UDO)

$B b50 589

=) È T J g J 5 LU véi a > E 3 e O O

T ie

——— ORTE RN NR AE ag AE A

Biochemische Zeitschrift.

Beiträge i zur chemischen Physiologie und Pathologie.

Herausgegeben von

E. Buchner-Breslau, P. Ehrlich-Frankfurt a. M., F. Hofmeister- Straßburg i. Els., C. von Noorden- Wien, E. Salkowski- Berlin, N. Zuntz-Berlin

unter Mitwirkung von

M. Ascoll-Catanaia, L. Asher-Bern, 3. Bang- Lund, G. Bertrand- Paris, A. Bickel- Berlin, P. Biamenthal-Beriin, Ohr. Behr-Kopenhagen, A. Benaaani- Rom, F. Bettaszi-Neapel, G. Brodig- Zürich, A. Durig-Wien, F. Ehrlich-Breslau, G. Embden-Frankfurt a. Main, 8. Fiexner- New York, B. Fränkel-Wien, E. Freund-Wien, U. Friedemann-Berlin, B. Friedmann-Berlin, O. v. Fürth-Wien, G. Galestti-Neapel, H. J. Hamburger-Groningen, A. Heffter-Berlin, V. Heart- Paris, W. Heubner-Göttingen, R. Höber-Kiel, M. Jacoby-Berlin, R. Hobert-Rostock, BM- Kumagswa-Tokio, F. Lanêeif- Buenos-Aires, L. Langstein-Berlin, P. A. Levene-New York, L. von Liebermann- Budapest, J. Loeb-New York, W.Loob-Berlin, A. Loewy-Beelin, A. Magaus- Levy-Berlin, J. A. Mandel-New York, L. Marchlewski-Krakau, P. Mayer-Karisbad, J. Meisona- beimer-Berlin, L. Michaelis-Berlin, J. Morgenreth-Berlin, W. Nerast- Berlin, W. Ostwald- Leipsig, W. Palladin-St. Petersburg, W. Paull-Wien, R. Pfeiffer-Bresiau, B. P. Plek-Wien, 3. Poehi-Prag, Ch. Porcher-Lyon, F. Roehmana- Breslau, P. Rona-Berlin, 8. Salaskin-St. Poters- burg, N. Bieber-St. Petersburg, M. Biegfried- Leipzig, 8. P. L. Börensen-Kopenhagen, K. Spire- Straßburg, B. H. Starling-London, A. Stutzer-Königsberg i. Pr., F. Taagi-Budapest, H. v. Tappeiner-Müncben, H. Thoms-Berlin, 3. Traube-Charlottenburg, A. 3. 3. Vandevelde-Gent, A. Wehl-Danzig, 3. Wohlgemuth-Berlin.

Redigiert von C. Neubeorg-Berlin.

Neunundzwanzigster Band.

Berlin. Verlag von Julius Springer. 1910.

UNIVERSITY OF CALIFORNIA

LIBRARY PROF. Dr. L MICHAELIS

COLLEGE OF AGRICULTURE DAVIS

Druck von Oscar Brandstetter in Leipzig.

Inhaltsverzeichnis.

Ohta, Kohshl. Über das Verhalten des Organfettes bei der Autolyse und antiseptisohem Aufbewahren. . . . » » 2 2 2 2 22 2 0. Isar, G. Zur Kenntnis der Meiostagmine bei bösartigen Geschwälsten Signerelll, E. Über die Oxydationsprozesse der Lipoide des Rücken- MATKE ebe Heimrod, Geo. W. und P. A. Levene. Über die Oxydation von Alde- hyden in alkalischer Lösung. . . . 2. 2: 2 2 ve ne 2200. Binaghi, Rinalde. Die elektrische Leitfähigkeit der Milch und ihre Anwendung zum Nachweis der Verwässerung und eines Zusatzes von Elektrolyten.. . 2 2 2 0 2 0 m or nr rer re. Leeb, Jacques. Die Hemmung verschiedener Giftwirkungen auf das be- fruchtete Seeigelei durch Hemmung der Oxydationen in demselben Calugareanu, D. Wirkung des Cloroforms auf Lipoidsuspensionen . . Koblanck, A. und Walther Löb. Über ein peptidspaltendes Enzym der (eweg . : so s s 0 0 0 0 0 0 u Du Eee Mesernitzky, P. Ober die "Zersetzung der Gelatine durch Micrococcus PTOAIRIOBUR: = cos moy, 152 00 5 a ae ee er e a Kanitz, Aristides. Die Dissoziationskonstanten des Tryptophans . . Battelli, F. und L. Stern. Die Aldehydase in den Tiergeweben . . . Jolles, Adolf. Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten . . . . . Paul, Theodor, Gustav Birstein und Anton Reuß. Beiträge zur Kinetik der Giftwirkung von gelösten Stoffen. 1. Teil: Einfluß der Kon- ZOULFALMON EE EENEG er Paul, Theodor, Gustav Birstein und Anton Reuß. Beiträge zur Kinetik der Giftwirkung von gelösten Stoffen. 2. Teil: Einfluß der Neutral- salze und der Temperatur auf die Desinfektionsgeschwindigkeit yon BAUTEN: sx x ae DE e E EE ee Br Neuberg, Carl. Chemische Umwandlungen durch Strahlenarten. IV. Lebedew, A. v., Berichtigung . . . . . : 2: 2 2 2 2 rer nee. Straßner, Walter. Die reduzierenden Wirkungen des Gewebes . . . Löb, Walther. Zur Geschichte der chemischen Gärungshypothesen Löb, Walther. Beiträge zur Frage der Glykolyse. I. ....... Iwanoff, Leonid. Zur Frage nach der Oxydation der Gärungsprodukte des Zymins beim Atmungsprozeß . . . 22:2: 2 0 enaa Greg, Oscar. Über die Hämolyse durch Ammoniak, Natriumbydroxyd und Natriumoarbonat . . . 2 2: 2 0 2 re een

152

Siegfried, M. und R. Zimmermann. Methode zur getrennten Bestimmung von Phenol und Parakresol im Harne . . . ... 2 2 2 .. Centanni, Eugenio. Über den befördernden Einfluß der Lipoide auf die Wirkung der Leberdiastasse . . » 2 2 2 2 2 22 . ... Sasaki, Takaoki. Nachtrag zu der früheren Angabe: „Über eine empfindliche Skatolreaktion“ . . 22 2 22200 02er. Trendelenburg, Paul. Über den Nachweis toxischer Stoffe im Blute thyreoideotomierter Tiere . . . . 2 2 02 02 2 2 2er nenn. Brüll, Leo. Über die Beeinflussung der Autolyse durch Salzionen Warburg, Otto. Über die giftige Wirkung der Natriumchloridlösung Hasselbalch, K. A. und J. Lindhard. Bestimmung des Zuckers durch Reduktion von Safranin. Erwiderung an Herrn Neumann Wender Wheeler, H. L. und L. B. Mendel. Über Jodproteine . ...... Neuberg, ©. Bemerkungen zur voranstehenden Mitteilung von H. L. Wheeler und L. B. Mendel . .. 2.2 2 2 22 ee 000. Welde, E. Berichtigung . . . .. 2 2: 2er 2 nennen. Embden, Gustav und Ernst Schmitz. Über synthetische Bildung von Aminosäuren in der Leber . . . . 2.2: 2 2 2 2 rn een Wolf, 0. G. L. und Emil Österberg. Die quantitative Bestimmung von Schwefel und Phosphor . . . . . 2. 2 ss e aa Michaelis, Leonor und Dengo Takahashi. Die isoelektrischen Kon- stanten der Blutkörperchenbestandteile und ihre Beziehungen zur Säurehämolyse. . . 2 2 2 2 0 m 0 rer ern .. Spät, Wilhelm. Über Komplementbindung mit gelösten und corpus- eulären Antigenen . . ... 22 vr er rennen Vandevelde, A. J. J. Über fraktionierte Fällung der Milchproteine Klein, H. A. Über die Resorption von Cholesterin und von Choleste- FINEBIELD soaa a. Be we ee ne re Blumenthal, Ferdinand und Ernst Jacoby. Beiträge zum Nachweis und zur Entstehung aromatischer Körper im Organismus IL... . . Bauer, J. Zur Praxis der Komplementbindungsreaktion.. . . - . - Njegovan, V. Zur Bestimmung der Phosphatide in der Milch . . . Michaelis, L. und P. Rona. Beiträge zur allgemeinen Eiweißchemie Rona, P. Über das Verhalten des Chlors im Serum . ......

Seite

Über das Verhalten des Organfettes bei der Autolyse und antiseptischem Aufbewahren.

Von

Kohshi Ohta. (Aus dem medizinisch-chemischen Institut der Universität Tokio.) (Eingegangen am 16. September 1910.)

Die Frage der Fettbildung aus Eiweiß im Tierkörper ist seit der bekannten Kritik von E. Pflüger!) Gegenstand ein- gehender Diskussionen geworden. Als Resultate zahlreicher Untersuchungen hierüber scheint gegenwärtig die allgemeine An- sicht in Übereinstimmung mit derjenigen Pflügers die zu sein, daß das Fett weder physiologisch noch pathologisch aus Eiweiß entstehe.

Aus der reichen Literatur will ich hierzu nur ein Beispiel aus der patho- logischen Anatomie anführen. Während man früher Fettvermehrung bei der sog. fettigen Degeneration innerer Organe für den besten Beweis der Fettneubildung aus Protoplasmaeiweiß nach R. Virchow hielt, nimmt man nach den neueren Untersuchungen an, daß das vermehrte Fett bei der fettigen Degeneration nicht an Ort und Stelle aus Eiweiß entsteht, sondern durch Blutzirkulation aus anderen Organen einfach transportiert wird. An Stelle der Fettneubildung aus Eiweiß bei diesem Prozesse tritt jetzt die Lehre von Fettwandlung. ?)

Indessen kann die neue Lehre sowie die physiologische Fettbildungs- frage noch nicht als sicher erwiesen betrachtet werden, wie auch hier- über neuerdings E. Abderhalden?) folgende Meinungen äußert: „Wir würden jedoch einen großen Fehler begehen, wenn wir das Problem der Bildung von Fett aus Eiweiß als abgeschlossen betrachten würden; Unsere Erörterungen zeigen nur, daß ee mit den bisherigen Versuchs- anordnungen und Methoden erschlossen werden kann. Neue Frage- stellungen und neue Gesichtspunkte müssen hier eingreifen!“

1) E. Pflüger, Über die Entstehung von Fett aus Eiweiß im Körper der Tiere. Arch. f. d. ges. Physiol. 51, 277. 2) G. Rosenfeld, Fettbildung. Ergebn. d. Physiol. 2, Abt. 1; 50. 3) E. Abderhalden, Lehrbuch der physiologischen Chemie 2. A., 1909, 440. Biochemische Zeitschrift Band 29. l

2 K. Ohta:

Nun ist in neuester Zeit von M. Kumagawa und K. Suto?) festgestellt worden, daß die bisherigen Methoden der Fettbestimmungen, die zur Entscheidung der Frage funda- mentale Bedeutung haben, insofern mit Fehlern behaftet sind, als dieselben nicht dio Menge des wahren Fettes, sondern nur diejenige des unreinen Ätherextraktes angeben. Der letztere schließt dabei in einzelnen Methoden stickstoffhaltige Bei- mengungen in recht bedeutender Menge ein. Wie Kumagawa und Suto?) mit Recht hervorheben, ist zur Entscheidung der Fettbildungsfrage eine genaue Feststellung hoher Fettsäuren allein maßgebend, wie dies die neue Kumagawa-Sutosche Ver- seifungsmethode allein verspricht, wodurch sich dieselbe vor anderen auszeichnet.

Bei dieser Sachlage ist es sehr wünschenswert, alle bis- herigen Untersuchungen, die sich mit den Fettbildungsfragen aus Eiweiß beschäftigt haben, mittels der neuen Methode nach- zuprüfen. |

Von diesem Gesichtspunkte aus habe ich auf Veranlassung und unter Leitung des Herrn Professor M. Kumagawa das Verhalten des Organfettes bei der Autolyse untersucht.

Dieser sehr interessante, zuerst von E. Salkowski?) entdeckte und näher studierte Vorgang ist seit den erneuten Untersuchungen von M. Jacoby) Mittelpunkt verschiedener biochemischer Forschungen und Fragestellungen geworden. Während demzufolge über die fermentativen Abbauprozesse der Eiweißkörper bei der Autolyse bereits manche wich- tigen Resultate verzeichnet worden sind, ist hingegen über das Verhalten des Organfettes bei diesem Prozesse unsere positive Kenntnis leider noch recht dürftig. Waldvogel®) betrachtet den chemischen Vorgang der

1) M. Kumagawa und K. Suto, Ein neues Verfahren zur quanti- tativen Bestimmung des Fettes und der unverseifbaren Substanzen in tierischem Material nebst der Kritik einiger gebräuchlichen Methoden. Diese Zeitschr. 8, 213, 1908.

2) Lo S. 342,

3) E. Salkowski, Über Autodigestion der Organe. Zeitschr. f. klin. Med. 17, Suppl., 77, 1890.

t) M. Jacoby, Über die fermentative Eiweißspaltung und Am- moniakbildung in der Leber. Zeitschr. f. physiol. Chem. 30, 139, 1900.

5) Waldvogel, Die fettige Degeneration. Zentr. f. Stoffw. u. Verd. 4, 405, 1903; Autolyse und fettige Degeneration. Virchows Archiv 177, 1, 1904; Phosphorvergiftung und Autolyse. Arch. f. klin. Med. 82, 437, 1905. Waldvogel u. Mette, Die Autolyse in mensch), fettig degen. Organen. Münch. med. Wochenschr. 9, 402, 1906.

Verhalten d. Organfettes bei der Autolyse u.antiseptischem Aufbewahren. 3

Autolyse mit demjenigen der fettigen Degeneration als identisch. Der Unterschied soll nur darin bestehen, daß bei der letzteren die Blutzirku- lation erhalten bleibt, während bei der ersteren dieselbe wegfällt. Nur hieraus sollen etwaige Differenzen in bezug auf ihre Bestandteile her- rühren. Nach Waldvogel soll ferner im Laufe der Autolyse allmählich die Menge des Lecithins abnehmen und dafür sich diejenige von Jekorin, Fettsäuren, Neutralfett und Cholesterin vermehren. Dieser interessante Befund läßt sich leider schwerlich nachprüfen, weil man zurzeit noch keine zuverlässigen Methoden kennt, die Menge der erwähnten einzelnen Lipoide einwandfrei quantitativ zu bestimmen. Nach übereinstimmenden Angaben von vielen Pathologen scheint dagegen der Befund ganz un- zweifelhaft zu sein, daß die färbbaren und somit mikroskopisch sicht- baren Fettkügelchen im Laufe der Autolyse bedeutend zunehmen. Wenn man indessen bloß hieraus den Schluß einer Vermehrung des Fettes, d. h. einer Fettneubildung aus Eiweiß ziehen will, so begeht man einen großen Fehler, weil die Möglichkeit viel näher liegt, daß sich die unsicht- baren Lipoide in frischen Organen infolge der Autolyse einfach in färb- bare Formen umwandeln. Daß ferner bei der Autolyse fermentative Spaltung des Neutralfettes in hohe Fettsäuren und Glycerin, sowie noch andere lipolytischen Vorgänge vielfach auftreten, ist von vielen Autoren, wie E. Lüdy!), Remond?), Sieber-Schumow?®), P. Saxl®) usw. er- wiesen worden. Ob die hierbei entstandenen hohen Fettsäuren weiter oxydiert werden, darüber sind bis jetzt keine Angaben bekannt.

Was uns am meisten interessiert und was wir für das Wichtigste halten, das ist das Verhalten der Gesamtmenge hoher Fettsäuren bei der Autolyse, und zwar ohne Rücksicht darauf, in welchen Formen dieselben erhalten sind. Wie F. Siegert5), F. Kraus’) und M. Kumagawa und RK Suto?) mit vollem Recht betonen, beweist die wirkliche Vermehrung hoher Fettsäuren in toto allein wahre Fettneubildung. Liebe sich diese Vermehrung bei der Autolyse in der Tat feststellen, so ist die Fettneubildung aus Protoplasmaeiweiß sehr wahrscheinlich gemacht, weil hier von der Fettwandlung natürlich keine Rede ist. Ganz entschieden

ı) E. Lüdy, Über die Spaltung des Fettes in den Geweben und das Vorkommen von freien Fettsäuren in denselben. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 25, 247, 1889.

2) Remond, Compt. rend. 2, 342 u. 362, 1904; zitiert nach Saxl.

3) Sieber-Schumow, Die Spaltung der Fette durch das Lungen- gewebe. Russky Wratsch. 51, 1766, 1907; zitiert nach Malyschem Jahres- bericht 37, 1907.

4) P. Saxl, Über Fett- und Esterspaltung in den Geweben. Diese Zeitschr. 12, 343, 1908.

5) F. Siegert, Das Verhalten des Fettes bei der Autolyse der Leber. Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 1, 114, 1900.

°) F. Kraus, Über Fettdegeneration u. Fettinfiltration. Verhdl. d. deutsch. Pathol. Ges. 1903, 45.

7) M. Kumagawa und K. Suto, l. c. 8. 342. 1*

4 K. Ohta:

ist die Frage indessen noch nicht, weil die Fettsynthess aus Glykogen auch möglich ist. Eine bloße Vermehrung des Ätherextraktes beweist dagegen nichts für die Fettvermehrung, weil das Ätherextrakt nach Kumagawa-Suto in der Regel stickstoffhaltige Beimengungen in be- deutender Menge enthält. Es ist ferner nach den neueren Untersuchungen von J. Mochizuki und R. Arima!), T. Kikkoji?) und K. Inoue und K. Kondo?) erwiesen worden, daß die ätherlösliche Milchsäure gerade bei der Autolyse bedeutend zunimmt. Die Arbeiten, die das Verhalten der Fettmenge bei der Autolyse untersucht haben, liegen bis jetzt nur spärlich vor. So fanden F. Siegert*) und P. Bari keine Vermehrung der Fettmenge bei der Autolyse, während dagegen nach den Angaben von J. Hildesheim und J. B. Leathes°®) die Menge des Fettes bei der Autolyse wirklich vermehrt werden soll. A. Sata”), der bei dem möglichst antiseptischen Aufbewahren der frischen inneren Organe färbbare Fettkügelchen sich mit der Zeitdauer unter dem Mikroskop deutlich ver- mehren sah, hat damals ohne nähere Kenntnis der verwickelten Verhält- nisse den Schluß gezogen, daß die lange bestrittene Frage der Fett- neubildung aus Protoplasmaeiweiß hierdurch von neuem definitiv ent- schieden worden sei. Sata glaubt hiernach, daß die alte Lehre von Virchow somit doch in vollem Umfange erhalten bleibe.

Betrachtet man die vorliegenden Arbeiten etwas näher, so scheinen nur diejenigen von Siegert und Saxl zuverlässig, weil dieselben die Menge der hohen Fettsäuren feststellten. Dagegen haben Hildesheim und Leathes die Menge des unreinen Ätherextraktes nach G. Rosenfeldscher Chloroform- alkoholmethode bestimmt.

Um die Richtigkeit der einen oder der anderen Angaben zu prüfen, habe ich infolgedessen einige Versuche angestellt, indem ich bei der Fettbestimmung genau der Vorschrift von Kumagawa-Suto folgte.

Als Ausgangsmaterial wurden Pferdelebern und Rinderherzen benutzt, die aus den im Schlachthaus frisch getöteten Tieren entnommen wurden. Zunächst wurde die ganze Oberfläche der

1) J. Mochizuki und R. Arima, Über die Bildung von Rechts- milchsäure bei der Autolyse. Zeitschr. f. physiol. Chem. 49, 108, 1906.

2) T. Kikkoji, ebenda 53, 415, 1907.

3) K. Inoue und K. Kondo, ebenda 54, 480, 1908.

4) F. Siegert, Lo

5) P. Saxl, Über die Beziehung der Autolyse zur Zellverfettung. Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 10, 447, 1907.

6) J. Hildesheim und J. B. Leathes, On the synthesis of higher fatty acids in the liver. Journ. of Physiol. 31, 1, 1904.

7) A. Sata, Über die postmortale Fettbildung des tierischen Ge- webes. Mitteilungen d. med. Ges. zu Tokio 16, H. 19, 1902.

e c w

Verhalten d. Organfettes bei der Autolyse u.antiseptischem Aufbewahren. 5

Organe mehrmals mit steriiem Wasser abgespült und mit einem von 0,1°/,iger Sublimatlösung benäßten Tuch gut ab- getupft. Die so behandelten Organe wurden mit einer dicken Schicht von mit sterilem Wasser befeuchteten Gazen und Tüchern aufgewickelt und in sterilen Gefäßen, die von außen mit Eis ge- kühlt waren, zum Laboratorium gebracht. Von den zu feinem Brei zerhackten Organen wurden je 10 bis 20 g in vorher tarierten Glasflaschen von etwa 100 ccm Volumen mit gut geschliffenem Stöpsel abgewogen. Hierzu wurden je 20 ccm gesättigten Chloroformwassers und extra noch je 2 ccm Chloroform zu- gesetzt, gut durchgeschüttelt, dicht verschlossen und überdies noch die Mündung mit Pergamentpapier fest überzogen. Eine gewisse Anzahl davon wurde an einem möglichst kühlen Ort des Zimmers aufbewahrt, eine andere Reihe im Wasserthermostat bei 37 bis 40°C der Autolyse unterworfen. Die beiden Reihen wurden jeden Tag gut durchgeschüttelt. Nach den unten an- gegebenen Zeitdauern wurden die geöffneten Flaschen direkt im Wasserbad nahezu bis zum Verschwinden des Chloroform- geruchs aufgekocht. Darauf wird die Verseifung durch Zusatz von 20 ccm fach normaler Natronlauge bei 2stündigem Kochen vollständig bewirkt. In der Regel habe ich 5 ccm gesättigter Natronlauge (1,5 D.) noch extra zugesetzt. Beim Zusatz der Lauge ist indes eine besondere Vorsicht nötig. Setzt man die Lauge auf einmal zu, so tritt ein heftiges Schäumen auf, und die ganze Probe geht verloren. Dies kann man nur dadurch vermeiden, daß man die Lauge ganz vorsichtig in kleiner Menge unter Umrühren mit dem Glasstab allmählich zusetzt. Zur Tren- nung der freien hohen Fettsäuren sind dementsprechend 35 ccm 30°/ iger Salzsäure nötig. Sonstiges Verfahren geschah genau nach der Vorschrift von Kumagawa-Suto. Als Kon- trollo wurde der Fettgehalt des Breies vor jedem Versuche durch direkte Verseifung ohne Zusatz von Chloroform festgestellt.

Hinzuzufügen ist noch der makroskopische Befund der Proben im Laufe der Autolyse. Von Leberbrei ist das Aus- sehen des Inhaltes während des ganzen Verlaufes sowohl bei antiseptischem Aufbewahren wie bei der Autolyse fast gleich. Die obenstehende Flüssigkeit beider Proben färbt sich leicht gelb, der untere Bodensatz aber grauweißlich. Beim Öffnen der Flasche riecht der Inhalt stark nach Chloroform, aber keine

6 K. Ohta:

Spur von Fäulnisgeruch ist wahrnehmbar. Vom Herzmuskel- brei sieht die Flüssigkeit, von Blutfarbstoff herrührend, mehr oder weniger rötlich aus. Die rote Farbe verblaßte indes im Laufe der Zeit allmählich. Auch konnte man beim Öffnen der Flasche starken Chloroformgeruch allein wahrnehmen.

Die Ergebnisse sind in den folgenden Tabellen verzeichnet.

Tabelle Ia. Autolyse der Pferdeleber A zu verschieden langen Zeiten. Temperatur 37 bis 40° C.

Gereinigtes Petroläther- extrakt

1 b 100 [0,2926] 2,926 |0,2724| 2,724 0,0202 0,202 2 100 10.2990] 2990 | 0.2750| 2.750 | 0,0240! 0.240 Mittel 100 0,2958! 2.958 |0.2737| 2,737 |0.0221| 0.221 1 £ 11,65 |0,3578! 3,071 |0,3256| 2,795 |0,0322| 0,276 2 12.27 |0,3718! 3.031 |0,3387| 2,761 |0.0331| 0.264 Mittel 3.051 2,778 0,270 1 i 10,68 [0.3212| 3,007 | 0,2926) 2,738 | 0,0280! 0,262 2 1591 0,4774! 3.000 |0,4422| 2,738 | 0.0352| 0.221 Mittel 3.004 2,738 0,242 5 20 verunglückt 1 * 13,15 [0,3932] 2,990 |0,3556| 2,704 | 0,0374] 0,284 2 11.00 [0.3256 2960 | 0,2924! 2724 | 0.0332| 0'302 Mittel 2,975 | 2717 0,293

Tabelle Ib. Übersichtstabelle von Tab. Ia. Leberfett A in verschiedenen Autolysendauern.

Gereinigtes Petrolätherextrakt

"ie

Autolysen-

dador Cholesterin

"ie

0,221 (100 )

Hohe Fettsäuren

"e

2,958 (100 ) 3,051 (103,1) 0,270 (122,2) 10 3,004 (101,4) 0,242 (109.1) 30 2,975 (100,6) 0,293 (132,6)

(Die Zahlen in Klammern zeigen die prozentischen Differenzen an, indem die Normalwerte als 100 gesetzt wurden. Fettbestimmungen bei 20 tägiger Autolysendauer sind verunglückt.)

1) Die von hohen Fettsäuren getrennten unverseifbaren Substanzen des Petrolätherextraktes bestehen hauptsächlich aus Cholesterin. Deshalb werden die unverseifbaren Substanzen hier einfach als Cholesterin be- zeichnet.

Verhalten d. Organfettes bei der Autolyse u. antiseptischem Aufbewahren. 7

Wenn man die prozentischen Zahlen hoher Fettsäuren mit- einander vergleicht, so ist nur der Schluß berechtigt, daß die Menge der hohen Fettsäuren während der ganzen Autolysen- dauer von 30 Tagen unverändert geblieben ist, obwohl die Differenz von + 3,1°/, am 5. Tage der Autolyse etwas höher ausgefallen ist. Dagegen sind die Cholesterinzahlen um 9 bis 32,6°/, höher als Normalwerte.. Da die absolute Menge der- selben nur ein paar Zentigramme beträgt und die Schwankungen zu groß sind, so ist eine erneute Prüfung erwünscht, ehe ein definitives Urteil hierüber gefällt wird.

Im folgenden habe ich noch eine Reihe von Versuchen bei einer zweiten Leber (B) angestellt, um zu sehen, ob der Fett- gehalt bei der Autolyse (37 bis 40° C) und bei antiseptischem Auf- bewahren (Zimmertemperatur) keinen Unterschied zeigt. Die Resultate hierüber sind in den folgenden Tabellen verzeichnet.

Tabelle Ila. Autolyse der Pferdeleber B. Temperatur 37 bis 40°.

Gereinigtes Petroläther- extrakt

g | %

Dauer | Menge Versuchs- der Auto-Id. Organ-

Cholesterin

8 | lo `

0 20,0 |0,7828| 3,914 | 0,7306] 3,653 | 0,0522| 0,261 l 5 20,0 |0,8082| 4,041 |0,7476| 3,738 | 0,0606| 0,303 2 20,0 |0,7966| 3,983 | 0,7394) 3,697 | 0,0572) 0,286 Mittel 0,8024| 4,012 | 0,7435| 3,718 | 0,0589| 0,295 1 20 20,0 |0,8014| 4,007 | 0,7670| 3,835 | 0,0344| 0,172 2 20,0 |0,8118| 4,059 |0,7516| 3,758 | 0,0602) 0,301 Mittel 0,8066! 4,033 | 0,7593! 3,797 | 0,0473| 0,237 1 30 20,0 |0,7960| 3,980 0,7518 3,759 | 0,0442| 0,221 2 20,0 10,8068| 4,034 | 0,7628) 3,814 | 0,0440| 0,220 Mittel 0,8014| 4,007 | 0,7573| 3,782 |0,0441| 0,221 1 60 20,0 |0,8074| 4,037 | 0,7342! 3,671 | 0,0732; 0,366 2 20,0 |0,8008| 4,004 |0,7154| 3,577 | 0,0844! 0,422 Mittel 0,8041| 4,021 |0,7248| 3,624 | 0,0788| 0,394 1 100 20,0 0,8048) 4,024 2 20,0 10,8092, 4,046 nicht untersucht Mittel 0,8070| 4,035

Auch bei diesen Untersuchungen differieren die prozenti- schen Zahlen von Petrolätherextrakten sowie hohen Fettsäuren für sich höchstens um 4°/,, obwohl bei dieser Versuchsreihe die Autolysendauer sich auf 100 Tage ausdehnte. Auch hier

8 K. Ohta:

kann man nur den Schluß ziehen, daß die Menge der hohen Fettsäuren bei der Autolyse weder zu noch abnimmt. Die Cholesterinzahlen sind dagegen ebenso stark schwankend wie bei der ersten Versuchsreihe.

Tabelle IIb.

Übersichtstabelle von Tab. IIa. Leberfett B bei Autolyse in verschiedenen Dauern.

Autolysen-

Gereinigtes dauer

Petrolätherextrakt

"ie

Hohe Fettsäuren Cholesterin

"ie

(100 )

5 4012 (102,5) (113,1) 20 4,033 (103,0) 0,237 ( 95,8) 30 4,007 (102,4) 0,221 ( 90,8) 60 4,021 (102,8) 0,394 (151,0) 100 4,035 (103,0) nicht untersucht

Mit diesen Zahlen sollen nun die Resultate des antisep- tischen Aufbewahrens bei ein und derselben Leber verglichen werden, die in der folgenden Tabelle verzeichnet sind.

Tabelle IIIa. Antiseptisches Aufbewahren der Pferdeleber B. Bei Zimmertemperatur.

Gereinigtes

Hohe

Versuchs- Petroläther- A Cholesterin

Nr. extrakt Fettsäuren

g | "ie

1 0 20,0 10,7926 | 3,963 10,7398 | 3,699 10,0528 | 0,264 2 20,0 10,7730 | 3,865 10,7214 | 3,607 0,0516 | 0,258 Mittel 0,7828 | 3,914 10,7306 | 3,653 [0,0522 | 0,261 1 5 20,0 10,7922 | 3,961 10,7348 | 3,674 10,0574 | 0,287 2 20,0 10,8234 | 4,117 [0,7652 | 3,826 10,0582 | 0,291 Mittel 0,8078 | 4,039 10,7500 | 3,750 {0,0578 | 0,289

20 20,0 [0,7830 | 3,915 [0,7340 | 3,670 |0,0490 | 0,245 20,0 10,8176 | 4,088 (0,7772 | 3,886 10,0604 | 0,302

Mittel 0,8003 | 4,002 [0,7556 | 3,778 10,0547 | 0,274

1 30 20,0 10,7898 | 3,949 [0,7418 | 3,709 [0,0480 | 0,240

2 20,0 10,7884 | 3,942 |0,7360 | 3,680 |0,0524 | 0,262

Mittel 0,7891 | 3,946 |0,7389 | 3,695 [0,0502 | 0,251

1 60 20,0 10,8042 | 4,021 [0,7462 | 3,731 {0,0580 | 0,290

2 20,0 10,7958 | 3,979 |0,7272 | 3,636 10,0686 | 0,343

Mittel 0,8000 | 4,000 {0,7367 | 3,684 [0,0633 | 0,317 1 100 20,0 {0,8028 | 4,014

2 20.0 |0,8068 | 4.034 nicht untersucht Mittel 0,8048 | 4,024

Verhalten d. Organfettes bei der Autolyse u.antiseptischem Aufbewahren. 9

Tabelle IIIb. Übersichtstebelle von Tabelle IIIa. Leberfett B bei antiseptischem Aufbewahren in verschiedenen Dauern;

Gereinigtes Petrolätherextrakt

"ie

Cholesterin

"ie

Hohe Fettsäuren

0,261 (100 )

5 0,289 (110,8)

20 0,274 (105,0)

30 0,251 ( 96,2)

60 (100,8) 0,317 (121,4) 100 nicht untersucht

Auch bei 100tägigem Aufbewahren bleiben die Zahlen für die Petrolätherextrakte und hohe Fettsäuren ebenso konstant wie bei 100tägiger Autolyse. Cholesterinbestimmungen sind ebenfalls schwankend. Um den Vergleich noch übersichtlicher zu machen, ist folgende Tabelle hinzugefügt.

Tabelle IV. Vergleichende Tabelle von Organfett bei der Autolyse und antiseptischem Aufbewahren ein und derselben Pferdeleber B.

Petrolätherextrakt | Hohe Fettsäuren Cholesterin

Dauer in "ie "ie ei. Tagen Antisept. Antisept. Antisept.

Autolyse | A ufbew. | Autolyse Autolyse

Aufbew. Aufbew.

0 3,914 3,653 0,261 (100) (100) (100) 5 4,012 | 4,039 3,718 | 3750 | 0,295 | 0,289 (102,5) | (103,2) | (101,7) | (102,7) | (113,1) | (110,8) 20 4,033 | 4,002 | 3,797 3,778 | 0,237 0,274 (103,0) | (102,3) | (104,0) | (103,4) | (95,8) | (105,0) 30 4,007 3,946 | 3,782 | 3,695 | 0,221 0,251 (102,4) | (100,8) | (103,5) | (101,1) | (90,8) | (96,2) 60 4,021 4,000 3,624 | 3,684 | 0,394 | 0,317 (102,8) | (102,2) | (99,2) | (100,8) | (151,0) | (121,4) 100 4,035 | 4,024

(103,0) (102,8) nicht untersucht

Wie aus der Tabelle leicht zu ersehen ist, stimmen die Werte von Petrolätherextrakten und hohen Fettsäuren sowohl bei der Autolyse wie bei antiseptischem Aufbewahren für sich und untereinander selbst in verschiedenen Tagesdauern sehr

10 K. Ohta:

gut überein. Die höchsten Differenzen betragen nur um 3°/,. Da- gegen sind die Cholesterinzahlen größeren Schwankungen unter- worfen, was hauptsächlich wohl davon herrührt, daß die Be- stimmungen des Cholesterins wegen der absolut geringen Ge- wichtsmenge nur schwer sich ganz genau anstellen lassen. Demnach kann darüber kein Zweifel mehr bestehen, daß bei der Autolyse der Leber die Menge der hohen Fettsäuren ganz konstant bleibt. Mit anderen Worten: das Leberfett wird bei der Autolyse weder neugebildet noch vermehrt. Antiseptisches Aufbewahren der Organe kann als Autolyse bei Zimmertemperatur aufgefaßt werden, wie Waldvogel Aufbewahren der Organe in Eiskälte auch als Autolyse bezeichnet.

Zum Schluß habe ich noch eine Reihe von Autolysen mit der Herzmuskulatur eines Rindes angestellt, deren Resultate im folgenden tabellarisch verzeichnet sind.

Tabelle Va. Autolyse der Herzmuskulatur eines Rindes. Temperatur 37 bis 40°C.

Cholesterin

Versuchs-| lysen- Petroläther- extrakt 0

g | CH

1 0 10,0 [0,1776 | 1,776 l0,1552 | 1,552 |0,0224 | 0,224 2 10,0 [0,1726 | 1,726 [0,1522 | 1,522 10,0204 | 0,204 Mittel 0,1751 | 1,751 [0,1537 | 1,537 [0,0214 | 0,214 1 5 12,20 [0,2070 | 1,696 [0,1718 | 1,408 |0,0352 | 0,288 2 12,29 [0,1934 | 1,574 {0,1606 | 1,307 |0,0328 | 0,267 Mittel 1,635 1,358 0,278 1 10 15,05 [0,2998 | 1,992 [0,2496 | 1,659 [0,0502 | 0,334 2 14,32 [0,2778 | 1,940 |0,2366 | 1,653 [0,0412 | 0,288 Mittel 1,966 1,656 0,311 1 20 12,55 [0,2244 | 1,788 [0,1948 | 1,552 10,0296 | 0,236 2 14,24 [0,2732 | 1,919 [0,2380 | 1,672 |0,0352 | 0,247 Mittel 1,854 1,612 0,242 1 30 15,08 [0,3054 | 2,026 [0,2634 | 1,748 10,0420 | 0,279 2 13,48 [0,2614 | 1,939 |0,2256 | 1,674 [0,0358 | 0,266 Mittel 1,983 1,711 0,273

Die Resultate dieser Versuche sind wider Erwarten ausge- fallen. Wie die prozentischen Vergleiche zeigen, betrugen sowohl die Petrolätherextrakte wie die hohen Fettsäuren bei 10tägiger und 30tägiger Autolysendauer um 12 bis 13°/, mehr, bei 20tägiger Dauer um 6°/, mehr, bei 5tägiger Dauer dagegen um 7 bis

wur,

Verhalten d. Organfettes bei der Autolyse u. antiseptischem Aufbewahren. 11

12°/, weniger, als die Normalwerte. Betrachtet man die ein- zelnen Zahlen in der Tabelle Va etwas genauer, so sind die Schwankungen noch größer. Im großen und ganzen sprechen diese Versuche jedenfalls im Gegensatz zu der Leberautolyse für die Fettvermehrung. Es fragt sich nun, ob man berechtigt ist, aus den obigen Zahlen den Schluß zu ziehen, daß bei der Autolyse der Herzmuskulatur eine wirkliche Fettneubildung stattfindet. Dieser Schluß scheint mir indessen noch verfrüht.

Tabelle Vb. Übersichtstabelle von Tabelle Va. Herzmuskelfett bei verschiedenen Autolysendauern.

kt Hohe Fettsäuren Cholesterin

Gereinigtes Petrolätherextra

1,751 ) 1,537 0,214 (100 ) 5 1,635 ( 93,4) 1,358 ( 88,3) 0,278 (129,9) 10 1,966 (112,3) 1,656 (107,7) 0,311 (145,3) 20 1,854 (105,9) 1,612 (104,8) 0,242 (113,1) 30 1,983 (113,3) 1,711 (111,3) 0,273 (127,6)

Aus den großen Schwankungen der einzelnen Zahlen halte ich vielmehr die Annahme für richtiger, daß die Mischung des Muskelbreies wegen der eigenartigen Struktur des Herzens nicht vollkommen gleichmäßig war, und diejenigen Proben des Muskelbreies, die zur Kontrolle verwertet worden sind, zufällig am fettarmsten waren. Daß der chemische Prozeß der Herz- muskulatur für den Fettbefund bei der Autolyse sich anders verhält, als derjenige der Leber, ist auch schwer verständlich. Jedenfalls ist hierzu eine erneute Prüfung unbedingt nötig, ehe ein endgültiges Urteil über das Verhalten des Herzmuskel- fettes bei der Autolyse gefällt wird. Die Nachprüfung unter- blieb indessen leider aus äußeren Gründen.

Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen und Schluß- betrachtungen.

L Bei der Autolyse der Pferdeleber bleibt die Gesamt- menge der hohen Fettsäuren selbst in einer Zeitdauer von 100 Tagen ganz unverändert, wenn man die Mischung durch Übersättigung mit Chloroform vor Fäulnis schützt.

12 K. Ohta: Verh. d. Organfettes b. der Autolyse u. antisept. Aufbewahren.

2. Die Resultate sind ganz dieselben, ob man den Organ- brei im Wasserthermostaten bei einer Temperatur von 37 bis 40° C digeriert, oder denselben einfach bei Zimmertemperatur entiseptisch (mit Chloroform) aufbewahrt.

3. Die an der Herzmuskulatur eines Rindes angestellten Autolysenversuche haben etwas zweideutige Resultate ergeben, die vermutlich davon herrührten, daß die Mischung des Herz- muskelbreies wegen der eigenartigen Struktur des Organs nicht ganz gleichmäßig war. Daher ist hierüber eine erneute Prüfung nötig, ehe ein definitiver Schluß gezogen wird.

Aus dem Satz 1 folgt, daß das Fett bei der Autolyse weder vermehrt noch vermindert wird. Somit stimmen unsere Resultate mit denjenigen von F. Siegert und P. Saxl über- ein, die ebenfalls die Menge der hohen Fettsäuren nach der Autolyse bestimmten. Dagegen beziehen sich diejenigen An- gaben, die für die Fettvermehrung bei der Autolyse das Wort reden, auf solche Methoden der Fettbestimmungen, die das unreine Ätherextrakt einfach als Fett annehmen. Abgesehen davon, daß das AÄtherextrakt stickstoffhaltige Beimengungen enthält, und die Extraktion der Lipoide durch Äther niemals vollständig erfolgt, ist diese Art der Fettbestimmungen deshalb ganz unzuverlässig, weil beider Autolyse in Ather die so leicht lösliche Milchsäure stark zunimmt. Demnach kann es als er- wiesen betrachtet werden, daß bei der Autolyse der Leber eine Vermehrung des Fettes und somit eine Fettneubildung nicht stattfindet. Andererseits ist der Befund vielmehr bemerkens- wert, daß bei der Autolyse keine Fettzehrung zustande kommt, d. h., daß die Radikale hoher Fettsäuren ganz unangegriffen bleiben, obwohl bei der Autolyse lipolytische Vorgänge vielfach vor sich gehen, und die Umwandlungen verschiedener Lipoide mit den Radikalen hoher Fettsäuren ineinander sehr wahr- scheinlich sind. Dieser Befund ist uns um so auffälliger, weil die Eiweißkörper bei der Leberautolyse tiefgreifende Zer- setzungen bis zu den einfachen Aminosäuren erleiden.

Zur Kenntnis der Meiostagmine bei bösartigen Geschwäülsten.

Von G. Izar.

(Aus dem Institut für spezielle Pathologie innerer Krankheiten der K. Universität Catania.!)

(Eingegangen am 7: September 1910.)

In früheren Mitteilungen?) wurde angegeben, daß man beim Anstellen der Meiostagminreaktion bei Mangel an Serum auch mit lackfarbenem Blute auskommen kann. Ich habe nun die Wirksamkeit von bei verschiedenen Temperaturen abgeschiedenem Serum, von solchem, das durch Zentrifugieren defibrinierten Blutes gewonnen war, von Natriumcitratplasma und lack- farbenem Blute in parallelen Versuchen vergleichend geprüft.?) In allen Versuchen wurde zur Kontrolle ein Nichttumor- plasma usw. mitgenommen, auch um die Größe der spon- tanen Oberflächenspannungsherabsetzung*) dieser Flüssigkeiten kennen zu lernen. Die Bestimmungen sind alle mit dem alten Modell des J. Traubeschen Stalagmometers (Skala in

1) Der experimentelle Teil dieser Arbeit ist noch im Institute für spezielle Pathologie in Pavia, vor der Berufung des Vorstandes Prof. M. Ascoli nach der Universität Catania, ausgeführt worden.

2) Münch. med. Wochenschr. 1910, Nr. 22; Zeitschr. f. Immunitäts- forschung 6, 101.

3) Bei der Übereinstimmung der Resultate bringen wir aus Raum- rücksichten in der ganzen Arbeit für die verschiedenen Versuchsserien nur ein Beispiel.

4) Unter spontaner Oberflächenspannungserniedrigung verstehen wir die Abnahme der Oberflächenspannung, welche die untersuchten verdünnten Flüssigkeiten, ohne Zusatz von Antigen, durch das lstündige Erhitzen auf 50° aufweisen.

14 G. Izar:

ca. !/, Tropfen) ausgeführt: jede Serie wurde natürlich mit ein und demselben Instrument bestimmt.

Tabelle I.

Magen-Carcinom Nephritis Tropfenzahl

sofort In. 1St.bei50°Isofort In. 1 St. bei 500

2 E 3 SZ Sr? D rn We eg a2 Ban Ze S “nz 533 pa

St SET sro adi E a > & >

Das soeben geronnene Blut wurde auf 2 St. in den Brut- schrank bei 37° gebracht, kam dann auf 12 St. i. d. Eisschrank; zentrifug.; Verdünn. des Serums auf 1/29 mit0,85°/ig. NaCl-Leg.

Das Blut wurde 12 St. bei Zimmertemperatur sich selbst überlassen, dann auf 12 St. in den Eisschrank gestellt; zentri- fugieren; Verdünn.d.Serums auf Lila mit 0,85°/,iger NaCl-Lag.

Das Blut wird defibriniert 2

567 + 2,57 + 8 62 + 5/57 +6 58 +3 58 4+4

57 |57 + 560 + 4| 57 + 5| 57 +9,58 4+2

sofort zentrifugiert; das Serum wird 12 St. im Eisschrank ge lassen, darauf wieder zentrifu giert; Verdünnung auf !/,, mit NaCl-Lösung.

68 58 +861 +558 +4 59+2 594+5

9 ccm Blut werden in ein 1 ccm 10°/ iges Natriumcitrat ent- haltendes Reagensglas aufge- fangen, sofort zentrifugiert, 12 St. im Eisschrank gelassen; darauf Verdünnung auf 1/18 mit 0,85°/ iger NaCl-Lösung. 4 ccm Blut werden in 36 ccm Aq. dest. aufgefangen, durch Gaze koliert; 12St. Eisschrank; 'zentrifugieren.

60+461+363+7I[ 60 |60+661 +2

60 + 661 + 563 + 4| 60 +4 61 +3] 61 +5

4 ccm Blut werden in 34 ccm Aq. dest. aufgefangen, durch Gaze koliert; Zusatz von 4 cem 8,5°/ iger NaCl- Lösung; 12 St. Eisschrank; zentrifugieren.

61l +- 364 -+ 2/6045 61 +1161 +2

Meiostagmine bei bösartigen Geschwülsten. 15

Tabelle I entnehmen wir, daß das bei 37° abgeschiedene Blutserum am stärksten wirkt; dann kommen das bei Zimmer- temperatur abgeschiedene und durch Zentrifugieren defibrinierten Blutes gewonnene Serum und das Natriumcitratplasma; endlich das einfach in destilliertes Wasser aufgefangene, lackfarbene Blut: der Zusatz von Kochsalz steigert im letzteren Falle den Effekt. Die spontane Oberflächenspannungserniedrigung ist beim Verwenden von Blut (je nach der Konzentration der Blutlösung; Hämoglobingehalt?) etwas, mitunter ziemlich stärker als für Serum: deshalb ist beim Arbeiten mit Blut immer der unten (s. Phenolversuche) angegebene Maßstab des Versuchsausfalls

geboten.

Wirkung von Kochsalz und Calciumchlorid.

Daß die Anwesenheit von Kochsalz die Reaktion be- günstigt, ergab sich schon aus dem letzten Versuche in Tab. I, mit Zusatz von 0,85°/, zudem mit Aq. dest. verdünnten Blute: der Einfluß von Kochsalz und Calciumchlorid wurde näher

untersucht. Tabelle II.

Magen-Carcinom Tropfenzahl sofort naoh 1St. bei 50°

Pneumonie Tropfenzahl sofort naoh 1St. bei 50°

Blutserum 9 ccm der Verdünnung |9 ccm der Verdünnung verdünnt auf 1/29 +1 eem +1 ccm mit:

Nr. 21 vord. auf joe destill. H,O

destill. H,O + NaCl-Lösung 0,85, + ep 1/20 68 58 + 58 +2 nm 2/30 66 58 + 2 | 58 + 4 H Sp 3/30 64 5846 DO AO

W

16 G. Izar: Tabelle III.

en EE EE m

Magen-Carcinom Leber-Sarkom Tropfenzahl Tropfenzahl sofort Inach l St. bei 500] sofort nach 1 St. bei 50°

Blutserum 9 ccm der Verdünnung |9 ccm der Verdünnung verdünnt auf 1/29 + 1 eem l ccm mit: Q, S $ s. Sai, = PRE 3 SZ» g s F D eg >

jo») peut + Led

e ee Bee 58 |62+4 Lee 68+3|63+5 on, Ce 58 +6 | 62+2 o dëi 59+4|59+5 s a EE 59 +5 |59+6 EN 5 59+4|59+7 NaCl-Lösung 0,85°/, 57+6|62+5

Bei Zusatz von steigenden Mengen Kochsalz!) nimmt die Größe der Ausschläge zu: das Optimum wird durch die Kon- zentration von ungefähr 1°/, dargestellt. Ist der Zusatz noch größer, so wird der Ausschlag allmählich schwächer, bis er beim Erreichen der Konzentration von 4°/, fast ausbleibt. Eine ähnliche Wirkung übt das Chlorcalcium aus.

Wirkung von Säure und Alkali.

Wie die Reaktion durch Essigsäure, resp. Natronlauge be- einflußt wird, geht aus Tabellen IVa, IVb hervor.

Dieselben zeigen daß kleine Essigsäuremengen einen för- dernden Einfluß ausüben, größere sie hemmen, bzw. aufheben: ähnlich, vielleicht etwas schwächer, wirkt der Zusatz von Alkali. Die Förderung der Reaktion durch Essigsäurezusatz fällt deut-

1) Infolge des Salz- bzw. Säure-Alkalizusatzes erfährt das ver- dünnte Serum an sich eine geringe Abnahme der Oberflächenspannung; dieselbe stellt sich natürlich auch bei Nichttumorseris ein; sie hat bei der schwachen für die Meiostagminreaktion optimalen Konzentration nur geringe Werte. Wir begnügen uns, diese Tatsache hier einfach hervor- zuheben: für die Meiostagminresktion kommt sie natürlich nicht in Be- tracht, da es sich bei dieser nur um Vergleichswerte (Unterschied zwischen der Probe mit Antigenzusatz und der Kontrolle ohne denselben) handelt.

Meiostagmine bei bösartigen Geschwülsten. 17

Tabelle IVa. Blu Magen-Carcinom Pleuritis auf 1/,, mit Aq. dest. Tropfenzahl Tropfenzahl

und Essigsäure sofort Inach 1St.bei500| sofort |nach 1St. bei 500

9 com der Verdünnung +1 com

Essigsäuregehalt der

Tabelle IVb.

Pleuritis Tropfenzahl

sofort |nach 1St. bei 50°

9 ccm der Verdünnung l ccm

Magen-Carcinom Tropfenzahl

sofort |nach 1St. bei 50°

8 ccm der Verdünnung +1 eem

Blutserum verdünnt auf 1/29 mit Aq. deet, und NaOH

Tumor-Antigen Nr. 30 verd. auf 21/200

destill. H,O

destill H,O

18 G. Izar:

licher aus, wenn die Serumverdünnung mit 0,85°/ iger NaCl- Lösung anstatt mit Aq. dest. erfolgt!) (vgl. Tabelle IVc).

Tabelle IVc.

Uterus- Uterus- Leber- E Carcinom | Carcinom | Tuberkulose Cirrhose E ER Tropfenzahl nach 1 St. bei 50° g 9 com der Serumverdünnung 4 1 eem ©

Tumor-Antigen Nr. 51 verd. auf 1/59

Wirkung des Erhitzens und Einfrierens auf die Tumor- meiostagmine. | Erst durch l1stündiges Erhitzen auf 80° werden die Tumor- meiostagmine inaktiviert: sie sind demnach etwas thermostabiler als die Pepton-Gelatine-Typhusmeiostagmine?) (s. Tab. V bis IX). Tabelle V. Tumor-Exsudat Nr. 14 |Tumor-Transsudat Nr.11

Tropfenzahl Tropfenzahl sofort |nach 1St. bei650°| sofort |nach 1St. bei50 °

9com der Verdünnung -+ 1 com

Die einzelnen 1/29- Ver- dünnungen (mit NaCl- Lösung) kommen auf 1 St. ins Wasserbad bei der in dieser Spalte angegebenen Tempera- tur, darauf kommen dieselben auf 24 St. in den Eisschrank; dann wird der Versuch an-

8com der Verdünnung + locm

Nr. 34, verd. auf 1/280

Tumor-Antigen

destill. H,O

&

++++3+ QO Fi EA Fi

(e>)

S339

Em ~J

1) Der Essigsäurezusatz (zu den mit NaCl-Lösung verdünnten Seris) ist vielleicht verwertbar, um die Empfindlichkeit der Meiostagmin-

Meiostagmine bei bösartigen Geschwülsten. 19 Tabelle VI.

Tumor-Exsudat Nr. 12 | Tumor-Transsudat Nr.9 Tropfenzahl Tropfenzahl

Den Tome: Foster Gëss scher Let Soe bzw. Exsudat wird [9 cm der Verdünnung | 9ccm der Verdünnung

unverdünnt + 1 ccm -+ 1 ccm

1 St. erhitzt

auf

EEE ©, g 56 +8 OU LA 300 ERREGE 57+4|61+5 350 Re 57+3|61+6 400 5745 6248 40) 373283 57+4|63+3 Tabelle VII. Tumor-TranssudatNr.11j Tuberkulose-Exsudat Tropfenzahl Das Trans- | sofort Iesch (St. bei PO) sofort esch) St bei mg bzw. Exsudat wird 9 ccm der 1/39- Ver- 9 ccm der 1/29-Ver- unverdünnt ünnung -+ 1l ccm dünnung -+ 1 com 1 St. erhitzt

Tumor-Antigen Nr. 834 verd. auf 1/250

destill. H,O

é krë +7

48 bis 500 SE 5943 0 god

08 ` Sien? Eg

78 8004) | 23885. 57 +6

88 9004)| ab 2228 57+5

98 „10004)j A SS 67 +3

reaktion durch Vergrößerung der spezifischen Ausschläge zu steigern; ob sich diese Modifikation bewährt, darüber sind Versuche im Gange, desgl. Versuche mit verschiedenen Salzen und Säuren, von denen bestimmte in passender Konzentration noch günstigere Resultate zu ergeben scheinen.

2) Münch. med. Wochenschr. 1910, Nr. 18.

3) Die mehr oder minder geronnenen Sera werden zentrifugiert; zu den Versuchen wird immer die klare Flüssigkeit verwendet.

4) Das mehr oder weniger geronnene Serum wurde 15 Minuten mit 19 Volumina 0,85°/,iger NaCl-Lösung geschüttelt.

9*

20 G. Izar: Tabelle VIII.

Leber-Carcinom Tropfenzahl sofort |nach 1St. bei 500

9 ccm der Verdünnung + 1 com

Tumor-Transsudat Nr. 11 Tropfenzahl sofort nach 1 St. bei 50°

Vor der Verdünnung wird das Serum ein- gefroren und auf 24 St. in den Eis- schrank gestellt.

ES sg S g ZS SS SZ Dauer ex, CES der Einfrierung PAE KEE Ss CW u Stunden E SE G E 60+4156+5|57+1|59+4 12 60 +4156+9|57+6|59+2 24 5947] 36 157476568 42 659 44 Tabelle IX. Ankylostomiasis Mamma-Carcinom d Tropfenzahl Tropfenzahl $ : Das sofort | n. 1 St. bei 50° | sofort | n. 1 St. bei 50° 5) E aufgetaute Serum |9 ccm der !/,,-Serum-]9 com der 1/2,- Serum- CP | , verdünnung -+ l com |verdünnung + 1 com T [=] 3 g e D 8 geprüft S E Q, 8 * z] Ss D IZ FI <n3 Š <B A EG 5 lte GET g 523 ER E > PO >

57 +7|57 +4157 +8|64 +2 12 sofort 58 +7[58+3159+1/62 +4 12 | nach 12 St. Eisschrank 58 + 2/57 +7158+5j64 +2 12 | nach 12St. Zimmertemp. |57 +2/57 +557 +857 +5157 +8|164 +3 24 sofort 58 + 6/59 +860 + 1/59 +2|60 +5 61+3 24 | nach 12 St. Eisschrank 158 + 4/59 +5160 -+2158 + 1159+262 +5 24 | nach 12St.Zimmertemp. |57 + 5|58 +2|58 +5157 +7/58 +4|64+56 36 sofort 59 +1160 +560 +7159+7| 62 |63 +1 36 | nach 12 St. Eisschrank |58 + 6/60 + 1/60 +258 +5; 60 |64+3 36 | nach 12St.Zimmertemp. |58 + 1|58 + 5/58 +7/58 +1158 +7/64+3 48 sofort 59 +461 43 61 +3| 60 162+2163 +1 48 | nach 12 St. Eisschrank | 59 60-66142169 4716144 6342 48 | nach 12St. Zimmertemp. |58 +6 60 +3|60 +5159 +361 +2|63+5 48 57 +7|58+4158+8]57+7| 59 |63+5

Die Tabellen V bis IX ergeben, daß durch 1stündiges Erhitzen der unverdünnten Flüssigkeiten auf 30 bis 50°, vor dem Anstellen der Reaktion, ihre Aktivität gesteigert wird;

Meiostagmine bei bösartigen Geschwülsten. 21

gleichsinnig, aber minder intensiv wirkt Istündiges Erhitzen sowohl der unverdünnten als verdünnten Ergüsse auf 58 bis 60°.1) Diese stärkere Wirksamkeit behalten die erhitzten Sera bei, auch wenn sie darauf längere Zeit im Eisschrank auf- bewahrt werden (Tab. IXa). Ob die Verwendung von vorher erhitzten Seris zur Vergrößerung der spezifischen Ausschläge praktisch vorteilhaft ist, beabsichtigen wir methodisch durch vergleichende Versuche an zahlreichen Sera zu prüfen.

Tabelle IXa.

Tumorserum (Magencarcinom)

Zeitpunkt nicht erhitzt 1 St. auf 48 bis 50°erhitzt der Prüfung nach Tropfenzahl nach 1 St. | Tropfenzahl nach 1 St. der Entnahme und bei 50° bei 50° (für das erhitzte 9 ccm des auf 1/30 9 ccm des auf 1/20

mit 0,85°/,iger NaCl-Lösungl mit 0,85 °/,iger NaCl-Lösung Serum) nach dem verd. Serums + 1 ccm verd. Serums + 1 ccm

Antigen Antigen destill.H,0| Nr.43, I|destill.H,0| Nr.43, verd.aufl/,, verd.auf!

Erhitzen

Das Einfrieren der (Voll-) Sera schwächt hingegen die Wirksamkeit der Meiostagmine ab: der Grad der Abschwächung steht mit der Dauer der Einfrierung im Zusammenhange. Werden die Sera aufgetaut und bei Zimmertemperatur auf- bewahrt, so erlangen sie, wie bei einem reversiblem Vorgange,

1) Aus den Versuchen von J. Traube (diese Zeitschr. 1908) ist bekannt, daß die Tropfenzahl von (Voll-) Blutserum durch Erhitzen zu- nimmt: die unspezifische, reversible Herabsetzung der Oberflächenspannung aller, sowohl Tumor- als Nichttumor- (Voll-) Sera infolge Erhitzens ist vorläufig streng zu unterscheiden von der in unseren Versuchen in Be- tracht kommenden spezifischen, anscheinend nicht reversiblen (Tab. IXa) Reaktionsfähigkeit der (verdünnten) Tumorsera, die gegenüber dem ent- sprechenden Antigen hervortritt, nämlich von der Meiostagminreaktion. Welche Beziehungen zwischen den zwei Erscheinungen verlaufen, bleibt zu erforschen; es fehlt uns noch das nötige experimentelle Material, um zu dieser Frage vorderhand Stellung zu nehmen.

22 G. Izar:

die ursprüngliche Wirksamkeit wieder, um so schneller, je kürzere Zeit dieselben eingefroren waren. 1

Wirkung von Phenol als Konservierungsmittel.

Die mit Zusatz von 0,4°/, Phenol (l cem 4°/ iger Phenol- lösung zu 9ccm Serum) konservierten Sera büßen ihre Meio- stagminwirkung nicht ein; im Gegenteil, sie reagieren stärker als die frischen Sera. Dabei nimmt aber sowohl die absolute Tropfenzahl der Blutsera als auch die spontane Abnahme der Oberflächenspannung, die dieselben schon durch lstündiges Er- hitzen auf 50° ohne jeglichen Zusatz erfahren, auch zu, was übrigens für alte Sera überhaupt zutrifft. 2)

Dieser Umstand muß bei der Beurteilung des Ausfalls der Reaktion berücksichtigt werden, und es gilt die Regel, daß für alte oder mit Phenol versetzte Sera der Ausfall der Reaktion keineswegs auf Grund der Differenz zwischen der Tropfen- zahl des verdünnten Serums allein vor der Reaktion und Tropfen- zahl von verdünntem Serum + Antigen nach lstündigem Ver- weilen bei 50° und darauf folgender Abkühlung auf Zimmer- temperatur zu berechnen ist; für alte oder mit Phenol ver- setzte Sera kommt hingegen allein die Differenz zwischen Tropfenzahl des verdünnten Serums mit Zusatz von l cem H,O und Tropfenzahl des verdünnten Serums mit Zusatz von l ccm Antigenemulsion, beide aber zu Ende des Versuches, d. h. nach lstündigem Erhitzen bei 50° und darauf folgender Abkühlung auf Zimmertemperatur, in Betracht; die Ausgangstropfenzahl ist nicht zu berücksichtigen. Um immer eine stereotype, mit- einander vergleichbare Resultate zulassende Versuchsanordnung zu befolgen, pflegen wir übrigens nunmehr den Ausschlag immer, auch in den Versuchen mit Serum nach diesem Maßstabe zu

1) Während das Einfrieren, im Gegensatz zum Erhitzen, die Meio- stagmine schädigt, also die spezifische Reaktionsfähigkeit der Blutsera gegenüber den entsprechenden Antigenen vermindert, erfährt die Ober- flächenspannung der Sera an sich durch Einfrieren dieselbe unspezifische Veränderung, die das Erhitzen hervorruft: die Oberflächenspannung wird herabgesetzt, wovon wir uns in ad hoc vorgenommenen Versuchen über- zeugen konnten: diese unspezifische Kältewirkung ist ebenso wie die Hitzewirkung reversibel.

2) Münch. med. Wochenschr. 1910, Nr. 4.

Meiostagmine bei bösartigen Geschwälsten. 23

berechnen, wie es M. Ascoli ursprünglich (Münch. med. Wochen- schr. 1910, Nr. 2) und Micheli und Cattoretti (l. ol auch gepflogen haben.

* WW

Zahlreiche Versuche habe ich ferner ausgeführt bezüglich der Frage, auf welche Bestandteile des Blutserums die Meio- stagminreaktion zurückzuführen ist. Diese Untersuchungen, die größtenteils mit Tumormeiostagminen enthaltenden!) Ex- und Transsudaten ausgeführt wurden, werden fortgesetzt; bis jetzt bin ich zu keinem positiven Ergebnis gelangt. Ich führe des- halb vorläufig die negativen Befunde an und verzichte jetzt auf die Wiedergabe der Protokolle.

Tabelle X.

Tuberkulose- Exsudat

1 Tag nach der 67+5157+761+3j 57 157+3/60+2157+1157+5157+7 Entnahme und dem Zusatz von 0,5°%/, Phenol

do. 8 Tage

do. 15 T (leichter Nieder-

57 +6158 +8162 +4157 +5158+4162+5157+558+3158+5 58+2159+563+3| 58 |159+3] 64 157+8159+459+5

schlag

abzentrifugiert) do. 30 Tage (Niederschlag abzentrifugiert) do. 45 Tage (Niederschlag abzentrifugiert)

1) Gasbarrini, Wiener klin. Wochenschr. 1910, Nr. 33,

58 +3159 + 7/65 +5158 +2 60 +5165-+3158+4|59-+7160 +2

58 +5159 + 6/67 +2157 +8160 +3 166 +5158 +3160 +4|60 +6

24 G. Izar: Meiostagmine bei bösartigen Geschwülsten.

Die Fällung mit Kaolin und Mastix beraubt die Flüssig- keiten ihrer Reaktionsfähigkeit gegenüber Tumorantigen.

48stündige Dialyse schwächt dieselbe ab.

Mit den Globulinen (nach Hammarsten) fallen die Tumor- meiostagmine nicht aus.!)

Das vorherige Schütteln des unverdünnten Serums mit Äther beeinträchtigt die Meiostagminreaktion nicht; die Ather- extraktion des im Vakuum bei 37 bis 40° getrockneten Serums vernichtet sie, während das ohne Extraktion in Wasser wieder aufgelöste Serum die Meiostagminreaktion gibt.

Die Ather- sowie die Alkoholextrakte der Blutsera ent- halten keine Tumormeiostagmine.

Schließlich erwähne ich, daß es mir weder gelang, in den mit Kochsalzlösung gewaschenen und darauf in destilliertem Wasser gelösten Blutkörperchen noch im Harne Krebskranker Tumormeiostagmine nachzuweisen.

1) Micheliund Cattoretti, Münch. med. Wochenschr, 1910, Nr. 21.

Über die Oxydationsprozesse der Lipoide des Rückenmarks. Von

E. Signorelli. (Aus dem Institut für allgemeine Pathologie zu Neapel.) (Eingegangen am 10. September 1910.) Mit 1 Figur im Text.

In neueren Untersuchungen über den Oxydationsprozeß, der sich in den nervösen Markfasern während des Degenerations- zustandes abspielt, den die Unterbrechung ihrer anatomischen Kontinuität (Wallersche Entartung) zur Folge hat, beobachtete Scaffidi!) eine deutliche, beständige Vermehrung der Sauerstoff- aufnahme, die ihren Höhepunkt zwischen dem 3. und 5. Tage nach der Verletzung erreicht und unter langsamer Abnahme noch ungefähr 14 Tage anhält, d. h. während der Zeit, in der sich ungefähr die Erscheinung der Nervenfaserdegeneration abspielt.

Um diese Tatsache zu erkennen, spricht Scaffidi, gestützt auf die Erfahrung bei dem Degenerationsprozeß der Markfasern besonders bei der Erscheinung, die sich an der Markscheide abspielt und auf die neueren Beobachtungen Cousins?), Henriques und Hansens?) usw. über die Anwesenheit un- gesättigter Fettsäuren, die bei der Spaltung der Lecithine entstehen, die Vermutung aus, daß die bei seinen Unter- suchungen beobachtete Sauerstoffaufnahme unbedingt abhängt von der Anwesenheit solcher Säuren, die bei der Zerstörung

1) V. Scaffidi, Über den Atmungsstoffwechsel der Nervenfasern und dessen Reaktion. Diese Zeitschr. 25, 1910.

2) Cousin, Compt. rend. de l’Acad. d. Sc. 1903.

3) Henriques und Hansen, Skand. Arch. f. Physiol. 14.

26 E. Signorelli:

und Veränderung der Nervenmarkscheide infolge der Unter- brechung der anatomischen Kontinuität entstehen. Tatsächlich bildet sich während des Degenerationsvorganges einer Markfaser die Markscheide in Substanzen um, die aus den Fettreaktionen entstehen, und die sog. Myelinschollen ergeben Substanzmassen von fettiger Natur, die aus der Marksubstanz stammen, sich aber von denen unterscheiden, aus denen sich unter normalen Umständen die Markscheide zusammensetzt.

Aus den Untersuchungen Halliburtons?) ergibt sich in der Tat, daß die Markscheide in normalem Zustand an Lecithin gebundenen Phosphor enthält, der bei fortschreitender Degeneration verschwindet, und daß im Falle der Degeneration der größeren Nervenfasern eine ge-

wisse Menge Cholin im Blut nachweisbar ist, und zwar mit Hilfe der biologischen Methode.

Ohne Zweifel spaltet sich also das in der Markscheide unter normalen Umständen vorhandene Lecithin während des Degenerationsprozesses der Nervenfasern in seine bekannten Komponenten. Und sehr wahrscheinlich werden auch die andern Substanzen, die an ihrer Zusammensetzung beteiligt sind, mehr oder weniger tiefgehende chemische Veränderungen durchmachen.

Stammen nun aber denn die nicht gesättigten Fettsäuren, wie sie bei andern Lecithinen gefunden wurden, aus der Spaltung der im Rückenmark vorkommenden Lipoide?

Gibt es Fettsubstanzen unter den Komponenten der Mark- scheide, die fähig sind, sich in Anwesenheit von freiem Sauerstoff schnell zu oxydieren?

Meine Untersuchungen beschäftigen sich mit den Lipoiden des Rinderrückenmarks, aus dem sie mit Äther in einem Soxhlet-Apparat extrahiert wurden.

Das frische Rückenmark wurde zerhackt, rasch in Alc. abs. entwässert und dann in den Extraktionsapparat gebracht. Bei diesem Verfahren wird eine gewisse Menge von Lipoiden mit dem Alkohol fortgeführt, ein Verlust, der dem Zweck der Untersuchung nicht nachteilig war, sondern sogar das Einwirken des atmo- spbärischen Sauerstoffes verhindert, der den Ausgang der Unter- suchung in Frage gestellt hätte, wenn die Entwässerung mittels Austrocknung vollzogen worden wäre.

1) Halliburton, Chemical side of nervous activity, London 1901.

Oxydationsprozesse der Lipoide des Rückenmarks. 27

Die auf diese Weise ausgezogenen Lipoide wurden durch Verdampfung im luftleeren Raum vom Äther befreit und in Anwesenheit von inaktivem Gas oder in einem kleinen Kolben aufbewahrt, den man zuschmolz, nachdem man die Luft heraus- gelassen hatte.

Die Bestimmungen wurden mit einem Mikrospirometer von Thumberg (modifiziert von Winterstein) gemacht. Das Capillarrohr, in dem der Petroleumtropfen läuft, der die Druck- veränderungen in der Glaszelle, in der sich die Substanz in einer Probe befindet, anzeigt, war im Laboratorium ganz genau kalibriert worden.

Man brauchte für jede Bestimmung eine kleine Menge Substanz von genau bestimmtem Gewicht, die man im geeigneten Augenblick aus dem Recipienten, in dem sie nach der Extraktion aufbewahrt war, entnahm.

Die Glaszellen des Mikrospirometers wurden mit O, gefüllt. Die Versuche wurden im Winter bei einer zwischen 11° und 13° schwankenden Zimmertemperatur angestellt. Die Ablesung der Verschiebung des Tropfens im Mikrospirometer geschah gewöhnlich stündlich.

Die zahlreichen von mir angestellten Bestimmungen er- strecken sich auf Lipoide, die aus verschiedenen Rückenmarken stammten und voneinander getrennt extrahiert wurden.

Da nun die Ergebnisse sämtlicher Beobachtungen in den hauptsächlichsten Punkten übereinstimmten, so beschränke ich mich darauf, die gefundenen Werte einiger weniger Beobach- tungen anzugeben.

In der nachstehenden Tabelle ist die Menge O,, die von Lipoiden, die aus verschiedenem, in Gramm angegebenem Rücken- mark stammten, absorbiert wird, in Kubikmillimetern verzeichnet.

Aus dieser Tabelle ergibt sich, daB jedesmal O, verbraucht wird, wenn diese Lipoide in einen mit Sauerstoff gefüllten Raum gebracht werden.

Die Sauerstoffaufnahme beginnt plötzlich und dauert unter wech- selnder Intensität bei den verschiedenen Beobachtungen lange Zeit, oft noch nach 24 Stunden, an.

Ich will meine Betrachtung auf die Resultate beschränken, die sich in den ersten Stunden des Versuchs ergaben. Es zeigte sich, daß die in der ersten Stunde absorbierte Gasmenge pro Gramm Lipoidsubstenz in weiten Grenzen, d. h. zwischen 23,6 und 104 omm, schwankte,

28

E. Signorelli: Tabelle.

Menge des verbrauchten O, pro Gramm Substanz in

KISESSSEI SI ne QO

104

104,4 313 128 232 198 243,6 104,4 | 116 116 157,7 174 243,6 69,6 243,6 69,6 69,6 81,2

| 1276| 348 SE = 348 = 348 290 | 348 = > 348 = ae = = = 348 = 348 = 928| |116 | 1⁄4 92,8 | 116 | 174 92,8 | 104,4 | =

In der zweiten Stunde schritt der Verbrauch von O, in einer be-

stimmten Verhältnismäßigkeit fort. Dies geschah auch noch in den folgenden Stunden, in denen die Intensität der Erscheinung zur Abnahme neigte.

Im allgemeinen läßt sich behaupten, daß die Sauerstoff-

aufnahme in den ersten 4 bis 6 Stunden stark ist, dann aber

in cbmm

360 359 J29 300

sw bSS SS Bëss SR zs

e? Che

* SI et D aM e 2 CO

abnimmt. Siedürfteabhängen von der fortschreitenden Sätti- gung der Lipoide, die nach Aufnahme einer nach der größeren oder kleineren Ver- breitungsoberfläche der Li- poide veränderlichen Menge O, eintritt.

An einer graphischen Dar- stellung dieser Tatsachen läßt sich mit Leichtigkeit beobach- ten, wie sich die Erscheinung in großen Zügen im Diagramm abspielt, dessen Kurven den verschiedenen in der Tabelle angeführten Versuchen ent- sprechen.

Die veränderliche Menge des von den verschiedenen Li-

Oxydationsprozesse der Lipoide des Rückenmarka. 29

poiden absorbierten Sauerstoffes kann einesteils von der ver- schiedenen Herkunft (d. h. aus verschiedenen Rückenmarken) abhängen, andernteils, wie sich aus den in der Versuchstabelle angegebenen Beobachtungen ergibt, kann sie abhängen von der Zeit, die von dem Beginn der Extraktion bis zum Eintritt der Sauerstoffeinwirkung verstreicht.

Der Zweck dieser Beobachtungen war ein doppelter:

Erstens sollte untersucht werden, ob die Lipoide des Rückenmarks tatsächlich imstande seien, Sauerstoff zu ab- sorbieren.

Zweitens sollte die Erscheinung von einem ausschließlich qualitativen Standpunkt aus studiert werden.

Aus ihrer Gesamtheit ergibt sich, daß sich unter den Lipoiden der Markscheide nervöser Fasern Fettsubstanzen be- finden, die ungesättigt und infolgedessen fähig sind, Sauerstoff zu absorbieren.

Dieser OxydationsprozeßB geht langsamer vor sich als während der Markscheidendegeneration!),, und es läßt sich vermuten, daß er direkt von Faktoren abhängt, die während der Markscheidendegeneration selbsttätig den Zerfall der Kom- ponenten der Markscheide hervorrufen. Diese Faktoren sind unter den Bedingungen, wie ich den Versuch angestellt habe, vollständig ausgeschaltet.

Aus meinen Beobachtungen ergibt sich aber, daß sich auch unter den aus der normalen Markscheide ausgezogenen Lipoiden einige befinden, die nicht gänzlich gesättigt sind, und diese Tatsache gibt zum Teil den Grund an für den erheblichen Sauerstoffverbrauch der Markscheide gegenüber anderen Ge- weben des Körpers.

Nach den Untersuchungen Wintersteins?) und Scaffidis (l. c.) verbraucht das normale Rückenmark eines Frosches eine Sauerstoffmenge, die, verglichen mit dem Sauerstoff, die der gesamte Froschkörper verbraucht, nach Regnault und Reiset ungefähr 5mal (Winterstein) und 3mal (Scaffidi) mehr als die mittlere Menge des von den übrigen Geweben verbrauchten Sauerstofis ergibt.

1) Soaffidi, L o. 2) Winterstein, Zeitschr. f. allgem. Physiol, 6, 1907.,

30 E: Signorelli: Oxydationsprozesse der Lipoide des Rückenmarks.

Die Ursache für diesen vermehrten Sauerstoffverbrauch muß gesucht werden sowohl in der gesamten Funktionstätigkeit der Nervenzentren, wie Winterstein behauptet, als auch in der chemischen Natur der Markscheide der Nervenfasern. Denn die sie zusammensetzenden Lipoide sind zum großen Teil in vitro fähig, sich zu spalten und Sauerstoff zu absorbieren, indem sie also die ausschließlich von der Aktivität des nervösen Gewebes abhängige Oxydationserscheinung, wie sie sich im lebenden Tiere abspielt, in starkem Maße erhöhen.

Über die Oxydation von Aldehyden in alkalischer Lösung.') Von Geo. W. Heimrod und P. A. Levene,

{Aus dem Rockefeller Institut, New York.)

(Eingegangen am 15. September 1910.) Mit 2 Figuren im Text.

In einer früheren Arbeit?) ist gezeigt worden, daß bei anodischer Oxydation des Acetaldehyds in saurer und neutraler Lösung Essigsäure entsteht, während in alkalischer Lösung Ameisensäure gebildet wird. Es schien uns nun von großem Interesse, den Mechanismus der Entstehung der Ameisensäure aus Acetaldehyd näher zu studieren, da wir hofften, auf diese Weise einen Einblick in das Verhalten der für biologische Vorgänge so wichtigen Aldehydgruppe zu erlangen. Zu diesem Zwecke suchten wir die anodische Oxydation durch eine rein chemische zu ersetzen.

Nun ist zwar von Denis?) das Verhalten von Acetaldehyd dem neutralen und alkalischen Permanganat gegenüber untersucht, die Bildung von Ameisensäure jedoch nicht konstatiert worden. Da Frl. Denis aber nachwies, daß Essigsäure von alkalischem Permanganat so gut wie gar nicht angegriffen wird, so schloß sie, daß die große Menge der entstandenen Kohlensäure das Oxy-

1) Diese Arbeit war in ihrem experimentellen Teile bereits vor mehr als Jahresfrist beendet. Umständehalber konnte aber erst jetzt zur Ver- öffentlichung derselben geschritten werden. Inzwischen sind einige der hier wiederzugebenden Versuche bereits von anderer Seite veröffentlicht worden.

2) Geo. W.Heimrod und P A. Levene, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 41, 4443, 1908.

2) American Chem. Journ. 38, 561, 1907.

32 G. W. Heimrod und P. A. Levene:

dationsprodukt der intermediär gebildeten Ameisensäure sei. Nach der von ihr angenommenen Ansicht Nefs unterliegt der Acetaldehyd in Lösungen von mehr als !/,,/,iger Natronlauge einer teilweisen Umwandlung in Vinylalkohol:

CH, CH, Xo

Es soll nun gerade der Vinylalkohol sein, der bei der Oxy- dation den Angriff des mit der Carboxylgruppe verbundenen Kohlenstoffatoms gestattet, indem durch Aufnahme zweier Hydroxylgruppen Glykolaldehyd entsteht:

CH, CH,OH H-6_oH k ap

Diese Diose soll nun auf zweierlei Weise weiter oxydiert werden, entsprechend den zwei Dissoziationsgleichgewichten:

L CHOH H H E e

2. CH,0H 10-0

Nach dem Schema 1. wäre die Diose in Formaldehyd und Hydroxymethyliden gespalten, von denen das letztere vielleicht als reaktionsfähige Form des Formaldehyds aufzufassen wäre, wie sie z. B. Loeb bei der reversiblen Zuckerspaltung annimmt. Bei der Oxydation würden hieraus 2 Moleküle Ameisensäure entstehen. Dem zweiten Schema entsprechend, entsteht zu- nächst Athylidenoxyd, das durch Aufnahme zweier Hydroxyl- gruppen Glyoxal bilden soll, und dieses soll bei weiterer Oxy- dation zur Oxalsäure führen. Frl. Denis hat dementsprechend bei der Oxydation mit Permanganat neben Essigsäure Oxal- säure und Kohlensäure gefunden. Daß hierbei die Oxalsäure und Kohlensäure nicht durch einfache Oxydation der Aldehyd- gruppe zur Carboxylgruppe und weitere Oxydation der Essig- säure entstehen können, ist ohne weiteres aus der großen Be- ständigkeit der letzteren gegenüber alkalischem Permanganat zu schließen. Es muß vielmehr zunächst eine Oxydation der in «-Stellung befindlichen Kohlenstoffgruppe stattfinden. Man

rm

Oxydation von Aldehyden in alkalischer Lösung. 33

kann daher nicht daran zweifeln, daß als erstes Oxydations- produkt Glykolaldehyd sich bildet. Dagegen fehlen noch Be- weise für die Stufen, die bei weiterer Oxydation dieses Zuckers durchlaufen werden. Aber gerade hier liegt das größte Interesse der Chemiker und Biologen.

Wir wiederholten nun zunächst den von Denis beschrie- benen Versuch der Oxydation des Acetaldehyds durch alkalisches Permanganat, indem wir die von Denis angegebenen Mengen- verhältnisse genau innehielten. Statt jedoch den Acetaldehyd langsam in die alkalische Permanganatlösung fließen zu lassen, gaben wir die letztere tropfenweise zu dem Acetaldehyd, wo- durch also bis gegen Ende stets ein Überschuß an Acetaldehyd vorhanden war. Von Zeit zu Zeit wurden kleine Proben ent- nommen und auf Ameisensäure geprüft. Die Probe wurde mit vermehrter Zugabe des Permanganats immer kräftiger, war aber nach 24stündigem Stehen des Aldehyd-Permanganatgemisches völlig verschwunden. Dies beweist also, daß Ameisensäure, wenn auch nur vorübergehend, unter diesen Versuchsbedingungen gebildet wird. Eigentümlicherweise konnte Oxalsäure nicht nachgewiesen werden.

In einem weiteren Versuche wurde die fast vierfache Menge Acetaldehyd mit der unveränderten Menge Alkali und Perman- ganat langsam versetzt. Nach 24 stündigem Stehen fanden sich in der Lösung beträchtliche Mengen Ameisensäure vor, aber keine Oxalsäure. Bei vorsichtigem Arbeiten scheint also Oxal- säure nicht in wesentlicher Menge zu entstehen. Da letztere aber der einzige von Frl. Denis gelieferte Beweis für die inter- mediäre Bildung der Diose ist, so bleibt es unentschieden, ob bei vorsichtiger Oxydation des Acetaldehyds zu Ameisensäure ebenfalls die Diose intermediär entsteht. Wir haben daher zunächst Glykolaldehyd und Glyoxal mit der von Denis verwendeten Kalilauge-Permanganat-Mischung oxydiert, wobei wir wiederum das Oxydationsgemisch in die im Überschuß vorhandene Lösung gaben. In beiden Fällen entstanden nur äußerst geringe Mengen von ÖOxalsäure, während das Hauptprodukt der Oxydation wiederum Ameisensäure war. Demnach liegt nichts Unwahr- scheinliches in der Annahme, daß die von Denis beobachtete Kohlensäure und die hier gefundene Ameisensäure als Oxydations-

produkte des Glykolaldehyds anzusehen sind. Der normale Oxy- Biochemische Zeitschrift Band 20. 3

34 G. W. Heimrod und P. A. Levene:

dationsverlauf beim Glykolaldehyd wäre demnach der Abbau zur Ameisensäure, während unter gewissen Bedingungen auch Oxalsäure gebildet werden kann. Welche Stufen aber im Ab- bau des Glykolaldehyds durchlaufen werden, ob z. B. eine Dissoziation zu Hydroxymethyliden und Formaldehyd, oder ob Oxydation zu Glykolsäure mit darauf folgender Spaltung zu Kohlensäure und Formaldehyd, oder ob endlich Oxydation zu Glyoxal und Spaltung in 2 Moleküle Ameisensäure stattfindet, darüber läßt sich auf Grund der bisherigen Resultate nichts Direktes sagen.

Wir suchten daher zunächst nach alkalischen Oxydations- mitteln, die statt des von Denis verwendeten Permanganats zur Oxydation des Acetaldehyds dienen konnten. Die in einer alkalischen Lösung oxydierend wirkenden Oxyde oder Per- oxyde CuO, Ag,O, HgO, MnO,, PbO, konnten hierfür kaum in Frage kommen, da ihre Wirkung erst bei höherer Temperatur merklich wird, bei der die Kondensation des Acetaldehyds in alkalischer Lösung zu schnell vor sich geht. Denselben Fehler zeigt eine alkalische Lösung von Kaliumferricyanid. Im Eis- schrank aufbewahrt war nach 24 Stunden der Acetaldehyd zu einem rotbraunen Harz kondensiert, und in der Lösung waren nur geringe Mengen Ameisensäure nachweisbar. Wurde jedoch ein Gemisch von Ferricyanid, Natronlauge und Acetaldehyd gekocht, so fand rasche Entfärbung der Lösung statt. Wurde nun alles Ferro- und Ferrioyanid mittels Mercuriacetat gefällt, die Lösung vom Niederschlag abfiltriert, so ergab sich nach erneutem Kochen ein Nachweis der Ameisensäure durch Ausfällen des Mercuroacetats. Persulfat erwies sich dem Acet- aldehyd gegenüber in alkalischer Lösung als völlig unwirksam, dagegen zeigte Percarbonat in alkalischer Lösung die rasche Bildung von Ameisensäure. Dasselbe war der Fall bei alka- lischen Lösungen von Wasserstoffsuperoxyd, und da das letztere in großer Reinheit und Beständigkeit in 30°/ iger Lösung als Merksches Perhydrol in den Handel kommt, so wählten wir in der Folge dieses Oxydationsmittel für das Studium des Oxy- dationsverlaufs. Außer der leichten Entfernbarkeit des Über- schusses durch Katalysatoren schien uns ein besonderer Vorteil darin zu liegen, daß, wie Frankforter und West!) gefunden

1) Journ. Amer. Chem, Soo. 27, 714.

Oxydation von Aldehyden in alkalischer Lösung. 35

haben, alkalisches Wasserstoffsuperoxyd mit Formaldehyd W asser- stoffgas entwickelt. Es war daher nicht ausgeschlossen, die entwickelte Wasserstoffmenge direkt, wenn nicht als quantita- tives Maß, so doch als qualitativen Nachweis des etwa inter- mediär gebildeten Formaldehyds zu benützen.

Oxydation des Formaldehyds.

Ehe wir nun zur Oxydation des Acetaldehyds übergingen, hielten wir es für wesentlich, die Oxydation des Formaldehyds ein wenig näher zu studieren. Wie schon erwähnt, verläuft nach Frankforter und West bei Zimmertemperatur die Oxy- dation des Formaldehyds mit Wasserstoffsuperoxyd unter quanti- tativer Entwicklung von Wasserstoffgas. Soweit uns bekannt ist, ist dies der einzige Fall der Oxydation des Formaldehyds, der von Wasserstoffentwicklung begleitet ist. Da aber anderer- seits in der Literatur Andeutungen von Wasserstoffentwicklung organischer Substanzen mit Wasserstoffsuperoxyd vorkommen, so könnte man geneigt sein, dies für eine Eigenart der Wasser- stoffisuperoxyd-Oxydation zu halten. Uns schien es nun viel- mehr eine Eigenart der alkalischen Oxydation des Formaldehyds zu sein, so daß dieselbe Erscheinung auch bei anderen alka- lischen Oxydationsmitteln wiederkehren sollte. ` Daß sie be- kanntlich bei alkalischem Permanganat bislang nicht beobachtet worden ist, braucht uns nicht zu verwundern, da der frei werdende Wasserstoff sofort oxydiert wird. Von den anderen Oxydationsmitteln haben Frankforter und West PbO, und MnO, ohne Wirkung auf Formaldehyd gefunden, doch sind die Lösungen offenbar nicht alkalisch gewesen. Wir haben daher einige Versuche in dieser Richtung unternommen, wobei wir uns des umstehenden einfachen Apparates bedienten (Fig. 1).

Ein als GasauffanggefäB dienender 1 1-Kolben G war mit doppelt- durchbohbrtem Gummistopfen verschlossen. Die bis zum Boden reichende Glasröhre war mit der Nivellierbirne B verbunden. Durch die andere Bohrung führte eine nur bis unter den Kork reichende Röhre zu dem Dreiweghahn C, dessen zwei andere Ableitungen einerseits zur Gas- pipette III, andererseits zum Gasentwicklungsgefäß II führten. Der Dreiweghahn führte im Glaskonus ein kleines eingebohrtes T-Rohr,!)

1) Der gewöhnliche Zweiweghahn, der zur Verbindung einer Röhre mit je einer von zwei rechtwinklig zur ersten stehenden Röhre dient,

iäßt sich hierzu sehr gut verwenden, indem man den einen der recht- KA

36 G. W. Heimrod und P. A. Levene:

wodurch es in einfacher Weise möglich war, jede gewünschte Verbindung mit den drei Teilen des Apparates herzustellen. Das Entwicklungsgefäß bestand aus einem kleinen Erlenmeyerschen Kolben E, der mit einem Gummikork verschlossen war. Außer dem Gasableitungsrohr trug der Stopfen ein kleines, bis zum Boden des Erlenmeyer reichendes Trichter- rohr T, das durch einen Glashahn oder durch einen Gummiquetschhahn verschlossen werden konnte. Nach Vertreibung aller Luft aus dem Gas- behälter wurde das Trichterrohr des Erlenmeyers geschlossen und der Dreiweghahn so gestellt, daß der Erlenmeyerkolben mit dem Gasauffang- gefäß kommunizierte, dagegen nicht mit der Glaspipette. Nach Ab- kühlung oder Erwärmung des Erlenmeyerschen Kolbens und Ein- führung der zu oxydierenden Flüssigkeit durch das Trichterrohr wurde das entwickelte Gas in der Gasflasche aufgefangen. Nach beendeter Re- aktion konnte der Erlenmeyer durch das Trichterrohr vollkommen auf- gefüllt werden, um alles Gas hinüber zu treiben. Der Dreiweghahn wurde dann so gestellt, daß der Erlenmeyer verschlossen war, während die Gasflasche mit der Gaspipette kommunizierte (/ und III).

ei

Fig. 1.

Das aufgefangene Gas konnte .nun in der gewöhnlichen Weise analysiert werden; etwa vorhandener Wasserstoff wurde durch Explosion in bekannter Weise oder durch Oxydation mit Sauerstoff im Dennstedt- schen Verbrennungsrohr bestimmt.

winklig aufeinander stehenden Kanäle im Glaskonus völlig durchführt. Hierzu brioht man die Spitze eines Drillbohrers scharf ab. Vorteilhaft härtet man den Bohrer durch Ausglühen und plötzliches Abkühlen in konzentrierter Schwefelsäure, wobei man sich vor dem Umherschleudern der Säure schützen muß. Mit diesem außerordentlich stark gehärteten Bohrer läßt sich Glas leicht durchbohren, wenn man es mit einer Lösung von 35 g Campher, 100 ccm Äther und 50 ccm Terpentinöl als Scohmier- mittel gut befeuchtet. Durch Fortführung des einen Schenkels der recht- winkligen Durchbohrung bildet man im Glaskonus selbst ein kleines T-Rohr.

Oxydation von Aldehyden in alkalischer Lösung. 37

Die Versuche wurden nun so angestellt, daß der Erlen- meyersche Kolben ca. zur Hälfte mit dem Oxydationsgemisch gefüllt und zum Kochen gebracht wurde, wodurch die Luft aus der Röhre III ausgetrieben wurde. Nach Verbindung von I und II wurde Formaldehyd durch 7’ zur kochenden Lösung langsam hinzugefügt. Nach beendeter Zugabe wurde das Kochen einige Zeit fortgesetzt und darauf das Gas völlig nach @ hin- übergedrückt. Vor der Explosion wurde das Gas zur Ent- fernung etwa verdampften Formaldehyds mit Wasser geschüttelt. Nach der Explosion wurde durch eine Kontrollbestimmung etwa vorhandener CO, die Abwesenheit von CH,O sichergestellt. Die folgenden Resultate wurden erhalten:

Oxydationsmittel Fan a CrO, + KOH 31 K,Fe(CN), + KOH 27 PbO, + n-NaOH 4l Ae) + KOH 33 CuO + KOH 95 MnO, + KOH 101

(aus MnSO, + KMnO,) HgO + KOH (gelb aus Mercuriacetat + KOH) Mit Ausnahme des Quecksilberoxyds, das schon in der Kälte zu Quecksilber reduziert wurde, entwickelten sämtliche Oxydationsgemische Wasserstoffgas aus Formaldehyd. Die Lösungen gaben stets eine so starke Ameisensäurereaktion, daß es wahrscheinlich ist, daß neben der Oxydation mit Wasserstoff- entwicklung auch eine solche ohne die letztere stattgefunden hat, d. h. Wasserstoff ist entweder sofort oxydiert, oder die Reaktion 2CH,0 + KOH = HCOOK + CH,OH

ist nebenher verlaufen. Dies beeinträchtigt aber nicht die Schlußfolgerung, daß Formaldehyd ganz allgemein bei der Oxy- dation in alkalischer Lösung Wasserstoffgas entwickelt. Quanti- tativ findet dies allerdings nur bei der Oxydation mit alkalischem

Wasserstoffsuperoxyd unter bestimmten Bedingungen statt.

Oxydation von Polyalkoholen.

Die Frage, die uns nun interessiert, ist, ob andererseits die Wasserstoff- entwicklung bei organischen Oxydationen dahin gedeutet werden darf, daß

38 G. W. Heimrod und P. A. Levene:

intermediär Formaldehyd entwickelt worden ist. Buchner, Meisen- heimer und Schade?) haben z. B. bei der Oxydation von Glucose mit alkalischem Wasserstoffsuperoxyd die Entwicklung von Wasserstoff be- obachtet. Sie erklären dies durch die Annahme der Entstehung von Formaldehyd, ohne hierfür irgendwelchen experimentellen Beleg zu bringen. Nun haben aber Gläser und Morawski®) bekanntlich gezeigt, daß bei der Oxydation von Glykol, Glycerin, Erythrit und Mannit und ver- schiedenen Zuckerarten mit Bleisuperoxyd in alkalischer Lösung Wasser- stoff entwickelt wird. Sie erklären den Vorgang als das Freiwerden der endständigen Wassertoffatome der primären Alkoholgruppen, z. B.:

H—CHOH : CHOH > H,--3HCOOH. H.—CHOH

Abgesehen davon, daß bei höheren Polyalkoholen die Entfernung der primären Alkoholgruppen eine immer größere, die Wasserstoffabspaltung dagegen scheinbar eine immer leichtere wird, so gibt uns ein derartiges Schema doch keinen Aufschluß über den Mechanismus der Wasserstoff- abepaltung. Außerdem haben auch diese Autoren Wasserstoff bei der Oxydation von Tetrose beobachtet, bei der ja nur eine einzige primäre Alkoholgruppe im Molekül vorhanden ist. Wir haben daher die Versuche von Gläser und Morawski wiederholt, ohne jedoch die quantitative Seite der Frage zu berühren. Wir konnten in allen Fällen Wasserstoff- entwicklung und Ameisensäurebildung bestätigen. In gleicher Weise ver- liefen Versuche mit Glykolaldehyd und mit Glycerinsäure. Beide ent- halten nur je eine primäre Alkoholgruppe. Beide aber entwickeln Wasserstoff mit viel größerer Leichtigkeit als ihre entsprechenden Alko- hole, Glykol und Glycerin. So z. B. entstanden beim Erhitzen von Be Calciumglycerinat mit 10 g PbO, und 40 ccm 4n-NaOH 380 oom Wasser- stoff. Nimmt man an, daB die Oxydation nach der Gleichung verläuft:

coo | CHOH | Ca -+ 50 = CaCO, +- CO; -+ 4 HCOOH + H,,

pop), so sollten 391 com H, aus 5g (C,H,0,)»,Ca-+2H,O entstehen. Die nahe Übereinstimmung des gefundenen Wertes mit diesem ist wohl eine zufällige, sie beweist aber die Richtigkeit der Reaktionsgleichung, also die Entwicklung eines Atoms Wasserstoff für je eine primäre Alkohol- gruppe. Da aber die Abspaltung eine weit leichtere ist, als bei dem zwei CH,OH-Gruppen im Molekül enthaltenden Glycerin, so will uns der Gläser und Morawskische Reaktionsmechanismus nicht sehr wahr- scheinlich dünken. Nun beobachteten wir bei der Prüfung sämtlicher Reaktionsgemische mit Tryptophan und Schwefelsäure starke Violett-

1) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 39, 4217, 1906. 2) Monatsh. f. Chem, 10, 582, 1890.

Oxydation von Aldehyden in alkalischer Lösung, 39

färbung auch ohne Verwendung von H,PO,. Die Lösungen enthielten demnach sämtlich Formaldehyd.) Die Annahme liegt daher nahe, daß bei dem heftigen Angriff dieser Substanzen in starkem siedendem Alkali ein völliger Zerfall des Moleküls unter Entstehung von HCHO aus jeder ` CH,OH-Gruppe stattfindet. Der Formaldehyd unterliegt dann sofort weiterer Oxydation unter Wasserstoffentwicklung, wie man nach unseren Versuchen mit Formaldehyd erwarten muß.

Um dies noch in etwas anderer Weise zu prüfen, unterwarfen wir Glykol und Glycerin der alkalischen Oxydation mit Wasser- stoffsuperoxyd, bei denen, falls das eben skizzierte Schema richtig ist, die Entwicklung des Wasserstoffs ebenfalls auftreten sollte. Es wurde daher Glykol mit Natriumhydroxyd im Erlenmeyerschen Kolben gemischt und hierzu Wasserstoff- superoxyd durch das Trichterrohr gefügt. Das entwickelte Gas wurde zur Bestimmung etwa vorhandener geringer Wasserstoff- mengen durch eine Dennstedtsche Verbrennungsröhre über erhitztes Platin geleitet.

5g Giykol, 10 oom 4n-NaOH, Beem H, O,.

Nach Ö5tägigem Stehen bei Zimmertemperatur war in dem ent- wickelten Gase (500 com) Wasserstoff nicht nachweisbar. Die Lösung wurde mit H,SO, angesäuert und unter vermindertem Druck destilliert, wobei das Destillat in einer bekannten Menge reiner Bariumhydratlösung auf- gefangen wurde. Durch Titration und Bariumionenbestimmung in ali- quoten Teilen konnten sowohl die Gesamtsäure (HCO, + flüchtige organische Säure), wie auch die organische Säure allein bestimmt werden. Gefunden wurden 24,1ccm Sie organische Säure und 9,4 com ?/10- HCO}. Oxalsäure war im Reaktionsgemisch nicht nachweisbar. Offenbar ist der größte Teil des Wasserstofisuperoxyds bei der starken Alkalikonzentration zersetzt.

5g Giykol, 10ccm 4n-NaOH, 25ccm H,O, l cem H,0,.

Die Lösung wurde zum Kochen erhitzt, nach einiger Zeit alles überschüssige H,O, durch Platin zerstört. Im Gase war Wasserstoff nicht nachweisbar. Durch Destillation und Titration der Barytlösung wurden 13,3 ocm */,„-Ameisensäure, 20,4 com */,o-H,CO, gefunden. Letz- terer Wert ist wahrscheinlich zu hoch.

5g Glykol, 12,5odm 4n-Na0H, 12,5com H,0, Beem H303.

Die Mischung wurde zum Kochen erhitzt. Im Gase war wiederum kein Wasserstoff nachweisbar. In der Lösung wurde die Ameisensäure nach der Leysschen Methode?) mit Merouriacetat bestimmt. Gefunden wurden 41,4 oom °/,„-HCOOH. Die Lösung zeigte starke Violettfärbung

1) Geo. W. Heimrod und P. A. Levene, diese Zeitschr. 25, 18, 1910. l D Bull. Soc. Chim. Paris [3] 19, 472 bis 478.

40 G. W. Heimrod und P. A. Levene:

bei der Tryptophan-H,PO,-Probe, dagegen Bräunung bei der Hehner- schen Probe. Wahrscheinlich ist demnach kein Formaldehyd, sondern Glykolaldehyd vorhanden.

Aus diesen Resultaten wäre zu schließen, daß bei den hier eingehaltenen Versuchsbedingungen Glykol nicht unter intermediärer Bildung von Formaldehyd zu Ameisensäure oxy- diert wird. Vielmehr scheint die Oxydation über Glykolaldehyd zu erfolgen, wobei wahrscheinlich Glyoxal das nächste Oxy- dationsprodukt darstellt. Ob es nicht dagegen unter anderen Bedingungen auch unter Formaldehydbildung oxydiert werden kann, war uns leider aus Materialmangel nicht möglich zu untersuchen. Wir wandten uns daher zur Oxydation des leichter zugänglichen Glycerins. Zunächst wurden einige orientierende Versuche über den Einfluß der Alkalinität unternommen.

10 g Glycerin, 10 com 4n-NaOH, 30ccm H,O, 5 ccm 30°/,iges H-Oe,

Wasserstoff war nicht entwickelt. H,O, war völlig verbraucht. Die Lösung enthielt viel HCOOH, gab mit Tryptophan in H,PO,-Lösung

starke Aldehydprobe, jedoch war die Hehnersche Probe auf Form- aldehyd zweifelhaft.

10g Glycerin, 20 com 4 n-NaOH, 20 eem HO, Beem H,0,. Im Gase befanden sioh ca. 39com H,. Die Lösung enthielt viel

HCOOH und gab sowohl mit der Tryptophan-H,PO,-Probe, als mit der Hehnerschen Probe starke Violettfärbung.

10g Glycerin, 40 com 4n-NaOH, 5com H,0O,.

Im Gase befanden sich ca. 100 com H,. Lösung wie im vor- stehenden Versuch.

Aus den Resultaten läßt sich wohl ganz eindeutig schließen, daß der Oxydationsverlauf des Glycerins mit alkalischem Per- oxyd je nach der Alkalinität verschieden verlaufen kann. Da- bei deuten die Proben auf Aldehyde (Tryptophan H. DO.) und auf Formaldehyde (Hehner) auf das Auftreten von Form- aldehyd bei starker Alkalinität, bei der die Oxydation wahr- scheinlich sehr heftig verläuft. Gerade bei diesen aber tritt Wasserstoffentwicklung ein, so daß es höchst wahrscheinlich ist, daß der Wasserstoff durch Oxydation des primär ent- standenen Formaldehyds gebildet wird.!) Bei gemäßigter Oxy-

1) Seit dem Abschluß dieser Arbeit hat C. Neuberg (diese Zeit- schr. 17, 270, 1909) bei der Elektrolyse reiner wässeriger Lösungen von Glycol, Glycerin und Erythrit Formaldehyd aufgefunden (s. bes. 8.287 L o.)

ein ähnliches Resultat erhielt W. Loeb (diese Zeitschr. 17, 343, 1909) be der elektrolytischen Oxydation von Glycerin in schwefelsaurer Lösung.

Oxydation von Aldehyden in alkalischer Lösung. 41

dation aber scheint ein Abbau des Glycerinmoleküls ohne Ab- spaltung von Formaldehyd stattzufinden. Für die quantitative Bestimmung der bei der Oxydation des Glycerins entstehenden Säure wurden folgende Versuche angestellt: 10 g Glycerin, 40 com 4n-Na0H, 5ccm H,O,

wurden erwärmt. Das entwickelte Gas bestand zum größten Teil aus Sauerstoff, es enthielt 43,2 ccm Wasserstoff. Nach Zerstörung allen Wasser- stoffsuperoxyds wurde die gesamte Lösung nach Ansäuerung mit H,SO, im Vakuum destilliert und das Destillat in Bariumhydratlösung auf- gefangen. Aus der Titration und Bariumionenbestimmung berechneten sich 34,9com ?/io HCOOH und 51,9 com ?/10-HCO,. Da die Kohlen- säure wahrscheinlich durch Oxydation der zuerst entstandenen Ameisen- säure entsteht, so entsprechen 51,9 ccm H,CO, 25,9 ocm HCOOH. Dem- nach war die gesamte aus Glycerin entstandene Ameisensäure 25,9 + 34,9 = 60,8 com HCOOH. Verläuft die Reaktion nach der Gleichung I:

C,H,0, + 3 H,0, = H, -+ 3 HCOOH + 3H,0, so entsteht 22,3 com Wasserstoff für je 30 ccm ?/,,-HCOOH. Demnach

sollten bei 60,8 eem "/,„.HCOOH —— = 45,3com Wasserstoff ent-

wickelt werden. Diese Zahl ist nicht allzu weit von der wirklich ge- fundenen 43,2 entfernt.

In einem anderen Versuche wurden 10g Glyoerin, 20 com 4 n-NaOH, 20ccm H,O, 5ccm H303 auf ca. 60° erwärmt. Die entwickelte Wasserstoffmenge betrug 83,9 com. Durch Titration des Destillats wurden 143 com So HCOOH und 27,7 com Se Ha gefunden. Macht man dieselbe Annahme betreffe der H,CO,- Entstehung, so war die gesamte Ameisensäure 143 -+ 1/, 27,7 = 157 com »/o-HCOOH, die zur Bildung von —— 116,7 ocom Wasserstoff hätten führen sollen. Wiederum ist also bei verminderter Alkalinität die beobachtete Wasserstoffmenge gegenüber der zu erwartenden eine geringere. Mit anderen Worten: die Oxydation des Glycerins zur Ameisen- säure ist nur teilweise der Gleichung I gefolgt. Nebenher muß auch die Reaktion II: C,H,;0, + 4H,0, = 3HCOOH + 5H,0

verlaufen.

Beim nächsten Versuche wurde die Alkalinität noch weiter vermindert, außerdem wurde die Mischung nicht erhitzt, sondern

mehrere Wochen lang bei Zimmertemperatur sich selbst überlassen. Die Mischung bestand aus ù 10 g Glycerin, 10 ocm 4 n-NaOH, 5com H,O, und genügend Wasser, um das Gesamtvolumen auf 80 ccm zu bringen. Wasserstoffgas wurde nicht entwickelt. Nachdem Wasserstoffisuperoxyd vollständig verschwunden war, wurde die Säure in der gewöhnlichen

42 G. W. Heimrod und P. A. Levene:

Weise bestimmt. Es fanden sich 25,9 ccm °/,,-H,CO, und 121,9 com a/o-HCOOH. Daß die letztere wirklich nur aus Ameisensäure bestand, wurde außerdem noch besonders durch Ameisensäurebestimmung nach Leys mittels Mercuriacetat festgestellt. Aus dem niedergeschlagenen Kalomel berechnete sich ein Gesamtgehalt von HCOOH von 117,4 com, was mit dem oben gefundenen Werte gut übereinstimmt. Die einzige flüchtige organische Säure ist demnach Ameisensäure. Ob auch nicht- flüchtige Säure, wie Glykol-, Glyoxal- und Glycerinsäure, gebildet wird, wurde nicht festgestellt, doch war mit Sicherheit die Gegenwart von Oxalsäure ausgeschlossen.

Endlich sollte noch festgestellt werden, daß das Ausbleiben der Wasserstoffentwicklung im letzten Versuche nicht durch die niedrige Temperatur, sondern durch die geringe Alkalinität bedingt war. Es wurden deshalb

10 g Glycerin, 40 ccm 4 n-NaOH, Beem H,O, bei Zimmertemperatur sich selbst überlassen. Nach 12 Stunden hatten sich 24 com Wasserstoff entwickelt, die in weiteren 24 Stunden um 36 ccm vermehrt wurden, im ganzen also 60 com. Hieraus folgt, daB die Temperatur zwar einen großen Einfluß auf die Reaktionsgeschwindig- keit ausübt, aber nur einen sekundären auf den Mechanismus der Oxy- dation, welch letzterer vielmehr durch die Hydroxylionenkonzentration bestimmt wird. Ist letztere groß, so scheint ein völliger Zerfall des Glycerinmoleküls stattzufinden, wahrscheinlich unter primärer Bildung von 2 Molekülen Formaldehyd:

CHOH OH cCH,(OH, CH,O

CHOH + OH = CH(OH), = HCOOH

CHOH OH cCH,OH, CH, -+ 3H,0

Der Formaldehyd wird dann sofort unter Wasserstoffentwicklung zu Ameisensäure oxydiert. Die Bruttogleichung dieses Vorganges ist Gleichung I. . Bei niedriger Hydroxylionenkonzentration findet dagegen ein langsamer stufenweiser Abbau statt, dessen einzelne Stadien sich noch nicht angeben lassen, bei denen aber voraussichtlich Glycerinaldehyd oder Dihydroxyaceton die Anfangsstufen darstellen und Formaldehyd als Zwischenprodukt nicht auftritt.

Daß analog dem Glycerin auch Erythrit bei der Oxydation mit Wasserstoffsuperoxyd Wasserstoff entwickelt, wurde durch folgenden Versuch bewiesen:

2g Erythrit, 40 ocm 4n-NaOH, Beem H,O, entwiokelten beim Erhitzen 37,3 ccm Wasserstoff. In der Lösung war Ameisensäure.

Als Ergebnis unserer Versuche mit Formaldehyd einerseits

und mit Glycerin andererseits glauben wir schließen zu dürfen,

daß wir die Entwicklung von Wasserstoffgas bei der alkalischen

Oxydation von Aldehyden in alkalischer Lösung. 43

Oxydation organischer Substanzen mit Wasserstoffsuperoxyd, wenn nicht als quantitatives Maß, so doch als Indicator für das Auftreten von Formaldehyd ansehen dürfen.

Oxydation von Acetaldehyd.

Ehe wir nun zum Studium der Acetaldehydoxydation über- gingen, mußten wir uns zunächst über zwei Punkte Klarheit verschaffen. Da wegen der außerordentlich leichten Konden- sationsfähigkeit des Acetaldehyds die Oxydation desselben bei ca. vorgenommen werden mußte, so war zunächst fest- zustellen, ob Formaldehyd bei niedriger Temperatur die theo- retische Menge Wasserstoffgas entwickelt. Ferner mußte bestimmt werden, wie sich Formaldehyd in Gegenwart von Acetaldehyd bei der Oxydation verhält. Nach einigen vergeblichen Ver- suchen, bei denen das Gemenge sich bei der Heftigkeit der Reaktion erwärmte, wurden die im Erlemeyerkolben befind- lichen 40 ccm verdünnter Formaldehydlösung durch eine Eis- kochsalzmischung auf 10° unter Null abgekühlt. Darauf wurde durch den Trichter eine ebenfalls stark abgekühlte Lösung von 2 ccm Wasserstofisuperoxyd, 10 ccm 4n-NaOH und 30 ccm Wasser sehr langsam eingelassen, wobei dafür Sorge getragen wurde, daß die Temperatur im Kölbchen stets unter blieb. Darauf wurde der ganze Apparat in den Eisschrank gestellt, wo er mehrere Stunden verblieb. Nun wurde das Gas völlig aus dem Erlenmeyer verdrängt, auf Zimmertemperatur erwärmt und quantitativ bestimmt. Entwickelt waren 456 ccm Wasser- stoff, während mit den gleichen Mengen, wenn die Reaktion bei Zimmertemperatur verlief, 458 ccm entwickelt wurden. Hieraus ist ersichtlich, daß die Wasserstoffentwicklung bei der Oxydation des Formaldehyds auch bei Temperaturen unter völlig quantitav verläuft. Über das Verhalten des Formaldehyds bei Gegenwart von Acetaldehyd geben die folgenden Versuche Aufschluß.

10 ccm einer willkürlich gewählten Formaldehydlösung entwickelten 165 com Wasserstoff. Wurde dieselbe Menge Formaldehyd mit 10 ccm einer 20°/,igen Acetaldehydlösung und 20 ocm Wasser unter starker Ab- kühlung vermischt und hierzu ein Gemisch von 15 com 4 n-NaOH, 5 ccm H,O, und 20 ccm H,O gesetzt, so wurden 130 ccm Wasserstoff ent- wickelt. Darauf wurde in einem dritten Versuch das Alkali dem Aldehyd- gemisch vor Hinzufügung des Wasserstoffsuperoxyds beigegeben. Es

44 G. W. Heimrod und P, A. Levene:

wurden also 10 com Formaldehyd, 10 oom Acetaldehydlösung, 10 ccm 4n-NaOH und 10 ccm H,O unter starker Abkühlung vermischt und nach kurzem Stehen mit 5 com NaOH, 5 ccm H,O, und 30 ccm H,O versetzt. Die entwiokelte Gasmenge betrug 100 ccm. Bei Wiederholung dieses Versuches wurde das Aldehyd-Alkaligemisch vor der Oxydation 15 Mi- nuten bei sich selbst überlassen. Die entwiokelte Gasmenge war auf 30 com zurückgegangen. In allen Fällen waren die Lösungen stark alkalisch und Weasserstoffsuperoxyd im Überschuß vorhanden. Trotzdem verminderten wir in dem nächsten Versuch die Acetaldehydmenge unter Erhöhung der Wasserstoffsuperoxyd-Konzentration. Es wurden also 10 ccm Formaldehyd, 5 ccm Acetaldehyd, 10 com NaOH und 15 ccm H,O 35 Minuten sich selbst überlassen. Dann wurden 5 com NaOH, 5 com H,O, und 10 ocm H,O hinzugefügt. Nach Beendigung der Gas- entwicklung wurden dann weitere 5 eem H,O, und 15 ccm H,O nach- gegeben. Nach längerem Stehen wurde die gesamte Gasmenge zu 25 ccm bestimmt.

Aus diesen Resultaten folgt, daß unter Einfluß des Alkalis eine Kondensation des Acetaldehyds mit dem Formaldehyd stattfindet, wodurch Produkte entstehen, die keinen Wasserstoff entwickeln, d. h. bei deren Abbau Formaldehyd nicht wieder gebildet werden kann, da sonst zum mindesten das gleiche Volumen Wasserstoff hätte entwickelt werden sollen.!) Es wäre ja auch denkbar, daß der aus dem Formaldehyd entwickelte Wasserstoff den gleichzeitig vorhandenen Acetaldehyd reduziert, und somit zu niedrige Wasserstoffwerte ergebe. Dies aber ist höchst unwahrscheinlich, da die Menge des entwickelten Wasser- stoffs von der Zeit abhängt, während welcher Formaldehyd und Acetaldehyd vor der Oxydation miteinander in Berührung ge- wesen sind. Wir glauben daher, die Möglichkeit der Aufnahme von Wasserstoff durch Acetaldehyd bei der Oxydation des Formaldehyds ausschließen zu können und die Abnahme in der entwickelten Wasserstoffmenge durch Kondensation zu höheren Zuckern erklären zu dürfen. Auf jeden Fall ist er-

2) Bei dieser Gelegenheit wollen wir erwähnen, daß Blank und Finkenbeiner (Ber. 31, 2979, 1899) bereits versucht haben, Acet- aldehyd mit alkalischem Wasserstoffsuperoxyd zur Säure zu oxydieren. Es scheint ihnen dabei entgangen zu sein, daß Ameisensäure entsteht. Wegen der Unvollständigkeit der Reaktion waren sie nicht imstande, eine quantitative Bestimmungsmethode darauf zu gründen. Aus unseren Versuchen ist ferner ersichtlich, daß die Frankforter und Westsche Methode der Formaldehydbestimmung mittels Wasserstoff bei Gemischen von Formaldehyd mit anderen Aldehyden zu ungenauen Resultaten führt.

Oxydation von Aldehyden in alkalischer Lösung. 45

sichtlich, daß auch bei Gegenwart von Acetaldehyd Wasserstoff bei der Oxydation von Formaldehyd entwickelt wird. Es scheint daher recht wohl möglich, durch Oxydation des Acetaldehyds mit alkalischem Wasserstoffsuperoxyd die Frage zu entscheiden, ob Formaldehyd als intermediäres Produkt entsteht.!) Wird Wasserstoff gefunden, so ist die Frage ohne weiteres zu bejahen, während im anderen Falle die Verneinung zwar nicht mit der- selben Sicherheit, aber angesichts der größeren Geschwindigkeit der Reaktion gegenüber der Kondensationsgeschwindigkeit mit dem ebenfalls im Überschuß vorhandenen Acetaldehyd mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit gemacht werden kann.

Wir gingen nun zur Oxydation des Acetaldehyds und einiger seiner möglichen Oxydationsprodukte über.

Zu diesem Zwecke wurde das Erlenmeyersche Gefäß mit einer eisgekühlten Mischung von 5 g Acetaldehyd und 40 oom Wasser beschickt. Hierzu wurde eine Lösung von 10 ccm 4n-NaOH, 5 com H,O, und 20 ccm Wasser gefügt (Gesamtvolumen 80 ccm). Die Mischung wurde 24 Stunden bei gehalten. Nach Ablauf dieser Zeit erwies sich das Gas als völlig frei von Wasserstoff. Nach der Destillation wurde die gesamte flüchtige Säure zu 186,6 ccm Sie bestimmt, von denen 21,2 com H,CO, waren. Die Bariumlösung wurde dann auf dem Woasserbade ein- gedampft, wobei sich ein Teil des überdestillierten Acetaldehyds zu Harz kondensierte. Bei der Fällung des überschüssigen Bariumhydrats als BaCO, haftete das Harz am Barytniederschlag. Durch Abfiltrieren erneutes Eindampfen und Niederschlagen läßt sich das Harz sehr weit- gehend entfernen. Trotzdem mag der mit der Jonesschen Methode erhaltene Wert für Ameisensäure zu hoch ausgefallen sein. Bestimmt wurden 81,8 com Ameisensäure, so daß 83,6 ccm Essigsäure vorhanden sein mußten. In der Lösung konnte keine Spur von Oxalsäure nach- gewiesen werden. Aus diesem Versuch ergibt sich also, daß Ameisen- säure aus Acetaldehyd ohne Bildung von Formaldehyd entsteht.

Wie schon eingangs erwähnt, erklärt Nef die Bildung von Ameisensäure aus Acetaldehyd durch Dissoziation des zunächst entstandenen Glykolaldehyds in Formaldehyd und Methyliden- hydroxyd. Obgleich dies nun schon durch die obigen Resultate höchst unwahrscheinlich geworden ist, wollten wir doch die direkte Prüfung durch Oxydation des Gilykolaldehyds mit

1) Blank und Finkenbeiner geben an, bei der Oxydation von Acetaldehyd mit alkalischem Wasserstoffsuperoxyd Wasserstoffentwicklung beobachtet zu haben. Da aber über die Versuchsbedingungen und über die Menge des entwickelten Wasserstoffs keine Angaben gemacht sind, so kann dies hier nicht weiter in Betracht gezogen werden.

46 G. W. Heimrod und P. A. Levene:

alkalischem Wasserstoffsuperoxyd nicht unterlassen. Es sind daher einige Versuche mit Glykolaldehyd und dessen möglichen Oxydationsstufen unternommen worden.

Glykolaldehyd.

Der Erlenmeyersche Kolben wurde mit 10 com 4 n-Na0H, 10 ccm H,O uud 5 ccm H,O, beschickt, durch das Trichterrohr wurden 5 com einer ca. 20°/,igen Glykolaldehydlösung langsam eingelassen, wobei Er- wärmung möglichst vermieden wurde. Wasserstoff war nicht entwickelt. Die Lösung enthielt keine Oxalsäure. Bei der Destillation wurden außer einer geringen Menge Kohlensäure 220 com HCOOH (nach Jones Me- thode bestimmt) gefunden.

Beim Erwärmen der Glykolaldehyd-Wasserstoffsuperoxyd-Mischung tritt sehr heftige Reaktion ein. Trotzdem war auch dann Wasserstoff im Gasgemisch nicht aufzufinden (s. dagegen Oxydation mit PbO, -+ KOH).

Glyoxal.

Dasselbe kam in Form des Natriumbisulfitsalzes zur Verwendung. Da sich bei der direkten Oxydation einige Schwierigkeiten ergaben, so wurde dasselbe durch Kochen mit verdünnter Schwefelsäure zunächst zersetzt. 15 g des Bisulfits wurden in Wasser gelöst und mit der be- rechneten Menge 2n-H,SO, auf dem Wasserbade bis zum völligen Aus- treiben des SO, erwärmt. Die Lösung wurde dann in Eis gekühlt, mit 12 ccm H,O, und 2n-Natronlauge im Überschuß versetzt. Wasserstoff- entwicklung trat nicht ein. In der Lösung war Oxalsäure nicht vor- handen. Nach der Destillation der angesäuerten Lösung wurden 468 ccm HCOOH und 106 ccm H,CO, bestimmt. Da die Bestimmung der Säure nach Jones 472 com HCOOH ergab, so bestand offenbar die Gesamt- säure aus Ameisensäure.

Glykolsäure.

3 g Glykolsäure, 10 ccm 4n-Na0OH, 20 ccm H,O, 5 ccm H,0,.

Wasserstoff war nicht entwickelt; Oxalsäure konnte nicht nach- gewiesen werden. Im Destillat waren 60,6 ccm "/,, organische Säure und 123 cem Sie HO, Bei der Bestimmung der organischen Säure nach Jones’ Methode berechnete sich ein Wert von 72 ccm Ameisen- säure. Da die Lösung starke Reaktion auf Glyoxylsäure zeigte, und diese die doppelte Menge KMnO, zur Oxydation verlangt, so bestand die organische Säure wahrscheinlich aus ca. 50 ccm HCOOH und 10 om Glyoxylsäure.

Glyoxylsäure.

Zu einer Mischung von 5 ccm einer ca. 50°/,igen Glyoxylsäure-

jösung, 20 com H,O und 10 com 4n-Na0OH wurden 5 ccm H,O, gesetzt.

Die Mischung erwärmte sich schon vor Zusatz des H,0,. Wasser- stoffgas war nicht entwickelt. Die Lösung enthielt Oxalsäure, doch zeigte

Oxydation von Akdehyden in alkalischer Lösung. 47

ein Kontrollversuch ohne H,O,, daß Glyoxylsäure in alkalischer Lösung sich zu Oxalsäure zersetzt. Nach völligem Verschwinden der Glyoxylsäure- reaktion und Zerstörung des überschüssigen H,O, wurde das Reaktions- gemisch angesäuert und destilliert. Gefunden wurden 181,7 ccm Sie organische Säure und 312,6 ccm Se DAC, Bei der Bestimmung nach der Jonesschen Methode wurden 172 com Ameisensäure gefunden. Der Wert der Kohlensäure ist zu niedrig, weil bei der Bestimmung Barium- carbonat verloren gegangen war. Er ist jedoch dem Verhältnis 2:1 zur Ameisensäure nahe genug, um zu beweisen, daß Glyoxylsäure in 1 Molekül Kohlensäure und 1 Molekül Ameisensäure zerfällt.

Betrachten wir nun die Resultate dieser Versuche, so ist bei der völligen Abwesenheit von Wasserstoff in sämtlichen Fällen die intermediäre Bildung von Formaldehyd sehr un- wahrscheinlich. Ist eine Carboxylgruppe vorhanden, so wird die benachbarte Alkoholgruppe zur Aldehydgruppe oxydiert, und nun tritt die Spaltung des Moleküls unter Bildung von Ameisensäure und von Kohlensäure ohne intermediäre Bildung von Formaldehyd ein. Glykolsäure zerfällt daher über Glyoxyl- säure zu

CH,OH CHO HCOOH SCH | H COOH H,CO,

Aus dem Vergleich des Verhältnisses der Kohlensäure zur Ameisensäure folgt, daß Glykolaldehyd und Glyoxal nicht zur Glykolsäure oder Glyoxylsäure oxydiert werden, sondern direkt ohne Entstehung von Formaldehyd als Zwischenprodukt zu Ameisensäure oxydiert werden. Dies ist aber nur möglich, wenn Oxydation der der Aldehydgruppe benachbarten Alkohol- gruppe stattfindet, bevor unter Spaltung des Moleküls aus dem Aldehyd Ameisensäure entsteht.

Ehe wir nun aus unseren bisherigen Versuchen die Schluß- folgerungen für die Oxydation des Acetaldehyds ziehen, wollen wir einen Versuch beschreiben, bei dem wir die Oxydations- flüssigkeit des Acetaldehyds auf etwa vorhandene Reduktions- produkte hin untersuchten.

Es war ja z. B. nicht unmöglich, daß die Oxydation des Acetaldehyds in der Weise verlief, daß die Aldehydgruppe von der CH,-Gruppe sich abspaltete unter Bildung von 1 Molekül Ameisensäure und 1 Molekül Methylalkohol.

OH CH,OH

CH, (en "` om ~ d OH HCOOH

48 G. W. Heimrod und P. A. Levene:

Obgleich eine derartige Reaktion wenig Wahrscheinlichkeit für sich hat, so schien es uns doch geboten, dieselbe der experi- mentellen Prüfung zu unterwerfen.

Hierzu wurde zunächst ein größeres Quantum Aocetaldehyd oxydiert, und zwar in der Weise, daß zu einem Gemisch von 5 g Acetaldehyd, 30 com H,O, 10 com 4n-NaOH, 5 ccm H,O, von Zeit zu Zeit NaOH, Acetaldehyd und H,O, zugefügt wurden, so daß im Laufe mehrerer Tage 15 g Acetaldehyd, 30 com NaOH und 15 ccm H,O, in der Re- aktionsmischung zur Einwirkung gelangt waren. Darauf wurde das noch vorhandene H,O, durch Pt zersetzt und die Lösung auf 100 ccm auf- gefüllt. 50 ccm hiervon wurden dann mit ammoniakalischem Silberoxyd so lange behandelt, bis sämtliche Aldehyde oxydiert waren. Nach An- säuerung mit H SO, wurde die Lösung destilliert, das Destillat zwecks Zurückhaltung aller organischer Säure alkalisch gemacht und nochmals destilliert. Endlich wurde das letzte Destillat im Zeisel-Fantoschen Apparat zur Methoxylbestimmung benutzt. Das Resultat war absolut negativ. Zur Kontrolle wurden direkte Bestimmungen von wässerigen Methylalkohol-Lösungen in ähnlicher Weise mit befriedigenden Resultaten ausgeführt, so daß das Ausbleiben der Reaktion als guter Beweis für den Ausschluß der Methylalkoholbildung bei der Oxydation des Acet- aldehyds angesehen werden darf. In den verbliebenen 50 ccm Reaktions- mischung wurden die Säuren durch Destillation usw. bestimmt. Dabei wurde die Ameisensäure wegen des großen Überschusses an Acetaldehyd nach der Leysschen Methode bestimmt. Die gefundenen Werte waren auf die Gesamtlösung berechnet 526,4 ccm CH,COOH, 80,2 ccm HCOOH, 20,5 ccm HCO. Ist H,CO, aus HCOOH entstanden, und wäre alle HCOOH unter Bildung von Methylalkohol entstanden, so hätten obige 50 ccm Flüssigkeit 0,144 g Methylalkohol enthalten sollen, die 1,0575 g AgJ niedergeschlagen hätten. Diese Zahlen beweisen deutlich, daß obige Reaktion keine Rolle beim Abbau des Acetaldehyds spielt.

Betreffs der Verschiedenheit der relativen Menge entstandener Essig- säure und Ameisensäure!) bei diesen Versuchen (6!/, : 1) gegenüber dem zur Wasserstoffbestimmung beschriebenen Versuche (1:1) sei auf die große Verschiedenheit der Versuchsbedingungen hingewiesen. Außerdem aber läßt die Genauigkeit der Ameisensäurebestimmung in Gegenwart von Aldehyden und Kondensationsprodukten manches zu wünschen übrig.

Fassen wir nun das gesamte vorliegende Material zusammen, so können wir den Reaktionsmechanismus des Acetaldehyd- abbaues in alkalischer Lösung folgendermaßen daraus ableiten:

1) Bei der anodischen Oxydation des Acetaldehyds (Ber. 41, 4443, 1908) war Essigsäure nicht beobachtet worden, Bei der Wiederholung dieser Versuche haben sich auch hier große Verschiedenheiten im Ver- hältnis der beiden Säuren ergeben, vor allem in der Vermeidung der völligen Verbrennung der Ameisensäure zu H,CO,.

Oxydation von Aldehyden in alkalischer Lösung. 49

Die verschiedenen Reaktionen lassen sich in folgendem Schema zusammenfassen:

3 CO, CHO COOH | | COOH COOH HCOOH. VI CO, OHO COOH...... . VII | buo COOH

2 HCOOH .... VIII

Von diesen stellt Reaktion I den Oxydationsverlauf zu 50 bis 80°/, dar. Reaktion II spielt bei der Oxydation so gut wie gar keine Rolle (Siehe Bestimmungen des Ag 7). Der mit dem Acetaldehyd im Gleichgewicht befindliche Vinylalkohol kann nicht nach Gleichung III oxydiert werden, da der dabei entstehende Formaldehyd zur Wasserstoff- entwicklung Anlaß geben würde. Demnach muß zunächst Glykolaldehyd entstehen. Letzterer aber kann nioht nach Gleichung IV zerfallen, da auch dieses zur Wasserstoffentwicklung führen würde. Ebenfalls ist die Oxydation des Gilykolaldehyds zu Glykolsäure als ausgeschlossen zu betrachten, da nach Seite 46 Glykolsäure über Glyoxylsäure zu einem Molekül Ameisensäure und einem Molekül Kohlensäure oxy- diert wird. Das Verhältnis von Kohlensäure zu Ameisensäure müßte demnach 1:2 sein, während wie angegeben das Verhältnis 4:1 ist. Die Giyoxylsäurestufe (V und VI) spielt demnach höchstens eine untergeordnete Rolle. Was nun die Gleichung VII anbelangt, so ist sie ebenfalls bei der Wasserstoffsuperoxyd-Oxydation so gut wie ganz auszuschließen; dagegen kann sie bei heftiger Oxydation mit alkalischem Permanganat wohl von Bedeutung jara (Denis).

Biochemische Zeitschrift Band 29.

50 G. W. Heimrod und P. A. Levene:

Da nun endlich auch die Oxydation der primär entstandenen Essigsäure bei der großen Beständigkeit, sowie wegen des gefundenen Verhältnisses H,CO,:HCOOH keine große Bedeutung haben kann, so bleibt als wahrscheinlicher Reaktionsmechanismus die Gleichung VIII.

Die Resultate der direkten Oxydation des Glykolaldehyds und des Glyoxals stehen ja auch sowohl beim Permanganst, wie beim Wasser- stoffsuperoxyd hiermit völlig im Einklang. Demnach durchläuft die Oxydation die Stufen:

Aoetaldehyd (Vinylalkohol) Glykolaldehyd Glyoxal

> Ameisensäure Kohlensäure.

An dieser Stelle mögen 2 Versuche wiedergegeben werden, die beweisen, daß zur Bildung der Ameisensäure aus Acet- aldehyd keineswegs hohe Hydroxylionen-Konzentrationen nötig sind, wie sie hier verwandt worden sind, oder wie man nach

Me Leod?) glauben könnte.

Letzterer nämlioh glaubt, daß Vinylalkohol nur bei Konzentrationen von mehr als !/,,°/o Natronlauge vorhanden ist. Demnach dürfte bei Hydroxylionen-Konzentration von weniger als 2-10-2 keine Ameisensäure entstehen. Nun hat aber eine normale Ammoniaklösung nur 4-10-3 Mol. OH’ im Liter. Es wurden daher 6 ccm Ammoniak (900 SG) mit 2ccm HO 2 com CH,CHO auf 100 eem Lösung verdünnt und zum Kochen erwärmt. Nach Zerstören des überschüssigen H,O, wurde mit H,SO, angesäuert und destilliert, Im Destillat befanden sioh reichliche Mengen HCOOH. Da CH,CO mit NH, sich vereinigt, ebenfalls H,O,, so ist die wirkliche Hydroxylionen-Konzentration wahrscheinlich weit geringer. Im zweiten Versuche wurden 4 g CH,CHO und 5 ccm H30; zu 50 com aufgefüllt, wobei Magnesiumoxyd als Bodenkörper diente. Die Lösung wurde bei gehalten und von Zeit zu Zeit umgeschüttelt. Nach mehrwöchentlichem Stehen wurde in einer Probe das H,O, zerstört, worauf die Lösung deutliche Ameisensäure-Reaktion mit Mercuriacetat ergab. Da eine gesättigte Lösung von Magnesiumoxyd nur 2-10-* Mol. MgO imL. enthält, so kann selbst bei völliger Dissoziation die Hydroxyl- ionen-Konzentration 4-10-* nicht überschreiten. Ameisensäure wird also selbst bei diesen geringen OH’-Konzentrationen noch gebildet, wenn such nur langsam. Es muß also auch bei diesen Konzentrationen das Gleichgewicht Acetaldehyd Vinylalkohol bestehen.

Reaktionsgeschwindigkeit.

Es ist aus alledem nun klar, daß bei der alkalischen Oxydation des Acetaldehyds nicht nur die Oxydation nach mehreren Richtungen hin erfolgt, sondern daß auch mehrere Zwischenstufen bis zur Erreichung der Endprodukte (CH,COOH, HCOOH und CO.) durchlaufen werden müssen. Es ist daher

1) Amer. Chem. Journ. 87, 20, 1807.

\ Oxydation von Aldehyden in alkalischer Lösung. Bl

völlig aussichtslos, den durch Titration bestimmten Säurewerten irgend welche Folgerungen über die Reaktionsordnung zu ent- nehmen. Trotzdem schien es angebracht einige Versuche über die Reaktionsgeschwindigkeit bei wechselnder Konzentration der einzelnen Komponenten anzustellen. Hierzu bedienten wir

uns des folgenden einfachen Verfahrens:

In einer stark abgekühlten 50 ccm-Meßflasche wurden wechselnde Mengen Aocetaldehyds mit ca. 10 oom Wasser vermischt. In einer zweiten Meßflasche wurden 25 oom 2 n-NaOH ebenfalls stark abgekühlt und mit dem Acetaldehyd vermischt. Hierzu wurde die betreffende Menge H,O, gefügt, der 25 ccm-Kolben einige Male mit Wasser ausgespült und da- mit der 50 ocm-Kolben bis zur Marke aufgefüllt. Die Reaktionsflüssig- keiten wurden mit zerkleinertem Eis umgeben im Eisschrank aufbewahrt; Mittels einer Pipette wurden von Zeit zu Zeit 5 ccm entnommen und in eine bekannte Menge °/,.-HCl entleert. Dann wurde mit Phenol- phthalein und °®/,„-.NaOH zurücktitriert.

I. 2 eem CH,CHO, 25 com 2 n-NaOH, 1 com H0, + H,O, Zeit Titer Säure 0 48,1 ID 5 46,35 1,75 15’ 43,13 4,97 15’ 42,7 5,4

Reaktion schon vorher beendet. Daher 1 ccm H,O, am Ende der 8. Stunde hinzugefügt.

21 31,8 16,3 Il. 2 ccm CH,CHO, 25 eem 2n-NaOH, 5 oom H,0, + H30. Zeit Titer Säure 0 48,5

1b 20’ 46,05 2,45 Ob 50’ 44,25 4,25 bh 20’ 41,4 7,1

18» 20’ 33,35 15,15

26% 20’ 30,37 18,13

325 29,00 19,5

44h 30’ 26,9 21,6

III. 2 eem CH,CHO, 25 com 2n-Na0H, 10 com H,0, + H,O. Zeit Titer Säure 0 48,15

12 20/ 47,8 0,35 3b 50’ 46,75 1,4

16? 50 42,9 5,25

24» 50’ 40,95 7,2

43 37,65 10,5

4*

52 G. W. Heimrod und P. A. Levene:

IV. d ccm CH,CHO, 25 ccm 2 n-NaOH, 6 com H,0, -+ H,O. Zeit Titer Säure 0 47,9 D 40,45 7,45 30’ 27,35 20,55 5 20’ 23,3 24,6 172 12,65 35,35 25% 30 10,4 37,5 308 407 9,85 38,05 A 9,77 38,13

Die Lösung war gelb und zeigte die H,0,-Reaktion nicht mehr. Die Oxydation war daher schon vor Ablauf der 42. Stunde beendet,

V. 8 com CH,CHO, 25 com 2n-Na0H, Boom H,0, + H,O.

Zeit Titer Säure

0 45,25 45’ 31,10 14,15 D 30 23,9 21,35 2 30 18,5 26,75

6% 30’ 11,65 33,6

12% 30 10,98 34,27

Die Lösung war gelb geworden und zeigte keine H,0,-Reaktion. Die Oxydation war daher schon vor Ablauf von 12 Stunden beendet.

VI. 0,5 com CH,CHO, 25,0 com 2 n-NaOH, 10,0 eem HO + H,O. Zeit Titer Säure 0 48,7 30 10’ 48,3 0,4 1% 48,65 0,05 16% 47,95 0,75 24 10° 47,4 1,3 42 10 46,65 2,05 VIL Genau wie bei VI, nur bei Zimmertemperatur. Zeit Titer Säure 15 48,95 22 10 46,2 2,75 3b 40/ 43,9 6,05 72 40’ 39,7 9,25 21» 40/ 39,33 9,62

Vergleichen wir nun die ersten drei Versuche miteinander, in denen nur die H,0,-Konzentrationen geändert wurden, so ist ersichtlich, daß die Vermehrung der H,O,-Konzentration von l auf 5 ccm keine entsprechende Reaktionsbeschleunigung be-

Oxydation von Aldehyden in alkalischer Lösung. 53

dingt, ja bei noch stärkerer Erhöhung der H,O,-Konzentration bis auf 10 ccm findet sogar eine deutliche Verlangsamung statt. Die Erklärung hierfür liegt wahrscheinlich in der Verminderung der Hydroxylionen-Konzentration durch Balzbildung mit Wasser- stoffsuperoxyd. Vergleichen wir andererseits II, IV und V,

z Ja m wW Ka · Š A KO 20 e y ; zZ (d s J H 34 2 $ , 1339567899 20 3 ` Sdure m ccm

Fig. 2.

in denen Alkali und Wasserstoffsuperoxyd völlig konstant und Acetaldehyd allein verändert ist, so sehen wir, daß die An- fangsgeschwindigkeiten durch Vermehrung des Acetaldehyds sehr stark beeinflußt werden. Verdoppelung der Aldehyd-Kon- zentration (von 2 auf 4com), verdrei- oder vervierfacht die Reaktionsgeschwindigkeit. Weitere Verdoppelung (von 4 ccm auf 8 ocm) hat erneute Verdoppelung der Geschwindigkeit zur Folge. Aber im Laufe der Reaktion fällt die Geschwindigkeit merklich ab, was wohl in erster Linie durch die Abnahme der Hydroxylionen, in zweiter Linie durch die Verminderung der

54 G. W. Heimrod und P. A. Levene:

Aldehyd-Konzentration zu erklären ist. Vergleichen wir end- lich III und IV, bei denen wiederum nur eine Veränderung der Aldehyd-Konzentration vorgenommen ist, so haben wir im wesentlichen wieder dasselbe Bild wie bei II, IV und V. Die Vervierfachung der Aldehyd-Konzentration (Cl, auf 2) hat eine Verdreifachung der Anfangsgeschwindigkeit zur Folge, die im Laufe der Reaktion sogar bis auf das 5fache steigt. Endlich gibt ein Vergleich von VI und VII einen ungefähren Begriff von dem Temperatur-Koeffizienten der Reaktion. Wegen der leichten Kondensierbarkeit des Acetaldehyds gegen alkalische Lösung bei höheren Temperaturen konnte ein solcher Versuch nur bei geringer Aldehyd-Konzentration unternommen werden. Bei der Erhöhung der Temperatur von auf 15° steigt die Geschwindigkeit ungefähr um das 10fache, also um das 6?/,- fache für je 10° Temperatur-Erhöhung. Diese außerordentliche Erhöhung hat vielleicht seinen Grund in der Verschiebung des Gleichgewichts Acetaldehyd Vinylalkohol von links nach rechts bei Erhöhung der Temperatur, was mit der außerordentlichen Erhöhung der Kondensationsgeschwindigkeit im Einklang steht, die ja nach Nef vom Vinylalkohol be- dingt wird. Wäre dies der Fall, so müßte bei erhöhter Tem- peratur das Verhältnis der entstandenen Ameisensäure zur Essigsäure zugunsten der ersteren sich verschieben. Diesen Punkt haben wir leider nicht mehr prüfen können. Interessant ist schließlich noch ein Vergleich der Endwerte bei denjenigen Versuchen, bei denen das H,O, völlig verbraucht wurde. Dies sind Versuch I, IV und V. Auf gleiche Mengen H,O, berechnet, waren dabei 27, 38,13 und 34,27 ccm Säure entstanden. Da CH,COOH 1 Mol HO. HCOOH dagegen 1'/, Mol zur Bildung erfordern, so beweisen diese Zahlen, daß das Verhältnis der beiden Säuren zueinander je nach den Versuchsbedingungen ein verschiedenes sein kann.

Oxydation anderer organischer Substanzen.

Es war unsere Absicht, dem Studium der Oxydation des Acetaldehyds das anderer organischer Substanzen, insbesondere der anderen Aldehyde sowie der Zucker folgen zu lassen. Wir sind hierbei über einige orientierende Versuche nicht hinaus- gelangt. Dieselben beweisen aber, daß ein genaueres Studium

Oxydation von Aldehyden in alkalischer Lösung. 55

der Oxydation mit alkalischem Wasserstoffsuperoxyd sehr wert- volle Aufschlüsse über den Mechanismus der Oxydation vieler biologisch wichtiger Substanzen bringen dürfte.!) Im folgenden sei zunächst eine Tabelle der von uns oxydierten Substanzen zusammen mit den Resultaten der Prüfung auf Ameisensäure wiedergegeben.

Name Formel: Ameisensäure Methylalkohol CH,0OH geringe Menge Äthylalkohol . CH,CH,OH Spur n-Propylalkohol . CH,CH,CH,OH SS Glykol CH,OH.CH,OH große Menge Glycerin . . CH,OH.CHOH.CH,OH j j Erythrit CH,0OH.CHOH.CHOH.CH,OH | beträchtliche Menge Manit . CH,OH(CHOH),CH,OH je e Duleit e e CH,OH(CHOH),CH,OH 99 sn Formaldehyd HCHO große Menge Acetaldehyd . CH,CHO SS js Paraldehyd (CH,CHO), geringe Menge Propylaldehyd . CH,CH,CHO große Menge n-Butylaldehyd . CH,CH,CH,CHO H Se Isobutylaldehyd. (CH,),CH.CHO beträchtl. Mengen,

aber weniger als bei

n-Butylaldehyd Valeraldehyd CH,.(CH,),.CHO sehr große Mengen Aldo . . . CH,.CHOH.CH,.CHO e e Benzaldehyd . C,H,CHO nicht vorhanden, da-

gegen Benzoesäure Aceton. . . CH, CO CH, kleine Menge Essigsäure CH,COOH deutlicher Nachweis Propionsäure . CH,CH,COOH kleine Menge n-Buttersäure CH,.CH,.CH,.COOH keine Reaktion Isobuttersäure . CHIJCH.COOH = Oxalsäure. . COOH.COOH j S Malonsäure . . CH,(COOH), de e Glykolaldehyd . CH,0H.CHO große Men Arabinose . CH,OH(CHOH),.CHO op e

d-Gluoose . . .| CH,OH(CHOH),.CHO |" »

1) Inzwischen ist eine Arbeit von Anderson (Amer; Chem. Journ. 42, 410, 1909) erschienen, in der die Oxydation der Arabinose mit H,O, in alkalischer Lösung studiert worden ist; auch er beobachtet das völlige Fehlen der Oxalsäure unter den Oxydationsprodukten, dagegen das Auf- treten großer Mengen Ameisensäure.

56 G. W. Heimrod und P. A. Levene:

(Fortsetzung der Tabelle von 8. 58.)

Name Formel: | Ameisensäure

Galaktose . CH,OH(CHOH),.CHO sehr starke Probe Fructose . . CH,OHCO(CHOH),CH,0H e H » Rohrzucker . Ois HasO1 starke Probe Stärke. . . . (C,H,00,)x sehr starke Probe Glykolsäure . . CH,0H.COOH starke Probe, keine Oxalsäure Glyoerinsäure CH,0H.CHOH.COOH starke Probe Gluconsäure . CH,OH.(CHOH), COOH Se Milchsäure . CH,.CHOH.COOH * Weinsäure COOH.CHOH.CHOH.COOH |sehr große Menge Tartronsäure COOH.CHOH.COOH zweifelhaft Schleimsäure COOH(CHOH),. COOH geringe, aber unzwei- deutige Probe Apfelsäure . COOH.CH,.CHOH.COOH negative Probe Citronensäure .|i C{OH).COOH(CH,.COOH), |geringe Menge Glyoxylsäure . | CHO.COOH starke Probe Glyoxal . . .| CHO.CHO sehr große Menge

Einige bemerkenswerte Einzelheiten seien hier kurz erwähnt. Die Alkohole und die Fettsäuren oxydieren sich in nur geringem Grade zur Ameisensäure.. Methylalkohol scheint dabei die Formaldehydstufe zu überspringen, was sich schon aus den Frankforter und Westschen Beobachtungen schließen läßt, da Methylalkohol-Formaldehydgemische eine dem Formaldehyd entsprechende Wasserstoffmenge entwickeln, obgleich Methyl- alkohol zu Ameisensäure oxydiert wird. Wir selbst haben ebenfalls bei der Oxydation des Methylalkohols keine Wasser- stoffentwicklung gefunden.

Die Fettsäuren smd von Dakin!) mit H,O, oxydiert worden, wobei er unter anderem Aldehyde und Ameisensäure nachweisen konnte. So er- hielt er aus Buttersäure Acetessigsäure, Aceton, Propionaldehyd, Acet- aldehyd, Essigsäure, Ameisensäure und Kohlensäure In dem von Dakin aufgestellten Sohema wird Aocetaldehyd zu Essigsäure oxydiert, die dann zu Ameisensäure weiter oxydiert wird. Ein solcher Vorgang ist keines- ` wegs ausgeschlossen, doch dürfen wir aus unseren Versuchen folgern, daß die Ameisensäure aus Acetaldehyd zum größten Teil ohne Erreichung der Essigsäurestufe entsteht.

Die aliphatischen Aldehyde bilden sämtlich leicht Ameisen- säure, dagegen wird Benzaldehyd zu Benzoesäure oxydiert*), was

1) Journ. of Biolog. Chem., 4, 77, 1908. 2) Auch von Blank und Finkenbeiner schon beobachtet.

Oxydation von Aldehyden in alkalischer Lösung. 57

im Hinblick auf den Unterschied der dem CHO benachbarten Kohlenstoffgruppe einleuchtend erscheint. Die Oxydation von Körpern mit zwei benachbarten Alkoholgruppen (Glykol, Wein- säure usw.) erfolgt unvergleichlich viel leichter als die der einfachen Alkohole. Am leichtesten aber erfolgt die Oxydation der Aldehydalkohole (Zucker, Stärke).

Anhang. Verhalten von Acetaldehyd gegen Sauerstoff.

Der in obigen Versuchen verwendete Acetaldehyd wurde in der von Mc Leod beschriebenen Weise aus Paraldehyd mit verdünnter Schwefelsäure destilliert.

Um Verluste zu vermeiden, war der Ausfluß des Liebigschen Kühlers luftdicht mit einer Glasspirale verbunden, die in ein mit Eis und Salz gekühltes Auffanggefäß führte. Die Spirale war mittels eines Korkes im Hals einer Flasche befestigt, deren Boden abgesprengt war. Die Flasche wurde mit zerkleinertem Eis angefüllt. Dieser einfache Apparat bewährte sich ausgezeichnet. Bei der 2. Destillation erwiesen sich die ersten Blo des übergehenden Destillats als völlig frei von Par- aldehyd. Stets aber zeigte das Destillat eine schwach sauere Reaktion.

Da diese, wie wir sehen werden, von der leichten Oxydation des Aldehyds durch den Sauerstoff der Luft bedingt wird, so leiteten wir bei der letzten Destillation einen Strom von CO, oder N, durch das Destillationsgefäß.

Um größere Mengen des reinen Aldehyds längere Zeit auf- bewahren zu können, füllten wir kleine mit eingeschliffenen Glasstöpseln und darüber passender Glashaube versehene Fläschchen, die ungefähr die in einem Tage benötigte Menge Aldehyd enthielten. Aus mehreren größeren ähnlichen Flaschen konnten die kleineren Behälter wieder aufgefüllt werden. Auf diese Weise war die Berührung des Aldehyds mit der Luft, wie etwa in halbgefüllten Flaschen, so gut wie ganz vermieden, und der Acetaldehyd hielt sich ausgezeichnet. Selbstverständ- lich befanden sich alle Flaschen im Eisschrank.

Die leichte Oxydierbarkeit des Acetaldehyds macht sich beim Aufbewahren desselben in halbgefüllten Flaschen leicht dadurch bemerkbar, daß in der Flasche ein Unterdruck durch

58 G. W. Heimrod und P. A. Levene:

Aufnahme des Sauerstoffes entsteht!) Da in der Literatur über das Verhalten des Acetaldehyds gegen Sauerstoff keine Andeutungen zu finden waren, so haben wir einige Versuche in dieser Richtung unternommen.

Zu denselben wurde der zuvor beschriebene Oxydations- apparat benutzt, wobei die Wasserflasche und der Erlenmeyer mit Sauerstoff gefüllt wurden. Im Erlenmeyer befand sich der zu oxydierende Acetaldehyd. Der Sauerstoff wurde durch Heben der Nivellierbirne unter geringem Überdruck gehalten. Durch Anfügen einer Mariotteschen Flasche konnte der Druck einigermaßen konstant gehalten werden. Der ganze Apparat wurde während des Versuchs im Eisschrank untergebracht.

I. 10g CH,CHO. Nach 4tägigem Stehen waren oa. 1200 ccm Sauerstoff absorbiert. Durch Titration wurden 100,8 com °/,-Säure bestimmt. Die Lösung enthielt weder Oxalsäure noch Ameisensäure, dagegen Essigsäure.

II. 10 g CH,CHO.

Im Erlenmeyer befand sich ein platiniertes Platinblech, das zur Hälfte in den Gasraum reichte. In 6 Tagen waren ca. 1600 ccm O, absorbiert. Beim Erneuern des Sauerstoffvorrates trat Wasser in das Erlenmeyergefäß. Die Sauerstoffabsorption wurde wesentlich langsamer. Gefunden wurden 138 ccm */,-Säure. Reaktion wie bei I.

III. 10 ccm Acetaldehyd, 10 com H,O.

Platiniertes Platinblech und Platinschwamm nach Loew. Sauerstoff- aufnahme außerordentlich gering. Gefunden wurden nach 5 Tagen 2,4 com */,-Säure.

IV. 15 g CH,CHO, 2g Me,

Sauerstoffabsorption außerordentlich gering. Nach 2 Tagen wurde

das Magnesiumoxyd ausgelaugt und durch einen Gooohschen Trichter

abgesaugt. Aus der Lösung wurde das Me als MgCO, entfernt. Die Lösung zeigte deutlich Ameisensäure-Reaktion. Oxalsäure konnte weder

in der Lösung noch in den Niederschlägen nachgewiesen werden. V. 10 g CH,CHO, 10 com H,O, 2 g Mei Absorption und Reaktion wie bei IV.

Interessant hierbei ist erstens die Verminderung der Oxydationsgeschwindigkeit bei Gegenwart von Wasser; zweitens

1) Da die Aldehyddämpfe außerdem auf Gummi stark ausdehnend wirken, so ist beim Öffnen dünnwandiger, mit Gummistopfen verschlossener Gefäße Vorsicht geboten.

Oxydation von Aldehyden in alkalischer Lösung. 59

die enorme Herabsetzung derselben bei Gegenwart von Magne- siumoxyd, vor allem aber die Entstehung von Ameisensäure bei solch geringer Alkalinität. Es steht aber im Einklang mit dem vorher erwähnten Resultat, daß bei der Oxydation des Acetaldehyds mit Wasserstoffsuperoxyd und Magnesiumoxyd als Bodenkörper ebenfalls Ameisensäure gebildet wird. Daß die Gegenwart des Wassers die Oxydationsgeschwindigkeit so enorm herabsetzt, deutet auf eine Veränderung des Acetaldehyds in wässeriger Lösung. Vielleicht liegt eine Polymerisation vor, wie schon Coehn und Bilitzer!) zur Erklärung der anomalen Werte des Reduktionspotentials in schwefelsaurer Lösung an- genommen haben.

1) Zeitschr. f. Elektrochem. 7, 681, 1901.

Die elektrische Leitfähigkeit der Milch und ihre Anwendung zum Nachweis der Verwässerung und eines Zusatzes von Elektrolyten.

Von

Rinaldo Binaghi. (Aus dem hygienischen Institut der Kgl. Universität Cagliari, Italien.) (Eingegangen am 16. September 1910.)

Die zahllosen Untersuchungen und Studien, die seit langer Zeit an der Milch angestellt werden, sind, wie bekannt, nicht bloß daraufhin gerichtet, ihre chemische Zusammensetzung und ihre physikalisch-chemischen Eigenschaften zu bestimmen, son- dern wollten auch nach möglichst praktischen und leicht aus- führbaren Methoden alle denkbaren Fälschungen aufdecken, denen die Milch leicht ausgesetzt ist.

Es ist festgestellt worden, daß die einfachsten und ge- wöhnlichsten Verfälschungen, die im Milchhandel vorkommen, folgende sind: Verwässern, Abrahmen und oft auch Vermischen von Vollmilch mit ganz oder halb abgerahmter Milch, wenn man nicht Schafmilchmolke verwendet, die bei der Käsebereitung oder bei der Labgerinnung entsteht und in der italienischen Industrie unter dem Namen scotta bekannt ist.

In vorliegender Arbeit berichte ich über die von mir erreichten Resultate einer Reihe von Versuchen, die zu dem Zweck gemacht wurden, um festzustellen, welchen Wert man der Bestimmung der elektrischen Leitfähigkeit der Milch als Kriterium der Verwässerung und des möglichen Zusatzes von Elektrolyten zuschreiben könne.

Der größte Teil der Autoren hat ausführlich bewiesen, daß die bis jetzt vorgeschlagenen Methoden zur Bestimmung des Wasser- zusatzes weit davon entfernt sind, eine Sicherheit zu bieten, die ge- nügen würde, um sie in die Kontrollpraxis einführen zu können.

Zu den nicht geringen Schwierigkeiten der Ausführung kommt nämlich noch die längere Zeitdauer, die sie benötigen,

R. Binaghi: Elektrische Leitfähigkeit der Milch. 61

und die es nicht erlaubt, ein rasches Urteil über die Reinheit der Milch zu fällen, besonders wenn man eine nicht unbeträcht- liche Anzahl von Proben der chemischen Untersuchung unter- werfen muß.

Normalerweise muß man zur Beurteilung, ob die Milch gefälscht sei oder nicht, alle Zahlen in Betracht ziehen, die aus der Bestimmung des spezifischen Gewichtes, des Fettgehaltes, des gesamten Trockenrückstandes und des entfetteten Trocken- rückstandes resultieren. Meistens beschränkt sich die Unter- suchung auf Bestimmung des spezifischen Gewichtes und des Fettgehaltes, und aus diesen beiden Zahlen wird dann gewöhnlich nach der Fleischmannschen!) Formel der entfettete Trocken- rückstand berechnet.

Die physikalische Chemie ist bei der Analyse der Milch in der Praxis noch nicht viel angewendet worden.

Man hat versucht, den osmotischen Druck zu messen, da dieser der Milch physiologisch ihre molekuläre Konzentration gibt; aber die osmometrischen Methoden sind heikel und besonders bei der Milch schwer anwendbar.

Mundula?) wollte den osmotischen Druck der Milch mittels der hämatokritischen Methode untersuchen und fand, daß zwischen Blut und Milch desselben Individuums vollständige Gleichheit des osmotischen Druckes besteht (Isoosmose).

Eine praktische Methode wäre die Kochprobe, aber man kann sie bei der Milch nicht anwenden, weil ihre Zusammen- setzung sich nach dem Erwärmen leicht ändert infolge des unlöslichen oder zersetzten Zustandes einiger ihrer Komponenten bei einer Temperatursteigerung.

Die Milch kann also keinen konstanten Siedepunkt haben.

Die Kryoskopie scheint jedoch zur Untersuchung eher an- gezeigt. |

Wir wissen ja, daß zwei isotonische Lösungen notwendigerweise gleichzeitig isokryoskopisch sind, das heißt, daß sie den gleichen osmo- tischen Druck und den gleichen Gefrierpunkt besitzen, da beide Phänomene von derselben Ursache, der molekulären Konzentration, ab- hängen; Miloh und Blut oder besser Milchplasma und Blutplasma sind isotonisch, müssen daher auch bei derselben Temperatur gefrieren.

1) Fleischmann, Lehrbuch der Milchwirtschaft, 2. Aufl., Bremen

1898, Leipzig 1901. 2) Mundula; Studi Sassaresi 1909, fasc. II, S. 65.

62 R. Binaghi:

Schon im Jahre 1891 hatte Dreser!) gefunden, daß der Gefrierpunkt der Milch bei den verschiedenen Tierspezien konstant sei (4 = 0,55 bis 0,57), und Winter?) stellte in den Jahren 1895 und 18973) fest, daß das Blutserum und die Milch äquimolokulär sind und daß ihre Konzen- tration bei den verschiedenen untersuchten Tierarten dieselbe ist.

Einige Zeit vor Veröffentlichung der Arbeiten von Winter hatte auch Beokmann*) die geringen Schwankungen erkannt, die zwischen 0,5370 und 0,580° liegen, je nachdem die Bestimmung im Sommer oder im Winter gemacht wird,

Die hier angeführten Autoren betonten die große praktische Wich- tigkeit der Konstanz des Gefrierpunktes für die Milchkontrolle und hatten bald wieder Nachfolger, besonders in den letzten Jahren, wie Nencki und Pedozaski in Warschau) und Parmentier in Paris®).

Einige Experimentatoren behaupteten jedoch, daß man der kryo- skopischen Methode keinen größeren Wert als anderen Untersuchungen zuschreiben dürfe, wenn sie sie auch als ein sehr gutes Hilfsmittel be- trachten, um ein Urteil über die Milch abzugeben, da die erhaltenen Zahlen weit davon entfernt sind, übereinzustimmen. So hatten Winter, Beckmann und Hamburger”) behauptet, der Gefrierpunkt der un- verfälschten Miloh schwanke zwischen 0,55° bis 0,57°; Bordas und Genin®) sagten, die Schwankungen könnten von 0,44° bis zu 0,56° variieren je nach der Menge der Milch, der Zeit des Melkens, der Jahres- zeit usw.; während Parmentier Zahlen zwischen 0,55° und 0,56°, 0,545° und 0,57° erhielt, Jocoangeli zwischen 0,55° und 0,59°, Maiocco zwischen 0,52° und 0,565°, Grüner zwischen 0,54° und —0,558%, van der Lahn 0,5560 bis 0,583°, Carlinfanti 0,56 0,59, Koeppes endlich zwischen 0,525° und 0,580° fand.

Barbatis?®) jedoch gelang es, Zahlen zu erhalten, die den Prozent- satz des Wasserzusatzes festzustellen erlauben und einem 4 = 0,53 sollte ein Wasserzusatz von ungefähr 4°/, entsprechen, während 4 bei steigendem Wassergehalt langsam fällt bis zu A = 0,36° entsprechend einem Wasserzusatz von ungefähr 40°/,.

1) Dreser, Über Diurese und ihre Beeinflussung durch pharmako- logische Mittel. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 29, 203, 1892.

3) Winter, Const. du point de oong£l. de quelques liqu. de l’organ. à l’anal. du lait. Compt. rend. de l’Acad d So. Paris 71, 696, 1895.

3) Idem, Du point de oongel. Ibid. 1897, 777 bis 1298.

4) Beckmann, Beitrag z. Milchanalyse. Jahresber. f. Tierchemie, 24, 225, 1894.

5) Nencki und Pedozaski, Zur Kryosk. d. Milch. Zeitschr. f. Nahrungs- u. Genußmittel, 1903, 1139.

€) Parmentier, Bull. Soc. Med. des hôpitaux, 27, 2, 1908.

1) Hamburger, Osmotischer Druck u. Ionenlehre, Wiesbaden 1902, 8. 70.

8) Bordas und G£nin, Sur le point de oongel. du lait de vache, Compt. rend. de l’Acad. d. Sc. Paris 1896, 425; 1897, 508.

%) Barbatis, L’anal. oryoskop. du lait, Bull. de la Soc. Frano. d’Hygiene, 25. Juni 1909.

Elektrische Leitfähigkeit der Milch. 63

Das Gegenteil konnte Jordis!) beobachten, wenn er der Milch Elektrolyten hinzufügte, wie Natriumbicarbonat und -biborat; er erhielt Zahlen, die von 0,525° bis 0,685°, respektive 0,94% schwankten.

Fischer?) fand bei 20 Versuchen bei 5°/,igem Wasserzusatz 14 mal A= —0,53°%, 5mal 4 = —0,54° und Imal A = —0,55°; bei 10°/,igem Wasserzusatz 1Omal A —0,51°, 13mal 4 = 0,47°, Tmal A—= 0,46°.

Die Verminderung des Fettgehaltes entgeht jedoch der kryoskopischen Untersuchung, wie auch die Sterilisation und Pasteurisierung in geschlossenen Gefäßen, weil dabei der Ge- frierpunkt sich nicht verändert, während umgekehrt nach Kochen der Milch an der Luft dieser infolge der steigenden Kon- zentration der Flüssigkeit steigt.

Es ist auch beobachtet worden, daß die Gefriertemperatur mit dem steigenden Säuregrad der Milch steigt und auf diese Weise eine eventuelle Verwässerung der Milch verborgen bleiben kann, und schließlich gestattet der Zusatz von gewissen Flüssigkeiten, Elektrolyten, Formaldehyd usw. einen späteren Wasserzusatz.

Daraus schloß Cornalba?), daß die Bestimmung der physikalischen Konstanten wie der Kryoskopie und auch das Brechungsvermögen den- selben Wert zum Zweck des Nachweises der geringsten Wasserzusätze haben, aber nur bei frischen Milchproben, die keinerlei konservierende Substanzen enthalten.

Über die Anwendung der Bestimmung der elektrischen Leitfähigkeit als Kriterium für die Reinheit der Milch sei fol- gendes bemerkt.

Die ersten diesbezüglichen Versuche gehen auf Bohrmannt) und Thörner’) zurück. Der erstere machte die Bestimmung bei 10°C mit einem Galvanometer und einer Wheatstoneschen Brücke, der zweite naoh der Methode von Kohlrausch bei 17° C. Diese Autoren konnten für die Kuhmilch einen elektrischen Widerstand von 180 bis 200 Ohm feststellen.

Später erhielt Jordis®) eine spezifische Leitfähigkeit der Milch von 46,20 ><10-* und 49,10><10-%, im Mittel K = 46,26 x 10-4. Bei Zusatz von 1°/, Natriumbiborat oder -bicarbonat stieg sie von 47,58 auf 69,92, sogar bis 101,2. Wenn man umgekehrt die Milch mit einem gleichen Volumen Wasser versetzte, so fiel X von 47,89 auf 28,08.

1) Jordis, Über Milchanalyse. Dissert., Erlangen 1894.

2) Fischer, Rech. du mouill. du lait par la determ. du point de congel. Pharmakol. Zeitschr. 53, 48, 1908.

3) Cornalba, |. c.

4) Bohrmann, Prüf. d. Milch auf elektrolyt. Wege. Molkerei-Zeitg. 1891, 13.

5) Thörner, Prüf. d. Milch auf elektrolyt. ohem. Wege. (Molkerei?) Zeitg. 15, 1673, 1891.

Le

64 R. Binaghi:

In der Folge fanden Lehnert!) und Koeppe?) für unverfälschte Milch K >x 10—4 48,7 und 55,1 und für verfälschte Milch 5,8°.

Losage und Dougier?) fanden bei 16° C K >< 10-4 43,29 bis 50,66 und Hotze*) bei entrahmter Milch eine Erhöhung von 0,14 bis 2,54 und nach dem Kochen 0,35 bis 1,13.

Endlich schlägt Schnorf®) nach zahlreichen Bestimmungen als Konstante der Kuhmilch K = 48,50 x 10-4 bei 25° C vor. Diese Konstante bleibt sich bei koagulierter Milch gleich, während sie bei Molke um 10 bis 17°/, steigt.

Es ist unmöglich, absolute Zahlen als Grenzen der ge- ringsten und höchsten prozentuellen Zusammensetzung auf- zustellen, weil ein Zusammentreffen von Zahlen und Bedingungen, eine Reihe von Elementen, die der Natur der Milch selbst fremd sind, dazu beitragen, ihre Zusammensetzung zu verändern.

Allgemein gesprochen wird die Milch immer definiert als eine Emulsion von Fett in einer wässerigen Lösung von Albu- minoiden, von Milchzucker und Salzen; in genaueren Ausdrücken und nach den neuesten Ansichten von Bottazzi) könnten wir jedoch die Milch definieren als eine Flüssigkeit, die entsteht aus der Mischung von suspendierten Körpern, von Körpern in echter kolloidaler Lösung und von Körpern in echter krystalloider Lösung.

So können wir zur ersten Gruppe das Fett zählen, in Gestalt einer feinverteilten Materie, die in festen Teilchen zerstreut ist; diese gestatten jede beliebige Verdünnung, sie können die Viscosität verändern, ebenso die Oberflächenspannung der Flüssigkeit, in der die zerstreute Materie suspen- diert ist, die weder den Gefrierpunkt erniedrigen, noch die Spannung der Gase sinken, noch den Siedepunkt der Lösung steigen machen. Höchstens können sie in einer unberechenbaren Weise die Elektrizität leiten; indem nämlich die suspendierten Teilchen durch Kontakt elektrisch werden, nehmen sie negativ elektrische Ladungen auf, aber nicht weil sie wirk- liche elektronegative Ionen bilden.

Zur zweiten Gruppe rechnen wir alle Proteinsubstanzen (Laoto- albumin, Casein usw.) und die Erdalkaliphosphate im Zustande

1) Lehnert, Unters. v. Trinkwasser u. v. Milch bei gebrochenem Melken. Dissert., Erlangen 1897.

2) Koeppe, Vergl. Unters. über d. Salzgehalt d. Kuh- und Frauen- milch. Habilitationsschr., Gießen 1898.

3) Losage und Dougier, Etude de la ferment. lactique par l’observ. de la resist. électrique. Compt. rend. de l’Acad. d. Sc. Paris, 10. März 1902.

4) Hotze, Physikal.-chem. Unters. v.Kuhmilch. Dissert., Zürich 1902.

6) Schnorf, Neue physikal.-chem. Unters. d. Milch. Zürich 1905.

¢) Bottazzi, Ricerche, Arch. Fisiolog. 7, 579, 1909.

Elektrische Leitfähigkeit der Milch. 65

der echten kolloidalen Lösung, nicht nur in Gestalt einer Absorptions- verbindung (sogenannte „Absorbate‘“ von Bottazzi), sondern auch als echte chemische Verbindung; ein Gemenge, das teilweise elektrolytisch und idolytisch trennbar ist. Im Gegensatz zu den Suspensionen, die umgekehrt mit den Elektrolyten nur Absorptionsverbindungen bilden.

Die besagten Substanzen weisen eine höhere Viscosität und eine niedrigere Oberflächenspannung auf als das Lösungsmittel, einen be- stimmten osmotischen Druck und eine bestimmte elektrische Leitfähig- keit. Und die Tatsache, daß die spezifische Leitfähigkeit in der ko- agulierten Milch unverändert bleibt, während sie in der Molke und in der abgerahmten Milch steigt, erklärt sich daraus, daß bei Verwendung desselben Flüssigkeitsvolumens bei jeder einzelnen Untersuchung (l ccm) der von den Substanzen in kolloidaler Lösung oder in Suspension einge- nommene Raum jetzt von solchen in krystalloider Lösung eingenommen wird.

Der Weasserzusatz jedoch, der nichts anderes bewirkt als die ver- schiedenen Bestandteile der Milch zu verdünnen, wird nur die Konzen- tration und daher die Leitfähigkeit der Elektrolyten vermindern, und die stärkere Dissoziation, der diese infolge der Verdünnung unter- liegen, kann bei der geringen Menge der verwendeten Flüssigkeit nicht erkannt werden.

Und zur dritten Gruppe endlich zählen wir die wirklich gelösten Körper, wie den Milchzucker und die Salze; diese letzteren machen das Lösungsmittel elektrolytisch, und zusammen mit dem Milchzucker ver- ändern sie die Viscosität und die Oberflächenspannung, erniedrigen seinen Gefrierpunkt und seinen Gasdruck und erhöhen seinen Siedepunkt.

Wenn man diesen Komplex von Bedingungen betrachtet, die das komplizierte Gefüge der Milch im konstanten Gleich- gewicht erhalten, Bedingungen, die die einfache chemische Analyse nicht andeuten kann und die der Fälscher unvermeidlich verwirren muß, scheint der Schluß naheliegend, daß nur die physikalische Chemie allein gestattet, die geringsten und emp- findlichsten Schwankungen, denen die Milch durch Zusatz von Wasser oder irgendeiner anderen Substanz ausgesetzt ist, zu beobachten und zu kontrollieren. Deswegen müssen die physi- kalisch-chemischen Methoden den Vorzug vor den chemischen und mikroskopischen erhalten, und insbesondere die Methode, die die Bestimmung der elektrischen Leitfähigkeit betrifft, als die einfachste, die praktischste und diejenige, die am raschesten die geringsten Veränderungen anzeigt, die die spezi- fische Konstante der Milch infolge Verdünnung oder Zusatz von Elektrolyten erleidet.

Dagegen kann man nicht einmal einwenden, daß das ein-

fache Abrahmen der Milch oder die Beimischung von Molke Biochemische Zeitschrift Band 29. 5

66 R. Binaghi:

die Verwässerung verdecken könnten, indem man so die Zahlen, die die Konstanten der unverfälschten Milch darstellen, an- nähernd erreichen könnte; denn es wäre recht schwierig für einen Fälscher, gerade so viel Fett wegzunehmen oder so viel Molke im Verhältnis zuzusetzen, um mit solcher Leichtigkeit die begangene Verfälschung zu verdecken.

Die Verfälschung mit zugesetzten Elektrolyten als Kon- servierungsmittel bedarf keinerlei Demonstration. Die Ver- änderungen der spezifischen Konstante sind so wesentlich und deutlich, daß sie den sachverständigen Chemiker instand setzen, keinerlei Zweifel über ihre Anwesenheit zu hegen.

In Anbetracht der von den wenigen Autoren, die sich mit der Bestimmung der spezifischen Leitfähigkeit der Milch be- schäftigt haben, erhaltenen Resultate und der Vorteile, die die Geschwindigkeit dieser Methode bei der hygienischen und sanitären Milchkontrolle bringen könnte, wollte auch ich eine Reihe von Bestimmungen an Milchsorten, die in Cagliari ver- kauft werden, ausführen, um zu sehen, was man aus ihrer Anwendung entnehmen könne.

Ich verwendete für die Versuche den Apparat von Kohl- rausch (Wheatstonesche Brücke, Wechselströme und Tele- phon).

Die Versuche wurden stets bei derselben Temperatur (25° C) angestellt. Die Beobachtung einer Reihe von Messungen an einer ®/,,Titrierlösung von ganz reinem RO diente als Kon- trolle der Exaktheit und Genauigkeit der erhaltenen Zahlen und gestattete die Berechnung der Werte der spezifischen Widerstände (elektrischer Widerstand einer Flüssigkeitssäule von l cm Höhe und 1l qem Oberfläche).

Bei einigen Versuchen bediente ich mich einer absolut reinen und unverfälschten, von einem einzigen Tiere (Schaf, Ziege, Kuh) stammenden und in Gegenwart einer durchaus vertrauenswürdigen Person gemolkenen Milch; bei anderen Ver- suchen verwendete ich gewöhnliche Handelsmilch, die direkt aus den Milchhandlungen der Stadt oder von irgendeinem Milchhändler am Platze bezogen war, ohne mich irgendwie um die Reinheit oder mögliche Verfälschung zu kümmern.

Ich habe diese Kontrolluntersuchungen ausgeführt, um die Unterschiede zu konstatieren, die zwischen der Landmilch und

Elektrische Leitfähigkeit der Milch. 67

der in der Stadt verkauften bestehen können, zu dem Zwecke, um eventuelle Verschiedenheiten hervorzuheben.

In jedem Falle war die Milch ganz frisch.

Ich konnte dabei die Konstante (K) der Schafmilch fest- stellen, die noch nicht untersucht war, im Verhältnis zur Ziegen- und Kuhmilch. Dies tat ich in Anbetracht der Tatsache, daß der große Milchkonsum unserer Stadt fast ausschließlich von Schaf- milch bestritten wird, wogegen der von Kuh- und Ziegenmilch sehr beschränkt ist.

In der Folge habe ich die Versuche an denselben Proben wiederholt, nachdem ich 5, 10, 15, 20, 25, 30, 35, 40°/, Wasser, das direkt einem Laufhahn unseres Institutes entnommen war, zugefügt hatte, zu dem Zweck, um zu sehen, ob die Ver- wässerung, die eine verdünnende und den Gleichgewichtszustand der verschiedenen Komponenten der Milch verändernde Wirkung hat, den Wert der Konstante in einem dem Wasserzusatz merk- bar proportionellen Maße herabsetzt.

Um demgegenüber nun auch festzustellen, welches Ver- halten die Milch beim Zusatz von Elektrolyten aufweist, ein Zusatz, der natürlich den Wert der Konstanten zu erhöhen geeignet wäre, und zwar in einem Maße, das relativ höher wäre als der Grad der Verdünnung und Dissoziation, unterzog ich die verschiedenen Proben der sukzessiven Behandlung mit 1, 2, 3, 4, 5°/ igem Natriumcarbonat, -bicarbonat, -biborat und Borsäure; Elektrolyten, die, wie wir wissen, der Milch zugesetzt werden, um sie länger unverändert vor der Wirkung der Fermente zu erhalten.

Für die einzelnen Bestimmungen habe ich folgende Formel

angewendet: K=C (5 ; ai R b b Kapazität der Zelle. k a | 1 a Ka Art der Milchprobe | R a EN | E ` "E 10

von Sie KO 0,00962 | 0,2665

5*

68

Art Nr.| der Milchprobe

1

12

do.

do.

do.

do.

do.

do.

do.

do.

do.

do.

do.

R. Binaghi:

R | a

Reine Schafmilch | 100

150 200 225

100 150 200 225

100 150 200 225

100 150 200 225

100 150

Tabelle I.

a b

0,5432 0,3605 0,2690 0,2361

0,5129 0,3423 0,2594 0,2270

0,5361 0,3495 0,2658 0,2438

0,5408 0,3550 0,2674 0,2346

0,5175 0,3459 0,2610 0,2315

0,5244 0,3459 0,2579 0,2270

0,5060 0,3369 0,2531 0,2240

0,5432 0,3587 0,2658 0,2407

0,5221 0,3477 0,2690 0,2270

0,5576 0,3699 0,2723 0,2422

0,5314 0,3532 0,2674 0,2346

0,5291 0,3532 0,2690 0,2361

D

0,01841 0,01849 0,01850 0,01882

0,01957

0,01865 0,01907 0,01881 0,01820

0,01849 0,01876 0,01851 0,01881

0,01930 0,01946 0,01911 0,01921

0,01907 0,01927 0,01938 0,01957

0,01868 0,01879 0,01974 0,01984

0,01842 0,01858 0,01881 0,01846

0,01915 0,01911 0,01858 0,01957

0,01793 0,01802 0,01836 0,01834

0,01881 0,01887 0,01851 0,01881

0,01881 0,01868 0,01858 0,01882

a b

0,01941

0,01868

0,01864

0,01927

0,01932

0,01928

0,01857

0,01910

0,01866

0,01875

0,01872

Ras

x 10-4

61,72

49,78

49,67

61,35

61,48

61,38

49,48

50,90

49,72

49,96

49,88

Nr.

Art der Milchprobe

R

13 | Reine Ziegenmilch | 100

14

15

16

17

18

19

21

do.

do.

do.

do.

do.

do.

do.

do.

do.

do.

150 200 225

100 150 200 225

100 150 200 225

100 150 200 225

100 150 200 225

100 150

Tabelle I.

Elektrische Leitfähigkeit der Milch.

0,01816 0,01821 0,01804 0,01826

0,01833 0,01858 0,01858 0,01846

0,01793 0,01802 0,01836 0,01834

0,01882 0,01816

0,01871

0,01764

0,01817

0,01824

0,01866

0,01831

0,01800

0,01875

0,01765

0,01872

0,01822

0,01855

69

48,79

47,97

49,96

47,03

49,88

48,67

49,43

70

25

31

33

34

Art der Milchprobe Reine Kuhmilch

do. do. do. do. do, do. do. do.

do.

do.

R. Binaghi:

Tabelle II.

100 | 357 150 | 267 200 | 216 225 | 195

100 | 356 | 150 | 265 | 200 | 215 |

225 | 196

100 | 357 150 | 271 200 | 215

225 | 197 |

100 | 358 150 | 268

0,5552 | 0,01800 0.3643 | 0,01830

0,2771 0,2422

0,5528 0,3605 0,2739 0,2438

0,5552 0,3717 0,2739 0,2453

0,5576 0,3661 0,2771 0,2438

0,5504 0,3643 0,2771 0,2438

0,5456 0,3587 0,2690 0,2407

0,5576 0,3699 0,2723 0,2422 0,5504 0,3643 0,2658 0,2422 0,5798

|

| |

0,01804 0,01835

0,01808 0,01849 0,01820 0,01822

0,01801 0,01800 0,01825 0,01811

0,01800 0,01820 0,01804 0,01822

0,01816 0,01821 0,01804 0,01822

0,01833 0,01858 0,01858 0,01846

0,01793 0,01802 0,01836 0,01834

0,01817

0,01822

0,01809

0,01812

0,01817

0,01824

0,01866

0,01831

0,01807

0,01868

48,55

48,20

49,72

48,79

47,97

49,54

48,15

49,78

um T en y

Elektrische Leitfähigkeit der Milch. Tabelle IV.

Padrumannu

C.V.Emanuele

S. Giovanni

C.V.Emanuele

—— EE ——

0,01765 0,01757 0,01742 0,01777

0,01762 0,01775 0,01790 0,01765

0,01681 0,01714 0,01712 0,01713

0,01717 0,01707 0,01721 0,01723

0,01765 0,01740 0,01742 0,11931

0,01769 0,01755 0,01762 0,01835

0,01828 0,01775 0,01805 0,01835

0,01849 0,01887 0,01851 0,01882

0,01597 0,01614 0,01638 0,01622

0,01722 0,01741 0,01762 0,01765

0,01699 0,01351 0,01548 0,01549

0,01519 0,01533 0,01516 0,01554

0,01760

0,01773

0,01705

0,01717

0,01795

0,11780

0,01830

0,01890

0,01615

0,01750

0,01537

0,01530

47,25

45,43

45,75

47,23

47,44

48,76

50,36

43,03

46,63

40,96

40,77

72

51

52

53

56

Molkerei N. N.

do;

do.

do.

do.

do.

do.

do.

R. Binaghi:

Tabelle IV (Fortsetzung).

0,01683 0,01672

0,01506 0,01540 0,01557 0,01548

0,01551 0,01570 0,01574 0,01585

0,01829 0,01805 0,01820

0,01833 0,01821

0,01858

0,01834

0,01828 |

0,01532

0,01612

0,01623

0,01560

0,01660

0,01538

0,01570

0,01571

0,01820

0,01839

40,82

42,95

43,25

41,57

44,23

41,00

41,84

41,86

48,40

49,00

0,01722 0,01755 0,01762 0,01770

0,01752 | 46,69

Elektrische Leitfähigkeit der Miloh.

73

Tabelle V (Fortsetzung).

100

60 | Molkerei E. Congiu

61 j

G. Congiu

B. Lobina

C. V. Eman.

G. Manca

E. Marongiu

8. Giovanni

Nr. Kuhmilch R

0,5674 0,3831 0,2870 0,2531

0,6129 0,4124 0,3055 0,26%

0,5528 0,3643 0,2771 0,2438

0,5408 0,3550 0,2674 0,2346

0,01801 0,01802 0,01825 0,01811

0,01762 0,01740 0,01721 0,01765

0,01842 0,01858 0,01881 0,01846

0,01850 0,01849 0,01858 0,01870

0,01777

0,01865 0,01907 0,01881 0,01820

0,01773 0,01775 0,01836 0,01846

0,01765 0,01740 0,01742 0,01731

0,01631 0,01617 0,01636 0,01682

0,01828 0,01829 0,01805 0,01820

0,01849 0,01876 0,01851 0,01881

0,01800

0,01762

0,01857

0,01859

0,01761

0,01868

0,01807

0,01636

0,01820

0,01864

46,95

49,48

49,54

46,93

49,78

43,59

48,40

49,67

74

71 | Molkerei Cecconi

72 e G. Congiu 73 e L. Podda 74 E. Congiu 75 e L. Murgia 76 S. Giovanni

77 | mit 5%, H,O | „10%, 79 „15% n BI e 20% n 81 n 8% n

Tabelle VII.

R. Binaghi:

0,5625 0,3793 0,2820 0,2500

0,6474 0,4316 0,3210 0,2837

0,6129 0,4104 0,3158 0,2658

0,6181 0,4124 0,3055 0,2706

0,6234 0,4164 0,3089 0,2765

0,5456 0,3643 0,2771 0,2453

Tabelle VI (Fortsetzung).

0,01777 0,01757 0,01772 0,01777

0,01544 0,01550 0,01557 0,01566

0,01631 0,01624 0,01600 0,01672

0,01602 0,01616 0,01636 0,01500

0,01604 0,01601 0,01618 0,01607

0,01833 0,01821 0,01804 0,01811

0,01769 0,01765 0,01762 0,01765

0,01717 0,01741 0,01722 0,01744

0,01770

0,01554

0,01632]

0,01600

0,01607

0,01817

0,01765

0,01731

0,01714

0,01647

0,01607

41,36

44,49

42,64

42,82

48,42

46,13

45,67

43,89

42,82

Elektrische Leitfähigkeit der Milch. 75 Tabelle VII (Fortsetzung). Nr] Schafmich (Elei 2 : a) | Ka b 2. -'- 7 Ee 10-4

0,01506 0,01540 0,01557 0,01548

0,01519 | 0,01533 |

0,01538 | 41,00

0.01516 40,76

0,01554

0,01724 0,01748 0,01722 0,01600 |

Untersuchte reine Schafmilch: K; 49,43 >< 10%.

39,30

Tabelle VIII.

0,2516 | 0,02649 0,1862 | 0,02685 0,1641 | 0,02711

0,2376 | 0,04208 0,1587 | 0,04208

0,02403 64,03

20/00

0,04240 | 112,99

0,04263

39/00

49/00

59/00

Lia

91 Si

0,1173 0,1038 |

0,1990 | 0,1312 | 0,0977 0,0870

0,1561 0,1038 0,0776 0,0684 0,1261 0,0834 0,0627 0,0604

0,2579

| 0,1710

0,1261 0,1136

0,1933 0,1261 0,0977 0,0870

0,04282

0,05577 0,05081 0,05117 0,05108

0,06406

0,06352 |

0,06443

0,06498 | 0,07930 |

0,07993 0,07974 0,07373

0,03877 0,03881 0,03897 0,03911

0,05173 0,05281 0,05113 0,05108

0,05220

0,03891

0,05169

139,11

171,22

202,32

103,71

137,75

76 R. Binaghi: Tabelle VIII (Fortsetzung).

92 | mit 3°/,, doppelt- |100 | 137 | 0,1587 | 0,06301 kohlensaurem Salz |150| 97| 0,1074 nn 0,06225 | 165,89

93 40/00 100 | 135 | 0,1561 | 0,06406 150| 95| 0,1050 | 0,06341 | 006400 | 170,56

94 UA 100 | 132 | 0,1621 | 0,06571 150| 93| 0,1025 | 0,06505 | oogss2 | 175,41

225| 61| 0,0652 | 0,06613 Untersuchte reine Schafmilch: X,, =— 49,43 >x< 10—,

Tabelle IX.

95] mit 1%/,, doppelt- |100 |274| 0,3774 | 0,02648 kohlensaurem Balz |150 |198 | 0,2479 | 0,02662 | oo2659 | 70.86 200 0,02665 |

96 20/00 100 | 152 | 0,2792 | 0,03588 150 | 182| 0,2225 | 0,03000 | 003134 | 83,2

97 30/0 100 | 230 | 0,2987 | 0,03348 150 |165 | 0,1976 | 0,03373 | 0,03372 | 89,86

98 dëi 100 |229 | 0,2970 | 0,03367 150 | 166 | 0.1990 | 0.03350 200 | 128| 0,1488 | 0.03405 | 903536 | 93,70 225 | 118 | 0.1337 | 0,03021

99 50/00 100 | 199 | 0,2484 | 0,04026 150 | 142 | 0,1655 | 0,04028 200 |110! 0.1236 | 004041 | 904035 | 107,53 225| 99| 0,1098 | 0,04044

100| mit g 10/,0 Borsäure | 100 | 328 | 0,4871 | 0,02053 150 | 247 | 0,3280 | 0,02032 | 002040 | 54,36

101 20/00 100 |314| 0,4577 | 0,02118 200 | 184 | 0.2255 | 0,02217 | 902085 | 55,66

Elektrische Leitfähigkeit der Milch. 77 Tabello IX (Fortsetzung).

0,4599 | 0,02017 0,3106 | 0,02124 0,2300 | 0,02173 0,2077 | 0,02117

0,2005 | 0,01994

0,4430 | 0,02257 0,3038 | 0,02194 0,2285 | 0,02188 0,2019 | 0,02201

Untersuchte reine Schafmilch: X,, = 49,43 >< 10%.

Wenn wir nun die bei den verschiedenen Versuchen er- haltenen Resultate überprüfen, können wir uns leicht von der Wichtigkeit überzeugen, die die Methode der Bestimmung der elektrischen Leitfähigkeit bei der Milchkontrolle hat, weil sie es uns möglich macht, nicht bloß zu unterscheiden, von welchem Säugetier (Schaf, Ziege, Kuh) die zu untersuchende Milch stammt, sondern sie gestattet uns auch, mit Sicherheit fest- zustellen, ob die Milch verwässert ist und in welchem Ver- hältnis, oder ob ihr die gewöhnlich als Konservierungsmittel ver- wendeten Elektrolyten zugesetzt worden sind.

Bei der Schafmilch z. B., auf die ich meine Untersuchungen besonders gerichtet hatte, da sie in Sardinien am meisten kon- sumiert wird, weist die Konstante der elektrischen Leitfähig- keit, die zwischen 49, 43 und 51,72 (Mittel: X, x II? 50,40) liegt, so auffallende Unterschiede zwischen der echten Landmilch und der in der Stadt verkauften auf, daß keinerlei Zweifel über die stattgehabte Verwässerung bestehen kann.

In der Tat ist nur eine von den Proben aus der Stadt LE xs 50,36 >< 1074) innerhalb der der Schafmilch zugewiesenen Grenzen, während die anderen, die sich dem Mittel nähern oder es erreichen sollten, sich in so bemerkenswerter Weise davon entfernen, daß sie beinahe vollkommen den Zahlen ent- sprechen, die nach Wasserzusatz bei den unverfälschten Proben erhalten wurden; so können wir bei den von Milchhändlern

78 R. Binaghi:

bezogenen Milchproben Wasserzusätze bis zu 35°/, nachweisen, wie aus den Tabellen I und II hervorgeht.

Geringere Unterschiede werden bei der Ziegenmilch und Kuhmilch vom Lande oder aus der Stadt beobachtet. Die Tabellen II und III zeigen als Grenze für unverfälschte Ziegen- milch 47,01 und 49,96 (Mittel: K,,>< 1074 = 49,00) und für unverfälschte Kuhmilch 47,97 und 49,78 (Mittel: K,><10"* 49,70); dagegen die Tabellen V und VI für in der Stadt verkaufte Ziegenmilch 46,69 und 49,78 (Mittel: K,,>< 1074 == 45,57). Die Tabelle VII ist eine Bestätigung dessen, was Jordis bewiesen hatte, nämlich, daß der Wasserzusatz die elektrische Leitfähigkeit herabsetzt und der Grad der Herab- setzung mit dem erhöhten Wasserzusatz wächst; die hier an- geführten Zahlen können dazu dienen, den Prozentsatz der Verwässerung anzugeben.

Die Tabellen VIII und IX sind so deutlich und zeigen Zahlen, die von den festgesetzten Grenzen für die verschiedenen untersuchten Milchsorten so verschieden sind, daß ihre einfache Betrachtung einen unbestreitbaren Beweis zur Entdeckung der Verfälschung mit als Konservierungsmittel verwendeten Elektro- lyten liefert. ?)

Schlußfolgerung.

L Die elektrische Leitfähigkeit einer absolut frischen und unverfälschten Milch ist im wesentlichen konstant bei den Milch- arten der verschiedenen Säugetiere, so daß die Bestimmung ein approximatives Urteil über die Art der Milch gestattet.

2. Die bei 36 unverfälschten Milchproben festgestellten Konstanten sind folgendermaßen verteilt: Für Schafmilch: 49,43 bis 51,72 (Mittel: K,, = 50,40 x 107$); für Ziegenmilch: 47,01 bis 49,96 (Mittel: K,, = 49,00 >< 10%); für Kuhmilch: 47,97 bis 49,78 (Mittel: X,, = 48,70 x 107$).

3. Die elektrische Leitfähigkeit der verwässerten Milch ver- mindert sich proportional mit dem erhöhten Wasserzusatz.

1) Ich behalte mir vor, in einer anderen Arbeit Tabellen anzuführen zum Vergleiche der bei verwässerter Milch mit der Leitfähigkeits- methode erhaltenen Abweichungen mit den bei den anderen gewöhnlich angewendeten Methoden.

Elektrische Leitfähigkeit der Milch. 79

4. Die Elektrolyten, wie Natriumbicarbonat, :-carbonat, -biborat und Borsäure, die der Milch als Konservierungsmittel zugesetzt werden, steigern ihre elektrische Leitfähigkeit erheb- lich, und zwar direkt proportional der Menge des zugesetzten Elektrolyten.

5. Die Bestimmung der elektrischen Leitfähigkeit ist ge- eignet, wertvolle Hinweise bezüglich einer eventuellen Ver- wässerung der Milch oder eines Zusatzes von Elektrolyten zu geben; deswegen muß sie, in Anbetracht ihrer Einfachheit und raschen Ausführbarkeit, als die beste Untersuchung angesehen werden, die bei der hygienischen und sanitären Milchkontrolle auszuführen ist.

Die Hemmung verschiedener Giftwirkungen auf das befruchtete Seeigelei durch Hemmung der Oxydationen in demselben.

Von Jacques Loeb.

(Aus dem Rockefeller Institut, New York.) (Eingegangen am 21. September 1910.)

1. In früheren Arbeiten habe ich gezeigt, daß es gelingt, die Giftwirkungen gewisser Agenzien auf das befruchtete See- igelei dadurch zu hemmen, daß man demselben den Sauerstoff entzieht, oder daß man die Oxydationen in demselben durch Cyankalium unterdrückt. Die Agenzien, für die dieser Nach- weis geführt worden war, waren l. hypertonische Lösungen!), 2. hyperalkalische Lösungen?), 3. neutrale Lösungen von NaCl, LiCl, RO u. &.?).

Die Hemmung der Giftwirkung hypertonischer und hyper- alkalischer Lösungen durch Sauerstoffmangel war eine fast voll- ständige, im Falle der unter 3. erwähnten Lösungen war sie geringer. Unabhängig von mir hat Warburg‘) gezeigt, daß man die Giftwirkung einer neutralen Chlornatriumlösung auf das befruchtete Seeigelei durch eine Spur Cyannatrium hemmen kann. Ich habe mich nun diesen Sommer überzeugt, daß fast alle Agenzien, die das Ei nicht momentan zerstören (wie etwa die Salze der Schwermetalle in hoher Konzentration, der abso- lute Alkohol und ähnliche) in ihrer Wirkung auf das befruchtete

1) Pflügers Archiv 113, 487, 1906.

2) Diese Zeitschr. 2, 81, 1906; 26, 279 u. 289.

3) Diese Zeitschr. 27, 304, 1910; ferner: Die chemische Entwicklungs- erregung des tierischen Eies. Berlin 1908. Verlag von Julius Springer.

t) Warburg, Zeitschr. f. physiol. Chem. 66, 317, 1910.

J. Loeb: Hemmung versch. Giftwirk. auf das befruchtete Seeigelei usw. 81

Seeigelei hemmend wirken, wenn man die Oxydationen im Ei durch Sauerstoffmangel oder Zusatz von Cyankalium oder -natrium verringert oder unterdrückt. Die Agenzien, für die dieser Nach- weis im folgenden geführt werden soll, sind: 1. giftige Salz- lösungen, 2. Lösungen von Saccharose, 3. hypotonische Lösungen, 4. Lösungen von Alkohol, Chloralhydrat, Phenylurethan und Chloroform. Die Zahl der Versuche ist so groß, daß ich mich mit einer Auswahl unter denselben begnügen muß.

Zur Methode der Versuche sei folgendes bemerkt. Als Versuchsobjekt diente das frisch befruchtete Ei des Seeigels Arbacia. Versuche ergaben, daß die optimale Konzentration der Lösung, in der diese Eier sich entwickeln, 271. m-NaCl ist. Der Kürze halber sei diese Lösung im folgenden als ml. an- geführt. Diese Konzentration ist.. beiläufig dieselbe wie für die Entwicklung der Seeigeleier in Californien, trotz des angeblich verschiedenen Salzgehaltes des Atlantischen und Stillen Ozeans. Setzt man zu 50 ccm pl Nal die folgenden Salze zu: 1,1 ccm m/ KOL 0,75 com ®/,-CaCl,, 3,9 ccm Mel, 0,19 ccm MgSO,, so hat man künstliches Seewasser. Es sei aber bemerkt, daß bei einer Lösung von NaCl -+ KCI -+ CaCl, (in den angegebenen Konzentrationen und Verhältnissen) die frisch befruchteten Eier von Arbacia sich zu schwimmenden Blastulen und Gastrulen entwickeln, und zwar in neutraler Lösung. Unter neutral ver- stehe ich eine Lösung, die mit 1 Tropfen al, Neutralrot zu 50 com der Lösung rot ist, die aber durch Zusatz von 1 bis 2 Tropfen ml, NaHO gelb wird. Es sei ferner bemerkt, daß, wenn im folgenden von einer Lösung von NaCl, oder NaCl KO die Rede ist, pl -Lösungen dieser Salze in dem Verhältnis ver- standen werden, indem dieselben im künstlichen Seewasser vor- kommen.

Sauerstoffarme oder sauerstofffreie Lösungen wurden da- durch hergestellt, daß sorgfältig gewaschener und gereinigter Wasserstoff (aus chemisch reiner Schwefelsäure und arsenikfreiem Zink hergestellt) mrehrere Stunden durch 25 ccm der Lösungen (in kleinen Gefäßen) getrieben wurden, ehe die Eier zugefügt wurden, und daß ein (nicht zu heftiger) Strom von Wasserstoff während der ganzen Versuchsdauer durch die Lösung ging. Die Flaschen waren so konstruiert, daß die Eier fast ohne Ein-

dringen der Luft eingeführt werden konnten. Bioehemische Zeitschrift Band 29. 6

82 J. Loeb:

Wurde mit Cyannatrium gearbeitet, so wurden 5 oder 6 Tropfen einer */, igen Lösung von NaCN oder KCN zu 50 eem der Lösung zugefügt.

Ehe die Eier in die Lösungen gebracht wurden, wurden sie vorher durch zweimaliges Waschen in den Lösungen von Seewasser befreite. Gewöhnlich wurden drei parallele Versuchsreihen mit den Eiern derselben Weibchen gleichzeitig angestellt, nämlich 1. mit der betreffenden Lösung in Berührung mit Luft, 2. 50 ccm in derselben Lösung -+ 5 Tropfen !/,„’/,iger NaCN, 3. dieselbe Lösung, aber von Sauerstoff befreit.

Die Eier, die für die Lösung 2 und 3 bestimmt waren, wurden in Lösungen gewaschen, denen eine Spur NaCN zugesetzt war, um die Giftwirkung während der Periode des Waschens zu hemmen. Das ist nötig, weil es lange dauert, bis die Eier sich zu Boden setzen, und ich die Anwendung der Zentrifuge für diese Versuche nicht riskieren wollte, um nicht eine neue Quelle der Schädigung der Eier einzuführen.

Um einen Maßstab für die Giftwirkung zu besitzen, wurden Proben der Eier aus den Lösungen nach verschiedenen Inter- vallen genommen, in normales Seewasser übertragen und der Prozentsatz der Eier, die sich zu schwimmenden Larven ent- wickelten, bestimmt. Um das mit den Eiern tun zu können, die dem Wasserstofistrome ausgesetzt waren, wurden gewöhnlich vier Flaschen mit Eiern mit dem Wasserstoffentwicklungsapparat verbunden. Jede dieser Flaschen konnte weggenommen werden, ohne Luft in die übrigen Flaschen einzulassen.

Es sei besonders darauf hingewiesen, daß, während die Eier in der Lösung sind, der Wasserstoffstrom nicht zu kräftig sein darf, da sonst die Eier mechanisch geschädigt werden.

Die Temperatur variierte in diesen Versuchen meist zwischen 20 und 24°C.

2. Hemmung der Giftwirkung der Salze durch Hemmung der Oxydationen im Ei. Die im folgenden zur Verwendung kommenden Salzlösungen waren alle neutral im früher erwähnten Sinne.

Frisch befruchtete Eier, die in eine reine ml -Lösung von NaCl gebracht wurden, waren nicht mehr imstande, sich zu entwickeln, wenn sie nach 5 Stunden und 20 Minuten in See-

Hemmung versch. Giftwirkungen auf das befruchtete Seeigelei usw. 83

wasser übertragen wurden. Die ebenso lange in derselben Lösung, aber ohne Sauerstoff gewesenen Eier entwickelten sich praktisch alle zu schwimmenden Larven, als sie in See- wasser übertragen wurden; und viele dieser Larven erreichten das Pluteusstadium. Eine Partie Eier, die 16 Stunden in der sauerstofffreien Lösung von NaCl gewesen war, bildete noch 10°/, schwimmende Larven. Cyannatrium wirkte ebenso günstig.

Dieser Versuch ist nur eine Bestätigung ähnlicher früherer Beobachtungen von Warburg und mir. In meiner früheren Abhandlung erwähnte ich, daß die Giftigkeit einer reinen CaCl,- Lösung durch Zusatz von KCN nicht vermindert werde.!) Ich stellte deshalb weitere Versuche mit Sauerstoffmangel an und fand, daß die Giftwirkung einer ?/, m- (mit Seewasser isotonischen) Lösung von Calciumchlorid durch Sauerstoffmangel erheblich verringert wird. Die Eier, die nach 2!/, Stunden aus der sauerstoffhaltigen Lösung in Seewasser übertragen wurden, gingen praktisch alle zugrunde, ohne das Larvenstadium zu erreichen. Die Eier aber, die nach dieser Zeit aus der sauer- stofffreien Calciumchloridlösung in Seewasser übertragen wurden, entwickelten sich praktisch alle zu Blastulen und Gastrulen und ein Teil erreichte das Pluteusstadium.

Dagegen hatte der Zusatz von Gyankalium oder Cyan- natrium keine derartige Wirkung. Über den Grund dieses abweichenden Verhaltens habe ich nur Vermutungen. Der hemmende Einfluß von Sauerstoffmangel auf die Giftwirkung reiner Lösungen von KO und von MgCl, wurde ebenfalls nachgewiesen.

Wir wollen nun einige Beispiele für die Mischung von zwei Salzen erwähnen, zunächst NaCl Ce,

Frisch befruchtete Eier von Arbacia waren nicht mehr imstande, sich zu entwickeln, wenn sie nach 4 Stunden aus 50 cem ml Na +0,75 ccm ®/,-CaCl, in Seewasser zurück- gebracht wurden. Die Eier dagegen, die ebenso lange in der- selben Mischung gewesen waren, aber ohne Sauerstoff, ent- wickelten sich nach der Übertragung in Seewasser alle zu Larven und ein Teil erreichte das Pluteusstadium. Die in der sauerstofffreien Lösung gehaltenen Eier entwickelten sich selbst

1) Diese Zeitschr. 27, 309, 1910. 6*

84 J. Loeb:

nach 7 Stunden langem Aufenthalt der Mehrzahl nach (70°/,) zu Larven, wenn sie in Seewasser übertragen wurden.

Der Zusatz von 5 Tropfen ?!/,,’/,iger NaCN zu 50 ccm der Lösung wirkt ähnlich wie Sauerstoffmangel.

Um die Lösung giftiger zu machen, wurde CaCl, im Über- schuß zu der Chlornatriumlösung zugefügt. Die Mischung war 50 ccm ®/,-NaCl-+-2,5ccm ™/,-CaCl,. In der sauerstoffhaltigen Lösung waren die Eier bereits nach 3 Stunden und 10 Minuten so weit geschädigt, daß sie nach der Übertragung in Seewasser sich nicht mehr zu entwickeln vermochten. Die ebenso lange in der sauerstofffreien Lösung gehaltenen Eier entwickelten sich alle zu Larven und der Mehrzahl nach zu Pluteen. Die nach 2 Stunden aus der sauerstofffreien Lösung in Seewasser übertragenen Eier entwickelten sich noch zum großen Teil, und die nach 7 Stunden und 20 Minuten übertragenen Eier entwickelten sich noch zum kleinen Teil zu schwimmenden Larven.

Der Zusatz von 6 Tropfen NaCN (!/,,/,ig) zu 50 ccm der Lösung wirkte noch viel günstiger wie Sauerstoffmangel. Die nach 10 Stunden aus der Lösung in Seewasser übertragenen Eier entwickelten sich praktisch alle noch zu schwimmenden, wenn auch nicht mehr so vollkommenen Larven.

Für Mischungen von NaCl + KO und von NaCl + Me, wurde ebenfalls der Nachweis geführt, daß Sauerstoffentziehung resp. Zusatz von 5 Tropfen '/,,„"/,iger NaCN zu BO ccm der Lösung die Giftigkeit der letzteren aufhebt oder vermindert. So sei als Beispiel erwähnt, daß Eier in der Lösung von NaCl + RO nach 11 Stunden so weit gelitten hatten, daß sie sich nicht mehr entwickelten. Die Eier derselben Weibchen in derselben Lösung mit 5 Tropfen NaCN waren um diese Zeit alle intakt und entwickelten sich zu normalen Larven, nach- dem sie in normales Seewasser übertragen waren. Das gleiche gilt für die in der sauerstofffreien Lösung gehaltenen Larven.

Was die Mischung von 50 ccm =/,-NaCl + 6ccm ?/, m- MgCl, anbetrifft, so waren die Eier von Arbacia nach 6 Stunden so weit geschädigt, daß sie praktisch nicht mehr imstande waren, sich zu Larven zu entwickeln. Um diese Zeit aber waren die in der sauerstofffreien Lösung gewesenen Eier noch alle intakt; und dasselbe war der Fall für die Eier, die in der Lösung gewesen waren, die eine Spur NaCN enthielt.

E —— —se *

Hemmung versch. Giftwirkungen auf das befruchtete Seeigelei usw. 85

Selbst die nach 8 Stunden aus diesen letzteren zwei Lösungen genommenen Eier entwickelten sich noch zu normalen Larven.

Von größerem Interesse war es nun, festzustellen, ob auch die Giftwirkung von Salzen, die nicht im Seewasser enthalten sind, durch Sauerstoffmangel gehemmt werden kann. Das ist der Fall. Als Beispiel diene zunächst die Mischung 50 ccm m/ NaCl + 1 ccm eil Bal. Es muß bemerkt werden, daß die Versuche mit dieser Lösung etwas umständlich sind, weil es nötig ist, die Eier vor dem Einbringen in die Lösung und nach der Herausnahme aus der Lösung in einer Mischung von NaCl +- KCI -+ CaCl, zu waschen (um die Bildung des Nieder- schlages von BaSO, an der Oberfläche der Eier zu verhindern). Die Eier, die in der sauerstoffhaltigen Lösung waren, waren nach 5!/, Stunden so weit geschädigt, daß sie nach der Über- tragung in Seewasser sich nicht mehr zu entwickeln vermochten. Die Eier dagegen, die 5'/, Stunden in der sauerstofffreien Lösung gewesen waren, waren alle am Leben, entwickelten sich alle nach der Übertragung in Seewasser (unter normaler Furchung) zu Larven und ein Teil zu Pluteen. Selbst die nach 8!/, Stunden aus der sauerstofffreien Lösung genommenen Eier entwickelten sich noch alle zu schwimmenden Larven. DerZu- satz von 5 Tropfen einer !/,, TI, (gen NaCN-Lösung wirkte ähnlich.

Ähnliche Resultate wurden mit der Mischung von 50 ccm m/ NaCl -+ 1 cem el SOL erzielt.

Eine geringe Wirkung läßt sich sogar bei sehr schwachen HgCl,-Lösungen nachweisen. Zu 50 ccm Seewasser wurden 2 ccm ®/,s00-Sublimat zugesetzt. Nach 10 Stunden 40 Minuten waren alle Eier bis auf wenige tot und nicht länger fähig, sich nach der Übertragung in Seewasser zu entwickeln. Von den- selben Eiern aber, die in derselben Lösung, aber ohne Sauer- stoff ebenso lange gewesen waren, entwickelten sich noch etwa 10°/,. Wegen der komplexen Verbindungen, die Hg mit KCN bildet, ließ sich der Cyankaliumversuch nicht ausführen.

Diese Versuche mögen genügen, um darzutun, daß die Giftwirkung beliebiger neutraler Salzlösungen durch Sauerstoff- mangel oder Unterdrückung der Oxydationen im Ei mittels Cyannatrium verringert resp. aufgehoben werden kann. Die hier mitgeteilten Versuche sind, mit Ausnahme des Versuches mit Quecksilberchlorid, außerordentlich schlagende Demonstra-

86 dn Loeb:

tionsversuche, sobald man erst einmal den Zeitpunkt kennt, bei dem die betreffende Salzlösung in Gegenwart von Sauerstoff alle Eier zerstört. Dieser Zeitpunkt variiert natürlich mit der Natur der Lösung und der Temperatur.

3. Die Hemmung der Giftwirkung einer isotonischen Traubenzuckerlösung durch Sauerstoffmangel. Es war für die Theorie dieser Erscheinungen nötig, festzustellen, ob die Hemmung der Giftwirkung durch Unterdrückung der Oxy- dationen im Ei nur für die Salze oder auch für Nichtleiter gilt. Als Repräsentant der letzteren wurde eine Traubenzuckerlösung gewählt.

In Vorversuchen wurde zunächst die optimale Konzentration der Glucose festgestellt. Da die Eier von Arbacia sich in reinen Glucoselösungen nicht furchen, so wurde durch Mischung von Glucoselösungen verschiedener Konzentrationen mit etwas See- wasser ermittelt, daß eine °/, m-Glucoselösung die optimale Konzentration ist. Eine größere Zahl von Versuchen wurde dann mit Zuckerlösungen angestellt, die alle das Resultat er- gaben, daß die Giftigkeit einer Glucoselösung durch Unter- drückung der Oxydationen im Ei gehemmt wird. Es sei be- merkt, daß die Eier nach der Herausnahme aus der Zucker- lösung die Tendenz haben, am Glase zu kleben. Man vermeidet die hierdurch bedingte Fehlerquelle durch mehrmaliges Waschen der Eier in Seewasser, ehe man sie definitiv in das Beobachtungs- gefäß überträgt. Da die Versuche alle gleich ausfielen, so möge die Anführung eines Beispiels genügen.

Frisch befruchtete Eier wurden nach wiederholtem Waschen in 49 ccm °/, m-Traubenzucker 4 1 ccm Seewasser übertragen. In der sauerstoffhaltigen Lösung waren die Eier nach 3 Stunden so schwer geschädigt, daß praktisch kein Ei nach der Über- tragung in Seewasser sich zu entwickeln imstande war. Die Eier dagegen, die in der sauerstofffreien Lösung 3 Stunden gewesen waren, entwickelten sich alle nach der Übertragung in Seewasser, und viele erreichten das Pluteusstadium. Das- selbe galt für die Eier, die 3 Stunden in der Glucoselösung gewesen waren, der 5 Tropfen NaCN zugesetzt war. Selbst die nach 4!/, Stunden aus der sauerstofffreien Glucoselösung genommenen Eier entwickelten sich noch zur Hälfte zu schwim- menden Larven.

- -m geev ——

Hemmung versch. Giftwirkungen auf das befruchtete Seeigelei usw. 87

4. Die Hemmung der Giftwirkung mäßig hypo- tonischer Lösungen durch Hemmung der Oxydationen.

Die bisher erwähnten Stoffe Salze und Traubenzucker sollen nach Overton gar nicht, nach meiner Ansicht nur sehr langsam in die Zelle diffundieren. Die bisher erwähnten Ver- suche über die Hemmung der Giftwirkung legten den Gedanken nahe, daß diese Hemmung vielleicht nur auf einer Hemmung der Diffusion oder Absorption dieser Stoffe in das Ei durch Unterdrückung der Oxydationen beruhe. Es wäre ja denkbar, daß die Oxydationen in der Zelle diesen Stoffen erst die Mög- lichkeit liefern, durch die sie in die Zelle diffundieren können. Dann wären die bisher mitgeteilten Versuche ohne weiteres verständlich. Um nun hierüber ins klare zu kommen, stellte ich Versuche mit Stoffen an, deren Diffusion ins Ei keinem Zweifel begegnen kann, nämlich Wasser und Alkohol. See- wasser wurde mit destilliertem Wasser oder Alkohol verdünnt. Das rasche Schwellen des Eies in solchem Seewasser ließ keinen Zweifel darüber, daß die beiden Stoffe in das Ei diffundiert waren; nichtsdestoweniger erzielte ich dasselbe Resultat wie mit den Salzen: Sauerstoffmangel verminderte die Giftigkeit der Lösung. Allerdings war es nötig, die Verdünnung des Seewassers nicht zu weit zu treiben, und zwar aus nahe- liegenden Gründen.

In früheren Arbeiten habe ich gezeigt, daß eine mäßig hypertonische Lösung nur in Gegenwart von Sauerstoff giftig wirkt; daß aber bei zu hohen Konzentrationen der Lösung sofortige Cytolyse des Eies stattfindet, die natürlich nicht durch KCN oder Sauerstoffentziehung gehemmt wird.

Das gleiche gilt für hypotonische Lösungen. In destil- liertem Wasser tritt sehr rasch Cytolyse der Eier ein, und diese Cytolyse kann natürlich nicht durch Sauerstoffmangel unterdrückt werden. Arbeitet man aber mit Seewasser, das genug verdünnt ist, um die chemischen Vorgänge im Ei zu stören, aber nicht genug, um sofortige Cytolyse aller oder der meisten Eier herbeizuführen, so gelingt der Nachweis, daß die Giftigkeit hypotonischer Lösungen durch Sauerstoffmangel ge- hemmt wird.

Frisch befruchtete Eier von Arbacia wurden in eine Mischung von 25 ccm Seewasser + 25 ccm destilliertes Wasser gebracht.

88 J. Loeb:

Die Eier, die in der sauerstoffhaltigen Lösung waren, hatten nach 3?/, Stunden bereits so stark gelitten, daß nur ein kleiner Prozentsatz derselben imstande war, sich nach der Übertragung in normales Seewasser zu schwimmenden Larven zu entwickeln. Nach 7 Stunden waren die Eier praktich alle tot. Dieselben Eier in derselben Lösung, der 5 Tropfen !/,„°/.iger NaCN zu- gesetzt waren, waren nach 3'/, Stunden alle am Leben und entwickelten sich nach der Übertragung in normales Seewasser alle zu schwimmenden Larven (Pluteen!),,. Nach 7 Stunden entwickelten sich noch 60°/, der Eier zu Larven, und selbst die nach 21 Stunden aus dieser Lösung übertragenen Eier lieferten noch zahlreiche schwimmende Blastulen!

Eine dritte Portion der Eier war in eine sauerstofifreie Lösung von 25 ocm destilliertem und 25 ccm Seewasser gebracht worden. Die Resultate waren hier ähnlich, aber nicht ganz so gut wie in der Lösung mit Cyannatrium.

Bei der prinzipiellen Wichtigkeit dieses Resultates sei ein zweiter Versuch angeführt. Frisch befruchtete Arbaciaeier wurden in folgende zwei Lösungen verteilt:

1. 27,5 ccm Seewasser +4 22,5 ccm destilliertes Wasser; 2. 27,5 + 22,5 OD H +- 5 Tropfen 1, Tiger NaCN.

Die in Lösung 1 befindlichen Eier hatten nach 5 Stunden und 40 Minuten so gelitten, daß kein Ei sich mehr zur Larve entwickelte. Die um dieselbe Zeit aus dem cyannatriumhaltigen hypotonischen Seewasser in normales Seewasser übertragenen Eier entwickelten sich alle zu schwimmenden Larven. Die nach 8!/, Stunden aus der cyannatriumhaltigen Lösung in normales Seewasser übertragenen Eier entwickelten sich eben- falls noch alle zu Larven, und dasselbe war der Fall mit einem Teil der nach 21 Stunden aus dieser Lösung in normales See- wasser übertragenen Eier.

Verringert man also die Oxydationen im Ei unter das Maß, das zur Entwicklung desselben nötig ist, so leben die befruchteten Eier in hypotonischem Seewasser (dessen Kon- zentration etwa auf die Hälfte der Norm reduziert ist) etwa siebenmal so lange, als wenn die ÖOxydationen nicht ge- hemmt sind.

Hemmung versch. Giftwirkungen auf das befruchtete Seeigelei usw. 89

Ähnlich fallen die Resultate aus, wenn man das Seewasser mit einer Alkohollösung anstatt mit destilliertem Wasser ver- dünnt. Frisch befruchtete Arbaciseier wurden in folgende Lösungen verteilt:

1. 27'/, ccm Seewasser -+ 22'/, com SL m-Alkohol;

2. 271), » F H22! » +5 Tropfen 1/10°/oiger NaCN.

Nach 5 Stunden und 20 Minuten wurde je eine Portion der Eier aus diesen Lösungen in normales Seewasser über- tragen. Der größte Teil der aus Lösung 1 übertragenen Eier war tot, während die aus Lösung 2 übertragenen Eier sich der Mehrzahl nach zu Pluteen entwickelten. Die nach 18 Std. aus Lösung 2 in Seewasser übertragenen Eier lieferten noch 10°/, schwimmende Larven und waren also in besserem Zu- stande als die nach 5 Stunden aus Lösung 1 in Seewasser übertragenen Eier.

5. Die Hemmung der giftigen Wirkung der Nar- kotica auf das befruchtete Seeigelei mittels Unter- drückung der Oxydationen.

Nach den vorausgehenden Versuchen entstand die Frage, ob nicht Sauerstoffmangel imstande sei, das befruchtete See- igelei gegen die Wirkung aller Gifte zu schützen aus- genommen diejenigen, die das Ei zu rasch töten. Bei der endlosen Zahl der in diesem Zusammenhang zu untersuchenden Stoffe wählte ich zunächst die Narkotica, um damit die Ent- scheidung einer Frage zu gewinnen, die für die Interpretation unserer Versuche wichtig ist.

In den meisten der bisher angewandten Lösungen traten Kern- und Zellteilungen im Ei auf, wenn es in der sauerstoff- haltigen Lösung war; während in der sauerstofifreien Lösung oder in der cyannatriumhaltigen Lösung Kern- und Zellteilung unterblieben. Das wies auf die Möglichkeit hin, daß die Gift- wirkung in diesen Fällen in Wirklichkeit eine cytologische oder morphologische sein könnte, indem die erwähnten Agenzien den morphologischen Mechanismus im Ei schädigen. Wenn aber die Oxydationen im Ei unterdrückt werden, so kommt es weder zu Kern- noch zu Zellteilungen, und daher entsteht die Schutzwirkung der Oxydationshemmung.

90 J. Loeb:

Um nun zu entscheiden, wie viel Wahres an dieser Mög- lichkeit ist, wählte ich Versuche mit narkotisch wirkenden Giften, die die Kern- und Zellteilung im befruchteten Ei ebenso sicher unterdrücken, wie das durch Unterdrückung der Oxy- dationen möglich ist. Wenn nun solche narkotische Gifte das befruchtete Ei ebenfalls töten und wenn es gelingt, diese Gift- wirkung ebenfalls durch Sauerstoffmangel und KCN zu hemmen, so ist essicher, daß die schützende Wirkung des Sauerstoffmangels nicht lediglich der Hemmung der Zellteilung zuzuschreiben ist.

Die Wirkung folgender Narkotica wurde untersucht: Chloral- hydrat, Phenylurethan, Alkohol und Chloroform. Zunächst wurde die Dosis festgestellt, die nötig ist, um die Kern- und Zellteilung zu unterdrücken, und dann der Zeitpunkt ermittelt, bei dem diese Lösungen das Ei so weit schädigen, daß es sich nach der Übertragung in Seewasser nicht mehr zu ent- wickeln vermag. Gleichzeitig wurden Versuche mit denselben Eiern und denselben Lösungen bei Sauerstoffmangel oder Cyan- natriumzusatz angestellt. Es stellte sich heraus, daß die Hem- mung der Oxydationen im Ei auch die Giftwirkung der Nar- kotica hemmt; obgleich in der Lösung dieser Narkotica auch bei Gegenwart von Sauerstoff ebensowenig eine Furchung statt- fand wie bei der Abwesenheit von Sauerstoff.

Aus einer großen Zahl von Versuchen will ich nur einige Beispiele auswählen. 10 ccm einer 1°/,igen Lösung von Chloral- hydrat (die durch Zusatz von NaCl isotonisch gemacht war) wurden zu je 50 ccm Seewasser zugefügt. Eine der Lösungen blieb in Berührung mit Luft, eine zweite blieb ebenfalls in Berührung mit Luft, erhielt aber 5 Tropfen einer 1 0°/sigen Lösung von NaCN; die dritte Lösung wurde mit dem Wasser- stoffapparat verbunden und von Luft befreit.

Nach 6!/, Stunden wurde je eine Partie aus den 3 Lösungen in normales Seewasser übertragen. Die Eier, die in der sauer- stofffreien und in der cyannatriumhaltigen Lösung gewesen waren, entwickelten sich alle zuschwimmenden Larven; die anderen dagegen, die in Berührung mit Sauerstoff gewesen waren, gingen zum großen Teil nach der Übertragung zugrunde, und nur wenige Eier entwickelten sich zu normalen Larven. Als diese Eier aus der Chloralhydratlösung genommen wurden, sahen sie völlig normal aus; nach der Übertragung in Seewasser begann

Hemmung versch. Giftwirkungen auf das befruchtete Seeigelei usw. 91

aber in vielen ein cytolytischer Prozeß, insbesondere am Rande, der sie völlig zerstörte oder zum mindesten schädigte. Ich er- wähne diesen Umstand, weil er zeigt, daß es bei Versuchen dieser Art nötig ist, das Verhalten der Kulturen nach der Übertragung in Seewasser zum Maßstab des Resultates zu machen, und nicht das Verhalten der Kulturen in der ab- normen Lösung. Ich habe übrigens schon früher auf diese Notwendigkeit hingewiesen.

Um nun zu diesem Versuch zurückzukehren, so sei er- wähnt, daß nach 21 Stunden auch die in der sauerstoffhaltigen Lösung gebliebenen Eier cytolysiert waren, und sich natürlich nach der Übertragung in normales Seewasser nicht mehr zu furchen vermochten; während etwa 80°/, der Eier, die um diese Zeit aus der oyannatriumhaltigen und der sauerstofffreien Lösung in normales Seewasser übertragen wurden, sich noch zu schwimmenden Blastulen entwickelten.

Drei weitere Versuche mit Chloralhydrat fielen noch schlagender aus als der vorhin erwähnte, brauchen aber im einzelnen hier nicht geschildert zu werden.

Die Versuche mit Phenylurethan wurden in Seewasser an- gestellt, das 0,2 g dieser Substanz im Liter enthielt. (Es war schwierig, so viel in Lösung zu bringen.) Frisch befruchtete Eier von Arbacia wurden in folgende Lösungen verteilt: erstens die erwähnte Phenylurethanlösung (a), zweitens 50 ccm derselben Lösung + 5 Tropfen ?/,„°/,iger NaCN (b), drittens die von Sauer- stoff befreiten Phenylurethanlösungen (c).

Nach 4!/, Stunden wurde eine Portion von Eiern aus jeder dieser 3 Lösungen in normales Seewasser übertragen. Die aus Lösung a übertragenen Eier zerfielen praktisch alle, die aus Lösung b und c entwickelten sich praktisch alle zu schwim- menden Larven. Nach 7!/, Stunden wurde wieder je eine Portion in normales Seewasser übertragen. Von den in Lösung a ge- wesenen Eiern entwickelte sich keines, während die aus den beiden anderen Lösungen um diese Zeit in Seewasser über- tragenen Eier sich alle zu schwimmenden Larven entwickelten.

Bei den Versuchen mit Alkohol und Chloroform wurde auf die Versuchsreihe mit Sauerstoffmangel verzichtet, da ja durch den Wasserstoffstrom auch die Verdunstung von Alkohol resp. Chloroform beschleunigt worden wäre. Es wurde also

92 J. Loeb:

nur der Vergleich der Wirkung dieser Stoffe mit und ohne Cyannatrium angestellt.

Eine ®/, m-Lösung von Alkohol in Seewasser wurde her- gestellt. Der osmotische Druck der Salze in dieser Lösung war also praktisch unverändert, was sich auch darin zeigte, daß weder Schwellung noch Schrumpfung der Eier eintrat. Die Eier wurden unmittelbar nach der Befruchtung in die beiden Alkohol-Seewasser-Lösungen mit und ohne NaCN gebracht. Die nach 9 Stunden aus der Lösung (die kein Cyannatrium enthielt) in Seewasser gebrachten Eier waren nicht imstande, sich zu entwickeln; die aus der cyannatriumhaltigen Lösung nach 9 Stunden in Seewasser gebrachten Eier dagegen ent- wiokelten sich alle zu schwimmenden Larven. Die Unter- drückung der Oxydationsvorgänge im Ei schützte es also gegen die zerstörende Wirkung des Alkohols.

Für die Chloroformversuche wurde 1 com Chloroform in 1500 ccm Seewasser gelöst. Eier, die nach der Befruchtung in diese Lösung gebracht wurden, waren nicht mehr imstande sich zu Larven zu entwickeln, wenn sie 2 Stunden später in normales Seewasser zurückgebracht wurden. Wurden aber zu 50 ccm der Lösung 5 Tropfen !/,„’/[,iger NaCN zugesetzt, so ent- wickelten sich etwa 50°/, der Eier noch, wenn sie nach 4 Std. in normales Seewasser übertragen wurden. Warburg hat dar- auf hingewiesen, daß die Narkotica (Phenylurethan) ihre spe- zifische Wirkung nicht dadurch ausüben, daß sie die Oxydationen herunterdrücken.!) Es folgt aus den hier mitgeteilten Versuchen, daß die schädigenden Wirkungen der Narkotica in diesen Ver- suchen nicht auf einer Verminderung der Oxydationen beruhen können, da ja die Sauerstoffentziehung gerade diese schädigen- den Wirkungen aufhebt.

6. Was bedingt dierelative Unempfindlichkeit des unbefruchteten Eies gegen die in dieser Abhandlung erwähnten schädlichen Agenzien? Ich habe seit einer Reihe von Jahren darauf hingewiesen, daß die Befruchtung resp. Membranbildung die Empfindlichkeit des Eies gegen die Giftwirkung vieler Stoffe erheblich erhöht, und daran die Frage geknüpft, ob vielleicht die Durchgängigkeit des Eies gegen diese Stoffe infolge der Membranbildung erhöht sei. Ich wies darauf

1) Warburg, Zeitschr. f. physiol. Chem. 66, 308, 1910.

Hemmung versch. Giftwirkungen auf das befruchtete Seeigelei usw. 93

hin, daß die höhere Empfindlichkeit des befruchteten Eies auf die größere chemische Fähigkeit des letzteren zu be- ziehen sei.!)

Nach den Messungen von Warburg steigert die Be- fruchtung den Sauerstoffverbrauch des Eies auf das 6fache; Versuche, die Westeneys und ich bei Arbacia ausgeführt haben, ergaben eine Steigerung auf das 3 bis 4fache. Wir finden ferner, daß der Zusatz von 5 Tropfen !/,0°/,iger NaCN zu 50 ccm Seewasser die Furchung des befruchteten Eies unter- drückt und den Sauerstofiverbrauch um etwa 30 bis 50°/, er- niedrig. Da nun diese geringe Hemmung der Oxydationen schon die Giftwirkungen der hier besprochenen Stoffe erheblich hemmt, so ist es ohne weiteres verständlich, daß das un- befruchtete Ei viel weniger empfindlich gegen diese schädlichen Agenzien ist als das befruchtete.

Das entscheidet aber noch nicht die Frage, ob der ganze Unterschied in der Empfindlichkeit des befruchteten und unbefruchteten Eies gegen diese schädlichen Mittel durch den Unterschied in der Oxydationstätigkeit erklärt werden kann. Ich habe noch nicht genug Versuche angestellt, um die Frage entscheiden zu können. Die bisher von mir angestellten Ver- suche scheinen dafür zu sprechen, daß das unbefruchtete Ei im allgemeinen etwas widerstandsfähiger ist, als das befruchtete Ei ohne Sauerstoff. Das könnte zwei Ursachen haben: erstens könnte das befruchtete Ei für die betr. Stoffe durchgängiger sein als das unbefruchtete Ei, und zweitens könnten für die Giftigkeit nicht bloß die Oxydationen, sondern auch die Hydrolysen im Ei in Betracht kommen. Die erstere Möglich- keit ist nicht von der Hand zu weisen. Das Ei von Arbacia hat ein rotes Pigment; bringt man befruchtete und unbefruchtete Eier von Arbacia in eine alkalische Lösung, z. B. in 50 ccm m/ -NaCl -+ 1 ccm el Ba, + 0,2 cem ®/,,.NaHO, so verlieren die befruchteten Eier ihr Pigment fast sofort, während die unbefruchteten es lange behalten. Die Färbung der Lösung, in dem die befruchteten Eier sich befinden, zeigt an, daß das Pigment in die umgebende Lösung diffundiert ist. Hier liegt anscheinend ein Beweis dafür vor, daß das befruchtete Ei durchgängiger für Alkali (Ba(HO),) ist als das unbefruchtete.

1) Diese Zeitschr. 2, 84, 1906.

94 J. Loeb:

Es ist vielleicht von Interesse zu erwähnen, das in See- wasser, das mit Alkohol hypotonisch gemacht war (22,5 ccm 3/, m-Athylalkohol + 27!/, ccm Seewasser) die unbefruchteten Eier ungefähr ebenso lange am Leben bleiben wie die be- fruchteten Eier, deren Oxydationen durch Cyannatrium verringert waren. Ich beabsichtige auf diese Frage zurückzukommen.

7. FindetdieHemmung derGiftwirkung durch Hem- mung derOÖxydationennur beim Seeigelei statt? Ich habe noch nicht die Zeit gehabt, diese Frage eingehender zu untersuchen. Ich glaube aber behaupten zu dürfen, daß es gelingt, durch NaCN die Giftwirkung abnormer Salzlösungen auf Hydroid- polypen Pennaria war benutzt worden zu hemmen. Salzlösungen, welche die Regenerationsfähigkeit der Polypen in einer bestimmten Zeit erheblich verringerten oder aufhoben, blieben wirkungslos, wenn man eine Spur Cyannatrium zur Lösung zusetzte.

Dagegen blieben Versuche, die Giftwirkung von Salz- lösungen auf schwimmende Medusen durch Cyankalium aufzu- heben, bis jetzt erfolglos; vielleicht deshalb, weil diese Organismen den Sauerstoffmangel nicht lange genug ertragen können. Es ist nämlich nur dann möglich, bei Organismen oder Organen die Giftwirkung schädlicher Stoffe durch Sauerstoffmangel zu hemmen, wenn diese Organismen den Sauerstoffmangel gut vertragen. Aus diesem Grunde sind derartige Versuche an Wirbeltieren völlig ausgeschlossen, da ja hier der Sauerstoff- mangel viel rascher zu irreversiblen Zustandsänderungen in der Medulla oblongata führt, als das durch die hier erwähnten Gifte geschieht. Selbst wenn es sich herausstellen sollte wofür einstweilen nichts spricht —, daß Gifte in allen Zellen nur im Zusammenhang mit Oxydationsprozessen wirksam sind, so würde sich der Nachweis für ein solches Verhalten nur bei solchen Organismen oder Organen führen lassen, die Sauerstoff- mangel relativ lange ertragen können.

Zusammenfassung der Resultate,

1. Die hier mitgeteilten Versuche zeigen, daß die Gift- wirkung vieler Agenzien auf das befruchtete Seeigelei (Arbacia) durch Unterdrückung der Oxydationen im Ei gehemmt werden kann.

nn

Hemmung versch. Giftwirkungen auf das befruchtete Seeigelei usw. 95

Diese Agenzien sind, nach den bisherigen Versuchen, l]. neutrale Salzlösungen, 2. Zuckerlösungen, 3. hypertonische und hypotonische Lösungen, 4. Narkotica (Chloralhydrat, Phe- nylurethan, Chloroform, Alkohol); und wahrscheinlich viele andere, deren Wirkung noch nicht untersucht worden ist.

2. Da die Unterdrückung der Oxydationen im Ei die Ent- wicklung des letzteren hemmt, so könnte man daran denken, daß die lebensrettende Wirkung des Sauerstoffmangels in diesem Falle auf die Hemmung der Furchungsvorgänge zu beziehen sei. Diese Annahme wird aber dadurch widerlegt, daß die Hemmung der Oxydationen im Ei auch im Falle solcher Gifte günstig wirkt, die, wie beispielsweise Chloralhydrat, selbst die Furchung des Eies hemmen.

Wirkung des Chloroforms auf Lipoidsuspensionen. Von D. Calugareanu.

(Aus dem physiologischen Institut der Universität Bukarest.) (Eingegangen am 22. September 1910.) Mit 2 Figuren im Text.

Es ist bekannt, daß die Mehrzahl der aus tierischen Ge- weben extrahierten Lipoide Stoffe sind, die im Wasser kolloidale Beschaffenheit annehmen, während sie in fettlösenden Flüssig- keiten wahre Lösungen bilden.

Sie sind vielleicht die einzigen Substanzen des Tierkörpers, die in einem Lösungsmittel (Wasser) spontane Kolloidlösungen geben, während sie in anderen (fettlösenden) Mitteln Molekular lösungen liefern.

Es schien wichtig, zu erfahren, was sich wohl ereignen würde, wenn eine wässerige Lipoidsuspension mit einem Lösungs- mittel für dieses Lipoid in Berührung gebracht würde, nur dürfte das Lipoidlösungsmittel nicht mit Wasser mischbar sein, etwa wie Chloroform, Äther u. a.

L Wenn auf den Boden eines Probierrohrs eine beliebige Menge Chloroform gebracht wird und dann mit Vorsicht darüber eine genügend dicke Schicht einer wässerigen Lipoidsuspension, so sieht man, daß nach einigen (2 bis 3) Tagen an der Be- rührung der beiden Flüssigkeiten sich ein milchiger Niederschlag bildet, der von Tag zu Tag dicker wird.

Nehmen wir nun mit einer Pepitte einen Teil dieses Nieder- schlags und untersuchen ihn unter dem Mikroskop, so beobachten wir, daß er von einer Menge Kügelchen gebildet wird, von denen einige größer, andere kleiner sind, die alle sehr starke Brown- sche Bewegungen zeigen.

D. Calugareanu: Wirkung des Chloroforms auf Lipoidsuspensionen. 97

2. Wir können einen solchen Niederschlag viel rascher erzeugen, wenn wir die beiden übereinander gelagerten Flüssig- keiten, statt ruhig stehen zu lassen, energisch schütteln, um die eine mit der anderen zu vermischen. Dann sieht man, daß nach dem Schütteln das Chloroform sich rasch abscheidet, während die überstehende Lipoidflüssigkeit milchig wird. Ein Tropfen derselben, mikroskopisch untersucht, zeigt die gleichen Eigenschaften wie der Niederschlag im ersten Fall.

3. Setzen wir einen Tropfen dieses Niederschlags einige Zeit der Luft aus, so sehen wir, daß das milchige Aus- sehen schwindet, während die Flüssigkeit das Aussehen der ursprünglichen Lipoidflüssigkeit annimmt, von der wir aus- gegangen sind. Diese Veränderung ist rascher zu erzielen, wenn wir die milchige Emulsion an der Flamme erwärmen oder der Vakuumwirkung aussetzen.

Dieser letztere Vorgang zeigt uns, daß der Niederschlag chloroformhaltig ist. Solange CHCl, vorhanden ist, behält er sein milchiges Aussehen; sobald aber das CHCI, sich abscheidet, durch Verdampfung an der Luft, mittels Wärme oder Vakuum, so erlangt die Lipoidsuspension ihre ursprünglichen Eigenschaften wieder. Es ist also eine reversible Erscheinung.

Nachdem diese Feststellung gemacht worden ist, suchte ich diese Erscheinung näher zu verfolgen, um die Natur und den Mechanismus der Niederschlagserzeugung zu bestimmen.

Eine gut filtrierte Lipoidsuspension, die mit dem gewöhn- lichen Mikroskop keinerlei sichtbare Partikeln zeigt, gibt doch, wenn sie mit Chloroform geschüttelt wird, eine milchige Emul- sion, die, wie wir gesehen haben, eine bedeutende Anzahl kugeliger Teilchen enthält, die in einer intergranulären Flüssig- keit schwimmen.

Was sind diese Teilchen?

Den Verhältnissen zufolge, unter denen sie erzeugt werden, können es sein: a) Chloroformtropfen, die nach dem Schütteln suspendiert bleiben, oder b) Lipoidpartikeln, die das Chloroform absorbiert und ihren Umfang vergrößert haben. .

Die erste Hypothese ist wenig wahrscheinlich, weil, wenn wir die beiden aufeinander gelagerten Schichten, CHCl, und Lipoidsuspension, ruhig stehen lassen, der Niederschlag doch gebildet wird. In diesem Falle können wir nicht annehmen, daß das Chloroform in Tropfenform in das Wasser diffundiert wäre. Allein auch wenn sich der Niederschlag

Biochemische Zeitschrift Band 29. 7

98 D. Calugareanu:

mittels Schütteln bildet, so ist es schwer anzunehmen, daß so große Chloroformkügelohen lange Zeit in einer Flüssigkeit suspendiert bleiben könnten, deren Dichte bedeutend geringer ist als jene des Chloroforms.

Es bleibt also die zweite Hypothese wahrscheinlicher; ich habe ee unternommen, sie durch folgende Versuche zu stützen.

1. Wenn die Niederschlagskügelchen Lipoidkörner sind, die durch Absorption von CHCl, vergrößert wurden, dann müßten sie schwerer als das Wasser sein und zu Boden sinken. Tatsächlich ereignet sich dies immer. Der Niederschlag lagert sich langsam nach einigen Tagen auf der Ober- fläche des Chloroforms ab; oberhalb desselben bleibt reines Wasser, wenn die Lipoidsuspension nicht zu konzentriert war.

2. Wir bringen auf einen Objektträger einen Tropfen von einer gut filtrierten Lipoidsuspension und daneben einen Tropfen CHCl}; und über- decken die Tropfen mit einem Deckglas. Die Tropfen breiten sich dann aus und berühren sich. Betrachten wir nun die Trennungslinie Deider Flüssigkeiten unter dem Mikroskop, so sehen wir folgendes:

Am Rande der Lipoidflüssigkeit sehen wir eine Menge kleiner Kügelchen, die von Trepidations- und Translationsbewegungen gereizt sind. Diese Kügelchen werden immer größer, insbesondere die rand- ständigen, die dem CHCl, näher sind. Gleichzeitig vergrößert sich die von tanzenden Partikeln eingenommene Zone, und zwar um so stärker, je tiefer das CHCl, in die Lipoidflüssigkeit diffundiert ist. Der Versuch ist überzeugender, wenn man diese Erscheinung mit dem Ultramikroskop beobachtet.

3. Doch der stärkste Beweis, daß tatsächlich ein im Wasser sus- pendiertes Lipoidkörnchen Chloroform absorbieren und ein runder Tropfen werden kann, scheint mir der folgende:

Machen wir eine wässerige Suspension von Cholesterin, indem wir einige Tropfen einer alkoholischen Cholesterinlösung in heißes Wasser schütten. Eine solche Suspension enthält sehr viele mikroskopische, tafelförmige Krystalle die Krystallform, die das Cholesterin annimmt, wenn es aus einer alkoholischen Lösung krystallisiert. Geben wir einen Tropfen dieser Suspension nun auf einen Objektträger, daneben einen Tropfen CHCl, und legen ein Deckelglas darüber, so sehen wir unter dem Mikroskop, daß, während das Chloroform in die Lipoidsuspension diffun- dert, die Krystalle ihre Ränder einzubüßen beginnen (Fig. 1); sie ver- lieren dann allmählich ihren Umriß und verwandeln sich schließlich in runde, stärker als die sie umgebende Flüssigkeit lichtbrechende Tropfen.

Es ist zweifellos, daß der Krystall in sich das CHCl, absorbiert (gelöst) hat und ein Tropfen geworden ist.

Daß der so gebildete Tropfen wirklich Chloroform und Cholesterin enthält, wird durch folgende Tatsache bewiesen:

Nachdem unter dem Mikroskop einige solcher Tropfen sich gebildet haben, rufen wir einen Luftzug am Rande des Objektträgers hervor, da- mit das Chloroform rasch aus dem Präparat verjagt werde. Wir setzen dann das Präparat eine Weile der Luft aus, damit der Chloroformverlust möglichst vollständig sei.

Wirkung des Chloroforms auf Lipoidsuspensionen. 99

Nun können wir leicht konstatieren, daß die früher auf Rechnung der tafelförmigen Krystalle gebildeten Tropfen jetzt durch Haufen brauner, nadelförmiger Krystalle ersetzt sind (Fig. 2), die nichts anderes darstellen als die Krystallform der Cholesterine, wenn es aus Chloroform krystallisiert.

Fig. 1. Mikroskopische Zeichnung, welche die verschiedenen Stadien der Chloroformwirkung auf die im Al- kohol gebildeten Cholesterinkrystalle zeigt. Der Pfeil zeigt die Diffusions- richtung des Chloroforms. T. Tropfen, der durch Aufnahme von CHCl, durch die vorherigen Krystalle zustande kommt. C. Kry- stalle, die von CHO, angegriffen sind und ihre Ränder verloren haben. K. Fast unveränderte, im Alkohol gebildete Cholesterinkrystalle.

Fig. 2. Ein ähnliches Präparat, das aber nach dem Abdampfen des Chloro- forms gezeichnet wurde.

k. Nadelförmige, im Chloroform ge- bildete Cholesterinkrystalle, die sich in Tropfen (wie T. Fig. 1) nach Chloro- formverlust bilden. K. Unveränderte im Alkohol gebildete Cholesterin-

krystalle.

Diese Tatsachen scheinen mir ausreichend, um zu beweisen,

daß die im Wasser suspendierten Lipoidkörner Chloro- form absorbieren können, wodurch sie an Umfang zu- nehmen und mit dem gewöhnlichen Mikroskop gut sichtbar werden.

Die Bildung dieser Partikeln von Lipoid-Chloroform erklärt uns das Auftreten des Niederschlags, wenn wir CHCI, in eine Lipoidsuspension diffundieren lassen.

* * x

TE

100 D. Calugareanu:

Allein diese Erscheinung tritt auch bei anderen Fettlösungs- mitteln auf. So erzielen wir, wenn wir statt des CHCI, Athyl- äther, Xylol, Petroläther, Benzin u. a. nehmen, den gleichen Niederschlag mit denselben Eigenschaften. Nur ist die Haupt- bedingung seiner Erzeugung, daß die mit der Lipoidsuspension in Berührung gebrachte Flüssigkeit ein Lösungsmittel für Lipoide und mit Wasser nicht vermischbar sei. Alkohol und Aceton können die Erscheinung nicht hervorrufen.

Nicht nur die Lipoidteilchen können, wenn sie im Wasser suspendiert sind, ihre Lösungsmittel absorbieren,?) sondern jedwede andere Teilchen der in fettlösenden Mitteln löslichen Substanzen, die wässerige Suspensionen liefern können. So gibt eine Suspension von Mastix oder anderen Harzen genau die- selben Erscheinungen. Ich habe festgestellt, daß auch wässerige Seifenlösungen, wie Natrium- und Kaliumoleat, sich mit sämt- lichen fettlösenden Mitteln, die diese Seife lösen oder nur quellen lassen, genau in derselben Weise verhalten. Der Versuch kann auch mit Milch gemacht werden; man sieht, daß die Fettkügelchen durch Schütteln mit CHCl, oder Ather größer werden, und daß sie ihre ursprüngliche Größe wiederbekommen, wenn wir das absorbierte Solvens verdampfen lassen.

Es scheint also eine allgemeine Tatsache zu sein, daß, so oft ein in Wasser suspendiertes organisches Kolloidpartikel mit seinem Lösungsmittel, das nicht mit Wasser mischbar ist, in Berührung kommt, eine bedeutende Menge dieses Lösungsmittels absorbiert und seinen Umfang vergrößert.

Diese Erscheinung scheint bemerkenswert, insbesondere da sie auf Grund unserer Kenntnisse von den Kolloiden nur manchen organischen Kolloiden zukommt, zum Unterschied von einigen anorganischen Kolloiden namentlich den kolloidalen Metallen —, die von diesem Gesichtspunkte aus schon erforscht wurden. So weiß man z. B., daß Gold und Silber in Blattform im Queck- silber löslich sind; sind aber diese Metalle im kolloidalen Zu-

1) Als Versuchsmaterial verwendete ich folgende Lipoide: a) Leci- thin (Gehes Fabrik), b) Cholesterin, von mir mit Aceton aus dem trockenen Nervensystem des Hundes extrahiert, c) ein Gemisch von Lipoiden, das zu erzielen ist durch Erschöpfung des getrockneten Hundehirns mittels Chloroform.

Wirkung des Chloroforms auf Lipoidsuspensionen. 101

stande im Wasser, so sind sie in Quecksilber nicht mehr lösbar, soviel auch ihre Lösungen mit dem Lösungsmittel (Hg), das mit Wasser nicht vermischt werden kann, geschüttelt wird. Weder absorbieren die Metallkörnchen das Quecksilber, noch kann das Quecksilber diese Körner auflösen.

Umgekehrt vollziehen sich die Dinge bei den Lipoiden, den Harzen und den Seifen. Nicht nur absorbieren die Par- tikelchen das Chloroform, wie oben bewiesen ist, sondern auch das nach dem Schütteln auf den Boden gefallene CHCl, ent- hält eine in Lösung befindliche kleine Menge von den betreffen- den Substanzen. So z. B. kann man, wenn man 40 ccm CHCI, mit 40 ccm einer 0,5°/ igen wässerigen Lecithinlösung schüttelt, feststellen, daß das Lipoid beinahe 50°/, des CHCl, absorbiert, während CHCl, nur 8°/, von dem gesamten wässerigen Lipoid löst.

Die quantitative Verteilung von Chloroform und Lipoid schwankt mit der Schüttelungszeit und der Konzentration des Lipoids.

Vielleicht wäre es interessant, sie näher zu studieren.

Der Unterschied zwischen dem Verhalten der kolloidalen Metalle und der Lipoidsuspensionen ist wahrscheinlich der Tat- sache zuzuschreiben, daß z. B. Quecksilber im Wasser durch- aus unlöslich ist, während Chloroform, Äther usw. in dieser Flüssigkeit teilweise löslich sind.

Über ein peptidspaltendes Enzym der Ovarien. Von A. Koblanck und Walther Löb.

(Aus der gynäkologischen und biochemischen Abteilung des Virchow- Krankenhauses zu Berlin.)

(Eingegangen am 23. September 1910.)

M. Jacoby hat vor kurzem!) mitgeteilt, daß Sperma und befruchtete Eier des Seeigels (Arbacia pustulosa) ein Enzym mit dem Vermögen der Glycyltryptophanspaltung besitzen, das den unbefruchteten Eiern fehlt. Wir fanden, daß sowohl die Ovarien des Kaninchens, wie die des Schweines Enzyme ent- halten, die das genannte Peptid energisch in seine Komponenten zerlegen.

Die gesamten frisch exstirpierten Ovarien zweier gesunder Kaninchen wurden mit besonderer Beobachtung peinlicher Sterilität unter physiologischer Toluol-Kochsalzlösung mechanisch zerkleinert, mehrmals mit einer gleichen Lösung gewaschen und schließlich mit ihr 4 Stunden im Schüttelapparate bei Zimmertemperatur geschüttelt. Hierbei geht ein Anteil des peptidspaltenden Enzyms in die Kochsalzlösung über. Nach 24 stündiger Digestion des Filtrates mit dem von Kalle & Co. in Biebrich bezogenen Glycyltryptophan (Fermentdiagnostikon) im Brutschrank war die bekannte Tryptophanreaktion positiv, während die Kontrollproben Filtrat ohne Glycyltryptophan und Glycyltryptophan ohne Filtrat vollkommen negativ blieben. Eine weitere Ausschüttelung mit destilliertem Wasser lieferte ein unwirksames Filtrat, ebenso verhielten sich die folgenden Ausschüttelungen mit Alkohol und Äther. Hingegen

1) Diese Zeitschr. 26, 336, 1910.

A. Koblanck u. W. Lët: Peptidspaltendes Enzym der Ovarien. 103

zeigte sich der weiße, getrocknete und zerriebene Rückstand gegenüber dem Peptid stark wirksam.

Ein gleich wirkendes Enzym besitzen die Ovarien des Schweine, deren Gesamttrockensubstanz nach Entfettung bei niederer Temperatur zum Versuche verwendet wurde. Auch hier war die Spaltung des Peptids eine sehr energische. Wir begnügen uns jetzt mit der Mitteilung dieser Beobachtungen, auf deren Einzelheiten und Konsequenzen wir nach Abschluß umfassenderer Versuche eingehend zurück- kommen werden.

Über die Zersetzung der Gelatine durch Micrococcus prodigiosus. Von P. Mesernitzky.

(Aus dem hygienischen Institut und dem chemischen Laboratorium des physiologischen Instituts zu Breslau.)

(Eingegangen am 23. September 1910.)

Während die Produkte der vollkommenen und unvoll- kommenen Spaltung, die aus den Eiweißkörpern durch die Wirkung von Säuren und Alkalien, sowie durch die Wirkung von Enzymen (Trypsin, Endotrypsinen, Erepsin u. a.) ent- stehen, besonders im Laufe des letzten Jahrzehnts durch Emil Fischer und E. Abderhalden zusammen mit ihren Schülern und auch durch andere Forscher in zahlreichen Arbeiten eine eingehende Untersuchung erfahren haben, ist das Studium der durch die Wirkung von Bakterien sich bildenden Spaltungs- produkte auffallend vernachlässigt worden. Und doch hat es nicht geringere Bedeutung für den Bakteriologen wie für den Chemiker. Der Bakteriologe charakterisiert die Mikroorganismen außer durch ihre morphologischen Eigenschaften auch durch die Wirkungen, die sie ausüben. Bisher wurden meist nur „physiologische“ Wirkungen untersucht, wie sie sich in Bak- teriolyse, Hämolyse, Erzeugung von Immunstoffen, Störungen der normalen Körperfunktion usw. offenbaren. Die einfachsten und nächstliegenden Wirkungen aber, die Veränderungen im Nährboden und unter diesen die Zersetzungen des Eiweißes, wurden kaum beachtet. Für den Chemiker andererseits muß das Studium dieser Zersetzungen zu einem wichtigen Forschungs- mittel für die Erforschung des Aufbaus des Eiweißmoleküls werden. Da, soweit wir bisher wissen, kein Mikroorganismus für sich allein eine vollkommene Zersetzung des Eiweißes be-

P. Mesernitzky: Zersetzung d. Gelatine d. Micrococcus prodigiosus. 105

wirkt, wie z. B. Mineralsäuren bei Siedetemperatur, sondern hierzu eine Symbiose verschiedener Mikroorganismen erforderlich ist, wird man erwarten dürfen, daß man durch die verschie- denen Bakterien Teilspaltungen der Eiweißkörper erhält, bei denen je nach Wahl des Mikroorganismus und Eiweißstoffes verschiedene Spaltungsprodukte entstehen: neben Produkten, wie sie bei der vollkommenen Spaltung entstehen, auch solche, die diese Spaltungsprodukte noch in größeren oder kleineren Verbänden enthalten.

Weiter ist zu bedenken, daß wir nur die Hälfte bis zwei Drittel vom Gewichte des Eiweißes, das der Säurehydrolyse unterworfen wird, in den Spaltungsprodukten wiederfinden. Es ist also sehr wohl möglich, daß von bestimmten Mikroorganismen vorwiegend gerade die noch nicht bekannten Spaltungsprodukte aus dem Eiweiß erzeugt werden, so daß auf diese Weise günstigere Bedingungen für deren Gewinnung geschaffen werden.

Will man an derartige Untersuchungen herangehen, so wird es vom Standpunkt des Chemikers aus zweckmäßig sein, nicht mit einem der zusammengesetztesten, sondern mit einem mög- lichst einfachen Eiweißstoffe zu beginnen. Ein solcher ist die Gelatine. Auf sie weist sowohl ihre tägliche Verwendung in Nährböden hin, sowie ganz besonders die Tatsache, daß eine ganze Reihe von Bakterien die Gelatine verflüssigen, also dieselbe Wirkung haben wie hydrolytisch spaltende Reagenzien, verdünnte Säuren und Enzyme.

Als Mikroorganismus wählte ich zu den folgenden Unter- suchungen, die ich unter Leitung von Herrn Geheimrat R. Pfeiffer und Herrn Prof. F. Röhmann anstellte, den Micrococcus prcedigiosus. Für seine Wahl sprach, daß er nach einer Beobachtung von Herrn Geheimrat Pfeiffer ein koch- beständiges Enzym enthält, das Gelatine verflüssigt. Meine Aufgabe war, die Eigenschaften dieses Enzyms es sei im folgenden Prodigiosusgelatinase genannt genauer festzustellen und die Produkte zu untersuchen, die durch seine Wirkung aus der Gelatine entstehen.

I. Über die Gelatinase des Micrococcus prodigiosus.

Um für die Versuche an Gelatinase möglichst reiche Bak- terien zu erhalten, wurde von der Ausgangskultur eine ent-

106 P. Mesernitzky:

sprechend kleine Menge in verflüssigter 10°/,iger Nährgelatine verteilt und diese in Platinschalen ausgegossen. Von den auf- gehenden Kolonien wurden die am schnellsten und stärksten verflüssigenden in Bouillon übertragen oder auf Drygalski- Agarplatten gestrichen.

Zur Prüfung auf Gelatinase wurde eine bestimmte Menge der zu untersuchenden Lösung mit 10 ccm einer durch gelindes Erwärmen verflüssigten 10°/,igen Carbolgelatine (0,5°/, Phenol enthaltend) vermischt. Die Mischung blieb 24 Stunden im Brutschrank bei 37° stehen und wurde dann für 2 Stunden in den Eisschrank gestellt. Je nachdem sie dann flüssig blieb oder erstarrte, wurde auf An- oder Abwesenheit des Enzyms geschlossen. Daß der Carbolzusatz ausgereicht hatte, um die Entwicklung von Mikroorganismen zu verhindern, zeigte sich daran, daß die Gelatinelösungen vollkommen klar blieben.

Es wurden zunächst Bouillonkulturen auf Gelatinase untersucht.

Nach dem Impfen mit dem Prodigiosus blieb die Bouillon bei 22°C im Brutschrank stehen. Dann wurde durch ein Cham- berland-Filter in ein steriles Gefäß filtriert.

Von dem Filtrat wurden die auf der Tabelle I verzeich- neten Mengen zu je 10 ccm Carbolgelatine gesetzt und in der erwähnten Weise beobachtet, ob eine Gelatinasewirkung vor- handen war oder nicht. Um dann weiter einen gewissen An- haltspunkt für einen Vergleich der Enzymmengen zu erhalten, wurde die kleinste Menge Enzymlösung aufgesucht, die die Gelatine noch zu verflüssigen imstande war.

Tabelle I. Menge des Tag der Kultur Bouillonfiltrate u Se ccm 1 6 9. 16. 2l. 26.

Anm.: +++ bedeutet starke, ++ schwächere, + schwache, 0 keine Verflüssigung.

Zersetzung der Gelatine durch Micrococcus prodigiosus. 107

Es fand sich, daß freie Gelatinase in der Kulturflüssigkeit erst nach 6 Tagen auftrat, daß ihre Menge nach etwa 21 Tagen am größten war und dann wieder abnahm.

Von den Eigenschaften der Gelatinase, die aus Bouillon- kulturen gewonnen wurde, wurde vorläufig nur die Wärme- beständigkeit geprüft. Das Filtrat einer 21tägigen Bouillon- kultur wurde in Reihe A der Tabelle II !/, Minute über freier Flamme gekocht und nach dem Kochen zur schnellen Ab- kühlung sofort in kaltes Wasser gestellt. In dieser Weise wurde Erhitzung und Abkühlung im Laufe einer Viertelstunde dreimal wiederholt. In Reihe B wurde ebenso verfahren, nur wurde nach dem jedesmaligen Erhitzen nicht abgekühlt. Die Prüfung auf Gelatinase erfolgte so, wie in den Versuchen der

Tabelle I. Tabelle II.

Bouillonfiltrat | Verflüssigung der Gelatine ccm A B

Nach der Versuchsreihe A schien die Gelatinase durch das wiederholte Erhitzen nichts an ihrer Wirkung eingebüßt zu haben, und auch in der Versuchsreihe B schien die Abschwächung nur eine geringe zu sein. Die in der Bouillonkultur enthaltene Gelatinase ist also, wenn auch vielleicht nicht vollkommen, so doch in überraschend hohem Grade widerstandsfähig gegenüber dem Einfluß der Siedetemperatur.

Weitere Versuche erstreckten sich auf die Frage, ob auch in den Bakterien selbst Gelatinase enthalten ist.

In einem ersten Versuche wurden die Bakterien von einer Agarkultur in Wasser unter Zusatz von Chloroform gesammelt, dann abfiltriert und zwischen Filtrierpapier abgepreßt. 0,1 ccm einer 1°/ igen Suspension genügte, um 10 ccm Gelatine zu ver- flüssigen.

In einem zweiten Versuche wurden drei Proben zu 1,3g, bzw. 1,8 und 1,4g der feuchten Kultur in sterilen Kolben ab-

108 P. Mesernitzky:

gewogen und in 130, bzw. 180 und 140 ccm Chloroformwasser suspendiert. Von diesen Kolben wurde der erste bei Zimmer- temperatur, der zweite bei 22° C, der dritte bei 37°C während 48 Stunden stehen gelassen. Dann wurde zentrifugiert und mit Proben der Flüssigkeit auf Gelatinase untersucht. Gleich- zeitig wurde wie in der Versuchsreihe II A die Kochbeständig- keit geprüft.

Tabelle III.

` Menge | o Verflüssigung der Gelatine Extraktion bei Extraktion bei Extraktion bei t i Extrakts en er 22° C ` 370 C mp. |gokoont | gekocht | gokroche Sketch | gekocht 3 ++ + Er ` + 0 +++ | +++ | +++| + l ++ + ++ 0 u. + 0 0 0 0,25 0 0 |

Es ließ sich also durch Chloroformwasser aus den Bak- terien Gelatinase extrahieren. Der bei Zimmertemperatur aus den frischen Kulturen gewonnene Extrakt wirkte schwächer und zeigte auch eine geringere Widerstandsfähigkeit beim Kochen als die bei 22° und 37° gewonnenen Extrakte.

Diese geringere Kochbeständigkeit ist vermutlich die Folge des im ganzen geringeren Enzymgehaltes. Während in den Versuchen der Tabelle II, selbst nach dem Kochen, noch 0,3 ccm zur Verflüssigung der Gelatine genügten, waren hier etwa 3ccm der untersuchten Flüssigkeit erforderlich. Wenn aber, wie es schon nach Tabelle II schien, die Gelatinase gegen die Siedetemperatur nicht vollkommen widerstandsfähig ist, so muß sich deren Einfluß um so eher zeigen, je schwächer die Enzymlösung schon vor dem Kochen ist.

Auch aus den mit Alkohol behandelten Bakterien ließ sich die Gelatinase extrahieren.

Die von Agarplatten gesammelten Bakterien wurden mit Alkohol übergossen. Nach einiger Zeit wurde der Alkohol ab- gegossen, wieder Alkohol hinzugefügt und wieder abgegossen, so lange, bis der Alkohol keinen Farbstoff mehr aufnahm. Im ganzen blieben die Bakterien 4 Tage unter Alkohol. Dann

Zersetzung der Gelatine durch Micrococcus prodigiosus. 109

wurden sie abfiltriert, zwischen Filtrierpapier abgepreßt und im Exsiccator getrocknet.

Von den trocknen Bacillen wurden durch genaues Ab- wägen 1°/,ige Suspensionen in Wasser hergestellt. Daß diese Suspensionen gleichförmig waren, zeigte sich, als bei ver- schiedenen Proben der in 10 ccm enthaltene Trockenrückstand bestimmt wurde. Er wurde zu 0,101, bzw. 0,103 und 0,105 g gefunden. |

Es wurde nun bestimmt, wieviel von dieser Suspension erforderlich ist, um 10 ccm Gelatine zu verflüssigen. Hierbei ergab sich folgendes:

Menge der Suspension Verflüssigung der Gelatine

l ccm +44 0,5 +++ 0,3 99 ++ 0,2 0

0,3 ccm der 1°/,igen Suspension mit einem Gehalt von 3 mg der trocknen, mit Alkohol behandelten Bacillen genügten zur Verflüssigung von 10 ccm der 10°/,igen Gelatine.

Durch Extraktion mit einer 0,1°/ igen Sodalösung wurde eine noch wirksamere Lösung erhalten. Von dieser verflüssigte 0,1 cem 10 ccm Gelatine.

Dagegen wirkte ein 0,05°/, Salzsäure enthaltender Extrakt erheblich schwächer. Hier waren für die gleiche Wirkung 0,5 ccm erforderlich.

Das Enzym, das aus den mit Alkohol behandelten Bak- terien durch Wasser extrahiert wurde, erwies sich ebenso wie das aus feuchten Bakterien gewonnene als weniger widerstands- fähig gegen die Siedetemperatur als die in den Versuchen der Tabelle II verwendeten Enzymlösungen. Vermischen der Fer- mentlösung mit Gelatine schützte die Gelatinase nicht gegen die Wirkung der Temperatur.

Zu den Versuchen diente eine 1°/,ige Suspension, die unter Zusatz von einigen Tropfen Chloroform 24 Stunden bei 37°C im Brutschrank gestanden hatte. Die Flüssigkeit wurde zentrifugiert.

Versuch 1. lccm des Bakterienextraktes wurde mit 10 ccm der Carbolgelatine gemischt, für 24 Stunden bei 37°C in den Brutschrank, dann 2 Stunden in den Eisschrank gestellt. Die Gelatine erstarrte nicht.

Versuch 2. Leem des Extraktes wurde 5 Minuten gekocht und ohne Abkühlen mit lOccm der Gelatine vermischt. Dann wurde

110 P. Mesemitzky:

das Gemisch für 24 Stunden bei 37°C in den Brutschrank und hierauf für 2 Stunden in den Eisschrank gestellt. Die Gelatine erstarrte.

Versuch 3. Leem des Extraktes wurde mit 10 ccm der Gelatine vermischt und 5 Minuten gekocht usw. Die Gelatine erstarrte.

Versuch 4. Leem des Extraktes wird 1/ Minute gekocht, sofort abgekühlt und zu 10com der Gelatine hinzugefügt usw. Die Gelatine erstarrt, aber nioht vollständig.

Versuch 5. Leem des Extraktes wird mit 10 eem Gelatine ge- mischt und LL: Minute gekocht usw. Die Gelatine erstarrt nicht vollständig.

Diese geringere Widerstandsfähigkeit gegen das Erhitzen war um so auffälliger, als die Wirksamkeit dieser Suspension nicht geringer zu sein schien als die, die in den Versuchen der Tabellen I und II verwendet wurde.

Um einen genaueren Einblick in den Einfluß zu gewinnen, pen die Siedetemperatur auf die Prodigiosusgelatinase hat, wird man exaktere Methoden für die Bestimmung der Gelatinase- wirkung anwenden müssen.

Die Versuche zeigen aber, daß im Micrococcus pro- digiosus ein Gelatine verflüssigendes Enzym enthalten ist. Dieses läßt sich nach Verlauf einiger Tage auch außerhalb der Bakterien, in der Kulturflüssigkeit in allmählich steigender Menge nachweisen. Es ist gegen die Siedetemperatur in hohem Maße unempfindlich.

II. Versuche zur Gewinnung der Produkte von Micro- coccus prodigiosus, die aus der Gelatine gebildet werden.

Die Verflüssigung der Gelatine, die der Micrococcus pro- digiosus vermöge der von ihm gebildeten Gelatinase bewirkt, ist ein Zeichen dafür, daß aus der Gelatine neue, in Wasser lösliche Produkte entstehen.

Nach dem, was wir bisher von der fermentativen Zer- setzung der Gelatine wissen, konnten diese Produkte entweder den Charakter von mehr oder weniger zusammengesetzten Pep- tiden haben oder krystallinischer Natur sein, bzw. ein Gemenge beider Arten von Körpern darstellen.

Um auf Peptide zu prüfen, benutzte ich zuerst die Hof- meistersche Methode der fraktionierten Fällung, später eine ihr nachgebildete, fraktionierte Fällung mit Tannin.

Es wurde dann weiter die Menge des Stickstoffs bestimmt, der in den durch Tannin nicht fällbaren Substanzen enthalten

Zersetzung der Gelatine durch Micrococcus prodigiosus. 111

war, die Änderungen der Reaktion und mittels der Sörensen- schen Formoltitrierung die Lösung der Peptidbindungen verfolgt, und schließlich wurden Versuche gemacht, die im Tanninfiltrate enthaltenen Spaltungsprodukte der Gelatine einzeln zu gewinnen.

a) Fraktionierte Fällung mit Ammoniumsulfat.

Zur Fraktionierung wurden stets 2 ccm verwendet. Zu diesen wurden 7 ccm Wasser und 1 ccm einer kaltgesättigten (nicht ‚‚neutralisierten‘‘) Lösung von schwefelsaurem Ammoniak gesetzt. Die Lösung wurde umgeschüttelt. Nach !/, bis 6 Stun- den wurde filtriert; zu 5 ccm des Filtrats wurden 0,2 ccm Ammonsulfat hinzugefügt und festgestellt, ob noch ein Nieder- schlag bzw. eine Trübung eintrat, die sich beim Stehen in einen Niederschlag verwandelte. In gleicher Weise wurden weitere Proben mit fallenden Mengen Wasser und steigenden Mengen Ammonsulfat aufgestellt.

In den Tabellen bezieht sich die eine Spalte auf den Niederschlag im Gemisch, die zweite auf das Filtrat. be- deutet Niederschlag, >< geringer Niederschlag, O kein Nieder- schlag.

Es wurden zunächst 10°/,ige Lösungen von Gelatine ohne Prodigiosus untersucht, und zwar 10°/,ige Lösungen der nicht sterilisierten käuflichen Gelatine, sowie 10°/,ige Lösungen der Nährgelatine, wie sie für Bakterienkulturen diente, sterilisiert, vor und nach 2tägigem Stehen im Brutschrank bei 37°C.

Tabelle IV.

Nährgelatine sterilisiert

Nährgelatine 2 Tage bei 370 C

Gelatine

0 0

+ + + +

$ * + +

+ 0 + +

+ + + 0

+ 0 + |Opalesc; + 0 + 0

Die ‚untere Fällungsgrenze‘‘ lag bei 3,0, d. h. ein Nieder- schlag trat in der Lösung ein, wenn in einem Volumen von 10 ccm 3 ccm der gesättigten Ammonsulfatlösung enthalten waren. Die „obere Fällungsgrenze“‘ war bei 4,0, denn das

112 P. Mesernitzky:

Filtrat der Fällung blieb bei diesem Gehalt der Mischung an Ammonsulfat klar.

Neben dieser ersten Fraktion war in geringer Menge noch eine zweite vorhanden, deren Fällungsgrenzen zwischen 4,0 und 4,6 lagen.

Die käufliche Gelatine ist also anscheinend ein Gemisch von mindestens 2 verschiedenen Stoffen.

Nach Einwirkung des Micrococcus prodigiosus war in der 2tägigen Kultur die erste Fraktion nicht nachweisbar, in der 3tägigen vermindert, die Fällung trat erst später ein, in der l8tägigen war sie bis auf geringe Reste und in der 30tägigen vollkommen verschwunden.

Tabelle V.

Ammon- giosus | giosus 18 Tage | 30 Tage

1,0—2,4 |7,0—5,6| 0 0 0 0 0 0|0 ‚6 i 0 0 0 0 0 0|0

2,8 52 |0 0 0 0| adn? 0|0 3,0 50 |0 0 0 o| SSS 0|0 3,2 48 | 0 0 0 + |xg]|2% 00 3,4 46 | 0 0 0 KEMMER 0/0 3,6 44 |0 +/|+|+[+|+ |xgelle® 0/0 3,8 42 | 0 +/+|j+|+|+Jjo2|jE3 Silo 4,0 40 |+|i + +| +|+| +[+J02)R?l+3 | +0 4,2 38 |+i+i+i+i+i+t|+|0 | + +2 +10 4,4 36 |+| +|+/J01) +|0|+|0 | + |+7]|+|0 4,6 34 I+|+|+| +|+| +|+|0 | +[0?]+|0 4,8 32 I++]+|x<|+/+]+|0 | +|0 |+10 5,0 30 I+|+|+|x<I|+/)0[+|0 | +|J0 |+10 5,2 28 I+|+1+/x<]+|0[|+|J0 [+0 |)+!0 5,4 2,6 +,0]+/0]+|)+[+|9][+]|0 |+|0 5,6 24 I|+/0|+/x|+|+/+|9 | +o ]+|0 5,8 22 I|+/+|+/|0|+J0|+|0 |+|J0 |+/0

6,0—8,0 |2,0—0 | +| 0] +10] +J0o[+|J0 | +|0o | +10

In der Kultur vom 2. Tage trat bei der Ammonsulfat- menge, durch die in der unveränderten Gelatine die erste Fraktion vollkommen ausgefällt war (4 ccm Ammonsulfat), ein Niederschlag ein, dessen obere Grenze bei 5,2 lag, und neben diesem Körper schien noch ein zweiter mit den Fällungsgrenzen 6,6 bis 5,8 vorhanden zu sein. In der Prodigiosuskultur vom 3. Tage schienen 3 Fraktionen vorhanden zu sein. 1. Fällungs- grenzen 3,6 bis 4,2; 2. 4,4 bis 5,0, bzw. 4,4 bis 4,8; 3. 5,4 bis

Zersetzung der Gelatine durch Micrococcus prodigiosus. 113

6,6, bzw. 5,2 bis 5,6. Diese Fraktionen waren in den Kulturen vom 15. bis 30. Tage verschwunden.

Interessant war es, mit diesen Proben die Gelatine zu ver- gleichen, auf die die gekochte Prodigiosus-Gelatinase eingewirkt hatte.

Tabelle VI. Ammon- Gelatinase, gekocht, Gelatinase, gekocht, sulfat Wasser 2 Tage 21 Tage

++++++++++00 ++++++++++0o0o oXoXXXX+r+o

ScooXYXX+t+r++r

Die Wirkung der Gelatinase war ähnlich einer 2 bis 3tägigen Prodigiosuskultur, insofern auch hier eine Fällung bei 3,4 Ammon- sulfat eintrat, unterschied sich aber von jener dadurch, daß am 2. Tage der Einwirkung nur eine Fraktion erhalten wurde. Nach 21 Tagen war die Spaltung der Gelatine etwas weiter fortgeschritten; es ließ sich jetzt auch eine zweite Fraktion nachweisen. Bei der Prodigiosuskultur waren bereits am 3. Tage drei Fraktionen vorhanden.

Die Verflüssigung der Gelatine durch die Gelatinase ist also auf jeden Fall mit einer Spaltung der Gelatine verbunden. Das gekochte Enzym wirkte aber bei weitem weniger eingreifend als die Kultur selbst.

b) Fraktionierte Fällung mit Tannin.

Je Leem der 10°/,igen Gelatine wurde mit einer 5°/,igen Tanninlösung versetzt, und zwar in der Weise, daß in 10 ccm Flüssigkeit um 0,2 ccm steigende Mengen der Tanninlösung enthalten waren. Die Proben blieben meist bis zum folgenden Tage stehen und wurden dann durch ein trockenes Filter filtriert.

Vom Filtrat wurden 5 ccm mit 0,2 ccm der Tanninlösung

versetzt. Biochemische Zeitschrift Band 29. 8

114 P. Mesernitzky:

Die Ergebnisse waren etwa die gleichen wie bei der Fällung mit schwefelsaurem Ammoniak.

Es wurde zunächst wieder geprüft 10°/,ige Gelatine, d.h. der fertige Gelatinenährboden, sterilisiert, vor und nach 2tägigem Stehen im Brutschrank bei 37°C.

Tabelle VII.

Nährgelatine, sterilisiert

Nährgelatine, 2 Tage bei 37°

++ ++++++++ ++ ++++++++

Schon die kleinsten Mengen Tannin erzeugten in der Ge- latine einen Niederschlag. Die obere Fällungsgrenze der ersten Fraktion lag für die nur sterilisierte Gelatine etwa bei 4,2, für die noch 2 Tage bei 37° C weiter erwärmte Gelatine bei 4,4. Auch mit Tannin ließ sich eine zweite Fraktion nachweisen mit den Fällungsgrenzen 4,4 bis 5,2, bzw. 4,6 bis 5,0.

Die geringen Unterschiede zwischen der nicht erwärmten “und 2 Tage lang erwärmten Gelatine sind immerhin beachtenswert.

Die Betrachtung der folgenden Tabelle VIII gibt ein sehr deutliches Bild von der unter dem Einfluß des Micrococcus prodigiosus fortschreitenden Zersetzung der Gelatine.

Schon nach 2 Tagen läßt sich die Umwandlung der Gelatine daran erkennen, daß für die vollkommene Ausfällung der ersten Fraktion der Gelatine nicht mehr 4,2 bzw. 4,4, sondern nur 3,2 ccm Tanninlösung erforderlich sind. Am 3. Tage ist die obere Grenze der ersten Fraktion auf 2,8 gerückt. Gleich- zeitig treten zwei kleinere Fraktionen auf. Diese sind am 15. Tage verschwunden. Der durch Tannin erzeugte Nieder- Schlag ist im ganzen geringer geworden. Die obere Grenze der ersten Fraktion liegt jetzt bei 2,2, am 18. Tage liegt sie bei 1,2. Am 30. Tage entsteht durch Tannin nur noch eine Trübung; die Gelatine ist annähernd vollständig zersetzt.

Zersetzung der Gelatine durch Micrococcus prodigiosus, 115

Tabelle VIII.

? M. pro- | M. pro- | M. pro- | M. pro- M. pro- rera digiosus | digiosus | digiosus | digiosus digiosus ee asser i 2 Tage | 3 Tage | 15 Tage | 18 Tage 30 Tage

im Brutschrank bei 22° C 0,05 | 8,95 | 0 0 0 0 0 0,1 8,9 x >< x el > 0 0,2—0,68,8—8,4| + | +| + | +|x A S| >< |Trübung|Trübung|Opalesc. , 8,2 +/| +| +| +1IX \gal x n n d 10 | 80 |+|+| + | +1x äi x] h 0 1,2 78 |+]|x]|+]|+[|x E3] x] » S 0 14 | 76 | + |>=1I+| +1 )*’]| sel 0 x 0 1,6—2,07,4—7,01 + |x| + | x Ix | x| x 0 n 0 2,2 68 | + | x< I + I x< I x I x I x<| 0 A 0 2,4 6,6 Liz izsizel 0] x 0 S d 2,6—2,816,4—6,2| + x] + ixx] 0| x 0 a 0 3,0 ; +ixlļl+lojx'olx!| 0 S 0 3,2 5,8 +|x<1I+|x1Ix|0]| x 0 i 0 3,4 8,6 +/|0]| +|x<Ix<|I01 x 0 5 0 3,6 5,4 kd RE IN KN NK 0 0 3,8 5,2 +/| 0 | +!x<Ix<!0] x 0 p 0 4,0 5,0 +)01+),x<]Ix!I0] x 0 5 0 4,2 +!|01+1I01X%x<!0]| x 0 e 0 4,4—8 146-0 | +| 0 | +| 0 |x<| 0 | x 0 e 0

Auch hier wurde die Wirkung der erhitzten Prodigiosus- gelatinase mit der des Micrococcus prodigiosus selbst verglichen.

Tabelle IX. Erhitzte Prodigiosus-Gelatinase Tanninlösung 5%, 2 Tage | 21 Tage

im Brutschrank

+++++++++X oeoooooXX++ +++++++++X ooXoX+++++

Nach 2tägiger Einwirkung des erhitzten Enzyms ist nur eine Fraktion vorhanden, deren obere Fällungsgrenze, ähnlich wie in der 2tägigen Kultur bei einem geringeren Tanningehalt liegt, als in der unveränderten Nährgelatine.e Nach 21 Tagen ist außer der ersten Fraktion noch eine zweite Fraktion. vor-

handen, die innerhalb ähnlicher Grenzen liegt, wie die zweite Nr

116 P. Mesernitzky:

und dritte Fraktion der 3tägigen Kultur. Es blieb also die Wirkung des erhitzten Enzyms in diesen Versuchen anscheinend auf einer Stufe stehen, die unter dem Einfluß des Prodigiosus selbst am 2. bis 3. Tage erreicht wird.

c) Änderungen in dem Verhältnis der durch Tannin fällbaren und nicht fällbaren stickstoffhaltigen Substanzen.

Die fraktionierte Fällung mit Ammonsulfat oder Tannin hat gewissermaßen nur den Wert einer qualitativen Reaktion, indem sie gewisse Veränderungen anzeigt, die in der untersuchten Lösung, hier in der verflüssigten Gelatine, vor sich gegangen sind. Sie zeigt, daß Spaltungen eingetreten sind, bei denen sich Körper mit neuen Eigenschaften, nämlich anderen Fällungsgrenzen ge- bildet haben bzw. Produkte, die mit Tannin nicht fällbar sind. Es läßt sich diese Umwandlung aber auch messend verfolgen, indera man bestimmt, wieviel von dem Stickstoff der Gelatine durch Tannin in bestimmten Zeiten nach der Einwirkung des Micrococcus prodigiosus gefällt wird bzw. in Lösung bleibt.

In den Versuchen der folgenden Tabelle X wurde der Stickstoff in der Gelatinelösung vor der Tanninfällung bestimmt, und weiter wurden zwei Stickstoffbestimmungen ausgeführt, nämlich eine im Filtrat der Tanninfällung, die durch Zusatz einer der oberen Fällungsgrenze der ersten Fraktion entsprechen- den Tanninmenge (vgl. Tab. VII und VIII) erhalten wurde, und eine zweite im Filtrat nach Zusatz einer größeren Menge Tannin, die der oberen Grenze der zweiten Fraktion entsprach.

Tabelle X.

M. prodi 20 ccm 10°/,ige Stickstoffgehalt BT bei Gelatine mit des Filtrats | im Filtrat 22°C Bä, iger Prozent d. Ge-

Tanninlösung| Wasser samtmenge

Zersetzung der Gelatine durch Micrococcus prodigiosus. 117

Die nur geringe Zahl von Versuchen zeigt in Überein- stimmung mit den Ergebnissen der Tabelle VIII, daß zu Be- ginn und zum Ende der Prodigiosuswirkung nur eine Fraktion durch Tannin zu erhalten ist, am 3. und 8. Tage sind zwei Fraktionen vorhanden. In der zweiten Fällung ist aber, wie der Unterschied des Stickstoffs in den Bestimmungen a) und b) zeigt, nur ein kleiner Teil des Gesamtstickstoffs enthalten.

Zugleich sieht man, daß schon nach dem ersten Tage der Prodigiosuswirkung mehr als die Hälfte des Stickstofis nicht mehr durch Tannin fällbar ist. Im weiteren Verlauf der Prodigiosuswirkung nimmt diese Menge noch mehr zu und be- trägt fast */, des Gesamtstickstoffs.

Ähnliches zeigt auch die folgende Tabelle XI.

Tabelle XI. 20 ccm Stickstoffgehalt

Käufliche Gelatine, frische] 100 80 | 0,321 | 0,010 3,28 a on Lösung . 100 80 | 0,318 | 0,010 3,30 :

Nährgelatine, sterilisiert 96 84 | 0,378 | 0,028 7,40 735 24 Stunden bei 37°, ohnel 96 84 | 0,385 | 0,028 7,30 " Prodigiosus

Nährgelatine, sterilisiert 80 100 I 0,319 } 0,033 | 10,18

4 Tage bei 22°C, ohne | 80 100 | 0,322 | 0,028 8,70 9,45 Prodigiosus Nährgelatine, verfüssigt | 88 92 | 0,315 | 0,165 | 52,4 52.4 durch Prodigiosus, 1. Tag | 88 92 {0,315 | 0,165 | 52,4 ? do., 2.5 1281)| 52 | 0,378 | 0,227 | 60,5 60.55 128 52 | 0,372 | 0,234 | 60,6 do., 3. 80 100 | 0,364 | 0,219 | 62,6 80 | 100 | 0,367 | 0,228 | 62,1 62,35 do., I. >. 62 118 | 0,366 | 0.254 | 69,2 69,2

do., 14. 44 136 | 0,342 | 0,263 | 76,9 76,9 do., 20. 20 160 | 0,315 | 0,269 | 85,5 85,5

Von der käuflichen Gelatine sind unter den eingehaltenen Bedingungen etwa 3°/, des Gesamtstickstoffs durch Tannin nicht

1) Zur orientierenden Fraktionierung war 10°/,ige Tanninlösung benutzt worden. Auf Grund dieser wurden obige unnötig großen Mengen 5°%/ ger Tanninlösung verwendet.

118 P. Mesernitzky:

fällbar. Die Nährgelatine, d. h., der zu den Bakterienkulturen gebrauchte gelatinehaltige Nährboden enthält neben der Gelatine noch andere stickstoffhaltige Substanzen, die durch Tannin nicht fällbar sind. Hierdurch und wohl auch infolge der Steri- lisierung selbst ist die Menge des nicht fällbaren Stickstoffs im Tanninfiltrat der sterilisierten Nährgelatine eine größere (7,35 bzw. 9,45°/,). Es sei darauf hingewiesen, daß nach den Be- obachtungen, die bei der fraktionierten Fällung mit Tannin gemacht wurden, schon das längere Verweilen der Nährgelatine im Brutschrank nicht ganz ohne Einfluß auf die Zusammen- setzung des Nährbodens zu sein schien.

Die Einwirkung des Prodigiosus erwies sich auch in diesen Versuchen als eine sehr starke. Die Menge des nicht fällbaren Stickstoffs betrug auch hier nach einem Tage mehr als 50°/, des Gesamtstickstoffs. Sie nahm weiterhin nur ganz langsam zu und betrug nach 20 Tagen 85,5°/, des Gesamtstickstoffs.

Zum Vergleich mit der Wirkung des M. prodigiosus selbst wurde auch ein Versuch mit der Prodigiosusgelatinase, und zwar dem gekochten Bouillonfiltrat gemacht. Es wirkte 23 Tage auf die Gelatine. Nach Fällung mit der entsprechenden Menge Tan- ninlösung enthielt das Filtrat 71,5°/, des Gesamtstickstoffs.

Es war also auch durch die Gelatinase ein sehr großer Bruchteil der Gelatine in Produkte übergeführt worden, die nicht durch Tannin fällbar waren.

d) Bestimmnng der Reaktion.

Über das Verhalten, das die Reaktion des Gelatinenähr- bodens unter dem Einfluß des Prodigiosuswachstums zeigte, wurden nur ganz beiläufig zur vorläufigen Orientierung zwei Versuchsreihen ausgeführt. Zur einen diente eine 10°/,ige Lösung von käuflicher Gelatine, die nur mit Soda ‚‚neutrali- siert“ und mit Prodigiosus geimpft worden war, zur anderen die gewöhnliche, für bakteriologische Zwecke benutzte Nähr- gelatine.

Je2ccm wurden a) unter Anwendung von Phenolphthalein mit n/,-Barytlösung, b) unter Anwendung von rotem Lackmoidpapier unter Anwendung von ®/,-Salzsäure titriert.

Die Versuche der Tabelle XII zeigten, daß sowohl die Menge der H-Ionen wie der durch Hydrolyse aus den Ver-

Zersetzung der Gelatine durch Micrococcus prodigiosus. 119

dauungsprodukten abspaltbaren OH-Ionen bei der Gelatine- spaltung durch Prodigiosus zunimmt.

Tabelle XI.

Dauer der | Käufliche 10°/,ige Gelatine Nährgelatine

Prodigiosus- |Phenolphthalein| Lackmoid |Phenolphthalein | Lackmoid wirkung ösung | Salzsäure | Barytlösung | Salzsäure

00 2100 DO CR E u

oo9=-o00-

=

e) Titrierung nach Sörensen.

Wenn man zur wässerigen Lösung einer Aminosäure oder einem Aminogruppen enthaltenden Polypeptid Formaldehyd hinzusetzt, so verbindet sich letzteres. mit der Aminogruppe. Hierdurch wird die Carboxylgruppe frei und durch Alkali titrierbar. Diese Titrierung läßt sich nach der Methode von S. P. L. Sörensen!) unter den von ihm angegebenen Be- dingungen genau ausführen. Tritt nun, wie dies bei der hydro- lytischen Spaltung der Eiweißstoffe der Fall ist, eine Lösung von Polypeptidbindungen ein, bei der Aminogruppen frei werden, so läßt sich das Fortschreiten der Spaltung durch die Sörensensche Formoltitrierung messend verfolgen. Je mehr Peptidbindungen gelöst werden, um so größer wird die Acidität der Flüssigkeit, nachdem man die Aminogruppen durch Formol festgelegt hat. Dies hat schon Sörensen selbst bei der Unter- suchung der enzymatischen Spaltung verschiedener Eiweißstoffe gezeigt.

Das zeigen auch die Versuche der folgenden Tabelle. Es wurde mit ?/,-Barytlauge unter Anwendung von Phenolphthalein titriert. Zum Versuch dienten stets 5ccm Gelatine. Das mit der Kontrollösung verglichene Flüssigkeitsvolumen betrug etwa 20 ccm.

1) Diese Zeitschr. 7, 45, 1908.

120 P. Mesernitzky: Tabelle XII.

Dauer der | 5 ocm 10°/,iger Gelatine 5 ccm Nährgelatine igiosus- verbrauchte | Stickstoff wirkung Menge in Barytlösung | Aminogrupp.

0,0333

Mit der Dauer der Prodigiosuswirkung nimmt die Zahl der Aminogruppen zu. Zugleich sieht man, daß die Spaltung in der ‚„Nährgelatine‘‘ bei weitem schneller erfolgt als in der gewöhnlichen käuflichen Gelatine. Die angewendete lufttrockene Gelatine enthielt 15,95°/, N, in 5 ccm der 10°/,igen Lösung also 0,0797 g N. Von diesem Stickstoff kommen der Formol- titrierung zufolge auf freie Aminogruppen nach 24tägiger Ein- wirkung des Micrococcus prodigiosus (käufliche Gelatine) 0,0126, d.h. 15,8°/,, und nach 75tägiger Wirkung (,,Nährgelatine‘‘)41,9°/,. Die Zahlen zeigen weiter, daß unter obigen Versuchsbedingungen die Prodigiosus-Gelatinase nur einen Teil der Peptidbindungen zu lösen vermag.

f) Über die Produkte, die bisher aus dem durch M. prodigiosus zersetzten, gelatinehaltigen Nähr- boden gewonnen wurden.

Die Vorversuche hatten uns gezeigt, daß durch den M. prodigiosus eine Aufspaltung der Gelatine erfolgt, bei der ein Teil der Aminogruppen frei wird und weiter, daß von den hierbei entstehenden Produkten ein Teil durch Tannin fällbar ist, ein anderer Teil nicht. Die Menge des letzteren nimmt mit der Dauer der Wirkung zu und kann bis zu 85°/, des ge- samten Stickstoffis enthalten. |

Die folgenden Versuche erstreckten sich darauf, die Natur dieser Stoffe festzustellen.

Von dem durch Tannin erzeugten Niederschlage wurde nur beiläufig festgestellt, daß er sich durch Barythydrat oder Kochen mit Magnesiumoxyd zerlegen läßt.

Der Tanninniederschlag wurde mit Magnesiumoxyd gekocht, das Filtrat wurde mit Bleiacetat gefällt, das Filtrat der Bleifällung mit

Zersetzung der Gelatine durch Micrococcus prodigiosus. 121

Schwefelwasserstoff entbleit, das Filtrat des Schwefelbleies eingeengt und mit Alkohol gefällt. Die Fällung gab nach dem Lösen in Wasser Biuretreaktion. Auf eine weitere Untersuchung wurde vorläufig ver- zichtet.

Zu den durch Tannin nicht fällbaren Stoffen gehört zu- nächst das Ammoniak. Seine Menge wurde in den folgenden beiden Versuchen bestimmt.

I. l1tägige Prodigiosuswirkung.

20 ccm der 10°/,igen verflüssigten Gelatine mit einem Gehalt von 0,378 g N wurden mit 328 ocm Wasser und 52 com 10°/,iger Tannin- lösung versetzt. Das Filtrat des Tanninniederschlages enthielt 0,227 g N. Ein aliquoter Teil wird mit Magnesiumoxyd destilliert. Das Destillat wird in Halbnormalsalzsäure aufgefangen und unter Anwendung von Lackmoid und Viertelnormalnatronlauge zurücktitriert. Stickstoff in Ammoniak 0,021 g.

I. 23tägige Prodigiosuswirkung.

Etwa 50 ccm der 10°/,igen verflüssigten Gelatine wurden mit

150 ccm Wasser und 200 ccm 5°/,iger Tanninlösung gefällt. Gesamtstickstoff 0,900 g, Stickstoff im Tanninfiltrat 0,710 g, Stickstoff in Ammoniak 0,031 g.

Die Menge des im Ammoniak enthaltenen Stickstoffs be- trug im ersten Versuch 5,5°/,, im zweiten nur 3,5°/, Gesamt- stickstoff. Wenn es nun auch zum mindesten auffallend ist, daß nach 23tägiger Prodigiosuswirkung weniger Ammoniak vor- handen gewesen sein soll als nach ltägiger, so zeigen doch die Versuche, daß sich nur geringe Mengen von Ammoniak bildeten.

Die bei diesen Versuchen erhaltenen Destillate wurden eingedampft und auf organische Basen mit der Isonitrilreaktion und durch Untersuchung der Platinsalze geprüft. Die Ergeb- nisse waren negativ.

Zu diesem Befunde stimmte, daß auch die Menge der flüchtigen und auch der nicht flüchtigen in Äther löslichen Säuren gering war. Von ersteren schienen, dem Geruch nach zu urteilen, Essigsäure nnd Buttersäure vorhanden zu sein.

Zur Untersuchung auf flüchtige Fettsäuren wurde in Versuch 2 nach Abdestillieren des Ammoniaks die Magnesia abfiltriert, das Filtrat mit Schwefelsäure stark angesäuert und unter Ersatz des verdampfenden Wassers destilliert. Das Destillat erforderte zur Neutralisstion für Phe- nolphthalein 9 ccm Viertelnormalnatronlauge. Die Flüssigkeit wurde eingeengt; mit AgNO, entstand ein Niederschlag, der auf Zusatz von

122 P. Mesernitzky:

Schwefelsäure Kohlensäure entwickelte und ebenso wie das Filtrat nach Zusatz von Schwefelsäure einen starken Geruch von Essigsäure, daneben aber auch den von „Buttersäure‘‘ zeigte.

Die Flüssigkeit, aus der die flüchtigen Fettsäuren abdestilliert worden waren, wurde mit Äther ausgeschüttelt. Der Ather wurde ab- destilliert, der Rückstand mit Kohle behandelt und in heißem Alkohol gelöst. Beim langsamen Verdunsten im Exsiccator hinterblieben 0,105 g eines sirupösen Rückstandes, der nicht weiter identifiziert werden konnte.

Die geringfügige Bildung von Ammoniak und flüchtigen Fettsäuren zeigt, daß der Micrococcus prodigiosus unter den Bedingungen unserer Versuche nur in unter- geordnetem Grade die Fähigkeit der Desamidierung besitzt.

Weiter läßt sich leicht feststellen, daß der Stickstoff im Tanninfiltrat zum Teil noch in Peptidbindung enthalten, zum Teil unmittelbar formoltitrierbar ist.

720 ccm 10°/,iger, durch 33tägiges Wachstum von M. prodigiosus verflüssigter Gelatine werden mit 900 ccm Wasser verdünnt und mit 150 ccm 5°/,iger Tanninlösung gefällt. Das überschüssige Tannin wird mit Bleiacetat, das Blei mit Schwefelwasserstoff entfernt, das Filtrat des Bleiniederschlages wird auf 200 ccm eingeengt. Es enthielt im ganzen 4,82 g Stickstoff. Von diesem waren 2,12 g „Aminostickstoff“. Die Flüssigkeit drehte in 1-dm-Rohr 2041’.

Von den stickstoffhaltigen Substanzen des Tanninfiltrats läßt sich durch Salzsäure und Phosphorwolframsäure ein er- heblicher Bruchteil fällen.

Der M. prodigiosus hat 39 Tage auf die Gelatine gewirkt. 50 ccm der verflüssigten 10°/,igen Gelatine enthalten 0,761 g N. Sie werden mit Tannin gefällt. Das überschüssige Tannin wird mit Bleiacetat, das Blei mit Schwefelwasserstoff entfernt, das Filtrat vom Schwefelblei ein- geengt. Es enthielt 0,325 g N. Es wurde mit Salzsäure und Phosphor- wolframsäure versetzt, solange noch ein Niederschlag entstand. Das Filtrat der Phosphorwolframsäurefällung enthielt 0,224g N. Von den durch Tannin nicht fällbaren Stoffen war also etwa 1/ durch Phosphor- wolframsäure fällbar.

Sowohl in der Wolframfällung wie im Filtrat von ihr war ein Teil des Stickstoffes in Peptidbindung enthalten.

Bei der weiteren Verarbeitung der Phosphorwolframfällung ergab sich, daß die von Phosphorwolframsäure gefällten Sub- stanzen zum Teil in Alkohol unlöslich waren, bzw. in Alkohol unlösliche Kupferverbindungen gaben, während andere gleich- zeitig mitgefällte Substanzen in Alkohol lösliche Kupferver- bindungen lieferten. Es wurde deshalb zunächst auf die

Zersetzung der Gelatine durch Micrococcus prodigiosus. 123

Fällung mit Phosphorwolframsäure verzichtet und eine Zer- legung der Bestandteile des Tanninfiltrates mit Hilfe von Alkohol und der verschiedenen Löslichkeit der Kupferver- bindungen versucht.

l Liter „Nährgelatine“, der vor 22 Tagen mit M. prodigiosus geimpft worden war, wurde mit Tannin gefällt. Das überschüssige Tannin wurde mit Bleiacetat, das überschüssige Blei mit Schwefelwasserstoff entfernt. Beim Eindampfen schieden sich in größerer Menge undeutlich krystallinische Massen (,‚Leucin‘) ab. Ohne zu filtrieren wurde mit Alkohol gefällt und der Niederschlag mit Alhohol ausgekocht.

1. Die Alkoholfällung wurde in Wasser gelöst. Aminostickstoff unmittelbar: 0,2195 nach dem Kochen mit Salzsäure 0,4256, also min- destens z. T. Peptide.

2. Die alkoholische Lösung wird eingeengt und noch einmal mit Alkohol gefällt.

a) Die Alkoholfällung wird mit absolutem Alkohol übergossen und unter Einleiten von Salzsäure esterifiziert. Die Lösung wird im Vakuum eingeengt. Beim Stehen in der Kälte scheiden sich ab 0,674 gGlykokollesterchlorhydrat. Schmelzp. 143bis 144°, 10,04°/,N.

Die Mutterlauge wird im Vakuum unter Zusatz von Wasser ab- gedampft, mit Eis abgekühlt, mit Kalilauge vorsichtig bis zur beginnenden Braunfärbung wie Curcumapapier versetzt und mit Äther geschüttelt.

Die vom Äther aufgenommenen Ester werden durch Kochen mit Barythydrat verseift. Der überschüssige Baryt wird mit Kohlensäure entfernt, das Filtrat wird eingeengt, filtriert und mit Kupferhydroxyd gekocht. Die blaue Lösung wird eingeengt und mit Alkohol gefällt.

a) Die in Alkohol unlöslichen Kupferverbindungen werden mit Wasser behandelt. Es wird erhalten eine in Wasser unlösliche, blaß- blaue Kupferverbindung mit 18,63°/, Cu (Leucin?).

Der in Wasser lösliche Anteil wird eingeengt und mit Alkohol gefällt. Der Niederschlag enthält, vermutlich infolge des ungenügenden Aus- waschens des angewendeten Kupferhydroxyds Sulfate und auf aschefreie Substanz berechnet 23,82%, Cu (Gemisch von Glykokoll u. a.?). Die alkoholische Lösung hinterläßt beim Verdunsten eine blaue, zähe Masse.

SI Die alkohollöslichen Kupferverbindungen wurden zuerst im Vakuum, dann über Schwefelsäure eingeengt. Der Rückstand wird noch einmal mit heißem Alkohol aufgenommen. Aus dem heißen Alkohol scheiden sich beim Stehen im Eisschrank ultramarinblau gefärbte, harte Krystallmassen aus. Sie bestehen aus mikroskopischen rhombischen Täfelchen, die nach dem Erhitzen auf 100 bis 120° violett werden. Ausbeute 0,0989 g mit 18,90°/, Cu (Prolin, unrein, bzw. zersetzt?).

Die Mutterlauge bildet eine blaue, nicht krystallisierende harzige Masse.

Die durch Schütteln mit Äther vom Ester befreite alkalische Lösung wird mit einer ätherischen Lösung von Naphthalinsulfochlorid und der entsprechenden Menge Kalilauge geschüttelt. Es werden schließlich nur geringe Mengen eines nicht krystallisierenden Sirups erhalten.

124 P. Mesernitzky:

b. Der in Alkohol lösliche Teil wird mit Wasser mehrmals abgedampft und mit Kupferhydroxyd gekocht. Die Kupferverbindungen werden im Vakuum eingeengt und mit Alkohol gefällt.

a) Kupferverbindungen in Alkohol unlöslich.

ß) Kupferverbindungen in Alkohol löslich, werden im Vakuum ein- gedampft und noch einmal mit Alkohol gefällt.

1. Niederschlag wird in Wasser gelöst. Hierbei bleibt ungelöst Leucin, 19,6°/, Cu, 8,7%/, N.

2. Das Filtrat im Vakuum eingedampft, wird noch einmal mit Alkohol gefällt. Die Fällung in Wasser gelöst, krystallisiert beim lang- samen Verdunsten. Prolin, 21,95°/, Cu, 9,30%), N.

Die alkoholische Lösung wird verdunstet, der Rückstand in Wasser gelöst und entkupfert. Das Filtrat des Schwefelkupfers wird zur Trockne verdampft. Es gibt beim trockenen Erhitzen starke Pyrrolreaktion.

In gleicher Weise wurde ein anderer Versuch durchgeführt, in dem der M. prodigiosus 22 Tage auf 10°/ ‚ige Gelatine gewirkt hatte, die nur mit Soda neutralisiert, nicht wie sonst bei bakteriologischen Versuchen in Fleischwasser gelöst worden war.

Das Filtrat des Schwefelbleies (s. d. vorherg. Vers.) wurde eingeengt. Hierbei schied sich weniger „Leucin“ ab als in dem Versuche mit Nähr- gelatine. Die zum Sirup eingeengte Flüssigkeit wurde mit Alkohol gefällt.

1. Alkoholfällung. Geringe Menge eines weißen Niederschlages. Eine Probe gibt beim trocknen Erhitzen ein alkalisch reagierendes Sublimat und den Geruch nach „Amylamin“. Der Rest wird mit Kupferhydroxyd gekocht. Hierbei bilden sich zunächst nur lösliche Kupferverbindungen. Nach dem Eindampfen bleibt aber bei der Extrak- tion mit Wasser ein Teil ungelöst: Leucinkupfer, 19,87°/, Cu. Ein größerer Teil löst sich. Er besteht zum Teil aus Chloriden, zum Teil aus Verbindungen mit 24,2°/, Cu.

2. Alkoholauszug. Die alkoholische Lösung wird eingeengt und noch einmal mit Alkohol gefällt.

a) Die Alkoholfällung wird in Alkohol absolutus mit Salzsäure

verestert. 0,317 g Glykokollesterchlorhydrat.

Die Mutterlauge ging leider verloren.

b) Die alkoholische Lösung wurde eingedampft und der Rückstand mit Kupferhydroxyd gekocht. Die Kupferbindungen wurden im Vakuum eingeengt und mit absolutem Alkohol aufgenommen. Die in Alkohol löslichen Kupferverbindungen wurden nach Verdunsten des Alkohols mit Schwefelwasserstoff zerlegt und eingeengt. Es blieb ein nicht krystalli- sierender Sirup, der starke Pyrrolreaktion zeigte. Er enthielt 0,424 Gesamtstickstoff und 0,312 Aminostickstoff, konnte also wesentlich aus Prolin bestehen, aber auch noch Peptid enthalten. Er wurde deshalb in Wasser gelöst; die Lösung wurde mit Salzsäure gesättigt, 1 Stunde

Zersetzung der Gelatine durch Microcoocus prodigiosus. 125

gekocht, noch einmal mit Salzsäure gesättigt, gekocht und zum dünnen Sirup eingedampft. Aus der wässerigen Lösung ließ sich die Haupt- menge der Substanz durch Phosphorwolframsäure fällen. Aus dem Nieder- schlag wurde ein in Alkohol lösliches Kupfersalz (vermutlich Prolin) erhalten, dessen weitere Verarbeitung verunglückte. Das Filtrat der Phosphorwolframfällung lieferte eine in absolutem Alkohol lösliche Kupfer- bindung, die durch Äther gefällt wurde. Nach dem Trocknen im Vakuum bildete sie eine spröde lasurblaue Masse. Letztere erwies sich leider als bleihaltig. Auf aschefreie Substanz berechnet enthielt sie 10,88°%/, N. Eine Probe der Substanz wurde nun entkupfert und trocken erhitzt. Sie gab starke Pyrrolreaktion. Die alkoholische Lösung schien nach alledem wesentlich nur Prolin zu enthalten, z. T. vielleicht in Peptidbindung.

Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß unter dem Ein- fluß des Micrococcus prodigiosus aus der Gelatine neben Produkten, die durch Tannin fällbar sind, einfacher zusammengesetzte Peptide entstehen und krystalli- nische Spaltungsprodukte, von denen mit Sicherheit Glykokoll nachgewiesen wurde. Höchstwahrscheinlich bilden sich auch Leucin, Prolin und andere Amino- säuren.

An einer Fortführung der Versuche war ich durch äußere Umstände verhindert, doch sollen sie von anderer Seite wieder aufgenommen werden.

Die Dissoziationskonstanten des Tryptophans. Von Aristides Kanitz.

(Eingegangen am 27. September 1910.)

Die hydrolytische Dissoziation eines in Wasser gelösten, aus einer einwertigen schwachen Säure und starken Base (oder umgekehrt) entstandenen Salzes ist dem Massenwirkungsgesetz zufolge durch die Formel

[Unhydrolysiertes Salz] oOo k i schwache `` , starke K, ` UI Freie Säure| >X< | Freie Base starke schwache

gegeben, worin die eckigen Klammern Konzentrationen, k die Dissoziationskonstante der schwachen Säure (bzw. Base) und K,, das Ionenprodukt des Wassers bei der betreffenden Tempe- ratur bedeutet. Da letzteres und die Gesamtkonzentration des Salzes bekannt sind und die beiden Hydrolyseprodukte in äquivalenter Menge entstehen, so wird k berechenbar, wenn man die Konzentration eines der Hydrolyseprodukte oder des un- hydrolysierten Anteils bestimmt.

Gewöhnlich gründen sich diese Bestimmungen auf den Wasserstoflion- bzw. Hydroxyliongehalt des Systems, sei es, daß die freie starke Säure bzw. Base direkt gemessen wird, sei es, daß man den hydrolysierten und unhydrolysierten Anteil aus der anomalen elektrischen Leitfähigkeit, die die vor- erwähnten Ionen der Lösung erteilen, berechnet.!) Aber auch jede andere Eigenschaft, sofern sie nur in verschiedener, be- rechenbarer Weise vom unhydrolysierten und hydrolysierten

1) Näheres darüber findet man in meinen früheren Arbeiten: Die Affinitätekonstanten einiger Eiweißspaltungsprodukte. Zeitschr. f. physiol.

Chem. 47, 476 bis 495, 1906. Die Affinitätskonstanten des Tyrosins und des Phenylalanins.. Pflügers Arch. 118, 539 bis 546, 1907.

A. Kanitz: Dissoziationskonstanten des Tryptophans. 127

Anteil abhängt und ohne Gleichgewichtsverschiebung gemessen werden kann, ist zu dem gedachten Zweck geeignet. Ich will das optische Drehungsvermögen des Tryptophans benutzen, um dessen bisher unkekannte Dissoziationskonstanten zu berechnen.

Bezeichnen wir mit ob das Drehungsvermögen des Tryptophans in Wasser bei der Konzentration (Mole/Liter) n, mit a,,, das Drehungsvermögen des salzsauren Tryptophans in damit äquivalenter Lösung und mit o das Drehungs- vermögen des Tryptophans, ebenfalls bei der Konzentration n, in überschüssiger Salzsäure, so wird, wenn die Gesamtkonzen- tration des salzsauren Tryptophans als Einheit gesetzt wird, dessen hydrolysierter Bruchteil, der „Hydrolysegrad‘‘,

Q X l I x Salz on

(2) C Amph Qion

betragen, einigermaßen verdünnte Lösungen vorausgesetzt. Diese Formel ergibt sich durch die einfache Überlegung, daß die zur Beobachtung gelangende Drehung des salzsauren Trypto- phans zwischen zwei Grenzwerten liegen muß, die zur Beob- achtung gelangen würden, wenn das salzsaure Tryptophan vollständig hydrolysiert resp. gar nicht hydrolysiert wäre, und daß der erste Grenzwert durch das Drehungsvermögen des Tryptophans in Wasser, der zweite Grenzwert, mit ausreichender Genauigkeit, durch sein Drehungsvermögen in überschüssiger Salzsäure gegeben ist. Die Einschränkung ‚mit ausreichender Genauigkeit“ ist im zweiten Falle deshalb zu machen, weil durch den Salzsäureüberschuß nicht nur die gewünschte Zurück- drängung der Hydrolyse bewirkt wird, sondern wegen des gemeinsamen Cl-Ions in geringem Grade auch die, als voll- ständig angesehene, elektrolytische Dissoziation des salzsauren Tryptophans zurückgedrängt wird, wodurch die beobachtete Drehung nicht, wie angenommen, nur vom Tryptophankation, sondern zu einem kleinen Bruchteil vom undissoziierten salz- sauren Tryptophan herrührt.

Auf gleicher Weise, indem in Formel (2) für Gi, das Drehungsvermögen des Tryptophannatriums bei einer bekannten Konzentration n und für o das Drehungsvermögen des Tryptophans in überschüssiger Natronlauge eingesetzt wird, gelangt man zum Hydrolysegrad x des Tryptophannatriums.

128 A. Kanitz:

Unter Einsetzung von n und z in Formel (1) bekommt

diese folgende Gestalt:

1— x k

Pr 99 worin nunmehr k, wenn vom salzsauren Tryptophan ausgegangen wurde, die Basendissoziationskonstante (k,), und wenn vom Tryptophannatrium ausgegangen wurde, die Säuredissoziations- konstante (k,) des Tryptophans ist.

Anstatt sämtliche Drehungsvermögen in Formel (2) bei derselben Konzentration zu bestimmen, können wir, ohne nennens- werten Fehler, die extrapolierten Werte, wie sie im molaren Drehungsvermögen (spezifisches Drehungsvermögen >< Molar- gewicht) vorliegen, oder auch die spezifischen Drehungsvermögen sämtlich auf das freie Tryptophan bezogen, verwenden. Für letztere entnehme ich von H. Fischer!) die unter I, von E. Abderhalden mit M. Kempe?) und L. Baumann?) die unter II angegebenen Werte:

Laf I II Freies Tryptophan . . . . ....— 33° 30,3° HCI-Salz (n=0,12) . . . . . —16° HCI-Salz in überschüss. norm. HCl + 1,3°

Na-Salz (n=0)l) . . 2. . . . + 25° Na-Salz in überschüss. norm. NaOH + 5,7° + 6,2° Da kein Grund vorliegt, einer der beiden Messungsreihen ein größeres ‚Gewicht‘ beizulegen, so wollen wir als abgerundete Mittelwerte für das freie Tryptophan 31,5° und für das Na-Salz in überschüssiger Lauge +- benutzen. Dann erhalten wir aus Formel (2) für

x bei n Tryptophan HCl . . 0,527 0,12 Tryptophan Na . . . 0,093 0,10

1) H. Fischer, Notiz zum optischen Verhalten des Tryptophans. Zeitschr. f. physiol. Chem. 55, 74, 1908.

2) E. Abderhalden und M. Kempe, Beitrag zur Kenntnis des Tryptophans und einiger seiner Derivate. Zeitschr. f. physiol. Chem. 52, 210, 1907.

3) E. Abderhalden und L. Baumann, Notizen über l-Trypto- phan. Zeitschr. f. physiol. Chem. 55, 412, 1908.

Dissoziationskonstanten des Tryptophans. 129

woraus Formel (3) k |K „= 14 FEIK „= 1300 ergibt.

Da die Messungen bei 20° ausgeführt sind, ist K „= 0,8 œ< 10714 zu setzen, und wir erhalten

k, = 1,1 x 107° als Basendissoziationskonstante k, = 1,3 x< 10°"! als Säuredissoziationskonstante des Tryptophans bei 20°.

Diese Werte fallen selbst auf dem Gebiet der kleinen Dissoziationskonstanten durch ihre Kleinheit auf.

Um die Genauigkeit des benutzten Verfahrens zu prüfen, wollte ich von einigen Aminosäuren, bei denen die Dissoziations- konstanten auf anderem Wege bereits gefunden worden sind, die Dissoziationskonstanten aus dem Drehungsvermögen be- rechnen. Doch habe ich sämtliche Beobachtungsdaten, die für die Rechnung erforderlich sind, nur bezüglich der zweiten Basendissoziationskonstante des Histidins vorgefunden. In diesem Falle ist oct, 488 Drehungsvermögen des Histidinhydrochlorids,

Ga da8 Drehungsvermögen des Dichlorids und «,,, das Drehungs-

vermögen des letzteren in überschüssiger Salzsäure. Kossel!) gibt die entsprechenden spezifischen Drehungen mit + 1,7°, -+ 5,3° (bei n = 0,21) und 4 6,5° an. Die Durchführung der Rechnung mit den aus diesen abgeleiteten molaren Drehungen gibt z— 0,23 und EJ 69 bei 20°, während ich früher?) aus der Wasserstoffionkatalyse mittels Histidindichlorid bei n—=0,1 und 25°, EJ 68 gefunden habe. Die Überein- stimmung ist, auch wenn man in Betracht zieht, daß K, bei 20° rund 30°/, kleiner als bei 25° ist, besser, als gefordert werden darf.

1) A. Kossel, Über das optische Drehungsvermögen des Histidins.

Zeitschr. f. physiol. Chem. 28, 382, 1899. 3) Zeitschr. f. physiol. Chem. 47, 489, 1906.

Biochemische Zeitschrift Band 29. 9

Die Aldehydase in den Tiergeweben. Von F. Battelli und L Stern. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Genf.)

(Eingegangen am 28. September 1910.) Mit 2 Figuren im Text,

I.

Die Bezeichnung Aldehydase wurde von Jacoby!) dem Fermente gegeben, das die Fähigkeit besitzt, aus Salicylaldehyd Salicylsäure zu bilden. Abelous und Biarnès?) hatten dieses Ferment Salicylase genannt, doch ist diese Bezeichnung nicht weiter benutzt worden.

Bisher haben alle Forscher die Aldehydase als ein oxy- dierendes Ferment betrachtet. Die Tatsache, daß die Sauer- stoffgegenwart zur Bildung von Salicylsäure nicht notwendig ist, wie es Medwedew?) beobachtet hatte, ja sogar die Reaktion bedeutend hindern soll, wie es von Abelous und Aloy*) gezeigt und darauf von Dony-Hénault und Van Duuren‘) bestätigt wurde, hatte diese Ansicht nicht erschüttert. Medwedew glaubte, daß der zur Oxydation des Salicylaldehyds

1) Jacoby, Über das Aldehyde oxydierende Ferment der Leber und Nebenniere. Zeitschr. f. physiol. Chem. 30, 135, 1900.

2) Abelous und Biarnès, Nouvelles expériences relatives à lexi- stence chez les mammifères d’un ferment soluble oxydant l'aldéhyde salicylique. Soc. de Biol. 1898, 495.

3) Medwedew, Über die oxydativen Leistungen der tierischen Gewebe. Pflügers Arch. 81, 540, 1900.

4) Abelous und Aloy, Sur quelques conditions de l'activité d'un ferment oxydant. Soc. de Biol. 1903, 891.

D Dony-H£Enault und Van Duuren, Contribution A l’etude möthodique des oxydases dans les tissus animaux. Bull. de l’Aocad. royale de Belgique 1907, 637.

F. Battelli u. L. Stern: Die Aldehydase in den Tiergeweben. 131

zu Salicylsäure nötige Sauerstoff durch die sauerstoffhaltigen Substanzen der Gewebe herbeigeschafft würde. Abelous und Aloy?) präzisierten diese Hypothese und nahmen an, daß die Aldehydase ein oxydo-reduzierendes Ferment sei; und zwar wirkt die Aldehydase als ein reduzierendes Ferment, indem sie die sauerstoffhaltigen Verbindungen zersetzt, und als ein oxy- dierendes, indem sie den frei gewordenen Sauerstoff auf den Salicylaldehyd überträgt.

Bach?) hat die Oxydasenatur der Aldehydase bezweifelt und die Ansicht ausgesprochen, daß es sich vielmehr um ein hydrolysierendes Ferment handeln könnte, ohne jedoch experi- mentelle Beweise dafür zu erbringen.

Wir haben jüngst gezeigt,’) daß die Aldehydase in der Tat ein hydrolysierendes Ferment sei. Unter dem Einflusse der Gewebe entstehen aus Salicylaldehyd gleichzeitig Salicylsäure und Saligenin. Der Salicylaldehyd wird demnach nach dem Schema: 2C,H,0OH.COH + H,O = C,H,OH.CH,OH + C,H,OH-COOH zersetzt.

Außerdem haben wir gezeigt,*) daß mehrere Gewebe auch die Fähigkeit besitzen, Acetaldehyd und häufig auch Form- aldehyd unter gleichzeitiger Bildung von Alkohol und ent- sprechender Säure zu hydrolysieren.

Bekanntlich weisen mehrere Aldehyde eine ähnliche Hydro- lyse unter dem Einflusse von Alkalien auf. So wird beispiels- weise Benzaldehyd in Benzylalkohol und Benzoesäure gespalten. Desgleichen wird Formaldehyd sehr leicht in Ameisensäure und Methylalkohol hydrolysiert usw.

Außer dieser Hydrolyse besitzen einige Gewebe auch die Fähigkeit, Aldehyde und namentlich den Acetaldehyd unter

1) Abelous und Aloy, Sur la presence dans l’organisme animal d'une diastase à la fois oxydante et réductrice. Soc. de Biol. 1903. 1535.

2) Bach, Neuere Arbeiten auf dem Gebiete der pflanzlichen und tierischen Oxydasen und Peroxydasen. Biochem. Centralbl. 9, 1909.

3) Battelli und Stern, Dedoublement de l’ald&hyde salicylique en acide salicylique et en saligenine par le tissus animaux. Soc. de Biol. 69, 162. 1910.

4) Battelli und Stern, Dedoublement de l’aldehyde &thylique en acide et alcool par les tissus animaux. Soc. de Biol. 68, 742, 1910.

gt

132 F. Battelli und L. Stern:

Aufnahme molekularen Sauerstofis zu den entsprechenden Säuren zu oxydieren. In einer früheren Arbeit?!) haben wir die Ansicht ausgesprochen, daß diese Oxydation durch die Alkoholoxydase bewirkt werde. Doch ist die oxydierende Wirkung der Alkohol- oxydase auf den Salicylaldehyd, wenn überhaupt, nur äußerst gering. Dies kann daher rühren, daß der Salicylaldehyd die Wirkung der Alkoholoxydase stark beeinträchtigt, und zwar um so stärker, je größer die Konzentration des Salicylaldehyds ist.

Es ist ohne weiteres anzunehmen, daß in den Versuchen der verschiedenen Forscher, betreffend die Wirkung der Gewebe auf den Salicylaldehyd, die Bildung von Salicylsäure zum größten Teile oder selbst im ganzen der Einwirkung eines hydrolysierenden und nicht eines oxydierenden Ferments zuzuschreiben sei.

Die wahre Natur des Fermentes, das die Umwandlung des Salicylaldehyds zu Salicylsäure bewirkt, ist mithin von der bisher angenommenen gänzlich verschieden. Doch halten wir es für zweckmäßig, die Bezeichnung Aldehydase beizubehalten, um so mehr, als es sich um ein hydrolysierendes Ferment handelt. Würde es sich um ein oxydierendes Ferment handeln, so müßte man es Aldehydoxydase nennen.

In vorstehender Arbeit wollen wir die Hydrolyse des Salioylaldehyds sowie die des Acetaldehyds, die wahrscheinlich durch ein und dieselbe Aldehydase bewirkt werden, untersuchen.

Was die Hydrolyse des Salicylaldehyds betrifft, so existiert bereits eine große Anzahl von experimentellen Ergebnissen, die von den verschiedenen Forschern, die sich mit der Aldehydase beschäftigt haben, erzielt worden sind. Wir bringen an anderer Stelle?) eine eingehendere bibliographische Übersicht. Hier sollen nur kurz die wichtigsten Arbeiten erwähnt werden.

Schmiedeberg?) und Jaquet*) haben als Reagens Salicylaldehyd

oder Benzylalkohol benutzt, um die oxydierende Fähigkeit der Gewebe zu studieren. Jaquet hat diese Oxydationswirkung einem einzigen, und

1) Battelli und Stern, Die Alkoholoxydase in den Tiergeweben. Diese Zeitschr. 28, 145, 1910.

2) Battelli und Stern, L’aldehydase dans les tissus animaux. Travaux du laboratoire de physiologie de l'Université de Genève 1910.

3) Schmiedeberg, Über Oxydationen und Synthesen im Tierkörper. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 14, 288, 1881.

4) Jaquet, Über die Bedingungen der Oxydationsvorgänge in den Geweben. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 29, 386, 1891.

Die Aldehydase in den Tiergeweben. 133

zwar oxydierenden Ferment zugeschrieben. Aber in Wirklichkeit handelte es sich hier um 2 Fermente, eine Aldehydase und eine Alkoholoxydase. Letzteres Ferment oxydiert den Benzylalkohol nur in Sauerstoffgegenwart.

Die späteren Forscher haben in ihren diesbezüglichen Untersuchungen sich ausschließlich mit der Umwandlung des Salicylaldehyds in Salicyl- säure beschäftigt und den Benzylalkohol beiseite gelassen, weil der Nachweis von Salicylsäure leichter ist als der von Benzoesäure. In allen diesen Untersuchungen handelte es sich nun um kein oxydierendes, sondern nur um ein hydrolysierendes Ferment, und infolgedessen ent- behren die verschiedenen Hypothesen, die zur Erklärung der Wirkungs- weise und der physiologischen Funktion der Aldehydase aufgestellt worden sind, jeder Grundlage. Wir wollen hier auf dieselben nicht weiter eingehen. Selbstverständlich bleiben die experimentellen Tatsachen intakt. Wir werden auf dieselben in den entsprechenden Kapiteln zurückkommen.

Es sind auch einige Versuche gemacht worden, die Umwandlung des Benzaldehyds und des Vanillinaldehyds im lebenden Tierkörper zu verfolgen. Cohn!) zeigte, daß die Einführung von Benzaldehyd zur Bildung von Hippursäure führt, und schloß daraus, daß der Benzaldehyd zu Benzoesäure oxydiert wird. Allerdings ist auch hier die Annahme gestattet, daß ein Teil der Benzoesäure durch Hydrolyse des Aldehyds in Säure und Alkohol entstanden sei. Der hierbei entstandene Alkohol könnte seinerseits durch die Alkoholoxydase der Gewebe zu Benzoesäure oxydiert worden sein.

Preuße?) fand, daß das Vanillin im Kaninchenkörper zum größten Teil zu Vanillinsäure oxydiert wird. Dieselbe erscheint im Harn in Ver- bindung mit Schwefelsäure. Die Bemerkung, die wir für den Benz- aldehyd gemacht, ist auch hier gestattet.

Was die Aldehyde der aliphatischen Reihe betrifft, soweit die Unter - suchungen sich auf den lebenden Tierkörper beziehen, verweisen wir auf unsere an anderer Stelle zusammengestellte vollständige bibliographische Übersicht.

Versuche mit überlebenden Tiergeweben sind zuerst von Pohl?) angestellt worden, um zu entscheiden, ob der Formaldehyd zu Ameisen- säure oxydiert werden kann. Die zerriebenen Gewebe (100 bis 500 g) wurden mit Formaldehyd im Verhältnis von 0,5 bis 1: 100 versetzt und 3 bis 4 Stunden bei 37 bis 39° stehen gelassen. Pohl fand, daß die Muskeln des Rindes, die Niere des Rindes und die Lunge des Pferdes inaktiv sind. Mit der Leber des Rindes und des Pferdes hat er positive Resultate erzielt, doch sind die hierbei gefundenen Ameisensäuremengen recht gering und unbeständig. Pohl glaubt, daß es sich um eine Oxy-

1) Cohn, Über das Auftreten acetylierter Verbindungen nach Dar- reichung von Aldehyden. Zeitschr. f. physiol. Chem. 17, 274, 1892.

2) Preuße, Über das Verhalten des Vanillins im Tierkörper. Zeitschr. f. physiol. Chem. 4, 209, 1880.

3) Pohl, Über die Oxydation des Methyl- und Athylalkohols im Tierkörper. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 31, 281, 1893.

134 F. Battelli und L. Stern:

dation des Formaldehyds durch die Leber handelt. Wir glauben aber, daß die Ameisensäure in den Versuchen von Pohl haupteächlich durch Hydrolyse des Aldehyds entstanden sei, denn die Konzentration des letzteren war verhältnismäßig groß, ein Umstand, der die Oxydation bedeutend stört, aber die Hydrolyse begünstigt.

Sgalitzer!) hat aus der Kaninchenleber das Ferment, das Form- aldehyd zu Ameisensäure oxydiert, in Pulverform dargestellt. Die infolge von Jodkaliumeinspritzungen fettig entartete Leber verliert in mehr oder weniger starkem Grade die Fähigkeit, Ameisensäure zu bilden.

Unseres Wissens ist die Wirkung der überlebenden Tiergewebe auf den Acetaldehyd bisher von keinem Forscher untersucht worden.

Eine gewisse Anzahl von Untersuchungen sind angestellt worden, um die Umwandlung der Glyoxylsäure im lebenden Tierkörper oder auch durch die überlebenden Tiergewebe zu studieren. Die Glyoxylsäure wird durch die Leber rasch zerstört, doch konnten die Umwandlungsprodukte nicht bestimmt werden. Granström?) schreibt das Verschwinden der Glyoxylsäure der Wirkung eines besonderen, von der Aldehydase ver- schiedenen Ferments, der Glyoxylase, zu. Jedenfalls findet er keine Bildung von Oxalsäure, und das Verschwinden der Glyoxylsäure könnte wahrscheinlich durch einen synthetischen Vorgang bedingt sein, so daß wir diese Versuchsergebnisse beiseite lassen können.

II. Methode.

a) Allgemeine Methode.

In unseren Versuchen wurde die Wirkung der Tiergewebe auf die Aldehyde stets bei Sauerstoffausschluß untersucht. Auf diese Weise wird die Möglichkeit ausgeschlossen, daß ein Teil der gebildeten Säure infolge von Oxydation des Aldehyds entstanden sein könnte, und zugleich wird auch die Umwandlung des entstehenden Alkohols in die entsprechende Säure unter dem Einfluß der Alkoholoxydase vermieden.

Die Reaktionsgeschwindigheit wird bedeutend gesteigert, wenn des Reaktionsgemisch energisch geschüttelt wird, wie os bereits von Sal- kowski und Yamagiwa®) beobachtet wurde. Um ein energisches Schütteln zu ermöglichen, darf das das Reaktionsgemisch enthaltende Gefäß nicht ganz gefüllt sein. Wir haben infolgedessen folgendes Ver- fahren benutzt. Der Gewebebrei sowie die nötige Wassermenge wurden in eine Flasche gebracht, darauf wurde mit Hilfe einer Wasserstrahlpumpe evakuiert und durch einen luftdicht schließenden Hahn die nötige Aldehyd-

1) Sgalitzer, Kritische Versuche zur Beurteilung der Jodalkali- wirkung. Arch. internat. de Pharmakodyn. et de Therapie 18, 285, 1908. 2) Granström, Über die fermentative Veränderung der Glyoxyl- säure durch Organbrei. Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 11, 214, 1908. 3) Salkowski und Yamagiwa, Zur Kenntnis des Oxydations- fermentes der Gewebe. Virchows Arch. f. pathol. Anatom. 147, 1, 1897.

Die Aldehydase in den Tiergeweben. 135

menge hineingetan und dann in einem Wasserbade bei 40° auf der Schüttelmaschine energisch geschüttelt.

Wenn die Versuchsdauer nicht mehr als 3 Stunden betrug, haben wir keine Antiseptika benutzt, Bei länger dauernden Versuchen haben wir Chloroform hinzugefügt. Letzteres hat aber den Nachteil, die Re- aktion bedeutend zu stören, wie es zum Teil Jacoby bereits bemerkt hat.

Die Gewebe müssen recht schnell nach dem Tode des Tieres ver- wandt werden, da die Aldehydase in den sich selbst überlassenen Geweben allmählich abnimmt.

Die zu untersuchenden Gewebe werden mit Hilfe einer feinlöcherigen Fleischhackmaschine fein zerrieben und darauf mit Wasser versetzt, so daß ein flüssiges Gemenge entsteht (200 com Wasser zu je 50 g Gewebe z. B.). In den meisten Versuchen haben wir Natriumhydrat hinzugefügt, im Ver- hältnis von 1:3000. Das Ganze wird in eine größere Flasche gebracht. Mit Hilfe der Wasserstrahlpumpe wird evakuiert, die gewünschte Aldehyd- menge hinzugefügt und darauf, wie oben beschrieben, energisch geschüttelt.

Am Ende des Versuches wird je nach der zu bestimmenden Sub- stanz verschieden verfahren.

b) Qualitativer und quantitativer Nachweis von Salicylsäure und Saligenin.

Bestimmung der Salicoylsäure. Die Bestimmung der Salioyl- säure wurde nach dem gewöhnlichen, bereits von Schmiedeberg an- gegebenen und in der Folge von der Mehrzahl der Forscher benutzten Verfahren ausgeführt. Das Reaktionsgemisch wird am Ende des Ver- suches leicht angesäuert und die Flasche in siedendes Wasser gebracht und so lange darin gelassen, bis das Reaktionsgemisch eine Temperatur von 90° erreicht. Man filtriert, wäscht den Rückstand mehrere Male und vereinigt die Flüssigkeiten.

Das auf diese Weise erhaltene Filtrat wird durch NaCO, genau neutralisiert und im Wasserbade bis zu sirupöser Konsistenz eingeengt. Während des Einengens muß darauf geachtet werden, daß die Reaktion stets neutral gegen Lackmus bleibe. Der Rückstand wird mit Alkohol wiederholt extrahiert und der Alkoholauszug im Wasserbade bis zur Trockne verdampfen gelassen, darauf mit 20 ccm 1°/,iger Chlorwasserstoff- lösung extrahiert, mit 20 ccm 10°/,iger Bleiacetatlösung versetzt und mit Äther extrahiert. Zum Ätherauszug werden 20 ccm Wasser hinzu- gesetzt, und nach Verdampfen des Äthers wird die Salicylsäure oolori- metrisch durch FeCl, titriert.

Der Zusatz von Bleiacetat ist von Ducceschi!) vorgeschlagen worden und bezweckt, die eventuell vorhandene Milchsäure zu entfernen, und zwar durch Bildung eines in Äther unlösliohen milchsauren Bleisalzes, Etwas größere Milchsäuremengen stören die Salicylsäurebestimmung beträchtlich. Dony-Henault und Van Duuren haben eine recht

1) Ducoeschi, Una cagione di errore per la ricerca dell’ acido salicilico nell’ urina e nei tessuti. Arch. internat. de Physiol. 2, 73, 1904.

136 F. Battelli und L. Stern:

komplizierte Methode vorgeschlagen, um den Salicylaldehyd völlig zu entfernen. Falls in der Tat der Salicylaldehyd nicht gänzlich entfernt würde, so würde die Titration der Salicylsäure durch FeCl, jeden Wert verlieren, da der Salicylaldehyd mit FeCl, ähnlich reagiert wie die Salicylsäure.

Wir haben aber in zahlreichen Versuchen beobachtet, daß der Salicylaldehyd im Wasserbade völlig verdampft, wenn die Reaktion der Flüssigkeit neutral gegen Lackmus ist. Ist hingegen die Reaktion alka- lisch, so wird der Aldehyd teilweise zurückgehalten. Übrigens ist der beste Beweis, daß der Salioylaldehyd beim Einengen der Flüssigkeit entfernt wird, der Umstand, daß die Reaktion mit FeCl, stets negativ ist, wenn das zu untersuchende Gewebe keine Aldehydase enthält, oder wenn der Salicylaldehyd zu vorher gekochtem Lebergewebe hinzu- gesetzt wird.

Ein wichtiger Umstand, auf den Dony-Hönault und Van Duuren aufmerksam machen und den wir bestätigen können, ist die Tatsache, daß die Salioylsäure zum Teil durch die Gewebe zerstört wird. Fügt man zu einer Gewebesuspension eine gegebene Menge Salicylsäure, so wird nur ein Teil der hinzugefügten Säure wiedergefunden. Der Verlust kann bis zu 500/, betragen und variiert von einem Versuche zum anderen. Dony- H6nault und Van Duuren haben außerdem bemerkt, daß in den Versuchen an aldebydasehaltigen Geweben die Menge der in der Zeit- einheit zerstörten Salicylsäure nach einer gewissen Zeit größer wird als die gleichzeitig gebildete. So findet man z. B., daß die Menge der Salioylsäure während der ersten 24 Stunden zunimmt, darauf aber ab- zunehmen beginnt. Daraus folgt, daß die quantitative Bestimmung der Salioyleäure nicht genau über die während des Versuchs gebildete Salicyl- säuremenge unterrichten kann.

Bestimmung des Saligenins. Der Nachweis des Saligenins wird auf folgende Art ausgeführt: Am Ende des Versuches wird das Reaktionsgemisch leicht angesäuert, auf 90° erhitzt und filtriert, ganz so wie bei der Bestimmung der Salicylsäure. Das auf diese Weise er- haltene Filtrat wird im Vakuum in einem Thermostaten von 60° bis auf Lia eingeengt. Der Salicylaldehyd geht mit den ersten Teilen des Wassers ins Destillat über. Der Saligenin hingegen wird von den Wasserdämpfen nicht mitgerissen, solange die Flüssigkeitsmenge nicht zu klein ist. Die zurückgebliebene Flüssigkeit wird mit Na,CO, genau neutralisiert und mehrere Male mit Äther extrahiert. Zum Ätherauszug werden 20 ccm Wasser hinzugesetzt und der Äther verdampfen gelassen. Das zurückbleibende Wasser enthält außer Saligenin auch geringe Mengen Salicylsäure, die die Titration des Saligenins erschweren. Man neutrali- siert von neuem ganz genau mit stark verdünnter Na,CO,-Lösung und extrahiert von neuem mit Äther. Nach Hinzufügen von 10 ccm Wasser wird der Äther verdampfen gelassen. Das zurückbleibende Wasser ent- hält nur Saligenin, das sich durch FeCl, schön blau färben läßt. Diese Farbe ist gänzlich verschieden von der rotvioletten Farbe der Salioyl- säure und des Salicylaldehyds. Das Saligenin wird colorimetrisch mit

Die Aldehydase in den Tiergeweben. 137

Hilfe einer konzentrierten FeCl,-Lösung titriert, indem die Färbekraft der zu untersuchenden Flüssigkeit mit der einer bekannten Saligenin- lösung verglichen wird.

c) Bestimmung der Essigsäure und des Äthylalkohols.

Bestimmung der Essigsäure Die Essigsäure wird durch Messung der Menge flüchtiger Säuren, die am Ende des Versuches im Reaktionsgemisch vorhanden ist, bestimmt. Die Gewebe, selbst wenn sio sehr frisch sind, weisen eine gewisse Menge präexistierender flüchtiger Säuren auf, die man bei der Berechnung der neugebildeten Säuren natürlich nicht vernachlässigen darf.

Gleiche Mengen Gewebebrei und Wasser werden in zwei gleich große Flaschen gebracht. Mit Hilfe einer Wasserstrahlpumpe wird evakuiert und in eine der Flaschen die gewünschte Menge Acetaldehyd hineingetan. Die andere Flasche dient als Kontrollprobe. Die Flaschen werden energisch geschüttelt, am Ende des Versuches in siedendes Wasser gebracht und ungefähr 15 Minuten darin gelassen. Hierauf werden die Flaschen geöffnet, das Reaktionsgemisch wird mit Schwefelsäure leicht angesäuert und weitere 5 Minuten lang in siedendem Wasser gelassen. Man filtriert, wäscht den Rückstand mehrere Male, säuert die vereinigten Filtrate mit Phosphorsäure an und destilliert so lange, bis das Destillat keine saure Reaktion mehr aufweist. In dem auf diese Weise erhaltenen ersten Destillat ist außer den flüchtigen Säuren häufig auch etwas Milch- säure enthalten, die durch die Wasserdämpfe mitgerissen wird. Um diese Fehlerquelle auszuschalten, wird das Destillat mit etwas Phosphor- säure versetzt und von neuem destilliert, wobei darauf geachtet wird, daß im Destillationskolben nie weniger als 50 ccm Flüssigkeit zurück- bleiben. ;

In dem auf diese Weise erhaltenen Destillat wird die Säure durch eine dezinormale NaOH-Lösung gemessen.

Wir haben mehrere Kontrollversuche angestellt, um zu entscheiden, ob die sämtliche den Geweben hinzugesetzte Essigsäure in unseren ge- wöhnlichen Versuchsbedingungen wiedergefunden werden kann. Wir haben gefunden, daß in der Mehrzahl der Fälle die hinzugefügte Essig- säure nicht total wiedergefunden wird. Doch beträgt der Verlust nie mehr als 30°/. Mithin sind die Resultate günstiger als die mit der Salicyleäure erzielten.

Die Bestimmung des Äthylalkohols wird auf folgende Art ausgeführt: Am Ende des Versuches wird zum Reaktionsgemisch 1g Pikrinsäure für je 100 ccm Gewebesuspension (Niclouxsche Methode) hinzugefügt und hierauf destilliert. Man fängt das erste Drittel des Destillats auf, das außer Aldehyd ev. auch Alkohol enthält. Der größte Teil des Aldehyds wird durch fraktionierte Destillation entfernt. Nach LL bis 1 Stunde (je nach der Konzentration des Aldehyds) ist der größte Teil des Aldehyds entfernt. Um nun die letzten Spuren Aldehyd zu entfernen, wird die zurückbleibende Flüssigkeit mit ammoniakalischem Silbernitrat behandelt. Man destilliert hierauf, und das Destillat wird

136 F. Battelli und L. Stern:

komplizierte Methode vorgeschlagen, um den Salioylaldehyd völlig zu entfernen. Falls in der Tat der Salicylaldehyd nicht gänzlich entfernt würde, so würde die Titration der Salicylsäure durch FeCl, jeden Wert verlieren, da der Salicylaldehyd mit Fei, ähnlich reagiert wie die Salicylsäure.

Wir haben aber in zahlreichen Versuchen beobachtet, daß der Salicylaldehyd im Wasserbade völlig verdampft, wenn die Reaktion der Flüssigkeit neutral gegen Lackmus ist. Ist hingegen die Reaktion alka- lisch, so wird der Aldehyd teilweise zurückgehalten. Übrigens ist der beste Beweis, daß der Salioylaldehyd beim Einengen der Flüssigkeit entfernt wird, der Umstand, daß die Reaktion mit FeCl, stets negativ ist, wenn das zu untersuchende Gewebe keine Aldehydase enthält, oder wenn der Salicylaldehyd zu vorher gekochtem Lebergewebe hinzu- gesetzt wird.

Ein wichtiger Umstand, auf den Dony-Hönault und Van Duuren aufmerksam machen und den wir bestätigen können, ist die Tatsache, daß die Salioylsäure zum Teil durch die Gewebe zerstört wird. Fügt man zu einer Gewebesuspension eine gegebene Menge Salicylsäure, so wird nur ein Teil der hinzugefügten Säure wiedergefunden. Der Verlust kann bis zu 60°/, betragen und variiert von einem Versuche zum anderen. Dony- Hö6nault und Van Duuren haben außerdem bemerkt, daß in den Versuchen an aldehydasehaltigen Geweben die Menge der in der Zeit- einheit zerstörten Salicylsäure nach einer gewissen Zeit größer wird als die gleichzeitig gebildete. So findet man z. B., daß die Menge der Salicylsäure während der ersten 24 Stunden zunimmt, darauf aber ab- zunehmen beginnt. Daraus folgt, daß die quantitative Bestimmung der Salioylsäure nicht genau über die während des Versuchs gebildete Salicyl- säuremenge unterrichten kann.

Bestimmung des Saligenins. Der Nachweis des Saligenins wird auf folgende Art ausgeführt: Am Ende des Versuches wird das Reaktionsgemisch leicht angesäuert, auf 90° erhitzt und filtriert, ganz so wie bei der Bestimmung der Salicylsäure. Das auf diese Weise er- haltene Filtrat wird im Vakuum in einem Thermostaten von 60° bis auf ja eingeengt. Der Salicylaldehyd geht mit den ersten Teilen des Wassers ins Destillat über. Der Saligenin hingegen wird von den Wasserdämpfen nicht mitgerissen, solange die Flüssigkeitsmenge nicht zu klein ist. Die zurückgebliebene Flüssigkeit wird mit Na,CO, genau neutralisiert und mehrere Male mit Äther extrahiert. Zum Ätherauszug werden 20 ccm Wasser hinzugesetzt und der Äther verdampfen gelassen. Das zurückbleibende Wasser enthält außer Saligenin auch geringe Mengen Salicylsäure, die die Titration des Saligenins erschweren. Man neutrali- siert von neuem ganz genau mit stark verdünnter Na,CO,-Lösung und extrahiert von neuem mit Äther. Nach Hinzufügen von 10 ccm Wasser wird der Äther verdampfen gelassen. Das zurückbleibende Wasser ent- hält nur Saligenin, das sich durch FeCl, schön blau färben läßt. Diese Farbe ist gänzlich verschieden von der rotvioletten Farbe der Salioyl- säure und des Salicylaldehyds. Das Saligenin wird colorimetrisch mit

Die Aldehydase in den Tiergeweben. 137

Hilfe einer konzentrierten FeCl,-Lösung titriert, indem die Färbekraft der zu untersuchenden Flüssigkeit mit der einer bekannten Saligenin- lösung verglichen wird.

o Bestimmung der Essigsäure und des Äthylalkoholes.

Bestimmung der Essigsäure Die Essigsäure wird durch Messung der Menge flüchtiger Säuren, die am Ende des Versuches im Reaktionsgemisch vorhanden ist, bestimmt. Die Gewebe, selbst wenn sie sehr frisch sind, weisen eine gewisse Menge präexistierender flüchtiger Säuren auf, die man bei der Berechnung der neugebildeten Säuren natürlich nicht vernachlässigen darf.

Gleiche Mengen Gewebebrei und Wasser werden in zwei gleich große Flaschen gebracht. Mit Hilfe einer Wasserstrahlpumpe wird evakuiert und in eine der Flaschen die gewünschte Menge Acetaldehyd hineingetan. Die andere Flasche dient als Kontrollprobe. Die Flaschen werden energisch geschüttelt, am Ende des Versuches in siedendes Wasser gebracht und ungefähr 15 Minuten darin gelassen. Hierauf werden die Flaschen geöffnet, das Reaktionsgemisch wird mit Schwefelsäure leicht angesäuert und weitere 5 Minuten lang in siedendem Wasser gelassen. Man filtriert, wäscht den Rückstand mehrere Male, säuert die vereinigten Filtrate mit Phosphorsäure an und destilliert so lange, bis das Destillat keine saure Reaktion mehr aufweist. In dem auf diese Weise erhaltenen ersten Destillat ist außer den flüchtigen Säuren häufig auch etwas Milch- säure enthalten, die durch die Wasserdämpfe mitgerissen wird. Um diese Fehlerquelle auszuschalten, wird das Destillat mit etwas Phosphor- säure versetzt und von neuem destilliert, wobei darauf geachtet wird, daß im Destillationskolben nie weniger als 50 ccm Flüssigkeit zurück- bleiben.

In dem auf diese Weise erhaltenen Destillat wird die Säure durch eine dezinormale NaOH-Lösung gemessen.

Wir haben mehrere Kontrollversuche angestellt, um zu entscheiden, ob die sämtliche den Geweben hinzugesetzte Essigsäure in unseren ge- wöhnlichen Versuchsbedingungen wiedergefunden werden kann. Wir haben gefunden, daß in der Mehrzahl der Fälle die hinzugefügte Essig- säure nicht total wiedergefunden wird. Doch beträgt der Verlust nie mehr als 2001. Mithin sind die Resultate günstiger als die mit der Salicylsäure erzielten.

Die Bestimmung des Äthylalkohols wird auf folgende Art ausgeführt: Am Ende des Versuches wird zum BReaktionsgemisch 1 g Pikrinsäure für je 100 ccm Gewebesuspension (Niclouxsche Methode) hinzugefügt und hierauf destilliert. Man fängt das erste Drittel des Destillats auf, das außer Aldehyd ev. auch Alkohol enthält. Der größte Teil des Aldehyds wird durch fraktionierte Destillation entfernt. Nach IL bis 1 Stunde (je nach der Konzentration des Aldehyds) ist der größte Teil des Aldehyds entfernt. Um nun die letzten Spuren Aldehyd zu entfernen, wird die zurückbleibende Flüssigkeit mit ammoniakalischem Silbernitrat behandelt. Man destilliert hierauf, und das Destillat wird

138 F. Battelli und L. Stern:

nach Nicloux’ Methode auf Alkohol untersucht (Reduktion von Kalium- bichromat in Gegenwart von konzentrierter Schwefelsäure).

Während der Destillation des Aldehyds wird natürlich auch ein Teil des Alkohols mitgerissen, so daß die schließlich gefundenen Alkohol- werte geringer sind als die wirklichen. Bekanntlich enthalten die nor- malen Gewebe nur äußerst geringe Mengen von Substanzen, die Kalium- bichromat reduzieren können.

III. Umwandlung der verschiedenen Aldehyde durch Hydro- lyse oder durch Oxydation. Wahl eines Aldehyds der aro- matischen Reihe und eines Aldehyds der Fettreihe.

Unter dem Einflusse der überlebenden Tiergewebe können die Aldehyde mehrfache Veränderungen infolge verschiedener Prozesse, unter denen hauptsächlich die Oxydations- und Hydrolysevorgänge zu nennen sind, erleiden.

In unserer Arbeit über die Alkoholoxydase!) haben wir gezeigt, daß der Acetaldehyd sowie der Formaldehyd in sehr geringer Kon- zentration durch die an Alkoholoxydase reichen Gewebe zu den ent- sprechenden Säuren oxydiert werden können. Der Salioylaldehyd scheint hingegen nicht oxydiert zu werden, er setzt vielmehr die Oxydationsvorgänge der Leber herab.

Seitdem haben wir eine Reihe von Versuchen gemacht, um der Einfluß dieser Aldehyde auf die Oxydation des Alkohols durch die Leber zu bestimmen. Wir haben hierbei die Beobachtung gemacht, daß der Formaldehyd sowie der Salioylaldehyd die fermentative Oxydation des Alkohols stark herabsetzen, und zwar in dem Maße, als die Kon- zentration des Aldehyds zunimmt. Der Salicylaldehyd in einer Kon- zentration von 2:1000 und der Formaldehyd in einer Konzentration von 4: 1000 heben die Oxydation des Alkohols völlig auf.

In den Untersuchungen von Pohl über den Formaldehyd und in den Versuchen der verschiedenen Forscher über den Salicylaldehyd war die Konzentration der angewandten Aldehyde nicht geringer, meist höher als die soeben angegebene. Dies ist ein weiterer Beweis dafür, daß in all diesen Versuchen, selbst wenn sie in Sauerstoffgegenwart ausgeführt wurden, die gebildete Säure zum größten Teil nicht durch eine Oxy- dation, sondern durch eine Hydrolyse des entsprechenden Aldehyds ent- standen sei.

Der Aoetaldehyd hat eine weniger ausgesprochene hem mende Wir- kung auf die Oxydation. Dieser Aldehyd wird durch die Alkoholoxydase viel leichter oxydiert als die anderen Aldehyde. Außerdem muß die Konzentration eine recht bedeutende sein (1:200 z. Bi, damit die Oxydation des Alkohols durch die Alkoholoxydase deutlich gehemmt werde. Wenn man also die Hydrolyse des Acetaldehyds studieren will, muß man darauf achten, daß die Versuche bei Sauerstoffausschluß aus-

1) Battelli und Stern, 1. c.

Die Aldehydase in den Tiergeweben. 139

geführt werden, damit die oxydierende Wirkung der Alkoholoxydase auf den Aldehyd vermieden werde.

Die Hydrolyse der Aldehyde durch die Aldehydase wird durch die Konzentration des Aldehyds in ganz anderer Weise beeinflußt, als die Oxydation derselben durch die Alkoholoxydase. Mit steigender Kon- zentration des Aldehyds nimmt die Oxydation ab, während umgekehrt die Hydrolyse zunimmt, wie aus den Versuchsergebnissen von Medwe- dew hervorgeht.

Die Aldehyde können auch durch andere Vorgänge in Gegenwart von Tiergeweben zerstört werden. So können sie sich z. B. mit Eiweiß- stoffen verbinden, Kondensationsprodukte bilden usw. Wir wollen hier darauf nicht weiter eingehen.

In vorstehender Arbeit haben wir systematisch die Hydrolyse eines Aldehyds der Fettreihe und eines Aldehyds der aromatischen Reihe untersucht.

Unter den Aldehyden der aromatischen Reihe haben wir natürlich dem Salicylaldehyd den Vorzug gegeben aus denselben Gründen, die die früheren Forscher dazu veranlaßt hatten.

In bezug auf die Aldehyde der Fettreihe haben wir in mehreren Vorversuchen die Hydrolyse des Formaldehyds untersucht. In einigen Fällen war die Hydrolyse des Formaldehyds durch die an Aldehydase reichen Gewebe recht erheblich, in anderen Fällen hingegen sehr un- bedeutend, ohne daß wir die Ursache dieses verschiedenen Verhaltens ermitteln konnten. Im allgemeinen ist die Hydrolyse des Formaldehyds durch die Leber der verschiedenen Tiere bedeutend geringer und namentlich viel unbeständiger als die des Acetaldehyds.

Aus dem Grunde haben wir als Typus der Aldehyde der Fettreihe den Acetaldehyd gewählt.

IV. Gleichzeitige Bildung von Alkohol und Säure bei der Hydrolyse der Aldehyde.

Mit Hilfe der früher beschriebenen Methoden haben wir den Äthyl- alkohol und das Saligenin unter den Umwandlungsprodukten der ent- sprechenden Aldehyde nachzuweisen gesucht.

Die Resultate sind immer recht befriedigend, wenn die Menge der gebildeten Säure etwas größer ist. Die Menge des gefundenen Alkohols war manchmal etwas geringer, manchmal auch etwas größer als die für die Essigsäure gefundenen Werte. Diese Ergebnisse lassen sich leicht erklären, wenn man in Betracht zieht, daß die quantitative Bestimmung sowohl des Alkohols als auch der Essigsäure keine allzu große Präzision bietet. Im Durchschnitt verhalten sich die gefundenen Mengen Alkohol und Essigsäure zueinander, wie die Molekulargewichte der betreffenden Substanzen.

Die Menge des gefundenen Saligenins war stets etwas kleiner als die der gleichzeitig gebildeten Salioylsäure. Im Durchschnitt war das Verhältnis des Saligenins zur Salioylsäure wie 7:10. Dieses Resultat

140 F. Battelli und L. Stern:

darf wohl dem Umstande zugeschrieben werden, daß das der Leber zu- gesetzte Saligenin auch bei Sauerstoffausschluß nicht total wiedergefunden werden kann. Die Größe des Verlustes variiert von einem Versuche zum anderen und kann in einigen Fällen 50°/, übersteigen. Wir haben übrigens gesehen, daß die Salicylsäure, wie Dony-Henault und Van Duuren es gezeigt hatten, sich in gleicher Weise verhält, d. h. bei Be- rührung mit den Geweben mehr oder weniger verschwindet.

Wenn die unter dem Einflusse der Aldehydase aus dem Formaldehyd gebildete Ameisensäuremenge erheblich ist, kann unter den Umwandlungs- produkten Methylalkohol leicht nachgewiesen werden. Doch haben wir keine exakten quantitativen Bestimmungen desselben ausgeführt.

Sind die Mengen der gebildeten Säuren (Essig- oder Salicylsäure) gering (weniger als 0,005 g z. B.), so ist es schwer, die Bildung von Alkoho) oder Saligenin mit Bestimmtheit nachzuweisen.

V. Quantitative Bestimmung der Aldehydase.

Als Maß für den Aldehydasegehalt der verschiedenen Gewebe kann die Menge der in der Zeiteinheit gebildeten Säure (Essig- oder Salicyl- säure) oder des gleichzeitig entstandenen Alkohols (Äthylalkohol oder Saligenin) benutzt werden. In der Mehrzahl der Fälle haben wir zu dem Zweck die Menge der gebildeten Säure gemessen, da diese Be- stimmung leichter und genauer ist. Selbstverständlich muß stets Aldehyd im Überschusse verwandt werden, so daß am Ende der Reaktion ein Teil desselben unzersetzt bleibt.

VI. Der Aldehydasegehalt der verschiedenen Gewebe.

Die weitaus zahlreichsten Untersuchungen über den Aldehydase- gehalt der verschiedenen Gewebe sind von Abelous und Biarnès!) ausgeführt worden. Nach diesen Forschern können die Gewebe des Kalbes in bezug auf ihren Aldehydasegehalt in absteigender Reihenfolge wie folgt geordnet werden: Milz, Lunge, Leber, Niere. Die Gewebe junger Tiere sollen reicher an Aldehydase sein als die der ausgewachsenen Tiere, was auch von Ducceschi und Almagia?) bestätigt wurde. Das ‚Gehirn, das Pankreas und die Muskeln sollen keine Aldehydase ent- halten; doch finden Salkowski und Yamagiwa?®) das Ferment auch in diesen Geweben, wenn auch in geringer Menge. Medwedew*) sowie Dony-Hö6nault und Van Duuren?) finden, daß die Werte von einem Versuche zum anderen sehr verschieden sind. In bezug auf das Blut

1) Abelous und Biarnès, Sur le pouvoir oxydant du sang et des organes. Arch. de Physiol. 7, 195, 1895.

2) Ducceschi und Almagia, Sui processi fermentativi del fegato. Arch. di farmacol. sperim. e scienze affini 2, 1903.

3) Salkowski und Yamagiwa, Le

t) Medwedew, Über die Oxydationskraft der Gewebe. Pflügers Arch. 65, 249, 1897.

5) Dony-Henault und Van Duuren, Lo

Die Aldehydase in den Tiergeweben. 141

finden Abelous und Biarnès, daß das Blut einiger junger Tiere (Kalb, Schaf, Ferkel usw.) Aldehydase enthält, während im Blut der aus- gewachsenen Tiere die Aldehydase im allgemeinen fehlt.

Mit Hilfe der oben beschriebenen Methoden haben wir den Alde- hydasegehalt der verschiedenen Tiergewebe zu bestimmen gesucht. Die Gewebe wurden teils aus dem Schlachthofe bezogen, teils stammten sie von im Laboratorium durch Verbluten getöteten Tieren. Die Gewebe wurden so frisch wie möglich (in den ersten Stunden nach dem Tode des Tieres) verwandt, da, wie wir sehen werden, die Aldehydase in den Geweben ziemlich schnell verschwindet.

Da es sich bei der Bestimmung des Aldehydasegehalts nur um ver- gleichende Werte handeln kann, haben wir es für angezeigt gehalten, die Versuche nur kurz dauern zu lassen, um so mehr, als das Ferment in Lösung bei 40° sehr schnell angegriffen wird. In allen nun folgenden Versuchen betrug die Dauer des Schüttelns 1 Stunde und die Temperatur des Thermostaten 40°. Das zu untersuchende, fein zerriebene Gewebe wurde in 4 Volumen NaOH-Lösung von 1:3000 suspendiert. Die Ge- samtkonzentration des Acetaldehyds betrug 1:100 und die des Salioyl- aldehyds 2: 1000.

Für jedes Gewebe wurde gleichzeitig die Menge der gebildeten Salioylsäure und die der Essigsäure bestimmt.

In den folgenden zwei Tabellen sind die Durchschnittswerte zu- sammengestellt. Jede Zahl entspricht einem Durchschnittswerte von mindestens 5 Versuchen, d.h. die betreffenden Gewebe wurden wenigstens an fünf verschiedenen Individuen derselben Tiergattung untersucht.

Tabelle I.

Durchschnittswerte der durch 100 g Gewebe durch Hydrolyse des Acet- aldehyds gebildeten Essigsäure. Die Konzentration des Aocetaldehyds betrug in allen Versuchen 1:100. Alle Versuche sind bei Sauerstoffaus- schluß ausgeführt. Die Dauer des Schüttelns betrug 1 Stunde. Die an- geführten Zahlen bezeichnen die Menge der Essigsäure in Gramm.

Gewebe | Pferd | Hund | Kalb | Rind | Hammel

Tabelle II.

Durohschnittsewerte der durch 100 g Gewebe durch Hydrolyse des Sali- cylaldehyds gebildeten Salicyleäure. Die Konzentration des Salicyl-

142 -F. Battelli und L. Stern:

aldehyds betrug in allen Versuchen 2:1000. Die Versuchsanordnung ist dieselbe wie in den in Tabelle I zusammengestellten Versuchen. Die Zahlen bezeichnen die Menge der Salioylsäure in Gramm.

Gewebe Pferd | Hund | Kalb Rind Hammel

TEETE 0,038 0,032

E E 0,035 0,021 —— 0,009 0,018 0,002 Muskeln .... . Gehin. ..... Spuren Pankreas

Wie wir bereits hervorgehoben haben, sind die in den Tabellen an- gegebenen Werte nur Durchschnittszahlen. Die individuellen Ab- weichungen sind recht groß. So findet man häufig in Lebern normaler Tiere nur äußerst geringe Essigsäure- oder Salioylsäurebildung In anderen Fällen hingegen sind die Werte sehr groß, bedeutend größer als die in den Tabellen angeführten.

Das Blut der verschiedenen Tiere hat uns in unseren Versuchen nie meßbare Mengen Essigsäure oder Salicylsäure geliefert.

Vergleicht man die Werte der Tabelle I mit denen der Tabelle II, so bemerkt man vor allen Dingen, daß die Mengen der gebildeten Essig- säure 2 bis 3mal größer sind als die der unter denselben Bedingungen gebildeten Salioylsäure. Zieht man außerdem in Betracht, daß das Mole- kulargewicht der Salicylsäure bedeutend größer ist als das der Essig- säure, so wird der Unterschied noch viel größer.

Man sieht außerdem, daß für die Mehrzahl der Gewebe ein ge- wisser Parallelismus zwischen den Mengen der gebildeten Essigsäure und Salioylsäure besteht. Die Milz des Kalbes und des Rindes bieten in der Beziehung eine Ausnahme; denn, während die Menge der durch die Milz des Kalbes produzierten Salicylsäure ebenso groß oder noch größer ist als die durch die Leber gebildete, ist hingegen die durch die Milz pro-

duzierte Essigszäuremenge bedeutend geringer als die durch die Leber gebildete.

Man beobachtet auch, daß in einigen Fällen zwischen Salicylsäure- bildung und Essigsäurebildung durch ein und dasselbe Gewebe keine Übereinstimmung besteht. Ähnliches ist auch manchmal zwischen Essig- säure- und Ameisensäurebildung beobachtet worden. In einigen Fällen

hydrolysiert die Leber sehr energisch Acetaldehyd, während sie Form- aldehyd kaum oder nur wenig angreift.

Trotzdem nun in vielen Fällen die Hydrolyse der verschiedenen Aldehyde durch ein und dasselbe Gewebe nicht mit derselben Intensität vor sich geht, scheint uns die Annahme mehrerer Aldehydasen nicht gerechtfertigt. Die beobachteten Unterschiede sind wahrscheinlich durch bisher unbekannte Faktoren bedingt.

Die Aldehydase in den Tiergeweben. 143

VII. Aufbewahrung der Aldehydase in den Geweben und den Gewebeauszügen.

Wir haben die Aufbewahrung der Aldehydase in der Leber des Pferdes, des Hammels und des Kalbes untersucht, indem wir die Wirkung der Leber zu verschiedenen Zeiten nach dem Tode des Tieres auf Acet- aldehyd bestimmten. Wir haben gefunden, daß bei Zimmertemperatur (18 bis 20°) die Aldehydasemenge in den ersten 3 bis 4 Stunden nach dem Tode des Tieres nicht merklich abnimmt. Nach 24 Stunden ist die Aldehydasemenge um !/, oder selbst um die Hälfte des Anfangswertes vermindert, und nach 48 Stunden ist die Verminderung noch viel größer.

Aus diesen Versuchen ergibt sich die Notwendigkeit, bei den Unter- suchungen über die Aldehydase die betreffenden Gewebe so schnell wie möglich nach dem Tode des Tieres zu benutzen.

Aus dem Grunde können auch die an den Menschengeweben er- zielten Versuchsergebnisse mit den an den verschiedenen Tieren er- haltenen nicht gut verglichen werden, es sei denn, daß die Obduktion in den ersten Stunden nach dem Tode vorgenommen werde.

Die Aldehydase erleidet in den bei 38° gehaltenen Leberemulsionen recht schnell eine Abschwächung, und zwar kann im Laufe von !/, Stunde die Aldehydasemenge auf die Hälfte herabgesetzt werden. Diese schnelle Vernichtung des Ferments erklärt bereits zur Genüge, warum die Re- aktionsgeschwindigkeit so schnell abnimmt.

VIII. Darstellung der Aldehydase.

Die Darstellung der Aldehydase ist bereits von mehreren Forschern versucht worden. Jaquet, Salkowski, Abelous und Biarnès u. a. haben das Ferment in trocknem Zustande durch Alkoholbehandlung des zerriebenen Gewebes dargestellt. Jacoby!) hat ein etwas kompliziertes Verfahren dazu benutzt, das nach Dony-H£nault und Van Duuren keine guten Resultate liefern soll.

Wir haben uns darauf beschränkt, die Aldehydase durch Behandeln der Leber mit Alkohol oder besser noch mit Aceton darzustellen. Die Leber von Pferd, Hammel usw. wird fein zerrieben, mit dem 3fachen Volumen Alkohol oder Aceton versetzt, 5 Minuten lang durchgerührt, durch ein Leinwandtuch gepreßt, und der Niederschlag im Vakuum über konzentrierter Schwefelsäure getrocknet.

Der getrocknete Niederschlag liefert ein braunes Pulver, das die Fähigkeit besitzt, Aldehyd in Säure und Alkohol umzuwandeln.

Läßt man 30 g dieses Pulvers auf Aoetaldehyd unter den früher beschriebenen Versuchsbedingungen einwirken, so kann man im Laufe von l Stunde 0,05 g oder noch mehr Essigsäure und Äthylalkohol erhalten.

Die Versuche zur Reinigung der Aldehydase haben schlechte Resul- tate geliefert. Eine wiederholte Fällung mit Aceton liefert ein an Alde- hydase ziemlich armes Präparat.

1) Jacoby, Le

144 F. Battelli und L. Stern:

IX. Einfluß der Reaktion des Mediums.

Nach Jacoby soll eine sehr leichte Alkalinität die Bildung der Salicylsäure aus Salicylaldehyd begünstigen, während umgekehrt nach Dony-Hönault und Van Duuren die Reaktion selbst durch eine schwache Alkalinität gehemmt wird.

Wir haben den Einfluß der Reaktion des Mediums auf die Hydro- lyse des Acetaldehyds untersucht. In der folgenden Tabelle sind die Resultate einer typischen Versuchsreihe zusammengestellt.

Tabelle III. Einfluß der Reaktion des Mediums auf die Hydrolyse des Aoetaldehyds. Jede Flasche enthält 50 g Pferdeleber, 200 com Wasser und 2 oom Acet- aldehyd.

EE EE nn

Essigsäuremenge

Reaktion des Mediums

Milchsäure 2: 1000 0,008 idem 1:1000 0,027 idem 1:2000 0,036

neutral gegen Lackmus 0,049 NaOH 1:5000 0,058 idem 1:3000 0,064 idem 1:2000 0,042 idem 1:1000 0,011

Diese Versuchsergebnisse sind durch eine Reihe analoger Versuche bestätigt worden.

Aus diesen Versuchsergebnissen ersieht man, daß die Aldehydase das Maximum der Wirkung in leicht alkalischem Medium aufweist. Ist die Alkalinität etwas stärker (NaOH 1:1000 z. B.). So erhält man nur wenig Essigsäure. Es muß bemerkt werden, daB die in der Tabelle an- gegebenen Alkalinitätswerte nur die Reaktion zu Anfang des Versuchs bezeichnen. Im Laufe des Versuches nimmt natürlich die Alkalinität infolge der Essigsäurebildung nach und nach ab.

Hervorzuheben ist besonders die Tatsache, daß die Hydrolyse des Aldehyds auch in ausgesprochen saurem Medium vor sich gehen kann. In der Beziehung unterscheidet sioh die Aldehydase von der Alkohol- oxydase, deren Wirkung selbst durch eine geringe Acidität des Mediums völlig aufgehoben wird.

X. Einfluß der Temperatur.

Nach Abelous und Biarnès’) ist das Temperaturoptimum für die Salioylsäurebildung 60°, während nach Spitzer?) dieses Optimum

1) Abelous und Biarnès, L o 2) Spitzer, Die Bedeutung gewisser Nuoleoproteide für die oxy- dative Leistung der Zelle, Pflügers Archiv 67, 615, 1897.

Die Aldehydase in den Tiergeweben. 145

zwischen 30° und 50° liegen soll. In bezug auf die Widerstandsfähig- keit der Aldehydase gegen höhere Temperaturen finden alle Forscher, mit Ausnahme von Dony-Hönault und Van Duuren, daß das Ferment durch Siedehitze zerstört wird. Jacoby!) findet, daß die Aldehydase bei 75° nicht völlig zerstört wird.

In unseren Versuchen haben wir die Aldehydase auf den Acet- aldehyd einwirken lassen. Die Suspensionsflüssigkeit wurde zuerst auf die gewünschte Temperatur erhitzt, und darauf das zu untersuchende zerriebene Gewebe hineingebracht. Man wartet hierauf noch einige Minuten, bis das Reaktionsgemisch das Temperaturgleichgewicht erlangt, und beginnt erst dann zu schütteln.

In diesen Versuchen haben wir die Dauer des Schüttelns meistens auf 45 Minuten beschränkt, um auf diese Weise den Einfluß der Tem- peratur während einer Zeit, wo das Ferment noch das Maximum der Wirkung besitzt, studieren zu können.

In der folgenden Tabelle sind die Resultate einer typischen Ver- suchsreihe zusammengestellt.

Tabelle IV. Einfluß der Temperatur auf die Wirkung der Aldehydase.. Die Dauer des Schüttelns beträgt 45 Minuten. Jede Flasche enthält 50 g zerriebener Kalbsleber, 200 com einer NaOH-Lösung von 1: 3000 und 2 com Acet- aldehyd.

Temperatur Essigsäuremenge Grad g

Gewebe

Auf Grund der soeben angeführten Versuchsergebnisse haben wir umstehende Kurve (Fig. 1) konstruiert.

Diese Kurve zeigt deutlich, daß das Temperaturoptimum der Al- dehydase ungefähr bei 60° liegt, wie es bereits von Abelous und Biarnès konstatiert worden ist.

Es ist auch von Interesse, daß die Wirkung der Aldehydase auch bei niedriger Temperatur (10° zum Beispiel) ziemlich erheblich ist, zum Unterschiede von der Alkoholoxydase, deren Wirkung bei niedrigeren Temperaturen sehr gering ist.

1) Jacoby, Über die Oxydationsfermente der Leber. Virchows

Archiv 157, 235, 1899. Biochemische Zeitschrift Band 29. 10

146 F. Battelli und L. Stern: 50

40

30

20

40

10° 20° 30° 40° ps 60° Fig. 1. Produzierte Essigsäuremenge (Ordinate in Zentigramm) durch Hydrolyse des Acetaldehyds durch 50 g Kalbsleber bei den verschiedenen Tempe- raturen (Abszisse) im Laufe von 45 Minuten bei Sauerstoffausschluß.

XI. Einfluß der Versuchsdauer auf die Hydrolyse der Aldehyde.

In den vorstehenden Untersuchungen haben wir die Versuchsdauer nie über 3 Stunden ausgedehnt, um die Versuche ohne Antiseptikum ausführen zu können. Wie gewöhnlich wurden diese Versuche bei einer Temperatur von 40° und einer Alkalinität von NaOH 1:3000 ausgeführt. Während der ganzen Dauer der Versuche wurde energisch geschüttelt.

Die bei Anwendung von Acetaldehyd erzielten Resultate können durch folgende Kurve (Fig. 2) graphisch dargestellt werden. Die Kon- zentration des Aldehyds betrug 1: 100.

Aus dieser Kurve ersieht man, daß die Hydrolyse des Aoetaldehyds hauptsächlich im Anfange schnell verläuft, und darauf mehr und mehr abnimmt. Diese Verlangsamung muß auf Rechnung der allmählich ein- tretenden Zerstörung des Fermentes gesetzt werden, doch können die Reaktionsprodukte hierbei eine gewisse Rolle spielen.

Die Aldehydase in den Tiergeweben. 147

Die bei Anwendung von Salioylaldehyd erzielten Resultate können durch eine Kurve dargestellt werden, die den gleichen Charakter wie die der Fig. 2 aufweist. Immerhin ist hier die Abschwächung der Ferment- wirkung weniger schnell.

50

40

30

15° 30 Gr 90' 120 150 180° Fig. 2. Hydrolysegeschwindigkeit des Acetaldehyds, ausgedrückt durch die durch

50 g Pferdeleber gebildete Essigsäuremenge (Ordinaten in Zentigramm) in den verschiedenen Zeiten (Abszisse in Minuten).

XII. Einfluß der Konzentration des Aldehyds.

In den vorstehenden Versuchen haben wir die Lebern von Pferd, Hammel und Rind auf Acetaldehyd einwirken gelassen. Der Salioyl- aldehyd eignet sich wegen seiner schwachen Löslichkeit nicht gut zu diesen Versuchen.

Wir haben die Beobachtung gemacht, daß, wenn die Aldehydmenge gering ist (0,05 com Aldehyd für 100 g Leber zum Beispiel), der Aldehyd verschwindet, ohne meßbare Mengen Essigsäure zu bilden. Dieses Ver- schwinden des Aldehyds darf also nicht der Wirkung der Aldehydase zugeschrieben werden. Mit der Steigerung der Aldehydkonzentration nimmt auch im allgemeinen die Menge der produzierten Essigsäure zu. Doch sind die hierbei beobachteten Unregelmäßigkeiten zu groß, um aus den Versuchsergebnissen einen allgemein gültigen Schluß ziehen zu können.

So kann zum Beispiel die Menge der durch 100 g Leber produzierten Essigsäure bei Anwendung von 0,50 ccm Acetaldehyd 0,08 g betragen. Dieselbe Zahl kann konstant bleiben, wenn man anstatt 0,50 ccm 1 oder 2 ccm Aldehyd verwendet. Nach Hinzufügen von 5 bis 10 com Acet-

10*

148 F. Battelli und L. Stern:

aldehyd kann die Säuremenge 0,10 g betragen und schließlich nach Hinzufügen von 10 bis 20 com Aldehyd auf 0,15 g gesteigert werden.

Medwedew hatte auf Grund seiner Versuche das Gesetz aufgestellt, daß die Menge der gebildeten Salicylsäure proportional der Quadratwurzel aus der Aldehydkonzentration sei, aber Dony-Hönault und Van Duuren haben dies nicht bestätigen können. Sie fanden, daß mit Steigerung der Aldehydkonzentration die Menge der gebildeten Salioyl- säure rasch zunimmt und darauf ein Maximum erreicht. In unseren Versuchen haben wir dieses Maximum nicht erzielen können, wie wir soeben gezeigt haben.

XIII. Einfluß der Sauerstoffgegenwart.

Wie wir bereits erwähnt haben, hatte Medwedew beobachtet, daß die Sauerstoffspannung die Bildung der Salicylsäure nicht beeinflußt, Abelous und Aloy fanden, daß der Sauerstoff eine schädigende Wirkung ausübe, was auch von Dony-He&nault und Van Duuren bestätigt wurde.

Wir haben ähnliche Versuche betrefis des Acetaldehyds angestellt. Wir haben beobachtet, daß bei Anwendung geringer Aldehydmengen (0,20 bis 0,50 ccm Aocetaldehyd für 100 g Leber zum Beispiel) der Sauer- stoff eine bedeutende Steigerung der gebildeten Essigsäure bewirken kann, was dem Einflusse der Alkoholoxydase zugeschrieben werden muß, deren Wirkung sich mit der Wirkung der Aldehydase summiert. Ist jedoch die Aldehydmenge größer (3 bis 5 com Aocetaldehyd für 100 g Leber zum Beispiel), so bleibt der Sauerstoff ohne merklichen Einfluß auf die Säurebildung. Die Menge der gebildeten Essigsäure ist bei Sauerstofi- gegenwart ebenso groß, oder nur etwas größer als bei Sauerstoffausschluß,

Das letztere Resultat muß dem Umstande zugeschrieben werden, daß die Aldehyde die Wirkung der Alkoholoxydase beeinträchtigen. Die hemmende Wirkung des Aoetaldehyds tritt nur dann zutage, wenn die Konzentration desselben einen gewissen Wert erreicht, während der Formaldehyd und hauptsächlich der Salicylaldehyd viel energischer wirken und bereits in geringen Konzentrationen die Wirkung der Alkoholoxydase hemmen. Aus eben dem Grunde kann die Sauerstoffgegenwart die Bildung der Salicylsäure nicht steigern. In bezug auf die hemmende Wirkung des Sauerstofis sind die Versuche von Abelous und Aloy nicht ge- nügend, um den Mechanismus derselben aufzuklären.

XIV. Allgemeine Betrachtungen.

Mehrere Betrachtungen allgemeiner Natur sind bereits am Anfange dieser Arbeit auseinandergesetzt worden. Wir wollen dieselben hier kurz zusammenfassen und etwas erläutern.

Die Aldehydase wurde bisher als ein Beweis für das Vor- handensein oxydierender Fermente in den Tiergeweben be- trachtet. Bekanntlich bieten die Gewebe der höheren Tiere gewöhnlich keine der charakteristischen Färbungsreaktionen der

Die Aldehydase in den Tiergeweben. 149

Oxydationsfermente (Färbung der Guajactinktur, der aroma- tischen Amine, des Phenolphthaleins uge) Wie wir aber ge- zeigt haben, ist die Aldehydase ein hydrolysierendes Ferment und muß daher aus der Reihe der Oxydationsfermente gestrichen werden. Natürlich haben infolgedessen auch die auf die oxy- dative Natur der Aldehydase sich stützenden Schlußfolgerungen der verschiedenen Forscher betreffe der Oxydationen im Tier- organismus keine Berechtigung mehr. Wir wollen hier auf dieselben nicht näher eingehen.

In ihrem Verhalten unterscheidet sich die Aldehydase in mehreren Beziehungen deutlich von den bisher am besten be- kannten Oxydasen tierischen Ursprungs, der Alkoholoxydase und der Urikooxydase. Diese Oxydasen wirken nicht in saurem Medium, und ihre Wirkung ist bei niedrigen Temperaturen sehr gering oder nicht nachweisbar. Die Aldehydase hingegen ist auch in saurem Medium aktiv und entfaltet auch bei niedrigen Temperaturen eine energische Wirkung. Auf die Alkoholoxydase üben die Aldehyde eine hemmende Wirkung aus, die um so stärker ist, je größer die Konzentration des Aldehyds ist. Im Gegensatz hierzu nimmt die Wirkung der Aldehydase mit steigender Konzentration des Aldehyds zu.

Die Wirkung der Aldehydase besitzt eine gewisse Ähnlich- keit mit der der Alkalien, die mehrere Aldehyde zu Säure und Alkohol hydrolysieren. Doch sind hier deutliche Unterschiede zu vermerken. So vollzieht sich unter dem Einflusse von Alkalien die Hydrolyse des Formaldehyds sehr schnell, während der Acetaldehyd nur schwer angegriffen wird, im Gegensatz zur Aldehydase, die am stärksten auf Acetaldehyd einwirkt. Übrigens haben wir gesehen, daß die Hydrolyse der Aldehyde sich auch in saurem Medium vollziehen kann.

Es bleibt noch zu entscheiden, ob nur eine einzige Al- dehydase existiert, die alle Aldehyde hydrolysiert, oder ob es vielmehr einige Aldehydasen gibt, die auf die verschiedenen Aldehyde oder Aldehydgruppen einwirken. Wir haben beob- achtet, daß in den verschiedenen Geweben ein gewisser Paral- lelismus zwischen der Oxydationsintensität des Acetaldehyds und der des Salicylaldehyds besteht. Immerhin sind Ausnahmen hiervon nicht selten. Doch ist es wahrscheinlich, daß die Ver- suchsergebnisse in diesen Ausnahmefällen durch unbekannte

150 F. Battelli und L. Stern:

Faktoren bedingt seien. Wir glauben, daß man bis auf weiteres die Existenz einer einzigen Aldehydase annehmen kann.

In bezug auf den Reaktionsmechanismus der Aldehydase darf wohl nach den geläufigen Ansichten angenommen werden, daß 2 Moleküle Aldehyd mit 2 Molekülen Wasser reagieren, in der Weise, daß das Wasser in die Ionen H und OH’ ge- spalten wird. Die beiden H'-Ionen verwandeln ein Aldehyd- molekül in den entsprechenden Alkohol, während die beiden OH’-Ionen ein Aldehydmolekül in die entsprechende Säure unter gleichzeitiger Bildung eines Wassermoleküls umwandeln.

Wir wollen hier hervorheben, daß in allen bisher bekannten fermentativen Hydrolysen es sich stets um die Spaltung kom- plexer Moleküle in zwei oder mehrere einfachere Moleküle handelt. Die Hydrolyse der Aldehyde scheint uns in der Be- ziehung einen Ausnahmefall zu bilden, es sei denn, daß der Hydrolyse eine Kondensation von je 2 Molekülen Aldehyd vorangehe.

Was nun die Rolle der Aldehyde im lebenden Organismus betrifft, können wir einstweilen nur Hypothesen im Zusammen- hang mit den hier mitgeteilten, in vitro erzielten Versuchs- ergebnissen aufstellen. Die Aldehydase könnte vielleicht zur Zerstörung giftiger, eventuell im Tierorganismus entstehender Aldehyde beitragen.

Doch fehlt uns eine genaue Vorstellung über die eventuelle Entstehung dieser giftigen Aldehyde. Versuche über eine eventuelle Spaltung des Zuckers sind bisher nicht ausgeführt worden.

XV. Experimentelle Ergebnisse.

L Die Aldehydase ist ein hydrolysierendes Ferment, das die Fähigkeit besitzt, die Aldehyde in ihre entsprechenden Alkohole und Säuren umzuwandeln.

2. Die Aldehydase kann durch Messung der produzierten Säure (Essigsäure, Salicylsäure usw.) oder auch durch Messung des Alkohols (Athylalkohol, Saligenin usw.) quantitativ be- stimmt werden.

3. In Abwesenheit von Sauerstoff ist die gesamte produ- zierte Säuremenge auf Rechnung der Hydrolyse des Aldehyds zu setzen. In Sauerstofigegenwart kann ein Teil der Säure

Die Aldehydase in den Tiergeweben. 151

durch Oxydation des Aldehyds durch die Alkoholoxydase ent- standen sein, aber für mehrere Aldehyde ist die Oxydation äußerst gering, weil sie dieWirkung der Alkoholoxydase hemmen.

4. Die Mehrzahl der Gewebe hydrolysieren den Acetaldehyd viel energischer als den Salicylaldehyd. Nur die Kalbsmilz bildet eine Ausnahme. Die Resultate, die bei Anwendung von Formaldehyd erzielt werden, sind unbeständig und häufig negativ. Jedenfalls wird der Formaldehyd weniger energisch hydrolysiert als der Acetaldehyd. Im allgemeinen existiert ein gewisser Parallelismus zwischen Salicylsäure- und Essigsäure- bildung durch ein gegebenes Gewebe.

5. Die Mehrzahl der Gewebe enthalten mehr oder weniger Aldehydase. Die Aldehydase ist hauptsächlich in der Leber der verschiedenen Tiere enthalten. Unter den Geweben ist die Leber des Pferdes das an Aldehydase reichste. Die Aldehydase nimmt in den überlebenden Geweben nach und nach ab. Die Verminderung geht in den Gewebeauszügen sehr schnell vor sich.

6. Die Aldehydase kann in Pulverform durch Acetonfällung der an Aldehydase reichen Leberarten dargestellt werden.

7. Die Aldehydase weist das Maximum der Wirksamkeit in leicht alkalischem Medium auf, aber sie ist auch in aus- gesprochen saurem Medium wirksam.

8. Das Temperaturoptimum liegt für die Aldehydase bei 60° ungefähr, aber das Ferment wirkt noch recht energisch bei 10°.

9. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist hauptsächlich im An- fange des Versuches groß, darauf nimmt dieselbe immer mehr ab.

10. Die Reaktionsintensität nimmt mit steigender Aldehyd- konzentration zu. Ein bestimmtes Gesetz läßt sich hierfür aber nicht aufstellen.

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. Von Adolf Jolles.

(Aus dem chemisch-mikroskopischen Laboratorium der DDr. M. und Ad. Jolles in Wien.)

(Eingegangen am 25. September 1910.)

Mit 3 Figuren im Text.

Vorliegende Untersuchungen befassen sich mit dem Zerfall der Zuckerarten in schwach alkalischer Lösung, ev. unter Zu- satz verschiedener Substanzen wie Wasserstoffsuperoxyd, Silber- oxyd, Formaldehyd und Fermente.

Zahlreiche Arbeiten hatten das Verhalten der Zuckerarten in alkalischer Lösung zum Gegenstande.!) Fast alle beziehen sich auf Lösungen von ziemlich bedeutendem Gehalte an Zucker und Alkali.

Als ich vor mehreren Jahren meine Untersuchungen begann, hatte ich nur von den Publikationen von Lobry de Bruyn und van Eken stein?) Kenntnis. Inzwischen habe ich von Veröffentlichungen von Buchner, Meisenheimer und Schade?) erfahren und wurde durch eine dieser Arbeiten auf eine frühere Publikation von Framm#) auf- merksam gemacht.

Nur die genannten Publikationen kommen für meine Arbeit in Betracht, und es seien daher die bisher erhaltenen Resultate kurz wieder-

gegeben.

1) Vgl. E. v. Lippmann, Chemie der Zuckerarten, Braunschweig 1904, S. 328, 713 und 835.

2) Recueil des travaux chimiques des Pays Bas, 14, 156, 203; 16, 262; Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 28, 3078; Zeitschr. d. Vereines d. Deutsch. Zuckerindustrie 45, 949, 1090; 47, 1026.

3) Buchner, Meisenheimer, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 38, 623. Schade, Zeitschr. f. physikal. Chem. 57, 1 bis 46, 1906. Buchner, Meisenheimer und Schade, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 89, 4217. Meisenheimer, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 41, 1009.

t) Framm, Pflügers Archiv f. Physiol. 64, 6587, 1896.

A. Jolles: Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 153

Lobry de Bruyn und van Ekenstein zeigten, daß Glucose, Fructose und Mannose unter dem Einflusse kleiner Mengen von Alkali wechselseitig ineinander übergehen und daß dadurch die beobachtete Ab- nahme der Drehung der genannten Zucker in alkalischer Lösung zu er- klären sei.

Framm beobachtete beim Durchlüften alkalischer 1°/,iger Lösungen von Dextrose, Lävulose und Galaktose, in denen die Konzentration des Natrium- bzw. Kaliumhydroxyds ca. 5 bis 8°/, betrug, bei Zimmer- temperatur nur das Auftreten von Aldehyd und Ameisensäure, während er unter teilweisem Luftabschluß auch Milchsäure fand.

Buchner, Meisenheimer und Schade erhielten in 2°/,iger Fruotoselösung, in der 2°/, Natriumhydroxyd vorhanden waren, große Mengen von Ameisensäure neben Glykolsäure und einem Gemisch von Polyoxysäuren. Wurden aber 2°/,ige Lösungen von Glucose bzw. Fruo- tose in normaler Natronlauge Wochen bis Monate unter möglichstem Luftabschluß stehen gelassen, so entstand zu 50 bis 60°/, des Zuckers Milchsäure, zu 30 bis 50°/, ein Gemisch von Polyoxysäuren, nur 0,5 bis 2°/,ige Ameisensäure und wahrscheinlich äquivalente Mengen von Kohlen- dioxyd und Alkohol.

Meine Untersuchungen unterscheiden sich von den obigen durch die minimale Alkalinität die Konzentration des Na- triumhydroxyds betrug bei meinen Versuchen nur !/,, der niedrigsten von den genannten Forschern gewählten Kon- zentration des Alkali und durch die Versuchstemperatur, sowie dadurch, daß ich den Abfall der Drehung und parallel damit die Bildung von Säuren messend verfolgte. Außerdem habe ich nicht nur mit Glucose, Fructose und Galaktose, son- dern auch mit Arabinose, Rhamnose, Invertzucker, Rohrzucker, Milchzucker und Maltose Versuche ausgeführt.

Meine Experimente bestätigen zwar die Resultate Lobry de Bruyns und Meisenheimers, zeigen jedoch infolge ihrer Eigenart einige Abweichungen, die besondere Schlüsse zulassen.

Die optische Drehung verschiedener Zuckerarten nimmt in alkalischer Lösung stark ab, unter Umständen bis 0°. Parallel mit dieser Erscheinung des Drehungsabfalls, die im folgenden der Kürze wegen als Lobry de Bruynsche Re- aktion bezeichnet werden möge, geht eine Bildung von Säuren aus dem Zuckermolekül, die eine Abnahme der Alkalinität der Lösung oft sogar ein Sauerwerden derselben hervorruft. Drehungsabnahme und Säurebildung wurden an Dextrose, Mannose, Galaktose, Arabinose, Rhamnose, Saccharose, Invert- zucker, Maltose und Lactose messend verfolgt. Bei allen

154 A. Jolles:

untersuchten Hexosen und Pentosen nimmt die Drehung etwa binnen 24 Stunden stark ab (bei Dextrose geht sie sogar bis auf zurück) und bleibt dann bei diesem Minimum konstant. Die Säurebildung bleibt im Gegensatze hierzu nicht stehen, sondern geht bei wiederholtem Zusatz von Alkali weiter vor sich, bis fast der ganze Zucker verbraucht ist. Die gebildeten Säuren wurden qualitativ und quantitativ festgestellt. Ihre Entstehung wurde auf Oxydation durch Sauerstoffaufnahme aus der Luft zurückgeführt und auch experimentell bewiesen. Zur Beschleunigung der Säurebildung wurde nach dem Vor- gang von Meisenheimer’) den alkalischen Zuckerlösungen Wasserstoffsuperoxyd zugefügt. Ähnlich dem H,O, wirkte auch Silberoxyd.

Die Wirkung der Oxydantien soll sich nach Meisenheimer auf die Oxydation des entstehenden Formaldehyds zu Ameisen- säure, die in großen Mengen auftritt, beschränken.

Es wurde deshalb untersucht, wie sich Dextrose in alkali- scher Lösung bei Gegenwart von Formaldehyd verhält, wobei eigentümliche Erscheinungen beobachtet werden konnten.

Schließlich wurde der Einfluß der verschiedenen Fermente, die im menschlichen Magen und Darm vorkommen, auf den Zersetzungsverlauf alkalischer Zuckerlösungen studiert. Die Fermente übten meist nur geringe Wirkung aus.

Experimenteller Teil.

I. Versuche über den Drehungsabfall und die Säure- bildung in alkalischen Zuckerlösungen.

Allgemeiner Vorgang.

Zur Herstellung einer 1°/,igen Dextroselösung in ®/,.0-Natronlauge z. B. wurden in einem 500 ccm fassenden Meßkolben 5 g ohemisch reiner Dextrose (die bei 100° getrocknet war) in destilliertem Wasser gelöst, 50 ccm ®/,0-Natronlauge hinzugefügt und mit dest. Wasser bis zur Marke aufgefüllt. Analog wurde bei den anderen Versuchen verfahren. Im Brutschrank wurde der wohlverschlossene Kolben möglichst konstant auf 37°C erwärmt. Zur Probeentnahme wurden rasch oa. 50 com in ein Becher- glas abgegossen und durch Einstellen in kaltes Wasser auf 15°C ab- gekühlt.

1) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 39, 4217.

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 155

20 ccm dienten dann zur Titration das Resultat wurde aus 100 com Lösung umgerechnet der Rest zur Untersuchung im Polari- sationsapparat. Es sei hier gleich auf die Fehlerquellen bei dieser Ver- suchsanordnung hingewiesen.

Mit Hilfe eines einfachen Thermoregulators konnte natürlich eine Konstanz der Temperatur nur annähernd erreicht werden. Die Zeit wurde ferner von dem Moment der Einstellung des Kolbens in den auf 37° erwärmten Trockenkasten gemessen, auf die Zeit der An- wärmung des Glases und der Flüssigkeit also keine Rücksicht ge- nommen. Dieser Umstand tangiert aber nur die nach der 1. Stunde gewonnenen Resultate und dürfte die Vergleichbarkeit derselben nicht allzusehr beeinflussen, da stets in derselben Weise und mit gleichartigen Gefäßen verfahren wurde. Durch möglichst rasche Probeentnahme wurde ferner die Wirkung der hierdurch immerhin bedingten Temperatur- störung auf ein Minimum beschränkt. Natürlich sind auch die durch den Gebrauch von */,oo-Lösungen bei der Titration bedingten Fehler nicht zu unterschätzen, und es ist ferner auch der Umstand wohl zu be- achten, daß bei der Verwendung geschlossener Gefäße nur der in der Flüssigkeit gelöste Sauerstoff und der des darüber lagernden Luftvolums oxydierend wirken konnte Nach der Entnahme einiger Proben war nun die Menge der Flüssigkeit kleiner, das Luftvolumen aber größer ge- worden. Vielleicht ist auf diesen Umstand die häufig nach einigen Stunden beobachtete Steigerung der Säureproduktion zurückzuführen, in der ich ursprünglich die Folge einer Induktion bzw. Autokatalyse gesehen habe. Zur Erzielung wirklicher Exaktheit wären recht komplizierte Maßnahmen erforderlich gewesen; und machen auch die auf dem beschriebenen Wege gewonnenen Daten durchaus keinen Anspruch auf physikalisch-chemische Genauigkeit, so sind sie doch vollkommen zuverlässig für den verfolgten Zweck: das Studium des Verlaufes und der Produkte der Zersetzung alkalischer Zuckerlösungen unter physiologischen Bedingungen.

1. Versuch. 2/ an alkalische 1°/ ige Dextroselösung.

Zur Titration von 100 com Lösung verbraucht

Zeit Drehung

+ 3,00 = 0,980°/, 99,75 ccm 5 wer HC

+2,99 0,947 99,00 2 TT 3b + 2,1 d 0,686 n 96,00 sp e + 1,20 ==> 0,392 n 91,50 aa 7a 83,50 99 TT 24> 3,85 /ıo0-NaOH 2 26% 4,00 sp nm Cie 4,60 nm 72h 5,00

Als Indicator diente Phenolphthalein.

156 A. Jolles:

la. Versuch. Vergleichender Versuch mit Dextrose in alkalischer und salz- saurer Lösung (OI. sl,

Zur Titration von 100 ccm Lösung verbraucht

in alkalischer | in saurer

Drehung

in in alkalischer | saurer Lösung

Zeit

+3,1 199,75 com See HOT |99,250cm?/,o0-NaOH +3,1 199,00 99,50 Se + 3,0 98,50 os +3,1 99,00 T + 3,1 LL 99,15 LU 99 +3,1 »®/1o0o-NaOH 99,00 5 +3,0 99,75 e +3,1 99,50 » č s + 3,0 98,65 LO 99

In al, o salzsaurer Lösung ist also keine merkliche Änderung der Drehung und der Alkalinität zu konstatieren.

2. Versuch. n/ oo alkalische 2°/ ige Dextroselösung.

anfangs |-+ 6,0° = 1,960°/, | 100,25 com */,00.HC1 nach |+5,90— 1,9280, | 9825 - H 3b + 5,10 = 1,666 gf 80,00 99 UI 6% + 2,4 0 0,784 Die 74,00 09

Hi Sa 00 2,15 de NaoH 00 3,10 p 0

3. Versuch. 2/00 alkalische 3°/ ige Dextroselösung.

Zeit | Drehung ww Titration von 100 ccm

Lösung verbraucht

m —ñ— —ñ— ——

+9,10 = 2,973 9/9

nach Is | +9,00 2,941), 94,00 S Ar [+590— 1,9289, m IT 6? + 3,60 = 1,176 0/9 71,00 IT sn 24 | +0,50 = 0,1660/, 1,00 „, Bian Kat ap 30R | 3,15 2 48b 00 | 4,25 vw

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 157

4. Versuch. 3°%/ ige Dextroselösung.

Dieser Versuch wurde angestellt, um zu ermitteln, ob die Säurebildung immer bis zu Ende verfolgt wurde, oder ob sie nur bei einer gewissen Konzentration zum Stillstand kam, unter geeigneten Bedingungen aber wieder in Gang gesetzt werden könnte. Es ergab sich, daß letzteres der Fall ist. Durch Braunwerden der Flüssigkeit wurde in späteren Stadien die Ti- tration erschwert. Als Indicator diente Phenolphthalein. Ur- sprüngliches Volumen 500 ccm.

` Zur Titration von 500 com Zeit Drehung Lösung verbraucht

anfangs + 9,20 = 3,006 464,5 ccm a/100- HCl nach #3 |+780—2,549%, | 403,75, » |+56°=1,830%, 378,75, » m 1+350—=1,143%,| 30550 5, » 24h |+05°—=0,163%,| 62,50 Slae Nat 30 1|+030—0,098%, | 70,00 - 75,00

250 ccm wurden nunmehr auf 500 com gebracht und neuer- dings alkalisch gemacht. Die Zahlen aber sind umgerechnet auf 500 com der ursprünglichen 3°/ igen Dextroselösung.

Für 500 ccm ursprüngl.

Zeit Drehung Lösung verbraucht anfangs 0% 885 com ?/,00-HC1 nach 6 00 476 ng

24b 50 ?”/ioo NaOH

385 ccm der restlichen Lösung wurden wieder alkalisch gemacht und auf 500 ccm aufgefüllt.

S Für 500 com ursprüngl. Zeit Drehung Lösung verbraucht anfangs 00 1070 ccm wl 100- HCl nach 5% 680,5 99 LE GAN 00 55,2 IT 29

385 ccm wurden neuerdings alkalisch gemacht und auf 500 com aufgefüllt.

158 A. Jolles:

Für 500 oom ursprüngl.

zit Drehung Lösung verbraucht anfa 1450,6 ccm a/100- HCl nach 145 e Si ı00-Na0OH 5. Versuch.

1°/ ige Saccharoselösung, Soe alkalisch. Als Indicator diente, wo nichts anderes vermerkt ist, Methylorange.

; Zur Titration von 100 com Zeit Drehung Lösung verbraucht

anfangs +3,9° 84,50 ocm See HO nach 12 + 3,9 84,00 , e

» # + 3,9° 77,00 »

5 + 3,90 75,50

9? 7a + 3,9 74,00 LE

29 24> + 3,9 i 66,10 LI

LU 30> + 3,9 o 58,75 LU LC

LO 48h + 3,9 0 47,65 LI D

168° + 3,9° 21,00

330 +3,90 4,00 vg

6. Versuch. Dauerversuch A. 2°/ ige Saccharoselösung, Si alkalisch. Begonnen: 5. XII. 08, Drehung 7,5°, Titration: pro 20 com 96,5 cem al, e HCI. Beendet: 5. IV. 09, Drehung 7,5°, Titration: pro 20 ccm 82,3 com ?/ 100- HCl. 7. Versuch. Dauerversuch B. 1°/,ige Saccharoselösung, ?/ v, alkalisch. Begonnen : 12. XII. 08, Drehung 3,9°, Titration : pro 100 com 98,75 cem sl, HCl. Am 27. I. 09: Drehung 3,9°, Titration : pro 100 com 78,5 com sl 100 HCl. Am 22. III. OO: Drehung 3,9°, Titration: pro 100ccm 77, 76 oom dl 100° HCI. Beendet: 7. IV. 09, Drehung 3,9°, Titration: pro i00 ccm, 63,5 cem ale HCl. Indicator: Methylrot.

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 159

8. Versuch. Lävulose. 1°/,ige Lösung, al, alkalisch. Indicator: Methylrot.

A Zur Titration von 100 ccm Zeit Drehung Lösung verbraucht

98,50 ccm Soe HO

95,25 29 29 85,25 29 29 64,25 9 298 45,00 LL) 13,75 1 1,50 LC LI 10,00 »

7,00 LO LI

7,00 Lo LE

9. Versuch. Invertzucker.

Honigartiges gelbes Produkt, dessen Drehung ca. 50°/, des reinen Invertzuckers (1°/,:1,1°) beträgt. Indicator: Methylrot. Zirka 1°/,ige sl, alkalische Lösung.

; Zur Titration von 100 ccm Zeit Drehung Lösung verbraucht 97,75 com Soe HO 97,50 LE 39

90,0 LO 29 84,25 LC 78,5 LO LE 30,0

10. Versuch. Zirka !/,°/,ige SI. an alkalische Lösung.

t

Zur Titration von 100 ccm Lösung verbraucht

Zeit Drehung

99,0 ccm St 100-HC1 98,0 LE 29 88,75 9 LÉI 71,50 H LO 48,75

de 39 LE

A. Jolles:

11. Versuch. Maltose. 1°/,ige ”/ioo alkalische Lösung. Indicator: Methylrot.

i Zur Titration von 100 oom Zeit | Drehung Lösung verbraucht

anfangs + 8,15° 98,5 cem See HO nach 3% +8,10 97,75 D 99 5 + 7,79 L 99 99 99 7 + 6,9° 82,50 99 99 39 24> + 5,49 15,25 99 LE 12. Versuch. Galaktose.

1°/,ige Lösung, Si, a alkalisch. Indicator: stets Methylrot.

z Zur Titration von 100 com Zeit Drehung Lösung verbraucht

97,50 com See HO

nach Ih 96,25 Se 29 3 91 ‚25 99 39 99 5 82,00 99 99 29 7a 76,25 99 39 99 24h 14,25 9 LA) 99 30% 12,25 99 99 99 48h 9,5 99 EA 96% 5,0 LU LE

Zur Titration von 100 ccm Zeit Drehung | Lösung verbraucht

anfa +1,80 81,0 com Saa HO nach 24» + 1,8 19,75 j 99 1688 + 1,8 2,75 LO A

13. Versuch. 2/0 alkalische 1°/ ige Galaktoselösung.

. Zur Titration von 100 ccm Zeit | Drehung | Lösung verbraucht ang

+ 4,55 195.5 ccm */,00- HO

+4,4? 193,25

+ 4,150 187,50 sm +3,40 1825 nn +3,05 177,25 ,„ 2,60 132,25

H 2,40 1150 vm

" +2,35 17,35 ee

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 161

14. Versuch. 2/00 alkalische 1°/,ige Galaktoselösung.

; Zur Titration von 100 ccm Zeit | Drehung Lösung verbraucht

anfangs + 4,70 49,0 ccm Bloe HO nach IN +4,70 48,75 j EN + 4,70 48,50 ,„ 29 Dh + 4,65 a 44,75 99 LE 7a + 4,35 0 40,0 LEI 99 » 24 + 4,05° 17,75 vg 126% +4,1° 3,75

15. Versuch. 0,5°/,ige al, e alkalische Lösung.

; Zur Titration von 100 ccm Zeit | Drehung | Lösung verbraucht ang

98,50 com ?/,00-HC1

98,25 en 91,50 80,0 » 71,0 39 LEI 13,0 11,75 LL LEI 10,5 LE 39

5,0 99 39

4,25 (E: LU

16. Versuch. Lactose. 1°/,ige Lösung, ®/,.. alkalisch; Indicator Methylrot.

Zur Titration von 100 ccm

Zeit Drehung Lösung verbraucht

anfangs + 3,00 97,5 ccm Sien HCl nach + 3,0? 97,0; -j e 29 3h + 2,85 0 95,50 99 LE 5 + 2,55° 87,0 » on 39 7a + 1,9 0 78,50 29 LE 24 +1,8° 16,0 nn 168° +1,8° 10,50 »

17. Versuch. Arabinose. Uli e "a alkalisch; Indicator Merh ylrot:

|Zur Titration von von 100 ccm en | Drehung oun F T Lösung verbraucht

anfangs = 6,0° | 108,5 ccm nach 3% + 5,4 | BR g 5 + 4,5° nm T = +4,4? 22.25 e » 24 +4,30 5,5 168% +4,30 3,25 ccm n/ioo NaOH

Biochemische Zeitschrift;Band 29. 11

162

recht verschiedenes Verhalten. von allen untersuchten Zuckern, dessen Drehung durch Alkali innerhalb 24 Stunden in der Regel auf herabgedrückt

A. Jolles:

18. Versuch. 0,5°/ ige Lösung, al, alkalisch; Methylrot.

Zur Titration von 100 ccm

Zeit Drehung Lösung verbraucht

anfangs + 3,05 0 98,50 ccm nach 1l? + 3,09 980

e Si + 2,90 92,25

om ` D + 2,859 87,0

» P +2,89 82,0

vw 24b +2,3? 35,5

Look + 2,2 e 8,0

19. Versuch. Rhamnose.

1°/,ige pl ae alkalische Lösung; Indicator Methylrot.

$ Zur Titration von 100 ccm Zeit | Drehung | Lösung verbraucht

anfangs + 0,4° 98,75 com nach Ih + 0,7° 08,25 » 3b + 0,7° 97,5 » Di + 0,75° 94,0 sën i + 0,8° 90,5 » 24 +0,4° 62,75 - 1925 + 0,20 8,75

20. Versuch. 2°/ ige Rhamnose-Lösung, al, alkalisch.

IZur Titration von 100 ccm Zeit ME Eee Drehung | Lösung verbraucht

100,0 ccm 97, o P 91,75 86,75 42,25 22,25

Theoretisches.

Die verschiedenen Zuckerarten zeigen gegen Alkali ein Die Dextrose ist der einzige

werden kann.

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 163

Die Drehung einer 1°/,igen Lävulose-Lösung kann binnen 24 nur bis 1,0°,

1°/,igen Galaktose- „, Be » 2 „p vw +2,25°, 1°/,igen Lactose- , H A „418°, 1°/,igen Arabinose- ,, S vw WA na +4,3, 1°/,igen Rhamnose- ,, u 2A e „0,4

gebracht werden. Das überhaupt erreichte Minimum betrug bei

1°/,iger Lävulose-Lösung 0,6° in 485, 1°/ iger Galaktose- ,, 4 2,2° 30b, 1°/,iger Lactose- „, +1,8? 24h, 1°/,iger Arabinose- „, +4,30 24h, 1°/,iger Rhamnose- ,, —+-0,2° 192%.

Das Minimum wurde also außer bei Rhamnose in längstens 48, durchschnittlich in 24 bis 30 Stunden erreicht.

Interessant ist der Verlauf des Drehungsabfalls. Obwohl man anfänglich sowohl Zucker als auch Lauge in größter Konzentration hat, ist doch die Geschwindigkeit am Anfang sehr klein. Erst nach 2b beginnt sie zu steigen und wird immer größer, um nach erreichtem Maximum wieder zu fallen. Dies sieht man ganz deutlich z. B. im Versuche 1 und 2. Die graphische Darstellung sei hier beigefügt (Fig. 1).

0 1h 23h 3h yh 5k č 7h gh

Ähnlich ist es mit der Säurebildung. Nur ist das Maximum der Säurebildungsgeschwindigkeit etwas weiter vom Anfange entfernt. Dieses allmähliche Ansteigen der Geschwindigkeit hat viel Ähnlichkeit mit einer Autokatalyse oder noch besser Induktion von der Art, wie es die photochemische Induktion ist.

Wir wollen nun einzelne Zucker auf Grund vorliegender Versuchstabellen besprechen, die allerdings als streng genau nicht

betrachtet werden können. (hh

164 A. Jolles:

Es ist natürlich, daß oft unscheinbare Abänderungen der Versuchsanordnung gerade bei solchen Untersuchungen erheb- liche Schwankungen hervorrufen können. Ich brauche nur darauf hinzuweisen, von welchem Einfluß auf Reaktionsgeschwin- digkeit und Reaktionsverlauf die Gegenwart von Sauerstoff bzw. Oxydantien ist. Auch ist es bei Zuckerarten immer schwer, gleiche Präparate im Handel zu bekommen. Wenn sich auch größere Differenzen einstellen können, so wird doch das allgemeine Bild der Zuckerzersetzung nicht verändert.

Aus dem Verhalten der 2°/ igen Dextroselösung im Ver- gleich zur 1°/,igen ergibt sich, daß die Geschwindigkeit des Abfalles der Drehung von der Konzentration der Dextrose scheinbar fast unabhängig ist. So ist die

Abnahme bei 1°/,iger Lösung und bei 2°/,iger Lösung nach 15 OI? nach 1b 0,1° „3b 0,9° „3b 0,9° 5b 1,8° 6b 2,7°

Die 3°/,ige Dextroselösung verhält sich ähnlich, doch ist die Abweichung in der 5. Stunde naturgemäß noch größer.

Während der Drehungsabfall nicht so sehr durch die Konzentration des Zuckers beeinflußt wird, wie zu erwarten wäre, ist die Säurebildung in der 2°/ (gen Dextroselösung be- deutend intensiver als in der 1°/,igen.

Merkwürdig ist, daß nach Abstumpfung des Alkali durch die Zersetzung der Dextrose die weitere Säurebildung in der 2°/ igen und 3°/,igen Lösung nicht einmal so intensiv verläuft wie in der 1°/,igen Lösung.

Durch den Versuch 4 wurde erwiesen, daß, während die Drehung auf herabsinkt und bei diesem Minimum konstant bleibt, die Säurebildung immer weiter vor sich geht, bis zur fast vollständigen Zerstörung des Zuckers, wenn man die Lösung immer wieder alkalisch macht. Allerdings geht die Säurebildung sehr langsam vor sich, zumal wenn schon ein großer Teil des Zuckers zerstört ist.

2. Rohrzucker (5, 6, 7). Die Tabelle 5, die einen Versuch mit 1°/,iger Lösung in ®/ oo-Lauge enthält, zeigt, daß Saccharose durch Alkali keine Änderung ihrer Drehung erleidet. Die Säuremenge, die nach

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 165

336b aus dem Rohrzucker entstand, ist so gering, daß sie durch Zersetzung von 0,021 g Zucker erklärt werden kann. Die zwei angeführten Dauerversuche mit Saccharose beweisen noch deutlicher die relativ große Haltbarkeit der Saccharose gegen Alkali, was bekanntlich darauf zurückzuführen ist, daß weder eine freie Aldehyd- noch eine freie Ketogruppe im Molekül vorhanden ist.

3. Lävulose (8).

Der Drehungsabfall erfolgt im allgemeinen langsamer als bei der Dextrose und bleibt bei 0,6° stehen.

Auch die Säurebildung verhält sich ähnlich, indem die- selbe anfangs stärker ist als bei der Dextrose:

Dextrose 99,75ccm 99,0 ccm 96,0 ccm 91,5 ocm 83,5ccm Lävulose 98,5 95,25 85,25 6425 45,0ccm

anfangs nach lb nach 3b nach Ph nach Th schließlich aber auch stehen bleibt.

4. Invertzucker (9, 10).

Die Einwirkung der Lauge auf Invertzucker sollte sich als Summe der Wirkungen auf Dextrose und Lävulose dar- stellen. Die Versuche haben dies bestätigt.

Entsprechend dem Umstande, daß der Drehungsabfall der Lävulose schließlich nur äußerst langsam erfolgt, zeigt der Invertzucker selbst nach 120% eine wenn auch geringe Drehung nach links (— 0,05°).

Die Drehung der Lävulose ändert sich nach 24 Stunden nur sehr langsam. Es wird also nach dieser Zeit, da die Dextrose inzwischen den Nullpunkt erreicht hat, die Drehung einer Invertzuckerlösung gleich der einer Lävuloselösung sein von der halb so großen Konzentration, was annähernd zutrifft.

Die Geschwindigkeit der Säurebildung ist anfangs größer als bei Dextrose und kleiner als bei Lävulose, dann aber kleiner als bei beiden.

5. Maltose (11).

Der Versuch zeigt, daß das Alkali eine viel schwächere Wirkung auf Maltose ausübt als auf Dextrose. Sowohl der Drehungsabfall als auch die Säurebildung erfolgen langsamer.

166 A. Jolles:

6. Galaktose (12, 13, 14, 15).

Der Drehungsabfall der Galaktose erfolgt viel langsamer als bei der Dextrose und Lävulose. Der Endpunkt der Drehung scheint 1,8° zu sein. Auch die Alkalinität nimmt langsamer ab.

Der Versuch mit al, —Lauge (13) zeigt, daß der Drehungs- abfall fast genau so schnell verläuft wie bei Anwendung von a/ oo- Lauge. Doch zeigt der Versuch mit ?/ oo- Lauge (14), daß bei Anwendung von Lauge geringerer Konzentration als al, oo sich ein langsamerer Drehungsabfall konstatieren läßt. Vielleicht ist ein Minimum der Alkalinität erforderlich, oberhalb dessen die Zersetzungsgeschwindigkeit in gewissen Grenzen von der Konzentration des Alkali nahezu unabhängig ist.

Merkwürdigerweise ist die Geschwindigkeit der Säurebildung im allgemeinen in ?/ o- Lauge am kleinsten, in ?/ oo- Lauge am größten.

Bei dem Versuche mit 0,5°/ ger Galaktose-Lösung zeigt sich, daß die Reaktionsgeschwindigkeit größer ist als bei 1°/ iger Galaktose-Lösung.

7. Lactose (16). Das Verhalten der Lactose ist dem der Galaktose ähnlich. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist kleiner.

8. Arabinose (17, 18).

Der Drehungsabfall erfolgt langsamer als bei Dextrose. Die Drehung der 1°/,igen Lösung bleibt bei 4,3° stehen. Die Geschwindigkeit der Abnahme fällt, wie man aus der Tabelle 18 ersieht, mit der Konzentration der Arabinose.. Der Endwert der Drehung einer 0,5°/,igen Arabinose-Lösung ist annähernd gleich der Hälfte des Endwertes einer 1°/,igen Lösung: 2,2° gegen 4,3°. Die Säurebildung geht anfangs schneller, später langsamer als bei der Dextrose vor sich.

9. Rhamnose (19, 20).

Ein sehr merkwürdiges Verhalten in bezug auf die Drehung zeigt die Rhamnose. Die Drehung ihrer alkalischen Lösung nimmt nämlich im Gegensatz zu allen andern Zuckerarten zunächst zu, erreicht nach etwa 7 Stunden ein Maximum und wird nach 24 Stunden wieder gleich der ursprünglichen; sodann nähert sie sich sehr langsam dem 0°-Punkte.

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 167

Die Säurebildung ist bei der Rhamnose eine sehr langsame. Die Geschwindigkeit des Drehungsabfalls wächst mit der Kon- zentration der Rhamnose, wie man aus dem Vergleiche der Tabelle 20 mit 19 ersieht. Hingegen wird die Säurebildung durch größere Rhamnose-Konzentration sogar gehemmt.

10. Mannose.

Die Mannose zeichnet sich durch einen ganz schwachen Abfall des Drehungsvermögens, wie auch durch geringe Säure- bildung aus. Nach 192% ist die Drehung bis auf herunter- gegangen.

Das Verhalten der Zucker in alkalischen Lösungen schien mir von Wichtigkeit für die Harnanalyse zu sein. Nach obigem wäre die Bestimmung des Zuckers in einem alkalischen Harne auf polarimetrischem Wege unzulässig, was ja auch in der Tat zutrifft. Die Bestimmung aus der Reduktion Fehlingscher Lösung ist jedoch, wie ich mich überzeugen konnte, innerhalb 24 Stunden vollkommen einwandfrei. Ich habe Dextroselösungen sowohl vor als auch nach dem Abfall der Drehung auf auf ihre Reduktionsfähigkeit geprüft und habe in beiden Fällen immer annähernd die gleichen Werte gefunden. Da nach der Anschauung von L. de Bruyn aus der Dextrose ein wenig Lävulose und Mannose entsteht und aus diesem Grunde die Drehung auf heruntergeht, sollte man ein anderes Resultat erwarten, zumal die Lävulose einen andern Reduktionsfaktor besitzt als die Dextrose. Der Unterschied der Reduktions- faktoren ist allerdings so klein, daß bei den geringen Mengen gebildeter Lävulose die Differenz praktisch zu vernachlässigen ist, wie sich experimentell ergeben hat. Bei der Prüfung auf Reduktionsfähigkeit darf jedoch eine alkalische Zuckerlösung nicht längere Zeit stehen bleiben, da die Zucker in derselben eine oxydative Zersetzung erleiden. Den Nachweis für das wirkliche Vorhandensein von Lävulose in auf herunter- gegangener Dextrose-Lösung konnte ich sowohl durch die Reaktion von Seliwanoff, wie auch durch die von Ihl und Pechmann erbringen. In den von Lobry de Bruyn ver- wendeten Lösungen hatte das Alkali eine wesentlich höhere Konzentration.

168 A. Jolles:

21. Versuch. Versuch mit Dextrose in ?/,oo-Natronlauge bei 37°C zwecks Prüfung auf Bildung von Lävulose.

Eine 1°/,ige Dextroselösung, hergestellt durch Lösen von 1 g Dex- trose in 100 ccm °/,o0-Natronlauge, wurde durch 48 Stunden bei einer Temperstur von 37° C stehen gelassen (Lösung A). Von Zeit zu Zeit wurde die Lösung auf Lävulose geprüft, und zwar 1. mittels der Reaktion von Seliwanoff (Resorein + Salzsäure, Kochen; Auftreten einer inten- siven feuerroten Färbung und Trübung); 2. mittels der Reaktion von Ihl-Pechmann (Auftreten einer gelbgrünen Färbung, die beim Kochen mit einer konz. alkoholischen Diphenylaminlösung und konz. Salzsäure in ein intensives Blau übergeht).

Verglichen wurde immer mit einer 1°/,igen wässerigen Dextrose- lösung, die während der 48 Stunden auf Eis aufbewahrt wurde (Lösung B).

Nach 4 Stunden gab Lösung A bei Reaktion 1 eine sehr schwache Rosafärbung, bei 2 eine Blaufärbung mit einem Stich ins Violette; Lösung B zeigte bei Reaktion 1 eine sehr schwache Gelbrosafärbung, bei 2 eine kaum wahrnehmbare violettblaue (grünstiohige) Färbung.

Nach 12 Stunden gab Lösung A bei Reaktion 1 eine deutliche Rot- färbung, die sich allmählich trübte, bei 2 bereits eine intensive Blau- färbung. Lösung B war wie nach 4 Stunden;

Nach 18 Stunden gab Lösung A bei Reaktion 1 eine feuerrote Färbung mit starker Trübung, bei 2 eine sehr intensive Blaufärbung. Lösung B war wie nach 4 Stunden.

Nach 24 Stunden und nach 48 Stunden konnten diese Färbungen bei Lösung A und B nur bestätigt werden.

Um mit Sicherheit festzustellen, ob Lävulose entstanden war, habe ich 0,50 ccm der Lösung A mit Wasser auf 100 ccm aufgefüllt, wodurch ich eine 0,005°/,ige Lösung erhielt, und mit dieser wurde die Ihl- Pechmannsche Reaktion in der von mir vorgeschlagenen Modifikation ausgeführt, die positiv ausfiel.

Nun haben aber meine Kontrollversuche!) über die Ihl-Pechmann- sche Reaktion ergeben, daß Dextrose in dieser Verdünnung keine, Lävulose aber noch eine ganz deutliche Blaufärbung liefert. Somit erscheint die Gegenwart von Lävulose festgestellt.

Untersuchung über den Oxydationsverlauf der Zucker bei Gegenwart von Oxydantien.

Bei der Erwägung der Ursachen der Säurebildung in alkalischen Zuckerlösungen kam ich zu einem übereinstimmenden Schlusse mit Meisenheimer (B. 39), daß nämlich die Säure- bildung auf Oxydation der alkalischen Zuckerlösungen durch den Luftsauerstoff zurückzuführen ist. Meisenheimer konnte

1) Ber. d. Deutsch. pharm; Ges. 19, 477.

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 169

(l. c.) eine beschleunigte Oxydation beim Durchleiten von Luft durch die Lösungen beobachten. Ich habe außerdem noch fest- stellen können, daß die Oxydation der Zuckerlösungen bei Luft- abschluß, etwa unter einer Schicht Mineralöl, viel langsamer verläuft.

22. Versuch.

Verwendet wurde eine 1°/,ige ?/,.. alkalische Lösung von Dextrose, wobei zu bemerken ist, daß die Flüssigkeiten zuvor durch Auskochen von gelöstem Sauerstoff möglichst befreit worden waren.

Zeit | Drehung (Ar Tirane vatrat nach 24> 00 | 69,0 com sien HOl n Ta 00 | 26,5

Es war anzunehmen, daß bei Zusatz von Oxydationsmitteln die Säurebildung viel schneller verlaufen werde. Wie erwähnt, untersuchten bereits Meisenheimer und dessen Mitarbeiter die Einwirkung von H,O, auf stark alkalische Dextroselösungen. Ich habe seine Versuche wiederholt, da ich wissen wollte, wie sich Zuckerlösungen von ganz schwachem Alkaligehalte bei 37°C bei Gegenwart von H,O, verhalten. Überdies wurden die Untersuchungen auch auf andere Zuckerarten als Dextrose ausgedehnt. Nachfolgende Tabellen geben ein Bild der hierbei erhaltenen Resultate.

n

23. Versuch. In einem 500 com-Kolben wurden 5 g Dextrose in Wasser gelöst, 250 ccm 12°/,iges Weasserstoffsuperoxyd und 50 com */,„-Natronlauge zugefügt und schließlich mit Wasser auf 500 ccm aufgefüllt, so daB die resultierende Lösung ®/,oo in bezug auf NaOH war und 0,6°/, (Volum- prozente) H,O, enthielt.

. Zur Titration von 100 ccm SE | Drehung | Lösung verbraucht

4,6 zu hoch wegen ) 113,5 cem Soe HO Birotation! 113,0 j 102,75 * 62,5 n 23,0 = 101,75 com ®/,oo-Na0OH 210,5 =

Gegen Schluß reagierte die Lösung sauer gegen Lackmus.

170 A. Jolles:

24. Versuch.

Wie Versuch 23 ausgeführt, nur wurde nichts entnommen, sondern bei Eintritt saurer Reaktion konz. Lauge tropfenweise hinzugefügt, und zwar nach 24° und 48° je 50, nach 72 und 120% je 40 Tropfen (1 Tropfen = 14,1 com °/jo0-Lauge).. Nach 120% war die Flüssigkeit durch gallert- artige Flocken getrübt (Bakterien) und schwach gelb gefärbt und rea- gierte alkalisch; H,O, ließ sich nicht mehr nachweisen. Drehung: +1,1°. Mit Phenylhydrazin wurde relativ sehr wenig Osazon erhalten. Die Flüssigkeit wurde abfiltriert. Nach 4 Tagen betrug die Drehung +1,1°, war also unverändert geblieben.

25. Versuch. Anordnung wie bei Versuch 23, nur wurde auch hier jedesmal bei Eintritt saurer Reaktion durch tropfenweisen Zusatz konz. Lauge alka- lisch gemacht.

: Zur Titration von 100 cem Zeit | Drehung | Lösung verbraucht

i zu hoher Wert infolge Birotation

111,5 ccm ?/ioo-HCl

+ 2,450 85.0 Stee Rat + NaOH + 2,20 228,5 Sieoe HO nach 485 +1,60 23,5 e e 72b +1,60 69,75 "/ıoo-NaOH + NaOH + 1,6° 44,50 Sien HO nach 120% + 0,7 107,50 n n

26. Versuch.

Wie Versuch 25. Jedesmal wurden 50 ccm Lösung zur Untersuchung im Polarisationsapparat und zur Titration ent- nommen und tropfenweise Lauge zugesetzt (1 Tropfen 43,4 ccm a/o- Lauge).

: Zur Titration von 100 ccm ar | Drehung | Lösung verbraucht

|

22. Il. angefangen

23. II. +2,7? 50,0 ccm */,00-NaOH 50 ccm _ + 15 Tropfen

24. II. + 2,00 58,75 cem ”/100-N8a OH 50 cem + 15 Tropfen

25. II. +1,90 56,75 cem */,00-HC1 50 ccm

27. II. + 1,7° 38,50 ccm °/,00-HC1l 50 ccm

3. III. 41,60 35,50 cem ?/100- HCl 50 ccm

8. III. + 1,5° 33,25 cem ?/,00-HC1

Die Phenylhydrazinprobe fiel auch am Schlusse noch positiv ause

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 171

27. Versuch.

2,5 g Dextrose wurden in 175 ccm H,O gelöst und mit 25 oom »/ o-Lauge und 50 ccm 12°/,igen (Volumprozente) H,O, versetzt.

Es wurden nun von Zeit zu Zeit je 10 ccm H,O, hinzugefügt und außerdem, wenn die Flüssigkeit sauer geworden war, die entsprechende Menge Alkali in Form von konz. Lauge (1 Tropfen 43,4 ccm ?/,00-Lauge).

Angesetzt wurde der Versuch am 16. II.

H,O, wurde zugesetzt am 17. II., 20. II., 23. IL, 24. II., 25. II., 27. IL., 1. HL, 3. IIL, 5. III., 8.IIL, 10. HL, 15. III., 17. III., 22. IIl., 24. III., 26. ITI., 29. IIT., 31. III., 1. IV.

Lauge wurde zugegeben am 17. II. 18 Tropfen, am 25. II. 8 Tropfen, am 1. III. 5 Tropfen.

Am 3. IV. wurde der Versuch abgebrochen.

Das überschüssige H,O, wurde mit Silberoxyd zerstört, das Filtrat, in dem kein Silbersalz gelöst war, auf 500 ccm verdünnt, polarisiert und titriert.

Drehung: 0,5°. Verbrauch bei der Titration: 20 oom Sie HCl pro 100 ccm Lösung.

Die Phenylhydrazinprobe fiel positiv aus. Glucuronsäure erschien ausgeschlossen, da deutliche Nadeln zu sehen waren.

Die folgenden Versuche wurden in ?/ .0-Lauge durchgeführt. Die Dextrosemengen beziehen sich auf 100 cem Lösung. Nach Beendigung der Versuche war die Phenylhydrazinprobe stets

positiv.

28. Versuch.

0,1 g Dextrose, nach 11 Tg. Pol. 0°, Titration: 19,75 ccm HCI verbraucht) g

0,2 n n n 4 n n 0°, n 13,50 n n n 03, y n Ze n 9% nn 10, nm » 18 0,4 n n n 2 D n 0°, n 22,00 n n n S 0,5 n n Zn sa ©, n 24,15 » n n 8 05n e n lô,» 0, n 2150, , n a 0,6 n n n 2 n n 0°, n 27,15 n n n

Bei den Versuchen 27 und 28 lassen sich nicht alle Messungen direkt vergleichen, da dieselben nach einer verschiedenen Anzahl von Tagen ausgeführt wurden. Nur die Resultate der Versuche mit 0,4, 0,5, 0,6 g Dextrose sind vergleichbar, da alle nach 2 Tagen gewonnen wurden, Merkwürdig und den früheren Versuchen scheinbar widersprechend ist, daß mit steigender Konzentration der Dextrose eine geringere Säure- bildung beobachtet wurde. So verbrauchte man nach 2 Tagen zur Titration von 100 ccm einer

0,4°/,igen Dextroselösung 22,0 com ?/,00-HC1,

05 e å 24,75 S

06 e e 27,75 ğ Außerdem wurden noch 3 Versuche angestellt.

172 A. Jolles:

29. Versuch.

a) 0,1g Dextrose in 100 cem ?/,o0-Lauge + 20 ccm H,O, (12 Volum- prozente). Nach 6 Tagen war die Lösung schwach sauer und wurde durch Zusatz von 1 Tropfen Lauge (= 43,4 cem ?/,oo-Lauge) alkalisch gemacht. Nach 11 Tagen betrug die Drehung 0°, zur Titration von 100 eem Lösung verbraucht 15,5 ccm ?/,00-HCl. Nach 23 Tagen Titration 3,0 ccm "/oo-HCL Nach Zerstörung des H,O, durch Age) ergab die Phenylhydrazinprobe keine charakteristischen Krystalle.

b) 0,1 g Dextrose in 100 ccm ?/300-Lauge. Nach 10 Tagen Drehung 0°; zur Titration von 100 ccm Lösung verbraucht 4,0 com HCl.

c) 0,1 g Dextrose 4 20 eem H,O, (12 Volumprozente) mit so viel NaOH und Wasser versetzt, daß 10 ccm einer Saa alkalischen Lösung resultierten. Nach 2 Tagen war die Reaktion sauer. Es wurde durch Zusatz von 3 Tropfen Lauge (= 130,2 ccm °/]00-NaOH) alkalisch gemacht. Nach weiteren 8 Tagen war die Drehung gleich 0°, zur Titration von 100 ccm Lösung wurden 94 ccm ?/,o0-HC1l verbraucht.

Unter Berücksichtigung der zugesetzten Tropfen Lauge lassen die 3 Versuche erkennen, daß bei Verwendung stärkerer Lauge (Vers. ai und bei Gegenwart von H,O, (Vers. c) die Säurebildung rascher vor sich geht.

Aus den Versuchen 23 bis 26 ersieht man sehr deutlich, daß der Drehungsabfall in alkalischer Dextroselösung durch einen Zusatz von H,O, deutlich gehemmt wird, während die Säurebildung verstärkt wird. Bisher wurde die Lösung von Zeit zu Zeit wieder alkalisch gemacht; die Säurebildung geht aber auch in saurer Lösung weiter vor sich, und es bilden sich immer größere Mengen von Säure, bis der gesamte Zucker zerstört ist. Den Beweis hierfür liefert folgender Versuch mit Saccharose.

30. Versuch.

2,5 g Saccharose wurden in 200 ccm dest. Wasser gelöst und 50 ccm H,0, (ca. 12 Volumprozente) hinzugefügt. In der Folge wurden ohne Flüssigkeit zu entnehmen und ohne Lauge zuzusetzen fast täglich je 10 eem H,O, zugegeben. Die zugefügte H,0,-Menge betrug im ganzen 250 ccm.

Begonnen 29. IV., abgeschlossen 5. VI. 1909.

Die Titration ergab für 25 ccm Lösung einen Verbrauch von 15,2 ccm ®/,„-Lauge. Bei Berücksichtigung der Acidität des H,O, (25 ocm H,O, brauchen 0,4 ccm */,.-Lauge) berechnet sich für 25 ccm Lösung ein Verbrauch von 15,0 ccm ?/iọ-Lauge. Es haben sich somit aus 0,125 g Saccharose 15,0 ccm °/,o-Säure gebildet. Die Drehung betrug 0°.

Während die Saccharose in alkalischer Lösung gegen Luftsauerstoff ziemlich haltbar ist, läßt sich dieselbe bei Gegenwart von H,O, fast voll- ständig oxydieren. Die Polarisation ist hier ein Maß für den noch un- zerstörten Zucker, da eine L. de Bruynsche Umwandlung in dem Falle ausgeschlossen ist.

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 173

31. Versuch.

Untersuchung einer alkalischen Lävuloselösung bei Gegenwart von H,O,.

2,5 g Lävulose wurden in dest. Wasser gelöst, 25 ccm Blo Lauge und 50 eem H,O, zugesetzt, sodann auf 250 ccm aufgefüllt, so daß eine 1°/,ige Lösung entstand. Nach 24stündigem Stehen ergab die Titration von 100 com Lösung einen Verbrauch von 70,5 ccm ?/,oo-Lauge, die Flüssigkeit war also sauer geworden. Die Drehung war 4,7%. Die Flüssigkeit wurde mit 4 Tropfen konz. Lauge 26,1 ccm ”/,o0-Lauge) alkalisch gemacht, am nächsten Tage wurden nach abermaligem Eintritt saurer Reaktion 5 Tropfen, am nächstfolgenden Tage 3 Tropfen, nach weiteren 3 Tagen 2 Tropfen zugesetzt. Da die Lösung fernerhin nicht mehr sauer wurde, so wurde nach einer Versuchsdauer von 11 Tagen abgeschlossen. Die Titration ergab eine Alkalinität entsprechend 32,5 ccm a/ oọo-Lauge. Als Indicator diente Methylrot. Die Drehung war auf 3,60 gesunken.

Bei Zusatz von H,O, verhält sich demnach die Lävulose ähnlich wie die Dextrose. Der Drehungsabfall wird viel geringer, die Säure- bildung stärker.

Nachweis und Isolierung der Oxydationsprodukte der Zucker.

Die vielen Oxydationsversuche, die mit Wasserstoffsuper- oxyd ausgeführt wurden, hatten nicht nur den Zweck, die Ge- schwindigkeit der Säurebildung zu verfolgen, sondern sie sollten such in kurzer Zeit Material zu der Untersuchung der Oxy- dationsprodukte in alkalischen Zuckerlösungen liefern. Ohne Zuhilfenahme von Oxydantien verläuft die Oxydation in alka- lischer Lösung praktisch doch zu träge, und es wurde deshalb nur ein einziger Versuch mit 3°/ iger Dextroselösung ausgeführt, um einen Vergleich mit den anderen Versuchen möglich zu machen.

Es wurde in allen Fällen in gleicher Weise vorgegangen, mit der 3°/,igen Dextroselösung z. B. folgendermaßen:

32. Versuch.

60 g Dextrose wurden in 1800 ccm dest. Wassers gelöst und durch Zusatz von 200 ccm "/,„-Lauge eine Soo alkalische 3°/,ige Lösung her- gestellt und bei 37° C stehen gelassen. In der Folge wurde bei Eintritt neutraler Reaktion je 1,1 ccm einer konz; Lauge, die 20 com Si, Lange entsprachen, zugefügt, und so immer wieder °/,.o alkalisch gemacht. Um zum Schlusse die insgesamt zugesetzte Laugenmenge genauer zu be- stimmen, wurde überdies zur Kontrolle ein Leerversuch angestellt, bei welchem immer die gleiche Alkalimenge zugegeben wurde. Das Volum der zugesetzten Laugenmenge wurde vernachlässigt.

174 A. Jolles:

Begonnen: 5. XII. 1908. Am 7. XII, 9. XII., 10. XII., 14. XII., 16. XIL, 28. XII., 9. I, 15.1. und 23. I. erfolgte der oben erwähnte Zusatz von je l,l ccm konz. Lauge.

Am 11. XII. ergab die Dextrosebestimmung nach Fehling 24,72°/, der ursprünglichen Menge. Der Versuch wurde fortgesetzt und die Lösung am 11. III. mit 20 Tropfen Lauge wieder alkalisch gemacht. Da die Alkalinität auch nach längerem Stehen nicht mehr ganz verschwand, so wurde am 29. IV. abgeschlossen. Das Endvolumen betrug 1892 ccm. Die restliche Alkalinität war indes so geringfügig, daß sie bei der Be- rechnung vernachlässigt wurde. Pro 1 g Dextrose wurde eine Säure- menge entsprechend 1,53 ccm "/,-Lauge gefunden.

Die Flüssigkeit war etwas bräunlich gefärbt, zeigte eine nahezu neutrale Reaktion und einen etwas an Karamel erinnernden Geruch. Der Gehalt an Dextrose dieser 1892 ccm einer ursprünglich 3°/,igen Lösung war bis zum Schlusse zu 24,72°/, unverändert geblieben, während die übrigen 75,28°/, Dextrose umgewandelt worden waren. Daher habe ich alle Zahlen, die sich bei der Durchführung meiner Untersuchungen ergaben, auf 75,28°/, der ursprünglichen Dextrosemenge bezogen.

Die Rechnung gestaltete sich also folgendermaßen:

Gesamtdextrosemenge (da ursprünglich 1892 ccm

einer 3°/,igen Dextroselösung vorlagen) . , 56,76 g Ab nicht veränderte 24,720), Dextrose. . . . . 14,03 g 42,73 g

Für 1 g Dextrose wurden im ganzen 1,53 ccm ®/,-Lauge verbraucht = 56,76 >< 1,53 86,84 com °/,-Lauge, die auf die umgesetzten 42,73 g Dextrose entfallen. Somit wurden für je 1l g umgewandelte Dextrose 2,03 ccm ®/,-Lauge verbraucht. Da diese Menge zur Neutralisation der bei der Umsetzung gebildeten Säuren verbraucht wurde, so ergibt sich, daß bei der Oxydation von 42,73 g Bea 868,4 ccm */,.-Däuren ge- bildet worden waren.

Gang der Untersuchung. I

200 ccm der Lösung wurden auf freier Flamme bei normalem Druck (768 mm) bis auf 30 ccm abdestilliert. Das Destillat wurde auf Aceton, Alkohol und Aldehyd geprüft.

Aceton konnte weder nach Penzoldt (Fr. 24, 149) mit o-Nitro- benzaldehyd nachgewiesen werden, noch nach der Methode, die Legal und Le Nobel vorschlagen, und die, wie ich mich selbst über- zeugen konnte, als verläßlich bezeichnet werden muß.

Zur Ausführung der Penzoldtschen Reaktion versetzte ich zirka 30 ccm des Destillates mit 0,3 g o-Nitrobenzaldehyd und einigen Tropfen Barythydratwasser!), ließ ca. !/, Stunde bei gewöhnlicher Temperatur

1) Ich benutzte stets bei dieser Prüfung zum Alkalischmachen Ba(OH),-Lösung anstatt KOH oder NaOH, da die Empfindlichkeit der Reaktion dadurch gesteigert wird.

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 175

stehen und erhitzte dann kurze Zeit gelinde; es konnte selbst nach mehr- stündigem Stehenlassen (bei Zimmertemperatur) keine Indigoblaubildung beobachtet werden.

Ca. 40 ccm des Destillats wurden nach Legal und Le Nobel mit einer verdünnten Lösung von Nitroprussidnatrium, die mit Ammoniak alkalisch gemacht worden war, versetzt. Die selbst bei Spuren von Aceton auftretende Rosafärbung, die nach und nach in ein intensives Rotviolett umschlägt, konnte hier nicht wahrgenommen werden.

Dagegen konnte ich Alkohol deutlich nachweisen. Sowohl die Jodo- form-Reaktion nach Lieben (A. Spl. 7, 218) als auch der von Bau- mann (B. 19, 3219) vorgeschlagene Nachweis mit Benzoylchlorid fielen positiv aus,

Zur Prüfung nach Lieben wurden oa. 20 com Destillat mit einer Lösung von Jod in KJ-haltigem Wasser versetzt, sodann einige Tropfen verdünnter Kalilauge bis zur alkalischen Reaktion zugefügt und anfangs auf 40 bis 50° C, später auf etwa 70 bis 80°C erwärmt. Schon nach wenigen Sekunden trat ein deutlicher Jodoformgeruch auf, der bei einer blinden Probe mit denselben Reagenzien kaum wahrgenommen werden konnte. Nach ca. 10 Stunden hatten sich am Boden der Eprouvette (die durch eine Glaskugel verschlossen war) deutliche gelbe Jodoform- krystalle abgesetzt.

Weitere 50 ccm des Destillats wurden mit einigen Tropfen Benzoyl- chlorid und verdünnter Kalilauge längere Zeit geschüttelt. Nach ungefähr 1/2 Stunde wurden noch einige Tropfen Kalilauge zugesetzt, dann wurde neuerdings längere Zeit geschüttelt und schließlich mit Äther!) aus- gezogen. Der ätherische Extrakt wurde mit Wasser gewaschen und in einer Glasschale auf dem Wasserbade abgedunstet. Nachdem sich aller Äther verflüchtigt hatte, konnte der charakteristische durchdringende Geruch des Benzoesäureäthylesters wahrgenommen werden.

Erwähnt sei noch, daß in diesem Destillat auch auf Aldehyd, jedoch mit negativem Resultat, geprüft wurde. (Vgl. auch Versuch Il.)

II.

500 ccm der Lösung wurden in einem Fraktionierkolben, dessen Hals, wie Fig. 1 zeigt, konstruiert war, der Destillation bei 17 mm Druck unterworfen. Zur Kondensation der Dämpfe wurde der in Fig. 2 ab- gebildete Apparat benutzt. Die Menge des gesammelten Destillats be- trug 250 com.

Untersucht wurden der Inhalt der drei Vorlagen b, b’, b” und der im Fraktionierkolben verbleibende Rückstand A.

Die Vorlage b diente zum Auffangen jener Fraktion, die bereita durch die Wasserkühlung in dem 1!/, m langen Kühler kondensiert

1) Bei allen Versuchen wurde ein Äther verwendet, der vollkommen frei von Alkohol war; gewonnen wurde derselbe durch 15 bis 20 maliges Schütteln mit kleinen Mengen Wasser und Stehenlassen über gekörntem Chlorcaleium.

176 A. Jolles:

wurde; b’ war durch Eiswasser gekühlt, während b”, um auch die flüchtigen Fraktionen festzuhalten, mit einer unterkühlten 26°/,igen Kochsalzlösung, die etwas fuchsinschweflige Säure!) enthielt, be- schickt war.

Die ev. in b und AN noch nicht kondensierten Fraktionen mußten also durch die Fuchsinschwefligsäure haltige Kochsalzlösung streichen, so daß ein Entweichen selbst der flüchtigsten Sub- stanzen wohl ausgeschlossen war.

Die Inhalte der Vorlagen b und H wurden ein- zeln sorgfältigst auf Aldehyd geprüft, doch konnte nirgends bei Zusatz von Fuchsinschwefligsäure-Lösung (selbst nach längerem Stehenlassen) auch nur die ge- ringste Rotfärbung wahrgenommen werden.

Die Vorlage b”, die während der ganzen Destilla- tion durch ein Gemisch von Eis und konzentrierter Salzsäure auf 21° C gehalten wurde, zeigte selbst auf weißer Unterlage keine Spur einer Rotfärbung.

D A

E (e 7 Se bk CH Ip um N d Wd uff d

U Ni CN A

Zur Untersuchung des Destillationsrückstandes A wurde folgender Weg eingeschlagen:

Er wurde mit 5ccm Phosphorsäure (s = 1,70) versetzt und zunächst der Destillation auf freier Flamme bei 748,3 mm unterworfen; der Siede- punkt betrug konstant 102° C.

Als im Fraktionierkolben nur mehr ca. 30 ccm vorhanden waren, wurde Wasserdampf durchgeleitet. Hierbei wurde der Kühler mit Eis-

1) Die zu diesen Versuchen besonders sorgfältig hergestellte fuchsin- schweflige Säure wurde durch Entfärben von wässeriger Fuchsinlösung mit freier schwefliger Säure und Auskochen des Überschusses an schwef- liger Säure bereitet. Dieses Reagens zeigte so noch 0,00001 g Form- aldehyd sofort und deutlich an.

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 177

wasser gespeist und das Destillat mittels Vorstoß in eine zu ca. 1/ mit Wasser beschickte Vorlage geleitet.

Es mußten beinahe 2000 ccm Destillat aufgefangen werden, bis die übergehenden Tropfen fast neutral reagierten. Das Destillat wurde zur Prüfung der mit Wasserdampf flüchtigen Säuren verwendet (B).

Der Rückstand (C) wurde vorläufig zur weiteren Untersuchung auf- bewahrt.

Das Destillat B war farblos, klar und zeigte deutlich saure Re- aktion; es war frei von Phosphorsäure.

Zu 500 ccm des Destillats B wurden einige Tropfen Ammoniak zugesetzt und das Ganze auf dem Wasserbade bis auf einige Kubik- zentimeter eingedampft. Der Rückstand wurde auf Ameisensäure und auf Essigsäure geprüft (c).

Zur Prüfung auf Ameisensäure wurden einige Tropfen der Lösung (c) mit konz. Silbernitratlösung versetzt und schwach erwärmt. Es trat so- fort eine deutliche Ausscheidung von metallischem Silber auf. Auch Quecksilberchloridlösung wurde rasch zu Kalomel reduziert.

Zur Prüfung auf Essigsäure wurde der Rest der Lösung (c) nach Macuair (Fr. 27, 398) mit 10 ccm einer Chromsäurelösung (bereitet aus 6g K,Cr,0,-+50g H,O -+15ccm H,SO,) versetzt und am Rückfluß- kühler ca. 15 Minuten zum Kochen erhitzt. Nach dem Verdünnen des Kolbeninhaltes mit Wasser wurde am absteigenden Kühler destilliert. Das Destillat zeigte stark saure Reaktion und wurde nun mit Ammoniak auf dem Wasserbade eingeengt.

Der nun verbleibende Rückstand war fast neutral und gab alle Reaktionen des Ammonacetats. Mit Eisenchlorid färbte er sich dunkel- rot und schied beim Kochen reichlich basisches Eisenacetat aus; bei Zusatz einer konz. Lösung von Silbernitrat trat eine starke Fällung perlmutterglänzender Schuppen ein, die in heißem Wasser leicht löslich waren; beim Erkalten schied sich das Silberacetat wieder ab.

Zur Prüfung auf Buttersäure wurden 300 ccm des Destillats B mit Barythydratlösung neutralisiert und auf dem Wasserbade zur Trockne eingedampft. Der verbleibende Rückstand wurde im Vakuum bei 100° getrocknet und mit 500 ccm absolutem Alkohol bei 30° C ausgezogen. Der alkoholische Auszug wurde in eine gewogene Glasschale filtriert und nach dem Abdunsten des Alkohols und Trocknen im Vakuum bei 100° C die Gewichtszunahme bestimmt. Sie betrug 0,0006 g, während nach An- gaben von Luck (Fr. 10, 185)!1) bei der von mir verwendeten Alkohol- menge viel größere Mengen von Barytsalz hätten in Lösung gehen müssen, wenn Bariumbutyrat vorhanden gewesen wäre. Nach den unten angeführten Löslichkeiten muß man annehmen, daß hauptsächlich Barium- formiat und Bariumacetat sich im Alkohol gelöst hatten.

Ob ß-Oxybuttersäure sich unter den Reaktionsprodukten befand, konnte leider nicht entschieden werden. Wie bekannt, geht diese Säure

1) 1000 Teile absoluten Alkohols g E lösen bei 30° C: V 8 n ormiat, 11,717 g "vw butyrat.

Biochemische Zeitschrift Band 29. 12

178 A. Jolles:

mit Wasserdämpfen über, befindet sich demnach ev. bei der Ameisen- säure und Essigsäure. Da nun der Nachweis der $-Oxybuttersäure sich bekanntlich auf die Bildung des in schwer löslichen verfilzten Nadeln krystallisierenden Silbersalzes beschränkt, war hier der Nachweis dieser Säure neben Ameisensäure (die Silbersalze reduziert) einerseits, und Essigsäure, die ein in der Kälte ebenfalls schwer lösliches Silbersalz gibt, andererseits so erschwert, daß ich zu keinem entscheidenden Resultat

gelangen konnte.

Untersuchung des Wasserdampfdestillations-Rückstandes C0.

Dieser wurde in dem von R. Fritsch beschriebenen Extraktions- apparat!) so lange mit Äther ausgezogen, bis die Auszüge fast nicht mehr sauer reagierten. Nach Vereinigung aller Extrakte wurde der Äther auf dem Wasserbade abdestilliert und der nun verbleibende Rück- stand D einige Tage im Vakuum stehen gelassen. Der nicht in den Äther gegangene Teil E, der also noch in Wasser gelöst war, konnte einer näheren Untersuchung nicht unterzogen werden wegen seines hohen Gehaltes an Phosphorsäure, und es wurde daher auf etwaige Substanzen, die mit Wasserdämpfen nicht flüchtig und in Äther unlöslich sind, erst bei einem später zu beschreibenden Versuch III Rücksicht genommen.

Der Rückstand D zeigte schwach bräunliche Färbung, stark saure Reaktion und löste sich in Wasser fast klar auf; von einer schwachen Trübung wurde die Lösung durch Filtration befreit und auf 200 ccm aufgefüllt.

50 ccm dieser wässerigen Lösung D wurden zur Prüfung auf Glykol- säure mit Ammoniak neutralisiert, stark eingeengt und mit einer ge- sättigten Kupfersulfatlösung versetzt. Das für die Glykolsäure so charak- teristische hellblaue, in Wasser sehr schwer lösliche Kupfersalz konnte in diesem Falle nicht erhalten werden. Weder längeres Stehenlassen noch Reiben an den Wandungen des Reagensglases verursachten eine auch nur schwache Trübung, so daß also ein Vorhandensein von T Sol säure ausgeschlossen ist.

Zum Nachweis und zur Bestimmung der Milohsäure wurde das basische Bleisalz dieser Säure gewählt.

50 ccm der wässerigen Lösung D wurden mit einer klaren Lösung von Bleiessig und alkoholischem Ammoniak (10°/, Ammoniak + 90°/, Alkohol) versetzt (Palm, Fr. 22, 223; 26, 34). Nach mehrstündigem Stehen wurde der Niederschlag von basisch-milchsaurem Blei [(C,H,0,),3 PbO] auf einem bei 100° C getrockneten, gewogenen Filter gesammelt und mit Alkohol gewaschen. Nach dem Trocknen bei 100° betrug die Gewichts- zunahme 0,9954 g. Diese Menge basisches Bleisalz wurde auf Milchsäure umgerechnet und ergab, auf die umgesetzte Dextrosemenge bezogen, 3,19536 g Milchsäure 532,5 ccm "/,0-Milchsäure.

1) Chem.-Zeitg. 1909, Nr. 83.

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 179

Zur Kontrolle wurden diese 0,9954 g basisches Bleisalz in einem gewogenen Porzellantiegel verascht, mit Schwefelsäure abgeraucht und nach dem Glühen gewogen. Man erhielt so 1,0684 g Bleisulfat.

Berechnet für (C,H,0,)23 PbO = 73,130), Pb, Gefunden = 73,28°%/, Pb.

Daß die hier gefundene Milchsäuremenge niedriger ist als die durch Titration (resp. aus der Differenz von Gesamt-Säuremenge weniger mit Wasserdämpfen flüchtige Säuremenge mit Wasserdampf nicht flüchtige Säuremenge) ermittelte Menge, ist nicht zu verwundern, da ein voll- kommenes Ausäthern der Milchsäure aus verdünnten wässerigen Lösungen nicht durchzuführen ist.

Auch konnte die Milchsäure in Form ihres schwer löslichen Zink- salzes in der wässerigen Lösung D nachgewiesen werden.

Das Filtrat des basischen Bleisalzes der Milchsäure wurde durch Behandeln mit Schwefelwasserstoff vom Blei befreit, worauf der Schwefel- wasserstoff ausgekocht und Alkohol und Essigsäure mit Wasserdampf ausgetrieben wurden. Dann wurde mit Äther ausgezogen, der Extrakt mit Wasser gewaschen und zur Trockne eingedampft. Der nun ver- bleibende Rückstand F wurde im Vakuum über Phosphorsäureanhydrid durch 4 Tage getrocknet, wobei das Phosphorpentoxyd wiederholt ge- wechselt wurde. Sodann wurde der Rückstand F, der allerdings ganz geringfügig war (er dürfte einige Milligramm betragen haben), in absolut trocknem Äther!) gelöst und zu in Äther suspendiertem Methylmagnesium- jodid (Grignard) zufließBen gelassen.

Es konnte keinerlei Einwirkung wahrgenommen werden. Aus- geführt wurde dieser Versuch, um zu sehen, ob alkohol- oder ketoartige Substanzen entstanden waren, die bekanntlich mit Organomagnesium- verbindungen reagieren.

II.

Wie bereits in Versuch II erwähnt, konnte auf eine Untersuchung der mit Wasserdämpfen nicht flüchtigen, in Äther unlöslichen Substanzen nioht näher eingegangen werden wegen des hohen Phosphorsäuregehaltes des Rückstandes Æ. Deshalb wurde nun auf solche Substanzen in den jetzt folgenden Versuchen III und IV Rücksicht genommen.

200 ccm der Flüssigkeit wurden nach dem Ansäuern mit Salzsäure unter vermindertem Druck (bei 17 mm) bis auf ca. 30 com abdestilliert, diese ausgeäthert und der nun verbleibende wässerige Rückstand W zur näheren Untersuchung verwendet.

Zur Prüfung auf Oxalsäure wurden 10 ccm mit einer ammoniaka- lischen Chlorcaleciumlösung (konz.) versetzt: selbst nach 24 Stunden konnte keine Ausscheidung von Calciumoxalat beobachtet werden.

Dagegen konnte man nach Zusatz von konz. Bariumchloridlösung zur neutralisierten Lösung und längerem Kochen eine schwache Trübung

1) Bei Ausführung der Grignardschen Reaktion ist bekanntlich erforderlich, jede Spur Wasser und Alkohol auszuschließen; der ver- wendete Äther wurde nach Vorschrift über Natrium destilliert.

12*

180 A. Jolles:

konstatieren; ob diese aus bernsteinsaurem Barium bestand, konnte wegen der äußerst geringen Menge nicht festgestellt werden.

Ferner wurden je einige Kubikzentimeter der wässerigen Lösung W mit Ammoniak versetzt, zur Trockne eingedampft und in Wasser auf- genommen und a) mit konz. Chlorzinklösung, b) mit konz. Bleiessig- lösung, c) mit konz. Strontiumchloridlösung versetzt. In keinem der drei Fälle konnte die Bildung eines schwer löslichen Salzes beobachtet werden.

IV.

Zur Prüfung auf Acetessigsäure und Glucuronsäure wurden 200 ccm der Flüssigkeit mit verd. Schwefelsäure angesäuert und wiederholt mit Äther ausgeschüttelt. Die gesammelten Auszüge o wurden zur Prüfung auf Acetessigsäure, die wässerige Lösung f zur Prüfung auf Glucuron- säure verwendet.

ol Die ätherische Lösung enthielt Ameisensäure, Essigsäure und Milchsäure. In Anbetracht des Umstandes, daß Aoetessigsäure in der Wärme sich leicht in Aceton und Kohlensäure spaltet, wurde von einer Destillation und Trennung der Acetessigsäure von den anderen Säuren Abstand genommen. Da Essigsäure, Ameisensäure und Milchsäure in freiem Zustande nicht mit verd. Eisenchloridlösung reagieren, sondern nur in Form ihrer neutralen Salze eine Rotfärbung geben, die Acetessig- säure aber auch in freiem Zustande die charakteristische Weinrotfärbung mit Eisenchlorid liefert, so wurde direkt die ätherische Lösung o mit einigen Tropfen verd. Eisenchloridlösung geschüttelt und stehen gelassen. Es konnte keine Färbung beobachtet werden.

Zur Prüfung auf Glucuronsäure (die sich in der wässerigen Lösung f befinden müßte) wurde nach Tollens verfahren:

60 ccm der wässerigen Lösung f wurden nach dem Auskochen des Athers mit 5 ccm einer 1°/,igen alkoholischen Lösung von Naphtho- resorcin versetzt. Nach Zusatz von 50 ccm konz. Salzsäure wurde über kleiner Flamme 1 Minute lang gekocht, dann 4 Minuten stehen gelassen und hierauf rasch abgekühlt. Nach dem Ausschütteln mit Äther war die Ätherschicht im durchfallenden Lichte schwach gelb gefärbt, während sie im auffallenden Lichte eine stark gelbgrüne Fluorescenz erkennen ließ. (Nach Tollens zeigt aber der Äther bei Anwesenheit von Glucuron- säure eine schön blauviolette Farbe.)

Zur Kontrolle wurde noch der Rest der wässerigen Lösung f mit Bleicarbonat!) versetzt, aufgekocht und filtriert. Bei Gegenwart von Glucuronsäure hätte das wasserlösliche Bleisalz entstehen müssen. Im Filtrate konnte jedoch weder mit Schwefelwasserstoff noch mit Kalium- bichromat und Natriumacetat auch nur eine Spur Blei nachgewiesen werden. Die Gegenwart von Glucuronsäure erscheint demnach aus- geschlossen.

1) Es wurde ein Bleicarbonat benutzt, das durch wiederholtes Kochen mit Wasser von jeder Spur wasserlöslicher Bleisalze befreit war.

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 181

Versuche, ob der Rückstand, der die mit Wasserdämpfen nicht flüchtigen, in Äther unlöslichen Säuren enthielt, auf Organomagnesium- verbindungen reagiert, konnten nicht vorgenommen werden, da die erste Bedingung zur Ausführung der Grignardschen Reaktion fehlte, nämlich die Löslichkeit dieses Rückstandes in absolutem Ather, wasserfreiem Benzol, Toluol oder Xylol. Andere Solvenzien wurden gar nicht heran- gezogen, da die meisten von ihnen, wie Chloroform, Aceton, Tetrachlor- kohlenstoff usw., bekanntlich selbst mit Organomagnesiumverbindungen reagieren.

Resümee. Unter den Oxydationsprodukten aus Dextrose wurden ge- funden: Athylalkohol Essigsäure Ameisensäure Milchsäure.

Nicht aufgefunden werden konnten:

Acetaldehyd Glykolsäure Aceton Oxalsäure Buttersäure Bernsteinsäure ß-Oxybuttersäure Acetessigsäure Glucuronsäure.

Bei den folgenden Oxydationsversuchen wurden ebensolche Untersuchungen durchgeführt.

33. Versuch. Saccharose in ursprünglich 1°/,iger ?/ioo alkalischer Lösung bei Gegenwart von Wasserstoffsuperoxyd.

2,5 g Saccharose wurden in 175 ccm dest. Wasser gelöst, dann 50 ccm H,O, hinzugefügt und mit 25 ccm al, Loupe D, a alkalisch gemacht. Begonnen 15. IV. 1909. Es wurden nun bis 10. V. fast täglich je 10 ccm H,O, (12 Vol.-°/,) zugesetzt, und die Lösung mit der entsprechenden Anzahl Tropfen einer konz. Lauge immer wieder sehr schwach alkalisch gemacht. Vom 6. V. an ging die Säurebildung nunmehr langsam vor sich. Am 13. V. wurde auf 500 ccm aufgefüllt und der Versuch ab- gebrochen; die Flüssigkeit war schwach alkalisch. Die Titration mit Methylrot als Indicator ergab einen Verbrauch von 7,5 ccm 2/ 0-Salzsäure.

Die Drehung betrug +4,7°V., die Phenylhydrazinprobe fiel noch

positiv aus, aber die Krystalle waren undeutlich. Lävulose war (nach Zerstörung des überschüssigen H,O, mittels Ag,O) nach Seliwanoff

182 A. Jolles:

und Borchardt sehr deutlich nachweisbar. In Lösung befand sich kein Silbersalz.

Im ganzen waren zugesetzt worden . . . ..... 363 ccm "/,0-Lauge; davon entfallen für die schwache Acidität des H,O, . 4,8 i und für die restliche Alkalinität . . . . . .. 2.. 7,5 » j

Wirklich verbraucht wurden also ca. 350,0 ccm ?/1o-Lauge.

Demnach entfallen für ein Molekül Saccharose ca. 4,8 Äquivalente Ameisensäure, wenn man mit Rücksicht darauf, daß von Säuren nur Ameisensäure mit Sicherheit aufgefunden wurde, die gesamte gebildete Säure als Ameisensäure in Rechnung zieht.

Untersuchung.

Unter den Oxydationsprodukten der Saccharose in alkalischer Lösung wurden nur Acetaldehyd und Ameisensäure einwandfrei nach- gewiesen.

Äthylalkohol konnte neben Acetaldehyd nicht mit Sicherheit identi- fiziert werden.

Milchsäure war, wenn überhaupt, so nur in Spuren vorhanden.

Nicht gefunden wurden:

Aceton, Essigsäure, Buttersäure, f-Oxybuttersäure, Bernsteinsäure, Oxalsäure, Acetessigsäure, Glykolsäure, Glucuronsäure?

Mit salzsaurem Phenylhydrazin und Natriumacetat konnte nach kurzem Kochen ein Phenylhydrazinderivat isoliert werden, das gelbbraun und in Wasser äußerst wenig löslich war und aus verdünntem Alkohol umkrystallisiert werden mußte. 3 mal umkrystallisiert, schmolz dieses Produkt bei 204,5°C (unkorr.), wobei Zersetzung unter Aufbrausen und Schwarzfärbung eintrat. In Äther und in Aceton löste sich diese Phenyl- hydrazinverbindung Jeicht, schwerer dagegen in Ligroin; sie reduzierte Fehlingsche Lösung nicht! (Das Dextrosazon reduziert Fehlingsche Lösung stark!)

Mit asymmetrischen Methylphenylhydrazin konnte nach der Vor- schrift von Neuberg!) kein krystallisiertes Produkt erhalten werden.

Nachdem in der ursprünglichen Lösung das überschüssige H,O, und der Aldehyd zerstört und die Ameisensäure ausgetrieben worden waren, entstand beim Kochen eines Teiles derselben mit CaCO, ein Ca-Salz, das nach dem Abfiltrieren vom unveränderten CaCO, im Filtrate mit Weingeist gefällt werden konnte. Dieses Ca-Salz war chlorhaltig, redu- zierte Fehlingsche Lösung und zeigte die Reaktion von Tollens auf Glucuronsäure. Der Ca-Gehalt betrug 32,27°/,. Es konnte nicht ver- goren werden.

Nun wurde ein Teil der ursprünglichen Lösung zunächst vergoren und dann wieder das Ca-Salz hergestellt. Es war diesmal chlorfrei und reduzierte Fehlingsche Lösung nicht, zeigte aber wieder die Reaktion von Tollens.

1) Ber d. Deutsch. chem. Ges. 35, 359, 1902.

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 183

34. Versuch. Oxydation von Saccharose in neutraler Lösung bei Gegenwart von H,O,.

10 g Saccharose wurden in 200 ccm dest. Wasser gelöst und 50 ccm H,O, zugesetzt. Täglich wurden je 10 ccm, im ganzen mit dem ersten Zusatz 140 ccm H,O, zugesetzt. Zum Schluß wurde auf 500 ccm aufgefüllt.

Begonnen: 7. VII, abgeschlossen 17. VII.

Die Titration ergab, berechnet auf die ganze Flüssigkeitsmenge,

einen Verbrauch von . . . . . 70,0ccm ?/ ,„"Lauge auf die Acidität des H,O, entfielen . . 22

entstandene Säure äquivalent 67,8 ccm al, Lauge

Es hat sich also pro g Saccharose Säure entsprechend 0,68 ccm al Lauge gebildet. Die Drehung betrug 3,7° V.

Die Untersuchung dieser Lösung beschränkte sich auf die Isolierung des Ca-Salzes. Zu diesem Zwecke wurden 450 ccm mit HCl angesäuert und im Wasserdampfstrom die Ameisensäure ausgetrieben. Es wurden ca. 11/, 1 Destillat aufgefangen, wobei die letzten übergehenden Tropfen noch immer schwach saure Reaktion zeigten. Sodann wurde der De- stillationsrückstand, dessen Menge sich auf ca. 40 ccm belief, mit verd. KOH in der Kälte neutralisiert und mit wenigen Tropfen einer verd. Weinsäure Lösung schwach angesäuert, hierauf mit Hefe versetzt und ca. 24 Stunden bei 37° C stehen gelassen. Es entwickelten sich große Mengen Kohlensäure, weshalb nach dieser Zeit abermals etwas Hefe zugegeben und neuerdings ca. 12 Stunden bei 37° C stehen gelassen wurde. Sodann wurde filtriert und die klare Lösung mit Salzsäure versetzt (um die organischen Säuren, die in Form ihrer Kalisalze vor- lagen, in Freiheit zu setzen) und mit überschüssigem CaCO, längere Zeit am Rückflußkühler gekocht, bis die Flüssigkeit neutrale Reaktion zeigte. Nach dem Abfiltrieren vom überschüssigen CaCO, in der Hitze wurde die Lösung auf dem Wasserbade eingeengt und mit Alkohol ver- setzt. Es schieden sich kleine Kryställchen aus, die nach dem Absaugen und Waschen mit Alkohol aus verd. Alkohol umkrystallisiert wurden.

Dieses Ca-Salz zeigte wieder wie bei den vorhergehenden Versuchen die Tollenssche Glucuronsäure-Reaktion sehr deutlich; auch die Bialsche Pentosen-Reaktion fiel positiv aus, jedoch nur mit einer größeren Menge Substanz.

An eine quantitative Analyse des Ca-Salzes konnte nicht geschritten werden, da seine Menge sehr gering war. Aus 450,0 ccm Lösung konnten blos 0,3 g unreines Ca-Salz gewonnen werden. Nach der Reinigung, die hauptsächlich in der Entfernung von Zucker bestand, blieben nur‘ noch ca. 0,1 g Ca-Salz zurück.

184 A. Jolles:

35. Versuch. Oxydation von Saccharose in ursprünglich ca. 2°/ iger Daa alkalischer Lösung bei Gegenwart von Wasser- stoffsuperoxyd.

20 g Saccharose wurden in 1000 ccm #/, "Natronlauge gelöst und mit 125 ccm H,O, (12 Vol.-°/,) versetzt. In der Folge wurden fast täglich anfangs 20 ccm, später je 10 ccm H,O, zugefügt und die Lösung bei Eintritt saurer Reaktion wieder ?/ œo alkalisch gemacht. Zum Schluß wurde mit dest. Wasser auf 21 aufgefüllt.

Begonnen 11. V., abgeschlossen 30. VI. 1909.

Zugesetzte Laugenmenge . 263,4 ccm al Lauge Schlußalkalinität (Methylrot) 28,0 ,, o Acidität des H,O, (555 ccm) 1,8 ,, 8

233,6 ccm "/,-Lauge = 1168 sl, Drehung: + 1,35° V.

Untersuchung.

100 com der Lösung wurden mit H,PO, angesäuert und mit Wasser- dampf destilliert. Das Desstillat A betrug 1000 ccm, wovon 500 com mit ?”/io-Lauge titriert wurden, der Rest des Destillates wurde zur Be- stimmung der Ameisensäure verwendet (siehe diese). 500 ccm ver- brauchten 29,1 ccm *"/,o-Lauge; daraus ergibt sich die Gesamtmenge flüchtiger Säuren 1159,7 cem °/,o-Säuren.

Nachgewiesen wurden Acetaldehyd und Ameisensäure.

500 ccm des Destillates A gaben 1,3679 g HgCl, auf die Gesamt- menge umgerechnet 5,3440 g Ameisensäure 1161,7 ccm "/,0-Säure.

Alkohol nicht vorhanden.

Essigsäure nicht vorhanden.

Buttersäure nicht vorhanden.

Oxalsäure nicht vorhanden.

Bernsteinsäure nicht vorhanden.

Milchsäure nicht vorhanden.

Glykolsäure nicht vorhanden.

Acetessigsäure nicht vorhanden.

Glucuronsäure?

Die Saccharose-Lösung enthielt, nach Beendigung des. Versuches in Lohnsteins Saccharometer untersucht, 0,34°/, Zucker.

Nach dem Verjagen der flüchtigen Säuren konnte wieder eine ge- ringe Menge (0,1 g) eines Ca-Salzes erhalten werden (durch Kochen mit CaCO, und Fällen des Filtrates mit Alkohol), das die Tollenssche Reaktion auf Glucuronsäure zeigte.

Nach Zerstörung des überschüssigen H,O, mittels Platinmohr wurde ein Phenylhydrazinderivat erhalten, das bei 204,0° C schmolz (unter

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 185

Zersetzung), gelb, krystallinisch, in Alkohol leicht löslich, schwer löslich in Wasser war, und Fehlingsche Lösung reduzierte, also sich genau so verhielt wie Phenylglucosazon.

Nach Vergären konnte keine Phenylhydrazin - Verbindung mehr erhalten werden.

36. Versuch.

2,5 g Saccharose-+200 cem Wasser + 50ccm H,0,(12Vol.-°/,), täglich 10 ccm H,O, zugefügt, bis das Gesamtvolumen 500 ccm betrug. Begonnen am 29. IV. 1909, abgeschlossen am 5. VI. 1909. Zur Titration von 25 ccm verbraucht 15,2 cem ?/ o- Lauge; ab für Acidität des enthaltenen H,O, 0,2 ccm ?/, „-Lauge. 15,0 ccm "/ „-Lauge waren somit zur Neutralisation von 25 ccm Lösung erforderlich. Aus 0,125 g Saccharose sind 15 ccm n/ o Säure entstanden. Im ganzen wurden gebildet 300 ccm n/ o Säure = 1,380 g Ameisensäure.

Nur Acetaldehyd und Ameisensäure waren einwandfrei nachzu- weisen. Alkohol konnte neben Aldehyd nicht mit Sicherheit identifiziert werden. Milchsäure war, wenn überhaupt, so nur in Spuren vorhanden.

Glucuronsäure (?).

An Ameisensäure wurden im ganzen 1,156 g gefunden. 20 ccm Lösung wurden mit Wasserdampf destilliert (nach Zerstörung des Alde- hyds und des überschüssigen H,O,, sowie nach Zusatz von H,PO,), und das Destillat auf 500 ccm aufgefüllt. In 300 ccm wurde die Ameisensäure bestimmt. Es wurden 0,2841 g HgCl erhalten.

Nicht vorhanden waren: Aceton, Essigsäure, Buttersäure ß-Oxy- buttersäure, Oxalsäure, Bernsteinsäure, Acetessigsäure, Glykolsäure.

Die ursprüngliche Lösung gab mit Phenylhydrazin kein Osazon und gärte nicht. Nach Zerstörung des überschüssigen H,O, und des Alde- hyds und der Vertreibung der Ameisensäure gab sie mit CaCO, ein Ca-Salz, das Fehlingsche Lösung nicht reduzierte, aber die Reaktion von Tollens sehr deutlich zeigte. Interessant ist, daß Neuberg bei seinen Untersuchungen über die ‚chemischen Umwandlungen durch Strahlen- arten‘“1) aus der Glucose eine Substanz erhielt, die positive Pentosen- reaktion mit Orcin gab. Auch hat Neuberg bei der Stromeinwirkung auf Glucose, Fructose und Rohrzucker Reaktionsprodukte erhalten, die schwache Orcin- und starke Naphthoresorcinprobe lieferten.?)

Nachweis von Aldehyd. Daß der durch fuchsinschweflige Säure nachgewiesene Aldehyd Acetaldehyd war, ließ schon der charakteristische Geruch der niedrig siedenden Fraktionen vermuten. Zur Feststellung, ob Form- oder Acetaldehyd vorlag, wurden die niedrigst siedenden Fraktionen gesammelt und mit Chromsäure ca. !/, Stunde am Rück- flußkühler erhitzt. Nach dieser Zeit wurde !/, der oxydierten Lösung

1) Diese Zeitschr. 13, 309, 1908. 2) Diese Zeitschr. 17, 274 und 275, 1909.

186 A. Jolles:

am absteigenden Kühler abdestilliert, mit Ammoniak versetzt und eingeengt. Die Lösung zeigte alle Reaktionen der Essigsäure (mit FeCl, und AgNO,). Nur Acetaldehyd konnte bei der Oxydation mit Chrom- säure Essigsäure liefern.

37. Versuch. Arabinose mit Wasserstoffsuperoxyd.

5 g Arabinose wurden in 200 ccm dest. Wasser gelöst, 50 ccm H,O, (12 Vol.-°/,) zugesetzt und mit Natronlauge ?/ oo alkalisch ge- macht. Fast täglich wurden je Beem H,O, zugegeben, außerdem wurde die Lösung bei Eintritt saurer Reaktion immer wieder al, 0 alkalisch gemacht. Zum Schlusse wurde auf 500 ccm aufgefüllt.

Begonnen 19. V., abgeschlossen 30. VI. 1909. Zugesetzte Laugenmenge . . . 97,8 com ?/2-Lauge Schlußalkalinität (Methylrot) . 12,0 = Acidität des H,O, ..... 1,0 ee era E

Untersuchung.

100 ccm wurden mit H,PO, angesäuert und mit Wasserdampf destilliert. Destillat A 1000 ccm, davon 100 ccm mit ?/,0o-Lauge titriert: Verbrauch 8,4 ccm; auf Gesamtmenge umgerechnet ergeben sich 420,0 ccm ?/,0-Säure, die mit Wasserdampf flüchtig war.

Nachgewiesen wurden mit Sicherheit nur Acetaldehyd und Ameisen- 250,0 ccm des Destillates A gaben 0,9342 He) = 0,0913 g Ameisen- säure, auf die Gesamtmenge umgerechnet 396,8 ccm ?/,„-Ämeisensäure 1,8260 g.

Nicht aufgefunden wurden: Essigsäure, Buttersäure, Milchsäure, Glykolsäure, Oxalsäure, Bernsteinsäure, Acetessigsäure.

Glucuronsäure?

Ferner konnten durch Kochen der Lösung die von Acetaldehyd, H,O, und Ameisensäure befreit und mit Salzsäure angesäuert war, mit CaCO, und Fällen des Filtrates mit Alkohol ca. 0,07 g eines Ca-Salzes isoliert werden, das uach 2maligem Umkrystallisieren aus verd. Alhohol die Naphthoresorcin-Reaktion zeigte.

Mit essigsaurem Phenylhydrazin wurden einige Flocken einer im Wasser unlöslichen gelben Substanz isoliert. Die Menge war jedoch so gering, daß es nicht gelang, die Substanz umzukrystallieren und den Schmelzpunkt zu bestimmen.

Das Ca-Salz zeigte außer der Naphthoresorcin-Reaktion!) von Tollens die Bialsche Pentosen-Reaktion (Orcin FeCl; + HCl).

1) Nach Neuberg (diese Zeitschr. 13, 148, 1908 und 24, 436, 1910) fällt diese jedoch auch bei den Homologen der Glucuronsäure und über- haupt bei vielen Carbonylsäuren positiv aus, und ist demnach für Glu- curonsäure nicht charakteristisch.

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 187

38. Versuch.

Oxydation der Arabinose in neutraler Lösung mit HO.

5 g Arabinose wurden in 100 ccm dest. Wasser gelöst und 50 ccm mit 0,8 ccm ?/ Lounge neutralisiertes H,O, hinzugefügt. Die Drehung wurde nach 20stündigem Stehen der DÉI, (gen rein- wässerigen Lösung mit 18,9° bestimmt. Fast täglich wurden je 10 com H,O,, im ganzen 200 ccm H,O, hinzugefügt. Zum Schlusse wurde auf 500 ccm aufgefüllt. Begonnen 24. VI., abgeschlossen 17. VII. 1909.

Zur Neutralisation der Leg. wurden verbr. 240,0 com ?/ -Lauge Acidität des H,O, . 32 = Totalacidität 236,8 ccm 2/ -Lauge

Es hat sich also pro Gramm Arabinose Säure entsprechend 4,174 ccm al -Lauge gebildet. Die Drehung war auf 3,4° V. gefallen.

Die Untersuchung beschränkte sich auf die quantitative Bestimmung der Ameisensäure, ferner auf die Prüfung auf Milchsäure, Essigsäure und Aldehyd. 100 ccm wurden mit H,PO, angesäuert und im Wasserdampf- strome destilliert. Vol. des Destillates 1000 ccm (a); davon ver- brauchten 250 ccm 18,7 ccm ?"/,o-Lauge. Daraus berechneten sich 374,0 ccm ?/,o-Säuren, die mit Wasserdampf flüchtig waren.

Aldehyd vorhanden.

Ameisensäure: 250 com des Destillates gaben (a) 0,8761 e HgCl 0,08561 g Ameisensäure; auf die Gesamtmenge umgerechnet = 1,710 34 g Ameisensäure 371,7 ccm ?/,„-Ameisensäure,

Essigsäure nicht vorhanden.

Milchsäure nicht vorhanden.

Ca-Salz: Nach Übertreiben der Ameisensäure mit Wasserdamf und Ansäuern mit Salzsäure wurde die Lösung mit CaCO, gekocht, filtriert und das Filtrat mit Alkohol versetzt: es schieden sich Spuren eines Ca-Salzes aus, die nicht einmal auf einem Filter gesammelt werden konnten.

39. Versuch. Oxydation der Arabinose in ®/,„„-Lauge ohne H,O,!

5 g Arabinose wurden in 500 ccm dest. Wasser gelöst, die durch 50 ccm sl, „-Natronlauge pl, alkalisch gemacht worden waren. Sooft neutrale Reaktion auftrat, wurde immer wieder

mit je 10 ccm ?/ -Natronlauge ungefähr ?/ oo alkalisch gemacht.

Es sei hier bemerkt, daß saure Reaktion nie beobachtet wurde. Nachdem sich zum Schluß durch 18 Tage keine Änderung der Alkali- konzentration gezeigt hatte, wurde mit dest. Wasser auf 1 Liter auf- gefüllt und der Versuch abgeschlossen.

188 A. Jolles:

Begonnen 10. V. 1909, abgeschlossen am 6. VII. 1909.

Zugesetzte Laugenmenge . . . ... . 110 ccm °/,-Lauge Restliche Alkalinität (Methylrot) . . . 10 er Verbrauchte Lauge . . ... 2... 100 cem ?/3-Lauge

Auf 1l g Arabinose hat sich also Säure entsprechend 10 cem si: Lauge gebildet. Die Drehung betrug + 0,1° V. Die Drehung der unver- änderten Lösung hätte 3,05% V. betragen müssen.

Zur Untersuchung wurden 100 ccm entnommen und hiervon etwa 25 ccm abdestilliertt. Im Vorlaufe wurde auf Aldehyd geprüft sowie auf Alkohol. Die restlichen ca. 75 ccm wurden mit ca. 2 com H,PO, (spez. Gew. 1,7) angesäuert und im Wasserdampfstrom destilliert: Destillat 1000 eem (a). 200 ccm wurden mit ?/,„-Lauge titriert. Ver- brauch 2,8 ccm; demnach 140 ccm ?”/,.-Säuren, die mit Wasserdämpfen flüchtig waren.

Acetaldehyd nicht vorhanden.

Alkohol nicht vorhanden.

Ameisensäure vorhanden, Es gaben 200 ccm des Destillates (a) 0,1268 g HgCl = 0,01238 g Ameisensäure; im ganzen gefunden 0,6190 g Ameisensäure 134,5 ccm ?/,„-Säure.

Milchsäure nicht vorhanden.

Oxalsäure nicht vorhanden.

Glykolsäure nicht vorhanden.

Acetessigsäure nicht vorhanden.

Buttersäure nicht vorhanden.

Glucuronsäure nicht vorhanden.

Essigsäure nicht vorhanden.

Eine sehr geringe Menge eines Ca-Salzes konnte gewonnen werden (aus 500 ccm ursprünglicher Lösung 0,103 g Ca-Salz). Dieses Ca-Salz gab aber weder die Tollenssche Glucuronsäure- Reaktion, noch die Bialsche Pentosen-Reaktion.

40. Versuch. Oxydation der Lävulose in alkalischer Lösung mit HO.

2,5 g Lävulose wurden in 250 ccm ?/ oo- Natronlauge ge- gelöst. Hierzu wurden anfangs 50 ccm H,O, und in der Folge fast täglich je 10 ccm, im ganzen 300 ccm zugesetzt. Bei Eintritt saurer Reaktion wurde immer wieder ca. Blo alkalisch gemacht; schließlich wurde auf 500 ccm aufgefüllt.

Begonnen 8. IV., abgeschlossen 13. V. 1909.

Zugesetztes Alkali. . . . 215,8 ccm ?/ -Lauge

Acidität des H,O, . . . 4,8 „, » 211,0 ccm al, o- Lauge Restliche Alkalinität. . . 110 7

Verbrauchtes Alkali . . . 200,0 ccm R/,."Lauge

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 189

Es hatsich also pro Gramm LävuloseSäureentsprechend 8ccm°/,-Lauge gebildet, das sind 1,5 Äquivalente Ameisensäure. Drehung: 0,6% V. Phenylhydrazinprobe schwach positiv (nach Zerstörung des H,O, mit Ag-O), Lävulosereaktion nach Borchardt positiv, nach Seliwanoff undeutlich.

Die Untersuchung erstreckte sich der Hauptsache nach auf die quantitative Bestimmung der Ameisensäure und die Prüfung auf Milchsäure und Essigsäure.

100 com wurden mit H,PO, angesäuert und mit Wasserdampf destilliert: Destillat (1) 1000 ccm; davon verbrauchten 250 ccm 10,1 com &/ o-Lauge; daraus ergeben sich 202,0 ccm "/,,-Säure, die mit Wasser- dampf flüchtig war.

Aldehyd vorhanden.

Ameisensäure vorhanden. 250 ccm des Destillates (1) gaben 0,4844 g HgCl = 0,04734 g Ameisensäure. Auf die Gesamtmenge umgerechnet = 0,9468 g Ameisensäure 205,8 ccm °/,,„-Säure.

Essigsäure nicht vorhanden.

Milchsäure nicht vorhanden.

Ein Ca-Salz konnte nicht erhalten werden (durch Kochen der von Ameisensäure befreiten Lösung mit CaCO,).

41. Versuch. Oxydation von Invertzucker in neutraler Lösung mit H,O,. 20 g käuflicher Invertzucker wurden in 400 ccm Wasser gelöst und 100 com mit 1,6 ccm ?/io-Lauge neutralisiertes H,O, hinzugefügt; in der Folge Zusatz von je 10 ccm, in Summe 170 cem Das Die Lösung wurde schließlich auf 1 l aufgefüllt. Begonnen: 26. VI. Abgeschlossen: 17. VII. 1909. Zur Titration verbraucht im ganzen 385,0 ccm ?/,„-Lauge Acidität des H,O, . . . 2.2... 2,7 » SS Verbrauchtes Alkali 382,3 com ?/1o-Lauge Es hat sich also pro Gramm Invertzucker Säure entsprechend 1,9 com ®/,-Lauge gebildet. Drehung am Schlusse 0,6° V. Vom 19. VII. bis 25. VII. wurden täglich 20 ccm H,O, (12 Vol.-%/,) zugegeben. Am 26. VII. wurde auf 1500 com aufgefüllt. Drehung 0,3° V.

Zur Titration verbraucht im ganzen 535,5 ccm °/,„-Lauge Acidität des H,O, . .. 2.2... 21 = ge Verbrauchtes Alkali 532,8 ccm °/,o-Lauge

Untersuchung: 10 ccm wurden mit 2 ccm H,PO, (spez. Gew. 1,7) angesäuert und mit Wasserdampf destilliert. Destillat (a) = 1000 ocm. 250 ccm davon wurden mit 8,9 ccm °/,o-Lauge neutralisiert; es ergeben sich daraus 534,0 com "/,,„-Säure, die mit Wasserdampf flüchtig war.

Aldehyd nicht vorhanden.

Ameisensäure vorhanden, und zwar gaben 250 com des Destillates (a) 0,4200 g He = 0,04103 g Ameisensäure. Auf die Gesamtmenge um- gerechnet 2,4618 g Ameisensäure 534,6 ccm °/]0-Säure.

190 A. Jolles:

Essigsäure nicht vorhanden.

Milchsäure nicht vorhanden.

Glucuronsäure nicht vorhanden.

Es konnte nur eine Spur eines Ca-Salzes erhalten werden, das die Fehlingsche Lösung nioht reduzierte. Die Bialsche Pentosen- reaktion und die Tollenssche Glucuronsäurereaktion fielen negativ aus.

42. Versuch. Oxydation von frisch hergestelltem Invertzucker in neutraler Lösung mit HO.

10 g Saccharose wurden durch Kochen mit 10 com Se HBC, in- vertiert, mit 10 com ®/,o-Lauge neutralisiert und auf 200 ccm aufgefüllt. Die Drehung betrug 5,75° V. Dann wurden 50 ccm H,O, hinzu- gefügt. In der Folge betrug der jedesmalige H,O,-Zusatz je 10 ccm. Im ganzen wurden 170 ccm H,O, verwendet. Schließlich wurde auf 500 ccm aufgefüllt.

Begonnen: 3. VII., beendet: 17. VII. 1909.

Titration ber. a. d. ganze Flüssigkeitsmenge 192,5 ccm "/,0-Lauge Acidität des H,O, . . 2. 2 2 2 2 2000. 27 v nu

Gesamtmenge der Säure ca. 190 ccm ?/,„-Lauge ent- sprechend.

Pro Gramm Invertzucker hat sich also Säure äquivalent 1,9 ccm Si Loupe gebildet. Drehung am Schlusse 1,75° V.

Die Untersuchung umfaßte die Prüfung auf Aldehyd, Essigsäure, Milchsäure und die Bestimmung der Ameisensäure.

100 ecm wurden mit 2 ccm H,PO, (spez. Gew. 1,7) versetzt und im Wasserdampfstrom destilliert. Destillat (a) = 1000 ccm.

Davon wurden 250 ccm mit ?/io-Lauge titriert: Verbrauch 20,4 ccm, auf die Gesamtmenge bezogen ergeben sich 408,0 ccm "/,,-Säure, die mit Wasserdämpfen flüchtig war.

Aldehyd nicht vorhanden.

Ameisensäure vorhanden, und zwar gaben 250 com des Destil- lates (a) 0,9592 g HgCl= 0,09371 g Ameisensäure. Auf die Gesamt- menge berechnet 1,8742 g 407,3 cem Se Säure.

Essigsäure nicht vorhanden.

Milchsäure nicht vorhanden. i

Es konnte nur eine kleine Menge eines Ca-Salzes erhalten werden (etwa 0,04 g). Dieses zeigte nicht die Tollenssche Glucuronsäure- reaktion.

43. Versuch. Oxydation von Maltose in neutraler Lösung mit H,0,.

20 g Maltose wurden in 200 ocm Wasser gelöst, 50 ccm H,O, zu- gefügt und mit 0,8 ccm ?/iọo-Laugeo neutralisiert, Es wurden in der Folge fast täglich je 10 ccm H,O, zugesetzt, im ganzen 160 com. Schließ- lich wurde mit dest. Wasser auf 500 ccm aufgefüllt.

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 191

Begonnen: 29. VI., abgeschlossen 17. VII. 1909. Zur Titration verbraucht im ganzen 275,0 ccm Silo Lauge Acidität des H,O, . ..:. 2... 26 ,„ M Gesamtmenge der Säure 272,4 ccm Se Loupe ent- sprechend.

Bis dahin hatte sich also pro Gramm Maltose Säure entsprechend 1,36 ccm ®/,-Lauge gebildet. Drehung: 11,75° V.

Vom 19. VII. bis 25. VII. wurden täglich 20 cem H,O, (12°/,ig) zu- gegeben. Am 26. VII. 1909 wurde auf 1000 com aufgefüllt. Drehung: +5,30 V.

Titration ber. a. d. ganze Flüssigkeitsmenge 336,0 cem Se Lange Acidität des HO. 2 2 2 2000. 26 ,„ Si

3

Gebildete Säure äquivalent 333,4 ccm °/,„-Lauge

Untersuchung: 100 ccm wurden mit H,PO, angesäuert und der Wasserdampfdestillation unterworfen. Destillat (a) 1000 ccm. 250 ccm dieses Destillates (a) verbrauchten zur Nentralisation 8,3 ccm ?/,„-Lauge. Auf die Gesamtmenge berechnet 332 ccm ?/,„-Säure, die mit Wasser- dämpfen flüchtig war.

Es gaben 250 ccm des Destillates (a) 0,3880 g HgCl = 0,03791 g Ameisensäure. Auf die Gesamtmenge bezogen = 1,5164 g Ameisen- säure = 329,5 ccm ?/,0-Säure.

Aldehyd nicht vorhanden. Essigsäure nicht vorhanden.

Milchsäure nicht vorhanden.

Gluouronsäure mit großer Wahrscheinlichkeit vorhanden.

Ca-Salz. Die Lösung wurde behufs Gewinnung des Ca-Salzes mit Äther oftmals und lange ausgeschüttelt, um die Hauptmenge der Ameisen- säure zu entfernen. Sodann wurde der Äther durch Erwärmen auf dem Wasserbade vertrieben, und die Lösung mit CaCO, so lange gekocht, bis neutrale Reaktion konstatiert werden konnte. Die vom überschüssigen CaCO, abfiltrierte Lösung wurde auf dem Wasserbade auf ca. 15 ccm eingeengt. Durch Zusatz von wenig Alkhohol wurde die Krystallisation eingeleitet, die alsbald von selbst fortschritt. Nach 12 Stunden wurden die ausgeschiedenen Kryställchen auf einem Filterchen gesammelt und mit sehr verdünntem Alkohol ausgewaschen. Durch Lösen in wenig Wasser und Zusatz von Alkohol wurde das Ca-Salz gereinigt. Diese Operation wurde 2mal ausgeführt: es resultierten aus 200 ccm ursprüng- licher Lösung ca. 0,13 g Ca-Salz.

Dieses Ca-Salz zeigte äußerst stark die Tollenssche Glucuron- säurereaktion; selbst ganz geringe Mengen gaben eine sehr stark violett- rot gefärbte Ätherschicht. Die Bialsche Pentosenreaktion fiel positiv aus. Fehlingsche Lösung wurde reduziert.

Das 2mal gereinigte Ca-Salz wurde zu einer Ca-Bestimmung ver- wendet.

Ca-Bestimmung: 0,0820 g Ca-Salz (welches bei 105° C im Vakuum getrocknet wurde) gaben 0,0255 g CaSO, = gefunden 9,16°/, Ca, be- rechnet für Ca[C,H,0,], (glucuronsaures Calcium) = 9,43°/, Ca. Das

192 A. Jolles:

Resultat zeigt zwar nicht glänzende Übereinstimmung mit dem berech- neten Werte, läßt aber doch mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auf Glu- curonsäure schließen.

44. Versuch. Oxydationen von Dextrose mit Silberoxyd bei 37° C in Bloe alkalischer Lösung.

0,5 g Dextrose wurden in 500 ccm ?/ oo- Natronlauge gelöst. Gleichzeitig wurde frisch bereitetes Ag,O eingetragen. Bei Ein- tritt saurer Reaktion wurde mit einigen Tropfen konz. Lauge wieder alkalisch gemacht, ebenso wurde öfter frisch bereitetes Ag,O in kleinen Portionen hinzugefügt.

Begonnen: 16. IV.; bis 30. IV. wurden im ganzen ca. 56 ccm ?/io- Lauge zugesetzt. Während des Prozesses wurde heftige Gasentwicklung sowie Bildung eines Silberspiegels beobachtet. Vom 30.IV. bis 8. VII. blieb die Lösung ruhig im Trockenschrank stehen. Während dieser Zeit schied sich scharf eine klare Flüssigkeit von einem grauweißen Silber- niederschlage. Sie zeigte schwach alkalische Reaktion und eine Drehung von 4 0,1° V. (Drehung der ursprünglichen Lösung + 1,5° V.) Der Silberspiegel war vollständig verschwunden.

Untersuchung: Der Niederschlag wurde abfiltriert, mit Wasser ge- waschen und bei 50° im Vakuum getrocknet. Sein Gewicht betrug 4,2860 g.

Die qualitative Analyse ergab, daß kein Silbersalz vorlag (aus der Unlöslichkeit in Wasser, Ammoniak, Cyankalium usw.), sondern metalli- sches Silber. Die quantitative Untersuchung bestätigte dies. 0,5890 g Substanz gaben 0,7799 g AgCl = 0,5867 g Ag = 99,60°/, Ag.

Das Filtrat wurde auf 200 ccm aufgefüllt. Die Lösung enthielt sehr geringe Mengen (Spuren) von Aldehyd, keine Essigsäure. Ameisen- säure war vorhanden, und zwar gaben 100 ccm des Filtrates 0,7386 g HgCl = 0,0721 g Ameisensäure. Auf die Gesamtmenge umgerechnet = 0,1442 g Ameisensäure 31,4 com ?/,0-Säure.

45. Versuch. Oxydation von Lävulose mit Silberoxyd bei 37° C in San alkalischer Lösung.

Anordnung wie in Versuch 43. Laugenverbrauch: 49 ccm n/ 0-Lauge, Schlußreaktion deutlich alkalisch, Drehung —0,15°V, ursprüngliche Drehung V. Versuchsdauer gleich der bei der Dextrose. .

Untersuchung: Der Niederschlag wurde abfiltriert, mit Wasser ge- waschen und bei 50°C im Vakuum getrocknet. Sein Gewicht betrug 4,4889 g.

Die qualitative Untersuchung des Niederschlags ergab auch hier nur metallisches Silber. Die quantitative Analyse bestätigte dies: 0,5889 g Substanz gaben 0,7793 g AgCl = 0,5863 g Ag = 99,56°/, Ag.

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 193

Das Filtrat wurde auf 200 ccm aufgefüllt. Die Lösung enthielt weder Aldehyd noch Essigsäure, aber Ameisensäure. Es gaben 100 com 0,2765 g HgCl = 0,0270 g Ameisensäure. Auf die Gesamtmenge umge- rechnet 0,0540 g = 11,7 ccm "/,„-Ameisensäure.

Silberoxyd wirkt somit ähnlich wie Wasserstoffsuperoxyd.

Bei den Versuchen mit Saccharose unter Zusatz von H,O, in alkalischer Lösung fand ich immer zum Schluß eine Rechts- drehung. Glucose konnte als Phenylglucosazon nachgewiesen werden, Lävulose mittels der Seliwanoffschen Reaktion.

Da Rohrzucker selbst in der Lösung nicht vorhanden war, mußte ich annehmen, daß die Saccharose in alkalischer Lösung durch H,O, derart zersetzt wird, daß zum Schluß ein Über- schuß von Glucose zurückbleibt. Vielleicht ist diese Tatsache von einiger Wichtigkeit für die Erklärung der Frage, warum bei Diabetes in der Regel Dextrose im Harne vorgefunden wird. Aus zwei Versuchen, die mit Saccharose ausgeführt wurden, sieht man, daß in beiden Fällen (Nr. 32 und 35) die verschwundene Saccharose nahezu 5 bzw. 4 Aquivalente Säure ge- liefert hat, die, wie Versuche ergeben haben, Ameisensäure ist.

Auch die Arabinose lieferte, mit H,O, in alkalischer Lösung behandelt, enorme Mengen von Säure.

Die Oxydationsversuche von Dextrose und Lävulose mit Silberoxyd ergaben dieselben Resultate wie mit Wasserstoff- superoxyd.

Das Resultat der obigen Untersuchungen ist, daß bei den Oxydationsversuchen, wie ich sie ausgeführt habe, hauptsächlich Ameisensäure entsteht. Daneben lassen sich oft Acetaldehyd, Alkohol, Essigsäure, Milchsäure und manchmal auch Glucuron- säure nachweisen.

Milchsäure wurde nur in rein alkalischer Lösung gefunden, nicht aber bei Gegenwart von Oxydantien. Dagegen war die Menge der flüchtigen Fettsäuren in letzterem Falle größer.

Einwirkung von Formaldehyd auf alkalische Dextrose- lösungen.

Das vorwiegende Auftreten von Ameisensäure bei der Oxydation alkalischer Zuckerlösungen ließ es wünschenswert erscheinen, eine Untersuchung über die Einwirkung von Form- aldehyd auf alkalische Zuckerlösungen durchzuführen. Im

folgenden sind die Resultate der Experimente wiedergegeben. Biochemische Zeitschrift Band 29. 13

194 A. Jolles:

46. Versuch. Versuchsdauer: 72 Stunden bei 37 bis 39° C. Stammlösung a: 14,4 g Dextrose in 1000 ccm.

» p: 30,08 ž , 1000 , Ver- Zusammensetzung der Lösung Nach 72* (37 bis 390 C) such com | %, beobachtete Drehung j [1% ccm Stammlösung oe |=0,96°/, Dextrose +3,10 V +50 ccm Wasser —1°/, Dextrose 100 com Stammlösung æ |=0,96°/, Dextrose 4 1,90 V +7,5 ccm ?/,0o-Lauge 0,50°/, Form- | = 0,621°/, Dextrose 1A | +1,88 ccm Formaldehyd aldehyd (40°/,) in "/200-Lauge + 40,62 ccm Wasser 100 ccm Stammlösung æ |=:0,96°/, Dextrose + 1,90 V + 15 ccm ?/io-Lauge 1,00°/, Form- | = 0,621 °/ Dextrose 1 B | +3,75ccm Formaldehyd aldehyd (40°/,) in ”/j00-Lauge + 31,25ccm Wasser 100 ccm Stammlösung oe |=-0,96°/, Dextrose 4 1,90 V + 30 ccm "ao o-Lauge 2,0°/, Form- | = 0,621°/, Dextrose 1CI +7,5 ormaldehyd aldehyd (40 in ®/so-Lauge +12 m E Wasser 47. Versuch.

Væl Eee, Zusammensetzung der Lösung [Nach 72h (97 bi gës Nach 72» (37 bis 390 C) such beobachtete obaphtete Drehung 100 ccm Stammlösung ZB |=2°/, Dextrose + 6,250 V

-+ 50 ccm Wasser = 20/ Dextrose 100 cem Stammlösung | = 2°0/, Dextrose +4,20 V -+7,5 oom "/,-Lauge 1°/, Formalde- | = 1,373°/, Dextrose 2A | +3,76ccm Formaldehyd} hyd (40°/,) in ”/joo-Lauge + 38,7 com Wasser 100 ccm Stammlösung P | = 2°/, Dextrose +4,20 V + 15,0 com ?/,-Lauge 20/ Formalde- | = 1,373°/, Dextrose 2B | +7,5ccm Formaldehyd | hyd (409/0) in ®/so-Lauge + 27,5 ccm Wasser 100 ccm Stammlösung $ |==2°), Dextrose +4,45° V + 30 ccm ?/;-Lauge 4°/, Formalde- | = 1,454 °/, Dextrose 2C | +1öccm Formaldehyd hyd 400/0) in %/25-Lauge

+ 5,0 com Wasser

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuokerarten. 195

Der Formaldehyd wirkt auf alkalische Dextroselösungen eigentümlich. Die Drehung der Dextrose nimmt um einen ganz bestimmten Betrag ab, der annähernd proportional der Konzentration der Dextrose gefunden wurde. Die Konzentration des Alkalis und des Formaldehyds ist in ziemlich weiten Grenzen ohne Einfluß.

Einwirkung der Fermente auf Zuckerlösungen.

Da die Fermente im menschlichen Körper oft mit Zucker zusammentreffen, war es von gewissem Interesse, zu untersuchen, von welchem Einflusse die Fermente auf den Zuckerzerfall in alkalischer Lösung sind. Es wurde auch die Fermentwirkung auf neutrale und saure Zuckerlösungen untersucht. Die Ver- suche wurden mit Pepsin und mit Pankreasferment gemacht.

48. Versuch. 2°/,ige Saa alkalische Dextroselösung mit Pepsin- glycerin. In einem 250 ccm-Meßkolben wurden 5 ccm einer Glycerinpepsinlösung Merck neutralisiert, 5 g Dextrose in Wasser gelöst, 25 ccm "/ NaOH zufließen gelassen und auf 250 ccm aufgefüllt, so daß eine 2°/,ige Lösung in ”?/ oo NaOH entstand. Indicator: Phenolphthalein.

2 Zur Titration von 100 ccm Zeit Drehung Lösung verbraucht

+ 5.90 1,928°/, Dextrose | 99,50 com ?/ioo-HC1 +5,7°=1 KIK TT 8 ‚50 » |+430—=14065% » 73,25 S ky + 2,50 = 0 ,717 Hie 66,50 nm GAN + 1,90 == 0, 621 an 1,50 99 a/i00-N80H 93 48h 7,90 99 99 49. Versuch.

2°/ ige neutrale Dextroselösung mit Pepsinglycerin. 250 com Lösung enthielten 5g Dextrose und 50 ccm Pepsin- glycerin. Indicator: Phenolphthalein.

; Zur Titration von 100 com Zeit Drehung Lösung verbraucht

Pepsinglycerin war in neutraler Lösung ohne Wirkung. 13*

196 A. Jolles:

50. Versuch. 30/ ige Saa alkalische Dextroselösung mit Pepsin. IL g Pepsin, 15 g Dextrose und 50 ccm pl, Na in 500 ccm.

; Zur Titration von 100 ccm Zeit Drehung Lösung verbraucht

+ 9,20 3,006°/, Dextrose 100,0 ccm HCI

+ 9,0° 2,941 Di 89,1 AN + 6,9 VE 2,255 o/o IT 78,75 TT 6h + 4,20 = 1,372 Die TI 73,40 TT 24a |+050=0,16% » 2,50 NaOH a 30 6,75 OT 486 7,75 d

5l. Versuch. 3°/ ige neutrale Dextroselösung mit Pepsin. In einem 500 ccem-Kolben wurde !/, g festes Pepsin Merck gelöst und neutralisiert, dann 15 g Dextrose gelöst und bis zur Marke aufgefüllt. Indicator: Phenolphthalein.

In neutraler Lösung.

Zur Titration von 100 com

Zeit Drehung Lösung verbraucht

+ 9,20 3,006 °/ Dextrose 2,45 ccm ?/,0.NaOH + 9,30 3,039 0/9 i 2,50

d + 9,30 = 3,039 0/0 HI 2,15 np 6h + 9,1 = 2,974 Die DI 3,10 IT 24% + 9,3 = 3,039 Die 3,75 TT 30% | +9,20=3,006% 3,65 S 39 48d + 9,00 = 2,941 Din 5,00 TT

In neutraler Lösung war also auch Pepsin ohne Wirkung.

52. Versuch. 1°/,ige Saccharoselösung, die 0,25°/, HCl enthielt. 5 ccm einer Glycerinpepsinlösung in 250 ccm. Indicator: Methyl- orange.

Zur Titration von 100 ccm

Zeit | Drehung Lös

ösung verbraucht

anfangs + 3,80 12,2 ccm ?/io-Na OH nach IB + 3,60 12,2: „; Se 39 3b + 0,350 12,2 99 H 29 Dh 0,90 12.2 29 (E ge 7a 1,10 12,2

dm and 39 LE

LU 248 == 1,10 12,2

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 197

53. Versuch. 1°/,ige ?”/ioo Salzsaure Galaktoselösung + Pepsin- glycerin. 2 ccm einer Glycerinpepsinlösung. Indicator: Methylrot. |

Drehung | Zur Titration von 100 com Zeit Drehung Lösung verbraucht anfangs + 4,50 79,50 ccm Soe Na nach 5 + 4,5 81,75 9 nm wm Séi + 4,5° 18,75 op 728 + 4,5° 79,00 »

Reines Pepsin erzeugt in 2°/,iger alkalischer Dextrose- lösung in den ersten Stunden eine kleine Beschleunigung der L. de Bruynschen Reaktion; doch wird der Nullpunkt der Drehung später erreicht als mit reinem Alkali, obwohl das Pepsin selbst schwach nach links dreht, zirka 0,6°. Die Säurebildung verläuft schneller mit als ohne Pepsin- zusatz. Pepsinglycerin wirkt stärker als Pepsin in den ersten Stadien.

Die Geschwindigkeit des Drehungsabfalles ist in der 2°/,igen Dextroselösung sogar größer als in der 3°/,igen.

In neutraler Lösung zeigt sowohl Pepsin als auch Pepsin- glycerin keine Wirkung auf Dextrose (ll, 13). Die Schwan- kungen deuten auf Titrationsfehler hin.

Pepsinglycerin wirkt ähnlich wie Pepsin, indem es den Drehungsabfall in den ersten Stunden etwas, die Säurebildung stärker beschleunigt. Auch hier wird der Nullpunkt der Drehung später erreicht als in rein alkalischer Lösung.

Merkwürdig ist, daß, obwohl das Pepsin selbst hartnäckig etwas nach links dreht, die Drehung der Lösung schließlich doch genau bis fällt, während man eine schwache Links- drehung erwarten sollte.

Im Versuch 52 wurde eine saure Saccharoselösung mit Pepsin behandelt. Wir sehen, daß in diesem Falle dem Pepsin. keine Wirkung zukommt. Die Säuremenge bleibt nämlich konstant, und der Drehungsabfall ist nur auf die Inversion durch HCl zurückzuführen.

Auch Galaktose (53) wird in saurer Lösung durch Pepsin nicht verändert.

198 A. Jolles:

Pankreas. 54. Versuch. 2°/ ige nl, e alkalische Dextroselösung mit Pankreas. 8 g Pankreas Merck wurden mit 40 ccm salicylsäurehaltigem Wasser 1 Tag lang extrahiert ; dann wurde abgepreßt und filtriert. 20 ccm des Filtrates wurden zum Hauptversuch, 10 ccom zum Leerversuch verwendet. Beide Lösungen wurden zuerst neutra- lisiert, dann ®/,,, alkalisch gemacht. Phenolphthalein als In- dicator. Leerversuch.

Zur Titration von 100 com Drehung Lösung verbraucht

100 ccm Soe HO 7,9

93,8 » 91,1 29 9? 86,2 86,15 5 74,9 LU LE

Mit 2°/,iger Dextroselösung.

i Zur Titration von 100 oom Zeit Drehung Lösung verbraucht

+ 5,80 1,895 °/ Dextrose 100 ccm ®?/i00-HCl 7 94,9

vi um

78,8 IT

75,1 99 99

54,6

50,0 IT

) | ag,

np D + 1,3 = 0,425 np 30,3 nm

Der Leerversuch mit Pankreas (17) deutet auf Säure- produktion hin. Dies scheint seine Ursache in der Bereitung des Pankreasextraktes zu haben (Extraktion mit salicylsäure- haltigem Wasser). Das Pankreasferment dürfte allmählich die absorbierte Säure an die alkalische Lösung abgeben.

Pankreas scheint anfangs zu beschleunigen, später zu ver- zögern.

Aus diesen Versuchen können wir schließen, daß die Eigen- schaft der Fermente, die Zuckerzersetzung zu beschleunigen, für den Organismus von großer Bedeutung sein muß. In den weiteren Stadien der Zuckerzersetzung scheinen jedoch die

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 199

Fermente keine nennenswerte Wirkung auszuüben, sondern die Durchführung des Zuckerabbaus dem alkalischen Darminhalte zu überlassen.

Zusammenfassung.

Die Drehung aller untersuchten Zuckerarten: Dextrose, Lävulose, Galaktose, Invertzucker, Arabinose, Rhamnose, Rchr- zucker, Milchzucker und Maltose, fällt mit Ausnahme des Rohr- zuckers bedeutend in al, alkalischer Lösung bei 37°C aber nur bei Dextrose in 1 bis 2°/,iger Lösung innerhalb 24 Stunden bis auf und bleibt dann bei einem bestimmten Wert praktisch konstant. Dieses Minimum wird außer bei Rham- nose bei längstens 48, durchschnittlich bei 24 bis 30 stündigem Stehen in %/,.. alkalischer Lösung bei 37°C erreicht. Ausschließ- lich bei Rhamnose wächst anfangs die Drehung bis zu einem Maximum und nähert sich hierauf sehr langsam dem 0-Punkte. Die Geschwindigkeit der Abnahme wird z. B. bei Dextrose nicht so sehr durch die Konzentration des Zuckers beeinflußt, wie zu erwarten wäre, und erwies sich z. B. bei Galaktose in n/ o- Lauge fast ebenso groß wie in ®/,,, alkalischer Lösung.

Die untersuchten Kohlenhydrate liefern in alkalischer Lösung bei 37° Säuren. Diese Säurebildung, die bei Saccharose sehr gering ist, bleibt in alkalischer Lösung niemals stehen, verlangsamt sich aber bei Eintritt neutraler bzw. saurer Re- aktion ganz bedeutend und schreitet nach neuerlichem Zusatz von Alkali bei entsprechend langer Versuchsdauer bis fast zur vollständigen Zerstörung des Zuckers fort.

Die Geschwindigkeit der Säurebildung wird durch Zufügung von Oxydantien, wie Wasserstoffsuperoxyd und Silberoxyd, ver- größert, durch Luftabschluß verringert. Man hat es also in rein alkalischer Lösung mit einer Oxydation durch den Luft- sauerstoff zu tun.

Im Gegensatze hierzu wird der Drehungsabfall durch Oxy- dationsmittel deutlich verlangsamt.

Fermente üben geringen Einfluß aus.

Formaldehyd bewirkt eine Abnahme der Drehung von Dextrose, die annähernd proportional der Konzentration der Dextrose, aber in ziemlich weiten Grenzen fast unabhängig von der Konzentration des Alkalis und des Formaldehyds ist.

200 A, Jolles:

Die Bestimmung einer Zuckerart in alkalischer Lösung auf polarimetrischem Wege ist auch innerhalb weniger Stunden und sogar bei minimaler Alkalinität absolut unzulässig, dagegen ist die Bestimmung aus der Reduktion Fehlingscher Lösung, wie Versuche bei der Dextrose zeigten, innerhaib 24 Stunden voll- kommen zuverlässig.

Was die Untersuchung der Oxydationsprodukte anlangt, so sei hier ausdrücklich bemerkt, daß die Versuche aus prak- tischen Gründen vor Abschluß der Oxydation abgebrochen wurden und daß die wässerige Lösung nach der Prüfung auf die verschiedensten Säuren, nach der Behandlung im Extrak- tionsapparate mit Äther, vorläufig nicht weiter untersucht wurde.

Es wurde bei Verwendung von Wasserstoffsuperoxyd bzw. Silberoxyd durchwegs nur Ameisensäure in erheblicher Menge gefunden, daneben bei Rohrzucker, Arabinose und Maltose eine Säure, deren Calciumsalz die Tollenssche Reaktion auf Glucuron- säure und die Bialsche Pentosenreaktion gab und deren Identi- fizierung einer späteren Untersuchung vorbehalten bleibt. Ferner wurde in einigen Fällen (bei Rohrzucker, Arabinose und Lävu- lose sowie bei Behandlung von Dextrose mit Silberoxyd) ge- ringe Bildung von Acetaldehyd konstatiert. In einer 3°/,igen SI. ae alkalischen Dextroselösung, die nur dem Luftsauerstoff ausgesetzt wurde, trat auch Milchsäure in. größerer Menge auf, daneben Essigsäure und sehr wenig Äthylalkohol.

Bildung von Polyoxysäuren in großen Quantitäten, wie sie Meisenheimer bei Luftabschluß beobachtete, fand unter den gegebenen Bedingungen sicherlich nicht statt, da sich ihr Vorhandensein bei der Darstellung des Calciumsalzes hätte ver- raten müssen.

Auf Grund der vorliegenden Versuche glaube ich mir ein Bild von dem Verhalten der Zuckerarten im menschlichen Or- ganismus machen zu können. Nach allgemeiner Annahme findet die Hauptverdauung der Kohlenhydrate im Darme statt. Ich denke mir nun, daß in dem alkalischen Darmsafte die Zucker größtenteils zu Säuren von niedrigem Molekulargewicht, vor allem Ameisensäure, abgebaut werden, deren Oxydation zu Kohlendioxyd und Wasser im Blute erfolgen dürfte. Oxydierende

Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuckerarten. 201

Fermente beschleunigen die Zersetzung der Kohlenhydrate. Wird aber aus irgend einer pathologischen Ursache das bei der Säure- bildung verbrauchte Alkali nicht ersetzt, so kann auch der ganze aufgenommene Zucker nicht verdaut werden und erscheint daher im Harne. Durch den Reichtum unserer Nahrung an Kohlen- hydraten wird ein großer Überschuß an Zucker bedingt. Dieser kann durch die stattfindende Aufspeicherung in Form von Gly- kogen in Leber und Muskeln nicht gedeckt werden, sondern es bleibt ein bedeutender Rest, von dem man annimmt, daß er vollständig in Fett übergeht, eine Annahme, die vorläufig der experimentellen Basis entbehrt und die sich bei meiner An- schauungsweise erübrigen würde.

Beiträge zur Kinetik der Giftwirkung von gelösten | Stoffen.

I. Teil: Einfluß der Konzentration.

Von Theodor Paul, Gustav Birstein und Anton Reuß.

(Aus dem Laboratorium für angewandte Chemie an der Universität München.)

(Eingegangen am 16. August 1910.)

I. Allgemeines.

Die Wirkung antiseptischer Stoffe ist in neuerer Zeit mehr- fach vom Standpunkte des Massenwirkungsgesetzes und der elektrolytischen Dissoziationstheorie behandelt worden. Die hierbei festgestellte Tatsache, daß bei der Behandlung von Bakterien mit Giften die zeitliche Abnahme der keimfähig bleibenden Bakterien nach derselben Gesetzmäßigkeit erfolgt, wie die zeitliche Abnahme eines gelösten monomolekular reagierenden Stoffes, hat nicht nur den Beweis dafür geliefert, daß der Vorgang der Abtötung chemischer Natur ist, sondern sie hat auch den Weg zu weiteren planmäßigen Forschungen gezeigt. Unter Anwendung der integrierten Gleichung für die Reaktionsgeschwindigkeit monomolekularer Reaktionen auf den Desinfektionsvorgang ergibt sich eine charakteristische, als Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante bezeichnete Größe K, die zahlenmäßig den Verlauf des Desinfektionsvorganges zum Ausdruck bringt.!) Die Gleichung, nach der sich die Größe K berechnen läßt, lautet folgendermaßen:

N Na (1)

1) Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß, Beitrag zur Kinetik des Absterbens der Bakterien in Sauerstoff verschiedener Konzentration und bei verschiedenen Temperaturen. Diese Zeitschr. 25, 367, 1910.

K= $2,303 log

Th. Paul, G. Birstein u. A. Reuß: Kinetik d. Giftwirk. gelöster Stoffe. I. 203

In dieser Gleichung bedeutet N die zu Beginn der Des- infektion vorhandene Bakterienzahl und n die Zahl der nach t Zeiteinheiten (Minuten) abgetöteten Bakterien, so daß N—n die Zahl der nach Zeiteinheiten noch lebenden Bakterien darstellt. In der Feststellung der Abhängigkeit der Desinfektions- geschwindigkeitskonstanten K von der chemischen Natur des Giftes, seiner Konzentration und der Desinfektionstemperatur haben wir in erster Linie den Weg zu sehen, der zu einer umfassenden Klarlegung des Desinfektionsvorganges führen kann. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die verschiedenen Gifte nicht nur in verschiedener Weise in das Innere der Bakterien eindringen werden, sondern daß auch ihre Wechsel- wirkung mit dem Inhalte der lebendigen Zelle auf verschiedenen Reaktionsarten beruht. So glauben wir schon jetzt sagen zu können, daß z. B. der Abtötung der Bakterien durch Queck- silbersalze wahrscheinlich ein anderer Reaktionstypus zugrunde liegt, als der Wirkung der anorganischen Säuren. Diese Ver- schiedenheiten der Wirkungsweise müssen in der Größe K und in ihrer Abhängigkeit von der Konzentration des Giftes und der Temperatur zum Ausdrucke kommen.

In der bereits oben erwähnten Abhandlung haben wir unsere in diesem Sinne mit gasförmigen Stoffen Sauerstoff- Stickstoff-Gemischen ausgeführten Versuche mitgeteilt. In vorliegender Abhandlung soll über die Untersuchungen berichtet werden, die wir mit gelösten Stoffen anstellten.

II. Versuchsmethode und Fehlerquellen.

1. Allgemeines über die üblichen Arbeitsmethoden. Es gibt zurzeit zwei Methoden, mit Hilfe deren man die abtötende Wirkung von Desinfektionsmitteln zahlenmäßig aus- drücken und unter sich vergleichen kann. Einerseits lassen sich dazu die Konstanten benutzen, die sich durch Anwendung des Massenwirkungsgesetzes auf die Reaktion, die die Abtötung der Bakterien hervorruft, berechnen lassen. Das Verhältnis dieser Konstanten stellt dann den Koeffizienten der Des- infektionswirkung verschiedener Stoffe dar. Andrerseits benutzt man häufig als Maß der desinfizierenden Wirkung eines Desinfektionsmittels die Zeit, in der es eine gegebene Menge Bakterien abzutöten imstande ist. Die letztere Methode ist

204 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

unter anderem auch von 8. Rideal und A. Walker!) zum Zwecke der einheitlichen Regelung der Prüfung von Desinfektions- apparaten und Desinfektionsmitteln zum allgemeinen Gebrauch empfohlen worden. Es wird dabei eine wässerige Carbolsäure- lösung als Vergleichsmaßstab zugrunde gelegt und für jedes Desinfektionsmittel die Konzentration bestimmt, bei der eine gegebene Bakterienmenge in derselben Zeit abgetötet wird. Das Verhältnis der Konzentrationen des Desinfektionsmittels und der Carbolsäure stellt den von S. Rideal und A. Walker als ‚‚Carbolsäurekoeffizienten‘ bezeichneten Wert dar.

Zwischen den beiden Methoden besteht kein prinzipieller Unterschied. Sie sind beide kinetischer Natur und ihre gegen- seitige Abhängigkeit wird durch die Gleichung für die Ge- schwindigkeit der Desinfektionsreaktion zum Ausdruck gebracht. Unter Zugrundelegung der für die Desinfektionswirkung einer großen Anzahl von Stoffen gültigen Gleichung der mono- molekularen Reaktion ergeben sich für zwei Desinfektionsmittel folgende Beziehungen:

1 N K, = RE NOn ` (la) und 1 N == 2 Ger e e e . D e l K, 3 2,303. log Na (1b) oder es ist

zen e e e e a e (lc)

das heißt mit anderen Worten: Die Zeiträume t, und Lk, die bei zwei Desinfektionsmitteln notwendig sind, um von der gleichen Bakterienmenge N die gleiche Zahl von Bakterien n abzutöten, verhalten sich umgekehrt wie die entsprechenden Desinfektionsgeschwindigkeitskonstanten. Dieselbe Beziehung wird auch bei Anwendung verschiedener Bakterienmengen be- stehen, wenn in beiden Fällen derselbe Bruchteil der ursprünglich vorhandenen Bakterienmenge keimfähig geblieben ist. Für den Fall der Abtötung aller Bakterien, wenn also in den obigen Gleichungen N—n gleich Null wird, ergibt sich für t der Wert oo, d.h. im Sinne der obigen Gleichungen wird die Ab-

1) 8. Rideal und A. Walker, Journ. of the Royal Sanitary Institute 24, Part III, 424, 1903.

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. 205

tötung der letzten Bakterien entsprechend dem asymptotischen Verlaufe einer Kurve erst nach unendlich langer Zeit erfolgen. Die Erfahrung steht mit diesen theoretischen Überlegungen insofern in Übereinstimmung, als tatsächlich zur Abtötung der letzten Bakterien ein unverhältnismäßig großer Zeitraum erforderlich ist. Dies ersieht man ohne weiteres aus den nach- stehenden Tabellen, die die Ergebnisse unserer mit Staphylo-

Tabelle I.

Einwirkung von wässerigen Quecksilberchloridlösungen ver- schiedener Konzentration auf Milzbrandsporen nach Ver- suchen von B. Krönig und Th. Paul.

Aus der Tabelle geht hervor, daß zur Abtötung der letzten Milzbrand- sporen unverhältnismäßig viel Zeit erforderlich ist. l

EE

Anzahl der Liter Lösung, in denen 1 Mol=271 g Merouri-

Dauer chlorid (HgCl,) enthalten sind: der Fin- | 16 Liter | 32Liter | 64Liter | 128 Liter | 256 Liter in Minutonl(= 1,69 %) | (= 0,84 9/0) | (= 0,42°/,) | (= 0,21 9/0) |(= 0,11%)

Zahl der keimfähig gebliebenen Sporen

2 549 = = = = 3 323 678 = 3829 = 4 236 * = 5 138 2 961 Se = 6 82 310 Ss 2069 _ 7 42 E = E = 8 19 = = SS 9 = 168 = = 10 10 = 397 5 2027 12 1 38 _ = = 14 0 SS = = za 15 = 10 ! 17388 302 749 18 u 56 © = = = 20 = = 4l 231 612 21 > 3 = = = 24 2 = = = 25 = = 9 121 432 27 = 1 = = = 30 SS 0 7 46 306 35 2 3 21 227 40 = = 2 7 183 45 = = 1 = 151 50 = = 1 5 133 55 = l = = 60 Se > 1 1 79 70 = E 1 16 80 = = = 0 10 90 = = = 5 100 = = = = 3 110 = = = 3 120 = = = = 2

206 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

kokken angestellten Desinfektionsversuche enthalten. Aber auch die Sporen zeigen dasselbe Verhalten, wie aus den in der Tabelle I zusammengestellten Versuchen von B. Krönig und Th. Paul hervorgeht, die Quecksilberchloridlösungen ver- schiedener Konzentrationen auf Milzbrandsporen einwirken ließen. 7)

So wurden z. B. durch die 128litrige (= 0,21°/ ige) Queck- silberchloridlösung in einem Zeitraum von 35 3 = 32 Minuten 3829 21 3808 Sporen abgetötet, während zur Abtötung

der letzten 21 Sporen 80 35 45 Minuten erforderlich waren.

Die Methode, bei der die Zeit der vollständigen Abtötung be- stimmt wird, hat zwar ein großes praktisches Interesse, sie eignet sich aber kaum für die exakte Untersuchung des Desinfektionsvorganges. Die Zeit der vollständigen Abtötung kann nämlich durch Zufälligkeiten sehr beeinflußt werden. So können z. B. einzelne Bakterien der Ein- wirkung des Desinfektionsmittels durch einhüllende Medien (Luftblasen, Spuren des Nährbodens usw.) längere Zeit ganz oder teilweise entzogen werden, oder es können ganz geringe Verunreinigungen der zur Prüfung benutzten Bakterien mit anderen widerstandsfähigeren Keimen vorliegen, oder es können Täuschungen durch zufällige Verunreinigungen der Plattenkulturen mit einzelnen Bakterien der gleichen Art vorkommen. Infolgedessen läßt sich der Zeitpunkt der vollständigen Abtötung nur mit geringer Genauigkeit bestimmen. Als Beweis hierfür mögen u. a. die in der Tabelle I verzeichneten Versuche dienen. So wurden z. B. die Milzbrandsporen durch die 64litrige (= 0,42°/,ige) wässerige Queck- silberchloridlösung innerhalb von 40 Minuten bis auf 2 Sporen abgetötet. Innerhalb der nächsten 30 Minuten blieb durchschnittlich eine Spore entwicklungsfähig, so daß die für diesen Desinfektionseffekt erforderliche Zeit nicht eindeutig bestimmt werden kann. Ja es kommt häufig vor, daß gegen das Ende des Desinfektionsvorganges Plattenkulturen steril bleiben, während sich nach einer längeren Desinfektionszeit noch ein oder mehrere Keime entwickeln.

Demgegenüber bietet die Heranziehung der Desinfektionsgeschwindig- keitskonstanten den Vorteil, daß der Desinfektionsvorgang in seinen einzelnen Zeitabschnitten verfolgt werden kann. Infolgedessen ist es möglich, ein vollständiges Bild dieses Vorganges und damit ein sicheres Maß für die desinfizierenden Eigenschaften der benutzten Stoffe zu erhalten.

Unsere Versuchsanordnung war im allgemeinen dieselbe,

die wir bei den von uns kürzlich mitgeteilten Desinfektions-

1) B. Krönig und Th. Paul, Die chemischen Grundlagen der Lehre von der Giftwirkung und Desinfektion. Zeitschr. f. Hygiene u, Infektionskrankheiten 25, 28, 1897.

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. 207

versuchen mit Gasen benutzt haben.!) Außerdem haben wir in einzelnen Fällen auch die Suspensionsmethode zum Vergleich herangezogen. Die Feststellung der keimfähig gebliebenen Bakterien hat in einem Teil der Versuche gegen früher eine Abänderung erlitten. Zunächst sollen die Fehlerquellen der benutzten Methoden näher besprochen werden. Wie man aus der Gleichung 1a ersieht, sind durch das Experiment zwei Größen zu bestimmen: Die Zeit der Einwirkung des Des- infektionsmittels und die zugehörige Bakterienzahl. Während die Einwirkungszeit im allgemeinen mit hinreichender Genauig- keit bestimmt werden kann, ist die Feststellung der keimfähig gebliebenen Bakterien mit größeren Fehlern behaftet. Außer- dem werden bei diesen Methoden die nach den verschiedenen Einwirkungszeiten zur Zählung gelangenden keimfähigen Bakterien immer auf dieselbe Anfangszahl bezogen. Infolgedessen ist es von großer Wichtigkeit, Granaten herzustellen, die nicht nur annähernd gleiche Oberflächen haben, sondern auch gleichmäßig von den Bakterien bedeckt sind, so daß die auf den einzelnen Granaten befindlichen Bakterienmengen möglichst gleich sind. Die Abweichungen in dieser Beziehung werden bei der Granaten- methode denselben Einfluß ausüben, wie eine ungleichmäßige Verteilung der Bakterien im Desinfektionsmittel bei der Sus- pensionsmethode.

2. Berechnung der Versuchsfehler. Um einen zahlenmäßigen Ausdruck für den durchschnittlichen Fehler zu erhalten, der den Des- infektionsversuchen infolge der mangelhaften Gleichmäßigkeit der Granaten in bezug auf die Zahl und die Verteilung der keimfähigen Bakterien auf deren Oberfläche anhaftet, haben wir folgenden Weg eingeschlagen. Bei der von uns gewählten Versuchsanordnung wurde der Desinfektions- effekt nach den einzelnen Zeitabschnitten in der Weise bestimmt, daß 30 Granaten aus der Desinfektionsflüssigkeit herausgenommen und nach erfolgter Entgiftung auf 6 Röhrchen mit sterilem Wasser verteilt wurden. Der Inhalt eines jeden Röhrchens, der demnach die keimfähig gebliebenen Bakterien von 5 Granaten enthielt, wurde zur Anlegung der Kulturen und zur Bestimmung der Bakterienzahl benutzt. Wir erhielten also für jede Desinfektionszeit 6 einzelne Bakterienzahlen, die unter sich mehr oder weniger abwichen, und es wurde das arithmetische Mittel aus diesen 6 Zahlen, d. h. die durchschnittliche Bakterienzahl oder Mittel- zahl, die auch zur Ermittelung der Desinfektionsgeschwindigkeits- konstanten benutzt wurde, zur Berechnung des durchschnittlichen Ver-

1) Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß, ebenda, S. 370.

208 Th; Paul, G. Birstein und A. Reuß:

suchsfehlers herangezogen. Zu diesem Zwecke bildeten wir die Diffe- renzen der einzelnen Bakterienzahlen mit der Mittelzahl. Der Mittel- wert dieser Differenzen ohne Rücksicht auf ihre Vorzeichen, ausgedrückt in Prozenten der Mittelzahl, gibt den gesuchten durchschnittlichen Fehler der Methode 1) So wurden z. B. nach 10 Minuten langer Einwirkung von 200litriger (1/2%ọ normaler) Salzsäure folgende 6 einzelne Bakterien- zahlen gefunden: 736, 531, 627, 550, 264 und 601. Die zugehörige Mittelzahl ist in diesem Falle

3309 552.

Die Abweichungen der einzelnen Bakterienzahlen von dieser Mittelzahl betragen ohne Rücksicht auf das Vorzeichen 184, 21, 75, 2, 288 und 49. Da das arithmetische Mittel aus diesen Abweichungen

619 103 beträgt, so ergibt sich der durchschnittliche Fehler zu 103.100 190 eg 7 190

Allerdings enthält der so gebildete durchschnittliche Fehler auch den Fehler, der bei der Zählung unvermeidlich ist, Dieser kann aber annähernd auf Grund der Versuche ermittelt werden, die wir in der Weise an- stellten, daß die zu jeder Desinfektionszeit gehörigen 30 Versuchsgranaten nicht in 6 Gruppen zu je 5 Stück, sondern gemeinschaftlich mit 3 com Wasser geschüttelt wurden. Von der so erhaltenen und mit Wasser auf 12 ccm verdünnten Bakteriensuspension wurden dann mit Hilfe einer Pipette 3mal je 2 ccm zur Anlegung einer Plattenkultur benutzt. Die gegenseitige Abweichung der so ermittelten 3 Bakterienzahlen gibt, wenn man von der ungleichmäßigen Verteilung der Bakterien in der Suspension absieht, Aufschluß über die Genauigkeit unserer Zählmethode. Dagegen haben wir die Werte der Durchschnittsfehler bei der oben von uns er-

1) Der in der angegebenen Weise berechnete Durchschnittsfehler bezieht sich nur auf die einzelnen Bakterienzahlbestimmungen und besagt, daß die Einzelfehler im Durchschnitt beinahe ebenso häufig numerisch größer, wie kleiner als der berechnete Fehler sind. Dagegen ist der als Grundlage für unsere weiteren Betrachtungen über den Desinfektionsvorgang benutzte Mittelwert der Bakterienzahlbestim- mungen nach der Theorie der Fehlerverteilung nur mit einem Fehler

von So... 2... _ 0. 0. bolal ‘Bei yZahl der einzelnen Bestimmungen j i

unseren Versuchen, wo in den meisten Fällen 6 Einzelbestimmungen vor- liegen, beträgt demnach der Durchschnittsfehler des Mittelwertes nur

30 = etwa 12°/,: Vgl.Ostwald-Luther, Physiko-chemische Messungen, Leipzig 1910, 3. Aufl., S. 11.

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. 209

wähnten Methode als Summe der Ungleichmäßigkeit der Granaten in bezug auf die Zahl und die Verteilung der keimfähigen Bakterien auf deren Oberfläche und der Zählungsfehler zu betrachten. Die in dieser Weise durchgeführten Berechnungen haben gezeigt, daß sich unter 187 Mittelzahlen nur 9 mit einem Durchschnittsfehler von weniger als 10°%/, befinden. Dies betrifft in erster Linie die Bestimmung der Bakterienzahl an den Granaten vor der Behandlung mit dem Desinfek- tionsmittel. Diese Bakterienzahlen sollen in der Folge als „ursprüngliche Bakterienzahl‘‘ der betreffenden Granate bezeichnet werden. Der Durch- schnittsfehler von 41 Mittelzahlen lag innerhalb 20°/,, von 36 innerhalb 30°/,„ von 35 innerhalb 40°/,, von 25 innerhalb 50°/,, von 17 inner- halb 60°/, und von 10 innerhalb 70°/,. Auch kommen einzelne Werte vor, die außerhalb dieser Grenzen liegen. Außerdem hat sich heraus- gestellt, daß im ganzen und großen der Durchschnittsfehler desto kleiner wird, je größer die Bakterienzahl ist. Nach unserer Erfahrung beträgt der mittlere Durohschnittsfehler ungefähr 30°/, für die Versuche, bei denen die 30 Versuchsgranaten nach den einzelnen Desinfektionszeiten in 6 Gruppen zu je 5 Stück geschüttelt wurden. Der Fehleranteil, der hierbei auf die Ungenauigkeit beim Zählen zurückzuführen ist, beträgt durchschnittlich 6°/,. Für den durch die ungleichmäßige Verteilung der Bakterien auf die einzelnen Granaten verursachten Fehler ergibt sich somit der Wert von etwa 25°/,. Über den Einfluß, den diese Fehler- quellen auf die Werte der Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante aus- üben, soll später eingehend berichtet werden.

3. Versuche, um die Genauigkeit der Methode zu erhöhen. Die Erkenntnis dieser Fehlerquellen hat uns Anlaß gegeben, nach einem geeigneten Material zu suchen, durch das sich die Granaten ersetzen ließen. Wir konnten aber leider in Übereinstimmung mit den Versuchen, die der Eine!) von uns in Gemeinschaft mit B. Krönig früher angestellt hatte, bis jetzt keinen geeigneten Ersatz finden. Wir hofften in den Glasperlen ein brauchbares Material zu finden. Zwar boten die Glasperlen, die zur Erzielung einer gleichmäßigen Benetzung vorher mit Wasserdampf behandelt worden waren, den böhmischen Granaten gegenüber insofern gewisse Vorteile, als der Durch- schnittsfehler auf etwa 19°/, gegenüber den 30°/, der böhmischen Granaten herabgesetzt werden konnte. Die Glasperlen zeigen aber eine relativ geringere Widerstandsfähigkeit, sowohl gegen Wasser bei höheren Temperaturen, wie auch chemischen Reagenzien gegenüber, so daß von ihrer Anwendung für unsere Zwecke abgesehen werden mußte. Schon bei der einmaligen Sterilisation im Dampf wurde die Oberfläche der Glasperlen

1) B. Krönig und Th. Paul, ebenda, S. 8. Biochemische Zeitschrift Band 29. 14

210 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

so angegriffen, daß einzelne Schichten losgelöst wurden, wo- durch Unebenheiten an der Oberfläche entstanden. Neben diesen mechanischen Beeinflussungen findet auch ein chemischer Angriff statt, indem ziemlich viel freies Alkali an die um- gebende Flüssigkeit abgegeben wird. Infolgedessen war zu be- fürchten, daß bei unseren Versuchen, die mit sehr verdünnten Säurelösungen bis zur Verdünnung 200 Liter (= !/,,, normale Säure) herab angestellt wurden, Störungen durch teilweise Neu- tralisation des Desinfektionsmittels verursacht werden konnten.!)

Wir suchten ferner die gleichmäßige Verteilung der Bak- terien auf den Granaten durch eine besondere Trockenmethode zu begünstigen. Bei der von B. Krönig und Th. Paul an- gegebenen Methode werden die Granaten bei der Herstellung mit der Bakteriensuspension geschüttelt und nach dem Ab- tropfen der überschüssigen Suspension in einem geeigneten Trockenkasten auf Nickeldrahtnetzen über Chlorcalcium ge- trocknet. Hierbei kann nicht vermieden werden, daß sich die Flüssigkeit mit den suspendierten Bakterien an den Berührungs- flächen der Granaten anhäuft, und daß infolgedessen nach dem Trocknen die Bakterien auf der Oberfläche der Granaten ungleichmäßig verteilt sind. Obgleich dieser Fehler durch die

1) Vielleicht lassen sich dadurch auch die neuerdings von Otto- lenghi (Über das Desinfektionsvermögen des Quecksilbersublimates, Monatsschrift: „Desinfektion“, Heft 5, S. 211, 1908) mitgeteilten Be- obachtungen über die Abtötung von Milzbrandsporen durch Quecksilber- chloridlösungen erklären. Im Gegensatz zu den früher von Th. Paul und B. Krönig gemachten Beobachtungen findet Ottolenghi, daß die Abtötung viel langsamer vor sich geht, als dies von den genannten Autoren angegeben wurde. Diese langsame Abtötung trat besonders zu- tage, als Bakterien, die an Deckgläschen angetrocknet waren, benutzt wurden. Es ist nicht ausgeschlossen, daß auch in diesem Falle die Konzentration des Merourichlorids durch die von den Deckgläschen her- rührenden Alkalimengen herabgesetzt, und daß dadurch der Verlauf der Abtötung verlangsamt wurde, Andrerseits ist es eine bekannte Tat- sache, daß sich Glasplättehen nur schwierig vollkommen gleichmäßig mit wässerigen Lösungen benetzen, auch wenn sie noch so sorgfältig gereinigt werden. Ein mikroskopisch kleines Luftbläschen kann zahl- reiche angetrocknete Bakterien vor der Einwirkung des gelösten Des- infektionsmittels schützen, Diese Störungen können im vorliegenden Falle um so mehr zu Irrtümern Anlaß geben, als Ottolenghi nicht die Zahl der nach gewissen Desinfektionszeiten keimfähig gebliebenen Milz- brandsporen, sondern nur die Zeit der vollständigen Abtötung feststellte.

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. 211

Verwendung einer größeren Anzahl von Granaten bei der Be- stimmung des Desinfektionseffektes nach jedem Zeitabschnitt bis zu einem gewissen Grade kompensiert werden kann, so hofften wir, die Mängel, die durch die capillare Suspensions- anhäufung hervorgerufen werden, durch ständige drehende Be- wegung der Granaten während des Trocknens beseitigen zu können.

Zu diesem Zwecke haben wir die mit der Bakteriensuspension benetzten Granaten in eine horizontal liegende, um ihre Längs- achse langsam drehbare Glasflasche gebracht. Um das Trocknen möglichst zu beschleunigen, tauchte diese Flasche teilweise in Wasser von 35° ein, während in das Innere der Flasche ein Strom von sorgfältig getrockneter, steriler und vorgewärmter Luft geleitet wurde.

Zur Prüfung der Gleichmäßigkeit wurde die so hergestellte Granate (YA) der Einwirkung von Salzsäure verschiedener Konzentration ausgesetzt. Die Versuchsergebnisse finden sich in der Tabelle II.

Tabelle I. (Versuchsreihe 21; am 18. März 1909.) Einwirkung der wässerigen Lösung von Salzsäure ver- schiedener Konzentrationen auf Staphylokokken, die unter ständiger drehender Bewegung und mit Hilfe warmer, trockner und steriler Luft an die Granaten angetrooknet wurden. Staphylokokkengranate: VA. Einwirkungstemperatur + 18°.

Zahl der keimfähig gebliebenen Bakterien

Konzen- tration

er Salzsäure

= 1/1007 30 | 186 | 364 | 201 | 326

100litrig | 20 | 556 |1011 | 298 |1337 | 588 | 531 | 554 normal 50 | 235 | 111 | 159 ch

212 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

Dabei hat sich herausgestellt, daß bei Anwendung einer 200litrigen (=!/,,, normalen) Säure nach 10 Minuten etwa ebenso viel Bakterien (552) keimfähig blieben wie nach 60 Minuten. Bei Anwendung einer 150litrigen (='!/,,, normalen) Säure war eine schwache aber ungleichmäßige Abnahme der keimfähig gebliebenen Bakterien mit der Zeit zu beobachten. Die Zahl der keimfähig gebliebenen Bakterien war aber größer als bei der 200litrigen OI. normalen) Säure; die Zahl der keimfähigen Bakterien sank von 952 bei 8 Minuten langer, auf 577 bei 45 Minuten langer Einwirkung. Bei der 100litrigen (= 1/100- normalen) Säure fand ähnliches statt. Auch hier sind die Zahlen der keimfähig gebliebenen Bakterien im Verhältnis zu denjenigen der 150litrigen (!/iso normalen) und 200 litrigen (=!/,„ normalen) Säure sehr groß. So waren z. B. bei der 100litrigen (*/,., normalen) Säure nach 20 Minuten etwa 550, bei der 150litrigen (='/,„ normalen) etwa 700, bei der 200litrigen (= 1/2% normalen) etwa 530 keimfähig geblieben. Diese Versuche machen es wahrscheinlich, daß bei den unter Rotation getrockneten Granaten die Bakterien dem Desinfektions- mittel nicht direkt zugänglich sind. Als Ursache hierfür glauben wir annehmen zu dürfen, daß bei der drehenden und scheuernden Bewegung der Granaten auf der Glasinnenfläche der Flasche Glasteilchen losgelöst und durch die allmählich eintrocknende Bakteriensuspension, die auch Spuren des Nährbodens enthält, als Schicht auf den Granaten niedergeschlagen wird. Diese Alkali enthaltende Schicht muß bei dem Desinfektionsvorgange von der Salzsäure durchdrungen werden, was eine gewisse Zeit erfordert und mit einer teilweisen Neutralisation der Säure verbunden ist. Dieser Vorgang wird sich um so schneller ab- spielen, je größer die Konzentration der Säure ist, und die aus den ersten Desinfektionszeiten berechnete Desinfektions- geschwindigkeit ist nicht allein auf die Desinfektion zurück- zuführen, sondern sie schließt auch den Einfluß jenes Vorganges in sich ein. Infolgedessen mußten wir von dieser Trocken- methode absehen.

Schließlich haben wir in dem Bestreben, die Fehlerquellen unserer Desinfektionsversuche möglichst zu beschränken, auch die sogenannte Suspensionsmethode zur Prüfung heran- gezogen.

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. 213

Bei der Beurteilung der Brauchbarkeit dieser Methode für die Untersuchung der Desinfektionsvorgänge ist besonders zu erwägen, bis zu welchen Grenzen eine gleichmäßige Verteilung der suspendierten Bakterien in der Desinfektionsflüssigkeit, die hier das sogenannte Suspendoid darstellt, erreicht werden kann. Hierüber gibt ebenfalls der durchschnittliche Fehler der Bak- terienzahlen Aufschluß. Wir haben bei unseren Versuchen zwei Arten von Bakteriensuspensionen benutzt. In einem Falle wurde die filtrierte Suspension direkt zum Desinfektionsmittel hinzugefügt, worauf nach bestimmten Zeiten mit einer Pipette 3mal je 2ccm zum Anlegen von 3 Plattenkulturen entnommen wurden. Die so erhaltenen Zahlen sind in der Tabelle III an- geführt.

Tabelle III. (Versuchsreihe 19; am 8. März 1909.) Einwirkung von 100litriger (=1!/,„ normaler) Salzsäure auf

Staphylokokken, die in der Säure suspendiert waren. Die Bakteriensuspension wurde vor der Zugabe zur Säure filtriert.

Einwirkungstemperatur + 18°. Zahl der keimfähig gebliebenen Ein- Bakterien wirkungszeit

&) auf den einzelnen Platten = 1 ccm Suspension

Mittelwert des Durchschnittsfehlers: 53°/,.

Der durchschnittliche Fehler beträgt etwa 50°/,. Demnach beträgt der Fehler der Suspensionsmethode beinahe das Doppelte der Granatenmethode. Dieser Vorteil der Granatenmethode ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß bei der Herstellung der Granaten infolge der starken Schüttelung die zu Häufchen zusammengeballten Bakterien in der Suspension getrennt werden und sich gleichmäßiger verteilen. Es war zu erwarten, daß man auch bei der Suspensionsmethode durch Zentrifugieren der Suspension vor dem Hinzufügen zum Desinfektionsmittel ungefähr denselben Effekt erreichen kann. Die von uns mit

214 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

zentrifugierten Bakteriensuspensionen angestellten Versuche er- gaben in der Tat eine erhebliche Herabsetzung des durch- schnittlichen Fehlers bis auf etwa 30°/,, der demjenigen der Granatenmethode sehr nahe kommt (vgl. die Tabelle IV).

Tabelle IV. (Versuchsreihe 24; am 3. April 1909.) Einwirkung von 100litriger (=!/,„n normaler) Salzsäure auf Staphylokokken, die in der Säure suspendiert waren. Die Bakteriensuspension wurde vor der Zugabe zur Säure filtriert und längere Zeit zentrifugiert.

Einwirkungstemperatur + 18°. Zahl der keimfähig gebliebenen Ein- Bakterien Durch- wirkungszeit a) auf den einzelnen Platten f —— Minuten ` = L com Suspension b) Mittel- Se 1. Platte |2. Platte |3. Platte | Vert o

Mittelwert des Durchschnittsfehlers : 29%/,.

Die Suspensionsmethode bietet daher auch bei Anwendung von zentrifugierten Bakteriensuspensionen in bezug auf die er- reichbare Genauigkeit keine besonderen Vorteile gegenüber der Granatenmethode. Allerdings gilt dies zunächst nur für die Versuche mit Staphylokokken. Inwiefern diese Verhältnisse auch auf andere Bakterien übertragbar sind, läßt sich vorläufig nicht sagen. Jedenfalls muß berücksichtigt werden, daß bei Benutzung der Suspensionsmethode, die eine freie Bewegung der suspendierten Teilchen ermöglicht, besondere Schwierigkeiten auftreten können. Wie von Perrin!) gezeigt wurde, sind die suspendierten Teilchen bestrebt, sich in Schichten verschiedener Dichte anzuordnen, ähnlich wie sich die Atmosphäre über die Erdoberfläche verteilt. Es muß vorläufig dahingestellt bleiben, inwiefern auch bei Desinfektionsversuchen, die oft längere Zeit in Anspruch nehmen, dieses Bestreben der Bakterien, sich im Desinfektionsmittel in Schichten verschiedener Dichte anzu-

1) Annal. de Chim. et de Phys. 8. Serie, 1909. Vgl. auch Zeitschr. f. Elektrochem. 15, 269, 1909.

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. 215

ordnen, durch ständiges Umrühren des ne unschädlich gemacht werden kann.

4. Der Einfluß der Versuchsfehler auf die Des- infektionsgeschwindigkeitskonstante. Die in den Ver- suchstabellen angegebenen Desinfektionsgeschwindigkeitskon- stanten K sind nach der Gleichung für die monomolekularen Reaktionen ermittelt worden, indem die nach einer der ersten Desinfektionszeiten gefundene Zahl der keimfähig gebliebenen Bakterien als Anfangszahl gewählt wurde. Eine vollständige Übersicht des Desinfektionsvorganges würde eigentlich die auf die „ursprüngliche Bakterienzahl‘‘ der Granaten als Anfangs- wert bezogene Konstante liefern; denn bei der von uns be- nutzten Berechnungsweise erhält man ein Bild der Desinfektion erst von dem Zeitpunkt ab, in dem der größte Teil der Bak- terien schon abgetötet ist. Indessen zeigten die mit Hilfe der ursprünglichen Bakterienzahlen berechneten Konstanten eine so starke Abnahme, daß die den letzten Desinfektionszeiten zu- kommenden Konstanten von denjenigen der ersten Zeiten um das 2 bis 3fache abwichen. Allerdings zeigen auch jene Kon- stanten häufig eine deutliche Abnahme; sie ist indessen nicht zu groß, so daß sich die Bildung eines Mittelwertes immer rechtfertigen läßt. Andererseits weichen die für die letzten Desinfektionszeiten nach beiden Methoden berechneten Kon- stanten voneinander nicht sehr erheblich ab,

Der große Einfluß, welchen die Wahl der Anfangszahl auf die Werte der Konstanten ausüben kann, scheint folgende Ursachen zu haben. Einerseits kommen hierfür rein rechnerische Gründe in Betracht, andererseits ist jener Einfluß auf die verschiedene Widerstandsfähigkeit der an den Granaten angetrockneten Bak- terien dem Desinfektionsmittel gegenüber zurückzuführen.

Es wurde oben gezeigt, daß der durchschnittliche Fehler bei der Benutzung der Granatenmethode ungefähr 30°/, be- trägt. Bei den sehr großen Bakterienzahlen, wie solche bei den undesinfizierten Granaten vorliegen, beträgt dieser Fehler, wie oben ausgeführt wurde, nur etwa 10°/,.. Der Berechnung der Desinfektionsgeschwindigkeitskonstanten hatten wir folgende Gleichung zugrunde gelegt:

(H 2,303. lo y =; n - 2,303 (log N log N,) . (1)

216 Th. Paul. G. Birstein und A. Reuß:

In dieser Gleichung bedeutete N die ursprüngliche Bak- terienzahl, und N, = (N n) die Zahl der zur Zeit t keimfähig gebliebenen Bakterien. Um den Einfluß zu erfahren, den die Fehler der Bakterienzahlbestimmung auf den Wert der Konstanten ausüben, bilden wir die Summe der Partialdifie- rentiale dieser Gleichung nach N und N..

Hierbei ergibt sich:

dg =}. 2,303. (2X 0) 2.2. (2)

als Ausdruck für die absolute Größe des Fehlers für den Wert K. Ihren relativen Wert, d.h.

de

K

erfahren wir durch Division der Gleichung (2) durch Gleichung (1), wobei wir den Ausdruck

dN dN,

dE N N K "wei e e . . e (3)

EN

erhalten.

Diese Gleichung, die für die Genauigkeit unserer Berech- nung maßgebend ist, besagt folgendes: Wenn wir die ursprüng- liche Bakterienzahl als Anfangswert zur Berechnung der Kon- stanten heranziehen, so ist

daN dN 01 10° Zt œ~ 0.3 = 30° N 0,1 = 10°/, N, 0,3 = 30°/» wie oben gezeigt wurde.?) Für 1 Minute z. B. beträgt dann d K 0,46. Dieser Wert der absoluten Abweichung wird für die späteren Desinfektionszeiten, d. h. bei der Zunahme von t immer kleiner werden. Demgemäß wird sich auch der zweite Ausdruck iK K bei Zunahme von t in demselben Sinne ändern, d. h. die den späteren Desinfektionszeiten zukommenden Werte von K be- sitzen in dieser Hinsicht eine viel größere Sicherheit. Das steht

1) Das Zeichen œ bedeutet: angenähert gleich.

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. 217

insofern in Übereinstimmung mit der Beobachtung, als die auf beide Arten berechneten Konstanten zu den letzten Desinfek- tionszeiten nur wenig voneinander abweichen. Wenn wir aber als Anfangszahl die Zahl der nach einer gewissen Desinfektions- zeit keimfähig gebliebenen Bakterien wählen, so st dN &dN.. Der Ausdruck dN dN, wird sehr klein und der dadurch ver- ursachte Fehler der Konstantenberechnung ebenfalls sehr klein. Diese Überlegung zeigt also, daß Gründe rechnerischer Art zum Teil die starke Abnahme der auf die absolute Bakterienzahl bezogenen Konstante verursachen. Wir haben deshalb nur die mit Hilfe einer Bakterienzahl als Anfangswert ermittelten Kon- stanten unseren weiteren Betrachtungen zugrunde gelegt. Die auf diese Weise erhaltenen Werte für die Desinfektions- geschwindigkeitskonstanten sind für die Charakterisierung des Desinfektionsvorganges und der Giftwirkung chemischer Stoffe ausreichend.

III. Einfluß der Konzentration.

5. Theoretische Betrachtungen. Es sind zurzeit nur wenige Versuche bekannt, die quantitativ den Zusammenhang zwischen der Desinfektionswirkung eines Stoffes und seiner Konzentration erkennen lassen. Hauptsächlich kommen dabei in Betracht die mehrfach erwähnten Versuche von B. Krönig und Th. Paul über die Abtötung der Milzbrandsporen durch Quecksilberchloridlösung verschiedener Konzentration und die- jenigen von H. Chick, welche die Untersuchung der Ein- wirkung von Phenol, Quecksilberchlorid und Silbernitrat bei verschiedener Konzentration auf verschiedene Bakterien be- zweckten. Die Versuche von B. Krönig und Th. Paul haben K. Ikeda Anlaß zur Feststellung einer allgemeinen Be- ziehung zwischen Konzentration und Giftwirkung von Queck- silberchloridlösungen gegeben.!)

Sowohl K. Ikeda als auch H. Chick haben zu ihren Berechnungen nicht die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante, sondern die Zeiten, die zur Abtötung eines bestimmten Bruch- teiles der ursprünglichen Bakterien nötig sind, herangezogen. In dieser Weise hat zunächst K. Ikeda den Zusammenhang

1) B. Krönig und Th. Paul, ebenda, 8. 95.

218 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

zwischen der Zeit ¢ und der ihr entsprechenden Konzentration O annähernd durch die Gleichung ausgedrückt:

a worin A einen Proportionalitätsfaktor bedeutet, der von der benutzten Einheit zur Messung der Zeit und der Konzentration abhängig ist. Indessen ist die Potenz der Konzentration, die in dieser Gleichung vorkommt, mit Wahrscheinlichkeit nur auf die Änderung der Quecksilberionenkonzentration, die durch die Änderung des Dissoziationsgrades mit der Verdünnung ver- ursacht und durch die Dissoziationsisotherme der Elektrolyte zum Ausdruck gebracht wird, zurückzuführen. Wenn man also bei jeder Konzentration die ihr zukommende Quecksilberionen- konzentration in Betracht zieht, so wird dieser Exponent gleich 1, und es ergibt sich für den Zusammenhang zwischen der Des- infektionszeit und der Konzentration die einfache Beziehung, daß sie einander umgekehrt proportional sind.!) Für den Zu- sammenhang zwischen der Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante und der Konzentration gilt diese Beziehung in umgekehrtem Sinne, d. h. die beiden Größen sind einander direkt pro- portional.

Die Versuche von B. Krönig und Th. Paul wurden an- dererseits von Hariette Chick?) unter Benutzung der für diese Versuche von Madsen und Nymann?) berechneten Kon- stanten und der aus den Versuchen von R. Luther und von L.Kahlenberg berechneten Quecksilberionkonzentrationen ebenfalls rechnerisch verfolgt. Sie findet dabei die Bestätigung einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit, die sie auch aus den eigenen Versuchen abgeleitet hat. Wenn man zwei Konzentrationen eines und desselben Desinfektionsmittels C, und ©, in Betracht zieht und die ihnen entsprechenden Desinfektionszeiten, die sich immer auf die Abtötung eines und desselben Bruchteiles der

1) Vgl. den Abschnitt: „Zur Theorie der Desinfektionswirkung von Queoksilberchlorid‘“ in dieser Abhandlung.

2) Hariette Chick, An Investigation of the Laws of Desinfection. The Journal of Hygiene 8, 132, 1908.

3) Th. Madsen und Max Nymann, Zur Theorie der Desinfek- tion; I. Zeitschr. f. Hygiene und Infektionskrankheiten 57, 390, 1907.

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. 219

ursprünglichen Bakterienmenge beziehen, mit t, und t, be- zeichnet, so ergibt sich die Gleichung:

> Jo Cnty = konstant 5 0.0. A g C. e (5) Dies entspricht einer Beziehung zwischen C und 1, die durch folgende Gleichung zum Ausdruck gebracht wird: C. t = = A. ac D e è D D D D (6) wo a eine von der Konzentration unabhängige Größe darstellt und A (für eine gegebene Bakterienart und für ein gegebenes Desinfektionsmittel) ein Proportionalitätsfaktor von denselben Eigenschaften, wie das oben erwähnte A der Gleichung von K. Ikeda, bedeutet. Wenn man diese Gleichung mit Hilfe der Taylorschen Reihe zur Entwicklung bringt, so ergibt sich folgendes: P

t = aC.

C Setzen wir a eï, wobei X = lna ist, so wird aC eX :C eY, wobei Y—X C ist. Es ergibt sich

aC ef =1 4> LC is TH-

S O Zä? C3 ZP XC C SS C ne. c2 (na)? os (In oi e (In a)n Se Toz, ay Hieraus sich für der Wert: aC ner C3 (nou

EE E a L e

Wir haben also für den Zusammenhang zwischen der Desinfektions- zeit und der entsprechenden Konzentration zwei Beziehungen

EE (K. Ikeda) © 2 . . . . (4a) o fi C (lna)? _ C* (lna)? =a |Z +1m0+ ERAN CCRN ee] (H. Chick) 2 . . . . (6a)

Sie unterscheiden sich dadurch voneinander, daß zu dem einzelnen Glied 1

A:

der Gleichung von Ikeda, das beiden Gleichungen gemeinschaftlich ist, noch ein Korrektionsglied hinzukommt, das außer der Konzentration die

220 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

von dieser unabhängige Größe a enthält, deren Deutung nicht klar ist. Da aber Ikeda mit der Gleichung (4) und H. Chik mit der Gleichung (5) ziemlich gute Konstanten erhalten haben, so ist dies nur möglich, wenn dieses Korrektionsglied einen sehr kleinen Wert hat. Dieser Fall tritt ein, wenn a gleich 1 ist oder diesem Werte sehr nahe kommt. Auch die Gleichung (6) von H. Chick wird unter dieser Voraussetzung mit der- jenigen von K. Ikeda identisch, denn bei a = 1 ist aC ebenfalls 1, und nach Gleichung (6) ist dann n i

deck?

Es folgt also daraus, daß bei der von B. Krönig und Th. Paul beobachteten Abtötung der Milzbrandsporen mit Quecksilberohlorid- lösungen verschiedener Konzentration die Abtötungszeiten sich annähernd umgekehrt proportional den Konzentrationen verhalten und daß die Größe a der Chickschen Gleichung sehr nahe dem Werte 1 liegt. Es war deshalb von Interesse, auch die übrigen von H. Chick untersuchten Fälle, bei denen die Gültigkeit der Gleichung (6) nachgewiesen wurde, in dieser Richtung zu prüfen. Wenn man die Gleichung · A -a0 loga- rithmiert, so ergibt sich:

log C -+ log t = log A + C -log a und analog für die Konzentration C, und die Zeit tb: log C, + log th = log A-+-C, log a.

Durch Subtraktion ergibt sich die von H. Chick zur Berechnung benutzte Gleichung (5). Wenn man aber a = setzt, dann ist log a = 0 und die Subtraktion ergibt folgendes:

log C -+ log t log C, log bh = oder A E tai a log n nel Sg, e EE

Wir haben nach dieser Gleichung die mit Quecksilber- chloridlösungen an Milzbrandsporen ausgeführten Desinfektions- versuche von B. Krönig und Th. Paul berechnet, wobei wir an Stelle der Konzentration des Quecksilberchlorids die Kon- zentrationen des Quecksilberions benutzten, die H.Chick bier- für ermittelt und auch ihrer Konstantenberechnung zugrunde gelegt hat. Ein Vergleich der von uns und H. Chick erhaltenen Zahlen findet sich in Tabelle V. Hierbei stellte sich heraus, daß die von uns erhaltenen Werte sehr erheblich von 1 ab- weichen, obwohl sie mindestens ebenso konstant sind wie die entsprechenden Werte von H. Chick. Demnach ist

log log‘! = konstant ko vie 218) 1

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. 22]

Tabelle V. Vergleich der Konstanten nach den Gleichungen: t I. B und II. log Konstante von H. Chick?) lo C3 Co— COn Coto g eg ; Konzentrations- | Konzentrations- Konstante, exponent B nach | exponent?) B, von Gleichung I jaus der Verdün- H. Chick berechnet nung berechnet berechnet 1 2 3 4

Desinfektionsmittel: Quecksilberchlorid. Bakterie: Milzbrand-

Desinfektionsmittel: Silbernitrat.

Bakterie: Bacillus paratyphosus.

Desinfektionstempe- ratur + 20°.

Desinfektionsmittel: Phenol.

Bakterie: Staphylo- coccus pyogenes aureus.

Desinfektionstempe- ratur + 20°.

Wir können die Gleichung (7a) dazu benutzen, um eine allgemeine Beziehung zwischen der Desinfektionsgeschwindigkeits- konstante K und der Konzentration des Desinfektionsmittels zu ermitteln. Zu diesem Zwecke setzen wir anstatt den ihm entsprechenden Wert der Desinfektionskonstanten K und erhalten:

log = log = konstant = B.

1) Diese Werte sind der Tafel 24 auf Seite 131 und den Tafeln 23 und 27 auf den Seiten 120 und 130 der Abhandlung von H. Chiok: „An Investigation of the Laws of Desinfection‘“ entnommen.

2) Diese Berechnung erfolgte nach der Gleichung I, wobei für C, und C, nicht die von H. Chick angegebenen Quecksilber-Ion-Konzen- tration, sondern direkt die Konzentration des Quecksilberchlorids, in Mol für 1 1 berechnet, gesetzt wurde.

222 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

Diese Gleichung können wir in folgender Weise umformen:

log K, log K = B log C, B log C log K, B log C, = log K B log C log K, log CB = log K log Op

_ K Eh E ` log (5 108 os ; T5 7 gB 7 A

wo A ein Proportionalitätsfaktor ist. K=ACB ........ (8)

Die Gleichung besagt:

Die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante X, die den Verlauf der Abtötung der Bakterien durch ein gelöstes Desinfektionsmittel zum Ausdrucke bringt, ist nicht direkt proportional der Konzentration dieses Stoffes, sondern einer konstanten Potenz der Kon- zentration.

Wenn man anstatt der Desinfektionsgeschwindigkeitskon- stanten die Desinfektionszeiten zur Berechnung heranzieht, so ergeben sich folgende Beziehungen.

Wie oben gezeigt wurde, verhalten sich bei verschiedenen Konzentrationen des Desinfektionsmittels die Abtötungszeiten für den gleichen Bruchteil der ursprünglichen Bakterienmenge umgekehrt, wie die zugehörigen Desinfektionsgeschwindigkeits- konstanten K. Infolgedessen können wir setzen:

P

wobei P ein Proportionalitätsfaktor ist. Setzen wir nach Glei- chung (8) für X den Wert A. OR ein, so ergibt sich:

P

t = A. OR e e . e e e e (9)

Diese Gleichung besagt: Die Zeiten, die zur Abtötung eines gegebenen Bruchteiles der ursprünglichen Bak- terienmenge durch ein Desinfektionsmittel bei ver- schiedenen Konzentrationen erforderlich sind, sind umgekehrt proportional einer konstanten Potenz der Konzentrationen. Wir bezeichnen die Größe B, die von der Konzentration des Desinfektionsmittels unabhängig ist, als Kon- zentrationsexponent.

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. 223

Wir haben mit Hilfe der Gleichung (9) einige Versuche von H. Chick berechnet, bei denen Silbernitrat auf den Bacillus paratyphosus und Phenol auf Staphylokokken zur Einwirkung gelangten. Die so ermittelten Werte für B sind ebenfalls in der Tabelle V (Vertikalreihe 2) enthalten. Zum Vergleich haben wir in dieser Tabelle auch die von H. Chick nach ihrer Methode be- rechneten Konstanten aufgeführt. Man ersieht daraus, daß die Werte B in bezug auf die Konstanz denselben Grad erreichen, wie diejenigen von H. Chick. Der Ersatz der von H. Chiok emp- fohlenen Funktion durch die unserige bietet den Vorteil, daß man dieser Konstante B unter Umständen eine physikalisch- chemische Deutung geben kann, worauf wir später ausführlicher zu sprechen kommen werden. Außerdem scheint diese Funktion von allgemeiner Gültigkeit zu sein und den meisten bis jetzt bekannten Gesetzmäßigkeiten über den Einfluß der Konzen- tration eines Stoffes auf seine Desinfektionswirkung Rechnung zu tragen. Ihre Gültigkeit bei der Abtötung von Staphylo- kokken mit Sauerstoffstickstoffgemischen haben wir vor kurzem festgestellt) Auch die unten folgenden Beobachtungen über die Desinfektion mit Säuren schließen sich dieser Gleichung an.

6. Zur Theorie der Desinfektionswirkung von Quecksilberchlorid. Bei der Bedeutung, die das Queck- silberchlorid von jeher für die Desinfektionslehre und -praxis gehabt hat, wollen wir versuchen, den Einfluß der Konzen- tration auf die Giftwirkung dieses Stoffes näher festzustellen.

Oben haben wir zur Berechnung der Konzentrationswirkung direkt die Zahlen von H. Chick für die Quecksilberionenkonzen- tration benutzt. Wir wollten damit nur zeigen, daß für diese Werte der Ionenkonzentration unsere Gleichung (8) ebenso kon- stante Werte liefert wie die Gleichung von H. Chick. Es hat sich dabei für B ein Wert ergeben, der ungefähr zwischen 5 und 7 liegt, und der besagt, daß die Desinfektionsgeschwindigkeits- konstante des Quecksilberions mit der 5. bis 7. Potenz seiner Konzentration zunimmt. Indessen scheint uns diese Berech- nungsweise nicht besonders sicher zu sein, da unsere Kennt- nisse über die Quecksilberionenkonzentration in einer Queck- silberchloridlösung bei gegebener Verdünnung nur mangelhaft sind.

1) Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß, ebenda, S. 386,

224 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

Zwar ist die Dissoziationskonstante von HgCl, in bezug

auf das Gleichgewicht: He, 42 Hg“ -+2 0

annähernd bestimmt worden, 7) doch reichen die berechneten Zahlen infolge der anderen Dissoziationsgleichgewichte, die das HgCl, neben dem erwähnten eingeht, nicht aus, um eine ge- naue Berechnung der Hg-Ionenkonzentration durchzuführen. Wir haben deshalb, um den Einfluß der HgCl, -Konzentration auf die Desinfektionswirkung annähernd zu ermitteln, in unsere Gleichung (8) anstatt der Chickschen Zahlen für die Ionen- konzentration direkt die reziproken Werte der entsprechenden Verdünnungen eingesetzt. Die auf diese Weise berechneten Werte von B finden sich in der dritten Vertikalreihe der Ta- belle V. Wir haben dabei in Übereinstimmung mit Ikeda für B einen relativ gut konstanten Wert von etwa 0,7 erhalten. Dies besagt, daß die Quecksilberionenkonzentration mit der Ver- dünnung stärker abnimmt, als dies nach der Dissoziations- gleichung für die trinär dissoziierenden schwachen Elektrolyte zu erwarten wäre. Nach der letzteren sollte die Konzentration der Quecksilberionen im Sinne der Gleichung

| He, "He +2C! . . . . (10) umgekehrt proportional der kubischen Wurzel der Salzverdün- nung H sein, d. h.

Ou = TE saga za E worin 8, die Dissoziationskonstante des Quecksilberchlorids in bezug auf jenes Dissoziationsgleichgewicht (10) bedeutet. Dem- nach sollte B = '/, = 0,33 sein.

In der Tat nimmt aber, wie oben gezeigt wurde, mit steigender Verdünnung die Desinfektionswirkung stärker ab, als sich unter Zugrundelegung von B=0,33 ergibt. Diese stärkere Abnahme läßt darauf schließen, daß neben jener Disso- ziation sich bei zunehmender Verdünnung ein zweiter Vorgang abspielt, der die Quecksilberionenkonzentration vermindert. Es liegt nahe, diesen Vorgang auf eine hydrolytische Spaltung zurück-

1) Morse, Über die Dissoziation der Mercurihaloide. Zeitschr. f. physikal. Chem; 41, 733; 1902. Sherill, Über Komplexbildung und

einige physiko-chemische Konstanten der Quecksilberhaloide;, Zeitschr. f. physikal. Chem. 43, 705, 1903,

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. 225

zuführen. R. Luther!) hat seinerzeit das Auftreten dieser Hydrolyse nach der Gleichung: 2HgCl, + H,O = (HgCl,0O +2H'+2C/ . (12)

auf Grund der Leitfähigkeitsmessungen von Ley?) und von Kahlenberg?) sehr wahrscheinlich gemacht. In diesem Falle aber wird ein Teil des Quecksilberchlorids bei der Hydrolyse die Bildung von Chlorionen hervorrufen, die ihrerseits nach dem Massenwirkungsgesetz die elektrolytische Dissoziation des Queck- silberchlorids nach Gleichung (10) zurückdrängen werden. Die durch die Hydrolyse verursachte Chlorionenkonzentration kann als umgekehrt proportional Ek angesehen werden. Wenn wir diese zwei Dissoziationsgleichgewichte in ihrem gemeinschaft- lichen Einfluß auf die Quecksilberionenkonzentration betrachten, so ergibt sich mit genügender Annäherung folgender Ausdruck:

Ge = gr = Ro .. . (13)

In dieser Gleichung bedeutet &, die Dissoziationskonstante des Gleiohgewichtes (10) und &, diejenige des Gleichgewichtes (12). Die durch die hydrolytische Spaltung des Quecksilberchlorids verursachte Bildung der Wasserstoffionen dürfte als desinfi- zierender Faktor neben den stark giftigen Quecksilberionen kaum in Betracht kommen 3

1) R. Luther, Die Hydrolyse des Queoksilberchlorids, Zeitschr. f. physikal. Chem. 47, 107, 1904.

2) Ley, Studien über die hydrolytische Dissoziation der Salzlösungen. Zeitschr. f. physikal. Chem. 30, 249, 1899.

3) Kahlenberg, Journ. f. phys. Chem. 1901, 349.

4) Bezeichnet man den Grad der Hydrolyse nach Gleichung (12) durch o, so ergibt sich:

g)? 5 Ra SE = Jee? oder bei Vernachlässigung von

82 == oi 5 3. x gegen l: pr a5 8,V?; a = Bal, Re ` Geht man auf das Dissoziationsgleichgewicht (10) zurück und be- zeichnet die Konzentration der Quecksilberionen mit C, so erhält man dann

0-0 (+ FE.

e (d. h. Konzentration der Chlorionen) =

Vernachlässigt man bei den größeren Verdünnungen C gegen y und gegen l, so ergibt sioh schließlich: ` S A __ 8 Gi? C= 9,2 Hi = KUN8,

Biochemische Zeitschrift Band 29. 15

226 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

Versuchsergebnisse.

7. Die Desinfektionswirkung von Säuren in iso- hydrischen, wässerigen Lösungen. Bei diesen Unter- suchungen haben wir sowohl anorganische, wie auch organische Säuren als Desinfektionsmittel benutzt. Es lag nahe, die Gift- wirkung der Säurelösungen ihrem gemeinschaftlichen Bestand- teile, d. h. dem Wasserstoffion in erster Linie zuzuschreiben und seine Konzentration als kinetisch maßgebenden Faktor an- zusehen. Deshalb wurden sowohl das Verhalten von 100 litrigen (—=!/,. normalen) Lösungen verschiedener Säuren, als auch von Lösungen einer und derselben Säure bei verschiedenen Konzen- trationen untersucht. Die Versuchsergebnisse sind in den Ta- bellen VI bis XII angeführt. Die Anordnung dieser Tabellen ergibt sich ohne weiteres aus den Überschriften. Außerdem befindet sich in Tabelle XIII eine Zusammenstellung der Des- infektionsgeschwindigkeitskonstanten der untersuchten anorga- nischen Säuren.

Bei der Betrachtung der Zahlen der Tabelle XIII (S. 234) ergibt sich, daß unter den acht untersuchten Säuren drei einzelne Gruppen zu unterscheiden sind. Während bei Salzsäure, Chlor- säure und Flußsäure der Mittelwert der Desinfektionsgeschwindig- keitskonstanten für die Granate VIII ungefähr bei 0,025 liegt, steigt dieser bei Salpetersäure, Schwefelsäure und Bromwasser- stoffsäure auf etwa 0,06 an, um bei Überchlorsäure und Jod- wasserstoffsäure den noch höheren Wert von etwa 0,12 und 0,15 zu erreichen.) Es folgt daraus, daß die Wasserstoffionen- konzentration nicht allein die ausschlaggebende Rolle bei der Desinfektionswirkung der Säuren spielt, und daß das Anion der Säuren sich bei diesem Vorgang in erheblichem Maße beteiligt. Da aber das Anion an und für sich, wie Versuche mit deren Alkalisalzengezeigthaben, keinemerkliche Giftwirkung auf die Staphylokokken ausübt, so mußte dies zu der

1) Diese Werte hängen ihrer absoluten Größe nach auch von der benutzten Granate resp. dem zu deren Herstellung benutzten Staphylo- kokkenstamme ab. Das Verhältnis zwischen ihnen ist aber hiervon un- abhängig, wie aus den oben mitgeteilten Versuchen mit der Granate VIII einerseits und denjenigen mit der Granate XII anderseits hervorgeht, über

die im 2. Teile dieser Abhandlung (vrgl. die Tabellen XXII, XXIII und XXIV) berichtet werden wird.

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. 227

Annahme führen, daß die Anionen, ohne Desinfizien- zien zu sein, die Eigenschaft besitzen, die desinfi- zierende Wirkungdes Wasserstoffions zu beschleunigen.

Dies heißt mit anderen Worten, sie besitzen die Eigen- schaften von positiven Giftkatalysatoren.

Tabelle VI. (Versuchsreihe 31; am 20. Juni 1909.) Einwirkung der wässerigen Lösungen von Salzsäure, Sal- petersäure, Natriumchlorid und Natriumnitrat auf ange- trocknete Staphylokokken.

Staphylokokkengranate VIII. Einwirkungstemperatur + 18°. Zahl der keimfähig gebliebenen Des- Des- Bakterien infektions- infektions- e a EE E hwindig- Ge a) auf den einzelnen Platten | b) Ss mittel Mittel- eits 1. Platte |2. Platte |3. Platte konstante K bezogen auf 35174 als An- fangszahl HO = 100litrig 0 (= */100" 0.020 normal) 0.019 Mittel: 0,028

bezogen auf 31363 als An- fangszahl

HNO, 1100 | 21427 | 23270 | 23846 |22848| 0,063 —100litrig | 20,0 | 16185 | 18835 | 18547 |17856| 0,038 (= hoo- | 30,0 | 11462 | 11635 | 14227 |12441| 0,040 normal) | 50,0 | 1612 1388 2310 | 1770| 0,064 80,0 92 52 141 | 95| _0,077

Mittel: 0,056

21888

16934 19238 18201 | 18124

50 | 30643 | 31046

NaCl = 100litrig Ven 8 (= Ki 100° = normal) 16934 25689 50| 14342 | 17049 | 19180 |16867 y 100| 22924 | 20851 | 23385 |22387 aNOs | 200| 16473 | 19180 | 16990 |17548 = l00litrig | 300| 19526 | 20160 | 16704 |18797 Ss (=1/00 | 500| 14227 | 13824 | 18086 | 15379 normal) | g0'0| 19814 | 18835 | 19238 | 19296 1300| 18374 | 18662 | 17164 | 18066

228 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

Tabelle VII. (Versuchsreihe 32; am 24. Juni 1909.) Einwirkung der wässerigen Lösungen von Salpetersäure, Überchlorsäure, Bromwasserstoffsäure, Kaliumperchlorat, Natriumbromid auf angetrocknete Staphylokokken.

Staphylokokkengranate VIII. Einwirkungstemperatur —+- 18°. Ba Zabl der keimfähig gebliebenen Des- Bakterien Des- infektions- EE Atert re a) auf den einzelnen Platten ne k Seet K

1. Platte | 2. Platte | 3. Platte

bezogen auf 18892 als An- fangszahl

angs

31871 HNO 17002 | 18201 | 15955 |17052| 0,063 Bram 8064 8755 7833 | 8214| 0,068 ke 4620 4134 3974 | 4243| 0,067 2608 2036 1888 | 2143| 0,067 1177 1216 1254 | 1216| 0,086 313 318 319 | 317| 0077 Mittel: 0,068

81871 als An- f zahl

bezogen auf 81442 als An- fangszahl 30873 | 32198 | 32256 | 31442 = HBr 23616 | 22233 |22924| 0,063 zu 10771 | 11059 | 10022 lıo617| 0,072 ee 3910 5144 5073 | 4709| 0,076 = Dm 2483 2540 2086 | 2340| 0,058 normal) 326 355 309 | 330| 0,061 5 2 3 3| 0,080 Mittel: 0,068

17049

—100litrig | 40.0 | 21809 | 22870 | 24710 |23130 (= 11o- | 80,0 | 23117 | 26092 | 29836 |26348 normal) {120,0 | 25747 | 31680 | 32428 |29952

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. 229

Tabelle VIII. (Versuchsreihe 33; am 5. Juli 1909.) Einwirkung der wässerigen Lösungen von Salzsäure, Über- chlorsäure, Salpetersäure und Bromwasserstoffsäure auf angetrocknete Staphylokokken.

Staphylokokkengranate VILL Einwirkungstemperatur + 18°. Zahl der keimfähig gebliebenen Des- Des- Bakterien infektions- infektions- geschwindig-

mittel

bezogen auf 21311 als An-

fangszahl HCI 0,031 = 100litrig 0,037 (= 1/1007 0,025 normal) 0,037 0,048

bezozen auf 17299 als An-

fangszahl 10,0 17740 16819 17337 | 17299 HCIO, 20,0 17545 6508 6666 6873 0,092

= 1W0litrig | 30,0 1523 1280 966 1256 0,131 (= 1/100- 40,0 405 316 313 345 0,130 normal) 50,0 33 33 27 31 0,126

60,0 13 4 5 7 0,130 Mittel: 0,122

bezogen auf 12115 als An- fangszahl HNO, 13075 12038 —_

= 100litrig 1977 1977 1977 0,060 (= Lag: 238 242 287 256| 0,071 normal) 69 61 74 64 0,087 Mittel: 0,073

bezogen auf 13055 als An- fangszalıl HBr 13708 12729 12729 | 13055 = 100litrig 4467 4883 5612 4987 0,048 = 1/100- 1376 1414 1548 1446 0,073 normal) 7774 838 691 768| 0,071

Mittel: 0,064

230 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

Tabelle IX. (Versuchsreihe 34; am 13. Juli 1909.) Einwirkung der wässerigen Lösungen von Salzsäure, Chlor- säure, Überchlorsäure, Salpetersäure und Schwefelsäure auf angetrocknete Staphylokokken.

Staphylokokkengranate VIII. Einwirkungstemperatur 18°, & Zahl der keimfähig gebliebenen Des- Des- EE g Bakterien infektions- infektions- S hwindig- Be 5 FE a) auf den einzelnen Platten a 8 = 1. Platte | 2. Platte | 3. Platte| zap) | Konstante X bezogen auf 49266 als An- fangszahl

10,4 | 46828 | 53856 | 47116 |49266 e

HCI 20,0 | 43718 | 43488 | 31449 |39552| 0,023 —100litrig | 40,0 | 29664 | 28800 | 29606 |29357| 0,018 Yo | 50,0 | 21888 | 18835 | 18432 |19718| 0,023 normal) | 60,0 | 18201 | 18086 | 14745 |17011| 0,021

| 700 | 13420 | 13536 | 12787 |13248| 0,022

Mittel: 0,021

bezogen auf 68828 als An-

fangszahl HCIO, 0,014 = 100litrig 0,025 (= 1/100" 0,030 normal) 0,024 0,025 Mittel: 0,024

bezogen auf 35 327 als An-

fangszahl HCIO, 0,068 = 100litrig 0,119 (= Leg: 0,129 normal) 0,123 0,161 Mittel: 0,120

bezogen auf 61132 als An-

fangszahl HNO, 29,0 0,036 —100litrig | 40,0 0,056 (= 1/ 00° 50.0 0,055 normal) 60,0 0,064 70,0 0,074

Mittel: 0,057

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. 231 Tabelle IX (Fortsetzung).

A Zahl der keimfähig gebliebenen Deg. , EGE Bakterien infektions- INISKTIONBS- i . de FE a) auf den einzelnen Platten LN. res = 1. Platte | 2. Platte | 3. Platte | zah] | konstante K

bezogen auf 19206 als An- fangszahl

0,077

H,SO, = 200 litrig 0,078 = 1/0" 0,062 * Mittel: 0,068

Tabelle X. (Versuchsreihe 35; am 17. Juli 1909.) Einwirkung der wässerigen Lösung von Salzsäure auf an- getrocknete Staphylokokken.

Staphylokokkengranate VIII. Einwirkungstemperatur -+ 18°.

Zahl der keimfähig gebliebenen

Des- Bakterien Des- infektions- ` infektions- mittel a) auf den einzelnen Platten konstante K

1. Platte | 2. Platte | 3. Platte

bezogen auf 67 312 als An- fangszahl

0,020 0,020 0,019 0,021 0,022 0,019

Mittel: 0,020

HO = 100litrig (= Tee: normal)

Um die Stichhaltigkeit dieser Annahme (siehe 8. 227) zu prüfen, haben wir eine Reihe von Versuchen angestellt, über die im folgenden Abschnitt näheres mitgeteilt werden soll, Hier sei nur bemerkt, daß der Wert der Desinfektionsgeschwindig- keitskonstanten der Säuren der ersten Gruppe (Salzsäure, Chlor- säure und Flußsäure) wahrscheinlich im wesentlichen als der spezifische Wert der desinfizierenden Eigenschaften des Wasser- stoffions anzusehen ist. Die höheren Werte, die wir. bei den

232 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

übrigen Säuren fanden, sind auf die Mitwirkung der kata- lytischen Eigenschaften des Anions zurückzuführen.

Tabelle XI. (Versuchsreihe 36; am 19. Juli 1909.)

Einwirkung von Salzsäure und Chlorsäure auf suspendierte Staphylokokken.

Bei diesem Versuche wurden 25 g der Staphylokokkengranate VIII mit 30 com Wasser geschüttelt. Von der abfiltrierten Flüssigkeit wurden je 2 com zur betreffenden Säure gegeben, so daß dieselbe 100 litrig (= 1/:10ọ normal) war. Davon wurden nach bestimmten Zeiten je 2 ccm entnommen und mit verflüssigtem Agarnährboden vermischt.

Einwirkungstemperatur 4 18°.

Des- Zahl der Desinfektions- infektions- | geschwindig- mittel Bakterien keitskonstante K

bezogen auf 437

Anfangszahl HO SS 0,085 Kai 006 normal) Gier Mittel: 0,094

bezogen auf 606 nf

20 266 0,082

BO 30 113 0,084 een 40 79 0,068 nl E 1 70 11 0,091

Mittel: 0,077

Bemerkung: Der Unterschied in der Einwirkung der Säuren auf angetrocknete und suspendierte Staphylokokken macht sich in bezug auf die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante sehr bemerkbar, obgleich Bakterien desselben Stammes und derselben Bereitung vorliegen. So beträgt die Konstante der 100litrigen (=!/,„ normalen) Salzsäure bei Verwendung von angetrockneten Staphylokokken nach den Versuchs- reihen der Tabellen VI, VIII, IX, X und XII im Mittel 0,025, während sie bei den suspendierten Staphylokokken auf 0,094 ansteigt. Die ent- sprechenden Werte für die Chlorsäure betragen 0,023 (Tabellen IX und XII) und 0,077:

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. 233

Tabelle XII. (Versuchsreihe 37; am 22. Juli 1909.) Einwirkung der wässerigen Lösungen von Salzsäure, Chlor- säure, Flußsäure, Jodwasserstoffsäure und Schwefelsäure auf angetrocknete Staphylokokken.

Staphylokokkengranate VIII. Einwirkungstemperatur 4 18°. u Zahl der keimfähig gebliebenen Des- Bakterien Des- infektions- a en ee infektions- mittel a) auf den einzelnen Platten konstante K

1. Platte | 2. Platte | 3. Platte

bezogen auf 49555 als An- fangszahl

0,021 0,016 0,022 0,017 0,016

HCI = 100litrig (= 1/ 100” normal)

Mittel: 0,018

bezogen auf

65871 als An- fangszahl 10,0 | 53348 653337 55929 | 55871 HCIO, 30,0 37555 35481 34387 | 35808 0,022 == 100litrig | 40,1 33638 31622 33292 | 32851 0,018 (Gs Leg. | 50,4 | 27475 24538 24076 | 25363 0,020 normal) 70,0 15321 13996 12672 | 13996 0,023

80,7 | 11462 12163 11347 | 11654 0,022 Mittel: 0,021

bezogen auf

21408 als An- fangszahl 10,0 | 21772 | 23443 | 19008 |21408 HF 20,0 | 19296 | 15552 | 16656 |17168| 0,022 100litrig | 300 | 9100 | 10310 | 10886 |10099| 0,038 40,0 | 8294 8236 7603 | 8044| 0,033 nor) | 615 | 4185 3468 5081 | 4245| 0,031

70,3 4102 4793 4345 4413 0,026 80,0 1350 1017 1318 1228 0,041

Mittel: 0,032

bezogen auf

182 als An- HJ fangszahl = 1Mlitrig 0,192 (= 1/ 100” 0,1 32 normal) 0,144

Mittel: 0,156

234 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

Tabelle XII (Fortsetzung.) Zahl der keimfähig gebliebenen

Des- Bekterien Des- infektions- infektions- ? b mittel a) auf den einzelnen Platten konstante k

1. Platte | 2. Platte | 3. Platte | zahl

bezogen auf 80931 als An-

fangszahl 30355 | 32371

HSO 12787 | 15667 | 12614 13680) 0,041 BE 8812 | 9619 | 8294 | 8908| 0,041 EE 7200 | 6912 | 7084 | 7065| 0,037 3251 | 3353 | 2732 | 3112| 0,046 2265 | 2329 | 2041 | 2212| 0,043 347 455 481 | 428| 0,061 Mittel: 0,045

Tabelle XIII.

Die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstanten von anorga- nischen Säuren in !/onormaler wässeriger Lösung.

Zusammenstellung der Ergebnisse aus den Tabellen VI bis X und XII.

Mittelwerte der Desinfektionsgeschwindigkeits- konstanten

HCI HCIO, HF | HNO, H.SO. HBr HC104| HJ

CR EN

Ip 67890 lu

Nummer der Ver suchsreihe

Hi

31

32 0,123| vm | 33 0,122 | VOI | 34 | 0,120] VII | 3 ZU VII a | 0,156

8. Die Desinfektionswirkung der Salzsäure in wäs- seriger Lösung bei verschiedenen Konzentrationen. Die Versuche mit den annähernd isohydrischen Lösungen haben gezeigt, daß bei den Säuren der letzten zwei Gruppen (HNO,, H,SO,, HBr und HCIO,, HJ) auch das Anion einen Einfluß auf die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante ausübt. Es war zu erwarten, daß bei diesen Säuren der Einfluß der Kon- zentration sich komplizierter gestalten würde, da die Kon- zentration beider Ionen maßgebend sein wird. Ähnliches ist seinerzeit von W. Ostwald?) bei der Zuckerinversion durch

ı) W. Ostwald, Journ. f. prakt. Chem. 2, Folge 31, 307, 1885. Vgl auch S. Arrhenius, Zeitschr. f. physikal. Chem. 4, 226, 1889.

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. 235

Säuren beobachtet worden, wobei die Geschwindigkeit schneller als der Wasserstoffionkonzentration entsprechend zunimmt. So verhalten sich z. B. die Reaktionsgeschwindigkeiten der Zucker- inversionen von 0,5- und O,lnormaler Salpetersäure wie 6,07 zu l, während sich die Wasserstoffionkonzentrationen wie 4,64 zu l verhalten. Deshalb eignen sich die Säuren der ersten Gruppe infolge ihres sich neutral verhaltenden Anions besonders zur Untersuchung des Konzentrationseinflusses des Wasserstoff- ions auf die Desinfektionswirkung der Säuren. Wir haben zu diesem Zwecke die Salzsäure als Desinfektionsmittel gewählt. Diese Versuchsergebnisse finden sich in Tabelle XIV und XV.

Tabelle XIV. (Versuchsreihe 22; am 23. März 1909.)

Einwirkung von wässeriger Salzsäure verschiedener Kon- zentration auf angetrocknete Staphylokokken. Staphylokokkengranate VB. Einwirkungstemperatur + 18°.

Zahl der keimfähig gebliebenen

Kon- teri Des- zentration Fe infektions- der a) auf den einzelnen Platten b) | konstante Salzsäure LUS j 8 j | 5 | 6 jMittel- K Platte Platte asf be | Platte (Pisite zahl

bezogen auf

9446 als An-

fangszahl go u

0,047 = 150litrig 1990| 1772 0,041 (= og 0,042 normal) 0,030 Mittel: 0,040

bezogen auf

6306 als An-

fangszalıl HCI 6796 | 5126 | 4953 | 7430 11289 5241| 6806 Se

100Htri 0 |2572|5817|2630 | 2054| 2752/2310| 3022 0,058 ey Ke 1017/1331!1158'1632| 2099!1171| 1401 0,055 Bone, 1222| 697| 896| 537| 1465| 480| 883 0,047 486| 281| 390, 409| 556| 524| 44l 0,046 Mittel: 0,052

bezogen auf

6144 als An- fangszahl HO 8294 3744 3225 | 4953 10828 5817 = 50litrig 3168/2764 4806 2764 4780| 5356| 3955 0,063 = Lise: 3628| |1728|1971) 1996|1996| 2264 0,067 normal) 1459 |1420| 966|2080| 1523| 492| 1323 0,070

Mittel: 0,067

236 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

Tabelle XV. (Versuchsreihe 23; am 27. März 1909.) Einwirkung von wässeriger Salzsäure verschiedener Kon- zentration auf angetrocknete Staphylokokken.

Staphylokokkengranate V B. Einwirkungstemperatur + 18°. A | Zahl der keimfähig gebiebenen Kon- ggg Bakterien „Des- zentration LS 2 infektions- der E S SI a) auf den ee b) konstante Salzsäure IS "Al 3 | 2. 13.1.4 | 6. | ittel- E Piaite | Platte Platte F Platte Piatto Plai latte; Zahl

bezogen auf 4041 ais An- fangszahl

0,034

4723| 3398:3340.2995|5356 4435

900, 1305 2086/1984 2060 1350 84: 2188| 377| 569! 563, 889 0,041 313! 6550| 627| 300| 326; 467 0,038 6451| 492| 377| 486; 390 371 0,025 Mittel: 0,035 bezogen auf 7504 als An- fangszahl 16,0 | 9158 118656508 48767200 7504| 7504 HO 30,0 | 3052| 3456 4780 5529. 3686:2016| 3753 0,049

(= 100 litrig | 45,0 | 2003| 3916.2707,1209 1894,2227| 2326 0,040 Hoo- | 60.0 | 889) 416: 79312541536) 972) 977 0,046 normal) | 75,0 | 704| 825! 646i 748| 6781017) 770 0,039

100,0 | 531| 492| 268| 377| 214; 358| 373 | 0,036

Mittel: 0,042

bezogen auf 7651 als An- fangszahl 12,0 112499) 89694204 8236 8582 5414 7651 aptteie | 220 | 5356| 3686 5472/4953 6739 3974 5030 0,042 sees" / ng 34,0 | 2821| 259213225 2246. 2361 2304 2592 0,055 = /% 600 | 627| 281 e 505 537 748| 522 0,056

normal) | 750 | 384! 384| 275| 710! 640| 514| 485| 0.044

Mittel: 0,049

bezogen auf

8870 als An-

fangszahl Ha 8,0 | 8121110252/9043!7545 8870 9388| 8870 Ss HOlitrig | 23:0 | 2937| 270737442649 3456 4032| 3254 0,067 ey "8 | 30,0 | 1619| 38011510 1420:1856 2707| 2152 0,066 400 | 800! 1811| 92111440 1273\1446| 1282 0,060 55,0 | 844| 755| 659| 761| 659| 409! 681 0,056

Mittel: 0,062

bezogen auf 6462 als An-

D a ——

fangszahl

go 5529| 668115817 5702|4896/4147| 5462 = —25litrig | 120 | 2592| 2131/4089 2880 3801 2822| 3053 0,073 7 "8 | 16.0 | 1913| 1651/2240 1580 2009 2016; 1902 0,096 normal) | 200 | 1228| 1088 un 864.2073; 659! 1231 0,093 30,0 | 844| 398| 812| 729| 326| 352| 576 0,087

Mittel: 0,087

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. 237

Eine Übersicht über die in Tab. XIV u. XV berechneten Desinfek- tionsgeschwindigkeitskonstanten ist in Tab. XVI enthalten. In der letzten Vertikalreihe dieser Tabelle sind die Werte von B an- geführt, die nach der von uns für die Konzentrationswirkung an- gegebenen Gleichung (8) berechnet sind. Diese Werte von B zeigen besonders bei der Versuchsreihe 23, bei der sich die Verdünnung der Salzsäure zwischen 150 und 251 bewegt, eine befriedigend übereinstimmende Konstante von etwa 0,5. Bei diesen Verdünnungen, bei denen sich das Äquivalentleitvermögen nur zwischen 371 und 362 bewegt. 7) kann man den gleichen Dissoziationsgrad mit genügender Annäherung annehmen. In- folgedessen sind die Wasserstoffionenkonzentrationen den Säure- konzentrationen direkt proportional. Der mit Hilfe der letzteren berechnete Wert von B besagt demnach, daß die desinfizierende Wirkung der Salzsäure langsamer als ihre Konzentration wächst. Sie nimmt vielmehr nur ungefähr proportional der Quadrat- wurzel der Säurekonzentration zu.

Man könnte daran denken, dieses eigentümliche Verhalten auf eine Mitwirkung des Wassers zurückzuführen. So haben Madsen und Nymann?) beobachtet, daß Milzbrandsporen durch Wasser bei höherer Temperatur in verhältnismäßig kurzer Zeit abgetötet werden, was wahrscheinlich auf einen hydro- lytischen Vorgang zurückzuführen ist. Um eine Vorstellung von der Desinfektionswirkung des Wassers auf Staphylokokken bei höherer Temperatur zu erhalten, haben wir auch einige Versuche angestellt, die in der Tabelle XVII enthalten sind. Die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante des Wassers beträgt demnach bei -+ 46° 0,036 und 0,025. Es ist bemerkenswert, daß, obwohl es sich hierbei um zwei verschiedene Versuchs- granaten handelt und obwohl die Bakterienzahlen sehr ver- schieden sind, diese Konstanten so wenig voneinander abweichen. Berücksichtigt man ferner, daß beim Wasser infolge der sehr großen Dissoziationswärme und der damit verbundenen starken Zunahme der Dissoziation mit der Temperatur der Temperatur- koeffizient der Desinfektionswirkung wahrscheinlich größer sein

1) Vgl. Kohlrausch und Holborn, Das Leitvermögen der Elek- trolyte. Leipzig 1898. Tabelle 2, S. 160.

2) Th. Madsen und M. Nymann, Zur Theorie der Desinfektion I. Zeitschr. f. Hygiene 57, 404, 1907.

238 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß: Tabelle XVI.

Einfluß der Konzentration auf die Desinfektionsgeschwindig- keitskonstante von wässeriger Salzsäure,

Zusammenstellung der Desinfektionsgeschwindigkeitskonstanten der Tabellen XIV und XV.

Berechn des Konzentrations-

e Kon- E 5 be | exponenten S Gleichung: der | zentration 33 F log E : log CR —B Tabelle der e 3 Be a nn nn Salzsäure |< -S g Benutzte Konzentrations- Kon- & I“ paarwerte zentrations- | | C, exponent B

u

7 bi UI

Wa

ER

CD

Mittelwert: 0,48

(= 1/150"

1/150 Uns 0,48

1/180 1/50 0,52

150litrig | 0,035 1/180 1/100 0,45 XV. normal)

(Ver- 50 litrig 0,062 1/150 1/25 0,51 sucberoiho] normal)

25litrig 0,087 1/100 Uns 0,54 normal)

1/100 1/50 0,56

1/100 1/25 0,53

1/75 1/50 0,58

Uns 1/25 0,52

1/50 1/25 0,49

Mittelwert: 0,52

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. 239

wird als etwa 2,5 für 10°, so berechnet sich für die Des- infektionsgeschwindigkeit des Wassers bei + 18° ein Wert von etwa 0,0002, der bei der Größenordnung der Desinfektions- geschwindigkeitskonstante für die Salzsäure kaum in Betracht kommt. Tabelle XVII. (Versuchsreihe 14; am 6. Februar 1909.)

‚Einwirkung von Wasser bei 46° auf angetrooknete Staphylokokken.

Staphylokokkengranate III und IV A,

g Zahl der keimfähig gebliebenen E Bakterien ES infektions- KR a as Staphylokokkengranate III ae Ste zahl +46,10| 90,0] 6 8 5 18 | 11 | 12 10 + 46,1° | 100,0| 5 6 6 5 8 9 7 0,036 Staphylokokkengranate IV A 28248 als "An:

fangszahl + 46,10 | 80,0 144755:31449|24192/26082114745 28245

+ 46,10 | 100,0 |18144|20448|22348|18316 7200 16185 17107 0,025

Es sei noch erwähnt, daß der beobachtete Zusammenhang zwischen der Desinfektionswirkung der Salzsäure und ihrer Konzentration an die Schützsche Regel erinnert,!) die sich für die peptische Verdauung des Eiweißes wenigstens im ersten Drittel der Reaktion als gültig erwiesen hat. Nach dieser Regel sind die durch Pepsin in bestimmten Zeiten verdauten Eiweißmengen nicht den Pepsinmengen direkt, sondern den - Quadratwurzeln der letzteren proportional.

Nach der vor kurzem von 8. Arrhenius?) mitgeteilten theoretischen Betrachtung ist die Schützsche Regel auf jede Reaktion anwendbar, bei der einer von den reagierenden Stoffen

1) E. Schütz, Eine Methode zur Bestimmung der relativen Pepsin- menge. Hoppe-Seylers Zeitschr. f. physiolog. Chem. 9, 577, 1885.

2) S. Arrhenius, Über die Schützsche Regel bei Reaktions- geschwindigkeiten. Meddelanden frän K. Svenska Vetenskapsakademiens Nobelinstitut 1, Abteil. 9, 8. 1 bis 17. Vgl auch W. Ostwalds Referat auf S. 174 des 28. Bandes der Zeitschr. f. physikal. Chem. zu

der Abhandlung von S. Loeb, Physiologische Untersuchungen über Ionen- wirkungen.

240 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

mit einem Reaktionsprodukt in Wechselwirkung tritt, so daß zwischen ihnen und der dabei neu gebildeten Verbindung, deren Menge nahezu konstant bleibt, ein Gleichgewicht besteht.

Indessen dürften derartige Vorgänge in unserem Falle kaum eine Rolle spielen, da sich die Salzsäure in einem so großen Überschuß vorfindet, daß ihre aktive Masse durch einen ähnlichen Vorgang kaum beeinflußt werden kann. Es bleibt also zur Erklärung des von uns gefundenen Wertes für B nur derjenige Weg übrig, den wir kürzlich bei unseren Versuchen mit Stickstoff-Sauerstoff-Gemischen eingeschlagen haben. Auch dort wurde festgestellt, daß die Desinfektionsgeschwindigkeits- konstante der Quadratwurzel der Sauerstofikonzentration an- nähernd proportional ist. Wir haben dabei u. a. die Mitwirkung einer Adsorption als kinetisch maßgebenden Faktor in Betracht gezogen. In vorliegendem Falle bietet die Heranziehung der Adsorption besondere Schwierigkeiten, da über die Adsorption stark dissoziierter Stoffe zurzeit nur wenig Sicheres bekannt ist. So hat I. G. C. Vriens qualitativ für Salpetersäure eine Adsorption nachgewiesen.!) Kellner?), sowie Ewans?) haben auch bei stark verdünnten Lösungen der Salzsäure eine positive Adsorption beobachtet, die der Adsorptionsisotherme annähernd folgt, d. h. die prozentuale Salzsäureadsorption nimmt mit zu- nehmender Konzentration der Lösung ab. Unter der Voraus- setzung, daß die Salzsäure bei der Desinfektionswirkung dem Innern der Bakterienzelle nicht direkt aus der Lösung, sondern durch Vermittlung eines auf der Oberfläche der Bakterien sich abspielenden Adsorptionsvorganges zugeführt wird, würde für die Desinfektionsgeschwindigkeit nicht die Konzentration der Salzsäure in der Lösung, sondern die adsorbierte Menge maßgebend sein. Der gefundene Wert für B würde dann dem Adsorptionsexponenten der Salzsäure entsprechen.

Der Adsorptionsexponent beträgt für viele organische Säuren etwa 0,4.*)

1) L G. C. Vriens, Untersuchungen über Adsorption. Zeitschr. f. physikal. Chem. 81, 230, 1899.

2) Wied. Ann. 57, 79, 1889.

3) Americ. Journ. of Phys. Chem. 10, 290, 1906.

4) Vgl. Freundlich, Capillarchemie, Leipzig, Akad. Verlagsgesell- schaft, 1909, S. 150.

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I; 241

9. Desinfektionswirkung der Essigsäure und der n-Buttersäure in wässeriger Lösung bei verschiedenen Konzentrationen. Bei diesen Versuchen gelangten die Essig- säure und die n-Buttersäure in je drei verschiedenen Konzen- trationen zur Anwendung. Um einen Vergleich der Desinfek- tionswirkung der schwächeren organischen Säuren mit derjenigen der stark dissoziierten Mineralsäuren zu ermöglichen, wurde gleichzeitig auch die Einwirkung der 100litrigen Salzsäure untersucht. Diese Versuchsergebnisse sind eingehend in der Tabelle XVIII angeführt. Die dort angegebene Wasserstoff- ionenkonzentration der Essigsäure und n-Buttersäure wurde nach der Gleichung

E (1—y)-v

berechnet. In dieser Gleichung bedeutet y den Dissoziations- grad, v die Verdünnung in Litern und K die Affinitätskon-

stante, S ist dann die gesuchte Konzentration. Da bei den

schwächeren Säuren 1—y nahezu gleich 1 ist, so wurde der Dissoziationsgrad proportional der Quadratwurzel aus der Ver- dünnung gesetzt. Man ersieht aus der Tab. XVIII, daß die Wirkung der Essigsäure und der n-Buttersäure bei einer viel ge- ringeren Wasserstoffionenkonzentration die Wirkung der 100- litrigen Salzsäure bedeutend übersteigt. So besitzt z. B. die 2litrige Essigsäure, bei der die Wasserstoffionenkonzentration nur 0,003 g in 1 1 beträgt, die Desinfektionsgeschwindigkeits- konstante 0,23, die ungefähr doppelt so groß ist, als die Konstante der 100litrigen Salzsäure, deren Wasserstoffionkon- konzentration 0,0096 g in 11 beträgt. Bei der n-Buttersäure treten diese Abweichungen in noch höherem Grade auf. So besitzt die 6,6litrige Säure mit einer Wasserstoffionkonzentration von nur 0,0015 g in 1 1 die Desinfektionsgeschwindigkeitskon- stante 0,29, die etwa 2,3mal größer ist als diejenige der 100- litrigen Salzsäure. Der in der letzten Vertikalreihe der Ta- belle XVIII berechnete Quotient aus der mittleren Desinfek- tionsgeschwindigkeitskonstante und der Wasserstoffionkonzen- tration bringt die Überlegenheit der genannten organischen

Säuren als Desinfektionsmittel deutlich zum Ausdruck. Biochemische Zeitschrift Band 29. 16

Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

Tabelle XVIII. (Versuchsreihe 48; am 2. Februar 1910.)

Desinfektionswirkung derEssigsäure und der n-Buttersäure in wässeriger Lösung bei verschiedenen Konzentrationen

auf angetrooknete Staphylokokken.

Zum Vergleich wurde die Desinfektionswirkung von wässeriger Salzsäure

Kon- zentration der Säuren

untersucht. Staphylokokkengranate XIII. Einwirkungstemperatur + 18°. "Ke: EE sec ` [823. —* Se ge SS zentration Q o 10 nen a erien Des- S S e des H-Ions SE d Cep , infektions- |. F 5 in Gramm Sa EE EST, et: Konstante FEF für 11 Déi Platten ı Mit- K GE = Lösung!) z sr —* 3558 5 Platte | Platin | Platte | ** SC än | bezogen auf 3200 als An- | fangszahl 3328 | 3392 | 2880 | 3200 774 | 1113 | 857 | 915 0,250 537 441 | 505 | 494 0,187 76 69 80 75 0,250 24 | 32| 33| 30| 0,233 2 12 | 5 6 0,251 Mittel: 0,234 78

bezogen auf 9248 als An- fangsza hl

10,0 | 9376 | 9753 | 8614 | 9248

20,0 | 5913 | 5926 | 5792 | 5877| 0,045

3488 | 3769 | 3454 0,032 2310 | 1689 |2182 0,029

Mittel: 0,034 34 bezogen auf

8162 als An- fangszahl

0,001 30,0 | 4531 5561 | 4486 | 4859 0,032

9024 | 7904 | 7558 | 8162

4915 | 4633 | 5241 |4930 0,020 2348 | 2400 | 2604 | 2451 0,015 1580 | 1317 | 1113 | 1337 0,018

Mittel: 0,018 24

1) Die Konzentration des Wasserstoffions wurde bei der Essigsäure und n-Buttersäure nach dem Ostwaldschen Verdünnungsgesetz be-

rechnet.

Die Konzentration des Wasserstoffions in der Salzsäurelösung

wurde nach den Untersuchungen von Hausrath (Zeitschr. f. physikal. Chem. 37, 492, 1901) aus der Gefrierpunktserniedrigung und elektrischen Leitfähigkeit berechnet.

- ( a miih

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. 243

Tabelle XVIII (Forsetzung.)

Zahl der keimfähig ge- TE 5

Kon- bliebenen Bakterien 2253

Kon- | zentration Des- 3338 zentration| des H Long Ee E 5 der in Gramm konstante |32 E Säuren für 11 K HEF 3333

sung‘) SS fc

gazH

bezogen auf 652 als An- fangszahl

0,294 196

bezogen auf 3176 als An-

É fangszahl tersäure = 14,7- 0,055 ltrig 0,076 (= 1/14.7- 0,052 normal) 0,043 0,057 57

bezogen auf

2647 als An- fangszahl

6. n-But- 2380

tersäure 1670 | 2048 | 2220 | 1979 0,015 = 26litrig 1286 | 1344 | 1184 | 1271 0,018

= 1/26- 627 576 614 | 606 0,025

normal) 838 | 857 | 870 | 855 0,014

Mittel: 0,018 24

bezogen auf

3259 als An- fangszahl 7. HO 21,0 | 3404 | 3148 | 3225 | 3259 = 100- 31,0 736 595 627 | 653 0,115 litrig 41,0 120 141 147 | 136 0,136 (— 1/100- 51,3 8l 79 60 73 0,1 11

8 E fei Ki Q Q Q0 x

normal) 2 4 0,125

Mittel: 0,122 12

Die besonders starke Giftwirkung der n-Buttersäure ging auch aus folgendem Versuch hervor. Bei Anwendung einer 1,6ölitrigen Buttersäure, die mit der 2litrigen Essigsäure isohydrisch ist, waren die Staphylokokken schon nach 5 Minuten vollständig abgetötet; während bei der Essigsäure noch zahlreiche Bakterien keimfähig blieben. Daraus folgt, daß sowohl bei der Essig-

1) Siehe Fußnote S. 242. 16*

244 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

säure wie bei der n-Buttersäure nicht die Wasserstoffionkon- zentration allein die ausschlaggebende Rolle für die Kinetik der Desinfektionswirkung spielt. Es müssen demnach sowohl die Anionen, wie die undissoziierten Moleküle zur Erklärung dieser starken Giftwirkung herangezogen werden. Um den Einfluß der Konzentration der Säuren auf die Desinfektions- geschwindigkeitskonstante zahlenmäßig zum Ausdruck zu bringen, haben wir in Tabelle XIX unter Zugrundelegung der Ver- suche in Tab. XVIII mit Hilfe der Gleichung (8), die wir schon oben für die Berechnung der Konzentrationswirkung ausführ-

Tabelle XIX. Einfluß der Konzentration auf die Desinfektionsgeschwin- digkeitskonstante von Essigsäure und n-Buttersäure in wässeriger Lösung.

Kon- PER log a : log o B= B, Des- zen- Kon- |o% P 2 2 infektions-Itration | Zentration A 3 3 Benutzte 5 B, . der des kaal 3 Kon —— mittel Säuren H-Ions i- ko g| zentrations- Kee ans der A S paarwerte Säurekon- a0 OI OG zentration | „„ntration 1 2 | 3 WI 5 a > S

Essig- 0,034 0,93 1,89 säure 31,17- | 0,00075 g | 0,018 1,12 2,21 litrig | H-Ionen | | in 11 | | | 6,6- | 0,0015 g |0,294 | 1/ee |17| 204 | 4,04 litrig H-Ionen in 11 n-Butter-| 14,7- 0,001 g 0,057 | Ya. | Yas | 2,03 4,03 säure | litrig | H-Ionen in 11 26,0- | 0,00075 g | 0,018 | 1,47 | Lane 2,04 4,00 litrig H-Ionen in 11

Bemerkung: Die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante der Salz- säure in 100 litriger (= ?”/iọọ = 0,0096 g H-Ionen in 1 l) wässeriger Lösung betrug 0,122.

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. 245

lich besprochen haben, die Werte für B berechnet. Es stellte sich dabei heraus, daß der Wert von B für die Essigsäure ungefähr gleich 1 ist, und daß er bei der n-Buttersäure auf 2 ansteigt. Während also bei der Essigsäure eine ziemlich genaue Proportionalität zwischen der Desinfektionswirkung der Säure und ihrer Konzentration herrscht, nimmt bei der n-Buttersäure die Desinfektionswirkung mit dem Quadrate der Konzentration ab. Dadurch erklärt sich, daß die Werte der Desinfektions- ` geschwindigkeitskonstanten der Essigsäure und der n-Butter- säure nur bei den hohen Konzentrationen stark voneinander abweichen, während sie bei den verdünnten Lösungen einander sehr nahe kommen. So steht z. B. dem Werte der Desinfek- tionskonstante der 17,65litrigen Essigsäure 0,034 derjenige von 0,057 bei der 14,7litrigen n-Buttersäure gegenüber, während die 31,17litrige Essigsäure und die 26litrige n-Buttersäure den gemeinschaftlichen Wert von 0,018 aufweisen. Es folgt daraus der für die Desinfektionspraxis ziemlich wichtige Umstand, daß zwei Desinfektionsmittel, die bei größeren Konzentrationen in bezug auf ihre Desinfektionswirkung voneinander stark ab- weichen, bei großer Verdünnung einander ziemlich nahe kommen können. So wird man, um eine rasche Desinfektion zu er- reichen, bei Anwendung von konzentrierten Lösungen der n- Buttersäure den Vorzug geben müssen, während sie bei lang- samer Desinfektion ohne Nachteile durch die Essigsäure ersetzt werden kann. 1)

Legt man bei der Berechnung des Konzentrationsexpo- nenten die Wasserstoffionkonzentration zugrunde, so ergibt sich bei der Essigsäure für das Ansteigen der Wasserstoffionenkon-

0,001 0,003 0.00075 1,33 fache, 0,001

= 4,0 fache, eine Zunahme der Desinfektionsgeschwindig-

0,034 0,234 gorg ~ Ofache, os4

zentration um das 3fache und

0,003 0,00075 keitskonstante um das

7,0 fache

1) Eine ähnliche Beobachtung, daß verschiedene Desinfektionsmittel in konzentrierten Lösungen verschieden stark wirken, aber in verdünnter Lösung einander fast gleich kommen können, wurde von B. Krönig und Th. Paul (ebenda, S. 50) an Lösungen von Quecksilberchlorid und von Quecksilberchloridkoohsalzmischungen gemacht.

246 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

0,234 0,018 den Wasserstoffionkonzentrationsverhältnissen von 1,3, 1,5 und 2 diejenigen der Desinfektionskonstanten von 3,2, 5,2 und 16,3. Indessen zeigen auch diese Zahlen eine gewisse Gesetzmäßig- keit, wie deutlich aus den Werten von B, der Vertikalreihe 8 der Tab. XIX hervorgeht. Die Werte der letzteren wurden ebenfalls nach der Gleichung (8) berechnet, jedoch unter Be- nutzung der Weasserstoffionkonzentration anstatt der Säure- konzentration. Die Werte von B, sind annähernd konstant und sind ungefähr doppelt so groß wie B. Es sei bemerkt, daß dieser Zusammenhang nichts Überraschendes darstellt. Er erscheint vielmehr als eine Notwendigkeit der Dissoziations- therme in ihrer Anwendung auf schwache Elektrolyte, bei denen die Ionenkonzentration mit genügender Annäherung pro- portional der Quadratwurzel der Konzentration ist.

Was die physikalisch-chemische Bedeutung der Werte von B oder von B, anbelangt, so lassen sich folgende Überlegungen anstellen. Einerseits können sich die undissoziierten Molekeln der Essigsäure mit genügender Geschwindigkeit an der Des- infektionsreaktion beteiligen, so daß sie infolge ihrer über- wiegenden Konzentration allein für die Reaktionsgeschwindig- keit maßgebend wären. Andererseits könnte man die Annahme machen, daß die Anionen die desinfizierende Wirkung des Wasserstoffions proportional ihrer Konzentration beschleunigen. Beide Möglichkeiten würden zu der gleichen Abhängigkeit der Desinfektionswirkung von der Konzentration führen. Da wir über diesen Einfluß des Essigsäureions nicht unter- richtet sind, so können wir vorläufig in bezug auf die Des- infektionswirkung der Essigsäure eine Wahl zwischen beiden Möglichkeiten nicht treffen. Auch die Werte von B und P, der n-Buttersäure sind einer Deutung kaum zugänglich. Zwar könnte man in diesem Falle an ein Verteilungsgleichgewicht der n-Buttersäure zwischen Wasser- und Bakterieninhalt denken, jedoch müssen hierzu erst noch weitere Versuchsergebnisse ab- gewartet werden. Schließlich sei noch erwähnt, daß die An- derungen der Desinfektionswirkung der Essigsäure und der n- Buttersäure mit der Konzentration bisher keine Anhaltspunkte für die Annahme irgend welcher Adsorptionsvorgänge ergeben

und

= 13,0 fache. Bei der n-Buttersäure entsprechen

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. I. 247

haben. Das ist insofern merkwürdig, als wir bei der Salzsäure zu solchen Anhaltspunkten gelangten. Da die schwachen Elektrolyte vielmehr zu Adsorptionsvorgängen befähigt sind als die starken Elektrolyte, so wäre deren Mitwirkung bei der Desinfektion mit organischen Säuren eigentlich zu erwarten gewesen. Auch die viel stärkere Desinfektionswirkung der n- Buttersäure gegenüber der Essigsäure müßte Anlaß zu solchen Vermutungen geben. Bekanntlich übertrifft der Adsorptions- koeffizient der n-Buttersäure Kohle als Adsorbens gegenüber fast um das 2,öfache denjenigen der Essigsäure, so daß ein deutlicher Parallelismus zwischen den Desinfektionswirkungen beider Säuren und ihrer Adsorbierbarkeit zutage tritt.

IV. Schlußsätze.

L Die Desinfektionswirkung der beiden von uns untersuchten organischen Säuren, Essigsäure und n-Buttersäure, ist viel stärker als diejenige der Salz- säure in isohydrischen Lösungen.

2. Die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante der wässerigen Salzsäure ist in 25 bis 150litrigen (='/,, bis Lee normalen) Lösungen annähernd der Quadratwurzel der Säurekonzentration proportional.

3. Die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante der wässerigen n-Buttersäure ist in den 6,6 bis 26litrigen le bis '/ normalen) Lösungen annähernd dem Quadrate der Säurekonzentration proportional.

4. Die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante der wässerigen Essigsäure ist in den 2 bis 3llitrigen (=!/, bis "ln normalen) Lösungen der Säurekonzen- tration annäherd proportional.

5. Für den Zusammenhang zwischen Desinfektions- wirkung eines Stoffes und seiner Konzentration wurde die allgemein gültige Gleichung aufgestellt:

K = 4.08.

Diese Gleichung besagt: Die Desinfektionsgeschwin- digkeitskonstante K, die den Verlauf der Abtötung der Bakterien durch ein gelöstes Desinfektionsmittel zum Ausdruck bringt, ist im allgemeinen nicht direkt pro-

248 Th. Paul, G. Birstein u. A.Reuß: Kinetik d. Giftwirk. gelöster Stoffe. I.

portional der Konzentration dieses Stoffes (C), sondern einer konstanten Potenz (C28) der Konzentration.

6. Der Exponent B ist für den Vorgang charak- teristisch, durch den die Zufuhr des Giftes in das Innere der Zelle vermittelt wird (Adsorption, Ver- teilung).

7. Die isohydrischen Lösungen von acht unter- suchten anorganischen Säuren haben verschiedene Desinfektionsgeschwindigkeitskonstanten. Es lassen sich hierbei drei verschiedene Gruppen unterscheiden. Dieses Verhalten läßt sich auf eine beschleunigende (katalytische) Wirkung der Anionen zurückführen.

Beiträge zur Kinetik der Giftwirkung von gelösten Stoffen.

2. Teil: Einfluß der Neutralsalze und der Temperatur auf die Desinfektionsgeschwindigkeit von Säuren. Von Theodor Paul, Gustav Birstein und Anton Reuß.

(Aus dem Laboratorium für angewandte Chemie an der Universität München.)

(Eingegangen am 16. August 1910.)

1. Versuche über den Einfluß der Neutralsalze auf die Desinfektionsgeschwindigkeit von Säuren.

Im ersten Teile dieser Abhandlung 11. in dem der Einfluß der Konzentration auf die Kinetik der Giftwirkung von gelösten Stoffen besprochen wurde, haben wir gezeigt, daß annähernd isohydrische Lösungen der anorganischen Säuren verschiedene Desinfektions- geschwindigkeitskonstanten aufweisen. Wir haben diese Ver- schiedenheit der Wirkung der Anionen zugeschrieben. Die nichtdissoziierten Molekeln kommen in diesem Falle wegen ihrer sehr kleinen Konzentration viel weniger in Betracht. B. Krönig und Th. Paul haben seinerzeit schon auf diesen Umstand hingewiesen.) Für den Fall, daß den Anionen eine spezifische Giftwirkung zukommt, wird sich dieser Einfluß bei den Des- infektionsgeschwindigkeitskonstanten nach Maßgabe des Giftig- keitsverhältnisses des Anions und Kations geltend machen. Ist dieses Verhältnis sehr klein, dann würde die Reihenfolge der Desinfektionsgeschwindigkeitskonstanten, die verschiedenen Salzen eines und desselben Metalls zukommen, ihren Dissozia- tionsgraden entsprechen. Dies scheint bei den Quecksilber- salzen nach der Untersuchung der genannten Autoren der Fall

1) Diese Zeitschr. 29, 202, 1910.

2) B. Krönig und Th. Paul, Die chemischen Grundlagen der Lehre von der Giftwirkung und Desinfektion. Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankheiten 25, 43, 1897.

250 Th. Paul, G: Birstein und A. Reuß:

zu sein. Danach besitzt das Quecksilberkation eine verhältnis- mäßig große desinfizierende Wirkung. Dagegen tritt bei den Silbersalzen der Einfluß der Anionen infolge der schwächeren Wirkung des Silberkations viel deutlicher hervor. Die Lösungen von Silbersalzen, deren Dissoziationsgrad ungefähr derselbe ist, haben verschiedene Desinfektionswirkungen gezeigt. Ähnliche Verhältnisse haben B. Krönig und Th. Paul auch bei einer Reihe von anorganischen Säuren festgestellt. Leider mußten die Säuren wegen der großen Widerstandsfähigkeit der zu den Ver- suchen benutzten Milzbrandsporen in so konzentrierten Lösungen zur Verwendung gelangen, daß Nebenreaktionen nicht ausge- schlossen sind, und vielleicht erklärt sich dadurch der Um- stand, daß die von ihnen aufgestellte Säurereihe, in der die Säuren nach ihrer Desinfektionswirkung angeordnet sind, von der von uns gefundenen Reihe etwas verschieden ist. So über- trifft z. B. bei ihren Versuchen in einliteriger Lösung die Fluß- säure alle anderen Säuren und besonders auch die Salzsäure sehr erheblich an Giftigkeit, während nach unserer Beobach- tung die 100litrige Flußsäure nur wenig stärker wirkt als die 1l00litrige Salzsäure. Auf die drei Gruppen, in die sich die von uns untersuchten Säuren ihrer Desinfektionswirkung nach einteilen lassen, wurde schon im ersten Teile dieser Ab- handlung hingewiesen. Es ist merkwürdig, daß die Halogen- wasserstoffsäuren nicht einer und derselben Gruppe angehören, sondern in allen drei Gruppen auftreten, und zwar in der Weise, daß mit steigendem Atomgewicht des Anions die Desinfektions- wirkung bedeutend zunimmt. Hierzu sei bemerkt, daß die Be- schleunigung der Zuckerinversion, die durch Zusatz von Salzen einwertiger Metalle hervorgerufen wird, bei den Bromiden ebenfalls stärker ist, als beiden Chloriden. Zur Prüfung des Einflusses der Anionen haben wir eine Reihe von Versuchen ausgeführt, bei denen Gemische der anorganischen Säuren mit verschiedenen Mengen der Neutralsalze als Desinfektionsmittel benutzt wurden. Außerdem wurden auch die Lösungen der Neutralsalze an und für sich unter- sucht. Die Ergebnisse dieser Versuche sind in den Tabellen XX bis XXIV ausführlich mitgeteilt.!) Außerdem findet man in

1) In den Tabellen XX bis XXIV, die im Anschluß an den ersten Teil dieser Abhandlung weiter numeriert wurden, sind die Versuchsreihen enthalten, die zu gleicher Zeit ausgeführt wurden. Die Anordnung ist infolgedessen vielfach eine zufällige.

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. II. 251

der Tabelle XXV eine Zusammenstellung der Desinfektions- geschwindigkeitskonstanten von Lösungen, die Säuren und Salze zugleich enthalten, neben denjenigen der reinen Säuren. Aus den Tab. VI und VII des ersten Teiles dieser Abhandlung und XX er- gibt sich zunächst, daß die Salze NaNO,, NaBr, KCIO, und KJ, auf deren Zusatz zu einer Säure ein Ansteigen der Desinfektions- geschwindigkeitskonstanten hervorgerufen wird, in den hier in Frage kommenden Konzentrationen an und für sich keine merkliche Desinfektionswirkung ausüben.

Ferner haben wir Aufklärung über folgende Punkte zu er- halten gesucht:

1. Über den Einfluß von Salzen, die ein von den benutzten Säuren verschiedenes Anion besitzen ;

2. über den Einfluß von Salzen, die mit den benutzten Säuren ein gemeinschaftliches Anion haben;

3. über den Einfluß der Konzentration des Salzes in diesen

beiden Fällen. Tabelle XX. (Versuchsreihe 38; am 24. Juli 1909.) 1. Einfluß von Kaliumperchlorat auf die Desinfektions- wirkung der Salzsäure. 2. Einwirkung einer wässerigen Lösung von Kaliumjodid auf angetrocknete Staphylokokken.

Staphylokokkengranate VIII. Einwirkungstemperatur + 18°. p Zahl der keimfähig gebliebenen Des- Des- Bakterien infektions- infektions- eschwindig- —— a) auf den einzelnen Platten SCH e keits- z

1. Platte | 2. Platte | 3. Platte

bezogen auf 43699 als An-

fangszahl KCI0,+HCl 0,121 100litrig 0,109 (= 1/100- 0,125 em dia

KJ 30,5 | 38304 | 41875 | 36345 | 38841

= 100litrig (= 1/00- | 50,0 | 27360 | 27820 | 25574 26018 normal) | 60,0 | 17683 | 13420 | 16416 |15840

39,5 | 21600 17049 16934 | 18528

252 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß: Tabelle XXI. (Versuchsreihe 39; am 29. Juli 1909.)

1. Einfluß von Kaliumperchlorat auf die Desinfektions- wirkung der Salpetersäure, Salzsäure und Überchlorsäure.

2. Einfluß von Natriumnitrat auf die Desinfektionswirkung der Salzsäure.

Staphylokokkengranate VIII. Einwirkungstemperatur + 18°.

Zahl der keimfähig gebliebenen Des- Des- Bakterien infektions- infektions- hwindig- j Ge a) auf den einzelnen Platten oh ee . 1. Platte |2. Platte |3. Platte [konstante K

bezogen auf

27916 als An- fangszahl HNO, =>

+KCI0, GE = 1001 0.199 (= 1/100- 0'218 normal) 0.258 Mittel: 0,225

bezogen auf 28915 als An- fangszahl

9561 | 10425 | 10137 |10041| oaıı

Hol+2Kaıo,| 190 HCl 1459 1664 1120 | 1414| 0,301

masang | 250 | 902 | 774 | 838| 0,248 M ormai | 300 | 23 22 21 | 22| 030 40,0 5 o | 7 el 0282

Mittel: 0,279

bezogen auf

nt 20064 als An-

Toi Da fangszahl =. g 4156 0,314 normal) 36| 0,421

Mittel: 0,367

bezogen auf 17213 als An- fangszahl

0,059 0,059 0,074

Mittel: 0,064

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. II.

Tabelle XXII. (Versuchsreihe 41; am 4. August 1909.)

263

1. Einfluß von Kaliumjodid und Natriumbromid auf die Des-

infektionswirkung der Salzsäure,

2. Einfluß von Natriumchlorid auf die Desinfektionswirkung

der Überchlorsäure.

3. Einwirkung einer wässerigen Lösung von Salzsäure auf

Des-

mittel

HCI+KJ = 100litrig (= 1/1007 normal)

HCI+2 KJ HO = 100litrig

(HCI = Lee normal)

HCI+NaBr = 100litrig (= 1/100- normal)

angetrooknete Staphylokokken.

Staphylokokkengranate X. Einwirkungstemperatur + 18°.

Zahl der keimfähig gebliebenen

Des-

akterien infektions-

——— a) auf den einzelnen Platten PAR gesohwindig 1. Platte | 2. Platte | 3. Platte | zah] | Konstante K

bezogen auf 27072 als An- fangszahl

0,106 0,052 0,059 0,139

Mittel: 0,089

bezogen auf 28972 als An- fangszahl 5,0 | 29203 | 28684 | 29030 |28972 _ 7,0 18835 16531 16416 | 17260 0,258 8,0 | 11808 11577 11232 |11539 0,230 12,5 | 10656 11404 11462 |11174 0,133 15,0 1833 7315 8640 7929 0,129 18,0 3552 2995 3273 0,167 22,0 1126 979 1312 | 1139 0,190

Mittel: 0,185

bezogen auf 12211 als An- fangszahl

Mittel: 0,031

254 Th. Paul, G. Birstein und A, Reuß:

Tabelle XXII (Fortsetzung).

Zahl der keimfähig gebliebenen

Des- Bakterien

Des- infektions-

infektions-

bezogen auf 45791 als An- fangszahl

Mittel: 0,054

bezogen auf

49152 als An-

50 | 46888 | age | 60688 Luss) SEEM 9 9 pa

DE NaBr) g0 | 39686 | aıısa | [4035| 0,065 _ 100litrig | 120 | 19296 | 19123 | 22579 |20333| 0,126 mo 1 O | 17,0 | 10828 | 10944 | 12384 |11385| 0,122 (HC = Wm 27,0 | 7176 7948 SS 7562| 0.085

normal) | 350 | 2758 | 2688 | 2483 | 2643| 0,097

Mittel: 0,107

bezogen auf 13747 als An-

fangszahl

HCIO,+Nacı| 10,0 | 13190 | 13939 | 14112 | 13747 = 100litrig | 45,0 357 421 498 | 425| 0,09 Lee | 600 54 45 6l 48| 0,113

normal) | 71,3 I =] - 16| 0,110

Mittel: 0,107

bezogen auf 48633 als An-

fangszahl HO 0,020 100 litrig 0,012 (= 1/100" 0,013 normal) 0,015 0,016

Mittel: 0,015

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. II. 255

Tabelle XXIII. (Versuchsreihe 46; am 8. Januar 1910.) 1. Einfluß von Kaliumnitrat auf die Desinfektionswirkung der Salpetersäure. 2. Einwirkung der wässerigen Lösung von Salpetersäure so- wie von Salzsäure auf angetrocknete Staphylokokken.

Staphylokokkengranate XII. Einwirkungstemperatur + 18°. Zahl der keimfähig gebliebenen Des- Des- Bakterien infektions- infektions- LEE Et D geschwindig-

mittel T'R. CN auf den einzelnen Platten ttel keits- 1. Platte | 2. Platte | 3. Platte | zah} | Konstante X

bezogen auf

12578 als An- fangszahl HNO,+KNO, 13235 = = 100litrig 1932 0,138 (= 1/100" 428 0,175 normal) 170 0,175

HNO,+2KNO, 5.0 | 9977 | 11392 | 11404 | 10924 2 HNO

1 3 = 1Wlitrig | 15,5 1824 1427 1494 1582 0,184

—Yıoo- | 20,0 390 409 403 401 0,220 normal) 25,3 31 46 40 39 0,278 Mittel: 0,227

bezogen auf

9977 als An-

fangszahl HNO,+3KNO,| 5,0 | 10944 | 10688 8300 | 9977

HNO, 10,0 4044 4000 2726 3590 0,204 = 100litrig | 15,0 992 761 851 868 0,244 (= 1/00" 20,0 161 152 148 154 0,278 normal) 25,0 9 8 3 7 0,363 Mittel: 0,272

bezogen auf

12539 als An- fangszahl HNO, 11456 13830 ES == 100litrig 20,0 3942 3808 3699 3816 0,119 oo 130,0 | 1254 1452 1420 | 1375 0,110 normal) 40,0 196 188 211 198 0,174 Mittel: 0,134 bezogen auf 11722 als An- fangszahl 10739 HC! 0,068 = 100litrig 0,072 (= 1/ıoo- 0,074 normal) 0,078 0,082

Mittel: 0,075

256 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

Tabelle XXIV. (Versuchsreihe 47; am 15. Januar 1910.) 1. Einfluß von Kaliumnitrat auf die Desinfektionswirkung von Salzsäure.

2. Einwirkung der wässerigen Lösung von Salzsäure sowie von Salpetersäure auf angetrocknete Staphylokokken. Staphylokokkengranate XII. Einwirkungstemperatur + 18°.

Zahl der keimfähig gebliebenen Des- Des- Bakterien infektions- infektions- - geschwindig- ze Br a) auf den einzelnen Platten tee l - 1. Platte | 2. Platte | 3. Platte | ap] | Konstante X

bezogen auf 8128 als An- fangszahl

0,059 0,095 0,068 0,080 0,092 Mittel: 0,079 bezogen auf

22534 als An- fangszahl

HCI+KNO, 100litrig

= 1 - il

40 | 21753 | 22835 | 23014 | 22534 E

EE 12,0 | 12672 | 12710 | 12092 | 12791 0,096 og | 18,0 3093 3264 3782 | 3680 0,151 RT '8 | 20,3 | 1900 2194 2201 | 2099| 0,146 te | 25,3 454 518 492 488 0,180 normal) | 080 851 889 1011 917| 0,133 32,3 183 165 181 176 0,172

Mittel: 0,146

bezogen auf 25892 als An-

fangszahl

4,0 | 24870 27052 25753 | 25892 = HCI+3KNO,| 16,0 6387 7232 6041 | 6553 0,114 HCl 20,0 1465 1433 1203 | 1367 0,184

= 100litrig | 24,0 345 281 315 | 314| 0,220 (= 1/1007 | 28,0 24 13 20 19 0,300 normal) 32,3 19 22 22 21 0,252

Mittel: 0,214

bezogen auf

27880 als An- fangszahl

HO 4,0 | 26732 30176 26732 | 27880 u +4KNO, | 120 7385 6073 7129 | 6862 0,175 HCI 16,0 2054 1779 1817 | 1883 0,224 = 100litrig | 20,8 61 38 42 47 0,381 (=!/j00- | 243 21 22 10 18 0,362 normal) | 28,3 3 3 3 3 0,376

Mittel: 0,304

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. II. 257

Tabelle XXIV (Fortsetzung).

Zahl der keimfähig gebliebenen Des- Des- Bakterien afek tions: infektions- hwindig- = 3 = a) auf den einzelnen Platten BR = 1 1. Platte | 2. Platte | 3. Platte | zah] | Konstante K

bezogen auf 12343 als An- fangszahl

0,044 0,072 0,067 0,077 0,086 0,083 0,083

Mittel: 0,073

bezogen auf 19507 ala An-

fangszahl 7,0 19225 20262 19033 | 19507 HNO, 14,0 7188 7020 6848 7219 0,142 = 100litrig | 22,0 3123 2752 2963 2946 0,126

(= 1o- | 28.0 838 883 1024 | 915| 0,146 normal) | 35,0 480 486 313 | 426| 0,136 42,0 156 131 168 | 162| 0,139

Mittel: 0,138

Es hat sich herausgestellt, daß im allgemeinen, wenn man zu einer Säure HX, die äquivalente Menge eines Salzes MeX, hinzufügt, die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante dieses Ge- misches den Wert der stärker desinfizierenden Säure HX, erreicht. So beträgt z. B. bei der Granate VIII die mittlere Desinfektions- geschwindigkeitsekonstante der Salzsäure ungefähr 0,025, diejenige der Salpetersäure 0,06, der Überchlorsäure 0,12. In der Tat wurde für die Lösung HCl NaNO, die Konstante 0,064, für HCI 4+ KCIO, die Konstante 0,129 gefunden. Beim Gemisch HNO, + KCI1O, betrug sie 0,225. Auf die Ursachen der Abweichung des letztgenannten Wertes 0,225 konımen wir später noch näher zurück. Auch bei den übrigen Granaten tritt dieselbe Erscheinung auf. So finden wir z. B. bei der Versuchsreihe 41 auf Tab. XXII, bei der die Granate X zur Anwendung kam, neben dem Wert der Salzsäure von 0,015 für HO NaBr den Wert von 0,031 und für HO KJ den Wert von 0,089. Leider fehlen uns für diese Granate die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstanten

für die 100litrige Bromwasserstoffsäure und Jodwasserstoffsäure, Biochemische Zeitschrift Band 29. 17

258 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

Tabelle Einfluß von Neutralsalzen auf die Zusammenstellung der Versuchsergebnisse aus den

fat T z J E a z> 9 31 vil VII f0,028| | 0,056 I. 32 | pl emt | | | Woesnagl Mel | | | 33 | vım| vm [o,o3e| | wonn wel | | | 34 | Gel vm Wou | nosooooian | | | 3 | x| vm bal | I 1 1 1 1 E 1 | 37 | nl vm [o,018'0,0210,032| | 10,045] 0,156) | | 33 | cl vu | |) i I 1 1 1 1 | !? 11 39 Il vu II 1I I I III I H | 4 | xxu] x los | | | | | | ooalogopdoim 46 |xxm| xm wo | | wad | I | | 47 |xxıv| xa foo II oas JO po po poo

Bemerkung: Die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstanten der ersten sechs Teiles dieser Abhandlung entnommen.

Entnimmt man aber die entsprechenden Zahlen aus den Ver- suchen mit der Granate VIII und berechnet daraus das Ver- hältnis der Konstanten dieser Säuren zu derjenigen der Salz- säure, so ergibt sich, daß bei der Granate X die Konstanten für HCI+ NaBr und HO + KJ sich zu derjenigen von HO im selben Verhältnis (etwa 1:2 und 1:6) befinden.

Hierbei muß man berücksichtigen, daß sich ein Gemisch von HX, + MeX, von der Lösung HX, durch das Vorhanden- sein der äquivalenten Menge Me und X,-Ionen unterscheidet. Da aber die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstanten beider Lö- sungen annähernd gleich sind, so folgt daraus, daß die Me- und X,-Ionen in diesem Falle indifferent sind. Bei den oben angeführten Versuchen war X, das Chlorion. Daraus geht hervor, daß die Cl-Ionen eine besondere Stellung bei der Desinfektionswirkung der Säuren einnehmen. Unsere oben zum Ausdruck gebrachte Ansicht, daß man die Desinfektions- geschwindigkeitskonstante der Salzsäure als Maß der Wasser-

e EE ee Fat

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. II. 259

XXV. Desinfektionswirkung von Säuren. Tabellen 6, 7, 8, 9, 10, 12, 20, 21, 22, 23 und 24.

| geg | | \0,089!0,185| I. Ad | | 10,163'0,227| 0,272! | ` |0,079'0,14610,214| 0,304| | WEEN SE d | | | Horizontalreihen wurden den Tabellen VI, VII, VIII, IX, X und XII des ersten

| | |

| | 0,107]

stoffionenwirkung allein anzusehen hat, wird dadurch wesentlich gestützt. Da andererseits die Chlorsäure und die Flußsäure fast dieselben Desinfektionsgeschwindigkeitskonstanten wie die Salzsäure aufweisen, so können wir schließen, daß die OO. Ionen und F-Ionen bei den von uns untersuchten Verdünnungen ebenfalls indifferent sind.

Ganz anders gestalten sich die Verhältnisse bei der Lösung von HNO, + KCIO,, die sich von der äquivalenten Perchlorsäure- lösung durch die Anwesenheit der wirksamen NO,-Ionen unter- scheidet. Deshalb besitzt dieses Desinfektionsgemisch auch einen viel höheren Desinfektionseffekt als die Perchlorsäure. Anstatt der Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante der letz- teren, die in allen drei untersuchten Fällen mit guter Über- einstimmung im Mittel zu 0,122 bestimmt wurde, finden wir für HNO, + KCIO, den Wert von 0,225. Demnach ist durch die NO,-Ionen der Wert der Perchlorsäure fast verdoppelt worden. Dieser verdoppelnde Einfluß der NO,-Ionen auf die

17*

260 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

Desinfektionswirkung der Perchlorsäure entspricht annähernd der Steigerung der Desinfektionswirkung des Wasserstoffions, die sich aus dem Vergleich der Desinfektionsgeschwindigkeits- konstanten für die Salzsäure und Salpetersäure ergibt.

Den Einfluß, den die Konzentration des zugesetzten Anions auf den ursprünglichen Wert der Desinfektionsgeschwindigkeits- konstante der Säure HX, ausübt, ersieht man deutlich aus der Tabelle XXVI. In der Vertikalreihe 6 dieser Tabelle sind die Erhöhungen der Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante in Pro- zenten für !/ „normal Neutralsalz angeführt, die aus den Er- höhungen bei größerer Konzentration berechnet wurden. Sie sind nicht konstant, sondern zeigen eine deutliche Zunahme mit der Konzentration des Neutralsalzes. Daraus geht hervor, daß, wenn man zu einer 100litrigen Lösung (HX, + MeX,) noch TI a Mol MeX, hinzufügt, eine Beschleunigung hervorgerufen wird, die größer ist, als beim Zusatz der ersten Salzmenge. Ähnliches wiederholt sich bei weiterem Zusatz des Neutralsalzes. Dagegen weisen die Werte der letzten drei Vertikalreihen eine deutliche Regelmäßigkeit auf, die darin besteht, daß sich die Des- infektionsgeschwindigkeitskonstanten der benutzten Desinfektions- gemische zur Konstanten der Säure:

K

K Säure

ungefähr so verhalten, wie die entsprechenden Konzentrationen des Neutralsalzes. Dementsprechend müssen die Werte der 8. und 9. Vertikalreihe konstante Zahlen geben, was in der Tat mit genügender Annäherung zutrifft. Diese Regelmäßig- keit scheint uns insofern von Bedeutung zu sein, da sie imstande ist, über die Natur des Desinfektionsvorganges bei anorganischen Säuren Aufklärung zu geben. Wenn wir den Einfluß der Kon- zentration der Neutralsalze auf Grund dieser Beobachtungen allgemein zusammenfassen, so ergibt sich für die Desinfektions- geschwindigkeitskonstante der 100litrigen Salzsäure K, und für diejenige des Desinfektionsgemisches HCl-+ n-MeX, in 100- triger Lösung K, folgende Beziehung:

Es E An... (14

wo A der Beschleunigungsfaktor von MeX, in der Verdünnung 100 Liter bedeutet. Diese Gleichung unterscheidet sich wesent-

ei Men _——

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. II. 261

Tabelle XXVI. Erhöhung der Desinfektionsgeschwindigkeitskonstanten von Säuren durch Neutralsalze bei verschiedener Konzentration (C).

Desinfektions- j geschwin-| , . liis ; suchs-Inaten-|°,. , .. höhun ., 100° "be mittel tabelle! Nr. Was 8 litriges

HO

= 100litrig

= 1/100 normal) (HC1+NaBr)

= 10Wlitrig (= 1/1oo normal) (HC1+2NaBr)

= 100litrig (HC1+3NaBr)

= 100litrig

(HCI+KJ) IXXIl X 0,089 493 = 100litrig (=Yıoonormal) (HCI+2KJ) |XXD| X 0,185 1133 = 100litrig

HCl XXIV| XI 0,073

BREET DEST EE ER KS 1/7 (= !/ı00 normal) | |

493 5,93 | 5,93 | 0,89

(HCI+KNO,) IXXIV| XI 0,079 8,22

== 1/ „normal)

(HCI+2KNO,) |XXIV| XII 0,146 = 100litrig

(HCI+3KNO,) |XXIV| XII 0,214 = 100litrig

(HCI+4KNO,) |XXIV| AU 0,304 = 100litrig

HNO, XXIII XII 0,134 = 100litrig = 1/100 normal) (HNO, + KNO,) [XXI] XII | 0,163 = Di tele (= vi 100 normal) (HNO, +2KNO | xxu] xu | 0,227 100 litrig (HNO,+3KNO,)IxxIN] x1 | 0272 Mlitrig

—1

50 2,00 1,00 |0,073 64 2,93 0,08 0,071

310 79 Se 1,04 | 0,076

21,6 21,6 | 1,29 | 1,29 | 0,163

69,4 34,7 | 1,69 | 0,84 | 0,113 103 34,3 | 2,03! 0,68 | 0,091

262 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

lich von der Gleichung, die im allgemeinen den Einfluß der Katalysatoren auf die Reaktionsgeschwindigkeit zum Ausdruck bringt. Wenn wir die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante K, der reinen Salzsäure als Maß der Reaktionsgeschwindigkeit zwischen den Wasserstoffionen und irgend einem Stoffe, der sich im Innern der Bakterien befindet, betrachten und die Wirkung der Neutralsalze als eine Beschleunigung dieser Re- aktion auffassen, so ist zwischen den Desinfektionsgeschwindig- keitskonstanten K, und K, bei Anwesenheit der Neutralsalze folgender Zusammenhang zu erwarten:

K,=&K,(144-n) . ... . (15) wo A einen Proportionalitätsfaktor und n die oben genannte Konzentration des Neutralsalzes bedeuten. Hierbei wird voraus- gesetzt, daß die Beschleunigung der Neutralsalze ihrer aktiven Masse proportional ist, wie dies z. B. von S. Arrhenius bei der Beschleunigung der Zuckerinversion durch Neutralsalze be- obachtet wurde.!) Daraus folgt aber, daß der Ausdruck

K, K. En konstant sein muß. Der Ausdruck | K mg X 1 X u” ist nichts anderes, als die in der Vertikalreihe 6 stehende Er- höhung der Desinfektionsgeschwindigkeitskonstanten in Pro- zenten für das Neutralsalz in der Verdünnung 100 Liter. Diese Zahlen sind aber nicht konstant, sondern sie nehmen mit wachsender Konzentration des Neutralsalzes zu. Es hat sich vielmehr ergeben, daß nicht die Beschleunigung, sondern die gesamte Reaktionsgeschwindigkeit des Desinfektionsvorganges der Konzentration des Neutral- salzes, oder seines wirksamen Ions proportional ist. Eine ähnliche Katalysatorenwirkung ist bei chemischen Reak- tionen nur dann zu erwarten, wenn die ursprüngliche Reaktions- geschwindigkeit sehr klein ist, oder wenn im Sinne der obigen Gleichung (15) K, einen sehr kleinen Wert hat. Ein derartiger

A. . . . . (15a)

1) S. Arrhenius, Über die Reaktionsgeschwindigkeit bei der In- version von Rohrzucker durch Säuren. Zeitschr. f. physikal. Chem. 4, 226, 1889.

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. IL 263

Fall wurde von Walton?!) bei der Jodionenkatalyse des Wasser- stoffsuperoxydes beobachtet, bei der ebenfalls die Reaktions- geschwindigkeit und nicht die Beschleunigung der Konzen- tration des zugesetzten Jodids proportional ist. In unserem Falle können wir den Vorgang aber nicht in derselben Weise deuten, da die Reaktionsgeschwindigkeit der nicht beschleunigten Reaktion, d. h. diejenige der reinen Salzsäure schon einen relativ bedeutenden Wert erreicht. Wir können deshalb die Wirkung der Neutralsalze nicht als Beschleunigung der Wasserstoffionen- wirkung, wie z. B. bei der Zuckerinversion, auffassen. Es scheinen vielmehr die Neutralsalze in der Weise zu wirken, daß sie einen ursprünglichen Vorgang proportional ihrer Kon- zentration beschleunigen. In diesem Falle würde der Gesamt- einfluß der Salzsäure und des zugesetzten Neutralsalzes auf die Geschwindigkeit jenes ursprünglichen Vorganges durch folgende Gleichung zum Ausdruck kommen

R,=K-Bf,(C,)-A-tın) - . - . (16)

wo A und B Proportionalitätsfaktoren sind. f,(C,) bedeutet den Einfluß der Wasserstoffionenkonzentration und Lin) den Einfluß der Neutralsalzkonzentration. Diese Gleichung zeigt, daß in der Wirkungsweise der Wasserstoffionen und der An- ionen nur ein Unterschied in bezug auf den Konzentrations- einfluß besteht.

Diese Überlegung führt zu der Vorstellung, daß durch das Hinzufügen der Salzsäure (Wasserstoffionen) zum Wasser, in dem die Bakterien suspendiert sind, nicht eine neue Abtötungs- art hervorgerufen wird, sondern daß durch die Wasserstoffionen eine bereits vorhandene Abtötungsreaktion katalytisch beschleunigt wird. Durch den weiterhin erfolgenden Zusatz von Neutralsalzen wird diese ursprüngliche Abtötungsgeschwindigkeit nochmals beschleunigt. Die ursprüngliche Abtötungsgeschwindigkeit wird durch die Größe K der Gleichung (16) zum Ausdruck gebracht.

Diese Auffassung der Desinfektionswirkung kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, daß die Neutralsalze an und für sich keine abtötende Wirkung besitzen, und daß diese nur dann zutage tritt, wenn sie in Gegenwart von Säuren wirken.

1) J. H. Walton jr., Die Jodionenkatalyse des Wasserstofisuper- oxyds. Zeitschr. f. physikal. Chem. 47, 185, 1904.

264 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

Wie unsere Versuche gezeigt haben, sind die Neutralsalze im- stande, die Desinfektionsgeschwindigkeit nur um das 2 oder 3fache zu steigern. Das ist nicht genügend, um die sehr lang- sam verlaufende Reaktion des natürlichen Todes nach ihrer Beschleunigung durch das Neutralsalz allein in die Grenzen unseres Messungsgebietes zu bringen. Eine so starke Beschleu- nigung zu bewirken, sind nur die Wasserstoflionen imstande. Der praktisch wichtige Umstand, daß die Neutralsalze nicht bemerklich wirken, bedeutet deshalb nicht, daß ihre Wirkungs- art von derjenigen der Salzsäure grundsätzlich verschieden ist. Es liegt vielmehr ein Fall vor, wo sehr große Unterschiede im Wirkungsgrad Anlaß zur Annahme verschiedener Wirkungs- weise geben können.?)

2. Schlußfolgerung aus den Versuchen über den Einfluß der Neutralsalze.

Die Tatsache, daß Neutralsalze einen erheblichen Einfluß auf die Geschwindigkeit mancher chemischer Reaktionen aus- üben, ist schon längst bekannt. Ein solcher Einfluß wurde hauptsächlich bei den katalytischen Reaktionen beobachtet. Doch sind in letzterer Zeit ähnliche Verhältnisse auch bei anderen Reaktionen festgestellt worden. Besonders eingehend sind die Verhältnisse bei der Zuckerinversion durch Säuren, ?) bei der Katalyse von Estern durch Säuren,?) bei der Verseifung

1) Derjenige Fall, wo ein Neutralsalz mit der Säure ein gemein- schaftliches Ion besitzt, ist bei unseren Versuchen nur durch eine Ver- suchsreihe vertreten, bei der das Gemisch HNO, + KNO, zur Einwirkung gelangte (vgl. Tab. XXIII und XXVI). Hierbei tritt der Einfluß der Konzentration in etwas anderer Weise auf, indem er sich den allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der katalytischen Wirkung der Neutralsalze nähert und der Gleichung (15) entspricht. Es weichen nämlich in diesem Falle die in der Vertikalreihe 6 der Tabelle XXVI stehenden prozentualen Er- höhungen der Desinfektionsgeschwindigkeitskonstanten bei verschiedener Konzentration des Neutralsalzes verhältnismäßig wenig voneinander ab.

2) S. Arrhenius, Zeitschr. f. physikal. Chem. 4, 226, 1889. Vgl. auch R. I. Caldwell, Proc. Roy. Soc., London, 78, 290, 1906. R. Wymper, Proc. Roy. Soc., London, 79, 576, 1907.

3) H. Trey, Journ. f. prakt. Chem. 2. Folge 34, 353, 1886. Vgl. auch H. E. Armstrong und I. A. Wadson, Proc. Roy. Soc., London, 79, 586, 1907.

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. II. 265

von Estern durch Basen,!) bei der Acetonkondensation?) und schließlich bei der Wasserstoffsuperoxydzersetzung.?)

Es handelt sich bei all diesen Reaktionen um die Be- schleunigung von katalytischen Reaktionen, denn mit Ausnahme der Verseifung der Ester durch Basen wirken sowohl die Säuren wie die Basen ohne nachweisbare direkte Beteiligung. Vor kurzem ist die beschleunigende Wirkung bei Gegenwart verschiedener Nitrate auf die Auflösungsgeschwindigkeit des Kupfers in Sal- petersäure festgestellt worden, eine Erscheinung, die ebenfalls hierher gehört.*) Trotzdem ist die Frage der Wirkung der Neutralsalze noch nicht genügend geklärt, und mehrere Theorien sind herangezogen worden, um diese Erscheinung zu deuten.

Während Arrhenius°) davon ausgeht, daß der osmotische Druck (Gefrierpunktserniedrigung) von zwei in Lösung be- findlichen Stoffen im allgemeinen größer ist als die Summe der osmotischen Drucke der einzelnen Stoffe,®) ist er geneigt, „die rätselhafte Einwirkung der Fremdkörper bei katalytischen Prozessen‘‘ auf osmotische Ursachen zurückzuführen. Andere Forscher suchen diese Erscheinung durch die Hydratation der Salze zu erklären. Sie nehmen an, daß das Salz in der Lösung hydratisiert, und daß dabei einem Teil des Wassers seine Fähigkeit, als Lösungsmittel zu wirken, entzogen wird, so daß eine konzentrierende Wirkung auf den sich umsetzenden Stoff zustande kommt. Die mit Hilfe dieser Hypothese be- rechnete durchschnittliche Hydratation der Salze, d. h. die Zahl . der Wassermolekeln, die von einem Mol des Salzes entzogen werden, führte sowohl bei der Katalyse mit Methylacetat, wie bei der Inversion des Zuckers zu übereinstimmenden Zahlen. Berücksichtigt man aber, daß nach R. Wymper der Zusatz von wasserentziehenden Stoffen, wie Glycerin, und von Äthyl- alkohol eine Verzögerung der Inversion herbeiführt, so scheint diese Erklärungsweise nicht allgemein zuzutreffen.

1) 8. Arrhenius, Zeitschr. f. physikal. Chem. 1, 110. 1887.

2) K. Koelichen, Zeitschr. f. physikal. Chem. 33, 129, 1900.

3) I. H. Walton, Zeitschr. f. physikal. Chem. 47, 185, 1904. Vgl. auch G. Bredig und R. Müller von Berneck, Zeitschr. f. physikal. Chem. 31, 258, 1899.

4) E. H. Rennie, A. I. Higgin und W. T. Cooke, Journ. chem, Soc. 93, 1162, 1908.

5) Zeitschr. f. physikal. Chem. 28, 317, 1899.

6) R. Abegg, Zeitschr. f. physikal. Chem. 15, 256, 1894.

266 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

Bei der Beurteilung der Neutralsalzwirkung auf physio- logisch-chemische Reaktionen muß berücksichtigt werden, daß eine allgemein gültige Erklärung kaum möglich ist. Es dürfte vielleicht zweckmäßig sein, die vielfach unter dem Namen der Neutralsalzwirkung zusammengefaßten Erscheinungen in folgende drei Gruppen einzuteilen, die teilweise dem Dissoziationsgrad der in Betracht kommenden Desinfektionsmittel Rechnung tragen. Es ist ohne weiteres klar, daß beim Zusatz von Neu- tralsalz zu einem schwachen Elektrolyten mit gemeinschaft- lichem Ion infolge der Zurückdrängung der Dissoziation eine Erniedrigung der Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante hervor- gerufen wird, falls das andere Ion des schwachen Elektrolyten im wesentlichen der Träger der Desinfektionswirkung ist. Hierzu gehören auch diejenigen Fälle, bei denen durch Zusatz von Neutralsalzen das wirksame Ion in ein komplexes Ion übergeführt wird. Diese Gruppe von Neutralsalzwirkungen ist von B. Krönig und Th. Paul geprüft und bestätigt worden. 1

Zur zweiten Gruppe gehören diejenigen Desinfektionsmittel, die mit Hilfe einer Verteilung zwischen Bakterieninhalt und dem Lösungsmittel wirken. Dieser Fall scheint bei der Gift- wirkung des Phenols aufzutreten. Bekanntlich erfährt die letztere durch Zusatz von Kochsalz in ähnlicher Weise wie die Giftwirkung von Brenzkatechin durch Ammoniumsulfat eine starke Erhöhung.?) In letzterer Zeit wurde diese Ansicht durch die Versuche von H. Reichelt?) besonders unterstützt.*)

1) B. Krönig und Th. Paul, ebenda, S. 39.

2) Scheurlen, Die Bedeutung des Molekularzustandes der wasser- gelösten Desinfektionsmittel für ihren Wirkungswert. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 37, 74, 1896. K. Spiro und H. Bruns, Zur Theorie der Desinfektion. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 41, 355, 1899.

3) H. Reichelt, Zur Theorie der Desinfektion. Diese Zeitschr. 22, 149, 1909.

4) Die Änderung des Teilungskoeffizienten eines Stoffes bei seiner Verteilung zwischen zwei Lösungsmitteln durch Zusatz fremder Stoffe steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der sog. gegenseitigen Löslichkeitsbeeinflussung. Diese wurde thermodynamisch von V. Roth- mund begründet und unter anderem auch für Phenol experimentell untersucht. Vgl. V. Rothmund und N. T. M. Wilsmore, Die Gegen- seitigkeit der Löslichkeitsbeeinflussung. Zeitschr. f. physikal. Chem. 40, 611, 1902.

EON am ———

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. II. 267

Was die dritte Gruppe der Neutralsalzwirkungen anbelangt, bei denen die Desinfektionswirkung starker Elektrolyte in Be- tracht kommt, so sind uns quantitative Untersuchungen nicht bekannt. Zwar hat M. Bial!) den Einfluß von Neutralsalzen auf die Entwickelungshemmung der Hefezellen durch Salzsäure verfolgt, doch scheinen uns seine Resultate nicht genügend ein- deutig zu sein. Als Maß der Giftwirkung benutzte er die Gas- menge, die als Reaktionsprodukt innerhalb einer gewissen Zeit entwickelt wurde. Die Zeit, die zur Bildung einer gegebenen Gasmenge notwendig ist, muß im vorliegenden Fall als Er- gebnis von zwei im entgegengesetzten Sinne wirkenden Re- aktionen angesehen werden. Sie ist unter sonst gleich bleiben- den Bedingungen der vorhandenen Hefemenge proportional. Letztere ist jedoch vom zeitlichen Verlauf der hefetötenden Wirkung des Säuresalzgemisches abhängig.

Unsere Versuche haben durch die direkte Messung des Einflusses der Neutralsalze auf die desinfizierende Wirkung starker Säuren in gewisser Beziehung Aufschluß über die dritte Gruppe der Neutralsalzwirkung gegeben. Die Abhängigkeit der beschleunigenden Wirkung der Neutralsalze von ihrer Kon- zentration bildet ein Analogon zu den von I. H. Walton bei der Zersetzung des Wasserstoffsuperoxyds in Anwesenheit von Jodiden beobachteten Tatsachen. Auch dort ist die Reaktions- geschwindigkeit der Ionenkonzentration proportional. Dieser Einfluß der Konzentration führte uns zu der Annahme, daß such die desinfizierende Wirkung der Wasserstoffionen kata- lytischer Natur sei. Sie unterscheidet sich von derjenigen der Neutralsalze nur quantitativ, nicht qualitativ. Beide müssen deshalb auch eine gemeinschaftliche Ursache haben.

3. Einfluß der Temperatur auf die Desinfektions- geschwindigkeit der Salzsäure.

Für den kinetischen Verlauf des Desinfektionsvorganges kommen zwei getrennte Prozesse in Betracht: die Zufuhr des Desinfektionsmittels in das Innere der Zelle und die Einwirkung des zugeführten Stoffes auf den Zelleninhalt. Für die Kinetik des gesamten Vorganges ist in erster Linie derjenige Pro-

1) M. Bial, Über die antiseptische Funktion des Wasserstoffions verdünnter Säuren. Zeitschr. f. physikal. Chem. 40, 513, 1902.

268 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

zeß maßgebend, der die geringere Geschwindigkeit besitzt. Um dies anschaulich zu machen, wollen wir uns eine Reihe von Schützen vorstellen, denen die Patronen durch eine Reihe von Reitern zugeführt werden. Wenn die Reiter sehr rasch die Patronen zuführen, so wird unter sonst gleichbleibenden Verhältnissen die Zahl der getöteten Feinde nur von der Schieß- geschwindigkeit der Schützen abhängen. Im entgegengesetzten Falle wird sie hauptsächlich durch die Geschwindigkeit der Reiter bestimmt werden. In ähnlicher Weise handelt es sich bei der Kinetik des Desinfektionsvorganges darum, welcher Prozeß die größere Geschwindigkeit besitzt: die Diffusion, d. h. das Eindringen des Desinfektionsmittels in das Innere der Zelle, oder die Reaktion zwischen dem eingedrungenen Desinfektions- mittel und den in Betracht kommenden Stoffen des Zellinhaltes. Die oben von uns entwickelten Betrachtungen über den Ein- Dub der Konzentration der Säuren und der Neutralsalze auf die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante beruhen auf der Annahme, daß bei der Abtötung der Staphylokokken der Diffusionsvorgang die größere Geschwindigkeit besitzt. Nur in diesem Falle kann die Abnahme der keimfähigen Bakterien als Maß für die Geschwindigkeit der unbekannten chemischen Reaktion, die zur Abtötung der Bakterien führt, angesehen werden. Durch die physikalisch-chemischen Methoden sind wir in den Stand gesetzt, Aufklärung über Vorgänge zu geben, auch wenn wir viele Einzelheiten nicht kennen. Zu diesem Zwecke kann u. a. die Bestimmung des Temperaturkoeffizienten der Reaktionsgeschwindigkeit herangezogen werden.

Ist die Abtötungsgeschwindigkeit der Bakterien im wesent- lichen auf die Diffusionsgeschwindigkeit zurückzuführen, so muß sie auch den gleichen Temperaturkoeffizienten haben. Weichen aber die Temperaturkoeffizienten beider Vorgänge voneinander erheblich ab, so sind auch beide Prozesse voneinander unab- hängig. Deshalb haben wir die Einwirkung von 100litriger (= "lan normaler) Salzsäure auf Staphylokokken bei verschie- denen Temperaturen untersucht. Bei diesen Versuchen muß besondere Aufmerksamkeit darauf verwendet werden, daß die Granaten vor ihrem Eintragen in die Desinfektionsflüssigkeit deren Temperatur besitzen. Sonst spielt sich der Desinfektions- vorgang im Anfang nicht bei der Temperatur der Flüssigkeit,

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. II. 269

sondern derjenigen der Granaten ab. Bei unseren Versuchen wurde die Temperatur mit Hilfe eines in '/, Grad geteilten Thermometers gemessen, das an dem mit einer entsprechenden .Bohrung versehenen Glasdeckel der Desinfektionsschale be- festigt war und in die Flüssigkeit eintauchte. Die Ergebnisse dieser Versuche sind eingehend in den Tabellen XXVII bis XXXIV angeführt und in den Tab. XXXV und XXXVI über- sichtlich zusammengestellt. Auch bei der Feststellung des Tem- peratureinflusses auf die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante ist zu berücksichtigen, daß die Widerstandsfähigkeit der Bak- terien sich mit der Zeit ändert. Infolgedessen ist die Ver- suchsreihe III (vgl. Tab. XXXVI), bei der die Einwirkung der 100litrigen (=!/ normalen) Salzsäure bei fünf verschiedenen Temperaturen an einem und demselben Tage untersucht wurde, besonders zuverlässig. Ihr folgt Versuchsreihe II, bei der die Desinfektion bei fünf Temperaturen innerhalb von 6 Tagen durchgeführt wurde. Dagegen eignet sich die Versuchsreihe I, die sich auf einen Zeitraum von 23 Tagen erstreckte, nur in beschränktem Maße zu diesem Zwecke. In der Tabelle XXXV sind die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstanten bei verschie- denen Temperaturen zusammengestellt. Außerdem finden sich in der vierten Vertikalreihe der Tabelle XXXVI die Zahlen, die für die Zunahme der Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante für einen Tempersturabschnitt von 10° berechnet worden sind. Die Berechnung erfolgte in derselben Weise wie in unserer Abhandlung über das Absterben der Bakterien in Sauerstoff verschiedener Konzentration und bei verschiedenen Tempe- raturen.!) Diese Zunahme ist nicht konstant, sondern sie steigt mit der Temperatur an. Während der Temperatursteigerung im Temperaturabschnitt von O bis 10° eine Zunahme der Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante um etwa das 1,5fache entspricht, erhöht sich die letztere beim nächsten Temperatur- abschnitt von 10 bis 18° zu etwa 2, um dann zwischen 20 und 30° auf 2,3 und zwischen 30 und 40° auf 2,6 zu steigen. Um die steigende Zunahme des Temperaturkoeffizienten für 10° mit der Temperatur noch deutlicher zu zeigen, haben wir auch die für den Einfluß der Temperatur auf die Reaktionsgeschwin-

1) Diese Zeitschrift 25, 394, 1910.

270 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

Tabelle XXVII. (Versuchsreihe 8; am 29. Dezember 1908.)

Einwirkung von 100 litriger (= 1/ioọ normaler) Salzsäure auf angetrocknete Staphylokokken.

Staphylokokkengranate II.

Einwirkungstemperatur + 18,0°. $ o Zahl der keimfähig gebliebenen Bakterien Des- ag infektions- Ss z geschwindig- sg SS keits- D

bezogen auf

1274 als An-

3,0 6,0 0,149 10,0 0,133 15,0 0,096 20,0 0,116 30,0 0,088 40,0 0,094 60,0 0,077 90,0 0,070 Mittel: 0,103

Tabelle XXVIII. (Versuchsreihe 9; am 3. Januar 1009.) Einwirkung von 100litriger (=!/,„ normaler) Salzsäure auf angetrocknete Staphylokokken.

Staphylokokkengranate II. Einwirkungstemperstur + 1,0°.

I nn

& „| Zahl der keimfähig gebliebenen Bakterien Des- 548 infektions- Ss 3 &) auf den einzelnen Platten geschwindig- e F l. 2. 3. | 4. | 86. keits-

Gi Platte | Platte| Platte | Platte | Platte

bezogen auf 1210 als An-

fangszahl 3,0 1184 | 1510 | 1324 | 1113 15,0 1491 979 729 332 0,025 20,0 422 217 345 | 1158 0,045 30,0 480 640 377 627 0,032 40,0 377 281 422 204 0,034 60,0 87 104 88 30 0,051 90,0 32 33 65 0,040 130,0 64 31 25 0,027 180,0 3 8 9 3 0,029

Mittel: 0,0365

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. II. 271

Tabelle XXIX. (Versuchsreihe 10; am 5. Januar 1909.)

Einwirkung von 100 litriger (=!/,o normaler) Salzsäure auf angetrooknete Staphylokokken. Staphylokokkengranate II. Einwirkungstemperatur + 37,0°.

Zahl der keimfähig gebliebenen Bakterien

1843 als An- fangszabi

2,0

6,0 0,506 10,0 0,448 15,0 0,472 20,0 0,418

Mittel: 0,461 Tabelle XXX.

(Versuchsreihe 11; am 11. Januar 1909.) Einwirkung von 100 litriger (= 1/ioo normaler) Salzsäure auf angetrocknete Staphylokokken. Staphylokokkengranate II. Einwirkungstemperatur + 10,0 0.

Zahl der keimfähig gebliebenen Bakterien Des-

infektions-

gesch windig- keite-

bezogen auf 1028 als An- fangszahl

Mittel: 0,059

digkeit von S. Arrhenius!) vorgeschlagene Gleichung zur Be- rechnung unserer Versuchsergebnisse herangezogen. Die so 1) S. Arrhenius, Über die Reaktionsgeschwindigkeit bei der In-

version von Rohrzucker durch Säuren. Zeitschr. f. physikal. Chem. A 226, 1889.

272 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

Tabelle XXXI. | (Versuchsreihe 12; am 20. Januar 1909.) Einwirkung von 1%litriger (=!/jo normaler Salzsäure) auf angetrocknete Staphylokokken bei verschiedenen Tempe- raturen.

Staphylokokkengranate II.

Zahl der keimfähig gebliebenen Bakterien

162

120 21

Mittel: 2,001

Mittel: 0,297

erhaltenen Werte Q sind in der fünften Vertikalreihe der Tabelle XXXVI aufgeführt. Die Gleichung von Arrhenius hat folgende Form: Q (Tı Te) K,n=&K,.e 2T ee, (17) In dieser Gleichung bedeuten K, und K, die Reaktions- geschwindigkeiten bei den Temperaturen L und ż,. N ist eine Konstante und T, und T, sind die absoluten Temperaturen. Aus der Tabelle XXXVI geht hervor, daß die Gleichung von Arrhenius sich unseren Versuchen insofern nicht anpaßt, als die Werte von Q nicht konstant sind, sondern einen deutlichen Gang zeigen, indem sie mit steigender Temperatur zunehmen. Zwar weichen die bei verschiedenen Versuchsreihen für dasselbe Temperaturintervall berechneten Werte Q etwas voneinander ab, doch bewegen sich diese Abweichungen in den Grenzen unserer Versuchsgenauigkeit und sind wahrscheinlich auf Ver-

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. II. 273

Tabelle XXXII. (Versuchsreihe 16; am 17. Februar 1909.)

Einwirkung von 100litriger (=!/,„ normaler) Salzsäure auf angetrocknete Staphylokokken bei verschiedenen Tempe-

raturen. Staphylokokkengranate IV A. ur Zahl der keimfähig gebliebenen Des- $ Bakterien infektions- e b) geschwindig- B Mittel- keits- | 3 zahl [Konstante K | bezogen auf 11640 als An- fangszahl +37,1°| 2,0 [14284| 9907/11520|10656| 7891/14572| 11640 Š 3,0 | 6508| 6508| 6048| 6681| 6796| 6912| 6576 0,571 BO I | | 2035| 2220) 2086| 3363| 2424 0,523

7,0 | 723 2092| 819 915; 6563| 1520| 1107 0,471 8,0 | 396; 640; 5056| 473| 441| 332| 465 0,537 10,0 | 409) BU 8| 42| 42 3230| 109 0,584 30) 52 63 15 50 50 0,546

LI n g 120 | 92 n 9 n

bezogen auf 18267 als An- fangszahl

+ 28,009] 3,0 [1958418720 |16128|17856|18086|19238| 18267 14054| 7257 12038 16358 15033 16358 13516 0,151 11,0 | 4166| 3884| 3315) 4051| 3219| 4172| 3801 0,196 14,0 | 1139| 1740| 2432| 1068) 2470| 1369| 1703 0,216 17,0 | 960 2508| 1088| 748; 652| 1222| 1196 0,195 521| 636 0,210 ` 23,0 | 3056| 101; 11) 242| 147| 113| 1653 0,239 30,0 42) 79 136| 133; 6565| 172| 123 0,185 40,0 83 2 36 32 ll 15 28 0,176 60,0 2 2 l| 14 5 1 4 0,144

8

n f 20,0 | 1004| 158! 4461 n n

bezogen auf 1121 als An- fangszahl

Mittel: 0,087

suchsfehler zurückzuführen. Die Zunahme von Q tritt mit steigender Temperatur bei allen drei Versuchsreihen deutlich

zutage.

Biosbemische Zeitschrift Band 29. 18

274 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

Tabelle XXXIII. (Versuchsreihe 17; am 22. Februar 1909.)

Einwirkung von 100litriger (=!/,„normaler) Salzsäure auf angetrocknete Staphylokokken bei verschiedenen Tempe- raturen.

Staphylokokkengranate IV A.

E Zahl der keimfähig gebliebenen Des-

E S Bakterien infektions- S ` geschwindig-

5 g a) auf den einzelnen Platten keite-

E LL3 8. 4. 6. | 6.

fq Platte ` Platte | Platte | Platte! Platte | Platte

bezogen auf 10272 als An-

fangszahl +1,40 8238 11980112211] 8985111289] 8928| 10272

| 4608) 7718 3398 5068| 4147| 4988| 0,017 g | 569| 2617| 742| 812| 1312) 1210| 0.028 f 652| | 435| 1587| 454| 448) 715| 0,025 i 114| 238 0,032 i 0,029 S 0,031 e 0,030 0,026

Mittel: 0,027

bezogen auf

10891 als An- fangszahl +10,6° 6,0 125344 1330525113 1722214572 23788| 19891 12,0 I119180|11006.19987,11577 17798,17049 16098 0,035

g 20,0 | (14457/18547 10540 12384:11347| 13455] 0,028 , 40,0 | 3232, 7436 2419! 3046| 6854| 5984 4829| 0,039 ; 55,0 | 3878! 3641| 2150. 1184| 4992| 3104| 3158| 0,038 n 70,0 | 1088, 2854| 1248| 1011| 1548| 1216| 1494| 0,041 S 85,0 | 825! 1497| 1715 748 550 652| 998| 0,038 „~ 1120001 12) 448) 41! 633|) 454| 492) 347| 0.043 » [1600| au 21| 53| 85) 100; 24| l| 0,038 1200001 37| Ip 6 a 19 A 14| 0,038

Mittel: 0,038

Indessen liegen für die Unabhängigkeit des Wertes Q von der Temperatur keine bindenden Gründe theoretischer Natur vor, was aus der physikalischen Bedeutung dieser Größe hervorgeht. Arrhenius hat seine Gleichung unter der An- nahme entwickelt, daß die reagierenden Stoffe in aktiver und inaktiver Form existenzfähig sind. Nur die letzteren sind die wirklich reagierenden Stoffe, und ihre Konzentration ist allein kinetisch maßgebend. Die hypothetischen aktiven Molekeln

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. II. 275

Tabelle XXXIV. (Versuchsreihe 18; am 1. März 1909.) Einwirkung von 100 litriger (=!/,„normaler) Salzsäure auf angetrooknete Staphylokokken bei verschiedenen Tempe-

raturen. Staphylokokkengranate IV A. E Zahl der keimfähig gebliebenen Des- EK Bakterien infektions- hwindig- = a) auf den einzelnen Platten Se ) i d S Véi) Konstante K

4. 6, | 6. Platte | Platte | Platte! zahl

bezogen auf 8947 als An-

fangszahl

+0,40 | 30,0 111635) 9273| 8524| 7948| 7048| 8352| 8947 —_ ` 70,0 | 1625| 5414| 3628| 1696| 3571| 3974| 3318 0,025 j 100,0 | 1113| 5618| 1644| 1004| 486; 5656| 887 0,032 si 130,0 | 633 403| 5663| 102| 272| 202| 363 0,032 a 160,0 | 665| 364) 403| 35; 81| 283 ‚028 n 200,0 10 H H 27 10 15 14 0,037

Mittel: 0,031

bezogen auf 2636 als An- fangszahl

+9,20 | 40,0 | 3801| 3571| 2764| 1024| 3225| 832| 2536 60,0 | 3110| 377| 998 998 1107| 953 1257 0,035 e 80,01 138; 280 168| 224| 163| 512| 248 0,058 e 100,0 Di 427| 341| 215; 34 At 191 0,043

Mittel: 0,045

bezogen auf 14371 als An- fangszahl

10,0 117452|12556|14227113503| 9446/18950] 14371 i 30,0 | 4320| 5356| 5414| 6163| 4089| 3744| 4848 0,087 40,0 | 1772| 1049; 1235) 729| 3513| 2649| 1825 0,092

| 500 | 1484| 761| 1708| 2156| 1094| 1875| 1513| 0,068 "| 80,0 | 169) 268! 285| 480|) 384| 9165| 417| 0,087 n

70,0 | 505; 118; 178| 197| 238|; 1656| 234 0,078

bezogen auf 6779 als An- fangszahl

0,172 0,205 Mittel: 0,189

bezogen auf

2091 als An- fangszahl

0,482

0,461

Mittel: 0,472 18*

276 Th. Paul, G. Birstein und A. Reuß:

Tabelle XXXV.

Zusammenstellung der Desinfektionsgeschwindigkeitskon- stanten von 1W0litriger (!/,„ normaler) Salzsäure bei ver- | schiedenen Temperaturen.

Nummer Desinfektions- des schwindig- ien E Ke

3. I. 09 11. 1. 09 29. XII. 08 20. I. 09 0,297 5. IL. 09 0,461 20. I. 09 2,001 17 22. II. 09 XXXIII IVa +1,4? 0,027 17 22. II. 09 XXXIII IVa + 10,6° 0,038 16 17. II. 09 XXXII IVa +18,1° 0,087 16 17. II. 09 XXXII IVa 280 0,190 16 17. II. 09 XXXII IVa + 37,10 0,515 18 1. III. 09 XXXIV IVa +0,4? 0,031 18 1. III. 09 XXXIV IVa + 9,20 i 18 1. III. 09 XXXIV IVa + 17,99 0,082 18 1. ITI. 09 XXXIV IVa + 27,70 0,189 18 1. III. 09 XXXIV IVa + 37,0° 0,472

entstehen auf Kosten der inaktiven und stehen mit ihnen in einem Gleichgewicht, das sich mit zunehmender Temperatur zugunsten der aktiven Molekeln verschiebt. Der Wert Q ist nichts anderes als die Wärmetönung der Umwandlung von 1 Mol des inaktiven in 1 Mol des aktiven Stoffes. Er ist deshalb im Sinne der van’t Hoffschen Gleichung für die Änderung der Gleichgewichtskonstanten mit der Temperatur maßgebend. Wenn die Größe Q ihrer Natur nach der Wärme- tönung einer Reaktion entspricht, so kann sie, aber sie muß nicht, von der Temperatur unabhängig sein. Bekanntlich ändert sich die Wärmetönung chemischer Reaktionen im allgemeinen mit der Temperatur. Die Größe der Änderung hängt, wie Kirchhof gezeigt hat, von den spezifischen Wärmen der beim Umsatz verschwindenden und entstehenden Stoffe ab. Die von uns beobachtete Zunahme von Q besagt demnach im Sinne der von Arrhenius entwickelten Ansichten, daß die Um- wandlung der inaktiven Protoplasmabestandteile in die aktiven

Kinetik der Giftwirkung gelöster Stoffe. II. 277 Tabelle XXXVI.

Zunahme der Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante für einen Temperaturabscohnitt von 10°. Desinfektionsmittel: 100litrige (—!/,„ normale) Salzsäure.

Zunah d Dauer der Ver- Temperatur- Deäinfektions.

suchsreihe ma Wie ec dar geschwin digkeit P Nummer der Tabelen |nung benutzt |" on ar Granate wurde raturabsohnitt von 10° 1 2 | 3 4 5 I. fa am 39. XT 08, XXVII u.XXX| 1 bis 100 8999 beendigt 10 bis 18° 11473 m. 18 bis 37° 14515 Staphylokokken- 26 bis 470 17380 granate II. II. angefangen am 17. I. 09, XXXII 1,4 bis 10,60 1,46 5842 beendigt am | XXXI |18,1 bis 28,00 2,20 [13830 XXXII ‚0 bis 37,10 2,99 20460 Staphylokokken- SE granate IVa. III. : en an XXXIV 0,4 bis 9,20 1,53 6535 "Cut 08. XXXIV | 9,2 bis 17,90 2,00 11323 Staphylokokken- XXXIV 17,9 bis 27,70 2,35 14900 granate IVa. XXXIV 27,7 bis 37,0° 2,67 18340

mit einer negativen Wärmetönung verläuft, die mit steigender Temperatur zunimmt.!)

1) Die Übertragung dieser Vorstellungen auf die Wirkung der Gifte auf die Zellen wird dadurch erleichtert, daß in der Physiologie seit längerer Zeit sich allmählich gewisse Grundanschauungen über die Vor- gänge in der lebendigen Zelle herausgebildet haben, deren Kern ebenfalls in der Annahme einer hochlabilen aktiven und schwach labilen inaktiven Form des Eiweißes besteht. Die grundlegenden Ideen dieser Hypothese beruhen darauf, daß das Eiweiß, wie es außerhalb des Organismus oder in tierischen Säften vorliegt, ein „totes‘“‘ Eiweiß ist und sioh wesentlich anders verhält als das im lebendigen Protoplasma vorhandene Eiweiß oder Biogen (vgl. M. Verworn, Die Biogenhypothese. Jena 1903; ferner Oscar Loew, Die chemische Energie der lebendigen Zelle. 2. Aufl.

278 Th. Paul, G, Birstein u. A.Reuß: Kinetik d. Giftwirk. gelösterStoffe. II.

4. Schlußsätze.

l. Gewisse anorganische Salze beschleunigen in Konzentrationen, bei denen sie an und für sich keine Desinfektionswirkung ausüben, die Desinfektions- wirkung anorganischer Säuren mit gemeinschaftlichem oder verschiedenem Anion.

2. Eine wässerige Lösung, die äquivalente Mengen der Säure HX, und des Salzes MeX, enthält, hat an- nähernd die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstante der Säure HX,.

3. Die Desinfektionsgeschwindigkeitskonstanten von Säure-Salz-Gemischen mit verschiedenem Salz- gehalt verhalten sich annähernd wie die Konzen- trationen der Salze.

4. Der Temperaturkoeffizient der Desinfektions- geschwindigkeitskonstante von 1W0litriger (=!/,.„MOr- maler) wässeriger Salzsäure beträgt für eine Tempe- ratursteigerung von 10° etwa 2 bis 3. Er ist im untersuchten Temperaturgebiete von +1° bis + 47° nicht konstant, sondern nimmt mit steigender Tempe- ratur zu.

Stuttgart 1906). Dem gewöhnlichen „toten‘‘ Eiweiß gegenüber sollen sich die lebendigen Protoplasmamolekeln durch eine größere Reaktionsfähig- keit auszeichnen. Die Abtötung der Zellen kann im Sinne dieser Hypo- these als eine Zersetzung des aktiven Protoplasmas aufgefaßt werden. Die bis zu gewissen Temperaturgrenzen steigende Zunahme der Entwicklungs- fähigkeit der Bakterien scheint darauf hinzuweisen, daß mit steigender Temperatur die Menge des aktiven Eiweißes zunimmt. Gleichzeitig kann durch die Temperaturerhöhung die Abtötungsgeschwindigkeit durch Gifte gesteigert werden, da das aktive Protoplasma auch hier als Reaktions- bestandteil der Giftwirkung in Frage kommt. Der Wert Q erscheint im Lichte dieser Anschauungen als eine Wärmetönung für die Umwandlung von inaktivem Eiweiß in seine aktive Form.

Chemische Umwandlungen durch Strahlenarten. IV. Mitteilung.

Katalytische Wirkungen des Sonnenliehtes in Gegenwart anorganischer Substanzen. Von Carl Neuberg.

(Aus der chemischen Abteilung des Tierphysiologischen Instituts der Kgl. Landwirtschaftlichen Hochschule, Berlin.)

An einer großen Reihe von Beispielen (62 an der Zahl), die allen physiologisch wichtigen Körperklassen der organischen Chemie entnommen waren, habe ich früher gezeigt,!) daß eine schnell einsetzende katalytische Wirkung des Sonnenlichtes und bestimmter künstlicher Strahlenarten eintritt, wenn wässerige Lösungen der betreffenden Substanzen bei Gegenwart eines Uransalzes der Lichtquelle ausgesetzt werden.

Die Geschwindigkeit der Reaktion sie ist z. B. bei Weinsäure schon nach 2 Minuten sehr deutlich verleiht ihr offensichtlich ein großes biologisches Interesse sowohl für Fragen der Pflanzenphysiologie wie der Strahlentherapie, und zeigt ohne weiteres, daß die von mir aufgefundenen Lichtreaktionen, die sich zum Teil in Minuten und Stunden abspielen, im Wesen von jenen Umsetzungen verschieden sind, deren Ein- tritt selbst bei intensivster Bestrahlung Monate und Jahre erfordert (Ciamician und Silber). Auch im Effekt sind sie diesen recht ungleich.

Besonders tritt in den früher studierten Beispielen die bemerkenswerte Tendenz des Lichtes zutage, aus allen mög- lichen indifferenten Stoffen des tierischen und pflanzlichen

1) C. Neuberg, Chem. Umwandl. durch Strahlenarten. I. Mitteil, Diese Zeitschr. 13, 305, 1908.

280 C. Neuberg:

Organismus Substanzen von chemisch höchster Avidität zu erzeugen; namentlich handelt es sich dabei um synthesen- lustige Aldehyde und Ketone. Aus der Mannigfaltigkeit der beobachteten Umwandlungen ließen sich für die wichtigsten Gruppen folgende Gesetzmäßigkeiten erkennen:

l. Alkohole werden zu Aldehyden.

2. Mehrwertige Alkohole werden zu Oxyaldehyden und Oxyketonen.

3. Säuren werden je nach ihrer Natur zu Aldehyd- oder Ketonverbindungen, teils mit gleicher, teils mit geringerer Kohlenstoffatomanzahl als das Ausgangsmaterial.

4. Einfache Zucker (Monosaccharide) gehen zum Teil in Osone über und erfahren einen weiteren Abbau.

5. Disaccharide und

6. Polysaccharide werden invertiert und dann partiell wie die Monosaccharide weiter verändert und auch abgebaut.

7. Glucoside werden hydrolysiert.

8. Glyceride (Fette) werden partiell verseift und die Spal- tungsprodukte, wie sub 1 bis 3 angegeben, weiter umgewandelt.

9. Organische Phosphorsäureester werden gespalten und deren organische Paarlinge ihrer Natur entsprechend ver- ändert.

10. Aminosäuren erleiden eine Aldehydspaltuig unter gleichzeitiger Desaminierung.

LL. Peptone und Eiweißkörper werden zuerst zum Teil gespalten und die Produkte der Hydrolyse nach dem Schema der Aminosäuren angegriffen.

Molekülverkleinerung und Bildung von reaktions- fähigen Carbonylverbindungen ist das gemeinsame Charakteristikum dieser Lichtwirkungen.

Schon in meiner ersten Mitteilung (l. c.) habe ich erwähnt, daß die Lichtenergie übertragende Fähigkeit nicht auf die Uran- salze beschränkt ist, sondern anderen Metallverbindungen eben- falls eigen ist. Inzwischen habe ich festgestellt, daß sie sehr vielen, ja den meisten Metallsalzen, aber auch Metalloiden, zu- kommt, wenngleich in ungleicher Stärke.

Damit erlangten aber die katalytischen Reaktionen des Sonnenlichtes (und auch anderer Strahlenarten) eine ganz all- gemeine Bedeutung. Sie eröffnen neue Perspektiven für die

Chemische Umwandlungen durch Strahlenarten. IV. 281

Mineralstofftherapie, für die Lehre von dem Einfluß kleiner Mengen anorganischer Stoffe, auch für die mineralische Boden- düngung. Insbesondere werden Fragen der balneologischen Forschung von dieser Feststellung berührt: sind doch unsere Bäder- und klimatischen Kuren untrennbar verknüpft mit der Sonnenwirkung.?)

Herausgegriffen habe ich vor kurzem ein einzelnes, augen- fälliges Beispiel, indem ich die Umwandlung von Benzoe- säure in Salicylsäure*) beschrieb, die durch Besonnung bei Gegenwart eines Eisensalzes zuwege gebracht wird. Sehr schöne Wirkungen kann man bei Mangansalzen und bei Arsenik beobachten; das seltene Osmium, das häufigere Cer und Vanadin, das alltägliche Kupfer und Quecksilber u. a. lassen sie deutlich erkennen. Daß hierunter gerade bestimmte Arzneistoffe sich befinden, sei hier nur angedeutet und zunächst über die Wir- kungen des Systems Sonnenlicht-Eisensalz berichtet.

Zuvörderst sei eine tabellarische Übersicht über qualitative, durch das Licht hervorgerufene Veränderungen gegeben, denen sich die quantitativen Bestimmungen anschließen.

Zu den Versuchen dienten im wesentlichen Ferro- und Ferrisulfat. Zwecks Vermeidung sekundärer Umsetzungen mit dem Lösungsmittel wurden stets wässerige Lösungen an- gewendet, die 1 bis 5g der Substanz und 0,5 bis 1°/, Eisen- salz (gelegentlich auch weniger) enthielten. Alle Flüssig- keiten wurden im Dunkelraum hergerichtet, und zwar in drei- facher Anzahl: eine Serie ohne Eisensalzzusatz, zwei mit solchem. Von letzteren verblieb eine Serie als Kontrolle im Dunkelraum, während die beiden anderen, die eisenfreie und eine eisenhaltige, dem direkten Sonnenlichte ausgesetzt wurden. Die Exposition geschah in gewöhnlichen, möglichst dünn- wandigen Glasgefäßen. Sie wie die Dunkelkontrollen waren locker verkorkt.

Aus äußerlichen Gründen, nämlich aus solchen des leich- teren analytischen Nachweises, hat es sich vielfach als am be-

1) Eine Reihe von Beobachtungen über bisher unbekannte Zer- setzungen von Arzneistoffen, die durch diese Photokatalysen bedingt sind, sollen demnächst mitgeteilt werden.

2) C. Neuberg, Chem. Umwandlungen durch Strahlenarten. III. Mittel, Diese Zeitschr. 27, 271, 1910.

282 C. Neuberg:

quemsten erwiesen, Ferrisulfat zu benutzen im Gegensatz zum Ferrosulfat.

Z. B. reduziert dieses Fehlingsche Mischung nicht. .Wenn das bestrahlte Reaktionsprodukt zum Unterschiede vom Ausgangsmaterial und den Dunkelkontrollen auf die Fehlingsche Lösung einwirkt, so hat man ein einfaches Anzeichen einer stattgefundenen Lichtreaktion. Denn es ist ja ganz gleichgültig, ob die Reduktion vom organischen Umwand- lungsprodukt allein hervorgerufen wird, oder ob Ferrosulfat mitspielt; die Bildung von Oxydulsalz aus der Oxydverbindung kommt eben unter dem reduzierenden Einflusse des entstandenen Reaktionsproduktes zu- stande, beim Serin z. B. durch den daraus entstandenen Glykolaldehyd. Auch im Verschwinden der tiefbraunen Eisenoxydfarbe hat man einen augenfälligen, willkommenen Anhalt.

Die Versuche wurden im Hochsommer 1909 und 1910, teils auch in Teneriffa im Frühjahr 1910 angestellt. Die ge- machten Angaben beziehen sich auf intensive Besonnung, die in der Regel während zweier Tage einwirkte. In dieser Zeit ließen die Kontrollen keine Veränderung erkennen.

Experimentelles. (Mitbearbeitet von B. Rewald und A. Hildesheimer.)

Umwandlungen einiger Substanzen im Sonnenlicht bei Anwesenheit von Eisensalzen.

Natur des bei Belichtung entstandenen Körpers oder Angabe Nr. | Ausgangsmaterial | von Eigenschaften, die das Reaktionsprodukt zum Unter- schiede von der Ausgangssubstanz aufweist.

Benzylalkohol | Benzaldehyd (Phenylhydrazon im Destillat, Geruch). Adonit Pentosen (Orcin- und Phloroglucinprobe, Phenyl- pentosazon). d-Mannit Reduktion vonFehlingscherLösung schon schwach in der Kälte, enorm in der Wärme; Linksdrehung, Osazonbildung in der Kälte, Seliwanoffsche Reaktion. Atypische Naphthoresorcinprobe, d. h. | ein in Äther mit grüner Farbe löslioher Farbstoff. 4 d-Queroit Reduktion von Fehlingscher Lösung, atypische grüne Naphthoresorcinresktion. 5 meso-Inosit Reduktionsvermögen gegen Fehlingsche Mischung; | schwache Naphthoresorcinprobe. 6 Benzoesäure | Übergang in Salicylsäure. 7 | Bernsteinsäure | Bildung einer Fehlingsche und Silber-Lösung re- duzierenden Substanz, die eine atypische Naphtho- | resorcinprobe gibt; ihre Natur wurde bislang nicht aufgeklärt.

Chemische Umwandlungen durch Strahlenarten. IV. 283

Natur des bei Belichtung entstandenen Körpers oder Angabe Nr. Ausgangsmaterial | von Eigenschaften, die das Reaktionsprodukt zum Unter- schiede von der Ausgangssubstanz aufweist.

8 | d,1-Milchsäure | Acetaldehyd in deutlichen Mengen. |

9 |d,1-Glycerinsäure | Reduktion von Fehlingscher Mischung schon in der Kälte; positive Naphthoresoreinprobe, reich- lich Glykolaldehyd-p-nitrophenylosazon.

10 | l-Äpfelsäure | Reduktion von Fehlingscher Lösung. Kleine | Mengen eines Osazons; halb karamel-, halb obst- | artiger Geruch.

11 | Citronensäure | Reduktionsvermögen gegenFehlingscheMischung,

Obstgeruch.

12 Saocharin (P6ligot), Reduktionsvermögen, atypische Naphthoresorcin-

probe.

13 l-Arabinose Reduktion und Osazonbildung in der Kälte, also l-Arabinoson. 14 l-Xylose Xyloson. d-Glucose Intensives Reduktionsvermögen in der Kälte, | ebenso Osazonbildung; demnach Glucoson. Da- ! neben aber positive Orcinprobe, so daß der Ab- bau auch zu Pentosen bzw. Substanzen vom | Typus der Glucuronsäure führt.!) Die Naphtho- | resorcinprobe ist vorhanden; nach genauer Aus- fällung der H,SO, und des Fe mit Ba(OH), | erhält man beim Erwärmen schnell ein flockiges, | orangegelbes bas. Bariumsalz. 16 d-Fructose Oson. 17 Milchzucker Monosaccharide und Osone. 18 Maltose Monosaccharide und Osone, bei längerem Stehen auch positive Naphthoresorcinprobe. 19 Rohrzucker Inversion, Osone und partieller weiterer Abbau.

20 Raffinose Inversion, daneben auch Osone usw. 21 Inulin d-Fructose, etwas Oson. 22 Glykogen Deutliches Reduktionsvermögen, osazonbildende Kohlenhydrate. 23 | Mentholglucuron- | Hydrolyse unter Mentholabspaltung, die nach säure kurzer Zeit am Geruche bereits erkennbar ist; Reduktion schon von kalter Fehlingscher Lö- sung. l 24 | Phenolglucuron- | Hydrolyse unter primärer Bildung von Phenol und säure freier Glucuronsäure. 25 a-Methyl- Hydrolyse, d-Glucose, d-Glucoson. d-glucosid 26 Amygdalin Hydrolyse unter Bildung von Traubenzucker und

bittermandelölartig riechenden Produkten. 1) Vgl. ©. Neuberg, diese Zeitschr. 28, 355, 1910.

284 C. Neuberg:

Natur des bei Belichtung entstandenen Körpers oder Angabe Ausgangsmaterial | von Eigenschaften, die das Beaktionsprodukt zum Unter- schiede von der Ausgangssubstanz aufweist.

27 | Glykokoll NH,-Abspaltung, Reduktion von ammoniakalisch-

alkalischer Silberlösung, Glyoxylsäure (?).

d, 1-Alanin Abspaltung von Ammoniak und Acetaldehyd. Leucin (natürliches| Bildung von Ammoniak und Valeraldehyd. Produkt ausCasein, unaufgeteiltes Ge- misch derIlsomeren)

30 |l-Asparaginsäuret)| Loslösung von Ammoniak, Caramelgeruch, starkes Reduktionsvermögen gegen Fehlingsche Lö- sung und alkalisch-ammoniakalische Silber- mischung, Entstehung einer osazonbildenden Säure.

31 | d-Glutaminsäure | Verhalten sehr ähnlich dem der l-Asparaginsäure.

32 d, 1-Isoserin Starke Reduktion von Fehlingscher Lösung in der Kälte; positive Naphthoresorcinreaktion, Aminoscetaldehyd.

33 d, 1-Serin Ähnlich dem Isoserin, Glykolaldehyd-p-nitrophenyl- 088ZOn.

34 Tryptophan | Kleine Menge eines flüchtigen aldehydähnlichen Derivates der Indolreihe,

35 | d-Glucosamin- | Reduktion von Fehlingscher Lösung in der

chlorhydrat Kälte, Oson (?), atypische Naphthoresorein- und schwache Orcinprobe,

36 |Glyoerinphosphor-| Abspaltung von Phosphorsäure, Reduktion von

Nr.

SS

säure Fehlingscher Mischung. 37 | Inositphosphor- | H,PO,-Abepaltung; schwach reduzierendeSubstanz. säure (Phytin-

natrium mit verd. H,SO, angesäuert)

38 Saccharose- | Hydrolyse unter Bildung von H,PO,, Mono-

phosphorsäure sacchariden und Osonen.

39 Harnsäure Partielle Zerstörung unter Bildung einer alkalisch- ammoniakalische Silberlösung reduzierenden Sub- stanz, schwache Glyoxylsäurebildung.

Abspaltung von NH,, H,PO, und schwach auch von Purinen und Kohlenhydraten,

41 | Hefenucleinsäure | Ähnlich wie bei Milznucleinsäure.

42 | Paranucleinsäure von Ammoniak, Aldehyden und Phos-

(E. Salkowaski) phorsäure.

1) Hier wie in allen übrigen Fällen, wo auf Zusatz von Ferrisulfat Fällungen auftraten, wurde unter heftigem Schütteln tropfenweise ver- dünnte Schwefelsäure bis zur gerade vollständigen Auflösung des Nieder- schlages zugegeben.

40 | Milznucleinsäure

Chemische Umwandlungen durch Strahlenarten. IV. 285

Natur des bei Belichtung entstandenen Körpers oder Angabe Nr.| Ausgangsmaterial | von Eigenschaften, die das BReaktionsprodukt zum Unter- schiede von der Ausgangssubstanz aufweist.

43 | Seidenfibroin- | Loslösung von Ammoniak, Aldehydbildung, redu- pepton ziert Silberlösung schon in der Kälte, Feh- lingsche Mischung schwächer in der Siedehitze.

44 —n Ebenso wie bei Seidenfibroinpepton, im ganzen | (Gemiso ) aber schwächer. 45 | Gelatine i

Quantitative Messungen.

Um für den Umfang der Photokatalyse einen zahlenmäßigen Ausdruck zu gewinnen, wurde von einigen der tabellarisch auf- geführten Substanzen ein charakteristisches Umwandlungsprodukt quantitativ ermittelt. Bei Alkoholen geschah dieses durch Be- stimmung der gebildeten Aldehyde, bei gewöhnlichen Amino- säuren und Pepton durch Feststellung der durch Desaminierung gebildeten Ammoniakmenge, bei einer ß-Aminosäure durch ge- eignete Charakterisierung des resultierenden Aminoaldehyds; bei d-Glucose gelingt dieses durch Bestimmung der Abnahme, die der gärungsfähige Zucker erfährt, bei Disacchariden durch Fest- stellung des Inversionsgrades, bei Nucleinsäuren durch Wägung der abgespaltenen Quantität Phosphorsäure, bei Harnsäure durch Messung der zerstörten Quantität und bei Benzoesäure durch Bestimmung der entstandenen Salicylsäure.

1: d-Mannit.

6,0 g d-Mannit wurden mit 1,0 g Ferrisulfat zusammen in 100,0 ccm destilliertem Wasser gelöst. Nach 48stündiger inten- siver Besonnung war die anfangs braune Lösung nahezu farblos geworden und zeigte die zuvor angeführten Eigenschaften.

Beim Stehen von 20 com der Lösung mit 3,0g Phenyl- hydrazin, gelöst in 5 ccm 50°/,iger Essigsäure, fielen innerhalb 15 Minuten in der Kälte 0,08g Osazon (Schmelzpunkt 206°) aus, dessen Bildung auf eine Entstehung von Oson zurück- zuführen ist. 10 ccm der Lösung wurden (nach einfacher Filtration) direkt polarisiert und zeigten eine Linksdrehung im 2-dm-Rohre entsprechend 0,6°/, Glucose. Da die Drehung des Mannits praktisch ist, entspricht wohl ohne großen

286 C. Neuberg:

Fehler die beobachtete Drehung einem Gehalte von rund 0,4°/, Fruchtzucker; d. h. mindestens 8°/, des Mannits sind in der erwähnten Zeit umgewandelt. Die Bildung gärungs- fähigen Zuckers wurde durch eine Probe mit Hefe kontrolliert, die nach Ausfällung der gelösten Eisensalze mit Barytwasser und nach Entfernung von überschüssigem Ba(OH), durch CO, nach dem Ansäuern mit Milchsäure angestellt wurde und positiv ausfiel. 2. d, 1-Alanin.

4,45 g d, l-Alanin wurden in 100 ccm Wasser gelöst und 1,0 g festes Ferrisulfat zugesetzt. Die Mischung wurde in die Sonne gestellt. Der Eintritt der Reaktion ergab sich alsbald durch den Geruch nach Acetaldehyd sowie durch Ersatz der gelbbraunen Färbung durch eine hellgraue zu erkennen. Später fiel eine unlösliche Eisenverbindung aus.

50,0 ccm der gut umgeschüttelten Lösung wurden mit überschüssiger Magnesia destilliert. Die übergegangene Menge Ammoniak betrug 0,0415 g. Für die Gesamtmenge berechnet sich daraus eine Abspaltung von 0,0830 g NH, 9,77°/, der mög- lichen Quantität.

Da der Aldehyd mit dem Ammoniak bei der Destillation in unübersehbarer Weise reagieren könnte, wurden weitere 25 ccm der Flüssigkeit in einem offenen Kolben zunächst mit 50 ccm n-H,SO, 10 Minuten zur Austreibung des Acetaldehyds erhitzt und dann mit überschüssigem Magnesiumoxyd destilliert. Gefunden wurden hierbei 0,0220 g NH,, d. h. etwa die Hälfte der bei 50 ccm erhaltenen Menge, sodaß die Gegenwart von Aldehyd keinen wesentlichen Fehler bedingt.

3. d, l-Alaninsulfat.

Wie beim vorigen Versuche erwähnt worden ist, scheiden sich während der Bestrahlung unlösliche Eisenverbindungen ab, wodurch die Eisenkonzentration abnimmt und die Wirksamkeit vermindert werden könnte. Deshalb wurde ein weiterer Alanin- versuch unter Zugabe einer solchen Menge n-H,SO, angestellt, daß alles abspaltbare Ammoniak als Sulfat gebunden werden und kein Ferrihydroxyd mehr ausfallen konnte.

Chemische Umwandlungen durch Strahlenarten. IV. 287

4,45 g Alanin wurden zusammen mit 1,0 g Ferrisulfat in 50 ccm n-H,SO, gelöst und auf 100 ccm aufgefüllt. Die Lösung wurde dann ebenfalls 2 Tage besonnt. Die Flüssigkeit blieb jetzt völlig klar, allein die abgespaltene und durch MgO in Freiheit gesetzte Ammoniakmenge war entgegen der Erwartung sogar etwas kleiner; sie betrug in 50 ccm der Mischung 0,0378 g, d. h. für die Gesamtmenge 0,0756 g oder 8,90°/, der Theorie.

4. l-Asparaginsäure.

4,4 g 1-Asparaginsäure wurden zusammen mit 0,8 g Ferrisulfat unter Zusatz der gerade zur völligen Klärung not- wendigen Menge verdünnter Schwefelsäure in 200 ccm Wasser gelöst. Ä

Nach 48 stündiger Bestrahlung waren 0,0644 g NH, = 11,3°/, der Theorie abgespalten.

5. Seidenfibroinpepton.

5,0g Seidenfibroinpepton wurden in 100 ccm Wasser gelöst und 1,0 g festes Ferrisulfat zugegeben, das sich mit dunkelroter Farbe löste. Die nach der Belichtung deutlich nach Aldehyden riechende Flüssigkeit zeigte die zuvor erwähnten Reaktionen.

50,0 ccm der Lösung ergaben bei der Magnesiadestillation 0,0182 g NH.

6. Isoserin.

5,25 g Isoserin wurden zusammen mit 1,0 g festem Ferri- sulfat in 100 ccm Wasser gelöst und auf die angegebene Art der Sonne ausgesetzt.

Die Eigenschaften des Reaktionsproduktes sind in der tabellarischen Übersicht angeführt.

Zur angenäherten Bestimmung des entstandenen Amino- acetaldehyds diente dessen Überführung in Pyrazin nach S. Gabriel und G. Pinkus!). Zu diesem Behufe wurde die ganze Lösung mit 33°/,iger Natronlauge alkalisch gemacht und

1) S. Gabriel und G. Pinkus, Ber. d. Deutsch. chem. Ges; 26, 2207, 1893.

288 C. Neuberg:

sofort mit 20 g festem Sublimat versetzt. Momentan trat heftige Reduktion ein, und das durch Kondensation gebildete Pyrazin wurde alsbald mit Wasserdampf übergetrieben. Das Destillat, das auch Ammoniak enthält, wurde mit Salzsäure genau neutralisiert, filtriert und mit gesättigter Mercurichlorid- lösung ausgefällt. Nach kurzer Zeit schieden sich die flim- mernden Krystalle des Pyrazinquecksilberchlorids, C,H ,N,. He, aus. Dieselben wurden auf einem Filter gesammelt und einer abermaligen Destillation mit starkem Ätznatron unterworfen. Das übergegangene Pyrazin wurde als schwer lösliches Chlor- golddoppelsalz, C,H,N,.AuCl,, abgeschieden. Die Menge des letzteren belief sich auf 0,185 g; der Schmelzpunkt der Doppel- verbindung lag bei 199 bis 200° (statt bei 202°).

Zur Analyse wurden in einer Probe nach O. Wallach?) gleichzeitig Chlor und Gold bestimmt.

0,1177 g Substanz gaben 0,0326 g Cl (titrimetrisch) und 0,0603 g Au.

C,H,N,.AuCl,: Ber.: Cl = 27,77; Au = 51,31°/,;

gef.: Cl = 27,62; Au = 51,10°/,.

T: Traubenzucker.

10,0 g d-Glucose wurden zusammen mit 2,0 g Ferrisulfat in 200 cem Wasser gelöst. Bei der Bestrahlung verschwand als- bald die Farbe der Ferriionen. In dem Gemisch der Reaktions- produkte wurden nach 48 Stunden folgende Bestimmungen vor- genommen:

ol Ermittlung des Osons durch Fällung mit essigsaurem

Phenylhydrazin in der Kälte.

DI Bestimmung der ‚„Furfurol‘“ liefernden Abbauprodukte

durch Salzsäuredestillation nach B. Tollens-Kröber.

y) Feststellung des unveränderten Traubenzuckers durch

quantitative Gärungsprobe.

a) Aus 50,0 ccm Flüssigkeit fielen auf Zusatz von 3 g Phenylhydrazin, gelöst in 5 ccm 30°/, iger Essigsäure, nach l5minütigem Stehen bei Zimmertemperatur und 10 Minuten langem Verweilen in einer Kältemischung 0,166 g Osazon aus.

1) O. Wallach, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 14, 753, 1881.

Chemische Umwandlungen durch Strahlenarten. IV. 289

f) Aus 50,0 ccm des Gemisches wurden 0,104 g Furfurol- phloroglucid erhalten.?)

y) Zur Anstellung der Gärungsprobe wurden 20 ccm der Flüssigkeit mit eiskaltem Barytwasser von Eisen und Schwefel- säure, dann durch sofortiges Einleiten eines Kohlendioxydstromes von dem Barytüberschuß befreit.

Die Lösung wurde mit einem Tropfen verdünnter Milchsäure angesäuert. Im Lohnsteinschen Gärungssaccharometer wurden, berechnet auf die ursprünglichen 200 ccm Gesamtlösung, 6,08 g Glucose wiedergefunden, so daß 39,2°/, Traubenzucker bei der Photokatalyse zerstört worden waren.?)

8. Rohrzucker.

Bei einem Versuche mit 10,0 g Saccharose und 1,0 g _Ferrisulfat in 200 ccm Wasser wurde nach 48stündiger Be- sonnung als ungefähres Maß der Hydrolyse das Reduktions- vermögen ermittelt, wenngleich streng genommen letzteres auch von Umwandlungsprodukten der Inversionszucker herrührt. Das Eisen war zuvor in der beim Traubenzucker angegebenen Weise mit Baryt nahezu vollständig entfernt. Die Titration wurde wegen in Lösung bleibender Bariumionen mit einer aus Kupfer- acetat bereiteten Fehlingschen Lösung vorgenommen, deren Wirkungswert durch Vergleich mit gewöhnlicher Cuprisulfat- Fehling-Mischung festgestellt worden war. Gefunden wurden so 2,54 g Invertzucker insgesamt.

9. Hefenuoleinsäure. 5,0 g Hefenucleinsäure®) wurden in 150 ccm Wasser ge- löst, dann 1,0 g Ferrisulfat in 20 ccm Wasser zugesetzt und

1) Hierzu ist zu bemerken, daß nach unveröffentlichten Versuchen von Dr. G. Bayer die Furfuroldestillation bei Gegenwart von Eisen- salzen zu niedrige Werte liefern kann.

2) Ahnliche Versuche wurden nochmals mit Uranylsulfat angestellt, und zwar in sodaalkalischer Lösung, worin Uransalze klar löslich sind; die Zuckerzerstörung durch Licht ist hier noch bedeutender. Hierüber wird später berichtet werden;

3) Dieselbe wurde von der Firma Boehringer & Söhne freund- lichst zur Verfügung gestellt.

Biochemische Zeitschrift Band 29. 19

290 C. Neuberg:

nun tropfenweise so viel verdünnte Schwefelsäure zugegeben, daß die anfängliche Fällung gerade wieder in Lösung ging.

Nach 48stündiger Einwirkung von Sonnenlicht wurden von der auf 200 ccm aufgefüllten Mischung 100 ccm abpipettiert, mit Ammoniak stark alkalisch gemacht und ohne Rücksicht auf den entstandenen Eisenniederschlag, der ja Ferriphosphat enthalten konnte, mit Magnesiamixtur versetzt. Die Fällung wurde am nächsten Tage abfiltriert, zunächst in das Phosphor- molybdat verwandelt und abermals in das Magnesiumammonium- phosphat, bzw. in Mg,P,O, übergeführt.

Gefunden wurden 0,0644 g Mg,P,O, = 0,0172 g Phosphor oder 0,0344 in der gesamten Lösung. Bei dem Gehalte der Hefenucleinsäure an rund 9°/, organischem Phosphor entspricht dieses einer Loslösung von 7,64°/, allen Phosphors in Form von Orthophosphorsäure.

10. Harnsäure.

1,0 g Harnsäure wurde in der gerade nötigen Menge Kalilauge gelöst und auf 1900 ccm verdünnt; dann wurde ver- dünnte Schwefelsäure bis zur gerade deutlich sauren Reaktion und ‚eine Lösung von 0,6 g Ferrisulfat in 15 ccm Wasser hinzugegeben. Die ganze Mischung wurde alsdann auf 2000 ccm gebracht.

Nach 2tägiger Bestrahlung wurde die Harnsäure in 1000 ccm der Lösung nach Hopkins-Wörner bestimmt. Hierzu wurde die Flüssigkeit zuvor auf dem Wasserbade auf '/, eingeengt.

Wiedergefunden wurden 0,305 g Harnsäure oder 0,610 g in toto. Rund 40°/, der Harnsäure waren demnach zerstört worden.

ll. Benzoesäure.

Der Übergang von Benzoesäure in Salicylsäure bei Gegen- wart von Ferrisalz ist zwar nach 2tägiger Besonnung schon recht deutlich. Um eine größere Umwandlung zu erzielen, wurde die Lösung jedoch 16 Tage dem direkten Sonnenlichte ausgesetzt.

Aus den früher angegebenen!) Gründen wurde mit einem an sich nicht notwendigen Überschuß an Ferrisulfat gearbeitet.

1) C. Neuberg, diese Zeitschr. 27, 271, 1910.

Chemische Umwandlungen durch Strahlenarten. IV. 291

Der durch colorimetrische Analyse damals gefundene Wert wurde durch Titration mit Natriumhypojodid nach J. Messinger und G. Vortmann!) kontrolliert.

Zu diesem Zwecke wurden 100,0 ccm der Flüssig- keit stark mit Schwefelsäure angesäuert und mehrfach mit Ather ausgeschüttelt. Der Ätherrückstand enthielt neben der Salicylsäure unveränderte Benzoesäure, die bekanntlich die jodo- metrische Bestimmung der ersteren in keiner Weise stört.

Gefunden wurden auf diese Weise in den verarbeiteten 100,0 ccm 0,0517 g Salicylsäure; bei einer Gesamtflüssigkeitsmenge von 3,721 mit 18,0 g reiner Benzoesäure als Ausgangsmaterial entspricht das einer Ausbeute von 10,6°/,; auf colorimetrischem Wege habe ich früher in einem entsprechenden Versuche 13°/, ermittelt.

Der höchst bemerkenswerte Eintritt von Sauerstoff in den Benzolring kann durch einmalige Hydroxylierung außer zur Salicylsäure auch zu den beiden Isomeren, zu m- und p-Oxy- benzoesäure, führen. Die hinreichende Übereinstimmung von jodo- metrischer Analyse und colorimetrischer Bestimmung (als Ferri- salicylat) sprach von vorneherein gegen eine Bildung größerer Mengen von Salicylsäureisomeren; denn diese geben keine vio- lette Eisenfärbung. Zum sicheren Nachweise diente jedoch das Verhalten zu Chloroform. Dieses nimmt Salicylsäure wie Benzoesäure leicht auf, während p- und m-Oxybenzoesäure darin unlöslich sind.

Der Rückstand des sauren Atherauszuges ging bis auf einen bedeutungslosen Rest in Chloroform über; eine Bildung von Isomeren der Salicylsäure aus Benzoesäure konnte also nicht mehr als in Spuren unter den angegebenen Bedingungen nach- gewiesen werden.

In reiner Form, wenn auch in bescheidener Ausbeute, wurde schließlich noch die Salicylsäure als basisches Calcium- salz isoliert. Man erhält dieses, indem man das nach Ver- jagen des Chloroforms zurückgebliebene und genau mit Ammo- niak neutralisierte Gemisch mit Chlorcalcium ausfällt und das

1) J. Messinger und G. Vortmann, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 23, 2755, 1890. J. Messinger, Journ. prakt. Chem. [2], 61, 236, 1900. 19*

292 C. Neuberg:

Filtrat mit NH, und CaCl, erwärmt. Dabei scheidet sich das zweibasische Salz der Formel 0.C,H,.C00.H,0 ——— als Krystallpulver ab. 0,1560 g Substanz: 0,0453 g CaO (— 0,0324 g Ca). C,H,0,Ca.H,O. Ber. Ca = 20,62, gef. Ca = 20,77.

Die mitgeteilten Belege zeigen, daß die Photokatalyse bei Gegenwart von Eisensalzen im großen und ganzen in der gleichen Richtung wie bei den früher beschrie- benen Uranversuchen verläuft. Im einzelnen scheint jedoch der prozentuale Umfang der Umwandlungen in manchen Fällen etwas geringer zu sein. Doch liegen bisher zu wenig Experimente mit molekular vergleichbaren Mengen vor, um ein endgültiges Urteil hierüber abgeben zu können.

Vor zwei Jahren schon!) habe ich auf die Analogie dieser Lichtwirkungen mit den Äußerungen mancher Fermente hin- gewiesen, wie der Desaminasen, der Carbohydrasen, der Decarb- oxylasen, der glykolytischen und urikolytischen Enzyme, der Oxydasen und Phosphatasen. Diese Ähnlichkeit tritt auch hier deutlich zutage und verleiht den Erscheinungen ein er- höhtes Interesse. Denn Eisenverbindungen sind ubi- quitär in allen pflanzlichen und tierischen Individuen, während die Uran-Photokatalyse zunächst als eine Kombination von höchstens zufälliger Bedeutung hätte erscheinen können.

Bisher babe ich mich auf die einfache Wiedergabe des Beobachtungsmaterials beschränkt. Für die Erklärung der Erscheinungen werden bereits gemachte Beobachtungen über die Rolle des Sauerstoffes einerseits, die erhebliche Unabhängig- keit von der Temperatur?) andererseits eine Grundlage abgeben. Schon heute möchte ich darauf hinweisen, daß die von mir beschriebenen Vorgänge mit der Wirkung fluorescierender Sub-

(Le 2) Dieser Umstand scheint in biologischer Hinsicht besonderer Be- achtung wert.

Chemische Umwandlungen durch Strahlenarten, IV. 293

stanzen!) an sich nichts zu tun haben. Das folgt einmal daraus, daß Körper wie Eisensalze und andere Metallverbindungen oder arsenige Säure wirksam sind, deren Lösungen keine Fluorescenz aufweisen, und daraus, daß mit den typischen Fluorescenzerregern unter den Farbstoffen, z. B. Fluorescein, die mitgeteilten ekla- tanten Umwandlungen bisher überhaupt nicht oder nur an- deutungsweise?) erzielt werden konnten. Für einen Teil der- selben wird man die abwechselnde Entstehung von höherer und niederer Oxydationsstufe des Metalls bzw. Metalloids verant- wortlich zu machen haben. Inwieweit die von F. Weigert?) bei Farbstoffen beobachtete interessante Tatsache, daß die Löslichkeit von Gasen in gefärbten Flüssigkeiten mit der Be- strahlung zunimmt, auch hier in Betracht zu ziehen ist, bleibt zu untersuchen, ebenso die Frage nach der Wellenlänge der bei diesen kombinierten Katalysen durch Licht und Salze wirk- samen Strahlenarten.

1) H. v. Tappeiner, Ergebn. d Physiol. 8, 718, 1909.

2) Doch sollen noch andere Farbstoffe geprüft werden.

3) F. Weigert, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 42, 850, 1909; 43, 164, 1910.

Berichtigung zu der Arbeit:

Über Hexosephosphorsäureester. Von A. v. Lebedew. (Bd. 28, 8.229). Zeile 16 soll es heißen: „neuerdings“ statt „früher“.

19a

Die reduzierenden Wirkungen des Gewebes. Von Walter Straßner.

(Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Berlin.)

(Eingegangen am 8. Oktober 1910.)

Zur Erforschung der reduzierenden Wirkungen des Ge- webes sind schon oft Untersuchungen angestellt worden. Unter den Erforschern derselben ließen z.B.P.Ehrlich!), A.Maaßen!), Johannsen!), Wichern?), das Gewebe auf Farbstoffe, z. B. Methylenblau einwirken; Bernstein!) bediente sich zur Fest- stellung der Reduktion von O-Hämoglobin des Spektroskopes; wieder andere ließen Gewebe chemische Verbindungen redu- zieren; so reduzierte Binz?) Arsensäure zu arseniger Säure, Maaßen!) Nitrate zu Nitriten, Heffter!) die Kakodylsäure, Schwefel zu Schwefelwasserstoff. Auch hat man die verschieden- artigsten Gewebe, tierische wie pflanzliche, selbst einige Eiweiß- körper zu diesen Untersuchungen verwendet.

Auf Grund der obenerwähnten Arbeiten der verschiedenen Autoren muß man annehmen, daß die reduzierende Kraft des Gewebes auf verschiedenen chemischen Vorgängen beruht. Hierbei werden von Heffter 2 Hauptgruppen unterschieden:

L die Reduktion der Nitrate, die durch Blausäure ge- hemmt, durch Aufkochen völlig zerstört wird,

2. die Reduktion der Farbstoffe, des Schwefels usw., die durch Blausäure nicht beeinflußt, bei 100° höchstens verringert wird.

1) Zit. bei Heffter, Die reduzierenden Bestandteile der Zellen. Medizinisch-naturwissenschaftl. Arch. 1, H. 1. 2) H. Wichern, Hoppe-Seylers Zeitschr. f. physiol. Chem. 57, H. 56 u. 6, S. 365. Biochemische Zeitschrift Band 29. 20

296 W. Straßner:

Französische Autoren!) führen die Reduktion auf Ferment- einwirkung, auf Reduktasen und Hydrogenasen zurück. Diese Ansicht läßt sich jedoch nicht mit der völligen Zerstörung der reduzierenden Kraft durch Luftsauerstoff in Einklang bringen, während diese Eigenschaft den Sulfhydryl- oder SH-Gruppen enthaltenden Körpern, wie Thiophenol, Athyl-, Benzylmerkap- tan und Thioglykolsäure, zukommt. Diese Verbindungen redu- zieren Schwefel, auch Kakodylsäure, geben ihr H-Atom aus der SH-Gruppe an S oder Luft-O ab und bilden Dithioverbin- dungen.

Meine Versuche hatten zur Aufgabe, zu prüfen:

L ob die reduzierende Wirkung des Gewebes auf Methylen- blau ausschließlich auf die in ihm enthaltenen SH-Gruppen zurückzuführen ist,

2. ob die Reduktionsprozesse, die durch Sulfhydrylgruppen verursacht werden, durch Gewebebestandteile (Katalysatoren) beschleunigt werden,

3. ob die reduzierende Wirkung des Gewebes durch Gifte oder andere Einflüsse, wie Hunger, Blutentziehung beeinflußt wird.

Bei allen früheren Versuchen ist meist nur die qualitative Seite, betont worden, während die quantitativen Verhältnisse entweder gar nicht erwähnt oder nur annähernd bestimmt worden sind.

Methodik: Um nun auf die quantitative Bestimmung der reduzierenden Kraft des Gewebes näher einzugehen, habe ich meiner Arbeit die Einwirkung von Kaninchenleber auf Methylenblau zugrunde gelegt. Dieser Farbstoff hat den Vor- teil, daß er weder auf Bakterien noch Gewebe schädigend ein- wirkt; auch läßt sich nach der von Ed. Knecht und Eva Hibbert?) angegebenen Methode das nicht reduzierte Methylen- blau leicht quantitativ bestimmen. Bei der reduzierenden Ein- wirkung des Gewebes wird Methylenblau in eine farblose Leuko- base verwandelt. Neben diesem Prozeß geht noch ein zweiter her, bei dem das Methylenblau eine farblose Doppelverbindung

1) Vgl. Heffter a. a. O. 2) Ed. Knecht und Eva Hibbert, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 38, 3318, 1905, und 36. Jahrg., 2, 1549, 1903 und Wicherna.a O.

Die reduzierenden Wirkungen des Gewebes. 297

eingeht, die sich nicht wie die Leukobase an der Luft direkt, sondern erst bei Zusatz von Salzsäure oxydiert.?)

Da die von Knecht und Hibbert angegebene Konzen- tration der Titantrichloridlösung für die Gewebeuntersuchung zu konzentriert ist, so habe ich folgende Mischung für meine Versuche verwandt. 15°/, Titantrichloridlösung (Merck, Darm- stadt) und konz. Salzsäure je 9 com werden zur Entfernung des Schwefelwasserstoffes kurze Zeit über der Flamme erhitzt und mit sauerstofffreiem Wasser mit einem Überschuß von Salz- säure auf 3 1 aufgefüllt. Die fertige Lösung ist am zweck- mäßigsten in einer von Treadwell?) angegebenen Flasche unter Sauerstoffabschluß aufzubewahren. Auch muß die Lösung, um den freien Sauerstoff zu resorbieren, einige Stunden bis zum Gebrauch stehen.

Diese Titantrichloridlösung wird zu 50 ccm empirischer Ferrichloridlösung, die mit einigen Tropfen Rhodankaliumlösung versetzt ist, zwecks Einstellung unter Einleitung von Kohlen- oxyd ins Glas bis zur Entfärbung titriert, da saure Ferrisalz- lösung mit Titanochlorid in der Kälte zu Ferrosalzen redu- ziert wird.

FeCl, + TiCl, = TiCl, +4 Fell,

Die empirische Ferrisalzlösung von bekanntem Gehalt stellt man sich durch Erhitzen von 10,03 blankgeriebenem Blumendraht und Salzsäure in langhalsigem, schrägliegendem Kolben her, oxydiert sie mit Kaliumchlorat und vertreibt den Chlorüberschuß durch langes Kochen. Hierauf wird die Lösung mit Wasser auf 11 aufgefüllt, so daß 50 ccm Lösung 0,5 Fe enthalten.

Den Titer der Titantrichloridlösung, der sich mit der Zeit verändert, muß man möglichst oft nachprüfen. Auch ist es zweckmäßig, eine Methylenblaulösung von bekanntem Gehalt zum Vergleich des Titers heranzuziehen, um sie der Ferrisalz- lösung gegenüber zu stellen.

Die in den Versuchen benutzte Methylenblaulösung (1—6 : 1000) wurde vor jeder Versuchsreihe mit der Titantri-

1) A. Herter, Über die Anwendung reduzierbarer Farbstoffe beim Studium von Giften und ihre Wirkung auf die Zelltätigkeit. Hoppe- Seylers Zeitschr. f. physiol. Chem. 42.

2) Treadwell, Analyt. Chem., 4. Aufl. 1907, S. 529.

20*

298 W. Straßner:

chloridlösung titriert. Hierbei wurde folgendermaßen ver- fahren: Der zu titrierenden Methylenblaulösung werden einige Kubikzentimeter 15—20°/ ige Schwefelsäure hinzugesetzt. Die Mischung wird, um die Gefahr des Übertitrierens zu vermeiden, erhitzt. Auch titriert man, um den Farbenumschlag genau zu erkennen, am besten bei Tageslicht.

Auf die erwähnte 1—6°/,,ige Methylenblaulösung läßt Wichern im Gegensatz zu Johannsen, der nur das Verhält- nis der entfärbten, reduzierten Schicht zur ganzen Höhe im Reagensglas vergleicht, Gewebe 48 Stunden im Brutschrank einwirken und stellt durch Titration die reduzierte Menge fest. Da jedoch nicht immer dieselbe Gewichtsmenge von Gewebe angewendet ist, so ist ein Vergleich schwer. Um nun einen genauen Vergleich ziehen zu können, habe ich stets bei meinen Versuchen abgewogenes Gewebe (1—2 g) auf eine be- stimmte Menge Methylenblaulösung, deren Prozentgehalt be- kannt ist, eine bestimmte Zeit einwirken lassen. Die Bakterien- einwirkung wurde dadurch ausgeschaltet, daß einige Kubikzenti- meter Chloroform dem Gemenge zugesetzt werden. Platten- versuche auch nach Verdampfung des Chloroforms haben er- geben, daß nur ganz vereinzelte Keime vorhanden waren, so daß sie auf das Resultat der Untersuchung keinen Einfluß hatten.

Um den Luftsauerstoff von der Mischung fernzuhalten, wird das Gewebe mit flüssigem Paraffin, durch das beim späteren Titrieren das mindestens 10 cm lange Ausflußrohr der Bürette durchgeführt wird, überschichtet, und das Gefäß mit einem Stöpsel verschlossen, der festgebunden und mit festem Paraffin abgedichtet wird.

Gleich bei meinen ersten Versuchen bemerkte ich, daß es sehr darauf ankommt, wie man die Mischung herstellt. Um genaue Resultate zu erhalten, müssen verschiedene Vorsichte- maßregeln beobachtet werden. Es muß das zu untersuchende Gewebe möglichst wenig mit der atmosphärischen Luft in Berührung kommen, auch muß es fein zerkleinert werden. Daß die Dauer der Zubereitung einen großen Einfluß auf die reduzierende Kraft des Gewebes hat, zeigt folgender Ver- such. Beim Überschütten des Gewebes mit Methylenblaulösung werden nur 5,0—6,0 mmg Methylenblau reduziert, da das Ab- messen der Lösung und das Abwiegen des Gewebes eine ge-

Die reduzierenden Wirkungen des Gewebes. 299

raume Zeit in Anspruch nimmt, während 7,1—9,0 mmg reduziert werden, wenn man das Gewebe in die fertig abgemessene Lösung hineinwirft. Auch empfiehlt es sich, das Gewebe zu hacken, um es mögliohst innig mit der Lösung in Berührung zu bringen. Ge- webestücke, ebenso durch Hackmaschinen gepreßtes Gewebe geben schlechtere Resultate, weil bei ersterem nur eine kleine Fläche reduzieren kann, bei letzterem das Zerkleinerungsver- fahren zu lange dauert und das Gewebe mit der Luft zu lange in Berührung kommt, ja selbst mit ihr stark vermischt wird.

Parallelversuche, bei denen das Lebergewebe desselben Tieres mit Methylenblaulösung überschichtet wurde, haben folgendes ergeben:

I N | Reduzierte Millimilligramm Art der Zubereitung Methylenblau (durch Leber 1,0)

durch die Hackmaschine getrieben . 3,9 2,9 hackt . . . 2 2 2 2 2 2 2 0. 6,0 5,0 in Stücken `... 22.20. 3,0 5,0

(Von den „Stücken“ war das erste ganz geblieben, das zweite war wahrscheinlich durch Autolyse zerfallen und hatte so fast die doppelte Menge Methylenblau reduziert.)

An der Hand weiterer Versuche hat sich herausgestellt, daß die Reduktionsfähigkeit der einzelnen tierischen Organe _ verschieden stark ist, was übrigens schon P. Ehrlich und andere?) qualitativ festgestellt haben, denn es reduzierten von demselben Kaninchen, dessen verschiedene Gewebe mit 1 °/, iger Methylenblaulösung überschichtet wurden:

Gramm | Gewebeart | Reduz. Millimilligramm Methylenblau

1,0 0,8 1,0 = 1,0 LI 1,0 24 1,0 3,6 1,0 Ha 1,0 55

Da Herz, Gehirn, Muskel und Lunge nur eine spärliche Reduktion ausüben, die Niere wenig Material bietet, der Darm durch das Reinigen mit Wasser leicht seine reduzierende Kraft einbüßt, so eignet sich für eine vergleichende Versuchsreihe nur die Leber. Bei wenigen Versuchen wurde auch die Niere angewendet.

2) Vgl. A. Heffter a. a. O.

300 W. Straßner:

1. Die reduzierende Kraft des Gewebes auf Metlhiylenblau ist durch Sulfhydrylgruppen bedingt.

Zunächst wurde in einer Reihe von Versuchen der Ablauf der Methylenblau-Reduktion durch Lebergewebe untersucht.

In diesen Versuchen setzte ich zu gleicher Zeit in oben beschriebener Weise von einer zerhackten Kaninchenleber verschiedene Portionen zu je 2 g auf 10—20 ccm einer 2 °/ „igen Methylenblaulösung an, ließ sie im Brutschrank bei 37° auf die Lösung einwirken und titrierte von Zeit zu Zeit einige von diesen Reduktionsversuchen.

Es reduzierten hierbei 1 g Kaninchenleber:

Stunden | 2 4 6 8 10 | 12 | 24 | 30

Reduzierte

Ver- , Milli- such 2 ——

Ver. ethylenblau such 3

Stunden | 36 48 | 72 | 96 | 120 | 144 | 168 | 192

9,4 | 9,6 9,150 10,4| 103| 89 |

suchl | | | | | Reduzierte Ver- = = $ such 2 milligramm Ver- Methylenblau such 3

Aus diesen Versuchen geht hervor, daß das Gewebe inner- halb der ersten 24 Stunden sehr stark reduziert und ungefähr am zweiten bis dritten Tage seinen Höhepunkt mit 10 mmg reduziertem Methylenblau auf 1 g Lebergewebe erreicht hat. Nach dieser Zeit wird das Methylenblau anscheinend wieder durch sekundäre Prozesse oxydiert.

Die quantitative Begrenzung der Reduktion weist darauf hin, daß die reduzierenden Substanzen bei diesem Prozesse ver- braucht werden, eine Tatsache, die gut mit der Ansicht über- einstimmt, daß die vorhandenen Sulfhydrylgruppen bei der Reduktion zerstört werden; für einen fermentativen Prozeß wäre die Tatsache, daß 1 g Lebergewebe nur 10 mmg Methylen- blau reduzieren können, wenig verständlich.

Da also infolge obiger Versuche wahrscheinlich chemische Gruppen in Betracht kommen, so liegt der Vergleich mit der Wirkung ähnlich konstituierter Verbindungen nahe.

Die reduzierenden Wirkungen des Gewebes. 301

Heffter!) nennt einige in seiner Arbeit über die reduzierenden Bestandteile der Zellen. So wird Methylenblau reduziert durch Thioglykol- säure, Cystein und Thiophenol, die alle SH-Gruppen enthalten und ebenso wie die meisten Gewebearten, welche die Natriumnitroprussidreaktion auf SH-Gruppen geben, nur begrenzt SH, bilden können.

Von den oben erwähnten chemischen Verbindungen habe ich selbst die reduzierende Kraft der Thioglykolsäure nach- geprüft.

So reduzieren 0,5 ccm Lösung von Thioglykolsäure 1,0/25, die mit Natriumcarbonat neutralisiert war, im Brutschrank bei 37°:

[16,0 122,0 |21,8 [21,1 194 16,8 |13,3

Ge 3|

gr Methylenblau

Auch hier ist wieder die Reduktion in den ersten 24 Stunden sehr beschleunigt, erreicht nach 48 Stunden ihren Höhepunkt und fällt dann wieder. Die große Differenz der reduzierten Mengen von Methylenblau zwischen Versuch 1 und 2 ist durch die Reinheit und das Alter der leicht oxydierbaren Thioglykolsäure- lösung bedingt, da dieselbe durch Stehen allmählich zu Dithio- glykolsäure oxydiert wird.

Als weitere Eigenschaft kommt den oben erwähnten Ver- bindungen zu, daß sie autoxydabel sind und dann ihre Reduk- tionskraft verlieren. [Die Nitroprussidreaktion und die Reduk- tion des Schwefels sind gleichzeitig vorhanden und verschwinden gleichzeitig durch Oxydation, d.h. durch Wegnahme des Sulf- hydrylwasserstoffes!).] Gleiche Beobachtungen habe ich bei meinen Versuchen gemacht. Überschichtet man das Gewebe mit der Methylenblaulösung erst nach dem Abwägen bei einer größeren Anzahl von gleichzeitig angesetzten Versuchen, so werden 5 bis 6 mmg Methylenblau reduziert, dagegen 7,1 bis 9,4, wenn das Gewebe in die fertig abgemessene Lösung geworfen wird. Bei ersterer Methode erfordert natür- lich die Zubereitung (Abwägen des Gewebes und Abmess:n

1) Heffter a a. O.

302 W. Straßner:

der Methylenblaulösung) mehr Zeit als bei der zweiten, wo das Gewebe in die schon fertig abgemessene Lösung hineingeworfen wird; das Gewebe ist bei der ersten Behandlung länger der Luft ausgesetzt. Noch klarer zeigt folgender Versuch, daß je nach der Länge der Lufteinwirkung die reduzierte Kraft abnimmt. Gewebe wird mit Wasser und mit physiologischer Kochsalz- lösung extrahiert und filtriert. Während das Filtrat nicht reduziert, also keine reduzierenden Stoffe entzieht, reduziert der Rückstand, der während des einstündigen Filtrierens zum Luftabschluß mit Paraffin überschichtet war, 3,7 bis 4,4 mmg Methylenblau, ohne Paraffin 1,5 (normal 1 g zerhacktes Leber- gewebe 7,8 mg Methylenblau). Bei einem weiteren Versuche reduziert ein 3 Stunden filtrierter Rückstand 0,4 bis 0,5 mg Methylenblau. Daß nicht etwa das Wasser die reduzierende Kraft zerstört, beweist ein Versuch, bei dem das Gewebe zwei Tage unter Luftabschluß fäulnisfrei gehalten wird und dann noch 4 bis 5 mg Methylenblau reduziert.

Das Resultat einiger weiterer Versuche scheint obiger Ansicht entgegen zu treten. Kocht man nämlich Gewebe in Wasser mit Paraffin überschichtet eine halbe Stunde lang, so verringert sich die reduzierende Kraft. Es reduziert l g ge- kochtes Lebergewebe:

Bee in

Reduzierte Milli- milligramm SE ee

Reduzierte Milli- milligramm Methylenblau

Ähnliche Abschwächungen treten bei erhitzten Lösungen der SH-Gruppen enthaltenden Verbindungen (z. B. Cystein) auf und beruhen wohl auf Abspaltung der Sulfhydrylgruppen (Heffter).

Überläßt man Lebergewebe unter Luftabschluß der Auto- lyse, so reduziert 1 g Lebergewebe, das einen Tag der Auto-

Die reduzierenden Wirkungen des Gewebes. 303

lyse unterworfen war, in den folgenden 2 Tagen noch 3,6; 4,5 mmg Methylenblau; das 2 Tage der Autolyse ausgesetzte 4,8; 5,3 mmg Methylenblau in den zwei darauffolgenden Tagen (nor- mal reduzierte 1 g Lebergewebe desselben Kaninchens in zwei Tagen 7,8 mmg Methylenblau). Es treten also ebenso wie bei der Hefe, deren Reduktionskraft Heffter ebenfalls auf SH- Gruppen zurückführt, durch Autolyse Spaltungen ein, bei denen wahrscheinlich durch Umsetzung die Sulfhydrylgruppen unter- einander durch Oxydation verknüpft werden.

Nachdem die vorigen Versuche ergeben hatten, daß die Reduktionswirkung durch Einwirkung von Luftsauerstoff, durch längeres Kochen und Autolyse abgeschwächt wird, habe ich untersucht, wie der Reduktionsprozeß bei Anwesenheit von Blausäure verläuft. Die Untersuchung war deswegen von be- sonderem Interesse, da Heffter gerade in der stark hemmen- den Einwirkung der Blausäure auf die Nitratreduktion einen grundlegenden Unterschied dieses Vorganges gegenüber der Farbstoffreduktion gesehen hat.

Zunächst hat sich bei Versuchen mit reiner Thioglykol- säure (vgl. Tabelle) gezeigt, daß die Einwirkung auf Methylen- blau durch Blausäure anfangs verzögert wird, daß aber schließ- lich nach 24 bis 48 Stunden das Ergebnis das gleiche, wie bei Abwesenheit von Blausäure ist.

Reduzierte Millimilligramm Methylenblau durch 0,5 ccm Thio- glykolsäurelösung 1,0/25,0

i in Gegenwart von Blausäure

Versuch 1 Versuch 2

Versuch 2

Ge SE) Bar E D

| EP

ra vr

bei bei Fi O M lO m 00 ia e EI O O bi = to LEELEE Xbäi/

Ki

Gleiche Hemmung wie bei der Thioglykolsäure bewirkt die Blausäure auch bei normalem und gekochtem Gewebe. Das ergibt folgende Versuchsreihe:

304 W. Straßner:

Reduzierte Millimilligramm Methylenblau durch: a) 1,0 normales Lebergewebe | b) 1,0 gekochtes Lebergewebe

Bla 2 | 22 | 2,33 | 05 | /04 |075 4 | 4,35 | | 24 {o4 |06 ; = 6| 43 | 50 | 26 ar = = 8 | 525 | | 25 | 28 |12 |17 |09 10 | 6,95 | | 29 = = = 12 | 66 | 84 2,6 |085 |175 |os | 26 24 | 8,35 | | 41 |17 130 = 30 | 9,2 | 5l |19 |21 > 36 | 9,4 | 41 |20 |19 = 48 | 96. | 52 |31 |12% | 72 | 915 | | 72 | 86 |38 |50 |40 = 86 | 10,4 171 |46 150 |38 120 | 10,3 | 81 |54 |48 = 144 | 8,9 | 72 = m |47 = 168 | | 78 = sx

1,0 Niere reduziert in Gegenwart von Blausäure in 2 Tagen:

a) 4,9 (normal 8,2) mmg Methylenblau,

b) 5,7.

Der analoge Umlauf des Reduktionsvorganges unter dem Einfluß von Blausäure bei der Thioglykolsäure und dem Leber- gewebe spricht mit großer Wahrscheinlichkeit dafür, daß es sich im letzteren Falle nur um Sulfhydrylgruppen handelt.

2. Die Reduktion, welche die Sulfhydrylgruppen bedingt, wird durch Gewebebestandteile (Katalysatoren) beschleunigt.

Heffter erwähnt, daß Cystein in Gegenwart von Eisen- chlorid und Dinatriumphosphat schneller als ohne Zusatz Methylen- blau reduziert. Die gleiche Beobachtung habe ich auch bei Thio- glykolsäure in Gegenwart von Gewebe als Katalysatoren gemacht.

3. 4. 8 Berechnete %5 Thioglykolsãure- B 1,0 Leber | Summe aus pokea: + 1,0 Leber 2 7,8 | 3,0 10,8 17,4 4 12,6 4,8 16,8 í 24 18,8 | 8,3 27,1 31,2

Bei der Versuchsreihe dieser Tabelle habe ich zunächst (Stab 1) 0,5 com Thioglykolsäurelösung 1,0/25,0, dann (Stab 2) nur 1,0 Leber auf Methylenblau einwirken lassen, darauf (Stab 3) die Ergebnisse beider Versuchsreihen der gleichen Stundenzahl ent-

Die reduzierenden Wirkungen des Gewebes. 305

sprechend addiert, und zuletzt (Stab 4) 1,0 Gewebe und 0,5 Thio- glykolsäurelösung gemeinsam auf Methylenblau wirken lassen. Aus diesen Versuchen geht hervor, daß im Gewebe Sub- stanzen sind, durch die die reduzierende Wirkung der SH- Gruppen wesentlich beschleunigt wird. Eine bemerkenswerte Eigenschaft dieses Beschleunigens ist ihre Kochbeständigkeit:

8 Reduzierte Millimilligramm Methylenblau durch: p 0,5 Thioglykol- 0,5 Thioglykolsäure- 9 11,0 Leber | ° . relös be- ung ösung (1,0/25,0) e | gekocht rechnet LC ],0 Leber gek 2 Versuch 4 12,8(?) 1 33 24,0 24,2 48 24.45 24.8 Versuch 12 25,1 25,0

Auch hier ist wieder die beschleunigende Wirkung der Gewebe auf die Reduktion in den ersten Stunden deutlich sichtbar. Selbst bei Gegenwart von Blausäure ist dieser Einfluß, wenn auch verringert, zu erkennen, was folgende Versuchsreihen zeigen:

Reduzierte Millimilligramm Methylenblau in Gegenwart von Blausäure durch: EES j . ‚5 Thioglykolsäure- 1,0 EE berechnet | !ösung (1,0/26,0) (1,0/25,0) -+ normales á ; 1,0 Gewebe

Stunden

Reduzierte Millimilligramm Metbylenblau in Gegenwart von Blausäure durch:

be 0,5 Thioglykolsäure- hr t lösung (1,0/25,0) recane’ | 1 1,0 gek. Gewebe

Stunden

306 W. Straßner:

8. Die Einwirkung von Giften, Blutverlust, Hunger und Muskelkraft auf die reduzierende Kraft des Gewebes.

In Gegensatz zu den Versuchen im vorhergehenden Teil, in dem das Gewebe erst nach Tötung des Tieres der fremden Einwirkung ausgesetzt war, sind in den folgenden Versuchen die lebenden Tiere den fremden Einflüssen ausgesetzt, und ihr Ge- webe sofort nach ihrem Tode zu den Versuchen verwendet worden.

A. Der Einfluß von Giften auf die reduzierende Kraft des Gewebes.

Es sind zunächst folgende Gifte untersucht worden: Blau- säure, Phosphor, arsenige Säure, Sublimat, Natriumnitrit, Leucht- gas, Chloralhydrat, Äther.

Um die hervorgerufenen Veränderungen zu beurteilen, muß man sich gegenwärtig halten, daß als Vergleichswert für die normale Reduktionsfähigkeit der Leber als Mittel aus 12 Ver- suchen 8,3 mmg Methylenblau für 1 gLebergewebe anzu- sehen ist. Für die normale Niere wurden 6,8mmg Methylen- blau auf lg ermittelt.

Versuch L Einem Kaninchen wurden 9 mg Blausäure pro Kilogramm injiziert, tot nach einigen Minuten unter Krämpfen.

1 g Lebergewebe reduzierte in 2 Tagen nur 5,8 mmg Methylenblau im Mittel.

Dieser Versuch zeigt, wie die Versuche im vorigen Teile, eben- falls die hemmende Einwirkung der Blausäurevergiftung auf die redu- zierende Kraft.

Versuoh 2. 2 Kaninchen wurden 0,01 Phosphor pro Kilogramm, nach 6 Tagen nochmals dieselbe Menge injiziert, das eine (a) tot nach 9 Tagen, das andere (b) tot nach 11 Tagen.

1 g Lebergewebe (a) reduzierte in 2 Tagen im Mittel 3,3 mmg Methylenblau,

1 g Nierengewebe (a) 5,3,

l g Lebergewebe (b) 5,75,

l g Nierengewebe (b) 4,25.

Es ergab sich somit in beiden Versuchen eine deutliche Verminderung der reduzierenden Eigenschaften, als deren Ur- sache man die durch den Phosphor bewirkten Zellveränderungen in Leber und Niere ansehen darf. Diese Annahme wird noch dadurch bestärkt, daß das Lebergewebe a, das schwächer reduzierte, dem makroskopischen Aussehen nach stärker mit Fett durchsetzt war.

Die reduzierenden Wirkungen des Gewebes. 307

Da arsenige Säure ähnliche Veränderungen hervorruft wie Phosphor, so wird auch bei der Arsenvergiftung die redu- zierende Kraft vermindert.

Versuch 3. Einem Kaninchen wurden täglich 0,004 arsenige Säure pro Kilogramm außer am 3. Tage injiziert, tot nach 5 Tagen.

Es reduzierte 1 g Lebergewebe in 2 Tagen 4,85 mmg Methylen- blau im Mittel,

l g Nierengewebe 6,0.

Entgegen den soeben untersuchten Giften ist bei ES Sublimatvergiftung kein Einfluß auf die reduzierende Wirkung des Gewebes festzustellen.

Versuch 4. Einem Kaninchen wurden täglich 0,0028 Sublimat pro Kilogramm injiziert, tot nach 2 Tagen.

Es reduzierten 1 g Lebergewebe in 2 Tagen im Mittel 8,4 mg Methylenblau, 1 g Nierengewebe 6,4, trotzdem der Urin eine deutliche Eiweißreaktion gab.

Ferner wurde untersucht, ob durch Blutgifte, also durch Störung der inneren Atmung, die Reduktionsfähigkeit des Ge- webes beeinflußt wird.

Versuch 5. a) Einem Kaninchen (950 g) werden 0,1 Natrium- nitrit injiziert, nach 1 Stunde 0,2, tot nach 11/, Stunde unter Krämpfen.

b) Einem Kaninchen (1000 g) wurden 0,1 Natriumnitrit injiziert, nach 1 Stunde 0,2, tot nach 1/ Stunde unter Krämpfen.

c) Einem Kaninchen (1350 g) wurden 0,075 Natriumnitrit injiziert, nach 1/ Stunde 1,0, nach Dis, Stunde 1,0, nach 1/ Stunde 1,0, tot nach 5 Minuten unter Krämpfen.

Es reduzierten in 2 Tagen 1 g Lebergewebe im Mittel

a) 6,0, b) 6,0, c) 6,7 mmg Methylenblau;

1 g Nierengewebe

a) 5,7, b) 5,4, c) 2,8 mmg Methylenblau.

Versuch 6. Ein Kaninchen wurde durch Leuchtgas nach 5 Minuten unter Krämpfen erstickt.

Es reduzierte 1 g Lebergewebe in 2 Tagen im Mittel 7,5 mg Methylenblau,

1,0 Niere 6,8.

Beide Blutgifte, sowohl Natriumnitrit wie Leuchtgas, haben nach diesen Versuchen keine Einwirkung auf die reduzierende Kraft des Gewebes oder schwächen dieselbe nur unerheblich.

308 W. Straßner:

. Nachdem die chemische Einwirkung auf die innere Atmung durch»Blutgifte geprüft worden war, sollte jetzt der hemmende Einfluß auf die innere Atmung durch Blutentnahme untersucht werden.

Versuch 7. Einem kleinen Kaninchen wurden 50 com Blut entnommen und durch ebensoviel physiologische Koch- salzlösung ersetzt; am folgenden Tage getötet, reduzierte 1 g Lebergewebe in 2 Tagen im Mittel 8,35 mmg Methylenblau, 1,0 Niere 7,4.

Es wurden also, um den Sauerstoffverbrauch, der durch die geringe Menge Blut kleiner wird, zu erhöhen, nicht mehr reduzierende Stoffe im Gewebe gebildet.

Die Wirkung der Narkotica der Fettreihe hat Herter?) untersucht, wenn auch nur qualitativ, und dabei festgestellt, daß durch Äther die reduzierende Kraft des Gewebes verringert wird, durch Chloralhydrat aber keine Veränderung eintritt.

Versuch 7. Einem Kaninchen wurde 1 g Chloralhydrat pro

Kilogramm mit der Magensonde eingegeben. Das Tier fiel sehr schnell in tiefen Schlaf und wurde nach 3 Stunden getötet.

l g Lebergewebe reduzierte in 2 Tagen im Mittel 7,7 mmg Methylenblau,

l g Niere 6,65 mmg.

Versuch 8. Ein Kaninchen wurde 30 Minuten mit 31 g Äther narkotisiert, tot in der Narkose.

Es reduzierte 1 g Lebergewebe in 2 Tagen im Mittel 6,7 mmg Methylenblau,

1 g Niere 6,9 mmg.

Während Herter bei Ather Reduktionsverringerung beob- achtete, ist aus meinem Versuch keine deutliche Anderung der Reduktionskraft zu ersehen, ebensowenig wie bei Chloral- hydrat.

B. Der Einfluß des Hungers auf die reduzierende Kraft des Gewebes. Versuch 9. Ein Tier hungerte und starb nach 6 Tagen. Es reduzierte 1 g Lebergewebe in 2 Tagen im Mittel 4,0 mmg Methylenblau, l g Niere 5,3 mmg.

1) Herter, a. a. O.

Die reduzierenden Wirkungen des Gewebes. 309

Auch hier tritt wieder wie bei Phosphor und Arsen durch Schwinden von normalem Gewebe eine Verminderung der redu- zierenden Kraft ein.

C. Die reduzierenden Stoffe des Muskels und ihr Verhalten bei der Arbeit.

Gscheidlen!) fand in seinen Versuchen über das Re- duktionsvermögen des Muskels, daß die Reduktionswirkung auf indigschwefelsaures Natron zwischen tätigen und ruhendem Muskel nicht immer die gleichen Resultate gab, daß vielmehr Indigo vom tätigen Muskel stärker reduziert wird als vom ruhenden Muskel. Gscheidlen führt das Reduktionsvermögen des Muskels auf milchsaure Alkalien zurück. Ebenso soll nach seiner An- sicht Milchsäure, Zucker und Glykogen reduzieren. Alle diese Stoffe haben ganz und gar nicht reduzierende Eigenschaften auf Farbstoffe, sondern nur die bei diesen Versuchen unsterilen Lösungen wirkten infolge ihres Bakteriengehaltes reduzierend. Gleiche Bewandtnis hat die Reduktion durch Fäulnis, Fibrin, Eiweiß. Daß das Muskelgewebe an und für sich Methylen- blau reduziert, habe ich auch beobachtet, dagegen habe ich keinen Unterschied zwischen dem Reduktionsvermögen des tätigen Muskels und dem des ruhenden auf Methylenblau feststellen können, wie aus folgenden Ver- suchen hervorgeht:

Versuch 10. 2 Kaninchen wurde der Plexus cruralis einerseits freigelegt und die innervierten Schenkelmuskeln daselbst bis zur Er- schöpfung tetanisiert.

Es reduzierte 1 g ruhender Muskel in 2 Tagen

a) 1,3 1,85 2,75 mmg Methylenblau, b) 0,8 1,4 1,0; l g gewiegter Muskel a) 1,3 2,3 2,5 2,5, b) 1,0 0,15 mg Methylenblau.

Auf Grund vorliegender Versuche glaube ich dargelegt zu haben, daß die reduzierende Wirkung des Gewebes auf Methylen- blau auf den labilen Wasserstoff von Sulfhydrylgruppen zurück- zuführen ist, der ja nach Heffter auch Schwefel, andere Farb-

1) Rich. Gsoheidlen, Pflügers Archiv 8, 506.

310 W. Straßner: Die reduzierenden Wirkungen des Gewebes.

stoffe, Tellur- und Selenverbindungen usw. mit Ausnahme der Nitrate und des Nitrobenzols reduziert.

Diesen Beweisen scheinen einige Beobachtungen zu wider- sprechen, da Kochen des Gewebes und Autolyse einen ver- mindernden, Blausäure einen hemmenden Einfluß auf die Re- duktionskraft besitzen. Heffter erwähnt, daß Hahn Ver- ringerung bis Verlust der Reduktionskraft des Preßhefesaftes bei längerem Aufbewahren gefunden hat, Johannsen u. a. ebenso beim Erhitzen von tierischem Gewebe; eine Tatsache, die auf die leichte Veränderlichkeit der Sulfhydrylgruppen zurück- zuführen ist, und zwar bei der Autolyse auf Endotryptase, beim Kochen auf Abspaltung der Sulfhydrylgruppen. Die hemmende Einwirkung auf die Reduktionskraft durch Blausäure zu zeigen, ist mir ja auch bei Thioglykolsäure gelungen, die doch eben- falls Sulfhydrylgruppen enthält.

Ferner spricht für das Vorhandensein von Sulfhydrylgruppen die Fähigkeit der Autoxydation, die ja diesen Verbindungen in verschieden starkem Maße zukommt, wodurch die redu- zierende Wirkung schwindet.

Die Reduktion dieser Sulfhydrylgruppen wird, wie z. B. bei Thioglykolsäure durch gewisse Gewebebestandteile (Kata- ` lysatoren), die weder durch Kochen noch durch Blausäure be- einflußt werden, beschleunigt.

Neben den schon erwähnten vorübergehenden wie bleiben- den Einflüssen auf die Reduktionskraft des Gewebes haben nur diejenigen Verbindungen und Eingriffe längere oder dauernde Einwirkung, die mit Verlust oder Verfettung von Gewebe einher- gehen, so z. B. der Hunger durch Gewichtsabnahme, Phosphor und arsenige Säure durch Gewebsverfettung; dagegen haben Sublimat, Natriumnitrit, Leuchtgas, Blutverlust, Chloralhydrat, Äther und Muskelarbeit keine bleibende Einwirkung auf den normalen Verlauf der reduzierenden Kraft des Gewebes.

Zur Geschichte der chemischen Gärungshypothesen. Von Walther Löb.

(Aus der ohemischen Abteilung des Virchow -Krankenhauses zu Berlin.) (Eingegangen am 29. September 1910.)

Die Anschauungen über den Reaktionsmechanismus bei der alko- holischen Gärung beginnen sich zu klären. Und zwar nicht nur auf Grund der Arbeiten, die sich experimentell mit dem Gärungsproblem selbst beschäftigen, sondern &benso sehr im Anschluß an pflanzenphyasio- logische Untersuchungen, die den nahen Zusammenhang zwischen aerober und anaerober Pflanzenatmung dartun. Da die neuerdings von ver- schiedenen Forschern geäußerten Anschauungen denjenigen sehr nahe stehen, die ich aus der Beschäftigung mit einem ganz andern Problem, der künstlichen Kohlensäureassimilation, für die Gärungs- und Zuckeroxy- dationsvorgänge vor einer Reihe von Jahren gewonnen habe, sei es mir gestattet, auf meine Arbeiten im Zusammenhang mit dem Gärungs- problem kurz zurückzukommen.

Buchner und Meisenheimer haben vor kurzem!) die Milchsäure- theorie endgültig aufgegeben und sehen nunmehr die hypothetische An- nahme der intermediären Bildung des Dioxyacetons als geeignet an, um den Mechanismus des Zuckerzerfalles zu erklären. Als Hauptargument für diese Rolle erscheint ihnen die außerordentlich große Gärfähigkeit des Dioxyacetons.. Boysen-Jensen?) beschreibt den direkten Naoh- weis dieser Substanz in den Gärflüssigkeiten.

Obgleich meine Ansichten sich ursprünglich nicht auf Grund eines experimentellen Studiums des Gärungsvorganges, sondern, wie schon erwähnt, aus den experimentellen Ergebnissen einer Untersuchung über den Zuckeraufbau entwickelten, so stützen sie sich doch in jeder Beziehung auf experimentelle Verhältnisse, die eine Übertragung auf die biologischen Zuckeroxydationen und Gärungen ungemein nahe legen.

Ich hatte beobachtet, daß eine Hexose unter der Energiezufuhr der dunkeln Entladung sowohl aus Kohlensäure und Wasser, wie auch

1) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 43, 1773, 1910. 2) Diss., Kopenhagen 1910; vgl. auch Ber. d. Deutsch. botan. Ges.

26a, 666, 1908. Biochemische Zeitschrift Band 29. 21

312 W. Löb:

aus Kohlensäure und Alkohol entsteht, und daß diese beiden Synthesen über Formaldehyd und Glykolaldehyd führen. Hierdurch gewann die v. Bayersche Assimilationshypothese eine experimentelle Begründung: Aus Kohlensäure und Wasser entsteht unter Zufuhr einer Form der strahlenden Energie Formaldehyd, der den Polymerisationsweg zum Kohlenhydrat beginnt. Es zeigte sich nun, daß die Entladungsereaktionen niemals vollständig verlaufen, sondern umkehrbar sind. Wie Formaldehyd aus feuchter Kohlensäure nach der Gleichung:

CO: + H20 = COH, +0, sich bildet, so spielt sich bei Wahl von Formaldehyd als Ausgangs- substanz die Reaktionsfolge ab: COH, = DO -+ H, CoO + H, -++ Oa = CO, Ra, Ebenso erwies sich die Zersetzung des Alkohols als umkehrbare

Reaktion:

CH,CH,0H = CH,CHO + H,

CH,CHO = CO + CH;:

Die obere Gleichung, deren Umkehrung mir damals nicht gelang, ist später von Comanducoi!) ausgeführt worden. Da nun weiter Alkohol und Kohlensäure wieder in Formaldehyd und Glykolaldehyd und damit in Hexose übergehen:

CH,CH,OH + CO, = CH,CHO —+ CO -+ H,O = CH, + CO + CO + H,O = (3CO + 3 H3) Nu Formaldehyd, Glykolaldehyd, Hexose

alle diese Umwandlungen sind experimentell nachgewiesen —, 80 zog ich aus den Versuchen den Schluß, daß in dieser Synthese eine Um- kehrung der alkoholischen Gärung angedeutet ist. Einen weitergehenden Schluß die vollkommene Umkehrung der Hefegärung konnte ich deshalb nicht ziehen, weil die stille Entladung in meiner Versuchs- anordnung nur auf flüchtige Substanzen einwirken konnte, es mir also unmöglich war, den Polymerisationsvorgang über den Glykolaldehyd hinaus die Hexose entstand erst beim Trocknen des Aldehyds oder den Depolymerisationsvorgang von einem kohlenstoffreicheren Produkte aus, als dem Glykolaldehyd, in der Entladung selbst experimentell zu verfolgen.

Zwei Tatsachen ergaben sich aber klar aus den Versuchen; als erste die Feststellung, daß bei der künstlichen Assimilation der ursprüng- liche Prozeß die Spaltung der Kohlensäure und des Wassers ist, als zweite, daß bei der Synthese aus Alkohol und Kohlensäure Aldehyde entstehen, die sich zum Zucker polymerisieren. Diese Tatsachen, im Verein mit der beobachteten Umkehrbarkeit der Reaktionen führen für diese zu den Folgerungen, daß bei der Spaltung des Zuckers in Alkohol und Kohlensäure zuerst Aldehyde entstehen und daß bei der Oxydation

1) Chem. Centralbl. 1909, I, 1530.

Zur Geschichte der chemischen Gärungshypothesen. 313

die Kohlensäure- und Wasserbildung die letzte Phase des Vorgangs nach vorhergehender Spaltung in Aldehyde darstellt. |

Es ist selbstverständlich, daß bei der Übertragung dieser experi- mentell gewonnenen Anschauungen auf biologische Vorgänge, die durch die experimentellen Bedingungen veranlaßten Beschränkungen fallen müssen. Deshalb formulierte ich die Reaktionen des biologischen Kohlen- hydratabbaus so, daß ich als erstes Stadium Spaltung des Zuokermoleküls unter Lösung der Aldolbindungen, als zweites Oxydation der Spaltungs- produkte hinstellte. Das erste Stadium bildet den anaeroben, beide zu- sammen den aeroben Zuckerzerfall.

Da die betreffenden Darlegungen an einer den Biologen meist schwer zugänglichen Stelle!) erschienen sind, so möge ein wörtliches Zitat folgen:

Man kann sagen, „daß, wie der Zucker durch Aldolkondensationen entstanden ist, er unter Aufhebung dieser Bindungen zerfällt. Dabei können Bruchstücke C,H..O, (n = 1, 2, 3 . . .) zunächst entstehen, die in beständigen Formen als Aldosen oder Ketosen faßbar sind, der Zerfall kann auch direkt zur Gruppe (CO, H3), die weiteren Umwandlungen unterliegt, führen. So würde ein Zuckerzerfall, der der künstlichen Synthese aus Glyoerinaldehyd oder Dioxyaceton oder Formaldehyd ent- spricht, in folgender Weise zu formulieren sein:

(Gap (ees CRAOR CH

OH rcCH,OH duon | i 2CH,0 | =2CHOH oder 200 =2| OD |=2| |=6CH,0.“ quon CH,

| + HO CH,OH LCH,O

H Ans

In einer Anmerkung fügte ich hinzu: „Auf die gesonderte Betrach- tung von Aldosen und Ketosen einzugehen, ist bei dieser allgemeinen Formulierung überflüssig. Der Übergang der Aldehydzucker in die Keto- zuoker findet oft mit größter Leichtigkeit statt, wie Lobry de Bruyn (Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 28, 3078, 1895) für Hexosen, Wohl und Neuberg (Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 33, 3099, 1900) für Triosen gezeigt haben.“

Bei der speziellen Betrachtung der alkoholischen Gärung führte ich dann aus, daß „unter Berücksichtigung der Tatsache, daß meist eine symmetrische Auflösung der Kohlenstoffkette eintritt‘, man die Vorgänge so darstellen kann, daß ‚aus einer Hexose zunächst Triosen entstehen und diese entweder zu Milchsäure sich umlagern oder unter weiterer Spaltung sich zu Kohlensäure und Alkohol gruppieren‘.

Ich glaube hiermit die Anschauungen wiedergegeben zu haben, die für die erste Phase der Gärung Spaltung des Zuckermoleküls in eine

1) Landwirtsch. Jahrbücher 1906, 541. 21”

314 W. Löb:

Triose, Milchsäure ein Nebenprodukt, keine Zwischenphase von Buchner und Meisenheimer neuerdings vertreten werden. Auch die von ihnen erwähnte Reduzierbarkeit der Triose speziell des Dioxy- acetons bei Buchner und Meisenheimer zu Glycerin hatte ioh an anderer Stelle!) zur Stütze meiner Ansichten herangezogen.

Bezüglich der Übereinstimmung der von Palladin®) und Kosty- tschew®) aus ihren pflanzenphysiologischen Untersuchungen gewonnenen Ansichten über die Zuckeratmung mit den von mir vor mehreren Jahren entwickelten verweise ich auf meine demnächst erscheinende Mit- teilung in dieser Zeitschrift.

Mit der Annahme um mehr handelt es sich noch nicht des Dioxyacetons als eines Zwischenproduktes der Gärung ist aber noch nicht der Kernpunkt des ganzen Problems gefaßt. Der steckt in der Frage: wie entstehen Alkohol und Kohlensäure.

Ich hatte in der Konsequenz der hier wiedergegebenen Über- legungen eine weitere Spaltung des Glycerinaldehyds oder was bei der gegenseitigen Umwandelbarkeit auf dasselbe herauskommt des Dioxyacetons in Glykolaldehyd und Formaldehyd angenommen, zwischen denen die Umsetzung

CHOH

CH,OH | + HCO = de + 00 CHO ?

zu Alkohol und Kohlensäure führt.

Diese Auffassung hatte ich auf Grund vergeblicher Versuche), irgendwelche Zwischenphasen aldehydartiger Natur in der Gärung zu : fassen, aufgegeben und die Annahme aufgestellt, daß nach Lösung sämt- licher Aldolbindungen eine Synthese die Endprodukte der alkoholischen Gärung schafft.

Bereits in meiner ersten zusammenfassenden Veröffentlichung ®) sagte ich: „„Wahrscheinlich bietet häufig ein polymeres Molekül wie das Kohlenhydratmolekül nicht einen, sondern gleichzeitig viele Angriffs- punkte, so daß überhaupt kein allmählicher Abbau, sondern eine Sprengung in einfacher zusammengesetzte Teilmoleküle stattfindet. In welche Bruch- teile die Moleküle zertrümmert werden, in welcher Weise diese Bruch- stücke zu beständigen End- und Zwischenprodukten ab- und umgebaut oder auch synthetisch wieder aufgebaut werden, darüber läßt sich natür- lich nichts allgemeines sagen.“

Durch meine weiteren zahlreichen Versuche über Zuckerspaltungen®) hat sich diese Auffassung befestigt. Auch die Einschränkung, die ich

1) Zeitschr. f. Elektrochemie 1907, 512.

2) Diese Zeitschr. 18, 151, 1909.

3) Zeitschr. f. physiol. Chem. 67, 116, 1910.

4) Zeitschr. f. Elektrochemie 1907, 512.

5) Landwirtsch. Jahrbücher 1906, 541.

€) Diese Zeitschr. 12, 78, 466, 1908; 17, 132, 343; 20, 516; 22, 103; 23, 10, 1909; 26, 231, 1910.

Zur Geschichte der ohemischen Gärungshypothesen. 315

selbst in der zuletzt zitierten Arbeit meiner Ansicht, daß eine isolierbare Triose Zwischenprodukt der Gärung ist, gemacht habe, glaube ich auf- recht halten zu müssen. Buchners und Meisenheimers Versuche zeigen nur, daß Dioxyaceton auch ein Ausgangsprodukt der Alkohol- Kohlensäurebildung sein kann; Boyen-Jensens Befund, wenn er sich bestätigt, würde zunächst nur sagen, daß isolierbares Dioxyaceton ein Nebenprodukt der Gärung ist. Denn es liegt im Wesen der wahren Zwischenprodukte, daß sie ebenso schnell oder schneller vergären, als der Traubenzucker; im anderen Falle müßten sie sich während der Gärung anreichern. Sie können daher immer nur in minimalen Kon- zentrationen vorhanden sein. Auch bin ich weiter der Ansicht, daß synthetische Vorgänge die Endprodukte liefern und daß die einfachsten Komplexe in synthetischen Vorgängen zu Alkohol und Kohlensäure führen. Die Umsetzung von Glykolaldehyd und Formaldehyd zu den Endprodukten ist als Teilreaktion eines synthetischen Vorgangs möglich, und ihre Annahme bleibt eine chemisch einfache Hypothese, die auch bei der Ablehnung synthetischer Vorgänge den Übergang von Dioxy- aoeton in Alkohol und Kohlensäure verständlich macht.

Beiträge zur Frage der Glykolyse. Von Walther Löb.

I. Mitteilung.

Über die oxydative Zuckerzerstörung unter der Einwirkung von Organpräparaten. Von Walther Löb und Georg Pulvermacher.

(Aus der ohemischen Abteilung des Virchow-Krankenhauses zu Berlin.)

(Eingegangen am 8. Oktober 1910.)

l.

Die Frage der Glykolyse ist, ohne auch nur annähernd gelöst zu sein, schon so häufig Gegenstand der experimentellen Untersuchung und literarischen Darstellung geworden, daß wir auf eine Schilderung ihrer geschichtlichen Entwicklung und ihres heutigen Standes hier verzichten können.!) Aus den viel- fältigen Beobachtungen, die sich zum großen Teile widersprechen, läßt sich eine Anzahl von sicher festgestellten Tatsachen sondern, die wir zunächst zusammenstellen.

Sie alle betreffen den Nachweis einer Glykolyse, und zwar nichts mehr, als diesen Nachweis. Sowohl über die Ursache der Glykolyse, ob sie eine Folge von Ionenkonzentrationen oder eine durch Enzyme ver- anlaßte Reaktion ist, wie auch über das Schicksal des Zuckers durch die Glykolyse wissen wir nichts Bestimmtes. Lediglich ein Verschwinden von Zucker ist unter Anwendung bestimmter analytischer Methoden konstatiert worden. Gerade dieser Zusammenhang der entscheidenden Daten mit der angewandten Methodik erfordert eine präzise Definition

1) Es sei auf die zusammenfassende Darstellung der Literatur von F. Blumenthal: Glykolyse und Diabetes. Ergebnisse der wissenschaftl. Medizin 1, 83, 1909, verwiesen.

W. Löb: Zur Frage der Glykolyse. I. 317

des Begriffs der Glykolyse, die durchaus nicht einfach als identisch mit dem Verschwinden von Zucker angesehen werden kann; Es ist zweck- mäßig die biologische Funktion der Glykolyse zum Ausgangspunkt der Begriffsbestimmung zu wählen.

Es wird dann nötig sein, alle Vorgänge synthetischer Art, wie Polymerisation und Kondensation, wie den Eintritt von Kohlenhydrat- gruppen in andere molekulare Komplexe auszuschließen. So wird weder eine Glykogenbildung, noch eine Di- oder überhaupt Polysaccharid-Bildung als glykolytischer Vorgang aufgefaßt werden dürfen, auch wenn Polari- sation und Reduktionsvermögen ein Verschwinden des Zuckers anzeigen. Ebensowenig gehört die Umlagerung der verschiedenen Zucker ineinander, wie sie bei Hexosen zweifellos im lebenden Organismus stattfindet, zu den glykolytischen Prozessen. Man gelangt aber zu einer vollständig eusreichenden Definition, wenn man unter Glykolyse alle exothermen, mit oder ohne Sauerstoff eintretenden Spaltungen des Zuckermoleküls versteht, d. h. alle Vorgänge, bei deren Ablauf dem lebenden Organis- mus Energie zur Verfügung gestellt wird. Hierzu gehören die vollständige oder teilweise Oxydation des Zuokers, die Spaltungsvorgänge mit und ohne Umlagerung, die Milchsäuregärung und die alkoholische Gärung.

Bei einer Gültigkeit des Begriffs der Glykolyse innerhalb dieser Grenzen darf man auf Grund des vorhandenen Beobachtungsmaterials im Blut eine Glykolyse annehmen.

Auf die bekannten Arbeiten über die Glykolyse durch Muskel- und Pankreaspräparate wollen wir hier noch nicht eingehen; nur die Glyko- lyse im Blut sei mit wenigen Worten besprochen, da sich hier Gesichts- punkte ergeben, die für unsere Versuchsanordnung wesentlich sind.

Bekanntlich ist gegen die Annahme eines glykolytischen Enzyms im Blut von verschiedenen Seiten der Einwand er- hoben worden, daß bereits die Alkalescenz des Blutes aus- reiche, eine Abnahme des Zuckergehaltes hervorzurufen; mit anderen Worten, daß die Glykolyse im Blute eine Folge der OH-Ionen sei. Nun haben Michaelis und Bonsai) die Emp- findlichkeit des Traubenzuckers bei dem niederen Alkalitäts- grade des Blutes geprüft und dabei in 24 Stunden keinerlei Abnahme der Drehung der Polarisationsebene feststellen können. Zweifellos ist ihr Einwand gegen frühere Versuche berechtigt, daß man die Alkalescenz im Blute der einer nach den Titrations- ergebnissen gleich verdünnten Sodalösung nicht gleichsetzen darf, da nur die Konzentration der Hydroxylionen für die alkalische Wirkung in Betracht kommt. Ebensowenig aber darf unseres Erachtens aus den Beobachtungen an einer reinen Lösung, deren Wasserstoffionenkonzentration gleich der des Blutes

1) Diese Zeitschr. 23, 364, 1910.

318 W. Löb:

ist, ein Schluß auf die Rolle der Hydroxylionen im Blute bei der Glykolyse gezogen werden. Wir kennen den Einfluß der im Blute gelösten Kolloidstoffe und Salze auf die Glyko- lyse im Zusammenhang mit der Alkalescenz überhaupt noch nicht. Es ist sehr gut möglich, daß die Angreifbarkeit des Zuckers durch Hydroxylionen, die in so verdünnten Lösungen, wenn auch äußerst schwach, so doch sicher vorhanden ist, durch die im Blute gelösten Stoffe eine katalytische Be- schleunigung erfährt, eine Beschleunigung, die bei Fehlen solcher katalytisch wirksamen Stoffe nur durch eine höhere Alkalescenz erreicht wird; denn die Vermehrung der Hydroxyl- ionen bei der höheren Alkalescenz erhöht lediglich die Re- aktionsgeschwindigkeit. Es scheint deshalb der Schlußsatz, „daß die Alkalität des Blutes in den für Glykolyseversuche in Betracht kommenden Zeiten keinerlei analytisch nachweis- bare Verluste an Traubenzucker hervorruft‘, dahin ergänzt werden zu müssen, daß man hinzufügt: ‚sofern nicht die Hydroxylionen-Wirkung im Blute katalytische Beschleunigung durch andere Substanzen erfährt“.

Die Zuckerspaltung, die nach den Versuchen des einen von uns!) bereits durch äußerst geringe Hydroxylionenkon- zentrationen veranlaßt wird, weist auf die Berücksichtigung der eben erwähnten Verhältnisse nachdrücklich hin.

Ein zweiter Punkt, der zweifellos bei der Blutglykolyse von maßgebender Bedeutung ist, gab uns Veranlassung zu der steten Verwendung einer bestimmten Versuchsbedingung für die Glykolyse; das ist die Tatsache, daß die Blutglykolyse im wesentlichen zweifellos ein Oxydationsprozeß ist, also nur in Gegenwart von Sauerstoff stattfinden kann.

Es ist sehr gut möglich, daß eine normale Glykolyse überhaupt nur dann eintritt, wenn Sauerstoff zur Oxydation des Zuckers vorhanden ist. Solche Versuche, die ohne ein Oxydationsmittel durchgeführt werden, können nur für ganz bestimmte Formen der intramolekularen Glykolyse, wie sie die alkoholische Gärung oder die Milchsäuregärung darstellen, Be- deutung haben. Der allgemeinste Fall aber, in dem eine Ver- brennung des Zuckers stattfindet, erfordert auch bei seiner

1) Diese Zeitschr. 12, 78, 466, 1908; 23, 10, 1909, u. a. a. O.

Zur Frage der Glykolyse. I. 319

künstlichen Nachahmung die Gegenwart eines Oxydations- mittels, wie es dem Blute stets zur Verfügung steht. So hätten selbst für den von Michaelis und Rona untersuchten Fall nur dann die Versuche mit Lösungen von Blutalkalescenz eine beweisende Kraft für die Wirkungslosigkeit der von ihnen ge- prüften Hydroxylionenkonzentrationen auf die Glykolyse, wenn sie unter Durchleiten von Sauerstoff oder unter Zusatz von Wasserstoffperoxyd oder eines anderen geeigneten Oxydations- mittels durchgeführt worden wären. Vollständig neutrale Zuckerlösungen zeigen unter dem Einfluß solcher Oxydations- mittel innerhalb der von Michaelis und Rona gewählten Zeiten keine nachweisbare Glykolyse.

2.

Nachdem durch die bereits mitgeteilten Versuche über die Zuckerspaltungen bewiesen war, daß der Zucker unter dem Einfluß von Hydroxylionen mit und ohne Oxydationsmittel wohl als ersten Prozeß die Spaltung in Formaldehyd und Pentose erleidet, lag es nahe, dieser Spaltung auch für die Glykolyse einen maßgebenden Einfluß zuzuschreiben. Die Tat- sache, daß bei Diabetikern das Oxydationsvermögen im all- gemeinen nicht herabgesetzt ist, macht es wahrscheinlich, daß eine Störung in den Spaltungsvorgängen vorliegt, welche die Einleitung zu den Oxydationsprozessen bildet. Daß die Spaltungen nicht auf Formaldehyd und Pentose be- schränkt bleiben, sondern voraussichtlich immer weiter fort- schreiten, ist bei der im Organismus dauernden Verschiebung der sich einstellenden Gleichgewichte verständlich. Nach dieser Ansicht würden alle glykolytischen Vorgänge, sei es, daß sie aerob oder anaerob verlaufen, in erster Linie auf dem gleichen chemischen Prozeß beruhen, und zwar auf der Aufspaltung des Zuckermoleküls unter Lösung der Aldolbindungen. Es bleibt zunächst unentschieden, ob diese Spaltungen sich auf das ganze Molekül, also bis zum Formaldehyd, erstrecken, ob sie bezüglich des Zuckermoleküls symmetrisch oder asymmetrisch verlaufen; das alles kann eine Funktion der Versuchsbedingungen sein. Die Spaltteile selbst aber bilden das Ausgangsmaterial für die verschiedenen glykolytischen Prozesse, sei es, daß sie zu Kohlensäure und Wasser oxydiert, zu Milchsäure umgelagert,

320 W. Löb:

oder zu Kohlensäure und Alkohol umgeformt werden. Dem- nach betrachte ich, wie ich schon häufiger erwähnt habe, den primären Prozeß des Zuckerzerfalls und die vollständige Oxy- dation des Zuckers nicht nur biologisch, sondern auch rein chemisch als wahre Umkehrung des Assimilationsprozesses. Da nach der wahrscheinlichsten Annahme, die in der Umwandlung von feuchter Kohlensäure in Formaldehyd durch dunkle Ent- ladung eine experimentelle Stütze gefunden hat,!) der Form- aldehyd ein Zwischenprodukt der Assimilation ist, und nach der eben erläuterten Auffassung ebenso ein Zwischenprodukt der Kohlenhydratverbrennung sein muß, so ist der experimentelle Nachweis des wirklichen Vorkommens des Formaldehyds in den natürlichen Prozessen von Bedeutung. Daß die Konzen- tration des Formaldehyds in allen Fällen immer nur eine un- gemein geringe sein kann, geht aus den Gleichgewichtsversuchen hervor, die sowohl in dem System:

Zucker = Formaldehyd + Pentose, wie in dem Assimilationssystem: Formaldehyd Zucker

ein ungemein starkes Überwiegen des Zuckers zeigen, so daß der Formaldehyd nur mit den empfindlichsten Reagenzien nachweisbar ist.

Nun hat vor einiger Zeit Bokorny?) gezeigt, daß äußerst ver- dünnter Formaldehyd von Pflanzen unter Zuckerbildung assimiliert wird; vor längerer Zeit fand Lebedew?), daß auch bei der alkoholischen Gärung Formaldehyd in Spuren auftritt. Nach dieser Beobachtung er- scheint es nicht ausgeschlossen, wenn auch keineswegs erwiesen, daß der Formaldehyd selbst bei der intramolekularen Atmung eine experi- mentell nachweisbare Rolle spielt. Vor kurzem hat Gentil*) dann weiter gezeigt, daß sich in den Blättern und Wurzeln der Runkelrübe Formaldehyd deutlich nachweisen läßt. Der Autor hat diese Behauptung zugunsten des Assimilationsvorganges ausgelegt. Freilich unterliegt diese Versuchsanordnung dem Bedenken, daß der wässerige Extrakt der Blätter und Wurzel unter Zusatz von etwas Soda destilliert wurde. Es ist nicht ausgeschlossen, daß hierdurch eine geringe Spur Formaldehyd erst er- zeugt wird; aber selbst wenn man von diesem Bedenken absieht, kann das Auftreten des Formaldehyds ebensogut in der Weise gedeutet werden,

1) Zeitschr. f. Elektrochem. 12, 282, 1906.

2) Pflügers Archiv f. Physiol. 125, 467; 128, 565, 1909.

3) Diese Zeitschr. 10, 454, 1908.

*) Bull. d. l’Assoo. des Chim. de Sucre et Dist. 27, 169, 1909.

Zur Frage der Glykolyse. I. 321

daß man es als einen Hinweis auf seine Bildung beim Zuckerzerfall betrachtet; es ist keine Frage, daß in diesen Säften der Zucker einem dauernden Abbauprozeß unterliegt.

3.

Die Untersuchungen über die Spaltung der Zucker unter der Einwirkung solcher Agenzien, die, wie Bleihydroxyd, Zink- carbonat, sehr verdünnte Natronlauge, Eisenpulver als gemein- samen Bestandteil verhältnismäßig niedrige Hydroxylionen- konzentrationen zur Verfügung stellen, dienten als Vorversuche für die weitere Aufgabe, die Glykolyse durch Organpräparate zu studieren. Auch in diesem Gebiete dürfen wir die zahlreichen Versuche früherer Forscher als bekannt voraussetzen. Wegen der Schwierigkeiten bei den vielen unbekannten Faktoren, welche die Anwendung von Organpräparaten naturgemäß für die chemische Seite des Problems mit sich bringt, präzisierte Versuchs- bedingungen und reproduzierbare Resultate zu schaffen, wählten wir zunächst einen Weg, der einfachere Verhältnisse anzuwenden gestattete.

Wir beschränkten uns auf ein in großer Gleichmäßigkeit herstelibares Präparat und auf die oxydative Glykolyse.

Es kam zunächst mehr darauf an, die Tatsache der Glykolyse und ihren Verlauf unter Mitwirkung eines Organ- präparates sicher zu stellen, als sogleich ein biologisches Problem zu erledigen. Für die Wahl des Präparates war uns eine Anzahl von Tatsachen maßgebend, die trotzdem den Zu- sammenhang mit der biologischen Bedeutung der Glykolyse zu wahren gestattet.

Diese Tatsachen sind einerseits die Rolle des Eisens in lockerer und fester Bindung für die Sauerstoffübertragung, mithin die katalytische Funktion des Eisens, die sowohl in anorganischen Salzen als in organischer Bindung an vielen Beispielen, u. a. auch bei der Oxydation der Glucose, erwiesen ist; andererseits die Rolle des Pankreas für die Glykolyse. Nach Cohnheims, von anderer Seite!) freilich bestrittenen, Ver- suchen?) liefert das Pankreas einen Aktivator des von den

1) Z. B. Claus und Embden, Beiträge z. chem: Physiol. u. Pathol. 6, 214, 1905.

2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 39, 336, 1903; 42, 401; 43, 547, 1904; 47, 253, 1006.

322 W. Löb:

Muskeln erzeugten glykolytischen Enzyms. Auch lenkten die Ergebnisse von Minkowski und v. Mering?!) über den Ein- tritt des Diabetes bei Pankreasexstirpation in erster Linie auf dieses Organ hun, 2

Die Sauerstoff übertragende Kraft der Eisensalze zeigt sich u. a. darin, daß sie unter geeigneten Bedingungen mit Wasserstoffperoxyd und Benzidin oder Guajac-Harz die Per- oxydasenreaktion zeigen. Die Gesamttrockensubstanz des Pankreas zeigt diese Reaktion bei genügender Reinigung des Präparates nicht. Bei der beabsichtigten oxydativen Zerstörung des Zuckers erschien uns von vornherein nur ein Präparat mit starker Per- oxydasenreaktion aussichtsreich.

Um nicht sogleich ein zweites Organ oder Blut hierfür in Anspruch zu nehmen, beschlossen wir, das an und für sich un- wirksame Pankreaspräparat künstlich durch Eisen zu aktivieren.

Daß das Eisen als dasjenige Element betrachtet wurde, das allein für unsere Zwecke in Frage kam, findet seinen Grund in der Rolle, die es zweifellos als Sauerstoffüberträger im tierischen Blute ausübt. Wie man sich auch den Vorgang der Glykolyse vorstellt, sicher ist, daß ohne

eine Oxydation, die nur der am Hämoglobin haftende Sauerstoff be- sorgen kann, die Verbrennung der Kohlenhydrate ausgeschlossen bleibt.

Wir wählten also folgende Arbeitshypothese:

Unter der Einwirkung eines Enzyms, das als Aktivator bezeichnet werden mag, wird der Zucker durch Spaltungs- oder Dissoziationsresktionen in einen labilen Zustand oder besser in labile Spaltprodukte übergeführt. Als zweiter Vorgang greift dann die Oxydation dieser labilen Produkte ein. Wenn dieser zweite Vorgang katalytisch oder enzymatisch beschleunigt wird, so muß die Natur dieses Katalysators oder dieses Enzyms die einer Peroxydase sein, die imstande ist, den dem Organismus zugeführten Sauerstoff, der nach begründeten Vorstellungen in peroxydartiger Bindung am Hämoglobin haftet, mit einem zur Oxydation ausreichenden chemischen Potential abzuspalten. Nach Cohnheims Untersuchungen ist der bei der Glykolyse wirksame Pankreasbestandteil in Alkohol löslich. Unter der

1) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 26, 371, 1890.

2) Während unserer Arbeit erschienen die Untersuchungen von Vahlen (Zeitschr. f. physiol. Chem. 59, 194, 1909) und Stoklasa (ibid. 62, 36, 1909), die sich mit dem Einfluß von Pankreasbestandteilen auf den Zuckerabbau beschäftigen.

Zur Frage der Glykolyse. I. 323

Annahme der Richtigkeit dieser Beobachtung konnte Herr Dr. W. Weber, der Leiter der Pankreatin-Abteilung der che- mischen Fabrik Rhenania in Hamburg, auf einfachem Wege eine Verbindung des alkohollöslichen Pankreasanteils mit Eisen herstellen, indem er unter bestimmten Bedingungen den alko- holischen Auszug von frischem Pankreas (von Schweinen) mit Verbindungen des Eisens in alkoholischer Lösung in Umsetzung brachte. Wir verdanken Herrn Dr. Weber diesen Weg der Darstellung und das gesamte unter seiner Leitung hergestellte Material zur Untersuchung, das sich auf mehrere Kilogramm beläuft. Die von Herrn Dr. Weber gelieferte Substanz wurde von uns noch einer weiteren Reinigung durch sukzessive Ex- traktion mit Wasser, Alkohol und Ather unterzogen. Es resul- tierte so ein fast weißes amorphes Pulver. Das Eisen befindet sich, nach Entfernung der löslichen Bestandteile, in fester Bindung und kann erst nach der Zersetzung durch Salzsäure mittels der gewöhnlichen Reaktionen nachgewiesen werden. Auf die Zu- sammensetzung gehen wir später ein. In diesem Eisenpräparat hatten wir eine Substanz, die nach der Art ihrer Herstellung die Rolle eines Aktivators für Zucker durch den Eisengehalt mit der einer Peroxydase vereinigen konnte. In der Tat zeigte es sich, daß sowohl in Gegenwart von Wasserstoffperoxyd, wie beim Durchleiten von Sauerstoff oder Luft, eine weitgehende Oxy- dation des Zuckers herbeigeführt werden konnte. Es ist wahr- scheinlich, daß bei Anwendungder geeigneten tierischen Peroxydase, deren Auffindung noch aussteht, als Zusatz zu dem aus Pankreas gewonnenen Aktivator ein ähnlicher Effekt erzielbar ist. Noch nicht abgeschlossene Untersuchungen des einen von uns haben dargetan, daß die Natur der Peroxydase im Blut zu wenig aufgeklärt ist, um die Einführung einer noch unbekannten Größe als Versuchsbedingung für die vorliegende Untersuchung als zweckmäßig erscheinen zu lassen. So viel sei nur gesagt, daß, entgegen der meist vertretenen Anschauung, die Peroxydase nicht identisch mit dem Blutfarbstoff ist, sondern von ihm nach Spaltung des Farbstoffs getrennt werden kann.

Wir wenden uns nunmehr dem experimentellen Material zu und werden einige theoretische Erörterungen namentlich mit Rücksicht auf neuerdings erschienene pflanzenphysiologische Arbeiten am Schlusse anfügen.

324 W. Löb:

Experimenteller Teil l. Versuchsanordnung.

Sämtliche Versuche wurden mit reinster Glucose (von Kahlbaum) unter Zusatz von so viel Toluol, daß die Mischung 1°/, ihres Volumens von ihm enthielt, bei 37° durchgeführt. Gleichzeitig wurde auf Sterilität sorgfältig geachtet. Die voll- kommen trockene Form, in der das Pankreaspräparat dargestellt wurde, und die Beobachtung, daß es sich ohne Zersetzung in diesem Zustande über 1 Jahr aufbewahren ließ, verbürgte für dasselbe genügende Sterilität, die bei der Empfindlichkeit der Substanz nicht durch höhere Temperatur herbeigeführt werden darf. Bakterienwirkungen haben wir fast niemals beobachtet. Langdauernde Versuche, bei denen Pilzbildung oder Bakterien- entwicklung bemerkt wurde, wurden verworfen. Die Versuche mit Wasserstoffperoxyd führten wir sowohl im kleinen wie im großen Maßstab durch. Im kleinen Maßstab, um den Grad der Glykolyse festzustellen, lediglich durch quantitative Be- stimmung des zerstörten Zuckers, in größerem Maßstab, um die Reaktionsprodukte des Zuckers genauer kennen zu lernen. In gleicher Weise verfuhren wir bei den Versuchen mit Sauer- stoff- und Luftdurchleitung. Bei letzteren Versuchen wurde der sorgfältig gereinigte Luft- bzw. Sauerstofistrom vor Eintritt in die Reaktionsgemische mit 37° warmem destilliertem Wasser gesättigt, um eine Verdunstung aus dem Reaktionsgemische zu ver- hindern. Bei den Durchleitungsversuchen nahmen Glasflaschen mit einem eingeschliffenen Glasstöpsel, welche die Zu- und Ableitungs- röhren trugen, die Reaktionsflüssigkeiten auf, um irgendwelche Verunreinigung durch Kork oder Gummi zu vermeiden.

2. Analysenmethoden.

Bei der Bearbeitung derjenigen Versuche, die einen Ein- blick in den gesamten Reaktionsmechanismus gestatten sollten, wurde eine spezielle Behandlung der Reaktionslösung aus- gearbeitet, die an entsprechender Stelle angegeben wird. Bei den im kleinen Maßstabe durchgeführten Versuchen begnügten wir uns mit der Zuckerbestimmung durch Polarisation und

Zur Frage der Glykolyse. I. 325

Feststellung des Reduktionsvermögens gegenüber Fehlingscher Lösung unter stets gleich bleibenden Bedingungen. Die Unter- suchung des Reaktionsverlaufes, das Verhalten der durch die Oxydation des Zuckers entstehenden Substanzen, sowie die quantitative Ermittlung der Gärfähigkeit der den Versuchen ausgesetzten Lösungen zeigten, daß durch Polarisation und Re- duktion nahe der wahre Zuckergehalt ermittelt wird, so daß diese Methoden zur quantitativen Verfolgung der Glykolyse vollständig ausreichen. Die Flüssigkeit wurde zunächst auf- gekocht, sodann nach Michaelis und Rona durch kolloidales Eisenhydroxyd von Spuren gelösten Eiweißes befreit und die wasserklaren Filtrate zur Polarisation und zur Reduktion be- nutzt. Zur Ausführung der letzteren fällten wir 50 ccm der ursprünglichen Filtrate mit 20 ccm kolloidaler Eisenhydroxyd- lösung und 10 Tropfen Magnesiumsulfat, füllten auf 100 ccm auf, filtriertten und kochten 25 ccm der Filtrate mit 50 ccm Fehlingscher Lösung genau 6 Minuten lang. Dann wurden sofort 100 ccm kaltes Wasser auf einmal hinzugesetzt, das aus- geschiedene Kupferoxydul auf einem Goochtiegel mit Hilfe der Luftpumpe filtriert, mit Wasser, Alkohol und Äther gewaschen und im Toluolbad bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. Diese Methode liefert genau übereinstimmende und sichere Daten bei strikter Einhaltung der Vorschrift. In einigen Versuchen wurde auch die schöne Methode von Bang mit guten Resultaten ver- wendet. Die Polarisation diente durch ihren mit den Reduk- tionsresultaten parallelen Gang als Kontrolle. Alle Versuche stellten wir mit Vergleichsversuchen an, von denen einer die Einwirkung des Wasserstoffperoxyds oder des Sauerstofis auf Zucker ohne das Präparat, der zweite die Einwirkung dieser Oxydationsmittel auf das Präparat ohne Zucker betraf. Auf diese Weise schützten wir uns gegen eine falsche Auslegung vielleicht zufällig verschuldeter Resultate.

3. Ergebnisse. A. Bemerkungen über das Eisenpankreaspulver.

Das Ausgangsmaterial der Darstellung der in den folgenden Versuchen verwandten Organpräparate bildete, wie bereits er-

326 W. Löb:

wähnt, das bei niedriger Temperatur gewonnene alkoholische Extrakt des Pankreas. Der mit Alkohol extrahierte Rückstand Pankreaspulver wurde uns gleichfalls von der che- mischen Fabrik Rhenania durch Herrn Dr. Weber geliefert. Dieses Pankreaspulver besitzt, wie wir uns durch besondere Versuche überzeugten, ohne Wasserstoffperoxyd keine glyko- lytischen Eigenschaften. In Gegenwart von Wasserstoffperoxyd erzielten wir in einigen Fällen eine schwache Zuckerzerstörung, in andern nicht. Es zeigte sich, daß das Pankreaspulver in den positiv verlaufenen Versuchen eine eisenhaltige Asche hinterließ. Die Resultate eines solchen positiven Versuches sind die folgenden. Um durch Oxydationsprodukte des Zuckers eine Ansäuerung, gegen die das Pankreaspulver empfindlich ist, zu vermeiden, wurden die Lösungen vor Beginn der Versuche mit je 1g gefällten Calciumcarbonats versetzt.

Ver- Dauer der Einwirkung hasngeten;

bei 37°

1 g Pankreaspulver 50 ccm H,O, 30/ 0 60 com Zuckerlösung 2°/, 1 g Calciumcarbonat

1 ccm Toluol

Kontrolle: 50 ccm H,O, 3°/, 2 | 50 com Zuckerlösung 2°/, | 45 Stunden 0,280 0,0816 g Leem Calciumcarbonat l com Toluol

Für diese geringe Glykolyse ist wohl der Eisengehalt des Präparates verantwortlich zu machen. Wir verfolgten diese an verschiedenen Präparaten beobachteten Glykolysen, abgesehen von dem Umstande, daß nicht jedes Pankreaspräparat sie zeigte, um so weniger, als Digestion mit Magensalzsäure bei 37° bereits genügte, den Veranlasser der Glykolyse, wie erwähnt wahrscheinlich geringe Mengen von Eisenverbindungen, zu ent- fernen und ein glykolytisch vollständig unwirksames Pulver zurückzulassen.

Um über die Natur der Eisenfällung in etwa Klarheit zu gewinnen, erschien es zweckmäßig, das alkoholische Pankreas-

Zur Frage der Glykolyse. I. 327

extrakt auf seine Bestandteile zu prüfen. Es erwies sich als eine saure Lösung von durch Verdauung der Drüsensubstanz entstandenen Eiweißabbauprodukten, und zwar vorwiegend von Peptonen neben einer geringen Menge von Aminosäuren. Die genaue chemische Untersuchung der Produkte ist einer beson- deren, bereits in Angriff genommenen Untersuchung vorbehalten. Bekanntlich sind die Peptone Säuren, so daß es nicht aus- geschlossen erschien, daß salzartige Eisenverbindungen bei Zu- satz löslicher Eisensalze entstehen. Jedoch sind auch andere Möglichkeiten vorhanden. Es zeigte sich nämlich, daß Eisen- chlorid unter Abspaltung von Salzsäure zur Bildung eines Nieder- schlages führt, der selbst noch chlorhaltig, auch nach erschöpfendem Auswaschen, bleibt. Das Filtrat der Fällung enthält freie Salz- säure. Demnach kann unter HCl-Abspaltung der Rest —-FeCl, oder =FeCl mit dem komplexen Molekül zu einer Verbindung zusammentreten, der ein salzartiger Charakter nicht zukommt. Die Fällung wird durch nicht zu verdünnte Säuren gespalten, ohne auch an diese den gesamten Eisengehalt abzugeben. Jeden- falls erscheint das Eisen, wenigstens zum Teil, nicht lockerer ge- bunden als im Hämoglobin, das im Gegensatz zu der Eisen- pankreasfällung eine Zuckeroxydation in Gegenwart von Wasser- stoffperoxyd nicht herbeizuführen vermag. Um sicher zu sein, daß durch unser Extraktionsverfahren das Pulver in seinen wesentlichen Eigenschaften nicht modifiziert wurde, haben wir die ganze Untersuchung sowohl mit dem ursprünglichen wie mit dem durch Wasser, Alkohol und Äther extrahierten Pulver durchgeführt und außerdem die Einwirkung verschiedener Zu- sätze untersucht, worüber bei Angabe der einzelnen Versuche berichtet wird. Auch wurde die Wirkung des Erhitzens des Pulvers ermittelt.

Schließlich ist noch zu erwähnen, daß die Eisenverbindungen aus dem Pankreasextrakt sich sowohl mit dem zweiwertigen wie mit dem dreiwertigen Eisen herstellen lassen, wobei in Aussehen und Eigenschaften verschiedene Präparate resultieren. Beide wurden untersucht, doch wandte sich unser Hauptinteresse dem aus dem dreiwertigen Eisen gewonnenen Präparate zu, da dasselbe für unsere Aufgaben geeignetere Eigenschaften aufwies und im größeren Maßstabe leichter in eine brauchbare Form

zu bringen war. Biochemische Zeitschrift Rand 29. OO

328 W. Löb:

B. Untersuchung der Fe -Fällung.

Die durch die Fällung des alkoholischen Pankreasextraktes mit einem Salz des dreiwertigen Eisens gewonnene Substanz stellt im trockenen Zustande ein hellgelbes, lockeres Pulver dar, das nach der später zu beschreibenden Extraktion frei von in Alkohol und Wasser löslichen Eisenverbindungen ist. Bei der Fällung wurde stets sorgfältig darauf geachtet, daß die alkohol- lösliche Pankreaskomponente im Überschuß blieb, um mit Sicher- heit nur organisch gebundenes Eisen im Niederschlage zu haben. Durch Extraktion des Eisenpräparates mit Wasser, Alkohol usw. ließ sich, worauf später noch zurückzukommen sein wird, die glykolytisch wirksame Substanz dem Pulver nicht entziehen.

Wie vorauszusehen, waren in dem Rückstand der alko- holischen Extraktion, dem Pankreaspulver, fast alle bekannten Enzyme zurückgehalten, während die Eisenfällung Trypsin- oder Erepsinwirkung nicht zeigt. Ebensowenig ließen sich Diastasen, Katalasen und Invertasen nachweisen. Der letztere Befund ist deshalb von Interesse, weil in Gegenwart von Wasserstoffperoxyd oder Sauerstoff durch das Pulver trotzdem die Oxydation des Rohrzuckers eingeleitet wird. Man könnte daran denken, dem Aktivator der Zuckeroxydation, der jedenfalls Spaltungen des Moleküls begünstigen muß, Eigenschaften einer Art Diastase oder Invertase zuzuschreiben. Jedenfalls aber üben die bisher untersuchten Diastasen oder Invertasen keine Wirkungen aus, die über eine Spaltung bis zur Hexose hinausführen.

Eine quantitative Analyse des Präparates, das zweifellos ein sehr kompliziertes Gemisch verschiedener Substanzen ist, erschien vollständig zwecklos.. Eine Durchschnittsprobe einer größeren Substanzmenge enthielt: 7,10°/, Wasser, 8,12°/, Eisen, 2,28°/, P,O,. Außerdem ließen sich in der Asche des Pulvers qualitativ noch geringe Mengen K, Na, Al, Ca, Mg, Si nach- weisen.

Gleich bei den ersten Versuchen zeigte sich, daß der Ge- dankengang, der die Untersuchung leitete, insofern experimen- telle Stützen fand, als das Pulver eine weitgehende oxydative Glykolyse vermittelte. Wenn auch die Wirkung der Eisensalze als Sauerstoffüberträger bekannt war und speziell bei Zucker

Zur Frage der Glykolyse. I. 329

beobachtet ist, so erschien uns das Resultat insofern biologisch bemerkenswert, als hier das Eisen in verhältnismäßig fester organischer Bindung vorhanden ist und insbesondere, als das eisenhaltige Hämoglobin trotz seiner starken Peroxydaseneigen- schaften gegenüber Benzidin- und Guajaklösung keine Glykolyse in Gegenwart von H,O, oder Sauerstoff hervorruft, was noch vor kurzem Battelli und Stern!) angegeben haben und wir auf Grund eigener Versuche bestätigen können. Das Eisenpankreaspräparat wirkt in gleicher Weise glykolytisch in Gegenwart von H,O, wie beim Durchleiten von Luft und Sauerstoff. Wenn also die Versuche früherer Forscher richtig sind, daß das Pankreas einen alkohol- löslichen Aktivator liefert, so stellt die Eisenverbindung das System Aktivator-Peroxydase dar, das den Zucker unter Oxydation zerstört. Welche Oxydationsprodukte dabei entstehen, wird weiter unten ausgeführt. Hier sei nur schon bemerkt, daß die vollständige Überführung des Zuckers in Kohlensäure und Wasser im künstlichen Versuch noch nicht geglückt ist, wenn auch ein Teil des Zuckers bis zu Kohlensäure oxydiert wird.

Bezüglich der experimentellen Sicherheit der im folgenden mitgeteilten Daten bemerken wir, daß nach Abschluß der Unter- suchung die ganze Arbeit mit neu hergestelltem Präparat wieder- holt worden ist und die gleichen Resultate ergab.

Da über die analytischen Methoden das Notwendige bereits gesagt ist, können wir uns auf die Wiedergabe der einzelnen Versuchsdaten beschränken.

C. Glykolyse durch Fe -Fällung in Gegenwart von Wasserstoffperoxyd.

Digeriertt man 1 g des lufttrocknen Pulvers 24 Stunden bei 37° mit 100 ccm Wasser, so zeigt das Filtrat im 1 dm-Rohr, auf das sich alle Angaben beziehen, eine Drehung der Po- larisationsebene von a,—=0 bis —0,05°. Die Spur links- drehender Substanz, die vielleicht aus dem vorher nicht extra- hierten Pulver in Lösung geht, wird durch die Behandlung mit kolloidaler Eisenhydroxydlösung vollständig entfernt.

1) Diese Zeitschr. 13, 44, 1908; vgl. auch Lesser, Zeitschr; f. Biol. 48, 1, 1906. 22*

330 W. Löb:

Zusammensetzung der Lösungen.

20/ ige Wasserstoff- Da Pulver BL g| peroxyd 3%, Wasser | Toluol = g com ccm ccm ccm 1 1 50 50 1 2 1 50 50 | l 3 = 50 | 50 | 3 Ergebnis. Versuch | Dauer | Temperatur | Polarisation xp | 0,0 Zucker Nr. . Std. Grad Grad g g l 0,2270 | 0,093 0,2565 0,132

Die angegebenen Versuchsresultate sind die direkt im Versuch gefundenen Werte unter Einhaltung der bei der Besprechung der Methodik mitgeteilten Versuchsbedingungen. Aus den Cu,O- Wägungen ergibt sich für die im Versuche verwandten Mengen:

Versuch Zucker | EECHER Nr. g | g 1 0,744 DE 0,302 2 1,046 | d

Die durch Reduktion und Polarisation nachweisbare Zucker- menge hat also sehr erheblich unter dem Einfluß des Pulvers abgenommen, um fast 30°/,. Wie die weiter unten mitgeteilte qualitative Untersuchung der behandelten Lösung zeigt, entsteht bei dieser Glykolyse nicht glatt Kohlensäure, sondern außer dieser und Ameisensäure noch Oxysäuren, die selbst sehr geringes Reduktionsvermögen besitzen und eine allerdings äußerst schwache optische Aktivität zeigen. Demnach kann man die für die Zuckerverluste angegebenen Zahlen als Minimalwerte ansehen, indem durch die Reduktion mehr Zucker vorgetäuscht werden kann, als in der Tat vorhanden ist.

Die Zusammensetzung der Versuchslösungen ist in den Fällen ohne besondere Angabe die gleiche wie in den ersten drei Versuchen. Nur schwankt der ursprüngliche Zucker-

Zur Frage der Glykolyse. 1. 331 gehalt innerhalb geringer Grenzen. Die Versuchstemperatur ist

stets 37.

nl an | Bolari- In | A. | Zucker | Zucker- nn sation o = Zucker Inge verist r Grad > 0,144

0,223

0, 266 0,2478 0,320 0,3398 y 0,2822 ; : 0 ans ck 0,3104 | 0,12 [ee z 0,1660 f ; 0,520) = r eu Se 0,3228 lg:

Die Versuche 10 bis 15 sind mit einer anderen Fällungs- probe angestellt, als die ersten Versuche. Wir wollen die Ur- sache der Schwankungen in den Werten noch nicht diskutieren; ein wesentliches Moment für die Wirkung des Pulvers scheint seine Feinheit zu sein, so daß wir für alle weiteren Versuche nur das durch das engste Seidensieb gesiebte Präparat be- nutzten. Bei seiner Unlöslichkeit ist ein solcher Einfluß der Oberflächenbeschaffenheit verständlich. Bei allen Versuchen, in denen Glykolyse eingetreten ist, geht sehr wenig Eisen an organische Substanz gebunden, in Lösung, wahrscheinlich unter der Einwirkung der durch die Glykolyse aus dem Zucker ent- stehenden Säuren.

D. Ersatz des Wasserstoffperoxyds durch gasförmigen Sauerstoff.

In der bereits geschilderten Anordnung wurde unter Ersatz des Wasserstoffperoxyds durch das gleiche Volumen Wasser bei sonst gleicher Zusammensetzung der Versuchs- und Kontroll- lösungen reiner Sauerstoff bei 37° durch die Mischungen geleitet und in gleicher Weise wie vorher auf Glykolyse geprüft. Nur ließen wir, in Erwartung einer geringeren Wirkung, den Sauer- stoff 70 Stunden in langsamen Blasen (etwa 1 Blase pro Se-

332 W. Löb:

kunde) die Lösungen durchstreichen. Es zeigte sich aber, daß bei dieser Dauer die Glykolyse weit stärker war, als bei Ver- wendung von HO. Die Kontrolle unter Zusatz des letzteren fiel natürlich hier fort.

de Zuck Zucker- van Polarisation x, | CO Zucker barani See R Grad g g g g 16 0,24 0,1228 | 0,050 0,400 | 0,640 17 + 0,65 0,3156 0,130 1,040 |

Es waren also bei der langen Dauer und dem Einfluß des Sauerstofs linksdrehende Substanzen entstanden und in einer durch kolloidale Eisenhydroxydlösung nicht fällbaren Form in Lösung gegangen.

Wir wandten später bei den Sauerstoffdurchlüftungsversuchen als Lösungsmittel an Stelle des Wassers auch inaktiviertes Blut- serum mit dem gleichen Erfolge an und begnügen uns deshalb, da wir auf die Serumversuche weiter unten zurückkommen, hier mit den angegebenen Daten.

Von großem Interesse war es, nachdem die oxydativ- glykolytische Eigenschaft des Präparates sichergestellt war, zu untersuchen, ob ihm in der Tat ‚„Enzymnatur‘“ zukommt. Zu diesem Zwecke prüften wir den Einfluß der Temperatur. Dabei machten wir die bisher unaufgeklärte Beobachtung, daß die Resultate, gleichviel ob wir in trockener oder feuchter Atmosphäre erwärmten, verschieden ausfielen. Einige Proben verloren durch längeres Erwärmen auf 100° ihr glykolytisches Vermögen fast vollständig; andere zeigten eine deutliche Ab- schwächung, wieder andere fast keine Veränderung gegenüber dem frischen Präparat. Wir geben die Versuche ohne weiteres Kommentar.

E. Einfluß der Temperatur auf die Fe -Fällung.

Das feinst gesiebte Pulver wurde im Dampftrockenschrank bei 100° 24 Stunden getrocknet. Der Wasserverlust betrug 7,10°/,. Ein Teil des Präparates wurde 24 Stunden bei 37° gehalten und als Kontrolle benutzt. Die Einwirkungsdauer auf den Zucker betrug 24 Stunden.

Zur Frage der Glykolyse. I. 333

Präparat bei 37° getrocknet.

Zuck Zucker- en Polarisation œp | CwO Zucker ot en i Grad g g g g 18 0,1680 0,068 0,544 0,544 19 _ SS 20 0,136 1,088 Präparat bei 100° 24 Stunden getrocknet. 21 0,54 0,2926 0,1207 0,9656 0,1120 22 0,66 23 0,66 0,3252 0,1347 1,0776 Präparat bei 100° 24 Stunden getrocknet. 24 0,63 0,3230 0,134 1,072 0,064 25 0,69 26 0,75 0,3414 0,142 1,136

Bei anderen Versuchen nach gleicher Vorbehandlung des Pulvers war das glykolytische Vermögen weit weniger geschwächt. So war der Zuckerverlust in einem Falle 0,330 g gegen 0,347 g mit frischem Präparat; in zwei anderen Fällen waren die ent- sprechenden Daten 0,137 g und 0,217 g bzw. 0,250 g und 0,252 g. Die Abschwächung war also weit geringer, als in den Ver- suchen 21 und 24.

F. Einfluß von kochendem Alkohol auf die Re -Fällung.

Ohne Wirkung auf das glykolytische Vermögen erwies sich Kochen mit absolutem Alkohol. Eine Probe des fein gesiebten Präparates wurde '/, Stunde mit etwa der lOfachen Menge Alkohol im Sieden gehalten, abfiltriert, mit kaltem Alkohol und Ather gewaschen und an der Luft getrocknet. Die Proben blieben in der stets gewählten Anordnung mit den Vergleichs- proben 24 Stunden im Brutschrank.

Polarisation ap | Cost) Zucker Sa

Grad g g g g 0,04 0,1984 0,081 0,648 0,480

Versuch

0,64 | 0,3392 | 0,141 1,128 =

334 W. Löb:

G. Einfluß von Pepsinsalzsäure und Pankreatin auf die Fe -Fällung.

Da der organische Komplex des Präparates zweifellos vor- wiegend aus Eiweißabbauprodukten besteht, so schien eine Untersuchung der Wirkung von Verdauungsgemischen von Interesse. Zudem lag die Möglichkeit vor, daß unter dem länger währenden Einfluß der Pepsinsalzsäure das Eisen in Lösung gebracht und dadurch die Oxydationsfähigkeit ge- stört würde. Aber weder Pepsinsalzsäure noch ein stark wirk- sames Pankreatinpräparat (Rhenania) vermochten das glyko- lytische Vermögen aufzuheben.

2g Fe Fëllung ließen wir mit 200 ccm Pepsinsalzsäure 24 Stunden im Brutschrank verdauen, filtrierten den Nieder- schlag ab und waschen ihn mit Wasser, Alkohol und Äther.

len ana ler d Zuker. |. Zucker- Polarisation œp CuO Zucker insgesamt verlust a Grad g g g 8

30 0,29 0,2004 0,082 0,656 0,520 3l 0,73 0,3532 0,147 1,176

Zur Pankreatinverdauung wurden 2 g Präparat mit 0,2 g Pankreatin, 200 cem Wasser, 3 Tropfen 10°/ iger Sodalösung und 2 ccm Toluol 48 Stunden bei 37° belassen, sodann mit Essigsäure gerade angesäuert, filtriert und, wie oben, ausge- waschen und untersucht.

Zuok Zuoker-

en Polarisation x, | CO Zucker i aspedan t Grad g g g g 32 0,25 | 0,2164 0,088 0,704 0,472 33 0,75 0,3530 0,147 1,176 E

H. Einfluß von sehr verdünnter Natronlauge auf die Zuckerzerstörung durch die Pe "Fëllung,

Bekanntlich erleidet Traubenzucker beim Stehen mit Natron- lauge Umwandlungen, die, ohne das Reduktionsvermögen gegen Kupferlösungen wesentlich zu beeinträchtigen, die Polarisation auf Null herunterdrücken. Der labile Zustand, in den das Zuckermolekül durch die Natronlauge gerät, schien besonders geeignet, um ein Eingreifen der Oxydationsprozesse zu ermöglichen.

Zur Frage der Glykolyse. I. 335

Diese Erwartung wurde aber in bezug auf das Eisenpräparat getäuscht. Es scheint vielmehr, als ob dasselbe seine Wirkung unter dem Einfluß des Alkalis einbüßt; jedenfalls wird sie durch ihn verdeckt. Die oxydierende Wirkung des Wasserstoffperoxydes gegen Dextrose allein zeigt sich in alkalischer Lösung, wie bekannt ist,!) deutlich. Sie führt aber nicht zum völligen Schwinden der Polarisation. Offenbar betätigen sich hier optisch aktive Oxy- dationsprodukte des Zuckers, die in alkalischer Lösung ohne Wasserstofiperoxyd nicht entstehen können. Das Reduktions- vermögen ist etwas geringer, als bei der Einwirkung von Natronlauge allein.

Die Versuchslösungen hatten folgende Zusammensetzung:

Versuch Nr. | | a | a

Fe -Fällung .. . lg | | | NaO SY ei 50 com 50 ccm 50 ccm WERFEN 50 50 Wasserstofiperoxyd . 50 com 50 ccm Traubenzuckerlösung 50 ccm e | 50 ccm 50 Berg a a E 4 ch Sa dE

Die unmittelbar nach Herstellung der Mischung ausgeführte Polarisation ergab « „= 0,43°, entsprechend einem Zuckergehalt von 0,81°/, = 1,215 g. In Versuch 34 war die Lösung dunkel geworden und ließ sich nicht polarisieren. Versuch 35 wies lebhafte Gasentwicklung auf, blieb aber ebenso wie die andern hell. Die Polarisation wurde mit den Versuchslösungen nach der Filtration ausgeführt.

Ergebnisse.

V ch | Polarisation e gr O Zucker | | Zucker- Nr. x D | 2 | ins verlust Grad g g | g 34 0,1886 0,077 0,291 35 0,29 0,2040 0,083 0,219 36 0 0,1494 0,061 0,483 37 0,28 0,1770 | 0,072 0,351

In den Versuchsdaten ist also der Einfluß des Alkalis vorwiegend; die Oxydationswirkung, an dem Reduktionsvermögen gegenüber Fehlingscher Lösung gemessen, erscheint gegenüber den Versuchen in neutraler Flüssigkeit erheblich verringert.

1) Vgl. Schade, Zeitschr. f. physikal. Chem. 57, 1, 1906.

336 W. Löb:

J. Verhalten der Fe '-Fällung gegen Rohrzucker.

Diese Versuche erwähnen wir nur beiläufig. Der starke Angriff auf Rohrzucker in Gegenwart des Präparates und des Wasserstoffperoxydes erscheint bei dem Fehlen einer Invertase besonders merkwürdig. Da wir eine neutrale 3°/ ige Perhydrol- lösung (Merck) benutzten, blieb die Inversion durch einen ur- sprünglichen Säuregehalt des Wasserstoffperoxyds ausgeschlossen. Wahrscheinlich wird schon durch Wasserstoffperoxyd allein eine sehr geringe Spaltung eingeleitet (s. Versuche). Schließt sich an dieselbe eine durch die Fe’ -Fällung beschleunigte Oxy- dation zu Säuren, so können diese die Inversion bewirken und weitere Mengen oxydierbarer Hexosen liefern. Fehlt diese Be- schleunigung der Oxydation, so kommt der Prozeß nach einer sehr geringen Spaltung zum Stillstand. Der Eintritt der Spaltung läßt sich qualitativ durch die Osazonbildung nachweisen. Zur Darstellung der Osazone wurden je 10 ccm der Filtrate mit je l g salzsaurem Phenylhydrazin und 1,5 g Natriumacetat versetzt, filtriert und 1 Stunde im Wasserbad erhitzt.

Zusammensetzung der Lösungen.

—- =

Versuch Nr. | 42 | 43 44 45

Fe’ -Fällung ... 2 g Rohrzuckerlösung . 100 cem 100 cem 100 cem 100 ccm Weasserstoffperoxyd . 100 100 Wasser ...... 100 ccm 100 cem Ergebnisse. Versuch | Polarisation 3 | Osazon- CuO Bee Nr D| bildun RE l Grad ` 8 SE g | reichlich 0,1738 0,071 nichts 0,0006 mäßig 0,1370 0,056

nichts

Daß in Versuch 44 die durch Reduktion bestimmte Zucker- menge geringer erscheint als in Versuch 42, hat natürlich darin seinen Grund, daß, wie die Polarisation zeigt, sich ein weit größerer Anteil als Rohrzucker an der Reduktion nicht beteiligt. Die be '-Fällung wirkt stark beschleunigend auf die Oxydation und die ihr vorangehende Hydrolyse.

Eine zweite Versuchsreihe lieferte genau die gleichen Ergebnisse.

Zur Frage der Glykolyse. I. 337

K. Das Verhalten der mit Wasser, Alkohol und Äther extrahierten Fe -Fällung.

Bei diesen Versuchen können wir uns kurz fassen. Da das Präparat aus verdünnter alkoholischer Lösung gewonnen und mit Alkohol gewaschen war, kam es uns im wesentlichen darauf an, zu untersuchen, ob durch längere Extraktion mit Wasser die oxydierende Wirkung des Präparates modifiziert wurde. Es erwies sich, daß das nicht der Fall war, sondern daß alle mit dem nicht extrahierten Pulver erhaltenen Resultate in gleicher Weise bei dem extrahierten gewonnen wurden.

100 g der fein gesiebten Fällung wurden zweimal mit je 11 Wasser je 6 Stunden auf der Maschine bei Zimmertempe- ratur geschüttelt. Das Filtrat der ersten Schüttelung war hellgelb, gab schwache Eisen- und starke Biuretreaktion, so daß eine geringe Menge löslicher Eiseneiweißverbindungen viel- leicht Eisensalz von Pepton im ursprünglichen Präparat enthalten war. Das Filtrat der zweiten Schüttelung ist farblos und zeigte kaum merkliche Eisen- und Biuretreaktion. Auf der Nutsche wurde der Niederschlag noch gründlich bis zur vollständigen Reaktions- losigkeit mit Wasser nachgewaschen und bis zur annähernden Lufttrockenheit an der Wasserstrahlluftpumpe gelassen. Sodann wiederholten wir die Schüttelung auf der Maschine mit 500 ccm absolutem Alkohol und nach dem Absaugen und Nachwaschen in gleicher Weise mit 500 ccm Äther. Durch Filtration, Aus- waschen mit Äther und Trocknen an der Luft erhielten wir 66 g des hellgelben Pulvers, das fein zerrieben und gesiebt zu den Versuchen verwandt wurde. Mengenverhältnisse und An- ordnung waren die bei dem nicht extrahierten Präparat ver- wandten.

Wir geben hier nur je einen Kontrollversuch mit an.

Polari- ez ch sation Xp JL Crad |

CuO | Zucker Zucker Zucker- | Versuchs- S insgesamt| verlust | dauer bei 37°

g g g g 46 0,1792 | 0,072 47 0,3142 | 0,130 Kontrolle

48 0,17 | 0,1850 | 0,075 | 0,600 | 0,456

49 0,66 0,3186 | 0,132 1,056 = Kontrolle |

SE

338 W. Löb:

Aus diesen Versuchen geht also einwandfrei hervor, daß durch die Extraktion der Fällung und Entfernung der wasser-, alkohol- und ätherlöslichen Bestandteile, die etwa 25°/, des ursprünglichen Materials ausmachen bei Berücksichtigung seines Wassergehaltes —, die glykolytische Wirkung nicht auf- gehoben wird.

L. Einfluß des Sauerstoffs bei Verwendung des extrahierten Pulvers und inaktivierten Blutserums.

Bei diesen Sauerstoffdurchlüftungsversuchen näherten wir uns insofern mehr den biologischen Verhältnissen, als wir als Lösungsmittel für den Zucker klares, steriles Blutserum vom Hammel benutzten, das, um eine Mitwirkung eines in ihm etwa befindlichen glykolytischen Enzyms auszuschließen, inaktiviert war. Zur Inaktivierung wurde es täglich während 8 Tagen je 2Stunden auf 55°, die übrige Zeit auf Eis gehalten. Wir mußten uns hier bei den quantitativen Bestimmungen auf Polarisation und Vergärung beschränken, da die Reduktionsmethoden im Stiche ließen. Die Versuchsdauer betrug bei 37° 90 Stunden.

Zusammensetzung der Flüssigkeiten.

Versuch Nr. 5l 52 53 UM ....:.%. 100 ccm 100 ccm 100 ccm Zuckerlösung 2°/, 50 50 50 Toluol ...... 1,5 1,5 1,5 Eisenfällung . . . . lg lg

Je 25 ccm der Lösungen wurden mit 70 ccm kolloidaler Eisenhydroxydlösung und 5 ccm Magnesiumsulfat auf 100 ccm gebracht und das wasserklare Filtrat zur Polarisation und zur quantitativen Vergärung im Lohnstein-Saccharimeter benutzt.

Ergebnisse.

Ee See Zucker Polarisation XD |durch Gärung ermittelt Ve Grad vi 0

Die Resultate zeigen die glykolytische Wirkung im Blut- serum bei Sauerstofidurchleitung deutlich.

Zur Frage der Glykolyse. I. 339

M. Verhalten der Fe -Fällung des alkoholischen Pankreasextraktes.

Für unsere Versuche stellte Herr Dr. Weber in Hamburg nach seinem Verfahren auch eine Fällung des alkoholischen Pankreasextraktes mit zweiwertigem Eisen dar. Das Präparat, im Aussehen der Pe '-Fällung ähnlich, kam nur in dem mit Wasser, Alkohol und Äther gründlich extrahierten Zustande zum Versuch. Seine glykolytischen Eigenschaften sind nahezu die gleichen wie die des mit Fe `" gewonnenen Materials. Wir geben nur die Resultate mehrerer Versuche mit den Kontroll- proben.

Polari- Zuck Zuoker- an sation «p CuO | Zuoker ee? at Dauer ge Grad g g g g Std.

0,1916 | 0,086 : 0,688 0,344 24

55 0,2838 | 0,129 1,032 = 24 Kontrolle |

56 0,2368 | 0,107 0,856 0,211 24

67 0,2930 | 0,133 1,067 24 Kontrolle

58 0,2388 | 0,107 0,856 0,200 24

59 0,2914 | 0,132 | 1,056 24 Kontrolle |

4.

Über die Produkte der oxydativen Glykolyse mittels der Fe `’ -Fällung.

A. Einwirkung von Wasserstoffperoxyd.

Um das Schicksal des in den glykolytischen Versuchen verschwundenen Traubenzuckers festzustellen, wurden 20 g krystallisierter reinster Glucose in 100 ccm Wasser gelöst, 200 cem 3°/,iges Perhydrol (Merck) und 3 g mit Wasser, Alko- hol und Äther extrahierte Pe ` Fëllung zugesetzt und das Ge- misch 120 Stunden bei 37° gehalten.

Die gelb gefärbte Flüssigkeit erwies sich nach dem Ab- filtrieren von dem ungelösten Eisenpräparat stark sauer und schwach eisenhaltig.. Die durch die Oxydation gebildeten Säuren hatten also bei der langen Einwirkungsdauer eine teil- weise Spaltung des Präparates herbeigefübrt. 20 ccm des Fil-

340 W. Löb:

trates wurden zur vorläufigen Orientierung mit 20 cem kolloi- dalen Eisenhydroxyds und 10 ccm Magnesiumsulfat versetzt und die Flüssigkeit auf 100 ccm ergänzt. Das nur ganz schwach gefärbte Filtrat ergab durch polarimetrische Bestimmung 0,8°/, Zucker, während die Reduktion nach Bang 0,72°/,, die Gärung 0,77°/, lieferte. Danach waren also rund 0,75 g Zucker in 20 ccm des ursprünglichen Filtrats; in der gesamten Reak- tionsflüssigkeit mithin 11,25 g, so daß ca. 8,75 g Zucker durch oxydative Glykolyse verschwunden waren. Die Bildung von Säuren war so stark, daß die gesamte Lösung nach einer Probetitration 41,25 ccm n-Natronlauge zur Neutralisation er- forderte. |

Aus der nahen Übereinstimmung der durch Polarisation, Reduktion und Gärung ermittelten Zuckerwerte geht hervor, daß die in den glykolytischen Versuchen durchgehends an- gegebenen Daten die quantitativen Verhältnisse sehr nahe wiedergeben.

Die Untersuchung der Reaktionsflüssigkeit gestaltete sich folgendermaßen:

Das ganze ursprüngliche Filtrat wurde mit kolloidaler Eisen- hydroxydlösung enteiweißt und nach abermaliger Filtration durch Wasserdampf ein Teil der Ameisensäure und etwa entstandener Formaldehyd abgetrieben.

Das Destillat 640 ccm zeigt alle Reaktionen der genannten Säure, deren Gehalt durch Titration einer Probe zu 0,28 g gefunden wurde. Zum Nachweis des Formaldehyds mußte ein Umweg eingeschlagen werden. Das ganze Destillat unterwarfen wir nach Neutralisation mit Calciumcarbonat und Filtration nochmals der Wasserdampfdestillation und versetzten das neutrale Destillat, das auf Formaldehyd zu prüfen war, mit Ammoniak. Diese Flüssigkeit brachten wir sodann im Vakuum bei 40° bis 45° Badtemperatur zur Trockne, lösten den geringen Rückstand in Wasser, filtrierten, kochten kurz zur Spaltung des Hexamethylentetramins mit Salzsäure auf und stellten die bekannten Formaldehydreaktionen an. Dieselben fielen, wenn auch schwach, deutlich positiv aus. Ihre Intensität war bei verschiedenen Versuchen wechselnd. Wahr- scheinlich wird bei zu lange durchgeführter Oxydation der gesamte Formaldehyd in Ameisensäure übergeführt, wodurch

Zur Frage der Glykolyse. I. 341

die primäre Spaltung des Zuckers in Formaldehyd und Pentose verdeckt wird. Bei dem hier geschilderten Versuch betrug nach dem Ergebnis der Jodtitration die Gesamtmenge des ge- wonnenen Formaldehyds, der allerdings durch die Wasserdampf- destillationen immer nur zum Teil abgetrieben wird, nur 5 bis 6 mg.

Die ursprüngliche, nur mit Wasserdampf behandelte saure Flüssigkeit enthielt noch Ameisensäure. Diese wurde im Vakuum bei 40° bis 45° vollständig abdestilliert, wobei der nicht flüch- tige Anteil als Sirup noch wasserhaltig zurückbleibt. Der Ameisensäuregehalt des Destillats betrug 0,45 g, so daß im ganzen 0,73 g Ameisensäure, d. h. ca. 3,6°/, des angewandten Zuckers entstanden war.

Der rückständige Sirup, Zucker und nicht flüchtige Säuren enthaltend, wurde in wenig Wasser gelöst, die Lösung mit Calciumcarbonat neutralisiert, filtriert und nach gründlichem Nachwaschen des Filterrückstandes abermals im Vakuum zur Trockne gebracht. Gewicht des Rückstandes 9,1 g. Durch mehrstündiges und wiederholtes Auskochen mit 96°/ gem Al- kohol lassen sich die Zuckerarten von den in Alkohol unlös- lichen Kalksalzen trennen.

Das Gewicht der letzteren, als Rückstand bestimmt, be- trug 5,1 g. Durch Lösen in Wasser, mehrstündiges Kochen am Rückflußkühler mit Flemmigscher Blutkohle erhielten wir eine nahezu farblose Lösung der Kalksalze, die nach starker Einengung durch Eingießen in die 20fache Menge absoluten Alkohol die Kalksalze rein weiß lieferte. Sie wurden mit Alkohol und Ather ausgewaschen und im Vakuum getrocknet. Gewicht: 3 g.

Eine genauere Untersuchung dieser Polyoxysäuren, die uns in unsern früheren Arbeiten häufig begegnet und Gegen- stand mehrerer Untersuchungen waren, führten wir nicht aus. Der Calciumgehalt des trockenen Salzes, 16,75°/,, zeigte, daß wie bei der Einwirkung von Bleihydroxyd auf Zucker?) und der elektrolytischen Oxydation?), vorwiegend Zuckersäure entstanden war, wie auch das in der früher mitgeteilten Weise?) geprüfte Verhalten der Säure weiter erhärtete.

1) Diese Zeitschr. 23, 17, 1909.

2) Diese Zeitsohr. 17, 132, 1909. 3) Diese Zeitschr. 26, 236, 1909.

342 W. Löb:

Angew.:. . . . . 0,2636 g

Gefunden CaO: . . 0,0618 g = 16,75°/, Ca Berechnet für

zuckers. Ca: . . . 16,16°/, Ca.

Jedoch schien es uns wichtig für die Beurteilung unserer analytischen Daten das Verhalten der Lösung dieser Kalksalze gegen Polarisation und Reduktion zu untersuchen. Eine 4°/ ige Lösung der Kalksalze gab «ap = -+ 0,09° in 1 dem Rohr; die Re- duktion nach Bang gab keine Reduktion, die nach Fehling für die Gesamtmenge, d. h. für 4 g Kalksalze 0,057 g Cu,O, d.h. als Zucker gedeutet weniger als 0,023 g. Bei der Berücksichtigung der weitaus größeren Verdünnungen, die bei den glykolytischen Einzelversuchen zur Verwendung kamen und der weit kürzeren Versuchsdauer geht also auch aus diesen Daten hervor, daß man ohne einen irgendwie in Betracht kommenden Fehler die Polarisations- und Reduktionswerte für Zucker allein in Rechnung setzen darf.

Die von den Kalksalzen getrennte alkoholische Zucker- lösung hinterließ nach Entfernung des Alkohols 3,8 g Rock. stand, der in 100 ccm Wasser gelöst und mit Hefe bei 37° völlig vergoren wurde. Das nach der Behandlung mit kolloidaler Eisenhydroxydlösung erhältliche Filtrat brachten wir wiederum im Vakuum zur Trockne, lösten den 1,5 g be- tragenden halbfesten Rückstand in wenig Wasser, entfärbten durch Blutkohle und ergänzten die Flüssigkeitsmenge auf 50 ccm.

Die wasserklare Lösung erwies sich als optisch inaktiv, zeigte hingegen die Pentosenreaktionen gegen Orcin, Phloro- glucin, das Bialsche Reagenz ausgeprägt, ebenso die Tollens- sche Furfurolprobe, deren quantitative Durchführung auf die Gesamtmenge umgerechnet 0,37 g Pentose (als Arabinose be- rechnet) ergab. Mit Phenylhydrazin entstand das aus Wasser in Blättchen krystallisierende Osazon vom Schm. 166° bis 169°, so daß es sicher ist, daß hier eine Pentose vorlag. Demnach dürfte es keinem Zweifel unterliegen, daß auch bei der Oxydation der Glucose durch Wasserstoffperoxyd in Gegenwart der Fe "- Fällung des alkoholischen Pankreasextraktes die typische, nun schon bei einer großen Anzahl von Zuckerzersetzungen und -oxydationen nachgewiesene primäre Spaltung in Formaldehyd und Pentose eintritt.

Zur Frage der Glykolyse. L 343

Daß die Oxydation des Zuckers teilweise bis zur Kohlen- säure geht, ließ sich bei den Sauerstoffdurchlüftungsversuchen nachweisen.

B. Einwirkung von Sauerstoff auf Traubenzucker in Gegenwart der Re '-Fällung.

Der Verlauf der Reaktion entspricht ganz der Einwirkung von Woasserstoffperoxyd, so daß sich die Resultate kurz zu- sammenfassen lassen. Zum Nachweis der Kohlensäurebildung wurde der in üblicher Weise gereinigte und von Kohlensäure befreite Sauerstoff nach der Passage der Reaktionslösung durch eine Waschflasche und ein U-Rohr mit konzentrierter Schwefel- säure, sodann durch zwei Chlorcalciumrohre geleitet, bevor er einen gewogenen Kaliapparat und ein gewogenes, mit Natron- kalk und Chlorcalcium gefülltes U-Rohr durchströmte. Nach je 24 Stunden wurde die entstandene Kohlensäure ermittelt. Die vollkommene Oxydation ist gering, sie beträgt für 24 Stun- den bei Anwendung von 100 ccm 2,5°/,iger Zuckerlösung und l g Re -Fällung nur 20 bis 30 mg. Diese Werte wechseln mit der Durchströmungsgeschwindigkeit des Sauerstofis wenig, wachsen aber bei gesteigerter Zuckerkonzentration. Die Pro- dukte, die in einem 100 Stunden durchgeführten Versuch qualitativ nachgewiesen wurden,. waren Kohlensäure, Ameisen- säure, Polyoxysäuren und Pentose. Formaldehyd fand sich nicht. Wahrscheinlich waren die äußerst geringen Mengen, die entstehen, durch den andauernden Gasstrom fortgeführt oder zu Ameisensäure oxydiert worden.

6.

Allgemeine Betrachtungen über Zuckeroxydation. Wenn auch auf Grund des bisher gewonnenen Materials eine abschließende Theorie über die chemischen Vorgänge bei der Oxydationsglykolyse ausgeschlossen ist, so erscheint es doch zweckmäßig, in Zusammenhang mit neueren Beobachtungen über die Zuckeroxydation bei der Pflanzenatmung auf den entsprechen-

den Vorgang im tierischen Organismus in Kürze einzugehen. Hauptsächlich kommen für das pflanzenphysiologische Problem hier

die Arbeiten von Palladin!) und Kostytschew?) in Betracht. Die theoretischen Anschauungen der beiden Forscher Sind in bezug auf den 1) Diese Zeitschr. 18, 151, 1909.

2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 67, 116, 1910. Biochemische Zeitschrift Band 29. 23

342 W. Löb:

Angew.:. . . . . 0,2636g

Gefunden CaO: . . 0,0618 g = 16,75°/, Ca Berechnet für

zuckers. Ca: . . . 16,16°/, Ca.

Jedoch schien es uns wichtig für die Beurteilung unserer analytischen Daten das Verhalten der Lösung dieser Kalksalze gegen Polarisation und Reduktion zu untersuchen. Eine 4°/ ige Lösung der Kalksalze gab en = + 0,09° in 1 dem Rohr; die Re- duktion nach Bang gab keine Reduktion, die nach Fehling für die Gesamtmenge, d. h. für 4 g Kalksalze 0,057 g Cu,O, d.h. als Zucker gedeutet weniger als 0,023 g. Bei der Berücksichtigung der weitaus größeren Verdünnungen, die bei den glykolytischen Einzelversuchen zur Verwendung kamen und der weit kürzeren Versuchsdauer geht also auch aus diesen Daten hervor, daß man ohne einen irgendwie in Betracht kommenden Fehler die Polarisations- und Reduktionswerte für Zucker allein in Rechnung setzen darf.

Die von den Kalksalzen getrennte alkoholische Zucker- lösung hinterließ nach Entfernung des Alkohols 3,8 g Rück- stand, der in 100 ccm Wasser gelöst und mit Hefe bei 37° völlig vergoren wurde. Das nach der Behandlung mit kolloidaler Eisenhydroxydlösung erhältliche Filtrat brachten wir wiederum im Vakuum zur Trockne, lösten den 1,5 g be- tragenden halbfesten Rückstand in wenig Wasser, entfärbten durch Blutkohle und ergänzten die Flüssigkeitsmenge auf 50 ccm.

Die wasserklare Lösung erwies sich als optisch inaktiv, zeigte hingegen die Pentosenreaktionen gegen Orcin, Phloro- glucin, das Bialsche Reagenz ausgeprägt, ebenso die Tollens- sche Furfurolprobe, deren quantitative Durchführung auf die Gesamtmenge umgerechnet 0,37 g Pentose (als Arabinose be- rechnet) ergab. Mit Phenylhydrazin entstand das aus Wasser in Blättchen krystallisierende Osazon vom Schm. 166° bis 169°, so daß es sicher ist, daß hier eine Pentose vorlag. Demnach dürfte es keinem Zweifel unterliegen, daß auch bei der Oxydation der Glucose durch Wasserstoffperoxyd in Gegenwart der Fe - Fällung des alkoholischen Pankreasextraktes die typische, nun schon bei einer großen Anzahl von Zuckerzersetzungen und -oxydationen nachgewiesene primäre Spaltung in Formaldehyd und Pentose eintritt.

Zur Frage der Glykolyse. I. 343

Daß die Oxydation des Zuckers teilweise bis zur Kohlen- säure geht, ließ sich bei den Sauerstoffdurchlüftungsversuchen nachweisen.

B. Einwirkung von Sauerstoff auf Traubenzucker in Gegenwart der Fe’ ''-Fällung.

Der Verlauf der Reaktion entspricht ganz der Einwirkung von Wasserstoffperoxyd, so daß sich die Resultate kurz zu- sammenfassen lassen. Zum Nachweis der Kohlensäurebildung wurde der in üblicher Weise gereinigte und von Kohlensäure befreite Sauerstoff nach der Passage der Reaktionslösung durch eine Waschflasche und ein U-Rohr mit konzentrierter Schwefel- säure, sodann durch zwei Chlorcalciumrohre geleitet, bevor er einen gewogenen Kaliapparat und ein gewogenes, mit Natron- kalk und Chlorcalcium gefülltes U-Rohr durchströmte. Nach je 24 Stunden wurde die entstandene Kohlensäure ermittelt. Die vollkommene Oxydation ist gering, sie beträgt für 24 Stun- den bei Anwendung von 100 ccm 2,5°/,iger Zuckerlösung und l g Fe’ -Fällung nur 20 bis 30 mg. Diese Werte wechseln mit der Durchströmungsgeschwindigkeit des Sauerstoffs wenig, wachsen aber bei gesteigerter Zuckerkonzentration. Die Pro- dukte, die in einem 100 Stunden durchgeführten Versuch qualitativ nachgewiesen wurden,, waren Kohlensäure, Ameisen- säure, Polyoxysäuren und Pentose. Formaldehyd fand sich nicht. Wahrscheinlich waren die äußerst geringen Mengen, die entstehen, durch den andauernden Gasstrom fortgeführt oder zu Ameisensäure oxydiert worden.

6.

Allgemeine Betrachtungen über Zuckeroxydation. Wenn auch auf Grund des bisher gewonnenen Materials eine abschließende Theorie über die chemischen Vorgänge bei der Oxydationsglykolyse ausgeschlossen ist, so erscheint es doch zweckmäßig, in Zusammenhang mit neueren Beobachtungen über die Zuckeroxydation bei der Pflanzenatmung auf den entsprechen-

den Vorgang im tierischen Organismus in Kürze einzugehen. Hauptsächlich kommen für das pflanzenphysiologische Problem hier

die Arbeiten von Palladin!) und Kostytschew?) in Betracht. Die theoretischen Anschauungen der beiden Forscher and in bezug auf den

1) Diese Zeitschr. 18, 151, 1909. 2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 67, 116, 1910. Biochemische Zeitschrift Band 29. 23

344 W. Löb:

Vorgang der Zuckerverbrennung im wesentliohen identisch. Beide nehmen als primäre Prozesse anaerobe Vorgänge an, die sich unter dem Einfluß bestimmter Enzyme abspielen und zu den Zwischenprodukten der Alko- holgärung führen. Diese Zwischenprodukte werden, wenn die Be- dingungen für die Alkoholgärung vorhanden sind und die Bedingungen zur Oxydation fehlen, in Alkohol und Kohlensäure übergeführt, während sie, falls die Möglichkeit aerober Prozesse gegeben ist, zu Kohlensäure und Wasser oxydiert werden. Danach sind die inter- mediären Gärungsprodukte die bei der Atmung zu oxydierenden Accep- toren; die Alkoholbildung ist in bezug auf den aeroben Vorgang eine Nebenreaktion.e Die Auffassung Palladins ist in den wesentlichen Punkten eine ähnliche.

Diese von pflanzenphysiologischer Seite aufgestellten Anschauungen decken sich mit denjenigen Vorstellungen, die von mir bereits vor mehreren Jahren auf Grund der Versuche über die Zuokerbildung aus Kohlensäure und Wasser unter dem Einfluß der stillen Entladung mit- geteilt wurden und den beiden genannten Forschern jedenfalls unbekannt geblieben sind.!) Die wichtigsten Punkte meiner früheren Aus- führungen sind die folgenden: Der Oxydation des Zuckers geht seine Depolymerisation voraus. Diese Depolymerisation führt unter Sprengung der Aldolbindungen zu Aldehyden oder Ketonen mit geringerer Kohlen- stoffzahl, als die Hexose besitzt. So kann bei symmetrischer Spaltung des Zuckermoleküls Glycerinaldehyd, Dioxyaceton, Glykolaldehyd oder Formaldehyd entstehen. Der Zerfall kann auch und das ist durch meine in den letzten Jahren ausgeführten Versuche hesonders nahe- gelegt ein allmählicher sein, zunächst Formaldehyd neben Pentose liefern und dann die Pentose zum Ausgangsprodukt einer weiter konti- nuierlich verlaufenden Spaltung machen. Diese anaeroben Spalt- produkte, deren Natur von den Bedingungen der Spaltung abhängig und selbst für den Fall der alkoholischen Gärung noch immer nicht mit Sicherheit festgestellt sind, bilden in ihrer intermediären Existenz das Ausgangsmaterial für die weiteren Umwandlungen, die sie unter Mitwirkung des Sauerstoffs oder ohne dieselbe erleiden.*?) Daß diese Zwischen- oder Spaltprodukte der Kohlenhydrate auch wieder zu Syn- thesen verwendet werden können, ein Gedanke, dem Kostytschew am Schlusse seiner Arbeit Ausdruck gibt, habe ich bereits gleichfalls dar- gelegt und durch Versuche bewiesen.?) Die beiden erwähnten Forscher lassen die Frage nach der chemischen Natur der Zwischenprodukte un- erörtert. Man darf aber als sicher annehmen, daß bei den von ihnen gefolgerten Prozessen nur Depolymerisationen des Zuckers in Betracht kommen, Vorgänge also, die notwendigerweise zu denselben Produkten

1) Landwirtschaft]. Jahrb. 1906, 541. S. a. Diese Zeitschr. 12, 78, 1908.

2) Der kürzlich geführte Nachweis des intermediären Entstehens von Dioxyaceton bei der Gärung durch Boysen Jensen (Dissertation, Kopenhagen 1910) bestätigt diese Auffassungen.

3) Diese Zeitschr. 17, 343, 1909.

Zur Frage der Glykolyse. L 345

führen müssen, die in der umgekehrten Reihenfolge die Assimilation im Zuckeraufbau berührt. Als letztes Glied der anaeroben Spaltung der Zuckerarten, zu denen seinem ganzen Verhalten und seiner Zusammen- setzung nach auch der Glykolaldehyd gehört, ist der Formaldehyd, der durch direkte oder allmähliche Polymerisation bzw. Kondensation das Kohlenhydratmolekül schafft. Also sprechen auch die pflanzenphysio- logischen Erfahrungen dafür, daß Zuckeraufbau und Zuckerabbau in den wichtigsten biologischen Prozessen chemisch umkehrbare Vorgänge sind.

Die Anschauungen über den Mechanismus der Sauerstoffaufnahmo sind die folgenden: Die Oxydationsvorgänge in lebenden Pflanzen werden von Kostytschew, der sich auf die Arbeiten von Bach, Chodat, Engler u. a. stützt, als gekoppelte Reaktionen angesehen. Danach wird der molekulare Sauerstoff von den in den lebenden Pflanzeugeweben vorhandenen Autoxydatoren unter Bildung von peroxydartigen Ver- bindungen, den sog. Oxygenasen, aufgenommen. Das Oxydationspotential dieser pflanzlichen Peroxyde wird durch organische Induktoren, die sog. Peroxydasen, erhöht. Die Peroxydase ist kein Enzym, da ihr der spezifische Charakter, der die Enzyme auszeichnet, abgeht, wie sie auch bekanntlich in vielen Reaktionen durch das Ferroion ersetzbar ist. Kostytschew schließt nun aus der Unfähigkeit, durch die in den Pflanzen aufgefundenen Oxydasen und Peroxydasen Zucker zu zerstören, auf die Entstehung der oxydierbaren Acceptoren durch eine der Oxy- dation vorausgehende anaerobe Atmung; der Oxydationsprozeß greift dann in die labilen Zwischenphasen dieser anaeroben Atmung ein. Es muß also erst eine Art Dissoziation des Zuckers eintreten, um die Wirksamkeit der Oxydasen und Peroxydasen zu ermöglichen.

Diese Verhältnisse gelten ebenso für die Zuckerverbrennung im tierischen Organismus. Durch viele Versuche ist nach- gewiesen, daß es nicht gelingt, durch das Oxydasensystem des Blutes in vitro den Zucker zu verbrennen. Deshalb kam es mir in meinen früheren Versuchen darauf an, zunächst die Bedingungen festzustellen, die einen Angriff des Zuckers durch seine Spaltung erst ermöglichen. Als zweite Frage schließt sich die nach der Oxydation an. Einfache chemische Verhält- nisse, wie sie etwa bei Durchleiten von Sauerstoff oder der Einwirkung von Wasserstofiperoxyd in Hydroxylionen ent- haltenden Lösungsmitteln verlaufen, sind gelegentlich von anderer Seite und dann auch von mir mit dem Resultat bearbeitet worden, daß bei der Unvollständigkeit der Oxydation stets die primären Spaltprodukte des Zuckers, die auch ohne Oxydations- mittel unter sonst gleichen Bedingungen entstehen, neben den Oxydationsprodukten nachweisbar sind. In den mitgeteilten

Versuchen ist nun gezeigt worden, daß ein künstlich her- 23"

346 W. Löb: Zur Frage der Glykolyse. I.

gestelltes Peroxydasensystem den Zucker in gleicher Weise zu spalten und zu oxydieren vermag. Es wird die Aufgabe weiterer Untersuchungen sein, die Bedingungen für die Spaltung des Zuckers mit den Bedingungen für seine Oxydation so zu kom- binieren, daß eine glatte Oxydation zu Kohlensäure und Wasser erzielbar wird.

Zusammenfassung.

1. Die aus alkoholischem Pankreasextrakt durch Umsetzung mit Eisensalzen (be und Fe”) gewinnbaren eisenhaltigen Sub- stanzen, deren chemische Natur noch unaufgeklärt ist, besitzen die Eigenschaften einer Peroxydase gegenüber Traubenzucker. Genauer untersucht wurde die Fe Fëllung.

2. Sie ist gegen erhöhte Temperatur nicht unempfindlich, jedoch wurde ein völlig gleichartiges Verhalten bei verschiedenen Fällungen nicht beobachtet.

3. Da der eisenhaltige Blutfarbstoff mit seinen stark aus- geprägten Peroxydaseeigenschaften in Gegenwart von H,O, Traubenzucker nicht angreift, so ist die Glykolyse durch das untersuchte Präparat möglicherweise durch einen akti- vierenden, d. h. die Zuckerspaltung anregenden alkohollöslichen Bestandteil des Pankreas veranlaßt. Zur Entscheidung dieser Frage ist noch festzustellen, ob das Vermögen oxydativer Gly- kolyse eine allgemeine Eigenschaft organischer Eisenverbindungen von bestimmtem Typus ist oder nicht.

4. Pepsinsalzsäure und Pankreatin (in alkalischer Flüssig- keit) zerstören das glykolytische Vermögen nicht.

5. Die Oxydationsprodukte der untersuchten Glykolyse sind, außer geringen Mengen Kohlensäure, Ameisensäure und Polyoxy- säuren. Die nachweisbaren Spaltprodukte des Zuckers sind Formaldehyd (sehr wenig) und Pentose (reichlicher). Das Re- aktionsbild entspricht im wesentlichen den bei früheren Spal- tungen und Oxydationen des Traubenzuckers beobachteten.

6. Die vor längerer Zeit aufgestellten Anschauungen über Gärung und Zuckeroxydation erster Vorgang: Depolymeri- sation des Zuckers (anaerob) mit folgenden Umlagerungen oder Synthesen (Alkohol-Kohlensäurebildung) ; zweiter Vorgang: Oxy- dation der Depolymerisationsprodukte finden in den Arbeiten von Palladin und Kostytschew neue experimentelle Stützen.

Zur Frage nach der Oxydation der Gärungsprodukte des Zymins beim Atmungsprozeß. Von Leonid Iwanoff.

(Aus dem botanischen Kabinett des K. Forstinstituts in St. Petersburg.)

(Eingegangen am 9. Oktober 1910.)

Vor kurzem ist in dieser Zeitschrift (Bd. 27, 326) eine Notiz von Herrn Kostytschew unter dem Titel „Zur Richtigstellung‘‘ erschienen, in der er sagt: „L. Iwanoff kommt zu dem Schlusse, daß die durch vergorene Zuckerlösung bewirkte Zunahme der CO,-Produktion, die ich an Weizenkeimen wahrgenommen habe, nicht auf die Oxydation der Gärungsprodukte. sondern auf die Steigerung der Alkoholgärung der Keime zurückzuführen ist.“

Da aber, wie Herr Kostytschew weiter ausführt, „gesteigerte CO,-Produktion der Keime ohne Alkoholbildung stattfindet‘, so sei die von ihm beobachtete Stimulation keine Steigerung der Alkoholgärung, wie ich das (nach seiner Meinung) denke. Darauf muß ich entgegnen, daß meine Meinung folgenderweise ausgedrückt worden ist!): „... es ist sehr wahrscheinlich, daß wir es hier nicht mit einer Oxydation von Zwischenprodukten der Zymingärung, sondern mit einer Stimulation der CO,-Ausscheidung durch die in der Flüssigkeit vorhandenen anorganischen oder organischen Phosphate zu tun haben.“

Weiter bemerke ich in meiner Arbeit, daß diese Stimulatoren nament- lich die Ausscheidung der anaeroben CO, beschleunigen,?) und auf die

1) L. Iwanoff, diese Zeitschr. 25, 179.

2) In der unlängst in dieser Zeitschrift (Bd. 27, 450) erschienenen Arbeit von Zaleski und Reinhard kommen die Autoren beim Wieder- holen meiner Versuche über die Wirkung des Phosphats auf gemahlene Samen (leider unter nicht sterilen Bedingungen) ohne hinreichenden Grund zu dem Schlusse, daß „die Phosphate die anaerobe und aerobe Kohlen- säureausscheidung steigern‘‘. Von zwei entsprechenden Versuchen beweist einer (Vers. 54) gerade das Entgegengesetzte: sowohl in Gegenwart, als auch in Abwesenheit des Sauerstoffs ist die Stimulation der CO,-Produktion durch Phosphate die gleiche (ungefähr 25°/,). Was die Bemerkung der

348 L. Iwanoff:

Sauerstoffabsorption der Weizenkeime keine große Wirkung auszuüben scheinen.

Dagegen ist die Frage, ob die anaerobe Spaltung von einer Alkohol- bildung begleitet wird, von mir gar nicht berührt worden. Für die Ent- scheidung der Frage, ob die betreffende Steigerung der CO,-Ausscheidung durch die Phosphate oder „intermediäre Gärungsprodukte“ erzielt und darin besteht eben unsere Meinungsverschiedenheit hat das Fehlen des Alkohols, das Herr Kostytschew dabei in einem einzigen Versuche bei vollkommener Durchlüftung beobachtet hat, keine Bedeutung.

Um seine Ansicht, daß ‚intermediäre Gärungsprodukte bei der Sauerstoffatmung verarbeitet werden‘, zu beweisen, müßte der Verfasser durch Kontrollversuche zeigen, daß auch nach Ausschaltung der Wirkung anorganischer und organischer Phosphate (zu denen auch unter anderem wahrscheinlich das Koenzym des Zymins gehört) die stimulierende Wir- kung der vergorenen Zuckerlösung anhält, und daß die vermehrte CO,- Ausscheidung dabei auch von einer gesteigerten O,-Aufnahme begleitet wird und ohne Sauerstoff gar nicht stattfindet.

Weiter wünscht der Verfasser unsere Meinungsdifferenz aus der ver- schiedenen Versuchsanstellung zu erklären, nämlich daraus, daß ich 1. mit Toluol abgetötete und nicht lebende Keime benutzt habe und 2. die- selben in Wasser brachte, wodurch die Durchlüftung erschwert wurde. Was den ersten Punkt betrifft, so kann ich sagen, daß ein namhafter Unterschied in der Stimulation sogenannter ‚‚lebender“1) und abgetöter Weizenkeime nicht bemerkbar ist (siehe z. B. mein Versuch Nr. 6).,

Was die Aeration betrifit, so wurden in meinen Versuchen zu den trockenen Keimen nur solche Wassermengen zugesetzt, die fast vollständig zum Aufquellen verbraucht wurden, so daß die Keime in dünner Schicht auf dem breiten Boden des Versuchsgefäßes lagern, ohne in die Flüssig- keit zu tauchen, und besonders in den Luftstromversuchen einer guten Durchlüftung ausgesetzt waren.

Die soeben erschienene Arbeit dea Verfassers (Zeitschr. f. physiol. Chem. 67, 116), auf die er sich beruft und in der er „eine fermentative Oxydation der Gärungsprodukte“ zu erzielen meint, kanzı mich ebenfalls mit seiner Ansicht wenig befremden. Da Kontrollversuche fehlen, ist es un- möglich zu entscheiden, ob in dem vom Verfasser als „Lösung der Gärungs- produkte“ bezeichneten Gemisch in der Tat die hypothetischen Zwischen- produkte der Zuckerspaltung oder nicht viel mehr Nebenprodukte der

Verfasser über die Stimulation der Tätigkeit der Oxydationsenzyme durch basisches Phosphat anbetrifft, so ist noch zu beweisen, daß letztere in der Tat durch das Phosphat und nicht durch die alkalische Reaktion dieses Salzes bedingt ist.

1) Bis jetzt beobachtete ich nie Keimung dieser Keime. Ich konnte auch keine Angaben über die Keimfähigkeit dieser Keime bei den mit diesem Objekt experimentierenden Verfassern finden. Wir haben es wahr- scheinlich mit schon abgetöteten Objekten zu tun.

Oxydation der Gärungsprodukte des Zymins beim Atmungsprozeß. 349

Gärung (z. B. organische Säuren) und aus der Hefanolsubstanz extrahierte Stoffe oxydiert wurden.!)

1) Was die Entgegnung des Verfassers über die Anwendungsmöglichkeit der Manometermethode zur Bestimmung der CO, betrifft, so scheint sie auf einem Mißverständnis zu beruhen. Ich bemerke selbst in meiner Arbeit, daß dieselbe keinen Aufschluß über die absoluten CO,-Mengen geben kann. Zu diesem Zwecke gebrauche ich in allen Versuchen mit Weizenkeimen die gewichtsanalytische Methode. Die Manometer dienten nur dazu, um den Überschuß der ausgeschiedenen CO, ohne entsprechende O,-Absorption zu demonstrieren und Schwankungen dieses Überschusses zu verfolgen.

Über die Hämolyse durch Ammoniak, Natriumhydroxyd und Natriumcarbonat. Von

Oscar Gros. (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Leipzig.) (Eingegangen am 11. Oktober 1910.)

Mit 3 Figuren im Text.

I.

In einigen früher mitgeteilten Arbeiten!) habe ich u. a. die Geschwindigkeit der Hämolyse durch Ammoniak und Natrium- carbonat untersucht. Die Versuchsanordnung war dort ähn- lich der von Arrhenius und Madsen gegebenen. Das Re- aktionsgemisch wurde in einem Thermostaten von 37° C gehalten und von Zeit zu Zeit wurden ihm Proben ent- nommen. Diese wurden rasch abgekühlt und dadurch die Re- aktion praktisch zum Stillstand gebracht. Sodann wurde zentrifugiert und die Prozentmenge des freigewordenen Hämo- globins vermittels einer Vergleichsskala colorimetrisch bestimmt. Es ergab sich hierbei, daß die Geschwindigkeit, mit der die Hämolyse durch Ammoniak verläuft, proportional ist der Konzentration desselben und umgekehrt proportional der Kon- zentration des Blutes.

Dieses Resultat zeigt, daß beim Vermischen der Blut- körperchensuspension mit dem Ammoniak dieses aus der Lösung von den Blutkörperchen aufgenommen wird. Und zwar muß in dem dort untersuchten Konzentrationsgebiete nahezu alles Ammoniak von den Blutkörperchen aus der Lösung genommen werden, denn nur so ist es verständlich, daß die

1) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 62, 1ff. u. 63, 341 fi.

O. Gros: Hämolyse durch NH,, NaOH und Na,CO,. 351

Geschwindigkeit der Hämolyse umgekehrt proportional ist der Konzentration der Blutkörperchen.

Dieser Aufnahme des Ammoniakes durch die Blutkörperchen können drei Vorgänge zugrunde liegen. Es kann sich handeln einmal um eine chemische Reaktion, durch die das Ammo- niak an Bestandteile der Blutkörperchen gebunden wird. Ferner kann eine Absorption des Ammoniakes durch die Blutkörper- chen stattfinden, entsprechend der Verteilung eines gelösten Stoffes zwischen zwei Lösungsmitteln. Und drittens wäre es möglich, daß das Ammoniak durch die Blutkörperchen ad- sorbiert wird. Schließlich hätten wir noch zu berücksichtigen, daß mehrere dieser Vorgänge zugleich bei der Aufnahme des Ammoniakes durch die Blutkörperchen beteiligt sein können.

Von den hier aufgezählten, überhaupt möglichen Fällen können wir den zweiten ausschließen. Denn eine Verteilung des Ammoniakes zwischen Blutkörperchen und Lösung derart, daß nahezu ales Ammoniak von den Blutkörperchen auf- genommen wird, würde voraussetzen, daß der Teilungskoeffizient des Ammoniakes zwischen Blutkörperchen und Wasser un- endlich groß ist, und dies darf bei der großen Löslichkeit des Ammoniakes in Wasser als ausgeschlossen betrachtet werden.

Es kommt also nur die chemische Bindung oder die Ad- sorption in Betracht. Welcher von diesen beiden Vorgängen der Aufnahme des Ammoniakes durch die Blutkörperchen zugrunde liegt, läßt sich leicht entscheiden. Wenn wir näm- lich die gleiche Menge Blutkörperchen mit Lösungen versetzen, die einen Überschuß von Ammoniak in verschiedener Konzen- tration enthalten, so muß aus all diesen Lösungen die gleiche Menge Ammoniak von den Blutkörperchen aufgenommen werden, wenn es sich um eine chemische Reaktion handelt. Bei einer Adsorption wird die aufgenommene Menge Ammoniak abhängig sein von der Konzentration desselben.

Die Ausführung derartiger Versuche stößt aber auf experi- mentelle Schwierigkeiten, weil beim Vermischen konzentrierter Lösungen von Ammoniak mit den Blutkörperchen sehr schnell Hämolyse eintritt und dann die quantitative Bestimmung des Ammoniakes außerordentlich schwierig ist. Ich habe deshalb die Versuche unter solchen Verhältnissen auszuführen versucht,

352 O. Gros:

unter denen die Hämolyse nur in ganz geringem Grade eintritt, so daß eine Titration des Ammoniakes noch möglich war. Es wurden nämlich alle Lösungen auf C abgekühlt und nach dem Vermischen schnell zentrifugiert. Es ergab sich folgendes:

Waren zu 50 ccm ?/go- Ammoniak 20 ccm Blutkörperchenbrei ge- bracht worden, so waren nach dem Zentrifugieren etwas über 80°/, des Ammoniakes aus der überstehenden Flüssigkeit verschwunden.

Bei 50 cem "/,,-Ammoniak + 20 ccm Blutkörperchenbrei fanden sich nach dem Zentrifugieren noch etwas über 50°), des zugesetzten Ammoniakes in der überstehenden Flüssigkeit. Die gleiche Menge Blut- körperchen hatte also im ersteren Falle etwa Loan Mol, im letzteren etwa 1/ Mol Ammoniak aufgenommen. Es zeigt dies deutlich, daß die Menge Ammoniak, die von den Blutkörperchen aus einer Lösung auf- genommen wird, abhängig ist von der Konzentration der Lösung, es kann also keine chemische Bindung des Ammoniakes sein. Um mit Be- stimmtheit behaupten zu können, daß diese Aufnahme des Ammoniakes durch die Blutkörperchen auf einer Adsorption desselben beruht, wäre es nötig, nachzuweisen, daß die Gesetzmäßigkeiten, die wir für die Adsorp- tion kennen, sich hier finden. Dies ist auf direktem Wege nicht mög- lich, weil die Titrationsfehler bei der Bestimmung des Ammoniakes in der Mischung mit den Blutkörperchen wegen der Hämolyse zu groß sind. Es ist mir aber auf anderem Wege gelungen, diesen Nachweis zu führen. Man kann nämlich annehmen, daß die Geschwindigkeit der Hämolyse durch Ammoniak proportional ist der Menge des Ammoniakes, die von den Blutkörperchen aufgenommen wird, da ja die Vorgänge, die zur Hämolyse führen, sich nur an bzw. in den Blutkörperchen abspielen. Aus den verdünnten Lösungen (ca. 0,01 n), die bei den früheren Ver- suchen verwendet wurden, wird nahezu aller Ammoniak aus der Lösung von den Blutkörperchen aufgenommen, und deshalb ist dort die Ge- schwindigkeit der Konzentration des Ammoniakes proportional. Aus kon- zentrierten Lösungen des Ammoniakes wird aber, wie diese Versuche zeigen, nur ein Teil des Ammoniakes aufgenommen, und man darf des- halb erwarten, daß in diesen Lösungen die Geschwindigkeit der Hämo- lyse nicht mehr proportional ist der Anfangskonzentration des Ammoniakes, sondern dem adsorbierten Teil desselben. Mit Hilfe dieser Annahme läßt sich folgende Beziehung zwischen der Geschwindigkeit der Hämolyse und der Konzentration des Ammoniakes aufstellen.

Die Menge x des durch das Volumen a der Blutkörperchen adsorbierten Ammoniakes ergibt sich aus der Adsorptionsformel:

x = Ken, &

Hier bedeutet o die Anfangskonzentration des Ammoniakes, k und m sind Konstante.

Wenn wir nun die Blutmenge a bei allen Versuchen konstant halten, so ist die Geschwindigkeit der Hämolyse nach unserer Annahme

Hämolyse durch NH,, NaOH und Na,C0,. 353

der adsorbierten Ammoniakmenge proportional. Es ist also v = kıx, und die Adsorptionsformel erhält dann die Form v = Kom.

Die Bestimmung der Geschwindigkeit der Hämolyse läßt sich nun in der früher beschriebenen Weise durch Messung des hämolysierten Anteiles des Blutes zu verschiedenen Zeiten aus- führen. Aber man kann derartige Messungen nur innerhalb eines relativ kleinen Konzentrationsgebiefes anstellen. Denn bei höheren Konzentrationen des Ammoniakes verläuft die Hämolyse so rasch, daß die Einzelmessungen mit zu großen Zeit- fehlern behaftet werden, besonders weil es dann auch nicht mehr möglich ist, die Reaktion durch Abkühlen auf prak- tisch zum Stillstand zu bringen. Ich habe deshalb versucht, ob es nicht möglich ist, auf anderem Wege die Geschwindig- keit der Hämolyse zu bestimmen. Es läßt sich nämlich aus den früheren Messungen zeigen, daß es genügt, wenn man während des Verlaufes der Hämolyse die Zeiten bestimmt, nach denen bei verschiedenen Konzentrationen des Ammo- niakes ein bestimmter Prozentsatz der Blutkörperchen sein Hämoglobin abgegeben hat. Diese Zeiten sind umgekehrt proportional der Geschwindigkeit der Hämolyse. Dies zeigt die folgende Tabelle, die aus Versuchen meiner früheren Mit- teilung!) zusammengestellt ist.

Tabelle I.

Konz. des | 50°/, der Blutkörperchen sind | Geschwindig- Ammoniakes hämolysiert nach: t’ keitskonstante t-k

In der letzten Kolumne dieser Tabelle ist das Produkt t-k angegeben. Es ist konstant. Wir können also an Stelle der Geschwindigkeit die Zeit bestimmen, nach der ein be- stimmter Prozentsatz der Blutkörperchen hämolysiert ist, und zwar können wir einen beliebigen Prozentsatz nehmen, er muß nur bei allen Versuchen der gleiche sein. Besonders leicht ausführbar werden diese Versuche, wenn wir in allen Fällen die Zeit bestimmen, nach der gerade 100°, der Blut-

1) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 62, 31ff.

354 O. Gros:

körperchen hämolysiert sind. Denn dieser Zeitpunkt läßt sich nach einer von mir früher angegebenen Methode!) mit einer genügenden Genauigkeit auch in den Fällen bestimmen, wo die Hämolyse mit sehr großer Geschwindigkeit verläuft. Die Methode beruht darauf, daß eine Blutlösung um so durchsich- tiger wird, je weiter die Hämolyse fortschreitet und schließ- lich, wenn die Hämolyse vollständig ist, ganz durchsichtig ist.

Bestimmen wir auf diese Weise die Zeiten, nach denen bei verschiedenen Konzentrationen des Ammoniakes die gleichen Mengen Blutkörperchen bei der gleichen Temperatur gerade hämolysiert worden sind, so erhalten wir verschiedene Werte von t, die den entsprechenden Werten von v umgekehrt pro- portional sind. Wir können dann unsere Formel unter Zu- sammenfassung der verschiedenen Konstanten in die einfache Form bringen:

cat=k

Die Gültigkeit dieser Formel zu prüfen ist die Aufgabe der folgenden Versuche.

Dieselben wurden in der folgenden Weise angestellt. In ein Jenenser Glasrohr wurden 3 ccm einer 7°/,igen Blutkörperchensuspension in 0,9°/ ige NaCl-Lösung gebracht. In ein anderes Röhrchen kamen 7 ccm Ammoniak in 0,9°/,ige Kochsalzlösung. Beide Lösungen wurden in einem Thermostaten von 37° C vorgewärmt und dann vermischt. Sodann wurde auf die Mischung im Thermostaten das Bild einer elektrischen Lampe geworfen und der Moment festgestellt, in dem die Lampe, die an- fangs durch die Mischung nicht erkannt werden konnte, gerade deutlich sichtbar wurde. Man erhielt so die Zeit t in Sekunden, innerhalb der etwa 100°/, der Blutkörperchen hämolysiert sind.

Die Ergebnisse dieser Versuche sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Unter oe ist die Konzentration des Ammoniakes verzeichnet. Da es bei der Berechnung der Kon- stanten nicht auf die absoluten Werte ankommt, sind unter c nur relative Werte angeführt. Die tatsächlich angewendeten Konzentrationen des Ammoniakes erhält man, wenn man die angegebenen c-Werte mit 0,94:270 multipliziert. Unter k ist die Konstante angegeben, die nach der Formel c™.t = k berechnet worden ist. Der Wert für m = 0,71 wurde in der bekannten Weise ermittelt.

1) Arch. f. experim. Pathol, u. Pharmokol. 57, 66.

Hämolyse durch NH,, NaOH und Na-CO,. 355

Tabelle II.

c t K:102 c | t K:108

Die Konzentration des Ammoniakes ist hier in den Grenzen von etwa 0,7n bis 0,0ln variiert. In der Fig. 1 ist das Ergebnis dieser Versuche dargestellt. Auf der Abszisse sind die Ammoniakkonzentrationen, auf der Ordinate die Zeiten aufgetragen.

|

2000

7500

500

Fig. 1.

Die Kurve zeigt eine hyperbolische Form, wie wir sie bei der Adsorption gewöhnlich beobachten. Die Übereinstimmung der k-Werte ist eine gute. Die ersten vier Werte sind bei der Berechnung des Wertes für m nicht berücksichtigt und des- halb in Klammern gesetzt. Auch graphisch können wir uns

356 O. Gros:

von der Gültigkeit der Adsorptionsformel hier überzeugen. Tragen wir nämlich auf der Abszisse den Logarithmus der Konzentration des Ammoniakes, auf der Ordinate den Loga- rithmus l/t auf, so müssen wir eine Gerade erhalten. Die Fig. 2 zeigt, daß dies der Fall ist.

JO E og 0,5 2,0 25

i 1 N

-20- a

Fig. 2.

Ich habe mehrere Kontrollversuche ausgeführt und in allen Fällen eine gute Konstanz der k-Werte gefunden. Natür- lich sind diese Werte bei den einzelnen Versuchsreihen, die mit dem Blute verschiedener Tiere ausgeführt wurden, nicht gleich, denn die Zeit, nach der die Hämolyse vollendet ist, hängt ja nicht nur von der adsorbierten Ammoniakmenge, sondern auch von der Resistenz der Blutkörperchen ab. Es kommt also nicht so sehr die Übereinstimmung der k-Werte verschiedener Versuchsreihen, als die Konstanz dieser Werte innerhalb einer Versuchsreihe in Betracht. Auch der Wert von m ist nicht bei allen Versuchsreihen der gleiche. In den vier Versuchsreihen, die ich angestellt habe, liegt er zwischen 0,65 und 0,71. Der Versuch der Tabelle II war mit serum- haltigem Blute angestellt worden. Die Tabelle III gibt einen Versuch wieder, der in der "gleichen Weise mit dem serum- freien Blute eines anderen Tieres angestellt worden ist, m ist hier gleich 0,71.

Hämolyse durch NH}, NaOH und NaCO}. 357

Tabelle III.

C | T 189 | 95 162 125 135 150 108 190 91 245 63 310 54 345 45 400 36 460 27 535

Auch hier sind die vier höchsten Ammoniakkonzentrationen bei der Berechnung von m nicht berücksichtigt. Die Konstanz der k-Werte ist eine genügende.

Bei diesen Versuchen war die Menge des Blutes überall gleich. Ich habe nun eine weitere Reihe von Versuchen an- gestellt, bei denen die Konzentration des Blutes variiert wurde, dagegen die des Ammoniakes in einer jeden Versuchs- reihe konstant blieb. Da die vorhergehenden Versuche gezeigt haben, daß eine Adsorption des Ammoniakes durch die Blut- körperchen stattfindet, so läßt sich über den Verlauf der folgenden Versuche folgendes voraussagen:

Verändert man die Konzentrationen des Blutes in einem Konzentrationsgebiete des Ammoniakes, wo ein sehr großer Teil desselben adsorbiert wird, so werden die Zeiten, nach denen Hämolyse eintritt, der Konzentration des Blutes um- gekehrt proportional sein. Bezeichnet man also die letztere

, t D a mit e so ist hier k. Es kommt dies daher, weil in

diesem Gebiete die Gesamtmenge des Ammoniakes, die ad- sorbiert wird, ungefähr konstant ist, weil sie ja der konstanten Anfangskonzentration nahezu gleich ist. Die Menge des Ammoniakes, die auf das einzelne Blutkörperchen kommt, und damit die Geschwindigkeit der Hämolyse, wird also dann umgekehrt proportional der Zahl der Blutkörperchen sein.

In anderen, höheren Konzentrationsgebieten des Ammoniakes wird sich diese einfache Beziehung nicht mehr finden. Hier adsorbiert die Blutmenge c nur einen nicht allzu großen Bruch- teil des Ammoniakes. Eine größere Blutmenge wird mehr

358 O. Gros:

Ammoniak aufnehmen; aber nie so viel, daß die Gesamtmenge des Ammoniakes der Blutmenge proportional ist. Es wird deshalb auch hier die Geschwindigkeit der Hämolyse mit

steigender Blutmenge abnehmen, aber S wird nicht mehr kon-

stant sein, sondern es wird mit steigender Blutmenge ab- nehmen.

Vergleichen wir deshalb mehrere Versuchsreihen, wobei in jeder Reihe die Konzentration des Ammoniakes konstant blieb, während die Blutkonzentration variiert und bei den ver- schiedenen Reihen verschiedene Ammoniakkonzentrationen an-

t . S gewendet wurden, so werden wir finden, daß = sich am stärk-

sten ändert in der Reihe mit der höchsten Ammoniakkonzen- tration, am wenigsten in der Reihe mit der niedrigsten Ammoniakkonzentration.

Dies zeigen die folgenden Versuche der Tabelle IV.

Die Versuche wurden in der Weise angestellt, daß bei den Versuchen unter a) je öccm einer !/,-0,91n NH,-Lösung in 0,9°/,igem NaCl mit 5 ccm einer I-, 1,5-, 2-, 3- usw. °/ igen Blutkörperchensuspension vermischt wurden. Bei den Versuchen der Tabelle IVb wurden die Blutkörperchensuspensionen mit gleichen Mengen einer '/,-0,94n und bei denen unter c) mit einer */,,-0,94n NH,-Lösung vermischt.

In der Tabelle sind unter e die Konzentrationen des Blutes in der Mischung mit Ammoniak, unter t die Zeiten in Sekunden angegeben, nach denen Hämolyse eingetreten war.

Tabelle IV. b) c)

c t = u K c t | 2 SE

l l| o |c:2.05 Lee, 0,5 | 200 | 400 |0,5 |410 820| 400 | 0,5 | 600| 1200 ' 400 0,75 | 250 | 333 | 0,75, 470/627) 306 | 0,75 | 765! 1020 | 340 1 265 | 265 l 525| 525| 256 1,0 | 860| 860 | 287 1,5 |290 | 193 ļ|1,5 | 600/400] 195 | 1,5 1055| 703 | 234 2 320 160 |2 |695 347! 169 | 2 |1200] 600 | 200 3 |340| 113 |3 |795265| 129 | 3 |1420| 473 | 158 4 |390] 975 |4 | 990 247| 120 | 4 [1730| 432 | 144 6 |415| 6 |8 11480 185) 90 | 6 [2210| 368 | 123 8 450 | 56 8 12710) 338 ! 113

Hämolyse durch NH,, NaOH und N3,C0,. 359

Bei den Versuchen unter b und oe sind unter der letzten Kolumne die Ž Werte so umgerechnet, daß der erste - Wert

dem ersten 2 „Wert des Versuches a entspricht. Es soll dies zeigen, daß im Einklang mit den vorstehenden Erörterungen die Änderungen der R -Werte um so kleiner werden, je kleiner die Ammoniakkonzentration wird. Während in den Versuchen mit 2/,-Ammoniak der 2 -Wert von 400 auf 56 fällt, geht er

bei al, „NH, nur bis 113 herunter.

Bei den folgenden Versuchen wurde der Einfluß der Tem- peratur auf die Ammoniakhämolyse studiert. Unter o sind wieder die der Tab. I entsprechenden Ammoniakkonzentrationen verzeichnet, unter trau und tun die Zeiten in Sekunden, nach denen bei 34° C und bei 40° C die Lösungen vollständig hämo- lysiert waren.

Tabelle V. t t ou (ET k 1 © (34) (40) 1: (34): (40) ° (40) 63 180 26,6 54 300 200 1,50 45,2 26,7 45 340 220 1,54 45,3 26,1 36 390 260 1,50 44,6 26,7 27 480 300 1,60 45,1 25,5 21 555 360 1,54 44,0 26,0 18 680 390 1,74 48,5 25,5 15 730 470 1,55 46,0 27,3 12 830 550 1,51 45,0 27,7 9 1030 650 1,59 45,9 27,1 Das Verhältnis aa" bam Zeigt, daß der Einfluß der Tem-

peratur auf die Ammoniakhämolyse nicht so groß ist, wie man gewöhnlich bei derartigen Prozessen findet. Man muß allerdings hierbei berücksichtigen, daß, wenn es sich wirklich um eine Adsorption des Ammoniakes handelt, diese bei niedriger Temperatur in stärkerem Grade stattfindet als bei höherer Temperatur, so daß also dadurch der Temperaturkoeffizient der Reaktionsgeschwindigkeit kleiner erscheint, als er wirklich ist. Unter Ksa und Ee sind wiederum Konstante nach der Formel em. t =K berechnet, Biochemische Zeitschrift Band 29. 24

360 O. Gros:

Für 34° C ist m 0,68, für 40° C 0,65. In beiden Fällen ist eine sehr gute Konstanz vorhanden.

II. Versuche mit Natriumcarbonat.

Die Hämolyse durch Natriumcarbonat folgt den gleichen Gesetzen wie die Ammoniakhämolyse.

In der Tabelle VI sind die Versuche mit wechselnder Natriumcarbonatkonzentration zusammengestellt. In allen Fällen enthielten die Lösungen 2,1°/, Blut. Die Konzentration des Natriumcarbonates in Prozenten erhält man, wenn man den unter

> multipliziert. Die Temperatur

c angegebenen Wert mit

war 37°C, die Versuchsanordnung die gleiche wie bei den Versuchen mit Ammoniak.

Tabelle VI.

o t k:102 o t k:102

Die nach der Formel c%®.t = k berechneten Werte sind gut konstant. In der Figur 3 sind auf der Abszisse die Logarithmen der Konzentration des Natriumcarbonates, auf der Ordinate die Logarithmen 1/t aufgetragen, Die Kurve bildet eine Gerade.

70 75 2,0 -3,5 Fr Be S E Sn ZS j 30 -3.5 Fig. 3.

Auch der Einfluß der Konzentration des Blutes ist ähn- lich wie beim Ammoniak. Die Tabelle VII zeigt Versuche, bei

Hämolyse durch NH}, NaOH und NaCO}. 361

denen die Blutkonzentration in der unter o angegebenen Weise verändert wurde, während die Natriumcarbonatkonzentration

1,15 in den Versuchen unter a = °/, in den Versuchen unter 1,15 b= 6 °/, war.

Tabelle VII.

3 EN e

e e W O e m O O or o O A WNO

t In beiden Versuchsreihen nimmt der Quotient = mit steigender Blutkonzentration ab, aber, wie aus der vierten auf den ersten = „Wert der Versuchsreihe a reduzierten Kolumne

der Tabelle VIIb zu sehen ist, bei der verdünnten Natrium- carbonatlösung weniger, als bei der konzentrierten.

Der Temperaturkoeffizient ist bei der Hämolyse durch Natriumcarbonat etwas größer als bei der durch Ammoniak. Dies geht aus den Versuchen der Tabelle VIII hervor. Die Konzentration des Blutes war hier bei allen Versuchen 2,1°/,, die Konzentration des Natriumcarbonates ist unter o angegeben.

Tabelle VII.

k34,:10° | 10? E (40): 10?

= ~-

Ki

- ©

-

DDDDDNDDNDM br bb ka kan e

<

362 O. Gros:

Der Quotient Sa ist etwas größer als 2. Die Hämolyse

durch Natriumcarbonat verläuft also bei 40°C etwas mehr als doppelt so schnell als bei 34°. Unter k,, und k,, sind Konstante verzeichet, die nach der Formel c®.t k berechnet sind. Für 34° ist m 0,68, für 40° = 0,65.

III. Versuche mit Natriumhydroxyd.

Die Hämolyse durch Ammoniak und durch Natriumcarbo- nat dürfen wir betrachten als das Resultat einer Reaktion zwischen den Hydroxylionen und irgend welchen Bestandteilen der roten Blutkörperchen. Die Messung des zeitlichen Ver- laufes der Hämolyse zeigt hier, daß diese beiden Substanzen als konstante Schädlichkeiten wirken, daß also die Konzen- tration der Hydroxylionen im Verlauf der Hämolyse weder durch die dieselbe verursachende Reaktionen noch durch Neben- reaktionen eine wesentliche Änderung erfährt. Dies darf jedoch nicht in der Weise gedeutet werden, daß die Hydroxylionen überhaupt nicht während der Hämolyse in nennenswertem Grade in Anspruch genommen werden. Die Konstanz der Wirkung ist vielmehr dadurch zu erklären, daß sowohl bei Ammoniak als auch bei Natriumcarbonat die Menge der potentiellen Hydroxylionen eine sehr große ist, die der aktuellen Hydroxyl- ionen klein. Wenn nun durch irgend welche Reaktionen bei der Hämolyse aktuelle Hydroxylionen, deren Konzentration für die Geschwindigkeit maßgebend ist, verschwinden, so werden sie bei Ammoniak durch erneute Dissoziation, bei Natrium- carbonat durch Fortschreiten der Hydrolyse neu gebildet, so daß ihre Konzentration und damit ihre Wirkung praktisch konstant bleibt.

Bei Natriumhydroxyd liegen die Verhältnisse anders. Dieses ist sehr stark dissoziiert. In äquimolekularen Lösungen von Natriumhydroxyd, Ammoniak und Natriumcarbonat ist bei dem ersten die Konzentration der Hydroxylionen um ein Vielfaches größer als bei den beiden letzteren. Wir müssen also wenn wirklich die freien Hydroxylionen für die Geschwindigkeit der Hämolyse maßgebend sind erwarten, daß Natriumhydroxyd viel stärker bzw. schneller wirkt als diese. Dies ist in der Tat der Fall. In einer 2°/,igen Blutkörperchensuspension bewirkt

Hämolyse durch NH,, NaOH und Na,CO,. 363

bei 37°C eine A/,.-Natriumhydroxydlösung Hämolyse nach 110”, eine ?/ „-Ammoniaklösung nach 2130” und ?/ oo- Natrium- carbonat nach 1140”. Dem entspricht, daß in einer Daer Natriumhydroxydlösung die Konzentration der Hydroxylionen etwas mehr als 20mal so groß ist als in einer gleichkonzen- trierten Ammoniaklösung.

Das Natriumhydroxyd wirkt also deshalb so stark, weil es fast vollständig dissoziiert ist. Dieser nahezu vollständige Zerfall in die Ionen bringt es aber mit sich, daß die Menge der potentiellen Hydroxylionen eine sehr kleine ist. Wenn des- halb bei der Hämolyse durch dieselbe oder durch Nebenreaktionen Hydroxylionen verbraucht werden, so kann dieser Verlust nicht durch erneute Dissoziation gedeckt werden, und wir werden des- halb beobachten, daß die Geschwindigkeit der Hämolyse während ihres Verlaufes abnimmt. Der Verlauf der Hämolyse durch Natriumhydroxyd wird also ein anderer sein als der der Hämo- lyse durch Ammoniak oder Natriumcarbonat. In den Versuchen der Tabelle IX (S. 364) kommt dies deutlich zum Ausdruck.

Die Versuchsanordnung war hier ähnlich der, die Ar- thenius und Madsen benützt haben, und die gleiche, die ich früher beschrieben habe. Die Versuche mit Ammoniak und Natriumcarbonat sind aus früheren Mitteilungen wiederholt.

In der Tabelle bedeutet t die Zeit in Minuten, x die zu dieser Zeit hämolysierte Menge Blutkörperchen in Prozenten. J gibt die Induktionszeit an, die in der früher beschriebenen Weise berechnet wurde,!) und k eine Konstante, die nach der

= k berechnet wurde.

x Formel CT

Wenn die Hämolyse durch eine während ihres Verlaufes sich nicht ändernde Schädlichkeit hervorgerufen wird, so muß k annähernd konstant sein. Dies trifft für die Hämolyse durch Am- moniak und Natriumcarbonat zu. Wenn dagegen die Schädlich- keit sich während des Verlaufes der Hämolyse ändert, so ist k nicht mehr konstant. Dies ist bei Natriumhydroxyd der Fall, und die Abnahme der k-Werte zeigt, daß die Konzentration der Hydroxylionen während des Verlaufes der Hämolyse ab- nimmt. Besonders deutlich tritt dies bei der verdünntesten Natriumhydroxydlösung hervor.

1) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 62, 34.

364 O. Gros:

Tabelle IX. a) Hämolyse durch Ammoniak und durch Natriumcarbonat. 1. 90 ccm NaCl 0,9°/,, 10 ccm NH, 0,1 n, 2 com Blut. 2. 90 com NaCl 0,9°/,, 10 com NaCO; 0,18°/,, 2 com Blut.

po 0,8 SS 31,7 1,7

10 2,5 29,7 KI 15 2,9 38,3 Ki 20 3,1 50 1,8 25 3,2 60,9 1,9 30 3,0 71,1 1,9 35 2,9 76,6 1,8 40 2,6 83,6 1,8 88,3 1,7

b) Hämolyse durch Natriumhydroxyd.

1. 88 com NaCl 0,9°/,, 12 ccm NaOH 0,0088 n, 2 ccm Blut. 2. 89 ccm NaCl 0,9°/,, 11 ccm NaOH 0,0088 n, 2 cem Blut. 3. 90 com NaCl 0,9°/,, 10 ccm NaOH 0,0088 n, 2 ccm Blut.

15 14,0 1,75 20 24,2 1,86 25 35,9 1,99 1,86 30 46,1 2,00 1,17 35 54,7 1,95 1,00 40 64,8 1,96 0,90 50 77,4 1,80 0,81 60 85,1 1,61 0,78 75 90,6 1,33 0,67 92 96,1 1,10 0,57 120 0,48

Bei der Hämolyse durch Natriumhydroxyd fehlen infolge ihres abweichenden Verlaufes auch die anderen Gesetzmäßig- keiten, die wir bei Ammoniak und Natriumcarbonat beobachtet haben. Die einfachen Beziehungen, die wir hier zwischen der Induktionszeit, der Konstanten und der Konzentration des Ammoniaks beobachtet haben, finden sich hier nicht wieder. Infolgedessen ist es auch nicht möglich mit Versuchen, die in der gleichen Weise wie die der Tabelle I usw. mit Ammoniak

Hämolyse durch NH,, NaOH und Na,CO,. 365

nunmehr mit Natriumhydroxyd angestellt wurden, die gleichen theoretischen Betrachtungen anzustellen wie dort. Ich habe trotzdem einige derartige Versuche ausgeführt, um zu sehen, ob sich nicht empirisch eine Formel für die Beziehung zwischen der Konzentration des Natriumhydroxyds und der Zeit, nach der die Hämolyse vollendet ist, aufstellen läßt.

Die Natronlauge wurde stets kurz vor dem Versuche aus metallischem Natrium bereitet. Die Blutkörperchen wurden durch wiederholtes Zentrifugieren mit der ca. 20 bis 30fachen Menge 0,9°/,iger Kochsalzlösung vom Serum befreit. In den Versuchen der Tabelle X beträgt die Konzentration des Blutes stets 2,1°/,, die des Natriumhydroxydes ist, gleich der unter c

angegebenen, multipliziert mit —— Tabelle X. o t” | k:102 co t” k:102

In der Tabelle X ist unter k eine Konstante verzeichnet, die nach der Formel c'*.t—=k berechnet ist. Wenn ich dieser Konstanten auch keine theoretische Deutung zu geben vermag, so ist sie doch von Interesse. Denn sie zeigt, daß man mit Hilfe einer derartigen Interpolationsformel die Kon- zentration des NaOH, die dem Blute zugesetzt wurde, mit einer ziemlich großen Genauigkeit aus diesen Versuchen be- rechnen kann. Eine derartige Möglichkeit der Berechnung der Konzentration eines hämolytisch wirkenden Stoffes ist dann von besonderer Bedeutung, wenn es sich um die Bestimmung der Konzentration hämolytisch wirkender Toxine handelt wozu uns meist nur die Hämolyse und das Tierexperiment zu Gebote stehen.

IV. Zusammenfassuug und Schluß.

Die Ergebnisse der vorstehenden Untersuchung lassen sich in folgende Sätze zusammenfassen:

366 O. Gros:

1. Es wurde die Hämolyse durch Ammoniak, Natrium- carbonat und Natriumhydroxyd untersucht. Gemeinsam sind diesen Stoffen die Hydroxylionen, die die Ursache der Hämo- lyse darstellen.

Bei Ammoniak und Natriumcarbonat bleibt die Konzen- tration der Hydroxylionen während des Verlaufes der Hämolyse unverändert.

Der Verlauf der Hämolyse zeigt hier den Gang, der einer konstanten Schädlichkeit entspricht. Dies bedeutet aber keines- falls, daß während der Hämolyse kein Verbrauch an Hydroxyl- ionen stattfindet. Diese werden vielmehr durch erneute Disso- zistion bzw. Hydrolyse praktisch im gleichen Maße neu ge- bildet, wie sie verbraucht werden. Bei Natriumhydroxyd ist diese Möglichkeit des Ersatzes der Hydroxylionen durch erneute Dissoziation nicht gegeben, weil es in den hier untersuchten Konzentrationen schon fast vollständig dissoziiert ist. Infolge- dessen ist der Gang der Hämolyse ein anderer bei Natrium- hydroxyd als bei Ammoniak und Natriumcarbonat, er entspricht hier dem einer inkonstanten Schädlichkeit.

2. Die Beziehung zwischen der Konzentration des Am- moniakes bzw. Natriumcarbonates und der Zeit, nach der vollständige Hämolyse stattfindet, läßt sich darstellen durch die Formel

com. t =k in der k eine Konstante bedeutet. Der Exponent liegt in den untersuchten Fällen zwischen 0,65 und 0,71.

Es scheint hiernach, daß von dem der Blutkörperchen- suspension zugesetzten Ammoniak bzw. Natriumcarbonat ein Teil durch die Blutkörperchen adsorbiert wird und daß dieser adsorbierte Anteil maßgebend ist für die Geschwindigkeit der Hämolyse.

Diese Beziehung gilt natürlich nur so lange, als die zur Verfügung stehende (potentielle) Menge der Hydroxylionen groß ist gegenüber der durch die Hämolyse selbst oder durch Neben- reaktionen verbrauchten Menge.

3. Bei kleinen Ammoniakkonzentrationen, wo die zur voll- ständigen Hämolyse nötige Zeit größer ist, als etwa 40’, wird nahezu alles Ammoniak adsorbiert. In diesem Gebiet ist die Geschwindigkeit der Hämolyse proportional der Ammoniak-

Hämolyse durch NH,, NaOH und Na,C0,. 367

konzentration, umgekehrt proportional der Blutkörperchenkon- zentration.

4. Bei Natriumhydroxyd konnte nur ein sehr kleines Kon- zentrationsgebiet untersucht werden, weil hier schon verdünnte Lösungen sehr schnell wirken. Es zeigte sich hier die Be- ziehung c}*.t =k.

Diese Formel besitzt nur den Wert ein Interpolationsformel.

5. Es wurde der Einfluß verschiedener Konzentrationen des Blutes bei der Ammoniak- und Natriumcarbonathämolyse geprüft. Die hier gefundenen Resultate lassen sich nicht mathe- matisch formulieren, entfalten aber keinen Widerspruch gegen die Annahme der Adsorption.

6. Der Temperaturkoeffizient der Ammoniak- und Natrium- carbonathämolyse zwischen 34° C und 40° C ist etwas, aber nicht viel größer als der, der gewöhnlich bei chemischen Re- aktionen beobachtet wird.

Methode zur getrennten Bestimmung von Phenol und Parakresol im Harne. Von M. Siegfried und R. Zimmermann. [Aus der chemischen Abteilung des physiologischen Instituts der Universität Leipzig.) (Eingegangen am 13. Oktober 1910.)

Es existiert bisher keine Methode, Parakresol und Phenol getrennt zu bestimmen. Obgleich wir noch gar nicht wissen, ob dem Phenol und Kresol des Harnes die gleiche physiologische Bedeutung zukommt, müssen wir uns damit begnügen, die Summe des Phenols und Kresols zu ermitteln. Die nach Kossler und Penny!) gegebenenfalls unter Berücksichtigung der von Neuberg?) angegebenen Modifikation erhaltenen Jod- werte gestatten überdies nur eine Berechnung auf entweder Phenol oder Kresol, wodurch stets ein kleiner Fehler entsteht.

Es ist lediglich eine präparative Trennung von Phenol und Kresol bekannt, die von Baumann?), nach der das Barium- salz der Parakresolsulfosäure sich von dem Salze der Phenol- sulfosäuren durch seine Schwerlöslichkeit sondern läßt.

Wir hatten uns die Aufgabe gestellt, eine titrimetrische Methode der getrennten Bestimmung von Phenol und p-Kresol aufzufinden, um diese auf normale und pathologische Harne anwenden zu können.

Zunächst versuchten wir eine Methode auf das angebliche Verhalten des Tribrom-p-Kresolbroms, beim Stehen unter Wasser in Tribromphenol überzugehen, zu gründen. Diese Reaktion findet nach Baumann und Brieger*) unter Bildung von ` 1 Zeitschr. f. physiol. Chem. 17, 117, 1892.

2) Ebenda 27, 123, 1899.

3) Ebenda 6, 183, 1882. 4) Berl. Ber. 12, 804, 1879.

M.Siegfried u. R.Zimmermann: Getr. Best. v. Phenol u. p-Kresol usw. 369

Kohlensäure statt. Es bestand somit die Möglichkeit, durch Bestimmung des zur Oxydation der Methylgruppe verbrauchten Broms das p-Kresol zu ermitteln. Unsere Versuche haben jedoch ergeben, daß diese Reaktion nicht stattfindet. Wir können auf die Wiedergabe dieser Versuche verzichten, da bereits von Rumpf", wie wir später fanden, die Angaben von Baumann und Brieger widerlegt sind. Beilstein gibt in der letzten Auflage die Angabe Baumanns und Briegers wieder und nimmt auch im Ergänzungsbande nicht von der Widerlegung durch Rumpf Notiz.

Hingegen führte der auf die Überführung des Tribrom- parakresols in Dibromparakresol durch Jodkalium sich gründende Weg zum Ziel.

Nach der für die Bestimmung des Phenols ausgezeichneten Methode von Koppeschaar?) entsteht auf Zusatz der Bromat- bromkaliumlösung und Salzsäure zu der Phenollösung ein Ge- menge von Tribromphenol und Tribromphenolbrom.

Das letztere wird durch das nachher zu der salzsauren Lösung gesetzte Jodkalium in Tribromphenol übergeführt:

C,H,Br,0O-+2HJ=C,H,Br,O-+BrH + J}.

Da zur Bildung des Tribromphenolbroms 8 Atome Br, also zwei mehr als zur Bildung des Tribromphenols verbraucht werden, so entsprechen die durch die Jodwasserstoffsäure beim Übergange des Tribromphenolbroms in Tribromphenol frei- gewordenen 2 Atome Jod diesen beiden Br-Atomen. Da schließ- lich das Jod mit Thiosulfat zurücktitriert wird und dem in der Bromatlösung zugesetzten, vom Phenol nicht gebundenen Brom entspricht, so erhält man für definitiv durch das Phenol ver- brauchtes Brom, gleichviel, ob viel oder wenig Tribromphenol- brom vorübergehend entstanden war, 6 Atome auf 1 Molekül Phenol nach folgender Gleichung:

C,H,0 + 3 Br, = C,H,Br,0 + 3BrH.

Aus dem Tribromphenol wird durch den Jodkaliumzusatz kein Brom abgespalten.

Anders verhält sich das Parakresol. Hier wird das zu- nächst entstandene Tribromparakresol teilweise in Dibrompars-

1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 16, 220, 1892. 2) Zeitschr. f. analyt. Chem. 15, 233, 1876.

370 M. Siegfried und R. Zimmermann:

kresol übergeführt. Deshalb filtriert Keppler?) das Tribrom- parakresol vor dem Jodkaliumzusatz ab. Mit dieser Keppler- schen Modifikation läßt sich die Methode von Koppeschaar mit vorzüglichem Resultate auf Kresol anwenden, nicht aber auf Phenol und Phenol-Kresolgemische.

Ferner entsteht nach Ditz und Cedivoda?) bei kurzer Einwirkung von Brom nur Dibromparakresol, wenn sonst die Vorschriften Koppeschaars befolgt werden. Ditz und Cedi- voda haben versucht, in derselben Weise Phenol und Kresol zusammen zu bestimmen, wenn die Summe von Phenol und Kresol bekannt ist. Ist die Summe beider bekannt, so lassen sich die Gewichte für Phenol und Kresol auch aus den Jod- werten, die die Methode Messinger-Vortmann-Kossler- Penny liefert, oder den nach der, wie unten mitgeteilt wird, von uns modifizierten Methode Koppeschaar-Keppler be- rechnen. Schon Russig und Vortmann?) geben an, daß die Methode von Ditz und Cedivoda keine genauen Werte liefert, wir bestätigen dies weiter unten.

Die Grundidee unserer Methode ist folgende:

Es werden mit derselben Phenol-Kresollösung zwei Be- stimmungen ausgeführt:

I. Es wird diejenige Menge Brom ermittelt, die das Phenol und das Kresol zusammen verbrauchen, indem aus ersterem Tribromphenol, aus letzterem Tribromkresol entsteht.

Hierzu läßt sich entweder die Methode Messinger-Vort- mann-Kossler-Penny verwenden, oder die von uns modi- fizierte Methode von Koppeschaar-Keppler. In ersterem Falle ist das Brom aus der verbrauchten Jodlösung zu berechnen, im zweiten Falle erhält man direkt die gesuchte Brommenge und braucht nicht zweierlei Lösungen.

II. Wenn es gelingt, die Bedingungen zu finden, unter denen gleichzeitig durch Brom und nachherigen Zusatz des Jod- kaliums zur sauren Lösung quantitativ Tribromphenol und Dibromparakresol entstehen, wird bei der zweiten Bestim- mung diejenige Menge Brom ermittelt, die bei der Überführung

1) Arch. f. Hyg. 18, 51, 1893. 2) Zeitschr. f. angew. Chem. 1899, 873. 3) Ebenda 1901, 157.

Getrennte Bestimmung von Phenol u. p-Kresol im Harne. 371

des Phenols in Tribromphenol und des Kresols in Dibromkresol verbraucht wird.

Die Berechnung geschieht in folgender Weise: Die nach I. gefundenen Gewichtsmengen Br = b,

TT II. nm nm 0 gesuchten Gewichtsmengen Kresol . . =x nm Phenol e ew =

Molekulargewicht des Kresols 108,06, Phenols = 94,05, Br 19,92.

(d),—d,) ist diejenige Menge Brom, die von dem vorhan- denen Kresol nach der Bestimmung II. weniger verbraucht wird als von der Bestimmung I. Da diese Menge für 1 Mol. Kresol 2 Atome Brom beträgt, ist:

J. s b b,

108,06 159,84 oder

` 108,06 (b, AN

iost > = 067605 b, Al.

Die Brommenge, die der unbekannten Menge Phenol ent- spricht, wird durch die Differenz der in der ersten Bestimmung erhaltenen Brommenge b, und der dem Kresol entsprechenden Menge Brom erhalten.

Ferner verhält sich die gesuchte Menge Phenol zu dieser Brommenge wie das Molekulargewicht des Phenols zu dem Molekulargewicht von 6 Atomen Brom.

Also: IL. y e 94,05 b z. 479,52 479,52 2 108,06 x aus Í. D (o 0,67605 - (b, —b,) ZS 94,05 SV" 108,06 479,52

y = b, -0,196 13 (b,—b,) 0,5884 y = b, 0,5884 b, - 0,3923.

372 M. Siegfried und R. Zimmermann:

Versuche zur quantitativen Abscheidung von Parakresol als Dibromkresol bei gleichzeitiger Abscheidung von Phenol als Tribromphenol.

l. Prüfung der Vorschrift von Ditz und Cedivoda.

Es handelte sich darum, Bedingungen zu finden, unter denen gleichzeitig Parakresol in Dibromparakresol und Phenol in Tribromphenol übergeführt wird. Wir haben zunächst die Bedingungen, die Ditz und Cedivoda (l. c.) angegeben haben, nachgeprüft und sind zu dem gleichen Resultate wie F. Russig und G. Vortmann gelangt, daß sie nicht brauchbar sind.

Zu den folgenden Versuchen wurden Parakresol und Phenol teils von Kahlbaum, teils von Raschig, Ludwigshafen, be- zogen, verwendet. Es wurde frisch rektifiziert und die ab- zuwägenden Mengen direkt in dem verschließbaren Wägegläschen aufgefangen. Nach der Wägung wurden die Lösungen durch Auffüllen im Meßkolben hergestellt.

I. Versuch mit Parakresol.

10 ccm Parakresollösung (= 0,0205 ei, 70 ccm Bromat- bromidlösung (= 0,3318 e Br), 10 ccm 12,5°/,ige Salzsäure, 1 Minute geschüttelt, 20 ccm einer 5°/,igen Jodkaliumlösung dazugefügt, nach 1 Stunde mit */,„Thiosulfatlösung zurück- titriert. Verbraucht: 34,06 ccm Thiosulfatlösung.

Gebundenes Brom: 0,0596 g.

Parakresol angewandt: 0,0205 g, gefunden: 0,0202 g.

Für Parakresol allein wurde also ein genauer Wert erhalten.

II. Versuche mit Phenol.

A. B. Angewandtes Phenol 0,0759 g 0,0380 g Gefundenes ge 0,0727 ‚, 0,0363 ‚,

Phenol allein gibt also schon ungenaue Werte.

III. Versuche mit Mischungen von Phenol und Parakresol. A. 10 ccm Phenollösung (0,0380 g), 10 ccm Parakresollösung (0,0205 g), 50 ccm Kaliumbromatbromidlösung, 10 cem 12,5°/ ige Salzsäure, 1 Minute geschüttelt, 20 ccm 5°/ (ge Jodkaliumlösung,

nach 1 Stunde mit ?/ „-Thiosulfatlösung titriert. Verbraucht: 13,5 ccm.

Getrennte Bestimmung von Phenol u. p-Kresol im Harne. 373

Gebundenes Brom: 0,2441 g.

Sind a die bekannte Gesamtmenge des Phenols und Kresols, x und y die unbekannten Mengen Phenol und Kresol, b die verbrauchte Brommenge, so gelten die Gleichungen:

I. x+ y =a

3 Br 2 Br * Phenol "` Se Kresol Y é Durch Einsetzen der Molekulargewichte erhält man: 2,5493 xz + 1,4792 y =b

da r=a—.y: 2,5493 (a y) + 1,4792 y = b 2,5493 a b Y= 1,0701 Somit:

Gefunden Angewandt

Phenol. . 0,0333 g 0,0380 g

Parakresol 0,0252 ,, 0,0205 ‚,

Differenz 0,0047 g. B. Angewandt 20 ccm derselben Parakresollösung und 10 ccm derselben Phenollösung wie in A.

C. Ebenso. Gefunden Angewandt B. C. Phenol. . 0,0259g 0,0289 g 0,0380 g Parakresol 0,0531 ,, 0,0501 0,0410 ,, B. C. Differenz 0,0121 0,0091

Aus diesen Versuchen geht hervor, daß die Vorschrift von Ditz und Cedivoda unbrauchbar ist.

2. Versuche mit der Methode von Koppeschaar.

Schon von Kossler und Penny (l. c), Ditz und Cedi- voda (l.c.) und Keppler (l.c.) ist gezeigt worden, daß die Methode von Koppeschaar für Parakresol nicht brauchbar ist. Wir haben zudem selbst Versuche mit dieser Methode angestellt, deren Resultate die Angaben genannter Forscher bestätigen.

Angewandte Kresolmenge in allen Versuchen: 0,0302 g.

Gefundenes Kresol, aus Tribromkresol berechnet, in Gramm:

I II III IV V VI VII VII 0,0272 0,0266 0,0275 0,0264 0,0234 0,0236 0,0241 0,0236

374 M. Siegfried und R. Zimmermann:

In allen Fällen wurde zu wenig Kresol gefunden, was durch Abspaltung von Brom unter teilweisem Übergange des Tri- bromkresols in Dibromkresol zu erklären ist.

3. Versuche mit Erwärmen nach dem Jodkaliumzusatz.

Es konnte erwartet werden, daß, wenn unter Anwendung der Methode von Koppeschaar bei gewöhnlicher Temperatur eine merkliche Überführung des Tribromparakresols in Dibrom- parakresol stattfindet, bei höherer Temperatur diese Überführung vollständig erreicht werden konnte.

In den folgenden Versuchen wurden je 10 oom Parakresol- lösung (= 0,0302 g) in einer mit Glasstopfen versehenen Eng- halsflasche mit 100 ccm Bromatbromidlösung (== 0,2360 g Br) und 10 ccm 25°/,iger Salzsäure vermischt. Nach 15 Minuten langem Stehen bei öfterem Umschütteln wurden 20 com 5°/,ige Jodkaliumlösung dazugegeben, der Stopfen fest zugebunden und die Flasche verschieden lange, wie im einzelnen Falle angegeben, im kochenden Wasserbade erwärmt. Nach dem Erkalten wurde titriert.

Die Zahlen für gefundenes Kresol sind unter der Annahme berechnet, daß alles Kresol in Dibromkresol übergeführt sei. Da sie zu hoch ausfallen, zeigen sie, daß und in welchem Um- fange anstatt Dibromkresol Tribromkresol entstanden ist.

Gefundene Gramm Kresol

In den folgenden Versuchen wurden nach Zusatz der Bromat- bromidlösung an Stelle der 10 ccm 25°/,iger Salzsäure 5 com mit dem gleichen Volum Wasser verdünnter konzentrierter Schwefelsäure gegeben.

Gefundene Gramm Kresol 1/, Std. erhitzt | 2 Std. erhitzt

0,0302 | 0,0414 | 0,0408 | 0,0399 | 0,0390 | 0,0384 | 0,0348 | 0,0420

In allen Fällen war die Überführung des Tribromkresols in Dibromkresol keine vollständige.

Getrennte Bestimmung von Phenol u. p-Kresol im Harne, 375

In entsprechenden Versuchsreihen wurde ferner geprüft, ob

4. durch Verwendung wechselnder geringerer Mengen Bromid- bromatlösungen,

5. durch Vermehrung des Jodkaliumzusatzes,

6. durch Verwendung größerer Mengen Salzsäure,

7. durch langes Stehenlassen und Schütteln nach dem Jodkaliumzusatz die quantitative Überführung des Tribromkresols in Dibromkresol gelänge. Keine dieser Versuchs- reihen führte zum Ziele.

Bei allen diesen Bestimmungen beobachtet man, daß nach dem Jodkaliumzusatze die Hauptmenge des zunächst entstan- denen Niederschlages in Lösung geht, während ein kleiner Rest ungelöst bleibt. Es war zu vermuten, daß das Tribromkresol, soweit es sich löst, in das Dibromkresol übergeht, während der ungelöst bleibende Rest Tribromkresol ist. Die Berechtigung dieser Annahme wurde wie folgt experimentell geprüft.

Untersuchung des nach dem Jodkaliumzusatze in Lösung gehenden und des ungelöst bleibenden Teiles des Niederschlages.

Zu der Lösung von be Parakresol (Raschig) in 11 Wasser wurden 101 Kaliumbromidbromatlösung (enthaltend 8,34 g KBrO, und 29,7 g BrK) und 1 1 25°/,ige Salzsäure gegeben. Nach 15 Minuten langem Stehen wurde 1 1 5°/ ige Jodkaliumlösung zugegeben, die Mischung durchgeschüttelt, der Niederschlag abgesaugt, mit Wasser gewaschen und über Schwefelsäure im Vakuum getrocknet. Das mit niedergeschlagene Jod wurde hierbei wegsublimiert.

Tribromparakresol.

Die Substanz erwies sich als ein bisher nicht beschriebenes Tribromparakresol.

Sie löste sich leicht in Alkohol, Ather, Chloroform, Ligroin, Benzol und Eisessig. Aus Eisessig umkrystallisiert, bildet das Tribromparakresol farblose Nadeln, die konstant bei 142° schmelzen.

Durch wiederholtes Umkrystallisieren aus Chloroform wurden ebenfalls hellgelbe Nadeln erhalten, deren Schmelzpunkt kon-

stant bei 139° lag. Biochemische Zeitschrift Band 29. 25

376 M. Siegfried und R. Zimmermann:

Analysen: I. 0,1023 g Subst. gaben 0,1673 g AgBr = 69,60°/, Br] 8 5 II. 0,0934 „a , a 0,1544,„ = UA, » E III. 0,1657 » 08574, =%035, „Is = IV. 0,1287, 02106, =896, „| gE

V. 0,1778, » 0,1601 CO, und 0,0263 g H,O.

Die Brombestimmungen wurden durch Schmelzen mit Atz- natron und Salpeter in der Silberschale ausgeführt, die C- und H- Bestimmung mit vorgelegtem Bleichromat und mit Silberspirale.

Gefunden Berechnet für CH,.C,HBr,.OH C 24,56°/, 24,35°/, H 1,65 ,, 1,46 „, Br 69,98 ,, 69,57 ,,

Somit ist bewiesen, daß der nach Jodkaliumzusatz unlöslich bleibende Rückstand Tribromparakresol ist.

Zur Identifizierung des löslichen Bromkörpers wurde die gesamte von dem ungelösten Rückstande abfiltrierte Flüssigkeit mit Ather extrahiert. Der Atherrückstand wurde auf dem Wasserbade bis zur völligen Vertreibung des Jods erwärmt und aus Chloroform umkrystallisiert. Es schieden sich glänzende farblose Nadeln ab, die bei 49° schmolzen. Werner!) gibt als Schmelzpunkt des Dibromparakresols 48 bis 49° an.

Die Brombestimmung lieferte ebenfalls einen der Theorie entsprechenden Wert:

0,1950 g Subst. gaben 0,2733 g AgBr. Br gefunden: 59,65°/,; berechnet: 60,12°/,.

Nachdem nachgewiesen war, daß in der Lösung sich nur Dibromparakresol, im Rückstande Tribromparakresol befindet, wurde in den folgenden Versuchen danach gestrebt, den Nieder- schlag völlig in Lösung zu bringen. Es wurden Versuchsreihen ausgeführt, bei denen der Jodkaliumzusatz variiert wurde mit und ohne Verdünnung mit Wasser. Genaue Resultate wurden schlicßlich erhalten, wenn die Parakresollösung vor dem Zusatze der Bromatbromidlösung verdünnt wurde und nach dem Zusatze der BromatbromidlösungdasUmschütteln vermieden wurde.

1) Bull. Soc. chim. II. 46, 275, 1886.

Getrennte Bestimmung von Phenol u. p-Kresol im Harne. 377

Dadurch wird bewirkt, daß der Niederschlag sich nicht zusammen- ballt, und daß er dann vollständig unter Übergang in Dibrom- parakresol in Lösung geht.

10 ccm Parakresollösung (= 0,0479 g) wurden mit 100 eem Wasser verdünnt, 100 ccm Bromlauge (= 0,2390 g Br) und 10 ccm 25°/,ige Salzsäure zugefügt, unter vorsichtigem Um- schwenken gemischt und 15 Minuten ruhig stehen gelassen. Dann wurden der Mischung 15 ccm 5°/,ige Jodkaliumlösung zugefügt und nach kräftigem Durchschütteln titriert.

Unter der Voraussetzung, daß Dibromparakresol entstanden war, wurden erhalten:

Thiosulfatlösung Parakresol verbraucht gefunden berechnet ccm g g I. 11,90 0,0486 0,0479 II. 11,70 0,0492 0,0479 III. 12,00 0,0484 0,0479

In der folgenden Versuchsreihe wurden 10 ccm einer frisch dargestellten Parakresollösung verwendet, mit 200 ccm Wasser verdünnt, an Stelle von 10 ccm 20 com 25°/,ige Salzsäure und nach 15 Minuten mit 20 ccm 5°/,iger Jodkaliumlösung versetzt und die Mischung 1 Stunde vor Licht geschützt stehen gelassen.

Thiosulfatlösung Parakresol verbraucht gefunden berechnet ccm g 8 I. 22,30 0,0206 0,0203 II. 22,20 0,0208 0,0203 III. 22,20 0,0208 0,0203 IV. 22,00 0,0214 0,0203

Es handelte sich jetzt darum, zu prüfen, ob die Methode auch bei Mischungen von Phenol und Parakresol genaue Werte lieferte.

Auf Seite 371 haben wir entwickelt, daß sich nach folgen- den Gleichungen die gesuchten Mengen Kresol (x) und Phenol (y) berechnen lassen, wenn b, und b, bekannt sind.

I. x = 0,67605 (b, —b,)

II. y = b, 0,5884 b, 0,3923

b, ist dio Brommenge, die nach der hier ausgearbeiteten Methode erhalten wird. Zur Prüfung der letzteren wird b, berechnet nach:

a-479-52 b-479-.25

= 108,06 + 94,05

wenn a und b die angewandten Mengen Kresol und Phenol sind. 25*

378 M. Siegfried und R. Zimmermann:

10 ccm Parakresollösung (0,0203 g) und 10 ccm Phenollösung (0,0380 g) mit 500 ccm Wasser verdünnt, dazu 150 ccm Bromat- bromidlösung (= 0,3585 g Br) und 30 ccm 25°/,ige Salzsäure umgeschwenkt und 15 Minuten stehen gelassen. In dieser Ver- dünnung entsteht erst nach einiger Zeit ein feinflockiger Nieder- schlag. Dann 30 ccm einer 5°/,igen Jodkaliumlösung zugesetzt, vorsichtig umgeschwenkt und die Mischung 1 Stunde vor Licht geschützt stehen gelassen und titriert. Bei den Versuchen A und 5 wurden 200 eem Bromlauge (= 0,4740 g Br) statt 150 ccm verwendet. l

Phenol

12,9 | 0,2836 | 0,2554 13,1 | 0,2836 | 0,2538 12,5 | 0,2836 | 0,2586 27,67 | 0,2836 | 0,2529 28,22 | 0,2836

0,0390 0,0380 0,0381 0,0380 0,0409 0,0380 0,0375 0,0380 0,0350 0,0380

D Gobita

Folgende Versuchsreihe zeigt, daß auch bei sehr wech- selnden Mengen Parakresol genügend genaue Werte erhalten werden.

Je 10 ccm Phenollösung (0,0380 g) wurden mit aufsteigenden Mengen der Parakresollösung und mit 500 ccm Wasser ver- mischt, dazu 150 eem Bromatbromidlösung und 30 ccm 25°/ ige Salzsäure gegeben, gut durchgemischt und 15 Minuten stehen gelassen. Dann mit 20 ccm 5°/,iger Jodkaliumlösung vermischt, 1 Stunde stehen gelassen und mit ®/ „-Thiosulfatlösung zurück- titriert.

Kresol.| Thi Parakresol Phenol

1 0,0381 0,0380 2 0,0383 0,0380 3 0,0376 0,0380 4 0,0380 0,0380 5 0,0389 0,0380 6 0,0379 0,0380 7 0,0378 0,0380 8 10, 0,0386 0,0380 9 0,3365 | 0,2898 0,0385 0,0380 10 0,3524 |0,3014 0,0391 0,0380

Getrennte Bestimmung von Phenol u. p-Kresol im Harne. 379

In den ersten beiden Versuchen entsprachen die 150 eem Bromatbromidlösung 0,3555 g Br, in den übrigen 0,3585 g.

Entsprechend wurde in folgender Versuchsreihe die Menge des Phenols variiert.

150 com | Parakresol Phenol

Bromat-

bromid- bi b, ge- | ange- | ge- pange

lösung funden wandt | funden! wandt

SE g | g g | g 1 28,75 | 0,3570 | 0,1783 | 0,1272 | 0,0346 | 0,0358 | 0,0049 | 0,0038 2 26,45 0,3570 | 0,1976 ' 0,1456 | 0,0352 : 0,0358 | 0,0082 | 0,0076 3 24,05 | 0,3570 |0,2170 0,1648 | 0,0353 . 0,0358 | 0,0118 | 0,0114 4 21,25 | 0,3540 | 0,2363 0,1842 | 0,0352 | 0,0358 | 0,0152 | 0,0157 5 19,08 | 0,3555 | 0,2557 | 0,2030 | 0,0356 | 0,0358 | 0,0191 | 0,0190 6 16,50 | 0,3555 | 0,2750 ı 0,2236 | 0,0348 | 0,0358 | 0,0237 | 0,0228 7 14,30 | 0,3555 | 0,2944 | 0,2412 | 0,0360 | 0,0358 | 0,0264 ! 0,0266 8 11,85 | 0,3555 | 0,3137 | 0,2608 | 0,0358 | 0,0358 | 0,0304 | 0,0304 9 9,40 | 0,3555 | 0,3331 | 0,2804 | 0,0356 | 0,0358 | 0,0343 | 0,0342 10 7,15 | 0,3585 | 0,3524 | 0,3014 | 0,0345 | 0,0358 | 0,0391 | 0,0380

Wie man sieht, sind die Resultate bei den verschiedensten Mischungsverhältnissen von Phenol und Kresol genau. Wie wir weiter unten zeigen werden, gelingt es durch einen Kunstgriff, einen übergroßen Überschuß an Bromatbromidlösung zu ver- meiden und so die Genauigkeit der Methode zu sichern.

Methode zur Bestimmung von D..

Nach der Methode von Koppeschaar läßt sich Kresol nicht bestimmen. Hingegen wird, wenn man nach Keppler?) vor dem Jodkaliumzusatz filtriert, das zunächst quantitativ ent- standene Tribromkresol der Einwirkung des Jodkaliums bzw. der Jodwasserstoffsäure entzogen, und man erhält so genaue Werte. Es läßt sich aber die Kepplersche Methode nicht auf Phenol und somit Gemische von Phenol und Kresol anwenden, da aus dem Phenol zunächst mehr oder weniger Tribromphenol- brom entsteht, das erst durch den Jodkaliumzusatz in Tribrom- phenol übergeführt wird. Durch folgende Beispiele wird diese bereits bekannte Tatsache belegt:

Versuch 1. 10ccm Phenollösung (= 0,0380 g), 100 ccm Bromatbromidlösung (= 0,4736 g Br), 200 ccm Wasser (um beim nachherigen Filtrieren möglichst einen Bromverlust zu ver-

1) Arch. f. Hygiene 18, 51, 189%

380 M. Siegfried und R. Zimmermann:

meiden), die Mischung von 10 ccm konzentrierter Schwefelsäure und 10 ccm Wasser, umgeschwenkt, 15 Minuten stehen gelassen. Dann kräftig durchgeschüttelt, bis sich der Niederschlag fest zusammenballte und durch Glaswolle in 20 ccm 5°/,ige Jod- kaliumlösung filtriert, der Niederschlag gut mit Wasser aus- gewaschen und Filtrat und Waschwasser mit ®/,,-Thiosulfat- lösung titriert.

Verbr. 27,15 ccm ®/,„-Thiosulfatlösung.

Gefunden berechnet

auf Tribromphenol auf Tribromphenolbrom Phenol 0,0380 g 0,0503 g 0,0378 g

Der Niederschlag bestand also nur aus Tribromphenolbrom.

Versuch 2. Bei diesem Versuche wurden nur 100 ccm Wasser statt 200 ccm zugesetzt und nach Zusatz der Schwefel- säure nur 10 Minuten stehen gelassen.

Angewandt

Angewandt Gefunden auf Tribromphenol ber. Phenol 0,0380 g 0,0419 g Hier ist also ein Gemenge von Tribromphenol und Tetra- bromphenol entstanden. Versuch 3. Wie Vers. 1, jedoch 50 ccm Bromatbromid- lösung anstatt 100 ccm.

Versuch 4. Wie Vers. 3, jedoch ohne Zusatz von 200 ccm Wasser. Angewandt Gefunden auf Tribromphenol ber. 3 4 Phenol 0,0380 0,0382 0,0383 Die Niederschläge der Versuche 3 und 4 waren farblos. Die über Schwefelsäure getrocknete Substanz hatte den Schmelzp. des Tribromphenols 93° und gab den diesem entsprechenden Bromwert. 0,0476 g Subst. gaben 0,0810 g AgBr, Br gefunden: 72,42°/,; berechnet: 72,50°/,. Sowohl die Titrierungen als die Bestimmung des Schmelz- punktes und die Analyse ergaben, daß nur Tribromphenol ent- standen war. | Aus den Versuchen geht hervor, daß bei einem großen Überschusse der Bromatbromidlösung Tribromphenolbrom oder ein Gemenge desselben mit Tribromphenol entsteht, daß aber unter Umständen nur Tribromphenol erhalten wird.

m

Getrennte Bestimmung von Phenol u. p-Kresol im Harne. 381

Es fragte sich nun, ob es gelänge, bei unbekannten Mengen Phenol die Menge der zuzusetzenden Bromatbromid- lösung so abzupassen, daß lediglich Tribromphenol entsteht. Wenn dann unter denselben Bedingungen aus Parakresol Tri- bromparakresol entstünde, ließe sich durch Filtrieren der Brom- fällungen vor dem Jodkaliumzusatze eine Methode schaffen, b, zu bestimmen.

Setzt man zu der wässerigen Phenollösung erst die Schwefel- säure und dann die Bromatbromidlösung allmählich zu, so wird eine Hellfärbung erst eintreten, wenn eben ein Überschuß von Brom vorhanden ist. In den folgenden Versuchen sollte fest- gestellt werden, ob unter dieser Bedingung aus Phenol quan- titativ Tribromphenol, aus Parakresol quantitativ Tribrompara- kresol und aus den Gemengen beider Phenole quantitativ die Tribromderivate entstehen.

Versuch 1. 10ccm Phenollösung, 100 cem Wasser. Mi- schung von 10 eem konz. Schwefelsäure und 10 ccm Wasser, dazu aus einer Bürette so viel Bromatbromidlösung, bis die Flüssigkeit gelb gefärbt war und der Niederschlag sich beim vorsichtigen Schütteln zusammenzuballen anfing.

Nach 10 Minuten durch Glaswolle in 15 ccm 5°/,ige Jod- kaliumlösung filtriert und titriert.

Versuch 2. Wie Vers. 1, jedoch ohne Zusatz der 100 ccm Wasser.

Versuch 3 und 4. 10 ccm Parakresollösung, 5 com konz. Schwefelsäure + 5 com Wasser; sonst wie Vers. 1 und 2.

<S | Bromat- Wi E Phenol Kresol

Q D Lal 2 20

2 | bromid- >23 ge- an- ge- an-

Ki CG S| funden | gewandt | funden | gewandt

& B

0,0378 0,0378

we Ca Ki bei

Gemische von Phenol und Parakresol. Phenollösung: 3,795 g in 1000 ccm Parakresollösung; 3,60 g in 1000 com. In den einzelnen Versuchen wurden die angegebenen Kubik- zentimeter Phenol- und Kresollösungen genommen, dazu 100 com

382 M. Siegfried und R; Zimmermann:

Wasser und 20 ccm Schwefelsäure (1:1), Bromidbromatlauge aus der Bürette, bis die Flüssigkeit gelb gefärbt war und der Niederschlag beim Umschütteln sich zusammenballte.

Nach 10 Minuten durch Glaswolle in 20 ccm 5°/,iger Jod- kaliumlösung filtriert.

Gebundenes Brom

be- ge- |. rechnet | funden | Pifferenz 8 g

0,2179 | 0,2167 |— 0,0012 0,2568 | 0,2573 |+ 0,0005 0,2760 | 0,2734 | 0.0026 0,3338 | 0,3325 | 0,0013 0,2414 | 0,2426 4 0,0012 0,2734 | 0,2747 | + 0,0013 0,2893 0,2868 | 0.0025

0,3372 | 0,3365 | 0,0007 0,3532 | 0,3521 | 0,0011

OD N CD Or WW I

10 | 10 | 879 0,4136 | 7,

In den meisten Fällen ist zu wenig Brom gebunden worden. Deshalb war zu erwarten, daß die Genauigkeit der Methode vergrößert werden könnte, wenn man etwas mehr Bromatbromidlösung verwendete. Daher wurde in den folgenden 4 Versuchen vom Eintritt der Gelbfärbung an noch der 10. Teil der bis dahin zugefügten Bromatbromidlösung zu- gesetzt. Da auch diese Menge noch nicht genügte, wurde in den Versuchen 5 bis 8 der 8. Teil hinzugefügt.

Stets wurden 10 ccm Phenollösung (0,038 g) und 10 ccm Parakresollösung verwendet, die in den Versuchen 1 bis 4 0,0240 g, in den Versuchen 5 bis 8 0,0263 g Parakresol ent- hielten.

e nn

Bromatbromid-

Gebundenes Brom

zu- - S be- S É sammen |lösung| rechnet | funden | Differenz

g g 0,3000 | 0,2978 | 0,0022

1 6,3

2 6,5 0,3000 | 0,3014 | + 0,0014 3 6,3 0,3000 | 0,2978 | 0,0022 4 6,3 0,3000 | 0,2986 | 0,0014 5 7,9 0,3100 | 0,3119 | + 0,0019 6 8 0,3100 | 0,3116 | + 0,0016 7 7,9 0,3100 | 0,3118 |+ 0,0018 8 8 0,3100 | 0,3110 | + 0,0010

Getrennte Bestimmung von Phenol u. p-Kresol im Harne. 383

Dieses von uns modifizierte Kepplersche Verfahren ge- stattet also b, zu bestimmen.

Man kann übrigens mittels dieser b, -Methode in den Fällen direkt Phenol und Parakresol quantitativ bestimmen, wenn die Summe beider bekannt ist, wenn man also das Ge- menge nicht wie bei der Bestimmung im Harne in wässeriger Lösung, sondern als Phenolgemisch selbst hat und solches ab- wägen kann.

Folgende Rechnung führt zu den gesuchten Werten für Phenol und Kresol.

Bezeichnet man mit

x die unbekannte Menge Phenol,

Y ge Parakresol,

F „durch Phenol gebundenes und in BrH übergeführtes Brom,

y, die unbekannte Menge durch Parakresol gebundenes und in BrH übergeführtes Brom,

a die bekannte Menge Phenol 4 Parakresol,

b die durch die Methode gefundene, durch Phenol + Para- kresol gebundene und in BrH übergeführte Menge Brom, so ist

L xr y =a

2. F Y =b

Es verhält sich dann die gesuchte Menge Phenol zu der von dieser gebundenen Menge Brom wie das Molekulargewicht des Phenols zu dem von 6 Atomen Brom, und die gesuchte Menge Kresol zu der von dieser gebundenen Mengo Brom wie das Molekulargewicht des Kresols zu dem Molekulargewichte von 6 Atomen Brom; also:

3 E 94,05 Er 94,05. x, : x, 479,52’ 479,52 i y 108,06, _108,06-y, y, 479,52’ Y T -479,52 Aus 1. folgt: 94,05 108,06 17952% T may = aus 2.:

=b y,

384 Ä M. Siegfried und R. Zimmermann:

also: 94,05 (b—.y,) + 108,06: y, ` 479,52 479,52 94,05 b + 14,01 y, ` R 479,52 14,01 y, = a: 479,52 94,05 b a: 479,52 94,05 b ı 14,01

Ist y, gefunden, so erhält man aus 4. den Wert für y und aus l. den Wert für z.

Zum Beispiel:

Versuch 8, S. 382.

Phenol 4 Kresol = a = 0,0642

b = 0,3110 0,0642. 479,52 —94,05.0,3110 = 150 == 0,1096 108,06 108,06-.0,1096 Y= z752 Tg "Ae Kresol gefunden: 0,0248 g; angewandt: 0,0263 g ferner: x a y = 0,0642 0,0248 0,0394 Phenol gefunden: 0,0394 g; angewandt: 0,0380.

Über die Abmessung der Bromatbromidlösung bei der Bestimmung von b,

Handelt es sich darum, Phenol und Kresol, deren Quan- titäten auch nicht ungefähr bekannt sind, zu bestimmen, so kann es leicht vorkommen, daß man bei Ausführung der Be- stimmung von b, einen sehr großen Überschuß von Bromat- bromidlösung verwendet, da bei der starken Verdünnung der Phenollösungen der Überschuß an Brom nur ungenau durch die Gelbfärbung der Lösung zu erkennen ist. In solchen Fällen findet man öfters zuviel gebundenes Brom.

Es ist klar, daß diejenige Menge Brom, die bei der Be- stimmung von b,, bei der ja sowohl Tribromphenol als auch Tribromkresol entsteht, bei der Bestimmung von b, bei der neben Tribromphenol nur Dibromkresol ganz oder teilweise zu entstehen braucht, genügen wird. Deshalb wurden folgende Versuche angestellt, bei denen zur Bestimmung von b, nur

Getrennte Bestimmung von Phenol u. p-Kresol im Harne. 385

diejenige Menge Bromatbromidlösung verwendet wurde, die bei der parallel ausgeführten Bestimmung von b, Gelbfärbung hervorrief.

In den hier angeführten Versuchen wurden je 10 ccm der gleichen Phenol- und Parakresollösungen wie auf Seite 382 ver- wendet und die zur Gelbfärbung erforderliche Anzahl von Kubikzentimetern der dort angegebenen Tabelle entnommen.

Gebundenes Brom

0,2729 | + 0,0017 0,2712 0,2707 | 0,0005 0,2712 0,2715 | + 0,0003 0,2712 0,2723 | + 0,0011

ID Fa

Beschreibung der Methode zur quantitativen Bestimmung des Phenols sowie des Parakresols in wässerigen Lösungen.

Erforderliche Lösungen:

1. a/ ,.Natriumthiosulfatlösung.

2. Kaliumbromatbromidlösung, im Liter 0,834 g Kalium- bromat und 2,97 g Kaliumbromid enthaltend. Der Titer wird bestimmt.

3. 5°/ ige Jodkaliumlösung, die nach Ansäuern mit ver- dünnter Schwefelsäure Stärkelösung nicht bläuen darf.

4. Stärkelösung, aus löslicher Stärke bereitet.

5. Schwefelsäure, aus gleichem Volum Wasser und konzen- trierter Schwefelsäure bereitet.

6. Zirka 25°/ ige Salzsäure.

A. Bestimmung von b, mit der b,-Methode.

In einer ca. 500 ccm fassenden, mit Glasstopfen ver- sehenen Enghalsflasche versetzt man die genau gemessene Menge der wässerigen Lösung des Phenolgemisches (sofern sie nicht wenigstens 100 ccm beträgt, verdünnt man sie mit Wasser auf dieses Volum) mit 20 bis 30 ccm Schwefelsäure (1:1), schüttelt um und fügt aus einer Bürette unter Umschwenken zunächst so viel der Kaliumbromidbromatlösung dazu, bis sich beim Schütteln der Niederschlag zusammenballt und die Flüssigkeit

386 M. Siegfried und R. Zimmermann:

deutlich gelb gefärbt ist. Dann läßt man noch den 8. Teil der angewandten Menge Bromlauge hinzufließen und läßt die Mischung gut verschlossen unter öfterem kräftigem Schütteln 1 Stunde lang stehen. Hierauf wird unter Vermeidung von Bromverlust durch Glaswolle in 25 bis 30 cem 5°/,ige Jod- kaliumlösung filtriert, die erste Flasche mit Wasser gut nach- gespült, mit diesem zur Absorption freier Bromdämpfe gut durchschüttelt und mit diesem Wasser der Niederschlag aus- gewaschen. Im Filtrate wird mit al, „Thiosulfatlösung das Jod titriert.

B. Bestimmung von b,

Die gleiche Menge der Lösung des Phenolgemisches wie in A versetzt man in einer mit Glasstopfen versehenen Liter- flasche mit ca. 30 ccm 25°/,iger Salzsäure und verdünnt bis auf ca. 500 ccm mit Wasser. Dann fügt man unter gleich- mäßigem langsamem Umschwenken diejenige Menge Bromat- bromidlösung hinzu, die nach der b -Methode bis zur Gelb- färbung der Flüssigkeit verbraucht wurde, und läßt die Mischung ohne zu schütteln gut verschlossen 15 Minuten stehen. Es kommt hierbei hauptsächlich darauf an, daß der entstehende Nieder- schlag sehr feinflockig ausfällt, was man nur durch ganz vor- sichtiges Umschwenken erzielt.

Nach 15 Minuten versetzt man die Mischung mit 25 bis 30 ccm DÉI (ger Jodkaliumlösung, schüttelt allmählich um, bis die Flüssigkeit gleichmäßig gefärbt ist und läßt die Mischung l Stunde vor Licht geschützt stehen. Darauf schüttelt man mehrere Male kräftig durch und titriert das freie Jod mit pl, Natriumthiosulfatlösung.

Berechnung (s. S. 371):

b, = die nach A gefundene Menge gebundenen Broms,

D. = y IT B IT x die gesuchten Mengen Parakresol, sp e Phenol.

x = 0,67605 (b, —5,) y =— 0,5884 -b, —0,3923 - b,

Den Titer der Bromatbromidlösung bestimmt man folgender- maßen:

Getrennte Bestimmung von Phenol u. p-Kresol im Harne.

In einer verschließbaren Flasche von ca.

387 250 cem Inhalt

werden 100 ccm Bromatbromidlösung mit 10 cem 25°/,iger Salzsäure und mit 15 cem 5°/,iger Jodkaliumlösung vermischt. Das freie Jod wird mit al, „Thiosulfatlösung titriert, wobei die Stärkelösung erst gegen Ende der Reaktion zugefügt wird, d.h.,

wenn die Flüssigkeit nur noch gelb gefärbt ist. sulfatlösung =

0,007 992 Br.

l ccm Thio-

Bestimmungen mittels der Methode. Die Resultate enthält folgende Tabelle.

32 II + [0,1721 |32 4

40 2| + 10,2151 40 10,1912 |4,62/6,4 [0,1782 5

44,5 3| + [0,2390 144,5 0,2127 13,3 AGR 0,2125

3

62,6 4| + 10,3365 ‚62,6 0,2992 |7,4717,8

Thio- sulfat- lösung bei

0,2768

60,25 BI + 0,3238 |60,25:0,2880 15,0 |3,9210,2838

$

57,7 6| + 0,3102 157,7 (0,2758 17,1 5,4 10,2535

D

50 7| + |0,2689 50 |0,2390 |4,88|3,0 6,25

0,2299

Die Bestimmungen zeigen die

| 0,1530 14,45 6,9 |0,1365

Phenol ange- | ge- wandt funden wandt

8 8

0,0979 0,0038 ben 0,0263 | 0,0261

0,1401 0,0114 |0,0125 [0,0263 | 0,0258

0,1767 0,0190 '0,0198 [0,0263 | 0,0249

0,2369 0,0304 0,0308 [0,0263

0,2567 0,0380 0,0397 10,0210

0,0270 0,0183 0,2326 0,0380 |0,0376 |0,0131

0,0142

0,2150 0,0380 0,0364 10,0079 | 0,0100

Brauchbarkeit der Methode.

Wenn man lange mit der Ausarbeitung einer Methode und dann mit dieser selbst beschäftigt war, und schreibt die genaue Vor- schrift der Methode nieder, so läuft man Gefahr, Nebenumstände, die man unwillkürlich stets berücksichtigt hat, zu übersehen. Deshalb haben wir drei Herren des Laboratoriums, die zwar im Titrieren gut geübt

388 M.Siegfried u. R. Zimmermann: Gett, Best. v. Phenol u. p-Kresol usw.

waren, unserer Methode jedoch sonst fern standen, gebeten, mit der oben abgedruokten genauen Beschreibung der Methode in der Hand ganz selbständig die Bestimmungen auszuführen. Die abgemessenen Lösungen des Gemisches von Phenol und Kresol erhielten sie von uns.

I. Herr Dr. W. Sulze:

b, = 0,2724 ba = 0,2412 Parakresol gefunden: 0,0211 g berechnet: 0,0225 g Phenol Se 0,0350 g = 0,0330 g IL Herr J. Appenrodt: b, = 0,2699 b, = 0,2353 Parakresol gefunden: 0,0234 g berechnet: 0,0225 g Phenol PR 0,0326 g 0,0330 g IH. Herr H. Reppin: b, = 0,2700 ba = 0,2372 Parakresol gefunden: 0,0222 g berechnet: 0,0225 g Phenol e 0,0336 g i 0,0330 g

Über Bestimmungen des Phenols und Kresols im mensch- . lichen Harne, von denen wir bereits eine Anzahl ausgeführt haben, soll in Kürze berichtet werden.

Über den befördernden Einfluß der Lipoide auf die Wirkung der Leberdiastase.

Von

Eugenio Centanni, (Aus dem Institut für allgemeine Pathologie der Kgl. Universität Jena.) (Eingegangen am 15: Oktober 1910.)

Die vorliegenden Untersuchungen liefern einen Beitrag zur Kenntnis der Funktion der Lipoide bei der Fermentwirkung und behandeln speziell den Einfluß der Lipoide eines Gewebes auf die Aktivität der Fermente dieses selben Gewebes. Sie sind überdies eine Fortsetzung meiner Arbeit über die Stomo- sine, das heißt über die Prinzipien, die aus den Geweben extrahiert werden können und die die Eigenschaft besitzen, die biologischen Reaktionen zu verändern, und zwar insbesondere die Empfindlichkeit des Organismus gegen pathogene Einflüsse.

Damit die Fermente wirken können, sind bekanntermaßen Hilfssubstanzen notwendig, die entweder das Zymogen in ein aktives Ferment verwandeln (Aktivatoren, Kinasen), oder sie regeln die Intensität der Wirkung nach zwei Seiten hin, hemmend und aufhebend oder auch reizend und beschleunigend; diese Substanzen werden unter dem allgemeinen und wenig charakteristischen Titel Kofermente zusammengefaßt. Von diesen Kofermenten gehört ein Teil, insbesondere von den koktostabil und nicht dialysierbar befundenen, mit aller Wahr- scheinlichkeit unter die Lipoide, aber die diesbezüglichen Unter- suchungen sind noch nicht sehr zahlreich; ich verweise auf die Mitteilungen von Küttner!), Bang? Starkenstein?), Pal-

1) Küttner, Zeitschr. f. physiol. Chem. 50, 472, 1906/07. 2) Bang, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 9, 413, 1807. 3) Starkenstein, diese Zeitschr. 24, 191, 1910.

390 E. Centanni:

ladin und Stanewitsch?!), Glikin?), Maxwell’), Schwarz’), K. Mayer’), Döblin), Cobliner’),, Bauer’), Braun- stein und Kepinow?), Satta und Fasani!’).

Ich!!) habe Lipoide aus verschiedenem Material hergestellt; dieselben wurden für die folgenden Versuche mit der Amylase verwendet, und ich habe ihre Wirkung auf die Aktivität einiger Proteinfermente untersucht: Autolyse der Leber, Trypsin in bezug auf Casein und Gelatine, und das Chymosin.

Im allgemeinen resultierte daraus eine hemmende Wirkung, die aber weder so konstant noch so ausgesprochen war, daß man durch solche Stoffe allein die beim Blut beobachtete hemmende Fähigkeit erklären könnte.

Experimenteller Teil.

Ich habe Atherextrakte und manchmal die mit Alkohol verwendet; die Art des erhaltenen Lipoids schwankt, wie man weiß, je nach dem verwendeten Lösungsmittel, und in jedem Fall erhält man verschiedenartige und komplizierte Produkte.

Die Ausgangsmaterialien waren die Leber, der Darm, das Blut im ganzen, Hühnereidotter und Bierhefe. Das Ausgangs- material wurde in dünner Schicht an der Luft rasch getrocknet und pulverisiertt; dann wurde im Schütteltrichter extrahiert, wobei das Lösungsmittel in zwei Tagen vier- oder fünfmal er- neuert wurde, so daß im Mittel ein Flüssigkeitsvolumen er- reicht wurde, das doppelt so groß war als das Gewicht des verwendeten Pulvers. Vor dem Gebrauch wurde das Lösungs- mittel vollständig entfernt. Als Bezeichnung des MaßBes be-

1) Palladin und Stanewitsch, diese Zeitschr. 26, 351, 1910.

2) Glikin, diese Zeitschr. 4, 235, 1909.

3) Maxwell, Chem. Centralbl. 2, 272, 1909.

4) O. Schwarz, Wiener klin. Wochenschr. 1909, Nr. 33.

6) Kurt Meyer, Berl. klin. Wochenschr. 1909, Nr. 23, 42.

6) Döblin, Zeitschr. f. Immunf. 4, H. 1—2, 1910.

?) Cobliner, diese Zeitschr. 25, 494, 1910.

8) Bauer, Zeitschr. f. Immunf. 5, H. 2, 1910.

%) Braunstein und Kepinow, diese Zeitschr. 24, 171, 1910.

10) Satta und Fasani, Berl. klin. Wochenschr. 1910, Nr. 37.

11) Centanni, Soc. it. di Patol. 1903; Lo Sper. e Bull. Inst. Past. 1904, 266; Accad. Fisioor. Siena, 26. Juni 1910.

Befördernder Einfluß der Lipoide auf die Wirkung der Leberdiastase, 391

diente ich mich lieber, anstatt des Gewichtes des Extrakts, dessen des Organpulvers, von dem es herstammte.

Um die Aktivität der Leberamylase zu untersuchen, schlug ich das von Starkenstein!) geübte Verfahren ein.

Als Ferment bereitet man nach der Methode von Wie- chowski?) ein haltbares trockenes Pulver aus Leberparenchym, von dem man im Momente des Bedarfes eine feine 2°/,ige Emulsion herstellt, die in verschiedener Dosis (0,2, 0,5, 1,0) der 0,5°/ (gen Lösung von löslicher Stärke zugesetzt wird, wobei jedesmal eine Menge von 3ccm zur Anwendung kommt. Die verwendete Leber stammte vom Kaninchen.

Die Reaktion vollzieht sich im Thermostaten im Mittel während 4 bis 5 Stunden; als Antiseptikum wurde 1°/,iges Toluol verwendet.

Da in der Ruhe der Gewebsdetritus sich absetzt und so einen Teil der Stärke absorbiert und ihn damit Fermentwirkung entzieht, hat Starkenstein es für nötig gehalten, einen mechani- schen Rührapparat anzuwenden; ich habe es als hinreichend gefunden, Gefäße mit großer Oberfläche zu verwenden (Wägegläser für Filter), und das Material von Zeit zu Zeit durchzurühren.

Der Grad der Fermentwirkung wird mittels der colori- metrischen Methode von Wohlgemuth?) bestimmt.

Nach dem Aufenthalt im Thermostaten werden die Gefäße mit Wasser angefüllt und ein Tropfen einer Zehntelnormal-Jodlösung hinzu- gefügt, dann wartet man ein paar Minuten, bis die Reaktion vollständig geworden ist; wo unveränderte Stärke zurückgeblieben ist, ist die Farbe blau, wo sie in Dextrin übergegangen ist, rosa, wo die Umwandlung vollständig ist, weiß.

1. Versuch: Natürliches Leberferment; Lipoide mit Ather extrahiert, Dosis 0,10.

Ferment 0,2 0,5 1,0 Eidotter weiß weiß weiß Blut blaßross rosa weiß Darm blaurosa blaurosa weiß Bierhefe blau blaurosa weiß Kontrolle blau blaurossa weiß

1) Starkenstein, diese Zeitschr. 24, 191, 1910. 2) Wiechowski, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol, 9, 372, 1907. 3) Wohlgemuth, diese Zeitschr. 9, 1, 1908.

Biochemische Zeitschrift Band 29. 26

392 _ E. Centanni:

Alle AÄtherextrakte, außer dem der Hefe, zeigen eine deutlich beschleunigende Wirkung auf die Amylase, energischer als alle übrigen der Eidotter- extrakt.

2. Versuch. Mit Ather extrahiertes Leberferment. Als Lipoid diente der eigene Ätherextrakt, der in zwei verschiedenen Konzentrationen hinzugefügt wird, von denen die eine gleich dem angewendeten Fermentpulver, die andere fünffach so groß war.

Ferment 0,2 0,5 1,0 Eigenes Lipoid 0,02 T088 rosa blaßrosa ge ge 0,10 rosa weiß weiß

Kontrolle blau blau blau

Es zeigt sich also hier der fördernde Einfluß der Lipoide, die das Ferment im Gewebe begleiten, und ihre Bedeutung ist so groß, daß das davon befreite Parenchym seine diastatische Fähigkeit fast vollständig verliert. Es scheint daher in den Leberzellen die Anwesenheit der Lipoide zu einer solchen Fermentwirkung notwendig zu sein.

3. Versuch: Leberferment mit Äther extrahiert. Lipoide des Eidotters, Dosis 0,05.

Ferment 0,05 1,0 Native Lipoide rötlich weiß Dialysierte Lipoide rötlich weiß Kontrolle blau blau

Die durch Atherextraktion inaktivierte Diastase gewinnt ihre Fähigkeit auch durch heterogene Lipoide zurück. Die aktivierende Wirkung scheint also unter den Lipoiden sehr verbreitet zu sein.

Was das dialysierte Material betrifft, siehe weiter unten.

4. Versuch: Leberferment mit Alkohol extrahiert. Lipoide des eigenen alkoholischen Extraktes. Dosis 0,25.

Ferment 0,2 0,5 1,0 Mit Lipoiden blaBrosa rosa weiß Kontrolle blau blau blaurosa

Der Alkohol extrahiert aus der Leber ebenso wie der Äther einen auf die Diastase aktivierend wirkenden Teil, läßt jedoch einen sehr reduzierten Rest von Fermen-

Befördernder Einfluß der Lipoide auf die Wirkung der Leberdiastase. 393

tationsfähigkeit übrig. Dies spricht zum Teil für die Be- obachtung von Bang und gegen die von Starkenstein; wir wissen ja nicht, welche Bedingungen die Resultate dieses Be- obachters beeinflußt haben; er führt übrigens zum Beweise nur die Versuche an einer einzigen Darstellungsweise des Mate- rials an.

5. Versuch: Die Amylase ist, wie bekannt, gegen die Reaktion des Mediums sehr empfindlich; während eine saure Reaktion sie beeinträchtigt, wird sie durch alkalische wesent- lich gefördert. Außerdem wirken verschiedene neutrale Salze infolge ihres Einflusses als Aktivatoren (Cote, Bierry, Giaia und Henri, Preti, Wohlgemuth, Starkenstein).

Bei den vorstehenden Versuchen konnte jedoch der Zweifel entstehen, ob die aktivierende Wirkung auf Stoffe solcher Art zurückzuführen sei, wie sie sich gelegentlich im ätherischen und alkoholischen Extrakt anhäufen könnten. Was die Reaktion betrifft, so findet man, daß derartige Extrakte bei der Lack- musprobe vollkommen neutral reagieren. Um den Einfluß der Salze im allgemeinen zu eliminieren, wird der Extrakt im Wasser emulgiert und dann nach Zusatz von Toluol zwei Tage lang der Dialyse in fließendem Wasser und zum Schluß in mehrmals gewechseltem destilliertem Wasser unterworfen. Ein Teil des dialysierten Materials wird eine Stunde lang im Wasserbad gekocht. Wenn man die größere Verdünnung des Lipoids durch eine entsprechend stärkere Konzentration der Stärkelösung ausgleicht, bleiben die obengenannten Beziehungen erhalten. Natürliches Leberferment.

Ferment 0,2 0,5 1,0

Lipoid der dialysierten Leber weiß weiß weiß A des Eidotters weiß weiß weiß des gekochten Eidotters blaßrosa weiß weiß

Kontrolle blau blau blaurosa

Aus diesem letzten Versuch geht hervor, daß die aktivierende Wirkung des ätherischen Extraktes auf die Leberamylase weder der Reaktion noch im all- gemeinen dialysierbaren Verbindungen zuzuschreiben ist; und überdies, daß die aktivierende Substanz dem

langdauernden Kochen widersteht, ähnlich wie ver- 26*

394 E. Centanni: Befördernder Einfluß der Lipoide usw.

schiedene Körper, die zur Kategorie der Kofermente und Hormone gehören.

Und wenn wir uns an den vorangehenden dritten Versuch erinnern, können wir hinzufügen, daB das dialysierte Lipoid ebenso wie das nichtdialysierte imstande ist, die Diastase des mit Ather extrahierten Parencohyms zu reaktivieren.

Ich habe auch Versuche nach der Richtung angestellt, ob bei Injektion an Lebenden die Lipoide imstande seien, das Leberglykogen zu mobilisieren, entweder indem sie direkt eine .Glucosurie hervorrufen oder indem sie die durch Adrenalin oder Phlorizin verursachte Glucosurie verstärken. Die Ver- suche sind bis jetzt negativ ausgefallen; aber damit, wie mit verschiedenen anderen damit zusammenhängenden Fragen werde ich mich des längeren in einer anderen Arbeit be- schäftigen.

Nachtrag zu der früheren Angabe: „Über eine empfindliche Skatolreaktion.“

Von Takaoki Sasaki.

[Aus dem Laboratorium des Kyoundo-Hospitals zu Tokio.) (Eingegangen am 16: Oktober 1910.)

Es hat sich herausgestellt, daß bei der Ausführung der vor ca. einem halben Jahre von mir mitgeteilten neuen Skatol- reaktion!) die dabei anzuwendende konz. Schwefelsäure eine Spur Ferrisalz enthalten muß, was meist bei der käuflichen konz. Schwefelsäure der Fall ist. Andererseits stört ein Überschuß von Ferrisalz merkwürdigerweise das Auftreten der Färbung. Als Optimum für das Zustandekommen der violettroten Farbenreaktion (Skatollösung in der Konzentration 1:50000) müssen 100 g konz. Schwefelsäure ca. 0,0002 g Eisen als Ferrisalz enthalten. Das habe ich dadurch erreicht, daß ich einen Tropfen 1°/,ige wässerige Ferrisulfatlösung zu 100 g eisenfreier konz. Schwefelsäure zusetzte.

Der Methylalkohol muß selbstverständlich aldehydfrei sein; sonst bekommt man bekanntlich auch mit Indol eine sehr ähnliche Farbenreaktion. Ich bin seinerzeit bei der Verwendung des Methylalkohols von Kahlbaum auf gar kein Hindernis gestoßen. Der in Japan käufliche Methylalkohol enthält aber so viel Aldehyde, daß ich ihn vor der Ausführung dieser Reaktion reinigen mußte.

1) Diese Zeitschr. 23, 402, 1910.

Über den Nachweis toxischer Stoffe im Blute thyreoid- ectomierter Tiere.

Von Paul Trendelenburg.

(Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Freiburg i. B.)

(Eingegangen am 18. Oktober 1910.)

Trotz der zahlreichen experimentellen Untersuchungen über die Funktion der Schilddrüse, ist die Frage nach der Ursache der bei der Entfernung dieser Drüse auftretenden Ausfalls- erscheinungen keineswegs geklärt. Ein Teil der Forscher hält lediglich den Fortfall spezifischer Sekretionsprodukte für die Ursache der Cachexia strumipriva, des Myxoedems und Kretinismus. Colzi und Schiff als erste stellten die Theorie von der Entgiftung im Körper sich bildender toxischer Produkte auf und erklärten die Ausfallssymptome als bedingt durch die Anstauung jener toxischen Stoffe im Blut. Später vereinigte man beide Annahmen in der Ansicht, daß die Funktion der Schilddrüse in der Bildung eines Sekretes, das zur Bindung toxischer Stoffe diene, bestehe. Für diese letzte Theorie sprechen zweifellos die Erfolge, die Moebius bei der Behandlung hyperfunktionierender Schilddrüsen mit dem Serum thyreoidectomierter Tiere erzielte. Aber bisher steht ein Nachweis jener toxischen, im Blut thyreoidectomierter Tiere sich ansammelnden Stoffe noch aus.

Durch Reid Hunts Untersuchungen besitzen wir ein Mittel, selbst

geringste Mengen thyreoider Substanzen mit biologischer Methode nachzu- weisen. Diese biologische Reaktion zeichnet sich durch eine hervorragende

P. Trendelenburg: Toxische Stoffe im Blute thyreoidectomierter Tiere. 397

Feinheit und Genauigkeit aus. Selbst wenige Milligramme trockner Schilddrüsensubstanz lassen sich mit der unten zu erwähnenden Metho- dik mit Sicherheit auffinden. Es erscheint deshalb der Versuch berech- tigt, mit Hilfe der Reid Huntschen Reaktion der Entscheidung der Frage, ob die Funktion der Thyreoidese mehr sekretorischen oder ent- giftenden Charakters sei, näherzutreten; Denn wenn die Funktion tatsächlich in einer Entgiftung toxischer Substanzen, die normaliter aus dem Zellstoffwechsel oder dem Verdauungstractus ins Blut über- treten, besteht, so ist zu erwarten, daß wir bei künstlicher Anhäufung jener Stoffe durch Fortnahme des entgiftenden Organs sie im Blute nach- weisen können, Wir gehen also von der Annahme aus, daß es die toxi- sche Komponente in der Schilddrüsensubstanz ist, welche die von Reid Hunt aufgedeckte biologische Wirkung hat, und nicht ein zur Gift- bindung produziertes Sekret der Schilddrüse. Gegen die letztere An- nahme sprechen auch die Resultate von Carlson und Woelfelt), denen es nicht gelang, mit der aus der Schilddrüse abfließenden Lymphe eine positive Reid Huntsche Reaktion zu erhalten.?)

Nach dem Beginn unserer Versuchsserien fanden wir, daß schon Reid Hunt versucht hat,?) mit seiner Reaktion die toxischen Stoffe des Blutes thyreoidectomierter Tiere nachzuweisen. Er ging jedoch von anderen Voraussetzungen aus: Da die Schilddrüse jene hypothetischen toxischen Substanzen entgifte, so sei anzunehmen, daß letztere im biologi- schen Experiment eine der Thyreoidea antagonistische Wirkung entfalten. Während Reid Hunt, wie weiter unten genauer ausgeführt werden wird, bei Verfütterung von Schilddrüsensubstanz eine Vermehrung der Resistenz der gefütterten Mäuse gegen Acetonitril feststellte, erwartete er für Fütterung mit dem Blut thyreoidectomierter Tiere Verminderung der Resistenz. Diese Verminderung trat auch tatsächlich auf, jedoch nicht stärker, als sie bei Fütterung der Versuchstiere mit normalem Blut fast stets beobachtet wird. Verwendet wurde ein Handelspräparat Thyreoidectin von Parke, Davis and Co.

1) J. Carlson und A. Woelfel, Further studies on the internal secretion of the thyroids and parathyroids. Proc. of the Americ. Soc. of Chem. Journ. of Biolog. Chem. 7, 6, S. 21, 1910.

2) Reid Hunt erhielt mit dem Blute Basedowkranker eine gleiche Reaktion, wie sie die Schilddrüsensubstanzen geben. (Reid Hunt, The probable demonstration of thyroid secretion in the blood in exophthal- mio goiter. Journal of the American Medical Association 49, 240, 1907.) Er schließt daraus, daß die Schilddrüse beim Morbus Basedowii ein Sekret ins Blut abgebe. Aber es spricht nichts dagegen, daß es nicht ebenso gut die von jenem anormalerweise aus der Drüse ins Blut übergetretenen Sekret abgefangenen toxischen Stoffe sind, die die positive Reaktion geben. Der Nachweis der Schilddrüsenhypersekretion wäre in diesem Falle also nur ein sekundärer.

3) Reid Hunt, The influence of thyroid feeding upon poisoning by Acetonitrile. Journ. of Biolog. Chem. 1, 1, 1905.

398 P; Trendelenburg:

Auffallend erscheint vielleicht, da8 Reid Hunt mit diesem Prä-

parat eine Resistenzvermehrung, wie wir sie in einigen Fällen bei Fütte- rung mit dem Blut thyreoideotomierter Katzen feststellen konnten, nicht fand, Wahrscheinlich beruht dies darauf, daß das Bilutpräparat jener thyreoideotomierten Hammel nicht im Stadium der akuten Folgen der Drüsenentfernung gewonnen wurde. Denn es tritt in einer unserer Versuchsserien, bei der das im akuten Stadium der Ausfallserscheinungen entnommene Blut im Sinne der Schilddrüsen- substanzen wirkte, bei später entnommener Probe ein Sohwinden der vorher positiven Reaktion ein,

Das Prinzip der Reid Huntschen Reaktion?!) beruht auf der Veränderung der giftzerstörenden Funktionen des mit Thyreoideasubstanzen gefütterten Warmblüterorganismus. Am typischsten tritt diese Veränderung gegen das Morphin und Acetonitril bei der weißen Maus zutage. Morphin wird schwerer abgebaut, die Tiere erliegen geringeren Dosen als normale Kontrolltiere. Ebenso zeigt sich bei der Acetonitrilvergiftung der mit Schilddrüsensubstanz gefütterten weißen Mäuse ein er- schwerter Abbau. Die CH,-Gruppe wird langsamer abge- spalten und dadurch die Blausäurekomponente langsamer frei gemacht: die Tiere überstehen die normalerweise (infolge reich- licherer Abspaltung der Blausäure) tödliche Acetonitrildose. Daß die Schutzwirkung gegen das Acetonitril an der Methyl- gruppe eingreift, bewies Reid Hunt mit der Tatsache, daß die acetonitrilfesten, schilddrüsengenährten Mäuse gegen reine Blausäure die ursprüngliche Empfindlichkeit beibehalten. Die Acetonitrilreaktion erwies sich für den biologischen Nachweis geringster Thyreoideamengen als besonders brauchbar. Das Acetonitril läßt sich, wie alle Blausäurederivate, außerordent- lich scharf im Tierversuch dosieren. Der Schutz gegen Aceto- nitril tritt schon wenige Tage nach Beginn der Fütterung mit Schilddrüsensubstanz auf und hält über 2 Wochen lang an. Er kann eine sehr beträchtliche Höhe erreichen: es schützten 20 mg getrockneter Schilddrüsen, innerhalb 11 Tagen der Maus verfüttert, gegen die 20fache letale Acetonitrildose. Die Höhe des Schutzes geht bei gleicher Menge der verfütterten Drüsensubstanz ziemlich genau parallel mit dem Jodgehalt

1) Reid Hunt und Atherton Seidell, Studies on thyroid. I. The relation of Jodine to the physiological activity of thyroid prepara- tions. Bulletin Nr. 47. Hygienic Laboratory U. S. Public Health and Marine Hospital Service. Washington 1909.

Toxische Stoffe im Blute thyreoidectomierter Tiere. 399

derselben, jedoch ist zu betonen, daß auch die jodfreien Schilddrüsen einen deutlichen Effekt äußern. Es erschien des- halb die Vermutung berechtigt, daß sich mit Hilfe der Reid Huntschen Reaktion auch die nach Thyreoidectomie im Blut noch frei kreisenden, nicht jodierten toxischen Produkte bio- logisch nachweisen ließen. Allerdings war nach dem an- geführten eine nur mäßig starke Wirkung zu erwarten. Denn nach Reid Hunt gewinnt die Schilddrüse ihre hochgradig schützende Wirkung (aufs 20fache und mehr) erst durch ihren, sei es natürlich, sei es künstlich durch Darreichung von Jod- präparaten bei dem betreffenden Tier erreichten hohen Jod- gehalt.

Die von uns verwendeten Mäuse entstammten alle einer Quelle. Sie wurden mehrere Wochen vor Beginn und während des Versuches lediglich mit Hafer und Wasser gefüttert. Die einheitliche Bezugsquelle und die gleichmäßige Ernährung sind nach Reid Hunt von wesentlicher Bedeutung für die Genauigkeit der Reaktion auf Acetonitril. Änderung der Nahrung variiert die Resistenz der Tiere sehr erheblich, und ebenso unterliegen die Tiere an verschiedenen Orten verschieden großen Dosen, (Grenzdose Reid Hunts in Washington 0,25 mg Acetonitril pro Gramm Maus, in Frankfurt und bei uns etwa das Doppelte.) Weiter ändert sich die Dose etwas mit der Jahreszeit. Bei Beobachtung der angegebenen Vorsichtsmaßregeln ist aber, was ausdrücklich hervorgehoben sei, die Grenzdose des subcutan injizierten Acetonitrils eine absolut scharfe. Niemals überlebte eins der Kontrolltiere die für den betreffenden Monat ermittelte minimale Letaldose, oder ging bei sonst subletalen Dosen zu- grunde. Ein Überstehen der Injektion jener Letaldose bei den mit dem Blut thyreoidectomierter Tiere gefütterten Mäusen kann also mit Sicherheit auf eine durch dies Blut bewirkte Schutzvermehrung bezogen werden.

Die Injektion des Acetonitrils, das jedesmal kurz zuvor in destil- liertem Wasser frisch gelöst wurde, erfolgte unter die Rückenhaut. Zur Thyreoideotomie verwendeten wir ausschließlich Katzen. Dieselben zeigten in den meisten Fällen wenige Stunden bis Tage nach der doppel- seitigen Schilddrüsenentfernung ein sehr typisches Ausfallsbild. Die Tiere wurden somnolent, fraßen nur wenig oder meist gar nichte, re- agierten nicht auf äußere Reize so ließen sie sich eine auf den Kopf gesetzte Maus über das Gesicht laufen, ohne nach ihr zu schnappen kurz sie zeigten den Zustand einer ausgesprochenen akuten Verblödung. Mög- lichst in diesem Stadium, auf das nach einigen Tagen ein etwas leb- hafteres Verhalten folgte, wurde den Katzen aus der A. carotis etwa 25 com Blut entzogen; dasselbe wurde im Vakuum-Exsiccator ein- getrocknet und den Versuchsmäusen mit Cakespulver und Zuckersirup zu Pillen geformt morgens verfüttert.

400 P. Trendelenburg:

I. Vorversuche wit Schilddrüsenpräparaten.

Einige Vorversuche zeigten, daß sich die hiesigen Mäuse für die Acetonitrilreaktiion auf Schilddrüsensubstanz gut eigneten. So überstanden, wie aus Tabelle I zu sehen ist, die mit 18 mg Thyradenpulver Knoll & Co. (= 36 mg frischer Schilddrüse entsprechend) in 9 Tagen gefütterten Tiere eine Acetonitrilmenge von 2,9 mg pro Gramm, während alle mit mehr als 0,57 mg pro Gramm injizierten Kontrolltiere starben. Der Schutz erwies sich also als gegen über die 5fach töd- liche Normaldose wirksam. |

Ein zweite Serie von weißen Mäusen, die mit pulveri- sierten Tyrodentabletten gefüttert wurden, ergab ein ähnliches Resultat: Die Tiere überstanden 2,1 mg pro Gramm gegen 0,56 mg bei den Kontrolltieren. (Diese Versuche sind nicht wiedergegeben.)

Auffallenderweise fand sich des weiteren (Tabelle II), daß Fütterung mit Jodothyrin Bayer & Co. (8 bis 9 Tage lang je 4 mg) fast keine Schutzwirkung ausübte. Die letale Dose betrug 1,0 mg pro Gramm gegen 0,75 mg der Kontrollen. Im Gegensatz hierzu erhielt Reid Hunt!) durch das gleiche Prä- parat, in viel geringerer Menge verfüttert (0,16 mg), einen 1Ofachen Schutz gegen Acetonitril; doch weist er?) auf die sehr verschiedene Wirkungsstärke der einzelnen Jodothyrin- präparate hin. Vielleicht ist der Schluß berechtigt, daß das reine Jodothyrin ohne Beimengung nicht veränderten Thyreo- globulins eine nur minimale Wirksamkeit hat und daß die starke schützende Wirkung mancher Präparate auf einem Ge- halt unzersetzten Thyreoglobulins beruht. Eine Analogie läge dann in den Beobachtungen von Pick und Pineles?) vor. Diese fanden das Jodothyrin im Gegensatz zum Thyreoglobu- lin vollständig unfähig, das Myxoedem junger thyreoidecto- mierter Ziegen heilend zu beeinflussen.

1) L o.

2) Reid Hunt und Atherton Seidell, Commercial thyroid pre- parations and suggestions as to the standardization of thyroid. Journal of the American Medical Assoziation 51, 1385, 1908.

3) E. Pick und F. Pineles, Untersuchungen über die physio- logisch wirksame Substanz der Schilddrüse. Zeitschr, f. experim. Path. u, Therapie 7, 518, 1910.

Toxische Stoffe im Blute thyreoidectomierter Tiere. 401

Tabelle I. Resistenz durch Thyraden. 25. X. bis 4. XI.

Gesamtmenge

Thyradenpulver Injizierte

Acetonitril-

Gewicht

Tabelle II. Resistenz durch Jodothyrin. 4. bis 26. XI.

Resultat

lebt totn.etwa24Std. n n n 24 n

1/2 n

H n n 3

lebt tot nach 4 Std.

Kontrolltiere (cf. Vers. 21 u. 22)

II. Kontrollversuche mit normalem Blut.

Wie schon Reid Hunt festellte,?) hat das normale Blut bei seiner Verfütterung keine Resistenzvermehrung der Mäuse gegen Acetonitril zur Folge. Er fand vielmehr eine geringe, der Abmagerung der Tiere parallel gehende Verminderung der Widerstandskraft. Bei einer Nachprüfung ergab sich die Un-

1) Reid Hunt, The probable demonstration of thyroid secretion in the blood in exophtalmic goiter. Journ. of the American Medical Association 49, 240, 1907.

402 P. Trendelenburg:

wirksamkeit normalen Blutes im Sinne einer Resistenzver- mehrung: die mit Blut einer Katze (Katze l, Blut vor der Operation entnommen) gefütterten Tiere überstanden ebenso wie die Kontrollen 0,74 mg Acetonitril pro Gramm und gingen bei allen höheren Dosen prompt zugrunde.

Tabelle III. Fütterung mit normalem Blut. 12. bis 29. XI.

Injizierte der | Blutmenge rte (getrocknetes| vor | nach Acetonitril-

Blut)

tot nach 2 Tagen n. 6—12 Std.

tot nach 4 Std.

Das normale Katzenblut erwies sich also als ganz un- wirksam und unfähig, vermehrten Schutz gegen das Acetonitril herbeizuführen.

III. Versuche mit dem Blut thyreoidectomierter Katzen.

Katze 1. 2600 g. Operation am 16. XI. 09, doppelseitige Thyreoidectomie in Äthernarkose. Für Normalversuch (s. o.) am Beginn der Operation 30 ccm Blut aus der Carotis ent- nommen. Am folgenden Tag nimmt das Tier noch wenig Wasser und Milch zu sich, zeigt aber am 2. Tag typischen blöden Ausdruck. Erholt sich wieder etwas, frißt wieder Fleisch und vorgehaltene Maus, am 19. XI. Blutentnahme (Blut I), 15ccm. Die Katze nimmt in der folgenden Zeit sehr wenig zu sich, verliert stark an Gewicht. 14. XII. ca. 20 ccm Blut entnommen (Blut II). 11. I. 10. Tier frißt kaum noch. Keine Tetanie. 18. 1. mit Chloroform getötet. Gewicht 1935 g.

Toxische Stoffe im Blute thyreoideotomierter Tiere. 403

Tabelle IV. A. Blut I vom 19. XII. 30. XI. bis 13. XI.

Blutmenge (getrocknetes Blut) .

Resultat

10,0 | 112

SSES Ser

3mal 24 Stunden nach der Thyreoidectomie besitzt also das Blut Eigenschaften, die es befähigen, bei Verfütterung Mäusen eine ausgesprochene Resistenzvermehrung gegen Aceto- nitril zu verleihen. Die Versuchstiere überstehen die zwei- fach tödliche Dose der Kontrolltiere. Die obere Grenze der Schutzwirkung konnte aus Mangel an Material nicht festgestellt werden. Hervorzuheben ist bei diesem Versuch, daß die Epithelkörperchenfunktion nicht gestört war: die Katze zeigte bis zum Tode (2 Monate nach der Operation) keine Spur von Tetanie.. Die Resistenzvermehrung kann also nur auf den Funktionsausfall der Schilddrüsen bezogen werden.

Das 28 Tage nach der Schilddrüsenentfernung entnommene Blut desselben Tieres zeigte im Gegensatz zu dem am 3. Tag gewonnenen keine Wirkung: die mit 0,14 bis 0,24 g trockenem Blut gefütterten Mäuse starben bei denselben Acetonitril-Dosen wie die Kontrolltiere.. Die wirksame Substanz war also offenbar aus dem Blute geschwunden, sei es durch Entgiftung in einem anderen Organ, sei es durch Absättigung mit Antitoxinen. Be- merkt sei, daß sich bei der Sektion des Tieres Schilddrüsenreste makroskopisch nicht nachweisen ließen. +)

1) Zu denken wäre auch an die von W. Edmunds (Further ob- servations on the thyroid gland. VII. Journ. of Pathol. and Bacteriol; 14, 288, 1910) an Hunden beobachtete Umwandlung von parathyreoidem in thyreoides Gewebe.

404 P. Trendelenburg:

Tabelle V.

B. Blut II vom 14. XII. (28 Tage nach Thyreoidectomie). 4. bis 14. I.

Katze 2. 1730 g. Operation am 11.1. 10, Entfernung beider Thyreoideae.e. Am folgenden Tag nimmt die Katze nur sehr wenig Nahrung auf, zeigt am 13. ganz typische akute Ver- blödung: aus dem Käfig herausgenommen und auf den Tisch gesetzt, macht sie keinerlei Fluchtversuche, reagiert auf vor- gehaltene Maus nicht im geringsten. Auffallend ist das heftige Zusammenzucken. bei geringen akustischen Reizen. Am 13., 2mal 24 Stunden nach der Operation wird Blut I aus der Carotis entnommen. Bis zum 17. I. war keine Tetanie vor- handen, an diesem Tage wird eine zweite Blutentnahme aus- geführt, am folgenden Tag zeigt sich eine schwache und nicht ganz sichere Tetanie der Vorderbeine. Gewicht 1400 g. Das Tier wird mit Chloroform getötet.

Die Prüfung der Blutproben auf Thyreoideasubstanzen ergab nebenstehendes Resultat (s. Tabelle VI).

Trotz der nicht ganz so eklatanten Resultate, wie wir sie bei Katze 1 erhielten, ist das Blut auch dieser thyreoidecto- mierten Katze, 2 resp. 6 Tage nach der Operation entnommen, imstande, den damit gefütterten Mäusen Resistenz gegen Aceto- nitrilvergiftung zu verleihen.

Katze 3. 10. II. 10. 2780g. 2 Tage nach der doppel- seitigen Schilddrüsenentfernung hat das Tier nichts zu sich genommen. Die Verblödung ist nicht bemerkbar, dafür sehr ausgesprochen das plötzliche Zusammenzucken bei Berühren und bei Geräuschen (erstes Symptom der Tetanie?). 2mal 24 Stunden nach der Operation Blutentnahme. Bald danach erster starker Krampf. Die Krampfanfälle treten bis zum

Toxische Stoffe im Blute thyreoidectomierter Tiere. 405

19. II. häufig auf. An diesem Tag zweite Blutentnahme, Ge- wicht 2500 g. Tod am 28. II. nach starker Tetanie in der letzten Woche. Gewicht 1760 g.

Tabelle VI. 17. I. bis 1. I.

lebt

tot nach 2 Std. lebt tot nach 2 Tagen

lebt tot nach 2 Tagen lebt

tot nach 12Std.

0,75 tot nach 1 Std.

Ein ausgesprochener Schutz durch Verfütterung des ge- trockneten Blutes dieser Katze trat bei den Versuchsmäusen nicht auf. Da auch das für Schilddrüsenausfall typische Symptom nicht vorhanden war, dürften accessorische Schild- drüsen die Funktion der entfernten Hauptdrüsen übernommen haben. Gefunden wurden solche Nebendrüsen bei der Sektion jedoch nicht mit Sicherheit.

Nachdem durch die angeführten Versuche an Katze 1 und 2 mit Sicherheit nachgewiesen war, daß in dem Blut von Katzen, die nach der Schilddrüsenentfernung die typische Aus- fallserscheinung, die akute Verblödung, zeigen, den in der Schilddrüse vorhandenen Substanzen analoge oder nahe ver- wandte Stoffe kreisen, wurde in einem letzten Versuch der Frage nach dem Ursprungsorte dieser Stoffe näher zu kommen versucht. Entweder stammen die toxischen Produkte aus dem Magendarmkanal es könnte sich um bakterielle Zersetzungs- stoffe handeln oder sie entstehen im Organismus selbst, und sind als Schlacken von im Körper abgebauten höheren Eiweiß- molekülen zu betrachten. Für die erste Annahme sprachen die Beobachtungen mehrerer Forscher über die Beeinflußbarkeit

406 P, Trendelenburg:

der Lebensdauer thyreoidectomierter Tiere durch die Art der Nahrung. Sollte diese Annahme zutreffen, so stand zu erwarten, das bei einem Hungertiere die Bildung jener toxischen Pro- dukte unterbliebe, und dem entsprechend das Blut keine Schutz- wirkung gegen Acetonitril geben würde.

Tabelle VII. 14. LL bis 8. III.

47 0,20 g Blut I| 13,8 | 11,5 0,8 lebt

48 020g I 17,6 | 18,0 1,0 s

49 0,20 g I 18,7 | 21,4 1,1 *

50 0,20 A If 18,7 | 18,2 1,2 tot nach 3 Std. 51 | 13 10,36 g Blut II| 18,9 | 18,3 tot nach 24 Std. 52 13 10,32g II 20,4 | 20,5 tot n. 24 Std.!) 57 | Kontrolltier 21,4 lebt

581 e 15, 1 S F *

59 14,6 0,85 tot nach 2 Tagen 60 Kg 15,0 0,9 ”„ TI 2 II

Katze 4. 3550g. Erhält vom 1. IV. bis 12. IV. nur Wasser. Verliert dabei 100 g an Gewicht. Am 12. IV. doppelseitige Schild- drüsenentfernung. 14. IV.: Stadium starker Verblödung sehr ausgesprochen, frisch nicht, reagiert gar nicht auf eine in den Käfig gesetzte Maus. Blutentnahme aus Carotis. Am folgenden Tag beginnt leichte Tetanie aufzutreten, am 16. sehr starke tetanische Anfälle, am 17. Entblutung des moribunden Tieres.

Die Resistenzvermehrung der Mäuse durch Fütterung mit dem Blut der thyreoidectomierten Hungerkatze ist ausgesprochen positiv. Die Tiere vertragen statt 0,70 mg pro Gramm als höchste nicht tödliche Dose fast das Doppelte: erst von 1,4 mg an unterliegen sie der Acetonitrilvergiftung. So erscheint dem- nach der Schluß berechtigt, daß die den Schutz bewirkenden Stoffe nicht von den Verdauungsprozessen bedingt sind, sondern im inneren Zellstoffwechsel des Organismus ihre Entstehung haben.

1) Ebenso starben 4 mit höheren Dosen Acetonitril (bis 1,5 mg

pro Gramm) vergiftete Tiere (53 bis 56). Die maximale nicht tödliche Dose von Blut II konnte aus Mangel an Blut nicht bestimmt werden.

Toxische Stoffe im Blute thyreoidectomierter Tiere. 407

Tabelle VIII. 16. bis 30. IV.

Resultat

lebt

67 tot nach 24 Std. 68 99 12 LE) 69 IA) 99 2 70 38 4 99

Schließlich sei erwähnt, daß die exstirpierten Schilddrüsen aller 4 Katzen an Mäusen biologisch geprüft wurden. Ver- füttert wurden 10 bis 20 mg der getrockneten Drüse innerhalb 10 Tagen. Der Schutz war stets deutlich positiv, aber von nicht sehr erheblicher Höhe. Nach der Fütterung überstanden die Tiere das 2 bis 2!/ fache der normaliter letalen Dose. Der Jodgehalt der Drüsen, der nach Reid Hunts Feststellungen vermutlich sehr gering war, wurde nicht festgestellt.

Zusammenfassung.

Mit Hilfe der von Reid Hunt ausgearbeiteten biologischen Methode lassen sich im Blute thyreoidectomierter Katzen Sub- stanzen nachweisen, die die gleiche Reaktion geben wie sonst nur die Schilddrüse und das Blut Basedowkranker.!) Die Reaktion dürfte demnach durch normalerweise in der Schild- drüse aufgespeicherte und vermutlich unter gleichzeitiger Jodie- rung an ein Sekret gebundene toxische Produkte bedingt sein. Die Produkte stammen aus dem Zellstoffwechsel des Organismus. Der Nachweis derselben ist demnach eine Stütze der Hypothese von der entgiftenden Funktion der Schilddrüse.

1) Die geringe schützende Wirkung von Prostata und Ovarien kann wohl außer Betracht gelassen werden. (Reid Hunt, The relation of iodin to the thyroid glaud. Journal of the American Medical Association 49, 1323, 1907.)

Biochemische Zeitschrift Band 29. 27

Über die Beeinflussung der Autolyse durch Salzionen. Von Leo Brüll.

(Aus der I. medizinischen Universitätsklinik in Wien.) (Eingegangen am 21. Oktober 1910.)

Seit der Entdeckung der Autolyse durch Salkowski (1880) war eine große Anzahl Autoren damit beschäftigt, den Einfluß verschiedener Faktoren auf diesen Vorgang zu untersuchen. Schon früh war die Frage aufgetaucht, ob dem autolytischen Abbau post mortem ein analoger Vorgang im lebenden Organis- mus entspreche. Dabei ergaben sich mancherlei Parallelen, von denen eine der wichtigsten die Beziehung zwischen post- mortaler Autolyse und Eiweißabbau im lebenden Organismus ist. Eine ganze Reihe von Autoren [Jakoby!), Saxl*), Ascoli und Izar?), Heß und Saxl*) u. al konnten den Nachweis liefern, daß jene Substanzen, die auf die Autolyse wirken, im selben Sinne den Eiweißstoffwechsel beeinflussen, wenn sie in den Organismus gebracht werden. Bei diesen Untersuchungen wurden zunächst hauptsächlich körperfremde Stoffe in den Kreis der Beobachtung gezogen, doch lag es nahe, auch den Einfluß von unter physiologischen Bedingungen wirkenden Substanzen zu studieren und nach Analogien mit dem intravitalen Eiweiß- abbau zu suchen.

So fanden Laqueur’), Belazzi®), daß CO, die Autolyse fördert, während sie durch Sauerstoff gehemmt wird, wobei sich Beziehungen zur

1) Jakoby, Zeitschr, f. phys. Chem. 30, 174.

2) Saxl, Beiträge z. chem; Physiol. u. Pathol. 10, 9/10. 3) Ascoli und Izar, diese Zeitschr. 10, 356.

A Heß und Saxl, Wiener klin. Wochenschr. 21, Nr. 8. 6) Laqueur, Centralbl f. Physiol. 22, 717.

6) Belazzi, Zeitschrift f. phys: Chem. 57, 389.

L. Brüll: Beeinflussung der Autolyse durch Salzionen. 409

N-Ausscheidung während Asphyxie ergaben. Wiener!) studierte die Hemmung durch natives Serum, dialysiertes Serum und das Dialysat. Auch über die Bedeutung der Reaktion für den autolytischen Prozeß liegt eine große Zahl von Arbeiten vor.

Ausgehend von den Resultaten einer Reihe Arbeiten kolloid- chemischen und physikalisch-chemischen Inhaltes (Hofmeister, Pauli, Höber, Wo. Ostwald) und mit Hinblick auf die be- kannten Versuche J. Loebs, stellten wir uns die Aufgabe, die Beeinflussung der Autolyse durch Salzionen zu untersuchen. Die Angaben, die sich darüber in der Literatur finden, sind widersprechend. So fand Ramond?), daß sehr kleine Gaben von CaCl, die Autolyse fördern, während Preti’) weder bei BaCl,, noch bei CaCl, irgendeine Wirkung sah, aber angibt, daß größere Mengen Kochsalz einen hemmenden Einfluß ausüben.

Unsere ersten orientierenden Versuche bezweckten, einen Überblick darüber zu gewinnen, von welcher Bedeutung die Konzentration des zugesetzten Salzes ist.

Als Versuchsmaterial wurde frische Kaninchenleber verwendet. Diese wurde fein zerrieben und kleine Portionen in abgewogene, gut schließende Wägegläschen gebracht, das Gewicht bestimmt, hierauf wurden 15 bis 20 com der Salzlösung zufließen gelassen, das Ganze mit Toluol versetzt und in den Brutofen gestellt, wo es täglich einige Male durchgeschüttelt wurde. Für jede Salzkonzentration wurden zwei solcher Versuche aufgestellt, Nach ca. 72 Stunden wurde der Inhalt der Wägegläschen in Porzellan- schalen hinübergewaschen, verdünnte Essigsäure zugesetzt, bis eben saure Reaktion gegen Lackmus eintrat, dann gekocht und filtriert. Das Filtrat wurde geteilt und in demselben der Stiokstoff nach Kjeldahl bestimmt. Die angegebenen Zahlen sind die Mittelwerte aus den Doppelbestimmungen.

Tabelle 1. Dauer der Autolyse 76 Stunden. Menge des inkoagulablen N vor Beginn des Versuches in 1 g Leberbrei 0,005102 g N.

| Substanz. | Menge des inkoagul, N| Zınahm Salzkonzentration gewicht enge des inkoagul g im Filtrat in lg P 8

0,0406 0,0196

1) Wiener, Centralbl. f. Physiol. 19, 349. 2) Ramond, Journ. de phys. 1908. 3) Preti, Zeitschr. f. phys. Chem. 60, 317.

27*

410 L. Brüll:

Tabelle II. Dauer der Autolyse 71 Stunden. Menge des inkoagulablen N vor Beginn des Versuches in 1 g Leberbrei 0,002435 g N.

EH

Salzkonzentration | Menge des inkoagul. N | Zunahme

IT im pen! inig | PIE

` om n-BaCl, 20 "wg | 00112 | 0,0087 ` 001 , 2.0 0,0303 0,0161 0,0137 0,1 X 3.1 | 0,0399 0,0156 0,0132 0,5 i 20 | 0,0375 0,0176 0,0152 1 5 15 | 0,0268 0,0144 0,0121 2 ? e 0,0133 | 00035 | 0,0010

Der Einblick in die Tabellen lehrt, daß weder bei den Alkali-, noch bei den Erdalkalisalzen der Konzentration des Salzes ein bedeutender Einfluß auf den Grad der Autolyse zu- kommt. Erst in Konzentrationen, die weit über der physio- logischen liegen, tritt eine sehr stark hemmende Wirkung ein (Salzwirkung auf die Hitzegerinnung? s. ol Doch fällt bei Vergleich von Versuch I und II auf, daß die Zunahme des inkoagulablen Stickstoffes in der gleichen Zeit und bei der gleichen Temperatur unter dem Einfluß von BaCl, bedeutend ausgiebiger ist, als unter dem von KCl. Noch deutlicher wird dies, wenn Alkali- und Erdalkalisalze nebeneinander in einer Versuchsreihe geprüft werden.

Tabelle III.

Dauer der Autolyse 72 Stunden. Menge des inkoagulablen N vor Beginn des Versuches in 1 g Leberbrei 0,00385 g.

Substanz- | M des ink LN Salz gewicht ATTE E T g im Filtrat | in l g EUER

Phys. NaCl 0,03101 0,00617 0,0023 0,1 n-KC1 0,0254 0,00645 0,0026 0,1 n-CaC], 0,0458 0,0131 0,0092

0,1 n-BaC], 0,0343 0,0104 0,0066

Beeinflussung der Autolyse durch Salzionen. 411

Tabelle IV.

Dauer der Autolyse 72 Stunden. Menge des inkoagulablen N vor Beginn des Versuches in 1 g Leberbrei 0,00464 g.

Substanz- | M des ink .N Salz TE EE on g im Filtrat | in 1g pro * 8

Phys. NaCl 0,0179 0,0028 0,1 n-MgCl, 0,0187 0,0038 0,1 n-CaCl 0,0586 0,0145

In beiden Versuchen bewirkt das Calciumsalz eine weitaus stärkere Zunahme an inkoagulablem N als NaCl und KOl, während der Einfluß des Ba und Mg-Ion sich nahe dem der Alkaliionen hält. Es sei hier hervorgehoben, daß dieses Re- sultat nicht etwa mit einer Beeinflussung der Hitzegerinnung des sauren Eiweißes durch Salze zusammenhängt, vielmehr ergaben die Untersuchungen Paulis!), daß die Neutralsalze die Hitzegerinnung von Säureeiweiß befördern, ohne daß ein Unterschied in der Wirkungsstärke der einzelnen Kationen hervortritt. Es spricht also die stark fördernde Wirkung des Ca-Ion im Vergleiche mit anderen zwei- und einwertigen Kationen für die Existenz einer spezifischen Ionenwirkung. Hier lag es nun nahe, eine Anlehnung zu jenen zahlreichen Versuchen zu suchen, bei denen für eine ganze Reihe physiologischer und patho- logischer Vorgänge eine Kompensation der Wirkung größerer Alkalisalzkonzentrationen durch geringere Mengen Ca-Ionen be- obachtet wurde.

In der Tat zeigt sich in den folgenden Versuchen, daß bei gleicher Konzentration von NaCl, KCl und CaCl, die Menge des inkoagulablen N für die ersten zwei Lösungen innerhalb der Versuchsfehler nahezu gleich bleibt, während sie für CaCl, einen ganz bedeutenden Zuwachs erfährt (V). Läßt man je- doch die Salze in jenen Konzentrationen, die sie im Gesamt- volumen der von J. Loeb angegebenen Mischung (100 ccm 2/ NaCl 4 2 cem »/,-KCI + 1,5 %/,-CaCl,) einnehmen, auf den autolysierenden Leberbrei einwirken, so haben alle die gleich starke Wirkung (VI).

1) Pauli, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 10, 1/2.

412 L. Brüll:

Tabelle V. Dauer der Autolyse 72 Stunden. Menge des inkoagulablen N vor Beginn des Versuches in 1 g Leberbrei 0,005582 g.

Substanz- | Menge des inkoagul. N e | SE | enen de an Ser g im Filtrat in lg

0,014 0,0011 0,0173 0,0002 0,0515 0,0079

0,0131 0,0003

Tabelle VI.

Dauer der Autolyse 72 Stunden. Menge des inkoagulablen N vor Beginn des Versuches in 1 g Leberbrei 0,0037 g.

-— a e

Substanz- | M des inkoagul. N Lösung gewicht ee an

g im Filtrat mie

pro lg

100 ccm H,O +2 com pi, RO 100 com H,O + 1,5 °/,-CaCL, Loebsche Mischung

Die gewonnenen Ergebnisse in Parallele zu stellen mit Untersuchungen des Gesamtstoffwechsels ist schwer. Die An- gaben, die sich über den Einfluß einzelner Ionen auf den Stoff- wechsel und speziell auf den N-Umsatz in der Literatur vor- finden, sind teils unzulänglich, teils widersprechend.

So fand Rost!) nach Einfuhr von Salpeter eine Verminderung (der Spaltungsprozesse, nach Mendel und Benedict?) läßt die Injektion von Magnesiumsalzen den N-Umsatz unbeeinflußt, und auch Dapper?) sowie Strauß*) konnten bei ihren Versuchen mit kochsalzhaltigen Mineral-

wässern resp. mit kohlensaurem Kalk keine Änderung der Stiokstoff- bilanz finden.

1) Rost, Arb. d. Kais. Ges. 18.

2) Mendel und Benedict, Amer. Journ. of Phys. 25.

3) Dapper, Zeitschr. f. klin. Med. 80, 371.

4) Strauß, Zeitschr. f. klin. Med. 31; weitere Literatur darüber im Handb. d. Pathol. d. Stoffw. von C. v. Noorden 2, 513, 557.

Beeinflussung der Autolyse durch Salzionen. 413

Die Schwierigkeiten, die sich solchen Untersuchungen ent- gegenstellen, werden klar, wenn man bedenkt, daß allein die Änderung der osmotischen Spannung im Gewebe hinreicht, um eine weitgehende Zellschädigung hervorzurufen. Gibt man aber zur Vermeidung osmotischer Differenzen Wasser in größerer Menge, so stellen sich Diurese und Diarrhöe ein, die Wasser- gehalt, Ionenkonzentration und Alkalität der Gewebssäfte und damit den Grad der Autolyse in unbekanntem Sinne beeinflussen. Auch ist es möglich, daß das betreffende Ion nicht eine direkte Wirkung ausübt, sondern daß es, wie Pauli und Handovsky!) an Reagensglasversuchen zeigten, zu einem Austausch von Kationen am Eiweißmolekül kommt, wobei sich dann Änderungen im physikalisch-chemischen Verhalten ergeben, die sich auch in geänderten Abbaubedingungen aus- drücken können. Schließlich könnte sich der Einfluß der Salzionen nicht auf das Substrat, sondern auf das autolytische Ferment erstrecken. So viel aber scheint festzustehen, daß in dem großen Komplex von Wirkungen, die wir kurz als physio- logische Ionenwirkung bezeichnen, auch die spezifische Beein- flussung der Autolyse eine wichtige Komponente ist.

1) Pauli und Handovsky, diese Zeitschr: 24, 239.

Über die giftige Wirkung der Natriumchloridlösung.

Von

Otto Warburg (Heidelberg).

(Eingegangen am 22. Oktober 1910.)

In einer soeben erschienenen Arbeit bestätigen J. Loeb und Wasteneys!) meine Beobachtungen?) über die Wirkung einer reinen NaCl-Lösung auf das Ei; doch kommen sie teil- weise zu abweichenden Schlüssen.

Meine Frage war: Warum zerstört die dem Seewasser isotonische NaCl-Lösung das Strongylocentrotus-Ei? Die Ant- wort: Weil sie die Oxydationen in abnormer Weise steigert. Die Begründung: Entgiftung durch Spuren von Blausäure und verfünffachter Sauerstoffverbrauch in einer NaCl-Lösung gegen- über der Kontrolle, wenn beide Flüssigkeiten die gleiche Menge Blausäure enthalten.

Loeb und Wasteneys arbeiteten mit Arbacia-Eiern, die nur zu 20°/, zerstört werden; 80°/, furchen sich in der NaCl- Lösung. Sie bestimmten den Stoffwechsel ohne Cyanid; da die 20°/, NaCl-empfindlicher Eier hierbei, wie die Autoren selbst angeben, infolge Cytolyse sich an dem Sauerstoffverbrauch nicht beteiligen, so messen sie lediglich die Oxydationsgröße der- jenigen Eier, die gegen NaCl unempfindlich sind, und finden normalen Stoffwechsel. Hierdurch glauben Loeb und Wasteneys meine Schlußfolgerung als irrig erwiesen zu haben.

Loeb und Wasteneys widerlegen also meine Erklärung der Cytolyse durch Messungen an Organismen, die nicht cyto- lysieren, und für die das von mir bearbeitete Problem nicht

1) Diese Zeitschr. 28, 340. 2) Hoppe-Seylers Zeitschr. f. physiol. Chem. 66, 305.

O. Warburg: Über die giftige Wirkung der NaCi-Lösung. 415

existiert. Nichts lag mir ferner als die Behauptung, daß jede Zelle oder jeder Organismus in NaCl fünfmal so stark atmet, als bei Gegenwart von Calcium, wodurch ja auch meine Er- klärung der Cytolyse hinfällig geworden wäre; denn wenn Eier, die cytolysieren und solche, die nicht cytolysieren, durch die NaCl-Lösung auf die gleiche Oxydationsgröße gebracht würden, so könnte die Öxydationssteigerung doch nicht die Ursache der Cytolyse sein.

Hierdurch ist mein Standpunkt in dieser Frage gekenn- zeichnet; die Sauerstoffmessungen von Loeb und Wasteneys beeinträchtigen meine Schlüsse in keiner Weise.

Bestimmung des Zuckers durch Reduktion von Safranin.

Erwiderung an Herrn Neumann Wender. Von K. A. Hasselbalch und J. Lindhard.

(Aus dem Laboratorium des Finsen-Institutes Kopenhagen.) (Eingegangen am 9. November 1910.)

Im Band 28 S. 523 dieser Zeitschrift macht Neumann Wender uns darauf aufmerksam, daß die Safraninprobe schon im Jahre 1888 von Crismes angegeben worden ist. Nur die ziemlich unpraktische Aus- führung der Reaktion, die Crismes empfiehlt, sowie der Umstand, daß die Reaktion überhaupt nie systematisch durchgearbeitet worden ist, kann es erklären, daß diese ausgezeichnete Probe so vollkommen in Ver- gessenheit geraten ist, daß wir nirgendwo eine Erwähnung davon ge- funden haben. Daß wir es sonst bemerkt hätten, darf nicht bezweifelt werden. Übrigens liegt hierin kein Grund vor, unsere Berechtigung zu bestreiten, von einer neuen Methode zu sprechen. Die Methode zur Bestimmung des Zuckers im Harn ist neu, wenn auch die quali- tative Probe, worauf sie beruht, schon vorher beschrieben worden ist.

Die prinzipielle Übereinstimmung der Safraninreduktion mit anderen Farbstoffreduktionen haben wir ausführlich besprochen, und in dieser Beziehung die Muldersche Indigoprobe erwähnt. Auch das Methylen- blau ist in unserer Arbeit versucht worden (diese Zeitschr. 27, S. 279), wurde aber schon deshalb aufgegeben, weil es von mehreren Stoffen redu- ziert wird, die das Safranin nicht angreifen. Neumann Wender hat die Reduktion des Methylenblaus durch Kreatinin und Dextrin gezeigt; diesen Befund können wir bestätigen. Bei unserer Methodik wirken auch Rohrzucker und Stärke reduzierend auf das Methylenblau, nicht auf das Safranin. Unter allen untersuchten Farbstoffen haben wir keinen ge- funden, der eo glücklich wie das Safranin große Spezifizität mit scharfem Farbenumschlag verbindet.

Daß Herr Neumann Wender eine Methylenblaumethode zur Be- stimmung des Harnzuckers in Vorschlag gebracht hat, scheint uns im Zusammenhang mit unserem Thema nur peripherisches Interesse bean- spruchen zu können. Doch gilt hiervon dasselbe wie oben gesagt: hätten wir es gewußt, würden wir auch das erwähnt haben.

Schließlich enthält als letztes Wort von unserer Seite die Be- zeichnung neu für eine Methode gar kein Lob. Eine gute Methode ist jedenfalls einer neuen vorzuziehen.

Über Jodproteine.

Von

H. L. Wheeler und L. B. Mendel.

(Aus dem Sheffield Chemical Laboratory und dem Laboratory of Physio- logical Chemistry, Yale University, New Haven, Connecticut, U. S. A.)

(Eingegangen am 17. Oktober 1910.)

In einer jüngst erschienenen Arbeit über „Beobachtungen an Jod- proteinen“ schreibt Neuberg!):

„Das 3,5-Dijodtyrosin, die alte Drechselsche Jodgorgosäure, ist bisher mit Sicherheit weder aus einem künstlich jodierten Eiweißkörper noch aus anderen Naturstoffen als aus dem Gorgonin erhalten worden, so daB weitere Untersuchungen in dieser Richtung erforderlich sind;

Die Isolierung eines einfachen jodhaltigen Körpers nach der Hydro- lyse ist bisher nur beim Gorgonin möglich gewesen. Vollständige Auf- spaltungen mit Alkalien und Säuren scheinen überhaupt wenig Aussicht zu bieten, da bei diesen Eingriffen abgesehen von dem günstigen Falle eben beim Gorgonin ein erheblicher Teil des Jods aus der or- ganischen Bindung losgelöst wird.“

In einer im Dezember 19092) veröffentlichten Arbeit haben wir dagegen die Isolierung des 3,5-Dijodtyrosins aus Badeschwamm beschrieben und damit die Natur des Jodkomplexes erkannt. Wir möchten unsere Er- fahrungen hier mitteilen, im Hinblick auf folgende Stelle in obigen Angaben:

„Welche Gruppe der Schwammsubstanz man als Trägerin des organisch gebundenen Jods betrachten muß, hat bisher nicht festgestellt werden können. Bei der Hydrolyse des Spongins mit Mineralsäuren entweichen erhebliche Mengen Jod und Jodwasserstofisäure. Auch bei der Aufspaltung mittels Barytwassers wird Jod aus der organischen Ver- bindung gelöst.

Man durfte nun hoffen, daß bei schonender Hydrolyse, etwa bei Aufspaltung durch Enzyme, die Isolierung der jodhaltigen Gruppe möglich sei.“

Wheeler und Jamieson?) haben jedoch gefunden, daß 3,5-Dijod- tyrosin gegen heißes Barytwasser recht beständig ist; in Übereinstimmung

1) C. Neuberg, diese Zeitschr. 27, 261, 1910.

2) H. L. Wheeler und L. B. Mendel, Journ. of Biolog. Chem. 7, 1, 1909 (Dezember). Referat im Centralbl. f. Biochem: 10, 51, 1910.

3) H. L. Wheeler und G. S. Jamieson, Amer. chem. Journ. 38, 369, 1905.

418 H. L. Wheeler und L. B. Mendel:

hiermit fanden wir, daß Spongin beim Kochen mit Barytwasser in Lösung geht, ohne daß erheblich anorganisches Jod gebildet wird. Das Verfahren zur Isolierung einer krystallinischen Halogenaminosäure haben wir in unserer Mitteilung im einzelnen angegeben. Hier haben wir auch die erste Mitteilung von Scott erwähnt, der die jodenthaltende Gruppe des Spongins zu isolieren versucht hat.

Möglicherweise handelt es sich bei der Anwendung des enzymatischen Verfahrens von Scott!) auf Spongin und bei seiner Übertragung durch Neuberg auf Jodglidine um eine unvollständige Hydrolyse der Proteine. In beiden Fällen wurde die Lösung der Verdauungsprodukte mit Phosphor- wolframsäure fraktioniert, wie aus folgendem ersichtlich ist:

„In der durch Phosphorwolframsäure abgetrennten Fraktion war nur wenig Jod vorhanden, ebenso in dem freiwillig auskrystallisierenden Anteile, der hauptsächlich aus Leucin bestand. Aus dessen Mutterlaugen wurde durch Fraktionierung (s. Anhang I) ein undeutlich krystallisierendes Kupfersalz isoliert, das 52,25°/, J, 7,34°/, Cu und 3,92°/, N enthielt.

Die Zusammensetzung erinnert an die von jodgorgosaurem Kupfer, das J = 54,74°/,, Cu = 6,85°/, und N = 3,23°/, verlangt. Die Isolierung von Jodgorgosäure nach den von Wheeler und Jamieson sowie von M. Henze angegebenen Methoden gelang jedoch nicht.“

Ferner heißt es bei Scott?): „Es sei hier bemerkt, daß der Nieder- schlag mit Phosphorwolframsäure sich niemals als erheblich jodhaltig erwies.“

Scotts Mutterlaugen waren dagegen nach Ausfällung der Phosphor- wolframsäure reich an organisch gebundenem Jod. Nach Behandlung mit Kupfercarbonat, nach Filtration und Fraktionierung erhielt Scott eine nicht krystallisierbare Substanz, die in 93°/,igem Alkohol löslich und stark jodhaltig war.

Es ist klar, daß weder diese Verbindung, noch das undeutlich krystallisierende Kupfersalz von Neuberg Jodgorgosäure gewesen sind; denn das Kupfersalz der letzteren ist unlöslich in Wasser und Alkohol und nicht krystallinisch. 3) i

Da Jodgorgosäure durch Phosphorwolframsäure fällbar ist, scheint es uns sehr wahrscheinlich, daß Scott wie Neuberg unvollständig hydrolysierte Komplexe, vielleicht Polypeptide, in Händen hatten. 3,5-Di- jodtyrosin ist durch Phosphorwolframsäure fällbar, während Tyrosin selbst es nicht ist; nebenbei sei bemerkt, daß auch 3,5-Dibromtyrosin von Phosphorwolframsäure niedergeschlagen wird.

Wenn eine Dijodtyrosinlösung mit Silbernitrat und Salpetersäure erwärmt wird, so trübt sich die klare Flüssigkeit bald, nachdem der Siedepunkt erreicht ist, und nun beginnt die Ausscheidung von gelbem Jodsilber. Diese Reaktion ist für Dijodtyrosin charakteristisch, während

1) L.Scott, diese Zeitschr. 1, 367, 1906.

2) ]. c. 268.

3) In der Beschreibung, die Wheeler und Jamieson (Le 371) von diesem Salz gegeben haben, ist gesagt, es sei hellblau. Das ist irrig, denn das von uns jetzt erhaltene Salz ist nicht blau, vielmehr gelbbraun.

Über Jodproteine. 419

p-Jodphenylalanin in der angegebenen Weise gekocht werden kann, ohne daß Jodsilber entsteht.

Wir haben die Methode der Barytwasserspaltung und nachfolgenden Phosphorwolframsäurefällung des Jodkomplexes auch bei anderen natür- lichen Jodverbindungen anwenden können!); von ihrer Benutzung bei Jodglidine haben wir Abstand genommen, nachdem wir in dem Handels- produkt auch anorganisches Jod gefunden haben.

Neuberg gibt an, daß bei der Verdauung seines Materials mit Pankreatin Jodwasserstoff in Freiheit gesetzt wird. Das war zu er- warten, da Oswald?) ein gleiches Verhalten für 3,5-Dijodtyrosin selbst gefunden hatte.

Daß auch im Organismus des Hundes aus Jodgorgosäure anorgani- sches Jod entsteht, haben Strouse und Voegtlin?) gezeigt.

Bei der großen Wichtigkeit der Jodgorgosäure möchten wir be- tonen, daß sie zuerst von Wheeler und Jamiesont) als Dijodtyrosin im Jahre 1905 erkannt ist, und nicht von Henze, wie Neuberg meint. Die Stellung der Jodatome in der Verbindung wurde von Wheeler und Johns?) bestimmt. Der Beitrag von Henze®) zu dieser Frage bestand lediglich in dem Vergleich des natürlichen und synthetischen Produktes und dem Hinweise, daß die Jodgorgosäure die inaktive Form und nicht die links- oder rechtsdrehende Modifikation sei.

1) Hierüber wird nach Abschluß der betreffenden Versuche berichtet werden.

2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 62, 432, 1909.

3) Journ. of Pharmakol. 1, 123, 1909.

ZIL oe

5) Amer. chem. Journ. 43, 11, 1910.

6) Zeitschr. f. physiol. Chem. 51, 64, 1907.

Bemerkungen zur voranstehenden Mitteilung von H L. Wheeler und L. B. Mendel.

Von

C. Neuberg.

Die von mir anhangsweise mitgeteilten Ergebnisse von L. Scott!) aus Belleville, U. St., sind ein Auszug aus seiner am 12. August 1908 er- schienenen Dissertation. Die eigentliche Veröffentlichung ist also 11/, Jahre vor der Arbeit von Wheeler und Mendel?) erfolgt, in der sie auch aus Badeschwamm Jodgorgosäure erhalten haben. Wenn dieselben sich weiter darüber beschweren, daß die Geschichte der Jodgorgo- säureentdeckung von mir falsch dargestellt sei, so verweise ich auf Seite 264 der von ihnen angezogenen Arbeit aus Band 27 der Bioche- mischen Zeitschrift. Hier sind Wheeler und Jamieson ausdrücklich vor M. Henze zitiert. Außerdem glaube ich, daß ich Wheeler und Jamieson Gerechtigkeit habe widerfahren lassen, da ihre Entdeckung schon im Jahre 1906 in dem Buche über „Physiologie und Pathologie des Mineralstoffwechsels“ von Albert Albu und mir?) bereits hervor- gehoben ist.

Sachlich ist folgendes zu bemerken: Herr Scott hat sich mit den von ihm benutzten, wahrscheinlich aus Griechenland stammenden Schwämmen viele Male vergeblich bemüht, nach den Angaben von Wheeler und Jamieson, insbesondere nach der von ihnen früher (cf.S.421, Anm.2) angegebenen Silbermethode Jodgorgo- säuredarzustellen, hat dagegen stets eine nicht unbeträchtliche Bildung von Jodbarium bei der Barytwasserhydrolyse beobachtet.*) Groß scheint auch die Ausbeute von Wheeler und Mendel nioht gewesen zu sein, da sie

1) L. Scott, Dissertation, Berlin, 12. Aug. 1908.

2) H. L. Wheeler u. L. B. Mendel, Journ. of Biolog. Chem. 7, 1, 1909 (Dezemberheft).

3) A. Albu u. C. Neuberg, Physiol. und Pathol. des Mineralstoff- wechsels. Berlin 1906, bei Julius Springer, S. 179.

4) Nach M. Henze (Zeitschr. f. physiol. Chem. 51, 64, 1907) spaltet 3,5-Dijod-l-tyrosin schon mit heißem Wasser und Alkohol Jod ab. Nach Wheeler nnd Jamieson (Amer. chem. Journ. 83, 369, 1905) wird Jod- gorgosäure selbst bei längerem Erhitzen mit Barytwasser teilweise zersetzt.

C. Neuberg: Bemerkungen zur Mitteilung von Wheeler u. Mendel. 421

aus 400 g Ausgangsmaterial 1 g reines Dijodtyrosin isolierten; an sich wäre also die Gegenwart noch anderer Jodkomplexe durchaus möglich.

Was die Verdauungsversuche mit Jodglidine!) betrifft, so war eine Jodwasserstoffabspaltung durch Pankreatinwirkung im Hinblick auf A. Oswalds Versuche mit Dijodtyrosin keineswegs vorauszusehen; denn diese Verbindung ist weder früher noch bis heute als Spaltungsprodukt des Jodglidines erhalten. Wheeler und Mendel haben jetzt die Methode zur Abscheidung von Jodgorgosäure aus natürlichen Jodpro- teinen durch Einführung der ersten Abtrennung mit Phosphorwolfram- säure verbessert. Zur Zeit, als Scott wie ich unsere Versuche anstellten war für die Isolierung lediglich das alte Verfahren der Silberfällung von Wheeler und Jamieson?) bekannt. Wenn dieses nicht ausreicht und überdies die früheren Angaben von W. u. J.3) über das Kupfersalz irrig waren, scheint es uns unrichtig, jenen Autoren einen Vorwurf zu machen, welche die alte Vorschrift von Wheeler und Jamieson für verläßlich gehalten haben.

1) Das mir von der Fabrik gelieferte Material war praktisch frei von anorganischem Jod. Es waren nicht die Handelstabletten, sondern ein Produkt, das nach Angaben der Fabrik durch Jodierung von Glidin gewonnen und durch nachfolgendes tagelanges Auswaschen von an- haftendem Jod und Jodalkali befreit war. Übrigens hat für solche Jod- glidine H. Boruttan (Deutsche med. Wochenschr. 33, 1490, 1907) ge- zeigt, daß es weder bei der Pepsinverdauung, noch bei kurzdauerndem Kochen mit verdünnten Säuren Jod abspaltet, auch an Alkohol keines abgibt.

2) H. L. Wheeler u. H. S. Jamieson, Amer. chem, Journ. 83, 369, 1905.

3) Siehe die voraufgehende Mitteilung. S. 418, Anm. 3.

In der Arbeit von E. Welde (Band 28, S. 506) Zeile 19 ist das Wort „bakteriell“ zu streichen.

Über synthetische Bildung von Aminosäuren in der Leber. Von Gustav Embden und Ernst Schmitz!)

(Aus dem Städtisch. Chemisch-Physiologischen Institut zu Frankfurt a.M.) (Eingegangen am 11. November 1910.)

Durch die Untersuchungen von O. Loewi, die vielfach Bestätigung gefunden haben, wissen wir, daß der Säugetier- organismus sein Organeiweiß aus den niedersten Spaltungs- produkten der ihm in der Nahrung zugeführten Eiweißkörper, d. h. im wesentlichen aus den Aminosäuren, wieder aufbauen kann.

Dafür, daß auch eben diese Aminosäuren im Tierkörper auf synthetischem Wege aus stickstofffreien Substanzen und Ammoniak gebildet werden können, waren bis vor kurzem nur einige wenige Anhaltspunkte vorhanden.

Die Überführung von Stickstoff aus anorganischer in orga- nische Bindung ist allerdings auch für den Organismus der höheren Tiere eine seit langem bekannte Tatsache. Wir er- innern hier nur daran, daß der Stickstoff verfütterter Ammon- salze zur Bildung von Harnstoff, in dem die Aminogruppe direkt an ein Kohlenstoffatom gebunden ist, verwendet wird.

Die möglicherweise bei dieser Harnstoffbildung intermediär auftretende Carbaminsäure NH,COOH kann sogar ohne weiteres als eine synthetisch gebildete Aminosäure angesprochen werden.

Für die eigentlichen Eiweißaminosäuren aber durfte eine solche Bildung aus stickstofifreiem Material und Ammoniak bis vor kurzem nicht als bewiesen gelten.

1) Nach einem Vortrag, gehalten am 1. November 1910 in der Wissenschaftlichen Vereinigung am städtischen Krankenhause zu Frank- furt a. M.

Biochemische Zeitschrift Band 29. 28

424 G. Embden und E. Schmitz:

Zwar wußte man durch die Untersuchungen von Wie- chowski und Magnus-Levy, daß der Organismus Glykokoll in weit größeren Mengen zu bilden vermag, als ihm diese Amino- säure als Bestandteil von Nahrungseiweiß zugeführt wird; doch könnte dieses Glykokoll a priori sehr wohl als Abbauprodukt höherer Aminosäuren unter Erhaltung der in «a-Stellung befind- lichen Aminogruppe auftreten.

Sehr wesentlich wurde die Frage der synthetischen Amino- säurebildung durch eine kürzlich von Knoop!) veröffentlicht Untersuchung gefördert.

Knoop stellte nämlich fest, daß nach Verfütterung von y-Phenyl-a-ketobuttersäure an Hunde die entsprechende @-Amino- säure in Form ihres Acetylderivats ausgeschieden wird.?)

Wenn wir hier auf die Acetylierung der Einfachheit halber keine Rücksicht nehmen, so würde also folgende Umwandlung eingetreten sein:

C;H,CH,CH,COCOOH C,H,CH,CH,CHNH,COOH.

Auch bei Verabreichung von y-Phenyl-«-oxybuttersäure trat die ebengenannte acetylierte Aminosäure auf, wenn auch in geringerer Menge, als nach Verabreichung der Ketosäure.

Die Phenylaminobuttersäure kommt im Eiweißmolekül nicht vor, und ihr aromatischer Kern kann vom Organismus nicht verbrannt werden.

Eben deswegen war sie, wie Knoop hervorhebt, aber für solche Fütterungsversuche in hohem Maße geeignet, während bei Verabreichung von solchen Ketosäuren, die den natürlichen Aminosäuren entsprechen, etwa gebildete Aminosäuren voraus- sichtlich restlos verbrannt worden wären.

Knoop hält es aber auf Grund seiner Versuche an aro- matisch substituierten, unverbrennlichen Substanzen für wahr- scheinlich, daß ganz analoge Vorgänge sich auch an den

1) Fr. Knoop, Über den physiologischen Abbau der Säuren und die Synthese einer Aminosäure im Tierkörper. Zeitschr. f. physiol. Chem. 67, 489, 1910.

2) Die synthetische Bildung einer x-Aminosäure gerade mit der ent- sprechenden Ketosäure zu versuchen, lag neben rein chemischen Tat- sachen, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll, eine besondere Veranlassung in den Untersuchungen O. Neubauers vor, der zeigte, daß

die &-Ketosäuren das erste faßbare Abbauprodukt der &-Aminosäuren im Organismus sind.

Synthetische Bildung von Aminosäuren in der Leber. 425

entsprechenden aliphatischen Substanzen abspielen, das heißt also, daß sich auch hier aus «-Ketosäuren und «-Oxysäuren die entsprechenden Aminosäuren bilden könnten.

Wir selber sind nun der Frage der synthetischen Bil- dung natürlicher Aminosäuren aus den entsprechenden a-Keto- säuren und a-Oxysäuren experimentell an der Hand einer Methode nähergetreten, die namentlich in den letzten Jahren in mancher Frage des intermediären Stoffwechsels mit großem Erfolge angewendet wurde, der Methode der künstlichen Durch- blutung der isolierten Leber.

Unsere ersten Versuche auf diesem Gebiete liegen schon Jahre zurück. Namentlich versuchte der eine von uns bereits vor langer Zeit eine Alaninbildung aus milchsaurem Ammo- niak bei der Durchblutung der Leber zu erzielen. Die dama- ligen Versuche führten aber nicht zu einem positiven Ergebnis, wofür der Grund wohl in der Mangelhaftigkeit der angewandten chemischen Methodik zu suchen ist. Die Arbeit von Knoop veranlaßte uns, an der Hand der unterdessen vielfach ver- besserten Methoden unsere Versuche wieder aufzunehmen.

Die zu untersuchenden Säuren wurden in Form ihrer Ammonsalze dem Durchblutungsblute zugefügt.

Die Durchblutung wurde nach 60 bis 90 Minuten ab- gebrochen und Blut und Leber auf die vermutete Aminosäure verarbeitet.

Unsere Versuche wurden an der glykogenarmen Leber an- gestellt. Durchblutungsversuche an der glykogenarmen Leber, in denen dem Blut keinerlei Substanz zugesetzt wurde, zeigten uns, daß unter diesen Umständen zwar anscheinend eine ge- wisse Vermehrung der Aminosäuren des Blutes auftritt, doch ließ sich eine bestimmte Aminosäure mittels der von uns an- gewandten Methoden nicht isolieren.

Hingegen gelang es uns, nach Durchblutung mit etwa 5g p-Oxyphenylbrenztraubensäure annähernd 0,5 g der Dinaphtha- linsulfotyrosinverbindung zu gewinnen, nach Durchströmung unter Zusatz von 5,7 g y-Phenylbrenztraubensäure etwa 0,5 g der Uraminosäure des Phenylalanins.

Ganz besonders reichlich wurde in einer Reihe von Ver- suchen mit Zusatz von Brenztraubensäure Alanin gebildet, das

als Naphthalinsulfoalanin isoliert wurde. 28*

426 G. Embden und E. Schmitz:

Wir wollen noch besonders hervorheben, daß das Tyrosin und das Alanin in optisch aktiver, und zwar der natürlichen Form auftraten, woraus mit Sicherheit hervorgeht, daß die von uns isolierten Aminosäuren nicht als chemische Labo- ratumsprodukte aufzufassen sind. Über das optische Ver- halten des Phenylalanins können wir einstweilen keine Angaben machen.

Nach Durchströmung mit dem Ammoniaksalz der dem Leucin entsprechenden «a-Oxysäure (Leucinsäure) wurde in geringer Menge eine Uraminosäure isoliert, die allem Anschein nach Leucinuraminosäure war, wenn auch das Material zur Analyse nicht ausreichte. Bei allen übrigen Aminosäuren erfolgte die Identifikation durch die Elementaranalyse.

Von besonderem Interesse erscheinen nun einige weitere Versuche, die im Anschluß an die vorstehenden von Fräulein Fellner ausgeführt wurden. In diesen Versuchen konnte ge- zeigt werden, daß ebenso wie Brenztraubensäure auch dem Durchblutungsblute zugefügte Milchsäure Alanin bildet, wenn auch allem Anscheine nach in geringerem Maße als Brenz- traubensäure, was ganz mit den Angaben Knoops über die aromatisch substituierte Ketosäure und Oxysäure übereinstimmt.

Der Übergang von Milchsäure in Alanin beweist, daß Kohlenhydrate, insbesondere Glykogen und Traubenzucker in Alanin umgewandelt werden können, da nach früher von uns veröffentlichten Untersuchungen Milchsäure als Abbau- produkt der genannten Kohlenhydrate bei der Durchblutung der Leber auftritt. |

Wir weisen darauf hin, daß auf die Möglichkeit einer Alaninbildung aus Milchsäure und damit aus Kohlenhydraten auch Knoop auf Grund seiner eigenen und unserer früheren Versuche aufmerksam macht.

Wenn schon durch die Alaninbildung aus Milchsäure die Umwandlung von Kohlenhydrat in eine Aminosäure als be- wiesen anzunehmen war, so gelingt dieser Nachweis in noch direkterer Weise bei der Durchblutung der stark glykogen- haltigen Leber unter Zusatz von geringen Mengen Ammonium- chlorid zum Durchblutungsblute.

Auch in diesen Versuchen konnte Naphthalinsulfoalanin in nicht unerheblicher Menge gewonnen werden.

Synthetische Bildung von Aminosäuren in der Leber. 427

Es gelingt also, bei einfacher, 1!/,stündiger Durchblutung der glykogenhaltigen Leber, einen Teil des Glykogens über Milchsäure und wahrscheinlich Brenztraubensäure in Alanin überzuführen.!)

Wir wollen an dieser Stelle noch erwähnen, daß nach noch nicht veröffentlichten Versuchen von S. Oppenheimer auch Lävulose und Glycerin bei der Durchblutung der Leber Milchsäure bilden, ohne Frage also ebenfalls in Alanin um- gewandelt werden können.

Der direkte Nachweis der Umwandlung von Kohlenhydrat in eine Aminosäure steht in bestem Einklange mit früheren Stoffwechseluntersuchungen.

So konnte Lüthje zeigen, daß die Stickstoffretentionen, wie sie von Loewi und auch von ihm mit einer Stickstoff nur in Form abiureter Spaltprodukte des Eiweiß enthaltenden Nahrung erzielt wurden, nur dann auftraten, wenn gleichzeitig mit diesen Produkten große Mengen von Kohlenhydraten ver- abreicht wurden, nicht aber, wenn daneben nur Fett verab- reicht wurde.

Ähnliche Stickstoffretentionen beobachtete Lüthje auch mit einem Gemisch weniger Aminosäuren, ja sogar mit As- paragin und Glykokoll allein, aber wiederum nur bei gleich- zeitiger Verabreichung großer Kohlenhydratmengen, ein Ver- halten, das ihn zur Annahme besonders enger Beziehungen zwischen gewissen stickstoffhaltigen Stoffwechselendprodukten und Kohlenhydraten veranlaßte. Insbesondere wies Lüthje auf die Möglichkeit der synthetischen Bildung von Amino- zucker hin.

Es ist sehr möglich, daß in den Versuchen von Lüthje und ebenso übrigens auch in den Versuchen von Frl. Fellner an der stark glykogenhaltigen Leber wirklich eine Bildung von

1) Wir möchten an dieser Stelle dem naheliegenden Einwande be- gegnen, daß es sich etwa in den vorliegenden Versuchen um durch eine beginnende Autolyse der Leber frei gewordene Aminosäuren handelte. Davon abgesehen, daß in den Leerversuchen an der glykogenarmen Leber nur eine unerhebliche Bildung von Aminosäuren auftrat, konnte in Versuchen unter Zusatz bestimmter Keto- und Oxysäuren immer nur diejenige Aminosäure isoliert werden, die theoretisch zu erwarten war, trotzdem z.B. für Leucin und Phenylalanin eine bis in alle Einze!- heiten gleiche Isolierungsmethode angewendet wurde.

428 G.Embden u. E. Schmitz: Synthet. Bild. v. Aminosäuren i. d. Leber.

Aminozucker aus Zucker eintrat. Vor allem aber dürfte es sich auch in den Versuchen von Lüthje um eine synthetische Bildung von Aminosäuren, in erster Linie Alanin, gehandelt haben.

In ganz ähnlicher Weise dürfte eine von Knoop (l. ei bereits angeführte Arbeit von E. P. Cathcart zu deuten sein. Cathcart zeigte, daß im Hunger stickstofffreie Kohlenhydrat- kost ohne Fettzusatz den Harnstickstoff vermindert, stickstoff- und kohlenhydratfreie Fettdiät ihn vermehrt.

Es steht der Annahme nichts entgegen, daß das aus Kohlenhydrat gebildete Alanin sich am Aufbau von Eiweiß- molekülen im Tierkörper beteiligen kann.

In gewisser Weise wird also durch die vorstehenden Untersuchungen die Umwandlung von Kohlenhydrat in Eiweiß oder richtiger in essentielle Bestandteile des Eiweißmoleküls bewiesen.

Ob außer dem Alanin noch andere Aminosäuren aus Kohlenhydraten und Ammoniak im Organismus gebildet werden können, darüber geben die eben mitgeteilten Versuche keinen Aufschluß, und wir möchten diese Frage um so weniger erörtern, als dies von Knoop ausdrücklich geschehen ist.!)

Die ausführliche Veröffentlichung unserer Versuchsresultate sowie derjenigen von Fräulein Fellner wird später erfolgen.

1) Im Zusammenhang hiermit möchten wir nur daran erinnern, daß vor kurzem Embden und Tachau als regelmäßigen Bestandteil des normalen menschlichen Schweißes Serin nachweisen konnten. Wir müssen annehmen, daß in den Schweiß- (vielleicht auch in den Talg-) Drüsen eine Spaltung von Fett stattfindet, weil sich Fettsäuren, bzw. fettsaure Salze im Schweiße finden. Vielleicht ist das Serin des Schweißes als ein durch Oxydation einer primären Alkoholgruppe und Amidierung am «&-Kohlenstoffatom entstandenes Umwandlungsprodukt des Glycerins aufzufassen.

Ein mit glycerinsaurem Ammoniak angestellter Durchblutungs- versuch an der Leber führte allerdings nicht zu nachweisbaren Serin- mengen.

Daß Glycerin auf dem Umwege über Milchsäure in Alanin über- gehen kann, wurde bereits oben erwähnt.

Die quantitative Bestimmung von Schwefel und Phosphor. Von C. G. L. Wolf und Emil Österberg.

(Aus dem Department of Chemistry der Cornell University, Medical College, New York.)

(Eingegangen am 24: Oktober 1910.)

Auf dem Gebiet des Stoffwechsels ist bekanntlich die quantitative Schwefelbestimmung schwieriger als fast jede andere ebenso oft ausgeführte Analyse.

Die dabei angewandten Methoden basieren entweder auf der Benutzung eines flüssigen Oxydationsmittels wie Salpeter- säure!) oder auf der Anwendung eines festen Oxydationsmittels wie salpetersaures Kali oder Natriumsuperoxyd.?)

Daß rauchende Salpetersäure nicht angewandt werden kann, haben wir in einer früheren Arbeit schon gezeigt,°) ebenso haben wir oft bemerkt, daß der Gebrauch von Natrium- superoxyd besonderer Vorsicht bedarf. Selbst in der Hand eines erfahrenen Analytikers gibt dieses Reagens in wieder- holten Fällen häufig keine befriedigenden Resultate, wenn es sich um stickstoffhaltige Substanzen wie Fleisch, Exkremente und Eigelb handelt.

Im vergangenen Jahr*) ist nun durch S. R. Benedict eine Methode in Aufnahme gekommen, die von allen bisherigen in- sofern abweicht, als sie als Oxydationsmittel chlorsaures Kali und salpetersaures Kupfer benutzt. Das Verfahren, das ursprüng- lich für Urin vorgeschlagen wurde, ist nach dem wörtlichen Bericht von Benedict folgendes:

1) Schulz, Arch. f. d. ges. Physiol. 121, 114, 1908. 2) Jolin, Journ. of Biolog. Chem. 1, 131, 1906.

3) Wolf und Österberg, diese Zeitschr. 9, 307, 1908. t) Benedict, Journ. of Biolog. Chem. 6, 363, 1909.

430 C. G. L. Wolf und E. Österberg:

Reagens. Kristallisiertes Kupfernitrat!) 200,00 g Natrium- oder Kaliumchlorat?) 50,00 g Destilliertes Wasser 1000,00 ccm

10 ccm Urin werden, genau abgemessen, in eine kleine 7 bis 8cm große Verdampfungsschale aus Porzellan getan und 5 ccm des Reagenzes hinzugefügt. Den Inhalt der Schale läßt man auf einer offenen Flamme verdunsten, die so reguliert wird, daß sie die Lösung gerade unter dem Siedepunkt hält, so daß nichts durch Übersprudeln verloren gehen kann. Sobald die Lösung bis zur Trockne eingeengt ist, wird die Flamme etwas vergrößert, bis der ganze Bodensatz schwarz geworden ist, dann wird die Flamme nach und nach in 2 Etappen höher geschraubt zur vollen Hitze eines Bunsenbrenners und der Inhalt der Schale für 10 Minuten auf Rotglühhitze gebracht, wodurch der schwarze Bodensatz, der zuvor schmilzt, trocken wird. Diese Hitze hat den Zweck, die letzten Spuren von Nitraten oder Chloraten zu zersetzen.

Die Flamme wird darauf fortgenommen, und die Schale kann nun mehr oder weniger vollständig erkalten. Dann werden 10 bis 20 ccm verdünnter Salzsäure (1:4) zu dem Rück- stand in die Schale hinzugegeben, der darauf leicht erwärmt wird, bis der Inhalt vollkommen gelöst ist und eine voll- ständig klare und durchsichtige Flüssigkeit entstanden ist. Die Auflösung des Rückstandes geht in etwa 2 Minuten vor sich. Mittels eines Glasstabes wird die Lösung in einen kleinen Erlenmeyer-Kolben übertragen, mit kaltem destilliertem Wasser auf 100 bis 150 ccm verdünnt, 10 com 10°/,iger Bariumchloridlösung tropfenweise dazugetan und die Lösung ungefähr 1 Stunde stehen gelassen. Dann wird sie umgeschüttelt und wie üblich durch einen gewogenen Goochtiegel filtriert. 1 Dutzend Analysen können auf diese Weise in weniger als 1 Std. bis zum Niederschlag fertig gebracht werden.

Wir haben Benedicts Behauptung, daß die Anwendung von chlorsaurem Kalium oder Natrium gleich gute Resultate

1) Das Kupfernitrat muß auf die Gegenwart von Sulfat geprüft werden und, wenn dieses vorhanden, genau bestimmt werden.

2) Zahlreiche Versuche haben gezeigt, daß die Resultate die gleichen sind, ob Natrium- oder Kaliumsalz angewandt wird.

Quantitative Bestimmnng von Schwefel und Phosphor. 431

gibt, bestätigen können, wie die folgenden Analysen klar beweisen.

beggen

Rauch. HNO, Rauch. HNO, -+ KaCl0, -+ NaClO,

BaSO, Schwefel BaSO, Schwefel

Substanz

Getrockn. Fleisch Eiweiß Eigelb

Erschöpfende Versuche mit diesem Verfahren haben uns ‘von dessen absoluter Zuverlässigkeit überzeugt; die Resultate waren dieselben wie die bei Anwendung von Natriumsuper- oxyd gewonnenen. Technisch ist dieses aber viel leichter ausführ- bar, und man vermeidet den Gebrauch des teuren Nickelschmelz- tiegels, der bei aller Vorsicht nicht viele Schmelzungen aushält.

Bei dem Versuch, dieses Verfahren in seiner ursprünglichen Form zur Bestimmung des Schwefelgehaltes in festen Speisen anzuwenden, stießen wir auf Schwierigkeiten. Wir veröffentlichen hier die Resultate, die wir mit dieser Methode bei der An- wendung auf feste Substanzen erhielten.

Wir fanden, daß bei der direkten Einwirkung des Oxydations- mittels die Oxydation eine unvollkommene war; deshalb versuchten wir die Substanz vorher mit Salpetersäure zu be- handeln, ehe wir sie der Wirkung des Kupfernitrats und Kalium- chlorats aussetzten. Während mit einigen Stoffen ziemlich befriedigende Analysen erreicht wurden, waren die Resultate bei vielen schwerer zu oxydierenden Stoffen minder gut, als jene mit der Schmelzmethode erhaltenen, wie die folgende Tabelle zeigt:

-ua

l g Substanz 1 g Substanz 20 eem Benedictsche Lös. | 20 ccm Benedictsche Lös.

Substanzen |20 cem konzentriert. HNO, j 20 cem reuchende HNO, BaSO, | Schwefel BaSO, Schwefel g | "ie g K. 0

Getrockn. Fleisch

0,0604 0,830 0,0653 | 0,897 Eiweiß 0,1076 1,477 0,1156 1,587 Eigelb 0,0230 0,316 0,0273 0,375

432 C. G. L. Wolf und E. Österberg:

Diese Schwierigkeit überwindet man bei dem Gebrauch von rauchender Salpetersäure. Eine vorhergehende Behand- lung mit derselben ergibt Resultate, die wenig zu wünschen übrig lassen. Folgendes Verfahren möchten wir für die quan- titative Schwefelbestimmung in biologischen Produkten vor- schlagen:

Man bringt die zu analysierende Substanz in einen birnen- förmigen, 300 ccm fassenden Kolben mit einem langen Hals. Dazu fügt man 20 ccm rauchende Salpetersäure, erhitzt zuerst auf einer kleinen Flamme und läßt dann schließlich so lange sieden, bis die Flüssigkeit frei von festen Bestandteilen ist. Das Kochen wird so lange fortgesetzt, bis keine Salpetrigsäure- dämpfe mehr aufsteigen. Manchmal wird man noch mehr rauchende Salpetersäure hinzufügen müssen, um eine vollständige Auflösung der Substanz zu erreichen.

Die so zersetzte Substanz wird dann quantitativ mit destill. Wasser in eine 150 ccm große Porzellanschale oder -tiegel mit abnehmbarem Deckel übertragen und 20 ccm Benedict- sche Lösung dazugetan. Man läßt die Mischung in einem Sandbade verdampfen, bis sie ganz trocken ist. Darauf wird die Schale auf offner Flamme erhitzt und die Hitze allmählich gesteigert, bis der Boden des Gefäßes rotglühend ist. Auf dieser Temperatur wird sie 20 Min. gehalten. Dann läßt man die Schale abkühlen, fügt 25 ccm Salzsäure (1:4) hinzu und erwärmt den Inhalt der Schale, bis der ganze schwarze Boden- satz in derselben aufgelöst ist. Die Lösung wird dann in einen 500 ccm großen Erlenmeyer-Kolben übertragen, ungefähr 150 ccm Wasser dazugetan und die Lösung 15 Min. lang ge- kocht. Dann läßt man sie abkühlen und ein paar Stunden stehen, am besten über Nacht. Zum Schluß filtriert man sie durch einen kleinen Trichter. Alsdann wird Bariumchlorid tropfenweise so lange zugesetzt, bis kein Niederschlag mehr ent- steht, einige Stunden stehen gelassen und durch einen Gooch- tiegel filtriert. Das schwefelsaure Barium wird mit heißem Wasser gewaschen, bis die Spülflüssigkeit bariumfrei ist. Dann wird geglüht und gewogen. Durch die erste Filtration nach dem Stehenlassen vermeidet man die Beimischung von Kiesel- säure zur endgültigen Lösung, die von der leichten Zersetzung der Porzellanschüssel infolge des Erhitzens herrühren kann.

Quantitative Bestimmung von Schwefel und Phosphor. 433

Man wird daher finden, daß das Stehenlassen exaktere Resultate gibt als die sofort filtrierte Lösung.

Wenn eine Substanz, die viel Fett enthält, oxydiert wird, findet man, daß der Bodensatz bei der Verdampfung die Neigung zum Schäumen zeigt. Das kann man durch Hinzufügen von 5ccm 5 n-Salpetersäure verhindern, wenn die Lösung nur bis zur Trockenheit verdampft ist. Die Substanz wird nun eine glatte Schicht auf dem Boden der Schale bilden, und die nach- folgende Erhitzung wird ohne Schwierigkeit vor sich gehen.

Zwei Analysen von Schwefel ergaben in dem Reagens 0,0022 und 0,0024 BaSO,.

Zwei Schwefelbestimmungen, bei denen 10ccm einer 10°/,igen Rohrzuckerlösung dem Reagens hinzugefügt waren, ergaben 0,0025 und 0,0024 g BaSO,.

Zwei ähnliche Analysen, in denen man statt Zucker 1 g Speck hinzugefügt hatte, ergaben 0,0020 und 0,0024 g BaSO,.

In sämtlichen Analysen wurde eine Korrektur von 0,0022 g BaSO, vorgenommen.

Bestimmungen des gesamten Schwefelgehaltes im Urin bei Anwendung des Benedictschen Verfahrens, der Methode mit Natriumsuperoxyd und Schmelzung mit chlorsaurem Kali!) ergaben gut übereinstimmende Werte.

Vier Bestimmungen des gesamten Schwefelgehaltes von Cystin wurden mit folgenden Resultaten gemacht: Diese Zahlen wurden mit vier entsprechenden Schwefelbestimmungen, die durch das Verfahren mit Natriumsuperoxyd gewonnen waren, verglichen. Zu jeder Analyse wurden nur 50 bis 100 mg Cystin verwandt. Die Resultate des Schwefels in Prozenten ausgedrückt waren folgende:

Neue Methode: 26,85°/,; 26,69°/,; 26,92°/,; 26,62°/,.

Na,0,- ge 26,80°/,; 26,90°/,; 26,90°/ ,; 26,96°/,. Durchschnittl. °/, des Schwefels für die neue Methode 26,77°/,. IT Me IT 29 Na,0,- GROND

Berechneter Prozentgehalt des Cystins 26,70°/,.

Man sieht, daß die Resultate mit dem Natriumsuperoxyd- verfahren höher sind als die mit der Kupfernitratmethode er-

1) Folin, Amer. Journ. Physiol. 9, 272, 1908.

434 C. G. L. Wolf und E. Österberg:

reichten, aber daß die letzteren der Theorie näher kommen. Dieser höhere Gehalt an Schwefel zeigt sich auch in den fol- genden Analysen von Gelbei. Um zu bestimmen, ob das Fett im Eigelb die Analyse beeinflußte, wurde es durch Ather extrahiert und die fettfreie Substanz auf Schwefel untersucht. Die in diesen Analysen gefundene Schwefelmenge war dieselbe, wie die durch die zwei andern Verfahren gewonnenen. Man beobachtet indessen, daß die aus den fettfreien Analysen ge- wonnenen Schwefelmengen, wenn sie mit denjenigen der fett- haltigen Substanzen geprüft werden, dieselben Ergebnisse zeigen wie die Untersuchungen des Gelbeis mit Kupfernitrat, dagegen nicht mit den Resultaten des Natriumsuperoxydverfahrens übereinstimmen. Wir haben also Grund, aus dieser Unter- suchung zu folgern, daß die Kupfernitratziffern die genaueren waren. Warum mit einem Stoff wie das Eigelb das Natrium- superoxydverfahren zu hohe Resultate ergibt, sind wir bis jetzt noch nicht imstande zu erklären. Die Beobachtung soll noch weiter verfolgt werden. lg des aus dem Eigelb extrahierten Fettes gab bei der Analyse 0,003 g schwefelsaures Barium.

BaSO, Schwefel = g "h

Fettgehalt des Eigelb 59°/ Na,0,-Methode, Durchschnittswert v. 3 Analysen | 0,0309 0,424

Neues Verfahren, DS, Si 0,0272 0,374 Als fettfrei berechnet Na,0,-Methode, Durchschnittswert v. 3 Analysen 1,035 Neues Verfahren, u En 0,911 Schwefel direkt bestimmt in fettfreiem Stoff.

Na,0,-Methode 0,0658 0,903

0,1340 0,920

Neue Methode 0,0660 0,906

0,1316 0,903

Aus der folgenden Tabelle von Analysen der Schwefel- mengen in gewissen biologischen Produkten wird man ersehen, daß man mit dieser Methode Resultate erzielen kann, die mit dem Natriumsuperoxydverfahren übereinstimmen. Das Gewicht des erhaltenen Bariumsulfats ist deshalb angegeben, um die für die Analyse verwandten Substanzmengen zu zeigen.

Quantitative Bestimmung von Schwefel und Phosphor. 435

Neue Methode Na,0,-Methode

Substanz

Fettfreies Fleisch

0,853 Plasmon 0,567 0,573 0,610 Weißei 1,538 1,525 1,483

Gelbei, 590/, Fett —!}) Faeces 0,1220 1,675 0,1164 1,598 0,1228 1,686 Faeces 0,0740 1,016 0,0760 1,044 0,1436 0,986

Um festzustellen, ob die für gewöhnlich zur Schwefel- bestimmung genommenen Substanzmengen die Oxydationskraft des Reagenzes nicht überstiegen, wurden 1 bis 2g Eigelb zur Analyse verwandt. Wie man aus der folgenden Tabelle er- sieht, waren die Resultate gut übereinstimmend.

Ferner wurde ein Versuch gemacht, festzustellen, ob Cystinschwefel, den man zu einem Proteinkörper hinzufügt, quantitativ wieder gefunden wird. Auch die Resultate dieser Versuche sind in der folgenden Tabelle (S. 436) enthalten.

Im 1. Falle, wo 0,02713 g Cystinschwefel hinzugefügt waren, wurden 0,02738 g erhalten, und wenn 0,01349 g Cystinschwefel zu 2 g Gelbei hinzugefügt war, wurden 0,01380 g wiedergefunden. Es ist also klar, daß das Verfahren den Gesamtgehalt des Cystinschwefels in einer Mischung quantitativ angibt.

1) Siehe oben; man achte genau auf den Unterschied zwischen der Sohwefelmenge, die mit beiden Methoden im Gelbei gefunden wurde.

C. G. L. Wolf und E. Österberg:

436

= Lg - er En RO re S = - U - E kb e En LBA y 3333537733373333354333333373557 CECR 2 o o 5 a SS © SB 333%53 a SE Zg 2 ËKKCKEËRKKEEEEEAEKEECEECEELEKEREEKER ei © P bd ~ E Q "e g La e vi Ki EI H & el a SS gipa 3 E r iai- BO o KKK © GO = = e 3 A Cd © 2 8 u e 2 D ei o = 8 rg B © D rd g HH FE PA EFI EEE TEN PP FEE 5828338 NS Ss og Eat ës ëss g 298554 Borgs ss Geo 8 H cc e oa E + = g e o n I o S D S E „= Eis oo 2 e E E Sago .g M ZS e Ki 8 S a m ` di 2 g O N O gor ango "S 42 R= g g p gi OI ei gETEEREEEESETKEEERRELETEFRGEEEEEECKEIE H (eD) a ZO sech e b S S & ven P e SSECETKEKKEEEKEEKEKTECKEEKETETCEKECKERER | 919% | 8EEIO'O| FL60.0 | | Lee S SR moo 9 01'96 | 01950'0) FF6T 0 EU ` Zéi wo ot ` | | . Lego opt "7 säi wog + 8EET00 TFEIO'O, GEO o F8PT'O | 6FETO'O; 09E10°0 : eich en g + a 019300 6+930'0 ORG 0 unsogunsä) ot lie oT + aqota ere 19E10°0, omg Hr | 5 j anl wog H 01980 0, £01300 80800; 9833 0 | ETLZ0 0, 8TLEO 0, = RE ee or + S | | E1L20'0: BELEO'O OTLEO'O unsogunsig 9310/01 mon ot + qladıq | Coco | 221000 | 837z | eren |86900'0) 8090ʻ0 GoEO |60L000 qsa 3 g | | 09E‘0 09000; 69200 | 6LE‘O | 6LEOOO R A I | I | eo eeng *9300 c9E'0 | S9E00°0 qrdıg 3 1 3 3 | f | Ski? unsÄg | ı umsÄg OI Kleng | PAD lojonauog wee Toeeg [— —- -i ppamyag | ’oseq zus/sqng [opoAyosurgskg | | [oponyosunsA,) spoqgam-!o’eN opouqaoig See E

3 3 3 3 3 3

f. physiol. Chem. 37, 115,

1902.

6 G 6 I I I

Quantitative Bestimmung von Schwefel und Phosphor. 437

rium und die Spülflüssigkeit engt man bis auf 250 ccm ein, fügt 10 ccm konzentrierte Schwefelsäure dazu und filtriert den entstandenen Niederschlag ab. Nun benutzt man dieses Filtrat zur Bestimmung von Phosphor mit der Neumannschen Methode. 60 ccm 5°/,ige Ammonnitratlösung werden hinzugefügt, die Mischung auf 60 bis 70° erhitzt und ein Überschuß von molybdänsaurem Ammonium zugegeben. Nach dem Abkühlen wird die Fëllung durch ein mit 15°/,igem Ammonnitrat be- feuchtetes Filter filtriert und mit eiskaltem Wasser gewaschen, bis das Waschwasser gegen Lackmuspapier neutral reagiert. Der Niederschlag wird in einer gemessenen Menge halbnormaler Natronlauge aufgelöst, indem man einen Überschuß von etwa 2 ccm benutzt, dann wird die Lösung gekocht, bis sie frei von Ammoniak ist und mit ”/ ‚Salzsäure titriert.

l ccm ?/ „NaOH = 0,2536 P,O,,

l com »/ „NaOH = 0,11075 P.

Die folgenden Analysen einiger biologischer Produkte, diedurch die direkte Neumannsche Methode kontrolliert wurden, sollen zeigen, welch ausgedehnter Anwendung die neue Methode fähig ist. Die mitgeteilten Titrationswerte mögen als Beleg hierfür dienen.

2 Sie Nat

Direkte BaSO,-Filtrat- Methode methode

i Im Filtrat der Direkt Schwefel- bestimmung

Substanz

Fettfreies Fleisch

Plasmon Weißei Gelbei, 59°/, Fett

Eigelb, frei von Fett

Fett vom Eigelb

Faeces

0,0370 0,0381 0,0374 0,0382 0,0375 0,0380

Urin 20 ccm

438 C.G.L.Wolf u. E. Österberg: Quantit. Best. v.Scohwefel u. Phosphor.

Durchschnitt von 3 Bestimmungen mittels der direkten Methode: In fettfreier Substanz . . . . . 1,457°/,- In Fet. DA, Durchschnitt von 3 Bestimmungen mittels der BaSO,-Filtrat- methode:

In fettfreier Substanz `, . . . . 1,484°/..

In Fett . 2. 2 2 20 a a a 0,923 Direkt: 1,459 << 41,0 = 0,598°/, 0,946 >< 59,0 = 0,558°/,

1,156°/, P berechnet, 1,120®/, P gefunden.

Im Filtrat: 1,484 œ< 41,0 = 0,608°/, 0,923 œ< 59,0 = 0,545°/,

1,153°/, P berechnet, 1,128°/, P gefunden.

Gesamtergebnis.

Es wird ein Verfahren zur Bestimmung von Schwefel und Phosphor in biologischen Produkten beschrieben, das ebenso genau ist wie die Methode mit Natriumsuperoxyd und das Neumannsche Verfahren. Das Verfahren beruht auf der Oxydation der Substanz mit rauchender Salpetersäure und der weiteren Oxydation mit Kupfernitrat und Kaliumchlorat. Die Mengen für Schwefel und Phosphor können in ein und derselben Lösung quantitativ bestimmt werden.

Die isoelektrischen Konstanten der Blutkörperchen- bestandteile und ihre Beziehungen zur Säurehämolyse.

Von

Leonor Michaelis und Dengo Takahashi.

(Aus dem biologischen Laboratorium des städtischen Krankenhauses am Urban in Berlin.)

(Eingegangen am 3. November 1910.)

Es wurden bisher nach den früher entwickelten Grundsätzen die isoelektrischen Konstanten einer ganzen Reihe von Stoffen bestimmt, von denen bisher schon publiziert wurden: Serum- albumin, Serumglobulin, Casein, Gliadin, Edestin, Pepsin. Die Methodik erwies sich auch in vielen Fällen anwendbar, wo von einer Reindarstellung der zu untersuchenden Substanz nicht die Rede sein konnte, wie beim Pepsin. Es wurde deshalb auch der Versuch unternommen, solche Konstanten zu finden bei wohl charakterisierten, aber chemisch bisher ungenügend definierten Zellbestandteilen. Wir beginnen in dieser Arbeit mit den Bestandteilen des roten Blutkörperchens. Wir können im Blutkörperchen zwei Hauptbestandteile unterscheiden: die Stromasubstanz und das Hämoglobin. Während die Einheit- lichkeit des Hämoglobins wohl nicht in Zweifel gezogen werden dürfte, läßt sich von der chemischen Einheitlichkeit der Stroma- substanz bisher nichts aussagen. Wir werden nun zeigen, daß gleichwohl die isoelektrische Konstante der Stromasubstanz gut bestimmbar ist und zu ihrer Charakterisierung benutzt werden kann, etwa wie sonst ein Schmelzpunkt oder dergleichen. Wir sind uns natürlich bewußt, daß die theoretische Bedeutung dieser „isoelektrischen Konstanten“ nicht so gut fundiert ist als bei chemisch sicher einheitlichen Körpern. Nichtsdesto-

weniger läßt sich die Konstante als solche bei der Stroma- Biochemische Zeitschrift Band 29. 29

440 L. Michaelis und D. Takahashi:

substanz mit aller Schärfe bestimmen, und in einem gewissen Sinne kann man daher die Stromasubstanz als einen einheit- lichen, wenigstens in einem gewissen Sinne wohlcharakterisierten Körper auffassen.

Zur Bestimmung der isoelektrischen Konstanten besitzen wir zwei voneinander unabhängige Methoden, die Bestimmung des elektrischen Umkehrpunktes und die Bestimmung des Koagulationsoptimums. In allen bisher untersuchten Fällen erwies sich die nach den beiden Methoden gewonnene Konstante als identisch. Dabei ist jedoch zu bemerken, daß die Genauig- keit der Bestimmung des Koagulationsoptimums im allgemeinen eine größere war als die des elektrischen Wendepunktes.

In dem heute vorliegenden Falle hat sich die Anwendung beider Methoden zur gegenseitigen Kontrolle nicht ermöglichen lassen. Für die Stromasubstanz versagte die Überführungs- methode, für das Hämoglobin die Koagulationsmethode. Das hat folgende Ursachen. Unterwirft man lackfarbenes Blut oder eine Lösung von krystallisiertem Oxyhämoglobin der Wirkung des elektrischen Stromes, so kann man die Wanderung des Hämoglobins als eines stark gefärbten Körpers sehr gut verfolgen; wir werden sogar sehen, daß die Wanderung des Hämoglobins sich leichter und schärfer verfolgen läßt als bei irgend einer anderen der bisher untersuchten Substanzen. Da- gegen wird durch die Anwesenheit des Hämoglobins die Ver- folgung der Stromasubstanz vereitelt. Man müßte von einer hämoglobinfreien Lösung der Stromasubstanz ausgehen, um sie einwandfrei beobachten zu können, indem man z. B. zum Schluß die Seitenflüssigkeiten auf Eiweiß untersuchte. Nun läßt sich zwar, wie wir weiterhin zeigen werden, die Stromasubstanz im isoelektrischen Punkt leicht frei von Hämoglobin ausfällen und gewissermaßen fast ‚rein‘ darstellen, sie ist aber nach ihrer Ausfällung nur durch starke Alkalien wieder in Lösung zu bringen und in diesem Zustande für Überführungsversuche nicht mehr geeignet. Andererseits versagt die Koagulationsmethode beim Hämoglobin. Dieses hat nämlich, wie wir sehen werden, die Eigenschaft, im isoelektrischen Punkte gelöst zu bleiben, wie Serumalbumin. Beim Albumin waren wir in der Lage, das Koagulationsoptimum dennoch zu bestimmen, indem wir denaturiertes Albumin anwendeten. Ein analoger Versuch beim

Isoelektr. Konst. d. Blutkörperchenbestandt. u. ihre Bez. z.Säurehämol. 441

Hämoglobin scheitert daran, daß eine Hämoglobinlösung beim Erwärmen unter Bildung brauner Flocken gespalten wird, wie bekannt ist. Der koagulierte Körper ist etwas vom ursprüng- lichen Hämoglobin ganz Verschiedenes, während das denaturierte Albumin chemisch dem genuinen Albumin recht nahe stehen muß, ja vielleicht überhaupt nur als ein durch seinen physi- kalischen Zustand vom genuinen Albumin verschiedener Körper aufzufassen ist.

Nach vielen vergeblichen Versuchen blieb uns also für die Stromasubstanz nur die Koagulationsmethode, für das Hämo- globin nur die elektrische Methode übrig.

I. Das Koagulationsoptimum der Stromasubstanz.

Von Serum völlig befreite, in Wasser gelöste reine Blutkörper- chen wurden nach dem früher entwickelten Prinzip mit Regulatoren versetzt, derart, daß die Gesamtelektrolytmenge und das Gesamt- volumen konstant gehalten wurde, während die H-Konzentra- tion variiert wurde.

Beispiele von Versuchen. a) Hammelblutkörperchen.

2/„-Essigsäure .

a/„-Natrium- 2

acetat Fe 1,0 destill. Wasser . 0 50/,ige!) Lösung

von Hammel-

trübe trübe trübe trübe klar sw 3 Minuten 5 A S j trübe n 7 a S 3 Flockg. + Flekg. ++ > e e 8 a e Flockg. + ` Riocke, + ++ Flockg. +|Flockg. + „13 » + + +++ ++ ++ n 25 y n + + FFF ++ ++ nd e n + ttt +++ +++ n 35 e n ++ +++ +rr +++ +++ „60 n +++ +++ +++ +++ +++

1) D. h. die Lösung enthielt den 20. Teil derjenigen Blutkörperchen-

menge, die das reine Blut enthält. 29*

442 L. Michaelis und D. Takahashi:

b) Schweineblutkörperchen.

[H] berechnet |0,18-10-3| 0,36- 10-5|0,72- 10-5; 1,4.10-5 | 2,9.10=3 | 5,8- 10-5

a/ Essigsäure . 0,1 0,2 0,4 0,8 1,6 3,3 a/„-Natrium- acetat . . . 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 destill. Wasser . 3,1 3,0 2,8 2,4 1,6 5°/ ige Schweine- blutkörperchen- lösungin Wasser] 10,0 10,0 10,0 10,0 10,0 10,0 Nach 1 Minute klar trübe trübe trübe trübe klar 5 Minuten e Flokg. ++ | Flockg. + $ n 10 e Flockg + Fickg. + ++ ++ a n 20 5 trübe + +++ + n n 30 n n $ + +++ + n n 60 n n + ++ +++ n Optimum!

oi Rinderblutkörperohenlösung.

[H] berechnet |0,18-10-5|0,36-10-5)0,72-10-5| 1,4-10-5 | 2,9-.10-35 | 5,8.10-®

a/ -Essigsäure . 0,1 0,2 0,4 0,8 1,6 3,2 vi „-Natrium-

acetat . . . 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 destill. Wasser . 3,1 3,0 2,8 2,4 1,6 0 Bäi, ige Rinder-

blutkörperchen-

lösung in dest,

Wasser . . .| 100 10,0 10,0 10,0 10,0 10,0

Nach 1 Minute klar klar trübe trübe trübe ? | trübe ? 5 Minuten > Flekg.+4 | Flockg. +

, D ji ; [Elokg. ++ +++ + |Flockg.+ „0 , S S + | +4 + + Optimum!

d) Kaninchenblutkörperchenlösung.

[H] berechnet |0,18- 1075| 0,36. 10-5] 0,72. 10-5 na 10-5 2,9. 10-5 | 5,8. 10-5

Essigsäure, Acetat, Wasser, Blutkörperchen wie oben.

Nach 7 Minuten! klar klar klar trübe klar klar 10 2 5 S trübe a trübe s n 20, trübe | trübe » |Fikg + trübe n 30 n n Flockg.+ ++ » n n 40 |Flockg. +|Flockg.+| ++ | +++ |Fockg.+|Flockg. -+ n DI e + + + +++ + + n DI e + +++ +++ | ++ + +

Optimum!

Isoelektr. Konst. d. Blutkörperchenbestandt. u. ihre Bez. z. Säurehämol. 443

e) Mäuseblutlösung.

5°/,ige Mäuse- blutlösung . . 2/ 0-Essigsäure (n-Essigs. 1 Teil, 0,85°/,ige Koch- salzlösg. 9 Teile) »/,0-Natrium- acetatlösung . Aqua dest.

3 Stunden. . . + + ++ (Koagulations- erscheinung sehr langsam und un- | Optimu deutlich)

f) Taubenblutlösung. XVI.

DH 1 berechnet Joie 10 0,36- 10-8 0,72-10-3 1,4- 1075 | 2,9- 10-5 | 5,8- 1075

5°/,ige Tauben-

blutlösung . . a/o- Essigsäure (n-Essigs. 1 Teil, 0,85°/,ige Koch- salzlösg. 9 Teile) af 10-Natrium-

acetatlösung Aqua dest.

Hierbei zeigt sich in der Tat, daß aus der roten Lösung bei passender Acidität ein farbloser Niederschlag ausfiel. Das Optimum der Acidität ließ sich bei der hier gewählten Ab- stufung der geometrischen Reihe (Exponent 2) scharf bestimmen. Hierbei ist jedoch folgendes zu beachten: Bei einer etwas höheren Acidität als sie dem Optimum der Stromafällung ent- spricht, beginnt die Zersetzung des Hämoglobins unter Bildung eines braunen Niederschlags. Auch von diesem läßt sich vielleicht das Flockungsoptimum bestimmen, indem er bei noch höherer Acidität wieder in Lösung geht. Heute interessiert uns dieser

30 Minuten . . * SC l Stunde ... + T 3 Stunden. . . + +

F 2 T

444 L. Michaelis und D. Takahashi:

braune Niederschlag aber nur insofern, als er die Beobachtung der Stromafällung trüben kann. In einer Reihe von Blutlösungen mit steigender Acidität beobachtet man also, von der niedersten Acidität ansteigend 1. klare Röhrchen, 2. Röhrchen mit farb- losem Niederschlag, in den ersten Röhrchen dieser Gruppe mit geringem Niederschlag, dann das Röhrchen mit dem Fällungs- optimum, dann wieder abnehmenden oder langsamer auftreten- den Niederschlag, 3. dann beginnt der Niederschlag eine braune Färbung anzunehmen, wird in den folgenden Röhrchen massiger und immer tiefer rotbraun. Uns interessiert hier nur die zweite Zone, die das Flockungsoptimum' der farblosen Stromasubstanz einschließt.

Das Optimum der Koagulation entspricht einer Wasser- stoffionenkonzentration, die nach der Berechnung aus dem Ver- hältnis von Essigsäure und Natriumacetat LA IO betragen sollte, bei der direkten Messung mit Gasketten sich meist als LO. IO erwies. Diese geringe Inkongruenz, die fast in das Bereich der Fehlerquellen fällt, läßt sich dadurch erklären, daß in den Blutlösungen eine geringe Menge säurebindender Eiweiß- körper vorhanden ist, die die Acidität ein wenig tiefer gestaltet, als sie ohne das Eiweiß sich einstellen würde. Wir glauben also, für die Bestimmung des Flockungsoptimums dem abge- rundeten Werte zu Lo. IO den Vorzug geben zu sollen. Die Genauigkeit dieser Bestimmung dürfte auf etwa + 50°/, des Gesamtwertes abzuschätzen sein. Oberhalb und unterhalb dieser Acidität wird die Koagulation immer undeutlicher und lang- samer. Nun ist aber in früheren Arbeiten nachgewiesen worden, daß die für die Präcipitation optimale Wasserstoffionenkonzentra- tion mit der isoelektrischen Konstante des Körpers identisch ist.

Das Hämoglobin beteiligt sich gar nicht an der Flockung und wird gar nicht mitgerissen. Es läßt sich somit aus dem Stroma der Blutkörperchen eine Substanz ausfällen, die, nach der scharfen isoelektrischen Konstanten zu urteilen, wohl als ein einheitlicher Körper angesehen werden muß.

Die Konstante ist deutlich verschieden von derjenigen des Serumalbumins und Serumglobulins, die beide gleich 0,3. IO? sind. Trotzdem die isoelektrischen Konstanten der Serumeiweiß- körper ziemlich nahe beieinander liegen, sind sie doch mit großer Schärfe als verschieden zu charakterisieren.

Isoelektr. Konst. d. Blutkörperchenbestandt. u. ihre Bez. z.Säurehämol. 445

Die isoelektrischen Konstanten des Stromaglobulins bei ver- schiedenen Tierarten erwiesen sich als vollkommen identisch. Unterschiede zeigten sich nur im folgenden: Bei manchen Blutarten, z. B. Kaninchenblut, ist die Flockung scharf auf den isoelektrischen Punkt beschränkt; bei einer nur wenig höheren oder niederen Acidität trat fast gar keine Flockung mehr auf. Bei anderen Blutarten, wie Hammelblut, tritt die Flockung, wenn auch langsamer, so doch bei viel niederen Aciditäten ein. Wiederum finden wir, wie bei anderen Körpern, daß die Abnahme der Flockung rechts und links vom Punkte des Optimum sich in un- symmetrischer Weise gestaltet. Bei nur wenig geringerer Acidität, als dem Optimum entspricht, unterbleibt die Flockung ganz, bei etwas höherer Acidität entsteht sie jedoch auch, nur langsamer.

II. Das Verhalten von Blutkörperchensuspensionen.

Wir haben soeben das Verhalten der lackfarbenen Blut- körperchenlösung bei verschiedenen Weasserstoflionenkonzen- trationen kennen gelernt. Nunmehr muß untersucht werden, wie Aufschwemmungen der Blutkörperchen in isotonischer Koch- salzlösung sich bei wechselnder Wasserstoffionenkonzentration verhalten. Hier kommen Agglutination und Hämolyse in Betracht. Die Verhältnisse der Agglutination sind uns im Laufe der Versuche nicht zur Klarheit gekommen. Dagegen gab die Beobachtung der Hämolyse ein eindeutiges Resultat.

Beispiele von Versuchen: -+ komplette Hämolyse, + unvollständige Hämolyse, keine Hämolyse.

| 2 | 3 | 4 | æ | 6 2,9. 10—58 | 5,8- 10—85

[H] berechnet |0,18- 10-5 0,36- 10-5; 0,72- 10-5 1,4:10-5

(1 Teil n-Essigs.

+6Teile0,85°/,-

ige NaCl-Lösg.) 0,1 0,2 0,4 0,8 2/7-Na-Acetat . 1,0 1,0 1,0 1,0 0,85°/,iges NaCl 3,1 3,0 2,8 2,4 5°/ ige Hammel-

blutkörperchen-

BUspension ID

0,85°%/,ig. Nacil 5,0 5,0 5,0

! n/„-Essigsäure | 50

446 L. Michaelis und D. Takahashi:

SS Se 2 EC EEE Eu

HI +++++

Pferdeblut- körperchen. Hämolyse nach 2 Stunden 20 ie eng en

| CS

++

|

Ebenso mit | | Taubenblut- | körperchen. Hämolyse | nach 2 Stunden |

n 30 n Ka

| Ebenso mit | Mäuseblut- körperchen (in 1°/,iger Sus- pension, je3ccm). Hämolyse | nach 10 Minuten

n 25 2Stunden n n | fast

ses | ++ | +++ | ++++

Diese Versuche wurden oft mit identischem Resultat wieder- holt und häufig Messungen der [H] mit Gasketten in dem Röhrchen Nr. 4 vorgenommen. Es fand sich fast stets über- einstimmend

0,623 Volt gegen die »/ „Kalomelelektrode bei Zimmertemperatur von 18 bis 20°, d.h. [H] = 1,1 -10—ë (einmal fand sich 1,4. 1056).

Der berechnete Wert ist 1,4-10”® bei Annahme totaler Dissoziation des Na-Acetats

oder besser 1,25:.10 bei Berücksichtigung der unvollkommenen Dissoziation desselben (85°/, in ®/,-Na-Lösungen). Die Übereinstimmung ist so gut wie vollkommen.

Sek Ei

Isoelektr. Konst. d. Blutkörperchenbestandt. u. ihre Bez. z.Säurehämol. 447

Frische Blutkörperchen bleiben also bis herab zur Wasser- stoffionenkonzentration von 1,0-10”® auch beim längerem Auf- enthalt intakt, während sie bei jeder höheren Wasserstoffionen- konzentration vollkommen gelöst werden. Bei manchen Blut- arten (Maus, Taube) ist die Grenze zwischen kompletter und negativer Hämolyse scharf, während bei anderen (Hammel) bei 24stündigem Aufenthalt eine partielle Hämolyse noch bei [H] < 1.107" eintritt. Dieser Wendepunkt in dem Verhalten der Blutkörperchen ist trotzdem ziemlich scharf, wenn man bedenkt, ein wie enges Bereich von [H] wir hier umspannen, und er ist identisch mit dem isoelektrischen Punkt der Stroma- substanz.

Die Hämolyse der Blutkörperchen im isotonischen Medium ist also an ein bestimmtes elektrisches Verhalten der Stroma- substanz gebunden. Solange diese elektrisch negativ ist, hält sie das Hämoglobin fest, ist sie aber positiv geladen, so gibt sie das Hämoglobin trotz isotonischer Beschaffenheit der Sus- pensionsflüssigkeit ab, und es tritt Hämolyse ein. In sehr großer Nachbarschaft des isoelektrischen Punktes nach der weniger sauren Seite hin, wo neben den negativ geladenen Teilchen schon ungeladene in meßbarer Menge vorhanden sind, kommt es je nach der Dauer des Versuchs zu einer mehr oder minder unvollkommenen Hämolyse. Von OU. IO an, zum mindesten aber von 0,4-10°° an abwärts tritt praktisch über- haupt keine Hämolyse mehr ein. Wir können daraus schließen, daß die Stromasubstanz das Hämoglobin festhält, nur wenn sie negative Ladung hat. Der naheliegende Gedanke, daß die Bin- dung des Hämoglobins an das Stroma auf gegensätzlicher elek- trischer Ladung beruhe, muß jedoch von der Hand gewiesen werden, wie sich weiterhin ergeben wird.

III. Die isoelektrische Konstante des Hämoglobins.

Die isoelektrische Konstante des Hämoglobins wurde durch Überführungsversuche bestimmt, genau in der Weise, wie wir es in früheren Versuchen mit anderen Substanzen machten. Da rohe Vorversuche zeigten, daß der isoelektrische Punkt von der Neutralität nicht weit entfernt ist, benutzten wir als Re- gulatoren die für dieses Gebiet geeigneten Phosphatgemische. Die Wanderung des Hämoglobins ist nun ungemein scharf zu

448

L. Michaelis und D. Takahashi:

Tabelle.

a/ -Essigsäure »a/,-Natriumacetatlösg. Aqua dest.

20°/,ige Hammelblutlösg. 2/ 0- Essigsäure »/,-Natriumacetatlösg. Aqua dest.

20°/,ige Hammelblutlösg. 2/0. Essigsäure »/,-Natriumacetatlösg. Aqua dest.

| | | |

20°/,ige Hammelblutlösg. D, primäre Phosphatlösg. Aqua dest.

20°/,ige Hammelblutlösg. »/, primäre Phosphatlösg.

<

qua dest. 20°/,ige Hammelblutlösg. VI %/, primäre Phosphatlösg. Aqua dest.

20°%/,ige Hammelblutlösg. vo a/a primäre Phosphatlösg.

Soo sekundäre Phosphatlösg.

Aqua dest.

20°/,ige Hammelblutlösg. vm 2/, primäre Phosphatlösg. Aqua dest.

20°/,ige Hammelblutlösg. a/, primäre Phosphatlösg. 2/3 sekundäre Phosphatlösg. Aqua dest,

20°/,ige Hammelblutlösg. al pls primäre Phosphatlösg.

IX

%/30 sekundäre Phosphatlösg.

Aqua dest.

20°/,ige Hammelblutlösg. x} Dis primäre Phosphatlösg. " 1P/s sekundäre Phosphatlösg. Aqua dest.

20°/,ige Kaninchenblutlösg.

2/30 sekundäre Phosphatlösg. [eo sekundäre Phosphatlösg.

a/3o sekundäre Phosphatlösg.

Saa sekundäre Phosphatlösg.

Wanderungs- richtung des des Hämo- Versuches globins

gemessen

10,0 Kathodisch

Kathodisch

EI

1,4.10-6 Kathodisch

0,5

2,0.10-8 | 1,3-10-° | Kathodisch

Kathodisch

6,6.10°7 | langsam!

be 2 2

DI Kathodisch

Spur kathod.

SE? sehr langsam!

2,5-.10-? | 1,5-10-7 | Steht still!

Spur anodisch

.10-? we. sehr langsam!

2,0-10-7 | 2,4.10-7 | Steht still!

Anodisch

ke ke >22 SO CH Con OS

Isoelektr. Konst. d. Blutkörperohenbestandt. u. ihre Bez. z.Säurehämol. 449

CH’) in der Mittel-

flüssigkeit ae Mittelflüssigkeit nach Schlus| „Tiohtu des des Hämo- Versuches globins

gemessen

20°/,ige Hammelblutlösg.

sn »/, primäre Phosphatlösgg. 0,95 2/, sekundäre Phosphatlösg. 1,0 Aqua dest. 13,05

| 20°/,ige Hammelblutlösg. 10,0 UI

1,9.10-7 |1,25-10-7| Steht still!

a/, primäre Phosphatlösg. 0,9 Si sekundäre Phosphatlösg. 1,0 Aqua dest. 13,1

20°/,ige Hammelblutlösg. 10,0 XIV

1,8.10-7 Anodisch

x langsam!

n/ primäre Phosphatlösg. 0,85 Si sekundäre Phosphotlösg. 1,0 Aqua dest. 13,15

20°/,ige Hammelblutlösg. 10,0 XV

1,7-.10-7 | 1,2.10-7 | Steht still!

SL, primäre Phosphatlösg. 0,5

| | | | | | |

sekundare Phosphatlösg. 0,8 Anodisch Aqua dest. 13,7 20°/,ige Hammelblutlösg. 10,0 D primäre Phosphatlösg. 0,5 z ; ANI als sekundäre Phosphatlösg. 1,2 0,8-10-7 Anodisch Aqua dest. 13,3 20°/,ige Hammelblutlösg. 10,0 2/30 primäre Phosphatlösg. 4,0 z ; XVII], E sekundäre Phosphatlösg. 2.0 0,4-10-7 |0,33-10- í Anodisch Aqua dest. 9,0 a Hammelblutlösg. 10,0 o primäre Phosphatlösg. 0,5 = , XVII K "sekundäre Phosphatlösg. 0,5 2,0.10° Anodisch Aqua dest. 14,0 20°/,ige Hammelblutlösg. 10,0 xıx!l’/so primäre Phosphatlösg. 4,0 10- e eege Phosphatlösgg. 4,0 2,0.107° Anodisch Aqua dest. 7,0

Die Seitenflüssigkeit ist in jedem Versuch genau wie die Mittelflüssig- keiten, nur Wasser statt Blutlösung.

beobachten. Denn es handelt sich um einen stark gefärbten Körper, dessen Wanderungsrichtung man direkt mit dem Auge, ohne chemische Analyse der Seitenflüssigkeit nach Beendigung des Versuchs, verfolgen kann. Es genügt hierzu bei unserer Versuchsanordnung eine Stromdauer von */, bis 1 Stunde. Der Umstand, daß der Versuch nur so kurze Zeit dauert, bringt ferner mit sich, daß die Änderungen der H--Konzentration infolge

450 L. Michaelis und D Takahashi:

des Stromdurchganges in den meisten Versuchen gar nicht mehr in Betracht kommen. Die sehr geringen Abweichungen der gemessenen und berechneten Werte für [H] dürften zumeist nicht auf die Stromwirkung, sondern auf das säurebindende Vermögen des Blutes zu setzen sein.

Wir sehen aus der Tabelle, daß die Wanderung nur zwischen den sehr nahe beieinander liegenden Wasserstoffionenkonzen- trationen (ber.) = 2,5.1077 und 1,7-1077 nicht mehr sicher zu bestimmen ist, während sie oberhalb dieses Gebietes stets kathodisch, unterhalb stets anodisch ist. Der isoelektrische Punkt ist also aus den Überführungsversuchen zwischen die beiden ge- nannten, äußerst nahe gelegenen Punkte zu setzen, also gleich 2, 0-10”, wenn wir das Mittel aus den berechneten Werten nehmen, oder 1,6-10°”, wenn wir das Mittel aus den direkt gemessenen Werten nehmen, soweit wir die Messungen ausgeführt haben. Da beide Zahlen wohl mit einer gewissen Unsicherheit behaftet sind, die berechneten, weil sie das Säurebindunss- vermögen der Eiweißlösung nicht in Betracht ziehen, die ge- messenen, weil sie nur den Zustand nach der stattgehabien Veränderung durch Strom, die ja zu Beginn noch nicht vor- handen ist, wiedergeben, nehmen wir lieber als wahrscheinlichsten Wert die Mitte, 1,8-10°°, und bleiben uns bewußt, daß dieser Zahl eine Ungenauigkeit von schätzungsweise + 15°/, anhaftet. Das Hämoglobin wird im isoelektrischen Punkt absolut nicht niedergeschlagen und verhält sich in dieser Beziehung wie das genuine Serumalbumin. Parallele Versuche zu dem denaturierten Albumin lassen sich bei Hämoglobin nicht ausführen, weil das Hämoglobin beim Kochen unter Zersetzung in braunen Flocken ausfällt. Aber der bei diesen Versuchen ausfallende Körper hat nicht die rote Farbe des Hämoglobins, sondern die braune des Hämatins. Außerdem zeigen uns die Überführungsversuche, daß das bei recht hoher Acidität liegende Fällungsoptimum der braunen Substanz nicht dem bei fast neutraler Reaktion ge- legenen elektrischen Umkehrpunkt des Hämoglobins” entspricht. Das scheinbare Fällungsoptimum des Hämoglobins stellt somit in Wirklichkeit das Optimum der. Fällung des Zersetzungs- produktes dar.

Die Überführungsversuche mit Oxyhämoglobin wurden ferner an krystallisiertem Pferdehämoglobin kontrolliert. Das Hänıo-

Isoelektr. Konst. d. Blutkörperchenbestandt. u. ihre Bez. z.Säurehämol. 451

globin wurde aus dem gelösten Blutkörperchenbrei durch Zu- satz von !/, Vol. Alkohol unter krystallisiert, die abgesogenen und auf Ton getrockneten Krystalle in Wasser gelöst und die Lösung durch Zentrifugieren von den noch vorhandenen Stroma- resten befreit. Diese Versuche ergaben:

(H | Weanderungs-

Mittelflüssigkeit berechnet richtung

5°/,ige Oxyhämoglobinlösung!) 10,0

2/, prim. Phosphat 1,5 Kathodisch Pie sek. Phosphat 0,5 6°%/,ige Oxyhämoglobinlösung 10,0 Da prim. Phosphat 0,5 Kathodisch Bian sek. Phosphat 0,5 5°/,ige Oxyhämoglobinlösung 10,0 a/ prim. Phosphat 0,5 Steht still! »/, sek. Phosphat 0,5 5°%/,ige Oxyhämoglobinlösung 10,0 le prim. Phosphat hat 3,0 Anodisch Sa sek. Phosphat 1,0 6°/,ige Oxyhämoglobinlösung 10,0 2/,, prim. Phosphat 0,5 2,0-.10-8 Anodisch Si sek. Phosphat 0,5

Die Versuche mit dem krystallisierten Pferdehämoglobin und mit einfach lackfarben gemachten Hammelblutkörperchen stimmen also überein. Es wird hiermit aufs neue bestätigt, daß die Überführungsversuche auch unter solchen Umständen gelingen, wo der betreffende Körper sich im Gemisch mit anderen Substanzen in Lösung befindet, wofern nur unter den beigemischten Körpern sich nicht solche befinden, die eine hohe chemische Affinität zu dem fraglichen Körper besitzen, wie etwa Schwermetallsalze oder spezifische Antikörper, die die Ladungen natürlich ändern würden.

Zusammenfassung.

Das Koagulationsoptimum der Stromasubstanz der Blut- körperchen aller untersuchten Tiere ist 1.1075.

1) D. h. eine Lösung, die so viel Hämoglobin enthält, wie eine 5°/,ige Blutlösung.

452 L. Michaelis u. D. Takahashi: Isoelektr. Konst. d. Blutkörperbestandt.

Die isoelektrische Konstante des Oxyhämoglobins ist 1,8. 1077.

Rote Blutkörperchen, die in isotonischen Salzlösungen sus- pendiert sind, bleiben bei Ansäuerung genau bis [H] = 1.1075 intakt, bei weiterer Ansäuerung werden sie lackfarben. Unter der (experimentell gerade hierfür bisher nicht verifizierten, aber sehr wahrscheinlichen) Voraussetzung, daß das Koagulations- optimum der Stromasubstanz ihrem isoelektrischen Punkt ent- spricht, können wir daraus schließen, daß nur negativ geladenes Stroma das Hämoglobin festhält. Die Ladung des Hämoglobins selbst ist für den Akt der Hämolyse ohne Belang.

Über Komplementbindung mit gelösten und corpus- culären Antigenen. Von

Wilhelm Spät. (Aus dem hygienischen Institut der Deutschen Universität zu Prag.) (Eingegangen am 3. November 1910.)

Die kaum übersehbare Fülle von experimentellen Arbeiten auf dem Gebiete der Immunitätsforschung bewegt sich zum größten Teil im Rahmen und Gedankengang der Ehrlichschen Seitenkettentheorie. Es ist ein von allen Seiten anerkanntes Verdienst dieser Theorie, daß sie in außerordentlichem Maße anregend auf das Studium der Immunitätsprobleme gewirkt hat, ebenso wie das Bestechende an ihr darin besteht, daß sie wie keine einzige bisher in einfacher und klarer Weise die ein- zelnen Erscheinungen erklärt.

In neuester Zeit ist jedoch eine Reihe von Befunden zu- tage gefördert worden, welche die für gewisse Immunitäts- reaktionen im Sinne der Ehrlichschen Theorie bisher geltende und befriedigende Erklärung als mit den Tatsachen nicht im Einklang stehend erscheinen lassen. So wurde das Ausbleiben der Agglutination von Bakterien, die in homologen Bakterien- extrakten aufgeschwemmt waren, bisher dadurch erklärt, daß der im zugesetzten Serum enthaltene Immunkörper sich mit dem Extrakt, zu dem er offenbar eine größere Avidität be- sitzt, verbindet und daher die Bakterien unbeeinflußt läßt. Weil hat nachweisen können, daß in solchen Versuchen eine Verankerung zwischen dem Immunkörper und dem Extrakt nicht stattfindet.!) Beim weiteren Studium dieser Frage konnte

1) Über Agglutinationsbehinderung der Typhusbacillen. Arch. f. Hygiene 53, 1906.

454 W. Spät:

Weil feststellen, daß es sich hier nicht etwa um einen Sonder- fall handelt, daß vielmehr auch bei einer anderen Reaktion, die in serodiagnostischer Beziehung eine hervorragende Rolle spielt und bei der das Ehrlichsche Prinzip der Verankerung über jeden Zweifel erhaben schien, die tatsächlichen Verhält- nisse eine solche Erklärung nicht zulassen. Es handelt sich um die Komplementbindungsreaktion zwischen Choleraimmun- serum und Choleraextrakt. Aus diesen Untersuchungen!) geht unzweideutig hervor, daß zwischen dem Choleraimmunkörper und Choleraextrakt keine Bindung zustande kommt, denn es gelang immer nach Ablauf der Reaktion den Immunkörper zu einer anderweitigen, neuen Reaktion zu verwenden, auch dann, wenn bereits die Komplementbindung erfolgt war und daher im Sinne Ehrlichs der Komplex Antigen-Amboceptor-Kom- plement geschlossen war.

Zu dem gleichen Ergebnis führten eigene Untersuchungen, die sich mit dem Studium derselben Frage auf anderen Ge- bieten beschäftigen, und zwar die Untersuchungen über die Präcipitationshemmung durch Präcipitoide und über den Mechanismus der Wassermannschen Reaktion. Aus den ersteren?) geht hervor, daß die durch unaktivierte Sera be- wirkte Hemmung der Präcipitation nicht durch eine Bindung zwischen dem Extrakt und inaktivem Normal- oder Immun- serum gedeutet werden darf. Ebenso ergaben die Studien über den Mechanismus der Wassermannschen Reaktion, daß eine Verankerung zwischen dem luetischen Immunkörper und dem alkoholischen Extrakt von normalen Meerschweinchenherzen nie- mals zustande kommt. °)

Es hat sich demnach bei allen angeführten Untersuchungen herausgestellt, daß die für die betreffenden Reaktionen be- stehenden Erklärungen im Sinne der Ehrlichschen Theorie nicht zutreffen, indem in keinem einzigen Falle eine Verankerung nachgewiesen werden konnte. Hierbei darf ausdrücklich her-

1) Über die Bedeutung der Antigen-Antikörperverankerung für die spezifische Komplementbindung. Diese Zeitschr. 24, Heft 3 bis 5.

2) Untersuchungen über die Präcipitationshemmung durch Präcipi- toide. Diese Zeitschr. 28, Heft 1.

3) Über den Mechanismus der Wassermannschen Reaktion. Folia serologica 5, 1910.

Komplementbindung mit gelösten und oorpusoulären Antigenen. 455

vorgehoben werden, daß in allen jenen Versuchen ungeachtet des verschiedenen Charakters der einzelnen Immun- körper bezüglich der Frage der Antigen-Antikörperbindung eine vollkommene Übereinstimmung besteht.

Bei der großen theoretischen Bedeutung solcher Befunde, die zu der allgemein anerkannten Ehrlichschen Theorie im Widerspruch stehen, ist eine experimentelle Revision auf breitester Basis und in ausgedehntestem Maße erforderlich. Wir wählten zum weiteren Studium dieser Frage ein anderes Sub- strat. Es schien uns nämlich interessant festzustellen, wie sich in dieser Beziehung die Gegenstoffe des Tuberkelbaoillus ver- halten werden.

Während in den erwähnten Versuchen Weils ein Cholera- stamm von hohem Bindungsvermögen verwendet wurde, war es von Interesse, da diese Versuche noch viel überzeugender wirken müßten, wenn Bakterien mit schwach aviden Gruppen sich ebenfalls bei Antigen - Antikörper-Anwesenheit sensibili- sieren, eine Bakterienart für solche Versuche heranzuziehen, die zum Typus der schwach bindenden Mikroorganismen ge- hören. Wir legten auf diese Versuche noch aus dem Grunde einen besonderen Wert, weil die Tuberkelbacillen in natur- historischem Sinne von den übrigen Bakterien weit entfernt sind und auch sonst in mannigfacher Beziehung ein differentes Verhalten zeigen.

Unsere Versuche gestalten sich in folgender Weise: Ein Tuberkuloseantiserum!) wurde in den aus den Tabellen er- sichtlichen Konzentrationen mit Alttuberkulin gemischt und eine Stunde bei 37° gehalten. Nach dieser Zeit wurde einer Serie von Röhrchen je l ccm einer dicken Tuberkelbacillen- emulsion zugesetzt und abermals für eine Stunde in den Brut- schrank gestellt. Dann wurden die Bacillen abzentrifugiert und sowohl der Satz als auch der Abguß durch Zusatz von Kom- plement und sensibilisierten Hammelblutkörperchen untersucht.

Eine zweite Serie, die statt Tuberkulin physiologische Kochsalzlösung enthielt, wurde der gleichen Prozedur unter-

1) Das Tuberkuloseantiserum (vom Pferd), das uns von den Höchster Farbwerken in bereitwilligster Weise zur Verfügung gestellt wurde, war sehr wirksam, was für die Tuberkeloseimmunisierung, wo die Anti- körpererzeugung so schwer gelingt, als Fortschritt zu bezeichnen ist.

Biochemische Zeitschrift Band 29. 30

456 W. Spät:

worfen. Das Tuberkulin wurde erst nachträglich den Ab- gußröhrchen hinzugefügt. Eine dritte Serie, zur Kontrolle der Wirksamkeit der einzelnen Reagenzien, bestehend aus einem Gemisch von Tuberkulin und Antiserum, erhielt keinen Zusatz von Tuberkelbacillen. Nebstdem wurden die üblichen Kontrollen, wie aus den Tabellen zu entnehmen ist, eingestellt. Außerdem wurden je 2 Röhrchen statt mit Tuberkelbacillen mit Typhus- bacillen behandelt, einerseits, um sich von der Spezifität des Vorganges zu überzeugen, anderseits sollte festgestellt werden, ob nicht infolge einer etwa auftretenden Präcipitation zwischen dem Tuberkulin und Antiserum nach dem Zentrifugieren die hemmenden Substanzen in das Salz übergehen.

Die Resultate der ersten Versuche sind in der Tabelle I verzeichnet. In der Serie I finden wir vollständige Hemmung in den Röhrchen 1 bis 4. Komplette Lösung in 5 bis 8. In der Serie II zeigt das Röhrchen 11 Spur Lösung, Röhrchen 12 komplette Lösung, ein Beweis, daß in den Proben mit geringen Serumverdünnungen der Immunkörper entzogen wurde, die korrespondierenden Röhrchen mit dem Sediment zeigen voll- ständige Hemmung. Man muß also annehmen, daß der Im- munkörper frei, d. h. von Tuberkulin nicht gebunden war, denn er wird von den später eingeführten Tuberkelbacillen fixiert. Ganz analog verhalten sich die Proben der Serie III, in denen kein Tuberkulin enthalten war. Man ersieht daraus, daß es für die Entziehung des Immunkörpers gleichgültig ist, ob derselbe mit Tuberkulin in Berührung war oder nicht.

Die Röhrchen der Serie IV zeigen die strenge Spezifität der Immunkörperbindung, indem der Satz der Probe 19 kom- plette Lösung aufweist, ein Beweis, daß die Typhusbacillen den Tuberkuloseantikörper nicht gebunden haben. Die Hemmung im Röhrchen 20, wo die Konzentration des Serums eine doppelte ist, ist auf die gebildeten Präcipitate zurückzuführen.

Zu einer weiteren Reihe von Versuchen wurde durch zweimaligen Zusatz von Tuberkelbacillen die Erschöpfung noch verstärkt. Wir sehen ein solches Beispiel in der Tab. I. Durch die wiederholte Einwirkung der Bacillen sehen wir auch in den Röhrchen 11 und 16 (Abguß) komplette Lösung, während bei einmaliger Erschöpfung nur in den Röhrchen 12 und 17

Komplementbindung mit gelösten und corpusculären Antigenen. 457

Tabelle I.

1. 0,05 Tuberkulin + 0,01 Serum 2. 0,05 Se + 0,005 ,

3 0,05 + 0,002 -t 0,05 an + 0,001 an L D 0 sn + 0,02 LA) 6 0,1 Er} +0 39 7. 0,005 ww +0 e 8. 1 ccm Tuberkelbacillenemuls. dré ESCH —— go SC 9. 0,05 Tuberkulin + 0,01 Serum e Ei 10. 005 +0,005 Sei 11.005 „+0,02 met Gomm +0,01 253 EE 13. 0,05 an +0 an E 23: oj42%2 N Ee =| HEFE NEEF „A E e ke BoE E 14. Iccm phys.NaCl-Lös.-+0,01 nj g 28:0 15. Leem ,, +0,005 e SS 16. Leem „, LO g ag 17.lccm +o] | 8,” m 18.1ccm ,, +0,02 =D R Dem RB TE CO > ou SS SS B sa Glen ` g 19. 0,05 Tuberkulin + 0,01 Serum| ISS 4 20. 0,05 +0,005 > Sg IV. Wie" O FER 325 De Ei

1 Stunde bei 37°

0,1 Komplement

e

E

>

A|

©

=

£ | Abguß

GI 9 vollst. Hemmung 10 39 LE

g Il Spur Lösung

2] 12 kompl. Lösung

|: 38 y D

E Satz

© 9 vollst. Hemmung

= 10 LE 39 11 LEI Léi

E 12 »

e 13 kompl. Lösung

> |Abguß

gu 14 vollst. Hemmung

a0

E ër 2 e

il 6 8

oj 17 kompl. Lösu

5 18 LA 33

2| Satz

4| 14 vollst. Hemmung 15 33 39

Si 16 $

Se" 17 LEI LEI

CR 18 39 39

3

5 |Abguß

g 19 vollst, Hemmung 20 29 39

g

S| Satz

-| 19 kompl. Lösung

20 vollst. Hemmung

(Tabelle I), also in der niedrigsten Verdünnung, Lösung zu er- zielen war. Wir müssen diesen Befund besonders hervorheben: In den Versuchen Weils wurde, wie bereits erwähnt, ein Cholerastamm von großer Bindungskraft und in relativ geringer Menge verwendet; in den vorliegenden Versuchen dagegen ver- mochten die Tuberkelbacillen trotz der immensen Masse der zugesetzten Bakterien den Immunkörper nur in den geringsten Verdünnungen, bei zweimaliger Behandlung nur noch in der

30*

458 W. Spät:

Tabelle II. 1. 0,05 Tuberkulin + 0,01 Serum vollständige Hemmung 2. 0,05 II + 0,005 IT 39 9 3. 0,05 an + 0,002 zg LE H L 4. 0,05 sp + 0,001 LE) LE LE 5.0 Se +0,02 ,„ komplette Lösung 6. 0,1 an +0 an 33 29 7. 0,05 za + ze D » 8. 1 cem Tuberkelbacillenemuls. e e Se g Abguß 9. 0,05 Tuberkulin + 0,01 Serum vw: S| 9 vollst. Hemmung 10. 0,05 + 0,005 en Za = 10 sn H 11. 0,05 Ge + 0,002 a RE g 11 kompl. Lösung 12. 0,05 an + 0,001 an p Sg e" E: 1 II 39 3.006 +0 KEIER , 5921%|73 H 2 3%]|-z| 8 |Satz © |” S| 9a vollst. Hemmung 1. = a8 8 w| 10a nn sn SET: = 8 198 hwach Lösung SEA: a schwache = El = g 13a kompl, Lösung #37 2 [Satz TARR z| 9b vollst. Hemmung e Gs = E 10b IF >. Q ”„ ”„ * JER x llb H LEI E $ = E 12b kompl. Lösung IR 8 g e S | an 13b an zie -e £ |Abguß 14. 1ccm phys. NaCl-Lös.+0,01 Slzg z = Hemmung * Die vg » He g e 83 en &0| 15 Spur Lösung $ 33 ep 3 Q, 5 TENE 38 5 spe ; ee EE SE 18. Leem „+0,02 GK Sie ` o "aslgl E “5%| 2|5 Patz EES a| 2| 14a vollst. Hemmung II. TA a A E » SA EJ|EJ| a| 16a » S al] &| 17a Spur Lösung = A S| o| 18a vollst. Hemmung 23 E| O| D |Satz 528 “| 14b vollst. Hemmung "ES SI 15b sea. © | 16b fastkompl. Lösung S S E j| 17b kompl. Lösung Gi °| 18b vollst. Hemmung e zk Abguß 19. 0,05 Tuberkulin + 0,01 Serum = E 19 vollst. Hemmung jy, [20 0065 +0,005 3m 2% » » 83 E Satz iri 19 kompl. Lösung 20 vollst. Hemmung

Komplementbindung mit gelösten und corpusculären Antigenen. 459

vorletzten Verdünnung zu entziehen. Wenn daher in den Versuchen mit Cholera an ein Losreißen des Immunkörpers infolge der größeren Avidität der Cholerabacillen gedacht werden konnte, so darf diese Eventualität bei der geringen Bindungsfähigkeit der Tuberkelbacillen kaum in Erwägung ge- zogen werden, besonders bei dem Umstand, daß das Tuberkulin mit dem Antiserum noch bei 0,001 com Komplementbindung gibt, also im Sinne der jetzt geltenden Anschauung eine be- trächtliche Avidität besitzt.

An dieser Stelle möchten wir noch die Bemerkung ein- schalten, wie wichtig es ist, die quantitativen Verhältnisse aus- zutasten. Hätten wir bei den in der Tabelle I angeführten Versuchen die letzte Serumverdünnung 0,001 ccm nicht mehr aufgenommen, so müßten wir ein negatives Resultat erhalten, denn mit Ausnahme gerade dieser Konzentration verhalten sich die Proben in allen Serien, die mit Tuberkelbacillen be- handelten wie die nicht behandelten, vollkommen gleich. Erst die Proben mit der geringsten Serummenge zeigen die charak- teristischen Unterschiede. Aus diesem Grunde erschienen uns die Versuche F. Vays!) über die Erschöpfung des Pestserums mit Pestbacillen nicht beweisend, da einerseits nur wenige Serumabstufungen aufgestellt wurden, und da sich namentlich darüber keine Angaben finden, ob die nach der Be- handlung abzentrifugierten Bacillen sensibilisiert waren oder nicht. Darum können jene Befunde im Sinne Vays nicht verwertet werden.

Wenn wir nun alle Ergebnisse aus den Untersuchungen über die Agglutinationsbehinderung bei Typhus, über die Prä- cipitationshemmung durch Präcipitoide, über den Mechanismus der Wassermannschen Reaktion und die Komplement- bindungsversuche bei Cholera und Tuberkulose überblicken, so finden wir überall in übereinstimmendster Weise die Tatsache, daß, solange es sich um gelöste Reagenzien handelt, eine Bindung (Verankerung) zwischen den reagierenden Stoffen niemals konstatiert werden konnte, oder mit anderen Worten, es konnte in keinem Falle die Anwesenheit

1) Kann der im Pestserum enthaltene Amboeeptor durch Be- handeln des Serums mit Pestbacillen aus diesem entfernt werden? Centralbl. f. Bakt. I. Abt., Orig.-Bd. 55, Heft 5 (1910).

460 W. Spät: Komplementbind. mit gelösten u. oorpusoul. Antigenen.

von haptophoren Gruppen nachgewiesen werden. Nun wissen wir, daß die gelösten Bakterienextrakte als Antigen wirken, daß heißt im Tierkörper Antistoffe zu erzeugen vermögen, eine Eigenschaft, die auf die Anwesenheit von verbindenden Gruppen geknüpft ist. Unsere Befunde stehen somit im Wider- spruch zu dem Kardinalpunkt der Ehrlichschen Seitenketten- theorie. In einer der letzten Erörterungen!) über diesen Gegenstand äußert sich Ehrlich folgendermaßen: ‚Die Voraus- setzung der Wirkung ist demnach das Vorhandensein zweier Gruppen von maximaler chemischer Verwandtschaft, deren Re- aktion die Verankerung bedingt. Dieses Verankerungsaxiom ist die Grundlage meiner Seitenkettentheorie.‘‘ Diese Veranke- rung, deren Voraussetzung eine maximale chemische Verwandt- schaft ist, die also Ehrlich als Grundlage seiner Theorie bezeichnet, wurde jedoch in allen erwähnten Untersuchungen nicht nur nicht gefunden, sondern sogar das Gegenteil nach- gewiesen.

Niohtsdestoweniger ist die Anwesenheit des Immunkörpers zum Zustandekommen der Reaktionen unentbehrlich, weshalb Weil die Wirksamkeit der Gegenstoffe mit Fermenten ver- gleicht, die gleichfalls Reaktionen verursachen, ohne dabei selbst gebunden oder verbraucht zu werden. Nun wurde zwar auch bei der Fermentwirkung eine Verankerung analog wie bei den Antikörpern angenommen, es haben jedoch die Ver- suche Starkensteins?) diese Behauptung als haltlos erwiesen.

ı) Paul Ehrlich, Beiträge z. experim. Pathol. u. Chemotherapie. Leipzig 1909.

2) Über Fermentwirkung und deren Beeinflussung durch Neutral- salze. Diese Zeitschr. 24, Heft 3—5.

Nachtrag zur Korrektur.

Die jüngste Feststellung von Liefmann und M. Cohn (Die Wirkung des Komplements auf die amboceptorbeladenen Blutkörperchen. Zeitschr. für Immunitätsforschung 7, Heft 6), wonach sensibilisierte Erythrocyten das isolierte Mittelstück des Komplements nicht binden, sind mit unseren Befunden in eine Reihe zu stellen, da das Mittelstück mit der haptophoren Gruppe des Immunkörpers in eine Parallele zu ziehen ist.

Über fraktionierte Fällung der Milchproteine.

Von A. J. J. Vandevelde.

(Aus dem bakteriolog. und chemischen Laboratorium der Stadt Gent.)

(Eingegangen am 6. November 1910.)

Dem sogenannten Milchcasein und Milchalbumin wird ge- wöhnlich eine bestimmte chemische Individualität zugeschrieben. Das Casein gilt für ein phosphorhaltiges, das Albumin für ein phosphorfreies Protein.

Früher habe ich festgestellt,1) daß Umsetzungen zwischen Casein und Albumin stattfinden können, wie auch mit einem dritten Milchprotein, das dem Colostrum zugehört; diese Er- scheinung findet statt, wenn die Milch aseptisch, nämlich unter Anwendung einer Aceton-Jodoformauflösung?), aufbewahrt wird. Daraufhin habe ich die Meinung ausgesprochen, daß Casein und Albumin keine chemisch einheitlichen Individuen seien, sondern einfach Niederschlagsformen von bestimmten Substanzen aus ihrer kolloidalen Auflösung sind, die den Koagulationsbedingungen nach diese oder jene Eigenschaften zeigen; daher hatte ich vor- geschlagen, diese Proteine mit o, D und y zu bezeichnen.

Milchprotein o ist also das Protein, das unter dem Ein- fluß von Säuren ausfällt (Casein), Milchprotein $ das Protein, das im Filtrat von e durch Erwärmen sich abscheidet (Albu- min, oder besser Serac, Serai, Ziger nach Schübler?).

1) A.J. J. Vandevelde, Über Löslichkeitsveränderungen bei Milch- und Serumproteinen. Diese Zeitschr. 7, 396, 1908.

2) A.J.J. Vandevelde, Über die Anwendung von Antiseptika bei Untersuchungen über Enzyme. Diese Zeitschr. 8, 315, 1907.

3) Sohübler, Untersuchungen über die Milch und ihre Bestandteile; 1877.

462 A.J.J. Vandevelde:

Solche Umsetzungen fand ich auch bei aseptisch aufbe- wahrtem und nach Hofmeister niedergeschlagenem Blutserum. +)

Einen neuen Fall solcher Erscheinungen glaube ich nun gefunden zu haben, und zwar wenn Protein a und Protein f fraktioniert ausgefällt werden, zuerst mit Aceton oder Alkohol, wenn sie darauf mit einer Natriumcarbonatlösung wieder auf- gelöst werden, und wenn die Fällungsflüssigkeiten in solchen Mengen benutzt werden, daß ein Teil der fällbaren Proteine noch in Lösung bleibt; dieser Teil wird dann allein nach einer zweiten Zugabe der Reagenzien niedergeschlagen.

Bei diesen Untersuchungen wurde von mir die folgende Methode angewandt:

Die frisch zentrifugierte Milch wurde mit so viel ver- dünnter Essigsäure versetzt, daß 16 ccm !/, „Säure auf 100 com Flüssigkeit kamen. Je 50 ccm Milch wurden resp. mit 10 ccm Dimethylketon, mit 10 ccm 95 vol.-°/,igem Athylalkohol oder mit 10 ccm Methylalkohol versetzt; wenn sich die Niederschläge abgesetzt hatten, wurden sie abgesaugt, und dann mit 100 ccm 1°/,igem Natriumcarbonat gelöst. Auf diese Weise erhält man eine erste Proteinflüssigkeit A, aus der Protein a und Protein 0 entweder mit Essigsäure kalt, oder bei Anwesenheit von Essig- säure warm gefällt wurden.

Von den Filtraten wurden nun 40 ccm je mit 60 ccm Aceton, Äthylalkohol oder Methylalkohol versetzt bis zur voll- ständigen Ausfällung der Proteine; wie oben wurden diese Nieder- schläge abgesaugt und mit 100 ccm Natriumcarbonat gelöst; in dieser zweiten Flüssigkeit B wurden Protein o und £ durch Fällung bestimmt wie bei der Flüssigkeit A; die Mengen wurden von 40 ccm auf die totalen Mengen berechnet.

Diese Untersuchungen wurden in einer zweiten Reihe er- gänzt, und zwar mit größeren Mengen der fällenden Flüssig- keiten, nämlich mit 30 ccm für den ersten Niederschlag und 75ccm für den zweiten. Die Säurenkonzentration in der Milch wurde dann auf 8 ccm II. normal für 100 com Flüssigkeit gebracht; die zweite Fällung wurde mit 50 cem des Filtrates ausgeführt.

1) Schübler, Untersuchungen über die Milch und ihre Bestandteile, 1877.

Fraktionierte Fällung der Milchproteine. 463

Milch Nr. 1. In 100 eem: 2,84 g Protein oe 037g n»n P L Reihe: 50 com Milch mit 10 com Fällungsmittel; 40 ccm Filtrat mit 60 com fällender Flüssigkeit. In 100 ccm Milch:

) zusammen 3,21 g.

Aceton | Äthylalkohol Methylalkohol

Flüssigkeit A | 0,31 0 0,32 Protein £ S B| 0,37 0,07 0,33 Zusammen 0,68 0,07 0,65 Proteinmenge | 3,08 | 3,08 | 3,13

2. Reihe: 50 com Milch mit 30 ocm fällender Flüssigkeit; 75 com Filtrat mit 75 com fällender Flüssigkeit. In 100 com Milch:

| Aceton | Äthylalkohol | Methylalkohol

Flüssigkeit A 2,65 Protein o ge B 0,01 Zusammen 2,66 Flüssigkeit A 0,33 0,18 0,35 Protein £ e B 0,08 0,03 0,02 Zusammen 0,41 0,21 0,37 Proteinmenge | 3,08 | 3,09 | 3,03 Milch Nr. 2. In 100 com: 2,78 g WEE i zusammen 3,08 g. 030g B j

L Reihe: 50 com Milch mit 10 oom Fällungsmittel; 40 ccm Filtrat mit 60 com fällender Flüssigkeit. In 100 com Milch:

| Aceton | Athylalkohol | Methylalkohol

Flüssigkeit A 0,016 Protein £$ B 0,013 Zusammen S 0,029

Proteinmenge | 3,064 3,089 3,049

464 A.J.J. Vandevelde: Fraktionierte Fällung der Milchproteine.

2. Reihe: 50 ccm Milch mit 30 ccm fällender Flüssigkeit; 75 ocm Filtrat mit 75 com fällender Flüssigkeit. In 100 ccm Milch:

| Aceton | Athylalkohol | Methylalkohol

Flüssigkeit A 2,59 2,18 2,56 Protein o ee B 0,28 0,77 0,41 Zusammen 2,87 2,95 2,97 Flüssigkeit A 0 0,08 0,11 Protein £ a B 0,17 0,03 0,03 Z 0,11 0,14

Proteinmenge | 3,04 | 3,06 | 3,11

Aus den Ergebnissen dieser Tabellen ist zu ersehen, daß die Proteinmengen für dieselbe Milch konstant bleiben; für die Milch Nr. 1 ist die Menge des Proteins o oder ß größer als in der nicht mit dem Fällungmittel versetzten Milch; für die Milch Nr. 2 sind die Werte für Protein o größer, für Protein ß kleiner als in der Milch selbst.

Handelt es sich hier um den Übergang des einen Proteins in ein anderes, oder einfach um eine unter verschiedenen Be- dingungen ungleiche Fällung einer kolloidalen Flüssigkeit? Meiner Meinung nach ist aus diesen Untersuchungen der Schluß zu ziehen, daß die Individualität von Milchcasein und von Milch- albumin sehr zweifelhaft erscheint.

Über die Resorption von Cholesterin und von Cholesterinestern.

Von H. A. Klein'!), (Chicago).

Mitgeteilt von A. Magnus-Levy.

(Aus dem chemischen Laboratorium des Pathologischen Instituts der Universität Berlin.)

(Eingegangen am 7. November 1910.)

Cholesterin kommt in tierischen Organen teils frei, teils als Ester höherer Fettsäuren vor. Der Schmelzpunkt der letz- teren ist viel niedriger als der des freien Alkohols (147°). Er beträgt:

für den Ester der Stearinsäure . . 82°, TO n Palmitinsäure . 76 bis 78°, IT Ölsäure ge e a dl bis 45°.

Bei Fetten und Fettsäuren ist die Resorption zum Teil abhängig von der Höhe des Schmelzpunktes. So erscheint von Hammelfett ein etwas größerer Anteil unresorbiert im Kot als von dem niedriger schmelzenden Schweinefett; noch größer ist der Unterschied zwischen Stearinsäure und Ölsäure (J. Munk).

Herr Klein hat untersucht, ob bei der Resorption des Cholesterins und seines Ölsäureesters ähnliche Unterschiede auftreten. Letzterer war nach Salkowski dargestellt, sorg-

1) Von der auf meine Veranlassung im Jahre 1908 gemachten Ar- beit habe ich außer den hier wiedergegebenen und von mir kontrollierten Ergebnissen keine weiteren Notizen erhalten können, daher begnüge ich mich mit einer kurzen Schilderung der Resultate. (Magnus-Levy.)

466 H. A. Klein:

fältig gereinigt und zeigte den oben angegebenen Schmelz- punkt.

Ein Hund von 15 kg erhielt, in zwei Reihen von je 4 Tagen, zu einer Tagesration von

200 g Fleisch, 50 g Reis, 75 g Butter, 20 g Knochenasche

in Reihe I täglich 2,0 g Cholesterin, in Reihe II je 3,3 g Ölsäure- ester, entsprechend 2,0 g Cholesterin. Beide Präparate waren in der erhitzten Butter zum Schmelzen gebracht und mit dieser im Futter gleichmäßig verteilt worden. Die obige Futter- mischung sollte die Resorption möglichst günstig gestalten. Vor und nach den Versuchen erhielt der Hund nur Hunde- kuchen. Die Abgrenzung des Kotes gelang gut, der große Gehalt an Knochenasche erleichterte die Verarbeitung.

Eine exakte Methode zur quantitativen Cholesterin- bestimmung existiert noch nicht.!) Altere Autoren haben mei- stens den unverseifbaren Anteil des Fettes als Cholesterin in Rechnung gestellt. Aus ihm kann man durch Umkrystallisieren aus Alkohol leidlich reines Cholesterin gewinnen, aber nur mit mehr oder minder großen Verlusten. Aus den dabei ver- bleibenden Mutterlaugen haben Dorée und Gardner?) weitere kleine Mengen als Benzoat isoliert, das in Alkohol schwer löslich ist. Aber auch Gardner gibt nach mehrjähriger Be- nutzung der Methode an, daß sie nicht sehr genau sei, und das in einer Arbeit über das Cholesterin des Hühnereis, wo die Verhältnisse noch ziemlich günstig sind. In Herrn Kleins Arbeit wurde der unverseifbare Anteil des Kotfettes, A, gewogen und das daraus durch Krystallisation aus Alkohol gewonnene Cholesterin B. Aus den Mutterlaugen konnte kein Cholcsterin- benzoat gewonnen werden. Der wahre Wert des Cholesterins liegt zwischen A und B.

Für die ganzen Perioden wurden bei einer Aufnahme von im ganzen 8,0 g Cholesterin gefunden:

1) Die Methode von Windaus war z. Z. unbekannt. 2) Dorée und Gardner, Proc. Roy. Soc. 80, 227, 1908.

Resorption von Cholesterin und Cholesterinestern. 467

Unverseifbares Ätherextrakt

g

Im Kot:

I. nach Cholesterin .. . II. Cholesterinester

Mithin resorbiert im ganzen:

I. von Cholesterin. . . . II. Cholesterinester . .

in maximo

Resorbiert für den Tag:

I. Cholesterin . . .... II. Cholesterinester . . . .

0,8 1,5

Somit wurde in diesem Versuch Cholesterin trotz seines um mehr als 100° höheren Schmelzpunktes nicht schlechter resorbiert als der Ölsäureester.

Vielleicht wird der Ester im Darm gespalten; dann würde, abgesehen von etwaigen physikalischen Unterschieden (feinere Emulgierung des aus dem Ester abgespaltenen Cholesterins?), kein Unterschied für die Resorbierbarkeit vorhanden sein. Doch ist das bisher noch nicht festgestellt worden. Auch das weitere Schicksal des Cholesterins jenseits der Darmwand ist meines Wissens unbekannt. An eine Synthese zu einem Fettsäureester in der Darmwand, analog der der Fettsäure mit Glycerin, wäre zu denken. Dafür spräche, daß nach Hürthle unter normalen Verhältnissen das Cholesterin im Serum überwiegend als Ester vorkommt. Allerdings nehmen Fraiser und Gardner!) eine Resorption von freiem Cholesterin an, weil sie nach Cholesterin- fütterung das Blut ihrer Tiere gegen Saponinhämolyse resistenter fanden. (Cholesterinester hemmt die Saponinhämolyse nicht, im Gegensatz zu freiem Cholesterin.) Ihre Versuche beweisen aber nach meiner Auffassung nur, daß ein Teil, vielleicht nur ein kleiner, als freies Cholesterin in das Blut übertritt. Versuche, in denen die Ductuslymphe nach Verfütterung von Cholesterin oder seiner Ester aufgefangen wird, werden die Frage direkt entscheiden können.

1) Proc. Roy. Soc. B. 81, 230, 1909.

468 H. A. Klein:

Jedenfalls wird freies Cholesterin im Darm von Fett ge- löst oder emulgiert und mit ihm zusammen resorbiert; ‚die Fette bahnen dem Cholesterin den Weg‘ (Hoppe-Seyler). Bei völligem oder fast völligem Fehlen von Fett wird Chole- sterin wahrscheinlich schlecht resorbiert. So wäre wohl W.Cohnsteins Versuch zu erklären, der 20 g Lanolin quanti- tativ im Kot wiedergefunden zu haben berichtet. Aber schon mäßige Mengen von Fett oder von Phosphatiden er- möglichen eine ausgiebige Aufsaugung von Cholesterin. Ein Hund von Dorée und Gardner resorbierte bei ausschließ- licher Fütterung mit rohem Schafshirn von 4,6 g Cholesterin in minimo 2,5 g, in maximo 3,4 g täglich. Gehirn enthält aber auf ca. 3°/, Cholesterin höchstens 8 bis 9°/, hohe Fett- säuren.

Mit steigenden Cholesteringaben steigt die Resorption, zum mindesten absolut.

Gabe pro die we I. 2,0 Cholesterin . . . 2 2°... 1,1 1,5 Klein II. 2,0 a als Ester ..... 0,8 1,5 a III. 3,0 a » »„» (Ochsenhirn) 15 1 Magnus-Levy IV. 6,0 e š z 1,8 3,5 a V. 4,6 u (Schafshirn) 2,5 3,4 Gardner

Versuch III und IV wurden von mir an demselben Hunde angestellt, an dem Klein gearbeitet hatte, Versuch V stammt von Gardner.

Versuch III und IV ergaben in Bestätigung von Gardners Angaben, daß das Kot,,cholesterin‘‘ überwiegend aus Kopro- sterin bestand; auch in I und II war das wahrscheinlich der Fall, doch wurde die genaue Feststellung versäumt.

Über den Cholesteringehalt einiger Nahrungsmittel.

Die Kenntnis der Cholesterinmengen in Nahrungsmitteln hat seit einiger Zeit praktische Bedeutung gewonnen, seit man versuchte, der Hämolyse bei gewissen Anämieformen durch Zufuhr von Cholesterin entgegenzuarbeiten. Man hat zu diesem Zweck große Mengen Butter gegeben. Doch sind Ge- hirn und Eier viel geeigneter, weil viel reicher an jenen Kör- pern. Ich fand in:

Resorption von Cholesterin und Cholesterinestern. 469

Min. Max. (auskrystallis. (unverseifbares Cholesterin) AÄtherextrakt) Kalbshirn (so oft durch die Maschine getrieben, bis weiße und graue Sub-

stanz ganz gleichmäßig gemischt waren) 2,7% 3,40/, Butterfett ausgeschmolzen

a) nach Salkowski verseift . . . . 0,2 0,35°/,

b) Kumagawa Aa 0,22 Butter (= 85°/, Butterfett) . ..... 0,19 Eigelb Ken dee, 4-0 re e 2,150/01)

(1 Eigelb von 16,9 g?) = 0,36 g Chole-

stearin)

Für Eier fanden Parke (bei Hoppe Seyler) und Ellis und Gardner ähnliche, nur wenig niedriger Zahlen, L. B. Mendel etwas höhere. 1 Eigelb enthält mindestens 0,25 g Cholestearin, 100 g Butter nur 0,19 g. In 6 Eigelb kann man täglich 1,5 g Cholesterin zuführen, ebensoviel in 50,0g Kalbshirn, doch wird dieses wohl kaum lange Zeit täglich genossen werden können.

Über Neubildung von Cholesterin im Tierkörper.

Pflanzenfresser erhalten in der Nahrung kein Cholesterin, sondern nur Phytosterin. Sie bilden also Cholesterin, ver- mutlich aus dem nahe stehenden Pflanzensterin. Ob sie außer- dem noch, und ob auch Fleischfresser aus entfernteren Stoffen Cholesterin neu bilden, ist mit zureichender Versuchsanordnung noch nicht untersucht worden. Alle derartigen Anord- nungen kommen darauf heraus, möglichst große Mengen einer fraglichen Substanz zu fassen, entweder in den Ausscheidungen oder als Ablagerungen in einem wachsenden Organismus. Wenn die Menge der so erhaltenen Substanz größer ist, als die Summe der Zufuhr in der Nahrung plus der vom Bestand des Organismus abgegebenen, dann ist sie im Organismus aus anderen Stoffen gebildet worden.

1) Schmelzpunkt des Cholesterins 137°; als Benzoat wurden 1,61°/, resp. 0,27 g gewonnen.

2) Drei Eier wurden zusammen verarbeitet. Es betrug das Durch- schnittsgewicht::

Ganzes Ei 49,3 g Schale . ..... 5,4g Eiweiß ..... 27,0 g

470 H: A. Klein:

Die größten Cholesterinmengen erscheinen im Stoffwechsel des eierlegenden Huhnes. Ein Ei enthält 0,25 bis 0,3 g Chole- sterin, manchmal noch mehr. Gute Hühner legen in 3 Tagen 2 Eier, besonders gute Rassen angeblich täglich 1 Ei, sie liefern also in 24 Stunden 0,2 g oder sogar 0,3 g Cholesterin, und das jedenfalls, ohne von ihrem eigenen Cholesterin zu verlieren. Nach den Zahlen, die über den Cholesterin- und Phytosteringehalt von Cerealien und anderer von den Hühnern gefressener Nahrung vorliegen, scheint es mir, daß die Auf- nahme an solchen Stoffen nicht ausreicht, um die Abgabe von Cholesterin in den Eiern zu decken. Dann müßte ein Teil davon neu gebildet worden sein. Die experimentelle Aufgabe bestände darin, Hühner unter guten äußeren Verhältnissen längere Zeit (l bis 2 Monate) mit geeignetem Futter von niedrigem Cholesteringehalt zu ernähren, und die Aufnahme von Phytocholesterin zu vergleichen mit der Abgabe in den Eiern. Ein solcher Versuch, zu dem ich nicht die Zeit habe, könnte in einem wissenschaftlichen landwirtschaftlichen Institut ohne besondere Mühe angestellt werden.

In der folgenden Tabelle habe ich einige Zahlen des Chole- steringehaltes in verschiedenen Substanzen zusammengestellt.

Tabelle.

Mensch u. Rind: „weiße Nervensub-

Stanz“ . 2.2.2... (3,7) 12,2 Chevalier Pferd: vorwiegend

weiße Substanz . . 4,5 14,8 Baumstark

graue s VF 2,18 10,3 5 Mensch:

gesund . ..... 3,07 Klempereru.Mucker

Coma diabeticum . 3,31 j Ochs: o a“ <2,7> 3,4 Magnus-Levy

Eidotter In 1 Hühnerei

Huhn 2 Ae. e wu 4.3 1,28—1,75 (0,21 g) Parke

O enge (0.23—0,29g): Ellis u. Gardner

Fe EE de d 1,65—2,15 '(0,27—0,36g)) Magnus-Levy

a a a e | (0,388) L. B. Mendel

Resorption von Cholesterin und Cholesterinestern. 471

Tabelle (Fortsetzung.)

Autor

Milch | ZZ

Frauen... .... 0,032 (?) Butterfett Dt N (0,25) 0,35 wd ee 0,22 Butter ....... 0,19 Niere normal 2 Fälle . . .! 0,2—0,35 Coma diab. 5 Fälle . | 0,30—0,39 normal . ...... 0,25—0,29 Lymphocyten (0,5) Eiter .... l.l... 0,26—0,29 Hundeblut normal . . ..... 0,09—0,13 EE EE 0,11—0,15 nach Narkose 0, ‚46 Gänseblut Blutkörperchen . . . | 0,04—0,06

Serum von 100 Blut 0,0190 ‚035 Serum von 100 Blut bei Mästung

Bioenemische Zeitschrift Band 29.

44

| | Tolmascheff Magnus-Levy n n Klemperer u. Mucker Windaus Lilienfeld Hoppe-Seyler

Abderhalden Reicher

Hoppe-Seyler

AR

dl

Beiträge zum Nachweis und zur Entstehung aromatischer Körper im Organismus.

II. Mitteilung.

Verhalten von Indol und Skatol beim Kaninchen. Von Ferdinand Blumenthal und Ernst Jacoby.

(Aus der ohemischen Abteilung des Pathologischen Instituts der Universität zu Berlin.)

(Eingegangen am 9: November 1910.)

Die auffallende Tatsache, daß ein Kaninchen im Hunger Indican in relativ erheblicher Menge ausscheidet, während ein mit Kohl gut gefüttertes Kaninchen dieses nicht tut, ist in ihren Ursachen in verschiedenster Weise gedeutet worden. Es wurde vielfach angenommen, daß das im Darm entstehende Indol sich bilden sollte durch die Fäulnis der daselbst durch den Hungerzustand entstehenden Blutergüsse.. Nach meiner Anschauung war dies schon deshalb unwahrscheinlich, weil ich einige Male fesstellen konnte, daß Kaninchen, deren Harn bei der direkten Untersuchung vorher frei von Indican war, schon nach 16stündigem Hungern, wenn also der Darm noch voll Nahrung ist, reichlich Indican im Harn hatten. Ich halte es für nicht wahrscheinlich, daß eine so kurze Nahrungsentziehung so eingreifend auf die Zersetzungsprozesse im Darm wirken soll. Man braucht ja nur dem Tiere reichlichere Nahrung vorzulegen, um die Indicanurie nach wenigen Stunden wieder zum Ver- schwinden zu bringen. War einmal eine Blutung da, so kann sie kaum in so schneller Zeit durch eine reichlichere Nahrungs- aufnahme zum Stillstand gebracht werden.

Es zeigte sich ferner, daß, wenn die hungernden Kaninchen zu einer Zeit getötet wurden, als der Indicangehalt ihres Harns

F. Blumenthal u. E.Jacoby: Verhalt. v, Indol u.Skatol b. Kaninchen. 473

sehr stark war, niemals Blutungen im Darm vorhanden waren, so daß beim Kaninchen wenigstens die Blutungen nicht als Grund für die entstehende Indicanurie herangezogen werden können. Eher wäre es möglich, daß im Hunger eine Ver- stopfung des Tieres auftritt, und dadurch der im Darm ver- weilende Kot, der ja auch bei Kaninchen, die am Hunger gestorben sind, noch reichlich ist, die Ursache für die Indol- bildung im Darm abgibt. Es bedarf aber zuerst der Feststellung, ob wirklich beim hungernden Kaninchen eine vermehrte Inrdol- bildung im Darm statthat. Der Einwand Ellingers, daß hungernde Kaninchen ihren Kot fressen, ist für kurzdauernde Versuche nicht zutreffend; ferner zeigt sich, daß auch Kaninchen, die einen Maulkorb nach Rubner tragen, sich ebenso ver- halten wie Kaninchen ohne Maulkorb.

Ich habe in 4 Fällen früher den Darminhalt eines während des Hungerns getöteten Kaninchens auf Indol untersucht und habe niemals Indol gefunden.

Die Versuche waren seinerzeit so angestellt, daß der Darminhalt mit verdünnter Salzsäure destilliert und die Cholerarotreaktion nach E. Salkowski angestellt wurde, wobei genau 10 ccm Destillat mit 1 com einer 0,02°/,igen Kaliumnitritlösung versetzt und dann mit konzentrierter Schwefelsäure unterschichtet wurden.

Ähnliche Versuche wurden von anderen Autoren mit wechselndem Ergebnis ausgeführt; so fand Rosenfeld!) von 36 Versuchen ebenfalls nur 5mal Indol in den Faeces hungernder Kaninchen, d. h. in den meisten Fälllen kein Indol.

Gauthier und Hervieux?) untersuchten den Darminhalt von Hunden und Kaninchen, die gehungert hatten, und zwar 4 Kaninchen, von denen 2 am siebenten Tage des Hungerns, 2 am vierten Tage und sechsten Tage getötet wurden. Schon am ersten Tage des Hungerns fand sich bei 3 Kaninchen eine geringe Indicanreaktion im Harn, nur beim dritten Kaninchen war die Reaktion ausgesprochener. Vom nächsten Tage ab stieg die Indicanmenge sehr stark, um ein wenig am Tage vor dem Tode abzusinken. Der Dickdarminhalt, ca. 20 g, wurde mit Benzol einige Minuten lang verrieben. So wurde eine gelblichbraune Flüssigkeit erhalten, die unter anderem Chlorophyll enthielt. Der Benzolauszug wurde mit dem Ehrlichschen Reagens geschüttelt. In allen Teilen bekamen sie nach dieser Methode mit dem Darminhalt von hungernden Kaninchen eine positive Indolreaktion.

Dieselben Autoren untersuchten den Dickdarminhalt eines Kanin- chens, das 3 Tage lang gut ernährt war, und fanden keine Spur von

1) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 5, 89.

D Compt. rend. Soc. Biol. 63, 223 u. 610. 31*

474 F. Blumenthal und E. Jacoby:

Indol. Der Nachweis des Indols geschah immer mit dem Ehrlich schen Reagens in 5?/ iger Lösung. Der Urin in der Blase enthielt im Moment des Todes beim direkten Nachweis keine Spur von Indoxyl.

Auch Ellinger!) hat unter 4 Versuchen im Kot hungernder Ka- ninchen 3 mal Indol gefunden. Mittlerweile hat nun Ury?) gezeigt, daß die Destillate der Faeces oder anderer indolhaltiger Flüssigkeiten mit starker Säure destilliert häufig negative, oder doch nur schwache Indol- reaktionen geben, während diese bei neutraler oder schwach alkalischer Reaktion destilliert reichlicheren Übergang von Indol in das Destillat erkennen ließen. Da ich nun bis auf einen Fall früher immer mit Salz- säure destilliert und ein negatives Resultat erhalten hatte, hielt ioh es für nötig, meine Untersuchungen unter Berücksichtigung der von Ury festgestellten Tatsachen zu wiederholen. Ferner zeigte Ury, daß beim Destillieren der Faeces die ersten 20 bis 30 com des Destillats meist kein, immer aber weniger Indol enthielten als das folgende Destillat. Auch dies mußte berücksichtigt werden. Weiter hatte ich in meiner letzten Publikation gezeigt, daß die aromatischen Aldehyde zum Nachweis des Indols sich weit besser verwenden lassen, als die von mir früher benutzte Cholerarotreaktion.?)

Ich habe daher die Frage des Vorkommens von Indol im Darm hungernder und gut genährter Kaninchen von neuem untersucht, d. h. bei Kaninchen, die Indican im Harn aus- schieden und bei solchen, deren Harn von Indican frei war, um festzustellen, ob ein Parallelismus zwischen Indicanurie und

Indolgehalt der Faeces vorhanden war.

a) Hunger-Kaninchen.

Versuch Nr. 1. Ein Kaninchen, das vom 30. Dezember 1907 bis zum 8. Januar 1908 gehungert hat, wird an einem Tage, an dem der Harn reichlich Indican enthält, durch Verbluten aus den Carotiden getötet. Im Darm wurden im ganzen 65 g Faeces gefunden. Davon werden 18 g mit 50 com Äther verrieben. Der Ätherauszug ist leicht grün gefärbt, gibt das Chlorophyli-Spektrum. (Streifen im Rot am Gelb, zweiter dünner schwacher Streifen am Anfang des Grün, dritter Streifen in der Mitte des Grün, vierter Streifen am Anfang des Blau.)

Ca. 10 ccm Ätherauszug werden mit 2 com Ehrlichschem Reagens und l ccm konz. Salzsäure versetzt. Nach Schütteln tritt Rotfärbung der Salzsäure auf. Die wässerige Lösung zeigt einen Streifen im Gelb. Der Rest der Faeces wird ohne Änderung der Reaktion destilliert, es werden 30 ccm Destillat erhalten. Die Ehrlichsche Reaktion ist stark positiv, die Cholerarot- und Glyoxylsäure-Reaktion sind äußerst schwach. Es werden nochmals 30 ccm abdestilliert. Die Ehrlichsche Reaktion

1) Ellinger, Zeitschr. f. physiol. Chem. 38. 2) Ury, Deutsche med. Wochenschr. 1904, Nr. 19. 3) Diese Zeitschr. 19, 521.

Verhalten von Indol und Skatol beim Kaninchen. 475

ist stark, die Cholerarot- und die Glyoxylsäure-Reaktion sind angedeutet. Es werden zum drittenmal 30 ocm abdestilliert. Nunmehr ist die Ehrlichsche Reaktion nur angedeutet, die beiden andern sind negativ.

Versuch Nr. 2. Ein Kaninchen, das vom 30. Dezember 1907 bis zum 10. Januar 1908 gehungert und nur Wasser bekommen hat, wird durch Verbluten aus den Carotiden getötet. Indicangehalt des in der Blase gefundenen Harns stark. Es werden 75 g Kot erhalten, 37 g davon werden mit Äther verrieben, der Rest wird mit Wasser ohne Änderung der Reaktion destilliert.

Der Ätherauszug gibt die Ehrlichsche Reaktion.

Das Destillat, 30 ocm, gibt eine ziemlich starke Ehrlichsche Re- aktion; die Cholerarot- und die Glyoxylsäure-Reaktion sind eben ange- deutet. Nachdem ein Teil des Kotes mit Äther verrieben war, wurde vom Äther abfiltriertt und der Kot mit Alkohol von neuem verrieben. Bei Zusatz von Salzsäure zeigt die alkoholische Lösung ein Spektrum, das auf Urobilin hindeutet. Da die Ehrlichsche Reaktion auch mit Urobilinogen positive Resultate aufweist, so ist im Kot weder der Alkoholauszug noch der Ätberauszug bei positivem Ausfall zu verwerten.

Versuch Nr. 3. Kaninchen hat vom 29. Dezember 1907 bis zum 1. Januar 1908 gehungert; es erhielt nur Wasser nach Belieben. Urin enthält sehr stark Indican. Das Tier wird durch Verbluten aus den Carotiden getötet.

Dee Dünndarminhalt wird mit Äther verrieben; der Ätherauszug gibt keine Ehrlichsche Reaktion. Darauf wird er mit Alkohol ver- rieben und filtriert. Das Filtrat gibt auch keine Ehrlichsche Reaktion.

Der Diokdarminhalt mit Äther verrieben, gibt eine positive Ehrlichsche Probe. Ein Teil des Dickdarminhalts wird ohne Änderung der Reaktion destilliert. Die Glyoxylsäureprobe, die Cholerarot- und die Ehrlichscohe Reaktion sind positiv, dagegen ist die Nitrosoindolreaktion negativ.

Versuch Nr. 4. Kaninchen hat 5 Tage gehungert. Indican sehr stark. Ein Teil der Faeces wird mit Alkohol verrieben: es zeigt sich ein deutlicher Urobilinstreifen. Ehrlichsche Reaktion ist deutlich. Ein Teil der Faeces wird mit Benzol verrieben. Der Benzolauszug zeigt nach Zusatz von Salzsäure einen Streifen im Grün am Blau. Die Ehrlichsche Reaktion ist stark positiv, mit charakteristischem Streifen. Ferner ist ein schwacher Streifen zwischen gelb und grün vorhanden.

Der Rest der Faeces wird bei alkalischer Reaktion destilliert. Es sind deutlich positiv die Ehrlichsche Reaktion, die Vanillinreaktion, die Heliotropinreaktion, die Glyoxylsäurereaktion, während die Cholera- rotreaktion schwach ist. Die Legalsche Probe nach E. Salkowski ist schwach positiv.

Versuch Nr. 5. Kaninchen hat 8 Tage gehungert, wird dann durch Verbluten aus den Carotiden getötet. Sämtliche Organe werden mit Alkohol extrahiert und zeigen keine Ehrlichsche Reaktion. Die Faeoes werden mit Wasser destilliert. Das Destillat gibt die Ehrlich- sche Reaktion deutlich; die Vanillinreaktion ist nur schwach positiv.

476 F. Blumenthal und E. Jacoby:

Versuch Nr. 6. Kaninchen wird am 5. Hungertage getötet. Der Harn enthält reichlich Indican. Der Kot (Dick- und Dünndarminhalt) wird mit 300 ccm Wasser destiliiert. Es werden 50 ccm abdestilliert und mit dem Destillat folgende Proben angestellt:

Die Legalsche Probe mit Nitroprussidnatrium ist zweifelhaft; es zeigt sioh bei Anstellung derselben folgendes: Bei Zusatz von Natronlauge tritt eine starke Rotfärbung auf, die aber keineswegs nur durch Indol bedingt sein kann, da bei Zusatz von Eisessig nach E. Salkowski nur eine sehr schwache Grünfärbung sich bemerkbar macht.

Die Nitrosoindolreaktion ist sehr schwach. die Ehrlichsche Re- aktion ist sehr deutlich; die Reaktion mit Nitrobenzaldehyd ist sehr schwach; die Cholerarotreaktion ist sehr schwach; ohne Nitritzusatz ist sie etwas stärker; dagegen ist die Vanillinreaktion ziemlich stark-

Nunmehr werden noch 30 ccm abdestilliert; mit diesen ist die Legalsche Reaktion angedeutet, dagegen die Ehrlichsche Reaktion sehr deutlich.

Versuoh Nr. 7. Kaninchen, das vom 9; Juli bis 12. Juli 1909 inkl. gehungert hat, wird getötet: der Darminhalt (Dünndarm und Dick- darm) wird gemeinschaftlich mit 300 com Wasser destilliert. Es werden zuerst 50 ocm abdestilliert.

Die Legalsche Probe verläuft folgendermaßen: Auf Zusatz von Nitroprussidnatrium entsteht eine schöne Blaufärbung, die bald in Violett übergeht (Reaktion auf Schwefelammonium); setzt man nunmehr Natron- lauge zu, so verschwindet die Violettfärbung; bei Zusatz von Eisessig ist die Reaktion auf Indol schwach positiv. (Schwache Grünfärbung.)

Die Nitrosoindolreaktion ist schwach; die Ehrlichsche Reaktion ist deutlich; die Vanillinreaktion ist ziemlich stark; die Cholerarotreaktion ist positiv; die Glyoxylsäurereaktion ist ziemlich stark; die Heliotropin- reaktion ist ziemlich stark.

Es werden weitere 40 ccm abdestilliert, die Legalsche Reaktion ist in diesem Teil des Destillats negativ, die andern Reaktionen sind etwas schwächer als im Destillat Nr. 1; nur die Ehrlichsche Reaktion fällt etwas stärker aus.

Es ergibt sich also bei hungernden Kaninchen:

1. Der Darm hungernder Kaninchen ist zu einer Zeit, wo schon im Urin reichlich Indican vorhanden ist, noch stark mit Nahrungsstoffen gefüllt.

2. Hämorrhagie oder Hyperämie der Schleim- haut ist bei hungernden Kaninchen nicht beobachtet worden.

3. Der Dünndarminhalt enthält kein Indol.

4. Der Dickdarminhalt enthält konstant Indol.

Für die Frage, ob als alleinige Quelle der im Harn bei hungernden Kaninchen erscheinenden größeren Indicanmengen

Verhalten von Indol und Skatol beim Kaninchen. 477

und das im Darm entstehende Indol anzusehen ist, war von Wichtigkeit festzustellen, ob Unterschiede zwischen dem Gehalt an Indol im Darm hungernder und reichlich ernährter Kaninchen zu konstatieren waren.

b) Gut genährte Kaninchen.

Versuch Nr. 1. Kaninchen, das mit Hafer längere Zeit er- nährt war und einen indicanreichen Harn hatte, wird nunmehr mit Mohr- rüben ernährt, bis der Harn direkt untersucht kein Indican mehr enthält. Dann wird das Kaninchen durch Verbluten aus den Carotiden getötet.

Ein Teil der Faeces wird mit Äther verrieben. Der Auszug ent- hält viel Chlorophyll und gibt die Ehrlichsche Reaktion. Ein Teil wird mit Alkohol verrieben, gibt ebenfalls die Ehrliohsche Reaktion; ein Teil wird bei unveränderter Reaktion destilliert; das Destillat gibt die Ehrlichsche Reaktion, dagegen keine Cholerarot- und keine Gly- oxylsäurereaktion.

Versuch Nr. 2. 21. Januar 1908. Kaninchen, gut genährt mit Weißkohl, Urin indicanfrei, wird durch Verbluten aus den Carotiden ge- tötet. Ein Teil des Kotes wird mit Äther extrahiert. Der Extrakt gibt die Ehrlichsche Reaktion. Der größere Teil des Kotes wird mit Wasser bei unveränderter Reaktion destilliert; das Destillat gibt die Ehrlich- sche Reaktion sehr schwach; Cholerarotreaktion und Glyoxylsäurereaktion negativ.

Versuch Nr. 3. 1. Februar 1908. Kaninchen gut gefüttert.

Urin indicanfrei; der Diekdarminhalt mit Äther verrieben: Ehr- lichsche Reaktion positiv. Der größere Teil des Dickdarminhalts wird mit Alkohol verrieben: Ehrlichsche Reaktion positiv. Ein Teil wird bei unveränderter Reaktion destilliert: Ehrlichsche Reaktion ange- deutet, Cholerarotreaktion negativ; alle Reaktionen am Dünndarminhalt angestellt, sind negativ.

Versuch Nr. 4. Ein gut genährtes Kaninchen, dessen Harn kein Indican enthält, wird durch Verbluten aus den Carotiden getötet.

Ein Teil des Kotes wird mit Benzol verrieben: Ehrlichsche Re- aktion positiv, Vanillinprobe positiv. Dann wird ein Teil mit Alkohol verrieben: Ehrliohsche Probe positiv. Ein Teil des Kotes wird bei 'unveränderter Reaktion destilliert: Ehrlichsche Reaktion schwach, Vanillinreaktion stark.

Versuch Nr. 5. Ein gut genährtes Kaninchen, das im Harn kein Indican hat, wird getötet.

Der Kot wird mit 300 ccm Wasser destilliert; 50 com Destillat werden zu folgenden Proben verbraucht:

Ehrlichsche Reaktion sehr deutlich; Vanillinreaktion stark; Nitroso- indolreaktion ziemlich stark positiv; Cholerarotreaktion ohne Nitritzusatz negativ, mit Nitrit stark positiv. Legal ziemlich stark; auf Zusatz von Nitroprussidnatrium entsteht eine Violettblaufärbung, die dann auf weiteren Zusatz von Natronlauge verschwindet (Schwefelammonium-

478 F. Blumenthal und E. Jacoby:

reaktion), mit Eisessig Blaufärbung. Die Glyoxylsäurereaktion ist stark. |

Es werden weitere 30 ocm abdestilliert; sämtliche angestellten Indol- reaktionen fallen stärker aus als im ersten Destillat.

Versuch Nr. 6. Ein Kaninchen, das gut genährt war, Harn in- dicanfrei, wird getötet.

Der Gesamtkot wird mit 250 com Wasser destilliert. Erstes Destillat, 50 com. Ehrlichsche Reaktion positiv, nicht stark, Legalsche Probe negativ, Nitrosoindolreaktion negativ, Cholerarotprobe zweifelhaft, Gly- oxylsäureprobe schwach.

Zweites Destillat, 30 ccm: Glyoxylsäureprobe schwach, Legalsche und Cholerarotprobe negativ.

Versuch Nr. 7. Ein Kaninchen, das vom 30. Dezember 1908 bis zum 9. Januar 1909 gehungert hat, wird auf Indican untersucht. Re- aktion sehr stark. Es erhält nunmehr nach Belieben Weißkohl. Der vormittags um 10 Uhr gelassene Harn gibt noch ziemlich starke Indican- reaktion; mittags um 1 Uhr war der Harn frei von Indican. Am ll. Januar ist der Harn ebenfalls frei von Indican. Das Tier wird an diesem Tage getötet. Es werden 115g Kot im Darm gefunden, 45 g werden mit Äther extrahiert, der Rest wird mit Wasser ohne Änderung der Reaktion destilliert. Im Atherauszug ist die Ehrlichsche Reaktion negativ; das Destillat, im ganzen 60 ccm, zeigt eine positive Ehrlich- sche Reaktion mit charakt. Spektrum; Cholerarot- und Glyoxylsäure- reaktion sind negativ.

Es ergibt sich bei gut gefütterten Kaninchen:

1. Der Harn mit Weißkohl bzw. Mohrrüben und Weißkohl reichlich (ad libitum) ernährter Kaninchen enthält mit der Obermeyerschen Probe direkt unter- sucht kein Indican, auch nicht nach Klärung des Harns mit Bleizucker.

2. Das Destillat des Dünndarminhalts ist frei von Indol.

3. Das Destillat des Dickdarminhalts gibt meist, aber nicht konstant, Indolreaktionen.

Was den Nachweis des Indols in den Faeces anbelangt, so halte ich mit Ury für vollkommen einwandfrei die Methode der Destillation des nicht angesäuerten Kotes mit Wasser. Eine Extraktion der Destillate mit Ather halte ich nicht für ein- wandfrei; die Reaktionen, die mit dem unbehandelten Destillat positiv sind, können nach dem Ausschütteln mit Ather negativ ausfallen. Bei direktem Ausschütteln des Kotes ohne vorherige Destillation mit Ather usw. können Substanzen über- gehen (Urobilinogen), die z. B. eine positive Ehrliohsche Re-

Verhalten von Indol und Skatol beim Kaninchen. 479

aktion vortäuschen können. Die direkte Behandlung der Faeoes mit Benzol oder einem anderen Extraktionsmittel möchte ich da- her prinzipiell verwerfen. Es hat sich, worauf schon Denigös hingewiesen hat, gezeigt, daß man mit dem käuflichen Benzol Reaktionen mit den aromatischen Aldehyden bekommt. So wird Benzol mit Vanillin in salzsaurer Lösung purpurrot, mit Dimethylaminobenzaldehyd gelbgrün, mit Heliotropin rosa, mit Protokatechualdehyd orange- bis purpurrot. Wenn auch die Ehrlichsche Reaktion mir keine positiven Resultate gegeben hat, so möchte ich doch vor der Anwendung des käuflichen Benzols prinzipiell warnen, wenigstens muß man immer erst durch eine Kontrolle sich vor Irrtümern zu schützen suchen.

Ich ließ mir reines Benzol von Kahlbaum kommen, aber auch dieses gab mit Vanillin in Salzsäurelösung eine purpurrote Färbung, mit Heliotropin eine Rosarotfärbung. Der Gedanke, daß es sich um eine Vermischung mit Tiophen handelte, schien nicht richtig zu sein, denn das Tiophen gibt gerade mit dem Ehrlichschen Reagens eine prachtvolle kirschrote Färbung, mit Heliotropin eine Rosarot-, mit Vanillin eine Kirschrot- färbung. Es muß also in dem gewöhnlichen Benzol ein anderer Körper die oben beschriebenen Reaktionen verursacht haben.

Von den angeführten Reaktionen scheinen die Ehrlichsche, die Vanillin- und die Heliotropinreaktion in gleicher Weise zum Nachweis des Indols in den Faeces sich zu eignen, wenn es sich um den Nachweis minimaler Spuren handelt. Alle diese Reaktionen sind aber nur mit dem Destillat anzustellen.

Wenn nun auch im allgemeinen der Hungerkot beim Ka- ninchen indolreicher zu sein scheint, als derjenige solcher Tiere, die direkt kein Indican finden lassen, so ist dies erstens nicht konstant (Versuch 5 der gut genährten Kaninchen), zweitens finden wir auch bei Hungertieren mit starkem Indican- gehalt nicht einen ihm parallel gehenden starken Indolgehalt der Faeces, wie dies ja für den Menschen wiederholt konstatiert worden ist. [Baumstark!), Moraczewski®]. Ich kann daher nicht zugeben, daß die Tatsache, daß im Hungerkot

11 Baumstark, Arch. f. Verdauungskrankh. 9, 3, 1903. 2) Moraczewski, Arch. f. Verdauungskrankh. 14, Heft 4.

480 F. Blumenthal und E. Jacoby:

Indol gefunden wird, in befriedigender Weise die starke Indicanurie dieser Tiere erklärt, da auch der Kot von Tieren, deren Urin direkt!) kein Indican erkennen läßt, Indolreaktionen gibt.

Dazu kommt noch, daß nicht einmal bewiesen ist, daß das im Kot gefundene Indol nur aus der Fäulnis der Faeces stammt; denn folgende Versuche zeigen, daß Indol aus der Zirkulation in die Faeces übertreten kann. So erhielt ich im Versuch 4 der mit Indol gespritzten Kaninchen mit dem Dick- darmdestillat eine sehr starke Legalsche Probe, was bei hungernden oder gut genährten Kaninchen nie der Fall war, ein Zeichen dafür, daß von dem injizierten Indol etwas in den Darm ausgeschieden worden ist.

Im Versuch 5 der mit Indol subcutan gespritzten Tiere enthielt sogar der Dünndarminhalt Indol, was bei nicht mit Indol gespritzten Tieren nie konstatiert wurde. Das läßt also auf eine Ausscheidung von zirkulierendem Indolin den Darmkanal schließen. Wir sehen etwas Ähnliches bei den Phenolkörpern, z. B. bei der Lysolvergiftung, wo die Kresole, nachdem sie aus dem Darmkanal in die Zirkulation über- gegangen sind, wieder in ihn ausgeschieden werden. Die Tat- sache ist für das Indol insofern von Wichtigkeit, als man nicht wissen kann, ob das Indol, das wir beim hungernden Ka- ninchen im Darmkanal finden, daselbst durch Fäulnis des im Darme enthaltenen Materials entstanden ist, oder ob es aus der Zirkulation in geringen Mengen in den Darmkanal über- getreten ist. Die letztere Ansicht würde allerdings zur Voraus- setzung haben, daß beim hungernden Kaninchen Indol als solches zirkuliert, und wir müßten es eigentlich dann auch im Blute und in den Geweben nachweisen können. Versuche, die ich nach dieser Richtung hin angestellt habe, haben aber ein negatives Resultat ergeben. Ich habe beim hungernden Tier niemals die geringste Spur einer Reaktion mit Vanillin an den alkoholischen Auszügen der Organe und des Blutes be- kommen. Dies spricht aber noch nicht gegen die eine und für die andere Anschauung. Denn eigentlich müßte man auch das im Darmkanal entstandene Indol ebenfalls in der Zirkulation

1) Nach E. Salkowski gibt der Alkoholauszug des eingedampften Harns häufig Indicanreaktionen, wenn direkt die Reaktion negativ wars

Verhalten von Indol und Skatol beim Kaninchen. 481

finden. Nun haben aber Herter und Wakemann und Rosen- feld festgestellt, daß von den Organen in kleinen Mengen zu- gesetztes Indol absorbiert wird und dem Nachweis sich ent- zieht. Diese Versuchsanordnung kann also für die Frage der Entstehung des Indols im Tierkörper keine Entscheidung bringen.

Was nun den Nachweis des Indols im Blute und in den Geweben anbelangt, so habe ich die feingehackten Organe mit Alkohol verrieben, manchmal unter Zusatz von Benzol filtriert. Das Blut habe ich einfach mit Alkohol übergossen und dann filtriert. Die alkoholischen Auszüge zeigten dann bei fast allen Organen der mit Indol gespritzten Tiere mehr oder weniger starke Cholerarot- oder Indolreaktion mit Salpetersäure und Kaliumnitrit, und ferner in ausgezeichnetster Weise die Aldehyd- reaktionen, insbesondere die Ehrlichsche, die Vanillin-, die Piperonal- und die Protokatechualdehyd-Reaktion. In einigen Fällen gerade bei den Organauszügen zeigte sich die Ehrlich- sche Reaktion weit unterlegen der Vanillin-, Piperonal- und Protokatechualdehyd-Reaktion. Sie war einige Male kaum an- gedeutet, während namentlich die Vanillinreaktion außerordent- lich stark sich verhielt und besonders schöne Farben zeigte. Noch deutlicher war dies der Fall in den später zu besprechen- den Organauszügen der mit Skatol gespritzten Tiere.

Verhalten des Indols im Tierkörper bei Kaninchen, die Indol subcutan erhalten haben.

1. Versuch. Kaninchen, das seit mehreren Tagen mit Weißkohl ge- füttert ist, so daß der Harn kein Indican enthält, erhält subcutan !/, g Indol, in Alkohol und Wasser gelöst, am 23. Januar 1909. Die 24- stündige Urinmenge wird am 24. Januar mit Wasser verdünnt auf 500 ccm. Davon werden 100 ccm zur Bestimmung auf Indican genommen, 100 ccm zur Bestimmung auf Ätherschwefelsäure.

Das Tier wird durch Verbluten getötet. Die Faeces riechen stark nach Indol. Ein Teil derselben wird destilliert: im Destillat Ehrlichsche, Cholerarot-, Glyoxylsäurereaktion stark positiv. Ein Teil wird mit Äther und Alkohol verrieben; Filtrat: starke Ehrlichsche Reaktion.

Die Muskeln geben weder direkt eine der Indolreaktionen, noch zeigt die Vorlage der mit Wasser destillierten Muskeln eine solche Reaktion.

Das Destillat des wässerigen Leberbreies gibt sehr deutliche Ehrlichsche Reaktion, ganz schwach die Glyoxylsäurereaktion; Cholera- rotreaktion negativ.

Das Destillat des mit Wasser destillierten Fettgewebes gibt eine schwache positive Ehrlichsche Reaktion.

482 F. Blumenthal und E. Jacoby:

Das Destillat des in gleicher Weise behandelten Nierengewebes gibt negative Resultate.

Aus dem Urin werden dargestellt 0,24 g Indigo und 0,389 g Äther- schwefelsäuren, auf die Gesamtmenge berechnet.

2. Versuch. 28. Januar 1909. Kaninchen gut gefüttert. 1/, g Indol wird in 10 ccm Alkohol und 40 ccm Wasser gelöst in den Magen gegossen. Nach 2 bis 3 Stunden wird das Tier durch Verbluten getötet. Das Blut wird mit Alkohol verrieben; das Filtrat zeigt eine Ehrliohsche und Nitrosoindolreaktion.

Das Fett, mit Alkohol und Chloroform extrahiert, zeigt sehr starke Ehrlichsche und Nitrosoindolreaktion.

Lunge: Alkoholauszug: Nitrosoindolreaktion deutlich, etwas schwächer als Blut.

Alkoholischer Auszug der Niere: Indol schwächer als bei der Lunge.

Muskeln: alkoholischer Auszug, Nitrosoindolreaktion schwach.

Leber riecht nach Indol; alle Reaktionen sehr stark. Magen- und Darminhalt enthalten noch Indol, wie der Geruch und die Reaktionen zeigen. Gehirn: Nitrosoindolreaktion deutlich.

Die alkoholischen Auszüge von Haaren und Haut des Tieres geben keine Reaktion.

3. Versuch. Kaninchen erhält 0,2 g Indol suboutan um 5 Uhr nachmittags eingespritzt. Das Tier wird am nächsten Vormittag um 10 Uhr durch Verbluten getötet.

Das Destillat des nach der Einspritzung gesammelten Harn zeigt mit Wasser schwache Ehrlichsche Reaktion, beim nochmaligen Destil- lieren unter Zusatz von Salzsäure keine Reaktion.

Die Faeces, mit Wasser destilliert, zeigen starke Cholerarot-, Vanillin- und Ehrlichsche Reaktion.

Die Organe geben keine Reaktion. Es ist also nach 17 Stunden schon sämtliches Indol wieder aus den Geweben ausgeschieden.

4. Versuch. 19. Februar 1909. Kaninchen erhält um 10 Uhr vor- mittags 0,2 g Indol, in Alkohol gelöst, subcutan. Es wird um 12 Uhr 50 Minuten getötet.

Das Blut, mit Alkohol übergossen, zeigt starke positive Ehrlichsche, Piperonal-, Vanillin-, Protokatechualdehyd-Reaktion.

Eine Probe des Dickdarminhalts, mit Alkohol und Äther extra- hiert, gibt die Ehrlichsche Reaktion, der Amylalkoholauszug der Reak- tion zeigt den charakteristischen Streifen. Alle anderen Reaktionen negativ.

Dünndarminhalt: Alkohol- und Ätherauszug negativ.

Der Rest des Dickdarminhalts ohne Änderung der Reaktion mit Wasserzusatz destilliert. Destillat: Ehrlichsche Probe stark positiv; Cholerarot-, Glyoxylsäurereaktion positiv; Vanillin-, Piperonal-, Proto- katechualdehyd-, Legalsche Reaktion stark positiv. Es ist also Indol aus dem Unterhautzellengewebe nach 21/, Stunden in den Dickdarm, dagegen nicht in den Dünndarm ausgeschieden worden.

Verhalten von Indol und Skatol beim Kaninchen. 483

Gehirn: Ehrlichsche, Vanillin-, Protokatechualdehyd-Reaktion positiv.

Leber: Alle Reaktionen stark positiv.

Das Destillat des Harns zeigt Ehrlich, Vanillin stark positiv, Glyoxylsäure sohwach, Legal angedeutet.

5. Versuch. Kaninchen erhält 0,3 g Indol suboutan eingespritzt, nach 2 Stunden wird es durch Verbluten getötet.

Der Diokdarminhalt wird mit Wasser destilliert. Ehrlichsche Reaktion deutlich positiv, Vanillin-, Heliotropinprobe stark positiv, Cholerarot-, Glyoxylsäureprobe schwach.

Blut, mit Alkohol extrahiert: Ehrlichsche, Vanillin-, Helio- tropinreaktion stark positiv.

Dünndarminhalt, mit Alkohol extrahiert: Ehrlichsche Probe positiv, Vanillinreaktion schwach positiv, Piperonalprobe undeutlich positiv, Nitrobenzaldehydprobe schwach.

Leber, mit Alkohol extrahiert; Ehrlichsche, Vanillin-, Helio- tropinprobe stark positiv. Es war also Indol nach 2 Stunden in den Dickdarm und in sehr geringer Menge auch in den Dünn- darm übergegangen.

Spritzt man einem Kaninchen Skatol unter die Haut und tötet das Tier nach 3 bis 4 Stunden, so kann man in ähnlicher Weise wie nach Einspritzung von Indol mit den alkoholischen und Benzolauszügen sämtlicher Organe schöne Farbenreaktionen be- kommen, desgleichen mit dem Dickdarminhalt. Es zeigte sich nun zu meiner Überraschung, daß einzelne Organe mehr Farben- nuancen zeigten, wie wir sie bei Gegenwart von Indol bekommen, dagegen nicht bei Gegenwart von Skatol, daß namentlich der Zusatz von Nitrit nach Anstellung der Reaktion nicht einen Umschlag in eine schöne Blaufärbung bewirkte, wie sie für Skatol charakteristisch ist, sondern eine Entfärbung. Es zeigte sich ferner, daß z. B. die Benzolauszüge der Leber und des Blutes eine schöne Rosarotfärbung mit Salpetersäure und Kaliumnitrit gaben, die nur das Indol und nicht das Skatol gibt. Ferner zeigten die Destillate des Harnes, daß die Reak- tionen ganz auffallende Farbennuancen wie die Indolreaktionen zeigten, daß ferner eine ziemlich intensive Legalsche Probe auftritt, die für Indol charakteristisch ist; ebenso die erwähnte Reaktion mit Kaliumnitrit und Salpetersäure. Man dürfte demnach vermuten, daß ein Teil des Skatols im Orga- nismus entmethyliert wird und in einen indolartigen Körper übergeht. Indican habe ich aber nicht im Harn gefunden. Dies spricht entschieden dagegen, daß Indol selbst

484 F. Blumenthal und E. Jacoby:

oder Indoxyl entsteht! Das indolartige Produkt, das aus dem Skatol sich bildet, muß von diesen beiden Körpern sich unter- scheiden.

Verhalten des Skatols im Tierkörper bei Kaninchen, die Skatol subcutan erhalten haben.

Versuch Nr. 1. Kaninchen erhält 0,1 g Skatol in alkoholischer Lösung subcutan. Nachmittags um 3 Uhr 600 g Kohl als Futter. Am nächsten Tag um 10 Uhr vormittags wird es getötet: Faeces, mit Wasser destilliert: Ehrlich rötlich - violett, Vanillin rosa, Heliotropin deutlich rosa, Protokatechualdehyd rosa. Ehrlich mit Amylalkoholauszug Streifen zwischen gelb und grün, Glyoxylsäure schwach. Der Harn destilliert, gibt keine Ehrlichsche Reaktion.

Versuch Nr. 2. Kaninchen wird um 9 Uhr 30 Minuten mit 0,2 g Skatol, in Alkohol gelöst, subcutan gespritzt, um 2 Uhr 10 Min. wird es getötet: Leber, mit Alkohol extrahiert: Ehrlich sehr schwach, Vanillin deutlich rosa, Piperonal deutlich rosa, Protokatechualdehyd deut- lich rosa. Blut, mit Alkohol extrahiert: Ehrlich negativ, Vanillin sehr schwach, Piperonal sehr schwach. Gebirn: Vanillin schwach rosa, Proto- katechualdehyd und Heliotropin negativ. Faeces, mit Alkohol extra- hiert: negativ. Faeces, destilliert mit Zusatz von Alkohol und Wasser: Ehrlich schwach violettrot, Vanillin rosarot, Heliotropin schwach, Legal schwach positiv, Glyoxylsäure schwach positiv, Cholerarotreaktion an der Überschichtungsstelle mit Schwefelsäure rötlich, darunter und darüber bläulich erscheinend. Es findet sich also in den Faeces Skatol, und, wie die Legalsche Probe zeigt, auch Indol, letzteres in größerer Menge, als man es sonst im Kote von Kaninchen findet.

Versuch Nr. 3. Einem Kaninchen wird 0,3 g Skatol subcutan ein- gespritzt; nach 2 Stunden wird es durch Verbluten getötet. Blut, mit Alkohol extrahiert: Ehrlich deutlich positiv, Vanillin positiv, Piperonal positiv, Nitrobenzaldehyd schwach, mit Natriumnitritzusatz keine Blau- färbung; Leber, mit Alkohol extrahiert: Ehrlich schwach, Vanillin stark, Piperonal stark, Nitrobenzaldehyd schwach; Nieren, mit Alkohol extra- hiert: Ehrlich stark positiv, Vanillin stark positiv. Heliotropin stark positiv, Nitrobenzaldehyd positiv. Faeces im Dickdarm, mit Wasser destilliert: alle Reaktionen negativ.

Versuch Nr. 4. Einem Kaninchen werden 0,5 g Skatol subcutan eingespritzt: nach 24 Stunden wird es getötet. Dickdarminhalt, mit Wasser destilliert: Ehrlich positiv, Vanillin deutlich, Piperonal deut- lich, Glyoxyl positiv, Cholerarot negativ, auf Zusatz von Natriumnitrit bläulich. Dünndarminbalt: Ehrlich positiv, Vanillin positiv, Piperonal positiv, mit Natriumnitrit bläulich, Nitrobenzaldehyd auf Zusatz von Natriumnitrit bläulich. Alle Reaktionen schwächer als beim Dickdarm; Glyoxylsäure positiv, Cholerarot fraglich. Es ist also Skatol in den Darm übergegangen. Harn, mit Wasser destilliert: alle Reaktionen positiv, Nitrobenzaldehyd schwächer, bei Zusatz von Natriumnitrit Hin-

Verhalten von Indol und Skatol beim Kaninchen. 485

weis auf Skatol. Leber, mit Wasser destilliert, alle Reaktionen positiv. Nieren, mit Wasser destilliert, alle Reaktionen positiv, aber schwächer als bei der Leber.

Vor 2 Jahren hat M. Jaffé!) die höchst bemerkenswerte Mitteilung gemacht, daß das Destillat von frischem Menschen- harn einen Körper enthält, der sich durch Ather ausschütteln läßt und alle Reaktionen des Indols zeigt. Das gleiche Ver- halten zeigte Hunde-, Kaninchen-, Pferde-, Hühnerharn sowohl bei saurer wie bei neutraler oder alkalischer Reaktion. Es ge- lang auch Jaffe, das Indol aus Harn zu gewinnen. Seine Unter- suchungen ergaben ferner, daß das Indol nicht als solches im Harn vorhanden war, sondern in einer Verbindung, höchst- wahrscheinlich als die $-Indolcarbonsäure. Auch über die Quelle der Indol liefernden Substanz im Harn resp. über die Quelle der ß-Indolcarbonsäure hat Jaffe eingehende Untersuchungen angestellt. Er ging davon aus, daß das Skatol im Organismus zu ß-Indolcarbonsäure oxydiert wird und fand diese Ansicht bestätigt, denn Kaninchen, die zweimal täglich 0,15 g Skatol per os erhielten, zeigten in der Tat ein viel indolreicheres Destillat als vor der Fütterung. Seiner Schätzung nach betrug die Zunahme bei gleichen Versuchsbedingungen wenigstens das Drei- bis Vierfache der normalen Menge. Der Harn der Ver- suchstiere zeichnet sich im frischen Zustand durch einen auf- fallenden und angenehmen Blumengeruch aus, der auch dem bei der Verarbeitung gewonnenen Extrakt anhaftet. Mit den Wasserdämpfen ging bei der Destillation außer Indol unver- kennbar auch etwas Skatol über, das sich mitunter sogar in der Vorlage freilich nur in minimaler Menge krystallinisch aus- schied. Jaffe glaubt daher, daß das bei der Destillation des frischen Harns frei werdende Indol zum Teil von einem Chro- mogen geliefert wird, das mit dem Chromogen-Skatolfarbstoff identisch oder ihm nahe verwandt ist, wobei er allerdings an- nimmt, daß das nur eine Quelle des Indols ist.

Diese Untersuchungen Jaffes sind natürlich für die Frage der Indolbildung im Körper und daher für die Frage der Darm- fäulnis von allergrößter Bedeutung, denn es ist durch diese Untersuchungen festgestellt, daß ein Teil der Indol- und Skatol-

1) M. Jaffe, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol, 1908. Fest- band für Schmiedeberg.

486 F. Blumenthal und E. Jacoby:

körper einen uns bisher unbekannten Weg nimmt und sich dem bisher üblichen Nachweis (Indicanbestimmung) ent- zieht. Ich mußte daher bei der Bearbeitung dieser Frage auf diesen Punkt eingehen, denn es läßt sich a priori ja gar nicht übersehen, inwieweit durch die Entdeckung Jaffés eine Erschütterung unserer bisherigen Kenntnisse über Ent- stehung und Ausscheidung der Indolkörper im Harn stattfand. Ich habe einen Teil meiner Resultate, die durchaus für das Kaninchen die Befunde Jaff&s bestätigten, am 10. Juni 1909 in der Physiologischen Gesellschaft kurz mitgeteilt, und ich will, da inzwischen eine Arbeit von Porcher erschienen ist, jetzt meine Protokolle veröffentlichen. Porcher fand, daß der Harn der Neugeborenen, der, wie man seit Senator weiß, frei von Indican ist, in 10 Fällen in der Tat sich bei der Destillation frei von Indolkörpern zeigte. Porcher zieht daraus die Schluß- folgerung, daß dieser Befund ein Beweis sei für die alleinige Entstehung der Indolkörper bei der Darmfäulnis, da der Darm der Neugeborenen keinerlei Fäulniserscheinungen zeigt, ja wahr- scheinlich frei von Bakterien ist. Ich habe nun den Harn mehrerer Kaninchen untersucht, die gut mit Weißkohl ernährt waren, und der keine Spur von Indican enthielt. Es ergaben sich folgende Resultate:

Versuche mit gut genährten (Weiskohl) Kaninchen.

Versuch Nr. 1. Das Destillat des bei unveränderter alkalischer Reaktion destillierten Harns zeigt eine schwache Reaktion mit p-Dimethyl- aminobenzaldehyd. Die Vanillinprobe war negativ, desgleichen die Probe mit Protokatechualdehyd.

Versuch Nr. 2. Der Harn des zweiten Kaninchens, der ebenfalls keine Spur Indican enthält, wird wie Nr. 1 destilliert. Die Ehrlichsche Reaktion war negativ, Heliotropin- und Vanillinreaktion sind schwach orangerot. Die Glyoxylsäurereaktion ist zweifelhaft, die Cholerarotreaktion ist negativ. In diesen Fällen wurde nachher der Harn mit Schwefelsäure angesäuert und von neuem destilliert. Die Proben fielen nunmehr nicht anders aus als zuvor. Im ganzen wurden 200 com Harn mit 50 oom verdünnter Schwefelsäure angesäuert und 50 com Destillat abdestilliert. Dann wurden noch einmal 50 ocm Wasser zu dem Harn zugefügt, und noch einmal 30 ccm abdestilliert.

Versuch Nr. 3. Gut genährtes (Weißkohl) Kaninchen entleert 620 ccm Harn. Derselbe enthält kein Indican. 250 com werden mit 60 ccm verd. H,SO, destilliert. Destillat (50 com) gibt eine schwache Ehrlichsche, Vanillin und Glyoxylsäurereaktion.

Verhalten von Indol und Skatol beim Kaninchen. 487

Versuch Nr. 4. Gutgenährtes (Weißkohl) kleines Kaninchen ent- leert 150 com Harn, der indicanfrei war. Diese werden auf 250 com ver- dünnt, mit 50 ccm verd. H,SO, destilliert. Destillat (50 ccm) gibt keine Ehrlichsche Reaktion; Vanillin- und Glyoxylsäureprobe angedeutet.

Versuch Nr.5. Gut genährtes (Weißkohl 600 gprodie) Kaninchen, Ge- wicht 2420 g, läßt 340 ccm Urin innerhalb 24 Stdn. Indican negativ. 250 ccm werden mit 50 ccm verd. H,SO, destilliert. Destillat50ccm. Ehrlichsche Reaktion schwach, Vanillinprobe angedeutet, Glyoxylsäureprobe negativ.

Am folgenden Tage läßt das Kaninchen ca. 500 ccm Harn. Indican negativ.

Das ebenso aus 250 com Harn gewonnene Destillat I (50 ccm) gibt keine Ehrlichsche Probe. Vanillinprobe deutlich positiv. Glyoxylsäure- probe negativ.

Zur Kontrolle werden 10 g Weißkohl mit 250 ccm Wasser und 50 oem verdünnter H,SO, destilliert.

Die Destillate I (60 ccm) und II (30 ccm) geben keine der drei genannten Reaktionen.

Versuche mit Hungerkaninchen.

Versuch Nr. 1. Kaninchen hat 4 Tage gehungert und zeigt eine sehr starke Indicanreaktion. Der Harn wird mit Schwefelsäure ange- säuert und destilliert. Das Destillat gibt eine starke Reaktion mit Paradimethylaminobenzaldehyd, dagegen keine Cholerarotreaktion.

Versuch Nr. 2. Kaninchen hat 24 Stunden lang gehungert. Harn- menge 60 ccm, die reichlich Indican enthalten. Der Harn wird ohne Zusatz von Säure destilliert. Die Ehrlichsche Reaktion, die Heliotropin- reaktion und die Vanillinreaktion ist negativ.

Versuch Nr. 3. Kaninchen hat vom 25. Februar 1909 bis zum 1. März 1909 gehungert und wird dann durch Verbluten getötet. Der Harn des letzten Tages, zirka 50 ccm, wird mit Schwefelsäure destilliert. Die Ehrlichsche, die Vanillin- und die Heliotropinprobe sind schwach positiv.

Aus diesen 8 Versuchen geht im Einklang mit den Be- funden von Jaffe hervor, daß Spuren von einer Indol liefern- den Substanz in dem Harn von gut ernährten und hungernden Kaninchen vorkommen, daß es sich aber mit der bisherigen qualitativen Schätzungsprobe nicht erkennen läßt, daß ein indicanreicher Harn bei der Destillation mehr Indol liefernde Substanzen enthält als indicanfreier Harn. Es dürfte demnach, wie auch Jaff6 schon angenommen hat, das Indican aus einer anderen Quelle hervorgehen, als die bei der Destillation des Harns Indol liefernden Substanzen, und man hat daher wohl keinen Grund, den bisher geübten Nachweis des Indicans nicht als Maßstab für das im Organismus gebildete Indol anzusehen.

Biochemische Zeitschrift Band 29. 32

Zur Praxis der Komplementbindungsreaktion. Von

J. Bauer.

(Aus dem Laboratorium der akadem. Klinik für Kinderheilkunde in Düsseldorf.)

(Eingegangen am 11. November 1910.)

Unzweifelhaft ist die Komplementbindungsreaktion der Prä- cipitation bei der Eiweißdifferenzierung überlegen. Sie übertrifft diese an Feinheit und Spezifität, wie Rickmann?) und Bauer?) gezeigt haben. Daß man für die praktischen Zwecke der Eiweiß- identifizierung die Präcipitinreaktion vorzog, das liegt haupt- sächlich an der Einfachheit dieser Methode. Die Einfachheit einer Methodik sollte aber nicht das Entscheidende sein, wenn es sich um wichtige Bestimmungen, wie forensischen Blut- nachweis und Nachweis der Wurstverfälschung, handelt.

Die Komplementbindungsreaktion hat viel von dem Schrecken der Kompliziertheit verloren, seitdem sie als Wassermannsche Reaktion mit mehr oder weniger Glück Eingang in viele Labo- ratorien gefunden hat. Was aber neben der Kompliziertheit ihre Anwendung zur Eiweißdifferenzierung hinderte, das war die Tatsache, daß viele Eiweißauszüge und -lösungen an sich antihämolytische Eigenschaften besitzen (Uhlenhuth). Bei dem forensischen Blutnachweise und ebenso bei Fleisch- und Wurstuntersuchungen handelt es sich um Eiweißauszüge aus verschiedenstem Material, die tatsächlich oft an sich Kom- plementablenkung zeigen. Uhlenhuth hat festgestellt, daß Auslaugungen aus Säcken, Lappen, Strümpfen, Erde, Holzrinde,

1) u. 2) Arbeiten aus d. Inst. f. exp. Ther. zu Frankfurt a. M., 1907, Heft 3.

J. Bauer: Komplementbindungsreaktion. 489

Stroh, Leder, daß ferner Urin, Peptone, Tuberkulin und manche Blutsera hämolysehemmend wirken. In solchen Fällen ist nach Uhlenhuth die Komplementbindung unbrauchbar. Zu falschen Resultaten kann man bei ihrer Verwendung nicht gelangen, wenn man die nötigen Kontrollen anstellt.

Auch bei der Isolierung einzelner Eiweißkörper aus Ge- mischen verschiedener durch Salzfällung erwiesen sich die Eiweiß- lösungen als antihämolytisch.

In den meisten der genannten Fälle beruht die antihämo- lytische Eigenschaft auf der Anwesenheit von Salzen und anderen leicht diffundierenden Stoffen. Ich habe daher in diesen Fällen von der Dialyse Gebrauch gemacht und aus- gezeichnete Resultate gehabt, so daß ich auf die Dialyse zur Entfernung hämolysehindernder Stoffe besonders hinweisen möchte. Durch diese Prozedur wird uns in vielen: Fällen die Anwendung der Komplementbindung ermöglicht, oft auch in Fällen, in denen die Präcipitation versagt, wo also die Kom- plementbindung die einzige in Betracht kommende Methode ist.

Durch die Anwendung der Dialyse gelang es mir daher, den forensischen Blutnachweis, den Nachweis einer bestimmten Fleischart in Wurstauszügen mittels der Komplementbindung zu führen in Fällen, in denen diese Methode durch die anti- hämolytischen Eigenschaften der Eiweißauszüge vorher versagte. Urine und auch Sera wurden durch die Dialyse von ihren antikomplementären Stoffen befreit, ohne daß diese Flüssig- keiten ihre Eiweißantigene verloren.

Zur Dialyse wurden zuerst Hausenblasen verwendet. Es eignet sich für praktische Zwecke aber besonders ein von Schleicher & Schüll hergestelltes Pergamentpapier D. Das Pergamentpapier wird vor dem Gebrauch in warmes Wasser getaucht, dann zwischen Filtrierpapier getrocknet, zu einem Beutel geformt und mit der Eiweißlösung gefüllt. Der Beutel wird zugebunden, signiert und ca. 12 Stunden oder länger in fließendes Wasser gehängt. Nach Ablauf dieser Zeit wurde das Dialysat gemessen und zentrifugiert, die klare Flüssigkeit dann vom etwaigen Bodensatz abgegossen. Am besten filtriert man den Abguß nochmals durch ein Hartfilter Nr. 602 von Schleicher & Sohüll. Zur Anstellung der Reaktion wird die Flüssigkeit nun auf physiologischen Salzgehalt gebracht.

32*

490 J. Bauer: Komplementbindungsreaktion.

Ich möchte zur Erläuterung folgendes Beispiel anführen:

Eine Kochmettwurst soll auf ihren Gehalt an Pferdefleisch unter- sucht werden. Wie üblich wird die Wurst zerkleinert, 30 g werden mit 60 oom physiologischer Kochsalzlösung digeriert!) und ein klarer Auszug gewonnen. Dieser Auszug hemmt die Hämolyse des gebräuchlichen hämo- lytischen Systems noch in der Verdünnung von !/,, erst bei !/, nicht mehr. Bei diesem Verdünnungsgrade gibt er aber mit unserem Pferde- antiserum keine Komplementbindung mehr.

Wir können aus diesem Untersuchungsresultat nicht schließen, daß die Wurst pferdefleischfrei war. Das zeigte sioh bald. Der Wurstauszug wurde dialysiert und wieder physiologisch mit Kochsalz besalzen. Jetzt hemmte er selbst unverdünnt die Hämolyse nicht mehr, hingegen gab er mit unserem Pferdeantiserum bis zur Verdünnung von TI. noch eine vollkommene Komplementablenkung.

In einer demnächst erscheinenden Inaugural-Dissertation von Herrn Tierarzt Arthur Kleinert?) wird eingehend der Wert der Dialyse für die biologische Untersuchung von Fleisch und Wurstwaren behandelt.

Auch für die biologische Eiweißidentifizierung im Urin und in ÖOrganauszügen hat sich mir diese Methode bewährt.

Ich kann es mir hier versagen, mehr Beispiele anzuführen. Der Zweck dieser Zeilen ist damit erfüllt, darauf aufmerksam zu machen, daß fast in allen Fällen, in denen Eiweißlösungen vermöge antihämolytischer Eigenschaften nicht zur Komplement- bindungsreaktion brauchbar sind, die antihämolytischen Sub- stanzen sich durch Dialyse entfernen lassen, so daß die Ver- wendung der Komplementbindung ermöglicht wird. Vor allem halten wir dafür, daß auf diesem Wege die Komplement- bindung ihre Stellung neben der Präcipitation beim Nachweis der Wurstverfälschung erhält, ebenso wie sie (M. Neißer- Sachssche Reaktion) beim forensischen Blutnachweis als Kon- trolle der Fällungsreaktion dient.

1) Die besten Eiweißauszüge für praktische Zwecke gewinnt man übrigens durch Schütteln. 2) Inaug.-Diss., Gießen 1910.

Zur Bestimmung der Phosphatide in der Milch.

Vorläufige Mitteilung. Von V. Njegovan.

(Aus dem kgl. kroat.-slav. Landes-Agrikulturchemischen Institut zu Križevci, Kroatien.)

(Eingegangen am 11. November 1910.)

Es ist bekanntlich unmöglich, aus wasserreichen Organen, Organbrei und ähnlichem, Phosphatide mit Ather u. dgl. zu ex- trahieren, bevor nicht das Wasser entfernt wird. Diese Schwierig- ‘keit tritt besonders bei der Bestimmung der Phosphatide in der

Milch hervor.

Bei dem Verfahren von Stoklasa!) wird der Lecithingehalt der Milch durch Phosphorbestimmung des Äther- und Alkoholextraktes der eingedunsteten Milch ermittelt. Schmidt-Mühlheim?) modifizierten diese Methode, indem sie aus dem Phosphorgehalt des ätherlöslichen An- teiles des Alkoholextraktes den Lecithingehalt bestimmten.

Neuere Methoden umgehen größtenteils das Eindunsten der Milch. Nach Burrow?®) wird ein Volumen Milch in das doppelte Volumen eines Äther-Alkoholgemisches unter Zusatz von wenig Essigsäure tropfenweise einfließen gelassen. Dabei wird gut umgeschüttelt, und es bildet sich ein feines Gerinnsel von Eiweißstoffen, so daß Lecithin nicht umhüllt und mitgerissen wird. Nach längerem Stehen wird filtriert und das Filtrat, welches das Lecithin in ätherisch -alkoholischer Lösung enthält, worin das Lecithin beim Eindunsten nicht zersetzt wird, zum zähen Sirup ein- gedunstet, der mit Äther extrahiert wird. Andererseits wird das Eiweiß- coagulum mit Alkoholäther extrahiert und in diesem Extrakt wie im Ätherextrakt aus dem Sirup der Phosphor bestimmt.

1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 23, 343, 1897.

8) Arch. f. d. ges. Physiol. 33, 379; zit. nach Hiestand, Diss., Zürich 1906.

3) Zeitschr, f. physiol. Chem. 30, 495, 1900.

492 V. Njegovan:

Nach der Methode von Bordas und Raczkowski!) läßt man Milch unter beständigem Umrühren in eine Mischung von Alkohol, Wasser und wenig Essigsäure einfließen, wobei ein Coagulum entsteht, das alles Lecithin einschließt und dem man das Lecithin durch Alkoholextraktion entzieht.

Neuerdings veröffentlichte Koch?) die Methode von Woods, die folgendermaßen ausgeführt wird: 100 g Milch werden mit dem doppelten Volumen Alkohol !/, Stunde gekocht, abfiltriert und der Niederschlag noch zweimal mit Alkohol ausgezogen. Die Alkoholfiltrate werden ver- einigt und bei möglichst niedriger Temperatur (60° C) auf dem Wasser- bade verdunstet. Der Rückstand wird mit heißem Äther mehrmals aus- gezogen, die Ätherlösung filtriert und verdunstet. Der ätherische Rück- stand wird mit Wasser von 40 bis 50°C emulgiert und mit chloro- formhaltiger 0,5°/,iger Salzsäure niedergeschlagen. Der Niederschlag wird abfiltriert in Alkohol gelöst, das Kephalin mit ammoniakalischer Bleizuckerlösung entfernt und das Lecithin im Filtrate aus dem vor- handenen Phosphor bestimmt. Nach derselben Methode arbeiteten J. Nerking und E. Hänsel?), nur haben sie nicht das Lecithin von Kephalin getrennt. Glikin*) kehrt wieder zu der alten Methode zurück, indem er die eingedunstete Milch mit Alkohol und Chloroform extrahiert. Schloßmann?) versuchte, das Lecithin aus der Milch durch Ausschütteln mit Äther zu gewinnen.

Alle die genannten Methoden sind nicht ganz einwandfrei. Erstens ist das Eindunsten der Milch, bzw. das Kochen der Milch für die Phosphatide nicht ganz ohne Einfluß, wie das aus den Untersuchungen von Bordas und Raczkowski®) hervorgeht.

Zweitens ist es sehr zweifelhaft, daß durch wässerigen Alkohol bzw. Äther-Alkohol das Lecithin quantitativ ausgeschieden wird. Schon Thudiohum?) hat darauf hingewiesen, daß es beinahe unmöglich sei, aus der feuchten Gehirnsubstanz, die doch bekanntlich sehr viel Phos- phatide enthält, die Phosphatide auszuziehen, bis nicht das Wasser ent- fernt ist. Das ist nach der Ansicht Kochs?) der Grund, warum das Lecithin der Beobachtung Schloßmanns entging. S

Wie wenig verläßlich alle diese Methoden sind, ersieht man schon daraus, daß verschiedene Autoren zu ganz entgegengesetzten Ergeb- nissen gelangen. Da nach Koch?) sich das Lecithin in der Milch gar nicht als Fett verhält, geht es deshalb auch nioht in besonderer

1) Compt. rend. 134, 1592, 1902.

2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 47, 327, 1906.

3) Diese Zeitschr. 13, 348, 1908.

4) Diese Zeitschr. 21, 348, 1909.

°) Zeitschr. f. physiol. Chem. 47, 327, 1906.

6) Compt. rend. 136, 56, 1903.

7) Thudichum, Die chemische Konstitution des Gehirns, Tü- bingen 1901.

Phosphatide der Milch, 493

Menge in den Rahm über, nach Glikin!) ist dasselbe dagegen bei voll- ständigem Entfetten der Milch mittels der Zentrifuge in der Magermilch nicht mehr nachweisbar.

Alle diese Umstände veranlaßten mich, Versuche anzu- stellen, um eine einwandfreiere Methode zur Bestimmung der Milchphosphatide auszuarbeiten, eventuell dieselben auch in größerer Menge darzustellen und sie näher zu untersuchen. Um die rund 90°/, Wasser aus der Milch vor der Extraktion zu entfernen, wurde, wie auch neuerdings S. Fränkel und A. Eifer? beim Serumtrocknen vorgehen, eine gemessene Menge Milch mit berechneter Menge geglühtem Natriumsulfat vermischt. Das Ge- misch erstarrt und trocknet bald, ohne daß höhere Temperatur dazu notwendig war. Da die Extraktion mit Alkohol bei einer höheren Temperatur (40 bis 50° C) ausgeführt werden muß, wird das trockene Pulver in einem Soxhletapparat, der vermittels einer Vorrichtung von Buß?) erwärmt wurde, ex- trahiert.

Außerdem werden Versuche angestellt, durch sog. Ultra- filtration die kolloidalen Bestandteile der Milch von Wasser und Milchzucker zu trennen und aus dem Rückstande die Phosphatide zu extrahieren.

Diese Zeilen veröffentliche ich, um mir eine ungestörte Arbeit zu sichern.

1) L o. 2) Diese Zeitschr. 28, 330, 1910. 3) Chem.-Zeitg. 27, 813, 1903.

Beiträge zur allgemeinen Eiweißchemie. IH. Mitteilung.

Die Denaturierung des Serumalbumins. Von L. Michaelis und P. Rona.

(Aus dem biochemischen Laboratorium des städtischen Krankenhauses am Urban, Berlin.)

(Eingegangen am 14. November 1910.)

Der Einfluß der Säuren und Laugen auf die Koagulation des Albumins ist ein vielfach bearbeitetes Thema. Trotzdem läßt es sich nicht leugnen, daß bei all dem angehäuften Tat- sachenmaterial ein völlig klares Bild darüber noch nicht ge- schaffen werden konnte. Das liegt teils daran, daß die an- gewandte Versuchsanordnung meist nicht erlaubt, die klare Beziehung des Einflusses einer genau definierten Wasser- stoffionenkonzentration auf die Eiweißkoagulation festzustellen, aber vor allem daran, daß ein getrenntes Studium der Dena- turierung und der Koagulation der Eiweißkörper nur in besonderen Fällen möglich ist. Wie allgemein bekannt, ist die Denaturierung des Serumalbumin zwar eine Vorbedingung der Ausflockung (oder Koagulation), doch flockt das denaturierte Eiweiß nicht unter jeder Bedingung aus. So fanden z. B. W. Pauli und H. Handovsky!), daß das Wesen der Salzhemmung der Hitze- koagulation unter bestimmten Verhältnissen nur in dem Aus- bleiben des sichtbaren Zusammenflockens, nicht aber in dem Ausbleiben der Denaturierung besteht, und sie führen dies im allgemeinen auf eine durch das Salz bedingte Veränderung der Oberfläche der Eiweißteilchen zurück. Daß zur Ausflockung des denaturierten Eiweißes ferner eine ganz bestimmte Acidität

1) W. Pauli und H. Handovsky, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 11, 415, 1908,

L. Michaelis u. P. Rona: Beiträge z. allgemeinen Eiweißchemie. III. 495

nötig ist, lehrt schon eine der längst bekannten Tatsachen der Eiweißchemie: das durch Säure oder Lauge veränderte Eiweiß gerinnt beim Kochen nicht mehr, gibt aber nachträglich beim Abstumpfen der Säure oder Lauge eine Fällung, das sogenannte Neutralisationspräcipitat.

Eine klarere Einsicht in die hier obwaltenden Verhältnisse erlaubt das Studium am dialysierten Serumalbumin. Hinzufügen eines Acetatgemisches von fein abstufbarer und genau be- kannter H'-Ionenkonzentration zu der genuinen, fast salzfrei dialysiertten Serumalbuminlösung (l bis 3°/,,) ruft keinerlei Zustandsänderung in der Eiweißlösung hervor, hingegen ent- steht in einer vorher durch Hitze denaturierten, stark ver- dünnten Albuminlösung, die auch nach langem Stehen keine Flockung zeigt, durch Zufügen eines Acetatgemisches von isoelektrischer Reaktion in der Kälte nach kurzer Zeit Flockung. Somit sind wir in der Lage, den durch die Dena- turierung bewirkten eigenartigen Zustand auch in der Kälte festzustellen und zu studieren.

Um zu prüfen, ob irgend ein experimenteller Eingriff die Albuminlösung denaturiert hat, brauchen wir demnach nur dieser Lösung bei Zimmertemperatur die Wasserstoffionenkonzentration von 0,3.107ë zu erteilen, bzw. eine Wasserstoffionenkonzen- tration, die sich nicht zu weit von diesem Wert entfernt. Tritt dann eine Trübung mit nachträglicher Flockung ein, so war das Albu- min denaturiert. (Wir sahen, daß Neutralsalze die Flockung des Albumins bei isoelektrischer Reaktion in der Kälte hindern. Wir müssen also dafür sorgen, daß der definitive Gesamt-Elektrolyt- gehalt der Lösung nicht zu hoch ist, wenn wir diese Prüfung auf die Denaturierung ausführen.) War die Albuminlösung schon vor der Regulierung der Wasserstoffionenkonzentration trübe oder geflockt, so bedarf es keines weiteren Beweises für die De- naturierung. Auch gibt es keinen Fall, wo ein getrübtes Eiweiß wieder klar würde, wenn man es auf die isoelektrische Reaktion bringt. Aber umgekehrt kommt es häufig vor, daß eine ganz klare Eiweißlösung sich als denaturiert erweist, indem sie bei iso- elektrischer Reaktion Flockung gibt. Wenn "man z. B. Eiweiß mit Lauge kocht, so bleibt es bekanntlich ganz klar. Ändern wir nach dem Erkalten die Reaktion, indem wir sie auf den isoelektrischen Punkt bringen, so tritt in der Kälte sofort

496 L. Michaelis und P. Rona:

Trübung und alsbald Flockung ein. Daß die günstigste Be- dingung für die Entstehung des ‚‚Neutralisationspräcipitats‘“, nicht bei der (gegen Lackmus) neutralen, sondern bei einer ganz schwach sauren, der ‚isoelektrischen‘“ Reaktion liegt (H'— 0,3-10”°), ist leicht zu zeigen. Die bei genau neutraler Reaktion auf- tretende Trübung wird bedeutend stärker, wenn man durch Hinzufügung des entsprechenden Acetatgemisches der Flüssig- keit einen H'’-Gehalt von 0,3:10”° erteilt. So lassen sich also die Bedingungen für die Denaturierung getrennt von der der Flockung studieren. Mit letzterer haben wir uns in unserer vor- herigen Mitteilung!) beschäftigt; Beiträge zum ersteren Problem soll die vorliegende liefern.

Zunächst sollte von den verschiedenen denaturierenden Agenzien das einfachste, die Hitze, und zwar bei wechselnder Reaktion der Flüssigkeit untersucht werden. Die Albumin- lösung wurde dabei auf eine ganz bestimmte H'-Ionenkonzen- tration gebracht und diese eine gewisse Zeit, z. B. '/, Stunde, einer ganz bestimmten Temperatur ausgesetzt. Es wurde nun in einer Versuchsreihe die H'-Ionenkonzentration konstant ge- halten und die Temperatur variiert, in einer anderen umgekehrt die Temperatur konstant gehalten und die Reaktion variiert, indem die Albuminlösung mit abgemessenen Mengen starker Säure und starker Lauge versetzt wurde. Nachdem nun die Hitze eine bestimmte Zeit eingewirkt hatte, wurde die Lösung abgekühlt und auf die isoelektrische Reaktion gebracht. Zu diesem Zwecke wurde die Lösung zunächst mit entsprechender starker Lauge bzw. Säure gegen Lackmuspapier möglichst scharf neutralisiert und schließlich ein ‚Acetatgemisch‘‘ von der iso- elektrischen H'-Konzentration zugegeben. Das Auftreten einer Trübung oder Flockung zeigt an, daß das Albumin vorher durch die Erhitzung denaturiert worden war; bleibt die Trübung aus, so beweist das, daß die Denaturierung durch die Erhitzung ausgeblieben war.

Die Versuche zeigten nun zunächst in Übereinstimmung mit allbekannten Erfahrungen, daß bei alkalischer Reaktion, neutraler Reaktion, wie auch noch bei ganz schwach saurer Reaktion bis hinauf zum isoelektrischen Punkt das Eiweiß schon nach kurzem Kochen denaturiert wird. Bei der von uns an-

en

1) Vgl. diese Zeitschr. 27, 38, 1910.

Beiträge zur allgemeinen Eiweißchemie. III. 497

gewandten Verdünnung der Albuminlösung (ca. 2°/,,) erfolgt bei etwa 65° nach etwa !/, Stunde die Denaturierung, ohne daß wir hier einen sicheren Einfluß der Reaktion auf die Schnelligkeit der Denaturierung feststellen können. Die zur De- naturierung nötige Temperatur ist, wie bekannt, je nach Dauer der Hitzeeinwirkung, nach der jeweiligen Verdünnung usw. etwas verschieden, so daß von der Angabe eines bestimmten Dena- turierungs,,‚punktes‘‘ abgesehen werden soll. Die Annahme, daß eine Denaturierung bei jeder Temperatur, falls man nur ge- nügend lange wartet, eintritt, mit anderen Worten, daß ein Teil des Albumins ‚von selbst“ in das denaturierte Stadium über- geht, was theoretisch wohl plausibel erscheinen konnte, findet in den Untersuchungen keine Stütze, denn bei ca. 50° erwies sich Albumin selbst nach Tagen nicht als denaturiert.

Anders wie bei den erwähnten Reaktionen liegen die Ver- hältnisse bei etwas stärkerer bis stark saurer Reaktion! Die Widerstandsfähigkeit des Serumalbumins gegen Säureeinwirkung war schon früheren Autoren aufgefallen. Johansson!) berichtet über die äußerst langsame Bildung des ‚„Acidalbumins‘“ bei Ein- wirkung von Essigsäure und Salzsäure bei gewöhnlicher Tempe- ratur und bei 40°. Unsere bei bedeutend dünneren Albumin- lösungen bei 80° ausgeführten Versuche konnten diese Tatsache nur bestätigen. Nur muß darauf hingewiesen werden, daß das Ausbleiben des Neutralisationspräcipitates nach Einwirkung starker Salzsäure auf die reichliche Anwesenheit von Elektro- lyten zurückgeführt werden könnte, wodurch die Ausflockung gehindert und das Fehlen des ‚„Acidalbumins“ vorgetäuscht werden kann. Daß hier aber doch besondere Verhältnisse vor- liegen, zeigt der Umstand, daß beim vorangehenden Kochen des Albumins mit Lauge das Entstehen eines mächtigen ‚„Neu- tralisationspräcipitates‘‘ keineswegs gehindert wird, sogar bei gleich hoher definitiver Gesamtsalzkonzentration wie bei dem entsprechenden Säureerhitzungsversuch.

Charakteristisch ist folgende Erscheinung: Wenn man Albumin, das man bei annähernd neutraler Reaktion kürzere Zeit bis zur starken Trübung erhitzt hat, und das sich dadurch als denaturiert erweist, daß es bei isoelektrischer Reaktion

1) Johansson. Zeitschr. f. physiol Chem. 9, 310, 1835; vgl. auch Goldschmidt, Dissert., Straßburg 1898.

498 L. Michaelis und P. Rona:

leicht ausflockt, in HCl löst, so gibt es, wie man weiß, fast momentan eine ganz klare Lösung.

Trotz der Einwirkung der Säure, die auf längere Zeit aus- gedehnt und bei höherer Temperatur belassen werden kann, verhält sich das Albumin in dieser vollkommen klaren Lösung wie genuines Eiweiß, denn wenn man es nunmehr auf iso- elektrische Reaktion bringt, so tritt keine oder höchstens eine eben wahrnehmbare Spur von Trübung auf. Doch ist das ganze Albumin in unveränderter Form in Lösung: wenn man es nämlich jetzt, bei isoelektrischer Reaktion, nachträglich erhitzt, so koaguliert es sofort. Damit der Versuch gelinge, muß die Bedingung erfüllt sein, daß das Albumin nur kurze Zeit gekocht worden ist. Die Denaturierung ist dabei durchaus vollständig eingetreten, das zeigt die sehr starke Trübung und vor allem die Flockung nach Herstellung der isoelektrischen Reaktion und die völlige (oder fast völlige) Eiweißfreiheit der von diesen Flocken abfiltrierten Lösung. Trotzdem wird dieses Albumin durch Lösen in Säure allem Anschein nach wieder in genuines Albumin zurückverwandelt. Wiederholen wir den Versuch mit einem längere Zeit gekochten Albumin, so liegen die Verhältnisse anders. Lange gekochtes Albumin ist zwar leicht in Alkalien, aber nur sehr schwer in Säuren löslich; auch bei längerer Säurewirkung bei höherer Temperatur erfolgt die Aufhellung nur langsam und unvollkommen, und es erfolgt eine Flockung, wenn man nachträglich die isoelektrische Reak- tion herstellt.

Um Albumin in dieses zweite Stadium der Denaturierung überzuführen, muß man es bei alkalischer, neutraler oder mini- mal saurer Reaktion längere Zeit, mindestens mehrere Mi- nuten kochen. Dieses zweite Stadium ist vollständig irreversibel und läßt sich nicht mehr, weder in das ‚erste‘‘ Stadium noch in das genuine Albumin zurückverwandeln.

Gut realisierbar ist die erwähnte Beobachtung unter folgenden Bedingungen: Man versetzt 10 ccm sorgfältig dialy- siertes Serumalbumin (ca. 1°/,,) mit 0,2 ccm eines Acetat- gemisches von der passenden H'-Konzentration (bereitet aus gleichen Teilen eines "/,-Natriumacetats und einer "/ „-Essig- säure) und kocht schnell auf, bis zur deutlichen Flockenbildung an freier Flamme. Man kann sich davon überzeugen, daß die

Beiträge zur allgemeinen Eiweißchemie. III. 499

Denaturierung und Flockung vollkommen eingetreten ist, indem man einen Teil der Flüssigkeit schnell filtriert und das Fehlen von Eiweiß im Filtrat konstatiert. Nun fügt man l ccm einer n/ o HCl zu etwa 10 ccm der flockenhaltigen Flüssigkeit: es tritt sofort eine vollkommene, klare Lösung ein. Kühlt man nun die Lösung ab, und versetzt sie tropfenweise vorsichtig mit ®/ „NaOH bis zur gegen Lackmuspapier neutralen Reaktion, so entsteht keine oder nur eine eben wahrnehmbare Trübung. Auch nach Hinzufügen des Regulatorgemisches (ca. 0,5 ccm) ist kein Neutralisationspräcipitat zu beobachten. Kocht man jetzt, also bei isoelektrischer Acidität, die klare Lösung wieder an freier Flamme, es entsteht wieder eine starke Trübung mit Flockung: das schon einmal durch Hitze denaturiert gewesene und in Säure gelöste Albumin zeigt eine nochmalige Hitze- gerinnung. Wiederholt man den ganzen Versuch mit der einen Abänderung, daß man die Hitzedenaturierung einige Minuten lang weiterführt, so löst sich das geflockte Albumin der HCl nur in Spuren und ist irreversibel denaturiert. Natürlich erhält man bei variierter Kochzeit oft Lösungen, die das Albumin zum Teil im ersten, zum Teil im zweiten Stadium der Dena- turierung enthalten. Diese Lösungen werden in viel HCl teil- weise aufgehellt und lassen, wenn man sie dann auf die iso- elektrische Reaktion bringt, einen Teil des Albumins ausfallen. Ebenso wird man bei sehr kurzem ungenügendem Erhitzen eine Lösung erhalten können, die noch genuines Albumin neben „primär“ denaturiertem enthält. Diese Lösung läßt bei iso- elektrischer Reaktion nur einen Teil des Albumins ausfallen. Jedenfalls hemmt das noch vorhandene genuine Albumin die Koagulation des primär denaturierten bei iso- elektrischer Reaktion nicht irgendwie merklich.

Diese Tatsache hilft uns gleichzeitig, einen Einwand gegen unsere Darstellung zu widerlegen. Man könnte nämlich meinen, das primär denaturierte Albumin sei nichts weiter als noch ungenügend denaturiertes Albumin, indem sich genuines Albumin neben denaturiertem in der Lösung befindet. Das läßt sich aber leicht widerlegen. Wenn man nämlich sehr lange gekochtes Al- bumin mit einer sehr reichlichen Menge ungekochten Albumins versetzt, so werden die Eigenschaften des lange gekochten, also sekundär denaturierten Albumins in keiner Weise durch das

500 L: Michaelis u. P. Rona: Beiträge z. allgemeinen Eiweißchemie. III.

genuine Albumin verdeckt: auch im Gemisch mit rohem Albumin löst sich das sekundär denaturierte Albumin nicht vollkommen in HCl, und die nur wenig durch HCl aufgehellte Lösung gibt eine in bezug auf das vorhandene denaturierte Albumin vollkommene Flockung, wenn man es auf isoelek- trische Reaktion bringt, während gleichzeitig das genuine Albu- min in Lösung bleibt. Derartige Mischungsversuche von stark gekochtem und ungekochtem Albumin haben wir in den ver- schiedensten Mischungsverhältnissen stets mit gleichem Resultat wiederholt. Die verschiedenen Modifikationen des Albumins verdecken also ihre Eigenschaften, wenn sie nebeneinander in Lösung sind, keineswegs.

Es ist jedoch auch aus noch einem Grunde gar nicht nötig, anzunehmen, daß das kurze Aufkochen der verdünnten Albumin- lösung bei der entsprechenden Reaktion nur zur Denaturierung eines Teiles des vorhandenen Eiyweißes führt. Filtriert man näm- lich in der kurz bei isoelektrischer Reaktion gekochten Albumin- lösung von den entstandenen Flocken ab und prüft das Filtrat, so enthält dieses, wie oben bereits erwähnt wurde, entweder gar kein oder nur mit den allerfeinsten Proben (Essigsäure - Ferrocyan- kalium, Sulfosalicylsäure) eben nachweisbare Mengen Eiweiß.

Versuche über die Rückverwandlung von denaturiertem Albumin in genuines liegen schon von Corin und Ansiaux') vor. Diese sind jedoch unter ganz anderen Bedingungen an- gestellt und von W. Pauli?) wiederlegt worden.

Zusammenfassung.

Als Kriterium für den Zustand der Denaturierung des Serumalbumin kann seine Eigenschaft, bei isoelektrischer DH Ron, zentration zu Flocken, benutzt werden. Die Hitzedenaturierung verläuft in zwei Stadien. Das denaturierte Albumin im ersten Stadium wird durch Lösen in HCl in ein Albumin mit den Eigenschaften des genuinen Albumins zurückverwandelt, das

denaturierte Albumin des zweiten Stadiums ist in Säuren schwer löslich und irreversibel.

1) Corin und Ansiaux, Bull. de l’Aoad. roy. de Belg. III, 21, 355, 1891.

2) Pauli, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 10, 53, 1907.

Über das Verhalten des Chlors im Serum. Von P. Rona.

Aus dem biochemischen Laboratorium des städtischen Krankenhauses am Urban, Berlin.)

(Eingegangen am 15. November 1910.)

Über die Zusammensetzung der Körperflüssigkeiten, speziell des Blutserums sind wir durch eine große Anzahl Analysen gut unterrichtet.!) Lückenhaft ist indessen unsere Kenntnis des Zustandes, in dem die einzelnen Bestandteile sich im Serum befinden; die physikalisch-chemische Untersuchung des Blut- serums, die Bestimmung seines Gefrierpunktes, seiner Leitfähig- keit usw. geben uns ein Gesamtbild über das physikalisch- chemische Verhalten der Lösung; über die einzelnen Posten, die zu diesem Gesamtbild führen, geben sie natürlich im all- gemeinen keine Auskunft oder nur in großen Umrissen.?) Ein Weg zur Feststellung des osmotisch wirksamen, frei diffusiblen Anteils eines Serumbestandteils bietet die von Michaelis und mir zuerst angewandte „Kompensationsdialyse‘“. Bei dieser wird der Diffusion eines zu prüfenden Stoffes durch eine für diesen Stoff durchgängige Membran durch die Gegendiffusion einer genau bekannten Menge desselben Stoffes das Gleich- gewicht gehalten, die Diffusion somit gewissermaßen ‚„kompen- siert“. Ein Vergleich der so bestimmten diffusiblen Menge des betreffenden Stoffes mit der direkt bestimmten Menge des- selben im Serum gibt dann den diffusiblen Anteil desselben

1) Vgl. namentlich E. Abderhalden, Zeitschr. f. physiol. Chem. 25, 67, 1898.

2) Vgl. Bugarszky u. Tangl, Pflügers Archiv 72, 531, 1898.

502 P. Rona:

in der untersuchten Flüssigkeit an.!) In der vorliegenden Arbeit sollte diese Methode für die Prüfung des Verhaltens des Chlors im Blutserum Anwendung finden.

Zunächst mußte untersucht werden, wie weit die gewählte Versuchsanordnung geeignet ist, eine Antwort auf die gestellte Frage zu geben.

l. Zu diesem Zwecke wurden in einem Dialysierschlauch (sog. ‚„Fischblase‘) 32 ccm wässerige Lösung von CINa mit 0,368°/, Cl eingefüllt, während die Außenflüssigkeit 20 ccm wässerige Lösung von CINa mit 0,397°/, Cl bildete. Nach zwei Tagen wurden innen und außen gefunden 0,378°/,, berechnet END

2. In einen Dialysierschlauch wurden 50 ccm CINa-Lösung mit 0,326°/, Cl gefüllt; die Außenflüssigkeit bildeten 25 ccm einer ClNa-Lösung mit 0,362°/, Cl. Nach zwei Tagen wurden innen und außen gefunden 0,336°/, Cl, berechnet 0,338°/, Cl.

Der Austausch erfolgt demnach schnell und vollständig.

Wie genau die Ausschläge bei Anwendung von Serum bei der Kompensationsdialyse werden, sollen folgende Beispiele zeigen, ohne das vorhandene große experimentelle Material, das stets eindeutige Resultate aufwies, mitteilen zu wollen.

3. 50 ccm Serum vom Pferde wurden gegen 25 ccm ClNa- Lösung als Außenflüssigkeit dialysiert von einem Chlorgehalt

in a | B | c

von 0,515%/, ! 0,6390°/ i 0,273/ nach 4 Tagen wurden gefunden] 0,418%, | 0,839%, | 0,3349, nach 5 Tagen wurden gefunden| 0,418%, | 0,639%/, 0,338 0/0

Der Chlorgehalt hat demnach in der Außenflüssigkeit in A abgenommen, in C zugenommen; in B ist er gleich geblieben.

4. 50 ccm Pferdeserum wurden gegen 25 ccm CINa-Lösung dialysiert von einem Chlorgehalt

a A | B | C von 0,503 0/0 0,341 0/0 0,247 ?/0 gefunden nach 3 Tagen 0,435°/, ETH 0,324°/, IT ö 4 0,435 Di, 0,343 Die 0,326 WÉI

1) Vgl. dic Arbeiten von L. Michaelis und P. Rona, Uber die Bestimmung des frei diffusiblen Zuckers im Blutserum (diese Zeitschr.

Verhalten des Chlors im Serum. 503

Der Chlorgehalt hat demnach in A abgenommen, in Ç zu- genommen; in B gleich geblieben.

5. 50 ccm Pferdeserum wurden gegen 25 com CINa-Lösung dialysiert von einem Chlorgehalt

in A B I c von 0, 497 vi 0 0,359 0/ 0 0,256 d 0 gefunden nach 4 Tagen 0,406°/, 0,358 9%/,- 0,336°/,

Der Chlorgehalt hat demnach in A abgenommen, in C zu- genommen; in B gleich geblieben.

Zum Schluß mußte auch geprüft werden, ob die bloße Anwesenheit des Dialysierschlauches die Konzentration des Chlors in der wässerigen Lösung ändert, indem etwa reines Wasser von der Membran imbibiert würde.

6. Es befand sich innen und außen vom Dialysierschlauch eine Kochsalzlösung von 0,362°/, Cl. Nach zwei Tagen wurden 0,364°/, Cl gefunden.

7. Es befand sich innen und außen vom Dialysierschlauch eine Kochsalzlösung von 0,369°/, Cl. Nach zwei Tagen wurden 0,370°/, Cl gefunden.

Eine genaue Prüfung erforderte ferner die Zuverlässigkeit der Chlorbestimmungen. So einfach auch die Ausführung einer Analyse auf Chlor ist, so erfordert sie, um grobe Täuschungen auszuschließen, ein besonders sorgfältiges Arbeiten.) Behaghel von Adlerskron?) wies zuerst nach, daß man bei Chlor- bestimmungen das Serum, um Verluste zu vermeiden, bei Gegen- wart von Alkali und bei nicht zu hoher Temperatur veraschen müsse. Ich veraschte 10 ccm Serum mit etwa 2 g analysen- reiner Soda und erhitzte stets nur bis zur beginnenden Rotglut. Kontrollanalysen mit Zusatz bekannter Kochsalz- mengen ergaben in Übereinstimmung mit bekannten Tatsachen, daß Verluste an Chlor auf diese Weise nicht zu befürchten sind. Die schließliche Chlorbestimmung erfolgt am bequemsten

14, 476, 1908), Über das Verhalten des Calciums in der Milch (diese Zeitschr. 21, 114, 1909). 1) Vgl. hierzu auch die nach Abschluß dieser Arbeit erschienene Mitteilung von Rosemann, Pflügers Archiv 185, 177, 1910. 2) Behaghel von Adlerskron, Zeitschr. f. anal. Chem. 12, 1873, Biochemische Zeitschrift Band 29. 33

504 P. Rona:

titrimetrisch nach Volhard. Da die nach der Volhardschen Methode gewonnenen Werte oft eine nicht genügende Überein- stimmung zeigen, wurden bekanntlich einige Vorschläge ge- macht, die die Richtigkeit der Resultate besser gewährleisten sollen. So wurde empfohlen, die mit der überschüssigen Menge Silbernitrat versetzte Flüssigkeit zuerst abzufiltrieren und dann das Filtrat mit Rhodanammonium zurückzutitrieren. In neuerer Zeit haben V. Rothmund und A. Burgstaller!) die Vol- hardsche Methode einer eingehenden Prüfung unterzogen und sind zu dem praktischen Resultat gekommen, daß die Titration bei Gegenwart von reichlichen Mengen Äther (oder von anderen mit Wasser nicht mischbaren Flüssigkeiten, wie Chloroform, Ligroin usw.) vollzogen werden müsse. In dem folgenden gebe ich die Resultate einiger Chlorbestimmungen im Serum wieder, wobei die titrimetrisch gewonnenen Zahlen mit den mittels Gewichtsanalyse gewonnenen verglichen werden. Die titrimetri- schen Bestimmungen mit der Variante der Filtration sind mit B, die in Gegenwart von Äther angestellten mit C bezeichnet. Die Zahlen bedeuten Gramm Cl in 10 eem Serum.

Gravi- Titrimetrisch metrisch A B c

Probe I 0,0331 0,0330 0,0331 0,0332 0,0332

Probe II 0,0374 0,0376 0,0372 0,0362 0,0370 0,0370

Probe IH 0,0372 0,0369

Probe IV 0,0363 0,0367 0,0363 0,0361

Probe V 0,0340 0,0350 0,0350 0,0350

Aus diesen Zahlen ergibt sich eine gute Übereinstimmung zwischen der gravimetrischen und der titrimetrischen Bestim- mung. Ferner sieht man, daß man auch nach der ursprünglichen

1) V. Rothmund und A. Burgstaller, Zeitschr. f. anorgan. Chem. 63, 330, 1909.

Verhalten des Chlors im Serum. 605

Methode, bei Innehaltung der erforderlichen Kautelen, zu richtigen Resultaten gelangen kann. Jedenfalls ergaben diese Vorversuche, daß wir unseren Chlorzahlen Vertrauen schenken können.

Die Anordnung des Versuches war dieselbe, die in den erwähnten Versuchen über den Gehalt des freien Zuckers im Serum und bei den Versuchen über das Calcium in der Milch angewandt worden ist. In einem schmalen hohen Zylinder wurde der Dialysierschlauch mit 50 ccm Serum ge- füllt; als Außenflüssigkeit dienten 25 ccm einer CINa-Lösung, die mit einer isotonischen NaNO,-Lösung auf einen bestimmten, genau bekannten Cl-Gehalt gebracht wurde. Das im Eisschrank aufbewahrte Gefäß wurde sorgfältig verschlossen, so daß ein Ver- dunsten der Flüssigkeit nicht möglich war. Nach 2 und 3 Tagen wurde der Chlorgehalt der Außenflüssigkeit bestimmt und an dem Gleichbleiben der gefundenen Werte die Einstellung des Chlor- gleichgewichtes in der Außen- und Innenflüssigkeit festgestellt. Jedesmal wurden mehrere Versuche zur gleichen Zeit angesetzt und die Richtigkeit der Befunde an den übereinstimmenden Resultaten einer Anzahl Einzelversuche kontrolliert. Gleich- zeitig wurde eine direkte Chlorbestimmung an dem zu prüfen- den Serum gemacht und der so gefundene Wert mit dem mittels der Kompensationsmethode gefundenen verglichen. Die einzelnen Versuche verliefen folgendermaßen:

I. a) Die Außenflüssigkeit enthielt 0,311°/, Cl; nach 2 Tagen wurden darin gefunden 0,353°/, Cl, nach 3 Tagen 0,354°/, Cl. b) Die Außenflüssigkeit enthielt 0,372°/, Cl; nach 2 Tagen wurden darin gefunden 0,378°/, Cl; nach 3 Tagen 0,375°/,.

Der Chlorgehalt in der Außenflüssigkeit nahm also in a) deutlich, in b) nur ganz unbedeutend zu.

Die direkte Chlorbestimmung im Serum ergab 0,350°/, Cl.

II. a) Die Außenflüssigkeit enthielt 0,327°/,; nach 3 Tagen wurde darin gefunden 0,355°/, Cl, nach 4 Tagen 0,355°/, Cl. b) Die Außenflüssigkeit enthielt 0,381°/, Cl; nach 3 Tagen wurden gefunden 0,365°/, Cl; nach 4 Tagen 0,365°/, Cl.

Der Chlorgehalt in der Außenflüssigkeit nahm in a) zu, in b) ein wenig ab.

Die dir: kte Chlorbestimmung im Serum ergab 0,331°/, Cl.

33*

506 P. Ronk:

III. a) Die Außenflüssigkeit enthielt 0,308°/, Cl; nach 3 Tagen wurden gefunden 0,368°/, Cl. b) Die Außenflüssig- keit enthielt 0,354°/, Cl; nach 3 Tagen wurden gefunden 0,382°/, Cl.

Der Chlorgshalt nahm also in beiden Flüssigkeiten zu, in a) bedeutend, in b) nur wenig.

Die direkte Ol-Bestimmung im Serum ergab 0,370°/, Cl.

IV. a) Die Außenflüssigkeit enthielt 0,368°/, Cl; nach 9 Tagen wurden gefunden 0,382°/, Cl. b) Die Außenflüsig- keit enthielt 0,398°/, Cl; nach 3 Tagen wurden gefunden 0,386°/, Cl, nach 3 Tagen 0,386°/, Cl.

Der Chlorgehalt nahm also in a) zu, in b) ab.

Die direkte Chlorbestimmung im Serum ergab 0,389°/, Ol.

V. a) Die Außenflüssigkeit enthielt 0,368°/, Cl; nach 2 Tagen wurden gefunden 0,384°/,, nach 3 Tagen 0,384°/, Cl. bj) Die Außenflüssigkeit enthielt 0,398°/, Cl; nach 2 Tagen wurden gefunden 0,3908°/, Cl, nach 3 Tagen 0,392°/, Ol.

Der Ohlorgehalt nahm also in a) zu, in b) blieb er (fast) gleich.

Die direkte Chlorbestimmung im Serum ergab 0,363°/, Cl.

VI. a) Die Außenflüssigkeit enthielt 0,326°/, Cl, nach l Tage wurden gefunden 0,333°/,, nach 2 Tagen 0,341°/,. b) Die Außenflüssigkeiten enthielt 0,361°/, Cl; nach 2 Tagen wurden gefunden 0,361°/, Cl.

Der Chlorgehalt in a) nahm also ein wenig zu, in b) blieb er unverändert.

Die direkte Chlorbestimmung im Serum ergab 0,328°/, Cl.

VII. a) Die Außenflüssigkeit enthielt 0,298°/, Cl; nach l Tag wurden gefunden 0,310°/, Cl; nach 2 Tagen 0,317°/, Cl. b) Die Außenflüssigkeit enthielt 0,327°/, Cl; nach 1 Tag wurden gefunden 0,322°/, Cl; nach 2 Tagen 0,327°/, Cl.

Der Chlorgehalt in a) nahm also ein wenig zu, in b) blieb er unverändert.

Die direkte Chlorbestimmung im Serum ergab 0,297°/, Cl.

Legen wir uns nun die Frage vor, in welcher Weise uns diese Versuche eine Aufklärung über das Verhalten des Chlors im Serum geben, so ist es klar, daß, falls Cl zu einem Teil an die Serumeiweißkörper gebunden wäre, der direkt bestimmte Chlorgehalt größer sein müßte als der durch die Kompen-

Verhalten des Chlors im Serum. 507

sationsmethode ermittelte. Wir sehen aber in allen Versucheu ohne Ausnahme, daß dies nicht der Fall ist, woraus wir schließen können, daß alles Chlor im Serum sich in freier, dif- fusibler Form befindet, mit anderen Worten, daß die Serumeiweißkörper CI nicht binden.

Dieser Befund steht in Übereinstimmung mit früheren Angaben von Bugarszky und Liebermann*), die auf einem ganz anderen Wege, mittels Bestimmung des Gefrierpunktes zu dem Ergebnis gekommen sind, daß NaCl von Albumin nicht gebunden wird.

Sehr bemerkenswert ist aber der Umstand, daß der Chlor- gehalt des Serums stets niedriger gefunden wurde, als es nach den mittels der Kompensationsmethode gewonnenen Werten zu erwarten wäre: das Chlor des Serums steht mit einer in bezug auf Chlor höher konzentrierten Lösung in Gleichgewicht, als es der im Serum gefundenen Chlorkonzentration entsprechen würde. Sind die Differenzen auch gering, so übersteigen sie die Fehlergrenzen der Chlorbestimmung doch zweifellos. So wurde, um nur einige Zahlen herauszugreifen, im Versuch VI ein Serum mit 0,328°/, Cl gegen eine Kochsalzlösung mit 0,326°/, Cl dialysiert. Trotzdem nahm diese Außenflüssigkeit im Verlaufe des Versuches an Cl zu, während eine CINa-Lösung, mit 0,361°/, Cl gegen dasselbe Serum dialysiert, ihren Chlor- gehalt nicht änderte. Wurde ein Serum mit 0,297°/, Cl gegen eine Kochsalzlösung mit 0,298°/, Cl dialysiert, so nahm der Chlorgehalt des letzteren zu, während eine Kochsalzlösung mit 0,327°/, Cl ihren Chlorgehalt im Laufe des Versuches nicht änderte. Ähnlich liegen die Verhältnisse in allen anderen Ver- suchen. Ungezwungen ließe sich diese Erscheinung erklären, wenn wir annehmen wollen, daß nicht das ganze Volumen des Serums für das Chlor in Rechnung gebracht werden kann, sondern die Serumeiweißkörper als Lösungsmittel für das Chlor nicht in Betracht kommen und das von ihnen eingenommene Volumen in Abzug gebracht werden muß.?) Dann müßte das Chlor im Serum konzentrierter sein, als es nach den direkten auf das Gesamt- volumen bezogenen Werten erscheint. Die Größenordnung des

1) Bugarszky und Liebermann, Pflügers Archiv 72, 51, 1898. 2) Vgl. hierzu Pauli und Samec, diese Zeitschr. 17, 235, 1909.

508 P. Rona: Verhalten des Chlors im Serum.

Unterschiedes entspricht gut dem tatsächlichen Eiweißgehalt des Serums. Man darf jedoch nicht vergessen, daß die aus den äußerst geringen absoluten Zahlen berechneten prozenti- schen Differenzen leicht zu Täuschungen Anlaß geben können. Andererseits sprechen die immer nach einer Richtung fallenden Ausschläge der Chlorwerte zugunsten der obigen Annahme. Vielleicht geben Gefrierpunktsbestimmungen von CINa in kon- zentrierten Eiweißlösungen eine eindeutigere Aufklärung der Verhältnisse.

Jedenfalls muß die gesamte Menge des Chlors im Serum als frei diffusibel angenommen werden. Über das Verhalten des Calciums, das nach den bisherigen Untersuchungen!) vom Chlor verschieden sein dürfte, hoffen wir demnächst berichten zu können.

1) Siehe Fußnote 2 von 8. 507. Vgl. auch die älteren Arbeiten von Pribram, Ber. d. K. sächs. Ges. d. Wiss. 279, 1871, Gerlach, Ebenda 349, 1872. |

Autorenverzeichnis.

Battelli, F. und L. Stern. Die Aldehydase in den Tiergeweben. S. 130.

Bauer, J. Zur Praxis der Kom- plementbindungsreaktion. S. 488.

Binaghi, Rinaldo. Die elek- trische Leitfähigkeit der Milch und ihre Anwendung zum Nach- weis der Verwässerung und eines Zusatzes von Elektrolyten. S. 60.

Birstein, Gustav siehe Paul, Birstein und Reuß.

Blumenthal, Ferdinand und Ernst Jacoby. Beiträge zum Nachweis und zur Entstehung aromatischer Körper im Orga- nismus. II. S. 472.

Brüll, Leo. Überdie Beeinflussung der Autolyse durch Salzionen. S. 408.

Calugareanu, D. Wirkung des Chloroforms auf Lipoidsuspen- sionen. S. 96.

Centanni, Eugenio. Über den befördernden Einfluß der Lipoide auf die Wirkung der Leberdiastase. S. 389.

Embden, Gustav und Ernst Sohmitz. Über synthetische Bildung von Aminosäuren in der Leber. S. 423.

Gros, Oscar. Über die Hämo- lyse durch Ammoniak, Natrium- hydroxyd und Natriumcarbonat. 8

. 350.

Hasselbalch, K. A und J. Lind- hard. Bestimmung des Zuokers durch Reduktion von Safranin. Erwide an Herrn Neumann Wender. S. 416.

Heimrod, Geo. W. und P. A. Le- vene. Über die Oxydation von Aldehyden in alkalischer Lösung. S. 31.

Jacoby, Ernst siehe Blumenthal und Jacoby.

Jolles, Adolf. Zur Kenntnis des Zerfalls der Zuokerarten. S. 152.

Iwanoff, Leonid. Zur Frage nach der Oxydation der Gärungs- produkte des Zymins beim At- mungsprozeß. S. 347.

Izar, G. Zur Kenntnis der Meio- stagmine bei bösartigen Geschwül- sten. S. 13.

Kanitz, Aristides. Die Disso- ziationskonstanten des Trypto- phans. S. 126.

Klein, H. A. Über die Resorption von Cholesterin und von Cho- lesterinestern. S. 465.

Koblank, A. und Walther Löb. Über ein peptidspaltendes Enzym der Ovarien. S. 102.

Lebedew, A. v., Berichtigung. S. 293.

Levene, P. A. siehe Heimrod und Levene.

Lindhard, J. siehe Hasselbalch und Lindhard.

Loeb, Jacques. Die Hemmung verschiedener Giftwirkungen auf das befruchtete Seeigelei durch Hemmung der Oxydationen in demselben. S. 80.

Löb, Walther. Zur Geschichte der Gärungshypothesen.

. 31l.

Beiträge zur Frage der Glyko- lyse. I. S. 316.

siehe Koblanck und Löb.

Mendel, L. B. siehe Wheeler und Mendel.

Mesernitzky, P. Über die Zer- setzung der Gelatine durch Micro- coccus prodigiosus. S. 104.

Michaelis, Leonor und Dengo Takahashi. Die isoelektrischen

510

Konstanten der Blutkörperchen- bestandteile und ihre Beziehungen zur Säurehämolyse. S. 439.

Michaelis, Leonor und P. Rona. Beiträge zur allgemeinen Eiweiß- chemie. 94.

Neuberg, Carl. Chemische Um- wandlung durch Strahlenarten. IV. S. 279.

Bemerkungen zur voranstehen- den Mitteilung von H. L. Wheeler und L. B. Mendel. S. 420.

Njegovan, V. Zur Bestimmung der Phosphatide in der Milch. S. 491.

Ohta, Kohshi. Über das Ver-

. halten des Organfettes bei der Autolyse und antiseptischem Auf- bewahren. RL.

Österberg, Emil siehe Wolf und Österberg.

Paul, Theodor, Gustav Bir- stein und Anton Reuß. Bei- träge zur Kinetik der Giftwirkung von gelösten Stoffen. 1. Teil: Einfluß der Konzentration. 8.202.

Desgl. 2. Teil: Einfluß der Neutralsalze und der Temperatur auf die Desinfektionsgeschwindig- keit von Säuren. S. 249.

Reuß, Anton siehe Paul, Birstein und Reuß.

Rona, P. Über das Verhalten des Chlors im Serum. S. 501.

siehe Michaelis und Rona.

Sasaki, Takaoki. Nachtrag zu der früheren Angabe: „Über

Autorenverzeichnis.

> empfindliche Skatolreaktion.‘“‘

. 395.

Sohmitz, Ernst siehe Embden und Schmitz.

Siegfried, M. und R Zimmer- mann. Methode zur getrennten Bestimmung von Phenol und Para- kresol im Harne. S. 368.

Signorelli, E. Über die Oxy-

ationsprozesse der Lipoide des Rückenmarks. S. 25.

Spät, Wilhelm. Über Komple- mentbindung mit gelösten und corpusculären Antigenen. S. 453.

Stern, L. siehe Battelli und Stern.

Straßner, Walter. Die reduzie- renden Wirkungen des Gewebes. S. 295.

Takahashi,Dengo siehe Michaelis und Takahashi.

Trendelenburg, Paul. Über den Nachweis toxischer Stoffe im Blute thyreoidectomierterTiere. S. 396.

Vandevelde, A. J. J. Über frak- tionierte Fällung der Milchpro-

teine. S. 461. Warburg, Otto. Uber die giftige Wirkung der Natriumchlorid-

lösung. S. 414.

Welde, E. Berichtigung. S. 422.

Wheeler, H. L. und L. B. Men- del. Über Jodproteine. S. 417.

Wolf, C. G. L. und Emil Öster- berg. Die quantitative Bestim- mung von Schwefel und Phos- phor. S. 429.

Zimmermann, R. siehe Siegfried und Zimmermann.

THIS BOOK IS DUE ON THE LAST DATE

STAMPED BELOW

RENEWED BOOKS ARE SUBJECT TO IMMEDIATE RECALL

Library, University of California, Davis Series 45RA

Ze

A

PAGE NOT AVALLABLE

Zum.