestim- mung in dieser Flüssigkeit (nach Boßhard) ergab folgende Resultate:

Es wurden 400 com genommen, Die Flüssigkeit wurde mit Tannin von Proteinsubstanzen und mit Bleizucker von Tannin befreit und bis auf 500 ccm gebracht. Aus dem Filtrat wurden zur Ammoniakbestim- mung zwei Proben zu je 200 ccm genommen. Zum Auffangen des Ammoniaks beim Kochen des Niederschlags von der Phosphorwolfram- eäure mit Magnesia wurden 50ccm ?|,, norm. Schwefelsäure gebraucht. Zum Neutralisieren der freigebliebenen Säure wurde 1. 25,7 ccm und 2. 25,9 com !/,„ ccm norm. Kalilauge verwandt, d. h. im Mittel 25,8 com. Der Stickstoffgehalt des ausgeschiedenen Ammoniaks war also 0,033 88 g. Daraus kann der Stickstoff des in sämtlichen untersuchten Keimlingen enthaltenen Ammoniaks auf 0,10509 g berechnet werden.

Die Bestimmung des Gesamtstickstoffs der Samen wurde in einer besonderen Probe nach Kjeldahl ausgeführt. Substanz 1,243 g, Le norm. Schwefelsäure 100 ccm genommen. Beim Titrieren 42,8 ccm "e norm. Kalilauge verbraucht. Daraus ergibt sich die Stickstoffmenge 0,08008 g oder 6,44°/, der lufttrockenen Samensubstanz,

Wenn wir die Stickstoffmenge des in den Lupinenkeim- lingen gefundenen Ammoniaks in Prozenten des Gesamtstiok- stoffs derselben ausdrücken, so erhalten wir 8,2°/,. Es ist also auch in diesem Versuche der Ammoniakgehalt der mit Toluol behandelten Keimlinge ein bedeutend höherer als der bei nor- malen Bedingungen beobachtete. Das vollständige Fehlen von Mikroorganismen in der Lupinenkultur im Kolben a wurde so- wohl durch mikroskopische Untersuchung als auch durch Ab- impfen auf Nährgelatine festgestellt. Außerdem muß hier be- merkt werden, daß die angeführte Zahl dem wirklichen Ammo- niakgehalt der Keimlinge nicht entspricht. Derselbe war, wenn man ausschließlich die Keimlinge berücksichtigt, zweifellos noch höher, denn ein bedeutender Teil der in den Kolben a ein- geführten Samen keimte überhaupt nicht; der Ammoniakstick-

424 W. Butkewitsch:

stoff wurde aber in bezug auf den Stickstoffgehalt sämtlicher zum Versuch benutzten Samen berechnet.

Beim Bestimmen der von den Keimlingen ausgeschiedenen Kohlensäure wurden für den ersten Tag nach Einführen des Toluols und für den letzten Tag folgende Mengen in Milligramm pro Stunde (im Mittel) erhalten:

1. Tag . . 50,8 6. Tag . . 15,4.

Versuch E. Dieser Versuch sollte darüber Aufschluß geben, ob die Ammoniakbildung in den mit Toluol be- handelten Keimlingen von der Sauerstoffanwesenheit abhängig ist. Die Aufklärung dieser Abhängigkeit schien mit Rücksicht auf den von Palladin?) und anderen Autoren °) festgestellten Zusammenhang zwischen Sauerstoffgegenwart und Asparaginbildung von Interesse zu sein. Wenn wir annehmen, daß der von Ammoniakbildung begleitete Umsatz der primären Zerfallprodukte der Eiweißstoffe eine Vorstufe zur Asparagin- (oder Glutamin-) Bildung vorstellt, so kommen wir natürlicher- weise zu der Frage, ob der Sauerstoff schon in diesem Stadium des zur Asparaginbildung führenden Prozesses einen Einfluß ausübt.

Zum Versuch wurden 2 bis 3wöchentliche, etiolierte Erbsen- keimlinge benutzt. Die Keimlinge wurden in zwei Teile von gleichem Gewicht geschieden. Der eine Teil wurde in den auf Fig. 1 abgebildeten Ap- parat gelegt und darin dem Einfluß der Toluoldämpfe unter fortwährendem Durch- saugen eines mit diesen Dämpfen gesättigten Luftstromes unterworfen, ganz so, wie es in den oben beschriebenen Versuchen A, B und C geschehen war. Der andere Teil wurde in einen Becher (b) gelegt und unter eine Glasglocke, wie das auf Fig. 3 dargestellt ist, gestellt. Neben dem Glase wurde unter die Glocke die Schale c mit Toluol und unten die Schale a mit Pyrogallol gestellt. Dann wurde das äußere Ende des Rohres d, dessen unteres Ende bis

Fig. 3.

1) W. Palladin, Ber. d. Deutsch. botan. Ges. 1888, 205 u. 296. 2) Suzuki, Bull. College of Agric., Imp. Univ. Tokyo. 4, 531, E. Godlewski, Anzeiger d. Akad, d. Wissensch. in Krakau 1904, 115.

Ammoniak als Umwandlungspr. stiokstoffhalt. Stoffe in höh. Pflanzen. 425

zur Schale a reichte, mit einem Aspirator vereinigt und nach starkem Evakuieren durch dasselbe Rohr d eine Ätznatron- lösung in die Schale a eingeführt. Dann wurde das äußere Ende der Röhre a abgeschmolzen, der die obere Glockenöffnung verschließende Stopfen mit Quecksilber bedeckt und der ganze Apparat in eine Schale mit Wasser gestellt, so daß die Glocken- ränder damit bedeckt waren. In diesem sauerstofffreien und mit Toluoldämpfen gesättigten Raume verblieben die Keimlinge 6 Tage. Ebenso lange dauerte auch der Versuch im Zylinder, durch welchen Luft geleitet wurde.

Nach Verlauf von 6 Tagen wurde in beiden Portionen: eine Ammoniakbestimmung ausgeführt, wobei die Bestimmung, wie in den früheren Versuchen, nach Boßhard gemacht wurde. Außerdem wurde in den Versuchspflanzen der Gesamtstickstoff bestimmt.

Die Menge des Ammoniakstickstoffs in Prozenten des Ge- samtstickstoffs betrug für die mit Toluol behandelten Keim- linge bei Sauerstoffgegenwart 6 bis 8°/,, dagegen bei Abwesen- heit weniger als 1°/,.) Letztere Größe nähert sich der gewöhn- liche Ammoniakgehalt in normalen Keimlingen. Es konnte also die Ammoniakbildung in diesem Versuche nur in Gegenwart des Sauerstofis konstatiert werden.

Versuche über den Einfluß des Hungerns.

Beim Ausführen der weiter beschriebenen Versuche?) be- mühte ich mich, dieselbe Frage über die Ammoniakbildung beim Stickstoffumsatz in höheren Pflanzen auf einem anderen Wege zu erforschen, unter Bedingungen, welche sich den nor- malen mehr als diejenigen der obenbeschriebenen Versuche näherten. Den Ausgangspunkt bildeten dabei folgende Er- wägungen.

Wenn unter normalen Bedingungen das Ammoniak sich in den Pflanzen deshalb nicht ansammelt, weil es fortwährend

1) Hier führe ich nur annähernde Zahlen aus dem Gedächtnis an, da das auf diesen Versuch sich beziehende Ziffermaterial zufällig ver- loren gegangen ist.

2) Diese Versuche wurden im Jahre 1907 ausgeführt und deren Resultate auf der Versammlung zum Andenken D. I. Mendelejeffs in St. Petersburg im Dez. 1907 mitgeteilt.

426 W. Butkewitsch:

zum Aufbau verschiedener Stickstoffverbindungen (Eiweißstoffe, Asparagin usw.) verbraucht wird, so könnte man seine An- häufung in solchen Bedingungen erwarten, wo derartige Synthesen infolge von Erschöpfung der dazu dienenden kohlenstoffhaltigen Reservestoffe unmöglich werden.

Den ersten Beweis für die Gültigkeit dieser Annahme lieferte mir eine zufällige Beobachtung an einer alten, im Dunkeln aufbewahrten Kultur der gelben Lupine. Als die Keimlinge in- folge der eintretenden Erschöpfung der in den Samen gespeicherten Reservestoffe dem Absterben nahe waren, zeigten sie ein glasiges Aussehen, und ihr Saft reagierte alkalisch, wobei mit Neßlers Reagens Ammoniak darin nachgewiesen werden konnte.

Diese Beobachtungen konnten nicht für entscheidend gelten, da die Kulturen nicht steril waren und die Ammoniak- bildung der Bakterientätigkeit zugeschrieben werden konnte.

In diesem Falle könnte nur ein in streng sterilen Bedin- gungen durchgeführter Versuch als beweiskräftig gelten.

Ein solcher Versuch wurde nun vorgenommen. Doch ehe ich zu seiner Ausführung schritt, wandte ich mich zur Lösung der Frage nach der bequemsten und sichersten Weise sterile Kul- turen zu erhalten. Es war wünschenswert, die früher von mir benutzte Methode angesichts ihrer Umständlichkeit durch eine einfachere zu ersetzen.

Die einfacheren bis jetzt gebrauchten Sterilisiermethoden mit wässerigen Sublimat- und Bromlösungen!) konnte ich nach einer entsprechenden Prüfung nicht für empfehlenswert an- sehen. Durch die erste der erwähnten Methoden wird das Ziel nicht immer erreicht; die zweite wirkt allerdings sicherer sterilisierend, erfordert aber eine große Vorsicht in ihrer An- wendung, da durch das Brom die Samen selbst leicht gefährdet werden.

Nach dieser Prüfung machte ich den Versuch, zum Sterili- sieren der Samen eine Formaldehydlösung anzuwenden, welche aus dem käuflichen Formalin (eine 40°/,ige Formalde- hydlösung) durch entsprechende Verdünnung bereitet wurde.

1) W. Polowzow, Untersuchungen über die Atmung der Samen,

Mém. de l’Acad. Imp. d. Sc. de St. P&tersbourg. Cl. phys. matb. 12, (Nr. 7), 1901 (russ.).

Ammoniak als Umwandlungspr. stickstoffhalt. Stoffe in höh. Pflanzen. 427

Ein vorläufiger Versuch zeigte mir, daß Lupinensamen ihre Keimfähigkeit nach einer 8 bis 1Ostündigen Einwirkung einer 5°/,igen Formaldehydlösung beibehalten. Weitere Ver- suche, welche die zum Erreichen einer vollständigen Sterili- sation notwendige Einwirkungsdauer feststellen sollten, ergaben das Resultat, daß eine 3 bis 6stündige Einwirkung der oben bezeichneten Lösung dazu vollkommen ausreicht. |

Zu diesen Versuchen wurden Glasröhren, welche mit einer kugelförmigen Erweiterung in ihrem unteren Teile versehen waren, gebraucht; sowohl die Kugel als auch der mittlere Teil des Glas- rohrs waren mit einem Tubulus versehen. Am unteren Tubulus wurde ein kurzer, mit einem Quetschhahn verschließbarer Gummi- schlauch befestigt, der seitliche durch einen Gummischlauch mit einem Wasser enthaltenden, mit Watte verschlossenen Kolben ver- bunden. Der untere Teil der Kugel wurde mit Kies gefüllt, die obere Mündung des Rohrs mit Watte verschlossen und der ganze Apparat (siehe Tafel I, Fig. 4) im Autoklaven unter einem Drucke von zwei Atmosphären sterilisiert. Zum Ver- suche wurden zwei solche Apparate zusammengestellt. Nach der Sterilisation wurden in jeden von ihnen eine Anzahl von vorher mit 5°/ iger Sodalösung, Wasser und Weingeist ab- gewaschenen Lupinensamen gelegt und darauf die Kugel mit einer 5°/,igen Formaldehydlösung angefüllt. In einem Rohre wurde diese Lösung 3 Stunden, im anderen 6 Stunden ge- lassen. Darauf wurde die Formaldehydlösung durch das untere Ableitungsrohr abgegossen und das Rohr mit dem Kies und den Samen wiederholt mit Wasser aus dem obenerwähnten Kolben durchgespült. Dann wurden die Röhren mit den Samen (welehe mit einer dünnen Woasserschicht bedeckt blieben) bei gewöhnlicher Temperatur (ca. 20° C) stehen gelassen. Alle Samen keimten und lieferten gut entwickelte Keimlinge. Die Kulturen wurden im Dunkeln aufbewahrt und das ver- dunstete Wasser von Zeit zu Zeit aus dem mit dem seitlichen Tubulus verbundenen Kolben nachgefüllt.e. 6 bis 7 Wochen lang behielten die in den Röhren wachsenden Keimlinge ein vollkommen normales Aussehen, doch gegen Ende dieser Periode fingen sie an ein glasiges Aussehen und eine bräunliche Färbung zu erhalten. Nach 7 bis 8 Wochen wurden die Röhren ge-

öffnet und deren Inhalt untersucht. Die Untersuchung ergab, Bioehemische Zeitschrift Band 16. 29

428 W. Butkewitsch:

daß die Kulturen steril geblieben waren. Weder durch mikro- skopische Beobachtung des Preßsaftes der Keimlinge, noch durch Abimpfen auf Nährgelatine konnten Mikroorganismen nach- gewiesen werden. In den glasig gewordenen Keimlingen war die Reaktion ihres Zellsafts ausgesprochen alkalisch (auf Lack- muspapier).

Nach diesen vorläufigen Versuchen wurden sterile Kulturen in größerem Maßstabe angesetzt, in Bedingungen, welche eine quantitative Untersuchung der Stiokstoffumsatzprodukte er- möglichen könnten.

Zu diesem Zwecke wurden zwei 500 ccm fassende runde, mit vier seitlichen Röhren versehene Kolben genommen. Zwei dieser Seitenansätze befanden sich oben und dienten zum Durch- saugen der Luft; die anderen zwei unten, der eine zum Abgießen, der andere zu mEinleiten der Flüssigkeiten. Letzterer wurde durch einen Gummischlauch mit einem mit Watte verschlossenen und mit Wasser gefüllten Kolben verbunden. Durch Öffnen des Quetsch- hahns am Gummischlauch konnte Wasser aus diesem Kolben in den runden Kulturkolben übergeleitet werden. Auf dem unteren vertikalen Ansatzrohr, welches zum Abgießen der Flüssigkeit bestimmt war, wurde ein kurzer mit einem Quetsch- hahn versehener Gummischlauch angebracht. Die zum Luft- durchsaugen bestimmten Seitenröhren wurden mittels Gummi- schläuchen mit ca. 20 cm langen, mit Watte ausgefüllten Glas- röhren verbunden. Der Boden der Kolben wurde mit einer Kiesschicht bedeckt, die Mündung mit einem Wattepropf ver- schlossen und der ganze auf diese Weise zusammengesetzte Apparat mitsamt dem damit verbundenen Wasserkolben im Autoklaven unter einem Drucke von 2 Atmosphären sterilisiert.

Nach dem Sterilisieren wurden in beide Kolben durch ihre Mündung aus einem Reagensrohr (dessen Rand und Oberfläche an der Flamme abgesengt waren) je 10 g Lupinensamen eingeschüttet. Die Samen wurden vorher in demselben Reagensrohr mit einer 5°/,igen Sodalösung, sterilisiertem Wasser und 96°/,igem Alko- hol abgewaschen. Dann wurde in die Kolben sofort so viel einer 7°/,igen Formaldehydlösung eingeführt, daß die auf dem Kiese liegenden Samen davon bedeckt waren. Der die Mün- dung des Kolbens verschließende Wattestopfen wurde abgesengt, etwas tiefer in den Kolbenhals hereingedrückt und oberhalb

Ammoniak als Umwandlungspr. stiokstoffhalt. Stoffe in höh. Pflanzen. 429

mit Siegellack zugegossen. Die Formaldehydlösung verblieb im Kolben 5 Stunden, woraufhin dieselbe ausgegossen und durch sterilisiertes Wasser aus dem mit dem Apparat ver- bundenen Kolben ersetzt wurde. Das Wasser wurde mehrmals ge- wechselt und dieses Auswaschen so lange fortgesetzt, bis das Waschwasser keinen Formaldehydgeruch mehr hatte. Darauf wurde soviel Wasser in den Kolben geleitet, daß eine dünne Schicht desselben die Samen und den Kies bedeckte, und durch beide Kolben zum endgültigen Entfernen der letzten Form- aldehydspuren 24 Stunden lang ein Luftstrom durchgesogen.

Am zweiten Tage begannen die Samen zu keimen, und zugleich wurde mit der Bestimmung der von den Keimlingen ausgeschiedenen Kohlensäure begonnen. Beide Kulturgefäße wurden in eine dunkle Pappekammer gestellt, und während der ganzen Versuchszeit wurde mit Hilfe einer Wasserstrablpumpe, welche mit einem Quecksilberdruckregulator versehen war, ein kontinuierlicher Luftstrom durch die Kolben gesogen. Die ein- strömende Luft wurde von Kohlensäure und Ammoniak befreit, indem sie durch Natronkalk, konzentrierte Schwefelsäure und Kalilauge und zur Kontrolle noch durch eine Barytlösung ge- leitet wurde. Die von den Keimlingen ausgeschiedene Kohlen- säure wurde in Pettenkoferschen Röhren mit Barytlösung ab- sorbiert und durch Titration bestimmt. Die Bestimmung der Kohlensäure wurde in diesem Falle erstens deswegen vor- genommen, um in ihrer Ausscheidungsintensität ein Maß für den Erschöpfungsgrad der organischen Reservestoffe zu gewinnen, welche als Atmungsmaterial dienten. Außerdem bieten die Daten, welche den Atmungsprozeß während der ganzen Ent- wicklungsperiode der Keimlinge auf Kosten der in den Samen angehäuften Reservestoffe bis zu ihrem Erschöpfungstode cha- rakterisieren, auch ein selbständiges Interesse, da solche An- gaben bis jetzt in der Literatur nur spärlich vorhanden sind. 1

1) L. Rischawi, Einige Versuche über die Atmung der Pflanzen. Landw. Versuchs-St. 19, 321, 1875. Ad. Mayer, Uber den Ver- lauf der Atmung beim keimenden Weizen. Landw. Versuchs-St. 18, 245, 1875. S. Krzemieniewski, Über den Einfluß von Mineral- nährsalzen auf den Verlauf der Atmung bei keimenden Samen. Bulletin de l’Acad. des So. de Craoovie. Cl. des sc. math. et nat. Mars 1802, 163.

29*

430 W. Butkewitsch: Tabelle A. Zeit des Wechsels Kultur I Kultur II des Ba(OH), in den | Zeit in] CO, in mg CO, in mg Pettenkoferschen Stunden| Gesamt- | Pro | Gesamt- Pro Röhren menge 1Stundel menge |1 Stunde 1.22./X. 12 Uhr tags | 47 55,76 | 1,19 91,02 | 1,94 2. 24./X. 1l p 47 138,17 | 2,94 | 210,33 | 4,47 3.25./X.12 i » 25 114,80 | 4,59 | 170,56 | 6,82 4.25./X. 12an » 121/, | 82,00 | 6,56 | 108,24 | 8,66 56. 26.jX. 12 231/, | 166,46 | 7,09 | 195,98 | 8,34 6.27./X.12 e 12 107,42 | 8,95 | 110,70 | 9,22 7.27./X. 12 „nachte| 12 116,44 | 9,70 | 113,98 | 9,50 8.28./X. 12 tags | 12 108,65 | 9,05 | 100,86 | 8,41 9. 29./X. Mn n 261/, | 213,61 | 8,06 | 205,00 | 7,74 10.30./X. D n 24 178,76 | 7,45 | 173,04 | 7,21 EE, S 24 194,34 | 8,10 | 184,50 | 7,69 VS LEE a ; 221/, | 171,38 | 7,61 | 176,71 | 7,86 EARTH g 4 22 153,755 | 6,99 | 151,70 | 6,90 ii: KEE 7 5 25 147,60 | 5,90 | 147,19 | 5,89 ERTL 5, % 25 145,14 | 5,81 | 134,58 | 5,38 W NLT 8 24 125,46 | 5,23 | 100,04 | 4,17 GE Yp ani 5% 25 129,56 | 5,18 | 104,14 | 4,17 18. 7./XI. 6 „abends| 28 122,59 | 4,38 | 99,63 | 3,56 E w SERA % 25 110,93 | 4,44 | 117,26 | 4,6958 20. 10./ X. 7 p 5 48 221,81 | 4,62 | 231,24 | 482 ® KEES 2 e 48 221,81 | 4,62 | 226,73 | 4,72 22.13./XI.12 „nachts| 29 132,84 | 4,58 | 136,12 | 4,70 23. 15./XI.12 tags | 36 137,76 | 3,83 | 150,06 | 4,17 AIEI yj 49 184,50 | 3,77 | 179,58 | 3,67 25.10. /XL2 49 138,17 | 2,82 | 128,74 | 2,63 26.21./XI. 6 „abends| 52 146,78 | 2,82 | 12341 | 2,45 EELER g 8 50 136,94 | 2,74 | 106,60 | 2,13 28. 25./XI.12 tags | 40 91,43 | 2,29 75,03 | 1,88 29. 26./XI. 9 „abends| 33 62,73 | 1,90 57,40 | 1,74 30.28./XI. Di tags | 401/3 | 72,57 | 1,79 74,62 | 1,84 31.30./XI. 2an » 49 77,08 | 1,57 82,82 | 1,69 32. 2./XII.6 „abends| BIL | 66,83 | 1,30 70,93 | 1,38 33. 5./XIL1 tags | 67 55,35 | 0,83 73,80 | 1,10 GER 2 2 48 26,24 | 0,55 72,98 | 1,52

Der Versuch dauerte 7 Wochen. des Versuches sahen die Keimlinge ganz normal aus. Taf. I, Fig. 5, welche eine photographische Aufnahme der Kultur

Beinahe bis zum Ende

(Vgl.

Ammoniak als Umwandlungapr. stiokstoffhalt. Stoffe in höh. Pflanzen. 431

am Ende der fünften Woche darstellt.) Erst in der siebenten Woche fingen einige von ihnen an, ein glasiges Aussehen zu gewinnen, wobei diese Veränderung zuerst im oberen, an die Kotyledonen grenzenden Teil des Hypokotyls sichtbar wurde. Der Versuch wurde bei gewöhnlicher Temperatur ausgeführt, welche täglich zwischen 18 bis 20° schwankte.

In der nebenstehenden Tabelle sind die bei der Kohlen- säurebestimmung erhaltenen Daten zusammengestellt. Die Be- stimmungen wurden am 20. Oktober um 1 Uhr nachmittags begonnen.

Auf Fig. 6 ist der Gang der Kohlensäureausscheidung graphisch dargestellt; auf der Abszissenachse ist die Zeit in

Hz DS KEE ———

Stunden, auf der Ordinatenachse in einem bestimmten Zeit- raume vom Beginn des Versuches ausgeschiedene Kohlensäure in Milligramm aufgetragen.

In den ersten Tagen steigt die von dem Keimlinge aus- geatmete Kohlensäuremenge rasch, erreicht am achten Tage ihr Maximum (ungefähr 10 mg pro Stunde), dann sinkt sie ganz allmählich und fällt zum Ende des Versuchs (in der I. Kul- tur) auf 0,5 mg pro Stunde.

Da die Möglichkeit vorhanden war, daß die Keimlinge Ammoniak in gasförmigem Zustande ausscheiden könnten, so wurde eine Woche vor Abschluß des Versuchs zwischen den

432 W. Butkewitsch:

Kulturgefäßen und den Pettenkoferschen Röhren Absorptions- kolben mit titrierter Schwefelsäure eingeführt, welche in 1 ccm 0,004794 g H,SO, enthielt. In jeden Kolben wurden 20 com dieser Lösung eingeführt. Nach Abschluß des Versuchs wurde die Schwefelsäure mit Ammoniak (zur Sättigung von 10 ccm der gebrauchten Schwefelsäuren waren 20 ocom Ammoniaklösung nötig)*) titriert und dabei folgende Resultate erhalten:

Ammoniak Schwefelsäure beim Titrirrn Ammoniak N genommen verbraucht gefunden ccm ccm g Versuch 1 20 36,3 0,00250 j5 2 20 36,5 0,00240

Nur der Versuch mit der I. Kultur konnte vollkommen einwandfrei bis zu Ende geführt werden; der andere ver- unglückte kurz vor dem Abschlusse, indem der am hinteren Seitenfortsatze des Kolbens befestigte Gummischlauch platzte und durch die entstandene Öffnung eine Infektion statt- fand. Die den Kies ausfüllende Flüssigkeit, welche während der ganzen Versuchszeit durchsichtig war, trübte sich etwas, und die mikroskopische Untersuchung erwies darin das Vor- handensein von beweglichen Stäbchenbakterien. Durch diese Infektion ist auch die zuletzt konstatierte Erhöhung der Kohlen- säureproduktion erklärbar.

Der erste Versuch verlief dagegen vollkommen glücklich und die Kultur blieb bis zum Ende steril. Die im Versuchs- kolben befindliche Flüssigkeit war vollständig durchsichtig und weder durch mikroskopische Untersuchung, noch durch Ab- impfen auf Nährgelatine konnten Bakterien darin entdeckt werden. Nur diese Kultur wurde einer weiteren Untersuchung unterworfen.

Die Reaktion sowohl der Flüssigkeit als auch des Zell- safts der Keimlinge (nicht nur der glasig gewordenen, sondern auch der normal aussehenden) war alkalisch (auf Lackmuspapier).

Die dem Kolben entnommenen Keimlinge wurden mit einer geringen Quarzsandmenge im Mörser zerrieben, die ganze zer- riebene Masse mit der den Kies ausfüllenden Flüssigkeit in

1) Die benutzte Ammoniaklösung enthielt in 1 com 0,000686 gr Stickstoff.

"Ammoniak als Umwandlungspr. stickstoffhalt. Stoffe in höh. Pflanzen. 433

einem Meßkolben von 500 oom übergeführt und das Gesamt- volumen der Flüssigkeit auf 500ccm gebracht. Nach einiger Zeit wurde die Flüssigkeit abfiltriert und folgende Stickstoff- bestimmungen ausgeführt: Gesamtstickstoff, Stickstoff der durch Bleizucker nicht fällbaren Substanzen, Amidstickstoff nach Sachsse und Ammoniakstickstoff. Letzterer wurde nach zwei Methoden bestimmt: erstens durch Abdestillieren mit Magnesia bei vermindertem Druck von 50mm!) und zweitens durch Aus- fällen mit Phosphorwolframsäure nach Boßhard. Außerdem wurde die Gasamtstiokstoffmenge in den Versuchssamen bestimmt.

Zur Bestimmung des Gesamtstickstoffs in dem Auszug wurden 50 ccm genommen, zum Ausfällen mit Bleizuoker 300ccm und das Filtrat auf 500 ccm gebracht. Aus diesem Filtrat wurden zur Bestimmung des darin enthaltenen Gesamtstickstoffs 50 ccm, zur Bestimmung des Amidstickstoffis (nach Sachsse) und des Ammoniakstickstoffs je 100 eem genommen. Zum Auffangen des Ammoniaks wurde in allen Bestimmungen eine Schwefelsäurelösung gebraucht, welche 0,004794 g H,SO, in 1 com enthielt; die zur Titration dienende Ammoniaklösung enthielt 0,000686 g N in Leem. 10ccm H,SO, entsprechen 20 ccm NH,.

Sohwefel- Am- > in g gefunden

ur go. momiak inder iy der re Titrieren sierten itur verbr.

. Gesamt-N in 1,668 g Samen . . . 100 37,0 0,111818 0,67037 N im Auszug. eu e e e 4 0,5 0,054537 0,54537 N der mit Bleizucker nicht fällbaren

Substanz . . .. 2 2 2 20200 40 33,1 0,032173 0,53622 Amid-N nach Sachsse + Ammo-

niak-N . . 2. 2 2 2 2 2 2 0. 30 21,5 0,026411 0,22009

Ammoniak-N

L mit MgO unter vermindertem

Druck abdestilliert. . . . . . 10 4,9 0,010359 0,08632 2. nach Bohard....... 10 4,8 0,010427 0,08689 Mittels ee aa ar ta a a aa a a a ee 0,08661

Wenn wir zu dem aus der Analyse gefundenen Ammoniak das während des Versuchs von der Schwefelsäure absorbierte hinzufügen, so erhalten wir die Gesamtmenge des Ammoniakstiokstoffs 0,08911 g.

Wenn wir die erhaltenen Zahlen in Prozenten des Gesamt- stickstoffs der zur Kultur genutzten Samen ausdrücken, so erhalten wir folgende Daten:

1) Vgl. Nencki und Zaleski, Über die Bestimmung des Ammo- niaks in tierischen Flüssigkeiten und Geweben. Zeitschr. f. physiol. Chem. 33, 193, 1901.

434 W. Butkewitsch:

N des Auszug, . 2 2 2 2 2 rennen 81,35 °/, N der mit Bleizucker nicht fällbaren Substanzen 80,00 „, Amid-N nach Sachsse (mit Ausschluß des NH,-N) 19,91 , Ammoniak N . 2... 22 2 2 een. 13,29 „,

Somit haben die Erwägungen, welche als Ausgangspunkt beim Aufstellen dieses Versuchs gedient hatten, ihre volle tat- sächliche Bestätigung gefunden. Hungernde Pflanzen, welche ihre beweglichen organischen Reservestoffe erschöpft haben, zeigen eine Anhäufung von Ammoniak in solchen Mengen, welche die gewöhnlich in normalen Keimlingen beobachteten um vieles übertreffen.

Über den Erschöpfungsgrad der Keimlinge in unserer Kultur kann man nach der im Laufe des Versuches ausgeschiedenen Kohlensäuremenge urteilen. Ihre Menge beträgt für die I. Kultur 4,356 g, für die II. 4,486g. Wenn wir die erste der Kultur I entsprechende Zahl nehmen und die Menge des Kohlenstoffs berechnen, so erhalten wir 1,188 g.

Zum Bestimmen der Trockensubstanz der Versuchssamen wurde in einer besonderen Probe der Wassergehalt derselben bestimmt; er wurde = 9,43 °/, gefunden. Außerdem wurden beim Herausnehmen der Keimlinge aus dem Kolben, in welchem sie keimten, die abgeworfenen Samenschalen und die ungekeimten Samen (es waren deren nur zwei; zum Versuch waren im ganzen 72 Samen genommen) einzeln ausgesucht, getrocknet und ge- wogen. Diese Wägung ergab 2,262 g.

Wenn man vom Gewichte der Versuchssamen (10 g) das Gewicht des darin enthaltenen Wassers und der Samenschalen abzieht, d. h. 0,943 g -+ 2,262 g == 3,205 g, so erhält man 6,80 g. Der Kohlenstoffgehalt der Samen kann 45 bis 50 °/, angenommen werden; daraus können wir schließen, daß die während des Versuchs ausgeschiedene Kohlenstoffmenge, ca. 35 bis 40°/, (d. h. mehr als */,) des Gesamtkohlenstoffs der Samen (ohne Schalen) betrug. Dabei muß in Betracht gezogen werden, daß die durch Baryt absorbierte und bestimmte Kohlensäure der Gesamtmenge des von den Keimlingen produzierten Gases nicht entspricht, da ein Teil derselben in der Kultur teils in der Flüssigkeit gelöst, teils durch das gebildete Ammoniak ge- bunden wurda.

Ammoniak als Umwandlungspr. stickstoffhalt. Stoffe in höh. Pflanzen. 435

Weiter entsteht die Frage, ob die Bildung des Ammoniaks in den Keimlingen nicht vielleicht eine postmortale Erscheinung bietet, welche durch die Einwirkung der darin enthaltenen Säuren auf die Amide (Asparagin) bedingt sei. Diese Annahme ist wenig wahrscheinlich, wenigstens in bezug auf die Gesamt- menge des gebildeten Ammoniaks, da zu Ende des Versuchs, wie schon erwähnt, in den Keimlingen sich eine alkalische Reaktion einstellte..e Aber um die mögliche Rolle der Säuren in diesem Prozesse klarzulegen, wurde folgender

Versuch mit durch Hitze abgetöteten und sterilen Keimlingen

angestellt. 30 12 bis 14 Tage alte Keimlinge der gelben Lupine wurden in einen Erlenmeyer-Kolben gelegt. Derselbe wurde mit Watte verschlossen, an drei nachfolgenden Tagen im Kochschen Apparat zu je 15 Min. sterilisiert, und dann bei gewöhnlicher Temperatur (ca. 20° C) stehen gelassen. Nach 9 Wochen wurde in den steril gebliebenen Keimlingen das Ammoniak wie früher (nach Boßhard) bestimmt.

Von 200 ccm Auszug wurden zur Ammoniakbestimmung 100 com ge- nommen. 10 com der zur Analyse benutzten Schwefelsäure entsprachen

23 ccm der zur Titration dienenden Ammoniaklösung. 1 ccm derselben enthielt 0,000596 g N.

Schwefelsäure Ammoniak Ammoniak-N genommen beim Titrieren in der analysierten Gesamtmenge ccm verbraucht Probe in g in g 2 44,6 0,0008344 0,001 67

In 30 Keimlingen wurde 0,00167 Ammoniakstickstoff ge- funden. Die zum Versuch benutzten Lupinensamen enthielten im ganzen 6,70°/, N, und in 10g Samen waren 72 Samen ent- halten. Daraus finden wir, daß in den 30 Samen des letzten Versuchs 0,28g N enthalten waren. Indem wir die gefundene Ammoniakstickstoffmenge in Prozenten dieses Gesamtstickstoffs ausdrücken, erhalten wir 0,60°/,. Diese Größe entspricht dem gewöhnlichen Ammoniakgehalt in 2- bis 3wöchentlichen Lupinen- keimlingen. Bei einer 9wöchentlichen Einwirkung der Pflanzen- säuren auf das darin enthaltene Asparagin konnte also keine nennenswerte Ammoniakabspaltung in den Samen beobachtet werden. Daraus folgt, daß auch in den oben beschriebenen Versuchen die Säuren keine wesentliche Rolle bei der Ammoniak- bildung gespielt haben.

436 W. Butkewitsch:

Der Ursprung des in den Keimlingen gespeicherten Ammoniaks.

Aus den Zahlenbelegen der Toluol-Versuche ist zu ersehen, daß an der Ammoniakbildung nicht die Eiweißstoffe, sondern ihre Zerfallprodukte sich beteiligt haben, und von diesen letzteren nicht nur die Aminosäuren, sondern auch das Asparagin mit seiner Amidgruppe.

Was die Versuche mit den hungernden Keimlingen betrifft, so wissen wir nichts über das Verhältnis der Stickstoffverbindungen im Stadium, welches der Ammoniakbildung in den Keimlingen vorherging, und zugleich haben wir keine Anhaltspunkte, um die Frage über den Ursprung des Ammoniaks zu lösen.

Wenn wir uns aber zu den in der Literatur vorhandenen Analysen der 3- bis 4wöchentlichen Lupinenkeimlinge wenden und deren Ergebnisse mit den unsrigen vergleichen, so kommen wir zu dem Schluß, daß die unmittelbare Beteiligung der Eiweiß- stoffe ausgeschlossen werden muß. Aus den Arbeiten von Schulze, Merlis u. a. ist zu ersehen, daß in Lupinenkeim- lingen in der 3. bis 4. Woche ihrer Entwicklung der Eiweiß- zerfall stillsteht, wobei der Eiweißstickstoff ca. 20°/, des Gesamt- stickstoffs ausmacht. Letztere Größe nähert sich derjenigen, welche die Eiweißstickstoffmenge auch in unseren Keimlingen charakterisiert. Daraus können wir schließen, daß in denjenigen Umwandlungen der letzten Entwicklungsperiode unserer Keim- linge, welche zur Ammoniakspeicherung geführt hatten, die Eiweißstoffe nicht unmittelbar beteiligt waren, und daß diese Umwandlungen sich im Bereich der beim vorhergehenden Eiweiß- zerfall entstandenen Stickstoffverbindungen abspielten.

Es muß also die Ammoniakbildung auf Kosten der in den Keimlingen vorhandenen Aminosäuren und Amide vor sich gehen. Daß im letzten Versuche mit den hungernden Pflanzen, sowie auch in den Toluol-Versuchen, das Ammoniak nicht nur auf Kosten der Aminosäuren, sondern auch der Amidgruppe des Asparagins gebildet wurde, darauf weist der verhältnismäßig niedrige Amidstickstoffgehalt der Keimlinge.

Für 3- bis 4wöchentliche Keimlinge der gelben Lupine gibt Schulze!) ca. 25°/,, für 3wöchentliche Keimlinge der blauen

1) E. Schulze, Über den Umsatz der Eiweißstoffe in der lebenden

Pflanze, Zeitschr. f. physiol. Chem. 24, 18, 1998, und Über die Bildungs- weise des Asparagins in den Pflanzen; Landw. Jahrb. 27, 503, 1898.

Ammoniak als Umwandlungspr. stiokstoffhalt. Stoffe in höh. Pflanzen. 437

Lupine Merlis!) ca. 30°/, Amidstickstoff (nach Sachsse) an (in Prozent des Gesamtstickstoffs).

Die endgültige Entscheidung der Frage über die Herkunft des Ammoniaks müssen weitere Untersuchungen geben, deren Ausführung beim Benutzen der oben beschriebenen Methode der sterilen Kulturen keine Schwierigkeiten bietet. Wenn dabei die Beteiligung des Asparagins bewiesen werden sollte, so wird damit diejenige Ansicht ihre Bestätigung finden, laut welcher der Eiweißbildung auf Kosten des Asparagins eine Spaltung desselben unter Ammoniakbildung vorhergeht.

Die Meinung, daß bei der Eiweißregeneration auf Kosten des Asparagins letzteres eine vorläufige Spaltung mit Ammoniak- bildung erleidet, wobei das Ammoniak als Material für den Aufbau des Eiweißmoleküls fungiert, wurde noch in den 70er Jahren von Mercadante?) ausgesprochen. Dafür spricht nach seiner Auffassung die Anwesenheit von Apfel- und Bernstein- säure in Wicken, Bohnen und Lupinen, deren Bildung der Ver- fasser durch die Abspaltung des Ammoniaks vom Asparagin erklärt.

Die Wahrscheinlichkeit einer derartigen Vorstellung von der Umwandlung des Asparagins in Eiweiß wird auch von Schulze?) (1878) anerkannt; er bemerkt, daß ‚es nur schwer verständlich ist, wie so komplizierte Körper (Eiweißstoffe) durch einfache Vereinigung von Asparagin mit stickstofffreien Sub- stanzen entstehen könnten“.

Andere Autoren halten im Gegenteil die unmittelbare Be- teiligung des Asparagins an der Bildung des Eiweißmoleküls für möglich. So glaubt Sachsse*), daß die Umwandlung des Asparagins in Eiweißstoffe durch die Addition von Fettsäure- aldehyden zum durch Wasserabspaltung gebildeten Nitril vor

1) M. Merlin, Über die Zusammensetzung der Samen und der etiolierten Keimpflanzen von Lupinus angustifolius. Landw. Versuchs-St. 48, 419, 1897.

2) Mercadante, Die Umwandlung des Asparagins der Pflanzen. Ref. aus d. Gaz. chem. ital. in d. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 8, 823, 1875.

3) E. Schulze, Über Zersetzung und Neubildung von Eiweißstoffen in Lupinenkeimlingen, Landw. Jahrb. 7, 411, 1878.

4) R. Sachsse, Über den Zusammenhang von Asparagin u. Protein- substanz. Chem. Centralbl. 1876; 584. Idem, Die Chemie und Physio- logie der Farbstoffe, Kohlenhydrate und Proteinsubstanzen 1877, S. 254.

438 W. Butkewitsch:

sich geht. Nach O. Loews?!) Ansicht verwandelt sich das As- paragin vorläufig unter Mitwirkung von Kohlenhydraten in das Aldehyd der Asparaginsäure, aus welchem durch Kondensation schließlich Eiweißstoffe entstehen.

Die Theorien Sachsse und Loews sind aber rein spekulativ und entbehren eines jeglichen tatsächlichen Untergrunds. Was die Wahrscheinlichkeit dieser Spekulationen vom chemischen Stand- punkt aus betrifft, so behält auch jetzt die oben angeführte Bemerkung Schulzes, daß eine solche Umwandlung des As- paragins in Eiweiß schwer vorstellbar sei, ihre volle Gültigkeit.

Was die Ansicht Mercadantes betrifft, so ist das von ihm entworfene Bild leichter mit den zurzeit bekannten Tat- sachen zu vereinigen. Diese Ansicht findet ihre Bestätigung in den oben beschriebenen Versuchen mit Toluol- (und Hunger-) kulturen. An der Bildung des in diesen Keimlingen sich an- sammelnden Ammoniaks nahmen nicht nur Aminosäuren, sondern auch das Asparagin teil. Daraus kann man schließen, daß eine derartige Spaltung des letzteren auch in der normalen Pflanze neben seiner Synthese vor sich geht, wobei je nach den Be- dingungen bald der eine, bald der andere Vorgang überwiegt. Vielleicht ist der Anhäufungsgrad des Ammoniaks in der Pflanzen- zelle eine von den Bedingungen, welche diese Prozesse regulieren, etwa in der Weise, wie der Anhäufungsgrad des Zuckers die Ablagerung und Auflösung der Stärke reguliert.

Die Frage könnte zugunsten einer unmittelbaren Be- teiligung des Asparagins an der Eiweißsynthese (ohne vorherige Spaltung bis zum Ammoniak) entschieden werden, wenn der Beweis geliefert wäre, daß auf Kosten des ersteren der Aufbau des Eiweißmoleküls unter sonst gleichen Bedingungen leichter vor sich geht als auf Kosten des letzteren.

Doch dieser Beweis fehlt noch zunächst, und die Versuche Nakamuras?), auf welche sich Loew?) beruft, scheinen wenig

1) O. Loew, Die chemische Energie der lebenden Zellen 1899, S. 88 und 1906 (II. Aufl.), S. 57 u. 67.

2) T. Nakamura, Über den relativen Nährwert des Asparagins für Phanerogamen, ref. Jahresb. Agrikulturchem. N. F. 20, 282, 1897 (orig. im Bull of the Coll. of Agric. Imp University Tokyo 2, Nr. 7).

3) O. Loew, Die chemische Energie der lebenden Zellen, 1899, S. 78.

Ammoniak als Umwandlungspr. stickstoffhalt. Stoffe in höh. Pflanzen. 439

überzeugend zu sein. Die schlechte Entwicklung der Pflanzen (Weizen und Zwiebel) in Lösungen von bernsteinsaurem Am- monium im Vergleich zu ihrer Entwicklung in Asparaginlösungen wurde augenscheinlich durch die schädliche Einwirkung des ersteren bedingt; darauf weist das vom Verfasser selbst hervorgehobene Gelbwerden der Blätter bei Pflanzen, welche sich in der Lösung von bernsteinsaurem Ammonium befanden. ')

1) Ebensowenig überzeugend in dieser Beziehung sind auch die Versuche Nakamuras (T. Nakamura, Lei mit Pilzen (Penicillium glaucum und Aspergillus niger). In diesen Versuchen erhielt der Verf. beim Darbieten von Äthyl- und Metylalkohol als Kohlenstoffquelle eine bessere Entwicklung der Pilze auf Asparagin, als auf Ammonsalzen (Wein-, Äpfel-, Bernstein-, Milch- und Essigsäure). Auch hier konnte das erhaltene Resultat durch eineNebenwirkung der Ammonsalze bedingt werden. Wie stark eine solche sein kann, ist aus den Angaben Schröders zu ersehen (R. Schröder, Ob die Ammonsalze der Säuren der Essig- säurereihe als N-Quelle für Aspergillus niger dienen können. Journ. f. ex- perim. Landw. 8, 701, 1902, russ.), welcher gezeigt hat, daß die Ammonsalze der Essig-, Ameisen-, Propion- und Valeriansäure schon bei verhältnis- mäßig kleinen Konzentrationen (0,5—1°/,) die Entwicklung des Asper- gillus niger stark beeinträchtigen oder sogar vollständig aufheben. Auf solche schädliche Nebenwirkungen sind auch die Resultate der Czapek- schen Versuche (F. Czapek, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 1, 638; 2, 557; 3, 47) zurückzuführen, welche ihn zu dem Schluß geführt haben, daß die Ammonsalze der organischen Säuren eine schlechte Stick- stoffquelle für Pilze im Vergleich zu den Aminoverbindungen darstellen. Als ganz unzutreffend sind diejenigen Versuchsresultate zu bezeichnen, in welohen organische Stiokstoffquellen mit Ammonsalzen solcher Säuren, wie Salz- oder Schwefelsäure, verglichen werden. (Vgl. z. B. H. Prings- heim, Über die Pilzdasamidase. Diese Zeitschr. 12, 20, 1908.) Das Am- moniak wird in sehr verschiedenem Maße verbraucht, je nachdem als welches Salz es benutzt wird. Das ist aus den Versuchen zu sehen, welche in meiner Arbeit: „Umwandlungen der Eiweißstoffe durch die niederen Pilze“ usw. (Jahrb. f. wiss. Bot. 38, 211, 1903) veröffentlicht wurden. Hier kann ich noch folgende Zahlen anführen, welche ich neuerdings bei vergleichenden Versuchen mit Aspergilluskulturen auf phosphor-, schwefel-, salz- und salpetersaurem Ammon erhalten habe:

Myoelgewicht in g.

Versuch 1. Rohrzucker 10°/, 12 Tage bei 28° NH,H,PO, (NH,)SO, NH,CI NH,NO, 4,33 2,64 1,73 Versuch 2,

Rohrzucker 20°/, 12 Tage bei 28° NH,H,PO, (NH,)SO, NH) NHNO, = 624 472 249

440 W. Butkewitsch:

Hansteen?!) konnte bei einer vergleichenden Prüfung des Asparagins und der Ammonsalze als Stickstoffquellen bei der Eiweißsynthese in Pflanzen in keinem Falle eine Bevorzugung des ersteren, und in einigen Fällen sogar eine viel stärkere Eiweißbildung auf Kosten der Ammonsalze beobachten.

Wenn wir eine Spaltung des Asparagins mit Ammoniak- bildung in den Pflanzen annehmen, so schließen wir dadurch nicht die Möglichkeit aus, daß neben letzterem auch Asparagin sich am Aufbau der Eiweißstoffe beteiligt. Doch ist die Fähig- keit des Ammoniaks, als Material zum Aufbau des Eiweiß- moleküls in der pflanzlichen Zelle auch ohne Bildung von As- paragin als Zwischen- oder Bindeglied zu dienen, kaum einem Zweifel unterworfen.

Darauf weisen u. a. schon die niederen Pflanzen, in welchen Asparagin gar nicht vorkommt. Die Möglichkeit einer unmittelbaren Eiweißbildung aus Ammoniak (unter Ver- arbeitung von passenden stickstofffreien Körpern) gibt auch Loew?) zu. Pfeffer?) hält eine solche Umwandlung eben- falls für möglich. „Es ist,“ sagte er, „nicht notwendig, daß z.B. Amide als Zwischenstufen zur realen Entstehung kommen, da sehr wohl die im Eiweiß vorhandenen Atomgruppen gleichzeitig mit der Verkettung zum Eiweißmolekül auftreten könnten.“

Die Frage über die synthetische Bildung von Amidver- bindungen als Zwischenprodukten beim Eiweißaufbau auf Kosten von anorganischen Stickstoffquellen bleibt zunächst noch über- haupt offen. Emmerling*),, Kellner), Hornberger’), Godlewski’) geben dieser Frage eine positive Lösung.

1) R. Hansteen, Über Eiweißsynthese in grünen Phanerogamen. Jahrb. f. wiss. Botan. 33, 417, 1899.

2) O. Loew, Die chem. En. d. leb. Zellen 79, 1899; 50, 1906, 2. Aufl.

3) W. Pfeffer, Pflanzenphysiologie, 2. Aufl., 1, 400.

t) A. Emmerling, Über die Eiweißbildung in den grünen Pflanzen. Landw. Vers.-St. 24, 113, 1879; 31, 165, 1885 ; Studien über die Eiweiß- bildung in der Pflanze. Ibid. 34, 1, 1887; 54, 215, 1900.

5) O. Kellner, Untersuchungen über den Gehalt der grünen Pflanzen an Eiweißstoffen und Amiden und über die Umwandlungen der Salpetersäure und des Ammoniaks in der Pflanze. Landw. Jahrb. 8, 213, 1879.

6) Hornberger u. Raumer, Chemische Untersuchung über das Wachstum der Maispflanzen. Landw. Jahrb. 11, 359, 1882. R. Horn-

Ammoniak als Umwandlungspr. stiokstoffhalt. Stoffe in höh. Pflanzen. 441.

Aber aus den Tatsachen, auf welche diese Autoren sich stützen, darf man vielleicht auf eine Synthese von Amidverbin- dungen in der Pflanze schließen, nicht aber behaupten, daß die- selben eine unmittelbar zur Eiweißbildung führende Zwischen- stufe vorstellen. ?)

In den Arbeiten der zitierten Autoren fehlt eine genauere Bestimmung derjenigen Verbindungen, welche als erste Um- wandlungsprodukte des von der Pflanze aufgenommenen an- organischen Stiokstoffs entstehen. Hier mag die interessante Beobachtung Godlewskis?) erwähnt werden, laut welcher in Gerstenkeimlingen, welche im Dunkeln auf Zuckerlösungen kultiviert werden, die Eiweißbildung aus Salpeter leichter vor sich geht als die Regeneration der Eiweißkörper aus ihren Spaltungsprodukten. Daraus kann man nach Verf. Meinung schließen, daß die Anfangsprodukte, welche bei der Verarbeitung des Salpeters gebildet werden, mit den Spaltungsprodukten der Eiweißstoffe nicht identisch sind. Vielleicht tritt als solohes Zwischenglied bei der Salpeterverarbeitung das durch Reduktion der Salpetersäure entstehende Ammoniak auf, welches auch un- mittelbar zum Eiweißaufbau verwandt wird.

berger, Untersuchungen über Gehalt und Zunahme von Sinapis alba an Trockensubstanz und chemischen Bestandteilen in 7tägigen Vegetations- perioden. Landw. Vers.-St. 31, 415, 1884.

7) E. Godlewski, Zur Kenntnis der Eiweißbildung aus Nitraten in den Pflanzen. Anzeiger d. Akad. d Wiss. in Krakau 1896, 104.

1) Czapek (l. o.) kommt auf Grund von Resultaten welche er bei der Kultur von Schimmelpilzen auf verschiedenen Stickstoffquellen er- hielt, zu dem Schluß, daß die Aminosäuren eine Mittelstufe beim Aufbau der Eiweißstoffe aus Ammonsalzen vorstellen. Über diese Schlußfolgerung Czapeks macht Loew die treffende Bemerkung, daß, wenn in vielen lange nicht in allen Fällen die Aminosäuren besser als die Ammon- salze verarbeitet werden, man doch nicht unmittelbar schließen kann, daß die Bildung der Aminosäuren die erste Phase der Eiweißbildung vorstelle. (O. Loew, Zur Kenntnis der Eiweißbild. bei d. Pilzen. Bei- träge z. chem. Physiol. u. Pathol 4, 247, 1903).

2) E. Godlewski, Zur Kenntnis der Eiweißbildung in den Pflanzen. Extrait du bull de l’Acad. d. Sc. de Cracovie 1903. Es muß hier be- tont werden, daß Godlewskis Beobachtung sich nur auf einen Versuch mit Gerstenkeimlingen bezieht, deshalb mißt ihm der Verf. selbst keine entscheidende Bedeutung bei und glaubt, daß er erst durch weitere Ver- suche bestätigt werden muß.

442 W. Butkewitsch:

Die Untersuchungen von Kinoshita!) und Suzuki?) weisen darauf, daß aus Salpetersäure und Ammoniak unter Mitwirkung von Kohlenhydraten in den Pflanzen Asparagin gebildet wird. Doch, wie wir schon früher gezeigt haben, ist gegenwärtig kein Grund dazu vorhanden, das Asparagin als Zwischenglied bei der Eiweißsynthese zu betrachten, und deshalb können wir Schulzes?) Annahme, daß das Asparagin (und Glutamin) schon als Phasen der Eiweißregeneration aufzufassen seien, kaum dem gegenwärtigen Zustand unserer Kenntnisse entsprechend bezeichnen.)

Die Bedeutung des Asparagins können wir gegenwärtig nur darin erblicken, daß wir es als zeitweilige Speicherungsform des Ammoniaks ansehen, welches aus verschiedenen Gründen keine Zeit gefunden hat, zum Aufbau der Eiweißstoffe und anderer Stickstoffverbindungen in der Pflanze verbraucht zu werden. Es kann dieses sowohl das von außen in die Pflanze eintretende oder aus der aufgenommenen Salpetersäure gebildete Ammoniak sein, oder auch das in der Pflanze selbst als Endprodukt der regres- siven Metamorphose der Stickstoffverbindungen gebildete, das Ammoniak, dessen unmittelbare Anhäufung im Organismus mit Rücksicht auf seine Schädlichkeit unmöglich erscheint. 5)

D Kinoshita, Le

2) Suzuki, l o.

3) E. Schulze, Lo Zeitschr. f. physiol. Chem. 24, 75, 1898, und Über die Bildungsweise des Asparagins in den Pflanzen. Landw. Jahrb. 27, 503, 1898.

4) Die oben dargestellten Ansichten sind in meiner Anfang 1904 erschienenen russischen Arbeit, „Die regressive Metamorphose der Eiweiß- stoffe in höheren Pflanzen usw.,“ entwiokelt worden. Am Ende desselben Jahres erschien eine kurze vorläufige Mitteilung von O. Treboux (Zur Stickstoffernährung der grünen Pflanzen, Ber. d. Deutsch. botan. Ges. 22, 570, 1904), in weloher er dieselben Ansichten äußert und auf einige seiner Versuche verweist, welche diese Ansichten stützen sollen. Leider sind die Resultate dieser Versuche bis jetzt unveröffentlicht geblieben.

Indem Verf. in seiner Mitteilung Ansichten entwickelt, welche mit den von mir in der obenerwähnten Arbeit vollkommen übereinstimmen, sagt er, daß dieselben seine „profession de foi ausmachen, von der er sich bei der Anstellung der Versuche leiten ließ“, gibt aber nichts über die Quellen an, aus welchen er das Material für diese profession de foi geschöpft hat.

6) Diese Ansicht über die Bedeutung des Asparagins wird von O. Loew verfochten (Das Aeparagin in pflanzenchem, Bez. Chem.-Zeitg.

Ammoniak als Umwandlungspr. stickstoffhalt. Stoffe in höh. Pflanzen. 443

Die zur Ammoniakbildung führenden Desamidierungs- prozesse.

Wenn wir uns zu den zurzeit bekannten Desamidierungs- reaktionen der Aminosäuren wenden, welche zur Bildung von Ammoniak führen, so können wir 3 Typen unterscheiden, näm- lich Reaktionen, welche

l. von einer Reduktion,

2. von einer Hydratisierung und

3. von einer Oxydation begleitet werden.

Der erste Typus tritt uns gewöhnlich bei den Eiweiß- fäulnisprozessen entgegen, 7) wenn die beim ursprünglichen Zer- fall derselben entstehenden Aminosäuren sich in entsprechende Säuren verwandeln, z. B. Phenylalanin in Phenylpropionsäure, Tyrosin in Oxyphenylpropionsäure, Leucin in Capronsäure usw.) Die Reaktion wird durch folgendes Schema aus- gedrückt:

R—CHNH,—COOH + H, = R—CH,—CO0OH + NH,

Die Reaktionen der zweiten Kategorie, welche von einer Hydratisierung begleitet werden, führen zur Umwandlung der

1896, Nr. 16, 143; Die ohem. En. d. leb. Zellen, 1899, 78, 95, 96). Indem Loew die Ansicht äußert, daß die Asparaginbildung im Pflanzen- körper, ebenso wie die Harnstoffbildung im Tierkörper, der Anhäufung von Ammoniak und seiner schädlichen Wirkung vorbeugt, verweist er u. a auf die in seinem Laboratorium ausgeführten Versuche von Takabayashi, welche gezeigt haben, daß in hungernden Pflanzen (d.h. unter für die Asparaginbildung ungünstigen Bedingungen) die giftige Wirkung der Ammonsalze mehr hervortritt als in gut ernährten Pflanzen.

1) S.Lafars Handbuch der techn. Mykologie 3, Kap. 4. M. Hahn und A. Spieckermann. Die Proteinfäulnis, S. 103,

2) Zur Kategorie der von einer Reduktion begleiteten Desamidierung- reaktionen (allerdings mit gleichzeitiger Kohlensäureabspaltung) gehört auch die von Brasch u. Neuberg beschriebene Umwandlung der Glutamin- säure in Buttersäure unter Einwirkung von Fäulnisbakterien. (W. Brasch und C. Neuberg, Biochemische Umwandlung der Glutaminsäure in n- Buttersäure, diese Zeitschr. 13, 299, 1908), sowie auch die von Effront beobachtete Propionsäurebildung unter Einwirkung der Hefe auf As- paragin (J. Effront, Action de la levure de bière sur les acides amides. Compt. rend. 146, 779, 1908).

Biochemische Zeitschrift Band 16. 30

444 W. Butkewitsch:

Aminosäuren in entsprechende Oxysäuren und können durch folgende Gleichung ausgedrückt werden:

R—CHNH,—COOH -+ H,O = R—CHOH—-COOH + NH,.

Dieser Fall von Desamidierung findet, wie die Versuche von Neuberg und Langstein?!) mit Alanin und die von Paul Mayer*) mit u--Diaminopropionsäure dargetan haben, im Tier- körper statt.

Nach Ehrlich?) und Pringsheim*) begleitet eine der- artige hydrolytische Spaltung von Aminosäuren auch die Bildung des Fuselöls während der Hefegärung, wobei neben der Des- amidierung der Aminosäuren, welche das Material für die Al- kohole des Fuselöls abgeben, noch Kohlensäure ausgeschieden wird. So wird aus Leuzin Isoamylalkohol gebildet. Das Reak- tionsschema läßt sich so ausdrücken:

R—CHNH,—COOH + H,O = R—CHOH -+ NH, + CO,.

Was die von Oxydation begleiteten Desamidierungs- reaktionen betrifft, so ist hier die von Neuberg’) und Blu- menthal und von Orgler’) festgestellte Bildung von Aceton

1) C. Neuberg und L. Langstein, Ein Fall von Desamidierung im Tierkörper usw. Verhandl. d. Physiol. Ges. 1908, 115, und Arch. f. Anat. u. Phys., Physiol. Abt. 1908, 514. Ref. im Chem. Centralbl. 1908, II, 1453. Vgl auch Über die Bildung von Rechtsmilchsäure bei der Autolyse der tierischen Organe. T. Kikköji, Zeitschr. f. physiol. Chem. 58, 415, 1907, und K. Inouye und K. Kondo, ibid. 54, 481, 1908.

2) Paul Mayer, Über das Verhalten der Diaminopropionsäure im Tierkörper. Zeitschr. f. physiol. Chem. 42, 59, 1904.

3) F. Ehrlich, Über die Bedingungen der Fuselölbildung und über ihren Zusammenhang mit dem Eiweißaufbau der Hefe. Ber. d: Deutsch. chem. Ges. 40, 1027, 1907, und Über die natürlichen Isomeren des Leucins, ibid. 2538. Idem. Die chemischen Vorgänge bei der Hefe- gärung. Diese Zeitschr. 2, 52, 1907.

4) H. Pringsheim, Über die Fuselölbildung durch verschiedene Pilze. Diese Zeitschr. 8, 128, 1908. Idem. Über die Stickstoffernährung der Hefe. Diese Zeitschr. 3, 121, 1907.

6) F. Blumenthal und C. Neuberg, Über die Entstehung von Aceton aus Eiweiß. Deutsche med. Wochenschr. 27, 6 (ref. im Chem. Centralbl. 1901, I, 788). C. Neuberg und F. Blumenthal, Über die Bildung von Isovaleraldehyd und Aceton aus Gelatine. Beiträge z. chem. Physiol. u. Path. 2, 238, 1902.

6) A. Orgler, Über die Entstehung von Aceton aus krystallisiertem Ovalbumin, Beiträge z, chem. Physiol. u. Path. 1, 583, 1901;

Ammoniak als Umwandlungspr. stiokstoffhalt. Stoffe in höh. Pflanzen. 445

und Isovaleraldehyd bei Oxydation der Eiweißstoffe mit Wasser- stoffsuperoxyd (und Eisen-, Kupfer- und Mangan-Salzen) zu erwähnen. Da diese Reaktion nur bei Anwendung des säure- haltigen Wasserstoffisuperoxyds auftritt, so ist sie nach Neuberg und Blumenthal dadurch zu erklären, daß eine hydrolytische Spaltung der Eiweißmoleküle mit Aminosäurenbildung der Ent- stehung der oben genannten Produkte vorangeht.

Später hat dann Dakin!) nachgewiesen, daß bei der Oxy- dation der Aminosäuren mit Wasserstoffsuperoxyd Ammoniak, Kohlensäure, Aldehyde und Fettsäuren entstehen und daß bei weiterer Oxydation der letzten auch Aceton sich bildet. Die Reaktion verläuft in ihrem ersten Stadium nach folgender Gleichung:

R—CHNH,—C00H -+ 0, = R—COOH +- NH, + CO,

und

R—CHNH,—COOH -+ O = R—COH +- NH, + CO,

In physiologischer Beziehung bietet diese Reaktion deshalb besonderes Interesse, weil das dieselbe hervorrufende Wasser- stoffperoxyd seiner Wirkungsweise nach den in lebenden Zellen wirkenden oxydierenden Agenzien nahe steht.

Zu den Reaktionen dieser Kategorie gehört wahrscheinlich diejenige, welche die Umwandlung des Tyrosins in Homogentisin- säure im Tierkörper zur Folge bat,"

Hierher müssen vielleicht auch einige von Fäulnisbakterien hervorgerufene Umsetzungen gerechnet werden, welche zur

1) H. D. Dakin, The Oxydation of leuoin, a-amido-isovalerie acid and of a-amido-n-valerie acid with hydrogen peroxyde. Journ. of Biolog. Chem. 4, 63, 1908.

2) M. Wolkow u. E. Baumann, Über das Wesen der Alkapto- nurie. Zeitschr. f. physiol. Chem. 15, 228 (272), 1891. O. Neubauer und L. Flatow, Synthesen von Alkaptonsäuren. Zeitschr. f. physiol. Chem. 52, 375, 1907. Nach W. Falta und L. Langstein (Die Ent- stehung von Homogentisinsäure aus Phenylalanin. Ibid. 37, 513, 1903) kann im Tierkörper auch Phenylalanin als Material zur Bildung der Homogentisinsäure dienen. Die Angabe Bertels (Über Tyrosinabbau in Keimpflanzen. Ber. d. Deutsch. botan. Ges. 20, 454, 1902) auf eine analoge Umwandlung des Tyrosins in Homogentisinsäure in Pflanzen konnte durch die Untersuchungen E. Schulze und N. Castoros (Zeit- schr. f. physiol. Chem. 48, 396, 1906) keine Bestätigung finden.

30*

446 W. Butkewitech:

Bildung von Bernsteinsäure aus Glutaminsäure,!) Valeriansäure aus Leucin?) usw. führen.

Wir können hier die auch vom pflanzenphysiologischen Standpunkte beachtenswerten Ergebnisse der Neubergschen?) Untersuchungen über katalytische Reaktionen des Sonnenlichtes nicht unerwähnt lassen. Unter anderem ist durch diese Unter- suchungen festgestellt, daß das Sonnenlicht bei Gegenwart von Uransalzen eine Desamidierung der Aminosäuren unter Frei- werden von Ammoniak hervorruft. Die Umwandlung wird dabei von Oxydationsvorgängen begleitet und führt zur Bildung von Aldehyden. So entsteht z.B. aus Alanin Acetaldehyd.

Die Frage, welche von den erwähnten Typen die in unseren Versuchen mit Keimlingen konstatierte Desamidierungsreaktion gehört, läßt sich vorderhand noch nicht mit voller Bestimmt- heit beantworten. Auf Grund der Versuche mit Toluol im sauerstofffreien Raume kann man aber annehmen, daß die in unseren Versuchen beobachtete Desamidierung mit Oxydations- vorgängen verknüpft ist. Dafür sprechen auch die negativen Re- sultate, zu welchen Versuche geführt haben, die Desamidierung durch Autolyse der getrockneten und zerriebenen Pflanzen- substanz herbeizuführen.

Der Versuch, diese Frage experimentell zu prüfen, wurde von mir schon 1903 ausgeführt und die Resultate 1904 in meiner russischen Arbeit: ‚Die regressive Metamorphose der Eiweißstoffe in den höheren Pflanzen und die Beteiligung des proteolytischen Enzyms an diesem Vorgange‘“ mitgeteilt.

Beim Aufstellen meiner Versuche ging ich von den Ergeb- nissen Jacobys*) aus, welcher gezeigt hatte, daß bei der Auto- lyse des zerriebenen Lebergewebes die Umwandlung der Eiweiß- stoffe von der Bildung einer viel größeren Ammoniak- und Amidstickstoffmenge begleitet wird, als die Spaltung derselben Eiweißstoffe durch Kochen mit starker Salzsäure, d.h. daß es

1) W. Brasch u. C. Neuberg, l. o.

2) M. Hahn u. A; Spieckermann, |. o.

3) C. Neuberg; Chemische Umwandlungen durch Strahlenarten: L Mitteil. Katalytische Reaktionen des Sonnenliohtes. Diese Zeitschr. 13, 305, 1908.

4) M. Jacoby, Über die fermentative Eiweißspaltung und Ammoniak- bildung in der Leber. Zeitschr. f. physiol. Chem. 29, 179, 1900.

Ammoniak als Umwandlungspr. stiokstoffhalt. Stoffe in höh. Pflanzen. 447

von einer Verwandlung ‚von festgebundenem Stickstoff in locker gebundenen“ begleitet wird.

Zur vorläufigen Orientierung über die Möglichkeit einer derartigen Umwandlung auch bei der Autolyse pflanzlicher Ge- webe, benutzte ich zuerst die Ergebnisse meiner Versuche über die Autolyse der gekeimten Samen.!) Die bei diesen Versuchen erhaltenen Mengen des leicht abspaltbaren Amid- und Ammo- niakstiokstoffs in Prozenten des Stickstoffs der bei der Autolyse gespaltenen Eiweißstoffe werden durch folgende Zahlen aus- gedrückt:

Keimlingo von Kee BA, Viola Fade Lupinus augustifolius Autolyse mit Autolyse mit Autolyse mit Thymol Chloroform Thymol Thymol & c f k k h

10,1 10,7 15,8 14,3 17,1 16,7

Diese Zahlen können, da sie aus geringen Größen be- rechnet sind, keine große Genauigkeit beanspruchen, und man kann ihrer Zusammenstellung mit den Zahlen, welche die Menge des als Ammoniak beim Eiweißabbau durch Säuren freiwerden- den Stickstoffs ausdrücken, keine entscheidende Bedeutung für die Lösung der oben aufgestellten Frage beimessen. Doch ge- nügt schon ein solcher Vergleich, um zu sehen, daß eine Um- wandlung im erwähnten Sinne in größerem Maßstabe jedenfalls nicht stattfindet. Nach Boßhard entweichen bei der Spaltung des aus Lupinensamen gewonnenen Konglutins 13°/, ihres Stick- stoffs als Ammoniak.?) Von dieser Größe weichen auch die aus meinen Versuchsresultaten berechneten nicht besonders stark ab.

Um eine bestimmtere Antwort auf die uns beschäftigende Frage zu erhalten, wurde ein

ı) WI. Butkewitsch, Über das Vorkommen eines proteolytischen Enzyms in gekeimten Samen und über seine Wirkung. Zeitschr. f. physiol. Chem. 82, 1, 1901.

2) Diese Größe ist Schulzes Aufsatz in Landw. Jahrb. 14, 713, 1885 entnommen. Die von Kossel und Kutsoher bei der Spaltung einiger pflanzlicher Eiweißstoffe (Glutencasein, Glutenfibrin, Muoedin, Gliadin, Zein) erhaltenen diesbezüglichen Zahlen schwanken zwischen 13 bis 20%,. A. Kossel und F. Kutscher, Beiträge zur Kenntnis der Eiweißkörper. Zeitschr. £. physiol. Chem. 31, 165, 1900—1901.

448 W. Butkewitsch:

Versuch mit Lupinenkeimlingen

ausgeführt, welcher dem von Jacoby mit der Leber gemachten entsprach. Zu diesem Versuche wurden vier gleiche Portionen (zu je 3 g) bei ca. 40° getrockneter und zerriebener 4 Geiger Keimlinge von Lupinus luteus genommen. Die abgewogene Substanz wurde in 4 Kolben verteilt und in jeden Kolben eine gleiche Menge Wasser gegossen. Der Inhalt zweier Kolben wurde für kurze Zeit auf 100° erhitzt und darauf in alle Kolben eine gewisse Menge von fein zerriebenem Thymol und so viel Blausäure hinzu- gefügt, daß ihr Gehalt in der Flüssigkeit 0,1°/, betrug. Dann wurden die Kolben mit Stopfen verschlossen und in einen Thermostat bei 35 bis 40° gestellt. Nach 5 Tagen wurde der mit Magnesia abdestillierbare Stickstoff bestimmt, und zwar in einem Paar Kolben (erhitzt und unerhitzt) unmittelbar, im anderen nach 8stündigem Kochen mit konzentrierter Salzsäure nach Hausmann.') Bei diesen Bestimmungen wurde gefunden: Ammoniak-N, mit MgO abdestillierbar

erhitzt nicht erhitzt unmittelbar . . 2... e 4,57mg 11,21 mg nach Kochen mit HCl . 36,74 mg 38,50 mg

In unserem Autodigestionsversuche bildete sich also Ammo- niak oder Verbindungen, welche beim Kochen mit MgO-Ammoniak abspalteten, doch fand dabei, wie aus dem Vergleich der durch Kochen mit Salzsäure erhaltenen Daten erhellt, keine Umwand- lung des festgebundenen Stickstoffs in locker gebundenen statt.

Der erste Teil dieser Ergebnisse, nämlich die Bildung einer gewissen Menge Ammoniak bei der Autolyse wurde neuerdings von Castoro?) und Zaleski?) nachgewiesen. Aber diese Autoren lassen die Frage über den Ursprung des in ihren Versuchen in kleinen Mengen gebildeten Ammoniaks offen. Jedenfalls haben

1) Hausmann, Über die Verteilung des Stickstoffs im Eiweiß- molekül. Zeitschr. f. physiol. Chem, 27, 95, 1899.

2) N. Castoro, Über das Vorkommen von Ammoniak in Keim- pflanzen und über seine Bildung bei der Autolyse solcher Pflanzen. Zeitschr. f. physiol. Chem. 50, 525, 1897. Castoro bestimmte das Ammoniak nach der Methode von A Longi (Landw. Vers.-St.82,15, 1886).

3) W. Zaleski, Über die autolytische Ammoniakbildung in den Pflanzen. Ber. d. Deutsch. botan. Ges. 25, 357, 1907. Die Ammo- niakbestimmung wurde nach Boßhard ausgeführt.

Ammoniak als Umwandlungspr. stiokstoffhalt. Stoffe in höh. Pflanzen. 449

wir gar keinen Grund dazu, seine Bildung der Desamidierung der in den Keimlingen enthaltenen oder dem Eiweißmolekül angehörenden und bei seiner autolytischen Spaltung freiwerden- den Aminosäuren zuzuschreiben.

Aus meinem Versuch (dessen Resultate schon 1904 ver- öffentlicht waren) ist zu ersehen, daß in Bedingungen, welche bei den entsprechenden Versuchen von Castoro und Zaleski herrschten, eine solche Desamidierung nicht stattfindet. Die Menge des bei ihren Versuchen gebildeten Ammoniaks ist so unbedeutend, daß seine Bildung vollständig auf Rechnung des Eiweißamidstickstoffs werden kann, welcher bei der primären hydrolytischen Spaltung des Eiweißmoleküls als Ammoniak frei wird.!)

Das Ammoniak wird bei einer derartigen Spaltung des Eiweißmoleküls, wie bekannt, nicht nur unter der Einwirkung von Säuren, sondern auch unter dem Einfluß von proteolytischen Enzymen, z. B. Trypsin?), Erepsin?) und sogar Pepein*) frei. Der Tätigkeit des proteolytischen Enzyms kann auch die bei den autolytischen Versuchen mit Keimlingen beobachtete Ammo- niskbildung zugeschrieben werden.

1) „Es bleibt zunächst unentschieden sagt Zaleski (l. c.) über seine Versuche ob das in unseren Versuchen gebildete Ammoniak direkt aus Eiweißstoffen oder aus den primären Zersetzungsprodukten derselben gebildet worden war.“ Diese Frage ist, wie aus den oben an- geführten Tatsachen zu ersehen ist, durch meinen Versuch entschieden, dessen Resultate drei Jahre vor dem Erscheinen der Arbeit von Zaleski publiziert worden sind.

1) A. Hirschler, Bildung von Ammoniak bei der Pankreas- verdauung von Fibrin. Zeitschr. f. physiol. Chem. 10, 302, 1886. E. Stadelmann, Bildung von Ammoniak bei Pankreasverdauung von Fibrin. Zeitschr. f. Biol. 14 (N. F. 6), 261, 1887. 8. Dziergowski und S. Salaskin, Über die Ammoniakabspaltung bei der Einwirkung von Trypsin und Pepsin auf Eiweißkörper. Centralbl, f. Physiol. 15, 248, 1901. J. Mochizuki, Zur Kenntn. der trypt. Eiweißspaltung. Beiträge z. ohem. Physiol. u. Pathol. 1, 45, 1901.

3) O. Cohnheim, Weit. Mitt. über das Erepsin. Zeitschr. f. physiol. Chem. 35, 134, 1902.

4) E. Zunz, Über den quantit. Verlauf der peptischen Eiweißepaltung. Zeitschr. L physiol. Chem. 28, 132, 1899. Idem, Weit. Unters. über den Verlauf der peptischen Eiweißspaltung. Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 2, 435, 1902. 8. Dziergowski und S. Salaskin, l. c.

450 W. Butkewitsch:

Wenn bei der Autolyse tierischer Gewebe, wie durch die obenerwähnten Versuche Jacobys mit Leber und anderer Autoren mit anderen Organen festgestellt worden ist, eine Abspaltung des festgebundenen Eiweißstickstoffs in Form von Ammoniak beobachtet wird, so scheint diese Umwandlung, wie das schon Jacoby betont hat, nicht mit den durch proteolytische Enzyme hervorgerufenen Vorgängen zusammenzuhängen, sondern durch die Wirkung eines besonderen desamidierenden Enzyms bedingt zu sein.!) Die Anwesenheit eines solchen Enzyms in tierischen Geweben ist in der Tat durch die Versuche von Lang?) er- wiesen worden, welcher bei der Untersuchung verschiedener Organe die Abspaltung von NH, sowohl aus Amiden als auch aus Aminosäuren feststellen konnte. Analoge Versuche mit pflanzlichen Organen haben bis jetzt zu keinem klaren positiven Resultat in bezug auf Aminosäuren geführt. Shibata?) konnte in seinen Versuchen mit zerkleinertem Mycel (mit oder ohne Aocetonbearbeitung) des Aspergillus niger, welcher durch ein energisches Abspaltungsvermögen sowohl des Amid-, als auch des Aminostickstoffs in Ammoniakform ausgezeichnet ist, eine nennenswerte Ammoniakbildung nur aus Amidverbindungen konstatieren; mit Aminosäuren erhielt er dagegen in den meisten Fällen ganz negative Resultate, und nur in den Versuchen mit Alanin und Tyrosin wurden kleine Ammoniakmengen erhalten. Das gleiche negative Resultat wurde für Aminosäuren auch von Ehrlich*) und Pringsheim®) in ihren Versuchen mit Aceton-

1) Das bei der Autolyse der tierischen Organe sich bildende Ammo- niak kann nicht nur von der Desamidierung der Aminosäuren, sondern zum Teil auch von der Umwandlung abstammen, die dabei die Purin- basen, Nuoleinsäuren usw. erleiden. Vgl. R. Gottlieb und R. Stan- gassinger, Über das Verhalten des Kreatins bei der Autolyse. Zeitschr. f. physiol. Chem. 52, 1, 1907. R. Stangassinger, ibid. 55, 285, 1908. A. Scohittenhelm, Über die Fermente des Nucleinstoffwechsels, ibid. 57, 21, 1908. A. Rothmann, Über das Verhalten des Kreatins bei der Autolyse, ibid. 57, 131, 1908.

2) 8. Lang, Über Desamidierung im Tierkörper. Beiträge z. chem. Physiol, u. Pathol. 5, 321, 1904.

3) K. Shibata, Über das Vorkommen von Amide spaltenden Enzymen bei Pilzen. Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 5, 384, 1904.

4) F. Ehrlich, Zur Frage der Fuselölbildung der Hefe. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 89, 4072, 1906.

HH Pringsheim, Über Pilzdesamidase. Diese Zeitschr. 12, 15,

Ammoniak als Umwandlungspr. stickstoffhalt. Stoffe in höh. Pflanzen. 451

präparaten und Preßsaft aus Hefe- und Schimmelpilzen erhalten, wogegen die zu diesen Versuchen dienenden Organismen eine deutliche Desamidierungsfähigkeit aufweisen.!)

Bei allen eben erwähnten Versuchen gingen ihre Autoren augenscheinlich von der Voraussetzung aus, daß die Wirkung der desamidierenden Enzyme auf eine Hydratisierung hinausläuft.

Das negative Resultat könnte dadurch bedingt sein, daß die Versuchsbedingungen der Tätigkeit des gesuchten Enzyms hinderlich waren (diese Bedingungen konnten in der vorhergehenden Behandlung, in der Benutzung von Antiseptiois usw. liegen), oder dadurch, daß die Desamidierung mit Oxy- dationsprozessen verbunden ist, deren Möglichkeit durch die Versuchsanstellung selbst ausgeschlossen war.

Daß in höheren Pflanzen der Desamidierungsvorgang von einer Oxydation begleitet wird, das beweisen meine oben be- schriebenen Versuche mit Lupinenkeimlingen. Für Aspergillus niger habe ich ebenfalls gezeigt,*) daß in Peptonkulturen dieses Pilzes die Verhinderung des Sauerstoffzutritts die Ammoniak- bildung hemmt und zu einer Anhäufung von Aminosäuren führt.?)

1908. S. auch da die Hinweise auf einige diesbezügliche Versuche Abder- haldens, welche ebenfalls zu einem negativen Resultate führten. sowie auch Abderhalden und Baumann, Über die Spaltung einiger Poly- peptide durch den Preßsaft von Psalliota campestris (Champignon). Zeitschr. f. physiol. Chem. 55, 395, 1908.

1) Vgl. C. Wehmer, Entstehung und physiol. Beleutung der Oxal- säure im Stoffwechsel einiger Pilze. Botan. Zeitung 1891, 233. E. Marchal. The production of ammonia in the soil by miorobes. Agricult. Science 8, 574, 1894 (ref. im Centralbl f. Bakt. [II], 1, 753, 1906). W. Butkewitsch, Umwandlung der Eiweißstoffe durch die niederen Pilze usw. Jahrb. f. wiss. Bot. 88. 147, 1902. J. Effront, Action de la levure de bière sur les acides amidés. Compt. rend. 146,779, 1908.

2) WI. Butkewitsch, Umwandlung der Eiweißstoffe durch die niederen Pilze usw. Jahrb. f. wiss. Bot. 88, 147, 1902.

3) Völlig unverständlich bleibt mir die von Shibata in seiner Arbeit über die desamidierenden Enzyme gemachte Bemerkung, daß meine Untersuchungen über die Ammoniakbildung durch Aspergillus niger aus Eiweißstoffen und Aminosäuren die Frage unentschieden lassen, „ob diesem Prozeß eine oxydative oder enzymatische Tätigkeit zugrunde liegt‘. Erstens enthalten meine Versuche einen ganz klaren Beweis für die Bedeutung der Oxydation in diesem Prozeß, zweitens ist die Gegen- überstellung der oxydativen und enzymatischen Tätigkeit sonderbar, da auch die oxydative Tätigkeit durch ein Enzym bedingt sein kann.

452 W. Butkewitsch: Ammoniak als Umwandlungsprodukt usw.

Freilich ist die Oxydation, wie schon aus den obenerwähnten Fällen der Desamidierung bei Fäulnis und Fuselölbildung hervor- geht, keine unumgängliche Begleiterscheinung der in den Pflanzen stattfindenden Desamidierungsprozesse. Es ist mög- lich, daß in ein und denselben Zellen diese Prozesse auf ver- schiedene Weise je nach dem Charakter der zu desamidieren- den Verbindungen verlaufen: die Aminosäuren können z. B. unter Oxydation, und die Amide durch Hydratisierung des- amidiert werden. Vielleicht wird durch diesen Umstand in den Versuchen Shibatas!) mit Aspergillus niger das positive Resultat für Amidverbindungen und das negative für Amino- säuren bedingt. Daß die Desamidierungsprozesse verschiedener Amid- und Aminoverbindungen gewisse individuelle Verschieden- heiten aufweisen, darauf deuten auch die von Lang?) erhaltenen Resultate.

Die endgültige Entscheidung der hier berührten Fragen soll die Aufgabe weiterer Forschung bilden.

1) L c

Tafel I.

W. Butkewitsch: Ammoniak als Umwandlungsprodukt usw.

Fig. 5.

Fig. 4.

Biochemische Zeitschrift Band 16.

Zur Kenntnis des Fett- und Kalkstoffwechsels im Säuglingsalter.

Von Walther Freund, Breslau. (Eingegangen am 17. Februar 1909.)

Die Untersuchungen, über die hier berichtet werden soll, sind zum Teil bereits vor mehreren Jahren ausgeführt, aber bisher aus äußeren Gründen noch nicht ausführlich veröffent- licht worden. Da ich indessen Gelegenheit hatte, auf die Re- sultate derselben in einer Anzahl wesentlicher Punkte an zwei Stellen!) einzugehen, an denen die gleichzeitige Veröffentlichung des Versuchsmaterials selbst nicht angängig war, bin ich ver- anlaßt, nunmehr auf dieses letztere hier noch besonders zurück- zukommen, zumal ähnliche Untersuchungen bisher in der Lite- ratur nicht vorliegen. Der Hinweis auf die beiden genannten Publikationsortee!) wird bei der unten folgenden Besprechung der Versuchsergebnisse eine entsprechend kurze Fassung er- möglichen.

Der Ausgangspunkt für meine Untersuchungen war einer- seits die damals noch offene Frage, inwieweit bei den Ernäh- rungsstörungen des Säuglings, speziell der von Czerny-Keller als Milchnährschaden beschriebenen Form, ein quantitatives Daniederliegen der Fettresorption mit im Spiele ist. In engem Zusammenhange hiermit stand der weitere Gesichtspunkt, ob das aus der Klinik her wohlbekannte Symptom der vermehrten Ausscheidung insbesondere unlöslicher Seifen im Stuhl ich

1) Milchnährschaden und Fettresorption. Vortr. auf der Dresdener Tagung der fr, Verein. f. wissensch. Pädiatrie 1907. Physiologie und Pathologie des Fettstoffwechsels im Kindesalter. Ergebn. der inneren Medizin und Kinderheilk. 3, 1909.

454 W. Freund:

habe dafür in meinem Vortrag (l. c.) die kurze Bezeichnung „graue Obstipation‘‘ gewählt mit einer Verschlechterung der Resorptionsgröße für Fett einhergeht.

Jede hierauf abzielende Versuchsanordnung mußte sich nun naturgemäß des Einflusses der übrigen Nahrungsbestand- teile auf die Seifenausscheidung bedienen, von denen wir vom Krankenbette her wissen, daß Eiweiß und mäßige Mehlmengen das Zustandekommen grauer Obstipation begünstigen, während die verschiedenen Zucker sowie Zugabe von oleinreichen Fetten derselben mehr oder minder entgegenwirken. Es gipfelte also schließlich der Versuchsplan in dem Studium des Einflusses der verschiedenen Nahrungsstoffe auf die Fettresorption bzw. auf die bekanntlich durch ihre Rückwirkungen auf den Mineral- stoffwechsel bedeutungsvolle Seifenausscheidung.

Ich lasse nunmehr zunächst eine Übersicht über die Ver- suche selbst folgen. (Dieselben wurden auf der Säuglingsabtei- lung des städtischen Kinderhorts ausgeführt; die Aufarbeitung des Versuchsmaterials geschah im Laboratorium der Universitäts- Kinderklinik.)

Versuch Otto Scholz. a) Vorgeschichte.

Otto Scholz wurde am 24. Sept. 1904 im Alter von 8 Mo- naten mit einem Körpergewicht von 3720 g in den städtischen Kinderhort eingeliefert. Befand sich angeblich bis dahin im Kinderasyl der Stadt Berlin, woselbst er bis zur Überführung nach Breslau gestillt worden sein soll. Hier zunächst bei Buttermilch gute Zunahme (25. Sept. bis 3. Okt.), erkrankt dann bei Überführung auf Vollmilch (mit Mehl und Zucker) unter Fieber, Körpergewichtsabsturz auf 3180 g und häufigen hellen Stühlen und wurde vom 11. Okt. an an der Brust er- nährt, trank bald große Mengen, nahm vom ersten Tage an stark zu und zeigte rasche Besserung seines ganzen Verhaltens. Am 23. Okt. Allaitement mixte mit 1 mal Buttermilch begonnen, bald 2mal Buttermilch und lmal Reis. Vom 10. Dezember an (Körpergew. 4140 g) keine Brust mehr, sondern 5 Mahl- zeiten à 180g '/, Milch mit Mehl und Zucker. Hierbei 1 mal täglich zur selben Stunde eine reichliche geformte, hellgelbe Stuhlentleerung von erheblichem Fäulnisgeruch und alkalischer Reaktion.

Kenntnis des Fett- und Kalkstoffwechsels im Säuglingsalter. 455

b) Kotbildung.

Während Periode I (Milch Mehl Zucker) ist die Kot- bildung wie in der Vorperiode, in der Periode II (Milch Wasser) ähnlich, nur deutlich retardiert, so daß der Stuhl des dritten Tages erst nach Schluß des Versuches abgewartet werden muß.

ol Alle übrigen Angaben vgl. Tabelle Otto Scholz.

Tabelle Otto Scholz. I. Periode (?/ Milch mit Mehl und Rohrzucker).

wech

3

Ver- Kohlen- Fett- | ` S 5 hydrat- | Urin- Ge- e $ ck resorp- E gees: zufahr | menge] Menge | samt. (` 71 SE] ven 5 tag | 5 3 gig (trocken)| A0 fett HH: E Le S B S IST %

4210 27,0 154,0 SCH 2. [915,5|15,55|27,46/54,9 SC 3. |894,0115,2 oos |63,6 ben

903,0|15,35/27,09

54.18] 413 Lage 0,8410 0,4194 49,8 | 94,5 |+ 23,3

Mittel

931 dag 626,6 | 5,5615

1,0878 | 0,5771 | 63,1

Versuch Martha Scholz.

a) Vorgeschichte.

Martha Scholz wurde ohne Anamnese im Alter von 6 Wochen mit einem Körpergewicht von 3420 g am 29. VIII. 04 in den städtischen Kinderhort aufgenommen. Es war ein anscheinend gesundes Kind, das zunächst bei Allaitement mixte mit '/, Milch an Körpergewicht abnahm und dann am 7. IX. (Körpergew. 3300 g) zu ausschließlicher Brusternährung übergeführt wurde. Hierbei gutes Gedeihen, desgl. auch bei Einführung einer Mahl- zeit Buttermilch (28. IX... Vom 11. X. (Körpergew. 3730 g)

456 W. Freund:

bis 6. XI. (Körpergew. 3890 g) wurde das Kind allmählich auf 2mal Buttermilch und 3mal Vollmilch mit Mehl und Zucker abgesetzt. Während der zweiten Hälfte des November fieber- hafte Erkrankung der oberen Luftwege mit vorübergehendem Körpergewichtsrückgang. Am 10. XII. (Körpergew. 4200 g) wird zu 5>< 150 g '/, Milch mit Mehlsuppe und Zucker über- gegangen. Dabei 1 bis 2 mal täglich Stuhl.

b) Kotbildung.

Periode I (Milch Mehl Zucker).

1. Tag 3 mal gebunden, hellbraungelb, stinkend.

2. Tag 1 mal kleiner trockner Kotballen. lmal volumi- nöser, fast geformter, stinkender, hellbraungelber Stuhl. 1 mal dito.

3. Tag 3 mal Stuhl, wie die vorhergehenden.

In Periode II (Milch Wasser) im allgemeinen wie in Periode I, nur heller und mehr grau.

c) Alle übrigen Angaben vgl. Tabelle Martha Scholz.

Tabelle Martha Scholz. L Periode (1/, Milch mit Mehl und Rohrzuoker).

|125 E 44,13 1,0668 12,148 0,7863 36,6 | 81,8 |— 23,3

II. Periode (Gi Milch mit Sacoharinwasser).

e ppm

im Mittel

758,7 | 12,14 | [88818 [00200 0,4005 43,5 | 92,4 |- 10

Kenntnis des Fett- und Kalkstoffwechsels im Säuglingsaltee. 457

Versuch Max Jockisch.

a) Vorgeschichte.

Max Jockisch wurde am 17. Oktober 1904 im Alter von 8 Wochen mit einem Körpergewicht von 5020 g in den städti- schen Kinderhort eingeliefert, und zwar in üppigem Ernährungs- zustande und abgesehen von einem Vierziger frei von patho- logischen Erscheinungen. Anscheinend bis dahin fast ausschließ- lich an der Brust ernährt. Im Kinderhort erhielt das Kind zunächst 5><150 g */, Milch mit Wasser und pro die 60 g Nährzucker. Am 24.X. akute Erkrankung an einer damals epidemischen Angina (39,2). Noch am selben Tage wurde Brust- ernährung eingeleitet. Hierbei ging unter subfebrilen Tempera- turen bei starker Anorexie das Körpergewicht rapide herab. Während der ganzen Zeit täglich zwei schöne Brustmilch- stühle, vom 4. XI. an normale Temperatur. Vom 10. XI. an eine Mahlzeit Buttermilch, wobei das bis auf 3990 g heruntergegangene Körpergewicht etwa 14 Tage lang stationär bleibt, um dann ohne Nahrungsänderung regelmäßig zuzu- nehmen. Am 9. XII. (Körpergew. 4200 g) wird wieder zu aus- schließlicher Brusternährung übergegangen. Am 12. XII. Be- ginn des Versuches.

b) Kotbildung.

In Periode I bei ausschließlicher Brusternährung 3 bis 4mal täglich reichlicher, saurer, goldgelber, manchmal nicht ganz homogener Stuhl. |

In der darauffolgenden Zwischenperiode und der Periode II bei Einführung einer Mahlzeit Buttermilch war die Kotbildung nicht wesentlich verändert (am zweiten Tage der Periode II erfolgten sogar sechs Stuhlentleerungen), nur war der Stuhl stets homogen. |

c) Bald nach diesen Versuchen wurde das Kind aus dem städtischen Kinderhort nach der Königlichen Kinderklinik ver- legt, woselbst es bald darauf wieder an einer schweren Angina erkrankte, sich bei ausschließlicher Brusternährung wiederum von seinem Gewichtsrückgang rasch erholte. In dieser Zeit trat aber eine Stuhlbeschaffenheit auf, wie sie etwa der Fett- diarrhöe (Biedert) entspricht. Der Stuhl wurde hellgelb, stark

458 W. Freund:

fettglänzend und zeigte mikroskopisch ziemlich reichliche Fett- tröpfchen. Die Reaktion war stark sauer.

Es wurde wegen dieser bemerkenswerten Stuhlveränderung am 25.1.05 auf der Kinderklinik nochmals bei ausschließlicher

Brusternährung ein viertägiger Stoffwechselversuch angestellt, währenddessen die Kotbildung sich auch weiter wie angegeben verhielt.

d) Alle näheren Angaben vgl. Tabelle Max Jockisch.

Tabelle Jockisch. I. Periode (Brustmilch).

Nahrung

Versuchstag

Seifenfett Körpergewicht

im ae | 595,8 Lama 290 16,076 (0,9756

0,349 36,87 95,3

497 4220 1. [1 14 | 18,8/2,25| 9,0 | 340

494 4290 2 (18 | 18,7 2,25| 9,0 | 330

561 4330

3. ETA Ee ——— 9,0 | 385 |

im | 517,3 | Mittel + 162,3 1,465 190225 9,0 | 351,7|5,6449 0,9149/0,263 |28,7

III. Periode (Brustmilch):

‚4728|1,7067/0,6074|35,6

Kenntnis des Fett- und Kalkstoffwechsels im Säuglingsalter.. 459

Versuch Curt Helm. a) Vorgeschichte.

Curt Helm, in der Frauenklinik geboren und dort bis 5 Wochen künstlich ernährt, kam in diesem Alter in den städtischen Kinderhort. Körpergewicht bei der Aufnahme am 26. September 1905: 3120 g. Mageres Kind mit schlechten Farben, negativem Organbefund. Zunächst bei 3 mal Brust, 2mal */, Milch mit Haferschleim Körpergewichtsabnahme um 600 g in 14 Tagen. Von nun an bei ausschließlicher Brust- ernährung sofortige Zunahme und Gedeihen. Nach 3 Wochen Allaitement mixte mit Buttermilch (bis zu 3 Mahlzeiten à 120 g von der letzteren). Auch hierbei glänzende Zunahme: von 2530 g am 10. September bis 3740 g am 4. November. Gute Farben, Turgor, Tonus, Agilität. Vorübergehend Vierziger und Kopfekzem. Neigung zu grauen geformten Stühlen. Am 4. No- vember werden die letzten beiden Brustmahlzeiten durch je 120 g */, Milch mit Haferschleim ersetzt; vom 17. November an erhält das Kind die Nahrung der ersten Versuchsperiode, 100 g */, Milch mit Mehlsuppe in 5 Mahlzeiten. Dabei 1 mal täglich graugelber Seifenstuhl.

Alter zu Beginn des Versuches am 20. Novewber 4 Monate.

b) Kotbildung. Periode I (Milch— Mehl). Es wurde entleert:

1. Tag 1><10g Kot (feucht),

2. 1Xx10g ,, j

3. 1X10g nm durchgängig graugelb, stinkend, alkalisch, hart geformt; mikro- skopisch frei von Fetttröpfchen. Nach Jacobson): rosa Schollen.

Periode II (Milch— Wasser).

Gut gelungene Abgrenzung mit Tierkohle. Stuhl zunächst wie in Periode I, nur etwas härter und grauer. Am 3. Ver- suchstage erst dickbreiiger, nur noch teilweise geformter Stuhl, dann mehrere dünnbreiige Entleerungen. Die Kotabgrenzung

1) Sur une réaction colorante des acides gras. La presse médicale 1906, No. 1ff (vgl. auch W. Freund a. a. O.). Biochemische Zeitschrift Band 16. 31

460 W. Freund:

am Schluß GI g Tierkohle) erscheint bereite 6 Stunden später, trotz der dünnen Beschaffenheit des Kotes fast auf eine ein- zige tiefschwarz gefärbte Entleerung konzentriert. Kotmengen (feucht) 1. Tag 2>< zusammen 25g, - 2. 1X 30g, 3. zc zusammen 60 g. c) Alle weiteren Angaben vgl. Tabelle Curt Helm.

Tabelle Curt Helm. I. Periode D Milch mit Mehlsuppe).

Versuchstag

Körpergewicht

Seifenfett

689,3|12,08/41,36| | 478,3 | 3,3606 10,0

04136 —R

496,6 5.684038, 16,6

Versuch Winkler.

a) Vorgeschichte.

Max Winkler, am 23. Juli 1905 in der Frauenklinik ge- boren. Mutter luetisch, seit Jahren in dermatologischer Be- handlung, speziell während dieser Gravidität mehrere He Kuren, Am 5. August werden Mutter und Kind in dem städtischen Kinderhort aufgenommen (Körpergewicht 3100 g). Zunächst ausschließlich Brust bis 4. September (Körpergewicht 3420 g). Dann Entlassung der Mutter. Kind auf einmal abgestillt auf Milch mit Haferschleim und Nährzucker. Dabei starke Ab- nahme, dünne helle Stühle und rascher Verfall. Vom 22. Sep-

Kenntnis des Fett- und Kalkstoffwechsels im Säuglingsalter, 461

tember an ausschließlich abgespritzte Ammenmilch. Sofortige Reparation mit starker Zunahme. Schon nach 14 Tagen Allaite- ment mixte mit Buttermilch, von letzterer schließlich 3 Mahl- zeiten. Am 14. Oktober werden die beiden letzten Brustmahl- zeiten fortgelassen und durch '/, Milch mit Haferschleim er- setzt. Dabei weiteres Gedeihen, aber starke Obstipation, wes- halb eine Zeitlang Malz zugesetzt wird. Vom 17. November an die Versuchsnahrung 800 !/, Milch mit Mehlsuppe auf 5 Mahlzeiten. Am 20. November Beginn des Versuches. Alter 4 Monate. Gute Farben, nicht schlechter Ernährungszustand. Agil. Leidlicher Turgor und Tonus. Reine Haut. Nie etwas von Lues. b) Kotbildung. Periode I (Milch—Mehl).

l. Tag 3 >X<, im ganzen 20 g (feucht),

2. IX,» » 30g u

Dea A » DE

Durchgängig graugelb, alkalisch, geformt,’ ziemlich hart, stinkend. Mikroskopisch keine Fetttröpfchen. Nach Jacob- son färben sich blaßrote Schollen. |

Periode II (Milch— Wasser).

1. Tag 1>< 30 g (feucht),

2. kein Stuhl,

3. 2X, im ganzen 35 g (feucht).

Kotabgrenzung (Tierkohle) gegen Periode I haarscharf. Stuhlbeschaffenheit wie in Peride I, nur etwas mehr ins Graue gehender Farbenton und noch härtere Konsistenz.

Mit der ersten Mahlzeit der Periode III wieder °/,g Tier- kohle.

l Periode III (Milohzucker). _ Wiederum scharfe Abgrenzung. | Am 1. Tage 1 >x< 20g (feucht), » 2 2X, zus. 20g » d u 3X, » 50g | i

Der Kot wird in dieser Periode rein goldgelb, verliert den

grauen Ton und erhält breiige Konsistenz, bleibt aber noch

wurstförmig. Die Reaktion wird schwach sauer. Im mikro- 31*

462 W. Freund: -

skopischen Präparate spärliche Fetttröpfchen, die sich nach Jacobson intensiv rot färben.

Periode IV (Sesamöl).

Derselben geht eine Zwischenperiode (29. November bis 7. Dezember) voran, in der erst wieder Milch und Mehl, als- dann mit Ölzusatz gegeben wird. Dabei wird der Stuhl erst wieder härter, grauer und alkalisch, um zu Beginn der Pe- riode V fast ganz dem der Periode III zu gleichen, nur ist er während der ganzen Periode IV stets etwas fester als der letztere.

Feuchte Kotmenge 1. Tag 3><, zusammen 40 g,

2. 29 3 ><, 99 50 RK, 3. 39 2 x; 30 8 4. 3 x, 50 8g-

Periode V (Malz).

Typischer, gelbbrauner, geformter Malzstuhl, der allmählich breiiger und formlos wird, um nach Schluß des Versuches bei Weglassung des Malzzusatzes wieder geformt zu werden, so daß die Abgrenzung gegen den nachfolgenden graugelben Milch- Mehl-Stuhl wiederum tadellos gelingt.

Feuchte Kotmenge 1. Tag 2<, zusammen 45 g,

2. 2, Se 708, d vw 3X, j 60 g. c) Allo weiteren Angaben vgl. Tabelle Max Winkler

Versuch Kramarozyk.

a) Vorgeschichte.

Alfred Kramarczyk wurde im Alter von ca. 10 Tagen mit einem Körpergewicht von 2430 g in den städtischen Kinder- hort eingeliefert. Bei Brusternährung, vorübergehend mit Zu- fütterung einer Mahlzeit ?/, Milch mit Haferschleim, eine Zeit- lang geringe Zunahme, dann wieder Rückgang, so daß im Alter von 2*/, Monaten (Körpergew. 2230 g) zum Allaitement mixte mit Buttermilch übergegangen wurde, worauf alsbaldiger Anstieg der Körpergewichtskurve und entsprechende Besserung des mittlerweile stark herabgekommenen Kindes. Im Verlaufe der nächsten Wochen wird nun die Brust ganz weggelassen und

Kenntnis des Fett- und Kalkstoffwechsels im Säuglingsalter.. 463

Tabelle Max Winkler. I. Periode (!1/, Milch mit Mehlsuppe).

Nahrung

3 8 8 S "nä S br | CO a |g >

III. Periode D Milch mit Milchzuckerlösung).

44,3 |486, 4,5350 30 0,6102 0,1570'25,5194,9|4 46,6

IV. Periode (1/, Milch mit Mehl und Sesamöl). davon davon

510

D oom

1480114122403 [487,5| 6,0612 34 1,5250 0,0945 6,2|94,71-+-32,5

V. Periode (Di Milch mit Mehl und Malz).

Pre 35: 1. een | 15,05 [51,6 68,801400 2. |820 | 14,35 49,2 66,60410 14,02

im | Mittel |8445

7,2954

14,47 58 La 0,0860) 5,0]88,1]4-56,6

464 W. Freund:

allmählich zur Ernährung mit 2 Mahlzeiten Buttermilch, 3 Mahl- zeiten !/, Milch mit Schleim übergegangen (1. Juli 3 Monate alt, Körpergew. 2490 g).

Bald darauf folgte wegen der Entleerung von grauen Seifen- . stühlen ein Malzzusatz, und bei dieser Ernährung trat ein in jeder Beziehung zufriedenstellendes klinisches Verhalten des Kindes ein. Am 4. Oktober (Alter 6!/, Monate, Körpergew. 3560 g) Übergang zu 1. Milch mit Mehl und Malz, zunächst 5><140 g, vom 12. Okt. an 5><150 g und vom 15. Nov. an 5><160 g. Vom 17. Nov. an die Versuchsnahrung 5>< 160 g 1/, Milch mit Mehl (ohne Malz).

Alter bei Beginn des Versuches 8 Monate, Körpergewicht 3820 g. Für sein Alter kleines, agiles Kind mit gutem Tonus, mäßigem Turgor. Sitzt noch nicht. Reine Haut.

b) Kotbildung. Periode I (Milch Mehl). L Tag kein Stuhl,

2. LU 39

3. 4mal zusammen 70g (feucht),

davon die erste Entleerung zu Beginn des 3. Versuchstages, die letzte erst mehr als 24 Stunden nach Schluß der Versuchs- periode, abgewartet bis zum Erscheinen der Abgrenzung (?/, g Tierkohle mit der ersten Mahlzeit der Periode II verabreicht). Kotbeschaffenheit durchgängig geformt hart, graugelb, alkalisch, stinkend, mikroskopisch keine Tröpfchen. Nach Jakobson nur blaßrote Schollen.

Periode II (Milch Wasser). Gut gelungene Abgrenzung.

1. Tag kein Stuhl, 2. 2mal zusammen 20 g (feucht), 3. 20 8 Pr

Stuhlbeschaffenheit wie in Periode I, nur noch grauer und härter. Mit der ersten Mahlzeit der Periode III wird wieder */, g Tierkohle gegeben (also 3tägige Kotsäule).

Periode III (Milchzucker). Die Abgrenzung wieder scharf. Der Kot wird weicher, verliert den grauen Ton, wird aus- gesprochen goldgelb, schwach sauer. Mikroskopisch Fetttröpfchen, nach Jakobson dunkelrot färbbar.

Kenntnis des Fett- und Kalkstoffwechsels im Säuglingsalter. 465

Tabelle Alfred Kramarcozyk. I. Periode (1/, Milch mit Mehlsuppe).

42

5 g in 3 © 3 pO EI È S bi

| 1481,6[3,9606 13,8 0,4292 0,1774

III. Periode Di Milch mit Milchzuckerlösung).

2. 1850 3. 3780 i | ım Mittel | 50,9 [441,615,225 16,6/0,8817 0,0988113,8 95,01-1.26,6 IV. Periode (!/, Milch mit Mehl und Sesamöl). davon fett 3650 1. [881,2115,22| 11,2 | 52,2 510 2. [863,8 14,02| 13,8 | 51,0 490 3. |893,9.14,96| 13,9 | 52,8 460 4. |874,0 15,48! 14,0 | 51,6 500 3710 878,214,92 SEH on [5,4612 27,01,0431 0,1037 7,0060 3 15 | V. Periode (1/, Milch mit Mehl und Malz). AP CGEe T 3710 1. 1910 | 15,93 | 54,6 72,8 [380 2. |890 | 15,56 |53,4 71,2 |420 3. |860:| 14,19 61,6 68,8 |450 3030

i | Mittel 886,6 15,23 1532 70,8 416,6[7,8232 40,8 0,94040,0559 6,9193,8|-473,3

|

466 W. Freund:

In der nun folgenden 8tägigen Zwischenperiode (Milch Mehl) wird der Stuhl zunächst wieder wie in Periode I und sodann auf Ölzusatz wieder fast gleich dem Stuhle der Periode III. Am 7. Dez. beginnt

Periode IV (Öl), in der der Stuhl durchweg diese Be- schaffenheit behält:

L Tag 1><20g (feucht), 2. 1Xx40g 2 d 1xX40g ew 4. 1x<35g >

Periode V (Malz). Typischer hellbrauner Malzstuhl, schön abgegrenzt, erst noch wurstförmig, dann mehr breiig. Nach Schluß des Versuches wird Malz wieder weggelassen, so daß die Kotpassage wieder retardiert wird und die letzten Teile der Malzkotsäule wieder wurstförmig werden und sich scharf von dem nachfolgenden graugelben Milch-Mehl-Stuhl abgrenzen, Die feuchten Kotmengen betragen:

L Tag 1x 40g, 2. 3X zusammen 30 g, 3. LE 1 >< 39 50 8

c) Alle weiteren Angaben vgl. Tabelle Alfred Kra- marczyk. |

Der Besprechung der Versuchsergebnisse seien noch folgende, die angewendete Methodik betreffende Angaben vorausgeschickt.

Die Fettbestimmung in der Nahrung erfolgte nach Gerber oder (bei kohlenhydratreichen Gemischen) durch Atherextraktion im Soxhletapparat. Die Bestimmung des Gesamtfetts im Trocken- kot war bei den Versuchen Otto und Martha Scholz sowie Jockisch die übliche Ätherextraktion; bei den weiteren Versuchen wurde dann die Alkohol-Chloroformextraktion nach Rosenfeld angewendet. Ferner wurde aus besonderer Kotportion der Ather- bzw. Chloroformextrakt für sich gewonnen, alsdann erst der Rückstand mit salzsaurem Alkohol gespalten und die Fett- säuren der sog. unlöslichen Seifen extrahiert, die Extrakte in wasserfreiem Äther aufgenommen und bei 50° getrocknet. Jeder der auf diese Weise resultierenden drei Werte wurde durch 3 bis 5 Kontrollbestimmungen gesichert. Hierbei darf nicht außer acht gelassen werden, daß die in den Tabellen kurz als

Kenntnis des Fett- und Kalkstoffwechsols im Säuglingsalter. 467

„Seifenfett‘‘ aufgeführte Zahl weder daa Gewicht aller an Seifen gebundenen Fettsäuren angibt, da ja ein Teil der Alkaliseifen auch ohne Spaltung mit salzsaurem Alkohol extrahiert wird, noch auch wiederum nur die Fettsäuren der Erdseifen, da die Alkaliseifen jedesfalls vor der Spaltung nicht quantitativ entfernt werden. Unser ‚„Seifenfett‘ ist daher nur eine kon- ventionelle Zahl, die sich aus den Fettsäuren der Erdseifen und eines gewissen Anteils der Alkaliseifeon zusammensetzt, die indessen bei gleichmäßiger Handhabung der Methodik als Ver- gleichswert und zu einstweiliger Orientierung sehr wohl brauch- bar erscheint. Es sei noch hinzugefügt, daß in einigen Kontroll- bestimmungen nach Rosenfeld etwas mehr Gesamtfett erhalten

wurde, als mittels der Atherextraktion, daß aber der Anteil

des Seifenfetts am Gesamtfett bei beiden Verfahren nicht wesent- lich differierte. Besprechung der Versuche. A. Fettresorption.

Obgleich es sich um Kinder handelt, von denen kein ein- ziges die Bezeichnung gesund verdient, vielmehr durchweg um mehr oder weniger zurückgebliebene Kinder, teilweise solche mit schweren Ernährungsstörungen, so ist doch im allgemeinen die Fettresorption eine sehr günstige. Ich habe die Resorptions- zahlen mit den sonst aus der Literatur bekannten a. a. O.!) in einer Übersichtstabelle vereinigt und aus derselben den Schluß ziehen zu müssen geglaubt, daß stärkere Fettverluste durch den Darm höchstwahrscheinlich nur dort zustande kommen, wo die Fettspaltung daniederliegt, also in erster Reihe bei akuten Ernährungsstörungen mit vermehrter Peristaltik und bei fieberhaften Krankheitszuständen. Von diesen Momenten spielt in den vorliegenden Versuchen nur das erstere eine Rolle, und zwar in der II. Periode des Versuches Curt Helm, in der ein akuter Durchfall auftrat; ich zögere nicht, die hier beob- achtete Verminderung der Fettresorption von 96,6 auf 91,4°/, mit dieser Störung in Zusammenhang zu bringen.

Im Übrigen waren sämtliche Versuchskinder frei von irgend- welchen akuten oder subakuten Krankheitserscheinungen; die schweren chronischen Störungen, wie bei Otto Scholz und

1) Ergebn. d. inn. Med. u. Kinderheilk. 3, 1909.

468 Ä W. Freund:

Kramarczyk, erwiesen sich dagegen für die Fettresorption als belanglos.. Besonders sei hier noch auf das Verhalten des Kindes Jockisch hingewiesen, das als ziemlich frischer Rekon- valeszent nach schwerer akuter Störung 95°/, Fett resorbierte, und zwar 93°/, sogar zu einer Zeit, wo es nach der Beschaffen- heit seines Stuhles das Bild sog. Fettdiarrhöe darbot. Man erkennt aus den Zahlen für die Fetteinfuhr und -ausfuhr ohne weiteres, daß das klinische Verhalten des Stuhles lediglich durch eine größere absolute Kotfettausscheidung bei erhöhter Fett- einfuhr zustande kommt, keinesfalls aber als Anzeiohen ver- schlechterter Resorption gelten darf.

Was den Einfluß der beigegebenen andern N auf die Fettresorption betrifft, so ist nach dieser Richtung in den Versuchen niohts sicheres zutage getreten.

Die Bedeutung der Stuhlbildung als solcher ist an den hier folgenden Tabellen I und II zu prüfen:

Tabelle I.

Kramarczyk . III 13,7

a , V 15,2 Winkler ... III 12,1 Sg Vy 14,5 Kramarezyk . IV 28,1 Winkler .. . IV 28,5 Jokisch ... I 20,6 e Se EI 19,7

" ... HI 24,6

im Mittel | 1,1246 18,3 93,8

Kenntnis des Fett- und Kalkstoffwechsels im Säuglingsalter. 469

Tabelle II. Fett- Fett- | UmlösL | Kotfett Resorpt A Kramarczyk aus- f i zufuhr scheidung | Seifen déi déi

II Milchzucker . 12,06 0,6162 25,5 13,6 94,9 IN ..:... 28,54 1,5250 6,2 25,2 94,7 V Maz .... 14,47 1,7180 5,0 23,5 88,1

In der Tabelle I sind im oberen Teile 8 Versuchsperioden aufgeführt, in denen durchweg charakteristischer graugelber bis grauweißer, stinkender alkalischer, geformter oder harter Stuhl zur Beobachtung kam. Im unteren Teile handelt es sich um 9 Versuchsperioden mit mehr oder minder breiigem, saurem, gällig gefärbtem, sozusagen normalem Stuhl (also bei Brust, Milchzucker, Fettanreicherung, Malzzusatz). In der Tabelle IH zeigt jeder der beiden darin aufgeführten Versuche von Periode I bis V die vollkommene allmähliche Umwandlung des anfäng- lichen Seifenstuhls in die entgegengesetzte Stuhlbeschaffenheit.

Aus beiden Tabellen geht nun mit aller Deutlichkeit hervor, daß extrem hohe wie extrem geringe Ausscheidung von Seifen im Stuhl mit der Frage der Fettresorption als solcher nichts zu tun haben.

B. Die Seifenausscheidung.

An den Prozentzahlen des ausgeschiedenen Seifenfetts ist bemerkenswert, daß sie auf das genaueste mit den klinischen Merkmalen der Faeces harmonieren und daß die diätetischen Maßnahmen, deren Wirkung auf die Seifenverteilung hier unter- sucht wurde, diese Prozentzahlen durchgehends in dem Sinne beeinflußten bzw. unbeeinflußt ließen, wie wir dies auf Grund der klinischen Beobachtung erwarten durften.

So sehen wir, daß Mehl und Rohrzucker in allen Versuchen sich, wie auch sonst im allgemeinen, ohne besonderen Einfluß

470 W. Freund:

auf die Beschaffenheit der Faeces zeigte und dementsprechend auch das Prozentverhältnis: Seifenfett: Gesamtfett unberührt ließ. Es zeigten sich hier nur geringe und bei den einzelnen Versuchskindern in verschiedener Richtung liegende Ausschläge, die im Bereiche der Versuchsfehler und der natürlichen Schwan- kungen liegen dürften. Dagegen hatten Milchzucker und Malz- extrakt bei der angewendeten Versuchsanordnung die bekannte energische Wirkung im Sinne der Beseitigung des Seifenstuhles und führten denn auch zur prompten Verminderung der Seifen- prozentzahl. Das gleiche gilt von der Fettanreicherung der Nahrung durch zugelegtes Sesamöl in den Versuchen Winkler und Kramarozyk. Auch der Brustmilchstuhl in den Versuchen Jockisch zeichnete sich entsprechend seiner klinischen Beschaffen- heit durch einen niedrigen Gehalt an Seifenfett aus. Was den Einfluß der zugelegten Mahlzeit Buttermilch betrifft, die man für den vorliegenden Zweck in Anbetracht des indifferenten Verhaltens der zugemischten kleinen Mehl- und Rohrzucker- menge im wesentlichen als eine Caseinzulage bezeichnen kann, so hat dieselbe innerhalb der relativ kurzen Versuchsdauer die vom Krankenbette her als gesetzmäßig bekannte Wirkung im Sinne des Zustandekommens von Seifenstuhl noch nicht hervor- gebracht. Demgemäß ist auch hier die Erhöhung der Seifen- prozentzahl noch nicht zu konstatieren. Die geringe Vermin- derung derselben dürfte auch hier in zufälligen Schwankungen ihren Grund haben; von einem derartigen Werte können wir naturgemäß keine absolute Konstanz erwarten, werden dafür aber auch nur solche Ausschläge verwerten, die, wie die bei Milchzucker, Öl und Malz erzielten, über jeden Zweifel er- haben sind.

Über die Frage der Wirkung des Caseins auf die Seifen- ausscheidung verweise ich im übrigen auf meine Ausführungen in der mehrfach zitierten Arbeit.

In derselben sind auch die Ursachen des Zustandekommens der vermehrten Seifenbildung, ihre Abhängigkeit von den Fäulnis- vorgängen im Darm und von allen diese begünstigenden Momenten bereits eingehend erörtert und auch der einzigen, diesen Gegen- stand behandelnden Arbeit von Hecht!) gedacht worden.

1) Über die Bedeutung der Seifenstühle im Säuglingsalter. Münch. med. Wochenschr. 1908, Nr. 19.

Kenntnis des Fett- und Kalkstoffwechsels im Säuglingsalter. 471

C. Kalkstoffwechsel.

Auch die Frage der Rückwirkung der Seifenstuhlbildung auf den Stoffwechsel der alkalischen Erden habe ich an jener Stelle bereits behandelt. In den Versuchen Kramarczyk und Winkler wurde in den Perioden I (Mehl), IV (Öl) und V (Malz) auch der Kalkstoffwechsel bestimmt. |

Das Ergebnis zeigt die folgende Tabelle:

Versuch Winkler.?)

CaO in g pro die in: Kalk- | Seifen- l Nahrung | Urin Kot bilanz | prozen

Periode I (Mehl) | 0,6523 | 0,0245 | 0,5965 4 0,0313| 57,0 Periode IV (Öl) 0,7162 | 0,0311 ! 0,4306 |- 0,2545| 62 Periode V (Malz) | 0,7104 | 0,0198 | 0,3700 4 0,3206| 5,0

Versuch Kramarczyk.

Periode I (Mehl) | 0,7426 | 0,0118 | 0,5081 |-0,2227| 46,7 Periode IV (Öl) 0,7406 | 0,0179 | 0,5533 |+0,1094 | 7,9 Periode V (Malz) | 0,7536 | 0,0115 | 0,5376 |--0,206| 5,9

Die beiden Versuchskinder zeigen demnach, was die Be- ziehungen zwischen Kalkbilanz und Seifenprozent betrifft, ein ganz verschiedenes Verhalten.

Bei Winkler bessert sich die erstere, wenn der Seifenstuhl zum Verschwinden gebracht ist. Bei Kramarczyk ist sie von vornherein auf guter Höhe und bleibt auf derselben, wird nicht besser auch nach Eintreten der normalen Stuhlbeschaffenheit.

Man gewinnt danach den Eindruck, als ob nur im ersteren der beiden Fälle die abnorme Seifenbildung zu einer Beein- trächtigung der Kalkbilanz geführt hatte.

Nach den Untersuchungen von Birk’) mag dieses ver- schiedene Verhalten der beiden Kinder darin seinen Grund haben, daß bei Winkler später eine erhebliche Rachitis zutage trat, die sich vermutlich um jene Zeit bereits vorbereitet haben dürfte. Kramarczyk zeigte dagegen nur geringe rachitische Veränderungen.

Auch Birk konnte wohl bei zwei Rachitikern durch Be- einflussung des Seifenstuhls vermittels Phosphorlebertrans die

1) a. a. O. (Ergebn. d. inn. Med. u. Kinderheilk. 8) tragen die Ver-

suche Winkler und Kramarczyk die Bezeichnung Fall B und Fall A. 2) Monatsschr. f. Kinderheilk. 7, Nr. 8.

472. W. Freund: Kenntnis d. Fett- u. Kalkstoffwechsels im Säuglingsalter.

Kalkbilanz bessern, bei zwei gesunden Säuglingen gelang ihm dies dagegen nicht.

Im übrigen läßt sich wohl behaupten, daß da, wo eine solche Beeinflussung überhaupt gelingt, sie nicht nur durch Lebertran oder durch Öl herbeigeführt werden dürfte, sondern überhaupt durch alle jene Momente, die die Anomalie des Seifenstuhls zu beseitigen vermögen, wie z. B. im Versuch Winkler der Malzzusatz.

Da wo die Kalkbilanz trotz veränderter Stuhlbeschaffenheit gleich bleibt, wo also im Kot stets etwa die gleichen Kalkmengen erscheinen, müssen wir n eine Umlagerung eines Teils des Kalks annehmen. Wie diese stattfindet, d. h. was für Säuren anstatt der Fettsäuren die Bindung des Kalks unter solchen Umständen übernehmen, ist bisher noch nicht Gegen- stand der Untersuchung gewesen.

` Elektrische Überführung von Fermenten. Von Victor Henri. | (Aus dem physiologischen Laboratorium in der Sorbonne, Paris.) (Eingegangen am 15. Februar 1909.) |

In: dem letzten Heft dieser Zeitschrift hat L. Michaelis eine Arbeit über die elektrische Überführung des Invertins ver- öffentlicht. . en l

Ioh möchte hier hervorheben, daß ich vor zwei Jahren mit mehreren Mitarbeitern im hiesigen Laboratorium die elek- trische Überführung der Toxine und Fermente untersucht habe;

Mit Frl. P. Cernovodeanu habe ich einen Apparat be- schrieben, der bequem zu diesen Versuchen anzuwenden jet" Es ist dies ein U-Rohr mit zwei Hähnen, fast identisch dem Apparat, den Michaelis in seiner Arbeit beschreibt. Wir haben dabei bewiesen, daß das Tetanus-Toxin im elektrischen Felde gegen die Anode wandert. |

Mit den Herren Bierry und Schaeffer habe ich die Überführung einer ganzen Reihe von Fermenten untersucht, und zwar haben wir folgende genommen: Amylase des pan- kreatischen Saftes eines Hundes, Amylase aus Malz, Amylase aus dem Magensaft des Helix pomatia, Amylase aus Taka, Invertin aus Hefe, Invertin von Helix pomatis, Emulsin aus Mandeln, Emulsin von Helix pomatia, Lactase von Helix pomatia, Lab (von Hansen) und Katalase aus Leber.

In allen unseren Versuchen haben wir die Fermentlösungen zuerst während mehrerer Tage in Kollodiumsäcken dialysiert,

2) Mlle P Cernovodeanu et Victor Henri, Etude des pro-

priötes colloidales de la toxine tötanique. Soc. de Biol., 20. Avril 1907, 669—671.

474 V. Henri: Elektrische Überführung von Fermenten.

so daß die Überführung an Lösungen vorgenommen wurde, deren spezifische Leitfähigkeit nie größer als 12.10- war. Dabei haben wir nach einer großen Anzahl von Versuchen regelmäßig gefunden, daß nur eins von den untersuchten Fermenten zur Kathode wanderte, es ist die Amylase aus dem Pankreassaft des Hundes; alle übrigen Fermente wurden zur Anode überführt. Es stehen also die Resultate von Michaelis vollständig mit unserem Befunde über Invertin im Einklange.!)

Was nun die Methode der elektrischen Überführung von Michaelis betrifft, so glaube ich, daß sie in gewissen Fällen, z. B. bei Toxinen nicht anwendbar ist; ich glaube, daß es nicht möglich ist, wirklich sichere und eindeutige Resultate zu erhalten, wenn man die Lösungen nicht gründlich dialysiert, und damit man den Grad der Dialyse definieren könne, muß man immer die elektrische Leitfähigkeit der Lösungen und des Wassers angeben.

Bei der elektrischen Überführung organischer Flüssigkeiten soll die Stromstärke höchstens 0,0001 Ampère, bei einem Potentialabfalle von 5 Volt pro Zentimeter, sein. Wenn die Lösungen nicht dialysiert sind, kann man die Bildung von Säure und Alkalien nicht vermeiden, auch wenn man über die Lösung destilliertes Wasser schichtet und die Elektroden in dieses eintaucht; denn es entstehen beim Stromdurchgange Säure und Alkali an den Grenzflächen zwischen Wasser und der untersuchten Lösung. Die Benutzung unpolarisierbarer Elektroden, wie es Michaelis anwendet, kann diese Bildung nicht vermeiden.

Ein weiterer Nachteil des Apparates von Michaelis ist, daß die Öffnungen in den Hähnen viel enger als die des U-Rohres selbst sind; dieser Umstand macht die Bestimmung des Potentialabfalles im Apparate recht schwierig.

1) Bierry, V. Henri et Schaeffer, Etude du transport élec- trique des ferments solubles. Soo. de Biol. 27. Juil. 1907, 226.

Erwiderung auf die vorangehende Notiz von V. Henri. Von L. Michaelis. (Eingegangen am 26. Februar 1909.)

Der Unterschied in der Fragestellung von Henri mit seinen Mitarbeitern und mir ist folgender. Henri stellt sich die Aufgabe, die Ladung der Fermente (Toxine usw.) in ihrer möglichst reinen und neutralen wässerigen Lösung festzustellen. Ich wurde von der Absicht geleitet, diese Ladung unter ver- schiedenen Bedingungen, bei wechselndem Elektrolytgehalt und vor allem bei wechselnder Reaktion des Mediums kennen zu lernen, um aus der Möglichkeit der Umladung Schlüsse zu ziehen. Beim Invertin, von dem ich zeigen konnte, daß es unter allen Umständen anodisch wandert, ist daher die Rück- sichtnahme auf die begleitenden Elektrolyte nicht notwendig. Meine inzwischen abgeschlossene Versuchsreihe mit Trypsin (s. S. 486) zeigt, daß ich bei der Untersuchung amphoterer Substanzen den Elektrolytgehalt und die bei ungleichartiger Zusammensetzung der drei Abschnitte des U-Rohres eintretende Änderung der Reaktion wohl berücksichtigte und von dialy- Sierten Fermentlösungen ausging. Infolge seines Bestrebens, immer in möglichst elektrolytfreien Lösungen zu arbeiten, ist Henri auf die Wirkung der äußeren Bedingungen auf den Sinn der Ladung nicht eingegangen, während für mich gerade diese Fragestellung an Interesse überwog.

Der Mangel des von mir benutzten Apparates, daß er in- folge der Verengung des Querschnittes von 10 mm auf ca. 4 mm in den Glashähnen nicht gestattet, den Potentialabfall von Punkt zu Punkt genau anzugeben, fällt für diese qualitativen Ver- suche nicht störend ins Gewicht. So zeigt es sich, daß ich die Bearbeitung der Frage in etwas anderem Sinne unternahm als Henri, dessen Mitteilung über diesen Gegenstand mir zu meinem Bedauern entgangen war.

Biochemische Zeitschrift Band 16. 32

Der Eiweißstoffwechsel bei Kohlenoxydvergiftung. Von Charles G. L. Wolf und Emil Österberg.

(Department of Chemistry Cornell University, Medical College, New York, City.)

(Eingegangen am 5. Februar 1909.)

Obgleich die Kohlenoxydvergiftungen vielfach Gegenstand wichtiger Untersuchungen gewesen sind, so z. B. über die Wirkung des Sauerstoffmangels auf die Blutgase, über das Auftreten von Zucker im Harn und über die Ausscheidung einer den Kohlenhydraten nahestehenden Substanz, nämlich der Milch- säure, so hat man doch in den letzten Jahren der Zusammen- setzung des Harns bezüglich seiner stickstoff- und schwefel- haltigen Bestandteile wenig Aufmerksamkeit zugewandt.

In den siebziger Jahren wurde die Frage nach der Wirkung des Kohlenoxyds auf die Stickstoffausscheidung experimentell von Fraenkel!) und von Eichhorst?) in Angriff genommen.

Der erstgenannte Forscher glaubte, daß eine sehr deutliche Steigerung in der Stickstoffausscheidung durch die Kohlenoxyd- vergiftung stattfinde, welche Eichhorst der darauffolgenden Diurese zuschrieb. Jeanneret teilt in einer Dissertation ebenfalls Ergebnisse einer Untersuchung über Kohlenoxyd- vergiftung mit, und es sei bemerkt, daß seine Resultate ausführlich in v. Noordens Handbuch wiedergegeben und als die vollständigsten bezeichnet werden. Einige Jahre später unternahmen Paton und Eason?) eine Prüfung der Beziehungen von Harnstofistickstoff und Ammoniakstickstoff zum Gesamt-

1) Fraenkel, Virchows Archiv 67, 273, 1876; 71, 117, 1877. 2) Eichhorst, Virchows Archiv 70, 56, 1877. 3) Paton und Eason, Journ. of Physiol. 26, 366, 1901.

C. G. L.Wolf u. E. Österberg: Eiweißstoffweohsel b.Kohlenoxydvergift. 477

stickstoff und gelangten zu dem Schlusse, daß unter dem Ein- flusse des Kohlenoxyds der als Harnstoff ausgeschiedene Teil des Gesamtstickstoffes abnehme.

Gleichzeitig konnte man bei einer Prüfung der Ergebnisse dieser Forscher sehen, daß sich unter der Wirkung des Kohlen- oxyds die Menge des als Ammoniak ausgeschiedenen Stickstoffs vergrößert und sich die Quantität des als neutraler Schwefel ausgeschiedenen Schwefels vermindert.

Angesichts der Tatsache, daß Micihsäure sehr häufig im Harn bei Kohlenoxydvergiftung gefunden ist, könnte man leicht annehmen, daß der Ammoniakkoeffizient vergrößert sei, doch Münzer und Palma!) berichten von einem Fall, in dem dies nicht zutraf.

Hinsichtlich der Schwefelverteilung ist gleichfalls nur wenig Sicheres bekannt. Loewis Angabe, daß die Gesamtschwefel- bestimmungen nicht brauchbar sind, ist nicht ganz korrekt, denn Paton und Eason führten sie aus. Allerdings sind diese Angaben durchaus nicht hinreichend, um die Frage nach dem Einfluß des Kohlenoxyds auf die Schwefelverteilung zu ent- scheiden.

Im Verlaufe einer Reihe von Untersuchungen über den Eiweißstoffwechsel, mit welchem sich einer von uns beschäftigt hat, haben Loewy?) und ich die Ergebnisse der Vergiftung mit Blausäure mitgeteilt. Selbst bei tödlichen Dosen des Giftes wurde erwiesen, daß die Ausscheidung des Stickstoffes mit Aus- nahme der von Kratinin und Kreatin ziemlich unverändert war. Andererseits war die Schwefelausscheidung bedeutend gestört, ganz unverhältnismäßig im Vergleich zu der des Stick- stoffs.

Es lag in unserer Absicht, diese Untersuchung mit einer Arbeit über den Stoffwechsel des Hundes bei sehr niedrigem Luftdruck zu vervollständigen. Gewisse experimentelle Schwierig- keiten im Verlaufe dieser Untersuchung waren uns an einem erfolgreichen Abschluß hinderlich, und deshalb nahmen wir einen anderen Versuch mit Sauerstoffmangel auf, nämlich die Kohlen- oxydvergiftung.

1) Münzer und Palma, Zeitschr. f. Heilk. 15, 185, 1896, 2) Loewy und Wolf, diese Zeitschr. 8, 132, 1908. 32?

478 C. G. L Wolf und E. Österberg:

Saiki und Wakayama?) haben nachgewiesen, daß der Sauerstoffgehalt des Blutes von 20 Volumenprozent auf 6 und sogar auf 2 Volumenprozent während der Vergiftung fällt. Zu- gleich nimmt auch der Kohlendioxydgehalt ab. Es hat den Anschein, daß dieser letztere Umstand von einem Überschuß von Säureprodukten im Blut, hauptsächlich von Fleischmilch- säure, herrührt. In jedem Fall findet eine bedeutende Störung des Gasstoffwechsels statt, und es war von großem Interesse, sich zu vergewissern, wie weit sich diese Störungen im Eiweiß- stoffwechsel fühlbar machten.

Experimentelier Teil.

Die zu diesem Versuch benutzten Tiere waren Hündinnen. Die Vorbereitung der Tiere und die Methoden der Analyse waren im großen und ganzen dieselben, wie sie von Österberg und Wolf?) und Loewy und Wolf?) angewandt worden sind.

Die Tiere wurden während der Vergiftung in einem mit Fenstern versehenen Verschlage, der 75 zu 37,5 zu 43,7 cm maß und daher 123,21 enthielt, eingeschlossen. Er stand mit einem System von Aspiratoren in Verbindung, aus denen ge- messene Mengen Gas entnommen werden konnten. Wenn die Tiere betäubt waren, wurden sie aus dem Verschlage genommen und in Stofiwechselkäfige gesetzt. Man bemühte sich, eine Reihe Betäubungen von wechselnder Stärke, gleich denen von Loewy und Wolf mit Blausäure, hervorzubringen. Indessen zeigten die Tiere solch einen ausgesprochenen Unterschied in ihrem Widerstande gegen das Gift, daß es uns unmöglich war, dieses Resultat zu erreichen. Die Zeit, während deren die Tiere dem Gase ausgesetzt waren, war indessen verschieden, und wir geben die Symptome, die während der Vergiftung hervorgebracht wurden, in den folgenden Protokollen ausführlich wieder, damit man daraus ersehen kann, wie weit die Betäubung getrieben wurde.

Nr. 400. Foxterrier, Hündin, seit dem 22. Aug. im Laboratorium

mit Hundezwieback gefüttert. Das Experiment begann am 24. Aug. von da ab ohne Nahrung, 25. Aug. ebenfalls, 26. Aug. ebenfalls, 27. Aug.

1) Saiki und Wakayama, Zeitschr. f. physiol. Chem. 34, 96, 1901. 2) Österberg und Wolf, diese Zeitschr. 5, 304, 1907. 3) Loewy und Wolf, Le

Eiweißstoffwechsel bei Kohlenoxydvergiftung. 479

ebenso. 10.58 vormittags kam der Hund in den Verschlag; 11.03 Beginn der Gaszufuhr; 11.08 4,51 Gas; 11.12 taumelte der Hund, fiel hin und wurde aus dem Verschlage in den Käfig gebracht.

28. Aug. Ohne Nahrung; 10.18 vormittags kam der Hund in den Verschlag; 10.23 4,51 Gas; 10.27 taumelte und fiel der Hund, wurde herausgenommen und in den Käfig gebracht; 10.35 brach er.

29. Aug. Ohne Nahrung; 10.14 vormittags kam der Hund in den Verschlag; 10.18 Gaszufuhr; 10.22 4,51 Gas; 10.27 taumelte der Hund und kam in den Käfig.

30. und 31. Aug. und 1. Sept. Ohne Nahrung.

Nr. 401. 27., 28., 29. Aug. Ohne Nahrung.

30. Aug. Hungertag; 10.38 vormittags kam der Hund in den Ver- schlag; 10.47 Gaszufuhr; 10.51 Unterbrechung derselben, 4,51; 10.38 schwach; 10.40 legt sich, atmet schwer, geringe Konvulsionen; 10.41 wurde das Tier herausgenommen und ihm Sauerstoff zugeführt; 10.55 wurde es in den Käfig gebracht.

L Sept. Ohne Nahrung; Erbrechen 9.25 vormittags; 10.29 in den Verschlag gesetzt; 10.34 Gas eingelassen; 10.37 das Gas abgestellt, 4,51; 10,39 wird schwach; 10.41 legt sich, Konvulsinnen; 10.43 komatös; 10.44 herausgenommen; 11.00 in den Käfig gebracht.

2., 3., 4., 5. Sept. Hungertage.

Nr. 405. 5., 6., 7. Okt. Hungertage.

8. Okt. Ohne Nahrung; 10.50 vormittags kam der Hund in den Verschlag; 10.52 wurde Gas zugelassen; 10.53 Gasstrom unterbrochen; 2000 ccm Gas; 11.08 wurde der Hund herausgenommen und in den Käfig gebracht; er war nicht angegriffen.

3.59 nachmittags kam der Hund in den Verschlag und Gas wurde zugeführt; 4.01 Gasstrom abgestellt, 2000 com Gas; 4.18 wurde er schwach und legte sich nieder, 2000 ccm Gas; 4.21 wurde er herausgenommen und in den Käfig gebracht.

9. Okt. Hungertag. 10.44 vormittags kam der Hund in den Ver- schlag; 10.46 wurde Gas zugeführt; 10.48 Gasstrom unterbrochen, 4,61; 10.53 legt er sich nieder und wird schwach; 10.58 bewußtlos; 11.05 Er- brechen, herausgenommen und in den Käfig gebracht; 11.15 erholte er sich wieder.

10. Okt. Ohne Nahrung; 10.20 vormittags in den Verschlag; 10.22 Gas zugeführt; 10.25 Gasstrom unterbrochen, 4,5 1; 10.28 wurde wieder Gas zugeführt; 10.31 Gas abgestellt, 4,51; 10.37 hört die Atmung auf, wird herausgenommen und in den Käfig gebracht. Der Hund er- holte sich 10.53.

3.29 nachmittags wird der Hund in den Verschlag gebracht; 3.37 Gas zugeführt, 4,51; 3.40 bewußtlos, Gas abgestellt; 3.45 der Hund sieht leblos aus; 3.46 wird er herausgenommen und erhält Sauerstoff zugeführt; 4.30 komatös; 5.50 Tod.

Nr. 406. 9., 10., 11. Okt. Hungertage.

12. Okt. Ohne Futter; 9.46 vormittags der Hund in den Verschlag; 9.48 Gas zugeführt; 9.50 Gas abgestellt, 2000 ccm; 9.56 Gas zugeführt;

480 C. G. L. Wolf und E. Österberg:

9.58 Gasstrom unterbrochen, 2000 ccm; 10.05 Deckel abgenommen, Tier komatös; 10.10 Deckel aufgelegt und 2000 ccm gegeben; 10.22 Deckel abgenommen; 10.25 Deckel wieder aufgelegt, 2000 ccm Gas gegeben; 10.33 komatös; 10.38 2000 ccm Gas; 11.10 Deckel ab; 11.15 2000 ccm Gas: 11.25 Deckel ab; 11.35 2000 com Gas; 11.42 Deckel ab; 11.50 2000 ccm Gas; 11.55 Deckel ab; 12.08 2000 ccm Gas; 12.14 Deckel ab; 12.34 2000 cem Gas; 12.40 Deckel ab; 12.55 in den Käfig gelegt.

13. Okt. Hungertag. 9.47 vormittags in den Verschlag; 9.50 2000 ccm Gas; 9.55 2000ccm Gas; 10.05 Koma; 10.07 Deckel ab; 10.20 2000 ccm Gas; 10.30 2000 ccm Gas; 10.34 Krämpfe; 11.00 2000 com Gas; 11.13 Deckel abgenommen; 11.25 2000 ccm Gas; 11.40 Deckel abgenommen; 12.10 2000 ccm Gas; 12.55 herausgenommen und in den Käfig gebracht.

14. Okt. Hungertag. 9.44 vormittags in den Verschlag gebracht; 9.45 2000 ccm Gas; 9.55 2000 ccm Gas; 10.05 komatös; 10.06 Deckel ab; 10.20 2000 ccm Gas; 10.40 Koma; Deckel ab; 11.00 2000 ccm Gas; 11.11 Koma, Deckel ab; 11.24 2000 ccm Gas; 11.45 komatös, in den Käfig gebracht.

15. Okt. Ohne Futter. 9.51 vormittags in den Verschlag gebracht; 9.55 2000 cem Gas; 10.50 Deckel ab; 11.05 2000 ccm Gas; 12.27 Deckel ab; 12.55 2000 ccm Gas; 1.10 nachmittags Deckel ab; 1.25 4009 ccm Gas; 1.38 Deckel ab und in den Käfig gebracht.

16. Okt. Hungertag. 9.50 vormittags in den Verschlag gebracht; 9.53 4000 ccm Gas; 10.20 Deckel ab; 10.35 2000 ccm Gas; 10.54 Deckel ab; 11.08 2000 ccm Gas; 11.27 Deckel ab; 11.40 2000 ccm Gas; 11.57 in den Käfig gebracht.

17., 18., 19. Okt. Hungertage.

Wie aus den Protokollen zu ersehen ist, bestand ein großer Unterschied in der Widerstandsfähigkeit der Tiere, indem nur eins an den Folgen der Vergiftung starb. Da die Resultate der Vergiftung auf den Stoffwechsel der untersuchten Tiere nicht wesentlich voneinander abweichen, sollen die Tabellen nicht einzeln, sondern zusammen besprochen werden.

Gewichtsverlust. Der durchschnittliche Verlust an Gewicht steht nicht im Verhältnis zur Stärke der Vergiftung, wie aus der folgenden

Tabelle zu ersehen ist. Tabelle I.

| Ab- |Täglicher Gewichts-

Endgewicht | Tage

> | gewicht | > ° | ` _|mahme | verlust pro kg ` 400 4320 | so | 8 | on: 26 401 6520 | 5260 9 | 1260 | 21 405 9120 | 880° | 56 | 1040 | 23 406 6880 | 520 | 10 | 1540 ' 22

Eiweißstoffwechsel bei Kohlenoxydvergiftung. 481

Wie zu erwarten war, hat das kleinste Tier (Nr. 400) den verhältnismäßig größten Gewichtsverlust erlitten, und das Tier, welches an der Vergiftung starb, erfuhr den geringsten Ver- lust an seinem ursprünglichen Körpergewicht.

Stickstoffverlust.

Als Folge der vorhergegangenen drei Hungertage hätte man, nicht als Folge der Vergiftung, sondern wegen des Glykogen- verlustes erwarten können, daß eine Steigerung in der Stick- stoffausscheidung stattfinden würde. Dieses wurde bei Loewy und Wolfs Experimenten mit Blausäure deutlich wahrgenommen. Tatsächlich aber ist bei den gegenwärtigen Versuchen die Menge des ausgeschiedenen Stickstoffes nach dem Eintritt der Vergiftung dieselbe, oder in einigen Fällen geringer als die am dritten Hungertage gefundene. Ein toxischer Eiweißzerfall im ange- nommenen Sinne hat nicht stattgefunden, oder wenigstens keiner, der zu einer vermehrten Stickstoffausscheidung geführt hätte. Der bei der Prüfung der Tabellen gewonnene Eindruck ist, daß die Wirkung des Giftes eher dazu gedient hat, den Stick- stoffwechsel auf der ursprünglichen Höhe zu erhalten, statt ihn zu erhöhen. Sogar im Fall einer Vergiftung, die zum Tode des Tieres führte, war der Gesamtstickstoff eher geringer als vergrößert. So tritt hier gerade die entgegengesetzte Wirkung wie bei der Blausäurevergiftung ein. Dort verändert sich die Gesamtstickstoffausscheidung sofort mit dem Grade der Ver- giftung. Es ist bemerkenswert, daß der Stickstofiverlust pro Kilogramm und pro Tag in sehr naher Beziehung zum Gewichts- verluste steht, so daß man ziemlich sicher annehmen kann, daß während des größeren Teils des Experiments der Verlust an Gewicht entweder hauptsächlich Eiweiß betraf oder daß der Eiweiß- verlust Schritt hielt mit dem Verlust von Fett und Kohlenhydra- ten. Die folgende Tabelle wird diesen Punkt näher beleuchten.

Gewich | Stickstoff verlust >< 100

400 26 | 0,494 1,9 401 21 | 0,315 1,5 405 23 0,314 1,4 406 22 0,329 1,5

482 C. G. L. Wolf und E. Österberg:

Die Stickstoffverteilung.

Amidstickstoff.

Man bemerkt keine relative Abnahme in diesem Anteil des Gesamtstickstoffes, der Ammoniak- und Harnstickstoff umfaßt, so daß irgendeine Schwächung des Oxydationsvermögens, auf die man bei Kohlenoxydvergiftung hätte schließen können, sich bei den zur Harnstoff- und Ammoniakbildung führenden Des- amidierungsvorgängen nicht geltend macht.

Ammoniakstickstoff.

Der Ammoniakstickstoff ist unbedingt in einigen Fällen, die Münzer und Palma?!) und Paton und Eason?) beschrieben haben, vermehrt, und dieses ist besonders der Fall beim Hund Nr. 405, bei welchem die Vergiftung am dritten Tag den Tod herbeiführte.

Daß keine beträchtliche Acidosis eintrat, wird durch die Tatsache erwiesen, daß eine absolute Ammoniakstickstoffzunahme nur in einem einzigen Falle eintrat. Der Harn der Tiere Nr. 400 und Nr. 401 wurde ferner noch auf Aceton untersucht, aber nichts gefunden. Wenn Milchsäure in dem Harn dieser Tiere vorhanden war, so war sie dort in zu geringer Menge, um die Ammoniakausscheidung über die der Kontrolltage hinaus zu vergrößern. Das Verhältnis von Ammoniak zum Gesamt- stickstoff ergibt auch keine Andeutung von Acidosis.

Man findet in der Tat höhere Verhältnisse während der Periode der Vergiftung als während der vorhergehenden Zeit, aber gleich hohe Zahlen wird man für normale Tiere bei gleicher Hungerperiode beobachten, und es würde jedenfalls unsicher sein, diese Zunahme des Wertes dem Einflusse des Kohlen- oxyds zuzuschreiben.

Kreatinin.

Die Kreatininausscheidung sinkt im Verlauf der Versuche, aber Untersuchungen, die wir mit normalen Tieren vorgenommen haben und über welche wir später in dieser Zeitschrift berichten werden, lassen uns glauben, daß die Abnahme in diesen Ver- suchen innerhalb der normalen Grenzen hungernder Tiere liegt.

1) Münzer und Palma, l. c. 2) Paton und Eason, Le

Eiweißstoffwechsel bei Kohlenoxrdvergiftung. 483

Kreatin.

Andererseits zeigt die Ausscheidung dieser Substanz unter dem Einflusse des Kohlenoxyds, soweit wir sehen, eine deutliche Abweichung von der beim normalen hungernden Tier. Während sich Spuren dieser Substanz in der Tat nach einer gewissen Hungerperiode im Harn der Tiere finden, so gehen die Mengen, die wir bei diesen Experimenten, besonders im Harn des Hundes Nr. 406 beobachtet, weit hinaus über die Daten, die wir in ähnlichen Hungerperioden sonst fanden. Die Abnahme der Kreatinausscheidung während der folgenden Periode beweist, daß die Vermehrung der Kreatinausscheidung bei der Kohlen- oxydvergiftung auch nur zufällig ist.

Es ist hier nicht angebracht, die Bedeutung des Kreatins im Harne zu erörtern, aber es scheint uns von großer Wichtig- keit zu sein. Abgesehen von den Mengen, welche im Harn hungernder Menschen und Tiere gefunden werden, tritt es allem Anschein nach mit großer Unregelmäßigkeit unter pathologischen und künstlichen Bedingungen auf.

So hat einer von uns seine Anwesenheit bei Brombenzol- vergiftung nachgewiesen,!) bei Blausäurevergiftung,?) bei Lungen- entzündung?) und bei Schwangerschaftszuständen,*) und unver- öffentlichte Resultate zeigen uns, daß es in außerordentlichen Mengen bei typhöser, experimenteller Nekrose der Leber und bei Chloralhydratvergiftung auftritt, während Howland und Richards°) es in beträchtlicher Quantität bei ausgedehnter Chloroformvergiftung bei Hunden gefunden haben.

Man könnte annehmen, daß dieses Vorkommen stets mit einem Verlust von Körpereiweiß verknüpft sei, aber dies trifft nicht immer zu, denn bei der Untersuchung von drei Fällen von subakuter Rachitis, die von Dr. Hermann Schwarz unter Leitung des einen von uns im hiesigen Laboratorium ausgeführt sind, wurde beobachtet, daß in allen diesen Fällen Kreatin im Harn auftrat, obgleich positiv festgestellt war, daß

1) Marriot und Wolf, diese Zeitschr. 7, 213, 1907.

2) Loewy und Wolf, Le

3) Lambert und Wolf, Journ. of Biolog. Chem., Juli 1907.

4) Ewing und Wolf, Amer. Journ. Obstetrics 55, 1, 1907.

6) Howland und Richards, Transactions, Pathological Society, New York City, November 190%.

484 C. G. L. Wolf und E. Österberg:

die Patienten im Stickstoffgleichgewicht waren oder Stickstoff ansetzten. Die Diät war natürlich eine weder Kreatin noch Kreatinin enthaltende. Andererseits ergab ein Kontrollversuch an einem normalen Kinde mit derselben Diät das Fehlen dieses Stoffes im Harne. Es scheint daher angebracht, seinem Auf- treten im Harne eine ausgesprochen pathologische Bedeutung zuzuschreiben, sobald man die durch Unterernährung oder Hunger entstandenen Mengen festgestellt hat. Es ist indessen merkwürdig, daß der eine Fall von Kohlenoxydvergiftung, der zum Tode des Tieres führte, durch das vollständige Fehlen von Kreatin im Harn charakterisiert ist. Der Grund für diese Anomalie fehlt gänzlich.

Reststickstoff.

Bei der Unveränderlichkeit des Amidstickstoffs gibt es keinen Anhaltspunkt in der Ausscheidung dieser Fraktion, weder relativ noch absolut, welcher für eine besondere Wirkung des Kohlenoxyds spricht. Beim Tiere Nr. 406 schwankt das Verhältnis in ziemlich weiten Grenzen, während bei Nr. 400 eine Abnahme vorhanden ist. Bei Nr. 401 und Nr. 405 bleibt das Verhältnis unverändert. Es scheint deshalb ziemlich un- wahrscheinlich, daß Aminosäuren in irgendwie größerer Menge als im normalen Harn ausgeschieden werden.

Die Schwefelverteilung.

Gesamtschwefel.

Gemäß der allgemeinen Natur der Stickstoffausscheidung findet man, daß die Ausscheidung des Gesamtschwefels nicht mit dem Einsetzen der Vergiftung steigt, und infolgedessen ist das Verhältnis von Schwefel zu Stickstoff nicht gegen die nor- male Relation der Hungerharne verändert. In der Tat ist man bei Vergleichen mit den von uns schon bei normalen Tieren gefundenen Zahlen verwundert über den beträchtlichen Grad von Unveränderlichkeit im Verhältnis von Schwefel und Stickstoff, den diese Harne aufweisen.

Sulfatschwefel.

Man findet einen auffallenden Unterschied zwischen diesen Ergebnissen und denjenigen von Loewy und Wolf bei Blau-

GG L. Wolf und Emil Ei

X 100 Gesamt-Schwefel

' X »<100

psam t-Stickstoff

edel EE Län, [2% ml ët Bel

i 2.2 Be IZ AS s |82 Go SS ER

Nr. 400|5°&| Verhalten des Tierest 25 28 Ee FE Er SS SZ [S:N P:N ag g i N mel. aller ern Ar en ges, Sp ı |4320 Hunger, kein Wasser . 3 82,89 2,19 0,00 10,71 75, 25 67,30 7,95 24,751 7,2 8,7 II |4180 > È 81,86 2,22 0,00 10,90|77,57,70,83 6,7422,43|7,5 7,9 II 4000) wenig ` | 80,79 2,04 0,59 5,37|77,44 70,98 6,46 22,56|7,0 8,3 D Jona `, ` Verg 8432 1,91 0,41) 7,68[73,34,66,66 6,68 26,66] 6,8 9,2 v i3780) . kein KL 86,52 1,72 1,32 6,76|75,00 70,80, 4,20 25,00| 6,4 9,1 vr Jaen ` ` Á 5 88,45 1,44 1,23 5,03|76,20,71,80| 4,40 23,80| 7 0 8,5 vır |3500) > 30 cem Wasser | k 80,66 1,37 0,69 7,84|73,90 63,90 10,00 26,10 7,7. 6,6 vun baam > au, B 79,37 1,36 1,15 9,19|74,00 67,40| 6,60 26,00] 6,8 6,8

| | |

Hund | | | | |

Nr. 401 | | j | | Tag

1 [6520| Hunger, kein Wasser . i| 86.04 2,26 0,38 8,11/70,95 58,10 12,85 29,05|7,3 9,3 ß 86,68 2,71 0,68 7,45[74,98 61,65 13,33 25,02 6,8 9,9

IT [eso , e. mo A mt Joe . geen ` # 82,66 2,66 1,52 8,92]79,75 66,66 13,09 20,25|7,1 7,6 mn Jm © 10 > Vergi 8388 2,98 1,86 7,16[76,30 63,26 13,04 23,70| 7,4 | 8,4 v aa > oe „8120 2,83 1,91 9,46176,55 60,55 16,00 23,45 7,0 7.9 et od > om, DRUI 3,39 1,38 9,03[76,55 61,74 14,81 23,45] 7,0 8,0 vor Iso om. Lat 2,83 1,13 11,20[77,20 64,40 12,80 22,80 7,1 7,7 vum aan au, HS 2,78 1,33 9,24|71,30 61,17 10,13 28,70] 6,6 | 7,3 5260 z4 82,93 3,12 1,00 8,48|75,62 61,46 14,16 24,38| 6,0 7,5

| i | !

Hund | i Tag } l © Jæa re S i I 9120 Hunger, 82 ceim Wasser d 87,91 3,25 0,00 6,45161,54 53,85 7,69 38,46] 4,2 8.9 II 18820 g2 © 87,50 3,28 0,00 7,42|75,55 70,15 5,40 24, 451 6,6 8,3 eg n - y j= et e Ne My č . III 18660 i 94, EE 0,00 Gel LEM 4,00 28,30 51 9,9 IV 18360 N 33 p Verf? SE 3,20 0,00 6,38171,04 66,83 4,21 28,96] 6,6 11,0 V 8080 50 Dh 83,70 3,53 0,00 8,32[63,77 57,36 6,41 36,23| 5.6 8,6 VI "ren 7% 80,40 1,66 0,00 13,7458, 47 53,85 4,62 41,53| 5,4

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| | Tag 6880 R —— Ic | » ofe ` 8 97i JQ DI A I 6580| Hunger, kein Wasser . | 85,53 2,93 0,00 6,33164,00 51,20 12,80 36,00] 4,8 11,2

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Reduzierende Substanzen fe Biochemische Zeitschrift Band 16.

Eiweißstoffwechsel bei Kohlenoxydvergiftung. 485

säurevergiftung in dem Verhältnis von gesamtschwefelsaurem und Alkalisulfat-Schwefel zum Gesamtschwefel. Unter dem Ein- flusse von Blausäure wird die oxydative Fähigkeit des Organismus für Cystinschwefel bedeutend beeinträchtigt, so daß die Ver- hältniszahlen während des Vergiftungsversuches fallen, um in der Nachperiode zu steigen. Dieses ist bei Kohlenoxydvergiftung nicht der Fall. Es findet sich in keinem der hier berichteten Experimente das geringste Anzeichen dafür, daß die Menge des in oxydierter Form ausgeschiedenen Schwefels geringer ge- worden ist. Es ist von Katsuyama!) behauptet, daß Kohlen- oxyd die Menge des in Form von ätherschwefelsauren Salzen ausgeschiedenen Schwefels verringere. Denselben Schluß kann man auch aus diesen Untersuchungen ziehen.

Wir werden jedoch später beweisen können, daß die Menge der Ätherschwefelsäuren allein durch Hungern ebenso sehr wie in den hier ausgeführten Untersuchungen herabgesetzt werden kann, so daß wir in dieser Hinsicht geneigt sind, die Abnahme in der Ausscheidung dieser Schwefelfraktion hauptsächlich dem Hungern und nicht der Kohlenoxydwirkung zuzuschreiben.

Zusammenfassung.

Der Einfluß von Kohlenoxyd auf den Eiweißstoffwechsel gibt sich auf Grund der vollständigen Analyse von Stickstoff und Schwefel im Harn als eine Anomalie zu erkennen, welche man direkt dem Einflusse des Giftes zuzuschreiben hat. Die Menge des ausgeschiedenen Kreatins übersteigt deutlich die bei normalen hungernden Hunden gefundene. Aber dieser Befund ist nicht konstant, denn in dem zum Tode des Tieres führen- den Versuche war kein Kreatin an irgendeiner Stelle der Unter- suchung nachzuweisen.

1) Katsuyamsa, Zeitschr. f. physiol. Chem; 34, 83, 1901.

Elektrische Überführung von Fermenten.

D Trypsin und Pepsin. Von Leonor Michaelis.

(Eingegangen am 26. Februar 1909.)

Als zweites Beispiel, um die Wanderung eines Ferments im Stromgefälle zu studieren, wählte ich das Trypsin, welches sich bei der Adsorptionsanalyse als sicher amphoterer Natur erwiesen hatte. Es wurde der früher beschriebene Apparat an- gewendet, mit der schon in der ersten Mitteilung (Fußnote) erwähnten Modifikation, daß die Kathode aus Zn in ZnSO,, die Anode aus Ag in ClNa bestand. Als Trypsin wurde „Pancreatinum absolutum“‘ (Rhenania) benutzt, meist in !/,°/,iger wässeriger Lösung, filtriert und unter Zusatz von wenigen Trop- fen Xylol 24 Stunden gegen oft gewechseltes destilliertes Wasser in einer „Fischblase“ dialysiert. Als Prüfungsmethode wurde die Caseinverdauung benutzt. Bei der Anordnung

Anode destilliertes destilliertes Kathode (Ag, CINa) Wasser Wasser ` (Zn, ZnSO,)

wanderte das Ferment stets nach der Anode. Ein Beispiel mag genügen: Stromdauer 24 Stunden.

Dann wird je 10 ccm Caseinlösung (ca. 1°/,0) mit 3 ccm Fermentlösung versetzt,

a) aus dem Anodengefäß,

b) aus dem Mittelgefäß,

c) aus dem Kathodengefäß. Wasserbad von 40°.

L. Michaelis: Elektrische Überführung von Fermenten. II. 487

Casein ist verschwunden bei: a) in 44 Minuten (Anode), b) in 6 Minuten (Mitte), c) überhaupt nicht (auch in anderen, extrem gehaltenen Mengen- verhältnissen keine Verdauung). Auch bei alkalischer Reaktion war die Wanderung stets rein anodisch. Anordnung z. B.:

1/2°/o Trypsin

0 2 2 170 0 S

Zn, Znso, |? in 1%/,,Soda- | 1 = Ag, CINa lösung

Dagegen gelang es leicht, durch eine nicht zu gering be- messene Säuerung die Wanderungsrichtung total umzudrehen, z. B. bei der Anordnung:

la °/oigoe | Essigsäure- | Trypsinlösung | Essigsäure- lösung 1:200) —+ 1/ioo Vol. | lösung 1:200 Eisessig

Zn, ZuSO,

Ag, CINa |

Hier und in ähnlichen Anordnungen war die Wanderung stets rein kathodisch. Der Neutralitätspunkt muß aber, um diese Umladung hervorzubringen, sehr erheblich nach der sauren Seite hin überschritten sein; bei der immerhin merklich sauren Reaktion des destillierten Wassers des Laboratoriums ist das Ferment noch anodisch. Durch Zusatz von etwas Cl Na (0,075 n.) in der neutralen Trypsinlösung wurde die normale anodische Wanderungsrichtung nicht gestört.

Besondere Beachtung verdient die undialysierte Ferment- lösung. Ohne weiteren Zusatz wandert diese nämlich zwar auch überwiegend anodisch, aber gleichzeitig in geringerem Grade auch kathodisch, was ich in zahlreichen Einzelver- suchen immer wieder bestätigen konnte.

Die Ursache hierfür ist offenbar der Gehalt des Ferment- präparates an Elektrolyten. Es wird bei dieser Anordnung das reine Wasser in den Seitengefäßen auf eine Elektrolyt- lösung geschichtet, und bei einer solchen Anordnung sind Reak- tionsverschiebungen durch den elektrischen Strom möglich, die dem Ferment an verschiedenen Stellen des Stromkreises ver- schiedene Ladung erteilen können. Um derartige Komplika- tionen auszuschließen, muß man den Elektrolytgehalt in allen. Räumen stets annähernd gleich machen.

488 L. Michaelis: Elektrische Überführung von Fermenten. II.

Jedenfalls folgt aus diesen Versuchen, daß das Trypsin eine amphotere Substanz ist, in Übereinstimmung mit den Resultaten der Adsorptionsanalyse. Es folgt ferner daraus, daß der elektronegative Charakter deutlich überwiegt.

Im teilweisen Gegensatz hierzu wandert Pepsin (P. in lamellis, Merck) in neutraler und sogar auch in stark saurer Lösung

| 0 , Anode | 2/50. HCl A DÉEN rein anodisch. Das deckt sich wiederum mit der Adsorptions- analyse, die ebenfalls einen stark negativen Charakter des Pepsins anzeigtee Nun ist das Pepsin, wenn auch nur in geringem Grade, auch durch negative, nicht mechanisch adsor- bierende Adsorbenzien adsorbierbar. Ob es gelingen wird, auch durch elektrische Überführung bei geeigneten Bedingungen das Pepsin nach der Kathode zu führen, oder ob hier eine Inkon- gruenz zwischen Überführung und Adsorption vorliegt, erfordert eine weitere Untersuchung. Auf jeden Fall ist ein Gegensatz von Trypsin und Pepsin schon jetzt sicher erkennbar.

Saa HO Kathode

Über die Adsorption des Zuckers. Von P. Rona und L. Michaelis.

(Aus dem biochemischen Laboratorium des städtischen Krankenhauses am Urban in Berlin.)

(Eingegangen am 26. Februar 1909.) Mit 3 Figuren im Text.

In früheren Arbeiten haben wir gezeigt, daß die Eiweiß- adsorbierenden Mittel, wie Kaolin und Eisenhydroxyd, als Typen der elektronegativen und elektropositiven Adsorbenzien, Trauben- zucker nicht adsorbieren, ebensowenig wie sie Aceton oder Essigsäure adsorbieren. Folgende Versuche mögen zunächst diese Tatsache, die bereits durch ein sehr reiches Versuchs- material gestützt ist, noch einmal bekräftigen:

Versuch 1.

100 ccm einer Zurkerlösung mit 0,53°/, Zucker werden mit 30g Kaolin geschüttelt. Gefundene Drehung im Filtrat: 0,54°/,. 100 ccm derselben Zuckerlösung werden mit 70g Kaolin geschüttelt. Gefundene Drehung im Filtrat: 0,53°/ọ 50 ccm obiger Zuckerlösung werden mit 45 ccm Ferr. oxyd. dial. liquid. versetzt und mit einer Na,SO,- Lösung auf 100 ccm aufgefüllt. Gefundene Drehung im Filtrat 0,27 statt der berechneten 0,2650.

Wegen der besonderen physiologischen Bedeutung des Traubenzuckers studierten wir nun sein Verhalten unter verschie- denen Bedingungen genauer. Wir mußten uns zunächst fragen, wie der Traubenzucker sich an solchen Oberflächen verhält, die ein starkes mechanisches Adsorptionsvermögen haben. Es ist bekannt, daß gelöster Zucker beim Schütteln mit Kohle teilweise verschwindet. Daher ist auch die Klärung zuckerhaltigen Harnes mit Kohle durchaus zu verwerfen. Über

490 R. Rona und L. Michaelis:

das Wesen dieser Erscheinung liegen jedoch exakte Unter- suchungen, die auf die Theorie der Adsorption Rücksicht nehmen, noch nicht vor. Nicht einmal das läßt sich aus den vorhan- denen Angaben mit Sicherheit entnehmen, ob es sich um eine echte Adsorption handelt. Viele organische Substanzen werden an der Oberfläche der Kohle chemisch verändert, wohl oxydiert, wie das neuerdings Freundlich!) z. B. für Phenylthioharnstoff, Oxalsäure?) u. a. gezeigt hat; bei diesen Stoffen ist das Stu- dium der Adsorption daher sehr erschwert. Liegt bei Trauben- zucker derselbe Fall einer langsamen Zerstörung vor, so müßte sich dies wie bei den entsprechenden anderen Substanzen darin äußern, daß die Reaktion zwischen Kohle und Zuckerlösung nicht in wenigen Minuten zu einem stationären Zustand, dem Adsorptionsgleichgewicht, führt, sondern im Laufe von Stunden und Tagen ständig weiter schreitet.

Zunächst mußte daher entschieden werden, ob der Zucker- verlust durch die Kohle auf einer Zerstörung oder auf echter Adsorption beruht. Theoretisch am einfachsten würde sich die Frage dadurch beantworten lassen, daß man die mit Zucker beladene Kohle mit genügenden Mengen Wasser auswäscht und die quantitative Ablösung des Zuckers durch das Wasch- wasser nachweist. Die Ausführung dieses Nachweises ist aber in Wirklichkeit mit Schwierigkeit verbunden, weil es sich um sehr geringe Zuckermengen handelt und die genügende Trennung der Kohle von der ersten zuckerhaltigen Lösung, aus der die Adsorption stattgefunden hat, sehr schwer ist. Aber auf andere Weise läßt sich der Nachweis doch erbringen. Zunächst kann gezeigt werden, daß die Zusammensetzung einer mit Kohle geschüttelten Zuckerlösung nach 3 Minuten genau die gleiche

ist wie nach 24 Stunden.

100 ccm einer Zuckerlösung mit 0,483°/, Zucker wurden 3 Minuten lang mit 1 g Kohle geschüttelt, ein Teil gleich abfiltriert. Die Drehung des Filtrates betrug 0,40°. Nach einer Stunde wurde wieder ein Teil abfiltriert; die Drehung betrug 0,40°. Nach 24 Stunden erhaltenes Filtrat drehte 0.40°,

Wenn die Kohle auf irgendeine Weise den Zucker zerstörte,

so müßte diese Zerstörung nach 24 Stunden weitere Fortschritte

1) Zeitschr. f. physikal. Chem. 57, 407. 2) Morton Masius, Über die Adsorption in Gemischen. Diss., Leipzig (unter Leitung von Freundlich) 1908.

Adsorption des Zuckers. 491

gemacht haben als nach den ersten Minuten, wie es bei den- jenigen Substanzen in der Tat der Fall ist, welche wirklich durch Kohle zerstört werden.

Ferner konnten wir zur Entscheidung unserer Frage die von uns früher beschriebene Erscheinung der gegenseitigen Verdrängung zweier adsorbierbarer Substanzen im Gemisch benutzen.?) Danach mußte es leicht gelingen, durch größere Mengen einer gut adsorbierbaren Substanz die ja nur gering- fügige Adsorption des Zuckers ganz zu unterdrücken. In der Tat gelingt es leicht, durch Zugabe von Essigsäure oder Aceton die Adsorption des Zuckers vollständig zu verhindern.

Versuch 2.

Wurden 100 com einer Zuckerlösung, die 1,04°/, Zucker enthielt, mit 5g Kohle geschüttelt, so enthielt das Filtrat nur 0,53°/, Zucker. Enthielt dieselbe Zuckerlösung bzw. 0,3, 3,0 und 15,0ccm Aceton, so betrugen die nach dem Schütteln zurückgewonnenen Zuckermengen bzw. 0,64°/,, 0,97%/9, 1,06 9/4

Im letzten Falle wurde also gar kein Zucker mehr von der Kohle adsorbiert. Die durch Aceton bewirkte Erhöhung der spezifischen Drehung des Traubenzuckers®) übersteigt bei den angewandten Acetonkonzentra- tionen nicht die Fehlergrenzen der Bestimmung.

Entbhielt dieselbe Zuckerlösung bzw. 0,2, 1,0, 1Occm konz. Essig- säure, so enthielten die betreffenden Filtrate nach dem Schütteln mit 5g Kohle bzw. 0,80°/,, 0,70°/,, 1,06°/, Zucker. Im letzten Falle wurde also aller Zucker wiedergewonnen.

Praktisch folgt daraus, daß man nach Zugabe von etwa 10°/, Essigsäure oder Aceton die Klärung schwach zuckerhaltiger Flüssigkeiten durch Kohle vornehmen kann, ohne einen Zucker- verlust befürchten zu müssen.

Im Gegensatz zu diesen Gemischen zweier ‚mechanisch adsorbierbarer‘‘ Körper wiesen wir nun nach, daß es eine Gruppe von Stoffen gibt, die sich im Gemisch mit mechanisch adsor- bierbaren Körpern ganz anders verhalten. Zu diesen Körpern

1) Dieses Phänomen wurde in der nur wenige Tage nach unserer Mitteilung erschienenen Dissertation von Morton Masius (l c.) an anderen Beispielen in gleicher Weise gefunden.

D Vgl. Pribram, Über den Einfluß der Gegenwart inaktiver Sub- stanzen auf die polaristrobometrische Bestimmung des Traubenzuckers. Monatsh. f. Chem. 9, 395, 1889. H. Trey, Ein weiterer Beitrag zur Birotation der Glykose. Zeitschr. f. physikal. Chem. 22, 424, 1897.

Biochemische Zeitschrift Band 16. 33

492 P. Rona und L. Michaelis:

gehören nach den bisherigen Erfahrungen die eiweißartigen Körper und viele Farbstoffe. Wir konnten z. B. zeigen, daß Aceton, welches durch Essigsäure bei der Adsorption stark verdrängt wird, durch eiweißartige Körper ganz unbeeinflußt bleibt, und daß es die Adsorption dieser Körper ebensowenig beeinflußt. Ganz dieselben Erscheinungen konnten wir am Zucker wiederfinden. Auch Traubenzucker wird durch Eiweiß von der Adsorption nicht verdrängt, sondern mit oder ohne Gegenwart von Eiweiß in gleicher Weise adsorbiert. Nebenbei gesagt, spricht auch diese Erscheinung gegen die oft geäußerte Annahme einer chemischen Beziehung von Zucker und Eiweiß in Lösung. Versuch 3.

Wurden 200 com einer 2°/,igen Traubenzuokerlösung mit 10 g Kohle geschüttelt, so enthielt das Filtrat 1,42°|, Zucker; dieselbe Flüssigkeit mit 0,5°/, Eiweiß (Serumeiweiß) ebenso behandelt, lieferte ein Filtrat, welches nach Enteiweißung mit Kaolin 1,40°%/, Zucker enthielt. 200 oem 1°/,ige Zuckerlösung mit 10 g Kohle behandelt, gab ohne Eiweiß ein Filtrat mit 0,62°/,, mit 0,5°/, Eiweiß ein Filtrat mit 0,63°/, Zuoker. 200 com 0,1°/,ige Zuckerlösung mit 10g Tierkohle geschüttelt, gab ohne Eiweiß ein Filtrat mit 0,05°/,, mit 0,5°%/, Eiweiß ein Filtrat mit 0,06°/, Zucker.

Es sind also alle Erscheinungen, die das Verschwinden des Zuckers durch die Kohle begleiten, vollkommen analog denen der mechanischen Adsorption, und es bleibt nur übrig, die quantitativen Erscheinungen näher zu verfolgen.

Tabelle. G tm j i des Traube. Volume Kohle Wiedergefun- | Adsorbierter Hicker | dener Zucker Zucker in Millimol | "P ng in Millimol | in Millimol a v m a—r x 2,928 100 4,9940 1,422 | 1,506 6,900 100 4,9785 3,067 2,833 11,567 100 4,9837 7,139 4,428 28,69 100 5,2067 22,08 6,61 43,04 100 5,0098 35,75 7,29 z a x log log 0,5207 1,8471

Adsorption des Zucokers. ' 493

0,0513 1,1464 -+ 0,1038 0,6559 -+ 0,1632 0,4468 0,62; æ = 1,02 n v a log —- log E log = gefunden berechnet 1,534 0,800 0,960 1,229 0,757 0,772 0,947 0,603 0,597 0,542 0,339 0,346 0,366 0,207 0,234

Fig. 1 stellt die „Konzentration“ des adsorbierten Zuckers in der Kohle als Funktion der Konzentration in der Lösung dar. Die Form der Kurve entspricht der üblichen. Fig. 2 stellt die Beziehung dar

1 St D er

m v

und zwar sind die Logarithmen der ent- sprechenden Werte eingetragen, die bei an- deren Adsorptionen angenähert erfüllte geradlinige Form dieser Kurve ist recht unvollkommen ausgesprochen, es ist eine starke Konkavität vorhanden. Fig. 3 stellt, in logarithmierter Form, die Freundlich- sche Gleichung

———

m a—rz v dar. Auch sie ist nicht streng geradlinig, sondern deutlich konkav, aber immerhin angenähert geradlinig, so daß es möglich war, die Werte der beiden Konstanten auf gra- phischem Wege zu ermitteln. Die mit Hilfe der angesetzten Kon- stanten berechneten Werte der linken Seite der Gleichung decken sich wenigstens im mittleren Teil der Kurve ganz gut mit den beobachteten. Es ist hier also der Freundlichschen Gleichung der Vorzug zu geben, wobei allerdings zu berücksichtigen ist,

daß die Abweichungen von der geraden Linie bei dieser Glei- 33*

494 P. Rona und L. Michaelis: chung sich weniger ausprägen als bei der anderen. Die Un- vollikommenheit beider Gleichungen, welche in weiteren Be-

+05

reichen auch bei anderen Substanzen die Regel ist, tritt hier besonders stark zutage, und das ist nicht verwunderlich, da die Gleichungen nur empirische Rechenformeln darstellen.

LSRRSRERRRRSSS [SNERRE

SARER

EERS

BW = x =

JCT Ia TI

S ç

S

Kal

Außer dem Traubenzucker untersuchten wir Rohrzuoker. Die Verhältnisse liegen hier genau wie beim Traubenzucker; die Adsorption ist noch etwas stärker. Auch die Verdrängungs- erscheinungen durch Aceton sind genau die gleichen; auch haben die mit Kohle geschüttelten Lösungen nach 10 Minuten genau denselben Zuckergehalt wie nach 24 Stunden, wodurch eine

Adsorption des Zuckers. 495

Zerstörung des Rohrzuckers ausgeschlossen ist. Auch eine In- version des Rohrzuokers durch Kohle, welche Freundlich!) in Analogie mit der von Rayman und Seele?) beobachteten Inversion des Rohrzuckers durch Platinschwarz als möglich hin- gestellt hat, kann man vollkommen ausschließen.?)

Versuch 4.

80 ccm einer Rohrzuckerlösung, die im 2 dm-Rohr eine Drehung von 12,73° zeigte, gab nach dem Schütteln mit 5 g Kohle eine Drehung von 9,93%; eine Rohrzuckerlösung mit einer Drehung von 6,42” zeigte nach derselben Behandlung eine Drehung von 3,89%; eine Rohrzucker- lösung mit der Drehung von 1,26° zeigte nach derselben Behandlung eine Drehung von 0,14°.

Wurden 100 ccm einer Rohrzuckerlösung, die im 2 dm-Rohr eine Drehung von 1,25° zeigte, mit 5g Kohle geschüttelt, so war die Drehung im Filtrate 0,13%; enthielt dieselbe Lösung bzw. 1,0, 2,5, 5 ocm Aceton, so war die Drehung in den zurückgewonnenen Flüssigkeiten bzw. 0,26°, 0,55°, 0,830,

Stichproben bei diesen Versuchen, wie bei solchen mit Trauben- zucker nach 24 Stunden, zeigten keinerlei Änderung der Drehung.

Abgesehen von diesen rein tatsächlichen Befunden, die für die Physiologie und ihre Methodik ein gewisses Interesse haben, bieten diese Erscheinungen aber noch ein höheres theo- retisches Interesse. Nach der Theorie von Gibbs-Freundlich, die wir in unserer früheren Mitteilung entwickelten, darf ein Stoff in wässeriger Lösung nur dann adsorbierbar sein, wenn er die Oberflächenspannung des Wassers herabsetzt. Zweifellos trifft dies in den meisten Fällen zu, und ein Stoff wird im allgemeinen um so besser adsorbiert, je stärker sein erniedrigen- der Einfluß auf die Oberflächenspannung ist. Für Trauben- und Rohrzucker trifft die Theorie aber nicht zu, denn sie erniedrigen die Oberflächenspannung des Wassers nicht und werden doch adsorbiert.

Messungen über die Oberflächenspannungen von Zucker sind von mehreren Autoren ausgeführt worden. Danach gehören die Zucker zu denjenigen (nicht sehr zahlreichen) Substanzen, welche so gut wie gar keinen Einfluß auf die Oberflächen-

21) Freundlich, L c. S. 407, Fußnote. 2) Zeitsohr. f. physikal. Chem. 21, 481, 1896. 3) Auch enthalten die Lösungen keinen reduzierenden Invertzucker.

496 P. Rona und L. Michaelis:

spannung des Wassers haben; der sehr minimal vorhandene Einfluß ist im Gegenteil eine Erhöhung der Oberflächen- spannung. Eigene Versuche bestätigen das.

So ist, nach den Angaben von J. Traube?) berechnet, die Oberflächenspannung von Rohrzuckerlösungen, die des Wassers = 1 gesetzt, folgende:

Prozentgehalt Oberflächenspannung

0 1 4,2 1,007 7,2 1,01

Nach eigenen Versuchen ergab sich die Oberflächenspannung (nach der Steighöhenmethode) für Traubenzucker, die des Wassers 1 gesetzt, zu (bei 20°)

| Prozentgehalt Oberflächenspannung

0 1,000 10 1,014 20 1,039

(während die Oberflächenspannung einer 5°/ igen wässerigen Lösung von Alkohol = 0,818 war).

Diese relativen Bestimmungen der Oberflächenspannung wurden in folgender Weise ausgeführt. Zwei Thermometercapillaren von ca. 0,8 und 0,4 mm Durchmesser mit eingeätzter Millimeterteilung wurden nach Reinigung mit Bichromat und Schwefelsäure zunächst an der Saug- pumpe mit Wasser gründlichst gewaschen und die Niveaudifferenz des in die lotrecht montierten Röhren capillar aufsteigenden Wassers gemessen; dann wurden dieselben Capillaren an der Pumpe mit der zu untersuchenden Flüssigkeit gewaschen und in ähnlicher Weise die Ni- veaudifferenz 4, der capillar gestiegenen zu untersuchenden Flüssigkeit in mehreren Versuchen bestimmt. Ist D das spezifische Gewicht dieser Flüssigkeit, so ist die relative ÖOberflächenspannung o

PE In Die Beobachtungen wurden bei Zimmertemperatur von 20° gemacht.

1) J. Traube, Theorie der Osmose und Narkose. Pflügers Archiv 105, 541. Die Zahlen sind aus dem Diagramm, daselbst 8. 544, berechnet und sind our angenähert. Die Zahlen der Originalmessung von J. Traube haben wir nicht auffinden können. Es kommt aber hier auch nicht auf die genauen absoluten Werte an, sondern nur auf die Tatsache, daß die Obertlächenspannung durch Zucker ein wenig erhöht, keinesfalls er- niedrigt wird.

Adsorption des Zuckers,. 497

Wir möchten diese einfache Methode der relativen Messung der Oberflächenspannung empfehlen, weil sie die Niveaubestimmung des äußeren Flüssigkeitsspiegels umgeht. A„ betrug für unsere Röhren 35,1 mm, also ein hinreichend großer Wert, um kleine Änderungen erkennen zu lassen.

Aber man muß bedenken, daß wir mit allen unseren Me- thoden immer nur die Oberflächenspannung der Lösungen gegen Luft (bzw. ihren Dampf) messen. Es ist vielleicht möglich, daß die Spannung der Grenzfläche Wasser—Kohle durch Zucker herabgesetzt wird. Experimentell können wir bisher die Grenz- flächenspannung einer Flüssigkeit gegen Kohle nicht feststellen, und diese empfindliche Lücke unserer Kenntnisse, auf die auch von anderen schon hingewiesen worden ist, macht sich hier sehr bemerkbar.

Es ist aber noch eine andere Erklärung möglich. Die Ursache für die mechanische Adsorption kann in drei Momenten gefunden werden:

1. Ein Stoff wird adsorbiert, wenn er die Oberflächen- spannung des Lösungsmittel herabsetzt (Gibbs, Freundlich).

2. Ein Stoff wird adsorbiert, wenn er die Kompressibilität des Lösungsmittels erhöht, weil er dann durch die Anreicherung in der Oberfläche eine Druckentlastung der komprimierten Flüssigkeitsoberfläche schafft (Freundlich).

3. Ein Stoff wird adsorbiertt, wenn er durch Erhöhung des Druckes löslicher wird (Lagergreen); alsdann muß er sich in der unter Druck stehenden Oberflächenschicht anreichern.

Es scheint nun, daß diese drei Eigenschaften eines Stoffes: die Oberflächenspannung herabzusetzen, die Kompressibilität der Flüssigkeit zu erhöhen und unter Druck an Löslichkeit zu gewinnen, oft bei einem Stoff gleichzeitig und gleichsinnig vor- handen sind.!) Aber es ist gar nicht erwiesen und wird auch wohl nicht behauptet, daß das immer und für alle Stoffe so ist, und es ist durchaus denkbar, daß z. B. der Zucker, der die Oberflächenspannung nicht herabsetzt, doch unter Druck

1) A. Ritzel, Gaslöslichkeit, Kompressibilität und Oberflächen- spannung. Zeitschr. f. physikal Chem. 60, 319, 1907. Hier ist zum erstenmal der Versuch gemacht, die Kompressibilität einer Flüssigkeit in Zusammenhang mit ihrem Lösungsvermögen zu bringen, aber zunächst nur für Gase und elektroindifferente organische Körper und keineswegs für Ionen.

498 P. Rona und L. Michaelis: Adsorption des Zuckers,

löslicher wird. Dann ist eine zureichende Ursache für seine Adsorption gegeben. Der experimentelle Beleg für eine solche Annahme steht noch aus.

Es ist jedenfalls nicht genügend, wie sich hieraus ergibt, die mechanische Oberflächenadsorption allein aus der Eigen- schaft eines Stoffes zu erklären, die Oberflächenspannung zu erniedrigen, sondern die beiden andern, vielleicht noch andere, bisher nicht bekannte, Momente müssen mit berücksichtigt werden.

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