Re, * . v ; RN; * I Aa r fear ne k,.) ee = ee Marine Biological Laboratory Library Woods Hole, Mass. Presented by Dr. R. P.Bigelow Oct. 22, 1954 | | | | | \ \ a % Biologie, | N BR Fhılosophlie } Ss ® lebenden Natur für F - Naturforscher und Aerzte. —iim Von -Gottfried Reinhold Treviranus. Dritter Band. 3 ee un % Göttingen, bey Johann Friedrich Röwen - 1805 m PP ze A $ - np} 7 Ä Ve a i * m - \ u. en | ar R KL - 1 r h 5 x i F R - + 1 1 , r | j r x PR f\ f { L Er v D 2 nf, ‘ai ) - in d A Se “ P ’ u\ E ® y F . NA ; L \ ! ak EN } * s —. r Fr r r v %. x N * R "\ y y - « i N x ‘ L P x \ j. g i . En E FAR, \ % r x % u he DE be 4 h . 4 P a $ v KLAR € . « > h N ; MR; j az tr De N are a e x Inhaltsverzeichnifs. - Geschichte:.des physischen Lebens; Drittes Buch. Revolutionen der lebenden Natur. S.1ı. Viertes Buch. Erzeugung, Wachsthum und Abnahme der lebenden Körper. S. 227. Erster Abschnitt. Erzeugung. S. 251. Erstes Kapitel, Heime der lebenden Körper — Eintheilung der letztern- nach der Verskhieden» ‚ heit ihrer Erzeugung. S, 231. Zweytes Kapitel, Erzeugungsart der ersten Classe. £. 256. . Drittes Kapitel. Erzeugungsart der zweyten Classe. S. 271. Viertes Kapitel, ZErzeugungsart der dritten Classe, S. 342. VEIORERRS 0 | Fünf . ar \ ‘or ae] a es SD e IV gummi a A P 7 R Fünftes Kapitel. Bemerkungen _über die Er- zeugung nach vorhergegangener Befruchtung. S. 366. Zweyter Abschnitt, ‘ Wachsthum und Ab- nahme der lebenden Körper. S. 463. Dritter Abschnitt. Versuch einer Ablei- tung der bisherigen Erfahrungssätze aus den obersten Sätzen der Biologie. S. 544 Vierter Abschnitt. Bedingungen des Wachs- thums 'und der Abnahme der'lebenden Kör- por. 8.566. 4 ee 2; Geo Geschichte des physischen Lebens Drittes Buch. en III, Ba; A Drittes Buch. Bevolutionen der lebenden Natur. er Dr W.: betreten einen dunkeln, nur durch schw» che Lichtstrahlen erhellten Pfade Unser Zweck ist, zu wissen, welche Verwandlungen die leben de Natur erlitt, ehe sie ihre jetzige Bildung er- ' hielt. Was kann uns hier führen, was unsern Weg erleuchten? Mündliche Ueberlieferungen reichen nicht an die Zeiten der Urwelt, Nur die Trümmer der jugendlichen Erde, und die Hie roglyphen, weiche die Natur diesen eingrub, können uns belehren. Aber wer kann sagen, er verstehe die Sprache dieses Lehrers? Nur muthmalsen können wir ihren Sinn, und der Spielraum für diese Muthmalsungen ist unend- lich, weil er nicht durch Versuche beschränkt ist, Es giebt daher in diesem Abschnitt der Aa Bio- Biologie "nur wenig Sätze, worauf wir mit Sicherheit bauen dürfen. DBlos auf‘ diese be- schränken wir unsere gegenwärtigen Untersuchun- gen, und überlassen künftigen , reichlicher mit Beobächtungen versehenen Zeitaltern die vollstän- digere Darstellung der Art und Weise, wie die Urkeime der lebenden Welt sich entwickelten und die letztere diejenige Bildung erhielt, die wir in den beyden vorigen Büchern geschildert haben. Jedes materielle System durchläuft eine Reihe von Veränderungen, die so beschaffen ist, dals jenes nach gewissen Revolutionen irgend einem Zustande, worin es sich vorher schon einmal be- fand, wieder nahe kömmt, ohne doch mit dem- selben ganz zusammenzutrefen, Die Natur läfst sich. daher unter dem Bilde einer Spirallinie dar- stellen, worin sich ein bewegter Körper jedem, beliebigen Punkte immer wieder nähert, um sich, immer weiter von demselben zu entfernen, ' Auf diesen Satz führten uns die metaphysi- schen Untersuchungen, die wir im zweyten Ka- pitel der Einleitung über die Organisation der ge- sammten Natur anstellten (a), und von ihm wer- den wir hier ausgehen. Wir werden daher er- stens auch die lebende Natur für ein Ganzes- an- sehen, das in beständigen Umwandlungen. von jeher ‘ (2) Biol, Bd.I. S.50, jeher begriffen gewesen ist, noch begriffen ist, und stets begriffen seyn wird, aber auch zwey. tens in diesen Verwandlungen einen festen, ge setzmälsigen Gang annehmen, Jetzt lalst uns zuerst Thatsachen ‚sammeln, und diese ordnen; lalst uns dabey von den spä- testen Zeiten zu: den frühesten, wovon Denkmä- ler übrig sind, aufsteigen, und von diesen wie- der zu jenen zurückkehren; lafst uns aus jeder dieser Thatsachen die Resultate ableiten, die sich, aus ihr ziehen lassen; die letztern unter einan« der vergleichen, und uns so zu immer höhern Folgerungen erheben, | G.: @. Das Meer naget unaufhörlich an den Festen der Erde, und verändert die Gestalt derselben, Es vermindert in einigen Gegenden das feste Land, indem es in andern Gegenden dasselbe vergrölsert. Städte prangen jetzt da, wo einst die Meereswellen schäumten, und wo vormals der Fischer seine Netze warf, weidet jetzt der Hirt seine Heerden. Aber Städte und Wälder wurden auch vom Wasser verschlungen. Schon Ovın singet; Fluctibus ambitae fuerant Antissa Pharosque Et Phoenissa Tyros, quarum nunc insula ılla est, Leucada continuam veteres habuere coloni: ir; A3 Nune 6 | emieiin nn] Nune freta eircumeunt. Zancle quoque juneta fuilfe Dicitur Italiae, donec confinia pontus k Abfiulit, et mediam tellurem. reppulit unda. ‘ Metamorphos. 1.XV. v. 260. So war auch noch am Ende des siebenzehnten Jahrhunderts da Meeresboden, wo nun die Stadt #ludwikswall liegt, und bey Tanum, Fellbaka, in Leksand, bey Biörkö und Wasa mähet man jährlich Gras, wo man im siebenzehnten Jahr- hundert fischte. Hingegen ist die Stadt Done- wich in der Grafschaft Suffolk mit dem angrän- zenden Lande jetzt gröfstentheils vom Wasser be- deckt, und bey Landscron flielst die See über einem ehemaligen Buchenwalde (b). Aehnliche, aber schnellere Veränderungen werden durch Ausbrüche von Vulcanen und Erd- beben hervorgebracht. Die Erdrinde zerreilst, sinket an einigen Stellen, und erhebt sich in an- dern Gegenden; neue Inseln geben aus dem Mee- re hervor, und alte verschwinden in der Tiefe des Oceans, Thera, Therasia , Delos, Rohdus, Anaphe, Nea, Halope, Hiera, Thia, und viele andere Inseln wurden auf diese Art erzeugt, Aber Chryse sank bey demselben Zufalle, der Hiera hervorbrachte, und Trinidad wurde im Jahre (b) Bercmann’s physikal. Erdbeschreibung. zte Aufl. B.2. 8.196 ff. 7 Jahre 1766 durch ein Erdbeben ‚so verändert, dafs die höchsten Berge zu Ebenen herabsanken (c). Oft sinket auch der Boden, untergraben von unterirdischem Wasser, ohne Spuhren eines Erd- bebens. Borge, ein ®rt bey Friedrichshall in Norwegen, sank im Jahre 1702 zu einer Tiefe von ı00 Faden, und hinterliefs einen Sumpf von 3 bis 400 Ellen in der Länge, und ohngefähr zoo in der Breite, Die Insel Pontico bey Negroponte ver$chwand mit vielen andern benachbarten Inseln im. Jahre 1755 ohne Merkmale von Erdbeben, und ein Stück der Insel Banda Necra von 5 Meilen im Umkreise im Jahre 17653 (d). Eben ‘dies war das Schicksal der neuen Goubermanns Inseln, welche etwa 4 Französische Meilen von Sandenels zwischen Patrixfiord und Cap Nord lagen, und alle plötzlich versanken (e), Winde, Regen und Ueberschwemmungen ver- ändern ebenfalls die Oberfläche der Erde, Selbst / die athmosphärische Luft verwandelt alles, was ihrem (e) Bencmarnn a.a. O0. S. ı52. ‚Lurorr's Einleitung zu der mathem. und physikal. Kenninifs der Erdku- gel. Uebers. von Kästner, $.151 ff, (d) Bercmann a.a. OÖ. S.145. “ PERMANSS Thiergesch. der. nörd], Polarländer. Th, S. 60. 61. a 4 ‚8 u Bewer nun, ihrem Einflusse ausgesetzt ist. ‚Alles Oxydirbare wird früh oder- spät von ihr gesäuert; alles ver- wittert und zerfällt, und dafs selbst die Felsen diesem Schicksale nicht entgehen, sieht man in Finnland an der Landstrafse, die von Äbo nach Wiborg führt, wo es grofse, mit Steinbrech (Sa- xifraga) bewachsene Hügel giebt, die ganz aus einer verwitterten Art von Feldspath bestehen (f). Bedarf es nach diesen Thatsachen noch wei- terer Gründe, um darzuthun, dafs nichts auf Er- den ruhend, alles in ewigen Verwandlungen be- griffen ist? Und ist es nöthig, zu zeigen, dafs durch diese Veränderungen auch die lebende Na- tur verändert werden muls? I. 5 Aber die lebende Natur verändert wechselsei- tig die Gestalt und Beschaffenheit des leblosen Theils der Erde. Myriaden von Thieren, Zoo» phyten und Pflanzen vermodern täglich in dem Schoolse dieser Mutter alles Lebendigen, und " schwängern die Luft 3 das Wasser und die Erde ‚mit neuen Stoffen, und diese Stoffe verbinden sich zu neuen Körpern und. Formen. Ein Bey- spiel giebt die Entstehung des Sumpfeisensteins und (f) AsırcaArn, Abhandl. der Schwed. Akad. 1757. 9.215. Tıras ebendas. S.2ıq. n u — ' 9 und des ‘Wiesenerzes. Aus den abgestorbenen und in Gährung übergehenden Pflanzentheilen entbindet sich eine vegetabilische Säure, welche von dem Qnell- und Regenwasser aufgelöset wird, und dieses tüchtig macht, die Eisentheile aus den Erden und Steinen, worüber es flielst, auszulau- gen. Die aufgenommenen Eisentheile führt das Wasser mit sich in die Sümpfe, worin .es sich ergielst, und läfst dieselben kier beym Verdün- sten wieder fallen. Auf diese Art sammelt sich auf dem Boden stehender Gewässer eine Schichte gelblichbraunen Eisenokers an, welche immer stärker und fester wird, und den Sumpfeisen- stein bildet. Trocknet endlich der Sumpf ganz aus, so erhärtet dieser Eisenstein noch mehr, und geht in Wiesenerz über (g). So bildet ein vormaliger Bestandtheil vegetabilischer Organismen einen neuen Körper des Mineralreichs, ' Moräste und Sümpfe werden durch Pflanzen in festes Land verwandelt. An den Ufern ste- hender Gewässer wachsen verschiedene Arten der Nymphaea, Typha, des Sparganium, Potainoge- ton, die Zanichellia palustris, Stratiotes aloides, Conferven und Ceramien. Diese brechen die Be- wegung des Wassers, nehmen den angespühlten Schlamm (g) HKrosstänr’s Vers. einer Mineralogie. Uebers, von WERNER. B.ı Th.ı. 3.7. Y > ER AS N N een + E N ; N A * 7 e | ne Io —,— Schlamm auf, und verfaulen endlich. Hierdurch bildet sich allmählig Land, welches anfangs mit Erlen, Weiden u.d. gl. in der Folge mit grölserm Holze bedeckt wird. So geht endlich der ganze Sumpf in einen mit Büschen bedeckten Boden über. AsınLGAARD erwähnt einer Gegend in Nor- wegen, welche ehedem aus lauter kleinen Seen bestand, und jetzt ganz in ein Torfmoor verwän- delt ist, Sogar Inseln verdanken lebenden Körpern ihr Entstehen. Ein grofser Theil der Inseln des stil- len Meers wurde durch die üppige Vermehrung und Ausbreitung der Corallen/erzeugt (h). Mu- scheln trugen ebenfalls und tragen noch heut zu Tage zur Bildung neuer Küsten und Inseln bey. ScHörr sahe bey York in Virginien eine mit et- was Sand und Letten vermischte Muschelbank unter einem Sandbette von ohngefähr 30 Fuls Tiefe. Die Muscheln waren nicht versteinert und es fanden sich keine Arten darunter, welche nicht jetzt noch an der östlichen Küste von Ame- rika beynahe überall angetroffen werden (i),. Aehn- liche Muschelberge, die sich in Bohus finden, beschreibt Lınn& in seiner Westgothischen Reise. Diese liegen auf dem festen Lande an manchen | & Orten (lh) Biol, Bd.2. $. 155. 437- (i) Schörr’s Reisen in den vereinigten Nordamerikan. Staaten. Th.2. $. 127, m jI Orten fast eine viertel Schwedische Meile von der See, aber gleich unter der seichten Damm- erde; ihre Schaalen sind unverändert, und beste- hen ebenfalls aus solchen Arten, deren Originale noch an der Schwedischen, Norwegischen, Eng- lischen und Französischen Rüste leben. In dem Clima können Ursachen, "welche ge- ring zu seyn scheinen, sehr wichtige Verände- rungen hervorbringen. Baco erzählt, dals zu der Zeit, als Gascogne unter Englischer Herr- schaft stand, dem Könige von den Einwohnern von Bourdeaux und den umliegenden Gegenden ‘eine Schrift mit der Bitte übergeben sey, das Verbrennen der Heiden in Sussex und Hampton zu verbieten, weil daraus am Ende des Aprils ein Wind entstände, der ihren Weinbergen nach- theilig wäre (k). Die Geschichtschreiber des Kriegs zwischen den Venetianern und Uscochen versichern, die Einwohner von Zeng hätten gro- fse Feuer in den Wäldern angezündet, und da durch einen heftigen Wind erregt, der die feind- lichen Schiffe verhinderte zu landen, und sie zuweilen zu Grunde richtete (l). Ist es also nicht wahrscheinlich, dafs das Clima auch von der lebenden Natur sehr abhängig ist, und dafs keine wichtige Revolutionen in der letztern ohne gleich- (k) Bacorr hist. vent. dl) Fortis Reise in Dalmatien. Th.2. 8. 159. 12 j ern gleichzeitige Veränderungen des erstern »statt finden ? / Diese Vermuthung wächst fast bis zur Ge- . wilsheit, wenn man erwägt, was das’ Clima Ita- liens und der Gegenden am schwarzen Meere noch zu den Zeiten des August und seiner Nach- folger war, und was dieses jetzt 'ist. - Vırcıu spricht von den Flüssen Calabriens und Juvenar von der Tiber als zugefroren. Laurentinum am Ausflusse der Tiber hatte zu den Zeiten des Prı- nıus keinen so gelinden Winter, um Myrthen, -Oel- und Lorbeerbäume zu beherrbergen, da doch die letztern jetzt in England ausdauern. Vırcıu giebt Mittel an, das Vieh vor dem Schyee und Eise zu schützen, und AELıan, den Aal unter dem Eise zu fangen, Mittel, die jetzt in Italien ganz überflüssig sind. Ovıp beschreibt das schwarze Meer als so stark im Winter gefroren, dals die Sarmater “darüber fuhren; in. dem jetzi- gen Temeswar fror, seiner Beschreibung nach, der Wein, und man theilte ihn stückweise aus, Alles dies palst jetzt nicht mehr auf jene Gegen- den (m). Aber woher diese Veränderungen, als von den Aushauen. der grolsen Waldstrecken, dem Austrocknen der vielen Sümpfe, und der | Cultur der Wüsteneien, woraus zu den Zeiten der ’ (m) Vergl. Mann, MHist. et commentat, Acad, scient. Theodoro -Palat, Vol, VI physicum. — — 13 der Römer gröfstentheils das nördliche Europa bestand? Frankreich hatte noch im Jahre 1545 so harte Winter, dals der Wein, nachdem er mit Aexten zerhauen war, den Soldaten in Körben zugetheilt werden konnte (n). Einen noch neu- ern Beweis giebt Pensylvanien, in welchem schon seit der kurzen Zeit, da es urbar gemacht ist, sowohl die Winterkälte, als die Sommerhitze weit gelinder geworden ist (0). Holzungen äussern auch einen grolsen Ein- fluls auf die Menge des fallenden Regens. Seit- dem auf den capverdischen Inseln und auf Bar. bados die ehemals bewaldeten Höhen ihrer Bäume beraubt sind, regnet es dort oft in mehrern Jah- ren nicht, und von eben diesem Mangel an Hol- zungen rührt es auch her, dafs in Aegypten der Regen eine so grolse Seltenheit ist. I. 4 Veränderungen des Clima müssen wieder ge- genseitig den. wichtigsten Einfluls auf die lebende Natur äussern. Hiermit stimmt auch die Ge- schichte überein, Juzius Cäsar erwähnt eines | Thiers '(n) DeSerRes inventaire general de l’Hist. de France, Vol.2. p.251. Zımmermann’s geogr. Gesch, des Men- schen. B.3. S.210. Er (0) BERoMAnN a.a. O0, S.210. 14 _ 1 Thiers unter dem Namen Urus (p), der ältere PLinıus eines Bison (9), und Oprrıan eines Pi- ston (r), die nichts anders als Auerochsen (Bos taurus) oder Bisonten (Bos Bison) gewesen seyn können, Der Urus des Cäsar lebte im Hercini- schen Walde, der Bison des Prınıvus ebenfalls in Germanien, und der Piston des Oprıan bey den Pistonern in Thracien. Aber jetzt giebt es in diesen Ländern keine Auerochsen und keine Bi- sonten mehr, Polen und Litthauen sind die ein- zigen Gegenden von Europa, wo dieselben noch gefunden werden (s). j Ein anderes Thier, das jetzt keine ‘andere Theile von Europa als Liefland, Preussen, Cur- land, Polen und Litthauen bewohnt (t), das sich aber zu den Zeiten des Jurıus Cäsar ebenfalls im Hercinischen Walde aufhielt (u), ist das Elenn (Cervus Alces). | ' Ferner beschreibt Cäsar ein Thier, das zu seiner Zeit in den grofsen Waldungen von Deutsch- land einheimisch war, und weiches kein anderes alt. ) J-. CAzsar de bello Gall. L.VI. C.XXVIH. (g) €. Prinız nat, hist, L. VIII. C.XV. (r) Orrıan. Cyneget. L.II. 1.160. (s) Zımmermans aa. 0. B.ı S, 155. B. 2. 8.84 ° (i) Zimmermann ebendas. B.ı. 5.265. 264. ; (u) J. Cazsar lc. C.XXVIL als das Rennthier (Cervus Tarandus) seyn kann {v). Ja, noch vierzehnhundert Jahre nachher spricht Gaston PuoeEzus, der Verfasser eines Jagdbuchs, von dem Rennthiere unter dem Namen Rangier oder Ranglier, als einem Wildprett, welches damals in den Wäldern von Frankreich einheimisch war (w). Und wo ist jetzt der Aufenthalt dieses T'hiers? ‚Erst jenseits dem 6ıten Grade der Breite fängt derselbe heut zu Tage in Europa an &). In neuern Zeiten haben sich die Bieber im- mer mehr aus den Ländern der wärmern ‘Zone entfernt. Ehedem fand man sie am schwarzen Meere, in Italien, Aegypten und Persien. Jetzt gehen sie nicht weiter nach Süden, als bis zum 4 Az5ten Grade nördlicher Breite (y). 'So wie sich diese Thiere von Süden nach Norden zurückgezogen haben, so sind andere aus südlichern Gegenden nach den nördlichen Län- dern herübergewandert. Der Liguster - Sphinx (Sphinx ligustri L.) und der Todtenkopf (Sphinx atropos L.), zwey Arten von Schmetterlingen,, | die N (v) J. CAzsar 1.c, C,XXVI (w) La venerie de Gaston Pnorzsus, imprime a la suite, de celle de Jacauss Dvroırroux, Paris. 1614. P- 97. (x) Zımmermann 2.2.0. B.ı. $.260, (y) ZımMERMANN a.a. O. S.272. 3 ra 16 eurem die eigentlich die südlichen Theile von Europa und Nordafrika bewohnen, scheinen seit der Mit- ie des vorigen Jahrhunderts in Deutschland, weit gemeiner geworden zu seyn (z). Eine ähnliche Veränderung hat sich in Nordamerika mit dem Aufenthalte des Virginischen Beutelthiers ereignet, das sich in neuern Zeiten auf der südlichen Seite des Delaware in Neu-Yersey eingefunden hat (a). $: 5 Aber nicht nur die lebende und die leblose Natur verändert sich wechselseitig; auch die ein- zelnen Arten und Individuen der lebenden Orga- nismen stehen in einer Wechselwirkung, bestim- men und beschränken einander bey ihrer Verbrei- tung. Vögel folgen der Cukivirung und werden in neuen Gegenden einheimisch. Der Kreutz- 'schnabel (Loxia curvirostra) folgte dem Apfel nach England. Glenco in den Hochländern von Schott land hatte keine Rebhühner, und Siberien keine Sperlinge, bis in jener Gegend Korn gebauet, ‚und . (2) ZiMMERMANN 2.2.0. B.3. 8.212. — Die Blatta ÖOrientalis L. soll ebenfalls aus dem Orient nach Eu- xopa gekommen seyn, Ich weils aber nicht, wor- auf sich diese Behauptung stützt. Schon MArrHıo- ıus, der vor mehr als 200 Jahren schrieb, erwähnt jenes Thiers. (a) Biol. Bd.2. 5.175. — N a7 und in diesem Lande die ungehenren Wüsten desselben urbar gemacht wurden. Der Reisam- mer, der zu Cuba einheimisch ist, verlälst jähr- lich, seitdem in Carolina Reisfelder sind, in My- riaden jene Insel, um an der Erndte in Carolina Theil zu nehmen (b). ehrt ur $. 6. ; ‚ Ehe wir jetzt weiter gehen, müssen wir eine Schwürigkeit, die uns im Wege zu stehen scheint, wegräumen. Bey den Thatsachen nehmlich, die wir bisher zum Beweise der Abhängigkeit des "Clima von der lebenden - Natur und einzelner Theile der letztern von andern angeführt haben, war immer der Mensch die erste Triebfeder. Al- les aber, was von diesem der Natur aufgedrum» gen wird, ist unbeständig und von kurzer Dauer, Es giebt eine Insel, die einem irdischen Para- diese glich, so lange die Spuhren des Fleisses von mehr als 30000 Menschen, denen sie einst . zum Wohnplatze diente, auf ihr übrig waren. Diese ist Tinian. Krankheiten und Barbarey ent» völkerten sie, und schon nach dem vierten Thei: le eines Jahrhunderts war dieses Eden in eine Wüste verwandelt (c)., So kehrt alles in die 5 - Hand (b) Pensant’s Thiergesch. der nördl, Polarländer, Ph S.& () E. MancnAnD’s Reise um die Welt, B.2, Kap IE. Ba, B 18 —— - Hand der Natur zurück, sobald die Thätigkeit des Menschen zu erschlaffen anfängt. Dafs also ‘Veränderungen der lebenden Natur Einflufs auf das Clima äussern, dafs dieses wieder auf die lebende Natur einwirkt, dals der Aufenthalt und die Verbreitung einzelner Arten von T'hieren und Pilanzen durch andere Arten verändert wird, folgt allerdings aus den angeführten Thatsachen. Allein es läfst sich in Zweifel zieben „ ob diese Veränderungen auch ohne Zuthun des: Menschen erfolgt seyn würden, und dem Gange der sich selber überlassenen Natur gemäls sind. Diese Schwürigkeit ist indefs gehoben, so- bald sich zeigen lälst, dafs ähnliche Veränderun- gen, wie der Mensch in dem Organismus der Erde hervnrbringt, endlich auch ohne seine Hül- fe. erfolgen. Dieser verändert das Clima durch Austrocknen der Sümpfe und Aushauen der Wäl- der. Aber dafs die Natur, sich selber überlas- sen, ebenfalls stehende Gewässer in ‚Land ver- wandelt, ‚haben wir schon oben gesehen, und dafs auch die Vegetation der Wälder ein gewisses Ziel hat, beweisen die Orkneys-Inseln, und die Schettländischen Inseln. In dem Kirchsprengel St. Audrew auf den ÖOrkneys, in North Maven und zu Foela auf. den Schettländischen Inseln, wo jetzt gar kein Holz mehr gezogen, und selbst niedriges Gebüsch nur mit grolsen Schwürigkei- ® ten im s ’ Rh an sr 19 ten tnterhalten werden kann, werden öft ansehn= liche Strecken Landes mit Ueberbleibseln grofser Bäume angefüllt entdeckt, und dies geschieht ge- wöhnlich, wenn ein heftiger Sturm die darauf liegenden Sandschichten weggewehet hat, Sie lie- gen in einem morastigen Boden, oft io Fuls un- ter dem Torf. Einige stehen aufrecht, wie sie gewachsen sind, ändere liegen horizontal, ünd zwar so, als ob sie alle durch einen Sturm, oder durch eine Ueberschwemmung umgeworfen wä- ren (d). Warum ist die Vegetation jetzt nicht mehr so kraftvoll in jenen Gegenden? Zum Theil ist wohl der Grund in eier Veränderung des Clima zu suchen. Aber diese Ursache allein ist zur Erklärung jener Thatsachen nicht hinreichend, Denn, Norwegen und Notka = Sund sind kälter, als jene Inseln, und doch wachsen in diesen Ländern Bäume von einer üngeheuren Höhe und Dicke (e), Ich glaube daher, dafs der Boden eben sowohl durch Wälder, wie, der täglichen Erfahrung nach, durch den Anbau des Getreides endlich erschöpft wird, wnd dafs hierin die Hauptursache der erstorbenen Vegetation mancher Gegenden zu suchen ist. " Ferner bringt die Natur ohne Zuthtun des Menschen auch itı dem Aufenthalte und der Vers brei.» . (d) PenwArt 4.20. Th. 8. 58: (e) Biol. Bd.2, 5.428. Be 20 en j breitung einze'ner‘ Arten von lebenden Körpern Veränderungen hervor, indem sie die Wohnorte anderer Arten verändert. Durch den Golfstrohm von Mexico werden die Saamenkörner der Mi- mosa scandens, 'Dolichas urens, Guilandina Bon- duc und Bonduccella, und anderer Westindischer Gewächse, Amerikanische Schildkröten und Ue- berbleibsel von Schiffen bis nach den Hebriden, ja bis nach Norwegen und dem nördlichen Asien getrieben (f). Es ist leicht einzusehen, wie auf diese Art die Verbreitung der Pflanzen, und also auch die der Thiere, die von jener abhängt, ohne Hülfe von Menscheuhänden sich verändern kann, | 9 7. Als ausgemacht können wir also setzt den Satz annehmen, dafs der Organismus der leben- den Natur eben so wohl, als alles Uebrige, was im Raume und in der Zeit existirt, unaufhörli- chen Verwandlungen unterworfen ist. Alle That« sachen, die wir;bisher zum Beweise dieser Meta- morphosen angeführt haben, betrafen indels' nur die Verbreitung der lebenden Körper. Aber soll- te nicht auch die Organisation dieser Körper sich vei- (£) SroAne, Phil. Trans. n.222. PennAnT Voyage to the Hebrides. p. 232. 233. Lınner amoen, 'acad. Vol. VIT. p.477. Scuörr’s Reisen durch die vereinigten Staaten von Nordamerika. Th.2, S. 399 E. verändern ? Sollten nicht ganze Arten unterge- hen, und neue ihre Stelle einnehmen ? Ohnstreitig verhält es sich so. Wo ist jetzt der Bonasus der Alten, ein Thier, das sich in Päonien anfhielt, die Gestalt des Ochsen , die - Mähne des Pferdes und einwärts gebogene, zum Kaınpfe untaugliche Hörner. hatte, und auf der Flucht einen brennenden Unrath weit von’ sich warf (g)? Wo das Scandinavische Thier Machlis, das dem Fiemi ähnlich war, aber nicht nieder- knien konnte, und deswegen gelehnt an einem Baume schlief (h)? Doch, warum suchen wir auch Beweise ın den Schriften der Alten, deren Beschreibungen freylich zum Theil blos auf Hö- rensagen b-ruhen, da selbst die neuere Geschich- te Beyspiele von untergegangenen Arten enthält ?. Die Gattung des Alpensteinbocks hat sich in der Schweitz seit 200 Jahren so vermindert, dafs die- ses Thier vielleicht in einigen Jahrhunderten dort nicht mehr vorhanden seyn wird (i 1); die des Dudu (Didus ineptus L.) ist wahrscheinlich schon verschwunden (k), Unter den Pflanzen sind ver- n.uihs (g)‘ Arıstoreris hist. anim,. L.II. C.5. Pıemwsz nat, hist. L.ViII. C. 15. (h) Prinwvs l.e. (i) Saussune’s Reisen dureh die Alpen. Th.3. S. 176. (k) Brumensach’s Abbildungen naturbistorischer Ge- genstände. H.4. 2.36. Bis 2 x — muthlich ‘die Disa longicornis, Serapias tabularis , das Origanum Tournefortii und die Fagraea Cey- lanica im Begriffe, sich zu verliehren, Die bey- den ersten wurden von THunBeErG blos auf einem einzigen Fleck des Tafelberges am Vorgebirge der guten Hoffnung entdeckt; das dritte fanden Tovr- NEFORT und SIBTHORP nur auf einem einzigen Felsen der kleinen Insel. Amorgos im Archipelagus des mittelländischen Meers; die vierte traf Taun- BERG nur einmal an einer einzigen Stelle auf Ceylon, und sonst nirgends, an.‘ Die Fagraea Ceylanica war auch den Einwohnern von Cey- lon so unbekannt, dals sie keinen inländischen Namen dafür anzugeben wulsten (l). Keine Gat- tung aber kann aus der lebenden Natur verschwin- den, ohne dafs die Organisation der letztern da- durch verändert wird; der Untergang einer Art muls nothwendig die Entstehung einer andern zur Folg: haben. So werden vielleicht neue Thiere und Pflanzen erzeugt, die wir als neu entdeckte in unsere Verzeichnisse der Natur- produkte eintragen, denen aber eigentlich der Name neu entstandene gebührt, Solche Arten, die schon in den ersten Zeiten der Menschengeschichte vorhanden waren, und sich bis auf den heutigen Tag fortgepflanzt ha- ben, sind zum Theil von ihrer ehemaligen Ge- 'stalt | (l) Neue Abhandl. der Schwed. Akad, Th.z. $. 125. vn | 23 stalt beträchtlich abgewichen. ' Selbst der Mensch _ hat nicht mehr ganz dieselbe Bildung, die er in. dem Zeitalter besals, aus welchem die Aegypti- schen Mumien herrühren. An vielen dieser äl- testen Ueberbleibsel des frühern Menschenge- schlechts sind die Schneidezähne nicht, wie bey uns, einem Meisel, sondern einem abgestumpf- ten Regel ähnlich, und gleich den Backenzähnen mit einer platten Krone versehen. Die Eckzähne haben nicht eine Spitze, sondern sind oben so breit und platt, dafs sie sich blos durch ihre Lage von den Backenzähnen unterscheiden las- sen. Das Gesicht ist länglicht, aber nicht ma- ger; die Stirne niedrig, klein, vorne rund ge- wölbt, aber auf den Seiten ganz flach gedruckt, und von den Backenknochen und den Schläfen nach dem Scheitel conisch zulaufend; die Nage grofs, und unten breit; der Mund klein; die Lippen sind wulstig aufgeworfen und hervorste- hend; die Ohren grols und hochliegend (m). Was kann der Art nach abweichender von der Gestalt aller jetzigen Menschenracen seyn, als diese Bildung? Würde ein Naturforscher, der eine solche Abweichung zwischen andern Thieren von einerley Geschlechte anträfe, Bedenken tra. gen, (m) Brumersach im Göttingischen Magazin von LicHutens£ere u, Forster. Jahrg.ı. 5.2. S.20g fi Ba 24 | ,—— Ä gen, diese zu einer specifischen Verschiedenheit zu erheben? zer (.--.8. Diese Veränderungen können indels seit je- ner. Zeit, wovon Denkmäler menschlicher Thä- tigkeit übrig sind, nicht das Ganze der lebenden ‚Natur betroffen haben. Man findet in -Aegypten nicht nur Mumien von Menschen , sondern auch von Crocodilen, Ichneumon, Ibis und andern Thieren, die vor zwey- bis dreytausend Jahren, oder vielleicht noch früher, balsamirt sind. Aber die nehmlichen Thiere leben noch jetzt in Aegyp- ten, und haben in diesem langen Zeitraume keine so grofse Veränderungen in ihrer Struktur erlitten, dals sie ihren Vorfahren ganz unähnlich geworden wären (n). Ereigneten sich also einst totale Verwandlungen aller Arten der lebenden Körper, so müssen diese in weit frühern Perio- den, als die sind, zu welchen die Geschichte reicht, gesucht werden, Die Denkmäler dieser frühern Zeiten sind Fossilien und Versteinerungen, und‘ diese treffen wir in allen Welttheilen, und selbst auf den Gi- pfeln der höchsten Berge an. Dx Luc (o) fand sie auf der Spitze des Grenairon, welche 7844 " Fufs (n) Annales du Muscum d’Hist. nat. T.ı. p.255- (0) Reisen nach den Eisgebirgen von Faueigny in Savoyen. 9.63. - prunanaı 25 Fufs über dem Weltmeere erhaben ist; Ra- MOND (p) auf dem Montperdu, der höchsten Spitze der Pyrenäen; UrroA (q) auf einem Berge in der Kette der Andes, in der Peruanischen Provinz Guanca-Velica, ı3206 Fuls über der Mee- resfläche; Morına.(r) auf dem Gipfel des gro- [sen Descabesado , welcher mitten in der- hette der Andes steht, und, wie jener Schriftsteller glaubt, dem Chimborasso an Höhe nichts nach- giebt; Schörr (s) im nördlichen Amerika; ScHous- BOE (t) und Hornzmann (u) im nördlichen, und PATTErson (V) im südlichen Afrika (w). Jene (p) Annales du Mus. d’Hist. nat. T.TII. p.76. (g) Le Genrtir’s Reisen in den Indischen Meeren. 5.137. 138, in der Neuen Samml. von Reisebeschrei- bungen, Th. 2. Mem. de l’Acad. des sc. de Paris, 1770, Hist, p.25. 3 | (1) Nat. Gesch, von Chili, 8.48. _ (s) Reisen durch die vereinigten Nordamerikan. Staa- ten, Th.ı, 8.287, und an mehrern andern Stellen, (t) Beobachtungen über das Gewächsreich in Marocko. 2 1 6 hr A (u) Tagebuch seiner Reise von Cairo nach Murzuck, an mehrern Stellen. (v) Reise in das Land der Hottentotten. Uebers. von Forster. $.110. (w) Viele ältere Beobachtungen der Art sind in Bur- zon’s Supplem. a P’Hist. nat. T.V. p.288, und B 6 3 /A BeRe- 26 near Jene Denkmäler der Vorwelt finden sich aber nicht nur auf der Oberfläche, sondern auch im Innern der Erde. Zu Paraguay, ohnweit dem Plataflusse, traf man hundert Fufs tief in einem sandigen Boden das’ Gerippe eines unbekannten vierfülsigen Thiers an, worauf wir unten zu*- rückkommen werden. Nach Ramazzınıs Berich- te (x) erblickt man zu Modena beym Brunnen« graben von der Oberfläche der Erde an bis zur Tiefe von ı4 Fufs Ueberbleibsel einer alten Stadt; dann folgt ein weisser, fester Boden, hierauf eine schwarze, mit Sumpfrohr vermischte Erde, und so wechseln Schichten von schwarzer und. weisser Erde, worin Aeste, Blätter und Rinden von Bäumen vorkommen, mit einander ab, bis man in einer Tiefe von 28 Fuls zu einer KRrei- denlage gelanget, die eine Dicke von ıı Fuls hat und eine Menge Muschelschaalen enthält; diese ruhet wieder auf einer zwey Fufs dicken Schichte von Sumpferde voll Binsen, Zweigen und Blät- tern; dann kömmt von neuem eine Lage von Kreide, die sich bis zur Tiefe von 52 Fuls er- streckt; und so wechselt noch einmal eine Schich- te von Sumpferde mit einer Kreidenschichte, und diese wieder mit Sumpferde ab, bis man endlich zu einem, mit Meeresprodukten vermischten | | Sand- Beromann’s physikal. Erdbeschreibung. Zte Aufl. B.r. 8.247 F. gesammelt. i (x) In Opp. p.251. — 27 Sandboden kömmt, worin zuweilen auch grofse Thierknochen und Holzkohlen gefunden werden, In den Steinkohlengruben von Whitehaven zu Cumberland sind sogar mehr als 2000 Fuls unter der Meeresfläche Pflanzenschiefer ausgegraben (y). Diese Thatsachen beweisen, dafs die Ueber- bleibsel der lebenden Natur, die wir auf den Hö- hen und im Innern der Erde finden, von glei- chem Alter mit der Oberfläche des jetzigen festen Landes seyn müssen, und hieraus folget weiter, dals sich über die frühere Geschichte der leben« den Natur nichts bestimmen lälst, so lange wir über die Entstehung und Bildung der Erde über. haupt in Ungewilsheit sind. Von diesem Punkte werden wir daher jetzt ausgehen. ER 9. 9 Alle Beobachtungen über die Struktur des In« nern der Erde kommen darin überein, dals die- ses aus verschiedenen Lagen von Stein- und Erd- arten besteht. Diese Lagen können nur auf ei- nem doppelten Wege gebildet seyn: entweder durch Schmelzung, oder durch Niederschläge. Welche dieser Entstehungsarten aber auch statt gefunden haben mag, so ist es dach gewils, dals die untere Schichte früher vorhanden gewesen seyn (y) Brumenszacn’s Handb. der Nat. Gesch. 8 , ana nn seyn muls, als die obere, wenn nicht locale Ur- sachen eine gänzliche Umkehrung derselben bes wirkt haben. Mit Hülfe dieses Satzes wird sich daher das relative Alter der verschiedenen Erdla- gen bestimmen lassen. / ' Alle jene Beobachtungen kommen ferner in dem Resultat überein, dals die Grundlage, gleich- sam das Gerippe der Erdrinde, aus Steinarten besteht, die keine Spuhr von Ueberbleibseln le- bender Körper enthalten (z). Diese Steinarten sind : der Granit, Gneis, Glimmerschiefer, ursprünglicher Thonschiefer und Kalkstein, Urtrapp, Serpentin, Quarz, Topas, ursprünglicher Rieselschiefer, und Urgyps. Der älteste von diesen ist der Granit. Ihm gebührt daher vor allen andern der Name des Urgebirges. Da, wo die erste Anlage dessel- ben unverändert geblieben ist, findet man ihn in Schichten oder Bänken gelagert (a). Die Gipfel: \ z 7 der. (z) Saussure’s Reisen durch die Alpen. Th.2. 8.525. Fersen, Mera. de l’Acad,. des sc. de Berlin, 1790. et Q1. p. 151. 153. \ ; (a) ParrAs Reise durch versch. Provinzen des Russi- schen Reichs, Th.3. $.227. Saussure’s Reisen durch, die Alpen. Th. ı. 8,114. Th. 2. S. 52a. EN MANN’s Beobacht. über dic Gebirge bey hönigsheim, - { S, 8 \ — 29 der Berge, die aus ihm gebildet sind, machen die erhabensten, aber auch zugleich die dürre- sten Theile der Erdiläche aus, ragen mit ihren schroffen , ewig beeisten Gipfeln und ihren nack- ten, steilen Wänden hoch über die Wolken em- por, und enthalten die Quellen der gröfsten Flüsse des Erdbodens. In manchen Gegenden, z. B im Rönigreiche Raschimir bey Tibet, und um Quito im südlichen Amerika, bilden ihre Rücken weite, unwirthbare Ebenen, von welchen nach allen Seiten Zweige ausgehen. - Auf und an den Granitgebirgen liegen die } übrigen genannten Steinarten in grolsen, doch gewöhnlich sanften, mit Wäldern. bedeckten Ge- birgen. Ihr Hauptbestandtheil ist Thon. Sie bil- den Schichten, die meist sehr mächtig sind, und seltener horizontal, als senkrecht fallen. Gewils ist es, dals sie nach dem Granit entstanden sind, da 5.8. 9. 11. CHARTENTIER’s mineralog. Geographie der Chursächsischen Lande, an verschiedenen Stel- len. Parasseau ' Mineralogie des Pyrenees. p. 155. Terser, Act. Acad. sc, Petropol. 782. P.2. p.201 Von Bucn’s geognostische Beobachtungen auf Rei- sen durch Deutschi. u. Iralien angestellt, B.ı. $. 245. Jameson’s minreralog. Reisen durch Schottland u. die Schottischen Inseln. Uebers. von Mevup»er. $. 19. Lınx’s geolog. u. mineralog. Bemerkungen auf einer Reise durch das südwestl., Europa. S. 25. 390 um | da sie allenthalben, wo nicht locale Ursachen, z.B. Umsturz eines Berges, die Ordnung der Schichten verändert haben (b), auf diesem, nie unter demselben gefunden werden (c). Wahr- scheinlich ist es, dafs sie bald nach der Entste- hung des Granits, als dieser noch "nicht ganz erhärtet war, erzeugt wurden, weil man. Gneis mit eingemischtem Granit, und Granit mit ein- gemischten Schieferstücken findet, und weil der Granit oft so unmerklich in den Gneis übergeht, dafs sich keine genaue Gränzlinie zwischen ihnen angeben lälst (d). Die angeführten Gebirgsarten bestehen aus Kieselerde, Thonerde, Bittersalzerde, Halkerde, Metallkalken, besonders Eisenoxyd, und einigen Säuren. Unter diesen Säuren kömmt häufig die Kohlensäure vor. Keine jener Steinarten aber enthält flüchtiges Laugensalz und Phosphorsäure, Diese zeigen sich erst in den Erden und Steinen, die von späterer Entstehung sind. Aus den bisherigen Thatsachen würde sich - jetzt schon ein merkwürdiges Resultat in Bezie- hung (b) Fenger, Nov. Act. Petropol. T. 1. P. 297 sg. (ce) Saussure’s Reisen durch die Alpen. Th.z. S. 113 114. FenBeR, Act. Petropol, 1782. P.2. p.208 (d) Haıpvıncer ın den physikal. Arbeiten der ein- trächtigen Freunde in \WVien, 2ten Jahrg. 2tes Quart, 5. 42. 7 unmmun sr # hung auf den frühern Zustand der lebenden Na- tur ziehen lassen, wenn wir darüber in Gewils- heit wären, ob die angeführten Gebirgsarten dem Wasser, oder dem Feuer ihr Entstehen verdan- ken. Fände nehmlich das Erstere statt, so wür- de folgen, dals bey der Entstehung jener Gebirge. entweder noch gar keine lebende Wesen, oder nur erst Infusionsthiere vorhanden waren, und liesse sich darthun, dafs auch diese microscopi- sche Thierwelt damals noch fehlte, so würde sich weiter schliessen lasser , dals Kieselerde, Kalkerde, Bittersalzerde, Thonerde, Metalle und die- Basen aller Säuren, nur den Phosphor aus- genommen, früher waren, als lebende Körper, Dals alle blättrige Felsarten, und namentlich der Kalkstein, durch Crystallisation im Wasser entstanden sind, ist eine, keinen vernünftigen Zweifeln ausgesetzte Meinung. Nur über die ‚Entstehungsart des Granits können Zweifel statt finden. Doch kommen auch bey diesem mehrere Umstände vor, welche für die Bildung desselben durch Präcipitation aus dem Wasser sprechen. Wir haben gesehen, dafs er ebenfall$ in Schich- ten gelagert ist. Er geht in manchen Gegenden, wo er dem Gneis zur Unterlage dienet, so un- ‚merklich in diesen über, dals sich keine Gränze zwischen ihım und dem letztern angeben lälst (e); man (e) Cnarrentier’s mineralogische Geographie der Chursächsischen Lande, $. 590. 32 — man findet Gneis mit eingemischtem Granit Grs der Gneis aber ist häufig mit Ralk vermischt, und der Kalk mit Gneisadern durchzogen (8); überhaupt gehen fast alle Gebirgsarten, nur den Porphyr und die Trappfermation ausgenommen, allmählig in einander über (h). HRäumt man also die Entstehung des Kalks durch Niederschläge aus dem Ocean. der Vorwelt ein, so läfst sich auch eine gleiche Entstehungsart des Gneis und des Granits nicht läugnen. Noch einen andern Umstand, welcher diese Meinung bestätigt, ent- deckte, Saussure in der Gegend von Valorsine. In dem dortigen Hornsteine befanden sich an de- nen Stellen, wo er dem Granit am nächsten ist, Spalten von verschiedenen Breiten, die mit einem Granit angefüllt sind, der in ihrem Innern er- zeugt und geformt seyn muls. _Aehuliche Beob- achtungen machte eben dieser Naturforscher auch zu Lyon und zu Saumur in Auxois (1). Der Granit jener Spalten konnte unmöglich anders, als durch das Eindringen eines granithaltigen Wassers gebildet worden seyn. Da nun die Be- ’ stand- (f) CuARrENTIER a.a. 0. (g) CuAnrentıen. $S.85. 127. 174 und an mehrern andern Stellen. (h) Von Bucn’s geognostische Beobachtungen. B. ı. 8. 56. | ar (i) Saussune a. a. O. Th.a, $. 517 ft. er mem 33 standtheile des Granits PER Crystallisirung durch das Wasser fähig sind, warum trager 'wir denn "Bedenken, den ersten Ursprung jener Gebirgsart aus eben dieser Ursache zu erklären? Zu diesen Gründen kömmt endlich noch der Umstand, dafs man in, einer der einfachen Steinarten, aus wel-- chen der Granit zusammengesetzt ist, dem Quarz, oft Wassertropfen eingeschlossen findet (k). Wie wäre dies möglich, wenn sich der Granit auf ei- nem andern, als dem nassen Wege, gebildet hät- te? Ich weils zwar, dals Ferger in den: Chalce- donkugeln, die sich, nach seinem Vorgeben, in einer wulcanischen Schichte des Euganäischen Gebirges befinden sollen, ebenfalls Wasser beob- achtet hat. Aber ‚wenn auch diese Schichte in der That vulcanischen Ursprungs ist, so können doch unmöglich die Chalcedonkugeln durch das Feuer hervorgebracht seyn. Die ursprünglichen Gebirge wurden also auf eine solche Art gebildet, dafs, wenn bey ihrer Entstehung schon lebende Körper vorhanden ge- gewesen wären, viele von diesen nothwendig . hätten versteinert werden, oder doch Merkmale ihrer Gegenwart zurücklassen müssen. Alle jene Steinarten enthalten aber keine Petrefakten, Die "Zeit kann die Spuhren derselben nicht verwischt haben; ' (k) Act. Hafniens, Vol. Y. p. 200. 111. Bd. | C 34 — haben: denn in jenen Felsarten sind dünne $tei- ne, zarte Schichten und Crystalle von der Feib- heit der' Seide aufs vollkommenste erhalten; um so mehr hätten also starke Muscheln der Zer. stöhrung widerstehen müssen (l). Bey .der Bil- dung der ursprünglichen Gebirge existirten folg- lich. entweder noch gar keine lebende‘ Wesen, oder nur erst Infusionsthiere, von deren Daseyn, keine Spuhr zurückbleiben konnte. Doch auch. Infosionsthiere können damals schwerlich schon vorhanden gewesen seyn. : Es mülste sich flüch- tiges Laugensalz in den frühern Gebirgsarten fin- ‚den,‘ wenn dies der Fall gewesen wäre, Wir können daher: schliessen, dals Kieselerde, Halk- erde, Bittersalzerde, T’honerde, und, ausser dem Phosphor, die Basen aller übrigen Säuren, na- mentlich Kohlenstoff, früher waren, als lebende Körper. | ie Re Wir gehen jetzt weiter in der Betrachtung der Gebirgsschichten, und wenden uns zu den Ueber- gangsgebirgen, den Flötzgebirgen und den aufge- schwemmten Erdiagen. Zu den ersten gehören: die Grauwacke, der, Grauwackenschiefer, der Ueber- gangskalkstein , der Uebergangstrapp und die neue- - re Formation des Kieselschiefers; zur zweyten der . Band+ (I) Savssunz a.a. 0. Tu. 6.605. er N % —— 35 Sandstein, der Flötzkalk, die Kreide, der Gyps, das Steinsalz, die Steinkohlen und der Flötztrapp ; zu den letztern der Thon, Sand, Kalktuff, die Braunkohlen und der Torf; . ‘ , Alle diese Substanzen tragen die deutlichsten. Merkmale der Entstehung durch Niederschläge an sich. Ihre Schichten sind unter einander parailel, aber nicht nach, ihrer specifiquen Schwere geord- net, Oft liegen sie horizontal, ‚oft abe* sind sie auch unter jedem andern Winkel gegen den Ho- rizont ‚geneigt. Die ältesten, welche aus Ralk- stein bestehen, der unmittelbar auf den ursprüng» lichen, folget, enthalten Versteinerungen von Po- lypen und. Schaalthieren, doch nür erst in sehr geringer Menge (m). Zwischen ihnen findet sich diejenige, von den uranfänglichen merklich vera schiedene "Art. von Thonschiefer, die wir oben mit dem Namen des Grauwackenschiefers belegt haben, Hier fangen nicht nur ebenfalls Ueber- " bleibsel von Thierpflanzen und Mollusken , son dern auch von Farınkräutern und andern Phyto- zoen an, sich zu zeigen. Die Zahl dieser Orga- nismen mehrt sich in den Gebirgsarten der Flötz- formation, doch auch hier nur erst stufenweise, Der Slteshe Flötzkalk, welcher entweder unmit- tel- AL \ (m) Fersen," Mem. de l’Arad. des sc, de Berlin. 1790 et gu Ppı55 m | uH ! LIBEN TE & 36 ————— telbar auf die Grauwacke folgt, oder. von dieser blos durch die erste Sandsteinformation getrennt ist, enthält auch noch erst wenig Versteinerun- gen. Im demselben liegt aber oft ein kupferhal- tiges Flötz, worin Skelette von Fischen mit an- dern wirbellosen Seethieren vorkommen. Nach der Bildung dieser Gebirgsarten erfolgte der Nie- derschlag eines Gypstlötzes, und einer Sandstein- lage, dessen Ursache zugleich grolse Veränderun- i gen in der lebenden Natur bewirkte, indem viele der frühern Arten von Meerthieren in den folgen- den Schichten von Muschelkalk und Kreide jetzt verschwanden, und an deren Stelle neue erschie- nen, welche nicht in den vorhergehenden. Schich- ten gefunden werden. Hierauf trat eine Periode ein, in welcher eine zahllose Menge zertrümmer- ter Phytozoen und Pflanzen auf den Meeresboden kam. Jetzt bildeten sich die Steinkohlenflötze, zwischen welchen Schiefer mit Abdrücken von Pflanzenthieren und Vegetabilien befindlich sind, In allen diesen Schichten kömmt aber noch keine Spuhr von Landthieren vor. Grols ist dagegen die Menge von Koochen vierfülsiger Thiere, die man in den letzten Erdlagern von man Mergel und Kalktuff ApAeueT, » Hier: ist eine neue, an Folgerungen sehr- fruchtbare Reihe von Thatsachen, Wir sehen jetzt, dals die Bildung der lebenden. Natur von | Poly- BE \ a | ‚37 Polypen und Mollusken, also von den‘ untersten Stufen der Organisation anfıng, 'von diesen zu den Pflanzen, und erst dann zu den Landthie- ‚ren fortschritt. Ein ähnlicher Fortgang vom Ein- fachern und Zusammengesetztern findet aber noch heut zu Tage bey der Erzeugung aus formloser' Materie in Aufgüssen von vegetabilischen und animalischen Substanzen statt (n). Die ganze le- bende Natur wurde also durch eine Kraft hervor- gebracht, die noch jetzt auf gleiche Art wirksam, aber freylich in ihren Wirkungen weit beschränk» ter ist, als in den Zeiten der Urwelt, | Jene Kraft ist die Lebenskraft. Keine Kraft läfst sich als absolut unwirksam denken. Nun aber finden wir keine Spuhren von Wirkungen der Lebenskraft im Granit und den übrigen Urge- birgen. War also. etwa jene Kraft bey der Bil- dung dieser Gebirge noch nicht vorhanden? Oder befand sie sich damals in einem gebundenen Zu-= stande? Diese Fragen führen auf das Problem vom ersten Ursprunge alles Lebens, - Um. das- selbe zu lösen, müssen wir den, im zweyten Buche dieses Werks (0) bewiesenen Satz zu Hül- fe nehmen, dals mehrere, bis jetzt noch unzer- legte Stoffe, namentlich Kohlenstoff, Eisen, Ries | sel- (n) Biol. Ba.2. (0) 8.485 N 1 | >08 | f 38 zZ ie selerde, Kälkerde und Bittererde, im lebenden Körper blos aus Wasser und athmosphärischer Lufs erzeugt werden. Wir müssen uns ferner erin- nern, dafs eben diese Stoffe in den Urgebirgen enthalten sind, und also früher vorhanden gewe- sen seyn müssen, als Thiere, Zoophyten und Pflanzen 'waren. Wir müssen endlich annehmen, dals der Kohlenstoff, die Metalle und Erden, die sich in den Urgebirgen befinden, nicht von jeher als solche vorhanden gewesen sind, sondern aus einfachern Grundstoffen zusammengesetzt wor- den, indem die entgegengesetzte Voraussetzung auf die Hypothese eines allgemeinen Auflösungs- mittels, worin alle Bestandtheile der Gebirgsarten vor ihrer Präcipitation zu gleicher Zeit 'enthalten waren, also auf eine, mit chemischen Gesetzen ganz unvereinbare Meinung führt, Aus diesen Sätzen folgt nun, dals die Erde in ihrem ur-. sprünglichen Zustande gleiche Produkte hervor- brachte, wie in spätern Zeiten, als sich lebende Körper auf ihr erzengten, von diesen ‚gebildet wurden. Aber ‚gleiche Wirkungen setzen gleiche Ursachen voraus. Da wir also keine andere Kraft kennen, welche Kohlenstoff, Metalle und Erden aus einfachern Stoffen zusammenzusetzen vermag, als die Lebenskraft; so ist es wahr- scheinlich, dafs diese es auch war, welche den Grundstoffen der Urgebirge ihr Entstehen gab. .So [-oriemnn 39 'So'wie es für die Wärme einen gewissen Zu- stand giebt, den wir mit dem Namen des Ge. bundenseyns derselben bezeichnen, so fand daher ‚auch für die Lebenskraft in den frühesten Zei- ten der Erde ein ähnlicher Zustand statt. Aber Gebundenseyn der Wärme. ist nicht aufgehoben, sondern nur anders modilicirte Thätigkeit dersel-_ "ben. Eben diese Bewandnifs muls es in jenen Zeiten mit der Lebenskraft gehabt haben. Leben war damals ein Attribut der ganzen Erde; der Charakter dieses Zustandes war damals vielleicht auch in der Struktur der Erde noch deutlich ausgedrückt (p); es, fand noch keine Trennung . zwischen dem Lebendigen und Leblosen statt; diese entstand erst, als sich einzelne Organismen von der Erde losrissen, und kleinere, in sich geschlossene Welten darstellten. Aber auch jetzt zioch ist hi Gegensatz des Lebendigen und des Leblo- (p) 'Metallurgi passim vulgari ratione venas pro tun. cis ramisque habent, quasi vegetatione erevissentt scilicet quia delineatas a mensoribus hang speciem aliquando praebere vident.. ‚ Nec dubium est, cum prima telluris tenerae stamina duceret sapientissimug conditor, aliquid formationi animali aut plantae simile contigisse, sed. incendüs et eluvionibus ac xuinis nunc ita detortum perturbatumque in hac superhicie et velut cute, ut aegerrime nosei possik, LeısnıtTız Protog, p.17. 18. a 40 H nn) Teeblosen nur für ‘unsern Gesichtspunkt, "nicht aber für die Natur vorhanden. - Alles, das Uni- versum selber, besitzt Leben: denn wie ist es sonst erklärbar, dals in der Thätigkeit des Welt- alls, welche durch Einwirkungen unterhalten wird, die aus der Unendlichkeit kommen, und. in die Unendlichkeit übergehen (gq), dennoch Gesetzmälsigkeit herrscht (r)? Ra Der erste Ursprung des Lebens überhaupt’ verliehrt sich also in dem Ursprunge des Univer- sums. Das aber, was uns als lebende Natur er- scheint, war ein Produkt der Erde, und das Ent stehen und die Stufenfolge in. der Entwickelung derselben erfolgte nach demselben Gesetze, nach welchem jedes Individuum, das für unsern Stand- punkt lebend ist, Perioden der Erzeugung, des Wachsthums, der Metamorphose und Fortpflan- zung durchläuft, "dir, Dies sind die allgemeinern Resultate, die sich aus der Ordnung ergeben, in welcher die “ Veberbleibsel ehemaliger lebender Körper in den. verschiedenen Gebirgs- und Erdschichten vorkom- men, Lafst uns jetzt _diese Heherhleabsel näher ’ unter- (9) Biol. Bd.ı. 8.53. | {(r) Biol. Bd.ı. 5.50. “ | ger üntersuchen, die Familien, Geschlechter und Ar- ten, zu welchen sie gehören, bestimmen, uni sehen, auf welche Folgerungen diese Betrach- tungen uns führen ‚werden. Vorläufig. müssen wir indefs einige allgemeine Bemerkungen über den Zustand machen ,. worin sich jene Reste zeigen. Man trifft diese Reliquien in einem dreyfa- chen Zustande an: sie sind entweder durchdrun- gen von einer fremden Substanz; oder man fin- det sie in dieser eingeschlossen ; oder es ist ein “ blofser "Abdruck ihrer Form, was von ilınen "übrig ist, ” | = Durchdrungen von einer ‘fremden Substanz sind: | ı) die wahren Petrefakten, ehemalige lebende Körper, welche in steinartige Massen - ‚verwandelt sind; 2) die metallisirten Körper, die mit ‚erzhaltigem Stoff durchzogen sind; 5) die blos calcinirten !Körper, oder Fossilien im engern Sinne, Ueberbleib- -sel von Thieren, die blos ihre Gallerte ver- lohren haben, und dagegen ‚von fremden Erd« theilen durchdrungen sind; x 5 REINE T # 42 | wma £ Zu den Substanzen, worin ehemalige lebende Körper eingeschlossen vorkommen, gehöret vor« züglich der Bernstein. Blofse Abdrücke von Thieren, Pflanzen und Zoophyter findet man häufig im Sandsteine, Thon- schiefer und andern Steinarten. Sie sind von doppelter Art: 1) Steinkerne, Abdrücke der innern Höh- lung von Muscheln, Schnecken und " Gehäu- sen der Würmer und Zoophyten FE: °) Spuhrensteine, Typolithen, Abdrük- ke der äussern Oberfläche ehemaliger leben+ der Organismen in weichen Steinmassen, die nachher erhärtet sind, Re i _ 1% Untersuchen wir jetzt zuerst diejenigen Reste von lebenden Wesen, die ın den ‚ältesten Flötz- gebirgen vorkommen, und also früher als alle. übrige Thiere, Zoophyten und Pflanzen entstan- den sind, so ergeben sich mehrere, ‘höchst merk- würdige Resultate, Ehe wir diese aber mitthei- len können, müssen wir ein Verzeichnis der verschiedenen Geschlechter ‚jener Körper voraus. schicken, ‚Von Thierpflanzen gehören hierher: , | Re 1) Die T eo . 43 i) Die Encriniten, Zoophyten, welche:zu- nächst an die heutige Familie der Seefedern, und zwar. vorzüglich an das Geschlecht En- crinus gränzen, und aus einem einfachen ge- gliederten Stiele, und einfachen, artikulirten, der Länge nach gespaltenen, auf ihrer in- nern Seite mit Flossen versehenen, auf dem Gipfel des Stiels rings um eine gemeinschaft» liche artikulirte Basig sitzenden, und, bey der gemeinen Art, zusammengeschlagen einer unaufgeblühten Lilie ähnlichen Organen be- stehen, 2) Die Pentacriniten, Thierpflanzen, wel. ‚ che ebenfalls dem jetzigen Geschlechte En- erinus verwandt sind, auch aus einem ein- fachen j gegliederten Stiele bestehen , auf welchem gegliederte, aber vielästige Arme -um einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt sitzen, und an das vorige Geschlecht durch den Enerinus coralloides (s) gränzen‘, eine seltene Art von Versteinerungen, deren Stiel aus einer Reihe sehr breiter Glieder (Trochi- ten) besteht, und deren Kopfidem der gemei- nen Encriniten ähnlich ist, nur dafs die . Aeste 4 (s) ANDREÄ’S Briefe aus der Schweitz. 2ter Abdruck. 5. 4. Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel, $t.7. Tab.7. g.h. i. k. 1. m, j 44 U __—_ ‚Aeste nicht so regelmälsig, wie bey den letz- tern, sondern 'unordentlich unter einander verschlungen sind, ; ; 3) Die Echiniten,. Asteritew, Madre- poriten u.s. w. Polypen aus den jetzigen Geschlechtern Echinus, Asterias, Madrepora u. 8.w. (t). Hierher gehörige Mollusken sind: 1) Die geraden Tubuliten, gerade, glatte, mit ‚ringförmigen Absätzen, - aber keinen - Scheidewänden versehene Röhren. s) Die Doppelröhren (u), zwey gerade, cy- lindrische, parallele Röhren, die in einer ge. \ meinschaftlichen Scheide eingeschlossen sind. 3) Die Dentaliten, pyramidalische, ge- krümmte, der Länge nach gestreifte Körper mit einem Canal ohne Scheidewände. ® 4) Die Belemniten, conische, vielkamme- richte, mit einer dicken Rinde, in deren Queerbruche Strahlen aus dem Mittelpunkte nach der Peripherie ‚laufen, umgebene Röh- ren. 5) Die N (t) Zu den Thierpflanzen der Vorwelt müssen olıne Zweifel auch die sogenannten versteinerten Schwäm- me (Fungiten) gerechnet werden. (u) Bitubulites problematicus. Brumeszach specimen archaeologiae tellurisetc. p- 25. Tab. II. fig. 9. / - _ een ne) 45 5) -Die Orthoceratiten, ebenfalls: conische und vielkammerichte, aber mit keiner Rinde bedeckte Röhren. 6) Die Ammoniten und’ Lituiten, lange, conische, vıelkammerichte, spiralförmig ge- wundene Röhren mit abgesonderten Windun- gen (v). 7) Die Lenticuliten, Linsensteine, Helici- ten, Phaciten, vielkammerichte, spiralförmig gewundene, auf beyden Seiten der Fläche, in welcher sich die Windungen befinden, mit einer nach aussen convexen Schaale be- : deckte Gänge. 8) Die Nautiliten, Turbiniten, Strom- biten, Bucarditen, Pectiniten, Cha- miten, Terebratuliten, Soleniten, Mytuliten, Telliniten u. s. w., Conchy- lien der Vorwelt, die sich zu den jetzigen Geschlechtern Nautilus, Tulbo‘ 'Strombus, Buccinum, Cardium, Pecten, Chama, Tere. | bratula , Solen, Mytilus, Tellina u. s, w. bringen lassen. 9) Die (7) In diesem letztern Zusatze unterscheiden sich die ‚ Ammoniten 5 Lituiten von den Nautiliten, de- zen äusserstes Gewinde die inneru umfafst und mit diesen verwachsen ist, x 26 9) Die Pantoffelmuschel (w), eine Mu- schel. aus der Familie der Austern, von de ren beyden ungleichen Schaalen die eine co- nisch ist, eine stumpfe umgebogene Spitze, Eine platie Seite und der Queere nach ge= hende Rippen hat, die andere, oder der Deckel, flach, halbeirkelförmig, mit ähnli- chen Rippen versehen, und am Rande ER zähnt ist, 10) Die beyden Delucschen Bivalven vom Berge Saleve (x). Die eine der- selben, welche ‘sich der Form der Herzmu- scheln nähert, zeichnet sich vorzüglich durch zwey sehr ungleiche Klappen, durch ein erö-, fseres und stärker artikulirtes Schlofs, wie man bey irgend einer bekannten Art der noch lebenden Muscheln antrifft, und darin aus, dafs das Innere der kleinen Klappe dem menschlichen Ohre sehr ähnlich ıst: Die an- dere hat in der Textur der Schaalen einige Aehnlichkeit mit den Schinkenmuscheln (pin na). In der Form aber entfernet sie, sich. gänzlich von diesen.’ Die beyden- Klap- pen sind nicht symmetrisch; die eine ist con- x | 4 | (w) Von Hürscn’s heue in der Nat. Gesch. des ‚Nie- der-Deutschland’s ‚gemachte Entdeckungen. $. 4 | RN SAUSsUnE’s Keisen. dusch. die Alpen. Th, 14 MRAIG. 4 Tab, II. | it 47 \ } vex und mit groben Höckern besetzt; die andere hingegen ist plattgedrückt, erhebt sich aber doch gegen das 'Schlofs hin, von welchem kleine Rinnen, die sich in Aeste zertheillen und den Rippen eines Blatts ziem- lich ‘gleich kommen, bis ohngefähr über zwey Drittheile der Oberfläche hinlaufen, Diesem Verzeichnisse müssen wir aber noch eine-Bemerkung beyfügen. Wir haben hier die Tubuliten, Doppelröhren, Dentaliten, Belemni- ten, ÖOrthoceratiten, Ammoniten, Lituiten, und Lenticuliten zu den Mollusken gerechnet, : Indels scheint es mir, aus Gründen, die weiter unten vorkommen werden, «sehr zweifelhaft zu seyn, ob diese Eintheilung richtig ist, und jene Rör- ı per nicht vielmehr zu den Thierpflanzen, oder gar zu einer ausgestorbenen Classe, welche , gleich den Würmern, zwischen den Mollusken und Thierpflanzen in der Mitte stand, aber doch von den Würmern sehr verschieden war, ge- zählt werden müssen, Folgendes sind nun die Resultate, die sich ‚ aus einer genauern Untersuchung der Struktur und Verbreitung der angeführten Körper ergeben: 1) Alle gehören, wie schon gesagt ist, entwe- der zu den Polypen und Schaalthieren, oder doch zu einer Classe, die zwischen diesen in . der- Mitte stand, 48 | um | N. 2). Manche derselben sind von höchst wunder- barer , fremdartiger Struktur, wovon ge nichts Aehnliches unter den jetzigen Bewoh- nern der Erde mehr findet, und.viele zeich- nen sich durch eine ailsseror de grolse Menge von Artikulationen aus.» Höchst fremdartig ist zuerst die Struktur der 'Ammoniten, BoLTten (y) löste von einem Am- monshorne den steinartigen Thon ab, wodurch die Windungen dieser Thiere an einander gekit- tet sind, worauf das ganze Horn, wie eine auf- gewundene und wieder losgelassene - Uhrfeder, sich von einander gab, und so beweglich, wie die Schwanzspitze einer Klapperschlange, wurde. Die Ammoniten sind also Ueberbleibsel eines aus vielen Gelenken bestehenden, und mit einer har- ten Schaale gleichsam gepanzerten Thiers, das seinen Körper ausstrecken und spiralförmig zu- ' "sammenlegen konnte. Wo findet sich etwas Aehn- liches unter den jetzigen Polypen oder nie re Eben diese Frage läfst sich bey den Lenti- culiten aufwerfen. Zwischen den beyden kreis- förmigen, inwendig .concaven Schaalen, womit diese Körper bedeckt sind, findet man einen spi- ralförmigen Gang, dessen eh mit dem Mit- 'tel- “ (y) Berrkälsigangen der Berlinischen Gesellschaft, B. IV." 8.510 ff, ' = . —— 49 telpunkte der Schaalen übereinkömmt, und wel- cher durch zahlreiche queerliegende Scheidewän- de in eine grolse Menge kleiner Zellen abgetheilt ist. In dieser Struktur sind also die Linsen- steine den Nautiliten verwandt. Allein bey den Nautiliten, und selbst den kleinsten microscopi- schen, sind die Scheidewände der Kammern durchbohrt , und jede Schnecke dieser Art hat nur einen einzigen Bewohner. Zwischen den Kammern der Lenticuliten aber findet gar keine Verbindung statt. Nur die äussersten Zellen sind nach aussen offen; alle übrige hingegen von allen Seiten verschlossen. In dieser Struktur ent- fernen sich die Linsensteine ganz und gar von den» -Nautiliten, und nähern sich den Thierpflan- zen, Es ist unmöglich, da[s bey dieser Einrich- tung die sämmtlichen Kammern von einem ein. zigen Thiere können bewohnt gewesen seyn; sehr wahrscheinlich ist hingegen Saussure’s Mei. ı nung, dals jede der äussersten Zellen einen eige- nen Bewohner gehabt habe; dafs. sich dieses Thier fortpflanzte, indem aus dem obern Theile desselben ein neues Thier hervorsprolste, -wel- ches sich dann ebenfalls eine neue Zelle bauete; dafs unterdels das alte Thier starb, und seine Kammer. durch eine Wand verschlossen wurde, welche der Wohnung des neuen Thiers zur "Grundlage diente; und dals sich auf diese Art nach und nach immer neue Thiere erzeugt ha- II. Ba. | D > ben, - = so | | gmnarmmunen ben, welche ihre Wohnungen in der Gestalt einer. Spirallinie an einander bauten (z). Die Belemniten wurden vermuthlich auch von einer Thierpflanze bewohnt, die sich in der äussersten Zelle dieser vielkammerichten, coni- schen Rölıre aufhiel. AnpreÄA (a) sahe eine Versteinerung dieser Art, deren Schaale an dem spitzen Ende weggebrochen war. Dadurch war ein Körper entblöfst worden, der sich mit ver- schiedenen Furchen oder Falten in eine Spitze endigte. Diese war bey einigen etwas abgerun- det. Die Falten bildeten 'an dem Ende, wo sie zusammenliefen, kleine Erhöhungen, meist acht an der Zahl, und schlossen eine sternförmige Oeffnung ein. Nicht unwahrscheinlich ist An- przeÄA’s Vermuthung, dafs jene polypenartigen, Körper die Einwohner der Belemniten waren. Von eben so wunderbarer, dem Baue der. jetzigen Thierarten ganz unähnlicher Struktur sind die Orthoceratiten. Sie gränzen aber von manchen Seiten so nahe an die'‘Ammoniten und Lenticuliten, dafs sie ohne Zweifel mit diesen in einerley Classe ;gesetzt werden müssen. Er- wägt man nun die gänzliche Verschiedenheit der angeführten Körper von allen heutigen Organis- men, (z) SAussune's Reisen. Th.2. $. 84 ff, (a). Anpreä’s Briefe aus der Schweitz, 5.31. u | St men; und diese nahe Verwandtschaft, die sie un- ter einander haben, so wird man unsere obige Vermuthung, dals sie zu einer ausgestorbenen Classe gehört haben, die, gleich den jetzigen Würmern, das Mittel zwischen den Mollusken und Thierpflanzen hielt, jedoch von den heuti- gen Würmern sehr verschieden war, nicht un- wahrscheinlich finden. Bey denjenigen Organismen der Urwelt, wel- che mit Zoophyten oder. Mollusken der jetzigen Erde zu einerley Familie oder Geschlecht gehört haben, und wovon also noch analoge Formen übrig sind, erstreckt sich diese Analogie doch meist nur auf das Ganze der Organisation. In einzelnen Theilen zeigt sich dagegen auch hier die auffallendste Abweichung von allen heutigen Gestalten der lebenden Natur. So giebt es zwar unter den ältern Petrefakten sehr zahlreiche Ar- ten, die mit dem noch vorhandenen Geschlechkte der Seeigel (Echinus) übereinkommen. Aber alle heutige Gattungen dieses Geschlechts haben Sta- cheln; hingegen unter den Seeigeln der Vorwelt waren viele mit Organen von ganz anderer Struk-, tur, mit den sogenannten Judensteinen, besetzt (b). Als (b) Anorzä a. a. O. S.265. Tab. ı4. fig. d. Tab. 15. fig.a. De Luc, Mem. presentes a l’Acad, des sc. @ Paris. T.IV, 1763. p.467. | | ..D* 2 Er Als einen andern merkwürdigen Charakter der ersten lebenden Produkte der Erde haben wir die ausserordentlich grolse Menge von Artikula- tionen genannt, womit viele derselben versehen sind. In diesem Stücke zeichnen sich vorzüglich die Encriniten und Pentacriniten aus. Bey ihnen besteht Zuerst der Stiel aus lauter scheibenförmi- gen Wirbeln, (Trochiten, Asterien) die mit wun- derbarer Kunst durch zahlreiche Hervorragungen, womit sowohl die obere, als die untere Fläche eines jeden Wirbels besetzt ist, und welche aufs genaueste in Einschnitte der beyden anliegenden Wirbel passen, unter einander verbunden sind. Bey den Encriniten artikulirt ferner der Stiel mit den Armen durch mehrere Knochen, die eine ganz ähnliche Verbindung unter einander haben, wie die Knochen der Handwurzel des Menschen.. Aber noch weit zahlreicher sind die Glieder jener Arme, die aufs regelmälsigste von der Basis bis zur Spitze an Grölse abnehmen. Jeder der Arme artikulirt wieder nach innen an beyden Seiten- rändern mit 'einer höchst zart gefiederten Flosse, und von diesen Flossen sind endlich noch die einzelnen Fäden aufs feinste gegliedert (c). 5) (c) Vergl. Rosını tentaminis de lithophytis etc. pro- dromus. HOoLLMANN pentacrinorum etc. deseriptio, in Eiusd. Commentat. sylloge altera. BLUMENnBACH ‘in Voıor’s Magazin f. d. Neueste aus der Physik n, s. w. B. VI. St. 4.,5.1. FE ‚53 5) Viele sind von einer Riesengrölse, wozu keine ähnliche Organismen heutiges Tages mehr gelangen. So giebt es Nautiliten, die bis = Fuls (d), und Ammonshbörner, die mehrere Ellen im Durchs» _ messer haben (e). 4) Manche zeichnen sich durch eine sehr weite “ Verbreitung aus, und zugleich beweisen meh- rere Umstände, dafs sie an denjenigen Orten, wo sie in jetzigen Zeiten gefunden werden, ursprünglich gelebt haben müssen, und nicht aus fremden Welttheilen durch Meeres- fluthen dahin gebracht seyn können. Von der ausgedehnten Heimath mancher Thiere der Vorwelt geben vorzüglich die Ammo« niten einen Beweis, die fast in allen bekannten Ländern entdeckt sind (fJ,. Es zeugen dafür die Eneris (d) Annpreä’s Briefe aus der Schweitz. $.23: 265. (e) Eines 'Ammoniten von 44 Tufs erwähnt EsrEr (Schriften der Berlin. Gesellschaft, B.V. 5.57.). (f) Unter en: findet sich an der Mündung des Indischen Flusses Gandica eine eigene Art von Ammoniten, (Ammonites sacer. BLUMENBACH specimen archaeolog. telluris etc. p. 21. Tab.II. fig, 7) die ” den Indiern heilig ist. £ 8 A ‘4 nn nn Encriniten, welche ebenfalls in dem ursprüngli- chen Ocean sehr gemein und sehr weit verbreitet gewesen seyn müssen, wie die Menge einzelner Glieder von ihnen beweiset, die man an so vie- len Orten antrifft (g). Dafs aber die Gegenden, wo man jene Thie- re versteinert findet, auch ihr ursprünglicher Aufenthalt gewesen sind, erkellet daraus, weil diese Petrefakten an ihren jetzigen Lagerstäten eben so in Colonien und Familien vorzukommen pflegen, wie die Mollusken und Polypen heut zu Tage auf dem Boden des Meers leben. Von die- ser Bemerkung findet man unter andern einen Beweis im Luzerner Gebiete, wo eine eigene Art von Dentaliten in einem aschgrauen, festen Kalk- steine in grölster Menge und ohne, mit irgend einem andern Petrefakt vermengt zu seyn, dicht beysammen liegen (h); an der Menge von Lilien- steinen, die oft in einem kleinen Kaume zusam- mengedrängt sind, und an den ungeheuren Mas- sen von Gliedern der Encriniten, die man in so vielen Gegenden antrifft (i), und welche häufig in einer Versteinerungsschichte ruhen, wodurch der ältere Sandstein und der auf ihm ruhende Ralk- (g) BrumengacH in Voıcr’s Magazin f. d. Neueste aus der Physik u. s. w. B. VI. Sı.4. S.ı6. (h) Brumensaca ıa.a. OÖ. B.V. St.ı. S.1% (1) BrumensacH a. a. O. B.VI..$t. 4. S. 16. ı7. — sr Kalkstein von einander getrennt sind (k). Nir- gends aber giebt es so einleuchtende Belege zu jenem Satze, als in dem Thale von Trento, Hier sieht man von der Fläche des Thals an bis 500 Fuls hoch am Abhange der Berge, welche diese Fläche’ begränzen, nichts als Tausende von Ammoniten, die ı£ Fufls und darüber im Durch- messer haben, Alle liegen wie mit Kunst geord- net neben einander, alle mit der Fläche der Win» dungen parallel auf der geneigten Fläche der Schichten; nie steht einer von ihnen den Schich» ten entgegen; auch bedecken sie nur die Ober- fläche der Lagen; fast niemals sieht man sie in der Mitte, oder am Boden, Höher hinauf ver- schwinden diese Körper völlig, und man erblickt dagegen ein zahlloses Heer von DBelemniten, Bucciniten , Volutiten, Echiniten und andern un- kenntlichen Versteinerungen, die in wilder Ver- wirrung durch einander liegen. Ganz oben er- scheint wieder eine neue Familie, die der Lentis culiten , die so dicht an einander gedrängt die ' Schichten erfüllen, dals kaum noch eine Spuhr des sie bindenden Kalksteins zu sehen ist (l); Noch eine andere Erscheinung, welche ebenfalls für den obigen Satz spricht, sieht man in den A . | Thon» (k) Von Bucn’s geognostische Beobachtungen. B. ı, ‚9. 149. (dd) Von Buch 2.2. O. S, 303. D4 ‘6 ———us ' Thonhügeln von Toscana, besonders in der. Ge- gend von Siena, wo von benachbarten Hügeln, ja zuweilen von an einander stolsenden Flächen eines und desselben Hügels einige so voll von versteinerten ‚Muscheln sind, dafs das Erdreich weils davon ist, indem die anliegenden keine Spuhr von Petrefakten enthalten (m). Diese -Thatsache würde unerklärbar seyn, wenn jene Muscheln durch Meeresfluthen , oder auf eine andere zufällige Art in ihre eng og EEE gebracht wären. | 5) Grofs ist die Mannigfaltigkeit der Arten und die Zahl der Individuen dieser Organismen. Die Menge der letztern, welche in manchen Gegenden vorkömmt, übersteigt alle Vor- stellungen selbst der kühnsten Einbildungs- kraft, und zeugt von der üppigsten Frucht. barkeit der jugendlichen Erde. | Sehr reich an Arten sind vorzüglich die Ge- schlechter der Encriniten , Pentacriniten, Echini- ten und Ammoniten. Von den Encriniten und Pentacriniten findet man selten vollständige Exem- plare, aber desto häufiger die scheibenförmigen Glieder ihrer Stiele, die sogenannten Trochiten, Entrochiten , und Asterien, und diese varüiren aus- (m) Saussure’s Reisen. Th.ı. $.50. $.65. nie il ausserordentlich in ihrer Gröfse und Gestalt (n). Eben so grofs ist die Mannichfaltigkeit der Echi- niten, und gerade diejenigen müssen zu den zahl- reichsten dieses Geschlechts gehört haben, die statt der Stacheln mit den sogenannten Juden- steinen besetzt sind, und wovon nichts Analo- ges in der jetzigen Schöpfung mehr vorhanden ist. Nichts kömmt aber der Verschiedenheit bey, die wir unter den Ammonshörnern - antreffen, Schon Jussıru (o) zählte blos in Frankreich über hundert Arten derselben. Von der unendlichen Menge der Individuen, die den Ocean der Vorwelt bewohnten, enthält fast jedes Land Beweise, Es giebt ganze Theile der Erdrinde, die fast blos aus ihnen zusam- mengesetzt sind. Unzählbare Schaaren derselben liegen in den Höhen um Paris und um Bour- gogne. Bey Chaumont bestehen die Hügel, die zum Theil von änsehnlicher Höhe sind, aus lau- ter Schnecken. Bey Rheims findet sich ein sol- ches Bett, das viele Meilen lang und breit ist (p). In Touraine liegt eine Schichte von lau- ter (mn) Rosınus de lithophytis. Tab. IV sg. Warcn’s Nat. Gesch, der Versteinerungen. Th.2. Kap. XI. S, 69 FE. (0) Mem. de l’Acad. des sc. de Paris. 1722. Ed.8g. p- 319: (p) BercmAnn’s physik. Erdbeschreibung. B.ı. $. 248. "D’5 | sg —— ter Conchiten, die einen Raum von mehr als 130 Millionen Cubikfaden einnimmt (q). In den Pyrenäen tritt man fast bey jedem Schritte auf Lenticuliten (r). In den Gegenden von St-Go- bain in der Picardie sind ganze Kalkfelsen mit dieser Petrefaktenart angefüllt (s).. Im England giebt es Steinkohlengruben, wo die Arbeiter in einer Tiefe von 9 bis ıo Fuls, und in ei- ner Weite von mehrern Englischen Meilen oft nichts als eine gewisse Art von Conchiten fin- den (t). 6) Unter allen Petrefakten der Uebergangsge- birge und der ältesten Flötzgebirge kömmt keine Art vor, die noch in der jetzigen le- benden Natur zu finden wäre. Alle diese Erstlinge der Erde gingen unter, und neue Geschlechter folgten ihnen. nt Hier (g) Hist. de l’Acad. des sc. de Paris. 1720. Ed. & Bu | | (r) RAamonp, Annales du Museum d’Hist. nat. T.IIM, p- 82. (s) Saussure’s Reisen. Th. 2. $.86. (t) Rıcnarp RıcHuArpson in Lurpr Lithophyl. Bri- tann. p, 109, — Eine Menge anderer Thatsachen der Art haben BercmAann (Physik. Erdbeschr. B.ı, 5.247. $.57) und Horrmann (Commentat. sylloge altera. p.43. $.ı2) gesammelt, Hier ist der wichtigste unter den bisherigen Sätzen. Von Belemniten, Orthoceratiten, Lituiten und Lenticuliten ist noch nie auch nur etwas Aehn- liches in der jetzigen Natur entdeckt worden. Von den übrigen‘ Zoophyten und Mollusken des obigen Verzeichnisses giebt es zwar analoge Kör- per unter den heutigen Bewohnern der Erde, aber die Aehnlichkeit ist entweder eine blofse Gleichheit des Geschlechts (genus) bey gänzlicher Verschiedenheit der Art (species); oder es ist gar “nur eine schwankende Uebereinkunft in dem 4 Habitus. Die. Encriniten und Pentacriniten sind, wie schon gesagt ist, dem heutigen Geschlechte En- . crinus, und zwar die erstern dem, aus der Tie- fe des Grönländischen Meers hervorgezogenen, von Mryrıvs (u) und Erriıs (v) beschriebenen En- crinus radiatus (Vorticella Encrinus L.), die letz- tern der Gu£TTarnschen Encrinus Asteria (Isis Aste- ria L.), wovon ein Exemplar an der Küste von Barbados gefunden ist (w), ähnlich. Allein schon bey einer flüchtigen Vergleichung der Beschrei- bun- (u) Schreiben an den Herrn von Haller. Londom, rum 1/99 (v) Essais sur l’Hist. nat. des Corallines. p. 110, (w) Mem. de l’Acad. des sc, de Paris. 1755. 6o | — bungen des Encrinus radiatus mit einem voll. ständigen Encriniten, oder mit den Beschreibun- gen und Abbildungen, welche Rosınus (x), Ha- RENBERG (y), Horı.mann (z) und BLUMENBACH (a) von dieser Petrefaktenart geliefert haben, zeigen sich grolse Verschiedenheiten, worunter die wich- tigste diese ist, dals der Stiel des letztern nicht aus artikulirten Gliedern besteht, wie der der sämmtlichen Encriniten. Nicht weniger verschie- den ist die GusttTarpsche Seepalme von allen be. kannten Arten der Pentacriniten. An jener hat der Stiel wirtelförmige Seitenäste, welches bey keinem .der letztern statt findet (b), ausser bey einem, von AnprEÄ (c) abgebildeten Entrochi- ten, der aber vielleicht erst von neuerer Entste- hung ist. N zü | Die (E): Arad . ‘(y) Encrinus s. lilium lapideum. Wolfenb. 1729. (z) A. a. O. (a) Voısr’s Magazin f. das Neueste aus der Physik. BEVE 5.4 | (b) Vergl. E. F. Hırmerr Caput medusae, utpote no- vum diluvii universalis monumentum. Stuttg. 1724. Corzınır in Commentat. Acad. Theodoro - Palat. Vol.;3. phys. p. 69. Anopreä’s. Briefe aus der Schweitz. Tab.6. BrumensAacha’s Abbildungen na- turhistorischer Gegenstände, H. VII. Nro. 70. (c) A.a. ©. S.8. Tab.I. fig.ı. - j — 6 Die Verschiedenheit der Ammonshörner von den neuern Meeresprodukten hat DE Lamanon durch eine umständliche Vergleichung beyder dargethan (d). Diese läfst' sich aber noch auf einem andern Wege beweisen. Man ist allgemein darüber einverstanden, dals es unter den jetzigen Mollusken keine Lituiten mehr giebt. Nun aber findet kein anderer Unterschied zwischen den Ammoniten und Lituiten, als nur dieser , statt, dals bey den erstern die ganze Röhre spiralför- mig gewunden, bey den letztern hingegen der weitere Theil derselben gerade ausgestreckt ist, Und dals dieser Unterschied blos zufällig ist, beweiset die oben erwähnte Beobachtung von Borren, nach welcher die Ammonshörner Ue- berbleibsel des gegliederten Panzers eines Thiers sind, welches seinen Körper ausstrecken und spi- ralförmig zusammenlegen konnte. Die Lituiten sind daher ausgestreckte Ammonshörner, so wie diese zusammengelegte Lituiten, Da also kein Lituit in der lebenden Natur mehr existirt, so müssen auch die Ammonshörner zu den unter- gegangenen Thieren gehören. - Eben dieses Resultat ergiebt sich, wenn man die Dentaliten, Echiniten, Madreporiten u. s. w. : der (d) LA Prrous2’s Entdeckungsreise. B.2. S. 346. der - Vebersetzung von SPRENoEL u. FORSTER. 63 Hr gun mm der Uebergangsgebirge und der ältesten Flötzge- birge mit den jetzigen Arten der Geschlechter Dentalium, Echinus, Madrepora u. s. w. ver- ‚gleicht. Inzwischen würde eine solche Verglei- chung uns hier zu weit führen, Es läfst sich aber ein allgemeiner Grund für den Untergang aller jener Arten anführen, Dieser ist die grolse Mannichfaltigkeit derselben und die zahllose Men- ge ihrer Individuen. Wie könnten so viele Arten‘ und Individuen Jahrhunderte hindurch unentdeckt‘ geblieben seyn, wenn ihre Nachkommen noch in gleicher Menge vorhanden wären ? Giebt es noch Abkömmlinge derselben, so können deren nur noch sehr wenige seyn, und diese wenige müssen blos in den unergründlichsten Tiefen des Oceans leben, indem sonst doch zuweilen einige derselben von Stürmen und Meereswellen an die Küsten mülsten verschlagen werden, Aber in diese Tiefen könnten sie sich doch nur allmählig, nicht plötzlich, zurückgezogen haben, Es mülsten sich also Nachkommen derselben in den jüngern Flötzgebirgen, und in dem aufge- schwemmten Lande finden. Nun trifft man frey-: lich auch in manchen von diesen Gebirgen Am- monshörner , Belemniten und andere Versteine- rungen der ältern Gebirge an. Aber die Höhlung- dieser Körper ist dann immer, mit einer Materie angefüllt, die von der Gebirgsart ihrer Lager- stäte gänzlich verschieden ist. Es leidet also kei- nen — ® urn 63 nen Zweifel, dals sie erst lange nach ihrer Ver- steinerung aus ältern, jetzt zerstöhrten Gebirgen in die jüngern Erdschichten gerathen sind (e), und längst nicht mehr existirten, als diese sich bildeten. Aber giebt es denn nicht Zeugnisse von auf- gefundenen jetzigen Conchylienarten , welche mit versteinerten Schaalthieren völlig übereinkommen 2 Freylich giebt es deren, und zwar in Menge. Der ältere BArtTrAm bemerkte, dals die verstei- nerien Seethiere, die man in grolser Menge auf den Nordamerikanischen Bergen findet, zwar. nicht dieselben sind, die jetzt unter dem nehm- lichen Grade der Breite an den Amerikanischen Küsten leben, dals sie aber in den wärmern ClIi- maten von Süd-Carolina und Florida vorkom- men (f). Vox Hürsca (g) versichert, eine ver- steinerte Schnecke zu besitzen, welche auf einem hohen Berge in Lothringen gefunden worden, und wovon das Original im Indischen Meere lebt. An einer andern. Stelle erzählt er, dals er aus Cadix eine glatte und eine gestreifte Bohrmuschel (Tere- (e) Vergl. Fersen, Mem, de l’Acad. des sc. de Berlin. . 1790 et gı. p.ı62. « (f) Karm’s Reise, B.2. 5.281. (g) Neue in der Nat. Gesch. des Nieder - Deutsch- lands gemachte Entdeckungen. S. 14. 64 m (Terebratula) erhalten habe, welche in allen Stücken den glatten und gestreiften Terebratuli- ten ähnlich waren, die in der Eifel und im Ber- gischen gefunden werden (bh). Die Taschenmu- schel eben dieses. Schriftstellers, die in der Eifel zwischen Terebratuliten vorkömmt, soll von For-. rıs aus der Tiefe der See von Sebenico, einer Stadt in Dalmatien, herausgezogen, seyn (i). Fausas-Sr-Fonn hat ein ganzes Verzeichnils von fossilen Conchylien geliefert, welche noch lebend, und zwar meist ın der südlichen Erdhälfte, zum Theil auch in Neu -Seeland, vorhanden sind (k). Doch alle diese Zeugnisse widerlegen nicht un- sern Satz. Hier nehmlich ist nur von den Verstei- nerun- (h) A. a. O. 8.67. G) So sagt von HürscnH (Nat. Gesch. des Nieder- Deutschland’. Th. .1./ 8; 15.). Forrıs selber aber drückt sich nicht so entscheidend aus. “Obschon”, sagt dieser, “die von mir gefischte Terebratul nicht „völlig mit seiner (des Baron von Hürscn) Figur „(der Taschenmuschel) übereinkömmt, so bin ich „doch geneigt, sie für das Original der, seinigen zu „halten, da ich beobachtet, dals auch unter den „Exemplaren , ‚ die ich besitze, und .die alle von „gleicher Art sind, einige Verschiedenheit in der „Bildung herrscht” (Forrıs Reise in Dalmatien, iTh.ı. S.253: (k) Tausas-St-Fonp Hist. nat. de la Montagne de St-Pierre de Maestricht. p. 30. Essai de Geologie. ' T.ı. p.58. | “ gummunmen 57 nerungen der Uebergangsgebirge und der ältesten Flötzgebirge ‚ nicht der jüngern Erdschichten, die Rede, Unzählige Erfahrungen aber beweisen, dals zwischen den Versteinerungen der ältern und neuern Gebirgsarten ein grolser Unterschied statt findet. Man darf nur die Petrefakten der Krei- defelsen untersuchen, und sie mit denen der äl- tern Kalkgebirge vergleichen, um sich von die. ser Wahrheit zu überzeugen. Zu Courtagnon in Champagne giebt es eine Kreidenschichte, die mit Versteinerungen so angefüllt ist, dals ein Cubikzoll dieser Kreide gewöhnlich an hundert Petrefakten enthält. Man findet hier Muscheln, Echiniten und deren Stacheln. . Aber es giebt hier keine Ammonshörner , Belemniten, Gryphiten und überhaupt keine von denen ‚Gattungen, die in den ältern Gebirgen der Flötzformation vor: kommen (l).: Eben dies ist der Fall in den Krei- 'defelsen von Stevens Rlint in Seeland. Aus Asır- ‚GAARD’s Verzeichnils der. Petrefakten dieses Ge: birges (m) erhellet, dafs. auch hier Echiniten, Pectiniten, Anomiten u, d, gl. in Menge, aber- | ebenfalls keine Encriniten, Pentacriniten, Ammos- niten, Orthoceratiten und Belemniten zu finden sind, Aber einen noch auffallendern Beweis der | | Ver: . (l) Anprkä’s Briefe aus der Schweitz. 8.12. ı7. | (m) In dessen Beschreibung von Stevens Kling 8, sm 1. Ba.. | E \ 66 ER f Verschiedenheit, die unter den Versteinerungen der verschiedenen Gebirgsarten statt findet, giebt eine Beobachtung, die, SAUVAGES (n) auf zwey benachbarten Bergen der;Gegend von Alais mach- te. Auf .dem Gipfel des niedrigern dieser Berge fand er Schnecken und Muscheln, die noch ‚jetzt an der Französischen Tüste leben, Auf ‚dem. hö- hern aber lagen Ammoniten, Belemniten, und eine, von ihm beschriebene Conchitenart,, wel- che ebenfalls von ganz fremdartiger Struktur ist, Der erstere von HER Bergen gehörer ohne Zweifel zur Classe der angeschwenimten,, und in solchen Gebirgen findet man häufig Gehäuse von Tlierpflanzen und ea ‘deren Origi- nale noch vorhanden sind. Sie liegen hier ver- mischt mit Ueberbleibseln von Landthieren, und gehören theils ‚solchen Arten an, die in benach- barten Meeren leben, theils aber auch’ solchen, die heut zu Tage erst in fernen Gegenden vor kommen, Dergleichen Muscheln findet man un- ter andern auch an den Küsten des Caspischen. Meers, und auf den Hügeln von Picmont. Die der erstern Gegend sind, dieselben, die sich‘ noch jetzt im Caspischen See aufhalten (0); in der | lera- PR Mem. de I’ Acad, be sc. de Paris. 2745 Ed..4. P« 408. tes (0) S. © Giesen‘ $ Reise Ara Aulılend „TR, . 5. 49. | NEN ’ _* ——__—___ i 67 letztern Gegend sammelte ve Lvc (p) Kammmu- scheln; Gienmuscheln,, . Zwiebelmuscheln (Ano- mia cepa) und Meereicheln, die so gut erhalten waren, als-ob sie erst eben aus dem mittelländi- schen Meere, wo sich ihre ‘Arten aufhalten, her: vorgezogen. wären; er fand aber auch ebenda- ı selbst und ‘in demselben Zustande Compalsmu- scheln (‚Östrea pleuronectes) und Anomien, die nicht in den Europäischen Meeren leben, ünd ein Kinkhorn, das jetzt nur in der südlichen Erd» hälfte 'einheimisch ist. * Solche Muscheln jüngern Ursprungs waren nun gewils die, wovon BAarTRAMm, von Hüpsca und FAausas-St-Fon die Originale entdeckt ha- ben wollen. Ich sage entdeckt haben wol. len, nicht entdeckt haben: denn ob das ‚ Letztere wirklich statt fand, läfst sich mit Recht. in "Zetlel ziehen, Der Fälle, wo blofse: Aehn: lichkeit für ‚völlige Gleichheit ausgegeben ist, ‘sind in der Petrefaktenkunde so viele, dafs man gegen alle ‚solche angebliche Entdeckungen mifs- ‚trauisch zu seyn grolse Ursache hat, Es sey mir erlaubt, hierüber die Worte eines Naturforschers anzuführen, dessen Zeugnils in dieser Sache ohn- streitig von Gewicht ist, “Es ist fast unbegreif- mlichR „ sagt derselbe, “wie weit die Nachlässig- „keit (p) Gren’s Journal der Physik. B. VL 8,304 Es 68. ri — „keit. mancher Schriftsteller in diesem Punkte” . (der Beobachtung des Unterschieds zwischen blos ähnlich und wirklich .gleich)' “gegangen „ist, So hielt der :seel. Baumer die platten klei- „nen Ostracitenschaalen, die so häufig an grofsen „Ammoniten aufsitzen, geradezu für‘'die Blatta „byzantina. So hielt man vulgo die herrliche „Bivalve mit den glühenden hohen ‘Goldfarben „im sogenannten opalisirenden Muschelmarmor „aus Rärnthen für Östrea ephippium, oder den „Linneischen Helmintholithus diluvianus für My- „tulus crista gallı u. & WW. .. ve Gegen. solche „Vergehungen sichert scharisichtige präjudizlose „Vergleichung, die mir oft Dinge als specißisch- „verschieden gezeigt hat, die ich anfangs auf od „ersten Blick, der Aehnlichkeit wegen, für „völlig gleich gehalten hatte. Nur gleich ein „Paar interessante Bey spiele der Art statt vieler. „Ich erhielt vor kurzen aus dem Westphälischen „eine wegen ihrer ansehnlichen Grölse und Schön- „heit auffallende Art von Terebratuliten , die gro- „(se Achnlichkeit mit Son.AnnEr’s Anomia venosa „von den Falklands-Inseln zeigte. Aber ‚freylich & „blieb es auch nach genauer Vergleichung bey [23 „der biofsen Aehnlichkeit. So ähnelt. ein Muri-' „cit unter den vulcanisirten Conchylien aus Valle. „di Ronca, die Hr. Abb. Forrıs und Ar. Prof. „Hacqguer beschrieben, dem neuerlich entdeckten „Murex hexagonus aus der Südsee. Aber in bey- i | „den mnmmmnsmnnin] 6 9 - „den Fällen ist das jetzige Original von dem Pe- „trefakt ganz und gar specifisch verschieden” (q). Eben so sagt MopErr: “Gemeiniglich hat „man sich vorgestellt, dafs die Originale der „‚Versteinerungen nicht weit zu suchen waren, „dals z.B. das Original des Nautili orthocerae in „der Ostsee zu Hause seyn sollte; aber man hat „wohl dabey .sich sehr betrogen. Von den auf „demselben Nautilo angewachsenen Versteinerun- „gen, als Lepadibus quibusdam und Asteriae mi. „nuutae,gleichenden, die gar nicht in der Ostsee „sich befinden, ist deutlich zu schliessen, dals „diese Nautili in originali in der Ferne zu su- „chen sind” (r). f 03.7:35, Während der Periode, wo die im vorigen $ erwähnten Polypen und Mellusken lebten, ent- standen zugleich noch andere Meeresbewohner aus der Abtheilung der wirbellosen Thiere, und namentlich Crustaceen. Indels kommen der Ue- berbleibsel dieser Arten nur wenige vor, und sie müssen daher entweder erst in geringer Anzahl Be vor» (9) BLumenzacH in Voıcr’s Magazin. f. d. Neueste aus der Physik etc. B.VT. St.4. S.5 H. SCKBE Schriften der Berlin. Gesellsch. B. VI. S, 249, 79 | — vorhanden gewesen, ‚oder, ehe sie versteinert werden konnten, zerstöhrt worden ‚seyn. Die wenigen, noch übrigen, sind aber ebenfalls, wie die damaligen TLbierpflanzen und Molhrsken, sehr verschieden von den jetzigen Seethieren. Zu ih- nen gehören z, B. die Trilobiten (Entomoli- thus paradoxus L.), eine Thierart, die von so fremdartigem Baue ist, dals man sogar über ihre Stelle im Naturreiche lange gezweifelt hat, die jedoch ohne Zweifel zur Classe der Crustaceen zu rechnen ist, Man fand sie zuerst zu ‘Dud- ley in Staffordshire (s), nachher aber auch mit einigen Abänderungen in mehrern ändern Gegen den von Europa, z. B. in Schweden (s*), der Gegend von Leipzig (t), in Böhmen (1%), und zwar in dem letztern Lande bey Ginez in einem schiefrichten Thone, der von hohem Alter zu seyn scheint (u), Indels gehören nicht. alle Ä Ver- (s) LiTTLeroN, Phiklon; Trans. 1750, pP. 508. ‚Morrı- MER ebendas. p. 600. Da RER ebendas. 1758; P- 286. | fs (s*) Lınwe, Abhandl, der Schwed. Akad. 1759. S.20. (t) Genzer de quibusdam rarioribus agri Lipsiensis petrificatis 'specim. T, | RN? (iX) Von Kınskv, Abhandl, einer Privatgesellsch. in Böhmen, B, 1. S. 246. Enracuern ebendas, B. N: 5 299. | (u) Vom Bonn ebendas, B.ı. S. 257 fi. Meikwitr- . dig Er ag 7i ‚Versteinerungen hierher, ‚die bey den Schriftstel- lern unter dem Namen Entomolithus paradoxus vorkommen, So ist das von Mopveer in den Schriften der Berlinischen Gesellschaft (v) be schriebene Petrefakt von ganz anderer Art, und entweder eine Cassida, oder doch den Schildkä. fern nahe verwandt, Weniger selten sind Abdrücke oder Versteine- rungen von Fischen. Man findet diese aber nie in den ältern Flötzgebirgen, sondern immer erst in denen, die von späterer Entstehung sind, Jene enthalten blos Zoophyten und Schaalthiere, Das Meer war ‚also mit wirbellosen Thieren schon bevölkert, ehe sich Fische in demselben. bildeten, . | Sehr häufe sind die Steine, in welchen sich Veberbleibsel von Fischen befinden, kupferhaltig, ©. In’ einigen Gegenden, z.B. in den Kalkbrü- chen des Monte Bolca von Vestena Nova, liegen zwischen den Resten dieser Thiere auch Farın« kräuter, Mimosen und andere Gewächse (w), Meist dig aber ist es, dafs diese Versteinerung noch nie ‚in der Schweitz gefunden ist, Anpreä's, Briefe aus der Schweitz. S 339. (v) B.VI. S. 247. R _(w) Fausas-Sr-Forp, Annales du Museum d’Hist, nat. T.III. p. 19. - ae zu | Meist bestehen die versteinerten Ueberbleib- sei von Fischen nur in Knochen und Zähnen. Es hält daher bey ihnen weit schwerer, als bey den Thieren, die wir im vorigen ( untersucht haben , über ihre Verwandtschaft mit den jetzigen Thierarten etwas Gewisses auszumachen, und noch schwerer ist es, die-Zeit ihrer Existenz mit einiger Gewilsheit anzugeben, da fast alle bisherige Schriftsteller die Lagerstäten dieser Ver- steinerungen entweder gar nicht, oder doch nur sehr oberflächlich beschrieben haben, Doch ergiebt sich so viel aus einer Vergleichung jener Reste _ mit den heutigen Fischen, und einer Untersu- chung der Gebirgsarten, worin sie enthalten sind: ı) Dafs mehrere jener Fische, gleich manchen Polypen und Mollusken der Vorwelt, eine Riesengrölse besalsen, wozu keine verwandte Fischarten der heutigen Natur mehr gelangen. 2) Dals von solchen, die nicht ganz neuern, Ursprungs sind, entweder überhaupt, oder doch in denen Climaten, wo sie versteinert gefunden werden, heut zu Tage nichts Aehn- liches mehr vorhanden ist, RR vrjr ER 3) Dafs viele von denen, welche vollständig | erhalten sind, in einem Zeitraume gelebt ha- ben müssen, in welchem schon Pflanzen vor- handen waren; dals aber manche von ‘denje- - aa) nigen, N nigen, wovon sich nur einzelne Knochen oder Zähne finden, vielleicht aus .einer frü- - hern Periode herrühren, In verschiedenen Gegenden von Deutschland, Frankreich und Italien, z. B. im Lüneburg- schen (x), bey Litskau in Böhmen (y), bey #a- - ris (z) und auf Malta findet man grolse verstei- nerte Fischzähne, die unter dem Nahmen der. Schlahgenzungen (glossopetrae) bekannt - sind, Diese nähern sich den Zähnen der jetzigen Hay- fische. Allein die meisten sind den letztern bles dem Geschlechte, nicht aber der Art nach ver- wandt, und zeigen Eigenthümlichkeiten, die man bey keiner bekannten Art der jetzigen Hayen an- trifft (a). Viele unterscheiden sich von diesen ganz auffallend durch ihre Grölse, und geben dadurch ‚einen Beweis des ersten obigen Satzes. So schätzet LA CEr&ne (b) die Dänge eines Hayfısches, wo- | von (x) Reıske de glossopetris Luneburgensibus. (y) Marer, Abhandl. einer Privatgesellsch, in Böh- men. B.VI, S.265. (2) Fausas-St-Fonn a.a. O0. T.ı. p.ı05. (3) Il se trouve, sagt schon Jussıeu, des Glosso- ‚ petres d’une infinitE de figures tout-A-fait dissem- blables- des dents de la Lamie, du Marteau et du Carcharias, (Mem. de lAcad. des sc, de Paris, 3725. Ed.$. p.302. (b) Hist, nat, des poissons. T.ı. pP. 205. E5 von ein Zahn zu Dax in Frankreich gefunden wurde, der 3 Zoll 5 Linien lang war, auf 70 Fufs 9 Zoll. Dieser Berechnung liegt nun zwar die Hypothese zum Grunde, dafs sich von der Gröfse der Zähne auf die Gröfse des Thiers schliessen läfst, eine Voraussetzung, deren Un- richtigkeit schon von Camper (c) dargethan ist. Aber so viel erhellet denn doch, dafs-«s im Ocean der Vorwelt eine, Fischart gab, die weit 'grölsere Zähne hatte, als der grölste unter den jetzigen . Fischen, Zu den versteinerten Fischzähnen gehören auch die sogenannten Bufoniten, Diese haben viele Aehnlichkeit mit den Zähnen des ‚Klipp- fisches (Anarrhichas lupus). . Aber unrichtig, ist es, sie blos dieser Aehnlichkeit wegen für Ueber- | bleib- (c) Dentes, sagt dieser, in omnibus, quotquot novi, animalibus rationem nullo modo habent ad ‚eorporis vastitatem , sed ad naturam HrMöntorume. quae usur- pant. Elephas "molares ‚decuplo majores. habent Thinocerote, forte decies quinquies majores, licet decuplo majus non sit animal. ° Equus quamguam minor Camelopardali, dentes majores habet. Apri . aethiopici similiter ingentes habent molares, etiamsi nostratibus aequale, immo minus habeant corpus. De exsertis idem pronuntiandum. (Nov, Act. Acad. sc. Petropol. T.1I. :2.265.). Wir werden in der Fol. ge auf diese Bemerkung zurückkommen. bleibsel des letztern zu halten, indem auch meh- xere Arten des Sparus mit ‘ähnlichen Zähnen ver- ‘sehen sind, wie schon ScıLLa (d) und Jussıev (e) bemerkt haben, Vollständige Abdrücke und Versteinerungen von Fischen. finden sich in der Thüringischen Kupfergrube bey Suhla (f), in der Gegend von Coburg (g), zu Eisleben in der Grafschaft Mans- - feld, zu Eichstädt in Baiern, bey Aix in der “ Provence, zu Grandmont bey Beaune in Bour- gogne, zu Montmartre und Nanterre bey Paris, zu Devey-Lou-Ranc bey Privas im Departement "Ardeche, zu Vestena Nova im Veronesischen, zu Schio, Monteviale und Salzeo im Vicentinischen, zu Tolmezzo in Friaul, zu Alessano an der äns- sersten Spitze von Italien, Corfu gegenüber, zu Scapezzano, Monte Alto und auf dem Vorgebir- ge Focara im Herzogthume Urbino, zu Pietra- Roya in Campanien, zu .Stabia, zu Gifon im Hönigreiche Neapel, auf der Insel Lesina in Dal- matien (h), auf Cerigo im Archipelagus, und auf dem Berge Libanon (i), 3 | Die (d) De corporibus marinis lapidescentibus, "Ke) A, a.0,p, 296. ai (DD Sreser, Miscellan. Berolinens. T.ı. p- 104 sq. (3) Zınke in Voıct’s Mag. f. d. neuesten Zustand der Naturkunde. B.VII. St.6. S. 512. (h) Forrıs Reise in Dalmatien. Th. o. S. 243 f. (1) FAusas-St-Fonn Essai de Geologie, T.ı. p.10g. \ 16 m Die merkwürdigsten von diesen 'sind: die von Vestena Nova, die in einer Ralkbruche' am Fu- fse des Monte, Bolca liegen. Man sieht hier, sagt Fausas-ST-Fonp (k) Fische von jeder Grö- fse und jedem Alter. Die kleinsten sind einen Zoil, die grölsten viertehalb Fufs lang. _ Alle lie- gen der Länge nach und in der Richtung der Steinschichten ausgestreckt; keiner ist gekrüm- met. Im Pariser Museum der Naturgeschichte befindet sich ein Esox aus jenen Steinbrüchen, der einen kleinern Fisch seiner Art halb ver- schlungen hat. Einige dieser Ichtyolithen sind so glücklich ‚gespalten ‚ dafs ihre beyde Hälften Sich von einander getrennt haben und ihre innern-: Theile entblöfst worden sind. - Von solchen ent- halten manche im Magen Heine. noch unverdau- te Fische, die ihnen zur Nahrung gedient haben. Fausas-St-Fonn schliefst aus diesen Umständen mit Recht, dafs alle jene 'T'hiere äusserst schnell getödtet seyn müssen. Zwischen ihnen kommen ‚auch Seekrebse, Phytozoen und Pflanzen vor. Nach Fausas-Sr-Fonn erkennet man unter ihnen ‚eine Japanische Fistularia, einen Pegasus des In- dischen und Brasilischen Meers, und drey Indi- sche Chaetodonarten. LA Cer&pe (1) spricht ei gar. CE 8, a. ©: p.220, EN | y a) Hist. nat. des poissons., T.2 Discours prelimin. r- M- DE « 4 Yu 2 maneman 77 gar von dreyfsig Arten der Meere von Asien und Afrika, und ‘der Küsten des heissen Amerika, die er unter den Ichtyolithen von Vestena Nova entdeckt haben will. Forrıs fand manche der- selben den Abbildungen sehr ähnlich, die Brovs- sonner von Otaheitischen Fischen, herausgege- ben hat (m). . | - Was von diesen Behauptungen zu halten ist, müssen wir dahin gestelit seyn lassen, Aber so viel lälst sich doch als ausgemacht annehmen, dals wenigstens -in den Europäischen Meeren nichts, den versteinerten Fischen von Vestena Nova Aehnliches vorhanden ist, und dieses Re- sultat bestätigt sich auch bey den Ichtyolithen , die in andern Gegenden vorkommen. Jussieu.(n) erhielt aus der Gegend von Montpellier eine ver- . steinerte Rinnlade eines Fisches, die zu keiner Art der Europäischen Meere gehört haben konnte, hingegen mit der Hinnlade eines "Chinesischen Fisches einigermaafsen übereinkam. Favsas-Sr- Fonp (0) hat einen fossilen Fisch beschrieben, der in den Steinbrüchen von Nanterre bey Pa-' ris, 7 Fufs unter der Erde und ıo Fuls unter der Oberfläche des Steins gefunden wurde, und | wel- (m) _FAuvsas-Sr-FonD a.a. ©. p.ıı2: Pl. YV. VI, (u) Mem. de I’Acad. des sc, de Paris. ı721.- Ed. 8 pP 98. 419. (0). Annales du Museum d’Hist, nat, T,r. p.555. 78 —— welcher zu den. Coryphänen gehörte, also zu ei- nem Geschlechte, das sich in jetzigen Zeilen vor- züglich in den Meeren der heissen ‚Climate auf- hält. Von eben diesem Geschlechte sollen auch Arten bey Schio und Monteviale im Vicentinischen gefunden seyn (p). Die Fischskelette, die zu Le- sina in weilslichtem Kalkschiefer liegen, welcher auch Abdrücke von Zoophyten ‘und versteinerte Mielsmuscheln enthält, sind ebenfalls, nach der Versicherung von ForTis (g), zuverläfsig nicht in dem Meere von Dalmaiien zu Hause, Wir haben han a dafs a Tchinabr Ihn von Vestena Nova mit Kräuterablirucken vermischt sind. Eben so verhält es sich mit de- nen, welche bey Vey- Lou-Ranc in einem mer- gelartigen, ‚mit vulcanischen Produkten: bedeckten Gesteine vorkommen. Die von - Monteviale lie- gen in einem Schiefer, welcher an eine Steinkoh- lengrube stölst, die von Salzeo unter einer Schichte, welche Spuhren von Pflanzen und ver- kohltes Holz enthält, und die von Eisleben ‚über einem Steinkohlenilötze (r). Diese 'Thatsachen sind es, worauf wir uns stützten, als wir oben behaupteten, dafs die vollständigern Ichtyolithen. A TE, | ' zum (p) Tausas- Sr-Fonp Essai de Geologie, T, 1 ‚P- H% (9 Reise in Dalmatien. Th. 2. 5,244 ; a lee o% Fauias-Sr- -Forp & 0. Ti, paı2. 124 18. 127: 154 J 23 zum Theil in einer Periode gelebt haben müs-. sen, in welcher die Erde schon Pflanzen her- vorgebracht hatte. Manche Petrefakten von Fi- schen - rühren aber aus weit spätern Zeiten her. So giebt es bey Oeningen einen Stinkschiefer, ‘ , welcher Süflswasserfische, die man noch jetzt in den dortigen Gewässern findet, besonders Aale, enthält (8), und ähnliche Ichtyolithen finden sich ‚auch im Canton Glarus (t) und bey Sohlenhofen im Pappenheimischen. Eben diese Schiefer ent- halten überdem Versteinerungen von Krebsen (u), von Libellenlarven und. einer‘ Menge anderer In- 'sekten (v). Bey Sohlenhofen. wurde auch der Limtlus gigas Mir. versteinert, gefunden (w). Aber diese Petrefakten sind offenbar erst in ganz neuern Zeiten gebildet, wie aus der Beschrei- "bung erhellet, die Anpreä in seinen Briefen von dem Oeninger Steinbruche gelielert hat (x). RT, (s) BrumenzAch in Vorsr’s Mag. f. d. Neueste aus der Physik. B.V. St. ı. S. 2ı fl. (t) Anpreä’s Briefe aus der Schweitz, S.52. 53.56. (u) AnpreÄ a.a. O. S.55. | iv) Ebendas. $. 52. (w) Ebendas. .S.32.. Tab. 4. & Der Oeninger Steinbruch liegt auf einem Berge bey dem Dörfe Wangen am Bodensee. Bey Bestei- gung dieses Berges. findet man einen weichern und 89 graue Stinkstein in mächtigen: Lagen, Er. liefere Es ist merkwürdig, dafs in allen den S$tei- aen, worin die Encriniten, TPentacriniten, Am«- mons- ’ und einen festern Sandstein, welcher in einigen Gegenden voll Süfswasser - Musculiten stecket, deren perlmutterähnliche Schaale ganz verschiefert ist. llin und wieder findet sich auch Granit, doch nur iu losen Stücken, die abgerollet sind, Oben auf dem Berge ist die Dammerde thonig, und bedecket ‚den Bruch nur sparsam, unter dieser 'kömmt ein weisser, nicht schr harter, etwas schiefriger Mergel, welcher viele Blätter von allerley Bäumen enthält, die aber schlecht erhalten sind. Diese Lage ist einige Lachter dick, Hierauf folgt ein weilsgrauer Schiefer, der sıch in ziemlich dünne und grofse Blätter spalten läfst,* und hierin finden sich oft In- i y u " “ & “ sekten und Süfswasserschnecken , aber nur selten Blätter und noch seltener Fische" -Unter dieser, einige Zolle mächtigen Schieferlage zeigt sich der eine Menge Dendriten, die aber nicht schön sind, und in ilım kommen auch die schönsten Blätter - und Fischabdrücke, doch nicht, häufig, vor. Von Süfswassermusculiten ırifit man ‚oft ganze Nester darin an. Die Fische sind insgesammt solche R die in dem Bodensee gefunden werden. Alle liegen gerade ausgestrecket, Sie ‚scheinen tod gewesen Zu ‚seyn, als sie in den Schlamm gekomnien sind: denn man sieht deutlich, dafs einige vor der Ver- v stelue- \ 2 - y N ; j ! = * ,— St monshörner , Lenticuliten , und überhaupt die ältesten Polypen und Mollusken vorkommen, noch keine Spuhren’von Phytozoen und Pflanzen, und selbst nicht einmal von Tangen, gefunden werden. Zwar versichert PonroPrıpAan in seiner Naturgeschichte von Dännemark, zu Faxoe in . den dortigen Ralksteinen den Sargasso haufen wei- NV. se gesehen zu haben, Allein auf diese Angabe läfst sich schwerlich viel bauen, und von eben so geringem Gewichte ist es, wenn Forris (y) etwas dem Seegrase sehr Aehnliches in Dalmatien versteinert gefunden haben will, indem dieser hinzusetzt, der Stein, worin die Petrefakten vor- ‚kämen, enthalte keine Ueberbleibsel von Seethie- ren, welches schwerlich der Fall seyn könnte, wenn diese Versteinerungen VrkticH Tange wä- ren. Gleich nach denjenigen Gebirgsarten aber, welche. Seethiere enthalten, zeigen sich in vielen Gegenden Lagen von ‚Substanzen, welche offen- bar vegetabilischen Ursprungs, und oft mit Stein. arten bedeckt oder vermischt sind, worin sich zahlreiche Abdrücke von Phytoaoen. und Eflanzen RENRUF.. i a Ä Zu _ steinerung schon angefaulet gewesen sind. Ausser- “ dem giebt'es in jenem Stinksteine auch Schilf und Saamenkraut ( Potamogeton). AnpreÄ a. al ©. 8. 56. i & j ) (y) Reise in Dalmatien. Th.2. 8.106, III. Ba. ER P2 52 „ man Zu jenen Substanzen gehören vorzüglich die Steinkohlen , die bituminöse Holzerde ( Cölnische Erde, Umbererde, Braunkohlen), die Holzkohlen und das fossile Holz. Diese bilden weit ausge- dehnte, mächtige Flötze Es giebt aber auch Substanzen, welcha von Phytozoen und Vegeta- bilien der Vorwelt entstanden sind, die jedoch meist nur einzeln vorkommen. Solche sind das versteinerte Holz, das mineralogische Federharz R der Gagat und der Bernstein. >» Von jenen erstern Substanzen, welche schich- tenweise gelagert sind, entstanden die Steinkoh- len. und die bituminöse Holzerde am frühesten. Denn jene ruben in manchen Gegenden unmit- telbar auf Vebergangsgebirgen, und erstrecken ‚sich in Tiefen, . worin keine Spuhren von 'andern lebenden Wesen zu finden sind; diese zeigen einen Grad von Zersetzung, der nur, in einer langen Reihe von Jahrhunderten herbeygeführt seyn kann, Spätern Ursprungs sind die Holz- kohlen nnd das fossile Holz, die noch deutliche Spuhren ihres vegetabilischen Ursprungs an sich tragen. | Doch auch din Steinkohlen rühren nicht alle: aus einerley. Periode her. Nach Werner’s Bedb- achtungen giebt. es ‚überhaupt vier verschiedene Formationen der Steinkohlen und der verwand- ten harzichten. Körper des Mineralreichs.. Zur ke | ersten em 83 ersten und ältesten gehören die Steinkohlenlager der Sandstein- und Flötzkalkgebirge, Diese finden sich aber nur theilweise. Die zweyte ist die eigentliche Steinkohlenformation, welche weite Flötze bildet, die mit mürbem Sandsteine, gro- bem Conglomerat, Schieferthon, Brandschiefer, verhärtetem Thon, Kalkstein, Mergel, Thonei- senstein, und der letzten Formation des Porphyrs vermischt sind. Die dritte ist den Flötztrappge- birgen eigen, und besteht aus Braunkohlen, bi- tuminösem Holze und Pechkohlen. Endlich die vierte, welche in den aufgeschwemmten Gebir- gen vorkömmt, enthält Holzkohlen und fossiles Holz; sie macht den Uebergang zu den Torfmoo- ren, die man als das fünfte Glied dieser Forma. tionsfolge ansehen kann. Die Steinkohlen, die bituminöse Holzerde und das versteinerte Holz haben eine sehr weite Verbreitung, Steinkohlen giebt es fast allenthal- ben in Europa von Norwegen bis Portugal (z) und Spanien (a), Man findet sie in. Siberien am Abakan im Berge Ysik, am Jenisei in der Ge- @ Lınwx’s geolog. u. ‚mineralog, Bemerkungen auf einer Reise durch das südwestl. Runen S. 45. 5%. 84- 167. | (a) Fıscuer’s Gemählde von Valencia. Th.2. S. 67. Fa N 84 | N 2 Gegend von Krasnojark (b), am "Magdalenflufs, nordwärts von (Quito auf einer Höhe von 2000 Toisen (c), und in Chili (d). Nur in den nie drigen Gegenden. der heissen Zonen scheint diese Substanz nicht vorhanden zu seyn. Zwar seltener, aber auch in sehr verschiede- nen Gegenden kömmt die bituminöse Holzerde vor. Man trifft sie in mehrern Gegenden von Deutschland, z.B. im Cölnischen , Bergischen, Jülichschen, Sächsischen, Coburgschen u.s. w. in Schweden, England, der Schweitz, Italien, Ae- gypten und im Orient an (e). ; Den Bernstein findet man nicht nur in ver- schiedenen Gegenden von Europa, z, B. in Östpreussen, bey Grofswieg ohnweit Pretsch, bey Schmiedeberg nicht weit von Torgau in Sachsen , in der Mark- Brandenburg, bey Oster- a im Bremischen (f), in dem Mizuner Erzge- En (b) PArzAs Reise durch versch. Provinzen des Russi- schen Reichs. Th. 2. $. 406. 410. "(e) Journal de Plıys. T.XXXVIH. p.50. (d) Morıwa’s Nat. Gesch. von Chili, 5.67. (e) Von Hvüesc# in Voror’s Magazin L, d. Neueste RR „aus ‘der Physik, B.IX. St.2. 8.57. x (D Von BEROLDINGEN” s Beobachtungen u. s. w. die Mineralogie u. s. w. betreffend. Vers, 1. 2ie Aufl. 5.347 £f. S w ———— 85 birge von Galizien .(g), in der Provence (h), bey Marseille -(i), in Sicilien (k), im Modenesischen und in Asturien (1), sondern auch in Siberien an den Küsten des Eismeers neben grolsen Stük- ken Steinkohlen, die von der See gerollet sind (m), - und in der südlichen Erdhälfte auf Madagascar, wo er von vorzüglicher Schönheit ist @M). / Versteinertes Holz ist vorzüglich häufig in den Afrikanischen Sandwüsten, wo ganze, mit Rieselerde durchzogene Baumstämme vorkommen, Dals. es auch in Europa und im nördlichen Asien gefunden wird, dürfen wir als bekannt . voraussetzen (0), Im ‚südlichen Asien sahe Son- NERAT (p) auf den -mittelmälsig hohen Ber- | | ‚gen, (8) «-HAcQquer’s neueste physikalisch - politische Reisen durch’ die nördlichen Karpathen. Th.3. S.72. '-(h) Hist. de IP Acad. des sc. de Paris, ı700, Ed. & p- 14. (1) Ebendas. 1703. P.17. ..(k) 'Ebendas. 1705. p. 54. Brvpone’s Reise ‘durch Malta u. Sicilien. Th. 2, S. 225. Q) Von BERoLDINGEN a. a. ©. 9.358. E& (m): ParrAs Reise durch versch, Provinzen des Russ» sischen Reichs. Th.3, 5.50. (n) Brumensach’s Handb..der Nat. Gesch. - (0) Fausas-Sr-Fonn Essai de Geologie. T.1. p.380 " (p) Reise nach Indien und China, B.». $.22. 23. PETE Fz 86 |—— k gen, die sich bey Trevikarre, einem nicht weit von Pondichery gelegenen Flecken befinden, und welche in jetzigen Zeiten so unfruchtbar sind, dafs aus gänzlichem :Mangel an Erde auch das kleinste Gras noch nie dort hat Wurzel schlagen können, sehr dicke versteinerte Bäume an der freyen Luft liegen. - Die Steinkohlen, die bituminöse Hölzerde und das fossile Holz kommen, wie gesagt, in sehr weiten Flötzen vor. Faust versichert von dem fossilen Holze des Meifsner zwischen Allen. dorf und Almerode im Hessischen, alle hessische Wälder enthielten jetzt nicht so viel Holz, wie sich unter dem 'einzigen Meilsner fände. Eine gleiche Ueppigkeit der Vegetation giebt es heut zu Tage nur noch in den heissen Zonen, und besonders im wärmern Amerika, wo der Missi- sippi, ‚der Amazonenfluls und andere Ströhme oft eine so grolse Menge Holz mit sich führen, dafs sie zuweilen blos dieser Ursache wegen un. schiffbar werden. Jene Thatsachen beweisen also, dals die ersten Phytozoen und Pflanzen, welche ; 1 x dem Schoofse der Erde entkeimten, nicht min- der fruchtbar waren, als die ersten Thierpflanzen. ‚ Wir haben ferner gesagt, dafs auf und zwi- schen den Steinkohlenflötzen häufig Schiefer mit Abdrücken von Phytozoen und Pflanzen gefun- y den p . I den werden. Aa reichsten an diesen Abdrücken sind die Steinkohlen der zweyten Formation; nicht so viele kommen in denen der ersten. For- mation vor; noch weniger finden sich in der For- mation der Trappgebirge, und gar keine in den bituminösen Holz - und Erdiagern (q). Die mei- sten liegen in dem Schieferthone, welcher ge- wöhnlich das unmittelbare Dach der Steinkohlen- flötze ausmacht, und in dem darüber befindli» ehen Kohlensandsteine (1), | Unter jenen abgedruckten Phytozoen sind ‘ Farrnkräuter die häufigsten ,' oft auch die ’einzi- ‘ gen. Zwar läfst sich nicht läugnen, däfs es nicht auch versteinerte Flechten und Moose giebt; FERrBER erwähnt eines weissen Achats aus dem Grummbachschen, worin eine Flechte eingeschlos- ‚sen war, Zugleich bemerkt er, dals wenn auch, wirkliches, in Achat eingeschlossenes Nloos eine Seltenheit ist, und das Meiste, was dafür ausge- geben wird, nur eingeschlossene Erden sind, doch kein Grund vorhanden sey, das Daseyn x der 4 (Q) Vox Scurorheim’s Beschreibung merkwürdigez Kräuterabdrücke und Pflanzenversteinerungen, = Re Pl Ss. 18. (r) Ferzen’s Versuch einer Oryktographie von Der byshire. S.22, Von'Scuroruzım a a. O. 5.20, F A derselben gänzlich zu läugnen (s).“ Das'.Nehmli- che erinnert D’AusEnTon, und .dieser versichert auch, neun Arten: von Gewächsen, - woruniter sich ein Wasserfaden (t)-und ein. Laubmoos mit Kapseln befand, mit Hülfe. des, Microscops im Achat entdeckt zu haben (u). Indels bleibt so viel gewils, dafs diese Abdrücke und. Versteine- rungen, die immer nur im Achat vorkommen, zu den Seltenheiten gehören, und ‘von weit spä- terer Entstehung sind, als diejenigen, die in den. Steinkohlenflötzen- gefunden werden, ‚ie 0 „>. Es war .also' die Familie der Farrnkräuter, welche unter den vegetabilischen Gebilden zu- erst erzeugt wurde. Warum :die Natur diesen Weg einschlug, würde sich erklären lassen, wenn man annähme, dafs das Clima der Gegenden, in welchen jene Iurrabeänier FREE: dem der | is GEAR TEL 0 1. = (6) Ferger’s bergmännische. Nachrichten von den merkwürdigsten mineralogischen Gegenden der Her- zogl. Zweybrückischen u.s.w. Länder. 8.75.. Mem, de l’Acad. des sc. de Berlin. 1790 et Be P- 153. a () D’Auzenton giebt diesen für Conferva rivularis "L. aus.‘ Allein es ist ‚schwer zu glauben, dals sich die initere Struktur dieser Conferve, worin doch blos ihre unterscheidenden Merkmale liegen, in einer Versteinerung erhalten haben MR und « dariu zu erkennen gewesen wäre (u) Mein. de l’Acad. des sc. de Paris. Ton p. 667: > stand der Naturkunde. B. VI. 8.477; - — 89 n jetzigen heissen Zonen ähnlich ' gewegen . wäre, ‚Man weils nehmlich, dafs in diesen Gegenden Farrnkräuter die häufigsten, ‚oder gar die einzi- gen Phytozoen sind: (v)., Ausserdem ist bey der Erklärung jener Thatsache der Umstand in Erwä- ‚gung zu ziehen, ‚dafs .der Boden, aus welchem die ersten Landgewächse hervorkeimten, blos aus Steinen ‚ohne alle Dammerde bestand. So wach. sen ‚auch noch heut zu Tage die Farrnkräuter aus Steinritzen Nervor „in denen oft nicht ein Atom Erde: haftet, und manche, z.B. das Poly- podium filix ‚mas, verdrängen da,. wo sie häufig sind, alle übrige Pilanzen, und sogar. alle: Moo- se (w). Er Mit unserer obigen Meinung von dem CIi- ma, inm.welchem die ersten vegetabilischen For- men erzeugt wurden, stimmet auch noch eine ‚andere Thatsache überein, die sich bey einer Vergleichung der Farrnkräuter aus den Zeiten der Vorwelt mit den jetzt lebenden Arten dieser Fa- milie ergiebt. Es zeigt sich ‚nehmlich, dafs ‚von allen jenen Phytozoen heut zu Tage nur in den ‚heissen Zonen, "nicht aber in den gemäfsig-‘ ‚ten, und noch weniger in den kalt°n Ländern etwas Achnliches existirt. Diese Bemerkung { > © | mach- (v) Biol. B.2. S, 152. (w) Srevocr in Voıcr’s Magazin f. dı neuesten Zu- x / ES v 90 | m machte schon Leisnıtz ‘an den Fäarrnkräntern, die man in der Gegend von Osterode, von Eis- leben, und an mehrern andern Orten von Deutsch- land findet {x). Jussıeu bestätigte sie nachher an den Abdrücken, die in den Steinkohlengruben von Saint- Chaumont vorkommen, und welche zum Tkeil so vollkommen erhalten sind, dafs sich noch die tiefen Eindrücke der auf der Rük- kenseite der Blätter sitzenden Saamencapseln un- terscheiden lassen, Ich glaubte r sagt dieser Na- turforscher, unter jenen Trümmern der Vergan- genheit in einer andern Welt zu botanisiren (y). Sie wurde ferner von Ferser an den Abdrücken und Versteinerungen gemacht, die an dem Peak von Derbyshire in einem schwarzen Thonschie- ‘fer, der gleich unter der Dammerde über den. dortigen Steinkohlen liegt, und in den thonich- ten und mergelartigen Schichten, die zwischen und über den eigentlichen Kohlenbetten an verschie- denen Orten die Stelle jenes Schiefers einnehmen, befindlich sind (z). Endlich fanden Brıper, Grimm und von ScHLOTHEIM bey einer Verglei- chung der Abdrücke von Farrnkräutern mit den / ’ heu-, (x) Hist., de l' Acad. des se. ER Paris. 1706. Ed. & p- 21. (y) Mem. de I! Acad. des sc. de Paris, 1718. Ed. 8. p- 366. | (2) Ferzen’s Versuch einer Oryktographie von are byslire, $S.22, . | —__ ‘91 heutigen Gewächsen dieser Familie die Behaup- tung ihrer Vorgänger, dals jene Ueberbleibsel, einige wenige ausgenommen, bey welchen noch Zweifel. statt finden, offenbar Produkte eines 'wärmern Himmelsstrichs sind, so vollkommen gegründet, dafs dieser Satz, ihrer Meinung nach, nunmehr als ganz entschieden anzusehen seyn möchte (a). Zu diesen zweifelhaften‘ Arten ge- hört eine der Hippuris vulgaris L. sehr ähnliche Pflanze, die unter den: ‚Farrnkräuterabdrücken sehr häufig vorkömmt (b). Allein die Gröfse und Dicke der Stengel bey verschiedenen. Exem- plaren,und der Umstand, dafs sich zuweilen meh- rere ‚Aeste aus einem gemeinschaftlichen Stamme zu verbreiten. scheinen, machen /es doch wahr- ' scheinlich, dafs eine Verschiedenheit zwischen diesen Gewächsen statt findet (ce). Was die übrigen jener 'Abdrücke betrifft , so ist es in der That schon hinreichend , auf man- che derselben nur einen Blick zu werfen, um sich zu !überzeugen, dals sie blos in ei nem ‚ wärmern Himmelsstriche entstanden seyn | nr kön. (a) Vom ScHLoTHEIM a.a. O, S.1$. RR (b) Scueucnzer Herbar. diluvian. Tab. L. fg. 3. 5 Tab.II. ig... WuAarch’s Nat. Gesch. der Versteine- rungen. Tab. ı0. fig. 2. Tab. 10. ı1. fig. ı. ‚Von SCHIOTHEIM a.a.0. Tab.I. fig.ı. 2, Tab.II. fig.5. (ce) Von Scazorzeim a. a. 0. 8.51, - 92 ie —— können, . Viele 'sind von einer solchen baumarti- gen Grölse, ‘wie unter, den heutigen Fartnkräus tern die Zamia, Cycas,..das Polypodium-medul- lare Forst., Equisetum giganteum und andere den. Inseln Westindiens , des Indischen. Oceans und.des stillen Meers eigene Pflanzen. Eine Vergleichung jener Abdrücke mit den heutigen Farrnkräutern zeigt aber nicht nur, dals jene blos in einem wärmern Clima. erzeugt seyn können ; sie beweist auch, dafs jene Ab- ‘ drücke, gleich den Zoophyten und Mollusken der Uebergangsgebirge und der ältern' Flötzgebirge, ‚sich von den Körpern‘ der jetzigen lebenden Na- tur merklich unterscheiden. Zwar ‚giebt es eini- ge, welche heutigen Farrnkräutern ähnlich sind, z,B. eine Art, die sich der Pteris aquilina L. nä- hert (d), eine andere, die mit dem Polypodium Oreopteris EurH. Aehnlichkeit hat (e), eine drit- te, welche dem Polypodium fragile L. verwandt ist (f), und eine vierte, worauf die Charaktere des Adianthum ' Chusanum L. zu passen schei- nen (g). ‚Allein von keiner dieser Arten läfst sich / Ä N (4). Vow SchLorneim a. a. ©. Tab.IV. hg 7.6 S: 54 (e) Ebendas. Tab.IV. fig.ı2. S.40. (f) Ebendas. Tab.X. fig:ı7. S. 47. -(g) Ebendas. Tab.X., fig. 18. 8.49. : nn —— 93 % sich behaupten, dafs sie jetzigen Farrnkräutern wirklich gleich, und nicht blos ähnlich sindz hingegen von vielen leidet es keinen Zweifel, dals ‘sie unter dem, was uns von der heutigen 'Familie der Farınkräuter bekannt ist, nichts Ana- loges haben. a Bald nach der Periode, in welcher diese “ Farınkräuter erzeugt wurden, bildeten sich auch wahre Pflanzen: denn in den meisten Flötzla- "gern, in welchen jene Phytozoen enthalten sind, finden 'sich auch Ueberbleibsel der letztern,, je- doch in. weit geringerer Menge. An diesen be- stätigt sich nun ebenfalls unsere obige Vermu- thung von dem Clima und dem Boden der Ge- burtsörter jener Pflanzen. Wir finden nehmlich, ' dals sehr häufig unter diesen Gewächsen Palmen- arten vorkommen. Ueberbleibsel von Palmen traf Jussıeu zu Saint- Chaumont in derselben Ge-, gend an, wo die erwähnten Abdrücke von Farın- kräutern vorkommen (h). _Versteinerte Stämme von Palmen, die in Frankreich entdeckt wurden, sind ferner in den ältern Abhandlungen der Pari- ser Akademie beschrieben (i). In der ‚Gegend von Bumale,. wo man auch artikulirte, gerei- felte 0) Mem, de l’Acad. des sc. de Paris. 178, Ed. 2. p- 367. Nd (1) Mem. de l’Acad, A sc, de Paris avant EN T, 2: P- eg T.ıo. p. 140. 94 | zu felte. Versteinerungen antrifft, die dem Equise-. tum giganteum L, ähnlich sind, fand man einen grolsen Theil eines versteinerten starken Baums, welcher, der Rinde nach, zum Gesleuhke der Palmen gehörte (k), Zu Brühl und Liblar, ohn- weit Cöln, giebt es in den dortigen Gruben, welche die Cölner Erde liefern, Blöcke verkohk ten Holzes, die oft einen Durchmesser von zwey Fuls und eine Länge von funfzehn Fufs haben, nie aber mit Wurzeln und Zweigen versehen sind, und Nüsse, die von einer Palmenart her- rühren müssen, und grolse Aehnlichkeit mit de- nen der Areca Cathecu L. haben (1). Alle Pal- men nun sind Bewohner der wärmern Himmels- striche, und wachsen dort in dem trockensten, dürresten Boden. Wir haben also an diesen Thatsachen einen neuen Beweis, dals die Vege- tation in den wärmern Zonen ihren Anfang nahm, ‚ und dafs die ersten Gewächse, welche die Erde hervorbrachte, solche waren, die keiner Damm- erde und keines feuchten Bodens zu ihrem Fort- kommen bedürfen. Zugleich sehen wir, dafs \ die Bildung der Vegetabilien von den Farrnkräu- tern zu den Palmen, also zu derjenigen Familie | ‚des 1 ! (k) Von EN 3 Schiffen A Berlin Gabe B. Iy. S. 416. 0. FavsAs-St-Fonn; Annales . du Muscum: d’Hist. | d n r j ’ ‚er \ e . u'\. “ vr i nat. T.T. p.445. S mama 95 / des Pflanzenreichs, welche mit jenen Phytozoen zunächst verwandt ist, fortschritt, Die übrigen Abdrücke und Versteinerungen von Pflanzen, die von älterer Entstehung sind, gehören ebenfalls solchen Familien und Geschlech- tern an, deren Heimath blos die heissen Climate sind. Jussıeu fand unter den Pflanzenabdrücken von Saint-Chaumont eine Figur, die der Saa- mencapsel der Nyctanthes arbor tristis L., einer Pflanze, die im heissen Asien wächst, sehr nahe kam (m). Ueberhaupt traf er unter allen jenen 'Abdrücken nicht einen einzigen an, wovon das Original in Frankreich vorhanden wäre (n), Ab- ..drücke und Versteinerungen fremder Gewächse kommen ferner unter den Phytolithen von Der- byshire vor (0), und hier giebt es auch ein elasti- sches fossiles Harz, das dem Caoutchouk sehr ähn- lich ist, da doch alle Gewächse, wovon das gemei- ne Caoutchouk kömmt, nur zwischen den Wende. cirkeln, theils in Indien (Cecropia peltata, Hippo- mane biglandulosa’, Ficus religiosa, Artocarpus in- tegrifolia),. theils in Madagascar (Vahea LamArck.), und (m) Mem. de lV’Acad. des sc. de Paris, 1721 Ed, &. P- 89. (n) Ebendas. 1718. p- 367. Wr 0 (0) Fersen’s Versuch einer Oryktographie von Der- byshire, S.22, | 96 " — und theils im südlichen Amerika (Hevea' Gui- anensis, Castilla elastica Cavanıtı.) einheimisch sind (p). Bey Landshut in Schlesien findet man 'versteinerte Blätter, ‘welche den Blättern der Opuntie sehr. ähnlich sind (q), und in einem grauen Schiefer unter den Steinkohlengruben zu Weisstein ohnweit Liegnitz in Schlesien ein sehr. breites, gestreiftes Rohr, welches Aehnlichkeit mit dem Zuckerrohre hat:.(r). In mehrern' Schie- ferbrüchen und. Steinkohlengruben von Deutsch- land und England liegen sehr grolse, oft ästige, mit Schuppen bedeckte Pilanzenabdrücke , die mit keinem bekannten Gewächse ganz überein- kommen , auf jeden Fall aber Erzeugnisse eines warmen Clima seyn müssen (s). N Diese grölsern rohrartigen und ästigen Ab- \ drücke kommen gewöhnlich mit den baumartigen Farrnkräutern in dem Koblensandsteine vor, wel- ‘cher über dem Schieferthone liegt, der das un- mittelbare Dach der Steinkohlen ausmacht. Oft stehen sie aufrecht,” und ragen aus dem Schie- \ Sr GR a ‚(p) FAauvsas-Sr-Fosp a.a. O. p. 261. en ni (9) VorLkmAann Silesia MIRTEN N AEE P. 2; ;p; 1b, Tab. XI. Ag. ı. (re) VoLxMAnnN a.a. O. P. öf: p-ıı0. Tab. xım. hg.7. ‘ (s) VoLzmasn, P.l. Tab. XY. her, Pr IR Tab. IV. fig. 6 Da Cosa; Phil, „Trans. VoRL. RL Tab. Y. j Ant | nr icio Ä 97 n e ferthone und dem Kohlenlager selbst in den Sand: stein so hinauf, als ob sie an Oıt und Stelle gs- _ wachsen, und mit Sand überschüttet worden wä- ' ren (t). Hiper (u) sahe in der Sandgrube bey ‘ Duttweiler einen solchen Stamm; der am wnüter: sten Ende beynahe ı Fuls im Durchmesser hatte; wenigstens einige 40 Fuls durch die Schichteü | des Hohlendachs’ hervorr2sen. fe) Bey manchen dieser versteinerten Sılämmid ünd AÄeste ist der Queerdurchschnitt nicht cirkel: förmig , sondern zusammengedrückt (v); ünd eben dies findet auch we manchem bituminösen ‚Holze statt, besonders bey dem Isländischen Su: [4 turbrande, einem schweren; harten und schwat- zen fossilen "Holze, welches in grolser Menge auf Island, ziemlich tief.in der Erde, zwischen Felsenstücken oder grolsen Steinen, in breiten; dünnen und langen Stücken liegt; ünd sich gänz wie Holz bearbeiten lälst (w), An diesem Holze sind die Jahrringe noch kenntlich: Statt concen: . irische Ringe zu bilden, laufen sie äbei pärallel; Era - (t) Vox Schrotnuem a. a. 0. 8. 20. Bi: z (u) Beyträge zur Nat: Gesch, der Nassauischen Läns u der. S, 31: * (v) Vos SckiortHem ä. a. O. S.2i: (w) Horrzsow’s- Nachrichten von Island: $: i9: $; he ‚ Zn Bd: G 98 y guuemsunsemenm und sind am Ende durch Krümmungen mit ein- ander verbunden (x). Vielleicht rührt jene Fi- gur von der Last der Gebirgsschichten her, die über dem Holze liegen; vielleicht aber ist sie auch ursprünglich, und in diesem Falle würde sich hiervon ein neuer Beweis für die Verschie- denheit der fossilen Pflanzen von. den jetzigen Gewächsen hernehmen lassen, indem keines der letztern eine solche Struktur hat, Doch ist die erstere Ursache um so wahrscheinlicher, da auch die Orthoceratiten, die in Kalksteinlagern voll: kommene Kegel vorstellen, im Thonschiefer zu dreyeckigen Flächen zusammengedrückt sind (y). Selten oder nie findet man unter den Ver- steinerungen ‚der ältern Flötzgebirge Nadelhöl- zer (z), und diese Thatsache schlielst ‚sich eben- og | br . falls (x) Bercmann Opuscul. T.IIT. p. 259. (y) Beromann 2.2.0. (z) Hesxer Flora saturnizans. p.515. Warcn’s Stein- reich. Th.ı. S.126. — Bey VorzmAnn (Siles. sub- terran. P.I. Tab. XXIN. fig.4.) ist. zwar eine Verstei- nerung abgebildet, die allerdings von einuin Tan- nenzapfen zu seyn scheint. Aber es sind bey Shin, wie bey allen Schriftstellern seiner Zeit, keine Merkmale angegeben, woraus sich das Alter dieses Petrefakts- beurtheilen läfst. — Die versteinerten Hölzer (Tab. VII. VII. IX.), die er für Nadelhöl- zer ausgiebt, sind gewils etwas ganz Anderes, \ Srzummann % 99 falls an die Een erwähnten an. Man weils nehmlich, dals in jetzigen Zeiten die Familie der Nadelhölzer fast blos den kalten und gemälsigten Zonen angehört. Wenn also die ersten Vegeta- bilien, welche die Erde hervorbrachte, unter ei- nem heissen Himmelsstriche erzeugt wurden, so ist es aus der Analogie der jetzigen Natur erklär- bar, warum Nadelhölzer selten, oder vielleicht gar nicht unter den frühern Phytolithen vor- kommen, ! Die angeführten Farrnkräuter und Pflanzen ‘waren es, aus deren Zusammenhäufung und Zer- setzung die Steinkohlen und die bituminöse Holz« erde ihren Ursprung nahmen. Wahrscheinlich gingen jene Gewächse zuerst in eine torfartige Substanz, hieraus in bituminöse Holzerde, und dann in Steinkohlen über, indem manche Arten on Torf so nahe an jene Erdart, und manche Arten der bituminösen Holzerde so nahe an die Steinkohlen gränzen, dals es zweifelhaft ist, wo- hin man sie zu rechnen hat (a). Vermuthlich hatten aber auch unterirdische Feuer an der Bil- dung ‚der Steinkohlen Antheil: denn erstens koms= men in der Nähe der Steinkohlen so häufig war- me Quellen vor, dals zwischen jenen und den ‚letztern nothwendig eine Causalverbindung statt | finden (a) WıepsmAann’s Handb. der Mineralogie, $, 650 G2. 100 finden muls. . Aber eben diese Quellen entsprin- gen in manchen Gegenden aus dem Granit. Sie können also nicht, wie man ‚gewöhnlich glaubt, von einem unterirdischen Brande herrühren - son» dern müssen eine weit tiefer liegende Ursache haben, wovon die Steinkohlen Nebenwirkungen sind (b). Unsere Meinung erhält zweytens auch dadurch eine Bestätigung, dals man höchst sel- ten unter den Kräuterabdrücken, die in .dem Dachgestein der Steinkohlenflötze enthalten sind, Versteinerungen von Muscheln und Schnecken findet, Dafs sich dergleichen Körper anfangs‘ mit unter jenen Gewächsen befunden haben, lälst sich schwerlich bezweifeln, wenn man nicht zu sehr unwahrscheinlichen Voraussetzungen seine Zu- Hucht nehmen will. Diese Conchylien aber mufs- ten sich, ihrer Schwere wegen, zu den untern Schichten herabsenken, wo sie durch die "Er- , hitzung , welche diese Schichten erlitten, calci- nirt und ihrer Struktur beraubt wurden. — Ein Nebenprodukt des chemischen Processes, wo- durch die Formation der Steinkohlen bewirkt ‚wurde, war übrigens die Naphtha, wovon das Bergöl, "Bergtheer, Erdpech und der Asphalt, vielleicht auch der Gagat, blofse Modificationen ‚ zu seyn scheinen (c) R | Fr ‚Von (b) Linx’s geolog. u, mineralog. Bemerkungen ‚auf einer Reise durch das südwestliche Europa. S. 55. (6) Harcnere in Scurnen’s allgem, Journal der Che- mie, B.1V. S.262. e ” # — de} Von neuerer Entstehung als die Steinkohlen und die bituminöse Holzerde sind das bituminöse Holz und die Holzkohlen, die sich von den Steinkohlen durch einen weit geringern Grad von Zerstöhrung ihrer - Organisation unterscheiden, indem man an den meisten noch Wurzeln, Stamm, Aeste, Jahrwüchse, und sogar oft die Holzart erkennen kann. Als diese Substanzen sich bil. deten, näherte .sich die lebende Natur schon ih- rer jetzigen Gestalt: denn unter ihnen trifft man mehrere Holzarten an, die noch jetzt in d@rsel- . ben’ Gegend wachsen. So finden sich in dem, bey‘ Holzheim liegenden Holzkohlenflötze Stücke Holz, welche deutlich für Kiemen oder Fichten zu erkennen sind (d). So sahe ‘von BEroLDIN- GEN (e) in Turgau einen Baum, wovon der Stamm verkohlt, die Wurzeln aber in einem har« ten Sandstein eingeschlossen und gröfstentheils versteinert waren, und in diesem Sandsteine fan- den sich verschiedene Blätterabdrücke, unter des nen ein Blatt der Plantago latifolia L. dentlich - zu erkennen war. Ja, in manchen Flätzen von Holzkohlen und bituminösem Holze, zı R. in dem des Meisner zwischen Allendorf und Alme. rode, (d) Rızs Biiserklofische u, bergmännische Beobaclıs tungen über einige hessische Gebirgsgegenden. (e) Beobachtungen , Dzreikel u. Fragen &e Mineras ‚logie u. s, w. betreffend. ıter Vers. 2te Aufl, S. 95. k G 3 102 | Weanrarzumen ode, in dem von St. Agnes bey Loris-le-Sonnier, und in dem von Katoiskoi Ostrog 'am Uralischen Gebirge, giebt es Holzstücke, die schon von 'Menschenhänden bearbeitet zu seyn scheinen (£). Unter den Holzarten der Flötze von St. Agnes las- sen sich Eichen, Hagebuchen, Buchen und Espen erkennen, Ein fossiles Holz, das mıan bey Han- növerisch Münden findet, hat ziemlich viele Aehn- lichkeit mit dem der Rofscastanie (g). In eini- gen Schichten von fossilem: Holze kommen aber auch Ueberbleibsel von Gewächsen vor, die in keiner benachbarten Gegend mehr gefunden wer- - den. Dies ist z. B. der Fall mit demjenigen, welches in. Ostpreussen neben dem Bernsteine liest. Zwischen diesem trifft man Nüsse an, welche die Figur von Mandelschaalen haben, in- wendig aus kleinen, den Bienenwaben Shnkiehei Zellen bestehen, und von keinem Europäischen Baume herzuleiten sind (h), In ‚die Periode,. worin sich die Holzkohlen bildeten, fällt ohne Zweifel die Entstehung. der meisten Versteinerungen von Pflanzen, wovon die (DD Von Berorvincen a. a. OÖ. S.97. Hermann’s ' Beschreibung des Uralischen Erzgebirges. S. 181 Rurres, Mem. de lI’Acad. de Dijon. T.ı. P-47- ' (g) Brumsnzacn’s Handb. der Nat. Gesch. 4 (h) VoN BeroLDınGEN 2.2 O. S. 348- 349 _ 3, ,— | 103 die Originale noch jetzt in den Gegenden der La- gerstäten dieser Petrefakten leben, z. B. der Ab- drücke von Buchen- und Erlenblättern im Eisen- ocker bey Mizun in Galizien (i); der’ versteiner- ien Blüthen: von Ranunkeln und _ganzer Zweige "des Bergahorns (Acer montanum L.) mit daran hängenden Blättern mm Oeninger Schiefer (k); der ‚ Blätter von Buchen, Weiden, Aepfelbäumen und andern einheimischen Bäumen, die bey Berlingen an der südwestlichen Seite des Bodensees in ei- nem Sandsteine vorkommen, der mit kleinen Hieseln, Glimmer, vielen Versteinerungen von Landschnecken, z. B. Helix citrina, arbustorum, lucorum u. dgl. und F ragmenten von Hirschgewei- hen vermischt ist (1); der versteinerten Wallnüs- se von Lamorra in Piemont (m); der Abdrücke von der Anemone hepatica, Anemone sylvestris, Asperula odorata und andern Waldpflauzen bey St, (i) Hacover’s neneste Reisen durch die nördl. HKar- pathen. Th.3. 8.63. 64. ‚(k) BrumensAacH in Voıcr’s Mag. f. d. Neueste aus der Physik u, s. w. B.V. St.ı. $S.24,. Von Benror« DINOEN a... 0. $.242. (I) Anpreä’s Briefe aus der 'Schweitz. 8.59. (m) Anprei a.2.0. 8.42. 55. 58. Tab. 3. fig. LE ap 7 gl i \ 104 —— St. Imbert (n); und der Frankenberger Kornähren in ‚Fahlerz (o). Aber manche solcher Abdrücke und Verstei- nerungen sind von noch heuerer ' Entstehung: denn auch in heutigen Zeiten fährt die. Natur noch fort, Steinschichten und Petrefakten zu er- zeugen. Ich habe, sagt Saussur£e, am Ufer des mittelländischen Meers auf dem Faro di Messina, nahe am Schlunde der Charybdis, Sand gesehen, welcher noch beweglich ist, wenn ihn die Wel- len am Ufer anhäufen, der aber, durch den vom Meere hinein filtrirten kalkarligen MKütt, nach und nach bis zur Festigkeit eines Mühl- steins verhärtet, Diese Thatsache ist in Mes- sina bekannt; man nimmt täglich vom Ufer Stei- ne hinweg, ohne dafs der Vorrath erschöpft, odar das Ufer niedriger würde. Die Wellen werfen wieder Sand in die leeren Plätze, und in wenig Jahren küttet sich dieser so zusammen, dafs die neu gebildeten Steine von den alten nicht zu un- terscheiden sind (p). Eine ähnliche Thatsache erzählt Mor.ınA. $ Dieser versichert, dals man in Chili nicht weit von Valparaiso einige vier-. | (n) Von BEROLDINGEN a. a. O. S.129. (0) Warpın’s Frankenberger Versteinerungen. Tab. ı. fig.1-5. ie (p) Saussune’s Reisen durch die Alpen. Th.ı. $, 291. il k - eckige, meer 105 > " eckige, ganz versteinerte Bäume in seiner Ge- genwart 'ausgegraben habe,: woran noch ganz ‘ deutlich die Hiebe Europäischer Beile zu erken- nen waren, und die also erst lange nach der An- kunft der Spanier in Chili angefangen haben mulsten, versteinert zu werden. Der Chilesi- sche Weidenbaum,: fährt MorLına fort, ist viel- leicht zu dieser Versteinerung am geschicktesten; überall findet man Petrefakten von Zweigen des- selben; man darf nur däs Holz dieses Baums in ein sandiges und feuchtes Erdreich graben, sa wird es gleich versteinert (q). Noch müssen wir einer merkwürdigen Er- scheinung erwähnen, welche, nach dem Zeug- nisse des Abbe DE SauvAses (r), in einem bey Alais liegenden Flötze statt findet. In dieser Gebirgsart, die vorzüglich aus Sand und Ocker besteht, trifft man neben solchen Phytolithen, welche, einheimischen Gewächsen angehören, an- dere an, deren Originale nirgends in ..der dortigen Gegend vorhanden sind. Es giebt hier Baum- stämme, welche theils versteinert, theils in Stein- kohlen verwandelt sind, und nicht weit davon Abdrücke von Farrnkräutern und von mehrern Arten (9) Monats Nat. Gesch. von Chili. $.97. (7) Men, de R Acad. des sc. de Paris. 1743. Ed, 4. P- 407. - G5 IO6 Arten der Iris, des Galium, der .Centaurea und des Geranium, die zum Theil noch Blumen tra- gen, und insgesammt mit einheimischen Pflanzen übereinkommen, Nahe dabey liegen aber auch Abdrücke sehr grofser Blätter, von welchen die grölsten 8 Zoll breit, über 6 Fuls lang und mit Rippen versehen sind, die sich nicht zerästeln, sondern von der Basis bis zur Spitze des Blatts fast parallel mit einander fortgehen, und in un- gleichen Zwischenräumen knotige Artikulationen haben. Alle diese Abdrücke befinden sich in ei- nem grauen Schiefer; alle sind vollkommen aus- gebreitet; kein Blatt hat Biegungen. und Falten; jedes ist mit den Schieferlagen- parallel, und die ausländischen Arten liegen dicht neben den ein- ‘heimischen. Jedoch sind diese _ nie mit jenen vermischt, sondern haufenweise von. einander abgesondert, Zu: den jüngsten Ueberbleibseln der: grolsen Revolutionen, welche die Erdfläche erlitten hat, gehören endlich noch die vielen verschütteten Wälder, die in vielen Gegenden. des nordwestli- chen Europa, besonders in Holland, Ostfriesland, im Bremischen und in Dänemark unter den dortigen Torfmooren vorkommen (s). Die Wur- zeln dieser Bäume stehen alle im Sandboden, und sind mit 8 bis ı$ Fuls hohen Toörfschichten ' \ de (s) Leıisnırır Protog. P.80. 84. / _.. 107 bedeckt. Gewöhnlich sind die Stämme abgebro- chen. Oft hat der fallende Stamm die Hälfte der Wurzeln aus dem Sande gehoben. In Ost- friesland sind die meisten dieser: Bäume Nadel- hölzer und Eichen. Der letztern giebt es aber nicht so viele, als der erstern. In einigen Ge- genden findet man auch unterirdische Wälder, die ebenfalls in sandigem Boden eingewurzelt, aber blos mit Damm- und Thonerde bedeckt sind. Diese Bäume stehen fast alle noch aufrecht, sind von niedrigem Wuchse, und theils abgebrannt, theils abgehauen. -Dem Zeugnisse einiger Chro- niken zufolge, war die. Ursache des Umsturzes und der Verschüttung. jener Wälder die grolse Cimbrische Wasserfluth, wodurch im Jahre 540 vor Christi Geburt ganz Holland und der an die Nordsee gränzende Theil von Deutschland über- schwemmt, Schonen vom festen Lande gerissen, der Sund entstanden, und England von Frank- reich, so wie Seeland von Flandern getrennt seyn soll (t), Das bisher Angeführte ist die Summe unse- ‚rer jetzigen Kenntnisse von den Umwandlungen, welche die Flora der Vorwelt seit ihrer Entste- hung erlitten hat. Sie ist noch zu gering, um mit Genauigkeit die verschiedenen Perioden die- ser . () Weıs in den Schriften‘ der Berlin. Gesellsch. .B. .V, 8.337. “ 108 U “ ser Veränderungen schildern zu können. - So viel scheint indels aus den erwähnten Thatsachen. - o . . ‘ \ hervorzugehen, dafs sich vier Hauptformationen ‘jener Flor annehmen lassen. Die erste: ist 'gleich- zeitig mit der Steinkohlenformation der Sandstein- und Flötzkalkgebirge. Diese besteht ganz aus untergegangenen Farrnkräutern. Die zweyte ge- hört in diejenige Periode, in welcher sich die eigentlichen. Steinkohlenflötze bildeten. Diese enthält, ausser Farınkräutern, schon wahre Pflan- zen, worunter vorzüglich palmen - und 'rohrar- tige vorkommen, ‚Vielleicht giebt es -unter die- sen auch einige Arten, die noch jetzt vorhanden sind. Alle aber sind Produkte eines wärmern. Himmelsstrichs. Die dritte Formation entstand zu gleicher Zeit mit den Flötztrappgebirgen. In ihr finden sich Erzeugnisse der kältern Climate "neben solchen, die nur aus einem Palmenclima herstammen können, Zu dieser müssen ohne Zweifel die von SauvageEs bey Alais entdeckten Abdrücke und Versteinerungen gerechnet werden. Endlich die vierte Formation gehört den ange- schwemmten Gebirgen- an, und enthält einheimi- « sche Gewächse, die sich zum Theil bis auf A: heutigen Tag erhalten haben, S '" Die dritte dieser Formationen zeichnet sich noch durch einen merkwürdigen Umstand aus, der uns vielleicht Aufschlufs über die grolse Uep- Ba iv ” mass 109 pigkeit der ehemaligen Vegetation geben kann. Auf dem Habichiswalde bey Cassel nehmlich liegt ein Holzkohlenflütz, das, nach der Versicherung von Rırs, vulcanische Laven zur Unterlage hat, und mehrere Lachter. hoch: mit vulcanischer Lave be- deckt ist. Eine ähnliche Erscheinung zeigt sich auf dem Meifsner bey Allendorf. Von dem dor- tigen Flötze von bituminösem Holze ist das Lie- gende ein Conglomerat . von Kalkstein, ‘Sand, Thon und Bitumen, das Dach aber ein, die obere Hälfte des Berges ausmachender. Basalt (u), Liesse sich nun als ausgemacht annehmen, dafs die Unterlage und das Dach der Holzkohlen des ‚Habichtswaldes wahre vulcanische Lave und der > Basalt des Meilsner vulcanischen Ursprungs wä- re, so würde hieraus folgen, dals die Periode, in welcher die» dritte der oben erwähnten Pflan- zenformationen statt fand, zugleich die Periode des Ausbruchs der vielen ausgebrannten Vulcane war,- die sich, mehrern Schriftstellern zufolge, fast allenthalben in Europa, besonders aber in | den Rheingegenden und in Frankreich finden, und daraus Würde sich dann die ehemalige gro- - fse Fruchtbarkeit der Gegenden erklären lassen, wo eine so ungeheure Menge Holz verschüttet- liegt, Alle, von vulcanischen Ausbrüchen ent- standene Erde nehmlich ist yon ausserordentlj- « *. ‚cher (u) Rızs mineralogisch - bergmännische Beobachtungen über einige hessische Gebirgsgegenden. S. 6g X . i1o | — Bet cher Fruchtbarkeit. Man sieht dies .an dem. Fufse des Aetna, wo der Weitzen in guten Jah- ren, die dort -sehr gemein sind, ‘heut zu Tage das sechszigste Korn abwirft, und ehemals, wo der Feldbau in jenen Gegenden emsiger betrieben wurde, gar das hundertste lieferte (v). Die ge- fallene Asche dieses Vulcans befördert so sehr die. Vegetation, dafs Erbsen, die. in seinem Teller voll solcher Asche gesäet wurden, schon am drit- ten Tage keimien, und besser fortwuchsen, als sonst in dem ruchtbarsten Boden (w). Auch der Meifsner im Hessischen ist noch jetzt von ausgezeichneter Fruchtbarkeit (x). Indefs gegen den vulcanischen Ursprung des Basalts und ande- rer verwandter Gebirgsarten der Flötztrappforma- tion lassen sich‘ freylich noch Zweifel erheben, obgleich der Umstand, dals der Basalt, der doch auf dem nassen Wege nicht anders als im Meere erzeugt /seyn kann, so höchst selten Versteme- rungen enthält, immer ein wichtiger, und noch von keinem Neptunisten widerlegter Grund für die vulcanische Entstehung desselben ist. \ NR 15. u (v) Vow Sarıs Beyträge zur Kenntnils beyder Si-. ‚cilien. ; (w) Licurengeno’s physikal, u. mathemat, Schriften. B.2. 8.502. | | (x) Rızs a. a O, 8.70 2 m IiiI Ehe Pflanzen waren, gab es noch keine Landthiere: denn in keiner der Gebirgsarten, die der Bildung der Steinkohlenflötze und der älte- sten Ueberbleibsel von Gewächsen vorhergingen, findet sich irgend eine Spuhr dieser Organismen. Nur der -Ocean enthielt damals lebende Bewoh- ner; das feste Land bestand aus öden Felsen, auf welchen noch kein Grashalm keimte, die noch ‚keihem Thiere zur Wohnung dienten, wo noch nichts begraben lag, als Thierpflanzen, Schaalthiere und Fische. Nachdem aber die Ur- keime des Pflanzenreichs sich entwickelt hatten, erhob sich auch das Thierreich zu höhern Stu- fen der Organisation. ‘Von dieser Epoche an finden sich im Bern- 'steine die ersten Spuhren von Landinsekten. Meist lassen sich dieselben zu einem noch le- benden Geschlechte, z.B. zu dem der Ameisen, Mücken und Spinnen, bringen. Ob es auch Arten darunter giebt, die noch vorhanden sind, . müssen wir unentschieden lassen. Gewils aber ist es, dals man niemals unter ihnen Wasserin- sekien antrifft, und wahrscheinlich ist es, dals jene Insekten selber, und besonders die Ameisen, vermöge der Säure,, die sie excerniren, Er der Bildung des Bernsteins Antheil gehabt haben, da man noch jetzt in einigen Gegenden, z.B. in 1%) den 112 | mn den Nadelholz-Waldungen des Galizischen Gebir- ges Pisanı IKamieni, huchen von einem strohgel- ben Harze findet, welches die Ameisen in ihren Haufen verscharrt halten (y). Die Art, wie der Berustein gelagert ist, und die Beschaffenheit verschiedener anderer Körper, die in demselben eingeschlossen sind, mächen es aber auch glaub- lich, dals die Lebenszeit jener Insekten und die Entstehung dieser Substanz in eine spätere Pe- riode fällt, ‚als die ist, in welcher. diejenigen Farrokräuter und Pilanzen lebten, wovon, entwe- der gar keine Originale, oder doch keine in der 'gemälsigten und kalten Zone des Nordens vor- handen sind. Die Lagerstäte des Bernsteins nehm» lich ist meist zwischen Trümmern von Pflan- zen, die noch keinen hohen Grad von Zerset- zung erlitten haben, z. B. zwischen Torf und faulen Holzstücken,, unter einer oft nur wenig Schuhe tieien- Sandschichte’(z). Schon dieser Umstand deutet also auf eine neuere Entstehung ‘jener Substanz hin. ‘Dann aber kömmt auch ‚oft in dem Bernsteine schwarze Moor- oder Pflan- zenerde vor (2a); woraus ‘erhellet, dals schon lange (y) Hacouver’s neueste Beide durch die nördl. pr pathen. Th.3. S: 21. — Vergl. GiarAnner in Lich TenBeng’s Mag. f. d. Neueste aus der Physik us. we B. IV: St.2. 5.38: (2) Vox BEROLDINGEN a. a. OÖ. 5:34: © (a) Ebendas; $. 365; _\ a 2 = — 113 lange vorher, ehe sich der Bernstein bildete, Pilanzen vorhanden gewesen seyn müssen, End- lich findet man in ihm anch Tannen - und Fich- tennadeln, und den Tannenzapfen ähnliche Rör* per (b), folglich Ueberbleibsel einer Pflanzenfa- milie, die erst von späterer Entstehung ist. Ver- muthlich gehöret daher der Bernstein, und mit ihm diejenigen Insekten, die in ihm einge- schlossen sind, in diejenige Periode, aus wel. cher das bituminöse Holz und die Holzkohlen herstammen. Um eben die Zeit, als jene Landinsekten leb- ten, die als natürliche Mumien: im Bernsteine ent halten sind, waren auch schon Amphibien vor- handen, Wir finden Ueberbleibsel dieser Thiere in Steinschichten, die ohngefähr in derselben Pe- riode, aus welcher die Steinkohlenflötze und Ab. drücke fremder Gewächse herrühren, entstanden sind. Von der Art scheinet z.B. die von Spe- NER (c) beschriebene crocodilartige Eidechse zu seyn, welche vor ohngefähr hundert Jahren in der Thüringischen Kupfergrube bey Suhla vier- zehn Lachter tief gefunden wurde. Die Stein- art, worin sie lag, war ein kupferhaltiger Schie- fer, der zugleich ziemlich vollständige Versteine- run- (b) Ebendas. (c) Miscellan. Berolinens, T.ı. p- 99: ig. 24. 25. II. Da. H Er II4 a rungen von Fischen enthielt. Die Knochen des Crocodils waren ebenfalls, und noch mehr als der Stein. selber, mit Kupfer geschwängert, Einige" Theile desselben, unter andern die Wirbelbeine, ragten einen Zoll hoch über die Öberfläche des Schiefers hervor. Seine ganze Länge betrug ohngefäkr. drey Rheinländische Fuls. In dem Profil des Kopfs hat er Aehnlichkeit mit dem Nilerecodil, hingegen so wenig mit dem Gavial, dals es schwer zu begreifen ist, wie Fausas-Sr- Fonp (d) von Srener’s Abbildung und Beschrei- bung behaupten kann: gu’un homme, un peu exerc& dans l’Anatomie comparce, ne sauroit s’em- pecher de reconnaitre quelle convient parfaite- ment a un crocodile de l’espece du Gavial. Drey solche fossile Crocodile wurden auch in den Marmorbrüchen von Altdorf entdeckt. MeER« gedenkt ihrer in seinen Briefen (e), und erklärt sie für Gaviale. Einen derselben, welcher sich im Churfürstlichen Cabinet zu Mannheim befin- det, hat Corrını (f) beschrieben, aber unrichtig für einen Ichtyolithen gehalten. ; | Ein- (d) Essai de Geologie. T.ı. p: 157. (e) Lettres sur les os fossiles d’el&phans et de rhino- ceros qui se trouvent en Allemagne. (f) Commentat, Acad, Theodoro - Palatin. Vol, V. phys. p: 5% ——— is Einzelne Knochen eines Crocadils wurden fer- ner zu Rozzo an der Tyroler Gränze in einem mergelartigen Steine, der zugleich Skelette von Pflanzenblättern enthält (g), und die Kinnladen eines solchen Thiers in dem Felsen bey Honfleur gefunden. Cuvier, der die letztern untersuchte, erklärt sie für Ueberbleibsel einer Art, die dem Gavial verwandt, aber doch von demselben durch auffallende Charaktere leicht zu unter: scheiden ist (h).. Eben dieser Naturforscher er- wähnt (g) FavsäAs-St-Fonp ä. ä. O. p:ıÖ3: (h) “Die Kiefer dieses Crocodils von Hönfleur”, sagt er; “gleichen ihrer Verlängerung nach denen des Ga: „vial’s, nur sind die Zähne minder gleich, und „die Näthe der Kopfknochen anders gebilde: Der „auffallendste Unterschied liegt in den Halswirbeln: Bey allen übrigen bekannten Crocodilarten ist die „vordere Fläche des ‚Körpers der Halswirbel concav; „und die hintere convex; bey der von Honfleur „findet gerade das Gegenitheil statt. Auch sind die ;„Fortsätze der Halswirbel verwickelter, als bey den „gewöhnlichen Crocodilen.: Das Thier scheint 18 „Fufs Länge gehabt zu haben; Die Knochen sind „vetsteinert und geben am Stahle Funken: Das „schwammige Gewebe derselben ist mit Schwefel- „kies ausgefüll. Sie liegen in einem sehr verhär= ;teten graulichen mergelartigen Steine, woraus sie „sich nur mit Mühe losmachen lassen” (Bulletin - des sc; de la Soc, philomath. n. 44.). Ha 116 run wähnt eines, in seiner Sammlung befindlichen Stücks eines fossilen Ropfs aus den Steinbrüchen von Montmartre, das von einer dem Crocodil verwandten Eidechsenart herrührt (i). Die merkwürdigsten fossilen Rnochen croco- dilarliger Thiere sind aber diejenigen, welche in dem Petersberge zu Mastricht zwischen Corallen, Madreporen, Alcyonien, Echiniten, Belemniten, Muscheln und versteinerten Hölzern gefunden sind, und wovon Bucnoz (k), PETER CAuPER (1 und FAusas-St-Fonp (in) Abbildungen und Be- schreibungen geliefert haben. Perer Camper hielt sie für Ueberbleibsel einer unbekannten Cascheiotart,. Hingegen Fausas -Str-Fonp und ADrIAN CAMPER (n) erklärten sie für Reste eines Crocodils, und in der That kann man auch .der Meinung des ältern Camper schwerlich beystim- men, wenn man erwägt, dals die untere Kinn- lade des Thiers von Mastricht, wie bey allen Thieren aus der Familie der Eidechsen, aus mehrern Stücken besteht, da bey den Wallfi- schen, wie bey alleu Säugthieren, an jeder Seite nur (i) Annales da Museum d’Hist. nat. T. III. p- 385. (k) Dons de la nature. Pl. 66. 68., (l) Sämmtliche kleine Schriften. B.5. Ss, Taf.ı.2. (m) Hist, nat, de Ja montagne de St. Pierre. — Es. sai de Geologie. Se p- 168. PLVIH. (n) Bulletin des sc. de.la Soc. philomath. n. 42. _ —— 117 nur Ein Stück vorhanden ist, und dals sich bey jenem, eben so wie beym Crocodil, ein Nasen- canal findet, welcher von der Kehle bis zum Ende der Schnauze geht, da dieser Canal bey den Wallfischen auf der Achse des Schädels senk- recht steht. Indels beweisen allerdings manche der Gründe, worauf sich der ältere Camrer stützte, als er jenes Thier für eine Caschelotart erklärte, eine specifische, und vielleicht gar ge- nerische Verschiedenheit desselben von allen heu- tigen Crocodilen. Diese haben insgesammt hohle Zähne, bey jenem aber sind die Zähne durckaus dicht; ausserdem hat das Thier von Mastricht Zähne am Gaumen, die allen übrigen Crocodis len ‚fehlen. Ein anderes Amphibiengeschlecht, wovon | nicht selten fossile Ueberbleibsel vorkommen, ist das der Schildkröten. Man hat Knochen dieser Thiere bey Burgtonna, bey Mastricht, in der Ge- gend von Brüssel, bey Paris und bey Aix an-« getroffen, Von einem bey Burgtonna in einer Mischung von Sande und blauem Thone gefundenen Frag- ment einer Schildkrötenschaale hat Voıcr (0) eine . Abbildung geliefert. ih Die (0) Mag. f, d. Neueste aus der Physik u... w. B.5. St, 4. Tab.I. fig. 5. 13 118 ——— > a Die in dem Petersberge bey Masitricht ent. deckten Iınochen von Schildkröten zeichnen sich eben so auffallend, wie die dortigen Crocodil, knochen , vor allen heutigen Amphibien aus, Canrer besals aus diesem Berge den ganzen Rückenschild einer Schildkröte, der bey einer Länge von vier Fuls die so sehr geringe Breite von sechszehn Zoll hatte (p). Zwey andere, im Petersberge gefundene Arten, die ebenfalls sehr wunderbar gebildet sind, hat FAujas-ST-Fonp,(q) abgebildet und beschrieben. Beyde haben nach vorne auf jeder Seite einen aus drey Stücken bestehenden Vorderarm, der wie ein Ermel ge- bildet ist, und nach jeder Seite des Hopfs einen ovalen Ausschnitt. Von den fossilen Schildkröten, die in den Halkbrüchen von Melsbroek bey Brüssel vorkom- men, findet man Zeichnungen bey Burriın (r) und Bucnoz (s). LAczreoe und FaAujas-STt- Fonn (p) CAamrer’s sämmtl. kl. Schriften. B.3. S,ı2.° FAv- jas-Sr-Fonn (Essai de Geologie. T.ı. p. 180) führe eben dieses Faktum aus den Philosophical Trans-. actions an, lälst aber Camrer’n hier die Breite der: Schaale gar nur auf sechs Zoll angeben. (q) Hist. nat. de la montagne de St-Pierre. Pl. XII, pP: 97. PLXHL. 'p..09. Pl. ZIV, p. 101. (r) Oryctographie de Bruxelles. (s) Dons de la Nature, e——— 119 Foxp {t) versichern, keinen Unterschied. zwischen diesen und der KRiesenschildkröte bemerkt zu haben. Bey Aix in der Provence giebt es eine fos- sile Schildkrötenart, welche durch die ausseror- dentliche Wölbung der: Schaale merkwürdig ist. Ein Exemplar, das ps Lamanon (u) ausmals, hatte an der Basis eine Breite von nur sechs Zoll, aber eine Höhe von fast sieben Zoll. Keine bekannte Art der heutigen Schildkröten hat eine so beträchtliche Wölbung. In der Gegend von Paris ist bis jetzt nur erst ein einzelnes Fragment einer fossilen Schild- kröte gefunden (v), woraus sich die Art dieses Thiers schwerlich beurtheilen läfst, Sehr vollständige Petrefakten von Amphibien befinden sich auch in den Oeninger Steinbrüchen, die so reich an den schönsten Abdrücken und Versteinerunsen von Thieren und PfHarzen aller Oo j Art sind. Man weils aber schon aus dem Obi- gen, dafs die-Entstehung jener Schiefer in neue re Zeiten fällt. Die dortigen Amphibien sind daher (t) Essaı de Geologie. T.T. p.179 (u) Journal de Phys. T.XVI. p. 168. (v) Fausas-St-Tonp, Annales du Museum d’Hise nat. T.ı. p.ı0g. H4 120 nenn daher die nehmlichen,, die noch jetzt in der dasigen Gegend leben, z. B. gemeine Kröten (w). u, 1.08 Das Merkwürdigste aber, was aus der Periode übrig ist, aus welcher der Bernstein ud das bi- tuminöse Holz herrührt, sind die fossilen Reste von Säugthieren, die sich fast allenthalben in Eu- ropa, Nordasien und Amerika finden, jene meist colossalischen Gebeine, welche ’Thieren angehö. ren, die grölstentheils mit den jetzigen Elephan- ten, Nashörnern, Nilpferden und Tapirn von einerley Familie und selbst von einerley Ge- schlechte sind, die aber meist mit keiner jetzi- gen Thierart ganz übereinkommen, und eben so wohl aus der lebenden Natur verschwunden sind, wie die. Encriniten und übrigen frühern Erzeugnisse der Erde. Fast alle, bis jetzt entdeckte fossile Ueber- bleibsel von. Säugthbieren, die aus der Periode herrühren, womit wir uns hier beschäftigen, gehören zu den Familien der Schweine, Rinder, Wallfische, Faulthiere und Hunde. Wir werden zuerst diejenigen untersuchen, die schweinearti- gen T'hieren angehören, ! L Fos- m . (w) Anopneä’s Briefe aus der Schweitz. 8.267. Taf. XV. fig.b. I. Fossile Ueberbleibsel schweinartiger Thiere. v \ \ ı. Elephanten. Schon zu THEOPHRAST’s Zeiten war es eine bekannte Sache, dafs es gegrabenes Elfenbein und fossile Elephantenknochen ausserhalb dem Vaterlande der Elephanten gebe (x), .Man fand diese Fossilien in neuern Zeiten: In mehrern Gegenden von Deutschland, z.B. bey Canstad in Schwaben (y), im Eichstädti- schen über dem Ralkschiefer, welcher die vielen _ Abdrücke von Krebsen und Fischen enthält (z), bey Burgtonna in Thüringen (a), in dem Leimgrunde der (x) Pins nat. hist, L.XXXVI. C.ı8. (y) Srıeissır Oedipns osteologicus. Scaphus. ı701. HARENBERG de lilio lapideo s. Encrino. Guelpher- bit. 1729. J. $ CArr lapis Lydius philosophico-py- rotechnicus ad ossium fossilium docimasiam analy- tice demonstrandam adhibitus. Trancof. ad M. 1704. (2) Esrer, Schriften der Berlin. Gesellsch. B.V. ST (a) Hocer in Miscell. Nat. Cur. dec. 7. ann. 7. &. p- 294. obs.175. TentzeLi epist. de sceler. elephant. ad Anton. Magliabecchium. Gotting. 1696. Phil. Trans. Vol. XXIV. n.234. Voror' in dessen Mag. H5 ir ä,. 122 Burn ran, der ÖOberneustadt von Cassel (b), bey Potsdam an einem hohen Ufer der Havel in einem dahin absetzenden Sandflötz, welches Thon zur Unter- lage hat (c), an den Ufern der Elbe in Böh- men (d), vorzüglich aber in der Gegend des Tiheins. Merx versichert, in der obern Graf- schaft Hatzenellenbogen, und in den benachbar- ten Ufern des Rheins und Neckars, in einem Umfange von ı5 bis zo Stunden, mehr als 50 Exemplare von Elephanten angetroffen zu ha- ben (e). a Im ehemaligen Polen und in Ungarn. Be‘ schreibungen und Abbildungen von Elephanten- zähnen, die an verschiedenen Orten dieser Län- der ausgegraben wurden, hahen Conkan Ges- ' NER (f) und Marsıcıı (g) geliefert. Fossilen Elfen- f. d. Neweste aus der Physik u. s.w. B.II. St. 4 S.ı. BiumensAacH specimen Archaeolog. telluris, Ps kb) Rasre’s Beytrag zur Historie von Hessen. S.6. (ce) Fuvcnus in den Beschäftigungen der Berlin. Ge- sellsch. B.3. Fibenders. in den Schriften ‚der Ber- lin. Gesell, B.3. S.ı52. B.4. 8.254. (d) Maxer in den Abhandl. einer Privatgesellsch. im . Böhmen. B.6. S. 260. (e) Deutscher Mereur. 1784. Januar. ,;- (f) De fig, lapid. p.157. dar (g) Daunub. Patinon, Mysic. Vol.2. P.ıı. P,75. Tab. 25-31 / sauneue I23 Elfenbeins, das sich bey Danzig, an der Weich- sel nicht weit von Warschau, und in der Unga- rischen Drachenhöhle fand, gedenken Kein (h) und Rzaczısskı G). In Podolien. _Hacquerr (k) erwähnt dortiger Elephantenzähne und Seethierschaalen in weissem Mergel, | In Galizien. In den Salzwerken von Wie- liczka hat man Backenzähne und andere Tinochen von Elephanten, nebst vielen Muscheln und Ge- häusen von andern Seethieren, angetroffen (Il). In Italien. , Am Ende des sechszehnten Jahr- hunderts fand man fossile Elephantenknochen zu Viterbo (m). In neuern Zeiten wurden derglei- chen Gebeine von Forrıs (n) und dem Due ve LA RocHEFOUCAULT (0) bey Rom, und zwar von dem ' (I) Hist. nat. pisc. Miss. II. p. 29 sq. (1) Hist. nat. cur. Polon. p.ı. 8. (k) Neueste ‚Reisen durch die nördl, Karpathen. Th, _ 1. $.55. (}) Van Born Catalogue de la collection des fossiles de Madem. de Raab. T. U. (m) LAnGeMmAnNTEeL in Miscell. Acad. Nat. Cur. dec. 2. ann. 7.:P.446. obs.. 234. (4) Mem. pour servir a /’Hist, nat. de I’Jtalie, T,II. p- 302. | (0) Fausas-Sr-Fonp Essaı de Geölogie. T.I. p.2gı. 124 nn dem letztern ein Eckzahn in vulcanischer Tuffa entdeckt, i In der Schweitz. Eines Backenzahns von: einem Elephanten aus der Birse nicht weit von Basel gedenkt AnpreÄ (p).. In Frankreich. Unter Kaiser Carl VII im Jahre 1456 wurden nicht weit von Valence Ue- berbleibsel eines Elephanten ausgegraben (qg). Neuere Beyspiele von fossilem,, in ‚Frankreich . gefundenen Elfenbeine erzählt Burron (r). Einen Elephantenzahn, welcher zu Darbres im Depar- tement Ardeche gefunden wurde, hat Faujyas- Srt-Fonp beschrieben (s). In Holland. Ein von CAmPrEr untersuchtes Stück eines Elephantenschädels, das von einem jüngern Thiere zu seyn schien, ‚wurde in dex Gegend von Herzogenbusch (t), und ein Hüft- bein mit einem Wirbelknochen von einem ältern Thiere im Bommeler-waard gefunden (u). | In (p) Briefe aus der Schweitz. S. 31. (g) SLoAne, Mem. de l’Acad. des sc. de Paris. En Ed.8. p-454. (r) Hist. nat. Vol. XI. (s) Annales du Museum d’Hist. nat. T.II. p. 22. (t) Acta Acad. sc. Petropol. 1777. P.2. p.203. (u) Verhandel. van het Maatsch. te Haarlem. D. ı2. Bl. 373. — u In England, Zu Northampton traf man Fraginente von Eckzähnen, und nicht weit da- von den Backenzahn eines Elephanten im Sande an (v). In Staffordshire fand sich die Kinnlade eines Elephanten in Mergel (w), und bey Lon- don fossiles Elfenbein (x). In Irland. Im: westlichen Theile dieser In- sel wurden vier Fuls unter der Erde grofse zer- reibliche Knochen mit vier grolsen Backenzäh-, nen, wahrscheinlich von einem Elephanten, aus- gegraben (y). In Rufsland entdeckte man Backenzähne von Elephanten am Bache Usen, der sich in den Ik ergielst, und in den kupferhaltigen Schichten bey Djoma (2); ferner in den Kupfergruben am Bache Sfensa, und am Flusse Ufa (a), In (y) Morton Nat. Hist. of Staffords. p.78. (w) R. Pror Nat. Hist. of Staffords. p- 78. (x) SroAne a.a. 0. p.450. (y) Nevızıe et Tu. Morınevx Nat. Hist. of Ireland. p- 128. \ (z) Rrrschukow Tagebuch über seine Reise durch verschiedene Provinzen des Russischen Reichs. (a) Lerecuın’s Tagebuch seiner Reise durch versch. Prov. des Russischen Reichs, es / 126 In Island. BarrHsorıy hat Nachricht von fossilem Elfenbeine gegeben, welches in dieser Insel gefunden war (b). In Siberien. Von den dortigen Elephanten- knochen handeln, nebst mehrern andern Schrift- stellern‘, vorzüglich Yssrann Ioes (c),' Tarır- | scHow (d), Baevne (e), der ältere GmEzIN (&) und Parras (g). Dem Berichte des letztern zu« folge giebt es im ganzen nördlichen Asien vom Flusse Tanais an bis zum äussersten, Amerika gegen über liegenden Ende der alten Welt keinen grölsern Flufls, in dessen Beite oder Ufern nicht Knochen von Elephanten und andern grolsen fremdartigen Thieren gefunden wären und noch angetroffen würden. Doch gilt dies besönders von denjenigen Flüssen, die ihren Weg durch Steppen nehmen: denn im Allgemeinen läfst sich behaupten, dafs die Siberischen Gebirgskeiten, die sich mit ihren uranfänglichen Felsen durch ganz Asien erstrecken, eben so wenig Ueberbleib- d sel (b) Act. med. et philosoph. Hafn. TI. obs.46, | | CB) REN nach China. Mi '(d) Act. litterar, et sc. Sueciae, VoLIH. p.56 (e) Phil. Trans. 1757. p: 124 (f) Reise durch Siberien; (g) Nov. Commentar. Acad. sec. Petropol. T. x. p: 456. T.XVII.'p.576; Reise durch ‚versch, Provins zen des Russischen Reichs, Th.5: S. 409 z——— 437 sel von fremden Landthieren, als von Seekörpern enthalten. Man findet auch nie, oder doch nur sehr selten diese Fossilien in sehr niedrig gele- genen, sumpfigen Gegenden, Aber allenthalben, wo sich die letzten Hügel der Siberischen Alpen in Ebenen verliehren, und vorzüglich, wo wei- te, sandige Steppen folgen, sind die Ufer der Flüsse auch reich an Knochen und andern Re- sten ausländischer Thiere. Sie finden sich in gleicher Menge unter allen Graden der Breite von der Bergzone an, die das nördliche Asien nach Süden begränzt, bis zu den Küsten des Eis- meers, Ja, das beste Elfenbein wird in der Nähe des nördlichen Polarcirkels und in den al- leröstlichsten Gegenden von Asien, die weit käl- ter sind als Europa, obgleich sie mit diesem Welttheile unter einerley Graden der Breite lie- gen, und deren Boden blos im Sommer - und auch dann nur an der Öberfläche aufthaut, aus- gegraben. An einigen Orten liegen Knochen grölserer und kleinerer Thiere beysammen, sn dals es scheint, als ob hier ganze Heerden von Thieren ihr Grab gefunden hätten. An andern Stellen hingegen trifft man nur die Ueberbleibsel von einigen Thieren, oder auch nur von einem einzigen Sail Fast immer aber liegen sie zer- streut, und wie von den Wellen umhergeworfen, mit Schichten von angeschwemmtem Sande be- ‘deckt, und oft mit Ueberbleibseln von Meerthie- Ten 128 —— ven vermischt. Am Irtisch fand Pannas sogar zwischen den Knochen von Elephanten, Büffeln und Nashörnern Fragmente von andern Knochen, die der Form und Textur nach blos von den Schädeln grölserer. Meeräsche seyn konnten, Hingegen unterhalb Krasnojarsk am Jenisei, wo auch einzelne Elephantenknochen ziemlich häufig sind, trifft man keine Spuhr von Seekörpern, wohl aber Stücke von Weiden- und Knüppelholz. an, welche offenbar im Wasser vorher gerollt und abgenutzt- worden sind, che sie in der Erd. lage, welche sie versteinert hat, ihr Lager ge- funden haben, Nach der Erzählung des ältern Gmerın kom- men in der Gegend von Swiatoi-Nofs Auch Ele- phantenknochen in Torflande vor. Unter andern traf man einen ganzen Schädel mit einem noch daran sitzenden, und einem daneben liegenden Fangzahne, und nicht weit von dieser Gegend, ebenfalls im Torfe, einen fossilen Ochsenkopf an. Ines erzählt, dafs einer seiner Reisegefähr- ten, der jährlich auf: das Sammeln von fossilem Elfenbeine ausging, in gefrornem Erdreiche ei- nen "ganzen Elephantenkopf mit dem Fleische, das aber sehr verdorben war, mit den Hauzäh- nen, die noch so fest in ‚der Kinnlade salsen, dafs sie nur mit vieler Mühe davon getrennt | werden konnten, und mit den Halswirbeln, die noch mann 129 noch wie mit Blute gefärbt waren, und dane- ben einen Fuls, der so dick war, wie der Leib eines. Menschen von mittelmäfsiger Statur, gefun- den habe. | In der Tartarey (bh). Im nördlichen Afrika, Bey Tunis wurde im sıebenzehnten Jahrhundert, unter mehrern an- dern colossalischen Knochen, ein Backenzahn gefunden, und an Peıresc geschickt, der ihn mit den Zähnen eines lebenden Elephanten ver- glich und ihn für ein Ueberbleibsel dieser Thier- art erkannte (i), i In Amerika. Am Ohioflusse sind schon seit hundert Jahren viele einzelne Elephantenknochen gefunden worden (k). Der Ort, wo diese Fos- silien dort zuerst in grolsen: Haufen beysammen liegend entdeckt wurden, ist ein niedriger Hügel an der Ostseite des Ohio. Nachher traf man sie auch in Nordcarolina, in Pensylvanien und Newyork an. - Auch erwähnt CATesgr eines in | . ‚Südca- (h) ParrAas Bemerkungen auf einer Reise in die südl. Statthalterschaften des Russischen Reichs in den J. 1793 u. 1794. Th.ı. S:.36. 83. 89- - .(i) Peırescı vita per Prraum GAssenpum. L.IY. p. 256. 263. £ (&) MATHER, Phil. Trans. 2714. p. 62, III. Ba. 1 a 130 —— Sidcarolina ausgegrabenen Eckzalıns vom Ele- phanten, und Karu eines im ‚Lande der Illinois gefundenen ganzen Gerippes -(l). Von diesem letztern ist indefs nichts Näheres bekannt gewor- den. Ein vollständiges, von PEALE zusammen- gebrachtes Gerippe aber hat Domszıer (m) be- schrieben. Dieses wurde im Jahre 1501 zu New- york, in der Nachbarschaft von Newburgh, ohn: weit dem Hudsonflusse, ohngefähr 67 Englische Meilen von der 'Stadt Newyork entdeckt. Die oberste Lage der dortigen Gegend ist Torf; dann folgt eine mit langen gelben Baumwurzeln ver- mischte Schichte vegetabilischer Erde; darunter liegt eine andere, zwey Fuls hohe Schichte von grauem Mergel; die folgende besteht aus. Schaal- 1 thieren, und unter dieser; werden kleine Steine und Schiefer gefunden, welche auf Thonerde ruhen. Die mehresten Knochen sind in'der zweyten und dritten Lage gefunden worden, und in der letztern am vollständigsten erhalten, so dals, wenn ein Kinochen in beyden Schichten lag, erin der zwey- ten verweset, in der dritten aber gut erhalten war. Die Nachbarschaft dieser Gegend soll mit verstei- nerten Schaalthieren ganz bedeckt seyn. Aber (l) Scnörr’s Reisen in den vereinigten Nordamerikan. Staaten. Tlı,ı. 8.413. (m) Neue Schriften der Berlin. Gesellich, B. IV. S. 70» 22 — 131 Aber nicht nur das nördliche Amerika, son-. dern auch die südliche Hälfte dieses Welttheils enthält Ueberbleibsel von Elephanten, Von Hvum- BOLDT erhielt solche Fossilien von der Höhe des Campo de Gigante bey Sante-Fe,. welche 1550 Toisen beträgt, aus Timana, Ibarra und Chili (n), und nach der Erzählung des Azara (0) hat man oft an der Mündung des Plataflusses riesenartige Tinochen von Landthieren gefunden, ....„Es..war nöthig, diese Thatsachen so um- ständlich darzustellen, da sie uns in der Folge ‚wichtig seyn werden. Jetzt entsteht die Frage, wie sich jene fossilen Elephantenknochen zu de. nen der noch lebenden Elephantenarten verhal- ten? Der letztern giebt es bekanitlich zwey, die "Afrikanische und die Asiatische, Die un- ‚ terscheidenden Merkmale der erstern sind: eine convexe Stirn, und Backenzähne, deren Kronen auf den Endflächen mit Queerräuten besetzt sind; die der letztern: ein höherer Kopf, eine flachere Stirn, kleinere Fargzühne,, und Backenzshne! deren Kronen /auf den Endflächen "wellenförmige nr „ ° Queer: (n) Annales du Museum d’Hist. nat. T. II. p. ı77. Gırzerr’s Annalen der Physik, B. XVL 8.474 475. (0) ‚Essais sur P’Hist, nat, des quadruptdes du Para- guay, T.IL p LO, fe 37 9005 3 132 | U Queerstreifen haben. Von fossilen Elephanten sind schon mehrere Arten entdeckt worden, Die häufigsten sind der Mammouth und das Ohio- thier, Bey dem Mammouth ( Elephas mam- monteus Cuv.) ist der Schädel nach oben. spit- zer, und das Verhältnils der Höhe ‚zur Länge grölser, wie bey irgend einer andern ‚Elephanten- art; die hervorstehenden Wände der Fangzahn- höhlen sind länger, die Cavitäten selber.weiter, und das schnabelförmige Ende der untern Kinn- lade stumpfer, als bey den übrigen Gattungen; die Backenzähne sind mit zahlreichen und gera- den Queerstreifen bezeichnet. Endlich das Ohio- thier (Elephas Americanus Pennant. et Cuv.) "hat an den Kronen der Backenzähne mehrere parallele Reihen von conischen Spitzen, und, ohne höher zu seyn als der Afrikanische Ele. phant, stärkere und dichtere Knochen (p). Von dem Mammouth sind die meisten der Knochen, die in Asien und Europa vorkommen; von dem .Ohiothiere die mehresten derer, die in » Amerika und besonders am Ohio gefunden ‚wer- den. Doch giebt es auch Ueberbleibsel der er- stern Art in Amerika, und .der letztern in’ der alten (p) Cuvien, Mem. de YInstitut National. Sc. ma- them. et phys. T.IT.'p.ı. Domzıer, Neue Schrif- ten der Berlin. -Gesellsch, B.IV. 5,79. En 133 alten Welt, z. B. bey Siena (q), und auf der westlichen Seite des Ural an dem in den weis-, ‚sen Fluls (Bielaja) fliefsenden Bache Schebysy wo auch versteinertes Hoiz vorkömmt (r). Der Mammouth 3ebte, gleich den heutigen Elephanten, ohne Zweifel blos von Vegetabilien, Das Öhiothier nähert sıch, durch die schneiden- den Hervorragungen der Backenzähne, einiger- maalsen den fleischfressenden Thieren. Wenn aber WırHer.m Hunter (s) und RemsranD PeEaA- LES (t) hieraus. folgern, dafs diese Art ein wirk= liches Raubthier war, so streitet dagegen , wie schon Camper erinnert hat, der Umstand, dafs sie offenbar nicht anders, als vermittelst eineg Rüssels, ihre Nahrung zu sich nehmen konnte. Von einer andern fossilen Elephantenart, die dem Öhiothiere nahe verwandt, ; aber seltener gewesen zu seyn scheinet, rühren die von Reav« mur (u), Lommer (v) undMaver (w) beschrie R benen (g) BArpAssArı, Atti di Siena, T.III, p.243. (x) PArras, Act, Acad. sc. Petropol, 1777. P.2. p. 215899, (s) Phil. Transact. Vol.LvM. 1768. P-34. | (t) Philosophical Magazine. 1802. Novembre. n. 46, (u) Mem, de l’Acad, des sc. de Paris. 1715. Ed.8&. p.230, (v) Abhandl. einer Privatgeseilschaft in Böhmen. B.2 5.112. (w) Ebendas. B.6. S. 264. 13 5 134 ) benen Zähne und Knochen her, die sich bey der Stadt Simore in Nieder-Languedoc und bey Les- ea in Böhmen finden, und vermittelst des Feuers in eine, dem ächten Orientalischen Türkis ähn- liche Materie verwandeln lassen. Die Zähne, die man in jenen Gegenden antrifft, sind von verschiedener Art. Einige, welche offenbar Backenzähne sind, haben die Grölse einer ge- ballten Hand, und ähnliche conische Hervorra- gungen, wie die Backenzähne des Ohiothiers (x). Diese zeigen, wenn sie abgenutzt sind, die Fi- gur eines Hleeblatts, und solche sind es, die Burron in seinen Epochen der Natur abgebildet, aber unrichtig für Zähne des Nilpferdes gehalten hat. Ausser diesen giebt es noch zwey kleinere Arten von Backenzähnen, DBey der einen ist die Krone mit vier (y), bey der andern‘ mit zwey kegelförmigen Zacken (z) besetzt. DBeyde haben an. der Wurzel vier Höhlungen, die sich bis in die Zacken erstrecken. Bey denen, die nur. mit zwey Zacken versehen sind, sieht man ausser- dem noch zwey Höhlungen unten am Anfange dieser Hervorragungen. Ferner trifft man auch Hauzähne, welche die Form eines gekrümmten Hegels haben (a), und Knochenstücke an, 'wo- von &) ReAUMmuR a. a. ©. Plı7. g. fig. 1. 2. 17. 18. (y) Ebendas. Pl.7. fig. 3. 5 : (z) Ebeudas. fig. 6. (a) Ebendas. fig. 7. ee 135 von einige hundert Pfund gewogen haben sollen. Aber die Knochen sind so weich und zerreiblich, dals sie nur bey einzelnen Stücken aus ihrem Lager gezogen werden können.; Es gab also mehrere Eiephantenarten der Vorwelt, die nicht mehr in der jetzigen leben- den Natur vorhanden sind. Aber existirten mit diesen auch schon die heutigen Gattungen des Elephantengeschlechts ? Zur Beantwortung dieser Frage fehlt es noch an hinreichenden Beobach- tungen. Doch versichern AuTEnkıeta (b) und von HumsoLDT (c), Zähne des Afrikanischen Ele. phanten in Amerika gefunden zu häben. oe‘ Nashörner. Fast eben so häufig, wie fossile Elephanten- knochen, sind fossile Gebeine von Nashörnern. Homann erhielt theils von einem, zwi. schen Harzfeld und Osterode gelegenen Hügel aus einem Lager von Mergel, tleils aus der Te Scharz« (b) Cvviern a. 2.0. (6) Girsent’s Annalen der Physik. B. XVT. S. 474. An einer andern Stelle (Ebendas. 5.485) sagt aber von Humsorpr, dals die Zähne, die er gefunden hätte, von ‘der Afrikanischen Art etwas verschie- . den seyen, Ia 136 — Scharzfelder Höhle eine Menge Rhinozeroskno- chen, die von vier erwachsenen und einem jün- gern Thiere herrührten (d). In der Gegend von Burgtonna, welche durch das im ‚Jahre 1695 daselbst ausgegrabene Elephan- tengerippe berühmt ist, wurde auch ein Zahn aus dem Oberkiefer eines Rhinozeros gefunden (e). Nashornknochen, welche in dem Zauniken- berge bey Quedlinburg, wo sich auch im Jahre ı665 das Gerippe fand, dessen Leisnıtz in sei- ner Protogaea gedenkt, und für ein Einhorn hielt, ausgegraben wurden, hat Zückerrt be- schrieben (e*). Eines Theils der obern Kinnlade mit zwey Zähnen, gefunden in der Gegend des Dorfs Issel bey Montagne Noire, eines Zahns der untern Kinnlade von Avignonnet, und einiger Backen- zähne von Canstadt, erwähnt Cuvier (f). In einer Torfgrube der Schweitzerischen Land- schaft Turgau wurden ehedem fast täglich Nas- horn- (d) Commentar. Soc. Reg. sc. Gotting. T.II. p. 2135. 222. | ‚ (e) Vorcr in LicHntengerg’s Mag. f. d. Neueste aus der Physik. B.III. St.4. S.8. (e*) Beschäftig. der Berlin. Gesellsch. B.2. S. 340%. (f) Annales du Museum d’Hist. nat. T.III. Pl. v. fig. 2.558. s % #* 137 hörnäshhe gefunden. Der Chorherr Gessner er- hielt aus derselben ein ziemlich grofses Stück- eines Unterkiefers und beyde Felsenbeine dieses Thiers. Der Kinnbackenknochen war beym Aus- graben so feucht, so weich, und dem ihn um- gebenden Torf so ähnlich, dafs man ihn nicht eher von dem letztern unterscheiden konnte, als bis dieser vollkommen trocken war, wobey sich der wahre Torf von dem etwas festern torfarti- gen Hiefer meist von selbst ablöste (g). In Rufsland wurde ein Stück eines Nashorn- ‚schädels am Bache Tschelna, zwischen den, Städ- ten Neu -Scheschminsk und Staro -Scheschminsk, gefunden (h). | Kein Land aber ist reicher an fossilen Nas- hornknochen, und keines enthält so vollständige Gebeine der Art, als Siberien. Hier war es, wo im Jahre 1771 zu Irkutz am Ufer des in die Lena sich ergiessenden Flusses Willui unter ei- nem Sandhügel das merkwürdigste unter allen Veberbleibseln der untergegangenen Thierwelt, ; ein (g) Vox Berorvınerw Beobacht. Zweifel u. Tragen die Mineralogie u. s. w. betreffend. Vers. ı. 2te Aufl. 8.46. 47. | (h) Rrrscukow’s Tagebuch über seine Reise durch versch. Prov. des Russischen Reichs. 15 138 | mm ein fast vollkommenes, noch mit der Haut und den Haaren bedecktes Rhinozeros-Gerippe. von Ja- kutischen Jägern entdeckt wurde, Parras erhielt von demselben den Kopf und die Fülse. Der übrige, sehr verdorbene Leichnam war von den Jakuten zurückgelassen. ‘ Nach dem Kopfe zu urtheilen, mulste das Thier noch jung und kei- nes von den grölsten gewesen seyn. Dem Be- richte der Finder zufolge, hatte man das Gerip- pe auf der Stelle gemessen, und’die Länge 3% Russische Ellen befunden r die Höhe aber auf 25 Ellen geschätzt. Ausser der Haut und den Haa- ren fand sich an dem Kopfe auch noch ein Theil der Sehnen und Ligamente. Sogar die Augen- lieder schienen nicht völlig ausgefault zu seyn. ‚Unter der Haut, um die Knochen, und in der ‚Hirnhöhle lag eine leimartige Materie, welche vermuthlich von verwesten weichen Theilen her- rührte. Die Haare waren weit länger und zahl- reicher, wie sie Parras an lebenden Nashör- nern gesehen hatte (i), Die meisten dieser UVeberbleibsel scheinen ei- ner Art des Rhinozeros angehört zu haben, wel- che mit zwey Hörnern versehen waren. An den ! | Sibe- (1) PaArrAs, Nov. Comment. Acad. sc, Petropol. T. XII. p. 445. T. XVII. p. 585 sg. Ebendesselben . “ ; ur Teise durch versch. Prov. des Kussischen Reichs. TUBbS-. S.97. — k 139 Siberischen Schädeln wenigstens sind-immer deut- liche Spuhren von zwey Hörnern zu bemerken, und oft findet man auch noch die Hörner selber. Obgleich‘ aber jenes Thier in diesem Stücke mit dem jetzigen Afrikanischen Nashorne überein- kömmt, so’ unterscheidet es sich doch von dem letztern in mehrern Stücken. Der Schädel der Afrikanischen Art ist" höher, breiter und stärker, als der des fossilen Rhinozeros; bey diesem hat der Kopf eine mehr länglichte Form. Die Schä- delhöhle ist gröfser bey jener, als bey diesem, und die Scheidewand der Nase bey der erstern knorpelartig, bey dem letztern. knöchern (k). ‚ Möglich ist es, dafs jene mit der neuen, von Bert (l) beschriebenen zweyhörnigen Art, die sich in. Sumatra aufhält, mehr übereinkömmt. Indefs, wenn man sich auf DBerı’s Zeich- nung verlassen ‘darf, so weicht doch diese in der Form des Schädels von dem fossilen Nashor- ne ab. Wäre es ausgemacht, dafs die fossile Art keine Schneidezähne hatte, so würde diesel. be auch darin dem Rhinozeros von Sumatra un- ähnlich seyn: denn dieses hat zwey deutliche Schneidezähne in jeder Kinnlade, Aber Parras glaubt, auch bey einem fossilen Nashorne vorne zu EEE | in (k) Camper, Act. Acad. sc. Petropol. 1777. rer. 193 sq. (!) Philosophical Transactions, 1793. P.L p.5- 140 en in der untern Rinnlade Spuhren von Zahnhöhlen bemerkt zu haben, und bey dem zu Quedlin burg entdeckten Oberkiefer, wovon ZückeErT in den Beschäftigungen der Berlinischen Gesell- schaft (m) eine Zeichnung geliefert hat, sieht man ebenfalls auf jeder Seite des vordern En- des bey b eine Oeffnung, die eine Zahnhöhle zu seyn scheinet, Es giebt aber ohne Zweifel noch andere Ar- ten von. fossilen Nashörnern. ZuyEsw hat ein Horn beschrieben, welches in Siberien gefunden wurde, an der Wurzel etwas gekrümmt und mit Jahrringen versehen, nach der Spitze hin conisch, der Länge nach gefurcht, auf der einen Seite er- haben, auf der andern etwas concav ist (n). Vielleicht rührt dieses Horn ebenfalls von einer eigenen Art des Rihinozeros her. 3, Paläotherien. Eine an fossilen Knochen von Säugthieren sehr reiche Gegend sind die Gypsbrüche von Moutmartre bey Paris. Sie ruhen auf einer Thonschichte, in welcher Holzkohlen ‘gefunden werden. Fast alle Fossilien dieser Steinbrüche kommen iin den Backenzähnen mit den schwein- n N arti- (m) B.2. Tab. X. fig. 3. (n) Nov. Act, Petropol, T.IIL. ».275.. 141 artigen. Thieren überein. Es gab ein Geschlecht unter ihnen, welches 28 Backenzähne, ı2 Schnei- - dezähne und 4 Hundszähne hatte, dessen untere » Backenzähne aus zwey bis drey einfachen halb- mondförmigen Stücken bestanden, dessen obere Backenzähne viereckig und auf. der obern Fläche mit hervorragenden Leisten besetzt waren, » des! sen. Hundszähne nicht aus dem Maule hervorrag- ten, ‚und..dessen Hinterfülse wahrscheinlich drey Zehen hatten. . Cuvırr hat dieses Geschlecht, welches . völlig ‚ausgestorben: zu seyn ‘scheint, mit..dem Namen Palaeotherium belegt. In der Zahl,und; Gestalt der Zähne nähert es sich theils dem Rhinozeros, theils dem Tapir. Inoder all- gemeinen. Form des Unterkiefers, und besonders in der hinterna Krümmung desselben, so wie in der Gestalt des Schädels, und vorzüglich der Nasenknochen, welche kurz sind und einen Rüs. sel getragen zu haben scheinen, undin der Ge- stalt und Zusammensetzung der Knochen des Hinterfulses ist es mehr dem letztern ver- "wandt (o). f “ ‚Es. sind drey Arten. dieses Geschlechts, die sich in: der Gröfse und in den Hinterfülsen un- terscheiden,, von CuviEr bestimmt: worden. Die ''(0) Cuvrer, Annales du Museum d’Hist, nat. T. IT. pP: 275. Ada. (2) 142 Die mittlere Gattung (Palaeotherium medium Cuv.) scheint die Statur eines gewöhnlichen Schweins gehabt zu haben. Ihr Rüssel kann nicht so zusammengesetzt ' gewesen "seyny° wie beym Elephanten , sondern muls blos’ in einer häutigen Verlängerung des Nasencanals' bestanden. haben, : wie beym Tapir:- denn die Zwischen“ kieferbeine sind nicht «so gestaltet, wie 'beym Elephanten, und die Oeffluung, durch welche : der zum Rüssel gehende 'obere Maxillar- Nerve dringt, ist ‚eben so klein und hat eben die Lage, wie beym "Tapir, da’ sie: beym Elephanten 'ausseror- dentlich ''grofs 'ist.: < Die Gelenkfläche der 'obern Kinnlade,. in ‚welcher sich der Condylus des Un- terkiefers bewegt, "kömmt: mit keiner eines 'heu- tigen. ‚Thiers überein. Am meisten ‘noch nähert sie sich der .des Tapirs,' ' Bey einem der Exem- plare dieses Thiers ‚das . Guvier' untersuchte, ar die innere Höhlung des Schädels mit''Gyps angefüllr, und der“ Schädel selber. so mürbe, dals er sich. von: diesem Abgusse,,. welcher die Form der obern Flächen beyder Halbkugeln des grolsen Gehirns aufs genaueste darstellte, ab- sondern. liels. ' Hiernach:“war ‘das Gehirn von verhältnilsmälsig geringem Volumen und: horizon- tal abgeplattet;' statt der Windungen “fand 'sich auf jeder Halbkugel blos eine der Länge nach fortgehende, schwache En m. | & sıveD {Die - Es Eh a.2. .o, T. II. p- 275. Ph TS» 143 Die grolse Art (Palaeotherium magnum Cvv.) hat ganz ähnliche, aber doppelt so grofse Bak- kenzähne, wie die mittlere, Cuvier schätzt die Gröfse derselben ‚auf die einer gewöhnlichen Ruh, oder eines kleinen Pferdes (q). Die kleinste Art hält Cuviıer für so grofs, wie ein mittelmäfsiges Schaaf. Der erste Bak- kenzahn der untern Hinnlade ist bey dieser et- was spitzer, wie bey der mittlern Gattung (r). Wenn ein ganzes, ziemlich vollständiges Ske- lett, welches bey Pantin gefunden wurde, wirk- - Ich, wie Cuvıer glaubt, diesem Thiere ange- hörte, so hatte dasselbe auf jeder Seite wenig- ‚ stens sechszehn Rippen (5). Einige Zähne und Knochen eines Thiers, das den Paläotherien verwandt zu seyn scheint, erhielt Cuvıer auch aus der Gegend .von Orle- ans. Wegen des Mangels der Schneidezähne und Eckzähne konnte er aber nicht mit Gewils- heit bestimmen, ob dasselbe in der That zu die- sem Geschlechte gehörte (t). 4. Anoplotherien, In derselben Gegend, wo die Knochen und Zähne der Paläotherien vorkommen „, finden sich | auch (g) Ebendas. p. 365. ‚G (r) Ebendas, p.367. (s) Ebendas. T. IV. p- 66. Ct) Ebendas. T.IIL p. 568. 144 nun auch :die Ueberbleibsel eines andern Geschlechts der Schweinefamilie, das sich von allen., sowohl lebenden, als ausgestorbenen Geschlechtern die- ser Familie vorzüglich darin unterscheidet, dals_ die Eckzähne fehlen, und die Reihe der Backen« zähne sich bis zu den Schneidezähnen erstreckt. Die untere Kinnlade enthält auf jeder Seite neun Backenzähne; die sechs vordern sind sehr ver- schieden von den drey hintern, und noch ver- schiedener von den Backenzähnen des Paläothe- rium (u). Man findet auch Knochen von Hinter- füflsen, die wahrscheinlich Thieren dieses Ge- schlechts zugehört haben. Diese Hinterfülse ha- ben drey Zehen, und nähern sich in der Form und Zusammensetzung theils den Hinterfülsen der schweineartigen Thiere, theils denen des Ra- meels (v). nn Von diesem Geschlechte entdeckte CuvieEr vier Arten: eine, die etwas grölser als ein Schwein war (Anoplotherium magnum) (w); eine zweyte, welche die‘ Statur eines gewöhnlichen Schweins hatte (Anoplotherium medium) (x); eine dritte, die nur etwas grölser als ein Hase ‚war, und sich nicht nur in der Grölse, sondern, % | auch (u) Ebendas. T. IH. p- 371. | IS, (v) Ebendas. p. 442. (w) Ebendas. v (x) Ebendas. p. 379. ; u 145 auch in den Kronen der drey letzten Backen- zähne und in der Form der untern Kinnlade von den vorigen unterscheidet ( Anoplotherium minus) (y); endlich eine vierte, die etwas klei- ner als ein Kaninchen gewesen seyn muls (z). Von dieser letztern Art ist es aber zweifelhaft, ob sie wirklich zu diesem Geschlechte gehört, da Cuvier: blos erst die hintern Backenzähre - von ihr gesehen hat. Die Paläotherien und Anoplotherien geben uns also ein Beyspiel von wenigstens sechs Arten fos- siler Thiere, welche insgesammt zur Familie der Schweine gehören, die alle in einerley Gegend { vorkommen ;s und wovon keine Nachkommen mehr übrig sind. Diese Thatsache läfst. sich nicht in Zweifel ziehen. Aber zweifelhaft ist es ’ noch, ob jene Arten die Gröfse hatten, die wir "nach Cuvıer’s Schätzung angegeben haben. Cre- vIER hatte von mehrern jener Thiere blos sehr verstümmelte Fragmente der untern Kinnlade vor sich. Diese waren allerdings zur Bestimmung der Art hinreichend, Aber wir wiederhohlen hier noch einmal die schon oben angeführte Be- merkung von Camrer, dals sich die Grölse eines - -Thiers nicht blos nach der Grölse der. Zähne, und (y) Ebendas. (z) Ebendas. S.38r, 111. Da, A u 146 — und also auch nicht der Kinnladen , schätzen Jäfst, Zweifelhaft ist es auch, ob jede Art wirk- lich. solche Hinterfülse hatte, wie, Cuvier ihr zuschreibt: Die Gründe, nach welchen dieser Naturforscher verfuhr, als er unter den vielen Knochen von Hinterfülsen, die man in den Pa- riser Gypsbrüchen neben den Zähnen und Kinn- laden der Paläotherien und Anoplotherien antrifft, diejenigen aufsuchte, die zu einerley Individuen und mit diesen Zähnen und KAHiefern zu einer- ley Art gehören, sind allerdings sehr scharfsin- nig. Indels geben sie immer nur Wahrschein- lichkeit, nicht Gewilsheit, 5. Tapire, Fossile Tapire kommen vorzüglich in Frank- reich vor. Bis jetzt sind zwey Arten dersel- ben entdeckt worden, eine kleinere und eine grölsere, Von der kleinern Gattung fanden sich zwey Bruchstücke der untern Rinnlade am schwarzen Berge (Montagne Noire) beym Dorfe Issel in Lan- guedoc, So viel sich hieraus schliessen läfst, nä- herte sich diese Art in der Gröfse und Gestalt dem heutigen Tapir. Indefs sind bey dem letz- tern die Kronen der sämmtlichen Backenzähne in zwey gleich breite Queerhügel getheilt; bey der erstern aber haben die drey ersten Backenzähne 'awey _ gemieemene 147 zwey pyramidalische Erhabenheiten, von wel: chen die vordere breiter als die hintere ist; Auch ist bey jener fossilen Art der vordere Theil der Hinnlade schmaler und linger, als bey dem Tapir (a). | Die grölsere Art, woron huür erst sehr ver: stümmelte Fragmente der Kinnladen bey Vienne in Dauphine, bey Saint - Lary in Comminge, ünd in Italien gefunden sind, nähert sich durch die Form der Backenzähne, deren sie wenigstens sechs auf jeder Seite gehabt haben mufs, sowohl dem Manati und Känguruh, als dem! Tapir, Da aber an allen jenen Bruchstücken die Schnei- dezähne und Eckzähne fehlten, so läfst sich das Geschlecht, zu welchem jenes Thier zu rechnen ist, mit Gewilsheit nicht bestimmen, Nach Cv«s vıer’s Schätzung muls äber auf jeden Fall die Grölse desselben sehr beträchtlich gewesen seyn: Denn, sagt er; hatte es einerley Verhältnisse mit dem Tapir, so war es um ein Viertel grö: fser, als das Rhinozeros, und gehörte e5 zu einerley Geschlechte mit dem Manati oder Kän: guruh, so übertraf es jenen fünfmal und diesen achtmal an Grölse (b): Wir müssen aber äuch l | Ä ‚hier \ (a) Cüvıer aa. 0. T.ilf, p: 158% (b) Cuvier aa ©: p:ı138; | R 2 \ 148 —— " ’ hier an die angeführte Camrersche Bemerkung erinnern, 3 6. Flufspferde. In Frankreich und andern Ländern hat man Zähne und Fragmente von Kinnladen gefunden, die, nach Cuvıer’s Versicherung, in allen Stük- ken mit dem Hippopotamus übereinkommen (c). Nach einer andern Anzeige von Cuvier zeig- te ein Sandstein, welcher wahrscheinlich aus der Gegend von Orleans herrührte, beym Zerspren- gen eine ziemliche Menge von Zähnen und an- dern Kinochen, die mit den analogen Theilen des Flufspferdes völlig übereinkamen , aber nur halb so grols waren, und, wie jener Naturfor- scher glaubt, einem Thiere gehört haben müs. sen, welches, obgleich völlig ausgewachsen, nicht viel grölser als ein Schwein gewesen seyn kann (d). if. Fossile Ueberbleibsel von Rindern.. 1. Ochsen. Vermischt mit den Knochen von Elephanten und Nashöinern liegen in den kalten und gemä- | Ssig- ° (c) Bulletin des sc. de la Soc. philomath. An. VI. rt. 18. P- 157. (d) Bulletin des sc, etc. An, VIII, n,42. p. 142. um 149 fsigten Ländern der nördlichen Erdhälfte unge» heure Schädel, Hörner und andere Gebeine von Ochsen, die selbst. den Amerikanischen Bison, das grölste unter den heutigen Landthieren nächst dem Rhinozeros und Nilpferde, an Gröfse über- ‚treffen. - Am häufigsten kommen sie, gleich dem Mammouth und dem fossilen Nashorne, in Sibe» rien und selbst noch im äussersten Norden die. ses Theils von Asien vor (e). Bırrınss traf sie in der Nähe des Eismeers unter 69° 35° N, Br. zwischen Elephantenzähnen und Rhinozeros« hörnern an, Aber auch in Deutschland, Preus. sen, Frankreich, Italien und zu HKentuckey in Nordamerika sind diese Fossilien gefunden wor: den. Einen bey Dirschau, in der Gegend von Danzig ausgegrabenen Schädel hat Kreın (f), ein Horn mit einem Theile des Stirnbeins aus der Gegend zwischen Liboch und Melnik in Böhmen MAYER (g), und ein Horn, welches in Franks ‚ reich entdeckt wurde, Burrox (h) beschrieben, Im Eichstädtischen wurde ein ziemlich vollstän. ; digen (e) ParrAs, Comment. novi Acad, se, Petropol, T, XIII. p.461 sg. () Philos. Transact. Vol. XXXVII 1752. p. ws (g) Abhandl, einer Privatgesellsch, in BORN B. Vr S. 261; (h) Hist. nat. K5 150 — diger Kopf in demselben Lager gefunden, worin die dortigen Elephantenknochen vorkommen (i). Es giebt mehrere Arten dieser fossilen Ochsen. . Bey der einen Art sind die Hörner. rück- wärts und nach innen gekrümmet, eckig und sehr runzlich; der obere Theil des Schädels ist glatt, die Stirne sehr breit und flach; die Au« genhöblen stehen röhrenförmig hervor, und der Oberkiefer ist sehr breit. Diese Art ist die von Kıeın und ParLas in den angeführten Abhand- lungen beschriebene, welche so häufig in Siberien vorkömmt. _ An einem, von dem letztern' aus- gemessenen Schädel hatte der knöcherne Kern der: Hörner ı4 Zoll im Umfange, da diese Periphe- rie bey dem grölsten Aueraochsen kaum über 8 Zoll ist (k). | Bey der zweyten Art nehmen die, Wurzeln der Hörner fast die ganze Stirne ein, sind blos durch einen engen Canal, der kaum die Breite eines kleinen Fingers hat, von einander getrennt, und haben an der Aussenseite einen sehr starken conischen Fortsatz, welcher fast vertical an der Schläfe herabgeht. . Diese, ebenfalls von Par- | LAS (1) Esrer, Schriften demmBerlin. Gesellsch. B.V. S. 97. (k) Parzas 1, co. P.465, } e nn rt z.As (1) beschriebene Gattung kömmt an der Mündung des Ob in der Nähe des Eismeers vor. Parras (m) und Camrer (n) erklären sie für einerley mit dem Moschus-Ochsen. Hier hätten wir also ein Beyspiel von Fossilien, deren noch lebende Originale im äussersten Norden von Ame- rika ‚einheimisch sind. Indefs gehören diese KAinochen, nach der Versicherung von PaArras, keinesweges in Eine Classe mit den übrigen fos- silen Säugthieren des nördlichen Asiens. Sie liegen an der Oberfläche der Erde, sind noch ganz frisch, und blos von der Athmosphäre et. was angegriffen. Wahrscheinlich also rühren sie von Moschus-Ochsen her, die erst in neuern . Zeiten an der West-Küste von Nordamerika durch irgend einen Zufall ins Meer gerathen, und von dorther nach der, Siberischen Küste her« übergeführt sind (o). \ z Eine dritte, von Fausas-St-Fonp (p) ber stimmte Art unterscheidet sich darin, dals die | Hör« () Nov. Commentar. Acad. se. Petropol. T. XVIER p- 601. (m) Act, Acad. sc. Petropol. 1777. P.2. p- 2A (n) Nov. Act. Acad. sc. Petropol. T.II. p. 252. (0) Parras, Nov. Act. Acad. Petropol, T.II. p.232 (p) Annales da Museum d’Hist. nat T.Il. p 168. Essai de Geologie. T.I. p.545. .B4 ‚ \ 152 Gun, Hörner von der Wurzel an bis zu: der Länge von einem Fuls drey Zoll fast horizontal liegen, und die Stirne zwischen den Hörnern mit einer knö- chernen Hervorragung besetzt ist. » Der Schädel, wovon Faujas-St-Fonp diese Charaktere herge- nommen hat, befindet sich im Pariser Museum der Naturgeschichte ohne Anzeige des Orts, ‚wo er gefunden ist, Peares soll aber ein Horn von derselben Art in Kentuckey angetroffen, und Pa. TRIN äbnliche in Siberien gesehen haben (g). eo, Hirsch, Ausserordentlich grofse Geweihe hirscharti- ger Thiere, die häufig in Irland ausge®raben werden, hat Morıneux beschrieben (r). ‚Unter andern gedenkt er eines 2 Fuls langen Schädels, dessen Geweihe sich ı0 Fuls ı0 Zoll weit aus- breiteten, mit zwey Seitenästen und einem sehr breiten, handförmigen Ende versehen waren. _ Aehnlicher, in Lancashire und Yorkshire ge- fundener. Geweihe erwähnen Horkıns (s) und KnowLTon (t). Nach (q) Fausas-St-Fonn Essai de Geologie. T. I.Ip. 347. 348. | (r).. Nat. Hist.. of, Ireland. p. 137. (s) Philos. Transact. 1732. P. 257. ‘(t) Phil. Trans. 1746. p. 124. — 143 Nach‘ Artuur Young sind die Lagerstellen dieser Geweihe in Irland sehr oft Torfmoore, und nach der Erzählung des Pontorrınan ent- halten die Dänischen Moore ebenfalls häufig Hirschgeweihe, | Arts ® | Ein grofses und seltsam geformtes Geweih wurde auch im Rhein bey Worms im Jahre 1771 gefunden. Es wog =8 Pfund Fleischergewicht. Da es aber nicht die völlige Länge hatte, indem die ganze Krone und nach Proportion noch ein Ende fehlten, so muls das Gewicht desselben zwischen 40 und 50 Pfund beitragen haben. Die ‚Höhe von der Stelle, wo jede Stange auf dem Schädel in gewissen Jahreszeiten festgewachsen ist, bis an den Bruch belief sich auf 3 Fuls 4 Zoll, der Umfang jener Stelle auf ı Fuls (u). Alle diese Geweihe haben ausser ihrer unge- wöhnlichen Grölse noch dies mit einander ge- mein, dals sie gleich von der Basis an ästig, und nach oben abgeplattet sind. Diese Charak- tere passen aber auf keibe bekannte Gattung der jetzigen hirschartigen Thiere. Jene Fossilien müs- sen daher einer untergegangenen Art des Hirsch- | EN e- (u) Von Rocuow, Schriften der Berlin. Gesellsch, B.2. 5.5388. h5 254... — geschlechts zugehört haben (v). Inzwischen giebt es allerdings auch in eben den Gegenden , wo jene Geweihe vorkommen, fossile Kinochen, die theils vom Elenn, theils vom ARennthiere zu seyn scheinen. Vom Elenn sind vermuthlich die von KerL$ (w) beschriebenen Geweihe, die in Irland gefunden wurden, und dals auch Renn- thiergeweihe in Irland angetroffen werden, ver sichert MoRTIMER (x). | 3. Antilopen. Ein fossiles, in Siberien gefundenes Horn, welches denen der Antilope Oryx Parr., die in Aegypten, der Levante, Arabien, Indien und am Cap lebt, sehr ähnlich ist, führt PaLras (y) an. Auch giebt es, Esrer’'n zufolge, Antilopenhörner neben den Ueberbleibseln von Elephanten. und Büffeln, die im Eichstädtischen vorkommen (z). 4. 6 ira ffen. D’Ausenton fand in der Sammlung des Ga- ston von Frankreich, eines Bruders Ludwig XIIf, | | einen (v) ParrAs, Nov. Commentar. Acad. se. Petrop. T. XIII. p. 468. CaAmrer, Nov. Act, Acad. Petrop, T.II. p. 258. (w) Phil, Trans. n.394. 1726. p.ı22, (x) Phil. Trans. n.444. P.389. (y) 1. c. p. 466. (z) Schriften der Berlin. Gesellsch, B.5. S.gN, einen Radius, der von keinem andern Thiere, als der Giraffe herrühren konnte (a). Indels sagt D’AuBEenTon nicht, wo dieser Knochen ge- funden ist, Eine merkwürdige, die fossilen Ueberbleib. sel von wiederkäuenden Thieren betreffende That- sache ist übrigens noch diese, dafs eine so gro- [se Menge derselben auf dem Felsen von Gi- braltar, und in den senkrechten Spalten der Schichten des Thals von Ruda auf der Insel Lissa bey Dalmatien (b) vorkömmt, und dafs sie in beyden, so weit von einander entfernten Gegenden auf eine ganz ähnliche Art gelagert sind, Sie liegen sowohl hier, als dort, in einem mit einem unregelmäfsigen Spath, Fragmenten eines blauen Marmors und Schaalen von Erdschnecken, die aber immer leer sind, vermischten Stalaktit, in kleinen Bruchstücken unordentlich unter einan- der‘ (c). Doch gehören sie nicht in einerley Classe mit den bisher erwähnten Fossilien: denn offenbar sind die kalkartigen Concremente, wor in sie sich befinden, Niederschläge aus dem Re- genwasser, und von ganz neuer Entstehung (d).' "Man @) Mem, de l’Acad, des sc, de Paris. 1762. Ed, 4. pP: 224. (b) Forrıs Reise in Dalmatien. T.2. 8. 250. (ec) CAmren, Nov. Aet. Acad. sc. Petropol. T., IL. P- 256, | | | (d) De Luc, Journal de Phys. T.LY. C.4. n.ı. 156 —— Man trifft daher auch unter jenen Fossilien noch lebende Arten an. (Camper (e) besals ein Stück des Stalaktits von Gibraltar mit vier Kinnladen von Raninchen, und Imkıe fand in dieser Stein- art den Kopf eines Schaafs mit allen zugehöri- gen Zähnen, deren Schmelz noch vollkommen erhalten war (f). Aber merkwürdig bleibt es immer, dafs in so entlegenen Gegenden so viele ähnliche, und auf eine so ähnliche Art gelagerte Fossilien vorkommen, r III. Fossile Ueberbleibsel von Wallfischen. Nach Karm’s Erzählung wurde in der Nähe von Quebeck, wo jetzt kein Seewasser ist, ein ganzes Wallfischgerippe gefunden (g). Vielleicht "aber ist dieses erst-‘in neuern Zeiten dahin gera- then. Aeltern Ursprungs war vermuthlich ein fossiler. Wallrofszahn, den BARTHOLIN aus einer Gegend von Island erhielt, wo auch fossiles El- fenbein gefunden wurde (h). Fossile Knochen einer Wallfischart, welche in einer Tiefe von ı80 Fuls in dem Alaunschiefer von Whitby zu Yorkshire gefunden wurden, ha- ben (e) A.a. ©. () De Luc a a. 0. (g) KAım’s Amerikan. Reise. T.35. (b) Act. medic, et philosoph. Hafn, T. I. obs. 46. P- 85 br —— 157 ben CHarmann (i) und WooLLEr (k) beschrie- ben, aber unrichtig für Ueberbleibsel eines Ga- vials gehalten (I). | Bey Paris an der Seine wurde ein, über 4 Fuls langes Bruchstück eines Knochens in Thon gefunden, das, nach D’Ausenton’s Untersuchun- gen, von der Basis des Schädels eines Thiers aus der Familie der Wallfische herrükrte (m). IV. Fossile Ueberbleibsel von Faulthieren. Zu Paraguay, in der Nähe des Plataflusses, hundert Fuls tief in einem sandigen Boden, wurde ein Gerippe entdeckt, das bis auf den Schwanz und einige Paare Knochen, die durch Modelle von Holz ersetzt werden konnten, voll- ständig war, ‚im Museum zu Madrit aufgestellt, und von ABILGAARD (n), Cuvier (o) und Gm- BERNAT (p) beschrieben ist, r Die- G) Phil. Transact. 1758. p- 688. (&) Ebendas. p. 786. (l) Merx lettires sur ‚les os fossiles d’elephans etc, CAamrer’s sämmtliche kl. Schriften. B.3. $.4. (m) Mem. de l’Acad. des sc. de Paris. 1782. p.2ı1. (n) N. Saml. of det Danske Vedensk. Selsk. Skr. D.5. S. 402. \ (0) Magaz. encyclop, T.I. p.305. WıIEeDEmAnn’s Ar- chiv für Zool. u, Zoot. B.ı. Sı.2. S. 208. @® Voror’s Mag. f. d. neuesten Zustand der Natur- ‘kunde, B.V. S.550, 158 | vun Diesen Beschreibungen zufolge beträgt die Länge jenes Skeletts ı2 Fuls, die Höhe 6 Fuls, Die Wirbelsäule hat 7 Hals-, 16 Rücken- und 4 Lendenwirbel, also ı6 Rippen. Das Kreutzbein ist kurz; die Darmbeine sind sehr breit; ihre Flächen stehen beynahe senkrecht gegen das Rückgrat; sie bilden daher ein sehr weites Bek- ken. Schaam - und Sitzbeine fehlen an diesem Gerippe, und man sieht auch keine Spuhr von einer ehemaligen, Gegenwart derselben bey dem‘ lebenden Thiere. Die Oberschenkel, und noch mehr die Knochen der Unterschenkel sind von ausserordentlicher Dicke, wie bey den Schuppen» | thieren. Die ganze Fulssöhle berührt im Gehen die Erde, wie bey allen Thieren aus der Fami- lie der Faulthiere. Das Schulterblatt ist viel breiter, als lang. Es sind vollkommene Schlüs- selbeine vorhanden. Die, beyden Knochen des Vorderarms sind deutlich abgesondert und um einander beweglich. Die vordern Gliedmaalsen übertreffen die hintern an Länge, und auch hier- in kömmt also dieses Thier mit der Familie der Faulthiere überein. Aber die Gelenkhöhlen der Schenkelknochen liegen nicht, wie bey allen übrigen Thieren, schräg an der Seite, sondern beynahe horizontal an der Stelle der Sitzbeine. | Der Schenkelkinochen hat daher keinen schräg liegenden Hals, sondern der Kopf sitzt an der Spitze der Axe jenes Knochens. Die Gestalt der > Nagel- \, __——E 159 Nagelglieder läfst vermuthen, dafs die Nägel sehr grols und spitz gewesen seyn müssen, und am Grunde in einer knöchernen Scheide gesteckt haben. Es scheint, als wenn an den Vorder- füfsen ihrer drey, und an den Hinterfülsen nur ein einziger vorhanden gewesen sey, und dals die Nägel der übrigen Zehen unter der Haut ver- borgen gelegen haben. : Diese Struktur findet ebenfalls bey den heutigen Faulthieren und Amei- senfressern statt; nur die Zahl der Nägel ist bey diesen verschieden. Am meisten aber zeichnet sich an jenem Ske« lett der Kopf aus. Das Hinterhaupt ist lang und platt, der Vorderkopf aber ziemlich gewälbt; die beyden Kinnladen treten schnabelförmig her- vor; sie haben, gleich den Kiefern der sämmtli- chen Faulthiergeschlechter, keine Schneidezähne und Eckzähne; allein hinten im Maule befinden sich an jeder Seite, sowohl oben, als unten, zwey Backenzähne mit zweyspitzigen Kronen, Die ‚Zweige des Unterkiefers sind sehr grols, wie bey dem Faulthiere und Elephanten, und vom Jochbogen geht ein langer Fortsatz nach unten herab, wie beym Känguruh. ‚Aus dieser Beschreibung erhellt, dafs jenes Thier, welches Cuvıer mit dem Namen Mega: therium Americanum belegt hat, nicht nur der Art, sondern auch dem Geschlechte nach von allen 160. mern allen bekannten Gattungen der heutigen Thiere gänzlich verschieden ist, indem keines der letz- tern drey Nägel an den Vorderfülsen und einen an den Hinterfülsen hat, bey keinem die Sitz« und Schaambeine ganz fehlen, bey keinem die Schenkelknochen ohne einen besondern Hals un- mittelbar mit den Darmbeinen artikuliren, und keines eine solche Organisation des ganzen BKör- pers bey einer solchen Grölse besitzt. Man sieht aber auch, dafs es, der Beschaffenheit der Zähne und Nägel wegen, mit der Familie der Faulthie- re am nächsten verwandt ist. V. Fossile U eberbiäibstt ee.) Ä Thiere. u Bären: , In verschiedenen Gegenden des mittlern Eu- ropa, und zwar blos in Höhlen, giebt es fos- sile Knochen, die ehedem für Drachenknochen galten, die aber in der That einem Thiere aus dem Geschlechte der Bären angehört haben. Man fand sie in der Baumann’s- und Scharzfelder Höhle (g), in mehrern Höhlen des Baireuther Ober- (g) Mvrın memorab, Saxon. subterran. P,II. Lers- nırır Protog. $. 34. 36. Tab. XI. fie. 2.4. .SÖMME- rına in Grosse’s Mag. f. d. Nat, Gesch. des Men- schen, B.5. St,ı. N.3. - wereuen .16£ Oberlandes, vorzüglich der Gailenreuther (r), bey Kahlendorf im Eichstädtischen (s), und in ver- schiedenen Höhlen Ungarns und Siebenbürgens (t). In der Gegend von Gailenreuth , die am meisten wegen dieser Fossilien berühmt ist, zeugt eine ungeheure Menge Conchylien, die auf der Ober- fläche und im Innern der dortigen Berge ver- steinert liegt, von ehemaligem Meeresboden. Es giebt nur zwey Arten unter den hentigen Bären, womit diese fossile Art, ihrer Grölse wegen, verglichen werden kann, nehmlich den Landbären (Ursus arctos L.) und.den Eisbären (Ursus maritimus L.). Aber. von dem Landbären unterscheidet sie sich schon auf den ersten Blick in der Form und Grölse des Kopfs. Der Kopf des “ (x) J. F. Esper’s ausführl. Nachr. von neuentdeckten Zoolithen unbekannter vierfülsiger Thiere. Eben- ders. in den Schriften der Berlin. Gesellsch.- B. 5 S.56. J. Hunter, Philos. Trans. Vol. LXXXIY. P. II. p. 407. J. C. Rosenmüıer’s Beiträge zur Gesch. und nähern Henntnils fossiler Knochen. St. ı.: S. 38. 39: ? (s) Esrer a. a. O0. (t) J. P. Haım in Miscell. Acad. Nat. Cur. Dec, T. ann. 3. 1672. p. 257. 366. VorıcnAp’ibid. Dec. I.: a.4 et 5. 1675 et 1674. p.226. BrüUckMmAnN, Bres- lauer Samml. Winterquartal. 1725. S.509. Relat. XY, 8.628. Relat. XXVI. | II. Bd. Bu > 162 N — des fossilen Bären ist, von der Grundfläche an gerechnet, am ‚höchsten bey den Erhabenheiten des Stirnbeins, die sehr stark sind; eine von dieser Hervorragung auf den untersten Rand des Unterkiefers senkrecht gezogene Linie theilt den Längendurchmesser (von den Schneidezähnen bis zur, Spitze des Hinterhauptknochens) in zwey> fast gleiche Täeile; die Länge dieses Durch- messers beträgt 16° ı1' und die Breite zwischen den Jochbogen 8° 10°. Der Kopf des Landbären hingegen hat seine grölste Höhe nicht bey den kaum sichtbaren Erhabenheiten des Stirnbeins, sondern weiter hinten da, wo das Stirnbein an die Scheitelbeine anschlielst; ein Perpendikel von dieser Gegend auf die Basis theilt den Längen- durchmesser dergestalt, dals ein Theil nach hin- ten, zwey aber nach vorne fallen; die Länge des ganzen Kopfs ist 13‘ 8‘ und die Breite zwi- schen den Jochbogen 7’ 8° (u). Mehr Aehnlichkeit hat der fossile Bär mit dem Eisbären. Allein in der Gröfse des Hhopfs sind beyde noch verschiedener, wie jener und der Landbär. Schon Camrer bemerkte, dals sich der Kopf des erstern zu dem des grölsten Landbären verhalte, wie 5 zu 2, und fast. das- selbe Resultat ergiebt sich, wenn man die ange- führ- (u) Vergl, RosenmüLzer a. a. 0. S. 46 ff. wo noch mehrere andere Verschiedenheiten angeführt sind, führten Rosenmürterschen Ausmessungen des fossilen Bären mit den Zahlen vergleicht, die Parras für den Längendurchmesser ( 12° 10°) und den Abstand der Jochbogen (= 6° 8") des Eisbären angegeben hat. Aber auck in der Form des Schädels ‘ weichen beyde von einander ab, Der des Eisbären hat zwar ebenfalls seine gröfste Höhe da, wo die Hervorragungen des Stirnbeins sind. Doch theilt eine von dieser Gegend auf die Grundfläche senkrecht gezogene Linie den Längendurchmesser so, dals ein Theil nach vor. ne, und zwey Theile nach hinten liegen (v). Inzwischen darf man nicht übersehen, dafs diese, von RosenMÜLLER angegebene Unterschiede nur auf einer Vergleichung beruhen, welche zwischen dem Kopfe des fossilen Bären und der, von PatLas gelieferten Beschreibung des Eisbären an- gestellt ist, auch dals manche der von ihm auf- gezählten Verschiedenheiten blos von der Ver» 'schiedenheit des Alters herrühren können. In der That zeigen sich auch Verschiedenheiten un= ter den Schädeln des fossilen Bären, wie aus ei- ner Vergleichung der RosznmüLrerschen Zeich» nung mit denen, welche Hunter (w) geliefert hat, erhellet,. Möglich ist es, dafs beyde Thie- | Te (v) Rosenmüier a. a. Ö: (w) Phil, Transaer. VoLLXXXIV. P.IT p. 407. Tab, XIX, Lo 164 —— ve als blofse Varietäten erscheinen würden, wenn mehrere vollständige Skelette derselben unmittel- bar gegen einander gehalten würden, und pro- blematisch bleibt die specifische Verschiedenheit derselben, so lange beyde nicht auf eine solche Art mit einander verglichen sind, \ 3. Hunde, Couvıer fand unter den vielen Fossilien der Gypsbrüche vön Montmartre, welche , wie wir gesehen haben, schweineartigen Thieren angehö- ren, einen Unterkiefer, der die Charaktere des Geschlechts der Hunde hatte, aber von den Rinn- laden des Wolfs, des Fuchses, der Varietäten ‚des Haushundes, des Virginischen Fuchses und des Chacals verschieden war. Nur mit dem Isatis und dem Capschen Chacal hatte Cuvier keine Gelegenheit, ihn zu vergleichen (x). Schädel, Kinnladen und Zähne von Hunden _ ünd Wölfen finden sich auch in den Gailenreu- ther Osteolithen-Höhlen (y). Von den leiztern sagt Esrer:. “An Grölse konnte ich von dem „Gewöhnlichen nichts Abweichendes finden; blos „einzelne Zähne und Stücke von Kinnladen wie- „sen, (x) Annales da Museum d’Hist. nat. T.IIT. p. 582. (y) Esrer in den Schriften der Berlin. Gesellsch. B. V. 8.75. 90, gı. n uns 165 „sen, dals wahre Ungeheuer der gedachten Thie- „re einzeln auch hier mit zu Grunde gegangen.” 3. hatzen, In den Scharzfelder und Gailenreuther Höhs len trifft man auch Schädel und Zähne an, wel« che denen des Löwen und Tigers einigermaalsen ähnlich, und von mehrehi Schriftstellern in der That für Ueberbleibsel eines katzenartigen T'hierg des Tropenclimas erklärt sind (z), Mir: scheint es aber zweifelhaft zu seyn, ob sich diese Fossi- lien mit Sicherheit zum KHatzengeschlechte rech. ‚nen lassen. Es giebt ein ganzes T'hiergsschlecht,. welches in osteologischer Rücksicht fast noch völs lig unbekannt ist, nehmlich das - der Robben, Wir wissen nicht, ob nicht einzelne Arten dieser Thiere einen Schädel und Zähne haben, detieh jene Fossilien ähnlicher, als den Schädeln und Zähnen der katzenartigen Thiere sind. Auf je- den Fall ist so viel gewifs, dafs sich jenes fossila Thier in dem Bau der HKinnladen, in der Des ‚-schaffenheit der Schneidezähne und in der Rlein. heit der Eckzähne von allen bekannten Arten der Hatzenfamilie wesentlich unterscheidet, 6.17, (2) Leissırır Protog. Tab. XI. Esren a.a. 0, $.gs, SÖMMERING in Grosse’s Mag. f. d. Nat. Gesch. B,5, St.ı. S.6o ff. Tab.ı. 2. BLuUMEnBAcH specimen arı eliaeologiae telluris. p. 14. \ L3 166 ummnsrmarmucs ER | In der Periode, die wir im vorigen () ge- schildert haben, lebten noch keine Menschen, und noch keines der Thiere, die dem Menschen unter allem am ähnlichsten sind, noch keine Affen. \ Alles, was man bisher für fossile Menschen- knochen hielt, rührte entweder von ganz andern Thieren, oder aus einer weit spätern Periode her (a). So waren es Elephantenknochen, was Ferıx PLATER für Gebeine eines ıgfülsigen Rie- sen ansah (b); so war der Kopf des ScHEUCH- zerschen homo diluvii testis von einem grofsen Wels (c), und so erkannte DE LAmANon in einem vermeinten Menschenkopfe, welcher, nebst meh- sern andern Knochen, die auch anfangs für Men- (a) Convictus eum maxime sum, sagt CAMPER (Nov. Act. Petropol, T. H. p.251.) orbem nostrum varlis ... ac horrendis catastrophis fuisse. expositum. ali- quot seculis, anteguam homo fuit creatus: numquam enim hucusque, nec in ullo museo, videre mihi | contigit verum os humanum petrefactum, ant fossile, etiamsi Mammonteorum, Elephantorum, Rhinocero- tum etc. aliorumque perplura viderim ossa, et eo- rum haud pauea specimina in Museo meo conser- vem., 1’ (b) Brumrngac# in Vorct’s Mag. fi d. Neueste aus der Physik, B.V. St. ı. $.ı6. (6) Bıumensacn a, a. 0. 521 um 167 Menschenknochen galten, im Jahre ı760 bey Aix in der Provence gefunden war, eine Schildkrö- tenschaale (d). In neuern Zeiten behauptete zwar SPALLANZANI, Menschenknochen in ;der obersten Schichte eines Berges der Insel Cerigo, die in ihrer ganzen Dicke gröfstentheils aus ver- steinerten Knochen zusammengesetzt seyn soll, gefunden zu haben (e). Allein schon pr Luc (f) hat mit Recht erinnert, diese Beobachtung sey so :unvollständig und mangelhaft, dafs sie nichts beweise, so wie überhaupt SpauLLanzanıs Zeug- nils in dergleichen Sachen verdächtig sey, da er zu wenig geologische Kenntnisse besessen und nach wunderbaren, unerhörten Dingen gehascht habe. Wenn aber diese Beobachtung auch ge gründet wäre, so würde sie doch nichts gegen unsere Behauptung beweisen, Die oberste Schich- te jenes Berges der Insel Cerigo ist nebmlich ohne Zweifel von einerley Art mit denjenigen, worin | man (d) Journal de phys. T.XVT. p.4658. — GVETTARD (Mem. de lY’Acad. des sc. de Paris. 1760. Ed.4. pı 209.) hatte den Irrthum derer, die jenen Kopf für einen Menschenschädel hielten, zwar schon eingese- hen, aber diesen unzichtig für einen grolsen Nauti= liten gehalten. (e) Srarzanzanrs angestellte physikal. Beobachtungen auf der Insel Cythera.‘ Strasburg. 1789. (£) Journal de Phys. T.LV. C.4. n.ı. er Lk 168 een man auf Gibraltar und in Dalmatien die vie- len Ueberbleibsel wiederkäuender Thiere findet, Gleich den letztern, wurde sie erst in neuern Zeiten durch Niederschläge aus dem Regenwasser gebildet, und es wäre daher. nicht zu verwun- dern, wenn sie wirklich Menschenknochen. ent- hielte. Fossile Affenknochen giebt es eben so wenig in dem Kalk - oder Gypstuf, welcher neuern Ursprungs ist, ale in den früher entstandenen Erdlagen. Auch die Affen entstanden also wahr- scheinlich mit dem Menschen erst nach jener 'grolsen Catastrophe, in welcher das Ohiothier , der Mammouth u. s. w. ihren Ursprung fanden. Aber gab es vor dieser Catastrophe noch ‚ keine Vögel? Mir scheint es, dafs sich diese Frage noch nicht mit Gewilsheit beantworten läfstı. Zwar hat pe Lamanon (g) eine Verstei- nerung beschrieben, die er für einen ÖOrnitholi- then hielt. ‘Aber weder Camper, noch Fortis, noch Fausas-St-Fonp (h) haben dieses Fossil für einen wahren Ormnitholithen anerkannt. Eine andere Abbildung eines Ornitholithen findet sich im Journal de Physique, Thermidor. An (g) Lieurengene’s Mag. f. d. Neueste aus der Phy- sik, B.1.. SA S,iör (h) Annales du Museum d’Hist. nat, T.II. p: 20, — 169 An VII. - Es ist aber keine Beschreibung beyge- fügt, und, nach Fausas-St-Fonp’s Versiche- rung (i), hat niemand das Original gesehen. Wichtiger ist Cuvier’s Beschreibung eines in Gyps versteinerten Vogelfulses, der in den Stein- brüchen von Clignancourt :bey Montmartre gefun- “den wurde .(k). Aber es sind keine Merkmale angegeben, woraus sich ‘das Alter dieser Verstei- nerung beurtheilen lälst. DeLAmMETHERIE hat ebenfalls zwey Abbildun. gen von Knochen geliefert, die auf der nordwest- lichen Seite des Montmäartre nicht weit von einem Orte gefunden sind, wo man auch eine kleine fossile Rinnlade antraf, die nur vier Backenzäh- ne hat, welche denen des Vespertilio serotinus vollkommen ähnlich sind (l),. Allein bey diesen Fossilien findet auch der Zweifel statt, ob sie ‚ nicht von neuerer Entstehung sind. _ ScHEUCHZER (1l*) und BLUMENBAcCH (m) 'ge- denken versteinerter Federn und Knochen von Sumpf- N AN. 0. (k) Journal de Phys. Thermidor. An VIII. (}) Journ. de Phys. T.LV. c.5. n, ı2. ' (*) Vindiciae piscium. Tab, IT. (m) Handb. der Nat. Geschichte. — Voıcr’s Mag. f. d. Neueste aus der Physik. B.V. St.ı. 5.21, L5 170 ——— Sumpf - und Wasservögeln im Oeninger Stink- schiefer und im Pappenheimer Mergelschiefer. Aber man weils schon aus dem ı4ten $ dieses Buchs, dafs jene Steinarten von neuerer Bildung sind. An einer andern Stelle seines Handbuchs der Naturgeschichte sagt BLumensach: “Ich besitze „einen Östeolithen im festen HRalksteine von un- „serm Heimberg, den kein Kenner, der ihn noch „gesehen, für etwas anders als für den soge- „nannten Daumen am Flügel eines sehr grolsen „Vogels hat halten können.” Diese Beobachtung würde allerdings entscheidend für das Daseyn von Vögeln in einem sehr frühen Zeitraume seyn, wenn es nicht gewagt.wäre, auf die Aehnlichkeit. eines einzelnen Knochenstücks etwas zu bauen, FAusas-St-Fonn (n) hat zwey Versteine- rungen beschrieben und abgebildet, die mitten in den Steinbrüchen von Vestena Nova unter den dortigen Ichtyolithen gefunden wurden, und die er für Vogelfedern hält. “Man kann”, sagt ' er, “sie nicht mit gewissen Tangarten verwech. „seln, die einige Aehnlichkeit mit Federn ha-_ „ben: denn bey ihnen sind die Haare der Fahne „mit andern kleinern Haaren besetzt (parceque „celle- | (n) Annales du Museum d’Hist. nat. T. IM. p. aa, PLI Ag, 2.5 m 171 „celle-rci a ses barbes garnies d’autres petites „barbes),. Die Professoren Jussıeu, LaAmasck, „DESFONnTAIınEes und THovın, die sie aufmerk- „sam untersucht haben, halten sie für eine wah- „re. Vogelfeder.” Diese Autoritäten sind nun freylich sehr wichtig. Allein die Abbildungen jener Versteinerungen scheinen mir doch mehr Aehnlichkeit mit Meergräsern, als Federn zu ha- ben, und allerdings giebt es auch Tange, deren haarförmige Zweige gerade wie bey Federn mit Seitenhaaren besetzt sind, / Man sieht also, dafs die Erfahrung uns noch keinen ganz entscheidenden Beweis für die Exi- stenz der Vögel in frühern Perioden geliefert hat. Um. die Periode, wovon im vorigen ( die Rede war, vollständig zu charakterisiren, müs- sen wir hier endlich noch auf eine Bemerkung zurückkommen , die wir schon im ısten ( ge- macht haben, Wir haben dort erwähnt, dafs in einigen, Erdschichten der nördlichen gemäflsig- _ ten Erdzone Conchylien gefunden werden, deren Originale zwar noch jetzt vorhanden sind, aber heut zu Tage blos in der südlichen Erdhälfte ge. funden werden. Jene Erdschichten nun sind dieselben, in welchen die Gebeine der unterge- gangenen Landthiere begraben liegen, Man fin- det hier die letztern oft vermischt mit Schnek- ‚ ken und Muscheln des Indischen Oceans. , Dies ist 172 — ist z. B. der Fall in den Hügeln von Piemont, Wir haben im ısten ( gesehen, dals pe Luc in diesen Anhöhen unter andern ein Kinkhorn an- traf, das jetzt nur in der südlichen Erdhälfte lebt. Von den nehmlichen Hügeln bemerkt er aber auch, dafs sie zugleich Gerippe von Am- phibien und $äugthieren enthalten (oe). WER So sind wir endlich zu jener Periode ge- kommen, wovon wir im Anfange dieses Buchs ausgingen, zu dem Zeitraume, in welchem der Mensch gebildet wurde und die lebende Natur sich ihrer jetzigen Gestalt näherte, ‚ Aber in un- sern bisherigen Untersuchungen findet noch eine grolse Lücke statt; wir haben noch nicht die Fragen berührt: Welchen Aufenthalt und welche Verbreitung jene Körper der Vorwelt hatten, die wir bisher blos in Beziehung auf ihre Organisa- tion und auf die Perioden, in welchen sie leb- ten, betrachtet haben? Ob ihre Heimath die nehmlichen Gegenden waren, wo wir jetzt ihre Gebeine finden; oder ob ihre Leichname durch Meeresfluthen aus fernen Gegenden in ihre jetzi- ge Lagerstäten ‚gebracht sind? Wie sich das Clima der Gegenden, in welchen jene Körper gebohren wurden und lebten, zu .dem jetzt da- selbst (0) Grens Journal der Physik. B.VI. $.504. — 173 selbst herrschenden verhält? Wir liessen diese Fragen bisher unberührt, um nicht das Gewisse mit dem Ungewissen zu vermengen, Die Leh- ren nehmlich, die in den vorhergehenden (ff ent- halten sind, beruhen unmittelbar auf Erfahrun- gen, und haben daher einen hohen Grad von Wahrsckeinlichkeit, Auch sind sie wahrschein- lich, weil sie mit den beyden Sätzen der Natur- philosophie, die wir im ıten f) aufgestellt ha- ben, völlig übereinstimmen. Wir werden, so sagten wir dort, die lebende Natur für ein Gan- zes ansehen, das in beständigen Umwandlungen von jeher begriffen war, noch begriffen ist, und stets begriffen seyn wird; wir werden aber auch zweytens in diesen Verwandlungen einen festen, gesetzmälsigen Gang annehmen. Diesen Sätzen ganz gemäls ist die Schilderung, die wir in dem gegenwärtigen Buche von der lebenden Natur entworfen haben, Sie erscheint uns als ein ewig sich verwandelnder, aber bey allen diesen Ver. änderungen zu einer gewissen Stufe der Ent- wickelung regelmälsig fortschreitender Organis- mus. Einen gleichen Grad von Gewilsheit kön- nen wir aber nicht bey der Beantwortung der vorhin aufgeworfenen Fragen zu erreichen hof- fen, indem diese mit Problemen in Verbindung steht, bey deren Auflösung uns die Erfahrung gänzlich verläfst, Indels lalst uns auch hierbey unsere Kräfte versuchen! Vorher aber wird es nöthig 174 — nöthig seyn, noch eines unmittelbaren Resultäts ‘ der bisher angeführten Thatsachen zu erwähnen, Diese Folgerung ist, dafs allen den grofsen Verwandlungen, welche die lebende Natur seit ihrer Entstehung erlitten hat, immer grolse: Re- volutionen der ganzen Erde vorhergegangen sind, Unmittelbar vor der Bildung lebender Körper erfolgten häufige Niederschläge der Kalkerde, und diese dauerten in jenem Zeitraume fort, in wel- chem die Encriniten, Pentacriniten, Ammoniten, Orthoceratiten, und die übrigen untergegangenen Thierpflanzen und Mollusken lebten. Eine neue Gestalt erhielt die lebende Natur, als sich die Grauwacken- und Kupferschiefer erzeugten. Jetzt entstanden Fische und Farrnkräuter, Diese ver- lohren sich aber wieder bey einer Catastrophe, wobey Gyps und Sandstein hervorgebracht wur- de. Grofs, doch nicht so allgemein war auch der Einfluls, den die Ursache des Niederschlags der Kreideschichten auf die lebenden Körper äus- serte, Ueberhaupt scheint die lebende Natur bey jeder neuen, Präcipitation von Uebergangs- und. Flötzgebirgen wesentliche Veränderungen erlitten zu haben. Die letzte grolse Catastrophe des Zeitraums der |Flötzformation war diejenige, in welcher eine. ungeheure Menge Pflanzen vom Meere bedeckt und in Steinkohlen verwandelt wurde. Dann folgte endlich die merkwürdige Ar Revo- L—— 175 Revolution, welche den Untergang der vielen Ohiothiere, Elephanten und anderer Landthiere ‚bewirkte, und dem Entstehen der jetzigen leben- den Natur vorherging. Die vielen Meereskörper, zwischen welchen sich die Reste dieser Land- thiere befinden, zeugen von einer damaligen gro- [sen Wasserfluth, und die weite Verbreitung je- ner, in der Mitte des festen Landes befindlichen Meereskörper und Ueberbleibsel von Landthieren beweiset, dals diese WUeberschwemmung den grölsten Theil der jetzigen Continente betraf. $. 19. Wir haben gesehen, dals es allenthalben in allen Welttheilen, und selbst auf den Gi- pfeln der höchsten Berge Meeresprodukte giebt. Es folgt hieraus, dals es eine Periode gab, wo der Ocean das feste Land, und selbst die Spitzen der hüchsten Berge bedeckte.e Wir ha- ben aber auch gesehen, dafs in vielen Gegenden ‚Ueberbleibsel von Pflanzen und Thieren, be deckt mit Meeresprodukten, vorkommen, und diese Thatsache beweist, dafs da einst festes Land war, wo Meeresboden jetzt ist, oder gewesen ist, Wir würden also anzunehmen berechtigt seyn, dals, so wie in unsern Tagen, so auch in den Zeiten der Urwelt, festes Land in Mee. resboden und Meeresboden in festes Land über- ging, wenn nicht dieser Voraussetzung die aus- SET. 176 0 Ammenme serordentliche Höhe der Berge, die einst vom Ocean bedeckt gewesen seyn müssen, entgegen zu stehen schiene. Doch können diese nicht durch irgend eine Kraft aus der Tiefe des Oce- ans hervorgehoben seyn? Sind nicht auch noch in neuern Zeiten alte Berge verschwunden, und neue aus dem Meere hervorgestiegen ? Bestehen nicht alle ursprüngliche Veränderungen des Wellt- alls in Expansionen und Contraktionen? Wird nicht bey jeder Contraktinn einer Reihe von re- pulsiven Kräften eine andere expandirt, und bey jeder Expansion der erstern die letztere con- trahirt (p)? Ich weifs, dals es der Einbildungskraft schwer Ei sich Berge von der Höhe des Grenairon, oder gar der Andes, als hervorgeworien aus den Tiefen der Erde zu denken. Aber nur der Ver- stand,. nicht die Phantasie, kann hier Richter seyn, und dessen Aussprüche müssen gelten, sO- bald sie Gründe auf ihrer Seite, und keine un- widerlegbare Einwürfe gegen sich haben. Und was läfst sich unserer Meinung entgegensetzen ? Ich sehe nichts, als nur dieses, dals alle Berge, die einst unter der Meeresfläche gestanden ha- ben, Spuhren von Wirkungen des vulcanischen Feuers zeigen mülsten, wenn. unsere Meinung gegründet wäre, Allein dieser Einwurf: wird | durch (p) Biol. B.s. S.44 HE. _—— 17? durch die Vulcane von Südamerika widerlegt, deren Flammen oft eine Höhe von 3000 Fuls er- reichen, und welche noch nie einen Tropfen flielsender Lava hervorzubringen vermogt haben, sondern blos Wasser, Schwefelwasserstoffgas, Roth und koblenstoffhaltigen Thon auswerfen (g): Was zwinget uus auch, das Feuer für die ein- zige Kraft zu halten, wodurch Berge aus dem Schoolse der Erde hervorgehoben seyn könnten? Ist nicht schon blolse Wärme hierzu hinreichend ?2 Wer kennet nicht die ‚ungeheuren Wirkungen . sich ausdehnender Gasarten und Dämpfe? Giebt es nicht warme Quellen, die aus Grauwacke, Glimmerschiefer, Gneis, und selbst dus Granit entspringen (r)? Ja; sind nicht meist nur dieje- nigen Quellen warm, die aus Urgebirgen ent- stehen (s)? Beweisen diese Thatsachen nicht, dals noch heut zu Tage im Innern der Urgebir« ge chemische Processe vorgehen , wobey Wärme und Gasarten entbunden, und Dämpfe gebildet werden ? Als (g) Vox Humsoror in Grizerr’s Annalen der Physik. B.XVI. Sı.4. 8.479. ler (r) Von Bucn’s geognostische Beobachtungen. B. ı. 8.240 fi, Lines geolog. u. mineralog. Bemerkun- gen auf einer Reise durch das südwestl, Europa. S.21. 5ıff. gı. (s) Von Bucn a. 4,0, 8.245: 111. Ba. | .M 74 178 ———— Als im Jahre ı785 den ZAten Februar Messina bey einem Ausbruche des Aetna eine heftige Er- ‘schütterung erlitt, wurde an demselben Tage das ' jenseits dem Adriatischen Meere gelegene Cala- brien noch weit heftiger als Messina selbst zer- rüttet, und zum Theil ganz zerstöhrt. Und doch entdeckte Doromrev, welcher kurz nach dieser. Catasırophe Calabrien bereiste, nicht nur keine. Spuhr weder eines neuern, noch ehemaligen Vul- cans in dem ganzen Apulien, sondern er fand auch, dals die, Italien der Länge nach trennen- de, von aussen ganz aus Kalk - oder Mergel- schichten bestehende Apenninen in Calabrien als Granitgebirge erscheinen, die sich in der soge- nannten Ebene auf einmal ganz entblöfst dar- stellen, und in dieser Gestalt bis an die äusser- ste Spitze Calabriens ununterbrochen fortstreichen. Er beobachtete ferner, dals in der Gegend dieser £bene auf den Stellen, wo sich die Flötzgebirgs- schichten an den Granit anlegen, die Wirkung des Erdbebens bey weitem am stärksten und hef- tigsten gewesen wär, und zwar so heftig, dafs die auf dem Granit liegenden Flötzschichten zum Theil ganz von ihrer Granitunterlage waren ge- trennt worden. Wenn nun im Innern des Gra- nits Wärme, Gasarten und Dämpfe entwickelt werden, wenn Erdbeben weniger heftig in der Nähe der ausgebrochenen‘ Vulcane, als in ent- - fernten Urgebirgen sind, ist es dann nicht zu \. VEer« urmmunem 179. vermuthen , dafs vulcanische Ausbrüche blofse Nebenwirkungen von weit grölsern chemischen Processen sind, die im Innern des Granits vor sich gehen ? Ist es dann nicht wahrscheinlich, dals diese Processe eine, noch weit grölsere Rolle in den Zeiten der Urwelt gespielt haben, wo alle Fıräfte der Erde freyer und energischer wirk- ten? Ist es dann nicht glaublich, dafs einst durch jene Entwickelung von Wärme, Luft und Dämpfen grofse Erdstriche aus dem Meere her- vorgehoben sind? Doch wer wird auch läugnen können, dafs bey der Bildung der Erdrinde elastische Flüssig- keiten in ausserordentlicher Menge entbunden seyn müssen? Wer wird es unwahrscheinlich finden können, dals der Granit und Gneis lang- sam verhärtet sind, und dafs sich jene Rinde eine Zeitlang in einem teigartigen Zustande be- funden hat? Wer aber diese Sätze einräumt, wird auch zugeben müssen, dals jene Flüssig- keiten sich zum Theil unter der Erdrinde an- sammeln, und, ausgedehnt von der entbundenen Wärme, diese emporheben mulfsten. So konnten. denn in den Zeiten der Urwelt Anschwellungen der Erdfläche ohne heftige Explosionen entstehen, und so sind auch noch in neuern Zeiten Ebenen ünd: Tiefen zu Anhöhen emporgestiegen. Die Höhe Maklefield zu Herefordshire im westlichen Me AANR Eng- 180 vn . England wurde im Jahre ı75ı gebildet, indem sich einige zwanzig Tonnen Landes von dem übrigen Felde trenrten, sich binnen drey Tagen allmählig und ohne Geräusch 400 Schritte weit; verrückten, und darauf schnell zu einer ansehn- lichen. Höhe anschwollen (t). Im Rlaveezer See fand man den ı6ten August 1805, Morgens“ früh, da, wo die Fischer noch einige Tage vor- her ohne Hindernils das Netz gezogen hatten, einen Berg, der sich unter der Wasserfläche mit allmähliger Senkung nach jeder Seite über 100 Fuls weit erstrecket , und welcher ohne die min- deste Spuhr einer Erderschütterung aus der Tiefe des Sees heraufgestiegen ist (u). Jene Entwickelung unterirdischer Gasarten dauerte noch fort, nachdem die Erdrinde schon’ erhärtet war. Jetzt aber wurden dadurch hef- tige Explosionen hervorgebracht , woyon nach ‘len Beobachtungen von SAussuURE und Forris, noch heut zu Tage die Spuhren übrig sind (v). Jetzt (t) Beremann’s physikal, Erdbeschreibung. zte Aufl. B.2. 8.145. (u) Brepow in Voror’s Mag. f. d. neuesten Zustand der, Naturkunde. B. VII. Su.4. S. 364. (v) Jener fand unter andern auf der Hinterseite des kleinen Saleve unter Bänken von Sandsteine Lagen einer kalkartigen Breccie, welche die Bänke des so- \ | | liden — i ı8ı Jetzt entstanden auch Vulcane, deren Produkte indefs von denen: der heutigen feuerspeyenden Berge sehr 'verschieden gewesen. seyn müssen, Es liegt uns alles daran, unsere obige Mei- nung zu begründen, denn von Ahr hängt der Sinn und die Deutung aller übrigen geologischen Thatsachen ab. Ich werde daher noch andere Gründe anführen, woraus die Wahrheit jener Hypothese aufs einleuchtendste erhellen wird, Wir lıden: und dichten Gesteins, woraus das Innere des sn ABerges; besteht, bedecken. Diese Beobachtungen, sagt er, scheinen ‚zw beweisen,. dals die Oberfläche "der : Erde -vor dem gänzlichen Zurückzieheu .des ‚Meerwassers ausserordentlich mufs erschüttert wor- den seyn; dals hierdurch einige Felsen zum Der sten gebracht wurden, deren Bruchstücke sich wie- der vereinigten, und unter der Gestalt von Brec- cien, während noch das Meer auf diesem Theile der Erde stand, zusammenkitteten; dals hierauf auch Sand herbeygesehwemmt und darauf in Sand- stein verhärtet wordeny und dals nach dieseni allen eine noch heftigere Erschütterung entstand, welche ganze Berge zerbrach und umstürzte, und jenen schnellen und gewaltsamen Rückzug des Meers ver« aulafste, durch welchen die grofsen Bruchstücke von Felsen fortgeführt wurden, die wir in unsern Thä- lern und. auf. unsern Bergen zerstreut antreffen, (Saussure’s Reisen durch die Alpen. 1 215, + Th,2. 8.312.) \ M3 % 182 ernene Wir haben gesehen, dafs es unter den höch- sten Bergen einige giebt, auf deren Gipfeln sich unverkennbare Beweise finden, dafs sie noch lan- ge nach ihrer Bildung vom Meere bedeckt gewe- sen seyn müssen. Es giebt aber auch andere Berge, auf welchen nichts anzutreffen ist, wor- aus sich auf spätere Wirkungen des Meers schlies- sen lälst, sondern welche seit ihrer Entstehung über die Fläche der Gewässer hervorgeragt zu haben scheinen. Wären die letztern Berge im- ıner höher, als die erstern, so könnten jene Thatsachen blos mit Hülfe der Voraussetzung einer Abnahme des Meers erklärt werden. Aber nicht selten findet das Gegentheil statt. Auch manche Berge, die gar nicht zu den hohen ge- zählt werden können, bestehen aus uranfänglıi- chem, mit keinen spätern Meeresprodukten be- decktem Gesteine. Von der Art sind z.B. die in der Gegend von Dresden (w), um Dogorska im Bannat (x), und bey KRladrau und Pilsen (y) liegenden Granitkuppen. Jetzt sind nur noch zwey mögliche Wege zur Erklärung jener That- sachen übrig: man mufs entweder annehmen, dals alle die Berge, auf deren Gipfeln sich kei- | | ne (w) CaHärrentier’s mineralogische Geographie der Chursächsischen Lande. S.38. (x) Born’s Briefe. 8.44. (sy) Ferser’s Beyträge zur Mineralgeschichte von Böhmen. S, 129. * ; — 183 ne Meeresreste Iinden, ursprünglich höher gewe- sen sind, als diejenigen, deren Spitzen die Merkmale ehemaliger Ueberschwemmungen an sich tragen, und anfangs über: die Fläche des Meers hervorgeragt haben , dafs aber mehrere derselben späterhin, nachdem das Meer die Ober- fläche des jetzigen festen Landes schan verlassen hatte, zu einer weit geringern Höhe, herabge- sunken sind; ‚oder man mufs unserer Meinung beytreten, nach welcher alle, mit Meeresproduk- ten bedeckte Berge aus der Tiefe des Oceans ‚hervorgehoben sind. Es giebt noch einen zweyten Grund, wel- cher auf eben die Alternative führt. Wir finden nehmlich Gebirgsschichten, die jetzt eine verti- kale Lage haben, deren Bildung aber beweist, ‚dafs 'sie sich ‘ursprünglich in einer horizontalen Lage befunden haben müssen. So traf Savs- suRE bey Valersine eine senkrechte Schichte von Breccien an, die unmöglich in. dieser Lage ent- standen seyn konnte (y). Solche Gebirgsschich- ten (y) “Dals sehr verdünnte Theile”, sagt jener Natur- forscher, “die in einem flüssigen Körper schwim- „men, unter einander ankleben , und senkrechte „Schichten bilden können, dies begreifen wir gar „wohl, und wir haben Zeugnisse davon an den „Alabastern, Agathen, und selbst An den künsıli- Mid „chen 134 u— ten müssen also nach ihrer ursprünglichen Bil- dung sehr grolse Revolutionen "erlitten haben. Und worin bestanden diese gewaltsamen Verände- rungen ? Sie können nur von einer doppelten Art gewesen seyn: entweder eine Kraft, die vom Innern der Erde aus nach deren Oberfläche wirkte, muls die ursprünglich horizontalen Schichten gehoben, und in ihre jetzige, oft senk- rechte Lage gebracht haben; oder es war ein Einstürzen der Ränder ungeheurer Erdschollen, wobey der mittlere Theil derselben seine ur- sprüngliche Höhe behielt, was die wagerechte ‘ Lage der Erdschichten in eine schiefe oder ver- tikale umänderte. | a Auf denselben Schlufs führt uns endlich auch der Umstand, dafs in sehr vielen Gegenden Flötz- slager, „chen Crystallisationen. Dals aber ein ganz gebildeter „Stein von der Grölse eines Kopfs sich mitten an „einer senkrechten Wand angehängt, und dort ge- „wartet haben sollte, bis die kleinern Theile des „Steins ihn einzuwickeln und an dieser Stelle an- „zuleimen und zu befestigen gekommen wären, ist „eine unmögliche und absurde Voraussetzung. Man „muls es also für eine ausgemachte Sache anneh- „men, dafs : diese Breccien in einer horizonta’en, „oder wenigstens derselben nahe kommenden ‚Lage „gebildet, uud erst nach ihrer Verhärtmg in’ diese „Stellung gebracht worden.” (Saussure’s Reisen durch die Alpen. Th.z. 8. 116.) j \ een 185 lager , die ganz mit Versteinerungen angefüllt sind, mit ändern abwechseln, die keine Spuhr von Peirefakten enthalten. Manche der letztern sind vermuthlich Produkte vulcanischer Ausbrü- che; hingegen manche, und besonders die Gyps- flötze, in welchen die Abwesenheit von Verstei- nerungen fast allgemein ist, 'sind offenbar auf dem nassen Wege entstanden, Niederschläge des Meerwassers aber können sie nicht seyn: denn sonst mülsten nothwendig Ueberbleibsel von Seethieren in ihnen vorkommen. Wir müssen sie daher für Niederschläge stehender Gewässer, oder der Athmosphäre annehmen. Daraus aber folgt, dafs noch vor jener Periode, in welcher das jetzige feste Land vom Ocean verlassen wur- de, einzelne Theile der Erdrinde abwe&chselnd vom 'Meere bedeckt und wieder eniblöfst sind, und dies konnte nicht anders geschehen, als da- durch, dafs entweder diese Theile selber, oder | andere 'Erdstrecken sich hoben oder senkten. Wir befinden uns also wieder auf demselben Punkte, worauf wir schon zuvor standen. Wel- cher der beyden Wege, ‘ die vor uns sind, ist nun der richtige? Welchen: sollen wir wählen ? Ich glaube denjenigen, welcher von der Voraus- setzung ausgeht, dals eine Hebung der Erd- rinde diejenigen Höhen, die einst vom Meere bedeckt waren, gebildet hat, und der Grund M5 | mei- 186 une meines Glaubens ist die speciique Schwere der Erde. Diese nehmlich ist == 5,48, wenn die des Wassers zur Einheit angenommen wird (a). Sie steht also blos der der meisten Metalle nach; hingegen ist sie doppelt und dreymal so grols, als die des Granit, Porphyr, Gneis, Kalkstein, Gyps, Alabaster, Marmor, Basalt, kurz der sämmtlichen Steinarten, woraus die Rinde der Erde besteht (b).. Hier haben wir eine That- sache, die sich auf keine Weise erklären lälst, wenn man nicht im Innern der Erde einen Kern von. beträchtlicher Dichtigkeit‘ annimmt. ; Die Voraussetzung eines solchen Kerns ist aber ganz unvereinbar mit der Hypothese, welche die Ent- stehung der Berge aus einem Einsinken ' der ursprünglich horizontalen Erdschichten erklärt, Denn erstens müfsten nach dieser Meinung. die- jenigen Niederschläge. des Meerwassers, woraus die, jetzige Oberfläche der Erde entstanden ist, eine kappenförmige Rinde um die Erde gebildet haben, deren innere Höhlung blos mit Wasser angefüllt gewesen. wäre, Allein wenn es einen festen Kern der Erde giebt, so mufste dieser schon vorhanden seyn,‘ ehe die erwähnten Nie- derschläge eintraten, und so widerspricht. es al- len (3) Biol. Bd.2, 8.445 (b) Musscuensroer Introd. ad phil. nat. DerAme- Tuerıe’s Theorie der Erde. Uebers. von EscHen-. nBAcH. Tl.ı. 85% Warn nl —— 187 len chemischen Gesetzen, dafs sich jene Rinde an der ‚Oberfläche des Wassers, und nicht un- mittelbar auf dem Kern der Erde gebildet haben sollte. Aber zweytens, wenn man auch dies bey Seite setzt, so bleibt doch noch eine andere, eben so grofse Schwürigkeit übrig... Jener Hy- pothese zufolge zerrifs endlich die bis dahin ho- rizontale Erdrinde, und. durch ihr Einsinken wurden. die Höhen und Tiefen der Erde hervor- gebracht. Wodurch wurden "nun diese Erha- benheiten. und Vertiefungen vom Wasser ent- blölst ?. De Luc, der Urheber und Vertheidiger je- ‘ner Meinung, nimmt zur Beantwortung dieser Frage eine Staubmasse an, womit das In- nerste der Erde ursprünglich angefüllt war. Ein Schlamm, der mit Flüssigkeit durchzogen war, setzte sich zuerst auf dieser Rinde ab, und ver- ursachte daselbst ähnliche Einsenkungen, wie wir auf jedem, mit Wasser begossenen Sand- oder Staubhaufen entstehen sehen. ‘Diese Staub- „heile, sagt DE Luc (c), “waren von verschie« „dener Art, daher denn die eingeseigerte Flüssig- „keit hier und da besondere Verbindungen her- „vorbrachte, wodurch ebenfalls nach und nach „grolse, harte, und verschiedentlich gleichsam in - (ce) Vorer’s Mag. f. d. Neuste aus der Physik u.s. w. B.IX, St. ı. 5.88. $. 24. 188 nern „Zweige sich vertheilende Massen entstanden, „dergleichen man in vieleriey lockern oder wei- „chen Substanzen, wie im Sande, im Thone „und in verschiedenen kalkartigen Erden u. s. w. „findet. Diese verhärteten Portionen, die im „Anfange der Einsenkung widerstanden, bildeten „Stützen für die Rinde von Erdlagen, die sich „folglich einige Zeit waagrecht erhalten konnte, „indels sich durch die Einsenkung der lockern „Staubtheile in ihren Zwischenräumen Höhlen „bildeten, in welchen sich ausdehnbare Fluida „sammelten, die durch die innern chemischen „Operationen hervorgebracht worden waren. Aber „wenn sich die Einsenkung der Staubtheile wei- „ter und bis unter‘ die Grundfläche jener verhär- „teten Portionen erstreckte, die nun die Schei- „dewände der Höhlen bildete, so senkten sich „dann diese Scheidewände selbst, und. da folg- „lich die obere Rinde (als die Decke der Höhlen) „nun ihre Stütze verlohren hatte, so brach sie „ein, und senkte sich nun selbst in einem wei- „tern oder engern Umfange. Da sich hierauf „ein Theil der Flüssigkeit in die Höhlen verlief, „so trieb er die ausdehnbaren Fluida, die sich „darin gesammelt hatten, heraus. Diese schwän- „gerten nun die obere Flüssigkeit mit neuen In- „gredienzen, und veränderten dadurch die chemi-' „schen Verbindungen in selbigen, und da sich „hierauf von neuem 'ausdehnbare Fluida an der y „Ober- — 139 4 „Oberfläche derselben entbanden, so verursachte „dies wieder neue Arten von Niederschlägen, „Jene successiven Ergielsungen der Flüssigkeit „veranlafsten aber wiederum neue Höblen, in- „dem sie neue Einsenkungen der Staubmassen „verursachten ; dadurch ward..aber die äussere „Menge der Flüssigkeit allgemach vermindert; „und da jene successiven Portionen von verschie- „dener Natur waren, weil die äussere Flüssig- „keit sich immer mehr durch neue Niederschlä- „ge von ihren uranfänglichen Ingredienzen ent- „blöfste, so entstand daraus jedesmal eine neue „Art von ausdehnbarem Fluidum im Innern, „und hierauf wieder neue Verbindungen in der „obern Flüssigkeit, wenn jene Fluida sich darin „verbreitet hatten.” Ferner sagt er (d): “Nach allerhand Cata- „strophen, die sich mit der Erdrinde zugetragen „haben, da sie noch mit Flüssigkeit bedeckt war, „und während welcher diejenigen Stellen, die „durch die Scheidewände der Höhlen unterstützt „wurden, in ihrer primitiven waagerechten Lage „geblieben waren, wo sie auf dem Boden dieser „Flüssigkeit HRetten von Erhabenheiten oder Ber- .„gen bildeten, erfolgte endlich eine Epoche, wo- „bey, durch grofse Einsenkungen des Staubes „die Grundflächen der Scheidewände der Höhlen sl (d) A.a. O. S,go0. $. 26. x 190 ame. B „in einem grolsen Theile der Erde zugleich un- „terminirt wurden, und sich daher die Erdrinde „in diesem ganzen Umfange einsenken mufste, „Diefs ist die erste grolse Revolution, die einen „tiefen Eindruck auf unserer Erdkugel zurückge- „lassen hat. Denn sie ist es, wodurch sich die „Oberfläche derselben zuerst in Meer und festes „Lane trennte, weil alle die Flüssigkeit, womit „sie damals von aussen umgeben war, in diese „eingesenkten Gegenden zusammenflols, und der „Rest der Rinde hingegen über ihr hinaus- „ragte.” So erklärt pe Luc den Ursprung der Berge | und des festen Landes, und in der That ist die- se Erklärung die einzig mögliche für den, der Einsenkungen der ursprünglich horizontalen Erd- rinde für die einzige Veränderung annimmt, die sich seit ihrer Bildung mit ihr zugetragen hat. Aber wie roh, wie unwürdig der Erhabenheit, welche die Natur überall in ihrem Wirken zeigt, ‚und wie unvereinbar mit der grolsen specifiquen Dichtigkeit des Kerns der Erde ist die Voraus- setzung einer uranfänglichen, im Innersten die- ses Weltkörpers befindlichen Staubmasse, worauf jene Erklärung führt! Da also nicht blofse Sen-- kungen der Erdschichten diese aus Meeresboden in festes Land und Höhen verwandelt haben können, so bleibt nichts übrig, als, Kräfte, die , vom 151 vom Innern der Erde nach aussen wirkten, für die Ursache zu halten, wodurch der ehemalige Meeresboden vom Wasser entblölst wurde. Man würde mich aber unrecht verstehen, wenn man glauben wollte, dafs ich alle Uneben- heiten der Erdoberfläche blos von diesen Kräften ableitete. Mir scheint es, dafs man, wie schon Tıras sehr richtig bemerkt hat, die Wirkung der Erhöhungen des Landes nicht mit der eigent- lichen Gestalt der Berge verwechseln dürfe. Die Erhöhungen des Landes sind meiner Meinung nach durch unterirdische expandirende Kräfte her- vorgebracht. Für mich leidet es aber auch kei- nen Zweifel, dafs. die Erdrinde in ihrem ur- sprünglichen Zustande nicht, wie pe Luc und | andere Naturforscher behauptet haben, aus lauter horizontalen Schichten bestanden hat, sondern dafs schon gleich bey der Crystallisation dersel- ben Berge und Thäler gebildet sind. Keiner, der unbefangen ‘erwägt, welche Struktur der Granit und Gneis in solchen Gegenden hat, wo die ursprüngliche Anlage dieser Gebirgsarten noch nicht zerstöhrt ist, wird auch hieran zweifeln können. Dort sieht man den Granit in Schich- ten gelagert, die wie ein lateinisches $ gestaltet sind (e). Man ‚sieht andere Urgebirge, worauf Bänke von einer gegen den Horizont perpendiku- lären (e) Saussune’s Reisen dusch die Alpen. Th,2, S. 151. 192 lären Richtung in abwärts gehenden Bänken ein- geschlossen sind (f). Noch andere bestehen aus Schichten, ‚deren vertikaler Durchschnitt sich mit einem offenen Fächer vergleichen lälst, und deren Rippen unten fast horizontal liegen, weiter hin- auf aber sich erheben, bis die obersten allmählig senkrecht stehen (g).. Wer wird es wagen, die- se regelmälsigen Gestalten von einer andern Ur- sache, als der Ürystallisation, abzuleiten? Zu- dem ist es offenbar, dafs die chemische Beschaf-. fenheit jeder Gebirgsart beym Entstehen der Ber- ge sehr viel zur Bildung. derselben _beygetragen hat. Feuersteine und Porphyre geben hohe und steile, aber nicht lange, hornglimmerige und wellenförmige Arten auch hohe, aber nicht in die Länge sich erstreckende Gebirge (h). Wie könn- te dies seyn, wenn die Berge nicht Werke der Crystallisation, sondern Wirkungen mechanischer Ursachen wären ? Für mich leidet es auch keinen Zweifel, dafs auf. die Crystallisation der Gebirge eine dem Magnetismus analoge Kraft Einfluls gehabt hat. Dieser Gedanke muls sich auch jedem auf- drängen, dem bekannt ist, dals die Richtung der (f) Saussure a.a. O. S.1% (g) Ebendas. Th.3. S. 76. | (h) -Tıras, Abhandl. der Schwed. Akad. B. XIX. ı S, 220, rn | 193 der Schichten des Granits in den verschiedensten Gegenden mit der Richtung der Magnetnadel über- einkömmt. - Nach Saussurre (i) haben die, ge- gen den Horizont senkrechten Gebirgslagen, die man häufig im Jurassus antrifft, fast alle ihre Flächen von Nordnordost gegen Südsüd- west, nach der allgemeinen Richtung dieser Bergkette, gerichtet. Er beobachtete eben diese Richtung auf dem Mole (k), so wie auf dem Buat (l), und auf dem Mont-Breven sahe er adrichte Granite, deren fast senkrechte Schichten mit der Magnetnadel eine gleiche Richtung hat- ten (m). Parras fand, dals die dicken Granit- schichten, ‚aus welchen die Daurischen Berge bestehen, fast halbrechtwinklicht gegen Süden oder Südosten in die Tiefe sinken (n). Vor- züglich wichtig aber sind in dieser Rücksicht vox HunsoLpr’s Beobachtungen, Schon bey seinen Reisen in Deutschland, Italien, dem südlichen Frankreich, den Pyrenäen und Galizien wurde er auf die Bemerkung geführt, dafs das Streichen und Fallen der Urgebirge einem allgemeinen Ge- PZ setze G) A.a.0. Th. 8.14, | (k) Ebendas. Th.ı. S.257. 258. (1) Ebendas. Th.2. S.249. (m) Ebendas. "Th.z. S.4g | (n) Parras Reise durch versch. Provinzen des Russi- schen Reichs. Th. 5. 9.227. 228. -UILBd. - N 194 setze unterworfen sey, und dafs, (abgesehen von den Ungleichheiten, die von kleinen Localursa- chen herrühren) die Lagen des geschichteten grobkörnigen Granits, des Gneis, und ganz be- sonders des Glimmerschiefers und Thonschiefers, insgesammt einen Winkel von 525° Südwest oder Nordost mit dem Meridian, des Orts machen, und dals sie dabey nach Nordost einfallen. Alle Messungen, die er auf seiner nachherigen Amerikanischen Reise anstellte, ga- ben‘ eben dieses Resultat. Ueberall streichen auch in Amerika die Gebirgslager von Nordost nach Südwest unter einem Winkel von 50° mit dem Meridian, und fallen nach Nordwest unter einem Winkel von 60 bis 80° (o). Wir behaupten also nicht, dafs alle Uneben- heiten der Erdoberfläche durch unterirdische ex- pandirende Kräfte hervorgebracht sind, sondern unsere Meinung ist nur diese, dals es solche Kräfte waren, welche grofse Theile der Erdrinde aus der Tiefe des Oceans 'hervorhoben und in festes Land verwandelten. \ (. 20 Reich an Folgerungen ist der Satz, den wir jetzt dargethan haben. Es ergiebt sich daraus, dals das feste Land einst auf ähnliche Weise ge- bil. (0) Gizgerr’s Annalen’der Physik. B. XVI. $.427. bildet ist, wie noch in neuern Zeiten Inseln aus dem Boden des Oceans hervorgestiegen sind, Wenn also zu dem grölsten der geologischen Phänomene aus den Zeiten der Urwelt noch heut zu Tage analoge Erscheinungen vorhanden sind, so dürfen wir um so mehr bey Erklärung ande-= rer geologischer Thatsachen die Analogie zu Hül- fe nehmen. Nun lehrt die neuere Geschichte, dals, indem neue Inseln entstanden, alte vom Wasser verschlungen wurden. Es erhellet fer- ner aus der Bildung mehrerer Hüsten, dafs sie ehedem mit festem Lande in Verbindung gestan- den haben müssen, welches jetzt nicht mehr vorhanden ist. Die Analogie führt uns also auf den Satz, dafs bey der Entstehung des jetzigen festen Landes ehemalige Continente verschwun- den sind, und dafs überhaupt seit der Bil- dung der Erde gleichzeitige Contraktionen und Expansionen in derselben statt gefunden haben. Hieraus folget weiter, dals wir keinesweges berechtigt sind, alle Ueberbleibsel des Pflanzen- und Thierreichs der Vorwelt für Erzeugnisse des Bodens zu halten, in welchem wir sie heut zu Tage antreffen, sondern dals manche derselben, die in Siberien und Canada begraben liegen, aus der südlichen Erdhälfte dahin geführt seyn können. Denn wenn es gewils ist, dafs einst ganze Länder versanken, indem andere aus dem | NE Mee- 196 , — Meere hervorstiegen, so ist es auch unläugbar, dals ein grofser Theil der Thiere und Pflanzen jener erstern Länder von den Fluthen, worin sie ihr Grab fanden, fortgerissen seyn muls; und dafs sie auf diese Weise bis in die-fernsten Ge- genden gelangen konnten, erhellet aus der Ana- logie des Golfstrohms von Mexico, welcher Er- zeugnisse des wärmern Amerika oft bis nach Schottland und Norwegen führt. Endlich folget noch, dafs die fossilen Reste von lebenden Körpern der Vorwelt, die in dem heutigen festen Lande vorkommen, aus Ländern dahin gebracht seyn können, die heutiges Tages gar nicht mehr vorhanden sind, Jetzt ist es Zeit die Frage zu untersuchen: Welche Organismen der Vorwelt in denjenigen Gegenden lebten, wo ihre Ueberbleibsel jetzt zu finden sind? Welche aus fremden Ländern 'her- rühren? Und welches das Vaterland der. leiz- stern war? Was die Encriniten, Pentacriniten, Ammoni- ten ‚„ Belemniten und die übrigen Versteinerungen. von Zoophyten und Mollusken betrifft, die in den ältesten Flötzgebirgen vorkommen, so haben wir schon im ısten (j gezeigt, dafs diese an den Stellen, wo sie jetzt gelagert sind, einst ‚gelebt ‘ haben müssen. ; 3 Eben ı ‘» Eben "dies läfst sich von manchen versteiner- ten Fischen, und namentlich von denen, welche in der Gegend von Vestena Nova liegen, - bewei- sen. Man hat unter diesen einen Esox gefun- den, der in dem Augenhlicke versteinert worden, wo er einen kleinern Fisch halb verschlungen hatte. Man hat grofse Tafeln angetrolfen, auf welchen sich Fische befanden, die von kleinern ihrer Art, wie eine Mutter von ihren Jungen, begleitet sind. Diese und ähnliche Umstände lassen sich nicht mit der Voraussetzung reimen, dafs jene Thiere durch heftige Meeresströhme aus andern Zonen in. ihre jetzigen Lagerstäten ge bracht seyn sollten, - Wahrscheinlich ist es, dafs auch die von Spzner beschriebene crocodilartige Eidechse die Gegend von Suhla, wo:sie entdeckt wurde, zum Aufenthalte gehabt hat. Denn ihr eonvaulsivi- sches Ansehn und der geringe Grad von Zerstöh- rung, den sie‘ erlitten hat, lassen vermiuthen, dafs sie gleich nach ihrem Tode in ihrer nach, herigen Lagerstäte versteinert worden, und ihre Struktur beweist, dals sie nicht zu den Secthie. ren gehört haben kann. ö ' Es lebten also einst in der gemäfsigten Zone der nördlichen Erdhälfte Fische und Amphibien, wovon jetzt nur’ in weit südlichern Gegenden EEE N 3 x ähn- 198 | Gun ähnliche Formen vorhanden sind. Läfst sich hieraus nicht schlielsen, dals das Clima jener Zo- ne ehemals wärmer war, als in jetzigen Zeiten ? Ist es daher nicht wahrscheinlich, dafs die Farrn- kräuter, die Öhiothiere, Elephanten, Nashörner und die übrigen Pilanzen und Thiere der’ Vor- welt, welche Erzeugnisse eines wärmern Him- melsstrichs zu seyn scheinen, und deren Ueber- bleibsel in den gemäfsigten und kalten Ländern des Nordens begraben liegen, ebenfalls in diesen Ländern einheimisch waren? Wird diese Mei- nung nicht dadurch unterstützt, dafs die baum- artigen Farrnkräuter und die grolsen rohrartigen Gewächse, die in manchen Steinkohlenflötzen vorkommen, oft so darin aufrecht stehen, als- ob sie an Ort und Stelle gewachsen wären? Spricht für sie nicht der Umstand, dafs man die fossilen Ueberbleibsel von Säugthieren familien- weise gelagert findet, und dafs es z.B. in Sibe. rien Elephanten, Nashörner und Ochsen, in der ‚Gegend von Paris Anoplotherien und Paläothe- rien, in Nordamerika Ohiothiere u. s..w, sind, was man dort von Fossilien antrifft? Beweisen nicht die Flulsschnecken, womit das Lager der fossilen Elephanten von Burgtonna angefüllt ist, dals diese Gebeine nicht durch Meeresfluthen da- hin gebracht seyn können, sondern in der Ge- gend, wo sie begraben liegen, gelebt haben müssen ? ’ Diese nen | 199 ; Diese Fragen müssen wir aber mit Nein be- antworten, Dafs in der Gegend von Vestena Nova, von Thüringen u. s.w. sich‘ vormals Fi- sche und Amphibien aufhielten, wovon jetzt nur in Gegenden, die weit mehr nach Süden liegen, analoge Formen gefunden werden, beweiset blos, dafs die Meere der nördlichen Erdhälfte in jenen Zeiten eine Fauna hatten, welche der heutigen südlichen weit ähnlicher war, als der heutigen | nördlichen, nicht aber, dafs das Clima der jetzi- gen gemälsigten Zone ehedem wärmer war, als heutiges Tages. ‚Die Fische und Amphibien nehmlich sind in ihrer Verbreitung von der heis- sen bis zur gemälsigten Zone nicht so beschränkt, wie die meisten Säugthiere. Der Amerikanische Alligator geht nordwärts bis zum Cap Henry in Virginien (p), also bis zu einem Himmelsstri- che, der gewifs nicht wärmer ist, als der, un. ter welchem die Lagerstäte des SpeneErschen Cra« codils liegt, Eben so wenig beweiset der aufrechte Stand mancher grölserer Phytolithen, dals diese in ih- ver jetzigen Lagerstäte gewachsen sind. Derglei- chen Fälle von aufrecht stehenden Pflanzenver- steinerungen gehören zu den seltenen, Die mei- sten liegen unordentlich, zerrissen und verstüm- | i melt (p) Biel. Bd.2. 5. 187 N4 200 | s melt durch einander; alles beweist, dafs. sie durch eine äussere Gewalt in ihre jetzige Lage gebracht sind (g),. Dafls nun unter diesen Um- ständen manche grölsere Stämme: eine senkrechte Stellung erhielten, ist nichts weniger als son- derbar; wohl aber würde: es sonderbar seyn, wenn dies nicht der Fall wäre, und alle eine horizontale Lage hätten. Er So berechtigt auch der Umstand, dafs die Fossilien von Säugthieren meist familienweise gelagert sind, nicht zu dem Schlusse, dafs die jetzige Lagerstäte derselben die vormalige Hei- math dieser Thiere war. Es folgt. blos dar. aus, dals diese einst einen gemeinschaftlichen Aufenthalt gehabt haben müssen. Denn was von einerley Strohme ergriffen und fortgerissen wurde, mulfste auch in einerley Gegend abge- setlzt werden. Was endlich den Umstand betrifft, dafs die Mergelschichte von Burgtonna Elephantengerippe und zugleich Flufsschnecken enthält, so steht diese Beobachtung so isolirt, dafs sich gar nichts daraus schliessen läfst. Fast in allen übrigen, Gegenden liegen neben den fossilen Säugthier- knuochen Meeresprodukte. Es ist daher weit na- BR türli- % (q) Von Schrormeım’s Beschreibung merkwürdiger Kräuterabdrücke und Pflanzenversteinerungen. $. ı8. \ \ — 201 türlicher zu glauben, dafs die Gerippe von Burg- tonna aus dem. Meeresgrunde, worin sie anfangs lagen, in der Folge durch ausgetretene Flüsse wieder hervorgewühlt, in eine andere Gegend geschwemmt, und hier in einem Flulsbette wie- der verschüttet sind, Es lassen sich aber auch mehrere Gründe ‚anführen, welche der Meinung, dafs alle Petre- fakten und Fossilien von Pflanzen und Landthie- ren an den Stellen, wo sie jetzt begraben liegen, ‚einst gelebt haben sollten, ganz entgegen sind. Erstens nehmlich ist es gewils, dals, wenn die- se Hypothese gegründet wäre, die Polargegenden ein ähnliches Clima wie die jetzigen heissen Zo- nen gehabt haben mülsten. Elephanten, Nas- hörner, Antilopen und ähnliche Thiere konnten 80 wenig vormals, als heutiges Tages, in der Eis- zone ausdauern, konnten so wenig ehedem, als jetzt, in diesen unwirthbaren Gegenden Nahrung finden. Aber aus welcher Voraussetzung will man eine so totale Veränderung des Clima erklä- ren? Antwortet man, aus einer Veränderung "der Erdaxe, so Jlälst sich weiter fragen, wo- durch diese hervorgebracht seyn söll® und dann bleibt nichts übrig, als einen Cometen, der mit der Erde zusammenstiels, zu Hülfe zu nehmen. Aber eine solche Hypothese ist unvereinbar mit geläuterten Begriffen von der Organisation der | | N5 a Na- 202 me, Natur und dem regelmälsigen Gange ihrer Ver- änderungen. Die Lage der Erdaxe ist abhängig von der Organisation unsers ganzen Sonnensy- stems, und diese ist gegenseitig abhängig von | jener. Eine plötzliche Verrückung der erstern würde eine eben so schnelle Zerrüttung dieses Systems nach sich ziehen. Aber wo hat sich j& seitdem das Firmament beobachtet ist, ein Bey- spiel von einer unregelmälsigen Veränderung in der Lage und Bahn eines Himmelskörpers ge- funden ? | | Auf eine andere Art hat. von HumsouLDT (r) die obige Frage zu beantworten gesucht. Setzen wir, sagt dieser, das Daseyn eines ersten Nie. derschlags, einer.einmaligen Abscheidung aus der chaotischen Flüssigkeit, worin sich die Erde einst befand, voraus, so liegt in dieser ersten Wir- kung selbst die Ursache aller folgenden. So oft ein Stoff aus dem flüssigen Zustande in den fe sten übergeht, wird Wärme entbunden. Steigt nun das Thermoskop schon merkbar, wenn we- nige Kubiklinien Eis entstehen, werden die be- nachbarten Wasserschichten merkbar erwärmt, indem die ‘zarten Salzerystalle sich abscheiden, % welche Erhöhung der Temperatur, welche Er- hitzung mulste nicht erfolgen, indem ungeheure | Mas- (x) Versuche über die chemische Zerlegung des Luft- kreises. $. 177. | v _ ____— 203 Massen erdiger Grundstofe, mächtige Gebirgs- schichten sich niederschlugen! Diese entbundene Wärme ging in ‘die noch übrigen Theile der Auflösung, und erregte in diesen Verdampfung, Verminderung. des Menstruums, und, als un- mittelbare Folge der Verminderung, neue Nieder- schläge. Die Entstehung der ersten Gebirgs- schichte ist also selbst die Ursache zur Entste- hung einer folgenden. Je gröfser aber die er- härtete, oder niedergeschlagene Masse war, desto schneller mufste derselben ein neuer Niederschlag folgen. Je mehr Niederschläge vorhergegangen waren, desto erwärmter mulste im Ganzen der Rest des Menstruums seyn. Während nun die Temperatur des Mediums allmählig erhöhet wur- de, während die aufgelösten, sich abscheidenden Grundstoffe ihre Ziehkräfte gegen einander und gegen das Medium ausübten, wurde ein Theil des letztern zersetzt. Es entwickelten sich Dämpfe, und mit diesen luftförmige Stoffe, und der Dunstkreis gewann eine neue Mischung und neue Schichten. Mit den aufsteigenden gasför- migen Stoffen ging endlich auch eine grolse Masse von Wärmestoff in den neuen Dunstkreis über. So konnte unter dem 75° der Breite, wie unter 20°, nur ein Palmenclima entstehen. Ohnstreitig liegt in diesen Schlüssen manches Wahre. Wahr ist es, dals bey jedem Nieder- schla- 204 — schlage Wärme und gasförmige Stoffe entbunden werden mulsten, und. wahr ist es, dals hier. durch der erste Niederschlag. zur Ursache aller folgenden wurde. Aber zweifelhaft ist es, ob jene entbundene Wärme eine bedeutende Erhö- hung der Temperatur bewirken konnte, und un- richtig ist die Folgerung, dafs auf diese Art in den Polarländern ein Palmenclima hätte » entste- hen können. Denn entwickelten sich ‚bey je- dem Niederschlage ‚zugleich Dämpfe und luft- förmige Stoffe, so mulste die Wärme, .die bey jener Präcipitation entwickelt war, bey der Bil. _ dung der letztern wieder gebunden werden, und so konnte diese zur Erhöhung der Temperatur des Wassers und der Athmosphäre nicht viel beytragen. Aber gesetzt diese wäre auch be- trächtlich dadurch erhöhet worden, so/hätte doch nimmer auf diese Weise in den Polargegenden. ein Palmenclima entstehen können. . Es ist ja nicht blos: der hohe Grad von Wärme, es-ist auch der senkrechte Fall der, Sonnenstrahlen, die beständige ‚Gleichheit. der Tage und Nächte, die Regelmälsigkeit aller meteorologischen Verän- derungen, kurz es sind noch eine Menge ande- rer, von der Temperatur unabhängiger Einflüs- se, wovon die Pflanzen und Thiere. der Tropen- länder abhängen. Wäre dies nicht, warum wüchsen dann nicht in den warmen Quellen von Europa die Pistia Stratiotes, der Saururus, ‚und r r ande- andere, den Ländern, die zwischen den Wende- kreisen liegen, eigene Wasserpflanzen ? Diese Gründe lassen sich noch durch ande- re, die von den Lagerstäten der Versteinerungen und Fossilien, und der Beschaffenheit mancher Ueberbleibsel ehemaliger Thiere hergenommen sind, unterstützen. Der Bernstein kömmt an den Küsten des Eismeers, im nördlichen und südlichen Europa und auf Madagascar vor. Ele- phantenknochen liegen in allen Ländern von Eu- ropa, in Siberien, in der Tartarey und im nörd- lichen Afrika. Ueberbleibsel des Ohiothiers wur- den nicht nur in Canada, sondern auch in Ika- ‘lien, an der westlichen Seite des Uralischen Ge- birges, auf der Höhe von Santa-Fe, in Tima- na, Ibarra und ‚Chili gefunden. Man nehme, welche Hypothese man will, eine Veränderung der Erdaxe, oder eine Erhöhung der Temperatur- durch die Niederschläge, welche in der chaoti- schen Flüssigkeit statt fanden, bey keiner wird man wagen dürfen, zu behaupten, dafs alle diese so verschiedene Länder den Pflanzen und Thieren, wovon jene Fossilien herrühren, einst zur Heimath gedient haben, Ein zweyter Grund ist dieser, dals es in mehrern Gegenden, z.B. in dem Petersberge von Ix i . Ma- 206 Dr Mastricht (s), und. in mehrern von denjenigen Sandhügeln des flachen Landes: von Rufsland, welche Ochsen - und Elephantengebeine enthal- ten (t), versteinerte Holzblöcke giebt, welche von allen Seiten und nach allen Richtungen, von Pfahlwürmern durchbohrt sind, unordentlich zer- streut liegen, und also vor der Versteinerung lange ein Spiel der Meereswellen gewesen seyn müssen. Wenn nun diese ohne Zweifel aus fremden Gegenden in ihre jetzige Lagerstellen gebracht sind, warum tragen wir denn Beden- Be die vielen andern Reste von Thieren und Pflanzen, die in den Ländern der gemälsigten und kalten Zone des Nordens begraben liegen, ebenfalls für Fremdlinge anzunehmen? Giebt es nicht heut zu Tage noch etwas ganz ÄAehnliches an der urikeheuren Menge Treibholz, das in Da- vis-Sund, bey Island, und in Siberien zwischen dem Ob und Jenisey angeschwemmt wird, und welches nur aus sehr entfernten Gegenden her- rühren kann (u)? Wir haben oben bemerkt, dafs die Steinkoh- lenflötze aus ehemaligen Torfmooren entstanden zu (s) Fausas-Sr-Fonn Essai. de Geologie. T.I. p. 591. (t) Parzas, Physikal. Arbeiten der einträchtigen Freunde in Wien. ıten Jahrg. ıtes Quartal, S.ıı fi. w) Beromann’s physikal. Erdbeschreibung. B. 2. S. 200, — 207 x zu ‚seyn scheinen. : Wenn diese Meinung ge- gründet ist, so folgt daraus ebenfalls, dals die Ueberbleibsel von Gewächsen, die sich in jenen Flötzen befinden, aus wärmern südlichern Ge- genden herrühren müssen. Torfmoore nehm- lich erzeugen sich nur in den kalten und ge- mälsigten Zonen (v). Nur in diesen Gegenden konnten also auch Steinkohlen entstehen. Dort aber konnten, keine baumartige Farrnkräuter, keine Palmen und keine, dem Zuckerrohr ähnli- che Pflanzen wachsen. Die Gewächse, denen die Torfmoore, woraus die Steinkohlenflötze ent- standen sind, ihren Ursprung verdanken, müssen also von den Wendecirkeln hergeführt, in den nördlichern Gegenden angehäuft, und hier in den Zustand des Torfs übergegangen seyn, Erwägt man ferner den geringen Grad von Zerstöhrung, den manche jener Fössilien erlitten haben, so wird man auch hierin einen Grund gegen die obige Behauptung finden. Ein Reise- gefährte des YssrAanD Inzs entdeckte in Siberien einen mit dem Fleische noch bekleideten, mit Blute noch gefärbten Elephantenschädel, und PAL- (v) JAameson’s mineralog. Reisen durch Schottland. Uebers, von Meuper. S.1ı65. — Das südlichste, mir bekannte Land, wo sich noch Torf finder? ist, Portugal (Linx’s geolog. u. mineralog. Bemerkungen auf einer Reise durch das südwestl, Europa, 8, 79.) ’ 208° mn me, PaArras ein ganzes, mit Haut, Haaren und Liga- menten noch versehenes Rhinozerosgerippe.. Wo. anders, als in einem stets gefrornen Erdreiche konnten die weichen Theile dieser Fossilien so viele Jahrtausende hindurch der Fäulnils wider- stehen? - Siberien mufste schon damals, als Ele- phanten und Nashörner auf den Steppen dessel- ben begraben wurden, ein sehr kaltes Clima ha- ben, und widersinnig ist es also, jenen Erd- strich für das ehemalige Vaterland dieser Thiere » anzunehmen. Indefs dürfen wir auch nicht alle fossile Re« ste von Pflanzen und Säugthieren für ehemalige Bewohner fremder Gegenden ansehen, Einige giebt es allerdings, die an dem Orte, wo sie be- graben liegen, gelebt zu haben scheinen. Aber gerade von diesen lälst sich wieder ein Beweis hernehmen, dals die meisten der übrigen aus entfernten Ländern herstammen müssen. Zu je- nen gehört vieles fossile Holz und der fossile Bär. In der thonartigen Unterlage ausgeleerter Torfgruben kommen nicht selten noch senkrecht stehende Stämme von Bäumen vor, deren Wur ze!n sich in den Thon verbreiten, und welche zum Theil mit ihrer kennbaren natürlichen Rin- de umgeben sind, so dals sich die Geschlechter, zu welchen sie gehören, noch deutlich unter- | schei- , { z — 209 ‚scheiden lassen (w). Diese Bäume sind ohnstrei- tig an ihrer Geburtsstelle verschüttet. Sie gehö- ren zu den Geschlechtern der Birken, Buchen, Fichten, Eichen, und überhaupt zu solchen, die noch heut zu Tage den gemäfsigten und kalten Zonen eigen sind. Manche sind vielleicht auch auf ähnliche Art zusammengehäuft worden, wie noch heut zu Tage in dem Nordamerikanischen Athapuskow - See jährlich ungeheure Lagen von Treibholz gebildet werden. In dem Athapuskow- flusse, der sich in jenen See ergielst, ist nehm- lich das Aufbrechen des Eises im Frühjahre im- mer von einer so starken Fluth begleitet, dafs es nichts Seltenes seyn soll, ganze Landspitzen von der Ueberschwemmung weggespühlt zu sehen, wobey dann die Bäume, die dicht am Ufer wäch- sen, in grolser Menge mit fortgerissen , nach dem grolsen See geschwemmt, und an den Ufern und Inseln desselben in unglaublicher Menge an- gehäuft werden (x). Aber in dem Torfmoore bey Osterholz im Bremischen hat man neben sol- chen verschütteten ‚Baumstämmen auch Bernstein gefunden. Man hat ferner, wie schon oben be- merkt (w) Von Berorvıngen Beobachtungen, Zweifel u, Fragen die Mineralogie u, s, w. betreffend. Vers. ı. Aufl.2. 5. 37. 38. | (x) Hearne’s Reise nach dem nördl, WYeltmeere, Uebers. von SrRrenGaL, S. 186, ‚111. Ba. RR OÖ 210 merkt worden, in Torfmooren Elephanten - und Nashornknochen,, ausserordentlich grofse Geweihe hirschartiger Thiere, und gigantische Ochsen- hörner angetroffen. Nun sollte in. dem Vaterlan- de der Birken, Fichten, Buchen und Eichen zu- gleich der Bernstein erzeugt seyn, der auch in Italien, ja selbst in Madagascar vorkömmt? Un- | ter jenen Bäumen sollten Elephanten und Nas- hörner gelebt haben? Wer wird dies zu behaup- ten wagen? i Ä Dafs auch der fossile Bär da gelebt baben mufs, wo die Ueberbleibsel desselben gefunden werden, erhellet daraus, weil diese blos in Höh- len vorkommen. Es ist ungereimt, anzuneh- men, dals sie durch Meeresströhme dahin ge- bracht seyn sollten. Denn warum wären. sie dann blos in Höhlen, und zwar in mehrern, zum Theil weit von einander entfernten Höhlen begraben worden? Warum fände man sie ‚nicht auch in andern Gegenden? Man beruft sich zwar zur Rechtfertigung jener Annahme auf die Ueberbleibsel von löwen- oder tigerartigen Thie- ren, welche ebenfalls in der Scharzfelder und in einer der Gailenreuther Höhlen vorkommen. Al- lein wir haben schon gesehen, dafs es zweifel- haft ist, ob jene Fossilien nicht vielmehr von. einer 'Robbenart, als einem Thiere ‚des Katzen- geschlechts herrühren. Und gesetzt, sie wären in | — | a1 in der That, was sie gewils nicht sind, Hino- chen eines Löwen oder Tigers, so ist es doch nicht von diesen Fossilien, wohl aber von denen der ausgestorbenen Bärenart ausgemacht, dafs sie blos in Höhlen vorkommen, Sie künnen also ‚eben so wohl zufällig dahin gerathen seyn, wie die Gebeine von zahmen einheimischen Thieren und von Menschen, die man in den Gailenreu- ther Höhlen antrifft (y). Jene Bärenart nun ist dem heutigen Eisbären so nahe verwandt, dafs sie schwerlich in einem OClima gelebt haben kann, welches von der Heimath des letztern sehr ver- schieden war. Und in diesem Clima_ sollten auch Elephanten und Nashörner existirt haben 2 Noch einmal frage ich: Wer wird dies zu be- haupten wagen ? : (. 21 Wir haben also einen hohen Grad von Wahr scheinlichkeit für uns, wenn wir annehmen, dafs der grölste Theil der fossilen Reste von Pflanzen und Landthieren aus den Tropengegenden in ihre jetzigen Lagerstäten gebracht sind. Die Ursache dieser grolsen Revolution nun kann kei» ne andere gewesen seyn, als eine Ueberschwem- mung, . (y) Esrer, Schriften der Berlinischen Gesellsch, B, Y. S. 68. 69. 95 Sr O2 Im 513... rm mung, welche von Mittag‘.nach Mitternacht ging, alles mit sich fortrifls, was ihr an Pflanzen und Thieren in den Tropenländern aufstiels, und ih- ren Raub bis zur nördlichen Eiszone wegführte. Nur diese Voraussetzung erklärt uns befriedigend alle ‘die Thatsachen, die wir «in den vorigen Sphen angeführt haben, und ausserdem hat sie noch andere Gründe auf ihrer Seite. Alles nehm- lich beweist, dafs der Ocean von .den Zeiten an, wo die Urgebirge gebildet wurden, bis zu der grofsen Ueberschwemmung, die dem Ent- stehen ;der jetzigen lebenden Natur vorherging, einen beständigen Zug gehabt hat, welcher an- fangs fast gerade von Süden nach Norden ge- xichtet war, sich. aber in der Folge mehr nach Westen lenkte, und vielleicht in dem Magnetis- mus der Erde seinen Grund hatte, Für diesen Satz spricht die Struktur aller solcher Bergket- ten, die von Morden nach Abend streichen, und der Gewalt jenes Strohms ausgesetzt waren. Die grolse Reihe von Gebirgen, die ganz Asien bis zu dessen östlichen Küsten durchläuft, und die südliche Gränze von ganz Siberien ausmacht, ‚starrt allenthalben von nackten, zerrissenen, "ur- anfänglichen Felsen, ist häufig durch die Betten der Flüsse, die nach Norden fliessen, unterbro- chen, und trägt überhaupt unverkennbare Spuh- ‚ren von gewaltsamen Wirkungen an sich, die sie in der Richtung von Süden nach Norden erlit- A mama 213 erlitten haben muls (2). Hier findet man auch den Granit in Schichten gelagert, die von Mit. tag nach Mitternacht streichen. — Besteigt man das Riesengebirge, so sieht man allenthalben Granit auf der Nordseite, und Glimmerschiefer ‚auf der Südseite, und” diese Gebirgsarten wech- seln genau dort, wo das Gebirge seine grölste Höhe erreicht hat. Der Glimmerschiefer wurde an jener Bergkette sichtbar von Süden abgesetzt, Die Fluth, aus welcher sich diese neue Gebirgs- ‚art niederschlug, konnte sich nicht weit genug erheben, um sich über den schon gebildeten Granit zu verbreiten (a). Dafs aber die Richtung jenes Strohms sich in der Folge mehr nach Westen lenkte, ist dar« aus offenbar , weil solche Länder, . die gegen Westen durch uranfängliches Gebirge geschützt sind, keine Spuhr neuerer Flötzgebirgsarten ent- halten, indem sich das Land da, wo der Lauf des Gebirges in Westen aufhört, mit allen Ge- birgsarten der Flötzgebirgsformation bedeckt, Sa | ver- TR \ / (2) Parras, Nov. Commentar. Acad. sc. Petropok, T.XVIT. p. 594 sg. Act. Acad. Petropol, 1777, Pıı Hist. p. 21: xs a) Von Buc#’s geognostische Beobachtungen , auf : Reisen durch Deutschland u. Italien angesiellt. Br. 8,56. | 03 214 —— verhält es sich in Schlesien, und so an der Uralischen Bergkette. Man trifft keine neuere Flötzgebirgsarten weder in dem flachen Lande von Schweidnitz, noch von Breslau, weder in ®Brieg, noch Münsterberg oder Neisse an, weil auf der Westseite dieser Länder uranfängliche Gebirge liegen; man findet sie aber im Fürsten- thum Jauer, in Troppau, Jägerndorf und den fla- chen Gegenden von Oberschlesien, weil diesen der Schutz jener Gebirge fehlt (b), Die Unrali- sche Bergkette ist in ihrer ganzen Länge so be- schaffen, dafs sie an ihrer Westseite sehr grolse und erzreiche Flötze hat, an der Ostseite aber mit dem Ganggebirge bis ganz in das flache Land streicht und die Flüsse begleitet, so dals erst in der Ebene ganz flach streichende Flötze bemerkt werden (c). Für diesen Satz würde auch die Lage der umgestürzten Bäume zeugen, die in den Engli- schen, Dänischen, Friesländischen, Bremischen, Holländischen und andern Torfmooren des nord- westlichen Europa liegen, wenn es ausgemacht wäre, dals, wie von BEROLDINGEN (d) versi- chert, (b) Von Bucn a.a. O. 8.97. . (c) PaArras, Physikal. Arbeiten der einträchtigen Freunde in Wien. ıten Jahrg, ıtes Quart. 8.7. (d) Beobachtungen, Zweifel u, s. w. Vers.ı. Aufl. 2. S. 57. 58. nn ars chert, die Kronen dieser Bäume immer nach Nordost, ihre Wurzeln aber gegen Südwest gerichtet sind, und dafs nicht eine blos partielle Ueberschwemmung den Umsturz dieser Wälder ‚bewirkt hat, Allein mit von BerorLnıngen’s Än- gabe stimmen die Berichte anderer Schriftsteller nicht überein. Nach Weıs (e) ist die Lage der verschütteten Bäume durchgängig Nordwest und Südost, und die Kronen liegen nach der letztern, die Wurzeln nach der erstern Himmelsgegend. Dafs übrigens auch die Ursache des Umsturzes jener Wälder vermuthlich keine allgemeine VUe- berschwemmung, sondern die grofse Cimbrische Wasserfluth war, ist schon oben bemerkt wor- den, \ “Erinnert man sich jetzt unsers obigen Sat- zes, dals bey der Bildung des festen Theils der Erde gleichzeitige, Erhebungen und Senkungen der Erdrinde statt gefunden haben, so wird man die grolsen Catastrophen, welche die lebende Natur seit der Entstehung des festen Landes ‘erlitten hat, befriedigend zu erklären im Stande seyn. Die Länder der Tropengegenden waren, als die wärmern und der Erzeugung lebender Hör- per (e} Schriften der Bexrlinischen Gesellsch, B.V. 5. 548. 04 216 ern . per günstigern, die ersten, auf welchen Pflan- zen gebildece wurden. Allein in der Zeit des Entstehens dieser Organismen, wo Berge zu Ab- gründen herabsanken, und Abgründe sich zu’ Bergen erhoben, war alles Land von. kurzer Dauer. Die ersten Wälder und Haine, welche die Erde hervorgebracht hatte, wurden vom Wasser verschlungen , indem der Boden, der 'sie trug, zu Meeresboden, und ein anderer Meeres- boden zu festem Lande wurde. Sie wurden fortgerissen von dem allgemeinen Strohme des Oceans, dessen Richtung nach Norden ging, in mitternächtliche Gegenden geführt, wo die Na. tur noch keine Pflanzen zu bilden vermogt hat- te, und hier in Steinkohlen verwandelt, — E; In der Folge aber gewannen die Theile der Erdrinde, die sich aus dem Meere erhoben hat- ten, mehr Festigkeit und Dauer, und die bil- denden Kräfte der Natur Zeit, auf dem festen Lande ungestöhrt zu wirken, Jetzt erzeugten sich in der wärmern Zone das Ohiothier; der Mammouth , Nashörner, Tapire, Anoplotherien \ und Paläotherien , und in den kältern mitter- nächtlichen Ländern entstanden jetzt ebenfalls vegetabilische und animalische Organismen, von welclven unter andern der fossile Bär und man- ches fossile Holz Ueberbleibsel sind. Doch auch diese Kuhe der Erde war nicht dauernd. Yanye re -, er—— 217 Periode erreichte ein Ende, indem sich im Ta- dischen Ocean ein grolses festes Land erhob, und eine allgemeine Ueberschwemmung der Ge- genden, die bis dahin über der Meerestiläche her- vorgeragt hatten, verursachte. BF Diese Fluth war es, in welcher die Säug- thiere der Vorwelt, wovon die Gebeine noch übrig sind, ihren Untergang fanden. Der all- gemeine Zug deıselben ging nach Nordosten, Alles, was in den ‚Tropenländern von ihr ergrif- fen war, wurde nach Mitternacht‘ geführt. Manches wurde von Bergen, die dem Strohme entgegenstanden, ohnweit dem Orte, wovon es wezgeführt war, aufgehalten, ünd auf diesem begraben. Vieles ‚aber trieb bis zum äussersten Norden, Daher rührt es, dafs manche Ueber- bleibsel von Pflanzen und Thieren der Vorwelt so weit von Süden nach. Norden verbreitet sind, . dafs der Bernstein sowohl in Italien und Mada- gascar x als am Eismeere, und das ÖOhiothier so- wohl auf der Höhe von Santa.Fe, als in Cana- da, gefunden wird. Diejenigen Pflanzen und Thiere, die bis in die nördlichen Gegenden ge- langten, geriethen hier unter Produkte der kal- ten Zone, und wurden mit diesen in einerley Boden verschüttet. So entstand hier jenes wun- derbare Gemisch von Erzeugnissen eines Palmen- 319 liegt vielleicht darin, dafs jene Conferve entwe- gar keine Scheidewände, oder doch unge- wöhnlich lange - Glieder hat, Uebrigens vermuthe ich, dafs manche Con- ferven sich noch auf eine andere Art, als durch 'Seitenröhren, copuliren. Im Juny 1804 fand‘ ich unter einem Haufen des Ceramium cespito- sum R., der Conferva bronchialis R., spiralis R. und anderer Wasserfäden einige, in deren etwas angeschwollenen Gliedern sich Saamenkörner zu bilden angefangen hatten, die aber mit keinen Seitenröhren versehen waren, sondern dadurch sich copulirt zu haben schienen, dafs das Ende der einen mit dem Schlauche der andern ver- wachsen war. . Eine, in diesem Zustande. be- findliche Conferve war es ohne Zweifel auch, was von Rork (k) unter dem Namen Conferva fragilis als eine eigene Art beschrieben ist. Viel- leicht findet diese Art von Conjugation bey meh- rern Conferven statt, und manche mögen daher in einer gewissen Periode als ästig erscheinen, die in der That einfach sind. \ ” Was ich bisher über die Copulation der Confer- ven gesagt habe, ist das Resultat meiner eigenen Beobachtungen. Vor mir ist sie von OÖ, F. Mür.- LER (k) Catal, botan, fasc. 2, P- 204. 320 ; u LER (l), Hepwıs (m), Rornm (n) und Vav« CHER (0), doch weniger umständlich, beschrie- ben. Frägt man diese Schriftsteller, was man ‚von jener Erscheinung zu denken hat,.so erhält man. von allen eine unbefriedigende Antwort. Alle gestchen ein, dals die Conjugation der Was- serfäden auf die Bildung der Fruchtkeime einen Einflufs haben müsse, aber keiner wagt es, sie für eine wahre DBegattung zu erklären. Nun Y ist freylich auch jenes Phänomen von allen be. kannten ' Arten der Begattung ganz verschieden. > \ Wir finden keinen Unterschied zwischen denjeni- gen Gliedern, die sich ausleeren, und denen, welche die ausgeleerten Massen der conjugirten aufnehmen; ‚ja, wir trefen am einem und dem- selben Individuum ausgeleerte und angefüllte Glieder an. Inzwischen , sobald wir unsere Begriffe erweitern und unter Begattung die Ver- einigung zweyer Individuen zur Bildung einer eigenen Art von Fruchtkeimen verstehen, so müssen, wir auch die Copulation der Conferven für eine wahre Begattung halten. Denn aus welchen Gründen läfst sich behaupten, dals Ho. . den oder Saamenbläschen und Eyerstöcke, Anthe- ren und’ Narben nothwendige Bedingungen die- | .x..888 \ (1) Flora Dan. (m) .l../csı. Pi 228; KEN (n) ScurAaven’s Journal für die Botanik,. (0) A.a:O0. 5 x — i 321 ses Acts sind? Wer kann sagen, dals, bey der so äusserst zarten, auch dem _ scharfsichtigsten und mit dem besten Vergröfserungsglase bewaff- neten Auge verborgenen Struktur des Innern der Conferven, zwischen den copnlirten Individuen doch nicht eine Verschiedenheit: statt findet, wenn wir «diese auch. nicht zu entdecken im Stande sind? Und was hindert uns anzunehmen, dafs bey den Conferven die Begattung eben so .wohl durch einen Uebergang des weiblichen Zeugungs- stofs zum männlichen Saamen, als auf dem ent- (gegengesetzten Wege geschieht? u i \- Hat dies nun seine Richtigkeit, ‘so ergeben sich zwey Folgerungen, wodurch der im Vorhergehen- den berührte Streit über die Nothwendigkeit der Be. ‚gattung zur Erzeugung von Eyern und Saamen- ‚körnern seiner Entscheidung genähert wird. 7 Erstens nehmlich, da wir jetzt unter den ein- fachsten der lebenden Körper ein Geschlecht ange- - troffen haben, welches nicht anders als nach vollzo- gener Begattung eine gewisse Art von Reimen her- ‘vorbringt, so ıst es höchst wahrscheinlich, dals die- se Art von Keimen in der ganzen lebenden Natur \ immer nur nach erfolgter Einwirkung eines männ- lichen Saamens auf einen weiblichen Zeugungsstof . gebildet wird. Mithin liegt die Wahrheit anf Seiten derer, welche die Befruchtung für ein nothwendi- "ges Erfordernils zur Erzeugung von Eyern und III. Bd. X | Saa- 372 nenn ß Saamenkörnern ‚ansehen ,'" wenn wir ‚unter diesen Benennungen jene: Keime verstehen, Deswegen aber läfst sich. keinesweges behaupten, dals bey allen lebenden Körpern eine Geschlechisverschie- denheit und Begattung statt findet: denn es ist ja nicht ‘bewiesen, dafs»ialle‘ ‘diese Organismen Eyer oder Saamenkörner bilden ‚im Gegentheil ist es nach ‚den ‚oben erwähnten Gründen sehr wahrscheinlich ‚dafs sich manche blos.'durch Unospen oder: Sprossen fortpflanzen. Earl Miele; BEST N? 227775 ART Zweytens, da dierBegattung der. Confer- ven auf;eine so ganz eigene Art geschieht, so dälst sich ‘schliessen, dals sie auch"bey den übri- gen Zoophyten auf eine, von“der Paarung der »-Thiere und Pianzen ganz verschiedene Art‘ vol- zogen wird. ' Sehr wenig Erfolg ‘ist! daher von allen Untersuchungen zu erwarten, 'wobey''man zur Absicht hat, ähnliche, Geschlechtsorgane bey den Zoophyten, wie bey den Thieren und. ‚Pilan- zen, zu entdecken. In der, That haben auch die bisherigen Nachforschungen der Art ‚die un- gereimiesten Hypothesen zu Resultaten gehabt, Selbst Hinwis’s so ‚hoch. gepriesene Meinung von der Befruchtung der Moose hat der Gründe ‚mehr gegen, als für sich, und würde schwerlich den Beyfall erhalten haben, den sie gefunden hat, wenn nicht die Begierde des grolsen Hau- ‚Lens derer, für welche die Natur. blos ‚ein ‚syste-. . mati- % matischesi Wörterbuch ist, alles, was nur eini- germaalsen einer Pilanze gleicht, unter das Joch des Linweischen :-Sexualsystems zu. bringen‘, ihr- Eingang verschafft: hätte. ‚Vielleicht wird «diese "Behäuptung manchem. gewagt. scheinen. _ Allein’ man), höre unparteyisch meine. Gründe, und. ur-., theile! It 2 .. ı Wir haben im ersten Buche (p) gesehen. dafs man an ‚den Moosen verschlossene Behälter anirifit, „welche mit kleinen Hörnern- angefullt sind, und im ‚einer gewissen Periode bey den Lebermoosen dadurch, .dals sie der Länge nach "sich in’ mehrere Theile spalten, ‚bey den meisten Laubmoosen aber durch Abwerfung eines Deckels sich öffnen (g).. , Seit DirLrer’s und MıcHsLı’s Zeiten. hielten‘, die! ‚meisten Naturforscher . jene Kapseln: für ‚die männlichen 'Geschlechtstheile der Moose (r). ; Eepwıs ‚widerlegte diesen Irrıhum, indem er, nach dem. Vorgange., von Körrer- TERN (p) Biol. Bd,ı. S.418. 49. (4) Blos - das Geschlecht Phascum, "dessen Kapseln Ä ungeöffnet abfalien, macht hiervon eine Ausnah- me. (r) Micu£tir nova gen. pl. p.ı08. Dirresir catalo- gus 'plantarum ' Giessensium. im app. 'p. 77. Ejusd. hist. muscorum ' in praeiat. Lianer‘ syst, ‘plant, “ Harzer hist. stirpium Helvet. T, Ill. p. 42. X2 324 BR. > TERN (8), durch mehrere Versuche bewies, dals die Körner, die in jenen Kapseln enthalten sind, vorsichtig ausgesäet, ‘keimen, und also nicht für männlichen Zeugungsstoff, sondern’ für Saamen- Hörner angesehen werden müssen (tl), Zum Ran- ge männlicher Geschlechtsorgane erhob er‘ dage- gen gewisse ovale oder cylindrische Körper, wel: che aus kleinen blasenförmigen Körnern beste- hen, bey den’ Laubmoosen 'gestielt sind,’ bey vielen Lebermoosen aber unmittelbar an den Ober- flächen der Blätter sitzen, und bey den .erstern von eigenen Blättern, welche die Form- einer Scheibe, eines 'Sterns, oder einer Rose bilden, (Perigonia Hepw.) umgeben, bey den letztern aber unbedeckt sind (u). Als Gründe für:diese Hypothese gab er, ausser der. blasenförmigen Textur jener Körper, welche derjenigen, die man an den männlichen Geschlechtstheilen der Apoecineen antrifft, nicht unähnlich ist (v), 'fol- gende Beobachtungen an: IN N ı) Bey mehrern Moosen sahe er jene Körper unter Wasser sich Öffnen, und eine Masse aus ihnen hervorkommen, welche der Form vr En F und (s) Das entdeckte Geheimnifs der Ciyptogamie. (t) Hepwıc tleor. generat. et fructif. plant, cıypt. retractata et aucta. p.152 sgq. 171. 179. 194 (u) Hrowıc 1. c. p. 129. 154 sq. : x (v) Ibid. p. 155. —— 325 und Consistenz nach derjenigen ganz ähnlich war, die unter gleichen Umständen aus dem Blüthenstaube (pollen) der Pflanzen. hervor. dringt (w). | 2) An der hölzernen Einfassung eines Fisch- teichs fand er einen Rasen der Marchantia polymorpha, welcher ausgezeichnet grofse und mit sehr zahlreichen weiblichen Blüthen besetzte Individuen enthielt. .In keiner die- ser Blumen waren aber Fruchtkeime zu ent- decken. Verwundert über die Unfruchtbar- keit derselben durchsuchte Henwıc die um« liegenden Plätze. Allein nirgends traf er ein Individuum an, worauf sich die Organe, die er für die männlichen Zeugungstheile der Marchantien hielt, gezeigt hätten, Deerant itaque, setzt er dieser Erzählung hinzu, his diphytis mares, quorum venere frui potuis- sent, ut inde perpetuo quasi lasciviantes il. lae, vires proli foecundando impendendas, impenderent. promotioni thalamorum genita- lium (x). Diese Gründe lassen sich indefs widerlegen, Eine blasenförmige Textur ist nicht blos den An- | the. -(w) Ibid. p. 132. 162. + (&) Hepwıs 1, c. p.178. | ar Rs theren der Pflanzen, sondern überhaupt "jeder zarten vegetabilischen und animalischen Substanz im Anfange ihres Entstehens 'eigen (y). Hiervon lälst sich also gar kein Beweis für Hepwıss Meinung hernehmen. Es ist aber auch gar nicht ausgemacht, ob nicht jedes vegetabilische oder animalische Bläschen , in Wasser gelegt, unter gewissen Umständen zerspringet, und den Stoff, der in ihm enthalten ist, ausleert: Sahe doch SrÄneLın sogar den elastischen Ring des. Saa- menbehälters .eines Farrnkrauts sich öffnen, und ans der Oeffnung eine gelbliche Materie, hervor- dringen (2). Ehe also die erste der obigen Hev- wiısschen Beobachtungen für beweisend gelten Kannke) müfste vorher dargethan seyn, dafs je- nes Zerspringen und diese Exkretion blos. dem Blüthenstaube der Pflanzen eigen sey. Bey der zweyten seiner angeführten Beobachtungen schlielst Hepwıc folgendermaalsen: die weiblichen Indi- viduen der Marchantien waren, unbefruchtet ge- blieben, daher ihre Unfruchtbarkeit und ihr üp- piges Wachsthum. Aber was hindert uns die- sen Schlufs umzukehren, und anzunehmen, dafs die ‚Unfruchtbarkeit jener Individuen nicht von der Abwesenheit der angeblichen männlichen Zeu- gungs- (y) Biol Bd.ı. 5.428. N, (z) Hist. de l’Acad. des sc. de Paris, 2750. Ed. &- pP. I. P.87. ee nn % grmnarmeen By gungsorgane, sondern -von -ihrem zu üppigen Wachsthume herrührte? y ; Es läfst sich’ aber auch zeigen, dafs die Kör- per, die Hzpwıc für die männlichen Geschlechts- iheile der Moose hielt, dieses. nicht seyn hön-« nen, sondsrn, wahrscheinlich eine. gewisse. Art ‚von HKinospen sind.‘ Nehmlich ı) im Pflanzenreiche sind'nur bey einer, 'ver- hältnilsmälsig sehr kleinen Anzahl von Arten die märnmlichen und. weiblichen Geschlechts- theile in verschiedenen Blumen, und bey ei- ner nach kleinern in verschiedenen Gewäch- sen vertheilt. Und doch hat hier schon die Natur. bewunderungswürdige Einrichtungen ‚ getroffen, um. die Befruchtung möglich zu nachen, indem sie in solchen Zwitterhlumen, wo ‚beyderley Geschlechtstheile sich zu glei- cher Zeit entwickeln, diesen Organen. das Vermögen ertheilte, sich zur Zeit der Reife einander zu Saheyn und zu berühren, und dien übrigen Blumen eigene Insekten zu Be ‚ wohnern gab, welche den männlichen ‚Blüs } thenstanb zur weiblichen Narba zu überbrin. gen bestimmt sind, wie im folgenden Rapi- tel umständlicher gezeigt werden wird! Bey den Moosen hingegen müälste der Hermaphro- ditismus zu den seltenen - Erscheinungen. ge- hören, wenn die von lernwıc. entdeckten AA | ‚Kür 328 — Körper wahre Antheren wären. Die meisten würden zur Lınneischen Classe der Dioeci- sten gezählt werden müssen (a). Und doch gab die Natur den Moosen. keine Insekten, welche die Befruchtung möglich machen könn- ten! Sie, traf zur Erreichung dieses Zwecks keine andere Anstalten, als dafs sie jenen Organismen ein gesellschaftliches- Leben zu führen vorschrieb (b), und jeder weiblichen Blume eine grolse Menge von Griffeln gab tc). Alles Uebrige wurde dem Winde und dem Zufalle überlassen! Wer vermag, dies mit richtigen Begriffen von der Natur zu vereini- gen? Hierzu kömmt noch, dals bey meh- rern Arten des Hypnum, der Neckera und Leskia die weiblichen Individuen eigene, von den sogenannten männlichen Stämmen weit entfernte Rasen bilden (d). Wie äusserst selten mülsten also jene Individuen mit rei- fen Saamencapseln vorkommen, wenn diese Stämme wirklich das wären, wofür Hrepwıc sie ausgiebt? Und doch sind die fruchtba- ren Saamencapseln bey ihnen nicht seltener, _ als. bey andern Arten, deren weibliche Blü- then (a) Brıper muscolog. recent. T.ı. p. 18. (b) Hepwıc 1. c. p. 140, er ? (ce) Ibid. p.ı39. (d) Brıver 1. c. p.68. / HR ei 329 then ‘sich in der Nähe der männlichen be- finden ! - 2) Ganz unmöglich aber muls jedem Unbefan- genen die vermeinte Befruchtung der Moose - erscheinen, der erwägt, dafs die sogenannten Blumenblätter der Laubmoose erst dann sich öffnen, wenn die angebliche Begattung schon längst vollzogen seyn mülste. Unbegreiflich ist es, wie Hzpwı selber diese Beobachtung machen, und doch den unwiderlegbaren Ein- wurf übersehen konnte, der sich von ihr ge- gen seine Meinung hernehmen lälst. Si a masculis floribus terminalibus recesserimus, | sagt er selber (e), omnium Perigonia etiam inter ipsum actum florescen- tiae connivent. ÜÖccurrunt vero inter illos haud pauci, quorum foliola perigonalia latiuscula, adeo de sui summitate ab invi- cem tandem recedunt atque in horizontalem directionem reponuntur, ut quasi aliquanı rosulaın seu stellulam repraesentent, hincque ab auctoribus rosaceae aut stellatae saluten- tur, Horum exempla evidentissima exhibent, ‚präeter Mnium hornum , cuspidatum, undu- latum, fontanum, etiam Polytrichorum spe- cies, nec non Barbula ruralis, muralis cet. Sed (e) l. c. p.128, X5 339 | ‚Sed teneamus oportet, tüm officium suum explevisse intus contenta ge- nitalia, antea ‘vero etiam istos flo- res magis,ad capituli formam acces- sisse, \ jr 5) Bey den Laubmoosen haben die vermein- ten männlichen Genitalien fast einerley Bil-. dung mit den ersten Anfängen der weibli- chen Zeugungstheile (f). Diese haben eben- falls.eine cylindrische, oder ovale Form, und - eine blasichte Textur; sie öffnen sich auch zuweilen an ihrer Spitze, und geben eine körnichte Materie von sich (g); sie haben, gleich jenen, neben sich gewisse artikulirte saftige Fäden (h), Hat man also nieht mehr Grund, (£) Ante actum ipsius (genitalis foeminei), sagt Hrn. wis selber (l. c. p.ı56), sen plenariam adaptatio- nem suscipiendi vim masculam, ratione coloris neo non structurae stylı aliıguo modo convenire viden- iur cum genitalibus masculis. Cf. ejusd. Tab. XT. XIII. fig. 3. ; I, (5) Heowıs 1, cp. 157. Ejusd. fundam. hist, nat, muscor.: frondos. Tom.I. Tab. X. fig. 6. | (h) Henmwıs theor. generat, et fructif, etc, p. 135. 137. — Diese Fäden sind indefs nichts anders, als zarte Haare. Ich finde einen ganz ähnlichen Bau, in.den Haaren, womit die Blätter und Blattstiele der Stachelbeeren ‚(Ribes grossularia) besetzt sind, z d Grund, bey jenen eine Funktion anzuneh- . » e “ . men, welche der der weiblichen Genitalien ähnlich ist, als sie für"mänxtfliche Geschlechts- ° ‘organe’zu halten? 4 Die Blätter, wovon die angeblichen männli- chen Geschlechtstheile der Laubmoose um- ‚geben sind, haben aber auch ganz dieselbe Form, ‚ wie diejenigen, welche den Knospen zur Bedeckung dienen. .Ist es also nicht wahrscheinlich, dals jene Organe die ersten Anfänge von Knospen sind? Gegen diese, schon von Andern geäusserte Meinung sucht zwar Briper, (i) die Hepdwıssche Hypothese zu vertheidigen, indem er behauptet, die ‚ männlichen Blumen wären gröfser, als die Knospen, sälsen nicht so frey, wie diese, sondern zwischen den Blättern versteckt, hät- ten eine andere Farbe, und hingen fester . mit dem Stamme zusammen. Aber wie un- bestimmt und schwankend sind diese Merk- male! Und kann es denn nicht eben so wohl bey’ den Moosen, wie bey den’ Pflan- zen, verschiedene Arten von Knospen. ge- ben ? 5) Ich habe seit mehreın Jahren im Anfange des Sommers: das gemeine Haarmoos (Poly- trichum commune) untersucht, und immer um (4) l.c. p. 70 332 — ‚um diese Zeit in den» scheibenförmigen Blu- men desselben neue Schöflslinge gefunden, So traf auch Hepwıc (k) an: einer Junger- mannia asplenioides L. eine neue. Verlänge- rung an, die mitten aus einer sogenannten männlichen Blume hervorgekommen war. Hier sind nur zwey Fälle denkbar: entwe- der jene Sprossen sind aus den sogenannten männlichen Geschlechtsorganen selber entstan- den; oder sie sind neben diesen hervorgewach- sen. Das Letztere behauptet Heowıc. Al- lein er selber fand mehrere Individuen des Polytrichum undulatum, aus deren männli- . chen Blumen weibliche Fortsätze, von wel: chen einige schon Früchte angesetzt hatten, hervorgewachsen waren (l), und Meexse traf ganze Rasen des Haarmooses an, deren männliche Blumen insgesammt weibliche, Kapseln tragende Blüthen aus ihrem Mittel- punkte hervorgetrieben hatten (m), Bey Hep- ' | wic’s (k) lc. p.158. Ck. Tab.XVI. fig.2. d. EV) Hepwıc 1. c. p.ıqı. (m) Verhandelingen van het Maatschappy te Haar- "lem. D.X. St.2. p-ı7ı, — Heowic (a. a. ©.) ver- “ muthet zwar bey dieser Beobachtung von Mezse ei- ven Irrthum. Er glaubt, die weiblichen Indivi- duen wären anfangs niedriger, als die männlichen, und unter diesen verborgen gewesen. nach der Be- fruch- wıs’s Hypothese streiten diese Thatsachen, mit aller Analogie des Pflanzenreichs. Das Haarmoos gehött zu denjenigen Laubmoo- sen, deren‘ weibliche und männliche :Blü- then auf verschiedenen Individuen vertheilt sind. ‘ Nie aber sahe man eine männliche ‘Pflanze aus der Lixneischen Classe der Dioecie weibliche Knospen treiben, und noch viel weniger solche Knospen mitten aus den männlichen Blumen entstehen, '6) Mexsr bedeckte die abgeschnittenen männ- lichen Blumen eines Haarmooses mit Erde, und sahe sie, gleich Saamenkörnern, zu Moosen heranwachsen (n). Es ist ein schlech- ter Nothbehelf, die Beweiskraft dieses Ver- suchs durch den Einwurf schwächen zu wöl- len, ‘dafs wohl Saamenkörner aus den Kap- seln in jene‘ Blumen gefallen seyn könn- ten (0). Aus demselben Grunde liesse sich den Pflanzen das Vermögen absprechen, sich durch lebendiggebährende Knospen (gemmae vivi- fruchtung aber über diese hervorgewachsen , und darauf von Merse für Sprossen der männlichen Blüthen angesehen. Allein es ist kein Grund vor- handen, ‚ einen‘ so scharfsichtigen Beobachter, wie Mexse war, einer so groben Täuschung zu be schuldigen. (n) Mexse a. a. O. (0) Briıper |], c. p. ni, 334 — ‚viviparae) fortzupflanzen. Zudem glückte es "bisher noch keinem Naturforscher, das ge- \.. meine Haarınoos aus Saamenkörnern -aufzu- ziehen (p). Wie :sönderbar mülste also der Zufall gespielt haben, wenn die ‚Moose, die in. Maxse’s Versuchen aus gepflanzien männ- lichen Blüthen hervorwuchsen, aus, Saamen- ‚körnern,.die: zufällig in ‚diese Blumen gefal- ‚len wären, entstanden seyn ‚sollten? „Solche ‚Schwürigkeiten stehen; der Heowıc- schen Meinung von der Befruchtung der Moose im Wege! Und diese. Hypothese hat unter allen denen, welche ‚bisher, über, die Begattung. des s0- genannten cryptogamischen. Gewächse vorgebracht ‚sind, noch. das Meiste für sich! ‚Ist es also nicht wahrscheinlich „ dafs, ‚bey denjenigen ‚Phytozoen, die sich, wirklich befruchten „. dieser Akt vielmehr auf eine Art, welche.der Copulation der Confer- ven ähnlich ist, ‚als nach der, Analogie der Ptlan- ‚zen geschieht ? . Es finden. sich. in der That mehrere Erschei- nungen bey den Zoophyten, „welche. dieser Ver- muthung günstig sind. Zuerst gehört hierher ‚jener Uebergang mancher Gonferven in. Tremellen, -Rivularien und ähnliche Körper, welche oben im W zwey- (9) Briver 1. c. P.70. gn. A —— ag zweyten Buche ‚(q) durch mehrere Erfahrungen dargethan ist, und den ich „seit der Herausgabe dieses Buchs noch häulig an der, schon oben un- der dem. Namen ÖOscillatoria terrestris erwähnten Abart der Lınneischen Brunnenconferve beobach- tet habe. - Die zarten, horizontalen, strahlenför- mig sich ‘ausbreitenden und oscillirenden- Fäden nehmlich ,. die aus dem 'Umkreise dieser Substanz im „Wasser hervorwachsen, ‚ vereinigen sich bald zu einer ähnlichen ‚Membran, ı wie diejenige ist, ‚woraus. sie ihren ‚Ursprung , genommen '.haben,, und. welche ohne ‘Zweifel, zu. den. Rivularien. ge- ‚wechnet , werden, miuls. » Eben, so. werden (über- haupt die Rivularien durch zarte, conferyenarti- ge Fäden gebildet, welche aus der Oberfläche je- ‚ner Phytozoen kervorwachsen, :denselben’im jün- .gern Zustande’ ein behaartes ‘Ansehn geben ‚; und „eine schleimartige Materie ausschwitzeh, :die:eine !knorpelartige Härte: bekömmt. Ich 'zweifele .dä- ‚her: nicht mehr, dafs. die ‚Rivularien, Linckien, „Tremellen und alle ähnliche Körper Aggregate „wirklicher , Gonferven ‚sind‘, welche das "Eigene ‚haben, dafs’ der ‘Schleim, “den. sie excerniren, bey den Rivularien in eine cartilaginöse Masse, bey den übrigen jener Algengeschlechter aber ‘an seiner "Oberfläche in eine Membran -über- geht, RR: | ' | Wor- ts (q) Biol. B.2. 8.581 £, e 336 usa Bi Worauf zweckt nun dieser Uebergang der Conferven in Rivularien, Tremellen u. s. w. ab? Meiner Ueberzeugung nach auf die Begattung der- selben. Bey den Rivularien und Linen.n bilden die Haarröhren, woraus ihr Itiniereb zum Theil -besteht, in einer gewissen Periode deutliche Ana- stomosen, und bald darauf erzeugen sich in oder an diesen Röhren die kleinern Körner, die man für die Fruchtkeime jener Phytozoen annimmt. Ist es daher nicht .glaublich , ‘dafs ‘diese -Confer- ven sich in dem'Schleime, ‘worin sie'eingehüllet _ sind, oder zwischen: der Haut, die sie umgiebt, auf ‘ähnliche Art, wie die!Conuferva 'setiformis, spiralis’ u. s. w. copuliren ? | Aehnlich dem Uebergange der Wasserfäden in ‚'Rivularien, Tremellen u. d.gl. ist die VS werad- lung der Tubularien in Alcyonien und Spongien (1). Da. man: nun niemals in den: Tübularien , wohl aber in den Alcyonien Eyer antrifft, so ist zu vermuthen, dafs sich die Tubularien: auf ähnliche -Art, wie die Conferven,, copuliren ,' ein bey ‚dieser, Begattung in ‚der: Gestalt » von -Alcyonien ‚erscheinen. 13 Iralerwit. aß nöd Eine andere Art von Erscheinungen, en N vermuthlich auch «der Copulation mancher Con-. ferven analog ist, mg sich bey der Conferva ! flocen- (rs) Biol, Bd,2. 5.379. 397. x 337 ftöcculosa Rorn., den Bacillarien und den Sal- pen. Diese Körper haben das Eigene, dals sie sich in wunderbaren, höchst regelinälsigen Stel- lungen an einander reihen. Die Conferva flocculosa ist eine, dem blolsen Auge nsschibare. sehr kurze, gerade, ‚unter dem Vergröfserungsglase viereckicht erscheinende Haar- röhre, die man in den Monaten Juny und July zwischen andern Wasserfäden, jedoch um diese Zeit niemals einzeln, sondern als ein flockichtes Wesen antrifft, welches unter dem V ergrölse- rungsglase folgendes Ansehn hat: Zwey oder drey solche Fäden liegen der Länge nach dicht an ein- ander und bilden ein Rechteck; ein solches Recht- eck hängt mit den Spitzen zweyer entgegengesetz2- ter Winkel an den Spitzen der Winkel zweyer anderer ähnlicher Rechtecke; von jedem der letz- tern ist wieder die Spitze des entgegengesetzten Winkels mit einer der Spitzen eines vierten und fünften Rechtecks verbunden, und so bilden alle diese Parallelogramme ein Zickzack, welches jene flockenartige Materie ausmacht (s). * Die Bacillarien, eine von O.F. Mürrter an dem Ufer von Kopenhagen auf der Ulva latissima entdeckte Art von Infusionsthieren, die mit der Conferva flocculosa viele Aehnlichkeit zu kaben scheint, N (s) Rorı Gatal. botan, Fasc.T. Tab. V. fig. 6, III. Ba. | Y 2 338 meraan mm \ x scheint, besteht aus länglichten,, cylindrischen, steif ausgestreckten Körpern, die immer einzeln neben einander und in einer parallelen Stellung liegen, und sich dergestalt bewegen, dals der äusserste Körper über den zweyten, dieser über den dritten, der letztere über den vierten u. s.Ww. der Länge nach fortgleitet, wodurch dann bald die Figur einer geraden Linie, ‘bald die, eines Rıhombus, bald die eines Zickzacks u. s, w. ent- steht (t). | { In noch wunderbarern Ordnungen gruppiren sich die Salpen, vermittelst Saugwarzen, die sich auf ihrer Aussenseite finden (u), -Von der Salpa pinnata Forsk. vereinigen sich mehrere In- dividuen mit den Spitzen ihrer flossenartigen Rük- kenanhänge in einem gemeinschaftlichen Mittel- ‚punkt, so dals sie eine sternförmige Figur aus- machen (v). Die Salpa confoederata F, bildet zwey Reihen, wovon jede aus parallel neben ein- ander liegenden, mit den Seiten unter sich ver- bundenen und mit den vordern Enden alle nach vorne, so wie mit den hintern Enden nach hin- ten \ 1), 6 Er Mürzenr’s kleine Schriften aus der Naturhi- storie. B.ı. S.ı fl ’ (a) Cuviıen, Annales du Museum d’Hist. Nat. T. IV. p- 390: ev) ForskAar descript. animal. p. 1175. n. zu. Ejusd. Icon. rer, nat, Tab, AXXV, fig.B. b, 2. ten gerichteten Individuen besteht, und diese bey- den Reihen liegen so än einander, dals der Rük- ken eines jeden Gliedes derselben nach innen, der Bauch aber nach aussen gerichtet ist, dals ferner der Rücken eines jeden Individuums der einen Reihe sich zwischen den Seitentheilen der Rücken zweyer Individuen der andern Reihe be- findet, und dafs die eine Reihe über die andere hervorragt (w). Noch andere, eben so regel- mälsige Verbindungen gehen die Individuen der Salpa maxima (x), democratica (y), mucronata’(z) und polycratica (a) ein. Es ist unbegreiflich, welchen Zweck jene Verbindungen haben können, wenn sie nicht eine Art von Begattung sind. Dals sie diels wirklich sind, wird auch dadurch um so wahrscheinlicher, weil sie ohne Zweifel erst in einem gewissen Al- ter der erwähnten Organismen eintreten, und nicht gleich vom Entstehen der letztern an statt finden. Die Conferva flocculosa zeigt sich in dem (w) Forskar descr. p. 115. n.35. Icon, Tab. XXXYVI, fig. A. a. | (x) Ejusd. deser. p. ıı2. n.30. Icon. Tab. XXXY. fig. A. a. =. (y) Ejusd. deser. p. 113. n.32, (z) Ibid. p. 114. n.33. | (a) Ibid. p.ı16. n.4o, | I - 3}0 ——— dem beschriebenen Zustande um dieselbe Zeit, wenn die sich conjugirenden Conferven ihre Co- pulation ‚eingehen, und von der Salpa pinnata be- merkt Forskir, dals er in dem Bauche grölse- rer Individuen kleinere gefunden habe, die sich darin frey herumbewegt hätten, und welche also noch nicht copulirt waren (b). Man sieht, dafs hier noch ein weites Feld zu neuen Untersuchun- gen ist, dessen Bearbeitung die merkwürdigsten Resultate verspricht. Die Copulation der Conferven, Bacillarien und Salpen verdient übrigens noch in anderer Rücksicht unsere Aufmerksamkeit. Was ist es, das die Individuen der Conferva setiformis, spi« ralis und verwandter Arten von Wasserfäden zwinget, in einer bestimmten Periode ihres Da- seyns sich gegenseitig aufzusuchen, und durch Seitenröhren unter einander zu verbinden? Was ist es, ‚das die Conferva flocculosa, die Bacilla- rien und Salpen bewegt, sich in so regelmäfsigen ‚Figuren zu ordnen? Öbhnstreitig ist ‘es keine mechanische, söndern eine höhere, nicht an die gröbere sichtbare Materie gefesselte, dem Magne- tismus und der Elektricität analoge Kraft, welche diese Erscheinungen hervorbringt, Hier finden wir (b) Quid? quod inter Salpas ventricosas, sagt FoRs- KAL (l. c. p.113.), visae mihi. sint parvulae libere nalantes, casu, zestio quo, ingressae, „ mm 341 wir also einen neuen Beweis des Satzes, worauf uns schon oben (c) andere Thatsachen führten, dals der lebende Organismus eine dynamische Einwirkung auf die übrige Natur äussert. Ver- liehren wir diesen Satz, nebst den Gründen, woraus wir ihm gefolgert haben, nicht aus den Augen! Er wird uns in Zukunft Aufschlufs über Räthsel geben, die keine andere Voraussetzung zu lösen verma g. E (ce) Biol. B.2. $. 453. Vier- „ei Oo 342 rn Viertes Kapitel. Erzeugungsart der dritten Classe. Neu den Untersuchungen, die wir im vorigen Tapitel angestellt haben, giebt es keine Art von lebenden Körpern, wovon sich behaupten liesse, dals nicht unter gewissen Umständen eine Begat- tung bey derselben einträte. Aller Unterschied , welcher unter den Organismen der lebenden Na- tur in Hinsicht auf die Fortpflanzung nach vor- hergegangener Befruchtung statt findet, besteht nur darin, dals bey einigen diese Art der Ge- schlechtsvermehrung zu den ungewöhnlichen, bey andern zu den gewöhnlichen Erscheinungen ge- hört. Wir werden daher von jetzt an die Be- stimmung der zweyten und dritten jener Classen, worin wir im ersten Kapitel dieses Buchs die leben- den Körper eingetheilt haben, abändern, und in die zweyte diejenigen Organismen, bey welchen die Fortpflanzung nach vorhergegangener Befruch- tung die seltenere, die aber, welche ohne Paa- rung geschieht, die häufigere ist, in die dritte hingegen diejenigen, bey welchen die erstere Art der Geschlechtsvermehrung eben so häufig, oder häufiger als Wie letztere - vorkömmt, setzen müssen. | Aus DC | 343 Aus dem Thierreiche gehören zu dieser drit- ten Classe die Wurmgeschlechter Lumbrieus, Hi- rudo, Planaria, Serpula, Dentalium, Nereis, Nais, Aphrodite, Terebella, Amphitrite, und verschiedene Eingeweidewürmer. Bey mehrern dieser Thiere bedarf es indels noch einer genau- ern Untersuchung, ob sie wirklich zu dieser dritten, und nicht vielmehr zur vorhergehenden zweyten Classe zu rechnen sind. | Von den Regenwürmern ist es ausgemacht, dals sie sich durch Sprossen, durch Theilung, und durch Eyer fortpflanzen, und zwar auf die letztere Art nach vorhergegangener Befruchtung. Von den Blutigeln ist schon im vorigen Ra- pitel bemerkt worden, dafs sie sich vielleicht durch Theilung vermehren. Zugleich gebähren einige Arten lebendige Junge (d), und einige pflanzen sich durch Eyer fort (e). Aber nie sa- he man bisher noch ihre Begattung (f), und es ist (4) Z. B. Hirudo depressa fusca, margine laterali flas vo. Liınwneı Faun. Suec. 1272. (e) BercmAnn, Abhandl. der Schwed. Akad. 1756. B, XVIN..S.187. 1757.'B.XIX. S.296. BerkEenMmEvER, Neue Abhandl. der Schwed., Akad. 1784. B.V. S.8o, (f) “Nach dem gewöhnlichen Gesetze der Natur”, sagt BERGMANN (a. a. O. B.XIX. S.296.), “sollten diese „»VVürmer, ob sie gleich Zwitter sind, sich doch N. a zur 344 mn. ist blofse Vermuthung, wenn man eine kaum merkliche Oeffnung am Bauche für das weibli- che, und ein fadenförmiges Organ, das sich in der Nähe dieser Oeffuung befindet, für das männ- liche Zeugungsorgan dieser Thiere annimmt (g). 4 Noch zweifelhafter ist es, ob auch die übri- gen der erwähnten Würmer in die dritte Classe gehören. Bey der gezüngelten Naide (Nais pro- boscidea) kam dem unermüdeten Mürrer (h) nie die mindeste Spuhr von Zeugungsgliedern oder Paarung vor. Zudem gränzen jene Thiere in, ih- rer Struktur so nahe an die Polypen, dals man sehr in Versuchung geräth, sie auch in Betreff ihrer Fortpflanzungsweise mit diesen in Eine Classe zu setzen, und die Paarung für eine, bey ihnen sehr seltene Erscheinung zu halten. Man vergleiche z.B. Mürrers blinde Naide (i), dessen RN | Blu- „zur Fortpflanzung paaren. Aber ich bin nie so „glücklich gewesen, das geringste Zeichen ‚davon „zu sehen, ob ich gleich viel, und auch von un- „terschiedenen Arten gesammelt, und genau darauf „acht gegeben habe, nichts desto weniger haben „sich verschiedene vermehrt.” (g) Bencmann a. a. O. x (di) Von ‚Würmern ‘des sülsen 'u. salzigen Wassers. 5. 42. (1) Ebendas, Tab. V. £.2. \ x n — 345 Blumenthier (k), die buschichte (l) und nieren- förmige (m) Amphitrite mit den letztern, und man wird eben so viele Gründe finden, sie den Holothurien und Afterpolypen, als den Regen- würmern und Blutigeln, beyzugesellen. | Pr Von einem Theile der Eingeweidewürmer ist es dagegen gewils, dafs eine Geschlechtsverschie- denheit und Begattung bey denselben statt findet. Bey den eigentlichen Spuhlwürmern (Ascaris lum- bricoides‘, Gigas und teres Gozzıı) unterscheidet man deutlich männliche und weibliche Geburts- theile,(n).. Manche Würmer dieses Geschlechts ‘sind zugleich lebendiggebährend (0). Gorze’s breite Plattwürmer (Fasciola hepatica L.) sind Hermaphroditen , und jedes Individuum leiht dem andern, wie die Schnecken, bey der Begat- tung sein Geschlecht. Dicht an einander klebend | fand sie jener Naturforscher oft in den Lebergän- gen, so dafs. das männliche, wie ein Posthorn 'gekrümmte Glied des einen in dem weiblichen des (k) Ebendas. f. 5. (l) Ebendas. -Tab, XV. (m) Ebendas. Tab. XVI. E.ı. | (n) Gorze’s Vers. einer Nat. Gesch. der Eingeweide- würmer thierischer Körper. S$. 88. (0) Runorrur in WıEpemAnn’s Archiv für Zool. u. " Zoot. B.2. Sta, 8.20. Ä + Y35 346 — des andern, und. umgekehrt, steckte (p). Das- selbe sahe er auch bey den Fadenrundwürmern und Pfriemenschwänzen in dem Darmcanale frisch zergliederter Wasserkröten (q). Bey diesen Eingeweidewürmern tritt indels wieder ein ande- rer Umstand ein, der es zweifelhaft macht, ob sie nicht vielmehr zur ersten, als zur dritten Classe in Betreff ihrer Fortpflanzungsweise zu rechnen sind, Wir haben nehmlich keine Be- weise, dafs sie sich, gleich den Regenwürmern, auch durch Theilung, oder auf andere Art ohne Paarung vermehren, und. schwerlich sind auch ‘ entscheidende Erfahrungen hierüber möglich, So ungewils aber die Classifikation der er. wähnten Würmer ist, so wenig ist es die der Pilanzen. Jeder dieser Organismen vermehrt sich, wie die tägliche Erfahrung lehrt, durch Saamenkörner, durch Knospen und durch Thei- lung. Die beyden letztern Fortpflanzungsarten geschehen ganz ohne alle vorhergegangene Be- fruchtung. Nicht so aber ist es mit der erstern, Ueber einer weiblichen Zwergpalme (Chamaerops humilis L.), die schon alt aus Holland gekom-. men war, schon länger als 30 Jahre in einem Treibhause zu. Berlin gestanden hatte, und bis dahin immer nur kleine unreife Früchte getragen ' hatte, \ (pP) Gorze a. a. OÖ. 5.170. (g) Ebendas. S. 455. | 347 hatte, hing der Königl. Preussische Gäler Mi CHELMANN auf GrevıtscnH’s Veranlassung im Jah- re 1749 zwey männliche Palmen von derselben Art auf. Diejenigen Blumen, die sich in der Nähe der männlichen befanden, lieferten jetzt völlig reife und mit fruchtbaren Kernen versehe- ne Früchte; hingegen die, welche von den letz- tern entfernt waren, trugen so wie sonst nur unreife Früchte. Dieser Versuch wurde in den Jahren 1750, 1751 und von KöLREUTERN 1767 mit gleichem Erfolge wiederhohlt. Eben der Mıcaer- MANN erhielt auch von Mastixbäumen (Lentiscus L.) und Terpenthinbäumen ( Terebinthinus L.) keine Früchte, wenn er die männlichen Pflanzen von den weiblichen während, der Blüthe entfern- te; das Gegentheil aber erfolgte, wenn er beyde ' zusammenbrachte (r). | Schon diese Beobachtungen lassen keinen Zweifel an der Nothwendigkeit der Befruchtung zur Erzeugung reifer Saamenkörner übrig. Aber auch noch eine Menge anderer Thatsachen, vor- züglich die Erzeugung der Bastardpflanzen, und die vielen Anstalten, welche die Natur getroffen hat, um die Einwirkung des Blumenstaubs auf die ‘(r) Grevitsch, Mem. de l’ Acad. des sc. de Berlin. 1749. p-103. 1767. p.5.. ı Köıreuter, Act. Acad, Theodoro -Palat. T.IIf. phys. p. 56 sq. ei % *” die Narben der Stigmate möglich zu machen, bestätigen diese Wahrheit. Durch Befruchtung der Pistille verschiedener Vegetabilien mit dem Blumenstaube von andern Pflanzen gelang es RÖLREUTERN (s), Hepwiıc (t) und einem ungenannten Schriftsteller (u) aus ver- schiedenen Arten der Nicotiana, der Lychnis und des Cucubalus, der Digitalis, Lobelia, des Ly- Au‘ Verbascum, der Datura, Malva, des L= num, Dianthus, der Jalappa und Aquilegia wah- re Varietäten hervorzubringen. In Betreff der Art, wıe der männliche Saa- menstaub auf die Narbe der weiblichen Geschlechts- - theile einwirkt, lassen sich alle Vegetabilien mit SPRENGEL (v) in homogamische und dicho- | gami- (s) HöLreuTer’s vorläufige Nachricht von einigen Versuchen, das Geschlecht der Pflanzen betreffend. Idem in Nov. Commentar. Acad. Petrop. T.XX. p. 431. ‚Act. Acad. Petrop‘ 1777. P. ı. p. 215. Tbid, 1778. P.2. p.261. Ibid. 1777. P.2. p.ı85. Ibid. 1778. P.ı. p.219. Ibid. 1781. P.ı. p.249. Ibid. 1781. PP. p-305. Ibid. 1782. P.2, p.251. Nov, Act. Acad. Pe- trop. T.ı. p.339. Ibid. T.IIR p.277. Ibid. T. XI, p.389. Ibid. T.XII. p. 378. i (t) Theor. generat. et fructif. plant. crypt. Lips. 1789. ” p- 56. | (u) Beschäftigungen der Berliner Gesellsch. B. ı. 5.380. (v) Das entdeckte Geheimnils der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen, 8. ı7. gamische unterscheiden. Bey jenen kommen beyderley Geschlechtstheile zu gleicher, bey die- sen zu verschiedener Zeit zur Reife. Bey vielen von denjenigen Zwitterblumen , wo sich beyderley Geschlechtstheile zu gleicher Zeit entwickeln, sieht man entweder, wie bey Cactus Opuntia, Fritillaria Persica, Hyosciamus aureus, Polygonum Orientale, Tamarix Gallica, ‘ Ruta graveolens und Chalepensis, Zygophyllum Fabago, Sedum Telephium und reflexum, Saxi- fraga tridactylites, Geum urbanum, Agrimonia Eupatoria, verschiedenen Arten des Ranunculus und der Scrophularia, Rihus Coriaria u. s. w., die männlichen Zeugungsorgane zur Zeit ihrer Rei- fe sich zu den weiblichen hinbewegen, auf die Narben der letztern ihren Blumenstaub ausschüt- ten, und dann in ihre vorige Lage zurückkeh- ‚ren (w); oder, wie- bey Nigella sativa, Sida Ame- ricana, Passiflora, Oenothera, Hibiscus, Coins hexagonus und grandiflorus, : Turnera ulmifolia u. s. w. das Pistill zu. den Staubfäden wan- dern (w) Mepıcus, Act. Acad. Theodoro - Palat. T. III. phys. p.ıı7._ Vow Humsorpr in Usterrs Annalen der Botanik. St.5. 8.7. Ebendesselben Aphorismen aus der chem. Physiol. der. Pflanzen. 8.57. Des- FONTAINES in.LicHTengeng’s Mag, f. d. Neueste aus der Physik. B.III, St.4. S.57-45. Smitu ebendas, B. VI. Sı.2. S, 34. 350 — J dern” (x); oder endlich, wie bey der Boerhaavia diandra und den sämmitlichen Arten der Malva, Lavathera, Althea und Alcea beyderley Ge- schlechtstheile sich wechselseitig zur Begattung aufsuchen (y). Andere Homogamisten , bey welchen eine solche Näherung der Narben und Antheren we- gen der gegenseitigen Stellung der männlichen und weiblichen Geschlechtstheile unmöglich ist, werden durch Insekten befruchtet, so die Aristo- lochia Clematites L. durch die Tipula pennicornis Fazer. Die zungenförmige, unten runde, und auf ihrer innern Fläche mit Haaren, die nach innen ‚gerichtet sind, versehene Blumenkrone je- ner Pflanze erlaubt diesein Insekt den Eingang in ihr Inneres, aber versperrt ihm den Rückweg, und zwingt es, durch Herumkriechen in seinem Kerker den Blumenstaub abzustreifen, und auf die Narbe zu tragen. Sobald diese Befruchtung vollendet ist, verschrumpfen die Haare, legen sich an die innern Wände der Blumenkrone, und verstatten dem Insekt wieder den Ausweg (z). Diejenigen Zwitterblumen, bey welchen. die männlichen Zeugungstheile nach den weiblichen, oder (x) Mevıcvs 1. c. p.ı25. Desrontanes a2. 0.5. 45. 44 (y) Meviıcus l. c. p.ı26. Desrontaines a. a. 0, (z) SPRENSOEL a, 2. OÖ. SB "351 oder diese nach jenen zur Reife kommen, ha- ben entweder eine, durch ihren Honigsaft die Insekten anlockende Blumenkrone, oder eine sol- che “fehlt ihnen, Die Befruchtung ‘der erstern geschieht blos durch Insekten, und zwar auf folgende Art. Die weiblichen Zeugungstheile entwickeln sich bey diesen Pflanzen ‚entweder nach den männli- chen (Dichogamia androgyna SpRENGEL.) oder die- se nach jenen (Dichogamia gynandra $.). Ein Beyspiel der Dichogamia androgyna giebt das Epi- | lobium angustifolium L. Nachdem die Blume dieser Pflanze sich geöffnet hat, erhalten die Fi- lamente entweder alle zugleich, oder eines nach dem andern eine bestimmte Stellung, in welcher ‚ihre Antheren sich entwickeln, und ihren Staub zur Befruchtung darbieten. Unterdessen befindet ‚sich das Stigma an’ einer von den Antheren ent- fernten Stelle, und ist noch unentwickelt. Die. ser Zustand währt eine gewisse Zeit. Wenn nach Verfliessung derselben die Antheren keinen Staub mehr haben, so gehen mit den Filamenten ver- schiedene Veränderungen vor, deren Resultat die- ses ist, dafs sich nun. die Narbe gerade an der Stelle befindet, wo vorher die Antheren waren, und hier sich ebenfalls ausbreitet, oft auch den- selben Raum einnimmt, welchen vorher die An- theren einnahmen, Von den letztern kann aber nun 352 nun jene keinen‘ Blumenstaub mehr erhalten, weil diese keinen mehr besitzen. Die Stelle, wo sich anfangs die reifen Antheren befanden, und nachher das reife Stigma gefunden wird, ist aber in jeder Blume so gewählt, dafs das Insekt, für welches die Blume bestimmt ist , nicht anders zum Honigsaft gelangen kann, als indem es zu- gleich mit einem Theile seines Körpers in der jüngern Blume die Antheren, und in der ältern- die Narbe berührt, den Staub von jenen auf die- ses überträgt „ss uind auf solche Art die ältere Blu- me durch den Staub der jüngern befruchtet (a). Zur Dichogamia gynandra gehört z. B, die Euphorbia Cyparissias. Sobald eine Blume die- ser. Pflanze aufgebrochen ist, sieht man die Stig- mate aus derselben hervorkommen, gerade in die Höhe stehen, und sich ausbreiten. Nach eini- gen Tagen kömmt das ganze Pistill, welches auf einem eigenen Stiele sitzt, aus der Blume hervor, verliehrt nach und nach die aufrechte Stellung, und kehrt endlich die Stigmate der Erde zu. Als- dann erst kommen die Staubgefälse eines nach dem andern aus der Blume zum'Vorscheine, und die Antheren nehmen jetzt eben die Stelle ein, welche vorher die Stigmate einnahmen. Insek« ten, welche die ältere Blume besuchen, müssen. ‚also nothwendig den Staub der Antheren abstrei- | fen, (a) SPRENGEL a,a.0. 9.17, 18. fen, und eben deswegen, damit’ sie dieses unge hindert thun können, hat das Pistill seine vorige Stelle verlassen, und sich der Erde zugekehri, Gehen sie hierauf zur jüngern Blume, so müs- sen sie nothwendig wieder mit ihrem bestäubten ‚Körper die Närben berühren, und auf solche ‚Art die jüngere Blume mit dem Staube der äl- tern befruchten (b). Bey dieser Einrichtung würde aber eine Ver- mischung der ungleichartigsten Zeugungsstoffe vorgehen, wenn die Insekten ohne Auswahl von Blume zu Blume flögen. Um dies zu verhin- dern, bält sich entweder jedes, zur Befruchtung der Pflanzen dienende Insekt nur auf einer ein- zigen Blüthenart auf, oder besucht doch, wenn dies nicht der Fall ist, den ganzen Tag hindurch nur diejenige Art, worauf es sich zuerst am frü- hen Morgen setzte. Jenes findet unter andern bey der Tipula pennicornis, welche zur Befruch- tung der Aristolochia Clematitis dienet, und blos die Blume. dieser Pflanze zum Wohnorte hat (c), dieses bey den Bienen statt, die z.B. Quendel-. 'blüthen und andere aromatische Kräuter unbe: rührt lassen, wenn sie einmal auf dem schärfen Hahnenfulse zu sammeln angefangen haben (d), . x | Die- (b) $Srrencet a. a. 0. 8.18. 1% (c) Ebendas. S. 427. . (d) Arıstodsris hist, anim. L.IX. &.64. Schnane’s 111. Ba. REN & i Brie» 354 esse Diejenigen Blumen, welche weder eine ei- gentliche Krone, noch einen ansehnlichen und gefärbten Kelch haben, also die Gräser, Pap- peln, Kiefern, Haselstauden u. Ss. w. werden blos ‚durch den Wind befruchtet (e). Diese Pflanzen haben deswegen eine- weit grölsere Menge Blu- menstaub, als diejenigen, welche durch Annähe- rung der Antheren zur Narbe, oder, durch In- sekten befruchtet werden, und ihre Zeugungs- organe liegen nicht versteckt, wie die der letz- tern, sondern unbedeckt ‚„ und sind von ansehn- licher Grölse (f). Die Fortpflanzung der Gewächse durch Saa- “menkörner ist im Allgemeinen die fruchtbarste bey den Kräutern. Sie geht häufig mit der Cul- tur verlohren, und es bleibt dann blos das Fort- pflanzungsvermögen durch Sprossen zurück (g). Bey der erstern finden wir, wie schon zum Theil aus dem Gesagten erhellet, eben so viele, ja in manchen Stücken noch mehr Mannichfaltigkeiten, wie bey der Geschlechtsvermehrung der zur er- ‚sten Classe gehörigen Organismen. Wir finden | hier Briefe naturhistorischen, physik. u. oekonom. In- halts an Nau, S. ı26, N \ (e) SPRENGEL a,a. 0. S. 29. Ä (f) Ebendas, g), Forster’s Bemerkungen auf einer Reise um die Welt. S. 156. 157, % un 355 hier die männlichen und weiblichen Zeugungsor- gane entweder, wie bey ‚den Säugthieren, Vö- geln, Amphibien u.s. w. in verschiedenen Indi- viduen vertheilt, oder, wie bey manchen Mol- lusken’ und Würmern, in einem und demselben Individuum. vereinigt. Ferner sind die erstern Individuen entweder verschiedene Blumen auf einerley ‚Pflanzen (Monoecia L.), oder, verschie- dene Blumen auf verschiedenen Pflanzen (Dioecia L.). Bey. den meisten Pflanzen treffen wir aber beyderley Geschlechtsorgane in Einer Blume ver- einigt an, und zugleich enthalten mehrere von diesen, ausser den Zwitterblumen, auch noch blos männliche, oder blos weibliche Blüthen (h). ; Aber nur die homogamischen Zwitterblumen befruchten sich selber. Die dichogamischen, bey welchen der Saamenstaub durch Insekten zu den Stigmaten überbracht wird, sind in Rücksicht ihrer Befruchtung den Blumen mit halbgetrenn- ten Geschlechtern ähnlich, Im Anfange sind sie männlichen, in der Folge weiblichen Geschlechts, In keiner derselben wird das Stigma durch den Staub ihrer eigenen Antheren, sondern immer durch den männlichen Zeugungsstof von fremden Blumen befruchtet (i, Auch sind bey ihnen, so (h) | Lisset Philosophia botan. pP. 94 5% (i) Senenoer a, a. O, 8.19.45: | Z 3 356. aunasmamss une so wie bey den Monöecisten, immer einige Blu- men ‘unfruchtbar. Weil nehmlich die leızten Blumen der zur Dichogamia androgyna gehörigen Pilanzen ihren Staub den nächst vorhergehenden Blumen mittheilen, so ‘können sie keine Früchte ansetzen. Und weil die ersten Blumen 'eines Di- ehogamisten aus der Classe der Dichogamia an- drogyna’ ihren Staub’ den nächst folgenden Blu: ieh hihtheilen) ihre Narben’ aber keinen Staub von andern Blumen erhalten können, so müssen sie ebenfalls unbefruchtet bleiben CK. Nirgends finden wir dagegen bey den Pflan- zen, wie bey einigen Amphibien, den Fischen u. 5. w. Beyspiele von Befruchtungen des weib- ‚lichen Zeugungsstoffs ausserhalb dem Körper der Mutter. Das Saamenkorn ist schon vor der Be- fruchtung im Fruchtknoten enthalten. ' Aber bey keiner bekannten Pflanze trennt es sich von der Mütter, !ehe nicht der männliche Zeugungsstoff auf die Narbe end 'Stempels ge hat. In rd op ‘der Zahl der Keime, welche durch eine einzige Befruchtung zu gleicher Zeit hervorgebracht werden, kommen die Pflanzen mit den, Fischen und Insekten überein. Rar er- 'hielt aus einer Tabackspflanze 360000 Saamenkör- ner, und nach Grew’s Berechnung kann ein ein- ziger Mohnkopf deren Fig SR EN h Man- (k) Spnencer S.ıg. — 357 Manchen Insekten, und besonders den’Blatt- läusen, nähern sich einige Pfianzen auch in dem Vermögen, unter gewissen Umständen, ohne vor- hergegangene Befruchtung eine ähnliche Art. von Keimen hervorzubringen, wie sonst nach erfolg- ter Begattung entsteht. SraLLanzanı öffnete bey zwey Arten von Zwitterblumen, dem Ocymum Basilicum tnd Hibiscus Syriacus, die Blumen- blätter einige Zeit vorher, ehe sie anfingen, sich auszubreiten, schnitt alle Staubfäden ab, ehe. der Blumenstaub zur Reife gekommen war, und überlie[s ‚die weiblichen Geschlechtsorgane ihrem Schicksale, ‚Die Folge war, dals bey vielen Pilan- zen „ie. Saamenkörner nicht reif wurden, oder ihre gehörige Grölse nicht erreichten, oder, wenn dies auch der Fall war, doch nicht aufkeimten, nachdem sie gesäet waren (l). Einen ähnlichen Erfolg hatten schon frühere Versuche von Game- RER, (Mm), GEOFFRoYx (n), Bronry (0), MiLLER (Pl [dr und 4 (1) Spartanzants Versuche über die Erzeugung der Thiere u. Pflanzen. Abth.2. $.378. $. 16-19. (m) J. G..Gmeiım /serm. acad, de novor. vegetab, exortu. ‚Tubing. 1749. Misc. Acad, N, GC. Ann, IX, ‚d.2. p.212. Ann.X, p.90. (n) Mem, de l’Acad. des sc. de Paris. 1711, Ei. 8. p- 293- BE: fe) New Improvements .of Gardening. P.E p- 20. (p) Garner Uudziröni Th. 2. 8.543. 544 Ä 43, j 358 { und LocAan (q) gehabt. Mit besserm Glücke wiederhohlte diese Versuche Arstox (r). Pflan- zen, die er eben so, wie SPALLAnzAnI, behan- delte, trugen nicht nur reife, sondern auch eben so viele Saamenkörner, als wenn ihnen die männ- lichen Geschlechtsorgane nicht wären genommen gewesen. Denselben Erfolg hatten nachherige Versuche von SPALLANZzAanı mit Gewächsen aus der Classe der Monoecie, Türbispflanzen, deren männliche Blüthen er zerstöhrte, ‘sobald sie sich sehen liessen, trugen Fwichte, die nicht nur in ihrer Farbe, ihrer Struktur und ihrem Geschmack denen von ähnlichen Pflanzen, wovon die männli- chen Blüthen unzerstöhrt geblieben waren, nichts nachgaben, sondern auch reife Saamenkörner ent- hielten, die in der Folge keimten und Blüthen ‘hervorbrachten. Aber noch mehr! Auch von, diesen Blüthen streifte SPALLANZANI die männli- chen gleich nach ihrer Erscheinung ab, und doch gaben die weiblichen Blumen wieder reife Kür- bisse, deren Saamenkörner zu eben so vollkom- menen Pflanzen, wie im ersten Versuche, heran- wuchsen (s). Ferner stellten SpaLLanzanı und Fouseroux noch ähnliche Versuche mit Pflanzen aus (q) Experimenta et meletemata de plantarum genera- tione, Lond. 1747. (r) Essays and observat. physical and litterary. Vol. ı. pP. 205. (s) SrarLanzanı 2.2. 0, 5.584. $.20-22. 359 aus der Classe der Dioecie an. Sie brachten weibliche Hanfstöcke und Spinatpflanzen an Orte, wo die Möglichkeit einer Befruchtung durch den Wind, oder durch Insekten gäuzlieh aufgehoben war, und doch erzeugten alle diese Weibchen eben so gut reife Saamenkörner, als wenn sie mit männlichen Blumen wären umgeben gewe- sen (t). Hingegen milslang dieser Versuch mit weiblichen Stöcken des Bingelkrauts (Mercurialis annua). Diese mufsten in der Nähe von männlı- chen Pflanzen ihrer Art stehen, wenn sie reife Saamenkörner hervorbringen sollten (u). Endlich erhielt auch Herrer (u*) von weiblichen Pilan- zen, worauf keine männliche Blume Einflufs ge- habt haben konnte, keimende Saamen. Doch wurden in dessen Versuchen die Keime bleichsüch- tig, bekamen keine Blätter, wuchsen schnell, und starben in der ersten Kindheit, Was ı (t) Ebendas. S. 391. 6, 23-52. . Fovczrovx, Journal de phys. 1773 | (u) SPALLANZANI a, a. OÖ. S.406. 6.35-56. (u*) Specimen inaugurale bot. sistens organa planta- rum functioni sexuali inservientia. Würzburg. r8o2. Allgem. botan. Bibliothek des ıgten Jahrhunderts. Herausgegeben von der botan. Gesellsch, in Regens- burg. 1803. H.3. S. 199. 24 "Was läfst sich aus diesen Beobachtungen schlielsen? Mit SmerLıe (v) daraus gegen Lınn& eine völlige Geschlechtslosigkeit der Pflanzen zu folgern , ist zu weit gegangen, da die Sexual- Hypothese zu viele sonstige Gründe auf ihrer Seite hat, _ Es sind aber auch keine hinreichende Gründe vorhanden, an der Genauigkeit jener Be- obachtungen zu zweifeln. Mithin bleibt nichts übrig, als anzunehmen, dafs das Vermögen der Blattläuse und mehrerer anderer Insekten, unter gewissen Umständen ohne Paarung sich durch Heime fortzupilanzen, die den befruchteten Ey- ern ähnlich sind, den Pflanzen ebenfalls eigen ist, / | Es zeigt sich ferner bey den Pflanzen etwas Aehnuliches von dem, ‚unter den Organismen der ersten Ölasse statt findenden Unterschiede zwi- schen eyerlegenden und lebendiggebährenden. Die reifen Saamenkörner der Nymphaea Nelumbo ent- halten schon grüne Keime, und die Rhizophora Mangle bringt Saamen hervor, in denen sich schon der Anfang der Wurzel und des Stamms befindet. Manche Gewächse aus der Familie der Hül- senpflanzen besitzen auch die merkwürdige Eigen- schaft, (v) Philosophie der Nat, Gesch, Uebers, von Zım- MERMANN, Th, 2, ,— 361 schaft, ihre Saamenbehälter vor der Reife unter ‚der Erde zu vergraben. Besonders thut dies die Arachis hypogaea, Die Blume dieses Gewächses kömmt unten am Stengel zum Vorscheine, und ‚neiget sich tief gegen den Boden, in welchem das Pistill sich vergräbt, unter der Erde fort- wächst, und zu runden Schooten mit zwey bis drey Saamen reift (w), Aber mit noch mehrerm Rechte, als die Saa- menkörner der Nymphaea Nelumbo und Rhizo. phora Mangle, lassen sich die AKnospen, die sich bey allen Vegetabilien, nur manche Arten der Malvenfamilie ausgenommen (x), finden, wo- - durch sich jedoch vorzüglich die. Bäume und Sträucher fortpflanzen, mit den lebendigen Jun- gen der Thiere vergleichen. Die Eyer der letz- tern bleiben noch lange nach ihrer Trennung von der Mutter fähig, sich zu entwickeln, und so auch die Saamenkörner der Pflanzen. Aber die Frucht des lebendig gebährenden Thiers stirbt, gleich der Knospe, sobald sie nach der Trennung von der Mutter auch nur auf kurze Zeit der Nahrung entbehren mufs. In dem Ey und dem Saa. (w) Schörr’s Reisen durch die vereinigten Staaten von Nordamerika. Th, ı. S. 545. (x) Apdanson, Mem. de l’Acad. des sc. de Paris. 1761. pP. 227. h N: 362 — \ menkorne wird durch die Befruchtung blos erst die Fähigkeit zur Entwickelung begründet; hin- gegen bey den lebendig gebährenden Thieren ent- wickelt sich der männliche 'Zeugungsstoff, ‘sobald der männliche Saamen auf ihn gewirkt hat, und so findet man auch schon bey dem ersten Ent- stehen der Finospe die Rudimente des künftigen Blatts oder Zweiges in ihr eingeschlossen (y). Die Pflanzen lassen sich daher als Organismen betrachten, welche ohne Befruchtu e.. lebendige Junge gebähren, hingegen nach der Begattung Eyer hervorbringen, und sie gränzen also auch von dieser Seite an die Blattläuse, mit denen sie, wie schon oben erinnert ist, noch in an- dern Stücken bey ihrer. Geschlechtsvermehrung übereinkommen. Diese Insekten bringen im Frühjahre und den ganzen Sommer hindurch be- ständig lebendige Junge zur Welt. - Allein die Blattläuse der letzten Generation des Jahrs, die man bey Annäherung des Winters antrifft, sind eyerlegende, und um diese Zeit wird man die Männchen unter ihnen gewahr, welche sich blos mit den eyerlegenden paaren (2). Es giebt bey den Pflanzen zwey Hauptarten von Knospen: die Zwiebel (bulbus) und die Er eigent- ‘(y) Harzer El. Phys. T. VII. L. XXIX. 5.2. NY 7. p.81. (z)-Dr Gern Abh. zur Gesch. der Ins, B.2. Quart.ı, S. 29. | — | 363 eigentliche Knospe (gemma), Beyde beste- hen aus concentrischen , gleich Dachziegeln über einander liegenden Schuppen, in deren Mitte der Keim der künftigen Pflanze verborgen liegt. Bey der erstern Art aber sind diese fleischicht, bey der letztern holzicht, Die Zwiebeln sind den Monocotyledonen ei- gen. Sie wachsen bald oben an der Wurzel, bald in dem Winkel zwischen dem Stengel und Blattstiele, wie beym Lilium bulbiferum (a) und der Firitillaria regia, bald in den Blumen, wie bey mehrern Arten des Allium, hervor, Diejenigen Pflanzen , deren Wurzeln Zwie- beln tragen, erzeugen gewöhnlich unfruchtbare Saamenkörner. Diese werden aber fruchtbar, wenn die Zwiebeibrut gleich bey ihrem Entste- hen zerstöhrt wird, > | Von der Fritillaria regia hat jedes Blatt das Vermögen, auch abgesondert vom Stamme, Zwie- beln hervorzubringen. Ein solches, im Herbste dicht an der Zwiebel abgeschnitten, zwischen Löschpapier mäfsig gedrückt, und an einem war- nien Orte aufbewahrt, treibt am untersten Ende, wo es mit der Wurzel vereinigt gewesen ist, neue Zwiebeln, und in eben dem Verhältnisse, wie (a) Bönmen diss, de plantis eaule bulbifero. Lips. 1749. 364 m. wie diese sich entwickeln , stirbt: dasselbe nach und nach ab (b). > Bey manchen von denen Pflanzen , deren Zwiebeln in den Winkeln der Blätter, oder an den Stengeln hervorkommen, sondern sich diesel- ben zuweilen freywillig von dem Mutterstamme ab, und treiben, getrennt von diesen, Wurzeln und Blätter, Solche Gewächse verdienen vorzüg- » lich den Namen der lebendig gebährenden. Bey dem Lilium bulbiferum, der Poa: bulbosa, und mehrern Arten des Allium erfolgt diese Erschei- nung ohne Zuthun. der Kunst. «Bey der Tulipa Gesneriana, Eucomis punctata und mehrern an- dern saftigen Monocotyledonen läfst sie sich mit Hülfe der Kunst hervorbringen, wenn man die- sen Gewächsen die Blume vör der Befruchtung nimmt, und den Stengel mit den Blättern an ei- nen schattigen Ort setzt. Durch eigentliche Kinospen pflanzen sich die Dicotyledonen fort. Diese Keime trennen sich zwar nie freywillig von der Mutterpflanze. Ver- suche von JuLıus PONTEDERA (c) und A6krıco- A (d) haben indels bewiesen, dafs sie vorsichtig. | abge- .(b) Branvıs über die Lebenskraft. $. 105. a. (ec) Anıhologia in diss. 2da. p. 25. (d) Versuch der Universal- Vermehrung aller Bäume, Stauden u, Blumengewächse. Regensb. 1716, abgesondert und ausgesäet, ebenfalls gleich Saa- menkörnern aufkeimen. Die dritte Fortpflanzungsart der Gewächse ist die durch Theilung. Diese aber geschieht nie bey ihnen, wie bey den Zoophyten, von freyen Stücken, sondern. immer durch Kunst oder Zufall. Das Vermögen, sich auf diesem Wege .zu vermehren, besitzt vorzüglich die Til- landsia usneoides, eine parasitische Pflanze aus der Familie der Bromelien. Wird irgend ein Theil dieses Gewächses vom Winde losgerissen , und von den Zweigen der Bäume aufgefangen, so schlägt er sogleich Wurzeln, und wächst eben so gut, als wenn er aus dem Saamen aufge- schossen wäre (e). Auf der Fortpflanzung der Vegetabilien durch Theilung beruhet übrigens die Kunst des Oculirens, Pfropfens u. s. w. (e) BARTRAM’S Reisen in Nordamerika ‚ im Mag. von’merkwürdigen neuen Reisebeschreibungen. B.X. S, 89- ö 3 % . | - Fünftes Kapitel. _ Bemerkungen über die Erzeugung nach vorhergegangener Befruchtung, | u W. haben im Anfange dieses Buchs erinnert, dafs die Erzeugung hier nur in so fern ein Ge- genstand unserer Untersuchungen seyn würde, als sie den erzeugten Körper beträfe. Indels ist es unmöglich, bey diesen Betrachtungen die Ver- hältnisse ganz bey Seite zu setzen, worin der er- zeugende Körper zur Erzeugung steht. Wir wer- den daher jetzt die Ordnung des Vortrags etwas unterbrechen, und einige Sätze aus der Zeu- gungsgeschichte, in so fern diese die erzeugen- den Individuen angeht, anticipiren müssen, Die Gegenstände aber, die uns jetzt beschäftigen wer. den, sind: das Verhalten des weiblichen Zeu- gungsstoffs vor und nach der Befruchtung, "und die Einwirkung, die der männliche Saamen auf denselben äussert..- Sowohl bey allen, zur ersten und dritten Classe gehörigen eyerlegenden Organismen, als bey denen, deren weiblicher Saamen ausser- halb dem Körper der Mutter befruchtet wird, zeigt Zu — 367 zeigt sich dieser schon vor der Befruchtung in der Gestalt eines Eys.. Der Meinung mehrerer ältern Naturforscher zufolge ist das Nehmliche bey den Säugthieren der Fall. REsGnıEer DE GRAAF hielt die blasenförmigen Erhabenheiten, die man auf den Eyerstöcken findet, für die Rudimente der künftigen Eyer. MaArrıcHı und VALLISNIERI ‚nahmen zwar nicht jene Erhabenheiten, aber doch kleinere, in diesen befindliche Bläschen für die Behälter an, worin die Frucht nach der Be- gattung ‘gebildet würde (f). Beyden Meinungen aber fehlt es ganz an Erfahrungsgründen. Har- zer fand in der Gebährmutter befruchteter Schaa- ‚fe nicht vor. dem ı7ten Tage nach der Begattung irgend einen begränzten Körper, sondern bis dahin immer nur unregelmälsige Massen von Schleim. Eine ähnliche Substanz trafen auch schon vor ihm Harver, Jacog PYLVIDS und An- dere in den Muttertrompeten und im Uterus an. Was ältere Beobachter für Eyer: hielten, waren nach Harters Meinung nichts weiter, als krank- hafte Hydatiden (g). HaıstHon (h) sahe eben- falls bey Kaninchen nie vor dem sechsten Tage einen (f) BorrmAAvir praelect. acad. Vol. IV. P. II. p. 82. n0t.15*). Harzer El. phys T. VII L.XXIX. 5.1. '$.18. P.40. $.25. p: 24. | (g) Harzer 1.c. $.19, p.44. $.26. p.58. '(h) Philosoph. Trans. 1797: P.I. 2.159. Reıt’s Archiv . . £d.- Physiol. B.II, H.ı. S. 72/72 368 nn D einen begränzten und regelmäfsigen Körper in der Gebährmüutter;, und um diese Zeit wär die Sub- stanz erst mit einer so zarten Haut umgeben, dals sie kaum Festigkeit genug hatte, ihre runde ‚Gestalt zu erhalten. Vor‘dem sechsten Tage fand. 'er nichts in dem Uterus, als eine unregelmälsige schleimige Masse, Endlich traf auch GrurzsHanz bey Kaninchen nie vor dem sechsten Tage nach der‘ Begattung weder in den ‚Muttertrompeten, noch im Uterus Eyer an (i), und selbst dann ‚waren in. einigen- Versuchen noch keine ‚vorhan- ‘den (k). Wahrscheinlich also findet zwischen den eyerlegenden und den lebendig gebährenden ‚Thieren die Verschiedenheit statt, dafs die Hülle der Frucht bey jenen schon vor der Befruchtung ‘vorhanden ist,.bey diesen 'aber erst nach der letz- tern gebildet wird. 1" Der männliche Saame zeigt sich dagegen bey allen lebenden Organismen in der Gestalt einer Flüssigkeit, und zwar einer Flüssigkeit, die so- gar bey ‘den Pflanzen eine ähnliche Farbe, eei- "nen ähnlichen Geruch und: ähnliche: Bestandthei- ei, (1) Phil, Trans. 1797. P:I. p.ı97. Retr’s Archiv Ed. Physiol. B.III. H.ı. 8.78, Vers. 2. S.88, Vers. 23. 5.89, Vers. 27. "a8 (k) Reır’s Archiv a. a ©, 8.78. Vers, 5, ..8.84, Vers. 17.- 8.85; Vets, 20 I d —— 369 le, wie ‘bey dem Menschen besitzt (I). Nur weichen die Pflanzen darin von den Thieren ab, dafs jener Zeugungsstof bey ihnen nicht, wie bey den letztern, ohne Hülle. von den männli- chen Zeugungsorganen. zu den weiblichen über- geht. Der Saamenstaub der Pflanzen besteht nehmlich aus schleimichten , in gefälsreichen Häu- ten eingeschlossenen Massen. Bey der Befruch- tung trennen sich diese Körper von den Stanbfä- den und gehen zur Narbe des Pistills über, und erst hier zeigt sich der weibliche Zeugungsstoff als eine Flüssigkeit, indem er entweder, nach KöLREUTER’n (m), durch feine Oeffnungen sei- ner Hülle durchschwitzt, oder, nach NzEDHAam’s Du Hamer’s, Jussıru’s und Henwiıc’s (n) Beob- achtungen, durch ein plötzliches Aufspringen die- ser- Haut ausgeleert wird. - Die Einwirkung des männlichen Zeugungsstoffs auf den weiblichen geschieht durch den Akt der Begattung. Sie wird von dem höchsten Grade der körperlichen Wollust begleitet, deren das Thier, und vielleicht auch die Pilanze, fähig ist. () Fovacror, Annales du 'Musdeum d’Hist. nat. T.I. y; p- 417. (m) Vorläufige Nachricht von einigen, das Geschlecht der Pflanzen elkinden Versuchen: $.2 ff. (m) Theor. generat, et. fructif. plant, eryPLOS- P 65, ‘III. Ba. Aa 370 | ummnmen ist.- Vielleicht hat diese Wollust einen Einflufs auf die Organisation der künftigen Frucht. Doch ist sie keine nothwendige Bedingung der Erzeu- gung überhaupt. Eben das, was die Natur durch die Vereinigung der beyden Geschlechter bewirkt, läfst sich auch künstlich durch Ueber- tragung des reifen männlichen Saamens auf den reifen weiblichen Zeugungsstof bewirken, In Betreff der Pflanzen erhellet die Richtig- keit dieses Satzes aus den schon im vorigen Ra- pitel erwähnten KöLreuvrerschen Versuchen über die Bastarderzeugung dieser Körper. Unter den Insekten sind die Seidenwürmer die einzigen, deren künstliche Befruchtung bis- her von Erfolg gewesen ist (0). Doch sind auch erst wenig Versuche der Art bey dieser Thier- classe angestellt. | . Fische brachte Jacosı (p) durch künstliche Vermischung des männlichen und weiblichen Zeu- gungsstoffs dieser Thiere hervor. Er liels den reifen, aber noch unbefruchteten Rogen eines Salms und einer Forelle ins Wasser fallen, und schüttete darauf so viel aus einem männlichen ' j Fische (0) SPALLANZANT'S Versuche über die: Erzeugung Abth. ı. S. 245 fl. | (p) Grevitscn, Mem, de Acad. des sc, de Berlin. 1764 P-55 Fische genommene Saamenfeuchtigkeit hinzu, bis das Wasser weils zu werden anfıng. Nach Ver- lauf von fünf Wochen äusserten die Eyer Leben. Dieser Versuch gelang sogar mit. den Eyern eines vor vier Tagen gestorbenen und schon stinken- den weiblichen Karpen. Die meisten Erfahrungen über die künstliche Befruchtung sind aber an den Amphibien ge- macht. SratLLAanzanı brachte viele Tausende von Eyern der Kröten (q), der Wassersalamander (r), der Laub - und Wasserfrösche (s) zur Entwicke- lung, indem er sie mit dem aus den Saamen- bläschen oder Hoden von gleichartigen Thieren genommenen Saamen befeuchtete, SPALLANZANI war auch der Erste, der eine künstliche Befruchtung bey einem Säugthiere zu Stande brachte. Er sperrte eine Hündin von der Race der Pudel und von mittlerer Gröflse aufs engste ein. Nach dreyzehn Tagen äusserte sie Zeichen von Brunst. Am zoten Tage schien sie sehr hitzig zu seyn, und in diesem Zeit. punkte versuchte SpaLLanzanı die künstliche Be. fruchtung an ihr auf folgende Art, Er hatte ei- nen (g) SrarzAnzanı a.2.0. S.1355 ff, (r) Ebendas. S.1ı56 ff. (s) Ebendas. S. 176 &. ’ Aa - 372 | oem | ; nen Hund von der nehmlichen Art, wozu die Hündin gehörte. Von diesem bekam er ı9 Gran Saamen, die er wvermittelst einer bis zu 30° Reaum. erwärmten Sprütze sogleich in die Ge- bährmutter sprützte, - Zwey Tage nach dieser Operation hörte die Hündin auf, läufisch zu seyn, und nach 20 Tagen schwoll ihr der Unter- leib. Nach 26 Tagen wurde die befruchtete Hün- din in Freyheit gelassen. Der Unterleib nahm immer mehr zu, und am 62ten Tage nach ge- schehener Einsprützung warf das Thier drey Junge, zwey Hunde urd eine Hündin, welche sehr leb- haft, und nach ihrer Gestalt und, Farbe nicht nur ‘der Mutter, sondern auch dem Hin von welchem Srarzanzanı den Saamen genommen hatte, völlig ähnlich waren (t). Eben dieser Versuch wurde in der Folge von Rossı mit dem- selben Erfolge wiederhohlt (u). \ Bey den Vögeln, Mollusken und Würmern fehlt es noch an künstlichen Befruchtungsversu. chen. Indefs leidet es wohl keinen Zweifel, dafs sie auch bey jenen Thieren von glücklichem Er- folge seyn würden. Diese Versuche übrigens ge- ben uns ein Mittel an die Hand, der Einwirkung des männlichen Zeugungsstoffs auf den weibli- chen, und den Veränderungen, welche hierdurch | in (t) Ebendas. S.249f. (u) Ebendas. $.345 f. in dem letztern hervorgebracht werden, nachzu- forschen. Nür bey den Pflanzen und Amphibien ist aber dieses Mittel erst angewandt. Wir wer- den hier von den Resultaten dieser EN En einen gedrängten Auszug liefern, Ueber die Einwirkung des Blumenstaubs der Pflanzen auf den weiblichen Zeugungsstoff der- selben stellte KöLREUTER Versuche ‚an. Seine Haupt- Entdeckungen über diesen Gegenstand sind folgende, In den Staubbeuteln des Hibiscus Syriacus L. fand er 4863 Körner Blumenstaub, Von diesen waren nicht mehr als 50 bis 60 zu einer vollkom- menen Befruchtung nöthig. _Nahm er ‚aber we. niger als 50, so kamen nicht alle Körner zur Reife, und zwar desto weniger, je geringer die angewandte Quantität Blumenstaub war, . Doch waren die Saamenkörner, welche gebildet wur den, auch in diesem Falle ganz vollkommen, Zehn Körner war das Wenigste, was er bey die: ser Blume brauchen konnte; unter dieser Zahl geschahe keine Befruchtung mehr (v). Zu (v) Körreuter's. vorläufige Nachricht von einigen Versuchen, das Geschlecht der Pflanzen betreffend, $. 17T, 5.9 ff, ES . Aaz 374 —n 2‘ Zu einer spätern Jahreszeit und bey kälterer Witterung wurde eben so wohl zu einer vollkom- menen, als zu einer, sich nur auf eine gewisse Anzahl Saamenkörner erstreckenden Befruchtung, eine weit grölsere Menge Blumenstaub, als die oben erwähnte, erfordert (w). | Die Mirabilis Jalappa hatte in Einer Blume 293 Körner Blumenstaub, Mirabilis longiflora 321. Bey, diesem Ueberflusse an männlichen Saamen bedurften doch beyde Pflanzen nur zwey bis drey Körner zu ihrer Befruchtung (x). | Um zu erfahren, ob bey solchen Blumen, die mehrere Griffel haben, jeder besonders be- fruchtet werden müsse, Senkirt KÖLREUTER die- selben bey verschiedenen Pilanzen alle bis auf einen ab. Die Befruchtung geschahe aber den- noch eben so vollkommen, ‚als wenn alle Griffel mit Blumenstaub wären bestreuet worden (y). ) \ Zahlreicher, als diese Körkrunkisuke ‚Ver- suche an Pflanzen, sind SPALLANZANT’S Erfahrun- gen über die Befruchtung und Entwickelung der Eyer von Amphibien. Die Thiere, deren er sich zu diesen Versuchen bediente, waren die Art von Kröten, welche Röser die Erdkröte mit roihen (w) Ebendas. $.ıo. ıı. (x) Ebendas. $. 11. (y) Ebendas. 12. Sa rothen Augen und warzigem Rücken nennet, der Wassersalamander, Röser’s stinkende Erdkröte, und der -Wasserfrosch. Die künstlich befruchteten Eyer der Erdkröte mit rothen Augen und warzigem Rücken krochen eben so schnell aus, als die, welche auf dem natürlichen Wege waren befruchtet worden (z). Auch gelangen diese Versuche eben so wohl mit solchen Eyern, welche aus der Gebährmut- ter genommen waren, als mit solchen, welche das Weibchen freywillig von sich gegeben hat« te (a). Befanden sich die Eyer ganz nahe in der Nachbarschaft der Gebährmutter, so entwickelten sich die meisten von denen, die mit männliehem Saamen befeuchtet waren; diejenigen aber, wel- cke dem Eyerstocke näher in dem engern Theile der Röhren, der nach dem Herzen hin liegt, zu- rück waren, entwickelten sich nicht, obgleich sie mit männlichem Saamen waren benetzt wor- den (b). Eben diese Beobachtung bestätigte sich. auch bey den Eyern des Wassersalamanders (c). SPAL- (2) SpALLanzAnı a.a.0. S.145. (2) Ebendas. \ (b) Ebendas. $. 147. (c) S. 156 £. Aag 376 wur men - SPALLANZANI leitet diesen, Unterschied von dem klebrigen Schleime her, ‘der zur Nahrung der sich entwickelnden Eyer dienet, und womit die- selben erst bey ihrem Eintritte in die Gebähr- mutter überzogen werden. Zum Beweise die- ser Meinung führt er die Erfahrung an, dals von solchen Eyern, denen er den, Schleim genommen hatte, keines zum Leben kam, obgleich 'sie mit männlichem Saamen waren ‚befeuchtet ' wor- den (d). ; “ ta h Eben so wenig entwickelten sich Eyer der erwähnten Erdkröte, die durch eine Oeffnung des Bauchs in den Eingeweiden der Nutter wa- ren befruchtet: worden, obgleich sie das Weib- ‘chen nach dieser, Befruchtung freywillig von sich gegeben hatte (e). a Wurde ‘das ‚Weibchen .der stinkenden Erd- kröte getödtet,. und blieben dann: die Eyer vor der Befruchtung noch einige Zeit ‚in der Gebähr- mutter, so. verlohren sie das Vermögen sich zu entwickeln nicht gleich, jedoch «desto eher, je wärmer, desto langsamer, je kälter das Medium war, worin sie sich befanden (f). Frü- (d). S. 147. * (e) S. 149. (f): S. 274. eurer 377 Früher 'verlohren die : Eyer ‘ihre Fähigkeit, belebt zu werden, wenn 'sie vor ihrer Befruch- tung einige Zeit im Wasser lagen (g). Noch weit länger, als die unbefruchteten Eyer der Hröten, behielten die des grünen Was- serfrosches ihre Fähigkeit, : sich zu entwickeln, “wenn sie.in der Gebährmüutter des todten Thiers gelassen wurden (h). ‘ Setzte SPALLAnzAnı Wasserfrösche während ihrer Begattung in eine Eisgrube, so sondcrten sie sich sogleich von einander ab, und fielen in eine Betäubung. Brachte er aber diese Thiere nach sein Paar Tagen wieder in warme Luft, so erhohlten sie sich sogleich von ihrer Betäubung, und begatteten sich alsdann aufs neue, Liels er sie über 10 Tage in der Eisgrube, so nahmen sie zwar ihre Begattung wieder vor; aber merk- würdig war es, dafs alsdann die Eyer ihre Ent- wickelungsfähigkeit verlohren hatten, hingegen nicht der männliche Saame seine befruchtende Kraft G). Wurden befruchtete Eyer einige Stunden hin- durch in eine Eisgrube gesetzt, so kamen sie h2 | sehr (g) S. 172. (h) S. 178. (1) S. 317. Z18. 378 men, sehr gut fort, wenn sie SPALLANZANI dann nur gleich wieder ins Wasser legte. Liels er sie aber etliche Tage hinter einander in der Käl te, so verlohren sie die Fähigkeit, belebt zu werden (k). Befruchtete Eyer, welche in die Wärme des menschlichen Bluts gebracht wurden, erlitten darin keinen Nachtheil, sondern entwickelten sich sehr geschwind (I). h Der Danipf von Schwefel, vom Lichtern, verbranntem Tuche, Papier und Tabacksblät- tern brachte in vielen Fällen den Froscheyern keinen Nachtheil (m). | ei Luft war zur Belebung dieser Eyer kein noth- wendiges Erıfordernils. Sie entwickelten sich | auch in einer, ganz mit Wasser angefüllten und zugeschmolzenen gläsernen Röhre, wenn nur der Raum, worin sie sich befanden, hinrei- chend war (n). n Unbefruchtete Eyer, die eine Viertelstunde in verdünnter Luft standen, verlohren dadurch nichts von ihrer Fähigkeit, sich zu entwickeln (0). | So (k) 5. zı8. BR (DS. 319. (m) S. 319. (n) S. 322 Fl. (0) S. 552. 353- u en So weit Spattanzants Erfahrungen über den weiblichen Zeugungsstoff der erwähnten Am- phibien. Ueber die befruchtende Kraft des männ- lichen Saamens machte er folgende Beobach- tungen. Durch die Befruchtung der Eyer von der Erdkröte mit rothen Augen und warzigem Rük- ken mit solchem Saamen, welcher keine Saamen- thiere enthielt, wurden dieselben eben so wohl ins Leben gebracht, als mit solchem, in wel. chem diese Infusionsthiere befindlich waren (p). Auch war der, aus den zerschnittenen Hoden jenes Thiers ausgeprelste Saft zur Befruchtung eben so tauglich, als derjenige, der aus den Saa- menbläschen genommen war (g). Die Eyer des Weibchens vom Wassersala- ‘ mander, die, wie schon oben bemerkt ist, noch in der Gebährmutter durch den, in das Wasser gesprützten Saamen des Männchens befruchtet werden, entwickelten sich nicht, wenn sie mit unvermischtem männlichen Saamen waren befruch- tet worden, wohl aber, wenn dieser Saamen vorher mit Wasser war verdünnt worden {r). Der (p) S. 146. (9) S. 157. () 5. 158 159. 380 nn Der männliche Saamen. der stinkenden” Erd- kröte behielt seine befruchtende Kraft noch sie- ben Stunden nach dem Tode des Thiers (s). Auch behielt der Saamen dieses Thiers noch eine Zeitlang seine befruchtende Kraft, wenn er schon aus. den Saamenbläschen herausgenommen war, und zwar desto länger, je kälter, eine desto kürzere Zeit, je wärmer die ihn-umgebende Luft war. (t), Er verhielt sich.also in diesem. Stücke ganz wie der weibliche Zeugungsstof. \Noch länger, als der in den Saamenbläschen befindliche Saamen behielt derjenige, welcher in den Hoden der stinkenden Erdkröte enthalten ist, seine befruchtende Rraft (u). Die Hoden besalsen sogar diese Kraft noch nach dem Austrocknen, so lange nur noch etwas von dem Safte in ihnen übrig war (v). . Der Saamen der KHröten blieb ferner ündd schwächt, wenn er auch mit Blut, Galle, und Urin von Kröten, Urin und Speichel von Men- schen, Wasser und Weinessig vermischt waur- de (w). | Hi | ka | Noch (8). S..162 X. (t) S. 162. (u) S. 163. ‚(v) S. 166, (w) S. 168 ff. “ I Sans N gun . 381 Noch länger, als der Saamen der Kröten, be- hielt der des grünen Wasserfrosches seine be- fruchtende Kraft ausserhalb des Körpers. Jenem aber benahm eine grolse Hitze diese Mraft eher, als dem letztern (x). Statt die Eyer, wie bey den bisherigen Ver- suchen, ganz in Saamen zu baden, bestrich Spar- LANzANI nur einen Theil derselben mit dieser Flüssigkeit. So gering aber auch die Menge des letztern war, so erfolgte doch die Befruchtung eben so gut, als wenn die Kügelchen ganz mit Saamen wären benetzt worden (y). Sogar wenn SPALLANZANI ein mit Saamen benetztes Ey mit zwey andern Eyern, die nicht mit jener Flüssigkeit befeuchtet waren, in Berüh- rung brachte, so wurden oft durch diese Berüh- rung auch die letztern befruchtet (z). Noch mehr! Mit den feinen Spitzen sehr zarter Zangen zog SpaLLanzanı den Schleim von mehrern Eyern ab. Als er hierdurch einen Schleimfaden von etwa einem Zoll erhalten hatte, hielt er denselben wagerecht angespannt, und be. rührie das eine Ende mit der Spitze einer in Saa- men eingetauchten Nadel. Der Erfolg war, dafs oft (x) S. 178 (y) S. 179 E. (z) S. 180. - AS z 382 gemumıme oft die Eyer verdarben, oft aber auch sich ent- wickelten (a). Diesem Versuche ist aber auch der folgende ähn- lich. Spartanzanı schüttete in eine Glasröhre, die an dem einen Ende zugeschmolzen war, und eine perpendikuläre Stellung hatte, ohngefähr 50 Eyer. Auf diese legte er eine, etwa einen Zoll dicke Schleimmasse, die er von andern derglei- chen Kügelchen genommen hatte, und liefs dar- auf einen kleinen Tropfen Saamen fallen, Nach- dem sich derselbe verzogen hatte, legte er die Eyer ins Wasser. War nun der Saamentropfen nicht zu klein gewesen, so wurden fast alle Eyer belebt, sonst aber entwickelten sich nur wenige, Nahm SraLranzanı statt des Schleims Eyweils, so erfolgte keine Befruchtung (b). Drey Gran Froschsaamen, die mit PER Pfunde Wasser vermischt waren, hatten von ih. rer befruchtenden Kraft noch nichts verlohren. Wurde aber die Menge des Wassers über ı8 Un- zen vermehrt, so nahm die befruchtende Kraft des Saamens allerdings ab. Doch entwickelten sich noch immer einige Eyer, wenn auch die Meng£& des Wassers 22 Pfund gegen 5 Gran Saa- menfeuchtigkeit betrug (c). | Wur- (a) S. 191. 182. f (b) S. 182. (ce) S. 186. m——— 383 Wurde in eine Mischung von 5 Gran Frosch. saamen und 18 Unzen Wasser eine Nadelspitze getaucht, und mit diesem nur an Einem Punkte, der kaum „3 Linie betrug, ein Ey berührt, so entwickelte sich dieses in vielen Fällen doch eben so geschwind, als wenn es in unvermischten $aa- men ganz wäre eingetaucht worden (d), n Von 50 verschiedenen Haufen Eyern, welche nach einander in eine Mischung aus 3 Gran Froschsaamen und ı Pfund Wasser eingetaucht waren, entwickelten sich die zuletzt eingetauch- ten eben so schnell, als die, welche zuerst her- eingebracht waren (e). Es hatte keinen Einfluls auf die Befruchtung, ob die Eyer in jenem, mit Saamen vermischtem Wasser eine lange oder kurze Zeit lagen (f), Die befruchtende Kraft hielt sich in dem mit Wasser vermischtem Saamen länger, als in dem unvermischten (g). Mit Saamen vermischtes Wasser verliehrt durch Abrauchen seine befruchtende Kraft, Ver fährt man auf eben die Art mit unvermischtem Saamen, so behält dieser länger jene Kraft (h), Ge- (d) S. 197. (e) S. 188. (HD S. 188. (g) 3. 189: (h)- S. 331. 384 \ De en Getrockneter ‚und wieder angefeuchteter Saa- men war zur Befruchtung untauglich (i). Besaamtes Wasser, das eine Viertelstunde in verdünnter Luft gestanden hatte, war noch zur Befruchtung tauglich. Hatte es aber eine halbe Stunde darin gestanden, so schien es von seiner befruchtenden Kraft verlohren zu haben (k). . Eyer, die mit einer bis zu 350° Reavm. er- wärmten Mischung aus ı Unze Wasser, und 2 Gran Froschsaamen befeuchtet waren, krochen 10. Stunden früher aus, als solche, die mit dersel‘ ben, aber vorher abgekühlten Mischung ange- feuchtet waren (l). | Zu grolse Kälte und zu grolse Hitze waren aber der Kraft des Saamens nachtheilig (m). Besaamtes Wasser, mit einer mälsigen Quan- tität Indigo, Molken, einer schwachen . Safran Infusion, Oliven- und KNufsöhl vermischt, be- hielt seine befruchtende Kraft. Milch benahm ihm einen Theil derselben. Durch Branntewein, Küchensalz, Dinte, Grap- Tinktur, verschiedene Arten von Rauch, z.B. von angezündetem Pa- pier, ‘Taback und einem Lichte, durch starkes Schüt- (1) S. 333. 354. (k) S. 332. 335. Ar (1)-5. 221. j (m) 8. 335. 350. Bremsen m Kan, 385 Schüfteln, und- durch Filtriren wurde: sie ganz zerstöhrt (n). Prelste SpaLLanzanı das Papier, das er zum Durchseihen des Saamens gebraucht hatte, im Wasser aus, so liessen sich :mit: diesem Wasser die Eyer befruchten (o). Befruchtete und nachher elektrisirte Eyer ent- wickelten sich früher, als solche, welche nicht waren elektrisirt: worden (p). Um zu erfahren, ob auch andere Snbstan- zen ausser dem männlichen Saamen zur Befruch-. tung tauglich seyen, setzte SFALLANZANI unbe- fruchtete Eyer der Elektricität aus, und’ tanchte sie in Blut, Galle, in den milchichten Saft, den die Salamander von sich geben, wenn sie ge- reitzt werden, ‚in Limonien - und Citronensaft, und in verschiedene andere saure und laugen- hafte Flüssigkeiten, aber ohne Erfolg. Nur der Urin männlicher Frösche brachte einige male die Eyer zum Leben. Doch gesteht SpaLtanzanı, dafs er sich nicht ganz auf diesen Versuch ver- lassen konnte, weil er ungewils blieb, ob nicht etwas Saamen mit dem Urin vermischt gewe- sen sey (g). Hier. (n) S. 357 f. ; (0) S. 342. - 2 (p) $. 237. N (q) 5. 238 8. 338 E. 11. Ba. Bb 386 | KUREN Hier ist eine Reihe fragmentarischer Beobach- tungen, die zum Theil vielleicht immer Bruch- stücke bleiben werden, und zum Theil erst in der Folge sich an analoge Thhatsachen werden an- reihen lassen. Aus einigen derselben lassen sich indels hier schon Folgerungen ziehen, und die- se sind SraLLanzanıs Erfahrungen über das Vermögen des männlichen Saamens durch ein langes Medium von Schleim, nicht aber durch ein Medium von Eyweils, seine befruchtende Kraft, zu äussern, Läflst sich hieraus nicht schliessen, dafs der männliche Saamen nicht durch seine ponderabeln Bestandtheile, sondern durch eine, diesen beywohnende Kraft, welche, gleich der Elektricität und dem Magnetismus , ihre Con- dnuktoren und Isolatoren hat, seine befruchtende Wirkungen äussert? Zwar will SPALLANZANI (r) unter dem Microscop in jenem Schleim Poren entdeckt haben, wodurch seiner Meinung nach der Saamen bis zum Mittelpunkte der Eyer ge- langet. Allein gesetzt, solche Canäle existirten, so bleibt es doch unbegreiflich, wie ein kleiner Tropfen Saamens durch eine zolldicke Schleim- masse und durch 50 über einander gelegte Eyer bis zum untersten Eye durchdringen sollte. Unsere Meinung hat dagegen das Vermögen des Saamens, einer an Gewichte 2880 mal grö- | | [sern (r) A. a. 0. S. 205. — 387 fsern Menge Wassers (s) seine befruchtende Kraft ungeschwächt mitzutheilen, und die Analogie der Pflanzen für sich. Nach Hepwıs’s und SCHRANK’S (t) microscopischen Untersuchungen nehmlich finden sich zwar bey einigen Gewächsen in der Narbe der weiblichen Geschlechtstheile hohle Canäle; diese aber endigen sich in einem festen, - gelben, knorpelartigen Rörper, der durch den gan- zen Griffel bis zur Nabelschnur der Saamenkörner geht, und zur Fortleitung einer Feuchtigkeit ganz untauglich zu seyn scheint. Da nun der Saft des Blumenstaubs nicht anders als durch jenen Körper auf den weiblichen Zeugungsstof wirken kann, und da nach KöLrEUTER’S Beobachtungen eine so äusserst geringe Quantität dieses Safts zur Befruchtung hinreichend ist, so findet wahr- scheinlich bey den Pflanzen keine unmittelbare Action des männlichen Saamens auf den weibli- chen statt. Diese Gründe würden noch mehr an Gewicht gewinnen, wenn sich zeigen liesse, dals auch bey denjenigen Organismen, bey welchen die Be- fruchtung innerhalb dem Körper der Mutter ge- ; schieht, (s) Nehmlich 3 Gran Saamen auf ı8 Unzen (= 8640 Gran) Wasser gerechnet, (t) Briefe naturhist. physikal. und oekonom, Inhalts an Nav. $.45 £, Bba schieht, der männliche Zeugungsstof zu dem weiblichen nicht unmittelbar gelanget, oder ge- langen kann, Ehe wir uns aber auf die Unter- suchung dieses Gegenstandes einlassen, ist es nö- thig, einige Sätze aus der Lehre von der Begat- ,. tung vorauszuschicken. Der erste dieser Sätze ist: Dafs die Aus- leerung des weiblichen Zeugungsstoffs aus den .Eyerstöcken ohne Zuthun des männlichen Saamens blos durch die -Wollust bey der Begattung bewirkt wird. | / Von den Vögeln erhellet dies schon aus der bekannten Erfahrung, dals weibliche Thiere der. Art nach dem blolsen Ritzeln des Rückens Wind- eyer legen. Harvey (u) sahe sogar dasselbe bey einem Casuar nach dem Anblicke der Begattung zweyer Straulse erfolgen, Von den Säugthieren ist dieser Satz durch Haıstaon’s Versuche gleich- falls erwiesen. KHaninchen, denen die Mmutter- trompete der einen Seite durchschnitten wurde, hatten nach einer: fruchtbaren Begattung an bey- den Seiten Zeichen von ausgeleertem weiblichen Saamen, aber nur an der unverletzten Seite Früchte. Der Canal der verletzten. Muttertrom- pete (u) Exerc, de generat, animal. 5. a een me a er a _ pete fand sich an dem Orte der Durchschneidung völlig verschlossen (v). | Wahrscheinlich ist es ferner: Dafs diese Ausleerung nicht während der Begat- tung, sondern erst einige Zeit nach- her geschieht, Bey einem Schaafe fanden Harrer und Run- LEMANN 45 Minuten nach der Begattung noch nichts weiter, als ein angeschwollenes Bläschen mit einem rothen Mittelpunkte. Bey einem an» dern Thiere der Art war ein solches Bläschen erst‘ anderthalb, und bey einem dritten drey Stunden nach der Begattung im Begriffe zu ber. sten (w). Bey HaıstHon’s Versuchen an Kanin- chen fanden sich die Bläschen der Eyerstöcke gar erst 48 Stunden nach der Begattung hervor: ragend und dem Platzen nahe (x). Ausgemacht ist es drittens: Dals die Mut tertrompeten sich den Eyerstöcken n hern, den ausgeleerten Zeugungsstoff der letztern mit ihren Franzen aufneh- men, und zur Gebährmutter führen. | Diese (v) Reır’s Archiv f. d, Physiologie. B.IIT, Sta, $, 3. f. Es (w) Harzer EL Phys, T. VII. L,XXIX. Sr. $.25. p.29: (x) A. a. O. 5,69 Bbz 390 | Diese Bewegung der Muttertrompeten leidet nach den vielen Beobachtungen, welche Har- LER (y) gesammelt hat, und denen man noch die von CrviksHnank (zZ) gemachten beyfügen kann, keinen Zweifel mehr. Die von mehrern ältern Schriftstellern (a) zum Beweise des Gegen- theils vorgebrachten Erfahrungen sind zur Ent- kräftung der erstern, ungleich zahlreichern nicht hinreichend, und lassen sich. auch, wie wir gleich sehen werden, mit diesen sehr gut ver- einigen. Endlich viertens ist es ausgemacht: Dafs jene Bewegung der Muttertrompeten, so wie die Anusleerung des weiblichen Zeugungsstoffs, nicht während der Be- gattung, sondern erst einige Zeit nach diesem Akt geschieht, | HaıstHon (b) traf die Franzen der Mutter- irompeten bey einem Kaninchen einige Minuten nach (y) BoerwAAvE prael. acad. Vol.IV. P. If.. $. 658. not. 19..20:*). Harrzen El, Phys“/T, VII L.XXIX, 81, $. 14. pP: 27. (z) Reır’s Archiv f. d. Physiol. B. II. St. 1. 8.76. - . Vers. ı. (a) BorrmAAve prael. acad. Vol.IV. P.II. $.658. not. 21. P.72. .670. not.2. $.67ı. not.ı. HAızerEl. Phys, T. VII. L.XXIX. S. 1. $,14. p.2$. | | (b) A. a. ©. 8.57. nn 391 nach der Begattung noch in ihrer natürlichen Lage an. Bey einem Thiere von eben der Art sahe DE:GrAAF die Franzen der Muttertrompeten sich 2o Stunden nach der Beywohnung den Eyerstöcken nähern. Bey Hatzen fanden SchHv- RıG und: Lange die Fallopischen Röhren am er- sten und zweyten Tage noch von den Eyerstök- . ken entfernt, und erst am dritten Tage mit die- sen in Berührung. Bey einer jungen Ruh sahe Deswıs jene Näherung erst gegen den sechsten Tag erfolgen (c). Hieraus würden sich nun die obigen Beob- achtungen erklären lassen, wo die Muttertrompe- ten nach der Begattung in ihrer gewöhnlichen Lage geblieben waren, und zugleich würden die- se hierdurch ihre Beweiskraft verliehren, wenn nicht Harzer (d) die zuletzt angeführten Er- fahrungen in Zweifel gezogen hätte. Er hält es für natürlicher, dafs die Muttertrompeten wäh- rend der Begattung. in Bewegung gesetzt wer- den, als dafs sie sich erst nachher, wenn keine bewegende Kraft mehr vorhanden ist, zu den Eyerstöcken begeben, und er führt zum Beweise seiner Meinung das Beyspiel der Vögel an, de- ren (c) BorrHAAvE prael. acad. Vol. IV. P. I. $. 658 not. 20. re (da) El. Phys. T. VII. L. XXIX. 8.1. $. 14. p.29. A Bb4 PP 392 unsre ren Weibchen Eyer legen, wenn ihnen blos der Rücken gekitzelt wird. Hic enim, 'sagt er, so- lus stimulus sentientium oviductuum et ovariis. £05 adlmovet, et ova per eosdem in cloacam du- eit. Gegen diese Einwürfe haben wir indels Fol- gendes zu bemerken: Was natürlich (simplex) und nicht natürlich ist, läfst sich. selten bestim- men, und am wenigsten bey cinem Gegenstande, der in ein so tiefes Dunkel gehüllt ist, wie die Erzeugung. Dals die Bewegung der "Mütter- trompeten zu den Eyerstöcken Wirkung des ©r- gasmus bey der Begattung ist, beweiset das Bey- spiel der Vögel freylich; aber es beweiset nicht, dals es eine unmittelbare Wirkung desselben. ist. Endlich würde sich durch eben die Argumente, deren sich Harrer bedient, auch beweisen las. sen, dafs sich der Zeugungsstoff der Eyerstöcke schon während der Begattung ergielsen mülste, Da aber dieser Satz -mit.so vielen Erfahrungen im Widerspruche steht, so sind wir auch berech- tigt, an der Richtigkeit jener Argumente zu zwei» feln, und wir haben hierzu um so mehr Grund, da es höchst wahrscheinlich ist, dafs die Ergies- sung des weiblichen Zeugungsstoffs ans den Ey- erstöcken und die Bewegung der Muttertrompe- ten zu diesen Organen durch einerley Ursache bewirkt werden, und also auch zu einerley Zeit geschehen. BT Aus ne ee % gan 393 Aus den angeführten Thatsachen folgt, dals, wenn eine Vermischung des männlichen und weiblichen Saamens auch bey denjenigen Thie- ren, wo die Befruchtung innerhalb dem; Körper der Mutter geschieht, zur- Erzeugung nothwen- dig ist, diese erst entweder in den Muttertrom- peten, oder in der Gebährmutter vorgehen kann, Es frägt sich also: Ob der männliche Saamen - bey der Begattung in die Muttertrompeten, oder wenigstens in den Uterus gelanget? Harvery’s (e) Beobachtungen sprechen nicht dafür. Nie traf er bey einer Menge weiblicher Thiere, die er gleich nach der Begattung öffnete, einen Trop- fen männlichen Saamens in dem Uterus an. Eben so wenig fand ihn ReEGNIER DE GRAArF (f), Harrer (g) fand ihn ein einziges mal 45:.Minu- ten nach der Begattung in der Gebährmutter;z in mehrern andern Fällen fand er ihn ebenfalls nicht. Hingegen sahe ihn VErRHEYEN (h) in dem Uterus einer Kuh, LEEUWENHOoER (i) in dem. Uterus und dessen Hörnern bey Kaninchen, und Ruvysca (k). in dem Uterus und zugleich in den Muttertrompeten zweyer Weiber, Yerbhkee WER SE | Hier .(e) Exerc. de gen. anim. 48. 66. 67. (f): Opp. omn. p,305. g) El. phys. T.VIII. L.XXIX. S.I. $.11._p.ıg. 22. (lı) Corp. human, Anat. P.II. p. 314. « (1) Anat. p. 166, 170. ı7ı. (k) Thes, anat, VI. p.ı3. n.21. Advers.I. n.ı. T.2. £3. BD 394 I Hier kämpfen also Erfahrungen gegen Erfah- rungen, Auf den ersten Anblick scheinet das Uebergewicht auf Seiten der letztern, indem den erstern der Einwurf im Wege steht, dafs die Begattung in den beobachteten Fällen vielleicht unfruchtbar gewesen seyn würde, wenn die Thie- re am Leben geblieben wären. Allein untersucht man. die letziern Beobachtungen genauer, so wird man sehr bald finden, dafs; keine derselben mit hinlänglicher. Genauigkeit angestellt ist, um den Zweifel zu heben, ob die in den Mutter- trompeten oder im Uterus gefundene Feuchtig- keit auch wirklich männlicher Saamen war, VERHEYEN versichert blos, in dem Uterus der Kuh, die er nach der Begattung öffnete, eine beträchtliche Menge eines, dem männlichen Saamen dem Augenscheine nach gleichen Saftes angetroffen zu haben. In propria cavitate uteri, dies sind seine eigenen Worte, inveniebam notabi- lem quantitatem seminis, nempe humorem illi, quem alias ex tauri vesiculis seminalibus expres- seram, ad oculum plane similem. Aber der blo- .fse Augenschein kann hier nichts entscheiden. Die Erfahrung lehrt, dafs die Absonderung des Schleims in den äussern Geburtstheilen und der Mutterscheide bey der Begattung sehr vermehrt wird. Bey Organen von so engem Consensus, wie diese Theile und der Uterus sind, kann aber keines n en TEE keines Veränderungen erleiden, ohne dafs auch die übrigen daran Theil nehmen, nnd aller Wahr- scheinlichkeit nach findet daher auch in der Ge- bährmutter eine vermehrte Schleimabsonderung bey der Begattung statt. Ob nun jene Flüssig- keit, welche Verneren in dem obigen Falle an- traf, nur dieser Schleim, oder männlicher Saa- men war, darüber konnte nicht das Auge ur- theilen, sondern dies hätte sich nur durch che- mische Versuche entscheiden lassen. Noch weniger Beweiskraft haben LERUWEN- HOER’S Beobachtungen. Blos die Saamenthier- chen, die er in der Flüssigkeit des Uterus antraf, scheinen ihn veranlalst zu haben, diese für männ- | lichen Saamen zu halten. Aber ähnliche Thiere sahen Burrow, D’Augenton und NEEDHAMm auch in dem Safte der weiblichen Eyerstöcke (1). Ruysch scheint selber zweifelhaft gewesen zu seyn, ob die Flüssigkeit, die er in der Gebähr- mutter und den Fallopischen Röhren antraf, wirk- lich männlicher Saamen war, wenn er sagt: Ca- vitas autem (uteri) referta erat semine albo et bene cocto,. aut saltem substantia, quae semini virili ad colorem et visum simi- lis erat. Utraque tuba eodem liquore quoque referta erat (m). Noch zweifelbafter aber wird dies (1) Hist. nat. T.I. c.6. (m) Thes, anat. 1. c, j 396 | un, dies durch einen Fall in seinen anatomisch - chi- rurgischen Beobachtungen, wo er auch in dem Cadaver einer Wassersuchtigen die Muttertrompe- ten mit einer, dem männlichen Saamen ähnlichen Materie angefüllt fand (n), und durch gleiche, von BARTHoLIn (0) und Sanrtorını (p) an Wöch- nerinnen gemachte Erfahrnngen. Auch in den weiblichen Geburtstheilen werden also gewils Flüssigkeiten erzeugt, deren Unterscheidung von dem männlichen Saamen sehr schwer hält, und ich sehe daher nicht ein, wie Harrer (g) sagen kann: Rnuyschinm semen a muco non distinxisse dura est. suspicio, Noch weniger aber begreife ich, wie eben dieser Schriftsteller noch eine Menge anderer Aerz- te, z.B. Farrorıa und Poster, als Gewährsmän- ner für die Gegenwart des männlichen Saamens in dem Uterus und den Muttertrompeten anfüh- ren kann (r). Farrorıa (s) spricht in der Stel- le, worauf Harrer sich beruft, blos von einem: weiblichen Saamen, den er in den Mutter- trom- (n) F. Ruyscaır obs. anat. chirurg. XLV. p.6o. (0) Anat. p. 259. (p) Istoria d’un feto etc. C.XI. n.ı$. (g) El. Phys. T.VII. L,.XXIX. S.T. $. 11. p. 21." (r) BoERHAAVvE prael. acad. Vol. IV. $. 672. P- 101, nöt.6. Haızer El. Phys. lc. p.ı1$. (s) Opp: omn. T,I. p.ı06. l —— 397 : trompeten gefunden haben will, statt dafs seine Vorgänger diesen in den Eyerstöcken ‘suchten, und PosTEu (t) erzählt ‘weiter nichts, als einen Fall von einem mit der Nymphomanie behafteten y “ Weibe, deren Eyerstöcke und Muttertrompeten voll von einer Flüssigkeit waren, die er ebenfalls für weiblichen Saamen hält, und für welche, seiner Meinung nach, die Eyerstöcke und Mutter- trompeten eben das sind, was die Hoden und Nebenhoden für den männlichen Saamen. Gegen alle, für den Zutritt des männlichen Saamens zum Uterus, oder zu den Muttertrom- peten sprechende Beobachtungen lassen sich folg- lich so viele Einwendungen machen, dals keine derselben für beweisend gelten kann. Und ge- setzt auch, die Flüssigkeit, die man in der Ge- bährmutter oder in den Fallopischen Röhren fand, wäre wirklich männlicher Saamen gewesen, so könnte doch in den von Harvey, DE GRAAF und HALLER gemachten Beobachtungen, wo diese Flüs- sigkeit nicht bis zu jenen Theilen gelangt war, die Begattung vielleicht eben so fruchtbar gewe- sen seyn, als wenn das Gegentheil‘ statt gefun- den hätte. Von dieser Seite ist folglich keine Beantwor- tung der Frage, ob bey den Säugthieren eine x . Vermi- (t) Barre Nouvelles de la Republique des lettres. Mars. 1686. p. 173» 398 mann Vermischung des männlichen und weiblichen Saa- mens zu einer hacktbandn Begattung nöthig. ist? möglich. Eben so wenig entscheidend sind die von Einigen für die negative Beantwortung die- ser Frage angeführten Fälle von ungewöhnlich kurzen, oder nicht vorne, sondern hinten perfo- rirten, und dennoch zur Zeugung fähigen männ- lichen Gliedern (u), so wie die Beobachtungen von Schwängerungen ohne Einlassung des männ- lichen Gliedes, oder, ohne Zerreissung des Hy- mens (v). So lange die schon von HALLER ange- führte, und durch die Beobachtungen von Na- deln, die in der Gebährmutter gefunden wurden, unterstützte Möglichkeit eines Einsaugungsver- mö- (u) Loper’s Journal f. d. Chirurgie. B.ı, St. 4, S. 675. HARTEnNkEIL’'s med. chirurg. Ztg. 1792. DB. 4. S. 525. Merzcer’s verm. med. Schriften. B.ı. $.19%. SCHWEICKHARD in HvrerAno’s Journal der prakti® schen Arzneykunde. B.XVI. St. ı. m Harzer El. phys. T.VIM. L. XXIX. ST. %ırn p- 20. Bacen’s Versuch eines neuen Lehrbuchs der prakt. Geburtshülie. B.2. $.117. Rıchrer’s chirurg. | Bibl. B. VI. S.742. Warter’s Betrachtungen über die Geburtstheile des weibl. Geschlechts. $.ı3. Prr’s Aufs. und Beobacht. aus der gericht. Arzneywissen- schaft. B. VIII. St. =! N. 4. Osıanvpen’s Denkwürs» digkeiten für die Heilkunde u. s. w. B.2. S.ı f. Josernr über die Schwangerschaft ausserhalb der Ge- bäihrmutter etc. $,ı9. . gern 399 mögens des Uterus (w), unwiderlegt ist, läfst sich auf jene Fälle keine verneinende Beantwor- tung. der obigen Fragen bauen. Ferner sind die schon verschiedentlich erwähnten HaıgTHonschen Versuche (x) nichts weniger, als entscheidend. Sie beweisen blos, dafs der Zutritt des männli- chen Saamens zu den Eyerstöcken unnöthig zur Ausleerung des weiblichen Zeugungsstoffs ist, nicht aber, dafs dieser ohne unmittelbare Einwir- kung des erstern befruchtet werden kann, “m Auf der andern Seite aber entscheidet auch die von Cowrer und HALLERr’n angeführte That- sache, dafs das Opossum für eine doppelte Mut- terscheide, so wie die Familie der eyerlegenden Thiere (die Fische und einige Amphibien ausge- nommen). für einen doppelten Uterus auch eine doppelte männliche Ruthe hat (y), oder dals die Gröfse der männlichen Ruthe mit der Capacität der Scheide bey allen Thieren in Verhältnifs steht (z), nichts für die gegenseitige Meinung. Der Endzweck beyder Einrichtungen kann blos - die Vermehrung der Wollust bey der Befriedi- gung des Geschlechtstriebs seyn, und dafs dies wirk- (w) BorRHAAvE prael. acad. Vol.IV. P.IT. $.673. not. 6. p. 103. (x) Reır’s Archiv f. d, Physiol. B. II. St. 1, S.3ı £. ‘.(y) BorrHAAve prael. |]. c. (z) Haızer El. phys. l.c. p.22, 400 mama - wirklich so ist, erhält sehr viele Wahrscheinlich- keit, wenn der Hauptsitz der Wollust, wie Har.- LER selber bemerkt (a), der Muttermund ist. Ein. wichtiger Entscheidungsgrund würden hier Fälle seyn, wo, bey einer völlig verschlosse- nen Muttertrompete, eine Frucht ausserhalb der Gebährmutter auf der Seite dieser Fallopischen Röhre gefunden wäre. :- Versuche hierüber aber sind schwer, und bisher auch noch von Nieman-: den, ausser von GRASMEYER’'n (b), angestellt, aus ‘dessen Beobachtungen sich indels wenig schlies- sen läfst. Zufällige, und zugleich sichere Erfah- rungen der Art sind meines Wissens noch nie gemacht worden, und für den entschlossenen Skeptiker bliebe bey diesen immer noch ein Aus- weg offen, wenn er annähme, dals die Verschlies- sung der Muttertrompeten erst nach der Em- pfängnils entstanden wäre, Eben dieses Einwurfs bedient sich HALLER (c), um die Fälle von Con- : ceptionen bey werschlossener Mutterscheide oder 'verwachsenem Muttermunde zu schwächen, . In- zwischen findet man bey den Schaafen. den .in- nern Muttermund durch Knorpel und durch Schleim fast ganz verschlossen (d), und dieser | Um- Ca) lecHp. 24, (b) De conceptione et foecunditate hum, p- 48: Ce): .l..c. ‚p- 22. | x (d) Kunzemann obsery, circa negotium generat, P. 7. Umstand ist allerdings ein wichtiger Gegengrund | gegen den unmittelbaren Einflufs des männlichen Saamens auf den weiblichen Zeugungsstoff, in- dem« biergegen jener Harrersche Einwurf weg- fällt. Auch sind gerade bey dem Opossum, das von Harrer’n und andern für diesen unmittelba- ren Einflufs angeführt ist, und dem Känguruh (Jaculus giganteus) die beyden Canäle der Mut- terscheide, die dem doppelten Zeugungsgliede des Männchen entsprechen, so gekrümmt und auf eine solche Art mit dem Grunde der Gebährmut- ter verbunden, dafs der männliche Saamen auf keine Weise zu den Eyerstöcken gelangen kann (e). "Ferner spricht die Analogie der übrigen Thier- classen, bey welchen die Befruchtung 'ebenfalls, wie bey den Säugthieren, innerhalb dem Kör- per der Mutter geschieht, für die Meinung, dafs die Wirkung des männlichen Saamens auf den weiblichen bey der Befruchtung eine mittelbare ist. Sie ist ohne Zweifel mittelbar bey den Vö. geln, welche Wochen lang nach einer einzigen Begattung fruchtbare Eyer legen. Nehmen wir hierzu nun auch die Gründe, die uns oben Spar. LANZANI’S Versuche an Amphibien, so wie Hep- wıG’s und Scaranx’s Beobachtungen über die Struktur der weiblichen Geschlechtsorgane bey den Pflanzen für jene Meinung lieferten, so ist ea | es +(e) Biol. Bd.ı. $. 914. III. Da, ıC6 302 — es allerdings sehr wahrscheinlich, dals der. männliche Saamen seinen Einfluls auf den weiblichen Zeugungsstoff nicht durch seine ponderabeln Bestandtheile, sondern durch eine diesen b&ywohnen- de Kraft äussert, welche durch gewi= se Körper fortgeleitet und durch ande- re aufgehalten wird, Mehrere von den Gründen übrigens, wel- che uns bestimmt haben, eine mittelbare Ein- wirkung des männlichen Saamens auf den weib- lichen anzunehmen, veranlalsten auch schon ähn- liche Ideen bey andern Naturforscherın. In der Erklärung jener mittelbaren Einwirkung wichen aber diese ganz von uns ab. In ältern Zeiten nahm man hierzu einen befruchtenden Dunst des männlichen Saamens (aura seminalis) an (f). Neuere setzten an die Stelle desselben eine Ein- saugung des männlichen Zeugungsstoffs durch . die Saugadern der Mutterscheide, und Absetzung. desselben in den Eyerstöcken (g). Die erstere Meinung aber ist durch SPALLANZANIS Versuche | wider- : 1} IN (f) Boermaave prael. 1. c. not.ı4. p.ı08. Parsons philos. observat. C.ı. Kunremann 1. c. p.32. (g) Grasmexen 1. c. Betrachtungen über die Schwän- gerung und über die verschiedenen Systeme der Eur zeugung. Aus dem Engl. übersetzt von MıcHARLIs.. Zittau u, Leipzig. 1791. . \ a —' 403 widerlegt. Dieser schüttete in ein Uhrglas ohn- gefähr ıı Gran männlichen Saamens aus verschie- denen stinkenden Erdkröten, und in ein anderes etwas kleineres Uhrglas 26 Eyer, die wegen der Rlebrigkeit ihres Schleims an dem innern hohlen Theile des Glases hängen blieben. Dieses klei- nere Glas setzte er wie einen Deckel mit seiner Höhlung auf das erstere, und liefs beyde in die- ser Lage bey einer Temperatur von 1g° Reaum, 5 Stunden hindurch stehen. Nach Verlauf die- ser Zeit waren die Eyer von einem. Theile des verdünsteten Saamens ganz fencht geworden. Dessen ohngeachtet aber entwickelte sich keines derselben (h). Der Erfolg war derselbe, als die Gläser einer grölsern Wärme von 25° ausgesetzt wurden - (ij). Befeuchtete hierauf SpaLLanzanı verschiedene Eyer mit dem in dem untern Glase zurückgebliebenen Saamen, so kamen diese ins- gesammt zum Leben (k). Diese Versuche wur- den noch auf verschiedene Art von SPALLANZANI abgeändert, Aber das Resultat war immer einer- ley mit dem der vorigen. Gegen die letztere Meinung, die doch im Grunde auf eine unmit- . telbare Wirkung des männlichen Saamens hin- aus- (h) Sparzanzanıs Vers. über die Erzeugung, Abthlg. 2. 8.206. 227. (i) Ebendas. $.227. 228. (k) Ebendas. $.228. Ce» 404 wenn am ausläuft, streiten SranLanzanı’s Beobachtungen über das Vermögen dieser Flüssigkeit durch ein langes Medium von Schleim, wodurch, wie schon bemerkt ist, schwerlich eine Fortleitung der ponderablen Bestandtheile derselben statt fin. den kann, ihre befruchtende Wirkung zu äus- sern,. und zugleich mehrere, theils schon ange- führte, theils noch in der Folge aufzuzählende Thatsachen, die sich ganz an unsere Meinung, nicht aber an die Grasmerersche Hypothese an- schliessen. Eine solche Thatsache ist die im zweyten Bu- che untersuchte Antipathie und Sympathie der le- benden Organismen, woraus wir eine dynamische Einwirkung der lebenden Körper auf andere fol- gerten (l). Eine solche Thatsache ist ferner die Copulation der Conferven, die uns im dritten Ra- pitel des gegenwärtigen Abschnitts auf den nehm- lichen Schlufs führte. Von ähnlicher Art ist nun auch der Einfluls, den, unserer Meinung von der Empfängnils gemäls, der. männliche Zeu- gungsstoff auf den weiblichen äussert. Zugleich aber glauben wir auch annehmen zu müssen, dafs dieser Einfluls nur bey denjenigen Organis- men, bey welchen die Befruchtung ausserhalb dem Körper der Mutter geschieht, unmittelbar auf den weiblichen Zeugungsstoff gerichtet, hin- ‚gegen ° 'Ü) Biol; Bd.2. S. 455. %4. ER —-_ 1 gegen bey den übrigen, und besonders den Säug- thieren, mittelbar, durch eine zuvor im Körper der Mutter erregte Veränderung, auf den letz- tern wirksam ist, und folgende Gründe sind es # worauf sich diese ne stützt. + Es giebt Rrankheiten, die nur durch einen, in lebenden Körpern erzeugten Stoff hervorge- bracht und fortgepflanzt werden, z.B. die Pok- ken, ‘die Masern, die Pest, die Lustseuche, die Hundswuth u. s. w. Die ansteckenden Stoffe, die sich in diesen Ersnsheiten entwickeln, lassen sich einigen Ma- ‚terien mittheilen, durch andere aber: auch zer- stöhren. liben so verhält es sich mit dem männ- lichen Saamen, und merkwürdig ist es, dafs die- se Materien zum Theil dieselben für den letztern, wie für jene Gifte, sind. So theilt der Saamen dem Wasser seine befruchtende Kraft mit, und in einer gewissen Quantität dieser Flüssigkeit er- hält sich auch die ansteckende Kraft der Kuh- pocken - und Blatternmaterie. Hingegen werden beyde durch den Rauch brennender Substanzen vernichtet. Die ersten Wirkungen der Ansteckung des Blatterngifts sind: Blässe, Schauer, Ekel, Er- brechen, vage Schmerzen, Niedergeschlagenheit und Fieberregungen. Achnliche Symptome äus- Cc3 sera i 406 N un P7 sern sich auch bey dem Weibe nach erfolgter Befruchtung. | Ä Die letzte Wirkung der Ansteckung ist eine gewisse Art von Afterorganisationen, so genannte Exantheme, in deren Mitte sich eine Blase er- zeugt. Diese füllt sich, indem sie grölser wird, mit einer eiterartigen Flüssigkeit, und öffnet sich endlich, nachdem sie eine gewisse Gröfse er- reicht hat. Die ausgeleerte Materie ist dann das. Vehikel des ansteckenden Giftes. Die innere Höhlung der Blase aber füllt sich mit neu er- zeugtem Fleische wieder aus. Eben so entsteht bey den Säugtlieren nach der Empfängnils auf 'den weiblichen Eyerstöcken eine oberflächige Ent- zündung, und in deren Mitte eine Blase, wel- che sich öffnet-und sich des in ihr enthaltenen Zeugungsstoffs entledigt, worauf die leere Höhle mit Fleischwärzchen wieder ausgefüllt wird, und anfangs das Ansehn einer Drüse, dann einer Narbe (Corpus luteum) bekömmt (m), die aus- geleerte Feuchtigkeit aber zur Ursache einer glei- chen Wirkung wird, wie diejenige war, wo- durch sie selber hervorgebracht wurde. Es darf uns übrigens nicht befremden, dafs die letzte Wirkung - derjenigen ansteckenden Materie, die wir mit dem Namen des männlichen Saamens be- zeich- (m) Harrer El, Phys. T. VIII. L. XXIX. p. 29 sq. "6,15. 16. | ———— 407 zeichnen, blos auf die Eyerstöcke beschränkt ist: denn die Afterorganisationen, welche von andern ansteckenden Giften entstehen, äussern sich ebenfalls vorzugsweise an gewissen einzel- nen Theilen, z.B. das der Lustseuche zuerst an den Leistendrüsen und am Halse, zuletzt in den Knochen. Ich glaube auch nicht, dafs die weib- lichen Zeugungstheile die einzigen Organe sind, welche Empfänglichkeit für die befruchtende Kraft des männlichen Saamens besitzen, Viel. leicht ist die Befruchtung eben sa wohl an jedem andern Orte, an welchem die Epidermis fehlt, oder doch sehr dünn ist, als in den weiblichen Geburtstheilen möglich. Zur Wirkung der ansteckenden Gifte bedarf es einer gewissen Anlage. Man sahe Menschen Jahre lang unter Pocken- und Pestkranken herum- wandeln, ohne sich eine Ansteckung zuzuziehen, dann. aber, bey einer neuen Veranlassung, plöta- lich von den Blattern und der Pest befallen wer« den. Das Nehmliche ist der Fall mit der be fruchtenden Wirkung des männlichen Saamens, Jene Anlage ist bey mehrern contagiösen Krankheiten an gewisse Jahreszeiten gebunden, und auch hierin kömmt die ansteckende Kraft derselben mit der befruchtenden Kraft- des Saa- mens überein, indem alle Thiere, ausser dem STH) RR; Men» ! 408 [|| Menschen, nur in gewissen. Jahreszeiten brün- ‚slig werden. Auffallend und nicht zu verkennen ist also die Aehnlichkeit in der Wirkungsart der anstecken- den Gifte und des männlichen Saamens, _ Nie- mand aber zweifelt, dafs die Afterorganisationen, welche durch die erstern hervorgebracht werden, Wirkungen einer allgemeinen Affektion des gan- zen Organismus sind. Warum tragen wir denn Bedenken, die Empfängnils aus einer ähnlichen Ursache abzuleiten ? | Der männliche Saamen kömmt aber auch in manchen Stücken mit andern thierischen Giften, welche ebenfalls vermittelst einer, im ganzen Organisınus bewirkten Veränderung locale Krank- heiten hervorbringen, z.B. den Schlangengiften‘, überein. ScHörr (n) erzählt, dals ein Land- mann, der bey Fredericktown in Nordamerika im Monat Julius von einer Rlapperschlange ge- bissen wurde, jährlich um dieselbe Zeit von ei- nem Fieber befallen, und zugleich über den gan- zen Körper blau und gelb gefleckt wurde. Auch schon Carver (0) führt es als eine gewöhnliche ER. Wir- (n) Reisen durch die vereinigten Staaten von Nord- amerika. Th.ı. g, 484. (0) Reisen durch die innern Gegenden von Nordame- yıka. Hamburg. 1780. $. 399. 400. — 49 Wirkung des Bisses der Klapperschlange an, dafs derselbe allenthalben auf der Haut die verschie- denen Farben der Schlangen hervorbringt, und als gewils spricht er von einer jährlichen Rück- ‘kehr der Zufälle, die zum ersten mal nach dem Bisse eintraten. Ist hier nicht etwas Aehnliches sowohl von dem Vermögen des männlichen Saa- mens, die durch den Einfluls desselben erzeugte Frucht dem Vater ähnlich zu machen, wovon weiter unten die Rede seyn wird, als von dem Vermögen mancher Vögel, Amphibien und Insek- ien, lange Zeit nach einer einmaligen Befruch- tung von neuem fruchtbare Eyer zu legen? Es giebt nur Einen erheblichen Grund, den man dieser Meinung von der Art, wie der "männliche Saamen seine befruchtende Wirkung äussert, entgegensetzen kann, Bey manchen Amphibien, den Fischen und verschiedenen Mol- lusken uehmlich geschieht doch offenbar die Be- fruchtung durch einen unmittelbaren Einflufs des männlichen Saamens auf die schon gelegien Eyer. Die Analogie, kann 'man uns einwenden, ist also auf Seiten dessen, der auch bey den | übrigen lebenden Rörpern ein unmittelbares Ein- ‘wirken jener Flüssigkeit auf den weiblichen Zeu- gungsstoff annimmt. : Dieser Einwurf fällt aber, sobald sich zeigen lälst, dafs die angeführte Analogie unrichtig ist, und dals sie dies wirk- Cc5 lich 410 ,—— lich ist, wird jeder eingestehen müssen, der er- wägt, dals der weibliche Zeugungsstoff derjeni- gen Thiere, bey welchen die Befruchtung aus- serhalb dem HKörper der Mutter geschieht, schon vor der Begattung in der Gestalt von Eyern vor- handen, hingegen bey den Säugthieren vor der Empfängnils eine blolse Flüssigkeit ist. Dort | besitzt also jener Stoff das Vermögen, sich ohne Hülfe der Begattung bis auf einen gewissen Grad zu organisiren, hier: aber bleibt derselbe ohne den Einfluls des männlichen Zeugungsstoffs eine ganz unorganische Masse. Und woher diese Ver- schiedenheit? Ohne Zweifel rührt sie von der- selben Ursache her, vermöge welcher die Thiere der niedern Classen im Stande, die Säugthiere . aber ausser Stande sind, durch eine einzige Paa- rung auf mehr als Eine Geburt fruchtbar zu wer- den. Möglich ist es, ‘dals bey den niedern Thierclassen die Befruchtung nicht sowohl zur Belebung der schon vorhandenen Eyer, die sich vielleicht auch ohnehin entwickeln würden, als vielmehr dazu dienet, um diejenigen dieser Eyer, stelle weiblichen Geschlechts sind, tüchtig zu machen, in der Folge selber wieder fruchtbare Eyer zu erzeugen. Aus diesem Gesichtspunkte wäre dann auch die Hypothese, dafs bey den Blattläusen und andern Insekten die befruchten- de Wirkung einer einzigen Begattung sich bis auf Enkelinnen, Urenkelihnen und noch spätere Gene- ratio- —— 41 rationen erstrecken kann, nicht ohne Wahrschein- lichkeit. Zugleich aber wäre dann zu vermu- then, dafs in den oben angeführten Versuchen von SpatLLanzanı manche Eyer sich eben so wohl ohne den Einflufs des männlichen Saamens, als nach geschehener Befruchtung entwickelt ha- "ben würden, und verschiedene jener Versuche verlöhren dann also ihre Beweiskraft, Wenden wir uns jetzt zu den übrigen Phä- . nomenen, welche die Erzeugung nach vorherge- gangener Befruchtung darbietet, so finden wir wieder einen neuen Beweis des schon oft von uns behaupteten Satzes, dafs ein dynamischer Zusammenhang zwischen allen Individuen der le- benden Natur statt findet. Wir sehen dann eine wunderbare Ordnung im Grolsen zwischen der ‚ Zahl der männlichen und weiblichen Individuen, eine Ordnung, die so genau bestimmt ist, dafs beyıin Menschengeschlechte im Ganzen gegen 20 Mädchen sı Knaben, oder gegen 25 Mädchen s6 Yınaben gebohren werden (p). Man wird vergeb- lich eine Erklärung dieser Thatsache aufsuchen, wenn man nicht die lebende Natur als einen dy- namischen Organismus ansieht. | Ver- 4 (p) Süssmizcm’s göttliche Ordnung in den Verän- derungen des menschl. Geschlechts, 5te Ausg. Th.2. S. 241, 412 | urn Vermöge dieses festen Verhältnisses in der Zahl der männlichen: und weiblichen Individuen, welches obne Zweifel eben so wohl: bey allen übrigen Arten der lebenden Körper, als bey dem Menschen, statt findet, bleibt sich die lebende Natur, ihres unaufhörlichen Wechsels ohngeach- tet, doch im Ganzen immer ähnlich. Hierzu kömmt noch, dafs die Einwirkung des männli- chen Zeugungsstoffs auf den weiblichen nicht blos im Allgemeinen die Thätigkeit des letztern erregt, sondern auch die Richtung dieser Thätigkeit be- stimmt, Jeder, aus der Vermischung zweyer ver- .schiedener Individuen entstandene Organismus ist sowohl dem Vater, als der Mutter ähnlich , und diese Aehnlichkeit erstreckt sich sogar auf Feh- ler der Organisation (q).,. Der Wechsel der leben- den Natur wird endlich auch dadurch in Schran- ken gehalten, dafs jeder Organismus meist nur mit einem Individuum seiner Art sich begattet, und dafs Vermischungen zwischen Thieren von verschiedener Art in den meisten Fällen unfrucht- bar sind, ovler wenigstens unfruchtbare Bastarde liefern, | Inzwischen leidet der letztere Satz doch auch manche Ausnahmen. Dafs Maulesel, so wie Ba- starde von Füchsen und Hunden nicht immer un« (g) Harzer EI. phys. T. VII. L. XXIX. 8.2. 8. p- 96. unfruchtbar sind, ist eine bekannte Sache. Ein neueres Beyspiel von einem Maulthiere, das sein Geschlecht fortgepflanzt hat, erzählt Lınk in Voısr’s Magazin für den neuesten Zustand der Naturkunde (r). Aeltere Beobachtungen der Art sind in der 6ten Ausgabe des Brumsnsachschen Handbuchs der Naturgeschichte (s) angeführt. Einen Fall von einem Bastarde, den in Schottland ein Fuchs mit einer Hündin erzeugt hatte, und welcher sein Geschlecht fortpflanzte, findet man in Voısr’s Magazin für das Neueste aus der Phy- sik und Naturgeschichte (t). DBastarde von Wöl. fen und Hündinnen sind in den Neuen Nordi schen Beyträgen (u) beschrieben. Aus der Begat- tung einer Rehkuh und eines Schaafbocks erhielt HerLenıus (v) eine Nachkommenschaft, die sich durch mehrere Generationen fortpllanzte, Frucht- barer Bastarde, die ein Bauer in Afrika von Afri- kanischen Waldschweinen (Sus Aethiopicus) und gemeinen Schweinen erhalten hatte, erwähnt SPARRMANN (w). So (r)* B.2. St.1.:5.22. (s) S.24 -) B.IX. St. 4. 8.176. Br (u) B.I. S.155. 154. (v) Neue Abh. der Schwed, Akad. B.XT. J. 1790. S. 269. Ruporrur’s Schwed. Annalen der Med. n. Nat, ‚Gesch. B.I. St.2. S, ı90. (w) Reise nach dem Vorgebirge der guten ehe 5. 352. u \ - \' 414 urn So sahe man auch Bastarde von einem Tiut. hahn und einer Henne, von einem Hahn und ei-, ner Ente. Ein Beyspiel der erstern Art trifft man im ersten Theile der Physikalischen Belustigun- gen, ein Beyspiel der letztern Art in Tause’ns Beyträge zur Naturgeschichte des Herzogthums Zelle (x) und in ScHörr’s Reisen durch die verei- nigten Staaten von Nordamerika an (y). Dals solche Vögel ebenfalls nicht immer unfruchtbar sind, beweisen SPRENGER’s Versuche (2). | Seltener sind Beyspiele von Bastarderzeugun- gen bey den Amphibien, Eine Beobachtung von Kunpmann (a) macht es indels wahrscheinlich, dals sie auch unter diesen Thieren zuweilen statt finden. Nach einer Wasserfluth, so. erzählt jener Schriftsteller, wodurch im Jahre 1736 ein grolser Theil von Schlesien überschwemmt wurde, er- schienen in den Sümpfen, die von dem Wasser ‚zurückgeblieben waren, unzählige geschwänzte Thiere, welche anfangs für Eidechsen angesehen “wurden, bey genauerer Untersuchung aber sich als geschwänzte Frösche zeigten, deren Schwanz zweymal so lang war, als der übrige Körper. Viel- &(zyB.2. 5. 257- (y)-Th.ı. S.13$- (z) Opusc. phys. math. P-27 sq. (a) Rariora naturae et artis. $.2. Art.5. p.402 sq. Act. Acad. Nat, Cur. Vol.V. 1740. p.366. ’ m 415 Vielleicht waren diese Thiere Bastarde von Frö- -schen und Salamandern. Unter den Fischen sind Bastarderzeugungen ziemlich häufig, Einen Bastard von einem Bar- ben und Karpen hat Derar (b) beschrieben. Dals aus der Karausche, der Giebel und dem Karpen zu Zeiten Bastarde entstehen, bemerken schon GESNER, ÄLDROVAND, SCHWENCKFELD, SCHONE- VELD, MarsıcLı, WırLucHsy und AHreın (c), Unter den Bleyen (Cyprinus Brama) giebt es zu- weilen einen, der sich durch seine schöne Farbe auszeichnet, immer ein starkes Gefolge hinter sich hat, weswegen er von den Fischern Leit- Bley genannt wird, und vermuthlich ein Ba- stard vom Bley und der Plötze «Cyprinus ery- throphtalmus) ist, Eine andere Art, welche un- ter dem Namen der Bley- Güster bekannt ist, gleicht zum Theil der Güster (Cyprinus Plestya Lesk.), zum Theil dem Bley, und entsteht, wenn der Rogen des einen dieser Fische von der Milch des andern befruchtet wird (d), ; Die niedern Thierclassen sind noch zu wenig, in ‚Rücksicht ihrer Erzeugung untersucht, als dafs (b) Schriften der Berlin. Gesellsch. naturf. Freunde. B. 7. 8.490. | (ce) Brocna’s Fische Deutschlands, Th. ı. $.98- (d) Brocn a. ©. S.8ı, ‚416 DD dals sich hey diesen viele ähnliche Beobachtun- gen erwarten lassen. Indefs sahe Rossı ein Männ- chen der Cantharis melanura mit einem Weibchen des Elater niger so eng durch die Begattung ver- bunden, dals es eine geraume Zeit währte, ehe jenes das an der Wurzel sehr kugliche männliche Glied auch nur halb herausziehen konnte, ob- gleich ihm völlige Freyheit dazu gelassen wur- de (e). a, Di Was endlich das Pflanzenreich betrifft, so sind in diesem nicht nur Bastarde überhaupt, ‚sondern auch fruchtbare Bastarde häufiger, als in irgend einer Classe von Thieren, Man erhält sie fast von allen Gewächsen, die getrennte Ge- schlechter haben. Bey dieser nicht ganz geringen Anzahl von Beyspielen , wo aus der Vermischung. verschie- denartiger Individuen fruchtbare Abkömmlinge hervorgingen, ist es eine sehr natürliche ‚Vermu- thung, dafs die Bastarderzeugung einen wichti- gen Antheil an der Entstehung der jetzigen le- benden Natur gehabt haben. möchte. Es lälst sich auch zur Unterstützung dieser Hypothese . dies anführen, dafs sie uns ein Mittel an die Hand giebt, die grolse Mannichfaltigkeit der Ge- stalten, die wir heut zu Tage in der lebenden | Welt \ (e) Memorie della Societa Italiana. T. VIII, p: 119. — 417 Welt antreffen, aus der Voraussetzung sehr we- niger. Urformen, also auf einem sehr einfachen Wege, zu erklären. Man kann sich ferner auf die wunderbare Vereinigung der verschiedenartig- ‚sten Formen in einem einzigen Individuum be- rufen, die wir bey so vielen Organismen wahr- nehmen, und welche in der Bastarderzeugung einen befriedigenden Grund findet. Allein so scheinbar diese Gründe beym er. sten Anblicke seyn mögen, so wenig vertragen sie eine genauere Prüfung. Es ist erstens ge- wils, dafs die Nachkommenschaft fruchtbarer Bastarde binnen einigen Generationen ganz wieder zur Art des $tammvaters oder der Stammmutter zurückkehrt. Vermischen sich jene mit Individuen von der Art des Vaters, so nähert sich die fol. gende Generation wieder dem Vater; geschieht die Vermischung mit einem Individuum mütter- licher Art, so werden die Nachkommen wieder der Mutter ähnlich; begatten sich endlich Bastar- de mit Bastarden, so gehen die erzeugten Indivi- duen wieder zur Art des Stammvaters oder der Stammmutter über, je nachdem die Bastarde mehr mit dem erstern, oder mehr mit der letziern ge- mein hatten. So lehren es KöLrEUTER’s Versu- che über die Bastarderzeugung‘ der Pflanzen, Wer, dieser Erfahrungen ohngeachtet, der Ver- "mischung ungleichartiger Individuen doch einen II. Ba. Dd An: 418 > mm a men Antheil an der Bildung der jetzigen lebenden Na- tur zuschreibt, mufs zu der Voraussetzung, dafs die Rückkehr der Bastardgenerationen zu ihren Urformen in ehemaligen Zeiten nicht statt gefun- den hat, also zu einer Behauptung, die durch keine Gründe unterstützt wird, seine Zuflucht nehmen. Aber wenn man auch diese Voraussetzung gelten lälst, so bleibt doch gerade das durch jene Hypothese unerklärt, was am meisten der Erkläs rung bedarf, Die Vereinigung verschiedenartiger Formen in einem einzigen Individuum ist nir- gends häufiger, als in Neuholland. Und wo sind die Urformen, durch. deren Vermischung diese Individuen gebildet wurden? “Sie sind nicht in Neuholland und nicht anf den übrigen Südsee- inseln. Nur in Südamerika, im südlichen Asien . und in Afrika finden sich Thiere, die mit jenen in einzelnen Stücken übereinkommen. . Aber wer wird die Neuholländischen Thiere von Südame- rika ableiten wollen? Und warum finden sich denn in Neuholland nur noch Bastarde, nicht. mehr ursprüngliche Thiere? Sind diese unterge. gangen? Aber Neuholland ist von zu neuer Entstehung, als dals hier die lebende Natur schon viele Revolutionen erlitten haben könnte, Und gerade in jenem Erdstriche, mit dessen Thieren die von Neuholland manches gemein haben, in Süd- Südamerika, giebt es ebenfalls< Organismen, die ganz das Ansehn von Abkömmlingen verschieden- artiger Stammeltern haben, deren Urformen aber nirgends, als in den nördlichen Gegenden der al- ten Welt existiren. Hier wohnen das Llama und Guanuco, Mittelglieder zwischen den Schaafen und Camelen, hier ein Thier, das ganz das An- sehn des Esels, aber gespältene Klauen hat (Equus bisulcus Morın.), und hier das Mniarum biflo- rum, eine Pflanze, die bis auf die Blume völlig mit der Minuartie übereinkömmt. Ganz Amerika aber hat ursprünglich keine Schaafe, keine Came- le, keine Esel und keine Minuartien. Alle diese Thiere und Pflanzen sind Bewohner der nördli- chen Erdhälfte. Wer wird es also wagen, die letztern für Stammeltern jener Amerikanischen Thiere und Pflanzen anzusehen ? Eine andere Schwürigkeit bey jener Hypothe- se ist die verschiedene Zeit der Brunst bey den Thieren und des Blühens bey den Pflanzen, Bey dem Rehbocke fällt die Brunstzeit in den Julius und August, bey dem Hirsche erst in den Sep- tember und October. Anemone narcissiflora und Anemone alpina wohnen oft auf ganz benachbar- ten Felsen der höhern Alpen beysammen, aber die eine blühet erst auf, wenn die andere schon zu. verblühen. anfängt. Die Gentiana verna blü- het im ersten Frühlinge, und die Chironia cen- Dda tau- 420 ,,— taureum, die mit ihr gleiche Standörter hat, im späten Sommer und Herbste,. Es ist also nicht einmal zwischen manchen Arten, die in. ihrer Struktur einander nahe verwandt sind, und ei- nerley, sowohl physische, als geographische Verbreitung haben, eine Vermischung möglich (f). Endlich giebt es ja eine Classe von lebenden Körpern, die sich ohne Begattung fortpflanzen, und bey welchen doch eben sowohl, als bey den übrigen, Verwandtschaften in einzelnen Theilen zwischen den verschiedensten Arten statt finden. Solche Körper sind die Zoophyten. Können aber die formenden FPotenzen des Lebensstoffs bey die- sen Organismen dergleichen Verwandtschaften oh- ne Mitwirkung der Bastarderzeugung hervorbrin- gen, 'so ist nicht einzusehen, warum sie nicht auch bey den Thieren und Pflanzen dazu im Stande seyn sollten. Diese Gründe sind es, worauf wir uns stütz- ten, als wir im letzten Kapitel des zweyten Buchs der Bastarderzeugung allen Antheil an der Bil- dung der jetzigen lebenden Natur absprachen, Alles rechtfertigt dagegen unsere in jenem und dem vorigen Buche geäusserte Meinung, dafs De- generation, oder eine erst nach der Erzeugung: durch den veränderten Einfluls der Aussenwelt her- (f} Vergl, Schnnank's Briefe an Nav. $. 119. — 421 herbeygeführte und dem ‚Zustande der Gesundheit angemessene Äbweichung von der Gestalt der Vor- fahren, die mannichfaltigen Formen der lebenden Natur hervorgebracht hat. Man mufs aber zwey- erley Arten der Degeneration unterscheiden: die- jenige, welche blos: Individuen, und die, welche die ganze Gattung ‚betrifft, ' Jene tritt nur localer Ursachen wegen, z.B.: bey verändertem Aufent- halte oder veränderter Lebensweise einzelner Or- ganismen, ein; diese aber wird durch die ewi- gen Verwandlungen des ganzen Weltalls bewirkt, Die erste Art ist beschränkter als die letz. tere, und zwar desto beschränkter, je zahlrei- cher die Berührungspunkte eines Organismus mit der äussern Welt sind. Je grölser nehmlich die Zahl dieser Berührungspunkte ist, in desto enge- rer Verbindung steht der Organismus mit der gan- zen Natur, .und desto weniger sind wesentliche Veränderungen seiner Organisation ohne Vetände- rungen der letztern möglich. Anders aber verhält es'sich mit den einfachern Körpern der lebenden Welt. ° Die "Organisation dieser ist weniger eng mit ‘der Organisation des Universums verkettet, und daher abhängiger von einzelnen Einflüssen, Alle Veränderungen in dem Aufenthalte und der Lebensweise ziehen aber nur Veränderungen in einzelnen Einflüssen nach sich. Daher können hierdurch wohl unter den Zoophyten, Pflanzen F Dq4dz und ”— und einfachern Thieren, aber nicht ‘unter den Thieren der höhern Classen neue Arten .entste- hen. In der That. zeigti auch die Erfahrung, dals Säugthiere und Vögel, die unter ‚einen. .an- dern Himmelsstrich, oder aus dem ‚Zustande ‚der Wildheit in den der Sclaverey versetzt sind, blos oberflächige Veränderungen der Haut, des. Haars und der Federn erleiden, im Wesentlichen! ‚aber ihren. Voreltern immer. ähnlich „bleiben (g). Hin- gegen .dals auf den: niedern -Stufen, ‚der Organisa- tion durch Veränderungen ‚des; Climäs,: des Bo- dens und der Nahrungsmittel neue Arten entste- hen, läfst sich-nicht mit- Grunde im Zweifel! zie- hen. „Viele Pflanzen, ..die gewöhnlich für eigene Arten gelten, sind gewils -blofse, ‚durch den Ein- flufs des -Climas und: Bodens bewirkte Varietäten, Ein. Beyspiel giebt . die Asiatische: ;Dotterblume (Trollius Asiaticus L,), die vermuthlich nichts. anders als eine Abart der gemeinen: Europäischen ist. Parras fand: im ‚östlichen -Siberien Exem- plare..des Trollius, welche. die ‚Farbe und» den Geruch .der Asiatischen Art hatten, deren Necta-. rien aber nicht länger als, an der- gemeinen Dot- terblume ‚waren, “Dagegen aber”, sagt er; “ha „be ich dieses Kraut von Schneegebirgen ‚zwar in „allen Theilen, auch der Blume nach, sehr klein, „aber ‚mit den .llerlängsten Honigblättern,, ge- | „habt; (g) Parras, Act, Acad. 'Petropol. 1780. P, 2, Hist. p. 77 sq. — 423 „habt; ‚und also möchte man fast den. Trollius „äAsiaticus für eine durch das Siberische Clima. „und die kältere Gebirgsluft entstandene Spielart „des gemeinen erklären, welches auch die an der „Ostseite des Uralischen Gebirges häufige feuer- „gelbe Ausartung der gemeinen Dotterblume be- „stätigt” (h). "Aehnliche Beyspiele werden jedem unbefangenen Botaniker vorgekommen seyn, Ich habe Ranunkeln gefunden, die so das Mittel zwi- schen zwey Arten hielten, dafs sie mit gleichem Rechte zu beyden gezählt werden konnten, Wichtiger aber ist die andere Art der Dege- neration, ' die'in den ewigen Umwandlungen, de= nen die ganze Natur unterworfen ist; ihren Grund hat. Durch den Strohm dieser Veränderungen. wird alles fortgerissen, das Höchste wie das Nie drigste’ in der: Reihe ‘der lebenden ‘Wesen, In jedem dieser Körper liegt die Fähigkeit zu ei- ner endlosen Mannichfaltigkeit von. Gestaltungen; jeder besitzt das Vermögen, seine Organisation den Veränderungen .der äussern Welt anzupassen, und dieses, durch den Wechsel des Universums in Thätigkeit gesetzte Vermögen ist es, was die ein- fachen Zoophyten der Vorwelt zu immer höhern Stufen der Organisation gesteigert , und eine u zahl- (h) PaArras Reisen durch versch. Prov, des Russischen » Reichs. Th, 3. 5.255. als Dd4 424 | | —, zahllose Mannichfaltigkeit in die lebende Natur gebracht hat. i Aber giebt es Beweise ‚der Erfahrung für‘ eine solche Biegsamkeit der Organisation? Aller- dings giebt es deren, und selbst auf der höch- sten Stufe der Organisation, bey dem Menschen, Hier sind es die Mifsgeburthen , welche nicht nur aufs einleuchtendste beweisen, dals der le. bende Körper ein Vermögen besitzt, seine Orga- nisation der Sphäre, worin er sich befindet, selbst dann noch anzupassen, wenn auch der Zu- stand der Gesnndheit mit dieser unvereinbar ist, sondern auch won noch andern Seiten unsere Mei- nung von dem: Entstehen der jetzigen lebenden Natur unterstützen. Um dies ‚aber zu zeigen, müssen wir einige allgemeine Bemerkungen über Mifsbildungen und : deren Ursachen voraus- schicken. + Unter Milsbildungen oder Milsgeburthen ver- stehen wir krankhafte Abweichungen von der ur- ° sprünglichen Struktur, bey deren Entstehung der Organismus, an welchem sie vorkommen, sich selber thätig gezeigt hat. Sie unterscheiden, sich von Degenerationen darin, dals sie dem Zustande der Gesundheit unangemessen, diese aber dem- selben angemessen sind, und von blolsen, durch äussere Kräfte hervorgebrachten Verstümmelungen in dem Zusatze, dals der Organismus, dem sie eigen | } 425 - eigen sind, sich bey ihrer Entstehung nicht blos leidend verhalten hat. Indels giebt es keine ge- naue Gränze zwischen TE und De. re Nur in der Periode der Jugend sind Milsbil- dungen möglich. Sie entstehen desto leichter, "und sind desto grölser, je näher der Organismus seinem Ursprunge ist. Man kann die Mifsgeburthen in qualitati- ve und quantitative eintheilen. + Zu den erstern gehören zuerst Abweichungen von der regelmälsigen Lage der Organe. Es hat Fälle gegeben, wo der Magen und ein Theil der Gedärme in der Brusthöhle über dem Zwerch- -felle, und die Leber theils unter, theils über dem Diaphragma lag. In andern Fällen machte die Speiseröhre, die sonst gerade zum Magen geht, nachdem sie schon in den Unterleib ge- sangt war, eine Krümmung, und kehrte wieder in’die Brust zurück. In noch andern, - nicht ganz seltenen Fällen fand man sogar alle Einge- weide, die sonst in der rechten Seite liegen, in der linken; und umgekehrt (i). Aehnliche Bey- spiele kommen auch an den Knochen und Mus- keln vor, Oft sind die äussern Gliedmaafsen | gänz- (1) HAızer Opp. Bin, T.III. p. 15. 16, Ddz 426 en gänzlich, verdreht,.:so dafs 'z. B. das Innere der Hand,;. oder die Fufssohle nach oben gekehrt‘ ist;(k).:, Merry sahe ein Kind,. dessen Wirbel- säule so verdreht war, dals, wenn das Gesicht,, die Brust und der Bauch von vorne angesehen wurden, die äussern Zeugungstheile, die ku und ” Fülse nach hinten Be waren m. I. Es ren PER zu den: BER Mifs- reg diejenigen Fälle, wo an Organen, die in der Regel verwachsen sind, eine Theilung, und an solchen), die in der ‚Regel von einander abgesondert sind, ‚eine Verwachsung statt fand. Eine, der häufigsten Deformitäten dieser Art ist die Hasenscharte. Man sahe. ‚auch Menschen, de nen der Gaumen oder, die, Nase ursprünglich ge spalten. ,:war, ‚bey ‚welchen. die Brust‘ und der Unterleib offen standen ‚oder, die ‚eine gespaltene Ruthe. hatten (m). _ Bey, andern waren) ‚einige, oder alle Zehen der Hand oder des Fufses unter einander verwachsen. Eine ähnliche Mifsbildung kömmt ziemlich häufig unter den Schweinen vor. Die beyden Augen verschmelzen ebenfalls sowohl bey dem Menschen , als bey .den Thieren nicht 'sel- ten zu einem einzigen, und in den F ällen- dieser Ki: Wr | . „ld .&) Ibid. p. 16.17. C: VIE. ; | | fl (1), Hist, de l’Acad. des sc. de Paris, 1700. Ed. & P- 54 (m) Harıezr ].c, P-56.. €. XI, — 427 Art findet eine merkwürdige Stufenfolge vom Ein- fachern. zum Zusammengesetztern statt.. Oft ist das; eine Auge, einfach, nur ‚grölser, . wie es der Regel: nach seyn sollte; oft ‚sind: einige Theile, 2. B.. die Hornhaut, einfach,,. hingegen ‚andere, Z«.B.i die Augenlieder, die Crystallinse, der ‚Glas körper, ‚die Augennerven ‚ ‚oder die Augenimus- keln, doppelt; ‚und oft-finden ‚sich zwey «Augen . in einer einzigen. Augenhöble.- ..$0. fliefsen- auch zuweilen -die ‚Luftröhre und: der Sehlund, die.bey- den. Hirnhälften,, die ‚Nieren, ja,sogar die: Cavi täten. des Herzens zusämmen (n).:;: ‚Einen! Fall der.letztern ‚Art; beobachtete Mery bey: dem schon erwähnten KHinde,,' dessen ‚Wirbelsäule. gänzlich, verdreht war, ‚Die beyden ' Herzohren ‚bildeten. hier. eine. einzige Höhlung,. und die beyden Ven- trikel standen 'mit einander in ‚Verbindung. , Die Lungen. waren klein‘, - welk ‚und zusammenge, schrumpft. Die Venen derselben. und die ‚beyden Stämme der Hohlader hatten, ‚ihre Mündung ‚in der gemeinschaftlichen Höhlung der beyden Herz- ohren, ‚und aus. dieser: fand ein Uebergang durch ein.grölseres Loch in den, rechten Ventrikel, und durch ein.sehr kleines. in. die gemeinschaftliche Oeffnung der Cavitäten beyder Ventrikel . statt- Die Lungenarterie und die Aorta entstanden aus der linken Herzkammer. Ein ovales Loch war nicht vörhanden. | End- (n) Ibid. p,37 sq. | 428 gummi, Endlich müssen’ hierher noch alle Verwand- lungen verschiedenartiger Organe in einander ge- rechnet ‘werden. - Vorzüglich reich.''an solchen Mifsbildungen ist das Pflanzenreich. Häufig ge- hen hier Staubfäden in Blumenblätter über, wo- durch ‘dann gefüllte Blumen entstehen, und. bey den Syngenesisten verwandeln sich zungenförmige Blumen in’ röhrenförmige, so wie diese in zun- genförmige. Zuweilen gehen auch Blumen, ja sogar Früchte in‘Blätter über, und oft verändern die Blätter ihre Form, so dals sie 'gekräuselt, zerschnitten u. s: w. ‘werden (0); Bey den Thie- ren findet nicht selten eine andere, hierher gehö- rige Art von Milsbildung-in dem Ursprunge und der Inmsertion 'der' Muskeln und Gefälse statt, z.B. dals sich der gerade Bauchmuskel bis an den obern Theil der Brust erstreckt, die Nabel- ‚vene über dem Zwerchfelle in die Hohlvene "über- geht, oder dals ein Verbindungscanal- zwischen den’beyden Höhlvenen vorhanden ist (p). ‘Die quantitativen Mifsbildungen bestehen ent- _ weder in mangelhafter, oder in’übermä- fsiger Ausbildung des ganzen Körpers oder ein- zelner Theile. er, „.Man- (0). Ibid. p.126. Cap. XXXVH. r, (p) Ibid. p.ı42. C.X, h | 429 Mangelhafte Ausbildung ‚des ganzen Körpers bringet Zwerge, so wie übermälsiges Wachsthum unter eben dieser Bedingung Riesen hervor. Mifsgeburthen von mangelhafter Ausbildung einzelner Theile des Organismus sind zuerst die hirnlosen Früchte, Embryonen, denen entweder nur der obere Theil des Schädels und Jes Gehirns fehlt, und wo das Gesicht noch vorhanden ist, das aber sehr verunstaltet zu seyn pflegt, oder die auch gar keinen Kopf haben (g). Diese Deformitäten gehören zu den häufigen. Sannı- FORT (r) zählt 48, und Sömmerıng (s) noch 28 andere Fälle der Art, denen sich leicht noch mehrere, z.B. die von SpitLENBERGER (t), Jar- NISCH (U), SCHELHANMMER (V), SCHELHASE (w), Zwinger (x), RomsBers (y), Van Lıs (z), Gı- LI- (g) Ibid. p. ı2. 55. '(#) Anatome infantis cerebro destituti. p.39 sq. 66. (s) Abbildungen u. Beschreibungen einiger Milfsgebur- then. S.g. (t) Miscell. Acad. Nat. Cur. Dec. 1, A. 3. 1672. p. 176 | (u) Ibid. p.490. (v) Ibid. Dec.2, A.g. 1690. p. 258. (w) Ibid. Dec.2. A.zZ. 1684. p. 505. (x) Ibid. D.2. A.ıo. 1691. p.386. (y) Ibid,. D.3. A.get 10, 1701-1705. P. 197. (z) Verhand, van het Genootsch. te Rotterdam, D, 6. BL 9. Ä RR, 430 Pe Se Linert (A), Sur (b) "und Kuackstenr (c) be- schriebenen, beyfügen lassen, ST vage Es giebt aber überhaupt nicht ein einziges Organ, das nicht zuweilen gefehlt hätte. Oft fehlten einige oder alle Finger oder Zehen, oder einzelne Glieder derselben. Bey vielen Mifsgeburthen felllten auch die Arme oder die Beine entweder ganz, oder doch zum Theil, Andere hatten keine Nase, oder keine Scheide- - wand der Nase, keine Geruchsnerven (d), keine Ohren, keine Augen oder Augenlieder, keine obere oder untere Kinnlade (e), keine Zunge, keine Gaumenknochen und keinen weichen Gau- men (f), keinen Kehlkopf und keinen Pharynx, Man hat Fälle beobachtet, wo die Schulterblätter | fehlten, wo keine Schlüsselbeine vorhanden wa- ren, wo der schwerdtförmige Knorpel vermilst wurde, wo keine Bedeckungen des Thorax oder keine Bauchmuskeln. zu finden waren. ‚Sogar das (a) Adversaria medico - practica. (b) Physiologische Untersuchungen u. Erfahrungen über die Vitalität.” Uebers. von HaArızss. $.7. (ce) Anatomische Beschreibung einer Milsgeburth, wel- che ohne Gehirn und Hirnschädel lebendig gebohren wurde. Petersburg. 1792. (d) Sömmerins ara. 0..8. 26, (e) Ebendas, S.27. (f) Fracusiann obsery, pathologico -anatomicae. —— 431 das Herz, die Yale: die Arterien des Kopfs und der obern Gliedmaafsen, »die Speiseröhre, den Magen, die Gallenblase, die Milz, den Mast. . darm, den After, ein oder beyde Nieren, die Harnblase, die männliche Ruthe, die weibliche Schaam, die Mutterscheide, die Gebährmoütter, die Eyerstöcke (g), ja selbst die ganze obere Hälfte des Körpers bis zur Brust oder bis zum ‚Nabel hat man fehlen sehen (h). ‘Einen neuern Fall der letztern Art von einem fünfmonatlichen Foetus, der keinen Magen, keine dünne Gedärme und keine untere Extremität der rechten Seite hatte, hat Sve (i), und einen andern, wo der Rumpf mit den Rückenwirbeln aufhörte, der Unterleib wie ein Sack an den Integumenten des Kindes hing, und, ausser der obern Hälfte des Körpers, auch die Harngänge fehlten, Dinmo- RE (k) beschrieben. Bey den Pflanzen beobachtet man ebenfalls diese Art von Mifsbildung, indem zuweilen an den Blumen derselben die Krone, öder die Staubfäden, und in ihren Früchten die Kerne fehlen (I). Uebermäfsige Ausbildung einzelner Organe verursacht die auffallendsten Mifsbildungen, und 102 be- (g) Forp, Medical Facts and Obseryations, Vol. YV, (h) Haırenr ].c. p.30 sg. | (1) A.a. O.S.g. (k) The London medical Journal. 1790, P.IY. (l) Haızer |, c. p.ı29, 432 ,—— bewirkt Aehnlichkeiten zwischen den unähnlich- sten Arten. Es gab Menschen, deren ungewöhn- lich hervorragender Unter - oder Oberkiefer ih- rem Gesichte Aehnlichkeit mit dem Gesichte eines Fisches, einer Ente, oder eines Elephanten gab, Andere erhielten durch das hervorragende Steils- bein einige Aehnlichkeit mit den geschwänzten Thieren. “Bey einem, von ReAaumur beschriebe- nen Karpen war die kegelförmige Schnauze in einen Schnabel verlängert (m). ; Eine andere merkwürdige Art der Mifsbil- dung von Uebermaals. des Wachsthums machen ‚ diejenigen. Fälle aus, wo ein Excels in der An- zahl der Organe statt findet. Diese Fälle bilden eine Stufenfolge, die von denen, wo nur min- der wichtige Organe, z. B. die Finger, überzäh- lig waren, zu denen fortschreitet, wo der ganze Körper doppelt war. | i Fälle von überzähligen Fingern, Zehen, und andern Organen kommen sowohl bey dem Men- schen, als bey den Thieren vor. Man'hai Be- obachtungen von Menschen, die sechs, sieben, oder acht Finger an Einer Hand hatten, von ei- sem Kalbe, dessen Fuls in fünf Zehen gespalten war, von einem Schweine mit drey Klauen, von einem Huhne mit fünf Zehen, von einem’ mit ‚Kral- (m) Ibid. p. 6. —) | 433 Krallen versehenen Schaafe, von einem Men- schen mit drey Brüsten, von einem andern mit zwey Nasen, von Eidechsen mit zwey, drey bis vier Schwänzen, von einer Fledermaus mit vier Ohren, von Antilopen mit drey (n}, Widdern mit vier, fünf, oder sechs (0), und einem Ochsen mit drey Hörnern, von einem Hirsche mit vier ' Geweihen, und von einem Krebse mit doppelten Zangen. Selbst die wichtigsten Organe erleiden eine Verdoppelung. Es sind Fälle beobachtet, wo zwey männliche Glieder, drey Hoden, zwey Harnblasen, ein doppelter Uterus, zwey Mutter- scheiden, oder eine doppelte weibliche Schaam vorhanden waren. Ja Borerrı, Rupssck, De- nıs und LiTTRe fanden bey Menschen zwey und drey Herzen (p). Eine ähnliche Erscheinung bey den Pflanzen ist die Vermehrung der Staubfäden, Nectarien, Blumen - und Kelchblätier, und bey denen, die eine bestimmte Zahl von Ki an jedem Stengel haben, z. B, beym Klee, auch die der Stengelblätter (g). Verwandt diesen Fällen sind diejenigen, wo Thiere, die in der Regel getrennten Geschlechts ‚sind, (n) Parräs Spieil, zoolog. Fase, XI, P- Bar (o) Ibid. Tasc. XI. p: 71: (p) Harzer l.c. p,27. C.IX, (g) Ibid, p. 126 sg. III. Ba. Ee | 434 mem sind, -Hermaphroditen waren. Solche Fälle sind ziemlich häufig unter den Fischen.. Bey derglei- chen Thieren liegt. in der einen Seite der Bauch- . höhle die Milch, in der andern der Rogen. Hin- gezen bey den Thieren der höhern Classen, und namentlich beym Menschen, findet der Herma- phroditismus nie, oder wenigstens äusserst selten stati (r). Nach den Hermaphroditen gebührt die näch- ste Stelle in der Reihe der Milsgeburthen denen, bey welchen der Kopf doppelt, der übrige Kör- per aber einfach ist; dann folgen diejenigen, die bey einem einfachen Kopfe und Leibe- doppelte ' Gliedmaalsen haben; hierauf die, bey denen der Kopf ebenfalls einfach ist, welche aber nicht nur überzählige Gliedmaalsen, sondern auch ei- nen doppelten Rumpf besitzen; und auf der letz- ten Stufe stehen diejenigen, deren ganzer Körper doppelt Is, { Jede dieser Classen enthält ebenfalls Abstu- fungen vom Einfachern zum Zusammengesetztern. Von der Gradation, die unter‘ denen Mifsgebur- then statt findet, welche einen doppelten Rumpf bey einem übrigens einfachen Körper haben, enthal- ten Sömmerına’s Abbildungen und Beschrei- bungen einiger Mifsgeburthen, die sich \ | ehe- (r) Tbid. p.29. En 435 ehemals auf dem anatomischen Theater zu Cassel befanden, merkwürdige Beweise; Man sieht hier auf der zweyten Tafel eine menschliche Frucht, woran noch keine. weitere Merkmale von Duplicität sind, als dals die rechte Hälfte des Kopfs gröfser wie die linke ist. Auf. fallender ist diese Duplicität. schon auf der Mils- geburth der zweyten Tafel, deren beyde köpfe an den Seiten so zusammengewachsen sind; dafs ein einziger Kopf mit zwey Ohren, zwey Nasen, einem doppelten Mund und drey Atıgen, wovon das mittlere aus zwey Zweydrittelstücken zweyer gewöhnlichen Augen besteht, entstanden ist (Ss): Der Kopf der folgenden, auf der fünften Tafel vorgestellten Milsgeburth besteht fast aus zwey Dreyviertelgesichtern, so wie die vorige ohngefähr zwey Zweydrittelgesichter zeigte, Hier sind zwey Nasen, ein doppelter Mund, ünd vier Augen, aber auch, wie bey der vorigen, nur noch zwey Ohren. Auf der sechsten Tafel erscheint ein Doppelkopf mit zwey äussern und einem mittlern Ohre, und bey der Milsgeburth der siebenten Tafel geht die Trennung der beyden Köpfe schon ‚80 weit, dals beyde mittlere Ohren an dem Orte der Verwachsung hervorgetreten sind, Immer sind (s) M. vergl. Opere diverse del Sign. VAriisneri, P, -1iI p.453: Tab. VI e Ee2 436 u sind aber noch diese Köpfe an den Seiten unter einander vereinigt, und merkwürdig ist es, dals sie insgesammt zur Classe der hirnlosen Früchte gehören. Fälle von Doppelköpfen, die bey ei- nem einfachen Leibe zwey gänzlich von einander getrennte Köpfe haben, sind sowohl bey dem Menschen, als bey den übrigen Säugthieren (t), und vorzüglich bey den Amphibien (u), nicht selten. So ist im Journal de Medecine vom Jah- ‘re ı76ı eine Beobachtung erzählt, die ein Mäd- chen betrifft, welches bey zwey Köpfen lauter einfache Organe der Brust und des Unterleibs hatte, nur dals die Luftröhre, die Speiseröhre, der aufsteigende Ast der Aorta und die beyden Carotiden für die beyden Köpfe gespalten waren, und der Rückenwirbel aus zwey Wirbeln bestand. Es giebt aber unter den zweyköpfigen Milsge- burthen noch manche andere Varietäten (v). So hat Homr eine menschliche Frucht beschrieben, deren Mifsgestalt in zwey Köpfen bestand, von welchen der obere umgekehrt auf den untern gesetzt war (w). Eine andere Classe der zusammengesetzten Mifsgeburthen enthält diejenigen, die bey einem ER ({) Haızer..c. p.855q. Cap. XXII-XXVI. (u) Tbid. p.ı20. C.XXXTI. (v) Ibid. p.46. C. XII. Be (w) Philos. Transact. 1790. P.296, 1799. p-28. -/ — 437 einfachen Ropfe und Rumpfe doppelte Gliedmaa- {sen haben. Einer der merkwürdigsten, zu die- ser Classe gehörigen Fälle ist das von Taromsertx beym Varrısnert (x) beschriebene Rind, an des- sen Brust die beyden untern Gliedmaafsen eines andern Kindes hingen. Ein neueres Beyspiel von einem, im Jahre 17358 auf dem Fort St. George lebenden dreyzehnjährigen, gegen 5 Schuk langen, wohlgebildeten Knaben, an dessen schwerdtför- migem Knorpel des Brustbeins eine Hüfte mit einer untern Extremität hing, ist in den philo- sophischen Transactionen vom Jahre 1739 (y) er- zählt (z). Im andern Fällen waren drey Fülse, vier Hände, drey Schenkel, oder vier Arme vor- handen (a), Doch kommen dergleichen Beyspie- le häufiger bey den übrigen Säugthieren, als bey dem Menschen vor. Harrer (b) hat viele Fälle dieser Art von Hunden, Ratzen, Schaafen, Zie- gen, Ochsen, Pferden, ‚Hasen und Vögeln ge sammelt, = \ Von (x) A. a. O. p. 449. (y) Vol. LXXIX. p. 157. (z) Noch andere, aus ältern Schriftstellern gesammelte Fälle finden sich in Haırzer’s angeführtem Werke, P- 78 sq. | (a) Harzer 1.c, p.50. C.XIV. (b) Ibid. p.51. C,XV. Eez 438 zum Von Mifsgeburthen mit -einem einfachen Kopfe, aber mit einem doppelten Rumpfe und überzähligen Gliedmaalsen, giebt es, sehr viele Beyspiele sowohl bey dem Menschen, als bey den übrigen Säugthieren. Doch sind darunter wenige, bey welchen sich nicht auch an dem Kopfe eine Spuhr von Duplicität gefunden hätte, Von den Organen der Brust und des Bauchs wa- ren einige einfach, andere doppelt (c). So zer- gliederte MıcHAaeı, HeyLanD (d) im siebenzehnten Jahrhundert ein Rind, welches vier Hände und vier Fülse, aber nur ein einziges Gesicht hatte; Der Kopf war sehr grols, Zwey Ohren befan- den sich an der gewöhnlichen Stelle, zwey an- dere, die nahe zusammenlagen, am Hinterkopfe. Ueber diesen lag ein Auge mit zwey Augenlie- dern. Drey andere wohlgebildete Augen salsen am Vorderkopfe. Der Hinterkopf, die Schleim- drüse. (glandula pituitaria), das Rückenmark, die Rückenwirbel, die Rippen, das Brustbein, das Herz und die srofsen Gefälse des Herzens, die Lungen, das Zäpfchen, der Kehlkopf, die Spei- seröhre, die Thymus, die Leber, die Gallenbla- se, die Nabelgefälse, die Milz, und die weibli- ‘che Schaam, von: welcher sich aber nur geringe Spuhren fanden, waren doppelt. Einfach war hin- (ec) Tbid. p- 56 sq. C.XVI-AIX. (d) Monstri Hassiaci disqnisitio medica. = oo ——n hingegen das Riechbein (os ethmoides), der Ober- und Unterkiefer, die Brusthöhle, der Magen und das Pancreas. Der Darmcanal war sehr kurz, und allenthalben fast von einerley Struktur, _ Auf der einen Seite lagen zwey Nieren, deren Harn- gänge in einen, der Blase analogen Körper über- gingen; auf der andern Seite befand sich nur Eine Niere mit einem Harngang, der sich in eine verschlossene Höhlung endigte. Nur der eine Körper hatte ein Zweichfell, und der an- dere etwas, "einer Gebährmutter Aehnliches, “ Der Brustwirbel waren auf der einen Seite eilf, auf der andern zwölf. Die Beckenknochen wa« ren unvollkommen; ' Die letzte Classe der Milsgeburthen enthält endlich diejenigen, deren ganzer Körper doppelt ist. Auch in dieser Classe finden- sich fast alle ersinnliche Varietäten, Einige haben bis zum Nahel zwey van einander gänzlich getrennte Kör- per. Hier aber fliessen sie zu einem einzigen Körper zusammen. Solche Mifsgeburthen haben doppelte Eingeweide der Brust und des Unter. leibs, aber nur zwey Nieren, nur schwache Spuhren von einem After, gar keine Blase und keine Zeugungstheile. Bey andern. Milsgebur. then dieser Classe sind beyde Körper mit den Deckenhnochen unter einander verbunden, Eine solche Milsgeburth zergliederte Duvarnkry,. des- | Ee4 gen 4409 ae sen Beschreibung unten folgen wird (e).. Andere nähern sich den schon oben erwähnten Rörpern, die einen doppelter Hopf haben, deren übrige Körper aber von der Brust an zu einem einzigen vereinigt sind. Manche von diesen hatten zwey Köpfe, zwey Fülse, und zwey Arme, oder auch nur Spuhren von Armen; -andere, hatten ebenfalls zwey Köpfe und zwey Fülse, aber drey oder vier Arme, von welchen oft zwey unter einan- der verwachsen waren; noch andere besalsen zwey Arme und drey Füfse, von welchen letz- tern einer aus der Vereinigung zweyer anderer ent- standen zu seyn schien, oder von ‚welchen der eine sechs bis zehn Zehen hatte. Eine, von Turrius (f) beschriebene Milsgeburth hatte einen einfachen Rumpf, zwey Köpfe, drey Arme, vier Hände und drey Beine. Die Lungen, das Herz, das Zwerchfell, der Magen, die Leber, Gebährmut- ter, und Harnblase sind bey diesen Mifsgebur- ten bald einfach, bald doppelt; . Nieren ‚sind bald zwey, 'bald drey und bald vier vorhanden; der Mastdarm ist aber gewöhnlich einfach (g). Oft sind einige Eingeweide ‚zwar einfach, aber in einzelnen Stücken findet doch an.» denselben eine (e) Harzer l.c. p.8ı. C.XXT. (f) Obs. med. L.III. C. 37. RR H g) Harzer Lc. p.835q. C.XXIU-XXYI mm 44T - eine Duplicität statt. So erwähnt Lemerr (h) einer zweyköpfigen Mifsgeburth, deren Zwerch- fell zwar einfach war, aber zwey sehnichte Mit- telpunkte (centra nervosa) hatte, Endlich giebt es Mifsgeburthen, die aus zwey vollständigen, nur an einer einzigen Stelle verwachsenen Rör- pern bestehen. Meist findet die Verwachsung an der Brust und der Oberbauchsgegend statt, und gewöhnlich sind dergleichen Früchte weiblichen Geschlechts. Alle zum Kopfe, Halse, der Ge- gend des Unterleibs und den Extremitäten gehö- rige Theile sind bey diesen immer doppelt; von denen, welche zur Brust und zur Oberbauchs- gegend gehören, sind aber einige oft einfach, und zwar ist dies immer mit dem Nabel, und meist auch mit ‘der Leber, dem Zwerchfelle, dem Herzen und dem Herzbeutel der Fall. Die- - se Mifsgeburthen sind unter denen, welche dop- pelte Organe haben, die häufigsten, Unter 165 Fällen von monströsen Früchten gehörten 64 zu denen, welche doppelte Köpfe, Arme und Beine haben; 44 hatten ebenfalls doppelte Köpfe, aber ein gemeinschaftliches Becken, und an 38 waren blos überzählige Gliedmaafsen zugegen (i). In sel- (h) Mem. de I’ Acad. des sc. de Paris. 1740. Ed, & p- 303. () Harzer Opuscul, anat, p. 156. Ee5 442 — seltenern Fällen fand die Verwachsung der beyden Körper auch an der Stirne, an den Hintern, oder an den Hinterköpfen und Rücken statt en Soviel von den kb naich Falun Arten; ar Mifsgeburthen. Folgende Sätze sind es nun, worauf sich unsere obige Behauptung gründet, dals die ganze lebende Natur sich auf ähnliche Art aus wenigen einfachen Grundformen ent- wickelt hat, wie in jetzigen Zeiten Milsbildungen . entstehen. : Erster Satz. Mehrere ganz verschiedene Ursachen können Mifsbildungen hervorbrin- gen. Einige Milsgeburthen rühren von zu- fälligen Einwirkungen, die erst nach der Empfängnifs eintreten, und namentlich von mechanischen Ursachen, her; andere aber, die ich mit dem Namen der ursprüngli- chen bezeichnen werde, entstehen aus einer krankhaften Beschaffenheit des männlichen oder weiblichen Zeugungsstoffs, die ‘schon vor der Empfängnils statt findet (I). "Für (k) Harrer Opp. min. T.III. p. 97 sq. C. XXVIN- XXAI. - (l) Diesen und den folgenden Satz wird man auch in dem nachgelassenen zten Bande der Heilkraft des thierischen Magnetismus meines ver- ewi 8 . — i 443 Für das Entstehen mancher Milsgeburthen aus zufälligen mechanischen Ursachen sprechen erstens die Fälle von doppelten Milsgeburthen, welche nur an einer einzigen Stelle, z.B, an der Stirne, leicht verwachsen waren, Man würde aus der Ferne hohlen, was in der Nähe zu fin- den ist, wenn man eine andere, als mechanische Entstehung dieser Mifsbildungen. annehmen woll- te. Dals aber verschiedene lebende Individuen mit einander verwachsen können, erhellet nicht nur aus der Analogie der Pflanzen, bey welchen sich ganz verschiedenartige Zweige und Früch- te häufig mit einander vereinigen (m), son- dern auch aus Erfahrungen von TasLıacorTıus und Hunter, nach welchen wund gemachte Theile von Menschen und Thieren mit Organen von andern, nicht nur gleichartigen, sondern auch ungleichartigen Thieren zusammenwachsen, Ist ‘also eine solche Vereinigung noch bey ausge- bildeten Organismen möglich, um wie viel leich- ter wird sie bey Embryonen, die zufällig mit einander in Berührung kommen, in der ersten Zeit des Entstehens derselben seyn, wo diese noch halbflüssige, leicht in einander flielsende Mas. ewigten Freundes WıEnHoırt aus noch andern Ge- sichtspunkten, als woraus ich sie hier darstellen konnte, entwickelt finden. (m) Harzer Opp- min. TIL. p- 156. 444 % | Massen sind! Und können auf diese Art doppelte Milsgeburthen entstehen, bey welchen die Ver- wachsung der beyden hörper nur oberflächig ist, warum ‚sollten denn nicht manche von denen, die inniger mit einander verbunden sind, eben- falls einen ähnlichen Ursprung haben? ‘In der That lassen sich auch die Abweichungen vom re- gelmälsigen Bau, die man in der innern Organi- sation solcher enger verbundenen Milsgeburthen mit doppelten Körpern wahrnimmt, aus dem Drucke, den beyde Körper auf einander ausübten, zum Theil wenigstens, befriedigend erklären, wie LEMERYy (n) an einer von ihm beschriebenen Frucht, bey welcher die untere Hälfte des Rör- pers einfach, die obere doppelt war, gezeigt hat, und bey manchen Mifsgeburthen mit doppelten Köpfen kann man sich kaum enthalten, nicht an "eine mechanische Ursache zu denken, welche die Körper derselben an einander geprefst hat (o). Hierzu kömmt noch, dafs man bey einigen zwey- leibigen Milsgeburthen an der Stelle, wo beyde Hör- (n) Mem. de l’Acad. des sc. de Paris. 1740. Ed.$. p. 156. 299. 461. (0) In ferubus hominum et brutorum frequenter ca- put ex duobus capitibus coaluisse viderur — — Putes, Te manifesto causam videre, quae haec duo capita in unum redegit, modo propius; ad se invi- cem adpressisse, modo minus accurate et cum ma- jori intervallo, Warren le, p: 152. RT ’ z— 44$ Körper in einander übergehen, eine Narbe, folg« lich einen Beweis für die ursprüngliche Trennung beyder Körper findet (p). Es ist freylich wahr, bey allen solchen Früchten fehlen manche Organe, wovon doch, wenn beyde Körper erst nach ‚der Empfängnils mit einander verwachsen sind, die Anlage vorhanden gewesen seyn muls. Allein dieser Umstand läfst sich ebenfalls aus dem Druck erklären, den der eine Körper von dem andern erlitten hat. Aehnliche Erfahrungen sind von mehrern Beobachtern an Zwillingen gemacht. Un- ter andern sahe HarLLer (g) einen Fötus, der von dem andern vollständigen Zwilling bis zur Dün- ne des Löschpapiers zusammengedrückt war. An manchen Milsgeburthen, die aus zwey Leibern bestehen , findet man auch noch Ueberbleibsel der Organe, die bey der Vereinigung beyder Kör. per zerstöhrt, oder an ihrer Ausbildung gehin- dert sind (r). | So- wahrscheinlich es aber nach allen diesen Gründen ist, dals manche Mifsgeburthen, und namentlich manche zweyleibige Früchte, erst nach der Empfängnils entstanden sind, so ge- wils ist es auch, dafs nicht alle Mifsbildungen aus dieser Ursache abgeleitet werden können, son- (p) Lemerr a.a,O. 1738. p. 3972. ‘(g) Elem. Phys. T.VII. E.XXIX. 8.9. $. 17. p.461. ! (r) Lemenz a, a. O. 1724, Ed.g. P- + 446 I sondern dafs viele in der ursprünglichen Beschaf- fenheit des männlichen oder weiblichen Zeugungs- "stoffs ihren Grund ‚haben... Wer ‘kann. die Fälle; wo alle Organe, die sonst in der rechten Seite liegen, in der linken gefunden wurden, und um- gekehrt, für etwas anders als ursprüngliche Mils. bildungen halten? Hier scheitern alle mechani- sche Erscheinungen (s), und eben so unzurei- chend sind -diese in allen den Fällen, wo der übrige Körper wohlgebildet war, aber grolse Ab. weichungen vom regelmälsigen Bau in der Ver- theilung grölserer Gefälse, oder in der Struktur einzelner Muskeln statt fanden, wo einzelne Or- gane, 2.B. die Finger, überzählig waren, wo sich bey Menschen ein doppelter Uterus fand (t), oder wo beyderley Geschlechtstheile in Einem In. dividuum bey Thieren ‚vorhanden waren, die sonst getrennten Geschlechts sind. Wer solche überzählige oder fremdartige Organe, die mit dem in allen übrigen Stücken regelmälsig geform- ten Organismus, woran sie ‘sich fuden, aufs innigste vereinigt sind, für Ueberbleibsel eines andern Foetus hält, der bis auf diese Theile gänz- lich zerstöhrt ist, behauptet etwas, wovon sich, wie Maıran (u) gezeigt hat, die Unwahrschein- lichkeit mathematisch beweisen lälst, - Doch (s) Harrer Opp. min. T.II. p.158. (t) Mem. de l’Acad. des sc, de Paris. 1705, Ed.$: p. En, (u) Hist. de l’Acad, des, sc, de Paris, 1745, Ed.8. p-60; — A447 Doch auch bey manchen von solchen Mifs- geburthen, deren Entstehung sich dem Anscheine nach mechanisch erklären lälst, zeigt sich bey genauerer Untersuchung diese Erklärungsart als ganz unzureichend. So verhält es sich mit den birnlosen Früchten. HaıLLer und SanDiFOoRT leiten den Ursprung derselben von einer äussern Gewalt her, die auf den Embryo im’ Mutter- leibe wirkte. Aber mit Recht hat Sömmerinc (v) bemerkt, dals die grolse Menge’ jener Mifsge- burthen und die Beständigkeit im Baue dersel- ben mit dieser Meinung schwer zu vereinigen ist, Einen andern , noch wichtigern Grund für die Existenz ursprünglicher Deformitäten geben die Bastarde der Thiere und Pflanzen. Diese sind den Milsgeburthen sehr nahe verwandt, Sie entstehen aus der Ungleichartigkeit des männ- lichen und weiblichen Saamens. Man hat also eine wichtige Analogie für sich, wenn man aus einer ähnlichen Ursache auch den Ursprung man- cher Mifsbildungen erklärt, ‚ Man hat ferner Beyspiele von Milsgebur- then einer und derselben Art, die von mehrern Personen aus Einer Familie, oder von Einer Mut- (v). Abbildungen u. Beschreibungen einiger a Aburihen, $. 84. 448 Mutter‘ bey mehrern Geburthen zur Welt ge- bracht wurden. So entband Narr eine Frau von einem monströsen Kinde mit zwey neben ‚einander stehenden Köpfen, dessen Groflsmutter väterlicher Seite ebenfalls eine zweyköpfige Frucht gebohren hatte (w); und so hat FLacHsLann (x) drey Mifsgeburthen beschrieben, die einander ganz ähnlich waren, indem bey allen die Verun- staltung im Mangel der Vorderarme und Unter- schenkel bestand, so dals die Hände und Fü- fse mit den Oberarmen und Schenkeln unmittel- bar zusammenhingen, und welche in drey nach einander folgenden Jahren von der nehmlichen Mutter gebohren wurden, ‚Zu diesen Milsgebur- then mufs doch ohnstreitig der Grund schon vor der Befruchtung vorhanden gewesen seyn, Was aber endlich allen Zweifel an der Reali- tät ursprünglicher Mifsbildungen hebt, ist die Verwandtschaft der Milsbildungen und Degenera- tionen, und die Erblichkeit mancher Deformitä- ten. Aehnliche Milsbildungen nehmlich, wie in ‚ einzelnen ungewöhnlichen Fällen durch unbekann- te zufällige Ursachen hervorgebracht werden, ent- stehen oft auch durch den Einfluls allgemein verbreiteter Ursachen, z. B. des Climas, also durch (w) Ostanver's neue Denkwütrdigkeiten für Aerzte u. Geburtshelfer. ıten Bandes zte Bogenzahl, $.9. - (x) Observat. pathologico- anatom, . — 449 durch Degeneration; und wie Degenerationen, so sind auch Milsbildungen zuweilen erblich. Har.- LER (y) erwähnt eines Ochsen, dessen Hufen nacli vorne in lange Fortsätze ausgewschsen waren, ‚ Hier waren diese Auswüchse Mifsbildung. Aber die ‚Schweine, die im Jahre 1509 von den Spa- niern nach der Westindischen Insel Cubagna ge- bracht wurden, bekamen dort ebenfalls Klauen; die auf eine halbe Spanne lang waren, wie schon oben ım 2zten Buche (z) erzählt ist. Hier war diese Abweichung von der ursprünglichen Bildung Degeneration, und was bey jenem Ochsen von einer zufälligen Ursache herrührte, wurde bey diesen Schweinen durch den allgemeinen Einflufs des Climas oder der Nahrungsmittel hervorge: bracht, der doch nicht erst nach der Empfängnils eintreten konnte, sondern jenen Ursachen der Mifsbildung, die wir ursprüngliche genannt ha- ben, ganz analog war, So kommen auch-in Eu= ropa wiederkäuende Thiere mit mehr als zwey Hörsern so selten vor, dafs sie hier zu den De. formitäten gehören. Hingegen sind in Siberien unter den Kirgisischen Böcken Individuen mit vier, fünf und sechs Hörnern, so wie ünter den Saiga-Antilopen Individuen mit Einem Horne, | | wel: (y) Opp-. min. T.IH. p.7. (z) Biol. Bd.2. 8.497. Dürch einen Schreibfehler steht aber an dieser Stelle Elle für Spanne, r 1li. Di, k { F f 450 mm welches auf der Mitte der Stirne sitzt, oder mit drey Hörnern, so hänlig, dafs sich hier diese Abweichungen vom sonstigen Bau fast als Dege- nerationen betrachten lassen (a). Aber vorzüg- lich zeigen sich ähnliche Erscheinungen an der Gröfse des ganzen Körpers und an der Beschaf- fenheit des Haars. In einzelnen seltenen ‚Fällen entstehen durch zufällige Ursachen Thiere, die ihre Stammeltern an Gröfse weit übertreffen, Was in diesen Fällen Mifsbildung ist, wurde bey den Europäischen Schweinen, die- von den Spa- niern nach Cuba gebracht waren, Degeneration. Die Abkömmlinge derselben wurden auf dieser Insel alle mehr als noch einmal so grofs, wie ihre Europäischen Vorfahren (b). Behaarte 'Thie- re werfen zuweilen ein unbehaartes Junges. Aber | unter den Hunden giebt es eine ganze unbehaärte Rage, nehmlich die der Türkischen Hunde. Von der Erblichkeit der Deformitäten giebt es, eine Menge Beyspiele bey dem Menschen und. dessen Hausthieren. Ja, es sind sehr viele Fälle vorhanden, wo nicht nur angebohrne Verunstal- tungen, sondern selbst "zufällige . erst-Jange nach der Geburtli entstandene Verstümmelungen auf die Nachkommen übergingen. "Man findet häufig h g En- (a) Parras spicil. zool. fasc.XT. p. 71. fasc.XH. P.35. ' (b) Brumensäch in Voısr’s Mag. f, d, Neueste aus der Physik etc, B.YI. St.ı. 5.9. 10 \ bannen Be 4si Enten, Gänse, Hühner und Canatienvögel, wel: che Federbüsche tragen, DBegatten sich Männchen und Weibchen, .die ‚beyde mit diesem Schmuck versehen sind, unter einander, so geht derselbe nicht nur auf die Jungen über, sondern er nimmt bey den folgenden Generationen zu, und artet . endlich-in eine wirkliche Hrankheit aus, Erst nehmlich entsteht unter der Kopfhaut eine schwies lichte Masse; welche den Scheitel nach aussen hervorragend macht, Dann schwellen die Schei- telbeine an, werden löchericht, und bilden eine halbkugelförmige Erhabenheit, welche mit Hirn masse ausgefüllt wird. Die Vögel, die an dieser Deformität leiden, sind stupide, und eiteichen. kein hohes Alter (ce). — Nach Cravyron’s Erzäh- lung verlohren die Hühner, die von den Eu: ropäern nach Virginien gebracht waren, die | Schwanzfedern,, und dieser Mangel pflanzte sich auf die Nachkommen derselben fort (d, . — Par- Las (e) hat eine Abbildung von dem Kopfe eines Bocks geliefert, bey welchem. der cartilaginöse Theil der Nase niederwärts gebogen war, und der knöcherne Theil über dieser einen Höcker - bildete, Er versichert zugleich, dals diese Ver- unstaltung erblich geworden sey — Schutz, der y Ver: (c) Parzas lc. fasc. IV. p.20: | (d) Miscell. cutios. Vol.III. p.330. Londin. 1727 (@) lc fasc, XI p:6g Tab. IV. fig.d | | Ffa 42 —— Verfasser der Bemerkungen über einen monströ- sen Canarienvogel ‚ hatte eine Spanische Hündin, die von Natur ohne Schwanz war... So oft diese mehr als Einen Jungen warf, hatte unter densel- ben höchstens einer einen vollkommenen, die meisten aber einen um die Hälfte oder noch wei- ter abgekürzten, und wenigstens einer gar kei- nen Schwanz — Dıicsyr, Hıcnmore, Burron, Masa und Forster haben Beyspiele von Hunden und Pferden erzählt, denen die Schwänze und Ohren abgekürzt waren, und welche diesen Man- gel ganz oder doch zum Theil anf ihre Nach- kommen forterbten (f). Von der Erblichkeit je- ner Art von Deformität, wo sechs Finger an jeder Hand sind, führt schon Prixıvs (g) ein Beyspiel an. In nenern Zeiten sind mehrere ähn- liche Fälle beobachtet worden th). “Unter andern erwähnt BLUMENBACH (1) eines Ofhciers, dem in seiner Jugend der kleine Finger der rechten Hand zerbauen und krumm geheilet worden war, und dessen sämmtliche Kinder ebenfalls den kleinen Finger der rechten Hand krummstehend auf die ‚Welt (f) Brumensach a. 2.0. S. 15 f. n (g) Hist. nat. L.XI. 0.43. | (ii) Harzer Opp. min. T.IIR p. 27. ce. IX. VaAnw Der HaAaAn’s auserlesene med. u. chirurgische Abhandl. u. Beobachtungen. 2ter Band. ı7te Abh. BrumensAch a. a. O. 8.18. Hacgver ebendas. B. VI. St 4 8.28. Gi) A. a. O. 5.22. | | x z emmurun 453 Welt brachten. — ‚Dafs in allen diesen Fällen, und besonders in denen, wo: die Verunstaltung vom Vater auf die Kinder überging, die Ursa- che der fortgepflanzten Milsbildung zu den ur- sprünglichen gehörte, bedarf keiner weitern Aus« einandersetzung, | Zweyter. Satz, Alle Mifsgeburthen sind im Innern so zweckmälsig organisirt, wie es der Grad der äussern Deformität nur immer zulälst; ‚bey allen zeigt sich &in Bestreben der bildenden Kräfte, auch unter den nn- günstigsten Umständen, einen möglichst voll. kommenen Organismus hervorzubringen, Als Belege zu diesem Satze mögen die von Duverner (k) und Hennmus (l) beschriebenen Milsgeburthen dienen, Duvernev’s Mifsgeburth bestand aus zwey Knaben, die in den Becken mit einander verei nigt waren, welche aber dennoch vollständige untere Gliedmaalsen, und einen sa wenig als möglich beschränkten‘ Gebrauch dieser Organe hatten. Wie würde ein menschlicher Künstler, der die Natur lebendig nachzuahmen vermögte, | und S (k) Möm, de l’Acad. des sc, de Paris. 1706. Ed. & pP: 558. | (l) Descriptio foetus monstrosi, Pf. ara; \ und eine ähnliche Vereinigung zu bilden sich vorgesetzt hätte, hierbey verfahren? Man denke nach über diese Frage, beantworte sie, wenn man kann, und lese folgende Beschreibung, und man wird eingestehen, dafs auch mifsgestaltete . Werke der Natur erhabener sind. über alle Men- schenwerke, wie die höchsten Ideale der Kunst über das Schnitzwerk und die Mahlerey tändeln- der Kannaben., Die beyden Kinder, ‘woraus die erwähnte Mifsgeburth bestand, waren bis zur Nabelgegend vollkommen wohl gebildet. Hier aber fing die Abweichung vom natürlichen Baue an. Die bey- den Schaambeine jedes Kindes hingen nicht, wie gewöhnlich, unmittelbar unter einander durch einen Knorpel zusammen, sondern das rechte Schaambein des einen war mit dem linken des andern, und das linke des letztern mit dem rech- ten des erstern durch ein kurzes, sehr starkes, aber auch sehr biegsames Ligament verbunden, und: diese Kinochen bildeten mit den Darm-, Sitz - und Kreutzbeinen beyder Individuen ein einziges gemeinschaftliches Becken, welches, ver- mittelst der erwähnten Ligamente, in der Mitte dergestalt artikulirt war , dals die dem einen Kinde gehörige Hälfte desselben sich um die, an- dere Hälfte bis auf einen gewissen Punkt bewe- gen konnte. Festigkeit erhielt dieses Becken durch - he en a a 455 durch ein anderes, sehr starkes und dickes Band, welches von der einen Seite zur andern ging, und an dem untern Rande der Schaambeingelen- ke befestigt war, Bey dieser Struktur nun war es möglich, dafs jener Vereinigung der beyden Früchte obingeachtet, die nicht nur alle Bewes= gung der untern Hälften ihrer körper zu ver- hindern, ‘sondern auch keinen Raum für die uns tern Gliedmaaflsen übrig zu lassen schien, diese dennoch eine schickliche Stelle und einen be- trächtlichen Grad von Bewegung erhalten konn» ten. ya Vermittelst des erwähnten Beckengelenks konnten. beyde Kinder nicht nur die Oberiheile ihrer Körper nach allen Richtungen bewegen, sondern auch einigermaafsen, sowohl einzeln, als gemeinschaftlich, fortschreiten, Durch dieses gemeinschaftliche Becken wur- de aber eine, vom Gewöhnlichen völlig abwei- chende Struktur der Eimgeweide des Unterleibs norhwendig gemacht. »-Die geraden Bauchmus- keln, die hier nicht ihre gewöhnliche Richtung vom Brustbeine zu den Schaambeinen nehmen konnten, theilten sich bey jedem der Zwillinge in der Mitte des Bauchs, und gingen seitwärts zu den. Schaambeinen. Hierdurch entstand zwis schen ihnen. ein leerer Raum, der durch die Aponeurosen der übrigen Bauchmuskeln ausge- füllt war, und in dessen Mitte sich der gemein- | Fiq 'schaft» 456 u schaftliche Nabel befand. Das Innere der Ober- theile beyder Körper war, gleich ‚dem Aeussern derselben, und namentlich der Darmcanal bis zum Colon, natürlich gebildet. _Das Colon aber war beyden gemeinschaftlich, und endigte sich in einen zweyten gemeinschaftlichen Darm, der zu beyden Seiten mit einem blinden Anhange ver- sehen war. Der letztere ging in einen Behälter über, welcher sich darin mit der Cloaca der Vö. gel vergleichen liefs, dals sich in ihn auch die Harngänge und die Ausleerungsgefälse des Saa- mens öffneten, aber. darin von dieser abwich, dafs kein After vorhanden war, sondern dafs aus ihm zwey Harnröhren zu den beyden männlichen Gliedern gingen, die zwischen den Hintern der Zwillinge an der Stelle‘ des Afters nach hinten gerichtet lagen. Der dünne Theil des Darmca- nals hatte bey jedem Kinde sein eigenes Gekröse. Aber an dem gemeinschaftlichen Darm’ war auf beyden Seiten der Länge nach: eine Fortsetzung des Gekröses jedes einzelnen Kindes befestigt, die ihre Blutgefälse von beyden Zwillingen er- hielt. Diese Gefälse entsprangen sowohl aus der : obern, als der untern Gekrösarterie,, und die Vene jenes gemeinschaftlichen Gekröses entleerte sich in die Hohlader unter den BETTEN Die andere erwähnte Mifsgeburth, welche von Kurmus beschrieben ist, bestand aus weib- lichen = lichen Zwillingen, die von der Mitte der Brust bis zur Nabelgegend verbunden waren. Alles war an diesen Kindern natürlich, bis auf das Brustbein, die Muskeln, die am Brustbeine befe: stigt sind, das Herz, das Zwerchfell und die Le- ber. Diese Organe waren einfach, und gehörten beyden Kindern zugleich an, Aber wie konnte Ein Herz den Blutgefälsen zweyer Körper zum. Ursprunge dienen? Man‘ höre, durch welche Struktur die Natur dieses Problem gelöset hatte, Jenes Herz hatte zwey Scheidewände, eine auf der: rechten und eine auf der linken Seite, mithin drey Ventrikel, Der: mittlere von diesen stand durch eine weite Oeffnung, die sich in der linken Scheidewand befand, mit dem linken Ven- trikel: in Verbindung; die rechte Scheidewand aber war-undurchbohrt, Jeder Körper hatte sei- ne eigene Aorta, Hohlvene, Lungenarterie und Lungenvene. In dem rechten Ventrikel fanden sich zwey Oeffnungen; die eine diente zur Auf- nahme der rechten Hohlvene, und aus der an- dern entsprang die rechte Lungenarterie. Der mittlere Ventrikel hatte, ausser der schon er- 'wähnten Oeffnung, wodurch er mit dem linken Ventrikel in Verbindung stand, noch vier andere; eine, woraus die rechte Aorta entsprang; eine zweyte, worin sich die rechte Hohlvene inserirte, ‚die auch, wie schon bemerkt ist, in den rech- Fi5 ‚ten 458 sunutı ten Ventrikel überging; "eine dritte, ‘welche der linken Hohlvene angehörte, und eme vierte, woraus die linke Aorta enstand! Aus dem drit- - ten Ventrikel ging blos die linke Lungenarterie hervor. Die beyden Lungenarterien: waren ‘mit den beyden Aorten durch arteriöse Canäle ver- bunden. Vier Aurikeln, zwey obere und zwey untere, dienten zur Aufnahme des Bluts der Lun- genvenen. Die beyden obern waren unmittelbar mit diesen Blutadern, und durch zwey andere Oeffnungen mit den beyden untern Aurikeln ver- | bunden; die letztern aber standen durch einen weiten Canal mit einander in Verbindung, und öffneten sich auf eine, von Kurmus nicht näher beschriebene Art in die Hohladern. So fanden bier Zugänge aus allen Organen beyder Körper durch die Lungenvenen und Hohladern zum Her- zen, und aus diesem durch die Lungenarterien und Aorten zu allen Organen statt, Aber die Natur ist unerschöpflich an Hülfs. mitteln. Auf eine noch andere Art, als bey der eben erwähnten Milsgeburth, hatte sie das Pro- blem, zwey Körper aus Einem Herzen mit Blut- gefälsen zu versehen, bey einer von Harrer (m) beschriebenen Mifsgeburth, welche der von Ru.» mus geschilderten im Aeussern völlig ähnlich war, _ auf \ (m) Opuscula anatom, de respirat. etc. p.ı41. ' Opp: min. T.IIl. p.98. C.ÄXIX. | wem - 459 auf einem noch andern Wege bey MuLEBANcHER’s vereinigten Zwillingen (n), auf eine dritte Art bey der Milsgeburth des MaAzzucaiLtı (0), und so überhaupt fast immer auf eine neue Art bey jedem Paare in der Brust unter einander verwach- sener Hiörper gelöset. Doch der Raum verbietet uns, dies hier umständlicher zu zeigen. Dritter Satz. Die Miflsgeburthen bilden unter sich ein ähnliches System, wie die re- gelmälsig geformten Körper der lebenden Na- tur. Wie diese, so machen auch jene keine einfache Stufenleiter aus, sondern jede Art ist mit mehrern ganz verschiedenen Arten z nahe verwandt. Man nehme irgend eine Deformität eines ein- zelnen, und selbst des wichtigsten Organs, z.B. diejenige, wo zwey Köpfe vorhanden sind, und vergleiche die Körper unter einander, woran sich diese Mifsbildung findet; es wird sich dann zei- gen, dafs mit dieser Abweichung vom regelmäfsi- gen Bau die verschiedensten Deformiläten ande- rer Organe verbunden seyn können, Es ‚gab Milsgeburthen, die zwey Köpfe und zwey Fülse hatten; andere hatten zwey Köpfe und drey Fü- fse, und noch andere zwey Köpfe und vier Fü«- ; fse. (m) Opere diverse del Sign. VArzsssenn PIE p.414 (0) Ibid, 4 460 Grmmeurnaunue. fse. Eben so verschieden war bey den Doppelt- köpfen die Zahl der obern Extremitäten, und oft waren auch von diesen nur einzelne Knochen vorhanden. Und selbst unter den Eingeweiden der Brust und des Unterleibs ist. keines, welches nicht ‘bey jener Art von Milsgeburthen in der Zahl und Struktur varüirt' hätte. Sogar: das wichtigste dieser Organe, das Herz, war bald einfach, bald doppelt, und bald auf diese, bald auf jene Art gebildet. $o können mit der Dupli- cität des Kopfs die mannichfaltigsten Milsbildun- gen des übrigen Körpers verbunden seyn; und eben so’ verhält es sich auch mit den verschiede- “ . x ® ; I nen Formen einzelner Organe, die wir bey den verschiedenen Gattungen der. lebenden Körper antreffen. Auch unter diesen ist keine, welche mit einer bestimmten Form des übrigen Organis- mus in nothwendiger Verbindung stände; und daher rührt es, dals jede Art mit mehrern ganz verschiedenen Arten in naher Verwandtschaft steht, und dafs keine einfache Gradation unter jenen Körpern statt findet, wie im sechsten Abschnitt des ersten Buchs dieses Werks umgtändlicher ge- zeigt ist (p). x Diese Sätze sind es, worauf sich unsere obige Behanptung gründet, dafs die mannichfaltigen Formen der lebenden Natur aus wenigen einfa-_ chen (p) Biol. Bd.ı. 8,446 ff. 461 chen Usformen durch den ewigen Kreislauf von Veränderungen, in welchem das Universum be- griffen ist, entwickelt sind. Wir haben nehm- lich erstens gesehen, dals bey zufälligen, und selbst mechanischen Ursachen, die nach der En- pfängnils auf den Keim wirken, und die regel- mäfsige Ausbildung desselben verhindern, dieser dennoch eine, den Verhältnissen, worin er sich befindet, so angemessene Gestalt, wie möglich, annimmt. Um wie viel mehr wird dies also der Fall seyn, wenn jene Ursachen nicht zufäl- lig, sondern Resultate der Organisation des Uni- versums sind! Ursachen aber, die in der Orga- nisation . des Weltalls gegründet sind, wirken nicht, wie die zufälligen, wodurch Mifsbildun- gen entstehen, blos vorübergehend ,„ sondern dureh ganze Reihen von Generationen. Sie ha- ben also schon vor der Empfängnifs Einfluls auf den Zeugungsstof, Wenn folglich diese Ursa- chen in der That denen analog sind, durch wel- che Deformitäten hervorgebracht werden, so muls es auch Ursachen der Milsgeburthen geben, die schon vor der Empfängnils wirksam sind. Dafs es aber solche Ursachen giebt, ist ebenfalls oben bewiesen worden. Ferner, wenn die lebende Natur auf ähnliche Art entstanden ist, wie Mifs- geburihen erzeugt werden, so müssen diese un- ter sich ein ähnliches System, wie die regelmä- [sig gebildeten Körper der lebenden Welt, aus- ma 462 Qemsnsmumumen machen; und dafs auch dies der Fall ist, wurde in- dem dritten obigen ‘"Satze. gezeigt. So spricht die Analogie der Milsbildungen für unsere Mei- nung von dem Entstehen der jetzigen lebenden Natur, und wir beschliessen diesen Abschnitt in. der Ueberzeugung , eines der schwürigsten Pro- bleme der Biologie gelöset zu haben. Zwey- tn Zee a = ae Kr end m N — 453 / Z,weyter Abschnitt, Wachsthum und Abnahme der leben- den Körper. ; (. D: erste Lebenserscheinung, die wir an dem neu erzeugten Individuum wahrnehmen, ist das Wachsthum. 'Versteht man indefs unter dieser - Benennung jede Vergröfserung des Volumens über- haupt, so hat der lebende Organismus hierin nichts vor der todten Natur voraus, als das Ver- mögen, bey ungleichförmigen äussern Einwirkun- ‚gen dennoch gleichförmig sein Volumen zu ver- gröfsern, und so kann uns die Erfahrung hier- über nichts sagen, was sich nicht schon zum voraus wissen liesse. Aber wir trelfen bey dem Wachsthume der lebenden Körper noch andere Eigenthümlichkeiten an, die der todten Natur fehlen, und diese sind es, die hier eine nähere Untersuchung verdienen, I. Jeder leblose Körper wächst, so lan- ge die Quelle seines Bildungsstoffs nicht 464 | mm nicht versiegt; aber jedem lebenden Organismus ist eine Gränze gesetzt, die er bey seinem Wachsthume nicht über- schreiten kann, wenn ihm auch der Nahrungsstoff immer in gleicher Menge zuflielst. Gebt dem Dianenbaume und andern metalli- schen Vegetationen unaufhörlich neue Nahrung, und sie wachsen bis ins Unendliche, Aber selbst “der fruchtbarste Boden verschafft dem Grashal- me, und die nahrhafteste Speise dem Menschen nicht die Gröfse der Eiche. Indels ist jenes Ziel des Wachsthums bey Er verschiedenen Arten der lebenden Organis- men sehr verschieden. Die meisten Thiere er- reichen es lange vor ihrem Ende. Hingegen die Crocodile, manche Wasserschlangen und Fische (a), so wie unter den Pflanzen die Adansonia digi- tata (b), der Ceiba (Bombax L.) (c), die Eiche und die Ceder des Libanons (d) nehmen bis zu ihrem Tode immer fort an Gröfse zu, 6. 3. (a) Harzer EI. phys. T. VIII L. XXX. 9, DI. p- 91. (b) AnAnson’s Reise nach Senegal. 8.64. Ebenders. in den Mem, de l’Acad, des sc. de Paris. 1761. ps 218 | (e) Avıasson familles des plantes. P.ı. p. 390. (d) Eine Eiele, deren Umfang im Jahre 1580 vier Fuls betrug, | 465 6. 3 LE Weder das Volumen des ganzen le- benden Organismus, noch das seiner einzelnen Organe, nimmt in-gleichen Zeiten um gleiche Theile zu. Je näher der Mensch seinem Ursprunge ist, desto schneller vergröfsert sich sein Volumen, Doch leidet auch; dieser Satz Ausnahmen. Im zweyten Monat wächst der Embryo langsamer, ‘als im dritten; im Anfange des vierten wieder etwas langsamer; von der Mitte des vierten bis zum sechsten wieder stärker, und von dieser Zeit an bis zum neunten wieder etwas langsamer (e), © Unter „den einzelnen Organen wächst der . Schädel-in den neun Monaten vor der Geburth mehr, als in den zwanzig folgenden Jahren (f). Die betrug, hatte im Jahre 1760 eine Circumferenz von 15 Fuls 22, Zoll, und 1781 von ı6 Fuls 5,% Zoll. Sie nahm folglich bis in ihr 20ojähriges Alter noch an Dicke zu. Eine Ceder, welche 1748 nur ı Fufs hoch ‘war, hatte 1777 3 Fuls ı% Zoll, und 1705 6 Fuls 17%; Zoll im Umfange, MArsHAam, Phil, Transact, 1797. (e) SÖMMERING Icones embryonum human. In ex plicat, tabularum, ‚(f) Tesos, Mem. de I’ Institut nat, „s% mathem, et phys. T,I p, 230 ‘UI Bd, Gg 456 omas Die Schirmpalme nimmt in den vier letzten Mo- naten vor ihrer Blüthe 45mal mehr an Gröfse zu, als in den gleichen Zeiträumen der vorhergehen- den 35 Jahre, 2 4 Die verschiedenen Organe des leben- den Körpers entstehen nicht gleichzei- tig, sondern nach einander. Bey dem Embryo des Menschen sieht man um die dritte Woche ‚einen zwey Drittel des ganzen Körpers grolsen Kopf, und die Extre- mitäten als kaum bemerkbare Punkte (g). Ge- gen die sechste Woche zeigt sich das Nabelbläs- chen (h). Kurz nach derselben erscheinen Spuh- ren vom Munde und von den Augen (i). Nach der siebenten Woche fängt die Bildung der Na- se (k), und bald darauf auch die der Ohren, der Finger, vielleicht auch des Afters und der äussern Genitalien (l) an. _ Um die zehnte Woche zeigen sich an den Ohren der Helix, Tragus, Antitragus und Antihelix; an den Augen ‚die ge- schlossenen Augenlieder; an der Nase der Rük- ken, 8) Sömmerise lc. fg.i (bh) Ibid. fig. 6) Ibid. fe.z. (k) Ibid. fig. 4. | (dl) fig. 5 & 3 N. “ — 467 ken, die Flügel, und die Scheidewand; am Munde die Lippen, und an den Genitalien der Geschlechtsunterschied (m); Um die zwölfte Woche unterscheidet man am Kopfe die Stirn-; Scheitel- und Schläfenbeine, die Augapfel; das Grübchen auf der Mitte der Oberlippe; und die Ohrmuschel; am Rumpfe den genau vomi Kopfe und von den Schultern begränzten Hals, die Rippen, den stark hervorstehenden Penis; ind das Scrotum. Die öbern Extremitäten habeü ihre Schlüsselbeine, einige dutch die Muskeln erhas bene Stellen, än den Fingern die Gelenke, und eine Spuhr von den Nägeln. An den untern Exs tremitäten unterscheidet man die Hüftknochen; den grolsen Trochänter, die Gelenkköpfe des Schenkels, die Kriescheibe,;, die Küöchel ünd am Fufse die Spuhren der Nägel (u): « Ueber die Zeit des Entstehens,; öder viel mehr des Sichtbarwerdens der innern Organe des Menschen und der übrigen Säugthiere fehlt es ‚noch .an hinreichenden Beobachtungen, Cavis: SHANK (0) fand bey Kaninchen am dritten Tage nach der Begattung bey ällen das Chotion und Attis (m) fig. 8. 9: (n) fig. 10: -(o) Reir's Archiv 7 d: Physiologie. B: 5: H: 1: 8:92; Taf. ı, a Gg a 468 umumnnun \ Amnion, und, wie. er glaubt, auch bey einigen die Allantois. Am achten Tage wurden die er- sten Anfänge der Wirbelbeine, des Rückenmarks und der Hemisphärien des Gehirns sichtbar, wenn er einen Tropfen destillirten Weingeist darauf fallen lielfs. Am neunten Tage zeigte sich der Nabelstrang, doch noch sehr kurz, Zablreichere und genauere Beobachtungen ha- ben wir über die Zeiten des’ Sichtbarwerdens der Eingeweide bey dem bebrüteten Ey der Henne. Gegen die 7te Stunde zeigt sich in diesem der Dottersack (p); gegen die zwölfte das Amnion (g); um die 24te das Gehirn und Rückenmark Gr); um die Zıte die figura venosa (s); um die 48te das Herz (t) und die Aorta (u); um die 70te die ersten Anfänge der Flügel und Beine (v); um die 7ste die Allantois (w); am Anfange des 4ten Ta- ges die Leber (x); am Ende des 5ten Tages die Rudi- (p) Harrer sur la formation da coeur dans le pou- let. Mem.ı. obs.ı. (gq), Ebendas. Obs. 5. (r) Obs. ı9. (s) Obs. 3:1. 2 (t) Obs. 37 ff. ‚P \ (u) Obs. 40. 45. 45. .(v) Ebendas. Mem, 2, p.47. (w) Ebendas. Mem,ı. Obs,78. 79. (x) Obs. 102. — 469 Rudimente der Lungen, des Magens, und des Mastdarms (y); am 6ten Tage die Gallenblase (z), die Nieren (a) und die dünnen Gedärme (b), In den befruchteten Eyern des Blei (Cyprinus Brama) erkennt man am ersten Tage den Dot- ter (c), das Weisse und zwischen diesen eine halbmondförmige Stelle Am sten Tage wird diese Stelle, in welcher von. Zeit zu Zeit ein be- weglicher Punkt erscheint, etwas trüb. Am 5ten Tage erblickt man an diesem Orte eine diche tere Masse, die mit dem einen Ende frey ist, mit dem andern aber im Dotter festsitzi. Am Ende der letztern Stelle sieht man den Umrifs des erwähnten Punkts, dessen Bewegung jetzt ver- doppelt wird, Die angeführte Masse, oder der Embryo, bewegt sich von Zeit zu Zeit mit dem freyen Ende, oder Schwanze. Am ä4ten Tage vermehren sich sowohl die Pulsschläge, als auch die Bewegung des ganzen Körpers, Am sten Tage nimmt man bey gewissen Lagen des Foetus den (y) Obs. 133. 126. (z) Obs. 143. (a) Obs, 144. (b) Obs. 148. (c) So nennet Broem diesen Theil. Es ist’ aber schon im ersten Kapitel des vorigen Abschnitts bemerkt worden, dafs es zweifelhaft ist, ob die Eyer der Grätenfische einen Dotter besitzen, 685 \ 14 den ‘Umlauf .der Säfte in den Gefälsen: wahr. Am 6ten Tage lälst sich der Rückgrath mit den daran sitzenden Rippen unterscheiden. Am 7ten erblickt man mit blofsen Augen zwey schwarze Punkte im Ey, welche die Augen sind. Jetzt stellt sich schon der Fisch mit seinem ganzen Umrisse und die Wirbelsäule mit den Rippen so deutlich dar, dafs man bey einer stärkern Ver- grölserung die Anzahl der letztern bestimmen kann. Da übrigens die Ausbrütung der Fische durch die Sonnenwärme geschieht, und diese in der Laichzeit das Wasser nicht allemal in glei- chem Grade erwärmt, so geschieht auch die Ent- wickelung der Eyer nicht immer in einerley Zeit- raume, und man nimmt daher die angeführten Erscheinungen bald einen Tag früher, bald spä- ter wahr (d). EN Ge 6 Die Theile des lebenden Organismus wachsen nicht alle in gleichem Verhält nisse. Einige sind schon ausgebildet und zu ihrer gehörigen Grölse gelan- get, indem andere in ihrer Ausbildung und in der Zunahme ihres Volumens’ noch begriffen sind, A Der ; (d) Brocn's Fische Deutschlands, Th.ı; 8,117. 118. m— 471 ‘Der Embryo- der Säugthiere wächst nicht in gleichem Verhältnisse mit seiner Hülle. Je klei- ner jener, desto grölser dieser; und umge- kehrt (e). 4 Bey allen Thieren steht das Wachsthum der festen Theile mit der Zunahme der flüssigen im umgekehrten Verhältnisse. Je jünger sie sind, desto gröfser ist die Masse der letztern, und desto kleiner das Volumen der erstern. Mit zu«- nehmendem Alter nimmt dieses ZU, indem jene vermindert wird, ‚Je jünger der Embryo ist, desta grölser ist der Kopf (f), desto gröfser das Gehirm (g)» und desto dicker sind die Nerven (h). In ganz jungen Früchten übertrifft der Kopf.den ganzen übrigen Körper an Grölse (i). Ferner erreichen am Kopfe die Augen (K). die Pyramiden der Schläfenbeine (1), und das Laby« (e) Sömmerıng Icon, embr. human, In expl, tab, (f) Sömmerine |, c. (g) Sömmeriıng’s Hirn = und Nervkahre $.26. (h) Ebendas, $. 173. - (i) Harzer El Phys. T.VIII L. XIX, S.IVv. $. 58 p- 369. (k) Ibid. p.370. (1) Sörmerıng Icon, embr. human, In exp}, tahı VEN . h +7 PR . sa tr 472 | nn] \ Labyrinth des Ohrs (m); am Halse die Schild- drüse (n); in der Brust das Herz (o), die Thy- ‚mus (p), und die Bronchialdrüsen (9); im Um terleibe die Leber (r), das Pancreas, die Ge- krösdrüsen (s), die Nebennieren (t) und der wurmförmige Fortsatz des Blinddarms (n) frü- her, als die übrigen Organe, ihre bestimmte Grölse und Bildung, r Langsamer als alle übrige Organe gelangen hierzu die Genitalien, und beym weiblichen Ge- schlechte auch die Brüste, } Selbst jeder einzelne Theil beobachtet jenes obige Gesetz bey seinem Wachsthume. Das äus- sere Stück des Ringes der Iris bildet sich früher, als das innere (v). Der Schädel wächst von der Geburt an bis zum sechsten Jahre mehr nach dem gröfsten Durchschnitte, als nach dem klei- nern, (m) Sömmenrınc’s Eingeweidelehre. 6.54. S. 42. (n) Arzını Icon. ossium foetus. Tab. II. f. 46. 51. (0) Eph. Nat, Cur, Dec.Ii. Ann.ı. p.305- » (p) Harrer 1, c. $.59. p. 371. :(q) Tbid. p. 372. (r) Tbid. 6.40. pP. 372. 373- H (s) Tbid. $. 59. p. 372. Sömmerıng’s Eingeweidelehre, S. 151, $.31. (t) Harzer |. c. (u) "SöÖMMERING a.a. O. $. 259. 5.351. (v) Sömmering Icon, embr. human, In expl, tab, u, 473 nern, welcher unter der Basis des Schädels von dem einen Jochfortsatze zum andern über den Schuppentheil der Schläfenbeine und über die vordern Seiten der Hinterhauptsbeine bis zur Pfeilnath geht; hingegen nach dem sechsten Jahre ' mehr nach dem letztern, als nach dem erstern. - Ferner wächst in der ersten dieser Perioden die grölste Länge des Schädels von hinten nach vorne mehr, als der grölste von der einen Seite zur andern gehende Queerdurchmesser, ‘und in der zweyten dieser mehr, als jener. Endlich liegt auch der grölste horizontale, durch das Stirnbein gehende Durchschnitt des Schädels bey dem neu- gebohrnen ‚Rinde fast um einen Zoll höher, als bey dem Erwachsenen (w). ’ N 6. 6. Einige Organe nehmen sogar wieder ab, oder verschwinden ganz, indem das Wachsthum der übrigen noch fort- “dauert; oder mit andern Worten: in dem Wachsthume einiger Organe findet ein Antagonismus Statt. Ein solcher Theil ist bey dem menschlichen Embryo das Nabelbläschen, welches desto mehr ab- '(w) Tenow, Mem, de l'Institut Nat. Sc. mathem, ete, T.I, p.221, G55 474 | une abnimmt, je gröfser dieser wird, und’ gegen die Mitte: der Schwangerschaft ganz verschwindet (x). Gegen die Zeit der Geburth schwinden bey die sem das obturaculum meatus auditorii (y) und die membrana pupillaris (z); nach derselben det ductus venosus und arteriosus, die Nabelgefälse, die Eustachische Klappe (a) und die Thymus (b), Auffallender als bey dem Menschen, den Säugthieren und Vögeln aber bestätigt sich das obige Gesetz bey mehrern Amphibien und bey den meisten Insekten. ‘Der braune Grasfrosch (Rana temporaria L.) zeigt sich bald nach seinem Entstehen aus dem Ey als ein länglichter Wurm mit franzenähnlichen Anhängen zu beyden Seiten des Ropfs (c). Mit zu- nehmender Gröfse des Wurms verschwinden diese Anhänge, und statt derselben erscheinen Augen und s eine (x): Lossteın Essai sur la nutrition du foetus, im Neuen Journal der ausl. med. chir. Litteratur von HuretAanp u. Harıes. B.I St. 2.8.20 fl. (y) Harzer El. phys. T.V. L.XV. ST. $.8. p: 1098. (z) WriısBers, Nov. cömmentar. soc. Teg. Sc. TOT T.IH. p. 108 sq. ‘ (a) Lossteın de valvula Eustachi — Leveriıne de „ Valvula, Eustach, etc.’ ‘ (b) Hewsow experimental Inquiries. T..IH. ! (c) Röser’s hist. ränar. nostrat, Tab. II. £.17. 18. p-&. i — 475 eine Schwanzflosse (d). So wie die Vorderfülse erscheinen, fällt der Leib zusammen (e), und so wie auch die Hinterfülse hervorwachsen, ver- ‘schwindet der Schwanz, die Gedärme werden kürzer, und. das Thier bekömmt die Gestalt eines vollkommenen Frosches (f). Eine ähnliche, und zum. Theil noch auffal- lendere gleichzeitige Ab- und Zunahme der ver- schiedenen Organe beym Wachsthume des ganzen Organismus zeigt sich beym Laubfrosche (g), dem grünen Wasserfrosche (h), der Kröte (i), der Pipa (k), und der Rana paradoxa, Auf eben dem Gesetze beruhen auch alle Verwandlungen der Insekten, Ausdehnung, .oder selbst ganz neue Erzeugung einiger Organe, und zwar innerer sowohl, als äusserer (l), in- dem andere sich verkürzen, oder völlig ver- "schwinden, bewirkt diesen Zauber, Eine blolse Ver- 8 (d) Ibid. f. ıg. 20. p.$. Ce) Ibid. f,27. p.ıo. (£) Ibid. p.ıı. (g) Ibid, Sect, II. p. 37. (h}} Ibid. Sect. III. p. 53. (1) Ibid. S.IV. p.6g. :(k) Srarzanzanı über die Erzeugung der Thiere u. ‚Pflanzen. Abth.ı. $.328. 329. N (l) Lxonser Tr. de la chenille, ai ronge le bois de saule. p- 585. 476 m Verkürzung und Verlängerung: findet bey der zweyten ÜClasse der Insekten, nach. SwamMEr- Dpamm’s Eintheilung (m), eine völlig neue Erzeu- ‘gung und ein gleichzeitiges Verschwinden bey‘ den zwey folgenden Classen statt (n) Indem die äussern Gliedmaafsen der Larve schwinden und ihre Länge abnimmt, wächst ihre Dicke, und durch jenes Schwinden und jene Verkürzung mit dieser gleichzeitigen Zunahme wird sie in eine Puppe verwandelt. In der Nymphe ereignet sich dasselbe, wie in dem Ey der Sängthiere und Vögel. Je jünger sie ist, desto grölser ist die Menge der flüssigen, desto geringer die der festen Theile (0). Je mehr diese zunimmt, in- dem jene sich . vermindert, desto mehr nähert sich die Nymphe dem vollkommenen Insekt. Eben so ist es endlich auch bey dem Wachs- thume der Pflanzen. Indem die junge Pflanze heranwächst, schwinden die Saamenlappen; in- dem die Frucht ihrer Vollendung entgegenreift, vertrocknet die Blüthe, und indem der Reim ei- nes neuen Blatts sich entwickelt, verwelkt das vorige, das ihn in seinem Schoolse erzeugte. Schon Lınne machte die Beobachtung am Hanfe, % und (m) Swammerpami Hist, insect. gener. S.IV. p.76 sg. Lesser Theologie des Insectes. P.I. p. 152. not. (*). * (n) SWAMMERDAMM 2.2.0. p.$8 sq. p-ı21 sq. (0) SWAMMERDAMM ebendas, / “ RT ö RER a Ne a ern Dan Een EN u 4 Pi — 477 und Brıprr bestätigte sie am Erysimum offlici- nale, dals- Pistillen , worauf der männliche Saa- menstaub nicht gewirkt hat, sich weit länger er- halten, als befruchtete (p). So ist jedes Wachsthum unaufhörliche Meta- morphose, und zwar eine Verwandelung, die sich nicht nur auf den ganzen Organismus, son« _ dern auch auf jedes seiner Organe erstreckt, - Der Embryo ist in der ersten Zeit seiner Bildung dem. erwachsenen Menschen, und jedes entste- hende Organ ‚des erstern den Organen des letz- tern fast eben so unähnlich, wie die Raupe der Puppe und die Puppe dem Schmetterlinge. Metamorphose ist daher nicht den Amphibien und Insekten ausschlielslich eigen. Sie kömmt allen lebenden Körpern ohne Ausnahme zu, und der einzige Unterschied zwischen jenen Thieren und den übrigen lebenden Organismen ist nur der, dafs sie bey diesen noch im Mutterleibe, der geheimen Werkstäte der Natur, geschieht, ‘oder zu alltäglich ist, um uns 'aufzufallen. Für die ganze lebende Natur ist jedes lebende Individuum dasselbe, was jedes Organ für das letztere ist. Metamorphose kömmt daher auch der ganzen lebenden Natur als Einem grolsen Organismus zu. Abnahme und Zunahme, Unter- gans (p) Brıpzı. muscolog. recent. T.I. p.54. '478 — gang und Entstehen ist auch in ihr‘ unzertrenn- lich verbunden. Keine Generation verschwindet, ohne dals schon eine neue heranwächst, um ihre Stelle zu ersetzen, . Indem die Bäume der einen Erdhälfte ihre Blätter verliehren, fangen die der andern wieder an, Schatten zu verbrei- ten. Das Blut der Erschlagenen düngt die Erde, und ein schönerer Frühling sprolst auf den Schlachtfeldern. Dafs endlich auch sowohl die Erzetgung, als der Tod, nichts anders als Uebergänge gewis- ser Formen des Lebens zu andern sind, wissen wir schon aus dem ‘zweyten Buche. So zeigt sich folglich Harmonie zwischen scheinbar ganz verschiedenen Phänomenen, und es eröffnet ‚sich uns die Aussicht, Erzeugung, Wachsthum und Tod auf ein gemeinschaftliches Princip einst zu« rückzuführen. $. 7 Einige Theile hingegen haben kein anderes Zielihres Wachsthums, als den Tod des ganzen Organismus. Bey dem Menschen sind diese Theile: die Haare, die Nägel, und das Fett; bey den übri- gen Säugthieren und den Vögeln, ausser den Haaren, den Federn und dem Fett, die Hörner gr 479 und Krallen; bey den Schaalthieren die Schaa- len; und bey den Ptlanzen das. Holz. Bey dem Fett aber, beobachten wir nur in krankhaften Fällen ein ununterbrochenes Wachsthum. . Men- schen, welche vier- bis fünfhundert Pfund, und daruber,. gewogen haben (g), gehören zu den seltenen Erscheinungen. Bey den übrigen jener Theile hingegen ist das, fortdauernde Wachsthum der Natur gemäfs. An den Hörnern umd Gewei- hen der Rinder erzeugt sich jährlich ein neuer Wulst, oder ein neues Glied (r), an.der Hlap- ' per der Klapperschlange ein neuer Ansatz (s), an den Gehäusen der Schnecken eine neue Windung, und an dem Holze der Dicotyledonen ein neuer Ring. Vielleicht würde sich. etwas Aehnliches bey den Haaren, Nägeln, Krallen und Klauen finden, wenn diese Theile genauer beobachtet, und nicht in ihrem _ Wachsthume aufgehalten "würden. $. 8. (g) HAızer EI. Phys. T.T. L.T. S.IV. p.50. ' Tuun> Benc’s Reisen. S.74, im Mag. von merkwürdigen neuen Reisebeschreibungen. B. VII, (r) Doch sollen die Rennthiere hiervon eine Ausnah- me machen, und jährlich nach dem Abfallen ihrer Geweihe neue erzeugen, die nicht länger"werden, ‚ wie die vorigen. Hoısten, Abh. der Schwed. Akad. 177% B.XXXVI. S.ı5i. (s) DoBRrızHorFERs Geschichte der Abiponer. Th. 2, S. 38% 6: 4809 une I. & a So wie nach dem fünften Gesetze ($. 6.) einige Organe bey ihrem Wachs- thume einen Antagonismus gegen ein- ander äussern, so wachsen und verge- hen andere gemeinschaftlich mit einan- der, oder stehen bey ihrer Entwicke- lung und ihrem Absterben in einer Sym- pathie. Auf diesem Gesetze beruhet die im ersten Buche (t) erwähnte Symmetrie, welche in der Organisation der rechten und linken Hälfte bey den sämmtlichen Thieren herrscht. Der ver- schiedene Grad dieser symmetrischen Organisation giebt eine Stufenleiter der Stärke jener Sympathie, Am stärksten ist also dieselbe bey dem Hälften des Hirn- und Rückenmarks; hiernächst bey den Knochen, den willkuhrlichen Muskeln, den Haa- ren,. den äussern Sinnesorganen, den Drüsen ‘der Brüste, und den diesen Theilen zugehörigen Ner- ven ad Blutgefälsen der rechten und linken Hälfte; dann folgen die zur Bereitung des Urins _ und zur Fortpflanzung bestimmten Organe; und _ auf der untersten Stufe stehen die Bespira- tionsorgane, ar So (t) Biol. Bd.ı. S, 170 ff, ——n 481 So wie diese Organe zu gleicher Zeit und nach einerley Muster gebildet wurden, so’ stehen sie auch bey Veränderungen ihrer Organisation in enger Sympathie, Krankheiten des einen Auges ziehen gewöhnlich auch Krankheiten des andern nach sich. Dieselbe Erscheinung beobachtet man häufig bey den Brüsten, Nieren, Eyerstöcken und Hoden. Ausser den symmetrisch geformten Organen äussern auch die Zeugungsorgane, die Brüste, die Haare der. Achselhöhlen, der Bart beym männli- chen -Geschlechte, und der RKehlkopf einen hohen Grad von Sympathie. Gemeinschaftlich entste- hen oder vervollkommnen sich diese Theile gegen die Zeit der Mannbarkeit, und gemeinschaftlich vergehen sie im hohen Alter, oder nach der Ca- 'stration. Einer Frau, welcher: PorTr die in ei- nem Bruchsacke zu beyden Seiten liegenden Eyer- stöcke unterband und abschnitt, fielen sogleich die Brüste zusammen. Die Zoophyten und. Pflanzen zeigen zwar nur schwache, aber doch immer einige Spuhren von Syir:pathie. Selten bleiben Verderbnisse der Blät- ter bey den Gewächsen blos auf die eine Seite derselben eingeschränkt. Doch bedürfen diese Organismen in Betreff ihres sympathetischen, Wachsthums noch näherer Untersuchungen. 111. Da. +; ‘Hh $.9. 482 uni . Einige Organe sterben zu gewissen Zeiten von freyen Stücken ab, und er- zeugen sich nachher von neuem wie der. Unter den flüssigen Theilen giebt es keinen, der von diesem Gesetze der natürlichen Re- produktion eine Ausnahme macht. Das ganze "Leben besteht in einem beständigen Verluste und Ersatze von Flüssigkeiten. Einen festern Typus aber beobachtet diese Veränderung bey den festen Theilen, und hier ist sie zugleich auffallender. | | Unter den festen Theilen des Menschen sind blos die Oberhaut und die Zähne der natürlichen Reproduktion unterworfen, . Die erstere aber son- dert sich zu unbestimmten Zeiten, und nur theil- weise vom Körper ab; bey den letztern hingegen ist jene Reproduktion an bestimmte Perioden ge- bunden. Nach dem gewöhnlichen Laufe der Natur findet dieses Wechseln der Zähne nur einmal in der Jugend statt. In.einigen seltenen Fällen aber ist auch im hohen Alter noch eine Wieder- erzeugung der Zähne beobachtet (u). ’ Mit dem Menschen haben die bekanntern un- ter den übrigen Säugthieren die Reproduktion der . Epi- (u) Harzer El, Phys. T.VII. L.XXX. S.II. $. 2. ganzen 483 Epidermis und der Zähne gemein. Diejenigen, welche mit Hörnern oder Geweihen versehen sind, reproduciren aber auch diese Organe (v). Bey den Vögeln äussert sich die natürliche Reproduktion durch das Mausern (w); bey den Amphibien überhaupt durch das Häuten, und bey den Fröschen insbesondere gegen die Zeit der Be gattung durch die Erzeugung einer schwarzen drüsigen Haut an den Vorderpfoten, welche nach der Paarung verschwindet (x). Ein Beyspiel von natürlicher Reproduktion bey den Fischen giebt das Wechseln ihrer Zähne und ihrer Stacheln. Jenes unterscheidet sich von demjenigen, welches bey den Säugthieren statt findet, darin, dals der neue Zahn nicht, wie bey diesen, schon vor dem Ausfallen des alten in der Kinnlade enthalten ist, sondern sich erst ‚nach . Erledigung der Stelle des letztern bildet (y). Hin- gegen bey dem Wechseln der Stacheln entsteht erst ein neuer an der Wurzel des alten, ehe der ‘ letztere ausfällt (z). i Bey (v) Ibid. L.XXIX. $.I1. 9.53 (w) Ibid. (x) Röser Hist. nat. ranarum nostrat. p.4 (y) Fischer in Wıepemann’s Archiv für Zuolagih u. Zootomie. B.2. St. 1. 8.151: (z) Bey der Raia aquila: LA Cerepe Hist, nat, des poissons. 2, p- 108. Hho 484 j — Bey den Garten- und Waldschnecken findet sich ebenfalls eine hierhergehörige Erscheinung. Gegen die Paarungszeit erzeugt sich bey diesen in einer Oeffnung am Halse ein Pfeil von kalkar- tiger Substanz, den die eine der andern vor der Begattung entgegenwirft, und wahrscheinlich im folgenden Jahre reproducirt (a). Am stärksten zeigt sich die natürliche Repro- Auktion unter den fünf obern Thierclassen bey’ den Crustaceen und Insekten, Fast alle diese Thiere haben mit den Vögeln und Amphibien die Reproduktion neuer Bedeckungen gemein (b). Der Krebs wechselt jährlich im Anfange des Sommers seine Schaale (c), und die Raupe häutet sich zu ' wiederhohlten malen vor ihrer Verwandelung. Der Krebs aber erzeugt mit der neuen Schaale zugleich neue Häute des Magens, und die Raupe mit ihrer Haut neue Zähne, Kinnladen, Bron- chien, Luftlöcher, Gedärme, einen neuen Schlund, Schädel, und eine neue Hornhaut (d). Die (a) O. F. Mürter in den Schriften der Berlin. Ge- sellsch. B.V. S. 394. j (b) Hazzer.l.c. L.XXIX. S.II. $. 33. p. 168. (c) Corrınsor, Philosoph. Transact. Vol. XLVII: p. 40. Reaumur, Mem. de lV’Acad. des’sc. de Paris. 1712. Td. 8. p- 295. Leipziger oekonomisch - physikalische Abhandl. T. VI. 1755. 8.335. _ ‚(d) Hauzır ]. c. I 485 Die fünf obern Thierclassen aber werden in Ansehung der natürlichen Reproduktion von den Pflanzen übertroffen. Die periodische Zerstöh- rung und Wiedererzeugung der Blätter und Ge- schlechtstheile bey den Vegetabilien ist eines der auffallendsten unter allen Beyspielen von natür- licher Reproduktion, Doch hatte Hkpwıc (e) Unrecht, wenn er den periodischen Verlust und Ersatz der Zeugungsorgane für den unterschei- _ denden Charakter des Pflanzenreichs von den Thieren hielt. Auch bey vielen Mollusken findet man ausser der Paarungszeit keine Spuhr von Zeugungsiheilen, — Die Würmer und Zoöphyten besitzen fast einerley Grad von natürlichem Reproduktionsver- mögen mit den Pilanzen.. Bey den erstern so- wohl, als bey Jen letztern dienet dieses Vermö- gen nicht, wie bey den obern Thierclassen, blos zur Erhaltung des Individuums; sondern auch zur Erhaltung der Art, Die Fortpflanzung der Naiden, Zoophyten und Pilanzen durch Sprossen ist offenbar nichts anders, als eine Art von na. türlicher Reproduktion, und zwischen ihnen und den höhern Thierclassen findet in dieser Hinsicht kein anderer Unterschied statt, als nur dieser, SENSE dals (e) Leipziger Magazin zur Naturkunde. 1784. St. 2. 5. 215. | Hhz N 486 — ‚ dafs die reproducirten Theile nach ihrer Tren- nung vom.Körper bey den letztern absterben, bey den erstern hingegen fortleben, und sich zu einem vollständigen Individuum entwickeln, Fort- pflanzung des Geschlechts und. Reproduktion sind also wahrscheinlich Wirkungen einer und der- selben Kraft, und mit der Erklärung des einen dieser Phänomene wird ohne Zweifel auch die des andern gegeben seyn, Eine Vergleichung der bisherigen, über die natürliche Reproduktion vorgetragenen Sätze mit einem im letzten Kapitel des ersten Buchs be- wiesenen Satze liefert uns eine Folgerung, die uns vielleicht einst zu dieser Erklärung führen kann. Wir haben nehmlich dort gesehen, dafs die Grölse des Gehirns gegen die Dicke des Rückenmarks, der Nerven und Ganglien desto mehr abnimmt, je weiter wir von den Säugthie- ren zu den Zoophyten herabsteigen (f, Die Säug- (6) Biol. B.ı: 8.460. — Einer gewissen Veranlassung wegen finde ich für nöthig, bey dieser Gelegenheit zu bemerken, dals die hier angeführte Stelle in mei- nem Manuscript folgendermaalsen lautete: “ Wir „finden nehmlich erstens, dals die Gröfse des Gehirns „gegen die Dicke des Rückenmarks und der a Nerven desto mehr abnimmt u. s. w.” dals aber die ee gedruckten Worte beym. Abschrei- k ben a, = Säugthiere haben aber auch weniger Reproduk- tionsvermögen, als die Vögel; diese weniger, als die Amphibien u. s. w. Folglich steht das Reproduktionsvermögen mit der relativen Gröfse des Gehirns im umgekehrten, mit der relativen Dicke des Rückenmarks, der Nerven und Gan- glien aber im geraden Verhältnisse, und der Grad jenes Vermögens hängt von der Verschiedenheit dieses Verhältnisses ab. Wären unsere Beobachtungen über die natür- liche Reproduktion zahlreicher, wie sie in der That noch sind, so würde sich ohne Zweifel auch zeigen, dafs, so wie bey der Metamorphose mit der Abnahme und dem Verschwinden einiger Organe Zunahme und Entstehung anderer ver- bunden ist, so auch hier, indem sich neue Or. gane erzeugen, nicht nur die vorigen gleicharti- gen, sondern auch andere ungleichartige abneh- men und verschwinden. “Doch liefern uns auch schon die bisherigen Erfahrungen Beweise dieses Satzes. Flüssige und feste Theile werden immer auf Unkosten anderer flüssiger Theile reproducirt, Der Hirsch magert ab bey der Wiedererzeugung sei- ben ausgelassen sind, und dafs sich blos auf die- se ausgelassenen Worte die auf der folgenden 46ıten, Seite citirten Schriften von Harzer und Barzur2 beziehen, Hh4 488 DR mn, = seines Geweihs, der Vogel bey der Reproduktion seiner Federn, und das Insekt beym Weclıiseln seiner Häute. Im Magen des Krebses findet sich eine Art von Zähnen, die verzehrt wird und end- lich ganz verschwindet, indem sich ein neues Brustschild bildet (g). G. 1% Die meisten Organe stellen ihre vo- rige Struktur und Textur. wieder;her,. wenn diese durch zufällige Ursachen verändert sind, Einige reproduciren sich gleich -denjenigen, welche zu ge- wissen Zeiten von freyen Stücken ab- sterben, sogar dann, wenn sie durch äussere Gewaltthätigkeiten einen Ver- lust an Substanz erlitten haben, oder auch ganz. zerstöhrt sind. Verletzungen der blofsen Struktur finden. bey einfachen Schnitt- und Hiebwunden, der Struktur x und Textur zugleich bey gequetschten Wunden statt. Im beyden Fällen erfolgt bey allen leben- den Organismen und allen Organen eine Red. integra tion der vorigen Struktur und Textur entweder durch einfache Vereinigung der getrenn- ten Wundlefzen (Reunion), oder durch Eite- rung, ‚(g) Harırr Le. ' “ 489 rung, wenn die Verletzung nicht so beträcht- lich ist, dafs alle Funktionen des Organismus dadurch zum Stocken gebracht werden. Selbst mit fremden Organen vereinigen sich verwundete Theile, Bey den Pflanzen giebt das Propfen, Oculiren u, s. w. einen Beweis da- von. Die Schwungfedern des Habichts schlagen Wurzeln in den Wunden anderer Thiere, die Krallen anderer Thiere in den Wunden des Ha- bichts, die Spornen der Hahne auf den Rämmen anderer Hahne, die Testikeln derselben in den Bäuchen der Hennen, und nach Tascrıacorr’s bekannten Versuchen wächst das Fleisch der Nase mit dem des Arms zusammen (h).. Eingeschränkter als das Vermögen der Redin- tegration ist bey dem Menschen und den übrigen Säugthieren das Vermögen,. den Verlust an Sub. stanz, den feste Theile erlitten haben, zu repro- duciren. Nur die Theile, deren Wachsthum - keine Gränzen hat, und bey welchen die natür- liche Reproduktion statt findet, also die Ober- haut, die Nägel, die Hörner, Geweihe und Krallen besitzen auch dieses Vermögen in einem hohen Grade, | Nächst (h) Haırer EI. Phys. T.VIH. L.XXIX. S.M. Neues Hamburg. Mag. B. VI. St. 51. S. 157 f#. Hunter über das Blut. Th. 2. nt Hhz akt 2 ER Ze An Re * a + 4909 mung Nächst den erwähnten Organen wird das Zell- gewebe am leichtesten reproducirt, und zwar um ‚desto leichter, je lockerer und freyer es ist, um desto schwerer, je mehr es sich im compakten _ Zustande befindet (i),. Schon das Fell (Cutis) wird daher nur unvollkommen ersetzt. Statt der weichen, elastischen, und mit Nervenwärzchen besetzten Membran erzeugt sich eine feste, an- klebende, harte, schwielige, nur hin und wie- ‘der leicht gefurchte, und glatte Substanz, wor- auf die Nervenwärzchen gänzlich fehlen, und welche nur langsam mit Haaren bewächst (k). Nur unvollkommen wird daher auch die Bein- haut reproducirt, nehmlich durch eine harte, zä- he, und knorpelartige Membran (I). Gar keine. Reproduktion findet bey der har- ten Hirnhaut-und der Arachnoidea statt (m). , Die Knochen aber machen von der obigen Tegel eine Ausnahme, Die Schriften der Aerzte ? sind (1) Ansnemann’s Versuche über das Gehirn u. Rücken- mark. $, 208. (k) ArsemAnn ebendas. Vers. ı0. S.34. 206. (1) Körer exp. circa regenerat. ossium. Exp.$. p.66. Exp. ı7. p.ı01. ARNEMANN aa. O0. Vers. ı. 5.8. V.2. S.13. V.g. S.30. 8. 204. (m) Arnemann a.a0. V.2 815 V.4.8.19 V.&. $.24. V.&. $.26. V,ı4. S.42, $.201. 202. x ,— 491 sind voll von Beobachtungen, wo ganze, durch Zersplitterung , Beinfrals, und andere äussere und innere Ursachen zerstöhrte Knochenstucke, ja selbst ganze Röhrenknochen wieder ersetzt wurden (n). Taosa’s (0) und Körer’s (p) Ver- suche an Säugthieren haben diese Beobachtungen bestätigt. Die Speiche eines Hundes, wovon ein Stück abgesägt war, und .deren Markhöhle nach- her mit Charpie ausgefüllt wurde, fand sich nach ı8 Tagen mit einem neuen Knochen umgeben (gq). Bey den platten Knochen. erfolgt diese Regenera- tion, mehrern Beobachtern zufolge, längsamer und unvollkommener, als bey den cylindrischen. Tenon (r) sahe an der Haut, wodurch sich eine Trepanöffnung geschlossen hatte, nach vier Mo- naten nur die untere Lamelle knöchern, und erst nach acht bis neun Monaten erfolgte die gänzli- che (n) Harrer 1. ce. S.IV. $.34. p.356. VıcArouxX, As- semblee publ. de la Soc. roy. des sc. a Montpellier. 1780. p.85. Lupwıcıı advers. med. pract. Vol.IIT. P.1ı. p.45sq. Hist. de l’Acad. des sc. de Paris, 1770. | p-50. Philos. Transact. Vol.LXIX. P.ı. p.7. Med, obs. and inquiries. p.299. (0) De novorum ossium etc. regeneratione experi- menta. (p) In der angeführten Schrift. (g) Ibid. exp.g. p.6ı. (r) Hist, de W’Acad. des sc. de Paris, 2778: p-416. 49% ,— che Verknöcherung. - ARNEMANN (s) traf .nach ei- » nem Vierteljahre diese Membran in einer Schädel. öffnung sehr compakt und solide, aber nie ver- knöchert an. Inzwischen fand doch RöLEr eine: Trepanöffnung am Stirnbeine bey einem Hunde nach acht Wochen schon grölstentheils verknö- chert, und nur in der Mitte noch weich und nachgiebig (t.. Bey einem andern Hunde war die Substanz, weiche das Loch im Stirnbeine ver- schlols, nach sieben Wochen an den Rändern fast schon knöchern (u). Veberhaupt ist leicht einzusehen, dafs Alter, Constitution, und an- dere Umstände den Erfolg dieser Versuche sehr abändern müssen. Gelenke werden nur unvoll- kommen durch unregelmälsige Knochenmassen re- produeirt (v), und zwar schwinden nach einiger Zeit immer die Ueberbleibsel des alten Gelenks{w). Uebrigens ist. weder die Beinhaut, noch die Di- ploe zur Regeneration der Knochen nothwen- dig (x). 2% Nur eine unvollkommene Regeneration findet auch bey den Gelenkbändern statt (y). Ob (s) A. a. ©. V.ıo. 8.55. V.ı4. 8.41. $.201. 203, (t) Közer 1. c. exp. 17. p.ıo1. 1 (u) Ibid. exp.ı$g. p. 105. | . (v) Ibid, exp. ı4. p.89. exp. ı5. pP. 94. Y (w) Aısısı annotat. academ. L.V. Tab. 2. Sömme- rıno’s Knochenlehre. $.39. S. 40. (x) ArRnEMAnNN a. a. O. S.203. : (y) Közer l. c. exp.ı4. p.$0. exp. 15. p-94- a en Ob die bleibenden Knorpel reproducirt wer-. den, bedarf.noch einer nähern Untersuchung. Bey den Muskeln wird ein Verlust an Sub- stanz durch ein Zellgewebe ersetzt, das anfangs sehr gefälsreich ist, in der Folge aber zähe und lederarlig wird, und keine wahre Muskelfasern enthält (z). x Durch Zellgewebe, das sich mit der Zeit in eine solide Substanz verwandelt, werden auch verlohrne Sehnenstücke ersetzt (a). Grölsere zerschnittene Arterien verschrum- pfen an ihren Enden, und schliessen sich. Zu- gleich aber erzeugen sich neue Arterien, welche die Funktion der vorigen, unbrauchbar geworde- nen übernehmen (b). Auf die nehmliche Art ge. schieht wahrscheinlich auch die Reproduktion der Venen (c). Erleidet das grofse Gehirn einen Verlust an Substanz, der jedoch gewisse Gränzen nicht über- 2 schrei- (z) MurraAr de redintegrat. part. corp. anim. Tab. I. ARNEMANN a.a. O. V.5 8.24. V.g. S.3ı1. V. ı0, S.35. V.ı2. S.38. V.ı5. 8.43. S.204 ff. (a) Kıremann de redintegrat, part. C. H. Exp. 3. MuvrraAr|.c. exp.ıı. ı2. (b) MAyzom bey ArnEMANN a.a. O. $.207. Söm- MERING’s Gefälslehre. 5.63. $. 52. (ec) Sömmerıng ebendas. S.361. $.226. - a — schreiten darf, so rücken die verletzten Hirnwin- dungen einander näher, und aus der Wunde wächst allenthalben ein feines Zellgewebe hervor, welches den gröflsten Theil der Lücke ausfüllt, und eine gelbliche, oder gelbbraune, der von GeEnnaro und SÖMMERInG entdeckten Hirnsub- stanz einigermaalsen ähnliche, weiche, lockere, und in concentrirtem Weingeiste auflösliche Mate- rie enthält. Oft ahmet diese neu erzeugte Sub- stanz auch die Gestalt der Hirnwindungen nach, und besonders wenn, wie zuweilen geschieht, sich der Seitenventrikel der verletzten Hirnhälfte während der Regeneration erweitert, Immer blei- ben aber die Gränzen zwischen der reproducirten Materie und der vorigen Substanz noch sichtbar. Auch verwächst sie mit der harten Hirnhaut und. der die Schädelöffnung verschliessenden Membran, Zuweilen erzeugt sich in der reproducirten Hirn- substanz eine zähe, solide, lederartige Masse, wovon aber immer die Epilepsie die Folge ist (d), Wunden des kleinen Gehirns, die nur eini- germaalsen beträchtlich sind, bringen theils we- gen der entstehenden Blutung, theils wegen des Einflusses jenes Organs auf alle thierische Funk- tionen, zu schnell eine Stockung im Organismus 20 | | her- (d) AnsemAnsm a. 2,0. V.ı. S.$. V.2. &ı15. W 7 5.19. V.5. 8.24. V.6. S.29: V.9 9.52. V.ı0. 5. 55 Y.ıı. 5.36 u.s.w. 8.187 f. — 495 hervor, als dals eine Reproduktion möglich ist {e). Geringere Verletzungen dieses Eingeweides schei- nen aber geheilt zu werden (f). Verletzungen des Rückenmarks in der Nähe des Kopfs tödten augenblicklich (g). Weiter nach unten durchschnitten, erfolgt zuweilen eine Ver- einigung der getrennten Theile. Bey einem mit- telmälsig grolsen Hunde, dem ARrNEMAnN das Rückenmark in der Gegend der letzten Rücken- wirbel durchschnitten hatte, war dieses Eingewei- de nach vier Wochen an der Stelle der Verletzung mit seinen Häuten verwachsen, und theils durch eine unförmliche, feste, röthliche, knorpelartige Masse, theils durch Zellgewebe neu vereinigt. Beyde Enden fanden sich mehr abgerundet und ‚knotig; und das untere schien etwas aufgelöst und welk zu seyn (h). Bey den Nerven findet nach dem einstimmi- gen Zeugnisse aller Beobachter ein Ersatz der verlohrnen Substanz statt. Einige aber halten die reproducirte Substanz für wirkliches Nerven- mark, andere für blolses Zellgewebe, Zu jenen gehört: (e) ARNEMARN a. a. O. $.78. 70. (f) Sömmerine’s Hirn- und Nervenlehre, S.08. (g) ARNEMARN a. a. ©. 5.80. V.ı. CRrUIKSHANK Fu Reır’s Archiv f. d. Physiol. B.2. H.ı, 8.64. V. 6. 5.65. V.7. (h) Arnemann a. a. O0. V.2. 8.82. S. 194. 496 i gehört zuerst Fontana (i). Dieser nahm aus einem doppelten Grunde eine wahre Reproduk-. tion:der Nerven an. Der erste ist, weil er im der regenerirten Substanz die spiralförnigen Run- zeln fand, die ein charakteristisches Eigenthum der Nerven sind. Der zweyte beruhet auf mi- croscopischen Untersuchungen, wodurch er in dem Nervenmarke eine Menge zarter, durch Zell- gewebe mit einander verbundener Cylinder ent- deckte. Diese Cylinder traf er auch in derjeni- gen Substanz an, wodurch die Enden getrennter Nerven nach einiger Zeit verbunden werde: und zwar in Continuität mit denen in diesen Enden befindlichen Röhren. CruızsHAnk (k) zerschnitt bey Hunden das achte Nervenpaar mit dem Intercostalnerven. Die zerschnittenen Nervenenden schwollen hierauf an, wurden wie Ganglien abgerundet (l), in Einem Versuche mit einer Art callöser Substanz be-. deckt (m), und durch eine Materie vereinigt $ welche eben die Farbe wie der Nerve hatte, aber nicht so fasericht(n) und dünner (0) war. ÜCRruvik- j SHANRK Gi) Traite sur le venin de la vipere. T.H. p. 177. ‚(k) Philos, Transact. 1795. P.I. p.177. ‘Reır’s Archiv f. d. Physiol, B.2. H. ı. 8.57. (}) Reır’s Archiv a.a. ©. V.ıu.2. S.60. V.3. 5.62. (m) Ebendas. V.4 u,5. 8.63. N | N (n) V.ıu.2. 5.60. V.4u. 5. 9.64. (0) V.4u5. 5:64. 8HANK Äussert sich indels nicht bestimmt, ob er die regenerirte Substanz für wahres Nervenmark hält. | | Entscheidender nimmt HaıstHon (p) eine wahre Regeneration der Nerven an, aber aus Grun- den, die wir hier noch nicht prüfen können, Nur bey einem einzigen seiner fünf Versuche vereinigten sich die durchschnittenen Enden des einen Nerven vom achten Paare wieder (g)» und hier schwollen, nach der Figur (r) zu urtheilen, diese Enden, wie bey den Versuchen von Cruik- SHANK, zu rundlichen Wulsten an, - # ‚, Der neueste Vertheidiger der Regeneration des Nervenmarks endlich ist J. C. H, Me£rer {s), Dieser suchte die Streitfrage auf einem nenen Wege zu entscheiden. Rein nehmlich fand, dals die Salpetersäure blos das Zellgewebe und die Scheiden, nicht aber das Mark der Nerven zerstöhrt., Um mit diesem Mittel die vereinigten Nerven zu prüfen, stellte M&rer acht Versuche an Hunden an. Bey fünf dieser Versuche wurde aus dem ischiadischen und dem Tibial- oder Ul- FE .nar- (p) Philos, Trans, ı795. P. 1. p. 19% Reır’s Archiv, B.2. H.ı. 8.71 (g) Reır’s Archiv a. a. O. Vers.4. $.80. (1) Ebendas. Taf.II. CCC, DDD. (s) Ebendas. B,5. H.3. 5.449: 111. Bd. | li 498 | nar-Nerven ein Stück herausgenommen; bey den übrigen wurden einer oder mehrere dieser Nerven blos durchschnitten. Im erstern Falle erfolgte keine Vereinigung der getrennten Nervenenden, wenn der Verlust über zwey Linien betrug (1); waren hingegen nur ı bis 2 Linien herausgenom- men, oder war der Nerve blos durchschnitten, so wurden die getrennten Enden in einigen Fäl- len durch Nervenmark wieder vereinigt (u), in einigen Fällen aber geschahe dies nicht (v), und da, wo die Reproduktion bey einem Verluste von 2 Linien erfolgt war, faud sich doch nur ein sehr dünner Vereinigungsfaden (w). In den bey- den getrennten Enden schwoll übrigens das Mark aller Markbündel zu einem Hrfoten an, der am obern Ende etwas weisser als die übrige Mark- substanz, am untern braungelblich war (x). '* Ganz andere Resultate gaben die Versuche von ARNEMANN (y) und SÖMMERING (zZ), vorzüg- lich die des erstern, welche ungleich zahlreicher sind, Ct) Ebendas. V.ı. 8.457. V.4. 8.459. (u) V.2.3 8.458. V.6. 8,460. V.7.8. 5.46. (vw) V.5.6. S.460. (w) V.5. 5.460. | (x) V.ı. 8.457. V.2. 5.458. V.3.4. S.459. (y) Versuche über die Regeneration der Nerven. S$, 244-250 (z) Hirn- und Nervenlehre, $, 176-179. ‚ur « — 499 a ‚sind, als die der angeführten Schriftsteller zus saınmengenommen, Diesen zufolge wird das obere Ende eines Nerven, der einen Verlust an Substanz erlitten hat, bey der Heilung röthlich oder, hellgrau, höckrig, und mit einer Kruste bedeckt. _So wie aber die Entzündung sich ver- liehrt, wird er bleicher, glatt, glänzend, nach unten spilzig, und sehr hart; er knirscht unter den Messer, und bildet eine Art von HÄnoten, in welchem sich selten eine Spuhr von gebänder= tem Ansehn zeigt, Das untere Ende bekömmr ebenfalls einen, doch kleinern Knoten, welkt, schwindet, und verliehrt zum Theil seine ge- bänderte Struktur, die am obern Theile nur ge= gen den Änoten hin vergeht, Nach einem Mos nat wird das Mark dieses untern Endes in eine glanzlose, bleiche, röthlichgraue, oder kreiden- weisse, ‚wälsrige Masse verwandelt, und zer schnitten flielst eine gelblichgraue, milchige, wälsrige Substanz heraus. Späterhin werden die Knoten stärker und fester, so dals sie auf dem Schnitte eine glänzende Fläche wie Knorpel, und kleine weisse Flecken oder Knoten zeigen. Von jetzt an merkt man keine "bedeutende Verände rung mehr. Was aber die Hauptsache ist, zwi- schen den beyden getrennten Enden erzeugt sich kein Nervenmark wieder, sondern sie werden blos durch einen röthlichen Zellsto£ verbunden. ii 3 | Die. Dieses Resultat der ArnemAannschen und Sön- meErınsschen Versuche ist nun auch das, welches ich für das richtige anerkennen zu müssen glau- be, und zwar erstens schon deswegen, weil bey Versuchen überhaupt, und vorzüglich bey Versu- chen an lebenden Thieren, die Aussprüche des geübterm Experimentators immer von grölserm Gewichte, als die des minder geübten, sind, Nimmt man aber Fontana aus, so ist keiner unter den obigen Schriftstellern, der sich in die- ser Hinsicht mit, ARNEMANN vergleichen dürfte, Fonrtana’s Beobachtungen aber beruhen auf mi- eroscopischen Untersuchungen, also auf den Aus- sagen eines Zeugen, dessen Unzulässigkeit in die- sem Stücke längst bewiesen ist. Die Resultate der Crvixsuankschen Versuche enthalten nichts, was denen der Arnemannschen zuwider wäre. Haicrmon schliefst blos aus den Wirkungen ver- letzter und wieder vereinigter Nerven, dals diese Wiedervereinigung durch wahres Nervenmark ge- schehe. Allein -gesetzt auch, geheilte Nerven äusserten ganz dieselben Funktionen, wie un- verletzte, was aber die Haısrtuonschen Versuche gar nicht beweisen, so folgt hieraus doch noch keinesweges, dals die zwischen den getrennten Enden neu erzeugten Mittelstücke wirkliches Ner- venmark enthalten. Gegen die Meyerschen Ver- suche endlich hat schon ARNEMANN selber (a) die ei (4) Reır’s Archiv. B.5. H.ı. S. 100 ff. \ A coI seinigen hinreichend vertheidigt, Die, wo .nach einer blolsen Durchschneidung des Nerven die Enden durch Nervenmark wieder vereinigt wurden, beweisen nichts, da. hier von Repro- duktion, und nicht von .Reunion, die Rede ist, Die, wo nur irgend ein beträchtlicher Theil von 2 und mehrern Linien aus dem Nerven wegge- nommen wurde, stimmen ganz mit den Versu- chen von Arnkmann überein, Blos bey denen, wo weniger Substanz ausgeschnitten war, erfolg« te eine Vereinigung durch Nervenmark. Nimmt man aber an, dafs hier, wegen einer günstigen Lage des Nerven und wegen des geringen Ver- lusts an Substanz, das Mark der beyden verlän- gerten Enden in Berührung kam, so lassen sich auch diese Erfahrungen auf eine blofse Reunion zurückführen. Zellgewebe, Muskelfasern und Nervensub- stanz sind die Grundtheile, worin sich alle: Ein- geweide auflösen lassen. _ Findet also eine Repro- _ duktıion des erstern, aber keine der beyden letz- tern statt, so kann auch kein Verlust an Sub- stanz, bey den Eingeweiden reproducirt werden, Und dieses ist wirklich der Fall. Turrıus (b) heilte einen» Menschen, der ein Stück der .lin- ken Lunge von 6 Lothen an Gewichte verlohren | | hatte, (b) Observ. med, L.II. C. ı2. - lı5 | \ 02 mann hatte. Sechs Jahre nachher fand sich bey der Leichenöffnung die verletzte Stelle mit dem Brust- felle verwachsen. Dies ist auch der Weg, auf dem die Natur alle übrige verletzte Eingeweide der Brust und des Bauches heilt, Die Wunde ' vereinigt sich mit den umliegenden Theilen durch Zellgewebe; aber nie erzeugt sich WIENER eine der verlohrnen gleiche Substanz. Wir haben im vorigen f gesehen, dafs die festen Theile bey der natürlichen Reproduktion den flüssigen nachstehen. Dieselbe Bewandnifs hat es mit beyden bey der ausserordentlichen Reproduktion. Unter allen Theilen scheint das Blut am leichtesten reproducirt zu werden. Baro- wrus erzählt einen Fall'von einem Kranken { der durch Blutbrechen nach und nach zo2 Pfund Blut, und zwar bey jedem Anfalle ı5 bis 30 Pfund ver- ichr, und dennoch wieder hergestellt wurde. Ein Mädchen in 'Pisa verlohr mehrere Jahre hin- | durch monatlich ı25 Unzen Blut, und liefs dabey noch ı4 Monate hindurch entweder täglich, oder . doch um den andern Tag zur Ader. : Mehrere ähnliche Beyspiele aus ältern Schriftstellern hat Harzer (ec) gesammelt. Die Edinburger Com- mentarien (dl) enthalten die Geschichte eines Mäd- chens, welches in seinem funfzehnten Jahre wählt rend, ® Ss (e) EI. Phys. T.IL.L.V. 84. 9.7. (4) Th.3. Art.2o, ' \ \ rend der monatlichen Periode durch einen Fall an der linken Schulter schwer verwundet wur- de, in-der folgenden Nacht seine Reinigung ver- lohr, und von dieser Zeit an in den ersten zwey Jahren durch Erbrechen, in den folgenden vier Jahren aber auch durch Hämorrachien aus ‘der Nase, den Ohren und der Mutter täglich ein halbes Pfund Blut, und darüber verlohr. Im sechsten Jahre ihrer Krankheit hielt man durch irockne, auf den Rücken gesetzte Schröpiköpfe die Blutungen sieben Wochen hindurch zurück. Aber diese Unterdrückung verursachte ihr die: heftigsten Schmerzen in den Brüsten, welche so stark anschwöllen, dafs man über dem schwerdt- förmigen Knorpel zu 'schröpfen genöthigt war. Im zweyten Jahre kamen die Blutungen nicht aber so häufig, sondern nur alle vierzehn Tage, oder drey Wochen wieder, ‘und in diesem Zu- stande befand sıch die Kranke sieben Jahre hin- durch, nur mit dem Unterschiede, dafs in den bey- den letzten dieser Jahre das Blut aus allen Oef- nungen des Körpers flols. Im Anfange der Krank- heit 'war auch noch alle acht Tage, und zuwei- len noch öfter ein Aderlafs gemacht. Einen ähn- lichen Fall, wo ein gewisser Ferriol von seinem. zwanzigsten Jahre an dreyzehn Jahre hindurch. anfangs nur alle zwey bis drey Monate. durch den Mund und After, ‘nachher aber in immer kürzern Zwischenräumen auch durch die Nase, lıq aus \ 504 - | ,———— | \ aus den Augen, Ohren und mit dem Urin Blut verlohr, und dabey noch Kinder aelgie, beob- ' achtete FasrE e) ! Nächst dem Blute wird auch der Speichel und der männliche Saamen sehr schnell reprodu- cirt. Bey heftigen Salivationen werden oft meh- rere Pfund Speichel in wenigen Tagen ausgewor- fen. Ich habe einen jungen Menschen. zu be- handeln gehabt, der ein ganzes Jahr hindurch alle Nächte Pollutionen haite. Bechnet man hier die Quantität des bey jeder Ausleerung verlohr- nen Saamens nur auf 2 Drachmen (f), so wur- den das Jahr hindurch über 90 Pfund jener Flüs- sigkeit ausgeleert und reproducirt. Je öfterer und in je kürzern Zwischenräumen eine Flüssigkeit aber ausgeleert wird, desto mehr entfernt sich die reproducirte von ihrer gehörigen Mischung. Bey der in den Edinburger Commen- tarien erwähnten Person war das aus der Ader gelassene Blut in der letzten Zeit so bleich, dafs es wie Wasser, worin Fleisch gewaschen ist, aussahe, Der männliche Saamen ist dick, zähe ‘und undurchsichtig bey keuschen Personen, hin- gegen desto dünner und durchsichtiger, je häu- RR fger (e) Untersuchungen‘ über verschiedene Boden “ thieoret. u. prakt. Arzneywissenschaft. $.ı01. - (8 Harzer El. Phys. T.VUL L.XXVH. S.II. $.2. ‘ bi — 505 ‚figer er «verschwendet ‘wird (g). ‚PARMENTIER . und Derzux (h) erhielten von einer Ruh, wel- che täglich dreymal gemolken wurde,. den sie- benuten Theil mehr, als zu.der Zeit, da.man sie nur zweymal molk Allein im. erstern, Falle war die. Quantität Butter, ‚nach. Verhältnils der _ grölsern Menge Milch, geringer. Auch fand: sich die zuerst gemolkene Milch weit reichhaltiger an Butter, als die, welche zuletzt gemolken war. Je weiter wir von den Säugthieren zu den "Zoophyten herabsteigen, desto mehr nimmt das Reproduktionsvermögen im Thierreiche zu. Stär- ‘ ker als bey den Säugthieren ist dasselbe schon bey den Vögeln. Bey Arnemann’s Versuchen über die Reproduktion des Gehirns an Vögeln , heilten die; Hautwunden derselben ‚immer, sehr bald ohne Eiterung (i), da hingegen bey Hun-, den diese Wunden immer stark eiterten. (k). Auch wuchsen bey einem Huhne die Federn. dn der abgeschnittenen Stelle sehr bald wieder (l). | | "Ueber (2) Ibid. " (h) Precis d’ exper. et observ, sur differentes especes de lait, Sect. ı. (i) Arsemann’s Vers. über. das ‚Gehirn u. Rücken- mark. V.ı. S.68. Yv. 2:8, 905 Ve: 8.73. (&) Ebendas. V.1. 8.6. V.2. 8.12. V.4 8.18. V.6. 5.25 u.5. w. (1) Ebendas. V.ı. Sig. lis5 506 nr ; Ueber die Reproduktion der | Membranen, Muskeln, Sehnen und Bänder fehlt es bey dieser Thierclasse noch an Versuchen, Indels. wird, hach einigen Versuchen von Köter zu schlies- sen, die Beinhaut bey den Vögeln vollkommener als bey den Säugthieren reproducirt, So erzeng- te sich um die reproducirte Tibia einer Taube eine Membran, die in der Farbe und Dicke mit dem Periosteum ganz übereinkam. ' Blos nach unten war sie dicker, und hing hier mit dem neuen Knochen fester zusammen, wie sonst bey‘ der Beinhaut der Fall ist (m). Die harte Hirn- haut hingegen fand AnnEmann bey Hühnern eben so wenig, wie bey Säugthieren , - repro- dueirt (n). | H Eben dieser Beobachter traf bey Hühnern (0) und Tauben (p) Oeffnungen im Schädel nach acht bis zwölf Wochen blos noch mit einer festen Membran verschlossen an. Zerstöhrte Röhren- knochen von Vögeln. aber - wurden bey TRro- za’s (g) und Körer’s (r) Versuchen jsehr, schnell Das (m) Hörer exp. circa regenerat. ossium, Exp. ı. p. 40. (n) ArNneMmann a. a. ©. V.ı. 8.68. V.2. 8.70. (0) Ebendas. V.ı1. 8.68. V.2. S.70. } (p) Ebendas. V.ı. $S.75. 4 (q) De novorum ossium etc. regenerat, eXp. | (MM Le Exp. 1.9.5 Ep. p 4 Exp Pion. Exp. 9. P- 75 etc, und vollkommen wiedererzeugt, — 507 Das grolse Gehirn der Hühner und Tauben ersetzt verlohrne Substanz auf ähnliche Art, wie das der Säugthiere, durch eine gelbliche, lockere, und schleimartige Masse, die im Weingeiste ein bröckliches, ungleiches Ansehn erhält, und bis auf ein feines zartes Gewebe zum Theil wegge- spühlt wird (s). Nach diesen Beobachtungen ist also das Re- produktionsvermögen bey den Vögeln zwar etwas stärker, als bey den Säugthieren; doch. ist der Unterschied nicht sehr beträchtlich. Im July- stücke der neuen Berlinischen Monatsschrift vom Jahre‘ 1799 ‘(t) findet sich aber. ein Fall von einer Henne, welche zweymal ohne Schaden ihren Kropf verlohr, und ihn eben so oft reproducir» . 18 ‚ und. diese Beobachtung macht es mir‘ wahr- scheinlich, _ dafs jener Unterschied doch vielleicht grölser seyn dürfte, wie er nach den obigen Versuchen zu seyn scheinet, Von weit grölserer Stärke, als bey den Säug- Kicker und Vögeln, ist das Reproduktionsver- mögen bey den Amphibien. Diese ersetzen nicht nur Kinochen und, Membranen, sondern auch Nerven, Muskeln, ja ganze Gliedmaalsen wieder. Schon ArıstotrEtes wulste, .dals die Salaman- der und Schlangen abgehauene Schwänze repro- | | | | duci- (3) ARNEMANN 2. OÖ, S. 67-75. 5.77 e (v) Biol. Bd,.2. S.508. .. zwar f . wre Sal zwar bald einen andern, aber nie an der Stelle des vorigen. Uebrigens stehen die Pflanzen auch in der Stärke ihrer Reproduktion den Thierpflan- zen nach, ‘indem kein Gewächs sich, wie der Armpolyp, durch longitudinale Theilung vermeh- ren läfst. j“ ‚ "Wir haben. oben gesehen, dafs jenes Gesetz des Amtagonismus, welches die meisten Organe bey ihrem Wachsthume befolgen, auch bey der natürlichen Reproduktion statt findet. ‚Nach, dem nehmlichen Gesetze geschieht aber auch die aus- serordentliche Reproduktion. Indem sich Wun- den mit Verlust von Substanz schliessen, schwin- den die benachbarten Theile (w). Das abge- schnittene Stück des Erdregenwurms magert ab, indem es einen neuen Kopf oder Schwanz repio- ducivt (x), und der verstümmelte Rumpf des ' Armpolypen wird in eben dem Maalse kürzer ‘ und dünner, wie er die verlohrnen Theile wie- ‚der hervortreibt (y). | € Wir haben ferner gesehen , dafs die natür- liche Reproduktion bey den höhern Thierclassen . | blos (w) Mem. de l’Acad. de Chirurgie. Vol.IV. p.64. 106. Brumensacn über den Bildungstrieb, $.23. (x) Bonser contempl. de la Nat. P.VII. C.g. (sy) Brumengaca a, a O. S.2ı F. Kkaz : 522 | mm blos zur. Erhaltung des Individuums, bey den Würmern, Zoophyten und Pilanzen aber auch zur Fortpflanzung des Geschlechts dienet, und wir zogen hieraus den Schluls, dals Reproduk- tion und Propagation Wirkung einer und dersel- ben Kraft sind. Bey der ausserordentlichen Re- produktion bestätigt sich jener Satz noch Aula lender, und mit ihm diese Folgerung. Die Erscheinungen der ausserordentlichen Re- produktion endlich beweisen noch einleuchtender, als die der natürlichen, dafs mit der Abnahme des Gehirns und der Zunahme der Nerven und Nervenknoten das Vermögen, verlohren gegan- gene Theile zu ersetzen, zunimmt, und über- dies machen jene es wahrscheinlich, dafs auch bey einem und demselben Thiere die Repröoduk- tion um desto langsamer erfolgt, je. nervenrei- cher das verlohrne Organ ist. Denn nur aus diesem Gesetze läfst es sich erklären, warum bey den Säugthieren Haare, Nägel, Zellgewebe, und Knochen wiedererzeugt Nee aber nicht BEN und Eingeweide, | RN 6 Wird das Wachsthum oder die Re- produktion eines Theils verhindert, so kömmt diejenige Substanz, die füryihn be- bestimmt war, entweder dem ganzen übrigen Körper, oder einzelnen Orga- nen zu Gute; oder jener Theil wächst entweder in seiner ursprünglichen Form, oder in einer andern Gestalt an einem andern ungewöhnlichen Orte, wo er keine Hindernisse findet, hervor. Vorzüglich auf diesem Gesetze beruhet die Entstehung der Mifsgeburthen, und diese lie- fern uns daher auch die auffallendsten Beweise desselben. Zwerge haben fast immer einen unverhält- nilsmäfsig dicken Kopf. WınsLow (z) zergliederte einen monströsen Foetus, dem die ganze obere Hälfte des Körpers bis auf den Nabel fehlte, und welcher nicht ' länger als acht Zoll war, dessen Hüften und Schenkel aber eine ungeheure Dicke hatten, Hacaver (a) sahe ein Kind, das, statt der fehlenden Seitenwandbeine (Ossa bregmatis) und des Hinterhauptbeins (Os occipitis), auf der Stir. ne zwey hornartige Erhabenheiten hatte. Unter (z) M£m. de PAcad. des sc. de Paris. 1740. Ed.$. p- Su. Ei (a) Voıct’s Mag. f. d. Neueste aus der Physik u, s. w. B.VI, St,2. $, 109. N‘ 524 | nn \ Unter ‘allen mönströsen Früchten habe ich aber keine gefunden, die einen so überzeugen- den Beweis des obigen Satzes giebt, als ‘ein "Kind, das im Herbste 1798 von einer Bäurin ohnweit Bremen, nebst einem vollständigen und wohlgebildeten Zwillinge gebohren wurde, und welches auf dem Bremischen Museum -aufbe- wahrt wird. Hals und Hopf fehlen bey diesem ganz. Die allgemeinen Bedeckungen des Körpers gehen von der einen Schulter zur andern in gera- der Richtung fort, obne dafs sich zwischen die- sen eine Erhöhung findet. Doch sieht man in diesem Zwischenraume. einige Spuhren von. Haa- ren. Die linke obere Extremität fehlt ebenfalls. Hingegen der rechte Arm, die untern Gliedmaa- fsen, und überhaupt alle unter den Präcordien befindlichen Theile sind dem Aeussern nach voll- ständig und natürlich gebildet. Die Hauptmierk- würdigkeit an dieser Frucht findet sich aber auf der vordern Seite der rechten Brust In. der Nähe des Oberarmgelenks ist hier, statt des Kopfs, eine halbkugelförmige Erhabenheit, und über dem Brustbeine sitzen, statt der fehlenden obern Extre- mität dei linken Seite, fingerähnliche Auswüchse, Seltener als bey den festen Theilen der Lei- besfrüchte, sind solche Erscheinungen bey diesen Theilen nach der Geburih. Meist ist es nur Zu- nahme ‘des Volumens im ganzen übrigen Orga- "nismus, - — ‚Sar nismus, was bey dem schon ausgebildeten Thiere auf den Verlust von Organen felgt, die entweder an ihrer ursprünglichen Stelle keiner Reyprodiuk- tion fähig sind, oder deren Wiedererzeugung hier durch zufällige Ursachen verhindert wird. _ So ist es eine bekannte Erfahrung, dals nach ‘der Am- putation ganzer Gliedmaalsen die Genesenen häu«- fig vollsäftiger und fetter werden, Zuweilen aber entstehen auch nach der Geburth noch, statt ver- Iohrner Organe, andere ungewöhnliche an ent- fernten Stellen des Körpers, wie ans der schon im vorigen Abschnitt erwähnten Beobachtung von einer Hündin erhellet, bey deren Zergliedernng man den Eyerstock der einen Seite scirrhös fand, und welche auf derselben Seite am Kopfe ein Hirschgeweih hatte. Nicht so selten, als der letztere Fall, ist nach. der Geburth derjenige, wo die gehinderte Repro- duktion flüssiger Theile die Bildung neuer und ungewöhnlicher fester Theile nach sich zieht, und es verdienet bemerkt zu werden, dafs sich diese Erscheinung am öftersten nach dem Aufhören der monatlichen Reinigung zeiget. Häufig beobachtet man nach dieser Periode bey Weibern das Her- vorwachsen von Barthaaren. Auıverıus, Bar- THOLIN (b), und Van Wy (c) sahen hornartige Excre- (b) Hist. anat. rar. Ceht.T. Hist.78. Cent. V. H.27. (c) Heelkundige Mengelstoffen , in Brumunsacn’s med, Bibl. B.ı. 8.673. ck 526 B Excrescenzen än der Stirne darnach entstehen. Ein genauerer Beobachter würde vielleicht auch in denen Fällen, wo ähnliche Auswüchse bey Kin- dern nach den Blattern entstanden (d), die Bil. dung irgend einer Flüssigkeit unterdrückt gefun- den haben. x Die meisten unter das obige Gesetz gehörigen Erfahrungen liefern uns aber die flüssigen Theile, und Branpıs (e) hat das Verdienst, diese Phä- nomene zuerst aus einem richtigen Gesichtspunk- te betrachtet zu haben. Hierher gehören zuerst die sogenannten Milchversetzungen. Wird. die Bildung der Milch in den Brüsten plötzlich unter- drückt, so übernehmen andere Theile die Funk- tion der Gefälse jener Organe, und bringen, statt. der ihnen sonst eigenen Säfte, milchartige Flüs- sigkeiten hervor. Am häufigsten übernimmt jene Funktion der Brustdrüse das Zellgewebe, womit dieselbe bekleidet ist; hiernächst das Zellgewebe, das über und zwischen den Bauchmuskeln liegt, das Zellgewebe an den breiten Bändern der Ge- bährmutter, das der Schenkel und der Lungen, der Darmcanal, die Speicheldrüsen, die Nieren, und selbst die Schleimhaut der Nase. So entste- hen Ergiessungen milchartiger Flüssigkeiten in der Brust- (d) Fanuser’s Beyträge zur prakt. u. gerichtl, Arzney- - kunde. B.ı. $.23. (e) Versuch über die Metastasen, Brust- und Bauchhöhle, milchichte Diarrhoeen,, milchichter Speichelflufs u. s. w. \ Das Blut der monatlichen Reinigung ist eben- falls eine von, jenen Flüssigkeiten, deren Unter- drückung die Entstehung ähnlicher Säfte in an- dern Theilen nach sich zieht. Periodisches Blut- speyen, Blutharnen, blutiger Stuhlgang u. s. w: sind die Folgen davon. Auf dieselbe Art entsteht starker Abgang eines wälsrigen Urins,, die Harnruhr, Diarrhoe und Wassersucht nach Unterdrückung der Transpira- tion; Wassersucht, wurinöser Speichelfluls, und Ausleerung von Harn durch Erbrechen und Durch- fälle nach gehemmter Absonderung des Urins; Gelbsucht nach aufgehobener Thätigkeit der Le- ber. Ueberhaupt giebt es wahrscheinlich keine Flüssigkeit, deren Unterdrückung nicht die Ent- stehung einer ähnlichen in andern Organen nach sich zieht, und nur die Verborgenheit jener Flüs- sigkeiten und dieser Organe ist Schuld daran, dals wır sie nicht immer wahrnehmen. ’ Als einen Beweis unsers obigen Satzes kön- nen wir endlich noch die Pflanzen anführen. Wir haben bey dem vorhergehenden Gesetze ($. 10.) bemerkt, dals bey den Pflanzen verlohrne Theile nie an der Stelle des Verlusts wieder er- setzt werden, und dafs sich hierin das Reproduk- tions« 28 many tionsvermögen derselben von dem der Thiere und Zoophyten merklich unterscheidet. Bey den Pilan- zen findet also eigentlich gar keine Reproduktion statt, sondern blos ein vermehrtes Wachsthum des übrigen Organismus, indem das Wachsthum einzelner Theile ‘desselben unterdrückt ist, und so schliessen sich jene Organismen von dieser Sei- te an die höhern Thierclassen an, indem sie von der andern Seite an die Zoophyten gränzen, Nennen wir das Wachsthum fester oder flüs- siger Theile, anf dessen Unterdrückung ein ande- _ res in andern Theilen folgt, das ursprüngli- che, und dieses das vicariirende, so lälst sich jdas obige Gesetz kürzer auf die Art aus drücken, dafs die Hemmung eines jeden ursprünglichen Wachsthums ein vica- riirendes nach sich zieht, und wir kön- nen nach den bisherigen Erfahrungen noch hinzu- fügen; dafs das Produkt des vicariiren- den Wachsthums dem des ursprüngli-. chem bey den flüssigen Theilen meist ähnlich, bey den festen aber meist un- ähnlich list. Durch diesen Zusatz unterschei- det sich das obige Gesetz von dem Gesetze des Antagonismus ((). 6.), von welchem es sonst eine blolse Folgerung seyn würde. Es ist einleuch- tend, dals wenn zwey Organe bey ihrem Wachs- thume einen Antagonismus gegen einander äus- ii, | | sern, n sern, das unterdrückte Wachsthum des einen das des andern vermehren mufs, und eben so klar ist die Uebereinstimmung dieses Satzes mit dem obigen, dals die Hemmung eines jeden ursprüng- lichen Wachsthums ein vicariirendes‘ nach sich zieht. Man sieht aber auch, dafs sich die Aehn- lichkeit dieses vicariirenden Wachsthums mit dem ursprünglichen aus jenem Antagonismus nicht er: klären läfst, - Uebrigens müssen wir noch bemerken, dafs sich das obige Gesetz nicht umkehren läfst, und dals. wir nicht immer aus der Entstehung unge- wöhnlicher fester oder flüssiger Theile auf ein unterdrücktes ursprüngliches Wachsthum_ schlies-- sen dürfen. Häufig bilden sich Speckgeschwülste von ungeheurer Grölse, ohne dafs sich in dem Wachsthume der übrigen Theile irgend eine Stöh- rung entdecken läfst. Gelbsücht und vermehirter Ausfiuls der Galle aus der Leber und Gallenbla- se zum Darrmcanale sind: nicht selten mit einans der verbunden (f). Nach dem Stiche der Gall: wespen entstehen an verschiedenen Pflanzen sor« derbare Auswüchse, welche nicht von einem un- terdrückten ursprünglichen Wachsthume herrühren, wohl aber dieses oft nach sich ziehen, 6: 12, (f) BRANDIıS 2: +6. $. 309 Au Bd. -:: Li a — (. ı% Nachdem wir die Gesetze des Wachsthums gefunden haben, würde der nächste Gegenstand unserer Untersuchungen der Weg seyn, den der lebende Organismus einschlägt, um die Form des Lebens, die er bey seinem Entstehen annahm, wieder zu, verlassen. Diese Untersuchung setzt aber die Lehre von den verschiedenen Ursachen . N . . und Formen der Krankheiten voraus, womit wir uns hier noch nicht beschäftigen können. Wir müssen uns daher für jetzt begnügen, nur erst die allgemeinern Gesetze der Abnahme des Le- bens aufzusuchen. In der Einleitung ist gezeigt worden, dals es zwey Wege giebt, worauf der lebende Körper von der höhern Stufe des Lebens zu der niedern zurückkehrt. Der eine ist nothwendig, und die- sen betritt kein lebendes Wesen, ehe es nicht im Stande gewesen ist, sein Geschlecht fortzu- pilanzen; der andere ist zufällig, und diesen "kann der lebende Körper in jeder Periode des Lebens einschlagen. Die Zufälligkeit des letztern aber findet nur für unsern Ge- sichtspunkt statt. In der Orgänisation des Weltalls ist auf ihn eben so wohl gerechnet, und er steht unter eben so strengen Gesetzen, als der erstere, ? Har.- more s3t Harter’s, WarGEnTıIN’s, KensEeBöom’s, Süss- MILCH’S ER mehrerer Anderer Untersuchungen über die Ordnung der Sterblichkeit unter den Menschen lehren, dafs wenn tausend Menschen sterben, überall eine meist gleiche Anzahl von. so, 50, 60, $ojährigen darunter ist, dafs die Climaten und die Verschiedenheit der Nahrungs- mittel auf diese Verhältnisse fast gar keinen Ein- tlufs haben, und dafs blos die Lebensweise, die moralischen Verhältnisse des Lebens, das Laster und die Tugend, der Müssiggang und die Arbeitsamkeit einen kleinen Unterschied zwischen den Sterbenden auf dem Lande und in den Städten hervorbringen (g). Da nun der Mensch vermöge seiner Freiheit unter allen lebenden Kör- pern den meisten zufälligen Todesarten ausge- setzt ist, so müssen um so mehr noch die übri- gen Organismen der lebenden Natur, ‚wie in Hinsicht auf ihre Erzeugung und ihr Wachs 'ihum, so auch in Betreff ihrer Abnahme und ihres Todes unter den strengsten Gesetzen stehen. Hier haben wir eine neue Thatsache, die sich, gleich manchen andern schon in den vo- | rigen (g) Süssmizen’s göttliche Ordiung in den Veräns derungen des menschl, Geschlechts, a Ausg. Tl, a, Kap. 22, har Lla 32 I — rigen’ Abtheilungen dieses Werks angeführten Er- scheinungen, nicht anders, als aus einer dyna- mischen Wechselwirkung, worin alle lebende Organismen gegen einander stehen, erklären läfst. Ein anderes Faktum, welches ebenfalls nur in dieser Voraussetzung einen befriedigenden Grund hat, ist das Verhältnils, worin die Zahl der Nachkommen eines lebenden Körpers gegen die Menge der zufälligen Todesarten steht, denen sie bey ihrem Entstehen ausgesetzt sind. Allge- mein gilt der Satz, dals beyde gegen ein. ander im geraden Verhältnisse stehen, Die. Säugthiere und Vögel hinterlassen nur eine kleine Nachkommenschaft. | Aber die Jungen der erstern und die Eyer der letztern sind auch weit mehr vor zufälligen Zerstöhrungen geschützt, als die Brut aller übrigen lebenden Körper. Bey den eyerlegenden Amphibien und Fischen geht die Zahl der Nachkommen in die Hunderte und Tausende. Aber diese sind auch nach ih- rem Austritte aus dem Körper der Mutter ohne Schutz den Wellen ' und dem Heifshunger der ‚Bewohner des Wassers Preils gegeben. Gehen wir endlich zu den-Zoophyten und Vegetabi- lien über, so sehen wir hier die Nachköummäh: schaft ganz dem Zufalle überlassen. Die Am- phibien und Fische sind wenigstens im Stande, einen tauglichen Ort zur Niederlage ihrer Eyer auszu- Pi ’ 533 auszuwählen. . Den Zoophyten und Pflanzen hingegen fehlet auch dieses Vermögen. Eben deswegen aber geht nicht nur die Zahl ihrer Eyer ins Unzählbare, sondern die nehmlichen Ursachen, wodurch die höhern Thierclassen ge- tödtet werden, sind auch ein Mittel zu ihrer ‚Fortpflanzung. Ein drittes, die Abnahme der lebenden ÖOr- ganismen betreffendes Gesetz ist: dals von der Geburth bis ins höchste Alter eine beständige Ebbe und Fluth des Lebens statt findet; oder mit andern Worten: dals, wenn gleich bey der Annäherung der lebenden Körper zur höchsten Stufe des Lebens die Sterblichkeit derselben sich’ vermindert, und bey ihrer Rückkehr zur niedrigsten Stufe sich vermehrt, bey dieser Verminderung und Vermeh- rung doch immer eine gewisse ÖOscilla- tion bemerkbar ist. A | SüssmitcH (h) hat, nach seinen eigenen und seiner Vorgänger Tabellen über die Ordnung der Sterblichkeit, berechnet, wie viele von tausend ! Ge- (h) A, a. O. S. 319. $. 461. | Liz x 34 | Aumunmnz Gebohrnen im ersten, zweyten, dritten, und den folgenden Jahren noch übrig sind. Vermit- telst- dieser Tabelle ist es leicht, auszumachen, wie grols die Sterblichkeit von tausend, einjäh- zigen Menschen, tausend zweyjährigen u.s. w. ist. Die Resultate dieser Berechnung enthält die fol- R i gende Tabelle, und auf dieser gründet sich un- ser obiger Satz. Die Columne A derselben zeigt die Anzahl der Jahre, die Columne B die Am zahl der Menschen an, welche von Tausenden in diesen Jahren sterben; das vorgesetzte Zeichen — bedeutet die Abnahme, das Zeichen Tr die Zunahme der Mortalität. 4 Hu VNA DH OS OA OD rm © [007 3”. . J v e In. fi Y Dt B ; S a a A a a a a a a ae a 1) u» N AI B A B + 133 | 11,60 + 166 | 5882 + 134 | 1420 + 167 | 62,50 + 1551| 14.28 -- 1 68 | 66,66 + 136 16,04 + 169] 71342 + 1371 19,70 + 170! 76,92 — 1358| 17,52 — [71] 75,00 + 139] 17,85 -F172]| 8108 +140] 1828 +1|73| 823 -H 41 18,52 -.1974 86,02 + |42] 1887 71757 94% +145| 1923| + !76 | 105:89 + 144 | 19,63 — [77 | 100,44 + 145| 20,00 + [78 | 112,90 + 1465| 20,40 - 179 | 10905 + 147| 20,83 7 180 | 122,44 +48] 245:| + | 8ı | 23953 - 149] 24.92 — | 82 | 155.15 F|aol 2555 I RO + |5ı| 25,76 + 184 | 142,85 + 152] 26:94 + | 85 | 166,66 1855| z224| — | 86 | 142,85 + 1541| 32.14 + 187 | 166,66 +155| 3321 -r | 88] 200,00 7150| 5435 — 189 | 53,84 + 157, 5517 [90 | 181,8: | + 58 36,88 | + gı | 222,22 + 159] 58091 7 |92 | 2857 + |60| 3982| + | 83 | 40000 + [| Au] 7 |94 250.00 + 1621 45.36 + | 95 | 533:33 |: + 1651 4522 "| 96 | DEN +i&| 5965|, 7 LE Mar TrI6| 555 Ll4 Aus Aus dieser Tafel ergiebt sich Folgendes: Von der Geburth an bis zum ı3ten Jahre findet eine schnelle Abnahme der Mortalität statt; doch steigt sie während dieser Abnahme etwas vom Ende des 5ten bis zum $ten und im ııten Jahre. Vom ı4ten bis zum 37ten Jahre nimmt die Sterb- lichkeit wieder ununterbrochen, doch mit lang- samen Schritten, zu. Im 38ten Jahre bemerkt man wieder eine Abnahme derselben. Jenseits dieser ‚Periode steigt sie wieder bis zum 47ten Jahre, aber so langsam, dafs sie erst im 45ten Jahre um etwas grölser wird, als ‚sie im 37ten war. Während dem Zeitraume vom 78ten bis zum 47ten Jahre findet also ein Stillstand der Mortalität stat, Nach dem 47ten Jahre erfolgt wieder ein ununterbrochenes Wachsthum der Sterblichkeit bis zum 7oten Jahre, und zwar nimmt. dieses von Jahre zu Jahre zu, Vom 7oten bis zum orten Jahre tritt ein abwechselndes Steigen. und Fallen der Sterblichkeit ein, doch so, dafs das folgende ‚Steigen das vorhergehende Fallen nicht nur immer übertrifft, sondern auch um so mehr übertrifft, je näher man in der Scale der Morta- lität dem 9g7ten Jahre kömmt. Ä / Das Minimum der Sterblichkeit fällt in die Zeit vom ıcsten bis zum zoten Jahre. Hier ist also die Periode des höchsten Lebens. Aber eben diese Zeit ist zugleich die der Mannbarkeit. Die ’ Da og > nu ur Die Bildung des Zeugungsstoffs und die Entwickelung der Frucht stehen folg- lich im Antagonismus mit dem Wach's- thume des Vaters und der Mutter, und dieser Antagonismus ist es, wovon die Nothwendigkeit des Alters und des na- türlichen Todes abhängt. Ein lebender Körper, worin alles nur Sympathie wäre, wür- de blos dem zufälligen Tode ausgesetzt seyn, und einer ewigen Jugend genielsen können; aber er würde auch nicht im Stande seyn, sein Geschlecht fortzupflanzen. Ein Organismus, welcher nur unter dem Gesetze des Antagonis- mus stände, würde blos sein Geschlecht fortptlan- zen und sterben, ohne vor seinem Tode für sich gelebt zu haben. Er. ’ G. 13. Dies sind die Gesetze, die alle lebende Or- ganismen bey ihrem Wachsthume und bey ih- rem’ Absterben beobachten. Bey der Erläute- rung derselben haben wir schon auf verschie- dene Schlüsse aufmerksam gemacht, worauf wir durch sie geführt werden. Wir wollen mit der weitern Verfolgung der letztern diesen Abschnitt beschliessen, ER Ll35 Aus 38 | rn Aus den Gesetzen des gten und ııten ( zo- gen wir den Schlufs, dafs Fortpflanzung des Geschlechts, Wachsthum und Reproduktion Wir- kungen einer und derselben, nur auf verschie- dene Art sich äussernden Kraft sind.. - Hieraus folgt weiter, dafs Fortpflanzung des Geschlechts ein fortgesetztes Wachsthum ist, und dals wir jeden lebenden : Körper ‚mit seinen Nachkommen als einen einzigen Organismus betrachten kön- ınen, dessen Stamm abstirbt, so wie sich seine äussersten Zweige ‚entwickeln. Ist dieser Gesichtspunkt der richtige, so müssen die allgemeinern Gesetze des Wachs- ‚tbums auch die der Erzeugung seyn, und so verhält es sich wirklich. Diese allgemeinern Gesetze waren das der Sympathie und das des Antagonismus. Auf jenem beruhet die Aechn- lichkeit zwischen dem erzeugten Individuum und dem erzeugenden; auf diesem die Abnahme des letztern bey der Bildung des erstern. Hier se- hen wir also zwey, dem Scheine nach ganz ver- schiedene Phänomene auf einerley Gesetze zu- rückgeführt, und wir dürfen nicht mehr zwei- feln, dafs mit Auffindung. der Ursachen des einen auch die des andern entdeckt seyn werden. \ Eine zweyte Folgerung aus den erwähnten Gesetzen ist, dals Reproduktion eine partielle Erzeu-, x ee a ne" Erzeugung ist, oder sich zu dem einzelnen Thei- le eben so verhält, wie die Fortpflanzung des Geschlechts zu dem ganzen Organismus. Auch diesen Schluls bestätigt die Gleichheit der Re- produktions - und Propagationsgesetze. Wir se- hen, dafs da, wo die Reproduktion eines Theils gehindert ist, an die Stelle derselben ein vica- riirendes Wachsthum tritt, Aber was ist das Hervorwachsen der Bart-, Achsel- und Schaam- haare, und die Entstehung der monatlichen Rei- nigung zur Zeit der Mannbarkeit anders, als ein solches vicariirendes Wachsthum? Dieser periodi- sche Blutverlust dauert nur so lange, als die Reproduktion eines neuen Individuum nicht statt findet; er höret auf, so bald die letztere ihren Anfang genommen hat. Er hat.also ganz den Charakter des vicariirenden Wachsthums. . Viel- leicht würde das Wachsthum der Achsel- und Schaamhaare beym weiblichen Geschlechte eben- falls einen Stillstand während der Schwanger- schaft, zeigen, wenn Beobachtungen über diesen Gegenstand möglich wären, Jedes einzelne Organ verhält sich also zum ganzen Organismus, wie dieser zu der Reihe von Generationen, woraus er entsprungen ist, und welche ihm ihr Daseyn verdanken. Be- trachten wir ‚diese Reihe als einen einzigen Orga- nismus, so ist das Leben derselben die Summe aller 409 — \ N aller einzelnen Leben der Individuen, woraus sie besteht. Eben so können wir aber auch das Leben eines jeden dieser Individnen als die Summe aller einzelnen Leben seiner Theile an- sehen, und jedem Theile ein eigenes Leben (vita propria) zuschreiben. - “ Das Leben des ganzen Organismus ist daher ein Produkt der Sympathie und des Antagonis- mus mehrerer anderer Organismen, die wir ge- wöhnlich als Theile betrachten, die wir. aber auch gewissermaalsen als selbstständige Wesen ansehen können. Je geringer die Sympathie ist, desto gröfser ist die Selbstständigkeit, und also auch das eigene Leben der eigenen Orgäne. . Die erstere aber ist desto geringer, je weniger Einfluls Verletzungen einzelner Theile auf den übrigen Organismus haben, also geringer bey den Zoophyten und Pflanzen, als bey den Thie- ren, und unter ae: geringer bey den Wür- mern, Insekten und Amphibien, als bey den Vögeln und Säugthieren. Wir haben aber im sechsten Abschnitte des ersten Buchs gesehen, dafs das Volumen des Gehirns gegen die Dicke des Rückenmarks, der Nerven und Nervenkno- ten, die Quantität von Blut, welche zum Ge- hirne geht, gegen die im übrigen Körper ent- haltene Blutmenge, die Quantität des im ganzen Körper circulirenden Bluts gegen die Masse der festen u» — £7T festen Theile, und die Menge der ungleicharti- gen Organe gegen die der gleichartigen . desto mehr abnimmt, je weiter wir: von den Säugthie- ren zu den Zoophyten herabsteigen (i). Hier haben wir also mehrere Phänomene, die mit der Abnahme des eigenen Lebens der Organe bey den höhern Thierclassen, und der Zunahme des- selben bey den niedern Thierclassen, Zoophyten und Pflanzen unzertrennlich verbunden sind; und welche daher .entweder Ursachen, oder Mit- wirkungen. von diesen seyn müssen. Zur Beantwörtung der Frage, ob jene Phä- nomene Ursachen oder Coeffekte dieser Ab- und Zundhme sind? ist es nothwendig, auf die Sätze zurückzukommen, die wir im 4ten (| dieses Ab- schnitts über die Zeit des Entstehens der ver-- schiedenen Organe vorgetragen haben. Aus die- sen ergiebt sich, dafs unter allen Organen das Gehirn dasjenige ist, welches am frühesten ge- bildet wird, und dals hierauf das Herz nebst den grölsern Blutgefälsen folg. Das Gehirn, und nach diesem das Herz, bestimmt also den verschiedenen Grad des eigenen Lebens der Or- gane. Ein grofses Gehirn mit zarten Nerven und Ganglien bringt einen, Organismus hervor, in welchem die Sympathie grols, das eigene Le- \ ben -@) Biol. Bd:ı. 8.446 F. 42 u ben der Organe aber gering ist; ein kleines Ge- hirn mit grofsen Nerven und Nervenknoten ver- mindert die Sympathie und vermehrt das eigene Leben der Organe. ' Hieraus flielst eine, das Nervensystem der Zoophyten und Pflanzen betreffende Folgerung. Das anatomische Messer zeigt uns bey diesen Organismen kein Gehirn und keine Nerven mehr, ‘Wir sind aber dennoch gezwungen, bey ihnen ein Analogon von Nervensystem anzunehmen, weil sich bey allen noch Spuhren von Sympa- thie finden, welches ohne Nerven nicht der Fall seyn könnte.‘ Jene Sympathie nun ist am gröls- ten bey den obern Ordnungen der Thierpflan- zen, in ‘deren Struktur; noch Symmetrie herrscht; sie nimmt ab, so wie sich diese Symmetrie ver- mindert, und ist also am geringsten bey den Pilanzenthieren; sie äussert sich wieder mehr bey den Pflanzen durch den symmetrischen Stand der Blätter, den man bey diesen Organismen überhaupt, vorzüglich aber bey denen mit gefie- derten Zweigen antrifft, Nach dieser Stufenleiter der Sympathie mufs sich auch die Organisation. des Nervensystems bey den Zoophyten und Pilan- zen richten. ‘Die, zunächst an die Thiere grän- zenden Thierpflanzen haben also vermuthlich "noch ein Nervensystem mit einer Art von Gan- glien oder Vereinigungsorganen der verschiedenen Ner- = a 5 er ee rin ann Nervenzweige. ° Hingegen bey den niedern Ord- nungen der Zoophyten, und bey denen Ordnun- gen der Pflanzenthiere, die mit ihnen am näch- sten verwandt sind, giebt es wahrscheinlich kei- ne solche Vereinigungsorgane mehr. Sie bilden sich aber vielleicht wieder bey den Pflanzen, und vorzüglich bey den gefiederten, doch ohne Zweifel in einer ganz andern Form, wie bey den Thieren. Dritter 544 oe Dritter Abschnitt. Versuch einer Ableitung der bisheri- gen Erfahrungssätze aus. den ober- sten Sätzen der Biologie. — ii T. der Lehre von der Erzeugung setzten wir uns als das letzte Ziel unserer Untersuchungen die Beantwortung folgender Fragen vor: Warum pflanzen sich nicht alle Organismen durch Spros- - sen fort? Warum bedarf es bey einigen zur Geschlechtsvermehrung der Begattung? Was ist Begattung? Warum entsteht nicht bey jeder Zeugung eine gewisse Anzahl von männlichen und weiblichen Individuen, sondern ohne be- merkbare Ordnung bald eine männliche, bald eine weibliche Frucht? Woher bleibt sich, die- ses scheinbaren Mangels an Ordnung ohngeach- tet, die Zahl der männlichen und weiblichen In- dividuen im Ganzen doch immer gleich? So führt uns auch die Lehre von dem Wachs- thume und der Abnahme der lebenden Körper auf folgende Probleme: Warum hat jeder. le- bende ; fi u sas bende Organismus ein Ziel des Wachsthums? Warum entwickeln sich nicht alle Organe dessel- ben zu gleicher Zeit und in gleichem Verhältnis- se? Warum stehen einige bey ihrem Wachsthu- me in einer Sympathie, und andere in einem An- tagonismus? Warum reprodnciren sich nur eini- ge, nicht alle Organe? Woher die wunderbare Ordnung in der Zahl der Sterbenden und Ge bohrnen? Was uns die Erfahrung der bisherigen Zei- ten in Beziehung auf diese Fragen liefern konnte, hat sie uns geliefert. Lalst uns jetzt versuchen, jene Probleme aus den obersten Sätzen, wovon unsere biologischen Untersuchungen ausgingen, zu lösen. Diese Auflösung kann indels nicht weiter gehen, als die Nothwendigkeit und Mög« lichkeit der mannichfaltigen Erscheinungen der Erzeugung, des Wachsthums und des Alterns der lebenden Körper bey den gegebenen Erfahrungs- begriffen der Materie und des Lebens zu zeigen. | Fraget aber nicht nach der Nothwendigkeit dieser Begriffe! Wer diese Frage zu beantworten sich unterfängt, hat keinen Grund, worauf er bauen kann, als das ursprüngliche, - unbedingte Seyn, Allein was ist das unbedingte Seyn anders, als ‚die Gottheit selber? Und wozu kann eine Natur- philosophie, die von dieser ausgeht, führen, als zur Mystik und Schwärmerei? 1. Ba Mm Ja, 546 nr Surmuucım | Ja, es giebt ein absolutes, unbedingtes Seyn, und wer einzig und allein aus diesem Seyn alles ‚Bedingte abgeleitet hätte, würde den Ruhm ver- dienen, der Schöpfer einer wahrhaften Wissenschaft gewesen zu seyn. Aber gerade.das beweiset, dals alle Construktion aus dem Absoluten ein eitles Blendwerk ist, dafs der Mensch sıch nicht selber zum Gotte zu machen, nicht zum unbedingten Wissen zu erheben vermag, weil aus dem Ab- tan nichts Bedingtes hervorgehen kann, wenn dasselbe nicht innere Bedingungen hat, und ein solches noch eben so wenig, als das von aussen Bedingte, den Namen des Absoluten verdient, weil der Einbildungskraft in der Bestimmung die. - ser innern Bedingungen freyes Spiel gegeben ist, und weil’sich daher auf jenem vorgeblichen Un- bedingten mehrere ganz verschiedene Systeme gründen lassen, welche alle gleich wahr und gleich falsch sind. Bey den Anhängern jener Philosophie sind die innern Bedingungen des Absoluten die ur- sprünglichen Qualitäten. Aber dieser, aus der Leısnıtzischen Monadenlehre entlehnten En- telechien bedürfen wir nur, wie Leısnırz selber schou bemerkt hat (k), zur Erklärung der leben- digen Materie, nicht der Materie überhaupt. Ehe also ea Leıssıtıı Orr. Studio L, Dursss, T.M. PT. 1.9 290, 283, — "AR also von ihnen Gebrauch gemacht werden darf, muls vorher dargethan werden, dals Leben ein Attribut alles Materiellen ist, Nin geht freilich jene Philosophie von einer unbedingten Thätig- keit der Natur aus, und eine solche ist nichts anders, als das absolute Leben, als die Gottheit selber. Aber mit welchem Rechte läfst sich der Natur unbedingte Thätigkeit zuschreiben, mit welchem Rechte sich Gott und Natur für iden- tisch annehmen? Man sucht vergeblich bey den Anhängern jener Philosophie eine befriedigende Beantwortung dieser Frage. Doch träfe- auch die- ser Einwurf nicht, so würde sie der noch treffen, dals mit der Annahme ursprünglicher Qualitäten alle weitere Deduktionen aus dem blofsen Begriffe des ursprünglichen Seyns aufhören, Denn nur das lälst sich ohne Hülfe der Erfahrung aus einer höhern Voraussetzung ableiten, was der mathe- matischen Construktion und der Anwendung der mathematischen Analysis fähig ist. Aber für ur- sprüngliche Qualitäten giebt es kein Bild, kein. Maals, und keine analytische Formeln. Daher sind jene Philosophen gezwungen, bey ihrem weitern Philosophiren zu dunkeln, unbestimmten Begriffen und Wörtern ihre Zuflucht zu nehmen; daher läfst sich von ihnen das Nehmliche sagen, was Descartes von den, Scholastikern sagte: “Ihre Art zu philosophiren ist ganz gemacht für „Geister, die tief unter der Mittelmäfsigkeit ste- Mm 2 „hen, 48 ———— „hen. Die Dunkelheit ihrer Distinktionen und „Principien setzt sie in den Stand, von allen „Dingen mit der Miene des gründlichen Kenners „zu reden, verschafft ihnen Mittel, jede ihrer „Behauptungen zu vertheidigen, und sichert sie „gegen alle Widerlegungen. Sie gleichen. einem „Blinden, der, um dem Sehenden im Zweykam- „pfe gleich zu seyn, diesen in ein unterirdisches, „dunkeles Gemach führt.” Dies sey vorläufig für diejenigen gesagt, die alle Geisteswerke nur nach ihren Grundsätzen würdigen. Und jetzt zur Sache. ' Leben besteht in der Gleichförmigkeit der Gegenwirkungen bey ungleichförmigen Einwirkun- gen der äussern Welt, in Erscheinungen, wel- che, obgleich veranlaflst durch wandelbare Ein- flüsse, doch bis auf einen gewissen Grad un- wandelbar sind. Lebend würde z, B. ein beweg- ter Körper seyn, auf welchen während seiner Bewegung ungleiche beschleunigende Kräfte wirk- ten, und welcher dennoch in ae Zeiten gleiche Räume zurücklegte. Auf den lebenden Körper wirkt innerhalb ge- wisser Gränzen alles, was auf ihn einen zerstöh- renden Einfluls hat, zugleich auch erhaltend. Deswegen ist der Magnet nicht lebend. Der ath- mosphärischen Luft ausgesetzt, wird er oxydirt, Kat | - und und mit dieser Oxydation verliehrt er seinen Magnetismus. Wäre er lebend, so würde diese “Oxydation für ihn ein Mittel zur Erhaltung oder Verstärkung seiner magnetischen Kraft werden. Alles Lebendige besitzt das Vermögen, seinen Zustand nach der Beschaffenheit der Sphäre, worin es sich befindet, zu modifieiren. Bey al- lem Leben ist daher ein Schein von Willkühr, ein Analogon des geistigen Princips. Aber das Beseelte vermag unter mehrern möglichen Arten der Modifikation seines Zustands zu wählen; das blos Lebendige hingegen folgt bey seiner Modi- fikation der blinden Nothwendigkeit, und der ‘Schein von Willkühr, der dessen Handlungen umgiebt, rührt nur davon her, weil die Art, wie es sich in jedem Falle nach den Einwir- kungen der Aussenwelt modificirt, immer die zweckmälsigste von allen ist. Daher die Erha- benheit der Naturprodukte über die Werke der RAunst. Dies alles ist schon in der Einleitung gelehrt worden. In der Folge bemerkten wir, dafs die Anwendung der angeführten Charaktere des Le- bens grolse Schwürigkeiten hat, und dals viel- leicht von einem andern Standpunkte, als un- serm jetzigen, die ganze Natur uns als lebend erscheinen würde, Indefs setzten wir unsere | Mm3 Unter Untersuchungen fort, unbeküimmert, ob der Ge- gensatz zwischen dem Lebendigen und dem Leb- losen wahr oder nur scheinbar sey. Wir ahm- ten dem Astronomen nach, der in‘ seiner Wis- senschaft von Erscheinungen ausgeht, ungewils, ob diese Phänomene nicht Täuschungen sind, aber überzeugt, dafs diese Täuschungen auf ewigen Gesetzen beruhen, und dafs er bey standhafter Verfolgung dieser Gesetze endlich die Wahrheit erreichen wird. Unsere obige Vermu- thung erhielt in der That auch durch die Un- - tersuchungen, die wir im vorigen Buche über den Ursprung des Lebens anstellten, einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, indem sich ‚dort zeigte, dals Leben ein Attribut nicht blos einzel- ner ‚Organismen der Erde, sondern der Erde sel- ber ist (l). Hieraus aber scheint ein: Einwurf gegen die im zweyten Kapitel der Einleitung (m) aufgestellten Fundamentalsätze der Biologie zu flielsen, der erst gehoben werden mufs, ehe wir auf diesen Lehren weiter bauen dürfen. Alle jene Sätze nehmlich beruhen auf dem Gegensatze des Lebendigen und des Leblosen. Hört die- ser Gegensatz auf, so ist“ jenen ‚Sätzen ihre Stütze entzogen. Was lälst sich hierauf er- wiedern ? | Ich () Biol. Bd. 5. 5.37 |» (m) Biol. Bd.ı. 5. ı6 ff. ——— nn Er Ich antworte, dafs diese Schwürigkeit geho- ben ist, ‘sobald man zwischen dem entlehnten und dem eigenthümlichen Leben unterschei- det. Ein entlehntes Leben besitzen diejenigen Körper, die wir in der Einleitung leblose ge- nannt haben. Diese reagiren nur gleichförmig gegen die Einwirkungen der äussern Welt, weil sie Theile eines lebenden Ganzen sind. Getrennt von diesem, erfolgen an ihnen neue ungleichför- mige Erscheinungen. Diese Trennung nimmt die Kunst bey allen chemischen Processen vor. Daher die Ohnmacht der Chemie in der Nachah- mung alles dessen, was sich im Schoofse der Erde erzeugt, und daher das Unerklärbare aller geologischen und meteorologischen Erscheinungen aus chemischen Grundsätzen. Hingegen was ein eigenthümliches Leben besitzt, ist unmittelbar oder mittelbar dem Einflusse der Geisterwelt aus- gesetzt. Es äussert entweder selber willkührliche Handlungen, oder ist, abhängig von Organismen, die sich aus einem innern Princip zur Thätigkeit oder Ruhe bestimmen, Ohne diese Verbindung des Lebens mit der Geisterwelt würden wir gar keinen Begriff von Leben haben, weil es nur vermöge dieser Verbindung Körper giebt, die zufälligen und also ungleichförmigen Einwirkun- gen ausgesetzt sind. Verstehen wir nın in Zu. kunft unter lebenden Körpern blos diejenigen, die ein eigenthümliches Leben besitzen, unter | ME leb- ‘52 ' ———— leblosen aber die, deren Leben entlehnt ist, so sieht man leicht ein, dafs alle in der Einlei- tung aufgestellte Sätze völlig ungeändert bleiben. ‘Unter diesen Sätzen verdienen hier vorzüg- lich die beyden folgenden unsere Aufmerksam- keit: ı) Es giebt kein absolutes Leben des Indivi- | duums. Alles Leben des Einzelnen ist be- schränkt, alle Reaktionen desselben gegen ungleichförmige Einwirkungen der Aussen- welt sind nur innerhalb gewisser Schranken gleichförmig. ? / | 8) Das lebende Individuum ist abhängig von der Art, die Art von dem Geschlechte, die- ses von der ganzen lebenden Natur, und die letztere vom Organismus der Erde. Das In- dividuum besitzt zwar ein eigenthümliches Leben, und bildet in so fern eine eigene Welt. Aber eben weil das Leben: desselben beschränkt ist, so macht es doch zugleich auch ein Organ in dem allgemeinen Organis- mus aus. Jeder lebende Körper besteht durch das Universum; aber das Universum besteht auch gegenseitig durch ihn, Ein höherer Verstand würde aus der gegebenen Organisa- tion eines einzigen lebenden Individuums die Organisation der ganzen übrigen Welt ab- | zu'eiten - zuleiten im Srande seyn. Von jedem dieser Individuen lälst sich dasselbe sagen, was Leısenıtz von den Monaden sagte: Atque huic adaptationi rerum omnium creatarum ad unamguamque, et uniuscuiusque ad caeteras omnes tribuendum, quod quaelibet substan- tia simplex habeat respectus, quibus expri- muntur caeterae Omnes, et per consequens speculum vivum perpetuum universi exi- stat. Aus diesen Sätzen folgt nun erstens, dafs es einen ‚quantitativen Unterschied zwischen den verschiedenen lebenden Organismen in Betreff der Intensität ihres Lebens giebt. Aber es folgt zu- gleich auch, dafs diese Stufenfolge sich nur auf einige, nicht auf alle Funktionen erstrecken kann, und dafs, je höher ein Organismus in Betreff einer einzelnen Funktion steht, desto tie- fer er in Hinsicht auf eine andere stehen muls. Denn wäre dies nicht der Fall, fände unter den lebenden Körpern eine solche Gradation statt, dals einige in jeder Rücksicht auf einer höhern Stufe des Lebens ständen, als die übrigen, so würden jene bald alle übrige verdrängen; es würde nur ein einziges lebendes Individuum übrig bleiben, und auch dieses würde, weil das Leben desselben immer noch beschränkt wäre, sein Daseyn nur auf eine kurze Zeit behaupten Mm35 kön. 554 — können. Wir sehen also, dats, wenn eine le- bende Natur vorhanden ist, solche Gesetze in derselben statt iinden müssen, wie wir im sech- sten Abschnitt des ersten Buchs (n) aus Erfah- rungen entwickelt haben. Warum aber eine le- bende Natnr existirt? Diese Frage liegt nicht'uns ob zu beantworten, uns, die wir das Daseyn der Materie und des Lebens als gegeben annehmen, und nur die Möglichkeit derselben zu erklären uns für verpflichtet halten. Diese Aufgabe löse der, welcher aus dem Begriffe des unbedingten Seyns die ganze Natur zu erschaffen sich ge- a trauet. i Verliehrt nun alles Leben auf der einen Sei- te eben so viel an Energie, wie es auf der an- dern gewinnet, und dies darum, weil sonst. alle Mannichfaltigkeit der Formen aufhören, ein va cuum formarum, um mich eines Ausdrucks‘ äl- terer Philosophen zu bedienen, entstehen, . und das Gleichgewicht ‘im Organismus der Erde. ge- stört seyn würde, so folgt, dals eine Art von lebenden Körpern um desto beschränkter in der Fortpflanzung seyn muls, je mehr jedes Indivi- duum derselben auf die äussere Welt einwirkt, und je grölsere Veränderungen dieses in der Or- ganisation der übrigen Natur hervorzubringen im Stande ist, Das Einwirken eines Organismus auf (n) Biol. Bd... 46 M auf die Aussere Welt ist aber desto stärker und vielseitiger, je ausgebildeter und mannichfaltiger seine Organe sind, und diese Mannichfaltigkeit nimmt in. einer ununterbrochenen Stufenfolge zu von den einfachsten Zoophyten bis zu dem Men- "schen (0). Darum sind die Zoophyten die frucht- barsten, die Säugthiere aber, und vorzüglich der Mensch, die unfruchtbarsten unter allen, leben- % J den Körpern, Jede Funktion hat ihr Organ, und die Man- nichfaltigkeit und Vollkommenheit der Funktionen drückt sich in der Mannichfaltigkeit und Ausbil- dung der Organe aus. Wenn also gewisse Funk- tionen einander beschränken, so müssen auch die Organe, welche diesen Funktionen vorstehen, eine gleiche Wirkung auf einander äussern. Und hierauf beruhet das im 6ten | des vorigen Ab- schnitts aus Erfahrungsgründen hergeleitete Ge- setz des Antagonismus. Antagonistisch wirken nur solche Organe auf einander, welche verschiedenen Funktionen vor- stehen. Wo also keine Verschiedenheit der Funktionen und keine Mannichfaltigkeit der Or- gane ist, da findet auch kein Antagonismus statt, und bey einem solchen Körper kann daher das Wachsthum des einzelnen Theils ‚ ins Unendliche gehen, (0) Biol, Bd. 1, $. 448. 56 ’ Dumm. gehen. Doch kein Körper hat völlig homogene Organe, wohl aber nähern sich die Theile bey einigen mehr, bey andern weniger der Gleich- artigkeit. Jedes Organ hat also ein beschränktes Wachsthum; aber die Gränzen des letztern sind desto enger, je verschiedenartiger, und desto weiter, ‘je heterogener die Organe des erstern sind. Die gleichartigstem Organe nun haben die Zoophyten und Pflanzen (p): daher die Unbe- stimmtheit, welche bey einem und demselben t dieser Körper in der Grölse der einzelnen Theile herrscht (q). { I) Eben dies gilt aber auch von dem ganzen Organismus. Je mannichfaltiger und verschieden- artiger seine Organe. sind, desto vielseitiger ist sein Einfluls auf die übrige Natur, und desto beschränkter muls sein Wachsthum seyn: daher werden die Varietäten in der Gröflse desto selte- ner, je näher wir in der Reihe der Naturpro- dukte dem Menschen kommen, und desto häu-' figer, je mehr wir uns den untersten Ordnungen der Zoophyten nähern. ' Jener Antagonismus, durch welchen die ver- schiedenen Organe eines lebenden Körpers sich MErbeRipring bey ihrem Weachsthume beschrän- ken, (p) Biol. Bd. ı. S. 165. (q) Biol. Bd. 2. 5, 36fl. 157. ken, muls ‘aber auch wieder beschränkt seyn: denn ‘sonst wäre gar keine Mannichfaltigkeit der Funktionen und der Organe an einem und dem- selben Organismus möglich, könnte kein harmo- nisches Zusammenwirken der Theile zu einem einzigen Zweck, also auch keine Organisation, statt finden. Deswegen müssen eben die Organe, die von gewissen Seiten einen Antagonismus ge- gen einander äussern, von andern Seiten wieder in enger Sympathie stehen. Unter antagonistischen Organen kann aber keine Sympathie statt finden, wenn diese nicht durch ein drittes Organ, womit jene zugleich in Wech- selwirkung stehen, vermittelt ist, Wo also Sympathie herrscht, da ist auch dieses Organ vorhanden, und dieses Organ ist desto ausgebil- deter, je enger-die Sympathie ist. Hiermit stim- met auch die Erfahrung überein: denn diese lehrte uns, dals das Gehirn der Theil ist, mit dessen zunehmender Grölse bey abnehmender Grölse des Nervensystems die Sympathie zu- nimmt. | s Jenes Organ der Sympathie ist dasjenige, welches die verschiedenen Theile des Organismus zu einem Ganzen vereinigt. Sobald dieses zer- stöhrt ist, hört alle Wechselwirkung, und daher alle Reproduktion auf, Deswegen ist das Gehirn ein n 558 ein absolut unersetzbarer Theil, und deswegen ist es wahrscheinlich, -dals in denen Fällen, wo man Fortdauer des Lebens, und. selbst Ersatz des Verlohrnen nach dem Verluste eines Theils des Gehirns wahrgenommen htben will, jener Theil nicht durchaus nothwendig zur Vollziehung der Funktionen dieses Eingeweides war. Es lassen sich Organismen als möglich den- ken, bey welchen zwar Ein Hauptorgan der Sympathie vorhanden wäre, wo es aber zugleich mehrere untergeordnete Organe der Art gäbe, die einzelnen Theilen angehörten, und diese bis auf einen gewissen Grad unabhängig von dem Gan- zen machten. Bey solchen Organismen würden diese Theile einen eigenen Typus in ihrer Ent- stehung, ihrem Wachsthume und ihrer Abnahme befolgen, und, getrennt vom Ganzen, noch eine längere oder kürzere Zeit sich als eigene lebende Ganze verhalten. Solche Organismen sind. aber nicht blos möglich; jeder lebende körper muls diese Eigenschaften haben. Denn nur bey einem Körper, dessen Leben unbeschränkt wäre, wür- den alle Theile ganz abhängig von dem Ganzen seyn. Da nun jedes Individuum ein beschränk- tes Leben hat, so müssen bey jedem lebenden Körper die einzelnen Theile untergeordnete Or- gane der Sympathie besitzen, vermöge welcher diese mehr oder weniger unabhängig von dem Gan- a = gun, 559 Ganzen sind; ‚sie müssen bey ihrem Ursprunge, ihrer Ausbildung und ihrem Absterben einen ei- genen, von dem des Ganzen verschiedenen Ty- pus haben, und, auch nach der Absonderung von dem letztern, diejenigen Funktionen, denen sie vorstanden, als sie mit diesem in Verbindung waren, noch eine Zeitlang vollziehen; kurz, sie müssen ein eigenthü.nliches Leben haben, Die Fortdauer dieses eigenthümlichen Lebens nach der Trennung von dem Ganzen wird desto _ länger seyn, je unabhängiger die untergeordneten Organe der Sympathie von dem Hauptorgane ‚sind, also je weniger Unterschied zwischen je- nen und diesem in der Grölse und Gestalt ist, folglich am längsten bey den Würmern, Zoophy- ten und Pflanzen. Bey eben diesen Organismen nun ist zugleich jeder Haupttheil dem Ganzen ähnlich; er besitzt also dieselben Mittel zu sei- ner Fortdauer, die-das Ganze hat, und wird daher, auch abgesondert von diesem, den Kreislauf seines eigenthümlichen Lebens vollen- den können. Aber nicht blos als Theil wird er fortdauern; auch zu einem lebenden Ganzen wird er sich unter günstigen Umständen erheben, Alles Le- ben des Einzelnen nehmlich geht auf Erhaltung der Individualität gegen den Einiluls der äussern Welt, 560 — Welt. Diese Erhaltung aber ist auf eine zwey- fache Art möglich: das Individuum modificirt sich entweder nach jenem Einflufs; oder es mo- dificirt ihn selber. Das Letztere aber kann nur dadurch geschehen, dafs durch jenen Einflufs in dem Individuum, welches von demselben ge- troffen wird, eine ihm entgegenwirkende. Funk. tion geweckt, und z.B, durch die Einwirkung einer oxydirenden Substanz ein Desoxydations- Vermögen in Thätigkeit gesetzt wird. Diese Art der Modifikation nun setzt Mannichfaltigkeit der Funktionen und der Örgane voraus; sie kann daher nur den Organismen der höhern Classen zukommen. Hingegen bey der andern Art von Modifikation verhält sich der lebende Körper mehr leidend; sie ist daher ein Attribut der ein- fachern Organismen, und durch sie können ein- zelne Theile dieser Körper, bey günstigen Ein- flüssen der äussern Welt, zu eigenen Individuen gebildet werden. BR / } ; : “ Dieses Vermögen der Würmer, Zoophyten und Pflanzen, sich durch Theilung zu vermehren, läfst sich auch noch auf einem andern Wege als Folge der Beschränktheit des Lebens darthun.. Es sind nehmlich zwey Hauptarten der Beschrän- kung des Lebens denkbar. Der erste ist: durch verminderte Däuerhaftigkeit bey vermehrter Frucht- barkeit des Individuums; der andere: durch ver- mehrte — 561 mehrte Dauerhaftigkeit bey verminderter Frucht- barkeit desselben, Aber es giebt Eine Art von Einwirkungen, wogegen die Natur keinen leben- den Körper völlig zu schützen im Stande war, und die gerade eine der häufigsten ist, nehmlich die der mechanisch wirkenden Potenzen, Es ist kein so dauerhafter Organismus möglich, der diesen Einflüssen zu widerstehen im Stande wäre, Wie kann also mit diesen Einwirkungen Dauer- haftigkeit des Lebens bestehen? Es giebt hier zwey mögliche Auswege, und zwar ist der erste dieser, dals mechanische Zertheilung ein Mittel zur Vervielfältigung des Lebens wird. So zeigt sich auch von dieser Seite die Möglichkeit. der . Vermehrung durch Theilung. Aber von diesem Gesichtspunkte aus erhellet zugleich, dafs solche Körper, die sich vorzüglich durch Theilung ver- mehren, in anderer Rücksicht sehr unfruchtbar seyn müssen; und dies zeigt sich auch an dem Armpolypen, dessen Vermögen, - sich .auf jene Art zu vervielfältigen, unerschöpflich ist, der aber nur eine geringe Zahl von Eyern. her- vorbringt, - Der zweyte Ausweg, auf welchem Fortdauer des Lebens bey der Gegenwart zersiöhrender me» chanischer Kräfte bestehen kann, ist, dals das “ Individuum mit dem Vermögen der willkührli- chen Bewegung begabt, und hierdurch in den OL Da Nn Stand 62 mansiun um Stand gesetzt ist, sich der Einwirkung jener Potenzen zu entziehen. Bey dieser Art von Dauerhaftigkeit des Individuums kann die Frucht- barkeit entweder dadurch beschränkt seyn, dafs jedes Individuum zwar sich selber zur Fortpflan- zung genug ist, aber nur eine geringe Anzahl von Nachkommen hervorzubringen vermag; oder dadurch, dafs mehrere Individuen sich zur Fort- pflanzung vereinigen müssen. Hiermit ist also die Frage beantwortet: Warum bey einigen le- benden Körpern ein nothwendiges Erfordernifs zur Fortpflanzung die Begattung ist? Sie ist es nehmlich als eine Schranke der Fruchtbarkeit jener Körper. Zwar sieht man nicht ein, warum diese Schranke nicht auch dadurch erreicht wer- den konnte, dals jene "Organismen eine geringe Anzahl von Nachkommen ohne Begattung hervor brächten. Allein aus den empirischen Untersu- chungen, die wir im dritten Kapitel des ersten Abschnitts dieses Buchs angestellt haben, ergab sich in der That auch, dals es sehr zweifelhaft ist, ob viele von denen Körpern, die sich in manchen Fällen durch Begattung vermehren, sich nicht auch ohne dieses Hülfsmittel fortzupflanzen im Stande sind, | I \ Aber giebt es nicht auch Körper, die sich auf beyderley Art, sowohl durch Theilung, als durch Eyer oder Saamenkörner forıpflänzen‘?. : ' | Aller- gms men i 63 Allerdings können diese beyden Arten der Ver- mehrung in einem und demselben Individuum statt finden, jedoch nie zugleich, sondern immer nur zu verschiedenen Zeiten. Ein Körper, bey welchem beyde Arten zu einerley Zeit vorhanden wären, würde eine unbeschränkte Fruchtbarkeit besitzen, welche nicht mit der Organisation der Natur bestehen kann. Solche Körper, die sich sowohl durch Theilung, als durch Eyer nder Saamenkörner fortpflanzen, müssen aber nur auf den untersten Stufen der Organisation gefunden werden. Denn dals diese Organismen sıch zu verschiedenen Zeiten auf verschiedene Art ver- mehren, kann nur in dem veränderten Einflusse der Aussenwelt seinen Grund haben, und oben ist gezeigt worden, dals nur Individuen aus den untersten Ordnungen der lebenden Körper durch äussere Einwirkungen. so bedeutende Verände- rungen der Form ihres Lebens erleiden, wie hierbey vorausgesetzt wird. Jeder Körper, der sich durch Theilung vermehrt, kann sich also auch durch Eyer oder Saamenkörner fortpflan- zen. Aber sobald die eine dieser Vermeh- rungsärten eintritt, ist die andere aufgehoben, Daher sind die Blüthen des Lilium bulbiferum unfruchtbar, wenn diese Pflanze Knospen her- vorbringt, und daher erzeugt sie keine Knospen, wenn- sie fruchtbare Blüthen trägt. Darum pflanzen sich die Hydern nur im Herbste durch | Nna Eyer 64 ——— Eyer fort, nicht aber im Sommer, wo ihre Ver- mehrung durch Sprossen statt findet. Mit den bisherigen Sätzen ist das Ziel, das wir im Anfange dieses Abschnitts zu erreichen uns vorgesetzt hatten, grölstentheils erreicht. Nur Eine Frage ist uns noch zu beantworten übrig, Wir sahen uns nehmlich bey unsern empirischen Untersuchungen gezwungen, zur Erklärung meh- rerer Erscheinungen ein dynamisches Einwirken. der lebenden Körper auf einander anzunehmen, Läfst sich diese Hypothese aus den Fundamental- sätzen der Biologie rechtfertigen ? I Die Antwort auf diese Frage ist in denen Sitzen euthalten, die wir über die Grundkraft der Materie in der Einleitung aufgestellt haben. Wir fanden dort, dafs eine zahllose Mannichfal- tigkeit von! repulsiven Kräften die materielle Welt ausmacht, dafs jede Kraft dürch alle übri- ge begränzt ist, und dals sie in diesen Gränzen als ein Körper von bestimmter Gröfse und Ge- stalt erscheint, dals sie aber noch über diese Gränzen hinauswirkt, und mit den ihr entge- genwirkenden Kräften Flächenkräfte von man- nichfaltiger Richtung und Intensität bildet (r). Diese Flächenkräfte geben das Phänomen imma- BR: i teriel- R ö ü »@) Biol. Bd. ı. S25 fh dir an ; cs terieller Wirkungen, weil sie den Raum nicht nach allen Dimensionen erfüllen. Von jedem Körper müssen solche Kräfte ausgehen; auch die lebenden Organismen müssen’ immaterielle Wirkungen äussern. Diese Wirkungen aber sind es, die wir oben dynamische genannt haben, Wir sind also allerdings befugt, solche Einwir- kungen zur Erklärung empirischer Data zu Hül- fe zu nehmen. Indefs ist freylich Vorsicht nö- thig, nicht etwas aus einer-solchen Action abzu- leiten, was in der That eine unmittelbare mate- rielle Ursache hat, ® sc“ nn, Vierter Abschnitt. Bedingungen des Wachsthums und der Abnahme der lebenden Körper. $. ,, | Wiasum beruhet auf einer Thätigkeit des lebenden Körpers. Alle Thätigkeit setzt von Seiten der Aussenwelt eine erregende Potenz, und von Seiten des thätigen Körpers Receptivi- tät und Reaktionsvermögen voraus, Die äussern Bedingungen des Wachsthums aufsuchen, heifst also, den Potenzen, wofür der lebende Organis-. mus Empfänglichkeit besitzt, und der Wirkungs- art dieser Kräfte nachforschen. Das Wachsthum im allgemeinsten Sinne aber ist das Resultat der sämmtlichen Funktionen des lebenden Körpers. Die Bedingungen des erstern sind daher zugleich die der letztern, und der gegenwärtige Abschnitt wird folglich die allgemeinern Gesetze aller Le- bensthätigkeit. enthalten. Der Weg hierzu ist uns schon durch die Untersuchungen gebahnt, die I | $67 die wir im letzten Kapitel des zweyten Buchs. dieses Werks (s) über die äussern Bedingungen der verschiedenen Formen des Lebens angestellt haben. Der Einflufs äusserer Potenzen auf den Ie- benden Körper geschieht auf eine doppelte Art: sie wirken entweder ohne Zuthun des letztern auf denselben ein; oder ihre Einwirkung setzt eine vorhergegangene Thätigkeit desselben vor- aus. Auf jene Art agirt z.B. die Wärme; auf diese Art wirken die Nahrungsmittel. _ Vorerst werden wir den lebenden Körper bey allen äus sern Einwirkungen blos als leidend betrachten. ’ Die erwähnten Potenzen sind ferner entwe- der absolut, oder relativ äussere, Zu den letztern gehören die Actionen einzelner Theile des lebenden Körpers, in so fern sie einen noth- wendigen Einfluls auf den übrigen Organismus haben; Potenzen der erstern Art sind. alle Ein- flüsse, die nicht in der Organisation .des lebenden Körpers einen nothwendigen Grund haben. Eine absolut äussere Potenz ist z. B. das Sonnenlicht; eine relativ äussere, die durch dasselbe erregte Thätigkeit ‚des es a Maar (s) Biol. Bd. 2. S. 407. Nn4 6_ uesabehiieneen 6 2. Alles, was das Wachsthum beför- / dert, beschleunigt auch die Abnahme des lebenden Körpers, und zwar ent- weder durch die Dauer, oder durch die Heftigkeit der Einwirkung. Es giebt daher ein gewisses Maximum der Erregung, über welches diese nicht erhoben werden kann, ohne sich ihrem Minimum wieder zu nähern . , Thatsachen, welche dieses beweisen, sind folgende: Münzenpflanzen kamen in ı! Unzen Wasser, womit ı bis 2 Tropfen des stärksten Salpeter- geistes vermischt waren, dem Anscheine nach . besser, als in blofsem Wasser, fort. Enthielt aber das Wasser mehr von dieser Säure, so gin- gen sie sehr bald ein (t). In ı% Unzen Wasser, worin 3 Gran Koch- salz aufgelöset waren, kamen Pflanzen besser fort und erhielten sich länger, als in reinem Wasser, Eine gleiche Menge Wasser, welche mehr Kochsalz, doch nicht über ı2 Gran ent- hielt, beförderte anfangs das Wachsthum, töd- | tete - (e) Priesteer’s Vers. u, Beobacht, über versch. Thei- le der Naturlehre, Th, x. S. 302. gmmmmmunı 69 tete aber bald darauf die Pflanzen. Waren mehr als ı2 Gran in jener Quantität Wasser aufgelöset, so starben die Gewächse in demselben augen- blicklich (u). Saamenkörner der Kresse (Lepidium sativum L.), die ich mit einer Emulsion von Mohnsaft begossen hatte, keimten und wuchsen zum Theil viel schneller, als andere, welche mit dieser Mischung nicht waren befeuchtet worden, Aber von jenen blieben auch weit mehrere, als von diesen, unentwickelt. Zugleich wurden dieje-. nigen der erstern, die gekeimt hatten, bleich- süchtig, und starben weit früher ab, als die letztern (v). Aus dem obigen Gesetze lassen sich auch die widersprechenden Resultate verschiedener Versu- che über den Einfluls mancher Mittel, z. B. des Camphers,: auf das Wachsthum der Pflanzen erklären. Barton (w) und WıLLDENnow. (x) _ fanden, dafs der Campher die Vegetation beför- dert. (u) Priestıey a. a. OÖ. S.5on, (v) Prarr’s u. Scueer’s Nordisches Archiv für Na- tur- und Arzneywissenschaft. B.ı. St.2. S,274. {w) Trommsporr’s Journal der Pharmacie. B.Y. I St. 2. (x) Grundrifs der Kräuterkunde. 2te Ausg. $. 327° 570 —— dert. In mehrern, von mir über diesen Gegen- stand angestellten Versuchen hingegen wurde das Wachsthum der Pflanzen von einer Emulsion ‚jenes Mittels zurückgehalten, oder ganz aufge- hoben (y). | s‘ n Aus jenem Gesetze erhellet endlich auch, warum in SPALLANZAN!s oben gedachten Versu- chen über die Erzeugung der Amphibien, die Entwickelung der Eyer dieser Thiere durch einen gewissen Grad von Wärme beschleunigt, durch Hitze aber aufgehoben wurde, Diese Versuche beweisen zugleich, dals auch sowohl das Ent- wickelungsvermögen des noch unbefruchteten weiblichen Zeugungsstoffs, als die befruchtende Kraft des männlichen Saamens unter jenem Ge- setze steht. Beyde erhielten ‘sich länger in einer mäfsigen Kälte, als in einer mälsigen Wärme, ohne Zweifel aus keiner andern Ursache, als weil die Erregbarkeit dieser Materien in einer wärmern Temperatur früher, als in einer käl- teın, zu ihrem Maximum erhoben wurde, | 3 Das erwähnte Maximum der Erre- gung ist verschieden nach der Verschie- | | den- (y) Prare’s und Scnueer’s Nordisches Archiv. B. ı. St. 2. 5, 258. 274. 290. 297: Dr SZ — a 5 denheit der einwirkenden Potenzen. Es giebt einige, die’schon Abnahme der Lebensthätigkeit nach sich ziehen, ehe noch verhältnilsmälsige Zunahme der letztern bemerkbar geworden ist. Es erfolgen ganz andere Erscheinungen, wenn das Wachsthum einer Pflanze durch Wär- me und Licht befördert wird, als wenn man es durch Opium und andere chemisch wirkende Substanzen beschleunigt. Im erstern Falle trägt das Gewächs Blüthen und Früchte, ehe die Pe- riode der Abnahme des Lebens eintritt, wie die Alpenpflanzen beweisen, welche, erregt durch einen 'höhern und schneller eintretenden Grad der Wärme und des Lichts, in weit kürzerer Zeit, als die Gewächse des flachen Landes, den Kreislauf ihres Daseyns vollenden, und doch da bey die höchste Stufe ihres Lebens erreichen (z). Hingegen im letztern Falle fängt die Lebensthä- tigkeit schon an zu erschlaffen, ehe noch der vegetabilische Organismus zu dieser höchsten Stufe gelangt is. HRoggenkörner lassen sich durch destillirtes kohlensaures, mit dem achten Theile flüssiger oxygenirter Salzsäure versetzies Wasser sehr schnell zum Heimen bringen, und das Wachsthum derselben läfst sich dadurch sehr beför- (z) Biol. Bd. 2, $, 57. 72 WU befördern; aber ihre Halme sterben ab, ‚wenn sie eine Höhe von 9 bis ı0o Zoll erreicht ha- ben (a). (. 4. Jenes Maximum der Erregung ist auch verschieden nach der Verschieden- heit der Organismen und der Organe Saamenkörner, welche während dem Keimen wom Sonnenlichte beschienen werden, gedeihen nicht nur viel langsamer, als andere, im Schat- ten liegende, sondern ein grolser Theil dersel. ben verdirbt sogar völlig, und die, welche auf- gehen, geben nur schwache Pflanzen (b). So- bald aber der Keim Blätter getrieben hat, er- reicht er nur beym Sonnenlichte die höchste Stu- fe seines Lebens, und stirbt vor der Zeit, wenn jhm dieses entzogen wird. Aber auch dann be- darf er nur eines gewissen Grades von Licht zu seiner weitern Ausbildung. Derselbe Grad, wel- cher Pflanzen, die auf freyen, dem Sonnenlichte von allen Seiten ausgesetzten Höhen wachsen, unentbehrlich ist, tödtet diejenigen, die in dun- keln Wäldern einheimisch sind, | | \. 5 (a) Scuraner im Neuen allgem. Journal der. Che- mie. B. 3. S. 533. (b) Incewmouss in Vorst's Mag. f. d. Neueste aus der Physik eic. B.V. St.2, 8.45. - en > werner, | 73 n he 3 Von den drey bisherigen Gesetzen haben wir das erste ((. 2.) schon in der Einleitung (c) aus den Begriffen des Lebens und der Materie abgeleitet. Ehe wir weiter gehen, ist es nö- thig, auch die beyden letztern aus den Funda- mentalsätzen der Biologie zu entwickeln. — Fol- gende Sätze sind es, woraus sich dieselben er- klären lassen: ı) Die Receptivität für erregende Potenzen ist verschieden sowohl in den verschiedenen Ar- en und Individuen der lebenden Körper, als in den verschiedenen Theilen eines und desselben Organismus, Dieser Satz bedarf kaum einer Rechtferti- gung. Die Wahrheit desselben erhellet schon daraus, weil eine Verschiedenheit der Formen ‘des Lebens nur bey einer Verschiedenheit der Receptivität für die Einwirkungen der Aussen- welt denkbar ist. Sie erhellet auch aus dem Antagonismus, den die verschiedenen Theile ei- nes und desselben Körpers bey ihrem Wachsthu- me gegen einander äussern. Nur die verschie- dene Wirkungsart eines und desselben Reitzes auf die verschiedenen Organe 'giebt eine befrie- digende Erklärung dieses, sowohl aus Thatsa- chen, (e) Biol. Bd. ı. S.ı. 74 Grm, chen, ais aus höhern Gründen in den beyden I letzten Abschnitten bewiesenen Gesetzes. 2) Die Gewalt einer erregenden Potenz nimmt mit jeder Einwirkung immer mehr ab, Die Richtigkeit dieser zweyten Voraussetzung ist weniger einleuchtend, als die der ersten. Man sieht auf den ersten Blick nicht ein, wie dabey die Erregung durch eine und dieselbe er- regende Potenz erst bis zu einem gewissen Ma- ximum gesteigert werden kann, ehe sie abzu- nehmen anfängt. Es scheint, dals das Maxi- 'mum der Erregung schon bey der ersten Ein. wirkung der erregenden Potenz eintreten mülste. Inzwischen sprechen doch für jenen Satz Gründe der Naturphilosophie und der Erfahrung. Die erstere lehrt, dals Erregung nur zwischen un- gleichartigen Körpern statt findet, und in dem wechselseitigen Bestreben besteht, sich in den Zustand der Gleichariigkeit zu versetzen, dals in der leblosen Natur das letzte Resultat dieses Bestrebens ein Tausch der Qualitäten beyder Körper und Verwandelung derselben in eine drit- te homogene Materie ist, dafs hingegen der le- bende Organismus bey Erregungen seine eigen- thümliche Form und Mischung behauptet, Aber wie kann der erregte lebende Körper sich dem Bestreben des erregenden, ihn zu verähnlichen, anders entziehen, als dadurch, dals er entweder ... die- 575 diesen selber assimilirt, oder dafs seine Recepti- vität für den Einflufs des letztern mit jeder Er- . regung immer mehr abgestumpft wird? In bey- den Fällen mus nun die Gewalt der erregenden Potenz desto mehr abnehmen, je öfterer, oder je ‚ länger sie auf den lebenden Körper einwirkt. Die Erfahrung spricht ebenfalls für diesen Satz. Wir wissen, dals manche Pflanzen und Thiere, die dem kalten Norden angehören, sich an das Tropen -Clima gewöhnt haben, ohne dafs ihre Organisation erhebliche Veränderungen erlitten hat (d). Aber wie wäre dies möglich gewesen, wenn die relative Gewalt der Wärme, des Lichts und der übrigen erregenden Potenzen, welche zusammengenommen das Clima ausmachen, nicht in eben dem Maalse abnähme, wie die absolute Gewalt derselben zunimmt. \ Bey allem dem würde aber jener zweyte Satz doch zweifelhaft bleiben, wenn sich die Schwürigkeit, mit ihm das allmählige Gelangen der Erregung zu einem Maximum zu vereinigen, nicht wegräumen liesse. Diese wird inde[s durch folgende Voraussetzung gehoben: ..3) In jedem lebenden Körper giebt es einen Cirkel von Eıregungen, der bis auf einen gewissen Grad von den Einwirkungen der Aussen- (d) Biol. Bd. 2. S. 127. 153. 246 FE . 76 emranere Aussenwelt unabhängig ist, jedoch durch die- sen verstärkt werden kann. Jener Cirkel von Erregungen besteht darin, dafs die sämmtlichen Organe auf einander als relativ äussere, erregende Potenzen wirken, Um jene Voraussetzung zu rechtfertigen, ist es also nothwendig, zuerst die Frage, ob es dergleichen Potenzen giebt? aus Erfahrungsgründen zu be- antworten. Wir sehen aber, dals bey allen le- benden Körpern gänzliche Ausleerung der Säfte den Tod nach sich zieht. Es ist also zu ver- muthen, dafs die flüssigen Theile relativ äus- sere, erregende Potenzen für die festen sind. Wir sehen ferner, dafs in jedem Theile das Wachsihum und endlich alle Lebensthätigkeit auf- hört, wenn entweder die Nerven, oder die Blutgefälse desselben unterbunden, oder auf an- dere Art ausser Verbindung mit dem übrigen Organismus gesetzt werden (e). Die Erfahrung lehrt auch, dafs bey den Insekten ein ähnliches partielles Aufhören der Lebensthätigkeit nach dem Bestreichen der Luftlöcher einzelner Ringe mit Oel eintritt (f). Hier bringt ‘also die Ent- ziehung Ce) STENONI Elem. myolog. specimen, p.86. Har- rer in‘Commentar. soc. Reg. sc. Gotting. T.IV. p- 419. AmsEeMmAnN über die Reproduktion der Ner- ven. 5.26. (f) Lronser Trait& de la chenille du saule, pP. 79: 7 _ 2 2 wg“ ee ee 577 L) ziehung einer absolut äussern Potenz, nehmlich der athmosphärischen Luft, ıdieselbe Wirkung 'hervor, welche dort aus dem aufgehobenen Ein- flusse, der ' Nerven „und der .Blutgefälse, oder des Bluts, entsteht., Es ist daher höchst wahr- scheinlich, dafs diese Theile als erregend auf den übrigen Organismus wirken, und so wird die Antwort auf die obige Frage bejahend aus» fallen müssen. \ Aber mehrere Thatsachen beweisen auch, dals die Erregungen, welche von diesen relativ äussern Potenzen herrühren, einen Cirkel bilden, der bis auf einen gewissen Grad von den Einwirkungen der Aussenwelt unabhängig ist. Viele Saamenkör- ner, besonders der lilienartigen Gewächse des Caps, die an ihrem Geburtsorte zur Reife gekommen, und in eine andere Zone gebracht sind, keimen hier zu der nehmlichen Zeit, wo sie in ihrem Va: terlande aufgegangen seyn würden. Die Peruani: schen Pflanzen blühen bey uns im Winter, der mit dem Sommer von Peru gleichzeitig ist. Viele fremde, nach Europa versetzte Bäume verliehren - hier ihre Blätter nicht im Herbste, sondern in ‚derjenigen Jahreszeit, die mit dem Herbste ihres Landes übereinstimmt. Eben so verhalten sich die aus Europa nach dem Vorgebirge der gu- ten Hoffnung verpflanzten Gewächse; und das Il.Dda. Oo Nehm- 578 — Nehmliche findet auch beym Ausschlagen der Knospen statt (g). Man sucht vergeblich einen dern Erklä- rungsgrund dieser Erscheinungen, als einen sol- chen "Cirkel von Erregungen, wie wir vorhin angenommen : haben. Doch müssen wir zu- gleich voraussetzen, dafs dieser Cirkel nur bis auf einen gewissen Grad von den Einwırkun« gen der Aussen welt unabhängig ist. Die er- wähnten Eigenthümlichkeiten: fremder Gewächse nehmlich verliehren sich in eben dem Verhält- nisse, wie diese in ihrer neuen Heimath mehr einheimisch‘ werden. Bey Pflanzen, die binnen drey Monaten aufgehen, wachsen und Früchte tragen, fangen sie nach drey bis vier Jahren an zu verschwinden. Eine längere Zeit bedarf es hierzu bey jährigen Pflanzen.;, In. grolsen Bäu- men werden sie mit allen Hülfsmitteln. der Kunst kaum in Jahrhunderten. zerstöhrt (h). Diese Gründe lassen sich noch durch‘ an« dere, welche aus der Natur hear lebenden Or ganis- | x (8) Tuovıw,: Annales du ER d’Hist. nat. N pP. 79.» Tuungeng’s Reisen. S.7, im Magazin von merkwürdigen neuen Behuige Bd. 7. . (h) Taovım u a. OÖ. r—— 79 ganismus abgeleitet sind, unterstützen. Jedes Organ desselben besitzt ein eigenthümliches Le- ben; für jedes Organ ist also der übrige Or- ganismus dasselbe, was für den ganzen Orga- nismus die übrige Welt ist. Auf jeden Theil wirken also .die übrigen als erregende Poten- zen, und jener wirkt wechselseitig eben so auf die letztern. Die Erregung des Theils verbrei- tet sich ‘also über das Ganze, kehrt von dem Gatizen wieder zum Theile zurück, und dauert noch lange nach Entfernung der ersten veran- lassenden Ursache fort. Aber bey dieser in sich zurückkehrenden Kette von Erregungen mufs dennoch die Empfänglichkeit für neue Ein- wirkungen der äussern Welt fortdauern, weil . sonst alle Verbindung mit. dieser aufgehoben . seyn würde. - Jeder neue Reitz trifft also schon vorhandene Erregungen an, die er modilcirt, und durch welche dessen Einfluls auch gegen- seitig modificirt wird. So.hängt von dem ersten Eindrucke, den der lebende hörper bey _ sei- nem Entstehen empfängt, die Art der Existenz für sein ganzes künftiges Leben ab; und so wur- de die Beschaffenheit der jetzigen lebenden Natur schon durch diejenigen Einflüsse bestimmt, unter welchen sich vor Jahrtausenden die ersten leben- den Erzeugnisse der Erde bildeten (i). j ‘ Durch (i) Biol. Bd. 3. 8. 225, | Oo. R 80 nn i Durch den obigen Satz ist nun die Schwü- rigkeit, gehoben, die uns im Wege stand, als wir mit dem Satze, dals jede erregende Po- tenz bey wiederhohlter Einwirkung auf. den lebenden Körper an Wirksamkeit verliehrt, die Thatsache vereinigen wollten, dafs die Erre- gung durch den fortdauernden Einflufs ‘einer und derselben Potenz allmählig bis zu einem gewissen Maximum verstärkt wird. ‘* Aus jenem Satze folgt nehmlich, dafs nur dann eine gra- duelle Zunahme der Erregung statt finden kann, wenn die Summe der erregenden Potenzen stufen- weise vermehrt wird, Eine solche Vermehrung. tritt aber dann wirklich ein, wenn es relativ äussere Potenzen giebt, welche wechselseitig auf einander wirken, und in deren Cirkel eine ab- solut äussere ‘Potenz eingreifen kann. ‚Diese letztere Potenz wirkt bey ihrem ersten Einflusse nur mit ihrer eigenen Gewalt; bey ihrem zwey- ten Einfiusse aber wird sie durch jene relativ äussern Potenzen unterstützt: es ist daher b« greiflich, wie die erste Erregung von der zweyten an Stärke übertroffen werden kann, wenn auch die absolut äussere Potenz, für sich betrach- tet, bey der zweyten Einwirkung an Gewalt verlohren hat. — sg» 6.176: L ' Die 'Thatsachen, die wir im letzten Rapi- tel des zweyten Buchs (k) aufgestellt haben, , beweisen, dals jede absolut äussere Potenz, aus- ser ihrem Einflusse‘ auf die Vermehrung und Verminderung der Lebensthätigkeit überhaupt, noch eine specifique Nebenwirkung auf den Or- $anismus hat, welche in Modifikationen der Mischung, Textur und Struktur besteht. Diese Nebenwirkung ist eine Folge der Beschränktheit alles Lebens. Ein Körper, dessen Leben schran- kenlos wäre, würde seine Organisation gegen jede, tauf ihn wirkende Potenz unverändert be- haupten,-indem er diese augenblicklich sich ver- ähnlichte, ohne von ihr gegenseitig assimilirt zu werden, Der Rörper von beschränktem Le- ben aber kann nichts seiner Natur homogen machen, ohne einen - Theil seiner Eigenthüm- lichkeit zu verliehren. f Veränderungen der Mischung, Textur und Struktur müssen Veränderungen der Receptivität und des NReaktionsvermögens zur Folge ha- N » .. ® . 1 ben. _ Diese aber können quantitativ oder qua- litativ seyn. Dafs die Empfänglichkeit für äus- sere Einwirkungen quantitativer Veränderungen fähig = ck) Biol. Bd, 2. S. 407 ft. | 0053 / a ’ 82 nun. Ä fähig ist, erhellet daraus, weil heftige Einwir- kungen alle Teceptivität vertilgen. . Qualitativ würden die Veränderungen der Receptivität dann seyn, wenn jede einwirkende Potenz diese Fä- higkeit nur für sich selber, nicht aber für an- dere Potenzen verminderte, oder sie für an- dere gar erhöhete. _ Solche qualitative Verän- derungen der Receptivität giebt es wirklich, Es ist nehmlich ein Satz, der sowohl aus dem Begriffe der Reitzbarkeit folgt, als Erfahrungs- gründe auf seiner Seite hat, dafs die Recep- tivität für eine erregende Potenz ver- mehrt wird durch Verminderung oder Aufhebung des Einflusses dieser Potenz, Veränderungen der Receptivität nun müssen in vorhergegangenen Veränderungen der Mischung und Form ihren Grund haben. Die. letztern aber entstehen aus der Einwirkung äusserer Po- tenzen. Mithin haben alle Veränderungen der Receptivität ebenfalls, folglich auch Erhöhungen dieser Fähigkeit, hierin ihre Quelle. Allein oben haben wir‘ bewiesen, dals alle einwirkende Po- tenzen die Receptivität vermindern: Hier ist also ein Widerspruch, der sich nur unter der Voraussetzung heben lälst, dafs jede erregende "Potenz durch ihre Einwirkung auf die Recep- tivität diese‘ bios in Beziehung auf sich depri- mirt, und zugleich sie in Beziehung auf andere Potenzen exaltirt. Bey men; ss3 Bey diesen Schlüssen ist indefs vorausge- setzt, dals alle einwirkende Potenzen die Re- ceptivität vermindern, und .dieser Satz läfst sich in Zweifel ziehen. Man kann einwenden, dals das Gesetz des Sinkens der Receptivität bey wie- derhohlten Einwirkungen blos von solchen Ein- flüssen gilt, welche durch die Lebenskraft auf die Receptivität agiren. Aber kann es nicht auch Potenzen geben, welche unmittelbar und ohne durch die Lebenskraft vorher gebrochen zu ‚seyn, auf den Organismus Einfluls haben, und welche Exaltationen der Lebenskraft, Depressionen der- selben, oder Umwandelungen der Form des Le bens ohne vorhergegangene vitale ‚Reaktionen hervorbringen? Ja, haben wir nicht: selber im dritten Kapitel der Einleitung (}) bey der Dar- stellung desjenigen biologischen Systems, wel ches durch unsere Untersuchungen über die Ent stehung und Verwandelungen der lebenden Kör- per begründet ist (m), die Wirklichkeit solcher "Polansen behauptet ? x n d Diese Einwürfe lassen sich aber beantwor- ten. In der Einleitung, wo unsere Absicht blos war, von den drey möglichen biologischen Sy- stemen Skizzen zu liefern, konnten wir freylich, i ohne (l) Biol. Bd. ı. S. 102. (m) Biol, Bd.2.. $. 264. | 004 ohne uns in weitläuftige Untersuchungen einzu- lassen, die exaltirenden und deprimirenden Po- tenzen nicht anders, als verschieden von den eigentlichen Reitzen (dieses Wort in der, 9.63 der Einleitung festgesetzten Bedeutung genom- men) ansehen. Allein hier, wo es uns obliegt, dasjenige von jenen Systemen, welches wir für das wahre anerkannt haben, weiter auszufüh- ren, müssen wir erinnern, dals die Wirkungen der erwähnten Potenzen nur Nebenwirkungen der Reitze sind. Ehe wir ‘indels diese Be- hauptung rechtfertigen, werden wir vorher den: Beweis eines Satzes liefern, den wir oben vor: ausgesetzt haben, ohne die Richtigkeit dessel- ben darzuthun. t Wir haben nehmlich angenommen, dafs die Empfänglichkeit für eine erregende Potenz durch Verminderung oder Auf- hebung des Einflusses der letztern’er höhet wird. Dieser Satz aber folgt unmit- telbar aus dem Begriffe der Reitzbarkeit, Sie ist, wie wir in der Einleitung (n) gezeigt ha- ben, das Vermögen lebender Körper, Einwir- kungen der Aussenwelt so zu percipiren, dals die relative Stärke der letztern, ihrer absoluten Verschiedenheit ohngeachtet, unverändert bleibt, Allein dies heilst mit andern Worten nichts an- DH i N ders, (n) Biol. Bd.ı. S. 61. une 85 F ders, als die Receptivität steigt, so wie die Ge. walt der einwirkenden Potenzen. vermindert wird, und sinkt, so wie diese zunimmt. Die Erfah- rung-giebt uns ebenfalls Beweise jenes Satzes. Thiere und Pflanzen , die einem gewissen Grade von Kälte eine Zeitlang ausgesetzt gewesen sind, sterben, wenn sie plötzlich in eine Wärme ge- bracht werden, die ihnen unter andern Umstän- den "nicht den mindesten Nachtheil zufügen wür- de. Nachtfröste können . ziemlich heftig seyn, ohne den Gewächsen: zu schaden, wenn der Himmel am folgenden Tage umwölkt ist, und die Pflanzen nicht eher von den Sonnenstrahlen beschienen werden, als bis das Eis ‘wieder ge- schmolzen ist (0). Am meisten leiden von ihnen. Gewächse, welche vor dem Nordwinde geschützt, ufd der Mittagssonne ausgesetzt sind, weit- we- niger die, welche von dem Nordwinde getroffen werden (p). Die Erklärung dieser Erfahrungen ist ohne Zweifel darin zu suchen, dals die Re- ceptivität bey der verminderten Wärme zu einer Höhe anwächst, auf welcher schon ein geringer Grad von Wärme eine eben so heftige Erregung hervorbringt, wie sonst nur eine übermäfsige Hitze nach sich ziehen würde. Aus einer ähn- lichen Ursache verwelken Gewächse, die lange “ unter (0) Du Hamer et Burron, Mem, de l’Acad. des sc- ‚de Paris. 1737. Ed.8. p. 404. | (p) Ebendas. p. 396. 4 86 m DR unter engen Behältern, z.B; unter Glasglocken, gestanden haben, sehr schnell, wenn sie plötz« lich an die freye Luft gebracht werden. Diese Zunahme der Receptivität bey verminderter oder .aufgehobener Erre- gung hat aber eine gewisse Gränze, ‚Bey fortdauernder" Verminderung oder Auf hebung der äussern Einwirkungen sinkt sie eben so wohl, wie'bey übermälsi- ger Heftigkeit der erregenden Potenzen, zu‘ einer niedrigsten Stufe herab. So mufs 'es seyn, wenn die ganze lebende Natur ein | einziger grolser Organismus ist, in welchem alle einzelne Körper wechselseitig für einander Mittel und Zweck ‚sind. Verhielte es sich ‚an- ders, so, würde jedes Thier und jedes Gewächs von diesem ; Organismus sich loszureissen im Stande . seyn, oder losgerissen werden können, indem es in einen’ Zustand versetzt würde, wo, bey: gänzlicher Unthätigkeit, die.Lebensfähigkeit desselben dennoch fortdauerte, - Bey jenem Ge setze aber. ist jede Trennung vom allgemeinen Organismus der Anfang des Uebergangs zu »an- je dern Formen des Lebens, mit. deren Entstehen jene Trennung wieder: aufgehoben wird. . So ‚ster- ben alle lebende Körper eben so wohl von zu geringer, als von übermäfsiger Wärme; und so wurde in Srarranzanı’s Versuchen über. die Er- ‚zeu- 2 I; N Pi zeugung der, ‚Amphibien , den. Eyern ihr: Ent- wickelungsvermögen, und dem ‚männlichen $aa- men seine befruchtende Kraft durch einen ge- wissen. Grad sowohl von Kälte, als von Hitze .. geraubt. ‚Hier ist, nun. der. Grund, auf welchem sich unsere, obige. Behauptung .stützt,,. dafs alle Exal- tationen und Depressionen der. Reitzbarkeit und alle ‚Umwandelungen der Form des Lebens nicht Wirkungen eigener Potenzen, sondern Neben- wirkungen der Reitze sind. -Denn nur bey die. ser Voraussetzung ist eine Erklärung des letz- ‚tern. obigen Gesetzes möglich. Gäbe es Poten- zen,; welche die Receptivität erhöheten, ohne . zu.reitzen, 8o wäre nicht einzusehen, warum nicht diese Fähigkeit bey entzogenen Reitzen ent- weder immer fort steigen, oder sich doch un verändert auf einer gewissen Höhe erhalten soll- te,..ohne dals das Leben des Organismus wäh- rend jener Entziehung dadurch beeinträchtigt würde.; Wirkt aber jeder Reitz zugleich als ex- altirende Potenz, und. zwar auf eine solche Art, dafs. er die Receptivität zwar in Beziehung auf sich vermindert, aber in Beziehung auf andere Reitze erhöhet, so findet bey entzogenen Reitzen immer nur eine einseitige Erhöhung jener Fä- higkeit, nehmlich in Beziehung auf diese ent» ‚zogenen Reitze, statt, Aber kein Körper kann ZT. Ba. | > Pp allen # BE... Dan allen Einwirkungen‘ der Ausseriwelt gänzlich 'ent- zogen werden, und 'könnte er es auch, so wür- de der lebende Körper doch immer noch dem Einflusse der , relativ‘ äussern ."Reitze ausgesetzt seyn. Auch sind es diese, ‚bey jeder Reitzent- ziehung noch zurückbleibenden Irritamente, wel» che jene einseitige’ Erhöhung"der Receptivität‘ her- vorbringen.“ "Indem sie aber eine solche’ Exalta- oh bewirken ‚' vermindern sie. zugleich die Re ceptivirät Für sich selber; und ‘diese Minderung geht bald bis zur völligen Erschöpfung, weil, - der: entzogenen 'Reitze wegen, kein Ersatz dee Receptivität in Beziehung auf die übriggebliebe- nen Irritämente' möglich ist. Nun erhöhet jeder Reitz die Receptivität für andere Reitze nur das durch, dafs er als’ Reitz wirkt. Allein‘ wo keine An Receptivität statt findet, giebt .es auch keinen. Reitz. Die erwähnte einseitige‘ Erhöhung der Empfänglichkeit für die entzogenen Reitze dauert also nur so lange, als die übriggebliebenen Irrita- mente diese Fähigkeit in Beziehung auf sich noch nicht völlig erschöpft haben.‘ Mit der völligen Erschöpfung höret auch jene Exaltation auf; ‚das Zusammenwirken der sämmtlichen Organe zu ei nem geimeinschaftlichen Zwecke wird ebenfalls aufgehoben, und der Organismus zersetzt ‚sich, um sich zu andern Formen des Lebens wieder. zusammenzusetzen. ei I ’ 97. u ——000...359 Alles .naturgemäflse Wachsthum ‚ folglich. alle gesunde Lebensthätigkeit überhaupt, beruhet a her auf dem‘ Gleichgewichte ‚antagonistischer | Reitze, welche bey. ihrer Einwirkung auf den lebenden Organismus die Receptivität in ‚Bezie- hung auf-sich selber vermindern, aber wechsel- ‚seitig für einander erhöhen, Alle Stöhrung die- ses Gleichgewichts nähert den Organismus der niedrigsten Stufe des. Lebens... Diese Stöhrung | ' Kann.aber auf eine doppelte Art geschehen: .ent- weder dadurch, dafs der eine. von zwey anta- gonistischen Reitzen vermehrt wird, indem ‚der andere unverändert bleibt; ‘oder durch Vermin- derung des einen bey unverändertem . Einflüsse des andern. Der Erfolg dieser. Stöhrugg -ist in beyden Fällen. Näherung zur niedrigsten Stufe des Lebens, Aber die Phänomene dieser Nähe- zung sind in beyden Fällen verschieden, So stirbt die Pflanze eines andern ‚Todes bey entzo- genem Lichte und unveränderter Wärme, als bey aunverändertem Lichte und vermehrter Wärme, Nicht ‘jede Stöhrung jenes Gleichgewichts zieht aber sogleich Krankheit nach sich. Es ‚giebt gewisse Gränzen, innerhalb welcher der eine von zwey antagonistischen Reitzen das Ue- bergewicht ‚über den andern haben kann, ohne. ‚ dals der Zustand der Gesundheit dadurch aufge: | Pp2 RER hoben 90 4 | hoben wird. Diese Thatsache würde sich durch folgende Voraussetzung erklären lassen: Gesetzt A und B wären: zwey absolut äußsehe Reitze, und z.B. A eine oxydirende, B eine desoxydi- rende Potenz, so wie a und A zwey Systeme von Organen, deren Lebensthätigkeiten wechsel- seitig auf einander als relativ äussere antagoni- stische Reitze wirkten; gesetzt ferner, das Sy- stem & besälse blos Empfänglichkeit für den Reitz der desoxydirenden Potenz B, und das andere ß _ bios für den Reitz der 'oxydirenden Potenz /A, doch wirkte ausser B auch die Lebensthätigkeit von ß mittelbar als erregende Potenz auf a, 80 wie umgekehrt auf 3 ausser A auch die Le bensthätigkeit von &; gesetzt endlich, die Lebens- thätigkeit von & brächte ähnliche Veränderungen in 8, wie der absolut äussere Reitz A, und die Lebensthätigkeit von ß8 analoge Veränderungen in &, wie der Reitz B, hervor, jene wirkte also ‘ebenfalls oxydirend und diese desoxydirend; so ist leicht einzusehen, wie in Ermangelung von A die Lebensthätigkeit der Organe x, und'in Ermangelung von B die Lebensthätigkeit von B _ die Stelle jener absolut äussern Potenzen bis auf einen gewissen Grad ersetzen könnte. Der le. bende Körper würde also im Stande seyn, sich ‚die Bedingungen seines Lebens einigermaalsen selber zu schaffen, OR a Hat rmumen 591 Hat jene Voraussetzung die Erfahrung auf ihrer Seite? Man wird die Antwort auf diese Frage im folgenden Buche finden. Es wird dort gezeigt werden, ‘das der lebende Körper das Vermögen besitzt, Wärme, und mit Einem Wor. te, die formellen Bedingungen seines Lebens bis auf einen gewissen Grad selber zu erzeugen. - $. » Jenes unaufhörliche Wirken und Gegenwir- ken der Reitze, jene beständige Herabstimmung und Erhöhung der Receptivität ist nicht ohne einen beständigen Wechsel der Stoffe möglich, woraus der lebende Körper zusammengesetzt ist. Alles Leben besteht also in beständigen Zerset- zungen und Zusammensetzungen; alles Leben. dige-ist ein unaufhörlich erlöschendes, und un- aufhörlich sich ‘wieder entzündendes Meteor. Etwas muls: aber allerdings in diesem beständi- gen Wechsel bleibend seyn: denn wodurch wür- de der lebende Organismus sonst bestimmt, in derselben Gestalt, worin er unterging, sich wie- der zu erneuern? Jenes Bleibende ist nun ohne ‘Zweifel kein anderes, als dasjenige Organ, wo- durch die einzelnen Theile des lebenden Körpers zu einem einzigen Ganzen verbunden werden, als das Organ der Sympathie. Doch absolut un- veränderlich kann dieser Theil eben so wenig Pp3 | wie 592 — wie jede andere Materie, seyn; nur. in. Bezie- hung auf die übrigen ‚Organe kann ihm das At tribut der Unveränderlichkeit zukommen; er kann nur etwas Dauerndes besitzen, in so fern er. mit / einer höhern Sphäre in unmittelbarer Verbindung steht, die in „Beziehung auf das Individnum, wovon er ein ‚Organ ausmacht, unveränderlich ist. Dauernd in Beziehung auf das Individuum ist aber zunächst die Art, und dann die ganze Natur. Das Organ der Sympathie ist also das- jenige, wodurch das Individuum. mit. der Art und der ganzen übrigen Natur in Verbindung steht. Diese Verbindung‘ nun kann. keine blos materielle seyn. Durch jenes Organ wird "folg- lich der Zusaminenhang des Individuums mit je- nem dynamischen Organismus, dessen schon bey mehrern Gelegenheiten erwähnt ist, vermittelt, Von dieser Verbindung des Individuums mit dem allgemeinen Organismus hängt, . wie wir ‚in der Einleitung sahen (g), die Nothwendigkeit des. Wachsthums und der Fortpflanzung, ab. Wachsthum und Fortpflanzung aber setzen ein Einwirken des Individuums aaf die äussere Welt, eine Aufnahme und Aneignung fremder Stoffe, kurz Ernährung, voraus. In. dieser Funktion müssen sich daher die allgemeinen Gesetze aller | Ka (q) Biol, Bd. ı. 9.76 #, Ram “ i — 93 7 n 5 Lebenäthätigkeit, die wir bisher aus den ober- sten Sätzen der Biologie abgeleitet, und blos erst in den Erscheinungen der Erzeugung und des Wachsthums bestätigt gefunden haben, ebenfalls auffinden und weiter verfolgen lassen. Sie wird daher der Gegenstand unserer Untersuchungen im folgenden Buche seyn. Dann aber werden wir aus den Erscheinungen, -die jenes Organ, wo- durch der letiende Körper in einer dynamischen Wechselwirkung mit. der übrigen Natur steht, darbietet, uns nähere Aufschlüsse über diese Wirkungsart zu verschaffen suchen, 5 z , nk I * ' | Ha * “ in 1 \ I ital'tg ’ j > ı#/ Druckfehler. \ 1 ———— I .r \ Biiadel 13h Mar 'n Re SEA a T rünmer 1. m. Trümmern. ,\. ri, EEREENG, 8.74. Z.4 in der Anmerkung. . St. habent 1. nt. habet. _ 5.82. 2.9. St. mineralogische |]. m, mineralische, ög S. 305. In dem Citat z setze man ee Dec. hinzu: TI. S. 456. Z. 16. St. der Rückenwirbel l. m. der erste Ruik- % kenwirbel. - 5.505. Z.4. Nach a setze man hinzu: Milch. ft S. 540. Z. ı4. St. leigenen Organe 1. m. einzelnen Organe, a” ar BA } ne so äi. \ 4 u: e En +, xt Fady”