n h PAR hi x | ER AR RK a IK h HM 2 . HEIESTNPMIMENR f | BR RL a! Pre) ie 1,0" ne j Ki ‘ ‘ ı HA r N PR u, a ’ Eh ’ a” Re, A ie \ ’ A 7 EATH PA f A En PO, ’ ‘ j YERLE Be; | BT, u Ü allrar) Bine” AG a: AN‘ AHA ‘ f im ah‘ Pre Au kr T N In ; ’ P r des f} vie P i “BlcH t ! j D f + ’ ”i | Mr . f N 4 | * E “ . E j» War Li % [73 4 ‚ . . ‘ f “ f4 D ‚ P Ä } A g 4 \ ya un 1, Ar u Hz u “ I 4 u 6 Pa) Ä N ' t yet ’ „4 ı v.. i vr, ‘ k 7.“ > [3 T ' # 4 i .% s =, & f re? ı& v ‚ 4 ’ F.4 be . #) # u, * N ch ‘ 4 x .r% a f Varıd 144 % F [3 \ a N t?’P, i 1; Y A, L “ 4 ie in +, ) t sr et ‘ ee), . el T $ Jr EZ DR WERE Ben ia # AR | 4 ne, ur ER A RIET KV PL Sur ' RE ihr ae ‚4 Le Fr dl 2 EN; h sr na a i i i ; Id ni ri P 0, { td RI » PRTEIOTN Pa 9 PÜRDAUIEER 1) FRMITER Vo PRATER L BOTEN Z + K; 3 ” REIT TE Fa WITmEr dent, " rd ron re Er ’ * Bi) i ER) r® [; "| ji [y vr. * fi Bi im Ei ‘ vn 7 | RE AUNTAE TOR Ber ’ be # Fr 44 j ‘ fl 4 2, . j> 2 y > ıs j EN . “e fi ß [ ’ « ‘ ’ ! . ‘ > ’ ' \ % > . ß i L h ı & N 4 » % SCH TER Io, .A zz br ] Bee} Rn ER . I A ie N ‘ i ] ” BRur TUST REN q Mr r s Alina, h BAR ui Ahr ia Fol ae! ATS % & € vE VE un Ye nn t Illinoıs Libr Br x En uf 2 T { 8 - Biologisches Zentralblatt Begründet von J. Rosenthal herausgegeben von Dr. K. Goebel und Dr. R. Hertwig Prof. der Botanik Prof. der Zoologie in München Vierzigster Band 1920 Mit 126 Abbildungen. ıg Tabellen, 5 Kurven u. 6 Tafeln. Leipzig 1920 Verlag von Georg Thieme. RENT PEN EN FFIR Inhaltsübersicht des vierzigsten Bandes. 2 © Otiginal;, R. —= Referat. Abel, O., Die Stämme der Wirbeltire.e R . . erden F., Über das Manifestwerden der ererbten ussh einer An uttht. O5 Arm bruster, L% Biehenzüchtüngsktnde, R Er _ Bresslau, E., Eier und Eizahn der einheimischen Stedlentcheh. ÖO Cohn, F., Beiträge zur Biologie der Pflanzen XIIL, 3. R. Dennler, G., Zur Methodik in der Tierpsychologie. O0. Doormann, G., Die Mechanik des Sprunges der Schnellkäfer (Elaieniden) 0 Emildu Be Reymond, Jugendbriefe an Eduard Hallmann. R. Engler, A., Tropismen und exzentrisches Diekenwachstum der Bäume. R Ernst, Alfr., Bastardierung als Ursache der Apogamie im Pflanzenreich. R Franz, V., Einige Hauptpunkte in der Organisation der Mormyriden. 0 v. Frisch, K., Über den Einfluß der Bodenfarbe auf die Fleckenzeichnung des endars- 3. Galant, S., Ein Kratzreflex des geköpften dar De en OÖ Gerhardt, K., Zur Theorie der Schutzmittel gegen Tierfraß bei Pflanzen: 0 Goebel, K., Die Entfaltungsbewegungen der Pflanzen und deren teleolo- gische Deutung. Wr : Goetsch, W., Neue dheen ad re: an Eures (0) Heinricher, E., Wie erfolgt die Bestäubung der Mistel, scheiden ihre Blüten Firklich Nektar ab? O az: Hertwig, P., Haploide und diploide Be engeinsne 0) v.d. I Ei, Über die Lernfähigkeit der SäruudKrahbe (Careihi - maenas L.). O Klatt, B., Beiträge zur erulshreiolozie Hr Sea neppers; OÖ Kopsch, Fr, Die Entstehung von Granulationsgeschwülsten und Adenomen, Eon und Sarkom durch die Larve der Nematode Rhabditis pellio. R Kraepelin, H., Die rengel’sche Saftmal- Theorie. DEN 2 5: Kutter, H,, En snatin Huberi ‚For. r. alpinus Wh. eine Seren tbende Ameise. O Br Lebedin sky, N. G., Darwin’s Feste Zuchtwahl Fi his = erhaltende Bedelfung: R 5 Lebedins EyY,N.G, Geschlechtsdimorphismu und Be eelektion. ® 5 30739 Seite 429 473—480 978 337—355 144 175—193 116—119 573 240 288 1—15 390-—414 335—336 241—248 431 458—472 514—527 145—174 503 — 514 539 —558 428° 120—141 528—538 571 571 IV Inhaltsübersicht. : FEN SE, Lehmann, E., Bemerkungen zu dem Aufsatze von O. Renner, Mendalsche hung und chemisches Gleichgewicht. O Bemerkung zu OÖ. Renner „Zur Richtigstellung“. Levy, F., Über die sogenannten Ureier im Froschhoden. O : Lipps, W., Experimentelle Unter Sen über den Fortplanzungswechsl bei ER lacustris. O va Loesch, E.. Heinr. Chr. Pander, sein ee and seine Werke, O Metzner, P., Zur Mechanik der Geißelbewegsung. 0... r Meyer, A., Morphologische und physiologische Analyse Re Zelle der i Piladzen und Tiere. R a Molisch, H., Pflanzenphysiologie 2 Theorie der Gärinerel. BR. Morstatt, H,, Über einige Ergebnisse der Termitenforschung. O Pratje, A., Die Chemie des Zellkernes. O0: . we) Renner, 0. Mendel’sche Spaltung und de Glöichresche >30 Zur Richie Ö ; Rüschkamp, E. Zur Biologie der Trees ud Mine (ns Col.). © : Schaefer, J. G., Die Totanskäre und ES Benchang- zur Korkenkkion. 0 Schmid, G., Di Lichtflucht der Olausilien. BR tr Schmidt, Johs., Der Zeugungswert des Individuums. R.... Sierp, H., Untersuchungen über die große Wachstumsperiode O.. Stauffer, H., Beobachtungen über die Lokomotionsart des Hoplolaimus rusticus und verwandter Formen, nebst einleitenden Bemerkungen über die Lokomotion der freilebenden Nematoden Eee & Steche, O., Grundriß der Zoologie. R. .... Ba Szymanski, J. $., Motorische und sensorielle Fieriypen. 0.4 Gibt es ein nude sehe Bewußtsein? O . Teudt, H., Erwiderung auf Heller’s Artikel „Über die Geruchstheorie von Teudt“. ran . Thilo, G., Das Maulspitzen der sche: Ö Kr Tischler, G., Über die sogenannten rt. und dies Leisten in der Pflanzenzelle. Ursprung, A. und G. Blum, Dürfen wir Ankirüeke a Wert, osmotischer Druck, Tugordruck, Saugkraft synonym gebrauchen? © van Trigt, H., A contribution to the physiology of the fresh-water Sponges (Spongillidae) R { | Viets, K., Beiträge zur Kenntnis. de Hydracanien, ine norddeutscher Etellen, R Wiedemann, E., Über Össeizmäfßpkeiten a Pflanzen. nach ar Birüms. (0) Wolff, G., Fhystkalisch -biologische Beobachtungen an ee Vopelfedem und anderen organischen Gebilden. O ; Seite . 277286 = 387 295.37 289—316 481—502 49-87 517 = 5.144 415—427 883—112 268 - 277 287 —288 376389 316-334 . 239 141—143 433—457 356-375 44-48 538—562 563—567 . 259 —267 216—238 15—28 193—216 37—44 568 113—116 248— 259 MI; Biologisches Zentralbla Begründet von J. Rosenthal | Unter Mitwirkung von ee TDrK& Goebel und Dr. R. Hertwig Professor der Botanik Professor der Zoologie in München herausgegeben von Dr. E. Weinland Professor der Physiologie in Erlangen Verlag von Georg Thieme in Leipzig ‚40. Band ‚Januar 1920 Nr. 1 ausgegeben am 10. Februar 1920 Der jährliche Abonnementspreis (12 Hefte) beträgt 20 Mark Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten Die Herren Mitarbeiter werden ersucht, die Beiträge aus dem Gesamtgebiete der Botanik an Herrn Prof. Dr. Goebel, München, Menzingerstr. 15, Beiträge aus dem Gebiete der Zoologie, - vgl. Anatomie und Entwickelungsgeschichte an Herrn Prof. Dr. R. Hertwig, München, alte 0 Akademie, alle übrigen an Herrn Prof. Dr. E. Weinland, Erlangen, Physiolog. Institut, Tr a einsenden zu wollen. | Inhalt: V. Franz, Einige Hauptpunkte in der Organisation der Mormyriden. 8.1. Bra G. Tischler, Über die sogenannten „Erbsubstanzen“ und ihre Lokalisation in der Pflanzen- zelle. S. 15. Dr Levy, Über die sogenannten Ureier im Froschhoden. 8. 29. Referate: H. van Trigt, A. Contribution to the Physiology of the fresh-water Sponges (Spongillidae). S. 37. 0. Steche, Grundriß der Zoologie. 8. 44. Einige Hauptpunkte in der Organisation der Mormyriden. Von Prof. Vietor Franz, Jena. Hierzu vier Abbildungen. Daß die Mormyriden, tropisch-afrikanische Süßwasserfische, viele sehr eigenartige Spezialisierungen besitzen, ist seit langer Zeit be- kannt. Das Merkwürdigste an ihnen ist bekanntlich das über- aus mächtig entwickelte und namentlich im Cerebellum, ganz be- ‘sonders in den Lobi laterales der Valvula cerebelli stark hyper- trophierte Gehirn, welches zum ersten Male von Erdl 1846 be- . schrieben wurde. Demnächst wären etwa die im Schwanz an Stelle von Muskelsegmenten gelegenen und, wie auch die histologische - Untersuchung gelehrt hat, offenbar aus solchen hervorgegangenen elektrischen Organe zu nennen, die zwar nur schwach elektrisch, v” dafür ‚aber, wie schon 1864 Marensen in seiner großen Mono- RER j wand 0. N I". 2 Vietor Franz, Einige Hauptpunkte in der Organisation aa “ graphie der Mormyriden !) hergörhob, allen Vertreisneh PR 11 Gattungen und über 100 Arten umfeßsEnden Fischfamilie ı EIGEN 8 sind, währen sonst elektrische Organe nur bei einzelnen Arten % großer Fischgruppen vorkommen: so innerhalb der. Gymnotidae 3 nur beim Zitteraal, Gymnotus electrieus L., innerhalb der Siluridae nur beim Zitterw eis, Malapterurus DE Gm., und bei den Batoidei zwar ın ehwas größerer Verbreitung, aber Noch) keineswegs bei allen Arten, sondern als schwach elektrische Organe bei einigen Rajidae und als stark elektrische, wie bei Gymnotus und Malapter- urus sehr kräftige Organe bei. den Torpedinidae. Außer dem kolossalen EN: Neycn der Mormyriden fand jüngst, 1915, der im Felde gefallene Stendell?) noch einige ihm ähnliche, gleich- falls vom oralen Teil des Rückenmarks ventral ausgehende „Ko- lossalfasern“ von leider noch unaufgeklärter Endigungsweise und Funktion. Es sind ferner, von Marcusen und anderen, am Ge-, hörorgan anatomische Besonderheiten beschrieben worden. Einige davon, wie die erhebliche Stärke des Nervus acusticus sive Nervus staticus, sind sicher von hoher funktioneller Bedeutung im Zu- sammenhang mit der eigentümlichen und lebhaften Motilität der Mormyrıden, während andere sich dereinst vielleicht aus Umlage- 2 rungen erklären könnten, die durch die Größe des Gehirns not- wendig wurden. Die sogenannten Gemminger’schen Knochen der Mormyriden, rechts und links je ein dorsaler und ventraler langgestreckter, neben dem elektrischen Organ horizontal zwischen Sehnenscheiden verlaufender und den Schwanzflossenmuskeln zum Ansatz dienender Knochen, sind vielleicht nur durch das Auftreten der elektrischen Organe notwendig geworden, um statt ausfallender Muskelwirkungen andere zu ermöglichen, aber auch sie stellen jedenfalls einen Sonderbesitz der Mormyriden dar. Von unmittel- barerer hoher funktioneller Bedeutung sind wiederum gewiß die von Hyrtl?) und Marcusen beschriebenen Divertikelam Bul- bus der Kiemenarterie; sie könnten im Zusammenhang mit “ den Eigentümlichkeiten der Motilität der Mormyriden entstanden sein, da der Bulbus arteriosus bei den Teleostiern die Aufgabe haben soll, den Stoß der Blutdruckwelle zu dämpfen, bevor er in die zarten Kiemen gelangt. Schwer ist zu sagen, warum bei den Mormyriden das Ovarium unpaar ausgebildet sein mag, indes ‚nämlich nur der linke Eierstock zu nennenswerter Entwicklung gelangt; auch hierin zeichnen sich die Mormyriden vor allen anderen 1) Johann Marcusen: Die Familie der Mormyriden. Eine anatomisch- zoologische Abhandlung. M&moires de l’Acad6mie Imperiale des Seiences de St. Petersbourg, VIIe S£rie, Tome VII, 1864. BER 2) W.Stendell: Der Nervus electricus von Mormyrus. Zool. Anz., Bd. 48, 1915. 3) Joseph Hyrtl: Anatomische Mitteilungen über Mormyrus und Gymnar chus. Denkschriften der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, mathematisch-natur- wissenschaftliche Klasse, Band 12, Wien 1856. . zZ BE r P. re en = e A EN » D.*78r Rn er i % A; | r- Vietor Franz, Einige Hauptpunkte in der Organisation der Mormyriden. 3 Teleostiern aus, wie überhaupt vor fast allen Wirbeltieren mit Aus- nahme der Vögel. Eine eigentümliche Weichheit der Haut ist am Kopf der Mormyriden festzustellen; sie wurde gelegentlich mit der Weichheit der Haut anderer elektrischer Fische verglichen. Es ist ‚jedoch die Haut, und zwar die sehr dicke Epidermis, bei den Mormy- riden am ganzen Körper, zumal am Kopf, von vielen „kleinen Löchelchen“ durchbohrt. Auf diese Poren komme ich noch genauer zurück. Die äußere Gestalt der Mormyriden ist im ganzen einfach, "durchaus physostomenartig, sonderbare Umbildungen aber hat bei vielen Arten die Schnauzenpartie erfahren, während sie bei anderen kaum bemerkenswerte Form hat und dies sogar innerhalb einer und derselben Gattung wechseln kann: der Schnauzenteil ist bei manchen Gattungen und Arten etwas, bei anderen sogar sehr stark rüsselartig verlängert, bei endständigem Maul, und dabeı oft stark herabgebogen, worauf Artnamen wie ows, caballus, tapirus, elephas, tamandua, numenius und ebis hindeuten, bei wieder anderen ıst stattdessen am Kinn ein kurzer oder langer, nach vorn-unten gerichteter Fortsatz ausgebildet. Er sowie die rüsselförmige Schnauze kann am Ende noch einen Bartfaden tragen oder auch nicht. Soviel bisher feststeht, ist das stets sehr große Gehirn bei ‘ langschnauzigen Formen wiederum 'noch erheblich größer als bei „kurzschnauzigen“*, die der abnormen äußeren Kopfgestalt entbehren. Da ich bei Gehirnuntersuchungen 1911*) auch sehr merkwürdige und wiederum ganz einzig dastehende Differenzierungen in der histo- logischen Architektonik des „Mormyrocerebellums“, wie ich die am stärksten hypertrophierten Teile nannte, gefunden hatte, während die neurohistologische Untersuchung infolge ungeeignet konservierten Materials hinter dem an anderen Teleostiern Erreichten zurückbleiben mußte, habe ich lange Zeit nach lebenden Mormy- riden gefahndet, um sie selber in verschiedener Weise zu fixieren und das Gehirn neurologisch sowie andere Teile allgemeinhisto- logisch zu untersuchen. Auch an Beobachtungen am lebenden Tier hatte ich gedacht, daraus wurde jedoch so gut wie garnichts, da ich die wenigen dank der freundlichen Teilnahme der Herren Christian Brüning in Hamburg und Dr. W. Wolterstorff in - Magdeburg aus dem Aquarienfischhandel erhaltenen Stücke, wärme- bedürftige Tiere, wie ich bald sah, nicht lange am Leben erhalten konnte, also lieber schnell zur rechtzeitigen Fixierung schritt, und bei kurzfristiger Lebendbeobachtung ihnen kaum anderes abzuge- winnen war als schon Bekanntes. "Von den Ergebnissen der histologischen Untersuchungen an diesen Tieren und daran sich knüpfenden Betrachtungen will ich im folgenden dasjenige kurz mitteilen, was für jeden Ble 'wissenswert sein dürfte, während eine genauere Darstellung der EAN MV Drans Das Kleinhirn der Teleostier. — Das Mormyridenhirn. Zoolog. Jahrbücher, Abt. f. Anatomie, Bd. 32, 1911. v Ei WR R NH: ‚ er J I ; ne \ To , an 18 Tale DR » ro Pe a Fe ar wu 3 A aey es . 8 Rx r Ir + » c x Fu 4 Vietor Franz, Einige Hauptpunkte in der Organisation der Mormyriden. BERTURe histologischen und der zum Teil noch strittigen faseranatomischen Verhältnisse, welche letzteren ich hier nur kurz zu berühren ge- denke, an anderer Stelle gebracht werden soll (Zoolog. Jahrbücher, Abt. f. Anatomie). | m} ; Einen sehr merkwürdigen, wiederum ganz einzig dastehenden Aufbau besitzt bei Marcusenius longianalis Blgr., der von mir unter- suchten Art, die Epidermis (Fig. 1). Unter ihren vier Schichten, den auffallend scharf sich abhebenden basalen Zylinderzellen, den darüber in drei bis vier Lagen befindlichen polygonalen Zellen, den dann \ m mm usıngsuaysyeld OLOAIK ee oo OD IL-STOR (e[ela/ei[te eisje Fig. 1. Epidermis von Marcusenius. folgenden „Plättchensäulen“ und schließlich den obersten wiederum mehrreihig liegenden polygonalen Zellen, sind das Merkwürdigste die Plättchensäulen, Diese in der Epidermis liegenden prisma- tischen Säulen stoßen dicht aneinander, so daß die Epidermis im Flächenschnitt durch diese Schicht polygonal gefeldert erscheint, und bestehen aus je etwa 40 oder mehr übereinanderliegenden, äußerst dünnen plättchenförmigen Zellen mit randständigem Kern. An epidermalen Organen wurden drei Arten gefunden: 1. Sinnesknospen oder „Endhügel“, „Nervenendhügel*, in der Terminologie Maurer’s. Sie sind ringsum von eigenartigen Deckzellen umgeben (Fig. 2). Letztere haben durch ihre Schmal- heit, die, wie Flächenschnitte lehren, auf konzentrischer Abplattung beruht, eine Ähnlichkeit mit den erwähnten Plättchenzellen, und es sitzt denn auch ıhr basales Ende nicht, wie sonst bei langgestreckten Stützzellen in einem Epithel, auf der basalen Epithelfläche, sondern, offenbar von dort abgesprungen, jeweils auf der benachbarten Plättchensäulenwand; sie entsprechen mithin auch in ihrer Lage den Plättchenzellen so gut wie möglich und erlauben daher die Schlußfolgerung, daß auch die Plättchenzellen ursprünglich quer zu ihrer jetzigen Lage orientiert waren, also sämtlich um 90 Grad x BE u br er Mn ' De be Han Er ” a Ai Vietor Franz, Einige Hauptpunkte in der Organisation der Mormyriden. 5 „invertiert“ sind, zumal für eine polare Differenzierung auch dieser Zellen die stets randständige Lage ihrer Kerne spricht. RS Deck- zellen IIııN N \ NICH AN NN REN ‚ ajngsusyopeld Fig. 2. Sinnesknospe. 2. Die zahlreichen Poren der Haut rühren von tubulösen Drüsen her (Fig.3), die bei anderen Mormyriden, wo ihr Bau in A 3 o_ 1 ses 8 .—i oY® ® .o Je) ae ı& D IN — ® a DO DL j REN = > Ar a», ar, . » oO 9 Fa } DT mc Pad /» m a % — FRE WA SESZIEEA NCM L o., — N) >8.® —® RO un Fiir U nn BD = mi Be = — es o,% = = — iR ® = n,25 6... 7,8 —e——_ = ——) MIR /0% os 7 r Z———0yG ZA KR 8: D 7 — 4 ir re KO z ein) er S FE hr le = — =, rt sezeor\ C f RT, LIKE 7 s \a YrY: 4 % Saer.n. .® & \6) al ROTE ®) ds “- DD D “) go ® . 7 Fig. 3. Drüsig-sensibler Tubulus, | Nebendingen von dem bei Marcusenius abweicht, schon von Sten- dell beschrieben worden sind’). Außer der offenbar drüsigen Funk- Be 5) W. Stendell: Morphologische Studien an Mormyriden. Verhandl. der Deutsch. Zool. Gesellschaft, 24. Jahresversammlung, Berlin 1914. ‘ Derselbe: Die Schnauzenorgane der Mormyriden. Zeitschrift für wissensch, Zoologie, Bd. 115, 1916. KIRM ER rer . Ian N VE Y F ar | ee Fi u We Tr 5 ’ La #37, I. % 3 in u Zr f = 6 Vietor Franz, Einige Hauptpunkte in der Organisation der Mormyriden. tion kommt diesen Organen auch eine sensorische Funktion irgend- welcher Art zu, sie sind zugleich Hautsinnesorgane, eine sehr merk- würdige Tatsache, die sich nicht nur aus den von Stendell an ihnen beschriebenen Nervenendigungen und — wie Stendell meint, während ich die Deutung nicht für sicher. halte — Sinnes- zellen ergibt, sondern vor. allem aus ihrer Innervierung durch einen, ihrer großen Zahl an Kopf und Körper entsprechend, gewaltig starken Nerven, den Stendell als Nervus lateralis anspricht®), unter anderem weil ın ihm auch, aber nur als sein kleinster Teil, Fäserchen zur Laterallinie zu verlaufen scheinen, während ich ıhn nach seiner zentralen Endigungsweise viel eher mit dem sensiblen Nervus facıalis anderer Fische oder mit dem, was man an deren Oblongata bisher als solchen beschreibt, homologisiere, und der wenigstens ganz gewiß ein sensibler Nerv ist, da er in einen dorsalen Endkern in der Oblongata einströmt, wo ebenso wie im Rückenmark dorsal die sensiblen, ventral die motorischen Kerne und Nervenwurzeln liegen. Unzweifelhaft ist, nach Ausweis der Faseranatomie, durch diesen Nerven und mithin durch die sensible Funktion der Tubuli in der Haut die Hypertrophie des Gehirns hauptsächlich veranlaßt, und offenbar haben diese 'Tubuli auch, am Kopfe und zumal um das Maul ein für allemal besonders dicht stehend, zur Ausbildung der Schnauzenverlängerungen gewissermaßen die a gegeben, da sie hierdurch in noch größerer Zahl zur Ausbildung gelangen konnten; | 3. fanden sich ın der Epidermis „Knollenorgane“, wie ich sie nenne (Fig. 4), die unter anderem riesige, scheinbar abgestorbene oder wenigstens stark umgewandelte Zellen (r) enthalten, undin deren Bau sich ım übrigen Motive aus den Sinnesknospen und den tubulösen Drüsen vereinigen. Ihre Funktion ist unbekannt. Sie finden sich an bestimmten Stellen, RR paarıg am Kopf, kleinere außerdem am Körper. Schleimzellen oder Bechenlien: wie sie sonst bei Fischen so häufig sind, finden sich in der ganzen Epidermis von Marcusenius | nicht, Huber in den drüsigen Tubul. Auf den Flossen finden sich übrigens Organe der beschriebenen drei Arten nicht, hier verdünnt sich vielmehr die Epidermis fast überall bis auf a Zellenreihen und hat gewöhnliche Epithel- struktur, nur daß die basale Zylinderzellenschicht sich immer noch durch geringe Färbbarkeit als anscheinend irgendwie besonders beschaffen abhebt, wobei aber ıhre Zellen stark abgeplattet werden. Auch das Epithel der Mundhöhle zeigt, abgesehen von dieser letzteren Zellenlage, keine abnorme Beschaffenheit, es enthält viel- 6) W. Stendell: Die F Karte des Mormyridengehirns. Abhandlungen, herausgegeben von der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft, Bd. 36, Heft 1, 1914, ‘ DZ a Da Tr = Er I er. u Site wmwrz ee. = Da ra a ar ee x „. TER “ #75 7 A RICH ung EEE REN ri TR u ae" ER = ee De en BE et NE I a ar eu Acht nr EL g Fe Li N agale f “ ar Fe he : REG 2 » ® , #7, Dun . N VRSESEIET®., FETT: \ Zu 73, N - Vietor Franz, Einige Hauptpunkte in der Organisation der Mormyriden. 7 { g ß | mehr Sinnesknospen gewöhnlicher Art, wie sie schon Leydig für die Teleostier beschrieb. Ebensowenig fand sich — um die von der Epidermis sich ab- leitenden in den Körper eingesenkten Sinnesorgane noch zu be- handeln — am Epithel der Nasengrube etwas Besonderes noch an der Seitenlinie noch am Sinnesepithel des Gehörorgans. Auch als Hornhautepithel verliert die Epidermis ıhre Mormyridenbesonder- heiten, Linse und Retina zeigen nichts wesentlich Abweichendes, dagegen tritt am Pigmentepithel der Retina und zugleich, 9[NRSUOYIHEIA mn 0 en Fig. 4. „Konollenorgane“. durch dieses veranlaßt, an der Stäbchen- und Zapfenschicht wiederum eine merkwürdige Sonderbildung auf; das Pigmentepithel sendet nämlich seine pigmenterfüllten Fortsätze nicht einzeln zwischen die ' Stäbchen und wenigen Zapfen, sondern die Pigmentfortsätze weichen, ganze Stäbehenbündel umfassend, auseinander und legen sich dabei in gewisse Flächen, die somit die Bündel von Sehzellen umgrenzen. Es tritt daher in Flächenschnitten durch diese Schicht eine poly- gonale Felderung in die Erscheinung — wie bei der Schicht der ‚Plättehensäulen in der Epidermis, was denn aber doch nur eine zufällige Ähnlichkeit sein mag. Vielleicht dient jene Gruppierung der Pigmentepithelfortsätze dazu, um das offenbar vorhandene Ta- petum lucidum retinale — denn am lebenden Tier sah ich den Augengrund bläulich leuchten, und ım Mikrotomschnitt erweisen sich die Pigmentepithel-Zelleiber als von einer undurchsichtigen AR (Pt: R 47 FT} 5 Br 2 \ 5 ho, “u. We HEN ? E Bin ee ZA S Victor Franz, ammes Hahkepunii in der Nein, A Mormyriden. Masse erfüllt — besser zur Wirksamkeit KornaR zu lassen. — Ein Konjunktivalsack ist nicht ausgebildet. Indem ich noch erwähne, daß ich in ganz rudimentärer Aus- bildung auch das bisher vermißte rechte Ovar der Mormyriden, 20 bis 30 normale Eierchen enthaltend, gefunden habe, die verwickelten Gehirnverhältnisse aber, in denen ich, auch Stendell’s Angaben verwendend, das Alte von den Neubildungen zu scheiden versucht, habe, hier übergehe, wıll ıch im folgenden versuchen, die Eigen- - tümlichkeiten der Mormyriden, soweit das bisher möglich ist, zu- nächst biologisch zu verstehen. Nicht alles fällt hierbei ganz unter einen und denselben Ge- sichtspunkt, wie denn zum Beispiel die Eigentümlichkeit des Pigment- epithels schon für sich betrachtet werden konnte, die Sinnes- knospen aber, die übrigens nicht sehr zahlreich sind, zu biologischen Betrachtungen einstweilen nicht anregen und noch weniger dies die „Knollenorgane“ tun können,. da über ihre Funktion nichts N feststeht, wennschon man sich der Vermutung nicht erwehren kann, daß auch sie irgendeiner Sinnesfunktion vorstehen werden. "Auch die Unpaarigkeit des Ovars entbehrt noch einer biologischen Erklärung im einzelnen. Im Vordergrunde biologischer Betrachtungen muß dagegen das so riesig vergrößerte Gehirn stehen. Wie schon ‚gesagt, ist seine Hypertrophie in erster Linie durch eine starke sensible Tätigkeit bedingt, die auf den zugleich drüsigen Tubuliı am Kopf und ganzen Körper und dem aus ihnen in zwei Hauptästen, einem oralen und einem kaudalen, sich sammelnden starken sensiblen Oblongatanerven heruht. Dazu kommt die offen- bar starke Tätigkeit des Gehör- oder vielmehr des statischen Organs, auf die der starke Nervus acustieus hinweist. Aber auch am effektorıschen Nervensystem notieren wir Besonderheiten, näm- lich die elektrischen Organe, von denen zwar keine Beziehungen zu den hypertrophierten Gehirnteilen bekannt sind, die aber unter der Einwirkung eines kolossalen Rückenmarksnerven stehen, ferner die diesen Nerven ähnlichen, gleichfalls dem Rückenmark ent- springenden kolossalen Fasern, die Stendell beschrieb. Be- merkenswerte Beobachtungen an lebenden Tieren liegen, obwohl man meines Wissens in Kairo Mormyriden in Aquarien hält, immer noch in geringer Zahl vor: es sind Nachttiere, Schlammbewohner, nach der Ernährungsweise Friedfische, wichtiger dürfte für uns sein, daß die Fische unter häufiger undulierender Bewegung der Flossen ebensogut vorwärts . wie rückwärts schwimmen können, womit wohl die Eigentümlichkeiten am Bulbus arteriosus und die erhebliche Stärke des Nervus acusticus sive staticus zusammen- hängen; vielleicht auch, daß die Lokomotionsweise ım einzelnen, nach Schlesinger, von Gattung zu Gattung Verschiedenheiten auf. Ru“, - x > a a N A ef a . nn ° nn N Victor Franz, Einige Hauptpunkte in der Organisation der Mormyriden. 9 weist”), ferner daß, nach P.Arnold®), Marcusenius durch elektrische Schläge andere Fische aus der Ferne bereits zu verjagen scheint. Die elektrische Tätigkeit der Mormyriden scheint hiernach von wesentlich anderer Art zu sein als bei anderen elektrischen Fischen, nämlich genau dosiert statt elementar, was denn auch ungefähr der eingangs erwähnten Auftretensweise ihrer schwachen elektrischen Organe entsprechen dürfte. Soviel dürfte nun nach den bisherigen morphologischen und biologischen Beobachtungen feststehen, daß die Mormyriden über eine besonders reiche sensible und eine besonders differenzierte effektorische Tätigkeit verfügen. Und diese sozusagen stark nervöse Veranlagung dürfte von dem ver- größerten Cerebellum abhängen, ja sie genügt schon, um uns dessen - Hypertrophie im Grunde erklärt erscheinen zu lassen, wenn wir auch noch in manchem Punkte im Ungewissen sind über die Art der sicher vorhandenen starken nervösen Tätigkeit, wie insbesondere über die Art der durch die Tubuli-Organe vermittelten Sinn estätigkeit. Eine sich aufdrängende Vermutung ist übrigens, daß die Mormy- rıden, wie es kaum anders sein kann, auch selber die schwachen elektrischen Schläge ihrer Artgenossen -empfinden und danach ihr eigenes Verhalten in manchem einrichten — und daran würde sich ferner die Frage knüpfen, ob die höchst eigenartige Plättchen- säulenschicht in der Epidermis einen Schutz der inneren Organe vor elektrischen Schlägen bewirke? Sicher ist nur, daß ganz be- sonders die vom Facialiskern dem Kleinhirn A Aunlen Bahnen ‚stark hypertrophiert sind, demnächst der Tractus spino-cerebellaris aus der sensiblen Rückenmarkskernsäule und der Tractus acustico- ‚cerebellaris aus dem Acusticuskern, zwei Faserzüge, die beide dem Kleinhirn Sinneseindrücke melden, welche bei der eigenen Be- wegung entstehen. In meiner oben erwähnten Arbeit sowie im Biologischen Zentral- blatt Bd. 31, Nr. 14, S. 434—-445 habe ich eine allgemeine Auf- fassung vom Kleinhirn der Teleostier,. das übrigens der Größen- verhältnisse wegen auch bei normaler Ausbildung im Bereich der Fische den Namen „Kleinhirn“ keineswegs verdiente, entwickelt, eine Auffassung, die durch die Studien am Mormyridengehirn sich aufs neue festigt, daß nämlich das Kleinhirn bei den Fischen — ich habe in erster Linie Teleostier im Sinne, da ich nur diese untersuchte — mehr als wesentlich statisches Regulationsorgan 'ıst, daß es vielmehr mit seinem Eigenapparat Reize aus sehr ver- schiedenen, vielleicht allen Sinnesgebieten verarbeitet und mithin nach Maßgabe dieser so vielseitigen Reize seine Impulse erteilt. Yeirg| G. Schlesinger: Zur Ethologie der Mormyriden. Annalen des K. K. naturhistorischen ‚Hofmuseums, Wien 1909. | 8) P. Arnold: Morcusenius longianalis Blgr. Wochenschrift für Aquarien- i 3 und Terrarienkunde, Jahrg. 6, 1909, Nr. 39. kei R Ye; i) } 5 - { A IRA: FAR RE { , m x ne Y RN fee fe + MR I Ava A { 40 Victor Franz, Einige Hauptpunkte in der Organisation der Mormyriden. Hiermit und ferner insofern, als es gewissermaßen ein Gehirn des Gehirns ıst, wie ich 1911 genauer darlegte, indem nämlich keine sensiblen Bahnen aus der Körperperipherie direkt bis zu ıhm vor- dringen, außer — in funktioneller Hinsicht ganz nebensächlich — einer bei einigen Arten gefundenen kleinen Wurzel des Nervus lateralis, ebenso keine effektorischen Wege aus dem Kleinhirn bis zur Körperperipherie führen, sondern das Kleinhirn direkte Impulse nur dem verlängerten Rückenmark und seiner Fortsetzung nach‘ vorn, der Mittelhirnhaube, erteilt, welche Bestandteile erst ihrer- seits mit der Körperperipherie teils direkt durch motorische Nerven, teils indirekt über zuvor eingeschaltete Zwischenstationen verbunden sind, steht das Fischkleinhirn als ein übergeordneter Zentralappa- rat Ehnkch da wie, nach Edinger, das Pallium oder Großhirn der Säugetiere und Vögel. Auch mag es in ähnlicher Weise den pilzhutförmigen Körpern am Insektengehirn zu vergleichen sein. Diesem wohl sehr klaren Gedanken widerspricht nichts aus der Phylogenie, wenn wir uns nur nicht geradezu „Fische* oder gar Teleostier als Vorfahren der Warmblüter. denken, sondern als gemeinsame Vorfahren aller bekannten Wirbeltiere TEN mit noch wenig differenziertem Vorder- und Kleinhirn, welcher Zustand heute noch bei den Amphibien besteht. Für jenen Gedankengang spricht aber außer dem 1911 beigebrachten faseranatomischen Tatsachen- material und den damals versuchten Zuweisungen der einzelnen afferenten Kleinhirnbahnen zu den einzelnen Sinnesgebieten, wovon neulich Reisinger Wesentliches auf physiologischem Wege be- stätigte®), auch der in sich geschlossene Bau, den das Kleinhirn darstellt und der es zu einem einheitlichen Organ stempelt, weit verschieden vom „Vorderhirn“, „Zwischenhirn“, „Mittelhirn“ und „Nachhirn“, die sämtlich in der Embryologie zwar gleichfalls als . Einheiten behandelt werden, es aber weder histologisch noch physio- logisch sind und entsprechend ihrer vielheitlichen Zusammensetzung nur hier und da in bestimmten Teilen von sich eine histologische Architektonik, wie sie am Kleinhirn so ausgesprochen ist, zustande bringen !). Für diese Auffassung des Teleostierkleinhirns muß natürlich auch das Mormyridenkleinhirn ein neuer Prüfstein sein, und schon die Tatsache, daß ein sensibler Hautnerv, der mit der statischen Funktion nichts zu tun hat, mag man ln mit Stendell Nervus. lateralis oder mit mir Nervus facialis nennen, die Hypertrophie hauptsächlich veranlaßt hat, beweist, daß auch dieses Kleinhirn mehr als statisches Organ ish, und läßt sich sehr gut aus der wohl mit besten Gründen uteben universellen Funktion des Teleostier- kleinhirns verstehen. 9) L. Reisinger:. Beitrag zur Physiologie des Kleinhirns der Teleostier. Naturwissenschaftliche Wochenschrift, Bd. 34 (N. F. Bd. 18), 1919, H. 2. 10) V. Franz: Beiträge zur Kenntnis des Mittelhirns Bun /wischenhirns der _ Knochenfische. Folia neurobiologica, Bd. 6, 1912, / L > N Fi. aM N ö 2; Fa RR EN > MORERY N: eh nr ar Be ER RR N Kr Y Hu nt nr EN 4 GE ER ve F 4 . sr ur . . ii) 4 J ; f Vietor Franz, Einige Hauptpunkte in der Organisation der Mormyriden. 44 Mit größter Vorsicht aber ist bei alledem die Vorstellung zu verwenden, die sich an das auch für die pilzhutförmigen Körper der Insekten gebrauchte, aber nur beim Großhirn von Homo sapiens unbedingt berechtigte Wort „Intelligenzorgan“ knüpfen könnte! Allerdings legt die biologische Vergleichung dieser drei Arten von - übergeordneten Zentralapparaten — inwieweit der Vergleich übrigens auf die Körper des Insektengehirns genau paßt, dürfte noch gar nicht ganz feststehen — zunächst vielleicht den Gedanken nahe, das Kleinhirn der Fische sei das hauptsächlichste Organ des Assoziationsvermögens oder vorhandener verstandesmäßiger Fähig- keiten dank innerer -Verbindungen zwischen den .einströmenden - Faserzügen sowie zwischen diesen und den ausströmenden. In der Tat haben ja die Fische an Lernvermögen, Gedächtnis, Ortskenntnis und Umstimmbarkeit ihrer Reaktionsweise so viel, daß sie sıch - darin durchaus mit der Mehrzahl der Säugetiere messen können. Immerhin ist starke Entwicklung eines derartigen Zentralapparates nicht unbedingt nur von verstandesmäßigen Leistungen abhängig, sondern kann es ebensogut von etwaiger starker Entwicklung reflek- torischer Tätigkeiten sein; so faßt man es doch in erster Linie bei ' den Insekten auf, im Hinblick auf die man das Wort „Intelligenz- organe“ meist in Anführungsstriche setzt. Es mag nun bei den Teleostiern die verstandesmäßige Tätig- keit, also das infolge überaus zahlreicher und vielseitiger innerer Neuronenverbindungen- nicht so stereotype, obschon vom rein Reflektorischen grundsätzlich nur graduell verschiedene Reagieren auf Reize, immerhin zu einem gewissen Teil auf dem Cerebellum beruhen, was sich übrigens physiologisch prüfen lassen dürfte und dann erst gegebenenfalls feststünde. Mag aber vorläufig selbst die Auffassung nicht ganz unstatthaft erscheinen, die etwas ungewöhn- liche Größe des Cerebellums bei Cypriniden könnte vielleicht der Verschlagenheit, die jeder Fischer gerade dem Karpfen nachrühmt, entsprechen — wir wollen ja nicht „mit Scheuklappen“ Zoologie treiben —, so entspricht doch der enormen Üerebellumvergrößerung bei den Mormyriden ganz gewiß nicht ein besonderes Mehr an Assoziationsvermögen, sondern sie hat, wie wir sahen, vor allem periphere Ursachen. Die Mehrfunktion des Mormyridenklein- hirns besteht also in erster Linie darin, sehr Vieles zu ver- arbeiten, nicht darin, mit Wenigem das Verschiedenartigste zu leisten. Das war es, was ich oben schon mit dem Ausdruck „die sozusagen stark nervöse Veranlagung“ andeuten wollte, wobei natür- . lich „nervös“ ebensowenig wie „hypertrophiert“ in diesem Zusammen- hange ım Sinne des Pathologischen oder Unzweckmäßigen gemeint ist, sondern diese Organisation sicher den Mormyriden irgendwie zugute kommt und ein Lebenserfordernis für sie ist. Hieran knüpfen sich weitere, ins Gebiet der Phylogenie ein- © schlagende Betrachtungen. "RE ER {2 Vietor Franz, Einige Hauptpunkte in der Orsaniadken der‘ Mormpriden. N Warum nämlich die Mormyriden dicker Spezialisierung nebst jenen anderen, die teils mit der des Gehirns zusammenhängen, teils mehr für sich dastehen, bedürfen, darauf läßt sich nur eine sehr allge- mein gehaltene hypothetische Antwort geben, die aber sich aufdrängt und erst eine vollständigere Erfassung der Bedeutung der Spezial- organisierungen der Mormyriden erlaubt. Alle diese Speziali- sıerungen dürften insgesamt einen Ausgleich darstellen N de Ar He I Er f Y u BENER, ER. IM) er v uf f ar für die in den phylogenetisch wichtigen Grundzügen sehr einfache, generalisierte und ur sprüngliche Tele- dstiergrganisalion der Mormyriden. % Denn, was zwar zunächst an den Mormyriden viel weniger ins Auge fallt, aber nicht weniger wichtig ıst als ihre in gewissem Sınne ensehisen Spezialisierungen: diese Fische stehen ver- wandtschaftlich unmittelbar bei den allerursprüng- lichsten Teleostiern und klingen in manchen Eigentüm- lichkeiten ihrer Organisationauch an andere verhältnis- mäßig einfache Wirbeltiere, wie Selachier und selbst Amphibien, an. Nach Abzug der Spezialisierungen bliebe der denk- bar generalisierteste Teleostiertypus übrig oder gar bis zu gewissem Grade ein Kollektivtypus, der noch zwischen verschiedenen Wirbel- tierordnungen und selbst -klassen vermittelt. Leider sınd mir zurzeit, wo der Bücherversand zwischen den Bibliotheken stillsteht, nicht G. A.Boulenger’s „Poissons du Bassin du Congo“, Brüssel 1901, erreichbar, und ich kann somit nicht ersehen, in welchen anatomischen Tatsachen Boulenger damals, laut Schlesinger, eine Verwandtschaft zwischen Mormyriden einer- seits und Cypriniden und Characiniden andererseits erkannte. Jedenfalls spricht für diese Verwandtschaft zunächst die allgemeine Gestalt namentlich der kurzschnauzigen unter den Mormyriden und ihre mit dem Gehörorgan, doch nicht durch Weber’sche Knöchel- chen, in Verbindung stehende Schwimmblase, ferner die Tatsache, daß ich 1911 das hyertrophierte Gehirn der Mormyriden Mormyraus, Gnathonemus und Petrocephalus — und ganz dasselbe gilt für Marcusenius — auf kein anderes Gehirn besser zurückführen vonnle als auf das Cyprinidengehirn. Außer mit Cypriniden sind die Mormyriden zweite mit sehr ursprünglichen Olupeiformes verwandt, nämlich mit den Elopidae, unter denen Elops saurus L. noch eine Kehlplatte besitzt wie Amia calva L. unter den Ganoiden, und mit den Al- bulidae, wofür Skeletteigentümliehkeiten, namentlich am” Schädel und seiner Bezahnung sowie an den Rippen, sprechen"). Ferner erinnern die sehr bemerkenswerten Larvenstadien, welche bei der zu anguilliformer Körperform umgebildeten Mormy- ridengattung @Gymnarchus den Eiern entschlüpfen, durch ihren 11) G. A. Boulenger: Teleostei (Systematie part). In : The Oambridge natural history, vol. VII 1904, RA er - ER" Bee . Victor an, Me Hauptpunkte in der Organisation der Mormyriden. 13 \ riesigen herabhängenden Dottersack an Selachierjungfische, an diese sowie an Larven von Dipnoern, Ganoiden und Amphı- bien erinnern sie zugleich durch den Besitz äußerer Kiemenbüschel, die auch noch bei Heterotis unter den ursprünglicheren Clupeiformes wiederkehren. Kittdrüsen, die den Gymnarchus-Larven zur An- - heftung dienen, haben sie wiederum mit den Larven von Dipnoern gemein, und in ähnlicher oder vielleicht derselben Weise vermögen auch Amphibienkaulquappen mit ihrem Haftapparat sıch fest, zuheften. Ob dies phylogenetisch wichtige ‚ Übereinstimmungen ‚sind oder Konvergenzen, darüber könnte man zwar verschiedener Meı- nung sein, mir scheint aber das erstere wahrscheinlicher, weil ich auch auf histologischem Gebiete eine Eigentümlichkeit fand, die durchaus an Entsprechendes bei Selachiern und demnächst bei’ Amphibien anklıngt, das ist die Anordnung der oben er- wähnten Deckzellen, welche die Sinnesknospen umgeben und 'sievon oben her bis auf eine kleine freibleibende Öffnung bedecken. Soweit nämlich bisher an Sinnesknospen anderer Teleostier Deck- zellen überhaupt bekannt sind, lassen sie, nach den von Maurer'?) gegebenen Abbildungen, weder die deitliche Verlagerung ihrer ba- "salen Enden noch ein Überragen der Sinnesknospe mit ihren freien - Enden in irgend Erichlichem. Grade erkennen. Sıe kehren aber, wie aus den unlängst von G. Ruud'?) gegebenen Abbildungen sehr gut ersichtlich, bei Chömaera unter den Holocephalen in ©. ‘sehr ähnlicher Weise wieder, nämlich gleichfalls unter Abspringen ihres basalen Endes von der Epithelbasis auf eine das Epithel quer durchsetzende, die Sinnesknospen um- gebende Art Wand. Ferner kommen Deckzellen, welche mit ihren freien Enden die Sinnesknospen von oben her stark - überragen, bei Selachiern, wie Acanthias, und Amphibien, R: wie Triton, vor, worüber die bekannten Maurer’schen Abbildungen Auskunft geben!‘). Wie könnte man verfehlen, diesen Eigentüm- lichkeiten der Deckzellen eine hohe phylogenetische Bedeutung beizumessen, wo doch ihren bei Amphibien aufgefundenen zwei Schichten, der Henle’schen und der Huxley’schen Schicht, wegen ihrer Wiederkehr bei der Haaranlage der Säugetiere mit Maurer hohe phylogenetische Bedeutung für die Ableitung des Säugetier- Br haares beigemessen wird? Solche Deckzellen um Sinneszellen sind offenbar: ein sehr alter Wirbeltierbesitz, der bei den Teleostiern seine Eigentümlichkeiten zu verlieren scheint und bei den Mormy- rıden zwar etwas weiter spezialisiert ist, aber gerade mit diesen 12) F. Maurer: Die Epidermis und ihre Abkömmlinge. Leipzig 1895. 13) G. Ruud: Sinneslinien und freie Nervenhügel bei Ohimaera monstrosa. Zool. Jahrbücher, Abt. f. Anat. Bd. 40, 1917. 14) F. Maurer: Hautsinnesorgane, Feder- und Haaranlagen und deren gegen- br seitige Beziehungen, ein Beitrag zur Ehyneene des Morphologisches r Jahrbuch, ‚Bd. 18, u 7% Ak ji n fr A I‘ "27 Rt ER } \ AR NETT RE RP RTEFEN ETER 2 u . ers, o hs - ET EEE TE 5 % = ZZ > 2. > Yo Se de It 2 er ae (1% r \ \e u Ey Fr BUN, Da ; NR EEE A r gl f N. MEET. -UE, 14 Victor Franz, Einige Hauptpunkte in der Organisation der Mormyriden. 4 | Spezialisierungen an wahrscheinlich ursprüngliche Zustände an- knüpft. } Endlich mag wohl auch in den zahlreichen über die Haut und besonders dicht am Kopf verteilten drüsigen und zugleich sensiblen Tubuli der Mormyriden eine Homologie vorliegen mit den reichlichen, ähnlich verteilten Gallertröhren der Selachier oder Lorenzini- schen Ampullen, die ja, obzwar viel tiefer in die Cutis eingesenkt, gleichfalls sensibel und zum Teil gleichfalls vom Facıalis innerviert sind, zugleich aber wohl eine drüsige Funktion haben müssen, der sie ihre gallertige Füllung verdanken. Sie werden auch wohl mit den wiederum ähnlich verteilten Hautsinnesorganen der Amphibienlarven homologisiert, und ich lasse dahingestellt, inwieweit das mit Recht geschieht; mit der Seitenlinie der Knochenfische und den. ihr gleichenden Seitenkanälen am Kopfe mancher Teleostier sind sie indessen nicht völlig zu homologisieren, sondern falls auch diese Kanäle sich von jenen Gallertporen ableiten sollten, so liegt doch zwischen beiden, da die Seitenkanäle nichts Drüsiges an sich haben, schon ein weiter 'entwicklungsgeschichtlicher Abstand — wenn nicht gar die Seitenlinien als mit echten Sinnesknospen oder sehr ähnlichen Gebilden besetzte Kanäle überhaupt eine Bildung für sich sind. Jedenfalls bei Mormyriden findet man Seitenlinie und Porenorgane nebeneinander wie bei kaum einem zweiten Fisch außer Selachiern und Chimaera. Alles in allem erweisen sich also die Mormyriden r durch- aus an der Wurzel des Teleostierstammes stehend oder doch nur an ıhr mit anderen Knochenfischen zusammenhängend. Da dürfte nun bemerkenswert sein, daß alle als noch ursprünglicher geltenden „Knochenfische“ im allgemeineren Sinne, nämlich Osteichthyes in Goodrich's, wie es scheint, sehr gut phylogenetisch begründetem System, ihre Blütezeit bereits hinter sich haben: die Dipmoi, Polypterini, Chondrostei, Amiordei und Lepidosteordei, lauter heute nur durch wenige oder ganz vereinzelte, in der. Vorzeit aber durch viel zahlreichere Arten vertretene Ordnungen. Ebenso unter den Teleostei und zwar Clupeiformes die als noch ursprünglicher als die Mormyriden betrachteten Familien der Elopidae und Albulidae, dıe gleichfalls heute, und, was namentlich für die Zlopidae nach Fossil- funden feststeht, anders als früher, artenarm dastehen und außer- dem ganz ins Meer übergegangen sind, während das Süßwasser das ursprüngliche Knochenfischmilieu darstellt, wie ich aus verschiede- nen Gründen mit Dietz'!’) annehme. Alle diese Ordnungen und Familien erscheinen uns heute wıe kümmerliche Reste aus der Vorzeit. Wenn hiergegen die Mormyriden mit zurzeit bereits über hundert bekannten Arten, deren Zahl sich gewiß noch vermehren wird, 19. Dr; Dietz: Über die Herkunft der Teleostier. Zool. Anzeiger, Bd. 49, H. 3/4, 1918. v LH, je, Rt AR u" 1% G. the die sog. „Erbsubstanzen“ u. ihre Lokalisation i. d. Pflanzenzelle. 15 in etwa elf Gattungen offenbar in der Gegenwart in hoher Blüte stehen, so verdanken sie die Möglichkeit dazu aller Wahrschein- lichkeit nach ihren eigenartigen Spezialisierungen, vermöge deren sie den Kampf ums Dasein mit den im ganzen weiter fortgeschrittenen Physostomen- und den anderen, noch komplizierter gewordenen Teleostierfamilien immer noch siegreich bestehen. Sie sind damit ein lehrreiches Beispiel für die Bedeutung, die im einzelnen Falle hochgradige Spezialisierungen erlangen können, und zugleich ein Beweis für die hohe Bedeutung, die im allge- meinen dem phylogenetischen Fortschreiten zu höherer Ausbildung des Ganzen zukommt. Pe Über die sogenannten „Erbsubstanzen“ und ihre Lokalisation in der Pflanzenzelle. Von &. Tischler. Bar der Vorkrbeit für meine „Allgemeine Pflanzenkaryologie“, die als besonderer Teil des Linsbauer’schen Handbuches der Pflanzen- anatomıe erscheinen soll, stieß ich wiederholt auf eine sehr verschieden- ' artige Beurteilung der morphologischen und physiologischen Phänomene, die wir um jene Fragen gruppieren, welche mit den sogen. „Erbsub- stanzen“ zusammenhängen. Ich möchte in den nachfolgenden Zeilen einige Sätze von prinzipieller Tragweite erneut zur eventuellen Dis- kussion der Fachgenossen stellen. Denn die vorliegenden Angaben scheinen mir jetzt schon zu einer schärferen Präzision der Probleme zu genügen, als das im allgemeinen üblich ist. Habe ich doch zu finden geglaubt, daß einem vielleicht übertriebenen Optimismus der Morphologen ein vielfach zu weit gehender Pessimismus mancher Physiologen gegenüber steht. | | Die landläufige Ansicht der Morphologen pflegt dabei dahin zu gehen, daß man in dem Chromatin des Kernes die Erbsubstanzen zar E££oynv, etwa das Nägeli’sche Idioplasma (1884) zu sehen hätte. Wollte der geniale Münchner Forscher noch die ganze Zelle an dessen Lokalisation beteiligt sein lassen, so schien die karyologische ö Erfahrung der letzten Jahrzehnte einen Schritt weiter gekommen zu sein: nur ein Teil der lebenden Substanz, nämlich der Zellkern, wurde noch damit betraut. Abgesehen von den Anhängern a Plastosomentheorie wie Meves (1918) etwa, welcher auch die zahl- reichen unter bestimmten Umständen färbbaren „Mitochondrien“, -„Chondriokonten“ ete. als „Träger“ des Idioplasmas bezeichnet, einer Theorie, die wohl in botanischen Kreisen jetzt als ganz und gar ge- - fallen angesehen wird, setzte sich immer mehr die Überzeugung fest, daß das Chromatın, ode: wie kritische Betrachter sagten, das Chro- matın zusammen Io dem Linin, das „Karyotin“ Lundegardh’s (1910b) die „Erbsubstanz‘ bedeute. Wie wir noch in der schönen Zusammen- 16 6. Tischler, Über die sog. ee u. ihre Lokalisation | u a Pilansonzele, i fassung unseres Altmeisters Kossel (1911) für seinen Nabe. r : lesen könrien. schien aber das Karyotin (resp. das Chromatin) aus phosphorreichen Eiweißverbindungen zu bestehen, die sich außerhalb des Kerns nirgendwo vorfinden, nämlich der Nucleoproteide. Diese geben nach Behandlung mit Pepsin und Salzsäure einen unlöslichen Rückstand, das Nuclein, in welchem der Gesamtphosphor enthalten ist. Bei dem Abbau des Nucleins werden die Nucleinsäuren frei, aus denen wieder als typische Stoffe u. a. Thymin, Guanin, Cytosin und Adenin, daneben noch Xanthin, Hypoxanthın, Uracil u. s. w. isoliert werden. Die weitere Zersetzung haben wir hier nicht zu er- örtern. Es mag genügen, darauf mit Nachdruck hinzuweisen, daß sich hier ein Zusammenhang zwischen Mikro- und Makrochemie zeigte, Denn auch mikrochemisch glaubte man vielfach durch spezifische Reaktionen die Nucleoproteide resp. Nucleine erkennen zu können. Aber wie auch Czapek (1905) in seiner Zusammenfassung gesteht, eine einigermaßen einwandfreie Strukturformel irgendeiner Nuclein- säure oder gar eines Nucleins ıst vorläufig absolut nicht zu geben. Schwanken doch selbst die Meinungen noch darüber, ob diese Ver- bindungen eisenhaltig seien oder nicht. (So Czapek 1905 und Zacharıas 1909 gegenüber v. Tschermak 1916.) Nun hatte andererseits morphologische Forschung a daß zum mindesten für gewisse Blütenpflanzen wie Pirola (Juwel 1907), Adoxa (Lagerberg 1909) oder Urtiea (Strasburger 1910) selbst mit den schärfsten uns zur Verfügung stehenden Mitteln nicht kon- statiert werden kann, daß Oytoplasma durch die, männliche Sexual- zelle ins Eı übertragen wird und daß in anderen Fällen, ın welchen Cytoplasma bei der Kopulation in den Zygotenkern hinein gelangt wie bei Gagea (Nömeec 1912) dieses aufgelöst und zur Ernährung des Kerns gebraucht wird. Trotzdem muß, wie die Nachkommenschaft allgemein bei Hybrıden zeigt, der Vals genau die gleichen u von Idioplasma übermittelt haben wie die Mutter. Experimentelle Darlegungen von Correns (1909), Baur (1909) u.a. hatten erwiesen, daß die einzigen bekannten Eigenschaften, für die „Träger“ nieht im Kern gelegen sein können, nichtmendelnde sind. Daraus wurde dann der Schluß gezogen, daß die mendelnden im Kern resp. in seinen bis zu gewissem Grade selbständigen Teilen, den Chromosomen, lokalisiert sein müssen. Dazu kommt, daß auch einige Befunde der Zoologen über Verschiebung der Erblichkeits- richtung kaum anders zu deuten sind, als daß sich die Mendelgene in den Chromosomen befinden. (Zusammenfassung bei Tischler 1915.) Daß Reduktionsteilung und Mendelspaltung aber allgemein zusammen- fallen, war noch vor gar nicht langer Zeit von sehr scharfsinnigen 4 Forschern wie z. B. von Driesch (1906) durchaus bekämpft worden. Andere wie Johannsen (1909) wollten am liebsten beiderlei Arbeits- richtungen bis auf weiteres getrennt lassen und hielten eine nahe Inbezugnahme der entsprechenden Resultate nur für verwirrend. N / Fi PING her: es * G Tischler, Über die sog. „Erbsubstanzen“ u. ihre Lokalisation ij. d. Pflanzenzelle. 17 Und doch ist dureh Burgeff’s (1915) Versuche bei Phycomyces-, durch Pascher’s (1916) bei Chlamydomonas-, durch Renner’s (1919) bei Oenothera-Bastarden jetzt für die Haplonten niederer wie höherer Pflanzen bewiesen!), daß mit dem Augenblick der Uhromosomen- reduktion auch die Scheidung der zuvor vereinigten Eigenschafts- träger, der Gene, vorgenommen wird. Schon vor 10 Jahren hatte übrigens Strasburger (1909) für das Lebermoos Sphaerocarpus ge- zeigt, daß hier gleichzeitig mit der Tetradenteilung die Spaltung in die beiden Geschlechter durchgeführt wird, - und El. u. Em Marchal (1907) fanden, daß bei normal a ischen Lauhmodsen durch Unterdrückung der Reduktionsteilung auch die Geschlechts- trennung verhindert wird. Nur war man sich damals noch nicht darüber so klar wie heute, daß die primären Geschlechtsmerkmale ın derselben Weise mendelistisch zu deuten sind, wie die meisten anderen ‚\Außeneigenschaften. Neuerdings ist dann- für Pflanzen eines ganz anderen Verwandt- - schaftskreises, nämlich für verschiedene Rassen des Brandpilzes Ustilago violacea von Kniep (1919) ebenfalls sehr wahrscheinlich gemacht - worden, daß hier bei der Reduktionsteilung, die der Bildung der Sporidien voraufgeht, eine Geschlechtertrennung stattfindet. Nur handelt es sich bei den zweierlei „Gameten“*, die hier entstehen, um Zellen, welche keinerlei morphologische, sondern nur physiologische Unterschiede aufzuweisen haben. Es. scheinen also die letztgenannten Ergebnisse mit unseren ‚obigen : sehr gut zusammenzupassen: die Gene werden hinfort von vielen Autoren im Karyotin enthalten gesucht. Ja man konnte wohl selbst lesen, das Karyotin und damit die Nucleoproteide seien die “ „Erbsubstanz“ schlechtweg. Je mehr man in der popularisierenden Literatur sich umsieht, desto mehr begegnet man dieser Zuspitzung. Freilich zeigten sich die Physiologen diesem ganzen Gedankengang gegenüber oft sehr skeptisch, sagte doch ein so gerecht abwägender Forscher wie Ozapek (1905): „Man begegnet ernsten Bedenken, hin- sichtlich der Bedeutung des Zellkernes als „Organ der Vererbung“... beim Befruchtungsvorgange.“ Auch ich muß die eben vorgetragene Auffassung, daß mit den Nucleoproteiden der Anschluß zwischen Erblichkeitsforschung und Chemie schon hergestellt ist, verwerfen. Denn die Prämissen, auf die sich dieser Schluß stützt, sind nicht einwandfrei, Vereins In- soweit nicht, als wir hs daß die Nucleine resp. Nucleinsäuren auch außerhalb des Kerns s der Zelle vorhanden sein können. Es ist uns noch immer unbekannt, wo und wie das Chromatin gebildet wird. Aus morphologischen Daten können wir hier keine Schlüsse . ziehen. .Und selbst Bilder, welche in gewissen lebhaft funktionieren- 1) Um auch ein zoologisches Beispiel anzuführen (s. die Zusammenstellung bei Hartmann 1918) vergl. man damit den Beweis, den Newell in seinen Kreuzungs- " versuchen mit g' EDDIE („Drohnen‘) der wehrne erbracht hat. 40. Band ze 5 | 2 & N? K a FIR Pet: 5 „ir v - j a N & . 48. G.Tischler, Über die sog. „Erbsubstanzen‘ u. ihre Tokelianon ib ig Pilarkrenzelle v.. den Zellen „chromatische“ Substanz in bestimmten Teilen Knerhalb oder außerhalb des Kerns lokalisiert erscheinen lassen, beweisen gar nichts. Denn wir wissen nicht, wie weit wir aus gleicher Färbung auf gleiche chemische Zusammensetzung schließen dürfen. Das er- örterte schon Heine (1896) und ist seitdem von kritischer Seite immer wieder gegenüber gewissen Cytologen betont worden. Auch zeigt uns makrochemische Forschung, daß der Gehalt gefurchter und ungefurchter Eier, in dem doch die Kernmassen große quantitative Differenzen aufweisen müssen, an Nucleinphosphor ungefähr gleich ist (s. die Zusammenfassung bei Brüel 1915). Mikrochemische Studien, von denen ich namentlich die von Arthur Meyer (1904) und seinen Schülern über das Volutin anführen möchte, weisen weiter darauf hin, daß nucleinsaure Verbindungen als Reservesubstanz ; ım Cytoplasma genau so wie im Kern lokalisiert sein können). Übrigens hatte das schon Pfeffer (1897) in seiner Pflanzenphysiologie betont, es war nur noch nicht von den ‚Karyologen genügend beachtet: worden. Physiologen wıe Zaleskı (1911), v. Bezssonoff (1919) u. a. sind davon überzeugt, daß auch im Plasma Nucleoproteide sind, und daß man höchstens davon sprechen könne, daß „der Kern die größte zu einem zusammenhängenden Komplex vereinigte Anhäufung von Nucleaten in der Zelle“ vorstelle. Ja van Herwerden (1913) be- nutzt auch die enzymatische Lösung der Nucleine durch Nucleasen, um den Charakter zahlreicher plasmatischer Granula als auf Nuclein- säureverbindungen beruhend zu erweisen. Der Ausschließlichkeit der Lokalisation der Gene in den Chromosomen steht keineswegs die Ausschließlichkeit a Lokalisation der Nucleinverbindungen gegenüber. Die Summe der Gene ist aber überhaupt nicht ohne weiteres als identisch mit dem Worte „Erbsubstanz“ zu betrachten. Denn Erb- substanzen sind doch auch alle jene Stoffe, welche andere Charaktere als die auf Mendelgenen beruhenden übertragen. Denken wir nur an manche Eigenschaften, welche allein mit den Plastiden zusammen- hängen oder an die, welche von dem Zustand des Oytoplasmas be- dıngt sind. Sıe treten zwar an Bedeutung hinter der erstgenannten Blorie zurück, dürfen aber doch keineswegs vergessen werden. Ein guter Teil der Opposition der Physiologen gegen Lokalisations- versuche der „Erbsubstanzen* hängt sicherlich nur mit dieser zu weiten Begriffsbildung zusammen. Um Missverständnisse in Zukunft zu vermeiden, sollte man für exakte Formulierungen lieber überhaupt das Wort Erbsubstanz nicht mehr gebrauchen. Und wir würden ° dann sehen, wie so oft in der modernen Erblichkeitsforschung, daß früher viel gebrauchte Termini jetzt anfangen obsolet zu werden. Der Fortschritt der neuesten’ Zeit scheint mir eben darin zu liegen, # 2) Man denke auch an das „Oytochromatin“ M. Heidenhains (1911) in dm „Ligroid“ tierischer Nervenzellen. Hier wird selbst versucht, dieses Chromatin zusammen mit dem Kernchromatin für die Einhaltung der Kernplasmarelation heranzuziehen. en Pd N | # Wr Pr „W Pi 2,4 . r & Tischler, Über die sog. „Erbsubstanzen“ u. ihre Lokalisation i. d. Pflanzenzelle. 49 | daß wir die „Erbsubstanz schlechthin“ in solche sondern, die durch den Kern, solche die durch die Plastiden und solche die durch das Cyto- plasma übertragen wird. Nur für die erste Gruppe schien bisher ein Zusammenhang mit der Chemie möglich, und auch er ist, wie wir sahen, in Frage gestellt. Will man nun diese Beziehungen, etwa in Form einer Arbeits- hypothese, doch aufrecht erhalten, so bleiben m. E. nur die drei folgenden Möglichkeiten zu diskutieren: | 1. entweder kann man annehmen, daß die Nucleoproteide des Kerns andere sind, als die des Oytoplasma, oder 2. daß die Nucleoproteide im Kern irgendwie so beeinflußt werden, daß sie allein die Gene produzieren, oder endlich 3. daß die Gene die Nucleoproteide des Kerns nur als „ergastische Substanz“ (Arthur Meyer 1915) benutzen, aber im übrigen von ihnen ganz unabhängig sind, und unverändert von Zelle zu Zelle, ‘von Generation zu Generation, im Kern übertragen werden. Nach der extremsten Ansicht wäre dabei eine echte „Epigenese“ ausgeschlossen. Morphologen wie Physiologen arbeiten praktisch auch 'steis mit einer Art von „Neoevolution“, wenn sie ihre Erbformeln anwenden. Es erscheint mir aber durchaus nicht absolut sicher, daß alle Gene bereits als gesonderte chemische Verbindungen in den Gametenkernen vorhanden sind’). Sie könnten sıch ja auch, wenigstens zum Teil, aus gewissen „Progenen“ im Laufe der Ontogenese erst herausbilden, genau wie wir das ja auch von den echten Enzymen annehmen (ÖÜzapek 1905). | Unsere erstgenannte Alternative ist uns deshalb unwahrscheinlich, weil selbst die einzelnen chemisch isolierten Nucleinsäuren aus ganz verschiedenen ÖOrganismenklassen bemerkenswerte Übereinstimmung zeigen (Haecker 1912), wenngleich, wie wır hörten, eine definitive Strukturformel noch nirgends bekannt ist, und auch bei gleichen oder ähnlichen Radikalen größere Differenzen in deren Stellung zueinander im Gesamtmolekül vorhanden sein könnten. Vorläufig liegen jeden- falls kaum ernstere Anhaltspunkte dafür vor, daß der ungeheuren - Fülle der verschiedenen Gene eine ähnliche Fülle von Nucleoproteiden _ _entspräche. Des weiteren scheint auch die Menge der Nucleoproteide . allein nach dem Alter der Zelle stark zu wechseln, was für die Menge * der Gene keinesfalls möglich sein könnte (Oes 1908). Bei der Annahme, daß allein die Nucleoproteide des Kerns die - Gene produzieren, würden wir etwa zu der Vorstellung kommen, diese müßten ähnlich wie die Enzyme auftreten. Der enzymatische Charakter der Gene ist seit Driesch (1906) oft genugsam betont “ worden. v. Prowazek (1911) sprach z. B. ganz anschaulich von 3) Auch Freundlich (1919) sieht übrigens in den „Genen der Keimzellen“ nicht 4 bereits fertige Stoffe, sondern nur „bestimmte Gruppen von Reaktionen, die zu einander - abgestimmt neben- und nacheinander verlaufen“. Dabei sollen natürlich die beteiligten - Moleküle „in bestimmter begrenzter Menge“ vorhanden sein. (Anm. b. d. Korrekt.) PAci 90 G. Tischler, Über die sog. „Erbsubstanzen“ n. ihre Lokale Ik Pflanzenzelle 7 „Funktionsfermenten“, welche „nach und nach freiwerdend in den u Dieriner Nüzeß eingreifen und die Zellen ; in | bestimmte: Diffe- renzierungsbahnen lenken“. Mit den Enzymen hätten die Gene jedenfalls gemeinsam, daß sie katalytisch wirken müßten, d. h. offenbar nur in Spuren vorhanden sind und immer wieder während der chemischen Umsetzungen aus der „Endformel“ ausfallen, sich also nicht zu verändern scheinen. Dabei sind sıe höchstens mit gewissen Endoenzymen zu vergleichen, welche mit dem Leben der Zelle normal untrennbar verbunden sınd. Auch kann man noch weniger als bei den Enzymen von der Möglichkeit einer Isolierung und damit der Annäherung an chemische Analyse sprechen. Vor allem müßten die Gene in erster Linie synthetisch wirken. Das kennen wir ja auch von den echten Fermenten. Aber bei den Genen würde das Vorwiegen der Synthese gegenüber der Analyse so sehr ins Auge fallen, daß darın schon ein grundsätzlicher Unterschied liegen dürfte. Wıll man die Ähnlichkeit mit Enzymen betonen, so dürfte man höchstens von den Genen als von „Enzymoiden“ sprechen. Dafür, daß gerade ın den Kernen besondere Enzyme produziert werden, hätten wir auch sonst schon Anhaltspunkte, wenn auch vor- läufig wohl nur schwache. Ich erinnere an die Hypothese J. Loeb’s (1906), daß der Kern ein Oxydationszentrum darstelle, ja daß die Produktion der „Chromatine* aus dem Cytoplasma heraus durch seitens des Kerns ausgeschiedene Oxydasen vor sich ginge. Und wir wissen, daß in manchen kernlos gemachten Zellen, wie bei Sperogyra (Geras sımow.1901) in der Tat die Verbrennung der Kohlehydrate sistiert werden kann. Andererseits stimmen die mikrochemischen Angaben durchaus nicht zu der Vorstellung, daß der Kern der bevor- zugte „Sauerstoffort“ in der Zelle ist (Schneider 1913, 1914). Doch könnten unsere Indikatoren eine wirkliche Lokalisation vielleicht überhaupt noch nicht anzeigen. Die Hypothese Loeb’s ıst jedenfalls z. Zt. nicht als widerlegt zu betrachten, um so mehr als dieser Forscher weniger an oxydativen Abbau als an oxydativen Aufbau denkt. Da- mit hätten wir aber eine Art Anschluß an die eben betonte synthe- tische Wirkung der Gene. Die dritte Möglichkeit endlich, daß die Ban die Nucleoproteide höchstens als ergastische Subälauzen benutzen, würde von uns ım Grunde ein resigniertes Zugeständnis en „daß wir nichts wissen können“. Wir müssen mit ıhr rechnen, aber nur, wenn wir mit den beiden anderen nicht weiter kommen sollten. An eine Iso- lierung der Gene von den Nucleoproteiden und den Versuch, ıhre. Natur chemisch zu erforschen, wäre dann erst recht nicht zu denken: Selbstverständlich bliebe die Möglichkeit, daß auch hier zunächst „Progene“ in den Gameten wären, die während der Entwicklung erst die Gene produzieren, in gleicher Weise wie oben bestehen. * 3 * > ta VS a Ar Aa Zu le uw, fat er. “ un j - x G. Tischler, Über die °0B. „Erbsubstanzen“ u. ihre Lokalisation i. d. Pflanzenzelle. 24 Wie dem ante sei, wir haben jedenfalls guten Grund, uns die Gene in die Chromosomen gelagert zu denken*®). Und seitdem Boveri (1902) durch seine klassischen Seeigelkreuzungen die qualitative Ver- schiedenheit der Einzelehromosomen zum! erstenmal wahrscheinlich machte, haben wir eine Fülle von Anzeichen dafür, daß das zum mindesten für alle höheren Organismen überall der Fall ist. Näheres kann darüber an dieser Stelle nicht gesagt werden. Ich verweise für die botanischen Daten auf meine Zusammenfassung im Progressus rei bot. (Tischler 1915). Nur sei die Frage berührt, wie weit wir über die Lokalisation der Gene innerhalb eines und desselben Chromosoms etwas durch die bei den Mendelspaltungen beobachteten Koppelungen aussagen können. Morgan und seine Schule haben ja bei ihren bewunderungs- würdigen Arbeiten mit der Gattung Drosophila schon eine direkte Topographie der Chromosomen gegeben (Zusammenfassung bei Nachts- heim 1919). Für pflanzliche Forschung besitzen wir noch kein gleich günstiges Objekt. Baur (1918) beabsichtigt in den nächsten Jahren die Analyse für Antörrkinum durchzuführen, von dem er schon zirka 110 Gene kennt (briefl.).. An Baur’schem Material habe ich bei Anter- rhinum maius sowie den nahe verwandten Anth. hispanicum und einer Anth. spec. von Cordoba als Haploidzahlen 8 bestimmt. Die Zäh- lungen waren wegen der Kleinheit der Kerne und der Uhromosomen nicht leicht. Diakinesen, Ana- und Telophasen sowie Interkinesen wurden aber schließlich mit Erfolg benutzt. Und mehr als 60mal "konnte ich die Zahl 8 finden, nur einige relativ wenige Male zählte ich 7 oder 9. Wenn Frau Breslawetz (1916) recht hätte, die nur vegetative Mitosen studierte, so müßten wir bei A. maius, A. latifolium ' und A. tortuosum diploid 18, haploid also 9 Chromosomen wahrnehmen. Die Differenz von einem Chromosom wird sıch sicherlich durch weitere Studien aufklären. Möglich wäre es, daß getrennte Chromosomen der somatischen Mitosen bei den meiotischen Teilungen zusammenhängen. Wir kennen dafür ja Analogien bei den sogenannten Trabantenchromo- somen (Nawaschin 1912, Tschernoyaroff 1914). Möglich ist ferner auch, daß entweder sich Frau Breslawetz oder ıch selbst mich um eine Einheit verzählt haben. Wer selbst Ohromosomen zählt, weiß, wie ungemein leicht das vorkommen kann’). 4) Wenn ee (1919a) den Begriff des „Gens“ für überflüssig hält und die Tatsachen durch die höhere Einheit der Chromosomen allein erklären will, so kommt er doch nieht um die Notwendigkeit herum, bestimmte chemische Stoffe anzunehmen, mit x x 5: 8 iv denen die Chromosomen „wirken“. So handelt es sich im Grunde um keine wesent- lich verschiedene Auffassung. (Anm. b. d. Korrekt.) 5) Ich erinnere an ein Beispiel, das in der letzten Zeit von sich reden machte: Bei Tritieum sativum haben fünf Beobachter (E. Overton 1893, Golinski 1893, Koernicke 1896, Nakao 1911 und Bally 1912, 1919) 8 Chromosomen gezählt, bis Sakamura (1918) und Kihara (1919) Seristellten. daß es in der Tat 21 sind. ' Wahrscheinlich haften hier bestimmte Chromosomen so nahe aneinander, daß Einheiten vorgetäuscht werden, wo es sich in Wahrheit um Vielheiten handelt, Ä 2 BA £ re u A re DE KR 5 NR Pr 32 G. Tischler, Über die sog. „Erbsubstanzen“ u. ihre Lokalisation 10: Pflasenzle. Für die 8-Zahl bei Antirrhinum würden auch die Angaben sprechen, welche bei anderen Scrophulariaceen bisher gemacht sind. Schmid (1906) und Perino (mitgeteilt von Tischler 1915) haben für Ver- bascum 16, Frau Haase-Bessell (1916) für Digötalis 24 und 48 Chro- mosomen gezählt. Diese Zahlen sind durch 8 teilbar. Und nach meinen eigenen (1915), Ishikawas (1916), Winges (1917) und anderer Autoren Zusammenstellungen lassen sich bis zu gewissem Grade auch derlei Argumente für oder gegen eine besondere Zahl benutzen. Die Frage, ob wir die bekannten Gene bei Antirrhinum mit 8 oder mit 9 Chromosomen in Zusammenhang bringen sollen, hat natürlich nur ganz spezielles Interesse. Und es geht schon jetzt aus den Zählungen hervor, daß Antirrhinum viel ungeeigneter für unser Problem ist, als Trosöplilk mit ıhren 4 Chromosomen. Baur macht noch darauf auf- merksam, daß z. B. bei Hordeum (mit 7 Chromosomen) schon jetzt bei etwas eingehönderer Forschung (v. Ubisch 1918) recht zahlreiche Koppelungen bekannt sind. Nun weıß man bereits, namentlich wieder von Morgans Droso- phila-Studien her, daß er zwischen absoluten und relativen Koppe- lungen zu scheiden haben. Die ersteren sollen sich zwischen jenen Genen abspielen, welche in einem unteilbaren Abschnitt eines Chro- mosoms liegen, die letzteren dagegen zwischen zwei auswechselbaren Abschnitten eines und desselben Chromosoms. Damit wäre jedes Chromosom als ein mehr oder weniger loser Verband von „Chromi- olen“, „Chromomeren“, oder wie man sonst die Abschnitte nennen will, angenommen. Häufige Einschnürung in gewissen Fällen scheint in der Tat diese Betrachtungsweise zu unterstützen. In den meisten Fällen aber, und das möchte ich als kritischer Morphologe mit Nach- druck betonen, sieht man von dieser Andeutung einer Querteilung in qualitativ verschiedene Abschnitte nichts. Ich möchte mich heute genau so scharf wie in meiner Zusammenfassung im Progressus 1915 dagegen aussprechen, etwa in den beı bestimmter Fixierung auftreten- den körnchenförmigen Einheiten diese Abschnitte zu sehen. Alles was über die „Perlstruktur* gewisser Stadien geschrieben ist, beweist ebenso wie das auch Gre&goire (1907) annimmt, bisher gar nichts für die Chromomerennatur ihrer Teile. Hier ist es in der Tat so, daß die physiologische Analyse unbedingt weiter als die morpho- logische gekommen ist. Durch die Arbeiten Morgan’s und seiner Schule ist mit einem Male die von Janssens (1909) vertretene „Chiasmatypie* in den Vordergrund des Interesses getreten. Dieser Forscher nahm bekannt- lich an, daß während der Diakinese ein Austausch der einzelnen Ab- schnitte zweier sich umschlingender Chromosomen und damit auch der in ihnen lokalisierten Gene möglich ist. Dieser Austausch würde dann erklären, wieso ein „crossing over“, folglich eine nur relative Koppelung, zustande kommt und warum nicht die Gene eines und desselben Chromosoms immer beisammen bleiben. En. De N ‘ 4 4 Ra ben ‘ * + Y 5 * wu ' ‘ [ni vl N r s j or die sog. „Erbsubstanzen“ u. ihre Lokalisation i. d. Pflanzenzelle. 2. rw Knch hier möchte ich, schon zu Beginn dieser Forschungen, die nun wohl in größerem Umfänge einsetzen werden, davor warnen, die morphologischen Bilder zu optimistisch zu betrachten: Es ıst wahr, Umschlingungen der Chromosomen:in der Diakinese kommen öfters vor, aber sie sind durchaus nicht auf diese Phase beschränkt. Winge - (1919) hat neulich für den experimentell gut untersuchten Lathyrus le 5 He 5 u a a DEE, ae + odoratus festgestellt, daß die 7 haploıiden Chromosomen in der Dia- ‚kinese sicherlich keine solche Umschlingung zeigen. Und ıch kann mich für Antirrhinum dem ganz anschließen. Viel eher glaube ich ' an,einen morphologischen Austausch von Chromosomenteilen in den Stadien vorher, etwa in oder kurz nach der Synapsis°®). Ich habe schon vor 9 Jahren (Tischler 1910), als ich die Pollenbildung von Bananenrassen studierte, meiner Überzeugung Ausdruck gegeben, daß dieses Stadium, dessen Realität jetzt wohl von den meisten Autoren anerkannt ist, am besten dann zu verstehen wäre, wenn bei der post- synaptischen Trennung die beiden Paarlinge eines Uhromosoms nicht absolut die gleichen zu bleiben brauchen, wie vor Eingang der Fusion. Ich habe damals kaum irgendwo ran gefunden; die Möglich- keit „unreiner“ Gameten, die damit gegeben war, schien den experi- Snentellen Bntekorschern zu wenig zu ihren Versuchsergebnissen zu passen. Ich meine, man wird beı Pflanzen, welche wenige und dabei große Ohromosomen besitzen, auf diese Frage zurückzukommen haben und dann vielleicht finden, daß die diakinetischen Umschlingungen, deren Unbeständigkeit und Verschiedenheit Lagerberg (1909) für Adoxa schon vor 10 Jahren betonte, dem gegenüber weniger von Bedeutung sind. Von vorneherein wird man dabei auch erwarten “ können, daß nicht alle Pflanzen in absolut dem gleichen Zeitpunkt den Austausch vornehmen, ebenso wie es denkbar ist, daß die Durch- führung der ER omosomönpaarung zu verschiedenen Zeiten einsetzt. Lundegärdh (1914) hat für Trolkus bestimmt angegeben, daß sie schon vor der Synapsıs durchgeführt ist, andere ebenso zuverlässige Autoren, so Yamanouchi (1909) für Fucus, zählen noch in der Post- synapsis getrennte Chromosomeneinheiten in diploider Zahl. Die wirk- lich exakten Beobachtungen müssen sich hier noch mehr häufen, ehe die Frage spruchreif wird. Prinzipiell wäre der Versuch, die als besondere Determinatoren (s. a. Lundegärdh 1910a) erkannten Gene in ihrer Lokalisation kennen 6) Das gleiche nimmt auch Lotsy (1919a) an. Dieser Forscher weist ferner darauf hin (1919b), daß Chromosomenänderungen weiterhin dadurch zu Stande kommen können, daß die hintereinander in ann angehefteten Chromosomen bei ihrer Isolierung vor der Diakinese an anderer Stelle auseinanderbrechen könnten als an den ursprüng- lichen Grenzen. So würden auch bei Homozygoten „neue“ Chromosomen zustande kommen, die einen mit einer „Erbeinheit“ mehr, die anderen mit der gleichen weniger. Ich möchte noch betonen, daß gerade in der heterotypen Prophase das „kontinuierliche Spirem‘ wenigstens vorübergehend vielfach in der Tat ausgebildet ist. In somatischen Teilungen handelt es sich dagegen wohl. immer nur um „scheinbar zusammenhängende Fäden“. (Anm. b. d. Korrekt.) Er et. Tg! Ey £ : “2 "on , „“ Bi 29 * YA Gr, Ba N, IS: ar FIR), 2C; "Tischler, Über die sog. Ve u. ihre Lokalisation i.d. Fans Fa £ zu lernen und sie chemisch näher zu analysieren, dark von größtem Interesse, weil man so vielleicht unmittelbar in den Streit „Mecha- nismus oder Vitalısmus“ eingreifen könnte. Reinke (1918) hat in seiner letzten Veröffentlichung direkt die Gene als die- „Dominanten“ bezeichnet, auf welche er bekanntlich seinen Vitalismus aufbaut. Und Driesch (19,9) betont, daß der autonome Charakter der Lebensvor- - gänge nicht zuletzt dadurch wahrscheinlich gemacht wird, daß mit Hilfe seiner „Entelechie* Mannigfaltigkeit aus Einfachem produziert werde, während ın der unbelebten Natur umgekehrt aus dem Mannig- faltigen Einfaches hervorgehe. Genau aber das müßten, wie wir oben ausführten, ja die Gene bewirken. ee ist weder das mechanistische noch dar vitalistische Wirken der Gene zu erweisen. Und wir müssen uns als exakte Naturforscher hüten, hier mehr zu sagen, als daß die Entscheidung noch aussteht. Sollte sie einmal nach der Richtung hin fallen, daß eine der beiden ersten von uns oben aufgeführten Alternativen zu- träfe, so wäre die Annahme mechanistischen Geschehens bei der Wirkung der Gene bewiesen, während, wenn die von uns genannte dritte Möglichkeit der völligen Selbständigkeit der Gene von den Nucleoproteiden zu Recht bestände, vitalistisches Geschehen noch nicht auszuschließen ist. Ein Schritt vorwärts wäre es in jedem Fall, wenn wir das spezielle materielle Substrat, an dem die Autonomie des Lebens eventuell zu beweisen wäre, aus den übrigen Substanzen des „Protoplasmas“ herausschälen könnten. Wenn nun die Gene von den Nucleoproteiden des Kerns produ- ziert würden oder wenn sie unabhängig von ihnen wären, so brauchten sie selbst gar nicht Eiweißkörper zu sein. So weit ich sehe, hat diesen Schluß bisher nur Arthur Meyer (1915, 1917) gezogen und sehr eingehend zu begründen versucht, wenn er für seine „Vitüle“ die Polen Annahmen macht, wie ich sie jetzt für die Gene als möglich hinstelle. Ebensöwenig wie wir letztenfalls von den sonstigen Enzymen wissen, ob ihnen Eiweißcharakter zukommt (man denke z. B. an Biedermann’s (1916) Studien über die Produktion von Diastase "in reinen Stärkelösungen), so auch hier bei den „enzymoiden“ Genen. Zum Schluß noch eins: wir betrachten die Gene als conditio sine qua non für das (genotypische) Auftreten gewisser Außeneigenschaften, wir wissen aber auch, daß unter Umständen die gleichen äußeren Eigenschaften bei:Fehlen dieser Gene (also phänotypisch) sich zeigen können. Ich möchte dabei nicht an solche Beispiele denken, in denen es sich um Gene handelt, welche rein quantitativ auf die Organaus- bildung Einfluß haben, ebensowenig an solche, bei denen für gewisse Eigenschaften nur die Wirkung von „rezessiven“ Genen in Betracht kommt, wie wahrscheinlich bei der roten Blattfarbe von Blutvarie- täten gegenüber der grünen Farbe der Normalrassen. Aber ich er- innere daran, daß nach den Untersuchungen von Graf Solms-Lau- bach (1900) bei Capsella Hegeri die Kapselform von ©. bursa pastoris x end Pa nik Pi a Kae | G. Tischler, Über RN „Erbsubstanzen“ u. ihre Lokalisation i. d. Pflanzenzelle. 25 auftroten kann, wenn die Pflanze von Albugo candida deformiert ist. Nach Shull’s (1911, 1914a) und Dahlgren’s (1919) Untersuchungen sind bei Capsella Hegeri die Gene für die dreieckige Kapselform gar _ nieht mehr vorhanden, sie sind „mutiert“. Auch können wır darauf aufmerksam machen, daß bei weiblichen Exemplaren von Melandryum männliche Sexualcharaktere durch Ustilago violacea ausgelöst werden, welche sonst nur bei Gegenwart einer anderen Konstellation von Genen auftreten. (Strasburger 1900, s. a. die Formulierungen der Erbformel bei Shull 1914b). Die fremden Organismen würden also in beiden Fällen die Fähigkeit'haben, die Gene in den Chromosomen neu erscheinen oder wenigstens ın Wirkung treten zu lassen. Ist es aber auch möglich, Gene hervorzurufen, die gar nicht ın der Entwicklungsrichtung der Art liegen? So viele Fragen, so viele Ausblicke in vorläufig unbetretbares Land. Unsere kleine Studie sollte uns eben nur folgendes zeigen und Fachgenossen, die anderer Ansicht sind, eventuell zu einer Diskussion über folgende Punkte anregen: 1. Das Wort Erbsubstanz wird am besten nicht mehr verwendet, weil es zu vieldeutig ist. 2. Dafür hat man die „enzymoiden“ RE als Hauptdeterminatoren der Entwicklung zu betrachten. Sie hängen mit dem Zellkern zusammen, übertragen aber nur einen Teil der späteren Außen- _ eigenschaften, während andere durch irgendwelche Innenfaktoren der Plastiden und des Cytoplasmas bedingt sind. e 3. Nichts ist darüber ausgesagt, ob Nucleoproteide als solche immer mit den Genen in Verbindung stehen, denn wir finden genannte Eiweißstoffe sicherlich entgegen mancherlei Vorstellungen auch im Uytoplasma. 4. Will man Chemie und Vererbungslehre auch weiterhin mitein- ander verknüpfen, so könnte man zu einer der ad hoc aufge- stellten Hypothesen greifen: a) die Nucleoproteide. des Kerns sind andere als die des Plasmas; b) die Nucleoproteide des Kerns produzieren allein die Gene oder wenigstens die Progene, aus denen sich die Gene ım Laufe der Ontogenese herausbilden; c) die Gene (resp. die Progene) sind chemisch ganz unabhängig von den Nucleoproteiden des Kerns. Sie benutzen diese nur als ergastisches Material. 3 5. Analog den Resultaten Morgan’s und seiner Schule ist eine spezielle durch das Experiment erforschbare Lokalisation der Gene in den Chromosomen allgemein anzunehmen; damit würde sich dann auch die absolute und die relative „Koppelung“ der experimentellen Vererbungslehre erklären lassen. Entgegen Morgan glauben wir aber nicht an einen Austausch von Chro- mosomenteilen während der Diakinese. Viel eher scheinen so- wohl nach eigenen, wie nach fremden Untersuchungen die Stadien, 26 die sich um die Synapsis gruppieren, für len Austausch ge- eignet. Durch gewisse äußere Faktoren (Parasiten) schaft die Pro- duktion oder wenigstens die Erregung von Genen möglich zu sein, die normal nicht in der Entwieklung kenntlich werden. Eine Erkenntnis des chemischen Charakters der Gene würde darum von besonderer Wichtigkeit sein,. weil gewisse „Kon- stanten* der Vitalısten wie die „Dominanten“ oder die „Ente- lechie“* genau so wirken sollen, wie die Gene das tatsächlich tun. 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Die durch die Wiederentdeckung der Mendel’schen Gesetze durch Correns, De Vries und Tschermak neubelebte Vererbungsforschung hat auch für die Bearbeitung des Problems der Geschlechtsbestimmung mit der Aufstellung von Erbformeln für Geschlechtsvererbung durch Correns, Bateson und Goldschmidt zu wertvollen Unter- suchungen veranlaßt. Die Entdeckung der Heterochromosome durch Henking und die überaus zahlreichen Arbeiten, die. sich daran anschlossen, haben uns der Lösung dieser Frage zweifellos näher- gebracht. | Als Zeitpunkte, an denen die Geschlechtsbestimmung statt- finden kann, sind möglich: 1. während der Bildung der Keimzellen, 2. ım Augenblick der Befruchtung oder besser der Entwicklungs- erregung, 3. auf späteren Entwicklungsstadien unter dem Einfluß äußerer Faktoren wie Temperatur, Ernährung u.s. w. Man spricht ‚von progamer, syngamer und metagamer Geschlechtsbestimmung. Als Schulbeispiel metagamer Geschlechtsbestimmung gelten seit den Arbeiten vonBornundPflüger die Frösche. Bei den Jungtieren soll ein großer Teil eine intermediäre Stellung zwischen den Geschlechtern einnehmen, aus denen später eine Anzahl sicherer Männchen her- vorgehen. Auch bei ausgewachsenen Fröschen wurden von Fried- mann u. a. ım Hoden Eier beschrieben. Es besteht kein Zweifel, daß der größte Teil dieser Tiere zu den Übergangshermaphroditen gehören. In meiner 1915 erschienenen Arbeit „Über die Chromatinver- hältnisse in der Spermatozytogenese von Rana esculenta“ habe ich bereits hingewiesen auf eigenartige Bildungen, die ich ihrer Her- kunft wie Beschaffenheit nach glaubte den Archispermatozyten zu- rechnen zu müssen. Diese Zellen schienen mir geeignet zur Auf- klärung wichtiger biologischer Probleme Aufschlüsse zu geben. Ich ging aus von der Frage: Sind die großen Zellen, die Fried- mann als „rudimentäre Eier“, Champy als „degenerescence ovi- forme“ bezeichnet, wirklich, wie diese Forscher in Übereinstimmung mit Herrmann annehmen weibliche oder sexuell indifferente Zellen? Handelt es sich um ein Analogon zum Bidder’schen Organ? | Zur Beantwortung dieser Frage zu gelangen, schien mir als _ einzig gangbarer, aber bisher noch unbeschrittener Weg, die Ent- wicklung dieser Gebilde zu verfolgen. Die Befunde, die ich dabei 30 Fritz Levy, Über die sogenannten Ureier im Froschhöden. | erhoben habe, gestatten mir, wie ich glaube auch zu anderen wich- tigen Problemen Stellung zu nehmen. La Valette St.G@eorge, Benda, Meves, Mc. Gregoru. a. geben übereinstimmend an, daß in den Archispermatozyten häufig . amitotische Teilungen zu finden seien. H.D. King lehnt für die Spermatogenese von Bufo lentiginosus das Vorkommen amitotischer Zellteilungen ab, beschreibt sie aber bei der Entwicklung des Bidder’schen Organs. Champy weist mit Recht darauf hin, daß in älteren Arbeiten Archispermatozyten oder, wie er sie nennt, Gonies I nicht unterschieden werden von Spermatogonien. Die polymorphen Kerne, von denen er zwei Sorten unterscheidet, näm- lich: wenig gelappte, gut färbbare, und „auf dem höchsten Grade des Polymorphismus befindliche, schlecht färbbare“, kommen nach diesem Autor nur den Archispermatozyten zu. Von dem Ver- ständnis der Ursache dieser Verschiedenheit und der tatsächlichen Verhältnisse ıst er mindestens ebensoweit entfernt, wie die von ihm angegriffenen Forscher. Bei Salamandra haben Flemming, bei Bombinator Broman Riesenzellen gesehen und im Zusammenhange damit pluripolare Mitosen beschrieben. Der Entstehung pluripolarer Mitosen geht stets eine Vermehrung des Zentrosomalapparates voraus. Hier mußte eingesetzt werden. Bei genauer Durchmusterung meiner Schnittserien fand ich, daß sämtliche Mitosen in der Spermato- genese pluripolar verlaufen können. Es lag nahe, eine in same Ursache dafür zu suchen. Zuerst bemerkte ıch, daß es Archispermatozyten gab mit einem runden Kern, mit zwei runden Kernen, ferner mit nieren- förmigen, mit polymorphen und mit Rh ja vielen Kernen. Kernmengen und Zellgrößen schienen parallel zu wachsen. Eine Form sah ÖOogonien verführerisch ähnlich. Dies waren Fried- manns.„rudimentäre Eier“, Champys „degenerescence oviforme*. In nicht wenigen Zellen schienen vorerst zwei Kerne vorhanden zu sein, aber beim Bewegen der Mikrometerschraube fanden sich Stellen, an denen diese sich eng berührten, ja an denen die trennenden Kernmembranen fehlten, an denen die Kerne offen- sichtlich ineinander übergingen. Zellen mit diesen Kernformen waren es zweifellos, bei denen bisher die amitotische Kernteilung beschrieben worden war. Ich habe hunderte solcher Zellen unter- sucht, aber nicht einmal gelang es mir, auch nur schwache An- deutungen einer Zellteilung oder wenigstens ihres Beginns zu finden. Dagegen zeigten günstige Objekte, daß in der Sphäre dieser Zellen mit Riesenkernen sich vier und mehr Zentrosomenpaare befinden. In allen Generationen der. Samenbildung zeigten sich ähnliche Verhältnisse, Zellen mit einem runden Kern von annähernd konstanter Größe in überwiegender Zahl, aber auch hin und wieder, besonders während der Monate August bis Oktober, Zellen mit Fritz Levy, Über die sogenannten Ureier im Froschhoden. 31 zwei oder mehr freien oder ineinander über gehenden Kernen und j dann auch Zellen, die größer als die übrigen ihrer Generation waren und auch entsprechend größere Kerne und vermehrte Zentro- somen hatten. Für Spermatiden war dies Verhalten schon von Broman beschrieben. In einigen-Punkten stimme ich nicht mit ihm überein. Broman macht mit Recht abnorme Mitosen verant- _ wortlich für das Entstehen atypischer Spermien. Seiner Ansicht, daß. die Teilung der Präspermatiden (Spermatozyten 1I) stets zwei- polig verläuft, widersprechen meine Befunde dreipoliger Mitosen. Broman führt in seiner wertvollen Arbeit für die seiner An- sicht nach also stets zweipolige Präspermatidenmitose folgende Abnormitäten auf: 1. „Daß die Chromosomen nach den beiden Spindelpolen hin nneleich verteilt werden. Aus solchen Mitosen entstehen Spermatiden, von denen eine bedeutend größer, die andere entsprechend kleiner ist als die normalen Spermatiden.“ & Nach dieser Entstehungsart treten offensichtlich poikuloploide!) Zellen auf. Hierzu gehören wohl auch Mitosen mit Nebenspindeln nach Art von Monastern, deren Fäden also nicht den zweiten Pol erreichen. Bei dieser Teilung können zwei oder drei poikiloploide Kerne entstehen; von anderen Determinanten hängt es ab, zu wie . vielen Zellen diese Kerne zugeteilt werden. | 2. „Daß die Chromosome nicht nach den beiden Spindelpolen hin verteilt werden, sondern zusammenbleiben und von einer Ei einzigen Kernmembran umschlossen werden. Ein Zwischen- FE - stadıum, worin dieKernmembraneben in Rekonstruktion begriffen E ist, habe ich (Broman, Zus. d. Vf.) leider bisher nicht finden können, bin aber der Überzeugung, daß solche ganz be- weisende Bilder zu finden sind; auch das Cytoplasma bleibt ungeteilt. So entstehen Riesenspermatiden, die je zwei Zentralkörperpaare und einen Kern haben, dessen Volumen etwa doppelt so groß als das A normalen Spermatiden- kernes ist.“ Diese Abnormität erscheint mir ziemlich unwahrscheinlich zu sein. Broman’s Bilder können mich nicht überzeugen von der De - = » a 1) Jede Tierart hat die ihr eigentümliche Chromosomengarnitur (Heider). Die Chromosomengarnitur kann in den verschiedenen Zellen einfach oder zweifach, in - atypischen Zellen auch dreifach, vierfach oder noch öfter vorhanden sein. Man "nennt dann: die Zellen haploid, diploid, triploid, tetraploid, polyploid (Winkler). Für atypische Zellen bezw. Kerne mit Chromosomenzahlen, die nicht ein Vielfaches ‚der Chromosomengarnitur darstelien, schlage ich die Bezeichnung poikiloploid vor. Eine Zelle, die die ihrer Art eigentümliche Chromosomengarnitur in der für ihre Generation bestimmten Ausführung - enthält, nenne ich orthoploid (ab- ? _ weichend von Winkler. öoVös heißt im Griechigen „richtig“, während „gerade“ als Gegensatz zu „ungerade“. &orıos heißt). Eine heteroploide Zelle weicht in ihrem - , Kernbestand von der Regel ab. Ist der Kernbestand ein Mehrfaches der Regel, so B spricht man von biyalenten, plurivalenten Zellen u. s. w. ns, RE a By; r ERIIEE Br PhroHeR.. ©. - u P ur \ 39 Fritz Levy, Über die sogenannten Ureier im Froschhoden. Notwendigkeit dieser Erklärung, die erinnert an die Beobachtung. der Brüder Hertwig, daß bei in der Furchung begriffenen See- igeleiern die Furchung durch äußere Eingriffe rückgängig wurde. Diesem Vorgang folgte dann eine pluripolare Mitose. In meinen Präparaten habe ıch keine Anhaltspunkte gefunden, die eine der- artige Annahme rechtfertigen. Die Entstehung bivalenter Kerne läßt sich zwanglos einfacher erklären. 3. „Daß zwar die Chromosomen nach den Snindelpaien ausein- ander rücken (die beiden Tochterkerne sind oft ungleich groß), ' eine nachfolgende Uytoplasmateilung aber ausbleibt. In dieser Weise entstehen Riesenspermatiden, die je zweiZen- tralkörper und zwei (gleiche oder. ungleich große) Kerne haben.“ Wichtig sind ferner folgende Angaben Broman’s: Ganz ähnliche Abnormitäten können aber auch in den Mi- tosen älterer Zellgenerationen (Spermatogonien und Spermato- cyten erster Ordnung) auftreten. Die in solcher Weise ent- standenen Riesenzellen, die je zwei Zentralkörperpaare haben, geben aller Wahrscheinlichkeit nach bei einer nächstfolgenden Teilung zu den oft zu beobachtenden drei- und vierpoligen ‚Mitosen Anlaß. Nach solchen Mitosen ist nur selten eine Cytoplasmateilung zu beobachten. Daraus kann man die Mög- lichkeit entnehmen, daß eine Spermatogonie, welche einige solche abnorme Mitosen ohne nachfolgende Cytoplasmateilung durchläuft, sich zu einer kolossalen Riesenspermatide mit vielen Zentralkörperpaaren entwickeln kann. Daß der von Broman gezeichnete Weg zur Entstehung von Riesenzellen den tatsächlichen Verhältnissen sehr nahe kommt, habe ich mich bei meinen Untersuchungen überzeugen können. In einigen Punkten geben aber meine Befunde zu schwerwiegenden theoretischen Einwänden Veranlassung, Wenn infolge mehrfach unterbliebener Zellteilungen und abnormer Kernteilungen Riesen- . zellen mit poikiloploiden Kernen entstanden sind, ıst man nicht berechtigt, weil mehrere Kerngenerationen aufgetreten sind, die Zellen mit demselben Namen wie die entsprechende normale Zell- generation zu belegen. Der Grund hierfür liegt in den bedeut- samen Umlagerungen, die die Zellengeneration erfährt, die als Spermatozyte bezeichnet wird. Unter Durchführung, der Reduktion gehen durch heterotypische Teilung aus einer Spermatozyte ın der Regel zwei haploide Präspermatiden hervor. Für den Vorgang der Reduktion nehme ich, wie ich bei Distomum turgidum und Rana esculenta beschrieben habe, eine Verklebung homologer, d. h. entsprechender vom Vater und von der Mutter des Keimzellen- trägers stammender Chromosome an beiden Enden an, die zu der bekannten Ringbildung führt. Ich nannte diesen Vorgang in An- lehnung an Häcker Amphimetasyndese. Die heterotypische BE NE * | ss ı* . ‘ Hr - Fritz Levy, Über die sogenannten Ureier im Froschhoden. 35 Teilung, die zuerst Flemming unterscheiden lehrte, trennt nicht Spaltprodukte von Chromosomen, sondern die Kopulanten der Amphimetasyndese so, daß auf jede Tochterzelle eine ganze Chro- mosomengarnitur kommt, daß sie haploıd wird. Uber abnorme heterotypische Teilungen werde ich später sprechen; ich habe nun zwar das Vorstadium der heterotypischen Teilung, das auf der Entwicklung zum Diplotän befindliche Leptotän als Riesenzelle aufgefunden. Aber ich konnte trotz eifrigen Suchens weder in einer vielkernigen Archispermatozyte Vorbereitungsstadien zu einer heterotypischen Teilung auffinden, noch in der Diakinese befind- liehe Riesenkerne. Ohne diese vorhergegangenen Stadien darf man aber wohl kaum von der Entwicklung von Spermatiden, und seien es Riesenspermatiden, reden. Maximow stellt sich in einer Arbeit „Die histologischen Vorgänge bei der Heilung von Hodenverletzungen u.s. w.* auf den Standpunkt, daß durch Verschmelzung von zwei oder mehreren Spermatozyten zwei oder mehrkernige Spermatozyten entstehen, die entweder sofort degenerieren oder in pluripolare Mitose ein- treten, die aber nicht beendet werden kann. Für Riesenspermatiden nimmt er Verschmelzung normaler Spermatiden an, oder daß der Kern einer normalen Spermatide hypertrophischund hyperchromatisch wird und sich ‚dann amitotisch teilt. Regaud berichtet dagegen, daß bei gesunden. Säugetier en und beim Menschen infolge abnormer zwei- oder mehrpoliger Mitosen zwei- oder mehrkernige Riesenzellen auftreten. Das- Vorkommen von Amitosen Dear eitet er. | -In ähnlicher Weise wieMaximow die Entstehung von Riesen- zellen durch Hypertrophie des Kernes annahm, glaubte auch Bal- lowıtz die Entstehung der von ihm Sofundenen Rıesenzellen ın der Descemet’schen Membran der Cornea annehmen zu‘ müssen. Wenn auch nach den Versuchen von Driesch, Roux, Nor- man, Zur Straßen u.a. nicht daran zu zweifeln ist, daß ganze Zellen miteinander verschmelzen, so glaube ich doch auf eine näher liegende Erklärung hinweisen zu müssen. Es ist auffällig, daß in den Zellen, in denen nach Angabe der Autoren Amitosen stattfinden sollen, nie Einkerbungen der Zellwand, die auf eine beginnende Teilung des Zytoplasmas schließen lassen, zu finden sınd, dagegen häufig ineinander übergehende Kerne. Gleichzeitig sind in der der Ver- % klebungsfläche anliegenden Sphäre zwei oder mehr Zentrosomen- paare nachweisbar. Es scheint mir daher wesentlich wahrschein- licher, daß es sich hier um folgenden Vorgang handelt: Bei einer ‚sonst regelrecht verlaufenden zweipoligen Mitose folgt der Kern- teilung, wie es ja z. B. auch bei Seeigeleiern vorkommt, keine Zell- teilung. Die Kerne verschmelzen alsdann zu einem bivalenten “ Riesenkern. Daß diese Auffassung berechtigt ist, glaube ich u. a. en: zu ersehen, daß ich in einer Riesenzelle von den theore- 40. Band. ; 3 “3 ’ 34 Fritz Levy, Über dig sogenannten Ureier im Froschhoden. tisch zu fordernden 48 Chromosomen 44 aufgefunden habe. So- mit ist die Zelle tetraploıd und als Archispermatozyte bivalent. Ob die vier fehlenden Chromosomen durch den Schnitt verloren ge- gangen sind oder ob die Zelle hypotetraploid ist, kann nicht’ mit Sicherheit festgestellt werden, ist hier auch verhältnismäßig neben- sächlich. Weil bei dem Teilungsschritt, der der Riesenkernbildung voraufging, auch eine Zentrosomenvermehrung stattgefunden hat, muß die folgende Mitose pluripolar verlaufen. Wichtig erscheint mir der Befund zu sein, wo in einer bivalenten-Spermatogonie die Teilung in gleicher Weise wie bei der univalenten eingeleitet wird. In der Spermatozytenteilung habe ich‘ auch multipolare, hetero- typische Mitosen gefunden, aber die Stadien der Riesenzellen- diakinese nicht gesehen, auch die erste Entstehung der tripolaren Präspermatidenmitose habe ich bisher trotz, langem Suchen, in Tau- senden von Schnitten nicht gefunden. Bromann’s Befunde von Riesenspermatiden kann ich, soweit es sich um zweikernige unı- valente und einkernige bivalente handelt, auch für Rana_ esculenta bestätigen. Das Auftreten von Riesenspermatozoen teils mit einem erheblich größeren Kern als bei normalen, teils von zweiköpfigen, das schon v. La ValetteSt. George, Meves, Broman u.a. be- schreiben, habe ich ebenfalls angetroffen. Wenn in einer poly- ploiden Zelle mehrpolige Teilungen stattfinden, entstehen eine größere oder kleinere Zahl von Kernen. Es hängt von zunächst unbekannten Determinanten ab, wie viel Einzelkerne sich an jedem Spindelpol bilden. Da zwischen je zwei Polen Spindelfäden ziehen können, ist, wenn n die Zahl der Pole ist, die mögliche Höchstzahl von Kernen gegeben durch die Formel n(n—l. Für eine sechs- polige Spindel also z.B. 30 Kerne. Diese können, wie nachher auszuführen ist, a, abweichende Chrompseneu aufweisen. Bedeutungsvoll ist ahnen die Beobachtung, daß der Vorkane der Kernteilung und Verschmelzung bei unterdrückter Zytoplasma- teilung sich stets von Neuem wiederholen kann. Es kommt dann zur Entwicklung von oft recht bizarren Kernkonglomeraten. Liegen die Kerne annähernd in einer Ebene, so entstehen Riesenkerne, die geschlossene Ringe oder Teile davon bilden. Liegen die ver- schmelzenden Kerne aber in verschiedenen Ebenen, dann sieht man ganz verschiedene Formen entstehen. Die einfachste ist der Napf- kern, d. h. ein Gebilde, das die Form einer Schüssel hat, also am Boden geschlossen ist und einen nach oben offenen Rand hat. Im Beginn des Verschmelzungsvorganges sind die ursprünglichen Tren- nungsflächen noch als Einkerbungen zu erkennen. Die Ringkerne erinnern an eine bekannte Kuchenform, die Napfkerne an Teile einer Maulbeere. Wenn eine Vielzahl im Raume verstreuter Kerne diesem Prozeß unterliegen, kommt es zu Gebilden, die regellos Kanäle zwischen den Verschmelzungsgruppen freilassen. Typisch Nun 1 a ARE ui »9 are ve N Su « Fern gt Fritz Key Über die sogenannten Ureier im Froschhoden. 35 kehrt die Erscheinung wieder, daß die Sphären im Mittelpunkte der Kernkonglomerate der neuentstehenden Riesenkerne verschmelzen. Aus dieser Beschreibung geht hervor, daß die einkernigen Riesenzellen polyploid sind und aus vielkernigen hervorgehen. Heidenhain konnte für die einkernigen Riesenzellen aus seinen Material die Entstehungsgeschichte nicht erkennen. Die Ring-, Loch- und Napfkerne haben in den Diskussionen über amitotische Kern- und Zellteilung eine bedeutende Rolle gespielt. Über ihre Entstehung sind von Flemming, Meves, Göppert u.a. eine ganze ‘ Reihe von Arbeiten veröffentlicht Fäden Meves nımmt an, daß die Ursache darin zu sehen ıst, daß ın der Aguatorialebene die Chromosome nur an der Oberfläche der Spindel liegen, und daß bei - der Telophase Spindelfäden mit der Sphäre ın die Mitte erhalten bleiben, so daß der Kern sich ringförmig um diesen Spindelrest legen muß. Göppert nimmt an, daß in dem Iymphatischen Ge- webe, das die Tritonleber umgibt, der Kern sıch allmählich eindellt, bis er ringförmig geworden ist. Die Angabe von Meves konnt den Tatsachen sehr nahe. Nach einer neuen Untersuchung von S. Levy handelt es sich bei den von Gröppert beschriebenen „Ring- kernen“, nicht um Kerne von Riesenzellen, sondern um Kernfrag- hentierung bei der Leukozytenbildung. une beschreibt Kanäl- chen in den Kernen der Spermatogonien als Ursache des Polymorphis- ‚mus der Kerne, von denen er seltsam anmutende Bilder auf seinen Tafeln gibt. Die Entstehung dieser Kanäle, wie die ganze Bildung. der polyploiden Kerne, auch die Polyploidität ıst ıhm völlig ent- gangen. Nachdem nunmehr die Entstehungsgeschichte, wie ich glaube, genügend geklärt ist, dürfte es sich erübrigen, mit Heidenhain den Inhalt des plasmadurehsetzten Binnenraumes des Kernes, des Pyrenoecöls, als Endoplasma vom Exoplasma zu unterscheiden. Wenn einer Kernteilung eine Zellteilung nicht gefolgt ist, kann ein für alle Mal das Zytoplasma seine Biluvestihreken verloren haben, während das Kernsystem durch Teilung sich weiter vermehrt. Die mehrkernige Riesenzelle ist ein Synzytium. Es kann aber auch, wie wir es vom Seeigelei kennen, ein zweiter Kernteilungsschritt unter günstigen Verhältnissen (die Form der Spindel ist das Entscheidende) von einem Zerfall der bivalenten Zelle in vier univalente gefolgt sein. So zerfallen auch die Megalo- zyten des Knochenmarks in einzelne Leukozyten (Denys). Wenn polyploide Riesenzellen später, was ich noch nicht ge- nügend sicher übersehe, um mir ein abschließendes Urteil erlauben zu dürfen, durch gleichzeitige vielfache Zytoplasmateilung in uni- valente Zellen zerfallen, wäre dies eine Bestätigung der Angabe, daß den sogen. amitotischen Kernteilungen der Spermatogonien normale mitotische Kernteilungen folgen. Nach dem oben Beschriebenen ‚bleibt für die Annahme amitotischer Kernteilung (bei dem meist 3* 36 Fritz Levy, Über die sogenannten Ureier im Froschhoden. herangezogenen Schulbeispiel) kein Platz. Für eine spätere Teilung in orthoploide Zellen ergibt sich aber auch eine Voraussetzung: Es müssen bei der pluripolaren Mitose orthoploide Tochterkerne entstehen. Schon bei der bipolaren Mitose sind asymmetrische Teilungen nichts Seltenes. Sie sind nur noch verhältnismäßig wenig studiert, weıl es tatsächlich häufig sehr schwer oder auch unmöglich ist, am gefärbten Präparat zu entscheiden, ob es sich im gegebenen Falle um vitale Asymmetrie oder eine Fixations- schädigung handelt. Abweichungen von der typischen Chromo- somenzahl hat jeder, der viel Chromosomen gezählt hat, gefunden. Vorsicht ist hierbei in der Bewertung von Schnittpräparaten ge- boten, da das Mikrotommesser einzelne Chromosome anschneiden kann. Genaue Analyse von Totalpräparaten läßt noch viel Wissens- wertes erhoffen. Vor allem aber ist bei Anhängern wie Gegnern eine viel zu enge Auffassung des Gesetzes von der Konstanz der Chro- mosomerzahl weit verbreitet. Gelegentliche Abweichungen in ver- einzelten Geweben eines orthoploiden Organismus sind als Folgen asymmetrischer Teilungen anzusehen und können durch Äquations- teilungen viele Zellgenerationen bestehen. Ich werde an anderer Stelle hierüber eingehend berichten. Treten heteroploide Keimzellen ' auf, so ist die Möglichkeit heteroploider Neubildungen nicht von der Hand zu weisen. Ihre Zeugungsfähigkeit scheint nach botani- schen Erfahrungen stark beeinträchtigt a sein. Wenn der polyploide Kern bei der pluripolaren Teilung in verschiedenwertige Tochterkerne zerlegt wird, und wenn bei der Kernverschmelzung wiederum poikiloploide Kerne entstehen oder erhalten bleiben, dann sind diese nicht in gleicher Weise lebens- fähig. Kleine Kerne mit geringem Chromosomenbestand fallen einer Degeneration anheim, aber auch große Kerne mit hyperorthoploidem Ohromosomenbestand. Die Vorgänge, die die pathologische Anatomie als Karyorhexis, Karyopyknose u.s. w. beschreibt, sind in bunter Folge anzutreffen, parallel mit vakuolärer, fettiger u. S. w. NER: ration des Zytoplasmas. Für die Analyse des Zellteilungsvorganges sind‘ wichtige Schlüsse aus dem soeben Beschriebenen zu ziehen: Kernteilung und Zellteilung verhalten sich zueinander wie Primär- und Sekundär- strom eines Induktionsapparates. Die Kernteilung ıst das Primäre und veranlaßt die Zellteilung. Wie aber zum Entstehen des Se- kundärstromes nötig ıst, daß der Sekundärstromkreis geschlossen ist, so müssen für die Zellteilung auch bestimmte zum Teil noch unbekannte Vorbedingungen erfüllt sein. Die unterdrückte Zell- teilung zwingt die Tochterkerne sich zu plurivalenten Kernen zu vereinigen. Der neue plurivalente Kern wird in der Regel, da die Zentrosomenzahl auch vermehrt ıst, sich ın mehr als zwei Tochter- kerne teilen. | " _H. van Trigt: A Contribution to the Physiology_ete. 37 Zum Schlusse kehre ich zurück zum Ausgangspunkt dieser - Arbeit, dem Geschlechtsbildungsproblem. Nachdem es sich ergeben hat, daß die von Pflüger, Born, Friedmann, Kuschakewitsch, — Witschi u. a. beschriebenen Eier keine Eier, sondern polyploide - Riesenzellen darstellen, ist es unhaltbar anzunehmen, daß ihre Aus- gangszellen, Archispermatozyten und Spermatogonien, wie Her- mann und neuerdings Öhampy annehmen, sexuell indifferent sind. Nachdem sich durch die neuen Untersuchungen von Kopsch auch die anderen Angaben von Pflüger, betreffend das Alter der Jung- h frösche, als völlig unzutreffend ergeben haben, sind neue Unter- suchungen nötig geworden. Die metagame Geschlechtsbestimmung der Frösche ist zweifelhaft geworden. Bei der Geschlechtsdiagnose von Jungfröschen ist große Vorsicht geboten, da die „degenerescence oviforme“ auch schon bei der Larve auftritt. Es gibt zweifellos auch bei den Fröschen aber sehr selten echte Hermaphroditen. Zusatz bei der Korrektur: Soeben veröffentlicht W.J. Schmidt im Anatom. Anz., daß er ın der Epidermis des Laubfrosches Riesen- epithelzellen mit mehreren orthomorphen oder einem Riesenkern gefunden hat. Letztere „gleichen ganz auffallend Eizellen“. Es ‚handelt sich zweifellos um denselben NOLBEnB, der von mir für ‚Hodenzellen beschrieben wurde, a Er Referate. H. van Trigt: A Contribution to the Physiology of the fresh-water Sponges (Spongillidae). I. Dissertation Leiden 1919 (E. J. Brill), S. VIII 220 und 6 Tafeln. II. Tijdschr. d. Nederl. Dierkund. Vereenig., 2e Ser. DI. XVII, 1919. III. Proceed. Kon. Akademie v. Wetenschappen, Amsterdam, Vol. 20, Nov. 1917. Wenn auch im Laufe der Zeit zahlreiche Untersuchungen über das Chlorophyll, den Wasserstrom, die Nahrungsaufnahme, die Ver- dauung und die Defäkation der Süßwasserschwämme veröffentlicht worden sind, so zeigte es sich dennoch dem Verfasser der oben zitierten Schriften während seiner vierjährigen Arbeit, daß mehrere der all- gemein anerkannten Resultate ganz unrichtig waren; während andere, noch nicht allgemein anerkannte, durch neue und mehr entscheidende Beweise von ıhm bestätigt werden konnten. Das Chlorophyll. Inden deutschen, holländischen und fran- ( .zösischen Handbüchern wird, wohl zum Teil infolge der bahnbrechen- den Untersuchungen Brandt’s, die Ansicht vertreten, daß den Spongilliden selbstgebildetes Chlorophyll fehlt; während in den eng- lischen die entgegengesetzte Meinung Lankester s noch (mehr oder weniger) aufrechterhalten wird. Die Beweisführung Brandt’s war zwar gut, aber nicht ganz genügend. Es war nun dem Verfasser ar re u 0 Fe ae ui % ET Be NE N er KR nn; 38 H. van Trigt: A: Con Mb to the Piyiology 0 abe möglich absolut estächerdeane und zum Teil neue Beweise für die Algennatur der Chlorophylikörper - (Brandt’s Ansicht) herbei- zuführen. Die symbiotische Alge der SE nonkiliden yibd in der botanischen Literatur allgemein zur Gattung Chlorella gerechnet, unter dem Namen Chlorella parasitica Brandt. Es zeigte sich aber dem Ver- fasser, als er die Fortpflanzung dieser Algen studierte, daß diese, Wenigatend in den von ihm untersuchten Schwämmen, ganz bestimmt keine Ühlorellen sind, sondern wahrscheinlich Plenpioee. Bekanntlich sind im allgemeinen die Spongilliden im Lichte grün und im Dunkeln farblos (creme-weiß), während grüne Exem- plare ım Dunkeln farblos und farblose im Lichte grün werden. Bis jetzt war man (u.a. Brandt und Lankester) darüber einig, wohl in Analogie mit den bekannten Erfahrungen bei den Angiospermen, daß auch ‘dieses zu erklären wäre dadurch, daß der Chlorophyll- farbstoff sich ım Dunkeln nicht ausbilden ie Verfasser war aber imstande zu zeigen, daß diese Erklärung durchaus unrichtig, und die richtige sehr kompliziert ist: Die grünen symbiotischen Algen nämlich können wohl ım Dunkeln Chlorophyll produzieren, da- gegen nur durch Absterben farblos werden. Ein farbloser Schwamm hat zahlreiche abgestorbene (und nur wenige lebendige) Algen, ein grüner Schwamm zahlreiche lebendige (und weniger ab- gestorbene). So kam es darauf an, die Faktoren zu studieren, welche die Zahl der Algen in den Schwammgeweben beherrschen. Es zeigten sich deren sechs, welche alle unter den verschiedenen äußeren Bedingungen einzeln untersucht wurden. Mit diesen Daten konnte der Verfasser schließlich beweisen, weshalb die Spongilliden sich im Lichte und im Dunkeln ebenso betragen müssen, wie wir im ersten Satz dieses Absatzes gesehen haben. / Der allgemeinen Auffassung nach ist das symbiotische Ver- hältnis von Süßwasserschwamm und Alge wahrscheinlich auf gegen- seitigen Nutzen gegründet. So wird Spongilla denn auch wohl fast wie ein klassisches Beispiel von Symbiose neben den Flechten be- trachtet. Jedoch sind über dieses gegenseitige Verhältnis von „Wirt“ und „Gast“ nur wenige, dürftige Experimente gemacht worden. Der Verfasser der oben zitierten Schriften konnte sich durch zahlreiche Untersuchungen davon überzeugen, daß die Ver- einigung mit dem Schwamm der Alge im Dunkeln nur Nachteil, im Lichte dagegen wohl einen Vorteil verschafft — welcher Vorteil aber nur in dem gebotenen Schutz (und dennoch einem sehr be- schränkten), nicht in einem besseren Nahrungsmedium besteht. Die Frage, ob andererseits die lebendige Alge ihrem Wirte bestimmte Vorteile gewährt, hat der Verfasser noch nicht ganz entscheiden können: Direkte Überführung von Assimilaten aus den lebendigen Algen in die onnsewabe, findet sehr wahrscheinlich nicht statt; und für eine vielleicht große Bedeutung des von den grünen Algen im Re ir RE ae » ya Di ae u hr De Be "an n Teigt: A Contribution to the Physiology etc. 39 . Lichte ausgeschiedenen Sauerstofls wurden einige Anhaltspunkte ge- funden, doch soll diese Sache noch näher studiert werden. Es bleibt weiter als feststehend übrig, daß die Spongie ım Lichte viele und im Dunkeln alle von ihr fortwährend neu importierten und schon beherbergten Algen zerstört und verdaut. Die Vereini- gung von Ns asndrächwamm und Alge ist also, statt eines klassischen Beispiels von Symbiose im Sınne des Mutualismus der Lichenen, höchstens ein Übergang von einem Ernährungsprozeß (des Schwam- mes) in eine noch sehr unvollkommene Symbiose zu nennen. Fıe,v1, Die Reihenfolge der Bewegungsstadien der Geißel einer isolierten Kragenzelle. (X 1770). Die Pfeile zeigen die Richtung des Wasserstromes, die Punkte schwebende Teilchen. Das Moment der Beobachtung ist jedesmal angegeben; «a sofort nach Isolierung, bei e völliger Stillstand der Geißel. Der Kragen ist zurückgezogen. Der Wasserstrom. Hinsichtlich der Ursache de Stromes in den Kanälen wird jetzt wohl allgemein die Untersuchung und die Theorie von Vosmaer und Pekelharing als richtig anerkannt. Sie besagt kurz: Die Geißelbewegung der Choanocyten ist unregel-' mäßıg, hin- und hergehend (wie Fig. 1d), wodurch der Wasserstrom in den Geißelkammern nicht ein regelmäßig fortfließender, sondern . ein wirbelnder ist. Verfasser aber war imstande an gänzlich unversehrtem, normal lebendem Gewebe und an Zupfpräparaten von solchem Gewebe zu zeigen, daß die hier beschriebene Geißel- bewegung nicht die normale ist, sondern eine abnorme, durch Er- schöpfung entstandene; daß die bernle Bewegung sich vollzieht in: Schrauben- oder Wellenlinien (Fig. 1a, 2, 3), also wie bei den Flagellaten namentlich den Choanoflagellaten; ‚daß durch Erschöpfung . ganz andere Bewegungen der Flagellen veranlaßt werden (Fig. 1 b—d) bis zu völligem Stillstand (Fig. 1e). Der gesamte Wasser- strom in einer Geißelkammer ist selbstverständlich die Resultante der von jeder Geißel für sich allein zustande gebrachten Strömchen; er ıst schnell und regelmäßig (Fig. 3). 8 Vosmaer und Pekelharing hl ER al rien anerkannt, nur Minchin vertritt eine etwas andere MeınuDER Die beiden : | | Fig. 2. Intakte Geißelkammer?einer Spongilla in normal lebendem Gewebe x 1430). nn | Fig. 3.x N N ersten Forscher behaupten, daß die Kragenzellen die Wirkliehete in Nahrung aufnehmenden Organe seien, während Minchin der Mei- Ba nung ist, daß neben den Kragenzellen auch die Kanalwandzelen diese Aufnahme veranlassen würden. Die Ye Bas Nahrungs“ s lt?” r N N ee f 4 EN"; \ | WAND, Ä i . r van ’ Trigt: A Cöntribution to the Physiology etc. 4 aufnahme durch die Kragenzellen wurde selbstverständlich ganz in "Übereinstimmung mit der Wasserbewegungstheorie von Vosmaer und Pekelharing gedacht. So sagen diese Untersucher, daß die Wirbelbewegung des Wassers in den Geißelkammern die Nahrungs- partikeln so viel als möglich in die Kragen der CUhoanocyten hin- einführt. Da nun aber der Verfasser ım Gegensatz zu diesen For- schern eine ganz andere Art der Geißel- und Wasserbewegung als die normale hat feststellen können, sollte selbstverständlich die Weise der Nahrungsaufnahme in den Geißelkammern sich in seinen lebendigen Präparaten auch als eine ganz andere zeigen: Die Nah- ' rungspartikeln werden gar nicht in den Kragen, sondern eben - außerhalb zwischen den Kragen (besonders an ıhren Basen) oder zwischen den Körpern der Choanocyten eingefangen (Fig. 4), also ganz genau in derselben Weise wie bei den Choanoflagellaten. ee a a rd vu i u " ee Fig. 4. E: Daß dies der Fall sein muß, zeigt sich klar aus der Figur 3; denn. - die Körper und Kragen der Choanocyten müssen, sozusagen, das © zwischen ihnen zirkulierende Wasser von allen schwebenden Teilchen e rein filtrieren. ‚Die aufgefangenen Partikeln werden dann in die Kragenzellen hineingeführt und bald wieder von diesen in die - Mesogloea ausgestoßen (was der Verfasser auch in seinen lebendigen . Präparaten hat beobachten können), woher die Amöboeyten sie später wieder aufnehmen. Außer dieser Weise der Nahrungsaufnahme von — fast ausschließlich kleinen — Partikeln hat der Verfasser auch noch eine zweite, ganz andere in seinen Präparaten fest- stellen können, und zwar von gröberen Partikeln außerhalb der Ser EEE Geißelkammern. Die groben Partikeln nämlich, mit dem Wasser- strom zu den Geißelkammern gekommen, geraten in oder an die 2 Prosopylen und verstopfen sie (Fig. 6); die dünne Gewebeschicht Ss ' aber, welche die Kammern an der Zufuhrkanalseite auskleidet und. 7 hr a Fr ART Ar en . % 3) a 4. Ar =, z ri L4 r; “ “ ».>. y- N 49 H. van Trigt: A Contribution to the Physiology et. DD. welche dem Verfasser eine lebhafte Protoplasmaströmung ehe as (Fig. 5 pl.l), nimmt bald diese Partikeln in sich auf und führt sie ab ın das Parenchym hinein (Fig. 6, 2—4), wodurch die Prosopylen auch wieder zugänglich werden. | | | Pie HH Nr ale Die Verdauung. Verfasser studierte diesen Prozeß haupt- sächlich nur insofern er Beziehung hatte auf die symbiotische Alge. Die Verdauung vollzieht sich in den Amöbocyten (wie schon be- kannt war), meistens frei im Protoplasma, bisweilen aber in Vakuolen (nach dem Verfasser soll dazwischen kein prinzipieller Unterschied bestehen). Von den Verdauungsprodukten der Algen konnten Kohle- hydrat und Fett im Haushalt der Spongie nachgewiesen werden, a nl nn BEE INHE RR. “ 407, \ —_H. van Trigt: A Contribution to the Physiology ete. 43 Die Verdauungsenzyme wurden nicht studiert; nur zeigte sich die Anwesenheit einer Lipase. Die Defäkation und Exkretion. Von diesen beiden Pro- zessen ist nur wenig mit Sicherheit bekannt. Der Verfasser nun konnte an seinen lebendigen Präparaten beobachten, daß Defäkation (und wahrscheinlich Exkretion zu gleicher Zeit) massenhaft statt- findet mittels Vakuolen ın den Kanalwandzellen, welche Zellen selber in der Wand zurückbleiben (Fig.7). [Da die Fäzes selbstverständ- lich nur in die Abfuhrkanäle ausgestoßen werden sollen, zeigen diese Vakuolen ein merkwürdiges Benehmen.] Auch zeigte sich Fig. 7. öfters eine Sammelstelle der Fäzes in der Nähe der Apopyle der Geißelkammern (Fig. 5); und während nun einerseits immer neue Fäzes von der Protoplasmaströmung in der dünnen Gewebeschicht (pl. 1; s. oben) nach dieser Stelle hingeschafft wurden (—2—3), konnte man andererseits beobachten, daß bisweilen ein großes Fäzes- konglomerat aus der Sammelstelle in den Abfuhrkanal ausgestoßen _ wurde (Fig. 5). Gewiß ein sehr tüchtiges Reinigungssystem! Anhang. Merkwürdiges Benehmen lebendiger Gem- mulazellen!). Schon Lieberkühn und Weltner haben beob- ‚achtet, daß diese Zellen in Wasser gebracht stark anschwellen und schließlich platzen; daß die angeschwollenen Zellen aber vorher ihre großen Einschlüsse (z. B. die Dotterkörner) kräftig austreiben. Doch haben beide Untersucher dieses merkwürdige Benehmen gar- nicht weiter studiert. Der Verfasser nun (der dieselben Prozesse ohne Kenntnis der Lieberkühn’schen und Weltner’schen Beob- achtungen gesehen hat) bemühte sich besonders auch deren Erklärung zu finden, und die Frage zu lösen, ob sie irgendeine Bedeutung (und welche!) für die lebendigen Gemmulae in der Natur haben könnten. Er kam dabei zu einer überraschenden Ansicht: Die An- schwellung der Zellen (durch Wasserzutritt bei der Keimung) würde die notwendige Kraft liefern zur Sprengung der Chitinmembran und zur Austreibung der Zellenmasse aus der Gemmulahülle. Das 1) H. van Trigt: Archives Neerland. de Physiologie, T. 2, 1918. h KEN ML ET TE“ ey NE EN MA } , re 3 A AT ir J Er Z welt 4 Ye Ei 5 A ; ER ER Paar, Ar * y ; d » 1 N £ * an x (2 Y r 44 OÖ. Steche, Grundriß der Zoologie. 7 Ausstoßen der zahlreichen Dotterkörner zu dieser Zeit würde Aa aber nıcht nur .die Zellen bei zu großer Anschwellung vor Platzen behüten, sondern auch der erste Schritt zur Zellteilung sein, welche Teilung bis auf diesen Augenblick von der sehr sroßen Dottermasse verhindert oder doch wenigstens stark gehemmt war. Wir wissen doch, daß im ganzen Tierreich die Menge des Nahrungs- dotters stark herimend auf die Zellteilungen einwirkt; der gewöhnliche Weg nun der inäqualen oder sogar partiellen Furchung kann hier aber von den zahlreichen Zellen einer Gemmula unmöglich ein- geschlagen werden. Daher diese außergewöhnliche Lösung; für seine Ansicht führt der Verfasser noch weitere Gründe an. hat I Otto Steche: Grundrifs der Zoologie. Eine Einführung in die Lehre vom Bau und von den Lebenserscheinungen der Tiere für Studierende der Naturwissenschaften und Medizin. Leipzig, Veit & Co. 1919. Das Buch ist eine gute, gemeinverständliche, moderne Zoologie. In fünf Abschnitten sind: 1. Allgemeine Morphologie, 2. Deszendenztheorie, Vererbung und Artbildung, 3. Fortpflanzung, 4. Allgemeine Physiologie und 5. Vergleichende Anatomie dargestellt. Im ersten Teil werden die Tierstämme in der üblichen Reihenfolge knapp ge- schildert. Die knappe Art der Darstellung bringt es mit sich, daß auf 100 Seiten, der Stoff, der sonst ein Lehrbuch füllt, eng zusammengedrängt ist. Die Uberfülle von Einzeltatsachen lassen diesen Abschnitt nicht sehr übersichtlich erscheinen. So aner- kennenswert das Bestreben ist, jeweils mit der Beschreibung der Tierformen die an ihnen beobachteten biologischen, physiologischen oder sonstigen Gesetzmäßigkeiten zu verknüpfen, so macht doch diese weitere Steigerung zusammengedrängten Materials die Darstellung sehwer lesbar. Besonders bei der Darstellung in diesem Abschnitt über die Morphologie der Tiere ist die Art der Illustration des Buches sehr störend. Es war wohl zum Teil die Papiernot der Verleger, welche veranlaßte, den Text auf ein Papier zu drucken, der Textillustrationen nicht zuließ. Es wurde nun versucht, diesen Mangel durch herauszuklappende Tafeln zu kompensieren, auf denen in kleinen schematischen Abbildungen die Tiere, ihre Organi- sation u.s.w. dargestellt sind. Das gibt dem ganzen Buch ein wenig geschmackvolles äußeres Gewand, das weit abführt von dem Weg der Buchkultur, der vor dem Krieg auch in Deutschland so erfolgreich angebahnt war und bei dem man auch Unterrichtszwecken dienende Bücher mitumfassen wollte und sollte. _ Aber vielleicht ist das äußere Gewand des Buchs zum Teil durch die Produktions- bedingungen der Kriegszeit verschuldet. Aber mir scheint die ganze Absicht, die mit den bunten, schematischen Bildern angestrebt wurde, anfechtbar. Ich halte im naturwissenschaftlichen Unterricht das Schema wohl für eine Notwendigkeit; aber es bleibt ein Hilfsmittel, Anschauung und Beschäftigung mit dem Objekt, natürliche Abbildungen werden für jeden notwendig bleiben, der mit Objekten der Natur zu tun hat. Ich würde es für einen traurigen Erfolg des Buches halten, wenn unsere Medizinstudenten von ihm den Eindruck mit- nehmen würden, daß die lebendige Tierwelt aus lauter solchen bunten schematischen Umrissen zusammengesetzt sei, wie die Abbildungen des Buchs sie darstellen. Abgesehen von dieser prinzipiellen Beurteilung der Abbildungen ist anzuerkennen, daß sie gut durchdacht und zweckmäßig ausgeführt sind. Das gilt auch von den tabellarischen Zusammenstellungen und Übersichten, an denen das Buch reich ist. Ö. Steche, Grundriß der Zoologie. | 45 Der zweite Teil des Buchs bringt eine Darstellung der Deszendenztheorie und im Zusammenhang damit eine Erörterung der Fragen der Vererbung und Artbildung. Sehr klar und übersichtlich ist die knapp gefaßte „historische Entwicklung der Des- zendenztheorie“. Darwin’s Zuchtwahltheorie wird in einem Kapitel über Schutzfärbung und _ Mimikry vertreten, in welchem der Mangel natürlicher Abbildungen besonders auffällt. In der üblichen Weise, ziemlich breit dargestellt, folgen die Zeugnisse der Palä- ‚ontologie, Vergleichenden Anatomie, Tiergeographie und vergleichenden Entwicklungs- geschichte für die Deszendenztheorie. Etwas auffallend in einem als Lehrbuch gedachten Werk ist die Erwähnung, der doch wenig fundierten Pendulationstheorie Simroth’s im Abschnitt über Tiergeographie. Bei der Darstellung des biogenetischen Grundgesetzes hätte dementsprechend die moderne - Kritik nicht übersehen werden dürfen. Sehr klar sind die Abschnitte über Zell- und Kernteilung, Reifung, Befruchtung ‘ sowie der anschließende über Vererbung und Mendels’che Regeln. Bei diesen Kapiteln kommen die gut durchdachten schematischen Abbildungen sehr zur Geltung. Sehr angebracht ‘sind die Sätze über die praktische Bedeutung der Vererbungserfahrungen beim Menschen. B, Gut dargestellt sind auch die Gesetze der Variation und mit ihnen die neueren Beobachtungen über Mutation. Die aus den neuen Forschungen sich ergebende Kritik und Einschränkung der Selektionstheorie finden eine knappe, klare Schilderung. Ein neuntes Kapitel behandelt die Anpassung als artbildendes Prinzip, was zur 4 ua a 3 Erörterung des Lamarckismus und der Vererbung erworbener Eigenschaften führt. Im EZ usammenhang mit diesen Problemen werden die Weisman.n’schen Theorien kritisiert, die Besonderheiten des Keimplasmas erörtert und die Vorgänge der Teaeneran be 0 sprochen. } . In diesem Kohn fällt auf, wie wenig kritisch der Verfasser den EN bestrittenen _ Vererbungsversuchen Kammerer’s gegenüber steht. Dagegen kann Referent sich voll- 3 kommen mit den kritischen Bemerkungen des Verfassers über Weismann’s Behauptung eines weitgehenden Gregensatzes zwischen Keimzejlen und Körperzellen einverstanden erklären. % Nicht ganz klar sind seine Ausführungen über Zweckmäßigkeit im 10. Kapitel Ei; ‘des Buchs. Dies Kapitel enthält offenbar eigene Anschauungen, des Verfassers, die scheinbar noch nicht vollkommen geklärt sind und infolgedessen in einem Buch, das f; ‚ doch für Anfänger bestimmt ist, sich nicht am rechten Ort befinden. An sich sind sie E. nicht uninteressant und eine Diskussion wert,- für die aber in dieser Kritik nicht der richtige Platz ist. Das gilt auch für die an diese Erörterungen angeschlossenen Abschnitte über Anpassung, Vererbung, Artbildung: und Mutation. Ein letzter Abschnitt des zweiten Teils .des Buchs gibt einen Überblick über die Anschauungen, welche über Urzeugung und die Herkunft des Lebens auf der Erde - sich gebildet haben. | Im dritten Hauptteil des Buchs wird das so wichtige Gebiet der Fortpflanzung dargestellt. Geschlechtliche Differenzierung und Schilderung der sekundären Geschlechts- ° merkmale von Männchen und Weibchen leiten ihn ein. Gutgewählte Beispiele erläutern ‚die Vorgänge. Darwin’s Theorie der geschlechtlichen Zuchtwahl in ihrer ursprünglichen ' Form wird mit Recht abgelehnt. Dann folgt ein ausführliches Kapitel über Brutpflege; auf.dieses zwei Kapitel über die Staatenbildung bei den Insekten. In ihnen ist nicht nur die gesamte Biologie der Formen geschildert, es werden auch Erörterungen über we. In ne gegeben, die aber in ihrer aphoristischen Form nicht ganz einwand- rei sin Als wichtige Form der Fortpflanzung wird im nächsten Kapitel Parthenogenese und Paedogenese besprochen. Vor allem von zyklischer Parthenogenesis werden als Beispiele die Daphniden, Blattläuse und Gallwespen geschildert, bei denen Heterogonie vorkommt. Im Anschluß wird Neotenie, Paedogenese und Polyembryonie kurz erwähnt. \ Etwas merkwürdig mutet die Einschaltung eines Kapitels über parasitische Würmer Be an BAER Stelle an, Sie wird begründet durch die Anknüpfung an die Paedogenese. 46 O. Steche, CAndiriß der Geologie. Die Behandlung der Parasiten ist für ein Lehrbuch, das auch zur Vorbildung von Medi- zinern dienen soll, recht knapp und ohne rechte Beziehung zur medizinischen Bedeutung. Auch bei diesem Kapitel sind die Abbildungen allzu primitiv. Sollte wohl ein Mediziner nach diesen bunten Bildern sich eine richtige Vorstellung von einem Bandwurm machen können ? Ein weiterer Abschnitt bringt die ungeschlechtliche Fortpflanzung: Knospung und Teilung. Im Anschluß an Fragen, welche durch deren Betrachtung angeregt wurden, wird noch einmal die Bedeutung der Befruchtung besprochen und schließlich die Ge- schlechtsbestimmung. Hier werden die Experimente beschrieben und die eytologischen Untersuchungen dargestellt, welche zur Bildung ungleichwertiger Keimzellen führen. In diesem Abschnitt ist dem Verfasser ein Irrtum unterlaufen, der nicht ohne weiteres übersehen werden darf. Er gibt an, daß die Zellen von Ascarös lumbricoides für Untersuchung der Mitose sehr günstig seien und daß an dieser Form viele Unter- sucher durch deren giftige Ausscheidungen Krankheiten sich zugezogen hätten. Diese Angabe ist insofern ungenau, als sie zwei Arten zusammenwirft. Ascaris lumbricoides, der Menschenspulwurm ist es, dessen Präparation bei verschiedenen Forschern eigen- artige Reizerscheinungen, so Schleimhautentzündungen, Schnupfen u. dgl. auslösten. Dessen Zellen sind wie die Arbeit von Bonnevie zeigt, für eytologische Untersuchungen nicht sehr. günstig. Das wundervolle, so berühmte Material für cytologische Unter- suchungen, an denen vor allem Boveri seine bahnbrechenden Forschungen ausgeführt hat, sind die Eizellen des Pferdespulwurms, Ascaris megalocepha’a, dessen Ausschei- dungen in der Regel nicht so giftig wirken. Der vierte Teil des Werkes bringt einen sehr vollständigen Überblick über die allgemeine Physiologie der Tiere. Das bringt eine sehr wichtige Neuerung in einer Darstellung der Zoologie. Sie ist der Ausdruck der Neuorientierung unserer Wissen- schaft, welche nach ihrer vorwiegend morphologischen Periode in eine neue Periode physiologischer Erforschung der Tierwelt eingetreten ist. Es ist durchaus notwendig, - daß eine moderne Darstellung des gesamten Gebietes der Zoologie die neuen Forschungs- resultate der Tierphysiologie umfaßt. Steche gibt zunächst eine Klare, sehr durchdachte Charakteristik des Lebens, als dessen wesentlichstes Merkmal der Stoffwechsel, Assimilation und Dissimilation, be- zeichnet wird. Der tierische Stoffwechsel wird dem pflanzlichen gegenüber charakterisiert, Ernährung und Verdauung der Tiere beschrieben. Es folgt die Beschreibung der Re- sorptionsvorgänge und der Bildung arteigener Stoffe im Tierkörper. Im Anschluß an diese werden Toxine und Abwehrfermente, Antikörper und Anti- toxine sehr originell besprochen. Die Wichtigkeit der Präzipitinreaktion für die Fest- stellung der Verwandtschaft von Tierformen wird dargelegt, die Bedeutung der Blut- transfusion erörtert. N Ein sehr interessanter Abschnitt handelt vom Blut und der Regulierung des osmoti- schen Drucks. Ebenso wichtig ist das Kapitel über die Ernährung der Gewebezellen und ihre Abhängigkeit von der Permeabilität ihrer Membranen resp. Oberflächen- schichten. 2 Im 6. Kapitel des ‘physiologischen Teils wird Bau- und Betriebsstoffwechsel kurz erläutert. Die anschließenden Angaben über Wachstum, Altern und Tod sind recht fragmentarisch und entsprechen nicht dem Streben nach Vollständigkeit in anderen Abschnitten.‘ Es ist bei ihnen offenbar nur an höhere Tiere gedacht. Im Abschnitt über Aufnahme und Übertragung des, Sauerstoffs werden. die Atmungsorgane knapp, die Blutfarbstoffe etwas eingehender in ihrer Bedeutung für die Übertragung und Speicherung des Sauerstoffs beschrieben. Dies Kapitel ist in seinem Inhalt mehr ökologisch als physiologisch. | Im nächsten Kapitel ist sehr geschickt die Energieproduktion, der Energieverbrauch, die Wärmeerzeugung und Wärmeregulation dargestellt. Die schützenden Einrichtungen gegen Wärmeverlust werden beschrieben und ausführlich die verschiedenen Methoden der Wärmeerhaltung. der Winterschlaf bei Säugetieren, die allmähliche Erwerbung der Regulationsfähigkeit erörtert. \ Ö. Steche, Grundriß der Zoologie. 47 ‚Ein weiteres umfangreiches Kapitel bringt die biologischen Beziehungen der Tiere zur Temparatur der Umgebung ; so den Zug der Vögel und andere Tierwanderungen, die Winterruhe der Kaltblüter, Ruhestadien und Cystenbildung. = Kurz ist dagegen das Kapitel über Exkretion. Bildung und Ausscheidung des - Harnstoffs durch Nieren, von Kohlensäure und Wasser durch Haut und Atemorgane - werden geschildert. u. Eine übersichtliche Tafel See äheilicht recht gut den Eintritt der Nahrung in } den Körper, ihren Weg durch ihn hindurch und den Austritt aus seinen verschiedenen 4 - Organen und der Haut. er‘ Ein weiterer Abschnitt bringt die Bewegung und Bewegungsmittel der Tiere. Auch die Schwebfähigkeit der Tiere im Wasser, die besonderen Anpassungen der Plankton- organismen finden in diesem Zusammenhang ihre Darstellung. Man merkt es dem Verfasser an, daß solche ökologische Kapitel ihm am meisten liegen. So sind denn auch Muskeln, Muskelbewegung und Bewegungsformen mehr nach der morphologischen und ökologischen Seite dargestellt als nach der physiologischen. Gerade die Bewegungsformen sind sehr interessant aafgefaßt. Den Abschluß des physiologischen Teils bildet die Reizphysiologie. Es werden äußere und innere Reize angeführt, unter letzteren die Hormonwirkungen geschildert. Reizaufnahme, Reizleitung und Nervensystem werden besprochen. Reflexe, Reflexketten und Instinkte auf ihre Grundlagen untersucht. Die höhere Entwicklung des Nerven- systems wird mit der Entstehung der Individualität in Zusammenhang gebracht. Von Reflexautomaten über Gedächtnistiere mit ausgebildeten Assoziationen vollzieht sich der Fortschritt zur Intelligenz. . i Den fünften Teil des Buchs füllt eine ausführliche Darstellung der ver- — gleichenden Anatomie. Sie nimmt mit 160 Seiten fast ein Drittel des ganzen Werks in Anspruch. Steche hat im Gegensatz zu den meisten Lehrbüchern der ver- hi gleichenden Anatomie, welche nur die Wirbeltiere berücksichtigen, ähnlich wie Bütschli in seinem leider noch unvollendeten Werk, das gesamte Tierreich umfaßt. Wie üblich behandelt er der Reihe nach die Organsysteme. Das ist an sich schon eine anzuerkennende Leistung. Dabei ist das ganze Kapitel über vergleichende Anatomie die best lesbare, übersichtliche, knappe Darstellung des Gesamtgebiets in geschlossener Form, die ich bisher kenne Die Sprache ist klar und - flüssig und es finden sich zahlreiche gute Verknüpfungen von Tatsachen und Gedanken. An dieser Stelle seinoch auf eine Reihe von Versehen aufmerksam gemacht, wie sie in einem so umfangreichen Werk kaum zu vermeiden sind. Im Abschnitt über Protozoen -- finden sich manche Ungenauigkeiten, die mir als speziellem Protozoenforscher natürlich ‚besonders auffielen. Hervorheben möchte ich die Erwähnung von Chlamydophrys als Aseitesbewohner, die als nicht ganz gesicherte Beobachtung, nicht recht in ein Lehrbuch . paßt. Die Bemerkung S.236, daß bei der Schwärmerbildung der Vortizellen nn sich findet, ist in dieser Form ungenau. er Die Bemerkung & . 157 über die Dotterstöcke bei den Trematoden verleitet zur Pa Zn a A 5 ee « & > “7 HE Annahme, es fehlten solche den Turbellarien. Flüchtige Darstellungen sind nicht selten. Ei So wird von den Bandwürmern angegeben, Muskulatur und Nervensystem seien verein- > facht; es wird aber nicht erklärt, inwiefern dies der Fall ist. Die Angabe der Normal- zahl der Chromosomen sei stets eine gerade Zahl, stimmt in dieser Allgemeinheit nicht. In Fällen verschiedener Normalzahl bei Männchen und Weibchen kommt ungerade - Zahl vor, z.B. bei Protenor und Ancyracanthus. 8. 135/136 bei Besprechung der, \ Bastardierung vermisse ich die Betonung der so wichtigen Reinzucht. S. 240 sind die Dolomiten als fossile Korallenriffe bezeichnet, was ja früher einmal angenommen wurde, aber wohl nicht stimmt. d Auf Tafel 36 fehlt die Zahl 4. Die Abbildung des Bauchmarks der Anneliden - ist kaum verständlich. Auf Tafel 37 ist das Zwischenhirn tatsächlich grün gezeichnet, während die Tafelerklärung die Farbe rot dafür angibt. Auch im vergleichend anatomischen Teil muß man natürliche Abbildungen sehr - vermissen. ‚ Kein Herz, kein Gehirn u.s.w. findet sich in natürlicher Darstellung. _ Alles ist nur durch Schemata dargestellt, die zum Teil nicht alles im Text beschriebene Besastgeben., | a? „_. 48 Ö. Steche, Grundriß der Zoologie, u EN Überblicken wir das Werk als Ganzes, so darf ich mein Urteil wiederholen, mit dem ich diese Besprechung einleitete: es ist eine gute gemeinverständliche Darstellung der wesentlichen Gebiete der Zoologie. Der Verfasser muß eine ausgedehnte Literatur- kenntnis besitzen, welche er vorzüglich ausgenützt hat, um in allen Teilen des Buches 2: Nr » yo 2 selbst neueste Ergebnisse der Forschung einzuflechten. Oft hätte man allerdings mehr 5 Kritik an den angeführten Tatsachen erwartet und gewünscht. Auf alle Fälle wird das Buch dem Fachzoologen erwünscht und nützlich sein. Mit der Fülle von Stoff, die in ihm verarbeitet ist, wird es ein geeignetes Nachschlagebuch sein. Viele Abschnitte sind auch so flüssig, in gutem Stil geschrieben, verarbeiten den Stoff gedanklich so gut ‘ und übersichtlich, daß man solche Teile gern seinen Studenten in die Hand geben wird. Anders muß sich das Urteil gestalten, wenn man erwägt, ob es sich um ein neues zum Unterricht besser als die bisher vorliegenden Bücher geeignetes Lehrbuch für den Universitätsunterricht erweist. Als solches ist es ja bezeichnet durch den Untertitel einer „Einführung“ für Studierende der Naturwissenschaften und Medizin. Sicher ist es für reifere Studierende der Naturwissenschaften geeignet und sogar eine sehr erfreuliche Bereicherung unserer Literatur. Aber für den Anfänger in Zoologie und gar für den Mediziner in den ersten Semestern ist es sicher nicht die BINEe Einführung. Was diese Kritik veranlaßt, ist nicht nur die früher u: kritisierte Illustration des Buchs, sondern vor allem die Überfülle des in ihm angehäuften Stoffs. Ein Lehrbuch sollte stets nach didaktischen Prinzipien aufgebaut sein. Davon ist in der Grundanlage des Grundrisses von Steche nichts zu erkennen. Einzelne Probleme sind wohl gut und präzis dargelegt und erläutert, aber das sind einzelne Kegel des Ganzen. Man kann das Buch nicht in einem Zug duroker lee und dann ein ge- sichertes Resultat für die Zukunft mitnehmen. Es ist nicht ein einheitliches Werk, . sondern eher ein Bündel von 4—5 Lehrbüchern verschiedener Disziplinen der Zoologie. Es verrät keine didaktischen Tendenzen und größere Lehrerfahrung. Somit kann es nicht bei der beabsichtigten Reform des Hochschulunterrichts die Rolle spielen, die ich von ihm erhoffte, als ich es als neues Lehrbuch der Zoologie in die Hand bekam. Sicherlich enthält es für diesen Zweck viel zu viel. Und das Viele ist nicht genügend verarbeitet, nicht pädagogisch ausgenützt. Die wichtigsten Gesetze und Tat- sachen ziehen zu flüchtig an dem Leser vorbei und werden von der Überfülle von Einzeltatsachen erstickt. | | Sn, Und doch schließe ich meine Kritik mit der Meinung, daß es ein gutes Buch, eine anständige Leistung ist. Die Zusammenstellung des Materials ist oft eigenartig, gute Gedanken werden vielfach ausgesprochen. So ist es jedem, der sich für Zoologie inter- essiert, vor allem .dem Studenten der Naturwissenschaften in höheren Semestern sehr zu empfehlen. | 'F. Dotlein. Verlag von Georg Thieme in Leipzig, Antonstraße 15. — Druck der Hof- u. Universitäts- Buchdruckerei von Junge & Sohn in Erlangen. Be logisches Zentralblatt Begründet von J. Rosenthal Herausgegeben von Dr. K. Goebel und Dr. R. Hertwig Professor der Botanik Professor der Zoologie in München 4 E Verlag von Georg Thieme in Leipzig a mm — m i £ Fey RZ) Sb VERS VISTRRE 40. Band Februar-März 1920 Nr. 2u.3 ausgegeben am 30. April 1920 Der jährliche Abonnementspreis (12 Hefte) beträgt 20 Mark Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten . Die Herren Mitarbeiter werden ersucht, die Beiträge aus dem Gebiete der Zoologie, vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte an Herrn Prof. Dr. R. Hertwig, München, Alte Akademie, alle übrigen (nach vorheriger Anfrage) an Herrn Prof. Dr. K. Goebel, München, 7 Menzingerstr 15, einsenden zu wollen. k Inhalt: P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. 8. 49.. % A. Pratje, Die Chemie des Zellkernes. $. 83. E. Wiedemann, Über 'Gesetzmäßigkeiten bei Pflanzen nach al Birüni. 8. 113. H- G. Doormann, Die Mechanik des Sprunges der Schnellkäfer (Elateriden). 8. 116. N H. Kraepelin, Die Sprengel’sche „Saftmal-Theorie“. S. 120. = Referate: Johs. Schmidt (Carlsberg-Labor. Kopenhagen), Der Zeugungswert des Individuums. 8. 141. Br? H. Molisch, Pflanzenphysiologie als Theorie der Gärtnerei. S. 144. B F. Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen. S. 144. ?.;, N ig | : e Zur Mechanik der Geifselbewegung. = | PR Von P. Metzner. Mit 18 Textfiguren. I. Einleitung. Die vielgestaltigen Bewegungsorganellen des Zelleibes von tierischen wie pflanzlichen Organismen und ihre mannigfachen Formen der Bewegung sind schon öfter eingehend studiert worden. - Zusammenfassende Berichte über die bisher erzielten Ergebnisse sind in neuerer Zeit besonders in den monographischen Bearbei- tungen von Pütter (1902) und Erhard (1910) gegeben worden, wo auch ein großer Teil der überaus reichen Literatur verzeichnet ist. Trotzdem müssen wir sagen, daß unsere Kenntnis sowohl der feineren anatomischen Verhältnisse der Cilien (im weitesten Sinn) wie der mechanischen Grundlagen der Bewegung noch außer- ordentlich lückenhaft ist. Das liegt einerseits daran, daß diese ‚Gebilde vielfach an der Grenze dessen liegen, was mit unseren optischen Hilfsmitteln überhaupt noch differenzierbar erscheint, andererseits an der großen Schwierigkeit, die die Analyse der Be- _ wegung des normalen — also in keiner Weise beeinträchtigten — Organismus bietet. — Wir wollen bei den folgenden Betrachtungen Be; 40, Band, a, | 4 50 | P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. » von vornherein zweckmäßig unterscheiden zwischen der äußeren Mechanık der Bewegung, also der Formveränderung, die die Geißel unter dem Einfluß der inneren und äußeren Kräfte erleidet und ihrer mechanischen Wirksamkeit — und der inneren Me- chanık —- den Vorgängen im Plasma des Bewegungsapparates, als deren Erfolg die Bewegung aufgefaßt werden muß. Die äußere Mechanik kann rein physikalisch betrachtet und analysiert werden und ıst sowohl der direkten Beobachtung als auch dem Experiment zugänglich. Bei der Feinheit der Gebilde war aber das Studium der Bewegung bis in neuere Zeit eigentlich nur an gröberen oder besonders günstigen Objekten (z. B. Sper- matozoen) möglich — oder an solchen, die infolge irgendwelcher physiologischer Zustände oder physikalischer Maßnahmen (Ein- bettung in Kirschgummi, Agar, Gelatine u.a. m.) nur verlangsamte Bewegung zeigten. Erst mit Einführung der modernen Methoden .. der Dunkelfeldbeleuchtung ın die mikroskopische Technik war das Mittel gegeben, die Oilien in ihrer vollen Tätigkeit am normalen Organısmus zu beobachten. Unter den mit diesen Hilfsmitteln ausgeführten Untersuchungen sind besonders die Arbeiten von K. Reichert (1909), Vl, Ulehla .(1911) und J. Buder (1915) über die Geißelbewegung von Flagellaten und Bakterien hervor- zuheben. Die Bewegungen sind so manmnigfaltig, daß es schwer erscheint, sie auf gewisse Typen zurückzuführen. Die alte von Valentin’ (1842) herrührende Unterscheidung von vier Arten der Bewegung: 1. dıe hakenförmige (Motus uncinatus), 2. die trichter- förmige (M. infundibuliformis), 3. die schwankende (M. vacillans) und 4. die wellenförmige Bewegung (M. undulatus), denen Becker (1857) die peitschenförmige (M. flagelliformis) und Erhard (1910) die schraubenförmige Bewegung (M. cochleariformis) hinzufügte, gibt nur einige besonders. einfache Spezialfälle an, zwischen denen die verschiedensten Übergänge und Kombinationen bestehen. Die Verhältnisse werden noch verwickelter dadurch, daß eine nnd die- selbe Cilie den Modus ihrer Bewegung mitunter auch wechseln kann. Gleichwohl können wir feststellen, daß unter gewissen Be- dingungen und bei gewissen Dimensionen relativ einfache Verhält- nisse obwalten, bei. denen es gelingt, auch eine Vorstellung der mechanischen Wirksamkeit zu gewinnen. Das ist zweifellos bei manchen, der nur eine „Geißel“ (bezw. einen Geißelschopf tragen- den Zellen, also Spermatozoen, Flagellaten und Bakterien der Fall. So verdanken wir Hensen (1881) die Analyse der Bewegung der Samenzellen vom Salamander und Bütschli (1889) die Theorie der Geißelbewegung der Flagellaten. Bütschli stellt sich bekannt- lich die Geißel infolge einer in ihr spiralig verlaufenden „Kontrak- tionslinie“ schraubig gekrümmt vor; dadurch, daß diese Kontrak- tionslinie die Geißel umwandert, gerät die „Geißelschraube* in Rotation, nun etwa analog einer. Schiffsschraube oder einem Pro- a WET Pi: Meister. Zur Mechanik der Geißelbewegung. 51 % peller wirkend. Diese wohldurchdachte Anschauung hat ziemlich allgemeine Anerkennung gefunden; in neuerer Zeit haben sich ihr besonders Reichert (1909) und Buder (1915) angeschlossen, während Ulehla (1911) sich hauptsächlich auf Grund seiner Beob- achtungen an Flagellaten ablehnend verhält und die Bütschli’sche Anschauung als nur für spezielle Fälle gültig ansieht. Nach seiner Ansicht ist der Schwingungsraum und die Gestaltsveränderung der Geißel normalerweise außerordentlich komplizierter Natur. Eine kritische Besprechung der Theorie Bütschlis’ findet sich auch bei Delage et Herouard (i896, p. 305); sie ist hervorgerufen durch eine mißverständliche Auffassung der von Bütschli vorausgesetzten inneren Vorgänge (vor allem des Wanderns der Kontraktionslinie). Die Ausführungen sind aber insofern von Interesse, als die Autoren versuchen mit Hilfe geometrischer Konstruktion nachzuweisen, daß eine bloße kegelförmige Schwingung unmittelbar zu keiner Fort- bewegung führen kann — während sie meinen, daß die wirklich zweckmäßige Schraubenrotation physiologisch nicht möglich sei'). Sıe kommen zu dem Schluß, die Fortbewegung erfolge mittelbar: infolge der schnellen kegelförmigen Schwingung der Geißel?) werde eine rückläufige Rotation des Korpers bedingt und so eine wirk- liche — allerdings langsamere — Rotation der Geißelschraube er- reicht. „Des lors, si le flagellum se trouve, une fois pour toutes, contourne en helice (helice conique probablement), cette helice, en tournant autour de son axe, se deplacera le long de cet axe et entrainera le corps a sa suite.“ Die Aufgabe der vorliegenden Untersuchung soll sein, den Gültigkeitsbereich der Bütschli’schen Theorie und die Berechtigung der verschiedenen Einwände auf Grund experimenteller Erfahrung nachzuprüfen. Andere einfache Arten der Bewegung sind nur selten in Erwägung gezogen worden. Der einfachste Beweguugsmodus ist wohl das Umschreiben eines einfachen kegelförmigen Raumes; von ıhm sagt Pfeffer (1904; p- 706): „Außerdem würde durch eine geeignete rhythmische Wieder- holung von Kontraktionen oder von Kegelschwingungen eine Schwimmbewegung des Schwärmers erzielbar sein“, ohne jedoch auf die mechanischen Verhältnisse dieses Spezialfalles einzugehen, der nach der Darstellung von Delage et Herouard (s. 0.) eigent- lich zu keiner Vorwärtsbewegung führen dürfte. — „Cependant, le Flagelle se meut“; — tatsächlich sind derartige kegelförmige ‚Schwingungsräume (deren Mantellinie natürlich nicht immer mathe- matisch gerade zu sein braucht) an sonst symmetrisch gebauten Or- ganısmen beschrieben worden, z. B. von Ulehla (1911). Wir werden 1) l.e. p. 307: „Il resulte de lä que le seul mouvement qui pourrait entrainer le Flagelle en avant est celui qui est incompatible avec sa structure 'Cependant, le Flagell& se meut. et P’observation montre quil avance en tour- nant et en faisant tournoyer son flagellum.“ 2) Wobei diese ihre relative Stellung zum Körper nicht-ändert. } IV, 4* 52 P. Metzner, u Mechanik der ee A sehen, welch einfacher Art die hechaniänlet Grundlagen dieser Bewegung sind. Über die Geschwindigkeit der Geibblbewknnn von Einzellern ist bisher noch nichts Sicheres bekannt. Die Angaben von Pro- wazek (1900) — z. B. bei Polytoma 29, bei Euglena 67,2, bei Monas für die längere Geißel 78, für die kurze 94 Schläge pro Minute — sind sicherlich viel zu niedrig gegriffen. Einen Anhalts- punkt dafür können wir gewinnen aus der Tatsache heraus, daß bei Dunkelfeldbeleuchtung in der Regel nicht die in voller Tätig- keit befindliche Geißel selbst, sondern der von ihr durchschwungene Raum als „Lichtraum“ in Erscheinung tritt. Genau so, wie ein im Kreise geschwungener glühender Körper sich dann zu einem scheinbar homogenen leuchtenden Kreise vereinigt, wenn ein Um- gang in weniger als etwa !/,, Sekunde durchlaufen wird, muß also auch dann, wenn ein gleichmäßiger Lichtraum entsteht, die Geißel mindestens 10 Schläge pro Sekunde ausführen. Das dürfte für die meisten Flagellaten und Bakterien zutreffen (vgl. auch Reichert 1909, Ulehla 1911). Weiter ist eine Mitteilung von Buder (1905 p- 553) von Bedeutung, daß nämlich auf Momeriiphulegnankten (Beleuchtung !/,, sec.) von Chromatium Okeni bei Dunkelfeldbe- leuchtung der Lichtraum schon voll ausgebildet erscheint, so daß also in dieser Zeit mindestens ein Umgang vollendet worden sein muß. | | Können wir uns bei der Untersuchung der äußeren Mechanik bisher schon auf Beobachtungstatsachen stützen, sosind wır bei dem Versuch, die Ursachen der Bewegung zu ergründen, fast nur auf Vermutungen angewiesen. Auch die histologischen Unter- suchungsergebnisse können uns keine genügenden Anhaltspunkte geben. Nur für eine geringe Zahl von Objekte können wir mit Sicherheit sagen, daß sie aus einem zentralen elastischen Achsen- faden und einer kontraktilen plasmatischen Hülle zusammengesetzt sind, die man sich wohl als antagonistisch wirkend vorstellen muß. Was sonst an feineren Struktureinzelheiten von verschiedenen Forschern gesehen wurde (Körnelung, Streifung, Querstreifung, schräg verlaufende Fibrillen, Cilienmembran u. s. w.), ist zumeist recht zweifelhafter Natur, und einige derartige Gebilde — wie die von Künstler (1882) beobachtete Querstreifung und die von Löffler (1889) und Fischer (1894) beschriebenen Flimmergeißeln sind mit großer Wahrscheinlichkeit als Kunstprodukte aufzufassen. Ebensowenig Sicheres wissen wir über Art und Ort der die Be- wegungen auslösenden bezw. regulierenden Impulse und ıhren An- griffspunkt, ein Problem, das besonders bei der Betrachtung me- tachron arbeitender Wimpergruppen — schließlich auch bei dem regelmäßigen Arbeiten von Geißelschöpfen — von Interesse ist. Im Mittelpunkt der hierhergehörigen Erörterungen steht die Frage nach Bedeutung und Funktion der -- bei den meisten Flimmerorganen EN IFOBRBEN? f wir 2 DR RP => 8 wer nr ? & Me Ki P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. 53 nachgewiesenen — Basalkörperchen und der Wimperwurzeln. Weil diese Frage von unserer speziellen Problemstellung nicht berührt wird, kann von einer Diskussion der Anschauungen abgesehen werden. Die bestehenden Theorien der inneren Vorgänge, die ım engen Anschluß an die Anschauungen über die äußere Mechanik aufgestellt: wurden, können bis heute eigentlich nur als mehr oder weniger gewagte Spekulationen angesehen werden. Sie sollen ım folgenden auch nur insoweit Berücksichtigung finden als sich An- haltspunkte für eine Präzisierung der Probleme finden lassen. Nur eins läßt sich mit Sicherheit sagen: daß neben den in erster Linie wirksamen physikalischen (und physikalısch- chemischen) auch physiologische Prozesse an dem Zustande- kommen der Bewegung hervorragend beteiligt sind. Diese physiologische Komponente in Rechnung zu ziehen, kann vorläufig nur bei ganz groben und auffälligen Reizwirkungen (2:,9% In Donegungen) gelingen. die Ha une Sud an u ad na a = 2 te a A , » EEE: Bir äußeren Mechanik der Geißelbewegung. A. Versuche zur Ermittelung der Kräfteverteilung. 1. Theoretische Betrachtungen. | Ausgehend von der Erkenntnis, daß an dem Zustandekommen der äußeren Form der Geißeln während der Bewegung und an der Verteilung der auftretenden zur Lokomotion führenden Kräfte so- wohl der Widerstand des Wassers als auch die elastischen Eigen- schaften der Geißel bedeutenden Anteil haben, ging ich daran, die in der Nähe rotierender geißelähnlicher Gebilde auftretenden Strömungserscheinungen an einem mechanischen Modell zu untersuchen. Ich begann mit einfache kegelförmige Räume um- schwingenden starren Drähten und ging dann zu spiraligen Gebilden über, deren Wirkung Bütschli’s Theorie entsprechen mußte. Wichtiger noch waren mir die mit elastischen schwingenden . Körpern angestellten Versuche. In jedem Falle zeigte sich weit- gehende Übereinstimmung der Versuchsergebnisse mit den theore- tisch erwarteten Erscheinungen. Eine Ein Sahende mathematische Behandlung der sich bietenden anziehenden Probleme ist infolge der verwickelten mechanischen Verhältnisse im Innern von Flüssig- keiten nicht zu geben’). Immerhin lassen sich doch eine Reihe ; wenigstens qualitativ geltender Beziehungen aufstellen, die hier, so = weit sie für die folgenden Betrachtungen von Wichtigkeit u _ wenigstens kurz erläutert werden sollen ®). ; ne > er Kr. ur: % > r * BR "ur > v 3) Die mathematische Formulierung ist für unsere Betrachtung auch nicht als wesentlich anzusehen ; es soll mit ihr nur der Versuch gemacht werden, die Her- kunft und Größe eines Teiles der auftretenden Kräfte zu zeigen. 4) Eine ausführlichere Darstellung der physikalischen Verhältnisse erfolgt an anderer Stelle (s. Metzner, le Dort auch die hier nicht weiter interessierende 2 “ u Literatur, 54 P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. je Wir können zunächst ganz allgemein mit genügender Genauig- keit annehmen, daß der Widerstand, den ein schmaler Stab in einer Flüssigkeit erfährt, wenn er senkrecht zu seiner Längser- streckung fortbewegt wird, annähernd proportional dem Quadrat der Geschwindigkeit dieser Translation ist, außerdem aber in seinem absoluten Wert von den physikalischen Eigenschaften des Mediums (spez. Gewicht, innere Reibung), von Form und Größe des bewegten Körpers und schließlich auch von den an dessen Oberfläche auf- tretenden Oberflächenkräften bestimmt wird. Mathematisch würde das ganz allgemein durch die Gleichung W=kv? dargestellt wer- den können, wo W den Widerstand, v die Geschwindigkeit be- zeichnet und in k sämtliche anderen oben erwähnten Faktoren zu- sammengefaßt sind. Beschreibt dieser Körper (wir stellen uns ıhn immer als dünnen zylindrischen Stab — etwa einen Draht — vor) eine beliebige Ro- tationsfigur mit der Winkelgeschwindigkeit w, so besitzt ein Punkt ım Abstand r von der Drehungsachse die Geschwindigkeit v=rw und erfährt demgemäß einen Widerstand W=k-w2r2.. 2 2 ee Ist der Draht, dessen Länge gleich | sei, gerade und bildet mit/der Rotationsachse einen Winkel £, so wırd ein Kegelmantel umschwungen. Nehmen wir an, daß bei der Rotation das vor dem Körper befindliche Wasser nur einfach beiseite geschoben würde, so muß bei der Winkelgeschwindigkeit w eine Wassermenge m=cwl’sinf tangential ın Bewegung gesetzt werden (ec ist ein von den speziellen Bedingungen abhängiger Proportionalitätsfaktor). Würde diese gesamte Wassermenge allein durch den Querschnitt der Kegelbasis (q —= l’rsın?ß) ersetzt, so müßte die Geschwindigkeit des in den Kegel hineingesogenen Wasserstromes betragen | „_m, cwsn_ ci," w | (@) ng”, al?sın2= "2. sinp NDS d. h. die Geschwindigkeit muß um so größer werden, je kleiner ß, je schlanker der Schwingungsraum ist. (Die Abweichungen von dem dieser Formel entsprechenden Verlauf und ihre Ursachen sollen bei der Besprechung der Versuche am Modell erläutert wer- den.) Denken wir uns einen Körper, der eine solche kegelförmig rotierende „Geißel“ trägt, als frei beweglich, so muß er sich mit der Geißel voran ın das Wasser „hereinsaugen“ und zwar mit einer Geschwindigkeit, die dem durch die rotierende Geißel er- zeugten Wasserstrom entspricht. Die Rotation der „Geißel“ hat noch einen weiteren Einfluß auf die Bewegung des Körpers, der in ähnlicher Weise schon öfters (Bütschli (1889), Delage et Herouard (189), Pfeffer (1904), Buder (1915) u. a.) diskutiert worden ist. Alle Punkte . der bewegten „Geißel“ erfahren während der Bewegung den von ihrer Geschwindigkeit abhängigen Widerstand, der ihre Bewegungen "u EN en ETW EA 3 N auhEe if N , Ah not x h pe.’ er "6 en An ’ _ 4 N | p. Metzner, Yan Mechanik der Geißelbewegung. Mi) zu hemmen sucht. Denken wir uns wieder den die „Geißel“ als rotierendes Organ tragenden Körper frei beweglich, so ist klar, daß durch den Widerstand eine rückläufige Rotation des Körpers verursacht werden muß. Diese Drehung wird um so rascher er- folgen, je größer (bei gleicher Winkelgeschwindigkeit) der Wider- stand ist, den die Geißel findet — also je größer ß, je breiter der Schwingungskegel ist. Der Widerstand des rotierenden Körpers — den man in erster Annäherung meist als Rotationsellipsoid auf- fassen kann — kann sich dabei nicht wesentlich verändern. Eine solche rückläufige Rotation des Körpers ‚müßte aber auch dann stattfinden, wenn überhaupt keine Reibungskräfte aufträten — ein- fach aus dem Prinzip der Erhaltung der Flächenräume, das sich aus dem Prinzip der Erhaltung des Schwerpunktes ergibt. Diese physikalisch selbstverständliche Feststellung wird in der ein- schlägigen Literatur merkwürdigerweise nie erwähnt. Es ist ohne weiteres einzusehen, daß sich der Körper mit seiner größeren Masse langsamer bewegen muß als die viel schwächere Geißel. Dies auf Grund des Flächensatzes quantitativ zu verfolgen, hat nur theoretischen Wert wegen des Einflusses der inneren Reibung und der Oberflächenerscheinungen. Wir können nur sagen, daß die zur Drehung des Körpers um seine Achse und zur Überwindung der gleitenden Reibung an seiner Oberfläche verbrauchte ‚Energie der gleich sein muß, die zur Bewegung der Geißel gegen ‘das ruhende Wasser aufgewandt werden muß. Wenn wir einen derartigen Or- ‘ganısmus beobachten und feststellen, daß seine Geißel etwa 16 Um- drehungen in der Sekunde vollendet, während der Körper sich ın derselben Zeit etwa 6 mal um sich selbst dreht, so ist die wahre Frequenz der Geißel 22 Umdrehungen. Auch das bedarf keiner weiteren Erläuterung. Der die Geißel vorstellende Draht seı in Gestalt einer Schrau- benwindung gebogen. Der Steigungswinkel betrage a Grad. Alle Punkte sind gleichweit von der Rotationsachse entfernt (abgesehen von den obersten zur Rotationsachse selbst führenden Teilen) und durchlaufen gleiche parallele Kreisbahnen. Jedes Geißelstückchen steht dabei im Winkel a zu seiner Bewegungsrichtung und erfährt ‚senkrecht zu seiner Oberfläche einen Reaktionsdruck R (s. Fig. 1), der in eine senkrechte zur Fortbewegung dienende und ‚eine hori- zontale — zur Rotation des Körpers führende Komponente — zer- legt werden kann. Diese schon von Bütschli (1889) angenommene Kräfteverteilung wollen wir noch etwas weiter präzisieren. Unter der Voraussetzung, daß man mit Newton (1686) das Auftrefien des Körpers auf die Wasserteilchen als vollkommen unelastischen Stoß auffassen darf — eine Annahme, deren Berechtigung für unseren speziellen Fall hier nicht weiter diskutiert werden kann — kommt man zu dem Ergebnis, daß der Reaktionsdruck R dem | Ausdruck ä = ver SUEREN OH U ra Aa a RS Br Ir 4 07 A I , a oh N en 56 P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. R= cv?sin?a entspricht. Für die treibende Komponente S ergibt sich daraus ohne Weiteres 3. — ay?sın ?acosar in ee) Die mathematische Behandlung dieser Hurıktiae lehrt, daß S für den Winkel a= + 54°44' 7“ ein Maximum wird’). Ba diesem Fie.-l; Kräfteverteilung an einer schraubig gekrümmten Geißel. Winkel ist also der Wirkungsgrad der Schraube am größten — sowohl flachere wie steilere Schrauben geben schwächeren Vortrieb. — Die horizontale Komponente (die Lagenbezeichnungen beziehen sich durchweg auf die Orientierung in den Figuren) D dagegen, (D=cv”sin’a) hat ihren größten Wert bei a=90°, also dann, wenn die Spirale in eine Gerade im Abstand r von der Drehungs- achse übergeht; sie unterstützt, wie wir sahen, die rückläufige Rotation des Organismus. Bei Umkehr der Rotationsrichtung muß sowohl eine Umkehr der Körperbewegung als auch eine Umkehr der Schwimmrichtung erzielt werden. — Das eine Mal stößt die Geißel den Körper vor sich her, im anderen Fall zieht sie ihn nach. | hen wir dazu über, die Besonderheiten zu hätrachide ni sich uns darbieten, wenn der rotierende Körper elastisch ist, so können wir von EN einfachen Beobachtung ausgehen, daß Re dünne Gerte, die wir senkrecht etwa in einen reißkenden Mühlbach halten, je nach ihrer Länge und Biegsamkeit in der Richtung der Strömung durchgebogen wird. Die Biegung ist unter sonst gleichen 5) Unter Zugrundelegung einer anderen Annahme (die für in Luft bewegte Flächen gilt) ergibt sich ein Maximum des Wirkungsgrades bei a = 45° (exakte allgemeingültige Gesetze haben bis jetzt dafür noch nicht aufgestellt werden können wegen den vielen unberechenbaren Zufälligkeiten in den Strömungsverhältnissen und Wirbelbildungen, die gerade im Wasser sehr .ausgeprägt sind). Die tatsächlichen Werte werden zwischen diesen beiden angegebenen Werten zu suchen sein. ' MR "a „ Werd RR a I Ba ‚a ? ' Pr BE ” “ a: : KB Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. 57 ö - Umständen um so größer, je rascher die Strömung (je größer also - der Widerstand) und je dünner und länger die Gerte ist. Wird dieses Objekt an einem Ende fixiert und führt es mit dem freien Teil genügend rasche Kegelschwingungen aus, so wird die „Geißel“ durchgebogen und die Gestalt einer Spirale annehmen müssen, 1 deren Steigung um so geringer ist, je weicher und länger der ‘ schwingende Körper ist. Man sollte meinen, daß bei höheren Ge- N sahwindiekeiten wesentliche Änderungen durch die auftretende B. Zentrifugalkraft eintreten. Das ist jedoch nicht der Fall; die durch die Reibung der Flüssigkeit bedingten Kräfte haben entschiedene ö Oberhand. . 2 Von diesen Reibungskräften müssen wir eine wegen ihrer be- - sonderen Wirkung näher ins Auge fassen. Wenn wir einen Körper 3 — etwa eine Kugel — entlang der Grenze zweier Flüssigkeiten i verschiedener Viskosität bewegen wollen, so wird er das Bestreben - zeigen, nach der Seite der dünneren Flüssigkeit (die also ge- N _ ringeren Widerstand bietet) auszuweichen. Diese Tendenz wird > um so größer sein, je größer der Unterschied der beiden Medien und je größer die Geschwindigkeit des Körpers ist (weil der Wider- stand ja mit dem Quadrat der Geschwindigkeit wächst und sich dann auch der absolute Unterschied stark vermehrt). Etwas ganz f ähnliches findet sich bei einem rotierenden Körper. Dreht sich z. B. der im Querschnitt kreisförmige Körper ım Abstand r um die Achse O, so hat der dem Drehungsmittelpunkt zugewandte Teil des Objektes eine geringere absolute Geschwindigkeit als der peripher gelegene. Es tritt also auch eine Differenz der Wider- stände auf: die innere Hälfte der „Geißel“ erfährt geringeren Widerstand als der äußere. Die Folge muß sein, daß der Körper nach der Seite des. geringeren Widerstandes — d.h. nach der | Rotationsachse zu — auszuweichen versucht. Weil die Geschwin- digkeitsdifferenz (und damit der Unterschied der Widerstände) ' am größten bei kleinen Entfernungen von der Drehungsachse ist, muß auch da die Wirkung am auffällıgsten sein. Wir müssen also . 2. B. erwarten, daß eine einen Kegelmantel umschreibende „Geißel“ sich von der Spitze nach der Basis zu fortschreitend der Achse zu nähern beginnt, bis sie sich endlich in die Achse selbst einstellt. _ Die mathematische Behandlung dieser Frage (durch Zusammen- - fassung der auf die einzelnen Punkte des Körpers wirkenden Wider- - stände und ihrer Drehmomente) führt auf die Beziehung °): 2 Se i x) EEE TERETEREERERENEENNER an Wer an... woK die zentripetal wirkende Kraft, a den Halbmesser des Geißel- _ querschnittes, r den Abstand der Körpermitte von der Drehungs- 6) Ausführliche Ableitung s. Metzner (1919). RED bi nn 58 P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. achse und © eine Konstante bedeutet. Diese Gleichung eek durchaus unseren vorangegangenen Betrachtungen. Überblicken wir die geschilderten Verhältnisse im Zusammen- hang, so ergibt sich, daß eine rotierende biegsame „Geißel“ passiv rein durch Wirkung der Widerstände Schrauben- form annimmt und ihren Schwingungsraum möglichst verengert. Eın Einstellen in die Achse selbst ist nicht immer möglich, sie wird sich vielmehr nach Maßgabe der inneren elastischen Eigen- schaften in mehr oder weniger schlanken Windungen der Achse anschmiegen. Wir erkennen ohne weiteres, daß eine solche passiv gebildete Geißelschraube unter Umständen auch einen merklichen Vortrieb erzeugen kann, da dieser nur von dem Steigungswinkel der Schraubenwindungen abhängt. Gleichzeitig ist zu erwarten, daß dieser Vortrieb nur bei einer ganz bestimmten Geschwindigkeit -— wenn eben der Steigungswinkel optimale Werte erreicht — merklich in Erscheinung tritt. Aus eben diesen Überlegungen geht auch hervor, daß übermäßige Länge der „Geißel“ die Wirkung verschlechtern muß. 2. Die Versuchsan stellung. Als rotierende Körper wählte ich starre Drähte und elastische Spiralen (wie sie gelegentlich zu Uhrketten an Spielzeuguhren Ver- wendung finden) aus Messing oder Aluminium. Diese Geißel- modelle wurden unter Zwischenschaltung eines biegsamen Zwischen- stückes direkt mit der Welle eines Schwachstromelektromotors ver- bunden, der mit senkrecht verlaufender Achse über dem Versuchs- gefäß montiert war. Zur Führung des letzten Teiles der Achse diente ein an beiden Seiten bis auf eine kleine Öffnung zuge- schmolzenes Glasrohr (gleichzeitig als mechanisches Äquivalent des Flagellaten- bezw. Bakterienkörpers dienend). Der Draht ragt etwa 4--6 cm nach unten aus dem Glasrohr heraus; diesem freien Ende kann dann die für die Versuche erforderliche Gestalt gegeben wer- den. Der ganze „Geißelapparat“ ist ın die Mitte eines genügend großen gläsernen mit Wasser gefüllten Troges (26xX30xX30 em) versenkt. Die Tourenzahl des Motors kann durch Vorschaltwider- stände beliebig reguliert werden und wurde bei meinen Versuchen stets auf 12—15 Umdrehungen pro Sekunde gehalten. Bei einigen Kontrollversuchen wurde die Rotationsachse horizontal angeordnet: die senkrechte Achse führte in der Nähe der Glaswand bis zur Mitte des Troges und war dort durch ein Stück einer dünnen bıieg- samen Welle mit der horizontalen Achse verbunden. Beide Teile liefen wieder in aus Glasröhren hergestellten Führungen. Das Knie selbst lag frei. Störungen dadurch traten nicht auf, so .daß von einer völligen Abkapselung abgesehen werden konnte. Meist wurde jedoch die senkrechte Anordnung .beibehalten, weil keine Unter- schiede prinzipieller Art zu konstatieren waren. \B ED, Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung, 59 Für die Darstellung der Strömungsvorgänge in der Nähe des rotierenden Körpers. benutzte ich eine von Zenneck (1914) an- gegebene Versuchsanordnung, die sich an die von Ahlborn (1904) zuerst mit Erfolg verwandte Darstellung von Strömungen an der Oberfläche :von Flüssigkeiten anlehnt. Es wird dabei das Wasser des Troges gleichmäßig mit sehr kleinen (im Trog selbst elektro- lytisch erzeugten) Gasbläschen durchsetzt, die bei seitlicher Be- leuchtung infolge der an ihrer Oberfläche erfolgenden Totalreflexion als äußerst helle kleine Pünktchen erscheinen, deren Bewegung - sehr leicht zu verfolgen ist. Die Steiggeschwindigkeit dieser kleinen Bläschen ist sehr gering und kann das Strömungsbild in keiner Weise beeinflussen. Am Boden des Versuchstroges liegt ein Paar langer Bogenlampenkohlen ın etwa 3 cm Entfernung, das durch isolierte Zuleitungen unter Vorschaltung eines Lampenwiderstandes von etwa 300 2 mit der Lichtleitung verbunden ist. Bei Strom- durchgang entsteht ein gleichmäßiger Strom feiner Gasbläschen: Kurz vor dem Versuch wird die Gasentwicklung unterbrochen; _ wenn sich dann die größeren Bläschen an der Oberfläche gesammelt haben und das Wasser wieder ziemlich klar geworden ist, erhält man die schönsten Strömungsbilder. Als Lichtquelle diente eine Schwachstrombogenlampe (4 Amp.), deren Licht durch einen Kon- densor parallel gemacht wurde. Vor dem Kondensor ist eine be- wegliche schmale Schlitzblende angebracht, so daß der Trog nur von einer schmalen „Lichtplatte“ durchsetzt wird. Wir sehen dann emaben einen optischen Dünnschnitt — etwa so wie in _ einem Siedentopf’schen Spaltultramikroskop von riesigen Dimen- sionen. Bei solcher Anordnung ist man imstande durch Verschieben des Spaltes fast den gesamten Raum des Troges in allen Ebenen abzusuchen. Zum Schutz gegen störende Reflexe waren die der Lichtquelle und dem Beobachter abgekehrten Seiten innen mit schwarzem Papier bezw. Karton verkleidet. Um die Gestaltsveränderungen der elastischen Körper während der Rotation zu verfolgen, wurden photographische Auf- - nahmen der Schwingungsräume sowie Momentphotographien —— (hioo Sec.) im durchfallenden Licht angefertigt. Zur subjektiven - Beobachtung bediente ich mich einer primitiven — für diesen 3 Zweck aber sehr geeigneten — stroboskopischen Methode. An der Rückwand des Glastroges wurde eine Mattscheibe festgeklemmt. In emiger Entfernung dahinter befand sich eine sehr hell leuch- tende Geißlerröhre, die mit den Sekundärklemmen eines kleinen - Funkeninduktors verbunden war, dessen Unterbrecher (einfacher - —— Wagner’scher Hammer) sich insehr weiten Grenzen regulieren ließ. je So konnte es stets ohne Mühe erreicht werden, daß die Schwingungs- zahl des Unterbrechers mit der Tourenzahl des Motors überein- stimmte und die Bewegung scheinbar aufgehoben wurde. #Bei y ganzzahligem Verhältnis lassen sich auch mehrere Phasen der Be- Bnegung Aiekueiüg zur Anschauung bringen. EEE u u 5 2 ae nun 1 u be A u ae a a EC > Te ie ;; PETE PO WARE: TRETEN N. jr 6 VS) AR N BETEN. N i a > 5 60 P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegungt Bi BT 3. Versuche mit starren Drähte a) kerade Drähte. Als Objekt diente 1 mm starker Messing- draht. Das aus der Glasröhre herausragende Stück wurde 5 mm unterhalb der Röhrenmündung um den Winkel $ abgebogen. Das freie den Kegelmantel beschreibende Ende ist 4cm lang. Touren- zahl des Motors 12—15. “ | vr Fig. 2—8: Strömungsbilder rotierender starrer und fast starrer Drähte. a) ß=45°. Hier erreicht die Abwanderung der Flüssigkeit ihr Maximum an der Basis des Kegels (s. Fig. 2). Es bildet sich dort eine nach oben und unten ziemlich scharf begrenzte fast ebene Schicht größter Bewegung, die an der Grenze nach der relativ wenig bewegten Flüssigkeit von mehr oder weniger zahlreichen Wirbeln mit horizontaler Achse begleitet wird. Der Zustrom er- folgt sowohl von der Spitze als von der Basis her und ist in letz- | terer Richtung etwas intensiver. NR | j RE P Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. 61 ß) B=20°. Bei schlankerem Schwingungsraum erfolgt dagegen der Zustrom mit größerer Geschwindigkeit und fast ausschließlich von der Basıs bezw. den untersten Teilen des Kegelmantels her - (s. Fig.3) und die Zone der Abwanderung — die auch hier wieder eine nur etwa 1,5 cm breite scharf abgegrenzte Scheibe bildet — ist etwa bis zur Mitte der Höhe des Schwingungsraumes ver- schoben. Dem Augenschein nach ist hier die Zugwirkung bedeutend größer als bei größerem Winkel , wie es nach unseren theore- tischen Auseinandersetzungen zu erwarten war. Daß die dadei ab- geleitete Formel (2) keine strenge Gültigkeit haben kann, läßt sich schön aus der von unserer Voraussetzung abweichenden Strömungs- verteilung schließen: Der Zustrom ist ja nicht nur auf die Kegel- basıs allein beschränkt. Um wenigstens eine Vorstellung von der Größe des auftreten- den Zuges zu gewinnen, habe ich einige Messungen ausgeführt, aus denen man die Abhängigkeit der Zugkraft vom Winkel ß er- kennen kann. Zu diesem Zwecke wurde ein ungleichschenkliges U-förmig gebogenes dünnwandiges Glasrohr von 4 mm lichter Weite in den Glastrog so versenkt, daß der längere Schenkel der vor- deren Glaswand anlag und über den Wasserspiegel hervorragte, - während die horizontale Öffnung des kurzen Schenkels sich 5 mm E unterhalb der Kegelbasis genau in der Verlängerung der Rotations- _ _ achse sich befand. Bei dem Auftreten einer Zugkraft mußte sich a - der Meniskus im langen Schenkel entsprechend senken; diese Niveauveränderungen wurden mit Hilfe eines Horizontalmikroskopes mit Okularteilung bei schwacher Vergrößerung verfolgt”). Der Motor wurde stets auf 12 Umdrehungen pro Sekunde einreguliert; die - Länge des Drahtes betrug 5 cm. PR Winkel Senkung des Meniskus | 1a, 0,15 mm 40% 0,46 „ ; 20 ° 0,95 „ gg 0,98 . ale 3) > Hp an. 0,46 „ 45.? 0,24 „ 50 ° RES ne Tu, 0,18, 7) Es machte sich zwar bei den Messungen die Trägheit des der Röhren- wandung adhärierenden Wassers bei den geringen Ausschlägen unliebsam bemerkbar - und ließ eine Verbesserung der Methodik als wünschenswert erscheinen. Da es # ie: ‚sich vorläufig nur darum handelte, einen rohen Überblick über die Zugkräfte zu Br: gewinnen, habe ich zunächst an der einfachen und bequemen Arbeitsweise fest- | len, 62 2% Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. Aus dieser Übersicht ist zu entnehmen, daß bei etwa 20-230 ein starkes Maxımum der Zugwirkung besteht. Der auffallend ge- ‚ringe Wirkungsgrad bei Winkeln unter 20° ist einesteils auf die oben geschilderten Eigentümlichkeiten der Strömüng, andererseits auf die geringe aufgewandte Energie (bei gleichbleibender Touren- zahl!) zurückzuführen. y) B=W°. Es wird das tangential abgeschleuderte Wasser von beiden Seiten in gleicher Weise ersetzt, eine Zugwirkung in irgend. einer Richtung ist nicht bemerkbar. 6) 6 >90°. Hier sollten wir in Analogie zu den in Abschnitt 8 besprochenen Erscheinungen ebenfalls einen kräftigen Zustrom. von ‘ der Basıs des Kegels nach der Spitze zu erwarten, und der Ver- such zeigt auch eine Beschleunigung dieser Strömung bei spitzeren Kegeln. Der Einfluß der dicken Führung — die, wie schon oben erwähnt wurde, etwa dem Körper des Organismus entspricht — macht sich jetzt geltend und hat zur Folge, daß in der Gesamt- wirkung der von der freien Seite her kommende Strom überwiegt (Fig. 4). Das Resultat ist also wiederum eine Zugwirkung, die zu einer Fortbewegung mit der „Geißel“ voran rühren müßte, freilich mit geringerer Geschwindigkeit. Die Zone der Abwanderung bildet auch hier meist einen flachen Kegelmantel, der sich mehr oder weniger einer Ebene nähert. b) Gebogene Drähte, Der 1 mm starke Messingdraht ist zu einer rechtläufigen Schraubenwindung von 25 mm Durchmesser und - 30 mm Ganghöhe (Steigung w 20°) gebogen. Der Schwingungs- raum ist annähernd zylinderförmig. Wenn die Schraube rechtläufig rotiert, so entsteht eine Strömung die der in Fig. 7 wiedergegebenen analog ist, Die Abwanderung erfolgt auf einem Kerl h dessen Raumwinkel von der Steigung abhängig ist. Der Zustrom erfolgt sowohl durch den Querschnitt der freien Basis mit größerer Ge- schwindigkeit wie von oben her auf größere Fläche verteilt mit geringerer Geschwindigkeit. Im Innern des Schwingungsraumes entstehen mannigfache Wirbelbildungen. Die Gesamtwirkung ist ein nach oben gerichteter Vortrieb. Bei Umkehr der Rotation ent- steht ein einheitlicher Wasserstrom ohne wesentliche Wirbelbil- dung (analog Fig. 8) mit erheblicher Zugwirkung nach unten. Eın derartig ausgestatteter Organismus müßte also — entsprechend der Ansicht Bütschli’s bei rechtläufiger Rotation von der Geißel getrieben, bei Umkehr des Drehungssinnes von ıhr nachgezogen werden. Ist die Steigung der Schraube etwa 48° (Durchmesser 20 mm, Ganghöhe 70 mm), so ıst besonders bei rechtläufiger Rotation (Fig. 5) die Unterdrückung des von unten her kommenden Stromes und die Verminderung der Wirbelbildung auffällig. Der Wirkungs- grad ist dementsprechend erhöht — wie auch nach unseren theo- retischen Betrachtungen zu erwarten war. Bei Umkehr der Ro- > [21 ? Ne nr nr ee SS or 3 bi 2 Ba 4 - Wi * 5 n) r ci P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. 63 tation ist die Strömung wieder einheitlich ohne nennenswerte Wirbelbildung, aber entsprechend intensiver (Fig. 6). Wird der Neigungswinkel a größer, so nähert sich das Strö- mungsbild immer mehr dem der reinen kegelförmigen Schwingung — der Kegel des abströmenden Wassers wird flacher und wandert nach der Mitte des Schwingsraumes zu. 4. Versuche mit elastischen Drähten. a) Wenig biegsame Drähte. Stellt man die ım vorhergehen- den Abschnitt geschilderten Versuche mit 0,5 mm dicken Aluminium- oder Kupferdrähten an, so unterscheiden sich die Strömungsbilder von denen starrer Körper nicht wesentlich. Es trıtt aber besonders bei höheren Tourenzahlen die zentripetal wirkende Komponente in Erscheinung (vgl. Gleichung (4) und. die zugehörige Diskussion): bei kegelförmigem Schwingungsraum ein vor der Spitze nach der .» Basis zu fortschreitendes „Zusammenschnurren‘, bei schrauben- förmigen Drähten eine Deformation des (sonst zylindrischen) Schwingungsraumes zu glockenförmiger Gestalt (Fig. 7). Die De- formation bei rückläufiger Bewegung (Fig. 8) wird durch geringe Unregelmäßigkeiten des letzten Teiles der Schraubenwindung ver- ursacht. b) Nachgiebige Rürien. Als eh chjekke wurden Kupfer- draht von 0,1 mm Durchmesser, sehr biegsame aus 0,3 mm Messing- draht eng gewickelte Spiralen von 2,5 mm Dicke und etwa 70 mm Länge und seidenumsponnene Litze aus Kupferdraht gewählt. Die 1 mm starke Achse ragt 10 mm aus der Führung heraus und ist 5 mm unterhalb im gewünschten Winkel 8 abgebogen. An dieses gebogene Ende ist der elastische Draht festgelötet. | a) Kupferdraht 0,1 mm wird bei der Rotation völlig passiv mitgezogen, so daß am Ende des führenden Drahtes ein scharfer Knick entsteht. Der Draht nimmt die Gestalt einer Spirale an, die durch die zentripetalen Kräfte besonders bei rascherer Rotation etwas. modifiziert wird. Das Strömungsbild (s. Fig. 9) zeigt in der Abwanderungszone auffallend starke Wirbelbildung. Der Zustrom kommt im wesentlichen von oben; die Strömung im unteren aus- gedehnteren Teil des Schwiieung-riumes ist en Der Vor- trieb nach oben kann dem Augenschein nach keine beträchtliche Größe erreichen. | | ß) Messingspirale 2,5 mm; %=30°. Bei sukzessiver Stei- gerung der Umlaufsgeschwindigkeit werden nacheinander die Formen a—d (s. Fig. 10) des Schwingungsraumes durchlaufen. Aus den entsprechenden Formen der „Geißel“ (a‘—d‘ nach Momentphoto- graphien) ist zu ersehen, daß der Winkel a — entsprechend der theoretischen Überlegung — mit wachsender Geschwindigkeit kleiner - wird. Gleichzeitig bewirkt die zentripetale Komponente eine An- _ nmäherung an die Achse. Die Folge ist die „Knoten“bildung. Die EN DET ET U En nn La al haitr Bad EEE ul u la nnn Du le a all Ann 2 a & T 1 7 Er Te Bir Y ae* N Ian ss 1.2. 2 ae ee RE r ’ r I N N er j| * ehe“ et / 64 P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. Strömung entspricht etwa Fig. 11. Die Abwanderung — wieder- | um auf eine. schmale Zone größter Geschwindigkeit beschränkt — | tritt meist in der Nähe der größten Ausbuchtung ein. Bei langen „Geißeln“ ist eine ausgesprochene Zugwirkung in der Regel nicht zu beobachten. In Fig. 11 ist auch der Strömungsverlauf einiger horizontaler Ebenen wiedergegeben; dieselben Verhältnisse finden Pig. 11: Fig. 9: Strömungsbild eines rotierenden sehr dünnen Kupferdrahtes. Fig. 10: Schwingungsräume und die entsprechenden (passiv erzeugten) schraubigen „Geißel“formen rotierender sehr nachgiebiger Körper (a, d, c, d nach Photographien; a‘, b‘, d‘ nach Momentaufnahmen im gleichen Maßstab). Fig. 11: Strömungsbild einer rotierenden elastischen Drahtspirale. a ; ü , £ h sich mit geringen Variationen bei allen im Vorhergehenden Be schriebenen Fällen. (Beachtenswert ist, daß bei den unten offenen Schwingungsfiguren — wo also kein „Knoten* vorhanden ist — ein zentraler Strang bis etwa zur Mitte des Schwingungsraumes an der rotierenden Bewegung. keinen Anteil nımmt.) Ist 8 > 45°, so tritt bei den gewählten Dimensionen bei der Steigerung der Tourenzahl die zentripetale Komponente zunächst (da r verhältnismäßig groß) zurück: der Schwingungsraum verkürzt Bw Te in ln de ae WE ir ErY “NT, wa I - aa bar ern ta 1, a0 re tt ee Da Ss ’ BE X P. Mistaher, Zur Mechanik der Geißelbewerung. 65 sich außerordentlich unter geringer Zunahme des Durchmessers. Diese Form erweist sich aber als im labilen Gleichgewicht, wie plötzliche Streekungen und Übergänge in die Fig. 10 entsprechen- den Formen zeigen, die dann schließlich auch beibehalten werden — gelegentlich unter gewaltsamer Änderung des Winkels £ (wenn Kupferdraht 0,5 mm — also genügend weiches Material — die Achse bildet). Wird die Länge des elastischen Körpers verkürzt, so nähert sich die Strömungsverteilung der der kegelförmigen Sehtyingünek: räume, d. h. es trıtt eine Zugwirkung auf. hi Kupferlitze. Wurde anstelle der elastischen Spirale ein 10 em langes Stück weicher seidenumsponnener Kupferlitze be- festigt, so stellten sich während der Rotation bis 4 cm lange Strecken der „Geißel“ völlig in die Rotationsachse ein. Nach dem | Abstellen des Motors wurde die Schraubenform beibehalten. Bei sehr rascher Rotation ist bei Verwendung elastischer Körper stets die der Kreiselwirkung entsprechende Präzession zu beobachten; bei seitlich einwirkender Kraft — etwa der Schwer- kraft auf ein mit horizontaler Achse rotierendes System — ist auch ein während der Rotation im Ganzen gekrümmter Schwingungsraum zu erzielen. Überblicken wir die geschilderten Verältnisse: so kommen wir zu dem Ergebnis, daß eine ausgiebige Or lebamesumß auch ohne Schraubengestalt der Geißel zustande kommen kann durch einfaches Umschwingen eines kegelförmigen Raumes. In ‘solchen Fällen geht dieGeißel stets voraus (wie tatsächlich bei den meisten Flagellaten). Der Wirkungsgrad muß folgerichtig am größten sein bei einer wenig biegsamen, nicht zu langen Geißel. Bei größerer Biegsamkeit — besonders bei schnel- lerer Rotation — wird die Geißel passiv Schraubenform an- nehmen müssen, die an sich äußerlich von einer aktıv eingehaltenen ‘Form nicht ohne Weiteres zu unterscheiden ist, dagegen Ver- schiedenheiten in der Wirkung zeigt. Dieser Schwingungsraum - wird mit steigender Winkelgeschwindigheit auch wachsende Sta- bılıtät aufweisen und so — wenn keine anderen Kriterien zur Verfügung stehen — eine starre Schraubengestalt vortäuschen können. Besitzt eine tatsächlich annähernd starr rotierende Geißel (aktive) Schraubenform, so ist bei rückläufiger Drehung der Geißel- schraube ebenfalls eine Bewegung, mit der: Geißel voran, möglich: Ein Vorwärtsschwimmen mit der Geißel am Hinterende ist dagegen nur denkbar bei einer relativ starren Sehrauben- geißel mit rechtläufiger Rotation. Bei passiv erzeugter Schraubenform der Geißel kann dagegen nur bisweilen — bei ganz bestimmtem Verhältnis von Dimensionen und Bewegungsschnelligkeit — ein vergleichsweise schwacher Vor- ‚trieb vorübergehend in Erscheinung treten. In Band 40. FEN Lin 66 P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. te KR B. Beobachtungen am lebenden Objekt. 1: Allgemeines. Nun fragt es sich, wie weit wır die am makroskopischen Modell gewonnenen Er gebnisse auf das mikroskopische Objekt über- tragen dürfen und welche der geschilderten Bewegungsformen am lebenden Objekt realisiert sind. In der Tat könnte der Einwand erhoben werden, daß wir uns bei der Größenordnung der Flagellen (deren Durchmesser im Mittel kaum 0,5 «u überschreiten dürfte) schon derartig molekularen Dimensionen näherten, daß größere Ab- weichungen der mechanischen Verhältnisse nicht auszuschließen wären. Man kann auch z. B. an den vollkommen weichen und dünnen Plasmaausstülpungen der „behaarten“ Formen von Mono- cystis magna eine deutliche Bewegung wahrnehmen, die in ihrem Charakter und der Größenordnung völlig der Brown’schen Mole- kularbewegung gleich großer freischwimmender Teilchen entspricht°). 6) Desselben Ursprungs sind wahrscheinlich die Bewegungen, die Ozerny (1869) ; wimperartigen Fortsätzen wahrnahm, die sich an Amöben nach Zusatz von | °/, Chlornatriumlösung bildeten. Galız ähnliche Erscheinungen an ganz feinen ee konnte ich an Zellen der Wurzelhaube von Hydrocharis morsus ranae beobachten nach Plasmolyse mit 3°/, Chlornatriumlösung. Der kugelig abge- rundete Protoplast (Zellsaftraum mit dünnem Plasmabelag) erscheint allseitig durch außerordentlich feine, kaum sichtbare Plasmafädchen aufgehängt. Einzelne dieser . Fädchen, die nicht so straff sind, zeigen schwingende Bewegungen, noch lebhaftere solche Fäden, die einseitig abgerissen zu sein scheinen, also frei in dem von Plasmo- lyticum erfüllten Raum spielen. Durch Vergleich mit winzigen Körnchen, die sich freischwimmend am selben Orte finden, läßt sich wiederum feststellen, daß die Be-. wegungen noch von der Größenordnung der ihren Dimensionen entsprechenden Brown’schen Bewegung sind; sie.dauern auch nach Abtötung des Plasmas durch Lugol’sche Lösung fort, wenngleich weniger ausgiebig (wahrscheinlich infolge der Veränderungen des physikalischen Zustandes des Plasmas durch die Fixierung). Noch lebhafter schienen mir die Bewegungen unter gleichen’ Umständen bei Zellen der Wurzelhaube von Trianea bogotensis zu sein. Das Plasma selbst zeigte in beiden Fällen keinerlei Strömung. Endlich sind von Schmidt (1914) solche schwingende Protoplasmafäden an zentrifugierten Zellen von Spirogyra crassa be- obachtet worden, deren Bewegungen aber nach der gegebenen Darstellung bedeutend intensiver sein müssen und völlig den Eindruck aktiver Plasmatätigkeit machen. Essind an gespannten Fäden „dauernd wellig zuckende Bewegungen“ wahrnehmbar, während frei in den Zellraum ausgeschleuderte Fäden oft „wie einseitig festgeheftete Spirillen in das Zellende spielen“. Als mechanische Leistung scheinen diese Gebilde den Rücktransport der durch die Zentrifugalkraft. verlagerten Chromatophoren bewerkstelligen zu können (das Zellplasma selbst. zeigt heftige Strömungen). Wir sehen in diesen Beispielen Übergänge von passiver zu aktiver Tätigkeit (allerdings noch ohne ausgesprochenen Rhythmus), die ganz der Tätigkeit gewisser Geißeln ähnlich sein kann, ohne daß besondere Differenzierungen des Plasmas vorgebildet $ zu sein brauchen. Diese Beobachtungen sind vielleicht in Analogie zu setzen mit den zuerst von Bütschli (1883) beschriebenen Schwingungserscheinungen an typi- schen Pseudopodien von Amoeba radiosa, denen sich die zahlreichen Beobachtungen von Übergangsgebilden zwischen Pseudopodien und Oilien (bezw. Geißeln) zwanglos an- schließen (Zusammenstellung der Beobachtungen findet sich bei Goldschmidt (1907) und Erhard (1910). Überall sehen wir, daß das Protoplasma in seiner Gesamtheit und zwar an jeder beliebigen Stelle unter Umständen zu mehr oder a ei =. - j a a a hm in uni LT m na a ic, A 5 nl be nt Ha at prng., | P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. 67 Es zeigt sich aber, daß dieser Einfluß bei der aktıv bewegten Geißel nicht mehr in den Vordergrund tritt. Es ist auch verständlich, daß die Geißeln — obwohl sie in- folge ihrer riesenhaften Oberflächenentwicklung eine bedeutende Festigkeit zu besitzen scheinen?) — nicht vollkommen starr sind, sondern mehr oder weniger biegsam erscheinen: wir werden darum besonders die Erscheinungen erwarten müssen, die sich aus den Versuchen mit elastischen Gebilden ergaben. Wir müssen weiter in Rechnung ziehen, daß natürlich von einer tatsächlichen Rotation der Geißel gegen den Körper keine Rede sein kann, wie nochmals hervorgehoben werden solle Wird — wie in sehr vielen Fällen einwandfrei nachgewiesen ist — eine Rotatıons- figur umschwungen, so ändert sich trotzdem die Orien- tierung der Geißel dem Körper gegenüber nicht. (Wie diese Bewegung zustandekommt, ist zunächst für unsere Betrach- tung der äußeren Mechanik nebensächlich, und wir können uns mit der morphologisch nichts voraussetzenden Vorstellung der „Kontraktionslinie“ mit Bütschli begnügen.) Diese Feststellung gewinnt Bedeutung, wenn wir z. B. annehmen, daß die Geißel ein- mal nıcht drehrund ist — wie wır bisher eigentlich stillschwei- gend voraussetzten — sondern etwa ovalen Querschnitt besitzt oder gar bandförmig ausgebildet ist. Es leuchtet ohne Weiteres ein, daß dann die elastischen Eigenschaften in verschiedenen Rich- tungen ungleich sind, daß sich die Geißel durch die gleiche Kraft in der Richtung des kurzen Durchmessers leichter krümmen läßt als in der Ebene des längeren, der senkrecht dazu verläuft. Die Folge davon ist, daß der Schwingungsraum dann keine regelrechte Rotationsfigur bilden kann, sondern auch abgeflacht wird, ellip- weniger energischer Bewegung fähig sein kann. Die Tatsache, daß diese Eigen- schaft bisweilen auch leblosen Gebilden zukommen kann — z. B. den flüssigen Kristallen bezw. ihren Myelinformen, die recht ausgiebige und rasche Bewegungen ausführen können, worauf OÖ. Lehmann (1908) in zahlreichen Publikationen hin- weist — kann uns auch als Beleg dafür dienen, daß gerade zur Erzielung der scheinbar verwickeltsten Bewegungsformen kein komplizierter ana- tomischer Bau notwendig vorhanden sein muß und daß manches, was uns als aktive Lebensäußerung erscheint, sich rein physikalisch aufklären kann, während die einfacher scheinenden rhythmischen Bewegungen auf diese Art nicht reproduziert werden können Die Berechtigung, derartigen Analogieschlüssen weitergehende Bedeutung zuzuschreiben, ist allerdings vorläufig noch durchaus anzuzweifeln. 9) Das hängt u. a. zusammen mit der Tatsache, daß sich bei derartig kleinen Dimensionen die Unterschiede zwischen den einzelnen Aggregatzuständen zu ver- wischen beginnen. So geht z. B. aus einer Untersuchung von Hatschek (1910) hervor, daß sich kleine Flüssigkeitströpfehen in ihrem Verhalten um so mehr festen Körpern nähern, je kleiner sie sind. Für das — allem Anschein nach zähflüssige — lebende Plasma sind wir denn wohl berechtigt, dasselbe anzunehmen. — Weiter- hin ist es nicht undenkbar, daß die Geißeln infolge der bei rascher Tätigkeit recht gleichförmigen äußeren mechanischen Verhältnisse noch eine weitere Ver- “ steifung erfahren — etwa so wie die Stoffpropeller von Parseval und Hoste, die ihre Form und Festigkeit lediglich der Zentrifugalkraft verdanken. HF 8 F; Metzner, Zur Mechanik der. Geitelbewegung. | tischen Querschnitt erhält. Fig. 12 stellt scher einen Querschnitt, durch einen solchen elliptischen Schwingungsraum dar: in der Richtung des längeren Geißeldurchmessers ist die geringere Durchbiegung, der kurze Durchmesser der Schwingungsfigur. Aus der Darstellung geht nun noch etwas anderes hervor, wenn wir uns die Wirksamkeit der zentripetalen Komponente überlegen. Gleichung (4) zeigte uns, daß die Wirkung um so mehr wächst, je breiter der bewegte Körper ist und je näher er sich der Ro- Fig. 12: Querschnitt durch einen elliptischen Schwingungsraum. tationsachse befindet. Vergleichen wir Fig. 12, so erkennen’ wir, daß beide Faktoren in der Stellung OA eine Steigerung der Wir- kung gegenüber der Lage OB bedingen: Durch die während der Rotationauftretenden Widerstände wird der Schwingungs- raum noch weiter abgeflacht. Das ist im übrigen für unser Objekt sehr zweckmäßig, denn dadurch wird erreicht, daß die Geißel mehr ruderblattartig wirkt und größere Flüssigkeitsmengen in Bewegung setzt. Eine weitere rein mechanische Folge (aus ähnlichen Überlegungen ableitbar) wird eine Torsion der Flagellen während der Bewegung sein. — Die Schwimmbahn des ganzen Organismus ist außer von der Arbeitsweise der Geißeln äuch noch abhängig von der Symmetrie des bewegten Körpers und der Stelle der Geißelinsertion, worauf nur beiläufig hingewiesen werde möge. Durch derartige Asymmetrien des Körpers werden die bekannten —- meist spiraligen — Schwimmbahnen der meisten durch Geißeln bewegten Organismen verursacht. (Nähere Angaben über das Zu- standekommen finden sich z. B. bei Reichert, Ulehla). Den bisher diskutierten zwangläufigen Geschehnissen überlagern sich nun beim lebenden Objekt noch solche wechselnder Natur, die wir vorauszusagen meist nicht imstande sind, und die wir in ihrer Gesamtheit wohl als Reizbeantwortungen — mag der Reiz nun in den Verhältnissen der Umwelt oder inneren physiologischen Prozessen liegen — aufzufassen haben. Sowohl Tempo wie Sinn der Bewegung können „willkürlich“ geändert oder durch einzelne andersgeartete Krümmungen oder Schnellbewegungen modifiziert oder durchbrochen werden. Denn zweifellos muß man dem Plasma P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. 8) der Geißel an der ganzen Strecke Kontraktilität zuerkennen, wofür - vor allem die Beobachtungen nur partiell arbeitender Geißeln (z. B. | Astasiopsis distorta Duj)., Petalomonas abeissa Du)., Pleotia witrea Duj. nach Seligo [1887]; am bekanntesten ist die meist nur im - distalen Teile tätige Geißel von Peranema- trichophorum) sprechen. - — Ob man denzahlreichen Beobachtungen der Bewegungen abgeworfener - oder durch „Unglücksfall“ amputierter Geißeln (z. B. von Peter - [1899], Klebs [1881—85], Bütschli [1885], Schilling [1891], - Fischer [1894], Rothert [1894], Prowazek [1900], Reichert - 1909], Pascher[1918]) in dieser Hinsicht so weitgehende Bedeutung beimessen kann, möchte ich angesichts der mannigfachen Bewegungs- - _ erscheinungen anorganischer physikalisch-chemisch-heterogener Sy- steme (vgl. z. B. die bekannten Versuche von Quincke [1888], - — Bütschli [1892], Rhumbler [1898] u.a.) noch dahin gestellt sein lassen!®). Es wird auch von solchen isolierten Geißeln (auch wenn noch ein Teil des Körperplasmas anhaftet) in der Regel keine koordinierte Bewegung mehr ausgeführt, sondern nur ein mehr un- "regelmäßiges Zucken. Dagegen ist eine Beobachtung von Ulehla - bemerkenswert, der . „gelegentlich im Dunkelfeld den Lichtraum einer Monas marina sich von einem geschädigten Körper losreißen - und in voller Tätigkeit als flaches leuchtendes Täfelchen unter leb- - hafter Rotation vorwärts schwimmen“ sah.*) E Gegenüber den bisher besprochenen eingeißeligen Formen (zu denen vor allem Flagellaten und 'Algenschwärmer gehören) zeigen - die während der Bewegung aus vielen Einzelgeißeln zusammenge- = setzten Geißelzöpfe von Bakterien mancherlei Eigenheiten, weshalb sie auch gesondert besprochen werden sollen. 2. Die Geißeln der Flagellaten. Nach diesen allgemeinen Bemerkungen wenden wir uns der ‚ Diskussion der tatsächlichen Verhältnisse zu. Es liegt der Gedanke nahe, sich Klarheit über die Vorgänge bei der Bewegung des Or- - ganismus zu verschaffen durch Übertragung der geschilderten Ver- suchsmethodik auf das mikroskopische Objekt. Ich habe denn auch versucht, die Strömungen bei Dunkelfeldbeleuchtung sichtbar zu > machen, z.:B. durch Zusatz eines alten stabilen Silberhydrosols - (Crede). Es zeigte sich aber, daß die Größenordnung der zu er- _ wartenden Strömungserscheinungen hinter der Brown’schen Mole- - kularbewegung der kleinen Teilchen zurückblieb, so daß kein be- friedigendes Resultat erhalten werden konnte. Als ebenso wenig ren 10) Vgl. auch Anm. ‘8... | bin. *) Anm. b. d. Korrektur: Neuerdings habe ich durch intensive Reizung bei Paramaecium caudatum als Reaktion ein Abwerfen des Cilienkleides erreicht, bei dem sich die einzelnen abgeworfenen Oilien — an denen noch das Basalkorn . haftet — noch sekundenlang rhytmisch bewegen. Nähere Beschreibung dieser scheinung erfolgt später im Zusammenhang. 70 P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. günstig erwies sich die Übertragung der Objekte in eine gröbere Mastixemulsion oder Tuscheaufschwemmung. Dagegen lassen sich eine ganze Reihe von Tatsachen und Schlußfolgerungen aus der Beobachtung der Form der Schwingungsräume bei der üb- lichen Dunkelfeldbeleuchtung ableiten. Meine dahingehenden Be- obachtungen decken sich im wesentlichen mit den: sorgfältigen Darstellungen Ulehlas (1911), an dessen Ausführungen ich im folgenden hauptsächlich anknüpfe, weil mir die dort gegebene Deutung der Figuren in vielen Fällen nicht stichhaltig erscheint. Die folgenden Erörterungen beziehen sich nur auf solche Fiagel- laten, deren Geißeltätigkeit so rasch verläuft, daß deutliche Schwingungsräume entstehen. Daneben gibt es ja auch eine Reihe N J Fig. 13. | Fig. 14. Fig. 13: Schwingungsräume der Geißel von Monas vivipara (nach Ulehla p: 654, 658). Fig. 14: Schwingungsräume der Geißel von Monas amoebina (nach Ulehla p. 659). von Formen, die abweichende Verhältnisse zeigen — wo die Geißeln nur teilweise (Peranema, Petalomonas) oder als Ruder tätig sind (Multieilia, Hexamirus) Bei den Flagellaten geht in der Regel der Schwingungsraum voraus und nur in besonderen Fällen — als Reaktion auf äußere Reize — tritt ein vorübergehendes Rück wärtsschwimmen ein. Der Schwingungsraum ist nur ın seltenen Fällen eine vollkommene Rotationsfigur (Trepomonas [Ulehla]), öfter wenigstens annähernd erreicht (Monas viripara, Bodo saltaus, Euglena viridis). Er besitzt in der Regel die Gestalt einer sehr schlanken Glocke, deren Achse bei längerer Geißel auch mehr oder weniger gekrümmt sein kann (Fig. 13). Das ist auch einer der Hauptgründe, die Ulehla ver- anlaßt haben, die Allgemeingültigkeit der Theorie Bütschlis an- zuzweifeln — gewiß mit Recht. Er führt aus (a. a. ©. p. 661): „daß eine Schraube, deren Quersehnitt eine schmale Ellipse, d a FF re 3 2 ze N ) / . . P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. 1 deren Achse stark und während der Bewegung konstant gebogen ist, als ein während der Drehung sıch immer neu bildender Körper kaum vorstellbar erscheint“. Nach dem Ergebnis unserer Untersuchung am Modell mit horizontaler Achse ist eine solche Figur als Folge der Schwingung eines langen elastischen Körpers von elliptischen Querschnitt (wo- bei freilich die Schraubengestalt nur passıv erzielt wird) aber durch- aus. denkbar, nur daß dann anstelle der ın allen Punkten des „Geißel“modells: wirksamen Schwerkraft eine entsprechende Kon- traktion als Ursache der Krümmung zu denken ist. Wenn wir uns daran erinnern, daß die Geißel in allen Lagen die gleiche Orientierung zum Körper behält, ist auch die Einheitlichkeit der Krümmung verständlich. Eine hübsche Bestätigung unserer Voraussetzungen finden wir ferner bei der Betrachtung besonders lang begeißelter Formen. Es tritt dann bei voller Tätigkeit die- selbe „Knotenbildung* auf, wie wir sie an rotierenden langen elastischen Körpern beobachten konnten, so z. B. bei der langen Geißel von Monas amoebina (Fig. 14). Weitaus am häufigsten sind bei den Flagellaten die Fälle, wo der Liehtraum sich als mehr oder weniger elliptisch erweist (Monas vulgaris, Chromulina Rosanoffüi, Chilomonas paramaecium). Dasselbe konnte Ulehla. außer den genannten noch bei Pandorina morum, Seytosiphon lomentarius, Phylhitis fascia nachweisen. DerSchwingungs- raum kann oft auf eine ganz flache Scheibe reduziert erscheinen — besonders bei lebhaftem Schwimmen (Monas vulgaris). Bei ab- nehmender Tätigkeit verbreitert sich der Schwingungsraum infolge der geringeren Wirksamkeit der „zentripetalen Kompenente“. Ähn- liches beobachtete Ulehla an den Schwärmern von Phyllitis fascia. Bei weiterer Verlangsamung wird schließlich die Bewegung unregel- mäßıg, das Schwimmen unruhig, ‘„zappelnd“. Die Geißel kann dann ‚recht komplizierte Bewegungen ausführen, die aus dem Zusammen- wirken lokaler Kontraktionen und des Wasserwiderstandes hervor- sehen. Die Kontraktionen selbst scheinen mir, soweit man aus dem Bild durch intensives Licht und Wärme geschädigter (also ab- sterbender) Geißeln z. B. von Gonium pectorale auf normale Ver- hältnisse schließen darf, von der Insertionsstelle nach der Spitze der Geißel !!) zu fortzuschreiten. Die Kraft eines einzelnen Geißel- schlages läßt sich am schönsten bei Chilomonas paramaecium er- kennen; einzelne still liegende oder langsam schwimmende Orga- nismen vermögen sich mit solchen Einzelschlägen eine ganze Strecke weit fortzuschnellen. — Bei voller Geißeltätigkeit wırd dann durch 11) Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei erwähnt, daß im folgenden die Termini „Basis“ und „Spitze“ der Geißel morphologisch zu verstehen sind im _ Gegensatz zu den geometrisch gefaßten Begriffen „Basis“ und „Spitze“ eines kegel- förmigen Schwingungsraumes. 4 e Kr, N A 72 ‚ P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewerung. die Wirkung des Wasserwiderstandes eine Stabilisierung der Schwingungsfigur erreicht, und vielleicht können auch etwa vor- handene Üreesehnaiekaiten der Bewegungsimpulse ausgeglichen ; werden. Diese elliptischen Schwingungsräume können nun ent- weder eine Folge vektoriell verschiedener Kontraktionen sein oder — wie oben auseinandergesetzt wurde — der Querschnittsgestalt der Geißel ihren Ursprung verdanken. Eine endgültige Klärung dieser Frage ist m. E. noch nicht möglich, da es außerordentlich schwierig ist, die Form der Geißel einwandfrei festzustellen!?) und die Angaben darüber sind mit äußerster Vorsicht aufzunehmen. Wer einmal versucht hat, sich über die Oberflächengestalt solcher fast an der Grenze des Sichtbaren liegenden Objekte klar zu wer- den, wird ‚meine Skepsis verstehen. Besondere Schwierigkeiten macht die Beurteilung von solchen Dimensionen leider bei der da- für geeignetsten Beobachtungsmethode — der Dunkelfeldbeleuchtung — wegen der eigenartigen optischen Verhältnisse (vgl. auch Sie- ae 1912 p. 43). Immerhin können wir für die relativ kräf- tige Geißel von Chilomonas einen elliptischen Querschnitt als wahr- Sehemlich annehmen. Weitere Struktureinzelheiten sind mit Sicher- heit nicht zu entscheiden '°). Große Bedeutung für die mechanische Auffassung der Geißel- bewegung legt Ulehla den an und in den Schwingungsräumen auf- tretenden helleren Stellen und Linien bei, die eine Folge der durch die Kontraktion erhöhten Dichte des Plasmas seien. Buder (1915) erwähnt beiläufig, daß er diese Erklärung nicht für wahr- scheinlich halte. Nach wiederholter sorgfältiger Prüfung kam ich zu dem Ergebnis, daß es sich bei den mir vorliegenden Fällen um eine rein physikalische Erscheinung handelte, die von Sıedentopf 12) Unter Berücksichtigung der mitgeteilten Betrachtungen über die Ge- stalt des Schwingungsraumes könnte man es unternehmen, Gestalt und Orien- tierung der Geißel aus der Lage und dem Querschnitt des „Lichtraumes“ abzuleiten. Der Weg ist aber m. E. noch unsicher, da die durch Torsion Veruranchn Ände- rungen ihrer Größe nach nicht bekannt sind. 13) Ulehla berichtet sowohl von Chilomonas (p. 669) wie von Huglena (p. 674), daß bei der Beobachtung im Dunkelfeld das zentrale Geißelplasma am normalen Tier optisch leer — also dunkel —, der Rand der Geißel dagegen hell, also op- tisch voll erschien. Diese Ausdrucksweise kann insofern zu Mißverständnissen führen, als man daraus auf das Verhandensein einer besonderen Geißelmembran schließen könnte, denn als „optisch voll“ bezeichnet man eben eine physikalisch heferogene Substanz, deren einzelne ultramikroskopische Einschlüssse das Licht ab- beugen Eine derartige Wandschieht ist aber zur Sichtbarmachung der Grenzen der Geißel durchaus nicht nötig, weil eine Darstellung der Kanten schon einfach in- folge der Differenz der Brechungsexponenten (Wasser-Protoplasma) erfolgt (vgl. Siedentopf, 1908, p. 425). Sie ist aber auch nicht auszuschließen; wenn sie näm- lich genügend dünn ist, nähert‘ sich. die Helligkeitsverteilung der nur durch die optische Dichte verursac hten Erscheinung, wovon man sich an Hand einer graphischen Darstellung leicht überzeugen kann Wir können bei so kleinen Objekten wie den Geißeln garnicht antsehieidläh. ob eine dünne optisch volle (also heterogene) Rand- schicht existiert oder nicht. Y63A En ’ Laura Ben 5 k h EWR TEEN ı#, Tan) via “ Fudaate ur h x Ad ie 7 (1912 p. 38) unter der Bezeichnung des „wandernden Lichtscheins“ - erörtert worden ist. Sie beruht darauf, daß bei Neigungen des " linearen Objektes gegen die Tischebene nach Überschreitung eines "bestimmten Grenzwinkels (der für die von Ulehla benützte Optik [Paraboloidkondensor und Zeiß-Apochromat 3 mm mit Apertur- blende] etwa 50°30‘ beträgt) die Lichtstärke sınkt und schließlich bei steileren Neigungen Null wird; diese Erscheinung hat mit " — Azımutfehlern nichts gemein und läßt sich auch nicht ganz ver- - meiden. Siedentopf selbst warnt davor, diese Erscheinung zur Diagnose biologischer Veränderungen heranzuziehen. Es ist ein- - leuchtend, daß an einer schraubig bewegten Geißel ein scheinbar über sie hinkriechender Lichtschein entstehen muß, der sehr wohl zu der Vorstellung einer fortschreitenden Kontraktion führen kann. Besonders deutlich ıst der tatsächliche Vorgang an den relativ ‚großen und langsam beweglichen reifen Spermatozoen von Fröschen zu verfolgen (am schönsten in der Nähe des optisch vollen Hals- teiles). Daß es sich bei den von Ulehla beobachteten „Kontraktions- ” Iinien“ um dieselbe Erscheinung handelt, geht deutlich aus dem FETTE ea TI ie a on E Verlauf dieser Lichtlinien hervor: sie sind am stärksten ausgeprägt bei den ganz oder annähernd kreisförmig schwingenden Geißeln und fehlen in der Regel bei den flachen Schwingungsräumen. 8 Und wo sie vorhanden sind, werden sie dort unsichtbar, wo die - Neigung der Geißel den Wert von 45° schätzungsweise über- schreitet. ER Be Wir sehen also, daß in der Hauptsache die Geißeln der Fla- E: gellaten sich verhalten wie mehr oder weniger weiche und bieg- same Gebilde mit einfacher kegelförmiger Bewegung des basalen Teiles. Von einer Schraubenwirkung im Sinne Bütsch- lis kann in der Mehrzahl der Fälle keine Rede sein, nur bei der Rückwärtsbewegung nach Reizen kann durch vorübergehende Stei- gerung der Rotationsgeschwindigkeit eine passiv schraubenförmige Gestalt und damit eine mäßige Fortbewegung mit nachfolgender Geißel erzielt werden. ER 3. Die Geißeln der Bakterien. Seit der Entdeckung der Geißeln als Bewegungsorgane bei - Thiospirillum (Ophidiomonas) jenense durch Ehrenberg (1%38) und bei Spirillum volutans durch Cohn (1872) finden sich eingehendere Beobachtungen der Geißelbewegung lebender Bakterien erst in den - schon mehrfach erwähnten Arbeiten von Reichert (1909), Fuhr- E: mann (1910), Ulehla (1911) und Buder (1915) wieder. Dagegen > haben wir durch eine außerordentlich große Anzahl von Unter- suchungen, die sich an die grundlegenden Arbeiten von Koch - (1877) und besonders Löffler (1889) anschlossen, mit Hilfe der verschiedenen färberischen Methoden Klarheit darüber erhalten, daß sich die Geißeln ganz allgemein bei den aktiv beweglichen Ta: P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. a # BE Formen und Zuständen der Bakterien vorfinden. Trötz der fort- geschrittenen Methodik der Dunkelfeldbeleuchtung gelingt es aber nur bei einer beschränkten Anzahl von Objekten, diese Geißeln im Leben sichtbar zu machen, da sie in den überaus meisten Fällen so außerordentlich dünn sind (höchstens 0,05 « ım Durchmesser), daß die von ihnen abgebeugte Lichtmenge nicht dazu ausreicht, einen Lichteindruck im Auge hervorzurufen. Wir können schon morphologisch zwei Formen von Geißeln unterscheiden: lange, äußerst dünne und biegsame Gebilde einerseits, verhältnismäßig kurze und derbere Organe (besonders typisch bei Spirillen) anderer- seits, die noch dazu nicht selten zu Büscheln vereint in. Wirksam- keit treten. Mit diesen gröberen Geißeln, die recht leicht zu be- obachten sind und wohl auch die einfacheren mechanischen Ver- hältnisse zeigen, wollen wir uns ausschließlich beschäftigen. _ Da finden wir in Chromatium Okeni (Monas Okeni), ein Objekt, das man, wie schon Buder (1915) hervorhob, mit Recht als Schulbeispiel für eine der Bütschli’schen Theorie ent- sprechende Bewegüng hinstellen kann. Und ich will gleich vor- wegnehmen, daß dies unter den daraufhin untersuchten Organismen bisher der einzige Fall ist, bei dem diese Annahme wirklich zwingend erscheint!*. Chromatium ist nur unipolar begeißelt und schwimmt in der Regel mit der Geißkel am „hinteren“ Pol. Die derbe und verhältnismäßig lange Geißel erscheint in der Ruhe als rechtsläufige Schraube (im Sinne der Botaniker) von etwa 1 bıs 2 vollen Umgängen. Man gewinnt ohne weiteres den Eindruck, daß es sich um ein verhältnismäßig stabiles Gebilde handelt. Daß auch diese Geißel die Fähigkeit der Kontraktion besitzt, hat schon Migula (1897) beobachtet und anschaulich beschrieben. Ob die Kontraktion wirklich, wie Migula schildert, vom distalen Ende nach der Insertionsstelle zu fortschreitet, wage ich nach meinen gelegentlichen Beobachtungen nicht zu entscheiden. Der Schwin- gungsraum dieser Geißel ist glockenförmig und genau drehrund (vgl. a. Buder [1915| p. 548), genau so, wie man ihn am Modell von einem ähnlich gebogenen dünnen (also etwas nachgiebigen) Aluminiumdraht erhält. Das würde an sich noch nicht beweisend sein, da einerseits die Schraubenform ja passiv in ähnlicher Weise zustandekommen könnte und andererseits das Fortbestehen der Schraubengestalt auch bei dem vollkommen biegsamen Modell konstatiert wurde. Freilich nur in ähnlicher Weise, denn bei der passiven Schraubengestalt .erscheint ein bemerkens- werter Unterschied in der Krümmung des an der Insertionsstelle gelegenen Teiles gegenüber dem distalen Ende (vgl. Fig. 10), während bei unserem Objekt die Schraubenwindungen annähernd gleiche Ganghöhe und Ausbildung besitzen. Viel bedeutsamer ıst 14) Vermutlich sind ähnliche Verhältnisse auch bei verschiedenen Vzbrio-Arten verwirklicht. ' Li a N | { NE | hr 2 z -. P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegrung. F ’ gung id eine andere Tatsache, daß nämlich das Ohromatium auf plötzliche Lichtreize mit einer „Schreckreaktion“ antwortet: es fährt (wıe zu- erst Engelmann [1888] eingehend studierte), ohne seinen Kör- per zu wenden, eine Strecke zurück, um dann bald wieder ın die normale Schwimmbewegung überzugehen. Buder (1915) konnte zeigen, daß diese Umkehr der Bewegung lediglich durch einen Wechsel der Umdrehungsrichtung der Geißel bedingt wird, wobei die Gestalt des Schwingungsraumes ım Kesinilichen erhalten bleibt. Nun schwimmt also der Organismus mit vor- angestellter Geißel, und zwar mindestens mit der gleichen Ge- schwindigkeit wie bei normalem Schwimmen, mitunter sogar rascher. Dies alles — die Form des Lichtraumes, die Schwimmgeschwindig- keit, der Wechsel der Schwimmrichtung mit dem Rotationssinn — kann nur dann vereinigt sein, wenn die Geißel nun in verhältnis- mäßig starrer schraubenförmiger Gestalt (und immer noch als „BRechtsschraube“) links herum rotiert. Dabei werden naturgemäß viel höhere Anforderungen an die Stabilität des Organes gestellt als bei der gewöhnlichen Rotationsrichtung — man bedenke nur, daß nun das freie Ende der Geißel in der Bewegungsrichtung (nicht zu verwechseln mit der Schwimmrichtung!) vorangehen muß, während es beim normalen Schwimmen gewissermaßen nachgezogen wird. Damit hängt es auch vielleicht zusammen, daß dieses Rück- wärtsschwimmen nicht längere Zeit anhält, sondern bald wieder aufgegeben wird. Aus den angegebenen Gründen erscheint es ver- ständlich, daß sich dieser Bewegungsmodus nur ausbilden kann bei Formen, "deren Geißeln genügend starr sind und die Fähigkeit be- sitzen, eh aktiv schraubenförmig zu krümmen, eine Tatsache, die uns wieder zu der Annahme einer wandernden spiraligen Zone größter Kontraktion führen muß. Ebenfalls auf den Boden der Theorie Bütschli’s stellt sich Reichert (1909) auf Grund seiner Beobachtungen an Spirillum volutans. Dieser Organismus trägt in der Regel an jedem Pol ein Büschel von etwa 20 bis 25 Einzelgeißeln, die sich während der Rotation zu einem einheitlichen „Geißelzopf“ verflechten. Ist schon die Einzelgeißel ein verhältnismäßig derbes Objekt, so gılt das natürlich von dem ganzen Geißelzopf erst recht. Auch hier hat bereits Migula die Fähigkeit der Kontraktion festgestellt und hebt hervor, daß die Bewegung stets schraubenförmig, nie Wellenförmig erfolge. Beim ruhenden Individuum ist der bis zu 24 u lange Geißelschopf, wie von Reichert und Fuhrmann über- einstimmend berichtet wird, in Form einer (im Sinne der Botaniker) lınksgängigen Schraube von etwa 51° Steigungswinkel!’) — zu- weilen auf einen Kegelmantel — aufgew unden. Während der Be- Megung ist nach ihrer Darstellung, der sich noch Ulehla(1911)an- 15) Vgl. Gleichung (3) und die zugehörige Diskussion ! 76 P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. schließt, nur die jeweils hintere Geißel tätig, während die vordere Geißel nur um den Körper geschlungen sein soll. Sowohl Reichert wie Fuhrmann haben nun beobachtet, daß während der Bewegung die Schwingungsräume um so flacher werden, je rascher die Rota- tion erfolgt und Fuhrmann gibt richtig an, daß dabei der Stei- gungswinkel verkleinert wird — während Reichert nur eine Streckung der Geißel beschreibt. Zur Erklärung dieser Erscheinung nımmt Reichert an, daß bei rascherer Rotation, also schneller verlaufenden Kontraktionen die Geißel nicht mehr imstande sei, dıe den Kontraktionen entsprechenden Endlagen einzunehmen. Nach unseren bisherigen Betrachtungen werden wir dagegen geneigt sein, an Stelle dieser etwas gezwungenen Deutung die Erscheinung auf a De DR ı BR. II Fig. 15: Geißelformen von Spir iin volutans (nach Fuhrmann, p. 138). die Wirkung des Wasserwiderstandes zurückzuführen. Diese An- schauung erhält noch wesentliche Stützen durch weitere Beobach- tungen derselben Autoren. So findet sich bei Fuhrmann die Be- obachtung, „daß eine Verschiedenheit der Ganghöhen eintreten kann, die man sogar ziemlich oft beobachten kann; ın der Fig. 2 (hier wiedergegeben als Fig. 15. Der Verf.) sind solche Ganghöhenunter- schiede in c und d wiedergegeben. Die genannten Formen wech- seln an ein und demselben Spirillum während der Bewegung sehr häufig.“ Der Vergleich mit Fig. 10 d‘ zeigt frappante Ähnlichkeit. Weiter berichtet Reichert, daß bei steigender Geißellänge bis zu einem Betrag von etwa 24 „« die Geschwindigkeit zunimmt, bei noch längeren Geißeln „infolge Ermüdung* wieder geringer ° wird: auch meine Versuche mit sehr biegsamen „Geißelmodellen“ zeigten, daß nach Überschreitung eines (übrigens von der Rotations- geschwindigkeit abhängigen) Grenzwertes der Geißellänge eine Ab- nahme des Wirkungsgrades zu verzeichnen ist. Ebenso einfache Aufklärung findet eine andere von Reichert berichtete Erschei- nung: daß nämlich „bei verhältnismäßig langer Geißel mit ein bis „wei vollen Windungen die Drehung des Körpers im allgemeinen rascher von statten geht, wenn die Geißel weit ausgebaucht ist, als wenn sıe flach srstkakt ist“. Im ersteren Fall muß der Wider. stand, den die Geißel bei der Bewegung erfährt, größer sein als — ae ner [4 a% | k. PP. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. y im letzteren, während der Widerstand des rotierenden Körpers sich in geringeren Grenzen ändern wird. Nehmen wir an, daß ın beiden Fällen die absolute Rotationsgeschwindigkeit der Geißel gegen den Körper fast unverändert bleibt (weil die vom Organis- mus produzierte Energie wohl als konstant angesehen werden kann), so muß eine Verschiebung derart eintreten, daß die relative Geißel- drehung abnimmt, während die beobachtete Körperrotation um den gleichen Betrag rascher wird. Die Versuche von Reichert geben mir noch Veranlassung, auf den Einfluß der Beschaffenheit des Mediums einzugehen. Um die Beobachtung der Geißelbewegung in den Einzelheiten zu er- möglichen, hat er seine Objekte in 1—5 %, Gelatinelösungen unter- sucht (der Zusatz visköser Stoffe wıe Quittenschleim, Agar, Traganth u. Ss. w. ist ja zur Verlaugsamung der raschen Bewegungen von In- fusorien und Flagellaten schon öfter benutzt worden). Die Folge der bedeutend erhöhten Viskosität ıst natürlich eine erhebliche Steigerung des Widerstandes und es wird nicht nur die Schwimm- geschwindigkeit herabgesetzt, sondern auch die Bewegung der Geißel “ behindert. Als auffälligste Wirkung müssen wir erwarten, daß die E:\ „zentripetale Komponente“ noch mehr hervortritt, daß also der Schwingungsraum noch bedeutend schlanker wird als in Wasser bei gleicher Umdrehungsgeschwindigkeit. Aus den gleichen Be- ! trachtungen ergibt sich, daß sich die Geißel so verhalten muß, als sei sie nachgiebiger geworden. Das ist nun auch tatsächlich zu beobachten. Auch Reichert ist diese Tatsache nicht entgangen (l.c.p.53): „Ebenso beobachtet man, daß die Geißel in zähflüssigen Medien äußerst flachgestreckt wird, obwohl der Körper in diesem Falle infolge des großen Widerstandes, den er bei der Bewegung - erfährt, nur verhältnismäßig langsam vorwärts kommt. Aber die Kontraktionen durch die Geißeln pflanzen sich jedenfalls sehr rasch . fort, was der intensiven Tätigkeit der Geißeln entspricht.“ Bei dem Erklärungsversuch Reichert’s ist nicht recht einzusehen, weshalb in dem zähen Medium die Tätigkeit .der Geißel gesteigert wer- den (Reichert, l.c.p. 63) und die Kontraktionen rascher ablaufen sollen. Das Gegenteil ist m. E. wahrscheinlicher. Daß bei solcher mechanischer Verlangsamung der Ablauf der Geißelbewegung nicht mehr dem normalen entspricht, hat auch Ulehla (1911) erkannt und ıhre Anwendung vermieden. Wenn wir die bisher besprochenen Beobachtungen an längeren - Geißeln überblicken, so müssen wir den Eindruck gewinnen, daß sich die Geißel im wesentlichen als biegsamer Faden verhält, dessen Schraubengestalt mindestens zu einem Teil passıv durch _ Widerstandskräfte verursacht ist, und daß die Energieentwicklung ihren größten Wert in der Nähe der Geißelbasis erreicht. Er In meinen Rohkulturen (besonders über faulendem Froschlaich) - waren die Spirillen kürzer begeißelt und stellten sich in der Weise ‘ Hi m a ud nt un nn ne ann ee Bern m 18 P. Metzuer, Zur Mechanik der Geißelbewegung. Re Br dar, wie Ulehla beschreibt. Die Geißeln machen im wesentlichen eine Kegelschwingung, während von eineı ausgesprochenen Schrau- benform nichts zu sehen ist (höchstens !/, Schraubenwindung). Trotzdem ist die Fortbewegung auch hier var lebhaft. Das er- klärt sich aber recht einfach aus der Besonderh£it der Körperform. Wir haben da eine rechtläufig gewundene Spirale vor uns, die wie Jeder Körper infolge der Geißelbewegung in rückläufige Rotation versetzt wird sich nun seinerseits in das Medium „hinein- schraubt*. Danach hätte die Geißelbewegung hier vorwiegend den Zweck, den Körper zur Drehung zu bringen und würde erst mittelbar die Fortbewegung bewirken. Zu ähnlichen Schlüssen gelangte auch Ulehla auf Grund seiner Beobachtungen an dem noch kürzer begeißelten (sonst aber ähnliche Verhältnisse zeijgenden) Spirillum undula. Diese kurzen Geißeln von Spirillum volutans wie die von Spirillum undula zeigen sich als recht formbeständig. Ob bei der Bewegung tatsächlich die hintere Geißel die Haupt- arbeit leistet, während die vordere Geißel jeweils in Ruhe verharrt (Reichert, Dlehla) will ich noch dahingestellt sein lassen, weil neuere, aber noch nicht abgeschlossene auf die Klärung dieser Frage Innzislande Versuche in andere Möglichkeiten nicht aus- schließen. | Eine besondere Stellung unter den schraubenförmigen Bak- terien nimmt das riesenhafte Thiospirillum jenense ein, das nur an einem Körperpole einen recht kräftigen, aber verhältnismäßig kurzen Geißelschopf besıtzt, und das mit seiner Hilfe sowohl vor- als rückwärts ın gleicher Weise andauernd zu schwimmen vermag. Eine eingehende Schilderung der Geißeltätigkeit und der interes- santen Reizbeantwortungen verdanken wir Buder (1915). Die Geißel ist ın der Ruhe als Teil (etwa !/,—!/, eines Umganges) einer rechtläufigen Spirale sichtbar, während der Körper selbst linksgewunden ist. Während der Bewegung verschwindet auch hier die Geißel in einem Schwingungsraum, der aber je nach der Schwimmrichtung verschiedene Gestalt besitzt (vgl. Fig. 16). Bei der Bewegung mit nachfolgender Geißel ist der Schwingungsraum ähnlich dem von Chromalium Okent, mitunter etwas flacher; beim Übergang zur Rückwärtsbewegung (meist ausgelöst durch Lichte reize) tritt eine bemerkenswerte plötzliche Änderung des Licht- raumes ein, die Buder treffend mit dem „Überschnappen“ eines Regenschirmes vergleicht. Nun schwimmt das Sperillum mit vor- angehender Geißel; die Basis des Schwingungsraumes ıst aber wieder- um nach rückwärts gewandt. Die naheliegende Vermutung, daß diese Rückwärtsbiegung ebenfalls eine Folge des Weasserwider- standes sei, trifft nicht zu, denn Buder konnte zeigen, daß dieses „Überschnappen“ auch an vollkommen in Detritus festgefahrenen Individuen zu beobachten ist. Gleichzeitig konnte nachgewiesen werden, daß mit der Gestaltänderung des Lichtraumes eine momen- " 19 j | h " n PrR i ) e f , 1 BR. © ——P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. 79 tane Umkehr des Umdrehungssinnes erfolgt. Aus dieser Darstellung und aus mancherlei persönlichen Mitteilungen, für die h' WE ie ich Herren Prof. Buder sehr zu Dank verpflichtet bin, scheint her- vorzugehen, daß auch bei T’hiospirillum jenense die Geißel in erster Linie die Rotation des Körpers und damit mittelbar die Fortbe- wegung bewirkt, während die Schraubenwirkung weniger zur Gel- tung kommt. Leider konnte ich bisher dieses wegen seiner Größe so günstige Objekt noch nicht selbst daraufhin ansehen. Fig. 16: Schwingungsräume von Thiospirillum jenense (nach Buder, p. 554). Bei a—d Bewegung mit nachfolgender Geißel, bei e und f mit voran- gehender Geißel. \ \ / \ Zusammenfassend stellen wir fest, daß nach unseren bisherigen Kenntnissen nur Chromatium Okeni eine typische aktive Schraubengeißel besitzt. Beı den Spirillen und Thio- spirillum dagegen scheint die Geißel nur mittelbar an der Bewegung beteiligt zu sein. Auch scheint hier die basale E- Zone sich dem distalen Ende gegenüber durch besondere Bieg- samkeit und Kontraktilität auszuzeichnen (vgl. auch Buder ni 1915, p. 554), während bei Chromatium die Geißel auf ihrer ganzen Länge gleiche Eigenschaften besitzen muß. III. Zur inneren Mechanik der Geißelbeweguns. Wie schon gezeigt wurde, ist uns ein direkter Einblick in die Verhältnisse der inneren Mechanik der Geißeln nicht möglich, wohl - aber können wir mit Hilfe unserer Betrachtungen über die äußere Mechanik einige Gesichtspunkte zur Beurteilung der verschiedenen Theorien der Trüktor gewinnen. Wir können gewisser- maßen von dem gesamten beobachteten Vorgang das rein Pneehanreche abstrahieren und dadurch eine Vorstellung von den Eigenschaften der Geißel selbst zu bekommen suchen. | Aus Analogiegründen liegt es nahe, dıe Rolle der aktiven Be- weglichkeit feinen kontraktilen Fibrillen zu übertragen, die dann “ z.B. in einem der Theorie Bütschli’s entsprechenden Falle spiralig yerseilt zu denken wären. Zu ähnlicher Anschauung kam Ballo- witz (1839) bei seinen Untersuchungen über den Bau von Sper- - _matozoen. Die Schwierigkeiten, denen diese Anschauung begegnet - (sie vermag vor allem die partielle aktive Beweglichkeit nicht zu Ei. erklären, ist in der speziell von Ballowitz vertretenen Ansicht, ‚SO P. Metzner, Zur Mechanik der Getelbewegung. My: von: u ' die die kontraktilen Elemente ın den Achseneih vorlaa aueh \ physikalisch unhaltbar), vermeidet Engelmann (1879) mit seiner Theorie der „Inotagmen“, kleinsten fibrillären Elementen, die durch metachrone Kontraktion die verschiedenen Formen der Bewegung hervorbringen könnten. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit konnte diese Theorie auch morphologisch beanspruchen, da Engelmann (1875) die Cilien gleich den Muskelfasern doppelbrechend fand — ein Zeichen dafür, daß in diesen Strukturelementen die Moleküle bestimmt orientiert, parallel gerichtet sind. Neuerdings ist aber ‚von Maccinnon und Vles (1908) der Beweis geführt worden, daß es sich bei den Cilien nicht um Doppelbrechung, sondern um eine teilweise Depolarisation des Lichtes handelt, die mit der Lagerung der Moleküle ın keinem Zusammenhang steht. Pütter (1903) sieht die Schwäche dieser Anschauung darin, daß die „Kontraktions- linien je nach Art des Schlages einen verschiedenen Verlauf haben“ und spricht sich dahin aus, daß „alle Punkte der Cilienoberfläche, und zwar in jeder beliebigen Kombination nicht in bestimm- ten Verbänden, mag man diese als Fibrillen oder als Inotagmen- reihen bezeichnen, sich kontrahieren, und hierdurch wirksame Sehläge zustande bringen können“. Die Ansichten der neueren Autoren (vgl. Pütter, Goldschmidt, Rhumbler u.a.) gehen in der Regel von dem allgemeinen Gesichtspunkt aus, daß das Proto- plasma als zähflüssige (bezw. wabige oder schaumige) Masse aufzu- fassen sei, in der auch für derartige komplizierte Bewegungen keinerlei dauernde kontraktile Elemente spezialisiert seien und suchen alle die auftretenden Erscheinungen durch lokale Ober- flächenspannungsänderungen zu erklären, die ım Gefolge gesetz- mäßig verlaufender chemischer Umsetzungen auftreten. Angesichts der mitunter fast physikalisch strengen Rhythmik von Cilien und Geißeln wird man aber zugeben müssen, daß die Umsetzungen bei diesen Objekten in bestimmten Bahnen verlaufen, daß also eine gewisse „Materialsortierung“ vorhanden sein tauß, die keinen | sichtbaren Ausdruck zu finden braucht und auch wohl mit der An- nahme flüssiger Formart des Plasmas vereinbar erscheint. Dabei 1 ist es keineswegs nötig, daß diese — gewiß auch als „Struktur“ zu bezeichnende — Materialsortierung nun ein für allemal festge- legt ist1%); auch sie kann Änderungen und Umlagerungen sowohl durch innere wie äußere Einflüsse erleiden, die sich dann durch Änderungen des Bewegungsmodus kundgeben können. . Daß gewisse derartige Strukturen unter Umständen auch dauernd vorhanden 16) Wo das in für uns wahrnehmbarer Form der Fall ist — wie bei den H Myonemen oder Muskelfibrillen — , ist mit der dauernden Spezialisierung auch eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit verbunden; dort, wo nur gelegentlich eine derartige Tätigkeit auftritt — wie bei den schon erwähnten schwingenden Pseudo- podien — ist auch entsprechend geringe Kraftleistung zu verzeichnen. (Vgl. An- | | merkung 8.) Ey 1, Fi 09 ed P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. 31 sein müssen, ist schon daraus zu ersehen, daß auf einen bestimmten Reiz — etwa einen Lichtreiz — immer wieder dieselbe Reaktion erfolgt (während doch der Bewegungsmöglichkeiten so viele sind) und zwar bei allen Individuen derselben Art in gleicher Weise. — Die Vorstellung von der überwältigenden Mannigfaltigkeit der erzielten Formen leitet sich in der Hauptsache her von derberen und vor allem verhältnismäßig langsam sich bewegenden Ob- jekten (bes. Spermatozoen), und es wird einer genaueren Unter- suchung bedürfen, welcher Anteil an dieser Bewegung wirklich aktıver Kontraktion zukommt, und was lediglich wiederum Wir- kungen des Widerstandes sind. Hier mag nur darauf hinge- wiesen werden, daß man ähnlich komplizierte Bewegungen erhält, wenn man einen an einem kurzen Glasstab befestigten längeren und nicht zu dicken Gummischlauch mäßig schnell pendelnd ım Wasser bewegt. Die Idee der verseilten kontraktilen Fibrillen ist neuer- dings für einen bestimmten Fall im Anschluß an die Theorie Bütschli’s auch von Buder (1915) entwickelt worden. Bei Chromatium Okeni ıst die Geißel, wie eingehend berichtet wurde, auch während der Bewegung stets genau schraubenförmig gekrümmt; andere kompliziertere Figuren wurden nicht beobachtet. Wir haben also ein Objekt vor uns, das eine wandernde spiralige Zone größter Kontraktion in Schbnsier Weise zeigt. Es hat sich nun als sehr wahrscheinlich herausgestellt, daß ne Geißel aus einer ganzen Anzahl von Einzelgeißeln (etwa 20) zusammengesetzt ist, die aber recht fest aneinander haften (ob nur durch Ad- ‚sorption oder durch Klebrigkeit, läßt sich direkt nicht ermitteln) und bei den verschiedenen Beiz- und Färbemethoden auch nur un- vollkommen voneinander zu trennen sind. Jeder einzelnen Geißel müssen wir allgemein die Fähigkeit der Kontraktion zuerkennen; . und diese kontraktilen Elemente sind nun ın der Geißel etwa wie ın einem Kabel verseilt. „Lassen wir ın Gedanken eines der ela- stischen Elemente, die es zusammensetzen, sich kontrahieren, so wird das zuvor gestreckte Kabel die Gestalt einer Schraube an- nehmen, und es ist ohne weiteres einleuchtend, daß die Weite und Steilheit ıhrer Windungen vor allem abhängig sind erstens von der Größe der Kontraktion, zweitens von dem Ausmaße der Torsion der Elemente ım Kabel. Nehmen wir nun an, daß sich alle Elemente nacheinander in rhythmischer Folge kontrahieren und wieder ausdehnen, so wird die Kabelschraube rotieren und muß ‚dabei die An Erscheinungen zeigen, wie wir sie bei den Geißel- schrauben der Chromatien erblicken.“ (Buder 1915, p. 551.) Ein derartiger Mechanismus ist angesichts des so außerordentlich exakten Metachronismus z. B. der Peristomcilien von Infusorien durchaus denkbar. Wir brauchen uns nur vorzustellen, daß die Geißeln längs der Peripherie eines kleinen Kreises eingepflanzt seien, daß 40. Band. | a. 5 N LE a en ah nr. Felt Hs ug Kikh 82 P. Metzner, Zur RE der Geißelbewegung. alle Elemente in gleichem Bhrthmus sich kontrahieren und daß jede (Greißel gegenüber der vorhergehenden in der Phase der Bewegung etwas voraus ist — um dasselbe Bild zu erhalten, das wir z. B. an der adoralen Membranellenzone von Stentor längst zu sehen gewöhnt sind. Wenn die Ansatzpunkte der Geißeln so nahe zu- sammenrücken, daß uns die Geißeln alle aus einem Punkt zu ent- springen scheinen, so ändert das an der mechanischen Verkettung der einzelnen Elemente nichts. Eine einheitliche rotierende Schraube kann aber nur dann entstehen, wenn die einzelnen kon- traktilen _ Fäden!”) solid miteinander verbunden sind und sich während der Bewegung — besonders dann, wenn sich die freie Spitze der Schraube „einbohren“ muß — nicht voneinander lösen. Die Richtung der Schraubendrehung muß mit dem Sinn des Meta- chronismus wechseln, während der Windungssinn der Schraube durch die Richtung der tordierten Elemente bestimmt ist und im allgemeinen keinen Veränderungen unterliegt. Für die Geißeln der Spirillen ist eine Zusammensetzung aus. 20—25 Einzelgeißeln schon längere Zeit einwandfrei erwiesen. Aber hier sind die einzelnen Elemente anscheinend nicht so fest anein- ander gekettet, sondern können 'sich schon am lebenden Objekt unter gewissen Bedingungen (vor allem unter dem Einfluß chemi- scher Reize) freiwillig entfalten. Damit mag es wohl auch zu- sammenhängen, daß et Geißeln nicht so starr sind wie etwa die der Chromatien, sondern sich in ihrem distalen Teile mehr wie passiv bewegte Fäden verhalten, während die der Insertionsstelle nahe Zone, wo die während der Bewegung umeinander tordierten Fäden sich am dichtesten zusammenlegen müssen, auch einen höheren Energieinhalt zeigt. Ganz ähnlich scheinen die Verhältnisse bei Thäospirillum jenense zu liegen. Hier konnte Buder bei der Beobachtung im Dunkelfeld ebenfalls ein Aufspalten der Geißel beobachten, während er anderer- seits von seinen Beobachtungen der Änderungen des Schwingungs- raumes zu der Annahme einer besonderen (aktiven!) Biegsamkeit der basalen Zone geführt wird. Einige von Buder mitgeteilte Beobachtungen an Throspirillum sind weiter noch geeignet, die oben entwickelte Annahme metachron sich kontrahierender Gebilde zu unterstützen. Wenn nämlich am lebenden Objekt sich einige. Einzelgeißeln von dem schwingenden Schapf loslösen, so leuchtet n 17) Bei dem Begriff der Kontraktion fibrillärer Gebilde neigen wir dazu, in Analogie zur Tätigkeit für Muskelfibrillen an eine Längenverkürzung zu denken. Das ist aber in unserem Falle durchaus nicht die einzige Möglichkeit. Eine ein- fache Überlegung zeigt uns, daß jede beliebig verlaufende Kontraktion (etwa allgemeine Volumverminderung, einseitige Beugung u.s. w.), wofern sie nur in allen Elementen in gleicher Weise und metachron abläuft, zu dem gleichen äußeren Effekt führen muß. Umgekehrt können wir. infolgedessen aus der beobachteten Bewegung keinen Aufschluß über den Modus der Kontraktion in dem einzelnen kontraktilen Element erlangen. | EEK, > N NL (4 P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. 55 ein, daß auch diese Einzelgeißeln ‚ın ihrer Phase der Kontraktion voneinander verschieden sind, und daß sie — falls sie sich bei ihrer Schwingung zusammenlegen und verwickeln — ebenfalls einen ähnlichen Schwingungsraum beschreiben müssen, der freilich nicht so regelmäßig ausfallen wird. In der Tat fanden sich Indı- viduen, die derartige geteilte Schwingungsräume besaßen (Fig. 17). Diese für Geißelbüschel schon morphologisch berechtigte Anschauungsweise auf einfache Geißeln (und als solche müssen wir die Geißeln der Flagellaten ansehen) zu übertragen, scheint mir ein sehr gewagtes Experiment. Immerhin seien E x e, Bl Ze A ad ah ai > 2 nn u EEE der 1 Fe Fig. 17. Fig. 18. Fig. 17: Geteilte Schwingungsräume von Thiospirillum jenense (nach Buder, p. 558). Fig. 18: Einseitig sich kontrahierende Cilie in verschiedenen Lagen (schematisch). einige Andeutungen darüber erlaubt,’ wie weit wir mit der Annahme ähnlicher Mechanismen '?) bei der Erklärung der beobachteten ER EN - RI ee Tr u a -, Sehwingungsräume kommen würden. Verläuft die Kontraktions- linie nicht spiralig, sondern parallel der Achse die Geißel entlang, so muß eine Kegelschwingung zustande kommen. und bei schneller — Rhythmik müssen durch Mitwirkung des Wasser widerstandes und unter Berücksichtigung des Geißelquerschnittes Schwingungsräume ‚entstehen, wie wir sie bei den Flagellaten kennen lernten. Erfolgen die Kontraktionen nicht so rasch, so. ergibt schon die Überlegung, daß — wieder als eine Folge des Wasserwiderstandes — ganz un- regelmäßige Figuren entstehen werden (vergl. das oben angeführte Beispiel des schwingenden Gummischlauches). — Wird die Geißel beispielsweise einseitig, aber auf der ganzen Strecke mit gleicher Energie kontrahiert, so wird sie bei der Krümmung stets als Stück einer Kreisperipherie erscheinen. Beobachten wir eine solche Kon- traktion, die in Fig. 18 ın 4 einzelnen Phasen dargestellt sei, so werden wir unwillkürlich den Eindruck erhalten, als ob die freie Spitze voranginge. als ob die Kontraktion von der Spitze nach der Basis zu fortschreite.. Ich vermute, daß auf diese oder ähnliche Weise die Beobachtungen von Migula (1897) an Chromatium Okeni und Spörillum volutans zu erklären sind. Daneben ist noch denk- 18) Um morphologische Mißdeutungen zu vermeiden, soll im folgenden nur ‘wieder von der „Kontraktionslinie“ gesprochen werden. 6* 84 P. Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. bar, daß die Intensität der Kontraktion von der Basis nach der Spitze zu abnımmt; der Erfolg der Krümmung wird sich nicht wesentlich von den vorher dargestellten Erscheinungen unterscheiden. Auch hier ist es klar, daß bei mäßig schneller Rhythmik recht komplizierte Bewegungen zustande kommen können. | Wir stellen fest, daß auch recht komplizierte Bewegungen ein- facher Geißeln unter Annahme einer einfachen, mechanisch vor- stellbaren Struktur erklärt werden können; eine Kombination ver- schiedener Kontraktionslinien, wie Pütter (1902) vermutet, ist dabeı nicht erforderlich. Bewiesen ist aber — und das sei nochmals hervorgehoben — damit für die anatomische Struktur der ein- fachen Geißel noch nichts. Wie die Kontraktion erfolgt, darüber ist bisher weder auf diesem, noch auf anderem Wege etwas Sicheres zu ermitteln. Am wahrscheinlichsten ist es, daß periodische Schwankungen der Oberflächenenergien eine gewisse Rolle dabei spielen, weil sie bei derartig kleinen Dimensionen schon sehr hohe Werte erreichen können (rein theoretisch ist ja z. B. auch eine Ortsbewegung ohne jedes mechanische Hilfsmittel nur durch Diffe- renzen der Oberflächenspannung denkbar [Berthold 1886 p. 125). Berechnungen der fraglichen Größen (für die Arbeitsleistung von Muskelfibrillen) baben denn auch zu befriedigenden Ergebnissen ge- führt (Berustein 1902). Vielleicht kann durch weitere Ver- suche, physikalische bezw. physikalisch-chemische Komponenten der Bewegungsvorgänge zu analysieren und von der beobachteten Be- wegung zu abstrahieren, ein weiterer Einblick in den Mechanismus des Protoplasmas ermöglicht werden. Zusammenfassung. 1. Versuche an in Wasser rotierenden Drähten ergeben, daß bei einer reinen Kegelschwingung eine Zugkraft auftritt, die bei einem Winkel der Mantellinie gegen die Rotationsachse von etwa 20—23° den größten Wert erreicht. 2. Schrau benförmig gewundene Gebilde ergeben sowohl theoretisch wie praktisch einen maximalen Wirkungsgrad bei einer Steigung von 45—54". 3. Elastische rotierende Körper haben das Bestreben, bei rascher Rotation ihren Schwingungsraum entgegen der Zentrifugal- kraft zu verschmälern („zentripetale Komponente‘). 4. Sehr biegsame Objekte nehmen bei der Rotation passıv charakteristische Schraubengestalt an; der Steigungswinkel und der Durchmesser des en: sind von der Rotations- geschwindigkeit abhängig. 5. Bei nicht drehrunden Geißeln muß auch der Schwingungs- raum elliptischen Querschnitt erhalten, der sich infolge der Wirkung der „zentripetalen Komponente“ och weiter abflachen kann. um E er, >» SEE i , N p. "Metzner, Zur Mechanik der Geißelbewegung. 85 6, Die Geißeln lebender Objekte besitzen allgemein die = Ku Fähigkeit sich an jedem beliebigen Punkt ihrer Oberfläche zu kontra- hieren und können besonders bei langsamer Bewegung — und so- lange sie als Einzelgeißel (nicht als Schopf) schwingen —, recht komplizierte Bewegungen ausführen, die zum Teil in ihrem End- effekt durch den Wasserwiderstand modifiziert werden können. 7. Eine Zone nahe der Geißelansatzstelle zeichnet sich in der Regel durch besondere Biegsamkeit. und Energieentwicklung aus. Ihr Einfluß wird besonders deutlich bei rascherer Tätigkeit, wo der Schwingungsraum infolge des wachsenden Einflusses der Widerstandskräfte einfacher und beständiger wird. 8. Bei den Flagellaten herrscht die reine Kegel- schwingung vor; der Organismus „saugt“ sich mit Hilfe der Geißel in das Wasser hinein. Der Schwingungsraum kann dabei - drehrund oder elliptisch bis fast flächenförmig sein. 9. Bei Chromatium Okeniı ist der Fall einer aktıven Geißelschraube (wie sie die Theorie Bütschli’s fordert) zweifel- los verwirklicht. | 10. Bei den Geißeln der Spirillen tragen die Geißeln ver- Br ‚mutlich in erster Linie mittelbar (durch Unterhaltung der Körper- _ drehung) zur Fortbewegung bei. 11. Die Geißeln der Chromatien und Spirillen sind aus zahlreichen kontraktilen Einzelgeißeln (die wahrscheinlich metachron arbeiten) zusammengesetzt, die bei Chromatium fest mitein- ander verklebt sind, bei den Spirillen dagegen nur locker verbunden erscheinen und sich freiwillig wieder zum Schopf ent- falten können. Die speziellen Eigenschaften der Geißeln sind daraus Per | | 2. Durch Annahme ähnlich einfacher mechanischer Verhält- on lassen sich sowohl die bei rascher Tätigkeit entstehenden Schwingungsräume der Einzelgeißeln von Flagellaten wie die komplizierten Vorgänge bei langsamer Bewegung erklären. Beweise für eine bestimmte innere Struktur der Einzelgeißeln sind damit noch nicht gegeben. | Literatur. 7. Ählborn, Jahrb. d. schiffsbautechn. Gesellsch. Bd. 5 (1904) S. 417. Een Ballowitz, E., Fibrilläre Struktur und Kontraktilität. Arch. f.d. ges. Physiol. Bl. 46 (1889) S. 433—464. 3. Becker, O., Über Flimmerepithelium und F A im Geschlechts- apparate der Säugetiere und des Menschen. Moleschott’s Untersuch. Bd. 2 (1857) 8. 71--9. 4. Bernstein, J., Die Kräfte der Bewegung in der lebenden Substanz. Braun- Be. schweig 1902. ı 5. Berthold, G., Stulien üher Protoplasmamechanik. Leipzig (1886). 56 =] N - 16. 19. 20. z ar 123 1% Meiner a Mechanik der Göißelbenogung. Er ME . Buder, J., Zur Kenntnis des Thiospirillum jenense und seiner Reaktionen auf Liehtreize. Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. 56 (1915) S. 529-584. . Bütschli, O., Protozoen, in Bronn’s „Klassen und Ordnungen“ Bd. 1 (1883 — _.97). — -—- Einige Bemerkungen über gewisse Organisationsverhältnisse der sogen. 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Der Cytologe wird häufig vor die Frage gestellt, zu entscheiden, was für Gebilde er in den einzelnen Kembesicndie nn vor sich hat. Da finden wir die eigenartigsten Bildungen, die entweder mit dem. indifferenten Namen eines Binnuenkörpers bezeichnet werden, oder sie werden als „Nukleolen“ aufgefaßt, während andere Autoren ihnen den Namen „Karyosomen“ geben, worunter meistens Binnenkörper chro- matischer Substanz verstanden werden, dıe häufig zu der Bildung der Chromosomen während der Mitose ın irgendeiner Beziehung stehen sollen. Gibt es nicht Mittel. die geeignet sind, die Beschaffenheit der einzelnen Kernbestandteile nachzuweisen, insbesondere die Anwesenheit von Ohromatin festzustellen? Können wır uns über die Natur der einzelnen Kerngebilde Klarheit verschaffen, wenn es uns möglich ee Ihre chemische Zusammensetzung zu ersründen? Im allgemeinen hat es der Cytologe und der Histologe mit mor- phologischen Begriffen zu tun. Bei den Begriffen des Zellkernes, des Plasmas, der Kernmembran, der Nukleolen, der Chromosomen u. s. w. denkt man ursprünglich an ihre äußere Gestalt und Form. Man muß sich klar bleiben, daß man eine neue, andere Betrachtungsweise ein- führt, wenn man nach der chemischen Beschaffenheit dieser Gebilde fragt. Aber diese andere, chemische Betrachtungsweise ist sehr wohl imstande, die niötphologische zu ergänzen und uns manche morpho- logische Erscheinung verständlicher zu machen. Nun sind aher, wie wir noch näher sehen werden, die bisherigen Ergebnisse der Chemie der Zelle und der des Zellkernes noch außer- ordentlich gering. Wenn wir nach der Ursache dieser geringen Kennt- nisse auf diesem Gebiete fragen, su müssen wır uns daran erinnern, daß die „physiologische Chemie“, die „Biochemie“ selbst noch eine ganz junge Wissenschaft ist, die sich noch in den ersten Anfängen befindet. Wie wenig wissen wir über die so kompliziert gebauten Eiweißkörper und ihre Verbindungen! Da darf es auch nicht Wunder nehmen, daß die spezielle Mikrochemie dieser Stoffe innerhalb der Zelle bisher noch sehr wenig erforscht ist. Bevor wir die einzelnen mikrochemischen Methoden näher kennen lernen, müssen wir wissen, mit welchen Substanzen wir es überhaupt zu tun haben; wir müssen uns befassen ut der Makrochemie der Stoffe, die wir in den Zellkernen finden Was wissen wir über ihre Zusammensetzung und über ihren Aufbau ? Bei dieser makrochemischen Betrachtung werde ich nur diejenigen Kapitel der‘ Eiweißchemie behandeln, welche zur Chemie des Zellkernes, unserem eigentlichen Problem nähere. Beziehung haben, und mich dabei auf das beschränken, was für den Cytologen von besonderem Interesse ist. Bei der außerordentlichen Kleinheit der Zellkerne ist es von vorneherein klar, daß die makrochemische Untersuchung, d.h. die Untersuchung der Substanzen im Reagenzglase sehr erschwert ist. Diesem Übelstand hat man dadurch abzuhelfen ver- _ sucht, daß man zur Untersuchung Stoff» und Organe verwendete, die sich durch einen 1 dre Pratje, Die Chemie des Zellkernes. ie) Br ie f R Ben ee raraichtoin ‘ auszeichnen. ‚Miescher hat im Jahre 1871 die ersten Ver- suche hierüber angestellt und benutzte zu diesem Zwecke die Spermatozoenköpfe des er a die ja fast ausschließlich aus Kernsubstanz bestehen. Auch bei allen späteren ntersuchungen über die chemische Beschaffenheit der Zellkernsubstanzen haben die Spe srmaköpfe von Fischen, insbesondere des Lachses und des Herings eine große Rolle Sr Als weitere, geeignete Objekte erwiesen sich kernhaltige rote und weiße Blut- AR Br perchen und verschiedene zellreiche, drüsige Organe, bei denen die Zellkerne einen bedeutenden Prozentsatz der gesamten Trockensubstanz ausmachen. Von solchen „ drüsigen Organen ist das Pankreas, die Thymus, die Milz, Lymphdrüsen, Nebennieren, ‚eber u. a. näher untersucht worden, Auch aus Hefezellen. Bakterien und Pflanzen 2 rat man die charakteristischen Substanzen isolieren können. - Dabei hat sich ergeben, daß wir in den Zellkernen stets Verbindungen von Eiweiß- bebern mit verschiedenen Nukleinsäuren vor uns haben. Unseren nun folgenden eechtungen sind im wesentlichen die Darstellungen von OÖ. Cohnheim (1911 und . 1013) zugrunde gelegt. Die Verbindungen der Nukleinsäure mit Eiweißsubstanzen bezeichnet man als Nukleoproteide. Bevor wir die Nukleoproteide selbst be- trachten, wollen wir uns kurz mit ihren Spaltungsprodukten beschäftigen, der Nuklein- _ säure und den Eiweißkomponenten, die zusammen die Nukleoproteide aufbauen. Die echten Nukleinsäuren aus der Thymusdrüse besitzen folgenden Pal (nach IR: Bash, 1912): Be. BR (HO),—P—C,H,,0,—C,H,N,O E er Ei : Hz & VAR) %% Ei; & P—0,H ,0,—C,H,N,0 NE ER Ha { P—0,H,,0,—C,H,N;0, Bi BR . O PAARE | | I Be. (HO), —P— 0,49, -C,.EiN, ei Sie bestehen also aus einer kondensierten ar anre und 4 Molekülen Gluko- - siden, welche ihrerseits aus je einer Hexose (Kohlehydrat) und einem Molekül der Basen Guanin, Cytosin, Thymin und Adenin zusammengesetzt sind. Die empirische Formel ist: nf: N, se 19. Ihr a ist 1455. Sie ist eine vierbasische Säure. E Es eibt noch andere Slakifesüren‘ so die Guanylsäure aus dem Pankreas und - die Inosinsäure aus den Muskeln, welche wesentlich einfacher zusammengesetzt sind und s je einem Molekül Phosphorsäure, einer Purinbase und einer Pentose bestehen. Durch starke Säuren können die Basen der Nukleinsäure abgespalten werden. DV on ihnen können das Thymin und das Oytosin teilweise in das Uracil übergeführt “werden. Alle diese drei Stoffe sind durch den Besitz des Pyrimidinkerns ausgezeichnet, der sich auch in den Purinen wiederfindet. Das Pyrimidin ist ein Benzol, in dem zwei CH durch N ersetzt sind: - Iyposanchin umgewandel werden können. Diese vier Basen leiten sich von dem l ae L; “ 3 u \ ” * j Ne er Laer \ h { Ve ei ’ . . 1 N I yi . ER < bi " 90 Andre Pratje, Die Chemie ‚des Zellkern. - Purin-Ring ab, welcher aus dem eben erw ähnten Pyrimidin- Kern und einem zweiten heterozyklischen Ring besteht: | BS O-—NH c-H * HL ON Pr i l \ N NL, Das Purin ist von EmilFischer synthetisch aufgebaut worden. Zu den Purinderivaten | gehört auch diie Harnsäure, die ein Trioxypurin darstellt. | Die Nukleinsäuren stellen ein im trockenen Zustande weißes, im kalten Wassser schwer lösliches Pulver dar, das sich jedoch in Alkalien leicht löst. Durch ineralsäuren tritt eine Fällung ein, N durch salzsäurehaltigen 50% Alkohol und durch Schwer- metalle. Diese ergeben unlösliche nukleinsaure Salze. Eiweißfarbreaktionen, wie die Millon’sche Probe und die Biuretreaktion, auch die Tryptophanreaktionen geben die reinen Nukleinsäuren im Gegensatz zu den Nukleinen und Nukleoproteiden nicht. Die Salze der Nukleinsäure, besonders das nukleinsaure Natron 'bilden sehr leicht Gallerten und kolloidale Lösungen: 5 \ Nach Altmann gibt die Nukleinsäure mit den Eiweißkörpern in saurer Lösung Niederschläge; es entstehen Salze der Nukleinsäuren mit dem Eiweiß. Im lebenden Organismus werden die Nukleinsäuren durch Fermente zerlegt, durch die sogenannten Nukleasen, die sich im Pankreas, Thymus und Darmsaft finden. Im Säugetierkörper entsteht durch Fermentwirkung aus den Purinbasen die Harnsäure. Die Harnsäureausscheidung steigt mit der Zufuhr nukleinreicher Nahrung. Als Eiweißpaarlinge der Nukleinsäure sind bisher Protamine und Histone nachgewiesen worden, welche zu den einfachen Eiweißkörpern gehören. ‚Hier möge ein kurzes Schema der Eiweißeinteilung folgen (nach O. Cohmh eim 1913): I. Einfache Eiweißkörper: 1. Albumine. 2. Globuline. 3. Histone. N N i 4. Protamine. u% 5. Gerüsteiweiße (früher Albuminoide.) II Umwandlungsprodukte: 1. Acidalbumin und Alkalialbuminat. 2. Albumosen, Peptone, Peptide. 3. Halogeneiweiße u. s. w. III. Proteide oder zusammengesetzte Eiweiße: 1. Phosphorproteide (früher Nukleoalbumine oder Paranukleine). 2. Nukleoproteide. 3. Chromoproteide Hamogtoben U 2.). | I 4. Glykoproteide. | 2 Die Albumine und die Globuline bezeichnet man ach als Eiweißstoffe im engeren Sinne, als genuine oder native Eiweißstoffe. Durch Koagulation oder durch Säuren oder Alkalien werden diese „Proteine“ denaturiert, d.h. durch Abspaltungen umpenl 3 wandelt, wobei meist Albuminate entstehen. Die Albumine sind in Wasser löslich, die Globuline meist nur in verdünnten Salzlösungen. Die Albumine sind meist re ' j fällbar als die Globuline und die Proteide. # ' Die Gerüsteiweiße sind im Gegensatz zu den anderen Eiweißstoffen meist unver- ; daulich und für die Ernährung wertlos; sie kommen nur .ls Interzellularsubstanzen | vor, wenn sie auch von den Zellen selbst produziert werden. E Die Histone und die Protamine sind, wie bereits erwähnt, als Firdkpbarlingn ; der Nukleinsäuren nachgewiesen worden. j . $, N A” Zuge ar a a ai tan a in ln are ee re \ Proteine. 2 a ER Da u Ba a u a en 2 N ie er »*, „2 a RE / A ©. Ba”. u EN ni Per D r m . 1 üdre Pratje, Die Chemie des Zellkernes. DR #3 Die iltone sind Eiweißkörper, die einen stark basischen Charakter besitzen. | Die wichtigste der in ihnen enthaltenen Basen ist das Arginin. Sie haben einen hohen "N-Gehalt und einen geringen S-Gehalt. Infolge ihres basischen Charakters werden sie urch Alkalien gefällt und sind in Säuren leicht löslich. Durch diese Reaktion unter- scheiden sie sich von den Eiweißkörpern mit saurem Charakter, insbesondere den Glo- "bulinen und dem Casein. Die Histone sind hauptsächlich in ihren Verbindungen mit k ler Nukleinsäure in den Zellkernen bekannt. Sie wurden von Lilienfeld in den ernen der weißen Blutkörperchen der Thymus, von Kossel in dem unreifen Samen “ es Seeigels und von Miescher in dem unreifen Samen einiger Fische nac :hgewiesen, "während die Hoden des Lachses und der Makrele im reifen Zustande Protamine enthalten. RR R: Die Protamine werden je nach den Fischen, in denen sie vorkommen, als Salmin, Seombrin, Clupein, Sturin u.s. w. bezeichnet Im Jahre 1874 wurde das erste Prota- iin durch Miescher in den Spermatozoenköpfen des Lachses gefunden. Die Protamine Y ind sehr starke Basen, noch stärker als die Histone und ethaltän einen noch höheren " Prozentsatz von Arginin. Vor allen anderen Eiweißen zeichnen sie sich durch das Fehlen des Schwefels aus. Die Protamine sind vor allem durch Kossel näher unter- sucht worden. Durch Erhitzen werden die Protamine nicht koaguliert; aber durch - Behandlung mit Alkaloidreagentien entsteht schon bei alkalischer Reaktion eine Fällung. In dem Fischhoden finden wir direkte salzartige Verbindungen der Nukleinsäure mit Protaminen und Histonen, die wir als Nukleoproteide bezeichnen. Bei anderen * Nukleoproteiden werden bei der Spaltung durch Pepsinsalzsäure nicht direkt Nuklein- säuren frei, sondern sogenannte „Nukleine“, welche ihrerseits wieder in Eiweiß und % ‚Nukleinsäure gespalten werden können. Das läßt sich in folgendem Schema darstellen: Hexose Eiweiß | Glukoside . . ; Nuklein .. kleine Pyrimidin- und : Kevin.“ ukleinsäure . - | | Aa | inbasen Nukleoproteide _. _ i kondensierte Pure | Histon oder Phosphorsäure | Protamin m diesem Falle ist also die Nikierusanre mit zwei Molekülen Eiweiß verbunden, von denen das zweite, bisher noch nicht näher bekannte sehr viel fester an die Nuklein- 2 äure gebunden ist als das erste und sich schwerer abspalten läßt. - Die Nukleoproteide sind in reinem Zustande weiße Pulver, welchein Wasser, Salz- ungen und Alkalien löslich sind. Wir haben deutlich saure Eiweißkörper vor uns, ie durch Hitze und Fällungsmittel koaguliert werden können. Hierdurch wird der R Siweißbestandteil verändert, während die Nukleinsäure auch aus den gefällten Körpern dargestellt werden kann. a Der saure Charakter der Nukleoproteide stimmt ‚sehr gut mit dem basophilen Verhalten der chromatischen Substanz gegenüber Auilarscboh in den Zellkernen über- _ ein, d.h. diese Substanz stellt eine Säure dar; ob sie aber wirklich aus Nukleoproteiden - besteht, können wir noch nicht mit Sicherheit entscheiden. Es wäre auch denkbar, | daß das Chromatin ‘aus Nukleinsäure selbst bestünde, uud daß das Eiweiß in anderen Substanzen, im Linin oder in anderen ungefärbten Zwischensubstanzen enthalten sei. uf die Schlüsse, welche uns das Verhalten der Zellkerne gegenüber Anilinfarben auf re chemische Struktur gestatten, werde ich weiter unten näher eingehen. Die erwähnten N ukleine stellen nur Spaltungsprodukte dar und stehen in ihrem emischen Verhalten in der Mitte zwischen den Nukleinsäuren und den Nukleopro- iden, aus denen sie nach Miescher durch Pepsinsalzsäure gewonnen werden können. E S tritt dadurch eine Eiweißspaltung ein. Durch Alkalien können die Nukleine weiter 2 erlegt werden: es bilden sich Eiweißstoffe und nukleinsaure Alkalien. Da die Nukleine noch zum Teil aus Eiweißkörpern bestehen, geben sie die Reaktionen der Eiweißkörper, rend die. eigentlichen Nukleinreaktionen, welche Zacharias, Carnoy und scher angegeben haben, auf der Wirkung der Nukleinsäure beruhen. ER, kr Ba I RR | | Be AN E RE \ BEE a a € VPE ’ \ n EM _ 4 Fa sk, r 0) 9 Andre Pratje, Die Chemie des Zelkernent In der obigen Tabelle der Eiweißstoffe finden wir unter den zusammengesetzten Eiweißkörpern an erster Stelle die sogenannten Phosphorproteide bezeichnet, die früher Nukleoalbumine genannt wurden. Der Name „Nukleoalbumine“ zeigt, daß man früher an eine enge Verwandtschaft dieser Stoffe mit den Nukleoproteiden glaubte. Doch es ist durch neuere Untersuchungen klar geworden, daß die Nukleinsäure, die charakteristischste Komponente der Nukleoproteide den Nukleoalbuminen fehlt; daß sie sich also recht fernstehen. Sie entsprechen sich nur in ihrem Verhalten gegenüber Pepsinsalzsäure, durch welche die Phosphorproteide in eine Eiweißkomponente und in einen phosphor- . haltigen Eiweißkomplex gespalten werden, den Kossel als Paranuklein bezeichnete, w ährend andere ihn Pseudonuklein nannten, in äußerem Vergleich zu dem Nuklein der Nukleoproteide. Die bekanntesten Phosphorproteide sind das Casein der Milch und das Vitellin des Eidotters. Schon lange ist bekannt, daß sich der Dotter gegen gewisse Farbstoffe und Reagentien genau so wie das Chromatin verhält. Daher nahm man ursprünglich an, daß die Dottersubstanzen aus Nukleinen bestünden. Das ist aber nicht der Fall. Hieraus ersehen wir, daß man nicht berechtigt ist, aus einem analogen färberischen Verhalten Schlüsse auf die chemische Beschaffenheit der Substanzen zu ziehen. Diese verschiedenen Stoffe sind mit den Methoden der Makro- chemie ın den Zell- und Kernsubstanzen nachgewiesen worden. Wir haben daher das Recht anzunehmen, daß die Bestandteile der Kerne und Zellen aus ihnen bestehen. Frefdurch wissen wir aber noch nichts darüber, welche Teile der Zelle und der Kerne aus den einzelnen Substanzen aufgebaut sind. Wir wissen nicht, ob sie ın Mischung oder getrennt und auf die einzelnen Strukturen verteilt in den Zellen vorkommen. Diese Verhältnisse aufzuklären ist die Aufgabe der eigent- lichen Mikrochemie der Zelle und der Färbemethoden. Ist es möglich, irgendwelche Färbemethoden zu finden, die uns über die chemische Beschaffenheit der einzelnen Kernbestandteile Auskunft geben? Die Färbetechnik hat bekanntlich in der modernen Histologie und Cytologie einen großen Umfang angenommen; sie wird dazu benutzt, die einzelnen Strukturelemente der Zelle zur klareren An- schauung zu bringen. Können wir aus einer bestimmten Färbbarkeit der Kernbestandteile mit bestimmten Farben irgendwelche Schlüsse auf den chemischen Aufbau des Kernes machen ? Schon in der ersten Zeit, als man begann, die Anilinfarben in die mikroskopische Technik nzitaliree bemerkten die Untersucher, daß sich die verschiedenen Zellbestandteile den Farben gegenüber verschieden verhalten; daß manche Teile der Zelle eine gewisse Vor- liebe für bestimmte Farbstoffe zeigten, mit denen sie: sich vorwiegend # färbten. Man verwandte Gemische aus roten, blauen und grünen Farbstoffen. Diejenigen Zellelemente, welche aus diesen Gemischen in erster Linie die roten Farben aufnahmen, bezeichnete man als erythrophil, während die Bestandteile, welche sich blau oder grün färbten, eyanophil genannt wurden. Als roter Farbstoff wurde meistens das Säurefuchsin verwandt, als blauer Methylenblau, Methyl- grün oder Jodgrün. Doch bald toiete es sich, daß man auch direkt umgekehrte Verhältnisse erzielen kann, wenn man andere Farbgemische anwandte, so u Saffranin- Lichtgrün oder bei der modernen Ro- Fo FR ’ Andre Pratje, Die Chemie- des Zellkernes. 95 eo wahy- Ofermsafäthuing. Man mußte daher jenen Gegensatz zwischen _ _erythrophil und eyanophil fallen lassen. Ehrlich stellte fest, daß nicht die Farbe, sondern ein anderes - Moment ausschlaggebend ist, nämlich die chemische Konstitution der Farbstoffe. Man unterscheidet zwischen basischen und sauren Farben. - Die Zellkerne nehmen aus Farbgemischen in erster Linie die basischen - Farbstoffe auf, dener man daher auch den Namen „Kernfarbstoffe“ gegeben hat. Die Kerne selbst bezeichnet man als basophil, während - die Zellbestandteile, die eine Vorliebe für die sauren Farbstoffe zeigen, - acidophil genännt werden. Diese Einteilung in acıdophile und baso- phile Zellbestandteile hat sich bis auf den heutigen Tag erhalten. f Auch Flemming kannte bereits das Verhalten der Kernbestand- - teile gegenüber den Anilinfarben und gründete darauf seine Definition des Chromatins. Er stellte diesen Begriff im Jahre 1880 auf: „Mit - Chromatin soll nur bezeichnet werden de bnipe Substanz ım Zellkern, - welche bei den als Kerntinktionen bekannten Behandlungen mit Farb- - stoffen die Farben aufnimmt.“ Er fügt sehr vorsichtig hinzu, daß - diese Färbungen nur am toten Objekt auftreten, das Ohromatin sei dort im körnigen Zustande vorhanden; wie es sich damit aber im - lebenden verhielte, wüßten wir nicht sicher. Der Unterschied zwischen basischen und sauren Farbstoffen war damals noch nicht bekannt. - So rechnete Flemming neben dem Netzwerk der Kerne auch ihre Membran und die Nukleolen zum Chromatin. Auch hier drückt er sich sehr vorsichtig aus: wir wüßten nicht, inwiefern die färbbare - Substanz der Nukleolen spezifisch ln von dem Chromatin in den Gerüsten sei. Als der Unterschied zwischen basischen und sauren Harhalöfen bekannt wurde, fand man, daß die meisten Nukleolen eine Vorliebe ‘ nicht für die basischen, sondern für die sauren Farben haben, welche - sie aus heterogenen Farbgemischen auswählen. Nun änderte man jene - Definition desChromatins von Flemming dahin, daßman mit dem Begriff - des Chromatins alle diejenigen Substanzen im Kern bezeichnet, die sich mit basischen Farbstoffen färben, die sich also basophil verhalten. | Dieses Verhalten der Kerne und der anderen Zellbestandteile _ gegenüber den verschiedenen Anilinfarben scheint auf den ersten "Blick geeignet, über ihre chemische Natur etwas auszusagen. Die - Kernelemente, welche vorwiegend die basischen Farbstoffe aufnehmen, werden höchstwahrscheinlich einen sauren Charakter besitzen. E Die makrochemischen Untersuchungen haben uns gezeigt, daß die _ Nukleinsäure und in ihr die Phosphorsäure in den Kernen vorkommt, und daß auch ihre Eiweißverbindungen, die Nukleoproteide noch einen - deutlich sauren Charakter haben. Deshalb machte man diese Stoffe für die Färbung 'mit den basischen Kernfarbstoffen verantwortlich und - glaubte in ihnen ein Mittel gefunden zu haben, um die Nukleinsäure, 3 ; ihre Verbindungen, die Nukleine und Nukleopröteide im Kern Bachzuweisen. ® nei Pr ER, un > er 94 | Andre Pratje,.Die Chemie des Zellkernes. Lilienfeld vergleicht die Färbung chemisch reiner Nukleinsäure mit derjenigen der Ohromosomen in einem Farbgemisch und kommt zu dem Schluß, daß die Chromosomen ın der Mitose höchstwahr- scheinlich aus freier oder sehr eiweißarmer Nukleinsäure bestehen. Er wollte bei der Färbung mit Methylgrün-Säurefuchsin sogar an den feineren Nuancierungen des auftretenden Farbtons die einzelnen : Nukleinsäureverbindungen unterscheiden: Nukleohiston soll sich deut- lich grünblau (vorherrschend blau) färben, Nuklein blau-grün und Nukleinsäure intensiv grün. be Auch Rohde, welcher ein Jodgrün-Fuchsingemisch verwandte, ‚schließt aus der Tatsache, daß sich die Kerne entweder intensiv grün oder mehr oder weniger violett-rosa färben, daß ın den Kernen Nukleo- proteide von sehr verschiedenem Phosphorgehalt vorkommen. « Malfatti und Zacharias stellten ebenfalls durch ausgedehnte Untersuchungen fest, daß sich die Nukleinsäure bezw. das Nuklein aus Hefezellen und Lachsspermatozoenköpfen nach entsprechender Vor- behandlung mit basischen Farbstoffen färbt. Ebenso wıe diese freie Nukleinsäure und wie die Nukleine färbte sich die Hülle der Sperma- tozoenköpfe und die chromatischen Substanzen pflanzlicher Zellkerne, was darauf hinzuweisen scheint, daß in der Hülle der Spermatozoen- köpfe bezw. in den Zellkernen Nukleinsäuren und Nukleine vor- handen sind. | | | | Alle Eiweißkörper können sowohl als Säure wie auch als Base ' Verbindungen eingehen; sie haben eine doppelte, „amphotere“ Natur, wenn sie auch in erster Linie immer nach einer bestimmten Seite hin reagieren. Also müßten auch die Eiweißstofte, die im Ohromatın ent- halten sind, teils als Säuren, teils als Basen wirken können und dem- entsprechend die sauren oder basischen Farbstoffe bevorzugen. Des- halb unterscheidet Heidenhain zwischen Basıchromatin und Oxychromatin. Substanzen, die sich mit sauren Farben färben und die basischen vollständig verschmähen, noch als „Chromatin“ zu be- zeichnen, widerspricht eigentlich der bisherigen Definition des Chro- matins. Aber man sah sich zu diesem Ausweg genötigt, weil manche Kerne in ihrer Entwicklung aus einem chromatinreichen in einen chromatinarmen Zustand übergehen. Bei einer neuen Teilung des Kernes wird der Chromatingehalt wieder erhöht. Wir haben eine ° periodische Zu- und Abnahme der Substanz vor uns, die sich mit den eigentlichen Kernfarbstoffen färbt; während ein Teil der Gebilde, die sich morphologisch aus den Chromosomen ableiten lassen, nicht die basischen, sondern die sauren Farbstoffe an sich zieht. Es sınd dies kleine Körnchen, die die gleiche Form wie die basichromatische Granula besitzen und mit ihnen im Liningerüst eingelagert sind. Heidenhain bezeichnet sie als „Oxychromiolen*. Er vermutet, daß wir in dem Basichromatin phosphorreiche, in dem Oxychromatın phosphorarme Nukleine vor uns haben. ik Min er daß das Chromatin im engeren Sinne die Kern- 'bstoffe an sich zieht, versuchte man dadurch zu erklären, daß man hen, daß die sauren Nukleoproteide mit den basischen Far bstoffen er chemische Verbindungen eingehen. Ebenso suchte man zu _ beweisen, daß auch die anderen Färbungen auf. einer chemischen Bindung der Farbstoffe durch die Eiweißkörper beruhe. Man stellte ‚die chemische Theorie der Färbung auf, die hauptsächlich von ‚Heidenhain und Paul Mayer Tatrdtan wird. Diese, chemische Theorie der Färbung hat einen lebhaften Wider- Er gefunden und eine sehr eingehende Kritik durch Alfred Fischer, welcher 1899 in seinem Buch über „Fixierung, Färbung und ‘Bau des Protoplasmas“ umfangreiche Untersuchungen mitteilte über die Wirkung der verschiedenen Fixierungs- und Färbungsmittel. Er bestreitet, daß die Färbung histologischer Präparate auf einer chemischen Verbindung zwischen Farbstoff und Zellbestandteilen be- ;uhe und stellt statt dessen eine physikalische Theorie der Fär- | Er hat Bezeigh, daß der BeSue Eiweißstoff, den er aus I hiedener Größe ergibt, ‚von denen sıch die großen mit basischen, die kleinen mit sauren Farbstoffen färbten. Der gleiche henrehlie = Körper färbt sich also je nach den verschiedenen physikalischen i enschaften verschieden, bedingt durch die verschiedene Größe der Die Färbung könne also kein chemischer Vorgang sein. ni Um die Einwirkung der einzelnen Anılinfarben auf die Eiweiß- ‚stoffe zu untersuchen, benutzte Fischer zu seinen Untersuchungen nicht die natürliche Felle. da wir es in ıhr nicht mit genau charak- Ste Bee: Substanzen .zu tun haben. Die Fixierungsmittel rufen an em Zellinhalt chemische und physikalische Veränderungen hervor, ; uns im einzelnen gänzlich unbekannt sind, die aber sicher na F Aufnahmefähigkeit der einzelnen Znbesthuäteile wesentlich verändern. Deshalb verwandte Fischer chemisch genau definierte und wohl be- kannte Stoffe. Das Verhalten dieser bseunrei in verschiedenen E Benschän wurde verfolgt, und es wurde festgestellt, ob bestimmte chemisch genau charakterisierte Stoffe eine gewisse Vorliebe für be- sti mmte Farbstoffe zeigen, d.h. ob sie immer bestimmte Farbstoffe aus den Behednischen auswählen, Pb sie andere Gruppen von rbstoffen meiden. ‚Solche Buchungen ‚haben zuerst Lilienfeld und Aarha 96 Andre Pratje, Die Chemie des Zellkernes. ler LE j lich die Eiweißlösungen und die verwandten Fällungsmittel. Auf diese Weise wurden Granula und Körnchen der verschiedensten Größe hergestellt. Berg arbeitete außer mit dem von Fischer verwandten Grübler- | schen Hefenuklein noch mit anderen Nukleinpräparaten, bei denen er teilweise abweichende Resultate erhielt. Berg zeigte weiter, daß man aus der Wirkung eines Fixierungsmittels auf die Lösung eines Proteids nicht auf die Wirkung schließen dürfe, welche diese Mittel auf das als Strukturträger in der Zelle vorhandene Proteid habe, da der Zustand der Proteide daselbst nıcht identisch seı mit dem in den Lösungen. Vertreter derselben Körpergruppe, z. B. der Nuklein- säuren verhalten sich sehr verschieden, je nach ihrer Herkunft; sie geben teilweise Fällung mit Eisessig, teilweise keine. Diese Ergebnisse Berg’s zeigen uns, daß wir sehr vorsichtig sein müssen, aus solchen Analogien sowohl der Fällungen als auch dert Färbungen Schlüsse auf die chemische Beschaffenheit der einzelnen Strukturelemente ım Zellkern zu machen. | Als wichtigste Ursache der Färbung nimmt Fischer die Ober- flächen-Attraktion und Adsorption an. Das Adsorptionsvermögen be- dingt in erster Linie die Auswahl bestimmter Farben aus heterogenen Farbgemischen. Dieses Adsorptionsvermögen hängt nun keineswegs von dem chemischen Aufbau der betreffenden Substanzen ab; denn Peptone und Nukleinsäuren, zwei chemisch ganz verschiedene Stoffe, zeigen die gleichen Färbungen, haben also ein sehr ähnliches Ad- sorptionsvermögen. | * Haben wir nicht verschiedene Stoffe, sondern ein homogenes Substrat vor uns, das aus Granulis verschiedener Größe zusammen- gesetzt ist, die äber aus der gleichen‘ Substanz bestehen, so färben | sich diese Grandis und Körnchen entsprechend der relativen Diffusions- geschwindigkeit und der verschiedenen Konzentration der einzelnen Farb- lösungen. | Sehr wichtige Aufklärungen ın der Frage der Theorie der Fär- & bungen dürfte das neuerdings so lebhaft in Angriff genommene Gebiet | der Dispersoid- oder Kolloidehemie geben. Der kolloıdale Zustand der Substanzen ist wichtig für ihre Fär- bung. Denn Je nachdem die Dispersion des Stoffes größer oder kleiner ist, werden sie ein verschiedenes Adsorptionsvermögen den Farbstoffen gegenüber zeigen. Die adsorbierende Oberfläche der dispersen Teilchen ist sehr verschieden, je nach dem Grad der Dispersion. Der Dis- persionsgrad wechselt außerordentlich. In manchen Fällen haben wir grobdisperse Formen vor uns in Gestalt von mikroskopisch sichtbaren Körnchen. In den meisten lebenden Zellen kommen die Eiweißstoffe und andere Verbindungen im kolloidalen Zustand vor. Der Dis- persionsgrad ist schon größer als bei dem grobdispersen, während die einzelnen dispersen Teilchen in ihrer Größe unter die Grenze der | mikr SED Sichtbarkeit herabgesunken sind. Viele Stoffe kommen En 5 ne) Andre Pratje, Die Chemie des Zellkernes. 97 F nv Rz schließlich im molekulardispersen oder kristalloiden Zustand vor, d.h. j _ wir haben echte Lösungen vor uns, in denen sich die betreffenden Stoffe als Moleküle verteilt finden. Die Größe der einzelnen Mole- küle ist je nach dem Stoffe sehr verschieden. Die komplizierten Eiweißverbindungen bestehen aus sehr großen Molekülen, während die E Molekulargröße der Spaltungsprodukte sehr viel kleiner ist. Die ver- - schiedenen Stoffe haben eine ganz verschiedene Neigung, Moleküle u rnder zu lagern und größere Molekularverbände zu bilden. Ein- - fachere Stoffe wie Nukleinsäure und Peptone werden ım allgemeinen E einen größeren Dispersionsgrad aufweisen, als z. B. Albumine und Nukleoproteide. Diese kommen meistens im kolloidalen Zustand vor. E Noch größere Differenzen werden nach verschiedener Fixierung _ auftreten. Denn je nach dem Fixierungsmittel werden wir ver- _ schieden große Fällungsgebilde erhalten, teils große oder feinere - Granula, teils bleiben die Stoffe in kolloidalem Zustand oder in Lösung. - Kurz wir finden die allergrößten Verschiedenheiten des Dispersions- - grades vor uns und entsprechend werden sich auch die gleichen ehemischen Substanzen, je nach der Größe ihrer adsorbierenden Ober- fläche den Farbstoffen gegenüber verschieden verhalten. Etwas wird allerdings das Adsorptionsvermögen wie jede andere physikalische Eigenschaft, auch von der chemischen Natur des be- treffenden Stoffes abhängen, auch wenn die Bindung nicht nach che- @ mischen, sondern nach mechanischen Gesetzen erfolgt ist. R Nicht nur die physikalischen Eigenschaften der zu färbenden _ Öbjekte sind für den Ausfall der Färbung ausschlaggebend, sondern auch die physikalischen Eigenschaften der Farblösungen sind von Be- Bectune. Daß die Diffusionsgeschwindigkeit dabei eine Rolle spielt, - hörten wir bereits. Je größer die relative Diffusionsgeschwindigkeit der Farbstoffe ist, desto leichter werden diese färben; deshalb färben E.. basischen Farben leichter als die sauren. | Nicht weniger wichtig ist die relative Löslichkeit der Farbstoffe. - Es ist jedem bekannt, daß sich fast alle sauren Farbstoffe sehr viel - leichter in Wasser lösen, als die basischen. Aber umgekehrt werden erde die schwerlöslichen Stoffe sehr vıel leichter ausfällen; und _ da es sich bei der Färbung wahrscheinlich um einen Niederschlag aus - der Farblösung handelt, so,werden die schwerer löslichen Farben auch sehr Sie stärker färben. Sehr wichtig zur Erklärung des Vorgangs der mikroskopischen * Färbung sind die Methoden und die Erklärungsversuche, die in der - technischen Färberei angewandt werden. Bei der großen Be- _ deutung der technischen Färberei sind selbstverständlich hier die _ Methoden sehr viel eingehender untersucht worden. Zur Erklärung ‚ der sogenannten „substantiven“ Färbungsprozesse hat man drei Theo- ‚rien aufgestellt: die chemische, die mechanische und die Lösungs- ‚theorie. B 4 98 Andre Pratje, Die Chemie des Zelkenee. 000 Die chemische Theorie nimmt an, daß zwischen den Farb- stoffen und der Substanz der Faser eine chemische in Wasser un- lösliche Verbindung entsteht. Nun lassen sich aber keinerlei Be- ziehungen zwischen der Menge des angewandten Farbstoffes und der Menge der vorhandenen Faser feststellen; höchstens 59, Farbstoff werden aufgenommen. Die mechanische Theorie versucht = Färbung durch Ad- sorption zu erklären. Die Lösungstheorie stammt von Otto N. Witt. Die Fasern bestehen aus kolloıdalen Substanzen. Zwischen ihnen und den Farb- lösungen tritt Osmose ein. Je nach der Lösungsdifferenz zwischen der Faser und dem Farblösungsmittel wird eine stärkere oder schwächere Färbung eintreten. Je größer die Löslichkeit des Farb- stoffes in der Substanz der Faser ist, desto intensiver ist die Färbung und entsprechend ist sie auch desto waschechter. \ Die chemische Theorie der Färbung ist also keineswegs allgemein anerkannt; die physikalische Theorie besitzt sogar eine größere Wahr- scheinlichkeit, wenn es auch nicht ausgeschlossen ist, daß beide Fak- toren bei der Färbung eine Rolle spielen. Auf alle Fälle sind wir nicht berechtigt, die Färbung mit basischen Farbstoffen als eine mikro- chemische Reaktion anzusehen. Zacharias behauptete 1898: „Die Entscheidung der Frage, ob die im Kern auftretenden Färbungen auf der Bildung „chemischer Ver- bindungen“ beruhe oder nicht, ıst für die Entscheidung über die Brauchbarkeit der Färbungen als Erkennungsmittel für bestimmte Stoffe nicht von ausschlaggebender Bedeutung.“ Das wäre richtig, wenn wir tatsächlich ın den basischen Farb- stoffen ein Mittel besäßen, durch welches dasChromatin und nur das Chromatin jederzeit gefärbt würde; denn dann könnten diese Kern- farbstoffe als einwandfreies Diagnostikum für das Ohromatin gelten, wobei es ganz gleichgültig bliebe, ob der Farbstoff chemisch gebunden oder auf physikalischem Wege durch Adsorption festgehalten würde. Keine Farbreaktion auf das Chromatin ist ganz einwandfrei. Durch die Fixierungen werden noch ganz andere Adsorptionsverhält- nisse geschaffen, infolge deren sich das Chromatin, bezw. die Chromo- somen den Farbstoffen gegenüber abweichend verhalten. So können die gleichen Zellbestandteile ein verschiedenes färberisches Verhalten zeigen. Wir sind nicht berechtigt, aus dem Auftreten einer Färbung mit den sogenannten Kernfarbstoffen auf die Anwesenheit des Chro- matins zu schließen. Wenn nur ganz geringe Unterschiede in der vorher Behand. lung vorkommen, können wir oft ganz abweichende Resultate erzielen. Bisweilen hähben diese von unbedeutenden Nebenumständen ab, die wir kaum vorher beachten können. Auf alle Fälle muß man die Färbungsmethoden stets mit peinlichster Gewissenhaftigkeit anwenden. Fischer hat gezeigt, wie außerordentlich wichtig eine gründliche ee LEN EEE \ Jr CH Andre AR Die Chemie des Zellkernes. 99 Rr7 SE BR he | eaweschung nach der Fixierung ist; denn sonst können noch geringe Niederschläge vorhanden sein, die die Färbbarkeit der Objekte sehr stark beeinträchtigen. E Auch jene Tatsache fand bereits Erwähnung, daß sich die’ Dotter- substanzen genau ebenso mit den Kernfarbstoffen" färben, ”\wie "das Chromatin, und daß sie sich einigen Reagentien gegenüber in gleicher Weise verhalten, obwohl wir chemisch ganz verschiedene Stoffe vor _ uns haben. Alle diese Tatsachen zeigen uns zur Genüge, daß wir keinen ein- - zigen Farbstoff besitzen, der uns ganz einwandfrei über die Anwesenheit - von Chromatin Auskunft geben kann, geschweige denn, daß wir bisher - imstande wären, mit Hilfe der Färbungsmethoden in den feineren, chemischen Aufbau der Zellkerne einzudringen. Nach diesem Ergebnisse ist die Definition des Chromatins von Erle mins: auch in der abgeänderten Form nicht mehr haltbar. Eine chemische Definition läßt sich bei dem heutigen Stande unserer _ Kenntnisse nicht geben. Wir müssen eine andere, rein morphologische Definition aufstellen. Doflein sieht als Chromatin nur dasjenige an, 3 _ welches sich in irgendeiner Weise aus Clıromosomen ableiten läßt. E ‚Hierbei wäre es allerdıngs noch möglich, daß in den Chromosomen R. irgend welche Gerüstsubstanzen enthalten sind, die für das eigent- _ liche Chromatin keine Bedeutung besitzen. RE die modernen _ Untersuchungen der Kernteilungen bei Protozoen bestärken uns immer _ mehr in der Annahme, daß die mitotische Kernteilung die ursprüng- liche ist, da schon die einfachsten Protisten eine deutliche mitotische 3 Ekeriteitung aufweisen, bei denen also in irgendeinem’ Stadium mehr oder weniger ausgeprägte Chromosomenindividuen vorkommen. Die - wenigen noch bekannten Fälle amıtotischer Kernteilung werden sich - vielleicht zum Teil bei eingehenderer Untersuchung mit den modernen - Hilfsmitteln auch noch als mitotische erweisen, oder aber es handelt sich um degenerative Formen der. Zellteilung. In den meisten Fällen _ wird es möglich sein, das Chromatin auch des ruhenden Kerns von den Chromosmen abzuleiten. Doch führen uns diese Fragen von _ unserem eigentlichen Thema ab. $: . Die Bedeutung der Färbungsmethoden für die Chemie des Zell- © kerns ist, wie wir sahen, außerordentlich gering. Trotz dieses nega- tiven Ergebnisses verlieren die Färbemethoden in der mikroskopischen Technik nicht an Bedeutung. Denn um die morphologischen Einzel- heiten und Feinheiten ın den Zellen aufzudecken, können wir die 3 _ Färbetechnik nicht entbehren; und allein mit Yirer Hilfe ist es _ der Cytologie gelungen, den feineren morphologischen Aufbau des } _ Protoplasmas und der Zellkerne zu analysieren. Da man mit den Färbungsmethoden zu keinem Resultate ge- R kommen ist, näheren Aufschluß über die chemische Beschaffenheit 3 des Zellkorns- zu erlangen, hat man versucht, durch andere Methoden d das das ! Problem der Lösung näher zu bringen. Pi: i Per AN B 400 Andre Pratje, Die Chemie des Zellkernes. _ “ _ N 4 Wir kommen zu den eigentlichen mikrochemischen Unter- suchungsmethoden. Diese wollen durch bestimmte chemische Reaktionen, durch Fällungen oder Lösungen die An- oder Abwesen- heit bestimmter Elemente oder Verbindungen innerhalb der Zelle nachweisen. Diese Methoden müssen selbstverständlich außerordent- en Br VE ne 3 Sn ai TEE N rn et, wo Wa ae N N ER ae Re Rr- FR 2 N REN. m - NA r ? 7 lich fein und genau sein, da ja innerhalb der Zelle und Gewebe nur sehr geringe Mengen der betreffenden Stoffe zur Verfügung stehen. Weiter müssen wir von den mikrochemischen Methoden fordern, daß die Reaktionen unter dem Mikroskop verfolgt werden können. Zunächst hat man. versucht, bestimmte Elemente in den Kernen nachzuweisen. Die wichtigsten Methoden und Resultate wollen wir kurz besprechen. Macallum machte Untersuchungen über die Verbreitung des Eisens in den Zellkernen. Das Eisen soll meist im maskierten Zu- stand in den Zellen vorhanden sein, d.h. in organisch gebundener Form, in der es ohne weiteres nicht nachgewiesen werden kann. Häufig muß es vorher durch Einwirkung von saurem Alkohol auf- geschlossen werden und das organische Eisen extrahiert werden. Nach Einwirkung einer Mischung von gleichen Teilen von Ammoniumthiohydrat (NH,SH) und 50% Glyzerin kann das Eisen mikroskopisch nachgewiesen werden. Nach dieser Methode fand Macallum in dem Ühromatingerüst der Tier- und Pflanzenkerne Niederschläge von Schwefeleisen (Ferrosulfid), die den Strukturen eine grünliche bis grünschwarze Färbung verleihen. Daneben trat die Eisenreaktion teilweise auch in anderen Zellbestandteilen auf. Es ıst sehr leicht möglich, daß das Eisen im Chromatin nur ge- speichert wird. Es kann aus irgendwelchen zusammengesetzten Reagentien stammen, da die Nukleinsäure imstande ist, auch solche anorganische Eisensalze zu maskieren. Schließlich könnte das Eisen in der Wand der benutzten Glasgefäße seinen Ursprung haben. Macallum suchte nach Möglichkeit diese Fehlerquellen auszuschalten. Masing untersuchte Seeigelsperma und fand nur Spuren von Eisen, die er als Verunreinigungen auffaßt. Sauerland machte quantitative Untersuchungen an nukleinsaurem Natron aus Kalbsthymus und an freier Nukleinsäure aus dem Heringssperma. Auch er fand nur so geringe Mengen Eisen, daß sie nicht einmal einem Atom Fe im Molekül der Nukleinsäure entsprechen. Steudel’s Ansichten über der Aufbau der Nukleinsäure lassen das Fehlen des Eisens schon er- warten. Sauerland erhielt aber auch in einem Präparat von Pankreas- Nukleoproteid nur einen so geringen Ausfall der Ferrocyankalium- und ; Rhodankalium-Probe, daß eine quantitative Bestimmung gar nicht vor- genommen werden konnte. So kommen Masing und Sauerland zu der Auffassung, daß die Nukleoproteide, vielleicht sogar dıe ganzen Zellen eisenfrei sind. Sie benutzten. beide die Methode der Ver- aschung. | : | | Kupfer findet sich in den Zellkernen und zwar wahrscheinlich BER. IR. ER ae Egal). rg Alte Pratje, Die ge des Zellkernes. 101 in ehindung mit den Nukleoproteiden. Es wurde im Protoplasma von Mollusken und Crustaceen und in der Leber von Cephalopoden und Wirbeltieren nachgewiesen. Wahrscheinlich kommt es in maskierter Form vor. Über die nähere Verteilung des Kupfers in den Tier- und Pflanzenzellen ist bisher noch nichts Sicheres bekannt. = Der Phosphor kommt in den lebenden Zellen entweder in an- organisch gebundener Form vor, in derer leicht nachgewiesen werden kann, oder aber- ın maskıierter Form, aus der er erst durch Ein- - wirkung kräftiger chemischer Reagentien frei gemacht werden kann. - Die Verteilung des Phosphors ın der Zelle kann vermittels Ammonium- - molybdat in salpetersaurer Lösung nachgewiesen werden. Pyrogallol - und salzsaures Phenylhydrazın werden als Reduktionsmittel verwandt, durch die bei Gegenwart von EaRlor ein blau-grünes Reduktions- - produkt entsteht. E Das Chromatin gibt stets eine deutliche Phosphorreaktion; die _Nukleolen reagieren sehr viel geringer als das Chromatin. Diese Resultate stimmen mit den makrochemischen Untersuchungen überein, BE zelche uns gezeigt‘haben, daß in der Nukleinsäure eine Phosphor- - säure enthalten ist. Es ist allerdings bezweifelt worden, daß diese Reaktion für das Vorhandensein von maskiertem Phosphor beweisend E ist. Dagegen scheint festzustehen, daß in den Tier- und Pflanzen- - kernen keine anorganische Phosphate vorhanden sind. Das Calcium kann durch die Purpurinreaktion von Grandis Mainani nachgewiesen werden, die allerdings nicht sehr empfindlich ist. Die empfindlichste Mikroreaktion ist die Behandlung mit Ammonium: sulfat. Weite Verbreitung gefunden hat die er ‘ Die Präparate werden 20 Minuten mit einer 2%, alkoholischen ne behandelt und dann in eine 1%, Hämatoxylın- . Jösung gebracht, wodurch an den Stellen, wo das Caleiumsulfat vorhanden ist, eine tiefrote Färbung eintritt. n. Färbung ist jedoch nicht haltbar, sondern verbreitet sich nach wenigen Minuten durch das ganze Präparat. Außer diesen gibt es noch eine Reihe anderer Me- ac, um Calciumverbindungen in den Geweben nachzuweisen. 3 Durch Anwendung dieser Methoden hat man gefunden, daß das BE zioplasn mit Ausnahme der Nervenzellen stets Caleiumverbin- - dungen enthält, welche den Kernen fehlen sollen. Nach Loe w sollen lerämes auch in den Kernen Caleiumsalze vorkommen und zwar ın 3 Verbindung mit den Eiweißkörpern. Miescher fand ın den Köpfen - der Spermatozoen bis 0,23 % Calcium. Es ist wahrscheinlich, daß es ‚in anorganischer Biolans in der Membran vorhanden ist. | 2 Um Kalıum mikrochemisch sichtbar zu machen, benutzt: man die Kobaltkaliumnitrit-Reaktion. Man löst Koh Haren und Natrium- F4 nitrit in verdünnter Essigsäure. Dieses Reagenz gibt mit einer - Kaliumsalzlösung einen orangegelben Niederschlag, dessen Kristalle eine charakteristische Form und Farbe besitzen. Macallum fand, - daß keinerlei Kalıumsalze in den Kernen vorhanden sind, während m Cytoplasma r reichlich auftreten. .. Ba REF 4 1 AR a N ER Sek: | Mr a © Bi Sa 102 Andre Pratje, Die Chemie des Zellkernes. Die Chloride lassen sich außerordentlich leicht in den Geweben nachweisen, indem man sie mit Silbernitrat und Salpetersäure be- handelt. Wenn man dieses Präparat dem Licht aussetzt, erhält man eine deutliche Schwarzfärbung. Mit dieser Metliode stellte Macallum fest, daß die Kerne der tierischen und pflanzlichen Zellen im normalen Zustand frei von Chloriden sind. | Für den Nachweis von Natrium, Magnesium, Sulfat- und Karbonationen fehlen bis jetzt geeignete mikrochemische Methoden, so daß über ihre Verbreitung in den Zellkernen nichts Näheres angegeben werden kann. Macallum vertritt nach seinen Ne Ergebnissen die An- sicht, daß die Kerne vollkommen salzfrei sind und baut hierauf eine besondere Vererbungstheorie auf. Außer die Verbreitung der einzelnen Elemente aufzuklären, hat man sich vor allem. bemüht, das Vorhandensein bestimmter Eiweiß- körper und ihrer Spaltungsprodukte in den Kernen nachzuweisen und festzustellen, aus welchen Eiweißverbindungen die einzelnen morpho- logischen Bestandteile des Kerns bestehen. Hierzu gibt es zwei Me- thoden: die fällungsanalytischen und die lösungsanalytischen. Die Fällungsmethoden spielen ın der Makrochemie eine große Rolle und gerade ın der Eiweißchemie sind sie von be- sonderer Bedeutung. Im Gegensatz hierzu besitzen wir aber fast keine einzige brauchbare mikrochemische fällungsanalytische Methode. Alfred Fischer machte 1899 Angaben über eine mikrochemische Fixierungsanalyse. Er behauptet, daß man durch Anwendung ver- schiedener Fixierungsmittel mit nachfolgender Färbung wenigstens das Vorhandensein von Albumosen und von reiner Nukleinsäure nachweisen könne. Wır haben Fällungsreaktionen vor uns. Das Prinzip der fixierungsanalytischen Albumosereaktion ist nach Fischer: „Anwendung einerseits von Fixierungsmitteln, die die Albumose ent- weder gar nicht oder wasserlöslich fällen, so daß ın ausgewaschenen und gefärbten Schnitten nichts mehr zu sehen ist, andererseits mit solchen Fixierungsmitteln, die unlösliche Granula geben.“ Zum Nachweis der Albumose brauchte man nur mit einem Fixierungsmittel zu fixieren, das die Albumose als Granula fällt, wie z. B. ein Osmium-Essigsäuregemisch, und mit einem Fixierungsmittel, . bei dem die Albumose in Lösung bleibt, am besten mit Alkohol. Hinterher kann man noch mit Säurefuchsin färben und wird dann beim Osmiummaterial rote Granula finden, beim Alkoholmaterial da- gegen nichts. Als Kontrollmittel lassen sich hinterher noch lösungs- 2 analytische Methoden anwenden: Die Albumosegranula muß sich ın Kalıiumpermanganat und Salzsäure, Oxalsäure, heißem Wasser lösen. Ähnlich gestaltet sich der Nachweis freier Nukleinsäure: Durch ein Osmiumsäuregemisch entstehen „Granula oder knorrige, chromo- somenähnliche Bildungen“, welche ausgesprochen acıdophob sind, d.h. Andre Pratje, Die Chemie des Zellkernes: 103 daß alle sauren Anilinfarben verschmäht werden. Zum Nachweis der Nukleinsäure verwendet man am besten einfache Lösungen saurer Farben, kein Gemisch aus sauren und basischen, welche hierzu un- geeignet sind. Nach Imprägnation der Schnitte mit 5% Albumose _ erhält man mit saurem Farbstoff eine lebhafte Färbung der acıdo- phoben Granula. Durch Alkohol tritt keine Fällung ein. Nach Fischer gelingt der Nachweis aber nur für reine Nuklein- säure. Ist eine Mischung mit Albumosen oder einem anderen Eiweiß- stoff vorhanden, so erhalten wir eine Färbung mit den sauren Farb- stoffen. Da nun aber, wie wir ım ersten Teil unserer Auseinandersetzungen gesehen haben, im Zellkern neben der Nukleinsäure stets auch Eiweiß- ‚stoffe vorhanden sind, ist diese fällungsanalytische Methode nicht ge- eignet, in den mikrochemischen Aufbau der Kerne näher einzudringen. So bleiben uns als letztes Mittel mikrochemischer Untersuchung des Zellkerns die lösungsanalytischen Methoden. Auch sıe be- ziehen sich lediglich auf verschiedene Eiweißstoffe und die Nukleıin- säure. Genau genommen hat man mit ihrer Hilfe bisher nur versucht, festzustellen, ob in den einzelnen Strukturelementen Nukleoproteide vorhanden sind oder nicht. Man müßte unterscheiden zwischen rein mikrochemischen Reak- tionen und mehr morphologischen. Die mikrochemischen suchen festzustellen, ob und wo bestimmte makrochemisch gut charakteri- ‘ sierte Stoffe in den Kernen vorkommen ; während die morphologischen "sich darauf beschränken, klarzulegen, wo morphologisch definierte Stoffe, wie z. B. das Chromatin, Linin u. s. w. in den einzelnen Kern- elementen lokalisiert sind. Eine scharfe Trennung zwischen beiden Methoden läßt sich aber nicht durchführen. Manche Autoren identifizieren direkt die Begriffe Chromatın und Nukleoproteide, was sicher nicht berechtigt ist, da auf alle Fälle neben den Nukleoproteiden noch andere Stoffe ın den Chromatingebilden vorkommen. Die morphologischen Methoden verwenden auch che- mische Reaktionen und Lösungsmittel zur Analyse; andererseits hat - es die Mikrochemie mit bestimmt gestalteten Gebilden und Verbin- dungen zu tun. ° Die meisten Stoffe kommen in den lebenden Zellen ım flüssıgen oder kolloidalen Zustand vor. In diesem Zustand können Lösungs- - mittel, insbesondere Wasser nicht ohne weiteres wirken, bezw. ihre -— Wirksamkeit sichtbar gemacht werden. Aus diesem Grunde haben - die meisten Autoren vor Anwendung. der Lösungsmittel die Eiweiß- | stoffe des Kerns gefällt. Sie benutzten hierzu möglichst indifferente, gelinde Fixierungsmittel, meist reinen Alkohol oder sehr verdünnte Essigsäure. Die Einwirkung darf nicht zu lange dauern, im allge- meinen nicht über 24 Stunden, da ‘sonst die Löslichkeitsverhältnisse durch die lange Fixierung stark verändert werden. Trotzdem ist es nützlich zum Vergleich auch frisches Material zu verwenden. Zacharias - hat in seinen zahlreichen Untersuchungen häufig neben dem frisch eu n 104 Andre Pratje, Die Chemie des Zellkernes, RN konservierten Material auch lebende Zellkerne verwendet. In neuester Zeit hat R.Groß ebenfalls die Löslichkeitsverhältnisse der Struktur- # elemente an verschiedenen lebenden Kernen näher untersucht. Zu den mikrochemischen Untersuchungen benutzt man meisten-. teils Methoden, die auch ın der Makrochemie verwendet werden. Selbstverständlich müssen diese den besonderen Verhältnissen der mikroskopischen Kleinheit angepaßtund entsprechend verändert werden. Es gibt nicht sehr viele Forscher, die sich auf diesem Gebiet der mikroskopischen Analyse betätigt haben; es waren vor allem der Zoologe Carnoy und die Botaniker Frank Schwarz und E. Zacharias, der sehr zahlreiche und eingehende Untersuchungen über diesen Geben sand veröffentlicht hat. In unserem ersten Hauptabschnitt haben wir bereits gesehen, daß man Pepsin- Salzsäure dazu benutzt, umdie Nukleoproteidein Nukleine und Nukleinsäuren zu spalten. Die Nukleine und Nukleinsäuren dagegen zeichnen sich dadurch aus, daß siedurch Pepsin-Salzsäure nicht angegriffen und verdaut werden. Anstelle der Pespin-Salzsäure kann man auch so- genannten „künstlichen Magensaft“ verwenden, den man aus Glyzerin- extrakt aus einem Schweinemagen herstellt, dem man noch etwa die dreifache Menge von 0,28 %, Salzsäure zusetzt. Zacharias wandte diese makrochenisch bekannten Mittel auf die mikrochemische Unter- suchung der Zellkerne an. Dieser künstliche Magensaft muß längere Zeit (etwa 24 Stunden) bei 32°—50° C auf das zu untersuchende Ob- jekt einwirken. Nach der Verdauung erscheinen die nukleinhaltigen Teile, insbesondere die Chromatinkörner scharf konturiert und stark lichtbrechend. Sie werden stark glänzend und treten scharf hervor. Ihre Unlöslichkeit scheint für eine Nukleinnatur des Chromatıns zu sprechen. Während das Kernnuklein durch. Pepsinsalzsäure oder künstlichen Magensaft nicht gelöst wird und auch nicht quillt, zeigen andere Stoffe, besonders die Nukleolen, die Grundmasse des Zell- kerns und das Protoplasma eine deutliche Quellung. Schwarz untersuchte die Wirkungsweise des Trypsins auf die Zellkerne. Er fand, daß das Chromatin durch Trypsin außerordentlich leicht verdaut wird und ın Lösung geht, meist bereits nach 5—10 Minuten. Im Gegensatz hierzu bleiben die Nukleolen sehr lange er- halten; schließlich wird aber der ganze Kern vom Trypsin aufgelöst. Außer diesen Verdauungsversuchen wurde von Zacharias noch eine Anzahl von Lösungsversuchen mit anderen Lösungsmitteln unter- nommen, mit Säuren, Alkalien und Salzlösungen. Teils untersuchte er frische und frisch konservierte Kerne, zum Teil setzte er diese erst einer Verdauung im künstlichen Magensaft aus und ließ dann erst die anderen Lösungsmittel auf die Verdauungsreste einwirken. Zacharıas benutzte zu diesen Versuchen sowohl das klassısche Objekt von Miescher, die Lachsspermatozoenköpfe, als auch einige botanische Objekte, besonders Zellen aus der Epidermis der Phajus- y Y; wi“ J Sr 2 u 1s+ Bi. Dr BRITEN. « ‘2. 9e Ei erhielt. 1. künstl. Magen- || quillt nicht saft \ stark licht- Pepsinsalzsäure || brechend 3 . quillt nicht B ao x Ibis | stark licht- brechend FE 3 H014:3 gelöst 3 4. NaCl 10% quillt b 2 Na,50, 10 % || quillt B: AR Na,C0, quillt B.je nach Kon- | oder gelöst zentration | u Sr -2.KOH !,% gelöst = 8. ii quillt Wasser ‘ohne Lösung E » 100,0 | N2,S0, 10,0 || quillt CH,COOH 1,0 Fuchsin-8. 0,1 2. Methylenblau —+ Fuchsin-S. (mach 0,3% . HO)) 4 a. Methylgrün- ER Essigsäure A 2. Essigkarmin (Schneider) 2. loniakal. | Karm ung * “* I I ER > vr 4 “ _ zusammenzustellen, } 2 a 4 hun 3 u BI A - Chromatin | Nukleolen ohne Färbung blau grün ıı ohne Quellung rot ohne Quellung quillt quillt teilweise gelöst quillt nicht gelöst quillt nicht -quillt nicht Zacharias hat es absichtlich unterlassen, „da nur aus einer eingehenden Beschreibung des | - Andre Pratje, Die Chemie des Zellkernes. 105 Knollen und Wurzeln. In einzelnen Fällen wurde nur Alkoholmaterial, - in anderen nur frisches, häufig aber beides geprüft. Ich habe eine Tabelle zusammengestellt, _ der von Zacharias erhaltenen Reaktionen enthält. - bemerken, daß er in einzelnen Fällen, je nach dem verwandten Ob- jekt oder je nach der Vorbehandlung etwas abweichende Resultate die die wichtigsten Dabei muß ich eine solche Tabelle Grundmasse des Kerns Protoplasma quillt quilit aber ungelöst quillt quillt nicht gelöst quillt nicht quillt nicht quillt nicht quillt nicht quillt nicht quillt nicht rot später als gelöst quillt Chromatin oder gelöst gelöst später als quillt gelöst Chromatin ge- quoll. u. gelöst quillt nicht — _- quillt nicht — _- Rotfärbung rot rot rot färbt nicht färbt nicht — quillt keine Färbung | verschwommene ohne Färbung Färbung 106 Andre Pratje, Die Chemie des Zellkernes. FR a A Verlaufs der mikrochemischen Reaktionen die zur Kennzeichnung und Unterscheidung der hier in Betracht kommenden Stoffe maß- gebenden Eigentümlichkeiten entnommen werden können“. Mir kommt es hier aber lediglich auf eine übersichtliche Zusammen- stellung der bisherigen Ergebnisse an. Daß derjenige, welcher selbst auf diesem Gebiete arbeiten oder ein selbständiges Urteil über diese Dinge fällen will, sich in die ausführliche Darstellung der einzelnen Versuche hineinvertiefen muß, dürfte wohl selbstverständlich sein. Zur Ergänzung füge ich noch eine Tabelle nach Schwarz an: roman Linin Nenn (Gerüstsubstanz) (Nukleolus) NaCl 10% | löslich | löslich löslich Ä NaCl 20% Rn löslich quellend unlöslich \ MsSO, konz. u: löslich unlöslich unlöslich KH,PO, 15% löslich unlöslich unlöslich KOH 0,1% “1 löslich löslich schwer löslich | CH,COOH 1% I gefällt \ gefällt gefällt CH,COOH 3 % | gefällt gefällt | quellend HOI 0,1% RR unlöslich unlölih unlöslich HACI1% 7 unlöslich 'unlöslich quellend | quellend löslich FC nz. unlöslich unlöslich unlöslich K,Fe(CN)+CH,C00B löslich unlöslich: gefällt Cuso, konz. langs. löslich unlöslich gefällt unlöslich gefällt | Pepsinwirkung Y nicht verdaubar nicht verdaubar zn ahnen ! Trypsinwirkung Rt sehr I, verdaubar | verdaubar | teilw.schw. verdaub. Ich möchte hinzufügen, daß diese Resultate großen Widerspruch gefunden haben und von dem Botaniker Zimmermann eingehend kritisiert worden sind. | | Nur dort, wo wir makrochemisch ausgearbeitete Methoden auf die Mikrochemie anwenden können, oder wo uns doch wenigstens die Makrochemie gewisse Richtlinien und Vergleichspunkte gibt, konnten einigermaßen brauchbare Resultate erzielt werden. Wenn man aber | versucht, makrochemisch noch unbekannte Stoffe und Bestandteile mikrochemisch zu analysieren, ist man doch allzu sehr auf reine Ver- mutungen angewiesen. So versuchten Zacharias und Carnoy die Kun nem eo Be nn = u In a ; N are (4 ; * IA o Dr ee S “ > „Re, a N ee ) M A“ s x { # I ‘ TR 7 .. \ Pe ’ Br: Re | " Andre Pratje, Die Chemie des Zellkernes. 107 F 'nach inverdäuung und alkalischer Extraktion zurückbleibenden schwer löslichen Zellbestandteile, das sogenannte Plastin, aus dem - das Kerngerüst besteht, mit einem von Miescher dargestellten Nu- klein zu identifizieren. Auch die Nukleolen konnten bisher noch nicht makrochemisch untersucht werden, da ihre Masse zu gering ist. Schon der Begriff der Nukleolen ist außerordentlich schwankend. Die verschieden- 2 artigsten Gebilde werden unter diesem Namen zusammengefaßt. Die - einen Autoren verstehen darunter chromatische Binnenkörperchen des Kernes (Karyosomen), während andere Autoren den Namen der Nu- - kleolen allein auf achromatische Gebilde beschränkt wissen wollen. Nun ist sicher die Frage, ob in bestimmten Nukleolen chromatische ‘Substanz vorhanden ist oder nicht, eine der wichtigsten. "In dem Abschnitt über das Verhalten der Kerne gegenüber den Anilinfarbstoffen haben wir schon gesehen, wie schwer einwandfreie - Farbreaktionen zu erzielen sind, und daß sie uns keineswegs berech- tigen, daraus irgendwelche Schlüsse auf die chemische Natur der - Körper zu ziehen. So können uns auch die Farbreaktionen nichts - Sicheres darüber aussagen, ob in den Nukleolen Chromatin vor- - handen ist oder nicht. Noch etwas eher würden die oben dar- gestellten Lösungsversuche, insbesondere die künstliche Verdauung _ durch Pepsin-Salzsäure uns einige one über diese Frage zu 2 ‚geben imstande sein. Die Nukleolen zeigen den Anilinfarben gegenüber ein acıdophiles Verhalten. Künstliche Verdauung durch Pepsin-Salzsäure bringt sie e teilweise zur Lösung, während sie ın Kochsalzlösung, starker Salz- säure und alkalischen Salzlösungen sehr wenig oder gar nicht löslich sind. Alles dieses spricht sehr dafür, daß wir keine größeren Mengen "von Nukleoproteiden vor uns haben. Aber auch hier sind wir bei unseren geringen mikrochemischen Kenntnissen auf sehr weitgehende FE Anziogieschlässe angewiesen. ; 4 Um Aufschluß über die Natur der Nukleolen in den einzelnen Fällen zu erhalten, müßte man ihr morphologisches Verhalten in den / 4 verschiedenen Stadien der Kernteilung näher untersuchen und fest- ‚stellen, ob sich ev. die Nukleolen aus den Chromosomen oder chro- 4 tischen Bestandteilen des Zellkernes bilden, bezw. umgekehrt oder sonst ın irgendeiner Beziehung zu ihnen eher Diese morpho- logischen. Betrachtungen gehören aber nicht zu unserem Thema. Richard Groß, ein Schüler Brüel’s hat in neuester Zeit Unter- suchungen veröffentlicht, bei denen er die Lösungsversuche von Zacharias und Carnoy auf lebende Zellkerne anwandte. Er benutzte destilliertes Wasser, konzentrierte Salzsäure, 5% Ammoniak, 10%, _ Sodalösung und 10 y, Kochsalzlösung. Er erhielt, ganz ändere’ Re; sultate als Zacharias. Die Chromatinkörner zeigten in ihrem Ver- halten gegenüber den Lösungsmitteln in demselben Kerne häufig S ke neischiedenheiten, Die ehromatischen Netzknoten wurden leicht 108 Andre Pratie, Die Chemie des Zellkernes, gequollen und gelöst, während die Oxychromiolen nicht beeinflußt wurden; nur konzentrierte Salzsäure griff sie an. Ein ganz abweichendes Verhalten zeigten die Nukleolen der frischen Zellkerne. Während Zacharias und Carnoy nachgewiesen hatten, daß die mit gelinden Fixierungsmitteln konservierten Nukleolen sich dadurch auszeichnen, daß sie eine große Widerstandsfähigkeit gegen verdünnte Alkalien, Kochsalzlösungen und Salzsäure besitzen, und daß sie durch diese Lösungsmittel nicht zur Quellung gebracht werden, fand Groß, daß der frische Nukleolus überall gelöst wurde, wenn nur dıe Reagentien genügend lange einwirkten.. Nach älteren Autoren müßte man aus diesem Verhalten der Nukleolen auf ihre chromatische Natur schließen. Nun konnte Groß aber zeigen, daß sich gerade der chromatische Nukleolus des Anodonta-Eies in den Chromatin-Lösungs- mitteln viel‘ weniger leicht löst, als andere Nukleolen, und daß in demselben Kern häufig die Nukleolarsubstanz rascher gelöst wird als das COhromatim oder Chromogranula. Dieses abweichende Verhalten der Nukleolen ist vielleicht durch eine größere Diffusionsgeschwindig- keit ihrer gelösten Substanz im Kernsaft zu erklären. Zu bedauern ist, daß Groß nicht zur Kontrolle Verdauungsver- suche mit Pepsin-Salzsäure und Lösungsversuche an konservierten Zellkernen gemacht hat, bei denen die Eiweißstoffe gefällt sind, also unter den gleichen V ersuchsbedingungen, wie sie dıe älteren Autoren angewandt haben. Diese verschiedenen Ergebnisse von R. Groß haben die Resultate von Zacharias und Carnoy wieder höchst problematisch gemacht. Es scheint wieder unmöglich geworden zu sein, verdünnte Alkalien, Salzlösungen und Salzsäure als lösungsanalytische mikrochemische Reagentien anzuwenden. Unbedingt bedürfen jetzt die Lösungsver- suche, vor allem an konservierten Zellkernen einer neuen eingehenden Nachprüfung. Als einziges Lösungsmittel, das jetzt noch für den Dia cn Nachweis der Nukleoproteide in Betracht käme, bleibt uns vorläufig die Verdauung mit Pepsin-Salzsäure. Aber auch hierbei. muß man in Erinnerung behalten, daß die Phosphorproteide, also die Dotter- substanzen sich der Pepsin-Salzsäure gegenüber ganz ähnlich ver- ‚ halten. | i Betrachten wir einmal das Gesamtergebnis unserer voran- gehenden Auseinandersetzungen: Der Makrochemie ıst es gelungen, gewisse Eiweißkörper zu isolieren und ihre chemische Konstitution nachzuweisen; es handelt sich um Verbindungen von Eiweißstoffen mit der Nukleinsäure. Daß diese Nukleoproteide, Nukleine und Nukleinsäuren in den Zellkernen vorkommen, dürfte wohl einwandfrei nachgewiesen sein; aber höchst wahrscheinlich kommen außer ihnen noch andere Verbindungen in den Zellkernen vor, über deren chemische Beschaffenheit und Aufbau wır noch keinerlei Kenntnis haben. Vor allem ist es bisher noch nicht gelungen, klarzulegen, wie die einzelnen we u a er ee En ln a dann a ulm map An in ua a ie a De il an DT) “X a 3 m, ’ ung Andre Pratje, Die Chemie des Zellkernes. 109 Be klurelemente des Zellkernes, die Chromosomen, die Nukleolen, das Kerngerüst u. s. w. im besonderen chemisch aufgebaut sind. Die Färbungsmethoden haben sich als ungeeignet erwiesen, uns über die chemische Konsistenz der Objekte etwas Näheres auszusagen. [ Höchstens kann man nachweisen, ob die betreffenden Kernbestandteile basischen oder sauren Charakter besitzen; wodurch aber nichts darüber gesagt ist, ob die saure Beschaffenheit auf dıe Anwesenheit der Nu- g ‚ beinsäure zurückzuführen ist oder ob nicht andere Stoffe die Ursache bilden. Selbst diese Reaktion auf Säuren und Basen wird wieder _ zweifelhaft, wenn wir erfahren, daß wenigstens zum großen Teil, nicht - chemische Verbindungen sondern physikalische Gesetze die Ursache der - Färbung darstellen. Wir können die Färbungsmethoden nicht als mikro- chemische Reaktion verwenden. R Die Mikroanalyse hat ergeben, daß höchstwahrscheinlich sämt- - liehe Salze den Kernen fehlen. Die fällungsanalytischen Methoden - haben uns unserem Ziele kaum näher gebracht. Eine größere Be- deutung haben die. lösungsanalytischen Methoden. Vom künstlichem - Magensaft wird das Chromatin nicht angegriffen. Versuche mit Al- - kalien, verdünnten Salzlösungen und Säuren haben zum Teil wider- E sprechende Ergebnisse gebracht, die erst noch einer neuen Nach- ab bedürfen. Wir besitzen keine wirklich einwandfreie mikrochemische Reaktion, die ‘uns über den Aufbau und die nähere Lokalisation der Eiweißkörper 'ın den Zellkernen etwas Näheres aussagte. Die positiven Resultate sind also außerordentlich gering. Vielleicht wird dieses negative Ergebnis manchen Cytologen bestimmen, sich noch mehr als bisher der Chemie, insbesondere der > Mikrochomie der Zelle gegenüber ablehnend zu verhalten. Das ist - aber vollkommen unberechtigt. Auf diese Weise kommen wir nicht _ weiter. Die Probleme sind einmal da; und so müssen sie gelöst _ werden. Sicherlich müssen in der: Makrochemie erst noch sehr bedeutende - Fortschritte gemacht werden, bevor die Mikrochemie der Zelle Aus- sicht. hat, mit größerem Erfolge zu arbeiten. Trotzdem dürfen wir auch jetzt nicht die Probleme einfach igno- | _ rieren oder beiseite liegen lassen. Denn es handelt sich um Fragen, “die für den Cytologen von ausschlaggebender Bedeutung sind. Des- E halb sınd wir ‚verpflichtet, weiter zu forschen, nnd da, wo wir mit den £ 4 - bisherigen Methoden nicht weiter kommen können, nach neuen, bisher - unbekannten Forschungsmethoden zu suchen, um das Problem der Lösung näher zu bringen. Y E'. Literatur. A Nähere Literaturangaben über die Makrochemie und über das Vorkommen der | _ einzelnen Elemente siehe beiCohnheim 1911 und 1918, Kanitz 1910, Macallum 1908 und Zacharias 1909. Amann, ‚Bi, ‚Über Nukleinsäuren. In: Arch. f, Anat. u. Physiol., Abt. Physiol. 1899, 110 Andre Pratje, Die Ge des Z ellkernes, 5 a Auerbach, L., Zur Kebtnis der RERREN Zellen I: Über zweierlei chromatophile Kermsubstaliien, In: Sitzungsber. d.. Kgl. preuß. Akad. d. Wiss. 1890. — Über einen sexuellen Gegensatz der Keimsubstanzen u.s.f. In: Sitzungsber. d Kgl. preuß. 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Über Gesetzmäßigkeiten bei Pflanzen nach al Birüni. 113 Über Gesetzmäfsigkeiten bei Pflanzen‘) nach «al Birüni?). Von Eilhard Wiedemann. In welch kritischer Weise die großen arabischen Gelehrten®) vielen 1) Die folgenden Ausführungen sind entnommen dem Werke von al Birüni: „Die übrig gebliebenen Spuren der verflossenen Zeiten“, das Ed. Sachau unter dem Titel „Die Chronologie der alten Nationen“ arabisch und in englischer Übersetzung herausgegeben hat. Sie stehen im Text S. 297—298, in der Übersetzung 8. 292—294. 2) Al Birüni ragt unter den islamischen Naturforschern ganz besonders hervor; er ist wohl noch universeller als sein Zeitgenosse Ibn al Hoitam, der Alhazen ph Mittelalters, der auf die Optik des Abendlandes einen bestimmenden Einfluß ausgeübt hat. Al Birüni ist 973 in Chiwa geboren und 1048 in Gazna gestorben, wohin ihn nach der Eroberung seines Heimatlandes der Sultan Mahmüd mitgenommen hat, und von wo aus er eine längere Reise nach Indien unternahm. Seine naturwissenschaftlichen Haupt- arbeiten sind in einem astronomischen Werk niedergelegt, dem sogen. mas’üdischen Kanon, und in seiner Arbeit über spezifische Gewichte. In anderen Richtungen sind Leistungen ersten Ranges seine Chronologie und sein Werk über Indien. Nichts kennzeichnet ihn als großen naturwissenschaftlich denkenden Gelehrten besser, als daß er zustimmend zu der Lehre Aryabhata’s folgendes anführt: „Es genügt uns, das zu erkennen, was von den Strahlen der Sonne beleuchtet wird; was darüber hinausgeht, wenn auch von unendlicher Ausdehnung, brauchen wir nicht. Was der Sonnenstrahl - nicht erreicht, können die Sinne nicht wahrnehmen, und was der Sinn nicht wahr- - nimmt, können wir nicht erkennen“ (T. J. de Boer, Geschichte der Philosophie im Islam, u 8,.130/131. 3) Wir sprechen von einer Wissenschaft der Araber oder auch von einer solchen der islamischen Kulturkreise. Beide Bezeichnungen sind nicht streng richtig. — Kurze Zeit nach der Unterwerfung der weiten Gebiete zwischen dem indischen und dem atlantischen Ozean durch die Araber wurde das Arabische die allgemein verbreitete Sprache der Gelehrten, die auch von weitesten Kreisen der Bevölkerung verstanden wurde, es war die Sprache des Koran, der in keine andere übersetzt werden durfte. Die weit überwiegende Zahl der wissenschaftlichen Werke, wenn auch nicht alle, war arabisch geschrieben. Sprechen wir daher von den wissenschaftlichen Leistungen der Araber, so verstehen wir darunter nicht solche von Angehörigen des ethnographisch so bezeichneten Volkes, ja nicht einmal überwiegend von solchen, sondern wir be- — greifen unter diesem Namen Syrer, Perser, Inder, Kopten, Spanier u. s. w., die alle in der Sprache Muhammed'’s schrieben. Aber selbst, wenn wir etwa für den betreffenden _ Gelehrten väterlicherseits eine Abstammung von den semitischen Arabern nachweisen - _ können, so ist eine solche von mütterlicher Seite gewiß nur selten vorhanden, wie wir dies bei vielen Chalifen aus dem Hause der Abbasiden finden. — Die Rolle der - arabischen Sprache als Sprache der Gelehrten entspricht vollkommen derjenigen des Lateinischen bei den Völkern des Okzidentes während des Mittelalters. Zu beachten "ist übrigens, ‘daß in ihren poetischen Ergüssen sich hervorragende Gelehrte der natio- nalen Sprache ihrer Völker bedienten, so der persischen der große Arzt und Philosoph 7 Ibn Sina (Avicenna) und der hochbedeutende Mathematiker “Omar al Chajjämi in ' seinen tiefsinnigen Vierzeilern. m Spricht man von Gelehrten des islamischen Kulturkreises, so entsteht leicht die - Meinung, daß es sich nur um Gelehrte, die sich zu der Religion Muhammed’s bekannten, handelt. Das ist aber durchaus nicht der Fall; vor allem in der ersten Zeit nach dem — Auftreten des Islam als auch noch weit in die Abbasiden-Zeit, im 9. Jahrhundert, hin, ‘ waren zahlreiche Gelehrte Juden, Christen, wohl auch Parsen. - In bezug auf arabische Namen dürften für den einen oder andern Leser die folgen- 2 “den Angaben vom Nutzen sein. Es hatte Jedermann den eigentlichen, von seinen Eltern ihm beigelegten Namen, z. B. Said, Muhammed, Hasan, Ahmed u. s. w., dann den Beinamen oder Ehrennamen (kunja), der dadurch gebildet wurde, daß man ihn 40. Band | 8 a vn - 9 ER ae ” u INA V Ei EN, hr Ri Sein Ka Se 114 E. Wiedemann, Über. Gesetzmäßigkeiten bei Pflanzen nach a Beni ae abergläubischen Vorstellungen gegenüberstanden und fein er be- ; 2 en obachteten, mögen die folgenden Bemerkungen von Muhammed b. Ahmed - Abwl Raihän al Birüni zeigen. Zunächst wendet er sich gegen die An- gabe mancher Christen, daß das Kreuz ım Sternbild des Delphin zur Zeit der Geburt des Messias gegenüber der Stelle erschien, an der der Messıas das Licht der Welt erblickte. Al Börüni sagt: Es ist sehr eigentümlich, daß diese Leute nicht ein wenig nachdenken und so finden, daß es Nationen in der Welt gibt, die seit Jahrhunderten und aber Jahrhunderten sich die Aufgabe gestellt haben die Sterne und Alles, was mit ihnen zusammenhängt zu beobachten, indem eine (seneration zum mindestens die Kenntnisse ererbt hat, daß die Sterne . des Delphins Fixsterne sind; eine Tatsache, die seit langem von ihren Vorfahren, die sıch damit beschäftigten, erkannt worden war. Weiter führt al Birüni aus: „Eine christliche Sekte zieht bei den Betrachtungen über das Kreuz und die Bestätigung, daß es wirklich vor- handen war, das Holz der Päonia (Füwänijä)*) heran, das durch- geschnitten auf der Schnittfläche Linien zeigt, die einem Kroue Moichön. Sie behaupten sogar, daß diese Zeichnung erst entstanden sind, als Christus ‘ gekreuzigt wurde. Ich möchte wohl wissen, ob diese Leute je medi- zinische Werke studieren und in ihnen von Verfassern gehört haben, die lange vor Christus lebten, und auf deren Autorität hın Galen eine Beshräibun dieses Holzes sibt. Hieran anschließend gibt al Birüni folgende u ‚Jetzt noch 2 zu beherzigende | Jeder, der die Werke der Seele und der Natur als Beweisgründe für natürliche Erscheinungen benutzt, wird, von welcher Theorie er auch ausgeht und wie weit auch die Theorien voneinander abweichen, stets es so einrichten können, daß der Ausgangspunkt für den Beweis mit dem, was er behauptet, über einstimmt und daß ersterer dem letz- teren entspricht. Solche Beweise kann man aber nie als beweiskräftig anerkennen, es sei denn, daß ein vernünftiger [innerer] Grund vor- handen ist, der das Gemessene mit dem Messenden, den Beweis mit nach seinem Sohn, seiner Tochter, nach seinem Vater oder nach einer hervorragenden Eigenschaft benannte, also: Abu’l Hasan, Vater des Hasan, Ibn Zijäd, Sohn des Zijad, Abw’l Makärim, Vater der Tugenden u.s.w. Dann gab es noch Zunamen nach dem Handwerk, einer Eigenschaft, dem Geburts- oder Wohnort (letzteres die sogen. Nesba), im Altertum auch nach dem Stamm und der Familie (cf. A. von Kremer, Kultur- geschichte des Orients unter den Chalifen Bd. 2, 8. 250, sehr ausführlich sind die arabischen Namen und Titel behandelt von G. de Tassy, Journ. asiatique [5] Bd. 3, S. 422. : 1854). 4) Hierzu teilt mir einer der besten Kenner Galens und der orientalischen Me- - dizin Herr Prof. Seidel in Meißen mit: Die wohl ursprünglich von den Wurzel- sammlern, den Rhizotomen, herumgetragene Mähr, von der Kreuzfigur im Querschnitt der Wurzel finde ich bei Galen nicht, wohl aber bei den Armeniern; der gebräuch- liche Name der Pfingstrose bei ihnen ist Chatschapaid „Kreuzholz“ entsprechend dem Arabischen ‘Üd al salib. In einem armenischen Schriftsteller heißt es „beim Durch- schneiden ist das Mittelstück wie ein Kreuz“. — Herrn Prof. Dr. Solereder ist der Name Kreuzholz nur für „Viscum album“ bekannt. = en. Über Gesetzmäßigkeiten bei Pflanzen nach al Birüni, 445 dem, ‘was bewiesen werden soll, verbindet. Es gibt z. B. Doppel- bildungen oder Beziehungen bei Dingen, die einander entgegen- gesetzt sind (schwarz uhd weiß), dreifache Bildungen bei manchen - Blättern der Pflanzen und deren Kernen, vierfache in den Bewegungen der Sterne und den Fiebertagen, fünkfache in den Kelchen (Kronen R aqma”?) der Blüten und den Blättern und Adern der meisten Blumen; eine sechsfache Beziehung ist das natürliche bei den - Kreisen und bei den Zellen der Bienen, sowie den Schneeflocken (!). So finden wir alle Zahlen bei den natürlichen Erscheinungen der Seele und des Lebens ın der Natur und vor allem bei den Blüten _ und Blumen. Denn die Blätter jeder Blume, ihre Kronen und Adern zeigen bei ihrer Bildung gewisse Zahlenverhältnisse, die einer jeden Art besonders eigen sind. — Will daher jemand seine Theorie durch Bezugnahme auf eine dieser Arten stützen, so kann er dies. Wer _ wird ihm aber Glauben schenken ? Manclımal sieht man nach «al Birün? auf Steinen Schriftzeichen?), ‚die heiligen Namen und frommen Sprüchen entsprechen, wenigstens - lauten so die Berichte. Vor allem finden sich oft Steine für Siegel- ringe mit dem Namen ‘Als, da „das Bild des Namens “AB oft in den Adern der Berge Befunden wird“. Wie hoch dies al Börüni einschätzt, geht aus seinem nk her- _ vor: „Hierher gehören gewisse Betrügereien; so bat mich ein schüti- scher Geistlicher, ihn etwas Nutzbringendes zu lehren. Ich teilte ihm aus dem Werk Kitab al tawih (des Glänzendmachens) von al Kindi (dem ersten großen arabischen Philosophen, r um 850) ein Rezept mit, um aus mehreren ätzenden Substanzen eine besondere Tinte herzu- - stellen. Bringt man einen Tropfen von ihr auf Achat, schreibt mit ihr und hält ihre dann an das Feuer, so erscheint die Schrift weiß. Der Geistliche schrieb so [auf Stein] die Namen von’ Muhammed, Al u.s.w. sogar ohne sich viel Mühe zu geben, sagte es seien Bil- - dungen der Natur und sie kämen da und da her. Durch solche Be- - trügereien verdiente er viel Geld von den Schiiten“ [die ja AZ, den Schwiegersohn Muhammed’s, hochverehren.] Zum Schluß macht al Birüni noch folgende Bemerkung: 3 Von den Eigentümlichkeiten bei den Blüten ist eine in der Tat — höchst. wunderbar, nämlich daß in den meisten Fällen die Zahl ihrer n\ ‚Blätter, deren Enden bei dem Sichöffnen der Blüte einen Kreis bilden, den Bestimmungen der Geometrie entspricht. Gewöhnlich stimmen. sie mit [der Zahl der] den Seiten überein, die man nach den Prin- - zipien. ‚der Geometrie gefunden hat (d.h. die man nach den Prinzipien AB u 5) Die Araber glaubten, daß auf manchen Pflanzen der Namen Gottes, bezw. Sagensprüche auf Muhammed u.s. w. zu sehen seien, ähnlich wie man bei uns bei der - Passionsblume die Nägel des Kreuzes, die Wundmale, die Dornenkrone Christi zu sehen glaubt. Auch ein nagelförmiges Gebilde, das sich beim Öffnen der Nuß im Kern ein- E gebettet gefunden wird, wird als Nagel des Kreuzes Christi gedeutet (s. E. Wiede- Ber" Bee XLIV, 116). 8: N [i 416 . @. Doorman, Die Mechanik des Sprunges der Schnellkäfer (Elateriden). | der Geometrie im Kreis konstruieren kann); nicht aber mit Kegel- A Er I an RR IP 1, Yrkse Yin { schnitten (d. h. elliptische u. s. w. Blütenformen kommen nicht in Betracht). Blüten mit 7 oder 9 Blättern findet man fast nie, denn man kann ın einem Kreis nach den Gesetzen der Geometrie kein gleichseitiges Sieben- oder Neuneck konstruieren. In den allermeisten Fällen sınd es 3, 4, 5, 6 oder 18 Blätter. Vielleicht findet man eines Tages eine Blütenart mit 7 oder 9 Blättern, oder. bei einer bekannten Art eine solche Zahl von Blättern; ım allgemeinen aber bewahrt die Natur ihre Arten (gans) und ihre Unterarten (nau‘), so wie sie sind. Würde man z. B. die Zahl der Körner in einem Granatapfel eines Baumes zählen, so würde man in allen anderen Granatäpfeln des Baumes dieselbe Körnerzahl finden. Die hier und da auftretenden Unregelmäßigkeiten zeigen nur, daß „der Schöpfer, der sie sich so verhalten läßt, unendlich erhaben ist“. Der gesetzmäßige Ablauf der Erscheinungen ist also nach al Birüni dıe Regel, aber Abweichungen können vorkommen. Es steht dies im Einklang mit der Lehre des /siäm, daß Gott über allen Dingen steht, überall eingreifen kann, aber ein gesetzmäßiges Verhalten für gewöhn- lich zuläßt. ) Die Mechanik des Sprunges der Schnellkäfer (Elateriden). Von @. Doorman, Dipl.-Ing, Haag (Niederland). Im Biolog. Zentralblatt sind in neuerer Zeit zwei Aufsätze er- schienen über das Springen der Schnellkäfer, der eine von Dr. ©. Thilo in Riga (Bd. XXXIV, 1914, 5 150/6), der Ar. von OÖ. Prochnow, Berlin, Lichterfelde (Bd. XXXV 1915, S. 81—93). Thilo schließt aus den von ihm angestellten Versuchen, daß der Käfer aufspringt infolge des Schlages, der von seinem Prothorax auf den zweiten Ring a wird; der Vorgang wäre zu vergleichen mit dem „Klippholz“, das die Kinder auf einen Stein legen und dann durch einen Schlag auf das freie Ende in die Luft schleudern. Da- bei scheint aber übersehen zu sein, daß zur Beschleunigung des ganzen Körpers eine äußere Kraft erforderlich ist, d. h. eine Kraft, welche von einem andern Körper auf das Tier ausgeübt wird. Wenigstens ist nicht angegeben worden, welche äußere Kraft im en, des Stoßes der beiden Teile plötzlich auftreten sollte. Der Aufsatz von Prochno w fängt an mit einer Einleitung, ı in welcher die Eigenbewegungen der Tiere und Maschinen in zwei Gruppen ein- geteilt werden: 1. Bewegungen durch Abstoßen von dem umgebenden Medium. Hierzu rechnet er u. a. den Vogelflug, sowie unser Gehen, Laufen und Springen. 2. Bewegungen durch „Selbstrückstoß“, wozu außer dem Schnellen der Springkäfer u. a. auch die Hilfsbewegungen der Arme beim | j ä 2 ge FR Pr mm win Ar In as ae -G. Doorman, Die Mechanik des Sprunges der Schnellkäfer (Elateriden). 117 - Springen des Menschen zu rechnen wären. Beim Absprung schleudert _ der Springer die Arme schräg aufwärts; während des Sprunges hemmt 3 er ihre Bewegung wieder und dabei sollte diese Hemmung fördernd auf den Springer wirken. Das letztere erscheint mir falsch, denn für die Frage, ob „der Springer“ beschleunigt wird oder nicht, ist die - Bewegung des Schwerpunktes seines ganzen Körpers maßgebend und - darauf hat die Hemmung der Arme während des Sprunges keinen - Einfluß. Zwar wird die Geschwindigkeit eines Körperteils (des Rumpfes) vergrößert, aber gleichzeitig wird ein anderer Teil (die Arme) ver- - zögert; die Summe der Bewegungsgrößen (Masse mal Geschwindig- j keit) bleibt ungeändert und ebenso die Geschwindigkeit des Schwer- ' punktes. Beim Springen (ohne Armbewegungen) bleibt ein Teil des j - Körpers (die Füße) in Ruhe bis zum Moment wo der Boden verlassen -_ wird. Darauf wird dieser Teil beschleunigt auf: Kosten der Bewegung der andern Körperteile. Ein prinzipieller Unterschied mit der ge- nannten Armbewegung besteht also nicht; nur ist beim Sprung im Gegensatz zur Armbewegung der Teil, der zuerst beschleunigt wird, der größere. Die Mitteilung, daß der Sprung der Schnellkäfer zu den Selbst- rückstoßbewegungen gehört, bringt uns also noch nicht viel weiter und obwohl in dem Aufsatz interessante Versuche beschrieben sind, 2 geben auch diese noch keinen klaren Einblick in den mechanischen Vorgang. 2 "Wir wollen versuchen in dieser Beziehung etwas weiter zu kommen _ und betrachten dazu zunächt den Käfer in dem Moment, wo der Dorn ' des Prothorax anfängt in die Grube einzutreten. Mit Be können wir annehmen, daß er vorher die Muskeln gespannt hat, während der - Dorn am Rande der Grube unterstützt wurde und daß der Dorn nun plötzlich über diesen Rand hinweg in die Grube gleitet. - In diesem Moment üben die beiden ee miteinander ver- - bundenen Teile des Körpers ein Kräftepaar aufeinander aus, welches Teil I (d. h. Kopf und Prothorax vgl. Fig. 1) rechts herum und # Teil II (Meso- und Metathorax und Hinterleib) links herum dreht. - Beide Teile erhalten ‚Iso eine Drehbewegung und da das Kräftepaar, - das TeilI auf Teil II ausübt, in jedem Moment gleich dem Kräftepaar ist, das von Teil II auf Teil I ausgeübt, wird (Aktion gleich Reaktion), ” müsten die Drehgeschwindigkeiten, welche die Teile schließlich er- halten, umgekehrt proportional den Trägheitsmomenten sein. Dem- “ nach müßte der Körper nach dem Anstoßen der beiden Teile weder “mach rechts noch nach links drehen. Der Versuch zeigt aber eine - Drehgeschwindigkeit rechts herum (um Hinterleibsspitzem) und außer- - dem die Aufwärtsgeschwindigkeit des Sprunges; wie entsteht die Be nhere Kraft, die diese beiden Geschwindigkeiten verursacht ? - —- Wenn wir die Schwerkraft, die für das Verständnis des Ab- pringens belanglos ist, außer acht lassen, so wirkt in dem Moment, | | 418 6. Doorman, Die Mechanik des Sprunges der Schnellkäfer (Elateriden). _ wo der Dorn in die Grube eintritt, auf jeden der beiden Teile nur das Kräftepaar. Ein Körper auf dem nur ein Kräftepaar wirkt, fängt an zu drehen um seinen Schwerpunkt, ohne daß dieser Punkt seine. Lage verändert. So bald aber die beiden Teile I und II um ihre Schwerpunkte S, und S, als ortsfeste Punkte zu drehen. anfangen, wird Teil II Dr der Oberfläche AB gegen die feste Unterlage ge- drückt. TeilII rollt sich von A bis B auf der Unterlage ab; dabei wird Teil I bald ganz abgehoben und liefert die Unterlage einen Gegendruck K. Prochnow ließ den Käfer von einer berußten Platte empor schnellen und photographierte darauf die Platte. Die so er- haltenen Aufnahmen zeigen, daß das Abrollen tatsächlich stättfindet. ‘In dem Moment wo die beiden Teile gegeneinander stoßen und demnach nicht weiter drehen können, ist Teil I, welcher den kleinsten Trägheitsmoment hat, um einen größeren Winkel gedreht als Teil II. Die dann entstandene Situation ist in Fig. 2 dargestellt. Das Hemmen der Drehbewegung hat auf die Bewegung des Käfers als Ganzes be- trachtet keinen Einfluß. Infolge der Gegenkraft K der Unterlage habs aber dıe Schwer- punkte der Teile die Wege von S, und S,' bezw. von S, nach S,' abgelegt; der Schwerpunkt des ganzen Karen ist von S He S' ge- \ wandert und behält die dabei erreichte aufwärts gerichtete Geschwin- digkeit auch nach dem Anstoß der Teile. Diese ist also die Ge- schwindigkeit mit der der Käfer aufschnellt und sie ist verursacht durch die Gegenkraft K, die einzige äußere Kraft, die auf den Käfer gewirkt hat. Bei dieser Betrachtung wurde das Chitin der Elytren als voll- kommen hart angenommen. In Wirklichkeit ist es etwas elastisch und demzufolge geschieht der Abstoß etwas federnd: die Kraft K wird etwas kleiner und hält länger an, nämlich auch nachdem die beiden Körperteile anstoßen. Durch die Elastizität wird aber die Springhöhe des Käfers verkleinert, weil während der Drehung der beiden Körperteile der Schwerpunkt einen kürzeren Weg S—S' ab- legt und dabei eine kleinere Geschwindigkeit erreicht. Ob der Käfer während des Sprunges eine Drehung über den Kopf oder über die Hinterleibsspitze ausführt, hängt davon ab, ob die Kraft K vor oder hinter den Schwerpunkt Angreii Da der Käfer ° von A bis B auf der Unterlage abrollt, wird die Kraft K wohl bei vielen Schnellkäfern fast während der ganzen Beschleunigungsperiode vor dem Schwerpunkt liegen und demnach eine Drehung um die Hinterleibsspitze bewirken, wie sie von Prochno w beobachtet wurde. Wäre die Unterlage vollkommen glatt (reibungslos) und horizontal, so würde der Käfer genau auf die Stelle niederfallen, von der er auf- gesprungen ist. Beim Abrollen des Teiles II von A bis B würde dann ein gleichzeitiges Gleiten auftreten, denn wenn TeilII sich ohne Gleiten abrollt, findet ähnlich wie beim Rade eines Wagens eine Be- wegung des Körpers nach links statt. Da immer Reibung anwesend ZREE ee a Eee nes 1 Te Br. 3 ENT Aa IN, r ' G ” 1 CE “ Doorman, Die ‘Mechanik des Be der Schnellkäfer (Blateriden). ° 119 Br “ sein wird, wird Är \Kr aft K und demnach auch die Sprunggeschwin- digkeit beim: Absprung von einer genau horizontalen Fläche immer 2 Es nach vorne gerichtet sein und wird der Käfer niederfallen nach der Richtung wo vorher der Kopf lag, wie auch von Prochn ow fest- gestellt. wurde!). - Jetzt ist wohl nur noch eine Erklärung dafür zu geben, daß ein Käfer, der auf weicher Unterlage (Sand) har nicht hochspringt, aber 8 doch um seine Hinterleibsspitze umdreht. Da die Unterlage nachgibt, ist es klar, daß die Kraft K und die erreichte Au Anisgeschwindie keit viel kleiner ausfallen müssen. Außerdem bewegt sich der Angriffs- "punkt der Kraft K infolge der entstehenden Höhlung viel weiter nach "vorne als beim Sprung auf ‘harter Unterlage. Die kleine Kraft hat also in bezug auf den Schwerpunkt einen größern Hebelarm bekommen “ und dadurch ist sie doch noch imstande die Drehung zu bewirken. r a 3 er e. Ay Fig. 1. bo ae Mn Rn dern obigen wird been daß der Sprung der Elaterıden insofern übereinstimmt mit dem’Sprung den andere Tiere ausführen, als das Tier sich durch eine rasche Veränderung der relativen Lage der Körperteile von der Unterlage abstößt. Ein Unterschied besteht Bern daß der Weg (SS’ in Fig. 2), den der Schwerpunkt während der Beschleunigungsperiode durchläuft, sehr klein ist und daher der % Gegendruck der Unterlage sehr groß sein muß. Vielleicht ist dieser 8 Pte SS‘ nur 0,3 mm; springt der Käfer dann '50 mm hoch, dann muß während der Beschleunigungsperiode die Kraft K 500 mal so ‚groß gewesen Sein als das Gewicht des Käfers, denn die Beschleunigungs- arbeit, ‚welche von K geleistet wird, muß gleich (sogar größer) .der E E rseerumesarbeit sein, welche vom Gewicht geleistet wird. Die ei Muskelkraft, welche in so kurzer Zeit die ganze Energie des Sprunges leisten muß, wird ebenfalls sehr groß sein müssen; die kurze Dauer ‚der Beschleunigungsperiode wird es auch an gemacht haben, daß die Muskel, wie von Hesse beschrieben, vorher gespannt werden, _ denn sonst würde die Muskelkraft nicht sofbrt, ‚beim Anfang dieser Periode zur vollen Wirkung kommen. B: E | L). Auch dor Luftwiderstand kann dem enicsenden und dabei um die Hinter- leibsspitze diehenden Käfer eine Beschleunigung nach vorne geben, aber die Keibung Ä Enlelae wird wohl mehr wirksam sein. | BE a ER TETT E u. nt Bin f fe S r r a vw [ 120 H. Kraepelin, Die Sprengel’sehe „Saftmal-Theories. Die Sprengel’sche „Saftmal-Theorie“. Von H. Kraepelin. A. Die Sprengel’sche Saftmaltheorie. B. I, Form der Saftmale: a) Flecken, Punktierung, Strichzeichnung, b) Adern, c) Flächenfärbung, d) Ringe und Leisten. II. Vorkommen und Lage: a) radiäre und dorsiventrale Blüten, b) Ober- und Unterseite, c) Vorder- und Rückseite, (d) Lage zu den Geschlechtsorganen, e) Vorkommen in den einzelnen Familien, f) Vorkommen bei Nektar- und Pollenblüten, 8) Vorkommen bei männlichen und weiblichen Blüten. III. Farbe: a) der Saftmale, b) des Untergrundes, c) Farbenzusammenstellungen. IV. Entstehungstheorien: a) gefüllte Blüten, b) Färbung von andern Teilen der Blüte, c) Flecken auf andern Teilen der Pflanze, @ d) Dorsiventralität. V. Beeinflussung der S durch: a) äußere | b) innere VI. Biologische Bedeutung: a) Versuche mit Entfernen der Saftmale, 1. durch Abschneiden (Lobelien (Darwin), Dracocephaliun, Erostum), 2. durch Umdrehen (Digitalis purp., Impatiens Royler), b) Beobachtung an Hibiscus syriacus, c) Aufkleben von Saftmalen (Rudbeckia laciniata), d) Nachtfalterblumen. VII. Beobachtungen über die Sinne der blumenbesuchenden Insekten. C. VIII. Zusammenfassung. $ ' Momente, Als Christian Konrad Sprengel im Jahre 17934) zum ersten Male eingehend auf die Beziehungen zwischen Blumen und In- sekten aufmerksam machte, schrieb er, in der Überzeugung, „daß der ‚weise Urheber der Natur auch nicht ein einziges Härchen ohne eine gewisse Absicht hervorgebracht habe“ auch den Zeichnungen in der Blüte eine Rolle beim‘ Insektenbesuch zu. Er sagte darüber: „Wenn nun ein Insekt durch die Schönheit der Krone oder durch den ange- nehmen Geruch einer Blume gelockt, sich auf dieselbe begeben hat: so 1) Chr. K. Sprengel, das entdeckte Geheimnis im Bau und in der Befruchtung der Blüten, Berlin 1798. Pi ET: ErON,) A FT N A Re RE Be H. Kraepelin, Die Sprengel’sche „Saftmal-Theorie“. 121 _ wird es entweder den Saft sogleich gewahr, oder nicht, weil dieser sich _ an einem verborgenen Ort befindet. Im letzteren Falle kömmt ihnen die * Natur durch das Saftmaal zu Hilfe. Dieses besteht aus Einem oder Ei mehreren Flecken, Linien, Düpfel oder Figuren von einer anderen Farbe als die Krone überhaupt ist, und sticht folglich gegen die Farbe der Krone schwächer oder stärker ab. Es befindet sich jederzeit da, wo die - Insekten hineinkriechen müssen, wenn sie zum Saft gelangen wollen. Reguläre Blumen haben ein reguläres, irreguläre ein irreguläres Saft- maal. Wenn der Safthalter von der Öffnung, durch welche die Insekten - hineinkriechen, entfernt ist, so zieht sich das Saftmaal, welches vor der Öffnung anfängt, durch dieselbe hindurch bis zum Safthalter, dient also den Insekten zu einem sicheren Wegweiser. Hat eine Blume mehrere - Eingänge zum Safthalter, so hat sie auch ebensoviele Saftmäler. Wenn eine Blume mehrere Safthalter hat, welche ringsherum um den Frucht- ‘ knoten stehen, oder zwar nur Einen, welcher aber in die Gestalt eines Ringes den Fruchtknoten umgibt, und dessen Saft das Insekt nicht anders verzehren kann, als wenn es im Kreise um denselben herum- läuft, und seinen Saugrüssel öfters hineinsteckt: so hat das Saftmaal eine ringförmige Gestalt und führt das Insekt im Kreise herum.“ Um dem Saftmal überhaupt eine Bedeutung als Wegweiser zum Nektor zusprechen zu können, gilt vor allem die Voraussetzung, daß die Blüten auch wirklich Nektar enthalten. So wurden für die nachfolgen- ‚den Tabellen 130 Pflanzen ausgewählt, die dieser Voraussetzung genügen und ein Saftmal tragen. Als solche Saftmale wurden alle Zeichnungen auf ‘ den Blüten angesehen, sei es, daß sie sich nur durch den Helligkeits- ‚grad oder eine andere Färbung von der übrigen Blüte unterscheiden. Der Einfachheit halber soll der Ausdruck Saftmal N S) bei- behalten werden. Der Form nach lassen sich die S einteilen in: 1. Flecken, Punktierung, Strichzeichnung, 2. Fortlaufende Färbung der Adern, 3. Flächenfärbung, d h. einzelne größere Partien sind anders ge: färbt als die übrige Blüte, 4. Ringe und Leisten. Von den S der untersuchten 130 Blütenpflanzen fallen unter die ‚einzelnen Kategorien: 1.67 8 231 34, BRD; 2 145 8. | Das Mehrergebnis der S gegenüber der Anzahl der Blüten rührt davon her, daß eine Blüte zweierlei S tragen kann (zZ. B. Linaria-Arten, 3 die Leisten und Adernfärbung haben). Diese Gruppierung wurde deshalb E: vorgenommen, weil Darwin darauf hinwies, daß die S den Adern in Ei den Pannen ‚folgen oder zwischen ihnen liegen. Unter diese beiden u 3 N N 122 H. Kraepelin, Die Sprengel’sche . „Saftmal- Throne. Formen lassen sich jedoch nur die 2. und ein Teil der 1. Kategorie ein- ordnen und die 3. und 4. überhaupt nicht. Um die auffallende Häufigkeit der mit S versehenen dorsiventralen Blüten zahlenmäßig festzustellen, wurden die untersuchten Blüten nach diesem Gesichtspunkte geordnet und es ergab sich, daß darunter 87 dorsiventral waren gegenüber 43 radiären, also die doppelte Anzahl dorsiventral, was ja die von Sprengel angegebene biologische ‚Be- deutung bekräftigen könnte, da die dorsiventralen Blüten in ı der. Regel einen komplizierteren Bau haben. Im Hinblick auf die Sprengel’sche Theorie war es von Interesse, wo das S für das ausbeutende Insekt zu sehen ist. Auf die untersuchten S entfielen auf die verschiedenen Möglichkeiten: 1. unten: a) radiäre Blüten {N 38 3} 101 b) dorsiventrale 69 5 | 2. oben: a) radiäre 238 96 b) schwach dorsiventrae 38 ; 9. a) obeu und unten (schon unter 1. u. 2. angeführt) ß) allseitig (z. B. Gentiana) 12.8 a) dorsiventrale I 9 s 15 .b) radiäre | | 68 y) seitlich | 2 ö) seitlich und unten ‚2 BR un 145 S Es stellt sich hieraus ein Übergewicht der für das Insekt unten N e WAL ir; N, 28 M- a, % N sichtbaren S für alle Blüten heraus, und auch für die dorsiventralen E Blüten allein ein solches, was hauptsächlich durch die beim Labiatentypus häufig auftretende Zeichnung der Unterlippe bedingt ist. Orientiert sich das Insekt aber erst nach dem S, wie Sprengel angibt, nach- dem es sich auf der Blüte niedergelassen hat, so würde es sich bei dieser Blütenform selbst im Wege sein, da die das S tragende Unter- lippe die Anflugstelle ist. Die S befinden sich mit nur wenigen Ma (z. B. Ononis natrix, Dimorphotheca pluvialis) auf der Innenseite der Kronblätter, also auf der den ausbeutenden Insekten zugekehrten Seite. Was die Lage zu den Geschlechtsorganen bei den dorsiventralen Blüten anlangt, so ist das S meist auf der entgegengesetzten Seite der Blütenöffnung. So sind bei den Labiaten und Scrophulariaceen die S unten, während sich Staubblätter und Griffel an die Innenseite der Oberlippe anlegen, bei den Papilionaceen dagegen in der Regel das S oben tınd die Geschlechtsorgane "unterhalb des Z /uganges zum Nektar. Es wäre demnach noch festzustellen, ob an der Seite, wo das S sich be- findet, die Honigabsonderung reichlicher ist (wie z. B. bei Erodium Ma- nescavi), was für das Insekt von Vorteil wäre, da es hier nicht so durch die Geschlechtsorgane beim Saugen gehindert wäre. | In den einzelnen Familien treten. die S am häufigsten bei den Scro: 4 El UT u ne hm da ö EN Prai ne AR fer = Mbaenelin, Die Sprengel'sche „Saftmal-Theorie*, 123 phulariaceen und den Labiaten auf. Von den Umbelliferen ist mir keine Blüte mit S bekannt; ebenso könnte man von den Cruciferen höchstens - - Matthiola nennen, die. aber kein ausgeprägtes S besitzt. Von den Ranun- culaceen hat nur Adonis autumnalis, der jedoch keinen Nektar absondert, S; überhaupt kommen sie bei Familien mit choripetalen Blüten (Ranun- culaceen, Rosaceen, Hypericaceen), bei denen auch die Honigabsonderung ' spärlicher ist, nicht so häufig vor. Man sieht auch, daß mit dem kompli- zierteren Bau und dem größeren Farbenreichtum, den z. B. die Scerophu- - lariaceen gegenüber den Umbelliferen aufweisen, auch die Ausbildung - der S zunimmt, und man muß zugeben, daß gerade hier die Auffindung des Nektars erschwert ist und so die Entwicklung eines „Wegweisers“ von Vorteil wäre. Dieser „Wegweiser“ kann aber nur für höhere, blumentüchtige Insekten wie Bienen und Hummeln von Bedeutung sein, denn nur sie können den schwieriger zu erreichenden Nektar finden. Eine Ausnahme machen die sogen. Ekelblumen mit freiliegendem oder halbverborgenem Nektar, die häufig gelblich und rot gefleckt sind und von Aasfliegen aufgesucht werden. Bei kleinen Formen von S besitzenden Gattungen, die dann in der _ Regel autogam sind und keinen oder nicht wahrnehmbare Mengen Nektar absondern (Euphrasia officinalis, Linaria arvensis, minor u. a. nach Loew, Stachys arvensis nach Kirchner, Viola arvensis) bleiben die S erhalten oder verblassen höchstens mit der EIERN Färbung der ganzen Blüte. Daß S und Nektarabsonderung nicht unter allen Umständen ver- bunden sind, lehrt einmal die Tatsache, daß nicht alle auch kompli- zierter gebauten Blüten S besitzen, und andererseits die Erfahrung, dab ‚nicht alle Blüten Nektar absondern, die S besitzen. Darin liegt auch . ein Gegenbeweis für die S-Theorie, undSprengel hat selbst den zweiten ‚Punkt als Widerspruch empfunden. Er bezeichnete daher die schwarzen Flecken bei Papaver Rhoeas z. B. als „Pollenmale‘“ und die Blüten, bei denen er zwar S, aber weder Nektar noch reichlichen Pollen fand, als „Scheinsaftblumen“. Bei der Untersuchung der Pollenmale von Papaver Rhoeas fiel mir .erstens auf, daß die Antheren sich schon in der Knospe öffnen und so wohl leicht Selbstbestäubung eintreten kann, und zweitens waren die Male an den einzelnen Stöcken sehr verschieden stark ausge- bildet. Von rein roten Blüten gab es Zwischenstufen bis zu Blüten mit tiefschwarzen Flecken, die oben einen weißen Rand hatten. Bemerkens- wert ist auch, daß-die rein roten Blüten kleiner und weniger intensiv gefärbt waren als die andern, wie man auch bei allen Übergangsformen ‘einen derartigen Unterschied bemerken konnte. Es wäre festzustellen, ob es sich hier um zwei verschiedene Formen und deren Kreuzungs- R produkte handelt, oder ob es andere Momente sind, die diese Verschieden- h heiten. bedingen. Als Standortsvariationen sind sie nicht anzusehen, - da sie nebeneinander vorkommen, und ebenso spielt das Alter der Blüte dabei keine Rolle. Ferner habe ich beobachtet, daß. die Insekten fast er die Blüten aeutullen, da die Kronblätter infolge ihrer Weichheit . 5 < : # Kr N 124 . . H. Kraepelin, Die Sprengel’sche „Saftmal-Theorie®. EL RERNE und glatten Oberfläche ihnen keinen Halt bieten, so daß man hier kaum von einem „Mal sprechen kann, das ihnen erst den Weg zum Pollen angeben muß. Daß die Insekten dadurch sogar irregeleitet werden können, geht aus einer Beobachtung hervor, die ich an der var. umbrosum machte, die neben einer intensiver roten Färbung auch auffallendere Flecken aufweist. Eine Hummel, die anscheinend nach Nektar suchte, stieß immer wieder von außen und dann von innen an die Male, vielleicht, weil die Insekten gewohnt sind beim Hineinschlüpfen in eine Blüte der Dunkelheit zu folgen. Auffallend ist, daß unter ar wenigen nektarlosen Blüten, die S besitzen, das leuchtende Mohnrot mit schwarzem Fleck öfters auftritt, nämlich bei: 1. Papaver Rhoeas, orientale. | 2. Glaueium corniceulatum oft mit schwarzem Fleck, während das gelbe Glaucium luteum kaum auffallende rote Striche am Grunde der Kronblätter, namentlich auf der Unterseite trägt). 3. Tulipa Gesneriana. 4. Adonis autumnalis. (5. Vicia Benghalensis, die nach Sprengel anscheinend auch in de * Gruppe gehört). Nimmt man nun an, daß die blumenbesuchenden Insekten rot-grün- blind sind, so hätte dieses S, wie wir es kurz nennen wollen, eine Be- rechtigung, da sich dadurch die Blüten erst vom grünen Laube unter- schieden. Zu erinnern ist auch daran, daß dieses Rot, das häufig durch Schwarz gehoben wird, in der Insektenwelt als Schreckfarbe aufgefaßt wird, was auch für höhere Tiere durch die Versuche von Stahl?) mit roten und grünen Blättern wahrscheinlich gemacht wird. Man könnte also daran denken, daß sich hier die Eigenschaft, Nektar abzusondern, bei dem ausbleibenden Besuch der ursprünglich durch die Farbe abge- schreckten Insekten entweder gar nicht ausgebildet nal oder verloren gegangen Ist. Ein Beispiel dafür, daß Nektar und S nicht immer zusammenfallen, bietet auch die Familie der Papilionaceen. Als einheitliches Merkmal für die nektarabsondernden Arten gilt hier die Regel, daß von'den 10 Staubblättern 9 verwachsen und 1 frei ist (eine Ausnahme fand ich allerdings in Oytisus austriaca). Diese Gruppe besitzt, so wie ich nach meinen allerdings nicht ganz genügenden Untersuchungen beurteilen kann, zwar häufig S (Colutea), aber nicht immer. S-tragende Blüten mit 10 verwachsenen Staubblättern habe ich noch nicht gefunden. Es wäre noch darauf einzugehen, ob bei Pflanzen mit männlichen _ und weiblichen Blüten etwa Unterschiede in der Zeichnung zu finden sind, doch habe ich über diesen Punkt selbst keine Beobachtungen machen können und kann aus der Literatur nur eine Angabe von Lud- | wi anführen, die besagt, daß bei Phyllanthus Niruri die männlichen BEER en nn oa / s — Er 2) Stahl, Über bunte Laubblätter. N N N RN: Wi EN sd A 1. UN. BER < H. Kraepelin, Die Sprengel’sche „S Saftmal-Theorie*. 425 Blüten augenfällige Nektarien haben, während bei den weiblichen keine vorhanden sind. | Um die Richtigkeit der oben erwähnten Angabe Sprengel’s, dab i die S von einer anderen Farbe als die Krone überhaupt seien und folg- lich gegen die Farbe der Krone schwächer oder stärker abstechen, nach- | I. Tabelle (nach eignen Untersuchungen). E ee ‚Baftmale 3 Grün \ Rot | Gelb | Weiß |Violett| Blau [Grünl.-ı Summe k Ra Bel | 7. 3 Rot Bene a Br: 44 E. La 2 E Gelb 0 18 = © ; Ya > ro 4 = Bu 5| weis - | % Bi: Violett | 0 15 & E er 3 Blau. es, 4 26 ® Summe|! 65 | 31 a er a | 145 < II. Tabelle (nach Sprengel’s Angaben). Saftmale Grün Gelb | Weiß Violett Blau |Grünl.-| Summe Gelb EAN Gelb Weiß ende: Violett Ri > Zar 8 126 H. Kr aepelin, Die Te BE „Saftmal- Theorie. zuprüfen, wurden die 130 untersuchten nektarabsondernden ‚Blüten in einer Tabelle nach ihrer Farbe und der des S zusammengestellt. In gleicher Weise wurden die von Sprengel beschriebenen Blüten ge- ordnet, so weit es nach den Angaben möglich war. Der Vergleich der beiden Tabellen ergibt im Ba und ganzen eine Übereinstimmung; eine merkliche Differenz besteht bei weiß auf rot und violett, die darauf beruht, daß Sprengel weiß als S-Farbe vorzieht, wenn ein. Abwechseln zwischen diesem und einer andern Farbe auftritt, während ich die von Farbstoffen erzeugte Farbe im Zweifels- falle für das S erklärte. Eine Folge von dieser Auffassung ist daher auch dıe höhere Anzahl der roten und violetten S in Tabelle I gegenüber der ın Tabelle II erhaltenen. Unterschiede zeigen sich ferner, noch in der Summe der Untergründe: während Sprengel mehr weiße Blüten untersucht hat (offenbar um die von ihm aufgestellte Hypothese zu prüfen, ob weiße Nachtfalterblüten wirklich keine S haben), gleicht sich die Differenz durch die größere Anzahl der von mir angegebenen blauen Blüten aus. Auffallend ıst das Vehert Ehe des Rot als S-Farbe und des Rot und Weiß als Untergrund. Während Weiß überhaupt die häufigste Blütenfarbe ist und so das Resultat verständlich ist, läßt sich für das Dominieren des Rot kaum eine ausreichende Erklärung finden. Zur Aufklärung über die Beziehungen zwischen Form und Farbe der S wurde eine tabellarische Übersicht auf Grund der anfangs angegebenen Einteilung, vorgenommen, welche nachstehend wiederge- er geben ist: ÄRA 111. Tabeiwe: Am häufigsten sind demnach die roten Flecken mit 39 Fällen, dann mit je 18 Fällen die roteu Adern und die gelben Leisten und Ringe und e Pr > “ f Mer PR, [Wu un" Re HE EN N Pa en © er N endlich h die leiten ER mit 11 Fällen. Selten sind gelbe Adern, rote u nd violette Ringe und Leisten, und gar nicht vertreten weiße Adern und blaue und grünliche Leisten und Ringe. Aus Rubrik II geht hervor, daß die Adern nie farblos sein können, ferner, daß der F arbstoff kaum in 2 Ikalischer Lösung in der Nähe der Leitungsbahnen vorkommt und häufig in saurer (blau und gelb mit 3 Fällen gegenüber rot mit 18). Violette Adern kommen ebenfalls oft, namentlich in blauen Blüten, durch ein ber- oder Nebeneinanderlagern von Farbstoffkörpern in alkalischer und den. in saurer Lösung befindlichen in der Nähe der Adern zustande. B R Um festzustellen, inwieweit kontrastierende Farben von S und Unter- grund vorherrschen, wurden aus Tabelle I und II zwei weitere hergestellt als Übersicht über En DE Lu gartellungen. as e. “ IV. Tabelle. ARE - a rot-rot | gelb-rot - weiß-rot |violett-rot| blaurot srün-rot | Summe F 5 RN REP 9+2 | 2+H17 | 143 |,0+2 B.. a al; 19 4 5 1 18 L Fe FERNE. gelb- gelb weiß-gelb Blech; blau ‚gelb | grün-gelb Br. I, gelb B:: 047 34 0+4 e.\ RR \ } Kr 4 0 = Bi: k ‚Iweiß-weiß| violett- |blau-weißlgrün-weiß RB RR ER ö SE RUN g 9 23 Bi I 2 e 2 violett- | blau- grün- 3; ? violett | violett | violett a | 04 4 4 4 Me : Aa hi 11 145 (17 Daraus oh sich a telumenn mit: d “2 x Ey nf " - Fi 198 H. Kraepelin, Die Sprengel’sche „Saftmal-Theorie«. | V. Tabelle (nach I). rot-rot | gelb-rot | weiß-rot |violett-rot| blau-rot | grün-rot 1049 | 12420 | 043 0-41 23 19 32 3 1 weiß - weiß violett- grün- violett | violett violett 0+1 3 1 2 blau-blau |srün-blau 4 0 Daraus ergeben sich Farbenzusammenstellungen mit: Obwohl eine Schematisierung von Farben manchen Fehler in sich. 4 schließen muß, so habe ich doch im folgenden versucht, die für das nor- male Menschenauge kontrastierenden Farbenzusammenstellungen denjeni- gen gegenüberzustellen, die nur Helligkeitsunterschiede darstellen oder ” nahe verwandte Een sind. | IV. Tabelle. Kontrastfarben | Nicht kontrastierende IV V IV V rot-gelb 21 19 rot-rot 31 23 rot-weiß 19 32 blau-blau 7 4 violett-gelb a! 2 gelb-weiß 7 11 violett-weiß ) 12 grün-weiß 5 10: blau-weiß 1) 9 violett-blau 4 18 blau-gelb 4 7 violett-rot . 4 34 grün-blau 4 0 violett-violett 4: 39 rot-blau 2 1 gelb-gelb 3 3. grün-rot 1 2 grün-gellb — 0 1 grün-violett 0 2 £ [e2) a Ko Ne) 80 86 Er’E u, . Kraepelin, Die Sprengel’sche „Saftmal-Theorie“. 129 Aus der Tabelle ist ersichtlich, daß die Kontrastfarben in einer nicht so überwiegenden Mehrzahl von Fällen vorkommen, als man von vorne- - herein annehmen möchte; das Verhältnis ist etwa 4:3. Es ist noch zu - bemerken, daß die S sehr häufig ‘dunkler gefärbt sind als die Kron- blätter, namentlich trifft dies für die Adernzeichnung zu. Die Untersuchung der biologischen Bedeutung der S legte die Frage nach ihrer Entstehung nahe. Ihrem Wesen nach kann man sie gliedern in solche, die herrühren von: 1. einer Anhäufung von Farbstoffkörpern, 2. einem Zurücktreten von Farbstoffkörpern, 3 3. von der übrigen Blüte verschieden gefärbten Stellen und zwar kann \ es sein: | a) der gleiche Farbstoff in anderer Lösung (alkalisch oder sauer), h b) ein anderer Farbstoff. 3 Auch kann eine Vereinigung von 1 und 2 vorkommen, wie z. B. 4 bei Digitalis purpurea, deren rote Flecken von einem weißen Hof um- E geben sind, während die übrige Blüte hellrot ist. In der Knospe bilden R sich die nach 1. entstandenen S schon aus, bevor die Farbe sonstwo auftritt. A Auf Grund der Annahme, daß die Kronblätter umgebildete Staub- - blätter sind, untersuchte ich verschiedene gefüllte Blüten, bei denen i Zwischenstufen in dieser Umwandlung zu sehen sind, um die Entstehung der S hier zu beobachten. So fand ich bei gefülltem Dianthus dieselbe - Unregelmäßigkeit der Farbstoffverteilung bei den inneren Blättern, die zum Teil noch in 2 Taschen Pollen enthielten, wie bei den äußeren. Ebenso waren bei Hibiscus syriacus die petal ausgebildeten Staubblätter genau so mit S versehen wie die äußersten Blütenblätter, an deren Basis ' allein Honig zu finden war. Bei gefülltem Papaver Rhoeas besaßen die umgebildeten Staubblätter meist den schwarzen Fleck, nur war er, wie h überhaupt das ganze Blatt, schmäler. Schon bei ungefülltem Mohn be- - steht ein Unterschied zwischen den beiden äußeren breiteren Blättern ; mit stärker ausgebildeten Malen, welche meist noch oben einen weißen f Rand haben, und den inneren schmäleren mit schwächeren Flecken. Um noch eine dorsiventrale Blüte zu nennen, sei /mpatiens balsamina ange- führt, die in der Nähe des Sporeneingangs einen gelben Fieck hat. Bei der gefüllten Form ist neben den vermehrten übrigen Blütenblättern auch - die Anzahl der Sporne auf 2—-4 erhöht, von denen jeder das angegebene 8 besitzt. Ob hier noch Nektar abgesondert wird, konnte ich nicht fest- - stellen; jedenfalls habe ich kein Insekt daran gesehen. Ein Beispiel da- - für, daß S und Nektar mit der Füllung verschwinden, bietet uns Nigella - damascena. Die ungefüllte Blüte hat besonders geformte Honigblätter, die - neben einer S-Zeichnung auch zwei glänzende Hervorragungen haben. Bei der Füllung verschwinden die Nektarien, und die Staubblätter werden zugunsten der Blumenblätter reduziert. Da bei einem Exemplar an dem - innersten Kreis der zerschlitzten Kronblätter sich nicht weit von der - Ansatzstelle kleine sackartige gelbliche Ausstülpungen befanden, behan- a 130 H. Kraepelin, Die Sprengel’sche „Saftmal-Theorie“, | delte ich eins der Blätter mit Fehling’scher Lösung und bekam eine gelbrote Kupferoxydulfärbung auf dem ganzen Blatt. Eines der äußeren Blätter reduzierte die Lösung jedoch nicht. Demnach könnte man die innersten Blätter als zurückgebildete Nektarien ansprechen, die ‘aber die beschriebenen S verloren haben. Wie die durch Umwandlung von Staub- in Blumenblätter entstehende Füllung auf einer petalen Ausbildung von Filament und Antheren beruht, so kann auch in einzelnen Fällen eine Beziehung zwischen ihrer Färbung und ihren Zeichnungen und den S gefunden werden. So tragen z.B. die Filamente von Nigella arvensis auf der den Griffeln zugekehrten Seite nach Sprengel?) einen violetten Fleck, der sich bei den Nektarien als S ausgebildet hat. Bei Papaver Rhocas bewirkt anscheinend die Färbung des Filamentes den schwarzvioletten Fleck bei der petalen Ausbildung, denn ich habe bei Übergangsstadien in der gefüllten Blüte die dunklere Fär- bung von einem nicht umgebildeten Staubbeutel oben begrenzt gesehen ; auch könnte die farblose Stelle des Filamentes unterhalb der Antheren für eine Beziehung zu dem schon erwähnten weißen Rand des Mals sprechen. Bei andern Blüten, z. B. Linaria, deuten die meist gelb ge- färbten beiden Höcker oder Leisten auf die beiden Antheren hin. Bei anderen Blüten wiederum ist schon eine feine Punktierung auf den Staub- beuteln vorhanden (Digitalis purpurea, Lilium speciosum) oder ein Fleck (Hypericum perforatum) oder auch eine Zeichnung auf den honigabson- Ra = .\ dernden Ring an der Basis (Rehmannia) oder dem Fruchtknoten (Saxi- _ fraga Hirculus). Diese Punktierungen sind allerdings oft so fein, dab sie mit bloßem Auge nicht wahrnehmbar sind (z. B. die Punkte auf den Filamenten von Verbascum ‚phlomoides, tapsiforme). Ferner kommt noch der Fall in Betracht, daß schon die Blätter und Stengel Stellen mit Anthocyan aufweisen und so vielleicht die un- regelmäßige Färbung der Blüten in Beziehung damit stehen Kann (Orchis militaris). Noch ein anderer Grund für die Entstehung von S scheint in der Umwandlung von radiären in dorsiventrale Blüten zu liegen. So hat die Gattung Geranium regelmäßige Blüten ohne S, während die nahe ver- wandten Erodium-Arten, die etwas dorsiventral sind, z. T. nur stärker gefärbte Adern an den oberen Kronblättern (z. B. E. amanum) oder S wie E. cicutarium und Manescavi. Die Blüten sind dann nach der Seite geneigt, die Kelchblätter sind verschieden breit; von den Blütenblättern sind die unteren länger, aber schmäler als die oberen. Die S treten sehr verschieden auf, am häufigsten auf 2Kronblättern, aber auch auf 3—2. Kommen annähernd radiäre Blüten vor, so sind auch die S auf allen 5 Blättern, wenn auch nicht gleichmäßig stark, ausgebildet. Auffallend ist die Tatsache, daß bei diesen dorsiventralen Formen die Nektarpolster zwischen den oberen mit S versehenen Blütenblättern stärker entwickelt 3) Sprengel, Das entdeckte Geheimnis der Natur. p. 280. Ei ah Ei 0 nn M . B.. Die Sprengel’sche „Saftmal-Theorie*. 131 sind als zwischen den unteren. Es variiert auch die Größe der Nektarien mit den S. Wie bei Erodium, so geht auch bei den dorsiventralen Pelar- gonium-Blüten die Nektarausscheidung im oberen Teil der Kronröhre mit der stärkeren Färbung der Adern Hand in Hand. Ein ähnlicher Ver- gleich wie zwischen den Gattungen Geranium und Erodium läßt sich zwischen den Campanulaceen und den Lobeliaceen ziehen. Während die ‚ersteren radiäre S-lose Blüten besitzen, haben die letzteren dorsiventrale Blüten mit S. Bei den Valerianeen gibt es ebenfalls solche Übergänge: Valeriana officinalis, annähernd radiär, nur mit asymmetrischer Kron- röhre, hat keine S, Centranthus macrosiphon trägt auf der dorsiventralen Blüte beim Kelchröhreneingang einen weißen Fleck, der jedoch nur im männlichen Zustand vorhanden ist und mit der Entwicklung des Griffels die rote Farbe der übrigen Blüte annımmt. Noch weniger symmetrisch ist Fedia cornucopiae gebaut, die ein dauerndes S besitzt. Wird eine dorsiventrale Blüte radiär, wie bei der Pelorienbildung, so bildet sich das S gleichmäßig aus (Digitalis purpurea). Zu unterscheiden von den S sind die durch Bastardierung entstan- denen Unregelmäßigkeiten in der Färbung, die auch nicht so angeordnet sind, daß sie eine Bedeutung für die Orientier ung der Insekten haben könnten. Es sei noch auf die S der Labiaten hingewiesen, bei denen häufig die dunkleren Stellen der Unterlippe mit Vertiefungen und Falten zu- sammenfallen. Ob diese Wachstumshemmung in Beziehung zu der stär- keren Anthocyanbildung steht, bleibt zu untersuchen. Es wäre noch die Frage zu beantworten, inwiefern man die S durch äußere Einflüsse verändern oder ihre Veränderung auf innere Bedin- gungen zurückführen kann. Da noch wenig Versuche über ihr Reagieren auf äußere Bedingungen vorliegen, so kann ich nur die Tatsache anführen, daß sie mit der intensiveren Färbung der ganzen Blüte sich ebenfalls verstärken, während bei warm gehaltenen Blüten auch sie mit der ganzen Farbe verblassen 2). Ob man dieses Abblassen mit dem Verschwinden - des Nektars, das man ja häufig im Gewächshaus beobachten kann, in Verbindung bringen :darf, müßte näher untersucht werden. Die Be- ziehung zwischen den bei Erodium-Arten auftretenden S und der gleich- zeitigen stärkeren Ausbildung der oberen Nektarien und Verkümmerung der unteren, wurde schon erwähnt. Die S jedoch durch Entfernen der - Honigpolster zu verändern, gelang schon deshalb nicht, weil die Blüten- blätter schon in 1—2 Tagen abgefallen sind und so die Reaktionszeit zu kurz ist. Vielleicht könnte man durch Verdunkeln der Blätter und ‚Etiolieren derselben einen Einfluß ausüben, da nach Wilson und Schimper die Nektarabsonderung unter diesen Umständen sistiert Sud, Über die Veränderung der S bei der Füllung der Blüten schreibt EEE rs Te et ehr gr 220 Kun I en a ea ec pe Eu rn u “ ET TE Ew EN EEE ( Fa a , \ — 4) Vgl. die Versuche von Goebel an „vicola tricolor“ in Goebel, nn in die exper. Fi ag der Pflanzen. p. 129. 9%* Ma . "ul r vr a FR Da A el be ee NIE 7 70 or x Keas EN: X u 139 H. Kraepelin, Die Sprengel’sche „ Saftmal-Theories, Hildebrand): „Namentlich wird, auch meistens die schöne Zeich- nung der Blütenblätter, welche dazu dient, den Bestäubern den Weg zum Honigsaft zu zeigen, bei der Füllung ganz verwischt oder doch durch dieselbe verdeckt.“ Da bei der Füllung häufig der Nektar verschwindet, könnte hier wieder ein. Hinweis auf die Korrelation zwischen Nektar und S bestehen. \ Vergleicht man die Varietäten einer S- tragenden Art, so kann man häufig finden, daß bei weißen Abarten die S’ entweder in der ursprüng- lichen Farbe erhalten oder in ein wenig auffallendes Grünlichgelb über- gegangen sind. So gibt es z. B. von Digetalis purpurea eine weiße Form, die noch die roten Flecken hat und eine zweite, bei der sie kaum noch mit ihrer grünlichen Farbe von dem Weiß zu unterscheiden sind. Ebenso . haben die rotblühenden Lamium-Arten rote S, Lamium album dagegen grünliche. Daß grünliche S auf weißen Blüten sehr häufig sind, läßt sich auch aus den Tabellen I und II ersehen. Eine Veränderung der S besteht auch nach den Angaben von Kirchner und Günthart$) bei Saxifragen: „Alle Saxifraga-Arten mit weißen und punktierten Petalen sind protandrisch... Durch Ver- änderung der Farbe der Punkte und der übrigen Farben und Formen der Blütenteile gewinnen solche Blüten im zweiten weiblichen Stadium oft ein ganz anderes Aussehen als im ersten männlichen. Die gleiche Be- obachtung machte ich bei dem schon erwähnten Centranthus macrosiphon, dessen weißer Fleck im weiblichen Zustand verschwindet. Ein Verschwinden der S mit dem Alter liegt bei Arnebia echinoides vor, und zwar sind auf der gelben Blüte zweierlei S zu: unterscheiden: erstens die auffallenden dunkelrot erscheinenden 5 Flecken und zweitens ein innerer hellroter Ring. Die ersteren verschwinden nun bei der etwas dorsiventralen Blüte zuerst oben und nehmen dann allmählich nach unten zu ‘ab, während der Ring auch zuerst unten und dann oben verblassen kann. An einem abgeschnittenen Zweig, der 4 Tage lang be- obachtet wurde, blühte jeden Tag eine Blüte auf; am 2. Tag waren die großen S oben verblaßt, am 3. war die Blüte ganz gelb und am 4. Tag war sie verwelkt. Die am letzten Tag aufgehende Blüte hatte im ganzen schwächer gefärbte S, was wohl mit dem Mangel an Nährstoffen zu- sammenhing”?). Unter den im Freien beobachteten Blüten gab es solche, deren nicht gleichzeitig streuende Antheren schon ganz vertrocknet waren und noch vollkommen dunkelgefärbte S besaßen. Leider konnte das Verhalten der Insekten gegenüber den verschiedenen Stadien nicht festgestellt werden, dasdie Blüten sehr selten besucht werden. Die Honigabsonderung scheint im Anfang am stärksten zu sein. Ebenso ver- schwinden bei Madia elegans die roten Flecken fast ganz mit dem Alter. _ 5) Hildebrand, Über die Zunahme des .Schauapparates. 6) Günthart, Beiträge zur Blütenbiologie der Cruciferen, Crassulaceen und der Gattung Gaseifraga, Bibliotheca Botanica 11, Heft 58, p. 89. 7) Vgl. Goebel, Einleitung in die experimentelle Morphologie p. 127, a \ 133 Eine Br des S mit dem Alter habe ich bei Androsace cha- maejasme gefunden, dessen gelber Ring in rot umschlägt bei Leucorum venum, dessen grüne Flecken allmählich gelb werden, und Aesculus hippocastanum mit anfangs gelben, dann purpurfarbenen 8. Einen einzigen Fall kann ich anführen, wo das S seinen Namen mit Recht führt, da es selbst Zucker enthält. Bei Likium speciosum nämlich sind gegen den Blütengrund zu die roten Flecke zu Papillen umgebildet, welche in F.’scher Lösung einen Niederschlag von Kupfer- oxydul hervorriefen. Zur Beantwortung der biologischen Bedeutung der S ist die Frage zu entscheiden, ob die Insekten bei jedem Besuch einer Blüte wieder neu den Weg mit Hilfe des S finden, oder ob es ihnen nur als Stütze des Ge- dächtnisses dient. Sprengel scheint der ersten Ansicht zu sein, denn er schreibt: „Wenn sich nun das Insekt... auf die Blume begeben hat, so wird es entweder den Saft sogleich ER oder nicht, weil dieser sich an einem verborgenen Ort befindet. Im letzteren Fall kömmt ihm die Natur durch das Saftmaal zu Hülfe.‘“ Wenn das Insekt sich jedoch jedesmal mit dem S nach der Lage des Nektars orientieren müßte, so würde das wohl viel zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Da die Insekten die Neigung haben, beim Nektar- und Pollensammeln bei der gleichen Spezies oder Blütenform zu bleiben, könnte man sich wohl: denken, daß irgendein Fleck an der Zugangsöffnung oder eine dunklere Färbung des Blütengrundes ihnen das Auffinden der Stelle erleichtern kann, & der sie den Rüssel einführen müssen. Auch wird der Rüssel rein echanisch zwischen den beiden behaarten Leisten bei Linaria z. B. leichter hindurchgleiten können, als wenn diese nicht vorhanden wären. Wie Sprengel seltst sagt, befindet sich das 'S jederzeit da, wo die Insekten hineinkriechen müssen um zum Nektar zu gelangen, und man kann hinzusetzen, daß es häufig da zu finden ist, wo sie anfliegen müssen. So kann das S, namentlich beim fortgesetzten Besuch vieler gleichartiger Blüten die Schnelligkeit der Ausbeutung steigern. ; Es kann jedoch nicht nur das S als „Wegweiser“ und Anflugssignal dienen, sondern bei jeder Blütenform scheint es mir ein anderer Teil der Blüte zu sein, der diese Aufgabe übernimmt. Die vielen Versuche an Kompositen, bei denen sich die Entfernung der Strahlenblüten als ein- flußlos für den Besuch der Insekten (nicht für die Anlockung von weitem) erwiesen hat, während beim Herausschneiden der inneren Scheibe die: E: Insekten fortblieben, zeigen hinreichend, daß diese der Anziehungs- - punkt ist. Um den Einfluß der S festzustellen, wurden bei Erodium Manescavi die 2—3 S-tragenden oberen Kronblätter entfernt mit dem : Erfolg, daß die Blüten ruhig weiter besucht wurden. Bei Entfernung der unteren S-losen Blätter sah ich kein Insekt mehr anfliegen, wohl weil dadurch das Festhalten erschwert war. Wurden die Blüten umge- dreht, so daß das S unten war, so fingen die Bienen an) den unteren E: Nektarion an zu saugen und danach auch oben. In einem Falle, wo die n,% Pe um ENT ABE 1.79% rn N SR RL 134 H. Kraepelin, Die Sprengel’sche „Saftmal-Theorie“. Polster bei den S schlecht zu sehen waren, wurden die oberen zuerst be- leckt. Man kann nach diesen Versuchen annehmen, daß nicht die Zeich- nung der oberen Kronblätter, sondern die gut sichtbaren, dunklen Nek- tarıen zwischen ihnen das eigentliche ‚„Saftmal‘‘ sind. Ein weiterer Beweis dafür ist die Tatsache, daß die Bienen oft von hinten kommen und dann das oberste Nektarium, das durch das Abstehen des obersten Kelchblattes erreichbar ist, ausbeuten. Dasselbe konnte ich bei Lopezia coronata beobachten, die von den Wespen auch oft auf die Weise besucht wurde, daß der Rüssel oben über die Blüte in die beiden seitlichen Nek- tarıen eingeführt wurden, ohne daß die beiden glänzenden Höcker be- achtet wurden. Knuth3) spricht nun die A aus, es sei nicht so wichtig, daß jede Blüte ein S trage und sich das Insekt jedesmal danach orien- tiere, sondern wenn erst durch einige mit S versehene Blüten der Weg . zum Nektar gezeigt sei, dann werde es auch bei den übrigen S-losen leicht gefunden. Er sagt dies mit Bezug auf die Erodium-Arten ; meiner Meinung nach ist jedoch nicht einzusehen, weshalb sich die Insekten an ein so stark variierendes Merkmal halten sollen. Auch teilt er selbst mit, daß der Insektenbesuch für alle Formen derselbe sei mit den Worten?): „Es werden keineswegs die mit stärkeren S versehenen Blüten etwa auch stärker besucht als die fast S-losen, sondern die Kerfe fliegen von einer Blütenform zur andern, ohne Auswahl in bezug auf die Stärke des S zu treffen.“ Würde das S wirklich eine Erleichterung bei der Auffindung des Nektars gewähren, so müßten doch 'wohl auch diejenigen Blüten mehr besucht werden, die eine schnellere Ausbeute ermöglichen. Einen Versuch, bei dem das S sich auf dem unteren Teil der Blüte befand, teilt uns Darwin!) mit. Er schnitt bei Lobelien die unteren Kronblätter mit dem S ab, woraufhin die Bienen den Nektar nicht mehr fanden, „obgleich sie faktisch über die Blüten hinwegkrochen.“ Ein Entfernen der oberen Kronblätter blieb ohne Einfluß auf den Be- such. Einen ähnlichen Versuch stellte ich mit Dracocephalum moldavicum an mit dem Ergebnis, daß beim Entfernen der Oberlippe der Besuch nicht gestört wurde, während ich beim Wegschneiden der Unterlippe nur noch große Hummeln anfliegen sah, die infolge ihrer Größe sich nicht nur an der Unterlippe festzuhalten brauchen. Da bei den meisten Labiaten und Scrophulariaceen das S mit der Anflugstelle zusammen- fällt, so ist es schwer, diese beiden Momente zu trennen. Um die alleinige - Wirkung der S zu untersuchen, wurden Blüten von Digitalis purpurea umgedreht, so daß die S für das anfliegende Insekt nicht oder beim Niederlassen nur oben, also an einer ungewohnten Stelle wahrnehmbar waren .Das Ergebnis war folgendes: 8) Knuth II, I. Bd. p. 240. 9) Knuth II, I. Bd. p. 240. 10) Darwin, Die Kreuz- und Selbstbefruchtung. p: 403. a ER Saal =. Kelepelin! Die Sprengel’sche „Saftmal-Theorie*. 435 - I. Mit Erfolg: II. Ohne Erfolg 2. 1. Einfliegen | &) In richtiger Weise 9, b) mit dem Rücken nach unten an der S-Seite 2. 2. Ausfliegen &) in richtiger Weise (Abdomen voran) 5, b) mit dem Kopf voran 6. re a a ee a jraSEE: a ach Wenn auch die Zahlen zu klein sind, um einen sicheren Schluß ziehen zu können, so ist doch daraus ersichtlich, daß die Gewohnheit, unten anzufliegen, meist stärker ist als der Eindruck der S. Noch dazu sind bei Digitalis die S mit langen Haaren verbunden., die nament- lich für die Bienen, die neben den größeren Hummeln auch hie und da die Blüten besuchen, zum Festhalten sehr wichtig sind. Liegt’ die glatte haarlose Seite unten, su gleiten die Insekten häufig ab. Eine Vermin- - derung seiner Beweiskraft kann dieser Versuch dadurch erfahren, daß neben den mit roten Punkten versehenen roten und weißen Digitalis- _ Stöcken solche mit kaum sichtbaren gelblichgrünen Flecken sich be- fanden und so die Insekten schon gelernt haben konnten, daß auch ‚Blüten ohne S Nektar enthalten. Wie Digitalis, so wurden auch Blüten - von Impatiens Roylei umgedreht. Der Honig wurde vielfach doch erreicht, entweder indem der Rüssel nach oben gebogen und so in den Sporn ein- geführt wurde, oder das Insekt klammerte sich, wie ich es schon bei Digitalis beobachtet hatte, an der Oberwandung an. Öfters wurden die umgedrehten Blüten sofort im Stich gelassen, sowie eine Veränderung ' wahrgenommen wurde. Es sei hier noch erwähnt, daß Sprengel für Viola odorata angibt, das Insekt fliege an dem untersten Kronblatt an und drehe sich dann zum Saugen um. ‘ Ein weiterer Versuch wurde mit der Feuerbohne angestellt, um zu prüfen, ob das etwas dunkler gefärbte, gedrehte letzte Ende des Schiff- chens eine Bedeutung für die Orientierung der Insekten hat. Wie schon Darwin beobachtete, fliegen die Insekten immer an der linken Seite (von vorne gesehen) an, was ich für Hummeln auch bei Lathyrus lati- folius bestätigt fand, ebenso auch in ein paar Fällen bei Lotus tetragono- lobus und Colutea beobachten konnte. Da die kleine Erhöhung bei Pha- seolus etwas links von der Symmetrieachse liegt, wurde dementsprechend - auf die rechte Seite eine Stecknadel gesteckt, deren Kopf mit annähernd - übereinstimmendem Seidenpapier umwickelt war. Die Veränderung war ohne Wirkung auf die Ausbeutungsweise. Um festzustellen, ob vielleicht die wagrechte Lage des linken unteren Blütenblattes für. den Anflug bestimmend sei, wurde dieses abgeschnitten, ohne eine Änderung in - dem Benehmen der Hummeln dadurch zu erzielen. Nebenbei sei bemerkt, daß das frühere Absterben des erwähnten Blütenblattes wahrscheinlich _ durch die Beschädigungen bedingt ist, die das Anfliegen der Insekten _ ER SED RR nun" ol ut 1 ne een 4 Buy Eu ye u Ei ER Dr a re FE ri A nn = 2 dl DEE Ze ED RR 5 ME ar la Fb are LE x 2 \ r . 17 VRR EN. urn n = 5 ‚ Vo A KL) 0 BE ac ch Ir t we Re p N EL Re ag 7° he ı / y { 3 v du % F { 136 H. Kraepelin, Die Sprengel’sche „Saftmal-Theorie“. mit sich bringt. Da ich als Grund für die angegebene Art der Ausbeutung noch für denkbar hielt, daß die Hummeln ihren Rüssel leichter nach rechts abbiegen können, so suchte ich nach Fällen, wo sie die Wahl hatten, ıhn rechts oder links abzubiegen. Als Gegenbeweis für die An- nahme fand ich Dracocephalum moldavicum und virginianum stets auf der rechten, also der entgegengesetzten Seite, erbrochen. So kann die Ausbeutungsweise nur von der Biegung des Schiffchens abhängen, die bei Phaseolus sehr stark ist, bei Lathyrus latifolius schwach und bei Lotus tesragonolobus und Colutea überhaupt nicht vorhanden ist. Bei Bienen habe ich übrigens nie ein Saugen auf der linken Seite beobachten können wie bei den Hummeln. Sie stecken entweder den Rüssel beim Kelch hinten hinein oder sie erreichen den Nektar durch Abwärtsdrücken der unteren Blütenblätter von vorne. Wie wenig Bedeutung das S für die Insekten haben kann, beweisen auch meine Beobachtungen an gefülltem Hibiscus syriacus. Obwohl die in Blütenblätter umgewandelten Staubblätter die gleichen deutlich aus- geprägten S trugen, suchten die Insekten nur an die Basis der äußersten Kronblätter zu gelangen, wo der Nektar abgesondert wurde. Dabei war es für die Tiere sehr schwierig, sich durch die störenden inneren Blätter Sicht verwirren zu lassen. Man muß wohl annehmen, daß der Geruch für sie das Führende dabei war, obwohl, wie weiter unten mitgeteilt werden soll, dieser Sinn bei Bienen und Hummeln nicht so stark ausge- bildet zu sein scheint, wie man annehmen möchte. Zur experimentellen Prüfung der biologischen Bedeutung des S wurde weiterhin folgender Versuch angestellt an Rudbeckia laciniata wäh- rend 4 Tagen. Am ersten und zweiten Tage (15. und 16. Sept.) wurden an 9 Blüten zusammen 15 Blütenblätter mit kleinen Stückchen roten 'Seidenpapiers oder gleichfarbiger Blütenblätter versehen, während 15 Blätter frei blieben. Die übrigen Strahlenblüten wurden so über den Kegel geschlagen und befestigt, daß nur an einer Seite ein Zugang zu den den Nektar enthaltenden Röhrenblüten blieb. Um zu vermeiden, daß die Insekten etwa durch den Geruch des Klebmittels abgeschreckt wür- den, wurden die Male mit Mehlkleister befestigt. Es wurden nun am | ersten Tag die Anzahl der Anflüge auf den Papiermalen mit „J4" ° notiert, diejenigen auf den freigebliebenen Blütenblättern mit „——“. Am zweiten Tag änderte ich die Zählweise in folgender Weise ab, die ich ! auch den dritten und vierten Tag beibehielt: | Für den Anflug bei: ' 1. S und Öffnung auf der gleichen Seite: —, 2. S, während Öffnung auf der gegenüberliegenden Seite: +, 3. Öffnung, während S auf der gegenüberliegenden Seite: —, 4. S-losem Blatt, während S und Öffnung auf der gegenüberliegenden Seite: Dabei Kein man die Öffnung als Faktoren des Geruchs betrachten, da verständlicherweise der Duft hier stärker sein wird als da, wo der Kegel von den Scheibenblüten überdeckt worden war, oder als Faktor = a FH Kae, Die Sorehgel’sche „Saftmal-Theorie*. 13T 4 a Vorstellung, die für das Insekt mit der Nektarauffindung ver- knüpft ist. | u Am 23. und 24. September wurden andere Blüten in ähnlicher - Weise behandelt. Auf die gelben Strahlenblüten klebte ich blaue Scheiben- - blüten einer Herbsttaster und zwar beobachtete ich dabei, daß bei den E12 Versuchsblüten immer 2 Blütenblätter auf der Sonnenseite und 2 auf - der Schattenseite als Anflugstelle dienen konnten, da der Farbenkon- _ trast verschieden stark ist je nach der Beleuchtung. Ebenso wurde bei 6 Blüten die Öffnung nach der Sonnenseite und bei den übrigen 6 nach der Schattenseite gelassen, da womöglich die Nektarabsonde- rung auf der Sonnenseite reichlicher sein kann und so der Duft die - Insekten hier mehr anziehen würde. Ferner wurden die bisher außer acht gelassenen Anflüge am Kegel (0) aufgezeichnet, so dab 0-+- z. B heißt, daß das Insekt am Kegel angeflogen ist und sich dann zu der Seite gewandt hat, wo S und Öffnung zusammenficlen. Zum Vergleich wurden bei anderen Blüten die Anflüge auf dem Kegel und den Strahlenblüten gezählt und es wurde folgendes Ergebnis erhalten: | Anflug an | 1. dem Kegel 80, 2. den Strahlenblüten 26, ' also eine überwiegende Mehrzahl der Anflüge am Kegel im Gegensatz zu den Versuchsblüten. Dabei ist zu bemerken, daß bei 2. oft ganz Junge - Blütenstände besucht wurden, die sich erst unten zu Öffnen begannen, so daß ein Anfliegen auf dem Kegel nieht zweckmäßig gewesen wäre. Die Bienen flogen am Beobachtungstage schlecht, so dab das Niederlassen auf den Scheibenblüten oft nur ein Verfehlen des eigentlichen Zieles war. ad en 2 anna SEAlni zn au cn nn Du a SE ne hin. 2 ENT EEEEIBBERT ER Die Resultate des oben beschriebenen Versuchs waren folgende: Besuche 115. Sept. | ’ — 13 (16) 2+ 144 | 206 (207)|78—68— — Das Verhältnis Yon... ist.also; rund 1 : 1,3; ./beim Vergleich f von +: — — ergibt sich sogar ein solches von AN 1:2. Wenn 24 man aus a Ba hreuen, auch nicht auf eine Bedeutungslosigkeit 158 H. Kraepelin, Die Sprengel’sche „ Saftmal-Theorie*, des S für das Insekt schließen kann, so wird dadurch eher das Vermeiden eines ungewohnten Farbfleckes als das Aufsuchen desselben zur Orien- tierung ausgedrückt. Ein weiterer Versuch, in dem S und Öffnung stets auf der gleichen Seite sein sollten, um zu ermitteln, ob die Bienen.es lernen, gleich den Zugang zum Nektar bei dem aufgeklebten S zu suchen, konnte leider nicht mehr ausgeführt werden. Dasselbe Ergebnis wie der oben angeführte Versuch an Rudbeckia lieferte eine Zählung der Besuche bei einer gelbblühenden Coreopsis und zwar für: 4 Blüten mit starken S 21 Besuche, 4 Blüten mit schwachen S 30 Besuche, also im Verhältnis 1:1,5 stehend. Kommen auch für die Insekten nach andere Momente zur Geltung, denen man kaum bei der Auswahl der Versuchsblüten Rechnung tragen kann, so kann man doch wohl sagen, daß Blüten mit starken S keinesfalls mehr besucht werden als. solche ohne oder nur mit schwachen Si). Auf welchen Umständen die ver- schieden starke Ausbildung der S bei der angeführten (oreopsis beruhte. konnte ich nicht feststellen ; Altersunterschiede schienen es nicht zu sein. Was die Angabe Sprengel’s anlangt, daß die weißen Blüten, wenn sie keine S tragen, „Nachtblumen‘“ sein müßten, so möchte ich den Einwand machen, daß mit dem gänzlichen Verschwinden des Farb- stoffes doch auch die ‚S sich ‚verlieren müssen, wie schon bei der zweiten Varietät von Digitalis purpurea erwähnt wurde. Andererseits besitzt Petunia inflata, eine Nachtfalterblume, eine netzadrige blaue Zeichnung an der oberen Innenseite ihrer Kronröhre. DB Man mag nun annehmen, daß die Bienen farbenblind sind oder nicht, so bleibt noch die Frage, ob sie überhaupt so kleine Zeichnungen, wie die S es sind, als abgegrenzten, gesonderten Eindruck wahrnehmen oder. # nur eine Farbkomponente aus Untergrund und S. Nach Versuchen von v. Frisch!?), Bienen auf verschieden gemusterte Flächen zu dressieren, könnte man, wie der Autor sagt, auf den Gedanken kommen, daß das Mißlingen der Dressur auf das verschwommene Sehen der Bienen zurück- zuführen sei. Er halte es jedoch für wahrscheinlicher, daß die Unter- scheidung von unnatürlichen Mustern den Bienen zu schwer sei. Die (p. 79) angeführten Versuche Turner’s, der mit Mustern arbeitete, die den Bienen von Natur aus_bekannt sind, sind noch nicht ausreichend und exakt genug um einen endgültigen Schluß ziehen zu dürfen. Es seien hier noch einige Beobachtungen über die blütenbesuchenden Insekten angeführt. Der Geruchssinn scheint im ganzen nicht so stark zu sein, wie man vermuten möchte. So habe ich bei Impatiens Roylei die # Sporne abgeschnitten, ohne daß die Hummeln ihren Besuch einstellten, vielmehr krochen sie ganz in die Blüten hinein, und man sah von außen den herumtastenden Rüssel. Dasselbe teilt Kurr mit): „Die Insekten ; / 11) Vgl. Knuth II, I. Bd., p. 240. 12) Frisch, Der Farbensinn und Formensinn der Biene, Zoolog. Jana 2 Bd. 35, 1:]2. Heft, m %r 13) eit. bei Darwi in, Wirkungen der Kreuz- und Selbstbefruchtung. p. 404, Anm, Be es H. Kraepelin, Die Sprengel’sche „Saftmal-Theorie“. 139 - dürften den Verlust des Nektariums nicht eher wahrnehmen, bis sie ‚den Rüssel in die dadurch gemachte Höhlung eingeführt haben 1). Da mir auffiel, dab größ6re Bestände von gleichartigen Blüten viel mehr - besucht wurden als solche Quartiere, wo die Blumen gemischt standen, so schien es mir möglich, daß der Geruch ihrer Artgenossen, der ja schon im geschlechtlichen Leben eine Rolle spielen muß, andere Insekten - heranlockt. Für die Konstanz der blumenbesuchenden Insekten spricht die Tat- sache, daß man an Quartieren mit Blüten, die wegen ihres Nektars auf- gesucht werden, sehr selten Insekten mit Pollenhöschen antrifft, wäh- rend man an solchen mit Pollenblüten fast immer Bienen und Flrummeln mit Pollen findet, und zwar in der Farbe des Pollens der gerade besuchten Blüten. Wie alle biologischen Gesetze kann diese Konstanz natürlich nicht im strengen Sinne ein Gesetz, sondern nur eine Regel sein. J Die Tatsache, daß die Blüten von ganz bestimmten Insekten besucht - werden, führte mich zu der Vermutung, daß auch die Insekten In bezug auf ihre Ernährung bestimmten Blüten angepaßt seien. Ich fand bei Sprengelt) folgendes: ‚Aus einer Erfahrung, welche ich in meinem . „Entdeckten Geheimnis der Natur im Bau und in der Befruchtung der - Blumen“ angeführt habe, scheint sich zu ergeben, daß der Zuckersaft ; der Lindenblumen bloß für die Bienen bestimmt sei, weil andere In- - sekten vom Genuß desselben sterben. So wie es hingegen Gewächse gibt, _ deren Blumensaft den Bienen ein Gift ist. „Wir finden,“ sagt Ge- ditsch 8. 122, „zuweilen Bienen auf einigen Blumen tot, auf anderen bekommen sie eine Art von Ruhr und sterben.“ Es ist nun‘ möglich, _ daß der Nektar solcher Blüteı für die Bienen schädliche Stoffe enthält oder nur durch zu starke Konzentration schadet, wie auch nach Er- fahrung der Bienenzüchter‘ die Bienen im Winter bei Wassermange] ruhrkrank werden. Es wäre demnach verständlich, warum die Bienen - den Nektar hauptsächlich in solchen Blüten suchen, in denen er vor allzu großer Verdunstung geschützt ist. Vielleicht steht aucen die bei S diesen Blüten sicher abgeminderte Zuckerausscheidung in Beziehung mit der schöneren Färbung und den S. Auch glaube ich, daß die Haare in _ vielen Blüten, denen Sprengel die Aufgabe zuschrieb, den Nektar vor _ Regen und 'Tau zu schützen, und vielleicht auch die Dorsıventralität die Verdunstung des Nektarwassers verlangsamen und daß daher’ mehr R - Assimilate zur Entwicklung der Blüte zur Verfügung stehen. So wird bei gefüllten Blüten meist kein. Nektar mehr abge:ondert, während die _ Blütenblätter stark entwickelt sind. Was den Farbensinn der Bienen und Hummeln anlangt, so kann ich nur die Erfahrung bestätigen, daß bei Symphytum asperrimum 2. B. nur die jungen roten Blüten besucht werden und bei Oytisus austriaca nur die üngeren gelben und schwach rot gefärbten. Bei Symphytum ist aller- EDER EEE -.. '14) Die Nützlichkeit Be Biene. Verlag Pfenningstorff, Berlin, p. 49. Anm. | 15) Heß, Beiträge zur Frage nach einem Farbensinne bei Bienen. Archiv für ie gesamte Physiologie, Bd. 170, p. 343. 140 H. Kraepelin, Die Sprengelsche „Saftmal Theorie“, TER N dings die ne zu machen, daß alle Blüten Su en id ausgebeutet werden, wenn sie einmal erbrochen sind, wie dies gegen Ende der Blütezeit der Fall war, während im Anfang (August) kaum eine Blüte angebrochen war. Ferner möchte ich im Anschluß an meine Beob- achtungen auf einen Versuch von Heß16) hinweisen. Wie schon oben gesagt wurde, scheint mir die Anlockung und Orientierung. der Bienen im wesentlichen durch verschiedene Gesichtseindrücke bestimmt zu sein. In dem angegebenen Versuch war ein blauer Flanell, auf den die » Tiere ‚„dressiert“ waren, ohne Glasplatte imstande, die Bienen irrezu- leiten, während sie beim Überdecken mit einer Glasplatte das richtige, wenngleich veränderte Flugloch, fanden. In letzterem Falle orientierten sie sich also nach anderen unveränderten Merkmalen, die zuerst hinter dem Eindruck des blauen Flanells zurückstanden, angenommen man zöge den Geruchssinn nicht in Betracht. In gleicher Weise könnte man vielleicht die abweichenden Resultate von Heß und v. Frisch erklären (z. B. die „Schachbrettversuche“)17). Während ersterer die Bienen eigentlich nur auf „Glas“ oder .„‚Honig‘‘ dressiert hat, hat letzterer die Karbe in einer ganz bestimmten Ausdehnung und Qualität in den Vordergrund gestellt, was etwa in der Natur in dem einen Fall einer Blüte mit offen sichtbarem, glänzendem Nektar entspricht, im andern Fall einer gefärbten Blumenkrone mit verborgenem Nektar. | Bei der Untersuchung auf Nektarabsonderung stellte sich die Tat- sache heraus, daß die Eigenschaft, Nektar auszuscheiden, innerhalb nahe verwandter Gattungen unbeständig ist. Es kann höchstens für ein- zelne Familien eine größere Neigung dafür bestehen, wie beı den La- biaten, Umbelliferen u. a., oder eine geringere, wie bei den Rosaceen, Hypericaceen u. a. So fand ich bei den, bisher nur als pollenliefernde Gattungen bezeichneten Hypericum- und Olematis-Arten: Hypericum patulum, hircinum, ascyron und Clematis grata und Davidiana mit, Nektar versehen, der von Bienen ausgebeutet wurde. Bei deu Arten Verbascum, Papaver, Genista, Nymphaea und Nuphar konnte ich niemals saugende Insekten an den Blüten bemerken. Eine Probe mit F.’scher Lösung ergab jedoch für die Blütenblätter von: Verbascum, nigrum, Genista tinctoria (vergl. auch Kurr), Schizanthus pinnata eine posi- tive Reaktion, was auf eine Ablagerung von Zucker in den Blütenblättern hinweisen könnte. Auf den Blütenständen von Verbascum Schiedeanum, die nur an ihrer Spitze noch einige Blüten trugen, beobaentete ich Wespen, die anscheinend die kleinen Tröpfchen, welche an den Kelchen dieser letzten Blüten ausgeschieden wurden, aufsaugten. Den Wespen’ weiter nachgehend fand ich sie nicht nur an den extrafloralen Nektarien von Impatiens scabrida und Centaurea montana, sondern auch auf den’ 16) Heß, Beitr. zur Frage nach einem Farbensinne der Bienen, p. 355 u. tg v. Frisch, Demonstration von Versuchen zum Nachweis des Farbensinnes bei angeb- lich total farbenblinden Tieren, Verhandlungen d. Deutschen Zool. Gesellschaft auf de 24. Jahresversammlung zu Freiburg 1:xBr, :1914,p°.97. cz 17) Vgl. Darwin, Wirkungen der Selbst- und Kreuzbefruchtung, p. 387 u. f. Re u a In, 29,200 7 a ke ER Johs. Schmidt, Der Zeugungswert des Individuums. "4144 Blättern von Nymphaea alba, wo sie namentlich auf Blattstellen, die durch etwas über den Wasserspiegel ragende Blätter geschützt waren, herum- - krochen. Die mikroskopische Untersuchung ergab die Anwesenheit von weißen und braunroten Kristallen, die sich in Kalilauge lösten und F.’sche "Lösung reduzierten. Das gleiche konnte ich bei Nuphar feststelien, wo - die Wespen auch an manchen Tagen die reichlich vorhandenen Blatt- # ‚läuse ableckten. Ebenso beobachtete ich Wespen an einer Balsampappel, { an den Blättern von Papaver orientale, an denen sich auch kleine rote - Papillen befanden, und an unter Glas gezogenen Chrysanthemen 13). "Nach diesen und anderen Erfahrungen scheint mir einmal der Gedanke - nahezuliegen, daß die Zuckerabsonderung, die am meisten in der Blüte und, wenn da nicht, an anderen Teilen der Pflanze vor sich geht, einen notwendigen Prozeß im Stoffwechsel darstellt, und andererseits muß ich den Wespen den besten Geruchssinn von den .blütenbesuchenden j Insekten zuschreiben, wie ja auch die tägliche Erfahrung lehrt. | Zusammenfassung. k Die in Form, Farbe und Entstehungsweise sich voneinander unter- E scheidenden S sind bei dorsientralen Blüten doppelt so häufig als bei - radiären und befinden sich in der Regel an höher organisierten Blüten. Sie sind weder an allen Blüten, die Nektar absondern, vorhanden, noch sondern alle Blüten Nektar ab, die S besitzen. Von allen Farben ist rot am Öftesten als Farbe des S und des Blütenuntergrundes vertreten. Die biologische Bedeutung der S läßt sich dahin zusammenfassen, daß durch die Unregelmäßigkeit in der Färbung die Schnelligkeit im Auffinden der Anflugsstelle gesteigert werden kann, daß aver für die r Erreichung des Nektar die S in wenigen Fällen wichtig sind. 4 Die mitgeteilten Untersuchungen wurden im Münchener botanischen Garten ausgeführt. | . a Me we - RUFT \ F: ; g Referate. 3 Johs. Schmidt (Carlsberg-Labor. Kopenhagen), 4 Der Zeugungswert des Individuums beurteilt nach dem Verfahren kreuzweiser Paarung. gr. 8°, 40 S. Jena, Gust. Fischer 1919. Preis Mk. 1.80. ir Der Verfasser geht davon aus, daß die neueste experimentelle Vererbungslehre “ über die Vererbung meßbarer (quantitativer) fluktuierender Eigenschaften noch _ wesentlich weniger auszusagen vermag, als über die Vererbung nicht meßbarer _ Qualitäten (Haarfarbe u. ä.) und daß wir über den Zeugnngswert der Individuen (Genotypus unabhängig vom Phänotypus, der durch äußere Einflüsse bedingten | Erscheinung les Individuums) bisher sicheres nur bei den von Johannsen unter- suchten reinen Linien — ‚also ausschließlich Ach Selbstbefruchtung vermehrten lanzen wissen. > 142 'Johs. Schmidt, Der Zeugungswert des Individetums, Nach den bisherigen Erfahrungen scheint es, daß. die meß- oder zählbaren- Eigenschaften (Länge des Individuums oder einzelner Teile desselben, Wirbelzahl, Wachstumsgeschwindigkeit u. s. w.) bei Kreuzung verschieden gearteter Eltern bei den Nachkommen dem Mittelwert aus den Eltern nahekommen — nur daß wir, in- folge der Einflüsse im individuellen Leben die Genotypen der Eltern (den Zankunes- wert“ des Verf.) nicht kennen, sondern nur die mehr oder weniger davon abweichen- den Phänotypen (den „persönlichen Wert“ derselben), so daß wir eine genaue Über- einstimmung zwischen dem Mittelwert aus den Maßen bei den Eltern und dem Mittelwert aus den entsprechenden Maßen aller ‚Nachkommen gar nicht erwarten dürfen. | Verf. nimmt nun an, daß diese Vorstellungen richtig wären und daß wir 2 Männchen und 2 Weiochen einer Art, die unter sich verschieden sind, doppelt paaren können. Dann erhalten wir vier Gruppen von Nachkommen, nämlich aus gxmit a, Jxmit 9b, Zy mit Qa und ef y mit 2b. Den Durchschnitts- wert irgendeiner meßbaren Eigenschaft dieser vier Gruppen können wir uns dann durch folgende Formeln bezeichnen; wenn x, y, a und b den Zeugungswert bei den Eiternindividuen bedeuten: 2 an R — Nachkomme 1 3 T b — Nachkomme 2 u -- Nachkomme 3 y an — Nachkomme 4. Durch Subtraktion von je zwei dieser Gleichungen erhalten wir nun z. B. = Nachkomme 1— Nachkomme 2, den Unterschied zwischen den Zeugungswerten der beiden Männchen x und y. Und wenn wir mit genügender Sicherheit die Mihsliyanie der 4 Nachkommen- gruppen festgestellt haben, dann können wir aus den 4 Gleichungen die Zeugungs- werte aller 4 Individuen, also den der unmittelbaren Beobachtung niemals zugäng- lichen Genotypus dieser (nicht zu reinen Linien gehörenden, weil aus nicht selbst- befruchtenden Arten stammenden) Individuen berechnen. Der Verf. hat nun die experimentelle Probe auf diese Deduktion ee und zwar an Forellen. Im 1. Versuch wurden die Eier von 4 Forellenweibchen a,b, c,d mit der Wirbelzahl 58, 59 und 60 und von sehr verschiedener Länge und Gewicht: mit dem Samen von 2 Männchen x und y mit 58 und 60 Wirbeln und ebenfalls sehr verschiedener Größe befruchtet und so 8 Kreuzungskombinationen erzielt. Die Jungen wurden unter ganz gleichen Bedingungen getrennt aufgezogen, bis der Dottersack verzehrt war, und dann bei allen die Wirbel gezählt die Mittelwerte 4 bis auf 3 Dezimalen berechnet, Der Versuch ermöglicht nun zunächst die Klassi- fizierung der Männchen sowohl wie der Weibchen bezüglich des Be Wirbelzahl durch die Überzahl der Kreuzungen zu kontrollieren — es ergibt sich immer die gleiche Reihenfolge. | In einem 2. Versuch wurden die Eier von 3 Forellenweibchen mit dem Samen von 4 Männchen befruchtet und so 12 Nachkommengruppen erzogen, (die bei Ver- schwinden des Dottersackes gemessen wurden: Die Klassifizierung nach der durch- schnittlichen Länge der Individuen ergab wieder durchaus übereinstimmende Er- gebnisse, z.B. daß das Männchen y mit jedem der 3 Weibehen größere Nachkommen erzeugte als irgendein anderes der 3 übrigen Männchen; obwohl man doch hätte erwarten können, daß die Größe der jungen Fische im untersuchten Stadium, ehe sie Nahrung von außen aufgenommen haben, vorzugsweise vom Nahrungsvorrat im Dottersack, also vom Ei, von der Mutter her, bestimmt sei. ren Johs. Schmidt, Der Zeugungswert des Individuums. 143 ‘ Weiterhin berechnet nun der Verf., nachdem diese Vorproben die Brauchbar- keit der Methode bestätigt hatten, rein algebraisch die Zeugungswerte der Eltern- individuen im 1. Versuch und kommt zu dem Ergebnis, daß die Mittelwerte der - Nachkommen für alle 6 Individuen kleiner sind (um etwa ',, Wirbel) als die Mittel aus den persönlichen Werten der Eltern — augenscheinlich weil die Bedingungen, unter denen die Forelleneier bebrütet wurden abwichen von denen, unter denen die Eltern erwachsen waren. Aber das Verfahren erlaubt eben, diese Abweichung festzustellen, mit dieser Annahme (Zufügen von —+-0,5) aus den Mittelwerten der Nachkommen die Zeugungswerte aller 6 Individuen bezüglich der Wirbelzahl zu bereehnen — und, da diese überbestimmt sind, wieder Dirdischnitiamittälwertä zu nehmen und aus ihnen auf 3 Dezimalstellen die Zeugungswerte zu berechnen — während die persönlichen Werte für die Wirbelzahl nur ganze Zahlen sind. Weiter- hin werden dann aus diesen so festgestellten persönlichen Werten die zu erwarten- den Mittelwerte der Nachkommen berechnet und mit den beobachteten Mittelwerten verglichen: es ergeben sich bei den 8 Werten (8 Nachkommengruppen) Unterschiede zwischen 0,020 und 0,041. während die wahrscheinlichen Fehler der beobachteten _ Durchschnittswerte zwischen 0,017 und 0,044 betragen. Man darf also wohl dem Verf. zustimmen, daß diese rechnerische Probe auf die Richtigkeit seiner Voraussetzungen stimme und daß sein Verfahren, den „Zeugungswert“ von Individuen und die wahrscheinlichen Maße ihrer Nachkommen: zu berechnen, brauchbar sei. Der Verf. stellt dann noch eine weitere Probe an durch Kombination der Methoden der „reinen Linien“ und der kreuzweisen Paarung. Mangels eigener Beobachtungen benützt er dazu Versuchsreihen, die ein Amerikaner Th. H. Good- speed 1915 veröffentlicht hat. Dieser hat 3 Varietäten einer Tabakart, die sich durch die Blütengröße unterschieden, teils durch Selbstbestäubung, teils durch ‚künstliche Kreuzbefruchtung vermehrt und die Durchschnittswerte der auf diese Weise erzielten Abkömmlinge (3 reine Linien und 3 Kreuzungsprodukte) mitgeteilt. Die rechnerische Verwertung durch Joh. Schmidt ergibt recht befriedigende Über- einstimmung der aus den reinen Linien und aus den Kreuzungen berechneten per- sönlichen Werte, obgleich die zugrunde liegenden Beobachtungen, die ja zu andern Zwecken gemacht waren, teils an Zahl zu gering, teils nicht ausführlich genug mitgeteilt sind — obgleich auch die Witterungseinflüsse der Jahrgänge sich bei diesen Pflanzenbeobachtungen deutlich geltend machen und, bei dem kleinen Be- obachtungskreis, nicht so ausgleichen, um ganz sichere Werte der Genotypen be- ne zu können. | So ergibt sich, daß das neue Verfahren der „kreuzweisen (diallelen) Paarung“, Aufzucht der Nachkommeneruppen unter möglichst gleichartigen Bedingungen, Aus- "messung der Nachkommengruppen und Berechnung der Zeugungswerte der Eltern ‚aus den Mittelwerten der Nachkommen, brauchbar ist. Es wird seinen Wert er- _ weisen in der praktischen Tier- und Pflanzenzucht, wo es sich ja meist um Er- zielung quantitativ ausgezeichneter Produkte (rasches Wachstum, großes. Höchst- gewicht, reicher Kornertrag u. ä.) handelt, wie auch in der. wissenschaftlichen ' Vererbungslehre, indem der Versuch und seine rechnerische Auswertung unmittelbar zeigen, ob die Voraussetzung berechtigt ist, daß der Genotypus der Nachkommen ein Mittelwert ist aus den Genotypen der Eltern, wie in den angeführten Beispielen, oder ob es auch hier, bei meßbaren Eigenschaften, Dominanz im Mendel’schen Sinne gibt. Vielleicht ist eine ausgedehnte Anwendung dieses Verfahrens gerade imstande, uns auch Einblick zu gewähren in das Wesen- des Dominanzbegriffes und damit der Vererbungsregeln überhaupt. Werner Rosenthal (Göttingen). HE 144 H. Molisch, P’flanzenphysiologie als Theorie der Gärtnerei. re Hans Molisch: Pflanzenphysiologie als Theorie der Gärtnerei. | | Für Botaniker, Gärtner, Landwirte, Forstleute und Pflanzenfreunde. Zweite Auflage, XI und 324 Seiten, mit 137 Abbildungen im Text, Jena 1918, bei Gustav Fischer. Unter den gegenwärtig führenden Botanikern hat wohl keiner die Gegenstände für die rein wissenschaftliche Forschungsarbeit so häufig aus Gebieten entnommen, die zur praktischen Gärtnerei Beziehung haben, wie Molisch. Aus seinem Buch erhält man aber erst die rechte Vorstellung davon, wie tief er, der in einem großen Gart@nbetrieb Aufgewachsene, mit der Tätigkeit des Gärtners vertraut und verwachsen ist. Für ‘den Botaniker ergibt sich daraus wertvolle Belehrung in den verschiedensten handwerklichen Fragen, so daß das Buch für ihn eine Einführung in die Kunst, Pflanzen gartenmäßig zu-erziehen und zu behandeln, bedeutet. Ebenso werden sicher die Praktiker für die Darbietung einer zuverlässigen, von fachkundiger Hand gerade für die Bedürfnisse der Praxis besorgten Auswahl der wissenschaftlichen Grundlagen Dank wissen. Die Zu- sammenfassung der zahlreichen vom Verfasser erprobten Versuchsanstellungen, aus deren Ergebnissen die Schlüsse für die theoretische Synthese abgeleitet werden, wird außerdem jedem Botaniker, der als Lehrer mit physiologischen Demonstrationen und Übungen zu tun hat, erwünscht sein. Welchen Kreisen die Freunde des Buchs bis jetzt vorzugsweise angehören, läßt sich nicht erraten. Aber ihre Zahl muß schon groß sein, denn die erst im Krieg erschienene erste Auflage war nach 1'/, Jahren vergriffen und ist jetzt durch eine erweiterte Auflage ersetzt. Der Stoff ist in folgende Hauptabschnitte gegliedert: Ernährung; Atmung; - Wachstum; Erfrieren und Gefrieren; Fortpflanzung (einschl. Pfropfung u. s. w.); Samen- keimung; Vererbung und Züchtung. Gegenüber anderen Darstellungen ist die Behand- F lung verschiedener Einzelfragen recht ungewöhnlich im verhältnismäßigen Umfang, was in den meisten Fällen nur dem Zweck des Buches entspricht, teilweise aber auch in ” persönlicher Vorliebe des Verfassers begründet sein dürfte. Aufgefallen ist dem Refe- ° renten z. B., daß von den Offnungs- und Schließbewegungen der Blüten, die dem Tulpen - oder Krokus züchtenden Gärtner wohl ebenso interessant sind wie etwa der Aerotropismus der Wurzeln und der Pollenschläuche, nicht die Rede ist. Sehr reieh ist die Aus- g stattung des Buchs mit durchweg höchst anschaulichen Abbildungen, größtenteils nach 2 Öriginalzeichnungen oder -photographien des Verfassers. O. Renner # Ferdinand Cohn: Beiträge zur Biologie der Pflanzen. | Herausgegeben von Felix Rosen. 13. Band, 3. Heft. Breslau 1917, in J. U. Kerns Verlag. 3 Cohn’s Beiträge, die sich durch Schönheit des Satzes und des Seitenbildes von ” verschiedenen deutschen botanischen Zeitschriften vorteilhaft unterscheiden, haben im Krieg ein auffallend gut ausgestattetes Heft herausgebracht, mit dem der 13. Band abge- schlossen ist. Alfred Markowski behandelt den Parasitismus des fast omnivoren Schimmelpilzes Botrytis cinerea auf der Roßkastanie und gibt ein zweckmäßig er- ” scheinendes Verfahren für die Ausführung und Sicherung der künstlichen Infektion an. Bruno Rudau schildert die Wachstumsweise des falschen Feuerschwamms, Polyporus igniarius, und die Zerstörungserscheinungen, die der Parasit im Holz zahl- reicher als Wirte dienender Bäume hervorruft. Alfred Preuß wendet die serodia- gnostischen Untersuchungsmethoden, die ©. Mez mit seinen Schülern seit einigen Jahren’ zur Aufhellung der Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Stämmen der Samen-° pflanzen auszuwerten sich bemüht, auf den Stamm der Parietales (Cruciferen, Papa-” veraceen u.s.w.) an. Nach Seinen Befunden, die durch die Angaben früherer Unter-” sucher ergänzt werden, wären die Parietales von den Ranales, und zwar am ehesten. von” den Berberidaceen herzuleiten, und der Stammbaum führte von den Resedaceen als’ primärem: Typus auf der einen Seite zu den Capparideen, Oruciferen, Papaveraceen, in’ anderen Richtungen zu den Malvaceen, Guttiferen, Cistaceen, Violaceen 2 ai B+ ‚. Renner. 2 Verlag von Georg Thieme in Leipzig, Antonstraße 15.:— Druck der Hof- u. Universitäts- Buchdruckerei von Junge & Sohn in Erlangen. : er “ . j | Biologisches Zentralblatt Begründet von J. Rosenthal Herausgegeben von Dr. K. Goebel und Dr. R. Hertwig Professor der Botanik _ Professor der Zoologie 5 in München Verlag von Georg Thieme in Leipzig 40. Band April-Mai 1920 Nr. 4 u.5 Kg ausgegeben am 15. Mai 1920 Der jährliche Abonnementspreis (12 Hefte) beträgt 20 Mark Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten Die Herren Mitarbeiter werden ersucht, die Beiträge aus dem Gebiete der Zoologie, vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte an Herrn Prof. Dr. R. Hertwig, München, Alte Brain, alle übrigen (nach vorheriger Anfrage) an Herrn Prof. Dr. K. Goebel, München, Menzingerstr 15, einsenden zu wollen. b Inhalt: P. Hertwig, Haploide und diploide Parthenogenese. 8. 145. r G. Dennler, Zur Methodik in der Tierpsychologie. 8. 175. s A. Ursprung und G. Blum, Dürfen wir die Ausdrücke osmotischer Wert, osmotischer Druck, h Turgordruck, Saugkraft synonym gebrauchen? 8. 193, O. Thilo, Das Maulspitzen der Fische. S. 216. - Referate: V. Frauz, Die Lichtfucht der Clausilien. 8. 239. \ A. Engler, Tropismen und exzentrisches Dickenwachstum der Bäume, S$. 240. Haploide und diploide Parthenogenese. Von Paula Hertwig, Berlin. Inhalt. Einleitung. A. Künstliche Parthenogenese. I. Eireifung bei künstlicher Parthenogenese. a) Ohne Beeinflussung der normalen Reifeteilungen, b) Unter Abänderung des normalen Reifungsprozesses. x II. Die weitere Entwicklung der künstlich parthenogenetischen Eier. | a) Bei diploidem Chromosomenbestand. b) Bei haploidem Chromosomenbestand. 1. Bisherige Ansichten über die Aufzuchtmöglichkeit künstlich partheno- e genetischer Haplonten. x 2. Zusammenstellung der Zuehtergebnisse bei Seeigeln, Nematoden, Dip- teren, Fischen, Amphibien. — Die Versuche G. Hertwig’s mit den Eiern von Rana esculenta. I | 3. Vergleich der künstlichen mit der natürlichen Parthenogenese. ® -B. Natürliche Parthenogenese. | I. Ohne Chromosomenreduktion bei Tieren. © II Somatische und generative Parthenogenese bei Pflanzen. = III. Natürliche Parthenogenese bei Tieren mit durchgeführter Reduktion. 6. Wird die haploide Chromosomenzahl in der weiteren Entwicklung parthenogenetischer - Hymenoptereneier beibehalten oder wird sie nachträglich auf die diploide Zahl erhöht? x ‘Die Frage kann vorläufig noch nicht beantwortet werden, ihre Lösung kann erreicht werden durch we.” a) Chromosomenzählungen, \ b) Kernmessungen, c) De eReune: der Spermiogenese. y ee a ER Er AA 0 P 23 Ru E ET ER Far \ F; SR REDEN er Iren j. LAD AL SE EL AR dr TEL im NER: AR { RN E4 “ 146 P. Hertwig, Haploide, und Atnlside Parhinogens, er gi Er Einleitung. Die vorliegende Abhandlung will eine kurze Dardiehdee hr bisher bekannten Tatsachen über Eireifung und Entwicklung bei künstlicher und physiologischer Parthenogenese geben. Die existierenden Zusammen- stellungen sind teils älteren Datums, so daß eine Übersicht, die auch die neueren Ergebnisse berücksichtigt, mir wünschenswert erschien; teils behandeln sie nur ein Spezialgebiet, wie etwa Hervitt (1906) die Par- thenogenese bei Insekten, Delage (1912) die Forschungen über künst- . | liche Parthenogenese. In diesen Spezialarbeiten sind manche Einzel- heiten ausführlicher behandelt, es fehlt aber der Überblick über das Gesamtgebiet. Ich glaube daher, daß gerade eine: zusammenhängende Darstellung, die die, wichtigsten Tatsachen bei Tieren und bei Pflanzen, sowohl bei künstlicher als bei natürlicher Parthenogenese berücksich- tigt, zu beachtenswerten Vergleichspunkten führen muß. — Das Haupt- gewicht ist, wie schon der Titel sagt, auf die Klarlegung der Chromo- somenverhältnisse gelegt worden. Es existiert auf diesem Gebiet noch manches Problem, das erst durch weitere ORIODHUEN und zytologische Forschung gelöst "werden muß. Zuerst will ich mit einer Übersicht über die Resultate bei künstlicher Parthenogenese beginnen, da ich durch Arbeiten über dieselbe‘ zu meiner 4 Zusammenstellung angeregt worden bin. A. Künstliche Parthenogenese. } Die meisten Mitteilungen über künstliche Parthenogenese bei Tieren und Pflanzen gehören den beiden letzten Jahrzehnten an. Man hat die verschiedensten Mittel zur Auslösung der Parthenogenese verwandt. 1. Chemische Reize, besonders die hyper- und hypotonischen Lö- sungen nach den Methoden von Loeb, Y.Delage, Herbst und vielen “ andern Autoren. 2. Physikalische Reize, Temperaturänderungen nach are Lil- ° lie, Morgan etc. Auslösung der Parthenogenese durch eu chen, d Schütteln und Reiben der Eier. 2 3. Biologische Reize. Hierunter verstehe ich die Befruchtung der Eier mit artfremdem oder radiumbestrahltem Sperma. Bei dieser von Kuppelwieser, G. und O. Hertwig angewandten Methode dient der Samenkörper nur als Entwicklungserreger, da weder das artiremde noch das radiumbestrahlte Spermachromatin mit dem Eikern kopuliert. Zur parthenogenetischen Entwicklung auf künstlichem Wege konnten bisher veranlaßt werden die Eier von Echinodermen (Seeigel und See- stern) von Anneliden (Nereis, Amphitrite etc.), von Nematoden (Rhabditis pellio), Arthropoden (Schmetterlinge und Fliegen), Mollusken, Vertebraten (Petromyzon, Fische und Amphibien). Dazu kommen noch von botanischer Seite die Versuche mit Konjugaten und mit den Eiern von Chara crinita und Fucus vesiculosus. | Zwei Fragen scheinen mir bei der Besprechung der künekfiohken Faribenpgeneee eine nähere BESTIETRNE: zu verdienen. Erstens, wann Wire f IR" URN DS Ve . . D. Herwig, ide und diploide Parthenogenese. | 447 x A Entwicklung mit diploider, wann mit haploider Chromosomenzalıl ein- & geleitet? Zweitens, wie entwickeln sich die dureh künstliche Partheno- . genese erzeugten Organismen, und ist es möglich, sie bis zu geschlechts- reifen Tieren zu züchten ? N | ECT N: Eireifung bei künstlicher Parthenogenese. EN: Für dik bsamenzahlen; die wir in der ersten Teilungsspindel finden, ist es: zunächst von Bedeutung, zu welchem Zeitpunkt ‘der 3 entwicklungserregende Reiz,. sei er mechanischer, thermischer oder che- j; mischer Art, auf das. Ei gewirkt hat. — Wie bei der natürlichen Be- ’ fruchtung der Samenfaden je. nach der Spezies) in das Bi auf verschie- denen Stadien der Eireife eindringt, bald schon während der Bildung der 3 ersten Polspindel, bald nach Abschnürung der ersten oder der zweiten E ' Polzelle, so kann auch der Experimentator, je nach dem Material, von dem er ausgeht, das Ei vor oder nach der Reduktion zur Entwicklung \ anregen. So kann er z. B. bei Eiern von Seesternen, Mactra und Anne- liden, die erst im Wässer ihre: Reifeteilungen durchmachen und zwar normalerweise erst dann, wenn ein Spermatozoon in sie eingedrungen ist, auf physikalischem und besonders chemischem Wege die Reifeteilungen 4 beeinflussen, und den Eikern dazu veranlassen, sowohl mit reduzierter 4 als mit unreduzierter Chromosomenzahl in. die Entwicklung zu treten. "Bei den meisten Eiern, wie bei dem viel benutzten Seeigelei, ist in- 9° esse die Auslösung der Parthenogenese erst nach vollzogener Reduk- tion möglich, weil nur das. völlig reife Ei in das Wasser entleert wird P und daher erst von diesem Zeitpunkt ab der Beeinflussung durch äußere F ‚Reize zugänglich ist. Die Parthenogenese des Seeigels wird also mit - haploider Chromosomenzahl beginnen, die auch auf späteren Stadien zu finden sein wird (Boveri, Morgan u. a. m.), vorausgesetzt, daß £ nicht gelegentlich eine Autoregulation der Chromosomenzahl stattfindet. - Auch die Botaniker haben bisher durch physikalische und chemische - Reize nur solche Gameten, die die haploide Chromosomenzahl aufwiesen, - künstlich zur Entwicklung angeregt. — Die von Overton (1913) nach - den zoologischen Methoden durch hypertonische Lösungen zur Teilung _ veranlaßten Eier von Fucus, werden mit reduzierter Chromosomenzahl ‚aus den Oogonien entleert, ebenso sind in den Versuchen von Klebs ” (1896) und Faber (1912) die Parthenosporen haploid, desgleichen die von Ernst (1917) künstlich zur RL ELERUNADLAUNE, gebrachten ‚Bier der haploiden digamen Rasse von Chara crinita. = Wenn wir, um die Eier zur Parthenogenese anzuregen, die biologi- ie en ee welche ja bei intrauteriner en die ge eführt, als ob ein normaler anteigener Samenkern anwesend wäre Gut - sich .der ‚Reifungsprozeß eines Eies, däs durch intensiv radium- hl en. Samen. zur Parthenogenese angeregt ‘worden ist, bei einem A: RR AG k N hi) ' 10* 5 RA in N er ai AR u, A ra Kae NE ray il ra EN | edit“, ne Puh FRFR N: he 148 P. Hertwig, Haploideund diploide Parthenogenese, kleinen Nematoden, Rhabditis pellio, verfolgen, dessen große Durch- | sichtigkeit die Beobachtung am lebenden Objekt gestattet. Die Befruch- tung erfolgt beim Übertritt des Eies in den Uterus, zu einer Zeit, wo 2 das Ei noch als Oozyte zu bezeichnen ist, da es noch ein in der Mitte ° des Eies liegendes Kernbläschen besitzt, mit Chromosomen, die zu Dy aden | gruppiert sind. Dringt in dieses Ei ein durch Radiumbestrahlung ver: M mehrungsunfähig: gewordener 'Spermakern, so veranlaßte er, genau wie ein ‘normaler, die Auflösung der Kernmembran und die Durchführung der Reifeteilungen. — Obgleich keine :zytologischen Untersuchungen vor- liegen, ist das gleiche Verhalten bei den Eiern von Insekten, Amphibien und Fischen anzunehmen, einerlei ob sie als Ovozyte wie bei den Fischen, oder vor der zweiten Reifeteilung, wie bei den Amphibien, aktiviert ° werden. Auch die Anstichmethode von Bata ille on beeinflußt nicht die nor- male Durchführung der Reduktionsteilung. — In allen diesen Fällen wird die Parthenogenese in der Regel mit einem haploiden Kernmaterial vor sich. gehen. Für die Auslösung der re Entwicklung mit di- ploider Chromosomenzahl sind besonders lehrreich die Versuche von Kostaneckiı (1905) an Mactra und von Buchner (1911) an See- . sternen. — Durch verschiedene Salzlösungen, deren Konzentration und Einwirkungsdauer Kostanecki variierte, konnten die unreifen Mactra- Eier dazu gebracht werden, beide Richtungskörper abzuschnüren. In diesem Fall begann, wie beim Seeigel, die Entwicklung mit dem redu- zierten Kern, häufig jedoch derartig, daß die aus der ersten Furchungs- ° spindel hervorgehenden Kerne sich gleich darauf wieder zu einem ein- zigen, nun natürlich diploiden Kern vereinigten und dab die- weitere # Entwicklung mit voller Chromosomenzahl einsetzte. “ Man kann aber auch die Diploidie der parthenogenetischen Mactra- Larve dadurch hervorrufen, daß infolge einer früher einsetzenden kür- zeren Einwirkung der Salzlösung entweder nur. die zweite Reifeteilung, die bei Mactra die Reduktionsteilung ist, oder auch beide Reifeteilungen . unterbleiben. In diesem Fall wandelt sich also der Ovozytenkern un- mittelbar zum Furchungskern um. Kostanecki kann also bei Mactra ‚durch das Experiment dieselbe Verschiedenheit bei der Reifung hervor- ° rufen, die man, wie wir später sehen werden, auch bei der BL | Parthenogenese beobachten kann. 3 Ebenso interessant ist es, daß nach O. Hertwig (1890) und 4 ‚Buchner (1911) bei Seesternen ein ähnlicher Entwicklungsmodus künst- lich hervorgerufen werden kann, wie ihv Brauer als natürlichen Vor- K gang bei gewissen Eiern von Artemia salina beschreibt. Bringt man nach ° Buchner Eier’ von Asterias glacialis, deren Kerne sich eben zur ersten Reifeteilung anschicken, für etwa eine Stunde in kohlensäurehaltiges ' Wasser, so unterbleibt während dieser Zeit jeder karyokinetische Vor- gang. In sauerstoffreiches Wasser zurückgebracht, wird alsbald. die erste Polzelle gebildet. Der zweite Richtungskörper wird jedoch nicht P. Hertwig, Haploide und diploide Parthenogenese. 149 _ ausgestoßen, es entstehen vielmehr im Ei zwei Kerne, von denen der eine dem reifen weiblichen Kern, der andere dem Kern des zweiten Richtungs- körpers entspricht, Diese verschmelzen miteinander in der Mitte des Eies zu einem einzigen Kern, aus dem kurze Zeit darauf die erste, natür- _ lich diploide Furchungsspindel, entsteht. — Diese Beobachtung, die hier nach Buchner’s schönen Versuchen beschrieben ist, machte bereits O.Hertwig im Jahre 1890 an überreifen Seesterneiern, ferner Boveri (1890) bei Nematoden und bei Pierotrachea. — Ebenso wie bei Mactra kann man natürlich auch bei Seesternen die Bildung der zweiten Rich- tungsspindel ganz unterdrücken und das Ei als Ovozyte I. Ordnung zur diploiden Parthenogenese veranlassen. Y. Delage (1902) hät der- artige Versuche wiederholt ausgeführt. Zusammenfassend können wir sagen, daß wir je nach Wahl des Materials und der Methode Eier bald mit der haploiden, bald mit der diploiden Ohromosomenzahl die parthenogenetische Entwicklung beginnen sehen. \ I. Die weitere Entwicklung der künstlich parthenogenetischen Eier. a) Bei diploider Parthenogenese. Es ist sehr bedauerlich, daß bei denjenigen Eiern, die beim Beginn der parthenogenetischen Entwicklung die diploide Chromosomenzahl nach- - weislich besitzen, die Zuchtresultate außerordentlich ungünstig sind. Es liegt dies erstens daran, daß die weitere Zucht gerade bei einer Anzahl hierhergehörigen Fälle technisch die größten Schwierigkeiten bietet, so bei Mactra und den Anneliden. Zweitens rufen auch die zur Aus- lösung der Entwicklung verwendeten hyper- und hypotonischen Lösungen oft eine dauernde Schädigung des Eies hervor, und zwar in besonders - hohem Grade dann, wenn unreife Eier zur Parthenogenese angeregt WEeT- den; häufig verläuft bereits die erste Furchung in hohem Maße patho- e: logisch. -— Der einzige Experimentator, dem es gelang, parthenogene- tische Larven aus Seesterneiern, die die zweite Reifeteilung nicht voll- zogen hatten, längere Zeit zu züchten, ist Y. Delage, der darüber in - seinen 1904, 1907 und 1903 erschienenen Abhandlungen berichtet. Er konnte von einer sehr großen Anzahl von Larven nur etwa 13—-15 durch die Metamorphose bringen. Zwei von diesen #urden 312 und 4 mm groß. Leider wurden nicht gleichzeitig normale Kontrollen gezogen, SO - daß man nicht entscheiden kann, ob das frühzeitige Absterben der Mehr- zahl eine Folge der ungünstigen und technisch sehr schwierigen Zucht- bedingungen oder der parthenogenetischen Entstehung war. Die An- fangsstadien schienen nicht immer normal zu sein. Über das weitere Schicksal der ausmetamorphosierten Seesterne wurde nicht weiter be- % richtet. fe A Bu u Yan Ira, F > u SB | b) Bei haploider Parthenogenese. Weit zahlreicher sind die Berichte über einen normalen Beginn der 450 _P. Hertwig, Haploide und diploide Parthenogen: biologische Reize zur Parthenogenese angereot wurden. Die‘: ersten Mei- B lungen verlaufen absolut normal, wie z. B. beim Seeigel, bei Rhabditis pellio, bei Fischen und bei Amphibien. Bei allen diesen ‚Objekten konnte nachgewiesen werden, daß in der ersten Furchungsspindel — abgesehen ' von einigen Audnalmen, die nachher besprochen werden, die 'haploide 4 Chromosomenzahl vorhanden ist, und daß sie auch auf späteren embryo- nalen und larvalen Stadien erhalten bleibt, wie Chromosomenzählungen 3 und Kernmessungen beweisen. f Können sich nun solche haploiden Organismen ebenso wie normal- kernige entwickeln, können sie zu geschlechtsreifen Tieren heranwachsen? Die Ansichten über diese Frage haben vom Beginn der Forschung ‚über künstliche Parthenogenese nicht unerhebliche Wandlungen erfahren, die nicht uninteressant zu verfolgen sind, zumal sie eng zusammenhängen \ mit der Auffassung, die man von der Natur der Ohromosome gewann. | 1. Bisherige Ansichten über die Lebensfähigkeit haploid parthenogenetischer Larven. Während der ersten Periode der Parthenogeneseforschung ide, die Ansicht vertreten, daß, wenn eineınormale Entwicklung stattfinden sollte, die Chromosomenzahl durch Autoregulation auf die diploide Zahl erhöht werden müßte. Y. Delage (1901, S. 301) glaubt den Nachweis für das ° Stattfinden einer Regulation durch Chromosomenzählungen bei Stron- glyocentrotus in der Tat erbracht zu haben. Auch Petrunkewitsch (1904) betont, daß die Zahl der Chromosome von der größten Wichtigkeit sei, da jedes Chromosom determinierend für die spätere Entwicklung - wäre, und diese mit einer geringeren als der normalen Chromosomen- zahl pathologisch verlaufen müßte. — Von botanischer Seite ist es ° namentlich Strasburger (1907, 1908, 1909, 8. 106), der entschieden die Ansicht verficht, daß die Diplophase einer Pflanze sich unter keinen Umständen ebenso gut mit der haploiden Chromosomenzahl entwickeln ” könne. Er erklärt ausdrücklich, daß ihm kein Beispiel einer diploiden ° Generation begegnet sei, die sich zur haploiden Entwicklung befähigt ° gezeigt hätte. „Die Möglichkeit hierzu scheint auf bedeutende, ja bei bisher untersuchten Objekten auf unüberwindliche Schwierigkeiten zu stoßen.“ a Mittlerweile war namentlich bei den Z oologen ein Umschwung in der Ansicht über die Bedeutung der Chromosome eingetreten. Boveri begründete die Lehre, daß jeder Organismus zwei “homologe Garnituren 4 von Chromosomen, die eine als mütterliches, die andere als väterliches Erbteil, enthielte. Da jedes Chromosom einen bestimmten Anlagekom- plex verträte, seien also alle lebenswichtigen Anlagen doppelt vorhanden. Ein Chromosomensatz, wie er bei der haploiden Parthenogenese vor- ° handen sei, genüge also vollständig zur normalen Ausbildung aller Or- gane. — Gestützt wurde diese Ansicht durch die Beobachtung der. fast ganz normalen Parthenogenese bei Seeigeln und manchen: Anneliden bis, zum Pluteus resp. bis zur Wimperlarye. — Im Gegensatz zu Delages BE }} % h 0 - RT re u 3: ” d £ Bu 5 u) I» re ö : ve £ ‚ A Wirk BR & ad u 4 vs , B & IE: Be kan. N RR A Heriwig Haploide und diploide Parthenogenese. 451 ) \ „. R } une. einer De elahon wurde von Boveri, Wilson und vielen andern einwandfrei die haploide Chromosomenzahl auf späteren Sta- dien der Ontogenese festgestellt. Auch. Delage’s Angaben wurden in Zweifel gezogen, da Boveri die von Delage angeeebene Chromo- somenzahl 18 für die haploide, nicht wie jener für die diploide hielt. - Eigene Zählungen bei Stronglyocentrotus lividus hatten ihn überzeugt, daß 36 die Normalzahl sei. — Neuerdings kann man nun freilich Bo- veris Widerlegung nicht als völlig beweisend ansehen. Es hat sich herausgestellt, daß bei den nahe verwandten Echinus zwei Rassen, eine 'univalente mit 18, und eine bivalente mit 36 Chromosomen existieren _ (Boveri 1915 S. 6, Stevens 1902)., Möglicherweise ist das gleiche der Fall bei Strongylocentrotus, und hat Delage mit der uniyalenten Form gearbeitet. Da er aber nie gleichzeitig bei Kontrollen und Ver- ‚suchsobjekten, die von der gleichen Mutter stammen, die Chromosomen- zahl bestimmt hat, so müssen seine Angaben als sehr unwahrscheinlich bezeichnet werden, um so mehr, als sie von keinem anderen Autor an demselben viel untersuchten Objekt bestätigt wurden. Delage’s Beweis für eine in der- Regel stattfindende Autoregulation ist also durchaus nicht überzeugend. Durch . die Untersuchungen und Theorien Boveri’s hat die An- sicht, daß, wie Buchner (1911, S. 605) sagt: „die Existenzmöglich- keit eines Organismus mit der halben Chromosomenzahl von vornherein gegeben ist,” in den letzten Jahren festen Fuß gefaßt. Die meisten - Parthenogenese-Forscher zweifeln nicht mehr an der theoretischen Mög- - lichkeit einer Aufzucht von haploid-parthenogenetischen Tieren. Sie „sehen in dieser Frage, wie z. B. Loeb, nur noch ein technisches Problem, nämlich, die Eier durch die chemische oder physikalische Vor- behandlung möglichst wenig zu schädigen und unter die günstigsten Zuchtbedingungen zu bringen. Ein großer Fehler in dieser ne liegt nun darin, daß man die Beobachtungen über die gute Entwicklung bis zum Pluteus verallge- meinert hat, ohne zu bedenken, daß Pluteus und Wimperlarve doch noch ein recht frühes larvales Stadium sind. Nichts berechtigt zu der An- nahme, daß nun auch die spätere Entwicklung bis zum ausgewachsenen "Tier normal verlaufen müsse. — Neuere Untersuchungen haben daher auch gezeigt, daß die Frage nach der Aufzuchtsmöglichkeit haploid- parthenogenetischer Tiere durchaus nicht richtig'beantwortet worden ist. 2. Zusammenstellung der Zuchtergebnisse. Bei einer "Zusammenstellung der Zuchtergebnisse haploidkerniger Embryonen und Larven kommen natürlich nur die Beobachtungen über diejenigen Tierarten in Frage, deren Aufzucht bis zum ausgewachsenen Zustand in der Gefangenschaft möglich ist, also von den Evertebraten die Seeigel, die freilebenden Nematoden und Schmetterlinge, von den A Vertebraten Fische und Amphibien. © Der Seeigel ist wohl dasjenige Objekt, das am häufigsten zu Ver- 152 P. Hertwig, Haploide und diploide Parthenogenese. N e suchen über künstliche Parthenogenese benutzt worden ist. Obgleich nun mit Leichtigkeit von den verschiedensten Autoren haploid-partheno- genetische Plutei gezogen wurden, blieb doch bis 1912 Delage der ein- zige, der versuchte, die Tiere durch die Metamorphose zu bringen. Er erhielt von einem sehr großen Ausgangsmaterial nur 6 vollkommen aus- metamorphosierte Seeigel. 2 von diesen wurden ziemlich groß und einer bildete sogar rudimentäre Gonaden aus, die ihn als Männchen kenntlich machten. — In weit größerem Umfang wurde die Aufzucht in Plymonth von Cr. Shearer und D. J. Lloyd mit bemerkenswerten Resultaten ausgeführt. Die Verfasser haben eine Methode ausfindig gemacht, mit deren Hilfe es gelingt, normale Seeigellarven leicht und sicher über die Metamorphose hinaus zu züchten. Haploide Larven, die nach den Me- thoden von Loeb und Delage zur Parthenogenese gebracht waren, wurden auf allen Stadien der Entwicklung mit normalen verglichen. 'Es stellte sich nun heraus, daß zwischen beiden Kulturen stets gewisse Unterschiede zu bemerken waren. Für die parthenogenetischen Larven war von Anfang an charakteristisch eine ‚Trübung des Protoplasma, die gegenüber den außerordentlich durchsichtigen, klaren Kontrollen be- sonders auffiel. Sie entwickelten sich rascher bis zum 4-8 armigen Pluteus, dann setzte aber eine derartige Verlangsamung ein, daß die Kon- trollen sie bald überholten. Die normalen Plutei gelangten bis zur Meta- morphose in 5—6 Wochen, die parthenogenetischen brauchten 8, meistens 10 Wochen. Ferner waren die parthenogenetischen Larven stets etwas anormal gebaut, wie es z. B. deutlich in der Ausbildung der Arme zu sehen war. — Wichtig ist nun das Endresultat. Je mehr sich die par-. thenogenetischen Plutei der Metamorphose nähern, desto schwächer wer- den sie und scheinen unfähig zu sein, die Reste des Pluteus zu resor- bieren. Sie bleiben wochenlang auf diesem Stadium und sterben schließ- lich, ohne die Metamorphose vollendet zu haben. Nur etwa 15 Exemplare überlebten 1 Woche die Metamorphose. — Die Verfasser glauben nun, daß es trotz der eben beschriebenen Mißerfolge dennoch unter günstigen Bedingungen gelingen müßte, parthenogenetische Larven zu ausgewach- senen Seeigeln heranzuziehen. Mir scheint jedoch der Mißerfolg nicht in einer mangelhaften Zuchtmethode, mit der ja bei normalem Material so gute Erfolge erzielt wurden, sondern vielmehr in der mangelhaften Lebensfähigkeit haploider Larven begründet zu sein. Wir haben ja auch gesehen, daß Delage keineswegs einen besseren Erfolg gehabt hat. Trotz seiner Angaben, die ich vorhin schon kritisiert habe, ist anzu- nehmen, daß auch seine Larven haploid und aus diesem Grunde nicht lebensfähig gewesen sind. Die 2 Seeigel, die lange Zeit am Leben blieben, sind als Ausnahmen zu betrachten, die nichts an der Beurteilung des Gesamtresultats ändern können. Ich halte es für durchaus möglich, daß diese wenigen Tiere diploid und nicht haploid waren. Wenn auch eine Regulation der Chromosomenzahl nicht stets, wie Delage be- 3 hauptet, eintritt, so kann sie doch gelegentlich z. B. durch Monaster- bildung nach Wilson (1901) und Boveri (1905) stattfinden. Oder a Ih) 4 I 8 EN L va, ‚P. Hertwig, Haploide und diploide Parthenogenese. 153 es kann.ein unreifes Seeigelei, wie es ausnahmsweise in das Wasser ent- leert wird, unter Zurückhaltung des zweiten Richtungskörpers zur di- ploiden Parthenogenese veranlaßt worden sein. Wenn wir uns nun zu den Beobachtungen, die’ mit der Aufzucht anderer haploid-parthenogenetischer Evertebraten gemacht wurden, wen- den, so gibt der von mir zu Experimenten benutzte Nematode Rhabditis pellio (1918) ein klares Bild. Die Zucht ist eine außerordentlich leichte. Rhabditis pellio entwickelt sich in 4—5 Tagen zum geschlechtsreifen Tier in einem kleinen Tropfen Wasser, der mit etwas fauleudem Fleisch als Nahrung für die heranwachsenden Larven versehen ist. Werden die Eier durch radiumbestrahltes Sperma, das vermehrungsunfähig vom Ei- kern gesondert bleibt, zur Entwicklung angeregt, so beginnt sie durchaus normal, wie man sich unter dem Mikroskop überzeugen kann. Die Mo- rula, Blastula und Gastrula unterscheidet sich nicht von der normalen. Es werden auch noch gekrümmte Embryonen gebildet, die aber bereits trübes Plasma besitzen und nicht mehr als Larven die Eihüllen ver- lassen können. _ ) kon. al Ebensowenig gelang es meinem Bruder, Be naren tische an von Drosophila zu erhalten. Er brachte bestrahlte Männchen zur Kopu- lation mit normalen Weibchen. Die Eiablage wurde beobachtet. Es ist - anzunehmen, daß diese Eier eine parthenogenetische Entwicklung be- " gannen; denn nach den Erfahrungen an andern Objekten muß die Be- strahlungszeit ausgereicht haben, um das Spermachromatin vermehrungs- unfähig zu machen. "Zahlreiche Beobachtungen liegen auch bei Schmetterlingen vor. Par- thenogenese bei Arten, die in der Regel befruchtungsbedürftig sind, Kann ja in der Tat durch mechanische oder chemische Mittel künstlich her- - vorgerufen werden oder ist wahrscheinlich, wenn sie ohne Zutun des Beobachters eintrat, durch äußere, unbeachtete Momente ausnahmsweise ausgelöst worden. An dieser Stelle interessiert uns namentlich die An- gabe Henking’s (1892) und Platner’s (1888), daß parthenogene- tische Schmetterlingseier 2 Richtungskörper bilden, also wahrscheinlich - mit haploidem Kern die Entwicklung beginnen. Die Angaben über die - weitere Zucht sind ziemlich dürftig. Tichomiroff konnte ebenso wie | Nußbaum seine mit Schwefelsäure oder durch Bürsten aktivierten " Bomby«x-Eier nur bis zur Entwicklung von Embryonen bringen. Auch “: Hartmann (1918, S. 2) berichtet neuerdings, daß die parthenogene- tische Entwicklung von Bombyzx bald zum Stillstand kommt und daß keine - Raupen» aus den Eiern schlüpfen. Andere Autoren, z. B. Platner (1888. Liparis dispar) haben kleine Räupchen erhalten, von deren wei- teren Lebensschicksalen man nur erfährt, daß sie früh gestorben sind. " Mehrfach wird man auf spätere Berichte vertröstet, die dann aber aus- geblieben sind. Einzig und allein Siebold (1856) scheint besseren “ Erfolg bei der Zucht gehabt zu haben. Von 1540 Eiern von Bombyxz mori © entwickelten sich 274 zu Raupen, von diesen 11 zu 7 männlichen und 14 u 4 seihlichen Doumelterlingen, Diese Angaben werden von weniger 154 | pP. Hertwig, Haploide und nun Parthenogenae, HR glücklichen Züchtern häufig als erencnafehlir Inte meiner Rn sicht nach mit Unrecht. Ich-möchte sie so erklären, daß unter einer großen h Menge haploid-parthenogenetischer lebensunfähiger Individuen, ganz wie ’ ‚bei den Seeigeln von Delage, u OB: ee Exem- plare sich befunden haben. Erweist,es sich, wie wir sehen, bei den Ferien Diner An un- j möglich, lebensfähige haploide Tiere zu züchten, so können wir uns nicht © wundern, wenn wir dieselbe Regel bei den höher -orgänisierten Wirbel- tieren bestätigt finden. Ohne technische Schwierigkeiten lassen sich 4 Versuche bei Fischen und’Amphibien ausführen, und beide haben zu dem übereinstimmenden Resultat geführt, daß eine Aufzucht von hemi- karyotischen Larven nicht möglich ist. Bei den Fischen liegen die Versuche von Oe ne und P. Hertwig vor. Die Auslösung der Parthenogenese geschah durch Aktivierung des Eies mittelst vermehrungsunfähigem radiumbestrahlten ‘Sperma, dessen vollkommene Ausschaltung von der Entwicklung zyto- logisch nachgewiesen wurde. Die Haploidkernigkeit der Larven wurde durch Kernmessungen festgestellt. Weder die Forellenlarven Opper- ° mann’s, noch die Orenilabrus- und Gobius-Larven von G. und P.Hert- ° wig erwiesen sich als entwicklungsfähig. Eine Trübung des Proto- E plasma machte sich bereits frühzeitig bemerkbar. Am entscheidendsten für die hier erörterte Frage sind die Versuche an Amphibien. Bei ihnen ist es besonders von Vorteil, daß mehrere Autoren mit den verschiedensten Mitteln ihre Versuche angestellt haben. E Künstliche Parthenogenese bei Amphibien wurde durch chemische Mittel, . durch die Anstichmethode.von Bataillon, durch Befruchtung mit radiumbestrahltem und mit artfremdem Sperma veranlaßt. — Es fällt ® nun auf, daß trotz der vielen Tausend von Eiern, mit denen gearbeitet * worden ist, nur eine verschwindend kleine Zahl von ausmetamorpho- sierten Fröschen erhalten wurde, obgleich die Zucht anfänglich sehr leicht ist, und später ‘keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bietet. Die meisten Larven, deren haploide Natur sich leicht durch Kernmessungen oder Chromosomenzählungen nachweisen läßt, zeigen Zwergwuchs und sterben frühzeitig, meist im Alter von 2-3 Wochen. Von einem der ° wenigen Fröschchen, dieBrachet züchten konnte, berichteter, daß dieser mehr als die haploide Chromosomenzahl besaß. Loeb hat neuerdings mit Hilfe der Anstichmethode über 20 fast erwachsene parthenogene- tische Rana pipiens gezogen. Diejenigen Tiere, die bisher auf ihre Ohro- ° mosomenzahl untersucht wurden, erwiesen sich als diploidkernig. Für die schlechte Entwicklung der überwiegenden Mehrzahl der Larven glaubten Brachet, Bataillon, Loeb, Lewy und andere die durch den Anstich hervorgerufene. Schädigung der Eier verant- , wortlich machen zu müssen, obgleich es wenig wahrscheinlich ist, daß diese auf die älteren Larven mehr als auf die ersten Furchungen. ein- ze wirken sollte. Nicht stichhaltig ist die Erklärung jedenfalls für die Eier, die in den Versuchen von O,, G. und P. Hertwig AUEE Befruckl 7 Bl A ‚ \ E Ar h. RER Rz © Bertig, Hanloide und diploide Parthenogenese,. 155 © tung mit radiumbestrahltem oder artfremdem Sperma zur Parthenogenese veranlaßt wurden. Obgleich hier nicht die geringste Schädigung des Eies - vorlag, entwickelten sich alle Larven mit ganz geringen Ausnahmen - ebenso schlecht wie bei den Anstichversuchen. Völlige Aufklärung über das uns hier beschäftigende Problem haben - erst die Versuche und Erörterungen von G. Hertwig (1913 und 1918) Ri ‚gebracht, der als erster in seiner Arbeit „Parthenogenesis bei Wirbel- tieren, hervorgerufen durch artfremden radiumbestrahlten Samen“ darauf "aufmerksam machte, daß haploide Larven lebensunfähig wären. | Beweisend ist folgender Versuch G. Hertwig’s (1918) mit artfrem- - der Befruchtung von Rana esc.-Eiern, in welchem gleichzeitig sowohl haploide als wie diploide parthenogenetische Larven entstehen. Bringt _ man Samen von Bufo vir. zu Eiern von Rana esc., so dringt dieser bis © zu einem gewissen Prozentsatz in die Eier ein. Die idioplasmatische Differenz zwischen dem Esculenta- und dem Bufo-Chromatin ist aber, wie G. Hertwig ausführt, zu groß, als daß eine Verschmelzung eintreten ‚könnte. Das artfremde Spermatozoon. wirkt nur als Entwicklungserreger. Auffallend ist nun, daß nur ein gewisser Teil der aktivierten Eier, den 3 wir mit A bezeichnen wollen, sich gleichzeitig mit den Kontrollen teilt. © Bei den andern Eiern (Serie B) setzt die Entwicklung um einen Tei- : lungsschritt verspätet ein, so daß diese Eier erst 2 geteilt sind, wenn - die von A und. den Kontrollen bereits 4 geteilt sind, u. s. f£ Werden “nun die Serien A und B getrennt gezüchtet, so entwickelt sich A zu e haploiden früh sterbenden Zwerglarven, B hingegen zu diplokaryotischen - Larven, die genau so groß und gesund wie die Kontrollen sind, und deren - Aufzucht zu ausmetamorphosierten ‘Fröschen sicherlich gelingen wird. — @G. Hertwig weist hier nachdrücklich hin auf den Zusammenhang von - reduzierter Chromosomenzahl mit Zwergenwuchs und Entwicklungsun- fähigkeit im ‚Gegensatz zu den derselben Zucht entstammenden diploiden. - Larven, bei denen eine Regulation der Chromosomenzahl stattgefunden . haben muß. Wie diese Verdoppelung im vorliegenden Versuch zustande gekommen ist, glaubt G. Hertwig mit ziemlicher Sicherheit sagen zu können. Er nimmt Monasterbildung vor der ersten Teilung an. Ob Er die ‚gleiche Erklärung für andere diploid parthenogenetische Larven, die i BL, den Kreuzungs- und Radiumexperimenten Hertwig’s sowie bei Ba- | taillon und Loeb gelegentlich auftraten, ebenfalls zutrifft, muß dahin- ‚gestellt bleiben. Möglich ist ja auch, daß die diploide Chromosomen- zahl wie bei Asterias und Mactra durch ein Ausbleiben der zweiten Rich- E tungskörperbildung hergestellt wird. e Sehr schwer ist es eine Erklärung dafür zu finden, daß eine Entwick- - Jung mit haploiden Kernen, einerlei ob sie von der Mutter oder vom Vater geliefert werden, nicht möglich ist. Denn Boveri’s Hypothese, _ daß eine halbe Chromosomengarnitur genügt, um alle Anlagen zur Ent- 3 wicklung zu bringen, scheint trotz des schlechten Enderfolges der Zuchten . zu Recht zu bestehen: Es bilden ja die haploiden Larven alle Organe enau wie die normalen aus. Wenn sie sich trotzdem als nicht lebens- 156 P. Hertwig, Haploide und diploide Parthengnse. ——— fähig erweisen, müssen die Gründe hierfür nicht allein in den Chromo- somen, sondern vielleicht in den Wechselwirkungen von Kern, Proto- plasma und Dotter gesucht werden. G. Hertwig (1918, S. 61) sucht „das stets neben Zwergwuchs be- obachtete Auftreten von allerlei pathologischen Störungen bei den ha- ploidkernigen Larven durch verringerte Wachstumsenergie der Zellen und das dadurch geschaffene Mißverhältnis zwischen dem im Ei zu ver- arbeitenden Dottermaterial“ zu erklären, indem er sich auf Erfahrungen bei Bastardierungsexperimenten stützt. — Diese Hypothese bedarf frei- lich noch der experimentellen Stütze. Man könnte vielleicht versuchen, zweigeteilte parthenogenetische Tritoneier zu durchschnüren und dadurch zur Ausbildung von Zwillıngslarven zu veranlassen. Das Mißverhältnis zwischen Dottermenge und haploidem Kern wäre hier behoben. ' 8. Vergleich der künstlichen mit der natürlichen Parthenogenese. Diejenigen Forscher, die unter dem Einfluß von Boveri und seiner Schule an die volle Entwicklungsfähigkeit hemikaryotischer Larven. glaubten, wurden in ihrer Ansicht bestärkt durch die ihrer Meinung nach vollkommen analogen Fälle bei physiologischer Parthenogenese. So ver- gleicht z. B. Buchner (1911, S. 605) die sich haploid entwickelnden Echinodermen mit den Hymenopteren. ‚In beiden Fällen werden 2 Rich- tungskörper abgeschnürt, die Chromosomenzahl reduziert, und das sich ° entwickelnde Tier besitzt zeitlebens nur die halbe Chromosomenzahl. Es ist daher ersichtlich, daß von dieser Seite keine Bedenken bezüglich der Lebensfähigkeit des parthenogenetischen Keimes sich erheben können.” — Wir haben nun gesehen, daß die Tatsachen der Theorie nicht Recht ge- gegeben haben. Bei allen Objekten, bei denen eine hemikaryotische Auf- zucht versucht wurde, hat sich herausgestellt, daß die haploide Chromo- somenzahl zur Entwicklung eines auf die diploide Zahl eingestellten Orga- nismus nicht genügt. Von diesem Erfahrungssatz ausgehend, ist es wohl erlaubt, das Problem einmal von der andern Seite zu betrachten und die Frage zu stellen, ob es wirklich feststeht, wie man jetzt ziemlich allgemein annimmt, daß es eine normale haploide Entwicklung bei physiologischer Parthenogenese gibt. Es genügt bei der Prüfung dieser Frage nicht allein die Feststellung, daß das Ei die Reduktionsteilungen durchgeführt hat, es muß vielmehr auch geprüft werden, ob in den fraglichen Fällen die haploide Zahl beibehalten wird, was, wie wir gesehen haben, durchaus nicht immer der Fall zu sein braucht. Ich will selbstverständlich nun nicht meinerseits der Theorie zu Liebe die Behauptung aufstellen, daß z. B. die Existenz haploider Drohnen unmöglich sei, weil sich Seeigel, Nema- toden, Frösche u. s. w. nicht mit der halben Chromosomenzahl entwickeln können. Aber ich will darauf aufmerksam machen, daß hier ein noch unge-, löstes Problem vorliegt und daß die vorliegenden Angaben durchaus nicht genügen, um die Möglichkeit normaler haploider Entwicklung zu beweisen. DE _P. Hertwig, Haploide und diploide Parthenogengse. 457 B. Natürliche Parthenogenese. I. Ohne Chromosomenreduktion bei Tieren. | Ehe wir zu der kritischen Prüfung der Angaben über normale > haploide Entwicklung übergehen, halte ich einen Überblick unserer Kennt- - nisse von der Eireifung bei physiologischer Parthenogenese resp. Apo- gamie im Tier- und Pflanzenreich für wünschenswert. ; Ebenso wie man bei der künstlichen Parthenogenese sowohl Reifeier als wie auch Ovozyten zur. Entwicklung bringen kann, finden wir auch, daß bei natürlicher Parthenogenese die sich entwickelnde Eizelle bald die - Reduktion der Ohromosomen unterdrückt, bald in normaler Weise durch- führt. Der letztere Modus ist relativ selten und da, wo er auftritt, mit Begleiterscheinungen verbunden, die die Deutung der Chromosomenverhält- nisse außerordentlich erschweren. Um so klarer sind die Entwicklungs- vorgänge im ersten Fall, der zu einer diploiden Entwicklung führt und - eine recht häufige Erscheinung bei tierischen und pflanzlichen Eiern ist. E Mit dem Ausbleiben der Chromosomenreduktion, das schon durch das > Fehlen der typischen Tetradenfiguren und Bukettstadien vorbereitet wird, - werden die beiden Reifeteilungen zu überflüssigen Einrichtungen. Sehen * wir doch den Zweck der mit der Polzellenbildung verbundenen kompli- zierten Kernteilungsvorgängen eben in der erfolgenden Reduktion der > Chromosomen. Dennoch :sind häufig eine, bisweilen sogar beide Reifetei- - lungen beibehalten, freilich unter Abänderung der typischen Chromo- somenanordnung. | Die parthenogenetische Entwicklung einer Eizelle als Ovozyte unter vollständiger Unterdrückung der Polzellenbildung, ist bisher nur für die Gallwespe Neuroterus lenticularis vonDoncaster1906 beschrieben wor- - den. Der Ovozytenkern besitzt 20 Einzelchromosomen. Er rückt im Pro- - phasenstadium an die Oberfläche des Eies, um dann aber unmittelbar ohne - eine einzige Richtungsspindel zu bilden, wieder in die Mitte des Eies - zu wandern und dort die erste Furchungsspindel mit 20 Chromosomen - zu bilden. # Weit häufiger finden wir einen andern Typus der Eireifung, bei dem - die erste Reifeteilung, die eine Äquations- aber keine Reduktionsteilung - ist, durchgeführt wird. — Am übersichtlichsten wird uns dieser Typus _ bei den viel untersuchten Aphiden veranschaulicht. — Die partheno- genetisch sich entwickelnden Sommereier bilden nach den Untersuchungen von Stschelkanovcew (1904), Stevens(1905), Hervitt (1906), von Baehr (1909), Morgan (1906, 1909, 1912, 1915) nur einen ein- zigen Richtungskörper. Dieser einen Reifeteilung geht keine Anord- £ nung der Chromosomen zu den bekannten Tetraden voran, und man findet die gleiche Anzahl von Chromosomen vor und nach der Reife- teilung im Eikern. Dieser entspricht also dem Kern einer Ovozyte erster Ordnung und rückt als solcher in die Mitte des Eies um die erste Furchungsspindel zu bilden. Der entstehende Embryo besitzt Paantrich . die diploide Chromosomenzahl. 158 1 Hertwig, Haploide und diploide Parthenogenese, * . ET Ebenso verläuft die nr pattern Eier bei ale andern Arthropoden, z. B. bei den Dipteren und Phyllopoden. — Die pädogenetisch sich fortpflanzenden Miastor-Larven machen nachKahle (1908) nur eine Reifeteilung — eine Äquationsteilung -—, durch, Runen also ebenfalls die Entwicklung mit der diploiden COhromosomenzahl. Für die Phyllopoden ist derselbe Reifungsmodus, d. h. die Bildung eines einzigen Richtungskörpers mit ausbleibender Reduktion nachgewiesen worden für Artemia salina (Petrunkewitsch 1902, Fries 1910), Daphnia pulex, Polyphemus pediculus (Kühn 1908) und Simocephalus vetulus (Chambers 1913). Zu den gleichen Resultaten kommen für einige Oypriden Woltereck (1908) und Schleip (1909). — Auch einzelne diploid-parthenogenetisch sich entwickelnde Würmer sind hier anzuführen, so die Trematoden nach den Untersuchungen von Cary (1908), die Nematoden (nach Krüger 1913 und P. Hertwig 1919) ‚und die parthenogenetisch Weibchen erzeugenden Eier des Rotators Hyda- tina senta (Whitney 1909) und Aswlanchna priodonta (Erlanger und Lauterborn 1897). — Es können aber auch sehr wohl zwei Reife- teilungen durchgeführt werden und die Reduktion kann trotzdem ausbleiben. Ein derartiges Verhalten zeigen die Eier von Rhodites rosae nach den Untersuchungen von Schleip (1909). Diese Gallwespe, die nur in weiblichen Individuen bekannt ist, besitzt 12 Chromosomen. Wir finden sie sowohl in den Ovozytenkernen und in den beiden Richtungs- spindeln, als auch in der ersten Furchungsspindel. Alle beiden Reife- _ teilungen sind also Äquations- und keine Reduktionsteilungen. Dem glei- chen Typus scheinen sich noch‘ andere Hymenopteren anzuschließen, wenn dieselben auch nicht so sorgfältig untersucht worden sind wie Rhodites rosae. Die weiblichen parthenogenetisch sich entwickelnden Eier einiger Tenthrediniden (Nematus ribesii, Poeeilosoma luteolum) bil- den den Untersuchungen von Donca ster folgend ebenfalls 2 Reifungs- teilungen ohne Reduktion. Wahrscheinlich ist auch der Reifungsprozeß von Bacillus rossü hierherzustellen. v. Baehr konnte die Bildung von ° 2 Richtungskörpern nachweisen, ohne jedoch mit Sicherheit angeben zu können, ob eine Reduktion erfolgt oder nicht. Das Ausbleiben der- selben muß aber, wenn man keine regenerative Chromosomenverdoppelung annehmen will, aus dem Zuchtresultat postuliert werden, da die Bazillen sich durch Generationen hindurch parthenogenetisch fortpflanzen. > Hier seien auch noch die-Angaben von Brauer für Artemia salina erwähnt, um einen weiteren Modus zu zeigen, wie die diploide Chromo- somenzahl aufrecht erhalten werden kann. Es kann sich hierbei bei Brauer’s Untersuchungen um einen Sonderfall handeln, der vielleicht nur einer bestimmten Sippe eigentümlich ist, denn Petrunke- witsch (1902) und Fries (1910) konnten‘ am gleichen A | Brauer’s Resultate nicht bestätigen. | 7 Nach Brauer verläuft die Eireifung. bei Artemia foldendermaßen: 3 Die erste Richtungsspindel zeigt in der ‚Äquatorialplatte 84 Vierer- 4 gruppen. Ebensoviel Dyaden sind im ‚ersten Richtungskörpen und nz VRR. AS P Era Haploide und diploide Parthenogenese. 159 - Ei zurückbleibend zu zählen. Nun unterscheidet Brauer 2 Sorten von Eiern. Bei der einen unterbleibt wie bei Aphis die Bildung der zweiten Richtungsspindel, was auch Fries und Petrunkewitsch - bestätigen konnten. — Bei dem andern Teil der Eier aber wird die ‚zweite Richtungsspindel, häufig sogar der zweite Richtungskörper, ge- bildet. Jedoch wird dieser bald wieder in das Ooplasma zurückge- zogen, worauf sein Kern sich an den Eikern anlegt und mit ihm zu- sammen die erste Furchungsspindel bilde. — Die Entwicklung ist nun natürlich, trotzdem die Reduktionsteilungen durchgeführt wurden, eine diploide, da ja der Kern des zweiten Richtungskörpers die Rolle des Samenkerns übernommen hat. Ähnliche Vorgänge sind bereits weiter oben bei der künstlichen " Parthenogenese des Seesterneies geschildert worden. Sie treten aber auch auf bei der Parthenogamie mancher Protisten, wie Hartmann 1909 hervorhebt. Denn bei einigen Arten sind. automiktisch Vor- gsänge bei fraglos parthenogenetischer Entwicklung beobachtet worden, so von Schaudinn (1904) bei Haemoproteus ngcetuae, von Neres- heimer (1908) bei Ichihyophthirius und von Hartmann bei Lam- ‚blia muris. Es kommt hier in den Makrogameten (bisweilen vielleicht auch in den Mikrogameten) zur Verschmelzung von zwei reduzierten - Mikronuklei und Hineinwandern derselben in den Makronukleus, wo- durch wie bei der normalen Kopulation eine einkernige Zelle entsteht. Alle parthenogenetisch sich entwickelnden Eier, deren Reifungs- modus in diesem Abschnitt besprochen wurde, sind obligatorisch par- - thenogenetisch. Sie haben die Fähigkeit, befiruchtet zu werden, ver- loren. Aus ihnen entstehen Generationen von Weibchen, entweder in “ steter. Folge, wie bei den Nematoden, Bacillus rossii, Artemia salina u.s. w., oder alternierend mit Generationen, in denen Männchen und Weibchen gleichzeitig auftreten (Aphiden, Daphniden). Die Ursache _ der zeitweisen Entstehung von Männchen. aus obligatorisch partheno- z genetischen Eiern ist uns seit den Untersuchungen von Morgan kein Rätsel mehr. Morgan erkennt sie in der Verteilung der Hetero- ge: chromosomen bei der einen Reifeteilung auf Ei und Richtungskörper. - Es ist anzunehmen, daß die Verhältnisse bei den Daphniden ähnliche - sind. Die Rotatorien und Tenthrediniden werden uns später noch einmal 2 beschäftigen. 4 ..e FEIERT > ie ua nd” Can Di eh nn an 1 ae ein ap EEE 2 DE RTERTNEREELT { a - E Indem ah die ben über wohl sicherlich diploide Parthenogenese - bei den Lepidopteren (Solenobia und Psyche) hier nicht näher erörtere, da ‚die eingehenden Untersuchungen von Seiler noch ausstehen, gehe ich zu den Verhältnissen bei den Pflanzen über. ILL. Somatische und ‚generative Parthenogenese bei Pflanzen. Der ‚diploiden Parthenogenese der Zoologen entspricht botanischer- ‚seits. diejengie Entwicklungsart, die Winkler als: somatische Par- thenogenese, Strasburger als ovogame Apogamie. bezeichnet hat. 160 P. Hertwig, Haploide und diploide Parthenogense, RL 3 Name sagt, die Entwicklung eines Embryos aus einer unbefruchteten Eizelle, die den diploiden oder somatischen Chromosomenbestand aufweist. — Da nun normalerweise das Ei, als eine Zelle des Gametophyten, die haploide Chromosomenzahl besitzt, so müssen der somatischen Partheno- genese Vorgänge vorangehen, durch die entweder die Eizelle allein, oder alle Zellen des Gametophyten die diploide Chromosomenzahl erhalten. Ersteres wird erreicht durch Kombination mit Aposporie; eine soma- tische, diploide Zelle des Nucellus oder des Integuments tritt an die Stelle der degenerierenden Makrospore, wie es z.B. bei einigen Hieracium- Arten nach Rosenberg (1907) der Fall ist. — Der zweite Modus ist durch viele Untersuchungen der letzten Jahre aufgeklärt worden. Somatische Parthenogenese wird möglich, wenn die Reduktion bei der Makrosporen- resp. Embryosackbildung unterbleibt. Die zwei Teilungs- schritte, die von der Makrosporenmutterzelle (eigentlich Makrosporen- sroßmutterzelle) zur Bildung ‘der vier Makrosporen (Tetradenbildung;) führt, lassen sich ohne weiteres mit den Reifungsteilungen des tierischen Eiers vergleichen: die Makrosporen- oder Embryosackmutterzelle ist der Ovozyte des tierischen Organismus gleichzusetzen. Es ist nun interessant festzustellen, daß auch bei den ovoapogamen Angiospermen trotz Ausschaltung des Reduktionsvorganges 2 Kerntei- lungsschritte von der Embryosackmutterzelle zu den Embryosäcken führen können, ebenso wie die Bildung von 2 Richtungskörpern im tierischen Ei bisweilen beibehalten wird (Rhodites rosae). Das ist der Fall bei der ovogamen Apogamie von Marsilia Drummondii "nach Strasburger (1907). Ferner bei der Ranunculacee Thalictrum purpurascens (Over- ° ton 1904), bei den Eualchemillen (Murbeck 1901 und Strasburger 1905) und bei der Saururacee Houtiuynia cordata (Shibata 1908), bei der wenigstens die untere der beiden Embryosacktochterzellen noch eine zweite vollständige Teilung durchmacht. — Bei allen diesen Pflanzen sind 2 typische Karyokinesen an die Stelle der Reduktionsteilungen ge- treten. Häufiger finden wir, daß eine der beiden Tetradenteilungen ganz unterdrückt wird, ebenso wie das diploid-parthenogenetische Ei am häu- figsten nur einen Richtungskörper bildet (Aphidentypus). Als Beispiele führe ich an: Taraxacum officinale (J uel 1905), Wikstroemia indica (Strasburger 1910) und manche Hieracien ln 1907, OÖstenfeld 1908). Schließlich unterbleibt bisweilen jede Testing der embre zelle, aus der sich direkt die apogame Embryosackanlage entwickelt, welche selbstverständlich diploid ist. Dieses Verhalten wurde von Juel für Antennaria alpina (1900) und für die Mehrzahl der Samenanlagen von Burmannia coelestis von Ernst (1909—12) nachgewiesen. Wir finden also auch bei den Pflanzen einen Typus der Makrosporen- bildung, der dem Eireifungsmodus von Neuroterus lenticularis entspricht. In beiden Fällen hat die Ausscheidung des Reduktionsvorganges auch zum vollständigen Wegfall ger damit verbundenen ‚Kernieilungsrorzänz F geführt. = Pi, 1 2 7 ee ER, j / % A ) l f .»#P. Hertwig, Haploide und diploide Parthenogenese. 161 Die Beispiele haploider oder generativer Parthenogenese beschrän- ken sich auf die niederen Pflanzen, auf Algen aus der Familie der Conju- gaten. — Wir finden hier bisweilen natürliche fakultative Partheno- ‚ genese bei Spirogyra (Klebs1896, Zukal1897, Rosenvinge 1833) _ und innerhalb der Gattung Zygnema. Am genauesten untersucht sind die ' Verhältnisse bei Spirogyra, deren vegetative Zellen und Gameten haploid, _ und nur die Zygoten, die aus der Kopulation zweier Gameten entstehen, diploid sind. Nun kann man nach Klebs undFaber, je nach den Kultur- - bedingungen, die Spirogyra-Fäden zur Zygo- oder Parthenosporenbildung anregen. Trotzdem es sich hierbei größtenteils um Laboratoriumsbeobach- _ tungen handelt, hervorgerufen durch besondere Zuchtmedien und Beleuch- tungen, rechne ich diese Fälle zur natürlichen Parthenogenese, da erstens _ die Versuchsbedingungen, abgestandenes Wasser, helle Beleuchtung, sehr ‘ wohl auch in der Natur eintreten können und ferner auch verschiedene - Spirogyra-Arten mit Zygosporen sowohl als Parthenosporen in demselben - Faden gefunden wurden. Es ist keine Frage, daß wir hier einen Fall von _fakultativer, haploider oder generativer Parthenogenese vor uns haben, - da sich ja Gameten mit haploider Chromosomenzahl unter Ausfall der - Kopulation entwickeln. Nach W. und G. West (1898) werden auch bei Zygmema Parthenosporen gefunden. | Während nun die durch Amphimixis entstandenen diploiden Zygo- “sporen bei ihrer Keimung durch 2 Reduktionsteilungen ihre Chromo- somenzahl auf die Hälfte vermindern, so daß wieder ein haploider Spiro- _ gyra-Faden entsteht, keimen die Parthenosporen unter Fortfall der Re- _ duktionsteilungen. Mithin besitzt der aus einer Parthenospore ent- stehende, Gameten produzierende, Thallus ebenfalls die für ihn normale haploide und nicht etwa eine geringere Ohromosomenzahl. » Bei höher organisierten Pflanzen ist kein einziger Fall generativer Parthenogenese bekannt, selbst bei C'hara crinita, die längere Zeit als - Schulbeispiel für haploide Parthenogenese eines höher entwickelten pflanz- ‘ lichen Organismus galt, ist jetzt durch die Untersuchungen von Ernst - obligatorische somatische Parthenogenese oder richtiger Apogamie nach- _ gewiesen worden. Der die Parthenosporen erzeugende Thallophyt ist - samt seinen Eizellen diploid im Gegensatz zu den befruchtungsbedürf- tigen haploiden Eizellen auf normal haploiden Thallophyten der bi- sexuellen Rasse. Bei der Keimung der Parthenosporen unterbleibt die _ Reduktion, die bei der Keimung der Zygosporen stattfindet. Um Wiederholungen zu vermeiden möchte ich hier gleich die Folge- rungen, die sich aus den dargelegten Beobachtungen bei Pflanzen er- geben, erörtern. — Wie wir gesehen haben, führt die Parthenogenese _ oder ovogame Aposporie in keinem einzigen Fall zur Entwicklung mit - haploiden Kernen in einer für gewöhnlich diploiden Generation, noch wird je ein haploider Thallus mit einer geringeren als für die Art nor- "malen Zahl gebildet. Dasselbe gilt für vegetative und apogame Vermeh- E so daß wir mit Strasburger ganz Sr sagen können, „ein 11 162 P. Hertwig, Haploide und diploide Parthenogenese. AIR ; 2 bekannt“. — Dagegen existieren zwei Angaben, die für Pteridophyten ” generative Apogamie beweisen wollen. Der Farn Lastrea psszudomas var. cristata apospora_vermehrt sich nach Farmer und Digby A907) 7 nur apogam. Im ganzen Lebenszyklus des Farns ist die Chromosomen- zahl sowohl. in den Kernen des Gametophyten als des Sporophyten gleich ° 60. Es muß also entweder der Gametophyt diploid oder der Sporophyt ‚haploid sein. Farmer und Digby entschieden sich für die letztere Annahme, die ihnen, sowie auch Winkler, fast zur Gewißheit wird durch. die Bestimmung der Chromosomenzahlen bei verwandten Arten. Bei der typischen Lastrea pseudomas beträgt die reduzierte Chromosomen- ' zahl 72, bei anderen Lastrea-Arten die Ohromosomenzahl im Sporophyten ° mindestens mehr als 100. Demgegenüber weisen andere Autoren darauf hin, daß bei den Chromosomenzählungen gerade bei den Lastrea-Formen Irrtümer untergelaufen sein können, so daß nach Ernst (1918, 8. 217) „die Möglichkeit diploider, an Stelle der ee a: ale nicht völlig von der Hand zu weisen ist“. Liefert Lastrea pseudomas den Verfechtern a ee Apogamie nur einen Wahrscheinlichkeitsbeweis, so: wurde ‘bis vor kurzem diese Entwicklungsart bei Nephrodium molle ziemlich allgemein als richtig anerkannt, sogar 1909 und 1910 von Strasburger. — Nach Yama- nouchi (1907 und 1908) entstehen bei Nephrodium nebeneinander auf sexuellem und (unter besonderen Kulturbedingungen) apogamen Wege 7 Sporophyten. Im ersten Fall findet man 128 Chromosomen, im zweiten, also in dem apogamen Sporophyten, 64 Chromosomen wie in den Pro- ° thallien. Nach Winkler kann es hier „nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, daß generative Apogamie vorliegt“ und man müßte sich ° seinem Urteil anschließen, wenn nicht neuerdings die Angaben Yama- nouchi’s bestritten würden (Mottier 1915). Ferner will ich auf % eine Deutung von Gates (1909, S. 546) aufmerksam machen. Er ° hält es nach der Höhe der Chromosomenzahl für wahrscheinlich, daß Nephrodium molle ähnlich wie Oenothera gigas einer ‘vorangegangenen Verdoppelung der Chromosomen seinen Ursprung verdankt, also tetra- ploid sei. Die Zahl 128 entspräche nämlich der Ax-Zahl von anderen E Polypodiaceen. Die Annahme von Gates würde erklären, ‚warum ein Sporophyt sich mit 64 Chromosomen entwickeln Kann, denn das wäre ja \ nur die Rückkehr zu der ursprünglichen 2x- Zahl. 5 Ill. Natürliche Parthenogenese bei den Tieren mit Ges Reduktion. Die Fälle auf zoologischem Gebiet, bei denen vor en, der par- thenogenetischen Entwicklung die Reduktionsteilungen vollzogen werden, hat R. Hertwigals den sogenannten ‚„Hymenopteren‘“-Typus zusammen-' gefaßt, weil sie sich in bezug auf die Chromosomenreduktion ebenso ° verhalten wie das viel untersuchte Bienenei. — Ich beginne daher auch mit einer Schilderung der Reifung des Arbeiterinnen- und des Drohnen- “ RN } Rn ru SH En " we e Pr LPaRN Haploide und diploide Parthenogenese. 163 Sieh und folge hierbei den Angaben Nachtsheim’s, die ja im wesent- lichen mit denjenigen von Petrunkewitsch übereinstimmen. - Die Bienenkönigin legt 2 Sorten von Eiern, die einen enthalten Spermatozoen, die im Augenblick der Eiablage über das Ei entleert wer- den, und entwickeln sich zu weiblichen Bienen. Die andern bleiben unbe- fruchtet und liefern Drohnen. Der Reifungsprozeß verläuft bei beiden Eisorten ganz gleich, ist also unabhängig von der Anwesenheit oder dem Fehlen der Spermatozoen. — Zur Zeit der Ablage finden wir be- reits die erste Richtungsspindel, deren beide: Tochterplatten ziemlich ' deutlich je 8 Doppelchromosome erkennen lassen. Im weiteren Verlauf der Reifung bildet sich die innere Ohromosomengruppe zur Äquatorialplatte ' des zweiten Richtungskörpers um, und zur gleichen Zeit macht der Kern des ersten : Richtungskörpers eine. zweite Teilung durch. Da sich der ' Richtungskörper nicht vom Ei abgeschnürt hat, sieht man zu dieser Zeit 4 Chromosomengruppen an der Peripherie des Bies liegen, von denen jede 8 bivalente Einzelchromosome enthalten soll. Im befruch- teten Ei folgt dann die Vereinigung des reifen weiblichen Kernes mit ' dem zum männlichen .Pronukleus inzwischen umgewandelten Spermakern ; im Drohnenei „wandert der weibliche Kern quer durch das ganze Ei bis zum Rande der konkaven Seite des Eies.. Erst hier — man möchte sagen: nach dieser vergeblichen Suche nach einem männlichen Vor- kern — bildet er sich zur ersten Furchungsspindel um“ (Nachts- heim). Diesem emadıe scheinen andere Hymenopteren zu folgen, aus deren befruchteten Eiern sich Weibchen, und aus deren partheno- . genetischen Eiern sich Männchen entwickeln. Zytologisch untersucht wurden nur wenige Objekte, so die parasitische Litomastix trucatellus von _Silvestri (1906) und Formica sanguinea von Schleip (1908). Schleip findet die haploide Zahl von 24 Chromosomen im zweiten Rich- tungskörper ebenso wie in dem Kern der Ovozyte zweiter Ordnung. Hierzu muß freilich bemerkt werden, daß nicht. vollkommen einwandfrei | nachgewiesen wurde, daß die diploide Chromosomenzahl in befruchteten Eiern und in weiblichen Somazellen gleich 48 ist. Ebenso bedürfen die Angaben von Doncaster (1906, 1910 und - 1911) über den Verlauf der Eireifung bei Tenthrediniden (Nematus ri- - besii, Poecilosoma luteolum) und Oynipiden (Neuroterus lenticularis) noch- _ mals der Prüfung, um so mehr, als der Autor bei der Deutung seiner - Befunde selbst wiederholt die Ansicht wechselte. Der Geschlechtszyklus von Neuroterus verläuft wie folgt: Im. Mai erscheint die Frühlingsgeneration, die nur aus Weibchen besteht. Ein Teil der Weibchen legt ausschließlich solche Eier, die keine Reduk- _ tionsteilungen durchmachen und sich parthenogenetisch wieder zu Weib- chen entwickeln. Die Reifung dieser Eier wurde bereits auf Seitel61 . besprochen. Der zweite Teil der Weibchen legt Eier, die eine Reduk- i tionsteilung durchmachen, durch die die Chromosomenzahl von 20 auf E- en wird, und aus denen sich, ohne daß eine Befruchtung a: | 11* 2, 164 P. Hertwig, Haploide und diploide Parthenogeie erfolgt, ausschließlich Männchen entwickeln. Die Männchen und Weib- chen bilden die im Juni erscheinende Sommergeneration. Die Sommer- weibchen legen befruchtungsbedürftige Eier, die 2 Reifungsteilungen mit Ohromosomenreduktion durchmachen, besamt werden, und aus denen dann wieder die Weibchen der Frühlingsgeneration aber keine Männ- chen hervorgehen. : Der Zyklus von Nematus ribesii scheint shurläahl zu sein, doch sind 4 die Angaben in den verschiedenen Arbeiten von Doncaster zu wider- spruchsvoll, als daß sie zu einer definitiven Darstellung eine geeignete Grundlage abgeben könnten. — Man findet anscheinend 2 Typen der Reifung. Ein Teil der Eier macht‘ 2 Äquationsteilungen durch mit je 8 Chromosomen, die andern reduzieren die Chromosomenzahl auf 4. Wahrscheinlich können nur die so reduzierten Eier befruchtet werden. Wenn es nicht geschieht, können sie sich zum mindesten bis zum Blasto- dermstadium, vielleicht auch weiter (zu Männchen?) entwickeln. — Zusammenfassend wäre zu sagen, daß bei den Hymenopteren aus be- 'fruchteten Eiern stets ausschließlich Weibchen entstehen, und daß sich auch unbefruchtete Eier entwickeln Können, trotzdem sie bei den Reife- teilungen eine Chromosomenreduktion erfahren haben. In diesem Fall entstehen stets Männchen, und zwar sind bei den Vespiden und Apiden die Eier fakultativ-parthenogenetisch, bei den Tenthrediniden und Cyni- piden hingegen sind die Mändcheneier ebenso wie die Weibcheneier obli- gatorisch-parthenogenetisch. | Ähnlich wie bei den Hymenopteren liegen die Verhältnisse bei den Rotatorien. — Aus befruchteten Dauereiern entstehen ausschließlich Weib- chen. In ihrer parthenogenetischen Nachkommenschaft treten je nach der ° Beschaffenheit des Zuchtmediums (Shull 1910--1911) bald früher, ” bald später „sexupare‘“ Weibchen auf. Die Eier der sexuparen Weib- chen verhalten sich genau so wie diejenigen der Bienenkönigin. Sie können befruchtet werden und wandeln sich dann zu dickschaligen Dauer- eiern um, die, wie oben schon gesagt, ausschließlich zu Weibchen wer- den. Es kann aber auch die Befruchtung unterbleiben, und dann ent- stehen ausschließlich Männchen. — Shull konnte durch einen Versuch 4 beweisen, daß die Männcheneier wirklich fakultativ-parthenogenetisch M sind. Er brachte ein sexupares Weibchen mit einem alten Männchen ° zusammen. Dieses besaß nicht mehr genug Spermatozoen um sämt- liche Eier des Weibchens zu befruchten. Das Weibchen brachte darauf - nebeneinander dünnschalige Männchen- und dickschalige Dauereier her- vor. — Die zytologischen Verhältnisse wurden von Whitney untersucht. Weibliche, obligatorisch-parthenogenetische Eier, die bereits S.162 be- sprochen wurden, enthalten 20—30 Chromosomen. Es entsteht nur ein Richtungskörper, eine Reduktion findet nicht statt. Die fakultativ-par- thenogenetischen Männcheneier hingegen bilden ebenso wie die Dauereier 2 Richtungskörper, und Whitney konnte nur 10—14 im Ei verblei- bende Chromosomen zählen. ; 2 3 Bi 1. ARE, ERTL ‚" E P . Bertwig, Haploide und diploide Parthenogenese. 165 +. Wird die haploide Chromosomenzahl während der weiteren Entwicklung parthenogenetischer Hyanenoptereneier beibehalten ? Bei allen von mir bisher besprochenen Untersuchungen ‚gewinnt man den Eindruck, daß noch vieles der Aufklärung bedarf. Indessen scheinen doch zwei wesentliche Punkte gesichert zu sein; erstens, dab bei einigen Hymenopteren und Rotatorien die Dzierzon'sche Theorie zu Recht besteht, also unbefruchtete Eier sich parthenogenetisch zu Männchen, befruchtete sich zu Weibchen entwickeln; zweitens, daß die unbefruchteten Eier genau denselben Reifungsmodus durchmachen wie die befruchteten, indem sie die Chromosomenreduktion durchführen. Durch beide Feststellungen ist aber, noch nichts darüber ausgesagt, ob die Eier bei der weiteren Entwicklung die reduzierte Chromosomen- zahl beibehalten. Liegt es doch nicht aus dem Bereich der Möglichkeit, ' daß, wie bei der künstlichen Parthenogenese, eine regenerative Verdoppe- lung der Chromosomen stattfindet. — Die Bedenken, die sich gegen eine Entwicklung mit halber Chromosomenzahl erhoben haben, sind größ- tenteils bereits im vorigen Abschnitt dargestellt worden, so daß ich hier nur noch auf zwei Punkte einzugehen brauche. Nach den Untersuchungen von Gates, Artom, G. und O.Hert- wig, Winkler scheint ein Zusammenhang zwischen Chromosomen- zahl und der Größe der Kerne, Zellen, Organe und des ganzen Organismus zu bestehen. Tetraploide Pflanzen und Tiere zeichnen sich durch Riesen- wuchs, haploide Individuen durch reduzierte Körpergröße aus. Von diesem KL. Gesichtspunkt aus betrachtet, geben die fraglichen Männchen keinen Anhaltspunkt zum Beweis ihrer haploiden Beschaffenheit. Zuweilen sind sie allerdings kleiner und schwächer als die entsprechenden Weibchen, wie z. B. die Männchen von Osmia cornuta, und des Rotators Hydatina senta. Doch läßt sich in allen diesen Fällen das geringere Wachstum durch äußere Einflüsse erklären, wie durch die schlechtere Ernährung der Larven (Osmia) oder durch die geringere Größe der Männcheneier (Hydatina). — Häufig ist das Verhältnis auch gerade umgekehrt. Die Männchen zeichnen Sich, wie z. B. die Drohnen, durch besondere Größe fast aller Organe aus. Zweitens taucht immer wieder die Behauptung auf, daß befruchtete _ Eier gelegentlich auch Drohnen liefern können, und daß aus unbefruch- teten Arbeiterinneneiern neben Männchen auch Weibchen entstehen. Ich kann hier nicht auf die verwickelte Streitfrage, die als Kampfmittel für und gegen die Dzierzon’sche Theorie benutzt wird, näher eingehen, und möchte nur hervorheben, daß selbst Anhänger derselben, wie z.B. R. Hertwig, die Entstehung von Weibchen nebst Männchen aus un- befruchteten Arbeiterinneneiern der Ameisen für sehr wahrscheinlich halten (1912, 8. 37) und daß selbst Nachtsheim (1917, 8. 287) die „Möglichkeit der Entstehung von Männchen aus befruchteten Eiern von Apis mellifica“ zugibt. Es müßte demnach, wenn man nicht zu gewagten - Hilfshypothesen greifen will, sowohl haploide als wie diploide Männchen und Weibchen geben, und es erscheint mir unwahrscheinlich, daß sich 166 P. ERDE, Haploide und diploide Parthenogenese. N die zwei Ark äußerlich. gar nicht a ie: unterscheiden Jassen sollten. Von besonderem Wert für die Entscheid ‚der Frage nach der Chromosomenzahl sind drei Wege der Untersuchung: 1. Chromosomenzählungen möglichst auf jungen und in Stadien, 2. Kernmessungen, | 3. Untersuchungen der Spermatogenese. | ‚Alle drei Wege sind bereits beschritten worden, jedoch ohne daß wir ans Ziel gelangt sind, da noch viele Unklarheiten und ae bestehen geblieben sind. So sind nach den Chromosomenzählungen bei Bienen durch Pe- trunkewitsch, Nachtsheim, Meves, im reifen Ei 8 bivalente "Chromosomen enthalten, zu ‘denen Aa der Beitnchinn 16 univalente Chromosomen des Spermakerns kommen. In der ersten Furchungsspin- del sind 32 Chromosomen zu zählen, es müssen also die 8 bivalenten in Einzelchromosome zerfallen sein. In der Keimbahn soll nun die Zahl 32 bis zur Eireife beibehalten werden, im Soma jedoch sind 64 Chromo- somen gezählt worden. — Bei’ den Drohnen besitzt das Ei 8 Doppel- chromosome, die in der ersten Furchungsspindel in 16 zerfallen, also gleich der haploiden Zahl von 32 im Arbeiterinnenei. Nach Nachts- heim findet man Blastodermspindeln mit ebenfalls 16 Chromosomen, worauser schließt, daß die haploide Zahl beibehalten wird. Demgegenüber zählte Petrunkewitsch in Blastodermspindeln von unbefruchteten Eiern 64 Chromosomen unddie gleiche Zahl 64 wurde auch von Meves E in den Follikelzellen des Hodens gefunden. Mag man nun auch die Angaben von Petrunkewitsch und Meves mit Nachtsheim als Aus- nahmen, die gewissen Rassen eigentümlich sind, betrachten, so steht doch immerhin fest, daß im Soma sowohl von Weibchen als wie von Männchen die gleiche Chromosomenzahl gefunden wurde und es bleibt, wenn man die einen haploid, die andern diploid nennen will, nur der Ausweg, die 64 Arbeiterinnenchromosomen als bivalent zu bezeichnen. Liegen nun bei Apis dank der Bemühungen mehrerer Autoren wenig- stens eine größere Anzahl von Angaben über die so schwer festzustellen- den Chromosomenzahlen vor, so fehlen eingehende Untersuchungen fast vollständig bei andern Objekten. Bei Formica rufa hat Schleip zwar die Chromosomen der parthenogenetischen Eier wiederholt gezählt und 24 im Furchungskern und später in Blastodermzellen gefunden, da- neben, allerdings selten, auch abweichende Zahlen, ein vielfaches von 24. Weniger glücklich ist er bei der Bestimmung der Chromosomen- zahlen im befruchteten Ei gewesen. Genaue Zählungen fehlen: vollständig. Er führt einige indirekte Beweise für die Zahl 24 im weiblichen Pro- nukleus an und hat nur eine einzige Furchungsspindel mit weit über 30 Chromosomen gezählt, wobei aber zu bemerken ist, daß die Cie E bereits im Auseinanderrücken sein könnten. | Ebensowenig befriedigend sind die Angaben von D onca re über _ Neuroterus.. Er hält 20 für die diploide, 10 für die haploide Zahl. Ta BL.’ Fr N a *, WR ER Er, N bg Br u 17 K\ Ar P Hertwig, Haploide und diploide Parthenogenese. 167 seiner 1911 erschienenen Abhandlung stellt er den Chromosomenzyklus 4 wie folgt dar: Die Ovozyte enthält 20 Chromosome, das Reifei 10. Zu diesen kommen bei der Befruchtung 10 Chromosomen des Sperma- e. kerns. Die diploide Zahl 20 findet sich im weiblichen Soma sowohl der Frühlings- als wie der Sommergeneration. Demgegenüber sollen die Männchen im Soma nur 10 Chromosomen besitzen. Diese Zahl wurde # wenigstens in dem sich entwickelnden Nervensystem des Männchens gefunden. Aber: außer den haploiden Mitosen wurden gelegentlich di- ploide gefunden, und in der Abhandlung vom Jahre 1910 heißt es: Soma- tische Mitosen junger Puppen besitzen etwa 20 Chromosomen sowohl bei den parthenogenetischen Frühlingsweibchen als wie bei den Männ- $ chen und Weibchen der Sommergeneration. Die von mir gegebene Übersicht über die mühsame und darum durch- aus noch nicht bei allen Objekten durchgeführten Feststellungen des - Chromosomenzyklus zeigt deutlich genug, daß auf diesem Wege bisher kein definitiver Beweis für die haploide Natur der Männchen geführt worden ist. Die Kleinheit der Chromosome und ihre so häufig auf- tretenden Koppelungen erschweren den Überblick ungemein. ' Keineswegs besser fielen bisher Kernmessungen aus, die freilich nur bei Apis mellifica von Nachtsheim und Maria Oehninger aus- geführt wurden. Bekanntlich stehen nach Boveri, Gates, Gerassi- "mow, Hertwig u.a.m. die Kerngrößen in einem konstanten Verhält- nis zur Chromosomenzahl, und zwar soll nach Boveri die Kernober- Häche, nach Hertwig der Kerninhalt: der Chromosomenzahl direkt ‚proportional sein. Nachtsheim vergleicht die Furchungskerne auf frühen Stadien. ‘Er meint, „daß zwar ein Unterschied in der Größe der Kerne der Fur- ehungszellen bei Drohnen und Arbeiterinnen besteht, daß aber keinesfalls - von einem gesetzmäßigen Größenunterschied die Rede sein kann“. Außer- dem gibt er zu, daß die jungen, sich stark vermehrenden Kerne außer- ordentlich ungünstig für Messungen seien, was ja ohne weiter es verständ- Flich..:ist. | Eee l f M. Oehninger benutzte für ihre era äinherrken Kernmessungen " Puppen, deren Augen sich bereits färbten. Verglichen wurden die Kerne‘ "der verschiedensten Organe, wie z. B. der Tracheen, der Hypodermis, der Muskel. Das wesentliche Ergebnis ‚läßt sich dahin zusammenfassen, i daß im allgemeinen die Kerngrößen der homologen Organe bei Drohnen "und Arbeiterinnen gleich sind”. x ‘Wenn nun natürlich auch 'zugegeben werden br daß die Bover!- # schen DESOn nicht ohne weiteres bei Hymenopteren Geltung zu Kauıe EEE a 2 _ Een | Em die nie von Be nläiden Kernen bei den Drohnen. 4 Bor Ne u der en ist immerhin auffallend, wenn 168 P. Hertwig, Haploide und diploide Parthenogenese. 5 ‘Die größte Stütze hat die Theorie der haploiden Beschaffenheit der ° Drohnen und anderer männlicher Hymenopteren durch Untersuchungen der Spermiogenese erhalten. Man geht dabei von folgender Überlegung aus: Wenn in der Keimbahn der Drohnen nur die haploide Chromo- somenzahl vorhanden ist, so darf während der Spermiogenese keine Reduktion erfolgen, da sonst eine stetige weitere Herabsetzung bei den folgenden Generationen von Weibchen und Männchen stattfinden würde. Nach Meves beweisen seine Untersuchungen des Drohnenhodens, daß die Reduktion tatsächlich ausbleibt. Fraglos weicht die Spermiogenese bei Apis mellifica und anderen Hymenopteren erheblich vom üblichen Schema ab. Es fehlen bereits während der Wachstumsperiode die üb- liche Synapsis, die Längsspaltung und die Konjugation der Chromo- some. Die beiden Reifeteilungen verlaufen derart, daß bei der ersten Teilung eine leere Plasmaknospe, bei der zweiten ein nackter Kern oder bei Vespa und Camponotus zwei gleichwertige Tochterzellen gebildet wer- den. In den Spermatozyten zählt Meves teils 16, teils 8Chromosomen und hält letztere für gekoppelte Chromosomen eines Sortiments. Die erste Spermatozytenteilung, die nur zu einer Plasmaabschnürung führt, sei die unterdrückte Reduktionsteilung, die zweite eine Äquationsteilung. So bestechend nun auch Meves Versuch ist, die abweichenden Ver- hältnisse bei der Samenreifung von Drohnen in Zusammenhang mit der Theorie von der haploiden Beschaffenheit der Keimbahnzellen zu bringen, ° so ist sie dennoch nicht als vollkommen beweisend’ zu betrachten. Denn erstens sind gegen die Interpretation der Meves’schen Chromosomen- befunde von Armbruster Bedenken geäußert worden, und zweitens haben Untersuchungen an demselben und anderen Objekten z. T. äußerst ° unklare, z. T. abweichende Resultate ergeben. So gibt Doncaster 1906 für Apis mell. an, daß die zweite Spermatozytenteilung eine Reduktion der Chromosomen von 16 auf 8 herbeiführe. 1907 deutet er allerdings ° seıne Figuren im Sinne von Meves um. Weder bei Vespa maculata (Mark und Copeland 1907) noch bei Vespa crabro (Meves und Duesberg) konnten die Chromosomenverhältnisse geklärt werden. — Lams kann für Camponotus herculaneus weder die Chromosomenzahl * bestimmen noch angeben, ob die zweite Spermatozytenteilung eine Äqua- tionsteilung ist. — Granata schließt sich zwar für Xylocopa violacea 7 der Meves’schen Deutung an, bleibt uns aber den Beweis schuldig, ° denn er konnte wegen Materialmangel, wie er selbst angibt, die frag- J lichen Kernteilungen nicht näher untersuchen. — Die Schlüsse, die Don- caster aus seinen Untersuchungen bei Nematus ribesii zieht, sind wenig überzeugend, zumal der Autor selbst seine Interpretationen verschiedent- lich abgeändert hat und hier anscheinend ein für die Chromosomenfor- 3 schung besonders ungünstiges Objekt vorliegt. 3 Im Gegensatz zu den eben erwähnten Arbeiten, die, wenn auch mit geringer Beweiskraft, sich der Meves’schen Interpretation anschließen, kommt Armbruster für Osmia cornuta zu anderen Resultaten. Er { findet während der Samenreifung ebenfalls nur eine Kernteilung, aber ur Due Dr ZZ ZN 1 P. Hertwig, Haploide und diploide Parthenogenese. 169 eine solche, „welche die Herabsetzung der Chromosomenzahl von 16 auf 8 herbeiführt, also offenbar eine Reduktionsteilung ist“. Eindeutiger als wie die Zahlenangaben über die Chromosomen wäh- rend der Reifungsteilungen, ist das Verhalten des Ohromatins während -der Wachstumsperiode der Spermatozyten beschrieben. Es ist nicht daran zu zweifeln, daß Synapsis Bukettstadium, typische Tetradenbildung fehlen, kurz ‚alle Stadien, die wir mit dem Mechanismus der Konjugation in Zusammenhang bringen. Es liegt nun freilich der Schluß nahe, das Aus- bleiben der Konjugation durch das Fehlen des Partners infolge der ha- ploiden Chromosomenzahl zu erklären; es darf jedoch nicht übersehen werden, daß es noch andere Erklärungsmöglichkeiten für das abweichende Verhalten der Chromosomen im Drohnenhoden gibt. Wenn die Drohnen diploid sind, so müßte die diploide Zahl durch regenerative Verdoppelung bei parthenogenetischer Entwicklung entstanden sein. Es wären somit nur mütterliche, und zweitens idioplasmatisch vollkommen identische Chro- mosomen vorhanden. Daß diese nicht miteinander konjugieren, ist wohl verständlich, wenn wir. das Wesentliche bei der Chromosomenkonju- gation mit Montgomery in der Vereinigung je eines männlichen und eines weiblichen Chromosoms oder nach neueren Forschungen in dem Fak- torenaustausch zwischen zwei idioplasmatisch verschiedenen Chromosomen sehen. Ich erinnere hier nur kurz an den gestörten Verlauf der Reduk- tionsvorgänge bei tetraploiden Pflanzen, z. B. bei Oenothera Lam. gigas nach den Untersuchungen von Gates (1911) und Davis (1911). Es wäre interessant, wenn man durch künstliche Parthenogenese solche Tiere, etwa Amphibien, bei denen man die regenerative Verdoppe- lung beobachtet hat, bis zur Geschlechtsreife ziehen könnte um deren Sper- - . mio- und Oogenese auf die Konjugations- und Reduktionsfragen hin zu . prüfen. | - Literaturverzeiehnis. Armbruster, 1913. Chromosomenverhältnisse bei der Spermatogenese 'solitärer Apiden (Osmia cornuta). Arch. f. Zellforsch. Bd. 11. Armbruster, Nachtsheim und Roemer, 1917. Die Hymenopteren als Studien- objekt azygoter Vererbungserscheinungen. Zeitschr. für ind. Abst.- und Ver- erbungslehre. Bd. XVII, H. 4. Artom, ©. L., 1912. Le basi eitologiche di una nuova sistematica del genere Artemia. ‘Arch. f. Zellforsch. Bd. IX. Bataillon, E., 1909. L’impregnation heterogene sans Amphimixie nucleaire chez les Amphibiens et les Echinodermes. Arch. f. Entw.-Mechan. Bd. 28. Derselbe 1910. 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Wersuch einer el sgieshen Monographie mit eıner Erweiterung der Edinger’schen Terminologie. (Aus dem neurologischen Institut der Universität Frankfurt a. M.) Von G. Dennler, Frankfurt a. M. Einleitung. Angeregt durch Herrn Geheimrat Edinger habe ich die Be- ‚obachtungen und Aufzeichnungen über eines meiner beiden Reitpferde, die Stute G., systematisch geordnet und in nachfolgender Arbeit zu- sammengefaßt. | | | . Die Leistungen eines Tieres möglichst objektiv zu beschreiben, ist wesentlich schwieriger, als die eines Menschen. Wie weit Bewegungen mit Bewußtsein ausgeführt werden, läßt sich beim Menschen durch Selbst- beobachtung und durch die sprachliche Verständigung feststellen. Durch Fehlen dieser beiden Hilfsmittel ergibt sich beim Tier eine große Schwierigkeit, die noch dadurch vermehrt wird, daß wir, meist unbewußt, allzusehr dazu neigen, dem Tiere Enbehs Beweg- gründe unterzuschieben. Dadurch erhalten dann die tierischen Ver- richtungen eine ganz andere Wertung als sie ihnen zukommt. . Treu der Gewohnheit der Physiologen, „bei jedem sinnlich wahr- nehmbaren Vorgang nach seinen sinnlich wahrnehmbaren Folgen zu suchen, und ıhn auf seine sinnlich wahrnehmbaren Ursachen zurück- zuführen“), sollen hier nur die nakten tatsächlichen Beobachtungen aufgeführt werden. . Bevor wir zu den eigentlichen Beobachtungen übergehen, muß eine Erklärung. der angewandten Begriffe vorausgehen. Unsere Be- griffe in der jungen Tierpsychologie sind durchaus nicht konventionell, einheitlich. Bestimmte Ausdrücke werden von einzelnen Forschern in ganz verschiedenem Sinne angewandt. Es ist daher unbedingt nötig, dem Gebrauch der Termini technici Definitionen vorauszuschicken. Terminologie. ı Jede Zustandsänderung läßt sich zurückführen auf eine a fung von Reiz und Reaktion: Reflex im weitesten Sinne. Die Reflexe des nicht differenzierten Plasmas und der Neuromuskelzellen, der ein- -und zweizelligen Reflexorgane, wie sie Haeckel-genannt hat, können wir hier ver- _ nachlässigen. In dem dreizelligen Reflexorgan lernen wir zum ersten Male die Ein- schaltung einer eigentlichen Ganglienzelle kennen. Mit deren Differenzierung in motorische und sensible Ganglienzellen, vierzelliges Reflexorgan, kommen wir zur Grund- lage eines zentralen Nervensystems. Durch Einschaltung weiterer Ganglien in diesem Zentrum können Komplikationen geschaffen werden, so daß z. B. auf einen einzigen äußeren Reiz eine Reihe von verschiedenen Muskelkontraktionen erfolgen, die zusammen eine geschlossene Bewegung ausmachen. | 1) v. Vexküll, Im Kampf um die Tierseele. Ergebnisse der Physiologie. 2. Abt., E* 4. Wiesbaden 1902. 176 G. Dennler, Zur Methodik in der Tierpeychöleene Edinger nennt auf dieser Stufe die Aufnahme des Reizes „Re- ceptio“, die mehr oder weniger komplizierte Antwortbewegung „Motus“, den Verbindungsweg im Nervensystem „Relatio“2). Es sind das die Funktionen beim normalen Gehen des Pferdes ohne Reiter, beim Fressen, beim Kot- und Harnabsetzen u. s. w.; alles Dinge, die von den Physiologen genau studiert, und die hinreichend bekannt sind. | Eu Die Fähigkeit, mehrere zeitlich voneinander getrennt aufgenommene Rezeptionen miteinander zu vereinen, nennt Edinger „Gnosie“, die Verbindung mehrerer Motus zu einer Handlung „Praxie“ Zur An- nahme einer Gnosie können wir nur unter der Voraussetzungkommen, daß äußere Sinnesreize im Gehirn eingeprägt und festgehalten werden, so daß sie mit späteren neuen Reizen verknüpft werden können. Solche Aufspeicherung nennen wir „Gedächtnis“. Den Gedächtnis- inhalt an sich können wir nicht nachweisen. Wir erkennen ihn nur an seiner Wirkung, der Verwertung des Aufgespeicherten. Haeckel sagt daher sehr treffend, das Gedächtnis ist der Über- gang eingeprägter Reizbilder vom potentiellen in den aktuellen Zu- stand. Gedächtnisinhalte dieser Art sind vom Individuum erworben. Im Gegensatz hierzu müssen wir noch ein Erbgedächtnis annehmen, dessen Inhalte dem nervösen Zentralorgan von Beginn seiner Existenz an eingeprägt sind. Ohne seine Annahme könnten wir die tierischen Sitten und Gebräuche (Ethologie), die, ohne erlernt zu sein, richtig und immer gleichmäßig ausgeführt werden, nicht erklären. Edinger versteht unter „Assoziation“ den physiologischen Vorgang, der sich zwischen Gnosie und Praxie abspielt (analog dem der „Relation“ als Verbindungsweg zwischen Receptio und Motus) (l. c. S. 508). Im Gegensatz hierzu wollen wir im’ folgenden unter dem Begriff Assoziation die Verknüpfung von erworbenen Gedächtnisinhalten mit neuen Reizbildern verstehen. ‚Die Gnosien ordne ich für den vorliegenden Zweck in solche des Geruchs, des Gehörs, der Hautsinne (Haut-, Schmerz-, Temperatur- sinn), der Statik, des Gesichts, und des Geschmacks. Die Reihenfolge, wie ich sie hier gebe, entspricht der Wertigkeit der einzelnen Sinne für das Pferd nach dem gegenwärtigen Stande meiner Erfahrungen. Diese Wer- tigkeit ist jedoch keine absolute: sie wechselt je nach der Aufgabe, vor die das Pferd, sei es in der Freiheit, sei es von uns experimentell gestellt wird. Die statischen Reize werden dem Gehirn erstens peripher-sensibel, zweitens labyrinthär, also sensorisch ver- mittelt. Mit den Gnosien ist stets auch ein Gefühl verknüpft. Wir verstehen darunter die Lust bezw. Unlust, mit der Sinneseindrücke aufgenommen werden. Die Gefühle, mit denen verschiedene Tierarten dieselben Reize beanworten, sind spezifisch. 2) Edinger, Vorlesungen über den Bau der nervösen Zentralorgane des Menschen 4 und der Tiere. I. Bd. 8. Aufl. S. 506. ‘Leipzig 1911. ER rn nn A al IE nn au > md ann ua Zul Zn m u a Ya dl a Lu ln lu m re u Zn Tee Da A ee Ken lee & ee ee ee Te 0. Dennler, Zur Methodik in der Tierpsychologie. 177 Es ist bekannt, daß bestimmte Gerüche auf die eine Tierart abstoßend, auf die ‚andere anziehend wirken. Dieselbe Gegensätzlichkeit der Lust- bezw. Unlustbetontheit gilt auch für alle anderen Sinnesempfindungen. | Die Verbindung mehrerer Motus zu einer Handlung wurde „Praxie“ genannt. Ich teile die Praxien ein in neuerworbene oder „Neopraxien“, in solche die während des Lebens einem Individuum zur Gewohnheit geworden sind, „habituelle Praxien“, und ın Praxien, welche im Lauf von Jahrtausenden der Art zur Gewohnheit geworden, also vererbt sind und nenne diese „generelle Praxien“ weil sie der ganzen Art gleichmäßig anhaften. Es sind darunter vor allen Dingen die Bewegungen der Flucht und Annäherung, die tieri- schen Sitten und Gebräuche zu verstehen. | Ein Beispiel wird die Auffassung der Ausdrücke leicht verdeutlichen: Das Pferd weicht einem Hindernis durch eine einfache Seitenschwenkung aus: „Motus“. Der Reiter zwingt das Pferd durch Hilfen über einen Graben zu springen; das Pferd über- windet seine natürliche, angeborene Angst undspringt: „Neopraxie“. Nun gewöhnt sich allmählich das Pferd an das Überspringen von Hindernissen, so daß es bald ohne Hilfe des Reiters springt, das Hindernis ohne weiteres nn. „Habituelle Praxie*“. Um dabei den Anteil der Gnosie zu zeigen, erweitern wir das Beispiel. Das Pferd ‚stürzt bei einem solchen Sprung in den Graben. Bei der nächsten Gelegenheit, wo es einen solchen Graben vor sich sieht (einfacher Sinnesreiz), assoziiert es mit dem gegen- wärtigen Bild die Erinnerung an den früheren Sturz (Gnosie) und weigert sich zu springen : „Neopraxie“. Nun kommt die individuelle Scheidung. Bei dem einen Pferd gelingt es nach einigen Versuchen. mit gutem Ausgang. die frühere habituelle Praxie, das gewohnte Springen, wiederherzustellen, bei dem andern aber bildet sich das Ver- weigern des Sprunges, diese neue Praxie zur habituellen aus. So wie sich ım Laufe des Lebens eines einzelnen Individuums Neopraxien zu habituellen Praxien entwickeln können, so scheinen ‚zweckmäßige habituelle Praxien aller Individuen einer Art allmählich, im Laufe von Jahrtausenden, generell, d.h. als der Art eigentümlich ‚vererbt zu werden. Die Handlungen werden dann von allen a os; einer Art gleichmäßig ausgeführt und daher „generelle Praxien* ‚genannt. Sie entsprechen also im Euaseh Ganzen den an Trieb- und Instinktbewegungen. a Über den Instinkt existieren so viele in ihrem Sinne ganz verschiedene Defini- ‚tionen, daß es nur von Vorteil sein kann, den Begriff vorläufig ans der tierpsycho- ‚logischen Diskussion auszuschließen. Das „Intelligere“ endlich ist nach Edinger gekennzeichnet ‚durch Einsicht und Voraussicht°). Nur wenn wir ım. Reflexablauf zwischen Reiz und Reaktion eine Komponente einschalten müssen, die nicht mehr allein mit den Begriffen der Gnosie und Praxie erklärt ‘werden kann, wollen wir von Intellekt sprechen. In Rücksicht auf diese Komplikationshöhe scheint eine Erklärung ohne psychisches Geschehen nicht angängig. Aber auch schon bei den Gnosien hat sich herausgestellt, daß wir das Psychische nicht ausschalten können. ohne eine ganz erheb- liche Lücke zu lassen. Es stellte sich als notwendig heraus, den Ein- ; N) ‚Edinger, L., Zur Methodik in der Tierpsychologie. I. Der Hund H. Zeit- ; Für * Psychologie Bd. 70, S. 103. Leipzig 1914. ei n: 178 | G. Dennler, Zur Methodik in der Tierpsychologie. fluß des Gefühls im Ablauf zwischen Reiz ,und Reaktion zur ellung 2 kommen zu lassen. Soll schließlich neben. den Fähigkeiten des Tieres seine individuelle Eigenart gesondert beleuchtet werden, so sind wir gezwungen, der Eldinger’schen Disposition noch einen ganz neuen Abschnitt hinzuzufügen, der sich speziell mit "Temperament und Stim- 4 mung befaßt. u ‘Die individuelle Eigenart scheint wesentlich bestimmt zu sein durch das Temperament, das wir als das Tempo der Gefühlserreg- barkeit definieren wollen. Wir können demnach ein leicht beweg- liches und ein schwer bewegliches Temperament unterscheiden. Diese Unterschiede des 'Temperaments kennzeichnen das Individuum im Gegensatz zu anderen Individuen der gleichen Art. Nun ergibt sich aber bei planmäßiger Beobachtung, daß die Gefühlserregbarkeit auch beim einzelnen Individuum jeweils in Abhängigkeit von den ver- schiedensten äußeren und inneren Umständen wechselt. Dieser © 7 der „Stimmung“ zum Ausdruck kommende Wechsel scheint oft. | Widerspruch mit dem Temperament zu stehen. | ; Psychologische Monographie des Pferdes 6. Im Laufe von zwei Jahren habe ich das Pferd G., bei der Über- nahme jährige, braune Stute, mittelgroß, sehr gut gebaut, ungarisches ‚Halbblut, genau beobachtet, so daß ich einerseits kaum mehr neues an ihr entdecken kann, andererseits beinahe unter jeder Bedingung, in die das Pferd gebracht wird, voraussagen kann, wie es sich ver- halten wird. Ä | 4 \ | Die systematische Beobachtung und Aufzeichnung seines Benehmens in den zu- ; fälligen Lagen, in die das Tier. kam, mußte ich, "um Klarheit zu gewinnen, manchmal 1 experimentell erweitern. Im großen Ganzen suchte ich jedoch immer möglichst natür- liche Verhältnisse zu schaffen, denn unter diesen sind die Reaktionen am wenigsten verfälscht, und der Beobachter unterliegt in viel geringerem Maße der Täuschung als ! bei Experimenten, bei denen das Tier in vollkommen neue Lagen gebracht wird und y entweder hilflos dasteht oder uns vor ein Rätsel stellt, wie die sogenannten klugen 3 Pferde“ von v. Östen und Krall es getan haben. Die Ansprüche, die an diese Tiere ” gestellt wurden und werden, fallen vollkommen aus dem Rahmen des Natürlichen her- aus. Wollen wir diesen hohen Ansprüchen gerecht werden, so müssen wir auch mit EB entsprechend feinen Untersuchungsmethoden arbeiten. Durch eine zu verwickelte Frage- stellung oder Untersuchungsmethode aber werden wir oft genug irregeführt. Es ist daher für die Methodik der Tierpsychologie dienlicher, vorerst hinreichenden Aufschluß über das natürliche Verhalten der betreffenden Tierspezies zu gewinnen. Dazu soll diese Monographie beizutragen versuchen. a. 1. Receptiones et uf. Die Rezeptionen sind meist einfacher Art. Das Tier sieht oder riecht sein Futter, hört ein anderes Pferd wiehern, empfindet den ” Druck des Harns auf die gefüllte Blase. Die ausgelösten motus je- doch sind oft recht kompliziert, wie z. B. der richtig koordinierte Ge brauch der Muskeln beı der OT im Schritt, ‚Trab und Galopp. Rx; @G. Dennler, Zur Methodik in der Tierpsychologie. 479 Die Rezeptionen, welche das Pferd durch seine Tastempfindungen ‚des Hufes erhält, üben einen unmittelbaren Einfluß auf die Gangart aus, Auf hartem Boden, namentlich gepflasterten Straßen, vermeidet das Pferd, unabhängig von jeder Beeinflussung durch den Reiter, ‚schnelle Gangarten; "auf. Rasen dagegen fällt es leicht ın Galopp. Sowie jedoch der Untergrund zu weich wird (Morast oder tiefer Sand), ‚bewegt sich das Tier wieder im Schritt. - Die andressierte durch Zügel- und Schenkeldruck ausgelöste endung unterscheidet sich ganz wesentlich von der natürlichen. Efherließ. ich G. sich selber beim Einbiegen von der Straße in den Hof, so machte sie stets einen großen :Bogen, der einem Kreise von ‚mindestens 6—7 m Radius Shlspräch. niemals aber eine kurze Wen- dung, wie sie sie doch von der Zügelführung her gewohnt war. Beim euheuen ee führte sie die kurze Wendung auch spontan aus. { | 2. Gnosien. E: . ...a) Olfaktorische, Einen fremden Stall, einen neuen Hof betrat G. immer nur mit weit: vorgestrecktem Kopfe, stark geblähten Nüstern, die Luft deutlich e: einsaugend. Die Naseneindrücke waren ıhr dabei offenbar am wichtigsten. Denn es schien kaum.von Einfluß zu sein, ob der Stall, die Toreinfahrt dunkel oder hell war. | Bereits 150 m vor einer Stelle, wo Eingeweide eines etwa 14 Stunden vorher verendeten Rindes lagen, die bei der herrschenden Hitze (Monat August) bereits in Verwesung übergingen, begann die "Stute zu schnauben und ihren Schritt zu verlangsamen. Durch dieses "Gebaren aufmerksam gemacht, sog ich selber prüfend die Luft ein, "konnte aber beim besten Willen nichts riechen. Erst etwa 20 m vor der Stelle erkannte ich den Grund für das Benehmen des Pferdes. "Sehen konnte ich immer noch nichts, denn es war ziemlich dunkel.. In dem Augenblick, als für das Tier zu der olfaktorischen auch noch die optische Wahrnehmung hinzutrat, prellte es jäh zurück, den Kopf starr nach der Stelle, wo die Därme lagen, hingewandt. - — G@. war gewohnt mit meinem zweiten Reitpferd J. zusammenzu- ‚stehen. Wurde aus irgendeinem Grunde einmal ein anderes Pferd ? : it ıhr eek, so wurde dieses kurz berochen, dann wandte Oft habe ich es, wenn ich allein ritt, ‘erlebt, daß die Stute auf weite Strecken (200—1000 m) nach jedem. andern Pferde hindrängte, auf kürzere Strecken sich nur durch braune Ziere — ihre Gefährtin J. war auch braun — anlocken ließ, die Ent- scheidung aber, ob zugehörig oder nicht, wurde erst aus nächster N ähe mit dem Geruchsorgan getroffen. Dabei zeigte G. außer zu J. zu keinem andern Pferde irgend- welche Anhänglichkeit. Auch die vom Hunde her bekannte Fähigkeit, eine Fährte mit Fr Nase zu verfolgen, mußte die Stute in gewissem Grade besitzen, Fe | N \ 12* * DT EL MY nu T EU, El. Es 480 G. Dennler, Zur Methodik in der Tierpsychologie. denn sie wandte sich in Fällen, in denen ich J. hatte irgendwohin auf 3—400 m vorausführen lassen, so daß sie nicht zu sehen war, selbst dann nach der richtigen Seite und ging ihrer Spur mit ge- senktemKopfe nach, wenn wir gerade ın entgegengesetzter Richtung auszureiten gewohnt waren. [Über die Windrichtung habe ich in diesem Protokoll leider keine Notiz gemacht.] Vor auf dem Rasen ausgebreiteter Wäsche scheute G., sobald sie ıhrer ansıchtig wurde, immer bereits aus proßeronn Zwang ich sie trotz ihrer Se dicht an die Wäsche heranzutreten, so wurde diese einen kurzen Augenblick beschnuppert, dann ging das Tier voll- kommen ruhig daran vorbei. ‚Bot ich ihm zu dieser olfaktorischen Prüfung keine Gelegenheit, so blieb die Scheu in vollem Umfang erhalten, auch wenn ich 10—15 mal im Abstand von wenigen Metern vorbeiritt. h Das Pferd scheute vor Kuhdünger, der auf einem Stoppelfelde fleckweise ausgebreitet war. Um zu prüfen, ob der optische oder der olfaktorische Eindruck das Scheuen verursachte, ritt ich über ein ın der Nähe laufendes Schmalspurbahngeleise, sodann über Sturzacker, der eben gepflügt war und infolgedessen ebenso wie die Dungplätze, fürs Auge ganz erheblich von den Stoppelfeldern abwich. Nirgends ein Scheuen! Zurück zu dem Kuhdünger, sofort wıeder diealte Angst. Demnach mußte wohl der olfaktorische Reiz die Scheureaktion aus- gelöst haben. FHRRN Eine Zeitlang ritt ich häufig nach einem Schlachthof. Bei An- näherung gegen Wind wurde die Stute jedesmal bereits in einer Ent- fernung von etwa 250 m unruhig und weigerte sich vorwärts zu gehen. Bei Annäherung mit dem Wind konnte ich ruhig bis etwa 20 m vor die Einfahrt reiten, dann erst begann G. zu stutzen und zurückzu- weichen. Da der Schlachthof ganz frei lag und auf weite Entfernung gesehen werden konnte, wir uns außerdem immer von der selben Seite näherten, bot der optische Eindruck keine Anhaltspunkte für das verschiedene Verhalten, wohl aber der olfaktorische unter Berücksich- tigung der Windrichtung. Ich konnte auch nie eine Gewöhnung er- zielen, ‘obwohl dem Pferde selber im Schlachthof nıe etwas Unange- ° heller geschah. A Bei der Unterscheidung unmittelbar vors Maul gehaltener Gegen- 2 stände, ob freßbar oder nicht, spielt die Nase nächst der tastenden i Oberlippe die Hauptrolle. Holz, Seife, Papierknäuel, Tuchstückchen ; wurden stets nach kurzer Geruchs- und Oberlippenprüfung abgewiesen. Vor Brandstellen scheute G. selbst dann, wenn sie, durch Büsche | verdeckt, fürs Auge gänzlich unbemerkbar waren. b) Akustische. In den Fällen, in denen die Nase nicht zur N; > heran- zogen werden konnte, also z. B. bei größeren Entfernungen und un- günstigem Winde, kam an nächster Stelle immer das Ohr. Befand D Fir Be ., Be! .& Dennler, Zur Metkodik in der Tierpsychologie. 181 rıYy ä ’ BR Ya "sich J. nicht bei G., so wieherte G. laut und horchte dann mit hoch- erhobenem Kopfe und steif abwechselnd nach vorn und hinten ge- richteten Ohren, ob von irgendwoher Antwort erschallte. In dem _ verschiedenen Benehmen, je nachdem ob die Antwort auf das Wiehern - von ihrer Gefährtin J. oder einem anderen Pferde herrührte, haben wir einen Anhaltspunkt erstens dafür, daß offenbar eine bestimmte Antwort erwartet wurde, und zweitens, daß anscheinend die Stimme - Js von der Stimme irgendeines anderen Pferdes genau unterschieden _ wurde. Ein Beispiel: Mein Bursche war mit J. bereits ins neue Quartier vorausgeritten. Ich wußte selber nicht, in welchem Stall mein zweites Pferd untergebracht war. Bei - der Ankunft im Orte fing G. an zu wiehern. In einem nahen Stall antwortete ein ' Pferd. Ich führte G. auf den Stall zu; sie wieherte wieder und hielt mit gespitzten Ohren im Gehen inne. Abermals dieselbe Antwort. Sofort wandte sich die Stute ab. Ich legte ihr nun die Ziel über den Hals und ging, ohne sie zu berühren, oder zu - beeinflussen, neben ihr her. Sie schritt von dem Stall, an den ich sie geführt hatte, weg und begann von neuem, diesmal ganz‘laut, zu wiehern. Nach mehrfacher Wieder- rolunz hörte man in etwa 60 m Entfernung die von der Natur schwache Stimme J.s. 6. ging sofort, nur noch unterdrückt wiehernd, auf den betreffenden, Stall zu, in dem = - sich, wie sich nachher herausstellte, J. tatsächlich befand. Ebenso, wie dıe Stute die Stimme ihrer Gefährtin von anderen Pferdestimmen unterschied, unterschied sie auch meine Stimme von - der fremder Menschen. Ich konnte zu jeder Tages- oder Nachtzeit ın - oderan den Stall treten; sobald ich G. anrief, antwortete sie prompt mit kurzem, nicht sehr a meist dreimal wiederholtem Wiehern. "Nicht so, wenn Fremde sie anriefen. E Das "Anrufen des Pferdes konnte mit jedem beliebigen Namen geschehen; es reagierte immer; also nicht auf das Wort als solches, 4 sondern auf den Klang der nie, ‘Beim Überspringen von Hindernissen und Gräben habe ich G. jedesmal „hopp“ - zugerufen. Sie scheint aber dieses „hopp“ gar nicht agnostiziert zu haben, denn über "kleine Pfützen schritt sie ruhig hinweg, ohne zu Bus auch wenn ich „hopp“ sagte. Ich habe das Tier dressiert auf „bitte bitte“ mit dem rechten Vorderfuß zu _ scharren. Das ist nicht schwer, da hungrige Pferde auch spontan scharren. G reagierte richtig, auch wenn ich ihr keinen Leckerbissen vorzeigte bezw. gab, auch wenn sie eben erst gefressen hatte. Sie scharrte aber auch, wenn ich zu ihr mit Brot hintrat, ‚ohne zum „bitte bitte“ aufzufordern. Die festgewordene Praxis erfolgte also auch auf optische Reize. Beim Antraben schnalzte ich regelmäßig mit der Zunge. Die ursprünglich mit- _ wirkende, treibende Schenkelhilfe schaltete ich später ganz aus und trotzdem fiel G. auf das Schnalzen hin von selber in Trab und zwar auf jederlei Boden. 4 - Als ich die beiden Reitpferde im Winter in den Schlitten. einspannte, trieb ich ‚sie, an die Peitsche greifend, zum schnelleren Gehen an und begleitete die Bewegung "immer mit einem scharfen „sssss“. Nach kurzer Zeit genügte für G. das „ssss“ allein schon zum Antreiben, während J. immer erst in Anlehnung an G. ihr Tempo änderte. Die Verlangsamung des Tempos, die ich mit dem Zügel erwirkte, begleitete ich regel- mäßig mit einem nicht allzustarken „schschschsch“. Bald verlangsamte G. das Tempo auchohne Zügelwirkung auf das bloße „schschsch“ hin. Diese beiden Laute ‚„ss“ und „schsch‘“ unterscheiden sich ja wohl nicht allzustark voneinander, und doch udn sie von G. ganz genau auseinandergehalten, indem jeweils die verlangte richtige Praxie 189 G. Dennler, Zur Methodik in der Tierpsychologie. Das Studium der „akustischen Wortgnosie“ (Edinger, l.c. 8. 110). hat also lange nicht den Erfolg gehabt, den Edinger mit seinem Hunde H. erntete. Mit Ausnahme des zuletzt Angeführten hat G. kein Wort als solches soweit agnostiziert, daß sie unbedingt mit der verlangten Praxie antwortete. Im Laufe der Zeit hat sich das Pferd an die vielen Detonationen im Felde gewöhnt. Es zuckte nur noch bei ganz nahen und starken Schüssen zusammen. Als aber eines Abends in unserer unmittelbaren ‘ Nähe eine Fliegerbombe explodierte, da reagierte von diesem Augen- blick an das Tier an diesem und auch noch am fogenden Tage auf ° jede Art von Detonation, auch wenn sie noch so entfernt war, mit schreckhaftem Zucken; ja selbst auf das Knattern weit entfernter Ma- schinengewehre, deren Klangcharakter doch ein ganz anderer ist. Durch den Sattel hindurch war dabei deutlich der pochende Herzschlag zu spüren. Ich habe oft behaupten hören, daß Pferde ein „Gefühl“ für mu- sikalischen Rhythmus besitzen, konnte aber bei genauester Beobach- tung nie eine Reaktion auf Musik feststellen. Und trotzdem habe ich mitreitende Kameraden öfter verblüfft, indem ich mein Pferd im Takt nach der Musik treten ließ. Bei der Feinheit der Tastempfindungen meiner Stute gelang das ziemlich leicht. Die Musik aber übte dabei nicht den geringsten Einfluß aus; denn sowie ich mit meinen „Hilfen“ aufhörte, fiel G. auch sofort aus dem Takt. Auch sonst habe ich nie ° beobachtet, daß G. nach irgendwelcher Musik hinhörte, trotzdem ich. ° in ihrer Nähe mit allen möglichen Instrumenten (Mundharmonika, E Violine, Mandoline) „musizieren“ ließ. Über die viel-besprochenen Reaktionen der Kavalleriepferde auf Signale konnten ° keine Erhebungen angestellt werden, da seit 1909 nach dem neuen Exerzierreglement für die Kavallerie im Felde keine Signale mehr geblasen werden, weil man die Truppe verrät, und Mißverständnisse mit Nachbarformationen zu befürchten sind. Wenn die Stute ein Nachbarpferd harnen hörte, stellte sie sich sofort auch zum Harnen an, auch wenn kein Drück auf. die Blase diesen Motus auslöste, denn die entleerte Harnmenge war häufig nur eine geringe, aha spontan immer viel mehr Harn entleert wurde. i Um dieses Harnen zu erklären, scheint es notwendig, daß das Pferd den sen- ” Di ae ey siblen Reiz, der von der Änderung des Füllungszustandes’ der Blase ausgeht, mit dem akustischen Eindruck des auffallenden Harnstrahles in Verbindung bringt, mit anderen ' Worten, daß die beiden aufgenommenen Rezeptionen, die akustische und die sensible. } assoziiert und agnostiziert werden. Dieses selbst verursachte Geräusch muß dann ferner mit dem Geräusch des Urinierens eines anderen Pferdes verknüpft sein, damit jenes als - Reiz zur Auslösung des Harnens dienen kann, selbst wenn ein ausgiebigen Druck auf die Harnblase als „receptio“ fehlt. Die Wirksamkeit eines optischen Reizes kann des- halb ausgeschaltet werden, weil der gleiche Erfolg hervorgerufen wurde, wenn ich einen Wasserkran aufdrehte und das Geräusch des auffallenden Harnstrahls möglichst natur- getreu nachahmte. Bei diesem Experiment ist der Geruchsreiz natürlich ausgeschaltet und dürfte daher auch für die Fälle, wo das Harnen anderer Pferde ein Harnen des Versuchstieres auslöste, nicht unbedingt notwendig sein. h Durch das übliche Pfeifen, womit Pferdekenner ihre Tiere zum Urinieten veran- lassen wollen, habe ich das Harnen nie auslösen können. 3 Se N ; 2 is NIRTTEn, BIN e, 3% Dennler, Zur Methodik in der Tierpsychologie. 183 Das Scheuen vor Autos ist für ein Pferd in den Augen des - Kavalleristen „Ehrensache“. Meine Stute hat dieser Anforderung red- - lieh Genüge getan. Vor Personenautos zwar, die mit geschlossenem - Auspuff fuhren, scheute G. fast nicht, bei offenem Auspuff aber bei- - nahe regelmäßig. Vor den Lastwagen, die ja einen noch wesentlich - stärkeren Lärm vollführen, scheute das Tier durchweg. Ahmte ich - im Stall das rein akustisch betrachtet ganz unverfängliche Geräusch des Gasauspuffs eines Motors nach, so wurde G. sofort unruhig und 3 horehte gespannt. E Vor dem Rattern einer uns durch Gebüsch verborgenen Autokolonne geriet sie in helle‘ ‚Aufregung. Eine andere Kolonne hingegen, deren Rattern uns infolge: ungünstigen "Windes und der beträchtlichen Entfernung von 800 m nicht erreichte, wurde einen kurzen ‘Augenblick mit hocherhobenem Kopf angeschaut, dann weiter nicht mehr beachtet. ‘Vor Fliegern, die sie lediglich hörte, zeige G. dieselbe Angst wie vor Autos. ; F Die angeführten Beobachtungen und Versuche machen es sehr 4 E e. F E: wahrscheinlich, daß es hauptsächlich der akustische Reiz ist, der das Scheuen vor Autos auslöst. . c) Sensible. a Die Tastwahrnehmungen spielen für das Pferd an sich sowohl wie für seine Verwendung als Reittier eine große Rolle. Die meisten ; unserer! sogenannten Hilfen, Schenkeldruck, Zügel, wenden sich an die Tastsensibilität des Tieres und nen die Einübung einer Ver- "bindung zwischen: der Tastwahrnehmung und dem vom Reiter ver- "langten Ziel. G.hatte ein sehr „weiches Maul“, d. h. sie reagierte auf die leiseste Zügelführung. - Man muß jedoch in der Reaktionsweise einen Unterschied machen, der an und 3 für sieh mit der Tastempfindlichkeit des Tieres nichts zu tun hat, für den gewünschten Erfolg aber von außerordentlicher Bedeutung ist. Fiel die Absicht des Reiters mit einer Praxie des Pferdes zusammen, z. B. beim Einbiegen in den Heimweg, so genügte ‚ein ganz geringer Zügeldruck, um die gewünschte Wendung herbeizuführen. Im um- # _ gekehrten Fall, also z. B. beim Abbiegen von einem gewohnten Weg, mußte der Zug um so stärker sein, je größer der Widerstand des Pferdes war. Es ließ sich da eine - Reihe von Nüancen feststellen, deren Zahl durch die „Stimmung“ des Pferdes noch _ vermehrt wurde. f Be Gegenstände, die dem Be neu waren, wurden, sofern sie kein - Scheuen bewirkten, stets mit der Oberlippe untersucht Die Oberlippe | ‚ tastete ‚vorgehaltenes Papier genau ab, suchte ee Brotkrumen 4 im iter befanden, aus; ja sogar feine Nadeln und winzige Draktstück- e Ehen, die Versuchsweise dem Futter beigemengt worden waren, wurden E so Bein Fressen vermieden. Der Tasteindruck der Oberlippe spielt also, auch bei der Entscheidung, ob freßbar oder nicht, eine außer- ordentliche Rolle. Bi G. verband anscheinend mit empfangenen Tast- und Schmerzeindrücken vielfach meine Person. Ich hatt@ mehrmals versucht, durch den leichten Schlag einer Gerte auf den - Vordermittelfuß Ihr das Niederknien beizubringen, mußte aber die Absicht bald wieder aufgeben, weil die Stute sich so sehr aufregte. Zeigte ich später nur mit einem Bi: Stock nach ihrem Vorderfuß, so begann sie sofort wieder aufgeregt hin- und herzu- treten. Tat aber eine andere Person, z.B. mein Bursche, unter genau denselben Ver- 184 G. Dennler, Zur Methodik in der Tieres sn ue 2 ; Be | er suchsbedingungen dasselbe, so fing G. ohne irgend ein Zeichen der Unruhe Fr an den Stock zu beriechen und mit der Oberlippe abzutasten oder ihn zu beknabbern. d) Statische. Als ich die Stute übernahm, gelang mein erster Versuch aufzu- sitzen, zwargut. Sie ließ mich ruhig in den Sattel sitzen, fing dann aber sofort an zu steigen und durchzubrennen, natürlich in der Richtung ihres früheren Stalles. Nach etwa 150 m hatte ich sie zum Halten gebracht. Um ihr das Steigen abzugewöhnen, wandte ich ein alt- erprobtes, allerdings nicht ungefährliches Mittel an. Auf einem san- digen Platz riß ich sie, als sie stieg und eben senkrecht hochstand, nach Ballen über und sprang selber i im gleichen Moment ab. Sie aherschlug sich nach hinten, wobei siesich nicht nur sehr weh tat, sondern auch noch von mır Hi der Reitpeitsche gestraft wurde; von diesem Tag an stieg sie nur noch selten. Aber dieser Erfolg hielt nur vor, so lange ich selber oben saß. Sowie ein anderer sich in den Sattel setzte, und ich nicht dabei war, stieg sie sofort und versuchte den Reiter . nach allen Regeln der Kutat abzuwerfen. j Was die Stute nach dem geschilderten Abgewöhnungsversuch vom Steigen abhielt, war nicht allein die Schmerzempfindung, denn bevor ich sie RN war sie wegen des Steigens von ihrem früheren Herrn vielfach schwer bestraft worden, aber ohne bleibenden Erfolg. Das Hintüberwerfen brachte ein Neues, für das Pferd jedenfalls viel Unangenehmeres, zur Empfindung, das Gefühl des verlorenen Gleich- gewichts. Mi Daraus erklärt sich dann auch das gegenüber anderen Pferden gerade ni Verhalten: Die meisten Pferde steigen nur dann, wenn sie sich auf die Zügel stützen können, G. aber ließ beim ‚Anheben zum Steigen sofort nach, wenn ‚ich die Zügel straff zog. Nachdem G. das Umchangieren im Galopp Oreene vom Rechts- in Linksgalopp und umgekehrt) mittelst Zügel-, Schenkel- und Sitz- hilfen erlernt hatte, genügte allein schon die Sitzhilfe, d. h. die Gleich- Sewichtsverschiebung des Reiters, um das ovrinsdhes Umchangieren zu erzielen. G. muß also die die andern „Hilfen“ nur begleitende Gleichgewichtsverschiebung mit den andern Hilfen“ zu einer Einheit verknüpft haben, damit die Verschiebung allein denselben Erfolg hatte wie die Hilfenkombination. | Bog ich von einem geradlinig verlaufenden, dem Pferde bekannten \ Wege querfeldein ab und kehrte, nachdem ich eine kleine Schleife geritten, am selben Punkt oder in einiger Entfernung auf den Hauptweg Burke und überließ nun wenige Schritt, bevor der Hauptweg wieder erreicht wurde, der Stute die Zügel, so verfolgte sie meist auf dem Hauptweg die Korler eingehaltene Richtung weiter. Wenn sie jedoch R schon lange unterwegs und infolgedessen offenbar,müde war, zog sie immer den Heimweg vor. . | Sehr unerwartet waren mir die Ergebnisse, die sich ba der Prü- fung des Orientierungsvermögens herausstellten. Auch in solchen Zur Methodik in der Tierpsychologie. 185 Ballen ı öhinlich: erkannte das Pferd die Richtung nach dem Stall, in denen es auf Umwegen in ganz fremde Gegend gebracht wurde und _ nun nicht mit Hilfe der optischen und olfaktorischen Eindrücke den - Heimweg wiederfinden konnte. Ein Beispiel: Nach dem wir in einer vollkommen neuen Gegend angekommen waren, ritt ich mit G. bei Nordostwind vom Quartier N. nach dem 3 Km. entfernten ' Orte W. in direkt nördlicher Richtung; von W. in westlicher Rich'ung nach nach E, -* Auf dem Marktplatz in E, überließ ich G. die Zügel und erwartete, daß G., die opti- BE schen und olfaktorischen Eindrücke des Weges N.—W.—E. in umgekehrter Reihenfolge wieder benützend, über W. zurückkehren würde. Statt dessen schlug sie den ihr wie mir unbekannten Weg von E, direkt südöstlich nach N. ein. Im ganzen wurden 34 Versuche dieser Art ausgeführt. Den strengsten Anforde- _ derungen genügen davon jedoch nur 7 und zwar diejenigen, bei denen das Tier sich in ‚unzweifelhaft fremder Gegend befand und nun hier zum ersten Mal ausgeritten wurde- - Beim Versuche mußte in erster Linie der Weg, auf dem die neue Ortsunterkunft er. "reicht worden war, vermieden werden, denn den kannte ja das Pferd. Infolgedessen blieben meist nur noch ein oder zwei Ortsausgänge übrig, die benutzt werden konnten, und die waren in der Regel mit dem ersten Versuch erschöpft. Bei den weiteren "Versuchen, die ich nicht für völlig beweisend halten kann, war dem Pferde nur die erste Wegstrecke unbekannt, die es zurücklegte, nachdem ich die Zügel freigelassen "hatte und mich nun jeder Beeinflußung enthielt; dann aber mußte es auf einen wenigstens einmal schon von ihm begangenen Weg kommen. Von den unter strengsten Bedingungen angelegten Versuchen - mußten zwei unvollendet abgebrochen werden; drei brachten ein "Resultat im Sinne des eingangs erwähnten Beispiels, daß nämlich das a _ Pferd auf der Sehne des vorher gerittenen Bogens das Quartier auf- "suchte; zweimal kehrte es auf dem Wege zurück, auf dem es aus 3 n dem Quartier hergeritten worden war. Unter EN 27 weiteren, nicht $ völlig beweisenden Versuchen wurde zwölfmal die direkte Richtung nach dem Stall eingeschlagen; fünfmal kehrte das Pferd auf demselben Wege zurück, auf dem es eben herkam, und der in keinem Falle der kürzeste war. Zehnmal endlich konnte Mer Versuch überhaupt nicht ‘zu Ende geführt werden, sei es weil das Pferd irgendeinem fremden ‘ f Pferde. nacheilte, und von mir, weil wir uns dadurch zu weit vom F Eojnerlier entfernten, angehalten EReIG: sei es weil es zufällig ein an- Bi; weiteres anschloß, oder endlich weil infolge plötzlich eingetretener 5 Gefahr (Pliegerangrif, Feuerüberfall) der Versuch abgebrochen werden E mußte. a Einen weiteren, wohl noch komplizierteren Beitrag | zum Orien- ü tierungsproblem ee: die folgende Beobachtung. Unmittelbar hinter ® Pen IR Sgens unseres Saguarhpre ın Rußland teilte sich der [; ingere Tour anschloß: halbrechts nah Ö., von wo ich fast: immer "Male et unmiktelbar zurückkehrte N eh diese Anordnung mehrere rec dern Zügeldruck nach links setzte sie ganz EA ulkhen Wider- ‚stand aa Hi Beschaffenheit beider Wege war aagb schlecht, 186 G. Dennler, Zur Methodik in der Tierpsychologie. LET BE | | \ sandig, so daß dadurch kein .unmittelbarer Anlaß zur Wahl gegeben ‘war. Auch sonst war nichts festzustellen, was ein Drängen. nach Rechts beziehungsweise ein Meiden der linken Seite hätte erklären können. Im Herbst wurde der Weg nach O. in seinem Endstück sumpfig, so daß man: ihn nur mit Mühe passieren konnte. Drei Tage hintereinander war G. in diesem Sumpfstück bis über die Fesseln eingesunken und hatte sich nur schwer hindurcharbeiten können. Jetzt trat das Unerwartete ein, daß G. am vierten Tage den Weg nach M., den sie vorher immer gemieden hatte, vorzog und freiwillig einschlug und auch an den folgenden Tagen dasselbe Verhalten N \ e) Optische. | | Es ist bereits mehrfach erwähnt worden, daß die Stute meine Person von anderen unterschied. Ob es rein optisch geschah, habe ich nicht mit Sicherheit ermitteln können. Der akustische Eindruck war leicht zu vermeiden, indem ich nicht sprach und über Torfstreu ging, so daß kein Genese gehört werden konnte. Versuche, die olfaktorische Wahrnehmung auszuschalten, indem ich dem Tier eine Pferdegasmaske aufsetzte, scheiterten an der Aufregung, in der sich das Tier dann stets befand. Sicher ist, daß der Stute der optische Eindruck nicht genügte; denn ich kam häufig im weißen Operations- mantel, der mich fürs Auge auf weite Entfernung von anderen Personen unterschied, da sonst niemand in der Umgebung einen weißen Mantel trug; G. aber gab erst Zeichen, daß sie mich erkannte, wenn ichmit ihr sprach oder auf wenige Meter herangekommen war, so daß der Geruchssinn wieder mitwirken mußte. Ebenso gab sie sichere Zeichen, ihre Gefährtin J. erkannt zu haben, erst auf akustische oder olfaktorische Eindrücke hin. Immerhin schien die Stute die Farbe J.’s als Anhaltspunkt zu benützen, denn auf Strecken über 200 m drängte sie, wenn J. nicht bei ihr war, nach jedem Pferd, ob Schimmel, Rappe Fuchs oder Braun; auf zero Strecken aber versuchte sie sich nur Dunkelbraunen (die Farbe J.’s) zu nähern. Wie trügerisch offenbar bei meinem Pferde oft der optische Ein- druck war, zeigt die Tatsache, daß es in der Reitbahn die hellen Sonnenflecke als Hindernis überspringt, Nur in einem Punkte scheint das Gesicht eine außerordentliche | Rolle zu spielen, bei der Wahrnehmung von Veränderungen auf ge- wohnten Wegen, sofern zu dem gewohnten Anblick neue auffallende Gegenstände hinzukamen. Es ist geradezuu erstaunlich, wie G. jede kleinste Änderung in der Beschaffenheit des Bodens, den sie tags zu- vor begangen hatte, erspähte. Lag da ein weißes Stück Papier, das tags zuvor noch nicht dagelegen hatte, oder ein zerschlagener Teller oder ein abgebrochener Zweig, G. wurde sicher auf 3—8 m davor aufmerksam und suchte das Ding, ihre Scheu durch Schnauben zeigend, 5 zu umgehen. Die Scheu vor Veränderungen ging sogar soweit, daß G. vor Gegenständen, die sie ganz gut kannte, stutzte, wenn a an F einem andern, als dem gewohnten Platze standen, | x EN ne un ni U Dennler, Zur Methodik in der Tierpsychologie. 487 u So fürchtete die Stute sich eines Nachmittags bei der Heimkehr vor dem ihr be- kannten Stalleimer, der ausnahmsweise nicht innen im Stall, sondern außen seitlich vor der Stalltür stand. Es war also nicht der Gegenstand an sich, der zum Scheuen Anlaß gab, sondern sein Vorhandensein in einer Umgebung, in der er sonst nicht stand, die also durch ihn eine merkliche Veränderung erfuhr. Vor besonders auffallenden Dingen, wie z. B. vor einem frischen Baumstumpf, einem mit Rädern nach oben im Straßengraben liegenden _ Wagen, einem weiß gestrichenen Stein, vor Wäsche, die auf dem - Rasen ausgebreitet lag, scheuteG. auch auf ihr bis dahin unbekannten 4 Wegen, aber nicht vor Kleinigkeiten, ‘wie sie oben angeführt waren. Die Grenze ist allerdings schwer zu ziehen. 1 Ganz bestimmte Punkte merkte sich das Pferd anscheinend rein - optisch. Auf dem Heimwege pflegte ich oft noch einen seitwärts ge- - legenen Ort zu besuchen. Sobald wir nun in die Nähe der betreflen- ® den Wegkreuzung kamen, fiel G. meist 60—80 m vor der Ecke ın 4 Galopp, meines Erachtens nur, um ein Einbiegen in den Seitenweg _ zu erschweren und sich den Umweg zu sparen. 4 Als ich in Frankreich eine Zeitlang das Springen planmäßig be- trieb und zum Sprungplatz immer an einer bestimmten Stelle vom Weg abbog, da sträubte sich das Tier am dritten Tage, an der be- _ treffenden Stelle den Hauptweg zu verlassen und wiederholte diesen Widerstandsversuch noch lange fast täglıch. “ a a a BEE EL Dun Pe Zn KERN Bias tn , # ar A P 2 b f) Gustatorische. 2 ellungen darüber konnten’ nur wenige gemacht werden. G. “fraß alles, was man ihr vorsetzte, wenn »es die Prüfung durch Nase und Oberlippe bestanden hatte. Wir Menschen pflegen ja von vorn- ‚herein auch die Zunge zur Prüfung heranzuziehen. Hatte G. einen Gegenstand durch die Nasen-Oberlippenprüfung als ungenießbar ab- gewiesen, und ich steckte ıhn ihr trotzdem gewaltsam ıns Maul, so fing sie an zu kauen, ohne die eben stattgehabte Prüfung jetzt zu ‘verwerten. Erst wenn nach einigem Kauen der Gegenstand keinen adäquaten Reiz auf der Zunge auslöste, wurde er wieder ausgeworfen. ‚Allerdings biß G. von ihr neuen Dingen, z. B. von Seife, nur ein kleines Stückchen ab, während sie von Brot oder Möhren ziemlich Paroße Teile abzureißen gewohnt war, wenn ich sie ıhr gewaltsam ins . Maul steckte. Praxien. a) Neopraxien. Als ich die Stute übernahm, hatte sie bereits gelernt, auf die üb- lichen Hilfen hin die ekaliehen Gangarten auszuführen. Neue, hriertere (Galopp auf der Stelle, Travers u.a. m.) hat sie schnell gelernt, wenn ich ihre sogenannten " ehten“ Tage (vgl. Stimmungen) _ zum Unterricht benutzte. Im Winter habe ich sie zum erstenmal. eingespannt und zwar zu- sammen mit J. in einem Schlitten. Sowie das Brustblatt sich spannte, blieb sie sofort zurück und. begann hin- und herzutanzen, Sie hat | ER RE En i 488 G. Dennler, [Zur Methodik in der Tierpsychologie. ER i WIE, ; auch das Ziehen nie richtig gelernt, denn J. zog mit Feuereifer alles allein, und G. lief einfach im Geschirr daneben her. Nur auf dem Nachhauseweg legte sie sich oft auch in die Stränge. Versuchte ich sie mit der Peitsche anzutreiben, so straffte sie das Geschirr einen Augenblick, um beim Einstecken der Peitsche wieder ebenso schnell nach zulassen. Das Ziehen ist ıhr also nie zur habituellen Praxie geworden. far N Als ich das Tier erhielt, sprang es Gräben und Hindernisse ganz ausgezeichnet. Im Laufe des ersten Sommers stürzte ich mit ihm beim Sprung in einen überwucherten Sumpfgraben. Von dem. Augenblick an sprang es keinen Graben mehr. Ich hatte große Mühe ihm allmählich das Springen wieder :beizubringen. Immer wieder. stutzte es vor dem Sprung; meist mußte ich absitzen und selber vorspringen; dann gelang es oft, aber nicht immer, die Stute nachzu- ziehen. War sie aber an einem Tag 3—4mal hintereinander gesprungen, so wurde das Stutzen immer kürzer, bis es meist nach 10—12 Sprüngen ganz aufhörte. Der erste Sprung aber war nie direkt zu erzielen. Die Praxie ist also nach dem Sturz ın den Sumpf nicht wieder habituell geworden. | Wenn G. den Durchgang durch eine Pforte verweigerte, so ge- nügte es meist ein anderes Pferd vorausgehen zu lassen, oft auch, wenn ein Soldat zu Fuß vorging, um ihr Eintreten zu erzielen. Viele Praxien sind insofern nicht zu habituellen geworden, als, sie an meine Person gebunden waren, z. B. das Wiehern zu meiner Begrüßung, wo ich meist einen Leckerbissen mitbrachte. Mein Bursche, der das Pierd doch regelmäßig fütterte, wurde nicht oder nur selten mit Wiehern. begrüßt. | Daß auch ein Teil des Scheuens, von manchen „mutwilliges“ Scheuen genannt, hierher gehört, beweist der Umstand, daß G. oft vor Dingen, an denen sie kurz zuvor ganz ruhig vorbei gegangen war, Seitensprünge machte, sobald ich inzwischen von ıhr irgend etwas, was ‚ihren Widerstand erregte, verlangt oder sie irgendwie bestraft hatte. So hatte sie eines Tages kaum Furcht vor Autos gezeigt — sie war sehr müde —; J. kam anfangs unmittelbar hinter ihr; später blieb mein Bursche mit J. hinter der ganzen Schwadron zurück. Als G. sich plötzlich umdrehte und J. nicht mehr wahr- nahm, fing sie an zu tanzen und sich ständig umzusehen. Mir wurde das‘ allmählich zu unangenehm, und ich verwehrte ihr energisch das Umsehen. Von diesem Moment an reagierte sie auf jedes Auto, jedes Motorrad, ja sogar jeden Radfahrer mit den aus- giebigsten Seitensprüngen. Durch die Strafe und die Trennung von ihrer Gefährtin war G. sehr erregt und reagierte auf alle beliebigen Reize viel intensiver in- folge der nun einmal eingetretenen Bahnung. Denn es ist nicht an- zunehmen, daß das Tier den Grund der Strafe eingesehen hätte. b) Habituelle Praxien. Die verschiedenen erlernten Gangarten sind derart habituell ge- worden, daß, wie bereits erwähnt, oft ein verschwindend kleiner Teil “der ursprünglichen „Hilfen“ genügte, die gewünschte Praxie zu er- i 22 A , BEREN “. Bikiie. Zur Methodik in der Tierpsychologie. 189 T - zielen. So changierte G. im abgekürzten Galopp lediglich auf die Gleichgewichtsverschiebung des Reiters hin sofort um (s. S. 10). Es ist bereits erwähnt, daß G. bei meinem Näherkommen scharrte. Es ist auch gesagt worden, daß Pferde, wenn man ıhnen Futter bringt, spontan scharren (ererbte Gewohnheit); das Tier mußte nun diese Praxie auch dann ausführen, wenn sie auf einen neuen Reiz hin ver- langt wurde. In Gegensatz zum Wiehern wurde diese Praxie auch jeder Person gegenüber ausgeführt, die mit irgend etwas Genießbarem zu G. herantrat. | So oft wir im Felde die Quartiere haben wechseln müssen, nach _ einem Tage bereits kannte G. ihren Stall ganz genau, denn sie bog, - sich selber überlassen, aus jeder Richtung in den Hof ein. Auch an - früher innegehabten Quartieren ging sie nicht direkt vorbei, sondern verlangsamte ihren Schritt, bog auch meist, wenn ich mich jeder Be- einflussung enthielt, in das alte Quartier ein. c) Generelle Praxien. Befanden wir uns auf einem alten bekannten Wege, so ging G. einen forschen Mitteltrab, und ich mußte immer durch Zügeleinwir- - kung die Schnelligkeit herabsetzen, mochten wir uns in Richtung nach oder von Hause bewegen. Sowie wir aber in einen fremden Weg ein- bogen, ging dasPferd langsamer und achtete mehr auf die Umgebung, - scheute jedoch’ vor Einzelheiten weniger, wie auf gewohnten Wegen, - wo jede kleinste Veränderung auffiel und vermieden wurde. Überhaupt - sind die meisten Arten des Scheuens als generelle Praxien am ehesten verständlich. Die Furcht vor Rauch- und Brandstätten ist erklärlich, _ wenn man daran denkt, wie für das Wildpferd Steppenbrände aukor - ordentlich gefährlich sein mußten, so daß rechtzeitige Flucht unbe- - dingt notwendig war. # Wenn G. in einen Bach kam, so fing sie erst an, mit den Vorder- - füßen das Wasser aufzuwühlen, dann trank sie, um nachher wieder von neuem zu plantschen. | 3 Das Wiehern im Verkehr von Pferd zu Pferd, das schon mehr- - fach genannt wurde, ist ebenfalls zu den generellen Praxien zu rechnen. Auch das Drängen nach anderen Pferden, vor allem nach - ihrer Gefährtin J., die Unruhe beim Alleinreiten und die Beruhigung, sobald J. dabei war, sind alles Ausflüsse der Eigenschaft der Spezies als Herdentiere. | E Das Benehmen in der Nähe geschlachteter Tiere und insbesondere - ın der Nähe des Schlachthofs wurde schon mehrfach erwähnt. Das Bewußtsein irgendeiner Gefahr konnte. mit dem olfaktorischen Reize "nicht assoziiert werden; denn meines Wissens hatte G. nie etwas Unangenehmes dabei erlebt, Und trotzdem wich sie der (unbekannten) Gefahr aus, die dem Wildpferde in jeder Blutstelle droht. Denn wo “ Bi ‚ist, ist auch in der Wildnis ein Raubtier, vor dem sich das Pferd 4190 G. Dennler, Zur Methodik in der Tierpsychologie. Leckerbissen habe ich G. dazu gebracht den Schlachthof zu betreten: es trat damit eine Überwindung des angeborenen Triebes, eine zentrale Hemmung ein. Das Hineingehen wurde bei gleichzeitiger Ausschal- tung bezw. Unterdrückung. der vorerwähnten ‚generellen Praxie zur Neoprazie. Temperament und Stimmung. : reagierte auf alle Einwirkungen rasch und lebhaft. 2 a | selten — es sei denn, daß sie müde war — ruhig im Stall. ‚Sie „spielte“, d.h. sie bekrabbie Holzteile, schaukelte den Flankierbaum hin und her, indem sie sich an ıhm rieb (ohne daß ıch nur die geringste Ursache eines Juckreizes hätte feststellen können); sie scharrte mit den Vorderfüßen, oder sie knıff mıt den Zähnen ıhre Freundin J. in den Hals. Auch duldete sie das Stallhalfter nur ungern, weshalb ich sie, wo es anging, in Boxen frei laufen ließ. Recht oft war das unmög- lich, dann wandte sie alle erdenkliche List an, um, das Leder abzu- streifen. Sie suchte also jede Beengung auszuschalten. War einmal die Scheu vor irgendeinem Gegenstand überwunden, so ruhte G. nicht eher, bis sie ihn aus seiner Lage herausgebracht ‘hatte. Gegenüber dem Reiter ihren eigenen Willen durchzusetzen, war stets ihr größtes Bestreben, und es hat vieler Geduld bedurft, bis die Gehorsamsfrage soweit gelöst war, daß die Stute auch hei unlustbetonten Dingen un- bedingt ihren Willen beugte. Ein fremder Reiter aber weckte stets wieder sofort ihren Widerstand. War G. igendwie gestraft worden, so zeigte sie sich danach stets sehr aufgeregt, und sie reagierte in hohem Maße selbst auf Reize, die sonst kaum eine Reaktion auslösten. In Anbetracht ihrer prompten Reaktion auf Kae Hilfen® u. s. w, und ihrer stark hervortretenden Gefühlserregkarkeik müssen wir ihr Temperament als sehr lebhaft, leicht beweglich bezeichnen. Das Tier war häufig Stimmungen unterworfen. Es hatte seine guten und schlechten Tage. In guter Stimmung bedurfte es zum Beispiel nur der Gleichgewichtsverschiebung meines Körpers, um die Stute aus dem Rechtsgalopp in Linksgalopp übergehen zu lassen. Diesen Wechsel konnte ich dann viele Male in jedem dritten oder . fünften Galoppsprunge wiederholen. Ein andermal wieder war das Pferd nur mit angestrengter Schenkel-, Sitz- und Zügelhilfe zum Um- changieren zu bewegen; und sollte sich der Wechsel gar einige Male wiederholen, so antwortete es auf jede Hilfe nur noch mit Steigen. Ich habe immer versucht diese schlechten bezw. guten Stimmungen zu ergründen, habe jedoch kaum ausreichende Anhaltspunkte finden, können. Einen nicht unmerklichen Einfluß scheint, wie bei uns Menschen; das Wetter auszuüben; denn bei gutem Wetter war G. meist auch guter Stimmung und lernte leicht und schnell Neues. Auch dem Geschlechtsleben ist sicher ein nachhaltiger Einfluß auf die | Stimmung zuzuschreiben. In der ersten Zeit der Rossigkeit zeigte die n ;” bl En Dunn Em 2 nl a 0 ) a a \ Tb a nen he Zn 2 m 4 el me G. Dennler, Zur Methodik in der Tierpsychologie. 191 Stute außerordentlich stark ihr lebhaftes Temperament, aber sie machte dann gleichzeitig einen aufgeregt abgelenkten Eindruck; so daß sie für die Dressur nicht zugänglich war. Im letzten Stadium der Rossig- keit dagegen war das Tier ungewöhnlich ruhig, „spielte“ nicht und zeigte sich sehr träge. Man kann demnach die Stimmung im. ersten Stadium der Rossigkeit sehr erregbar, im zweiten stumpf nennen. Auch wenn sie müde war, blieben selbst starke Reize wırkungs- los; so ließ G. nach langen Märschen Autos, ja sogar die unge- | heuerlich ratternden Zugmaschinen der Langrohrgeschütze, ohne sich darum zu kümmern, vorbeifahren, während sie sonst mit sehr ergiebigem Scheuen darauf reagierte. | Schluß. Die Arbeit zeigt, wie die oft recht kompliziert erscheinenden Handlungen des Pferdes auf Gnosien und Praxien zurückgeführt werden können. Aus den für die Gnosien angeführten Beispielen geht deutlich hervor, wie die Verwertung der einzelnen Sinne ver- . schieden ist, je nach der Lage, in die das Tier versetzt wird, wie aber im großen Glven Geruch, Gehör und Tastsinn alten, die op- tischen ‘Eindrücke recht unzureichend sind, sofern sie nicht in Ver- bindung mit früheren Eindrücken bei späterer Veränderung des Um- gebungsbildes von Bedeutung werden. Bei den über den Tastsinn gemachten Beobachtungen fällt insbesondere die außerordentliche Fein- heit der Tastempfindlichkeit der Oberlippe auf. Das Gebiet wird vom Trigeminus versorgt. Der Zusammenhang mit Edingers ' Oralapparat liegt auf der Hand. Eine Untersuchung des Ursprungs- und Endgebietes - dieses Trigeminusteils wäre deshalb sicher lohnend, wenn sie von der Fragestellung - ausginge, ob die Endverästelung des die Oberlippe versorgenden Trigeminusastes und sein Ursprungsgebiet tatsächlich anatomisch so mächtig ausgebildet sind, wie die Lei- stungen es erwarten lassen, und ob der sogenannte Lobus paroHactorius, in welchem Edinger diese Funktion im Großhirn lokalisiert, damit in Zusammenhang steht. Außerordentlich merkwürdig sind die Ergebnisse der Versuche, bei denen das Pferd in unbekannter Gegend das Quartier auf dem ' kürzesten, von ihm vorher nie betretenen Wege aufsuchte. Es ent- . steht zunächst die Frage: Was war der Anziehungspunkt für das Pferd? Der am Tag vorher zum ersten Male betretene Stall wohl sicher nicht, sondern die Gefährtin, welche in diesem Stalle bei den Versuchen zurückgeblieben war. Von diesem Gesichtspunkte aus er- - klären sich auch die Fehlresultate, die dadurch zustande kamen, daß - G. einem fremden Pferde, in dem es wohl die Gefährtin J. vermutete, - nachlief. Was nun die Dehlune der positiven Ergebnisse selbst betrifft, so können wir an eine analoge Tatsache beim Menschen denken. Ge- 4 Zwungen, sich in fremder Gegend allein zurecht zu finden, behalten J viele Menschen die Richtung, in der der Ausgangspunkt liegt, trotz der zurückgelegten Umwege doch derart im Kopf, daß sie sie in jedem - Augenblicke angeben können. Vermutlich dürfte bei dem Zustande- kommen dieser merkwürdigen Vorgänge das Labyrinth eine große, wenn nicht die Hauptrolle spielen. 192 G. Dennler, Zur Methodik in der Tierpsychologie, a Et Bei den auf S. 11/12 angeführten Beobachtungen ist das uns hier am meisten interessierende Problem: Woran merkt das Pferd, daß etwas Unangenehmes folgen wırd? — Offenbar befähigt die Orientie- rung im Raum das Tier zwischen dem rechten und dem linken Wege zu unterscheiden. Ob diese Orientierung mit einem einzelnen Sinnes- organ erfolgt oder durch Kombination verschiedener Sinneseindrücke, konnte ohne kompliziertere Versuchsanordnung, wie sie ım Felde leider ‚nicht möglıch war, nicht entschieden werden. Die Neopraxien geben uns in der Hauptsache Anfschluß Kan die Lernfähigkeit des Pferdes. Sıe erstreckt sich nach drei Richtungen hin: Erstens lernt das Tier natürliche Bewegungen auf bestimmte bis dahin nicht als Reiz dienende Sinneseinwirkungen hin ausführen (z. B Wiehern bei meinem Erscheinen); zweitens lernt es unter Abänderung der normal-physiologischen Bewegungen neue Bewegungformen (z. B. ab- gekürzten Galopp): drittens lernt es triebsmäßige Handlungen hemmen ‚(Überwindung der Scheu vor dem Schlachthof). Die habituellen Praxien des Pferdes entsprechen im großen Ganzen den „Automatismen“ der menschlichen Psychologie. Die generellen Praxien führen uns auf das vielumstrittene Ge- biet der Triebhandlungen. Sie umfassen auch den größten Teil der Scheureaktionen des Pferdes. Die Annahme eines Erbgedächtnisses wie es im ersten, theoretischen Teil erörtert wurde, gibt uns eine Er- klärung, warum das Pferd vor Dingen scheut, die ıhm ım eigenen Leben nie zur Gefahr geworden sind und ihm als Haustier auch tat- sächlich keine Gefahr sind. Wir kommen damit zu einer prinzipiellen Teilung der Scheureaktionen. Erstens scheut das Tier vor Gegen- ständen, mit denen es früher einmal üble Erfahrungen gemacht hat (Sumpfgraben): diese Gegenstände sind ihm ın der Tat eine Gefahr und werden als solche gemieden. Zweitens scheut das Pferd vor m Dingen, die ihm bisher nie eine Gefahr gebracht haben (Rauch, Schlachtgeruch, Auto). Wir Menschen können uns erklären, daß Schlachtgeruch und Rauch für das Wildpferd eine Gefahr in sich bergen müssen, weil Raubtiere die Reste ihres zerfleischten Opfers haben liegen lassen; sowie Steppenbrände das Leben des Wildpferdes. bedrohen. Wir sagen uns aber gleichzeitig, daß diese Gefahr, die dem Wildpferde droht, für das Hauspferd keine Gefahr mehr ist. Das Tier kann das nicht; es scheut, weil es scheuen muß. So wird es ver- ständlichh, warum das Pferd das Scheuen so schwer ablegen lernt. Es erkennt eben in den Dingen, vor denen es triebmäßig scheut, überhaupt keine Gefahr und kann infolgedessen auch nicht das Fehlen a einer Gefahr einsehen lernen. Noch etwas anders verhält es sich beim Auto. Dieses ist dem Pferde, wie uns in der Tat eine Gefahr. Man ist daher leicht; ver- sucht zu schließen, das Tier weiche dieser Gefahr aus. Wir haben jedoch gesehen, daß das Pferd nicht vor dem Auto als solchem, sondern vor dem Geräusche scheut, also nicht vor der eigentlichen Ne PD A %. %r rn Ba EIFEL * wi, wu x . Ursprung und G. Blum, Dürfen wir die Ausdrücke osmotischer Wert etc. 193 j Gefahr, sondern vor einer nur zufälligen Begleiterscheinung, wie der- ‚gleichen allerdings im Leben des Wildpferdes höchstwahrscheinlich eine gefahrbringende Rolle spielt und deshalb triebmäßig gefnieden wird. Gleich ist also für Mensch und Pferd die Gefahr, verschieden aber das an der Gefahr, was die Fluchtreaktion auslöst. ‚Von Intelligenz im strengen Wortsinne habe ich nichts bei meinem Versuchstiere feststellen können. Die Schilderung gibt also, wie wir es angekündigt haben, kein Bild der Leistungen der Pferde, sondern nur dieses einen Reitpferdes ‘ und äuch da nur für ein gewisses Lebensalter. Es fehlen alle Be- ‘ obachtungen während der Fohlenzeit und der ersten Dressur, weil ich das Pferd erst 7jährig übernommen habe. Der Zweck aber, den : Professor Edinger, als er mich zur Zusammenstellung meiner Be- - obachtungen aufforderte, gesetzt hatte, nämlich einen möglichst genauen 3 Status des Pferdes G. aufzustellen, scheint mir erfüllt zu sein, “ - E: "4 m en. Dürfen wir die Ausdrücke osmotischer Wert, osmotischer - Druck, Turgordruck, Saugkraft synonym gebrauchen? ‘ Von A. Ursprung und G. Blum, Freiburg (Schweiz). - Ist mit der plasmolytischen Methode gefunden worden, daß eine . Lösung von X Mol Rohrzucker oder ame Grenzplasmolyse _ drücken, daß sie sagen: der Turgor, die Turgorkraft, der Turgor- - druck, die Turgorspannung, der Turgorwert, die er “zenz, der osmotische Druck, der osmotische Wert, der _ Rohrzuckerwert, der Salpeterwert, die Konzentration des Zellsaftes, die Saugkraft ete. beträgt x Mol Rohrzucker oder Salpeter bezw. die entsprechende mit dem Osmometer gemessene Zahl - von Atmosphären. Wie jedermann weiß, stellen wir durch Ermittlung der Grenz- konzentration einzig fest, daß x Mol Rohrzucker den gleichen osmo- tischen Wert besitzen wie der Zellinhalt bei Grenzplasmolyse; trotz- dem wird diese Größe gewöhnlich nicht osmotischer Wert bei Grenzplasmolyse genannt. Da bis vor kurzem in der Pflanzenphysio- logie nur selten etwas anderes gemessen wurde, war es selbstver- ständlich, daß die verschiedenen Termini kaum etwas anderes als den osmotischen Wert bei Grenzplasmolyse bedeuten konnten. Zudem er- = hien, den ungeachtet hat sie, wie wir weiter unten sehen we] den, ‚schon früher zu schweren Mißverständnissen geführt. WR ' | 13 194 A. Ursprung und G. Blum, Dürfen wir die Ausdrücke osmotischer Wert ete. Seitdem wir nun versuchten für eine Zelle nicht nur den osmo- tischen Wert bei Grenzplasmolyse, sondern auch die Saugkraft und eventuell noch den osmotischen Wert bei normalem Volumen und den Wanddruck zu bestimmen, mußten wir notwendig der Terminologie mehr Beachtung schenken. Wir haben daher seit Jahren die mit Hilfe der Grenzplasmolyse direkt ermittelte Größe nur osmotischen Wert genannt, oder die Ausdrücke Salpeterwert, Rohrzuckerwert ver- wendet, welche zweifellos synonym sind und unmöglrel zu Verwechs- 1 ‚lungen führen können. Unser Ruf!) nach mehr Präzision in der Nomenklatur hat — | Höfler?) ausgenommen — nicht viel Beachtung gefunden. Kürzlich erschien sogar in einer für weitere Kreise bestimmten Zeitschrift?) » ein Referat über unsere Saugkraftmessungen, in welchem ein und die- selbe Größe nicht nur als „Saugkraft“, sondern auch als „osmotischer Druck“, „osmotischer Wert“ und „Zelldruck“ bezeichnet wird. Also an Stelle von erhöhter Präzision das Gegenteil! | Wir möchten nun im folgenden eingehender begründen, warum der Bezeichnungsweise mehr Beachtung geschenkt werden muß, indem wir untersuchen 1. welche Bedeutung wir obigen Ausdrücken bei- legen dürfen, 2. wie stark die Zahlenwerte dieser Größen vonein- ander abweichen und 3. in welchem Sinne die Ausdrücke von einigen Autoren: benützt worden sind. | | Bedeutung der Ausdrücke. 1. Wir füllen in ein Osmometer mit semipermeabler Wand eine Rohrzuckerlösung von z. B. 0,50 Mol. und setzen ein Quecksilbermano- meter auf (Fig. 1a). Bringen wir den Apperat in eine Lösung von 0,50 Mol Rohrzucker, so steht das Quecksilber im Gleichgewichtszu- stand in beiden Manometerschenkeln gleich hoch (Fig. 1a). Das Vo- ° lumen, das die Zuckerlösung im Osmometer a samt Manometer ein- nimmt, sei = 100; die Konzentration der eingeschlossenen Zucker- lösung haben wir zu 0,50 Mol. angenommen. Das Manometer zeigt im Gleichgewichtszustand den osmotischen Druck 0,0 Atm. Über- ° tragen wir das Osmometer in Wasser, so steigt das Quecksilber ım rechten Schenkel (Fig. 1a‘), Volumen und Druck der Lösung nehmen zu, weil letztere ‘so lange Wasser in das Osmometer einsaugt‘), bis diese Saugkraft durch den Druck der Quecksilbersäule gerade äquili- “ 1) A. Ursprung und G. Blum, Über die Verteilung des osmotischen Wertes 2 in der Pflanze. Ber. d. Dentsch. Bot. Ges. 1916, 34, p. 88. 2) K. Höfler, Eine plasmolytisch- volumetrische Methode zur Bestimmung des osmotischen Wertes von Pflanzenzellen. Denkschr. d. K. Akad. d. Wiss. Wien, math.- naturw. Kl. 1918, 95. ‘ A 3) Die Naturwissenschaften, 1919 p. 515. 4) Wir bedienen uns hier dieser Vorstellung, weil sie einfach und auch bei der © Zelle üblich ist; mit der physikochemischen Deutung des osmotischen Druckes steht sie in keinem Zusammenhang. Ei . ” v A. Ursprung und G. Blum, Dürfen wir die Ausdrücke osmotischer Wert ete. 195 - briert wird. Das Volumen sei im Gleichgewichtszustand auf 120 an- gewachsen; die eingeschlossene Zuckerlösung ist dann verdünnter ge- worden und auf 0,8. = 0,42 Mol. gesunken. Der am Manometer ablesbare osmotische Druck dieser 0,42-moligen Rohrzuckerlösung be- trägt 11,7 Atm.°). Im Gleichgewichtszustand ist die Saugkraft unseres "Apparates a'—=0, weil der Quecksilberdruck das Wasser ebenso stark herauspreßt als die Zuckerlösung es einsaugt. Um die Saugkraft von Apparat a zu finden, d. h. um zu ermitteln, wie stark er Wasser ein- saugt, übertragen wir ihn im Wasser und füllen gleichzeitig in den Figur 1. --.-.. a! = -- Base: 090 }=- Stel‘; Mol IE Se ee Se er2ggolldl7: Volumen = 100 Volumen =120 Volumen =110 Konzentrat. — 0,50 Mol Konzentrat. = 0,42 Mol Konzentrat. = 0,45 Mol ? | Rohrz. Rohrz. Rohrz. osmot.Druck— 0,0Atm. osmot.Druck=11,7Atm. osmot. Druck—5,9 Atm, Saugkraft —14,3Atm. Saugkraft = 0,0Atm. Saugkraft = 6,8 Atm. rechten Manometerschenkel so viel Quecksilber nach, daß Wasser _ weder aufgenommen noch abgegeben wird. Die Saugkraft der 0,5- _ moligen Rohrzuckerlösung ist dann durch den Quecksilberdruck gerade - äquilibriert und kann am Manometer zu 14,3 Atm. abgelesen werden. Dabei ist natürlich darauf zu achten, daß das Volumen der Zucker- lösung im Osmometer samt Manometer weder zu- noch abgenommen hat, weil wir sonst nicht die Saugkraft einer 0,5-moligen, sondern . die einer verdünnteren bezw. konzentrierteren Lösung messen würden. 2 Während wir in a und a’ Gleichgewichtszustände haben, stellt a‘ ein Zwischenstadium dar, das von a nach dem Übertragen in Wasser “durchlaufen wird; in a“ besteht somit kein Gleichgewicht. Es sei De. Volumen in a“ 110, dann berechnet sich die Konzentration zu D5.1% —0,45 Mol. Aus der Zeichnung ergibt sich, daß, wenn das 6: ; 5) Der osmotische Druck ist der Tabelle entnommen in Ursprung und Blum, ur Methode der Saugkraftmessung. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 1916, 34, p. 533. ru | “ 10: 196 A. Ursprung -und G. Blum, Dürfen wir die Ausdrücke osmotischer W ert et. Volumen nicht auf 120, sondern nur auf u wächst, daß dann der Druck nicht auf 11,7 Atm., Die Saugkraft des Osmometers a“ ist gleich er Saugkraft der 0,45- moligen Rohrzuckerlösung (= 12,7 Atm.) vermindert um den Eeson- druck der Onerksilbersus von 5, 9 Atm., d. h. 12,7—5,9—6,8 Atm. Überhaupt ist die Saugkraft des. Osmometers stets gleich der Saug- kraft des Inhaltes vermindert um den Manometerdruck. Statt Mano- meterdruck können wir auch Wanddruck schreiben und erhalten: Kr! —5,9 At. ansteigt. Saugkraft a w 1 at . —_ Wanddruck Osmometers Inhaltes Osmometer a 14,3. Atm. . =) 14,3: Am. 7 7 O0 Arm. Osmometer a‘ BR == 1 LTE ne Osmometer a‘ BB. 4 —. 12,1 sa a Um die Übersicht zu erleichtern, haben wir unter jedem Pant] meter die Werte für Volumen, Konzentration, osmotischen Druck und Saugkraft zusammengestellt. 3 2. Ersetzen wir an unserem Osmometer le ek Mahankerröhr 4 durch ein möglichst enges, so daß die Volumänderung beim Übertragen’ ° von 0,5 Mol Rohrzucker in Wasser vernachlässigt werden kann, so ° bleiben Volumen und Konzentration konstant. Die Verhältnisse werden dadurch bedeutend einfacher und wir erhalten, indem wir die a a’ a" entsprechenden Zustände mit b b‘ b“ bezeichnen: | | b b' Volumen —,.100 | Volumen —=..100 1: E Konzentration — 0,5 Mol. Rohrz. Konzentration = 0,5 Mol. Bahr osmot. Druck = 0,0 Atm. osmot. Druck = 14, 3 Atm. Saugkraft — 14,3 Atm. | Saugkrai = 0,0 Atm. | | e EG Volumen —.'100 | Konzentration —:.0/5- Mol; Rohrz. osmot. Druck willkürl. = 5,9 Atm. gesetzt Saugkraft —= 14,3 —5,9 = 8,4 Alm Für b‘ und b“ ergeben sich somit, wie leicht ersichtlich zum Teil ° auch andere Werte für den en Druck und die als für a’ und a“, ; 3. Von diesen leicht zu übersehenden Worhaliniashe im physike lischen Apparat wenden wir uns nun zur lebenden Zelle°). ‘ 6) Um die Darstellung nicht unnötig zu komplizieren, nehmen wir an, die Zelle h besitze einen dünnen Plasmaschlauch, eine nicht quellbare Wand und keine zu ‚kleinen mean i ug Wal, & ‚u paid und 6 Blum, Dürfen wir die Ausdrücke osmotischer Wert etc. 197 3 Pflanze 110 sei (wie in Fig. 2c"), in eine Rohrzuckerlösung, die Grenz- Eokamolyse hervorruft — es sei das z. B. eine 0,5-molige Lösung — so verkleinert sich in der Regel das Volumen; die Verkleinerung gehe in unserem Falle von 110 auf 100 (Fig. 2c). Übertragen wir hierauf die Zelle in Wasser, so wächst das Volumen z.B. bis 120 (Fig. 2 c‘). - Wir: setzen voraus, daß die Plasmahäute gleich der Osmometerwand } »semipermeabel sind, also keine osmotisch wirksamen Inhaltstoffe aus- ‚treten lassen und daß die chemische Zusammensetzung des Zellsaftes "unverändert bleibt. e und ec‘ sind wiederum Gleichgewichtszustände; €" ist ein Zwischenstadium, das hier ebenfalls einen Gleichgewichts- zustand darstellt, da die Zelle ec“ nicht in Wasser liegt, sondern FICH im Brehe der Pflanze Gründet, u Te Tee Tr ER Eee ae w.. ee ee Fsp a ch 4, j l ur I La! A j Iıl Iıl LP UREE ee un u de u iin 1‘ u 1; j le l Yd ) S N) Stlgin l ı* rt t Aus “A lj | Mr \ | ); N rl [| I l | rn 2: TE ST I0HMME SH 322. »Mohimen: + == 100: ! Volumen =120 Volumen =110 osmot. Wert—=0,50 Mol osmot. Wert = 0,42 Mol osmot. Wert = 0,45 Mol Wi BROhrZ. Rohrz. Rohrz. barhotDruck- 0,0 Atm. osmot.Druck=11,7 Atm. osmot. Druck =5,9 Atm, Saugkraft —143 Atm. Saugkraft = 0,0 Atm. Saugkraft =6,8Atm. In BE 2c wurde leider unterlassen die Grenzplasmolyse anzudeuten. / In.e‘ hisiten wir. nt Ha Volumen 100. Die Zusammensetzung | ‚des Zellsaftes und die Konzentration seiner einzelnen - Bestandteile Br ist nicht bekannt, wir kennen nur seinen osmotischen Wert, der nach - unserer Annahme bei Grenzplasmolyse 0,50 Mol Rohrzucker beträgt. * Könnten wir an der Zelle c, wie am Osmometer a ein Manometer e ‚anbringen, so würde ‚auch hier das Quecksilber in beiden Schenkeln E Nach dem Übertragen voncin Wasser steigt das Volumen in- - folge der Wasseraufnahme auf 120 (Fig. 2c‘) und der osmotische Wert fällt entsprechend auf 0,42 Mol Rohrzucker. Die Zellwand erleidet in Ce ‚denselben Druck, wie die Osmometerwand in a‘, der osmotische 198 A. Ursprung und G. Blum, Dürfen wir die Ausdrücke osmotischer Wert ete. 4 Druck beträgt somit in ec‘ wie in a’ 11,7 Atm. Ebenso ist die Saug- kraft der mit Wasser gesättigten Zelle ® —= 0. Im Zwischenstadium c“, mit dem Volumen 110 us den 0SMO- tischen Wert 0,45 Mol Balschker übt der Zellinhalt auf die Wand — wie in a“ — den osmotischen Druck 5,9 Atm. aus und saugt aus den umgebenden Zellen das Wasser mit 6,8 Atm. an’). Um die Übersicht zu erleichtern, haben wir unter jeder Zelle die zugehörigen Werte für Volumen, osmotischen Wert, osmotischen Druck und Saug- kraft angegeben. 4, Ist die Zellwand nicht dehnbar, so können wir — ähnlich wie in b — das Volumen in allen drei Stadien als konstant betrachten; das gleiche gilt für den osmotischen Wert, da wir die Plasmahaut als semipermeabel und’ die chemische Zusammensetzung des Zellin- haltes während des Versuches als konstant voraussetzen. Wir sind nun genügend orientiert um beurteilen zu können ın welchem Sinne die Ausdrücke osmotischer Druck, Turgorkraft, Saug- ” kraft etc. benützt werden dürfen, Osmotischer Wert. In den Osmometern a a’ a“ kennen wir die chemische Zusammensetzung und die Konzentration des Inhaltes und sind daher in der Lage dies anzugeben. In den Zellen e c' c“ ist das nicht der Fall; wir kennen nur die Rohrzuckerkonzentrationen, welche den gleichen osmotischen Wert besitzen wie die Zellinhalte und können somit sagen der osmotische Wert beträgt für Zelle c: ° 0,50 Mol. Rohrzucker, für Zelle c': 0,42 Mol. Rohrzucker, für Zelle c“: 0,45 Mol. Rohrzucker. | So exakt drücken sich die Autoren leider nur sehr selten aus. Wird der Ausdruck osmotischer Wert überhaupt benützt, so schreibt man nicht nur der Zelle c, sondern auch den Zellen e‘ und c“ einen osmotischen Wert von 0,50 Mol. Rohrzucker zu. Man berücksichtigt eben gewöhnlich die Volumänderung nicht und begeht dadurch Fehler, die beı stark dehnbaren Wänden bedeutende Beträge erreichen können. ° Um Mißverständnisse zu vermeiden sollte daher stets angegeben wer- den, ob der osmotische Wert für Grenzplasmolyse gemeint. ist oder ob man ihn für Wassersättigung oder für normales Zellvolumen um- ° gerechnet hat. Man sollte also schreiben: | ÖOsmotischer Wert bei Grenzplasmolyse — 0,50 Mol Rohrzucker, Osmotischer Wert bei Wassersättigung = 0,42 Mol Rohrzucker, Osmotischer Wert bei normalem Volumen = 0,45 Mol Rohrzucker, 7 wobei unter „normalem Volumen“ das Volumen der Zelle in der in- # takten Pflanze verstanden ist. i Statt von osmotischem Wert körnn wir auch von Rohrzucker- wert reden oder, wenn wir Salpeter als Plasmolytikum benützen, 2 von Salpaterwert. s 7) Nähere Begründung in Ursprung und Blum, Zur Methode der Saugkraft« messung. Ber. d, Deutsch. Bot. Ges. 1916, 34, p. 534, BR + ,. Ursprung und G. Blum, Dürfen wir die Ausdrücke osmotischer Wert ete. 199 Unrichtig wäre es aber bereits zu sagen die Konzentration des Zellsaftes der Zelle c sei 0,50 Mol Rohrzucker, weil die chemische Zusammensetzung des Zelisaftes und daher auch die Konzentration eventl. vorhandenen Rohrzuckers gar nicht bekannt ist, sondern nur der osmotische Wert des Zellinhaltes. Immerhin ist von allen fehler- _ haften Benennungen diese noch die harmloseste, denn eine Verwechs- lung mit dem Innendruck oder der Saugkraft ist ausgeschlossen und jedermann merkt, was der Autor sagen will. Osmotischer Druck. Um auszudrücken, daß bei 0,5 Mol. Rohr- zucker Grenzplasmolyse eintritt, sagt man gewöhnlich der „osmotische Druck der Zellen e oder e‘ oder c“ betrage 0,5 Mol. Rohrzucker oder 14,3 Atm.“. Häufig wird auch einfach von einem „Druck von 14,3 Atm.“ gesprochen. Betrachten wir zunächst die Osmometer a a’ a“ so wird niemand unter osmotischem Druck oder Druck etwas - anderes verstehen als den vom Manometer angezeigten Druck von 0,0 Atm. für a, von 11,7 Atm. für a’ und von 5,9 Atm. für a“. Sicher wird es keinem Menschen einfallen zu sagen „der osmotische Druck - betrage ım Osmometer a 0,50 Mol. Rohrzucker — 14,3 Atm.“, wie - das für lebende Zellen üblich ist. Ließen sich an den Zellen ce, c‘ und - e“ ohne Schädigung Manometer anbringen, so würde auch hier unter _ osmotischem Druck einzig der vom Manometer angezeigte Druck ver- - standen werden. Dieser osmotische Druck ıst nun aber natürlich ge- _ nau gleich groß und lastet in genau derselben Weise auf der Zell- “wand, ob wir ein Manometer anbringen oder nicht, Es liegt also zweifellos kein Grund vor unter osmotischem Druck bei der Zelle etwas anderes zu verstehen als beim Osmometer. | Die Unsitte, den osmotischen Wert einer Zelle als „osmotischen E:Druck*® zu bezeichnen, ist schon wegen der Einheiten (Mol., Atm.) in - denen man mißt zu er, sie kann aber auch leicht zu a - liehen Mißverständnissen führen. Mißt man in Mol., sagt man also - der „osmotische Druck“ der Zelle ce betrage 0,50 Mol. Rohrzucker, _ so weiß jedermann, daß der osmotische Wert gemeint ist, weil kein Mensch einen vom Manometer angezeigten Druck in Mol. angibt. - Mißt man aber in Atm., sagt man also der „osmotische Druck“ der - Zelle c betrage 14,3 Atm., so erhält jeder nicht speziell vorbereitete Leser sicher eine grundfalsche Vorstellung, indem er den auf der - Wand lastenden Innendruck zu 14,3 Atm. annımmt, während er tat- ‚sächlich 0 Atm. beträgt. Wie viele Leser sind aber soweit vorbereitet, daß sie stets automatisch einen „osmotischen Druck“ von 14,3 Atm. in einen osmotischen Wert von 0,50 Mol. Rohrzucker übersetzen ? Wenn — wie wir später sehen werden — selbst er fahrene Fachbotaniker E. 4 . diese Übertragung unterlassen und zu Irrtümern verleitet werden * können, um wie viel mehr wird das bei Anfängern der Fall sein. _ Man darf also jedenfalls die durch Grenzplasmolyse ermittelte Größe 3 nicht in Atm. ausdrücken. Wer sıeaber in Molen mißt und als „osmo- tischen Druck“ bezeichnet, den hindert nichts auch die Zeit in Litern und 200 A. Ursprung und G. Blakı Dürfen wir die, Ausdrücke, osmotischer AM IeR. die Länge in Kilogrammen zu messen. Für uns wird es am res: | sten sein einen „Druck“, der nicht auf das Manometer drückt, über- ” haupt nicht als Druck zu bezeichnen und die durch Grenzplasmolyse bestimmte Größe nur osmotischen Wert (bezw. Rohrzuckerwert, Sal- peterwert) bei Grenzplasmolyse zu nennen und in Molen anzugeben. Der in Atmosphären zu messende osmotische Druck bleibt en a den in der Zelle herrschenden Innendruck reserviert. | 5 Nun schreibt allerdings Jost°), daß man sich in der Physik, a. # Grund der van’t Hoff’schen Anschauung daran gewöhnt habe, einer gewichtsmolaren Zuckerlösung auch in einem Reagenzglas einen osmo- tischen Druck von 24,8 Atm.°) zuzuschreiben. „Wenn äußerlich von diesem Druck nichts benierkban wird, so liegt das“ nach Ansicht der Physiker daran, daß er von dem "Oberfälhenerueli der Flüssigkeit getragen wird.“ Dazu sei bemerkt, daß es nach Findlay!®) auch van’t Hoff vollkommen klar war, „daß die Entstehung des Druckes vom Ein- dringen des Wassers in die Lösung herrührt“. Und in dem neuesten mir zugänglichen Lehrbuch der physikalischen Chemie!!) lesen wir: „daß es strenge genommen nur Sinn hat von dem osmotischen Druck zu sprechen, der sich bei Berührung einer Lösung mit ihrem Lösungs- mittel durch eine semipermeable Membran einstellt. An dem Zustande- kommen dieses osmotischen Druckes sind sicherlich sowohl Lösungs- mittel als gelöster Stoff beteiligt. In einer isolierten Lösung existiert kein osmotischer Druck. Wenn man dennoch kurz von dem osmotischen Druck einer Lösung spricht, meint man stets denjenigen, der sich bei Berührung mit dem reinen Lösungsmittel durch eine ideale semipermeable Membran einstellt.“ Solange bei der Deutung des osmotischen Druckes von einem wirklichen Wissen nicht die Rede sein kann, braucht auch in der physikalischen Chemie die Dar- stellung keine einheitliche zu sein. Sicher ist immerhin, daß „osmotische Drucke, von denen äußerlich nichts bemerkbar wird“ und „osmotische Drucke, die man am Manometer abliest,“* nicht dasselbe sein können und eben darum sollte man sie nicht mit demselben Namen bezeich- nen. Tut man es dennoch, so werden Verwechslungen möglich, die nicht in jeder Wissenschaft die gleichen Folgen haben müssen, die ° aber jedenfalls in der Pflanzenphysiologie schon heute zu zahlreichen 2 Mißverständnissen geführt haben. Endlich hat man unter „osmotischem: Druck“ auch schon die Kraft verstanden, mit der die Zelle Wasser anzieht, d. h. die Saug- kraft. Daß es verkehrt ist eine Saugung, also einen Zug als Druck * zu bezeichnen, bedarf wohl keiner weiteren Begründung. Die Sache liegt hier aber noch konfuser, indem tatsächlich nur der osmotische Wert bei Grenzplasmolyse gemessen wurde; diese Größe nannte man | 8) Jost, Vorlesungen über Pflanzenphysiologie. -1913, 3. Aufl.:p, 26.0, ’. 9) Soll heißen 26,6 Atm. 10) Findlay, Der osmohläche Druck? TOR, p. 82 Anm. | Be 11) Jellinek, Lehrb. d. physik. Chemie. 2. Bd., 2, Teil p. 01 N \ A Ir ? Ungrung und. Blum, Dürfen wir die Ausdrücke osmotischer Wert ete. 201 Eakischen‘ Druck“ und glaubte es sei die Saugkraft. Nun ist die F Saugkraft der normalen (nicht plasmolysierten) Zelle natürlich nicht gleich der Saugkraft des Zellinhaltes bei Grenzplasmolyse und wird _ auch nicht in’ Mol gemessen; noch weniger können wir die Saugkraft der Zelle. ihrem Innendruck gleichsetzen. ' Diese beiden letzteren . Größen sind auch numerisch nicht identisch, ja sie ändern sich ge- a ieögenzesetatem Sinne, so. daß die Saugkraft ihr Maximum erreicht, wenn der Innendruck Null ist und umgekehrt. i - "Turgor, Turgordruck. Pressen wir Luft in einen Kautschuk- - ballon, so’ wird die Wand gespannt, der Ballon wird straff. Im Gleich- i ‚gewichtszustand ist der Innendruck — dem Gegendruck der Wand, d.h. dem Wanddruck und die Straffheit des Ballons wächst mit dem - Innen- bezw. Wanddruck. Für das Zustandekommen der Straffheit sind Innendruck und Wanddruck in. gleicher Weise notwendig, denn j es ist klar, daß der Ballon ohne Innendruck nicht straff werden kann _ und ohne ausreichend feste Wand alsbald platzen muß. Ähnlich Er: die Dinge bei der lebenden in nur Bent man sich meist einer anderen Bezeichnungsweise. _ Er - Ein‘ Kautschukballon wird durch den nmel und de . 3 gleich hohen RB UTUOK ana Aumand der Straffheit, (Innendruck Turgordruck Straffheit Turgeszenz R Eine lebende Zelle rd er, den straft turgeszent’ -und den gleich hohen Wanddruck $ Zustand der . Statt von Inhendruck oder Turgordruck spricht man’ auch Es Turgorkraft und Turgorspannung und versteht darunter den gesamten, vom Zellinhalt auf die Wand ausgeübten Druck. Dieser Innendruck deekt sich mit dem osmotischen Druck des Zellsaftes, so- lange nach unserer früheren Annahme der Plasmaschlauch dünn, die - Wand nicht quellbar und die Dimension der Zelle nicht zu klein "ist. Turgor wird bald im Sinne von Turgeszenz gebraucht, bald E Sinne. von Turgordruck, bald von Wanddruck. | - Außerdem benützt man aber „Turgor“, „Turgeszenz“, „Turgor- E üruckt, „kraft“, „-spannung“, noch gleichbedeutend mit osmotischem Wert bei Grenzplasmolyse und ferner ist unter dem einen oder andern dieser Ausdrücke auch schon die Saugkraft verstanden worden. Nun ist klar, daß eine Benennung eindeutig sein muß, wenn man Unklarheiten "und Mißverständnisse vermeiden will, und es fragt sich daher, ın welchem Sinne diese Termini am besten verwendet werden. Da. ‚man unter einer turgeszenten Zelle stets eine Zelle ver- steht, deren Wände durch den Innendruck gespannt sind, wird man _ nweckmälig auch von Turgeszenz, Turgor, Turgordruck nur bei turges- Eier Zellen reden. Hiernach müssen bei Grenzplasmolyse Turges- .Zenz , Turgor und Turgordruck Null sein und es folgt somit von selbst, | da B wir unter NUDE SERR Turgor, Turgordruck, -spannung etc. weder Ve 902 A. Ursprung und G. Blum, Dürfen wir die Ausdrücke osmotischer Wert ete. b P \ y 3 den osmotischen Wert noch die Saugkraft verstehen dürfen. Zudem scheidet die synonyme Verwendung von Turgordruck ete. und osmo- tischem Wert auch deshalb aus, weil wir nach früherem einen Druck nicht ın Molen und den osmotischen Wert nicht in Atmosphären messen können. Der Gipfel der Konfusion ist aber erreicht, wenn man den osmotischen Wert bei Grenzplasmolyse mißt, diese Größe Turgordruck nennt und darunter die Saugkraft vorsieht Hieraus geht hervor, daß wir Turgordruck und natürlich auch Turgorkraft, -spannung und ähnliches nur im Sinne von auf der Wand lastendem Innendruck anwenden dürfen. Auch die Ausdrücke Turges- zenz, Turgor. können nur den Innendruck bezw. den numerisch gleichen Wanddruck bedeuten, wenn man für sie bestimmte Werte in Atmosphären angibt. Doch dürfte es sich empfehlen Turges- zenz und Turgor nur zur Bezeichnung des Zustandes der Zellen- straffheit zu a | Saugkraft. Unter der Saugkraft einer Zelle läßt sich ver- nünftigerweise wohl nichts anderes verstehen als die Kraft, mit der die Zelle Wasser einzusaugen strebt. Es muß zu Milwersländnissen führen, wenn man den osmotischen Wert bei Grenzplasmolyse Saug- kraft nennt; so würde man der Zelle ce‘ die „Saugkraft 0,50 Mol. Rohrzucker oder 14,3 Atm.“ zuschreiben, während tatsächlich die Saugkraft:0 Atm. und der osmotische Wert dieser Zelle 0,42 Mol. Rohrzucker beträgt!?). Es ist Saugkraft der Zelle = Saugkraft des Inhaltes — Wnddruck. Die Saugkraft des Zellinhaltes ist gleich der Saugkraft einer ° isosmotischen Rohrzuckerlösung. Füllen wir diese Rohrzuckerlösung ins Osmometer und stellen es in Wasser, so ist ihre Saugkraft nume- rısch gleich der Höhe der Quecksilbersäule, die dem Wasser den Eintritt gerade verwehrt. Die Saugkraft. des Zellinhaltes erhalten j wir also einfach, indem wir für den osmotischen Wert des Zellinhaltes den he osmotischen Druck aufsuchen °°). Da Saugkraft der Zelle = Saugkraft des Inhaltes — Wanddruck ist, so wird die Saugkraft der Zelle positiv, d. h. die Zelle sucht Wasser einzusaugen, solange Saugkraft des Inhaltes > Wanddruck. ‘ Ist aber Saugkraft des Inhaltes < Wanddruck, so wird die Saug- ; kraft negativ, d. h. die Zelle sucht Wasser auszupressen; die Saug- F kraft geht über in den Blutungsdruck der Zelle. Zusammenfassend ergibt sich derVorschlag die Ausdrücke folgen- dermaßen zu gebrauchen: Osmotischer Wert (Rohrzucker-, Salpeterwert) bei Grenzplas molyse — die Rohrzucker- oder Salpeterkonzentration in Mol, welche Grenzplasmolyse hervorruft. | 12) Man vergleiche auch das beim osmotischen Druck über die Saugkraft Gesagte. 13) Man vergleiche die Tabelle in Ursprung und Blum, Berichte d, Deutsch, | Bot. Ges. 1916, 34, p. 533, | « * p% A F, Ursprung und G. Blum, Dürfen wir die Ausdrücke osmotischer Wert ete. 203 n Ösmotischer Wert bei Wassersättigung = der auf das Volumen bei Wassersättigung umgerechnete osmotische Wert. | Ösmotischer Wert bei normalem Volumen = der auf das normale Volumen umgerechnete osmotische Wert. ‚Osmotischer Druck = der vom osmotisch wirksamen Zellın- halt auf die Wand ausgeübte Innendruck ın Atm. Turgordruck = der gesamte auf die Wand ausgeübte Innen- druck in Atm. Synonym mit Turgordruck sind Turgorkraft, -spannung, -wert, event. auch Turgor und Turgeszenz, falls die beiden letzten Ausdrücke — was vorzuziehen — nicht eifach den Zustand der Zellenstraffheit angeben sollen. Wanddruck = der dem Turgordruck numerisch gleiche, von der Wand auf den Inhalt ausgeübte Druck in Atm. Saugkraft der Zelle = Kraft, mit der die Zelle Wasser ein- zusaugen strebt in Atm. Saugkraft des Zellinhaltes = Kraft, mit welcher der Zell- inhalt Wasser einzusaugen strebt. Blutungsdruck der Zelle = Kraft, mit welcher die Zelle Wasser auszupressen strebt. | u für die verschiedenen Größen und die durch Ver- _ wechslung entstehenden Fehler. Im Vorhergehenden wurde gezeigt, daß osmotischer Wert, osmo- tischer Druck bezw. Turgordruck und Saugkraft Größen sind, die - ganz verschiedene Bedeutung haben und auch in ihren Zahlenwerten - voneinander abweichen. Wie stark indes diese Abweichungen in - Wirklichkeit sind, wissen wir noch nicht, da in der als Beispiel an- - geführten Zelle der osmotische Wert und die Volumänderung will- kürlich gewählt waren. Es sollen daher einige Messungen mitgeteilt - werden, aus denen die tatsächlichen Größenverhältnisse und die durch - Verwechslung entstehenden Fehler sich ergeben. | Von dem Untersuchungsmaterial, das gerade zur Hand war, ent- _ sprachen unsern Anforderungen gewisse Markzellen junger Internodien von Impatiens Noli tangere,; sie zeigten bei Plasmolyse und Wasser- sättigung genügend große Änderungen, hatten nahezu kreisförmigen _ Querschnitt und wurden als Zylinder aufgefaßt. Ein Vorversuch er- gab den osmotischen Wert der betr. Zellschicht bei Grenzplasmolyse. _ Dann wurde der optische Längsschnitt ein und derselben Zelle ge- _ zeichnet 1. in Paraffinöl sofort nach Herstellung des Schnittes, 2. bei Grenzplasmolyse und 3. nach Wassersättigung'*). | Zur Volumbestimmung des Zylinders stellten wir die Länge der ‚in der Zeichnung über 70 mm langen Zelle direkt mit dem Maßstab rer we 14) Sättigung wurde angenommen, nachdem die Dimensionen der in Wasser fand Zelle während '/, Stunde keine Änderungen mehr zeigten, : Ö z \ RR: 3 ER an Be « Be K 204 A. Ursprung und G. Blum, Dürfen wir die Ausdrücke osmotischer Wert ete ‚fest; den mittleren Radıus (denn kleine Abweichungen von der mathe- ° matischen Zylindergestalt sind fast unvermeidlich) berechneten wir * aus der mit dem Planimeter gemessenen Fläche des optischen Längs- schnittes und der Länge. ‚Unter .normalem Volumen verstehen wir hier das Volumen der Zelle in dem in Paraffinöl liegenden Schnitt. Ob dasselbe von dem Volumen in der intakten Pflanze abweicht, ° wurde nicht untersucht und ist für den hier verfolgten Zweck auch ; belanglos. ß 2 Es ergab sich durch Messung: Be NL osmotischer Wert bei Grenzplasmolyse = 0,38 Mol Rohrzucker, normales Volumen (in Paraffinöl) . . 14122 in wil- 2 Volumen bei Grenzplasmolyse (in 0, 35 MolRohrz, —13209*% kürlichen % Volumen: bei Wassersättigung (in Wasser) . . — 14779 ten, Hieraus folgt durch Rechnung: ar osmotischer Wert bei normalem Volumen 4 0,35 , Mol chen: | osmotischer Wert bei Wassersättigung””) . — 0, 34 Mol Rohrz. ,% Häufig wurde der osmotische Wert statt ın Mol Rohrzucker in Atmosphären angegeben; wir müssen diese, wie früher gezeigt, durch- „aus unstatthafte Umrechnung auch hier vornehmen, um den era : zu finden, der dadurch entstehen kann. . Osmotischer Wert bei Grenzplasmolyse . = Eu Atm. Osmotischer Wert bei normalem Volumen = 9, 7 Atm. Osmotischer Wert bei Wassersättigung re '3 Atm.. Weiter folgt: N a | Turgordruck bei normalem Volumen — 5,4 A der hier auch als | De osmotischer Druck bei Grenzplasmolyse Se BR “ bezeichnet werden darf und numerisch: gleich ist dem - Wanddruck bei Wr Fe A Atm. ‚Die Saugkraft der Zelle berechnet sich aus der Saugkraft des. j Zellinhaltes (= osmotischer Wert in Atmosphären umgerechnet) r minus Wanddruck zu: . Saugkraft der Zelle bei Hormalehn Volumen = 4,3 Atm. Saugkraft der Zelle bei Grenzplasmolyse . = 10,5 Atm. Saugkraft der Zelle bei Wassersättigung . = 0,0 Atm. Die Genauigkeit dieser Zahlen hängt hauptsächlich ‘ab von der Genauigkeit der Volummessung und läßt sich in einfacher Weise Pro/ee durch die direkte Messung ee Saugkraft!%). Wir erhielten nun bei direkter Messung die Saugkraft bei Bu Volumen zu 4,48 Atm., nach obiger Berechnung . . u ER N 13 At, also eine nahezu völlige Une ei | ”* Be 15) Daß es erlaubt ist diese Werte aus dem osmotischen Wert bei Grenzplasmo- Iyse und der Volumänderung zu berechnen, zeigte ein Kontrollversuch, in welchem die- selbe Zelle vor und nach einstündigem Liegen in Wasser denselben osmotischen Wert bei Grenzplasmolyse ergab. 16) Vgl. Ursprung und Blum, Berichte d. Deutsch. Bot. Ges, 1916 p- so 7, 1916 p. 539, 1918 p. 577, 1918 p. 599. » u Ir Be Ä Zur besseren Übersicht geben wir noch eine tabellarische Zu- F stehn der gefundenen Werte: " ; ge ; bei bei bei HRLCETENE beim f normalem |Grenzplas-| Wasser- w div) nein Volumen | molyse FEB UNE. „a SRAPN asmolys; se Volumen 14122 13209 14779 — 10,6% osmot. Wert in Mol. Rohrz. . 0,35 0,38 0,34 |-40,04Mol.;-H11,8% ; osmot. Wert in Atm. — > Saugkraft d Zellinhaltes | 2 a rt aA; 419% 3 Turgordruck, osmot. Druck f aum. = Wanddruck Yi er 0,0 2 43 Atın, Saugkraft der Zelle . 4,3 10,5 0,0 10,5 Atm. ' Wie Kolonne 4 zeigt, ändern sich beim Übergang von Wasser- sättigung zu Grenzplasmolyse am stärksten der Turgordruck bezw. - Wanddruck und die Saugkraft der Zelle. Während die Saugkraft - des Zellinhaltes nur um 1,2 Atm. wächst, nımmt die Saugkraft der Zelle um 10,5 Atm. zu. Das Ansteigen der Saugkraft der Zelle ist _ somit weitaus in erster Linie durch die Abnahme des früher kaum beachteten. Wanddruckes DEINEN während der gewöhnlich allein be- Es ist der che Wert und damit auch die Saugkraft des Zellinhaltes natürlich die notwendige Voraussetzung für die Saug- "kraft der Zelle; mit der Saugkraft des Inhaltes steigt cet. par. die - Saugkraft der Zelle an und bei Grenzplasmolyse fallen beide zu- sammen. ö Aus Kolonne 1 ersehen wir, daß eine Zelle gleichzeitig einen - Turgordruck und eine Saugkraft von mehreren Atmosphären auf- _ weisen kann; eine Tatsache, die immerhin besondere Erwähnung ver- - dient. Übrigens haben wir schon früher in den Palisaden durchaus turgeszenter Buchen- und Efeublätter ale bis zu 16 und 17 Atm. nachgewiesen. e An Hand obiger Tabelle ist es nun leicht, für unsere Zelle die - Größe der Fehler anzugeben, welche durch dis Konfusion in der Ter- En En inologie entstehen können. | = Es sei gemessen worden der osmotische Wert bei Grenz- plasmolyse zu 0,38 Mol. Rohrzucker. | - Versteht man darunter den osmotischen Wert bei norma- lem Volumen, so beträgt der Fehler 0,03 Mol. Rohrzucker. %06 A. Ursprung und G. Blum, Dürfen wir die Ausdrücke osmotischer Wert ete. Nennt man die gemessene Größe osmotischen Druck oder Turgordruck und gibt sie zu 10,5 Atm. an, so beträgt fürGrenzplasmolyse — da der wirkl. Turgordruck 0,0 Atm.— der Fehler 10,5 Atm. beträgt für norm. Volumen — da der wirkl. Turgordruck 5,4 Atm. — der Fehler 5,1 Atm. beträgt für Wassersätti gung — da der wirkl. Turgordruck 9,3 Atm.— der Fehler 1,2 Atm. Versteht man unter der gemessenen Größe die Sau gkraft der Zelle und gibt sie zu 10,5 Atm. an, so beträgt für Grenzplasmolyse — da die wirkl. Saugkraft der Zelle ; 10,5 Atm. — der Fehler 0,0 Atm. beträgt für normal. Volumen — da die wirkl. Saugkraft der Zelle 4,3 Atm. — der Fehler 6,2 Atm. beträgt für Wassersättigung — da die wirkl Saugkraft der Zelle 0,0 Atm. — der Fehler 10,5 Atm. Um einen weiteren Einblick zu geben in die Größenordnung des Fehlers, den jene Autoren begingen, welche den osmotischen Wert bei Grenzplasmolyse gemessen, darunter aber die Saugkraft der Zelle verstanden haben, seien noch einige Beispiele angeführt. Es handelt sich um Efeublätter, an denen der osmotische Wert bei Grenzplas- molyse und die wirkliche Saugkraft der Zelle für jedes Gewebe gleich- zeitig an symmetrischen Stellen desselben Blattes gemessen wurden, so daß die mitgeteilten Zahlen für osmotischen Wert und Saugkraft vergleichbar sind '?). | 1} —— Wirkliche Osmot. | FalscheSaugkraft der Wert bei | Zelle = osmotischer Saugkraft Grenzpl Wert bei Grenzplas- | Fehler enzZpia8- | molyse in Atmosph. & der Zelle molyse umgerechnet. obere Epidermis . . . . . 8,7 Atm. | 0,70 Mol. 21,5 Atm. 12,8 Atm. „ [Palisadenparenchyhm . . .|114 „ 0,80455 2 14.7... “3 |untere Epidermis. . . . . Lay 0,10: BL, DE IE S/Schließzele . 2. . Ba. 10,00 23,4, 15,6..%, = |Schwammparenchym an Da | & renchymseheide grenzend . TB ES 0,90 „ ca. 30 „ 03.25. , WParenchymscheide . . . . Lyra 0,80 „ 25. 18,0,.7, 7 4 Epidermis ©. >. 2.000 AN 0,70:,8% ER a S.4Rollenehym ‚0.2... 1.880.303 9/0 0200 2152% aa @sınnere. Binde‘. 32.4.0 %: ; 93% 075-458 234. , 14; £ Hadromparenchym . . . . BanH 0,65, Y1, 19,6327 108, r „ 105 „ Mark EIER 9,17... 7009 19,6 18) Zur Verhinderung einer eventuell falschen Kombination dieser Zahlen sei be- merkt, daß die verschiedenen Gewebe untereinander nicht vergleichbar sind, da ihre Messung vielfach zu verschiedenen Zeiten und z. T. ne an verschiedenen Blättern erfolgte. A. Ursprung und G. Blum, Dürfen wir die Ausdrücke osmotischer Wert ete. 907 Die Fehler, die bei diesen unrichtigen Saugkraftmessungen be- j gangen wurden, betrugen somit 10,5—23 Atm. Besonders instruktiv ist ein Vergleich des Fehlers mit der zugehörigen wirklichen Saug- _ kraft; er zeigt, daß der Fehler stets größer ist als der gesuchte Wert, beim 'Schwammparenchym sogar das Dreifache der gesuchten Größe ausmacht. An 2 Beispielen soll noch gezeigt werden, wie sich bei der wirk- _ lichen Saugkraft Gesetzmäßigkeiten ergeben, die beim ee - Wert bei Grenzplasmolyse nicht zutage treten. Die erste der beiden folgenden Tabellen gibt für eine Buche den - Zusammenhang zwischen der Saugkraft der Blätter und der Höhe - der Insertion, die zweite Tabelle gibt für dieselbe Buche den Zu- sammenhang zwischen dem osmotischen Wert bei Grenzplasmolyse und der Veen » ar A — u a ee Entfernung d. Blattes v. d. unters. Wurzelspitze 2 Saugkraft i B 2,7 m | 87m 11,1-m | 13,0: m 3 1 m Reg g. i R: obere Epidermis . 75 Atm.| :9,3 Atm. | 9,9 Atm. | 10,5 Atm. ; Pahsaden. . =... 1 15,0 ,„ 19:6. Id BA K,, e Schwammparench.. | 11,1 , 12,4: ,; 143 4 14.3; , . untere Epidermis . | 5,9 „ 84 „ 5:7, 9. „ ‚Schließzelln . . | 81 „ 99 „.| 99 „ 105 „ En Osmotischer Wert | Entfernung d. Blattes v. d. Bodenoberfläche x bei Grenzplasmolyse 1,5 m 5,5 m | Am E obere Epidermis . [0,48 Mol Rohrz. | 0,47 Mol 0,49 Mol 3 Schwammparench.. [0,72 „ 0,76%, OyTD: 2% a ; untere Epidermis . |0,52 „ 0, Dr m; ; 8 S F> | Während die Saugkraft in allen Geweben mit der Insertionshöhe _ regelmäßig ansteigt, erfolgt beim osmotischen Wert gar keine oder _ doch keine regelmäßige Zunahme. E Ein noch schöneres Beispiel bietet uns das Verhalten einer Pali- Be donreihe. (oberste Palisadenschicht), die vom Hauptnerv eines Efeu- blattes in eine möglichst gefäßbündelfreie Partie der Spreite führt. _ Die Nummerierung der Zellen beginnt beim Hauptnerven; die Zellen 2 und 3 liegen den trachealen Wasserleitungsbahnen am nächsten; die erste Tabelle bringt für eine Reihe von 35 Palisadenzellen die angkraft in Atmosphären. bo ee RE EEE 53 E19) Die Saugkraftmessung wurde schon früher ausgeführt, die Messung des osmo- ; en} Wertes derselben Buche datiert vom Sommer 1919. 208 A. Ursprung und G. Blum, Dürfen. wir die Audiüeke osmotischer Wert ete. AN Zelle Pau | 3 [10115 ]| BEE Saugkraft in Atm. |10,5. a 9,9 | 11,6] 12,1| 11,7| 12,7|12,4] 13,0] 18,0] 13,0. “Zelle 117 118] 20 j2ı] 2] 28 |26 |27 |28|34| 35 Saugkraft in Atm. | 13,7] 13,3] 14,3] 148] 143111,90] 15,3114,96 15,3] 15,6] 164° Da der osmotische Wert bei Grenzplasmolyse mit der Entfernung vom Nerv keine regelmäßige Änderung erfährt, zeigen aufeinanderfolgende Schnitte verschiedenes Verhalten. Eskonnten daher die Resultate für den osmotischen Wert nicht in ‚so einfacher Weise dargestellt werden wie für die Saugkraft, sondern es mußten für jede Rohrzuckerkon- zentration die Nummern der plasmolysierten Zellen angegeben werden. Es wurden an senkrecht zum Hauptnerv gerichteten Serienschnitten die obersten Palisadenreihen links und rechts vom Nerv untersucht. Auch hier beginnt die Nummerierung beim Nerv. Jn der Tabelle wurde außerdem noch für jeden. en ‚die Gesamtzahl der unter- suchten Palisaden angegeben. eh Konzen- | Nummer der plasmolysierten Palisaden Gesamtzahl tration der a Eh : der Palisaden Mal in ak = | ee | links | rechts 0,76 19, 14 | 11, 126, 20, 340 ee 56 0,78 6, 10, 28, 34 a HD, 811, -19.1280 OSB 48 0,80 3,6 Bi 4,5, 8.14.10. 16, 47 20 | 32 0,82 9,4, 7,:8,:16, 26: 2,4,6,7,9,11,12,13,16,17 | 28 | 32 0,84 2 „58, 10-12, 14, 16, 19,15,'8, 10, 11, 18-15, 18 10 1 ae ı 07 21, 22, 24, 25, 31,38, 35.|» 22.226,28 31,91. 30 390 0 0°, A | 0,86 3,5, 4,8, 11—14, 17,18,20, |1,3,4, 58. ao 1 21,23,24,26,27,28,31,34,36|. 19, 20, 29-224, 26-98, | “| 30-32, 36-38, 40, 41 088 |1, 3, 4-26, 98-41 1:213..15-00, aa 0,90 1-52, 55-58 "1-86, 3840,42; 43.45 1 58 130 0.92 1-43, 45-48 068 a a NL an EN a Rn “| DRSEN 010 Während die Saugkraft: der Palsadan ih inc Eniter., F nung vom Hauptnerv ziemlich regelmäßig ansteigt und kleine Depres- sionen fast immer auf die Nähe feiner Nerven zurückgeführt werden ° können, ist das beim osmotischen Wert bet Grenzplasmolyse nicht der Fall. So finden sich in den schwächeren Zuckerkonzentrationen niedrige, mittlere und hohe Nummern plasmolysiert und in ähnlicher Weise sind in den stärkeren Außenlösungen nichtplasmolysierte Zellen in den verschiedensten Entfernungen vom Hauptnerv abzul Zn) | de a er Pe rung und G. Blum, Dürfen wir die Ausdrücke osmotischer Wert etc. 909 Einige Beispiele für Unklarheiten und Verwechslungen. Wir beginnen mit einigen der besten und verbreitetsten Hand- un Ä 1 Lehrbücher, da die in ihnen enthaltenen Unklarheiten natürlich am folgenschwersten sind. In seinen „Vorlesungen über Pflanzenphy siologie‘ 3. Aufl. 1913 unterscheidet Jost p.26 auf Grund der van’t Hoff’schen An- schauung zwischen Turgor druck und osmotischem Druck und schreibt: „Turgordruck ist ja nur der nach außen zur Geltung kom- imende osmotische Druck, der osmotische Druck, der auf der Membran lastet. Entzieht man einer Zelle durclı Keindwelche Mittel Wasser, so wird ihr Zellsaft konzentrierter, ihr osmotischer Druck steigt also. Dagegen nimmt ihr Turgordruck ab.“ Jost will also zweifellos in seinem Buch unter „osmotischem Druck“ den osmo- tischen Wert und unter „Turgordruck“ den auf der Wand lastenden Innendruck verstanden wissen. Im Gegensatz zu dieser Definition - p. 26 versteht aber Jost selbst auf p. 19 unter „osmotischem Druck den auf die Wand ausgeübten Innendruck, indem er schreibt: ‚Der osmotische Druck, der im Osmometer an der Höhe der Queck- silbersäule erkannt werden kann, äußert sich in der lebenden Zelle urch die Spannung bezw. Verlängerung der Zellhaut“ und „In der anverletzten Zelle wird durch diesen osmotischen Druck, den man ich als „Turgordruck“ zu bezeichnen pflegt, das mn b an die Zellhaut angepreßt.“ Ja ‚sogar auf derselben p. 26, welche ebise Definition enthält, lesen wir: „Tatsächlich besteht die Festig- Ei, die wir an dünnwandigen Vecchsenden Zellen beobachten, nur uf dem osmotischen Druck; schon ein geringer Wasserverlust hebt ie ie Spannung der Zellhaut auf und vernichtet die Straffheit der Zelle.“ Ähnliches finden wir später bei Besprechung der Bewegungen durch Du rgor und Wachstum. . So heißt es p. 557 von diesen Bewegungen, ak sie „ihre nächsten Ursachen im osmotischen Druck oder im Wachstum der Zelle haben.“ Hier kann „osmotischer Druck“ nur en ‚auf die Wand ausgeübten Innendruck bedeuten: denn der osmo- sche Wert, die Fähigkeit einer Zelle einen Druck auf die Wand er- eugen zu können; verursacht ebensowenig Bewegungen wie die Fähig- ‚einer Zelle wachsen zu können. Auch p. 565 ist sicher der auf ie Wand ausgeübte Innendruck gemeint in dem Satz: „Hat der os- ische Druck in dem Träger (von Pilobolus) eine gewisse Höhe reicht, so reißt dessen Membran ... auf.“ Dieselbe Bedeutung Fi „osmotische Druck“ p. 559, wo „jugendliche Zellen nur durch zane gewisse unentbehrliche Festigkeit erlangen.“ Dann kommt merkwürdige Satz: „Der Druck dehnt, wenn genügend Wasser Verfügung un a die zarten Häute, er wird zum Turgordruck.“ La wir also einen „Druck“ der nicht drückt, aber durch v u. Be 14 Te y j ie £ rn IT. 10 A. Ursprung und G. Blum, Dürfen wir die Ausdrücke osmotischer Wert : | | 4 Wenn es schon sehr unzweckmäßig ist von „osmotischem Druck ‚zu sprechen, wo osmotischer Wert gemeint ist, so werden Mißver- ständnisse geradezu provoziert, indem man den osmotischen Wert kurzerhand als „Druck“ bezeichnet. p. 25 lesen wir, „daß Drucke von‘ 5—10 Atm. etwas ganz gewöhnliches in der Pflanze sind“ und p. 558° heißt es, daß in den Zellen von Pilzen, die auf konzentrierten Lö- sungen kulbrieh werden, „Drucke von 300 Atm. und mehr vorkommen. können“. Natürlich ist hier unter „Druck der osmotische Wert ge- meint; auch bemerkt Jost noch im gleichen Absatz, daß diese Zellen‘ beim Übertrafen in Wasser platzen. Ich befürchte aber, daß diese. Bemerkung bald vergessen sein wird und daß der „Druck von 300 Atm.“, mit dem der Student im Examen glänzt, als auf der Wand lastender Innendruck verstanden ist. p. 557 bringt eine mit „Sal- peterwert“ und „Druck in Atmosphären“ il Tabelle, aus der ıch 2 Beispiele mitteile: - ; | | Salpeterwert Druck in Atm. 3 Gunnera scabra, Blattstiel (de Vries) 0,12—-0,16 5,3—72 9 Phaseolus, Blattgelenk (Hilburg) 0,45 20,25.° 3 ; Die gleiche Seite enthält auch den Satz: „Hat man den Salpeter- wert des Zellsaftes bestimmt, dann kann man die Druckhöhe in der Zelle durch Rechnung Bader. denn es ist bekannt, daß eine 1 proz. i Salpeterlösung (= 0,1 Mol.) einen Druck von etwa 4,5 Atm. ausübt. 7 Unter „Druck“ und „Druckhöhe* dürfte die Mehrzahl. (der. Tresä N wiederum den auf der Wand lastenden Innendruck verstehen, um so mehr, als bei den in Rede stehenden Bewegungen der osmotische Wert an und für sich keine Rolle spielt. Hier hätte nun doch zum Mindesten — wenn man diese unglückliche Terminologie absolut bei- behalten will — bemerkt werden müssen, daß die „Druck“-Tabelle über den auf der Wand lastenden Innendruck nichts aussagt. De "Vries und Hilburg haben den Salpeterwert gemessen, und zwar de Vries den Salpeterwert des Preßsaftes (wobei ein Mittelwert vieler Zellen bei normalem Volumen erhalten wurde), Hilburg den Sal- peterwert bei Grenzplasmolyse (der größer ist als bei normalem Vo» lumen). Im Zustand der Grenzplasmolyse, in dem Hilburg einen Druck von 20,25 Atm. gefunden haben soll, lastete auf der Wand natürlich der Druck Null; selbst nach dem Übertragen der Zelle in Wasser konnte er (wegen der Vergrößerung des ee 20,25 Atm. nicht erreichen und im intakten Gelenk mußte ‚er einen nicht näher bekannten Zwischenwert besitzen. Die Gefahr einer Verwechslung von osmotischem Wert (meist bei Grenzplasmolyse), osmotischem Druck und Saugkraft bringt das Kapitel über die Wasserversorgung. p. 43 dürfte nachdrückliche betont sein, daß der bei Wüstenpflanzen bis zu 100 Atm. nachgewiesene „osmotische Druck“ den in Atmosphären umgerechneten osmotischei | t Ir ;pru 18 und 6. Blum, Dü rfen wir die Ausdrücke osmotischer Wert ete. 714 Wert bei Grenzplasmolyse bedeutet, welcher mit der Saugkraft der En » nicht identisch ist. Von der Saugkraft der Zelle, auf die es an ei Stelle ankommt, wissen wir streng genommen nur, daß sie "zwischen 0 und ca. 100 Atm. liegt und das ist gewiß nicht sehr viel. p. 44 lesen wir bei Besprechung der Schimmelpilze, die in konzen- Eertsn Zuckerlösungen wachsen: „Für die Saugkraft kommt ja ın iesem Fall nur der Überschuß des osmotischen Druckes in der Zelle iber den der Umgebung in Betracht.“ Das ist aber nicht richtig, veil neben dem sog. „osmotischen Druck“ (d. h. dem osmotischen Wert) von Zellinhalt "und Außenlösung auch noch der Wanddruck eine Rolle spielt. Beträgt z. B. im Gleichgewichtszustand die Saug- iraft des Zellinhaltes 30 Atm., die Saugkraft der Außenlösung 25 Atm., * ) ist der Saugkraftüberschuß der Zelle eh 5 Atm., sondern Null, weil er Wanddruck 5 Atm. ausmacht. Eine weitere, durch Übersehen des h 'anddruckes entstandene Unrichtigkeit begegnet uns p. 66. Es wird ‚hier der Vorgang beschrieben, der sich abspielt, wenn der einzellige, "wassergesättigte Pilobolus durch Transpiration Wasser abgibt. Erst verliert die Membran Wasser, hierauf das Plasma. „Das Protoplasma einerseits sucht Deckung für den Wasserverlust in der Vakuole und so muß diese zunächst in ihrem oberen Teile konzentrierter werden; lsbald wird aber durch Diffusion ein Ausgleich der Vakuolenkonzen- | tration an beiden Enden der Zelle herbeigeführt werden und damit t dann die Störung des Gleichgewichtszustandes bis an die Stelle 1 Eat, wo eine erneute Aufnahme von Wasser aus dem Boden statt- nden kann.“ Nein! Das Gleichgewicht ist in der ganzen Zelle be- sits in dem Moment gestört, in welchem oben Wasser austrat, denn chon in diesem Moment, also vor dem Diffusionsausgleich, nimmt ler Wanddruck ab und damit die Saugkraft der ganzen Zelle zu. p- 66 steht auch, daß eine Zelle aus der benachbarten so lange auf 'ösmotischem Wege Wasser entnehmen kann, „bis in beiden gleiche Konzentration herrscht“. Also eine Verwechslung von osmotischem Vert bezw. Saugkraft des Zellinhaltes und Saugkraft der Zelle. In en bisher zitierten Beispielen aus dem Kapitel der Wasserversorgung erstand Jost unter „osmotischem Druck“ den osmotischen Wert we die Saugkraft, p. 57 ist aber wieder der auf der Wand lastende innendruck gemeint, heißt es doch von den Schließzellen: „Unter em Einfluß des osmotischen Druckes werden nun die Zellmembranen | ed ehnt.“ Klarer ist die Darstellung, die Jost in der 14. Auflage des Lehr- Er: der Botanik für Hochschulen gibt. So nennt er als Ur- = ae der Bewegungen der Gelenke und Schließzellen (p. 290, 307, | Schwankungen des „Turgordrucks“, des „Turgors“ oder der ren: . "Weniger glückliche Stellen finden sich p. 191—194. wird p. 192, unterschieden zwischen dem „osmotischen Drucke im sinne des Chemikers“, der zunimmt, wenn die Zelle welkt und dem ach außen wirksamen osmotischen Druck“ oder „Turgordruck*, Band AO | 14* 912 A. Ursprung und G. Blum, Dürfen wir die Ausdrücke osmotischer Wert etei der abnimmt, wenn die Zelle welkt. „Wenn wir sagen, eine Zelle hat einen osmotischen Druck von einer bestimmten Höhe, so sagen wir damit über die Höhe des Turgordruckes noch gar nichts aus.“ Hier bedeutet „osmotischer Druck“ den osmotischen Wert; aber kurz vorher (p. 192) bedeutet „osmotischer Druck“ wieder den auf der Wand lastenden Innendruck, in dem Satze: „Es wird also auch in die pflanzlichen Zellen Wasser einströmen, ohne daß Salz austritt, und somit wird ein osmotischer Druck entstehen. Das Protoplasma dehnt sich unter diesem Druck.“ Auf der folgenden Seite wird mit“ geteilt, daß nach plasmolytischen Bestimmungen der „osmotische Druck“ in den Zellen 5—10—100 Atm. betragen kann. Was dürfte hier der Leser unter „osmotischem Druck“ verstehen? Meist wohl falscherweise den auf der Wand lastenden Innendruck; findet er doch p- 191 noch den Passus: „Solche einseitige Diffusion wird Osmose genannt; ihre Folge macht sich als ein Druck bemerkbar (osm o- tischer Druck), der im Innern der Zelle entsteht.“ p. 194 heißt es von Pilzzellen, die in Zuckerlösungen gedeihen: „Man begreift leicht, daß Zellen mit so hohen Drucken sofort platzen, wenn sie ... in Wasser überführt werden und somit ihren Turgordruck ganz ger waltig steigern können.“ In der ersten Hälfte des Satzes besitzen’ also die Zellen so hohe Drucke, wie sie nach der zweiten Hälfte des Satzes gar nicht möglich sind. Wie viel Mißverständnisse ließen sich‘ doch vermeiden durch Ausschaltung dieses vieldeutigen „Druckes“ Auch in Pfeffer’s Pflanzenphysiologie ist die Terminologie) nicht konsequent durchgeführt. So bedeutet z. B. „osmotischer Druck® auf p. 116 und den folgenden Seiten im allgemeinen den auf der Wand lastenden Innendruck; wenn aber p. 116 die Rede ist vom) „osmotischen Druck, welcher in den hautumkleideten turgeszenten Zellen sehr gewöhnlich 5-10 Atm. erreicht“, so kann an dieser Stelle nur der osmotische Wert gemeint sein, weil der auf der Wand lastende Druck ın der Regel gar nicht bekannt ist. Unter „Turgor“, „Lurgorspannung“, „Turgorkraft“ und ähnlichen Ausdrücken wird ge* z..B. 1: ;p. 119,173, 195); ''p. 121 muß. es sich abersum den (in Atmosphären umgerechneten) osmotischen Wert handeln, wenn der „Lurgordruck“ gewöhnlich zu 1,5—3,0%, KNO,, also 5—11 Atm anziehung nur die Senkung des Turgors unter den Gleichgewichtszu- stand, nicht aber die absolute Höhe der Turgorkraft in Betracht Das ist nicht ganz richtig; so würde sich naeh Pfeffer die Saugkrat der Zelle c“ 2°) zu 11,7 — 5,9=5,8 Atm. berechnen, während sie tat- sächlich 6,8 Atm. beträgt. Das Versehen beruht darauf, daß — in- 20) Siehe den ersten Abschnitt dieses Aufsatzes. A Be ö ni I SDR A 63, \ Urs rung und G. Blum, Dürfen wir die Ausdrücke osmotischer Wert etc. 213 DAN 4 ge der PM loinänderüng — der Turgordruck im Gleichgewichtszu- nd, d. h. bei Wassersättigung kleiner ist als die Saugkraft des Zell- Bhaltes bei normalem Volumen. Y Von Lehrbüchern sei noch Höber’s Physikalische Chemie er Zelle und der Gewebe, 4. Aufl., erwähnt, die in den Fragen, tee uns hier beschäftigen, gerne zur "Hand genommen wird. p. 69, 0 wird der osmotische Wert als „osmotischer Druck“ oder auch k rzweg als „Druck*, der osmotische Wert bei normalem Volumen sogar als - wahrer Innendruck“ bezeichnet. Daß und warum das un- zweckmäßig ist, wurde früher ausführlich erörtert. In höchst un- jlücklicher Weise ist "p. 70 der osmotische Wert bei Grenzplas- Bei: „Turgor“ (Pp) genannt und damit ein Ausdruck, der allgemein ur Bezeichnung der Zellstraffheit dient, umgekehrt Berade auf die ;chlaffe Zelle angewendet. Unter Maresrdruckt oder „Turgor- Eennnng‘ (Po) ir der osmotische Wert bei normalem Volumen verstanden. Direkt unrichtig ist dann der Satz: „Pp— Po repräsen- tiert den von der elastischen Membran entfalteten Druck, die Turges- zenz?!).“ Unter Pp — Po versteht Höber die Differenz der osmo- ischen Werte bei Grenzplasmolyse und normalem Volumen, das ist ir unsere Markzelle 0,38 — 0,35 —=0,03 Mol. Rohrzucker oder in At- josphären umgerechnet 10,5 — 9,6 =0,9 Atm.; der Wanddruck be- ‚beträgt aber nicht 0,9 Atm., wie Höber will, sondern 5,4 Atm. Im Bosckerbäch der De ensanechäften Bd.X, Ar- fike | Turgor, unterscheidet Ruhland p.93 richtig zwischen dem osmo-. ischen Wert und dem mit dem Osmometer bestimmbaren osmotischen rück. Und p. 92 schreibt er entsprechend: „Lösungen, deren Kon- antration gerade zur Aufhebung der Turgordrehung genügt, haben denselben osmotischen Wert: wie der Zellsaft.“ Hier hätte nur noch we ‚ugefügt werden sollen: „wie der Zellsaft bei Grenzplasmolyse‘“, ‚die beliebte Verwechslung mit dem Zellsaft bei normalem Vo- hun ıen zu vermeiden. Dagegen finden wir p.91 „in den umwandeten Be eszenten Zellen einen osmotischen Druck von gewöhnlich etwa 10 Atm., welcher .... das Protoplasma gegen die Zellwand preßt*. | as das Plasma gegen ae Zellwand preßt, ist allerdings der osmo- © che Druck; was aber 5—10 Atm. beträgt, ist der (in Atmosphären Eeechnete} osmotische Wert und die Höhe des osmotischen ickes ist gewöhnlich gar nicht bekannt. Dieser Darstellung sind - schon früher begegnet und wir treffen sie auch wieder bei Pütter d. III, p. 506, wo es heißt: „Die Höhe des osmotischen Druckes be trägt. bei Landpflanzen 5—11 Atm.“ p. 92 Bd. X definiert Ruh- nd den „Turgordruck, unter welchem der gesamte vom Zellinhalt die Wand ausgeübte Druck zu verstehen ist“ und p. 95 heißt es, ie, wie schon erwähnt meist unbekannten „Turgordrucke m au Diese Darstellung runde auch wörtlich von Bottazzi in die „Ergebnisse der Phys ogie“ 1908, 7, p- 210 übernommen, \ . . ; DR uf 4 gr N >. 14 A. Ursprung und G. Blum, Dürfen wir die. Ausdrücke osmotischer Wert te höheren Pflanzen gewöhnlich etwa 5-1i Am! betragen“. „In zahl- reichen Fällen kommen aber auch höhere Drucke vor.“ Als Beispiel figurieren unter anderen die Wüstenpflanzen, in welchen nach Fitting „außerordentlich hohe Drucke, zum Teil von 50 bis über 100 Atm.“ erzeugt werden. Auch hier wurde faktisch nur der osmotische Wert bei Grenzplasmolyse gemessen. Um aber den Leser sicher irre zu führen, folgt dann der Passus: „Für die Beurteilung der Widerstands. kraft der Zellhäute gegen so hohe und noch höhere Drucke .. 2 Hierauf der Satz: „Auch sonst scheint der Turgordruck in trocken gehaltenen Pflanzen regelmäßig wesentlich höher zu steigen als in normal mit Wasser versorgten;“ während doch jedermann weiß, daß trocken gehaltene Pflanzen leicht welken, daß also der wirkliche Turgordruck, wie er p. 92 definiert wurde, nicht steigen sondern fallen muß, E Wenn schon in Lehr- und Handbüchern, die doch besonderes Ge. wicht auf Klarheit des Ausdrucks legen sollten, der Terminologie nicht genügende Beachtung geschenkt wird, so ist das Jin du noch weniger zu erwarten. Copeland??), der nur den osmotischen Wert bei Grenzplasmolyse maß und daher über die Straffheit der Zelle keinen zahlenmäßigeı Aufschluß geben konnte, teilt die Größe des „Lurgors“ mit und finde NZ. DDr 2, daß an manchen Stengeln die jüngeren Blätter „mehr turgeszente Zellen“ haben als die älteren. Auch Hilburg*) bezeich | net den osmotischen Wert bei Grenzplasmolyse als „Turgor“ und erhält so den Befund p. 26: „daß Wassereinwirkung den Turgor ü den Gelenkzellen zum Sinken,, bringt.“ Beide Autoren geben ihr Resultate indessen in %, KNO, an,” was »die Orientierung erleichtert Ähnliches gilt unter den neueren Arbeiten auch von Bender°*), de den osmotischen Wert bei Grenzplasmolyse „osmotischen Druck nennt. Dagegen führt Buchheim), der den osmotischen Wert bei Grenzplasmolyse als „Turgordruck* bezeichnet, oft noch die Umrech nung in Atmosphären an; auch spricht er häufig von Innen und „Überdruck“, was die Möglichkeit einer falschen Deutung natü lich erhöht, Besser steht es bei Meier?®), doch sind auch hier, © schon eine einwandfreie Terminologie angestrebt war, aus Verschet einige Unklarheiten stehen geblieben. Schlimmer aber als Unklarheiten sind unrichtige Darstellunge oder gar falsche Auffassungen, die bei manchen Autoren sich find 22) Copeland, Über den Einfluß von Licht und Temperatur auf den Turg Re ] Halle 1896. 23) Hilburg, Über Turgeszenzänderungen in den Zellen der Bewegungsgelen Unters. a. d. Bot. Inst. Tübingen. I. p. 23. | 24) Bender, Der osmotische Druck in den Zellen L: Madee, Diss. Berlin 19 Ö. 25) Buchheim, Der Einfluß des Außenmediums auf den Turgordruck ein Algen. Diss. Bern. 1915. 26) J. Meier, Zur Kenntnis des osmotischen Wertes der Alpenpflanzen. Di Fribourg 1916, Er b Ursprung u dl 6 G. Blum, Dürfen wir die Ausdrücke osmotischer Wert ete. 215 Ond ] wohl zum großen Teil auf die schon genannten Mängel der Hand- und Lehrbücher zurückzuführen sein dürften. So schreibt Prings- heim?”) p. 106: „Finden wir also in der Pflanze ein Steigen der Turgordrucke nach der wachsenden Spitze zu, so sind damit die 7 hysikalischen Bedingungen für die Wasserbewegung jedenfalls ge- geben“; ein Satz, der unrichtig ist, mag nun der Turgordruck wörtlich genommen werden, oder — wie bei Pringsheim — den osmotischen "Wert bei Grenzplasmolyse bedeuten. Denn bei der Wasserbewegung "kommt es auf die Saugkraft der Zellen an; diese fällt aber nur bei fehlendem Wanddruck mit dem: osmotischen Wert bei Gr enzplasmolyse zusammen, während Pringsheim (siehe p. 112) auch an turgeszente Zellen denkt. Dazu gesellt sich mangelnde Präzision im Ausdruck, so bedeutet „Turgor“ p. 106 den auf der Wand lastenden Tandndruck:! ‚p. 110 aber den osmotischen Wert bei Grenzplasmolyse. | "Fitting?®) bestimmt ebenfalls den osmotischen Wert bei Grenz- - plasmolyse, spricht aber meistens von „osmotischem Druck“ und in durchaus nicht einwandfreier Weise von „Saugkraft“. So besitzt (p. 234) Anagallis coerulea einen „osmotischen Druck“ von 0,3—0,5 GM . KNO, und einige Zeilen später entzieht diese Pflanze dem Boden das nötige Transpirationswasser mit einer „Saugkraft, entsprechend 03 0,5 GM KNO,“. p. 235 Nr. 12 ist stetsfort von „Druck“ und - „Druckkräften“ die Rede, während natürlich an Saugung und Saug- ‚kräfte gedacht ist. Später erfolgt dann die Umrechnung des osmo- tischen Wertes bei Grenzplasmolyse ın Atmosphären und p.255 wird mitgeteilt, daß „Druckwerte bis zu 100 und über 100 Atmosphären“ vorkommen; p. 271 sind es „Saugkräfte“ „bis zu und über 100 At- _ mosphären ee 3GMKNO,), einer Quecksilbersäule von 76 m ent- "sprechend, die an die Böden angesetzt werden können“. p. 258 heißt ‘es: „Die ungeheuren osmotischen Druckkräfte, die ich bei vielen - Wüstenpflanzen gefunden habe, sind zwar, wie eh glaube, ein brauch- bares Maß für die Größe der von diesen Pflanzen entwickelten Saug- kräfte, lassen aber kein Urteil zu über die Größe des in der Be A zenz der Gewebe zum Ausdruck kommenden Überdruckes, mit andern Worten des sog. Turgordruckes.“ Was hier vom Tursordruck sehr richtig gesagt ist, hätte um Irrtümer zu vermeiden auch auf die Saug- kraft ausgedehnt werden sollen. Ist es doch klar, daß der ermittelte _ osmotische Wert nur bei Grenzplasmolyse sich tnitider Saugkraft der Zelle deckt. Grenzplasmolyse wird aber auch bei Wüstenpflanzen 5 nicht der normale Zustand sein. E27) Prings heim E., Wasserbewegung und Turgorregulation in en Pflanzen. Jahrb. f. wiss. Bot. 43, 1906. « 28) Fitting, Die Wasserversorgung Kork die osmotischen Druckverhältnisse der Er eienpfianzen. Zeitschr. f. Bot. 3, 1911. BE +; . en}, I A a IR ir Wo I f Bi wer r Br, 216 | | Otto Thilo, Das Maulspitzen der Fische, Welches Unheil die Konfusion in der osmotischen Termino- logie anrichten kann, zeigt Hannig”), dessen ganze Arbeit auf der falschen Annahme zu basieren scheint, man könne durch Be. stimmung des osmotischen Wertes bei Grenzplasmolyse auf die Saugkraft der Zelle schließen. Die gleiche Verwechslung wieder- holt sich später bei Senn°°),, der den osmotischen Wert bei Grenzplasmolyse mißt und aus dem Umstand, daß die Epidermis z. B. von Viscum um 0,625 Mol KNO, höher = als die der Wirts- pflanze, den. Schluß ne „Der Daran vermag somit auf den Wirt eine Saugwirkung auszuüben, welche bei Viscum.... 0,625 Mol KNO, 4 also mehr als 21 Atm. erreicht.“ In allen ee Fällen wird som der osmotische Wert bei Grenzplasmolyse gemessen, gesprochen wird aber vom „osmotischen Druck“, „Turgordruck“ u. ä, und ge- meint ist die Saugkraft. a Diese Beispiele mögen genügen. Trotz der Ausstellungen aner- kennen. wir natürlich voll und ganz die wertvolle Bereicherung unserer Kenntnisse über den osmotischen Wert; der Tadel gilt allein der unrichtigen Darstellung bezw. den verkehrten Schlüssen und der Wurzel des Übels: der verkehrten Terminologie. EB Also in Zukunft mehr Klarheit im Ausdruck, damit. die Di stellung so ist, daß sie richtig verstanden werden muß, und nicht nur so, daß sie auch richtig verstanden werden kann. j Das Maulspitzen der Fische. Das Entstehen und Vergehen seiner Mechanik. Von Dr. Otto Thilo, Riga. 4 Ganz besonders auffallend ist da „Maulspitzen“ bei unseren Karpfen, wenn sie auf dem Trockenen liegend nach Luft schnappen. Das hat wohl schon ein jeder häufiger beobachtet. Infolgedessen weiß auch ein jeder, was der Volksausdruck „Karpfenmaul“ bedeutet. ° Wohl nur wenige wissen aber genauer, wie eigentlich ein „Karpfen- maul“ eingerichtet ist. Es fehlt eben bisher eine klare und deut- ° liche Beschreibung seiner Mechanik. 3 Schon vor Jahren hat allerdings Vitus Graber Lit. 6) das . Karpfenmaul genauer beschrieben und abgebildet, aber seine Be- schreibung ist sehr schwer verständlich und daher will ich es denn E hier versuchen möglichst kurz und klar die Eigentümlichkeiten des Kiefergerüstes der Karpfen und anderer Fische darzulegen. Man versteht sie ohne sonderliche Schwierigkeiten, wenn man ausgeht vom 29) Hannig, Untersuchungen über die Verteilung des osmotischen Druckes in der Pflanze in Hinsicht auf die Wasserleitung. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges: 1912, 30, p. 194. 4 30) Senn, Der osmotische Druck einiger Epiphyten und Parasiten. Verh. d, naturf. Ges. Basel. 1913, 24; p..179. | u I Bi Literaturanhang unter G. ’ Ötto Thilo, Das Maulspitzen der Fische. 217 Kiefergerüste der Heringe. ; Man öffne einem Heringe oder Strömlinge das Maul, indem 4 man seinen Unterkiefer mit einem Streichhölzchen nach unten drückt. i Das Öffnen gelingt auch, wenn man die untere Spitze des Schulter- | gürtels, die zwischen den Kiemendeckeln und Brustflossen liegt, - nach hinten zieht oder wenn man quer durch beide Augenhöhlen | einen Faden oder dünnen Stab zieht und hiemit den Kopf zurück- _ biegt. Es öffnet sich dann das Maul und die Kiemendeckel heben - sich. Genaueres hierüber siehe Thilo, Naturforschung und Technik, - Kiemenhautspanner und Regenschirmspanner (Lit. Th). Wenn also - das Maul geöffnet wird, so bewegt sich dann die untere Spitze des - " Öberkiefers nach vorn und stellt schließlich den Unterkiefer fest, da sie mit diesem durch ein Band verbunden ist und auf einen ‚toten Punkt gelangt. Es entsteht also eine vollständige „Maul- sperre* (Fig. 1). Fig. 1: Ellepen atosa. Bei geöffnetem Maule Rh der Unterkiefer vom Oberkiefer gesperrt. Die ganze Vorrichtung erinnert dann an den aufgehobenen _ Deckel eines Klaviers, der von seiner Stütze aufrecht erhalten wird. Leider gelingt der Versuch an Spirituspräparaten nicht mehr, da meistens der Unterkiefer an ihnen nicht mehr, beweglich ist. An frischen Fischen gelingt er aber leicht und das Maul bleibt auch stundenlang offen, wenn man es einmal geöffnet hat. | Es eignet sich auch sehr zu einem hübschen Schaustücke, das - - "Jeicht anzufertigen ist. Man schiebe ein kegelförmiges Holzstück - ins Maul und lege den ganzen Kopf zunächst in eine Lösung von 2 Teilen Formalin, 100 Teilen Wasser auf eine Woche, hierauf in _ _ Glyzerin, gleichfalls auf eine Woche. Darnach entferne man das Holzstück und bewahre den Kopf trocken auf. Am besten näht man ihn auf schwarze Pappe, da sein Silberglanz sich sehr gut von ihr abhebt und jahrelang erhält. 2 Die Entwicklung des Kiefergerüstes der Heringe kann man am bequemsten vergleichend anatomisch verfolgen und zwar an den “ Be ehiedenen Lachsarten. Unser Salm (Salmo salar) hat noch _ wenig bewegliche Oberkiefer. Ihre obere Spitze haftet fest am Riechbeine und nur das untere Ende kann man ein wenig verschieben. Beim Kilch und Stint hat jedoch die Beweglichkeit des unteren Endes schon bedeutend zugenommen und beim Reps des Peipusses % A \ R N BE a HN { 218 Otto Thilo, Das Maulspitzen der Fisch. 0. 0. (Corregonus albula) beschreibt die Spitze einen Bogen von über 90% wenn das Maul geöffnet wird. Diese Verschiedenheiten erklären sich vollständig aus der Nahrung der Fische. Der Salm ist ein ebenso arger Räuber, wie der Hecht. Seine Lieblingsnahrung im Meere ıst allerdings der Sandaal, aber er schlingt auch Heringe, Aale und Lachse. Leider konnte ich keine Angaben darüber auf- finden, wie er diese größeren Fische faßt und verschlingt. Sehr genaue und zuverlässige Angaben macht aber Max von. Zurmühlen (Lit. Z) über die Nahrungsaufanhme des Bu und jedenfalls ist sie beim Lachs ebenso. Zurmühlen schreibt: „Mir ist es wiederholt geglückt den Hecht beim Fassen der Beute zu beobachten. In allen diesen Fällen wurde der Fisch von der Seite gefaßt und dann so gekehrt, daß der Kopf zuerst in den Magen glıtt.“ Jedenfalls gehört hierzu ein so weit- . geschlitztes Maul, wie es der Lachs hat. Die rohrartigen Mäuler der Heringe und Maränen sind hierzu ganz ungeeignet. Vortrefflich eignen sıe sich aber zur Aufnahme von Plankton und davon leben sie auch allerdings — nach den Untersuchungen von Arnold (Lit. A). Von dieser so sehr verflüssigten Nahrung müssen sie sehr große Mengen aufnehmen und bedeutend einengen, um überhaupt ihren Magen ausreichend zu sättigen. Hierzu ist ihr ganzes Kiefer- gerüste sehr geeignet. Öffnet man einem Strömling von 15cm Länge das Maul voll- ständig, so entsteht ein Hohlraum von annähernd Acem. Der Hohl- 4 raum ist ein sechseckiges Rohr, dessen Umfang fast ebenso groß ist, wie der Umfang des ganzen Kopfes. Davon kann man sich lacht an dem obenerwähnten Schaustücke überzeugen. Man stelle den Kopf so auf sein Hinterhaupt, daß sein Maul nach oben gerichtet ist. Betrachtet man jetzt den Kopf von oben BE her, so bilden die Lippenknochen ein Sechseck, welches annähernd vom Umfange des Kopfes umschrieben wird (Fig. 2). Dieser Hohlraum von 4 ccm verschwindet sofort, wenn der Strömling sein Maul schließt. Es wird dann der ganze Gehalt an Plankton von den haarsiebartigen Kiemehfiltern des Kachens auf- gefangen. M | Diese wunderbaren Einrichtungen hat uns Enoch Zander (Lit. Z.) sehr genau in Bild und Wort in seinen schönen Arbeiten beschrieben. Er zeigt auch, daß die Kiemenfilter der Karpfen wesentlich anders gebaut sind, da auch die Nahrung der Kurplens B wesentlich anders ist. Nach seinen Abbildungen „gleicht der Sieb- apparat der Karausche täuschend einem Faltenfilter“. Sie nährt sich hauptsächlich von Würmern, Larven, faulenden Pflanzenstoffen und Schlamm. | | Re 5 er Otto Thilo, Das Maulspitzen der Fische. 219 Zur Aufnahme dieser Nahrung ist auch das ganze Kiefergerüste wesentlich anders gebaut als bei den Heringen und Maränen. Wir haben gesehen, daß diese genötigt sind sehr große Mengen ihrer sehr verflüssigten Nahrung aufzunehmen und möglichst schnell zu filtrieren. Hierzu eignet sich ihr weiter Stülpschlauch vortrefflich. Die Karpfen hingegen nehmen Schnecken, Würmer u. dgl. vom Boden auf, so etwa wie wır mit einem Stechheber vom Boden eines - Aquariums Verunreinigungen entfernen. Hierzu ist ihr „Stülp- schlauch“ schlanker und länger als bei den Maränen und Heringen. Er wird schon dadurch länger, daß der Vorkiefer vom Oberkiefer abgelöst ist und so ein weiter Zwischenraum zwischen beiden ent- steht (Fig. 3). Fig. 2, Fig. 4. Fig. 2: Sprotte Clupea sprattus. Fig. 3: Karpfenmaul vorgestülpt. Der Unterkiefer, Vorkiefer u. Oberkiefer bilden . jedenfalls einen Fächer von Bändern umsäumt. Fig. 4: Karpfenmaul geschlossen. Fächer zusammengefaltet. Der Unterkiefer, Vor- und Oberkiefer sind mit dem vorderen Kopfende durch eine elastische Haut verbunden. So entsteht ein Rohr mit festen Einlagen, das vorn von einem festen, rundlichen Strang umsäumt und eingeengt wird, wie eine Stippata. Dieser feste Saum fehlt den Maränen und Heringen, ihre Lippenknochen liegen ziemlich locker aneinander. Ihre Kieferknochen und ihr ganzes Kiefergerüste ist überhaupt viel weniger fest als bei den Karpfen. Bei diesen ist namentlich der Oberkiefer besonders stark entwickelt. Der Unterkiefer, Vorkiefer und Oberkiefer sind fächer- artig angeordnet. In Fig. 4 ist der Fächer zusammengefaltet. Klappt man den Unterkiefer nach unten (Fig. 3), so wird er entfaltet. Der freie Rand des Fächers wird dann von zwei festen Bändern um- säumt und so vor Zerreißungen geschützt. Eın Band verbindet, wie schon erwähnt, den Unterkiefer mit dem Vorkiefer (Fig. 3). Ein zweites oberes Band entspringt: von der Mitte des Vorkiefers und spaltet sich hinter dem Oberkiefer in zwei Schenkel. Von diesen setzt sich jederseits einer an das vordere Stirnbein. Dieses Band ist knorpelhaft und krümmt sich nach oben, wenn das Maul £*; geschlossen wird (Fig. 4). Geöffnet wird das Maul durch zwei Muskeln, von denen jeder- seits einer vom unteren Ende des Schultergürtels entspringt und sich an das Kinn setzt (Musc, coraco-mandibularis) (Fig. 5). s Er‘ u I20 Otto Thilo, Das Maulspitzen der Fische. % ß | Geschlossen wird das Maul durch Muskeln, die jederseits die Wange bilden (Musc. adductor mandibulae). Von diesen setzt sich jederseits eine Zacke an das obere Ende des Öberkiefers, eine zweite Zacke an die hintere Hälfte des Unterkiefers (Fig. 5). Als Schließer dient noch ein zweiter kleinerer Muskel (Levator palatini). Er entspringt unter der Augenhöhle und setzt sich an einen besonderen Muskelfortsatz in der Mitte des Oberkiefers. Ich hoffe der Leser wırd aus meinen Darlegungen ersehen, daß die mechanischen Verhältnisse des Karpfenmaules leichter zu durch- schauen sind, als es auf den ersten Blick erscheint. Allerdings darf man sich nicht von vornherein ın Einzelheiten verlieren. Frei- lich wird man hierzu leicht verleitet, da diese Einzelheiten ganz besonders anziehend sind. Sehr richtig sagt schon Graber, daß man immer wieder neue Merkwürdigkeiten am Kiefergerüste des Karpfen bemerkt, so oft man es betrachtet. Leider kann ich hier nicht genauer auf sie eingehen, ich kann sie nur a Fig. 5: Schema der Kiefermuskeln. 2, &', 2" Schließmuskeln des Maules. Es fällt ganz besonders auf, daß viele Knochenteile des ganzen Kiefergerüstes nicht miteinander verknöchert oder durch Knochen- nähte verbunden sind, wie bei anderen Fischarten, sondern durch Gelenke zusammenhängen. Infolgedessen kann man sie aneinander ein wenig verschieben. Trotzdem bilden sie aber ein festes ge- schlossenes Ganzes und ihre vielen Gelenke dienen nur dazu dem Ganzen eine gewisse Nachgiebigkeit zu verleihen, die ganze Knochen- brüche sichert. Diese Sicherheit ist aber aitch durchaus den Karpfen not- wendig. Sie wühlen immerfort im Schlamm und moorigen Grund und tappen so ihr Leben lang im Dunkeln umher. Ganz selbst- verständlich stoßen sie dabei oft im Leben an, namentlich wenn ‚sie plötzlich ihr Maul vorstülpen. Dabei könnte ihr ganzes Kiefer- gerüste leicht zu Schaden kommen, wenn es nicht so nachgiebig und doch zugleich so widerstandsfähig wäre. — Hier hätten unsere Baumeister viel von der Natur lernen können; denn erst neuerdings bauen sie ähnliche Gerüste mit zahlreichen Gelenken. Früher hielt man solche Gerüste ohne Gelenke für viel widerstandsfähiger und verband daher ihre Teile mit Keilen un- Ötto Thilo, Das Maulspitzen der Fische. 3 beweglich fest. Heute jedoch verwendet man an Dachstühlen, Brücken und ähnlichen Bauwerken zahlreiche Gelenke, ja sogar ‚steinerne Gewölbe fügt man häufiger aus zwei Hälften aneinander, t die in der Mitte ihres Bogens „unendlich wenig beweglich“ sind | (Prof. Grübler). | Wie entsteht nun der ganze vielgliederige Bau des Kiefer- _ gerüstes der Karpfen? Er entsteht aus sehr kleinen Anfängen. Das konnte ich an jungen Karpfen feststellen. — Schon am 7. Tage, nachdem sie dem Ei entschlüpft waren, konnte ich ihre Kiefer deutlich sehen, mit der Fernrohrlupe von Zeiß (Okular sechsfach, Objektiv +19 im Sonnenlicht). Ich betupfte die Kiefer mit Eosin und schob eine Nadel ins Maul. Der Vorkiefer und Oberkiefer waren noch fest miteinander und mit dem Riechknorpel verbunden, nur das untere Ende des Oberkiefers konnte ich mit der Nadel ein wenig hin- und herbewegen. Ich konnte also das Entstehen des sogenannten '„Karpfenmaules“ deutlich verfolgen. Zunächst sind Vor- und Ober- kiefer nur wenig -beweglich, wie beim erwachsenen Lachs, hierauf nimmt ihre Beweglichkeit zu, wie bei den Maränen, dann erst löst sich der Vorkiefer ab und es entsteht das „Karpfenmaul“. Dieselben Verhältnisse, wie bei unserem Karpfen, fand ich auch ' an den Karauschen, @oldfischen, Barben, Gründlingen und auch an den Kärpflingen (Cyprinodonten), z. B. Xiphophorus, einem sehr verbreiteten Zierfisch. Es gibt aber auch Karpfenarten, deren Kiefer- gerüste wesentlich andere Verhältnisse zeigen. An diesen kann man sehr deutlich verfolgen : das Vergehen des Karpfenmaules, d. h. seine Rückbildung. Es gibt nämlich Karpfenarten, die große Beutestücke fassen und verschlingen. Hierher gehören der Rapfen, .der Döbel und andere. Der Rapfen (Aspius rapax) % lebt von kleinen Fischen, schluckt aber auch häufiger Mäuse und gar Wasserratten (Leunis, Ei. L). Seine Kiefern haben scharfe schnei- dende Ränder, die mit Knorpel überzogen sind und ihr Unterkiefer läuft vorn in eine scharfe Spitze aus, die in einen entsprechenden Ausschnitt des Oberkiefers hineinpaßt. Diese Spitze erinnert ge- wissermaßen an den Haken des Lachses. Bei genauerer Betrachtung - erkennt man jedoch bald das „Karpfenmaul“ wieder, schon an der _ ganzen Bildung des Vorkiefers. Allerdings ist er weit weniger be- weglich als beim gewöhnlichen Karpfen; denn im Bande, das den Vorkiefer mit der Stirn verbindet, sind bedeutende Nerknöcherungen _ eingetreten. Sein vorderes Ende ist zu einem kräftigen Fortsatze - _ verknöchert und sein hinteres zu einem steinharten runden Knochen, in dem selbst eine spitze Nadel nicht mehr eindringt (Fig. 6). Dieser h runde Knochen ist entstanden durch Verschmelzung zweier Knöchel- Nun rn El 1a le u na ui a all Zain nun ni y 3 .. n ni; „ 2 > > PP Ötto Thilo, Das Maulspitzen der Fische. I chen, zwischen denen beim gewöhnlichen Karpfen das Stirnband des Vorkiefers verläuft. Das beweist eine Knochennaht in seiner Mitte beim Rapfen. Genaueres über die beiden Knöchelchen siehe bei Brühl (Lit. B). Der Döbel (Squalius cephalus) hat dieselben Knochenbildungen. Er ist nach Brehm gleichfalls „ein Raubfisch in des Wortes vollster Bedeutung und stellt kleineren Fischen, Krebsen, Fröschen, ja selbst Mäusen nach, weshalb er auch hie und da geradezu „Mäusefresser“ genannt und mit einem Kater verglichen wird“. | Die Schmerlen (Cobitis fossilis, taenia, barbatula) haben einen ziemlich langen Fortsatz ın der Mitte des Vorkiefers. Unmittelbar an ihn reiht sich ein runder Knochen, der fest mit der Stirn durch ein Band verbunden ist. Infolgedessen können die Schmerlen ihren Vorkiefer wohl auf und zu bewegen, aber nur ganz unbedeutend verschieben. — Wir haben also am Rapfen den An- fang vom Vergehen des Karpfenmaules gesehen und am Schlamm- beißer sozusagen sein Ende. Dieses Ende ist aber wiederum der Anfang neuer höchst eigenartiger Ausführungen des Karpfenmaules, die am kleinen Sandaal zur vollen Entwicklung gelangt. Der große Sandaal (Ammodytes lanceolatus) ıst anders geartet. Fig. 6. Fig. 6: Aspius rapax. Rapfen. Fig. 7: Schubkurbel von Amodytes tobianus (Kleiner Sandaal). Maul halb ge- öffnet, obere Spitze des Oberkiefers u. eine Seitenscheibe entfernt. Der kleine Sandaal (Ammodytes tobianus) hat an seinem Vorkiefer ebenso wie die Schmerlen einen langen Fortsatz, an dessen hinterem Ende ein rundlicher Knochen befestigt ist (vgl. Fig. 7). Trotzdem kann er seinen Vorkiefer sehr bedeutend vorschieben, während, wie erwähnt, die Schmerlen ihn fast gar nicht mehr vorschieben können. Beim Sandaal wird das Vorschieben dadurch möglich, daß der Knochen eine runde Scheibe bildet, die nach vorn rollen und gleiten kann, da sie nach hinten zu an der Stirn nur locker befestigt ist. Seitliche Abweichungen verhütet 4 ’ nz u ( Ötto Thilo, Das Maulspitzen der Fische. 293 jederseits ein rundlicher Knochen (Fig. 8). Das Vorschieben des Vorkiefers wird aber durch zwei seitliche „Hemmbänder“ bis zu - einer bestimmten Grenze eingeschränkt. Ohne diese Hemmbänder - würde der Vorkiefer immerfort entgleisen, denn er.ist am Uhnter- Kiefer befestigt und jedesmal, wenn das Maul sich öffnet, wird er - nach vorn gezogen (Fig. 8). Die ganze Vorrichtung ist also eine ; - | auf | Fig. 8. Fig. 9. | Fig. 8: Amodytes tobianus. Maul ganz geöffnet und gesperrt durch die vorge- h. | schobene Rolle der Schubkurbel. : Fig. 9: Amodytes tobianux. Maul fast ganz geschlossen. Schubkurbel. | Man ersieht aus Fig. 7: Die kreisförmige Bewegung des Un- terkiefers bewirkt eine zeraaliige Bewegung vom hinteren Ende des Vorkiefers. ‘Auf den ersten Blick erscheint solch eine „Schubkurbel“ als etwas sehr einfaches (Fig. 13). Der Maschinenbauer jedoch weiß sehr wohl, daß sie gar nicht»so einfach ist. Der Menschengeist hat Jahrtausende dazu gebraucht, um die scheinbar so einfache Schub- kurbel auf ihre jetzige Höhe zu erheben. Schon von ihrer „Gerad- führung“ allein sagt Reuleaux: „Die schematisch so einfach er- _ scheinende Aufgabe, eine geradlinige Bewegung in einem gegebenen Getriebe zu sichern, hat sich ungemein lange der praktischen Lösung widersetzt“ (Kinematik Bd. I, S. 439, Lit. R). Noch viel größere Schwierigkeiten haben aber die toten Punkte der Schubkurbel bereitet. In China und Japan sind noch immer drei Personen dazu erforderlich, um die toten Punkte einer „Reis- schälmühle mit Handbetrieb“ zu überwinden (Reuleaux gibt hier- von interessante Abbildungen). Wie hat nun die Natur diese schwierigen Aufgaben gelöst? Man muß sagen: Jedesmal genau den Verhältnissen angepaßt und wir werden sehen: Wo es notwendig war, entstand eine Schub- kurbel; wo sie unnötig oder gar nachteilig wurde, verschwand sie. Das zeigt sich ganz besonders deutlich am kleinen und großen Sand aal (Ammodytes tobianus und A. lanceolatus). B. An beiden Arten fällt der lange vorstehende Unterkiefer auf. - Er ist ein Merkmal dieser Fische und wird in den Handbüchern _ zum „Bestimmen“ empfohlen. Was nützt er aber den Fischen? E ’Das steht nicht in den Handbüchern, man ersieht es aber gewiß “= sehr deutlich aus den schematischen Figuren 10 und 11. In ihnen Hr 234 Ötto Thilo, Das Maulspitzen der Fische, h4 ist AF (der Unterkiefer) ebenso lang, wie bei den en d.h. die Länge des Unterkiefers ist gleich der Breite des Fisches (vgl. Leunis S. 714). Öffnet sich das Maul, so wird AB verlängert um AF und AC vergrößert um AE (annäher nd). Wäre aber der Unter- kiefer nicht = AF, sondern nur die Hälfte von AF, so wäre die Verlängerung auch nur gleich der Hälfte von AF. Je länger also der Unterkiefer ist, desto mehr kann der Sandaal sein Maul vor- stülpen. An der Schubkurbel des Sandaales ist wohl für den Maschinenbauer ganz besonders interessant ihr Schieber (vgl. Fig. 8 und 10). Er ist nicht wie bei unseren Maschinen flach oder zylin- Kurbel +Rie.n 10; Fig. 11. Fig. 10: Schema der Schubkurbel des kleinen Sandaales. Der Schieber bildet eine . Rolle aus drei beweglichen Scheiben. | Fig. 11: Schema der Schubkurbel des kleinen Sandaales. drisch (Fig. 13), sondern bildet eine Rolle, die aus drei aneinander- beweglichen Scheiben zusammengesetzt ist (vgl. den Schnitt der Rolle Fig. 12). Die mittlere Scheibe rollt auf dem Nasenrücken Fig. 12: Fig. 137 Fig. 12: Schieber der Schubkurbel des kleinen Sandaales (schematisch) 3 aneinander bewegliche Scheiben. Fig. 13: Schema der Schubkurbel einer Dampfmaschine nach Reuleaux. hin und her bei Bewegungen des Vorkiefers und die beiden seit- lichen Scheiben verhüten ihre Entgleisung. Die Beweglichkeit der beiden seitlichen Scheiben verhütet aber Einklemmungen bei etwaigen Verdrehungen der Rolle. Man sieht also, die ganze Vorrichtung 4 ist vortrefflich den Lebensverhältnissen des Fisches angepaßt. Übrigens hat die weit vorstehende Spitze des Unterkiefers für die Sandaale noch einen anderen Nutzen. Sie ist ihnen unentbehr- lich, um sich in den festen Seesand zu bohren. Ich habe oft. ge- 4 staunt, wie schnell sie im Sande verschwinden, obgleich er doch “ Waren a 5 r f RE. DRY < I u Öle hilo, Das Maulspitzen der Fische. Jyh, } nat von den Wellen steinhart gestampft ist. Ich stimme voll- - ständig Günther (Lit. G) bei, wenn er schreibt: „Sie leben zu großen Scharen vereinigt, sich gleichsam auf ein Kommando an die Oberfläche erhebend oder auf den Grund tauchend, wo sie sich mit unglaublicher Geschwindigkeit in den Sand einbohren.“ Sehr richtig sagt Leunis (Lit. L), daß der große Sandaal - seinen Vorkiefer nur sehr wenig verschieben kann. Ich fand dem- - entsprechend beginnende Verknöcherungen zwischen den Stirnbeinen - und dem langen Fortsatze des Vorkiefers. So sieht man bei den Sandaalen das Entstehen und zugleich auch das Vergehen ihrer - -Sehubkurbel. Das Vergehen tritt beim großen Sandaal ein, weil er | große Beutestücke faßt, also ein richtiger Raubfisch ist. Das be- weisen auch die zwei langen scharfen Zähne an der Spitze seines Unterkiefers, die dem kleinen Sandaale fehlen. Ehrenbaum (Lit. E) hat in Helgoland sehr eingehende und E\ A wertvolle Beobachtungen über die beiden Arten von Sandaalen gemacht. Er schreibt: „Die kleinere und bei weitem häufigere Art, - die an den deutschen Nordseeküsten schlechthin Spierling Bohalint wird und als Köderfisch eine erhebliche Rolle spielt, ist in der - Hauptsache Planktonfresser. Der Magen und Darm dieser Fische ist in der Regel prall gefüllt mit Diatomeen (z. B. Coseinodiscus) ın großer Menge ÜCopepoden (bes. Femora longicornis), Brachyuren- - Larven, Amphipoden (Proto ventricosa), Wurmlarven (Lanice), kleinen I Plönktonsehnecken u.a.m. Auch reife Ammodytes-Eier wurden ge- - legentlich im Mageninhalt gesehen. Die größere und nicht so häufige - Art, welche an den Nordseeküsten als Jager bezeichnet und ge- - wöhnlich nicht als Köder genommen wird, ist ein Raubfisch und lebt ziemlich ausschließlich von seinem Verwandten, dem kleinen - Spierling, welcher fast immer in je einem Exemplar im Magen des - großen Spierlings angetroffen wird.“ 3 Wir haben also gesehen, daß die Schubkurbel des Sandaales aus kleinen Anfängen entstanden ist und schließlich eine recht zu- _ sammengesetzte Form angenommen hat. Gerade dieses Zusammen- gesetzte beweist aber, daß sie noch nicht auf der höchsten Stufe - der Entwicklung steht; denn sowohl im Tierreiche, als auch in - der Technik treten stets bei höherer Entwicklung sehr große Ver- _ einfachungen ein. Das zeigt besonders deutlich die Sehubkurbel des Stichlinges. F Geschwunden sind hier z. B. die drei Knochenscheiben, die am A - Ende der Schubstange ihre Entgleisung verhüten (Fig. 8 und 14), - Sie sind unnütz geworden, da die Schubstange des Stichlinges in einer tiefen Rinne auf dem Nasenrücken hin- und hergleitet. In & dieser ‚Rinne wird sie durch ein festes Querband erhalten. Fig. 15 . zeigt das Band durchschnitten. Wir finden hier also ein rohrartiges: Balrungsgleist, wie esin der ‚Technik Acht eng gebräuchlich 15: 226 Ötto Thilo, Das Maulspitzen der Fische. ‘ ist. Leider sind überhaupt an allen „Führungsgleisen“ Reibungs- widerstände unvermeidlich. An der Schubstange des Stichlings könnten sie sich bis zu Einklemmungen steigern, wenn der Fisch sein Maul plötzlich öffnet. Der Unterkiefer reißt dann gewaltsam den Vorkiefer nach unten, da er ja durch Bänder an ihn befestigt ist (Fig. 14). Daher werden denn auch beim Stichling durch sehr verschiedenartige Mittel die Reibungswiderstände bedeutend ver- mindert. | 1. Das Ende der Schubstange ist zugespitzt (Fig. 14) und kann sich daher wohl kaum einklemmen, wenn die Schubstange vor- geschoben wird. 2. Die Schubstange ist kein einheitlicher Knochenstab, sondern er ist aus zwei länglichen Knochenplatten zusammengesetzt, die dachartig und beweglich aneinandergefügt sind. Infolgedessen wird _ die Schubstange, wenn sie ins Gleis hineingleitet, zusammengedrückt ; und dünner. | ii Fig. 14. | Fig. 15. Fig. 14: Seestichling. Gasterosteus marinus. Vorstufe der Röhrenmäuler nach Günther, Kiefergerüste hochgradig verlängert. Fig. 15: Gasterosteus triaculeatus. Dreistachlicher Stichling. Jedenfalls ist der Stichling ganz besonders auf ein sehr be- wegliches Maul angewiesen. Wenn er z.B. sein Nest fertig gebaut hat, so spuckt er es an und glättet es dann mit seinem Bauch (Ehrenbaum nach Heincke, Lit. E). Auch seine Jungen nimmt der sorgsame Vater oft schützend ıns Maul und spuckt sie wieder aus (Warrington nach Brehm). | | © Gewiß gehört zum Spucken eine nicht unbedeutende Explosiv- | geschwindigkeit! Auch das Aufnehmen der Nahrung erfordert beim ; Stichling oft ein schnelles Öffnen des Maules. Er ist ein arger Räuber von Fischeiern. Das weiß ein jeder Fischzüchter. Fischeier nimmt man aber am besten mit einem Glasrohr auf, indem man schnell den Finger vom oberen Ende des öinpetaunhiin Rohres ab- hebt. Die unglaublichen Mengen von Eiern, welche ein Stiehling R in sehr kurzer Zeit verschluckt, kann er nur aufnehmen, wenn er sein Maul wie einen Stechheber benutzt. E Zu einer derartigen Nahrungsaufnahme ist besondahs der See- E stichling (Gasterosteus spinachia) oft genötigt. Er lebt und baut sein ° Nest im Geäste von Meeresalgen (Ehrenbaum, Lit. E) und zieht: seine Nahrung aus ihren verschlungenen Zweigen hervor. Sein spitzes Maul und seine schlanke Gestalt Bene sich zu dieser L Lebens- Ötto Thilo, Das Maulspitzen der Fische. 997 _ weise ganz besonders und sind jedenfalls durch Anpassung an seine Umgebung entstanden. Wo wuchernde Meerespflanzen nur spärlich vertreten sind, da ist auch der Seestichling nur spärlich vorhanden, so z. B. am unfruchtbaren Sandstrande des Meeres bei Riga. Er ist hier den Fischern gänzlich unbekannt. Vor einiger Zeit kam ein - Fischer mit einem Seestichling zum Fischereidirektor Kirsch und fragte, was das für ein öigentünmlicher Fisch sei; er habe noch nie so einen gesehen. Dasselbe erzählt auch Benecke von den Fischern bei Königsberg i. Pr. (Lit. B). Diese mangelhafte Fischkenntnis ist bei Fischern allerdings - etwas auffallend, die dreistachelige Stichlinge in unglaublichen Mengen fangen und zu Tran verkochen, aber der Seestichling sieht aller- dings sehr anders aus als der dreistachelige (vgl. Fig. 14 mit 15). Seine spitze Schnauze erinnert lebhaft an die „Röhrenmäuler“ - (Fistularidae). _ | Gewiß geht wohl K Günther (Lit. G) etwas zu weit, wenn Per- schreibt: „Die Röhrenmäuler (Fistularidae) sind riesige marine _ Stichlinge.“ Jedoch gleicht das Kiemengerüste des Seestichlinges _ mehr dem Gerüste von Aulostoma als dem des dreistacheligen Stich- - linges (vgl. die vortreffliche Abbildung bei J ungersen (Pl. I], - Fig. 4, Lit. J). Jedenfalls ist der Seestichling eine Übergangsform zu den Röhrenmäulern. Das beweist auch die Rückbildung seiner ’ Schubstange. Sie ist im Verhältnis zur ganzen Schnauze bedeutend - kürzer als beim dreistacheligen Stichling. Bei diesem reicht ihr - Ende bis zum Auge, wenn sie vollständig zurückgeschoben ist. Beim Seestichling reicht das Ende aber nur bis zur Mitte zwischen Auge und Schnauze. Bei jungen Seestichlingen von 1 cm Länge ist die _ Schnauze noch sehr kurz. Von da ab jedoch wächst sie ganz außer- - ‘ordentlich schnell in die Länge. Es bleibt also die Schubstange - sozusagen im Wachstum zurück. Bei den Röhrenmäulern ist sie fast ganz zurückgebildet. Hier schließt der Unterkiefer, wenn man ihn aufklappt, das Rohr wie ein Deckel ab. Vervollständigt wird _ dieser Verschluß durch die verhältnismäßig breiten seitlichen Ober- kiefer (Oentriseus, Aulostoma, Syngnathus u. &.). 1 Es liegt auf der Hand, daß ein derartiger Verschluß sich ganz - besonders eignet, um einen Stechheber schnell zu schließen und sicher verschlossen zu halten. Beides ist zum Einfangen von Wür- mern und anderem kriechenden Getier durchaus erforderlich; denn man sieht häufig beim Stichling verschluckte Würmer wieder aus - dem Maule hervorkriechen. — 2 Es wurde also das breite Maul der Stichlinge zu einer langen‘ Röhre mit festem Verschlusse umgebildet, weil diese Vorrichtung Ba Ernährung der Röhrenmäuler unentbehrlich ist. — % i\ Es gibt auch Fische, deren rohrförmiges Maul ganz anders ge- baut ist, als bei den Fistulariden; d.h. die in Westafrika lebenden | organ. Ihr Unterkiefer ist durchaus nicht so vorgeschoben > 15* 338 Ötto Thilo, Das Maulspitzen der Fische wie beim Seestichling (Fig. 14). Sein Gelenk liegt vielmehr, wie bei anderen Fischen unter dem Auge. Seine rohrartige Schnauze ‚ ıst vollständig mit Haut überzogen, so daß nur an der Spitze eine Öffnung bleibt. Beim Öffnen des Maules wird diese Haut gespannt, wie der Finger eines Handschuhes vom Handschuh aus weiter. Ge- nauer beschrieben und abgebildet hat diese höchst eigenartige Familie Dr. Pappenheim-Berlin (Lit. P). Wir haben oben .das a der Schubkurbel des Stichlinges isn, wie aber ist das Entstehen der Sehubkurbel beim Stiehling. Ich habe ihre Entstehung entwicklungsgeschichtlich am drei- stacheligen Stichling und am Seestichling verfolgt. Man kann aber - diese Entstehung auch vergleichend oe in sehr verschiedenen Familien der Fische beobachten. | A Fig. 16. | | Fig. 17. Fig. 16: Seeschnepfe Centriscus scolopax. Fig. 17: Seeschnepfe. Verschluß des Röhrenmaules. Ein deckelförmiger Unterkiefer verschließt das Rohr. | | Bei den Makrelen, Barschen und vielen anderen Fischen findet man ın der Mitte des Vorkiefers einen kurzen Fortsatz wie beim Rapfen (Fig. 6, S. 222). Dieser Fortsatz hat bei ihnen die drei ° rundlichen Knochen in sich aufgenommen, die wir beim Sandaal und Karpfen schon genauer kennen lernten. Bei den Barschen, Schellfischen und Groppen sind diese drei Knochen ganz besonders deutlich. Zwei liegen dem Vorkiefer an, der dritte liegt hinter ihnen, Alle drei werden von zwei Knochenplatten überdacht, die dem Vor- kiefer entspringen. = Aus dieser Form entwickeln sich alle bei den Fischen vor- kommenden „Schubstangen“. f Ihre einfachste Form lernten wir am Stichling kennen. N Die drei Knochen sind beim erwachsenen Stichling fast ganz zurückgebildet. Man findet bloß einen dünnen Knorpelbelag an der ° unteren Seite der Schubstange. g Nur an Jugendformen von Gasterosteus triaculealus und marinus : konnte ıch die rundliche Knochen noch deutlich nachweisen. | Ähnliche Verhältnisse wie bei den erwachsenen Stichlingen finde 7 ich an erwachsenen Gaxza und Egquula Ebbe dung: von Gasxa siehe 3 Thilo, Natt. und Technik, Lit. Ti); en fr W) & ae „# ri . Wir wo‘ N we r ‚ . Otto Thilo, Das Maulspitzen der Fische, 229 Sonst findet man meistens die drei Knochen an den Schub- _ stangen der Fische ziemlich vollständig erhalten. Überhaupt sind die Schubstangen der Fische in ihrer Ausführung nicht sehr wesent- lich voneinander verschieden. Eine Ausnahme hiervon machen Zeus - und die Papageifische (Scariden). Die Schubkurbel des Zeus. F Seine Schubstange gleitet nicht in einer Knochenrinne zwischen den Augen, wie bei Gaxza. Sie hat vielmehr dieses Gleis verlassen. Die Schnauze ist bedeutend in die Länge gewachsen und hat sozu- sagen die Schubstange mitgenommen. Sie gleitet auf einen Knochen, der so gebaut ist wie eine Eisenbahnschiene (vgl. Fig. 18 und den beigefügten Schnitt einer Schiene Fig. 19). Das Ende der Schub- - stange gleitet auf dem Kopfe der Schiene; zwei seitliche Fortsätze fenster E ir / Fig. 18. Fig. 19. " Fig 18: Zeus. Gaumenbein und obere Spitze des Oberkletene entfernt. Die Schub- stange gleitet auf einem knöchernen Geleise, das ähnlich gebaut ist, ‘wie eine Eisenbahnschiene. ie 19: Schnitt einer Eisenbahnschiene. E; gleiten auf ihrer Platte. Die Fortsätze schnappen am Ende der - Platte ein, wenn die Schubstange vollständig vorgeschoben ist. Es - handelt sich allerdings hierbei nicht um ein richtiges „Zahngesperre*“ _ wie ich es an der Rückenflosse des Zeus entdeckt habe (Naturf. u. Technik); denn die Schubstange wird nicht durch das Einschnappen _ der Fortsätze unbeweglich festgestellt, wohl aber wird sıe bedeutend : im Rückgange gehemmt, wie bei den sogenannten „Schnappgelenken“ E (R. Fick, T. II, S. 248, Litt F). Der Rückgang der Stange wird _ auch noch dadurch erschwert, daß der Unterkiefer sıch in einer - Totlage befindet, wenn das Maul vollständig geöffnet ist. Der Unter- S ‚kiefer ist aber am Vorkiefer durch Bänder befestigt. Also durch - diese Totlage des Unterkiefers und durch das Einschnappen der Fortsätze ist der Zeus imstande sein Maul sehr lange offen zu er- £ halten, ohne wesentlich dabei seine Muskeln anzustrengen. — =. Wir finden also auch hier das von mir aufgestellte Gesetz © wieder: Sperrvorriehtungen und Totlagen werden im Tierreiche dazu benutzt um Muskelkraft zu sparen. Offenbar ist der Zeus oft darauf angewiesen sein Maul möglichst lange offen zu Srnalen, damit er rechtzeitig zuschnappen kann. 230 Otto Thilo, Das Maulspitzen der Fische. Nach Couch liegt er oft in einer Sandgrube und lockt kleinere Fische an, mit den langen Wimpeln seiner Rückenflosse, die wie Würmer ın der Strömung sich winden, wie es scheint mit Erfolg; denn Couch fand im Magen eines Zeus von etwa 30 cm Länge 25 Flunder von 4 cm Länge, bei einem anderen fand er große Mengen Pilchards u. s. £. Der Zeus benutzt also bei seiner Nahrungsaufnahme zwei von- einander ganz getrennte Sperrvorrichtungen. Er stellt seine Rücken- flosse fest und „angelt“ dann mit ihren langen Wimpeln, wie der bekannte „Angler“ (Lophius prscatorius), bis ihm die Fische und andere Gimpel ins „aufgesperrte Maul“ schwimmen. Die Entstehung der Schubkurbel des Zeus. Man sieht sie ganz besonders deutlich bei den Groppen. Man findet dort die Anfänge der „Eisenbahnschiene“ und ‚Sperrfortsätze. Das ganze Kiefergerüste sieht bei ihnen sehr leicht und durchsichtig aus. Seine Knochen sind, wie man sich ausdrückt — stark redu- ziert. Daher wird denn auch dieses etwas wackelige Gerüste von ganz besonders festen Bändern zusammengehalten. Schon Gegen- baur (Lit. G) hat hierauf aufmerksam gemacht. Besonders stark entwickelt sind diese Bänder an der Schubstange. Gewiß sind sie _ hier auch sehr am Platze; denn es könnten leicht Verrenkungen des ganzen Vorkiefers eintreten, wenn die Groppe ein allzu großes und lebhaftes Beutestück erfaßt hat. Ich fand derartige Bänder bei anderen Fischarten. sehr verschieden stark entwickelt. Im all- gemeinen kann man sagen: Fische mit kurzer Schubstange und wenig ausgebildetem Führungsgleise haben stark entwickelte Bänder (Groppen, Sandaale, Karpfen, Dorsche, Barsche). Aber auch einige Fische mit langer Schubstange und langem Führungsgleise haben bisweilen eine sehr feste Bandbefestigung, so z. B. viele Brassen- arten. Wenig entwickelt sind die Bänder bei Zeus, Gaxxa, bei den Stichlingen und auch bei Triacanthus. Diese Fische haben ja alle eine lange Schubstange und ein langes, starres en Fr E schlußpaare, Reuleaux). — Wir haben soeben gesehen, I; ! Zeus die Sperrvorrichtungen an seiner ‚Schubstange Nee am. Pla andere Fische Vorrichtungen, die ıhnen das Offenhalten ee i erleichtern? =» „a Hierauf muß man antworten: AR BR m Sperrvorrichtungen am Maule von Fiicheu findet man überall dort, wo der Fisch durch seine Lebensweise dazu gezwungen wird, sein Maul häufig lange Zeit hindurch ‚offen . zu halten, Das ist z. B. bei den Heringen Bun. Maränen M Fol B 4 f Kyl 1: a N N 7, UG2E Pc Otto Thilo, Das Maulspitzen der Fische. 974 Ihr Gesperre wurde bereits S. 217 genauer besprochen und ab- gebildet. Es wurde dort auch festgestellt, daß die Maränen Plankton- fresser sind und bochentwickelte Sperrvorrichtungen haben, während eine andere Lachsart, unser Salm, keine hat. i Fische, die von gemischter Nahrung leben, d. h. sowohl große als kleine Böntestücke schlucken, haben auch nur unvollkommene Sperrvorrichtungen. Sie haben meistens auch nur kurze Schub- - stangen (Barsch, Dorsch, Makrelen u. s. w.). Diese können ihr - Maul offen erhalten, indem sie einfach ein schiefes Maul ziehen. - Ihre kurze Schubstange wirkt dann wie ein sogenanntes „Schnapp- - gelenk“. Bei schiefem Maule ist nämlich die kurze Schubstange u geradezu ausgerenkt (luxiert). Sie stützt sich dann gegen einen seitlichen Riechknochen und erhält das Maul halb geöffnet, d.h. zum _ Zuschnappen bereit. Die Fische ziehen aber ein schiefes Maul, "wenn sie die Kiefermuskeln nur an einer Seite anziehen. Man kann 1 . diesen Vorgang an frischen Barschen leicht nachahmen, wenn man - bei geöfinetem Maule mit der Pinzette das untere Ende eines Öber- ; kieferknochens erfaßt und nach unten zieht. Es bleibt dann das Maul.offen, selbst wenn man von vorn her gegen den Vorkiefer drückt. Fische mit langer Schubstange und engem Führungsgleise, wie z.B. die Stichlinge, Gaxza u. a. alten ihr Maul offen, indem sie die idorslände im Gleise steigern. Hierzu ziehen sie den Unterkiefer stark nach unten. Es wird dann der vordere Teil des Vorkiefers gleichfalls kräftig nach unten gezogen, da er ja am ° Unterkiefer durch Bänder befestigt ist. Wenn sich aber das vordere Ende nach unten senkt, steigt das hintere Ende naeh oben, wie an einer Wippschaukel (vgl. Fig. 14 und 15). Es wird hierbei das - hintere Ende sozusagen entgleist. Es tritt die Entgleisung besonders - dadurch ein, daß die Schubstange nur in ihrer Mitte durch ein - _Querband im Gleise erhalten wird (Fig. 15 zeigt dieses Band durch- - sehnitten). Ganz selbstverständlich entstehen durch eine derartige Entgleisung bedeutende Reibungswiderstände, die sich bis zu Ein- klemmungen steigern können und dann den Rückgang der Schub- — _stange sperren. „Gelöst“ wird diese Sperrung, wenn die Kiefer- — —muskeln (Fig. 58 und 3°) den Öberkiefer und Vorkiefer heben. Beim Vorschieben des Vorkiefers können derartige Sperrungen nicht 2 eintreten, da das hintere Ende der Schubstange zugespitzt ist und daher unbehindert nach vorn aus seinem Gleise heraus rutscht. Die Stichlinge haben also ein Gesperre, in dem nur beim Rückwärts- gange der Schubstange Reibungswiderstände eintreten, nicht beim Vorwärtsgange Mufendes Reibungsgesperre nach Benleinx Kine- matik II, S. 562). Ich konnte diese Tatsachen bequem bei Gazza feststellen (Abbild. Naturforsch. und Technik). An den Stichlingen treten sie weniger deutlich hervor, die Fische sind zu klein zu solchen Untersuchungen. Wir sehen also, daß die Fische sehr verschiedenartige Sperr- Be; N a, ug ‚939 Otto Thilo, Das Maulspitzen der Fische. 4 I 424 vorrichtungen haben, um ihren Muskeln das Offenhalten des Mäules' F zu erleichtern. Wir sehen auch, daß diese VorricheE stets ‚sehr & genau den Verhältnissen angepaßt sind. Die Schubkurbel der Papageifische (Scariden). Eigentlich ist der Name dieser Fische nicht ganz zutreffend, denn ihre Kiefer sind durchaus nicht so gebaut, wie ein Papagei- schnabel, sondern vielmehr wie das Gebiß der Kugelfische Diodon, Triodon und Tetrodon, d. h. in. jedem Kiefer sind die Zähne voll- ständig miteinander verwachsen und bilden einen dünnen Knochen- bogen, zugeschärft und schneidig, wie ein ringförmiges Messer für Bölsschurlzeriien. Die Nahrungsaufnahme der Fische erfordert durchaus solche schneidige Kiefer. Sie leben nämlich von Ledertangen' und Korallen, die sie vom Meeresboden „ablesen und abkneifen“, den Kopf nach unten gerichtet (Brehm, Klunzinger, Lit. B und K). Sagemehl (Lit.S.) fand in ihren „Schlundtaschen“ Stücke von Fadenalgen und Kalkbröckel von Korallen, noch deutlich erkennbar. Im Magen hingegen fand er einen so fein verteilten Speisebrei, daß er seine Bestandteile selbst unter dem Mikroskop nicht mehr fest- stellen konnte. Die Papageifische sammeln also die abgepflückten Stücke von Tangen und Korallen in ihren Schlundtaschen auf und zermahlen sie hierauf in einem besonderen Mahlapparat, der von ‘ Zähnen der oberen und unteren Schlundknochen gebildet wird. Leider kann ich hier nicht genauer auf diesen hochinteressanten Mahlapparat eingehen und auch die großen Eigentümlichkeiten des Kiefergerüstes kann ich hier nur andeuten. — Die Papageifische können ihren Vorkiefer nur unbedeutend vorschieben. Es liegt daran, daß ihr Unterkiefer bedeutend verkürzt ist. Von der Ver- kürzung gewinnt man wohl am besten eine Vorstellung, wenn man sich den Unterkiefer eines anderen Fisches, z. B. eines Zeus,’ genauer von der Seite her ansieht (Fig. 18). Man bemerkt dann, daß er in seiner Mitte gefenstert ist, also hier einen sehr wunden Punkt hat. An dieser Stelle nun denke man sich den Unterkiefer derartig ab- geknickt und verbogen, daß eine Winkelstellung und Verkürzung entsteht. Bei Knochenbrüchen nennen das die Chirurgen: dislocatio ad axın et ad longitudinem., Leider hinterbleiben nach derartigen Knochenbrüchen nicht ganz selten die sogenannten „falschen Gelenke“ (Pseudarthrosen). Die Bruchflächen werden dann überknorpelt und es erhält sich eine „abnorme Beweglichkeit“. Tatsächlich sieht man denn auch an mehreren Fischarten, daß die Verkürzung und Winkelstellang an ihrem Unterkiefer so entsteht. B. Bei Julis, einem nahen Verwandten der Papageifische, sind das (Gelenkende und das Zahnende vollständig ineinander „eingekeilt“ wie bei einem „eingekeilten Bruche“* (vgl. Chirurgie von König fi h +79 di X, Rs): w ”, E R R j SC o Th lo, Das Maulspitzen der Fische, Br. 235 wird das Fenster (Fig. 18, Zeus) vollständig ‚vo ı einem Fortsatze des Gelenkendes ausgefüllt (Fig. 21). Schon strch ist eine Verkürzung des Unterkiefers eingetreten, aber zu r Winkelstellung und Gelenkbildung ist es noch nicht gekommen. hat sich nur eine sehr bewegliche, überknorpelte Knochenfuge bildet (Symphysis der Anatomen). Hingegen ist die Winkel- ” ellung. schon stark ausgebildet bei Acanthurus (Fig. 20), Naceus und _Tuthis. Pappenheim (Lit. P) beschreibt eine ähnliche Fuge F uch ı bei Campylomormyrus elephas (Congo). Ich konnte sie bei Mormyrus oxyrhynchus (Nil) nicht auffinden. Ein richtiges Gelenk ist aber bei allen diesen Fischen noch immer nicht entstanden. Est bei Pseudoscarus (Fig. 22) findet man ein festes und zugleich \ doch sehr bewegliches Gelenk und eine sehr bedeutende Verkürzung des Unterkiefers. Zugleich mit dem Unterkiefer ist auch die Schub- stange des Vorkiefers verkürzt und verbogen. De > ER ri? ze ‚ En ’ N Fig. we. ih Fig. 21. hie 20: Acanthurus. tier in der Mitte beweglich (unvollständiges Gelenk). 3 = ee 21: Julis. ‚Gelenkende des Unterkiefers in das Fenster des Zahnende verschoben BIER und Ser gelegen vergl. auch Fig. 18 Fenster des Zeus. Br Alle diese ‚Vorgänge erklären sich aus der höchst eigentüm- } lichen Nahrungsaufnahme der Papageifische. Wir haben schon oben % gesehen, daß die Papageifische von Ledertangen und Korallen leben, - die sie mit ihrem scharfen Gebiß abkneifen. Bei einer langen, > E weglichen Schubstange wäre das nicht möglich, da Ja der Vorkiefer ; dann beim Beißen nachgeben würde. Es ist also eine Rückbildung E: ‘der Schubstange eingetreten. Infolgedessen würde ganz selbstver- 3 ständlich der Unterkiefer auch verkürzt; _ denn nur wenn Vorkiefer tangen und Bosllen abkneifen. Dakn neu entstandene Gelenk, in der 1 Mitte des Unterkiefers, begünstigt ganz außerordentlich die schneiden. R len, ziehenden Be enngen er Kiefer. Das erkennt man leicht, E u man genauer betrachtet | Fe die Muskeln der Kiefer bei den Papageifischen. K { E sind ganz besonders stark entwickelt; namentlich die des erkiefers. Sie entspringen strahlenförmig vorn Vordeckel (Prae- B en...) und setzen sich an einen besonderen Muskelfortsatz des - seinem mittleren Gelenke, Wenn sıe sich zusammenziehen, S Ayla 234 Otto Thilo, Das Maulspitzen der Fische, } Ge, = i e 6: u% so drücken sie die Zahnplatte des Unterkiefers gegen die des Ober- kıefers, da ja dıe vordere Hälfte des Unterkiefers einen zweiarmigen Hebel bildet. Zugleich aber wirken sie ziehend, da ja der Unter- kiefer am Quadratbeine ein zweites Gelenk hat. Hierdurch wird die schneidende Wirkung des ganzen Gebisses ganz außerordentlich verstärkt. Das wird wohl ein jeder zugeben, der da weiß, was ein gezogener Hieb ist. Auf derartige Bewegungen haben schon Guvier et Valen- ciennes (Lit. O) hingewiesen. Sagem ehl bestreitet sie und sagt, daß nach seinen an Spirituspräparaten angestellten Versuchen „alle Bewegungen außer einfacher Schließung und Öffnung absolut un- möglich sind“. Überkiel— 2: = Z rn. nn Unterki®er Hier 22. Fig. 23. Fig. 22: Papageifisch, Pseudoscarrus. Zwischen Gelenkende und Rene des Unterkiefers besteht ein Gelenk. Fig. 23: Triacanthus brevirostris. Gelenkende und Zahnende des Unterkiefers mit- einander verknöchert. Vergl. Fig. 20 u. 21. Oberkiefer und Unterkiefer voneinander getrennt. Kieferknochen auseinander gezogen. Ich gebe zu, daß sie an Spirituspräparaten allerdings unmög- lich sind. An Spirituspräparaten ist sogar meist auch das Öffnen des Maules zunächst unmöglich. Es wird oft erst möglich, wenn man jene „passiven Bewegungen“ vornimmt, die man in der Heilkunde gegen steife Gelenke anwendet. Manchmal ist man sogar genötigt, vorher die erhärteten Muskeln zu durchschneiden. Ich besitze übrigens ein Glyzerinpräparat von Pseudoscarus rivulatus, an . dem man die ziehenden und schneidenden Bewegungen -sehr be- quem ausführen kann, obgleich alle Muskeln erhalten sind. Wir haben soeben bei den Papageifischen die Rückbildung einer | Schubkurbel verfolgt und haben gesehen, wie eine Fangvorrichtung in eine Beißvorrichtung überging, aber die Rückbildung ist noch nicht vollständig; denn einige Eigentümlichkeiten der Schubkurbel blieben erhalten. Die vollständige Rückbildung einer ähnlichen Schubkurbel zeigen erst die Haftkiefer (Pleetognathen). Bei Triacanthus ist die Schubstange fast gar nicht mehr beweg- lich und auch der Unterkiefer ist so bedeutend verkürzt, daß er beim Schließen und Öffnen des Maules keine nen Ver-- schiebung des Vorkiefers bewirkt (Fig. 23). Zugleich mit der Ver- Otto Thilo, Das Maulspitzen der Fische. 935 kürzung ist auch das Gelenk eingegangen, welches wir in der Mitte des Unterkiefers bei den Papageifischen und den Acronnoiden sahen (Fig. 20 und 23). Der Unterkiefer hat also nur noch ein Gelenk am Quadratbein. Das mittlere Gelenk ist verknöchert. Bei Balistes und Monacanthus und den Nacktzähnern ist auch die Schubstange fast ganz geschwunden. Somit sind kaum noch Spuren einer Schub- kurbel vorhanden (Fig. 24 und 25). Man kann bei den Haftkiefern auch an den Zähnen den Über- ” \ P f' gang von einer Fangvorrichtung in eine Schneidevorrichtung ver- ©. folgen. ü Triacanthus und Balistes haben jederseits vier spitze Zähne in jedem Kiefer. 4 Fig. 24. Fig. 25. E Fig. 24: "Balistös aculeatus Bloch. Vorkiefer und Oberkiefer miteinander ver- j knöchert. Schubstange fast ganz geschwunden A Fig. 25: Tetrodon hispidus. Zähne miteinander verknöchert. Schubkurbel ganz F geschwunden. Bei Monacanthus sind jederseits die zwei äußeren Zähne zu „einer Platte verschmolzen und bei den Nacktzähnern (Gymnodonten) - bilden alle Zähne dünne, breite Platten, die mehr oder weniger - durch Nähte miteinander verbunden sind (Fig. 25). Nach der An- : zahl dieser Nähte führen ja au die Fische den Namen Diodon, Triodon und Tetrodon. x Eine Eigentümlichkeit von Triacanthus und Balistes ist eine sehr feste, verknöcherte Sehne, die das Gelenkende des Unterkiefers mit dem Subopereulum. verbindet. F "Ähnliche Bildungen finde ich auch beim Chirurgen, bei Ampha- canthus und bei einigen anderen Fischen. Man ersieht aus diesen Bildungen ganz deutlich, daß die erwähnte Sehne nichts anderes ist als ein in die Länge gezogenes Interopereulum. Zieht man an ihr, so wird der Unterkiefer geöffnet. Die Sehne verstärkt also die Wirkung des M. coraco-mandibularis und gehört daher zu jenen Wiederholungsgruppen, die nach Herm. v. Meyer (Lit. M.) bıs- weilen vikariierend eintreten, entweder bei Totlagen oder beı an- x deren Störungen. "Die ne selbst hat keinen Muskel. Sie ist Be aber am Suboperculum befestigt und wirkt daher ziehend, wenn _ „das Subopereulum von ‚der Muskulatur des Bauches nach hinten gezogen wird. Es wird also das Maul z. T. von den Bauchmuskeln ‚geöffnet. Bi In der Literatur a ich keine Angaben über diese Sehne - auffinden, Ich habe sie daher genauer an mehreren Fischarten ( N oe | 236 Otto Thilo, Das Maulspitzen der che ax selbst untersucht. Leider kann ich hier nicht a auf diese höchst interessanten Umbildungen von Knochen (urch age eingehen. . Genaueres über den Verlauf der Kiefermiudkenn siche bei Vetter (Lit. V). Ergebnisse. Sehr viele und sehr verschiedenartige Fische können ihre Kiefer derartig vorstülpen, daß dadurch ein röhrenartiges Maul entsteht — ein sogenanntes „spitzes Maul* oder „Karpfenmaul“. Diese Eigentümlichkeit ist unmittelbar von ihrer Nahrung abhängig; denn bei Änderungen der Ernährung treten auch wesentliche Änderungen ım Bau des ganzen Kiefergerüstes ein. Besonders deutlich ist dieses bei nahe verwandten Arten, die oft große Verschiedenheiten an ihren Kiefern zeigen (Lachse, Sandaale, S. 222). 1. Beim Salm und bei den Forellen sind der Vorkiefer und Oberkiefer fest mit dem Schädel verbunden und nur wenig be- weglich. Sie sind arge Räuber, die große Beutestücke fassen (Ström- linge, junge Lachse). Sie brauchen feste Kiefer. Bei ıhren nahen Verwandten jedoch den Maränen, Kilchen, 'Stinten sind der Vorkiefer und Oberkiefer sehr beweglich; denn sie sind Planktonfresser und stülpen ihre Kiefer zu einem weiten Rohre vor, in dem sie Plankton auffangen. Dieselbe Kieferbildung findet man auch bei anderen u, z. B. den Heringen, die den Lachsen recht fern stehen (Fig. 1, S. 217). 2. Die Karpfen, Karauschen, Biachsen. Barben, Gründlinge können ihr Maul noch weiter vorstülpen, als die Heringe, da bei ihnen der Vorkiefer vom Riechknochen abgelöst ist. Ihr „Karpfen- maul“ oder „Stülpschlauch“ ist länger, enger und fester als bei den Heringen. Sie benutzen ihn wie einen Stehheber, mit dein sie Würmer, Schnecken u. dgl, vom Boden aufnehmen (Fig. 3, 4, S. 219). ) 3. Es gibt aber auch Karpfenarten, die Raubfische sind ind sogar Mäuse und Ratten fassen und verschlingen (Rapfen, Döbel). Bei ihnen ist der „Stülpschlauch“ zurückgebildet und die Beweg- lichkeit ihrer Kiefer wird durch Verknöcherungen eingeschränkt. Besonders deutlich sind,die Verknöcherungen an beiden Enden des Bandes, das über dem Nasenrücken den Vorkiefer mit der Stirn verbindet (Fig. 6, S. 222). 4. Bei vielen Fischarten ist dieses Band zu einem Knochen- stabe umgebildet, der in einer tiefen, starren, geraden Rinne hin- und hergleitet, wenn der Unterkiefer bewegt wird (Fig. 15, S. 226). Der Unterkiefer ist am Vorkiefer durch Bänder hefestigt. Beschreibt das Kinn einen Kreisbogen, so wird diese kreisförmige Bewegung in eine geradlinige des Knochenstabes umgewandelt. Diese Vor- richtung entspricht also der Schubkurbel unserer Dampfmaschinen (Fig. 13, S. 224). Der Unterkiefer entspricht der ‚Kurbel, der 2 Öle 'bilo, Das Maulspitzen der Fische. 337 En ochenstah des Vorkiefers der Schubstange (vgl. auch Fig. 10 und 11, S. 224). RD. Zwischen dem „Karpfenmaule* und der Schubkurbel des | Stichlinges gibt es sehr zahlreiche Übergangsformen. Am nächsten ß ‘steht dem Karpfenmaule die Schubkurbel des kleinen Sandaales (Amodytes tobianus) (Fig. 8). Ihr Schieber bildet eine Rolle, die aus drei aneinander beweglichen Scheiben zusammengesetzt ist . (Schemat. 212.30. 11,12, 13). | 6. Die drei Scheiben ‚sind hervorgegangen aus kleinen Knöchel- 2 chen, die beim Karpfen am Bande bei der Stirn liegen (Fig. 3 u. 4). 7. Bei den Barschen, Dorschen, Groppen, Brassen und anderen - Fischen sind diese drei Knochen bedeutend nach vorn gerückt und bilden die untere Fläche der Schubstange. Beim Stichlinge, Gaxza, - — Equula u.a. sind die drei Knochen zu einem dünnen Knorpelbelag _ eingeschrumpft (S. 226). 8. Das Kiefergerüste des Seestichlings ist eine Übergangsform von den „Stülpschläuchen“ zu den starren „Röhrenmäulern“ der ' Seeschnepfen und anderer. Fische mit rohrartiger Schnauze (Cen- # iriscus, Aulostoma u. s. w.) (Fig. 14, 16, 17, S. 228). E 9. Das Kıefergerüste der Panageifische (Scariden) bildet eine Übergangsform vom Kiefergerüste der Lippfische (Labriden) zum Kiefergerüste der Haftkiefer (Plectognathen) (Fig. 14, 16, 17). Bei den Papageifischen geht hierbei eine Fangvorrichtung in eine Schneidevorrichtung über und es tritt eine bedeutende Ver- _ . kürzung des Unterkiefers ein. 10. Eine beginnende Verkürzung sieht man schon bei Juls, außerdem bei den Acronuriden Acanturus, Nasenis und bei rn Ä Den Höhenpunkt erreicht jedoch die Verkürzung erst bei den Kugel- fischen Diodon; Triodon, Tetrodon. 11. Das Kiefergerüste der Fische zeigt fast in jeder Familie 2 sehr mannigfaltige Umbildungen, die dem Systematiker oft als ganz E - regellos erscheinen. Trotzdem gelingt es ganz bestimmte Reihen der Entwicklung an ihnen aufzufinden, wenn man die Lebensweise und Ernährung der Fische genauer untersucht und ihr Kiefergerüste > vom Standpunkte der Mechanik aus betrachtet. Man gewinnt dann _ auch ein Verständnis für viele Knochenbildungen, die bisher dem E vergleichenden Anatomen ganz rätselhaft waren, z. B. das spitze Er Kinn der Sandaale und Rapfen, das Kiefergerüste der verschiedenen Lachsarten, die Einknickung des Unterkieiers bei den Acronuriden _ und Papageifischen und vieles andere. » 12. Hierhergehörenauch j jene eigentümlichen Sperrvorrichtungen, die ‚den Muskeln der Kiefer das dauernde Offenhalten des Maules so sehr erleichtern. Man findet also auch hier das von mir auf- Eeestellte Naturgesetz wieder: „Sperrvorriehtungen und Totlagen wi werden im Tierreiche dazu benutzt um Muskelkraft zu sparen.“ url 238 Ötto Thilo, Das Maulspitzen der Fische. Literatur. Arnold, Uber Fischnahrung in den Binnengewässern. Veh. v. internat. Zool. Kongr. in Berlin. 1901. S. 553. Benecke, Berthold, Naturgeschichte der Fische, S. 46, Fig. 64, Fig. 1— 16. Ent- W RER d. Stichl. war mir nicht raue Benecke, B., Fische, Fischerei und Fischzucht in Ost- und Westpreußen. Königs- berg i. Pr. 1881. Brühl, R. C., Anfangsgr. d. vergl. "Anat. 1.—3. Lief. Fische nebst Atlas. Wien 1847. Matsrhrer Witwe u. Bianchi. Cuvier et Valenciennes, Hist. nat. d. poissons. Tom. xIv. p. 182. Ehrenbaum, E., Eier ‚und Larven von Fischen der Deutschen Bucht. Ber, aus der Biol. Anst. auf Helgoland. Nr. 1. 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Jenaische Zeitschr. 1878, 8. 489—550. Zander, Enoch, Allgem. Fischereizeit. 1903, Nr 19 und Zeitschr. £. wissenschaft. Zool. Bd. LXXV. 1903. 8. 233. Zurmühlen, Max von, Der Hecht, sein Nutzen und Schaden. Praktische Wochen- schrift f. Landw., Gewerbefl. u. Handel. Org. d. Kaiserl. Livl. gemeinnütz. u. Ökonom. Sozietät 1902, Nr. 46. TIER v. Franz, Die Lichtflucht der Ölausilien. 239 Referäte. G. Schmid: Die Lichtflucht der Clausilien. Nachrichtsblatt der Deutschen Malakozoologischen Gesellschaft 1917, Heft 1, 8.819. Anschließend an den vorläufigen Bericht über meine Lichtsinnversuche an Heliciden möchte ich auf Schmid’s Beobachtungen und Versuche über die Lichtflucht der Clausilien hier hinweisen, zumal die kurze, lediglich in dem malako- - zoologischen Spezialorgan erfolgte Mitteilung der beachtenswerten Ergebnisse des hauptsächlich der Botanik obliegenden Forschers leicht dem Zoophysiologen ent- - gehen könnte. Die Frage, ob Hautlichtsinn oder Augenlichtsinn vorliege, wird - zwar von Schmid nicht geprüft. Er hat jedoch in einer Anzahl nicht seltener ‘ Schließmundschnecken Objekte gefunden, die den bei sonstigen Stylommatophoren nach den bisherigen Ermittelungen verhältnismäßig schwer feststellbaren oder doch ‘ wenig auffallenden und sehr oft zu schwankendem Ausfall der Versuche führenden Lichtsinn der Schnecken verhältnismäßig deutlich und regelmäßig erkennen lassen, wenigstens bei der gewählten Versuchsanordnung. Ferner gelang für die wichtigsten - seiner tatsächlichen Phototaxis-Feststellungen die biologische Deutung, ihre öko- logische Erklärung nach dem Zweckmäßigkeitsprinzip, ein bei Schnecken bisher - kaum erschlossenes und bei den übrigen, meist viel stärker phototaktisch reagieren- - den Tieren erst wenig bearbeitetes Gebiet. Die Lichtflucht der Olausilien (zumeist - (lausilia dubia und bidentatu, demnächst plicata, biplicata und schließlich einige laminata) wird unter anderem durch einen Versuch veranschaulicht, in welchem von 96 Stück sich 48 als Lichtflüchter und nur 4 als Lichtwanderer erwiesen; von den restlichen zeigten sich 11 indifferent, 33 waren nicht aus ihrem Gehäuse Me gekommen. Jene Lichtflucht tritt jedoch nur in trockener Umgebung, zumal nach mehrstündiger Trockenaufbewahrung und auf: sehr aufsaugefähigem Schreib- maschinenpapier, bei den zu Beginn des Versuchs angefeuchteten Tieren ein, während “sie in feuchter Umgebung fortfällt, wie unter Mitteilung von geeigneten Kontroll- versuchen gezeigt wird; daß Wärmewirkung nicht ausschlaggebend ist, folgt unter anderem daraus, daß an ganz kühlen Tagen die Tiere sich ebenso verhielten. Diese - Versuche wurden bei Tageslicht, doch nicht bei Sonnenschein angestellt. Im * Sonnenschein werden freilich Clausilien auch in der feuchtesten ekannder licht- flüchtig, doch vermutet Schmid hierin eine Wärmewirkung, also Wärmeflucht, da die Sonne die dunklen Gehäuse schnell erwärme. Erwähnt sei, daß, wie es bei - Helieiden bekannt ist, auch die Clausilien sich nicht immer ganz regelmäßig ver- hielten: Unter den erwähnten Arten ergaben die drei erstgenannten die eindeutigsten ' Ergebnisse, während die beiden letztgenannten in manchen Trockenversuchen die ‚einzigen Lichtwanderer waren. Stärker umstimmbar als die Clausilien ist Balea - perversa, da sie im Feuchten nicht nur die negative Phototaxis verliert, die sie im - Trocknen betätigt, sondern sogar sofort positiv phototaktisch wird. Was die ein- leuchtende ökologische Deutung betrifft, so muß F euchtigkeit Balea aus ihren 3 - Schlupfwinkeln 'hervorlocken, Trockenheit sie und die Olausilien in die Schlupfwinkel — zurückführen, wie es der Lebensweise entspricht, beides mit Hilfe der Phototaxis, „Die. F euchtigkeit ist ökologisches Ziel, der Reiz ist das Licht.“ —- Die Kriechspur 4 der Fluchtbewegung ist nahezu geradlinig und gleichlaufend mit RE Richtung der Bi. Be ehsirahlen, ohne merkliche Versuchsbewegungen. V. Franz (Jena). JA0. - A. Engler, Hope und exzentrisches Diekenwachstum de Bine. Arnold Engler: Tropismen und exzentrisches Be wachstum der Bäume. | Ein Beitrag zur Physiologie und Morphologie der Holzgewächse. Preisschrift, heraus- gegeben dureh die Stiftung ‘von Schnyder von Wartensee Zürich 1918, De Beer & Co. 106 Seiten, 43 Tabellen, 16 Textfiguren, 12 Tafeln. Das bemerkenswerteste Ergebnis der Untersuchung ist, daß nicht nur schwache verholzte Zweige nach Abschluß des Längenwachstums Krümmungen auszuführen ver- mögen, sondern auch mehrere Dezimeter starke Stämme von Laub- und Nadelhölzern der Krümmungsfähigkeit nicht ganz entbehren. Um willkürlich angestellte Experimente kann es sich dabei naturgemäß nicht handeln, sondern es werden Individuen beobachtet, die durch zufällige Ereignisse, wie Erdrutsch, Schneedruck u.s. w., aus der vertikalen Stellung abgelenkt worden sind. Da die Reaktionen sehr langsam verlaufen, ‚wird nur der Forstmann, der seinen Wald regelmäßig begeht, in der Lage sein die Veränderungen zu bemerken und zu verfolgen. Auf Grund solcher unmittelbarer Beobachtungen weiß der Verfasser aber auch weit zurückliegende Wachstumsvorgänge eingehend zu analysieren. Es ist z. B. aktenmäßig festgelegt, daß im Jahr 1876 an einem Hang eine Bodenrutschung stattgefunden hat. Im Jahr 1900 wird einer der damals schief gelegten und jetzt auf- . gekrümmten Stämme geschlagen, und aus dem in den Jahrringen niedergelegten Kalender läßt sich ermitteln, daß im Jahr 1877 das Dickenwachstum in charakteristischer Orien- tierung exzentrisch wird und drei Jahre lang so bleibt, woraus zu schließen ist, daß der betreffende Stamm zu seiner Aufkrümmung in die Vertikale drei Vegetationsperioden gebraucht hat. An jüngeren Individuen werden auch durch künstliche gewaltsame Biegung oder durch schiefes Einpflanzen Experimente ganz nach Art der Labora- toriumsversuche ausgeführt. Bei der Wachstumskrümmung ist, wie der Verfasser ver- ‘ mutet, wohl das gesamte lebende Holzparenchym aktiv beteiligt, nicht wie früher für die Bewegungen schwächerer Zweige angenommen wurde, nur das Kambium mit seinem neuen Zuwachs. Die Krümmungen werden vorzugsweise auf geotropischen Reiz hin ausgeführt, doch. sind bei den Laubhölzern, was für verholzte Organe wieder neu ist, auch phototropische Reize tätig. Der Lichtreiz ist dabei wirksamer in den oberen, der Schwerereiz in den _ unteren Teilen des Baumes. Der Reiz der Schwerkraft wie des Lichtes soll vorzugs- weise von den jüngeren Trieben perzipiert werden, und wenn diese die Vertikale bezw. die günstigste Lichtlage erreicht haben, soll die Krümmung auch in den unteren Stamm- teilen, die unter dem Einfluß der vom Gipfel zugeleiteten Reize stehen, sistiert werden. Die Zw eckmäßigkeit solcher Beziehungen, deren Bestehen vielleicht noch eingehender dargetan werden sollte, leuchtet ein. Ganz ohne Überkrümmungen, die dann vom Gipfel zurückreguliert werden, geht es allerdings hier so wenig ab wie anderswo. Auch das vielbehandelte Problem des exzentrischen Dickenwachstums erfährt durch den Verfasser eine neue Beleuchtung. Daß bei den Nadelhölzern an schief stehenden _ Achsenorganen das Diekenwachstum auf der Druckseite, also der physikalischen Unterseite, gefördert wird, weiß man seit langem. Diese fördernde Wirkung des Längsdrucks findet der Verfasser auch bei den Laubhölzern, aber noch wichtiger ist nach seinen Beobachtungen hier die Reaktion auf den geotropischen Reiz, die in einer Verstärkung der Jahrringe auf der physikalisch oberen Seite zum Ausdruck kommt. Auch anatomisch unterscheidet sich das „geotrophe“ Holz mitunter (bei Eiche, Esche) vom übrigen Holzkörper. Geo- trophes Holz entsteht vorzugsweise in der Zone der geotropischen Aufkrümmung, aber auch noch bis auf gewisse Entfernung nach oben wie nach unten. Beachtenswert ist wieder, daßdie Förderung des Dickenwachstums aufder Oberseiteaufhört, wennder Endtrieb 2 die lotrechte Stellung erreicht hat. Die Beziehungen zu dem eingehend studierten Geotrophismus krautiger Stengel sind noch nicht klar. 5 Die Thesen des Verfassers sind durch reiches Tabellenmaterial und zahlreiche schöne Photographien belegt; instruktive schematische Zeichnungen vervollständigen die Dar- stellung. Die Ausstattung des Heftes ist von einem Reichtum, der in Deutschland wie ein Anachronismus erscheint. / OÖ. Renner. Verlag von Georg Thieme in Leipzig, Antonstraße 15. — Druck Fi Hof- u. Uniyersitäts-. | Buchdruckerei von J unge & Sohn in Erlangen. a RN Biologisches Zentralblatt Begründet von J. Rosenthal Herausgegeben von De Goebel und .Dr. R. Hertwig Professor der Botanik, Professor der Zoologie in München t Verlag von Georg Thieme in Leipzig Tr ie Nr. 6 ausgegeben am 1. Juni 1920 Der jährliche Abonnementspreis (12 Hefte) beträgt 20 Mark Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten Die Herren Mitarbeiter werden ersucht, die Beiträge aus dem Gebiete der Zoologie, vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte an Herrn Prof. Dr. R. Hertwig, München, Alte Akademie, alle übrigen (nach vorheriger Anfrage) an Herrn Prof. Dr. K. Goebel, München, Menziugerati 15, einsenden zu wollen. - Inhalt: K. Gerhardt, Zur Theorie der Schutzmittel gegen Tierfraß bei Pflanzen. 8. 241. & G. Wolff, Physikalisch-biologische Beobachtungen an Schmetterlingsflügeln, Vogelfedern und andern organischen Gebilden, S. 248. H. Teudt, Erwiderung auf Heller’s Artikel „Über die Geruchstheorie von Teudt*. 8. 249. 0. Renner, Mendel’sche Spaltung und chemisches Gleiehgewieht. S. 268. E. Lehmann, Bemerkungen zu dem Aufsatze von ©. Renner: Mendel’sche Spaltung und .ehemisches Gleichgewicht. S. 277. 0. Renner, Zur Richtigstellung. Er 237. E. Lehmann, Bemerkung dazu. $. 288. \ Referate: A. Ernst, Bastardierung als it, der Apogamie im Pilanzenreich. $. 286. Zur Theorie der Schutzmittel gegen Tierfrals bei Pflanzen. Von Karl Gerhardt, Jena. Zu den umstrittensten Gebieten in der. Biologie gehört die Frage mach den Schutzmitteln der Pflanze gegen Tierfraß. Das zeigen u. a. - die Versuche, die’Bildung von Dornen und Stacheln, durch deren Besitz die an heißen, trockenen Standorten lebenden Pflanzen vornehmlich - ausgezeichnet sind, zu deuten. Die Anschauung, daß diese Organe ledig- lich den abnormen klimatischen Einflüssen — also rein physiologischen Ursachen — ihre Entstehung verdanken, steht noch heute der anderen, daß sie im Kampf ums Dasein durch Selektion als Schutzmittel gegen Tierfraß ausgebildet wurden, schroff gegenüber, wenn schon neue Unter- suchungen von Sta hi 1) einen gangbaren Weg zur Lösung wahrscheinlich machen. Aber auch da, wo ein wesentlich zuverlässigeres und sicherer zu überschauendes Tatsachenmaterial zur Verfügung steht, ist völlige Klarheit nicht geschaffen. So wird gerade in neuester Zeit die zuerst on Stahl?) vertretene und später von einer Reihe seiner Schüler 1) Stahl, Zur Physiol. u. Biol. der Exerete, Flora 1919, Bd. 13, N. F. 2) Stahl, Pflanzen und Schnecken. Jena 1888. E49, Band... | | ER | 16 BIER Gerhardt, Zur Theorie 1 Schutzmittel gegen Tierfraß bei Pflanzen. ein mit neuen Tatsachen belegte Ansicht, daß an Erlen | im Organismus der Pflanzen — Haare, Rhaphiden, Kiesel- und Kalk- panzer, chemische Stoffe — als Abwehrwaffen gegen pflanzenfressende Tiere zu gelten haben, mehrfach bestritten. Soweit diese Kritik nicht Einzelheiten der Versuchsanstellung und ihrer Ergebnisse, sondern die Fragestellung als solche angreift, soll in den eh: Zeilen ihre sach- liche Berechtigung erörtert werden. — Bei seinen Beobachtungen an Schnecken war Stahl zu der Unter- scheidung zwischen Spezialisten, die hinsichtlich ihrer Nahrung an einen engen Formenkreis angepaßt sind, und Omnivoren gelangt, die eine mehr oder weniger große Auswahl an Futterpflanzen haben. Eingehende Fütte- rungsversuche namentlich mit den letzteren hatten ihm gezeigt, daß stark behaarte oder mit Kiesel- oder Kalkpanzern versehene Pflanzen meist erst nach mechanischer Zerstörung dieser Einrichtungen, mit Gerb-, Bitterstoffen, Alkaloiden oder ätherischen Ölen ausgestattete erst nach Entfernung dieser Stoffe durch Extraktion mit Alkohol bezw. Äther von den Schnecken als Nahrung angenommen wurden. Daraus hatte er den 4 Schluß gezogen, daß die genannten Eigenschaften als Schutzmittel der Pflanzen gegen Schneckenfraß zu gelten hätten. Gegen diese Deutung wendet sich in einer Reihe von Aufsätzen Heikertinger?°). Nament- lich durch Beobachtungen, die er in seinem Spezialstudium gewisser Insektenklassen gemacht hatte, beeinflußt, leugnet er das Vorkommen omnivorer „Kleintiere“ (bei „Großtieren“ läßt er die Frage offen) über- haupt, behauptet im Gegenteil, daß all& als Spezialisten bezeichnet wer- - den müßten, die nur mehr ‘oder weniger streng auf bestimmte Pflanzen eingestellt und ihnen angepaßt seien, und daß diesen gegenüber Schutz- ° mittel der Pflanzen nicht existieren. Wenn aber fremde Pflanzen von diesen nicht angegriffen würden, so liege das nicht daran, daß diese durch besondere Einrichtungen wie gewisse mechanische Bildungen, bezw. ” Einlagerung bestimmter chemischer Stoffe geschützt seien, sondern weil sie den betreffenden Tieren im Geschmack nicht mehr zusagten, nach- dem diese sich einmal im Lauf der Zeiten an die besondere Kost ge- wöhnt hätten. So sagt er: „Die Schutzfrage setzt zumeist überhaupt ° erst mit dem Ausnahmefall ein, daß ein Tier auf eine ihm fremde Pflanze gerät. Und hier wird der wirksamste Schutz nicht in Stachel und ° Säure liegen, sondern in der: Anpassung selbst, — das Tier wird die ° Pflanze darum ablehnen, weil sie einfach seinem ererbten Geschmack ° nicht entspricht.“ — ,„Das Tier kümmert sich um alle ihm fremden Pflanzen überhaupt nicht, greift sie gar nicht an. Wo aber kein Angriff d erfolgt, ist auch kein „Schutz“ nötig; und so sinkt die ganze Schutz- I frage... zusammen“ (1914, S. 85/86). Dem Spezialisten gegenüber aber ‘sei die Pflanze vollkommen hilflos und daher weitgehendster Vernich- 3). Ei Heikertinger, Über die beschränkte Wirksamkeit der Sehutzmittel der Planze gegen Tierfraß u.s.w. Biol. Zentralblatt 1914, Bd. 34. — Die Frage von den SR ES ehe gegen Tierfraß und ihre Lösung. Biol, Zentralblat b 1915, Bd. 7 erha u, A Theorie der Schutzmitt gegen Tierfraß bei Pflanzen. 243 iA Bi: durch ihn. Biksögchen. Heikertinger führt als Beispiel dafür die Reblaus, Borken- und Kartoffelkäfer an und glaubt damit um so eher schlagende Beweise gegen Stahl vorbringen zu können, als dieser die eingehendere Diskussion der hier vorliegenden Verhältnisse beiseite stellt. Denn wenn irgendwo, so sei doch ein Schutz der Pflanze gegen die Vernichtung durch ihre besonderen Feinde geboten. Der aber fehle vollständig. So gelangt Heikertinger zu einer vollständigen Ab- - Jehnung der Schutzmitteltheorie. Daß diese überhaupt habe aufgestellt werden können, dafür schafft er sich folgende Erklärung: „Stahl war Botaniker. Gerade zu seiner Zeit nahmen ökologische Studien, nahm ‚das Studium der Pflanzenschutzmittel gegen Klimaungunst mächtigen Aufschwung. Was lag der Botanik näher, als den belebten Faktor der - feindlichen Tierwelt in gleicher Weise zu behandeln, wie sie den unbe- lebten Faktor des feindlichen Klimas so ergebnisreich behandelt hatte. An der Pflanze mußten sich Schutzmittel gegen schädliche Klimaein- _ flüsse — durch Untergehen der „ungeschützten“ Formen — ausbilden. k Fiiele dieser Klimaschutzmittel waren zweifellos zugleich auch gegen - Tiere wirksam — die gleiche Basis für beide war scheinbar gegeben.“ „Dennoch aber müssen die Einflüsse der unbelebten Natur von _ denen der.höher stehenden belebten prinzipiell scharf gesondert werden. Gegen Klimawirkung ist ein einseitiger Schutz möglich; das Klima ist - ja keiner Gegenanpassung zur Überwindung des Schutzes fähig... Gegen 9 das Klima gibt es demnach einseitigen Schutz; gegen die ernch hin- - gegen gibt es nur ein gegenseitiges Abfinden, ein großes, aber nie allzu- großes Tributzahlen, eine reziproke Anpassung, die sich automatisch nivel- Br hiert‘ (1914, 8. 100/101). e. An Stelle der Schutztheorie versucht nun ee tinger eine _ andere Erklärung der Tatsache der Arterhaltung zu geben. Sie gipfelt - in den drei Sätzen h 1. „vom erschwinglichen Tribut oder der enden Überpro- duktion, N 2. von der -Geschmacksspezialisation der Tiere, E 3. von der Bevorzugung des Zusagenderen.“ - Während der Sinn der beiden letzten Sätze aus dem oben Gesagten klar hervorgeht, bedarf der erste noch einer kurzen Erläuterung. Sie sei mit 2 Heikertinger's eigenen Worten gegeben: „Jede Organismenart zahlt _ schutz- und kampflos ihren Tribut an andere. Die Art als solche kämpft - nicht, bedarf darum auch keines mechanischen Schutzes und sucht auch E keinen. Was zu kämpfen oder zu entrinnen sucht, ist nur das Individuum für sich; es sucht rein persönlich nicht unter den Tribut zu geraten.. dieser Tribut ist keine Geißel, sondern nur ein wohltätiger Hesuler der die Art von dem Überschuß der Nachkommenschaft befreit, der % von jeder Generation erzeugt wird... Dieser Überschuß soll gar nicht | - geschützt, sein, er soll untergehen... ae das Gleichgewicht im Natur- Beben erhalten bleibt‘ leth, S. 262). 16” 244 K. Gerhardt, Zur Theorie der Schutamittel‘e gegen Porta. bei Pflanzen. Mit dem Gesagten ist Heikertingers StandaunEr zur Genüge u klargestellt. Inwieweit und wo trifft er die Stahl’schen Ausführungen. und damit die Schutzmittelfrage überhaupt? Bi Die Richtigkeit der Stahl’schen Beobachtungen und der daran geknüpften Versuche hinsichtlich Annahme bezw. Ablehnung von Futter- pflanzen durch die Versuchstiere ist von Heikertinger nur in un- wesentlichen Punkten bestritten worden. Sie braucht daher auch hier nicht weiter erörtert zu werden, zumal sie neuerdings durch Benecket) mit nur geringer Modifizierung ihre Bestätigung gefunden hat und die Veröffentlichung weiterer experimenteller Untersuchungen darüber in Aussicht steht. Auch ‘der scheinbar schroffe Gegensatz in den Begriffen „Omrivorie“ und „Spezialisation“ läßt sich mit wenigen Worten abtun. Stahl selbst hat mit seiner Unterscheidung nicht mehr sagen wollen, als daß die unter den Begriff ‚„Omnivore“ fallenden Organismen über eine erheblich größere Mannigfaltigkeit von Futterpflanzen verfügen als etwa die zu ihnen im Gegensatz stehenden ‚Spezialisten‘, die streng an eine bestimmte Futterpflanze, ohne die sie zugrunde gehen würden, angepaßt sind. Diesen zwar nur graduellen, aber biologisch doch recht bemerkenswerten Unterschied in der Ernährungsweise begrifflich klar zu formulieren, war seine Absicht. Daß für diesen Zweck das Wort „omrivor", das im zoologischen Sprachgebrauch bereits für eine ändere = Inhaltsbeziehung vergeben war, vielleicht nicht ganz glücklich gewählt war, ist für das Ergebnis seiner Untersuchungen nur von untergeord- neter Bedeutung. Insofern trägt auch die von Benecke?°) vorge- 7 schlagene Unterscheidung in „pleophage“, „herbivore“ und „mykophage“ Schnecken, wie wiı gleich sehen werden, nichts zur Klärung der Grund- 4 frage bei. Inı Gegenteil scheint mir in diesem Zusammenhang die von Heikertinger gegebene Terminologie ‚„monophage“, „oligophage“, „polyphage‘“, weil für einen größeren Formenkreis von Tieren anwend- bar, die zweckmäßigere zu sein. e ' Grundsätzlich und unvereinbar klaffen die Meinungen erst da aus- einander, wo es gilt, die Tatsache der Spezialisierung zu erklären! 7 Und hier muß gesagt werden, daß Stahl’s Problem überhaupt erst da beginnt, wofür Heikertinger die Frage bereits % gelöst scheint. Beide Forscher erkennen die Spezialisation im Orga- ° nismenreich als Tatsache vollkommen an. Aber der grundsätzliche Unterschied liegt darin, daß Heikertinger diese Tatsache als etwas schlechtweg Gegebenes hinnimmt, während Stahl sie erst wieder zu ° einem Aufgegebenen macht, indem er nach dem Zustandekommen dieser Erscheinung fragt. Denn wenn Heikertinger die Anpas- sung pflanzenfressender Tiere an ganz bestimmte Futterpflanzen zurück- führt auf die Geschmacksspezialisierung der betreffenden Tiere, so ist das letzten Endes nichts mehr als eine Tautologie; es ist nur die Ver- Ei 4) Benecke, Pflanzen und Nacktschnecken, Festschr. z. 70. Geburtstag von. 5 E. Stahl 1918. 5) Benscke, a. a. 0. r BASE ya CE K; v7 - K N: Zur Theorie der Schutzmittel gegen Tierfraß bei Pflanzen. 245 ’ y N 2 ‚schiebung des Problems aus der. Botanik in die Zoologie, ohne daß nun aber von der Zoologie (wenigstens von der Heikertinger'schen) eine befriedigende Lösung gegeben wird. Stahl dagegen fragt weiter: Wie kommt es, daß gewisse Pflanzen von den Tieren gemieden, andere da- gegen als Nahrung angenommen werden. Und zur Lösung dieser Frage greift er hier zu der Methode, die ihn auch in all seinen anderen Ar- - beiten mit so imponierender Sicherheit zum Ziel geführt hat. Das ist der biologische Vergleich. Er sagt darüber selbst ®): ... ‚Der Vergleich extremer Fälle, wo die Unterschiede am schärfsten zutage treten, verspricht... am ehesten Erfolg und läßt erhoffen, daß die hierbei ge- - wonnenen Gesichtspunkte das Verständnis auch in weniger ausgeprägten _ Fällen ermöglicht werden“ und führt als Beispiel seine Behandlung des Mykorrhizenproblems an: „Dort hat die vergleichende Betrachtung der Gewächse mit stets verpilzten'Wurzeln (Orchideen u.s. w.) mit mykor- rhizenfreien Pflanzen (Equiseten, Cruciferen u.s.w.) es ermöglicht, die Frage nach dem Sinn der Mykorrhizenbildung schärfer zu stellen...“ Das heißt, auf die vorliegenden Verhältnisse übertragen, daß für einen solchen Vergleich der strenge Spezialist, der in seiner Kost an einen " kleinen Formenkreis gebunden ist, nicht geeignet war, wohl aber die omnivore (pleophage, polyphage) Schnecke, die eine reiche Auswahl an Futterpflanzen hat. War hier .bei zwei möglicherweise noch nahe verwandten Pflanzenspezies Hieracium pilosella, H. auricula) Testge- stellt, daß die eine gefressen wurde, -die andere nicht, so kam es weiter darauf an, zu prüfen, welche Eigenschaft diesen bemerkenswerten Unter- 7 Echied. ‚bedingte. Tatsächlich konnte durch eine große Reihe von wohl- - durchdachten Experimenten so an Stelle der ganz vagen, jeder An- 'y er baren und daher nichtssagenden Erklärung, die eine Pflanze # sage dem Tiere mehr zu als die andere, die ganz bestimmte oben er- _ wähnte Deutung gegeben werden. Wie scharf sie in der Tat die wırk- E- - lichen Verhältnisse wiedergibt, .erhellt aus Stahl’s’) Angabe, daß be- & reits aus dem äußeren Habitus der Pflanzen das Verhalten der Schnecken 1 /hınen gegenüber mit großer Sicherheit im voraus bestimmt werden konnte: - Ist die Pflanze mechanisch gut geschützt, so wird sie wahrscheinlich der - Beschaffenheit ihrer Säfte nach den Schnecken zusagen, ist dieser Schutz e nicht vorhanden, so wird sie voraussichtlich — wegen des Besitzes che- # - mischer Schutzstoffe — von dieser abgelehnt. Wer einmal derartige 2 Versuche gesehen oder selbst angestellt hat, wird sich dem Eindruck nicht entziehen können, daß es sich bei, derartigen Einrichtungen tat- - sächlich um einen wirksamen ‚Schutz gegen Tierfraß handelt. > Nur in einem Punkt scheint jetzt die Frage noch ungeklärt. Hei- " kertinger hatte behauptet, daß die Pflanzen ihren Spezialisten schutz- 10; ausgeliefert seien, und, wie schon erwähnt, die Reblaus, Borken- und | _ Kartoffelkäfer in ihrer vernichtenden Wirkung als Zeugen aufgerufen, Be 6) Stahl, Zur Physiol. u. Biol. d. Excrete, a. a. O. 8. 89. 7?) Stahl, Pflanzen u. Schnecken, a. a. O, 246 K. Gerhardt, Zur Theorie der Schutzmittel gegen Tiortraß al Pilann EN Daß hier der Fall wesentlich verwickelter liegt, sei ohne weiteres zuge- geben. Deswegen hatte ja auch Stahl die strengen Spezialisten bei seinen der Grundlegung der Frage dienenden Untersuchungen von der Betrachtung ausgeschlossen. Aber nur deswegen! Nachdem am ein- facheren Objekt die Sachlage erkannt war, gewann nunmehr auch die Frage der Spezialisierung einen Ansatz zu ihrer Lösung. | Wenn an der Pflanze Abwehrwaffen entstanden, die sie gegen Tiere schützen, so müssen bei diesen notwendig Mittel zur Überwindung dieses Schutzes auftreten, sollten sie nicht untergehen. Mit der Anpassung an bestimmte Abw ehrwarel ging aber gleichzeitig eine entsprechende Spe- zialisierung Hand in Hand, die in einzelnen Gruppen (namentlich bei den Insekten) so weit fortschritt, daß von diesen in der Tat gilt, was Hei- kertinger für alle behauptet, daß sie eben infolge ihrer Spezialisierung andere Pflanzen nicht mehr angreifen. Umgekehrt ist aber durchaus anfechtbar seine Behauptung, daß nun deshalb auch gleich die Pflanzen ihren Spezialisten hilf- und schutzlos preisgegeben seien. Eine vernichtende Wirkung der betreffenden Pflanzenfeinde Hnden wir fast ausnahmslos bei den Kulturpflanzen, weil hier eine Gegenan- passung der Pflanze an ihren Feind (d. h. Ausbildung neuer Schutzein- richtungen) gerade durch die Kultur verhindert, zum mindesten erschwert wurde, bis umgekehrt der dem Züchter daraus erwachsene Schaden diesen zur Züchtung gegen den Parasiten besser geschützter Sorten zwang. Durch die sorgfältige physikalische und chemische Bereitung des Bodens werden die Kulturrassen im Vergleich zu ihren in der freien Natur erwachsenen Verwandten saftiger, üppiger, aber auch anfälliger, be- sonders dann, wenn sie durch künstliche Züchtung noch weiter ihrer natürlichen Schutzmittel entäußert werden (Holzäpfel, -birnen —- Tafel- obst; wilder Lattich — Salat). Die verschiedene Wirkung der auf zahl- reichen Cruciferen auftretenden Pilzkrankheit Peronospora parasitica — die Analogie zwischen tierischen und pflanzlichen Parasiten ist wohl gestaltet — an Kultur-' und Naturformen zeigt sich das deutlich. Während die kultivierten (Raps, Rübsen, Blumenkohl, Rotkohl) beträcht- lich Schaden leiden, bleibt das von ihr befallene Hirtentäschel in der Regel kräftig genug, normale Samen zu reifen. Außerdem kommt hinzu, daß die Kulturpflanzen immer in großer Menge auf engem Raum bei- einander stehen. Dem Parasiten ist auf diese Weise eine rasche und kräftige Ausbreitung leicht gemacht gegenüber den Verhältnissen in der freien Natur, wo reine Bestände so gut wie nicht vorkommen. Ob der völlige oder doch wenigstens weitgehende Verzicht auf Ausbildung von ausdauernden Fortpflanzungsorganen bei manchen pflanzlichen Kul- turparasiten (Phytophthora, Oidium Tuckeri) mit ihren günstigen ‚Ver- breitungsbedingungen in Beziehung steht, wäre weiterer Untersuchung wert. In der freien Natur, wo die Übertragung von Pflanze zu Pflanze ein Durchmessen immerhin größerer Räume erfordert, kann man häufig kranke und gesunde Pflanzen nahe beieinander finden. Namentlich bei den verschiedensten Gallen habe ich häufig diese Erscheinung gefunden, rd Zur Theorie der Schutzmittel gegen Tierfraß bei Pflanzen. 947 | BR enerdings zeigt die Forstwirtschaft nicht zuletzt, weil dadurch die Bekämpfung der Forstschädlinge erleichtert wird, immer mehr Nei- gung, die Aufforstung von Reinbeständen aufzugeben und zur Mischwald- kultur überzugehen. >. Legen die soeben mitgeteilten Tatsachen den Gedanken an einen - Kampf ums Dasein auch bei den Spezialisten nahe, so gibt es anderg - Erscheinungen, die noch deutlicher für ihn sprechen. Die amerikanischen "Reben sind bekanntlich, wahrscheinlich durch ihren höheren Säuregehalt, besser gegen die Angriffe der Reblaus geschützt als unsere deutschen _ Rassen. Unter den Kartoffelrassen sind die dickschaligen roten wider- EB Eandsfähiger gegen den falschen Mehltau (Phythophthora) als die dünn- schaligen weißen. Für die Bakterienknöllchen der Leguminosen hat - Hiltner nachgewiesen, daß es sich nicht um ein friedliches Zusammen- leben von Wirtspflanze und Bakterium handelt, sondern um einen Kampf, - in dem bald der eine, bald der andere Partner siegreich ist. Und auch - die an Pflanzen so häufigen, von Insekten erzeugten Gallen sind, wie ich 'selbst®) beobachten konnte, als das Produkt eines erbitterten ; Kampfes anzusehen. Gewisse Beobachtungen über Einstellen des Wachs- tums unter besonderen Bedingungen deuten darauf hin. F Daß Heikertinger gleichwohl diesen Kampf leugnet, wirkt um - so befremdlicher, als er offenbar — die betreffende oben angeführte Stelle ‚ läßt diese Deutung zu — eine Anpassung der Pflanze an die unbelebte - Außenwelt selbst zugesteht. Dann ist aber nicht einzusehen, warum hier F ein. grundsätzlicher. Gegensatz geschaffen wird. Wenn überhaupt ein Unterschied betont werden soll — der in der Tat vorhanden ist —, so kann’ es doch eben nur ein gradueller sein, insofern das Tier als lebender 5 und ‚daher der Umbildung fähiger Organismus Gegenanpassungen zur - Überwindung des Schutzes erfährt, wodurch aber doch umgekehrt das Anpassungsvermögen der Pflanze nicht zum Erlöschen gebracht wird. 2 Um die Stellungnahme Heiker tinger s gegen die Schutzmittel- frage begreifen zu können, bleibt hier nur eine Erklärung, die allerdings - um so wahrscheinlicher ist, als auch die Arbeit eines ihm in seiner An- . schauung nahestehenden Autors, Zweigelt), auf sie hinweist. Sie B: Eee in der irrtümlichen Annahme, dab Stahl den von ilım gefundenen E - Schutzmitteln einen absoluten Wert beimessen wolle, derart, dab Pflan- zen, die mit ihnen ausgestattet sind, vor Angriffen ihrer Feinde über- haupt gesichert seien. — Zweigelt kommt auf Grund dieser völlig BE kreitenden Ansicht zu der Unterscheidung von „aggressiven“ und - „defensiven“ Schutzmitteln, von denen er nur die Existenz der letzteren anerkennt. — Gegen ein solches Mißverständnis aber sollte Stahl m.E. 3 3 _(lurch seine eigenen Ausführungen hinreichend gesichert sein, in denen ver immer wieder den nur relativen, deswegen aber doch beträchtlichen © Wert dieser Schutzeinrichtungen nachdrücklich betont. e. 8) Gerhardt, Zur Ekhsphysiot der Galle erg spirothecae auf F Populus. Manuskr. Bi} .. 4 re 2.) 8.0). 348 G. Wolff, Physikalisch- Ne ehe an Scmererinefngem 2a \ Heiker E ger’ ist Anhänger des Agnostizismus10); von in ’ aus verwirft er es als unzulässig, in der Wissenschaft über das aus der ' Anschauung gewonnene Tatsachenmaterial hinauszugehen und für dessen Ä Erklärung nicht selbst wieder in der Erfahrung liegende Hypothesen zu Hilfe zu nehmen. Bei senügender kritischer Würdigung des vorliegen- den Problems hätte er allerdings zu der Erkenntnis kommen müssen, daß die Wissenschaft für die innere Verknüpfung und Ordnung der Einzel- tatsachen zu einem einheitlichen Ganzen der Hypothese nicht entraten kann. Geht doch seine Erklärung der Nahrungsspezialisierung der Tiere durch „besondere Geschmacksdifferenzen“, „Bevorzugung des Zusagen- deren“ u.s.w. über das von ihm selbst &gesteckte Ziel weit hinaus !l\, Trotzdem steht sie andererseits hinter dem zu Fordernden noch zurück, insofern sie bei den angezogenen Erklärungsmomenten als angeblich ele- mentaren und darum nicht weiter auflösbaren Phänomenen stehen bleibt, und läßt daher unbefriedigt. Heikertinger’s Anschauung erhält da- durch einen psychischen Anstrich und nähert sich damit der vitalistischen, die er an anderer Stelle leidenschaftlich bekämpft. | Ihr gegenüber ist es der Vorzug des auch von Stahl vertretenen kri- tischen Mechanismus, dab er alle Erscheinungen an den Organismen für komplex, also erst der Auflösung bedürftig, ansieht und diese Analyse zu seiner Aufgabe macht. Das Resultat, die wissenschaftliche Hypothese, ist dann aber nicht, wie Heikertinger glaubt, eine sachlich unbe- eründete Spekulation, sondern wie ihr Name Önodeoıs sagt, Grundlegung, die aus engstem Zusammenhang mit den Erscheinungen, aus diesen en E das exakte Experiment erwachsen ist. ur } z rer ı Physikalisch-biologische Beobachtungen an Schmetter- lingsflügeln, Vogelfedern und andern organischen Gebilden.*) Von Gustav, Wolff. Eine biologische Überlegung hat mich zu der Frage geführt, ob die Flüge! der Schmetterlinge eine Einwirkung auf die photographische Platte ausüben. Die Untersuchung der Frage hat ein bejahendes Er- gebnis geliefert. Bevor ich dazu übergehe, zu prüfen, in welcher 'Be- ziehung dieser Befund zu ctwa schon bekannten Tatsachen steht, will ich zunächst dasjenige beschreiben, was Ich festgestellt habe, bevor mir die später zu besprechende Literatur bekannt war. Mi dr HA Su an a a a ” 10) Heikertinger, Das Scheinproblem von der fremddienlichen ZieckmaelEz 3 keit. Die Naturwissenschaften 6. Jahrg. 1918. 11) Der unmittelbaren Beobachtung erschließt sich nur die Tatsache der Annahme 1 bezw. Ablehnung bestimmter Pflanzen a Nahrung. Die ihm gegebene Erklärung da- gegen ist aus einer Analogie mit den beim Menschen beobachteten Verhältnissen ab- geleitet, für deren Berechtigung der Nachweis erst erbracht werden müßte. Be *) Nach einem am 22. 1. 19 in der Naturforschenden Gesellschaft zu Basel ge- E haltenen Vortrag mit Demonstrationen. GV Mt, Papikulc hc engen an Schmetterlingsflügeln ete. 249 F Legt man einen Schmetterlingshlügel auf eine photographische Platte und läßt ihn längere Zeit unter völligem Lichtabschluß liegen (in einer mehrfach mit lichtdichtem Papier umhüllten Kassette), so erscheint auf der entwickelten Platte eine völlig deutliche Zeichnung des Flügels. Das erscheinende Bild hat im allgemeinen einen positiven Charakter: _ die dunkeln Partieen des Flügels erscheinen am stärksten, weiße zeichnen | sich gar nicht ab. Nur die Schuppen sind das Wirksame. Die der Schuppen beraubte - ehitinöse Substanz des Flügels beeinflußt die Platte nicht. Dagegen sind - die Schuppen des Rumpfes, der Beine, Fühler etc. ebenso wirksam wie - die der Flügel. Auch die feinen, meistens dunkel pigmentierten Härchen, mit welchen der Rand vieler Schmetterlingsflügel besetzt ist, zeigen oft eine besonders starke Wirkung auf die photographische Platte. r Die Schuppen des Flügels lassen sich sehr leicht derart vom Flügel “ abtragen, daß sie einen lückenlosen Abklatsch der Flügeloberfläche bil- den. Wenn man den Flügel z. B. auf eine mit feuchter Gelatine belegte E Glasplatte aufdrückt und dann wieder abhebt, so bleibt die oberste - Schuppenschicht auf der Gelatine festgeklebt. Am einfachsten verwendet man zu diesem Abklatschverfahren eine billige Diapositivplatte, die man - ausfixiert, trocknet und vor dem Gebrauch wieder anfeuchtet. Ein solcher Flügelabklatsch wirkt auf die lichtempfindliche Platte in der - gleichen Weise wie der ganze Flügel. - Man erhält auf diese Art ein Bild des Flügels, das man als eine - „Autotypie“ bezeichnen kann, und das an Schärfe und Deutlichkeit fast - einer‘Photographie gleichkommt. Farbig pigmentierte Stellen der Flügel F üben Keine oder nur eine geringe Wirkung auf die Platte aus. Die, 2 ‚schwarze Zeichnung des Perlmutterfalters auf braunem Grund erscheint x nicht ‚anders als beim Segelfalter die schwarzen Streifen auf gelbem - oder beim Kohlweißline die schwarzen Flecken auf weißem Grund. Farbige Pigmente wirken also nicht auf die Platte. Der Bläuling a gibt zwar eine sehr deutliche Autotypie, aber diese wird nicht von blauem 3 Pigment hervorgerufen, denn ein solches ist überhaupt nicht vorhanden. Blau und Grün sind bei den Schmetterlingen, ebenso wie bei den Vogel- 4 federn, keine Pigmentfarben, sondern physikalische oder Strukturfarben, = .die durch den histologischen Bau hervorgebracht werden). E Das Blau des Bläulings wird wohl nur durch Interferenz erzeugt, und die Wirkung des Flügels auf die Platte wird hervorgerufen durch die zahlreichen schwarzpigmentierten Schuppen, die auf der blau er- 3 ‚scheinenden Flügelfläche verteilt sind. Auch bei andern Schmetterlingen Bist das Blau. eine Strukturfarbe, die aber nicht immer auf die nämliche "Art zustande zu kommen scheint. So zeigt die Rückseite des Vorder- flügels des Adintrals zwischen dem roten und dem kürzeren weißen Band zwei schmale, gewundene, an beiden Enden sich vereinigende blaue ih Streifen auf schwarzem Grunde. Drückt man den Flügel auf einer mit > 3 ’ N. ‚R - | = 1) Vgl. z.B. Linden, Biolog. Zentralblatt Bd. 18, p. 233. 950 .G. Wolff, Physikalisch- biologische Beobachtungen an n Schmelteriugflügn. Mi i % Gelatine belegten Glasplatte ab, so ‘ist der Abklatsch dieses el. streifens weiß, seine Umgebung schwarz, auf dem abgehobenen Flügel aber ist dieser Doppelstreifen verschwunden, und an seiner Stelle be- findet sich nun ebenfalls nur schwarzer.Grund. Die blaue Farbe war also nicht durch ein blaues Pigment hervorgebracht, sondern durch das Zusammenwirken einer schwarzen und einer darüberliegenden weißen Schuppenlage, ein physikalischer Vorgang, der allerdings im einzelnen. mir nicht verständlich ist. Im unveränderten Flügel oder seinem Ab- klatsch wirkt dieses Streifenpaar nicht auf die Platte, die Streifen sind daher auf der Autotypie sichtbar als ausgesparte helle Bänder. Auf dem Flügel dagegen, dem in der beschriebenen Weise die oberste Schup- penschicht abgenommen wurde, wirkt jetzt auch diejenige Stelle, an der vorher das Streifenpaar sich befand, genau so, wie der übrige schwarze Grund, und die Streifen kommen deshalb nicht mehr zum Vorschein. Die auffallendste Tatsache ist nun die, daß zwar in den meisten, aber doch nicht ın allen Fällen, ein positives Bild entsteht. Die ersten Exemplare des Schwalbenschwanzes, die ich untersuchte, gaben ein nega- tives Bild. Die schwarzen Partieen waren ohne Wirkung geblieben, die hellgelben hatten Schwärzung hervorgerufen. Später fand ich aber auch Schwalbenschwänze, die eine positive Autotypie erzeugten, bei denen die hellgelben Felder unwirksam blieben, während die schwarzen Partieen die Platte schwärzten. Von den folgenden vier Abbildungen zeigen Fig. 1 und 2 einen Vorder- bezw. Hinterflügel des Schwalbenschwanzes, die positiv gewirkt haben, während Fig. 3 und 4 einen Vorder- und Hinter- flügel wiedergeben, die eine negative Autotypie ergeben haben. Die Abbildungen sind so gefertigt, daß von der direkten Autotypie ein Ne- gativ hergestellt und dieses dann im Kopierverfahren wieder umgekehrt wurde. Die Figuren geben ‚daher das Bild so wieder, wie es in der un- mittelbaren Autotypie vorliegt. | | Außer dem Gelb hat der Schwalbenschwanz wenig farbige Partieen. Der Vorderflügel hat überhaupt nichts farbiges, der Hinterflügel trägt einen rotbraunen Augenfleck, und auf seiner schwarzen Grundfläche sind blaue Partieen eingestreut. Der rotbraune Augenfleck ist fast unwirk- sam. In „negativen“ Exemplaren wirkt er etwas stärker als in „posi- tiven“. Die blauen Partien sind sowohl bei positiven wie bei negativen Autotypien ganz unwirksam. Auch hier ist das Blau eine Struktur- farbe, die in der nämlichen Weise zustande kommt, wie die beschrie- benen Bänder des Admirals. Auffallend und unerklärt ist der Umstand, ‘ daß auch bei negativ wirkenden Schwalbenschwänzen die in den blauen Partieen oben liegenden weißen Schuppen die Platte nicht beeinflussen. Nur infolge dieses rätselhaften Umstandes verhalten sich ‚die, blauen Partieen der Platte gegenüber genau so wie der braun pigmentierte Augenfleck: sie wirken weder in der positiven noch in der negativen Br Autotypie. Im negativen Bild hätte man eigentlich von ihnen eine Schwärzung erwarten sollen. ’ Ä Ein Exemplar. des Schwalbenschwanzes, das ein positives Bild er- \ RR PVn ar r u » 02% , Phikalich Slögieche: Beobachtungen an Schmetterlingsflügeln ete. 251 / Ri, zeigt diese Wirkung auch dann, wenn der Flügel später abermals eingelegt wird; ebenso beobachten wir eine negative Wirkung immer aufs neue, wenn mit dem nämlichen Exemplar der Prozeb wiederholt wird. Es gibt also positive und negative Schwalbenschwänze, und der tarschied ist ein individueller. Es liegt aber nicht etwa eine sexuelie - Differenz vor. An eine Solarisationswirkung ist auch nicht zu denken. Auf einer Platte kommen negative und positive Bilder zum Vorschein, wenn Flügel von verschieden sich verhaltenden Individuen auf ihr einge- legt waren. TER Außer dem Schwalbenschwanz habe ich nur noch eine einzige Spe- zies gefunden, die unter Umständen auch ein negatives Bild gibt. Es ist dies der Apollo, bei dem ich nur ein ch, positives, sonst lauter negative Bilder erhielt. Fie..3, Fig. 4. Fig. 1. Vorderflügel des Schwalbenschwanzes, positive Autotypie. Fig. 2. Hinterflügel des Schwalbenschwanzes, positive Autotypie. Fig. 3. Vorderflügel des Schwalbenschwanzes negative Autotypie. Fig. 4. Hinterflügel des Schwalbenschwanzes, negative Autotypie. | Vom Segelfalter, dem nahen Verwandten des Schwalbenschwanzes, erhielt ich nie ein negatives Bild, obwohl ich über zehn Exemplare ‚untersucht habe. Auch bei Apollo zeigt sich, daß die farbigen Partien sowohl bei negativ als auch bei positiv wirkenden Exemplaren die Platte nicht en. Farbige Partieen zeigt Apollo zwar nur insofern, als die kleinen Augen rote Ringe tragen; aber eben diese kommen weder in der positiven noch in der negativen Autotypie zur Geltung. Zur näheren Bestimmung desjenigen Agens, welches die autoty-' che Wirkung hervorruft, machte ich mehrere Versuche. Die Wirkung Me: geht (durch dünnes Papier und durch Gelatineblättchen. Die Färbung der | Beten scheint dabei keinen ae, zu machen. Undurchdring- I w'ri Fe n 7A un? “ ea Tara \r u a a; > a Er A a iR 9 TaTE L a . 3 . iS ee Zu EA f Re r # BEN F ee Br Be un . a ae f 0. 252 G. Wolff, Physikalisch- biologische Böobachiungen an 3 Schmeiteringtligen ei) 3 lich erwies sich mir Zelluloid BR Glas, auch dünnste Deckgläser. Knch j der chitinöse Körper des Flügels ist für die autotypische Wirkung der ° Schuppen undurchdringlich. Die Schuppen der Unterfläche wirken da- 1 her nicht störend auf das von der oberen‘ Fläche entstehende Bild, wenn ° diese der empfindlichen Schicht zugewendet liegt; und man kann obere und untere Fläche gleichzeitig autotypieren, wenn man einen Flügel zwischen zwei photographische Platten legt. Dagegen wird ein kurzer Luftraum übersprungen, und ein Bild kommt noch zustande, wenn zwi- schen Objekt und photographischer Platte ein Abstand bis zu einem halben Millimeter liegt. Das hierbei entstehende Bild ist allerdings viel schwächer und auch etwas weniger scharf, als das bei direkter Berührung erzeugte. Die Einbuße an Schärfe ist also nicht größer, als sie eine Photographie erfährt, wenn man beim Kopieren eines Negativs die Bildseite der Platte und das Kopierpapier sich nicht direkt berühren läßt, indem man z. B. das Negativ von der Glasseite kapiert. So weit war ich in meinen Untersuchungen gekommen, ohne etwas in der Literatur zu finden, was in Beziehung zu diesen Beobachtungen gesetzt werden konnte, als die Nr. 43 der „Umschau“ vom 20. Oktober 1917 erschien. Aus einem in dieser Nummer enthaltenen Aufsatz von Lüppo-Cramer über „Photechie‘“ ersah ich, daß nach dem Vor- gang von Blaas und Czermak als Photechie die Erscheinung‘ be- zeichnet wird, daß Holz, Papiere und andere organische Stoffe dem Sonnenlicht oder auch diffusem Tageslicht ausgesetzt und dann mit einer Bromsilberplatte längere Zeit, in Kontakt gebracht, auf der Platte | ein entwickeltes Bild hervorrufen. Den in jener Abhandlung zitier- ten weiteren Aufsätzen Lüppo-Cramer's entnahm ich die Kenntnis einer Arbeit Dombrowsky’s2), welche eine ausführliche Zusammen- stellung der Literatur gibt, deren wichtigste Teile mir BL leicht erreichbar waren. : Bald nach der Erfindung der Daguerreotypie glaubte man strahlen- artige Einwirkung verschiedener Stoffe auf die photographische Platte zu beobachten. Im Jahre 1843 machte Moser?) erstmals derartige Mitteilungen. Er sagt: „Wenn man eine jodierte Silberplatte irgend- einem Körper im Dunkeln nahebringt und der Wirkung nur die nötige Zeit gönnt, dann zeigt die Platte nachher das Bild, indem an den: jenigen Stellen, welche der Wirkung am kräftigsten ausgesetzt ge- wesen, das Silberjodid geschwärzt ist, obgleich alles ausgeschlossen wor- den, was die Retina Licht nennen würde.“ Auf Grund seiner Versuche sprach Moser die Erwartung aus, „daß man jeden Körper für einen selbstleuchtenden wird erklären müssen“. Gegen diese Deutung der Mo oser ‚schen Ergebnisse als Wirkung von NEE EN Agentien wen- | 2 Constantin Dombrowsky, Über die Einwirkung de verschiedenen Stoffe, insbesonders des Wasserstoffsuperoxyds auf die photographische Platte. Leipziger Inauguraldissertation 1908. 3) Moser, Über den Prozeß des Sehens und die a des Lichtes auf alle Körper. Pogg. Annalen Bd. 56, p-2177. ® 3 "x . Wolf, sie Beobachtungen an Schmetterlingsflügeln ete. 253 Meten Sich sehr bald mehrere Autoren, welche die Erscheinung auf einen rein chemischen Prozeß zurückzuführen suchten. Nach dieser Meinung beruht die fragliche Eigenschaft solcher Körper auf der Wirkung von Gasen, die von diesen Körpern ausgehen und von der Jodsilberplatte - aufgenommen werden, auf welcher dann an den betreffenden Stellen * durch veränderte Adsorption der beim Entwicklungsverfahren wirken- - den Quecksilberdämpfe das Moser’sche „Hauchbild“ zustande kommt. : Diese zwei Erklärungsarten, nämlich durch Annahme einer Ein- - wirkung einerseits von unsichbarten Strahlen, andrerseits von Gasen, standen von da an bis heute einander:gegenüber. Der Streit wurde, wie Dombrowsky darleget, „nur insofern variiert, dab man, statt mit Moser einfach. vn Lichtemissionen zu sprechen, jetzt im 20. Jahr- ‘ hundert verschiedene Körper: Becquerelstrahlen, Ionen, positive Ionen, _ subatomige Gruppen, Infraelektrizität, Ätherschwingungen und ultra- - violettes Licht ausstrahlen läßt“. Sowohl an metallischen wie an nicht- - metallischen Körpern wurde eine solche Einwirkung beobachtet, und - beiden Körpergruppen gegenüber wurden die beiden Erklärungsarten angewendet. An welchen metallischen Stoffen diese Erscheinung beob- “ achtet wurde, ist für unsere Untersuchung von geringer Bedeutung. Da- gegen muß erwähnt werden, daß die chemische Deutung teils Wasserstoff, - teils. Ozon, teils Wasserstoffsuperoxyd als den wirksamen Stoff betrach- > tet, der sich an der Oberfläche der untersuchten Körper bilden soll. > Aber auch nicht alle Autoren, welche die Erscheinung durch die Bildung eines derartigen Stoffes erklären, geben eine rein chemische Erklärung, _ einzelne Beobachter nehmen auch in solchem Falle eine Strahlung an, die von den gebildeten Stoffen ausgehen soll. —...W.J. Russell®) hat vom Jahre 1897 an bei einer größeren Reihe von Metallen jene Wirkung untersucht und festgestellt, daß das wirk- same Agens Gelatine, Guttapercha, Zelluloid, Kollodium durchdringt, da- gegen selbst von dünnem Glas, von Mineralien und von Paraffin zurück- gehalten wird. Der wirksame Stoff ist nach seiner Ansicht Wasser- - stoffsuperoxyd, das bei der ‘Oxydation der Oberfläche jener Metalle x sich bildet und das noch in hochgradiger Verdünnung auf die photo- - graphische Platte wirkt. ıBlaas und Czermak, auf deren Untersuchungen wir noch ein- - gehen werden, führen die Aktivität der Metalle auf Bildung von Ozon Er doch soll das Ozon eine Strahlung aussenden, die durch Re- n.: sie jene Wirkung gewisser Metalle nennen, auf eine den eseien Wüce Schwere . folgende Eimanation zurück. ee führte De we; SR Proc. Röy. Soc. ken 61, 63 u. 64 (zitiert nach Dombrowsky). B. 5) Physikal. Zeitschrift Bd. 6, p. 53. Be: = ER d. DB: Bd. 17, p. 705, 954 6. Wolff, Physikalisch-biologische Beobachtungen an Schmetter ingsflügeln ete, dıe aber erst bei Erhitzung bis zur Weißelut für unsere Augen sichtbar | werden. „Es liegt nahe, anzunehmen, daß Tiere, die im Dunkeln sehen, ° speziell für diese Strahlen empfindliche Augen haben“. \ Die Einwirkung nichtmetallischer Stoffe auf die photographische Platte | hat vorallem Niepce de Saint Victor‘) imJahre 1857 untersucht. Da mir die Arbeit nicht zugänglich war, so zitiere ich, was Dom- i browsky über sie referiert: „Eine neue Richtung schlägt Niepce in seinen 1857 begonnenen Memoiren über eine neue Wirkung des Lichtes ein. Er beobachtete nämlich, daß eine ganze Reihe von Stoffen, wie Papier, Marmor, Kreide, Federn, Baumwolle und andern mehr, wenn i sie dem Licht ausgesetzt und hierauf in einen Kontakt mit empfind- lichem Silberpapier gebracht werden, nach 24 Stunden eine Schwärzung des iichtempfindlichen Papiers an allen den Stellen hervorriefen, welche der Lichtwirkung ausgesetzt waren, Schwärzungen und Färbungen des Stoffes beeinträchtigen die Stärke der Wirkung, und auf diese Weise wird es möglich, ein auf Papier gedrucktes Bild auf Silberpapier zu er- halten. Die Wirkung geht durch die Luftschicht bis zu 1 cm Dicke, durch Kollodium und Gelatinehäutchen, wird aber von Glas, Mineralien und einigen Lacken zurückgehalten. Wird der belichtete Stoff mit einem Blatt Papier zusammengebracht, so wird das letztere auch aktiv. Da eine Reproduktion der Zeichnung auf Entfernungen eine geradlinige Ausbreitung der Wirkung voraussetzt, und da Niepce eine physio- logische Wirkung der belichteten Stoffe auf sich am Tage öffnende Blumen bemerkt hat, so glaubt er, daß das Licht von diesen Körpern ° „absorbiert und konserviert“ wird, um später wieder ausgestrahlt zu wer- - den. Niepce spricht von ‚„immagasinnement de l’activite lumineuse‘“. Es ist interessant, daß sich ein belichtetes Blatt Papier durch Silber- nitrat entwickeln läßt, und daß Niepce auch beobachtet hat, daß Ozon- papier auch eine Reaktion auf Lichtwirkung zeigt.“ a ” x 2 Pe 2“ see Is 2 a en tn mann Da 0 A 01 a Ed nn > un Unabhängig von Niepce sind ein halbes “Jahrhundert später Blaas und Üzer- mak*) zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Sie schreiben: „Setzt man ein Papier, ° welches durch mehrere Wochen im Dunkeln aufbewahrt war ‘(dunkles Papier) einige ° Zeit dem Sonnenlichte aus (auch künstliches Licht, sowohl kräftiges Magnesium- als | auch elektrisches Bogenlicht ist wirksam), belegt dasselbe dann mit einer photographi- schen Platte und läßt es 24 Stunden im Kontakte, so schwärzt sich die Platte beim ° Entwickeln. (Auffallend ist dabei die rasche Schwärzung durch die ganze Dicke der Gelatineschichte; eine Erscheinung, wie sie auch beim’ Entwickeln von Röntgenauf- nahmen auftritt.) Hat man während der Besonnung einzelne Stellen des Papiers durch Bedecken mit undurchsichtigen Körpern (schwarzes Papier, Metallplättchen u. dgl.) vor dem Lichte geschützt, so schwärzen sich die entsprechenden Stellen der Platte nicht. Schreibt man auf das Papier vor oder nach der Besonnung mit Tinte, Salzlösungen (auch farblosen), Gummi oder benutzt man bedrucktes Papier, so erscheinen die Schrift- züge hell auf dunklem Grunde. | Daraus geht hervor, daß die Wirkung auf die photographische Platte durch das Licht veranlaßt und durch gewisse Substanzen wie Tinte, Druckerschwärze ete. ent- weder diese Wirkung veınichtet oder ihre ErTERauS verhindert wird. 4 ) C. R. XLV, XLVI und XLVII (zitiert nach Dombrowsky). *) ne Zeitschr. 5. Jahrg. 1904, p. 363, ft, Physkatisch- blolögteahg Beobachtungen an Schmetterlingsflügeln ete. 255 Ursprünglich erweckten diese Erscheinungen die Vorstellung, daß es ; sich um eine Art Phosphoreszenz handle, also um eine Nachwirkung des Lichtes und so wurden, - der Kürze des Ausdrucks wegen, jene Körper, welche die Eigenschaft besitzen, Licht N gewissermaßen zurückzubehalten „photechisch“ und die Eigenschaft selbst „Photechie“ (aus Pos und ?%@) genannt.“ EN „Zahlreiche andere Substanzen wurden sodann auf ihre photechischen Eigenschaften geprüft, Weitaus am kräftigsten zeigte sich braungelbes Packpapier (mit diesem sind _ auch die meisten der folgenden Versuche ausgeführt), dann in abnehmendem Grade andere Papiere, Holz, Stroh, Schellack, Leder, Seide, Baumwolle, Schmetterlingsflügel ete,, fast oder ganz unwirksam erwiesen sich: Glas, Melalle (mit Ausnahme von Zink) E» und alle bisher untersuchten anorganischen mineralischen Körper.“ E „Je länger und intensiver die Besonnung, desto stärker ist die Wirkung (besonnt man photographisches Papier unter einem kontrastreichen Negativ, so erhält man nach _ dem Kontakt auf der photographischen Platte ein ziemlich deutliches Positiv, wobei “ ‚sich die Intensitätsabstufungen des erregenden Lichtes am besten demonstrieren); auch - schon gewöhnliches diffuses Tageslicht ist wirksam. R Die einmal erregte Photechie nimmt in den ersten Stunden nach ‘der Besonnung - nur langsam, später aber viel rascher ab. Vollkommen erloschen fanden wir sie noch nach Wochen nicht. Nachweisbar aber ist die Wirkung schon nach einer Kontakt- dauer von einer Minute“. „Metallplättchen, auch sehr dünne, ebenso Glas, Quarz, Glimmer, lassen die Wirkung nicht durch, nur Film und dünne Gelatinefolien zeigten sich durchlässig. | Hier tritt aber der wichtige, Umstand auf, daß die Farbe der Folie von Einfluß ist. Solche, welche blaues und olehies Licht durchlassen, sind auch bei - gewöhnlichen blauempfindlichen Platten durchlässig, während eine zur Hälfte blau und - gelb gefärbte Gelatinehaut auf der gelben Seite ganz undurchlässig war. Auf ortho- - chromatischen Platten ergaben sich auch grüne und gelblich gefärbte Folien als durch- lässig. r - Blaas und Czermak fanden noch eine deutliche Wirkung, wenn RE der photechische Gegenstand bis auf 9 mm von der Platte entfernt war. | Aus dieser Tatsache, ferner aus der selektiven Durchlässigkeit farbiger = Gelatinefolien und aus der Beobachtung einer Reflexion schließen die a Autoren, dab es sich nicht um eine chemische Wirkung, sondern nur - um eine solche vom Charakter einer Strahlung handeln könne, von der 3 angenommen wird, dab sie von okkludiertem Ozon ausgeht. | - Es erhebt sich nun die Frage, ob die von mir beobachteten Erschei- ‚nungen solche „photechischen Vorgänge sein können. Blaas undÜzer- - mak erwähnen unter den zahlreichen von ihnen untersuchten Stoffen auch Schmetterlingsflügel. Leider haben sie hier offenbar keine wei- - teren Beobachtungen gemacht. Sie geben nicht an, ob sie nur den Um- riß eines Flügels erhielten, oder ein richtiges Bild der Zeichnung, event. 2 ein positives oder ein negatives. Die von mir und die von Blaas und Czermak beobachteten Erscheinungen haben vielleicht gewisse Bezieh- ungen zueinander, sie sind aber wohl nicht ohne weiteres miteinander Objekte nur 24 Stunden mit der photographischen Platte in Berührung rn Ich habe sie viel länger, meistens I 4 Wochen „exponiert‘. ae en a -biologische Beohachtungen an Some | et, ' Nachdem ich Kenntnis von der Photechie‘ erhalten hatte, habe ich auch untersucht, ob die vorherige „Besonnung“ auf das Ergebnis meiner Versuche einen Einfluß hatte. Ein solcher war aber nie nachzuweisen. Flügel, die ich Wochen, ja viele Monate lang unter völligem Licht- abschluß gehalten hatte, gaben das nämliche Ergebnis wie gleich alte. Flügel die vorher besonnt worden waren. Flügel von Tieren, die als Puppe im Dunkeln gehalten, im Dunkeln ausgeschlüpft und dann sofort auf der Platte eingeschlossen waren, zeigten keinen Unterschied gegenüber andern Flügeln. Auch verhalten sich Nachtschmetterlinge genau wie Tagfalter. Das Licht spielt also bei meinen Bildern keine Rolle, die Erscheinung ist sicher keine photechische. Ob es sich um eine Strahlungserscheinung oder um eine rein ee | mische Wirkung handelt, kann ich nicht entscheiden. Nach Lüppo- Cramer ist die Entwicklung von H oO, eine bei organischen Körpern auftretende Erscheinung, die durch Bekchiune verstärkt, aber auch ohne Belichtung in geringem Grade beständig sich äbspielen soll. Unter ” dieser Voraussetzung könnte man an eine sich allmählich summierende Wirkung des H,O, denken. Mir persönlich fällt es schwer, mir vorzu- stellen, daß so minimale Spuren von H,O, «durch Papier und durch Ge- latine dringen, ja, dab sie einen Luftraum überspringen und noch ein Bild zeichnen können, das sich in seiner Schärfe nicht unterscheidet E von optischen Bildern, die unter entsprechenden Verhältnissen entstehen. ° Daß übrigens mit der Annahme der Ozon- oder Wasserstoffsuperoxyd- theorie die Möglichkeit einer Strahlung noch nicht ausgeschlossen scheint, beweisen die Anschauungen von Blaas und ÖOzermak, vor allem aber ° diejenigen des Münchener Physikers Graetz Graetz°?) ha die Wirkung des H,O, Ei die photographische Platte 'experimentell untersucht und stellt gegenüber Russell fest, daß die Wirkung des H,O, auch durch dünnschichtiges Metall (auch Blattgold und Aluminiumfolie) hindurchgeht, was für gewöhnlich als Zeichen einer Strahlung gelte. Daß es nicht unmittelbar die Dämpfe ° des Wasserstoffsuperoxyds sind, welche die Erscheinung hervorbringen, glaubt er durch die Feststellung bewiesen zu haben, „daß man den Effekt auf der Platte auch erhält, wenn man die Dämpfe durch einen Luft- strom möglichst fortbläst“. Er sagt: „Die eigentliche Schwärzung scheint auf der Aussendung irgendwelcher Teilchen von unbekannter Beschaffen- heit zu beruhen, welche durch den Luftstrom hindurchgehen. Diese sind ° allerdings nicht die negativen Elektronen.‘ Er spricht direkt von H,0,- Strahlen. f Selbst wenn übrigens die betreffenden Teilchen durch den Luftstrom fortgetrieben würden, so würde dies nach Graetz der Annahme einer Strahlung nicht ‘widersprechen, da z. B. die Emanationen des Tho- riums Strahlungscharakter zeigen und sich durch einen Luftstrom weg- blasen lassen. 9) Physikal. Zeitschrift 4. Jahrgang 1903, p. 160. id NER a MR: nn. ' N EN Aare RN ai hyikalisch-biologisch inkl an Schmetterlingsflügeln ete, 957 nbrowsky:o) betrachtet die Wirkung des H,O, mit grober = gestiinmitheit als eine rein chemische auf Grund von eigenen Versuchen, über die ich kein Urteil habe. Der von ihm berichtete Nachweis der F üblenkbarkeit der „HsO,-Strahlen“ durch den Luftstrom steht mit den _ Graetz’schen Beobachtungen im Widerspruch, auch setzt sich Dom- & browsky nicht auseinander mit der Graetz’schen Angabe, dab solche Ablenkbarkeit den Charakter der Strahlung nicht ausschließe. R In dieser unter den Physikern so umstrittenen Frage kann ein Bio- loge kein Urteil abgeben. Immerhin dürften die von mir mitgeteilten Beobachtungen der H,0,-Theorie große Schwierigkeiten bereiten. Der Schmetterlingsflügel ist eine, im allgemeinen gleichmäßig mit Schuppen besetzte Fläche, so daß wohl zu erwarten sein dürfte, daß der angenom- mene Autoxydationsvorgang, der die Bildung von H,O, zur Folge hat, oder irgendwelche andern chemischen Prozesse, überall gleichmäßig sich re Warum erhält man dann nicht ein homogenes Bild der Flügel- - fläche? Dab das Bild ein positives ist, ließe sich vielleicht erklären, - unter Voraussetzung der „Photechie“. Man müßte annehmen, dab nur in den dunkeln Partieen des Flügels, welche das Licht absorbieren, - dessen chemische Wirkungen zur Geltung kommen, während in den hellen “ Partieen, die das Licht reflektieren, auch keine photechischen Wirkungen zustande kommen. Mit dieser Annahme ließen sich aber mehrere Tat- sachen nicht vereinigen. Ich erinnere z. B. an das oben beschriebene - Verhalten der blauen Streifen auf der Rückseite des Admiral-Vorder- Hlügels. Daß die weiße Oberschicht auf die Platte nicht wirkt, ließe $ ‘sich vielleicht in der angedeuteten Weise auf photechischer Grundlage R ‚erklären. Daß aber die unter den weißen Schuppen liegenden schwarzen E ‚Elemente wirksam sind, sobald die übergelagerte weiße Schicht entfernt 1 ‚ist, das wäre nicht erklärlich. Und warum unterscheiden sich die far- - bigen Partieen des Flügels, die doch wenigstens einen Teil des Lichtes - absorbieren, so wenig von den ganz hellen? Und vor allem: wie kommt es, daß bei vielen Exemplaren des Schwalbenschwanzes und bei fast allen E des’Apollo das Bild ein negatives ist? Hier müßte dann an denjenigen - Stellen, die das Licht reflektieren, die stärkste, an denjenigen, die es Es # a _ gehen. Man wird sagen, daß diese Erscheinung auch auf anderem Wege E _ schwer zu verstehen ist. Ich gebe das völlig zu; es handelt sich um _ Tatsachen, die eben vorläufig überhaupt nicht erklärlich sind. Ich will nicht unterlassen, ein Experiment wenigstens zu erwähnen, ) ich gemacht habe in der Absicht, die H,O, -Theorie zu prüfen. Die ıtotypische Wirkung tritt, wie früher Be, ebenso vollständig ein, ) man einen Flügel, oder nur den Schuppenabklatsch auf die photo- Ei; Platte wirken ‚läßt . Die letztere Methode hat sogar ne Rt 17 absorbieren, die geringste bezw. gar keine chemische Wirkung von statten ' 358 G. Wolff, Physikalisch- biologische Beinen an ‚ Schmeikr ebene Flügel. Von der mit dem Flüselabklatsch bee Gap un \ man sich mit dem Diamant ein Stück herausschneiden, derart, daß das Glasstück auf der Gelatineseite vollständig mit Schuppen besetzt ist. Nun drückt man in der Dunkelkammer das völlig- getrocknete Objekt auf eine photographische Platte, Schicht gegen Schicht, und bestreicht die Ränder mit flüssigem Paraffin. Zwischen den beiden Platten befindet sich jetzt fast keine Luft. Luft ist aber zur Bildung des H,O, nötig. Das entstehende Bild unterscheidet sich jedoch in bezug auf Intensität nicht von einem andern. Ich teile diesen Versuch nur mit, ohne weiter- gehende Folgerungen daran zu knüpfen. Vielleicht genügen ja die zwi- schen den Platten haftenden Luftspuren um die Autoxydation in vollem ; Umfang sich vollziehen zu lassen. Isihani!!) gibt allerdings an, es sei für die photechische Wirkung eine dünne Luftschicht zwischen Objekt und Platte erforderlich, bei zu enger Berührung bleibe die Wir- kung aus. Es widersprechen sich also auch hier die Angaben über Pho- techie. Bei meinen Versuchen ist aber das wesentliche, daß kein Licht mitwirkt, also Photechie nicht vorliegt. i Nachdem die geschilderten Beobachtungen an Schmetterlihesflügeln 2 gemacht waren, nachdem insbesondere das eigenttimliche Verhalten der ” gefärbten Partieen sich ergeben hatte, lag es nahe, verschiedenfarbige Vogelfedern ebenfalls auf ihr Verhalten gegenüber der photographi- ' schen Platte zu untersuchen. Das Ergebnis war im allgemeinen das ° gleiche, nur gaben alle Federn, die ich untersucht habe, auf der Platte ein positives Bild; eine negative Autotypie un, ich bei Federn niemals ° beobachten können. E Farbige Pigmente haben also auch bei Federn keine Einwirkung auf die Silbersalze. Zwar geben blaue und grüne Federn ein schwaches, * manchmal auch ein kräftigeres Bild, doch rührt dies nicht von blauem oder ‚grünem Pigment her. Auch bei den Vogelfedern wird das Blau und das 7 Grün auf andere Weise hervorgerufen, als die übrigen Farben. Ein- ” gehende Studien hierüber haben Häcker und Meyer?) veröffentlicht. ° Mit Recht betonen sie die Merkwürdigkeit der Tatsache, daß die Farben ” Rot und Gelb einerseits, Grün und Blau andrerseits, obwohl sie in der Aufeinanderfolge des Spektrums von manchen Papageien zur Schau ge- ° tragen werden, nicht durch stufenweise Abänderung eines einzigen farben- ° biläenden Faktors ineinander übergehen, sondern auf zwei ganz ver schiedene Arten entstehen. Rot und Gelb sind auch hier Pigment-” farben, Blau und Grün dagegen physikalische oder Struktur- farben, bei denen die Farbe nicht durch ein Pigment, sondern durch histologische Struktur zustande kommt. Nebenbei bemerke ich, daß sich” die oben erwähnte Farbenskala manchmal sogar an einer einzelnen Feder 3 nachweisen läßt. j Daß alle nicht ganz hellen Federn von grüner und blauer Farb ein autotypisches Bild liefern, das rührt nur daher, daß die feinsten F ”” ir Be ae 11) Physikal. Zeitschrift 10, p. 1004. | 12) Fompe: Jahrbücher, Abtle. f. Systemat. Ba. 15, p- 67. 359 R "Fiederchen dieser Federn schwarz pigmentiert sind, was schon mit der Lupe zu erkennen ist. Nur hierauf beruht der Unterschied z. B. zwischen einer hellgerünen und einer dunkelgrünen Feder. Bei den hellgrünen Federn fehlt das dunkle Pigment, sie geben daher auch kein Bild auf aer Platte. Die kleinsten F jederchön der roten und gelben Federn sind R ‚entweder gar nicht oder rot bezw. gelb pigmentiert, deshalb sind diese y Federn auf der Platte ganz wirkungslos. Federn mit metallischem Farben- glanz, z. B. die Pfauenfedern, sind ganz schwarz pigmentiert, ihre Wir- ‚kung auf die photographische Platte ist daher auch eine besonders kräf- tige. Die elänzenden grünen und blauen Farben der Pfauenfeder sind - Strukturfarben, die wohl durch Interferenzwirkung zustande kommen. - Eine verschiedene Dichtigkeit der schwarzen Pigmente besteht aber an denjenigen Stellen, die bei bestimmtem Lichteinfall verschiedene Farben erscheinen lassen. So kommt es, daß die Pfauenfeder auch in der Auto- - typie Nuancen auftreten läßt, und daß z. B. die Zeichnung des Auges zum Ausdruck kommt. ‚Haare verhalten sich ebenso, indem weiße und rote Haare wirkungs- - los sind, schwarze dagegen ein deutliches Bild auf der Platte ergeben. Die autotypische Wirkung geht über ein gewisses Maximum, das - mach 3—4 Wochen erreicht ist, nicht hinaus. Die autotypische Wirkungs- _ fähigkeit des Objektes ist dann jedoch nicht erschöpft, denn wenn das Objekt jetzt wieder eingelegt wird, so bringt es ein Bild hervor von glei- F cher Stärke wie das frühere war. | vr en RETTEN ee AUT Er mr Erwiderung auf Heller’s Artikel „Über die Geruchstheorie von Teudt“'). Von Dr. phil. Heinrich Teudt. Heller macht gegen meine Erklärung der Geruchserscheinungen ‚durch Elektronenschwingungen 2) in erster Linie geltend, daß „eine Exi- stenz unabhängig von den Atomen wirksamer Elektronen“ nıcht aner- - kannt werden könne. Nun existieren allerdings solche ae von _ den Atomen wirksame Elektronen“ bekanntlich in den $-Strahlen. Diese haben aber mit den von mir abgeleiteten Geruchsschwingungen nichts zu tun. Letztere werden vielmehr — wie ich in inzwischen erschienenen neueren Arbeiten >) abgeleitet habe —, von den Valenzelektronen aus- R 3 geführt, = 1) Biol. Zentralblatt Nr. 8 (1919). 2) Biol. Zentralblatt XXX, Nr. 12 (1913) — Prometheus XXV, Nr. 34 (1914) = Wochenschr. für Brauerei 1918,. Nr. 15—17. — Unsere Welt 1919, Nr. 2. Bar.) Prometheus Nr. 1535 und 1536 (1919 Nr. 26 und 27) sowie das letzte Kapitel - in meiner „Ableitung der chemischen Verwandtschaft aus der Flektronentheorie“, - Zeitschr. f. anorg. u. allgem. Chemie Bd. 108, 1919, S. 1371. 7 ee . 17* 260 H. Teudt, Erwiderung auf Heller’s Artikel „Über die Geruchstheore von Nach der, neueren Atom- und Elektronentheorie werden bekätnilich die Atome eines Moleküls durch Valenzelektronen miteinander verbunden. Aber während: diese die Atome mit Hilfe der von ihnen ausgehenden elektrischen Anziehungskräfte zusammenhalten, werden sie auch umge- kehrt von den zu den Atomkernen gehörenden Elektronen beeinflußt. Da- bei werden dann die Valenzelektronen durch die Kreisbewegungen der zu den Atomkernen gehörenden Elektronen in Schwingungen gesetzt, wenn bestimmte Verhältnisse vorliegen, die ich in den beiden zuletzt genann- ten Arbeiten abgeleitet habe. Daß die dort abgeleiteten Schwingungen der Valenzelektronen tatsächlich die Entstehungsursache der Gerüche sind, geht daraus hervor, dab die verschiedenen Kategorien der che- mischen Verbindungen und Elemente regelmäßig einen Geruch haben, wenn in ihren Molekülen günstige Bedingungen für die Entstehung dieser Valenzelektronenschwingungen nachweisbar waren, und daß umgekehrt diejenigen Kategorien chemischer Verbindungen und Elemente geruch- los sind, in deren Molekülen die Verhältnisse für die Entstehung der Valenzelektronenschwingungen nicht günstig sind. Zur Illustration der dort "gemachten Ausführungen seien an dieser Stelle nur einige Beispiele wiedergegeben: Bei den Metallen läßt sich aus der Theorie der metalli- schen Leitung des elektrischen Stromes ableiten, daß die Elektronen an den Metall- atomen weniger fest sitzen als an den Atomen der Metalloide und daraus läßt sich dann weiter ableiten, daß an den Rändern der Metallatome keine oder doch nur sehr schwache positive und negative Stellen miteinander abwechseln‘). Da zur Erzeugung der Valenzelektronenschwingungen ein derartiger Wechsel zwischen positiven und negativen Stellen nötig ist, haben die Metalle keinen oder doch nur einen schwachen Geruch. Ebenso sind die Sauerstoff- und Schwefelverbindungen der Metalle geruchlos, weil die leicht beweglichen Elektronen an den Metallatomen durch die Abstoßungs- kräfte der weniger leicht beweglichen Elektronen der O- und S-Atome zurückgedrängt werden, so daß an den Rändern der Metallatome ein gleichmäßig positiv-elektrisches Feld entsteht. In dieses werden die Valenzelektronen hineingezogen und kreisen in ihm, so daß der an den O- und S-Atomen vorhandene Wechsel zwischen positiven und negativen Stellen sie nicht mehr in Geruchsschwingungen versetzen kann. Dagegen haben die aus Metalloiden bestehenden Säureradikale gewöhnlich einen Geruch. Dieser Geruch verschwindet aber, sobald sie in Salzen als Ionen auftreten, denn dann verdeckt der am Säureradikal vorhandene UÜberschuß negativer Elektrizität den an den. Atomrändern dieses Säureradikals vorhandenen Wechsel positiver und negativer Stellen, so daß die Valenzelektronen nicht mehr in Schwingungen versetzt werden können. | Die Zahl der in einem Molekül zwischen zwei Atomen kreisenden Valenzelektronen wird um so größer, je höher die Valenz ist, mit der sich diese beiden Atome mitein- ander verbunden haben. Je größer aber die Zahl der zwisehen zwei Atomen kreisenden ‘ Valenzelektronen wird, desto mehr Energie wird auch erforderlich, um diese Valenz- elektronen in Geruchsschwingungen zu versetzen. Daher ist‘ bei einwertigen Verbin- dungen am wenigsten Energie nötig, um Geruchsschwingungen zu erzeugen. Bei diesen entsteht also am leichtesten ein Geruch. Dem entsprechend haben bei den chemischen 7 Elementen nur die einwertigen Metalloide einen deutlich wahrnehmbaren Geruch. 5 Besteht ein Molekül aus einer größeren Anzahl von Atomen, zwischen denen E Valenzelektronen Geruchsschwi ingungen ausführen, so interferieren diese a 4) Val. Ka 3 meiner Ban des periodischen Systems aus der Flecken Vi iheorie“, Zeitschr. f. anorg. u. allgem. Chemie 1919, Bd. 106, S. 195 und Kapitel B' 2 und 6 der vorhin ae Arbeit über u chemische Verwandtschalt, Vi ren ne; Wr, Lt uch, Er Bien! 1 au Hellor’s Artikel „Über die Geruchstheorie von Teudt“, 261 ke ’ Ei . ir x El Bilden 2 die unter Umständen so kompliziert werden, daß sie durch - unsere Geruchsnerven nicht mehr wahrgenommen "werden können. So erklärt sich z.B das Verschwinden des Aldehyd- und Ketongeruches, wenn sich diese Moleküle zu - Zuckermolekülen vereinigen. Ebenso verschwindet in manchen homologen Reihen ein - bei den niederen und mittleren Gliedern vorhandener Geruch bei den höchsten Gliedern dieser Reihen. | Auffällig ist die Geruchlosigkeit von Methan und Äthan. Diese läßt sich mit - Hilfe der Theorie der Valenzelektronenschwingungen dadurch erklären, daß die Valenz- 8 elektronen an den verschiedenen H-Atomen infolge des regelmäßigen Baues der CH*- und ©°H°-Moleküle gleich und entgegengesetzt schwingen, so daß sich ihre Geruchs- wirkungen gegenseitig aufheben. Ferner schreibt Heller: „Beruht das Riechen auf elektrischen Vorgängen, so müssen irgendwie unmittelbare Beziehungen zwischen elektrischen Strom und Geruch- - erlebnis nachweisbar sein.“ Dieser Schluß ist deshalb nicht richtig, weil der Geruch - nicht durch den elektrischen Strom als solchen sondern nur durch bestimmte elektrische Sehwingungen mit bestimmten Perioden verursacht; wird. — Die dann weiter von - Heller gemachte Behauptung, daß alle Versuche, z. B. von Volta, Pfaff, Fowler, von Humboldt und anderen, durch elektrische Ströme Geruchsempfindungen hervor- _ zurufen, negativ ausgefallen seien, ist irreführend. An der von Heller selbst zitierten E: Stelle?) nennt Henning außer den eben von Heller wiedergegebenen Namen von Forschern, welche. keinen Geruch bemerkten, noch andere Forscher (Ritter, Cavallo, "Baumann, Johannes Müller, Althaus, Aronsohn), welche bei derartigen Ver- suchen einen Geruch oder doch so was ähnliches empfunden haben. Diese Geruchs- - erlebnisse sind dort durch Ozonbildung erklärt. Diese Erklärung lag nahe, weil man weiß, daß beim Durchleiten eines elektrischen Stromes durch Wasser Ozon entsteht. _ Nun war aber die Nase mit Flüssigkeit gefüllt, in welcher sich etwa bildendes Ozon auf- lösen mußte. Im Wasser gelöste Stoffe rufen aber, wie Henning selbst an anderer Stelle seines Buches festgestellt hat®), keine Geruchsempfindungen hervor. Ferner ent- stehen die Geruchsempfindungen beim Öffnen und Schließen des Stromes, also in Zeit- Fr en in denen noch kein Ozon gebildet ist, oder die Bildung von Ozon aufhört. B.Die; Bildung von Ozon kann- also unmöglich die Ursache der Geruchsempfindung ge- Fi wesen sein, und es liest die Tatsache vor, daß ein Teil der Forscher so etwas wie eine \ Geruchsempfindung oder eine „Stichempfindung wie beim Riechen von Ammoniak“, ein R anderer Teil der Forscher dagegen keinen Geruch bemerkt hat. Diese einander schein- bar widersprechenden Resultate lassen sich vielleicht dadurch erklären, daß zwar nicht bei allen, wohl aber. bei einigen dieser Versuche die Verhältnisse im Stromkreis derartig _ waren, daß beim Öffnen oder Schließen des Stromes elektrische Schwingungen auf- Beer, deren Perioden geeignet waren, in einigen der Geruchsnerven Resonanzwirkungen - hervorzurufen. ‚Daß sonst Beziehungen zwischen Elektrizität und Geruch bestehen, ind durch meine oben genannte Arbeit über die chemische Verwandt- schaft bewiesen, in der abgeleitet wird, daß dieselben elektrischen Felder an den Grenzen der Atome, welche die Größe der chemischen Verwandt- schaft der Elemente zueinander regeln, auch das Auftreten oder Aus- B. bleiben eines Geruches bestimmen. Bi Een: der diese NUNG einer ee ZW Een u w „Sieht man von der Unmöglichkeit des Nachweises elektrischer Beziehungen beim iechen ab, so scheint anderseits eine starke Stütze der Theorie zu sein, „daß die in die “ 5) Henning, „Der Geruch” De 1916, BIS 6) a a % S. 362. 2 N z en ale * 7 362 H. Teudt, Erwiderung auf Heller’s Artikel „Über die Geruchstheorie v on Teudt“. Nase gezogenen riechenden Körperchen gar nicht mit den Riechnerven in Bestkeuhk, kommen.“ Diese von älteren Autoren übernommene Behauptung ist irreführend. Un- mittelbar zwar gelangen die Duftpartikel nicht an die Nerven, wohl aber mittelbar (durch Absorption durch das Ran an die Riechschleimhaut. Und in dieser sind die Riechzellen eingebettet“. Ich weiß nicht, weshalb Heller diesen von mir Bere in dir ersten Veröffentlichung meiner Theorie widerlegten Einwand einer „mittelbaren Berührung“ hier nochmals wiederholt, ohne dabei auf meine Wider- legung”?) dieses naheliegenden Einwandes einzugehen. Wenn nämlich die Entstehung einer Geruchsempfindung von dem Zustandekommen einer derartigen mittelbaren Berührung abhängig wäre, so könnte ein Geruch erst empfunden werden, nachdem die Riechkörperchen zur Riechschleim- haut gelangt sind, nicht aber schon vorher, wenn die Riechkörperchen erst in die Nase hineingezogen werden. — Wenn man mit einem riechen- den Gase z. B. mit Leuchtgas vermischte Luft einatmet und bald naclı Beginn des Atemzuges die Luft anhält, so ist die Nase mit Riechpartikel- chen gefüllt. Diese hätten dann also andauernd (relegenheit an die Riech- schleimhaut zu gelangen und es müßte daher so lange ein Geruch empfun- den werden, als die Nase mit Duftpartikelchen gefüllt ist, wenn wirk- lich eine Geruchsempfindung durch Berührung hervorgebracht würde. Da aber trotz des Vorhandenseins der vielen Duftpartikel in möglichst srößter Nähe der Riechnerven keinerlei. Geruchsempfindung entsteht, so ist das ein Beweis dafür, dab die. Geruchsempfindungen nicht durch Berührung hervorgebracht werden. Da aber die Düfte in den duftenden Molekülen durch Blektronen- schwingungen, also durch elektrische Schwingungen, hervorgerufen wer- den, erscheint die Annahme berechtigt, daß diese elektrischen Schwin- gungen Induktionswirkungen hervorrufen können, die zwar zu schwach sind, um mit gewöhnlichen Mitteln erkannt zu werden, die aber ausrei- chen, um andere in den Riechnerven vorhandene Schwingungen durch Resonanzwirkung 8) zu verstärken. Durch diese Verstärkungen entstehen dann Geruchsempfindungen. Infolgedessen entsteht auch eine Geruchs- empfindung nur während des Einatmens, weil sich dabei die Schwin- sungen in unseren Geruchsnerven durch Resonanz- und. Induktions- wirkung verstärken, nicht aber wenn die Nase nach vollendeter Ein- © atmung mit Duftpartikeln gefüllt ist, denn dann hört die elektrische Induktionswirkung auf, welche durch die Annäherung der Duftkörper an die Riechnerven hervorgerufen wird. Beim verstärkten Einatmen (beim Schnüffeln, Spüren) werden die Geruchsempfindungen stärker, weil die Verstärkung der Schwingungen in den Riechnerven schneller und impulsiver vor sich geht infolge der größeren Geschwindig- keit, mit der sich die Duftpartikelchen auf die Riechnerven zu bewegen. ‚Dieses Stärkerwerden der Geruchsempfindung suchte die 7) Biol, Zentralblatt 1913, S. 718, Zeile 27—39. $ 8) Betreffs der Bedeutung. dieser Resonanzwirkung sei auf meine oben genannten früheren Arbeiten verwiesen. 9) Henning, „Der Geruch“, S. 373. sa “ “ rs \- f' u { % Ei) “re 4 EEE een 2 ae DU R at ee u aa) G © ZU es en = 2 ui DE le ni DE | aan cm un 2 ud DEE A DEE ZU m 2 us aaa & tn N “ En ENTER . Lkze 3 a - ' r 2 EEE a Da a un En DC a a ne A ln) all En Al Men nen u Lad” ae u u Aa IN Be 3 >, a } Iah MR RR , N Erwiderung auf Heller’s Artikel „Über die Geruchstheorie von Teudt“, 263 PP A her herrschende rheorie dadurch zu erklären, daß infolge des "stärkeren Einatmens mehr Duftpartikelchen zu den Riechnerven ge- Ben sollten. Aber die Atemluft wird nicht in die Riechschleimhaut - hinein, sondern an derselben vorbeigezogen ; und je größer die Geschwin- | Eekeit ist, mit der sie vorbeigezogen wird, desto weniger können die in ihr enthaltenen Duftkörperchen absorbiert werden. Die durch ver- stärktes Atmen bewirkte größere Geschwindigkeit der eingeatmeten Duft- Bi ischen bewirkt daher keine vermehrte Berührung mit den Riech- © nerven, wohl aber eine verstärkte Induktionswirkung. “Der Geruchsapparat der im Wasser riechenden Wasserkäfer ist - durch eine ganz dünne wasserdichte Chitinhaut geschützt). Diese macht - eine Berührung mit den im Wasser suspendierten Duftstoffen unmöglich, dagegen verhindert sie nicht die Erzeugung von Geruchsempfindungen _ durch Induktionswirkung. Sobald also der Wasserkäfer in eine gewisse - Nähe eines Duftkörpers kommt, werden die Schwingungen in seinem Gexuchsapparat durch Resonanz- und Induktionswirkung verstärkt, so daß eine Geruchswirkung bei ihm ausgelöst wird. Je näher er an den - betreffenden Duftkörper herankommt, desto stärker wird diese Induk- tions- und Resonanzwirkung und desto stärker wird daher auch die 6 eruchsempfindung. & Heller macht noch geltend, daß eine Induktionswirkung doch auch beim Ausatmen und bei einem Schnupfen eintreten und Geruchsempfindungen hervorrufen - müßte. Beim Ausatmen empfinden wir deshalb kein Geruchserlebnis, weil nur eine - Verstärkung nicht aber eine Abschwächung der in den Riechnerven vorhandenen Schwingungen als Geruch empfunden wird. Daß beim Schnupfen keine Geruchs- - empfindungen auftreten, kommt daher, daß die Riechnerven infolge der von den krank- ‚haften ‚Ausscheidungen ausgeübten Reizungen unempfindlich werden. | Selbst ein so großer Anhänger der Kontakttheorie, wie Henning, zieht die 2 Fi olgerung, daß eine dauernde Anhäufung der Riechmoleküle in unserer Geruchs- _ schleimhaut ausgeschlossen ist!) Henning nimmt daher an, daß die Riechmoleküle in der Geruchsschleimhaut eine Spaltung ihrer innermolekularen Geruchsbindung er- leiden, daß dabei aber Spaltungsprodukte entstehen müssen, die selbsts keinen Geruch mehr haben dürfen. Wodurch sollte es aber bewirkt Werden daß einerseits sauerstoff- haltige Riechkörper reduziert und anderseits die riechenden Moleküle der Kohlenwasser- stoffe oxydiert werden, und in was für geruchlose Spaltungsprodukte sollten z. B. Chlor, 2 Jodoform u.s. w. zerlegt werden können? Man sieht, daß die alte, zur Zeit noch herrschende Berührungstheorie auch nach dieser Richtung hin zu unmöglichen Reler; _ rungen ‚führt. © Was’ nun ferner die Erklärung der Weiterverbreitung der Gerüche durch die Luft = _ anbetrifft, so tut Heller in seiner Kritik meiner Geruchstheorie so, als ob ich be- d - hauptet: hätte, für einen Duftstoff gelte nicht, „was für jeden Stoff als selbstverständ- lich gilt, daß er nämlich mehr oder weniger langsam verdampft“. Derartiges habe ich nicht behauptet, sondern ich habe lediglich die Tatsache hervorgehoben, daß ganz winzig kleine und überhaupt nicht mehr wägbare Mengen mancher Riechstoffe einen F nahezu unglaublich großen Raum mit ihren Geruch ausfüllen !?). Aber dies ist nicht die einzige Tatsache, die dagegen spricht, dab die - Verdampfung oder Verflüchtigung der Duftkörper selbst die Haupt- ursache der Weiterverbreitung der Gerüche ist. Denn wenn letzteres der Fall wäre, so müßte der Geruch eines Körpers um so stärker verbreitet 10) a. a. 0. 8. 370/71. 1) a: Kauuabl 1913, 8. 723, Abs. 2. werden, je flüchtiger der betreffende Ka ie Die EN Mehr, Ki aber, daß manchmal gerade das Gegenteil hiervon eintritt. Chloroform — Jodoform ; Methylester —- Amylester ; die Reihe Ameisen-, Essig-, Propion- und Buttersäure liefern Beispiele, bei denen bei gleichartigem Aufbau der Moleküle mit abnehmender Verdunstungsfähigkeit die Stärke der Verbreitung des Geruches zunimmt, d. 'h. bei welchen die Menge, die durch den Duft noch wahrgenommen werden kann, um so kleiner wird, je schwerer verdunstbar der den Geruch aussendende Körper wird. Die Verdunstung geht ferner ‘in warmer trockener Luft leichter von statten als in kühlerer feuchterer Luft. Wenn der Duft lediglich durch Verdunstung der Duftkörper weiter verbreitet würde, so müßten sämtliche Duftkörper an heißen trockenen Sommer- tagen am stärksten duften. Dies ist aber nur teilweise, z. B. bei den Düften einer Kloäke oder eines Misthaufens der Fall. Aber bei oder: Düften tritt häufig gerade, 4 das Umgekehrte ein. So versagen die Jagdhunde auf der Hühnerjagd oft an heißen trockenen Sommertagen !?), nl sie nicht mehr wittern können, aber abends, wenn es wieder kühler wird, so daß also eine eventuell vorhandene Verdunstung der Duftkörper 2 schwächer werden muß, kann der Jagdhund wieder wittern, d. h. die betreffenden Düfte werden wieder durch die,Luft weiter verbreitet. Die eben angegebenen Fälle beweisen, daß die Weiterverbreitung der Gerüche und Düfte noch eine andere Ursache haben muß als die Verflüchtieung der duftenden Körper selbst. Da nun das Vorhandensein eines Geruches nach dem Vorhergehenden eine Folge von Elektronenschwingungen also von elektrischen Vorgängen ist, so ist nicht einzusehen, weshalb die den Ger uch: verursachenden elektrischen Vorgänge sich nicht ebensogut auf andere Körper durch Influenz oder Induktion übertragen können, 'wie es andere elektrische oder magnetische Vorgänge tun. Doch können sich die einen Beruch: \ hervorrufenden ick nn cheinsungen nur auf solche Moleküle übertragen, in denen die Valenzelektronen zwischen den Atomen genügend Bewegungsfreiheit haben, um dort die betreffenden Geruchsschwingungen ausführen zu können. Die Bewegungsfreiheit der Valenzelektronen ist aber um so größer je geringer die Zahl der übrigen zuden Atomen des betreffenden Moleküls gehörenden Elektronen ist, durch welche die Bewegungs- freiheit der Valenzelektronen eingeengt wird. Da die Zahl dieser Elektronen in den Sauerstoff- und Stickstoffmolekülen nur gering ist, hatte ich in meinen früheren Arbeiten angenommen, daß sich die Schwingungen der weiterverbreitenden Düfte von den Mole- külen der sich nieht verflüchtenden Duftkörper auf die Valenzelektronen der O- oder N-Moleküle in der Luft übertragen, so daß die Düfte dann mit diesen durch Luft- strömungen weiter getragen werden. Eine weitere Betrachtung zeigt aber, daß die i H°O-Moleküle noch mehr geeignet sind, diese Geruchsschwingungen der verschiedenen Düfte anzunehmen, weil ein in ein Molekül eingetretenes H-Atom überhaupt kein Elektronensystem mehr. besitzt'*), das die Bewegungsfreiheit der dieses H-Atom im Molekül festhaltenden Valenzelektronen beeinflußt und dieselben gegen äußere Ein- flüsse, wie sie von den Geruchsschwingungen anderer Duftkörper ausgehen, abschließt. Diese Geruchsschwingungen können sich daher am leichtesten auf die Valenzelektronen der in der Luft vorhandenen H°’O-Moleküle übertragen, so daß diese zu Trägern der Gerüche und Düfte werden, die sich auf diesem Wege in ‘der Luft weiter verbreiten. E. e Je größer die lebendige Kraft dieser Geruchselektron Deu ist, desto leichter können sie sich auf \die Valenzelektronen der H2O- Moleküle übertragen. In schwereren und größeren Molekülen kann die ie lebendige Kraft dieser Geruchselektronenschwingungen größer werden als in kleineren und leichteren Molekülen, daher kommt es, daß sich die 4 Düfte der schwereren und weniger flüchtigen Körper oft stärker weiter : 12) Zell, „Der Polizeihund“, Berlin 1909, Ss. 125. : f t N Fe 13) Zeitschr. f. anorg. u. allgem, Chemie Bd. 108, S. 154. _ a x. Ar 00, 16 a BES TREE au Heller's Artikel, „Über a Geruchstheorie von Teudt*“. 265 Werbreiten ER die Düfte leichterer und flüchtigerer Moleküle gleicher Bau- N" ur (vergl. die oben angeführten Beispiele Chloroform, Jodoform u. s. w.). Ebenso erklärt sich das erwähnte Versagen des witternden Jagdhundes 3 - durch das Fehlen einer genügend großen Anzahl H?O-Moleküle, welche E diese Düfte annehmen und weitertragen können. Dagegen wird die Wei- terverbreitung der von Kloaken, Misthaufen u. del. ausgehenden Düfte. ® ‚durch warmes trockenes Wetter verstärkt, weil bei diesen Kloaken u. s. w. genügend H2O-Moleküle vorhanden sind, deren Verdunstung durch Ä trockene Hitze vermehrt wird. E. Bei wissenschaftlichen Versuchen über Geruchserscheinungen ließen “sich die Forscher bisher von dem Glauben leiten, daß die Weiterverbrei- 2 tung der Gerüche lediglich durch Verflüchtigung der duftenden Körper Bee und sahen sich deshalb nicht veranlaßt, auch den Feuchtigkeitsgrad der Luft, in der sie ihre Versuche anstellten, entsprechend in Rechnung ‘zu ziehen. Hierin liegt wahrscheinlich der Grund dafür, dab diese Ver- R: ‚suche oft so wenig übereinstimmende Resultate gegeben haben. Gegen diese Übertragung der Geruchsschwingungen von den Molekülen der B Poteörper auf andere in der Luft vorhandene Moleküle macht Heller geltend, daß zwar oft lächerlich geringe Mengen stark duftender Stoffe auch beim Menschen Geruchs- erleben zu erregen vermögen, daß aber der Duft. doch immer an die Anwesenheit des - duftenden Stoffes selbst gebunden sei. — Diese Tatsache steht aber nicht im Widerspruch # mit der. hier entwickelten Erklärung der Weiterverbreitung der Gerüche durch die Luft. Ä Denn sobald die H2O- oder sonstigen in der Luft vorhandenen Moleküle, auf welche die betreffenden Geruchsschwingungen übertragen sind, aus dem. Einfluß‘ des duftenden Stoffes herauskommen, verlieren sich die ihnen induzierten Geruchsschwingungen allmählich wieder, weil sie nicht Eee in den Molekülen der eigentlichen Duftkörper) durch die Konsti- 2 \ tution des 'H20-Moleküls bedingt werden, sondern nur durch äußere - Einflüsse dessen Valenzelektronen aufgedränet sind. Daher werden die den H2O-Molekülen induzierten fremden Geruchsschwingungen sich um ‚so schneller wieder verlieren, je weniger ihre Perioden mit den in den mO- Molekülen ursprünglich vorhandenen Elektronenbewegungen im Ein- klang stehen. Außerdem wird aber auch die Zeit, in welcher die Valenz- elektronen in den H?O- ‚Molekülen nach der ran vom Duftkörper essen Duftschwingungen noch beibehalten, davon abhängig sein, ob diese E80: -Moleküle sich ruhig verhalten. oder häufiger erschüttert werden. - Ähnlich , wie Eisen den ihm mitgeteilten Magnetismus um so schneller wieder verliert je öfter ‘es erschüttert wird, ebenso verlieren auch die - H2O- Moleküle die in ihnen hervorgerufenen fremden Geruchsschwin- ER: ‚gungen um so schneller, je öfter sie durch Zusammenstoßen mit anderen - Molekülen erschüttert: werden. Die in. bewegten Luftschichten weiter = Binen Düfte verschwinden daher relativ schnell wieder. BIER, Bi : ‚sie ae Stößen nase ötat sind, Behalten len. dann Könned in ihnen erregten Geruchsschwingungen oft sehr lange bestehen iben. .,' ö L S Heller ihre dann ferner noch an, daß ein Hund in einer Badeanstalt seinen eutend schwieriger als auf ur Straße am Duft ‚seiner Spur erke Obgleich 7 { 7 A % N \ “ $ ET URN a A x \ Heller keinerlei Belege für diese mir bisher ke SE, Er, a a mir die Richtigkeit derselben nicht zweifelhaft, weil man auch sonst beobachtet hat, daß Hunde die Spuren barfuß gehender Personen schwerer verfolgen als die Spuren mit Schuhen bekleideter Personen, z. B. bei der Verfolgung entlatifelite Sträflinge und Sklaven in Amerika durch Bluthunde '*) sowie auch bei neueren Versuchen von Ro- manes'®). Den Fall in der Badeanstalt erklärt Heller dadurch, „daß _Duftmoleküle vom Körper des Herren sich zwar im Bad reichlicher niederschlagen, daß sie daselbst aber auch weit reichlicher von anderen Personen beim Darübergehen absorbiert, also weggeführt werden“. Dieser Erklärungsversuch versagt aber bei den Bluthundver- folgungen und bei den Versuchen von Romanes. Dagegen erklären sich mit Hilfe meiner Theorie der Geruchsschwingungen sämtliche drei Fälle dadurch, Ba dab die in den betreffenden Menschen vorhandenen Geruchsschwin- gungen sich allmählich auf die Valenzelektronen, diein den Molekülen der Stiefelsohlen vorhanden sind, übertragen, so daß die ganzen Sohlen, nach- dem sie eine gewisse Zeit getragen sind, mit derartigen Geruchsschwin- gungen erfüllt werden. Von diesen Schuhsohlen lösen sich dann die mit solchen Geruchsschwingungen erfüllten H2O-Moleküle leichter ab und bleiben an den Fußspuren reichhaltiger hängen als sie sich von der Haut des Fußes ablösen, wenn der betreffende Mensch barfuß geht. Ging Ro- manes aber bei seinen Versuchen in Strümpfen, so nahm der Hund seine Spur überhaupt nicht auf, was dadurch erklärt wird, daß die mit dem Duft geschwängerten H?2O-Moleküle von den Strümpfen fester gehalten werden als von den Füßen und von den Schuhsohlen. Von den Strümpfen gelangt daher der Duft des Menschen in der kurzen. Zeit, während welcher die Füße den Erdboden berühren, nicht auf die Fußspuren. Dagegen kann der Duft des Menschen durch die Strümpfe hindurch in die Schuhsohlen gelangen, weil die H2O-Moleküle in den 4 Strümpfen, nachdem sie die Duftschwingungen des Menschen angenom- men haben, diese allmählich weiter auf die Valenzelektronen der in den. Schuhsohlen enthaltenen H2O-Moleküle induzieren. Es wäre unmöglich, daß die Duftkörper, welche sich nach der jetzt herrschenden Theorie vom menschlichen Körper loslösen und an den Fußspuren haften bleiben sollen, überhaupt nur zu den Stiefelsohlen gelangen, wenn sie nicht durch die Strürapfe hin- 4 durchkönnen. Allerdings hat man angenommen, daß der Hund sich nicht von dem Geruch seines Herren sondern von dem Geruch der Stiefel leiten läßt. von denen er weiß, daß sie seinem Herren gehören. Dem steht aber entgegen, daß der Polizeihund die Spur eines ihm fremden Menschen verfolgen kann, auch wenn er seine Witterung nicht von den Stiefeln dieses Menschen sondern von ganz anderen Teilen desselben u erhalten hat. Schließlich macht Heller noch geltend, daß es bei den nach meiner Theorie E vorhandenen Geruchsschwingungen nicht möglich sein würde, daß der vermehrte Duft einzelner Individuen den vielleicht schwächeren Duft der vom Hunde geeusblen Spur 3 seines Herren übertönte. Ein derartiges Übertönen des Duftes einer Fußspur durch andere Fuß- spuren ist aber auch nirgends beobachtet worden. Bei einem der von. Romanes angestellten Versuche wurde dessen Spur anfangs von elf, später von fünf Spuren anderer Menschen überdeckt, die alle so gegangen { waren, dab jeder in die Spuren seines Vorderamannes getreten war. Der 3 14) Zell, „Der Polizeihund“, Berlin 1909, S. 120. 15) Des Jägers Monatsblatt und Wr Welt! 1915; Hass 302103 2 . h I. and, ea auf Heller’s Artikel „Über die Geruchstheorie von Teudt“, 267 Hund folgte dieser Spur schnell, schoß an der Trennungsstelle über die "Spur hinaus, besann sich aber augenblicklich und lief ohne Zögern seinem Herrn nach. Der Duft der ersten Spur war also nicht durch die folgen- - den elf bezw. fünf anderen Spuren übertönt. Auch dem Menschen ist es möglich, z. B. aus dem in einer Küche herrschenden Mischgeruch ‚die Düfte einzelner Speisen herauszuriechen. Doch gibt es auch Misch- -gerüche, bei denen es nahezu oder gänzlich unmöglich ist, die einzelnen 2 Komponenten wieder zu erkennen. So wird z. B. bei den von einer Zitrone - ausgehenden Mischgeruch wohl niemand herausriechen Können, dab ın Er die Gerüche von Pinen, Citral, Geraniol, Terpineol u. s. w. enthalten Esind. ° , | | % k; Das verschiedene Verhalten dieser beiden Arten von Mischgerüchen läßt sich mit - Hilfe der von mir abgeleiteten Schwingungstheorie in folgender Weise erklären: Der Mischgeruch der Küche entsteht dadurch, daß in die Nase verschiedene Duft- moleküle nebeneinander eingezogen werden, von denen einige die Duftschwingungen des Fleisches, andere die Duftschwingungen bratenden Fettes, andere wieder die Duft- -_ schwingungen einer Kohlart haben u. s. w., Alle diese Duftschwingungen wirken gleich- - zeitig nebeneinander auf die Riechnerven ein. Der Mischgeruch der Küche ist daher - zu vergleichen mit einem Stimmengemisch, das von einer größeren Gesellschaft durch- E... redender Personen ausgeht. Ebenso wie wir eine uns bekannte Stimme in einem derartigen Stimmengemisch leicht heraushören -und von den anderen Stimmen ‚unterscheiden können, können wir auch einen bekannten Geruch aus den auf unser - Geruchsorgan nebeneinander einwirkenden verschiedenen Geruchsschwingungen des in » der Küche vorhandenen Mischgeruches herausriechen. 4 ‘Von dem eben besprochenen Mischgeruch der Küche unterscheidet h "sich nun der von einer Zitrone ausgehende Mischgeruch dadurch, daß 3 die einzelnen diesen Mischgeruch verursachenden Duftkörper in der Zitronenschale zusammengehalten werden und daß auch eine Verflüch- E tigung, bei der sie wieder voneinander getrennt werden, nicht oder doch nur in einem ganz geringen Maße stattfindet. Infolgedessen geschieht & die Übertragung ihrer Geruchsschwingungen auf die Valenzelektronen E der in a unmittelbaren Ei Bacher Lutt- oder H?O-Moleküle Citral, ee den ch von an) USW. annehmen ; Sonden in - jedem der betreffenden H2O-Moleküle erhalten die Valenzelektronen eine Schwingung, welche durch Interferenz der verschiedenen Geruchs- - schwingungen der in der Zitrone enthaltenen Duftkörper gebildet wird. - Wenn dann; diese Moleküle mit der Atemluft in die Nase gezogen werden, e - so haben dieselben nur diese durch Interferenz gebildete neue Gemich? schwingung, nicht aber die verschiedenen Geruchsschwingungen der ein- "zelnen Duftkörper, wie es bei dem Mischgeruch in der Küche der Fall war. Daher können wir die einzelnen Komponenten nicht bei dem Misch- - geruch der Zitrone, wohl aber bei dem Mischgeruch der Küche voneinander - unterscheiden. - ; 265 Mendelsche Spaltung und chemisches Gleiteehht Von Otto Renner, München. Die Gene oa Faktoren der V ererbungslehre sind von Johannsen und anderen Autoren mit chemischen Radikalen bezw. Radikalketten verglichen worden. Gegen diesen Vergleich hat E. Lehmann!) Einwände erhoben, die in folgender Überlegung ihre Wurzel haben: Die Reaktionen zwischen den Genen müssen nach den Erscheinungen der Mendelschen Spaltung umkehrbar sein; umkehrbare Reaktionen führen zu Gleich- sewichten, die dem Massenw irkungsgesetz gehorchen; von den Erscheinungen des che- mischen Gleichgew ichts mit seinen Gleichgewichtskonstanten führt kein Weg zu der Verteilung der Gene, die den Regeln der Wahrscheinlichkeit folgt. An einer anderen Stelle?) hat Lehmann seine drei Hauptthesen kurz wiederholt. Hier begründet er seine ablehnende Haltung auch mit dem Hinweis auf die Spärlichkeit der Erfolge, die den Versuchen, einen verhältnismäßig so einfachen Vorgang wie die Farbstoffbildung der Farbvarietäten von der chemischen Seite aufzuhellen, bis jetzt beschieden waren. Wenn ich recht sehe, liegt hier nur die phänotypische Auswirkung erblicher Fähigkeiten vor, die sich zwar auf chemische Erscheinungen bezieht, aber sonst mit den stofflichen Vorgängen bei der Übermittlung der Erbqualitäten nicht mehr zu tun hat als die Entfaltung irgendeines morphologischen Charakters. Für diese stoff- lichen Vorgänge an der „Vererbungssubstanz‘“ die allerallgemeinsten chemisch-physi- kalischen Gesetzmäßigkeiten klarzulegen, darum handelt es sich, nicht um 1 die experimentelle Lösung eines Einzelproblems der speziellen Chemie. Das Beispiel einer reversiblen Reaktion, andem Lehmann den Johannsen’schen (iedanken prüft, ist das bekannte: der Esterbildung aus Alkohol und Essigsäure. C,H,0H--CH,CO0OH "7 CH,0000,H,-FB,0,. 777 Er vergleicht diese Reaktion mit dem Verhalten einer mendelnden Monohybride oder vielmehr mit der Bastardierung zweier Sippen, deren Keimzellen je ein einziges Gen bezw. einen einzigen stabilen en eiee verkörpern. > Denn er schreibt: P, Alkohol Essigsäure Sexualzellen &' Alkohol g Essigsäure © Alkohol 2 Essigsäure #ı | Ä ( Alkohol | Essigsäure RT, Br Essigester Sexualzellen 5‘ Alkohol 2 Essigsäure Essigsäure | Alkohol F, 1 Alkohol + 2 Essigester —+ 1 Essigsäure (abgekürzt). Dazu hebt er hervor, die Esterbildung sei in Wirklichkeit gar nicht in dem schematisch dargestellten Sinn mit dem Bastardierungserfolg vergleichbar, weil neben = dem Ester ein zweites Reaktionsprodukt, Wasser, auftrete, gegenüber dem einzigen Kreuzungsprodukt der F, (1914, 8.163: „Wenn wir mendeln [sic], so entsteht aus zwei Konıponenten immer eine neue Form‘) De gegenüber dem einen Heterozygotentypus in der F, (1918, S 548: „, Wenn wir zwei durch ein Merkmalspaar verschiedene Sippen 3 miteinander a erhalten wir aus der F,, abgesehen von den beiden ursprünglichen Formen, stets ein Intermediär- oder Mischungsprodukt, wenn auch auf reziproke Weise‘‘), Lehmann stellt also 1. der chemischen Reaktion die Zygotenbildung im Vergleich © ‚gegenüber, während wir mit der Reaktion offenbar nichts anderes gleichsetzen dürfen als die Vorgänge bei der Erzeugung der Keimzellen, bei der BEN *) Zeitschr. für Abstammungs- und Vererb.-Lehre. 1914, 13, 161. » ?) Zeitschr. für Botanik, 1918, 14, 548. Sammelreferat „Über neuere Önotheren- arbeiten“. 2 3) An ‚anderen Stellen kommt - er allerdings auf diese Auffassung zu sprechen, z.B. 1914, 8.164: „Reagieren die Gene nicht gleich aufeinander, sondern erst bei der : endgültigen Senne während der Reduktionsteilung . .“; und ähnlich 8. 16575 wo von Vermischung und Entmischung statt von Reaktion ‚die Rede ist. Een. 0. Ren, Mendeische Spaltung und chemisches Gleichgewicht. 250 2. vergleicht er den gewählten ‚Reaktionstypus mit das Verhalten einer Monohybride statt mit dem einer Dihybride. Auf diese Weise durchgeführt muß der Vergleich miß- glücken. Der Bastardierung zweier in einem Merkmalspaar verschiedenen Sippen AB und Ab entspricht die Vermischung etwa von Lösungen von NaCl und Na Br (noch besser 7 würden wir die Na-Salze zweier komplizierten organischen Säuren nehmen); die Keim- - zellenbildung ist dargestellt durch die Trennung der vorher gemischten Substanzen. Ob die Molekeln der Bebe — angenommen, wir könnten solche erfassen — nach der - Einntmischung aus denselben Atomindividuen zusammengesetzt sind wie vor der Mischung, ' ob also Reaktion, d.h. Umtausch von Cl gegen Br, stattgefunden hat oder nicht, und ob in einer Keimzelle AB, die von der F, des Bastardes AA Bb gebildet wird, “ - Faktor A aus AB. oder aus Ab stamit, ist gleichgültig und Huch gar nic ht z ermitteln. Das Spalten einer Monohybride ist also einer Entmischung ohne R kaktion zu vergleichen ; und umgekehrt: wenn zwischen den Komponenten einer Heterozygote keine „Reaktion“ stattfindet, verhält sich der Bastard wie eine Monohybride („komplex- heterozygotische“ Önotheren)). In monohybriden Rassenbastarden findet sicher auch - Umtausch statt, wie zwischen NaCl und NaBr, ja sogar in homozygotischen Sippen, 2 ER wie, auf dem Weg der Dissoziation, zwischen Na0l und NaCl, man merkt nur nichts von all diesen Reaktionen. In Komplexheterozygoten oder Kernchimären - (Lotsy), wenn es solche tatsächlich gibt, unterbleibt dagegen die Reaktion wirklich. E In Äthylalkohol und Essigsäure können wir die Bilder zweier Sippen sehen, die je zwei frei mendelnde Gene bezw. zwei Faktorenkomplexe als ganze Erbmasse besitzen; ins Morphologische übersetzt, deren haploide Ohromosomenzahl zwei ist. Das Radikal C,H, soll durch das Faktorensymbol A bezeichnet werden, OH durch b, C,H,O, durch Ei H durch a, dann ist Äthylalkohol —= Ab, Essigsäure — aB, Ester = AB, Wasser — ab: 3 Der Bastard AaBb kann aus AB und ab. aber ebensogut aus Ab und aB gebildet - werden und liefert in beiden Fällen vier Sorten von Keimzellen, nämlich AB, Ab, aB, ab, d.h. sobald Ab und aB oder AB und ab miteinander zu reagieren Gelegenheit e “ erhalten, treten alle vier Körper nebeneinander auf. Die Zygote AaBb kommt in - unserem Reaktionsschema gar nicht vor, weil sie einen nicht reaktionsfähigen Zustand darstellt; wollen wir pedantisch vollständig sein, so ist die Heterozygote Ab-aB dem - Gemisch Alkohol— Säure unter Bedingungen, die eine Reaktion verhindern, gleichzusetzen, und ebenso die Zygote AB-ab dem Gemisch Ester— Wasser. Die beiden Bastarde sind nicht voneinander zu unterscheiden, die beiden einfachen chemischen Systeme sind "weit verschieden; das rührt davon her, daß die Konstitutionsunterschiede zwischen den Bnanbzen, A und a bezw. zwischen B und b verschwindend gering sind gegenüber den - Unterschieden zwischen den einfachen chemischen Radikalen. — Von den Mengen- bezw. " Zahlenverhältnissen können wir erst später sprechen. Dolange wir bei den stofflichen Vorgängen, die der Bastardspaltung zugrunde liegen, eine Mehrz: ahl identischer Molekeln der beiderseitigen ‚Keimplasmen als " vorhanden annehmen, wie Lehmann zu tun scheint, müssen wir eine reinliche Ent- mischung der verschiedenen an Reaktion und Gegenreaktion beteiligten Körper fordern, ‘um das Eintreten Mendelscher Spaltung statt konstanter intermediärer Vererbung _ verstehen zu können. Ein Mechanismus, der diese Scheidung in einem physikalischen’ Gemisch ausführen sollte, ist schwer auszudenken, und es wäre bei solcher Sachlage P kaum zu verstehen, daß wir die Keimzellen in den allermeisten Fällen unzweifelhaft 1 „rein“ finden, daß sie in scharfer Alternative entweder Ausgangsverbindung oder Re aktionsprodukt enthalten, nicht beide zugleich. Dieser Schwierigkeit entgehen wir, wenn wir uns im Keimplasma, soweit es an den Erscheinungen der Mendelschen Spaltung beteiligt ist, zum wenigsten jede Molekelart durch ein einziges Individuum vertreten d enken, so daß die Reaktionsvorgänge zwischen homologen Einzelmolekeln verlaufen ind "nach der Reaktion auch nur Einzelmolekeln sich voneinander trennen. Von einer Mischung‘ einzelner Molekeln kann ja nicht-die Rede sein. Sie können sich wohl = Renner, Versuche über die gumetische Konstitution der Önotheren. Zeitschr, Abstammungs- und Vererbungslehre. 1917. 18, 121. 70 0. Renner, Mendel’sche Shane und Re Gleichgewicht verknäueln, und dabei oder beim Auseinanderweichen können sie Ecke untereinander austauschen oder einseitig aneinander verlieren (presenee-absence Theorie!), aber zwei gleichgeartete Reaktionsprodukte, wie sie zwei. Portionen einer homogenen Mischung ” entsprächen, könnten aus zwei nicht identischen Molekeln nur unter bestimmten, für - Vererbungsverhältnisse sehr unwahrscheinlichen Voraussetzungen entstehen (,Gametische Konstitution“, S.239 Anm.). In der Ehrlich’schen Theorie der Toxin- und Antitoxin- ° wirkung hat die Vorstellung, die in der Zelle eine einzige Molekel sieht, sich be- kanntlich als sehr fruchtbar erwiesen. Unter den Physikochemikern geht Trautz sogar so weit, den ganzen Organismus, soweit er organisiertes Gewebe ist, „abzüglich der frei zirkulierenden oder eingeschlossenen Lösungen“ (brieflich), als eine riesenhafte ° Molekel anzusehen). So werden wir im folgenden die Keimplasmen, soweit sie die ° Träger der mendelnden Grundunterschiede sind, also die Ohromatinsysteme der Zellkerne, als Einzelmolekeln betrachten; der diploide Kern wäre dann vielleicht als ° ein Polymeres des haploiden anzusehen, und ‚die qualitativen Unterschiede zwischen normalen Sippen und tetraploiden Riesenformen würden einigermaßen verständlich, wenn das Didiploidwerden wieder als Polymerisierung aufgefaßt würde. In gewissen Zuständen ° können wir wenigstens in jedem Chromosom eine einzige Molekel erblicken. Während des Zusammenlebens in den heterozygotisch- oder homozygotisch-diploiden somatischen Zellen sollen Reaktionen zwischen den „Haploidmolekeln“ — bezw. bei Heterozygotie Isomerisierungen innerhalb der ,‚Diploidmolekeln“ — im allgemeinen nicht vor- kömmen, erst bei der Reduktionsteilung soll es den (entdimerisierten) Molekeln mög- lich werden miteinander zu reagieren, bevor sie sich trennen. % Echte Mutationen ohne Anderung des Chromosomenbestandes könnten bei Homozygoten am leichtesten als irreversible Isomerisierung des Keimplasma verstanden werden, die „Dauermodifikationen“ der Bakterien als reversible Isomerisierung. Daß “eine Isomerisierung in einer diploiden Zelle beide haploiden Chromatinsysteme gleich- zeitig und gleichsinnig betrifft, ist äußerst unwahrscheinlich, und diese Erwartung wird durch Baur’s Erfahrungen über Mutationen beim Lone bestätigt (Zeitschr. I. Abstammungs- u. Vererbungslehre 1918, Bd. 19, S. 177). 3 Daß das Cytoplasma ebensogut wie das Ohromatin als „Keimplasma“ oder „Ver- | erbungssubstanz‘“ anzusehen ist, bedarf nicht der Erörterung; die ganz gewöhnliche ° Ungleichheit reziproker Artbastarde bestätigt die theoretische Forderung durchaus. In den bisher experimentell behandelten Fällen wird aber Cytoplasma nur von.der Eizelle, ” nicht vom männlichen Element geliefert — die Frage der Übertragung von Chromato- ; phoren oder Plastosomen durch das Spermium braucht uns nicht zu beschäftigen —, wir ° können deshalb nicht erfahren, was bei einer etwaigen Vereinigung verschieden gearteter Cytoplasmen in der Zygote und später bei der Reifeteilung geschieht. Geeignet erschei- ” nende Objekte wären etwa Zygophyceen wie Spirogyra oder Zygomyceten wie Phycomyces. ” Von seiten des Cytoplasma wäre in solchen Fällen, in denen beide‘ Gameten Vollzellen © mit Kern und Plasma sind, im Falle einer Vermischung der beiden Plasmen wohl kon- ” °) Trautz (Sitzgsber. d. Heidelberger Akad. d. Wiss., Math.-naturw. Klasse, Abt. A, 1917; 3. Abhandl.: ‚Die Theorie der Gasreaktionen und der Molarwärmen‘“, S. 39) meint, „daß kein Grund anzugeben ist, der die Auffassung verbietet, daß jeder einzelne lebende Organismus ein einziges Molekül sei... . Die Auffassung des” Organismus als des größten uns bekannten Molekülgebäudes .... . scheint auch die einzige zu sein, die dem Wesentlichsten des Organismus, dem Morphologischen, Rechnung trägt, zu dem letzten Grundes die Strukturchemie emporführen sollte, und dem Biologischen, worein die chemische Kinetik und Dynamik und die Physik Licht A werfen berufen sind“. Johannsen (,Die Naturwissenschaften“, Berlin 1918, 6. Jahrg, S. 124) sack allerdings: ‚Jedoch ist die Analogie — nämlich der Konstitution der Geschlechtszellen bezw. des befruchteten Eies — mit einem-einzelnen chemischen Körper nicht befriedigend, man müßte eher an die Konstitution eines mehrphasigen Systems als Analogon des’ Genotypus denken“. Der Gedanke ist vielleicht auf die RENATE des Verhältnisses zwischen CUhromatin und Oytoplasma anwendbar. F an 4 stante ro ohne Aiendelsche Spaltung. zu erwarten, doch scheint vegetative Ab- spaltung nicht ausgeschlossen. Unabhängig von der eytoplasmatischen Vererbung läuft wohl auch hier die auf dem Spiel der Chromosomen beruhende Mendelspaltung. Wo die Spaltung bei Bastardsippen auszubleiben scheint, wie in der F,-Generation — —— also bei der Keimzellenbildung der F,— gewisser Erophila- und Veronica-Mischlinge, _ erklärt Lehmann die Konstanz der aus der spaltenden F, hervorgegangenen Typen tatsächlich mit der Annahme schwer zu entmischender physikalischer Gemische der " sonst mendelnden Erbsubstanzen (1914, S. 164). Aber vor der Diskussion dieser Deutung - müßte in erster Linie nachgewiesen sein, daß die betreffenden Bastarde wirklich nur -einerlei Keimzellen erzeugen. Solange nicht geprüft ist, ob alle Zygoten entwicklungs- ‘ fähig und alle Sporen funktionsfähig sind, ist die Konstanz im Sinne von Gonen- gleichheit unbewiesen. Normale Mendelspaltung tritt nach Lehmann dann auf, wenn die entstandenen Gemische sich leicht entmischen lassen (S. 166). Aber wie sollten - - Erbsubstanzen, die sich in nichts anderem unterscheiden als etwa in einem einzigen Gen für Blsienfarbe leichter zu entmischen sein als Palmitinsäure und Stearinsäure. Und gerade ‚bei Kreuzungen von Rassen, in denen alle genotypischen Kombinationen, haploide wie diploide, gleich gut existenzfähig sind und die gleichen oder fast gleiche physiologische Konstanten babanı sind die Spaltungserscheinungen ideal übersichtlich ‘sie sind so übersichtlich, weil die physiologischen Konstanten gleich sind. Die Ent- mischung der Erbsubstanzen ‚müßte also um so leichter IE je ähnlicher diese einander sind. Das wird niemand glauben. . Sobald wir die Vorgänge zwischen Einzelmolekeln ins Auge fassen, wird der statistische Sinn des Ei skenyirkunesgösetzes klar, nnd damit erweist sich die Anwendung des Gesetzes auf unsere ebenfalls mit statistischen Methoden zu bear- - beitenden Probleme als möglich. Wenn in dem von Lehmann angezogenen Beispiel - die Gleichgewichtskonstante K den Wert !;, hat, so sagt das nichts anderes, als daß der - molekulare Vorgang Alkohol + Säure = Ester 4 Wasser doppelt so leicht gelingt wie der umgekehrte. Angenommen unter 100 Zusammenstößen der 'Molekeln Ester und Wasser komme 10 mal ein Treffer, die Überführung in Alkohol und Säure vor,“ - so geben 100 Zusammenstöße von Alkohol und Säure 20 mal das Molekelpaar Ester— Wasser. Deshalb muß in dem System, wenn es sich im (dynamischen) Gleichgewicht - hält, das Produkt aus Konzentration des Esters und Konzentration des Wassers, also - aus Zahl der Estermolekeln und Zahl der Wassermolekeln in der Raumeinheit, viermal so groß sein wie das Produkt aus Konzentration des Alkohols und Konzentrat.on der “ Säure. Könnten wir also eine einzige Molekel Essigsäure mit einer einzigen Molekel - Alkohol in einem abgeschlossenen Baıı zusammensperren und den Zustand des kleinen Systems in jedem beliebigen Augenblick ermitteln, so würden 300 Beobachtungen 200 mal ' das Stoffpaar Ester Wasser ergeben und 100 al das Paar Alkohol—Säure. Nehmen wir nun an, daß die Gleichgewichtskonstante 1 sei statt !|,, daß also Reaktion und Gegenreaktion gleich leicht und somit gleich oft gelingen, so sehen wir die - Zahlenverhältnisse einer normal mendelnden Dihybride vor uns. Diese Lage des Gleichgewichts ist bis jetzt wie es scheint in der Uhemie nur von der Autorazemisation _ optisch aktiver Verbindungen‘) bekannt. Doch rührt die im Laboratoriumsversuch Ri 6) Vgl. z.B. Nernst, Theoretische Chemie, 7. Aufl. 1913, S. 364: „Häufig bildet > sich bei Erwärmung einer optisch aktiven Verbindung allmählich von selbst das razemische Gemisch.“ — Oder Sackur, Die chemische Affinität und ihre Messung, Braunschweig, 1908, S. 47: ‚Im Gleichgewicht sind die optischen Isomeren in gleichen - Konzentrationen vorhanden, ihre Gleichgewichtskonstante K ist = 1“ — Mit dem Beispiel der Autorazemisation hat mich auf meine Anfrage Herr Professor M. Trautz- Heidelberg bekannt gemacht, dem ich auch für die Begutachtung meiner Anwendung des Massenwirkungsgesetzes — wobei, wie er mir schreibt, sozusagen zeitliche De der Konzentration an die Stelle der sonst üblichen räumlichen tritt — und für manchen 3 ‚anderen wertvollen Rat zu großem Dank verpflichtet bin. Wie er mir mitteilt, hat er ‚in ‚seiner Vorlesung denselben Gedanken der Analogie zwischen Mendelschen Vererbungs- Be erscheinungen ng chemischen Vorgängen ah ickelt, 379 O. Renner, Mendel’sche Spaltung und chemisches Gleichgewicht. gewöhnliche Abweichung der Gleiehgewichtskonstante von dem Wert 1 sicher davon *® her, daß die Körper, die wir reagieren lassen, und ihre Reaktionsprodukte sehr einfach oder doch verhältnismäßig einfach gebaut und untereinander sehr verschieden sind. Halten wir uns aber vor Augen, daß die Keimplasmen zweier Rassen, die sich nur in ein paar Genen unterscheiden, bei ihrer ungeheuer komplizierten Struktur so gut wie identisch sind, so erscheint es nicht-merkwürdig, daß etwa der Faktor A sich genau gleich leicht in den übrigen Radikalkomplex einlagert, gleichgültig, ob dieser einen anderen Faktor B besitzt oder nicht”). Der Vergleich mit der Autorazemisierung stimmt insofern nicht ganz, als wir hier eine einzige Ausgangsverbindung, die optisch aktive ' Substanz haben, und ebenso ein einziges Umwandlungsprodukt, die optische Antipode, also im Gleichgewicht zwei in genau gleichen Konzentrationen vorhandene Stoffe antreffen, ° nicht vier. Ein wichtiger Vergleichspunkt ist aber, daß wegen der Ähnlichkeit der Konstitution, die gar nicht mehr weiter zu treiben ist, die Wahrschemlichkeit der Bildung der beiden Antipoden genau gleich groß ist. | | Wenn nach Nernst (Zeitschr. f. Elektrochemie 1904) reversible Reaktionen zwischen Kolloiden in homogener Lösung nie beobachtet wurden, so braucht uns das nicht zu stören. Es ist ja ganz unwahrscheinlich, daß das Massenwirkungsgesetz im homogenen System zu gelten aufhört, wenn die Teilchen der molekulardispersen Phase so groß sind, daß die Lösung die physikalischen Eigenschaften der Kolloidlösungen zeigt. ip Be | Faktorenkoppelung. Die Erscheinung, daß gewisse Faktorenkombinationen gegenüber anderen bevorzugt sind, das Phänomen der Koppelung, scheint unter dem Gesichtspunkt des chemischen Gleichgewichts fürs erste leicht zu verstehen. In unserem alten Reaktionsbeispiel ist ” das Verhältnis Ester : Alkohol: Säure : Wasser wie 2:1:1:2, wenn äquimolekulare ° Mengen der beiden entsprechenden Stoffe in die Reaktion eingehen. Die „Gene“ A und B, d.h. die Radikale C,H, und (,H,O,, sind mäßig streng „gekoppelt“, insofern als die Kombinationen A B und ab doppelt so häufig sind wie die Kombinationen Ab und aB. Der Sinn des Massenwirkungsgesetzes ist nun, daß im Gleichgewicht dieses Mengenverhältnis, also bei molekularen Einzelvorgängen dieses Häufigkeitsverhältnis, ° sich im mer herstellt, einerlei ob primär AB und ab oder Ab und aB in die Reaktion eintreten. Ob es diese Form. von Koppelung gibt, bleibt noch abzuwarten. In den bis jetzt genauer bekannten Fällen macht aber die Koppelung der dominanten Gene einerseits und der rezessiven andrerseits, die in einem aus AB und ab gebildeten ° Bastard anzutreffen ist, in dem Bastard aus Ab und aB einer „Abstoßung“ zwischen den dominierenden Faktoren, was so viel ist wie Koppelung zwischen einem domi- nierenden und einem rezessiven Faktor, Platz, d. h. es sind wieder die elterlichen = Kombinationen, diesmal A b und aB, häufiger als die neu zu bildenden Zusammen- © stellungen AB und ab, und zwar sind bei wirklich entsprechenden Sippen die Intensitäten ° von Koppelung und Abstoßung gleich, Das scheint dem Massenwirkungs- gesetz stracks zuwiderzulaufen. Durch Formeln wird das am deutlichsten. Schreiben wir das Mengenverhältnis Ausgangsverbindung: Reaktionsprodukt an, so be- kommen wir für das Ester—Alkohol-Gleichgewicht: | ; Ester : Alkohol = 2:1, Alkohol : Ester = 1:2, dagegen für die Faktorenkoppelung mit dem Reduplikationsfaktor 2: A AB:Ab = 2:1 (Koppelung), Ab:AB = 2:1 (Abstoßung). a % us ?) Lehmann (Sammelreferat S. 548) schreibt: „Bei einer chemischen Reaktion entstehen zwei, zumeist sehr verschieden e Reaktionsprodukte.“ Und ausführlicher 1914, 8.164: „Wir werden uns vorstellen müssen, daß durch diese Reaktionen (zwischen den Keimplasmen) neue Körper gebildet werden, welche für das Leben der Pflanze” völlig ungeeignet sind oder andererseits durch sie für das’Leben der Pflanze sehr wichtige > Körper vernichtet werden. Reagieren die Gene nicht gleich aufeinander, sondern erst” bei der endgültigen Vereinigung während der Reduktionsteilung ..... so würde zwar der Bastard entstehen können, er würde aber unfruchtbar sein.“ Das letzte.scheint bei Artbastarden in der Tat. vielfach vorzukommen. Wenn aber diese Verschiedenheit” zwischen Reaktionsprodukten und Ausgangsverbindungen den Vergleich mit der Spaltung normal mendelnder Rassenbastarde stört, so liegt das nur an der ungeeigneten” Wahl der Reaktionstypen, die Lehmann ins Auge faßt. | | a A n ” « f wind ! NET ee. Li? X « f Du pn a y N a 2". »ranaE RN i Yn Er & "Renner, Mendel’sche Spaltung und chemisches Gleichgewicht. 973 Wir ziehen daraus den Schluß: In den bekannten Fällen von Faktorenkoppelung liegen nieht chemische Reaktionen vor, die eine andere Gleichgewichtskonstante haben _ als1, sondern Reaktion und Gegenre: aktion gelingen bei Koppelung, wie sonst bei typischer Ä Mendelspaltung, gleich leicht. Nur die Bedingu ngen für die Reaktion, die die frag- E liehen Gene betrifft, sind nieht in jeder Reduktionsteilung verwirklicht, Bund. zwar sind sie in dem Bastard AB- ab ebenso häufig gegeben wie in dem Bast: rd Ab-.aB. Ist die Konstellation von Bedingungen, die einen Ausfansch von A gegen a | oder von B gegen b gestattet, einmal realisiert, so haben die Kombinationen AB und a B, also der Umtausch und die alte Bindung, gleiche Wahrscheinlichkeit. Auf 100 Fälle - möglichen Austausches kommen also 50 Fälle, in denen der Wechsel Ereignis wird. - Aber die Bedingungen für den Austausch werden vielleicht unter 100 Reduktionsteilungen _ nur wenige Male verwirklicht. Unter dem Bild unseres Esterbeispiels dargestellt: Die _ Molekeln müssen oftmals aufeinanderstoßen, bis sie in dem ins Auge gefaßten Teil einmal miteinander reagieren können. — Die diploiden Zellen zweier Bastarde von den ‘ —Konstitutionen ABC - ab und AbC.aBC (beide in der gewöhnlichen Formulierung Aa Bb CC geschrieben) sind, wenn zwischen den betreffenden Genen Koppelung statthat, als Isomere aufzufassen, was sich zwar nicht in phänotypischen Unterschieden der - Somata (ob immer so?), wohl aber in den Zahlenverhältnissen der Gonentypen aus- spricht. ? ‚Die Schule Morgan’s drückt die Häufigkeit der Fälle, in denen zwei aus der- selben Keimzelle stammende Gene getrennt, auf verschiedene Keimzellen verteilt w erden, in Prozenten der Gesamtzahl der gebildeten Keimzellen aus; die höchste mögliche Z ahl des „erossing over“, der Überkreuzung, ist nach dem eben Gesagten 50 %. Das Ver- ‚eintbleiben der Gene gemeinsamer Herkunft ist hier als das eigentlich zu erwartende Verhalten angesehen, und für die Mechanik der Trennung wird die unten zu erwähnende Erklärung gegeben. Die Reduplikationstheorie von Bateson und Punnet erwartet umgekehrt die freie Verteilung aller Gene und, sucht das gelegentliche Vereintbleiben zu erklären, und zwar auf eine tief unwahrscheinliche Weise. Für unseren Vergleich mit den Gleichgewichtskonstanten sind die Koppelungs- bezw. teduplikationszahlen der - Gametenserien in der Sprache der Batesonschule bequemer. 50% cross overs nach 2 Morgan bedeuten das Fehlen jeder Koppelung, 0 % bedeutet absolute Koppelung, Bu gar keine Reaktion. 25% cross overs entsprechen der Reduplikationsserie 3: 1:1: ‚die Serie 2:1:1:2, zu der ‚wir die Gleichgewichtskonstante der Esterbildung ne formt haben, entspricht einer Überkreuzung von 33,3 %. Allgemein bestehen zwischen c, der prozentualen Häufigkeit der Überkreuzung, und.n, dem Reduplikationsfaktor, die a Beziehungen f: naar A a a nen 100 — c 100 RE TER und:e => EERR So weit läßt sich die chemische Betrachtung ohne Zuhilfenahme hypothetischer räumlicher Bilder durchführen. Weiterhin ist aber die Anknüpfung an morphologische _ Verhältnisse nicht zu umgehen. Wir bekennen uns mit dem entschiedenen Optimismus des eytologisch gerichteten Beurteilers zu der Überzeugung, daß die Vorgänge am Chro- matin °) der Gonotokonten der sichtbare Ausdruck der Mendelschen Verteilung der Erb- qualitätenträger sind, und denken uns in den vorbereitenden Phasen der Reduktions- teilung, in denen sich die Chromosomen als Paare dünner, parallel gelagerter Fäden - darstellen, die beiden antagonistischen Keimplasmamolekeln zu langen Ketten ausgezogen. _ entsprechend unseren Strukturbildern komplizierter organischer Verbindungen. In diesem — Zustand wären die Keimplasmen vorzugsweise reaktionsfähig und die Reaktionen be- ständen in nichts anderem, als in dem Austausch von Teilen der Ketten. Die nächst- 3) Von der Unterscheidung von Chromatin und Linin soll abgesehen werden. RE; ?) Ausschlaggebend scheint mir die Arbeit von Hermann J. Müller, The mechanism of crossing over. The American Naturalist, 1916, 50. Eine Zusammen- fassung der Ergebnisse an Drosophila bringt das Buch von Morgan, Sturtevant, - Müller, Bridges, The mechanism of Mendelian heredity, New York 1915. Ein aus- ® führliches Referat von Nachtsheim in Zeitschr. f. Abstammgs.- u. Vererh. a ebr 1919, - 18 7 Age x SERER Kar ER 274 OÖ. Renner, Mendel’ sche Erler und chemisches Gleichgewicht. iegende Vermutung schien mir die zu sein, daß beim Mendeln Seitenketten oder noch kleinere Radikalgefüge sich von der Hauptkette loslösen und im Umtausch gegen äquivalente Stücke oder mitunter auch einfach durch Addition (das von der presence- absence-Theorie allgemein geforderte Verhalten als Spezialfall) in die antagonistische Kette eingegliedert werden. DR bewundernswerten Studien Morgan’s und seiner Mit- arbeiter an der Fliege Drosophila ®), diedurch die Beobachtungen Baur’s an Antirrhinum, dem Gartenlöwenmaul, bestätigt werden !°), haben aber in, wie mir scheint, überzeugender Weise dargetan, daß nicht beliebige kleinste Fragmente an beliebigen Stellen der Molekel- ketten ausgewechselt werden !'). Tritt innerhalb eines Chromosoms ein Bruch auf, so wird nicht etwa eine Seitenkette abgerissen, es wird auch gewöhnlich nicht ein Fragment durch zwei gleichzeitig erfolgende Schnitte aus dem Chromosom herausgebrochen, sondern ° von der einen Bruchstelle an reißt das ganze Stück bis zum Chromosomenende ab und wird durch das entsprechende Stück aus dem homologen Chromosom ersetzt!?). Mehr fache (zwei- oder dreifache) Überkreuzung kommt wohl durch mehrere selbständige, zeitlich aufeinander folgende Austauschvorgänge zustande. Innerhalb der Chromosomen scheint, wenigstens ‘bei Drosoph:ila, keine Stelle vor der anderen in bezug auf die Zerreißung der Kette bevorzugt. Gekoppelt sind nun nach Morgan solche Gene, deren Träger in einem und demselben Chromosom liegen, und die Koppelung ist um so strenger, je näher die betreffenden Gene im Chromosom beisammen liegen; denn die Wahr-/ sc Gen eines Bruchs des Chromosoms innerhalb einer gegebenen Strecke ist um kleiner, je kürzer die betreffende Strecke ist. Absolute Koppelung besteht nach nr zwischen solchen Genen, die in einem und demselben Chromomer lokalisiert sind. ; Die Vorstellung, daß jedes Chromomer, jedes im Vererbungsexperiment unteilbar” erscheinende Ohromatinelement, eine Molekel sei, hat wohl nichts Abschreckendes. So wie wir die Chromomere im gefärbten Präparat vor uns sehen, sind die Dimensionen für Molekeln freilich riesenhaft, denn . auf einem Dick von 0,5 « = 500 um haben noch 200 Hämoglobinmolekeln (Molekulargewicht etwa 16000, Durchmesser 2,5 Kt) nebeneinander Platz. Wenn wir nun die Träger der Gene nach den Ergebnissen Morgan’s: in streng gesetzmäßiger Weise linear aneinander gereiht finden, so müssen die qualitativ verschiedenen Chromomere im Chromosom zu einer höheren Einheit mit straffer Bindung der Glieder zusammengefaßt sein, und für eine solche Art der Bindung, der Struktur kennen wir keine andere Analogie als die einer hochkomplizierten Molekel. Auch der Austausch genau homologer, äquivalenter Chromosomenstücke läßt sich schlechterdings nicht anders als unter dem Bild chemischer Reaktionen zwischen riesigen, lang ausgezogenen, komplexen Molekeln verstehen; kein rein mechanisches Aggregat’ der Chromatinelemente verbürgt eine so haarscharfe Arbeit des Vertelunes und Aus wechselungsmechanismus. Was experimentell im günstigsten Fall festgestellt werden kann, sind Analogien mit den uns geläufigen chemischen Vorgängen. Aber falls die Morgan ’schen Befunde und Deutungen in allen Stücken bestätigt werden, ist es übertriebene Vorsicht von Bild und Analogie zu sprechen. Ein körperliches Gebilde, das in seinem ganzen z halten Analogie mit einer Molekel zeigt, ist eben eine Molekel. Wie groß eine Moleke sein darf, darüber haben wir keine Vorschriften zu machen, es kommt nur darauf ar daß die Teilchen durch chemische Bindung yerkalpn sind. Und deswegen, weil di = 4 es E. Baur, Über eine e eipentümliohe mit absoluter Koppelung zusammenhängende e Dominanzstörung. Ber. d. d. bot. Ges. 1918. $8. 109. B 12) Auch Johannsen (l. ec. 1918, 8. 124) sagt: „Es mag sehr zweifelhaft sein ob diese Vorgänge —- nämlich die Trennung und N eukombination der Elemente de Genotypus ’bei der Reduktionsteilung —- mit einer Auswechslung chemischer Seiten- ketten verglichen werden dürfen.“ _ E 2) Diese Erfahrung ist, wie mir Herr Trautz schreibt, eine genaue Parallele z ‘dem, was Trautz als Stoßdauersatz bezeichnet hat. Sitzber. d. Heidelb. Ak. 1912 2.,Abh. 28.31; © Band: Mendelsche RR PAR und chemisches Gleichgewicht. 97 Vorgänge an unseren Riesenmolekeln fast in die Dimensionen optischer Wahrnehm- barkeit gerückt sind, können wir diesen Vorgängen den molekularen, chemischen Charakter auf keinen Fall absprechen. . Die geringe Zahl der zwischen homologen Chromosomen stattfindenden Reaktionen, wie sie experimentell festgestellt ist — höchstens dreifache Überkreuzung im Chromo- som II bei Drosophila —, scheint mir dafür zu sprechen, daß die Reaktionsfähigkeit der Chromosomen auf eine kurze Zeit, also auf eine gewisse Phase der Reduktions- teilung, beschränkt ist. Wenn auch in den somatischen Zellen dauernd Reaktion bezw. Isomerisierung möglich wäre, so stände zu erwarten, daß als Endergebnis zahlreicher Reaktionen eine ausgiebigere Durcheinandermischung der Elemente homologer Chromo- somen erreicht, die Koppelung verwischt würde. Wie Herr Tfautz mir schreibt, könnte vielleicht durch Variierung der Temperatur während der kritischen Zeit die _ Stärke der Koppelung abgeändert werden ; das ließe sich experimentell prüfen. Voraus- setzung für den positiven Ausfall des Experiments wäre natürlich Nichtgleichheit der Temperaturkoeffizienten von Reduktionsteilung und Faktorenaustausch. — Die Verteilung der „Haploidmolekeln“ auf zwei Zellen hat außerhalb der Reduktionsteilung keinen Platz im normalen Entwieklungsgang. Das Vorkommnis, daß keine Reaktion innerhalb homologer Chromosomen eintritt, ist schon beschrieben: bei der männlichen Drosophila gibt es kein crossing over! Nicht etwa bloß fehlt der Faktorenaustausch zwischen dem Geschlechtschromosom X -und seinem funktionslosen Partner Y, sondern er fehlt auch zwischen den Autosomen. - Ebenso sollnach Tanaka beim Seidenspinner das Weibchen, das ja bei den Schmetter- _ Jingen heterogametisch ist, die Überkreuzung vermissen lassen. Der einheitliche Charakter der ganzen Keimplasmamolekel scheint mir in diesem Verhalten _ deutlich zum Ausdruck zu kommen: die beiden in den Gronotokonten des heterogametischen - Geschlechts vereinigten Keimplasmen sind infolge des Unterschieds zwischen den beider- - seitigen Geschlechtschromosomen zu verschieden, um miteinander in Reaktion zu treten). ' Man möchte aus der Erscheinung, deren Bödkukike nicht hoch genug eingeschätzt _ werden kann, fast den Schluß ziehen, daß zur Zeit des Austausches der gekoppelten Gene die antagonistischen Chromatinsysteme einheitlich, nicht in Chromosomen zerlegt E seien und daß die Grenzen zwischen den späteren Chromosomen die bevorzugten Bruch- 2 stellen der einheitlichen Chromatinfäden seien. Dem Austausch unterliegen vielleicht Br die auf der einen Seite durch die präsumptiven ea auf - der anderen Seite durch einen an beliebiger Stelle erfolgenden Schnitt begrenzt sind. i Mit dem ersten Bruch an der Deelen Stelle kann die C'hromosomentrennung für [die Dauer — bis zur Synapsis der nächsten Generation — festgelegt sein, wi ährend Brüche an anderen Fadenstellen rasch wieder geheilt w erden. Man könnte, weil die morphologischen Befunde im allgemeinen der Annahme eines zusammen- - hängenden Karnfaderis vor der Reduktionsteilung nicht günstig sind, noch weiter gehen _ und annehmen, daß. zu der fraglichen Zeit das mendelnde Keimplasma sich nicht bis zur - Bildung färbbaren „Chromatins‘ zusammengeballt hat, falls überhaupt, was wir nicht wissen, die ganze Uhromatinmasse als eigentliche Vererbungsubstanz anzusehen ist. Es - könnte ja sein, daß die im Zustand der Reaktionsfähigkeit äußerst zarten, optisch gar ‚nicht wahrnehmbaren Ketten der Keimplasmamolekeln später nicht bloß zusammengezogen, sondern auch noch in derbe Hüllen eingeschlossen werden, weil so das Manövrieren der großen Kettenteile, der Chromosomen, erleichtert wird. Auf alle Fälle ist es nicht recht wahrscheinlich, daß so grobe Gebilde wie die fertigen Chromosomen, mit einer ''#?) Trow (A eritieism of the hypothesis of linkage and crossing over. Journ. of - Genetics. 1916. 5, 281—297) stellt bei einer Verteidigung der Reduplikationshypothese "unter anderen Fragen die folgende: What force secures the absence of crossing over E the Y chromosome is EN au) wie auf seine Eutigen Fragen, die, von Monet a seinen each Platz aut der Schnur hat“ 8 282), seien die Konsti- uenten einer Bepnechen Molekel. us... 18* EA TE s A ur > a SIRR > Hin D < E- . 1.04 * E NE A 276 ) Renner, Mendel’sche Spaltung ‘usa ee A Dicke von der Größenordnung 10—% em, zu der minutiösen Präzision ae Teilchen- # austausches geeignet sein sollten. Es sei denn, daß die optisch unterscheidbaren Chromomeren nicht zerrissen werden, sondern Brüche nur an den dünnsten, optisch nicht wahrzunehmenden Kettenstücken zwischen den Chromomeren auftreten. Aber dann sollte absolute Koppelung wohl häufiger sein als man sie gefunden hat. Nicht gekoppelt, also zu unabhängigem Mendeln befähigt, sind solche Gene, die in verschiedenen Chromosomen untergebracht sind. Das war seit langem vermutet und ist für Drosophila fast zur Gewißheit geworden. Die aus einer und derselben Keimzelle stammenden Chromosomen haben demnach bei Drosophila während der Anaphase der Reduktionsteilung keinen Zusammenhang miteinander, es bleibt ganz” dem Zufall überlassen, wie die in die Zygote eingetretenen haploiden Chromosomensätze sich zu den neu zu bildenden haploiden Sortimenten zusammenschließen. So verhält ° sich auch das Drosophila-Männchen. Wir sehen also, daß wenigstens in diesem Fall bei beträchtlicher Verschiedenheit der antagonistischen Keimplasmen, wie sie durch den Besitz des X-Chromosoms auf der einen, des Y-Chromosoms auf der anderen Seite herbeigeführt wird, die Fähigkeit des Faktorenaustausches zwischen homo- logen Chromosomen eher ke geht als die Fähigkeit der Ausw echs-7 lung ganzer Chromosomen. Aber ein noch weiter gehender Verlust der Reaktionsfähigkeit scheint mir doch nicht ganz undenkbar. Von den „komplexheterozygotischen“ Önotheren habe ich früher” angenommen, daß die aus einer Keimzelle stammenden Chromosomen bei der Reduktions- teilung zur Hauptsache beisammen bleiben, und Lotsy hat damit, daß er für Wesen” von diesem hypothetischen Verhalten den — freilich durch die Einbeziehung der Homo- zygoten nachträglich diskreditierten — Namen Kernchimären prägte, denselben Gedanken : noch entschiedener vertreten. Durch meine neueren Erfahrungen ist die Frage unsicher geworden — die tauben Pollenkörner bei O. biennis usw. sind zahlreicher als es in“ der Literatur dargestellt wurde!*) —, aber wir werden die Möglichkeit einer „Chromosomen- ; koppelung‘‘ doch kaum ohne Prüfung von der Hand weisen dürfen. Wenn aber wirklich” Chromosomen, die sich isoliert zu haben scheinen, aufeinander selektive Anziehung‘ ausüben, so könnte das kaum anders als unter der Annahme chemischer Kräfte ver=” standen werden. Vielleicht müßte zur Erklärung eines solchen Verhaltens, wenn es vorkommt, das Chromatin als ein Teil der Keimplasmamolekel betrachtet werden, wie wir ja mit Ehrlich und Trautz die ganze Gonotokontenzelle als eine Molekel und, die Reduktionsteilung als intramolekularen Vorgang ansehen können. Am ehesten? dürfte Chromosomenkoppelung bei weitgehenden Strukturunterschieden zwischen de vereinigten Keimplasmen, also bei Artbastarden, zu erwarten sein. Ist dann eine Koppelung nicht absolut, hat sie einen endlichen Wert n, so wird sorgfältig zu prüfen. sein, ob die Koppelung AB ebenso stark ist wie die Koppelung Ab, oder aber die eine Koppelung den Wertn und die andre den Wert l1/n hat. Im zweiten Fall hätten wir wohl den bündigen Beweis eines chemischen Gleichgewichts in dem oben erörterten Sinn. Bei der Entscheidung, ob Chromosomen- oder Einzelfaktoren koppelung vorliegt, fiele die Hauptaufgabe wohl der zytologischen Untersuchung zuy die Zahlenverhältnisse wären durch das Züchtungsexperiment zu ermitteln. Und went wir vorsichtig sein wollen, dürfen wir auch bei Faktorenkoppelungen vom Drosophila- Typus, also bei Koppelung nur innerhalb eines und desselben Chromosoms, die Möglichkeit einer Gleichgewichtskonstante, die einen anderen Wert als 1 hat, nicht ganz aus den Auge lassen. Sehr geringe Unterschiede in der Stärke von Koppelung und Abstoßung wie sie oft genug beobachtet, aber nicht weiter beachtet worden sind, wären schon vo 14) Vgl. Renner, Zur Biologie und Morphologie der männlichen Haplonte einiger Önotheren. Zeitschr. f. Botanik 1919, 11, 305. 2 15) Bally, (Zeitschr. f. Abstammungs- u. Vererbungslehre 1919, 20, 177) hat bi einem Art- bezw. Gattungsbastard zwischen Z’riticum (Weizen) und der ver wand Gattung Aegilops in der Reduktionsteilung nichts gefunden, was auf m K en CHE natur“ hindeutet; die gut unecheidhareh Chromosomen der beiden Eltern werde durcheinander gewürfelt. u a ee) 4 e" erden. zu dem IK ulatze von ©. Renner: Mendel’sche Spaltung ete. 277 ‚Bedeutung, falle sie konstant sind. Zwei Faktoren A und B bezw. A und b, die in sinem langen Chromosom weit genug auseinander liegen, Baden bei gleicher Muhr getrennt, wenn sich bei Bee kkeonsistlang innerhalb der betreffenden Strecke des Chromosoms mindestens einmal die Möglichkeit der Überkreuzung ergibt. Über 50°), kann die Häufigkeit der endgültigen Trennung nicht gesteigert werden, ‚auch wenn in 100°/, der Fälle ein zweites crossing over möglich ist und deswegen in 50°/, wirklich ausgeführt wird. Es wäre aber darauf zu achten, ob nicht etwa A von B 55 mal und A von b 45 mal in hundert Fällen getrennt wird ; das würde bedeuten, daß die Kombination Ab vor AB immer etwas bevorzugt ist, daß die Koppelung Ab den Wert n=33 und die Koppelung AB den reziproken Wert hat. Wenn ce die zentuale Häufigkeit des nach beiden reziproken Richtungen gleich leicht erfolgenden -Austauschs bedeutet, dagegen bei Bevorzugung der einen Kombination c, die prozentuale Häufigkeit des Austauschs nach der einen und c, die der Auswe lie nach ‚der ent- gegengesetzten Richtung darstellen, so ist c, + c,=2e, und c höchstens = 50. Liegen "A und B näher beieinander, so daß auf der Strecke AB nur in 60°, der Reifeteilungen die Zerreißung des Chromosomenpaars möglich ist, so ist gewöhnlich c=30. Es könnte aber statt dessen auch ce, =40 und ,=20, oder gar c, =59 und ,=1 sein. Bevor wir solche entscheidenden Erscheinungen kennen, ist ein Beweis für die vertretene Auffassung nicht gegeben, aber es ist wenigstens ein Weg für die experimentelle Prüfung sichtbar: der vorgebragene Gedanke soll eine Arbeitshypothese sein. i Wir halten nach Morgan’s und Baur’s Ergebnissen fest: wenn die Träger der "Gene durch verhältnismäßig einfache Radikale darsestellt werden, so sind es bei der Keimzellenbildung einer Heterozygote nicht diese Radikale für sich, die isoliert ausge- tauscht werden, sondern mächtige, die betreffenden Radikale tragende Stücke der Keim- Blemamoleke, also Stücke von Ohromosomen oder ganze Chromosomen. Diese Re- "aktionsvorgänge machen sich nur ‚bemerkbar bei Bastarden, die mindestens Dihybriden "sind, weil der Austausch identischer Molekelteile, wie er in Monohybriden und Homo- zygoten wohl auch vorkommt, keine sichtbare Wirkung nach außen hervorbringen kann. Ob die Mendelschen Spaltungen und vor allem die Erscheinungen der Überkreuzung wirklich als molekulare, chemische Vorgänge aufzufassen sind, ist vielleicht auf ‚experimentellem Weg zu entscheiden. en 1918. München, im Oktober 1919. 5 Bemerkungen zu dem Aufsatze von O. Renner: % Mendel sche Spaltung und chemisches Gleichgewicht. Von Ernst Lehmann, Tübingen. Re nner 0), hat in dem vorhergehenden Aufsatze versucht, die Bastardspaltung ken. wie sie bei den rückläufigen Reaktionen Geltung haben. Er hat die ganze Keimzelle oder doch den darin als Erbträger fungierenden Chromosomensatz als ein ionsteilung auf das Massenwirkungsgesetz zurückzuführen versucht. Renner sieht 0 8% Wesen der ‚ Mendelspaltung in reversiblen Reaktionen. Er knüpft bei seinen | Lohmann 1914). Da die dabei in Frage kommenden Vorstellungen in engster Be- i u UT 1“, ie Ar a) 278 Bemerkungen zu dem Aufsatze von O. Renner: ing ete, ziehung zu den Grundlagen unserer Werebingenhe stehen, so ist eine ‚eingehen- dere Stellungnahme zu ihnen hier am Platze'). Ha f 1. Gen und Radikal. R | In der 2. Auflage seiner Elemente (1913, S. 607) hat zunächst Johannsen die Gene mit Radikalen oder Radikalketten komplexer Moleküle der organischen, Chemie in Beziehung gebracht. Wie Johannsen aber alle näheren Betrachtungen über das (ren vermied und im Gen nur ein gegebenes Etwas, was der Vererbung. zugrunde liegt, sah, so hat er auch alle näheren Betrachtungen über die Beziehungen zwischen (sen und Radikal vermieden und, wie er das noch 1918 (S. 124) betont, bei diesem Vergleich nur an eine grobe Analogie gedacht; führt er doch 1918 sogar ausdrücklich aus, daß es sehr zweifelhaft sein mag, ob die Vorgänge bei der Geschlechtzellbildung (bezw. bei der Reduktionsteilung) ‚mit einer Auswechslung chemischer „Deitenketten“ verglichen werden dürfen‘. . \ Mir (1914) schien nun aber im Gefolge meiner Veronicauntersuchungen und nach dem Satze Weismann’s, den Dembowski jüngst an die Spitze seiner Arbeit gestellt hat: „Die Tragweite des Prinzips läßt sich erst erkennen, wenn seine Durchführung wirklich versucht wird,“ der Versuch angezeigt, den Beziehungen zwischen Gen und Radikal weiter nachzugehen; lag es doch nahe, daß die Radikalbetrachtung des Gens, welche bald allgemeiner geworden ist, auch unsere Auffassung des Gens selbst stärker beeinflußte. Andererseits aber können wir doch auch nicht mit dem Begriff des Gens arbeiten, ohne über die nähere Beschaffenheit desselben etwas zu präjudizieren. „Denn auf die Art verzichten wir von vornherein darauf, die wahre Natur des Gens aufzuklären ‚und verstehen darunter lediglich eine Ursache, welcher Art auch dieselbe sein mag, welche die Entstehung einer gegebenen Eigenschaft bewirkt. Das aber beraubt ‘das Gen seiner ganzen Bedeutung. Denn daß jedes Merkmal schließlich durch eine Ur- sache hergorgerufen wird, das ist ja nicht neu“ (Dembowski, S S. 52). Ein näheres Durchdenken der Beziehungen zwischen Gen a Radikal führte dann ungefähr zu den folgenden Ergebnissen: Wenn wir Gen = Radikal setzen, so muß dem Genaustausch bei der Gametenbildung bezw. Reduktionsteilung eine Reaktion ent- sprechen. Da aber die Ausgangsprodukte, welche in die Spaltung bezw.” Reaktion ein- treten, schließlich wieder hervortreten, so könnte es sich um nichts anderes als um eine umkehrbare Reaktion handeln. Um die Sachlage weiter zu beleuchten, "führte ich ein einfaches Beispiel einer reyersiblen Reaktion ein, das der Esterbildung aus Alkohol und Essigsäure, und suchte mit seiner Hilfe die monohybride Spaltung ver- ständlich zu machen. Es stellte sich das aber bald als. aussichtslos heraus, wie ich 1914 an der betreffenden Stelle näher ausführte. Wenn Renner mir nun wegen des Versuchs der Inbeziehung-Setzung von monohybrider Spaltung und rückläufiger Reak- tion einen Vorwurf macht, so verkennt er dabei einmal, daß hier zunächst” eine Be- ziehung zwischen Mendelismus und rückläufiger Reaktion unter jeder Bedingung her- beigeführt werden mußte und daß. seine Kritik ganz im Banne seiner eigenen NEE steht, mit denen wir uns nunmehr beschäftigen werden. * Renner bringt zunächst das Verhalten zweier nur in einem Merkmal verschiedener ” tassen, also die 'monohybride Spaltung in Beziehung zu der Vermischung etwa von Lö- sungen von NaCl und NaBr, wobei dann der Faktorenaustausch dem Austausch etwa von ° Br und Cl entsprechen soll. Voraussetzung hierzu wäre natürlich dabei, daß die Faktoren | 1) Wie schon früher bin ich auch diesmal den Herren Kollegen Weinland und Kliegl für vielfache freundliche Beratungen bestens dankbar. Ganz besonders aber konnte ich die physikalisch-chemischen Fragen mit Herrn Kollegen Niggli aufs ein- gehendste beraten, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen herzuenel2p Dank aus- spreche. | h | ei ne £» er, ARTEN SFR % sr 4 4 Ir, \ Er n et NR % 7 eh ? N di „. -} I i . Bemerkun gen ‚u dem Aufsatze von O. Renner: Mendel’sche Spaltung ete, 279 MB Keimplasma wie Na die Halogene in NaCl und NaBr im dissoziierten Zustande vor- I liegen. Wenn wir das ganze Keimplasma mit Renner als ein Riesenmolekül auffassen, so ” können wir uns vielleicht die beiden in der Synapsis zusammentretenden Keimplasmen und ihre Faktoren entgegengesetzt geladen denken, wenn wir annehmen wollen, daß elektroly- | tische Vorgänge eine Rolle spielen, aber eine tiefgehende elektrolytische Dissoziation der einzelnen Keimplasmen, wie etwa bei NaCl oder dem NaSalz einer Nukleinsäure ” wäre wohl bei den hochzusammengesetzten, kolloidalen Substanzen, die hier in solchen - Einzelmolekülen in Frage kommen, schwer verständlich. Da wir aber monohybride und _polyhybride Spaltungen nicht wesensverschieden annehmen können — lassen sich ja monohybride Spaltungen zu polyhybriden zusammenfügen —, so müßte eine BE vielfältige solche Dissoziation angenommen werden. Wir werden später darauf zurück- zukommen haben. Renner setzt nun aber bei seinen Ausführungen nicht die monohybride Spaltung, - sondern die dihybride Spaltung in Beziehung zu dem von mir verwandten Essigester- beispiel. Wir werden sogleich zu erörtern haben, inwieweit sich das durchführen läßt. | Vorerst wollen wir aber noch einen Blick nach einer anderen Seite tun. 2. Bastardspaltung-Mischung ara Entmischung. In meiner Veronicaarbeit hatte ich im Gefolge von aunächst unverständlichen " Kreuzungserfolgen nach einer anderen Analogie zu den Bastardspaltungen gesucht. Ich dachte damals an glatte Mischungs- und Entmischungsverhältnisse der Gene bei der Mendelspaltung (bezw. der Reduktion im Gonotokonten) und schwerer Entmischbarkeit bei ausbleibender Spaltung. Ich stand damit auf dem Boden alter Hypothesen über Ver - änderungen in der organischen Natur (vgl. Johannsen 1918, $. 122), wobei es mir aller- - dings damals entgangen war, daß Johannsen in der ersten Auflage seiner Elemente (1909, 8.426) schon ganz entsprechende Anschauungen wie ich, ebenfalls unter Her- - anziehung der Fettsäuren, vertreten hatte. Die Anschauung, die Spaltungsverhältnisse - bei der Gametenbildung auf Mischung und Entmischung zurückzuführen, lag damals "etwas näher als heute, wo wir in den Chromosomen als Träger der Vererbung, wie ja schon früher im Anschluß an Flemmin g, vielfach rein morphologisch gedachte Struk- _ tureinheiten ‘sehen, deren Topographie von Morgan und seiner Schule aufzuhellen - versucht wird. Eine solche Vorstellung, nach welcher die Verteilung der Gene durch _ Mischung und Entmischung geschieht, ist rein morphologisch gedacht selbstverständlich nur - möglich, wenn wir von jeder Seite eine Mehrzahl identischer Gene uns eingeführt denken. - Sowohl von theoretischer Seite (Darwin’s Pangenesistheorie, de Vries’ intrazelluläre - Pangenesis und Weismann’s Determinantenlehre), als auf dem Boden chromosomaler Vorstellungen (man vergleiche nur Goldschmidts Darstellung der Genenverteilung - bei der Reduktionsteilung) liegen für ‘eine solche Betrachtung ja mancherlei Grund- lagen vor, wenngleich nicht zu verhehlen ist, daß eine Entmischung, welche immer wieder zu denselben Ausgangskombinationen zurückführt, schwer denkbar ist; ob das - auf ‚strukturell-molekularer Basis im Sinne Renner’s ohne Einführung besten strukturbietender Kräfte möglich ist, wollen wir zunächst abwarten, werden wir aber bald entscheiden können. Wenn wir indessen Gedankengängen folgen, welche die rein _ morphologisch-strukturelle Hypothese der Chromosomen nicht mitmachen — ich denke ‚beispielsweise an Lundegardh (1910, S. 327), der im Chromosom Anhäufungen von chemischen Körpern sieht, die Sammelglieder in den Anlage-Eigenschaftsketten aus- ‚machen, an Freundlich (1919, 8. 832), der sich die Gene als bestimmte Gruppen j von Reaktionen, die zueinander abgestimmt neben- und nacheinander verlaufen, vor- tellt, oder an Jensen (1919, 519), welcher die genotypischen Verhältnisse ebenfalls fiel mehr unter physiologischen als morphologischen Gesichtspunkten betrachtet, so a N RATEN A: ei Ri : ER 3S0 Bemerkungen zu dem Aufsatze von ©. Renner: Mendel’sche Spaltung ete. . / Ai | 5 4 eröffnen sich vielleicht auch nach der Richtung der Mischungshypothesen neue Per- spektiven. Wir wollen aber diese Fragen als nicht zu unserem Thema gehörig, im Folgenden außer acht lassen und uns der weiteren Renner’schen Darstellung zuwenden. 3. Bastardspaltung und Massenwirkungsgesetz. Renner sieht in den Umsetzungen im Gonotokonten Vorgänge, welche den nach dem Massenwirkungsgesetz ablaufenden reversiblen molekularen Reaktionen wesens- gleich sind. Damit geht er zunächst viel weiter, als alle seine Vorgänger auf diesem Gebiet, auch Johannsen, welche in solchen Beziehungen nur grobe Analogien fanden. Wir fragen uns aber, ohne dies zunächst weiter zu berücksichtigen, welches sind die tatsächlichen Beziehungen zwischen Massenwirkungsgesetz und Bastardspaltung? Wir sahen ja schon, daß Renner im gesamten, von jeder Seite eingeführten Chromosomensatz ein‘Riesenmolekül annimmt. Wir wollen nun betrachten, wie er unter Vergleichung einer dihybriden Spaltung mit der Essigesterbildung die Be- ziehungen zwischen rückläufiger Reaktion bezw. Massenwirkungsgesetz und Bastard- spaltung auffaßt, Wir wollen zunächst den ganzen Vorgang durch das folgende Schema illustriern. | Gonotokontenzellen mit rückläufig reagierenden, 4 chromosomigen Keimplasmamolekülen. Soferne die Moleküle miteinander reagieren, sehen wir also das vor sich gehen, was zu erwarten wäre, wenn zwei Einzelmoleküle von Alkohol und Essigsäure in eine Einzelzelle eingesperrt sind und gerade so zusammentreffen, daß,sie reagieren. Die Einzel- zelle wäre dann die Gonotokontenzelle, die Moleküle die Chromosomen. In dieser Beziehung erhöhen sich also zweifellos die Analogien durch die Berücksichtigung dihybrider Spal- tung. Wir sehen indessen sogleich weiter, daß hiermit die Vergleichspunkte zwischen Reaktion der Moleküle in der Einzelzelle und unseren Vorgängen im Gonotokonten er- schöpft sind. Um eine Gültigkeit des Massenwirkungsgesetzes abzuleiten, müßten wir die folgenden Punkte annehmen: - . | | 2 1. Es treten in einer Zelle hintereinander zahlreiche Zusammenstöße ein; ist eine teaktion in der einen Richtung zustande gekommen, so können zunächst eine ganze Reihe von Zusammenstößen ohne Reaktionen erfolgen, ehe wieder eine Reaktion in r Fe 8 "Bemerkungen 7 PR Et ‚Aufsatze von ©. Renner: Mendel’sche Spaltung ete. 281 gleicher oder umgekehrter Richtung erfolgt. Es muß sich um ein homogenes System _ handeln mit soviel gleichartigen Teilchen, daß eine statistische Behandlung der Vor- _ günge möglich ist. Das ist in unserem auf eine Gonotokontenzelle beschränkten System nieht der Fall. | 3 2. Es befinden sich in unserem System nebeneinander stets nur entweder Essig- > ester und Wasser oder Essigsäure und Alkohol. Die Reaktion verläuft nach der einen Richtung vollständig und gleicherweise auch nach der anderen, oder es kommt gar keine Reaktion zustande. Wir können also in unserem System den Enderfolg voraus- | sagen, wenn wir wissen, was wir hineingebracht haben, während ja gerade der Sinn - des Massenwirkungsgesetzes rein statistisch ist, und es für den einzelnen Fall nichts aussagen will. Ein solches direktes Inbeziehungsetzen von rückläufiger Reaktion bezw. Massen- - wirkungsgesetz zu dem Geschehen in der Gonotokontenzelle, welche wir uns als homogenes - System vorstellen wollen, ist, wie wir sehen, ausgeschlossen und braucht nicht weiter - erörtert zu werden. | Renner faßt offenbar auch gar nicht einen solchen Vergleich ins Auge. Er setzt vielmehr anscheinend das ganze Geschehen bei der Keimzellbildung einer Rasse ‚oder von Bastarden zwischen verschiedenen Rassen mit dem Massen wirkungsgesetz in - Beziehung, oder m. a. W., die wiederholten Reduktionsteilungen in hintereinander oder nebeneinander tätigen, durch ganze Haplonten und Diplonten oder vegetative Zellen ‚getrennten Gonotokonten setzt er mit dem Massenwirkungsgesetz in Vergleich. Wollen _ wir das aber tun — zunächst ganz abgesehen davon, ob es möglich ist und einen Sinn ' hat, so könnten wir gewisse Beziehungen hervorkehren. | Wir dächten uns zur Klärung der Sachlage einmal 100 Gonotokontenzellen der ' trennenden Zellwände beraubt und dann die 100 Reduktionsteilungen in einem ge- meinsamen Topf so vor sich gehend. Wir hätten dann wohl ungefähr das, was Renner bei seinem Vergleiche vorschwebt, nur die Geschehnisse nebeneinander ver- legt. In diesem Topf wirken 'nun die einzelnen Keimplasmamoleküle, wollen wir ein- _ mal der Einfachheit halber statt Chromosomen sagen, aufeinander und zwar so, daß, wenn gleichviel AB und ab Moleküle vorhanden sind unter Annahme der Gleich- l gewichtskonstante l auch gleichviel Moleküle Ab und aB herauskommen. Natürlich _ ist es dabei nach dem Massenwirkungsgesetz ganz gleichgültig, ob ich von 100 & ' Molekülen Alkohol und 40 & Molekülen Essigsäure oder von 2436 g Molekülen Alkohol - und 340 g Molekülen Essigsäure ausgehe, die En eewichiäkonatmnte wird immer die - nämliche werden, hier also 1. Das ist ja gerade das Wesen des Massenwirkungs- . gesetzes. A ‚Im unserem Falle aber sind wir im Gegenteil dazu gar nicht in der - Lage, da$ Massenwirkungsgesetz in diesem Sinne nachzuprüfen. Denn - wir können ja gar nichts über die Konstanz der Gleichgewichtskon- - stante aussagen, da wir gar nicht verschiedene Massen aufeinander _ einwirken lassen können, was zur Prüfung des Massenwirkungsgesetzes unbedingtes Erfordernis wäre. Stellen wir uns einmal vor, wir wollten verschiedene Massen aufeinander ein- - wirken lassen. Wir könnten dann vielleicht so vorgehen, daß wir 80 Eier von Fucus g vesiculosus und 200 Spermatozoiden von Fucus serratus zusammenbringen. Nehmen h wir an, es würde jedes Ei befruchtet — wäre das nicht der Fall, so könnten wir viel- s leicht den Befruchtungskoeffizienten feststellen —, so würden die 120 restierenden Sper- matozoiden einfach zugrunde gehen und nur die übrigen 80 mit den Eiern zusammen- treten und bei der Reduktion nur wieder die gleichen Massen aufeinander wirken. Wir nen eben in allen Fällen uur gleiche Massen aufeineinanderwirken lassen, was nicht = 282 einwirkt, geht zugrunde, Wenn wir aber immer nur dieselben usgangemassn. es so verliert die Konstante 1 jegliche Bedeutung. | Wir können aber weiter auch nicht die Geschwindigkeit der Einwirkung prüfen. Wenn ich von Alkohol und Essigsäure ausgehe und beide aufeinander einzuwirken be- ginnen, so wird gleich mit der beginnenden Einwirkung von links nach rechts, aller- dings zu Anfang sehr langsam auch die Reaktion von rechts nach links einsetzen, Nach und nach wird sie immer stärker werden, je größer die Zahl der Ester- Wasser Moleküle wird. Wir können dann v= k:c,.c, berechnen. Wo liegt die Möglichkeit einer ähnlichen Feststellung in dem Bastardierungehulle vor? ‚Wenn aber von Renner die Erscheinungen des crossing-over bezw. die Koppe- lungsverhältnisse in direkte Beziehung zum Massenwirkungsgesetz gebracht werden, und wenn aus den Koppelungsverhältnissen Schlüsse auf abweichende Konstanten ge- zogen werden sollen, so übersieht Renner wohl, daß diese Erscheinungen doch erst wieder Teilerscheinungen der gesamten Reaktionen der Keimplasmen sein müßten und nicht ohne weiteres mit den Gesamtreaktionen in Beziehung gesetzt werden können. Das einzig Gemeinsame ist: Mendel’sche Regeln und Massen wirkungsge- setz sind statistische Gesetze, die Vorgänge betreffen, die wir im wei- teren Sinne Reaktionen nennen können (vgl. dazu S. 286). Das Massen- wirkungsgesetz handelt von vielen molekularen Reaktionen, die sich in einem homogonen System abspielen. Die Massenwirkungskonstante ist eine genau bestimmbare Größe, die, wenn sie Konstante (d. h. von den ursprünglichen Massen unabhängig) sein soll gewissen leicht zu prüfenden Bedingungen gehorchen muß. Im biologischen Vergleichsfall spielen sich die im weiteren Sinne als Reaktionen benennbaren Vorgänge getrennt ab, sowohl in der Zeit hinsichtlich der einen oder an- deren Richtung, als auch im Raum. Der statistischen Behandlung sind natürlich auch solche Vorgänge zugänglich und es resultieren Zahlen, die im ersten, ganz anders ge- arteten Fall erhalten würden, wenn die Konstante —= 1 gesetzt wird. 4. Keimplasma und Molekül. Seit Brückes elementaren Lebenseinheiten, ja seit Buffon’s Ve über die Zusammensetzung der Organismen aus belebten Einzelteilchen ist die Hypothese molekülartiger Lebenseinheiten in den Organismen unter den verschiedensten Namen und an den verschiedensten Stellen immer wieder von neuem aufgetaucht. Die Beziehungen, in die die Lebenseinheiten (Biophoren, Plasomen’ ete.) zu _den Molekülen gebracht wurden, sind verschiedene. Elsberg (1874) und Haeckel (1876) sprechen die Lebenseinheiten „die sie Plastidule nennen, direkt gls Protoplasmamoleküle an und stellen sie den Molekülen gleich. Auch Weißmann brauchte, zunächst dafür den Ausdruck Molekül, doch sagt er (1883, S. 87) „den Ausdruck Molekül „würde ich heute-in diesem Sinne nicht mehr gebrauchen, sondern statt dessen „Kleinste Lebens- einheiten“ sagen. Sehr deutlich spricht sich auch de Vries (S. 69) gegen die Mole- külauffassung seiner kleinsten Lebenseinheiten der Pangene aus; er sagt: „Die Pangene sind keine chemischen Moleküle, sondern morphologische, jede aus zahl Molekülen aufgebaute Gebilde; sie sind Lebenseinheiten, deren Eigenschaften nur auf historischem ‘Wege zu erklären sind“. Auf S. 46 sagt er: „Auf diese Einheiten den Namen Mole- küle oder lebendige Moleküle anzuwenden, scheint mir nicht erlaubt. Solches kann nur zu Verwirrungen und Mißverständnissen führen, und geschieht tatsächlich auch wohl nur aus Mangel an einer einfachen Bezeichnung. Als solche dürfte sich aber der in der Einleitung vorgeschlagene Name „Pangene“ empfehlen.“ | R Auch die Anschauungen über die gegenseitige Anordnung dieser Lebenseinheiten sind verschieden. Ursprünhlich in weitgehendem Maße selbständig fassen sie Darwin 1 und de Vries auf, obgleich bei letzterem später strukturelle Gedanken his Naegeli sieht in seinem Idioplasma feste Bindungen, ähnlich Galton im ‚BE Auch % Ze { y En oe LE von ©. Renner: Mendel'sche Spaltung ete. 285 Weißman n (1918, S. 307), der sich seine Biophoren ja als recht selbständige Gebilde denkt; ist überzeugt, daß sie zum Chromosom durch bestimmte Kräfte = zusammengehalten _ werden. Diese hypothetischen, inneren Kräfte, die den Zu- sammenhalt der Determinanten veranlassen, nannte er Affinitäten und bezeichnete " sie zum Unterschied von rein chemischen Affinitäten als vital. „Es müssen ‘* Kräfte zwischen den verschiedenen Determinanten walten, die sie zu einem lebendigen (Ganzen verbinden, dem Id, welches assimilieren, wachsen und sich durch Teilung ver- mehren kann, wie wir es für die kleineren Einheiten, das Biophor und die einzelne Determinante ebenfalls annehmen mußten. Bei den Iden beobachten wir ja auch die Wirkungen dieser Kräfte ganz unmittelbar, indem bei jeder Kernteilung das einzelne Chromosom sich in zwei gleich große Hälften spaltet, und nicht etwa durch äußere Zugkräfte, wie man solche früher in den Fällen der Kernspindel vermuten konnte, - sondern durch rein innere Kräfte, oft schon lange bevor die Kermspindel sich gebildet hat. Auch sonst erörtert er noch die Unterschiede seiner Biophoren und der chemi- schen Moleküle S.308 sagt er: „Ein gewöhnliches chemisches Molekül kann sich nicht durch Teilung vermehren; wird es gewaltsam ‚gespalten, so zerfällt es in ganz ‚andere Moleküle; erst das lebendige Molekül, d.h. das Biophor besitzt die wunderbare Eigenschaft des Wachstums etc.“ Er läßt das Biophor durch eine Gruppe von Mole- külen, die Determinante durch eine Gruppe von Biophoren etc. sich bilden, bezeichnet aber die Kräfte, welche diese Bindung veranlassen, als durchaus hypothetisch und un- bekannt. | ‚Und blicken wir dann noch in die Auffassung eines anderen, höchst bedeutsamen, ‚älteren Naturphilosophen, die den Renner’schen Vorstellungen vielleicht noch näher kommen als Weismann’s Gedankengänge, Lotze. Dieser nimmt kein Detail der Dispo- sitionen im Keime als Voraussetzung an, „sondern nur einige wenige Teile mit ein- fachen bestimmten Verhältnissen“, wobei „ein solches Prinzip der allermannigfaltigsten gesetzmäßigen Entwicklung wohl fähig ist“. Aber auch er weiß über diese einfachen, bestimmten Verhältnisse nichts auszusagen. 5 Renner aber geht nun ganz anders vor. Er begnügt sich nicht, die Le- benseinheit in einer Struktureinheit unbekannter Natur zu sehen. Er identifiziert ‘das Keimplasma mit dem Molekül, ja er verfolgt die Reaktionen seiner Einzelmoleküle untereinander und schlägt sie dem Physikochemiker als Untersuchungsobjekte moleku- larer Gesetzmäßigkeiten vor. „Falls die Morgan'schen Befunde und Deutungen in allen Stücken bestätigt werden, ist es übertriebene Vorsicht, von Bild und Analogie zu sprechen. Ein körperliches Gebilde, das in seinem ganzen Verhalten Analogie mit einer Molekel zeigt, ist eben eine Molekel').* Was bedeutet das und was hat das für einen Zweck ? „ Dembowski (1919, S. 6) führt die folgenden Sätze aus: „In der modernen - Vererbungslehre tritt immer mehr die Tendenz hervor, die Methoden der exakten | Wissenschaften auf die Lebenserscheinungen anzuwenden. Ohne Zweifel werden die ET RERBERE: Dh l) Nur anmerkungsweise sei gesagt, daß die Morgan’schen Befunde und Deutungen heute natürlich noch weit davon entfernt sind, allgemein bestätigt - zu sein. Man denke nur daran, daß Morgan für Einzeleigenschaften verschieden k. lokalisierte Gene annimmt und vergleiche damit den Satz Johannsens (1913, S. 144): „Wir dürfen uns aber nicht vorstellen, daß je einem speziellen Gene eine besondere Eigenschaft .. . entspricht. Eine solche Vorstellung, die früher verbreitet sein konnte,. muß nicht nur als naiv, sondern auch als ganz und gar irrig aufgegeben Herden Vgl. auch die Ausführungen von physiologischer Seite (Jensen, 1919) und die von oldschmidt, en over Sa Chiasmaty pie een 219 I S.82) und u r cz N IR TE = EN EEE N ER EN nd Ei 3 BE 284 Bemerkungen zu dem Aufsatze von ©. Renner: .Mendel’sche Spaltung ei Forscher dazu durch einen: Analogieschluß verleitet, denn die Analogie Ei, unter so vielen Namen in unsere Wissenschaft eingeführten Einheiten mit Atomen und Mole- külen liegt auf der Hand. Es ist aber ebenso evident, daß. diese Analogie als eine oberflächliche bezeichnet werden muß. Den Atomen und Molekülen werden ‘solche Eigenschaften zugeschrieben, deren Wesen keiner wissenschaftlichen Erklärung mehr zugänglich sind ... In der Biologie. gilt als endgültige Erklärung das Zurückführen der Erscheinungen auf physikalisch-chemische Gesetze. Dazu verhelfen uns die bio- logischen Einheiten, mögen 'sie open Idioplasten oder AUIOUIDELAE heißen, u im geringsten.“ Diesen Sätzen kann ich insoferne: nicht beistimmen, als ein Deren auf Biophoren etc. unsere Einsicht in die Lebensvorgänge in weitgehendem Maße gefördert hat und noch weiter fördern wird unter der Voraussetzung, daß wir uns immer bewußt bleiben, daß diese Biophoren Struktureinheiten sind, die sich zu den Molekülen in ähnlicher Weise verhalten können, wie die Moleküle zu den Atomen ete. Damit aber ist das weitere gegeben, worin sich die Übereinstimmung mit Dembowski ausdrückt, daß es die wichtigste Aufgabe der.Biologie ist, das Geschehen innerhalb und durch diese Biophoren auf chemisch-physikalische Gesetzmäßigkeiten zurückzuführen. Das aber ist nicht damit getan, daß wir die Biophoren oder gar das ganze Keimplasma -kurzweg als Molekül bezeichnen. Wir verschleiern ja damit im Gegenteil die Fülle aller biologischen Probleme und geben nur eine Scheinerklärung. Ja wir verschleiern damit ganz außerordentliche, vorhandene Arbeitsleistungen. Betrachten wir dieselben kurz und legen wir uns dazu die Beziehungen von Molekül und Keimplasma nach dem Stande der heutigen Erkenntnis in noch etwas erweiterter Form klar. Unsere heutige physikalische Chemie sieht im Molekül eine Struktureinheit, welche auf Atome zurückgeht, und diese wiederum auf Elektronen. Auch das Keimplasma, und wenn wir es auf die Chromosomen . beschränken wollen, vielleicht den ganzen haploiden Ohromosomensatz können wir als Struktureinheit auffassen. Das Gemein- same, was wir also in.-Molekül und Keimplasma erblicken, ist die Struktureinheit. Wir haben aber schon eingangs gesehen, daß kaum anzunehmen sein dürfte, daß etwa innerhalb der Keimplasmen eine weitgehende elektrolytische Dissoziation zu postulieren ist, etwa im Ohromosom zu Chromomeren oder gar Genen. Eine solche Dissoziation würde offensichtlich übergeordnete strukturelle Beziehungen voraussetzen, wenn anders ein gesetzmässiger Zusammenhalt der ganzen Struktureinheiten gewährt bleiben sollte. Johannsen (1918, S. 124) sagt Br unsere Auffassung ist der „Genotypus“, d. h. dasjenige in den Geschlechtszellen Dez in dem befruchteten Ei, das die Entwicklungs- möglichkeiten des betreffenden Individuums bestimmt, als eine Totalität, nämlich eine Konstitution zu, betrachten.“ Solche übergeordnete strukturelle oder Kkonstitutionelle Beziehungen sind uns aber wohlbekannt. Im einfachsten Falle kennen wir sie in Form der Polymerisation, so also, daß wir uns einzelne Moleküle polymerisiert denken. Weitergehende strukturelle Kräfte führen dann einerseits zu den einfachen Kristallen, andererseits zu Gebilden, die wir als kolloidal bezeichnen und welche wohl nach un- seren heutigen Vorstellungen auch in den Mizellen Naegeli’s (Zsigmondy, 1918, S. 104) vorliegen. Auch hier wie da, in den Polymerisationsprodukten, in den Kristallen und den Kolloidteilchen wie Mizellen liegen neue Struktureinheiten, gebunden durch bestimmte strukturelle Kräfte vor. Wir müssen uns natürlich hier versagen, die so wichtigen Strukturtheorien der Kolloide näher zu verfolgen, sehen in ihnen aber eine besondere Bedeutung für die Klärung vieler biologischer, in engster Beziehung zu den hier behandelten Fragen stehender Probleme (Zsigmondy, S. 104ff.). Wir können uns nun die Mizellen oder Kolloidteilchen wiederum zu Biophoren, Determinanten, Chro- mosomen und Keimplasmen vereinigt denken, beherrscht wiederum von Strukturgesetzen kolloidaler oder übergeordneter Art. All diese Forschungsgebiete aber würden wir ver- 285 schleiern, wenn wir im schlechthin mit dem Molekül identifizieren wollten, Eine hlche Identifikation kann nicht befriedigen und wir müssen Johannsen durchaus E:; beistimmen, wenn er 1918, 8. 124 sagt: „Jedoch ist die Analogie mit einem einzelnen - chemischen Körper nicht befriedigend, man müßte eher an die Konstitution eines | mehrphasigen Systems als Analogon des Grundtypus denken.“ Wohin sollte uns dies Prinzip dann aber auch weiter führen? Mit demselben Recht, welches uns das Keim- j plasma als Molekül bezeichnen läßt, können wir natürlich, wie Trautz (1917) ganz folgerichtig weiter schließt, den Organismus als Molekül bezeichnen. Dazwischen aber 3 liegen all die Struktureinheiten, welehe durch Kern und Plasma in der Zelle, und durch Gewebe und Organe gegeben sind. Welche biologischen Vorteile können sich uns aber ergeben, wenn wir den Löwen und den Menschen oder mit demselben Recht eine Dampfmaschine oder ein Automobil und ihre gegenseitige Wirkung auf molekularer Grundlage erörtern? Statistische Gesetzmäßigkeiten, wie sie in ähnlicher Betrachtungs- weise die Nationalökonomie gewinnt, können auf diesem Wege erlangt werden, aber nicht molekulare. Renner meint doch auch nicht im Ernst, daß der physikalische Chemiker sich der gegenseitigen Einwirkung zweier Menschen, also Einzelmoleküle, in } demselben Sinne wie Keimplasmen zur Klärung physikalisch-chemischer Probleme be- dienen würde? Die beiden Analogien, statistisches Geschehen, wie es sich im Mendelismus und dem Massenwirkungsgesetz offenbart und die Struktureinheit, welche uns in Keim- plasma und Molekül entgegentritt, haben Renner zu seinen Vorstellungen geführt, denen wir aber, wie dargelegt, nicht folgen können. Wollten wir uns damit zufrieden - geben, die Analogie der Struktureinheit und des Umsatzes rechtfertige die gemeinsame Benennung Molekül, so ist nicht einzusehen, weshalb wir etwa Atom, Ion, Molekül und Kristall voneinander zu unterscheiden hätten. DieGene alsRadikale chemi- scher Verbindungen im derzeit geläufigen Sinne aufzufassen, haben wir 4 heute keine Berechtigung. Analogien sind zweifellos in gewissen Sinne vor- - handen, sie sind verständlich, weil es wohl allgemeine Struktur- und Reaktionsgesetze - gibt, von denen die beiden Fälle Einzelbeispiele darstellen. Aber mit dem üblichen "Begriff von Molekül und von molekularer Reaktion sind so viele präzise Vorstellungen - verbunden, daß eine Erweiterung die Unklarheit vermehren würde, ohne den gewünschten z Erfolg zu geben. Es gibt doch auch in der Kolloidchemie Reaktionen, die niemand im - gewöhnlichen Sinne molekular nennt. Vielleicht ist es mir nun aber erlaubt, im Zusammenhange. kurz nochmals die. - Analogien darzustellen, welche sich uns auf morphologisch-struktureller Basis zwischen - Keimplasma und unbelebter Materie im Rahmen der heutigen Forschung, ergeben, wo- s bei natürlich all die außerordentlich zahlreichen Komplikationen und Strukturgesetze, welche zwischen Kolloidteilchen und Keimplasma liegen mögen, da sie uns: noch ganz A verborgen sind, ünberücksichtigt bleiben müssen. } E: Wir können die Keimplasmen als Struktureinheiten auffassen, wobei die beiden antagonistischen oder allelomorphen Keimplasmen als aus entgegengesetzt geladenen Genen oder Kolloidteilchen aufgefaßt werden können, von allerlei Vorgängen innerhalb der beiderseitigen Keimplasmen, etwa im Sinne von Freundlich, sehen wir dabei hier ganz ab; auch die verschiedene Strukturhöhe von Mizellen, Kolloidteilchen, Genen, Biophoren, Determinanten, Iden (Chromosomen) bleibt ganz unberücksichtigt. Vielleicht können wir uns dann das Spaltungsgesetz als auf elektrolytischer Basis, die . Unabhängigkeitsregel mehr im Rahmen kolloidaler Strukturgesetze vorstellen. Inwie- "weit beides verschieden wäre, bleibt weiteren Forschungen vorbehalten. - Die Keimplasmen oder Idioplasmen treten im Cytoplasma, mit dem sie zü “einer neuen Struktureinheit zusammengeschlossen sind, aufeinander. Die dort jeweils herr- „ schenden Bedingungen veranlassen, daß die Chromosomensätze in der Zygote und in 986 Bemerkungen zu dem Aufsatze von OÖ. Renner: Mendel’sche Spa den Körperzellen getrennt bleiben, während der Synapsis im Gonotokonten aber zusammen- a treten. Wir wissen ja, wie vielfach äußere Bedingungen die Geschwindigkeit von Reaktionen im weitesten Sinne beeinflussen und es ist uns andererseits nach den Unter- suchungen von Klebs wohlbekannt, daß die äußeren Bedingungen den Eintritt der Blühreife und damit wohl auch der Synapsis beeinflussen, was noch besonders durch u die Untersuchungen Karstens über das Verhältnis der Kernteilung zu Umweltsfak- | toren gestützt wird. N atürlich müssen wir aber dabei stets im Auge behalten, daß die Chromosomen nach der (reinen Chromosomentheorie der Vererbung auch selbstbe- stimmend auf das Plasma einwirken müßten (vgl. auch Jensen, 1919). Während der Synapsis nun werden sich Vorgänge kolloidehemischer Natur abspielen, \ die wir ) vielleicht teils als Reaktionen, teils als Mischungs- und Entmischungsvorgänge auffassen können — beide Prozesse gehen beieinander nahe stehenden, hochkomplizierten Sub- stanzen ineinander über und unsere Vorstellungen über diese Grenzerscheinungen sind bisher noch sehr wenig geklärt. Zweifellos werden sich auch katalytische Prozesse in erheblichem Maße beteiligen. : Alle diese Prozesse aber dürften beherrscht sein von Strukturgesetzen kompliziertester Art innerhalb und zwischen den Chromosomen, deren weiteres Studium zu den wichtigsten Aufgaben zukünftiger experimenteller Biologie gehören dürfte. | | ’ Tübingen, am 25. Januar 1920. Dıterasıabericht Dembowski, J., Das Kontinuitätsprinzip und seine Bedeutung in der Biologie, 1919. Elsberg, On the plastidule hypothesis. ot: Assoc. f. the Advancement of Science. Buffalo Meeting 1876. Freundlich, Das Auftreten einer " Mutation vom Standpunkte er Wahrscheinlichkeit, Naturwissenschaften 7. 1919, 832: - Haeckel, Die Perigenesis der Plastidule, 1876.78. Jensen, Piesscloeinihe Bemerkungen zur ee Ay: Entw icklungslehre. Natur- en haten, [RN EN ek) Au je Johannsen, Elemente der exakten Erblichkeitslehre. 1. Auflage 1909. 2. Auflage 7 1913. f | — Weismann’s Keimplasma-Lehre. Naturwissenschaften 6. 1918, S. 124. Karsten, Über die Tagesperioden der Kern- und Zellteilungen. Zeitschr. f. Bot. 1918,110, 1. 2 Klebs, Künstliche Entwicklungsänderungen 1906 u. a. Lehmann, Über Bastardierungsuntersuchungen in der Veronica-Gruppe agrestis. Zeitschr. f. ind. Abstgs.- u. Vererbgsl. 1914, 15. S. 88. Lotze, Leben und Lebenskraft in Wagner, Handwörterhuch der Physiologie N Naegeli, Theorie der Abstammungslehre 1884. | 3 Nernst, W., Theoretische Chemie 1913. ; 2 Renner, O., Mendel’sche Spaltung und Chemisches Gleichgewicht Biolon. Zere blatt 1920. u Trautz, Die Theorie der Gasreaktionen und der Molarwärmen. Sitzber. d. Heidelberger“ $ Akademie d. Wiss., Math.-naturw. Klasse, Abk: A .1917,' 3. Abbe mes de Vries, Intracelluläre SD 1889, / Weismann, Aufsätze über Vererbung 1892. °-— Vorlesungen über Deszendenztheorie 1913. 7,siemondy, Kolloidchemie 2. Auflage 1918, rs > er N a ae I ar) Re BR 0, Renner, Zur Richtigstellung. 387 Zur Richtigstellung. E-, Lehmann scheint mich vor allem in einem Punkte mißverstanden zu haben: - an dem Massenwirkungsgesetz als solchem liegt, wie ich glaube, für unsere Betrachtung nieht das mindeste, es ist nur unentbehrlich als Mittel für die Erschließung der Vor- günge zwischen den einzelnen Molekeln. Empirisch ist das Massenwirkungsgesetz primär gegeben, faktisch setzt sich die Wirkung der Massen aus den Einzelvorgängen zu- sammen. Diese Einzelvorgänge, also im biologischen Geschehen die Reaktionen in der einzelnen ‚Sporenmutterzelle, fasse ich allein ins. Auge. | Auch die Vorgänge zwischen Einzelmolekeln an statistisch zu behandeln. Dem - „Zufall“ ist ja noch genug Spielraum gelassen dadurch, daß die zur Umsetzung nötige - Orientierung der Molekeln nicht bei jedem Zusammenstoß gegeben ist. Da es nur auf das Häufigkeitsverhältnis zwischen Reaktion und Gegenreaktion ankommt, ist es - nieht nötig, während längerer Zeit alle Zusammenstöße des jeweils vorhandenen Molekelpaares zu verfolgen, es genügt in Intervallen, die vielmal größer sind als der Zeitraum zwischen zwei Stößen, zu ermitteln, welches Molekelpaar vorhanden ist; das - häufiger anzutreffende Paar ist das träger reagierende, stabilere. Um den’ Vergleich mit den Vorgängen in den Sporenmutterzellen so handgreiflich zu machen, wie Leh- mann ihn zu verlangen scheint, müßte der fingierte Versuch folgendermaßen abge- ändert werden. Statt ein Molekelpaar, das in eine kleine Schachtel eingesperrt ist, hundertmal hintereinander zu untersuchen, müßten wir hundert solche Schächtelchen neben- einander aufstellen, in einem gegebenen Zeitpunkt die Möglichkeit der Reaktion in allen Schachteln ungefähr gleichzeitig aufheben (Abschluß der heterotypischen Mitosen), und nun ermitteln, wie oft Alkohol und Säure und wie oft Ester und Wasser vor- handen sind. So umständlich würde aber sicher niemand verfahren, weil durch die ‚einfachste logische Operation, die ich auch nur anzudeuten für überflüssig hielt, das 'Nacheinander des physikalischen Experiments in das Nebeneinander des biologischen Geschehens zu verwandeln ist. Wenn Lehmann meint, mir schwebe ein Topf vor, in - dem 100 Sporenmutterzellen ohne Zellwände zusammengeworfen sind, so irrt er. Es handelt sich nicht darum, das ungeheuer grobe, undurchsichtige Laboratoriumsexperi- - ment mit biologischem Material, sondern ui darum, den klaren biologischen .“ Einzelvorgang mit unbelebtem Stoff in Gedanken nachzuahmen. 4 Da wir es mit den Vorgängen zwischen einzelnen Molekeln, also jeweils mit einem 2 Molekelpaar, zu tun haben, bringt die Anwendung einer allgemeineren Form des - Massenwirkungsgesetzes als der, bei der äquimolekulare Mengen in Reaktion treten, i \ t \ a | | N a un na ® ad - keinen Nutzen. Es ist ganz und gar unbillig ein biologisches Experiment zu verlangen, das dem Reagierenlassen von Alkohol und Säure in beliebigen Mengenverhältnissen - entspricht; daß die Vermischung von 80 Eiern mit 200 Spermien zu unserer Frage in - jeder Beziehung paßt wie die Faust aufs Auge, daran zweifelt Lehmann selber nicht. Das einzige was sich an der chemischen Massenwirkung im Gebiet der Vererbung experimentell nachahmen läßt, ist das Reagierenlassen äquimolekularer Mengen von Alkohol und Säure einerseits und von Ester und Wasser andrerseits. Dieses Experi- > ment ist schon oft und oft ausgeführt worden, und ich habe ausdrücklich hervorge- x hoben, daß’ für den chemischen Charakter der Mendel’schen Spaltung nur ein solcher ‘ Fall beweisend wäre, in dem das Häufigkeitsverhältnis AB: Ab einen anderen Wert _ als 1 hätte und dabei konstant und von den elterlichen Kombinationen unabhängig wäre. Ebenso unbillig ist die Forderung einer Prüfung der Reaktionsgeschwindigkeit im biologischen. Experiment. Die Be honszochwindiekeit in dem von Lehmann ange- zogenen Sinn gehört ganz und gar der trüben Sphäre der Massen an und ist ein recht - undurchsiehtiger Ausdruck der Häufigkeitsverhältnisse, die uns allein beschäftigen können. Verhältnismäßig unwichtig ist ein anderes Mißverständnis. Der Vergleich der > monohybriden Spaltung*mit der Reaktion zwischen NaCl und NaBr soll sich nicht auf die Art der Lösung des Molekelverbandes beziehen. Wenn bei den Salzen elektro- ‚Iytische Dissoziation vorliegt, so handelt es sich beim Keimplasma wohl um Molekelzer- reißung ganz andrer Art. Die Zerlegung des Kernspirems in Chromosomen, und _ ebenso die Zerreißung der Chromosomen bei der Überkreuzung, kann doch schwerlich mit lonisierung verglichen werden. FORTE „ 2 ü eben, im März 1920. PIED. 5, ar KO Rehter. -. n ee S; \ 388 ° A. Ernst, Bastardierung kl VRcHe der Apogamie i im Pflanzenreich. ; Aus der obigen „Richtigstellung“ geht hervor, daß Aubl für Renner das Hasen wirkungsgesetz nur insofern für die zu betrachtenden Vorgänge von Bedeutung ist, als es sich um Einzelreaktionen und statistische Vorgänge handelt. Ich freue mich, - feststellen zu können, daß die Diskussion nach dieser Richtung klärend gewirkt hat und betrachte, ohne wieder auf Einzelheiten einzugehen die el damit als abgeschlossen. Tübingen, 5. Mai 1920. E. Lehmann. Referate. | 4 EB Alfred Ernst: Bastardierung als Ursache der Apogamie im Pflanzenreich.. Eine Hypothese zur experimentellen Vererbungs- und Abstaninunsel XIV und 666 Seiten, mit 172 Abbildungen im Text und 2 Tafeln... Jena 1918, bei Gustav Fischer. ° Von der Armleuchteralge Chara crinita, die in salzigem Wasser über ganz Europa verbreitet ist, kommt an den meisten Standorten nur eine weibliche, parthenogenetische Form vor, selten finden sich Weibchen mit befruchtungsbedürftigen Eiern und daneben nnliche Individuen. Die Studien des Verfassers haben ergeben, daß die partheno- ° genetischen Weibchen während ihrer ganzen Entwicklung in ihren Zellkernen doppelt soviele Chromosomen führen wie der Vegetationskörper der normalgeschlechtigen Pflanzen. Da bei den amphimiktischen, mit normalem Kernphasenwechsel begabten Characeen der diploide Zustand auf die Zygote beschränkt ist, bei der Keimung der Oospore schon die ° Reduktionsteilung stattfindet, muß die Ohromosomenzahl der parthenogenetischen Ohara crinita als die diploide angesehen werden. Der Verfasser spricht die Vermutung aus, daß die Parthenogenese oder wieer es nennt die Apogamie sich im Gefolge von Basta dierung eingestellt hat. Die Kreuzung müßte wohl an verschiedenen Orten stattgefunden " haben, und die Vielförmigkeit der parthenogenetischen Sippe ließe sich daraus erklären, daß es an verschiedenen Orten verschiedene Arten waren, die die Verbindung mit Chara - crinita eingingen. Da die parthenogenetische Rasse der normalgeschlechtigen sehr” ähnlich ist, müßten, die Charaktere der Uhara crinita über die Merkmale der zweiten, als Vater in die Verbindung eingetretenen Spezies immer stark dominieren. Im Exil periment ist die Kreuzung zweier (hara-Spezies bis jetzt noch nicht geglückt. Auf breitester Basis wird dann die Hypothese entwickelt, daß Geschlechtsverlust, wo wir ihn in habitueller Ausprägung finden, allgemein infolße von Bastardierung auf- getreten ist. Die Darstellung trägt alle Erfahrungen über künstliche und natürliche, gelegentliche und habituelle Apogamie und Aposporie, wie sie in den verschiedensteriä Pflanzenstämmen, bei Algen, Pilzen, Mposen, Farnen, Samenpflanzen beobachtet worden sind, ausführlich zusammen, unter Berücksichtigung alles dessen, was über Chromosomen-' zahlen und Keimzellenbildung bekannt ist, und weiß die Annahme hybriden Ursprungs für verschiedene Fälle als recht wahrscheinlich hinzustellen. Auch die Parthenokarpie gewisser Rassen von Kulturpflanzen, die Bildung von Adventivembryonen aus Nucellus- zellen der Samenanlagen, der Ersatz der geschlechtlichen Fortpflanzung durch vegetative Propagation, wie Brutknospenbildung, werden von demselben Gesichtspunkt aus betrachtet. Doch geht der Verfasser nicht so einseitg vor, daß er als Ursache der Unirnchrbar keine andere Ursache anerkennen würde als vorausgegangene Kreuzung; ein ganzes umfangreiches Kapitel befaßt sich mit den Erscheinungen andersartig induzierter Sterilität, so wie in anderem Zusammenhang auch die Möglichkeit künstlicher Parthenogenesis ohne Kreuzung mehrfach erörtert wird. . ® Das Buch ist großenteils ein Programm für ein Heer ' künftiger Experimentald untersuchungen und zudem ein durch reiches Abbildungsmaterial noch besonders wertvoll 'semachtes Repertorium der Literatur über ‘die mit der Erscheinung der Apogamie zu- sammenhängenden Fragen. Hoffentlich wird der Verfasser recht bald über die Lösung einiger der a lad zu berichten haben. Ö. Renner. Verlag von Gole. "Thieme in Leipzig, Antonstraße 15 . (Gedruckt bei Junge & Sohn in Erlangen De ilogisches Zentralblatt Begründet von J. Rosenthal Herausgegeben von ‘Dr. K. Goebel und Dr. R. Hertwig Professor der Botanik . Professor der Zoologie in München Verlag von Georg Thieme in Leipzig 40. Band Juli 192000 Nr. 7 Au | ausgegeben am 1. Juli 1920 Der jährliche Abonnementspreis (12 Hefte) beträgt 20 Mark Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten Die Herren Mitarbeiter werden ersucht, die Beiträge aus dem Gebiete der Zoologie, vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte an Herrn Prof. Dr. R. Hertwig, München, Alte Akademie, alle übrigen (nach vorheriger Anfrage) an Herrn Prof. Dr. K. Goebel, München, Menzingerstr 15, einsenden zu wollen. Inhalt: W. Lipps, Experimentelle Untersuchungen über den Fortpflanzungswechsel bei Stylaria Lacustris. 8. 289. _ J. G. Schaefer, Die Totenstarre und ihre Beziehung zur Koltraknion, S. 316. S. Galant, Ein Kratzreflex ‚des geköpften Carabus auratus. S. 335. Experimentelle Untersuchungen über den Fortpflanzungswechsel bei Stylaria Lacustris. Von Walter Lipps, Zoolog. Institut München. . Material und Methoden. Die Aufgabe, die ich in nachfolgenden Untersuchungen bearbeitet - habe, ist die Ermittlung der Faktoren, die bei Stylaria lacustris die Bil- ‚dung von Geschlechtsorganen hervorrufen. Ich habe zu diesem Zwecke sowohl Beobachtungen im Freien ge- macht, als auch eine größere Zahl von Kulturen angesetzt, in denen ich - die Tiere längere Zeit unter bestimmten bekannten Existenzbedingungen gezüchtet habe. ls Zuchtgefäße ea dile ich teilweise kleine Eininächoiiler doch das nur in den Fällen, wo es sich um Massenkulturen handelte und nicht auf eine genaue Kontrolle sämtlicher Individuen ankam. In allen anderen Fällen nahm ich kleine Glasdosen, in denen ich die Tiere - dann meistens einzeln züchtete und die außer dem Wasser nur ein kleines - Stückchen veralgtes Schilfblatt als Futter enthielten, so daß eine ganz “ exakte Beobachtung möglich war. Natürlich mußte ich in diesen kleinen Gefäßen das Wasser alle 2—3 Tage wechseln und ich habe bei dieser Ge- } -legenheit auch immer allen Detritus entfernt, so daß nie Schlamm den - Boden bedeckte, durch den Tiere der Beobachtung hätten entgehen können. Um mit dem Futter nicht Eier oder Schädlinge einzuschleppen, habe Ich es einem besonders zu diesem Zweck gehaltenen Aquarium entnommen, R Band Mi | | 19 290 W. Lipps, Experimentelle Untersuchungen über den Portpflanzungswechsel eie. in dem ich faulende Schilfblätter und andere Pflanzenteile der Veenz aussetzte und wo ich einwandfrei feststellen konnte, daß es weder Naiden noch irgend welche Schädlinge enthielt. Während ich-anfangs bei Be- ginn einer Kultur gleich eine größere Menge Futter in die Glasdose gab, habe ich späterhin nur mehr soviel zugegeben, daß es nach 2—3 Tagen ° aufgezehrt war und es dann gleichzeitig mit dem Wasserwechsel durch neues ersetzt, da sonst der Überschuß an Futter den Tieren leicht als Schlupfwinkel hätte dienen können. Von Versuchen über den Einfluß verschiedener Fütterungsgrade ließ ich bald ab, da Maßbestimmungen bei der rein vegetabilischen Nahrung von Stylaria schwer durchzuführen waren und sich außerdem vor allen Dingen kleine Exemplare sehr empfindlich gegen Nahrungsmangel zeig- ten. Soweit aber meine Feststellungen reichen, glaube ich nicht, daß Qualität oder Quantität der Nahrung ein für die Fortpflanzungsart aus- schlaggebender Faktor sind. Außer mit dieser Versuchsanordnung legte ich auch noch Kulturen vegetativer Individuen in großen Glasschalen an, bei denen ich täglich mit der Pipette einige Zentimeter Wasser entnahm, um so eine allmäh- liche Verringerung des Wasserstandes zu erzielen, die einer sich über Wochen hinziehenden langsamen Verdunstung gleichkam. Auch diese ‘ Versuche zeitigten kein Ergebnis, sondern die Tiere blieben rein vege- tativ und wiesen auch sonst keine Veränderungen auf. So habe ich mich in der Hauptsache auf Wärme- und Kältekulturen beschränkt und glaube auch in der Temperatur das für den Fortpilan- 3 zungswechsel entscheidende Moment gefunden zu haben. Das Material, das ich verwendet habe, in vegetativer Vermehrung begriffene Tiere, stammte aus Tümpeln am Starnberger- und Ammer- ° see und wurde entweder für jede neu anzulegende Kultur frisch aus diesen Fangplätzen entnommen, oder es wurden dazu vegetative Abkömmlinge einer Kultur verwendet, die schon eine oder mehrere Generationen hin- durch unter bekannten Bedingungen gezüchtet worden waren. 5 Ich bin mir bewußt, daß ich so von keinem gleichartigen Material in meinen Kulturen ausgegangen bin, und habe diesen Übelstand durch ° genaue ständige Kontrolle des Materials am Fangort und gleichzeitige Anlegung von Parallelkulturen bei andern Temperaturen en ; gesucht. Junge Individuen aus Eiern zu ziehen gelang mir nicht. Das nega- | tive Ergebnis dieser Versuche glaube ich jedoch damit erklären zu können, ° daß die Eier von Stylaria nach ihrer Ablage eine längere Zeit der Ruhe ° durchmachen müssen. Ja vielleicht ist sogar ein kurzes Austrocknen oder Ausfrieren zu ihrer weiteren Entwicklung erforderlich. 4 So blieb mir nichts weiter übrig, als bei meinen Versuchen, die darams 4 hinzielten, Geschlechtstiere hervorzurufen, immer von schon in veseba tiver Fortpflanzung befindlichen Tieren auszugehen. F Als erstes will ich nun auf meine über diese Fortpflanzungsart ge: machten Bechauhiingeh zu sprechen Kommen. 2 d W, Lipps, Experimentelle Untersuchungen über den Fortpflanzungswechsel ete. 294 Ungeschlechtliche Vermehrung. bei Stylaria lacustris, . Die ungeschlechtliche Vermehrung von Stylaria lacustris bietet im Gegensatz zu der:'anderer nahestehender Oligochaeten, ja sogar Ver- tretern der engverwandten Gattung Nais, bemerkenswerte Unterschiede, die schon Anlaß zu einer Reihe von Untersuchungen gewesen sind. So wies als erster OÖ. F. Müller darauf hin, daß man es bei diesem Tier mit zwei Arten von ungeschlechtlicher Fortpflanzung zu tun habe, einer Teilung ungefähr in der Mitte des einfachen Tieres und einer zweiten, weitaus häufigeren, die durch Neubildung aus dem ‚„Aftergelenk“ des Muttertieres eingeleitet wird. Meines Wissens war es dann Schultze, der die genauen Vorgänge bei diesen Teilungen in der Folgezeit unter- _ suchte und dabei die Feststellungen machte, daß bei den „Zeugungen aus dem Aftergelenk““ jeweils ein ganzes Segment des Muttertieres von dem Tochtertier übernommen wird, und so ersteres mit jeder Teilung um ejn Segment verkürzt wird, während OÖ. F. Müller noch der Meinung war, daß nur ein kleiner Teil des letzten mütterlichen Segments bei. der Teilung an das T'ochtertier überginge. Doch auch er hatte schon, so wie - Schultze, die Beobachtung gemacht, daß von Zeit zu Zeit durch Wachstum des Afterendes bei dem Muttertier wieder eine Vermehrung der Segmente erzielt werden könne. Diesen Vorgang beschreibt er an einem mit einem Tochtertier versehenen Individuum, das, ohne daß die _ Ablösung stattgefunden hätte, durch Wachstum des Hinterendes eine - Vermehrung um 5 Segmente erfahren hatte. | All diese Beobachtungen werden weiterhin auch von Tauber und - Minor bestätigt und in kleineren Einzelheiten erweitert. Ich will hier _ nur kurz noch einmal den Verlauf der vegetativen Fortpflanzung schil- - dern, wie ich ihn an meinem Material festzustellen des öfteren Gelegen- heit hatte, | Als erstes Auftreten der vegetativen Fortpflanzung macht sich - ungefähr in der Mitte des Individuums zwischen zwei Segmenten ein dunkler Querstrich als erster optischer Ausdruck für die beginnende - Einschnürung bemerkbar. Vor und hinter diesem Querstrich geht nun eine starke Zellvermehrung vor sich, die an der nach vorn gewandten Seite neue Aftersegmente, an der nach hinten gewandten die Kopfseg- mente des Tochtertieres entstehen läßt. Bevor nun noch diese Bildung neuer Segmente deutlich zu erkennen ist, tritt eine zweite Teilstelle am _ Muttertier auf, die kurz vor der ersten zwischen dem letzten und vor- letzten der ursprünglich vorhandenen Segmente liegt, so daß nun . nicht nur die neu entstehenden Aftersegmente zur Bildung eines zweiten. - Pochtertiers vom Muttertier getrennt werden, sondern auch das letzte alte Segment des Muttertiers zu dieser Neubildung herangezogen wird. Auf, diese Weise wird die Segmentzahl des Muttertiers noch um ein weiteres Segment vermindert. Noch ehe die Abschnürung des ersten he 'Tochtertiers beendet ist, können ein oder-zwei Teilstellen zwischen dem Ken letzten und vorletzten Segment des Muttertiers auftreten, was es einer Kette von Individuen führt, in der das jeweils am weitesten 19* 2 SE 292 W. Lipps, Experimentelle Untersuchungen ber den F ortpflanzungswechsel etc. hinten gelegene Tier das älteste ist und normalerweise als erstes abge- schnürt wird. So wie O. F. Müller hatte auch ich oft zu beobachten Gelegenheit, daß, ehe noch die Abtrennung des ersten Tochtertiers ein- tritt, auch an diesen schon wieder die ungeschlechtliche Vermehrung ihren Anfang nimmt, und zwar wie bei der ersten Teilung des Muttertiers, mit einer Teilstelle, die in der Mitte des Tieres. sich zwischen zwei ne menten zu erkennen gibt. | Nimmt man also eine regelmäßige Zählung der Segmente ind eine ständige Kontrolle über ihre Zugehörigkeit zu den einzelnen Ketten- | gliedern vor, so ergibt sich ein Bild wie vorliegendes. Es handelt sich ‚hierbei um eine bei Beginn der Aufzeichnung. zweigliedrige Kette von insgesamt 34 Segmenten, von denen 19 auf das Muttertier, 15 auf das noch nicht abgeschnürte Tochtertier treffen. Dab die Abschnürung noch ‚ nicht stattgefunden hat, deute ich durch ein — Zeichen zwischen den Segmentzahlen der Teilstücke an. Das Muttertier bezeichne ich mit a, das in der Kultur als erstes abgeschnürte Tochtertier mit b und die weiterhin von dem Muttertier sich direkt ablösenden Tochtertiere mit den fortlaufenden Buchstaben des Alphabets. Die in meiner Aufzeich- nung am 9. Tage durch Teilung des noch nicht abgeschnürten Tochter- tiers b entstehenden Glieder habe ich mit b, und b,, die am 21. Tage aus einer Teilung von b, entstehenden Glieder mit b, und b, benannt. 1. Tag RE EN ne el a 4. Tag oe Na RE SH. I 9. Tag SH x 11. Tag ++; He 15. Tag 1749-426; + IE, 16. Tag 4240; + 2 18. Tag 17+164+25415; te 21. Tag 16-1422; 25-18; + | ‘Sind diese Teilungen so eine Zeitlang vor sich gegangen und de h mit die Länge des Muttertieres um ein bedeutendes herabgemindert, so tritt durch Wachstumsvorgänge im Afterende eine Regeneration der ver- loren gegangenen Segmente ein, meist nachdem vorher die Teilungsvor- gänge zum Stillstand gekommen sind. Erst nachdem das Muttertier wieder eine Länge von 30—40 Segmenten erreicht hat, treten diese ” durch eine Teilung in der Mitte von neuem in Erscheinung. In meinen Beobachtungen über die ungeschlechtliche Fortpflanzung kann ich mich also früheren Veröffentlichungen anschließen und will jetzt zu meinen Versuchen zur Erzielung geschlechtlicher Fortpflanzung. übergehen. Einfluß von Temperaturveränderungen auf die Bildung von E Geschleehtsorganen. | 3 Nachdem sich die eingangs geschilderten Versuche, durch, Value . mangel oder Verringerung des Wasserstandes Einfluß auf die Fortpflan- zungsart bei Stylaria lacustris zu erzielen, als aussichtslos erwiesen hatten Be / a SE W . Lipps, Experimentelle Untersuchungen über den Fortpflanzungswechsel ete. 203 ging ich, angeregt durch entsprechende Experimente anderer Autoren an Hydren und Daphniden, daran, die Wirkung hoher und tiefer Tem- _ peraturen auf die Art der Fortpflanzung zu untersuchen. Zu meinen ersten Versuchen benützte ich Material aus einem Weiher in der Nähe von Starnberg, den ich ständig unter Kontrolle behielt und dabei feststellen konnte, daß sich vom 8. 10. 17, wo ich nur vegetative Stadien und diese in großer Menge antraf, bis zum 1. 4. 18, wo der Be- stand bis auf ganz wenige Exemplare zurückgegangen war, kein Über- - gang zur Geschlechtlichkeit bei irgend einem der untersuchten Exemplare Bi beobachten ließ. | Ich brachte einen Teil der im Oktober gefangenen Tiere sogleich N vom Fangort in eine konstante Temperatur von 22°, während ich einen - anderen Teil im ungeheizten Zimmer bei ca. 11° beließ. Nach 4 Wochen zeigte sich in der Wärmekultur bei mehreren Exemplaren der Beginn - von Geschlechtlichkeit, der sich durch Anlage von Samenblasen und - Ovarien zu erkennen gab. In der Kältekultur, die ich daraufhin und .3 auch des späteren noch öfters untersuchte, trat während der ganzen - Dauer der Beobachtung kein einziges Individuum auf, das zur Anlage von Geschlechtsorganen Neigung zeigte. Hingegen nahmen die Ge- schlechtstiere in der Wärmekultur an Zahl bedeutend zu, wenn auch die R - Weiterentwicklung der Geschlechtsorgane des Einzeltiers sehr langsam, vor sich ging, so daß ich erst nach weiteren zwei Wochen die ersten reifen Geschlechtstiere beobachten Konnte. Diesen Versuch habe ich -späterhin zu den verschiedensten Jahreszeiten und mit Material von den verschiedensten Fängen wiederholt und bin immer zu den gleichen Resul- taten gekommen. Dabei war es nicht notwendig eine Temperatur von 220 anzuwenden, sondern auch Temperaturen bis herunter zu 18° hatten E die gleiche Wirkung. Auch spielt die Konstanz der Temperatur keine ö ausschlaggebende Rolle, denn ich konnte im Winter im geheizten Zimmer, E die Temperatur zwischen 14 und 20 schwankte, die SF Ichen Brenn: | ei a iin y einen EEREEN nisse erzielen. Alle diese Versuche, von denen ich später einige genauer beschreiben _ werde, zeigten in ihren Resultaten eine erstaunliche Gesetzmäßigkeit, so daß sich also jetzt schon sagen läßt, daß ein Ansteigen der Tempe- ratur über 180 in Kulturen von Stylaria lacustris stets ein Auftreten k“ ‘von Geschlechtstieren zur Folge hat. Ich kann mich somit in der Haupt- sache Semper anschließen, wenn er sagt, daß die PRBOBUNE bei Stylaria aufhört, ‚sobald die Eiablage beginnt. | l; ' Was nun meine Beobachtungen im Freien ' anbetrifft, so habe ich im k: ‚Juli an zwei verschiedenen Fangorten neben einzelnen noch ungeschlecht- lichen auch Geschlechtstiere gefunden und konnte bei ihnen feststellen, (daß sie sich gerade im Übergang von der ungeschlechtlichen zur ge: % schlechtlichen Fortpflanzung befanden, Es ging das aus den bei der _ Mehrzahl der untersuchten Exemplare noch ganz unentwickeltem Ge- ‚ schlechtsapparat hervor, dessen Fertigstellung ich nach 14—20 Tagen, | ‚Sowohl in Kulturen als im Freien, beobachten konnte. An einem dritten 294 . W. Lipps, Experimentelle Untersuchungen über den ‚Fortpflanzungswechsel et, Fangort hatte ich Ende September und an einem weiteren Mitte, Oktober Gelegenheit, Geschlechtstiere von Stylaria lacustris aufzufinden, doch unterschieden sich diese von den ersteren dadurch, daß der Geschlechts- apparat bereits in voller Funktion war und ich unter sämtlichen unter- suchten Individuen kein einziges ungeschlechtliches auffinden konnte. Dieser letzte Befund scheint nun mit meinen Beobachtungen in Kul- turen, wie auch mit den im Juli im Freien gemachten Feststellungen im Widerspruch zu stehen, nach denen ich den Übergang zur Geschlecht- lichkeit von der eintretenden höheren Temperatur abhängig gemacht habe. Dieser Widerspruch ist aber nur ein scheinbarer und erklärt sich aus der später noch genauer zu besprechenden Tatsache, daß die einmal in der Anlage des Geschlechtsapparates begriffenen Individuen, auch durch tiefe Temperatur, keinen Wechsel in ihrer Fortpflanzung mehr erfahren und ganz allgemein die geschlechtliche Periode sich über mehrere Monate hinzieht. Es würde sich demnach bei diesen im Oktober aufge- fundenen Geschlechtstieren um Individuen handeln, die schon im. Sommer ihre Geschlechtsorgane angelegt haben und bei denen nun, nachdem der Anstoß zur Bildung des Geschlechtsapparates durch hohe Temperätur gegeben worden war, die Funktion desselben ana in tiefer Temperatur vor sich geht. | Die wenigen Angaben in der Literatur stimmen teilweise mit meinem Befund überein. So schreibt Schultz.e von Stylaria lacustris: „...Die vorstehenden Beobachtungen über die Fortpflanzung durch Teilung wur- den im Mai und Juni an Individuen gemacht, welche wie alle damals gefundenen, keine Spur von Geschlechtsteilen enthielten. Im Juli fand | ich in demselben Graben, aus welchem ich bisher das sehr reichliche Ma- terial geschöpft hatte, neben. wenigen geschlechtslosen viele geschlecht- ° lich entwickelte Tiere und die Zahl der letzteren nahm immer mehr zu im Verhältnis zu der der geschlechtslosen.‘‘ Abweichend davon sind die Angaben von Vejdovsky und Semper. Ersterer hat nie in den Sommermonaten Geschlechtstiere von Stylaria beobachten können, doch gibt er selber an, daß bei den in den Herbstmonaten aufgefundenen Tieren, von denen die Mehrzahl geschlechtlich war, diese Art der Fort- ° pflanzung schon in voller Ausbildung bestand. Semper dagegen hat im Juni Geschlechtstiere von Stylaria lacustris und Nais barbata be- ° obachtet, doch führt er weiterhin aus: „Dieselben Arten habe ich aber auch im Oktober, September und November geschlechtlich werden sehen.“ Diese Angabe ist meines Wissens die einzige über ein „Geschlechtlich- werden“ von Stylaria lacustris erst in der kalten Jahreszeit. Diese Beobachtung bildet somit eine Ausnahme gegenüber den Feststellungen, ” wonach der Übergang zur Geschlechtlichkeit nur unter dem Einfluß ° höherer Temperatur vor sich geht. Vereinzelt finden sich auch Bemer- ° kungen genannter Autoren über Auffindung geschlechtlicher Individuen in den Herbst- und Wintermonaten. So schreibt Semper von Stylaria ” lacustris, die er im Dezember und Januar unter dem Eis in ungeschlecht- licher Fortpflanzung zu beobachten Gelegenheit hatte, und auch Vej- Br: Du F W. Lipps, Experimentelle Untersuchungen über den Fortpflanzungswechsel ete. 295 -dovsky gibt an, im Herbst solche angetroffen zu haben. Ich selber habe Siylaria lacustris Mitte Oktober in einem Weiher beobachtet, wo ‘sämtliche Individuen ohne Geschlechtsorgane waren und es auch bis An- fang April, wo der ganze Bestand am Fangort einging, blieben. In diesem Falle\%nun konnte ich einwandfrei feststellen, daß der Weiher bis Ende September trocken gelegen hatte und erst dann durch Öffnung von Schleußen unter Wasser gesetzt worden war. Da ich in dem den Weiher speisenden Bach Siylaria weder vorher noch nachher antraf, darf ich annehmen, ‚daß im vorliegenden Falle die beobachteten ungeschlechtlichen Tiere erst nach Ende der warmen Jahreszeit aus bis dahin im ausge- trockneten Weiher ruhenden Eiern ausgeschlüpft waren. Wenn solche Umstände vielleicht auch öfter, als man anzunehmen geneigt ist, eine Erklärung für das Auftreten vegetativer Stadien im Herbst geben, so soll damit nicht gesagt sein, daß nicht auch noch andere Gründe dafür be- stehen könnten. So wäre es unter anderm ja auch denkbar, daß es sich hierbei schon um Jungtiere handelt, die aus den im Spätsommer abge- legten Eiern geschlüpft sind !). Wie es sich mit den teilweise überraschen- den Beobachtungen von Vejdovsky und Semper verhält, läßt sich für den einzelnen Fall natürlich nicht mehr nachweisen, doch ist im Freien der normale Verlauf durch eine Reihe von Faktoren, wie Aus- trocknung und Überschwemmung und die verschiedenen Witterungsver- hältnisse, so oft gestört, daß es schwer ist unter solchen Umständen ein- deutige Beobachtungen zu machen. Wenn so zwar für Stylaria lacustris eine Abhängigkeit der Fort- ® pflanzung von Temperaturverhältnissen, was die Beobachtungen im Freien \ anbetrifft, nicht ausgeschlossen erscheint und durch solche in Kulturen bestätigt wird, so kann dies doch auf die übrigen Naiden, soweit bis jetzt Untersuchungen vorliegen, nicht allgemein ausgedehnt werden. Semper, der für diese auch eine Abhängigkeit von der Temperatur in Erwägung zieht, wendet sich an der Hand des ihm vorliegenden Materials vor allem gegen die Anschauung, als ob tiefe Temperatur für die Bildung der Geschlechtsorgane bei Naididen von ausschlaggebender Bedeutung sein könne, und verallgemeinert seine Schlußfolgerungen in dem Satze: „...daß bei den Naididen die geschlechtliche und ungeschlechtliche Ver- mehrungsweise ziemlich unabhängig von den Einflüssen der jährlichen Temperaturschwankungen sein dürften.“ Ebenso zeigt sich Vejdovsky gegen die Annahme von Temperatureinflüssen auf die Fortpflanzungsart ziemlich abweisend, nachdem er die über Naididen vorliegenden Angaben N « Ei N, [2 einer kritischen Betrachtung unterzogen hat. - Im nachfolgenden bringe ich die spärlichen Angaben, welche darüber 1) Anmerkung: Immerhin erscheint mir eine solche Annahme nicht wahrschein- _ lich, denn es ist eher zu vermuten, daß die Eier erst eine längere Zeit-der Ruhe - durchmachen müssen, ehe die Furchungsteilungen ihren Verlauf nehmen. Auch spricht gegen obige Annahme die Beobachtung, die ich in einem schon Anfang Sep- y4 B 3 tember mit reifen Geschlechts-T. besetzten Weiher machte, in dem ich Ende November ‚noch kein einziges neu ausgeschlüpftes veget. Individuum aufzufinden vermochte. Sk N Ra u ie a RR BERN 296 W. Lipps, Experimentelle ae über den Fortpanzungswechsl ete. vorliegen, in welcher Weise sich das Auftreten von Obachledhäheren auf die verschiedenen Jahreszeiten verteilt, doch will ich damit nur zeigen, wie wenig Beobachtungen zur Klärung dieser Fragen noch zu- sammengetragen sind, so daß aus ihnen der Beweis für irgendeine Ge- setzmäßigkeit nicht erbracht werden kann. Immerhin geht aber daraus nichts hervor, was gegen die von mir für Stylaria lacustris gemachte: 4 Annahme eines Temperatureinflusses sprechen würde. Was Chaeto- ; gaster anbetrifft, so scheinen bei diesem, so weit man nach folgender Zusammenstellung und einem noch zu erwähnenden Experiment schließen kann, die Verhältnisse umgekehrt zu liegen und gerade tiefe Temperatur begünstigend auf die Entwicklung der Geschlechtsorgane zu wirken, doch wäre zu einem endgültigen Entscheid noch eine Be ie: ver: suche unerläßlich. Nachstehende Tabelle bringt für einige Naididen die ende). lung der Jahreszeiten in denen das Auftreten von Beschlee nen durch die in Klammer beigefügten Autoren beobachtet wurde. Stylaria lacustris ‚Juni (Gruithuisen, Semper), Juli (Schultze, Tas, September, Oktober, November (Semper, Vejdovsky,. Leidy, Lipps) Nais barbata Juni, September, Oktober, November (Semper) Nais elinguis September (Gruithuisen), Herbst (Vejdovsky) Nais. serpentina Juni (Lankester) | Chaetogaster diaphanus von November ab (Vejdovsky) Herbst (Tauber) Chaetog. diastrophus Februar Nerdakn) Herbst (Tauben). N icht unerwähnt möchte N zum Schlusse noch zwei i Versuche lassen, die Vejdovsky zur Klärung der Frage des Tepe auf © die Fortpflanzungsart angestellt hat. Be Der erste, den er mit Nais barbata ausführte bestand darin, daß er ° „durchaus geschlechtslose Ketten“ dieser Art in einem seichten, mit Wasser gefüllten Teller züchtete, „dessen Boden mit einer schwachen Sandschicht ausgestattet und die Wasseroberfläche von spärlicher Lemna bedeckt war. Dieses improvisierte Aquarium wurde täglich vom 16.—19. Juli auf etwa 2 Stunden den Sonnenstrahlen ausgesetzt, so daß vornehm- lich in dieser Zeit das Wasser stark verdunstete. Die Tiere, welche sich‘ { anfangs vornehmlich am Grunde des Tellers im Sande aufhielten, ver- ließen diese Wohnstätte und befanden sich später lediglich dicht am Wasserrande; sie hörten in dieser Zeit auf sich zu teilen, ihre gelbrote Blutflüssigkeit wurde lebhaft rot, und in 2—3 Tagen fand ich sehr viele Geschlechtstiere, die bald eine große Menge der je mit einem Ei ver- sehenen Kokons absetzten. Nur die viel kleineren und offenbar jungen Tiere waren geschlechtslos.“ E So wie ich diesen Versuch auffasse, will Vejdovsky Here den Beweis führen, daß eine allmähliche Verringerung des Wasserstandes auf Nais barbata einen zur Anlage von Geschlechtsorganen führenden Ein- W. Fe Experimentelle en ihungeh über den Fortpflanzungswechsel etc. 297 Br Aluß ausübt, doch glaube ich mit demselben Recht für das Ergebnis dieser g Versuchsanordnung den Einfluß erhöhter Temperatur verantwortlich ' machen zu dürfen, da diese geringe Wassermenge bei täglicher Bestrah- lung mit Julisonne, wenigstens während dieser 2 Stunden, sicher eine Temperatur von über 200 aufwies. Weitaus überraschender bei diesem Versuch ist mir die ungeheure Schnelligkeit, mit der diese Wirkung in - Erscheinung tritt, so daß in der Zeit von 2—3 Tagen sowohl ein Auf- hören der Teilungen, als auch ein Auftreten zahlreicher Geschlechtstiere zu beobachten war. Da ich an Nais barbata selbst keine Versuche ange- stellt habe, darf ich mir au vorstehendem eine Kritik nicht erlauben und kann nur auf die bei Siylaria lacustris beobachteten Zeiträume bei Über- gang von einer Fortpflanzungsart zur anderen hinweisen, die, wie ich weiter unten ausführen werde, über das Zehnfache der von Vejdovsky für Nais barbata angegebenen Zeit ausmachen. Der zweite Versuch wurde von ihm an Chaetogaster diaphanus an- gestellt und nahm folgenden Verlauf: Vegetative Individuen, die von November bis Januar bei 15° gezüchtet worden waren und dabei starke ' Vermehrung zeigten, wurden nach Ablauf dieser Zeit in eine Temperatur von 0° gebracht. Bereits am nachfolgenden Tage konnte Vejdovsky an den größeren Exemplaren ‚die ziemlich weit fortgeschrittenen Anlagen - der Geschlechtsdrüsen‘ konstatieren. „Am dritten Tage war der Gürtel - vollständig mit den Geschlechtsborsten vorhanden, die Samentaschen mit Spermatozoen gefüllt und die großen noch in der Entwicklung be- - griffenen Eier flottierten in der Leibeshöhle.‘“ Auch bei diesem Versuch _ überrascht die große Schnelligkeit, mit der die Anlage der Geschlechts- _ organe vor Sich gebt. Um aber voll beweiskräftig zu wirken, wäre er einer öfteren Wiederholung bedürftig, da in dem doch wohl größeren ‘ und nach Vejdovsky’s Angabe mit Schlamm versehenen Zuchtgefäß _ ein Übersehen vorher schon geschlechtlicher Tiere zu leicht möglich war. - Immerhin ist es aber keineswegs ausgeschlossen, daß auf C'haetogaster ge- - rade tiefe Temperatur die Wirkung ausübt, die bei Stylaria lacustris E durch hohe Temperatur erzielt wird, denn es ist wohl als sicher anzu- - nehmen, daß auch bei nahe verwandten Arten die Bedingungen für die h eine oder andere Fortpflanzungsart in keiner Weise die gleichen sind. u Nach diesem Überblick will ich nun auf die genaueren Einzelheiten - des durch Wärme hervorgerufenen Fortpflanzungswechsels bei Stylaria ; lacustris zurückkommen. Deu cr u A w I T EEE EEE EN REIN ERS. RL ENO Re ee siauers Einzelheiten bei dem Fortpflanzungswechsel von Stylaria lacustris in Wärme. [1 Nachdem ich, wie aus dem vorausgehenden hervorgeht, eine Ab- - hängigkeit der geschlechtlichen Fortpflanzung von Wärme hatte fest- 4 ‚stellen können, war mir vor allen Dingen die Frage von Interesse, ob schon das in Wärme gebrachte „Stammtier“ imstande ist, Geschlechts- ’rgane zu bilden, oder ob dieses unter allen Umständen ungeschlechtlich ad ang erst die von ihm erzeugten Knospen zur geschlechtlichen 298 W. Lipps, Experimentelle Untersuchungen über den 'Fortpflanzungswechsel ete. 1 | Fortpflanzung übergehen. Im zweiten Falle hätten wir die Berechtigung von einem Generationswechsel zu sprechen. Zur Lösung dieser Frage waren die vorher ingekteilen Massenkul- turen nicht geeignet. Ich nahm daher ein frisch gefangenes rein vege- tatives Exemplar und brachte es in eine kleine Glasdose mit reichlich Futter unter konstante Temperatur von 220, was einem Ansteigen der Temperatur um ca. 10° entsprach. Von diesem Tier, das ich als Stamm- tier bezeichnen will, trennte ich nun sorgfältig jedes neu abgeschnürte Tochtertier und züchtete es in Einzelkultur weiter. Diese Kulturen will ich, im Gegensatz zu der des Stammtiers, mit den der Aufeinanderfolge ihrer Abschnürung entsprechenden fortlaufenden Nummern 1, 2, 3... be- zeichnen, wobei also 1 das erste und älteste Tochtertier wäre. In gleicher Weise züchtete ich auch die Nachkommen der Tochtertiere in genau be- zeichneten Einzelkulturen weiter. Die einwandfreie Unterscheidung von Stammtier und Tochtertier, Tochtertier und Enkeltier etc. gelang mir nach kurzer Zeit ohne Mühe, da das Tochtertier weniger dick und meist kleiner ist als das Tier, von dem es abgeschnürt wurde, das Hinterende von diesem und das Vorderende des Tochtertiers außerdem die erste Zeit nach der Abschnürung charakteristische Formen aufweisen und schließ- lich auch die Zahl der Segmente, sofern ich sie vor der Abschnürung festgestellt hatte, sichere Anhaltspunkte gab. Doch gilt dies alles natür- lich nur für die ersten 1—2 Tage, nachdem sich die Tiere getrennt haben, und es war deshalb nötig, jede Kultur — und bei dieser hohen Tempe- ratur war die Vermehrung der Tiere und damit auch der Kulturen eine sehr rege — alle 2—4 Tage genau zu untersuchen und den Zustand jedes Tieres mikroskopisch festzustellen, da das einmalige Übersehen eines abge- schnürten Tochtertieres die Aufstellung eines genauen Stammbaums hin- fällig gemacht hatte. An dieser ersten so geführten Kultur konnte ich nun folgende Beob- achtungen machen: | E ‘Das Stammtier, das an 94, 10. 17 aus dem ‚oben genannten Weiher bei Starnberg entnommen wurde, und an dem ’eine sich 5 Tage ° später abschnürende Teilstelle zu erkennen war, wurde bis zum 22. 12. ; mit allen Nachkommen bei 22° kultiviert und zeigte bis zu diesem Termin keine Anfänge der Anlage von Geschlechtsorganen. Es schnürte in dieser = Zeit 5 Tochtertiere ab und ging nach Ablauf der 59 Tage ein. k Das Tochtertier 1, das nach 5 Tagen abgeschnürt wurde, seh 3 am 9, AT 8.1 1.Sundı 1% 11. je ein Tochtertier ab und ging am 1. 12. ein. Ach dieses Tier blieb während der 32 Tage ungeschlechtlich und zeigte keine Spur einer Anlage von Samenblasen und ÖOvarien. Se Das Tochtertier 2 wurde am 10. Tage der Kultur, also am 3. 11. vom Stammtier abgeschnürt, schnürte wenige Tage darauf selber ein. E Mochtertier ab und zeigte nach weiteren 19 Tagen, also am 29. Tag der 4 Kultur die beginnende Bildung von Geschlechtsorganen. 4 Die Tochtertiere 3 und 4 benützte ich damals zu anderen Ver E suchen und kann so über sie nichts aussagen. P: I W. Lipps, Experimentelle Untersuchungen über den Fortpflanzungswechsel ete. 29% Das Tochtertier 5, das am 7. 12. abgeschnürt wurde und am 17. 12. die erste Teilung durchmachte, legte am 22. 12., also nach 15 Tagen, ebenfalls Geschlechtsorgane an. Die ungeschlechtlich erzeugten Nachkommen der Tochter- tiere 1l, 2 und 5 waren bei Abschluß der Kultur am 22. 12., soweit sie schon längere Zeit abgeschnürt waren, auch in Anlage der Geschlechts- organe begriffen, während an den erst in den letzten Tagen selbständig gewordenen Individuen von einer solchen nichts zu bemerken war; doch - wäre diese bei Fortsetzung der Kultur sicher erfolgt, wie aus späteren Versuchen hervorgeht. Es war also in diesem Falle Stammtier und das vor Überführung in Wärmekultur schon angelegte Tochtertier 1 ungeschlechtlich geblieben und zwar weit über den Zeitpunkt hinaus, in welchem die Tochtertiere 2 und 5, ihre Nachkommen und die des Tlochtertiers 1 Geschlechtsorgane anlegten. Gleichzeitig mit dieser Kultur hatte ich mit Material von demselben Fangort auch eine Kältekultur bei 120 angesetzt. In dieser trat während der 2 Monate, die sie kontrolliert wurde, kein einziger Fall von Ge- - schlechtlichkeit auf. Ebenso war am Fangort bis Ende März, wo durch ‘ Austrocknen der Bestand einging, trotz genauer Beobachtung kein ein- ziges Geschlechtstier. aufzufinden. | Mit diesem Befund scheint mir die Einwirkung höherer Temperatur auf die Fortpflanzungsart außer Frage gestellt zu sein. Immerhin aber könnte man mir den Einwand machen, daß es sich bei dieser Einwir- ‘kung nur um eine indirekte insofern handle, als das eigentlich aus- schlaggebende Moment für Eintritt der Geschlechtlichkeit die Zahl der vorausgegangenen Knospen sei und daß eben in Wärme diese Knospungen 3 beschleunigt würden und damit schneller als in Kälte, der Zeitpunkt _ einträte, wo Geschlechtstiere erzeugt würden. Hiergegen sprechen aber verschiedene Tatsachen. So habe ich in meinen Wärmekulturen, zu denen ‚ich jedesmal Exemplare als Stammtiere verwendete, die ich frisch dem - Fangort entnommen hatte und die doch sicher eine ganz verschiedene _ Zahl von Teilungen hinter sich hatten, die Geschlechtlichkeit stets schon - beim 2. oder — worauf ich noch zu sprechen komme — gar beim ersten Tochtertier erstmalig auftreten sehen. Außerdem ist der Ablauf der Tei- lungen in Kälte nicht so stark gehemmt, daß ich nicht schließlich auch in der schon erwähnten Kälte-Parallelkultur das Auftreten von Ge- - schlechtstieren hätte beobachten müssen. Ich will zum Beweis des Ge- - sagten diese hier noch genauer anführen. Kältekultur?). Das am 24. 10. zur Kultur verwendete Stamm- tier war dem Fangort frisch entnommen und zeigte eine einfache Teil- © 2) Anmerkung: Ich habe im Laufe meiner Untersuchungen eine ganze Reihe von - Kältekulturen geführt und diese bis über 4 Monate ausgedehnt. Doch habe ich dann _ meistens keine genaue ‚Kontrolle der Abschnürungszeitpunkte vorgenommen, sondern mir an der Tatsache genügen lassen, daß keines der entstehenden Tiere Anlage der Ge- Bi Eileehtiorgane zeigte, 12 yE AM en RO RSS, Ne un 300 WW. Lipps, a en Dolernellungew über de Forpflanaungswechsel 5 stelle. Es schnürte am 30. 10. das erste, am 3. 11. das zweite und am 20. 11. das dritte Tiochtertier ab und ging am 1. 12. ein. Bis zur Beendigung der Kultur am 22. 12. ergab sich so nachstehen- der Stammbaum, bei dem ich den Zeitpunkt der Abschnürung neben den einzelnen Gliedern in Klammern vermerkt habe. Eine Anlage von Ge- schlechtsorganen war bei keinem der kultivierten Tiere zu beobachten. BER: IT rs PEANM RE N Gegen die Abhängigkeit des Eintritts der Geschlechtlichkeit von der Zahl der vorausgegangenen Knospen spricht ferner auch meine bis Ende März ausgedehnte Beobachtung am Fangort. Trotz der langen Be- obachtungszeit habe ich dort Geschlechtstiere nie auffinden können. Daß sie sich durch Verkriechen der Beobachtung entzogen hätten, ist unwahr- scheinlich, da ich sowohl in Kultur wie im Freien nie ein derartiges Ver- halten habe beobachten können. Auf das weitere Verhalten der geschlechtlich vrordenden Podhnertiere und ihrer, in dieser Zeit noch vegetativ erzeugten Nachkommen, werde ich an anderer Stelle zu sprechen kommen, hier interessierte mich nun vor allen Dingen das Ungeschlechtlichbleiben des Stammtiers und ersten Tochtertiers.. Um in der Reihe vegetativer Nachkommen das erste Auf- treten von Geschlechtstieren zu ermitteln, legte ich sowohl bei Zimmer- temperatur von 15-—20°, wie auch bei 22° eine größere Anzahl Kulturen an, in denen ich besonders auf Stammtier und erstes. Tochtertier mein Augenmerk richtete. Dabei ergab sich folgendes: 4 Stammtier. Bei dem Stammtier zeigte sich nach Überführung, in. 220 bei im übrigen gleichbleibenden Kulturbedingungen, in der ersten Zeit eine auffallende Beschleunigung der Teilungen, vor allen Dingen der- jenigen, die schon vorher angelegt waren. Zwar wurden auch in Jen späteren Wochen noch vegetativ Toochtertiere erzeugt, doch zeigte sich nach ungefähr einem Monat, oft auch schon früher, meist eine starke Hemmung der ganzen Wachstums- und Lebenserscheinungen. Die Futter- aufnahme war, soweit sich das feststellen läßt, nur mehr gering, die Tei- lungen hörten auf, die dann normalerweise auftretende Regeneration der Me bei der Teilung verbrauchten Segmente trat nur schwach, oft auch gar E nicht mehr ein, oder die neu entstandenen Segmente lösten sich schon nach 1—2 Tagen wieder ab. In diesen Fällen zeigte dann das Hinterende des Tieres nicht die charakteristische Verjüngung der Segmente und Ab- SLEaMMIER . Generation. . N w. EN. ale lohnen über den Fortpflanzungswechsel et. 304 line der Länge der Borsten, sondern es man den Eindruck, als ob künstlich die ganzen letzten Segmente des Tieres entfernt worden seien und man nur den vorderen Teil einer Stylaria vor sich habe. Manchmal bildete sich auch noch an solchen Exemplaren, ungefähr in der Mitte, wieder eine neue Teilungsstelle, doch waren dann, wenn die Durchschnü- rung überhaupt noch erfolgte, die beiden Individuen nicht mehr lebens- fähig. Aus diesen Gründen ist es mir nie gelungen, eine Beobachtung über -60 Tage hinaus auszudehnen, da schon vor dieser Zeit das Tier stets Degenerationserscheinungen zeigte, denen es dann bald zum Opfer fiel. Während dieser Zeit aber konnte ich in sämtlichen 8 Kulturen, die ich in den verschiedenen Jahreszeiten und mit Material aus den verschie- densten Fangorten ansetzte, nie ein Geschlechtlichwerden des Stamm- tiers feststellen. Da ich aber bei den, von diesen abgeschnürten, ge- schlechtlich werdenden Tochtertieren, selbst in den extremsten Fällen, nie einen längeren Zeitraum als 3—4 Wochen bis zur Anlage der Ge- schlechtsorgane beobachten konnte, so scheint mir diese Zeit der Kultur ausreichend zu der Feststellung, daß man in den in niedriger Tempe- ratur entstandenen und dort zur -vegetativen Fortpflanzung überge- gangenen Individuen von Stylaria Formen vor sich hat, die zu einer ‚späteren Anlage von Geschlechtsorganen unter Keinen Umständen mehr befähigt sind. Bleibt diese Form unter den Bedingungen, unter denen sie . ‚entstanden ist, also einer Temperatur bis zu 14, 15°, so pflanzt sie sich weiterhin auch in ihren Nachkommen rein vegetativ fort. Wird sie aber unter höhere Temperatur gebracht, so bringt sie vegetativ eine zweite, von ihr insofern verschiedene Form hervor, als diese nun zur Anlage von Geschlechtsorganen befähigt ist und sie nach 10—20 Tagen anlegt. Nach vorausgehendem könnte man der Meinung sein, daß es sich bei _ dieser ersten Form um frisch aus dem Ei gekrochene Tiere handle und daß diese unter allen Umständen unfähig zu einer Anlage von Geschlechts- organen seien. Wie ich in der Einleitung erwähnt habe, gelang es mir nicht Tiere aus Eiern aufzuziehen, und ich kann so darüber nichts aus- sagen, ob solche Erstlingstiere unter allen Umständen ungeschlechtlich h bleiben. Daß aber das Ungeschlechtlichbleiben der Stammtiere nicht durch - die Annahme erklärt werden kann, daß es sich bei ihnen um solche Erst- - lingstiere handle, geht einwandfrei daraus hervor, daß ich für Wärme- _ kulturen auch die in meinen Kältekulturen in zweiter und dritter Gene- 5 R ration abgeschnürten Tochtertiere als Ausgangsmaterial nahm und da- bei gleiche Resultate erzielte.» Es scheint nun als ob die rein este Form unter den die Ge- schlechtsform hervorbringenden Bedingungen auf die Dauer nicht lebens- his ist und so, nachdem sie durch Hervorbringung einiger Geschlechts- _ tiere für die Erhaltung der Art gesorgt hat, zugrunde geht. Damit wäre auch die mit den Resultaten meiner Experimente scheinbar im Wider- spruch stehende Beobachtung erklärt, daß ich im Freien nie beide Zu- „ Stände der. Fortpflanzung in ein und demselben Tümpel nebeneinander Fr ig e y Aa RN N Ze An En u). \ AN Er AR a Fi k ee PER € } LK DAR, SEA - a 302 WW. Lipps, Experimentelle Untersuchungen über den Fortpflanzungswechsel ete. E fand, sondern stets alle untersuchten Exemplare eines Fangorts entweder vegetativ oder geschlechtlich waren. In den Fällen,. wo ich beide Formen nebeneinander vorfand, konnte ich durch fortgesetzte' Beobachtung fest- stellen, daß es sich hierbei um den Be von der einen Kortpilan- zungsart zu der anderen handelte. So ergibt sich aus diesen Versuchen die Tatsache, daß va Stylaria ein Unterschied zwischen zwei physiologisch verschiedenen Formen, was die Art der Fortpflanzung anbetrifft, besteht, einer Form, bei der die Vermehrung ausschließlich ungeschlechtlich ist und einer zweiten, die durch die Befähigung zur geschlechtlichen Fortpflanzung ausgezeichnet ist. Die erste Form der Fortpflanzung wird vertreten durch das bis jetzt als Stammtier bezeichnete Individuum. Dieses unterscheidet sich von allen seinen Nachkommen dadurch, daß es, bevor es in hohe Temperatur überführt wurde, in tiefer Temperatur entstanden ist und in ihr eine Zeit seines Lebens verbracht hat. Wie lang diese Zeit war, scheint ohne Ein- fluß, denn ich habe bei der Auswahl der zur Kultur genommenen Stamm- tiere keine weitere Rücksicht, was Größe und Zeitpunkt der Abschnürung betrifft, genommen, so daß ich also sagen darf, daß jedes bei tiefer Tem- peratur vegetativ von einem vegetativen Muttertier entstandene Tochter- tier sich als zur ersten, dauernd vegetativen Form gehörig erweist. Daß die Temperatur der ausschlaggebende Faktor dafür ist, ob diese oder jene Fortpflanzungsform entsteht, habe ich im vorausgehenden darzulegen versucht. Nun ergibt sich aber die Frage zu einem wie frühen Zeitpunkt in der Entwicklung des Tochtertieres die Wärme bereits einwirken muß, um ein Geschlechtlichwerden hervorzurufen. Hierüber mußten die Kulturen der ersten Tochtertiere Aufschluß geben. Wie ich später zeigen werde, pflanzt sich das nachher geschlechtlich werdende Tier vorher meist vege- tativ fort und es können die Teilungen auch dann noch stattfinden, wenn die Geschlechtsorgane schon fast fertig gebildet sind. 1. Tochtertier. Als erstes Tochtertier habe ich schon früher 4 dasjenige Tier bezeichnet, das als erstes von dem in Wärmekultur ge- ' brachten vegetativen Stammtier abgeschnürt wurde. Die Zeit, die bis zu der Abschnürung dieses Tieres verstreicht, Kann je nach dem vor- ° herigen Zustand des Stammtiers eine sehr verschiedene sein. Ich habe sowohl Exemplare ohne jede Teilungsstelle, bis zu solchen mit 3 und 4 ° als Stammtiere zur Kultur gesetzt und je nach den Zeiten von vielen Tagen bis zu wenigen Stunden erhalten. Dementsprechend war nun auch das Ergebnis der Kultur ein sehr verschiedenes. Teilweise legten die ersten Tochtertiere Geschlechtsorgane an, teilweise blieben sie dauernd in ungeschlechtlicher Fortpflanzung und in letzterem Falle traten dann erst bei den Nachkommen Geschlechtstiere auf. Auch konnte ich bei diesen Versuchen keinen direkten Zusammenhang zwischen der Zeit, die bis zur Abschnürung verstrich, und der Fortpflanzungsart, zu der sich das Tier dann zugehörig erwies, Konstatieren. So war z. B. das nach 5 Tagen E abgesetzte Tochtertier der S. 298 genau beschriebenen Kultur noch rein, vegetativ, während ich in einem anderen Falle, bei einem schon nach 4 iR Lipps, Experimentelle Untersuchungen über den Fortpflanzungswechsel ete. 303 | 2 Tagen abgeschnürten Tochtertier, Anlage von Geschlechtsorganen be- -obachten konnte. Dies kann nun auch insofern nicht wundernehmen, als - der Moment der Ablösung kein ganz zuverlässiges Kriterium für den Entwicklungszustand des Tochtertieres ist, da er sich aus irgendwelchen äußerlichen Gründen verzögern kann, während umgekehrt durch irgend- welche mechanische Ursachen, so vor allem auch bei der mikroskopischen Untersuchung, ein‘ Abreißen stattfinden kann, wo normalerweise die Loslösung erst nach Tagen erfolgt wäre. Soviel läßt sich immerhin vermuten, daß'die Wahrscheinlichkeit für ein Ungeschlechtlichbleiben - des ersten Tlochtertieres eine um so höhere ist, je weiter seine Entwicklung bei Beginn der Wärmeeinwirkung schon fortgeschritten war und daß man es in diesem Falle mit einem insofern dem Stammtier gleichwertigen Indi- viduum zu tun hat, als es selbst vegetativ bleibt und erst seine Toochter- _ tiere Geschlechtsorgane bilden. Die weiteren Tochtertiere. Was das zweite und die spä- teren in solcher Wärmekultur abgeschnürten Tochtertiere betrifft, so war in allen daraufhin angesetzten Kulturen nach spätestens 3 Wochen ein ' Anfang der Anlage von Geschlechtsorganen zu beobachten. Dazu ist zu bemerken, daß mit auffallender Regelmäßigkeit sich das zweite Tochter- tier am lebensfähigsten erwies und der Zeitraum bis zur ersten sichtbaren Anlage der Geschlechtsorgane bei ihm meist der kürzeste war. Die spä- teren Tochtertiere waren, dem sich dann meist schon verschlechternden Zustand des Stammtieres entsprechend, weniger kräftig, legten ihre Ge- schlechtsorgane meist erst nach längerer Zeit (ca. 20 Hagen) an und zeigten eine relativ große Sterblichkeit. Geschliechtstiere?°). Im Gegensatz zu dem stets vegetativ blei- - benden Stammtier verstehe ich unter Geschlechtstier solche, die vegetativ erzeugt wurden, aber unter Bedingungen, die sie befähigen, selbst schon Geschlechtsorgane zu entwickeln. Die Bestimmung darüber, ob eine - Knospe dauernd vegetativ bleiben oder später zur geschlechtlichen Fort- ‘pflanzung schreiten wird, findet, wie aus meinen Versuchen am ersten - Toochtertier hervorgeht, in einem frühen Entwicklungszustand, lange var der ; Abschnürung statt. Man kann aber den sich abschnürenden Knospen nicht ansehen, ob sie den einen oder anderen Entwicklungsgang einschlagen wer- den. Diese Unterscheidung wird dadurch erschwert, daß,auch die geschlecht- 3 lich prädestinierte Knospe ihre Geschlechtsorgane nicht sofort nach der Ab- schnürung anlegt, sondern daß in der Mehrzahl der Fälle eine Zeit von 2—4 - Wochen verstreicht, ehe an ihr die Anfänge der Anlage von Geschlechts- _ organen zu erkennen sind. In diese Zeit fällt zwar bei geschlechtlich prädestinierten Formen die von Vejdovsky beschriebene Degeneration der Exkretionsorgane des 5. und 6. Segments. Aber dieser Unterschied _ von dem vegetativ bleibenden Tier ist am lebenden Individuum nicht zu 3) Anmerkung: Der Umstand, daß der Anlage von G.-Org. oft noch eine Anzahl _ von veget. Teilungen vorangehen kann, scheint mir deshalb kein Hindernis für die Bezeichnung „Geschlechtstier“ zu sein, als früher oder später auf jeden Fall die Anlage a yon 3 ‚DEE: am selben Individuum auftritt. 304 W. Lipps, Experimentelle Untersuchungen über den Portpflanzungswechsel A | erkennen, da die zum Nachweis nötige starke Vergrößerung nicht an- wendbar ist. 4 Wie gering die Unterschiede zwischen den beiden Knospen in seh E weiterhin daraus hervor, daß beim „Geschlechtstier“ genau wie beim vege- tativ bleibenden, kurz nach’ der Abschnürung die vegetative Fortpflan- zung einsetzt und mehrere Wochen unvermindert andauern kann. So er- hielt ich z. B. von einem am 1. 12. vom Stammtier abgeschnürten T'ochter- ” tier am 3. 12., 12. 12. und 19. 12. je ein Tiochtertier, und erst nach dieser ° Periode begann am 22. 12. die Entwicklung der Geschlechtsorgane bei dem bisher in vegetativer Fortpflanzung begriffenen Tochtertier. sowohl beim Tochtertier selbst, als auch bei den von ihm stammenden Knospen. Daraus geht hervor, daß mit Eintritt der Geschlechtlichkeit die vegetative Fortpflanzung nicht ohne weiteres erlischt. Doch machen sich hierbei Änderungen gegenüber dem vegetativ bleibenden Tier bemerkbar, die ich zusammenfassend weiter unten‘ besprechen will. Als erstes sichtbares Zeichen für die Anlage dr Hoden im 5. And ! die der Ovarien im 6. Segment machen sich kleine, stärker licht- ° brechende Körnchen bemerkbar. Diese wachsen allmählich zu der: nor- malen Größe heran und erst dann ist am lebenden Tier der Eiersack als ein großes, sich über mehrere Segmente erstreckendes Gebilde zu er- kennen, worauf als letztes die Anlage des Clitellums erfolgt. R Der Zeitraum, der zwischen der ersten sichtbaren Anlage und der 4 . Fertigstellung der Organe liegt, kann oft ein sehr großer sein. Ich habe dafür eine Dauer von 12—45 Tagen beobachten können. | In diese Periode fällt nun der Übergang von der bisher noch an- dauernden ungeschlechtlichen Fortpflanzung zur ausschließlich geschlecht- lichen. Da sich dabei eine Reihe interessanter Erscheinungen AUDIeN. E will ich hier genauer darauf eingehen. | | | i Nebeneinander von ungeschleehtlicher und geschlechtlicher Fortpflanzung. 2 N Wie ich schon erwähnt habe, hält bei den ‚„Geschlechtstieren‘, solange ; von einer Entwicklung der Geschlechtsorgane noch nichts zu bemerken ist, die ungeschlechtliche Vermehrung unverändert an. Dies ändert sich num ziemlich rasch, sobald die Entstehung des Geschlechtsapparats ihren ° Anfang nimmt. Erstens folgen dann die Bildungen von Knospen nicht mehr so rasch aufeinander, so daß in diesem Stadium die Tiere 'meist nur noch eine oder zwei Teilstellen angelegt zeigen, und zweitens gehen die Abschnürungen selbst nicht mehr so rasch vor sich. Es ist also die Entwicklung des Tochtertiers am Muttertier eine langsamere geworden. Dieses langsame Aufhören der vegetativen Fortpflanzung, mit zunehmen- 1 der Ausbildung der Geschlechtsorgane, ist unter allen Umständen bei Stylaria zu beobachten, doch sind hierbei Unterschiede für hohe und tiefe Temperatur zu bemerken. Wie bei rein vegetativen Tieren die Abschnü- rungen, die in tieferer Temperatur 8—10 Tage in Anspruch nehmen, in Wärme (220) schon in 3—5 Tagen durchgeführt werden, so ist auch” W. Lipps, Experimentelle Untersuchungen über den Fortpflanzungswechsel ete. 305 ‘bei dem eben erwähnten, sich noch vegetativ vermehrenden Geschlechts- tier in Wärme eine Beschleunigung der Teilungen gegenüber dem in Kälte befindlichen zu konstatieren. Das Wärme-Geschlechtstier kann während der Bildung des Geschlechtsapparats noch 3 oder 4 Tochter- tiere abschnüren, wohingegen vom Kälte-Geschlechtstier in dieser Zeit 1 oder höchstens 2 Tochtertiere gebildet werden. Verstärkt wird dieser Gegensatz noch dadurch, daß die Teilungen beim Kältetier meist schon lange vor Fertigstellung des Geschlechtsapparats zum Stillstand kommen, während beim Wärmetier, wenn auch nicht oft, noch kurz vor dem Funk- tionsbeginn der Geschlechtsorgane eine Teilstelle auftreten kann. Mit dem Aufhören der ungeschlechtlichen Fortpflanzung hört die der Teilung zugrunde liegende Vermehrungsfähigkeit der Zellen noch nicht auf. Ihr Fortbestehen ist Ursache, daß bei Geschlechtstieren ‚ein verhältnismäßig starkes Längenwachstum eintritt. Daher habe ich immer Gelegenheit gehabt, in meinen Kulturen einen ziemlichen Größenunter- schied zwischen Geschlechtstieren und vegetativen Tieren zu beobachten. Auch im Freien fiel mir dieser Unterschied manchmal auf, doch nie in ‚solchem Maße, was ich der reichlichen Fütterung zuschreibe, die ich meinen Kulturen zukommen ließ. In Kultur erreichten diese Tiere des ‚öfteren 2 cm (Michaelsen gibt 0,35 cm für das Einzeltier an), ja in einem extremen Falle konnte ich bei einem Geschlechtstier sogar die ‚Größe von 3 cm feststellen, wobei die Segmentzahl 105 betrug. Mit der Ablage der ersten Kokons ist die Teilfähigkeit dann erloschen und man kann höchstens noch Tiere beobachten, die eine schon vor ‚längerer Zeit angelegte Teilstelle noch nicht durchgeschnürt haben; eine Neuanlage von Teilstücken findet in diesem Stadium normalerweise nicht mehr statt. Trotzdem gelang es mir in drei Fällen durch Anwen- ‘dung außerordentlich hoher Temperaturen (22—25°) bei großen Indi- 'viduen, nach Ablage der ersten Kokons und nachdem schon mehrere Wochen keine Teilungen mehr eingetreten waren, diese wenigstens noch einmal hervorzurufen. In dem einen Falle, den ich gleich näher beschrei- ben werde, ging das Tier bald nach Anlage der Teilstelle, wohl infolge der anormalen Verhältnisse, ‘ein. In den anderen beiden Fällen wurde das Tochtertier zwar in richtiger Weise abgeschnürt, doch ging der Pro- zeß trotz der höheren Temperatur ungeheuer langsam vor sich und es "verstrich bis zur endgültigen Durchschnürung der Teilstelle ein Zeitraum von über 3 Wochen, während sie sonst bei gleicher Temperatur nach 4—5 Tagen erfolgte. B Zusammenfassend läßt sich über die vegetative Vermehrung bei Ge- schlechtstieren folgendes sagen: In der ersten Zeit, wo eine Anlage der _ Geschlechtsorgane noch nicht zu erkennen ist, geht sie ungehemmt wie bei vegetativ bleibenden Individuen vor sich. Mit Beginn der Entwick- lung der Geschlechtsorgane macht sich eine allmähliche Abnahme der Teilungen bemerkbar, die noch vor Eintritt der geschlechtlichen Reife zu ihrem vollständigen Stillstand führt. Aber wie auch bei rein vege- jativen Exemplaren, hat erhöhte Temperatur insofern einen günstigen “ 40. Band. | 20 fe pi 306 W. Lipps, Experimentelle Untersuchungen über den Fortpflanzungswechsel ete. E Einfluß, als die ungeschlechtliche Vermehrung nicht nur verhältnismäßig rascher, sondern — wenn auch stark gehemmt — noch bei einem Ent- wicklungszustand der Geschlechtsorgane erfolgt, bei dem sie normaler- weise schon zum Stillstand gekommen wäre. | Die Kultur eines in Wärmekultur vom Stammtier als zweites A } schnürten Tochtertieres, das also durch die Bedingungen unter ‚denen es entstanden war die Tendenz zur Geschlechtlichkeit in sich trug, nahm folgenden Verlauf. Das Tier blieb vom 23. 11., an dem die Ablösung er- folgt war, bis zum 6. 12. ohne Anlage von Geschlechtsorganen und schnürte in dieser Zeit, und zwar am 28. 11. noch ein Tochtertier ab. Am 6. 12. konnte ich den Beginn der Bildung von Geschlechtsorganen mikroskopisch feststellen. Von da ab war an dem Tier eine starke Größenzunahme zu erkennen. Trotz dieses Wachstums und der die erste Zeit noch ganz unentwickelten Geschlechtsorgane, wurde erst am 17.12., ° als die Hoden und ÖOvarien schon zu voller Größe angewachsen waren und der Eiersack schon zu erkennen war, neuerdings eine Teilstella angelegt. Die Ausbildung des Tochtertiers nahm bei dieser. Entwick- ° lungsstufe des Geschlechtstiers 9 Tage (gegen 4—5 bei vegetativblei- ° bendem Muttertier) in he die Loslösung fand also am 26. 12. statt. Gleich nach dieser setzte wieder ein starkes Längenwachstum und damit eine bedeutende Vermehrung der Segmente ein, so daß ich am ° 10. 1. die Länge von 2,4 cm bei einer Zahl von 97 Segmenten konsta- ° tieren konnte. Die Ausbildung des Geschlechtsapparats war jetzt fertig- gestellt, und am 18. 1. konnte ich die ersten Eier in den Eiersäcken ? feststellen. Am 21. 1. wurden die ersten Eier abgesetzt. Die Segmentzahl ° war auf 105 gestiegen, und eine Messung ergab die Länge von 3cm. Als Folge dieser übernormalen Größe trat nun am 24. 1., nachdem 4 Wochen ° seit der letzten Abschnürung verstrichen waren und die geschlechtliche Fortpflanzung bereits eingesetzt hatte, neuerdings zwischen dem 78. und 79. Segment des jetzt 120 Segmente abweinenelens Tieres eine Teil- stelle auf. | Den weiteren Beobachtungen wurde noch vor erfolgter Abschnü- rung nach weiteren 5 Tagen durch den Tod des Tieres ein Ende 8“ | setzt #). Die Tatsache, daß man so an einem schon fast geschlechtsreifen, oder schon in geschlechtlicher Fortpflanzung begriffenen Tier noch Tei- ° lungen beobachten kann, führt D. Udekem zu der Anschauung, daß ein Nebeneinander beider Fortpflanzungsarten ganz allgemein die Regel wäre. Daß dies nicht der Fall ist, kann ich, abgesehen von Stylaria lacustris, nur noch für Ophidonais serpentina behaupten, doch geht aus Bemer- 4) Anmerkung: Vorgreifend möchte ich hier nur noch erwähnen, daß «in diese Kultur das letzte am 24. 1. mit der Abschnürung beginnende Tochtertier bereits nach 4 Tagen, ehe noch die Bildung der Kopfsegmente über die ersten Anfänge hinaus was schon donekeh die Anlage von Geschlechtsorganen erkennen ließ. i 7 > gi R ey w. Lipps, Experimentelle Untersuchungen über den Fortpflanzungswechsel ete. 30% kungen von Tauber, Vejdovsky und Semper, das gleiche auch für die übrigen Naididen hervor. Während aber Tauber für das plötz- liche Verschwinden jeder Teilungsstelle eine Resorption der zuletzt an- gelegten Zooide annimmt, habe ich bei Stylaria lacustris nie einen solchen Vorgang beobachten können, sondern es wurden die zuletzt angelegten Tochtertiere, wenn auch oft erst nach längerer Zeit, so doch schließlich immer in normaler Weise abgeschnürt. Anders scheinen die Verhältnisse bei C'haetogaster zu liegen, doch habe ich darüber keine Beobachtungen angestellt, sondern entnehme es nur den Angaben, die Semper in seiner „Biologie der Oligochaeten“ über diese Gattung macht. Er gibt die Abbildung eines fertigen Ge- schlechtstieres von Chaetogaster und fährt nach Hinweis auf den Zustand der Geschlechtlichkeit in folgender Weise fort: „Zugleich aber sieht man, daß das Tier noch Spuren von drei eigentlichen Knospungszonen, sowie einer Afterzone zeigt. Diese sind aber ausnahmslos unbestimmt in ihren Konturen, namentlich nach der Kardialseite hin, was wirklich entwick- lungsfähige Knospungszonen nie in solchem Maße sind. Entscheidend aber scheint mir die Tatsache zu sein, daß keine derselben, selbst nicht die älteste, zweite, eine Teilung in eine Rumpf- und eine Kopfzone, noch auch die Anlage des Schlundringes erkennen läßt.... Das ist aber ent- schieden nicht der Fall; und es ist damit, wie mir scheint, erwiesen, daß das Tier allmählich auch die geringen Spuren der früheren Zooide verloren haben würde.‘ In diesen Vorgängen sieht Semper dann weiter- hin auch die Erklärung für die bedeutend höhere Segmentzahl des Ge- schlechtstieres von C'haetogaster im Vergleich zum gewöhnlichen Einzel- tier und schließt so weiterhin, daß die angelegten „Zonen“ nicht im eigent- lichen Sinne resorbiert, sondern vielmehr umgebildet und weiter ausge- bildet würden und somit das vorderste, geschlechtliche Zooid mit den drei hinteren zu einem „neuen wirklichen Geschlechtstier‘ verbunden wird. Was die Gattungen Nais und Stylaria anbetrifft, kann er dagegen ebenso wie ich die diesbezüglichen Angaben Tauber’s nicht bestätigen, sondern ist der Ansicht, daß auch die letzten Toochtertiere in normaler Weise ab- geschnürt werden, während die oft bedeutende Größenzunahme des Ge- schlechtstiers durch einfache Wachstumsvorgänge des Hinterendes er- ‚reicht wird. Aus der im vorstehenden gegebenen genaueren Beschreibung geht hervor, daß die geschlechtliche Form anfänglich sich noch durch Teilungen -fortpflanzen kann. Das ist es wohl, was Schultze zu der Ansicht geführt hat, daß ganz allgemein das vegetative Tier zur Anlage von Ge- . ‚schlechtsorganen unter gegebenen Umständen befähigt sei, und ihn so die Annahme zweier verschiedener Formen und weiterhin eines Generations- wechsels verneinen läßt. Ehe ich dazu Stellung nehme, möchte ich noch auf eine Reihe von _Vorfragen eingehen, die hierfür von Bedeutung sind. * 20 nr 308 W. Lipps, Experimentelle Untersuchungen über den Fortpflanzungswech Beobachtungen an den von Geschlechtstieren TER erzeugten i Tochtertieren. ! BR Nachdem ich so bei Stylaria lacustris zwei, wenn auch nicht in Ge- stalt und Organisation, so doch physiologisch verschiedenwertige ren unterschieden habe, ist nun die Entscheidung von besonderem Interesse, zu welcher der beiden die ungeschlechtlich von der später geschlecht- lich werdenden Form hervorgebrachten Tiere gehören. Aus einer Reihe zu diesem Zweck angesetzter Versuche ging folgendes hervor: ‚Wird ein Geschlechtsorgane anlegendes Tier: mit seinen durch Tei- lung entstandenen Nachkommen weiterhin in Wärme belassen, so legen auch diese Geschlechtsorgane an. Im allgemeinen verstreicht auch bei ° ihnen von der Zeit der Abschnürung bis zur ersten Anlage der Hoden und Ovarien eine Zeit von 10—20 Tagen. Es verhalten sich diese Nach- kommen also genau wie direkt vom Stammtier in Wärme abgeschnürte Tochtertiere. Eine bedeutende Verkürzung des Zeitraums bis zum Sicht- barwerden der Geschlechtsorgane ist nun aber in den Fällen zu konsta- tieren, wo die Geschlechtlichkeit des Muttertiers schon: eine sehr hohe F Ausbildung erfahren hat, oder gar schon die ersten Eier von diesem ° abgesetzt sind. Tritt dann noch einmal ein Teilungsvorgang auf, so kann es unter Umständen so weit kommen — und ich habe das in drei Fällen zu beobachten Gelegenheit gehabt;(s. auch Kultur S. 19) — daß schon ° ‚mehrere Tage vor der Abschnürung am Tochtertier Hoden und Ovarien zu erkennen sind. Die Anlage der Geschlechtsorgane noch vor der Ab- schnürung hat aber ihren Grund nicht nur in der verzögerten Ablösung — für die ich Hemmungen, die durch das Vorhandensein der Geschlechts- organe im Tier bedingt sind, verantwortlich machen möchte —, sondern | zugleich in einer Beschleunigung der geschlechtlichen Entwicklung selbst, wie das schon aus der S. 19 beschriebenen Kultur hervorgeht, in der ' das zuletzt noch mit der Abschnürung beginnende Tochtertier bereits nach ; 4 Tagen, vom ersten Beginn der Teilung an gerechnet, die Anlage von # Geschlechtsorganen erkennen ließ. Daraus und aus einer jetzt gleich zu IR Beobachtung glaube ich eine größere Neigung zur Geschlechtlichkeit bei solchen Tieren, ° als bei unter gleichen Bedingungen von rein vegetativen Individuen er- zeugten, ableiten zu können. Ich brachte nämlich vegetative Nachkommen von noch latenten, oder noch nicht reifen Geschlechtstieren gleich nach“ | ihrer Abschnürung in tiefe Temperatur und konnte nun des öfteren beob- achten, daß nicht nur sie, sondern auch einige ihrer Tochtertiere, deren R ganze Anlage und Abschnürung bei dieser, Geschlechtlichkeit sonst nicht. F hervorrufenden Temperatur vor sich ging, geschlechtlich wurden. Unter ’ anderen Fällen war folgender besonders klar. Ich brachte ein Tier, das noch keine Teilstelle zeigte, aber die ersten f Spuren von Geschlechtsorganen erkennen ließ, aus Wärmekultur in 129, 4 Nach 8 Tagen wurde die erste Spur einer kommenden Teilung bemerk- } bar. Sie kam nach weiteren 10 Tagen zum Abschluß. Das so entstehende Tochtertier isolierte ich, beließ es aber unter derselben Temperatur und hi en wu m Er u En 4 PEN al: “ Er I 2 DE a 5 ui DRsah “ R #> u « N, Lipps, hen; Untersuchungen über den Fortpflanzungswechsel ete. 309 | konnte nun achon nach 5 Tagen die Anlage von Hoden und Ovarien E erkennen. Dieses Tier, das seine ganze Entwicklung unter Bedingungen durchmachte, die sonst nie Bildung von Geschlechtsorganen hervorrufen, N ging also trotzdem zur Geschlechtlichkeit über, eine Erscheinung, die _ ich in anderen Fällen nie zu beobachten Gelegenheit hatte, und wohl der Abstammung von einem Geschlechtstier zuschreiben darf. Läßt sich das Resultat meiner Versuche nun dahin zusammenfassen, daß im allgemeinen die vegetativen Abkömmlinge der Geschlechtstiere sich ebenfalls zu Geschlechtstieren entwickeln, so geht aus weiteren Unter- suchungen doch eine Einschränkung dieser Behauptung hervor. } Von einem Geschlechtstier, bei dem gerade die erste Anlage der Ge- schlechtsorgane zu beobachten war, brachte ich nämlich in einem anderen Falle ein abgeschnürtes Tochtertier, das selbst noch keine Geschlechts- -organe besaß und noch keine Teilstelle zeigte, in Kältekultur von 12°. -Nachdem.es, ohne noch von Geschlechtlichkeit eine Spur zu zeigen, ein - Tochtertier abgesetzt hatte, kultivierte ich dieses nun mit seinen vege- tativen Nachkommen bei gleichen Bedingungen über eine Zeit von 31% N Monaten und konnte dabei weder bei ihm, noch’ bei seinen SADkUmmLIR BEN - Fälle von Geschlechtlichkeit konstatieren. Für das Auftreten vegetativer Individuen während der Spätsommer- _ und Herbstmonate scheint mir dieser Versuch eine Erklärung liefern zu können. Er ist ferner von Interesse, weil er gegen die Annahme eines _ gesetzmäßigen Generationswechsels bei Stylaria ins Feld geführt werden - könnte. Ich möchte nicht so weit gehen, vielmehr schließe ich aus ihm, daß der Einfluß der Temperatur ein so starker und vielseitig wirkender ist, daß er den Generationswechsel abändern und selbst bei Tieren, die eigentlich durch die Art ihrer Entstehung zu Geschlechtstieren vorbe- stimmt sind, die Entwicklung der Geschlechtsorgane verhindern kann. ‘Um in. den Zusammenhang zwischen geschlechtlicher. Entwicklung und Temperatur weiteren Einblick zu gewinnen, nahm ich Beobachtungen . über etwaige Regeneration der künstlich entfernten BR RRLEIRSINENNE Vor, die ich im folgenden schildern will 5). Pe in ie . tt a a _ a, are N R _ Einfluß der Temperatur bei Mosencretton der eschlecehtssegmente. Zwei große Geschlechtstiere, denen ich mit einem Messer die vorderen | 10 ‘Segmente mit den darin enthaltenen Geschlechtsorganen entfernt hatte, 2 setzte ich in einer kleinen Glasdose mit etwas Futter bei einer konstanten. v Temperatur von 22° in Kultur. Der Versuch verlief folgendermaßen : = Bis zum 4. Tage war bei beiden Exemplaren mikroskopisch, soweit das am lebenden Tier möglich ist, eine Veränderung nicht zu konsta- ; tieren, doch war ein Verschluß der Wunde in dieser Zeit wohl erfolgt, & da am 5. Tage sich bereits Wachstumserscheinungen zeigten, die schon Den. Tage zu einem kleinen, aber doch in der Hauptsache fertigen Rüssel Ber di; - 5) Anmerkung: Daß bei Oligochaeten eine Regeneration der Geschlechtsorgane statt- “ finden En: ist bereits 1912 durch Janda an Criodritus lacuum beobachtet worden. 310 WW. Lipps, Experimentelle Untersuchungen über den Fortpflnzungewechul etc. 7 gediehen waren. Das neu entstehende Gewebe, das sich bis dahin Braten Schnittstelle und der Basis des Rüssels gebildet hatte, nahm noch kaum mehr als die Hälfte eines Segmentes ein, doch waren bereits am 7. Tage die Augen am Kopflappen zu erkennen und war dieser bis. zum 9. Tage, | wenn auch klein, so doch in der Hauptsache fertiggestellt. Über die Zahl der an dieser Stelle, außer dem Kopflappen, neu sich bildenden Segmente kann ich keine genaue Angabe machen, da sie, stark zusammengedrängt i und ohne deutlich sich abhebende Grenzen, eine genaue Untersuchung not- wendig gemacht hätten, die am lebenden Tier nicht angängig war. Doch ist wohl anzunehmen, daß die in der Folge sich regenerierenden Ge- ° schlechtsorgane alle in diesem, sich neu bildenden Teile des Tieres ent- standen sind. Bis zum 16. Tage war nun irgendeine darauf hindeutende Veränderung noch nicht wahrzunehmen. Dies änderte sieh aber bei beiden Tieren in merkwürdiger Übereinstimmung in den nächsten Tagen, wo in rascher Aufeinanderfolge Samenblasen, Ovarien und Eiersack im Tiere entstanden, so daß am 24. Tage Geschlechtsapparat und Olitellum fertig regeneriert waren. Ungeschlechtliche Fortpflanzung war während dieser Zeit und auch späterhin nicht zu beobachten, sondern es verhielt sich dieses Tier in allen Punkten genau wie ein anderes, normales Geschlechtstier. Der Versuch zeigt nun, daß bei Stylaria die operativ entfernten Ge- schlechtsorgane wieder regeneriert werden können, ebenso wie das für an- dere Oligochäten schon gezeigt worden ist. Bei Stylaria ist aber nun Inso- fern ein Unterschied vorhanden, als bei ihr der Besitz von Geschlechts- 4 organen nur ein zeitweiser ist. Die Geschlechtsorgane sind nicht ein dauernder und unbedingt notwendiger Bestandteil im Organismus, wie sie das bei anderen Oligochäten ohne vegetative Fortpflanzung sind, sondern sie werden, wie das aus früheren Kapiteln hervorgeht, nur unter gewissen Temperaturbedingungen im Tiere gebildet. In dem Falle beiStylarıa sind also zwei Möglichkeiten bei der Regeneration ins Auge zu fassen. Ent- weder es ist auch hier wieder die Temperatur der ausschlaggebende Faktor, ebenso wie bei dem erstmaligen Übergang zur Geschlechtlichkeit; dann wäre es ohne Bedeutung ob das Tier vorher schon geschlechtlich war oder nicht, sondern es würde eine Regeneration der vorderen Segmente bei höherer Temperatur immer eine Bildung von Geschlechtsorganen mit sich führen. Oder aber die erstmalige Anlage der Geschlechtsorgane hat ein- greifende physiologische Veränderungen im Tier zur Folge gehabt; dann ° müssen bei der Regeneration die Geschlechtsorgane unabhängig von der Temperatur wieder gebildet werden, ebenso wie das bei allen dauernd ge- schlechtlichen Oligochäten der Fall ist. Um das zu untersuchen setzte ich bei einer konstanten Temperatur von 12° eine weitere Kultur an und nahm zu diesem Zwecke ein großes Geschlechtstier mit 78 Segmenten, von denen ich die vordersh 10 PETAIN E entfernte. Die Ergebnisse waren folgende: Das Tier war schon den ganzen Monat vor Ausführung der Operation F unter 120.in Kontrolle gewesen und hatte, wie das bei einer so tiefen Tem- peratur und der schon vor Wochen erlangten Sean nicht anders - wann 4 ee w Lipps, neiteile BE ikhungen über den Fortpflanzungswechsel ete. 311 & erwarten war, die ganze Zeit über keinerlei Teilungsvorgänge mehr gezeigt. Nach Ausführung der Operation ging nun die Regeneration der vorderen Segmente wie in Wärmekultur vor sich. Nach Ablauf von 9 Tagen war der Kopflappen mit Rüssel und Augen, wenn auch noch nicht in voller Größe, neu gebildet und schon am 16. Tage der Kultur war die ganze Regeneration vollendet. Während der nächsten 8 Tage war von irgend- einer Veränderung, oder gar Neubildung von Geschlechtsorganen, nichts zu bemerken. Dies änderte sich mit dem 25. Tage, wo ungefähr in der Mitte des Tieres die ersten Anzeichen einer Teilstelle zu beobachten waren. Dieser folgte 3 Tage später eine zweite, nach weiteren 2 Tagen eine dritte, worauf.2 Tage später, also am 32. Tage der Kultur, das erste Toochtertier abgeschnürt wurde. Nach 3 Tagen war wieder eine Teilstelle angelegt und am selben Tage erfolgte auch die Abschnürung des zweiten Tochtertieres. Während der ganzen Zeit fand eine Anlage von Geschlechtsorganen nicht statt. Leider ging nun das zur Kultur gesetzte Tier im Laufe der nächsten Tage ein, so daß ich weitere Beobachtungen nicht mehr anstellen konnte. So geht aus den vorstehenden beiden Versuchen vor allem einwand- frei hervor, daß ein Geschlechtstier, dem die Geschlechtssegmente ent- fernt worden sind, bei der Regeneration des fehlenden vorderen Teiles - die Geschlechtsorgane nur dann wieder anlegt, wenn diese Neubildung unter der Einwirkung einer Temperatur von ungefähr 18° an aufwärts ' vor sich geht; andernfalls findet eine Rückkehr zur vegetativen Fortpflan- zung statt. Es hängt demnach auch bei dem schon einmal geschlechtlich gewesenen Tier die Wiederbildung der Organe von genau denselben Be- - dingungen, wie ihre erstmalige Anlage ab. Daraus geht deutlich hervor, wie gering die Unterschiede zwischen der vegetativen und der geschlecht- ‚lichen Form sind. Es ist also möglich, ein schon einige Zeit reifes Ge- schlechtstier durch künstlichen Eingriff wieder zur rein vegetativen Fort- pflanzung zu bringen und es — wie ich wohl annehmen darf — dauernd bei dieser zu erhalten. Andererseits scheint mir auch das Resultat des umgekehrten Versuches — den ich allerdings wegen Mangel an vegetativen "Tieren nicht mehr ausführen konnte — außer Zweifel, daß es nämlich möglich ist, das seiner vorderen Segmente beraubte Stammtier durch Re- generation dieser in Wärme in ein Geschlechtstier überzuführen.. Man ‚darf nun aber nach diesen Feststellungen nicht unter natürlichen Bedin- - | gungen ein ähnliches Schwanken des Individuums zwischen den zwei Fort- pflanzungsarten erwarten. Ich werde im Gegenteil, wie schon weiter oben für die ungeschlechtliche, so auch für die geschlechtliche Fortpflanzung Beobachtungen zu bringen haben, welche zeigen, daß die einmal erworbene - Geschlechtlichkeit nicht wieder rückgängig gemacht wird. Ehe ich aber darauf zu sprechen komme, möchte ich noch kurz auf die Frage eingehen, wie man sich denn das Wesen dieser Temperatur- - wirkung zu denken hat. Es stünden hierfür zwei Möglichkeiten offen. Entweder es sind spe- zifische Geschlechtszellen in den Körpergeweben des Tieres enthalten, dann bestünde die Einwirkung der Temperatur nur in einer Aktivierung ARE, 312 W. Lipps, Experimentelle Untersuchungen über den Fortpflanzungswechsel er dieser Zellen. Oder aber es sind solche spezifische Geschlechtszellen nicht vorhanden, dann würde unter dem Einfluß der Wärme eine Umbildung 4 somatischer Zellen in Geschlechtszellen bewirkt werden. Irgendwelche einen der beiden Fälie stützende Beobachtungen habe 4 ich nicht anzuführen. Für den Entscheid der Frage nicht ohne Bedeutung wäre die Feststellung, ob auch das letzte Drittel oder gar Viertel des Ge- schlechtstieres bei einer Neubildung in Wärme Geschlechtsorgane wieder 3 anlegt. Wäre das nicht der Fall, so würde dieser Umstand für das Vor- handensein spezifischer, nur über einen Teil des Tieres verbreiteter Ge- schlechtszellen sprechen. Eins ist aber sicher und muß auch in diesem Zusammenhang noch einmal besonders hervorgehoben werden. Hohe Temperatur, als der zur Geschlechtlichkeit führende Faktor, ist nicht zu jeder Zeit von Wirksam- keit, sondern bedarf eines besonderen Zustandes des Individuums auf das er einwirkt. Ging nämlich aus den Versuchen mit Stammtier und erstem Tochtertier ganz allgemein hervor, daß Wärme, wenn sie wirksam sein ' soll, auf das junge unentwickelte Tier einwirken muß, so läßt sich nach den letzten beiden Versuchen genauer sagen, daß sowohl Alter, wie ° früherer Zustand des Tieres ganz ohne Belang sind und es nur darauf an- kommt, daß zur Zeit der Wärmeeinwirkung®) die, die Geschlechtsorgane bergenden Segmente, noch in ihrer Entstehung begriffen sind. Für den Fall, daß spezifische Geschlechtszellen vorhanden sind, müßte man also annehmen, daß nur in dem sich neu bildenden Gewebe, sowohl der Knospungsstelle, wie des sich regenerierenden Teiles eine Aktivierung ein- treten kann, während anderweitig die Geschlechtszellen sich in Ruhezu- stand befänden. Ebenso ist auch die Umbildung somatischer Zellen, sofern eine solche stattfindet, nur unter diesen Umständen möglich. Außerdem ergibt sich aus dem letzten Versuch, daß Fortpflanzung durch Teilungen bei der geschlechtlichen Form nicht nur vor Anlage der Geschlechtsorgane und während dieser stattfinden kann, sondern daß die Fähigkeit zu einer solchen im Tiere überhaupt nicht erlischt. Das Auf- ° hören dieser beruht also nur auf einer augenblicklichen Hemmung, die ° durch die Entwicklung des Geschlechtsapparats bedingt ist. Es kann also in dem Geschlechtstier durch künstliche Entfernung der Geschlechtsorgane ein erneutes Auftreten von vegetativer Fortpflanzung ohne weiteres erzielt werden, und da, wie anzunehmen, bei Einhaltung entsprechender Bedin- gungen eine Regeneration der Geschlechtsorgane nicht mehr eintritt, wäre damit die Überführung eines Individuums der geschlechtlichen Form ın ein solches der vegetativen erreicht. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß ein wieder rein vegetativ gewordenes Tier auf die Dauer scheinbar nicht mehr lebensfähig ist. | Dabei ist an diesem speziellen Falle noch hervorzuheben, wie unge- heuer schnell und zahlreich die dann eintretenden Teilungen sich abspielen 6) Anmerkung: Die Frage, ob 'nun wirklich die Wärme letzten Endes der aus- 7 schlaggebende Faktor ist, oder etwa ein durch sie hervorgerufener Mangel an Sauerstoff, will ich damit nicht entschieden haben. u L er ur a si Y 2. ' 13 N 4 « mM EW. Lipps, Experimentelle Untersuchungen über den Fortpflanzungswechsel ete. 313 und sogar noch an einem Tier, das durch Verlust von 10 Segmenten ‚geschwächt war, und bei Temperaturbedingungen, bei denen Teilungen sonst viel weniger lebhaft vor sich gehen. So macht es fast den Eindruck, als ob hier durch die lange Unterbindung dieser Fortpflanzungsart Kräfte sich in dem Körper angesammelt haben — was sich auch äußerlich durch die große Länge des Tieres kundgeben dürfte — die nach Aufhebung des Hindernisses mit großer Energie zu ihrer Betätigung führen. Degeneration der Geschlechtsorgane. Nachdem ich so auf künstlichem Wege ein Zurückschlagen von der geschlechtlichen Fortpflanzung zur ungeschlechtlichen erzielt hatte, suchte ich die Frage zu lösen, ob auch unter natürlichen Bedingungen nach Ent- leerung der Geschlechtsprodukte oder Degeneration des Geschlechtsappa- rats ein solcher Vorgang stattfinden kann. Zu diesem Zwecke setzte ich Kulturen bei den verschiedensten Temperaturen an. So brachte ich einen Teil in ein ungeheiztes Zimmer, in dem die Temperatur bis auf 4° herunterging, andere hielt ich im geheizten Zimmer, wieder andere bei 12 ' und 22°. Hierbei zeigte sich nun nur insofern ein Unterschied, als in der Wärmekultur, wohl durch die von Zeit zu Zeit noch eintretenden Tei- lungen, die Exemplare am kleinsten und empfindlichsten waren, im übrigen aber war nirgends eine Rückbildung der Geschlechtsorgane, oder, sonst irgendwelche Veränderungen, durch die sich der Zustand der Geschlecht- lichkeit als ein nur zeitweiser erwiesen hätte, zu konstatieren. Nach unge- fähr 10 Wochen, nachdem eine größere Zahl Kokons abgesetzt war, gingen die Tiere stets ein und zeigten bis zu diesem Augenblick einen absolut unveränderten Geschlechtsapparat. Die Erscheinungen, unter denen sie zugrunde gingen, waren insofern ähnlich denen der Stammtiere, als auch ‚bei ihnen zuerst die Wachstumserscheinungen zum Stillstand kamen, neue Segmente nicht mehr erzeugt wurden und so die charakteristische Ver- jüngung des Hinterendes nicht mehr zu erkennen war. Auch eigentüm- ‚liche Zerfallserscheinungen einzelner Segmente, die meist von rückwärts ‚ihren Ausgang nahmen, waren zu beobachten und führten öfters schließ- lich dazu, daß der vordere noch lebende Teil eine Banze Reihe schon ab- ‚gestorbener Segmente mit sich herumtrug. | Auch meine im Freien, an einem Weiher in Possenhofen und einem anderen am Ammersee gemachten Feststellungen stimmen damit insofern überein, als ich niemals Tiere bemerken konnte, die in: irgendeiner Art Rückbildung der Geschlechtsorgane zeigten. Wenn ich auch in beiden Fällen ein Wiederauftreten vegetativer Tiere beobachten konnte, so lag ‚doch eine Zeit von mehreren Monaten zwischen ihnen und den letzten konstatierten Geschlechtstieren, so daß es sich bei den vegetativen Tieren wohl nur um neu aus Eiern ausgeschlüpfte Exemplare hat handeln können. Ebenso zeitigten auch meine Versuche, durch absoluten Nahrungs- mangel eine Rückbildung der Geschlechtsorgane zu erzielen, keinen Erfolg, “ konnte ich immerhin dabei Beobachtungen machen, die ieh anfangs A ER 7 7 : r Re % Aa 314 W. Lipps, ‚Experimentelle Untersuchungen über den Fortpflanzungswechsel etc. ” für eine Degeneration der Geschlechtssegmente hielt, und möchte sie des- halb nicht unerwähnt lassen. Es handelte sich hierbei um eine Kultur, bei der ich zwei N &r. schlechtstiere bei ca. 16° in Glasdosen in reinem, regelmäßig gewech- seltem Wasser züchtete. Am 13. Tage der Kultur setzten nun bei beiden Exemplaren merkwürdige, vom Kopf ausgehende Rückbildungsprozesse ein. Zuerst nahm die Länge des rüsselartigen Kopfanhanges bedeutend ab und war nach 3 Tagen bei dem einen Tier vollständig, bei dem anderen bis auf eine kleine Erhebung verschwunden. Während nun der Rüssel bei letzterem allmählich wieder zu normaler Größe heranwuchs, ging bei ersterem die Rückbildung weiter, so daß nach weiteren 3 Tagen der größte Teil des Kopflappens mit den darauf sitzenden Augen nicht mehr zu er- kennen war. Ihren Höhepunkt erreichten die Veränderungen am 22. Tage ° der Kultur, wo sämtliche Segmente bis zum vorderen Ende des Clitellums rückgebildet waren. Daß es sich in diesem Fall nicht um die gewöhnlichen Zerfalls- und Krankheitserscheinungen handelt, wie ich solche schon ge- ° schildert habe, glaube ich daraus schließen zu dürfen, daß ich nie tote Zellmassen und Segmentteile an der betreffenden Stelle beobachten konnte, sondern stets die Oberfläche des Tieres an der Stelle der Rückbildung einen durchaus frischen und lebenden Eindruck machte. Ich habe das Tier ' täglich mikroskopisch ein bis zweimal untersucht und dabei den Eindruck ° gewonnen, als ob hier keine Nekrose, sondern eine allmähliche physio- logische Rückbildung, ausgehend vom vorderen Ende des Kopflappens, stattfände, und erwartete nun, daß diese auch weiter auf die die Ge- schlechtsorgane bergenden Segmente übergreifen würde. Doch wurde diese ° Annahme nicht bestätigt, sondern es setzte jetzt, ohne daß ich Futter zu- gab, wieder ein Wachstum ein, das nach 3 Tagen zur Bildung eines kleinen kurzen Kopflappens mit daran erkennbarem Rüssel führte. Nach einem ° weiteren Tage waren auch die Augen wieder erkennbar und es wurde durch Streckung des Kopflappens und der übrigen neu entstandenen Seg- # mente schließlich, abgesehen von der verringerten Größe, der UNERLUN i Zustand wieder erreicht. i Nachdem ich so nie Gelegenheit hatte, eine Rückbildung des Ge- schlechtsapparats zu beobachten und einen Übergang von der geschlecht- ° lichen zur ungeschlechtlichen Fortpflanzung nur nach operativem Eingriff, so glaube ich mich zu der Annahme berechtigt, daß im allgemeinen mit der Anlage der Geschlechtsorgane für das Individuum ein Endzustand erreicht ist. So kann ich die Angabe von Tauber: „Naides moriuntur quum ova deposita sunt“, wenigstens was Ötylaria lacustris anbetrifft, nur bestätigen. In scharfem Gegensatz hierzu stehen nun die Angaben Vejdovsky' s. 3 Er ist der Ansicht, daß dieser Satz Tauber’s bestenfalls für einige Formen Gültigkeit haben könne, unter die er Stylaria lacustris nicht mit einbezieht. Er sagt: ‚...die meisten von mir künstlich gezüchteten Sty- larien gingen nach der Eiablage nicht zugrunde, sondern vermehrten sich- auch weiterhin auf dem Wege der Knospung und Teilung.“ Leider gibt’ N; ‚ & [SE 4 w. Lipps, Experimentelle Untersuchungen über den Fortpflanzungswechsel ete. 315 ‘er aber für Stylaria lacustris keine nähere Schilderung dieses Vorgangs an, so daß immerhin die Möglichkeit bestünde, daß es sich bei diesen vegetativen Individuen um vegetative Abkömmlinge der Geschlechtstiere handelte und diese selbst zugrunde gingen. Immerhin wäre aber die Mög- lichkeit eines solchen von Vejdovsky erwähnten Vorgangs nicht absolut von der Hand zu weisen, wenn auch aus meinen Versuchen nur hervor- geht, daß Geschlechtstiere nach künstlicher Entfernung der Organe wieder zu einer normalen vegetativen Fortpflanzung befähigt sind. Daß solche Rückbildungsprozesse sonst in der Familie der Naididen nicht nur vereinzelt vorkommen, sondern in einzelnen Gattungen die Regel ‚sind, geht aus weiteren Angaben von Vejdovsky hervor, in denen er auch eine genaue Schilderung der allmählichen Rückbildung der ganzen Geschlechtsdrüsen ar Chaetogaster gibt. Zusammenfassung. | Zusammenfassend lassen sich so die Resultate der vorstehenden Unter- ‚suchungen in folgenden Sätzen ausdrücken: Der Übergang zur geschlechtlichen Fortpflanzung wird bei Stylaria ‚laeustris durch die Einwirkung höherer Temperaturen veranlaßt. Doch findet dieser Übergang noch nicht bei dem von Kälte in Wärme gebrachten 'Stammtier, sondern erst bei den von ihm in Wärmekultur abgeschnürten Knospen statt. Eine Ausnahme hiervon macht nur insofern die erste Knospe, als sie auch ungeschlechtlich bleiben kann, wenn ihre Entwick- lung in tiefer Temperatur schon so weit fortgeschritten war, daß ihre Ab- schnürung schon in der allerersten Zeit der Wärmeeinwirkung vor Sich seeht. . | Mit der Anlage der Geschlechtsorgane im Individuum erlischt all- mählich die Fähigkeit zur ungeschlechtlichen Fortpflanzung und wird auch nicht mehr aufgenommen, da eine Rückbildung der Geschlechts- ‚organe bei Stylaria normalerweise nach meinen Untersuchungen nicht vor- kommt, sondern das Geschlechtstier nach der Eiablage zugrunde geht. Operativ entfernte Geschlechtsorgane werden nur dann wieder regene- -riert, wenn sich das Tier unter Temperaturbedingungen befindet, die denen entsprechen, die bei der ersten Anlage der Geschlechtsorgane wirksam waren; andernfalls findet ein Rückschlag zur vegetativen Fortpflanzung statt. k Literatur. ‚Gr uithnesen, V. P., Anatomie der gezüngelten Naide und über Entstehung ihrer Y Fortpflanzungsorgane. Noy. acta nat. eur. T. XI. 1823. Le idy, Jos., Notice of some aquatic Wörms of the family Naides. American Naturalist 1880. £ | Si Jos., Corrections a. Additions to former Papers on Helminthology. Proceed. 5 Acad. nat. Sciences 1850—51. Philadelphia 1851. Le ukart, K., Über die ungeschlechtliche Vermehrung von Nais proboscidea, Wieg- Be mann’s "Arch. £, Naturgesch. Jahrg. 17. 1851, 316 | J. G. Schaefer, Die Totenstarre ete. ER 8 L Lankester, E. Kay., The sexual Roi of Chaetogaster Limnaei. Quart. Journ. mierosc Sciene. Vol. IX. New. Ser. 1869. IN U Semper, C., Beiträge zur Biologie der Oligochäten. Arbeit a. a. bl, zool. Institut Würzburg. IV. Bd. 1877. EN Vejdovsky, Fr., System u. Morphologie der Oligochäten. Prag 1884. Udekem, Jul. D’, Not. sur ‚les organ. genit. ‚d’Aeolosoma ‚et des Ohactogaster. Bullet. Acad. roy. Belg. 2. Ser. T. XII 1861. Schulze, M, Über die Fortpflanzung durch Teilung bei Nais Proboseidea. Wiegmann’ s Arch. f. Naturgesch. 1849. Bd. I, Jahrg. 15. Schulze, M., Noch ein Wort über die ungeschl. Vermehrung | bei Nais ri Wiegmann’ s Arch. £. Pe 1852. Die Totenstarre und ihre Beziehung zur Kontraktion. Eine vergleichend-physiologische Betrachtung über die Nekrobiose der lebendigen Substanz. (Nach einem Vortrag. gehalten am 29. Juli 1919,) Von Joseph Georg Schaefer, Physiologisches Institut Bonn. (Mit 4 Textfiguren und 5 Tabellen.) Inhaltsübersicht. IR: | | L .Nekrobiose der. Einzelligen .\,.:...2..%., Sa. Kane II. Nekrobiose im Zellstaate . . . . Dee 318 Die Vorgänge bei der Totedkensre. Au Muskels Fe ie Theorien N) III. Prinzipien der nekrobiotischen Kontraktion bei der amöboiden u. fibrillären Zelle. 326 Eine Theorie der amöboiden Kontraktion . . . =: u... 2... 32% 3 Die Kontraktion der Muskelzelle als Tuhermeand‘ DE N ORT ENNE 020 Die postkontraktiven Erscheinungen der amöboiden Zellen. ia BO TV.., Zusammenfassung .. in. We. 0. ea Me ae 331 Die Erscheinungen der Totenstarre haben eine große Ähnlich- keit mit denen der Muskelkontraktion. Totenstarre - Muskeln ver-. ° kürzen sich, produzieren Wärme und reagieren sauer, wie bei der Kon- traktion. Nysten hatte recht, als er die Totenstarre „letzte An- F strengung des sterbenden Muskels nannte“, obgleich diese Definition ° gar nichts über den Mechanismus der Totenstarre aussagte. 4 I. Nekrobiose der Einzelligen. Die vergleichende Physiologie zeigt, daß nicht: allein die eilbng 4 Muskelzelle dem Schicksal der Totenstarre anheimfällt. Ausgangspunkt für das Verständnis aller Lebenserscheinungen bildet die lebendige Sub- ” stanz in ihrer elementarsten Form, die Zelle; die nekrobiotischen ° Prozesse werden sich bei der einzelnen Zelle leichter analysieren lassen als beim hochdifferenzierten Muskel. Untersuchen wir nun die Ab- “ sterbeerscheinungen bei den Protozoen. Besonders geeignet sind die formwechselnden Rhizopoden. Reizt man eine Amöbe, so zieht sie sofort. k ihre Pseudopodien ein, das Protoplasma nimmt eine kugelförmige Ge- q stalt an, kontrahiert sich. Tötet man sie ab, so stirbt sie in Kontraktion. ° Die Einzelheiten hierbei lassen sich in aller Deutlichkeit verfolgen, F is I WW arar BT u G. Schaefer, Die Totenstarre etc. 317 _ wenn für ein allmähliches Absterben Sorge getragen wird. Dies läßt sich erreichen durch Ausschalten des Zellkerns. Betrachten wir die Degenerationsvorgänge an kernlosen Protoplasmamassen etwas genauer. Man schneidet von Defflugia lobostoma eines der fingerförmigen Pseudo- podien unter dem Mikroskop ab. Sofort nach der Durchtrennung kon- trahiert sich infolge des heftigen Reizes das kernlose Protoplasma- stück, das Protoplasma scheidet sich in zwei verschiedene Substanzen; eine stärker lichtbrechende zieht sich in der Mitte des Pseudopodiums zusammen, die andere mehr hyaline sammelt sich an der Peripherie an. Nach einiger Zeit vermischen sich beide jedoch, die durch die Reiz- kontraktion ‚bedingte Kugelform wird gestreckt und neue Pseudopodien ausgesandt. Das Protoplasma ist vollkommen homogen und zeigt die Lebensäußerungen des unverletzten Tieres. Nach einer Stunde ungefähr "wird die Degeneration sichtbar. Die Ausstreckung der Pseudopodien wird ‚langsamer, bis sie endlich ganz ausbleibt. Das Protoplasma zieht sich zur vollkommenen Kugelform zusammen und verharrt in dieser Kontrak- tion bis zum körnigen Zerfall. ' Fig. 1.. A Amöbe, normal; B im Absterben. ‚Fig. 2. Difflugia lobostoma mit zwei aus dem Sandgehäuse tretenden Pseudopodien, von denen das größere durch einen Schnitt abgetrennt wird. Daneben von links oben bis rechts unten die Veränderungen, welche die abgeschnittene Protoplasmamasse im Verlauf einiger Stunden durchmacht. Zuerst normale Bewegung durch ‚Pseudopodienbildung, schließlich Absterben in der Rue ER (nach Verworn). Infolge der IN EwieinGenckenischiin verliert die Zelle ihre Blasti- 318 J. G. Schaefer, Die Totenstarre ete. jeden Druck ausgleicht. Mit Neutralrot gefärbte Paramaecien (Vital- färbung), die mit Chloroform abgetötet waren, wurden einige Stunden nachher blau. Dieser Farbenumschlag darf wohl auf postmortale Säure- bildung zurückgeführt werden. Die Kontraktion dauert so lange an, bis das Zelleiweiß gerinnt. Gerinnung schließt die Kontraktion aus. Darauf beruhen die Konservierungsmethoden in der mikroskopisch-anatomischen Technik, nämlich die Zellen durch ein gerinnungsförderndes Agens zu überraschen und so eine postmortale Formveränderung möglichst auszu- schalten. Erst mit dem körnigen Zerfall ist die Entwicklung des Todes beendet. Besonders interessant ist Vorticella, ein glockenförmiges Infu- sor, dessen Stiel, in den eine „glatte Muskelfaser‘ eingebettet ist, auf irgend einem Fremdkörper festgeheftet ist. Tötet man es ab, so rollt sich, wie bei jedem Reiz, der Stielmuskel spiralig auf. Nach Lösung der Kontraktion erschlafft der Stiel und läßt sich durch keinen Reiz mehr beeinflussen; das Tier ist tot. Ein weiterer nekrobiotischer Prozeß, der sich besonders bei Oolpidien beobachten läßt (bei Narkose und Hunger) folgt der Kontraktionsphase. Die Zellmembran zeigt hyaline Ausstülpungen des Ektoplasmas, der ganze Zellkörper ist durch Va- kuolen deformiert. / Fig. 3. Colpidium colpoda Vakuolenbildung bei Äthernarkose, Die vergleichende Betrachtung über die Nekrobiose der einzelnen Zelle ergibt: | | Die lebendige Substanz stirbt im Kontraktionszustande ab. Er bildet den Anfang der degenerativen Prozesse, deren Ende der körnige Zerfall ist, entsprechend Totenstarre und ihre Lösung. Die Degenerations- kontraktion und ihre Erscheinungen sind identisch mit denen der vitalen Kontraktion, der Reizkontraktion des unverletzten leben- digen Systems. \ < r x 4 fi u a N R £ N Ze 1 An a cn > A nn A a ET > II. Nekrobiose im Zellstaate. Beim Muskel ist die Kontraktilität am ausgeprägtesten. In der Zelle war sie eine allgemeine Lebensäußerung, im Zellstaate, der jede Funktion nur von ganz bestimmten Zellkomplexen verrichten läßt, ist sie Eigenschaft der Muskeln. Deren Funktion ist die Leistung eines moto- rischen Effekts in bestimmter Richtung. Durch diese Anpassung besitzt die Muskelzelle im Vergleich zum nackten Rhizopodenplasma einen an- deren Bau, eine fribrilläre Struktur, die ihr die Bewegung in einseitiger J. G. Schaefer, Die Totenstarre ete. 319 - Richtung gestattet. Das Organ für die Kontraktion wird also am deut- lichsten die Absterbeerscheinungen zeigen. Die Vorgänge bei der Totenstarre des Muskels und ihre i Theorien. Betrachten wir den Gang der Totenstarre speziell am Menschen. Der gleiche Typus besteht, abgesehen von belanglosen Abweichungen auch beim Tiere. 3—6 Stunden nach dem Herzstillstande, je nach Temperatur, tritt sie ein. Zuerst werden Herz und Zwerchfell von der Starre ergriffen, wie neuere Untersuchungen ergeben haben; dann folgen die Skelettmuskeln dem sogen. Nysten’schen Gesetz: Unterkiefer, Nacken, Gesicht, Rumpf-, obere und zuletzt die unteren Extremitäten- muskeln. Beim Embryo vor dem 7. Monat fehlt die Totenstarre. Nach einiger Zeit, bei höherer Temperatur schneller als bei niedrigerer, ver- schwinden diese Symptome, die Tootenstarre löst sich. Kommen wir jetzt zu der Theorie, die diese rätselhaften Erscheinungen zu erklären sucht. Nachdem Kühne gezeigt hatte, daß das dem Muskel ausgepreßte - Plasma ähnlich wie das Blut außerhalb des Körpers gerinnt, führte man die Totenstarre auf die Gerinnung eines Muskeleiweißstoffes, des Myosins, zurück. Das Myosin (von Kühne zuerst‘ untersucht) ist ein spezifischer Eiweißkörper aus dem Sarkoplasma der Muskelzelle. (Koagu- - lationstemperatur 470 C.) Es hat nach v. Führt Globulincharakter; es ist in Wasser unlöslich, dagegen leicht löslich in verdünnten Salz- lösungen, durch verdünnte Säuren fällbar, im Überschuß der Säuren lös- lich. Myosin gerinnt sehr leicht, ist aber dann in Salzlösungen wieder löslich, für welchen Eiweißkörper v. Führt den Namen Myogen an- _ wendet. Halliburton hielt die Totenstarre für eine Myosingerinnung, hervorgerufen durch ein Myosinferment, das sich im absterbenden Muskel bildet. Schon seit E. du Bois-Reymond wußte man, daß der Muskel beim Absterben sauer reagiert. Kath. Schipiloff (1882) stellte sich vor, daß diese postmortal sich bildende Säure die Muskeleiweiß- körper zur Gerinnung bringt. Diese Theorie wurde scheinbar da- durch gestützt, daß der ausgeschnittene Muskel durch Erhitzen, was doch auch eine Koagulierung der Eiweißkörper zur Folge hat, starr wurde. Im Gegensatz zu der Gerinnungstheorie steht die Kontraktions- - theorie, die in der Tootenstarre einen aktiven Vorgang in der Muskelsub- stanz sieht. Verschiedene Autoren gaben postmortal im Muskel sich bil- - dende Stoffe an, die als Reiz eine Kontraktion veranlassen sollten. .. Immer mehr aber wurde man sich der vielfachen Analogien zwischen _ Totenstarre und vitaler Muskelkontraktion bewußt, die Mae Dougall (1898) als erster scharf betonte und für beide Vorsange die Milchsäure verantwortlich machte. Auch wurden die Bedenken gegen Kühne’s Theorie größer, da sie viele Erscheinungen der Totenstarre nicht er- B _ klärte, einigen sogar widersprach. Zuerst war es die Lösung der Starre. | Soweit man für diesen Vorgang eine Erklärung gab, wurde er auf eine 320 5. 6. Schaefer, Die Totenstarre et. ER Lösung der geronnenen Muskelsubstanz durch Fäulnisprozesse, Autolyse- ; oder durch Überschuß der postmortalen Milchsäure zurückgeführt. Aber die Tatsachen, daß die Lösung der Totenstarre unabhängig von der Fäulnis erfolgt (Bierfreund), die autolytischen Prozesse so minimal’ ° sind, daß die Verdauung des ganzen Muskeleiweißes durch autolytische Fermente unmöglich erscheint, ließ in der Lösung der Totenstarre das schwerwiegendste Argument gegen die Gerinnungstheorie erstehen. Be- züglich der Autolyse müßte es gelingen, die bei dieser hypothetischen Selbstverdauung frei werdenden großen Mengen Stickstoff im Muskel- extrakt nachzuweisen. Davon ist aberkeine Rede. Vielmehr läßt sich dieEr- scheinung, daß der Muskel nach Lösung der Totenstarre viel mehr Saft aus- pressen läßt, anders ungezwungener deuten als mit der Annahme, das bei der | Starre geronnene Eiweiß löse sich nach deren Beendigung, wie wir später sehen werden. Auch kann koaguliertes Eiweiß in Milchsäure bei nor- maler Temperatur nicht gelöst werden. Auch konnte v. Führt zeigen, daß die postmortale Säurebildung des Muskels zwar ausreicht, um das Myosin zur Gerinnung zu bringen, aber daß der Eintritt des Maximums der Säurekonzentration zeitlich nicht mit dem Eintritt der Totenstarre zusammenfällt: Die Totenstarre erfolgt schon, wenn erst nur ein Bruchteil der zur Gerinnung erforderlichen Säuremenge VoT- handen ist. Also bleibt die Frage nach der Lösung der Muskeistarre 4 vom Standpunkt der Gerinnungstheorie offen. Unerklärt blieben ferner ” das Nysten’sche Gesetz und die nach hochgradigen Muskelanstrengungen eintretende kataleptische Starre, weiterhin die Tatsache, daß Wärme die Lösung der Totenstarre beschleunigt. Setzt man einen frischen Muskel sogleich einer Temperatur von 390 C aus, so müßte nach -der Gerinnungs- 3 theorie eine deutlichere Starre resultieren, da die Wärme die Gerin- nung: befördert. Aber das Entgegengesetzte tritt ein: die Starre wird aufgehoben. Mit vielen Erscheinungen der chemischen Starre steht die Gerinnungstheorie ebenfalls im Widerspruch. Gifte, wie Coffein, Vera- trin, monobromessigsaures Natron, Chloroform, Chinin etc. bewirken zwar eine Starre und fördern die Koagulierung der MUSKeleIN EL Ur E Aber andere sehr intensive Fällungssubstanzen lassen jede Starre ver- missen, z. B. Rhodannatrium und salizylsaures Natron. Spritzt man da- 4 gegen in einem Muskel eine 5 Yige Fluornatriumlösung ein, so tritt momentan eine Muskelstarre höchsten Grades auf, ohne daß im Roagens- | glas eine Eiweißfällung mit Fluornatrium zu erzielen wäre. Ein neuer Zweig der physikalischen Chemie, die Kollöniihemie ! wagte sich an das rätselhafte Problem heran, und ihr war es beschieden, eine wirklich brauchbare Theorie zu schaffen, die allen uns bis jetzt bekannten Vorgängen gerecht wurde. "Bekanntlich quellen Kolloide in. Wasser. Legt man einen Gelatinewürfel in Wasser, so bindet er eine bestimmte Menge des flüssigen Mediums, derart, daß 8 sich vaur | durch einen großen Druck ihm reihen läßt. K. Sp 0 ‚chte Ri nun die BI Aalen daß die a durch Re, i p! Bi iR E v ‘Pr } . & e: MT A N DE AS Eee ed‘ B sul BO u. \ j er]? ’ rn J. G. Schaefer, Die Totenstarre etc. 3941 ale Säuremenge zugesetzt ist, die mehrfache Menge zu binden als von reinem Wasser. 1 Teil Leim bindet eine etwa 5fache Menge in n/500-HCL. Die Wasserabsorption durch Kolloide geht unter _ Wärmeentwicklung vor sich (Rosenbohm) und übt dabei _ einen größeren Druck aus, der z. B. für eine 25%ige Gelatine zu 1250 \ _ Atmosphären berechnet wurde. Die Hydratation von Gallerten kann _ durch Verdunsten des Wassers oder durch mechanische Mittel rever- = sibel gemacht werden. Dehydrierend wirken besonders die Neutralsalze. “ Durch den Antagonismus von Säure- und Neutralsalzwirkung auf die - Kolloide kam M. H. Fischer zu der Ansicht, eine für Froschmuskeln isotonische und isosmotische Kochsalzlösung müsse die notwendige Kon- - zentration haben, die gerade die postmortale Säurewirkung kompensiere. 3, ‚ Diese Verhältnisse gelten für alle kolloidalen Systeme. W. Pauli und seine Schüler besonders haben es für die Eiweißkörper nachgewiesen. Faktoren, die eine Ionisation des Eiweißes bedingen, also Säuren, bewirken eine Quellung, während Entio- nisierung (Neuträlsalze) mit einer Entquellung paral- Ei: geht. Eine der physiologischen NaÜl isotonische Zuckerlösung kann aus dem Grunde (obgleich sie genau wie diese die Entfernung der post- _ mortalen Säure begünstigt) diese nicht ersetzen, weil die Entionisierung und Dehydrierung Nichtelektrolyten unmöglich ist. | Bereits den Theorien von Hofmeister und Engelmann be- sonders lagen Vorstellungen von Quellung und Wasserverteilung bei der | "Kontraktion zwischen den Differenzierungen der Muskelfaser zugrunde, Sie stützen sich auf die Vorgänge, die mikroskopisch an der querge- - streiften Muskelfaser zu beobachten sind. | Bei der Kontraktion nimmt nach Engelmann’s Beobachtungen jedes Muskelsegment (anisotrope Schicht) an Breite zu, die zwischen den Segmenten gelagerte isotrope Schicht an Volumen ab; dagegen bleibt das Gesamtvolumen der Muskelfaser doch konstant. Engelmann ‚schloß aus seinen Untersuchungen, daß bei der Kontraktion Flüssigkeit aus der isotropen in die anisotrope übertritt und zum Quellen bringt. 0. v. Führt und E. Lenk waren es, die sich zuerst mit der Frage be- { ‚schäftigten, ob die Erscheinungen der Totenstarre nicht auch in Quel- lungsvorgängen ihren Grund hätten. Die Entwicklung der Kolloidchemie ‚ermöglichte es, dieser Anschauung eine feste Basis zu schaffen. Das ns saure Stoffwechselprodukt der Muskelzelle ist die Milch- äure. Sie stammt in erster Linie aus dem Glykogen, als primäres Zer- | fe Hallsprodukt des Zuckers. Manche Forscher glaubten, sie (die Milch- säure) entstehe durch Desamidierung von Aminosäuren, besonders des Al lanins. Man war lange Zeit geneigt, das letztere anzunehmen, da 8 ch keine direkte Beziehung zwischen Kioohlehydratabbau und Milch- rebildung nachweisen ließ. Aber durch sorgfältige Untersuchungen, onders von Parnas, konnte doch Hoppe-Seyler’s Annahme . der Milchsänrebildung. aus Kohlehydraten als feststehend betrachtet D. aantinge erfolgt die Seen. nicht direkt aus dem Gly- 21 4 RL Pl ’ LM 7 N r \ \ \ EN er TR a GR NisE d", „u ı 4 EL iR wi ir & 322 J. G. Schaefer, Die Totenstarre etc. kogen, sondern es existiert noch eine Zwischenstufe, in welche die Kohlehydrate anaörob übergeführt werden. Ob diese Vorstufe, das Lac- tacidogen, eine Hexosephosphorsäure ist, bleibt. dahingestellt. Die mit der Kontraktion einhergehende Milchsäurebildung wird im Entstehen $ durch die Gewebstflüssigkeit unterdrückt. Der lebende Muskel neutrali- E siert sofort jede Säurebildung. Aber nach dem Tode reagiert er sauer. Denn infolge des Kreislaufstillstandes konzentriert die entstehende und nicht mehr abgebaute Säure sich immer mehr. Durch Erhöhung des Sauer- stoffpartiardruckes bleibt beim ausgeschnittenen Muskel die Totenstarre aus, wie Winterstein gezeigt hat, infolge sofortiger Zerstörung der Milchsäure. Die Totenstarre ist gleichsam eine Erstickung des Muskels. Die postmortale Milchsäure, die in den Muskelelementen auftritt, bedingt die große Quellbarkeit der Fibrillen auf Kosten des Sarkoplasmas und somit die Verkürzung des ganzen Muskels. Die Wärmetönung absterben- der Muskeln erklärt sich durch die Quellungswärme. Die Rückbildung ‘ der Starrekontraktion im Anfangsstadium bei Einleitung einer künst- lichen Zirkulation (Brown-Sequard, Stannına) beweist die Re- versibilität des Quellungsvorganges. Über die Lokalisation der Wasserverschiebung finden wir in der Literatur diametral entgegengesetzte Beobachtungen, die darauf zurückzuführen sind, daß manche Unter- sucher (Engelmann) an fixiertten und gefärbten Muskelfasern, neuere dagegen (Hührtle) an lebendem Material arbeiteten. Die äußerst sorgfältigen, unter Aus- nutzung aller Hilfsmittel der Optik (Mikrophotographie in gewöhnlichem und polari- siertem Licht) gemachten Beobachtungen Hührtle’s haben die große Fülle der sich widersprechenden Einzeluntersuchungen kritisch geordnet. Seine im Gegensatz zu Engelmann stehenden Ergebnisse sind folgende: Die Annahme, daß bei der Kontraktion Flüssigkeit aus der isotropen Schicht in die aunisotrope übertritt, ist unhaltbar. Beider Kontraktion ist keine Volumenzunahme der anisotropen Schicht zu bemerken. Dagegen tritt ein Teil des zwischen den Fibrillen gelagerten Sarkoplasmas in die isotrope Schicht über. Die Fibrillen halten in der Verkürzung ihr Volumen konstant. \ | « } Diese histologischen Befunde stimmen vorläufig noch nicht mit der Quellungstheorie überein, welche annimmt, daß diean der Grenze des Sarkoplasmas auf- tretende Milchsäure die Quellung der Fibrillen auf Kosten der isotropen Schicht bedingt. Ob und wie sich dieals feststehend geltenden Beobachtungen Hührtles mit der Quellungstheorie in Einklang bringen har 3 u diese Frage ist der Zukunft vorbehalten. Durch weitere Säurekonzentration kommt es zur allmählichen Ge- rinnung einiger Eiweißkörper des Muskels. Die fortschreitende Gerin- nung aber führt eine Entquellung des kolloidalen Systems herbei, Flet- + scher und M. H. Fischer haben gezeigt, daß ein Muskel nach Lösung der Tootenstarre, den man in Wasser legt, sich nicht mehr quellen läßt, sondern Wasser abgibt; letzteres tut ebenfalls ein frischer Muskel, den 2 man in Wasser mit geringem Säurezusatz quellen läßt, nachdem er zu- erst begierig Wasser aufgenommen hat (s. Kurven).: ’ P u PEN J. G. Schaefer, Die Totenstarre etc. 393 Die Lösung der Totenstarre ist also bedingt durch Gerinnung, nicht Fi Totenstarre selbst. Das ist in wenigen Worten die kolloidchemische ‘ Erklärung. Jetzt wird begreiflich, daß der Muskel nach Lösung der - Totenstarre mehr Flüssigkeit auspressen läßt, da das Wasserbindungs- _ vermögen mit der Slärre seinen Höhepunkt erreicht, dann aber mit - Lösung der Starre rapid abnimmt (Wasserabgabe des kolloidalen Sy- - stems). Von der Totenstarre bestimmt zu unterscheiden ist die Wärme- - starre. Sie beginnt, wenn man den Muskel über 45° C erwärmt. Am ausgeprägtesten ist sie bei 50%C. Die Wärmestarre ist eine gewalt- same, sofortige Koagulierung sämtlicher Eiweißkörper und tatsächlich ein Gerinnungsvorgang. Sie kann also durch erhöhten Sauerstoffdruck “nicht beeinflußt werden. Auch kann der totenstarr gewesene Muskel noch wärmestarr gemacht werden. Wäre das Muskeleiweiß bereits bei % +60 UNG. EIE: nn. well durch Q ‚prozent a en i N a 2 0. 40 60 _80 700 720 740 7160 _780 ee röotunden fig. 4. heskarven)" A frischer, B Muskel nach Lösun g der Totenstarre (nach E v. Führt). ur der Totenstarre geronnen, so wäre diese Erscheinung unmöglich. Eine Lösung der Wärmestarre tritt naturgemäß nicht ein. Es besteht also ein -fundamentaler Unterschied zwischen der Wärmestarre als Koagulations- ‚starre und der Totenstarre als Quellungsstarre. Betrachten wir jetzt die anderen Phänomene der Tootenstarre vom kolloidchemischen Stand- "punkte aus. Hochgradige Muskelanstrengungen vor dem Tode befördern ‚die Starre (gehetztes Wild, Krämpfe bei Strychninvergiftung). Das ‚Stoffwechselgleichgewicht ist schon intra vitam so gestört, daß die maxi- male Säurekonzentration weit schneller erreicht ist, die Lösung müßte ‚also auch schneller eintreten, was wirklich den Tatsachen entspricht. ‚Ebenso liegen die Verhältnisse bei der kataleptischen Totenstarre. Diese, eine seltene Erscheinung, wurde nach plötzlichem Tode, bei Rücken- marks- und Kleinhirnzerstörung beobachtet. Durch die Schockwirkung | sind alle Muskeln maximal innerviert. Diese tonische postmortale Kon- traktion dauert so lange an, bis die Erregbarkeit der Muskeln erloschen t .d. h. die Totenstarre eingetreten ist. Das geschieht naturgemäß r schnell, , da die dissimilatorische Erregung durch die Kon- tion heuer groß ist und somit sofort die Säurebildung und llung beginnt. Da diese auch einer Kontraktion entspricht, so ver- 21* 394 | J. G. Schaefer, BR Totenstarre efa, | schiebt sich äußerlich das Bild nicht, die vitale Muskeikonträee ht 3 unmittelbar in die Starrekontraktion über. Auch das N ysten sche Gesetz hat durch die Untersuchungen von E. Naumann eine Erklärung gefunden. Zuerst glaubte man, die Reihenfolge der Starre hänge vom Zentralnervensystem ab. Es wurde aber nachgewiesen, daß auch nach dessen Zerstörung dieses Gesetz seine Gültigkeit behielt. Daß das Nerven- system immerhin einen Einfluß auf Starre habe, zeigte v. Eisels- berg. Bei Muskeln mit durchschnittenen Nerven tritt die Starre später ein als bei den übrigen, was darauf zurückzuführen ist, daß von dem absterbenden Organismus noch Impulse über den Nerven zum Muskel geleitet werden können und deshalb die Bildung der Stoffwechselpro- dukte beschleunigen. Jetzt zeigte Naumann, dab der Tätigkeitsgrad der Muskeln von Einfluß auf die Starre ist. Der unermüdlichste Muskel, das Herz, erstarrt zuerst, dann das Zwerchfell, der bis kurz vor dem Tode tätige Inspirationsmuskel, gleichzeitig die Kaumuskeln, die bis zuletzt den Unterkiefer an den Oberkiefer halten, die Nackenmuskulatur hat den Kopf zu tragen, u. s. w. Zunächst stellen die Extremitäten ihre Tätigkeit ein, erstarren also auch zuletzt. Naumann untersuchte nun, ob der Reihenfolge der Starre auch das Quellungsvermögen der betreffenden Muskeln entspräche und gelangte zu positiven Resultaten. Der höhere Tätigkeitsgrad eines Muskels hat also eine schnellere Bildung von Milchsäure post mortem zur Folge. Man kann sich den Vorgang so denken, daß die tätigen Muskeln den ruhenden gegenüber im Nachteil sind, da die Regeneration der Assimilationsphase des Stoffwechsels in- folge der pathologischen Bedingungen mit der Dissimilation nicht gleichen Schritt halten kann, und so die Stoffwechselprodukte in den stärker be- anspruchten Muskeln schon intra vitam vorhanden sind im Gegensatz zu ‚den übrigen Muskeln. Der Intensität der Milchsäurebildung. entspricht die Reihenfolge im Quellungsvermögen der betreffenden Muskeln. 4 Nach in | Nach 2h |Nach3'/,n| Nach 5 | Nach 10h Gewichts-| Gewichts-| Gewichts-| Gewichts- zunahme Ursprüng- liches Gewicht Herzmuskel ....|2,45 | 40 5,5 7,5‘: 9. 7602 aa ng Zwerchfell ..... 242 | 26,8 40,4 48,9 50,0.) 3,64 | 50,4 Masseter .. .... 2,41 23,6 38,1 41,0 43,1 3,5 a2 Muskel von der vor- j 2 a Se = deren Extremität | 2,3 17.1 23,3 36,0° 39,5 3,31 43,9 Muskel vonder hin- we ‘ teren Extremität) 2,41 10,7 19,9 27,0 30,7 3,32 37,7 °° 4 IRRTTRF Nur das Herz nimmt hierbei eine Ausnahmestellung ein, das Quel- Iungswermiögen ist verhältnismäßig gering. Dies bis jetzt. unaufgeklär &, 0 / v7 @. Schaefer, Die Totenstarre etc. 395 “ N RZ nu N ux N BRI2 r uk LEE ..7 Yy Sur i v “u at . u 'sonderbare Verhalten sucht Naumann damit zu begründen, „daß das Herz eine. Sonderstellung gegenüber allen andern Muskeln insofern ein- nimmt, als es einen von den übrigen quergestreiften Muskeln abweichen- - den histologischen Bau besitzt und anderen a ‚Gesetzen gehorcht“. ii, > Die Phänomene der chemischen Starre erklären Sieh leicht. Was - die Starre befördernde Muskelgifte betrifft, bewirken diese sofort das - Auftreten des zur Quellung nötigen Säurequantums, wenn auch nachher eine Gerinnung. Wie Ramson nachgewiesen hat, befördern Coffein, - Chloroform ete. die Milchsäurebildung des Muskels in hohem Maße. Ge- - rinnungsfördernde Agentien, die keine Starre hervorrufen, bedingen durch 3 die Gerinnung eine vorzeitige Entquellung, die die Starre kompensiert. Ebenso bewirkt mäßige Wärme (bis 400 C) durch den gesteigerten - dissimilatorischen Muskelstoffwechsel ein schnelleres- Eintreten der _ Totenstarre und eine schnellere Lösung. Wie wir oben sahen, kann der - totenstarr gewesene Muskel noch wärmestarr werden; aber die che- _ mische Starre (nicht chemische Koagulationsstarre) dagegen bleibt aus, eben weil der Säurebildungsmechanismus bei der Totenstarre einmal end- - gültig abgelaufen ist und daher durch die chemischen Agentien nicht zum zweiten Male angeregt werden kann. | Wenn man degenerative und vitale Kontraktion identi- fiziert, wie esdie Gerinnungstheorie nicht tat, so folgt kon- sequent, daß man für die gleichen Erscheinungen die gleichen Bedingungen verantwortlich macht. So stehen die beiden Probleme der Totenstarre und der Kontraktion in engem Zusammenhang. Hermann, der in bezug auf die Totenstarre ' auf dem Boden der Gerinnungstheorie stand, hielt, da er sich der Ana- logien. beider Erscheinungen bewußt war, ganz folgerichtig Gerinnungs- . Prozesse für einen integrierenden Faktor bi der Muskelkontraktion. So ist denn die Säurequellungstheorie zu einer, man kann sagen der an- - nehmbarsten der modernen Arbeitshypothesen für die Probleme der Muskel- physiologie geworden. Zunächst wurde bewiesen, daß jede Kontraktion’ - mit einer meßbaren Säureproduktion einhergeht, die eine Quellung der - kontraktilen Elemente der Muskelfaser bedingt. Verschiedene Forscher haben mit Hilfe von Gaselektroden die Änderung der Wasserstoffionen- _ konzentration vor und während der Kontraktion des Muskels bestimmt und eine Zunahme der Ionenaeidität festgestellt (Galeotti, Goldberger). Damit war für den weiteren Ausbau der Hydratationshypothese eine Grund- "lage geschaffen. Von ihrem Standpunkt hat neuerdings Wo. Pauli für den Ursprung der bioelektrischen Ströme eine befriedigende Erklärung e Euren wir noch einen -Blick auf einige andere moderne Theorien ae Muskelkontraktion, so weit sie zur Tootenstarre in Beziehung stehen. Das Gemeinsame an ihnen ist, daß sie in der Milchsäure die Ursache = ir die, Kontraktion erblicken, sei es nun, daß sie für den Mechanismus 08 »smotischen Druck, Kohlensäuredruck oder Oberflächenspannungskräfte 326 | J. G. Schaefer, Die Totenstarre ete, DR 2 ia in Anspruch nehmen. Zunächst sei die Hypothese von Wacker er- wähnt. Für die Tootenstarre speziell versucht er die längst totgeglaubte Gerinnungstheorie wieder zu verwerten und macht drei Faktoren ai | beiden anderen für jede Kontraktion) verantwortlich: 1. Die postmortale Milchsäure verursacht eine. Abscheidung von im Muskel vorhandenem Albuminateiweiß, die ausgefallene Eiweißkom- ponente des Alkalialbuminats bedingt eine ‚„Versteifung‘“ des Muskels. 2. Die Milchsäure .treibt bei der Dauerkontraktur und normalen Kontraktion aus den Alkalikarbonaten der kontraktilen Elemente Kohlen- säure aus. Der mechanische Druck der gasförmigen Kohlensäure innerhalb der Muskelelemente bewirkt als zweiter Faktor die Kontraktion. Die Erschlaffung und die Lösung der Totenstarre kommt dadurch zustande, daß die CO, wieder aus den Muskelelementen in das Sarkoplasma entweicht und dort teilweise durch das alkalische Dialkaliphosphat gebunden wird. . - 3. Zu diesem mechanischen Druck kommt noch ein großer osmo- tischer Druck hinzu, der dadurch entsteht, daß die CO, eine Zertrüm- merung von hochmolekularen Substanzen des u wie Kohlehydrate und Eiweißkörper bewirkt. | Gegen 1 könnte man einwenden, daß die zur Ausfällung nie Säurekonzentration erst nach Eintritt der Starre erreicht wird. Im übrigen kann man sagen, daß die Theorie nicht mit den histologischen Befunden Hührtel’s von der Volumenkonstanz der Fibrillen- im Ein- klang steht. Auch kann man den Einwand Schäfer’s (1910) gegenüber der osmotischen Theorie Mc. Dougall’s, daß sie nicht auf die glatten Muskeln anwendbar sei, der Hypothese Wacker’s gegenüber geltend machen. Der osmotischen Auffassung mancher Forscher, daß die Wasser- aufnahme des absterbenden Muskels durch eine Vergrößerung des osmo- tischen Drucks bedingt sei, scheint die Beobachtung von v. Führt und Lenk (1912) zu widersprechen, nämlich. daß ein Muskel aus einer 25%igen NaCl-Lösung noch Wasser aufzunehmen vermag. Diese großen Energien können nicht durch osmotische Druck- steigerung in den Fibrillen erklärt werden, es bleibt nur die Annahme übrig, daß wir es hier mit Hydratationskräften. zu tun haben. BA “In, Prinzipien der nekrobiotischen Kontraktion bei der 1 amöboiden und fibrillären Zelle. a Kontrahierte Rhizopoden haben am ganzen Prötoolan eine gleich | große Oberflächenspannung, d. h. Kugelform. „Das Problem der amö- boiden Bewegung (schreibt Verworn), gipfelt also in der Frage, E aus welchen Bedingungen heraus einerseits eine Verminderung der Ober- flächenspannung und anderseits wieder eine Erhöhung der Oberflächen-. spannung (Einziehung der Pseudopodien und Streben nach Kugelform) zustande kommt.“ Diese Bedingungen zeigen uns die Versuche von W. Kühne und Stahl. Kühne brachte Amöben in ein sauerstoff- freies Medium. Die Kontraktion blieb aus und die Tiere verharrten in ihrer r br [F F J. G. Schaefer. Die Totenstarre etc. 327 - jeweiligen Lage. Wir haben also hier einen Faktor, der die Kontraktion bedingt, den Sauerstoff. Warum bewirkt ein Reiz die Kontraktion nur - in sauerstoffhaltigem Medium? Die Expansion können wir nach der Verworn’schen Theorie durch den Chemotropismus bestimmter Atome und Atomgruppen des Protoplasmas nach Sauerstoff und die dadurch - bedingte lokal verminderte Oberflächenspannung begründen. Suchen wir jetzt eine Erklärung für die Kontraktion. Wir wissen, daß die Kontrak- - tion in sauerstoffreiem Medium ausbleibt, ferner daß der Kontraktions- - zustand der Ausdruck der kleinsten Oberfläche ist. Daraus kann man folgern, daß die Kugelform eine Abwehrbewegung dem Sauerstoff gegen- über ist. Eine Theorie der amöboiden Kontraktion. $ Ausgangspunkt muß also die Frage nach der Bedeutung des Sauer- - stoffs im Stoffwechsel sein. Betrachten wir sie vom Standpunkt der Biogenhypothese. Hier stehen sich bekanntlich zwei Theorien gegen-/ _ über. Nach Hermann und Pflüger wird durch die intramolekulare - Einfügung des Sauerstoffs in das Biogenmolekül dessen Labilität bedingt. 'Winterstein u. a. nimmt an, daß das Biogenmolekül an sich labil - ist, der Sauerstoff dagegen die aus dem Zerfall hervorgehenden. Ver- - bindungen zu CO, und H,O oxydiert. Bis jetzt ist keine Tatsache be- - kannt, die zugunsten einer einzigen entscheiden würde, wohl aber die zeigen, daß beide recht haben. Eine Vereinigung beider Anschauungen wird -den Tatsachen am meisten gerecht. Ohne Zweifel ist, daß das - Biogenmolekül auch ohne Sauerstoff zerfällt, also labil ist. Ferner * sahen wir, daß der Sauerstoff zum Abbau der Zerfallsprodukte (der - Milchsäure beim Muskelstoffwechsel) nötig ist. Aber immerhin lassen - ‚die Abnahme der Erregbarkeit der lebendigen Substanz. bei Sauerstoff- - mangel und andere Tatsachen nicht nur auf eine Lähmung infolge der { ‚unausgeschiedenen Zerfallsprodukte, sondern hauptsächlich auf den Fort- - Tall der Oxydationsprozesse im Biogenmolekül schließen. Beide Vorgänge, - die intramolekulare Sauerstoffaufnahme und die Oxydation der Stoff- - wechselprodukte gehen in der lebendigen Substanz (mit Ausnahme der - Anaeroben) einher. Nun wird aber durch Reize die oxydative Spaltung stark vergrößert, es entsteht eine dissimilatorische Erregung (abge- - sehen von assimilatorischen Reizen). Der durch den Reiz bedingte explo- - .sive Zerfall ist vom Sauerstoff abhängig. „Auf jeden Fall ist bei _ den aeroben Organismen die plötzliche Energieentladung, _ die ein Reiz auslöst, bedingt durch die Einfügung des Sauer- _ stoffis in die lebendige Substanz. ibd. . Es kann die vor- E: handene Sauerstoffmenge& vollk damen ausreichen, um im _ Ruhestoffwechsel . . den oxydativen Zerfall zu bestreiten, _ während die gleicheMenge viel zu gering ist, um den a | _ Erregung gesteigerten Bedarf zu decken (Verworn) 5 | Lassen wir auf eine ruhig daherkriechende Amöbe einen maxi- malen Reiz. einwirken, so folgt dem Reiz eine enorm gesteigerte Dissi- _ milationsphase Ban Kugelform als Ausdruck der geringsten Oberfläche. 328 J. @. Schaefer, Die Totenstarre etc. Folglich kann nur sehr viel weniger Sauerstoff aufgenommen werden, der jedoch zum Abbau der Stoffwechselprodukte genügt; der explosive Zerfall ist abgelaufen, die Zerfallsfähigkeit aber kann infolge des O,- Mangels nicht regeneriert werden. Es tritt für eine Zeitlang das Re- fraktärstadium ein, die Kontrahierte Amöbe beantwortet vorläufig keinen Reiz. Dieser Zustand dauert so lange an, bis infolge der Selbststeuerung des Stoffwechsels Assimilation und Dissimilation wieder im Gleich- gewicht stehen, dann beginnt die Expansion. Würde die Amöbe nach dem ersten Reiz ihre große Oberfläche beibehalten, so würde die Zer- fallsfähigkeit des Protoplasmas sofort restituiert werden. Einem event. folgenden zweiten und dritten Reiz würden große dissimilatorische Er- regungen folgen, das Stoffwechselgleichgewicht immer mehr gestört und der Tod ‚eintreten. Diese Möglichkeiten werden verhindert durch die auf jeden Reiz folgende, refraktäre physiologische Ruhelage. Die Rhizopodenzelle ist bei Expansion positiv, bei Kontraktion negativ chemo- taktisch nach Sauerstoff. In sauerstoffreiem Medium bleibt die Kon- traktion aus, weil das Protoplasma in bezug auf seine Zerfallsfähig- keit doch nicht regeneriert werden kann und es letzte Reste von Sauer- stoff zur Oxydation der Zerfallsprodukte aufzunehmen sucht. Bei der Degenerationskontraktion geht das Refraktärstadium inden Zelltod über, infolge des Ausfalls der Assimila- tionsprozesse. Die Kontraktion der Mackelzeite als Ruhezustand. Die Kugelform als Kontraktion findet sich bei der lebendigen Sub- stanz. in flüssigem Aggregatzustande. Denn jede Flüssigkeit sucht in- folge der in ihr wirkenden Molekularkräfte der Kohäsion ihre Ober- fläche zu verkleinern. Die Oberflächenspannung wirkt im Sinne der mög- lichsten Verkleinerung der Oberfläche, „da bei gegebener Masse die Kugel die kleinste Oberfläche besitzt“ (Baur). Die Muskelzelle gehorcht an- deren physikalischen Gesetzen. Das Bestreben nach gleicher Oberflächen- spannung kann nur in tropfbaren Flüssigkeiten, zu denen das Amöboid- protoplasma zählt, realisiert sein. Der feste und flüssige Aggregat- zustand bildet einen prinzipiellen Unterschied. Aber ein Punkt ver- einigt alle lebendige Substanz in ihrem Absterben. „Verschwinden die Kräfte, die vital die Expansion bedingen, so geht“, wie Pütter bemerkt, „das kontraktile Element in seine physi- kalische Ruhelage, d.h. in den Kontraktionszustand über.“ Für die Rhizopodenzelle ist die Kugelform physikalische Ruhelage. Sie ist bedingt durch den Fortfall der Expansionsfaktoren, der positiven Chemotaxis nach Sauerstoff. Es entsteht die Frage, ob die durch Quellung bedingte Verkürzung der Fibrillen auch in der Muskelzelle der physikalischen Ruhelage ent- spricht. Wir nahmen oben ohne weiteres an, daß die Quellung durch die Milchsäure eine Verkürzung veranlaßt. Das ist nicht zu erwarten. Denn legt man ein Kolloid, z. B. eine Leimplatte, zur Quellung ins ‚Wasser, so verkürzt sie sich keineswegs, sondern vergrößert durch die "I: Schaefer, Die Totenstarre etc. 399 'Wasseraufnahme ihr Volumen gleichmäßig. Aber Bütschli und Ebner machten zuerst darauf aufmerksam, daß alle positiv einachsig doppeltbrechenden organischen Fasern unter Verkürzung quellen. Aus dieser Beobachtung ergab sich, daß zwischen Doppelbrechung und Kon- traktilität ein Zusammenhang bestehen müsse. Die Doppelbrechung ist nach der Definition Pütter’s der Ausdruck einer besonderen räum- lichen Anordnung von Molekeln, der in elastischen Eigenschaften der doppeltbrechenden Elemente zum Ausdruck kommt. Engelmann zeigte - zuerst, daß Eiweißfäden nur dann bei Quellung sich verkürzen, wenn - sie in gedehntem Zustand erstarrt sind. Mit in Dehnung erstarrten Gelatinemassen stellte ich Quellungsversuche an und erhielt analoge - Resultate. Zum Vergleich wurde jedesmal normal erstarrte Gelatine herangezogen. Die Streifen hatten im Mittel einen Durchmesser von 1 cm. Ich führe einige Versuchsprotokolle an. Prot. 1. Zimmertemperatur 20° C. Gedehnt Normal Ursprüngliche Länge . N cm - Zum Quellen in Wasser von 30°C. Bra klei), ge Hi gms ” b) » » ” „nn 2 10 D) "ln . , I. Le UA En NN Re ES Wa an Es Von 2h ab bleibt die Länge konstant. A "Prot, 2. a eileratur 21°C. Prot. 3. Normal Zeit Länge Gedelint Vor Quellung . Bei Quellung .. Vor Quellung . . Br Bei Quellung .. 9 Prot. 4. Über einen Versuch mit gedehntem Fibrin. Zimmertemp. 20°C. ‘ Gedehnt 4 Vor ee. SC N : 1h 10 cm | 10 cm |. 7cm 5, cn 3 _Quellung bei normaler ner } in reinem 2 6h Staa, Da, 5; aaa ren. BB „| 6» RN Die elastische Faser kontrahiert sich bei Quellung. Die Verkürzung ist die Ruhelage der elastischen Faser. Wir können uns mit En... vorstellen, daß sich die elastischen Fibrillen im ruhenden Muskel 4 in einer Art Seel befinden, bei der Kontraktion aber in NN A . platzen und ihr Inhalt ergießt sich in das flüssige Medium. Die Waben- 330 | J G. Schaefer, Die Totenstarre etc. RL Haar j nungen bestehender Sperrmechanismus zu beseitigen wäre. Für. diese Ansicht spricht meines Erachtens offenbar die Tatsache, daß bei der Kon- traktion eine Änderung in der Doppelbrechung der elastischen Stäbchen wahrzunehmen ist (v. Ebner 1882). Ihr Doppelbrechungsvermögen nimmt bei der Kontraktion ab. Wie vermehrtes Doppelbreclungsver- mögen als Indikator für gesteigerte Dehnung und Spannung gilt, so eine Abnahme für das Zurückgehen der elastischen Elemente in ihre Ruhelage. ‘ Ein Energieaufwand ist erst erforderlich, um die Kontraktion reversibel zu machen, also die Fibrillen wieder in Zugspannung zu bringen. Dieser besteht in der Oxydierung der die Quellung bedingenden Säure. Als - Argument könnte man anführen, daß die Wärmebildung bei der Kon- traktion (abgesehen von der Wärmetönung beim Quellungsvorgang)) haupt- sächlich in das Stadium der Restitution fällt, als Folge des Oxydationsvorganges (A. V. Hill, F. Verzär). Unsere. Auf- fassung erklärt zwanglos die Erscheinung des Tonus ohne besonderen Energieverbrauch. A. Fröhlich stellte fest, daß der tetanuskranke Muskel keinen Aktionsstrom gibt. Versuche über den O-Verbrauch von Tonusmuskeln (Schließmuskeln von Muscheln) hat Bethe ausgeführt und einen erhöhten Sauerstoffverbrauch selbst bei starker Belastung nicht beobachten können. Denn da die Fibrillen beim ruhenden Muskel sich wie eine gespannte Feder verhalten, welche infolge der durch Säure be- dingten Quellung in ihre Ruhelage zurückkehren, kann, wenn die Säure nicht fortgeschafft wird, der Kontraktionszustand beliebig lange bestehen. Die Fibrillen sind also nicht der Sitz der Energieumwand- lungen (den das Sarkoplasma darstellt), sondern ihre Tätigkeit ist durch ihre Funktion als richtungbestimmende elastische. Gebilde gegeben (Koltzoff 1903). Zur Aufrechterhaltung der Verkürzung ist keine vitale Leistung nötig. Prinzip bei der degenerativen Kontrak- tion (und der Kontraktion schlechthin) ist der Zustand der physio- 4 logischen und physikalischen Ruhelage. Die Muskelzelle befindet sich in dieser Ruhelage so lange, bis die Totenstarre sich löst, d.h. die elastischen Elemente durch Gerinnungsprozesse zerstört werden. Die postkontraktiven Erscheinungen der amöboiden Zelle. Eingangs wurde die Vakuolenbildung bei Colpidien erwähnt. Er- scheinungen desselben Prinzips hat zuerst Verworn an Talassicolla " und Hyalopus Dujardinii beobachtet und beschrieben. Hyalopus zeichnet ” sich durch körnchenfreies, hyalines Protoplasma aus. Schneidet man ° ein Pseudopodium ab und betrachtet es nach erfolgter Kontraktion, so ” sieht man, daß das vorher hyaline Protoplasma trübe ist. Bei stärkerer Vergrößerung stellt ‘sich die Trübung als eine Menge von winzigen Flüssigkeitströpfchen heraus. Das Protoplasma nimmt ‚typische Waben- struktur an, die kleineren Vakuolen fließen zu größeren zusaınmen, diese $ wände ziehen sich zu isolierten. Klümpchen zusammen, der körnige y Zerfall ist eingetreten. | E J. G. Schaefer, Die Totenstarre etc. 34 E Die akserabgabe wird nach der Quellungstheorie auf ein vermin- R dertes Wasserbindungsvermögen des: Protoplasmas durch die beginnende Gerinnung zurückzuführen sein. Das Wasser, das als Endprodukt mit ‚der Kohlensäure aus dem oxydativen Zerfall hervorgeht, kann dabei eine Rolle spielen. Besonders ist man zu dieser Annahme berechtigt, da das Eintreten der Wabenstruktur nicht nur bei Degeneration, sondern nach jeder Reizwirkung beobachtet werden kann (Bütschli). Man könnte die Wasserbildung alseine Folge des explosiven Zerfalls derlebendigen Substanz durch Reizwirkung auffassen. Der körnige Zerfall selbst, die Verwand- ' lung des Protoplasmas in einen Haufen von einzelnen Protoplasma- kügelchen, die von einer schleimigen Masse zusammengehalten werden, ist Amhls anders als eine Gerinnung. a 5 UBER EEE N WERE RUE | EV; Zusammenfassung. | "Zum Schlusse stelle ich das Ergebnis der hier besprochenen Unter- suchung in einigen Sätzen zusammen: Die lebendige Substanz stirbt in Kontraktion ab. * Sieist der Ausdruck der physiologischen und physika- lischen Ruhelage. Die physikalische Ruhelage ist je nach dem Aggregatzustande der lebendigen Substanz verschieden. Sie besteht beideramöboiden Zellein der gleichmäßigen Oberflächenspannung, der Kugelform, In der differenzierten Muskelzelleist für die Fibrillen - alselastischeKörperdieVerkürzungund Entspannung “ physikalische Ruhelage Degenerationskontraktion und Reizkontraktion sind identisch. Bei der Rhizopo- ; denzelle ist die physikalische Ruhelage bedingt durch 4 den negativen Chemotropismus nach Sauerstoff,"bei E der Muskelzelle beruht sie auf Quellung durch saure 3 Stoffwechselprodukte, allgemein ausgedrückt: ’Die Ruhelage ist bedingt durch den Fortfall der Expan- | sionsfaktoren, zu ihrer Aufrechterhaltung ist keine te I 2, rn a, Fee a vitale Leistung nötig. Mit zunehmender Dauer der de- generativen Kontraktion nimmt das Wasserbindungs- nszsı derlebendigen Substanzab. Dieser Vorgang E wird hervorgerufen infoge der dürch die sich immer © wird hervorgerufen infolge der dureh die sich immer © mehr anhäufenden Stoffwechselprodukte eintretenden _Gerinnung. Letztere bedingtallgemein die Lösung der a Degenerationskontraktion. Der körnige Zerfall ist ’ eineüber das Maximum hinaus entwickelte Kontrak- tion, das Streben kleinster Elemente lebendiger Sub- E stanz nach Kugelform als der physikalischen Ruhelage. Ben Wir haben also in der Totenstarre die letzte irre- 16 versible. Ruhelage der lebendigen Substanz zu er- blicken. Erst nach deren Lösung ist die Entwicklung = des Todes beendet und das Leben endgültig erloschen, A 2 er ie N 332 J. G. Schaefer, Die Totenstarre EN Soeben erschien in „Ergebnisse der Physiologie“ (17. Jahrgang) „Kolloidehemie des Muskels um ihre Beziehung zu den Problemen der Kontraktion und Starre“ von Otto v. Führt mit ausführlichem Referat und vollständiger Literaturangabe über die Totenstarre des Muskels. Ich habe daher viele Einzelheiten, die sich auf die Muskelstarre be- zogen, streichen können und mich auf das Allgemein-Physiologische zu beschränken versucht. In dem erwähnten Artikel versucht v. Führt eine Neuformulierung der Säurequellungstheorie und die im Laufe der Zeit entstandenen Ein- wände gegenstandlos zu machen. Ich erwähnte bereits als deren schwer- wiegendsten ihre Disproportion zu den histologischen Befunden des Kontraktionsvorganges. Man nahm an, die Säure bringe die Fibrillen zum Quellen, indem das Quellwasser entweder aus dem Sarkoplasma oder aus der isotropen Schicht in diese übertrete. Tatsächlich geschieht die Verkürzung der Fibrillen ohne Volumenzunahme. Wie sich die Säure- quellungstheorie der Tatsachenfülle der letzten Jahre gegenüber als an-. passungsfähig erwiesen hat, so hat sie auch jetzt nicht versagt. Ihr Begründer sucht in geistvoller Weise diesen gordischen Knoten für alle Theorien der Muskelmaschine zu lösen, indem erden Wasserverschie- bungsvorgang aus den sichtbaren morphologischen Differenzierungen der Muskelzelle in die ultramikroskopischen Elemente der Fibrillen ver- legt Die Identität der Probleme der Starre und der Kontraktion werden eine genauere Betrachtung dieser Hy pothese wohl rechtfertigen. Bottazzi!) wies im Muskelpreßsaft zwei Eiweiskörper uktalniero: | skopisch nach, und zwar zuerst einen optisch homogenen, dem er den Namen Myoprotein gab, der aber mit dem Myogen identisch zu sein scheint Außerdem fand er eine große Anzahl ultramikroskopischer Granula mit Brown’scher Bewegung. Diese stellen das in Suspension befindliche Myosin dar und bilden die präformierten Fibrillenbestand- ° teile, die, in ein kolloidales Medium eingebettet, infolge ihrer beson- deren strukturellen Anordnung anisotrop sind. v. Führt stellt sich nun vor, daß die Wasserverschiebung innerhalb der doppelt- ° brechenden Anteile der Muskelfaser vor sich geht. Durch die im ° Innern der Stäbchen entstehende Milchsäure wird die Quellfähigkeit der Ultragranula enorm gesteigert, die Hydration vollzieht sich auf ° Kosten der Fibrillenflüssigkeit. Nimmt man an, daß die in Quer- lagen angeordneten, quellbaren Elemente eine länglichrunde Form be- sitzen, die infolge anisodiametrischer Quellung der Kugelform zustreben, so werden bei der Quellung die Ellipsoide der Quere nach anseinander-. 4 gedrängt: die Fibrille verkürzt sich, während ihr Volumen 4 7 ange nd a ET a in a nu. 1) Bottazzi, F., Physical chemistry of muscle ae Biochem. Bulletin 2 (1913). | Ders. u. Quagliariello, G., Recherches sur la constitution physique et les 3 proprietes chimico-physiques ‘du sue des museles lisses et des museles stries. ‚Arch. internat. de physiol. 12 (1912). 4 Ders. u. d’Agostino, E,, und Quagliariello, G;, Proprietä chimiche & chi- E- mico-fisiche del succos di muscoli. I. IL. ILL. Atti R. Accad. a ns 212.88 (1912) 22 2.8. | en J. 6. Schaefer, Die Totenstarre ete. 333 annähernd konstant bleibt. Diese Ansicht wurde von v. Führt bis in die kleinsten Details verfolgt. Nach seinen Rechnungen ist z.B. ein Verkürzungsgrad von mehr als 80%, theoretisch möglich. Bei der - kritischen Prüfung seiner Theorie kommt v. Führt zum Schluß, daß sie „mit dem bisher vorliegenden Beobachtnngsmaterial am besten übereinstimmt. Weit davon, sie für abgeschlossen oder gar für bewiesen zu halten und im Bewußtsein der un- - geheuren Lücken unserer Erkenntnis auf diesem Gebiete der - Lehre vom Lebendigen glaube ich immerhin, die Hypothese in dieser Form als Arbeitshypothese — allerdings auch nur als solche — in Diskussion stellen zu dürfen.“ | y | | Literatur. | | Baur, E. Die Quelle der Muskelkraft. Naturw. Wochenschr. 13 (18), 1914. i Bechhold, H. Die Kolloide in Biologie und Medizin. Verlag von Th. Steinkopf, "Dresden 1912. | - Bethe, A. Die Dauerverkürzung der Muskeln. Pflüg. Arch. 142 (1911). | Bierfreund, M. Untersuchungen über Totenstarre. Pflüg. Arch. .43 (1888). 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Dieser Wisch- reflex des geköpften Frosches ist höchst charakteristisch und ist mit dem Kratzreflex der Rückenmarkstiere Sherrington’s (Säugetiere, 2. B.: Katze) sehr gut vergleichbar .Der Kratzreflex der Rückenmarks- tiere besteht darin, daß das Tier eine gereizte Stelle des Rückens mit der hinteren ‚Extremität dauernd kratzt und zwar sind die Kratzbewe- gungen an sich‘ viel intensiver als bei einem normalen, sich aus irgend sonstigem Grunde kratzenden Tiere. Ein Analogon des Wischreflexes des geköpften Frosches und ER: auch des Kratzreflexes der Säugetiere habe ich beim Carabus auratus - feststellen können. An einem schönen sonnigen Frühlingstage habe ich 2 auf einer Wiese viele Exemplare des Carabus auratus herumtaumeln ge- “ sehen und verlockt durch den goldigen Glanz der niedlichen Panzertiere habe ich einige gefangen und in spielender Weise mit ihnen experimen- - tiert, wobei nicht viel herauskommen wollte, da der Carabus auratus in seinen Bewegungen sehr flink ist und immer wieder den Reißaus macht. - Nach vielen vergeblichen Bemühungen den unverletzten Carabuüs in eine Ruhelage zu bringen, köpfte ich ihn. Das geköpfte Tier setzte fort mit - den Beinen Gehbewegungen auszuführen, brachte es aber mit dem. Gehen _ nicht weit und blieb fast an derselben Stelle der Handfläche, wo ich - ihn nach dem Köpfen hinlegte, liegen, trotzdem die Bewegungen der Beine - schnell waren. Die Bewegungen der Extremitäten des geköpften Carabus _ an sich sind als kürzer und frequenter gegenüber denjenigen des unver- sehrten Tieres zu charakterisieren und man könnte nun diese veränderten - Bewegungen der Beine des geköpften Carabus auratus als den Geh- - reflex bezeichnen. Dieser Gehreflex fiel mir nicht. besonders auf, da man nur zu oft - Gelegenheit hat zu beobachten, wie geköpfte Insekten mehr oder weniger - lange Zeit Bewegungen mit den Extremitäten ausführen. Nun stach ich 4 einen Panzerflügel des geköpften Carabus auratus mit einer Nadel und _ als Reaktion darauf kratzte das geköpfte Tier den gestochenen Flügel - mit einer Extremität derselben Seite. Stechen des anderen Flügels rief - dieselbe Reaktion hervor, nur trat in Funktion eine Extremität dieser \ neu gestochenen Seite. Dasselbe geschah beim Experimentieren mit an- E deren geköpften, Exemplaren des Carabus auratus. Der Vergleich des Kratzreflexes des geköpften Carabus auratus mit ni Ben "Wischreflex des geköpften Frosches, dem. Kratzreflex der Säuge- a A ee 36. S. Galant, Ein Kratzreflex des geköpften Carabus aurau. tiere und vielleicht sogar mit dem Rückgratreflex des Menschen drängte sich mir von selbst auf. Der von mir entdeckte Rückgratreflex1)2) be- steht darin, daß beim Streichen der Haut des Rüekens in der Nähe und längs der Wirbelsäule die VP. mit ihrem Körper einen Bogen beschreibt, indem sie in die entgegengesetzte Seite ausweicht, so daß die Konkavität des Bogens der gereizten Seite zugewendet wird. Dieser Reflex, der auch durch Stiche ausgelöst werden kann, im Säuglingsalter eine nor- male Erscheinung, bei Erwachsenen aber pathologisch auftritt, ist inso- weit mit dem Wisch- und Kratzreflex der Tiere vergleichbar, als beim Auslösen des Rückgratreflexes es in besonders ausgesprochenen Fällen zu Bewegungen der Extremitäten der VP. kommt. Diese Bewegungen der Extremitäten sind sehr ausgesprochen bei Säuglingen und wir deuteten sie als Fluchtbewegungen, da der eigentliche Reflex, das bogenförmige Ausweichen des Rumpfes, ein Flüchten darstellt. Vielleicht könnte man aber die Extremitätenbewegungen beim Rückgratreflex, als Bewegungen, die das Kratzen beabsichtigen, aber dazu nicht kommen können, deuten. Auch könnte. man sich die Sache so vorstellen, daß die starke Beweg- lichkeit des Rückgrates beim Menschen das Kratzen, als reflektorische Reaktion auf Reizung der Haut des Rückens, verdrängt hat und statt dessen die bogenförmige, ausweichende Bewegung getreten ist, desto mehr als ein Säugling es zu einem Kratzen des Rückens mit der Hand unmög- . lich bringen könnte. | | Wir haben es für nötig gefunden, unsere an sich schon sehr inter- essante Beobachtung über den Kratzreflex des geköpften Carabus auratus mitzuteilen, da wir dabei in einer recht klaren und belehrungsreichen Weise verfolgen können, wie ein Reflex in der ganzen Tierreihe vom In- sekt bis zum Menschen aufzufinden ist, und welche Umwandlungen dieser Reflex bei seiner Wanderung durch die Tierreihe durchmacht. | 1) Galant, S., Der Rückgratreflex. Dissertation, Basel 1917. 2) Galant, 8., Schw. Ar. f. N. u. P. Bd: II. 1918. ET Verlag von Georg Thieme in Leipzig, Antonstraße 15 Gedruckt bei Junge & Sohn in Erlangen mn nn nn DB. TEEN Res Begründet von J. Rosenthal Herausgegeben von Er Dr. Babe DER, Hertwig Be, Professor der Botanik Professor der Zoologie er" > in. München a “2 . Verlag von Georg Thieme in Leipzig 49. Band. August-September 1920. Nr. 8 u. 9. er 5 ausgegeben am 1. August 1920 = Der jährliche Abonnementspreis (12 Hefte) beträgt 20 Mark E85 Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten - Die Herren Mitarbeiter werden ersucht, die Beiträge aus dem Gebiete der Zoologie, vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte an Herrn Prof. Dr. R. Hertwig, München, Alte dene, alle übrigen (nach vorheriger Anfrage) an Herrn Prof. Dr. K Goebel, München, Her . Menzingerstr 15, einsenden zu wollen. 2 N ‚Inhalt: E. Bresslau, Eier und Eizahn der einheimischen Stechmücken. 8. 337. - H. Stauffer, Beobachtungen über die Lokomotionsart des Hoploluimus rusticus (Micoletzky) und Br. - verwandter Formen, nebst einleitenden Bemerkungeu über die Lokomotion der freilebenden en: Nematoden überhaupt. S. 356. F. Rüschkamp, Zur Biologie der Drilidae und Micromalthidae (Ins. Col.). 8. 376. -K. v. Frisch, Über den Einfluß der Bodenfarbe auf die Fleckenzeichnung des Feuersala- manders. $. 390. H. Morstatt, Über einige Ergebnisse der Termitenforschung. 8. 415. * 3 Referate : Fr. Kopsch, Die Entstehung von Granulationsgeschwülsten und Adenomen, Karzinom und 55 en R Br 'Sarkom durch die Larve der Nematode Rhabditis pellio. $. 428. 0. Abel, Die Stimme der Wirbeltiere. $. 429. Bee K, Goebel, Die Entfaltungsbewegungen der Pflanzen und deren teleologische Deutung, 8. 431. ® ee Eier und Eizahn der einheimischen Stechmücken. Y. Mitteilung der Beiträge zur Kenntnis der Lebensweise unserer Stechmücken '). E- an: E. Bresslau, Frankfurt a. M. (Georg Speyer-Haus). FR: = a: (Mit 22 Figuren auf 2 Tafeln.) Während über die Eier ausländischer Stechmücken in der Literatur "eingehende Beschreibungen und zum Teil vortrefiliche Abbildungen vor- - liegen), sind die Eier der einheimischen Arten, wie so viele - andere Dinge aus der Lebensgeschichte unserer Schnaken, noch nicht ' genügend bekannt. Dies gilt sogar für so gewöhnliche Formen wie Oulex pipiens oder unsere Anophelesarten. So häufig ihre Eier auch ab- Para: worden sind, die Mehrzahl a nn Ei nicht vollkommen noch gar nicht beschrieben worden. N B1):1. und II. Mitteilung s. diese Zeitschrift 37, 1917, S. 507—533; III. Mit- teilung ebenda 38, 1919, S. 530-536; IV. Mitteilung ebenda 39, 1919, S. 325—336. 2) Vgl. u.a. die Monographien von Goeldi (1905) und Howard, Dyar und er 338 E. Bresslau, Eier und Eizahn der einheimischen Stechmücken. Sr Diesem Mangel möchte ich im folgenden wenigstens für einen Teil der einheimischen Stechmückenarten abhelfen. Zugleich möchte ich dem Vorgang des Ausschlüpfens der Larven aus den Eiern einige Worte widmen und bei dieser Gelegenheit ein Organ beschreiben, das als Eizahn oder Eisprenger von vielen Insekten her bekannt, bei den Stechmücken- larven höchst auffällig -ausgebildet, trotzdem aber bisher, wie es scheint, so gut wie unbeachtet geblieben ist, obwohl sich doch seit mehr als 250 Jahren *) zahllose Naturforscher und „freunde Stechmückenlarven unter dem Mikroskop angeschaut haben. Bekanntermaßen sind die 3 Gruppen, die wir unter den einheimischen Schnaken unterscheiden) — Culicines, Anophelines, Aödines —-, auch hinsichtlich ihrer Eier grundsätzlich voneinander verschieden. Bei den Culicines legt das @ die Gesamtheit seiner Eier in einem einzigen Akte auf das Wasser ab°). Die einzelnen Eier kommen ö dabei ungefähr senkrecht auf die Wasseroberfläche zu stehen und werden, 7 wie oft beschrieben, zugleich durch ein ihrer Oberfläche anhaftendes Sekret miteinander zu einem einheitlichen Gelege verbunden, das bei unsern ein- : ET k u ü a ee ae nt nn nenn nn heimischen Arten einem kleinen Boote (,Eierkahn, Eierschiffchen“) ähn- lich sieht. Die Anzahl der Eier, die zu einem Schiffchen vereinigt werden, schwankt zwischen 200 und 400°). Von den meisten Autoren ist zugleich auch erkannt worden, daß die Schiffchenform der Gelege sich unmittel- bar aus der Gestalt der einzelnen Eier ableitet, die für gewöhnlich als - „kegelförmig‘‘ beschrieben wird. Die Längsachse der Eier steht aufrecht, ° ihr stumpfer Pol ist der Wasseroberfläche zugekehrt, der spitze schaut ” nach oben. Da nun die Eier reihenweise dicht nebeneinandergestellt wer- den und zwar so, daß die einzelnen Querreihen in der Mitte des Geleges mehr Eier zählen als an seinen beiden Enden, so entsteht aus ihrer gegen- seitigen Verklebung von selbst ein kugelschalenförmig gewölbtes Gebilde von etwa Schiffchenform (Fig. 1), das auch wirklich mit seiner Kon- ” vexität wie ein Schiffchen auf dem Wasser schwimmt, zumal da jedes Ei an seinem dem Wasser zugekehrten Pole noch einen besonderen * Schwimmtrichter (Fig. 2, S) trägt. | = Soweit die herkömmliche Darstellung. Betrachtet man nun aber die Eier von (C. pipiens oder einer der anderen Oulicinen-Arten genauer, so zeigt sich, daß es nicht völlig zutrifft, wenn man ihnen „Kegelgestalt“ zuschreibt. Die Eier erscheinen nur dann ihrem Umriß nach kegel- ” förmig, wenn man sie von der Dorsal- oder Ventralseite her betrachtet ° (Fig. 2d). Von der Seite gesehen (Fig. 2c) zeigen sie jedoch eine cha- rakteristische Krümmung der Längsachse, indem nämlich der dorsale 4) Ich erinnere nur an Swvammerdam’s 1679 vollendete Bibel der Natur, die auf Tafel 31 prächtige Abbildungen von Schnakenlarven und -puppen enthält. | 5) Vgl. Bresslau.(1917), 8.509 u. 521/22, ferner Eckstein (1918). | 6) Über das Verhalten der pipiens-? bei der Eiablage vgl. Reaumur 17389), = ferner Kerschensteiner (1901). £ 7) Am häufigsten fand ich bei meinen Zählungen zwischen 300 u. 350 Eier, so: u.a. auch Galli-Valerio u. Rochaz de Jongh (1906), ähnlich ferner Kerschen- steiner (1901), PA Dr A \ En .% tie. K;: Br } E. Bresslau, Bier und Eizahn der einheimischen Stechmücken. 239 4 schnitt der Eioberfläche in der Längsrichtung stärker gewölbt ist als der ventrale. Zeichnet man den genauen Umriß der Eier in Seitenan- sicht, so weist die ventrale Begrenzungslinie vielfach sogar eine nach außen leicht konkave Krümmung auf. Die Eier der Culicines sind eben nichtradiär-symmetrische 3 Gebilde nach Art eines Kegels, sondern wie bei allen Stechmücken über- - haupt, bilateral-symm etrisch gebaut. Ihre Orientierung in dem 1 oben erwähnten Sinne ergibt sich ohne weiteres aus der Lage der Em- - bryonen und Larven in ihnen. Stets folgt der Rücken der Larven der E: stärker gekrümmten, ihre Bauchseite der mehr planen bis - konkaven Begrenzungslinie des Eiumrisses in Seitenansicht). In der Literatur fehlen m. W. bisher Angaben. über diese leicht feststellbare Tat- sache. Hier und da finden sich jedoch Bilder, die erkennen lassen, dab den betreffenden Autoren der bilateral-symmetrische Bau der Oulex-Bier bereits aufgefallen ist?). | Es liegt nun nahe, anzunehmen, dab durch den bilateral-symme- trischen Bau der Eier auch die Gestalt der Schiffchen selbst in charak- teristischer Weise bestimmt wird, derart, daß man danach erkennen kann, an, welchem Ende ihre Ablage begonnen, an welchem sie beendet wurde. Die Eier nehmen ja im Abdomen des: Muttertiers eine genau bestimmte _ Lage ein, wovon man sich an aufgehellten Totalpräparaten laichreifer 2 leicht überzeugen kann. Entgegen den Angaben in der Literatur (vgl. 2. B. Kerschensteiner 1901, Eysell 1902, Banks 1908) ist nicht - der stumpfe, sondern der spitze Pol der Eier der Geschlechtsöffnung zu- gekehrt, außerdem schaut die stärker gekrümmte Seite rücken-, ihre schwächer gekrümmte bis konkave Seite bauchwärts. Bei der Eiablage berührt das 9, wie schon R&aumur beobachtet hat, mit dem vorletzten 2 bernge das Wasser, während das letzte Segment ein wenig nach oben gekrümmt ist. Der eigentliche Vorgang beim Austritt des Eies, der bisher noch nicht beschrieben worden ist, vollzieht sich nun so, daß das - Ei aus der etwas aufwärts gebogenen Genitalöffnung mit seinem spitzen E Pol zuvörderst und nach oben gekehrt ausgeschoben wird, wobei seine schwächer oder konkav gekrümmte Seite nach hinten schaut. Ist - das Ei fast völlig ausgetreten, so wird die Hinterleibsspitze gesenkt und e- der zuletzt austretende stumpfe Pol mit seinem Schwimmtrichter sacht auf 2 die Wasseroberfläche aufgesetzt. Da sich dieser Vorgang bei allen Eiern in Be: gleicher Weise wiederholt, so müßte also eigentlich ein schematischer = " Längsschnitt durch ein intaktes Schiffchen das in Fig. '3 abgebildete Aussehen haben, mithin a das zuerst, b das zuletzt gelegte Ei be- E- zeichnen. Eine so regelmäßige Gestalt der Schiffchen kommt jedoch, so- weit ich feststellen. konnte, fast nie zustande. Vielmehr treten im Verlauf a ee a Fehde a er Ar ey 5 5. 8) Eid der senkrechten Stellung der Eier auf der Wasseroberfläche kehren die Larven dieser ihren nach dem stumpfen Eipole gekehrten Kopf zu, stehen ig also während der Entwicklung auf dem Kopf. E= 9) Vgl. z.B. Galli-Valerio und Rochaz- de Jongeh .1906,:8.16,..Fig. 9 = und EN oder Banks (1908, Taf. 8, Fig. 2). = @ 99% 340 E. Bresslau, Eier a, Eizahn der ee, Stochmtcken. des Laichaktes und auch später Veränderungen in je oe A | Eier zueinander auf. Von direkten Störungen in der Lage der Eier durch den Druck der das Schiffchen haltenden Hinterbeine des Muttertieres beim Laichakt und etwaige spätere Berührungen abgesehen, scheinen auch ; die Oberflächenkräfte der sich gegenseitig berührenden Eier dabei eine Rolle zu spielen. Jedenfalls kehren zumeist alle Eier der äußersten 2 Reihe im ganzen Umfange des Schiffehens ihre schwächer bis konkav gekrümmte Seite nach außen. Der zu erwartende Fall -- am fertig abge- ' legten Schiffehen unterscheiden zu können, an welchem Ende der Laich- akt begonnen, an welchem er beendigt wurde. — ist demnach fast nie gegeben. Sehr gut veranschaulicht dies das von Banks (1908) höchst naturgetreu gezeichnete Schiffehen des amerikanischen Oulex fati- - gans, das in Fig. 1 reproduziert ist. Einzelne Eier sind wohl durch An- fassen des Schiffchens oder sonstwie aus ihrer ursprünglichen Lage ge- bracht; bei Vergleich mit dem Schema der Fig. 3 könnte man vielleicht dazu neigen, bei a die zuerst, bei b die zuletzt abgelegten Eier anzunehmen, aber eine sichere "Entscheidung ist nicht möglich. Die bisher geschilderten Verhältnisse gelten gleichermaßen für die Gelege aller 4 Arten, welche bei uns die Gruppe der Culicines ‚vertreten. Ich möchte nunmehr noch einige Besonderheiten der Eier von Culex pipiens L. und Culiseta (Theobaldia) annulata Schr. anführen, auf Grund deren sie leieht voneinander zu unterscheiden sind. Für die Praxis dürfte ihre Betrachtung hier ausreichen, da die beiden anderen Spezies, Culex territans W alk. und Mansonia richiardi Ficalbi, selten und in ihrem Vorkommen auf bestimmte Örtlichkeiten beschäkr sind 10), Die Eier von C. pipiens und C. annulata unterscheiden sich einmal“ durch ihre Größe; erstere sind bei sonst im ganzen ähnlicher Gestalt (Fig. 2c und d) sehr viel kleiner als letztere (Fig. 2a und b). Bei Culex p'piens beträgt die Länge der Eier 0,7—0,76 mm, die größte Breite 0,14—0,17 mm, bei C. annulata sind die entsprechenden Maße 0,93—1 mm und 0,23—0,27 mm. $ Sehr deutlich verschieden sind die Eier ferner an Den tunen E der Wasseroberfläche zugekehrten Pol. Dieser trägt den Schwimm- trichter (Fig. 28), eine besondere Bildung des Exochorions, das ons im ganzen Umfange des Eies als zarte, durchsichtige, in Aufsicht ein ° Mosaik von kleinen Kreischen aufweisende Hülle das festere, bräunliche 7 Endochorion umgibt. Der Schwimmtrichter sitzt bei C. pipiens mit schma- - ler, nur 0,058—0,06 mm breiter Basis unmittelbar der nach dem Wasser schauenden Polkappe des Eies auf (Fig. 2c, d) und erweitert sich bis zu einem Durchmesser von 0,13 mm an seinem freien Rande. Eine feine radiäre Faltenstreifung verleiht ihm dabei ein äußerst zierliches Aus- sehen. Der Eipol selbst trägt in seinem Zentrum einen dunkleren, spitzen ' Vorsprung, der in die Mitte des Schwimmtrichters vorragt. Im Vergleich“ dazu ist der Schwimmtrichter von C. annulata viel unscheinbarer. Infolge 2 er a un). in. 10) Die Beschreibung rei Eier und Gelege wird Dr. Eckstein, der sie zuerst bei Straßburg ae hat, später liefern. Sn k BR , Re ee: n PRR* ©; PS a Re Broselau „EN 5 + und Bizahn SE einheimischen Stechmücken. 341 eine dran Breite: an der Basis (0,18—0,2 mm) überragt er den Eipol lic t wie bei ©. pipiens, sondern umfaßt a BER SEBrUNg, wobei sich sein 0 m) Bhweitert (Fig. 2a, b). Zugleich. ist er Behmäler als der von iens und nicht so auffällig wie dieser radiär gestreift. Endlich fehlt Bann des anegles von annulata der bei pipiens vorhandene ‚ spitze sc Beklen ob es sich um Eier von (©. pipiens oder annulata handelt, Wenden wir uns nun zu den Anophelines, so haben wir hier im nsatz zu den Culieines Einzelablage der Eier. Domgemäß stehen 5 cm ‚herumbewegend, in rascher nn ziemlich regellos ‚bis 150 oder 160 Eiert!), „teils einzeln, teils mit der Längsachse parallel eneinander, teils mit den Spitzen in Winkelstellung in Dreieck- oder Sternform, einzelne ‚sogar in der verschiedensten Weise übereinander“ ‘erschensteiner 1901). Nach Grassi (1901), ebenso nach li- Valerio und en, de Jongh (1906) soll das o von von A. Bifurcatus in Sernform ablegen. Ich habe einen derartigen schied zwischen den beiden Arten nie bemerken können. Die An- ung der Eier zueinander ist vielmehr lediglich abhängig von der iligen Lage, ‚in der sie beim Laichakt auf die Wasseroberfläche ge- en, und von ‘dem Spiel der Oberflächenkräfte, die nunmehr auf sie irken.-Ob Reihenanordnung oder Dreieck- bezw. Sternform, — was eht ist immer nur das Zufallsergebnis dieser Wechselwirkungen und ee ehläneie von der ee des laichenden Weib- Br] m "Bei =. er ipensie dürfte 160 Snzelähr die Maximalzahl der Eier betragen, ; überhaupt zur Ablage gelangen kann. Es läßt sich dies durch Zählung der Eier ‚Ovarien laichreifer © ermitteln. Als größte Zahl, die ich hierbei fand, ergab ' einem Falle 164, und zwar 80 Eier in dem einen, 84 in dem andern Eierstock. eb und ie en -de a (1906) geben die Zahl der bei Anonh-les SE Ex 342 E. Bresslau, Eier und Eizahn der einheimischen Stechmücken. beiden hauptsächlichsten Arten, A. maculipennis Meig. und A. bifur- catus L. aufmerksam gemacht hat. Die ‚Eier der dritten einheimischen . Spezies, des in Baumhöhlen brütenden A. nigripes Stäger, kann ich leider nicht mit berücksichtigen, da ich ihrer ‚bisher noch Ee habhaft werden konnte 13). Die Eier von A. maculipennis (Fig. 15) und a ie 16a, b) sind einander, sowohl in ihrem ganzen Bau wie in ihren Ausmaßen, schr ähnlich. Türe Größe schwankt zwischen 0,65 und 0,8 mm, ihre Breite erreicht ohne den Schwimmapparat 0,18 mm, beläuft sich aber mit diesem an seiner breitesten Stelle auf 0,20—0,21 mm. Die Gestalt der Eier wird durchaus zutreffend als bootförmig beschrieben, genauer noch stimmt der Vergleich mit einem Grönländerkajak, insofern als bei diesem der Bootsraum (abgesehen vom Sitzplatz für den Ruderer) nicht offen,‘ sondern mit einer leicht konvexen Decke überspannt ist. Ebenso wie dort kann man an den maculipennis- und bifurcatus- Eiern den eigent- - lichen, auf dem Wasser schwimmenden, bootförmig gewölbten Körper und eine nach oben gerichtete, schwach konvexe Decke unterscheiden. Nach der Orientierung der Larven in den Eiern entspricht die dem Wasser zugekehrte Wölbung der Rücken-, die nur wenig gewölbte Decke ‘der Bauchseitel#). Vorder- und Hinterende der Eier sind gleicher- weise verschieden. Der dem Kopf der Larve entsprechende Bug .des Bootes (in Fig. 15 und 16 links) ist etwas breiter und höher aufgewölbt, das Hinterende etwas spitzer zulaufend und niedriger. Die Farbe der Eier ist bei der Ablage weißlich, wird aber, sofern sie lebensfähig sind, unter dem Einfluß der Luft durch fermentative Oxydation eines in dem Endochorion enthaltenen Chromogens rasch dunkel und erreicht schließlich ein schönes, sattes Schwarz. Doch scheinen die Chromogene nicht überall gleich beschaffen zu sein, woraus sich wohl abweichende Farbenangaben anderer Autoren erklären (vgl. z. B. Kerschensteiner 1901). Das Exochorion, das wie bei allen Schnakeneierh so auch hier das Endochorion als zarte, glasartig durchsichtige Hülle überzieht, zeigt \ D) aN BD al Sy 9 du 2 0 2 a" Mama einmal entsprechend dem Relief des Epvithels der Eiröhren, das seine Ausscheidung besorgt, auf dem ganzen Bootskörper eine zierliche Fel- derung, deren Polygone eine Länge von etwa 30 u bei einer Breite von etwa 121. erreichen (Fig. 20, Ex). Außerdem liefert es aber noch die be- kannten Schwimmapparate, jene auffällige Bildungen, an denen die Ano- pheles-Bier auf den ersten Blick zu erkennen sind. Es sind dies: -blasen- 13) Nach Eysell (1912) soll sowohl der Bau der Eier wie der Larven so weit- «chend von dem für die beiden andern Anophelen typischen Verhalten abweichen, daß ihm die Aufstellung einer neuen Gattung (Uyelophoru:) für A. nigripes nötig schien, Später haben jedoch Galli-Valerio und Rochaz-de Jong (1913), ohne. auf die = Eysell’sche Arbeit Bezug zu nehmen, eine kurze Beschreibung der Eier von A. niuripes gegeben, auf Grund deren im wesentlichen Übereinstimmung mit den Eiern von A. maculirennis und bifurcatus zu herrschen scheint. 14) Analog dem Verhalten der Oulex-Fier, wo ebenfalls die Rückenseite stärker, e die Bauchseite schwächer gewölbt war. Auch bei den Aödines werden wir das gleiche Verhalten wiederfinden. URERTERTIIEE FSENNR W e 3 Be 8 E. Bresslau, Eier und Eizahn der einheimischen Stechmücken. 343 _ artige Aussackungen des Exochorions, die sich an beiden Seiten des ” Bootsrumpfes vorwölben und infolge ihrer Füllung mit Luft silberschim- mernd von dessen Schwarz abheben 15). Indem sie ein wenig auf die - Oberseite der Eier übergreifen, engen sie die Decke des Bootes schein- - bar etwas ein, so daß deren Umriß dem einer Pantoffelsohle ähnlich wird (Fig. 16b); abwärts erstrecken sie sich nur bis etwa über die Mitte * der Seiten des Bootsrumpfes. Entsprechend der Felderung des ganzen - Exochorions weist die Oberfläche der Schwimmer eine höchst elegante Faltung und Rippung auf, deren. Zierlichkeit durch das Spiel der Licht- reflexe auf den silberglänzenden Rippen noch erhöht wird. Außerdem bildet das Exochorion im ganzen Umfange des Eies vor und hinter den Schwimmblasen an der Grenze von Decke und Bootsrumpf eine durch - feine Querstreifung ausgezeichnete, etwa 15—23 u hohe Duplikatur, sodaß also der gesamte Bootsrand außerhalb der Schwimmer von dieser Mem- - bran wie von einer zarten, silberweißen Krause umsäumt wird. Trotz der grundsätzlichen Übereinstimmung in ihrem Bau ermög- lichen die Schwimmapparate eine ganz leichte Unterscheidung von A. maculipennis und A. bifurcatus. Bei der letzteren Art sind sie wesent- - lich länger als bei der ersteren, wie ein Blick auf Fig. 15 und 16a lehrt. - Im einzelnen schwankt die Länge der Schwimmer bei den Eiern ver- schiedener Gelege, ja sogar bei den Eiern desselben Geleges nicht selten ‚beträchtlich, so daß es sich, zumal da ja auch die Eilängen selbst - variieren, nicht lohnt, genaue Maße dafür anzugeben. Trotzdem aber besteht für den Unterschied zwischen den beiden Arten eine ganz ein- - fache Formel, nämlich: i — Schwimmapparate kürzer als die halbe Eilänge: A. maculipennis, Schwimmapparate länger als die halbe Eilänge: A. bifurcatus 16). In der Rippenzahl kommt das verschiedene Längenverhältnis der Schwimmapparate gleichfalls zum Ausdruck: bei maculipennis fand ich am häufigsten 19 oder 20, bei bifurcatus 23 oder 24. Da sich aber die E- Variationsbreiten überschneiden (maculipennis 19—23, bifurcatus 22—25) _ ist mit diesem Unterschied für die Bestimmung der Eier praktisch - nichts anzufangen. ” Während die Fülle der Literaturangaben über die Eier unserer E Oulex- und Anopheles-Arten ihre Aufzählung nicht zuließ, existieren über die Eier der einheimischen A&dines nur wenige Mitteilungen: 1902 beschrieb Eysell den Laichakt und die Bier von Aödes cinereus 15) Bei den von mir beobachteten Eiern waren die Schwimmapparate stets ein- heitlich nach außen gewölbt (vgl. Fig. 15, 16) und zeigten niemals jene mediane Ein- _ ziehung, wie in der Figur von Tänzer ind Osterwald (1919, Fig. 1, S. 17). - 16) Bemerkenswert ist, daß sich dieser Unterschied auch aus Abbildungen er- kennen läßt, dieEysell (1902, 1912) von den Eiern der beiden Anophelesarten gegeben - und'in seiner neuesten, zusammenfassenden Arbeit (1913, 8. 108) auf einer Seite neben- einandergestellt hat. So. wenig glücklich diese Figuren in zeichverischer Hinsicht auch sind, so zeigen sie doch bei dem einen Ei den Schwimmapparat länger, bei dem andern u kürzer als die Hälfte. Allerdings soll nach der Figurenerklärung das erstere Ei zu maculipennis, das letztere zu bifurcatus gehören.. Hier dürfte vielleicht eine Ver- E- Peru vorliegen, 344 Meig., 1908 schilderten Galli- Vale ad Rochaf de, Tonehiy. = ohne sich der Eysell’schen Arbeit-zu erinnern, dasselbe von Ouli- cada cantans Meig. Im Anschluß daran entspann sich zwischen bei- den Parteien eine längere, wenig ergiebige Polemik (1908, 1909, 1910). Beide Teile übersahen dabei, daß schon Leuckart. (1855) in seiner berühmten Arbeit ‚‚über-die Mikropyle und den feineren Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern‘ die Beschreibung eines Aödinen- eies geliefert hatte, allerdings unter falscher Firma, — indem der große „Forscher die Schnakenart, deren Eier er untersuchte, irrtüm- lich für ©. pipiens hielt. Sowohl der Text wie die Abbildung, mit der Leuckart seine Angaben erläuterte, lassen aber keinen Zweifel dar- über zu, daß er es damals nicht mit den Eiern der gemeinen Stech- mücke, sondern mit denen einer Culicada-Art zu tun hatte. Eysell und ebenso Galli-Valerio und Rochaz-de Jongeh beobachteten den Laichakt an @ in Zuchtgläsern, deren Boden mit Wasser bedeckt war. So ist es kein Wunder, daß die Eier auf das Wasser oder an den Rand schwimmender Gegenstände abgelegt wurden. . Aber schon Eysell fiel es auf, daß manche © ihre Eier an die feuchten Glaswände | anklebten. Wie das zusammenhängt, habe ich in der ersten dieser Mit- teilungen (Bresslau 1917) auseinandergesetzt, indem ich nachwies, daß die Eier normalerweise nicht auf das Wasser, sondern auf den trocken- 'gelaufenen Boden von Überschwemmungswiesen oder anderer temporärer = Gewässer deponiert werden. Das eigenartige Verhalten der © bei der Hiahläge hat Eysell (1902, S. 341)) ganz richtig geschildert. Sie führen dabei „mit dem Hinterleibe Seitwärts schlagende und wurmartige Bewegungen aus, während die Go- napophysen hin und her tasten“. Eysell vermutet danach, daß die 9 „zum Ablegen der Eier eines großen Kraftaufwandes bedürfen“. Mir da- gegen schien es eher, als wollten die @ mit diesen Bewegungen die unter- des austretenden Bier an irgendwelchen Gegenständen — wie sie das 4 natürliche Substrat, z.B. der Wiesenboden mit seinen zahllosen Gräsern und Hälmchen, Moosstengeln und Blättchen u.s. w. in Fülle darbietet, > E abstreifen. Bleibt das Weibchen einige Zeit an dem ‚gleichen Ort, so bilden die Eier hier völlig unregelmäßige Gruppen, ohne eher verkittet zu sein18); oft sind sie auch durch kleinere Zwäischenräume -< voneinander getrennt. Von Zeit zu Zeit geht das Insekt einen oder ein paar Schritte weiter, wobei auch während des Gehens unter a 3 lichen Rechts- und Linkswendungen des Hinterleibes einzelne Eier ab- e gesetzt werden. Beim nächsten Halt entsteht wieder ein Grüppchen von Eiern u.s.f., bis der Eivorrat erschöpft ist. Das ganze Gelege, dessen "2 Absetzung geraume Zeit erfordert, umfaßt nach meinen Zählungen bei | .17) Eine spätere Mitteilung der beiden Schweizer Forscher (1913) enthält ferner kurze Angaben über die Eier von CO. ornata Meig. 18) Nur einmal fand ich 2 parallel nebeneinander abgelegte Eier von C. ornata durch eine Sekretmasse auf einem Teil der einander zugekehrten Flächen leicht verklebt, En 1 3 — BE 3 3 3 * 3 HEIKE de; 5 Kuba a ahla HD op A. I in Acipa ne Lu ENENERR US u RER). „4 Yun di TE TRRR, { Fa Fe Fa ar li |? PS a) Kr u iR “. x BR -2 r Tor, Re ET 2 Fe . a % 2 5 = ry N. 2 yr . Bre resslau Bier, und Eizahn der einheimischen Stechmücken. 345 den feibiedenen Ko etwa 70—110 Eier 19). Ein Oulionäe canlans-? deponierte z. B. 84 Eier und zwar in folgenden Grüppchen: SH4F1 12 -U-H1IH16-414184346+ 2, die auf etwa 20 gem Fläche verteilt waren. Bei einem @ von (©. ornata M eig. betrug die Gesamtzahl der abgelegten Eier 95. Doch war der Laichakt noch nicht beendet; denn es enthielt, als ich es sezierte, noch 18 Eier im Abdomen, von denen 10 bereits ganz schwarz waren 20), während die übrigen alle Übergänge von weiß zu grau zeigten. Es beweist dies, daß bereits ‘während des Laichens, falls sich der Vorgang in die Länge zieht, Luft zu den noch nicht abgelegten Eiern treten und die Oxydation des | Chromogens der Eischale in die Wege leiten kann. Gewöhnlich sind die Eier jedoch bei der Riablage noch weiß und verfärben sich erst nach dem A ustritt: ins Freie, worüber bald nur 20—30 Minuten, bald einige Stun- den ı vergehen können. Die Gestalt der Aödineneier (Fig. 17) ist im allgemeinen als sp in- delförmig zu bezeichnen, also ebensowohl von der der C'ulex- wie von Ä der der Anopheles- Eier deutlich verschieden. Die zwischen Galli- i Valerio und Eysell über diesen Punkt — größere oder geringere " hnlichkeit mit den Eiern der „gewöhnlichen Culiciden“ — geführte Kontroverse ist daher vollkommen müßig, zumal da sie ohne die so not- wendige, ‚vorherige Klärung der systematischen Grundlagen ausgetragen rurde. Das Kopfende der Eier ist stumpfer, das Schwanzende spitzer ; ‚ußerdem ist gemäß dem bilateral-symmetrischen Bau der Eier-ihre eine eite, die dem Rücken der sich in ihnen entwickelnden Larven entspricht, stärker, die andere, die Bauchseite, schwächer gekrümmt. Fig.-17 läßt dies deutlich erkennen; des Vergleichs halber habe ich das hier abgebil- dete Ei ‚von C.nigrina so orientiert, daß — wie bei den Anopheles-Eiern, ‚wenn sie auf dem Wasser schwimmen — die Dorsalseite nach unten ehant.: Der Austritt der Eier aus der Geschlechtsöffnung bei der Ei- ıblage erfolgt genau ebenso wie bei C. pipiens (s. o. 8. 103), also ent- egen der ausdrücklichen Angabe Eysell’s (1902) nicht mit dem stump- eren, sondern mit dem spitzeren Ende zuerst. Außer durch ihre abweichende Gestalt unterscheiden sich die Föineneier. von denen der beiden anderen Gruppen noch durch das ehlen der dort ausgebildeten Schwimmapparate. Das Exochorion über- ieht: das Endochorion als einfache, durchsichtige Hülle, die in Auf- icht jene bekannte polygonale Felderung zeigt (Fig. 17). Hinsichtlich ihrer Größe und Gestalt variieren diese Polygone bei den verschiedenen Arten etwas, aber auch bei den Eiern verschiedener Individuen der glei- chen Spezies ist die Felderung nicht immer gleich ausgeprägt. Die ein- zelnen Balyaonr., springen n ‚jeweils mit kleinen Buckeln vor, = IE ysell { ish) gibt für Addes” cinereus die Zahl der Eier auf 50—70 an. 2 20) Vgl. dazu die ähnlichen Angaben von ‚Smith (1904) über die Eier der nord- ischen ende sollicitans. > De a EU Zus 3416 E. Bresslau, Eier und Eizahn der einheimischen Stechmücken. diesen Vorwölbungen, der den Eiern das Schwimmen ermöglichen soll. Hier liegt wohl eine Selbsttäuschung vor, entstanden auf Grund der früher herrschenden, falschen Ansichten über den Ablageort der Addineneier. In Wirklichkeit entsprechen die silberglänzenden Buckel lediglich der 4 im optischen Schnitt gesehenen Substanz der Exochorionpolygone ‘selbst, 2 ohne dab Luft in ihnen enthalten wäre. Was sollten auch bei diesen Eiern, die aufs Trockene gelegt werden, Schwimmapparate? Der vordere, dem Kopf der Larve entsprechende, stumpfere, bei ‘ manchen Arten sogar etwas abgeplattete (Fig. 18e) Pol der Eier trägt, ebenso wie bei den Culicines und Anophelines den Mikropyleapparat, der ° in seinem feineren Bau bei einzelnen Arten gewisse Verschiedenheiten aufweist. Es würde jedoch zu weit führen, hier darauf ausführlicher ein- zugehen. Bei den Aödines hat er, soweit das Exochorion in Fragekommt, ° die Gestalt einer zierlichen Krone, die, wie schon Leuckart angibt, dadurch zustande kommt, daß sich die: Vorwölbungen des Exochorions E.. „zu einem förmlichen Kranz“ erheben. Fig. 17 veranschaulicht sein An- j schen bei C. nigrina Eckstein. Wenn man die Bier der Aödinenarten einzeln mit der Ende sa - mit schwachen Systemen betrachtet, so erscheinen sie zunächst einander E. außerordentlich ähnlich. Die Verschiedenheiten im Bau des Mikropyle- : apparates werden erst bei stärkeren Vergrößerungen sichtbar, und sonst _ fehlt es ihnen eben an auszeichnenden Merkmalen, wie sie z. B. den Ano- pheles-Eiern in ihren Schwimmapparaten gegeben sind. Legt man eine Anzahl Eier der verschiedenen Spezies nebeneinander, so erkennt man aber auch hier auf den ersten Blick beträchtliche Unterschiede. Es sei 2 dieserhalb nur auf Fig. 18 verwiesen, in der jeweils 3 oder 4 Bier vor fünferlei Arten nach einer vergrößerten photographischen Aufnahme auf einer einzigen Platte abgebildet sind. Die kleinsten Eier unter den A&dines, die mir begegnet sind, legt 4 C. nigrina Eckstein (Fig. 18a). Ihre Länge beträgt nur 0,5 —0,53 mm, ; | bei 0,15--0,17 mm Dicke. Kaum größer (0,51—-0,54 mm), aber. wesent-. 2 lich plumper (Dicke 0,2—0,21 mm) sind die Eier von ©. ornata Meig, die sich überdies durch die schwache Entfaltung ihres Mikropyleappa- rates auszeichnen. Die größten Eier — Länge 0,89-—0,91 mm, Dicke 0,27—0,29 mm —- finden sich bei ©. cantans Meig. (Fig. 18e), deren Imagines ja auck die übrigen Aödines an Größe überragen. Ihr vorderer Pol ist häufig nicht nur stumpf abgerundet, sondern erscheint mitsamt dem Mikropyleapparat flach abgestutzt. An Länge (0,82--0,87 mm) den 2 cantans-Biern ziemlich nahestehend, sind die Eier. von Aödes cinereus Meig., doch sind sie viel schlanker (Dicke 0,19—0,2 mm) und auf der Ventralseite oftmals schwach S-förmig gekrümmt oder sogar konkav nach außen eingebogen (Fig. 18c). Von mittleren Dimenee sind die in ihrer Gestalt ziemlich variablen Eier von €. lateralis M eig . (Länge 0,66--0,75 mm, Dicke 0,22—0,28 mm, Fig. 18b) und von 0. vexans Meig. (Länge 0,63—0,7 mm, Dicke 0,20, 24 mm, Fig. 18d). MAT 4 | Ft Een hr » i Ai, “ « 2; 3 ’ N E. Bresslau, Eier und Eizahn der einheimischen Stechmücken, 347 * Beschäftigt man sich mit der Untersuchung von Schnakeneiern, so & es sich bei der kurzen Dauer ihrer Embryonalentwicklung ganz von selbst, daß auch der Prozeß des A u sschlüpfens der Larven unter dem Mikroskop zur Beobachtung gelangt. Da ich ihn zuerst bei den Aödi- E kennen lernte, so möchte ich seine Schilderung bei dieser Gruppe 3 beginnen. Läßt man ein Weibchen von C. nigrina oder vexans im Zuchtglase - Eier ablegen 21), so werden die sich in ihnen entwickelnden Larven im -alleemeinen innerhalb weniger Tage schlüpfreif. Verschafft man sich die - Eier, wie ich’in meiner ersten Arbeit (Bresslau 1917) angegeben habe, im Freien von geeigneten Örtlichkeiten, so enthalten sie sogar für gewöhn- - lich bereits die fertig entwickelten Larven. Bringt man ein solches Ei in - einem Wassertropfen unter das Mikroskop, so vergeht gewöhnlich nur - kurze Zeit, Yı oder 1/ Stunde, bisweilen nur wenige Minuten, und die - Larve schlüpft aus. Der Vorgang vollzieht sich sehr rasch (Fig. 19): an _ dem vorderen Eipole springt mit einem Male ein etwa 1/4 der Eilänge be- - tragendes, kegelförmiges Stück vollständig ab, der Kopf der Larve tritt - hervor, alsbald folgt der Rumpf nach, und einige ruckartige Bewegungen £ befördern sehr rasch das ganze Geschöpfchen aus. seiner Hülle. Der voll- - kommen durchsichtige Kopf ist im ersten Augenblick in Anpassung an i die Gestalt der vorderen Eispitze noch kegelförmig nach vorn verjüngt, “Antennen sind noch eingeschlagen. Um so auffälliger treten schon bei schwacher Vergrößerung. drei, große, dunkelgefärbte Gebilde 3 (Fig. 19b) an ihm hervor, rechts und links die beiden rötlichbraun pig- 7 mentierten Augen und in der Mitte des Kopfrückens, wesentlich größer noch als die Ocellen, ein. bräunlichgelbes Gebilde mit schwarzem Zen- _ trum, dessen Bedeutung mir, als ich es zuerst erblickte, eine’ kleine - Weile unklar blieb. Seine Lage in der Kopfmitte, genau dorsal über dem : - durchschimmernden Gehirn, die einem bräunlichen Kelchglase mit nach 2 ‚hinten gerichtetem Stiel gleichende Gestalt mit dem inmitten eines heller 4 gelblichen Hofes gelegenen, kugelrunden, schwärzlichen Zentralkörper, . das Ganze selbst wieder in eine glasklare hellere Zone eingeschlossen, er- _ weckte zunächst den Eindruck eines Sinnesorganes, etwa einer Stato- eyste. Aber es wäre doch zu absonderlich gewesen, wenn man bei den nee ein derartiges Sinnesorgan bisher übersehen ‚hätte! Die - Zweifel über die Bedeutung des fraglichen Gebildes dauerten denn auch nicht lange. Es genügte, eine Larve aus der Bauch- in die Seitenlage zu bringen und das Organ im Profil zu betrachten. Dabei zeigte sich, daß das braungelbliche, kelchglasähnliche Gebilde eine in der Mitte der noch - zarten Kopfrückenkutikula gelegene, chitinige Platte war, die in ihrem Zentrum einen mächtigen, schwarzbraunen Zahn trug, der weit nach außen vorsprang. Damit war klar, daß es sich: um einen Eizahn oder Ei- ‚sprenger handelte, wie man solche von vielen Insekten her kennt Eirel. zn 1906). Bi ws ) TER Bauten, a leicht angefeuchtetes Filtrierpapier. 3 RL ea Ar ! 2 Ä j TR \ . Ursache haben 22). Vielleicht läßt sich bei Schnittuntersuchung der Eier darüber etwas herausbringen. Die kinematischen Vorgänge, die zur Spren- ‚wie bei anderen Insekten (vgl. Voß 1911). Ich habe darüber keine. 4 "etwa 50—60 Min. seine definitive Gestalt und Größe erreicht (Fig. 5d). 348 E. Bresslau, Eier und es der En tee —o > er ; Weitere Beobachtungen orientierten sehr bald über ne Funktion des Organs. Das dunkle Endochorion der Aödineneier läßt zwar keine Unter- suchung der im Ei eingeschlossenen Larve zu. Bei genügender Aufmerk- 3 samkeit gelingt es aber leicht, den ersten Beginn des Ausschlüpfens abzupassen und durch Zusatz eines Tropfens 96 Ooigem Alkohol die ° Larve in diesem Augenblick abzutöten. Fig. 19a zeigt das Mikrophoto- gramm eines dergestalt gewonnenen Präparates. Man erkennt den ‚mäch- 1 tigen Eizahn und sieht, daß die vordere Eikalotte genau an der Stelle 4 abgesprengt wird, wo der Zahn dem Kopfrücken der Larve aufsitzt. oa habe viel Sorgfalt darauf verwandt, um festzustellen, ob etwa im Endo- ° chorion ein Falz vorgebildet ist, in dessen Umfang der Eideckel a 3 springt, habe aber keine Spur davon entdecken können. So ist anzu- nehmen, daß ausschließlich die Lage des Eizahns den Ort des Deckel- ° sprunges bestimmt. Daß der Riß bei den Addines zirkulär verläuft und zu einer vollständigen Ablösung der vorderen Eikalotte führt, © muß aber doch wohl in dem spezifischen Bau des Endochorions seine gung der Eischale durch den Eizahn führen, dürften ähnlicher Art sein näheren Untersuchungen angestellt. Ist die Larve ausgeschlüpft, so entfaltet sie alsbald ihre Fühler ind Borsten, die Mundorgane fangen an zu strudeln, und das Tierchen be- wegt sich munter hin und her. Sehr rasch verändert sich darauf die Form des Kopfes, der wie schon erwähnt, zunächst kegelförmig ist (Fig. 5a), indem er, augenscheinlich durch Wasseraufnahme, aufquillt (Fig. 5b) und allmählich kugelig anschwellend (Fig. 5), innerhalb von Gleichzeitig verdunkelt sich das anfangs rötlichbraune Pigment der re bis zu tiefem Schwarz. Das rasche Anschwellen des Kopfes wird da- durch ermöglicht, daß seine zunächst ganz zarte Kutikula, so lange die E Larve im Ei eingeschlossen ist, in feine Fältchen gelegt ist. Diese Fält- chen, die dem Kopf der eben ausschlüpfenden Larve ein zierliches Relief verleihen, fehlen nur im unmittelbaren Umkreise der den Eizahn tragen- den Chitinplatte, wodurch — nach außen durch zwei stärkere, Tab a 7 förmige Leistchen abgegrenzt — jene helle Zone entsteht (Fig. 19 b),:3 6,w),. deren schon oben gedacht wurde. Beim Anschwellen des Kopfes _ verstreichen die Fältehen allmählich, sodaß seine Kutikula schließlich im wesentlichen glatt ist. Be Von allen Organen die der Larve eignen, ist somit der Rizaha das erste, das vollständig ausgebildet ist und in Funktion tritt. Ist © die Larve suseerchlüpft: so hat er seine Rolle ausgespielt, bleibt aber ! zunächst noch während der ersten 3—4 Tage des Larvenlebens erhalten. Erst bei der ersten Häutung geht er verloren, indem er mit der Larvenhaut abgestreift wird. Die zweite Larvenhaut ‚zeigt keinen 22) Bei den Anophelines und Culieines verläuft der Sprung anders S u. S. 16) By De UNTERE Sohn Su er ie Be Br. K re N E = E. Breslan, Bier und Kizahn. der einheimischen Stechmücken. 349 Im Phizahn mehr, ihr Bostüeken entbehrt dieses auffälligen Gebildes, so daß ein Blick zur Unterscheidung der beiden Larvenzustände genügt. = Mit dem Umstande, daß die Larve während ihrer ersten Jiebens- tage. den Eizahn mit sich herumträgt, scheint mir eine weitere, merkK- würdige Eigenschaft dieses Gebildes zusammenzuhängen, die Hi selten - bei Betrachtung der Larven im Profil zutage tritt. Der Eizahn ist näm- lich einziehbar. Fig. 19a und 7 lehren, wie weit der Zahn über die | Oberläche des Kopfes hervorragt. Bei Seitenansicht der Larven findet man aber häufig die ganze basale Platte, die den Zahn trägt, soweit einge- zogen, dab die Eizahnspitze nicht mehr nach außen vorsteht. Dieses _ Einsinken wird, wie mir scheint, dadurch ermöglicht, daß im Bereich - . jener hellen Zone im Umkreise des Eizahns (Fig. 6 und 7, w) die Kutikula _ weicher und dünner ist als außerhalb dieses Bezirks; vielleicht hilft | außerdem noch Muskelzug von innen her dabei mit. Ich habe bei den Aödines keine näheren Untersuchungen darüber angestellt, verweise aber jetzt schon auf die entsprechenden Verhältnisse bei den Culicines und _ Anophelines, -wo jedenfalls Muskeln hierbei eine Rolle spielen. Diese IR Einziehbarkeit des Eizahns stellt, wie mir scheint, eine überaus „zweck- mäßige“ Einrichtung dar. Bei den meisten Insekten, wo ein Eisprenger - vorhanden ist, wird dieser sofort nach dem Verlassen der Eischale abge- _ worfen, stört also die Larven bei ihren Bewegungen nicht mehr. Dort, wo der Eizahn einige Zeit erhalten bleibt, wie bei Lepisma (Hey- mons 1906), führt das Tierchen zunächst wohl ein ziemlich geruhiges Leben. Den Schnakenlarven aber, die überaus lebhaft umherschwimmen 3 und sich am Boden des Gewässers im Mulm zwischen allen möglichen. een Gebilden ihre Nahrung suchen, dürfte dies Horn auf dem Kopfrücken tatsächlich wohl hinderlich sein; Einziehung des Vorsprungs : würde also das Hindernis beseitigen. ' E Bemerkenswert ist endlich, daß sich die Eizähne der verschiedenen = Aödinenlärven unter sich nicht nur durch ihre Größe, sondern auch durch ihre Gestalt beträchtlich unterscheiden. Ich führe nur drei von £ mir genauer untersuchte Beispiele an: Fig. 6 und 7 zeigen den Eizahn von (. vexans in Auf- und Seitenansicht. Der Durchmesser der Eizahn- platte beträgt etwa 40 In die größte Länge des ganzen Gebildes etwa Ir Der Eizahn selbst ist schwarz gezeichnet, in der basalen Platte kann an entsprechend den stärker und schwächer punktierten Stellen der igur Zonen dunkler und heller braungelb gefärbten Chitins unterscheiden. - Im ganzen sehr ähnlich, nur sehr viel größer ist der Eizahn von C. can- - tans. Die Maße für Durchmesser und größte Länge der Basalplatte betragen 10 bezw. 83 W, WOTaus sich zugleich ergibt, Haß die Breite der Platte, hier verhältnismäßig stärker zugenommen hat als ihre Länge, so daß ihr nach hinten gerichteter Stiel relativ kurz ist. Ein sehr zier- ‚hes a ist der Eizahn von C. en (Fig. 8, 9). Seine Basal- a a REF 4x 390 E. Bresslau, Eier und Eizahn der einheimischen Stechmtkei; 1% ist. Von dem nee Vorsprung jeder Seite ziehe sich eine Br Leiste zum Eizahn selber hin. Der Breitendurchmesser der ag beträgt hier nur etwa 29 u, ihre größte Länge 45 IK. j Da man die Eier der Aedines bisher bei uns kaum kannte, Kann es3 nicht wundernehmen, daß auch der Eizahn ihrer Larven bis jetzt nie beobachtet wurde. Merkwürdiger schon ist es, daß auch in der aus- ° ländischen Literatur, die eine Fülle von Beschreibungen und Abbildungen ° exotischer A&dineneier enthält, nichts Näheres darüber zu finden ist. Ich fragte mich lange, wie es wohl möglich war, daß ein so auffälliges Organ den zahlreichen Spezialisten, die sich in den letzten Dezennien mit der Erforschung der Stechmücken Nord- und Südamerikas, Indiens und an- derer außereuropäischer Gegenden beschäftigthaben, entgehenkonnte. End- lich fand ich in ‘der Monographie von Howard, Dyar und Knab (1912) in dem Kapitel „Moulting and Number of Larval' Stages“ ver- borgem die Sätze: ‚The first-stage larva may be recognised by the pre- u sence on the head of the egg-burster. This is situated dorsally on the middle of the head and consists of an oval, pale, depressed area in the ° middle of which is situated a chitinous disk surmounted by a small, black, chitinous peg.‘“ Das war aber auch alles. Ich habe nicht ausfindig ° machen können, ob. dieser kurzen Angabe irgendwelche ausführlichere Beschreibungen in der ausländischen Literatur zugrunde liegen. Es geht aber jedenfalls daraus hervor, daß der Eizahn der Schnakenlarven den nordamerikanischen Forschern nicht völlig verborgen geblieben ist. 3 Viel weniger begreiflich ist es jedoch, daß man bei uns die ent- sprechenden ‘Organe der Culex- und Anopheles-Larven nicht beachtet hat. Nicht als ob sie dort etwa schwierig zu sehen wären! Es existieren vielmehr Abbildungen der in Frage kommenden jüngsten Larven, wo der Eizahn deutlich eingezeichnet ist. Ich nenne einmal die bekannte Tafel „Culex pipiens“‘ von F. Winter, die als Nr. 3 (1. Serie) der Schäd-- lingstafeln der Deutschen Geselschett für angewandte Entomologie er schienen ist. Fig. 3 dieser Tafel zeigt eine frisch ausgeschlüpfte pipsen ns- Larve, auf deren Kopfrücken der Eizahn durchaus richtig angedeutet ; ist (vgl. Fig. 10). Ebenso bilden und Osterwald in ihrer soeben erschienenen Arbeit (1919, Fig. 2, S. 18) den Eizahn der ersten. Larve von A. maculipennis (bezw. seine Stützplatte, s. w. u.) ab, deuten” ihn allerdings als ein Zentrum, von’ dem der „Verdunkelungsprozeß” der Chitinkutikula auszugehen scheine. E Nichts ist jedoch leichter, als sich von der wahren Natur dieser Ge- E bilde zu überzeugen, und zwar aus dem Grunde, weil sich, zum Unterschied 3 von den Addines 23), bei den Anophelines, vor allem aber bei den Culi- cines die Eier, wenn die Larven schlüptreif zu werden beginnen, soweit aufhellen, daß man den Eizahn hier deutlich in seiner Fünktipn beobachten kann. | 2 23) Daß sich bei den Addines die Eischale nicht so weit aufhellt, um die Larv ' darin deutlich erkennen zu lassen, ist jedenfalls eine Folge ihrer größeren Dicke. Die . Eischale ist hier viel fester gebaut, weil die Eier auf dem Trocknen liegen und 3 2; überwintern. Be E Fr. . nt 6.28 Mer n 5 - . A _ g e- er“ “ Pr u.‘ ve ‘ Y. “ 4 ” Bi * Darin 4; ka - E. Bresslau, Eier und Eizahn der einheimischen Stechmücken. Inf - Allerdings ist der Eizahn unserer Oulex- und Anopheles-Arten von wesentlich anderer Bauart als bei den A&dinen. Während er sich dort kegelförmig im Zentrum einer soliden, innerhalb einer dünneren, kuti- - kularen Zone gelegenen Basalplatte erhebt, die als Ganzes in die Tiefe gezogen werden kann, handelt es sich hier (Fig. 10 —14) um eine schwärz- - liche, etwa dreieckige, in eine zahnartige Spitze ausgezogene Chitinplatte - (Fig.11, 12, 14,z), die dem Vorderrande einer kräftigen Stützplatte (st) ‚etwa von der Gestalt eines breiten Wappenschildes aufsitzt, die bei den - eben ausschlüpfenden, sonst noch ganz durchsichtigen Larven bereits graubraun gefärbt ist. Die normale, anfangs wie bei den Aödines zierliche Runzeln und Fältchen aufweisende Kutikula des Kopfes tritt seitlich “und hinten ziemlich dicht an die Stützplatte heran, so daß jene hellere, - zartere, kutikulare Zone, die bei den Aödines die ganze Basalplatte in größerem Abstande umzieht (Fig. 6w), nur vorn, vor der Eizahnplatte, - einen breiteren Streifen (Fig. 11, 12, 14,w) bildet. , Der eben beschriebene Typus gilt sowohl für die C’ulex-, wie für die : pre Arten. Ein wesentlicher Unterschied besteht nur darin, daß bei den ersteren die Basis der Eizahnplatte und der Vorderrand der “ Stützplatte gleiche Länge besitzen (Fig. 10, 11), während bei den letz- teren die Zahnplatte beträchtlich kleiner ist als jene; ihre Basis erreicht - hier noch nicht die Hälfte der Stützplattenbreite (Fig. 14). Die Einzel- ‚heiten, durch die sich die Eizähne bei den verschiädenen Spezies ihrer Gestalt nach unterscheiden, sind nicht so erheblich, als daß es sich lohnte, E viel "Worte darüber zu verlieren. Am stärksten entwickelt ist der Ei- — zahn der großen Culiseta annulata (Fig. 11, 12), die also auch durch den Bau dieses Organs ihre Zugehörigkeit zur Tribus der Öulicines be- 2 zeugt. Die Basis der Zahnplatte mißt hier ca. 40 u. Bei C'ulex pipiens (Fig. 10) sind alle Dimensionen des sonst ganz ähnlichen (Grebildes um _ die Hälfte kleiner. Bei unseren Anopheles-Arten beträgt die Breite der ® Stützplatie ca. 3d u, während die Basis der Zahnplatte nur etwa 15—16 u - _mißt (Fig. 13, 14). Betrachtet man ein schlüpfreifes Ei von (. pipiens unter dem Mikro- Ei; so fallen einem am Kopf, durch. die Eischale hindurchschimmernd, + sofort die beiden rötlich pigmentierten Augen und der unpaare, schwärz- liche Eizahn auf. Rollt man das Ei unter dem Deckglas, ohne es zu —_ quetschen, in Profillage, so kann man sehen, daß der Eizahn in rhyt h- _ mischen Stößen nach außen und vorne gegen die Eischale bewegt - Muskeln bewirkt, sondern durch Zuströmen von Leibesflüssigkeit in den Kopf, wie das u. a. in der bereits erwähnten Arbeit von Voß (1911) x ausgeführt ist. Ist auf diese Weise die Eischale von innen her gentigend m angewetzt, so platzt sie mit einem Male genau an der Stelle, wo der Eizahn sitzt, und es springt ein Deckelchen auf, das sich aber nicht völlig loslöst, sondern ventral an dem Ei hängen bleibt (Fig. 4). Auch E: hier wiederum ist von einer präformierten Naht, in der der Deckel auf- es ee, nichts zu ‚sehen. Wenn a nteiner oh S. 45) - wird. Diese Bewegungen werden allem Anscheine nach nicht durch 359 E. Bresslau, Eier und Eizahn der einheimis ! angibt, daß bei schlüpfreifen pipiens-Eiern eine _Deckelnaht „als dunkle Kreislinie deutlich differenziert“ sei, so liegt dem unzweifelhaft eine Verwechslung mit der Grenznaht zwischen dem Kopf- und Brustabschnitt der Larve zugrunde, die sich tatsächlich in dieser Weise als dunkle Kreis- linie durchschimmernd bemerkbar macht. Ganz ähnliches läßt sich an schlüpfreifen Ampeln. bob 3 achten (Fig. 20,21). Nur springt hier der Deckel nicht einfach zirkulär, ° sondern in einem Spiralriß auf, ohne daß aber auch hier die. Rißstelle vorgebildet erscheint 2#). Der Deckel löst sich auch hier nicht von“ dem Ei ganz ab, sondern bleibt an der nach oben schauenden, flachen Seite desselben befestigt. 3 Wie kommt es nun, dab der Deckel so plötzlich a wo doch die Eischale von dem Eizahn nur an einer ganz kleinen Stelle der Dorsalseite angeritzt werden kann? Der A des Kopfes könnte das 3 sichtigkeit der Schale, de Me dene. des ganzen Vorganges selbe zu beobachten. Ich reproduziere in Fig. 20, von Anopheles bifurcalus, : dasselbe Ei vor dem Ausschlüpfen der Larve, von dem Fig. 21 die Eischale im Moment des Schlüpf£fens (unter Weglassung der Larve) wiedergibt. Man sieht in Fig. 20 die Larve durch die Eischale deutlich durchschimmern, bemerkt, daß der. Kopf hier das vorderste Ende des Eies nicht ganz ausfüllt, erkennt das Auge (au) der einen Seite und den Eizahn (ez), sowie die einzelnen Segmente und die an ihnen sitzenden Borsten, von denen ich jedoch nur die: größeren eingezeichnet habe, Und nun achte man auf die Lage der Borsten. Die langen, vom letzten Abdominalsegment entspringenden Schwanzborsten (sb) sind. nach vorn umgeklappt, die Thorakal- (thb) und kleinen Abdominalseitenborsten (ab) nach hinten. Diese Anordnung entspricht genau der, die mechanisch’ zu fordern ist, wenn die Borsten die Larve beim Ausschlüpfen nicht hindern sollen. Viel auffälliger als diese Borsten, auffälliger auch noch als es in der Zeichnung zum Ausdruck kommt, machen sich aber dem Beobachter die mächtigen Schwebeborsten (schb) bemerkbar, die zu 3 Paaren jederseits am Thorax und zu 3 Paaren jederseits an den drei ersten Abdominalringen entspringen. Sie sind alle vorwärts und ventralwärts gerichtet und konvergieren zu Krältigen Bündeln, die sich genau dort an die Eischale anlegen, wo die Dreh- und Are zungsstelle des Deckels ist, um über diese Linie hinaus weiter im die Spitze des Eies hineinzuragen. Man braucht nunmehr hiermit bloß Pie. 237274 vergleichen, um zu verstehen, wieso der Deckel aufklappt, wenn er dorsal vom Eizahn angeschnitten ist. Die 6 Paar Schwebe- borsten von rechts und links bilden mächtige Hebel, deren ganz be: e3 stimmt gerichteter Druck sich auf das wirkt mit den N Turgor des Kopfes verbindet. Für die Culex-Arten genügt es zu sagen, daß der Vorgang im Prinzip ganz genau ebenso verläuft. Ich ka nz 24) Ebenso berichten auch Nuttal und ee (001) und soeben Tän zer‘ r und Osterwald (1919). g& in BD % g 3 Bi In ww (a6 ER 2 Dr u 20a Mi m: e: nn er 2 ,, 3 a - res Bier und. Rizahn der einheimischen Stechmücken. 353 ER Br 1. leg ‘ yr: R j a Feen. den ‚die a Be: reizvöllen RR ‚gew a iben or Fauchegtuben unserer Dorfschatten ‘oder aus He antohiyen ı Gärtnereien Eierschiffehen von ©. pipiens mit Leichtigkeit zu er- 2 gen. In längstens 3—4 Tagen sind die Larven fertig entwickelt, und » Demonstration ihres Ausschlüpfens gelingt bei einiger Übung mit [ehlbarer Sicherheit. Sind die Larven geschlüpft, so a ihre: Köpfe bei Anopheles wie Culex oc ie und et en. wie bei den Aödines. Sehbar 3 ce seiner abweichenden Bien a dies er auf EZ. andere ‚Weise wie dort. Zur Beobachtung des Vor- ben Asch Sehnen läßt (Fig. 12), daß von der weichen Zone (w) vor = Be ua @ ee einkräfti g er M usk e | (m) en = > ihn nach vorn und innen maläns u gelet Genau dasselbe ist bei 2 aonhelen der Fall. ae Ben FE mit dem Eizahn bewehrten Schnabel beim Aufsprengen = in en ‚zu ‚Setzen. Die ne Analogie ar ied em ande. N a heobaetung nur raten, sich den Genuß zu. u 7 I Ar Pete, in FR ee Bern RES SE Ha h 354 E. Bresslau, Eier und Eizahn der einheimischen Stecchmücken. Literatur. Ss Banks, Ch. S., Biology of Philippine Uulicidae. Philippine Journ. Sci. Sect. B. a4 4 S. 935258, 1908. 4 Bresslau, E., ‚Beiträge zur Kenntnis der Tebeiswei unserer Stechmücken, T: Mit- E teilung. Über die Eiablage der Schnaken. Biol. Zentralbl. 37, 8. 507—531, 1917. Bresslau, E. und Glaser, F., Die Sommerbekämpfung der Stechmücken. Zeitschr. | f. angew. Entomol. 4, S, 290—296, 1917. 5, Eckstein, F., Zur Systematik der einheimischen Stechmücken. 1. vorl. Mitteil.: 1 h Weibchen. Zentralbl. Bakt. 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Idealer Längsschnitt durch ein Obies Biesschiffchen, Schema, a das Ende, an | dem die Ablage begonnen, b das Ende, an dem sie beendet wurde. Fig. 4. Oulex pipiens L., leere Eischalen nach dem Ausschlüpfen der Larven, a der = " an der Eischale hängende Deckel in Aufsicht (mit Ansatzstelle des Schwimm- E triehters), b Deckel in Seitenansicht. 85X. = Fig. 5. Culicada vexans Meig., Umbildung des Larvenkopfes nach dem Ausschlüpfen. Br. a Kopf der Larve Selber nach dem Ausschlüpfen, b und e Durchgangs- > stadien, d definitives Aussehen; nach dem Leben. 90x. Fig. 6. Culicada vexans Meig,, Eizahn von oben (dorsal) gesehen. Fig. 7. Culicada vexans Meig., Eizahn in Seitenansicht. Fig. 8. Culieada nigrina Eckstein, Eizahn von oben gesehen. - Fig. 9; Culicada nigrina Eckstein, Eizahn in Seitenansicht. Fig. 6—9 nach dem az Leben und Totalpräparaten gezeichnet. b Basalplatte, w Zone weicherer Cuti- Br etuls, z Zahn, v vorn; .h’ hinten. '360X.: —»+Fig. 10. Ouiex pipiens, Kopf der Larve unmittelbar nach dem Ausschlüpfen; nach 2%. dem Leben gezeichnet. Ez Eizahn. 90x. Fig. 11. Culiseta annulatı Schrank, Eizahn von oben gesehen. Fig. 12. Ouliseta annulata Schrank, Eizahn in Seitenansicht. Fig. 11 u. 12 nach dem © Leben und Totalpräparaten gezeichnet. m Muskel, st Stützplatte, w Zone "= © © weicherer Cuticula, z Zahnplatte, v vorn, ah hinten. 360 Fig. 13. Anopheles bifurcatus L., Kopf der Larve unmittelbar nach dem Ausschlüpfen, AEER nach dem Leben gezeichnet. Ez Eizahn. 90X. - Fig. 14. Anopheles bifurcatus L., Eizahn von oben gesehen. st Stützplatte, w Zone =. 0 0... weicherer Cuticula, z Zahnplatte. 420%. Fig. 15. Ei von Anopheles maculipennis Meig., Seitenansicht 100X.. Fig. 16. Ei von Anopheles bifurcatus L., a von der Seite, b von oben gesehen. 100X. - Fig. 17. Ei von Culicada nigrina Eckstein, Seitenansicht 140%. - Fig. 18. Eier verschiedener A&dinenarten, a von Culıcada nigrina Eckstein, b von E:.- C.lateralis Meig., ce von Aödes cinereus Meig., d von Ü. vexans Meig.., e von \C. cantans "Meig.., zusammen auf einer Platte photogr. aufgenommen. 18%. . Culicada vexans Meig., a Ei im ersten Moment des Ausschlüpfens fixiert, von der Larve ist nur der Kopfrücken mit dem Eizahn sichtbar; Mikrophoto- gramm nach Totalpräparat, b ausschlüpfende Larve, nach dem Leben und - Totalpräparaten gezeichnet. 80X. . Anopheles bifurcatus L, ‚schlüpfreifes Ei-in Seitenansicht. Die Larve durch die Eischale hindurch sichtbar. ab‘ Abdominalborsten, au Auge, ez Eizahn, Ex Felderung des Exochorions (nur in einem kleinen Bezirk angedeutet), sch.b Schwebeborsten, sb Schwanzborsten, th.b Thoracalborsten. . Anopheles bifurcatus L, Aufgesprungene Eischale desselben Eies während des Schlüpfens der Larve. Die Ausschlüpfrichtung wird durch den Pfeil ange- deutet 120X.- . Schräger Sagittalschnitt durch eine frisch ausgeschlüpfte Larve von A. bifur- cutus, der Eizahn (ez) durch die Retractormuskeln (m) nach vorn eingezogen. w Zone weicherer Cuticula, k Kopf, th Brustabschnitt der Larve. Mikro- WOHER Bern GR | Ken a RUE BE 2 | 23" re 356 Beobachtungen über die Lokomotionsart des Hoplolaimus rusticus (Micoletzky) und verwandter Formen, nebst einleitenden Bemerkungen über die Lokomotion der freilebenden Nematoden überhaupt’). (Ein Beitrag zur Kausalmorphologie einiger Nematodentypen.) Von H. Stauffer, stud. med., Hofwil-Bern. Mit einer Tafel und 3 Textfiguren. Über die Bewegung der freilebenden Nematoden ist bis heute recht wenig bekannt; man wußte nur, daß sie schlängelnde Bewegungen aus- führen, mit deren Hilfe der Ortswechsel stattfindet. Die wirkenden Kräfte bei diesem Schlängeln sind graphisch dargestellt (Abb. 1) und mathematisch erklärt worden. Doch fehlte jede gründlichere Analyse; gemeinhin wurde diese schlängelnde Bewegungsart als für die Nematoden - allgemein geltend angesehen, nur Metschnikoff hat in seiner Unter- scheidung „kriechender“ und „schwimmender‘“ Nematoden das Vorhanden- sein verschiedener Bewegungsarten unklar angedeutet?). G. Steiner?) | machte als erster darauf aufmerksam, daß die Nematoden sich bei diesem - Schlängeln stets nur in der Medianebene bewegen, daß diese meist wag- recht gestellt wird und die Tiere eine Seitenfläche nach unten wenden. = Beim Untersuchen von freilebenden Nematoden hatte ich vielfach Ge- legenheit, die Lokomotionsart derselben etwas genauer ins Auge zu fassen. 3 Einige dieser Beobachtungen sollen im folgenden wieder gegeben werden. Eine zusammenfassende Darstellung des Gebietes hoffe ich später ein- mal geben zu können. Zum Studium der Schwimmbewegung würden a Tiere in reinem Wasser auf Objektträgern oder in Uhrschälchen bei schwacher Vergrößerung untersucht. Beobachtet wurden Trilobus gracilis Bast., Monohysteria similis Bütsehli, ferner verschiedene Diplogaster- arten, alles typisch Wasserbewohner. Der Körper bildet bi der Fortbewegung transversal von vorn nach hinten ver- laufende Wellen. Die Schlängelbewegung des Körpers ist also die Ursache der Lokomotion. Bei gleicher Fortpflanzungsgeschwindigkeit sind im Wasser die Wellen meist von gleicher Amplitude. Im allge; meinen bildet ein und dasselbe Tier auf seine Körperlänge eine kon- stante Zahl von Wellen; so Trilobus gracilis meist 19 —2 ganze Wellen- E „ | | 1) Seit längerer Zeit beschäftige ich mich, angeregt durch Herrn P.D. Dr G. Steiner, mit dem Studium der freilebenden Nematoden. Das Zustandekommen dieser kleinen Arbeit habe ich ihm zu danken; wie immer. stellte er mir alle nötige Literatur zur Verfügung. Es gereicht mir zur großen Freude, ihm an dieser Stelle = für all seine gütige Unterstützung den wärmsten Dank abzustatten. 2) E. Metschnikoff, Beiträge zur Naturgeschichte der Würmer. Zeitschrift iür wissensch. Zool. Bd. XVII, Heft 4. 3) G. Steiner, Untersuchungen über den allgem. Bauplan des Nematodenkörpers. Zool. Jahrbücher Bd. 43, Abt. für Morphologie. 1919. . 3 E Li w AR De As PN. Y DS a .! e 6. Rt En x 2 j e Re I uf ter, ee über die Lokomotionsart ete. Yu, Nr 7 . BER r* ni « en “ N - % ihr gen, ie a eeithärken (z. B. D. fluviatilis) ungefähr gleich E- Monohystera similis dagegen nur etwas über 1/9 Wellenlänge. Die Larven. ‚und jungen Formen der ersterwähnten Arten bilden in der Regel ‚eine etwas kleinere Wellenzahl als die ausgewachsenen Formen. Es steht d jes wohl in Abhängigkeit von der relativen Körperlänge und Körper- dicke. Die Wellen bilden eine sinusoide Kurve (Abb. 2). Meist wird durch die Fortbewegungsachse und die Tangente an die Welle im Schnittpunkt mit der ersteren ein Winkel von ca. 45° gebildet. Bringt man die Tiere.in ein Medium mit größerer innerer Reibung als Wasser sie hat, so zeigt sich, daß die Amplitude der Welle kleiner wird, somit auch der vorhin erwähnte Winkel kleiner als 45°. (Als solches Medium benutzte ich meist etwas gallertige Stoffe, die aus faulenden Pflanzen- >= eilen stammten; man kann aber auch Gelatinelösung, Quittenschleim oder ähnliche Stoffe nehmen.) | - In ein paar Fällen machte ich die Beobachtung, daß die Nematoden ob alle?) die Fähigkeit haben, Rückwärtsbewegungen auszuführen. Es eschah unter folgenden Bedingungen. Beim Durchsuchen von Algen- olstern nach Nematoden auf einem Objektträger wurden die möglichst $ erteilten. Pflanzenteile so mit Wasser bedeckt, daß die Nematoden schwimmen konnten. Das Gemisch suchte ich nun ab und hob die "Tiere mit, einer Borste heraus. Hie und da gerieten sie aber beim schnellen - Schwimmen. so zwischen feste Teilchen hinein, daß sie bei Vorwärts- bewegung nicht mehr frei werden konnten. In diesem Fall wurden nun nfach die Wellen von hinten nach vorn gebildet und das Tier rurde so aus seiner Zwangslage befreit. Sogleich nahm es wieder seine normale Fortbewegung an. Bei einigen Süßwasserforinen, besonders deutlich aber bei Monohy- tera similis Bütschli beobachtete ich folgendes: Die Tiere befanden h in genügend Wasser, so daß sie schwimmen konnten. Wurden sie nun durch : irgendeinen Umstand veranlaßt, schneller als normal zu schwim- er : > En sa en des Wassers, Berührung der Tiere mit ‚einer 08 H. Stauffer, Beobachtungen über die Lokomotionsart ete. Bere per so weit möglich wieder in eine Gerade, d. h. das Vorderende wird nach vorn bewegt. So geht die Bewegung weiter. Fehlen dem Körper. feste Stützpunkte, so kann er sich derart nicht vorwärts bewegen. Das Tier windet und krümmt sich dann stetig, bleibt aber an der gleichen Stelle. Wenn Formen, die raschen Schlängelns, also einer richtigen Schwimmbewegung nicht mehr fähig sind, in reines Wasser gebracht werden, ist diese Erscheinung stets zu sehen, sehr deutlich z. B. am schlammbewohnenden Dorylaimus stagnalis Dujardin. Sehr ungleich ist bei den verschiedenen Formen die Fähigkeit, sich an einem starren ° Körper festzuhalten. Schlanke Formen (z. B. Monohystera filiformis Bastian, Aphelenchus helophilus d. M.) vermögen dies besser zu tun als kurze, plumpe (viele Rhabditisarten, Cephaloben undDo- rylaimiden); glatte Haut ist auch ungünstiger (z. B. Dorylai- miden) als geringelte (z. B. Tylenchinengruppe). Gutes Fest- halten ermöglichen ferner Borsten (z. B. bei vielen Monohystera- arten). Es ist dies eine leicht zu beobachtende Erscheinung. Bringt man in ein und dasselbe inhomogene Medium verschiedene Arten, zZ. B. Dorylaimus intermedius d. M. und Monohystera filiformis Bastian, so sieht man, wie die eine Art (Dorylaimus) sich kaum von der Stelle bewegt, während in der gleichen Zeit die andere (Monohystera) schon eine größere Strecke zurückgelegt-hat. Den bis jetzt geschilderten Bewegungsarten ist gemeinsam, dab der Körper nie eine merkliche Längenänderung erleidet. Bei beiden wird der Körper in Windungen gelegt. Ich bezeichne diese Be- wegungsarten deshalb zusammenfassend vorläufig als Schlängeln Weitere bei Nematoden beobachtete Bewegungsarten sind: i 1. Das Klettern nach dem Geometridentypus, z. B. bei ee, | somatiden und Rhabdogaster, 2. das Stelzen mit Hilfe steifer Borsten, aus denen in manchen Fällen protoplasmatische Fortsätze vorgestreckt werden können, z. B. bei Desmoscoleciden. Diese. beiden Bewegungsarten sollen hier nicht näher bekandele werden, wohl aber wollen wir das Schlängeln etwas eingehender dar- stellen und dann im Anschluß daran eine neue, für die Nematoden bisher ‚nicht sicher erwiesene Form des Ortswechsels der Gruppe der Hoplo- laimiden#) erläutern. Es ist dies die-geradlinige Fortbewegungsart, d. h. der Ortswechsel durch Verkürzen und Strecken des Körpers in der Richtung der Prinzipalachse, eine Bewegungsform, die aus dem „schlängelnden Typus“ sekundär hervorgegangen ist und für die Nema- toden einen Neuerwerb darstellt. Diese geradlinige Lokomotionsart ist etwas dem ursprünglichen Nematodentypus völlig Fremdes. Cobb, ein ganz SUSERZELHLSIEN amerikanischer Beobachter, hat auf die Möglich. u > nn de NEN. a SA NT: de EISPALEET D: _ ia = ee) i% ' al eh il LE un in DEE EA m a ip vl u 9 ar in a5 4) Die Nomenklatur für diese Gruppe wird in jean Ausführungen "nach Menzel’s Angaben durchgeführt. (R. Menzel, Zur Kenntnis der freileb.. Nema- todengattung Hoplolaimus v.Daday. Revue Suisse de Zoologie, Vol. 25, Br Auf diese Arbeit Menzels komme ich eventuell später noch zu sprechen. 0 re. a Y SR “ ar L R. Stauffer, Beobachtungen über die Lokomotionsart ete, %, Breit ie Vorkommens dieser Bewegungsart bei Nematoden (Jota) aller- { 3 dings schon früher hingewiesen. B Versuchen wir nun, erst unsere Beobachtungen über das „Schlän- Eieli“ in möglichster Kürze theoretisch zu fassen. Wir wissen, daß die _ Nematoden im Hautmuskelschlauch keine Zirkulärfasern, sondern nur Längsfasern besitzen. Da sich bei der Schwimmbewegung X der Körper nicht‘ verkürzt, ist sofort ersichtlich, daß sich dabei im — Körperquerschnitt entweder nur die dorsale oder nur die ventrale Musku- lJatur kontrahierte. Aus dieser einseitigen Kontraktion ergibt sich die 3 - Krümmung des Körpers. Die nun erfolgende Streckung geschieht durch _ dieelastischen Kräfte der Kutikula. Die Krümmungen wer- “den im Interesse der besten Lökomotion stets so gebil- det, daß daraus transversal fortschreitende Wellen resul- = tieren, die sich gewöhnlich von vorn nach hinten bewegen. Dieser trans- versal fortschreitenden Welle setzt das Medium (indem dasselbe defor- - miert wird) Widerstand entgegen; es wird eine elastische es erzeugt, deren Richtung genau entgegen läuftder Fortpflanzungsrichtung der Welle. Diese Gegen- kraft drückt gleichsam die Welle in ihre frühere Lage zurück, d.h. die Welle selbst behält stets ungefähr die gleiche Lage, dafür F aber wird das ganze Tier in der Richtung der Gegen- kraft, also entgegen der Fortpflanzungsrichtung der Welle vorwärts bewegt (Abb. 4). Eigener Art sind die Verhält- . nisse meist an den Körperenden (Abb. 3). Die Wellenbewegung geht da allmählich über in die Schlagbewegung eines (annähernd) starren, = geraden Körpers; doch auch hier beruht die Fortbewegung auf der trei- benden Gegenkraft des deformierten Mediums. Würde - die Schlagbewegung eine der Körperbewegung entgegengesetzte Richtung _ hervorrufen, so kann einfach der Schlag verlangsamt werden. Außerdem - E. _ kann vorn das Endstück eine Konkavität nach außen, hinten nach innen bilden. | Ä Die Geschwindigkeit der Fortbewegung ist in erster Linie R F ineis von der Größe der treibenden Gegenkraft. Diese aber ist bedingt durch folgende Faktoren: 1. Größe der Gegenkraft erzeugenden Fläche. . 2. Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Welle. 3. Spezifische Beschaffenheit des Mediums. "Als gegenkrafterzeugende Teilfläche möchte ich bezeichnen die Projektion aller Oberflächenpunkte _ der Welle des Nematodenkörpers zwischen einer sich sigenden linken und rechten Maximalamplitude auf _ eine Ebene, die senkrecht ZUT Fortpflanzungsrichtung | steht (Abb. 6). Die Gesamtfläche ergibt sich dann aus der Summe aller dieser e. Teilflächen einschließlich der zwei Flächen der Endstücke. = au? -H. Stauffer, Beobachtungen über die Lookomot ısart etc Er RE Die Gegenkraft ist der segenkralterzeugenden. Fläche direkt proportional. Te | Diese gegenkrafterzeugende Fläche würde eine - marke Größe erlangen, wenn die Längenachse des Tieres senkrecht stände zur Fort- pflanzungsrichtung. Dies ist unmöglich; denn bei dieser Lage müßte die Muskulatur senkrecht zu einer festen Richtung wirken. Ihre Wir- kung wäre also = 0. Beide Faktoren, Größe der ‚gegenkrafterzeugen- den Fläche und Wirkungsgrad der Muskulatur sind abhängig vom Winkel zwischen der Körperlängsachse und der Fort- pflanzungsrichtung; die Muskelwirkung ‘ändert sich mit ‚dem - er Sinus, die gegenkrafterzeugende Fläche mit dem Cosinus des er- wähnten Winkels. Daraus folgt, daß wireine er E kung der beiden Faktoren zusammen bekommen, wenn die Körperlängsachse und die Fortpflanzungsriehtung - miteinandereinen Winkel von 45° bilden (Abb. 2). Eser - gibt sich ferner, daß der Nematodenkörper nie eine große Zahl von Wellen bildet; dies ist in ursächlichen Zusammenhang zu bringen mit dem Bau der Tiere; denn der Körper leistet jeder sich bildenden Welle ‚einen bes union Widerstand. Wenn nun die Zahl der Wellen stark = ' erhöht würde, so wüchse dann auch der innere Widerstand. des Kör- 3 pers, ohne daß die Wirkung nach außen sich vermehrte, sondern eher verminderte (Verkleinerung der gegenkrafterzeugenden Fläche). Wir müssen nämlich annehmen, daß der Körper ein gewisses. Maximalbiegungs- = vermögen hat, das nicht überschritten werden kann. (Mit Zunahme der - relativen Körperdicke wird dieses Biegungsvermögen ‚kleiner; so wird 4 bei plumpen Nematodenformen, z. B. vielen Rhabditiden und Ce- phaloben bei der Fortbewegung meist nur eine halbe Welle gebildet.) Weiterhin erreichte bei doppelter Wellenzahl ein doppelt.so großer Teil der Körperlänge den Winkel von 45° mit der Wellenachse nicht; die 4 Wirkung wäre also kleiner. Hingegen ist eine nicht zu geringe Zahl von Wellen sehr im. Interesse einer geraden Lokomotionsrich- 4 tung (zur geraden Fortbewegung ist mindestens eine ganze Welle er- forderlich). Wir müssen also auch hier annehmen, daß der Fall erfüllt 4 sei, bei dem den beiden Anforderungen auf bestmögliche Weise ent- ° sprochen ist. (Dabei ist natürlich die N als unveränderlich _ 2 angegeben.) 3 Die Behauptung, daß besonders der: Bau des Tieres Ds vu sei für die Zahl der gebildeten Wellen, wird noch durch die Tatsache gestützt, daß das gleiche Individuum seine ee unter, B gleichen Bedingungen konstant beibehält. - | Br . Die Rückwärtsbewegungi inZwangslagen wird ı uns a 3 verständlich; wenn wir Bau und Anordnung der Kutikula, ‚überhaupt £ des Hautmuskelschlauches in Berücksichtigung ziehen. 3 Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Welle ist der Größe der Gegenkraft direkt proportional. Diese Größe ist gegeben durch die | Bigenschaften des Hautmuskelschlauchs. se ee 2 Fee 2, A RE N Re _ EN a > Ye EERER a a Be er ern FIN}: N Rare = Fi eo. or, Beobach amigen über die Lokomotionsart ete, 361 R Ener eetfiächer Meschaffenheit des Mediums ver- ‚stehe ich hier lediglich physikalische Momente, also Dichte, innere Rei- bu ung, Elastizität. Besonders wichtig ist die Elastizität; wir ar ja. schon gesehen, da Iaß deren Vorhandensein Grundbs ER für das Zustandekommen einer 2 Vorwärtsbewegung ist. Hierhin gehört auch die Erklärung für die Erscheinung, dab sich - Wellenamplitude in Medien größerer Dichte verkleinert. Zum Fortbewegen des, Nematodenkörpers, der als Massengebilde eine estimmte Trägheit besitzt, ist eine ganz bestimmte minimale Gegen- kr aft erforderlich. Ist diese also bei normaler Stellung der Wellen (Achsenwinkel —4 50) und bei maximaler Fortpflanzungsgeschwindigkeit ‚derselben mit der vorhandenen gegenkrafterzeugenden Fläche nicht zu erreichen, so wird letztere vergrößert und dadurch auch die Gegenkraft steigert. Derart wird allerdings der Wirkungsgrad der Muskulatur tringert, aber bei geringem Widerstand ist er (bis zu bestimmter nze). doch noch genügend. : Das Zustandekommen von ee stehenden Wellen ben wir uns so zu erklären. Mit steigender Fortpflanzungsgeschwin- ceit der Wellen wächst auch der Widerstand im Medium. Dieser iderstand kann schließlich so groß wörden, daß der Körper gleichsam ein schwingender Faden fest aufgehängt im Medium ist. So kann dem der Fortbewegung entgegengesetztem Ende Reflexion der le eintreten. Werden nun in gleichen Perioden mit den reflektierten ‚ neue Wellen erzeugt, so müssen fixe Knotenpunkte und damit :hende Wellen entstehen (Abb. 3). Durch die Bildung der stehenden ellen sollte eigentlich die Fortbewegung gänzlich sistiert werden, denn wird keine einseitig wirkende Gegenkraft mehr erzeugt. Wenn das sich trotzdem noch langsam fortbewegt, so rührt das daher, daß ‚beiden Endstücke in der früher erwähnten Weise wirksam sind .—n “ Sarıh 2 « En I‘ en “ Be; B-;- Von einer Heörterung weiterer Faktorett, die die Schwimmbewe- “gung irgendwie beeinflussen, sehe ich hier ab. : Zusammengefasst ergibt sich folgendes: Die Schwimmbewe- gung der Nematoden imhomogenen Flüssigkeitsmedium beruht auf der Erzeugung von Deformationen im Me- dium durchtransversalfortschreitende Wellen desNe-. matodenkörpers; es entstehen so'einseitig wirkende, elastische Gegenkräfte, die dann dem Körper seine ] a en ; IE B. anche M. sen ein Großteil Fe im oder auf dem. amı e lebt. oder doch irgendwie mit festen Körpern in Verbindung ; dies letztere schr häufig mit Hilfe der Schwanzdrüsenzellen und 1 diesen abgesonderten Sekretes. ‚So verstehen wir, daß mit dem Pa -' . gu * - a u a N 4 u : - SIT ET RENTE ee ;% z er . . E erZ je) Kr: ? rFE Ne; =& En Fa Es 5°. 362 H. Stauffer. Beobachtungen Ehe Lokomotionsart etc. Aufenthalte im inhomogenen Medium mit allen Oierkangeern en eine neue Lokomotionsart entsteht, die gerade gebunden ist an das Vorhanden- sein von starren, d. h. nicht vom Orte beweglicher Teile. Die Schlängelbewegungiminhomogenen Mediumbe- ; ruht auf dem Prinzip, daß nach Fixierung eines Kör- perteils der Schwerpunkt nach vorn bewegt wird, das ä eine Mal durch Muskelkraft (Krümmung), das andere : Mal durch Elastizität des Kutikularschlauches ° (Streckung) (Abb. 7). Es ergibt sich daraus, daß Form und Zahl der 1 Krümmungen direkt von gar keinem Einfluß sind; es kommt lediglich ; auf die Strecke an, die der Schwerpunkt nach vorn zurücklegt. Die Art der Krümmungen ist in Abhängigkeit von der Beschaffenheit des Mediums; bei Schlammformen, denen der Wohnraum relativ wenig fixe Teilchen zur Verfügung stellt, ist noch eine gewisse Regelmäßigkeit | da. So legt z. B. Dorylaimus stagnalis Dujardin regelmäßig sein 3 Vorder- und Hinterende nach der gleichen Seite ein bis sie zum Kreis ; geschlossen sind, ja die Krümmung geht weiter, bis der Körper einen 4 Kreis mit doppelter Begrenzung bildet. Ganz regelmäßig wird der Kreis ° wieder abgerollt, geht über in die Gerade und die Krümmung bildet “sich in gleicher Weise nach der anderen Seite hin. Wo aber mehr fixe ° Teilchen vorhanden sind, da wird die Form der Krümmung bedingt durch die Form des Zwischenraumes zwischen den fixen Par- 7 tikeln. Die Bewegung der Erdnematoden zeigt dies deutlich. Viel- fach scheinen diese überhaupt nicht mehr fähig zu sein, geometrisch ° regelmäßige Krümmungen zu bilden, denn, ins Wasser gebracht, machen sie alle möglichen unregelmäßigen Bewegungen. Auf die Art der Fest- ° heftung an den fixen Teilchen komme ich weiter hinten im Zusammen- häng mit Hoplolaimus rustieus (Micoletzk'y) zu sprechen). e Im Laufe des Winters 1918/19 hatte ich Gelegenheit, in nächster 7 Umgebung von Hofwil über 30 Exemplare des bisher nur in einem Stück gefundenen Hoplolaimus rusticus (Micoletzky) zu sammeln. Die starke Entwicklung der Ringelung drängte einem sofort die Frage nach der Kausalität dieser Gestaltung auf. Bevor wir darauf eintreten, sollen ° die Angaben Micoletzky’s über diese Form noch etwas ergänzt werden. Die Größenverhältnisse simd folgende: F 9: Länge —=(,64 mm ae “ \ am lebenden Tier Dicke —=0,048mm „—17 i Oesophagus—=0,176 mm n=1 Stachel =0,076 mm Schwanz —(0,088 mm Ringelzahl = 98 5) Hoplolaimus rusticus Micoletzky — Criconema, rustieum Micoletzky, Freilebende Süßwasser-Nematoden der Bukowina. Zool. Jahrbücher Abt. f. Prien f Geogr. u. Biologie der Tiere. Bd. 40, Heft 6, 1917, S. 576. ä « B 4 Bu ee}; FIR. A 2, . RR H. Stauffer, Beobachtungen über die Lokomotionsart_ete. 3653 ji venile: Länge =0,307 mms=10, r Dicke .=0,031 mm,=15 "2 Öesophagus— 0,1143 mm (n—2) ‚Stachel 0,048 mm _40 Schwanz =0,02 mm . | ns N N Ringelzahıl 170 2 b.9. Hoplolaimus rustieus (Micoletzky). Variationskurve für Verhältnis Ringel- “zahl zu Individuenzahl. Der punktiert gezeichnete Teil der Kurve bezieht sich auf die im Text erwähnten Jugendformen mit der sehr hohen Ringelzahl. BrES 470 490 510. 530 | 350 57D 590 610 630 _6HP 10, Hoplolaimus rusticus (Micoletzky). Variationskurve für Verhältnis Ringel- - zahl zur Körpergröße. Weil die Länge variabel: ist, so wurde statt dieser als Maß das Körpervolumen gewählt. Die da angeführten Zahlen sind nicht absolute, sondern sie ergaben sich bei der Volumberechnung direkt aus den Mikrometerwerten. Für die jugendlichen Formen ergibt sich als Durchschnitt der Ringelzahl = 115, wenn -die besonderen Formen mitgerechnet werden; schaltet man sie aus, so ist der Wert = 106. Die größeren Exemplare weisen “durchschnittlich die Ringelzahl 98,5 auf. Die Zahl der untersuchten Indi- - viduen ist in allen Tabellen 33. € ca Ber ee ee E: L p4 x 13 . m Da v et. > ie rn - a Pr u E Ni ner Eu > 2 47 17 90 85 1 "0 150 364 B; Stauffer, Beobachtungen über die en Körperform plump, ach den Enden hin wenig verschmälört: Kuti- h kula stark quer geringelt (mittlerer Abstand der Querringel bei ausge: wachsenen Tieren 2,7 ı), borstenlos, aus zwei Schichten es ‚beide. quergeringelt. Die von Micoletzky aufgeführte dritte, ungeringelte Schicht ist nicht mehr Kutikula, sondern stellt die. Hypodermis dar. Die Ringelzahl ohne Anfangs- und Endstück schwankt zwischen 0 und 120 bei erwachsenen Tieren; die meist gefundene Zahl ist 100° (Abb. 9). Jugendliche Tiere scheinen zahlreichere, dafür aber kleinere Ringel zu besitzen; es wird da. die Zahl 160 erreicht a 10, E De en eor Su a Längen, darüber | Anzahl der Jholfviohreie. n| 10 | 1o| 190 260 210 220 280 240 250 260 270 280 290 3bo| 310 320 330 Abb. 11. Hoplolaimus rusticus‘ (Micoletzky). Variationen für Verhältnise Länge zu Ringelzahl "und Länge zu-Dicke. Die Zahlen sind direkt die Mikrometerwerte. Die Dicken sind rechts, die Ringelzahlen links aufgetragen; die Dickenkurve ist gestrichelt gezeichnet. Die Durchschnittswerte für e Ringelzahl sind in gleicher Weise wie in Abb. 10 eingezeichnet. > Wie aus Abb. 10 und 11 zu sehen ist, ergibt sich mitzun ehmen- der Körpergröße ein Abnehmen der Ringelzahl (auch ab gesehen von den erwähnten besonderen Formen). Bei der Häutung der Tiere wird die neue Kutikula Hautringel inkleinerer Zahl, daf ir aber in desto mächtigerer Ausbildung bekommen. Die Form der Ringel ist aus Abb. 8e ersichtlich; der äußere Rand ist zugespitzt und stets nach hinten gerichtet und was besonders bemerkenswert; 5 6) Ob diese Formen mit der Ringelzahl 160 wirklich zu H. rusticus gehören, kann ich nicht sicher sagen, da andere, ungefähr gleich große Tiere, eine weit kleinere 2 Ringelzahl besitzen (Abb. '10, 11.). -Andere Unterschiede konnte ich keine feststelleı n 5 Ich rechne deshalb die Formen vorläufig auch zu H.rustieus; in den Be : n wird ihre besondere, Stellung aber jeweilen durchandere Sttichweise? ‚oder durch 4 merkung angedeutet, | ar RER 3 A Stmuffe, Enngen über die Lekomotionsart ete. 365 N ist, lehh glatt, Sonder mit ganzkleinen Zähnchen oder zap- fen förmigen Fortsätzen versehen; diese. schwanken bei Beste, | geordnet. Auch. diese Gebilde sind in der Regel nach hinten ge richtet, A "Meist zeigen die Tiere Stellen (ca. Bis mit unvollständigen Rin. ben, die nur etwa halb um den Körper gehen. Die Lage dieser Stellen scheint keine gesetzmäßige zu sein. - Der After liegt in der Mehrzahl der Fälle zwischen dem 7. und £ 8. Ring vor der Schwanzspitze, doch variiert die Zahl der Schwanz- rin ingel zwischen 6 und 10. - Kopfende nackt. | E Mundhöhle mit kräftigem Stachel; dieser bis 76 u. lang, hinten deutlich dreigeknöpf t; an den Ensnfen der Ansatz der Stachel- protraktoren. Stachellumen fein, nach vorn hin gleichmäßig sich verengernd. Vorn läuft der Stachel in einem chitinösen Gleitring. Oeso- agus mit zwei Erweiterungen (Abb. 8a), die vordere mit teilweise kulöser Wand und erweitertem Lumen stellt die Saugpumpe für den Stachel dar. Das Lumen hat einen Querschnitt wie die Abb. 8b und c eigen. Bei der Kontraktion_der Muskulatur werden die umgestülpten lien nach außen gezogen, sodaß das Lumen dann fast einen kreis- nigen Querschnitt erhält (Abb. 8c). Die Kutikularschicht der Wand 'elativ dünn. Der ganze übrige Oesophagus weist keine Musku- r mehr auf; er ist erfüllt von einer Protoplasmamasse, die bei [uskelkontraktion des ersten Bulbus nach vorn und besonders nach 5 in die zweite en ee wird, Das Lumen wird im Er. ist seiner ganzen Dinge nach ausgiebig in der Leiheshohle tiebbar, _ wovon dann bei der Lokomotion a ee wird. ; em rn R chwanz fehlt die Schwanzdrüse (Abb. 8d). Einen retionsporus konnte ich nur in einem Falle feststellen; er lag 28. Ring von vorn gerechnet (Abb. 8a). Der Nervenring ist en deutlich, er liegt zwischen vorderem und hinterem Bulbus. In unmittelbaren Nähe liegen rundliche Gebilde in größerer Zahl, ich als Ganglienzellen auffasse. »bensweise: Toplolaimus . rusticus lebt in kompakter, nicht sehr feuchter Erde er Tiefe von ca. 10—30 cm unter der Oberfläche. Er ernährt sich, 1 mit s ‚seinem Stachel en Pflanzenwurzeln Säfte entzieht. Meist an - FT Te 457 u, N — en a N N FAR . ER ar ne ‚© + ent, be ER nn = 5 Ye; ER Pa re r} 366 -H. Stauffer, Beobachtungen über die Lokomotionsart ee. ist er an Baumwurzeln zu finden, wo nur wenige andere Nematoden ° neben ihm vorkommen. Ferner scheint er besondere Baumarten andern vorzuziehen; an der Fundstelle waren Fichten-, Eschen-, Hollunder- und Robinienwurzeln im Boden. Die Mehrzahl der Tiere fand sich aber an den Robinienwurzeln. Zum Ansaugen stellt sich das Tier in eine Gerade senkrecht zur Wurzeloberfläche, dann wird der Stachel in die harte Wurzel eingebohrt, bis er das nährstofführende Gewebe erreicht. Durch ° rhythmische Kontraktion der Oesophagusmuskulatur wird im ersten Bul- bus das Lumen erweitert und verengt. Die Kontraktion (Volumvergröße- rung — Ansaugen) dauert ca. 1 Sekunde. Das Erschlaffen erfolgt viel © rascher, so daß sich das Lumen schnell verengt und nur ein kleiner Teil | des eingesaugten Saftes Zeit hat, durch das enge Stachellumen rück- wärts in die Wurzel zu fließen; alles andere wird in den Darm eedrängt 2 Im beobachteten Falle fand ungefähr alle 4—5 Sekunden eine Kontraktion statt. Nach diesen Bemerkungen sollen nun die Beobachtungen über die Bewegungsart des Tieres dargestellt werden; diese inter- essieren uns hier hauptsächlich. e Hoplolaimus rusticus ist ein sehr träges Tier; im allgemeinen wird man ihn unter dem Mikrosköp kaum in Dre sehen, Besonders ältere Tiere nicht. Jüngere Stücke mit noch nicht so starker Ringelung E sind etwas lebhafter als alte; erstere krümmen sich etwa halbkreis- förmig ein, abwechselnd nach der einen und dann nach der andern Seite, aber auch bei ihnen ist die Bewegung sehr langsam. Bei ältern Tieren finden diese Körperkrümmungen fast gar nicht mehr statt; dagegen kann man hier nun eine ganz andere Art der Lokomotion beobachten, nämlich eine ° | Vorwärtsbewegung durch Längenveränderung. Kontra- hiert sich die Körpermuskulatur auf allen Seiten eines re b.: so muß der Körper verkürzt werden. Ist bei dieser Kontraktion ein anderer Körperteil an einem starren Körper fixiert, so muß der sich kontrahierende Körperteil einen Ortswechsel ve -ö Diese Bewegung und Längenveränderung konnte ich in erößereu oder kleinerem Maße bei sämtlichen lebend gefundenen Tieren beobachten. In einem. Falle, wo ich maximale Verkürzung annehmen darf, betrug. die Dickenzunahme ca. 13 0/0 des Durchmessers bei größter Länge. Die Längenzunahme war 45 00 der Länge bei Maximalverkürzung. . nor- maler Fortbewegung ist wohl. die Längenzunahme etwa 15—20 9 Minimallänge. Befindet sich das Tier in einem Medium mit wenig Te en Haltepunkten, so wird meist nur ein Teil des Körpers kontrahiert ı und wieder gestreckt. Während der Bewegung gleitet der Darm in ‚den Leibeshöhle nach vorn oder hinten; er kann sich bei Maximalverkürzung auch etwas fälteln. Zur Fortbewegung sind unbedingt. ‚Teste Teilchen notwendig. An diesen Teilchen hält sich das Tier- fest, 'indem- es mit ‚den nach hinten gerichteten Kanten der Ringel undihre: ıE feinen N ET sich verskemn): lea recht | © 7 \ : | ; Auch h "senügeil ur ie as: Eu» > N, a e\ air .n - » . P, 4 ” ; « = 13 Y 28 'Stauffer, Beobachtungen über die Lokomotionsart ete. 367 ganz kleine Vorsprünge und Kanten, wie sie fast alle festen Teile auf- weisen, aus denen die Erde zusammengesetzt ist. Wir sehen also, daß ’ es vor allem die Hautringel sind, die ein Festhalten zur Fortbewegung _ ermöglichen. Rückwärtsbewegungen sah ich das Tier nie ausführen. Ver- n suchen wir auch hier die wirkenden Kräfte zu erkennen; es sind: Br 1. Die Muskelkraft. 2. Die elastische Kraft der Kutikula. "Die Fortbewegung geschieht nun folgendermaßen: Wir nehmen an, das Tier habe sein Vorderende im umgebenden Medium so fixiert, dab ein Rückgleiten nicht mehr möglich ist. In diesem Moment beginnt die Muskulatur auf dem ganzen Körperquerschnitt sich zu kontrahieren (Abb. B ‚12 a). Unter Überwindung der elastischen Gegenkraft der Kutikula wird so der Körper verkürzt (Abb. 12b). Weil das Vorderende aber fixiert ist, so wird mit der Verkürzung das Rückende nach vorn gezogen, d. h. der Schwerpunkt in der Lokomotionsrichtung vorwärts bewegt. Hat die - Muskulatur ihr Kontraktionsmaximum erreicht, so beginnt sie zu er- schlaffen ; jetzt wird aber der Körper durch die elastisch gespannte - Kutikula, indem sich diese streckt, wieder auf die ursprüngliche Länge u (Abb. 12c). Sobald diese Streckung beginnt, wird der Körper - im umgebenden Medium nach hinten fixiert, so daß sich das Vorderende “nach vorn hin bewegen muß, was natürlich. einer Verschiebung des \ rpunktes i in der. Lokomotionsrichtung gleichkommt. In dieser Weise ‚eht die Fortbewegung weiter, indem immer abwechselnd Muskulatur and Elastizität der Kutikula in Wirkung treten. Um diese Bewegungsart richtig zu verstehen, müssen wir den An- ‚chluß an die Formen mit Schlängelbewegung im inhomo- ‚genen Medium suchen. Denn es steht fest, daß die Lokomotionsart ‚bei Hoplolaimus sekundär entstanden und von der erwähnten Schlängel- bewegung abgeleitet ist. Dies soll in folgendem dargelegt werden. Gehen wir aus von einer Form mit ungeringelter, nicht besonders _ verdickter Kutikula. Sie wird gemäß ihrem Baue im inhomogenen Me- _ dium die Schlängelbewegung ohne Längenveränderung zeigen. Ihr Lebens- . raum wird aber auf mehr lockere oder Hüssige Medien beschränkt sein; denn in einigermaßen kompakten wird sie in der Bewegung gehemmt. : Das bloße Schlängeln bringt das Tier nicht mehr vorwärts, da E- infolge des festen Mediums das Schlängeln nicht mehr zur vollen Wir- kung kommt. Es sollten also Einrichtungen geschaffen werden, die dem Tiere gestatten, auf andere Weise vorwärts zu kommen. Solche Ein- E richtungen. sind nun in der Tat bei einzelnen Nematodenformen vor- _ handen und wir sehen in ihnen Anpassungserscheinungen. Derartig 2a 5 angepaßte Formen sind die. Vertreter der Gattung Hoplolaimus und ihre er _ Verwandten. Wir können bei ihnen prächtig eine fortschreitende Stufen- reihe steigender Anpassung sehen und wollen im nachfolgenden darauf f nä her eintreten. Wir halten natürlich dafür, daß diese als Anpassungs- FE sischeinüngen zu 'beurteilenden Neueinrichtungen auf negativem Wege standen a und ‚leich. ee an Srhalinmigemäßig waren. Bei Tat, hat daher zur Folge, daß 368 H. Stauffer, Beobachtungen über die Lokomoti ionsa. nn unsern Formen kommt es zuerst zur Ausbildung. einer ro ue ır in ng lung. Diese bietet mehrfache Vorteile für die Lokomotion des Träge Bei gleicher Dicke der Kutikula wird durch die Ringelung die . Beweglichkeit wesentlich erhöht. Gleichzeitig aber A die Ringel ein zum Festhalten bei der Fortbewegung seht brauchbares Werkzeug ab, so daß dadurch das Tier in den Stand gesetzt wird, sich schon in einem recht kompakten, inhomogen« E Medium aufzuhalten und zu bewegen. Natürlich ist dass Krüı mungsvermögen um so größer, je höher die Ringelza ıst. Zuerst werden also viele,kleine Ringel gebildet. _ 3 Diese selbst weisen noch keinerlei Differenzierungen auf; die Kutikula ist überall gleich dick und ein. Ringel ‚sieht von vorn und hinten betrachtet genau gleich aus. Eine solche Ausbil- dung der Hautringelung finden wir bei einer sehr gro: E BenZahlderfreilebendenMeeres-, Erd- und Sa a - nematoden; für uns ist speziell ie daß sie in sehr typische Ausbildung bei den Gattungen Tylenchus (Abb. 13a, a’) und Aphelenchus _ vorhanden ist. Bei der Fortbew egung zeigen die genannten Formen noch absolut keine Länßenveränderung. Von diesen Formen geht die Entwicklung weiter. . Für einen Lebensraum mit extremen Be- 3 dingungen, z. B. harte Erde, ist diese Ausbildungsstufe noch nicht recht geeignet. Die Haut ist da noch zu schwach, um all die mechanisch Schädigungen auszuhalten. Soll eine Form entstehen, die für diesen Lebensraum paßt, so ist für sie erste Bedingung die weitere Festi- gung, d. h. Verdickung der Kutikula. Diese era in = 1. die Ringelzahl kleiner, der einzelne Ringel ab en ößer wird, ri . die Muskulatur verstärkt, denn die dickere Kubi Derartige V a zeigt Hoplolaimus eich v.Da d a y’) E - (Abb. 13 b). Die ‚Ringel zeigen noch a a bilden. Also. Längenveränderung bei der Lokomotion stattfindet, De ade wir ie 3 bei der folgenden Form, dem Hoplolaimus rusticus (Micoletzky) (Abb. 13c). Durch Differenzierung des einzelnen Rin-3 gels hat dieses Tier die Fähigkeit erlangt, seine Kö perlängeim Interesse der Lokomotion zu verändern. D _ Ringel ist nach vorn und hinten .nicht mehr gleich ausgebildet, sonder! i Nach hinten bildet er nämlich eine wallförmige mehr oder wenige r4 scharfkantige Vorwölbung, die den nachfolgenden Ringel teil- weise überragt. So sind die Ringel gleichsam ineinander, 3 | 7) Von Daday, Untersuchungen über. die Süßwasser-Mikrofauna Par Zoologica, Heft 44 p. 62. er 1905; | Fe er: a ER ch H. Stauffer, hkaseen üder die Lokomotionsart ete. 369 4 nschteit Bei der Bewegung kann nun eine Längenveränderung wohl stattfinden ; die Ringel werden einfach etwas mehr oder weniger - ineinander geschoben. Die Stellen der Kutikula (Abb. Se), die diese Verschiebung hauptsächlich bewältigen, sind natürlich nicht verstärkt. - Sie haben ihre Bedeutung als schützendes und deckendes Organ, weil - gleichsam auf der Innenseite liegend, verloren; weiter setzen sie aut diese Art der deformierenden Muskulatur keinen allzugroßen Wider- E - stand entgegen. Hingegen müssen sie doch so dick sein, daß sie “genügend Elastizität besitzen, um den Körper entgegenden - Widerständen der Umgebung zu strecken. Durch eine der- artige Ringelausbildung wird gleichzeitig noch eine weitere Forderung im Interesse der Beweglichkeit des Tieres erfüllt. Sobald eine Längen- BE anderung bei der Lokomotion möglich ist, geht _diese nicht mehr in einer Schlängellinie, sondern in einer Geraden. Es müssen Ei irgendwelche besonderen Vorrichtungen vorhanden sein, die ein Fi- xieren eines Körperteils zum Fortbewegen des andern ermöglichen. Bei glatter Körperoberfläche wäre dies unmöglich. Die nach rückwärts ce. wallförmigen Umbiegungsstellen der 3 Eainset verhindern in vorzüglicher Weise ein Rückwärtsgleiten des Tieres bei der Lokomotion, indem sie an jedem Gegenstand, der auch "nur einen kleinen Halt gewährt, sich verstemmen können. Gegen eine ern nach vorn wird von einem solchen Ringel der kleinst- mögliche Widerstand gesetzt. Welche Vorteile hat diese Lokomotionsart im Vergleich zu der | Schlängelbewegung? Beiden gemeinsam ist, daß die eine Wirkungs- Feröbe durch Muskelarbeit (hier Krümmung, dort Verkürzung), die “andere durch die Elastizität der Kutikula (hier Streckung, dort Verlängerung) geleistet wird. Bei der Schlängelbewegung wird 5 stets nur eine gewisse Komponente der gesamten ] Muskelarbeit © zur Fortbewegung verwendet; alleübrige Arbeitistfürdas Tier f- _ verloren. Fassen wir den einzelnen Ringel des Hoplolaimus rusticus Ei ‚als starres Gebilde auf — dies sind wir berechtigt zu tun —, so zeigt sich, daß sich die Muskulatur senaw in der Richtung der | _ Fortbewegung kontrahiert, also die volle Arbeit des Mus- _ kelsin Wirkung tritt. Diese Überlegung zeigt mit aller Deutlichkeit n Nutzen dieser Bewegungsart für den Träger und ihre Überlegenheit "harten Medien über die Schlängelbewegung. Ich habe vorhin erwähnt, daß die nach innen gekehrten Falten der E ingel (die Ringelfurchen) nicht besonders verdickt sind; dagegen können es nun die nach außen gerichteten Teile, die eigentlichen Ringelwöl- _ bungen, die starker mechanischer Schädigung ausgesetzt sind, sein. Ohne die Beweglichkeit zu beeinträchtigen, dürfen sie dicker wer- den und dann bieten sie dem Tier auch größeren Schütz (Abb. Se). Selbstverständlich wird mit dieser Entwicklung der Ringelung die Zahl der Ringel wieder kleiner im Vergleich zu der vorgenannten Art; das Tier nimmt «auch wieder an relativer Dicke zu (Abb. 14 ©). Rn R- 370 H. Stauffer, Beobachtungen über die Lokomotionsart ete. = Interessant ist, wie diese Vorgänge sich nun auch in der Onto- genese des Tieres widerspiegeln. Wie die Variationskurven zeigen, 4 haben die jugendlichen Tiere durchschnittich eine höhere Ringelzahl als die ausgewachsenen. Auch sind die Ringel bei den jungen Exemplaren noch viel weniger typisch ausge- i bildet; sie ähneln vielmehr denen von Hoplolaimus tylenchiformis vDa-4 day. Sie zeigen nur eine kleine Längenveränderung bei der Fortbewe- gung, dagegen machen sie in recht erheblichem Maße Krümmbewegungen. Alle diese Tatsachen sind für unsere Auffassung der Dinge wichtig, An dieser Stelle möchte ich noch eine weitere Tatsache streifen, nämlich die gewaltige Entwicklung des Saugstachels bei Hoplolaimus ruslicus. Sie steht gewiß in ursächlichem Zusammenhangmit ri starken undbesonderen Entwicklung des Hautpanzers. Ein so großer Stachel kann nur dann von Nutzen sein, wenn er auch richtig gebraucht werden kann. Dazu ist vor allem nötig, daß das Ge- stell, die Unterlage, auf der er arbeitet, die nötige Festigkeit ind Sta & E bilität besitzt, damit der Stachel stets die richtige Lage und Führung ° hat. Diese feste Unterlage aber wird gebildet durch den Hautpanzer. Dieser besitzt auch die Fähigkeit, sich als „Gestell“ fest im Boden ver- ankern zu können, nämlich mit Hilfe der Ringelung. Um den großen A g Stachel vorzustoßen und in harte Pflanzenteile einzubohren, ist eine große Kraft erforderlich. Dazu ist ein starker Stachelprotraktor da. : Ein solcher Muskel erfordert feste, starre Ansatzstellen ; diese bieiee wieder der Hautpanzer. 4 -Inharter Erde finden wir im ı allgemeinen auch. stark ec nisch geschützte Pilanzenwurzeln. Hoplolaimus rusticus lebt aber 3 : ‚gerade in solcher Erde mit harten Pflanzenwurzeln®). Bezüglich der Herkunft und Entstehungsweise dieser Übereinstimmung, dieser Ab- hängigkeit, dieses Zusammenspiels, halten wir dafür, daß die Natur ver- ° suchsweise Gestaltungen schafft; von diesen bleibt nur was in die Um- welt, ins große System hineinpaßt und hier er bezw. er haltungsmäßiger ist. = E- Eine dem Hoplolaimus rusticus (Micoletzky) analog entwickelte Hautringelung besitzen nun ferner auch Hoplolaimus morgensis (Hof- 2 männer)?) und Hoplolaimus heideri (Stefansky)!P). Doch fehlt letzteren zwei Arten die erwähnte feine Zähnelung an den Hinterrändern der Ringel. Diese Zähnelung ist nun sehr wichtig zum Verständnis der Hautgestaltung einiger weiterer Formen; sie- deutet uns nämlich an, it E welcher Weise die Weiterentwicklung vor sich ging, wie wir die Stufe 23 ‘ reihe weiter aufzubauen haben. Ein Ringel mit ungezähntem, zlaltem m 3 8) Micoletzky fand sein einziges Psemplar in einem Bringen der Bukownii Es liegt nahe, anzunehmen, es sei aus der Erde dorthin’ verschwemmt worden, e | 9) B. Hofmänner und R. Menzel, Die freilebenden Nematoden der Schweiz, "Revue suisse de Zoologie, Volume 23, Nr. 5, p. 207—211. Be 10) W. Stefansky, Die freilebenden Nematoden des Inn. Zoo Angel ae Bd. XIV, Nr. 12, p. 383, 1916, | a SH. acer BooBächtungen über die Lokomotionsart ete. a1 Ran de wird noch nicht an jeder kleinen Unebenheit Halt fassen können, wie es ein solcher mit gezähntem Rande imstande ist zu tun. Ein Vor- 4 handensein von Vorsprüngen, von Zähnen, Schuppen, Stacheln u.s. w. an den Ringeln muß dem Tiere Vorteile bringen durch weitere Erleichterung der geradlinigen Fortbewegung, des Ortswechsels und vielleicht auch _ durch Vermehrung des Schutzes im Sinne steigender Bewaffnung. Daraus erhellt, daß eine solche Umformung des Ringelrandes sicher erhaltungs- | mäßig sein muß. Wie gesagt, finden wir die ersten Anfänge zu dieser _ Weiterdifferenzierung schon bei Hoplolaimus rusticus. Wichtig dabei ist, daß besonders die Ringel an der hinteren Körperhälfte diese Erschei- nung zeigen, wobei wir noch berücksichtigen müssen, daß es vor allem _ der hintere Körperabschnitt ist, der beim Vorstoßen des Kopfabschnittes zum Überwinden der Widerstände sich feststellen muß. Die Bildung er- - fährt nun in der steigenden Stufenreihe eine Weiterentwicklung. So fin- : den wir bei Hoplolaimus Guerni (Certes)!t) jeden Ringel mit einem Kranz von Schuppen bedeckt, die nach hinten in eine Spitze endigen (Abb. 13). Schon Certes weist hin auf die Möglichkeit der großen 4 Längen- resp. Dickenveränderung dieser Art. Das Tier ist ein Sphag- = numb ewohner. Daß ihm bei der Fortbewegung mit Hilfe der Längen- diese Schuppen sehr zu statten kommen, ist bei dem Bau der Sphagnumpflanze leicht ersichtlich; denn so kann ein Festhalten andenfeinen, aber doch relativ starren Blatt- und Stengelteilen erfolgen. Große Kontraktionsfähigkeit ist natürlich auch von besonderem Nutzen; | denn dann brauchen die Fixierungspunkte nicht so nahe beieinander . liegen. Noch weiter in dieser Richtung geht die Differenzierung bei Hoplolaimus squamosus (Cobb) = Jola squamosum Cobb'?). Hier zerfällt der Hautringel in acht einzelne breit-schuppenförmige - Gebilde. Wahrscheinlich ist schon hier die einzelne Schuppe gegenüber der benachbarten etwas beweglich. Deutlicher wird diese Erscheinung i Hoplolaimus octangulare (Cobb)13). Jeder Ringel trägt da acht achelartige, nach hinten gerichtet e Schuppen, die dann alle Längsreihen liegen. Ihre Einfügung in den Ringel ist derart, daß sie ram ein rechten een besitzen. me Kutikula ist an allen nu beieben gesteigertem Körperschutz auf- ‚gefaßt werden. Der Bau dieser Tiere besitzt wieder recht große Eignung z en in. fester Erde. Auch hier ist die typische Parallele in der = 11) An. B. ohnänner und-R. Menzel etc. 12) N. A. Cobb, „New Nematode Genera“ ‚etc. Journal of Washington Aca- Se. Vol. -EIL,-Nr.16, 1913: | A. Cobb, North. American Free-Living Fresh-Water Nematodes. Am. XAXII, In = 2 “ Kutikula nach der beschriebenen Richtung hin erreicht Borken A 3 372 H. Stauffer, Beobachtungen über die Lokomotiansart ete. EEE Bi haupt dem. ganzen Formenkreis zukommt. Die Lebens- und Ernäh- rungsweise des Tieres scheint mit derjenigen von Hoplolaimus rusticus ziemlich übereinzustimmen. Es fehlt ihm bloß der Saugapparat im Oesophagus. Nach der Beschreibung von Cobb1*) über seine Ernäh- ' rungsweise preßt das Tier seinen Kopf, nachdem der Stacnel in die Wurzel eingestoßen ist, fest an die Wurzeloberfläche an. Durch diesen Druck kann wohl der Saft in den Stachel und Oesophagus gepreßt wer- den. Daß aber das Tier diesen starken Druck ausüben kann, wird wieder nur durch die Ausbildung der Kutikula ermöglicht. Wir haben da die interessante Erscheinung, daß die Funktion der hoch- differenzierten Kutikula ein so wichtiges Organ wie den Saugapparat völlig überflüssig macht, daß dieser - also zum Schwinden kommen kann. 3 Den bis jetzt als extrem bekannten Stand in der Ausbildung der.: Murrayi = Ogma Murrayi Southern!5) (Abb. 13e). Wie Hoplo- ° laimus octangulare (Cobb) besitzen die Hautringel je acht Aufsätze, ° die als mächtige, nach rückwärts gebogene Stacheln ausgebildet sind. An ihrer Basis sind wieder Kutikularveränderungen, die wohl als Ge- lenk zwischen den einzelnen Ringelteilen funktionieren. Für eine Erd- form würde sich dieser Bau nicht besonders eignen; dazu wären die Stacheln nur zu mächtig und zu abstehend. Das Tier wurde in der Tata auch nicht in der Erde, sondern in Moos gefunden. Für das Leben in Moos muß die Form als sehr gut angepaßt bezeichnet werden, da die E Stacheln hier wieder in vorzüglicher Weise ein Festhalten ermöglichen. ° So sehen wir, daß die ganze Nematodengruppe der Hoplolaimi eine kontinuierliche Entwicklungsreihe bezw. Stufenreihe ° bildet von fast noch ungeringelten Formen bis zu Arten mit kompli- ° ziertem, stacheltragendem Hautpanzer. Diese Stufenreihe läßt deutlich folgenden Stammbaum erkennen: en E Typische Tylenchen + Aphelenchen Hoplolaimus tylenchiformis v. Daday 5 H. morgensis (Hofmänner) H. heideri (Stefansky) H. rustieus Micoletzky) Y H. Guerni (Certes) -, H. (= Jota) sgquamosum (Cobb) u. oetangulare Con) x H. (= Ogma) Murrayi (Southern), Mit Einbezug auch der übrigen Organe, also mit Berücksichtigung der Gesamtorganisation, soweit sie heute bekannt ist, wird dieser Stamm- 3 baum nur wenig verändert. Er wird durch folgendes Schema unsern ° heutigen Kenntnissen entsprechend zum Ausdruck gebracht. er 14) N. A. Cobb, Nematodes and their Relationships. Yearbook of Depart. of Agricult, 1914. 15) R. Southern, Nemathelmia ete. Proceed. of the Rhoyal Te Aldenyl 1 Vol. XXXI. Part. 54. 1914. PER ; Br | tn Pi H. Stauffer, Beobachtungen über die Jokomotionsart ete, 373 Gen. Tylenchus Bastian | I | Rx | Y Gen. Aphelenchus Bastian Hoplolaimus tylenchiformis v. Daday V Hoplolaimus rustieus (Micoletzky) Hoplolaimus heideri (Stefansky) Hoplolaimus morgens’s (Hofmänner) #0 - ie =’ . br w . > x 3 N Br: Y Y Y - Hoplolaimus Guerni (Certes) Hoplolaimus squamosus (Cobb) Atulenchus deca- Be Y [lineatus Cobb Hoplolaimus octangularis (Cobb) 4; H. (= Ogma) Murrayi (Southern) Das Genus Tylenchus Bastian ist sicher das ursprünglichste von allen. Es besitzt entweder keine oder nur noch wenig ausgeprägte Hautringelung, einen nicht besonders vergrößerten Mundstachel, der - hinten stets dreigeknöpft ist, einen Oesophagus mit muskulösem Mittel- - bulbus (erweitertes Lumen) und mit Endbulbus. Die weiblichen Go- naden sind paarig; das Männchen besitzt noch eine Bursa. Von dieser - Formengruppe gehen zwei Linien aus, eine zu Aphelenchus Bastian - und die andere zu Hoplolaimus v. Daday. Die Aphelenchus-Gruppe ist aus der Tylenchus-Gruppe hauptsäch- ‚lich durch Rückbildung des hintern Oesophagealbulbus und seine Um- formung in Mitteldarmgewebe hervorgegangen; dazu kommt vielfach das Bestreben, den Stachel schwächer zu gestalten und die weiblichen Gonaden von der paarigen in die unpaare Form überzuführen. Das Männchen hat zudem die Bursa völlig verloren, Diese Stufen- und wohl auch Stammesreihe endet mit Aphelenchus blind. Die Hoplo- - lJaimenlinie geht nicht über Aphelenchus ‚sondern zweigt unmit- _ telbar von Tylenchus ab. Bei Hoplolaimus tylenchiformis v. Daday 4 ist neben der verstärkten Ringelung ein etwas vergrößerter Stachel, - der hinten deutlich dreigeknöpft ist. Der Oesophagus besitzt zwei An- - schwellungen;; die mittlere ist muskulös mit erweitertem Lumen, die hintere ‘ohne Muskelfasern 16). Ferner sind die weiblichen Gonaden ‚paarig symmetrisch. Alle diese Eigenschaften weisen deutlich auf eine _ Ableitung von Tylenchus. Von da geht die Linie weiter zu los rustieus (Mico- letzky). Auch diese Art besitzt ja den typischen Oesophagus mit - den zwei Anschwellungen. Die weibliche Gonade ist auch paarig. Leider ist das Männchen noch unbekannt; doch dürfen wir als sicher annehmen, Ei daß eine Bursa nicht mehr vorhanden ist; denn die stark entwickelte E Kutikula muß dies ausschließen. Stachel und Hautpanzer haben die E. erwähnte Weiterentwicklung erfahren. Der Nervenring ist wie bei Tylen- chus zwischen den 2 Oesophagealbulben vorhanden ; auch der Exkretions- - porus fehlt nicht. Hoplolaimus Heideri (Stefansky) und H.morgensis Mi; ie at hr N EHER N, u 2 ne ee er Ei , ' 16) Das von Daday behauptete Fehlen ‚der Afteröffnung beruht sicher darauf, daß das einzige Tier schlecht erhalten war und so der bei H. sonst schon schwer sicht- 3 bare Anus gar uhr mehr sichtbar war. Vorhanden ist er aber bestimmt, 374 H. Stauffer, Beobachtungen über die Trkomotiomart le. = - (Hofmänner) gehören nach ihrer Panzerung ganz nahe. zu H. ee (Micoletzky). Leider ist ihr Innenbau, speziell der Bau des Oeso- phagus, noch nicht genau bekannt. Doch glaube ich die Annahme machen zu dürfen, daß auch darin ziemliche Übereinstimmung mit H. rusticus vorhanden ist. Ich vereinige deshalb die drei Formen zu einer - Gruppe. + Von da an müssen wir nun getrennte Wege in der er an- nehmen. Zwei Linien zweigen seitwärts ab, - dritte nimmt en Weiterverlauf. = Die erste Seitenlinie wird dafgestellt durch Hoplolaimus Guerni (Certes). Die Weiterentwicklung zeigt sich auch hier in der Haut- panzerung, indem die Ringel mit Schuppen bedeckt sind und zwar in recht großer Zahl. Besondere Veränderungen hat der Stachel erlitten; die Knöpfung am Hinterende ist nicht mehr vorhanden. Auch. scheint = es, daß der Oesophagus ziemliche Veränderungen in seiner Ausbildung erfahren habe; leider ist auch da nichts Genaueres bekannt. Alle diese Eigenschaften weist keine der übrigen Arten mehr auf; wir müssen diese Ärt deshalb wohl als Seitenlinie auffassen. Änlich verhält sich Tylenchus decalineatus Oobe Be diesem - Tiere haben sich Stachel wie Oesophagus in ihrer ursprünglichen Tylen- chus-Form erhalten; dagegen ist die Kutikula weiter differenziert. Die ‘starken Ringeln werden durch zehn Längslinien in je zehn Einzelstücke zerlegt. Ferner haben wir am Kopfende vier lange Borsten entwickelt. . Dem Männchen fehlt eine Bursa. Das Tier nimmt durch das Vorhanden- sein der Kopfborsten eine ganz besondere Stellung ein. Überhaupt ist der Anschluß an die Hoplolaimus rusticus-Gruppe nicht ein ganz sicherer. Der Bau des Stachels und des Oesophagus läßt nämlich die SR, keit einer Entwicklung direkt aus Tylenchus offen. : Sehr schön in die Reihe einfügen lassen sich nun Fee H. squa- mosus und H. octangularis (Cobb). Die Entwicklung der Hautpanzerung. kennen wir bereits. Der Stachel hat seine typische Form beibehalten und ist noch kräftiger geworden. Der Oesophagus wird reduziert, der Saugapparat kommt in Wegfall; es ist somit im Oesophagus keine Mus- kulatur mehr vorhanden, das Lumen ist nirgends erweitert. Der hin- tere Bulbus wird sehr klein. Zwischen diesem und dem vorderen Bul- bus liegt der Nervenring. Die weibliche Gonade ist unpaa r_ geworden, Be die Geschlechtsöffnung weit nach hinten gerückt. Das Männchen be sitzt weder Bursa noch Analdrüsen mehr. Der Exkretionsporus ist noch da, allerdings schwer sichtbar. Auch zur letzten Form, zu. Hoplo- laimus Murrayi (Southern) geht die Entwicklung‘ geradlinig weiter. Ausgangspunkt ist sehr wahrscheinlich H. oetangularis (Cobb). ‚Die u bei diesem noch mehr schuppenförmigen. acht Einzelteile der Ringel haben sich bei H. Murrayi zu starken Stacheln weiter entwickelt. Leider ist hier der innere Bau wenig bekannt; doch,. soweit ersichtlich, scheint = besonders der Oesophagus wenig von dem des H. oetangularis (Cobb) abzuweichen,. Geschlechtsreife Tiere sind bei AH. Rum ap Der 2 > BP a U a hl a han aan 9 Ed a { N . \ a al N nn. ke ea en a ie ih PRIOR: u ER RNELRENNEN AEN EN aaa al A225 Lö 0 2 Wanna AZ ZU le dl nn un ahärnn » leukl ned uni da nun li s Ahun f "Rchtuhg der Fort, TaRzUNgS- ‚Abb. 3. ge enkrafferzeug 7. des anderen Endstücks: linke“ Maximalamplitude eine ihre Teac ende II Nache 9 pechte Maximalamplızude ‚gegenkraft: „ erzeug. fl. ch 7 deseinen il Enostücks. Abb. 6. Br N Tafel 3. t Ara A N a | AL | 3" (: | a | | Ka N 4 Ai: TUR IERSR INA H N | TEIL X He 5 4 M: N : USE Zi ZU Ya A AR | we ul N! Abb. 8a : ä r a Dil c Abb. 12. AUOBEHTERBNARTU DEN /MNERNBBTABBDOIBLLTTEN UDBBOTBRRRORETTANIESN" I: e | | B...8 ee nn .. Abba Bi Y "SER He Sauter, Beobachtungen über die Lokomotionsart ete. 375 worden. Damit sind die in diesen Formenkreis einzubeziehenden Nema- £ toden, die bis jetzt bekannt sind, wohl alle behandelt. Wir sehen also diese Gestaltungsstufenreihe ursächlich innig ver- knüpft mit der Bewegungs- und Ernährungsweise der sie bildenden Tierformen. Gerade die Gestaltung der Haut bei den Vertretern dieser ihre Abhängigkeit von der Bewegungsart zu zeigen, war unser Ziel. Die geradlinige, durch Streckung und Verkürzung des Körpers dieser Nematodenformen zustande kommende Lokomo- tion darf als neue, bisher nur unsicher bekannte Art des Ortswechsels dem _ Schlängeln, Klettern (Ohaetosomatiden) And ©... „Stelzen (Desmoscolesciden) angefügt werden. Damit kennen wir | enteo schon vier serschiedene Arten der Lokomotion bei Nematoden. Br Er Erklärung der Abbildungen. | here: der wurmförmigen ee in einer Ebene (nach Stem'pell 2 und Koch). dem hen Axenwinkel von 45°. =: Schema für eine stehende We Das besondere Verhalten der Endstücke Ser ist: zu beachten. | 5 ‘Schema für die Fortpflanzung der Welle und die Richtung der Körperfort- = bewegung. 5. Schema für die besondere era des schlagenden Endteils. ‚6. Darstellung einer gegenkrafterzeugenden Telffläche und den zwei gegenkraft- erzeugenden Flächen der besonderen Endstücke. Diese Flächen sind von der Re also au Linien” gesehen. Die Strichelung deutet die are, an. ev — 525. b) nat: durch Oesophagusbulbus, bei verengtem Lumen. Optik ‚wie bei a. c) dito, bei erweitertem Lumen. Optik wie bei a. Man beachte. daß dabei der Umfang des Bulhus verkleinert wird. d) Schwanz- _ ringel, Leitz Obj. 7, Ok.5 V=750. e) Ringelung bei starker Vererößerung. Zeiss, Apochrom. 2 mm, Komp. -Ok. 18 V=2250. Man beachte die Zähne- ‚lung der Ringel. 12. _Physikalisches Schema für die ee a) Fixierung nach hinten. Beginn der Muskelkontraktion (mittlere Linie), Erzeugung elastischer Gegenkräfte in der Kutikula (Randlinien). b) Fixierung nach hinten, Muskel in Maximalverkürzung, in Kutikula maximale elastische Gegenkraft. e) Fixie- ee nach hinten, Muskulatur erschlafft, Wirkung der elastischen Kraft, Körper gestreckt und nach vorn bewegt. ai 13. Stufenreihe der Hoplolaimiden. a) Tylenchus gracilis de Man. a‘) Trylenchus robustus d. M. b) Honlnla’mus tulenchiformis v. Daday. c) Horlo- FR Jaimus rustieus. (Mieoletzky). d) Hoplolaimus a BR Bet = en "Körperdicke mit steigender Beihs, (a und a‘ nach de Man, b neh 2 ec d ‚nach Cobb, e nach Southern, “T nach Hofmänner.) 4 376. F. Rüschkamp, Zur Biologie ‚der Drilidae und Mieromalthidae (Ins. Ool.). Zur Biologie der Drilidae und Micromalthidae (Ins. Col.). Von F. Rüschkamp, S. J. Valkenburg Holl. L. Inhalt: Drilus flavesceens Geoffr., Lebensweise und Entwieklangserachiche} Micromalthus debilis Lec., Referat und Vergleich. Ausbreitungsgebiet,. Entwieklungszentrum und Alter der Driliden. , (Mit Bildertafel und Tabelle). + Eine ausführliche, zusammenfassende Darstellung der Lebensweise und Eintwicklungsgeschichte von Drilus flavescens besitzen wir noch nicht; ein in so vielfacher Hinsicht interessantes Tier hat sie aber wohl Von August 1910 bis Juli 1911 besorgte ich für meinen : Ordensgenossen H. Schmitz die Aufzucht dieses Käfers, setzte sie dann mit neuem Material fort, und beobachtete seitdem das Insekt mit viel Glück in freier Natur, in Österreich, Nordfrankreich und wiederum in Holland. Auf Grund dieser Beobachtungen, sowie der mir zur Ver- fügung stehenden Literatur will ich nun 1. versuchen, ein möglichst umfassendes, anschauliches Bild der Lebensweise und Entwicklung zu E bieten, 2. die larvale Weibchenform von Drilus mit der geschlechtsreifen Larvenform von Micromalthus debilis vergleichen, und 3. das mutmaß- liche Entwicklungszentrum und Alter der Driliden Testen EDEN PIE Entwieklungsgeschichte v von Drihus Huvesoons. 3 1. Die Geschlechtstiere. Das prachtvoll gefiederte Männchen, das Geoffroy mit Hecht „le jaune panache‘“, den gelben Federbusch, nannte, läßt sich in der freien Natur am besten an schönen, sonnigen Tagen von Mai bis Ende Juni beobachten. Es fliegt langsam, ruhig, mit weit gespreizten Fühlern in halber Manneshöhe und weniger hoch an Waldrändern und Hecken E dahin. Es ist auf der Suche nach dem Weibchen. u Das weibliche Tier war bis 1824 unbekannt. In- diesem J lee. nd 4 Mielzinsky!) in Genf durch Aufzucht unbekannter Larven gelb- liche, büschelförmig behaarte Kerftiere von larvenartigem Aussehen, deren systematische Stellung ihm ein Rätsel war! Er nannte sie nach ihrem Futter „Cochleoctenvs vorax“, die gefräßigen Schneckentöter. Doch im gleichen Jahre erhielt Desmarest durch Aufzucht der gleichen Larven auch zwei Drilus-Männchen. Seitdem ist es zweifellos, daß jene larvenförmigen Imagines Drilus-Weibchen, also echte Coleopteren sind, = eine damals staunenerregende Entdeckung. Wenn Desmarest bei der Aufzucht von 150 Larven nur zwei Männchen erhielt, dürfte sich das wohl dadurch erklären, daß er fast ausschließlich größere, von den größeren. weiblichen Larven okkupierte Schneckenhäuser sammelte, die kleineren, von den männlichen Larven besetzten Häuschen aber nicht 1) J. Mielzinsky, ‘Ann. scien. nat. 1824, Tom. I, p. 67#f.: M&moire sur une larve qui devore les Helix nemoralis, et sur V’insecte auquel elle donne naissance. : “ Fr Bohlen, Zur Biologie der Drilidae und Microma’thidae (Ins. Col.) 377 © ER Denn ich bin zu der Überzeugung gekommen, daß beide Ge- = schlechter ziemlich gleich stark vertreten sind. Die Männchen werden - 4,5—8,5 mm groß, die Weibchen messen tot und eingetrocknet noch 12-20 mm. Ein lebendes, allerdings schlaffes, müdes Weibchen, - das ich in Nordfrankreich fand, maß gar 34 mm. Dies Mißverhältnis in 2 ‚der Größe ‚der erhlechten veranlaßte“ AN! zu dem Scherz, es Frau erwähle. R ‚A Dort, wo am Waldrand Moos, Efeu, Brennesseln, Disteln gut ge- "2 deihen, können wir auf einem etwa vorbeiführenden Wege leicht Zeuge 2 des Geschlechtsverkehrs sein. Da lebt das weibliche Tier nachts unter > Moos u.s.w. verborgen, tagsüber in exponierter Stellung auf den Blätt- r tern niederer Pflanzen, wobei es einen scharfen, fäulnisartigen Geruch verbreitet. Nimmt das Männchen diesen wahr, so wird es gleich erregt; fliegt hastig auf die Quelle des Geruches zu und läßt sich in der Nähe des Weibchens nieder. Sieht sich dieses entdeckt, so beginnt es hastig zu fliehen. Das Männchen, oft sind es auch mehrere, nehmen zu Fuß die Verfolgung auf. Am Ziel angelangt, steigt das Männchen sofort auf den Rücken des. Weibchens und geht, bald früher, bald später, rück- wärts schreitend in Copula. Während dessen, sowie während der Copula, "2 hält das Weibchen freiwillie keinen Augenblick still. Ein solcher, in freier Natur beobachteter Vorgang dauerte von 5—7.50 Uhr, also fast 3 Stunden. Das Männchen starb bald vor Er- -schöpfung und auch das Weibchen war ganz matt und abgeschlagen. _ Ein andermal kam aus einem Waldgraben ein Pärchen in Copula, wäh- end ein zweites Männchen mit schlaff herabhängenden Fühlern, Klaf- _ fenden Decken und nachschle ppenden Unterflügeln auf dem Rücken des _ Weibchens mitfuhr. Offenbar sah ich ‘die zweite Befruchtung desselben _ Exemplares. Infolge begreiflicherweise schon eingetretener Ermüdung _ waren seine Bewegungen nur mäßig schnell, die interchitinöse Haut sehr ER ‚gedehnt, und so machte es auf den ersten Blick den Eindruck einer Carabidenlarve, zumal die Behaarung im Gras naß wurde und schwarz _ aussah. Vom Fund an dauerte diesmal die Copula noch 1 Stunde. Dann = . versuchte das. andere Männchen nochmals die Begattung, wurde aber _ vom Weibchen nicht mehr angenommen, und starb in der nächsten Stunde. ‚oft erholt sich. das Männchen wieder. 'Schmitz.beobachtete, wie am = 20., 98, DR Mai 1910 ein Männchen mit drei verschiedenen Weibchen sich ‚Daarte. Ich ließ in engem Käfig vier Weibchen von einem Männ- chen befruchten. Crawshay sah am 25. und 31. Mai 1902 viermal "Weibchen. begattet werden, darunter zweimal dieselben Weibchen von 5 denselben. A ANNEUEN., Und zwar handelte es sich nicht etwa um Not- > sondern die "Schon einmal befrüchteten Weibchen en fort, esuber Ä n exponierter Stellung zu verharren, offenbar um nochmals Männchen a ee Leider berichtet ee nicht, ob sich das Bedürfnis 378 F. Rüschkamp, Zur Biologie der Dr ilidae a Mier omalthidae (Im. = 0 3 Ich beobachtete dies nur bei großen Benni, und vermute, daß Her #2 Same ganz kleiner Männchen zur Befruchtung der riesengroßen w En chen mit ihrem großen- Eiervorrat nicht ausreicht. z 3 Bei völlig befriedisten Weibchen hört das Ausströmen des an: 4 ten Duftes auf. Ein zwangsweises Exponieren, etwa in einem Weisel- käfig,. zwecks Anlockung weiterer Männchen führt dann zu. keinem Er- folg. Unruhig läuft das Weibchen im Käfig umher und versucht sich mit aller Gewalt durch die Drahtmaschen zu zwängen. Freigelassen verkriecht es sich sofort unter die Pflanzendecke zur Eiablage. 2. Die Eiablage. Daß unbefruchtete Weibchen nach vergeblichem Zuwarten Bier legen, kann nicht verwundern. Solche parthenogenetischen Eier entwickeln | sich bei Drilus flavescens nicht. Crawshay sowohl als ich fanden E Weibchen, die vor der Eiablage starben. Da dieser englische Forscher ° die natürlichen Lebensbedingungen gut einhielt und in meinen Zucht- kästen das ständige. Umherlaufen. während der Begattungsakte erleich- ° tert und die damit verbundene Anstrengung vermindert war, kann weder i Mangel an natürlichen Bedingungen noch Erschöpfung das Unterbleiben der Eiablage bewirkt haben. Ob in diesen Fällen Überbefruchtung ange- nommen werden kann, entging unserer Beobachtung. Je nach dem Grad - der Eireife zur Zeit der völligen Befriedigung des Weibchens, schreitet dieses gleich in der nächsten Nacht oder erst nach 5 ha bis 11 Tagen zur Ablage der Eier. Ich beobachtete diese in einem Was. mann’schen Ameisennest wie folgt. 2 Beginn am 9. Juni 7.30 Uhr abends. Die Zeitfolee im Tebeh war unregelmäßig, anfangs alle 5- 10 Sek., aber schon nach einigen hindern kamen vereinzelte Intervalle von 30 Sek. vor Nach jedem Ei saß das Weib- chen unbeweglich da. Kurz bevor das folgende in den Eileiter rutschte, ging der Hinterleib hin und her, wobei das 13., ‚ausgeschnittene sehr beweg- ° liche Segment und die beiden rechts und Ins von der Eileitermündung sitzenden Segmentanhänze (siehe Crawshay Taf. 1 Abb. 4) mit ihren feinen Fühlborsten die geeignete Stelle für das folgende Ei suchten. Dort- ° ‚hin gerichtet blieb das Abdomen stehen und nun sah a das Ei wie eine Geschwulst durch den Eileiter rutschen. Nach 6 Stunden, 1.30 Uhr nachts, war bereits über die Hälfte der Eier gelegt. Nun wurden die Intervalle von 30 Sekunden häufiger und überschritten bis zum Morgen auch diese Zeit. Um 8.30 Uhr wurde das letzte Ei gelegt. Der am Abend noch hochgeschwollene Leib war wie ein Sack geleert und faltig zusammengestürzt. Kurz nachher starb das Weibchen. a Die Eiablage dauerte also 13 Stunden. Die Form des Gelege glich einer der Länge nach durchschnittenen 'Retorte, die vom dicken Ende her symmetrisch aufgebaut wurde: erst ein Halbkreis von ca. 10 Eiern, dann ein zweiter fest davor, ein dritter darüber u. s. w. Das | Weibchen rückte unmerklich senkrecht zum Durchmesser des ee vor, später mit abnehmender Höhe und Breite des Bihaufens ı rascher. Es starb in BERe? Bialuing, ee Fe EM. N sa 22 Bach. Zur Biologie Sir Drilidae und. Mieromalthidae (Ins. Col). 379 : Die Eierzahl hei 450-500, die größte, die bis jetzt bei Drilus beobachtet wurde. Doch glaube ich, daß diese Zahl gar keine Seltenheit ist. Denn das Weibchen war noch nicht-das größte, das ich fand, es war gut 20 mm lang, und solche finden sich oft. Die kleinste Zahl die Crawshay feststellte, betrug 5—-6 Eier, bei einem Weibchen von 8 mm ‚Größe. ra 2 Wird das Tier bei der Eiablage gestört, so kehrt es im rang die Geschäftes nicht zu den zuerst gelegten zurück, sondern legt je nach der - Häufigkeit der Störung kleinere Häuflein. Ich erwähne das nur, weil -Crawshay in diesem Punkte falsch BE Rangen werden kann, ich es be? Bla so fand. 5, Das Eistadium. 3 Die Eier sind mit einem klebrigen Stoff zusammengehalten, lassen sich aber mit einem weichen Pinsel leicht auseinanderstreichen. Sie sind 0, 8—0,9 mm lang und etwas weniger breit. Die Schale ist weiß wie Gelatine, ihr Inhalt, bei der Ablage milchweiß, ist schon nach 2 Tagen ‚honiggelb und färbt sich im Laufe der fortschreitenden Entwicklung bräunlich. Nach einigen Wochen erkennt man den Embryo und nach ‚weiteren 8 Tagen deutlich die Larve, deren Hinterleibsringe sich zu a beginnen und als haarfeine Strichlein am Äquator des Eies sichtbar werden. | Zi - Re; 4. Das Larvenstadium. Ban, a) Die aktive Larve. 3 n Nach 6 ey) bis 7 Wochen sind die Larven im Ei ent- wickelt und innerhalb 24 Stunden schlüpft das Gelege aus. Die Eihaut platzt, und sehr behend erscheint die etwa 3 mm große Larve. Abge- hen. von den braun gestrichelten Tergiten ist sie noch farblos weiß. s ist ein unterhaltendes Schauspiel, bei vielen hundert Eiern bald E bald. da die Schalen platzen und die Larven schlüpfen zu sehen. s Vergnügen hatte ich bei vier Gelegen auf einmal, die alle vom chen a stammten. 2, 3 Tage sitzen die kleinen Larven unbeweg- Inn 5, wenn sie sich tot Steven der Kormaltung des Purher . Diese ‚teilex eintretende ne und ihre nr zu den 380 F. Rüschkamp, Zur Biologie der Drilidae und Micromalthidae (Ins. Col). e mehr oder weniger alle Arten. Nurin Vorarlberg fand ich, daß eine schwarz- häutige Helix mit dunkel gesprenkeltem Häuschen, die dort sehr zahl- reich ist, deren Namen ich leider nicht feststellte, von Drilus flavescens | verschmäht, in der Not zwar angefressen, aber nicht okkupiert wird. : Von der zottig rot behaarten Rasse dieser Art, Variatio(n) Mauritanica 4 Luc, die in Algier lebt, berichtet Calw er6 1.B. 8. 377, sie ver- 9 | 4 L \ i : schuhe die in ihrer Heimat zahlreichen Helix-Arten und lebe in Cr yclo- stoma Volzianum, deren Schließmuskel die Larve durchnagt. Da in der Nähe eines starken Geleges die der Größe einer jungen Larve entsprechenden Häuschen bald alle besetzt sind, haben die Larven die Fähigkeit, schnell und ausdauernd zu laufen.. Zu zweit bequemen sie sich wohl mal in der Not in einem größeren Häuschen, ah kommt _ es in diesem Falle meist zum Kannibalismus. E Die Okkupation führt oft zum Kampf auf Leben und Tod. Hat eine E Larve ein passendes Opfer gefunden, so steigt sie auf deren Häuschen ° und saugt sich mit dem Afterfuß fest. Kommt die Schnecke heraus, so fällt über kurz -oder lang die Larve mit ihren scharfen, krumm- säbeligen Kiefern sie an. Erschrocken fährt die Schnecke zurück. Nach einiger Zeit stülpt sie vorsichtig einen Fühler nach dem andern aus, kommt ganz zum Vorschein und sucht ihr Heil in der Flucht, bis ein erneuter Angriff sie in ihr Häuschen zurücktreibt. Dies Schauspiel kann sich oftmals wiederholen. Ist gerade eine Pflanze o. dergl. in der Nähe, so steigt die Schnecke vom todbringenden Reiter belastet em- por?), um beim nächsten Biß herabzustürzen, selbst im Häuschen ge- borgen. Die Möglichkeit, durch die Wucht des Sturzes den Feind zu zerschmettern, wird von der Schnecke ebensowenigerfaßt,alsvonder Larve/dieGefahreines Angriffesinsoexponierter Stellung, selbstdannnicht, wenn dieser Vorgang sich mehrmals wiederholt. In der Nacht vom 28.—29. Mai 1912 hörte ich in kurzen Zwischen- räumen zwei- bis dreimal in einem hohen Glase Schnecken fallen, in dem ich am Abend eine größere Anzahl mit Drilus-Larven zusammen- sperrte. Ich machte Licht.‘ Alle Stadien des Kampfes und der Okku- pation. Hier lagen völlig überwältigte Schnecken, dort schäumten und wa wälzten sich die Opfer am Boden. Da krochen Schnecken die Wände * herauf und am oberen Glasrand herum, auf ihrem Häuschen je eine ' Larve, bis deren Angriffslust genügend entfacht war. Emporsteigen, Angriff und Sturz "wiederholten sich: mehrere Male, bis zwei Larven zerschmettert und die andern Schnecken überwältigt waren. Den ur- sächlichen Zusammenhang hatten weder Angreifer noch Verteidiger ern Taßt. / F 3 Was nach dem Siege geschieht, hat Crawshay in freier Natur $ 2) H. Schmitz (Verslag, Nederl. Ent. Ver. Juli 1908 p. LVI): „zag op eene distelplant ‘eene karakol (Helix pomatia L.), hangende aan de onderzyde van een der bovenste bladeren. Buiten op haar huisje rat eene Drilws-Larve, die waarschijnlijk op die plant gekropen was, om naar slakken te zoeken.* — Die® Vermutung kann ich nicht teilen. D. V. 5 A F, Rüschkamp, Zur Biologie der Drilidae und Mieromalthidae (Ins. Col.)., 381 beobachtet. Von der Höhe des Häuschens orientiert sich die Larve über - die Umgebung. Bietet diese genügend Schutz, so wird das Opfer durch Stoß und Zug vollends versteckt. Im andern Fall sucht die Larve mit _ erstaunlicher Beharrlichkeit und Anstrengung die Schnecke an. eine E gunstigere Stelle zu schaffen. Den Afterfuß fest auf dem Schalenrand, 'stemmt die Larve ihre Kiefer gegen den Boden und schiebt sich mitsamt dem Häuschen möglichst gerade auf das Ziel los. Bei einem Hindernis steigt sie ab, hebt die Last völlig in-die Höhe und wirft sie voran. Dieses Manöver sah OCrawshay 3 Stunden andauern. Eine merkwürdige Tatsache. Wie leicht könnte die Drrlus-Larve sich E den mühsamen Tr ansport ersparen, ruhig auf dem Schneckenhaus mitfahren * und erst in der Nähe eines Versteckes die Schnecke in das Häuschen . zurückfreiben. In Tausenden von Generationen wurde dieser Kausalkonnex nicht instinktiv erfaßt. | Hat endlich Drilus seine Beute in geschützter Stellung, so dringt er ins Haus ein, zwängt sich zwischen Schale und Schnecke und fribt sie bei lebendigem Leibe auf. Ist die Larve sehr hungrig, so beißt sie sich schnell an der Schnecke fest und läßt sich von ihr ins Häuschen oe ohne sich weiter um Gunst oder Ungunst der Lage zu _ kümmern. e : Da das Opfer dem Räuber an Größe weit überlegen ist, schwillt - dieser bis zur Unkenntlichkeit an. Die infolge der starken Behaarung rotbraune Färbung sowie die braun gefärbten -chitinösen Teile ver- = - schwinden ganz gegenüber der aufs äußerste angespannten V erbindungs- : " membran, um so mehr, als eine Entleerung des Darmes selten erfolgt. . & ; Ist diese notwendig, so kriecht die Larve an den Ausgang des Häuschens S- zurück und spritzt den Kot nach Apiden-Art, nur in viel reichlicherem _ Ausmaße, weit fort. Da die Larve konisch gebaut ist, kann sie so weit _ als nötig in das Häuschen vordringen. Damit in der schleimigen . Schneckenmasse die Stigmen nicht verklebt werden, liegen sie zwischen zwei Reihen fleischiger, fingerförmiger Fortsätze, die mit braunen, ab- © E stehenden Borsten besetzt sind. 2 Am vierten Tage der Okkupation fand Schmitz die Vakuolen noch pulsieren, dann stirbt die Schnecke, und die nun rasch faulende | & "Masse wird auch noch verschlungen. Nach 10-14 Tagen ist Bedürfnis = und Leistungsfähigkeit der Larve zu Ende. Nun schreitet sie zum Haus- putz. Mit den Kiefern sah ich sie den dicksten Dreck forttragen, bei | = der nunmehrigen Korpulenz kein kleines Stück Arbeit, das nach meinen Beobachtungen 2 Tage in Anspruch nimmt. Dann kehrt sie, selbst eine Be borstige Besenwalze, alles säuberlich aus und kriecht rückwärts hinein, = um sich zu häuten. Die vorbereitenden physiologischen Prozesse nehmen 7 etwa 10 Tage in Änspruch. Sie stopft mit der alten Haut den Eingang = zu und braucht nochmals 10 Tage zum Ruhen und Ausfärben. = War das Schneckenhäuschen ihrer Größe nicht entsprechend, etwa E: zu klein, so verläßt sie es nach Stillung des ersten Hungers und sucht © neue Beute.” War es zu groß und kann sie unmöglich den faulenden e bestand fortschaffen, so sucht sie ein stilles Plätzchen zum Ruhen x 29 389 F. „Rüschkamp, Zur es = Dr iidae md DR \ieromalt i = d s und Häuten. Doch scheint ihr ebenso wie den aus den Wiegen genom- menen Üoleopterenpuppen die Häutung in freier Umpeniz beschwerlich. e zu fallen. E Die Zeitangaben für Fraß und Häutung beziehen nr aa brößere: e- Larven. Anfangs geht alles viel schneller, so daß sie in’ den ersten vier‘ Wochen bereits zwei, und meistens im gleichen Jahr noch eine dritte oder gar vierte Schnecke verzehren. Das erste Mal wachsen die Larven E um das Doppelte, von 3-—6 mm, beim zweiten Mal auf etwa 8 mm u.s.w. September oder Oktober stellen sie, mit dem Verschwinden der Schnecken, den Fraß ein, um im April des folgenden Jahres mit den Schnecken oder kurz nachher wieder zu erscheinen. Ob es möglich ist, daß u liche Larven schon im ersten Jahre völlig. auswachsen, weiß ich nicht, ich habe es wenigstens nie beobachtet. Für gewöhnlich brauchen die männlichen Larven 2, die weiblichen 3 Jahre zur Entwicklung. b) Die inaktive Larvenform. Eigenartig ist neben der Gestalt der weiblichen. Imago vor allem die Hypermetamorphose, die für Drilus flavescens und concolor feststeht, aber für die Dreliden wohl allgemein gelten wird. Die inaktive are 3 form ist von Schmitz und Crawshay beschrieben und vom letzteren - sind Kopf und Hinterleibsende in guten Abbildungen gegeben. 2 E Diese helle, spärlich behaarte Form mit ihren schwach entwickelten, gebrauchsunfähigen Kiefern und Beinen, tritt regelmäßig bei der letzten Häutung im Herbst auf. Insofern kann man wohl von einer „Winter-% E form“ reden, aus der im April oder Mai wieder die aktive „Sommer- form“ bezw. die Puppe hervorgeht. Orawshay macht darauf auf- > merksam, daß die inaktive Form einer erwachsenen Larve besonders ° stark reduzierte Mandibeln, Fühler und Abdominalanhänge hat. Derselbe Autor fand diese „Winterform“ einmal schon. am 2. Juni und vermutete, daß sie zu allen Zeiten des Jahres eintreten kann. Das bestätigen meine zu Dutzendmalen gemachten Er- & fahrungen, ja, es ist bei künstlicher Aufzucht schwieriger, bei der Häu- tung die aktive als die inaktive Form zu erzielen. Crawshay ver- mutet, plötzlicher starker Temperaturfall vor der Häutung. erkläre seine Beobachtung vom 2. Juni, bei mir war es meist Trockenheit, wenigstens als ich anfing, zwecks besserer Beobachtung und Kontrolle 40 Larven in Einzelzellen aus Gips zu züchten, während bei meinem früheren Massenbetrieb diese Fehlerquelle leichter ausgeschaltet wurde. Ich hatte es aber so in der Hand, durch verschiedengradige Anfeuchtung der Zellen und Hineinwerfen frischer Nahrung die Zeitdauer der Sommer- ruhe länger oder kürzer zu gestalten. Im schnellsten Fall erreichte ich 13 Tage nach Annahme der inaktiven die Rückkehr zur aktiven For m bei einer erst 8 mm großen Larve, eine erstaunliche Leistung, wenn man die Schnelligkeit und die erforderlichen tiefgreifenden Änderungen be-- denkt, die zweimal mit den aus einem Schneckenfraß gewonnenen Re- servestoffen geleistet werden. Einmal En ich u BR ee von 383 Abb, 1. Halbwüchsige aktive 'Larve nach einer Häutung; Eingang des Schnecken- hauses mit abgestreifter Larvenhaut. Abb. 2.. Inaktive Larve, Oberansicht. Im zerbrochenen Schneckenhaus die Hülle ihrer = aktiven Form mit Schlupfspalt am fünttletzten Segment. bb. 3. Inaktive (männliche) Form im letzten Stadium vor der Puppe. Nach dem - Leben gezeichnet, Unterseite. . Zwei Männchen; ein Weibchen mit Eiern gefüllt, Seitenansicht. bb. 5. Zwei Männchen; ein Riesenweibchen nach a Copula. Rückenansicht. Die ; Abdominalanhänge des letzten Segmentes tragen je eine lange Ban wu der ae schlecht zu erkennen), 384 -F. Rüschkamp, Zur Biolog oje der Dr iidae und Mier mathe (Am CE aktiver in die passive Form ohne Nahrungsaufnahme an zu haben, doch kann hier eine Täuschung vorliegen. Wie die Pseudonymphe bei, ihren so stark rückgebildeten Sinneswerkzeugen auf neue günstige Lebens-, bedingungen durch Rückkehr zur tätigen Form antwortet, ist auch der ° Beachtung wert. Jedenfalls ist das Vermögen je nach Gunst oder Ungunst der Verhältnisse die eine oder andere Form anzunehmen eine für diese Lebensweise sehr zweckmäßige Errungenschaft. Darin stimme ich mit meinem Freunde H. Schmitz 2 völlig überein. Doch sollte man nach all dem nicht von einer „Winter- form‘, höchstens von Not- oder Ruhefo rm sprechen, wenn man sich mit dem Ausdruck „inaktive Form“ nicht zufrieden ne 2 will.. 5. Die Puppe. Die Puppe bildet sich wie gesagt anfangs des Frühlings aus der ° inaktiven Form. Wegen ihrer im Schneckenhäuschen wohl geborgenen Lage hat die Puppe keinerlei weiteren Schutz durch Kokon oder chiti- ° 'nösen Panzer nötig. Sie ist mit einem weißen, weichen Häutchen be- deckt und macht ihre Verwandlung in wenig Wochen durch. Die männ- liche Puppe unterscheidet sich in keiner Weise von anderen ungedeckten Coleopterennymphen, die weibliche kaum von der inaktiven Form. Nach dem Schlüpfen bedürfen beide Geschlechter3) weiterer 8 Tage, bis sie ausgefärbt sind und das Abdomen durch Entleerung nor- male Proportionen annimmt. Nun kann das Männchen wieder ausfliegen, um die Weibchen aufzusuchen. Inzucht ist trotz des gleichen Entwick- lungsortes natürlich ausgeschlossen, da ja die Einiwicklungszeit der ’ schlechter um 1 Jahr verschieden’ ist. Ob die Imagines irgendwelche Nahrung zu sich nehmen, ist mir nicht bekannt. Alles was ich ihnen anbot, selbst ein Tröpflein Wasser, nahmen sie nicht an. Der ganze komplizierte Vorgang der Verwand- lung dient anscheinend einzig dem Ausbau der Geschlechtsorgane und beim Männchen obendrein der gefiederten .Fühler und der Flügel zum leichteren Aufsuchen der Weibchen. Das imaginale Leben hat, abgesehen vom Geschlechtsverkehr, für Drilus selbst und für die Natur demnach weiter gar keine Bedeutung. Dies brachte mich schon 1912 auf die. Vermutung, es könnte in der Coleopterenwelt Larven geben, die Ge- schlechtsorgane entwickeln und auf die Metamorphose verzichten, eine Vermutung, die zur Gewißheit wurde, wie ich einer Mitteilung der fran- zösischen entomologischen Gesellschaft entnahm, die mir P. Wasman n S. J. gütigst zur Verfügung stellte. | Bo a u 3) E. C. Rosenberg, a. a. 0, S. 239: - „Oomme supplement des obserrations de Desmarest je citerai que l’image ‘von Drilus coneolor Ahr.!) ne quitte pas tout de suite sa peau de nymphe, dans laquelle elle reste jusqu’ä ce_gqu’elle soit re ment durcie,* 2 4 r” U en, dur Biologie der Drilidae und Micromalthidae (Ins. Cob). 385 II. Die larvale Weibehenform der Driliden und die geschlechtsreife Larve von Micromalthus debilis Lee. Unter dem Titel: „Paedogenese et Neotenie chez les Gol&opteres“ ichtete P. de Pyerimhoff 1913 im Bulletin de la Societ‘e ento- _ mologique de France/;über,jdie biologischen Entdeckungen des Mister _ M.Herb. 8. Barber Dion, Herr-Barber, vom entomologischen - Bureau in Washington, erhielt aus faulem Eichenholz Käferlarven zu- ent unter denen sich eine wurmförmige, fuß- und fast segmentlose E - Larve befand, die parthenogenetisch lebende caraboide Larven ge- bar. Diese verwandelten sich bei der Häutung in fußlose ceram- byeoide Formen. Nach der Überwinterung teilen sich die Larven in drei Gruppen: die einen verpuppten sich und erschienen als weibliche - Imagines, andere, bei denen die Ovarien in Form zweier weißer Körper- chen bereits sichtbar waren, waren jene pädogenetische Weib- ehenformen; bei der dritten Gruppe erzeugte jedes Individuum nur ein einziges Ei. Aus diesem Ei entwickelte sich eine fußlose curculionide - Larve, dieden mütterlichen Organismus verzehrte, rasch heranwuchs, beider - Häutung sich in eine Vorpuppe und dann in eine Puppe verwandelte. Aus ihr ging das Männchen von Mieromalthus debilis Lec. hervor. Neben einem aus einer Puppe hervorgegangenen Weibchen, dem de Peyerimhott nur ‚die Rolle „de reproduction tleoriquement acces- % soire“ zuerkennt, haben wir es hier also mit einer geschlechts- reifen Larve zu tun, mit einer Pädogenese, ei weibliche Larven unter Beibehaltung der Larvenform durch be- -schleunigte Geschlechtsreife gebärfähig sind. Es ist - das für die Ordnung der Coleopteren etwas unerhört‘ neues. Eine - Analogie hierzu findet sich nur in der Fortpflanzungsweise der Cecidom- yidae unter den Dipteren. Als interessante Beigabe haben wir noch Vivi- “ parität und Parthenogenese, während das ebenfalls äußerst extrem legenerierte Weibchen von Phengodes Hieronymi Haase ein normal twickeltes Receptaculum seminis,, hat und von Hieronymus 1881 Copula gefunden wurde. Ferner handelt es sich bei Phengodes,. Homaliseus, Driliden d Lampyriden um Weibchenformen, die infantile Charaktere hielten (Neotenie, nach der Definition von Giard 1905), bei Micromal- thus ‚dagegen, wie gesagt, um Erwerb der Zeugungsfähigkeit in einem _ Larvenstadium (Pädogenesis), das sich im übrigen vom vorher- gehenden in keiner Weise morphologisch unterscheidet. Die Abbildung - dieses neuen Tieres findet sich in Barber’s angeführten Veröffent- f ve =: Prngen, die mir nicht vorlagen. ; Im. Das epeechfei der Driliden. ins eingehende Monographie der Driliden liegt noch nicht vor. ‚bis 1910 beschriebenen 79 Arten sind, auf 20 Genera verteilt, einst- len im Ooleopterenkatalog Junk-Schenkling registriert. Ob wir mit einer einheitlichen Gruppe zu tun haben oder mit einer mehr- en re me SB cromalthidae (Ins. Col). ; 0 l lidae und M Ü 386 F. Rüschkamp, Zur Biologie der Dr Ausbreitungsgebiet der Driliden. / Reiche: Palzogäisches Känogäisches | - Sr ee a Tr Ta Regionen: ER Neotropische he Athiopische Paläarktische Paläarktische NS Borealef ten- Centr. N Sun-JEu-| Mit-|«., . | In- Ka-| So- | ‚Unterregionen: Bar Ame- Ei Tata Ban Mo Me Si *) da- |ro- | tel- |DIPi-] nor. |08t- stralien | ; silien |gonien vanne Afrika OD.| ins. | pa |meer| HER |ggien@sien 1. Malacogaster 8 Si 2. Drilus 2.1418 | 23 3. Paradrilus ar 1 - 4. Drilaster 2 2 5. Drilonius 1 1 6. Cerocosmus 1 7. Heliotis 1 8. Selasia 417 9. Länmoglyptus 1 1 10. Stenocladius 1 5 11. Eugeusis 2 12. Anadrilus 1 1 13. Haplogensis 2 14. Diplocadon 1 2 15. Dodecatoma 2 16. Pachytarsus 3 17. Cyphonocerus 1 1 18. Oydistus 2 2 19. Phrixothrix 3 Telegeusis. 1 1 F. Rüschkamp, Zur Biologie der Drrilidae und M ceromalthidae (Ins. Col.). 387 B» k stammig entstandenen, ist noch nicht ausgemacht. Lassen wir die erstere - Ansicht, die einstweilen in possessione ist, gelten und wollen wir uns ein vorläufiges Bild vom Ausbreitungsgebiet dieser Familie machen, so - müssen wir folgendes im Auge behalten: 1. Nach ihrem ganzen morphologischen Aussehen haben wir es mit - einer relativ alten Familie zu tun, da eine so hochgradige Degeneration des weiblichen Geschlechtes seine Zeit zur Entwicklung braucht. 2. Die insulären Arten aus England, von den Balearen, von Zante, ‚Cypern, Ceylon, Sumatra, Japan u.s.w. können unmöglich alle dem Zu- - fall, der Verschleppung, sei es durch Handel, Vögel, Triften oder wie sonst ihre jetzige Heimat verdanken, ebensowenig als ihre Beutetiere, - die Schnecken, wie Arldt es in seinem Werk „die Entwicklung der _ Kontinente“ S. 16 für diese nach neueren Beobachtungen darlest. Wir rinnen deshalb uns nur dann eine Vorstellung von der Ausbreitung dieser Käfer machen, wenn wir auf die Permanenz der Meere verzichten und die von allen neueren .Geologen angenommenen Landbrücken zur Er- _ klärung benutzen. Sowohl für diese als für die Einteilungen der Tier- geographie folgte ich Arldt. Ordnet man die bis jetzt bekannten Driliden in eine tabellarische Übersicht nach Reichen und Regionen, so ergibt sich folgendes Bild 6 Tabelle). - Was lesen wir nun aus dieser Übersicht heraus? Bis auf drei kleine amerikanische Genera: Cercocosmus, 1 Art aus Chile, Phrixothrix, 3 Arten aus Paraguay und Uruguay, Telegeusis, 1 Art aus Kalifornien, drei kleine japanische Gattungen mit nur vier Arten, und Helotis mit ‘einer Art aus Süd-West-Australien, im ganzen 7 wattungen mit 10 : Ekıten gehören alle übrigen 13 leder dem Mittelmeergebiet und der E orientalischen Region, und zwar zum größten Teile ausschließlich an, E während vereinzelte Vertreter derselben weiter vorgedrungen sind, z.B. von Drilus, die mit 18 Arten im Mittelmeergebiet stehen, 2 Arten, flaves- E cens und concolor, nordwärts über ganz Europa bis nach England und ‚Schweden und der einzige interasiatische Drelide, Stenocladius Fairm, ‚in Zentralchina als der nördlichste Vertreter dieser Gattung, die. sich = mit 3 Arten in Vorder- und 1 Art in Hinterindien findet. Shan diese 4 bisherige Tatsache allein zeigt uns deutlich, wo das vermutliche Ent- . 'wicklungszentrum der Familie liegt. Der Vorsprung des Mittelmeer- Br gebietes und der orientalischen Region an Gattungs- und Artenreichtum _ gegenüber allen anderen ist so groß, daß unsere Vermutung sicher die richtige ist und durch Neufunde nicht mehr umgestoßen wird. Die Ver- E teilung der übrigen Genera selbst kann das nur bekräftigen. | “= ‘Die drei kleinen japanischen Gruppen verweisen deutlich auf die = ‚orientalische Region als dem Ort ihrer Herkunft, weil, wie gesagt, in - Zentralchina nur eine vom Süden stammende Art sich findet, aus dem. "Norden aber, aus Sibirien, gar keine Drilide bekannt ist. Die 11 äthio- _ pischen Arten von Selasia Fand mit 5 Arten auch in Indien und auf Oey- Ion vertreten, und Drilus fusculus Boh. aus Natal und Deutsch-Ost- j .25* Sa er a age ERROR % Kar, M. 1 E u: - alrıka weist durch Drilus ramosus en aus Abesspnien nach dem = Orient (oder dem Mittelmeer) hinüber. Die Gattung Heliotis mit einer Art aus Süd-W est- Australien durtte über die Sundainseln mit dem Orient verbunden sein. Scheinbar völlig isoliert stehen die neotropischen Gattungen in Chile, Paraguay, Uruguay und Kalifornien. Diese können 1. nicht vom Westen stammen, weil die madagassische Region keine Dröliden aufweist, 2.nichtüber Nordamerika mit europäischen Driliden zusammenhängen, weilüber ganz Europa nur zwei vom Süden stammende Arten verbreitet sind, in ° Sibirien und Kanada aber sich überhaupt keine finden. Deshalb müssen wir die einzige kalifornische Art als nördlichsten Vertreter der Süd- amerikaner auffassen, und sie alle können daher nur vom Osten, von = 4 Afrika herstammen. E Bisher haben wir die Frage offen gelassen, ob wir das Mitiilmeer- 3 gebiet oder die orientalische Region als die ursprüngliche Heimat be- : trachten wollen, aber nach dem Gesagten liegt die Entscheidung auf der Hand. Dem Orient gehören von den 20 Gattungen 8 ausschließlich und ° 3 gemeinsam mit den tiergeographisch benachbarten Gebieten von Zen- tralchina und Äthiopien an. Die Japaner verweisen offenkundig nach ° Indien, und die sonorischen und neotropischen Arten über Äthiopien, die australische Art über die Sundainseln vermutlich auch. Also von den 20 Genera sind 11 in der orientalischen Region vertreten und 6 weitere, die mit dem Mittelmeergebiet wohl nichts zu tun haben, verweisen direkt oder indirekt dahin. E Demgegenüber sprechen für das Mittelmeergebiet nur 3 Gattungen, E die ihm ausschließlich angehören: Malacogaster mit 8 Arten von den kanarischen Inseln, aus Algier, Valencia, Sizilien, Cypern, Syrien; Para- ‚ drilus mit 1 Art aus Spanien; ' Cydistus mit 2 Arten aus Syrien und Adana. Dazu kommt Drilus als größte Gattung der Familie mit 23 Arten, die bis auf zwei europäische, eine südafrikanische, eine abessynische und eine von Üeylon, alle dem Mittelmeergebiet angehören. Offenbar hat sich Drilus dort mächtig entfaltet und sind Malacogaster und © tn = 3 dort entstanden, aber deren Stammformen doch wohl im Orient zu suchen. Es scheint nach all dem eindeutig bestimmt: in der orien- 3 - talischen Region liegt das Entwicklungszentrum der Dri. liden. Monographische Studien werden das sicher bestätigen. 3 Mit Hilfe dieser rein tiergeographisch-statistischen Methode und der aus zahllosen Gründen verschiedener Wissenschaften postulierten Anordnung der kontinentalen Ländermassen in früheren Zeitperioden 4 ist es uns möglich, auch das Mindestalter der Dane abzu- | schätzen. = “ „ 7 Für einen Teil der insulären Driliden, 2. B. von A Balearen, Sizilien, Zante, Ceylon könnte es genügen, wenn wir bis in die Diluvial- zeit zurückgehen, in der ihre jetzigen Standorte noch mit kontinentalen 3 Ländermassen in Verbindung standen. Sie mögen also wohl jüngeren Datums sein, aber die Familie selbst ist viel älter. Denn andere Tuseln, wie Cypern und Kreta wurden ai im Pliocän abeäitenni i Fa ge . a ER en ernie e OP Rischkamp, Zur . Biologie, der Drilidae und Mieromalthidae (Ins. Col). 389 ET, Da ferner die heute so isolierten Driliden Amerikas nach obigen Ber mit den afrikanischen genetisch verbunden sein müssen, war das nur möglich, so lange die Südatlantis noch bestand, also im Oligocän. Es müssen demnach spätestensin deräl- teren Tertiärzeit die Driliden schon bestanden haben und weit verbreitet gewesen sein, was auf ein noch höheres ‚Alter der: Familie schließen läßt. - Zum Schlusse habe ich noch P. Wasmann für Herstellung der H- _ Bilder, P. Wolfisberg für die Federzeichnung, P. Schmitz für Be- . schaffung von Literatur zu danken. Ze B> . “Nachtrag. Nach Fertigstellung des Manuskriptes erhielt ich die Arbeit von ER. Olivier über de Lampyriden- und Driliden- Ausbeute der Afrikareise von Ch. Alluaud und R. Jeannel (1911—1912). Neben neuen Fundorten bereits von Kolbe beschriebener aus Deutsch-Ost- afrika stammender Arten ist eine sp. n. Selasia venusta aus Uganda j bekannt geworden. Diese Funde ändern kaum etwas an vorstehenden E Ausführungen. ; Im Anhang zu der Arbeit Olivier’s berichtet de Peyerim- hoff „sur deux femelles larviformes de Malacodermes“. Eines dieser eibchen ‚gehört zur Familie der Drilidae, und zwar Gattung Selasia, oder en einer neuen Gattung. Heimat: Afrique orientale anglaise: forets 3 inferieures du Kenya, alt. 2400 m., st. n. 39, un exemplaire trouve dans F E une ‚ Aöhatine (Mollusque Gasteropode), Es - 5 5 en Literatur-Angabe. tdi, Die Entwicklung der Kontinente, Leipzig 1907. jesmarest, M&moire sur une espece d’insectes des environ de Paris, dont le mäle et ==. 1a: ‚femelle ont servi de types & deux genres differents. Ann. scien. nat. 1824 SE Tom. II. p. 257. Grawshay Lionel R., On the life history of Drilus flavescens Rossi Trans. Ent. Soe. London 1903. p- 39—51. Haase, Erich, Zur Kenntnis von Phengodes. Ent. Ztschr. 1888 8. .145f. Be Über Selasia-Arten in Stuhlmann’s Deutsch-Ost-Afrika. IV, Col. 1897 E:- =218£: iielsinky Ignace, Me&moire sur une larve, qui devore les Helix nemoralis, et sur linseete anquel elle donne naissance. Ann. scien. nat. 1824 Tom. I. p. 678. oliver, E, Ins. Col. VIT. Lamnuridae et Drilidae; in Voyage de Ch. Alluaud f Er. et R. Jeannel en Afrique Orientale (1911—12) Paris 1914. _ Peyerimhoff, P. de, Sur deux femelles ee el de Malacodermes. Anhang zur „vorigen Arbeit von E. Olivier. _ Peyerimhoff, P. de, Paedogendse et neotenie chez les mass, Bull. Soc. Ent. | == Franc. 1913 p. 392. hortensis. Dän.: Entom. Meddelelser II. Roekke III. B. 1908, p. 227—240. Schaufuß, Camillo, Calwer's Käferbuch*, Stuttgart 1916. hmitz, S. J. H., Zur Biologie von Drilus flavescens Foucr. Nederl. Ent. Ver. 1908, Verslag a ers: 1909 ent. Ber. Nr. 46; 1910 Verslag Winter- vergadering. Rosenberg, E. C., Drilus concolor Ahr: Hunnens Forvandling i Skallen of Helix ei n y ni ee Se Fe Ta rn nn ah 390 _K. v. Frisch, Über den Einfluß der Bodenfarbe auf die Fleckenzeichnung ete. Über den Einflufs der Bodenfarbe auf die Fleckenzeichnung des Feuersalamanders, Von Karl v. Frisch, München. Inhalt: I. Einleitung. — 2. Eine Bemerkung über das normale Farbkleid des Feuersalamanders. — 3. Versuche an metamorphosierten Salamandern. — 4. Die Beziehungen zwischen morphologischem- und physiologischem Farbwechsel. — 5. Versuche mit Salamander- larven. — 6. Der scheinbare Widerspruch zwischen den Ergebnissen von Kammerer und Herbst. — 7. Auen 1. Einleitung. Kammerer hat gefunden, daß bei Toner (Salamandra maculosa Laur.), dieer mehrere Jahre auf gelber Lehmerde hielt, die gelbe Fleckenzeichnung auffällig an Ausdehnung gewann, während bei Haltung auf schwarzer Gartenerde allmählich die schwarze Grundfarbe zunahm und E die gelben Flecken verdrängte. Die Lehmerde unterschied sich nicht nur durch ihre gelbe Farbe, sondern auch durch ihren höheren Feuchtig- keitsgehalt von der schwarzen Gartenerde, da sie stärker hygroskopisch war als diese. Um den wirksamen Faktor zu finden, brachte Kamme- rer einerseits Salamander auf gelben und schwarzen Untergrund (Pa- pierunterlagen) bei gleicher Feuchtigkeit der Behälter, anderseits in trockene und feuchte Umgebung bei gleicher Farbe des Untergrundes. Es zeigte sich, daß sowohl gelber Untergrund als auch feuchte Umgebung die Gelbfärbung der Tiere fördert, wogegen sowohl schwarzer Unter- grund als auch Trockenheit die Schwarzfärbung begünstigt; so wird die Wirksamkeit der gelben Lehmerde durch ihre Feuchtigkeit, die Wirk- samkeit der schwarzen Gartenerde durch ihre relative Trockenheit ver- stärkt. Doch ist der Farbfaktor dem Feuchtigkeitsfaktor nicht gleich- zusetzen. Denn gelber Untergrund bewirkt Vergrößerung der vorhandenen gelben Flecken, Feuchtiskeit aber bewirkt das Neuauftreten kleiner, gelber Flecker in der schwarzen Grundfarbe. Schwarzer Untergrund veranlaßt die Verkleinerung und Einschmelzung der gelben Flecken vom Rande her, Trockenheit aber veranlaßt eine gleichmäßige Ver- düsterung der gelben Flecken in ihrer ganzen Ausdehnung. Der Ein- fluß des gelben und schwarzen Untergrundes wird durch die Augen vermittelt und bleibt bei geblendeten Tieren aus, Trockenheit und Feuch- tigkeit aber beeinflussen die Färbung geblendeter Tiere ebenso wie bei sehenden Individuen. — Die so erzielten Farbänderungen sind erblich. Als Kammerer in den Jahren 1910 und 1911 mit vorläufigen Mitteilungen [11, 12] über die hier kurz skizzierten Resultate vor die Öffentlichkeit trat, war ich mit Versuchen über den Farbwechsel der Fische beschäftigt. _ Da erweckte die „Farbenanpassung“. des Feuer- salamanders sofort mein größtes Interesse. Denn was da beschrieben wurde, war ein Novum auf dem Gebiete des Farbenwechsels niederer Wirbeltiere. Wir kannten eine Anpassung an den Untergrund, bewirkt = 3 1 ’ & de here ak, ’ Aare” Hd ui r nu Yin . 3 Bike audi = lad D 1 Br Dr a an ee ic eg | RR NIERUIR le a ee EN & " hl hi Ni a ld 2 / anne EBENE DL Wr NN ie wen t ER TERN le Be a N REF k Aa a “ NE ’ ae A in tz“ ® > ri + “) i AN DR. v. Frisch, Über den Einfluß der Bodenfarbe auf die Fleckenzeiöhnung etc. 391 dureh Kontraktion und Expansion von Chromatophoren unter dem Ein- flusse des Nervensystemes. Wir kannten auch vereinzelte Fälle, wo nach lange währender Expansion der Chromatophoren allmählich eine Vermehrung des Pigmentes, nach lange währender Kontraktion eine - - Abnahme desselben zu bemerken war, wo also ein „morphologischer Farbwechsel“ eintrat, der aber mit dem vorangegangenen „physiologi- schen Farbwechsel“ offenbar in ursächlicher Beziehung stand (vgl. 8. 404). Beim Feuersalamander schien nach vollendeter Metamorphose ein phy- - siologischer Farbwechsel völlig zu fehlen. So war es unklar, durch welchen Mechanismus hier ein gelber Untergrund zu einer Vermehrung - des gelben Pigmentes, schwarzer Untergrund zu einer Zunahme des Me- - _lanines führen sollte. Dazu kommt, daß die biologische Bedeutung einer solchen ‚„Farbenanpassung‘“ unverständlich ist, da man das Farbkleid = des Feuersalamanders wohl als Warnfärbung, aber schwerlich als Schutz- - färbung deuten kann. 2 So wollte ich die Sache aus eigener Anschauung kennen lernen und eine Hypothese, die sich mir zur Deutung der Befunde aufgedrängt hatte, auf ihre Richtigkeit prüfen. Die im Jahre 1910 begonnenen Ver- - suche wurden im Herbst 1913 wegen anderer Arbeiten unterbrochen. Dann verhinderte der Krieg ihre Fortsetzung. Inzwischen wurde in - — Kammerers ausführlicher Publikation [13] und in der jüngsten = Arbeit von Herbst [10] ein großer Teil dessen, was ich an Ergeb- _ nissen und Deutungen vorbringen wollte, bereits ausgesprochen. Ich - hätte daher jetzt von einer eigenen Mitteilung um so lieber Ab- stand genommen, als ja meine Versuche nicht zu Ende geführt sind. - Daß ich mich dennoch zur Publikation entschlossen habe, bedarf der Rechtfertigung: Erstens wurde ich, nachdem in Kammerer’s Arbeit - bereits ein Hinweis auf meine Versuche enthalten war, wiederholt von , verschiedenen Seiten um genauere Mitteilungen gebeten; und wenn meine - Experimente auch zu wenig ausgedehnt sind, um für sich allein be- - weisend zu sein, so mögen sie doch im Zusammenhang mit den Ergeb- nissen anderer Untersucher ins Gewicht fallen. Zweitens aber besteht - ein schroffer Widerspruch zwischen den Schlüssen, de Kammerer und Herbst aus ihren Versuchsergebnissen ziehen, und zur Klärung Br dieses Widerspruche: glaube ich aus dem vorliegenden Materiale etwas beitragen zu können. Pr. Y Bunt e.: 2. Eine Bemerkung über das normale Farbkleid des Bee en Feuersalamanders. Ein volles Verständnis der Veränderungen,. die sich durch die Ein- E wirkung äußerer Faktoren am Farbkleide des Feuersalamanders erzielen - lassen, ist ohne genaue histologische Untersuchung über die Entwick- : lung und schließliche Gestaltung der Färbungselemente kaum möglich. - Eine solche Untersuchung stand auch auf meinem Programm, sie war - aber noch nicht weit geliehen, als die Arbeit unterbrochen wurde. Ich - kann hier meine bisherigen Ergebnisse schon deshalb übergehen, weil wir Di h Ind ge © 399% K.v. F tisch, Über den Einfluß der Bodenfarbe au die aus einer vorläufigen Mitteilung von W. J. Schmidt fs] enimehmen: E können, daß von ihm demnächst ausführliche N über Gene Thema u zu erw Aries sind. s= Auf einen Umstand möchte ich aber nebenbei doch Be de bis jetzt, so auffällig er ist, von keinem Untersucher gewürdigt wurde. Warum sind die gelben Flecken des Feuersalamanders so, leu ch- tend gelb? Wodurch kommt die tiefe Sättigung der Farbe zu- stande? Nach Kammerer ([13] S. 141) nur durch die dichte’ Lage- | rung des gelben Pigmentes. Ein Blick auf einen frisch ‚hergestellten Ge- friersehnitt durch die Salamanderhaut belehrt uns eines anderen: Bei Abblendung des Mikroskopspiegels und Betrachtung in auffallendem Lichte!) sieht man unter dem gelben Pigmenteinen Reflek- tor ausgebreitet, der das Licht mit großer Intensität zurückstrahlt. Das Bild erinnert sogleich an das Tapetum in den Augen gewisser, an ein Sehen im Dämmerlichte angepaßter Tiere. Man kann die betreffende Schichte auch hier als „Tapetum“ bezeichnen, im gleichen Sinne, in welchem 8. Exner- [5] 2) die reflektierende Schichte, die er an Blumenblättern unter den gefärbten Epidermiszellen fand, und auf welche er die große Helliskeit und Sättigung vieler Blüten- farben zurückführt, als Tapetum anspricht: Ebenso wie in den Blumen- blättern wird auch in der Salamanderhaut durch den Umstand, daß unter der durchscheinenden Lage des gelben Pigmentes ein Reflektor liegt, die Intensität des Gelb gesteigert, und dadurch, daß die Lichtstrahlen die gelbe Zone zweimal passieren müssen, die Sättigung der Farbe erhöht. Das Tapetum ‚spielt die Rolle der Folie unter gefaßten Edelsteinen“ [5]. Die Figuren 1 und 2 mögen die Verhältnisse anschaulich machen. In Fig. 1 ist ein Querschnitt durch die Haut eines erwachsenen Feuer- salamanders, und zwar an der Grenze eines schwarzen und gelben Haut- bezirkes, in durchfallendem Lichte dargestellt, Fig. 2 zeigt die gleiche Stelle bei auffallendem Lichte. In den schwarzen Hautbezirken ist so- wohl die Epidermis wie die Cutis reich an schwarzem Pigment, wel- ches am Rande des gelben Fleckes meist mit ziemlich scharfer Grenze endet. Im Gebiete des gelben Fleckes ist die Epidermis nicht, wie man vielfach lesen kann 3), pigmentfrei, sondern in ihrer unteren Hälfte mit dicht gedrängten, lebhaft gelben Pigmentzellen (g. E.) erfüllt. Die eben erwähnte falsche Angabe ist wohl auf die Untersuchung von Al- koholmaterial, in welchem das gelbe Pigment gelöst war, zurückzuführen. Ein frischer Gefrierschnitt zeigt am besten den natürlichen Zustand. In der Cutis liegen in gleicher Flucht mit den Melanophoren der be- nachbarten Zone die Zellen, welche das Tapetum bilden. Sie erschei- nen bei Beleuchtung von unten dunkel, an dickeren Schnitten fast so schwarz wie die Melarophoren. Bei abgeblendetem Ni ( Fig. 2) strahlen sie in _gelblichem Lichte. 1) Am besten mit einem schwachen Objektiv, da stärkere Linsen dem Präparat so weit genähert werden müssen, daß sie es zu stark beschatten. { = 2) Vgl. insbes. 8. 202 ff. 3) Z.B. bei R. F. Fuchs [9] S. 1477, Herbst 10] 8. DT UA, I aaa 1 a en. hd na la il a nen nat al. a an Re BEE wa \ Frisch, g> ‚den Dina tler " Bodenfarbe auf die Fleckenzeichnung ete 2393 Be; Don Aussehen nach BR man den Inhalt dieser Tapetumzellen - für Guanin halten. Proben mit einigen Chemikalien bestärken mich in dieser Annahme: Die Substanz ist unlöslich in Wasser, Alkohol, Chloro- form, Xylol, hingegen leicht löslich in verdünnten Min eralsäuren und Alkalien. Versuche, über die chemische Natur des Stoffes völlig ıns - Klare zu kommen, führten bisher nicht zum Ziele#). Ich fand aber nachträglich, daß Ewald und Krukenberg (l4! S. 255 und 258) j Figur 1. Figur 2. ig. 1. Querschnitt durch die Haut eines erwachsenen Feuersalamanders an der Grenze eines schwarzen und gelben Hautbezirkes, bei durchfallendem Lichte: s. E, schwarzes Epidermispigment, M. Melanophoren der Cutis, g. E. gelbe se der nn F: Tapetumzellen. onderer Leuchtkraft entgegentreten, ähnliche Verhältnisse anzunelı- Ich habe vn mit zwei weiteren ee gemacht und 4) Ich ee mich in dieser Frage auch an Herrn Hofrat Molisch (Wien) um Rat. Er war so freundlich, gemeinsam mit seinem Assistenten Herrn Dr. G. Klein x die ‚eingesandten. Präparate einer mikrochemischen Prüfung zu unterziehen, wofür ich a en EDenlen en. ‚auch an dieser ‚Stelle meinen besten Dank aussprechen ‚möchte. dosungen mit Ammoniak, ‚bezw. N rar zu Schalten, so wie die sicherste n mit Beat in salpetersaurer Lösung negativ ausfielen, 394 K. v. Frisch, Über den Einfluß der Bodenfarbe auf die Fleckenzeichnung ete. ist da vielleicht noch klarer als beim Feuersalamander, weil sie ‚selbst nicht gefärbt ist. Die orangerote Farbe des Bauches ist ausschließlich auf Rechnung des oberflächlichen orangeroten, durchscheinenden Pig mentes zu setzen. Aber ihre Leuchtkraft verdankt die, Farbe der B silbernen Folie, mit der sie unterlegt ist. BE Auch bei der Unke (Bombinator pachypus 2 liegt unter dem rötlichgelben Pigment eine lichtreflektierende Schichte. Wenn man die Bauchhaut abpräpariert und von der Innenseite betrachtet, so sieht man das gleiche genetzte Muster in Weiß, das von der Außenseite leuchtend gelbrot erscheint. Auf. Schnitten haben die Guaninmassen (welche auch in der Unkenhaut von Ewald und Krukenberg [4a] nachgewiesen “ wurden) in diesem Falle ein mehr kreidiges Aussehen. E Noch mancherlei ließe sich da erwähnen. Bei manchen Bröschen sind ja die Lagebeziehungen zwischen lipochrom- und ‚guaninführenden Zellen so innig, daß bis heute die Meinung verbreitet ist, beide Pigmente lägen in ein und denselben Zellen (vgl. [19]). Auch hier liegt in der Regel die reflektierende Substanz unter einem gelben Pigment und muß bei einem gewissen Färbungszustande der Haut (Gelbfärbung) ebenso wirken wie das Tapetum bei Salamander, Molch und Unke. Die guanin- führenden Zellen sind aber an dem reichen Farbenspiel der Froschhaut auch noch in anderer Weise beteiligt, so daß von einem „Tapetum“ in der oben gebrauchten einfachen Bedeutung nicht die Rede sein kann. 3. Versuche an metamorphosierten Salamandern. Bi Es war zunächst mein Bestreben, die „Anpassung“ der Feuer- E salamander an schwarzen und gelben Untergrund selbst zu beobachten. Kammerer war bei jenen Versuchsreihen, in welchen er den . Farbfaktor isoliert auf seine Wirksamkeit prüfen wollte, folgender- maßen vorgegangen: Die Salamander wurden in Terrarien gesetzt, deren Bodenteil mit Flußsand ausgefüllt war. Die Flußsandschicht und auch 2 ein Teil der Seitenwände des Terrariums wurden dann in einem Falle mit gelbem, im Parallelversuch mit schwarzem Glanzpapier bedeckt. Damit Zerreißungen des Papiers keine Störungen verursachen, war es beiderseits gefärbt und in doppelter Lage aufgebreitet. Das Glanz- = papier verlor durch die Feuchtigkeit, der es ausgesetzt war, rasch seinen Glanz und allmählich auch. seine Farbe, mußte daher häufig erneuert werden. „Damit sich die Tiere halbwegs behaglich fühlen, nämlich. in- = soweit, daß sie dauernd am Leben bleiben und sich fortpflanzen, ist die Einrichtung nun noch durch Moosnester zu vervollständigen, groß genug, daß sie sich darin einwühlen können, klein genug, daß viel e: farbige Bodenfläche übrig bleibt. Um ein Verschleppen des Mooses zu hindern, werden die Nester mit Steinen umgeben, die in sämtlichen Be- hältern gleichartig sind (irgend ein Qu arz). Wasserbecken und Futter- napf werden an das dem Moosneste entgegengesetzte Ende des Behälters gestellt, um die Salamander zu en hinüber und herüber. ar dem 3 farbigen Papier zu wandern” (113) 3 . 62). | BR v, Frisch, Über den Einfluß der Bodenfarbe auf die Fleckenzeichnung ete. 395 Kammerer lag es am Herzen, seine Tiere in den Versuchsbe- - hältern zur Fortpflanzung zu bringen, um die Vererbung der erzielten - Abänderungen studieren zu können. Er glaubte darum durch das Be- - decken des nackten Terrarienbodens mit Sand und Papier und durch die Einrichtung des Moosnestes dem Wohlbefinden der Salamander Kon- ” zessionen machen zu müssen. Mir war es nicht um eine zweite Gene- 4 ration zu tun, darum konnte ich unbedenklich reinere Versuchs- bedingungen schaffen. Ich wollte eine direkte Berührung der Sala- mander mit den farbigen Papieren vermeiden und die Wirkung des - Untergrundes möglichst ausgiebig zur Geltung bringen. So ergab sich 3 folgende Versuchsanordnung: re) Fig. 3. Das Versuch syetäß wird durch eine Unterlage (U) schräg gestellt und so E die Badegelegenheit (W) geschaffen; Glasröhren-(R) dienen de Salamandern ws. ‚ als Unterschlupf, eine auf Glasträgern (T) ruhende Glasscheibe (S) mit zen- Er traler Öffnung verhindert ein Emporkriechen der Salamander über die Grenze, FE bis zu welcher die Seitenwände des Gefäßes außen mit gelbem, schwarzem _ ‘oder weißem Papier (nicht eingezeichnet) beklebt sind. 4 Als Behälter dienten runde Glasgefäße von 25 cm Durchmesser _ und 22 cm Höhe. Der Boden und die Seitenwände bis zu einer Höhe ' von 8 cm waren an der Außenseite mit gelbem, schwarzem oder. weißem | Ba beklebt. Durch richtige Anwendung des Klebemittels wird ver- 3 mieden, daß zwischen Papier und Glas eine Luftschichte bleibt und so ein satteres Gelb und tieferes Schwarz erzielt. Da die jungen Sala- Eder gern an den Glaswänden emporkriechen, wurde ein auf Glas- füßen ruhender Glasring eingesetzt und so ein Überschreiten der Papier- _ grenze verhindert (vgl. Fig. 3). Das Bad wurde durch Einfüllen von etwas Wasser und Schrägstellen der Gefäße hergestellt. Glasdeckel - hielten die Atmosphäre feucht. Um dem Bedürfnis der Tiere nach einem E aersentnpt entgegenzukommen, wurden beiderseits offene Glasröhren auf den Boden der Behälter gelegt, die sehr gerne aufgesucht wurden. _ Man vermeidet so,.daß sich die Salamander zu einem Klumpen zusammen- ballen, was ihnen kaum zuträglich ist und außerdem die Farbe des _ Untergrundes häufig ihren Blicken entzieht. Als Futter reichte ich an- En. Mückenlarven, die in) läsernen Schälchen in die Gefäße gesetzt Erden. Die geblendeten T :re schoppte ich mit Fleischstücken, die Be, es Bern ” — zuführen. Die Behälter wurden an Nordfenstern des zoologischen In- I ‚jüngerer Tiere rascher einen Erfolg zu sehen. Auch schien es mir ‚rentem Grunde gehalten. Die ersten machten die Metamorphose Mitte 396 K. v. Frisch, Über den Einfluß der Bodenfarbe aut die Fl nzeic 2 ohne weiteres geschluckt werden, Re man sie ie ee die Kiefer schiebt. Später wandte ich dieses Verfahren auch bei den sehen- den Salamandern an, um allen Tieren das gleiche Quantum Nahrung ZU- 2 stitutes aufgestellt. Da mir kein Raum mit Oberlicht zur Verfügung stand, nach Kammerer aber nur bei Oberlicht gute Resultate zu er- warten sind, brachte ich über den Gefäßen Spiegel an und erreichte dadurch eine erhebliche Steigerung der Lichtstärke. 3 Im Gegensatze zu Kammerer, der als Ausgangsmaterial ‚etwa einjährige, im Freien gesammelte Sslamander benützte, ging ich von trächtigen Weibchen aus und brachte die Jungen gleich nach ihrer Ver-4 wandlung in die Versuchsgefäße. Ich hoffte durch die Verwendung ; wichtig, die Nachkommen ein und derselben Mutter den verschiedenen Versuchsbedingungen auszusetzen. Nur bei der ersten Versuchsreihe z habe ich diese Regel nicht strenge befolgt. 3 Die zur ersten und zweiten Versuchsreihe benützten Tiere wären Een der Nomen-ä E E klatur von Boulenger [3] der f. typica, die Tiere der dritten Versuchsreihe der var. - taeniata zuzurechnen. Erste Versuch sreihe. Im Oktober 1910 übernahm ich von einem Kollegen einige Dutzend | Salamanderlarven, welche dieser wenige Tage vorher dem Uterus ve bärreifer Weibchen entnommen hatte. Die Larven wurden auf indiffe- Januar 1911 durch, die letzten zum Versuch verwendeten Tiere Me Mai. = ee Die jungen verwandelten Salamander wurden zur Hälfte in gelb be- _ B kleidete, zur Hälfte in schwarz bekleidete Behälter gesetzt. Eine An- zahl wurde geblendet. Von jedem Tier legte ich eine Skizze an, um die 3 Größe und relative Lage der Flecken festzuhalten. u a) Sehende Tiere: Es kamen je 7 Individuen. in. schwarze x und gelbe Umgebung. a Im Laufe des zweiten Vierteliahres konservierte ich drei Schwarz tiere und drei Gelbtiere zum Zwecke der histologischen Untersuchung). | Schon in den wenigen Monaten war bei zweien von diesen Schwarz- tieren eine deutliche Reduktion des Gelb und völliger Schwund kleinerer gelber Flecken eingetreten, während bei zweien von diesen Gelbtieren eine deutliche Vergrößerung und teilweise Verschmelzung der gelbe Flecken zu konstatieren war. Vom dritten Schwarz- und Gelbtier kann ich das Gleiche nicht sicher behaupten; keinesfalls aber hatte eine Ver 3 änderung im entgegengesetzten Sinne stattgefunden. Be Von den übrigen vier .Schwarztieren ging eines > Monaten ein, ohne sich merklich verändert zu haben. Die anderen drei blieben Ca. 13/4 Jahre in dem schwarzen Behälter. Während dieser Zeit war. — 5) Ich wollte sehen, ob sich eine Veränderung im Expansionszustande der Pigrient: % zellen und in der Dichte der Pigmente feststellen ließe, gelangte aber nicht zu einwänd e-- freien Resultaten, > 2.5, Sn N e- x 43 Y. ‚Frisch, Über gi Einfluß der Bodenfarbe auf die Fleckenzeichnung etc, 597 bei einem von ihnen eine geringe, bei den beiden anderen eine starke, 1 "kontinuierlich fortschreitende Reduktion des Gelb zu beobachten. Es A bildeten sich in den gelben Flecken schwarze Trennungsbrücken aus "und manche Flecken wurden ganz durch Melanin verdrängt. ß Bei den übrigen vier Gelbtieren gewannen die gelben Flecken in “ drei Fällen ein wenig, in einem Falle sehr bedeutend an relativer Aus- dehnung. | ep) Geblendete Tiere: Den frisch verwandelten Salamandern _ wurden beide Augen exstirpiert. Sie wurden hierauf in Glasschalen - mit steriler Watte und eine Woche später in die Versuchsgefäße ge- - setzt. Verluste durch die Operation waren nicht zu verzeichnen. Von den 12 operierten Tieren kamen 6 in schwarze, 6 in gelbe Umgebung. F Die Behälter waren genau so eingerichtet und aufgestellt wie diejeni- 2 gen, in welchen sich die sehenden Salamander befanden. ; Je ein Schwarz- und ein Gelbtier konservierte ich nach zwei | Monaten, je ein weiteres nach sechs Monaten zum Zwecke der histo- logis ntersuchung. Die übrigen acht Tiere blieben 11, Jahre k ‚den Versuchsbedingungen ausgesetzt. E- Ein Unterschied zwischen der Schwarzgruppe und der Gelbgruppe E ‚konnte zu keiner Zeit konstatiert werden. Bei beiden Gruppen wurde 2 in ‚gleichem Maße die gelbe Zeichnung durch Auftreten schwarzer Tren- = nungslinien und Schwund einzelner Flecken reduziert, so daß die blin- ‚den Tiere auf schwarzem und 'gelbem Grunde fast noch ärmer an Gelb wurden als die sehenden Salamander auf schwarzem Grunde. Ich habe - somit nicht den Eindruck, daß, wie Kammerer angibt, bei geblendeten 2 Tieren vom Momente der Blendung- ab der Zeichnungszustand stationär z bleibt (vgl. E13] S. 91, 92). Doch will ich seiner Meinung bei der ge- ringen Zahl meiner Versuchstiere nicht widersprechen. Es wäre frei- lich erwünscht, zu erfahren, wieviele Versuchstiere seinen Angaben zur Grundlage dienen. - Darin stimmen meine Erfahrungen mit denen Kammerer's über- 3 n, daß die gegensätzliche Beeinflussung der Fleckenzeichnung durch elbe und schwarze Umgebung bei den blinden Tieren ausblieb. Zweite Versuchsreihe. E Am 9 Mai 1912 öffnete ich zwei trächtige Feuersalamander, von _ denen einer 27, ‚der andere 37 reife Larven enthielt. Sie wurden, von- einander getrennt, in zwei Glaswannen auf indifferentem Grunde groß- | gezogen. Vor Beginn der Metamorphose wurden die Wannen schräg E gestellt ‚und der von Wasser entblößte Bodenteil mit Moos bedeckt. Die frisch verwandelten Tiere kamen in drei Behälter, die in der geschil- retten. Weise mit schwarzem, DR und weißem Papier bekleidet 398 _K. v. Frisch, Über den Einfluß der Badenfarbe auf die Fleckenzeichnung ete. Der Versuch wurde am 11. Januar 1913 abgebrochen, da die Tiere bis dahin keine deutliche Reaktion, AInESSeN große Sterblichkeit zeig- ten. Es waren seit November 3 Gelbtiere, 3 Weißtiere und 2 are tiere verendet. Geringfügige Änderungen der Fleckenzeichnung waren Sch wäh- rend der kurzen Dauer dieses Versuches eingetreten. Bei 5 Gelb+ tieren war eine schwache Zunahme des Gelb und Tendenz zur Ver- schmelzung von Flecken erkennbar, bei einem Gelbtier trat keine Ver- änderung ein, bei einem kam es zu einer geringfügigen Reduktion des Gelb. Bei 3 Weißtieren nahm das Gelb etwas an Ausdehnung zu,,bei den übrigen 4 Weißtieren änderte sich nichts. Auch bei 2 Schwarztieren wurde das Gelb ein wenig vermehrt, während bei den 4 anderen Schwarz- tieren keine Änderung bemerkt werden konnte. Diese kleinen Schwankungen waren nicht entfernt zu vergleichen mit den Reaktionen, die ich bei der früheren Versuchsreihe schon in den ersten Monaten gesehen hatte. Es schien zweifelhäft, ob sie über- haupt mit der Umgebungsfarbe in Zusammenhang stünden. Gegen Kam- merer’s Angaben ließ sich dieser negative Befund nicht verwerten. Denn man kann deutliche Reaktionen nur von gesunden und lebens- kräftigen Tieren erwarten; diese Voraussetzung war aber hier nicht erfüllt. Darum hielt ‘ich eine weitere Fortführung dieses Versuches nıcht der Mühe wert. Dritte Versuchsreihe. Am 14. November 1912 entnahm ich abermals zwei trächtigen Feuersalamandern je 27 wohlentwickelte Larven und pflegte sie ge- trennt voneinander, in zwei auf indifferentem Grunde stehenden Aqua- rien. Als ich Anfang März 1913 verreiste, begannen eben die ersten Larven zu metamorphosieren. Bei meiner Rückkehr am 21. April hatten von den Nachkommen der einen Mutter 20 Tiere, von den Nachkommen der anderen Mutter 21 Tiere die Metamorphose beendet. Ich wählte nun jeweils 3 Individuen aus, die von derselben Mutter stammten und untereinander in Bezug auf die Menge des gelben Pig- - " möentes und die Zahl und Anordnung der gelben Flecken einigermaßen ähnlich waren. Von diesen wurden dann nach Anfertigung der Skizzen je eines in gelbe, eines in schwarze und eines in weiße Umgebung ver- setzt. Insgesamt kamen in den gelben, schwarzen und weißen Behälter je 10 Tiere, und zwar je 5 Nachkommen der einen und je 5 Nachkommen 2 der anderen Mutter. Im Mai entschlüpften durch eine Unvorsichtigkeit 2 Weißtiere E- und ein Gelbtier und gingen verloren. Ein zweites Gelbtier starb im Sommer 1913. Nach Ablauf des ersten, zweiten und vierten Monates wurden alle ; 3 F ” E E. © - E Tiere an Hand der Skizzen genau kontrolliert und die Veränderungen 4 eingetragen. ‘Am 11. November 1913, also nach 61/3 Monaten, wurde nach Auf- 4 Pe nahme des Status der Versuch abgebrochen und das gesamte Material 4 konserviert. e F K. v. Frisch, Über den 1 Einfluß der Bodenfarbe auf die Fleckenzeichnung etc, 399 ; Ich gebe in Fig. 4-29. Abbildungen von der Rückenseite der _ Tiere, wobei jeweils links der Zustand bei. Versuchsbeginn, rechts der - Zustand beim Abschlusse des Versuches (auf die gleiche Größe redu- ziert) dargestellt ist. Einerseits Fig. 4—16, anderseits Fig. 17—29 be- ziehen sich auf Nachkommen ein und derselben Mutter. - In der oberen Reihe sind die in gelbe Umgebung, in der mittleren - Reihe die in schwarze Umgebung und in der unteren Reihe die in weiße Umgebung versetzten Tiere abgebildet. Vergleicht man die überein- ander stehenden Figuren, also z. B. Fig. 4 mit Fig. 5 und Fig. 6, so - hat man stets linkerseits drei Geschwister, die einander in ihrer Flecken- zeichnung einigermaßen ähnlich sehen, dargestellt an dem Tage, an wel- _ chem sie unter verschiedene Bedingungen gebracht wurden, rechter- ‚seits in den gleichen Figuren dieselben Tiere nach halbjährigem Auf- _ enthalte in gelber, schwarzer und weißer Umgebung. 9 Aus den fortlaufenden Aufzeichnungen und dem Anfangs- und Endbefund ergibt sich: | Von den 10 ın gelbe Umgebung versetzten Tieren ist _ eines, wie schon erwähnt, bald nach Versuchsbeginn entkommen und scheidet daher von der Betrachtung aus. Bei den 9 übrigen Tieren kam es in 6 Fällen zu einer teilweisen sehr deutlichen (Fig. 4, 10, 13), teilweise geringeren (Fig. 7, 17, 25) Zunahmie des Gelb durch Aus- dehnung der Flecken, die vielfach miteinander verschmolzen. Bei 2 Tie- ren kam es an manchen Körperstellen zu einer Vergrößerung, an ande- ren Stellen zur Reduktion der gelben Flecken, so daß im ganzen keine ‚wesentliche Veränderung in der Ausdehnung des Gelb zu bemerken war (Fig. 22 und das im September gestorbene Tier). In einem Falle ‘war eine geringe Reduktion des Gelb zu verzeichnen (Fig. 20). Bei den 10 in schwarze Umgebung versetzten Tieren kam es in 7 Fällen zu einer deutlichen, zum Teil sehr starken Reduktion des Gelb (Fig. :.5, 8, 16, 18, 23, 26, 28), bei 2 Tieren war nur an manchen Körperstellen eine Reduktion des Gelb zu bemerken, während an anderen Stellen das Gelb etwas an Ausdehnung gewann, so daß im - ganzen keine wesentliche Veränderung zustande kam (Fig. 11, 21), in einem Falle dürfte vielleicht die Zunahme des Gelb etwas ausgiebi- ger gewesen sein als die an anderen Körperstellen erfolgte Reduktion (Fig. 14). Von den 10 in weiße nbokunz versetzten Tieren sind - zwei entkommen, bei den 8 übrigen war in den ersten Monaten durch- - wegs eine Vergrößerung und Verschmelzung der gelben Flecken zu kon- Eiern, aber nur in einem Falle gewann das Gelb bis zum Ende des @ Versuches kontinuierlich an Ausdehnung (Fig. 15), in einem Falle - blieb die relative Zunahme des Gelb auf die zwei ersten ‚Monate be- E schränkt (Fig. 24), in 6 Fällen setzte später an manchen Körperstellen 3 sogar eine mehr oder weniger starke Reduktion des Gelb ein, so daß der schon verzeichnete Zuwachs an Gelb teilweise (Fig. 19, 27, 29) oder nahezu vollständig (Fig. 6, 9, 12) wieder rückgängig gemacht wurde, d >» un 2 a Pa Ca 7 Dal ne en ao u De ne PEST 400. K. v. Frisch, Über den Einfluß der Bodenfarbe aut Se lccknzichnung “ 4 Im ganzen nahmen daher die Weißtiere nach Ablauf dee Hälben J Ehre eine Mittelstellung ein, indem sie reicher gelb gezeichnet waren als die Schwarztiere, aber weniger gelb als die auf gelbem Grunde gehaltenen E Salamander. 22, IV. 1913 11: XL. 22..1v. 1918 1. X 2. TV. INS AL x 4 Fig. 4. Gelbtier Nr. 1. Fig. 7. Gelbtier Nr. 2. Fig. 10. Gelbtier Nr. 3. © 222 IV. 1918 11. XL 7, 98. IN 108-3. 22. IV: 19137 Br, Fig. 5. Schwarztier Nr.1. Fig. 8. Schwarztier Nr.2. Fig.11. Schwarztier Nr. 3. E u f ER ER BR 23>IV.2129 13:4 RE 22. IV, 191 IEXE Fig. 6. Weißtier Nr. 1. Fig. 9. Weißtier Nr. 2. Fig. 12. Weißtier Nr. 3 E Fasse ich nun die Ergebnisse dieser Experimente zusammen, so möchte ich vor allem nochmals betonen, daß ich meine bisherigen vers 3 suche nicht für ausreichend halte und daß ich mich nicht zu ihrer Mit- teilung entschlossen hätte, wenn nicht ein befriedigender Abschluß in so weiter Ferne läge. A Man wird es aber schwerlich als Zufall deuten können, dab unter K. v. Frisch, Über den Einfluß der Bodenfarbe auf die Fleckenzeichnung ete. 401 15 auf schwarzen Grund versetzten Salamandern bei 12 Tieren eine Reduktion des Gelb, unter 15 auf gelben Grund versetzten Salamandern bei 12 Tieren eine Vermehrung des . weh 4 dr Gelb zu finden war, während nur bei je einem. Individuum eine \ 1 Im Mai Be y - entkommen. TV 1913. TIcXL. 23. IV: :1918- 14.2XL. Fig. 13. Gelbtier Nr. 4. Gelbtier Nr. 5. Fig. 17. Gelbtier Nr. 6. Bi ax BuıV. igıs 11.XL IV. 1918 11 XT. - Fig. 14. Schwarztier Nr.4. Fig.16. Schwarztier Nr.5 Fig.18. Sehwarztier Nr. 6. Bi Im Mai 5 entkommen. 3.1. 13.1. X. 23.17.1913 18T, we re 15. Weißtier Nr. 4. Weißtier Nr. 5. Fig. 19. Weißtier Nr. 6. Onicht bedeutende) Veränderung im entgegengesetzten Sinne, bei je zweien keine wesentliche Änderung eintrat®). 6) Ich sehe hiebei von der zweiten Versuchsreihe aus den oben genannten Gründen ab; ferner sind je ein Schwarz- und Gelbtier der ersten \ersuchsreihe, die nach kurzer Ba konserviert wurden und über deren Reaktion ich nichts Sicheres aussagen konnte, ‚bei dieser Zusammenstellung nicht berücksichtigt. ., Band 3 26 TI EEE 402 _K. v. Frisch, Über den Einfluß der Bodenfarbe auf die Fleckenzeichnung ete. | 4 Das Resultat steht mit den Befunden Kammerer's in Einklang. Daß ich nicht erst nach Jahren, wie er, sondern schon nach Monaten ° merkliche Differenzen erhielt, dürfte vor allem darauf zurückzuführen 4 IB! 23.2EV-- 19321: XE 23. 3%. 1913 FAIRE 23.:.1V.21998 11, XT. Fig. 20. Gelbtier Nr. 7. Fig. 22. Gelbtier Nr. 8. Fig. 25. Gelbtier Nr. 9. I 3.1V. 1913 11.X. 3. ungen gg sm Fig. 21. SchwarztierNr.7. Fig.23. Schwarztier Nr.8. Fig.26. Schwarztier Nr. 9. Im Mai ‚entkommen. = 23. IV. 1913 11.XL. 23. IV. 1918 11. XL. E Weißtier Nr. 7. Fig. 24. Weißtier Nr. 8. Fig. 27. Weißtier Nr. 9% sein, daß ich jüngere Tiere benüitzte und ihnen die Möglichkeit nahm, sich | in verborgene Schlupfwinkel zurückzuziehen. En Auch meine Erfahrung mit geblendeten Salamandern” stimmt in- 3 soferne mit Kammerer’s Angaben überein, als hier ein Färbungs- _ x 2 a ne > 4 » ee - . ’ wi Rn ty 4 > he Kr. Frisch, Über den Einfluß der Bodenfarbe auf die F leckenzeichnung etc, 40% unterschied zwischen den auf gelben und den auf schwarzen Grund ' versetzten Tieren ausblieb. - Weißer Grund bewirkt nach Kammerer keine Veränderung der EN Gestalt und Größe der Flecken, dagegen ein deutliches und relativ rasches Ausbleichen ihrer ei“ Farbe. Derartiges konnte ich nicht wahrnehmen. “ Vielmehr kam es bei meinen Versuchstieren RE Tin Senleniber anfangs zu einer deutlichen Vermehrung des Gelb, die aber späterhin teilweise wieder rück- gestorben. gängig gemacht wurde. Da Kammerer das | | Ausbleichen der Flecken als eine direkte Wir- E- kung der Lichtintensität hinstellt, wäre es mög- lich, daß in diesem Falle die Spiegel über meinen Versuchsgefäßen doch nicht ausreichten, um E27 Gelbtier Nr. 10. den gleichen Erfolg zu erzielen wie in Kam- = | merer’s unter Glasdächern aufgestellten Ter- rarien. Eine weitere Diskussion halte ich für verfrüht, so lange ich mich nicht auf ein um- fangreicheres Material und auf länger ausge- dehnte Versuche stützen kann. 4. Die Beziehungen zwischen morpholo- sischem und physiologischem Farbwechsel. Wir müssen bei der in Rede stehenden Erscheinung zwei Dinge auseinanderhalten: Wir sehen erstens bei den auf gelbem Grunde ge- haltenen Salamandern eine relative Vermehrung des gelben Pigmentes’), bei den auf schwarzem ee rn nn Gronde gehaltenen Tieren eine relative Ver- E: ER 4 - mehrung des schwarzen Pigmentes eintreten; = Str wir sehen ferner den Zuwachs an gelbem Pig- ment sich an die vorhandenen gelben Flecken, den Zuwachs an schwarzem Pigment sich an ‚die vorhandene schwarze Grundfarbe angliedern, während bei Haltung in feuchter Umgebung nach Kammerer regellos auf der gesamten Hautfläche, also auch inmitten derschwarzen Haut- = bezirke, gelbes Pigment neu gebildet wird und um- EI 1913 11. x. gekehrtintrockenerUmgebungauchüberdieganze „29. Weißtier Nr. 10. Fläche der gelben Flecken hin Melanin auftritt. 3. IV. 1913 11. Kr. Fig. 28. Schwarztier Nr. 10. : En A 2%) Ich meine hiemit sowohl das gelbe Epidermispigment als auch das darunter ende, gelblich glänzende Tapetum (s. S. 392), lasse aber die Frage offen, ob nicht eicht primär nur eines der beiden Pigmente vermehrt wird, was dann sekundär :h eine Zunahme des anderen, so enge mit ihm verbundenen Pigmentes bewirken inte (vgl. hiezu die Ausführungen von Herbst [10] S. 26-28), die mich nicht ig überzeugen, weil er das gelbe Epidermispigment nicht gekannt und daher nicht ksichtigt hat. ER BEE a ER ERNLEEE DI ER 26” 404 K. v. Frisch, Über den Einfluß der Bodenfarbe auf die Fleckenzeichnung ete. | Zunächst verlangt die Zunahme des der Bodenfarbe entsprechen-- den Pigmentes eine Erklärung. Denn es ist kein Fall bekannt, wo etwa der Anblick eines schwarzen Untergrundes eine Neubildung von Melanin zur unmittelbaren Folge hätte. Da schien es mir natürlich, die Sache so zu deuten: Der physiologische Habwecheel: den die Larven des Feuersala- manders in so ausgesprochener Weise zeigen, geht vielleicht beim Über- . gang zum Landleben nicht vollständig verloren. Es wäre denkbar, dab es auch beim verwandelten Tiere auf dunklem Untergrunde zu einer ° Expansion der Melanophoren, auf hellem Grunde zu einer Kontraktion derselben kommt, daß. aber diese Veränderungen wegen der großen Dichte der Pigmente äußerlich nicht in Erscheinung treten. Dann könnte, in Analogie mit anderen Erfahrungen (vgl. unten), ein dauern- der Expansionszustand der Melanophoren bei Haltung der Tiere auf 3 | dunklem‘ Grunde allmählich zu einer Vermehrung des schwarzen Pig- mentes führen, auf gelbem Grunde würde das Melanin infolge dauernder 4 Kontraktion der schwarzen Pigmentzellen allmählich reduziert und das ° gelbe Pigment, dessen: Bildung vielleicht auch durch Expansion der gelben Pigmentzellen gefördert wäre, könnte sich stärker ausbreiten. Es würde mit dieser Annahme begreiflich, wieso wir beim voll ent- E wickelten Salamander eine gewisse Fähigkeit der Anpassung an die ° Umgebungsfarbe finden, ohne daß damit ein Vorteil für das Tier ver- bunden ist (vgl. S. 391); wir hätten in dieser Eigenschaft ein be- deutungsloses Relikt aus dem Larvenleben zu sehen. Es würde ferner verständlich, warum sich gerade in diesem Falle das neu gebildete gelbe ° ‘ Pigment an die vorhandenen gelben Flecken, das neu gebildete schwarze Pigment an die schwarzen Hautstellen anschließt; denn wir hätten in den expandierten Pigmentzellen der gelben, resp. schwarzen Haut- bezirke den Bildungsherd für das neue Pigment zu suchen. Wie naheliegend dieser Erklärungsversuch ist, geht daraus her- vor, daß unabhängig von mir auch Kammerer [13] und Herbst 3 r10) 8) auf ıhn verfallen sind. Die Voraussetzung dieser Deutung bildet die Annahme, daß dauernde Expansion der Chroma- tophoren die Pigmentbildung fördert, dauerndeKon- traktion der Chromatophoren die Pigmentbildung | hemmt. Da sich weder Kammerer noch Herbst mit dem Ur- sprung und mit den Stützen dieser Hypothese näher befassen, . „sei an ihre Geschichte mit einigen Worten erinnert. Keeble und Gamble ([14] S. 327, 328) versuchten durch ee erwähnte Annahme das Zeichnungsmuster gewisser mariner Krebse zu erklären. Die Zeichnung von Hippolyte varians ist nämlich verschieden je nach der a welche diese Tiere in ihrer J ugend. zum defini- Ps Dieser allerdings in etwas anderem Gassner ER er leugnet, daß ver- E, wandelte Salamander auf die Farbe des Untergrundes reagieren (vgl. S. 410ff.). ‘u u er; \ K. v. Frisch, Über den Einfluß der Bodenfarbe auf die Fleckenzeichnung etc. 405 tiven Aufenthalte wählen. Es wird nun von den Autoren die Vermutung ausgesprochen, daß eine zunächst durch physiologischen Farbwechsel £ bedingte Anpassung an die Umgebung fixiert wird, indem die Entwick- - Jung der Pigmentzellen da, wo sie expandiert sind, günstig beeinflußt, da wo sie kontrahiert sind aber nicht gefördert wird. Van Rynberk - (AT) S. 560) hat diesen Satz aufgegriffen und dazu benützt, um Be- funde von Fischel und Flemming über den Einfluß des Lichtes auf die Färbung von Salamanderlarven mit den Erfahrungen anderer ‘ Autoren in Einklang zu bringen. Ich konnte dann zeigen [7], daß sich bei dieser Betrachtungsweise auch eine Reihe von anderen, scheinbar unzusammenhängenden und schwer verständlichen Erscheinungen ein- heitlich erklären läßt: Bei Hechten (Esox lueius L.) und Bartgrundeln - — (Nemachilus barbatula L.) hatte man gefunden [16, 20), daß sie nach - beiderseitiger Blendung dunkel wurden und daß nach einigen Wochen - auch an ihrer sonst pigmentfreien Bauchseite schwarze Pigmentzellen auftraten. Knauthe [15] meldet eine auffallende Dunkelfärbung und das Auftreten schwarzen Pigmentes am sonst pigmentlosen Bauch von Fischen, die eine lange Hungerkur hinter sich hatten. Und Franz/6] berichtet, daß Schollen (Pleuronectes platessa), die auf dunklem Unter- grund leben, eine dauernd dunkle Farbe annehmen; wurden solche Fische aus der westlichen Ostsee mit Marken versehen und in die Nordsee versetzt, wo die Schollen, dem helleren Grunde entsprechend, hell gefärbt sind, so fielen sie, wenn sie wieder gefangen wurden, so- gleich durch ihre dunkle Tönung auf; auch hier hat also offenbar das zum gleichen Einderfolg, zu einer Vermehrung des schwarzen Pigmentes führen. Es sei noch erwähnt, daß auch die Fleckenzeichnung der Fo- rellen bei jungen Tieren zunächst rein physiologisch, durch lokale Ex- pansion der Melanophoren, bedingt ist, daß aber schon nach wenigen Wochen die Zahl der Pigmentzellen im Bereiche der "Flecken beträcht- - lieh größer geworden ist als an den Hautstellen, wo sie dauernd kon- - trahiert sind ([7], S. 337). 3 E = Es fehlt auch nicht an Versuchen, die Hypothese experimentell auf 4 Pigment an Menge zugenommen. Sowohl die Wahrnehmung eines schwar- zen Untergrundes, als auch ein allgemeiner Schwächezustand, wie ihn . eine lange dauernde Hungerkur zur Folge hat, als auch schließlich die beiderseitige Blendung bewirken bei Fischen eine nachhaltige Expan- - sion der Melanophoren [7), und so wird es durch die Theorie von E Keeble und Gamble verständlich, daß so verschiedene Bedingungen = ııhre Richtigkeit zu prüfen. Exstirpiert man einer Forelle das linke Auge, so färbt sie sich an der rechten Körperhälfte dunkler, indem _ sich die Melanophoren daselbst etwas stärker expandieren als auf der - linken Körperhälfte, und dieser Zustand bleibt dauernd bestehen. Man _ hat hier unter sonst gleichen Bedingungen den einen, in seiner Wirkung zu prüfenden Faktor, nämlich den verschiedenen Expansionsgrad der Pigmentzellen, auf das Reinlichste isoliert. Wenn auch dieser Versuch - wegen der Schwierigkeit, die dicht gelagerten Pigmentzellen zuver- 406 er v. Frisch, Über den Einfluß der Bodenfarbe auf E die Fieckenzeichnung ete. = 4 lässig zu zählen, nicht zu völlig überzeugenden en - geführt: Bat, so spricht das Ergebnis doch sehr zu gunsten der Theorie von Keeble und Gamble (!7! S. 365ff.). Deutliche, zahlenmäßige Unterschiede konnte aber Babäk [1, 2] an jungen Amblystomalarven feststellen. Durch verschiedenartige Bcdingungen wurde bei manchen Tieren eine dauernde Expansion der Chromatophoren (Haltung geblendeter Tiere am Licht, normaler Tiere auf schwarzem Untergrunde oder im Dunkeln), bei anderen eine dauernde Kontraktion der Chromatophoren (Haltung | E geblendeter Tiere im Dunkeln, normaler Tiere auf weißem Untergrunde) erzielt. Bei den ersteren konnte schon nach wenigen Wochen eine sehr viel raschere Vermehrung der Pigmentzellen konstatiert werden. Die Theorie ist also gut fundiert. Es war nun die Frage, ob wir . die Befunde am Feuersalamander tatsächlich in die Reihe der hier er- wähnten Erscheinungen eingliedern dürfen. Da war erstens zu prüfen, ob sich nach vollendeter Metamor- phose noch ein physiologischer Farbwechsel als Folge verschiedenfarbi- gen Untergrundes nachweisen läßt. Die wenigen Versuche, die ich bis- her darüber angestellt habe, sprechen dafür, ohne daß ich aber zu ein- deutigen Ergebnissen gelangt bin. Kammerer gibt in seiner aus- führlichen Arbeit an, daß er sich bei herangewachsenen Salamandern, bei welchen die Pigmente infolge Unterernährung, Krankheit oder par- tiellem Albinismus weniger dicht waren als sonst, von dem Bestehen 3 eines physiologischen Farbwechsels ‚besonders durch IcKuue Rei- % zung und dergl.‘ überzeugen konnte ([13], S. 142). Zweitens wollte ich versuchen, auf andere Weise als Ah 4 verschiedenfarbigen Untergrund die Pigmentzellen der Salamander zu ° dauernder Kontraktion oder zu dauernder Expansion zu bringen. Wenn sich nicht nur durch gelben Untergrund, sondern auch dureh Faktoren = ganz anderer Natur, welche die schwarzen Pigmentzellen zur Kon- traktion veranlassen, eine Ausdehnung der gelben Flecken erreichen ließe, wenn sich ferner nicht nur durch schwarzen Untergrund, sondern auch durch anderweitig bewirkte Expansion der Melanophoren eine Re- duktion der gelben Flecken erzwingen ließe, so würde dadurch der frag- liche Erklärungsversuch eine starke Stütze erfahren. Meine Versuche 7 an Salamanderlarven, die darauf abzielten, sind leider infolge des Krie-. ges in den Anfängen stecken geblieben?). Drittens ließ sich eine gewisse Klärung der Frage erwarten, E wenn man Salamanderlarven auf verschiedenem Untergrunde groß- zog. Diese Versuche allein konnte ich zu einem Abschlusse bringen, wo von im nächsten Abschnitt die Rede ist. 9) Anm. bei d. Korrektur: In seiner eben erschienenen Arbeit teilt Fischel 5 a] 3 mit, daß sich bei geblendeten Salamanderlarven die Melanophoren stark expandieren und dauernd expandiert bleiben, und daß aus solchen Larven bei der Metamorpbose 2 nahezu oder völlig fleckenlose Salamander hervorgehen. Hier haben wir also eine Reduktion der gelben Flecken als Folge einer .durch Blendung bewirkten N 4 der Melanophoren, | 3 RE Kr. Frisch, Über a Sn Einfluß der Bodenfarbe auf die Fleckenzeichnung ete. 407 5. Versuche mit Salamanderlarven. Wenn die Annahme zutrifft, daß der Einfluß der gelben und schwar- - zen Umgebung auf die Fleckenzeichnung des Feuersalamanders in der oben besprochenen Weise durch einen aus dem Larvenleben über- ' nommenen, versteckten physiologischen Farbwechsel vermittelt wird, - dann müßte sich derselbe Effekt durch Versetzen von Salamander- larven auf gelben und schwarzen Untergrund viel deutlicher F Be lassen, da ein physiologischer Farbwechsel bei den Larven zweifellos stärker ausgeprägt ist als bei verwandelten Tieren. Es war = dann zu erwarten, daß die auf schwarzem Grunde gehaltenen Larven zur Zeit der Metamorphose viel mehr schwarzes Pigment haben würden _ und dementsprechend Salamander mit viel kleineren gelben Flecken - liefern mußten als die auf hellem, gelbem Grunde gehaltenen Larven. 7 Aber noch eine zweite Probe ließ sich anstellen: Da beim Farb- - wechsel der Salamanderlarven die Melanophoren eine überwiegende Rolle spielen und das gelbe Pigment der Volltiere im Larvenleben an Bedeu- tung. zurücktritt, mußte eine Beeinflussung der Larven durch weißen E: "Untergrund das ‚künftige Farbkleid des verwandelten Tieres im selben Sinne verändern wie ein gelber Untergrund. Denn da auch bei 2 Larven, die auf weißem Grunde gehalten werden, die Melanophoren stark kontrahiert sind, mußte auch hier zur Zeit der Metamorphose = "bedeutend weniger schwarzes Pigment vorhanden sein als bei den Lar- = ven, die auf schwarzem Grunde gelebt hatten. Und so war auch hier ein Zurücktreten der schwarzen Grundfarbe beim verwandelten Tiere zu erwarten. ER Man konnte im Zweifel sein, ob die Haltung der Larven auf weißem oder auf ei gelbem Grunde eine stärkere Reduktion des Schwarz im künftigen Farbkleid des jungen Salamanders verursachen würde. Denn einerseits pflegten auf weißem Grunde = die Melanophoren etwas stärker kontrahiert zu sein als auf gelbem Grunde, was im - Sinne einer stärkeren Reduktion des Schwarz bei den Weißtieren wirken mußte; ander- - seits sind auch bei den Larven schon gelbe Pigmentzellen vorhanden, welche sich ver- = "mutlich auf gelbem Grunde expandierten, auf weißem Grunde aber kontrahierten !); dies konnte die Entwicklung des gelben Pigmentes bei den Gelbtieren fördern. So war durch den ersten Umstand eine Ausdehnung der gelben Flecken bei den Weißtieren, 2 durch den zweiten Umstand eine Ausdehnung der gelben Flecken bei den Gelbtieren begünstigt. Die beiden Tendenzen konnten sich die Wage halten. Auf keinen Fall war eine starke Verschiebung des Resultates durch einen dieser Faktoren wahr- ‘scheinlich, da im Vergleich mit den Schwarztieren der Unterschied im Kontraktions- esishdo der Pigmentzellen zwischen den Weißtieren und Gelbtieren gering war, und anderseits die gelben Pigmentzellen am Farbwechsel weit weniger beteiligt schienen als die Melanophoren. Beide Erwartungen, die Deutlichkeit des Effektes sowie die gleichsinnige Wirkung von weißem und gel- bem Untergrunde, wurden erfüllt. Ich kann mich über die 'ersuche kurz fassen: ‚Vom 12. Februar bis zum 3. re 1911 wurden von einem isolier- Fa \ = 0) Ich habe Beobachtungen darüber an Salamanderlarven noch nicht angestellt, a ehe aber ee Erfahrungen an Fischen (vgl. 8 S. 192). ex TEE z 408 K. v. Frisch, Über den Einfluß der Bodenfarbe auf die Fieckenzeichnung ete. ten Feuersalamander_ca. 40 Junge geboren. Diese verteilte ich gleich- mäßig in zwei Glasaquarien, von denen eines auf weißen, eines auf schwarzen Grund gesetzt wurde. Denn ich war vor allem darauf ge- spannt, ob, wie es die Theorie verlangte, die auf weißem Grunde ge- haltenen Larven bei der Verwandlung größere gelbe Flecken entwickeln würden als die Schwarztiere. Zur Zeit der Metamorphose wurden- die Aquarien schräg gestellt und der vom Wasser entlößte Bodenteil mit Moos bedeckt, so daß die an Land gehenden Tiere auf indifferenten und für beide Gruppen identischen Boden gerieten. Sie waren also nur wäh- rend ihres Larvenlebens im Wasser den verschiedenen Bedingungen ausgesetzt. Anfang Mai 1911 begannen die Metamorphosen, und der erhoffte Erfolg trat mit aller Deutlichkeit ein. Mehr kann ich über diesen Versuch nicht sagen, da mir die genaueren Daten während des Krieges abhanden gekommen sind. Im Herbst 1911 ‘wurde in größerem Maßstabe ein neuer Versuch angesetzt. Am 30. Oktober wurden drei trächtige,: bei Heidelberg ge- fangene Feuersalamander getötet und die gut entwickelten Larven in drei Glasaquarien verteilt, so zwar, daß in allen drei Gefäßen die Nach- kommen der verschiedenen Mütter und die verschiedenen Reifestadien der Larven gleichmäßig vertreten waren; d. h. es wurden jedem Uterus die Larven in der Reihenfolge, wie sie darin lagen, entnommen und wechselweise in die Behälter eingesetzt. Die Bodenflächen der Aqua- rien und die unteren Teile der Seitenwände waren außen mit gelbem, schwarzem und weißem Papier beklebt. Jedes Bassin wurde mit 27 Larven beschickt. Gefüttert wurde mit Chironomuslarven. Der Ge- sundheitszustand war gut, bis zum 29. Februar war kein Todesfall zu verzeichnen. Vor Beginn der Metamorphose wurden, wie beim ersten Versuch, die Gefäße a gestellt und der trockene Teil__mit ed: bedeckt. Am 9. Februar 1912 ging der erste Salamander an Land, : zum 6. März hatten sich aus allen drei Behältern je 10 Tiere verwandelt. Jedes von diesen 30 erstverwandelten Tieren wurde nach beendeter Metamorphose durch Narkose getötet und abgehäutet. Die Häute wur- den in Alkohol aufgespannt und aufbewahrt. Eine Photographie von . ihnen ist in Fig. 30 wiedergegeben. Die linke Reihe enthält die Häute jener Salamander, die als Larven auf schwarzem Grunde gelebt hatten, die mittlere Reihe die Häute der Gelbtiere, die rechte Reihe die Häute der Weißtiere. Die Anordnung ist so getroffen, daß angenähert oben die schwärzesten, unten die am reichsten gelb gezeichneten Tiere zu finden sind. Es dürfte kein Zweifel darüber bestehen, daß die Sala- mander, welche als Larven auf weißem und gelbem Grunde gehalten waren, einander ziemlich gleichen und jedenfalls reicher an gelbem Pigment sind als die Schwarztiere. | Die übrigen Larven wurden nach ihrer Verwandlung nicht ge- tötet, sondern weiter beobachtet. Von ihnen wird im nächsten Abschnitte zu berichten sein, Hier sei nur erwähnt, daß sich die Metamorphosen 4 a > ı f K. v. Frisch, Über den Einfluß der Bodenfarbe auf die Fleckenzeichnung ete. 409 zum Teil bis Mitte Juni 1912 hinauszogen, und daß die Färbungsdiffe- renzen bei den später verwandelten Salamandern die gleichen, nur vielleicht noch etwas deutlicher waren als bei den 30 abgebildeten Indi- viduen. r. SS ER nn De ar AR BET WITTEN en \ . 53 Pe - er Ze u ER x * MS & E Die aufgespannten Häute von dreißig frisch verwandelten Feuersalamandern. Linke Reihe: Die Larven waren auf schwarzem Grunde gehalten. "Mittlere Reihe: Die Larven waren auf gelbem Grunde gehalten. Rechte Reihe: Die Larven waren auf weißem Grunde gehalten. \ 410 K. v. Frisch, Über em: Einfluß der Bolenfarhe auf die ie Fieckenzichnung A, BR: Z L Ich hatte, um ganz sicher zu gehen, eine Wiederhofung der Ver- 2 suche beabsichtigt. Dies dürfte heute nicht mehr nötig sein, denn in- zwischen haben zwei andere Autoren gleichartige Versuche ber Se&eroy [21] verwendete nur schwarzen und gelben Untergrund, auch war sein Material unzulänglich. Um so schönere Versuchsreihen hat in füngster 3 Zeit Herbst mitgeteilt [10]. Er hielt die Larven, so wie ich, in gel E ber, schwarzer und weißer Umgebung. Die Ergebnisse wo "Beob- achter stehen mit meinen Befunden im Einklang. E Wenn Herbst ([10], S. 22) meint, daß nach der von. Kamme- & rer gegebenen physiologischen Deutung der Farbveränderungen — die ja mit meiner Auffassung übereinstimmt — auch bei den metamor- 3 phosierten Tieren weißer Untergrund dieselbe Wirkung hervor- rufen müßte wie ein gelber, so möchte ich dies nur beschränkt gelten lassen. Es ist zwar richtig, daß nicht nur ein gelber, sondern auch ein weißer Untergrund die Melanophoren zur Kontraktion veranlaßt nd daß daher eine Inkonsequ>nz darin liegt, wenn Kammerer die Wir- kung gelber Umgebune auf die Fleckenzeichnung der verwandelten ° Salamander durch einen versteckten physiologischen „Farbwechsel er- klärt und gleichzeitig behauptet, daß ein weißer Untergrund ohne ° Einfluß auf die Fleckenzeichnung bleibt. In beiden Fällen müßte das . schwarze Pigment reduziert werden. Davon abgesehen könnte: aber da beim verwandelten Salamander reichlich gelbe Pigmentzellen vor- handen sind, in gelber Umgebung cine dauernde Expansion der gehe Pigmentzellen, infolgedessen eine stärkere Vermehrung des gelben Dig mentes und ein stärkeres Wachstum der gelben Flecken eintreten als in. weißer Umgebung. Daß die Salamander, welche ich nach lee Metamorphose auf weißen Untergrund versetzte, nach !/, Jahr eine 7 Mittelstellung zwischen den auf schwarzem und den auf gelbem Grunde gehaltenen Tieren einnahmen (vel. S. 399), würde demnach den Voraus- I setzungen entsprechen. Doch habe ich schon erwähnt, daß jehe Ver. 3 suche noch zu unvollständig sind. | 6. Der scheinbare Widerspruch zwischen den Ergebnissen. von. Kammerer und Herbst. z Kammerer setzte verwandelte. Feuersalamander zum Teil. . auf gelben, zum Teil auf schwarzen Untergrund und sah bei den ersteren | B eine relative Zunahme, bei den letzteren eine relative Abnahme der 3 gelben Zeichnung eintreten. en Herbst brachte Salamänderlarven auf selben und schwarzen ; Untergrund und erhielt nach der Verwandlung von der einen Gruppe . ‘ reich gelb gezeichnete, von der anderen Gruppe weniger gelbe Tiere. ° Er beließ diese nach beendeter Metamorphose unter den gleichen Be- dingungen, welchen die Larven ausgesetzt gewesen waren, und meint nun, es hätte so, wenn Kammerer's Angaben zutreffend wären, auf dem gelben -Grunde eine weitere Steigerung der Gelbfärbung, auf dem schwarzen Grunde eine weitere Zunahme des ARME statbiinden: müssen, | # Er Er ee Were Ne L. Ber. ‚Frisch, ei da Einfluß der Bodenfarbe auf die Fleckenzeichnung ete. All Das war aber nicht der Fall. Der Unterschied blieb durch Jahre ange- "nähert so, wie er sich zur Zeit der Metamorphose ausgebildet hatte, ja es konnte auf gelbem Grunde eine Rückbildung gelber Flecken, auf schwarzem Grunde eine Vermehrung des Gelb beobachtet werden. Seiner Schlußfolgerung, daß diese Resultate in einem schroffen Ge- gensatze. zu den Angaben Kammerer’s stehen, kann ich nicht bei- Re: Denn die esenugen waren in beiden Fällen nicht die- ‚saıben. rsliäch ion man sich das verschiedenartige Ergebnis so BE schilegeni: Durch die Beeinflussung der Larven wird das normale eenverhältnis zwischen gelbem und schwarzem Pigment verscho- ben und es besteht nun eine Tendenz, den normalen, erblich über- kommenen Gleichgewichtszustand wieder herzustellen. Bleibt der ver- _ wandelte Salamander den gleichen Bedingungen ausgesetzt wie die Larve, so wirken diese Bedingungen nach der Metamorphose wegen des weniger 4 _ ausgesprochenen physiologischen Farbwechsels nicht mehr so intensiv z ‚wie bei der Larve, es muß daher jetzt die ohnehin starke Differenz nicht noch weiter gesteigert werden, ja es kann das Ausgleichsbestreben as Übergewicht bekommen und dureh Annäherung an das normale erhältnis der Farbstoffe ein Rückschritt der Färbungsunterschiede ein- treten. Ganz anders, wenn die Larven unter gleichen und erst die E _ verwandelten Tiere unter verschiedenen Bedingungen gehalten werden, wie es bi Kammerer’s und bei meinen Versuchen der Fall war. £ a wirkt der beginnenden Induktion kein Ausgleichsbestreben entgegen. Tatsachenmaterial zur Klärung des Widerspruches läßt sich ibringen, wenn man die Larven unter verschiedenen, die aus ihnen ervorgegangenen verwandelten Salamander aber unter gleichen Be- dingungen hält. Herbst hat diesen Kontrollversuch anscheinend un- rlassen. Ich habe ein derartiges Experiment schon im Jahre 1912 - ausgeführt. In dem auf S. 408 beschriebenen Versuche, wo die Larven auf ‚gelbem, schwarzem und weißem Grund .großgezogen wurden, habe h nur jeweils die ersten 10 verwandelten Tiere konserviert, die übri- en nach der Verwandlung voneinander getrennt, aber unter genau glei- ren Bedingungen auf grauem Grunde weiter gepflegt. Die 15 im März _ und April zur Verwandlung gekommenen Tiere (6 von weißem, 7 von schwarzem und 2 von gelbem Grunde)'!) hatten sich bis zum Sep- tember in ihrem Farbkleide derart einander genähert, daß zu dieser 7 ‚eit kein Unterschied zwischen den drei Gruppen mehr zu erkennen ar. Im Mai und Juni metamorphosierten 14 weitere Exemplare (6 von eißem, 4-von Schwarzem, 4 von gelbem Grunde), die ebenfalls auf _ grauen Grund gebracht und nach der Verwandlung genau skizziert wur- 2 en. Die Färbungsdifferenzen waren bei ihnen anfangs eher noch stärker als bei den in Fig. 30 abgebildeten, erstverwandelten Tieren, aber am November, als der Versuch abgebrochen wurde, war der Unterschied ? 11) Ein drittes Gelbtier war nach der Metamorphose gestorben. % 412 K. v. Frisch, Über den Einfluß der Bodenfarbe auf die Fleckenzeichnung etc» nur mehr ganz unbedeutend. Die Kontrolle an Hand der Zeichnungen ergab bei den Salamandern, die als Larven auf schwarzem Grunde ge- halten waren, nach der Verwandlung eine fortschreitende Vergrößerung und Verschmelzung der gelben Flecken, bei den Salamandern aber, die ' als Larven auf gelbem oder weißem Grunde gehalten waren, nach der Verwandlung eine Reduktion der gelben Fecken und Trennung der be- stehenden Flecken durch schwarze Brücken, bis die anfänglich starke Differenz nach Ys Jahre nahezu oder völlig ausgeglichen war. Die ge- schilderten rückläufigen Veränderungen waren bei allen Tieren sehr deutlich mit Ausnahme eines Salamanders, der als Larve auf schwar- zem Grunde gelebt und sich am 15. Juni verwandelt hatte, zu Ende Juli noch keine Veränderung zeigte, kränklich schien und bald darauf (im August) starb. Es trifft sich gut, daß die zu diesem Versuche verwendeten Sala- mander, wie die Herbst’schen Versuchstiere, aus der Heidelberger Umgebung stammen. So sind unsere Resultate miteinander vergleichbar. Der Vergleich lehrt, daß bei Herbst die auf gelbem Grunde weitergezogenen, aus gelb gehaltenen Larven hervorgegangenen Sala- mander noch zur Zeit der Niederschrift seiner Arbeit, das war 114 bis 21/ Jahre nach ihrer Metamorphose, reicher gelb gezeichnet waren als : 4 m a Ge A A a HK la na ande Km Dann ne nn Zul ne Si) a a die auf schwarzem Grunde weitergezogenen, von schwarz gehaltenen Larven stammenden Tiere. Wurden aber die Salamander nach der Ver- wandlung auf gleichem, grauem Grunde weitergezogen (mein Versuch), so war schon nach 1, Jahre die Färbungsdifferenz fast vollständig ge- schwunden. Darum kann man in den Herbst’schen Resultaten keine Widerlegung, ja man könnte in Iren eine Bestätigung der Kammerer- ‘ schen Angaben sehen. Ich gebe zu, daß eine dereliss meines er erwähnten Ver- £ suches in größerem Maßstabe notwendig ist. Immerhin stimmen die bis- herigen Befunde so gut zu den oben gegebenen theoretischen Überlegungen, daß ich glaubte, meine Bedenken gegen die Herbst’sche EEE nicht unterdrücken zu sollen. Auch von anderen Seiten ist an Kammerer’s Salamanderarbeit Kritik geübt worden. Ich kann nicht sagen, daß ich Kammerer’s Aus- - führungen durchwegs überzeugend finde. Vor:allem vermißt man Mit- teilungen über die Zahl der zu den Versuchen benützten Salamander, über die Sterblichkeit und über die Zahl derer, bei welchen die. als typisch beschriebenen Veränderungen eingetreten sind. Bleiben wir so einigermaßen darüber im Zweifel, welche Beweiskraft den Experimenten innewohnt, so kann man doch anderseits positive Ergebnisse, die auf Versuch und Kontrollversuch gegründet sind, nicht durch Funde. ın freier Natur oder durch Hinweis auf einen vermutlich schlechten Ge- sundheitszustand der Tiere entkräften [3, 22]. Bevor wir Angaben, die_ auf derart breiter Basis ruhen, als unrichtig hinstellen, müssen wir sie Da u Sn Me ee SE ar a Ki baide is fe Sun a ll nn re a N a eh a ararze ir N X. v. Frisch, Über den Einfluß der Bodenfarbe auf die Fleckenzeichnung ete. 4153 unter den gleichen Bedingungen wie der Autor nachgeprüft haben und _ auch dann wird doppelte Vorsicht am Platze sein, wenn negative Resul- tate gegen positive Befunde verwertet werden sollen. 7. Zusammenfassung. 1. Die Flecken des Feuersalamanders verdanken ihre leuchtend gelbe Farbe dem Umstande, daß im Bereiche der Flecken unter dem gel- - ben Epidermispigment ein reflektierendes „Tapetum” liegt. Auf dieselbe Art erklärt sich das leuchtende Orangerot an der Bauchseite des Berg- molches und der Unke. : : _ 2. Die Nachprüfung von Kammerer's Versuchen über die Wir- E kung von gelber und schwarzer Umgebung auf die Fleckenzeichnung 4 metamorphosierter Feuersalamander führte im wesentlichen zu einer Be- { st ätigung seiner Befunde. 3. Die Befunde lassen sich ähnlichen Erscheinungen : aus dem Ge- - biete der Pigmentphysiologie ungezwungen einreihen, wenn man annimmt, - daß der physiologische Farbwechsel, den die Salamanderlarven in so ausgesprochener Weise zeigen, nach dem Übergang zum Landleben nicht - vollständig verloren geht. Der beobachtete morphologische Farbwechsel - wäre die Folge eines verborgenen physiologischen Farbwechsels. 4. Mit dieser Hypothese stehen die folgenden Ergebnisse in Ein- klang: Versetzt man Salamanderlarven auf gelben resp. schwarzen - Untergrund, so zeigen die aus ihnen hervorgehenden Salamander viel - stärkere Färbungsunterschiede, als Tiere, die nach der Metamorphose ebenso lange diesen Versuchsbedingungen ausgesetzt waren. Die Haltung der Larven auf weißem Grunde führt zum selben Resultat wie ihre B: . Haltung auf gelbem Grunde. 5. Der scheinbare Gegensatz zwischen den Besnlsien Kammerer's und gewissen Ergebnissen von Herbst erklärt sich ee aus den ern ‚Versuchsbe edingungen. Literatur. - 1. Babäk, E., Über den Einfluß des Nervensystems auf die Pigmentbildung. — - Zentralbl. f. Physiologie Bd. 25, 1912, S. 1061—1066. 2. Babäk, E., Über den Einfluß des Lichtes auf die Vermehrung der Hautchromato- Er phoren. — Pflüger’s Archiv f. d. ges. Physiologie, Bd. 149, 1913, S. 462—470. % 2. Boulenger, 2 A Contribution to the study of the variations of the spotted = Salamander Solamandra maculosa). — Proceed. Zool Soc. London 1911, 2 8. 323347. Ei, Ewald und Krukenberg, Über die Verbreitung des Guanin, besonders über sein FR "Vorkommen in der Haut von Amphibien, Reptilien und von Petromyzon fluvia- tilis. — Untersuchungen aus d. physiol. Inst. d. Univers. Heidelberg, Bd. 4, ‚1882, 8. 253— 265. 44 K. v. Frisch, Über den Einfluß der Bodenfurbe Sale Fleckenzeichnung ete. 4 “. I. 5a. Fischel, A., Beiträge zur Biologie der Pigmentzelle. — Anatom. Hefte, Bd. 38, 6. 10. 11. 12: 13. 14. 23: 16. 17% 18. 19. 20. 21. 22, .v. Frisch, K., Beiträge zur Physiologie der Pigmentzellen in ee Fischhaut. — E . v. Frisch, K., Über farbige Anpassung bei Fischen. Se Jahrb., Abt. f. allgem. E . Fuchs, ER: F., Der Farbenwechsel und die chromatische Hautfunktion der Tiere. Exner, F. und $., Die physikalischen Grundlagen der Blütenfärbungen. — 3 che d.k:. Aka d. Wissensch. in Wien, math.-nat. 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Farbkleid des Feuersalamanders (Salamandra maculosa Laurenti) in seiner Sr = hängigkeit von der Umwelt. — Arch. f. Entwicklung Ze Bd. 36, 1913, S;:1=.108; 4 Keeble and Gamble, The colour physiology of higher erustacea (ID). — Philos. E Transactions of the Royal Society of Toudon, Ser. B., Vol. 196. 1904, S. 295-388. Knauthe, Über Melanismus bei Fischen. — Zool. Anzeiger, 15. Jahrg,, 1892. Mayerhofer, F., Farbwechselversuche am Hechte (Esox lueius L.). — Arch. 68 Entwicklungsmechanik Bd. 28, 1909, S. 546 —560. van Rynberk, G., Über den durch Chromatophoren bedingten Ferse der Tiere. — Asher and Spiro, ee der Fhyalolobis 5. Jahrg. & 2.2: Abt.), | S. 347—571, 1906. z Schmidt, W. J., Zur Kenntnis der lipochromführenden Farbrällen in der Hautä E- nach hlefsuchinsen an Salamandra maculosa. — Ders Zeitschrift Bd. 25, 1918, S. 324-- 328. a Schmidt, W..J., Über die sog. Xantholeneophoren beim Laubfrosch. _ Be Fr mikroskop. Anat. 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Sie sind nur wegen ihres räumlich beschränkten Vor- - kommens und der Schwierigkeit der Beobachtung bisher weniger als - diese untersucht worden. Deshalb möchte ich im folgenden nicht - nur, wieüblich, über einige Tatsachen ihrer Organisation und Lebens- weise berichten, sondern vorwiegend auf die aus unserer bisherigen “ Kenntnis sich ergebenden Fragen hinweisen. Diese können vielleicht mehr als die positiven Ergebnisse zur Beschäftigung mit der Familie anregen und zeigen, wie lohnend sie zu sein verspricht. Die Stellung der Termiten im System ist recht isoliert. Nur mit den Vorläufern der heutigen Blattiden verbindet sie ein alter “Anschluß. Mit den Ameisen haben sie lediglich die Staatenbildung -_ gemeinsam und wir finden darin allerdings nahe Parallelen in weit- - gehenden Sonderanpassungen, wie z. B. der Pilzzucht. Ein Haupt- unterschied liegt aber darin, daß bei den Termiten die Stände der _ Arbeiter und Soldaten auch morphologisch völlig getrennt sind. - Während bei den Ameisen nur ein gradueller Unterschied besteht, E insofern die Soldaten großköpfige Arbeiter sind, haben die Termiten “einen besonderen Soldatenstand, der sich im ganzen Bau des Kopfes von den Arbeitern unterscheidet. Hierzu kommt noch die Verschieden- artigkeit der Kopfform der Soldaten innerhalb der Familie. Außer - den gewöhnlichen Soldaten mit vergrößerten zangenförmigen Man- - dibeln, deren Ausbildung in weiten Grenzen varııert und bis zu ab- En srlichen Formen, wie gekreuzten Mandibeln, führt, finden wir die 4 ‚Spitzköpfe oder Nasuti mit dem in eine lange Nase ausgezogenen E.} 'rontaltubus und wieder andere, deren Stirndrüse in einer weiten, niedrig umwallten Öffnung mündet. Diese verschiedenen Kopfformen re rendieren jedoch nicht mit der systematischen Einteilung der Termiten in drei Familien, die Holmgren neuerdings durchgeführt at und die sich auf die Gesehlechistiere, hauptsächlich auf Unter- £ Feehiede ın der Zahl der Fühlerglieder, die bei den ursprünglicheren "Arten sehr groß ist und bis auf 10 heruntergeht, und die Bezahnung ' Mandibeln gründet. “An Artenzahl stehen die Termiten mit etwa 350 zurzeit be- inten Arten weit hinter den Ameisen zurück und auch ihre geo- phische Verbreitung ist im Vergleiche zu diesen beschränkt. Sie faßt im wesentlichen die Tropen und Subtropen und reicht nur Mittelmeergebiet mit ein paar Arten in die gemäßigte Zone her- ; Die ständische Gliederung ist dagegen bei den Termiten reicher durch das Vorkommen von mehreren Formen von Arbeitern und - Soldaten bei denselben Arten. Es treten häufig je zwei davon auf und können sogar drei vorhanden sein. | Schon bei der ständischen Gliederung ergeben sich en Probleme, die bis weit in praktische Fragen der Termitenvertilgung hineinspielen. Es ist bekannt, daß Termes lucifugus, der hierin genau studiert ıst, im Notfalle Ersatzköniginnen aus den indifferenten Larven. höranzichen kann. Bei anderen Arten kommen dagegen regulär sehr zahlreiche Ersatzköniginnen vor, deren Entstehungsweise und Zweck wir noch nicht kennen. Die Sroben und schädlichen afrikanischen Arten, von denen T. et am bekanntesten ist, haben jedoch ; onbar ım allgemeinen nicht die Fähigkeit, Ersat»könieinnen nach - Verlust der einen Königin, die zu jedem Staat gehört, zu ziehen. Dem Beobachten solcher Erscheinungen stehen erhebliche Schwierig- keiten entgegen. Alle Termiten leben, wenigstens in ihren Nestern, so abgeschlossen und verborgen, daß man ohne weitgehende und dazu oft noch sehr mühsame Zerstörung der Nester keinen Einblick hat. Die Zucht in „künstlichen“ Nestern ist bisher "noch nicht gelungen, wie mir scheint, ın der Hauptsache wegen der Schwierigkeit, die Luftfeuchtigkeit und -zirkulation richtig zu regulieren. Hierzu kommt das langsame Wachstum der Tiere. Man nimmt als Entwicklungs- ° zeit vom Ei bis zum Endstadium etwa 1 Jahr an und dem dürfte ‘eine ähnliche weitere Lebensdauer der Arbeiter und Soldaten ent- sprechen. Das mögliche Alter von Königinnen der großen hügel- bauenden Arten muß nach allen Anhaltspunkten auf wenigstens ein, wenn nicht mehrere Jahrzehnte eingeschätzt werden. Will man also feststellen, ob nach Wegnahme der Königszelle ein Bau ausstirbt, so ist dazu eine lange Zeit nötig. Denn zunächst wird er nach teil- weiser Zerstörung von den Arbeitern wieder geschlossen und das Leben in ihm geht scheinbar unverändert weiter; die Arbeiter-ziehen die in den erhalten gebliebenen Pilzgärten lebenden Larven, von denen alle Stadien zugleich vorhanden sind, auf. .Es ist also unter ‚Umständen nach Jahresfrist noch nichts entschieden und anderseits ist es nicht möglich, ohne radıkale Zerstörung einen Bau mehrmals” so weit zu Öffnen, daß man einen genügenden Einblick ın ıhn Bez winnt. | Unter diesen schwierigen Umständen der Beobachtung sind auch die Einzelheiten der normalen Fortpflanzung der Termiten noch nicht direkt beobachtet. Wir wissen nur, daß jeweils ein paar der ans geschwärmten Sexuales nach dem Abwerfen der Flügel in die Erde geht und einen neuen Staat gründet; daß man, solange dieser am ‚Leben ist, König und Königin ın der Zentralzelle findet, und aus der dauernden Vergrößerung des Hinterleibes der Königin, die dem Wachstum und Alter des ganzen Baues entspricht, muß man schließen, daß diese normalerweise so alt ist, wie der ganze Staat. Schon für den König ist das nicht bewiesen, da er keine Größenzunahme zeigt. K an 416 H. Morstatt, Über einige Ergebnisse der Termitenforschung, N { Pi TER Bl he ae Ta and De ir on a%. en 2 ER. 2a u Be men, u“. 2 DE 2 . rg ‘ r ‘ 0 ri H. Morstatt, Über einige Kirgebnisse der Termitenforscehung.. Ay? ; B B tlı - Doch ist stets nur einer vorhanden und nur in einem einzigen Falle "habe ich bei 7. badius zwei in der Königszelle angetroffen. Während des Schwärmens findet keine Begattung statt; nähere Umstände _ der Begattung und Befruchtung kennt man aber noch nicht. In solchen Fragen können oft Angaben der Eingeborenen von großem Nutzen sein, da diese vielfach sehr scharfe Beobachter des Tierlebens sind. Große kritische Vorsicht ıst natürlich dabei immer geboten. So behauptete z. B. in dieser Frage ein Eingeborner, daß die Hügelterniten Ersatzköniginnen nachziehen und zwar aus den ‚Soldaten! “ Allgemein ist das Problem der Ersatzgeschlechtstiere ein Beispiel zu der bekannten Tatsache, daß man Ergebnisse der biologischen * Forschung, die an einzelnen Arten einer Familie gewonnen sind, nicht generalisieren darf. Denn ebenso, wie die morphologischen _ Eigenschaften, variiert auchı das biologische Verhalten, ohne daß es dabei immer mit den ersteren korrespondiert. Wohl stößt man in größeren Familien auf Artengruppen, die sich biologisch ähnlich ver- halten, aber es muß doch von Fall zu Fall erst bestätigt werden, wie weit solche Eigenschaften verbreitet sind und ob nicht in mor- - phologisch ganz einheitlichen Artengruppen einzelne Arten im biolo- E gischen Verhalten mehr oder weniger Ausnahmen machen. Ein weiteres Beispiel hierfür sind die Unterschiede in der Anlage der Wohnung. Escherich hat für die Termitennester eine Eintei- lung abfgestellt- und hierbei insbesondere auch den Typus eines Erd- nestes der bellicosus-Gruppe beschrieben, das aus vier konzentrischen Schichten, Zentralkern mit Königszelle und Brutkammern, Pilzgarten- > schicht, einer dünnen Schicht kleiner Kammern und Mantel besteht, Am deutlichsten verwirklicht habe ich diesen Typus unter den ost- afrikanischen Termiten bei T. natalensis gefunden. Sie gehört eben- falls zur bellicosus-Gruppe, die ihre Nester mehr oder dr ober- irdisch, also die bekannten Termitenhügel, baut. Deren Anlage kann man insofern den ägyptischen Pyramiden vergleichen, als sie als wichtigsten Raum eine zentrale Kammer enthalten, die zuerst und zwar unterhalb der Bodenlinie eingegraben wird. Darüber erhebt sich dann. allmählich in geschichtetem Aufbau der Hügel. In der Form variieren die Hügelbauten von breit halbkugeligen bis zu spitz - kegelförmigen oder gar turmähnlichen Gebilden und beı 7. bellicosus wechselt die äußere Form auch ım Verlaufe der Bauzeit. Dessen - Hügel sind in den ersten Jahren steiler und spitzer und werden erst allmählich mehr in die Breite gebaut. Während nun diese Hügel sonst durchweg nach außen fest abgeschlossen sind und nur zur - Flugzeit an der Oberfläche durch zahlreiche Öffnungen durchbrochen - werden, macht Od. badius, eine hauptsächlich im Lateritboden lebende _ und etwas kleinere Art, nr T. bellicosus, einen Unterschied in dieser -- Gruppe. Seine Bauten, im allgemeinen etwa 1 cbm groß, ragen nur wenig als flache Age über den Erdboden hervor "nd sind durch En ‚40. Band _ 27 418 H. Morstatt, Über einige Ergebnisse der Termitenforschung. S die sogenannten Kamine ausgezeichnet, Luftschächte mit. wenig Aber. ; höhtem Rand, die von etwa !/,m tiefen und unten 20—30 cm weiten Hohlräumen Ausgehen: Der Zweck dieser unbewohnten Hohlräume ist nicht klar. Der Durchlüftung dienen sie nicht, da sie nich in Verbindung mit den Pilzgärten und Kammern stehen. Man hat : an Temperaturausgleich gedacht (Escherich), aber dazu liegt im Tropenklima kein besonderer Anlaß vor und die verwandten Arten . haben dafür keine besondere Einrichtung. Die Erde aus diesen großen _ Räumen dient wohl zur Erhöhung des Hügels, aber gerade bei Od. badius sind diese Hügel sehr niedrig und flach, während man sich ihr Zustandekommen bei den eigentliche Hügel bauenden Arten daraus erklären kann, daß die Erde der Wohn- und Bruträume und insbe- sondere der vahlröichen Pilzräume nach oben geschal: und. dort später für weitere Räume ausgenützt wird. ; = 1 Nun fällt es auf, daß 7. natalensis, eine der größeren Arten, die in Natal reguläre kegelförmige Hügel baut, in Ostafrika rein unter: 3 irdische Nester ohne Erhebung über den Boden und ohne Kamine ° anlegt. Ich habe in dem mir bekannten Gebiet ihres ostafrikanischen arkunmers — zwischen Usambara und dem Pangani —, wo diese Art außerordentlich häufig ist, nicht ein einziges Hügelnese von ihr gefunden, während hunderte ihrer unterirdischen Nester zerstört und ° ‘ viele davon näher untersucht wurden. Sıe beginnen 10—20 cm unter der Bodenoberfläche, an der sich kein Anzeichen ihrer Anwesenheit findet. Die Eingeborenen ermitteln sie durch Aufklopfen mit der 4 Hacke auf den Boden und erkennen sie an dem hohlen Klang solcher Stellen. Mit der Bearbeitung des Bodens kann es nicht zusammen- hängen, denn die Art macht dort nie einen Versuch, Erde nach oben ° zu Bw Ebenso vermute ich,. daß auch 7. transvaalensis, eine 3 kleinere verwandte Art, in Ostafrika keine Hügel baut; sıe ist jedoch E noch wenig beoachtet. | Die T. natalensis-Nester ergaben noch eine andere Beokechtangd E die wohl allgemein auf Termitennester, wenigstens der erdbewohnen- den Pilzzüchter, zutrifft. Ich habe zahlreiche Zentralkerne ausgegraben und dabei gefunden, daß die Größe der Königszelle mit ca. 4—15 cm ° Längsdurchmesser der ovalen Bodenfläche jeweils der Größe der ° Königin entspricht. Da Anzeichen einer periodischen Vergrößerung nicht erkennbar sind — die Wände sind überall gleichmäßig glatt und hart —, so muß angenommen werden, daß dauernd an der Ver- ° größerung der Königszelle gearbeitet wird. Dies ist auffällıg, da der Termitenlehm, aus dem der Zentralkern besteht, eine von den Ter- miten Sakaute und mit ıhrem Sekret gemischte Erde, besonders ım Lateritboden eine außerordentlich feste Masse ist und demnach beim ° Umbauen ständig eine sehr große Arbeit geleistet werden muß. Denn ° die Termiten halten die Wandung der Königszelle stets in einer ıhrer ° Größe entsprechenden Dicke von einem bis mehreren em und müssen am se ee 2A, e ai 5? “ RE r sr N ee / 5 . % ru Tan > 4r H. Morstatt, Mr einige Ergebnisse der Termitenforschung. 419 nafürlich auch die anliegende Brutkammerschicht der Vergrößerung - der Königszelle entsprechend umbauen. “ | Die Gesamtleistung der Arbeiter ist es auch, welche das Vor- - handensein der Termiten trotz ihrer verborgenen Lebensweise -be- merklich macht. Überall an Bäumen und auf kahlen Stellen des Bodens stößt man auf die gedeckten Straßen und Fraßstellen, die sogenannten Galerien. Auch die Baumnester sind zuweilen recht auf- - fällig; es sind große, graue bis schwarze, einem Auswuchs durch ihre - _ rauhe Oberfläche ähnliche Gebilde. Am meisten aber fallen die Bauten Bo der Hügeltermiten in die Augen, auch wenn sie nicht, wie es die Regel ist, kahl sind und durch die rote Erde weithin leuchten. Sie - wvarlieren von kleinen und flachen Erhebungen, denen z. B. bei Od. _— badius ein in der Hauptsache unterirdisches Nest entspricht, bis zu den mehrere Meter hohen und breiten Bauten der großen Arten. Sie Rn: können so zahlreich beisammen sein, daß sie das Landschaftsbild entscheidend beeinflussen, was sonst nicht leicht ein Tier zuwege bringt. Nirgends habe ich das so deutlich empfunden, wie am Viktoria- see, wo sie in der hügeligen Graslandschaft der Küsten, vielfach selbst grün bewachsen, so häufig sindund so nahe belsanıhen stehen, daß man von weitem den Eindruck ausgedehnter, mit Heuschobern _ besetzter Wiesenflächen hat. Über die Bauweise der Termiten ist, was das Material betrifft, Re noch wenig bekannt. Bei den mit Erde bauenden Arten geht aus der Br Beschaffenheit der Bauten, sowohl der Galerien wie der Nester, her- Syor, daß Sekrete der Termiten mit verarbeitet werden. Aber hresn Fe schon gibt es Unterschiede. Galerien und äußere Hügelschichten werden nur nach Regen bei sonst reichlicher Feuchtigkeit gebaut und BE ihr Material ist weniger fest. Dagegen müssen die inneren Schichten der Bauten, der Zentralkern, nach ihrer Härte und Beschaffenheit = erhebliche Mengen von Sekret enthalten. Nun tragen die fraglichen Arten die Erdteilehen zweifellos im Mund, während ihr Darm keine - Erde enthält. Es muß sich also hier um stomodaeale Sekrete handeln. - Escherich erwähnt, daß bei anderen Arten der stomo- oder prokto- daeale Ursprung der Sekrete nıcht entschieden ist, So gibt es auch - in Ostafrika eine im Niederungs- und Überschwemmungsland lebende _ Art, Od. latericius, deren Arbeiter viel Erde im Darm enthalten, die _ bläulich durchscheint, wo also wahrscheinlich proktodaeales Sekret vorliegt. Ihre Bauweise ist_in dieser Hinsicht noch nicht untersucht. - _ Dieselben Fragen müssen für die ganz oder teilweise mit Holzmaterial + bauenden Arten zutreffen, vor allem die baumbewohnenden unter den 3 durch spitzköpfige Soldaten bekannten Eutermes-Arten und die nur _ wenig bauenden und ganz im Holze lebenden Arten wie Coptotermes. Diese Fragen führen uns weiter zum Problem der Nahrung der ‘ Termiten, das sich ebenfalls mehr und mehr als verwickelt heraus- gestellt hat. Betrachten wir zunächst die bekanntesten Arten, die größeren en der Termes-Reihe en goliath, bellicosus, Od. badiusı, 27* 420 H. Morstatt, Über einige Ergebnisse der Termitenforschung. so muß man annehmen, daß sie normalerweise nur trockenes Holz fressen. Ihre individuenreichen Staaten sind oft ungemein häufig und man sieht nur Holzzerstörung in ihrem Bereich, auch wenn sie in Häusern vorkommen. Dabei ist nun zuerst zu berichtigen, daß sie ganz trockenes Holz nicht angreifen können. Allerdings ist es totes und ausgetrocknetes Holz, was sie angreifen, aber wie beim Bauen, so ist auch beim Fraße die Vorbedingung, daß genügende Feuchtig- keit und sei es auch nur reichlicher Tau vorhanden ist. Dies scheint mir, neben einem später noch zu erwähnenden Umstande, der eigent- liche Zweck der Erdgalerien zu sein, mit denen sie ihre Fraßobjekte überziehen. Denn auch kleine Gegenstände, wie trockene Grashalme und Reisigstückchen werden erst in eine Erdhülle eingeschlossen, die sich dann nach einiger Zeit als leere Röhre erweist. Und an größeren Bäumen, wo hauptsächlich die tote Borke gefressen wird, sind die Erdgalerien nur so lange von fressenden Arbeitern besetzt, als sich noch etwas Feuchtigkeit darin hält. Solange geht das Zerstörungs- werk selbst bei hohen Tagestemperaturen weiter. Wenn die Galerien aber nach einer gewissen Anzahl von Tagen völlig ausgetrocknet sind, ‚werden sie verlassen und höchstensnoch als Verbindungswege benützt. Nun kommt es aber aus unerklärten Gründen, vielleicht im Zusammen- hang mit außergewöhnlich intensiven Trockenzeiten, vor, daß die- selben Arten frisches lebendes Holz angreifen und dadurch in Pflan- zungen ungemein schädlich werden. Beobachtet istes von 7. bellicosus, badius, natalensis und Acanthotermes militaris. Sie zerstören dabei hauptsächlich die Rinde und den Splint großer und kleiner Bäume. So hat Od. badius z.B. in einer Kaffeepflanzung am Meru 5000 junge Schattenbäume von @rerillea robusta vernichtet; andere große Schäden betrafen eine Zeitlang die Kautschukpflanzungen ın verschiedenen Teilen unserer Kolonie. Es ist schon vor dem Bekanntwerden der- artiger Schäden darauf hingewiesen worden, daß für Pflanzungen eine solche Gefahr besteht und daß möglicherweise die Termiten wegen Mangels an trockenem Holz auf das frische übergehen können. In afrikanischen Neupflanzungen liegen zu Anfang große Mengen toten Holzes vom ursprünglichen Bewuchs teils unverbrannt auf der Erde, teils als Wurzeln im Boden und es ist möglich, daß die Termiten sich dabei stark vermehren. Wenn nun in einigen Jahren dieses Holz durch ihren Fraß und durch Vermorschung zerstört ist, so kann für die zahlreich gewordenen Termiten Nahrungsmangel eintreten, der sie veranlaßt, sich an die lebenden Pflanzen, also die Kulturen, zu machen. Bestätigt ist diese Vermutung noch nicht, da man für die bis ' jetzt bekannten Schäden auch andere Ursachen anziehen kann. Ein häufiger Fall ist der, daß Termiten an jungen Setzlingen Schaden anrichten, da sie die abgestorbenen Schnittflächen angreifen und von dort aus weiterfressen. Dies. kann insofern mit Feuchtig- keitsverhältnissen zusammenhängen, als die oberen Bodenschichten in der heißen Zeit austrocknen, also nicht genügend Feuchtigkeit für | 3 H. Morstatt, Über einige Ergebnisse der Termitenforschung. ‘) ) 8 Oo B Ad den normalen Fraß der Termiten bieten, während die erwähnten Fraßstellen vom lebenden Pflanzenteil her feucht gehalten werden und wohl auch der Boden durch das Begießen der Pflanzen länger feucht bleibt. Daß solche holzzerstörenden Termiten grüne nverholzte Pflanzen- teile angreifen, habe ich nur einmal beobachtet. Es handelte sich um am Boden liegende Bananenblätter, aus denen Acanthot. spiniger über Nacht Stücke herausgefressen hatte und auch in den Morgen- stunden noch,' ohne! Erdgalerien zu bauen, im feuchten Grase. weiter fraß. | Wenn nun die besprochenen Termiten, wie wir annahmen, die Erde, mit der sie bauen, nicht „fressen“ und vielleicht nur mit den Kiefern beim Transport festhalten, so fressen sie doch zweifellos - dasHolz und es scheint, daß sie Sich auch davon ernähren. Der Vor- gang ist jedoch Hurcheis nicht ganz klar, denn diese Arten sind die bekannten Pilzzüchter. In zahlreichen besönderen Räumen ıhrer Bauten legen sie die badeschwammähnlichen Pilzgärten von Wallnus- bis _ Kopfgröße an, die aus einer weichen, beim Trocknen hornartig er- härtenden Holzmasse ‚bestehen. In diesem Substrat wachsen ver- schiedene Pilze,* deren einer die stecknadelkopfgroßen Pilzköpfchen, den Kohlrabihäufchen bei den Blattschneiderameisen entsprechend, an _ der Oberfläche bildet. Die Pilzgärten sind immer stark mit den weißen Termitenlarven jeder Größe belegt, auch Arbeiter sind zahl- reich darin vorhanden. Wie kommt nun die Holzmasse der Pilz- gärten zustande? Das Holz wird zerkaut und geschluckt, aber nach Escherich ist es unsicher, ob die Masse durch den Mund oder den After wieder entleert wird. Ebenso, wieviel die Arbeiter davon ver- dauen. Man nimmt an, daß das Ergebnis der Umwandlung des Holzes im Termitenkörper eine relative Stickstoffanreicherung ist, die das Wachstum der Pilze in ihr begünstigt. Beim Aussterben eines Baues wachsen verschiedene Pilze — die wichtigen sind Agaricaceen — aus den Pilzgärten hoch und fruktifizieren an der Erdoberfläche; ein Be- weis dafür, daß die Termiten in den Gärten das rnichen von Hyphen aus der Holzmasse unterdrücken. Anderseits sind die ober- irdisch erscheinenden Fruchtkörper z. B. bei Vertilgungsversuchen stets ‚das Anzeichen für das Aussterben des Baues. Solange ein Bau noch ım Betrieb ist, kommt es nicht zur Fruchtkörperbildung. Die Pilz- gärten sınd es auch, die bisher eine künstliche Zucht dieser Arten zu ‚Beobachtungszwecken unmöglich machen, da es nicht gelingt, die Luftzirkulation und Feuchtigkeit im abgeschlossenen Raum richtig Ei zu regulieren; sie vertrocknen entweder oder sie verschimmeln und _ die Bewohner gehen in kurzer Zeit zugrunde, obwohl sie anfangs eifrig tätig sind. Nun spricht ‘die Anwesenheit der überwiegenden Mehrzahl der Larven, neben vielen Arbeitern und wenigen Soldaten, in den Pilz- gärten dafür, daß die Larven von der Pilznahrung leben. Wenn wir 422 H. Morstatt, Über einige Ergebnisse der Termiteniiche | nun annehmen, daß die Arbeiter das Holz teilweise verdauen und da- von leben, so bleibt immer noch die Frage aufzuklären, was die Sol- daten fressen und womit König und Königin ernährt werden. Die letzteren sind zeitlebens in ihrer Zelle, deren zahlreiche Zugänge für sıe gar nicht passierbar sind, eingeschlossen und daher auf die Er- nährung durch die Arbeiter angewiesen. Auffällig ist es auch, daß man ın den Bauten dieser Pilzzüchter keine Exkremente findet und e auch sonst keine bei ihnen beobachtet. Was die Pilznahrung betrifit, so pflegt man allgemein” nur die Pılzköpfchen als solche anzunehmen. Es wäre aber zu untersuchen, ob diese nicht bloß ein Spezialprodukt sind und dagegen die Haupt- nahrungsmenge, die die Pilze liefern, aus Myzelfäden besteht. Denn unter den gegebenen Bedingungen müssen doch dauernd Pilzhyphen wie ein dichter Rasen an der Oberfläche der Pilzgärten herauswachsen und von den Termiten abgeweidet werden. Es liegt sehr nahe, in ihnen die eigentliche und ursprüngliche Nahrung, wenigstens der Larven, zu selien. © Die ganze Ernährungsweise der Termiten- ist aber noch wesent- lich kompliziert durch die Exsudataufnahme, über die Holmgren einige Grundtatsachen berichtet hat. Damaach hängen Ernährung und Brutpflege eng mit einem „Exsudatinstinkt* zusammen. Die ausge- wachsenen Termiten aller Stände besitzen nämlich unter dem Haut- skelett ein Fettgewebe, welches ein fettiges Sekret oder Exsudat durch Drüsenöffnungen an der Körperoberfläche abscheidet. Am stärksten ist dieses Gewebe bei der Königin entwickelt, und es ist interessant, daß die ungeheure Vergrößerung ihres Hinterleibs in der Hauptsache. nicht durch die Eierstöcke, sondern eben durch die Fettschicht be- dingt ist. Das Exsudat wird nun von den Tieren gegenseitig abgeleckt und scheint nach einigen Beobachtungen für ihre Ernährung not- wendig zu sein. Man sieht demnach im Exsudatinstinkt eine direkte Ursache für die Anwesenheit so vieler Arbeiter in der Königszelle und für die Pflege der Königin. Bei Od. badirs enthält die Königs- zelle stets einige Hundert Arbeiter und einige Dutzend Soldaten. Mit dem Exsudatinstinkt hängt vielleicht auch der sogen. Liebes- spaziergang zusammen. So oft aus einem Bau die Imagines aus- schwärmen, sieht man einzelne Paare sich nach dem Abwerfen der Flügel zusammenfinden und unruhig in der Weise umherlaufen, daß ein Tier sich an das Hinterleibsende des anderen anhängt. Neuer- dings ist es nun festgestellt, daß diese Paare auch gleichen Ge- schlachtäg.ken können, also die Bezeichnung Liebesspaziergang nicht mehr haltbar ist. Man muß für ıhr Verhalten eine .andere Erklärung suchen und es liegt nahe, dafür den Exsudatinstinkt heranzuziehen. Über die angebliche Lichtscheuheit habe ich mich schon früher (a. a. ©.) ausgesprochen. Zunächst wäre zu bemerken, daß sie keine durchgehende Eigenschaft der Familie ist. Denn es gibt Arten, die ER: keine Galerien anlegen und normalerweise ans Licht kommen, obgleich De EP ee as u,“ #127 Bee Re Morstatt, Über. einige ireebnisse der Termitenforschung. 423 sie edisch. oder auf Bäumen in geschlossenen Nestern leben. _ Hierher gehört Hodotermes mossambicus aus einer der primitivsten ‚Gruppen, der trockenes Gras und dergl. in seineunterirdischen Nester holt und dabei im vollen Sonnenschein tätig ist, und ferner (oarcto- sn Ärten, eine Gattung mit nasuti, die den „typischen“ Termiten der Termes-Reihe nahe steht. Sie lebt in Holzkartonnestern auf _ Bäumen (besonders im Süden Ostafrikas) und fällt durch ihre langen Züge, die am Tage von Baum zu Baum wandern, auf. Wenn man - einen solchen Zug zum ersten Male sieht, hält man ihn zuerst für - einen Ameisenzug, denn diese Coarciotermes sind so dunkel gefärbt, daß sie von weitem schwarz aussehen. 5 Weniger dunkel sind andere Arten, die auch am Tageslicht er- scheinen, wie denn die Färbung der Termiten in enger Beziehung zu - ihrem Verhalten gegenüber dem Lichte steht. So sind die Larven - bei allen Arten, da sie nie ans Licht kommen, rein weiß, die Sexuales - dagegen, die alle ausfliegen, sind durchweg dunkel, rotbraun bis braun- schwarz, gefärbt, obwohl diese Imagines ihr späteres langes Leben = der zentralen Königszelle zubringen, die sie nicht verlassen können. - Bei den Arbeitern und Soldaten der großen Arten ist dıe Färbung mehr oder weniger dunkelrotbraun, in anderen nahestehenden Gruppen : wenigstens der Kopf der Soldaten, der stets am dunkelsten ist, gelb bis rotbraun. Dem entsprechen auch zahlreiche Beobachtungen dar- - über, daß diese Arten gelegentlich, nämlich in kühlen Morgenstunden, 3 ans volle Tageslicht kommen, und dann fressen sie auch, ohne Ga- -— lerien zu bauen. Andere dagegen, wie die kleinen Coaretotermes, die | i ‘ganz im Holze leben und darin. primitive Nester anlegen — wenn sie - Galerien ‚bauen, sind diese aus einer aus Holz und Erde zusammen- E enen Masse, nicht aus reiner Erde — sind_weiß, und nur der Kopt ist leicht gelblich gefärbt. Aber auch diese kommen wie alle andern zum wenigsten beim Ausfliegen der Imagines zum Teil ans 2 Licht, Wie bei den Ameisen geht bei diesem Ereignis immer eine - Aitzahl von Arbeitern und Soldaten voraus und sie halten sich außen 2 auf, bis alle Imagines des Schwarmes ausgeflogen sind. Wenn wir nun sehen, daß die Termiten wohl im allgemeinen _ vom Lichte abgeschlossen leben, aber nicht prinzipiell lichtscheu sınd, 3 .so- müssen wir für ihr Verhalten, insbesondere für das Bauen von _ Galerien, eine andere Erklärung suchen. Die Galerien werden ja _ nicht nur an Fraßstellen angelegt, sondern auf dem ganzen ober- _ irdischen Wege dahin, also an Bäumen, Felsen, Mauern, auf Wegen 3 u.s. w. Es scheint nun sicher zu sein, daß der Freck dieser Er Ss ns neben einem gewissen Schutze vor Feinden, der Schutz vor _ Trockenheit ist. Denn die Termiten brauchen in dem warmen und großenteils sehr trockenen Klima, in dem sie leben ‚ Feuchtigkeit nicht nur zum Erweichen des Holzes am Faß, sonderh sie können nur in feuchter Luft, wie sie dauernd in. ihren Nestern herrscht, leben. Da- her. ‚werden grobe flache Galerien, die nicht Verbindungswege sind, 424 H. Morstatt, Über einige Ergebnisse der Termitenforschung. nach dem Austrocknen verlassen. Andererseits beobachtet man beim Zerstören von Galerien und Nestern, daß die auf den Boden gefallenen Arbeiter und Soldaten in trockener Mittagshitze oft in einer oder wenigen Minuten eingehen, was bei feuchtem Wetter nicht der Fall ist. Auch das Ausschwärmen der Geschlechtstiere findet nur nach Regen statt. Hodotermes dagegen, der regelmäßig ins Freie kommt, also auch nicht gegen Trockenheit. empfindlich ist, baut auch keine Galerien. Und schließlich habe ich beim Zuchtversuch' im Labora- torıum beobachtet, daß Od. badius seine Verbindungswege an der be- lichteten Glaswand anlegte und nach innen überdeckte. Hier wurde also das Licht nicht gemieden, wohl aber die Verdunstung verhindert. Es sprechen also alle Beobachtungen dafür, daß nur Empfindlichkeit gegen Trockenheit vorliegt und die Termiten nicht ursprünglich licht- scheu sind. Es sei hier noch bemerkt, daß bei den Termiten nur die Imagines in der ganzen Familie Fazettenaugen haben. Arbeiter und Soldaten sind augenlos, nur zuweilen sind Punktaugen noch ange- deutet. Bei den primitiven, teilweise freilebenden Hodotermes haben dagegen auch die Arbeiter noch Fazettenaugen, während die ebenfalls freilebenden Coarctotermes ıhrer systematischen Stellung u augenlos sind. Die größten Unterschiede ın der Organisation des Saldarenkonfes liegen in der Ausbildung der schon erwähnten Stirndrüse. Sie ist bei den bekannten großkieferigen Soldaten der Hügeltermiten gänz- lich reduziert und höchstens noch durch einen hellen Fleck angedeutet. Die ıhnen sonst sehr nahestehenden Eutermes-Arten vertreten eın anderes Extrem; die Drüse ıst stark ausgebildet und außerdem ın den Frontaltubus verlängert, so daß die Stirn in eine lange spitze Nase ausgezogen ıst, wobei dıe Mandibeln klein bleiben. Bei Coptotermes, einer bis vor kurzem nicht ın Afrika festgestellten Gattung, von der mir aber bis jetzt schon mehrere Arten bekannt sind, ist die Drüse selbst noch weit mehr vergrößert, so daß sie über das hintere Kopf- ende hinaus in den Thorax hineinreicht, aber ihre Öffnung an der Stirne ıst nur ein flacher und oe Wall. Funktionell bedeutet dies, daß Coptotermes das Sekret, allerdings in größerer Menge — | die Hälfte des Kopfvolumens —, nur einfach entleeren kann, während die Eutermes-Arten es durch die feine Öffnung der „Nase“ heraus- spritzen. Gesehen habe ich das nur bei baurıbewohnenden Eutermes, die gereizt, z. B. bei Zerstörung des Nestes, einen einige cm langen, unendlich feinen Sekretfaden. ausschleudern, der sehr zäh zu Sein oder an der Luft zu erhärten scheint. Man sieht in dem Sekret naheliegenderweise ein Verteidigungsmittel; mehr ist nicht bekannt. ° Es würde damit den großen Kiefern der verwandten Termes und Odontotermes entsprechen, die denn auch den spitzköpfigen Arten fehlen. Aber Ooptoterıes hat die vergrößerten Mandibeln, also be- steht die einfache Korrelation nicht zwischen Stirndrüse und Mandibeln, sondern zwischen diesen und dem verlängerten Ausführgang der Drüse, hei ah a Das mid MOL Er. a ee Ta Nine rt Sale a aa The ad rare in a AT un H. Morstatt, Über einige Ergebnisse der Termitenforschung. 425 der „Nase“. Denn die harte und spitze Nase ist zugleich Stoßwaffe, wie es die Kiefer auch sind. Es wäre auch möglich, daß bei einem - Teil der Nasuti die Sekretfunktion, bei einem andern die einfache - Stoßfunktion überwiegt oder überhaupt einseitig vorliegt. Unter- schiede im Auftreten feiner Haare an der Spitze des Tubus und ver- ; einzelte Beobachtungen des Verhaltens sprechen für diese Möglichkeit. | Dies führt uns nun zu den Aufgaben der Soldaten überhaupt ee Arbeitsteilung unter den Ständen des Termitenstaates. In - diesen Fragen ist man noch kaum über die einfachsten Grundlagen E: hinausgekommen und nur von den Arbeitern sind einzelne Teile ıhrer Tätigkeit genauer erforscht. Im allgemeinen weiß man eben, daß die Arbeiter die Nahrungsbeschaffung, den Nestbau und die Br utpflege _ besorgen und daß die Soldaten für die Verteidigung da sind. Darüber _ hinaus haben wir aber noch viel zu wenig genaue Beobachtungen Be über das Termitenleben, was besonders auffällt, wenn wir die Ameisen zum“ Vergleich heranziehen, die allerdings auch der Beobachtung - Jeichter zugänglich sind. Von den einzelnen Funktionen wissen wir _ auch wenig, in welcher Weise sie sich” vollziehen und wie sie sich _ unter den Ständen abgrenzen, und besonders, wie sich Gattungen, _ Artengruppen und Fn en unterscheiden. 3 _Betreffs .der Tätigkeit der Soldaten ıst so wenig bekannt, daß man sich die Entstehung und Existenzberechtigung dieses besonderen - Standes nicht so recht vorstellen kann. Sie sind eben da; fast überall, - wo man Arbeiter trifft, sieht man auch einzelne oder mehrere Sol- _ daten, aber selten sieht man sie irgendwie-sich betätigen. Sie zeigen - vor allem wenig individuelle Lebhaftigkeit, wie sie bei den Soldaten - mancher Ameisen und besonders der Treiberameisen so auffällt. Ihre “relative Anzahl variiert stark; sie mögen im allgemeinen etwa 10°/, - der Arbeiter ausmachen, aber es gibt auch Arten, wo sie sehr spär- _ Jiehb sind. Bei 7. bellicosus, wie überhaupt den Hügeltermiten, be- - gleiten sie überall die Arbeiter, in der Königszelle, in den Brut- _ kammern, den Pilzgärten, unterwegs und an der Fraßstelle, doch - sieht man sie nicht ‘etwa Polizeifunktionen ausüben. Bei Hodotermes z.B. habe ich dagegen nur die Arbeiter allein beim Grasholen be- obachtet und in diesen wenigen Fällen überhaupt keine Soldaten zu Gesicht bekommen. | Was nun die Verteidigung als Aufgabe der Soldaten betrifft, ges - muß man erst fragen, gegen wen sie sich richte. Die bekaunkeren _ Termitenfeinde, also ‚Schuppentier, Erdferkel und Raubameisen küm- - mein sich recht wenig darum. Dagegen sind tatsächlich die meisten _ Gänge durch die massiven Teile der Erdbauten gerade so weit, daß der größere Soldat sie mit dem Kopfe sperren kann, was also auf kleine Eindringlinge schließen läßt. Diese aber kennen wir nicht näher. - Die Soldaten führen in diesen Gängen, wenn sie gereizt werden, E rasch ‚aufeinanderfolgende und sehr heftige Stöße mit dem Kopfe aus. Daß die großen Soldaten mit ihren kräftigen Kiefern. stark klemmen c 426 & Morstatt, Über einige rgabaisne Br Ter ienforschung. und sogar einschneiden können, weiß jeder Beobachter. En können aber doch dickere menschliche Haut nicht durchschneiden. und ver- 3 ursachen daher selten blutende Wunden. ‚Sie überfallen auch nicht, wie etwa die ähnlich bewehrten Soldaten von Ameisen, die Fleisch. 4 . fresser sind, andere Tiere. Somit können sie nur defoifsive Auf- gaben haben und dabei haben sie schon gegen die gleichgroßen Raub- ameisen, wie man häufig sehen kann, wenig Erfolg. Vielleicht chend E sie ihre Waffen gegen die kleinen Ameisen, die an der Peripherie jedes Baues wohnen und verlassene Teile dereien und Galerien schnell besiedeln. Natürlicherweise ist gerade eine solche regelmäßige 4 Funktion schwierig zu beobachten, man könnte nur noch dazu an- - führen, daß die Soldaten beim Aufbrechen der Nester häufig die engen inneren Verbindungswege sperren. - Die zitternden Stöße mit dem Kopfe bekunden sich ae in einer anderen Erscheinung. Erschüttert man -stark von Termiten durch- E setztes Holzwerk — es handelt sich hier hauptsächlich um FT. bellicosus — durch schnelle Stöße, so hört man dieses rasselnde Klopfgeräuschä von Hunderten von Soldaten am Holze und in den Erdgalerien. Das könnte man wohl auch als Warnungszeichen deuten. Beim Zerstören von Galerien und Nestern erscheinen in. der 4 Regel die Soldaten zahlreich an den freigelegten Stellen, während die Arbeiter sich rasch verziehen. Od. laterieius dagegen, der sehr wenige Soldaten überhaupt hat, ist mir immer dadurch aufgefallen, daß gerade seine Soldaten Be Öffnen des Nestes sofort verschwin ä 4 den und man dann lange suchen muß, um einen von ihnen zu Gesicht zu. bekommen, während die Arbeiter. keineswegs so flüchtig Sl. 4 Außer solchen vorläufigen Beobachtungen ist aber über die Tätig- nn der Soldaten nichts bekannt. Noch verwickelter’wird das Problem _ ‚der ständischen Gliederung und Ar beitsteilung im Termitenstaat durch 3 das häufige Vorkommen von 2 oder gar 3 Größen von. Arbeitern und Soldaten. Wissen wir schon von den Sonderaufgaben der Ständel und ihrer gegenseitigen Abgrenzung wenig, so können wir erst recht nicht das Vorkommen von verschiedenen ‚Typen innerhalb dieser - Stände in irgend eine, Beziehung zu besonderen Aufgaben bringen E Auch in Hinsicht allgemein biologischer Fragen ist der Termiten- os > &) 5 staat ein fruchtbares Beobachtungsfeld und’ es ist schon manches in seiner Erforschuug geschehen, besonders was die „Gäste“: betrifft, deren sich darin eine ganze Anzahl findet. Zu diesen gehört unter anderen die ın Indien gefundene Termitoxenia, eine Fliege, die zu- gleich das einzige hermaphroditische Insekt ist, das wir kennen, Ssezieli aus Ostafrika, worauf ich mich in den vorstehenden Aus-” führungen im wesentlichen beschränkt habe, liegen jedoch erst vanz vereinzelte allgemein-biologische Beobachtungen vor und gerade, die Gäste : schälen‘ nicht zahlreich zu sein. ‘Die reichen Ergebnisse der - Ameisenforschung legen: es aber nahe, auch gr ihnen in Hinsichl RN» ur. a XL TR are te N Paare Koria a » WR a 5 x be Se nn ER | . vo — TR u Rn ' Nr 3 an. . Zah de Ach 4 er ar H. Morstatt, Über einige Ergebnisse der Termitenforschung. 427 des sozialen Lebens parallelstehenden Ordnung der Termiten noch mehr Beachtung zu schenken. E Bei den großen Hügeltermiten ist noch eine Art von Mit- bewohnern ihrer. Bauten bekannt geworden, nämlich sehr kleine, “ebenfalls pilzzüchtende Termiten, die in dem dicken äußeren Erd- In antel sehr feine Gänge haben und vereinzelte Pilzgärten von etwa ‚W allnuß- bis Hühnereigröße anlegen. Ein eigentliches Nest von ihnen ist nicht bekannt und es wäre auch möglich, daß sie das Material für ihre Pilzgärten von ihrem Wirte Eolsa, also „Parasiten“ s ind. Das Zusammenleben dieser kleinen Arten mit den großen muß jedenfalls eine sehr alte Gewohnheit sein, denn sie sind so speziali- siert, daß ın den bisher Baabachteten. Fällen bei jeder großen Termes-Art eine besondere Mierotermes-Art vorkommt. Als soziale Insekten mit weitgehenden morphologischen und h lagisöhen Sonderanpassungen „spielen die Termiten auch in .der E irklärung der Instinkte und in Vererbungsfragen eine Rolle. So er- wähnt sie Schallmeyer in einer neueren Darstellung der Grund- Jinien der Vererbungslehre: „Ebenso“ — wie die Instinkte nicht als ererbte Gewohnheiten erklärt werden könnten, obgleich dies auf den ersten Blick sehr viel annehmbarer erscheine, als die Erklärung ihrer Entstehung durch endogene Variabilität in Verbindung mit Auslese ‚der passenden Varianten — „lassen sich die Instinktveränderungen, die bei den unfruchtbaren Gesellschaftsklassen der Bienen, Ameisen und Termiten entstanden sind, lamarckistisch nicht erklären; denn die Wirkungen der Übung und is Nichtgebrauches v onen Organe konnten ja hier nicht. vererbt Een, da diese Typen sich nicht ‚selbst fortpflanzen, sondern von Individuen erzeugt werden, die zum 7 'eil ganz andere Instinkte besitzen.“ - Noch auf ein anderes Moment möchte ich hinweisen. In der ständischen Gliederung der Termiten haben die Geschlechtstiere am m: eisten die ursprüngliche Form beibehalten; es kommen dabei auch ine Rückbildungen vor, und sie sind dureh die ganzen Familien urchweg sehr einheitlich. Die Differenzierung hat sich in den anderen Ständen vollzogen und hat dabei sowohl morpliologisch als bio- ogisch verschiedene Richtungen eingeschlagen. Dabei scheint es aber, ıls ob die Differenzierung in der Form derjenigen in der Lebensweise orausgehe. Wohl erstreckt sie sich im; allgemeinen, z. B. in Be- ziehung auf Nestbau und Ernährung in korrespondier ender Weise zu- ich auf die Gestalt Boa die De, 8 im einzelnen, z. B. ne Funktion. Es Es hier eerchiede: ZE über n Zweck noch nichts bekannt ist, und die wir uns daher zurzeit zu ı erklären vermögen. =. Er u? = 428 Fr. Kopsch, Die Entstehung von Granulationsgeschwülsten ete. Referate. Kopsch, Fr., Prof. Dr.: Die Entstehung von Granulations- Geschwilsten und Adenomen, Karzinom und Sarkom durch die Larve der Nematode Rhabditis pellio. (Leipzig 1919, Georg Thieme. Umfaßt 127 Seiten. Mit 23 lithogr. Tafeln und. 23 Abbildungen im Text.) Bei Gelegenheit von Züchtungsversuchen an Fröschen, die mit Regenwürmern und Fliegen gefüttert wurden, findet Verfasser an den Organen der Pleuroperitonäalhöhle geschwulstartige Knötchen, die eine Nematodenlarve bergen, Hauptsächlichste Infektionsstellen sind die Magenwand, Darmwand, Leber, Nieren etc, Passiv, auf dem Blutwege, gelangen die Larven in die Muskulatur. Augen und die Harnblase. 3 Es handelt sich um die im Regenwurm_parasitierende Larve der Nematode RhabA . ditis pellio Schneider. Verf. nimmt an, daß die Stoffwechselprodukte der Larve. der Anlaß sind zur Bildung der bindegewebigen Kapsel. welche um die Larve nebst dem ‚sie umgebenden Leukozytenhaufen entsteht, das sogenannte Wurmknötchen. Wandert die Larve aus, so zerfällt die Kapsel, indrersdite bildet sich eine neue an der Stelle der Sekundärinfektion, d. h. da, wo die Larve sich neuerdings festsetzt. E Im fünften Monat beginnt das Knötchen sich umzubilden, dann, wenn die Stoff- wechselprodukte der Larven sich im Körper angesammelt haben. Es entsteht eine bös- ‚artige Wurmgeschwulst, die sarkomartig ist. Sie besteht aus mehr oder weniger großen Ricsenzellen, welche Fremdkörperriesenzellen sind, die Mehrzahl der Zellen sind rund- liche oder epitheloide Formen. | = Adenome entstehen bei der \Vanderung der Larve durch die verschiedenen Schichten der Magenwand, indem die Larve Drüsenschläuche vor sich her treibt, die zu Adenomen: auswachsen. Andrerseits wachsen bei der Dehnung der Magenwand während der Verdauung Epithelzellen durch die beim Durchtritt der Larven in der’ Muscularis mucosae entstandenen Lücken in die Tiefe und bilden bei der Zusammen- ziehung des Magens eine Epithelbucht. In dieser entwickeln sich ebenfalls Drüsen-” schläuche, die in das benachbarte Gewebe hineinwachsen. Verlieren die Epithelbuchten den ie uneuhens mit der Magenlichtung, so entstehen kleinere oder größere Z ysten, 2 Adenome und Zysten sind gutartige Bildungen. 3 Die Stoffwechselprodukte der Larven sind ebenfalls für die Bildung metaplasti- schen Epithels im Dickdarm-, Mund- und Rachenhöhlenepithel, für die Entstehung” verhornter und unverhornter Epithelperlen am vorderen Zungenende und das atypische’ Tiefenwachstum dieser metaplastischen Epithelzellen VERSENDEN zu machen, Knöt- chen selbst wurden hier niemals angetroffen. 2 Bezeichnet man atypisches Tiefenwachstum nehrhlastiichen Ku als Anfangs? stufe von Karzinom, so gehören alle die vorhergenannten Fälle hierher. Scheidet man ‚diese aus, so bleibt nur ein Adenokarzinom aus der Leber eines Frosches zu erwähnen. Die hier auftretende starke Anaplasie der Zellen. kann ebenfalls durch die Stoff- wechselprodukte der Larven hervorgerufen sein, bei diesem area mit 223 er waren sie in beträchtlicher Menge vorhanden Gelangen Zellen aus den ‘bösartigen Geschwülsten in den Blutkreislauf‘ und siedeln sich an anderen Stellen an, so wachsen sie infiltrierend weiter, ohne daß eine Wurmlarve in der Nähe ist Sie "bilden also Metastasen, die sich wie Sarkome veim halten. Somit liefert diese Arbeit einen neuen Beinas zu der er: daß der Ari - stoß zur Umbildung von Zellen zu Krebszellen durch die Einwirkung chemischer Stoffe erfolgen kann, die im Innern des Körpers erzeugt werden von Parasiten, die außerhalll der Zellen liegen, nämlich durch parasitische Würmer. I DR Helene Melle O. Äbel, Die Stimme der Wirbeltiere. 42% O. Abel: Die Stämme der Wirbeltiere. Leipzig 1919 (Verein. wiss. Verleger), 13 + 914 Seiten, 669 Textfig. Der Autor will die Paläontologie der Wirbeltiere in einer speziell für Zoologen verständlichen Weise vom stammesgeschichtlichen Standpunkte aus darstellen, er legt - deshalb besonderen Wert auf vergleichende Östeologie und rekonstruierte Abbildungen. Mit Absicht sind dabei die Teleostier und modernen Vögel ganz kurz und die von ihm erst 1914 behandelten Säugetiere nicht eingehend dargestellt. Einer Tabelle über die erloschenen und noch lebenden Familien der Wirbeltiere folgt in der Einleitung eine Auseinandersetzung über die systematischen Begriffe vom stammesgeschichtlichen Standpunkte aus. Familien u. s. w. werden phylogenetisch ge- - faßt statt der gebräuchlichen systematischen Behandlung, die gewissermaßen Querschnitte durch die Stammreihen zusammenfaßt, Ausgangsgruppen mehrerer Reihen werden als „Stammgruppen‘‘ bezeichnet. E . Morphologie und Paläobiologie soll dabei viel wichtiger als die Berücksichtigung des geologischen Alters sein. Dementsprechend folgen auf fast 50 Seiten Vorbemerkungen -_ vor allem über das Skelett vom vergleichend anatomischen und ontogenetischen Stand- _ punkte aus, besonders über den Schädel der Teleostomen, für den eine neue Nomen- _ klatur eingeführt wird, und werden im folgenden sehr viele gute biologische Bemerkungen gemacht. Auf über 800 Seiten werden dann die einzelnen Wirbeltierstämme von den Oyelo- _ stomata an unter Beigabe sehr zahlreicher und allermeist recht guter Rekonstruktions- ” figuren vor allem der Schädel behandelt. Die Fische werden auf etwa 150 Seiten in die sieben Unterklassen der Anaspida, Osteostraci, Antiarchi, Arthrodira, Elasmo- branchü, Acanthodei und Teleostomi geteilt und letztere in drei, die Hlasmobranchii E in 4 Ordnungen u.s. w. Inden Klasmobranchii werden keine Vorläufer höherer Wirbel- _ tiere gesehen, in den Dipneusti auch nicht die der Amphibien, wohl aber in den Orossopterygü die Stammesgruppe der Teleostomi und wahrscheinlich auch der Amphibien. Diese werden auf 100 Seiten behandelt, besonders ausführlich die Stammgruppe der Stegocephalı, auf deren Wirbelbau größtes Gewieht gelegt wird. Weitere Unter- klassen sind die Anura, Urodela und Gymnophiona. & Über 300 Seiten nimmt die Darstellung der Reptilien ein, die in 21 Ordnungen Er werden. Davon bezeichnet der Autor die Cotylosauria als die von den Stego- . cephali überleitende Stammgruppe, die Rhynchocephali und Theriodontia sind nach ihm stammesgeschichtlich unwichtig, . die Pseudosuchia aber die Stammgruppe der R Einscaneia, Pterosauria, Or an und Vögel. Die Pterosauria werden übrigens in Fe zwei Ordnungen der Rhamphorhynchoidea und Pterodactyloidea, die Dinosauria in die der Saurischia (Dinosauria genannt) und Ornithischia aufgelöst. Die Vögel erden auf nur 25 Seiten in die zwei Unterklassen Saururae mit Archaeopteryx und z _ Ornithurae mit 22 Ordnungen geteilt. Die Säugetiere endlich, auf über 150 Seiten behandelt, zerfallen in die 3 Unter- klassen Monotremata, Mersupialia und Placentalia, letztere mit 23 Ordnungen, wo- von 12 der Überordnung Ungulata angehören. Die Monotremata werden als ganz selbständiger Stamm, die Beuteltiere in den Beutelknochen und dem Zahnersatz als - nicht primitiv angesehen, die Placentalia daher nicht als ihre Nachkommen, sondern - als von unbekannter Herkunft, unter ihnen die Insectivora als Stammgruppe. Besonders _ reich werden hier.die Cetacea illustriert, die Primates aber gar nicht. = Zum Schlusse folgen vier Register, ein morphologisches, eines der Unterklassen und Familien, eines der Gattungsnamen mit Angabe der Abbildungen und "eines der _ Autoren. E 2 Das sehr viel tes bringende Werk ist so umfassend, daß selbstverständlich auch - mancherlei Irrtümer und Übersehen unterlaufen, hier soll natürlich nur das dem Be) jeferenten wichtig erscheinende erwähnt werden. So hat sich nach seiner Ansicht der ' Autor bei der Behandlung der Reptilien allzusehr auf unzuverlässige Gewährsmänner Be. und die einzelnen Wirbeltiergruppen zu ungleichmäßig behandelt. Z. B. ist _ das Skelett der doch sehr wichtigen, aber fremdartigen Cotylosauria gar nicht besonders 430 O. Abel, Die Stimme der Wirbeltire. at Sias, besprochen, das in jedem Lehrbuch der Zoologie dargestellte der Schildkröten aber ziem- lich ausführlich und über die Stammesgeschichte der Nagetiere ist fast nichts, über die der Primaten allzu wenig gesagt. Vor allem ist ein solcher Widerspruch unverständ- lich, wie bezüglich der Rhynchocephalia, die auf Seite 443 ff. als stammesgeschichtlich bedeutungslos unter Ausschluß von Palaeohatteria und Protorosaurus behandelt werden, während sie auf Seite 539 ohne jeden Vorbehalt gerade mit diesen zwei Gattungen als Vorläufer der Pseudosuchia, damit also entsprechend der herrschenden Meinung als eine der wichtigsten Stammgruppen der Reptilien bezeichnet werden. Abgesehen ferner von derartigen anatomischen Irrtümern, wie der Darstellung des Unterkiefergelenkes der Elasmobranchii (Seite 108/109), das sich doch stets am Pala- toquadratum befindet, während in der Verbindung des letzteren mit dem Schädel 3 wichtige Unterschiede bestehen, dem Ubersehen der tiefen Unterschiede der Schädel- unterseite der Stegocephali und Cotylosauria und der Angabe, daß die Vögel in der Regel Bauchrippen besäßen, während dem Referenten sogar nicht erwiesen erscheint, daß die Bauchrippen des Archaeopteryx nicht bloß Sternocostalia sind, dürfte die Auf- - fassung der Anaspida anatomisch unhaltbar sein. Nicht nur, daß deren Stachel- schuppen als Hautlappen bezeichnet werden, müßten deren Kiemenöffnungen dorsal vom Rückenmark liegen, bei Lasanius sogar die deutlich erhaltenen Kiemenspangen mit ihren copulae und bei Birkenia das Auge in der Visceralgegend und das ver- mutete Spiraculum vor ihm. Anscheinend hat die Form der Schwanzflosse, die bei ° der angenommenen Auffassung die bei Fischen häufige heterocerke wäre, den Autor irregeführt. Als nicht empfehlenswert erscheint weiterhin die Zerteilung vor allem der keptilia und Ungulata in viele gleichwertige Ordnungen, weil dadurch gerade die stammesgeschichtliche Gruppierung völlig außer acht gelassen wird, wenn z.B. auch die Rhamphorhynchoidea und Pterodactyloidea oder die Proboscidea und Sirenia, die sich auch nach Ansicht des Autors viel näher stehen als andere Ordnungen, genau ebenso getrennt werden wie alle. Grundsätzlich falsch scheint endlich dem Referenten überhaupt der Standpunkt zu sein, daß die Betonung des geologischen Alters weniger wichtig sei als die Morpho- logie und Paläobiologie, worin der Autor so weit geht, daß er nicht einmal eine geo- logische Tabelle bringt, so daß seine geologischen Altersangaben Zoologen meistens un- verständlich bleiben müssen. Er gibt damit die wesentliche Stärke des Paläontologen aus der Hand, denn in Morphologie wird dieser dem Zoologen gegenüber, der das ganze Tier und seine vollständige Ontogenie studieren kann, stets weit hintanstehen, und in Biologie erst recht, denn die Paläobiologie beruht nicht auf unmittelbaren Be- obachtungen und Experimenten, sondern nur auf Analogieschlüssen und Schlüssen von der Form auf die Funktion, was oft ein äußerst gewagtes, wenn auch notwendiges Unternehmen ist. Im Vorteil, ja einzigartig ist der Paläontologe nur insofern, als er in der Lage ist, die wirklichen Ahnenformen in ihrer zeitlichen und räumlichen Ver- ° breitung nachzuweisen, welch letztere der Autor leider überhaupt nicht stammesgeschicht- lich verwertet oder auch nur berücksichtigt. Es ist z. B. wesentlich, daß bei den Oetacea immer mehr Ähnlichkeiten mit primitiven landbewohnenden en sich nachweisen lassen, wenn man in die Vergangenheit zurückgeht, während die von dem Autor an- genommene Ableitung der Mystacoceti von Patriocetidae schon aus geologischen Gründen 2 höchst unwahrscheinlich ist und auch seine Reihen der Ziphiidae und Physeteridae daran kranken, daß sie wesentlich aus gleichaltrigen Formen zusammengestellt sind. Der Nachweis der Gesetzmäßigkeit im Auftreten bestimmter Formen ist ein unumgänglich notwendiger bei der Begründung der Stammes- geschichte, die Paläontologie ist eine historische Wissenschaft unter den Naturwissenschaften, ihr obliegt dieser Nachweis. Trotz der erwähnten Mängel bringt das Werk Abel’s doch so viel Neues und Gutes und steckt besonders so viel ernste wissenschaftliche Arbeit in den instruktiven E Rekonstruktionsfiguren, daß es für alle, die sich mit Stammesgeschichte, Systematik, vergleichender Anatomie und Biologie der Wirbeltiere beschäftigen, höchst wertvoll ist. Seine Benützung wird durch die mustergültig vielseitigen Register, die a und die reiche Illustrierung sehr erleichtert. Ernst Stromer (München). ala “rl . x a Die csbeeögurgen der Pflanzen ete. 431 rm | | KR. Goebel: Die Entfaltungsbewegungen der Pflanzen und ‚ . deren teleologische Deutung. Ergänzungsband zur Organographie der Pflanzen. Jena 1920 (Gustav Fischer). Das neue, umfangreiche Werk Goebel’s ist in zweierlei Hinsicht beneiegn be- Merkenswert. Einerseits deshalb, weil sich der Verf. als Vertreter der empirischen - Naturwissenschaft in umfassender Weise mit dem Problem der Teleologie auseinander- setzt, und andererseits weil er eine fast unübersehbare Mannigfaltigkeit pflanzlicher Be- wegungserscheinungen unter einem einheitlichen und ganz neuen Gesichtspunkt zu- _ sammenfaßt. Diese beiden leitenden Gedanken ziehen sich durch das ganze Werk hin- durch, wenn auch in den einzelnen Kapiteln bald der eine, bald der andere mehr in ‚ den Vordergrund tritt. P Der allgemeinen Auseinandersetzung mit dem Problem der Teleologie ist vor- Fr; die Einleitung gewidmet. Für die Gesamtauffassung Goebel’s ist charakte- ristisch, daß er sich bei der Behandlung dahingehöriger Fragen auf diejenigen Gebiete beschränkt, die der naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise zugänglich sind, die rein e Philosophischen dagegen abgrenzt und unbearbeitet läßt. Es ist eine eigentümliche Tatsache, daß der Zweckmäßigkeitsgedanke immer wieder auf die Betrachtung der lebenden Organismen angewandt wird, obwohl er seiner logischen Struktur nach eine Umkehrung des Kausalitätsgedankens darstellt (wenigstens dann, - wenn man Zweckabläufe im Naturgeschehen als faktisch realisiert denkt) und damit zu Bier Kausalgesetzlichkeit in gewissem Widerspruch steht. Dies ständige Wiederauftauchen R des 'Teleologieprinzips erklärt der Verf. dadurch, daß er die Zweckmäßigkeitsbetrachtung _ als Anthropomorphismus ansieht, der uns Menschen nun einmal im Blut liegt. Mit b dieser Resignation entzieht er sich -als konsequenter Naturwissenschaftler der Frage, warum das der Fall sei. B > Die wissenschaftlich wahr oder weniger unzulängliche Zweckmäßigkeitsbetrachtung wurde erst durch den Darwinismus brauchbar umgeformt, der als gegebenen Zweck der _ Organismen die Erhaltnng des Individuums oder der Art postulierte. Damit wird die - teleologische Auffassung in die Reichweite des Experiments gerückt. Dieses ermöglicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob ein Organ oder eine Funktion eines solchen im Leben E des Organismus den angegebenen Zweck erfüllt, also nützlich ist oder nicht. Aus einem - _ positiven experimentellen Ergebnis nun aber den Schluß zu ziehen, daß diese Form _ eben ihrer Nützlichkeit ihre Entstehung verdankt, demnach als - Aftpassung“ zu deuten ist, bleibt unsicher. Zu einem vollständigen Luftschloß wird die ganze Schlußkette dann, wenn das mittlere Glied, nämlıch das Experiment, fehlt und man schon aus der bloßen Denkbarkeit der Nützlichkeit eines Organs den Schluß zieht, daß es sich dabei um eine Anpassung handelt. Die. Beseitigung dieses Fehlers, der bei der Deutung biologischer Eigentümlichkeiten gerade auch in der Botanik äußerst verbreitet ist, bildet den einen Zweck des Buches. So betrachtet dienen alle unter dem Begriff „Entfaltungs- Eeamaen” vereinigten Erscheinungen nur als hierzu erforderliche Beispiele. Mit zwei methodischen Mitteln geht Goebel gegen die Fülle teleologischer Be aitungen vor, mit Experiment und Vergleich. Die Resultate dieser Untersuchungen. bestehen zunächst in dem Nachweis, daß der größte Teil der von ihm behandelten teleologischen Erklärungen falsch ist. Die weiteren mehr theoretischen Ergebnisse, bereits in des Verf. Organographie angedeutet, schränken sodann die vermeintliche Frucht- barkeit des Zweckmäßigkeitsprinzips aufs äußerste ein; es sind dies der Satz von dem a Überwiegen der Mannigfaltigkeit der Lebensformen über die der Lebensbedingungen . sowie das Prinzip der Ausnützung, das besagt, daß eine bereits vorhandene Form br oder Funktion nachträglich eine von ihrer primären Bedeutung abweichende er- E - halten kann, | KARDBErT, NR Ag I Kan Re N Im = ee a Hu Cs iv K. Goebel, Die Entfaltungsbewegungen der Pflanzen ete. Soweit die allgemeineren Resultate Goebel’s. Die spezielleren, die sich auf die Deutung der behandelten Beispiele beziehen, lassen sich kurz dahin zusammenfassen, 3 daß es gelungen ist, eine große Anzahl disparater. zum Teil. bisher wenig. beachteter Erscheinungen unter dem Begriff der Entfaltungsbewegung zu vereinigen. Der Verf. sieht dabei von der üblichen reizphysiologischen Behandlung vollständig ab, es handelt sich auch abgesehen von dem Verhalten der Sensitiven und den Schlafbewegungen meist um solche Fee die der rein PRyEN eeIzcheR Betrachtung Dan nur in geringem 3 Maße zugänglich waren. E Um einen Überblick zu geben, führe ich die Kapitelüberschriften an: I. Einleitung, 3 II. Art der Entfaltung, III. Entfaltungsbewegungen der Sprosse (Sproßnutationen), IV. Blattentfaltung, V. Entfaltungsdrehungen (Morphologie des Asymmetrischen), VI. Resupination der Blüten, VII. Entfaltungsfolge, VIII. Entfaltungs- und Reiz- bewegungen in Blüten, IX. die Sensitiven, X. Schlafbewegungen. Für alle diese ° Erscheinungen ist charakteristisch, daß sie nach Goebel’s Auffassung entweder aktiv E oder passiv, entweder direkt oder indirekt bei der Entfaltung des betreffenden Or- ganes eine Rolle gespielt haben. u Bei der Analyse dieser Phänomene betont Goebel gegenüber einer einseitig reiz- physiologischen Betrachtung die Bedeutung der morphologischen Unterlage der Bewegung des Organs und zeigt, daß die Art der Bewegung vielfach von dem Bau des bewegten Organes abhängig ist, womöglich gar nur eine zufällige Nebenerscheinung seiner morpho- 4 logischen Struktur darstellt. E- Auf die reiche Mannigfaltigkeit der geistvoll gedeuteten Einzelheiten und der ausführlichen historischen Erörterungen einzugehen, würde den Rahmen einer Besprechung überschreiten. Friedrich een Ä Verlag von Georg Thieme in Leipzig, Antonstraße 15 Gedruckt bei Junge & Sohn in Erlangen jologisches Zentralblatt Begründet von J. Rosenthal $: | Herausgegeben von 0 Dr.K. Goebel und Dr.R. Hertwig Professor der Botanik Professor der Zoologie = in München ia Verlag von Georg Thieme in BePnE ee er 0 N ii nn ———— ‘40. Band. Oktober 1920. Nr. 10. | ausgegeben am 1. Oktober 1920 - Der jährliche Abonnementspreis (12 Hefte) beträgt 20 Mark = SFr Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten 3 Die Herren Mitarbeiter werden ersucht, die Beiträge aus dem Gebiete der Zoologie, vergl. “Anatomie und Entwicklungsgeschichte an Herrn Prof. Dr. R. Hertwig,. München, Alte esdenie, alle übrigen (nach vorheriger Anfrage) an Herrn Prof. Dr. K. Goebel, München, E ER Menzingerstr 15, einsenden zu wollen. Inhalt: H. Sierp, Untersuchungen über die große Wachstumsperiode. 8. 433. K- -W. Goetsch, Neue Beobachtungen und Versuche an Hydra. 8. 458. m Fr Alverdes, Über das Manifestwerden der ererbten Anla, :e einer Abnormität. 8. 473. E- Untersuchungen über die grofse Wachstumsperiode. Be: ‚Von Hermann Sierp, Tübingen. A, ni die annnen zwischen der großen Wachstumsperiode und der Endlänge. | Wenn wır das gleiche ausgewachsene Pflanzenorgan bei einer größeren Anzahl von Pflanzen messen, so werden wir feststellen, daß es in der Größe sehr verschieden ıst. Säen wir beispielsweise eine - größere Anzahl Haferkörner aus, so wird die sich zunächst entwickelnde — Koleoptile, wenn sie ausgewachsen, bei den verschiedenen Pflanzen _ ganz verschieden lang sein. Würden wir auf der Abszissenachse eines - Koordinatensystems diese gemessenen Längen auftragen und auf den En Ordinaten, die für jede Länge festgestellte Anzahl, so 'bekämen wir die bekannte Zufallskurve, die bis zu den mittleren Größen ansteigt und von da an wieder fällt. Fragen wir uns nach den Ursachen, durch welche diese ver- e schiedene Endlänge zustande kommt, so a sie recht verschieden sein... Johannsen (4) hat gezeigt, daß die Zufallskurve sich sofort 3 in eine Anzahl anderer Kurven auflöst, sobald wir nicht von einer Be soeaichen Aussaat, einer Population, ausgehen, sondern von reinen Linien. Aber auch die Kurve, welche bei Aussaat einer solchen ent- steht, ist unter gewöhnlichen Umständen eine ganz gleichsinnige Kurve, : £ die also auch bis zu einem Maximum ansteigt, um dann wieder zu fallen. Wir wissen nun aber, daß diese Kurve durchaus nichts Kon- stantes ist, denn wir können ihre maximalen Punkte jederzeit durch Änderung der äußeren Bedingung verschieben. Hätten wir dafür ge- 2 40. Band. i 28 a rn FE [7 u ee FR. . ‘ a 4 Be ER, & = ® % Er % - Fa E ang Ha >34 H. Sierp, Unterserhingch über die rohe Wachstumsporiode. = re sorgt, daß die Bedingungen, unter denen sich die Kolebptilen ni ; wickeln, bei allen Pflanzen genau die gleichen wären, so hätten alle die gleiche Länge erhalten müssen und es wäre die Zufalls- oder Modifikationskurve ın eine parallel zur Abszissenachse verlaufende ge- rade Linie, deren Abstand von jener die Länge wiedergegeben hätte, umgewandelt. Aus solchen Überlegungen geht hervor, ‘wie wichtig die nkaren. Faktoren für die Beurteilung der Endlänge sind und daß es angebracht erscheint, besser wıe bisher zu versuchen, die Endlänge physiologisch zu zereliedern. Ein unter konstanten Bedingungen wachsendes Organ, bleiben wir der Einfachheit halber beı der oben als Beispiel gewählten Kole- optile von Avena sativa, zeigt in seinen einzelnen Entwicklungsphasen kein gleichmäßiges Wachstum. Wenn wir sie etwa mit einem Hori- zontalmikroskop von Anfang bis zu Ende messend verfolgen, so sind die Zuwachsgrößen zuerst ganz. gering, sie werden größer und größer, erreichen ein Maximum, um dann wieder abzunehmen, wie das nächste Beispiel deutlich en läßt, wo die halbtäglich festgestellten Zu- wachsgrößen einer im Dackel bei 22° C. aufgezogenen Koleoptile verzeichnet sind. | 1 2 3 Arad 6 7 Halbtage 3.7.0143 2983 940 927 47 Osıı Graphisch dargestellt sieht das Bild dieser von Sachs (9) als großer Periode des Wachstums bezeichneten Wachstumsart folgender- maßen aus. 25 20 15 10 05 E74 3 TE 7 Abb. 1. | Diese große Periode ist nicht nur für pflanzliche, sondern auch für tierische Organısmen gefunden, deren Wachstum genauer unter- sucht worden ist, und darf als eine charakteristische Erscheinungs- weise wachsender Organismenteile überhaupt angesehen werden. Wir haben es hier mit einer autonomen Periodizität zu tun, deren Ursachen in der Pflanze selbst, gesucht werden müssen. Die Endlänge setzt sich aus den verschiedenen partiellen Zuwachsgrößen zusammen. Wenn nun äußere Faktoren auf diese, wie wir oben sahen, einen so großen Einfluß haben, so müssen diese auch wesentlich die große Periode verändern können und wir wollen im folgenden zunächst einmal den Zusammenhang zwischen dieser und der Endlänge bei den verschiedenen in Betracht kommenden äußeren Bedingungen studieren. En H. Sierp, Untersuchungen über die große Wachstumsperiode. 435 Natürlich kann es meine Aufgabe nicht sein, die Endlänge nach jeder Richtung hin zu analysieren, d.h. alle in Betracht kommenden - Faktoren zu berücksichtigen. Die Anzahl dieser ist oft recht beträcht- lieh und zum Teil lassen sie sich nur sehr schwer oder auch gar nicht fassen. Ich beschränke meine Untersuchung nur auf zwei dieser das Lieht und die Temperatur, weil die Wirkung dieser beiden von allen am besten untersucht ist. Als Untersuchungsobjekt muß zumeist - die oben bereits als Beispiel benutzte Koleoptile von Avena sativa ın den Vordergrund gestellt werden, weil diese am meisten zur Unter- ‚suchung verwandt wurde und sich für unsere’ Zwecke am besten - eignen dürfte. 4 Will man die Wirkung eines Faktors bestimmen, so muß man bei der Untersuchung dafür sorgen, daß die anderen, welche ebenfalls - Einfluß auf das Wachstum haben, konstant bleiben. Von einer ge- - wissen Bedeutung dürfte nach dem oben Gesagten das benützte Material sein. Am besten wäre es, den Ausführungen Untersuchungen zugrunde zu legen, die von reinen Linien ausgehen. Solche liegen nun aber _ nicht vor. Man kann aber auch genügend brauchbare Resultate mit - einer gewöhnlichen Aussaat bekommen, wenn man von einer - größeren Zahl ausgeht und eine gewisse Auslese der Keimlinge vor- nimmt, so daß bei verschiedenen aber gleichen äußeren Bedingungen - aufgezogenen Kulturen der in Betracht kommende Mittelwert keine all- - zugroßen Differenzen zeigt. So ging ich in den an anderer Stelle (11) - veröffentlichten Untersuchungen vor, die den nächsten Ausführungen zugrunde gelegt sind, die zunächst den Einfluß des Lichts behandeln sollen. | I. Licht. i Die ne wurden in einem Kellerraum, der genügend kon- - stante Temperatur und Feuchtigkeit zeigte, zur Eieicklins gebracht. ' Das Ergebnis von Messungen bei verschiedener Beleuchtungsstärke - ist in der nächsten Tabelle wiedergegeben. Bei allen Beleuchtungsstärken ist die große Periode zu erkennen. Diese wird, wie wir sehen, durch das Licht in ‚ganz charakteristischer Weise abgeändert. Die fettgedruckten Zahlen in den einzelnen Verti- kalreihen zeigen uns das Maximum dieser. Wir sehen, daß es um so früher eintritt und im Werte um so niedriger ist, je. höher die E Beleuchtungsstärke war, der Abschluß des Gesamtwachstums findet - ebenfalls um so früher ein Ende, je höher die Stärke der angewandten Beleuchtung war. In der Dunkelheit konnte das Wachstum nur vier _ Halbtage verfolgt werden, weil hier sehr bald Nutationen ein weiteres E. Messen mit dem Horizontalmikroskop unmöglich machten. Bei ganz - schwachem rotem Licht ist das Wachstum erst nach 8 Halbtagen = vollendet, während es bei einer Beleuchtungsstärke von 4000 M.-K.') ; 1) Die Pflanzen wurden von oben beleuchtet. Die Lichtmenge, die die Pflanzen | E: „so bekommen, ist natürlich bei dieser Versuchsanordnung verhältnismäßig gering. 28* 436 H. Sierp, Untersuchungen über die große Wa tumsp RE bereits nach 3 Halbtagen ganz abgeschlossen ist. Kuscde können | die Zahlen aber auch noch etwas weiteres feststellen. Wenn wir die re der Horizontalreihen verfolgen, so sehen wir sie in den beiden ersten, B abgesehen von der Unr egelmäßigkeit in der ersten bei der Bel@ücktungs- 4 stärke bei 16 M.-K. von links nach rechts größer werden. Die Maxima der Horizontalreihen sind ın der Tabelle durch Unterstreichen kennt- = Tabelle 1. j { 2 | Be H 2 Fe Versuch 1 | Versuch 2 | Versuch 3 | Versuch 4 | Versuch 5 Beleuchtungs- schwaches N Be stärke dunkel rotes Eicht 1 6 ME 500 M.-K. 2000 MRS Temperatur \ 15.2—15,6 | 162-165 | 165-167 | 124 102 | 103 107 0 Feuchtigkeit 37—39 51-56 5456,5 | 50-585 | 27-282 | | | | 5 1. Halbtag 43 5,6 5,4 6,6 7,7 2% „ (Nacht) 6,1 7,8 8,1 Bee: 93 PER, 8,0 9,7 9,9 10,6 5,2 x 4. „ (Nacht) 93° 10,5 12,7 91 ; we eh nee 1 6, (Nacht) 14,4 160, 0.150. 08 on 6,7 4,9 0,8 3 8. „ (Nacht) 1,4 BE: , < Summe | — 70,4 646 46,37 * | Br lich gemacht. Es ist anfänglich das Wachstum größer, umso größer, je höher die Beleuchtung ist, unter der die Koleoptilen sich entwickeln. , Mit dem dritten Halbtag ist die Sache insofern etwas anders geworden, | als hier das Ansteigen der Werte nur bis zur Beleuchtungsstärke von 500 M.-K. anhält, während sie darüberhinaus wieder abnimmt Bei der höchsten hat Seh zu dieser Zeit bereits die später einsetzende hem- mende Wirkung durch das Licht bemerkbar gemacht. Diese gl, sich ° dann bei den folgenden Halbtagen Miet und früher. 2 2: 2a ve b* % & N Sn Bar» Ay Ast v ” H.. ea | uch über die große Wachstumsperiode. 437 Wenn wir a Birgebnis in Et ven LORRRVEER wollen, so be- ER Buchstaben in den. en Kurven Orten fen dh ver- ie: Beleuchtungsstärken und zwar so, daß die Kurve a den | Wachstumsverlauf der im Dunkeln aufgewachsenen Koleoptile, Kurve b den bei der geringsten zur Anwendung kommenden Beleuchtung, Kurve c, bei der nächst höheren u. s. f. wiedergibt. | "Wir müssen bei Beurteilung dieser Lichtkurven das eine bedenken, ah die Zahlen, welche uns diese lieferten, für einen verhältnismäßig sehr geringen Spielraum der Beleuchtungsstärken gelten. Wie bei höheren Beleuchtungen die Kurven aussehen, ist noch nicht geklärt. - Zudem gelten sie nur für die Koleoptile von Avena sativa. Für die Keimwurzeln von Pisum sativum fand beispielsweise v. Wolkofs?) Fair ‚Licht und im Dunkeln folgende Zuwachse: Tabelle 2 Im diffusen ee See | a ie Licht EB ZZ ant.bae| 195 mm | I6i mm ee = Dr 23, 0. „ 3 Sn 33 7 280; „ 210 ” > 4. „ 126 „ 113 » e Dei, IE, 78 ! in 5 Tagen | 923 mm | 715. mm Diese Ba sind ‚nicht sehr ln Immerhin wäre es - = nd die Größenmaße je ‚nach den den en ent- sprechend zu korrigieren sind. HT. een & ‚Fragen. wir uns nun, welche Endlänge muß aus diesen Lichtkurven ultieren. Im letzten Fall (Abb. 2b) sind die Verhältnisse ja ganz R es ‚hat immer die Kurve des Organs die größte Endlänge, 438 H. Sierp, Untersuchungen über die große Wachstumsperiode. welche unter der geringsten Beleuchtung stand. Beiden Lichtkurven2a haben wir zunächst einen fördernden Faktor, auf den ein hemmender 4 folgt. Die Endlänge ergibt sich aus der jeweiligen Größe dieser beiden Faktoren. Die Entscheidung, wie aus ihnen die Endlänge sich aufbaut, ist auch hier deshalb sehr einfach, weil es keine Frage sein kann, daß der fördernde gegenüber dem hemmenden ganz zurück- tritt. Dies geht deutlich aus den Zahlen der letzten Horizontal- 4 reihe, der Tabelle 1 hervor, die die Summe der einzelnen Zu- wachsgrößen bei verschiedenen Koleoptilen wiedergibt. Wir können also sicherlich allgemein sagen, daß die Endlänge um so größer ist, je geringer die Beleuchtungsstärke ist, unter der sich die Kolonne ent- wickelte. E Die Beleuchtungsstärken, die bis jetzt untersneht sind, sind wie gesagt, nur vorhälfnisäßis wenige, ich _glaube, man geht aber nicht fehl, wenn man folgendes Bild von der Endlänge der Koleoptilen, die bei verschieden starken Beleuchtungen aufwuchs, entwirft, wie dies ° durch die Kurve (Abbildung 3) deutlich gemacht ist, wo auf der Abszissenachse die Beleuchtungsstärke und auf der zugehörenden Ordi- ° nate die Endlänge aufgezeichnet sind. | | —> Endl/ange in mm 0 500 1000 2000 3009 +000 5020 6600 7000 6000 2000 10000 11000 12000 13000 M.K. “> Beleuchfungszfank® Die Kurve zeigt uns, daß der Zusammenhang zwischen diesem äußeren Faktor und der Endlänge ein recht einfacher ist. Die größte Endlänge hat die Koleoptile, die in Dunkelheit aufwuchs, d.h. unter den Beleuchtungsverhältnissen, bei denen die lichtkurve, den größten E Ausschlag und die größte Ausdehnung hat. Von da nimmt sie und zwar nicht gleichmäßig, sondern erst schnell und dann immer langsamer ab, sicherlich bis zu einer höchsten Intensität, wo keine oder fast keine Abnahme mehr möglich ist, denn unter ein gewisses Maß kann natürlich die Größe nicht herabgehen (vgl. die Ausführungen von Sachs (10) über die Beziehungen der spezifischen Größe der ° Pflanze zur Organisation). 2 Komplizierter liegen nun die an Dinge bei dem zweiten ; hierzu erörternden Faktor, der Temperatur. a 11. Temperatur. Wie wir bei der Betrachtung des Lichtes die _ Liehtkurven® ZU- nächst konstruierten und daraus die Endlänge ableiteten, so müssen wir entsprechend hier die „Temperaturkurven“ feststellen, d.h. H. Sierp, Untersuchungen über die große Wachstumsperiode. den Wachstumsverlauf bei den verschiedenen Temperaturen graphisch ‚aufzeichnen. Eine !ausführliche Abhandlung über diese, so wie sie v Bi da Fe n ee ee er ni u. m rm. 1 sviY ER N E j 4 u über -das Licht vorliegt, fehlt bei der Koleoptile von Avena sativa noch, Immerhin haben wir manche Daten in der Literatur, die uns gestatten, den Verlauf der „Temperaturkurven“, wenigstens ungefähr festzustellen. Die ausführlichsten Untersuchungen über den Einfluß der Tempe- ratur auf das Wachstum der Koleoptile von Avena sativa liegen von Vogt (13) vor. Leider waren seine Untersuchungen heben nur orientierende Beobachtungen und sind deshalb nicht so ausführlich ausgefallen, wie wir es hier wünschen möchten. Er beobachtet den genauen Wachstumsverlauf nur bei zwei Temperaturen. Diese beiden Beobachtungen seien hier wiedergegeben. Auf seine weiteren Unter- suchungen über die Endlänge komme ich später zu sprechen. Wachstumsverlauf von Avena-Koleoptilen in verschiedener Temperatur. Beide Kulturen A und B wurden zu gleicher Zeit angepflanzt; A kam in einen Thermostaten von 32,3°C., B in einen Raum von 15,3 C°. Die Zahlen sind Mittelwerte aus 18—20 Exemplaren. Anfangsläinge A = 4,3 Bb—=85 Zuwachsgrößen in ed 2221256 40,3: 10,5 6,4 L,1 B= 81 8,8 9,3.10,4, 11,7,.10,6 8,3 8,1, 6,8 6,5 3,2 2,8 1,4 Endlänge 90,7 B=104,5; Aus diesen beiden Beobachtungen geht nun aber eines mit Sicher- heit hervor, was Vogt mit folgenden Worten ausdrückt: „Wie unter # der Wirkung des Lichtes das Koleoptilwachstum eher zum Abschluß kommt als im Dunkeln, so hat auch höhere Temperatur den Erfolg, daß die Koleoptile früher ihr Wachstum £instellt und eine geringere - Länge erreicht, als in niederer, wo die Wachstumsgeschwindigkeit - zwar vermindert wird, die Wachstumsdauer aber eine sehr viel längere sein kann“ (8.201). Dies Ergebnis läßt sich ja aus den obigen Zahlen mühelos herauslesen. Bei den höheren Temperaturen haben wir gleich - anfangs ein höheres Wachstum, das seinen größten Wert schon am 2. Halbtage mit 16,3 erreicht hat. An diesem Tage hat bei der Tem- peratur von 15° ein lebhaftes Wachstum noch nicht begonnen, es setzt erst am nächsten Halbtag ein. Das Maximum beı 32,3° hat eine Größe von 16,3°, bei 15,3° nur eine solche von 11,7. Weiter ist das Wachstum bei den hohen Temperaturen 5 Halbtage und bei den = niedrigeren erst 13 Halbtage nach Beginn der Beobachtung abge- - schlossen. Es ist also bei niedrigen Temperaturen die Zuwachskurve el flacher, aber dafür um so länger ausgedehnt. - Daß eine Erhöhung der Temperatur wenigstens in gewissen Grenzen eine Vergrößerung der Wachstumsgeschwindigkeit mitbringt, ist immer beobachtet worden (Sachs (9), Askenasy) (1) und durch exakte Untersuchungen der letzten Jahre immer wieder bestätigt worden. Ich _ erinnere hier nur an zwei jüngst erschienene Arbeiten, die von Talma (12) und Graser (3). Talma untersucht den Einfluß der Temperatur auf das Längenwachstum der Wurzeln von Lepidium sativum. . Sie gibt ihre Ergebnisse mit folgender Abbildung wieder, 440) _ H. Sierp, Untersuchungen har die große Wachstumsporiode, In diesen’ Kurven gibt die ausgezogene Linie (Kurve A) den Wachs: tumszuwachs bei einer Beobachtungszeit von 3!/, Stunden, die ge strichelte (Kurve B) bei einer von 7 Stunden und die Kreuzchenlinie (Kurve C) bei einer von 14 Stunden Dauer an. 2 en B 3 ARCHE S 2 PFEIL Re ee Sem : 5 BERREIERSNIREEES EEE P- : Eee Kal] 2 S — SEO = SKI USt TEN TEN 4 HH gr = 2" 350 E D Temperaturen. & = E Bei diesen Versuchen wurde also nıcht der Wachstumsverlauf des E gesamten Organs studiert, sondern so verfahren, daß die Pflanzen bei = einer bestimmten Temperatur aufgezogen und nun in einem gewissen Zeitpunkt ın die zu untersuchende Temperatur gebracht wurden und 3 zwar die oben angegebenen Zeiten. Die Kurve © (Kreuzchenlinie), die den Zuwachs bei der längsten Versuchszeit zeigt, steigt nur bis = zu einer Temperatur. von 27° an, während bei den beiden anderen 3 Versuchen mit geringerer V ersuchszeit dieses Ansteigen bis 29° resp. 30° anhält, um dann erst steil abzufallen. Es macht sich die oben festgestellte Hemmung um so früher bemerkbar, je länger die Pflanzen 2 in der höheren Temperatur standen. ee 'Zu ganz ähnlichem Ergebnis ist auch Graser (3) beı ihren Unter- ‘suchungen über den Einfluß der Temperatur auf das Wachstum von Phycomyces gekommen. Sie. legte eine .achtstündige Zuwachszeit zugrunde. Ihre Kurve stieg bis zu 29,4° an um von da sehr steil ab- zufallen, bereits bei 34,2’ konnte gar kein Zuwachs mehr beobachtet ; werden. Aus den beiden Beobachtungen von Vogt über den Gesamt- _ wachstumsverlauf der Koleoptile von Avena sativa, dıe wir oben an- führten, dürfen wir weiter entnehmen, daß mit steigender Temperatur. erchreine auch die Maxıma brößer werden. Dies Ansteigen kann nun aber nicht beliebig weit gehen, denn wir stellten ja in der Kurve von Talma (Abb.4) und in den Beobachtungen von Graser fest, daß von einer bestimmten Temperatur an die Kurven wieder fallen. Wir sehen und werden besonders aus weiter unten anzuführenden Be- obachtungen V ogt’s sehen, daß je größer die anfängliche Ben ch ee TREE Ey ; u g: N % % | H. | Sierp, Untersuchungen über die große Wachstumsperiode. 441 P- ER um so früher und stärker die dieser folgende Hemmung sein muß. Diese letztere wird schließlich auch das Maximum heı ‚shdrücken. Es - wäre also von einer bestimmten Temperatur an anzunehmen, daß das Benz! wieder sinkt. Wo dies Sinken nun einsetzt, ist aus den Beobachtungen nicht zu entnehmen. In den zwei Messungen von Vogt, die den Wachstumsverlauf bei 15,3° und 32,3° ängeben; liegt das Maximum bei der höheren Temperatur höher. Das sagt _ nun aber keineswegs aus, daß dieses von den niederen bis zu den E- ‚höheren kontinuierlich gestiegen ist. An anderer Stelle seiner Aus- - führungen gibt Vogt einen Versuch, wo das Wachstum im Dunkeln bei einer Temperatur von 22,4 bis 22, 8° verfolgt wurde. Bei dieser 3 Temperatur finden wir, wenn wir aus allen Zahlen den Durchschnitt berechnen, für die einzelnen Halbtage, die in der folgenden Tabelle angegebenen Werte. Wir fügen diesen die beiden früher ADS Bewenen der Übersichlichkeit halber bei. Tabelle Br Halbtage 1 2 | 3 4 re e — [8188| 9,3 104 11,210,6 | 83 | 8.1| 6,8| 65) 321 28| 14 2228 45 6515,65 18,3112,1| 4,4| 1,4 pe 101165105 641 Ich hatte im Sinn, und die Vorbereitungen dazu waren bereits & _ getroffen, den Wachstumsverlauf bei möglichster Konstanz der äußeren 3 ‚Verhältnisse be en: verschiedenen an en, genauer wie dies a ber. enäigen Gas- und Elekirizitätsverkältnisse nicht redete Pen Da die Aussicht, diese Versuche ul ‚sehr ST on machte Kersuche wiederzugeben, die machır ae was wir hier zu sagen haben, deutlich machen können. Die folgenden Versuche unterscheiden sich von denen von Vogt (13) - in einem wesentlichen Punkte. Sie wurden nicht in Dunkelheit aus- Penn, a a einer ach von oben ne ae ne: at eahime des letzten Vorsichr ee ın einem Keller- _ raum vorgenommen, in dem sich diese Temperaturen im Laufe des 2 Jahres en. ‚Leider war dabei die Buezen nt immer die Instituts echetährt Die a wurden, so wie i&h dies an in deker Stelle En beschrieben habe, ausgesät und bei Zimmertemperatur zur 442 | H. Sierp, Untersuchungen über die große Wachstumsperiode. | 3 Keimung gebracht und dann im Kellerraum an Ort und Stelle be- obachtet. Es wurden gleichzeitig 10 Pflanzen, die im Kreise auf der horizontalen Scheibe eines Klinostaten aufgestellt waren, mit dem Horizontalmikroskop messend verfolgt. Jede der folgenden Zahlen un also den Durchschnitt aus je 10 Beobachtungen. / Tabelle 4. Halbtag | 8-9 10110 13-140 le 1 = = 1,90 9,09% 2 3: 2 = 0,84 2,20 3,25 625 3 = 100 2,98 2362 4 0,94 1,48 3,50 5,90 | 1220 ; 1,03 1,95 50.016 998 6,36 6 1,03 1,98 3,79 Se a 7 1,21 DIBe: Ken 0,30 S 1,55 2,49 5a De | Erg 2,01 2,50 3,65 0,52 10 2,03 2,65 1,96 11 2,45 ° 3,09 0,70 12 2,67 398. =:0,10 13 2980. 2ER 14 3,06 3,98 | = 15 3,22 2,44 = >> 16 3,09 1,98 17 | 2,54 0,88 18 1,90 0,53 19 1,40 0,30 & 20 1,07 0,10 2] 0,87..:: 0,05 22 0,53 93 0,58 94 0,45 25 1520,07 Endlänge 36,50 mm | 37,93 mm 38,71 mm 43,19 mm 33,02 a Wir bekommen aus diesen Zahlen in Verbindung mit den vorher besprochenen Ergebnissen für den Wachstumsverlauf der Koeloptile E von Arena sativa bei verschiedenen EenpPL EN en ungefähr das folgende Br System von „Temperaturkurven“, ; 2 Wie beim Licht, so müssen wir uns auch hier fragen, ‚weleho Ennd- länge ergibt sich aus diesen einzelnen Kurven? 7 ER, 7; F nd « + H. Sierp, Untersuchungen über die große Wachstumsperiode, 443 # Über diese hat zunächst Vogt (13) für uns sehr interessante Be- obachtungen gemacht. Er säte eine große Anzahl von Samen etwa 35—50 aus und ließ diese bei verschiedenen Temperaturen von 7’ bis 45° sich entwickeln, Die Temperaturen unter 20° stellten sich ım Laufe des Jahres in einem dunklen Kellerraum von selbst ein. Zur Erzielung konstanter Temperaturen über 20° dienten zwei durch Gas- flammen geheizte Zinkblechthermostaten mit Wasserfüllung. Nach voll- endeter Entwicklung wurden die Koleoptilen auf der Höhe der Samen- kornspitze mitveinem Skalpell abgeschnitten und ihre Länge bestimmt. Er 'kam dabei zu folgendem Ergebnis: | Tabelle 5. Einfluß verschiedener konstanter Temperaturen auf Endlänge und Wachstumsdauer der Koleoptile. Temperatur °C 2 5227334.021023.27287 18025 20,1.2.20,2.0:25,5:.:°72%8 Endlänge in mm 117,1 120,8 131,4°150,3 122,0 9,4 94,6 746 59,7 | I atiessdeuer in Tagen . ea. 30ca. 17 ca.14 ca.15 ca.) ) > all, Temperatur °C 333 334 -34,0°: 351. 42,0 Endlänge in mm 43,8 40;1:.:-838,0.: 35,7 0 Wachstumsdauer in Tagen 3 ara ug i Die Zahlen über die Wachstumsdauer bestätigen das vorher Ge- . sagte vollauf.. Sehen wir uns nun aber dıe Endlänge an. Aus den Lichtkurven bekommen wir für die Endlänge eine einseitig abfallende Kurve. Wenn wır in der entsprechenden Weise auch hier die Tempe- ' raturen auf der Abszissenachse und die jeweils bestimmte Endlänge auf der Ordinate abtragen, so hat nunmehr die Kurve, wie dies die ‚Abbildung 6 zeigt, ein Maximum, das allerdings bei der auffallend niederen Temperatur von 13° liegt. Sehen wir uns dagegen die Zahlen an, die ich bei meinen Ver- suchen für die Endlänge fand, so finden wir etwas ähnliches. Durch dıe Summation der an den einzelnen Halbtagen beobachteten Zu. | ‚ wachsgrößen bekommen wir ja ein gutes Bild von dieser?). Würden 3) Es muß diesen Zahlen noch durchschnittlich Smm hinzugerechnet werden, da die Keimlinge etwa 5—10 mm lang waren, bevör sie beobachtet wurden. 444 H. Sierp, Untersuchungen über die große Wachstumsperiode, wir von diesen auch em entsprechendes. Kurrenbild anart so. sehe dieses ganz ähnlich aus, nur liegt, wie schon gesagt, das Maximum etwas höher: bei einer Temperatur von 16—17°. Die Tatsache, daß hier dıe größte Endlänge bei einer so tiefen Temperatur erreicht wird, ist, wie dies Vogt auch hervorhebt, auffallend und sie wirft in dr Tat ein eigenes Licht auf den Zusammenhang zwischen Endlänge und großer Periode. Die Kurve (Abb. 5), die jene liefert, ist in dem obigen Kurvensystem, um sıe gleich kenntlich zu machen, stark aus- gezogen. Sie nimmt, wie wir sehen, gar nicht die bevorzugte Stellung ein, wie dies bei den Lichtkurven der Fall war, wo sie das größte Maximum und den größten Ausschlag hatte, sie liegt als eine ganz —> advejpu7 | 0 360 340 32° 30° 290 26° 240 220 20° 180 6° mo 12° 100 80 6° 42 =>Temperatur ” Abb. 6. zZ gewöhnliche zwischen den andern, sie hat weder das größte Maximum nn den größten Ausschlag von allen in Betracht kommenden. Diese unauffällige Lage ist sehr beachtenswert und sie dürfte bei der Frage, welches die Ursachen sind, die bei so tiefer Temperatur dıe größtmöglichste Endlänge bringt, sehr mit zu berücksichtigen sein. 4 Vogt hat sich nach den Ursachen des von ihm bei so außer- ordentlich tiefer Temperatur gefundenen Maximums der Endlänge, des Temperaturoptimums wie er sagt, gefragt. Für die Erklärung dieser Erscheinung sollen hauptsächlich zwei Gründe in Betracht kommen: „Einmal ıst es sehr gut denkbar, daß bei den infraoptimalen Tempe- raturen, Er ahnen von maßgebender Bedeutung sind, etwa derart, daß die Rena der ja stets etiolierten Keimlinge im. Laufe des über 15—30 Tage sich hinziehenden, langsamen Wachstums veratmet werden, ehe sie in normaler Weise zum Aufbau der ersten Blätter verwendet werden können. Anderseits wäre es leicht möglich, daß korrelative Beziehungen zwischen dem primären Laubblatt und der Koleoptile hier eine Rolle spielen, indem das Wachstum des Laub- hlattes durch niedere Temperatur weniger verlangsamt wird, als das ‚der Koleoptile, und deshalb der Durchbruch des Blattes durch die: Koleoptile und damit das Ende des Koleoptilwachstums relativ. früh - erfolgt“ (8. 204), Es wäre ja wohl denkbar, daß diese oder ahnlhe Ursachen ne der Endlänge mitsprechen, aber sie können niemals diese bei dieser tiefen Temperatur restlos erklären. Wir müßten ja dann beı dieser (13° C. bei Vogt (13), 16—17° ©. in meinen Versuchen) das größte Ausmaß der ‚Wirkung annehmen. Dafür liegt aber eigentlich kein (Grund vor. Wenn wır beispielsweise finden sollten, daß die Atmung bei 20° eine geringere ist als bei 25° und bei 15° „erriners ar bei 3 Re Sr { { L N M TE N a EEE ee ai 2 an Ba FR \ I 1) ” SF J “ a, IRINA NETTHE 11 U AU N X ka Je ur BR a ae a a EN Yı ei N" f ER ala Ehe u A h TE Jar a Dad nt va Kae LOE ar let y N \ > ET, ER tra un a Ed and al A rs Dal, Ara Are Far nz FR» ‚ Untersuchungen über die große Wachstumsperiode. 44 f 200 so Malte: nun, nach dem Verlauf der Temperaturkurven zu schließen, auch die Atmung bei 10° eine geringere sein als bei 15° und bei 5% eine geringere &bs: bei 10% Wir brauchen: also m. a; W: Es: der Temperatur, die die größte Endlänge liefert, nicht Halt zu machen und hier etwa die kleinste Atmungsgröße arinchmen. Würden E\ wir dies trotzdem durch Versuche feststellen, so könnte diese Er- - scheinung nicht primär wirkend sein, sondern es liegt dann viel näher, sie als eine sekundäre zu deuten. Die primären Ursachen liegen tiefer, sie sind in den Ursachen zu suchen, welche das ganze System beherrschen. Die Kurven lehren, daß durch gewisse, im einzelnen noch nicht näher ermittelte Ursachen das Maximum 'von einer bestimmten Temperatur an herabgedrückt und im System nach rechts und damit gleichzeitig die Wachstumsdauer | _ hinausgeschoben ist. Diese Ursachen, also der hemmende und fördernde En Faktor, wie wir sie immer genannt haben, sind es nun aber auch, En eiche die Endlänge beim Sinken der Ternperatar bis zu einem bes - stimmten Grade verlängern und welche mit Notwendigkeit bei einer ganz bestimmten Temperatur es zu einem Maximum dieser bringen. Wenn wir also bei so auffallend tiefer Temperatur die größte End- länge finden, so liegt dies ın genau den gleichen Gesetzmäßigkeiten begründet, He das ganze System beherrschen. Wollen wir die Ur- sache für die größte Endlänge ermitteln, so bleibt uns schon nichts ‚anderes übrig als zunächst nach den Ursachen jener Gesetzmäßigkeiten zu suchen. Wir werden weiter unten sehen, wie wir die beim Wachs- tum wirksamen Kräfte, die den Wachstumsverlauf bestimmen, in zwei Kräfte zerlegen Be Auf das Stadium dieser wird es u im wesentlichen bei dieser Frage ankommen. Die Endlänge erscheint uns in diesem Zusammenhange als etwas ganz Nebensächliches, Unter- geordnetes und als solche muß sie aufgefaßt werden. Die ganze Be- trachtung lehrt und die weitere wird es noch mehr zeigen, daß es seine Bedenken haben kann auf diese Größe allzu viel Wert zu legen, enigstens wenn es sich um den Begriff des Temperaturoptimums, den man für sie wohl gebraucht (z. B. Vogt (13) S. 204), handelt. Wir haben in den Temperatur- und Lichtkurven ein System von Kurven, das, wie wir sehen, von ganz bestimmten Gesetzen beherrscht wird. Ein solches System muß sich natürlich auch jederzeit aus Zahlen onstruieren lassen, da durch ein solches Zahlenbeispiel, vielleicht das zuletzt von den verschiedenen Temperaturen Gesagte am besten er- Jäutert wird, soll im folgenden eines mitgeteilt werden. Es handelt ich bei. dsem Beispiel nur um eine Möglichkeit, die uns zu einem Ass führt, es gibt natürlich deren viele. En der Kon- - re a DR a re * A4b H. Sierp, Untersuchungen über die große Wachstumsperiode, Wir wollen unsere Betrachtung der Einfachheit ae nur auf den aufsteigenden Ast beschränken und konstruieren diesen der Aus- gangskurve nach folgenden Regeln. Anfänglich sind» die Zuwachs- werte klein und werden dann größer und größer. Dabei verhalten sich die Zunahmen dieser Zuwachswerte an den einzelnen Halbtagen umgekehrt. Sie sind zunächst groß und nehmen mit andauernder _ Entwicklung ab. Natürlich kommen im einzelnen bei den verschiedenen Pflanzen ganz verschiedene Verhältnisse vor. Ich will in unserem Beispiel etwa mit eins beginnend zunächst fünfmal jedesmal zu der vorhergehenden Zahl immer eins addieren, so daß also die Zuwachs- werte an den ersten fünf Halbtagen sind 1, 2, 3, 4, 5; dann addiere ich nicht 5mal 1, sondern da die Zunahme der Zuwachsgrößen ge- ringer wird, 5mal hintereinander !/,, dann 5mal !/,,. dann 5mal !/, und schließlich 5mal !/,.. Ich lasse also der. Einfachheit halber die Zuwachsgrößen immer in einem Intervall von 5 Einheiten gleich Sein und lasse den Anstieg sich aus 5mal 5= 25 Zahlen, d.h. so viel Intervallen sich zusammensetzen, als jedes einzelne Intervall Zahlen hat. Danach hat die Kurve folgende Ordinaten: 1, 2, 3, A, 5, 5l/gs 6, 6", T, "a Br 8, um 8° 8°], 85, y, Ye; SB 99 rer Sie 9 96 Ne: : Ein Bild der Endlänge gibt uns die Summe all dieser Zahlen. Sie beträgt 182!/,. Das Maximum ist 91!/,,. Es ist immer die letzte Zahl und ist durch Fettdruck besonders hervorgehoben. Aus dieser Kurve bekommen wir nun eine bei niedrigerer Tempe- ratur gelegene, wenn wir einerseits das Intervall vergrößern und die zu addierende Zahl verringern. Ich wıll auch hier die Sache wieder ganz einfach machen und vergrößere jedes Intervall um eine Einheit und damit auch die Summe der Intervalle um ein weiteres, so daß also jedes Intervall nun 6 Zahlen hat und. wir ım «ganzen 6mal 6 Zahlen bekommen. Statt wie in der vorigen Kurve von I auszu- gehen, gehe ich nun von !/, aus und lasse diese Zahl ın jedem Inter- vall sich um die Hälfte verringern. Die Kurve hat danach die folgen- den ÖOrdinaten: | | a; 1; 1425 2, 21/9, 3, 3. 3° 3° 4, 4) 4°, Als, lg, zu 5, 5/5; "le, 5° le le 5/6: 5°] 10 ho 5 Del lggn 5°] ag 5 zn, 5°] a9, al Pr 5° gg, Deu; 5° es, 5°’ lea 5 lea I g4- Die Endlänge ist hier 165°!/,,. Durch Verkürzung der Intervalle und gleichzeitiger Vergrößerung - der zu addierenden Zahlen lassen sich in gleicher Weise die Kurven, die höheren Temperaturen entsprechen, konstruieren. Sie haben folgendes Aussehen: 2,4, 6,8, 9,.10,.11,.12,..128/,, 18, 181, 14, 1a, 12, a 5 3 4%X 4 = 16 Halbtage, Endlänge = 166!/,. \ EN "; nt a ar N 2 er RR: I es “ N Are Ri SZ Le er ” "R. Sierp, Untersuchungen über die große Wachstumsperiode. 447 Br 5. 8, 12, 14, 16,18, 19, 20,21. 3xX3=9Halbtage, Endlänge = 132. 8, 16, 20, 24. 2x2 =4Halbtage, Endlänge = 68. 16. 1 Halbtag, Endlänge —= 16. | ‘Wenn wir uns diese Kurven ansehen, so erkennen wir, daß eın gleiches System vorliegt wie bei den Temperaturkurven, wenn jede Zahl etwa den Zuwachs an einem Halbtag gleichgesetzt wird und 3 wir die einzelnen Kurven je nach der Endlänge einer entsprechenden Temperatur zuordnen. E: - Wir müssen uns bei allen diesen Überlegungen darüber klar sein, dab wir durch solehe Erörterungen uns nur ein ungefähres Bild der - Verhältnisse verschaffen. Genau werden wir mit rein mathematischen _ Überlegungen, geschweige denn mit solch rohen die Dinge bei leben- den Objekten schon deshalb nicht treffen, weil bei den höheren und 4 niederen Temperaturen noch andere Faktoren hinzukommen, welche, worauf schon Jost (5) hingewiesen hat, für den Physiologen ein weit größeres Interesse haben können. Am deutlichsten erkennen wir ja | 4 dies daran, daß die van t’Hoff’sche Regel nur innerhalb bestimmter 3 Een volle Gültigkeit hat, für die höchsten und niedersten trifft sie sicherlich nicht zu (vgl. Kanitz (7)). 4 Daß die gleiche Gesetzmäßigkeit auch bestehen bleibt, wenn wir F eins annehmen, daß die Pflanzen, deren Wachstumsverlauf durch ‚das u System von Kurven veranschaulicht werden soll, bei einer be- stimmten Beleuchtungsstärke gestanden haben, das kann die folgende ° - Ableitung zeigen. 72 »Durch eine Beleuchtung kommt in das Kurvensystem eine neue Tendenz hinein. Das Wachstum wird hauptsächlich gehemmt und \ 4 zwar zeigt sich die Hemmung in einer Herabdrückung der Zuwachs- - werte und einer ständig größer werdenden Verkürzung der Wachs- tumszeit. Wir können dies in den Kurven dadurch ausdrücken, daß "wir die Zuwachswerte um einen bestimmten Betrag verringern, etwa mit !/, statt 1 anfangen und die Anzahl der Zahlen in jedem folgen- - den Intervall gegenüber dem vorhergehenden um 1 verkürzen. Wir - bekommen so aus der obigen Ausgangskurve die folgenden Ordinaten: 3 a, E; 1! 2, 2/2, 2°], 3 3" In 32 Sg, 3° ]g, 37 /g; 3 >16) 4, 4! I32- | 2 544434241 = 15 Halbiage, Wir Shen das Maximum ist geringer und früher eingetreten. Ep: Endlänge beträgt hier 43”/,,. Sie ıst natürlich durch die Licht- _ wirkung wesentlich kleiner. Von der anfänglichen von mir festge- % - stellten Wachstumsförderung, wurde bei diesen Überlegungen ab- gesehen, da diese gegenüber der Hemmung ganz. zurücktritt, wie wir | dies schon gezeigt und später noch einmal zeigen werden. 448 H. Sierp, Untersuchungen über die große Wae | Die entsprechenden sad Kurven; sind die Folgenden: & ee a) für niedere Temperaturen ee Er I; 2 oe lo To bb 12m 1a ' 12], 295, 1775; 2, 2t/g, £ 23] li» 2 2 10 . 20:2 lan 2 Fe eye, 2 Be oe " ne 6+5+44+3+2-+1= 21 Halbtage, Endlänge =38”|,,. b) für höhere Temperaturen | E 2,34 2,5 ee 4—-3-+2-+-1= 10 Halbtage, Endlänge = 431, 2:46,27, 5281,28 1 2-1 = 6 Halbtage, Endlänge = = 352. 4,8, 10. 2+ 1=3 Halbtage, Endlänge = Ren Sr Halbtag, Endlänge = 8. Wir ‚stellen in der nächsten Tabelle einige ae sich aus diesen beiden Beispielen ergebenden Zahlen um sie besser übersehen EB zu können, zusammen. Dabei haben wir diesen gewisse, ungefähr zu 2 ihnen Schorsnde Temperaturen in der ersten vertikalen Reihe zu- ° geordnet. | E Tabelle 6. ‘Dunkelheit Lichte Zahl der. ls Zahlier - Temperatur Maximum Halbtage bis ee Maximum| Halbtage bis Endlänge "z zum Eintritt zum Eintritt 4 des Maximum | -——- |des Maximum 50 62, ap 176557, 1. 2] 21 2, 120 gi], 25 182, 4, 15° er 190 14 16 1661 , 6, 10 | 43%, 36» | 21 9 132 81], 6... 39 || 24 4 68 10:7: 400 16 Ben 16 Ba ee Wir sehen, daß es sich in beiden Fällen um eın ausgesprochenes Temperaturkurvensystem handelt und daß alles das, was oben von den wirklich beobachteten „Temperaturkurven“ SeRant, hier in gleicher Weise Gültigkeit hat. | \ w RE E ee 72 ar ) et y35 van Hi Sierp, Untersuchungen über die große Wachstumsperiode. A449 Be 2 den Versuchen die ich anstellte, standen die Keimlinge auch - im Lieht, während Vogt seine Versuche in Dunkelheit machte. Wir sahen das Maximum nach oben verschoben. Meine Versuche waren F- nicht sehr zahlreich und vielleicht auch nicht exakt genug um weit- ‚gehende Schlüsse aus ihnen zu ziehen. Immerhin ist es auffallend, dab auch im obigen willkürlich gewählten Beispiel bei Anwendung _ der obwaltenden gleichen Gesetzmäßigkeiten eine Verschiebung in den Maxima der Endlänge eingetreten ist. Es liegt bei den belichtet = gedachten Kurven bei einer Temperatur, die wir etwa nach den oben - ermittelten Temperaturkurven = 19° C. setzen können, während sie bei den dunkel gedachten Kurven bei der zweiten Temperatur, die wir =12°C. setzen können, zu finden ist. Ich bin hier der weiteren e mathematischen Analyse nicht nachgegangen. Das hat keinen Zweck _ weil die obigen Grundlagen noch nicht ausreichend genug sind. Es wäre aber immerhin möglich, daß es hier etwas ne was mit dem _ Wien’schen chinesgugstz in der Physik eine gewisse 2 Ähnlichkeit hat. 3 “Sicherlich werden die Verhältnisse bei den einzelnen Pflanzen en nn. Ich könnte mir z. B. sogar den Fall vor- E eewiehten, bei ren pflanzlichen en zwei ee auch mehrere opel auftreten, daß wir Es 2 bei ganz EDER Tempe- en ni läiche iuer ae Endlängen erhalten. Warum sollte nicht auch die Kurve in eine gerade Linie übergehen können, o daß wir also bei allen peu eine ungefähr gleiche End- 3 ‚handeln, die in dem obigen Beispiele len den einzelnen Zahlen beständen. Sehr: interessant nach dieser Richtung ist eine Angabe - von Graser (3) über den Einfluß der Temperatur auf die Endlänge von ZRyCom Yyces nilens: „träger, welche bei hohen Temperaturen ge- 3 Bisca eher solchen, die bei niedrigen Temperaturen gezogen en - Nur die Entwicklung ist in der höheren Temperatur eine beschleunigte. 3 Die Wachstumsdauer wird infolgedessen verkürzt.“ - = Was hier vom Wachstum a ist, ‚gilt sun von ana E a art; also auch ie für die Eh eodiary dee die bei der CO,-Assimilation verwendet wird, und in den bekannten { Versuchen von Mathaei (6) untersucht wurde, würden wir a \ irgendeiner Temperatur + zu einem Maximum führen. Es wäre & Rn 29 450 H. Sierp, Untersuchungen über die große Wachstumsperiode. ein sehr wichtiges Ergebnis, wenn etwa festgestellt würde, daß die genauer entwickelten Kurven mit den Wachstumskurven überein- stimmten. In diesem Falle hingen, was ja naheliegt anzunehmen, dıe Vorgänge eng zusammen. Es könnte aber auch sehr gut sein, daß andere Gesetzmäßigkeiten sich zeigten, die dann natürlich für die weitere Analyse sehr wertvoll wären. Eine bessere - Herauslösung aller dieser Gesetzmäßigkeiten wird eine dankbare Aufgabe der Zu- kunft sein und läßt sicherlich manchen interessanten Aufschluß über das Wachstum erwarten. | / Noch ein Begriff muß ın diesem Zusammenhang des weiteren besprochen werden: „das Temperatur- resp. Liehtoptimum‘“. Die Frage ist am eingehendsten für die Temperatur behandelt worden. Der erste, der diesen Begriff einführte, war Sachs (9). Dieser Forscher bezeichnet mit ıhm das Optimum der Wachstumsgeschwindig- keit, das zwischen einer Temperatur von 20 und 30° liegt. Nun hat aber dieser Begriff nach den Ausführungen von Blackman (2) einen ganz ‚anderen Inhalt bekommen. Jost (5) hat über diese Arbeiten bereits ın dieser Zeitschrift ausführliche Mitteilungen gemacht und die Ergebnisse kritisch behandelt. Es sei hier nur zum Verständnis das wichtigste noch einmal herausgeholt. chin ging aus von den bereits erwähnten Untersuchungen von Mathaeiı (6), dıe exakte Messungen über die CO,-Assımilation bei verschiedener Temperatur gemacht hat. Sie hatte ee jede Be- obachtungszeit ein Maxımum der Kohlendioxydmenge gefunden. Wenn auf der Abszissenachse die Temperaturen aufgetragen und auf den zugehörenden Ordinaten die gefundenen Mengen, so bekommen wir die in Figur 7 dargestellte ausgezogene Kurve I. Bei dieser handelt es sich um die in einer Stunde abgeschiedene CO,-Menge. Wird diese nicht für eine Stunde, sondern für eine längere Zeit (2, 3 u. s. w. Stunden) ausgeführt, so bekommen wir die in der gleichen Abbildung ° dargestellten Kurven II, III, IV. Wir sehen, daß durch die Zeit die sogenannte One verändert wird, daß also mit anderen Worten das Optimum keine feste Lage hat. Wie dies zu erklären ist, hat Blackman weiter auseinandergesetzt. Wir müssen uns näm- lich jede Kurve aus zwei Komponenten zusammengesetzt denken, aus einem fördernden und einem die Förderung hemmenden Faktor. In der nebenstehenden Figur 8 würde die Linie OA die fördernde Kom- ponente geben und die Linie DB die hemmende. Diese beiden setzen sich nun zu der tatsächlich. beobachteten Kurve OMC zusammen, dıe bei M ein Optimum zeigt. Daß bei dieser Lage der Dinge das Opti- ° mum kein fester Punkt sein kann, sondern von den verschiedensten ° Bedingungen, vor allem auch von der Vorbehandlung des Systems ° abhängt, liegt auf der Hand. Wäre der hemmende Faktor (Zeit- = faktor) nicht vorhanden, so hätte die Kurve überhaupt kein Optimum, sondern müßte durch die verschiedenen Temperaturen geradlinig. j A ae nn una Aal Al Zpscrogn aan ld y null aan Wil N... 201 1 Pin nun ar all al CA E an aın T a ra uhr nn nl al PN BE ne Aula nn na an il DE L H, Sierp, Untersuchungen über die große Wachstumsperiode. 451 ansteigen und erst bei der höchsten, die aber dann der Pflanze den Tod bringt, enden. 3 ’ Durch die neueren Untersuchungen von Talma (12) und Graser (3) ist sehr wahrscheinlich gemacht, daß die gleichen Verhältnisse auch _ für das Wachstum Gültigkeit haben. Ich verweise nur auf die auf 8, 440 angeführte Kurve von Talma, wo wir deutlich erkennen, _ wie bei längerer Beobachtungszeit das Optimum mehr nach niederen aipeyjJ2agoye/g wab 09 9 apun]s G oud bw ur 809 wissy -5 0 +5 10 15 2025 30 35 +40 oO = Temperatur 10 20 30 #0 50' 60° A Abb. 7. Abb. 8. Temperaturen verschoben wird. Bei 3!/,stündiger Beobachtung (aus- gezogene Linie, Kurve A) liegt dieses bei 30°, bei 7stündiger (ge- - strichelte Linie, Kurve B) finden wir es beı 29° und bei 14 stündiger -— (Kreuzchenlinie, Kurve C) bei 27°. Wenn wir in diesen Zahlen den - Temperaturquotienten Q,, bilden, so bekommen wir folgende Tabelle e (s Talma S. 391.) In dieser sind die Koeffizienten für die Kurve C bis zum Quo- tienten 27°/17° größer als die für die Kurve B und diese größer als die für die Kurve A. Nach diesem wird es umgekehrt. Die Ursache. für das verschiedene Verhalten vor und nach dem Quotienten 270/17 sieht Talmıa in dem Einfluß der großen Periode: „The cause of the ‘ ehanging relation between the three coefficients at 27°/17° ıs probably the influence of the great period of the growth, which will be the greatest at the optimal and infraoptimal temperatures which the roots endure without the rate of growth being harmed“ (S. 392). F-- Daß die große Periode bei der Bestimmung dieses Optimums sehr mitreden kann, das liegt nach dem vorher festgesteilten auf der ‚Hand. Es muß immer beı solchen Untersuchungen gefragt werden, wo in der großen Periode die Änderung der Temperatur vorge- E. nommen wurde, da ja diese durch die verschiedenen Temperaturen - sehr verändert wird. Die zu Anfangs über die Endlänge gemachten - Ausführungen gelten natürlich auch für die einzelnen Zeitabschnitte. Es können auch hier, wie Talma dies in der Tat für verschiedene N Beobachtungszeiten fand, die Endlänge einer mittleren Beobachtungs- a 452 zeit ı | der eine einem ie Br re: einem ad Ten. = kommt. Es gilt aber sch a gleiche für gleichgroße ee intervalle, bei diesen besonders, wenn sie nahe dem Maximum. ‚der großen Periode liegen. Aus solchen Überlegungen zeigt sich, wie wichtig die große Periode bei allen Größenbestimmungen. ist b und wie unzuverlässig alle Optimaangaben sind. Be ern Tabelle. 22877 ee 5 : Temperatur | er A 5 Zn u a | 3,6 4,7 52 = x 2 : 3,4 3,43 3,45 = \ 2,25 1,9 2,27 z ; 1,86 1,88 ee z - 1,81 1,83 1,9 ee Ä 1,86 1,79 1,64 ne ; 1,71 1,68 1,43 nz 5 1,59 157 19. > 5 0,49 0,33 0,13 = A 0,32 0,16 0,9 ” : 0,07 0,04 s sehr bedenklich es ist, ın ai TeuDer ale, die die Be Endlane = liefert, ein Temperaturoptimum zu sehen. So benennt, wie dies schon gesagt wurde, beispielsweise auch. Vogt die bei 13% festge- stellte größte Endlänge. Das Temperaturoptimum liegt bei der Koleoptile von Avena sativa, wenn dieser Begriff überhaupt noch _ einen Sinn haben soll, 6hanso wie bei gnapen ne Be 2572 vo iger Fer '* - EEE ee Me BE Se [2 » w 4 Dh, iD, ieh H. Be, Ba ehhngen über die große Wachstumsperiode. 453 und zeigt alle die gleichen Verhältnisse, wie sie bisher immer be- obachtet worden sind. Nehmen wir die Endlänge als Maß der Wir- kung der Temperatur, so ist nunmehr der so lästige Zeitfaktor zu _ allem Unheil, den er anstiftet, auch noch ungleich. = Eine "eigene Beleuchtung erhält in diesem Zusammenhang das - Lichtoptimum. Hier geht das Anwachsen-der Endlänge mit der Ver- ringerung der Beleuchtung Hand in Hand. Hier liegt es nahe die Rrsllänge als Maß für das Optimum zu wählen und das geschieht in der Tat auch ständig. Dies führt uns nun aber dazu in den un- 3 - günstigsten ökologischen Verhältnissen ein Optimum zu erblicken und gr zu dem müssen wir uns klar sein, daß wir hier dann den Begriff des‘ Optimums nun ganz anders definieren als bei der Temperatur. - Dort können wir ‘die Endlänge nicht gebrauchen und wählen statt dessen die Steigerung der Wachstumsgeschwindigkeit in dem auf- 2 steigenden Ast der großen Periode innerkalb eines bestimmten Zeit- 3 abschnitts, hier können wir letztere nicht gebrauchen und. wählen statt dessen die Endlänge. Wir sehen eben immer mehr ein, was andere (z. B. Black man (2), - Pantanelli (8), Jost (5), und ändere) auch betont haben, daß der . Begnil des Optimums sehr variabel und unbestimmt ist und daß er vielleicht ganz fallen zu lassen ist. Hier denke ich natürlich einzig und allen an das physiologische Optimum, das ökologische lasse ich 2 . ganz aus dem Spiele. Statt nach dem Optimum zu suchen, erscheint E: es. mir eine viel wichtigere Frage, wie derartige Kurven in ihre beiden E ‚Komponenten in den fördernden und hemmenden Teil zu zerlegen = sind, die ja das ganze Kurvensystem beherrschen: B. Über die Zerlegung der großen Wachstumsperiode. = "Wir müssen auch daran denken, die große Periode, wo ja auch E: variable Optimum (Maximum) auftritt, in zwei solche Faktoren zu zerlegen. Wenn wir uns den Be chstemsverlauf, die große $ riode also, ansehen, so sind die Übereinstimmungen mit den übrigen = Kurven, die uns Lebensprozesse darstellen, ganz auffallend. Auch hier haben wir immer zwei Faktoren, eine F örderung und eine Hemmung gefunden. Was liegt also a als hier die gleichen ee e: anzustellen und die beiden obigen Kurvensysteme weiter zu analy- zZ sieren. Da diese bei verschiedenen Beleuchtungsstärken anders aus- 2 fallen als bei verschiedenen Temperaturen, so müssen uns diese bereits schon etwas weiteres sagen können, es müssen dort dann E, . zwischen Hemmung und Förderung gewisse Beziehungen bestehen. Es ist nicht schwer diese era achgler. ; a) Temperaturkurven. Wir gehen etwa in der Abbildung 9 von- den beiden Kurven I, E- der ‚ansteigenden und der absteigenden aus. Diese beiden geben die K ice Kurve I. Es fragt sich nun, wie bekomme ich aus dieser 454 H. Sierp, Untersuchungen über die große Wachstumsperiode. deren Maxımum früher eintritt und höher liegt und dessen Wachs- tumsdauer geringer ist. Wir wissen, daß eine Temperaturerhöhung das Wachstum anregt, mithin haben wir sicherlich die aufsteigende Linie I steiler zu zeichnen (Linie II Abbildung 9). Ließen wir dabei die Hemmungslinie (absteigende Linie I) gleich, so kämen wir zu einer gestrichelten Kurve II. Ein Kurvensystem, das aus solchen sich zusammensetzt, hat aber ein anderes Aussehen wie die Tempe- raturkurven. Anders wird die Sache, wenn wir mit einer Steigerung der aufsteigenden Linie gleichzeitig eine stärkere Wirkung der Hem- mung annehmen, also den absteigenden Ast gleichzeitig stärker fallen | a = lassen. In der Abb. 10 ist in den beiden Ästen II das geforderte ; ausgeführt. Die gestrichelte Kurve II, die sich aus diesen beiden Komponenten II ergibt, ist nun in der Tat eine solche, welche den gewünschten Ansprüchen genügt. Wir können daraus entnehmen, ' daß eine Veränderung der Temperatur eine gleich starke Veränderung beider Faktoren zur Folge hat, eine entsprechende Erhöhung wirkt fördernd und hemmend in gleicher Weise. Es zeigt sich also für die Temperatur, daß bei einer Erhöhung dieser ungefähr die Formel gilt: Zunahme der Förderung = Zunahme der Hemmung. Anders müssen die Verhältnisse beim Licht liegen. b) Lichtkurven. Die Kurven der Abb. 9 könnten auf den ersten Blick als Licht- kurven, wie sie etwa die Abb. 2b zeigt, angesehen werden. Sie kommen aber hier deshalb nicht in Frage, weil ja so eine Steigerung der Beleuchtung eine Kurve mit größerem Ausschlag ergebe. Die Verhältnisse liegen hier gerade umgekehrt. Lassen wir hier die fördernde Komponente nicht ‚stärker werden, sondern im Gegenteil diese gleich, dafür aber den absteigenden. Ast (hemmende Kompo- nente) größer, steiler nach unten abfallen lassen, so bekommen wir nun ein Kurvensystem (Abb. 11), das dem wahren Sachverhalt schon viel näher kommt. Diese Lichtkurven lassen sich, wenn wir sie mit den Temperaturkurven vergleichen, nur durch die "Annahme erklären, daß das Licht weit stärker auf den hemmenden Faktor wirkt, al auf den fördernden. Wir können hieraus allerdings nicht schließen, daß das Licht nicht auf den fördernden Ast auch einwirke. Öben - m. » H. Sierp, Untersuchungen über die große Wachstumsperiode, 455 haben wir den Gedanken ausgesprochen, daß die beiden Lichtkurven- systeme 2a und 2b vielleicht in Verbindung zu setzen sind, in der Weise, daß die Kurven der ersten Abbildung für niedere, und die letzteren für höhere Beleuchtungsstärken Geltung haben. Fragen wir uns zunächst einmal, wie die beiden. Komponenten gesteigert resp. gehemmt werden müssen, wenn wir ein Kurven- system erhalten wollen, das den Lichtkurven 2a entspricht, also en solches, dessen Kurven sich immer im aufsteigenden Ast der großen Periode schneiden. Hierin unterscheiden sich die Lichtkurven ja von den Temperaturkurven, wo wir auch ein Sichschneiden der Kurven any) 4 6 EI TE ERT: Abb. 11. finden. Damit hängt es zusammen, daß das Maximum bei ersteren ‚bei der Kurve, die anfänglich höher liegt, niedriger ist, während es bei letzteren wenigstens von der Kurve an, die das größte Maximum hat, gerade umgekehrt ist. Ein solches Kurvensystem erhalten wir, - wenn wir den fördernden Ast heben und gleichzeitig damit den hem- » menden nicht in der gleichen Stärke wie bei den Temperaturkurven (Abb. 10), sondern etwa doppelt so stark nach unten fallen lassen. In der Fig. 12 ist dies geschehen und wir sehen, daß in der Tat ein Kurvensystem, das den Lichtkurven in der Abb. 2a entspricht, ent- steht. Wir erkennen hieraus deutlich den Unterschied gegenüber den Temperaturkurven, während dort die Hemmung in dem gleichen Maße wie die Förderung zunimmt, ist bei dem Licht die Hemmung ‘gegenüber der Förderung eine größere. Hier würde als entsprechende Formel gelten: Zunahme der Förderung < Zunahme der Hemmung. Wenn die Zunahme der Förderung geringer ist als die Zunahme der Hemmung, so können dabei die absoluten Werte dieser Größen natürlich ganz verschieden sein. Ein Wachstumsverlauf, wie ıhn die Lichtkurven 2a darstellen, sagt sogar direkt aus, daß der absolute Wert der Hemmung bei geringen Beleuchtungsstärken kleiner sein kann als der der Förderung. Ein Beispiel wird dies gleich klar machen. Ich will für einen Punkt des aufsteigenden Astes der Kurve, etwa dem am Ende des ersten Halbtages, die Veränderung studieren. Eine Erhöhung resp. Erniedrigung der Beleuchtung soll für die in dem Beispiel gewählten Stärken so sein, daß die Förderung etwa für ee _ un DD #- et, > er = En 456 H. Sierp, Untersuchungen über die große Wachstunsperide jede folgende Beleuchtungsstärke immer verdoppelt, die Hordranng Be aber verdreifacht wird, resp. um diesen Faktor abnimmt. Der Kurven- punkt setzt sich dann_aus der Differenz dieser Zahlen zusammen. Wır kommen diese Gesetzmäßigkeiten zugrunde nn etwa zu folgen- 3 den Zahlen: Beleuchtungsstärke 1 1, 2 PB: is » 2 I Yz le : 3 2 = te : 4 4 3 - 5 8 gr ee : 6 16 27 wer Diese Zahlen lassen sich nach oben und unten natürlich in be- liebiger Weise fortsetzen. Sie lassen sich auch in verschiedenster Weise variieren. Immer wird aber die Gesetzmäßigkeit die gleiche bleiben, so lange die Hemmung in stärkerer Weise zunimmt als die Förderung. Immer steigt so bei einer Erhöhung der Beleuchtungs- stärke der Kurvenpunkt bis zu einem Maximum an, um von da an wieder zu fallen. In irgendeinem Punkt wird die Hemmung gleich der Förderung sein. Bei noch stärkerer Erhöhung liegen die Kurven- punkte dann alle unter der Kurve, die bei der er Beleuch- tungsstärke aufwuchs. Nach diesen Überlegungen sollte also ee das Karen system sich nicht, wie wir es oben (8. 437) vermuteten, in zwei Teile auflösen, in in drei. Bei geringen Belstchtünsns se wird mit der Stöigerüng dieser der aufsteigende Kurvenast ebenfalls steigen. Dieses hält bis zu einer bestimmten Stärke an. Diesen Teil würde die _Abb.2a geben. Nach diesen folgen nun aber solche, wo der Ast wieder bis zu der Kurve, die den Wachstumsverlauf in Dunkelheit gibt, herabsinkt. In dem dritten Teil schließlich liegen die Kurvenpunkte alle unter der letzteren. Dieser letzte ist durch die Abbildung 2b veranschaulicht. Wie nach diesen Überlegungen die wahren Licht- kurven in ihrer Gesamtheit aussehen, kann man sich leicht ‚selbst zurechtlegen, Alle diese DE er leiden an ER Übelstand, daß sie sich auf zu wenig Tatsachenmaterial stützen. Es wird die Aufgabe der Zukunft sein, hier immer korrigierend einzugreifen. Ein besonderes Interesse werden die Kurven haben, die nahe den Kardinalpunkten liegen, also an den Punkten, wo überhaupt noch eine Entwicklung möglich ist. Beim Licht sind diese Punkte nicht so leicht zu fassen und vielleicht eignen sich die Lichtkurven gerade aus diesem Grunde besonders zu einer mathematischen Analyse. Anders liegen aber die Verhältnisse bei der Temperatur. Hier lassen sich solche Ableitungen nur für einen bestimmten Temperaturbereich machen. Daß in der Nähe des Maximums und Minimums solche rohen mathematischen U ber- legungen nicht ausreichen, folgt ja einmal schon aus der Tatsach e, Förderung Hemmung Kurvenpunkt 2 nad Var ER ale HESS TR au) ä e vo Er % u - 4 | r er “ wre er +: e Ri je ‚ Untersuchungen ber die große Wachstumsperiode. 457 Bi Br AP ir dab. 3 die van tHoffsche Regel nur innerhalb bestimmter Tempe- Er kuren Gültigkeit hat. Sodann können wir dies auch direkt aus den obigen "Überlegungen entuehmen. Wir kamen ja zu Temperatur- kurven durch die Annahme, daß die Hemmung um das gleiche Maß zunimmt wie die Förderung. So können wir aber nur die Kurven Sn hinauf zu etwa 25°, also zu der Kurve, die das größte Maximum hat, erklären. Für höhere muß zum. mindesten auch die Zunahme ie ‚Hemmung wieder eine größere sein, sonst, könnten diese Kurven E nicht. ein gleiches Aussehen haben wie die Liehtkurven. Es kommt also bei diesen hohen Temperaturen noch etwas, und zwar etwas E Hemmendes hinzu, welches den mittleren Mernperaturen abgeht. Es hat keinen großen Zweck hier auf weitere spekulative Unter- % uchungen® weiter einzugehen. Wir müßten, wollten wir dieses tun, _ uns immer ‚sagen, daß hierzu En Peuuolagen fehlen. Das, was wir Vermögen uns hier sobridgen und Seen vielleicht. en Ergebnisse zeitigen. men; Anfang Fehr 1920. u” SR 7 era, SE y, “Über einige Beziehungen zwischen Wachstum und Temperatur. Be- .. ziehte D. bot. Ges. 8. 1890. 32. Blackm an, Optima und limiting Factors. Ann. of Bot. XIX. 1905. Ir Gras: er; "M,, Untersuchungen über das Wachstum und die Reizbarkeit der Spo- Ba: rangienträger von Phygomyces nitens. Beihefte Bot. Zentralbl. 1919. . Johan nsen, Über Erblichkeit in Population und in reinen Linien. Jena 1913. lost, L,, Über. die Reaktionsgeschwindigkeit im Organismus. Biol. Zentralbl. SRXUI 1906. Mesh GEE. Far Experimental resarches on vegetable assimilation and respi-/ ration TIL. ‘On the effect of temperature on carbon dioxyd assimilation. Trans- = act, Roy. Soc. Bu I Bertz, zAr Temperatur und Lebensvorgänge. Berlin 1915. > Pantanelli, E., Abhängigkeit der Sauerstoffausscheidung belichteter Pflanzen von „äußeren Bedingungen. Jahrb. f. wiss. Bot. 07 ee ze "stündlichen A täglichen Kae des an w sehshumns ee der > Internodien. Arb. Würzb. Inst. 1872. I. 0. 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Ich hatte ım Laufe der früheren Arbeiten wiederholt Gelegenheit darauf hinzuweisen, wie die Knospen sich gleichzeitiger Re- generation gegenüber verhielten, insbesondere wie die zuihrer Bildung vorhandenen Tendenzen und Potenzen ım allgemeinen stärker sind als die der Regeneration. Die zusammenhängende Beschreibung hier soll ° diese eingestreuten Bemerkungen noch einmal kurz zusammenfassen, = stützen und durch neue Versuchsanordnungen erweitern. Über die ersten Vorgänge, die zur | Bildung der Knospen führen, habe ich ausführlichere eigene Versuche nicht gemacht, da mir durch die neueren Arbeiten von Hadzi und Tannreuther die Ver- E hältnisse genügend geklärt scheinen. Ich möchte dıese Resultate hier ım Auszug wiedergeben und die auf Grund meiner Untersuchungen gewonnenen eigenen Ansichten anfügen. EB Während ım allgemeinen angegeben wird, daß bei Hydra die 4 Knospen als einfache Ausstülpung der beiden Körperhälften ı entstünden, verläuft nach Hadzi die Knospung nicht so einfach. Sie wird er . mehr eingeleitet durch „lokale Aktivierung“ der interstitiellen Zellen, d. h. diese Elemente, die auch die Geschlechtsprodukte liefern, be- E ginnen sıch zu vermehren und zu vergrößern, eine Beobächtuns, die auch Tannreuther durch seine Versuche bestätigt. Auf diese Weise entsteht dann eine kleine Vorwölbung der Körperwand, aus neuem, undifferenzierten Material, das, wie ich hinzufügen möchte, schon auf ° ziemlich frühen Stadien auch bei lebenden Tieren als dunkler Fleck sichtbar ist, da die jungen Zellen viel dichter stehen als die normalen Ektodermelemente. Jeder Schnitt durch eine Knospe bestätigt dies. Eine solche Art von „Vegetationspunkt oder Vegetationszone“ der künftigen Knospe muß auch schon vorhanden sein, ehe irgendwelche äußere Anzeichen sichtbar sind, da nach meinen Beobachtungen aus einem herausgeschnittenen Mittelstück ein oder zwei Knospen neu entstehen können, wenn es der Knospungszone entnommen ist. | Nachdem so. durch das Wachstum der interstitiellen Zellen der Anstoß zur Entwicklung gegeben ist, geht die Weiterentwicklung der Knospe in der Weise vor sich, daß auch im Entoderm solch ıindiffe- rente Zellen häufig werden; und zwar sind sie nach Hadzi nicht u IP Sin shtn W. Goetsch, Neue Beobachtungen und Versuche an Hydra. 459 dort im inneren Keimblatt selbst durch Teilung entstanden, sondern durch Einwandern aus dem Ektoderm dorthin gelangt, wobei die Stützlamelle durchbrochen werden muß. Das Knospenentoderm ent- ‚steht demnach durch gänzliche Neubildung und nimmt keine alten, bereits irgendwie differenzierten mütterlichen Zellen auf. Und da nach Hadzi auch im Ektoderm die indifferenten Zellen durch Neu- bildung in so großer Zahl entstehen, daß die alten Gewebeteile fast völlig verdrängt werden, ist vielleicht die ganze Knospenanlage aus gänzlich neuem, indiffärenzierten Material entstanden. Durch Keiiges Wachstum der neugebildeten, in embryonalen Zu- stand befindlichen indifferenten Zellen nimmt nun die zuerst als kleine Erhebung kenntliche Knospenanlage an Größe zu. Die zunächst halb- kugelige Vorbuchtung streckt sich dann nach und nach in die Länge "und nimmt eine zylindrische Gestalt an. Nachdem eine gewisse Größe erreicht ist, beginnen die Tentakel hervorzuwachsen, wo- _ durch dann die Knospe im wesentlichen die Gestalt des Muttertiers erlangt hat. Sie sitzt noch eine Zeitlang mit der ganzen Breite des Zylindermantels an dem Muttertier auf und wird von ihm noch - ernährt, bis sie eine gewisse Selbständigkeit erlangt hat, d. h so- lange, bis die indifferenten jugendlichen Zellelemente sich soweit - differenziert haben, daß sie ihre normale Funktion ausüben können. Ist diesgeschehen und haben als letzte Differenzierung dıe am unteren Ende befindlichen Ektodermzellen sich in drüsige Zellen verwandelt, wodurch das junge Tier einen Fuß zur Anheftung erhalten hat, dann löst sich normalerweise die Knospe vom Muttertier ab. Das Hauptwachstum der Knospen geschieht nach Tannreuther - durch seitliche Zellen, besonders durch diejenigen, ‘welche an der Verwachsungsstelle des Mutter- und Tochtertiers legen, während die Spitze inaktiv ist. Dies halte ich nicht für richtig; denn wenn man das vordere Teil einer wachsenden Knospe hachneider, so wächst es weiter und kann sich nach und nach zu einer vollständigen Hydra entwickeln; die Tentakelbildung insbesondere wird durch das Ab- schneiden Sicht gehemmt, so daß sicherlich auch die Spitze Wachs- tumspotenzen besitzen muß. Wir werden später noch darauf zurück- zukommen haben und dann sehen, daß es sich wirklich um eine Weiterbildung handelt und nicht um eine Regeneration. - Der Entstehungsort der Knospen am Muttertier kann bei Hydra sehr verschieden sein; bei Hydra fusca entstehen die ersten Knospen stets an der Stelle, wo der Magenabschnitt in den Stiel übergeht. Jede folgende Knospe entsteht an einer etwas höher liegenden Stelle als die vorhergehende, und zwar in einem Abstand von etwas mehr als 120° wie Hertwig angibt. Die Verbindungslinie sämtlicher Knospen, die nach und nach an einer Hydra fusca entstehen, bildet dann eine Spirallinie, die bei Tieren mit gutem Ernährungsstand eng ist, während sie sich bei schlecht ernährten weiter auseinanderzieht. Hydra viridis folgt in der Knospenentwicklung ungefähr fusca; genauere Beobach- De +% > \ hatt . (> En, an Rx 3 AR = Br a 460: W. Goetsch, Neue Beobachtungen und Versuche ın H: Ä 3 1 tungen habe ich noch nicht darüber gemacht und auch keine Angaben 4 darüber gefunden. H. gresea. soll slöichzeitie immer zwei Knospen besitzen, die sich gegenüberstehen, das folgende Paar bildet sich dann in einer etwas höheren Ebene, zu dem vorhergehenden Paar gekreuzt. Bei allen Formen läßt sich also eine Gesetzmäßigkeit in der Knospen- entwicklung finden und dadurch ımmer Veran wo ss die nächste Kılssne entstehen wird. Bei der Regeneration von Teilstücken mit gleichzeitig. vor sich gehender Knospenentwicklung haben bei Hydra die Knospen stets den Vorrang vor der Regeneration. Eine intakte Knospe oder Knospenanlage wächst stets weiter, gleichgültig auf welchem Entwicklungsstadium sie sich befindet. Bei einer größeren Knospe, die bereits vor oder nahe vor der Ablösung steht, ist dies ja nicht weiter zu verwundern; sie hat dann ihre Entwieklung- bei- nahe vollendet, und die Bildung der Fußscheibe, die noch fehlt, kann 4 durch die Umbildung der untersten Elemente in Drüsenzellen vor sich gehen, ohne daß eine Materialzufuhr von seiten des Muttertiers nötig ist. Sie kann sich dann nach einiger Zeit ablösen, worauf das Mutter- 4 tier regeneriert. Aber auch u Knospen, z. B. solche, die ers ganz kleine oder noch gar keine Tentakel besitzen, werden in ihrer E Entwicklung nıcht gehemmt. Die Tentakel beginnen vielmehr nach einigen Tagen hervorzuwachsen, das Tier wird größer und iekelte sıch weiter wie eine normale Knospe. Ja sogar wenn äußerlich noch nicht die geringste Spur einer Knospenentwicklung sichtbar ist, ent- stehen, sofern essich um Teile der Knospungszone handelt, neueKnospen. E> a also keine Teile eingeschmolzen und zur Regeneration 3 des Muttertiers u wie wir dies bei der geschleehtlichen Fort- pflanzung fanden. Die kleinen und kleinsten Knospen können nun sich ohne weiteres. e zu vollwertigen Tieren entwickeln, da sie entsprechend ihrer geringen Größe noch nicht genügend mit Material versorgt sind. Sie bedürfen i also noch der Zufuhr, und hemmen dadurch die Regeneration der. Muttertiere. Am typischsten ee ich diese Entwicklung der Knospen auf Kosten der mütterlichen Teilstücke beobachten an knospenden Exem- plaren von Hydra fusca, d«nen der Kopfteil abgeschnitten war. Diese Versuchsanordnung ist deshalb am günstigsten, weil die Neuherstel- lung des Mundfelds mit den Tentakeln die Regenerationskraft in Höheren Maße beansprucht als die Neubildung nur der unteren Teile, 2 = deren Fehlen die Selbständigkeit des Tiers nur in minimaler Weise schädigt. So kommt es auch, daß es für den Endeffekt des Versuchs gleichgültig ist, ob nur der Kopfteil entfernt ist oder Kopf und Fuß, d. h. ob wir es mit einer unteren Hälfte zu tun haben oder mit einem -Mittelstück aus der Knospungszone. In beiden Fällen ist das Resultat das gleiche: die Knospe entwickelt sich zu einer vollständigen ee 4 und nach und nach den Rest des Muttertiers völlig in sich auf- nehmen. ; | ee 2 EN ’ SR RER FR ENTE t 4 B- = SIR a: ar re ER, w. sach, re Be sioyen und Versuche an Hydra. 461 = einzelnen geht diese Entwicklung so vor sich, daß nach Ent- fernung eines Kopfabschnitts untere Teile mit Knospenanlagen ZUu- nächst die Wunde schließen ; dies ist nach ganz kurzer Zeit geschehen. Die Knospe wird .durch eine solche Operation nicht beeinflußt; sie wächst weiter wie eine normale Anlage. Das Teilstück dagegen, das ohne Knospe nach kurzer Zeit anfangen würde, neue Tentakel her- . vorsprießen zu lassen, beginnt an seinem öberen Ende nach einer rleinen Streckung in die fance die indes nur kurze Zeit anhält, sich "immer mehr zu verkürzen. Dadurch gewinnt es den Anschein, als ob die Knospe | immer höher hinaufrückte. Es kann dies so stark geschehen, daß ein Aufrücken und Hintreten an die Stelle des abgeschnittenen Kopfes vorgetäuscht werden kann. Hat die Knospe funktionsfähige Tentakel ausgebildet, so beginnt nach wenigen Tagen an ihrem Basal- teil eine Fußscheibe zu entstehen, die nach einiger Zeit auch gebrauchs- - fähig wird. Die Knospe ist somit zu einem es, Tier geworden, mit Kopfteil, Tentakel und Fuß; dies neue Tier ist aber immer noch _ mit dem Reststück der Mutter verbunden, das mit dem Größer- B- werden der Knospe immer mehr an Ausdehnung abgenommen hat. E ‚Als Beispiel für diese Vorgänge ist in Fig. 1 a—e ein Versuch E @ y® skizziert. In a sehen wir eine Hydra viridis mit junger, ten- e Be 2 1%: j 5 Er : LE | e Er 1. Wachstum = Knospe einer geköpften Hydra und fortschreitende ee des Stumpfs. a unmittelbar nach der Operation, e 7 Tage später. akelloser Knospe, deren Kopfteil am 23. X. 19 entfernt worden war. Am 24.X.19 hatte die Knospe Tentakel angelegt (b), während der Stumpf oberhalb der Knospenanlage sich ein wenig verkürzt hatte. Diese Verkürzung war am 25. X, weiter vorgeschritten (c) und ging auch in den folgenden Tagen weiter, bis am 28. X. der Teil ober- halb der Knospe ganz geschwunden war (d). Es begann nun die Ausbildung der Fußscheibe, die bei. Fig. 1d links schon als kleine Erhebung. sichtbar ist und am 30. X. die Ausbildung erreicht hatte, wie sie Fig. 1e zeigt. Sie war auf diesem Stadium auch bereits funktionsfähig, sodaß das Tier sich mit ihr anheften konnte. Der intere Restteil der Mutter, der mit der Knospe durch einen dünnen 91 dungsstreifen zusammenhing, hatte ebenfalls noch die Anhef- | seit, ‚so Fre Ahuhene Bde En ehen konnten wie Fig. 2a. 462 \W. Goetsch, Neue Beobachtungen und Versuche an Hydra. % =“ i Bis zu diesem Stadium konnte ich sowohl bei Hydra fusca wie bei HM. viridis ein gleiches Verhalten beobachten; von da an gab es 4 jedoch einige Modifikationen, und es ließ sich durch verschiedene Bedingungen die W eiterentwicklung variieren. Wurde den Hydren Futter gereicht, so lösten sich in jedem Fall die Knospen bald ab. Ließ man sie dagegen hungern,.so konnte die Rückbildung der Stumpf- reste weitergehen. Bei H. fusca, meinem Straßburger Material, ge- schah dies regelmäßig; die Reste des Muttertiers wurden immer kleiner, und nach einiger Zeit büßten die Füße ihre Funktionsfähig- keit in Dann wurden die Reste immer mehr zurückgebildet und verschwanden schließlich vollständig. | 73 Bei Hydra viridis, mit denen ich 1919 in Würzburg arbeitete, ließ sich ähnliches beobachten, jedoch nicht immer. Es konnte viel, 2 mehr vorkommen, daß ın dem Stadium, wie es Fig. 1c zeigt, auch an den Fußteilen der Muttertiere ogoueraien Prozesse auftraten. Fig. 2a—b zeigt derartige Vorgänge. Sie stellt ein Tier (25 x) dar, ° das ebenso wie das der Fig. 1 behandelt wurde, und dessen Ent- ° wicklung auch in gleicher Weise verlief. Eine kleine Abweichung ° Fig 2. Regeneration eines unteren Teilstücks nach vollständiger Ausbildung der Knospe. war nur insofern zu beobachten, als die Knospe von Anfang an sich _ an ihrem Basalteil etwas mehr eingeschnürt hatte. Außer dieser kleinen Differenz zeigte sich bis zu dem Stadium, das der Fig. 1e entsprach, kein wesentlicher Unterschied. Von da an begann jedoch der Stumpf, der sich ebenso wie die Knospe mit dem Fußteil angeheftet hatte, so daß solch verbogene Gestalten wie die der Fig. 2 zustande kamen, ° seinerseits mit der Regeneration. In 2a sehen wir .in dem nach unten umgebogenen Stückchen, das eigentlich oberhalb der Knospe sich befinden sollte, bereits Anfänge der Tentakelbildung, die in Fig. 2b Fortschritte gemacht hat. Gleichzeitig begann das neuent- stehende Tier den bis dahin nach unten stehenden Kopfteil aufzu- richten und damit seine Selbständigkeit zu dokumentieren, während es bis dahin nur als Anhängsel IR Knospentiers fungierte. 7 Der Zusammenhang solcher zwei Tiere braucht sich indes auch dann nicht zu lösen, im Gegenteil ist ein weiteres Verbundensein die Regel, wenn nicht gefüttert wird.- Es beginnt vielmehr nun eine W. Goetsch, Neue Beobachtungen und Versuche an Hydra. 463 N Art Konkurrenzkampf zwischen beiden Hydren, da jedes Tier das andere als Nahrungsquelle aufzubrauchen sucht. Auf diese Verhält- - nisse werde ich später noch zurückzukommen haben. 5 Den Grund, warum bei 7. fusca der Stumpf aufgebraucht. wird, - bei H. viridis dagegen sich unter Umständen zu einem neuen Tier 4 regenerieren kann, müssen wir im Artcharakter suchen. H. fusca hat - an seinem unteren, dem Stielteil, nur ein geringes Neubildungsvermögen. - Ich habe früher bereits Small erwähnt, daß Füße vom braunen Saß- } wasserpolypen nicht regenerieren; H. viridis dagegen bildet auch aus - unteren Abschnitten neue Hydren, wie ich jetzt feststellen konnte. - Auf dieser größeren Regenerationsfähigkeit beruht dann auch, daß | bei AH. viridis die Stümpfe nicht so leicht wıe bei HM. fusca aufgesogen werden, sondern sich zu neuen Tieren umbilden. Eine teilweise Unterdrückung der Regeneration findet jedoch auch hier durch die wach- sende Knospe statt; erst nachdem die Knospe völlig fertig ıst, bildet sich der Stumpf zu einem neuen Tiere um. Mittelstücke mit Knospen, die aus Hydren herausgeschnitten ‘werden, verhalten sich ähnlich wie die unteren Teile; d. h. die Knospen an ihnen wachsen weiter und können die ganzen Reste der Muttertiere in sich aufnehmen. Sind zwei Knospenanlagen an einem herausgeschnittenen Mittelstück vorhanden, die sich x - gegenüberstehen, so können durch die Aufsaugung Bilder ent- stehen, die eine zweipolige Hydra, mit Köpfen an jedem Ende, vortäuschen. Es kommt dies dadurch zustande, daß die Knospen, deren Entwicklungsrichtungen zur Achse des Muttertiers senkreeht stehen, mit ihrem Basalteıl nach Aufsaugung der mütterlichen Reste | aneinanderstoßen; dies Bild, das in einer früheren Mitteilung bereits gezeichnet de, wird indes bald dadurch verändert, daß beide Tiere. \ EN a a aaa ra E 9 Fußstücke auszubilden beginnen, worauf dann eine Trennung in Einzel-. - tiere eintritt. | E Nach einer Amputation der Fußteile bei gleichzeitiger Knospen- 4 entwicklung kommt es nicht zu einer Einschmelzung in dem Maße -- wie bei den anderen Partien. Der Kopfteil mit dem Tentakelkranz ist E. ja eigentlich das Hauptorgan einer Hydra, während der Fuß nur eine E geringere Bedeutung besitzt. Eine knospende Hydra, welcher der untere Teil genommen wird, behält daher ıhre Selbständigkeit und - büßt nur einige weitere Teile der unteren Partie ein, die FR Nahrung von der Kaösne aufgesogen werden. Dabei rückt auch hier die Knospe meist bis zur Schnittstelle vor und kann sich auf diese legen, so daß ebenfalls eine falsche zweipolige Hydra vorliegen kann. Doch - ist hier wie in dem oben erwähnten Fall, in dem die Knospe bei einem unteren Teilstück die Spitze einnimmt, diese Lage nur vorüber- -- gehend und nur durch Bewegungsvorgänge zu erklären, da die Achse der Knospen zu denen der Mutter stets senkrecht steht. 2 Hat die Knospe eine gewisse Größe erlangt, so bildet auch das - _ Muttertier einen neuen Fuß aus. Und zwar geschieht dies in der 464 - W. Goetsch, Neue we und Versuche 5: strecken En ge Ben die dei Anheftung een een entstehen lassen. Wır haben demnach auch hier die Erscheinung, daß Neubildungsprozesse stets an Orten stattfinden, die möglichst ı abseits liegen von Entwicklungsvorgängen anderer Art, Auch hier = also “ein Kampf um das Material mit gewissen Hemmungsbildungen, _ die sich sogar auf die entstehenden Knospen ausdehnen können, ohne jedoch ıhre Ausbildung wesentlich zu verhindern. Bei einem Versuch (19a) vom 13. VIII. 1919 wurde z. B. einer Aydra fusca der Fußteil unmittelbar unter einer ganz jungen Knospenanlage abgeschnitten; am 14. VIII. ließ die Knospe kleine Tenkakelspitzchen erkennen, was 3 auch normalerweise zu erwarten stand. Ganz außergewöhnlich war indessen, daß sie sich beinahe ganz abgeschnürt hatte, ein Vorgang, der sonst erst nach vollständiger Tentakelausbildung einzutreten pflegt. ° Die Abschnürung und Ausbildung des Fußteils auf so frühem Stadium * ist wohl darauf zurückzuführen, daß infolge der unmittelbar unter ihr erfolgten Durchschnürung die Knospe ihres Ernährungsbezirks zum Teil beraubt wurde, deshalb nicht mehr größer werden konnte und ihre Ent- wicklung abschloß. Sie blieb aber stets ın solchen Fällen trotzdem im Zusammenhang mit dem Muttertier und hemmte dadurch wieder ° (die Bildung von dessen Fußteil, eine Bildung, die am 15. VII. be- gann, aber nur an den der Knospe entgegengesetzt liegenden Stellen 5 auftrat. Dort begann ein schmaler Zapfen herabzuwachsen, mit dessen ° Ende das Tier am 17. VII. angeheftet war: Ein Beweis. dafür, daß wir es in diesem schmalen, nur einen geringen Teil des Hydrasguer- E schnitts bedeckenden Zapfen mit einem wirklich funktionierenden Fuß zu tun haben, der nur deshalb so schmal ausgefallen war, weil er ‚sich mit der Knospe ın das vorhandene Material teilen mußte. Dieser E Kampf um die Nahrung hielt auch in diesem Falle die beiden Tiere noch lange Zeit zusammen; es geschieht dies stets und ‚verhindert bei Nichtfütterung die Ablösung, auch wenn beide Tiere zu völliger 2 Selbständigkeit herangewachsen sind. Wir werden uns später noch : damit etwas näher zu beschäftigen haben. 2 Allen bisher beschriebenen Vorgängen ist das eine gemeinsam, RB daß bei gleichzeitig vor sich gehender Knospenbildung und Regene- ration’der Muttertiere stets die Entwicklung der Knospe vorangeht; die einmal angeregte und in Gang befindliche a wird weitergeführt, und die Regeneration der verloren BEBAUSenEN SE Teile kommt erst in zweiter lunie, Etwas ähnliches läßt sich auch bei der Regener ation. der 3 Knospen feststellen, der wir uns nun zuwenden wollen. 3 Eine fertige odei beinahe fertige Knospe, d. h. eine‘ "solche, ie kurz vor der Ablösung steht oder wenigstens ausgebildete Tentakel besitzt, verhält sich wie eine gewöhnliche Hydra. - Abgeschnittene _ Teile von. ihr regenerieren aus sich heraus das Fehlende, der Kopf den Fuß und umgekehrt. Eine Regeneration solcher gröheren Knospen | B SE ee -W. Goetsch, New Beobachtungen und Versuche an Hydra. 465 bietet also nichts außergewöhnliches, und irgendeine Beeinflussung der Muttertiere ist nicht zu bemerken. Eine junge Knospe, die noch keine Tentakel besitzt, verhält sich dagegen wesentlich anders. Schneidet man z. B. bei einer jungen tentakellosen Knospen- anlage das äußerste Spitzchen ab und beobachtet es weiter, so findel man an ikm nicht die typischen Bilder, die man sonst zu sehen ge- wohnt ist. Es wird keine Kugel- oder Eiform gebildet, die sich nach einiger Zeit in die Länge streckt und nach mehreren Tagen an ihrem distalen Teil Tentakelspitzchen entstehen läßt, und zwar in ganz geringer Zahl bei einem so kleinen Stückchen. Es entstehen vielmehr hier sofort, am Tage der Operation selbst oder innerhalb der nächsten 24 Stunden, an diesem Spitzchen eine Anzahl Tentakel, und zwar Tentakel, die an Größe und Zahl vollkommen denen einer normal sich Stwickeliden Hydra entsprechen. Figur 3a zeigt eine solche abgeschnittene Knospenspitze von Hydra viridis, an der am Tage nach dem Abschneiden sechs Tentakel aufgetreten sind; bei der darunterliegenden, von unten gesehenen der Fig. 3b sogar neun, eine Zahl, die ich oftmals bei solchen abgeschnittenen äußersten Teil- stückchen auftreten sah. Es sind dies Zahlen, die auch bei unver- letzten Knospen aufzutreten pflegen und bei Erwachsenen den Normal- zahlen entsprechen. Die Fig. 3b zeigt außerdem noch, daß wir es hier mit durchaus anderem Ansehen zu tun haben als es die Regeneration zeigt. Wir ‘sehen bei dem Tier, das von unten abgebildet ist, in der Mitte ein . rundes Loch: es ist dies die Operationswunde, die Sich nicht geschlossen - hat und einen Einblick ins Innere gestattet, was bei regenerierenden Teilstücken sonst niemals der Fall ist. Dort ist der Verschluß der Wunde das Primäre, und erst nach einiger Zeit, wenn in dem Stück Umlagerungen stattgefunden haben, kommt es zur Tentakelbildung. Bei den ersten Bildungsprozessen der abgeschnittenen Knospen- spitzchen haben wir es demnach zunächst nicht mit normaler Regene- ration zu tun, sondern es geht vielmehr die Entwicklung der Knospe weiter. Erst nachdem diese einmal eingeschlagene Entwicklungsrich-_ tung, die nicht verlassen wird, zu einem gewissen Abschluß gebracht worden ist, treten resulatorische Vorgänge hervor. Das Teilstück, ‚das sich söwissermäßen zu einem abgeschnittenen Kopf entwickelt hat, beginnt sich in die Länge zu strecken. Nach Verschluß der Wunde - wandeln sich die basalen Elemente zu den Drüsenzellen des Fußes um, und am 3. oder 4. Tag nach dem Abschneiden ist eine kleine Hydra mit regelmäßigen Proportionen entstanden. Die für das kleine Tier viel zu große Tentakelzahl hat sich verringert, und auch die Dimen- sionen der Fangarme sind kleiner geworden. Aus einem Gebilde ın _ der Form und Größe der Abb. 3a und b ist eine kleine Hydra geworden, _ wie sie in Fig. 3f und g abgebildet ıst, so daß wir hier nach Ab- ‚schluß der Genese eine Morphallaxis typischster Art vor uns haben. Auch bei den aber ehnistenen Knospenstümpfen, d. h. den nach 10. Band | 30 Re” MATHE > be v.,* ’ 466 W. Goetsch, Neue Beobachtungen und. Versuche. An Hydra. = Entfernung der Spitzen am Muttertier verbleibenden Resten einer Knospenanlage, sind ähnliche ‚morphallaktische Vorgänge zu finden, die erst nach Abschluß der Wachstumsentwicklung des Teilstücks eintreten. u Fig. 3. a junge amputierte Knospenspitze, die am Tage nach der Operation Tentakel gebildet hat. b das gleiche von unten gesehen; in der Mitte die noch nicht geschlossene Wunde. ce Aydra mit Knospe, die einige Tage vorher geköpft wurde. Der Knospenrest hat einen Fuß gebildet, der sich in d noch vergrößert hat; an der Basis Drüsensekret zur Anheftung. e Hydra mit Knospenrest, der nicht regenerierte. f, & kleine Hydren, durch Morphallaxis aus Knospen- spitzen wie a entstanden. Alle Figuren im gleichen Verhältnis mit Zeichen- apparat gezeichnet. i Die Fig. 3c zeigt einen solchen am Muttertier sitzenden Stumpf einer jungen, tentakellosen Knospe, der am 23. X. die Spitzenteile abgetrennt waren, 7 Tage nach der Ausführung dieser Operation. In dieser langen Zeit, ın der das Teilstückchen einer erwachsenen Hydra sich zu einem vollständigen Tier mit Tentakeln ausgebildet haben würde, sind nur Veränderungen geringer Art vor sich gegangen. Das, was zuerst in die Augen fällt, ist die Abschnürung am unteren Ende, wodurch bei ungestörten Knospen die Abtrennung vom Muttertier eingeleitet wird. Es hat sich also ein Fuß gebildet, während am W. Goetsch, Neue Beobachtungen und Versuche an Hydra. 467 oberen Teil keine sichtbare Veränderung stattfand, vor allem keine Tentakel entstanden sind. Daß wir es mit einem wirklichen Fuß zu ‚tun haben, zeigt die Sekretbildung der Drüsenzellen. Der schleimige Überzug, den wir überall an /ydra-Füßen finden, war hier außer- ordentlich stark entwickelt, besonders wohl deshalb, weıl er dureh die Anheftung, die hier nicht nötig und auch nicht möglich war, nicht verbraucht worden ist. Dieser Schleimüberzug fehlt ın Fig. 3e, da das Bild nach einem Präparat hergestellt ist; er ist angedeutet in der Fig. 3d, die ein etwas weiteres Stadium darstellt. Der Fortschritt dieser Abbildung vor der Fig. 3c ist darin zu suchen, daß hier jetzt regulatorische Vorgänge eingetreten sind; der Stumpf hat sıch gestreckt, und das Vorderende zeichnet sich durch stärkere Färbung aus, ein Merkmal dafür, daß die Kopfbildung einsetzt. Einige Zeit später kann es denn auch zur Tentakelbildung kommen; diese kann jedoch unter ungünstigen Bedingungen unterbleiben, wie wir weiter unten finden werden. Wir sehen an diesem Beispiel, wie auch ein unteres Knospen- stück, das seiner oberen Teile beraubt ist, zunächst nicht die fehlen- den Stücke ergänzt, sondern nur den Fuß bildet, zu dessen Ent- stehung die Potenzen einmal vorhanden waren. Es überwiegt also auch hier die Entwicklungstendenz über die Regeneration, die erst später eintreten kann, wenn die Verhältnisse es gestatten. ‚Die Bedingungen, die ein Auswachsen zu einem vollständigen Tier zulassen oder verhindern, sind auch hier ın dem Materıal zu suchen, das zur Verfügung steht. Besitzt der Stumpf selbst Nahrung genug oder wird sie ıhm vom Muttertier geliefert, so entwickelt er sıch ‚weiter; die Entwicklung unterbleibt jedoch, wenn diese Bedingungen nicht erfüllt werden. Den einen Fall zeigt Fig. 3e. An dieser Hydra war der Spitzen- teil der Knospe so tief unten abgeschnitten, daß nur noch ein Rest- chen stehen blieb. Dieser Rest bildete sich nach und nach zu einem knopfartigen Auswuchs um, der noch lange Zeit an dem Tiere sicht- bar blieb. Auch 10 Tage nach der Operation, als das Tier getötet ‘ wurde, ließ er sich noch gut feststellen. Bei anderen Versuchen ver- schwanden solche geringe Restchen, die nicht mehr genügend Kraft ‘zur Weiterentwicklung besaßen, ın kürzerer oder längerer Zeit. Sie wurden resorbiert und von den Muttertieren, die nicht gefüttert wurden und daher Nahrungsmaterial brauchten, vollständig aufgesogen. Der zweite Fall einer behinderten Weiterentwicklung von Knospen- ' stümpfen wird durch die Fig. 4 demonstriert. Er tritt ein bei gleich- zeitiger Regeneration von Mutter und Knospe, die wir uns an diesem Beispiel ansehen wollen. Bei dem Versuch 30x, dessen Stadien in der Abbildung 4 dargestellt sind, war einer mit junger Knospen- ‚anlage versehenen Hydra viridis am 23. X. der Kopf, der Fuß sowie - der Spitzenteil der wachsenden 'Knospe entfernt worden. Fig. 4a ; 30% ie : I Se a RR > 468 W. Goeisch Neue Beobachtungen und Versuehe u ydra. et dies Rumpfstück unmittelbar nach der Operation. Am 24. x war das Knospenspitzchen zu einer Hydra von der Form der Abb. 3a umgebildet, die sıch nach und nach zu einem wohlproportionierten. kleinen Tier entwickelte, wie oben beschrieben und in Fig. 3e ab- gebildet ist. Die Kopf- und Fußteile des Muttertiers waren bis 30.X. ebenfalls zu vollständigen Tieren regeneriert, letzterer noch dadurch besonders kenntlich, daß er eine im Verhältnis zum übrigen Tier viel zu große Anheftungsscheibe besaß. Das Mittelstück, dessen Weiter- entwicklung uns hier vor allem interessiert, war bis zum 25. X. zu der Form der Fig. 4b umgebildet. Die Wunden hatten sieh ge- = 5 [64 d e Fig. 4. Umbildung eines Mittelstücks von H. v. mit geköpfter Knospenspitze. Fuß- scheiben mit Anheftungssekret. b —= 2 Tage, e = 15 Tage nach. der Operation. schlossen, der Knospenrest war abgeschnürt und zu einem typischen Fuß und viel Anheftungssekret u Die Weiterentwicklung ging nun in der Weise vor sich, daß der mütterliche Rest sich nach und nach zu einer vollständigen Aydra vregenerierte, während der Knospenteil zunächst ın morphallaktischer Umlagerung eine Ausbil- dung angenommen hatte ähnlich wıe Figur 3d, nur etwas kleiner, so daß ich am 27. X. erwartete, tags darauf eine typische Aydra mit Knospe vorzufinden. Diese abschließende Entwicklung unterblieb jedoch; der zum Fußteil umgebildete Knospenrest begann vielmehr von da an Veränderungen zu erleiden, wie sie sukzessive in Abb. 4c—d abgebildet sind. Der Verbindungsstreifen, der ıhn mit dem Muttertier vereinigte, rutschte immer weiter nach oben, so daß er am 30. X. etwa die Mitte (Fig. äc), am 31. X. beinahe am Ende des Knospenrests zu finden war. Trotz dieser Verlagerung blieb der untere Teil funktions- fähıg und war von der Zeit an, wo er groß genug geworden war, um den Boden zu erreichen, mit der Fußscheibe angehefteb (Fig. ad). In den ersten Novembertagen war das Stadium der Fig. 4e erreicht; der aus dem stehengebliebenen Knospenrest entstandene Fußteil war mit dem entgegengesetzten Ende, an welchem ursprünglich eine Ver- bindung bestand, mit dem Muttertier verbunden und funktionierte als dessen zweiter Fuß, | Die in diesem Versuch beschriebenen Einzelheiten sind natürlich. nur spezielle Fälle und wiederholen sich nicht bei jedem Versuch in x W, Goetsch, Neue Beobachtungen und Versuche an Aydra. 469 genau derselben Weise. Es gibt alle möglichen Variationen bei diesem Kampf der Teile, von denen jeder für sich Material beansprucht. Typisch ist jedoch an diesem Beispiel das Weitergehen der einmal eingeschlagenen Entwicklungsrichtung, der Beharrungszustand, der die in Entstehung begriffene Knospe sich weiterentwickeln und aus den verbliebenen Teilen die Organe hervorgehen läßt, die auch normaler- weise daraus entstehen würden; ist dieser Modus zu einem gewissen Abschluß gekommen, so tritt dann erst die Regenerationstendenz in Wirksamkeit. Es kommt in der Knospe zur Bildung des Kopfes, so- fern es möglich ist. Bei diesem Beispiel geht es nicht, da inzwischen der mütterliche Rest sich zu einem vollständigen Tier umgebildet hat; bei ihm kann sofort die Regenerationskraft ihre Wirksamkeit aus- üben, da keine andern Entwicklungs- und Wachstumstendenzen vor- liegen. Zu dieser Regeneration aber braucht es alle verfügbaren Stoffe und kann daher nichts abgeben; ım Gegenteil sucht es die- selben noch von der Knospe zu erlangen, was auch gelingt, da diese noch zu keiner Selbständigkeit gekommen ist. Um die Versuche zu variieren, wurden auch noch bei Hydren mit jungen Knospen die Kopfteile längs gespalten, so daß die Knospen- anlage an den einen Spaltungskomplex zu’ liegen kam. Der Erfolg dieser Operationen war der, daß sieh die ın zwei Teile zerlegte obere Hälfte zu zwei Köpfen umbildete, indem die seitlichen Schnittränder ‚sich zusammenlegten und verschmolzen. Die Knospen entwickelten sich weiter und lösten sich bald ab, wie es auch normale Tiere ge- tan haben würden. Denn da bei diesen Versuchen kein Material- verlust vorliegt, sondern nur eine andere Materialverteilung, treten Regenerationsvorgänge, die hemmende Wirkung ausüben könnten, nicht auf. Deshalb wurde eine etwas modifizierte Versuchsanordnung gewählt, und den Tieren, die in der soeben beschriebenen Weise behan- delt waren, noch der Teentakelkranz desjenigen Kopfstücks abgeschnitten, welches die Knospen trug. Der Erfolg war, daß die Knospe sich weiter entwickelte, eine Regeneration des Tentakelkranzes dagegen unterblieb. Die Stümpfe verloren vielmehr an Größe, je mehr die Knospen sich ausbildeten, ein Zeichen dafür, daß sie zum Teil ver- braucht wurden. Regelmäßig lösten sich die Knospen nach 5 bis 6 Tagen ab; der stehengebliebene Stumpf wurde darauf meist kleiner und kleiner, bis er nach ca. 10 Tagen verschwand. Er war aufgesogen worden von der anderen Kopfhälfte und diente ihr gewissermaßen als Nahrungsreservoir, wie alle derartigen unselbständigen Anhängsel, was man auch daraus sehen kann, daß nach ıhrer Aufsaugung stets typische Hungererscheinungen mit "Depressionen eintreten. _ Die Versuche mit der gleichzeitigen Regeneration von Mutter- und Tochtertieren lehren, daß es nicht das gleichsam embryonale Ge- webe der jüngeren Tiere ist, das ein Überwiegen der Knospenbildung und einen Vorsprung. vor der Regenerationskraft bedingt; sonst müßte eine geköpfte Knospe, die ja jugendliche Elemente genug enthält, 410 \W, Goetsch, Neue Beobachtungen und Versuche an Hydra. sehr schnell eine neue fertige Hydra herstellen können und würde nicht von einem Stumpf der Mutter als Material benützt und auf- gesogen werden können. Vielmehr ist es nur die einmal eingeschlagene Entwicklungsrichtung, die in einer Art Beharrungsvermögen weiter- geht und dadurch rascher zu einem selbständigen Tier führt als die Bebeneratiän, Die Spitze einer jungen Krospe ist einem prädesti- Beten Vegetationspunkt zu vergleichen, an dem das Wachstum weiter- geht, auch wenn der Fe ndnhare unterbrochen ist. Das am Mutter- tier verbleibende Knospenstück regeneriert auch erst dann, wenn die schon prädestinierten Zellen ihre Entwicklung beendet haben und zur Ruhe gekommen sind. Wenn sie den Teil, für den sie bestimmt, ge- bildet haben, kann dann über den Umweg der Morphallaxis die Ent- stehung eines vollständigen Tiers eintreten. Die Versuche lehren zweitens, daß das von Tannreuther ge- leugnete Spitzenwachstum doch vorhanden sein muß. Wenn nur an den Basalteilen ein Wachstum vorkäme, würde sich eine abgeschnittene Knospenspitze nicht weiter entwickeln, das basale Stück dagegen würde größer werden und sehr schnell ein neues Tier bilden können. Es ıst aber gerade das umgekehrte der Fall, das losgetrennte Spitzchen wird größer und der am Muttertier stehenbleibende Stumpf wächst nicht weiter, sondern bildet nur die Fußteile aus. Drittens kann die gleichzeitige Regeneration von Mutter- und Tochtertieren als schönstes Beispiel dienen für die große Unabhängig- keit der einzelnen Teile einer Hydra, wodurch dann die Kämpfe um das Material entstehen. Sie treten sofort ein, wenn durch einen Sehnitt ein Aufhalten der einmal eingeschlagenen Entwicklungsrichtung bei der Knospe eingetreten ist, die in ihr liegenden Beharrungszustände ausgeschaltet wurden und dadurch das vorhandene Übergewicht be- seitigt ist. Welcher Teil in diesem Kampf zuletzt die Oberhand behält, der Mutter- oder der Knospenteil, ıst anfangs nicht voraus- zusagen; es kommt auf: den Zufall an, da immer die Partie am Ende obsiıegt, die durch irgendwelche Ursache einen Vorsprung gewinnt. Meist ist es der Stumpfrest des mütterlichen Tiers; bei der Knospe geht die Entwicklung zwar zunächst weiter, muß indes bald zum Stillstand kommen. Wesentliche Bestandteile können nicht gebildet werden, da die Teile, welche sie zu liefern hätten, entfernt worden sınd, und es kann sich daher kein fertiges Tier bilden. Höchstens auf dem Umweg der Umbildung, der Morphallaxis. Aber während dieser Vorgänge hat sich der Rest des Muttertiers zu einem fertigen Organismus regeneriert und dadurch eine Selbständigkeit gewonnen, die dazu führt, die noch nicht soweit restituierten Knospenteile ein-' zusaugen und bei Materialmangel für sich zu verwenden. | Die Resultate, die sich bei den Untersuchungen über gleichzeitige Regeneration und ungeschlechtliche Fortpflanzung ergeben, lassen sich dahin zusammenfassen, daß das Knospenwachstum vor der Regene- ration prävaliert, Kr normale Knospe wird niemals von dem W, Goetseh, Neue Beobachtungen und Versuche an Hydra, aa Muttertiere aufgesogen und zur Regeneration derselben aufgebraucht, sondern ihr Wachstum geht weiter und kann die mütterlichen Reste für sich verwenden. Dies gilt für Knospenanlagen jeder Größe, so- fern sie nur selbst nicht geschädigt sind. Es liegt hier scheinbar ein großer Gegensatz zu der geschlecht- lichen Fortpflanzung vor, da dort’ die Eier und die Spermien sich nıcht ‚weiter entwickeln, sondern von den regenerierenden Tieren aufge- braucht werden. Dieser Gegensatz ist jedoch nicht so groß wie er scheinen mag. Es kann ja auch bei der Entwicklung der Geschlechtsprodukte eine Einschmelzung unterbleiben, und zwar geschieht dies in dem Fall, daß die Differenzierung zu weit gegangen war, um aufgehalten oder rückgängig ‚gemacht, zu werden. Beı der Spermatogenese tritt dies nicht so in Erscheinung, da dort die Neubildung sich über einen längeren Zeitraum ausdehnt, so daß Spermien, die ıhre Entwicklung vollenden werden, neben andern jüngeren vorkommen, die sich nicht weiter entwickeln können und deshalb als Nahrung dienen. Bei den Eiern und Ovarien dagegen haben wir gesehen, daß dort die sehr weit fortgeschrittenen Stadien sich weiterentwickeln können; halb- fertige Eier werden ausgestoßen, und nur die undifferenziertesten Elemente werden in ihrer Entwicklung gehemmt und aufgesogen. Bei der Knospenentwicklung haben wir anzunehmen, daß hier dasselbe vorliegt: die Differenzierung ıst schon bei den ganz kleinen Anlagen, sogar in den Vegetationszonen, zu weit gediehen, als daß ein Aufhalten oder „Rückwärtsentwickeln“ möglich wäre. ne Auf- bau einer Knospe gehören ja viel mehr Elemente als zu einem Ei oder zu Spermien; und zwar sınd es Elemente, die eine große Potenz be- sitzen. Jede Zelle oder Zellgruppe ıst auch schon, wie wir sahen, sehr früh für bestimmte Zwecke prädisponiert, so daß z. B. eine Fuß- entwicklung zustande kommt, sowie Tentakel aus kleinen Teilstücken entstehen, die aus dem Zusammenhang herausgenommen sind. Und diese Entwicklung kann, wenigstens eine Zeit lang, aus sich heraus ‚weitergehen, ohne auf Nahrungszufuhr angewiesen zu sein. Dies ıst bei noch nicht vollendeten Geschlechtsorganen nicht möglich, da sie stets vom Muttertier abhängig sind. Sie parasitieren gewissermaßen auf dem Muttertier und sind zu selbständigen Leben nicht fähig; eine Knospe dagegen erreicht bald eine große Unabhängigkeit und Selb- ständigkeit, und das ist ja, wie wir sahen, das Maßgebende. So erlangt die Knospe leicht den Vorrang bei dem Kampf um das Material, der überall bei Hydra eine so große Rolle spielt und schon in der Knospenfolge i in Erscheinung tritt. Die Spiralwindung, die bei /Iydra fusca und veridis zustande kommt bei einer Verbindung der nach- einander entstehenden Knospen, sowie die gekreuzte Knospenstellung bei . Hydra grisea wırd ja ausschließlich bestimmt durch die ‚Gunst der Er- ‚ nährung‘, da eine Knospe nur an solcher Stelle entstehen kann, deren Umkreis nicht durch eine andere vorher ausgesogen ist. Daß eine . 479 W. Goetsch, Neue Beobachtungen und Versuche an Hydra... >= solche Ausnutzung stattfindet, ist, wie Hertwig zeigt, daran kennt- lich, daß eine Stelle, an der eine Knospe stand, bei H. fusca die Be- Schaffenheit des nur wenig Material enthaltenden Stils annimmt. . Beı gut genährten Polypen kann es jedoch auch zu Einschüben, die eine regelmäßige Knospenfolge verwischen, kommen, da dam die ausgenützten Komplexe durch Nahrungszufuhr zu neuer Entwicklung gekräftigt werden; der normale se wird wird dann durch Material- überschuß verändert. | Umgekehrte Verhältnisse dagegen vor, wenn wir- durch irgendeine Amputation die Hydren. zur Regeneration veranlassen. Dann trıtt das ein, was wir bei Protozoen, denen die Hydren ja in mancher Weise er eine „gestörte Kernplasma- -Relation“ nennen: ein Substanzverlust auf der einen Seite, der das Gleichgewicht des ganzen Systems aus der Ruhe bringt; und nun kommt es zu einem heftigen Kampf der einzelnen Teile um das noch vorhandene Material. Gofüttorte Tiere können die Verluste bald ausgleichen; bei hungern- den dagegen dauert der Kampf, bei dem ein jeder Teil seinen Verlust ausgleichen oder seine Entwicklung beenden will, so lange, bis ein Glied ein Übergewicht erlangt und eine gewisse Selbständigkeit be- kommen hat. Das kann unter gewissen Umständen lange dauern, so ‚sehr, daß bei gleichmäßiger Entwicklung alle Teile zu wenig Material erlangen und dann unter Hunger- und Depressionserscheinungen zu- Brände gehen. Meist gewinnt aber ein Teil das Übergewicht; er reißt zunächst das etwa noch vorhandene Material an sich, benützt dann den andern, schwächeren Teil selbst als Nahrungsstoff und braucht - ihn schließlich ganz auf, wodurch dann wieder ein Gleichgewichts- zustand erreicht und eine neue, einzige Individualität geschaffen ıst. Übersieht über die zitierte Literatur. = Brauer, A., Über die Entwicklung von Hydra. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. 52,189. Goetsch, W., Beobachtungen und Versuche an Hydra. Biol. Zentralbl. Bd. 37, 1917. Ders., Neue Beobachtungen und Versuche an Hydra. I. Biol. Zentralbl. Bd. 39, 1919. Ders., Neue Beobachtungen und Versuche an Hydra. II. Biol. Zentralbl. Bd. 40, 1920. Hadzi, J., Die Entstehung der Knospe bei Hydra. Arb. aus d. Zool. Inst. Wien 18, 1909. Hertwig, R. v., Die Knospung und Geschlechtsentwieklung von Hydıa Biol. Zentralbl. Bd. 26, 1906. Kleinenberg, N., Hydra. Leipzig 1872. Schultz, Eugen, Über Reduktionen u. Hungererscheinungen bei Hydra fusca. Arch. _ | Entw. -Mech. Bd. 21. Steche, OÖ. Hydra und. Hirn: Monogr. einheimischer Tiere. Bd. II. Ver- lag W. Klinkhardt. Leipzig 1911. Tannreuther, G. W., Observation on the Germ-Oells of Hydra. Biol, Bull. Woads Hole Vol. 16. E: Ders., Budding in Hydra ibid. TEE RE re . BE a sM RER N u . “1 nitemwarden "der ererbten Anlage einer Abnormität. " Alvordes, Über - ve Br we _ Über das Manifestwerden der ererbten Anlage einer Abnormität. (Nach Untersuchungen an Uyelops.) Von Dr. Friedrich Alverdes. 2. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Halle.) B*,.- | Mit 1 Abbildung. 2 Unter einer Zwischenrasse versteht de Vries eine Rasse, welche _ auch bei Selbstbefruchtung nie völlig rein züchtet, selbst nicht bei Selektion durch viele Generationen; zu ihnen gehören viele Rassen, 8 die durch das regelmäßige Auftreten von Monstrositäten ausgezeichnet sind. Sie werden in Halbrassen (gleich den Schwachrassen Plate’s) 2 und Mittelrassen eingeteilt, je nachdem der Prozentsatz der „Erben* gering oder beträchtlich ist. Die Zahl der letzteren kann innerhalb . gewisser Grenzen schwanken; es läßt sich jedoch nie eine Halbrasse in eine Mittelrasse überführen und umgekehrt. Ebenso ıst es un- E Röclich, eine normale Rasse in eine Zwischenrasse zu verwandeln. Die Ursachen, welche die Schwankungen der Erbenzahl hervor- E.. sind noch nicht mit Sicherheit erkannt. Ein Teil der Autoren (de Vries u. a.) führt an, daß gute Lebenslage die Zahl der Ab- normitäten erhöhe.. Allerdines muß von vornherein die Anlage zu _ einer "Monstrosität in der betreffenden Rasse darin stecken. Denn die ‚ üppige Ernährung wirkt beim Auftreten der Mißbildung nicht als ver- BE achender; sondern nur als auslösender Faktor (@oebel, Woltereck). _ Andere Autoren bezeugen, daß eine schlechte Lebenslage bei Zwischen- - rassen die Zahl der Abnormitäten erhöhe (V öchting u. a.). Es scheint, ® als ob in diesem Punkte artliche Verschiedenheiten bestehen. Lehmann zeigt, daß die Zahl der auftretenden Anomalien nicht einfach der - Ausdruck einer stärkeren oder schwächeren Ernährung ist, sondern zab auch innere Faktoren entscheidend mitspielen. Bemerkenswert ist die Periodizität, welcher gewisse Pflanzen ihrend: ihres ls Lebens od ‚der Ausbildung von Anomalien. (z. B. an den Blättern und Blüten) unterworfen sind. Im _ - Frühjahr erscheint die Anomalie nur angedeutet, im Sommer überwiegt die Zahl abnormer Blätter oder Blüten, im Herbste treten die letzteren wieder in den Hintergrund. Diese Periodizität wird von manchen Autoren damit erklärt, daß die abnormen Gebilde (wofern es sich um Plusvariationen handelt) mehr Nahrung brauchen als normale. Im Frühjahr und Herbst arbeite die Eine in bezug auf ihren Stoff- wechsel träger als im Sommer, weshalb die betreffenden Varianten hauptsächlich nur im letzteren ausgebildet würden. Lehmann macht allerdings auf Grund seiner Befunde für diese Periodizität kompliziertere Ursachen als nur die während des individuellen Lebens auftretenden ‚Ernährungsschwankungen verantwortlich. Suchen wir auf zoologischem Gebiet nach Beispielen einer Ver- & orbungsweise, ‘wie sie für pflanzliche Zwischenrassen charakteristisch 474 F. Alverdes, Über das Manifestwerden der ererbten Anlage einer Abnormität, ist, so wäre festzustellen, daß eine Anzahl der von Woltereck ge- züchteten Daphnia-Rassen durch eine Reaktionsweise mit „um- schlagendem* Erfolge sich als solche Zwischenrassen erweisen. Auch die von Kuttner beschriebenen Daphnia-Klone gehören hierher, bei. denen ın jeder Generation der’ eine Teil der Individuen normal ist, während der andere neben sonstigen Defekten eine abnorme Beborstung der Ruderantennen zeigt. Die Abnormität variiert individuell und -— insbesondere bei Regeneration — intraindividuell. Kuttner erklärt die Anomalien nicht durch starre Gene. Die Verfasserin nimmt viel- mehr an, daß ın den betreffenden Stämmen eine erbliche Störung der Menkheneie (Woltereck) vorliegt. Diese letztere wäre in der Weise abgeändert, daß die Organanlagen schon auf geringe Reize durch qualitative und quantitative Abänderungen der fertigen Organe antworten. | Auch mir gelang es, ein Objekt zu finden, an dem der für eine Zwischenrasse charakteristische Vererbungsmodus sich studieren hieß. Eine derartige Rasse stellt die .von mir gezüchtete Nachkommenschaft eines 9 von Oyelops viridis Jurine dar, welches in meinen Notizen als viridis 8 9 bezeichnet wurde. (Ausführlich wird auf die Ergebnisse meiner Untersuehungen in einer demnächst erscheinenden Arbeit: „Über die Vererbung von Abnormitäten bei (Cyelops“ eingegangen.) Das Cha-- rakteristikum dieser Rasse ist, daß die Anlage des rudimentären 5. und 6. Fußpaares eine labilere Reaktionsweise besitzt, als sie bei normalen ‚Stämmen vorliegt. Mittels Geschwister- und Verwandtenpaarung wurde die Nachkommenschaft des 9 viritis S durch 3 Generationen gehalten. Diese Zuchten ergaben insgesamt 570 Zd und 539 29. Eine 4. Gene- ration war durch 26 Individuen vertreten. Es zeigte sich bei allen diesen Versuchen, wie bei den Kontrollzuchten, eıne von Generation zu Generation zunehmende Unfruchtbarkeit, welche sich vermutlich infolge des Gelangenlebens einstellte und die eine Weiterführung der Zuchten durch eine größere Anzahl von Generationen verhinderte. Bei meinen Versuchen wurde meist jedes f mit mehreren 99, jedes o dagegen stets mit einem g' gepaart; denn da das 9 den Samen ım Receptaculum seminis speichert und dieser Vorrat für mehrere Ei- ablagen ausreicht, so wäre es unmöglich, den Vater der jungen Tiere festzustellen, wollte man das o von mehreren dd begatten lassen. Neben der Nachkommenschaft. des 9 viridis 8 hielt ich Kontrollzuchten unter genau den gleichen Bedingungen. Dieselben stammen von 2 normalen o9 ab; die beiden Familien wurden nur durch Geschwister-. paarung fortgeführt. Ich erzielte aus den Kontrollzuchten 712 g und - 667 9 Individuen; dazu wurden etwa 500 Wildfänge aus verschiedenen Teilen der Umgegend Halles untersucht. Es scheint mir wünschenswert, zunächst ganz kurz die Morphologie i der in Frage kommenden Körperteile von Cyelops viridis auseinander- zusetzen. Hinter den 4 Paaren wohlentwickelter Ruderfüße folgen am 5, Thoraxsegment die sogenannten rudimentären 5. Füße. Diese & 2 3 2 er Ya; ea rin rl a nn a Se u ale, ee , a kn Ein an ee u in ag ee a u MT hy Yu & RAN wi FF. Alverdes, Über das Manifestwerden der ererbten Anlage einer Abnormität. AT» % Extremitäten (vgl. die Abb. des abnormen Fußes) bestehen aus ‘einem Basal- und einem Endgliede. Das erstere ıst lateralwärts ver- - breitert und trägt an der seitlichen Spitze eine Borste. Das Endglied F ist mit einer apikalen Borste und einem dem Innenrande angehörigen Dorne versehen. Das rudimentäre 6. Füßchenpaar ıst dem 1. Abdominalsegment angefügt. Es stellt keinen abgegliederten Anhang des Körpers dar, sondern wird nur durch 3 Dornen resp. Borsten angedeutet; diese überdecken die Geschlechtsöffnung und bilden wohl einen ehmbRen E Schutz für letztere. Beim & besteht die 6. Extremität aus einem kräftigen ventralen Dorn und 2 weiter dorsalwärts gelegenen Fieder- _ borsten. Beim 9 ist die Extremität noch weiter reduziert als beim 4; es finden sich 2 winzige Dorne und dorsal von ihnen eine gefiederte " Borste (vgl. hierzu die Abb. meiner ausführlichen Arbeit). An den Tieren meiner Kontrollzuchten und an den Wildfängen wurde zunächst die normale Variabilität des 5. und 6. Fußes von Cyclops viridis festgestellt. Ein gewisser Geschlechtsdimorphismus ist darin zu sehen, daß die Varıationsbreite des Innenranddornes beı und 9 eine rclmedene ıst, und zwar erweist sıe sich bei ersterem - als eine größere als bei letzterem: Dieser Dorn ıst beim 9 immer Re stiftförmig (vgl. Abb.); beim 9 kann er an der Basıs kolbig verdickt ‚sein. Die Verdickung des Innenranddornes betrifft entweder die eine | g ‘oder aber auch beide Körperseiten. Die in der Familie virzdis 8 auftretenden Abnormitäten des 5. a 6. Fußpaares lassen sıch gliedern ın Plus- und Minusvariationen und : ee Aberrationen. Als Plusvariation ist zunächst eine überzählige - Borste am Endgliede des 5. Fußes anzuführen. Diese Abnormität zeigt, wie manche andere Anomalie (z. B. Hyperdaktylie bei Vögeln ’ und Säugetieren) eine sehr große individuelle Variabilität. Die über- zählige Borste kann lang und glatt (ähnlich wie die apikale Borste) oder breit und gezähnelt sein (vgl. Abb.). Im ersteren Falle vermag sıe ?/, der Länge der apikalen Borste zu erreichen, in anderen Fällen r fehlt sie selbst gänzlich und nur die Vorbuchlung des Außenrandes, . auf welcher eine überzählige Borste zu entspringen pflegt, ist vorhanden. Zwischen den angeführten Extremen finden sich alle Übergänge. Über- zählige Borsten trugen 14 ZZ‘ und 4 99; die Abnormität erschien _ entweder rechts oder links, nie rechts und links gleichzeitig. Sie fand sich bei keinem Exemplare der Kontrollzuchten und nur bei _ einem einzigen g' Individium aus der freien Natur. Da das letztere von dem gleichen Fundort wie 90 8 stammt, so vermute ich einen verwandtschaftlichen Zusammenhang Zeichen diesen beiden Tieren. Auch Abnormitäten des Innenranddornes traten bei den Nach- kommen des 9 vöridis 8 auf, aber stets nur bei $ Exemplaren, in keinem - Falle bei einem o0. Die Abnormität besteht entweder in einer außer- : Balken Verdickung, in einer Verkrümmung oder in einer feinen Behaarung ‚des Innenranddornes. Eine solche Anomalie trat meist 476 F. Alverdes, ‚Über das Manifestwerden der ererbten Anlage 2 nur an eıner Körperseite, ın wenigen Fällen dagegen. nich ee Enz lınks auf. Bei einem % zeigte sich neben einer überzähligen Borsie- am linken 5. Fuße eine Verdoppelung der Apikalborste und am 6. Fuße der gleichen Körperseite eine Verachtfachung der Mittelborste. Bei einem anderen f erwies sich die überzählige Borste des 5. Fußes als verdoppelt: es waren 2 einander vollkommen gleichende überzählige Borsten vorhanden. = Thor segm. a | Bd. S gl. E Be ae gl. as =: a 2: —apB | - Abnormer, mit einer überzähligen Borste versehener rechter 5. Fuß von Bene viridis. 5. Thor. segm. — 5. Thoraxsegment. Bas. gl. = Basalglicd. Endgl. = End- © glied. . — Innenranddorn. ap. B.—= Apikalborste. überz. B. = Überzählige Borste.. B. d. Bas. gl. = Borste des Basalgliedes. Vergrößerung 300 X. a Als Minusvariationen sind die verkümmert ausgebildeten 5. Füße ° einiger Individuen zusammenzulassen. Das Endglied des 5. Fußes kann abnorm verschmälert oder es kann auch 1 ganze Fuß mehr oder minder verkümmert sein. Am weitesten geht die Reduktion bei einem d, bei dem vom linken 5. Fuße keine Spur mehr vorhanden ist, während vom rechten nur ein kleines Stiftehen (wohl der Rest des Endgliedes) und die Borste des Basalgliedes übrig blieb. Das Basal- glied selbst ıst in diesem Falle offenbar ım das Thoraxsegment ein- bezogen. Auf die Weise entspringen Endgliedrudiment und Borste _ _ des Basalgliedes getrennt voneinander am Körper; a Auch bei dem 6. Fuße meiner Versuchstiere konnte ich einige Unregelmäßigkeiten auffinden; Fälle, in denen die Abnormitäten mit Sicherheit auf eine genotypische Veranlagung zurückgeht, ließen sich allerdings nur unter den 5 Exemplaren zeigen. Wiederum sind Plus- und Minusvariationen zu unterscheiden. Zu den ersteren zählen einige Vorkommnisse, wo beim 5 auf der einen Körperseite der ventral - gelegene Dorn verdoppelt ist. Bei anderen Exemplaren stellt sich E einer der beiden 6. Füße als eine Minusvariation dar, indem de Mittelborste verkümmert ist oder gänzlieh fehlt. Selbstverständlich werden nur solche Tiere hierher gerechnet, bei denen. die fehlenden e A WE v °F. Alverdes, Über das Manifestwerden der ererbten Anlage einer Abnormität. 477 - Borsten überhaupt nicht angelegt waren; Individuen, bei denen die - Borsten halb abgebrochen oder offensichtlich mechanisch durch ‚irgendwelche äußeren Eingriffe entfernt waren, zählten als normale ETiere. E Es wurden also nur 4 09 konstatiert, welche eine Mißbildung des 5. Fußes besaßen (und zwar ein jedes eine überzählige Borste). Alle anderen besprochenen Anomalien blieben auf 5 Tiere beschränkt. - Zur Erklärung hierfür nehme ich. an, daß in den 9 Exemplaren ein besonderer, im übrigen völlig unbekannter Hemmungsfaktor wırksam ist, welcher die Ausbildung einer Abnormität meist unterdrückt. Andere Unregelmäßigkeiten als die des 5. und 6. Fußpaares ließen sich beı i meinen Versuchstieren aus der Familie veridis 8 nicht auffinden. Ich mußte mich damit begnügen, durch Stichproben festzustellen, ob Antennen, Ruderfüße oder Furka irgendwelche Anomalien aufwiesen. Diese Untersuchung förderte nur normal gebildete Organe zutage. _ Ebenso wenig konnten bezüglich der Zahl und Gestalt der Uhromo- somen irgendwelche Abnormitäten festgestellt werden. Der Gedanke ag nahe, daß solche vorhanden wären, da Braun beobachtete, daß — phylogenetisch gesprochen — innerhalb der Gattung Eyelöps parallel mit der Reduktion des 5. Fußes ein Rückgang in der Chromo- somenzahl erfolgte. Das Aufıreten einer überzähligen Börse und eines behaarten- - Innenranddornes fasste ich als Atavismus auf, da die Cyelopiden — zweifellos von Formen mit stärker ausgebildeten 5 Füßen abstammen, als sie die jetzt lebenden Formen besitzen. Der abnormerweise be- _ haarte Innenranddorn von Cyclops viridis erweist sich als eine „Trans- version“ (Haecker) in das Artbild verschiedener anderer Cyelops-Arten Z Ekenıs. capillatus u.a... Die Ausbildung einer schwertförmigen, ge- - zähnelten überzähligen Borste bedeutet eine „Transversion“ in den - Merkmalskomplex von Limnoithona, einer Gattung, für deren 5. Fuß - das Vorhandensein einer derartigen Borste am Außenrande des End- = ‚gliedes charakteristisch ist. . - Von den atavistischen Borsten sind die Döppek: und Mehrfach- - bildungen scharf zu trennen. Ihre Entstehung verdanken die letzteren - wohl einem vegetativen Teilungsvermögen, welches sich bei Pflanzen und niederen Tieren allgemein findet und das abnormerweise auch bei höheren Tieren vorliegen kann (Haecker). Doppel- resp. Mehrfach- bildungen nahm ich an, wenn 2 oder mehrere, einander durchaus ähnlich sehende Borsten nebeneinander standen. Ich lehnte es ab, _ derartige Fälle als ein Zurückgreifen auf sehr frühe uliylosenelische E ‚Stadien zu deuten, in’ welchen das 5. Fußpaar noch mit 4 Anhängen 2 E ausgestattet war. 23 & Der zukünftige Verlauf der Phylogenese von CO; ia wird wahr. - scheinlich dadurch gekennzeichnet sein, daß die beiden rudimentären 4 Beinpaare sich immer mehr Yeduzieren. Man wird aber darum noch 478 F. Alverdes, Über das Manifestwerden der ererbten Anlage einer Abnormität. nicht einem jeden beliebigen verkümmerten 5. Fuß eine prospektive phylogenetische Bedeutung zuschreiben dürfen. Als ein Individuum, welches ein zukünftiges stammesgeschichtliches Stadium bis zu einem gewissen Grade vor wegnimmt, wurde jedoch jenes g' aufgefaßt, dessen ai 5. Fuß nur aus einem kurzen Stummel und einer lateral davon. entspringenden Borste besteht. Dies geschah auf Grund der Ähn- lichkeit mit dem 5. Fuße zweier Arten (Oyelops bicolor, varicans), bei 4 denen die Reduktion bereits weiter fortgeschritten ist als bei wiridis, indem das Basalglıed mit dem Thorax verschmolzen ist; nur das mit einem nen Anhang (einer Borste) versehene Endglied und die selbständig lateral davon entspringende Borste des Pyın E blieb übrig. Vererbt wurde in der Familie vwrrdis 8 nıcht ein bestimmter MıB- bildungstypus, sondern nur die Fähigkeit, allerlei Anomalien des 5. und 6. Fußpaares hervorzubringen. Wie Barfurth für hyper- daktyle Hühner, so stellte ich für diese -Oyelops-Familie fest, daß nur _ die Mißbildung ım allgemeinen, nicht die besondere Variante der- selben von den Eltern auf die Nachkommen übertragen wird. Man kann bei ('yelops von einer fakultativ-identischen Vererbung sprechen, da es bis zu einem gewissen Grade ein zufälliges Zusammentreffen ist, wenn Eltern und Kinder mit der gleichen Abnormität behaftet sind. Die Art und Weise, in welcher bei Cyelops sich die Potenz zur ° Ausbildung abnormer 5. und 6. Füße vererbte, läßt eine mendelistische Deutung nicht zu. Denn die Prozentzahl der Erben ist in allen Fällen > eine viel zu geringe. Ich nehme, wie schon erwähnt, an, daß ın der von mir gezüchteten Zwischenrasse (Familie viridis 8) die Reaktions- "weise der Anlage des 5. und 6. Fußes labiler sei als bei normalen =“ Stämmen und laß diese erhöhte Labilität sich von Generation zu Generation vererbt. Ich vermute, daß diese Labilität irgendwann mutativ unter den Vorfahren des 9 wzridis 8 entstanden ist. Auf Grund dieser besonderen Reaktionsweise können die verschiedensten Abnormitäten des 5. und 6. Fußes: Atavismen, Doppel-, Mehrfach- und Defektbildungen und sonstige Aberrationen entstehen; alle diese ° Anomalien sind also die Phänotypen ein und derselben genotypischen Anlage. Sie stellen sich bald auf der einen, bald auf der anderen Körperseite und bald auf beiden ein, je nachdem während einer ° sensiblen Periode die entsprechenden adäquaten Reize in Wirksamkeit treten. Bleiben letztere aus, so wird das Vorhandensein der labileren Reaktionsweise bei den betreffenden Tieren nicht phänotypisch mani- ° fest. Mit Hilfe dieser Annahmen läßt es sich erklären, daß Eltern, ° welche beide mit einer Abnormität behaftet sind, einen hohen Prozent- satz normaler Kinder besitzen und daß phänotypisch normale Eltern ” unter Umständen abnormen Kindern das Leben schenken. Einer besonderen Hervorhebung bedarf der Umstand, daß Träger einer überzähligen Borste des 5. Fußes sich nur unter den sich am raschesten entwickelnden Individuen eines Geleges vorfanden, während Sa Br. Dr VS Pe. \ ar Er % SEN n x N . 11 \ e Lu a * 4 .“ r- . Alverdes, Über das Manifestwerden der ererbten Anlage einer Abnormität, 479 y,«“ 4 das Auftreten der übrigen Mißbildungen (abnormer Innenranddorn, - Defektbildungen u. s. w.) nicht an eine bestimmte Entwicklungs- - geschwindigkeit des betreffenden Individuums gebunden erschien. Leider wurde ich auf diesen wichtigen Punkt erst verhältnis- mäßig spät aufmerksam, als meine Zuchten bereits am Aussterben _ waren. Aus äußeren Gründen hatte ich vielfach die jungen Larven - zweier oder dreier Eisätze desselben 0 ım gleichen Zuchtgefäße ver- _ eingt. Wären die Individuen der verschiedenen Eisätze getrennt - voneinander aufgezogen worden, so ließe sich genauer, als dies jetzt ‚geschehen kann, angeben, welchem Paketpaare die einzelnen Miß- bildungen angehören. Trotzdem trat die Erscheinung, daß die mit einer überzähligen Borste ausgestatteten Individuen immer dem sich am raschesten entwickelnden Teile einer Geschwisterschaft angehörten, mit wünschenswerter Deutlichkeit hervor. Offenbar ıst das Auftreten einer überzähligen Borste am 5. Fuße abhängig von den gleichen - konstitutionellen oder konditionellen Bedingungen, welche dem In- _ vididuum eine rasche Erledigung seiner Entwicklung ermöglichen. Auf botanischem Gebiete findet diese Beobachtung ein Gegenstück darin, daß bei manchen Zwischenrassen das Auftreten von Abnormitäten der Blätter und Blüten einer Periodizıtät unterworfen ist. Auch eine Feststellung von Goldschmidt an Zymantria ist in - diesem Zusammenhange zu erwähnen Dieser Forscher fand, daß in Kreuzungen, die ausschließlich 5 liefern, gelegentlich ein einziges 9 auftrat, welches stets als letztes Tier ausschlüpfte. Hier liegt also eine Angabe über das zeitliche Erscheinen einer Abnormität vor (denn das Auftreten eines 9 in einer Zucht, die.nach der Berechnung nur dd liefern sollte, ist auch als eine Abnormität anzusprechen). Der späte Schlüpfungstermin und das abweichende Geschlecht der be- treffenden Tiere haben vielleicht eine gemeinsame Ursache in einer - besonderen Konstitution oder Kondition der Individuen. Goldschmidt erklärt seine Beobachtung durch „non-disjunction“, d. h. durch fehler- - hafte Kombination der Heterochromosomen, indem bei der Reduktions- teilung der Samenzellen beide Geschlechtschromosomen abnormerweise nach dem einen Pol wandern. Vielleicht besteht zwischen diesem Fehler im Teilungsmechanismus und dem späten Schlüpfen ein Zu- 'sammenhang, indem beide Vorkommnisse auf eine schwächere Kon- - _stitution (oder Kondition) der in Frage kommenden Tiere zurückgehen. Ich hege die Vermutung, daß in vielen Fällen, zu deren Erklärung man besondere Hilfshypothesen wie Faktorenaustausch geschaffen hat (siehe Morgan und seine Schüler nach dem Referate von Nachts- heim), sich die alternativen, scheinbar durch je ein besonderes Gen bedingten Eigenschaften als Phänotypen ein und desselben Gens beraus- - stellen werden, wenn erst einmal die Verteilung der in Frage kommenden Charaktere auf die rascher und langsamer sich entwickelnden Indi- - vıduen einer Geschwisterschaft festgestellt ist. u © 480 F. Alv erdes, Über das Manifestw Er dr ererbten Anlage. iner Abr Eine weitere hierher gehörende Erscheinung aus , Gebete Er Bi Vererbungslehre, deren nähere Untersuchung bei verschiedeneu Tier- gruppen sich verlohnen dürfte, ist die der unvollständigen Dominanz. Unter diesem Namen sind bisher eine Menge sehr verschiedenartiger Vor- kommnisse vereinigt worden. So spricht man von unvollständiger Domi- nanz angesichts der Unregelmäßigkeiten, die sich in der Vererbungsweise bei hyperdaktylen Hühnerrassen ergeben (Davenport) Vielleicht darf man die Anwesenheit einer überzähligen Borste bei COyelops und die Hyperdaktylie der Hühner bis zu einem gewissen Grade ° miteinander vergleichen, obwohl die Extremitäten der Arthropoden und Wirbeltiere morphologisch nicht miteinander in Beziehung ge- bracht werden können und die überzählige Borste als Atavismus, die überzählige Zehe der Hühner dagegen als Doppelbildung aufzu- fassen ist. Führt man in den genannten beiden Fällen den Begriff der unvollständigen Dominanz ein, so sind die Unregelmäßigkeiten in der Vererbung damit nur erst Guter einem gemeinsamen Namen. zu- 4 sammengefaßt, aber noch keineswegs erklärt. | | Literatur. (Ein umfangreicheres Verzeichnis findet sich am Ende meiner ausführlichen Arbeit.) . Alverdes, F., Über die Vererbung von Abnormitäten bei 0% yalops, Zeitschr. ind. Abst.-L. (Im Druck). A Barfurth, D., Experimentelle Untersuchung. über die Vererbung = Hyperdaktylie bei Hühnern; V. Arch. Entw.-Mech. Bd. 40. 1914. 4 Braun, H., Die spezifischen Chromosomenzahlen der einheimischen Arten der Gattung | Oyclops. Arch. Zellf. Bd. 3. 1909. Davenport, ©. B., Inheritance in poultry. Carnegie Inst. Publ. 32. 1906. Goebel, K. Örganograpbie. Bd. 1—2. 1898. = Goldschm idt, R., Vorläufige Mitteilungen über weitere Versuche zur Vererbung und E Bedinimung des Geschlechts. Biol. Zentralbl. Bd. 35. 1915. Ei Haecker, V., Entwicklungsgeschichtliche Eigenschaftsanalyse Jena 1918. > Kuttner, O., Über Vererbung und Regeneration angeborener Mißbildungen bei E CGladoceren. Arch. Entw.-Mech. Bd. 36. 1915: E Lehmann, E., Über Zwischenrassen in der Veronica-Gruppe agr estis.. Zeitschr. @ ind. Abst.-L. Bd. 2. 1909. = Nachtsheim, H., Die Analyse der Erbfaktoren bei Drosophila und deren zytologische, 3 Grundlage (Referat). Zeitschr. ind. Abst.-L. Bd. 20. 1919. 3 Plate, L., Vererbungslehre. Leipzig 1913. | Vöch ling, Über Blütenanomalieen. Jahrb. wiss. Bot. Bd. 31. 1898. = Vries, H. de, Die Mutationstheorie. Bd. 1—2. 1901. Wol ter eck, R., Variation und Artbildung. Bern 1919. na SE ee in _ EP GEEEEEEEUDE BEER mstnernene ng nn 7 E Verlag. von G eOrg "Thieme in Leipzig, Antonstraße 15 Bi "Gedruckt bei Junge & Sohn in Eee | : N a ME — ä | a D EL a m A de U A Ei u Fa 4 TI EISEN TE DEREN NA RENEN SPEUDUN. at a re A sur a CAT, K Biologisches Zentralblatt Begründet von J. Rosenthal Herausgegeben von Dr. K. Goebel und Dr. R. Hertwig Professor der Botanik Professor der Zoologie in München Verlag von Georg Thieme in Leipzig 40. Band. November-Dezember 1920. Nr. 11 u. 12 ausgegeben am 15. Dezember 1920 Der jährliche Abonnementspreis (12 Heite) beträgt 20 Mark Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten Inhalt: E. Loesch, Heinrich Christian Pander, sein Leben und seine Werke. 8. 481. H. C. v. d. Heyde, Über die Lernfähigkeit der Strandkrabbe (Carcinus maenas L.). 8. 508. E. ziehen Wio erfolgt die Bestäubung der Mistel; scheiden ihre Blüten wirklich Nektar a . 514. H. Kutter, Sirongylognathus Huberi For. r. alpinus Wh. eine Sklaven raubende Ameise. S. 528, B. Klatt, Beiträge zur Sexualphysiologie des Schwammspinners,. S. 539. J. S. Szymanski, Motorische und sensorielle Tiertypen. $S. 558. J. S. Szymanski, Gibt es ein außermenschliches Bewußtsein? S. 562. Referate: Ar Meyer, Morphologische und physiologische Analyse der Zelle der Pflanzen und Tiere, . 567. K. Viets, Beiträge zur Kenntnis der Hydracarinen-Fauna norddeutscher Quellen. S. 568. N. G. Lebedinsky, Darwin’s geschlechtliche Zuchtwahl und ihre arterhaltende Bedeutung. 8. 571. Emil Du Bois-Reymond, Jugendbriefe an Eduard Hallmann. S. 573. L, Armbruster, Bienenzüchtungskunde. S. 575. Aus dem anatomischen Institut Würzburg. Heinrich Christian Pander, sein Leben und seine Werke. Eine biographische Studie. Von Ernst Loesch, Ansbach, Die Entwicklung der Keimblätter ist eine der wichtigsten — man könnte fast sagen die wichtigste — Grundlage der Embryologie. Denn aus den drei Keimblättern entstehen alle Organe des tierischen Körpers, teils durch die organologische Differenzierung, d. i. dadurch, daß embryo- nale Zellen durch Faltung sich zu gesonderten Komplexen abgrenzen, teils durch die histologische Differenzierung, d. i. dadurch, dab diese Zell- komplexe später im Gewebe umgewandelt werden. So entsteht aus dem äußeren Keimblatt, dem Ektoblast, die Epidermis mit ihren Drüsen und : Anhängen, ferner das Nervensystem und die Sinnesepithelien. Aus dem inneren Keimblatt, dem Entoblast, entsteht der Darm mit seinen wesent- lichsten Drüsen und endlich entsteht aus dem mittleren Keimblatt, dem Mesoblast, die Muskulatur, die Bindesubstanz, die drüsigen Or- gane, soweit sie nicht vom Entoblast gebildet werden, und die Ge- - schlechtsorgane. Die Lehre von der Entwicklung und Differenzierung der Keimblätter gründet sich auf die Untersuchungen Caspar Fried- rich Wolffs, ya raaN ChristianPandersundKarlErnst von Baer's. 40. Band. ar 3l 482 E. Loesch, Heinrich Christian Pander, sein Leben und a; Werke, E 2% Wolff (1733—1794) wird als der Entdecker der Metamorphose ° der Pflanze bezeichnet. Er hat schon vor Goethe dargelegt, daß die verschiedenen Organe der Pflanze sich durch verschiedenartige Um- ° bildung blattartiger Anlagen entwickeln. Auch für die Tiere hat er ein ähnliches Entwicklungsgesetz aufzustellen versucht. In seiner un E legenden Untersuchung über die Bildung des Darmkanals des Hühn- 3 chens zeigt er, daß derselbe anfänglich als ein blattförmiges Gebilde an- gelegt wird und daß dieses Gebilde sich dann zu einer Rinne einkrümmt und sich schließlich zu einem Rohr umgestaltet. Er nimmt an, daß ebenso auch die übrigen Organsysteme sich entwickeln und äußert sich darüber folgendermaßen: „Es scheint, als würden zu verschiedenen Zei- ten und mehrere Male hintereinander nach ein- und demselben Typus 4 verschiedene Systeme, aus welchen dann ein ganzes Tier wird, gebildet, und als wären diese darum einander ähnlich, wenn sie gleich ihrem Wesen nach verschieden sind. Das System, welches zuerst erzeugt wird, < zuerst eine bestimmte eigentümliche Gestalt annimmt, ist das Nerven- 3 system. Ist dies vollendet, so bildet sich die Fleischmasse, welche eigent- lich den Embryo ausmacht, nach demselben Typus, darauf erscheint ein drittes, das Gefäßsystem, das gewiß dem ersteren nicht unähnlich ist, z daß nicht die allen Systemen als gemeinsam zukommende beschriebene Form in ihm leicht erkannt würde. Auf dieses folgt das vierte, der ° Darmkanal, der wieder nach demselben Typus gebildet wird und als ° ein vollendetes in sich geschlossenes Ganze den drei ersten ähnlich er- scheint.“ Wolff hat seine Schrift in lateinischer Sprache: herausge- geben; erst 1812 hat Meckel eine deutsche Übersetzung davon ver- £ öffentlicht und so diese grundlegenden Gedanken näher bekannt ge- macht. 4 Anschließend an die Untersuchungen W ol£ff’s forschte D öllin: ger 2 in Würzburg weiter. Er führte jedoch seine Untersuchungen nicht selbst 3 zu Ende und veröffentlichte sie nicht, sondern überließ seine er und Erfahrungen seinem Schüler Pander, der in ausführlichen Unter- suchungen die Forschungen fortsetzte und 1817 erst in seiner Disser- tation und bald darauf in der ‚Schrift „Beiträge zur Entwicklungs | ‘ geschichte des Hühnchens im Ei“ veröffentlichte. Im Gegensatz zu Wolff unterscheidet Pander bereits am 12 Stunden bebrüteten Bi zwei von einander abtrennbare Lamellen, von denen er die eine das seröse Blatt, die andere das Schleimblatt nennt und später zwischen beiden eine dritte Schicht als Gefäßblatt bezeichnet. Die Untersuchungen W olff’s und Pander’s erhielten wenige . er später für längere Zeit einen vorläufigen Abschluß durch Baer, eben- falls einem Schüler Döllingers. Die Ergebnisse seines Forschens am bebrüteten Ei und auch an einigen anderen Wirbeltieren gab er her- 3 aus in seinem Werke „Über .Entwicklungsgeschichte der Tiere, Be- obachtung und Reflexion“. Im Gegensatz zuPander nennt er die beiden primären Keimblätter animales und vegetatives Blatt und läßt jedes 3 derselben später wieder in zwei Schichten sich. spalten, die er a Haut- 4 -E. Loesch, Heinrich Christian Pander, sein Leben und seine Werke. 483 und Fleischschicht, beziehungsweise als Schleimhaut und Gefäßschicht bezeichnet, so daß schließlich vier sekundäre Keimblätter vorhanden sind. Die Beobachtungen und Veröffentlichungen dieser drei Forscher, Wiolff, Pander und Baer führten die Embryologie auf einen neuen Weg, auf dem sie — allerdings erst später —, nachdem durch die Be- - - gründung der Zellentheorie neue Gesichtspunkte in die Morphologie - eingeführt und die Untersuchungsmethoden besonders durch die Ver- besserung des Mikroskops verfeinert waren, ihre heutige Vollkommen- heit erreichen konnte. Zur vollen Würdigung dieser wichtigen Ent- deckungen verlangt die Nachwelt nicht nur eine genaue Kenntnis der einschlägigen Schriften der beteiligten Forscher, sie wünscht auch Nähe- res aus ihrem Leben und von ihren weiteren Untersuchungen und Werken zu erfahren. E Über Wolff und seine Schriften sind wir im ganzen gut unter- - richtet, von Baer wissen wir besonders durch seine Selbstbiographie, ferner durch die Biographie Stieda’s fast alle Einzelheiten seines Lebens und Schaffens. Von Pander jedoch ist nur wenig bekannt; - eine kurze Biographie bringt Stieda in der „Allgemeinen deutschen - Biographie“. In den Historisch-kritischen Studien über „Goethe als - Naturforscher“ schreibt der Kritiker Kohlbrugge von Panderu.a.: „er lebte noch bis 1860. Von seinem Leben ist fast gar nichts bekannt; sollte er vielleicht aus Verbitterung sich in die Einsamkeit zurück- gezogen haben? Er bearbeite noch die Histoire naturelle für Meyen- __dorffs „Voyage & Boukhara 1826‘ und gab von 1856--1860 noch - kleinere aber vorzügliche Studien über fossile Fische heraus.“ Dies schreibt ein Kritiker, der, wie aus der zitierten Studie zu entnehmen - ist, über äußerst umfassende literarische Kenntnisse verfügt, der auch © einige Pander betreffende Fragen zu lösen versucht hat. — Pander's Name und Pander’s Bedeutung wird wohl in den meisten embryo- - logischen Schriften erwähnt, doch finden sich außer allgemeinen Be- _ merkungen keinerlei Angaben über seine Persönlichkeit und über seine _ späteren Arbeiten. So erscheint es fast notwendig, der Frage näher zu treten, was - Pander außer den bisher bekannten Schriften noch geleistet hat, ferner - zu untersuchen, ob und in welchem Zusammenhang seine späteren Ar- - beiten mit den Untersuchungen stehen,’von denen wir aus der Ent- E- wicklungsgeschichte und der vergleichenden Anatomie wissen. Es soll - also in der folgenden Abhandlung‘ all das zusammengestellt werden, was sich von und über Pander in der Literatur fiudet. 2 Die -Quellen sind sehr spärlich, und so kann eine Abhandlung über ‘ Pander keineswegs Anspruch auf erschöpfende Vollkommenheit machen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß noch einige andere kleinere Arbeiten, 2 als im folgenden angeführt werden, sich irgendwo versteckt in der Literatur finden, auch daß vielleicht noch vereinzelte genauere Nach- richten über ihn vorhanden sind. Es kann hier nur die Literatur zu 2 31* Pr 484 E. Loesch, Heinrich Christian Pander, sein Leben und seine Werke, Grunde gelegt werden, die in deutschen Bibliotheken voran as Vielleicht fänden sich in russischen Archiven und Bibliotheken (Riga, Petersburg, Moskau) noch genauere Angaben, doch ist es bei den gegen- wärtigen Zuständen in Rußland unmöglich, mit den u. een in Verbiv,dung zu treten. | Außer der bereits erwähnten Biographie Pander’s von Stieda finden sich weniger bekannte Biographien in ‘den „Riga’schen Bio- graphien‘, einer Sammlung-biographischer Artikel der „Riga’schen Stadt- blätter‘, sowie im „Allgemeinen Schriftsteller-- und Gelehrten-Lexikon der Provinzen Livland, Esthland und Kurland“ von Recke-Na- piersky und in den Nachträgen hierzu von Beise. Spärliche An- gaben bringt Meusel in seinem „Gelehrten Teutschland‘‘, ausführliche, aber nicht vollständige Notizen Baer in seiner Selbstbiographie. Aus all diesen Aufzeichnungen ergibt sich folgende Lebensbeschreibung Pan - ders; : Heinrich Christian Pander wurde am 12. Juli 1794 zu Riga geboren als Sohn des angesehenen Kaufmanns Martin Pander 4 und seiner Frau Ursula Uarolina Engel geb. Wöhrmann. Er war der älteste Sohn, nach ihm folgten noch vier Brüder und drei Schwe- stern. Der Vollständigkeit wegen mag hier kurz von seinen Brüdern gesagt sein, daß drei von ihnen Landwirte wurden und sich Güter in Livland erwarben, während einer als Kaufmann sich in Petersburg an- ° siedelte. Seine drei Schwestern verheirateten sich mit Riga’schen Kauf- leuten. Pander besuchte das Gymnasium in Riga und bezog im Jahre 1812 die Universität Dorpat, um Medizin zu studieren; 1814 siedelte er nach Berlin über und später nach Göttingen, 1816 kam er nach Würz- burg, wo er sein Studium beendigte und promovierte. „Bei seiner Nei- gung für die Naturwissenschaften und bei seinem ebenso angeborenen Bedürfnisse nach Gründlichkeit vertiefte er sich aber so in die Vor- bereitungswissenschaften, dab er zu der praktischen Medizin nicht ge- langte; aber früh sammelte er sich mannigfache naturwissenschaftliche Kenntnisse und ging in jedem Zweige auf eigene Untersuchungen ein. So hatte er sich z. B. auch chemische Apparate in seiner Wohnung auf- gestellt.“ (Riga’sche Biographien.) Diese Gründlichkeit in seinen Stu- dien tritt auch bei seinen späteren Forshcungen und Arbeiten besonders hervor und es wird darauf noch weiter eingegangen werden. So be- richtet auch Baer, der Pander von Dorpat her kannte und in Berlin wieder traf, vos dessen großer Begeisterung für das Berliner zoologische Museum, 'den botanischen Garten und die Vorlesungen, die er dort hörte. Und weiter berichtet Baer, daß Pander schon früh sich ganz dem Stu- dium der Naturwissenschaften ergeben hatte, obgleich sein Vater mehr auf die praktische Medizin drängte. Doch da er es infolge seiner günsti- sen finanziellen Lage nicht nötig hatte, die naturwissenschaftlichen Studien nur als Hilfsmittel für die Medizin zu behandeln und eine künftige Anstellung in Rußland im Auge zu behalten, hatte er Dorpat E. Loesch, Heinrich Christian Pander, sein Leben und seine Werke. 485 schon vor seinem gleichalterigen Kollegen verlassen, um seine Studien nach seinem Belieben in Deutschland, fortzusetzen. So erklärt sich auch sein schneller Entschluß, Baer nach Würzburg zu folgen, wo er neue interessante Studien erhoffte. Baer hatte Pander auf einer Versamm- lung von Studenten aus den russischen Östseeprovinzen, die in Deutsch- land studierten, nämlich viel von seinem Lehrer Döllinger in Würz- burg erzählt und ihm lebhaft zugeredet, ebenfalls bei Döllinger zu ar- beiten. So kam es, daß Pander im Sommer 1816 nach Würzburg zog, um bei Döllinger vergleichende Anatomie zu hören. Döllinger beschäftigte sich damals viel mit Untersuchungen über die Entwicklung des Hühnchens im Ei und übertrug schließlich die Ausführungen dieser Untersuchungen Pander. Das Ergebnis veröffentlichte Pander in ‘ der bereits erwähnten Schrift, von der auch noch eingehender die Rede - sein wird. Nach Abschluß dieser denkwürdigen Untersuchungen machte - Pander mit d’Alton, der die Abbildungen seines Werkes ange- fertigt hatte, eine große Reise durch Frankreich, Spanien, Holland und England, hauptsächlich um die größten anatomischen Museen Europas zu studieren, aber auch um Seetiere an den Küsten zu untersuchen. Einzel- heiten über diese Reise finden sich nur ganz spärlich in der Literatur. - In der enzyklopädischen Zeitschrift „Isis“ bringt Oken einen Brief --Pander’s und d’Alton’s aus Madrid vom 12. Juli 1818. Darin teilen n: die beiden Forscher mit, daß sie sich seit vier Wochen in Madrid befinden und damit beschäftigt seien, das Megatherium zu beschreiben ; auf ihrer - naturhistorischen Wanderung, die sie in Muckendorf begonnen hätten, seien sie längere Zeit in Paris gewesen, hätten dort Brütversuche an- gestellt und hauptsächlich die Blutinseln untersucht. Am Golf von Bis- caya hätten sie viele Mollusken zergliedert und gesammelt; sie wollten ‘ dann ihre Reise nach London fortsetzen, da an der afrikanischen Küste - die Pest ausgebrochen und in mehreren Provinzen. Spaniens das Reisen nicht sehr’ sicher sei. — Oken veröfientlicht noch einen anderen Brief - von d’Alton allein aus Cadix vom 18. September 1818. Er enthält einen kurzen Bericht über den weiteren Verlauf der Forschungen, beson- - ders erwähnt d’Alton Pander’s Untersuchungen über die Tinten- . fische, die bereits soweit gediehen seien, daß sie eine mit vierzig Ab- - bildungen versehene Monographie de” Sepia zusammengestellt hätten, die Pander zur Veröffentlichung der Petersburger Akademie übersenden a - wolle. Der Brief enthält weiter noch ein etwas abfälliges Urteil Pan- - _der’s über Cuvier’s Untersuchungen der Tintenfische: „er bewundere - zwar die große Fertigkeit, womit Cuvier’s Zeichnungen gemacht sind, meine aber, man müsse vor allen Dingen erst das, was eine Sache ist, - darzustellen suchen, weil man sonst in Gefahr sei, seine Vorstellung von dem Gegenstand für den Gegenstand selbst zu geben.“ Pander wußte weder davon, daß d’Alton seine Äußerung über Cuvier’s Unter- suchungen an Oken mitgeteilt, noch daß Oken diesen Brief in der „Isis“ gebracht hatte. So kam es zu einer für Pander sehr peinlichen ‘ Situation. Pander besuchte nämlich, wie Baer in der Lebensgeschichte 486 E. Loesch, Heinrich Christian Pander, sein Leben und seine Werke. = N Cuvier’s mitteilt, auf der Rückreise den viel älteren Cuvier in Paris, noch ohne von dem erwähnten Brief d’Alton’s etwas zu wissen, und erfuhr erst von Cuvier selbst davon. Dies berührte Pander so unangenehm, daß er sich nicht dazu entschließen konnte, seine Be- obachtungen über die Tintenfische zu publizieren. Außer diesen weni- gen Notizen finden sich keine weiteren Nachrichten über die Reise der beiden Forscher. Das wissenschaftliche Ergebnis der gemeinsamen Reise war die Herausgabe der bekannten ‚„Vergleichenden Osteologie“, von der noch eingehender im Folgenden berichtet werden wird. Von der Reise zurückgekehrt, verließ Pander Deutschland für immer und begab sich wieder nach Rußland. Die Angaben über ihm sind nun noch spärlicher als die, welche seinen Aufenthalt in Deutschland betreffen. E Im Jahre 1820 begleitete Pander als Naturforscher die unter “ dem Staatsrat von Negri an den Khan von Boukkara abgefertigte Kaiserliche Gesandtschaft. Wie Pander zu diesem ehrenden Auftrag E kam, ist nicht zu erfahren. Die Reise wurde von dem Baron v. Meyen- dorff beschrieben, sein französischer Originaltext von Scheidler 1826 ins Deutsche übersetzt. Im Vorwort ist angegeben, daß „Dr. Pan- der, ein sehr vorteilhaft bekannter deutscher Naturforscher“ der Ge- sandtschaft beigegeben wurde, sonst wird von ihm weiter in der ganzen Reisebeschreibung nichts erwähnt. Die Beschreibung ist äußerst sach- lich abgefaßt ohne jegliche persönliche Färbung. Wie Kohlbrugge angibt, hat Pander die naturwissenschaftlichen Abschnitte geschrie- E ben; es ist davon nichts in der Schrift erwähnt, doch finden sich häufig E kurze Beschreibungen des Geländes, geologische Angaben, außerdem Mit- teilungen über Funde von Versteinerunpen: Beobachtungen, die mitzu- 4 teilen Meyendorff vielleicht durch Pander veranlaßt wurde Recke-Napiersky berichtet, daß Pander von der Reise viele naturhistorische Schätze mitbrachte, die er zum größten Teil der natur: forschenden Gesellschaft in Moskau schenkte; worin diese Schätze be- standen, wird nicht angegeben. Er hat später noch einige Reisen nach E Asien unternommen und von dort eine neue Vogelgattung, sowie einige neue Käferarten mitgebracht, von denen Fischer in Moskau den 1 Vogel (eine Häherart) nach ihm Podokes Panderi und eine Käferart Callistenes Panderi benannte. = Nach der Rückkehr von Boukhara wurde Pander Adjunkt de 9 Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg und im Jahre 1823 ordentliches Mitglied derselben für Zoologie, nachdem er — so berichtet Recke-Napiersky — den Antrag zur Teilnahme 5 an einer großen wissenschaftlichen Reise, ebenso den Ruf zu einer Pro- 4 fessur in Kasan abgelehnt hatte. Er ordnete an der Akademie das 200 logische Kabinett und die zoologische Bibliothek und bestimmte syste- matisch die einzelnen Gegenstände, besonders die Vögel und die Con- chylien. Ferner untersuchte er die zoologischen Formationen der Um- gebung von St. Petersburg und die fossilen Tierreste in denselben. Seine Untersuchungen legte er in dem Werk Beelrage zur Geognosie ges 2 u FT ud ” Mi u 7 nn ‘ E- 2 u Rex, N ” + , E. Tossch. Heinrich Christian Pander, sein Leben und seine Werke, 487 # russischen Reiches“ nieder. 1826 wurde er Kollegienrat und erhielt den St. Wladimirorden IV. Klasse. Im Jahre 1827 gab er seine Stelle an der Akademie der Wissenschaften auf und zog sich bald darauf auf das väterliche Landgut Zarnikau in Livland zurück. Über die Gründe, die ihn dazu veranlaßt haben, ist in der ganzen durchsuchten einschlä- gigen Literatur, soweit sie zugänglich ist, nichts zu finden. Das Mit- - gliederverzeichnis der Akademie enthält nur die kurze Natiz: „1821 - IE 20 octobre: Pander, Ohretien-Henry, Adj. pour la Zoologie, A. E. - en 1823, A. O. le 15 Fevrier 1826, obtient sa demission le 20 juin 1827.“ - Ferner ist zu bemerken, daß der Katalog der Veröffentlichungen der Akademie bis zum Jahre 1872 keine einzige Arbeit Pander’s enthält, auch keine Arbeit, die sich auf Pander beziehen könnte. Auf Pan- der’s Stelle an der Akademie wurde sein Jugendfreund Baer berufen, - dieser hatte, wie er selbst mitteilt, keine Ahnung davon gehabt, daß - Pander seinen Austritt aus der Akademie angekündigt hatte. Als - Baer Ende des Jahres 1829 nach Petersburg übersiedelte, fand er dort E Pander noch vor; sonderbarerweise erwähnt er mit keinem Wort, was - _ Pander bewogen hatte, die Stelle aufzugeben. — Als Landwirt in - Zarnikau scheint Pander keine volle Befriedigung gefunden zu haben, - denn er widmete sich bald wieder naturwissenschaftlichen Untersuch- - ungen. Der Sandboden Livlands enthält nämlich zahlreiche Bruchstücke von, Schildern und Zähnen urweltlicher Tiere, deren Bestimmung sehr E schwierig ist, da sich keine Teile eines wirklichen Skeletts finden ließen. Pander sammelte große Mengen von diesen Zähnen und Schil- ® derresten und erkannte als Erster, daß sie untergegangenen Arten von E- ee angehört haben müssen. Da er aber nur für die Befrie- . digung des eigenen Wissensdranges arbeitete, auch auf dem Lande die . Herausgabe eines Werkes mit Kupferstichen kaum möglich war, kam ihm - der Geolog Murchison mit der Beschreibung dieser später Devoni- 3 sche Formation genannten Schicht mit ihren gepanzerten m, . Zuvor. Im Jahre 1842. 208 er, nachdem er beim Kaiserlichen Bergwesen . eine Stelle erhalten hatte, wieder nach St. Petersburg. Im Auftrag des Staates unternahm er zahlreiche geologische Untersuchungsreisen in Liv- z land und Esthland, in Zentralrußland und am Ural. Der Hauptzweck Eder ‚Reisen war, den paläontologischen Charakter der alten Formationen genau zu studieren und nach sicherster Feststellung der geologischen - Schichten, welche die Kohlenformationen Rußlands einnehmen, diejenigen _ Orte auszuwählen, an denen Versuchsbaue auf Steinkohlen anzulegen wären. Ihm wird, wie in den Riga’schen Biographien hervorgehoben wird, die auch in praktischer Hinsicht so erfolgreiche Aufklärung der Gliederung und des Bestandes ‚des Uralischen en 4 verdankt. nn E: e 'Pander starb am 10. Oktober 1865 in St. Petersburg. Aus seiner Be im Jahre 1825 mit Amalie v. Scherer geschlossenen Ehe gingen ns Söhne und vier Töchter hervor. Es wäre sehr interessant, noch u 488 E. Loesch, Heinrich Christian Pander, sein Leben und seine Werke : mehr über seine Nachkommen zu erfahren, uın vielleicht durch sie noch ausführlichere Nachrichten über ihn zu erhalten, doch sind augenblick- lich derartige Forschungen, die in Riga zu beginnen hätten, unmöglich. Wie es bis jetzt keine erschöpfende Biographie Pander’s gibt, so ist auch kein vollständiges Verzeichnis seiner Schriften’ vorhanden. Die größeren Arbeiten zählt Stieda auf anschließend an seine Pan- derbiographie, ein anderes allerdings auch nicht vollständiges Ver- zeichnis bringt Recke-Napiersky, ein weiteres findet sich im „Ca- talogue of scientific Papers compiled by the Royal Society of London‘. Doch keines dieser Verzeichnisse enthält Pander’s sämtliche Werke. - Im folgenden sind alle Schriften Pander’s zusammengestellt, soweit sie sich in der Literatur haben auffinden lassen. | Das bedeutendste Werk, das Pander’s Namen trägt, dem er seine Unsterblichkeit in der Geschichte der Anatomie verdankt, ist die Ver- öffentlichung der Untersuchungen über die Entwickluug des Hühn- chens im Ei. Er gab sie im Jahre 1817 erst als seine Dissertation heraus (Dissertatio inauguralis sistens historiam metamorphoseos, quam ovum incubatum prioribus quinque diebus subit) und versprach. in derselben, - die nicht mit Abbildungen ausgestattet und dem Brauch der damaligen Zeit entsprechend in lateinischer Sprache abgefaßt war, als Ergänzung dazu die Abbildungen zu liefern. Diesem Versprechen kam er im Sep- tember 1817 nach durch Herausgabe des Werkes „Beiträge zur Ent- _ wicklungsgeschichte des Hühnchens im Eye“. Der Inhalt der Abhand- lung ist folgender: Nachdem im Vorwort ausdrücklich betont ist, daß „weder mit dem Gegenwärtigen, noch auch mit der vorausgegangenen Abhandlung eine vollständige, allseitig und vollkommen genügende Ge- schichte des bebrüteten Eies bezweckt sei“, bittet der Verfasser „Schrift und Abbildungen nur als Studien anzusehen, woraus sich wohl leichter als vorher ein Ganzes werde gestalten können“. Am Anfang der Ab- handlung selbst wird eine genaue Beschreibung des unbebrüteten Eies gegeben, ihr folgen die Darstellungen des bebrüteten Eies. Nach acht Stunden Bebrütung läßt sich die Keimbaut von der Dotterhaut abheben und nach weiteren vier Stunden kann. eine Differenzierung der Keim- haut in „seröses Blatt“ und ‚Schleimblatt‘‘ festzestellt werden. Nach- dem nach 18stündiger Bebrütung der biskuitförmige Fruchthof deut- lich hervortritt, beginnt die Faltung: erst erheben sich die Primitiv- ® falten, dann entsteht die Anlage des Rückenmarkes und zum Schutze dieser Anlage wieder schlagen sich die Primitivfalten über dieselbe zu- sammen. Nachdem durch Aufhebung und Faltung auch Kopf- und Schwanzende sich angelegt haben, sind nach 20 Stunden Bebrütung die ? Anfänge der Wirbel als viereckige Flecke neben den Primitivfalten zu sehen. Nun entsteht zwischen serösem Blatt und: Schleimblatt das „Gefäßblatt‘‘ (Mesoderm), aus Blutinseln bilden sich die Gefäße und ordnen sich zum Kreislauf; es entwickelt sich alsdann das -Herz und nach 60 Stunden Bebrütung ist der Dotterkreislauf ausgebildet. Der Dotter beginnt allmählich flüssiger zu werden, am Embryo selbst kann E. Loesch, Heinrich Christian Pander, sein Leben und seine Werke. 489 man die Entwicklung von Oesophagus, Mastdarm und Mitteldarm fest- stellen. Unterdessen hat sich das Ammion gebildet und ebenso das Chorion. Soweit schildert Pander die Entwicklung des Hühnerembryos. Ein klarer Text von 42 Folioseiten und zahlreiche Abbildungen auf 10 Kupfertafeln veranschaulichen deutlich das, was Pander unter Döllinger’s Leitung am bebrüteten Ei gefunden hat. Mit einfachen, schlichten Worten sind die einzelnen Tatsachen, welche der innersten Überzeugung des Verfassers entsprechen, nacheinander aufgeführt, die Resultate und Anschauungen früherer Forscher sind nur kurz erwähnt, teils als richtig bezeichnet, teils auch widerlegt. Pander schreibt dar- über am Ende des Vorwortes zur Erklärung der Kupfertafeln: ‚So wie wir alle vergleichende Berücksichtigung der einzelnen Organe, sowohl in Hinsicht ihrer Entwicklungs-Perioden als ihres gegenseitigen Ver- hältnisses zu einander unterließen, so haben wir uns auch aller Berichti- gurgen und Schlüsse enthalten, die aus den Resultaten unserer Unter- suchungen herzuleiten gewesen wären, und uns leicht zu mancher neuen Theorie Anlaf geben könnten. Wir verschieben lieber -die weitere wissen- schaftliche Ausbildung der aus unseren Beobachtungen hervorgehenden physiologischen Ideen auf eine künftige Zeit, wo wir sie bei günstiger Muße an neue vollständigere Versuche anzuknüpfen gedenken.“ Dazu ist es jedoch nicht mehr gekommen. Eine weitere Veröffentlichung Pander’s über dieses Thema, weitere größere Untersuchungen dieser Art sind nirgends zu finden. Äußerst mühsame und genaue Unkermuchunden liegen der Veröffent- liehung zu Grunde. Wir erfahren Einzelheiten aus der Entstehungsge- ‚schichte durch Oken, ferner durch Walther (Rede zum Andenken anDöllinger) und durch Baer, der dem Anfang der Untersuchungen selbst beigewohnt hat. — Es ist nicht uninteressant zu untersuchen, warum gerade Pander das außerordentliche Glück hatte, seinen Namen durch diese denkwürdige Arbeit unsterblich zu machen. Baer berichtet 'in seiner Selbstbiographie, daß Döllinger schon lange vor der An- kunft Pander’s in Würzburg sich eingehend mit Untersuchungen über die Entwicklung des Hühnchens im Ei beschäftigt hatte, doch hatte er diese Untersuchungen wieder unterbrochen, einerseits wegen der damit verbundenen hohen Kosten, andererseits aus Mangel an Weit, denn die Untersuchungen erforderten dauernde Beaufsichtigung. Er faßte daher den Plan. die weiteren Forschungen einem seiner Schüler zu überlassen der sowohl über die dazu nötige Zeit, als auch über entsprechende Mittel zur Bestreitung der Kosten verfügte. Baer interessierte sich wohl sehr für diese Untersuchungen, konnte jedoch die Arbeit nicht übernehmen, la die Zeit_seines Aufenthalts in Würzburg zu beschränkt war. ‘So ließ denn Döllinger die angefangenen Untersuchungen einstweilen = liegen und wartete auf den geeigneten Männ, der sie fortsetzen sollte. — Auf Baer’s Veranlassung kam im Spätfrühling 1816, wie schon er- wähnt, Pander nach Würzburg in der Absicht bei Döllinger ver- 490 E. Loesch, Heinrich Christian Pander, sein Leben und seine Werke. re gleichende Anatomie zu hören und zu promovieren. Schon bevor er sich bei Döllinger vorgestellt hatte, hatte Baer Döllinger von ihm berichtet, daß er über reiche Mittel verfüge, daß er großes Interesse an naturwissenschaftlichen Dingen habe und auch gern einige Zeit auf die Anstellung länger dauernder Untersuchungen verwenden wolle. Dar- aufhin wurde Döllinger’s alter Wunsch, die begonnene Arbeit endlich ausführen zu lassen, wieder sehr rege, er sprach oftmals mit Baer darüber und, da ıhm Päander’s Persönlichkeit zusagte, übertrug er die Ausführung derselben ihm. Pander hatte gewünscht ein Thema zu erhalten, das neue Beobachtungen und. Betrachtungen erforderte und es kann als ein merkwürdiges Zusammentreffen bezeichnet werden, daß Döllinger gerade ein solches Thema zu vergeben hatte, das Pander bearbeiten wollte und dessen Ergebnisse sein Eigentum werden sollten. — Baer teilt im Vorwort zu seinem anfangs erwähnten entwicklungs- geschichtlichen Werk, das er seinem Jugendfreund Pander zugeeignet hat. mit von dem denkwürdigen Augenblick, in dem Döllinger Pan- der das Thema seiner Arbeit gab. Döllinger, Baer und Pander waren zusammen auf dem Weg nach Sickershausen bei Kitzingen, um Nees v. Esenbeck zu besuchen, und als sie dort den Steg über den Main überschritten, sprach Döllinger wieder einmal von seinem Wunsch, die geplante Arbeit ausführen zu lassen. Er fragte noch einmal Baer, ob er sie nicht übernehmen wollte, und als dieser aus dem be- reits oben angeführten Grund ablehnen mußte, übergab er sie Pander. = So kam also Pander dazu, die Untersuchungen Döllinger’s fort- zusetzen und unter dessen Leitung und Aufsicht die Resultate zu erzielen. die ihn für alle Zeit berühmt gemacht haben. Er hatte dabei den großen Vorteil, Döllinger’s frühere Erfahrungen und seine bereits auspro- bierten Methoden zu benutzen. Nach Baer’s Darstellung wurden die Untersuchungen vorwiegend von Pander allein ausgeführt, der auch deren Kosten trug und die Brütmaschine beaufsichtigte, während Döl- linger sich nur das Recht vorbehalten hatte, dauernd über die Unter- suchungen auf ‘dem Laufenden gehalten zu werden und sich davon selbst überzeugen zu können. Zur Anfertigung der für die Publizierung der Ergebnisse erforderlichen Abbildungen wurde d’Alton gegen ein regel- mäßiges Honorar gewonnen. D’Alton hatte einige Jahre vorher eine mit nach zeitgenössischen Urteilen trefflichen Abbildungen ausgestattete Anatomie des Pferdes herausgegeben und schien, da er Zeichner und Kupferstecher in einer Person war, Döllinger besonders für diesen Auftrag geeignet. Nach der Darstellung Walther’s stand: bereits = längere Zeit vor dem Eintreffen Pander’s in Würzburg Döllinger mit d’Alton in Verbindung zum Zwecke der Untersuchung und bild- = lichen Darstellung von Tierföten aus allen Klassen der Wirbeltiere. Baer dagegen behauptet ausdrücklich, d’Alton sei erst einige Wochen nach Pander nach Würzburg gekommen. Pander schreibt darüber in sei- ner Dissertation: ‚.... ut d’Alton ...., qui iam ante aliquot annos Dn.. Professori, de disquisitione foetuum animalium omnis generis cogi- nn ’ y # Br aA, 4 ae) a, ur E. Loesch, Heinrich Christian Pander, sein Leben und seine Werke. 491 tandi, suam socii operam spoponderat, in nostri consilii communionem venire rogarem. Quod ab eximia viri benignitate facile impetravi.“ - Es ergeben sich aus Baer’s und Walther’s Mitteilungen auch noch einige andere Verschiedenheiten, die noch erörtert werden sollen. An - dieser Stelle kann bereits bemerkt werden, daß Baer’s Angabe, d’Alton seı vor Pander’s Ankunft nicht in Würzburg gewesen, wohl nicht stimmt. Er war in der Nähe- von Würzburg und wohl stets erreichbar. —- Zur Bebrütung der Hühnereier wurde eine von Hollmann erfundene und von Blumenbach bekannt gemachte Maschine benützt, die Döl- linger und seine Schüler für ihre besonderen Zwecke vervollkommneten und so vergrößerten, daß bei immer gleich bleibender Temperatur von 28 bis 320% R. zu gleicher Zeit vierzig Eier bebrütet werden konnten. Nach und nach wurden mehr als 2000 Eier bebrütet und untersucht, so daß, wie Walther zu berichten weiß, auf dem Markt in Würz- burg die Eier sehr im Preise stiegen und für das gewöhnliche Bedürf- nis in der Küche schwer zu beschaffen waren. Diese großzügigen Untersuchungen waren ein Ereignis für die da- malige naturwissenschaftliche Welt. Nees v. Esenbeck, Menke, Schönlein, Köhler und viele andere Gelehrte kamen, um sich selbst die Untersuchungen an Ort und Stelle anzusehen; auch Oken in Jena war dazu eingeladen, konnte aber, wie er bedauernd in der „Isis“ mitteilt, der Einladung nicht Folge leisten und „nicht mit eigenen Augen das verstehen, was durch fremde nicht möglich ist“. In der Be- sprechung, die er der Pander’schen Arbeit widmet, sagt er, daß das Ergebnis der Untersuchungen „durchaus neu, neu gesehen, neu gedacht, neu gezeichnet, neu gestochen sei“. Allerdings knüpft er an größere ‘von ihm abgedruckte Zitate aus der Dissertation Pander’s auch wie- der seine Zweifel und stellt an Pander die Aufforderung, genauer auf die von ihm ausgesprochenen Zweifel einzugehen. In einem späteren Heft der „Isis“ finden wir auch die Erwiderung Pander’s auf Oken’s _ Einwände; eine weitere Entgegnung Oken’s folgt nicht mehr, und so kann angenommen werden, daß er mit Pander’s Erklärungen einver- standen war. Oken berichtet außerdem noch, daß Pander ursprüng- ‚lich im Sinne gehabt hatte, von der deutschen illustrierten Ausgabe nur Prachtexemplare herstellen zu lassen und sie nicht in Kauf zu geben, sondern nur an Naturforscher zu verschenken. „Das ist allerdings eine Liberalität ohnegleichen,“ fährt Oken fort, „und man kann nicht 'umhin solchen herrlichen Sinn für den Wert der Wissenschaft, der solche Opfer noch zu den schon ohnehin An Auslagen, die ander ganz allein übernommen hat, zu preisen.‘ Die im obigen ausgeführte Fnsleimnesgsschichte des Werkes ist se hauptsächlich, soweit nicht anders bemerkt ist, nach den Angaben Baer's abgefaßt. Nach Baer’s Mitteilungen scheint es fast so, als habe Döl- linger die Arbeit gewissermaßen in Auftrag gegeben, dazu allerdings seine bisherigen Erfahrungen zur Verfügung gestellt und im übrigen _ Pander ziemlich selbständig die Untersuchungen ausführen lassen. Ne 499 E. Loesch, Heinrich Christian Pander, sein Leben und seine Werke. Und d’Alton habe dazu, von Döllinger gegen ein Honorar Pan- der’s engagiert, die Zeichnungen geliefert. Baer beteiligte sich nur anfangs an den Untersuchungen, später zog er sich davon zurück und verließ bald darauf Würzburg. Ganz anders berichtet Walther: Döl- linger, Pander und d’Alton arbeiteten gemeinsam ein Jahr lang und sie ließen erst das als sicher gestellte”Tatsache gelten, was sie so- wohl vereint, als auch was jeder einzeln für sich beobachtet hatte. Er schreibt von dem Austausch der Beobachtungen, Ansichten und Ent- deckungen der drei Forscher, von Berichtigung ihrer Zweifel, Irrtümer und falschen Auffassung, er betont weiter noch, daß Döllinger wohl an der Spitze des Unternehmens stand, doch jedem der Mitarbeiter volle Freiheit der Forschung und des Urteils ließ und spricht geradezu von dem „einmütigen Triumvirat, einer Art von Akademie“. Er stellt also die gesamten Untersuchungen als eine gemeinsame Arbeit der drei For- scher hin. Und Pander selbst schreibt in der Praefatio seiner Disser- tation über Döllinger’s Unterstützung der Untersuchungen: ,,... deinde, aceuratius demonstrata, quod ad hanc disciplinae nostrae partem persequendam non parum fact, subsidiorum, artificiorum, instrumento- rumque ratione et usu, inchoafarım at ationum continuationem et completam incubationis perscrutationem mihi relinquere non dubitaret“ und weiter „viri summi Döllingerus et d’Alton, qui suam omnem atten- tionem in meos labores eontulerunt, omnes et disquisitiones unanimiter direxerunt et auxerunt“. Im Korwon der deutschen Ausgabe schreibt Pander von den „Untersuchungen in Verbindung mit dem Herrn Pro- fessor Döllinger und mit Herrn d’Alton‘“; was er aber mit dem Ausdruck in „Verbindung“ sagen will, ist weiter nicht angegeben. Aus all diesen Angaben können wohl Schlüsse auf die Autorenverhältnisse gezogen werden, doch bleibt immer noch die Frage offen ‚warum gerade Pander seinen Namen auf das Titelblatt setzen durfte, wie es kam, daß Döllinger gerade ihm es überließ, für die Nachwelt als einziger Autor dieses so bedeutenden Werkes zu gelten. — Daß Döllinger damals den Wert der Untersuchungen noch unterschätzte, ist wohl kaum anzunehmen. Die Antwort muß zu einer besonderen Schätzung Pan- der’s führen, denn es ist eine auff»]lende Erscheinung, daß alle übrigen Dissertationen, die bei Döllinger geschrieben wurden, sämtlich ziem- lich unbedeutende Arbeiten sind, so daß außer derjenigen Panders keine einzige von ihnen dauernden wissenschaftlichen Wert besitzt. Ferner ist von Döllinger’s eigenen Arbeiten zu sagen, daß sie wohl feine Beobachtungen enthalten, es ihnen jedoch an schöpferischer Origi- nalität mangelt. Und gerade das tritt in Pander’s Werk besonders hervor. So ist es doch wohl berechtigt, daß Pander als eigentlicher Verfasser der Arbeit angesehen wird, und daß sein Name eingereiht ist unter die derjenigen Embryologen, deren Untersuchungen die Grundlage für unsere Kenntnis von der Entwicklung der Wirbeltiere bilden. Ganz ungeklärt ist das Verhältnis zwischen -Pander und dAlton. D’Alton war 22 Jahre älter als Pander und erscheint in der Baer’- 'E. Loesch, Heinrich Christian Pander, sein Leben und seine Werke. 4953 schen Darstellung fast lediglich als Zeichner der hübschen Abbildungen, die einen wesentlichen Teil des Werkes ausmachen und ohne die manche Textstelle recht unverständlich wäre. D’Alton hatte, wie bereits er- wähnt, schon vorher ein anatomisches Werk mit Abbildungen heraus- gegeben, so daß wohl anzunehmen ist, dab er nicht nur darsteHender Künstler gewesen sein, sondern auch über reiche naturwissenschaftliche Kenntnisse verfügt haben muß. Und so teilt auch Baer mit, dab er „den Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte bis zur Ankunft in Würzburg wohl völlig fremd war, aber als ein Mann von vielem Geiste und mit naturhistorischer Vorbildung bald zum völligen Verständnis derselben gekommen sein wird“. Aus der Baer'schen Darstellung ist jedoch nicht zu entnehmen, in welcher Beziehung sich d’Alton an den Untersuchungen selbst beteiligte, und auch gar nicht, wie sich sein per- sönliches Verhältnis zu Pander gestaltete. Auffallend ist, daß in dem Pander'schen Werke selbst nicht angegeben ist, daß d’Alton die - Tafeln gezeichnet hat, daß auf den Tafeln selbst ebenfalls sein Name nicht zu finden ist. Auch aus Walther's Angaben können Schlüsse auf das Verhältnis Pander’s zu d’Alton und auf dAlton’s Anteil an den Untersuchungen nicht gezogen werden. Und andere Notizen, die sich auf Einzelheiten der Entstehungsgeschichte dieses Werkes beziehen, sind nicht vorhanden. So muß diese Frage, wieweit d’Alton abgesehen von seinen Zeichnungen daran teilgenommen hat, noch unentschieden gelassen werden. | | Soviel von Pander’s erstem Werke. Er begründete seine Be- rühmtheit als Embryologe, zu der er auf die geschilderte eigenartige Weise gekommen ist. Außerdem aber lernte Pander während seiner Untersuchungen das Genie d’Alton’s näher kennen und schätzen und dies hatte ein weiteres gemeinsames Arbeiten der beiden zur Folge. Wie bereits in der Lebensbeschreibung Pander’s angegeben ist, unter- nahmen sie miteinander die große Reise, studierten die ‚größeren Zzoo- logischen Museen Europas und gaben ihre Untersuchungen als die sog. „Vergleichende Osteologie der Säugetiere‘ heraus. Das Werk umfaßt eine stößere Anzahl von Heften, die nacheinander vom Jahre 1821 an in Bonn erschienen. Die ersten Lieferungen bringen die Beschreibungen des Megatheriums, der Nagetiere, der Vierhänder, der Zahnlosen, der Cetaceen und der Beuteltiere und tragen auf dem Titelblatt als Ver- fasser die Namen Pander’s und d’Alton’s. Die weiteren Lieferungen ‚tragen nur dAlton’s Namen, beziehungsweise den d’Alton’s des Älte- ren und d’Alton’s des Jüngeren. Im ganzen umfaßt das mit dem Sammelnamen „Vergleichende Osteologie‘“ bezeichnete Werk 13 Liefe- rungen, außerdem gehört dem Zyklus noch eine Abhandlung an mit dem Titel „Allgemeine Bemerkungen über die Einwirkung äußerer Einflüsse auf die organische Entwicklung der Tiere“ von beiden Forschern. Den Hauptteil des Werkes bilden die überaus schönen Abbildungen der 'Skelette, die ohne Zweifel alle d’Alton zuzuschreiben sind. Wie es sich mit dem begleitenden Text verhält, ob er von Pander allein, ob _ 494 E. Loesch, Heinrich Christian Pander, sein Te de seine Werke. er von beiden gemeinsam abgefaßt ist, ferner ob er teils von dem einen, teils von dem anderen der beiden Forscher stammt, Ist RN, zu ent- scheiden. : Von der Entstehungsgeschichte dieses gemeinsamen Werkes ist be- reits gesagt worden, daß es das Ergebnis der Studien bildet, die Pander und d’Alton auf ıhrer Reise gemacht haben. Die erste Lieferung ent- hält die Beschreibung des Megatheriums (Bradypus giganteus) und eine vergleichende Darstellung mit den noch lebenden Arten Bradypus try- daktylus und didaktylus. Die Beschreibung des Megatheriums wurde nach einem in Madrid befindlichen Skelett angefertigt, das sie nach ihrer Mitteilung an Oken in dem bereits erwähnten Madrider Brief ganz falsch aufgestellt im dortigen zoologischen Museum vorfanden und das erst auf ihre Vorstellungen und Einwände hin anatomisch richtig zusammengesetzt wurde. Weiter teilen sie in diesem Brief noch mit, daß sie durch die Beschreibung dieser Tierart nicht nur einen wesentlichen Beitrag zur genaueren Kenntnis der untergegangenen Tierwelt zu liefern hoffen, sondern auch durch ihre Zusammenstellung einige neue Ansichten und Ideen über die Bildungsgeschichte neuer Geschlechter zu eröffnen. Diese Abhandlung solle der Beginn sein des großen Werkes, zu dem der größte Teil des Materials damals schon (Juli 1818) fertig zusammen- gestellt war. Und weiter äußern sie noch in diesem Brief, daß sie, nachdem sie auf ihrer Reise so viele und ungeheuere Reste der unter- gegangenen Welt gesehen, sich kaum des Gedankens erwehren können, die gegenwärtige Tierwelt nur für ein verkümmertes Nachleben zu halten. — Der Beschreibung der anderen Tierarten liegen zum großen Teil Originale der Berliner zootomischen Sammlung zu Grunde. Wei- tere Einzelheiten über die Entstehungsgeschichte der „Vergleichenden Osteologie“ fehlen. Als zeitgenössisches Urteil seien hier Oken’s kurze Besprechungen der ersten Hefte in der „Isis“ erwähnt. Er bezeichnet sie als Prachtwerke, scheint jedoch damit hauptsächlich die Abbildungen zu meinen, denn vom Text sagt er, er könne noch kürzer sein, obschon manche interessante Betrachtungen darin vorkommen, und an anderer Stelle bemerkt er ganz schroff, der Text, so sinnreich er sei, passe nicht zu einem Werk dieser Art. Über die Autorenverhältnisse dieses Werkes herrscht noch größere Unklarheit als über die vorhergehende Veröffentlichung, da nirgends deutlich ausgesprochen ist, wie beide Forscher sich in die Abfassung des Textes geteilt haben. Goethe hat sich lebhaft für dieses Werk, von dem ihm d’Alton, ein Freund des Herzogs von Weimar, einige Hefte zugesandt hatte, interessiert und mehrere Gedanken darüber nie- dergelegt. Er spricht kurzweg von d’Alton’s Werk. Eingehend, doch in etwas tendentiöser Weise, hat sich in neuerer Zeit der bereits am An- fang dieser Abhandlung erwähnte Kritiker Kohlbrugge damit be- faßt, ohne jedoch zu einem befriedigenden Resultat zu gelangen. Als neueste Abhandlung über diese Fragen, besonders über die Autorenver- hältnisse und die Entstehungsgeschichte, sei eine Abhandlung von un nu Fo ee pi vr. ie A se Ua, ‘ - ee en. - wr 4 ” } A F a En ’ » n “ - BE: Loesch, Heinrich Christian Pander, sein Leben und seine Werke. 405 Lubosch ‚Über Pander’'s und d’Alton’s vergleichende Osteologie ‚der Säugetiere‘ genannt, in der neben mehreren anderen Vermutungen als wahrscheinlichste die ausgesprochen wird, daß d’Alton wohl den Hauptteil an dem Werke habe, Pander die Beschreibung der Knochen, also die eigentliche Materialsammlung, zufällt. Während noch in Bonn die einzelnen‘ Lieferungen dieses Werkes erschienen, die Pander's Namen wiederum mit einem unvergänglichen Werke in Verbindung brachten, hatte er bereits Deutschland- für immer verlassen und sich in Rußland, wie aus seinen späteren Schriften hervorgeht, ganz anderen Studien und Forschungen gewidmet. 1830 erschienen in Petersburg, gedruckt auf Kosten des Verfassers, „Beiträge zur Geognosie des russischen Reiches“ mit dem Untertitel „Die Umgebungen von St. Petersburg“. Pander hat dieses Buch „seinen Landsleuten“ gewidmet und führt im Vorwort u. a. aus: Er bittet das vorliegende Werk nicht als vollkommen zu betrachten, es soll vielmehr den Zweck haben die Leser zu eigenen Forschungen und Unter- suchungen anzuregen. Besonders bemerkenswert und bezeichnend für Pander’s nationale Gesinnung ist im weiteren der Satz: „Sie erhalten diese Schrift von einem Freund des Vaterlandes, der so gern etwas dazu beitragen möchte, die reichen Schätze desselben zu enthüllen. Mag es der Wissenschaft auch einerlei sein, wer ihren Geheimnissen nach- spürt, ob Franzosen oder Engländer aus Liebe zu ihr durch Rußland wandern, nach mühseligen Reisen heimkehren und an der Seine oder T'hemse die zwischen Newa und den Kurilischen Inseln, zwischen dem Weißen und Schwarzen Meere gemachten Erfahrungen der Welt vorlegen, gewiß ist es doch für uns die heilige Pflicht, unser Vaterland selbst kennen zu lernen und die Ausländer mit unseren Reichtümern bekannt zu machen, auf gleiche Weise, wie fast alle übrigen europäischen Natio- nen uns mit ihren Schätzen vertraut gemacht haben.“ Ferner schreibt er noch über die Entstehung des Werkes: Nachdem er seine Stelle bei der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg angetreten hatte, die ihm die schönsten Aussichten darzubieten schien, Rußland in naturhistorischer Hinsicht recht genau zu untersuchen und ‘ kennen zu lernen, glaubte er, beginnend mit der Erforschung der Um- = PR. “ EI nn gebung der Residenz, an schon gemachte Entdeckungen anknüpfen und auf diese Art der Wissenschaft nützen zu können; allein er fand sich in seinen Erwartungen getäuscht, in den Museen der Akademie war kein einziges Exemplar der so häufigen in der Umgebung vorkommenden Ver- steinerungen vorhanden. Und so begann er selbst Versteinerungen aus der Umgebung zusammenzutragen und zu bestimmen. Nach achtjähriger Tätigkeit, nachdem er. mehrere Tausende von Exemplaren gesammelt und bestimmt hatte, konnte er ihre Beschreibungen zu der genannten ‚Schrift zusammenstellen. Die Originale hat er später geordnet und mit | Bezeichnungen versehen dem Museum der Sr: zum Geschenk gemacht. Den ersten Teil des Werkes bildet eine ausführliche Beschreißnne 496 E. Loesch, Heinrich Christian Pander, sein Leben und seine Werke, der geologischen Schichten der Umgebung von Petersburg, den zweiten Teil die Beschreibungen der in diesen Schichten aufgefundenen Ver- steinerungen; die Versteinerungen selbst sind auf 31 lithographischen Tafeln mit großer Sorgfalt und in hübscher Ausführung abgebildet. Der Text ist streng sachlich gehalten, Pander bringt keinerlei sub- jektive Urteile, er liefert nur eine ausführliche Beschreibung seiner Funde. Einige Nomenklaturen scheinen von ihm zu stammen, doch kann das hier nicht mit Bestimmtheit angegeben werden. Über den Zeichner der Abbildungen finden sich keine Mitteilungen. Aus dem Jahre 1848 stammt ein Aufsatz Pander’s, der russisch im Gorny Jurnal und deutsch in Ermann’s „Archiv für wissenschaft- liche Kunde Rußlands“ abgedruckt ist, mit dem Titel „Geognostische Untersuchungen längs der Petersburg-Moskauer Eisenbahnlinie und in einigen Kreisen des Gouvernements Wladimir und Kaluga“._ Nach einer kurzen Darstellung der verschiedenen Höhenunterschiede der Bahnlinie Petersburg-Moskau folgt eine allgemeine Darstellung der dortigen geo- gnostischen Verhältnisse. Den Hauptteil bildet eine eingehende Beschrei- bung zahlreicher Durchschnitte sowohl der ursprünglichen als auch der veränderten Bodenformationen. Vom Jahre 1852 findet sich eine Abhandlung über einige Versteine- rungen (Choristiten) aus der Gegend von Moskau. Sie ist in Form eines Briefes gehalten, der an den ersten Sekretär der naturwissen- schaftlichen Gesellschaft in Moskau gerichtet und im Bulletin dieser Gesellschaft abgedruckt ist. Pander versucht darin festzustellen, ob drei Schneckenarten, die bisher als eine einzige Art beschrieben waren, nur eine einzige Art seien oder ob es sich wirklich um drei verschiedene Arten handle. Bezeichnend für die keine Opfer scheuende Gründlich- keit, mit der Pander seine Untersuchungen ausführte, ist der Schluß- satz der Abhandlung, in dem er mitteilt, daß er zum Zweck der Unter- suchungen den größten Teil seiner gesammelten Exemplare habe Zer- stören müssen. | Im Jahre 1856 und den folgenden 4 Jahren erschienen “ Hefte, die zusammen ‚Die geognostische Beschreibung der russisch-baltischen Gouvernements“ betitelt sind. Sie tragen die Untertitel: 1. „Monogra- phie der fossilen Fische des silurischen Systems“, 2. „Über die Placo- dermen des devonischen Systems“, 3. „Über die Chenodipterinen des de- vonischen Systems“, und 4. Über die Saurodipterinen, Dendrodonten, Glyptolepiden und Cheirolepiden des devonischen Systems“. Sie ent- halten das Ergebnis von Untersuchungen, die Pander im Laufe von 12 Jahren in den Ostseeprovinzen gemacht hat. Als Ergänzung seiner eigenen Funde und Forschungen standen ihm einige russische, sowie eine schottische Sammlung, die nach Petersburg gebracht worden war, außer- dem noch Gipsabgüsse älterer russischer Funde zur Verfügung. Die Herausgabe des Werkes erfolgte im Auftrag und mit Unterstützung der . Oberdirektion des Bergwesens in Petersburg. Die Darstellung der be- schriebenen Petrefaktce und Präparate stieß anfangs auf große Schwierig- NN \ I N E. Loesch, Heinrich Christian Pander, sein Leben und seine Werke. 497 keiten, da Pander lange keinen Zeichner finden konnte; und als er schließlich doch einen Zeichner und einen Steindrucker gewonnen hatte, dla erkrankte er infolge von Überanstrengung bei den mikroskopischen Untersuchungen an einem Augenleiden, so dab er seine Arbeit 2 Jahre lang nicht weiterführen konnte. Der Inhalt des Werkes ist etwa fol- gender. (Die hier angeführte Inhaltsangabe ist von Prof. Lubosch zur Verfügung gestellt worden.) „Pander führt zunächst den Nachweis, daß es sich bei den Oonodonten um die Überreste wirklicher Zähne von ausgestorbenen Fischen handle, indem er ausgiebige mikroskopische Un- tersuchungen feiner Schliffe der Conodonten und von Zähnen lebender Fische vornimmt. Er scheint hierin der erste gewesen zu sein, und hat weiterhin auch Fragen eingehend behandelt, die erst viel später von der vergleichend-anatomischen Forschung behandelt worden sind. Den ganzen ersten Teil dieses Werkes durchzieht nämlich, abgesehen von den Einzel- beschreibungen der Formen der Zähne, der Vergleich zwischen dem Dentin der Fischzähne, der Substanz dieser Conodonten, dem Ganoin der Ganoidschuppen, und den Hautknochen, die bei den Selachiern die Sockel der Hautzahnbildungen darstellen. Er weist die großen Unter- schicde nach, die im Bau !der Telostierzähne vorkommen, in einem ‚Fall große Gefäßkanäle bei kleiner Pulpa, in anderen große Pulpahöhle und kleinere Gefäße, und stellt die Beziehungen dieser'zum lamellären Bau des Zahnes fest. Auch in den späteren Teilen des Werkes. wird auf den feineren Bau der Hartsubstanzen geachtet und in der Tat festge- stellt, daß Dentin nichts anderes als lamellöser Knochen ohne Knochen- ‚körperchen ist. Pander’s Priorität in der Behandlung dieser ganzen Fragen ist, wie man feststellen muß, später ganz in Vergessenheit ge- raten, verdient aber an dieser Stelle besonders hervorgehoben zu wer- den. In dem folgenden Abschnitt des Werkes ist das wesentlichste Er- sebnis, daß er erkennt, es seien die verschiedenen bis dahin unter- schiedenen Arten von Placodermen nur Angehörige einer einzigen als Asterolepis aufzufassenden Art. Er zeigte, daß die.jenen Unterschei- dungen zu Grunde liegenden, verschieden gestalteten Panzerstücke nicht verschiedenen Tieren angehören, sondern verschiedenen Regionen des- selben Tieres. Er konnte dazu den Beweis durch die Zusammensetzung ganzer Tiere liefern. So wurde er für die Klassifizierung dieser ältesten Wirbeltiere und für die Bestimmung ihrer Beziehungen zu den Fischen von maßgebender Bedeutung. Das Werk enthält gerade in diesem Abschnitt sehr wichtige Beschreibungen der sog. Gliedmaßen dieser Fische, ihrer Gelenke und des mutmaßlichen Bewegungsvermögens, ferner Darstel- lungen über die Gelenkverbindungen im Bereich ihrer Hautplatten, sehr - gründliche auf Rekonstruktion beruhende Beobachtung über die Anord- nung der Knochenplatten besonders im Schwanzteile dieser Tiere. Sehr ‚wesentlich ist es, daß er bereits damals, als viele Jahre vor den neuer- dings erfolgten Feststellungen durch Gebhard nachweist, daß es sich im Hautskelett der Placodermen bereits um echtes Knochengewebe mit Knochenkörperchen und Gefäßkanälen handle.“ Von einer weiteren An- 40. Band. 32. h X 498 E. Loesch, Heinrich Christian Pander, sein Leben made Wer gabe der Ergebnisse, die dann im wesentlichen systematischen und de- skriptiven Charakter besitzen, sei hier abgesehen. Das Werk ist mit zahlreichen äußerst schön gezeichneten Tafeln ausgestattet, auf denen sowohl mikroskopische Abbildungen von Schliffen, als auch Darstel- 4 lungen einzelner Teile der Fische und zusammengesetzter Partien der- selben sich finden. Als Zeichner wird ein gewisser a ew, als —. Steindrucker Iwanow genannt. Ein Aufsatz-Pander’s aus dem J ahre 1860 ist a in Gorny 3 Jurnal undyin Ermann’s Archiv abgedruckt, er ist betitelt „Über die Möglichkeit, die wirkliche Kohlenformation mit Steinkohle hunter den permischen Schichten am ÖOstrand des mittelrussischen Bergkalk- beekens zu finden“. Pander legt darin ziemlich breit dar, warum die bis damals ausgeführten Kohleförderungen aus den oberflächlichen Schich- ten nicht genügten und sucht zu begründen, daß in tieferen Schichten sowohl bessere Kohle, als auch Kohle in reichlicher Menge zu finden 4 ‚sein müsse. Er schlägt deshalb vor, die permischen Schichten zur durchstoßen und darunter nach Steinkohle zu suchen. Eine weitere kleine Abhandlung, ebenfalls über Steinkohlen, findet ‚sich in den Verhandlungen der Petersburger mineralogischen Gesellschaft und ist in der Zeitschrift für die gesamten Naturwissenschaften 1864 2 abgedruckt. „Die Steinkohlen an beiden Abhängen des Ural“ handelt von den beiden am Ural vorkommenden Er Schichten, in denen Steinkohle gefunden wird. Vom Jahre 1820 an gab Pander gemeinsam mit anderen Nalır forschern eine kleine in Dorpat erscheinende Zeitschrift heraus ‚Bei- träge zur Naturkunde der russischen Ostseeprovinzen“. Die kleinen Oktavgröße nur wenig überschreitenden in jährlichen Lieferungen er- scheinenden Hefte enthalten Aufsätze mathematischen, geologischen, bota- nischen, chemischen, physikalischen, zoologischen und anatomisch-physio- logischen Inhaltes. „Ihnen soll“, so schreibt Pander in der Ankündi-- gung der Zeitschrift, „die Darstellung eigener Beobachtungen, eigener Erfahrungen aus dem Gebiete der Naturwissenschaften zu Grunde liegen, die Verbreitung derselben ihre Tendenz sein. Der Inhalt dieser Blätter ist daher stets neu, wenn nicht gleichzeitig mit ihrem Erscheinen ähn- liche Untersuchungen in den übrigen Teilen Europas angestellt sen sollten.“ Als Mitarbeiter. werden angegeben: v. Baer, Deutsch, v. Engelhardt, Erdmann, Eschscholz, Fischer, Grindel, Köhler, v. Krusknstein, Ledebour, v.:Löwis, Parrot, 9 Struve. Pander hat höchstwahrscheinlich selbst in diesen Blättern ° mehrere Abhandlungen veröffentlicht, doch kann hier darüber leider genaueres nicht angegeben werden, da es trotz vierteljähriger Bemüh- ungen nicht gelungen ist, außer dem ersten Heft dieser Zeitschrift weitere Jahrgänge zur Durchsicht zu erhalten. Das Geleitwort des ersten Heftes ist nicht einmal von Pander selbst abgefaßt; denn infolge von Papier- 3a mangel hatte der Druck des Heftes sich verzögert, unterdessen war : Pander nach Petersburg-und von da nach Oralle ts um an der _ Bes; —-#p MORR S: | > P Bch) Heinrich Christian Bee sein Leben und seine Werke. 499 N, SE - Gesandschaft nach Boukhara teilzunehmen, so daß er die Herausgabe - des ersten Heftes nicht selbst besorgen konnte und sie Dr. Hermann v. Köhler überließ. Nachdem nun alle Arbeiten Pander’s, soweit sie erreichbar waren, - aufgezählt und ihr Inhalt und, wo es möglich war, auch die näheren Um- stände ihrer Entstehung -geschildert ist, Kann der Versuch gemacht - werden, den inneren Zusammenhang aller wissenschaftlichen Arbeiten Pander' zu untersuchen. Pander hat in seinem Leben mehrere große Wandlungen durchgemacht: Vom zuerst begonnenen Medizinstudium wandte er sich bald ab und widmete sich mehr den naturwissenschaft- lichen Fächern, die in engem Zusammenhang mit der Medizin stehen, der Embryologie, der vergleichenden Osteologie und der vergleichenden Ana- tomie. Aber auch hier blieb er noch nicht stehen; seine vergleichend- - anatomischen Untersuchungen, an die seine zoologischen Arbeiten sich anschließen, führten ihn zum genaueren Studium der Reste der vor- und -—_ urweltlichen Tiere. Und weiter mögen ihn die Forschungen, die ihn mit E den Tieren beschäftigten, deren Spuren sich in der Erde in ganz speziellen Bodenschichten finden, der Geologie und Geognosie zugeführt haben, 3 so daß aus dem ursprünglichen jungen Mediziner ein Embryologe, dann j F 5 E E, \ £ hr E ein Z oologe, schließlich ein Paläontologe und Geologe sich entwickelt hat, der sogar als solcher eine staatliche Anstellung beim Bergwesen in -St. Petersburg erhielt und auf diesem Posten zum Wohl seines Vater- landes viel beigetragen zu haben scheint. Pander’s s Werdegang ist deut- _ Jieh an Hand seiner Schriften zu verfolgen. Und es sei hier nochmal an den Satz erinnert, der oben aus den Riga’schen Biographien zitiert ist, daß Pander schon dadurch, daß er sich zu sehr in die Vorbereitungs- wissenschaften vertiefte, nicht zur praktischen Medizin gelangt ist. Wir finden diese Gründlichkeit in all seinen Untersuchungen wie- der, angefangen von den unendlich -mühsamen Brütversuchen bis zu E_ - den Untersuchungen der Reste fossiler Fische, gelegentlich derer sich der ' bereits in höherem Alter stehende Forscher eine Augenkrankheit zuzog, - wie er im Vorwort der „fossilen Fische‘ selbst erzählt. Gerade dieser - Gründlichkeit, die schon in seiner Jugend gerühmt wird, verdankt er _ auch die Erfolge seiner Untersuchungen am bebrüteten Bi. Auch bei den Arbeiten, die er zur „Vergleichenden Osteologie‘“ beigetragen hat, ist, 2 wenn die Vermutung zutrifft, daß er die Beschreibung der Knochen ge- - liefert hat, bei dem ziemlich eintönigen und trockenen Stoff die einzel- nen Knochen der verschiedenen Tierarten zu beschreiben und zu ver- Se eine ganz ungewöhnliche Ausdauer und eine ebensolche Gründ- Panel: unbedingt erforderlich gewesen. _ Bei seiner exakten Art zu arbeiten ist es darum gar nicht ver- E iklerlich,” daß er stets nur ganz objektive Beschreibungen bringt und jegliche subjektive Färbung vermeidet. . Gerade seine Zeit E zeichnete sich besonders durch die naturphilosophischen Studien aus und durch die "Ergänzung unklarer Vorstellungen und unfertiger Resultate E durch u Betrachtungen. Die Arbeiten Döllingers EEE 3 2 2 32* Re z er: ET Fa : . 500 E. Loesch, Heinrich Christian Pander, sein Leben und seine Werke. und seiner anderen Schüler bilden dafür ein merkwürdiges Beispiel. Und deshalb kann es als ein großer Vorteil der Pander’schen Arbeiten angesehen werden, daß sie frei sind von derartigen Einschlägen. Hätte er die Darstellung der Embryologie des Hühnchens mit phrasenhaften naturphilosophischen Darlegungen verquickt, das Werk hätte dadurch stark an Wert verloren und hätte nicht die große Bedeutung für die neuere Entwicklungsgeschichte erhalten, die es hauptsächlich der klaren, objektiven Schilderung positiver Untersuchungsergebnisse verdankt. Die naturphilosophische Richtung der- „Vergleichenden Osteologie“ im ganzen zu erörtern, fällt nicht mehr in das Gebiet dieser Abhand- . lung, da bereits die Ansicht ausgesprochen worden ist, daß sie in der Form, die sie erhalten hat, ein Werk d’Alton’s ist, und Pander die Arbeit der Materialsammlung geleistet hat. | Er | Auch die Schriften über die Fossilien zeichnen sich, wie bereits besprochen, durch ganz besondere Gründlichkeit in den Untersuchungen und in der Darstellung aus. Und wiederum ist es gerade für diese Art der Untersuchung äußerst bedeutsam, daß sie in objektivster Weise ausgeführt und ohne Ausschmückung mit naturphilosophischen Betrach- tungen niedergeschrieben ist. Die Untersuchungen der zu Grunde liegen- den Fossilien sind die Arbeit vieler Jahre gewesen. Pander hat, wie schon erwähnt, den größten Teil von ihnen eigenhändig gesammelt und, nachdem er Tausende von Exemplaren zusammengetragen hatte, sie be- stimmt und beschrieben. Derselbe Forscher, der in Würzburg Tag und Nacht die Brütmaschine besorgte, der die peinlichen Präparationen der leicht zerreißbaren Keimblätter mit Nadeln unter Wasser ausführte und sie eingehend mit den,damals noch ziemlich unzulänglichen Mikro- skopen untersuchte, hat die ganze Umgebung von Petersburg nach Ver- steinerungen abgesucht, hat von Ufern kleiner Wasserläufe, von Bau- plätzen, aus Steinbrüchen, von Brunnenbohrungen in großen Mengen das Material zusammengeschleppt, das er zu seinen Arbeiten nötig hatte, hat dann das Chaos der aufgehäuften Schätze entwirrt, systematisch u geordnet, genau untersucht und beschrieben. Und als er einmal — aus welchen Gründen, wissen wir nicht — seine wissenschaftliche Laufbahn in Petersburg unterbrochen und sich als Landwirt zurückgezogen hatte, da ergriff ihn bald wieder sein alter Forscherdrang, und er wählte als Gebiet seiner Untersuchungen das, was ihm am nächsten lag, den liv- ländischen Sand mit seinen fossilen Resten. Es ist sehr zu bedauern, daß er seine Arbeiten darüber nicht veröffentlicht hat, weil ihm ein anderer bereits damit zuvorgekommen. Seine Aufsätze über die Steinkohlen Rußlands zu beiirteilen ist für E den Nichtfachmann äußerst schwer, doch ist ach an diesen Abhand- lungen deutlich wieder die gleiche Forschergründlichkeit festzustellen wie an den vorhergehenden Arbeiten. Auch die geognostische Darstellung der Eisenbahnlinie Petersburg-Moskau zeigt denselben Charakter. Wir sehen also — und das ist allen Arbeiten Pander’s gemein — E neben außerordentlicher Gründlichkeit und Genauigkeit der Untersuch- ; Ex er > N: ‘ s h > am, BERFN . E. Loesch, Heinrich Christian Pander, sein Leben und seine Werke. 501 ungen, die objektive Art der Darstellung ohne einen Einschlag in das Gebiet der Naturphilosophie. Seinen Forschungen brachte er hohe mate- rielle Opfer und, wie es scheint, nur um der Wissenschaft selbst willen, zur Befriedigung seines Forscherdranges und nicht zur Befriedigung streberhaften Ehrgeizes. Alle seine Untersuchungen tragen den Charakter der Originalität. Die Untersuchungen über die Entwicklung des Hühnchens, ausgeführt in dieser großzügigen Art und Weise, waren die ersten ihrer Art. Die „Vergleichende Osteologie“ kann ebenfalls als ein einzig dastehendes Werk angesehen werden, wie vordem keines vorhanden war. Auch seine paläontologischen Untersuchungen und die Zusammenstellungen ihrer Resultate sind ganz neue Ergebnisse, die vor ihm in dieser Art noch nicht bestanden haben. Daß eine Abhandlung über Pander und seine Werke nicht er- schöpfend sein kann, ist bereits eingangs gesagt worden. Die Abhand- lung begnügte sich deshalb damit, alles von Pander Auffindbare zu- sammenzustellen, um gewissermaßen eine Ergänzung zu der bisherigen einzigen- kurzen Biographie Stieda’s zu bilden. Pander, der in vielen Abhandlungen mit kurzer Nennung seines Namens oder mit einigen allgemeinen Bemerkungen abgetan wird, dessen - Name. wohl häufig neben K. Fr. Wolff und K. E. v. Baer als den Begründern der Embryolögie genannt wird, mit dem sich aber bisher noch niemand eingehend beschäftigt hat, erscheint als ein Forscher ganz eigener Art, als ein Forscher, der, wie dargelegt worden ist, bis in sein späteres Leben hinein ungeheuere Wandlungen seines Schaffens und wahrscheinlich auch seiner Person durchgemacht hat. Durch Döllinger ist ihm in Würzburg der Grund gelegt worden zu exaktem produktivem wissenschaftlichen Arbeiten und auf diesem Grund hat er später selb- ständig weitergebaut und hat, wieder zurückgekehrt in sein eigent- liches Vaterland, es dort zu großem Ansehen gebracht. Seine wirkliche Berühmtheit aber verdankt er doch seiner allerersten‘ Arbeit, die er ge- wissermaßen als Gast in Würzburg geschaffen hat. Er hätte für die Medizin und die ihr verwandten Naturwissenschaften sicherlich noch manch Bedeutendes leisten können, wenn er auf diesen Gebieten weiter gearbeitet hätte, und’ zwar mit dem gleichen Eifer und mit derselben Gründlichkeit, die er später auf die anderen Forschungen verwendet hat, die allein ihm die Berühmtheit und Bedeutung nicht gebracht hätten, wie sie ihm seine „Beiträge zur ar uiesseschiehie des Hühnchens "im Ei“ gebracht hat. Verzeichnis der Sehriften Pander’s. Dissertatio inauguralis sistens historiam metamorphoseos, quam ovum incubatum priori- bus quinque diebus subit. Virzeburgi 1817. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Hühnchens im Ei. Würzburg 1817. . Entwicklung des Küchels „Isis“ 1818 (S. 512). Beiträge zur Naturkunde der en Östseeprovinzen 1. Heft, Dorpat 1820. Beiträge zur Geognosie des russischen Reiches, St, Petersburg 1830. 502 E. Loesch, Heinrich Christian Pander, sein en und seine © Werke, : = => Geognostische Untersuchungen längs der Petersburg-Moskauer Eisenbahnlinie a ne : einigen Kreisen des Gouvernements Wladimir und Kaluga. Gorny Jurnal 1848 Nr. 10, Ermann’s Archiv für wissenschaftliche Kunde Rußlands. 1848. VI. Brief an den ersten Sekretär der.naturwissenschaftlichen Gesellschaft Moskau. Bulletin - der kaiserlichen naturwissenschaftlichen Gesellschaft Moskau 1852. IV: En Über die Möglichkeit, die wirkliche Kohlenformation mit Steinkohle unter den permischen Schichten am Ostrand des mittelrussischen Bergkalkbeckens zu finden. Gorny Jurnal 1858 Nr. 6, Ermann’s Archiv 1859. XIX. Geognostische Beschreibung des russisch-baltischen Gouvernements. St. a 3 1856— 1860. = ; Die Steinkohlen an beiden Abhängen des Ural, Zeitschrift für die gesamten Natur- wissenschaften XXIII. Berlin 1864. ER Pander und d’Alton: Brief an Oken aus Madrid „Isis“ 1818 (S. 1083). Die Skelette der Nagetiere I. und II. Bonn 1823. Allgemeine Bemerkungen über die Einwirkung äußerer Einflüsse auf die organische = Entwicklung der Tiere. Bonn 1823. Die Skelette der Vierhänder. Bonn 1824. Een Die Skelette der Zahnlosen. Bonn 1825. Die Skelette. der Cetaceen. Bonn 1827. Die Skelette der Beuteltiere. Bonn 1828. Literatur. v. Baer, ©. E., Über Entwicklungsgeschichte der Tiere. Beobachtung und Reflexion. Königsberg 1836. — Selbstbiographie. St. Petersburg 1866. ) — _Tableau general methodique et alphabetique des matieres contenues dans les Publications de l’akad&mie imperiale des sciences de St. Petersbourg depuis sa fondation. St. Petersbourg 1872. — Lebensgeschichte Cuviers. Herausgegeben von Stieda im Archiv für Anthro- - pologie XXIV. 1897. Beise, Nachträge und Fortsetzungen zum Allgemeinen Schriftsteller- und Gelehrten- lexikon II. 1861. F., Aus Briefen. „Isis“ 1818. (S. 1930). F robeen, 3.5 Riga’ sche Biographien III. Riga 1865. Kohlbru ge, Historisch-kritische Studien über Goethe als Naturforscher‘; Würz- u burg 1913. Lubosch, Über Pander und d’Altons vergleichende Osteologie der Säugetiere. Jena 1918. Meusel, Gelehrtes Deutschland XIX. 1823. v. Meyendortt, Reise von Orenburg nach Boukhara i. J. 1820. Übersetzung von K. H. Scheidler, Jena 1826. Öken, Besprechung der Pander’schen Dissertation. „Isis“ 1817 (8. 1538). — Das Riesenfaultier. „Isis“ 1821. (8. 1852). — Die Skelette der Pachydermata. „Isis“ 1822 (S. 888). — Die Skelette der Säugetiere. „Isis“ 1825 (8. 1116). Recke-Napiersky, Allgemeines Schriftsteller- und Gelehrtenlexikon der Provinzen 3 Livland, Esthland und Kurland. III. 1831. Stieda, „Pander“ in der allgemeinen deutschen Biographie. — Catalogue of seientifie Papers compiled by the Royal de of London. = Vol. IV. . Vol. VIII. Walther Rede zum Andenken an Ignaz Döllinger. München 1841. Wolff, ©. F., Über die Bildung des Darmkanals im bebrüteten Hühnchen. ie : Übersetzung von Meckel, Halle 1826. al BA a RI mar 5 as er ER “ iA rn ee ir 3 SW u RS r Ni a MH & vd. Heyde, Über die Lerfühigkeit dör Strandkrabbe o (Uaroinu maenas 1.) 503 Über die Lernfähigkeit der Strandkrabbe (Careinus maenas L.). Mit einer kritischen Erörterung über das Lernen im Labyrinthe im Allgemeinen. Von H. €. van der Heyde. Er Ten Abschluß an meinen Versuchen mit Formica rufa L.') habe - ich ın der Zoologischen Anstalt der Nederlandsche Dierkundige Ver- - eeniging einige Experimente mit dem Labyrinthe angestellt, das schon - von Yerkes?) für Tanzmäuse und im hiesigen Physiol. Institut von Fräulein Eldering?) für Periplaneta, und von mir selbst für die rote Waldameise benutzt wurde. Dem Herrn Direktor Dr. H. C. Redeke ‚sei an dieser Stelle mein verbindlichster Dank für sein freundliches - Entgegenkommen ausgesprochen. "Über die Lernfähigkeit der Strandkrabbe finden wir in der Literatur schon einige Data, und es war Yerkes*), der darüber zuerst ausführ- liche Untersuchungen angestellt hat. Später?) hat er mit G. E. Huggins noch einmal Versuche über dieses Thema veröffentlicht. Er setzte die Krabben in den in Fig. 1 abgebildeten Apparat, in den dreieckigen Raum, den ich mit A angedeutet habe. Der Ausgang B war mit einer Glasplatte verschlossen. Täglich wurden die Krabben zweimal gezwungen zwischen der linken und der rechten Tür zu wählen. Anfänglich wählten 50 % der Tiere den linken, 50% den rechten Ausgang, nach einem Monate aber bevorzugte 90%, - den richtigen Ausgang. Zwei Wochen nach Abschluß der Versuche hatten die Tiere die Gewohnheit noch beibehalten, indem 7 2 aus dem linken Ausgang herausging. - Fräulein Dr zewina‘) stellte reruehe it dem in Fig. 2 abge- Fer Fig. 2. e - 1) H.C. van der Heyde, Quelques abserrations sur la psychologie des fourmis. E Arch. Neerl. de physiol. T. IV, p. 259. 1920. = 2) Robert M. Yerkes, The dancing mouse. New-York. Macmillan & Co. 1907. 8. 184. 8) F.J. Eldering, Acquisition d’habitudes chez les insectes. Arch. Neerl. de FE »Physiol. -T. III, 8. 469. 1919. © ©: 4)R.M. Yerkes, Habit formation in the green Orab, Carcinus grmelaide - Biol, Bull. Vol. 3, p. 241. 1902. Bi 5) R.M. Yerkes & G. E. Huggins, Habit formation in the erawfish, Uam- = barus affinis. Harvard Psychological Studies. Vol. I. 1903. 3 E 6) Anna Drzewina, Les reactions adaptatives chez les crabes. Bull. Inst. Gen. Psych. p- 235. 1908. Dieselbe. Creation d’associations sensorielles chez les IE ©. r. Soc. Biol, ERVIN. 573. en 504 H.C.v.d. Heyde, Über die Lernfähigkeit der Strandkrabbe (Careinus maenas L.). bildeten Apparate an. Sie benutzte dabei en Pachygrapsus mar- moratus. Eine Kerze ist in B aufgestellt, das Tier ist nun gezwungen durch C auf B loszugehen. Auch hier zeigten sich die Tiere einer einfachen Assoziation fähig. Zweitens hat sie Versuche mit dem Einsiediokrei. Clinabarius nasanthropus angestellt. Sie brachte die Tiere ohne Schale ın ein Aquarium, in dem sich Schalen befanden, die sie mit einem Korke verschlossen hatte. Nach vielen verzeblichen Bemühungen wurden die Tiere den Schalen gegenüber indifferent. Spaulding”) hat Einsiedlerkrebse (Kupagurus longicarpus), die ein ausgesprochenes positiv-phototropes Verhalten zeigen, daran gewöhnt, ihr Futter im Schatten zu suchen. Auch hierzu zeigten die Tiere sich imstande. In bezug hierauf kann ich auch noch auf die Arbeit von Blees°) hinweisen, dem es gelang Daphnia pulex ihr positiv photo- tropes Verhalten abzugewöhnen. Das Vorhandensein eines assoziativen Gedächtnisses bei den Krabben wird aber kräftig von Bethe°) geleugnet. Dieser Autor brachte einen Carcinus in ein Aquarium, in dem sich ım Schatten der große Krabben- feınd, die Kledone moschata, befand. Das Tier ging schnurgerade auf die Eledone los und ließ sich fangen. Sechsmal wiederholte Bethe das Experiment, und sechsmal wurde das Tier gefangen. Auf Grund dieser Tatsache leugnet Bethe das Vorhandensein eines assoziativen Gedächtnisses bei den Krabben. | Auch folgendes Experiment wird von ihm ungeführt: Er süchtiete die Tiere jedesmal, wenn sie Futter zu sich genommen hatten, und hoffte ihnen offenbar in dieser Weise das Fressen abzugewöhnen. Das konnten die Tiere begreiflicherweise nicht lernen. - Die Erwartung Bethe’s, daß man den Krabben in 5—6 Experi- menten Fundamentalinstinkte, wie Hunger und Leukophobie, abge- wöhnen können müsse, ist doch wohl unberechtigt; seine Experimente beweisen das Fehlen eines assoziativen Gedächtnisses noch ganz und gar nicht. / ee Eine schöne ‘Arbeit aus dem Jahre 1915 hat für unsere Auffassung noch mehr Material angebracht. Schwartz und Safir!®) haben darin drei Fragen zu lösen versucht für die Krabbe Uca pugelator. a) Ist Uca imstande ein einfaches Labyrinth zu erlernen? b) Erhält sich diese Gewohnheit während einiger Zeit? c) Kann das Tier diese erlernte Gewohnheit wieder ablernen? 2): E; 6.8 paulding, An establishment of association in hermit erabs, Eupagurus. longicarpus. Journ. of comp. Neur. and Psych. Vol. 14, p. 49. 1904. 8) G. H. J. Blees, Phototropisme et experience chez la Daphnie. Arch. Neerl. de Physiol. T. IH, pP: .279.:.1919. 9) Albrecht aaa Das Zentralnervensystem von Carcinus maenas. 11. Arch. f. mikrosk. Anat Bd. . 447. 1898. 10) Benjamin Se u. 8. R. Safir, Habit formation in the fiddler erah. Journ. of animal behaviour. Vol. 5, p. 226. 1915. ee ln 0° a un tn ud H. ©. v.d. Heyde, Über die Lernfähigkeit der Strandkrabbe (Uareinus maenas 1). 505 Sie benutzten dabei ein Labyrinth, ungefähr von der Form, wie es von Yerkes benutzt worden war. Ihr Resultat war, daß die Tiere zum Lernen imstande waren, daß Gesicht und Tastsınn dabei die größte Rolle spielten, daß sie ihre Gewohnheit während mindestens zehn Tagen beibehielten, und schließlich daß die Gewohnheit wieder ab- gelernt werden konnte, wobei aber das vorhergegangene Erwerben der Gewohnheit keinen Einfluß auf die späteren Versuche hatte: Schließlich hat noch Cowles!!) Assoziationsversuche mit Krabben angestellt, welche mir aber leider nicht zugänglich sınd. Als eine Erweiterung unserer Kenntnisse über dıe Lernfähigkeit der Krabben, zweitens aber in der Absicht, in dieser Weise ein Ver- gleichungsmaterial zusammenzubringen, stellte ich im Sommer 1918 einige Experimente mit dem Labyrinthe B von Yerkes an. Das Labyrinth bestand aus einem rauh-hölzernen Boden, in dem senkrecht Glasplatten aufgestellt waren in der Weise, wie man es z. B. ın Fig. 3 sehen kann. 1 ’19. 2 E: /anim. | IE. ln Fig. 3. Die Carcinus maenas ıst eine Tierart, die an der niederländischen Küste, wıe wohl überall in Europa, sehr häufig vorkommt. In ihrem natürlichen Milieu sind sie sehr oft gezwungen, sich aus schwierigen Verhältnissen heraus zu retten, und ihren Weg zwischen Felsen u. s. w. zu finden. Von vornherein erwartete ich also ein sehr schnelles Lernen, die Experimente haben mir wohl ein Lernen, aber nicht ein sehr schnelles gezeigt. , 11) P. R. Cowles, Habits, reactions and associations in Ocypoda arenaria. Eapas from the Tortugas Laboratory of the Carn. Inst, of Washington. 1908. 906 H. C. v.d. Heyde, Über die > Lernfähigkeit der Strendkiahhe © (Careimes maenas 13 4 SE Die Tiere wurden in einem großen Aquarium gehalten, Gnchlem ich sie auf dem Rücken mit einem Zeichen versehen hatte. Die Ver- suche wurden mit regelmäßigen Zwischenperioden angestellt. Das. Auffällige bei allen diesen Versuchen war, daß die Tiere immer die instinktive Tendenz beibehielten, sich in irgendeinem Winkel zwischen zwei Glasplatten des Labyrinthes ganz bequem zu installieren und sich um die ganze Sache nicht weiter zu kümmern. Dauerte dieser Aufent- halt zu lange, so gab ich ihnen senkrecht — also ohne eine bestimmte Richtung anzugeben — einen kleinen Stoß, ein Verfahren, das in den verschiedensten Formen von zahlreichen Autoren, wie Yerkes, Buytendyk') und Eldering angewendet worden ist. Nach Be- endigung des Versuches gab ich den Tieren, die die ganze Nacht ge- hungert hatten, ein Stückchen eines Fisches als .reward“. In den Versuchen wurden also die Tiere aufs äußerste stimuliert; zu gleicher Zeit wurde „reward“ und „punishment“ angewendet. Während von Hunger gar nicht die Rede. war — Hunger wird z.B. von Yerkes als ein sehr unbrauchbarer stimulus betrachtet, indem er sagt!?): „The desire for food is unsatisfactory as a motive in ani- mal behaviour work, first, because a condition of utter hunger (über- haupt ist ein solcher Zustand von utter hunger bei den Krabben nicht leicht hervorzurufen) is unfavorable for the performance of eomplex - - acts, second, because it is impossible to. contröl the strength of the | motive, and finally, because it is an inhumane method of experimen- tation“ —, war ıhnen das Stück Fisch doch immer sehr willkommen. Als „punishment“ kann man die Stöße betrachten, und sie gewisser- maßen den elektrischen Reizen gleich stellen, die Yerkes und Eldering benutzt haben. Diese Kombination von „reward and punishment“ ist, wie die Arbeit von Hoge und Stocking'*) zeigt, die wiırksamste. Wendet man eine der beiden an, so muß man die Strafmotive den Belohnungs- motiven vorziehen. Fig. 3 stellt eine der gut gelungenen Versuchsserien dar. Man sieht, wie das Tier, sei es denn auch langsam, seinen Weg ım Laby- rinthe zu finden lernt; dabei sieht man die Zahl der gemachten Fehler merklich abnehmen. Mit einem Zeichen (8) habe ich angegeben, wo. das Tier in der oben angegebenen Weise stimuliert wurde. Wenn man die Figur genau studiert, so fällt es auf, daß das Tier sich offenbar mit Vorliebe in der linken Hälfte des Apparates aufhält. Auch in den anderen Serien ist das sehr auffällig. Ich habe dafür diese Erklärung: das Labyrinth befand sich in einem großen hölzernen Aquarium, das von einem linksseitigen Fenster beleuchtet wurde. Auf 12) F. J. J. Buytendyk, Instinet de la recherche du nid et u ch les crapauds. Arch. Neerl. de Physiol.-T. II, p. 1. 1917. 13) Yerkes, Dancing Mouse. p. 99. 14) M. A. Hoge u. BR. J. Stocking, A note on the Gehhin? value of cn and reward as motives. Journ. of animal behaviour. 2, p. 43. 1912, Ser an: ri g . > = - Fr I An Hu; \ WE) Ta « ab a A de he — Selb zu ZT Ah a AN TA he ae Al ah j “ . . xp. © nd. le Über die Lernfähigkeit der Strandkrabbe (Careinus maenas L.). 507 dieser Weise war der linke Teil des Labyrinthes ein wenig dunkler als der rechte, so daß dasjenige, was wir ın der Figur sehen, eine schöne Demonstration der instinktiven Tendenz der Krabben für dunkle Ecken ist. Da es natürlicherweise unmöglich ist, hier alle Versuchsserien zu produzieren, gebe ich hier unten eine Tabelle, in der ich die Zeit, die das Tier jedesmal in dem Labyrinthe verbracht hat, eingetragen habe. Tabelle I®). Sen. 1 a I 6 Ei | 8 | "Mittel Tag | Versuch | | | | | | Sau Sle 1 a a 75 a 51 85 40 50 60.0 Re ee a 331 En Bearsas tk. 9131.12 | 93,3 1 De 1 ereet 311 2 ee et: 944 3 Beta ri ja rer en 15,7 3 = 1 s|iı» Zeig 8 79 5, | 6 18.8 2 7 6 748 Bra 25 3 Behrerg 52,230 31408 10-5) 52 12.9 oe See 6 5 a 92 = 2 eo 4 8 => 78 3 == abe ar 9 3 a 4.6 5 1 = 7 2a 13 Bear 6.7 ö en se 9 9 Ser 4.5 3 = er 4 a er Ar SEO _ Wenn man diese Resultate mit denjenigen vergleicht, die andere Autoren mit anderen Versuchstieren erreicht haben, so sind im be- sonderen zwei Tatsachen sehr auffällig. . Erstens .ıst die Lernfähigkeit der Krabbe eine geringere als die der meisten ‘andern Tiere. In Fig. 4 habe ich auf derselben Skala | zurückgebracht dargestellt: in A dieKurve von Yerkes für die Tanz- mäuse, ‘in B die Kurve aus den Datis, die Fräulein Eldering mir freundlich zur Verfügung gestellt hat, in C habe ich die Zahlen der ‚Tabelle graphisch dargestellt, in D sehe ich die Kurve für Formica rufa. Deutlich sieht man, wie die Krabben ın ı Lernfähigkeit hinter den andern Tieren zurückstehen. Zweitens sind auch die individuellen Verschiedenheiten bei diesen Tieren viel weniger ausgesprochen, als es bei den andern Tieren der 15) Die Zeit ist in Minuten angegeben. Mit dem Zeichen a habe ich angegeben, wo ich das Tier durch das Labyrinth hindurch geholfen habe. Die Kurve gibt einfach das arithmetische Mittel sämtlicher Zahlen; man soll ihr also keinen absoluten Wert 'zuerkennen, weil es sonst besser gewesen wäre, die Zahlen von Tieren, wie 8, durch die Methode der re Quadrate zu eliminieren. . 508 H.C.v.d. BR Über die Lernfähigkeit der Stranükrahbe (Ca; cinus niaends 1) x 3 Fall ıst. Nur das Tier 8 in. der Tabelle ist ein etwas abweichendes. Ich glaube aber, daß, wenn nur die Zeit, die mir in der Zoologischen Anstalt zur Verfügung stand, eine later gewesen wäre, auch die Lern weise dieses Tieres denselben Verlauf gezeigt haben würde. Übrigens sieht man, daß alle Serien eine große Einförmigkeit zeigen: Bei der Betrachtung mei- ner eigenen Kurven © und D in Fig. 4 fallen die gestrichelten wieder länger geworden ist. Täglıch wurden nämlich mit gemacht, am folgenden Tage dauerte dann der erste Versuch wieder bedeutend länger als der letzte des vorigen Tages. So könnte man auch die Kurve der Lernfähigkeit in der Weise darstellen, daß man jedesmal die ersten Versuche mit einer Linie verbindet, oder aber, daß man von den drei Versuchen jedes Tages das Tagesmittel berechnet, und diese Tages- mittel graphisch darstellt. Die Fig. 4. Kurve A von Yerkes ist; wie ich glaube, in der ersten Weise angefertigt worden, die Kurve B von Eldering gibt die Tagesmittel. Fehler, die sich täglich wiederholen, ohne daß man eine bestimmte Ursache dafür anzugeben weiß, habe ich in diesen Versuchen nicht bemerkt. Diese merkwürdige Erscheinung, daß dieselben Fehler sich bıs zu den letzten Versuchen wiederholen, und auf die schon manche Autoren!®) hingewiesen haben, ist noch nicht genügend erklärt, so daß man auf ihre psychologische Deutung bis jetzt verzichten muß. Das Benehmen der Tiere in dem Labyrinthe hat mich zu der Vermutung geführt, daß ıhr Lernen hauptsächlich auf kinästhetischem Wege stattfand. Ihr Gesichtssinn scheint dabei nicht an erster Stelle 3 in Betracht zu kommen; nie machten sie auf mich den Eindruck, daß sie die Öffnung der Gänge sahen. Wohl muß man hierbei aber Rück- sicht nehmen auf die Tatsache, daß die vertikalen Wände aus Glas bestanden, was ıhnen lu das Sehen der Öffnungen erheblich‘ er re 16) Siehe z. B. F. J. J. Buytendyk, Instinet de la recherche du nid. 6 Linien auf. Sie geben an, wie - am folgenden Tage die Zeit den Tieren drei Experimente I sd u er 3 a A ee e H.C.vid. Heyde, Übeı die Lernfähigkeit der Strandkrabbe (Careinus maenas 1.) 509 Das Problem der Lernfähigkeit ist sehr innig mit zahlreichen andern tierpsychologischen Problemen verknüpft, und sehr viele Aul- fassungen werden ‚über die psychologische Deutung der „habit for- mation* vertreten. Die mechanistisch denkenden Forscher, wie Loeb und Bohn”), erklären die Lernfähigkeitsphänomene durch Tropismen, Unterschieds- empfindlichkeit und assoziatives Gedächtnis. Infolge der Wiederholung derselben sensomotorischen Empfindungen sollen sich im Gehirn der Ver- suchstiere bestimmte Engramme bilden, die ihren Einfluß auf die weiteren Experimente geltend machen. Eine rein neurophysiologische Erklärung würde sich in dieser Weise von allen Lernfähigkeitserscheinungen ergeben. Noch radikaler stehen in dieser Hinsicht die Ansichten Bethe’s, der wenigstens den Anthropoden ganz entschieden alle Lernfähigkeit abspricht'°). Nach ıhm sind die Tiere Reflexmaschinen ohne weiteres. | Ganz andere Auffassungen vertreten vitalistisch denkende Forscher, wie z. B. Schneider!) und Buytendyk?), gewissermaßen auch Erich Wasmann?®!), Nicht das geringste in den tierischen Handlungen kann man nach ihren Auffassungen auf physikochemische Erscheinungen restlos zurück- führen, selbst bei den allereinfachsten lecken Prozesse soll man zu einer psychologischen Deutung greifen müssen. Sogar den ‚allereinfachsten Wahrnehmungsprozeß kann man eben darum nicht „nur physiologisch“ erklären, indem immer neben den objektiven Datis (z. B. dem Reize) auch. die „Gegenwelt (Schneider)“ des Tieres eine Rolle spielt. Diese sensomotorische Gegenwelt, die man sich etwa ‚als den psychischen Strukturtypus denken soll, ändert sich während dem Leben des Individuums fortwährend, wobei oft scheinbar ganz unbedeutende Sachen eine gänzliche ‚Umstimmung hervorzurufen im- 'stande sind. Das Lernen wäre also eine durch Übung hervorgerufene Änderung der „meaning“ bestimmter Wahrnehmungskomplexe ??). Bevor wir mit der Besprechung der eigentlichen Lernfähigkeit anfangen, soll zuerst der große Unterschied zwischen ihr an der Adaptation ins Licht gestellt werden. Washburn??) unterscheidet .zwei Formen von Änderung von „behaviour“: 17) Siehe z. B. Georges Bohn, La nouvelle psychologie animale. Bibl. phil. eontemp. Paris, Felix Alcan. 1911. 18) Siehe z. B. August Beihe, Dürfen wir den Ameisen und Bienen psychische - Qualitäten zuschreiben? Arch. f. d. ges. Physiol. 70, S. 15-100. 1898. 19) Karl Camillo Schneider, Vorlesungen über Tierpsyehologie. Leipzig. Engel- mann... 1909, Derselbe, Tierpsychologisches Practieum,. Leipzig. Veit & Co, 1912.- 20: Ei Fed, Buytendyk, Proeven over gewoontevorming by dieren. Wed. G. ' van Soest. 1918. Amsterdam. 21) Erich Wasmann, S$. J., Die psychischen Fähigkeiten der Ameisen. Stutt- gart. E. Schweizerbart. 2. Aufl. 1909, NEIN RN PB Buytendyk, L’instinet d’alimentation et experience chez les erapauds. ‚Arch. Neerl. de Physiol. T. IT, p. 217. 1917. 23) Margaret Floy Washburn, The animal mind. New-York. Macmillan, ‚Second edition. 1917. p. 246. in = Er > ar Erz Ei 510 H.C.v d. Heyde, Über die Lernfähigkeit der Strandkrabbe ‚(Careinus maenas L) = a) Änderungen infolge ziemlich lang nachwirkender Reizen (lear- ning, das eigentliche Lernen). b) Änderungen als Folge des momentan abgeänderten physio- logischen Zustandes des Organismus (adaptation, Ermüdungs- erscheinungen). Als zu den letzteren gehörend muß man nach Buytendyk®%) wasrscheinlich die Erscheinungen der von Smith?) und Day und Bentley?°) behaupteten Lernfähigkeit des Paramaeciums betrachten. Daß es sich hier um eine Erschlaffungserscheinung handelt als Folge der Anhäufung von CO, in dem Körper des Paramaeciums, er- scheint nunmehr sehr wahrscheinlich: hier gerade hat man ein Bei- spiel von Adaptation, d.h. eine Änderung von „behaviour“ als Folge vorübergehender physiologischer Zustände des Organismus. Daß eine Ameise nicht dabei beharrt die Kampfstellung gegen einen drohenden Finger anzunehmen wie Wasmann berichtet, auch dies ist ein Phänomen derselben Kategorie, ebenso die Erscheinung, daß eine Actinte sich durch einen fallenden Tropfen anfänglich zum Zusammen- ziehen bringen läßt, später aber nicht mehr?”). Alle diese Erscheinungen haben mit den Ermüdungserscheinungen eben diese Ähnlichkeit, daß sie dem augenblicklich veränderten physiologischen Zustande des Körpers zu verdanken sind. Die experimentellen Methoden, deren man sich zur ae Prüfung der Lernfähigkeit der Tiere bedient, kann man nach dem Beispiele der amerikanischen Forscher am besten in drei Gruppen. einteilen: A. Problem-methods. Den Versuchstieren wird hierbei u einfaches Problem, wie z.B. das Öffnen einer Türe mit einem Hebel, zur Lösung gegeben. Um ihre Aufmerksamkeit auf den Sachverhalt zu lenken, wird ihnen dabei oft Futter vorgehalten. Eines der ge- bräuchlichsten Apparate ıst hierbei der sogenannte „Problem-box (Vexierkasten)* von Thorndike. Es ist dies ein einfacher Kasten, aus dem das Tier durch die Stäbe hinaussehen kann. Den Öffnungs- mechanismus kann man dabei in mancherlei Weise variieren. Mit diesem problem-box sind schon manche Tiere, wie z. B. Affen ?®), 24) F. J. J. Buytendyk, Acqnisition d’habitudes par des £tres unicellulaires. Arch. Neerl. de Phys. T. III, p. 455. 1919. 25) Stevenson Smith, The limits of educability in Bar Journ. of comp. Neur. and Psychol. Vol. 18, p. 499. 1908. - 26) L. M. Day u. M. Bentley, A note on learning in Paramecium. Journ. of animal behaviour. Vol. I, p. 67. 1911. 27) H. S. Jennings, Modifiability in behaviour. 1. Behaviour in seeanemones. Journ. of exp. zool. Vol. II, p. 447. 1905. 28) Thorndike hat mit dem problem-boxe viele Tiere untersucht. Siehe z. B. E. L. Thorndike, Animal intelligence: experimental studies. New-York. 1911. Derselbe, The mare: life of monkeys. Psych. Rev. Monogr. Supp. Nr. 15. Siehe auch A. J. Kinnaman, Mental life of two Macacus rhesus monkeys in captivity Am. Journ. of Psych. Vol. 13, p. 98, 173..1902, U at a a ze & 4 F X WERL NR ba a 1 a = u. kenne > Pa ha daR EI 7% 223 di Per L 2 DR: =, & Ar: Baal SR die Lernfähigkeit der Strandkrabbe (Careinus maenas L). 511 Hunde), Waschbären ®), Ratten®'), Sperlinge’®) u. s. w. auf ihre Intelligenz geprüft. Der große Nachteil aller dieser Problemmethoden bleibt aber, daß die Probleme immer den psychischen Fähigkeiten der zu untersuchenden Tierart genau angepaßt sein müssen, und daß man sie eben darum zu vergleichenden Studien nicht benutzen kann. „There are problems and problems“, hat bereits Yerkes. gesagt“, a condition or a situation, which presents a problem to one organism, may utterly lack interest for an organısm of different structure and behaviour*“ ®?). Wichtig ist auch die Bemerkung Köhler’s (zit. auf der letzten Seite), ‘der darauf hingewiesen hat, daß bei dem Vexierkasten das Problem für das Tier-gar nicht übersichtlich ıst, daß also diese Metliode nicht zum Studium der „Einsicht“ benutzt werden kann. Viele andere Probleme lassen sich mit dem Problem-box experi- mentell prüfen; ich nenne hier nur das Nachahmungsproblem, über das schon viele interessante Beobachtungen gemacht worden sind. Obgleich aber die Vexiermethode für Säugetiere gewisse Vorzüge hat, scheint sie mir aber für Evertebraten nicht brauchbar, erstens weil wir über deren psychischen Fähigkeiten, besonders die Wahr- nehmungsvorstellungen, noch so ungenügend unterrichtet sind, zweitens aber weil ihr Strukturtypus Vexiervorrrehtungen schwierig ausführbae macht. _B. Diserimination-methods. Auch diese Methode, wobei man - die Tiere in einem sog. discrimination-box zwischen zwei Richtungen, die durch bestimmte Merkmale verschieden sind, wählen läßt, während alle andere Versuchsbedingungen aufs ee syınmetrisch ge- halten werden, kann zur Prüfung der Lernfähigkeit angewendet werden, und bei der Tanzmaus hat sie sich nach Yerkes als die meist ge- eignete gezeigt. Die andern Methoden waren, nach seiner Meinung, nicht sufficiently simple, easy of control, and uniform as to conditions. Meistens aber verfährt man gerade in der umgekehrten Weise, indem man an einer bestimmten Tierart, von der man weiß, daß sıe sıch zu, derartigen Versuchen eignet, das sinnliche Unterscheidungsvermögen _ (sensory-diserimination) für Farben, Dufte, Klänge u. s. w. untersucht, Auch diese Methode ist zu vergleichenden Versuchen nicht leicht an- wendbar weil die EE Suchliieh (Ettlinger) sehr stark auseinander liegen können. C. Labyrinth- itkede, Der große Vorzug der Labyrinth- methoden ist ihre Anwendbarkeit auf fast alle Tierarten, zweitens die 29) H de Jong, Recherches sur la formation u chez le chien. Arch. Neerl. de Physiol. T. III, p. 491. 1919. 30) L.W. Cole, Concerning the intelligence of raccoons. Journ. comp. Neur. and Psych. Vol. 17, p. 211. 1907. 3E,. 8%, Sm all, An experimental study of the mental processes of the rat. Am. Journ. Psych Vol. >: p. 133. 1899. :32),.J-.B er A preliminary study of the psychology of the English sparrow. ‚Am. Journ. Psych. Vol. 15, p. 313. 1904. 33). R M: Yerkes, Dancing Mouse, p. 201. 512 H.C.v.d. Heyde, Über die Lernfähigkeit der Strandkrabbe (Uareinus maenas L.). ig fast unendliche Modifizierbarkeit des Apparates. Von einem einfachen T-Gang ab, wie ihn Yerkes für Lumbrieus und Allolobophora benutzte®*), bis zu de verwickelten, zuerst von Small®°) für Ratten benutzten, Hampton - Court - Maze, läßt sich eine kontinuierliche Reihe von immer komplizierteren Labyrinthen zusammensetzen und die Ver- gleichung der Resultate mit verschiedenen Labyrinthtypen, wie sie Y erkes für dıe Tanzmaus ausgeführt hat, führt zu den inter essantesten. Resultaten. Das Fundament des Lernens im Labyrinthe bildet the dropping out of useless movements, ein Prozeß, der ganz dem Gesetze der Energieökonomie folgt. Se faßt es unter dem Prinzip der kürzesten Bahn in der tierischen Handlung. Hierzu sollen die Tiere stimuliert werden; es muß beı ihnen der Drang vorhanden sein, sich aus dem Labyrinth herauszufinden. „It is nl. clear, that the value of the test depends only upon the desire of the organısm to escape from the maze“ 7). Diese Anregung kann man in den verschiedensten Weisen vornehmen, meistens aber wird den Tieren ein mäßiger elektrischer. Schlag zugebracht. Daß ein mäßiger Schlag bessere Resultate aufliefert als härtere Strafen, zeigte schon Yerkes für die Tanzmaus, und ist seitdem von manchen Autoren dargetan. Für Hunde kann man nach Hamilton diese Methode der Anregung ganz und gar nicht anwenden. Die Schnelligkeit, mit der ein Tier sich in einem Labyrinthe zurecht- findet, wird also nicht nur durch die Lernfähigkeit des betreffenden Tieres bestimmt, sondern auch durch das Interesse, das die Tiere ihrer Befreiung entgegenbringen; sie ist also ohne weitere Betrachtungen kein objektives Kriterium für die Lernfähigkeit. Und gerade die Car- cinuıs kann man betrachten als das Beispiel eines Tieres, dem es nahezu gleichgültig bleibt, ob es herauskommt oder nicht. Man kann die Resultate der Labyrinthversuche in dreierlei Weise darstellen: erstens kann man sich genau die Zeit notieren, die das Tier in dem Labyrinthe verbringt, zweitens aber kann man die „errors“ als Maßstab benutzen, drittens kann man die Wegelängen mit einem Zyklometer ausmessen. Yerkes erklärt die erste Methode als „valueless* und hat immer die zweite angewendet. Bei meiner Arbeit über die Ameisen ist es mir aber klar geworden, daß auch diese nach Yerkes so unpraktische Methode gute Resultate geben kann, während es immer eine große Schwierigkeit der „error“-Methode bleibt, das ein Fehler von ganz anderer Beschaffenheit sein kann als der andere. Als eine sehr auffällige Tatsache hat sich bei den Labyrinthversuchen heraus- 34) REM Yerkes, The iitelgenoe of earthw orms. Journ. of animal behaviour. Vol. 2, p. 332. 1912, 35) W.S. Small, An experimental study of the mental processes of the rat. II. Am. Journ. of Psych. Vol. 12, p. 206. -1900. 36) J. 8. Szymanski, Das Prinzip der kürzesten Bahn in der Lehre von der tierischen Handlung. Biol: Zentralbl. Bd. 37, S. 382. 1917. 37) Verkes, Dancing Mouse, p. 200. TR: b ey a5 "Ahr nn 2 un y ; j E k ; ; E x £ Br ae Le En 7 du a 7 a H.C. v.d. Heyde, Über die Lernfähigkeit der Strandkrabbe (Careinus maenas L.). 513 gestellt, daß verschiedene Labyrinthen für verschiedene Tierarten ganz verschiedene Schwierigkeiten geben. So ist z. B. in noch un- publizierten Versuchen aus diesem Laboratorium gezeigt worden, daß Mäuse das komplizierte Hampton-Court-Maze viel leichter erlernen als - ein nach unsern Auffassungen viel einfacheres Labyrinth. Ein ver- gleichendes Studium in dieser Richtung für die Tanzmaus hat Yerkes angestellt, wobei er auch Männchen und Weibchen ver- glichen hat. Bei dem Erlernen eines Labyrinthes ist es sehr auffällig, daß zu- erst die Fehler am Ende des Weges korrigiert werden. Das versteht sıch sehr leicht aus der größern Wahrscheinlichkeit einer Assoziation zwischen dem naheliegenden Fehler mit der Empfindung des Erreichen des Zieles. Dazu kommt noch eine zweite merkwürdige Erscheinung, auf die ich in meiner Arbeit über die Ameisen schon hingewiesen habe. Wenn man genau den Weg studiert, den ein Tier in einem Labyrinthe zu- rückgelegt hat, so ist es sehr auffällig, daß in den ersten Gängen weitaus die meisten Fehler gemacht werden. Ich: habe hieraus die Schlußfolgerung gemacht, daß die Tiere auch während jedem Versuche lernen, d. h. daß das Tier die Erfahrungen, die es in den ersten Gängen gemacht hat, in den folgenden schon benutzt. - „Wenn wir Tot einige Resalläte von Labyrinthversuchen ver- gleichen wollen, und dabei erstens die Mäuseversuche von Yerkes, zweitens die Versuche von Eldering mit Periplaneta, und drittens die meinigen mit den Ameisen und mit Careinus ın Betracht ziehen, so handelt es sich in allen diesen Fällen wohl um Tiere, die man nicht gerade zu den Gesichtstieren rechnen kann. F. sangwinea ist wohl unter den Ameisen am meisten Gesichtstier, aber der Geruch spielt doch bei den Ameisen weitaus die wichtigste Rolle. Alle diese Tiere lernen hauptsächlich auf kinästhetischem Wege; es sind die Be- wegungskomplexe, die, einmal ausgeführt, festgehalten werden, wobei die unnützen Bewegungen nach dem oben erwähnten Prinzip der kürzesten Bahn in der tierischen Handlung ausgeschaltet werden. Die Weise, worauf diese ausgeschaltet werden, ist noch nicht in jeder Hinsicht psychologisch erklärt worden. „Pria] und error“, dieses all- gemeine von Jennings aufgestellte Prinzip des Erlernens bei den niederen Tieren, möge eine große Rolle spielen, sie erklärt aber nicht alles. Wenn das Tier immer auf seinem Wege eine bestimmte Schlinge gemacht hat, z. B. einen Abstecher in einen toten Gang, und dann nachher diesen Fehler korrigiert, so erklärt sich das nicht durch trial ‚and error ohne mehr. Denn das Tier hat entweder nie den richtigen Weg gemacht, oder wenn es zufällig einmal die Schlinge unterlassen hat, so hat es nicht unmittelbar den nützlichen Effekt dieser Handlung verspürt, weil ıhm vielleicht in der folgenden Abteilung wieder Se Schwierigkeiten begegnet sind. Somit erscheint es wahrscheinlich, daß dabei noch ganz unbekannte sensomotorische Erscheinungen eine Rolle 40. Band. 33 514 E. Heinticher. Wie erfolgt die Bestäubung & Mistel et. En spielen, über deren Wirkungsweise wir nur noch Ahnungen haben können. > Wie ich sagte, kann uns die Übereinstimmung. der Resultate mit den vier Versuchstierarten keineswegs wundern; alle vier lernen sie auf kinästhetischem Wege, das Gesicht spielt bei allen vier nur eine geringe Rolle; nur kann man bei den Krabben eine etwas geringere Lernfähigkeit feststellen, deren Gründe ich _oben schon auseinander- gesetzt habe. E Das auffallende ist aber, daß Tiere in verschiedener Höhe der phylogenetischen Reihenfolge dennoch nicht ein schnelleres oder „höheres“ Lernvermögen haben. Die einfache Darwinistische Brklärung 4 der Tierseele reicht hier also nicht aus. Vergleicht man aber diese Resultate mit denjenigen, die mit Menschen erreicht wurden®®), so fällt unmittelbar der große Unter- schied auf. Der Mensch (wenigstens der erwachsene Mensch) lernt durch Abstraktion, sein Lernen beweist die Anwesenheit einer analy- sierenden und einsichtlichen Intelligenz, wiewohl auch die tierische Weise des Lernens natürlich dem Menschen nicht fehlt. Die Lern- fähigkeit der Tiere muß man betrachten als ein zweckmäßiges Adap- tationsbestreben an den wechselnden Bedingungen der Außenwelt, das mit dem Instinkte in intimem Zusammenhang steht. Inwieweit eine Kluft zwischen dem Lernen von Tier und Mensch besteht, und ob vielleicht die Anthropoiden ein Übergangsstadium bilden 3°), werden künftige Untersuchungen aufweisen müssen, bis jetzt ist auch diese 3 Frage noch keineswegs gelöst. 3 Amsterdam, ‚den 26. März 1920. Physiol. Labor. der freien Universität. BE ———— Wie erfolgt die Bestäubung der Mistel; scheiden ihre Blüten wirklich Nektar ab? en Mit 1 Abbildung. Von E. Heinricher. Mit diesen Fragen beschäftigte sich schon meine im Vorjahre in der Flora!) erschienene Abhandlung „Ist die Mistel (Vrscum album L.) wirklich nur Insektenblütler?“ Ich kam auf Grund des Ze durch- 4 38) Siehe z.B. Vinnie c. Hicks and H. A. Carr, os reactions in. amaze. - Journ. of animal behaviour. Vol. 2, p. 98. 1912. er 39) Siehe z. B. W. Köhler, Intelligenzprüfungen an Anthropoiden. 1. Abhand. 5 Königl. Preuß. Akad. d. Wissensch. 1917. Phys.-math. Klasse. Nr. TI. ° Re R. M. Yerkes, The mental life of monkeys and apes. A Baby ‚of- entionnl E behaviour. Behav. Monogr. III. I. 1916. Karl Bühler, Die geistige Entwicklung des Kindes. Jena. Fischer. 1918. 2 1) Neue Folge, Bd. XT, 1919, S. 155. Man vergleiche auch: E. Heinricher, „Ein Versuch Samen, allenfalls Pflanzen, aus der Kreuzung einer Laubholzmistel mit 2 der Tannenmistel zu gewinnen. rs Hör: d. D. Bot. Ges., Bd. 37, 1919, 8. Fr Be - A A u / Mr rn? YRn, Bi N f E. Heinricher, Wie erfolgt die Bestäubung der Mistel ete. 515 - geführten Versuches, daß auch in einem Beutel aus Stramingaze?) während der Blütenperiode eingebunden gewesene weibliche Mistel- büsche doch in beträchtlicher Zahl Beeren entwickelten, zur Schluß- folgerung: es finde neben Insektenbestäubung auch Wind- bestäubung statt. Die Folge dieser Feststellung war, daß ich auch die Einrichtungen, die der Mistelblüte als im Dienste der Bestäubung durch Insekten stehend zugeschrieben wurden, einer neuerlichen Prüfung unterzog. Ich konnte als eine solche den mit Stacheln besetzten, nicht stäubenden und wenigstens ın kleinen Ballen zusammenhaftenden Pollen bestätigen, gab auch zu, daß vielleicht den männlichen Blüten ein eigentümlicher Duft zukomme, den ich alierdings nicht wahrzu- nehmen vermochte, lehnte das Vorhandensein eines extrafloralen Schauapparates, den Lindmann?°) angenommen hatte, rundweg ab und negierte auf Grund meiner Beobachtungen die Bildung von Nektar in den Mistelblüten. Eine solche war schon von Koelreuter‘*) „beiderlei Blüten“ zugesprochen, ebenso seitens Löw’s?) behauptet worden und auch v. Kirchner‘) glaubte „abgesonderten ee deutlich zu erkennen“. Hingegen erwähnte Lindmann, daß „keine Honigtropfen“ in den Blumen finden konnte. Da es auch "mir nicht gelingen wollte, flüssige Abscheidungen, die als Nektar an- _ gesprochen hätten werden können, nachzuweisen, unternahm ich es, ‚die Blüten anatomisch nach Nektarien zu untersuchen, Der Befund war ein verneinender; ich fand weder in den männlichen noch in den - weiblichen Blüten Bildungen, die als Nektariendrüsen hätten gedeutet - werden dürfen und folgerte darum, daß die angeführten Beobachter einer Täuschung anheimgefallen sind. Am positivsten hatten in Bezug - auf den Ort der Nektarbildung die Angaben Löw’s gelautet. So - — schrieb er bezüglich der männlichen Blüte: „Die- innere Aushöhlung ım Basalteil des becherförmigen männlichen Perigons wird von einem Nektarıium überzogen, dessen anatomischer Bau nicht näher - studiert wurde (von mir gesperrt H.), die Honigabsonderung war jedoch an völlig frischen Blüten, die an einem sonnigen und warmen Tage gesammelt und kurz darauf untersucht wurden, voll- kommen deutlich und veranlaßte wahrscheinlich auch den a > E- 2) In ersterer Arbeit verwendete ich irrtümlich den Ausdruck „Pergaminhülle* anstatt „Stramin-“. Darauf wurde ich freundlichst durch Prof. v. Kirchner auf- merksam gemacht. Die Maschenweite der verwendeten Stramingaze schwankt zwischen : 1/,—1 C]mm und genügt um die als Besucher der Mistel bekannten Insekten (Fliegen, Bienen) abzuhalten; wohl könnten Angehörige der Gattung Thrxps durchschlüpfen, wie Ey. Kirchner. mir gegenüber schriftlich erwähnt. Ich oh aber sagen, daß ich bei meinen im laufenden Frühjahr durch Wochen fortgesetzten Beobachtungen in den - _Mistelblüten nie einen Blasenfüßer zu sehen bekam. = 3) Botan. Zentralbl. 1890, XLIV, S. 241. = 4) Fortsetzung. der vorläufigen Nachricht von einigen das Geschlecht der Pflanzen betreffenden Versuchen und: Beobachtungen. Leipzig 1763, S. 71f. E:- 5) Botan. Zentralbl. 1890, XLIII, S. 128. 3 Be) Jahreshefte des Vereins für vater], Naturkunde in Württemberg 1893, 49. Jahrg., 33% \ ee B “ 516 E. Heinricher, Wie erfolgt die Bestäubung der Mistel ete. Orangengeruch.* Es ist Tatsache, daß der Grund im Innern der männlichen Blüte äußerlich an ein Nektarıum erinnert, ın ganz ähn- licher Weise wie bei den männlichen Blüten der Zwergmistel ( Arceutho- bium); es ist dies die Folge einer starken Reflexion des Lichtes durch die warzig höckerige Beschaffenheit dieses Grundes, die ein Glitzern hervorbringt und meinen läßt, es berge der tiefgrüne Blütengrund eine Ausscheidung. Diese ıst aber nicht vorhanden -und die anatomische Untersuchung, die Löw unterließ, zeigt, daß die stark kutikularisierten Außenwandungen der den Blütengrund überziehenden Zellage keines- wegs die Kennzeichen-von sezernierenden Elementen darbieten. Bezüglich der weiblichen Blüte sagte Löw: „Das Nektarium liegt hier als schwachdrüsiger Ring ın der Aushöhlung zwischen der Basis des Perigons und dem halsförmig eingeschnürten Grunde des Narben- kopfes“; doch wird weder eine Abbildung von dem Nektarium ge- bracht noch auf seinen anatomischen Bau eingegangen. Meine Nach- untersuchung ließ weder den „schwachdrüsigen Ring“ an besagter Stelle, noch Elemente, die man für eine sekretorische Tätigkeit hätte verantwortlich machen können, finden (vgl. Fig. 1, Taf. VI, a. a. ©.). So kam ich aus den Befunden zu dem Schlusse: daß es sıch bei der Insektenblütigkeit der Mistel nur um „Pollenblumen“ handelt, womit die durch v. Kirchner mitgeteilte Beobachtung Erklärung findet, daß die Bienen nur die männlichen Stöcke besuchen (daher sie als Be- stäuber eigentlich nicht in Betracht kommen, ihre Besuche für die Mistel also keineswegs Nutzen haben). Die weniger intelligenten eigent- lichen Bestäuber, Fliegen, lassen sich aber auch das Absuchen der weiblichen Pflanzen nicht verdrießen. Gleichzeitig ungefähr mit dem Erscheinen meiner Abhandlung in. der Flora fiel aber das einer umfangreichen v. Tubeufs, betitelt „Überblick über die Arten der Gattung Arceuthobium (Razoumowskia) mit besonderer Berücksichtigung ihrer Biologie und praktischen Be- deutung“). | er In dieser Abhandlung knüpft v. Tubeuf an die Besprechung der Blüte von Arceuthobium, die mit einigen unberechtigten und unrichtigen Darstellungen meiner Studien über die Arceuthobium-Blüte verknüpft wird®), auch die der Blüte von Vescum album und widmet diesem Gegenstande 2?/, Seiten, wovon fast eine Seite vier den Gegenstand betreffende Wıiedergaben photographischer Aufnahmen füllen. v.Tubeuf war zur Zeit meine Abhandlung in der Flora noch unbekannt, er steht ganz auf dem Standpunkt, Viscum sei eine rein insektenblütige Pflanze. Er erwähnt kurz die Angaben von Koelreuter, Löw, Lindmann und Kirchner. Bezüglich der Bemerkung „Mikroskopisch hat sich 7) Naturwiss. Zeitschr... für Forst- und Landwirtschaft, 17. Jahrg. 1919, Heft 6—9. 8) Hierauf mag hier nicht eingegangen werden; man vergleiche meine Richtig- stellung „Zur Biologie der Blüte von Arceuthobium“ (Naturwiss. Ztschr. f. Forst- u. Landwirtschaft 1920). Noch nicht erschienen, nur ein Korrekturabzug war in meinen Händen. De ne hal I NEL un Anl 52 mann Ma dB mein nd 2 NE ZU En nn ge A da nn. 8 E. Heinricher, Wie erfolgt die Bestäubung der Mistel ete. 517 nur Löw. die honigabsondernden Blütenteile betrachtet“ ist darauf hinzuweisen, daß Löw, wie aus dem oben gebrachten Zitat hervor- geht, selbst hervorhebt, daß er das angebliche Nektarıium der männ- lichen Blüte in bezug auf den anatomischen Bau nicht näher unter- suchte. Auch über das Nektarıum der weiblichen Blüte bringt aber Löw nicht mehr. als früher angeführt wurde, es fehlt gänzlich eine bildliche Darstellung und schließlich darf wohl bemerkt werden, daß der verdiente Blütenbiologe Löw als Anatom sich kaum betätigt hat. Was v. Tubeuf selbst im Gegenstande berichtet, ıst nun Folgendes: „Ich fand bei Viscum album ım Grunde der männlichen Blüte Spalt- öffnungen und kleine, höckerförmige Auswüchse, deren Membran offenbar verschleimt, ähnlich wie auf der Narbenoberfläche (Fig. 42). Ich fand aber keine Tropfenausscheidung bei den männ- lichen Blüten, welche vielmehr sich nur durch ihren inten- siven Duft bemerkbar machen (von mir gesperrt H.). Bei den weiblichen Blüten fand ıch weder diese Auswüchse und nur einzelne Spaltöffnungen. Die Ausscheidung der Tropfen erfolgt offenbar nur von den verschlemenden Narbenzellmembranen, ‚die vorher dickwandig waren. Die Innenfläche der Perigonblättchen ist zartwandig und bleibt so, die Außenfläche, welche bei geschlossener Blüte nach außen abschloß, bleibt dickwandig und kutikularisıert. Die mikrochemische Untersuchung der ausgeschiedenen Tropfen (es ist zu bemerken, daß in Fig. 39 die photographische Aufnahme „einer weiblichen Gipfelblüte mit großem hängenden Tropfen“ vor- geführt wird, H.), die ich nach den Reaktionen, welche Fujii an- wandte, und jenen, welche bei Molisch und Trommer angegeben sınd, von Herrn Dr. Wolpert ausführen ließ, ergab Folgendes: Am 15. bis 18. Februar 1919 wurden mit der Nektarausscheidung der weiblichen Blüten von Viscum album (Fichtenmistel auf Kiefer), welche durch Aufsaugen mit Glaskapillaren gesammelt wurde, folgende Reak- tionen ausgeführt.“ Die Reaktionen werden dann eingehend mitgeteilt; es genügt zu sagen, daß sie positiv auf Zucker hinwiesen. Noch sei der dann fol- gende Nachsatz wörtlich wiedergegeben. „Die Nektarflüssigkeit wird nicht nur einmal ausgeschieden, nach einigen Tagen konnte den Blüten ‘von neuem diese Flüssigkeit entnommen werden.“ Diese Angaben standen in großem Gegensatz zu meinen Beob- achtungen, die nie etwas von einer Tropfenausscheidung festzustellen vermocht hatten. Zwar gelang es auch v. Tubeuf nicht ein eigent- liches Nektarium nachzuweisen, denn weder bestätigt er den als Nektariumring in der weiblichen Blüte von Löw angegebenen, noch wird man die höckerförmigen Auswüchse, von denen v. T. in Fig. 42 einen abbildet, als Nektarien bezeichnen können. v. Tubeuf ver- meidet auch selbst diesen Namen anzuwenden und gibt überdies zu, in den männlichen Blüten keine Tropfenausscheidung gefunden zu haben, Als Ausscheidungsorgan kommt wesentlich nur die Narbe der — rer ee, 518 E. Heinricher, Wie erfolgt die u der. Mistel de ER re u ee ER RE | weiblichen Blüte in Betracht; daß an dieser eine Ausscheidung erfolgt, war bei der anerkannten Insektenblütigkeit kaum anzuzweifeln. Wenig- stens mußte durch sie ein Klebrigwerden der Narbenoberfläche zum Festhalten des Blütenstaubes zustamde kommen, ein Vorgang, der ın E der Regel nıcht als Nektarbildung bezeichnet wird, so wenig als eine derartig beschaffene Narbe als Nektarıum. v. Tubeuf’s Abbildung und Mitteilung nach sollte nun diese Ausscheidung ein weit höheres BE Maß erreichen, zur Tropfenbildung führen, die Tropfen durch eine Kapillare ee und darauf ein ee Entstehen eines 4 Tropfens verfolgbar sein. Diese Angaben lauteten so bestimmt, daß ich es Für möglich hielt, es sei mir die Tropfenausscheidung trotz vieler Beobachtungen entgangen. Den Schwerpunkt habe ich bei meinen Untersuchungen 1919 auf die Suche nach den Nektarien und die anatomische Prüfung der Blüten 4 gelegt; darum erschien es mir vor allem möglich, daß ich die erste Blüteperiode nicht genau genug verfolgt hätte und deshalb wollte ich ° dies 1920 in einwandfreier Weise wiederholen. Ich muß nun allerdings vorwegnehmen, daß auch 1920 kein anderes Ergebnis erzielt wurde als 1919 und daß ich mich für un- bedingt berechtigt fühle, eine Nektarausscheidung in Tropfenform bei der Mistel zu verneinen. Wieetwav. Tubeuf's Befunde eine Erklärung finden könnten, soll später erörtert werden. Und nun zu den Beobachtungen ex 1920, die ich selbst vornahm, die mit zu verfolgen, ich aber auch die Herren Assistenten Dr. Löffler und Dr. Cammerloher ersuchte. Während letzterer durch Ereignisse zeitweilig daran verhindert war, hat sie Dr. Löffler, der schon im =. vorigen Jahre bei meiner Unterstehing mitwirkte, durch die ganze Beobachtungszeit mitgemacht. Die vielen ın unserm Garten vor- handenen Misteln, die zudem großenteils in bequemster Form beob- achtbar sind, boten ein überaus günstiges Material, so daß die Fest- stellungen an Hunderten von Blüten stattfanden. Auch konnten nach dem Standorte der Wirtbäume die Beobachtungen insofern wiederholt vorgenommen werden, als an den einzelnen das Blühen nicht gleich- zeitig eintrat. Speziell wurde an folgenden Orten beobachtet: I. In den Biologischen Gruppen, südlich des Institutsgebäudes, 3 wo infolge größter Erwärmung das Blühen am frühesten einsetzte. Hier wurde das Blühen der Misteln auf Syringa vulgaris, Abies peeti- nata und A. Nordmanniana ständig, gelegentlich auch auf Pinus sil- vestris (Lage unbequem) verfolgt. II. Mehrere Büsche im System auf ee 0x1 ee Der n REN N ae Baum wurde Mitte Februar mit einem auf 4 Pfählen ruhenden, nach vorne abfallenden Holzdach gedeckt, um Störungen und Irrtümer, die durch Niederschläge herbeigeführt werden könnten, hıntanzuhalten. Das Holzdach bewirkte bei Besonnung eine stärkere Erwärmung der darunter befindlichen Luft und dadurch,‘ daß die Misteln hier bald nach denen auf Standort I ın Blüte traten. E. Heinricher, Wie erfolgt die Bestäubung der Mistel ete. 519 HI. Mistelbüsche auf Betula papyracea ım System; der Standort mitten zwischen I und II, luftiger; hier trat das Blühen recht ver- spätet ein, erst als es bei I und II schon abgelaufen war. Man wird schon aus einer obigen Bemerkung entnommen haben, daß ıch Täuschungen, hervorgerufen durch Niederschläge, nicht für ausgeschlossen hielt. Das Frühjahr ıst ja häufig an Niederschlägen reich, oft herrscht sogenanntes „Aprilwetter*, Wechsel sonniger Stun- den mit kurzen Regenperioden, „Spritzern“, die eine vorübereilende Wolke entleert. Auch nebelreiche feuchte Perioden kommen vor. Es sei aber gleich bemerkt, daß das Wetter ım laufenden Frühjahr für meine Beobachtungen geradezu ideal günstig war. Indessen sei noch auf einen Umstand, der Irrungen herbeiführen könnte, hingewiesen, auf den, daß bei schönem Wetter häufig morgens Reif herrscht. Ich war auf diesen Umstand aufmerksam geworden, als ich Ende Februar auf das Eintreten des Blühens achtgab. Da gab es morgens Tempe- raturen von einigen Graden unter 0, die Mistelbüsche waren + steif gefroren und Ki Reif bedeckt. Kam dann die Sonne, war der Reif ' verflüssigt und hätte sich wohl auch als Pseudo-N ektar besonders in den weiblichen Blüten sammeln und erhalten können, während bald . darauf im übrigen die Büsche vollkommen trocken erscheinen konnten. Wer morgens den Reif nicht beachtet hat, würde leicht einer Täuschung ‚anheimgefallen sein. Die Beobachtungen werden nun tagebuchartig mitgeteilt. Häufig wurden sie dreimal im Tage vorgenommen: zirka 9 Uhr früh, 11!}, und nachmittags zwischen 4 und 5. Wegen des Insektenbesuches, auf den auch geachtet wurde, war vor allem die Beobachtung um ‘Mittag günstig. Ich halte es für wichtig, auch meine diesfälligen Er- . gebnisse mitzuteilen. 24. u. 25. Februar: Froh herrscht starker Reif, die Mistelbüsche . mit Reif bedeckt. 26. Februar ebenso; die Misteln blühen noch nicht, nur auf der weiblichen Pflanze auf Syringa beginnt das Auseinanderweichen der -Perianthblättehen. In der Sonne schimmert die Narbe feucht durch. 27. u. 28, Februar: In der Nacht leichter Schneefall, der am 28. rüh noch anhält; gegen Mittag erfolgt Ausheiterung. 29. Februar und 1. März schöne, sonnige Tage. 2. März: Sonniges Wetter. Die weiblichen Pflanzen auf Syringa mit offenen Blüten. Von Nektartropfen keine Spur, höchstens glitzert Ed a a ae DI A A DE u v 2 ‚achtet. = “ er ge - RG Ace = ne N ne GE LET En ARE ın der Sonne die Narbe einer oder der andern Blüte. Die männlichen ‚ Blüten auf Abies pectinata sind offen, der Pollen verschwindet sehr rasch aus ihnen, von Nektar ist niehts zu sehen. Die gleichen Ver- ‚hältnisse werden bei den Misteln, d und 9, auf COrataegus gefunden, jedoch von den weiblichen Blüten die Mehrzahl noch geschlossen. Ebenso d und 9 Bl. der Misteln auf Betula papyracea. Während der _ Beobachtung an Syringa flog eine größere Fliege, einer Fleischfliege ähnlich, die weibliche Pflanze an. Blütenbesuch wurde nicht beob- „a x 520 E. Heinricher, Wie erfolgt die Bestäubung der Mistel etc. Nachmittag 5?/, die Revision wiederholt, von Tropfensteschekdung keme Spur. 3. März: Herrliches Wetter, um 8°/, 12 u. '/,4 (p. m.) die in bester Blüte befindliche weibliche Mistel auf Syringa geprüft. Kein Nektar. Auf dem riesigen, weiblichen Mistelbusch, der den Gipfel der Nordmannstanne?°) vertritt, habe ich schon vormittags und auch nach- mittags sehr zahlreich kleine Fliegen festgestellt; die Mehrzahl fand ich dem Laube aufsitzend, einzelne auf den Blüten. Einige Gefangene wurden als 2 Arten der Gattung Sepsis bestimmt: S. cynipsea L. und S. flavimana Meig.'!”). Sie mögen gelegentlich Bestäubung bewirken, größere Tätigkeit in der Richtung scheint zu fehlen. 4. März: Prachtwetter. Keine Ausscheidungen an den Blüten, höchstens glitzern die Narben in der Sonne. Die kleinen Fliegen wieder ‘vorhanden, doch fast nur auf der Nordmannstannenmistel. Auf der dahınter stehenden Hasel arbeiten an den Kätzchen massenhaft Bienen, :die Misteln beachten sie nicht. An der Kiefer nebenan steht eine ‘gd Mistel in voller Blüte, von der ich einen Moment einen orangen- ‚artigen Duft wahrzunehmen vermeinte, ohne darüber Sicherheit zu haben; keineswegs aber bei der ebenfalls in voller Blüte stehenden - Weißdornmistel. \ 5. März: Wetter wie an den Vortagen. Die o Mistel auf Syringa steht erst jetzt im Höhepunkte des Blühens, die Narben sind hervor- tretender, feuchtes Schimmern in der Sonne allgemeiner, doch von einer Tropfensekretion kann keine Rede sein. Die Sepsis-Mücken sind an Zahl zurückgegangen; die Mistel auf der Nordmannstanne hat um 10!/, noch Schatten. 6. März: Noch Sonnenschein, jedoch Trübung und Wetteränderung bevorstehend. Die Sepsis-Fliegen an Zahl nicht reich, Bestäubungs- tätigkeit nicht bemerkbar. Tropfenausscheidung nirgends. Eine J Mistel auf der Nordmannstanne öffnet ihre Blüten, auf dem Weißdorn sind solche schon über den Höhepunkt hinaus, die Pollenfächer sind ‘entleert, von Insekten keine Spur. Die Entleerung muß sehr rasch und roh hauptsächlich durch Luftströmungen erfolgen, da von In- -sektentätigkeit sozusagen nichts wahrzunehmen ist. Auch muß dazu ganz bescheidene Luftbewegung genügen, da an den vergangenen Tagen ab 29. Februar ruhiges Wetter herrschte. | 7. März: Starker Föhn, keine Ausscheidungen, keine Insekten. 8. März: Regen, Wasser in d‘ und 9 Blüten. Nachmittags tritt ‚starker Schneefall ein, der nachtsüber anhält. | 9) Es ist die Tanne, die ich in der Abhandlung „Bei der Kultur von Misteln be- obachtete Korrelationserscheinungen“ (Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. in Wien. Mathem.- naturw. Kl., Bd. CXXII. 1913) beschrieb und auf Tafel II bildlich vorführte Ihr Gipfel war abgestorben und durch eine dort aufgegangene Mistel ersetzt. Bie hat heute noch keinen Gipfelersatz, ist nur 1.2 m hoch, hat aber einen Breitendurchmesser von 2.5 m. Der zentrale Mistelbusch ist sehr mächtig herangewachsen. 10) Für die gütige Bestimmung spreche ich Herrn Dr. Pöll, Professor am Päda- , gogium in Innsbruck, meinen besten Dank aus, E. Heinricher, Wie erfolgt die Bestäubung der Mistel ete. 524 9. März: Alles verschneit. 10. März: Früh —1° C., Wetter noch trübe, hie und da fallen einzelne Schneeflocken. 11. u. 12. März: Morgens —2 bis — 3° C.; Sonnenblicke wechseln “ mit leichtem Flockentanz. Die Mücken (Sepsis) verschwunden, über- haupt fehlt alles Insektenleben. Von Nektar keine Spur. Die Misteln auf Betula papyracea kommen erst in Blüte, während die auf Stand- ort I, zum Teil auch jene auf Orataegus (II) schon abgeblüht haben. 13. März: Morgens leichter Schneefall, dann sonnig. 14. März: Nach Bericht Dr. Löffler’s konnte er aus einer weib- lichen Blüte (Mistel auf der Nordmannstanne) mittels- Filtrierpapier etwas Flüssigkeit aufnehmen, die aber nicht als Tropfen ın der Blüte wahrzunehmen. war. Die Erklärung ist dadurch. gegeben, daß der Morgen sehr kalt, der Boden gefroren war und Reif lag. Kommender Föhn kündigte sich dadurch an. 15. u. 16. März waren Föhntage, deren Wärme das Insektenleben hob. Am 16. traten zahlreicher größere Fliegen (Pollenia rudis Mg.) '') auf der 9 Mistel an der Nordmannstanne, einzelne auch auf anderen ‚Mistelbüschen auf; auch Sepsis sind wieder vertreten und einzelne Bienen wurden gesehen, die Pollen sammelten. Die Narben in den weiblichen Blüten (auf Syringa und Nordmannstanne) glitzern in der Sonne noch immer. Auf Betula papyracea sind noch nicht alle Blüten offen, vorwiegend männliche. 17. März: Morgens Regen. Pseudo-Nektar in den Blüten! Übrigens fängt sıch in auffällig wenigen Blüten Wasser und sitzt auch nicht leicht in Tropfenform auf. Es verteilt sich vielmehr rasch und füllt den Grund der Blüten. Das wird mit der papillösen Beschaffenheit der "Oberfläche, in der d' Blüte mit der Höckerchenbildung in ihrem Grunde, zusammenhängen; kurz es sind dieselben Verhältnisse, wıe bei „Sammetblättern“ mehr oder minder gegeben '?). Insektenleben keines beobachtbar. 18. März: In der Früh — 1° C., der Tag schön und sonnig, mit reicherem Insektenleben. Sepsis-Mücken reichlicher vertreten. Eine Hummel (Bombus lapidarius) besucht eine Z‘ Mistelblüte, fliegt aber gleich weiter, ohne eine zweite zu beehren. Auf einer der d' Misteln auf Crataegus fand ich gleichzeitig 4 Bienen Pollen sammelnd. In Übereinstimmung mit Kirchner sah ich nie eine Biene die weiblichen Blüten absuchen. Auch eine Fliege (Pollenia rudis) wurde auf der Crataegus-Mistel beobachtet. 19. März: Nachts und morgens Regen, daher Wasser (Pseudo- Nektar!) in einer größeren Zahl von Blüten vorhanden. 20. März: Ähnliche Verhältnisse wie am ‚Vortage. 21.—23. März: Morgens Reif, dann sonnig und schön. Insekten- 11) Gleichfalls durch Dr. Pöll bestimmt. 12) E. Stahl, Regenfall und Blattgestalt, S. 114 (Annales ai Jardin Botanique de Buitenzorg, Vol. X). Re 539 E. Heinricher, Wie erfolgt die Bestäubung der Mistel ei leben gering, einzelne Sepsis bei den Mistelbiüsches ne vorhanden. Die Blüte der Büsche auf den Standorten I und II kann übrigens als abgelaufen angesehen werden. Auf Betula papyracea und anderen Wirtbäumen sind sie jetzt in Blüte, doch wird fernere eingehende Beobachtung aufgelassen, da die bisherige klar genug blicken. läßt. Wende ich die gewonnenen Tatsachen und Erfahrungen an, um die im Titel aufgeworfenen Fragen zu beantworten, so habe ich be- züglich der ersten zu sagen, daß ich die in meiner vorjährigen Abhand- lung vertretenen Anschauungen bestätigt finde, d.h. daß bei unserer Mistel (Viscum album) die Bestäubung sowohl durch den Wind (Luftströmungen), was ja durch meine Versuche sicher- gestellt ist, als durch Insekten stattfindet. Nur bin ich auf Grund der diesjährigen Beobachtungen zur Überzeugung gekommen, daß die erstere Bestäubungsart die weit größere Rolle spielen muß als die letztere. Aus meinen Beobachtungen ergibt sich, daß die Mistel seitens der Insekten sehr wenig Beachtung findet. Bienen und wahrscheinlich auch Hummeln (es scheint, daß ich als Erster den Blütenbesuch durch eine solche feststellte), sind nur Besucher der 5‘ Blüten, vermitteln also keine Bestäubung. Als Be- stäuber treten nur Fliegen auf, ohne aber eine für die Bestäubung sehr wirksame Tätigkeit dabei zu entfalten. Die größeren, wozu dievon v. Kirehner zunächst namhaft gemachten Angehörigen der Gattungen Pollenia und Spelogaster gehören (ich habe nur Pollenia rudis Mg. mehr- fach eingefangen), scheinen dabei etwas mehr zu leisten; wenn ich auch keinen systematischen Besuch der Blüten fand und sie über- wiegend an beliebigen Stellen der Mistelbüsche saßen, so sah ich sie doch einigemal ihren Rüssel in die Blüte stecken ind scheinbar in ihr etwas zu suchen. Äußerst selten war dies bei den Vertretern der Gattung Sepsis der Fall. Es machte mehr den Eindruck, daß sie zu- fällig einmal auch über die Blüten hinwegkrochen und, wenn ich auch eine oder die andere dieser Fliegen den Kopf in eine Blüte senken sah, so war dies einmal auch mit dem Hinterleib der Fall, als ob etwa eine Eiablage angestrebt gewesen wäre. Jedenfalls dürften aber tatsächlich Bestäubungen durch diese kleinen Mücken bei der Mistel, wenn auch mehr zufällig, erfolgen. Beachtet man nun diesen geringen Insektenbesuch, weiters die Tatsache, daß meine Versuche mit in Straminbeutel gesteckten weiblichen Büschen an diesen doch Ent- wicklung von Beeren ergaben, obgleich die Insektenbestäubung aus- geschlossen war, und die von mir und andern festgestellte Tatsache, daß die Misteln wohl fast regelmäßig reichlich Beeren tragen, dann kann man die Windbestäubung wohl als Tatsache anerkennen”), Was am meisten dagegen zu sprechen schien, sind die Einrichtungen der Blüten, die mehr Anpassung an Insektenbestäubung als an Wind- bestäubung zu besitzen scheinen. Das mindert sich aber, wie eine 13) Man beachte auch die Ausführungen in meiner vorjährigen Abhandlung r (Flora 1919, S. 160), die ich hier nicht wiederholen will, E. Heinricher, Wie erfolgt die Bestäubung der Mistel ete. 523 sorgfältige Beobachtung und Kritik ergibt, um einiges, was nach der Richtung angeführt wurde. Es bleibt der eigentlich nicht stäubende, mit zarten Stacheln versehene Pollen, der in kleinen Ballen zusammenhaftend entleert wird und gegenüber typischen Windblütlern verhältnismäßig großzellig ist !*). Die Pollenproduktion ist, wenn auch gering gegenüber der eines typischen Windblütlers, immerhin sehr reich. In den durchsehnitt- lich 20 Pollenfächern®’) eines Staubblattes wird doch eine be- trächtliche Pollenmenge erzeugt und wenn auch ein eigentliches Stäuben, wie bei echten Windblütlern, nicht stattfindet, Tatsache ist, daß der Pollen durch Luftströmungen sehr rasch entführt wird. Bald sind die Lokuli geöffneter männlicher Blüten größtenteils entleert, auch dann, wenn sozusagen kein Insektenbesuch nachweisbar war. Da wirkt offenbar fördernd mit, daß die Klebemasse zwischen den Pollen- körnern nur spärlich vorhanden ist. So entstehen nur kleine Flöckchen aus der Pollenmasse und diese zerfallen leicht in noch kleinere Gruppen von Pollenkörnern, bis auf Verbände von nur dreien oder zweien; ja selbst zur Vereinzelung kommt es. Was die zweite Frage betrifft, ob Nektar von den Mistelblüten ausgeschieden wird, so ist schon im Vorausgegangenen die Verneinung scharf ausgesprochen worden. :Es gibt, glaube ich, keine andere Er- klärung als die, daß hier von Koelreuter bis auf v. Tubeuf Täuschungen vorliegen, deren Zustandekommen ja unschwer zu ver- stehen ist, zumal die mehr hervortretenden, für einen Insektenblütler sprechenden Blütenmerkmale zu einem gewissen Optimismus verlockt und die Unterlassung einer genügend systematisch betriebenen Unter- suchung verschuldet haben mochten. Die Täuschung ist einmal mög- lich infolge des nektarienartigen Aussehens des Blütengrundes der männlichen Blüten; ich selbst habe sowohl bei der Zwergmistel (Arceuthobium) als ber Piscum an dieser Stelle zunächst ein Nektarıum ‘ vermutet. Zweitens war bei ungenügender Beachtung der Wetter- verhältnisse wohl aufgefangenes Niederschlagswasser geeignet, die Ver- wechslung mit Nektarsekretion zu veranlassen. So muß auch der v. Tubeuf in Fig. 59 der erwähnten Abhandlung an einer weiblichen Blüte haftend dargestellte Tropfen, als Pseudo-Nektar erklärt werden. Wenn essich nicht um eine Beobachtung im Freilande handelt, sondern viel- leicht um eine Gewächshauskultur!‘), dann ist im Gewächshaus ge- 14) Übrigens gibt es, wie einige Stichproben erwiesen, auch Insektenblütler mit sehr kleinem Pollen. So war der einer Salix sp. sogar um die Hälfte kleiner als der von Corylus; ähnlich stand es mit dem Pollen der Saxifraga saneta. Darüber dürften ja in der Pollen-Literatur mehrfach Angaben zu finden sein. 15) Die Zahl schwankt stark mit der Größe der Blüten und mit jener des - Perianths. Es kommen pro Anthere 24 Fächer und darüber vor, aber auch Herab- ‚sinken auf die Hälfte. 16) Auch für die rotbeerige Mistel (Viscum eruciatum) gibt v. Tubeuf an, daß ‚von der weibl. Blüte Nektar in Tropfenform abgeschieden wird: auch soll ein ab- . .gesaugter Tropfen wieder ersetzt werden (Naturwiss. Ztschr. f. Forst- und Landwirt- RE Ta Rn RE N ERBE 5 N nr - u A ee ne 594 E. Heinricher, Wie erfolgt die Bestäubung der Mistel etc. spritzt worden und der Tropfen ist dennoch nur Pseudo-Nektar ge- wesen. Und wenn es bei v. Tubeuf heißt: „Die Nektarflüssigkeit wird nicht nur einmal ausgeschieden, nach einigen Tagen konnte den Blüten von neuem die Flüssigkeit entnommen werden‘, so erkläre ich auch diese zweite „Ausscheidung“ auf gleichem Wege.zustande ge- kommen und als „Pseudo-Nektar“. Ich bitte nur meine eingehende Beobachtung während der Zeit vom 24. Februar bis 23. März zu be- achten und speziell das prächtige Wetter, das vom 29. Februar bis 7. März dauerte, in welcher die ersten Mistelbüsche blühten, ohne daß eine Irrung, vorgetäuscht durch Niederschläge, . möglich gewesen wäre. Hunderte von weiblichen Blüten wurden gemustert — nie eine Tropfenausscheidung wahrgenommen! Erst in den späteren Perioden kam mehrfach Flüssigkeit in den Blüten vor, dann aber stets ım Zu- sammenhang mit Niederschlägen und auf diese rückführbar. Übrigens wurde schon in den Tagebuchnotizen hervorgehoben, daß auch unter solchen Umständen verhältnismäßig wenige Blüten Wasser enthielten. Noch sei bemerkt, daß in Form eines Tropfens das Niederschlags- wasser nie anhaftete; ich sah nur einmal einen Tropfen an einer weib- lichen Blüte haften, den Assistent Dr. Cammerloher künstlich auf- gesetzt hatte, was aber erst nach wiederholten Versuchen gelang. Ich möchte noch darauf aufmerksam machen, wie ganz anders es sich mit der Tropfenausscheidung durch die weiblichen Blüten der Zwergmistel, Arceuthobium, verhält. Hier hat die Ausscheidung v.Tubeuf!”) zuerst festgestellt, später ich an den von mir ın künst- licher Aufzucht aus Samen erzogenen Pflanzen. Zur Zeit des Blühens wird der Sitz der überaus kleinen Blüten nur durch die von ıhnen aus- geschiedenen Tropfen verraten. An allen Sproßspitzen der weiblichen Pflanzen bemerkt man diese glitzernden Tröpfchen. Fig. 2 auf Taf. 1 meiner Abhandlung?) bringt rechts unten die Aufnahme einer solchen Pflanze in natürlicher Größe. Leider ist die Wiedergabe dem Original —- die Aufnahme verdanke ich Herrn Kollegen Prof. Ad. Wagner — keineswegs gleichwertig!?). An diesem treten die Spitzen als weiße Flecken scharf hervor. Daß es sich um Flüssigkeitstropfen handelt, ist allerdings dabei nicht zu entnehmen. Darum wurde in Fig. 7, Taf. I ein einzelnes Sprößchen noch vierfach vergrößert wiedergegeben, aber auch da steht die Reproduktion hinter der Originalkopie weit zurück. Auch ist das Verstehen des Bildes für den .mit der Sache schaft, Bd. 17, 1919,°8. 237). Über diese Angabe enthalte ich mich eines Urteils. Ich habe zwar Viscum eruciatum auf Olea ewropaea auch in Kultur, doch ist es auf diesem Wirte von sehr langsamer Entwicklung und sind die Pflanzen ob Vernachlässigung während des Krieges nicht üppig. Die ersten Blüten erschienen 1920. ER 17) Über Biologie unserer Loranthaceen (Natur und Kultur, V. Jahrgang, 1907). 18) Über Bau und Biologie der Blüten von Arceuthobium oxycedri (DC) MB. Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. in Wien, mathem.-naturw. Kl., Abt. I, Bd. 124, 1915). 19) Bei derartigen Aufnahmen fällt der Mangel am stofflichen Verstehen des Dar- gestellten seitens des die Wiedergabe Besorgenden schwer ins Gewicht. Sind auch die Originalplatten zur Verfügung gestellt, so genügt doch ein geringer Fehler bei der Ein- stellung das Bild mangelhaft zu machen und das Verschwinden wichtiger Details zu bewirken, Raster erhöhen solche Mängel noch bedeutend. E. Heinricher, Wie erfolgt die Bestäubung der Mistel ete. 525 nicht völlig Vertrauten nicht ganz leicht ?°). Darum gebe ıch ın Fig. 1 diese vierfach vergrößerte Aufnahme in etwas schematischer Weise hier in verdoppelter (somit achtfacher) Größe wieder und seien noch einige Erläuterungen beigefügt?'). Die zu Schuppen reduzierten Blätter von Arceuthobium haben eine dekussierte Stellung; so finden sich dann auch die Blüten oder Blütengruppen angeordnet. Den Gipfel der Sprosse nimmt eine terminale Blüte ein, wozu aus einem unteren Schuppenpaar laterale zu einer Dreiergruppe zusammentreten. So krönt eine solche Gruppe den Gipfel des dargestellten Sprosses. Nur ist zu bemerken, daß die Blüte ganz verborgen ist ın einer sackartigen Umhüllung, die aus einem sterilen Schuppenpaar besteht. Bei den lateralen Blüten ıst auch dieses Schuppenpaar samt der Blüte in den Achseln der Tragblätter geborgen. Fertile Blattpaare wechseln eventuell mit sterilen. Unter der Gipfelgruppe unserer Skizze folgt ein medianes Schuppenpaar mit achselständigen Sprossen, ein folgendes, queres Schuppenpaar blieb steril, das nächste mediane \entwickelte wieder ein Sproßsystem und ebenso recht kräftige Sprosse das basal gegebene, transversale Schuppenpaar des Hauptsprosses. Die Seiten- achsen, die ihm entstammen, weisen wieder Dreiergruppen von Blüten auf; eine gipfelständige und zwei laterale, von denen natürlich in der Skizze nur die nach vorn gelegenen zur Geltung kommen, d. h. nur der Ort, wo die Blüten sitzen, infolge der von ihnen her- vorgepreßten Tröpfen (Tr... An der in meiner Abhandlung in Fig. 7, Taf. I gegebenen, vierfach vergrößerten Originalaufnahme be- wirken diese Sekrettropfen die starke Abrundung der Sproßkuppen und wird auch jeder Tropfen als Folge «des Spiegelns durch einen hellen Fleck verraten. en} | ee : Die Tropfen wurden seitens v. Tubeuf als Nektar angesprochen, wäh- rend ich nachwies, daß sie fettes Ölsind. v. Tubeuf glaubt sich berech- tigt, die Tropfen noch jetzt als Nektar zu bezeichnen, ohne daß er einen Gegenbeweis durch eine Nachuntersuchung vorgenommen hätte. Ich 20) Die Bemerkung Harders gelegentlich der Besprechung meiner Abhandlung in der Zeitschrift für Botanik, daß es wünschenswert gewesen wäre, die Photogramme durch Zeichnungen zu ergänzen, muß ich als berechtigt anerkennen. Besonders’ gilt dies für Fig. 7, Taf. I | 21) Die Anfertigung der Skizze verdanke ich Herın Dr. Löffler > 2 5 u mt P2 . BEE An = =. — vw Rene 596 E. Heinricher, Wie erfolgt die Bestäubung der Mistel ete. i hebe nur hervor, daß bei Arceuthobium jede weibliche Blüte diesen | Tropfen ausscheidet und die Tropfen tagelang erhalten bleiben. Ich fand ferner, daß ein am 20. August 5 Uhr nachmittags mit Filtrier- papier abgesangter Tropfen am 22. August 10!/, Uhr morgens durch einen neuen ersetzt war und stellte fest, daß die Tropfen schließlich von der Pflanze wieder eingezogen werden. Um ein Eintrocknen kann es sich dabei nıcht handeln, da ein am 20. August um 5 Uhr nach- mittags von einer Blüte auf eirren Objektträger abgestreifter Tropfen, im Dee Zimmer - frei an der Luft liegend, am 25. September noch vollkommen unverändert erhalten war. Das mikrochemisch er- -mittelte Ergebnis, daß die Tropfen fettes Öl sind, wurde ja eben da- durch dahin erweitert, daß das abgeschiedene Öl zu den nicht trock- nenden gehöre. Nun erwarte ich aber noch den Einwurf, daß v. Tubeuf durch Dr. Wolpert das in der weiblichen Viesumbiard vorgefundene „Sekret“ ja mikrochemisch prüfen ließ und diese Prüfung Zucker in ihm nach- wies. Darauf erwidere ıch, daß ıch den Zuckernachweis keinesfalls anzweifle; der Zucker kann aus der Membranmetamorphose, die das klebrige Narbensekret liefert, stammen und hat ım aufgefangenen Niederschlagswasser eben einen „Pseudonektar“* ergeben. Daß die Narben durch Sekretion klebrig und feucht werden, haben wir ja gesehen, nur führt diese Sekretion nie zur Tropfenbildung. An die Möglichkeit, daß ın ähnlicher Weise an den Perigonblättern vor- handene, zartwandige Partien der Epidermis (Innenseite bei weiblichen Blüten, an den männlichen im Umkreis der Pollenfächer) durch Mem- branmetamorphose etwa „Nektarbildung“ herbeiführen könnten, erwog ich selbst (vgl. die Ausführungen a. a. O. S. 162 u. 163), allein ich vermochte weder Sekretzellen noch eine Sekretion an diesen Orten nachzuweisen ??). Wieder aber könnte es sich nur um die Entstehung eines „Pseudonektars“, bewirkt durch Niederschlagswasser, handeln. Kurz will ich nur noch die Duftfrage streifen, der gegenüber ich mich ja, unter Hinweis auf die mdividuell verschiedene Feinheit des menschlichen Riechorgans, weniger ablehnend verhalten habe. Der Duft wird hauptsächlich den männlichen Blüten zugeschrieben und dürfte nur in einer sehr kurze Zeit andauernden Periode vorhanden sein. Ihn als „intensiv“ zu bezeichnen, was v. Tubeuf tat, scheint _ mir doch entschieden zu weitgehend zu sein, wenn ich meine Er- fahrungen berücksichtige. Ein einmaliges, zweifelhaftes Wahrnehmen eines solchen meinerseits habe ich in den Tagebuchangaben vermerkt; über eine ähnliche Wahrnehmung berichtete mir Dr. Löffler. Ent- schiedener glaubte sie Dr. Cammerloher vertreten zu dürfen, ohne aber eine genauere Kennzeichnung zu geben, als die, er habe einen „säuerlichen“ Duft empfunden. Andere, einmalig Befragte verneinten. Überblicke ich das, was meine nanerliche Prüfung der erörterten 22) Anden Höckerchen im Grunde der männlichen Blüten habe ich nie etwas mit Verschleimung der Epidermiszellen wahrgenommen, vielmehr fand ich sie stets mit 2 # - ! derber kutikularisierter Außenwand ausgestattet. (Im Gegensatz zu der D. 517 ange- 3 führten Angabe v. Tubeufe.) E. Heinricher, Wie erfolgt die Bestäubung der Mistel ete. 1.7 Fragen ergab, so scheint mir alles wesentlich im Zusammenklang mit der in der „Flora“ 1919 veröffentlichten Abhandlung zu stehen, so auch mein Ausspruch, daß, soweit die Insektenblütigkeit der Mistel in Frage steht, sie den „Pollenblumen“ zuzurechnen wäre. Wohl aber dürften die in der genannten Abhandlung ausgesprochenen Sätze durch die erneute Untersuchung wesentlich an Beweiskraft gewonnen haben. Ich fasse das Wesentliche nochmals ın folgende Sätze zu- ] sammen. Die vom Beginn des Blühens durch einen Monat fortgesetzte Beobachtung zahlreicher Mistelbüsche und vieler Hunderte von Mistelblüten ergab: 1. Eine Nektarabsonderung erfolgt weder von den männlichen noch von den weiblichen Blüten. Alle dies- bezüglichen Angaben beruhen auf Täuschungen; speziell ist der von v. Tubeuf an einer weiblichen Blüte photogra- phisch aufgenommene undals Nektar aufgefaßte Tropfen sicher auf Niederschlagswasser zurückzuführen. 2. Der Insektenbesuch der Mistelblüten ist ein außer- ordentlich geringer. Außer den bekannten Besuchern: Bie- nen, Fliegen (Angehörige der Gattungen Pollenia, Spilogaster) wurde einmal eine Hummel (Bombus lapidartus) beobachtet und öfters zwei Arten der Fliegengattung Sepsis auf Mistel- büschen angetroffen; letztere kommen als gelegentliche - Bestäuber gewiß in Betracht, wenn auch den früher ge- nannten größeren Fliegen mehr Bedeutung zukommt. Bie- ‘nen und Hummel besuchten nur die männlichen Blüten, vermitteln daher keine Bestäubung. 3. Der Windbestäubung, deren Vorkommen durch eine vorausgegangene Untersuchung Sicher gestellt war, muß, wenn der ganz auffällig geringe Insektenbesuch berück- sichtigt wird, eine beträchtlich höhere Bedeutung zuge- schrieben werden als der Bestäubung durch Insekten. Innsbruck, Botanisches Institut, im April 1920. Nachschrift. Ich möchte doch nicht unterlassen, noch einen Gedanken zu äußern, der sich während der heurigen Untersuchungen aufdrängte. Der so unwesentliche Insektenbesuch kann in keine Beziehung zu dem reichen Fruchten der Mistel gebracht werden, daher als nächste Erklärung auf die Bestäubung durch den Wind (partielle Anemophilie) gewiesen wurde. Streng nachgewiesen ist diese noch nicht, sondern nur in hohem Maße wahrscheinlich. Es bleibt aber noch eine Möglichkeit zur Erklärung des bisher Festgestellten: Die Mistel- könnte zu den Pflanzen mit somatischer Parthenogenese gehören. (Daß das Fruchten weiblicher, vor Insektenbesuch geschützter, gesackter Stöcke nicht auf Parthenokarpie beruht, wurde von mir schon nachgewiesen.) ‚Die Entscheidung muß durch neue Untersuchungen erbracht werden, welche entweder die Anemophilie oder somatische Parthenogenese eindeutig erweisen. en er 598 H. Kutter, Strongylognathus Huberi. For. 1.’ alpinus Wh. etc. Strongylognathus Huberi For. r. alpinus Wh. eine Sklaven raubende Ameise Von Heinrich Kutter, Zürich. (Mit einer Textabbildung.) Während einiger Sommertage der Jahre 1917 und 1919 ask ich in Zermatt, und im September letzten Jahres auch in Zürich ver- schiedene Beobachtungen an Strongylognathus Huberi For. r. alpinus Wh. machen, welche ich hier zum Teil mitteilen möchte. Leider erlaubt es der mir zur Verfügung gestellte Raum nicht, näher auf meine Ver- suche einzugehen, obwohl sie gewiß auch weitere Naurtfreunde, als nur Fachleute, inertessieren dürften. Ich hoffe jedoch in einer späteren, durch weitere Untersuchungsresultate bereicherteren Arbeit die Bio- logie dieses Tieres in umfassenderer Weise darstellen zu können. Strong. Huberi r. alpinus ist von Prof. Wheeler anno 1909 zum ersten Male in Zermatt gefunden und beschrieben worden und bis heute ist diese Fundstelle die einzige geblieben. Der Arttypus ist nur aus Fully im Untervallis bekannt, wo ihn Prof. Forel vor nahezu 50 Jahren entdeckt hatte. Die Gattung Strong. Mayr. aus der Unterfamilie der Myrmieinen zählt ca. ein Dutzend verschiedene Formen, unter denen nur Strong. testaceus Schenck aus Mitteleuropa näher erforscht ist, während wir vom Leben der übrigen, vor allem dem Mittelmeergebiet, sowie Ost- und Südosteuropa angehörenden Formen sozusagen noch nichts wissen. Nur Prof. Forel verdanken wir etliche eingehendere Berichte über künstlich inszenierte Sklavenraubzüge: von Strong. Huberi. Alle Strongylognathus leben stets gemeinsam mit der. Wiesenameise Tetramorium caespitum L. — ihren „Sklaven“! Auf welche Weise aber die Strongylognathus in 'den Besitz dieser Hilfsameisen gelangen, ist bisher nicht festgestellt worden. Nur Strong. Rehbinderi For. aus dem Kaukasus wurde einmal. auf dem Rückweg von einem Raubzug beute- beladen gesehen. Von Strong. testaceus weiß /man, daß er trotz seines typischen Säbelkiefers, nach denen die Gattung auch den Namen hat, und durch welche sich alle Strongylognathus, sowie auch die ihnen systematisch absolut fremde Amazonenameise Polyergus rufescens Latr., die bekannte Sklavenjägerin Mittel- und Südeuropas, auszeichnen, in keiner Weise zur selbständigen Räuberei fähig ist. Man glaubte früher, daß der testaceus, wie die Amazone in ‘dichten Armeen ausziehe, um ein entferntes Nest der Sklavenart anzugreifen, auszuplündern ; die fremde Brut heimzutragen und dort, anstatt zu fressen, aufzuzüchten, wobei ihm, wie dem Polyergus, ‘seine Säbelkiefer nicht nur als gefährliche Waffen zum Durchbohren der feindlichen Köpfe, sondern auch als ge- eignete Werkzeuge zum Tragen der erbeuteten Brut dienen sollten. Dem ist jedoch keineswegs so. Die gemischten Kolonien Strong. testaceus— Tetramorium caespitum entstehen vielmehr dadurch, daß ein Weibchen H. Kutter, Strongylognathus Huberi For. r. alpinus Wh. ete. 599 des Strongylognathus sich einem jungen Tetnamonium-W eibchen anschließt, um ihm die eigene Brut zur Pflege aufzudrängen — denn zu selbstän- diger Koloniegründung ist das Strongylognalhus-Weibchen offenbar nicht befähigt. In einem Zestaceus-caespitum-Neste finden sich somit. höchst- wahrscheinlich stets eine Königin der zwei Arten, während dies allem Anschein nach in dem Neste einer anderen Strong.-Form so wenig der Fall ist als in einer Folyergus- -Kolonie, wo normalerweise im gleichen Nestverbande nie auch eine reukamein von Formica fusca L. ge- funden wird. Es frägt sich nun: Wie entstehen die gemischten Kolonien der ein- zelnen Strongylognathus-Arten und wie wird für ständigen „Sklaven- nachwuchs“ gesorgt, deren ein Strongylognathus-Volk zum Gedeihen ab- solut benötigt, Die Beantwortung dieser Fragen muß schließlich auch Aufschluß geben darüber, ob die morphologischen Eigentümlichkeiten, in welchen die Amazone mit den. Strongylognathus auffallend überein- stimmt, nicht nur reine Zufälliekeiten sind, sondern ihre Ausbildungen ürsächlich mit gleichen Lebensgewohnheiten zusammenhängen, —- m. a. W. ob für die Strongylognathus dieselbe Entwicklungsgeschichte an- senommen werden darf, wie wir sie für Polyergus rufescens anzunehmen geneigt sind; und ob die verschiedenen _Strongylognathus-Arten etwa verschiedene Stadien einer ideellen Entwicklungslinie verkörpern, welche „selbständige“ Tiere mit fakultativer Sklavenräuberei (Formica sangmi- nea) mit, von ihren Hilfsameisen abhängigen, obligatorischen Sklaven- räubern (Polyergus rufescens) verbindet, um schließlich bei jenen ‚„de- generierten“ Formen zu enden, welche es sogar auch „verlernt“ haben, Sklavenraubzüge zu unternehmen (Strong. testaceus). Es handelt sich also demnächst vor allem um exaktes Forschen und Beobachten — . vielleicht dab sich Strongylognathus-Formen finden las- sen, welche auch in'den Gewohnheiten ihren Vettern aus der Unterfamilie der Camponotinen Formica sanguinea und Polyergus rufescens gleichen. = Prof. Wheeler berichtet über Vorkommen und Leben seines neuen Strongylognathus folgendes: | 1. Am 13. August fand er das 1. Nest ca. 1 km unterhalb Zermatt ‚auf dem warmen Westabhang des Vispertales; das Verhältnis zwischen Herren und Sklaven betrug ca. 1:4 bis 1:5. 2. Desselben Tages noch ein Nest am gleichen Orte, das sich unter mehrere Steine erstreckte. Hier betrug das Verhältnis 1:3 bis 1:5 Ferner fanden sich viele männliche und weibliche Larven und Puppen des alpinus in dem Neste. Eine befruchtete Königin konnte nicht ge- Funden werden. 3. Am 14. August, am gleichen‘ Orte, eine kleine Tetramorium- Kolonie, welche eine Anzahl alpinus-Puppen aller 3 Kasten besaß; aber’ keine ausgebildeten Arbeiter. Das Fehlen von alpinus-Imagos schien ‚Wheeler darauf hinzudeuten, daß die Puppen künstlich von den Te- tramorium aus einer schwachen gemischten Kolonie in der Nachbarschaft geraubt wurden. Es gelang ihm auch hier nicht eine Königin zu finden. 40. Band ' : 34 z u 530 H. Kutter, Strong slodaiibes Huberi For. r. FR Wh. er 4. Am 18. August fand Wheeler am rechten Ufer des Triftt- baches ungefähr 15 Minuten von Zermatt unter einem kleineren Steine ungefähr 60 alpinus-Arbeiter mit nur zwei Teiramorium-Arbeitern; aber mit weder Brut von der einen, noch von der anderen Art. Die ganze Gesellschaft machte auf Wheeler den Eindruck einer kleinen Raub- abteilung, welche vorübergehend Zuflucht unter- dem Steine gesucht hatte. Unmittelbar daneben fand er jedoch eine grobe: Kolonie, der die Tiere vielleicht angehörten. 5. Am gleichen Orte desselben Tages fand er eine kleine Kolonie, bestehend aus ungefähr gleich viel Strong. alpinus und Tetramorium- Arbeitern (!) und mit wenig Geschlechtsbrut von alpinus. Diese Ko- lonıe fand sich unter einem einzelnen Steine von ca 30 cm Durchmesser. Es konnte auch hier keine Königin von einer der zwei Arten erwischt werden. r 6. Ebendort fand Wheeler immer .noch am 18. August eine riesige Telramorium-Kolonie die größte die er je gesehen — unter zwei ungeheuren flachen Steinen, von je 1,60 m Durchmesser (!), und einigen kleineren Steinen daneben. Wheeler brachte einen Sack voll fremder Tetramorium mit Brut zu diesem Neste und schüttete den Inhalt neben demselben aus.. Nach ungefähr einer Viertelstunde (!) er- schienen viele alpinus, welche die fremden Tetramorium an Kopf und Thorax angriffen und möglichst viele Brut eintrugen. Die Wirtsameisen der alpinus schienen diese fremde Brut nicht wieder fortzutragen, wie es Forel an seinem Huberi aus Fully beobachtete. j 7. Am gleichen Tage fand Wheeler daselbst unter einem kleinen flachen Steine ungefähr 100 alpinus-Arbeiter, sehr wenig Teframorium und 2 2 3 Larven, vermutlich der letzten Art angehören. (vergl. g mit Nr. 4!). | 3 Wheeler schließt an diese seine prächtigen "Beobachtungen noch 4 folgende Bemerkungen : | Einmal, daß einige derselben Forel’s Ansicht zu a schei- E, nen, daß nämlich Strong. Huberi vr. alpinus noch ein Sklavenräuber sei. Dies gehe vor allem aus Nr. 6 'hervor, und zwar nicht nur aus dem Benehmen der Tiere, sondern die riesige Kolonie als solche spreche schon dafür. Eine solche Riesenkölonie könne nur durch Puppenraub derartige Dimensionen angenommen haben. Die zwei vereinzelten alpi- E nus-Banden (Nr. 4 und 7) deuteten ebenfalls auf Raubzüge hin. Fr spricht die Vermutung aus, daß der alpinus während der Nacht seine Raubzüge unternehme und daß die Raubarmee während der heißen Tagesstunden gelegentlich unter Steinen, sich vor der Hrtze- zurückziehe. e- Erst bei der Ausarbeitung meiner eigenen Beöbächlungsn bekam ich W:heeler's Arbeit im Original zu sehen. Es freut mich, daß ich“ seine Beobachtungen ohne ihre vorherige Kenntnis ebenfalls machen konnte und vor näherem Studium auch seine Vermutungen aufstellen R mußte. | a sl PETE TOR MERAN LERNT, KATRIN AT Ro PL N MA au 3 ra Allan HE 7 a -H. Kutter, Strongylognathus Huberi For. r. alpinus Wh. etc. 531 Was ich selbst in freier Natur noch diesbezügliches feststellte, läßt sich in folgende Sätze zusammenfassen : Der ganze nach Südosten gerichtete Abhang des R hortales bei Zermatt ist in einer Höhe von 16090 2050 m durch Strong. Huberi r. alpinus Wh. verseucht. 3. Die Größe der Strong.-Tetramorium-Nester kann von kleinen, unscheinbaren Nestern bis zu ganz gewalti- gen ‚Staaten variieren. . Die Zahl der Strong. alpinus verhält sich zu derjenigen seiner a von 1:1 bis 1:15--20, durchschnittlich 1:4 bis 1:5. 4. Ein von Wheeler entdecktes Nest enthielt neben Tetramorinm- Arbeitern nur alpinus-Brut. 5. Dreimal wurde von verschiedener Seite je eine ungewöhnlich sroße Zahl alpinus-Arbeiter unter verschwindend wenigen Tetramorimm- Arbeitern allein unter einem Steine gefunden. In einem Falle noch mit wenigen Puppen, wahrscheinlich von Tetramorium. 6. Unter 4 Versuchen reagierten die Strong. alpinus dreimalab- solut nicht wie Sklavenräuber! Beim 4. Versuche erst nach einer Viertelstunde. 1. Fremde Tetramorium-Brut wurde jedesmal von den Telramorium des Strongylognathus-Nestes eifrig ins Nest ge- schleppt. 8. Nie wurden bis heute in einem alpinus-Nest eine Te- framorium-Königin, oder Geschlechtstiere von Telramorium ee tFunden.-.. —- 9. Ein spontaner Raubzug von alpinus ist noch nie be- obachtet worden. | 10. Die Flugzeit des alpinus fällt mit derjenigen des Telramorinm _ zusammen. Da es ..nun im Freien nicht gelungen war über die wichtigsten Fragen Aufschluß zu erhalten, sah ich mich Ende August 1919 ge- zwungen, einen Sack voll Tiere mit nach Zürich zu nehmen, um sie - dort weiter zu studieren. Leider kann ich auf einige interessante Ex- ‚perimente, welche ich schon in Zermatt angestellt hatte, nicht eintreten. - Um den Tieren möglichste Freiheit zu gewähren, konstruierte ich nun eine Arena, in welcher sie zwischen Erde und Geröll nach Nahrung . suchen konnten. Der Beobachtungsapparat, in dem ich die Tiere (ca. 140-200 Strong.-Arbeiter, 600-800 Tetram.-Arbeiter und 100 geflü- gelte Strong.-Weibchen, einige Männchen sowie Brut) einquartierte, war ein Gipsapparat mit Erde gefüllt, nach einer neuen Herstellungsmethode von Herr Meldahl,stud. ing. (Zürich) verfertigt. Die Arena be- stand aus einer niederen Bilderkiste, deren Rand dadurch für Ameisen unübersteigbar gemacht worden war, daß ein schräg nach ınnen und umten frei ausstehendes Glasband beiderseits mit Öl bestrichen wor- den war. Das Nest wurde mittelst-einer, unter dem Glasband durch die Wand gesteckte Glasröhre mit der Ärenafläche — dem mit Sand, IE 2 | Fe B4* 532 - H. Kutter, Strongylognathus Huberi For. r. a; Wh. etc. Erde etc. bestreute Boden der Kiste — verbunden, so daß sich die Tiere dort wie im Freien nach Belieben herumtreiben konnten. Am 3. September war mein Völklein im Neste häuslich einge- richtet und das „alltägliche“ Leben begann. Zahlreiche Hochzeits- schwärme wurden unternommen, von denen ich aber nicht berichten ‘ darf, Die Tiere hatten auch ihre bestimmten Fukierplu ae und „Fried- höfe“ etc. Um nun zu erfahren, ob meine ale Raubzüge unternehmen, schloß ich am 8. September vormittags eine Tetramorium-Kolonie (ca. 400 Arbeiter samt großen Brutmengen |Arbeiterlarven und -Puppen|) an die Arena an (Fig. 1), so dab die neuen Tetramorium (TN) nun auch in dieselbe hinausspazieren konnten. Tie: 1: — Hansch der Sltongylagnalkus am 38H Abends nun. Slarsch de Srongylagrıalhees amgix Argens. Bald sah ich in der Arena auch kämpfende Paare; aber es waren fast ausschließlich nur Tetramorium der zwei Kolonien ([TS) und (TN]) aneinandergeraten. Nun fiel mir jedoch auch auf, dab während des Tages ungewöhnlich viele Strongylognathus-Arbeiter, welche man sonst stets, wenn auch vereinzelt, in der ganzen Arena sehen konnte, beim fremden Nesteingang herumstrichen. Besonders gegen den Abend war dies deutlich zu sehen. Dabei beobachtete ich auch, wie ein solcher „Spion“ von einem TN gepackt wurde. Der alpinus wehrte sich nur mit seinen Kiefern, während sein Gegner ordentlich zu stechen ver- suchte. Einige Sirongylognathus-Arbeiter drangen ‚mit mehreren TS ins fremde Nest ein, wurden jedoch dort von den aufgeregten Tetramorium (TN) bös empfangen, so daß sie größtenteils schleunigst wieder in die Arena hinaus verschwanden. Jetzt verbauten die TN den Nesteingang bis auf eine äußerst schmale Passage vollkommen mit Sandkörnern. Innerhalb kurzer Zeit war ihr Nest für einen Feind nicht mehr be- tretbar, worauf nun noch die wenigen TS, welche sich nicht recht- zeitig in die Arena geflüchtet hatten, vollends getötet wurden. . ern Ede PT 2 DE 2 ren m . 8 H. Kutter, Strongylognathus Huberi For. r, alpinus Wh. ete. 535 ‚ Unterdessen war es Abend geworden, und nun konnte ich ein eigen- tümliches, scheinbar unsinniges Benehmen der Strongylognathus-Arbeiter verfolgen. Sie liefen nämlich, wie während der Schwärmstunden ihrer Weibchen, nur noch viel ausgeprägter, in dichter Reihe hintereinander her. In aufgeschlossenem Gänsemarsch kamen sie aus ihrem Neste und wandten sich von da nach links gegen die Arenawand (siege Figur). Dort. teilte sich der Zug —- die einen liefen der Wand entlang bis wieder zum Neste, um von neuem den Kreislauf zu beginnen, während die andern eine Zeitlang in entgegengesetzter Richtung der Wand entlang eilten, um nach kurzer Zeit wieder umzukehren und.sich in den Kreis- lauf der andern. einzureihen. Andere machten nun ihre Schleife und so entstand schließlich ein in sich selbst aufgeschlossener Kreis von Tieren, welch. letztere unausgesetzt einander nachliefen —- vom Nest- eingang zur linken Arenawand, dieser entlang zurück. bis zum Nest- eingang, oder in entgegengesetzter Schleife der Wand entlang und zu- rück und so fort. Dieses merkwürdige Imkreisherumlaufen mußte um so mehr auffallen, als ja die TN-Kolonie gerade an der andern, der rechten Seite der Arena in bezug der Strongylognathus-Kolonie ange- schlossen war. Vielleicht, daß die alpinus durch meine elektrische Steh- lampe, welche auf der linken Seite der Arena aufgestellt war, irrege- führt wurden, denn ihr Ziel war sicherlich jenes fremde Nest. Leider war es schon spät in der Nacht und ich mußte meine Beobachtungen unterbrechen. Es mögen nun einige Tagebuchnotizen folgen, welche wohl am besten die kommenden Ereignisse in meiner Arena charak- terisieren, Sr 9. September 615 Uhr morgens. Der Raubzugistin vollem Gange; aber was fürein Raubzug! Wieich heute Morgen das Nest der TN aufdecke, sehe ich ungefähr 50—.60 Strongylognathus-Arbeiter darin. Der zugestopfte Eingang von gestern zu diesem Nesteistheute Morgen gänzlich freigelegt! Die TN sitzen unbeweglich, klumpenweise, zum Teil auf ihrer Brut in den Ecken und an den Rändern ihres Nestes. Die Temperatur ist ziemlich niedrig, die TN faul und den -eingedrungenen alpinus-Arbeitern gegenüber völlig eleichgültig. Sie scheinen wie eingeschüchtert und die Strongylognathus benehmen sich wie die Herren im fremden Neste. Einige wenige in sich verkämpfte Tetramorium-Paare sieht man. Also sind auch TS ins fremde Nest gekommen, außer den alpinus! Der ununterbrochene Zu- lauf und Ablauf von Strongylognathus-Arbeitern ist jedoch äußerst dünn und ich sehe in der Tat Tetramorium-Arbeiter darunter. Hie und da läuft ein alpinus mit einer geraubten Larve gegen den Ausgang, ohne von irgend einem TN daran gehindert zu werden. Die Strongylognathus je- ‘ doch tragen mit sroßem Fleiße ohne Unterbrechung die erbeuteten Lar- ven bis ins eigene Nest. Sie überpurzeln. unterwegs vielleicht. auch; aber der Raub wird festgehalten, entgegen meinen bisherigen Beobach- tungen in freier Natur. Auf dem Wege zwischen den 2 Nestern sehe + n we. . Fr Fe IR, EISER: “ 53 H. Kutter, Strongylognathus Huberi For. r. alpinus Wh. et. . z ”S ich ebensoviel unbeladene Strongylognathus-Arbeiter zurückkehren wie Beutebeladene! Beim Nesteingang zur TS-Kolonie findet sich eine große Anzahl von alpinus, welche ein und ausgehen. Zu erwähnen ist noch, dab kein einziges Tier den Weg quer über die Arena abkürzt, alle gehen sie streng der Holzleiste entlang (siehe Figur). Was nun die Kampfesweise meiner alpinus anbetrifft, so kann man sich Kaum etwas komischeres denken. Sie greifen nämlich allermeist nicht von vorn, sondern von hinten an und zwar nicht etwa am Kopfe, sondern mit großer Vorliebe am Thorax. Es gelingt ihnen jedoch‘ nie einem Tetramorium irgend ein ernstliches Leid anzutun und doch ‘werden sie derselben glänzend Meister. Mit sichtbarer Vorsicht be- mühen sie sich den Gegner möglichst gleich beim ersten Griff richtig am Thorax von hinten anzufassen. Gelingt dieser plötzliche Überfall nach Wunsch, so wird der Tetramorium meist sofort ganz unbeweglich und hält die Beine angezogen, doch beginnen dabei jeweils die Abdo- mina der zwei Tiere heftig zu zittern, vor allem dasjenige des ange griffenen Teiramorium-Arbeiters. Der Räuber läßt seinen Gegner meist nach kurzer Zeit wieder frei und läuft davon. Das ganze macht den komischen Eindruck als ob der Strongylognathus einen großen Ekel vor dem Teiramorium einpfände — er behanelt ihn wie jemand, der etwas Widerliches anfassen und an einen andern Ort stellen muß — gründlich und gut anpacken, schnell wieder loslassen und davoneilen. Es-scheint auch als ob der alpinus wisse, daß er nur so dem Tetramorium impo- nieren könne, denn dieser wäre ihm im gewöhnlichen Kampfe zum min- desten gleichwertig. Von vorn greift der Strongylognathus auch an, doch, soweit ich es beobachten konnte, nicht allzu gern. Dabei versucht er nun den Gegner zugleich auch mehr von oben anzufassen, indem er sich etwas erhebt und nun den Tetramorium mehr am Hinterhaupt oder Pronotum packt. Wiederum frei zeigt der Tetramorium ein halb erschreck- tes, halb eingeschüchtertes Wesen. Die ganze Kampfeslust der TN scheint verschwunden zu sein — gewiß ist die verhältnismäßig niedere Temperatur mit schuld daran. So kommt es, daß die ungewöhnlich lebhaften alpinus ungeniert in den dichtesten Haufen von TN herum- spazieren können. Es scheint so, als ob sie die geringe Kampfeslust derselben ausnützen würden. Hie und da wird ein solcher rücksichts- loser Eindringling plötzlich ganz besonders aufgeregt, mit unglaublicher Schnelligkeit dreht und wendet es sich hastig nach allen Richtungen und macht sich davon. Vielleicht daß doch ein TN versuchte, diesen ungenierten Fremdling zu packen. Bis jetzt kann ich-jedoch noch nir- gsends einen angegriffenen alpinus sehen, es sind vielmehr diese, welche beständig die TN-Arbeiter schikanieren, indem sie dieselben von hinten irgendwie packen, eine Zeitlang kneifen und dann wieder loslassen. Folgende besonders unterhaltende Szene konnte ich mehrmals be- obachten: Da die TN ziemlich ruhig und dichtgedrängt, wohl z. T. wegen der kühlen Temperatur, in den Ecken auf ihrer Brut sitzen und die- selbe mit ihren Körpern gänzlich zudecken, so glaubte ich, daß es den a ae gs H. Kutter, Strong oanöihr. Huberi For. r, alpinus Wh. ete. 535 alpinus schwer fallen werde, Larven oder Puppen zu rauben. Aber auch da wissen sich die Tiere zu helfen. Ich Konnte nämlich mehrere derselben zu verschiedenen Zeiten dabei verfolgen, wie sie einen TN- Arbeiter nach dem andern am Rücken „packten und schön auf die Seite stellten, bis die verborgene Brut zugänglich geworden ist. Übrigens zeigten die alpinus nicht nur der zugedeckten Tetra- -morium-Brut wegen ein solches Interesse für jene TN-Klumpen. Es schien mir vielmehr auch, als ob sie einfach nur diese TN nicht in Ruhe lassen wollten, sondern das Bedürfnis hatten „alle Welt im fremden Neste zu plagen“. Verschiedene Male sehe ich Strongylognathus-Arbei- ter im TN-Neste Steinchen umhertragen, ja einmal beobachtete ich einen _alpinus, wie er sich eifrig damit abmühte, solche Steinchen, eins nach dem andern, unter einem der erwähnten Tetramorium-Klumpen hervor- zuholen, gleich als ob er diese Gesellschaft untergraben wollte. Einen Strongylognathus sah ich auch Steinchen vom inneren TN-Nesteingang wegtragen. Morgens 10 Uhr. Ich sehe einen Tetramorium-Arbeiter, welcher einen alpinus am Rücken gepackt hält; dieser scheint ganz teilnahms- los zu sein oder sich tot zu stellen. Auffallend ist, daß im TN- Nestenur noch 5 Strongylognathus sind, obwohl noch genug Brut zum rauben da wäre! Einer dieser alpinus-Arbeiter trägt - wie unsinnig eine Larve umher und kann den Ausweg nicht mehr fin- den. Daneben finden sich im Apparate immer noch verkämpfte Tetra- morium-Paare. | So viel habe ich über den Raubzug aufgezeichnet. Die Strongylo- gnathus scheinen mir einfach den Talisman zu besitzen, überall hinge- _ lassen zu werden, wohin ihre Sklaven nur durch beständigen Kampf gelangen konnten. Es fiel mir sofort auf, mit welcher Erbitterung sich die TN und TS ineinander verbissen, während die alpinus gemütlich überall umherstolzierten. Die „Herren“ waren jedenfalls für die TN viel ungefährlichere Feinde als ihre „Sklaven“, — den Sklaven, von wel- chen sie beim Raubzug begleitet wurden. Die oben erwähnte Beob- achtung, dab sich ein angegriffener Strongylognathus-Arbeiter tot stellte, konnte ich später noch mehrfach machen. Ein solcher alpinus läuft als- bald wieder munter davon, nachdem er seine Freiheit wieder erlangt hatte. | Das Nest der TN wurde nun mehrere Tage hintereinander ununter- brochen besucht, was sich die immer kleiner werdende Zahl der TN ‚ruhig gefallen lassen mußte. Dabei konnte ich nun statistisch feststellen, dab jeweils abends, der Nachtzeit und während der frühen Morgen- stunden, sich stets viel mehr Strongylognathus-Arbeiter in dem ausge- plünderten Neste aufhielten als während der warmen Tageszeit. So fanden sich z. B. am 9. September um 2 Uhr mittags nur 3 alpinus in jenem Neste (die Sonne konnte um diese Zeit die Arena nicht beschei- nen), während ich abends 7 Uhr dort schon wieder ihrer 25 zählen konnte, deren Zahl noch stetig wuchs. Um 830 Uhr sah ich auch ein 536 H. Kutter, Stronyylognathus Huberi For. r. alpinus Wh. ete. geflügeltes alpinus-Weibehen in der TN-Kolonie, obwohl diese Geflü- gelten ihr Nest nur während des Tages zum Schwärmen verließen, kämpfende Tetramorium-Paare konnten jedoch den ganzen Tag in jenem Neste gesehen werden Am Abend des 9. September konnte ich, genau wie am Vorabend, diesen Gänsemarsch der alpinus-Arbeiter an die linke Arenaseite beob- achten ; überhaupt war es ganz auffällig, dab jeweils am Abend viel mehr Strongylognathus in der Arena draußen waren als Tetramorium- Arbeiter, welche vor allem während der Tageszeit dort umhergingen, um nach Nahrung zu suchen. Des Nachts dagegen waren es die alpinus, welche sich in der Arena tummelten. ‘Im Laufe des 10. September. kamen noch 2 Strongt ae innen in die TN-Kolonie. Sie wurden von den TN vielfach ziemlich heftig angegriffen, wobei sie sich ebenfalls tot zu stellen schienen, so daß ich zuerst glaubte, sie seien von den TN getötet worden. Auch sie kämpften, wie ihre Arbeiter, indem sie ihre Gegner von hinten an ao oder Thorax zwischen ihre Zangen nahmen. Was nun die Frage anbetrifft, ob die TS auch die seracbie Bein annehmen, so kann ich hier bestimmt mit ja antworten. Allerdings sah ich am 9. und -10. September je einen TS mit einer Larve aus dem Strongylognathus-Neste kommen und diese irgendwo in die Arena hinaus- schmeißen, doch waren das Ausnahmen. Es kommt bei dieser Frage sicherlich auch darauf an, ob im Strongylognathus-Neste wirklich das Bedürfnis nach mehr Brut herrscht oder nicht, je nachdem werden die Strongylognathus eher zum rauben, die Tetramorium eher zur Aufnahme der gestohlenen Brut geneigt sein. Wie schon erwähnt wurde das TN- Nest ununterbrochen, vor allem am Abend, von den alpinus fleißig be- sucht. „Es war Mode geworden, dorthin zu gehen.“ Ständig unterhielt sich eine kleine Heeresstraße dem Rande der Arena entlang, von einem Neste zum anderen, obwohl die Zahl der besuchenden Strongylognathus beträchtlich abnahm. Mit der Zeit lernten es die Tiere auch zusehends, ihren Weg mitten durch die Arena abzukürzen, doch lief der „große Haufe“ unabtreiblich stumpfsinnig dem Rande entlang. Nach und nach konnte ein allmähliches Verschwinden der TN-Kolonie bemerkt werden. Die Brut wurde sukzessive von Tetramorium-Arbeitern ins TS-Nest, gebracht. Die alpinus beteiligten sichan diesem Transport nicht mehr! Einmal hatte ich zwei Tetramorium-Arbeiter im TN- Neste, welche je einen alpinus am Kopfe gepackt hatten und sich ab- . mühten, ihre „Herren“ so nach „Hause“ zu schleppen, was En diese auch gefallen ließen. Das Resultat all dieser Ereignisse war, daß am 14. September abends das Nest der TN vollständig ameisenleer dalag, sodaß ich es wieder von der Arena abschließen konnte. In einer Ecke desselben fand sich ein großer Haufen toter Tiere. Unter ca. 100 toten Tetra- morium zählte ich dort nur 1 alpinus-Arbeiter und 1 alpinus-Weibchen, welches noch im Tode einen Tetramorium-Arbeiter am Thorax zwischen « H. Kutter, Strongylognathus Huber! For. r. alpinus Wh. ete. 7 den Säbelkiefern hielt, Diese vielen Toten rührten, nach meiner Über- zeugung, fast ausschließlich von Kämpfen zwischen Tetramorium-Är- beitern her, die Strongylognalthus hatten gewib kaum einen Mord auf dem Gewissen. Offenbar hatten sich meine zwei Kolonien miteinander verbündet und waren verschmolzen, denn es schien mir schon im Laufe des 13. Septembers, dab die Zahl der Bewohner meines TS-Nestes zu- nehme. Aus einem Räuberkrieg ward ein „Völkerbund geworden. Weitere Versuche zeigten sogar, dab während des Raubzuges die aktive Rolle gänzlich” von den „Sklaven“ übernommen werden kann, indem die alpinus nur noch ins feindliche Nest eindringen, ohne zu kämpfen oder Brut zu rauben, was alles von den sie begleitenden Tetr«- morium-Arbeitern besorgt wird! Leider kann ich hier die näheren De- tails nicht näher beschreiben. Meine Untersuchungsresultate lassen sich ungefähr wie folgt zu- sammenfassen.: 1. Strongylognalhus alpinus Wh. kann selbständig Raub- züge unternehmen. 2. Diese Raubzüge scheinternurwährendder Nacht auszuführen. Dafür sprechen nicht nur die Funde in freier Natur, - sondern auch meine Beobachtungen in der Arena. Dieses nächtliche Rauben ist eine Anpassung an die Naturverhältnisse, in denen Strong. . alpinus lebt. Dort oben in seiner Heimat in Zermatt scheint die kräftige Alpensonne von morgens früh bis spät in den Nachmittag hinein un- ausgesetzt senkrecht auf den kahlen Strongylognathus-Abhang, so dab die Ameisen erst gegen Abend, wenn die Sonne beim Matterhorn ver- a sich wieder an die Erdoberfläche wagen. “Die Sklaven können ihre Herren bei den Raub- dhgen teilweise begleiten. Sind die drei merkwürdigen Stron- gylognathus-Tetramorium-Banden, welche von Wheeler und mir im Freien allein unter Steinen gefunden wurden, wirklich als Teile von Raubarmeen zu deutem wofür alles spricht, die am Morgen von der Alpensonne überrascht, dort Zuflucht gesucht hatten, so haben wir in den wenigen Tetramorium, welche sich jeweils unter diesen Strongylo- gnathus fanden, solche Begleiter zu sehen. 4. Die Raubzüge zeigen jedoch nicht den Obarakreh wie diejenigen von Polyergus und vielleicht auch von Str. Rehbinderi und Huberi. Die Str. alpinus scheinen wenigerin dichten Haufenarmeen anzuziehen, als vielmehr in dünner Linie, um so gewissermaßen das fremde Nest mit dem eigenen durch einekleine Heeresstraßezu ver- binden und dadurch einen ständigen a aller zwischen den zwei Nestern zu erzwingen. 5. Dabei erweisen sich die Str. alpinus für die überfal- lenen Tetramorium vielharmloseralsihre Sklaven, welche auf der.Heeresstraßebisinsfremde Nest gelangen. Das kann dazu führen, daß diese den eigentlichen Kampf - h - # 38 K. Kutter, Strou BAER, Huberi For. r, . alpinus Wh, die alpinus den Raubteil ihres Felde ae ee men, oder sogar auch dies ihnen überlassen wird. 6. Bei allen meinen Versuchen war das Ende eine Allianz zwischen dem Strongylognathus-Volk und dem Rest der ausgeplünderten Tetramorium-Kolonie, wobei dieser ins Sirongylognathus-N est übersiedelte. 1. Die Bildung einer solchen Allianz. wird dürch die Verhältnisse, unter welchen sie von den Str. alpinus angeebahnt wird, begünstiet,indem dieSezueinemZeit- punkt ins fremde Tetramorium-N est eindringen, während. welchem seine Bewohner wegen der nächtlichen, tie“ feren Temperaturfaulund wenigkampflustig int und ferner | ' 8. durch die einschüchternde, merkwürdige BAUT fesweise des Str. alpinus. 9. Str. alpinus kann sich selber ein Nest graben (auch. geilügelte Weibchen vermögen dies) und kann selber Nahrung aufnehmen. Mit Str. testaceus teilt der alpinus seinen „friedlichen“ Charakter, sein Bestreben Allianzen zu-bilden, m3iz Huberi seinen kriegerischen Charakter, Raubzüge zu unternehmen. Was ihn dagegen von diesen zwei zu. gleich unterscheidet, ist die Art und Weise, die Zeit und-die Dauer der Raubzüge,-welche sich ‘hierin als Anpassung an die geographische Lage und ihrer Fol- gen erweisen. Ich will auf weitere Aralysierung meiner Beobachtungen verzichten. Dies möge berufeneren Fachleuten tiberlassen sein. Gewiß wird da nicht nur der alpinus zu Fhren kommen -- nein, auch sein Sklave erscheint mir heute, mehr denn je, ein äußerst interessantes Tier zu sein, dessen Biologie im weitesten Sinne sicher zu erforschen wert ist. Überhaupt verspricht das Studium dieser Ameisengemeinschaft in jeder Beziehung noch manche interessante Ergebnisse, die uns vielleicht Anhaltspunkte seben könnten zur endgültigen Lösung der noch immer strittigen Fra- gen, welche mit der Entstehung der Dulosis und ihren Nebenproblemen zusammenhängen. Aber auch eine nähere vergleichend-morphologische Untersuchung dürfte sich als dankbar erweisen. Gewiß wird es sich da neuerdings zeigen, wie sehr diese Forschungsarten miteinander arbeiten sollten, was vielfach vergessen wird. Hoffentlich kann ich spä- ter weiter berichten, um dann vielleicht auch diese Seite berücksich- tieen zu können. Heute fehlt mir die Zeit dazu. Zum Schlusse möchte ich hier meinen Eltern nochmals dafür (danken, daß sie mir, trotz der schweren Zeiten, jenen Sommeraufent- halt in Zermatt ermöglichten. April 1920. ET PT SZ Re a ern £ x * .” “ - Be u er Te un .. n 2 a Fr - 2 N B. Klatt, Beiträge zur Sexualphysiolorie des Schwammspinners, DH Beiträge zur Sexualphysiologie des Schwammspinners, Von Berthold Klatt. (Universität Hamburg, Zoologisches Museum.) Mit 3 Textabbildungen. Im Jahre 1913 veröffentlichte ich in dieser gleichen Zeitschrift Beobachtungen über ein verschiedenes Verhalten der Schwammspinner- weibehen bei der Eiablage, je nachdem ob es sich um begattete oder unbegattete Tiere handelte. Weibchen, die normal kopuliert haben, setzen prompt in der folgenden Nacht die Hauptmasse ihrer Eier ın einem einheitlichen ordentlich mit Wolle überdeckten Haufen ab, die einzelnen Eier in Reihen geordnet, fest mit dem Sekret der Kittdrüsen an die Unterlage angeklebt. Unbegattete Weibchen warten unter deut- lichen Zeichen immer mehr zunehmender Kopulationsbegier (lang her- aushängende, in ständiger Bewegung erzitternde Legeröhre, Absprei- zung des Hinterleibs und der Flügel von der Unterlage) oft tagelang, ehe sie ein oder zwei Eier zusammen mit etwas Wolle flüchtig ab- legen, meist nicht fest angekittet, so daß es oft den Anschein hat, ‚als handele es sich mehr um ein Verlieren der den Leib prall füllen- den Eiermassen als um ein richtiges Ablegen. Diese „rudimentären Ablagen“ folgen sich dann allnächtlich, doch hat das Tier beim bald folgenden Tode meist noch eine erhebliche Anzahl Eier ım Leib. Es sind mir inzwischen von verschiedenen Seiten ähnliche I obachtungen nicht bloß bei anderen Schmetterlingen, sondern auch aus anderen Insektenordnungen mitgeteilt worden, so daß es sich hier um eine ziemlich weit verbreitete Gewohnheit der Insektenweibchen zu handeln scheint. Teleologisch ist dies Verhalten der Weibchen ja auch gut verständlich. Da bei weitaus den meisten Arten die Eier einer parthenogenetischen Entwicklung nicht fähig sind, würden die ganzen Gelege solcher unbegatteten Weibchen für die Erhaltung der Art ausfallen, wenn die Eier sofort abgesetzt würden, wie das bei 30- “ begatteten Weibchen geschieht. Der Instinkt des Zurückhaltens ad u - ultimum vergrößert die Chancen für die Erhaltung der Art, da so selbst bei verschleppten weiblichen Exemplaren sich in den immerhin 8-—-10 Tagen Falterlebens bis zum Tode viel eher die Möglichkeit bietet, daß eines der lebhaft umherfliegenden Männchen das Weibchen 2, trifft, und die Befruchtung stattfinden kann!), Weit weniger ist die kausale Seite des Tatsachenkomplexes ge- klärt. Ich sagte in meiner ersten Veröffentlichung, daß „offenbar durch den normalen Kopulationsakt ein Reiz oder ein Komplex von 1) Kope® weist darauf hin, daß er im Gegensatz zu meinen Beobachtungen die übrigens in gleicher Weise schon 1896 von Fernald gemacht waren — von isolierten unbegatteten Weibchen normale Eigelege erhalten hat. In meinen Zuchten ist ein solches Verhalten in den ganzen Jahren 'nur drei oder viermal festzustellen gewesen, ist also wie auch Kopee selbst vermutet, als Ausnahmefall für solche isolierten Weibchen zu Vs 940 B. Klatt, Beiträge zur Sexualphysiologie des Schwammspinners Reizen auf das Weibchen ausgeübt wird, der bei ıhm die normale Eiablage auslöst.“ Dabei dachte ich in erster Linie an Reize, die auf dem Wege über das Zentralnervensystem das verschiedene Verhalten der Weibchen bestimmen. Dagegen scheint Harms meine Beobach- tungen mehr im Sinne innersekretorischer Beziehungen deuten zu wollen?). Daß schließlich noch eine dritte Deutungsmöglichkeit besteht, wird man weiter unten sehen. Ich habe nun schon damals eine nähere Aufklärung der Kausal- verhältnisse anzubahnen versucht durch Beobachtungen von Weibchen, die von kastrierten Männchen begattet waren, um festzustellen, in- wieweit rein taktile Reize, durch die Einführung des Penis verursacht, oder durch Nebendrüsensekret resp. die Spermien selbst verursachte Reize anderer Art eine Rolle spielen. Durch Kopulation von Männ- chen, die bereits als Raupen kastriert waren, denen also nur der Eden fehlte, und andererseits von solchen Männchen, die als Falter kastriert wurden, denen also auch die Nebendrüsen fehlten, war eine Entscheidung bis zu einem gewissen Grade möglich. — Meine da- maligen Beobachtungen habe ich nun im Laufe der Jahre gelegent- lich meiner Vererbungsversuche erneuern und erweitern können, und besonders als. ich im Vorjahre nach endlichem Abschluß des wesentlichsten Teils meiner Hauptversuche meine Zuchten stark - einschränken konnte, und eine größere Zahl von Tieren dadurch für Untersuchungen anderer Art frei wurde, habe ıch eine ganze Reihe entsprechender Versuche anstellen können, über die ich im folgenden berichten will. Es sind weit über 100 Weibchen, die alleın im .Vorjahre »in genau bestimmter Fragestellung geöffnet und — zum Teil auch mikroskopisch — untersucht wurden. Die Feststellung der Ein- zelheiten ist also, auch wo nicht die Zahl der Fälle besonders ee wird, immer auf mindestens mehrere gleichartige Beobachtungen ge- stützt. I. Verhalten normaler Weibchen bei normaler Begattung. a) Der weibliche Genitalapparat. — Zum tieferen Verständ- nis der kausalen Beziehungen zwischen Kopulation und Eiablage ist eine genaue Kenntnis des Kopulationsvorgangs nötig, und hierzu sind zunächst wenigstens einige Bemerkungen über den weiblichen Genital- apparat unumgänglich (s. Fig. 1—3). — Bekanntlich haben die meisten Schmetterlinge, so auch der Schwammspinner, im weiblichen Geschlecht betrachten. Man kann sich wohl vorstellen, daß gelegentlich solche Varianten auf- treten, bei denen der Instinkt des Zurückhaltens fehlt. Eine strenge Ausmerzung solcher Tiere wird in der freien Natur ja auch keineswegs unter allen Umständen: statthaben, da bei diesem häufigen Falter mindestens zur Hauptflugzeit die meisten Weibchen sehr bald nach dem Schlüpfen von. irgend einem Männchen gefunden werden dürften, so daß es für diese Individuen also gleichgültig wäre, ‚ob sie den Instinkt des Zurück- haltens haben oder nicht. 2) Ähnlich vielleicht auch Nachtsheim. B. Klatt, Beiträge zur Sexualphysiologie des Schwammspinners. Hl zwei Öffnungen des Genitalapparats: außer der Mündung des Ovidukts am Ende der dem letzten Segment angehörenden Legeröhre noch eine besondere Kopulationsöffnung an der Ventralseite des achten Segments. Durch diese dringt der Penis ın die Bursa copulatrix ein, die beim Schwammspinner in drei fast gleichlange Abschnitte gegliedert er- scheint: der Bursamündung folgend zunächst der Bursahals, bis zum Abgange des von der Bursa zum Ovidukt führenden Samen- ganges (Ductus seminalis Petersen) gerechnet, dann der mittlere, der größten Ausdehnung fähige Teil, der Bursasack,- dem oben ein Barssänhafig ansitzt.‘ Die Pohlier zwischen Sack und Anhang ist stark eingeschnürt, die kommunizierende Öffnung also gering. Der Halsteil dagegen erweitert sich ganz allmählich zum Sack. Der ame gang, der die Verbindung zum Ovidukt und weiter zum Receptaculum seminis herstellt, ist etwa so lang als der Bursahals, und mündet auf der Dorsalseite in den Ovidukt, aber nicht genau in der dorsalen Mittel- linie, sondern etwas mehr links, wie überhaupt die Bursa links neben .dem Üeidekt gelegen ist (S. Fig. 1). Rechts, dicht neben der Mündung des Samenganges, also genau in der dors alen Mittellinie des Ovidukts, jedoch eine Kleinigkeit mehr analwärts gerückt, älso unterhalb der Samengangmündung geht vom Ovidukt der Gang des Receptaculums ‚ab, der in seinem Anfangsteil spiralig gewunden ist, daher wohl auch als „Spiralgang“ bezeichnet wird. Er ist etwa halb so dick, als der Samengang, aber um e'n beträchtliches länger; an seinem Ende erweitert er sich zu dem kolbenförmigen Receptaculum, das eine schlauchförmige Anhangsdrüse besitzt. Auch das Receptaculum liegt links vom Ovidukt, dem Bursaanhang -eng angeschmiegt; die Anhangsdrüse des Receptaculums. ist durch feine Bindegewebsstränge an dem Bursaanhang sogar festgeheftet, so daß sie gelegentlich bei nicht sehr sorgfältiger Auseinanderlegung der Organe vom Recepta- culum abreißt und an der Bursa sitzen bleibt. Die Spiraltouren am Beginn. des Reeeptaculumganges verlaufen von der.Dorsalseite gesehen stets in folgender Weise: Zuerst eine halbe Umdrehung nach rechts — also entgegengesetzt dem Uhrzeigerlauf —, und zwar ist dieser Halb- bogen oralwärts offen; dann folgt ein Umschlag der Windungsrich- tung und anderthalb 3 zwei Denen im Sinne des Uhrzeigers. Auch in seinem weiteren Verlauf zum Beceniacuhun hin kann der . Receptaculumgang ın verschiedenen Windungen liegen, doch diese sind bei Auseisanderlegung der Organe stets ohne weiteres durch Ziehen auszugleichen, also nur durch die Enge des Raumes bedingt (die Eimassen pressen ja alles auf das engste zusammen), während die u onen eine dauernde, festbestimmte anatomische Einrichtung darstellen. — Der Receptaeulumgang mündet mit einer seinem engen Lumen entsprechenden Öffnung auf einer Papille in den Ovidukt (Fig. 2 u. 3). Der Durchmesser dieser Papille entspricht etwa der Öffnungsweite des daneben und etwas oberhalb in den Ovidukt mün- denden Eoengangen, — Weiter analwärts etwa einen Eidurchmesser 542 B. Klatt, Beiträge zur Sexualphysiologie des Schwammspinners. = entfernt, mündet ın den Ovidukt der gemeinsame Ausführungsgang S der beiden Kittdrüsen, meistauch auf der Dorsalseite; doch kommt 3 hier gelegentlich auch Mündung auf der rechten oder linken und so- gar ventralen Seite desOviduktes vor. Auch die sehr langen schlauch- = förmigen Kittdrüsen selbst haben keine genau bestimmte Lagerung, E während die Topographie von Bursa und Receptaculum, und besonders 4 2 3 Be > a ln ah Brandl zul LET" Las ne 1 A | 3 Fig. 1. Weibliche Geschlechtsorgane des Schwammspinners in der normalen Lagerung; E BARSRTRTEN EEE linke Körperseite ist entfernt, ebenso die Eimassen, Kittdrüsen z. T. und die iibrigen Organe. Ein Ei ist gerade im Durchtritt. =: ; ER L Erklärung der Bezeichnungen zu Fig. 1—3. AD. Anhangsdrüse des Receptaculum. B. Bursasack. BM. Bursamündung. D. Dilatator des Vestibulum, am Ansatz durehschnitten.: ED. Enddarm. KD,. Kittdrüse (in Fig. 2 Kittdrüsengang). : : M. Muskulatur. OM. Mündung des Ovidukt. P. Papille des Spiralganges. Py. Pylorus. ' R. Receptaenlum, auf dem Bursaanhang liegend Se. Sekret im Bursaanhang. S'pe. Spermatophore eines Kastraten im. Bursasack. - 5p@. Spiralgang des Receptaculum. 2 SG. Samengang. die Lage der beiden Mündungen dieser Organe ın den Ondakt stets die oben beschriebene ist. — Auf halbem Wege zwischen der Mün- = dung des Kittdrüsenganges einerseits und den beiden anderen Gang- mündungen andererseits setzt rechts und links an der Oviduktwand ein Muskel an, der ziemlich unter rechtem ‘Winkel abgeht und durch 2 die Leibeshöhle seitwärts zur Gonapophyse zieht. - Ss ER. he zur Sexualphysiologie des Schwammspinners. 543 Die eben beschriebenen topographischen Beziehungen der einzelnen Teile zueinander. können wir wohl verstehen, wenn wir die Funk- tionen derselben betrachten. Das Sekret der Kittdrüsen, das bei älteren Weibchen auch im untersten Abschnitt des Oviduktes, nicht bloß in den Drüsen selbst, anzutreffen ist, dient zur Anheftung der abgelegten Eier an die Unterlage. Es ist semer chemischen Natur EIN: BM=-- en ut N Fig, 2 pe | Fig. 3. = .. > Sagittalschnit durch den Ovidukt. — Erklärung der Bezeichnungen s. Fig. 1. ; 3, Frontalschnitt durch das Vestibulum und die Bursa eines von einem Kastraten a aeyieien ‚Weibchens. -- za der Bezeichnungen s. Fig. 1. nach Se Fer bekannt, jedenfalls aber eine Säure, die To . papier augenblicklich sehr stark rötet. Es liegt nahe daran zu denken, daß diese Säure, mit welcher die Eioberfläche bei der Ablage über: : zogen wird, — > uch die Eier geben angefeuchtet diese saure Reaktion = als hakterieides Mittel wırkt und so Schädigungen von den Eiern fernhält. Im Gegensatz dazu ist das Sekret des Receptaculumanhangs, * welches, ‚das encbanlım. derart, füllt, daß es eine schwappende Blase 544 B. Klatt, Beiträge zur Sexualphysiologie des Schwammspinners. darstellt, eine stark alkalisch reagierende Flüssigkeit, so daß wir daraus schließen können, daß eine saure Umgebung den Spermien nicht zusagen wird. Demgemäß sehen wir denn auch eine Einrich- tung ım Ovidukt (Fig. 2 u. 3) getroffen, um zu verhindern, daß das saure Sekret der Kittdrüsen aufwärts in die Gegend des Vestibulums’) gelangen kann, wo die Befruchtung des durchtretenden Eies statt- findet: Oberhalb der Mündung der Kittdrüsen besteht das Epithel des Oviduktes auf. eine kurze Strecke aus sehr hohen Zellen, die in der Mitte des Lumens von allen Seiten zusammenstoßen und so in der Ruhelage einen Verschluß zwischen oberem und unterem Ovidukt-. abschnitt herstellen, also. ein richtiger Pylorus. Während des Ei- durchtrittes aber stellt ‘das Ei: ja selbst einen Pfropf dar, der mit dem sauren Sekret der Kittdrüsen erst in Berührung kommt, nach- dem die Befruchtung vollzogen ist, und das Ei den Pylorus passiert hat. Hinter ıhm schließt dieser wieder; das Ei selbst aber schiebt das ım unteren Oviduktabschnitt vorhandene Sekret nach außen. In die Gegend, in welcher die Spermien sich befinden (in das Vestibu- lum) an also kein saures Sekret gelangen. So wird es auch ver- ständlich, daß die Mündung der Kittdrüsen etwa einen Eidurchmesser von der Mündung des Receptaculumganges entfernt ist. Auch der Bursaanhang besitzt alkalisch reagierenden Inhalt, jedoch ° ist die Reaktion schwächer, auch handelt es sich nicht um eine Flüs- sigkeit, sondern eine Art kästeor Masse, etwas milchig getrübt aus- sehend.. Diese füllt den Bursaanhang keineswegs völlig aus. Bei frisch geschlüpften Weibchen ist sie zuweilen sogar ziemlich spärlich vorhanden, so daß der Bursaanhang runzlig und eingefallen aussieht. Die Masse nımmt mit dem Alter etwas zu, verfärbt sich zuweilen auch gelblich bis rötlich. Bei Weibchen, die begattet sınd, ist die Masse viel stärker, der Bursaanhang fast prall gefüllt. Bei jungfräu- lichen Tieren stellt sich die Masse unter dem Mikroskop dar als aus feinen kugeligen Körnchen bestehend, die Hämatoxylin rasch auf- nehmen, Beı der Bläuung der Schnitte mit Ammoniak. bleiben sie noch rötlich gefärbt, wenn die Kerne längst blau: geworden sind. Offenbar handelt es sich um ein Sekret der Zellen der Wand des Bursaanhanges, die höher und plasmareicher sind, als die flachen Zellen des Bursasackes und des Bursahalses, auch nicht: mit Chitin über- zogen sind wie diese. Petersen hat auch bei einigen anderen Schmetter- lingen einen Bursaanhang und in diesem derartige körnige Massen gefunden. Offenbar hat dies Sekret bei der Kopulation und zwar bei der Auflösung der Spermatophore etwas zu tun. Aber genaueres ver- mag ich noch nicht zu sagen und will über die von mir diesbezüglich angestellten Versuche sowie über die sonstigen histologischen Unter- 3) So wird die Gegend des Oviductus communis, in welche Samengang upd Spiralgang münden, meist bezeichnet (s. Meisenheimer). I . ET N TE a rn ae f WERTEN IOREN Lt ce ZN ns > n. . 6 r 7 a ß in ‘ - .i- “ "- . 2 j 3 nur Br B. Klatt, Beiträge zur Sexualphysiologie des Schwammspinners. 545 ‚suchungen des Genitalapparates, deren Rrörterung hier nur stören würde, schweigen. b) Die Vorgänge bei der Kopulation. — Damit sind wir beim Kopulationsvorgang selbst angelangt. Ich habe bei einer großen Zahl von Weibchen in den verschiedensten Zeitabschnitten vom Be- ginn der Kopulation ab gerechnet, Sektionen am lebenden vorge- nommen, sowohl das Verhalten der Genitalien unter dem Binocular beobachtet, als auch mikroskopische Untersuchungen, frisch wie an Serienschnitten, angestellt. Es soll hier das Verhalten des männlichen Genitalapparates nur soweit das zum Verständnis der Vorgänge im Weibchen notwendig ist, berührt werden. Vieles wie die Bildung - der Spermatophore u. s.w. ist mir noch wenig bekannt, auch hin- sichtlich der weiteren Vorgänge in Weibchen muß ich wie nlan sehen wird noch manches Fragezeichen stehen lassen resp. erst auf- stellen. -In den ersten 5—8 Minuten nach Einführung des Penis ist noch nichts besonderes zu bemerken. Dann beginnt das Vorquellen des . Sekretes des Ductus ejaculatorius. Zuweilen ‚gelingt es, wenn man an den eben dekapitierten Tieren schnell die Präparation vollzieht, das heißt ın diesem Falle, am Weibchen ın die geöffnete Bursa blickt, DRAN TE ART N das Herausquellen des durchsichtigen Sekrettropfens aus der Penis- öffnung zu sehen. Das Einquellen der Spermatophore ın die Bursa muß ‘dann ziemlich rasch von statten gehen * ‚: eine Viertel- stunde ab Kopulationsbeginn ıst die eiförmige entopheir schon in beinahe voller Größe vorhanden, sie liegt aber noch zum Teil im Bursahals, während später ıhr unteres Ende auf der Höhe des ab- gehenden Samenganges liegt Dieses Höherschieben wird vielleicht vom Penis besorgt. Das Männchen bleibt ja 1!/,—2 Stunden mit - dem Weibehen verbunden, und wenn man den Penis von künstlich getrennten Tieren, die nur erst ca. 20 Minuten kopuliert haben, ver- gleicht mit dem Penis nach ca. einstündiger Kopulation, so sieht man im letzten Falle den Endteil des Ductus ejaculatorıus kappenförmig vorgetrieben, während dieses „Präputium“ (oder „die Peniseichel“, siehe beiZander) ım Anfang der Kopulation noch nicht vorgestülpt erscheint. ‚In einem Falle, wo es glückte, den Penis in der Bursa steckend zu konservieren, erfüllte dieses Präputium den ganzen Bursahals bis zum Abgange des Samenganges; dahinter lag erst die Spermatophore. - 4) Trotz der Stärke des Druckes, den das Männchen bei der Ejakulation somit ausüben muß, ist dieser natürlich immer noch so schwach, daß wir ihn schwer nach- _ zuahmen vermögen. Ich versuchte mit Hilfe einer feinen Glaskapillare bestimmte Lö- sungen in die Bursa zu spritzen (Versuche, um etwa künstliche Parthenogenese auszu- - lösen), aber es füllt sich, wenn man wirklich so glücklich ist, ohne etwas zu zerstören, in den Bursahals zu gelangen, auch bei sanftesten Druck :nicht bloß der Sack, sondern auch der : Pur anz bis zum Platzen, was bei der Kopulation natürlie h nie geschieht. 40, Band = | | 35 “ 546 B. Klatt, Beiträge zur Sexualphysiologie des Schwammspinners. Demgemäß kann man auch Männchen im ersten Stadium der Kopu- lation leichter aus dem Weibchen künstlich lösen, während im zweiten. Stadium dabei häufig der Penis abreißt, weil er eben durch den blasıg vorgetriebenen Teil des Ductus ejaculatorıus gehalten wird. Es kann sein, daß der Penis ın diesem zweiten Stadium noch irgend eine be- sondere Aufgabe zu vollziehen hat. Es kann sich aber auch um eine bloße Folgeerscheinung der sexuellen Erregung handeln. In letzterem Sinne spricht es, daß Weibchen, von denen man bereits nach einer Viertel- stunde Kopulationszeit das Männchen entfernt hat, bei denen die Vor- treibung des Präputiums also noch nieht stattgefunden hat, ganz nor- male Eiablagen vollziehen. Auf keinen Fall dürfte der Penis etwas bei der Eröffnung der Spermatophore zu besorgen haben. Hinsichtlich dieses Punktes sind verschiedene Anschauungen geäußert, zu deren Verständnis aber zunächst eine Schilderung der Spermatophore nötig erscheint. Die Wand derselben besteht aus dem Sekret des Ductus ejaculatorıus, das eine zähflüssige durchsichtige elastische Masse darstellt. Auf Schnitten zeigt es eine lamelläre Schichtung, die wohl aber durch die Konservierung erst entsteht. Diese Wand ist an den Längs- flächen der eiförmigen Spermatophore oft sehr dünn, an den Polen dieker, doch sind diese Verhältnisse wechselnd und hängen natürlich von den relativen Massenverhältnissen des bei der einzelnen Ejacu- lation produzierten Spermas einerseits und des Hüllensekretes anderer- seits ab. Am unteren Ende der Spermatophore läuft das Wandsekret meist ın einen ganz kurzen Zapfen (Collum Petersen) aus. Im Innern finden sich große Mengen von Spermatozoen, noch zu festen lockenartigen Bündeln verpackt, so wie man sie im männlichen (enitalapparat antrifft. Ferner ım Leben milchweiße Brocken, aus den männlichen Nebendrüsen stammend und eine Grundsubstanz, die aus winzigen kleinen Pünktchen besteht. Die Spermien sind noch. ohne Bewegung. Erst ca. 2 Stunden nach Beginn der Kopulation, gleichgültig, ob das Männchen schon entfernt ist, oder Kopulation weiter besteht, gleichgültig auch, wie alt das Weibchen ist, finden wir dıe Spermien- bündel gelöst und die Spermatozoen ın lebhaftester Bewegung, die Wand der Spermatophore am unteren Ende seitlich durchbrochen, die Überwanderung in das Receptaculum beginnt. Ich vermute, daß es die Bewegungen der Spermatozoen sind, welche die dünne Wand der Spermatophore sprengen. Aber welches sind die Gründe, daß diese vom bewegungslosen Zustand in den lockenförmigen Bündeln in lebhafteste Bewegungen geraten? Das Nebendrüsensekret z. B., das ja auch eine Aufgabe haben wird, kann das kaum bewirken, sonst müßte man doch annehmen, daß bereits in den Samenblasen des Männchens sich die Beweglichkeit einstellte. Hat das Sekret des Ductus ejaculatorius oder vielleicht das Sekret des Bursaanhanges, B. Klatt, Beiträge zur Sexualphysiologie des Schwammspinners, 547 das zum Teil der Spermatophore außen anliegt (s. Fig. 3), etwas da- bei zu tun? Ich vermag keine Lösung dieser Frage zu geben. Die schon von Petersen zurückgewiesene Annahme Hagens, daß der Chitinbelag der Bursa, der bei einigen Schmetterlingen mit Zähnchen versehen ist, die Spermatophore aufreike, kommt beim Schwamm- spinner nicht in Frage, da eine solche Lamina dentata hier fehlt. Petersen selbst stellt sich vor, daß durch Kontraktionen der Bursa die Spermatophore, die unten eine Öffnung habe, ausgepreßt wird. Damit würde aber das wichtigste Moment, der Übergang der Spermien aus dem bewegungslosen in den beweglichen. Zustand nicht erklärt. Wohl aber mögen Kontraktionen der Bursa mithelfen >). Solehe ganz schwachen Bewegungen der Bursa habe ich mit Sicherheit gelegentlich beobachtet, eine Beobachtung, die im Gegensatz steht zu der Behauptung Balbıaniı’s, die Bursa habe keine Musku- latur. Durch diese Bewegungen wird die Spermatophorenhülle nach oben in den Bursaanhang befördert. Schon 3—4 Stunden ab "Beginn der Kopulation kann man ihren Oberteil in den Isthmus zwischen Bursasack und Bursaanhang eingeklemmt finden. Sie rückt dann später noch höher hinauf, und bei den meisten Weibchen, die ich mehrere Tage nach der Kopulation darauf untersuchte, läßt sich schon bei frischer Untersuchung der Hüllenrest, an seiner Elastizität leicht kenntlich, ım Bursaanhang nachweisen, noch besser natürlich auf Schnittserien. Auch das Sekret der Nebendrüsen, sowie gelegent- % lich einige wenige Spermatozoen verbleiben ın der Bursa und gelangen zum Teil mit ın den Anhang hinauf. So erklärt sich dessen kere Füllung bei begatteten Weibchen. In das Receptaculum gelangen einzig und allein die Spermien selbst, und zwar kann man sowohl bei Bine des Samenganges während der Überwanderung wie auch durch Beobachtung des sich füllenden Receptaculums unter dem Mikroskop feststellen, daß die Spermatazoen als eine Art zähflüssiger Masse hinüber befördert werden; denn als ein selbständiges Überwandern wie Balbiani es auffaßte, ‘darf man es wohl Ka bezeichnen. Vielmehr sind die treibenden Kräfte auch wieder in Muskelkontraktionen zu sehen, die man am vivisezierten Tier zur Zeit der Über- wanderung am Samengang, Ovidukt und sogar am Recepta- culum erkennt. Allerdings hören diese, zum Teil sehr energi- schen Kontraktionen bald nach Öffnung des Tieres auf; man muß also schnell präparieren und das Tier vorher nicht betäuhen 5) Nach Leuckart kommt bei der Bienenkönigin die Auspressung des Spermas aus der Spermatophore dadurch zustande, daß das einhüllende Sekret der männlichen Nebendrüsen „erhärtet und sich dabei innmer mehr zusammenzieht“. In der Tat glaube ich bei frisch herauspräparierten Spermatophoren des’Schwammspinners in einem Tröpf- chen Wasser unter dem Mikroskop eine Quellung (nicht „Verhärtung“) der Hülle und ‚damit vielleicht eine Verengung des Binnenraumes der Spermatophore feststellen zu können. Wie weit das normalerweise der Fall ist, steht dahin. [2 m 35 548 B. Klatt, Beiträge zur Sexnalphysiologie des. Schwamms nr sondern plötzlich dekapitieren. Auch dann noch sieht, man a stets alle diese Bewegungen. Ein Einwand, der übrigens beriglich dieser Muskelkontraktionen, die nach meiner gleich zu gebenden Schilderung als treibende ‚Kräfte für die Überwanderung- in Frage kommen, ach werden könnte, daß sie nämlich durch den Reiz = der ed Instrumente neelöst werden, wäre sicher nur zum kleinen Teil berechtigt, da man an Jungfräulichen Weibchen auf dieso Weise ähnlich energische Kontraktionen nie auslöst. Im einzelnen dürfte sich der Prozeß der Überwanderung folgendermaßen abspielen: Die aus dem Unterteil der Spermatophore direkt in den Samengang gelangende Spermienmasse wird durch rasch hintereinander erfolgende Be Kontraktionen desselben in den Ovidukt befördert. An diesem siebt man gleichzeitig oberhalb und unterhalb der Mündungen beider Gänge kräftige Kontraktionen sich wiederholen, so daß an diesen Stellen der Oridukt stark zusarmmengeschnürt ist, während die = dazwischen liegende Partie (das Vestibulum) eher erwele erscheint. - Wahrschöintieh spielen hierbei die zwei seitlich ansetzenden Muskeln. 5 eine Rolle. Durch die Kombination dieser Bewegungen scheint der zähflüssigen Spermienmasse ihr Weg vorgeschrieben zu werden. Von = Bedeutung für das- richtige Khinemsolanzen derselben in das Recep- taculum scheinen mir auch die oben beschriebenen konstanten topo- Er graphischen Beziehungen der Mündungen beider Gänge wie ihre Aus- maße: Der Samengang mündet etwas schräg analwärts verlaufend n 3 den Ovidukt, so daß der stets etwas weiter unterhalb aber dicht da- neben abgehende Spiralgang, dessen erste Windung ja zunächst auch analwärts zieht, ungefähr in der Verlängerung des Samenganges ver- läuft (Fig. 1). Die ins Oviduktlumen vorspringende Papille der Spir algangmündungentspr icht inihrer Ausdehnungder Öffnungsweite der Samengangmündung, wie der Propfen der Flaschenmündung (Fig.3),. Doch muß ıch zugeben, daß es sich hier um eine Mutmaßung handelt; ge sehen, was wohl nur auf Schnitten möglich wäre, habe ich eine Einführung. der Papille in die Mündung des Samensan res nie, was ‚jedoch bei der‘ während der Konservierung auftretenden en leicht erklär- lich ist. — Man wird wohl immer in ziemlich hohem Maße auf Kom- linationen aus einzelnen lückenhaften Beobachtungen am lebenden und Mutmaßungen aufGrund deranatomischen Verhältnisse angewiesen sein, wenn man sich ein klares Bild der Überwanderung im einzelnen machen will®). Übrigens sei erwähnt, daß Adam wie auch schon vor ıhm Bresslau für die Biene Sauewirkungen der von ihm genauer untersuchten Spermapumpe des Receptaculums mit vera macht für die Füllung desseiben mit er Bei den Schmetter- 6) Auch Petersen vermutet, daß bei der Hinübsbetörderung des. a in das Receptaculum „peristaltische Bewegungen dieser Kanäle“ mitwirken. Ebens Buhl Bian os KR la an St a gap bei Kontraktionen der Vagin DI an h ir a en, in BR t er $ El t a Pi. “ Mr ®B: Klatt, Beiträge zur Sexualphysiologie des Schwammspinners, 549 _ lingen dürfte der Spiralteil des Receptaculumganges dieser Sperma- _ pumpe entspreehen. Ich habe an diesen Teilen nie irgend welche Kon- traktionen bemerkt, wohl aber ganz schwache Bewegungen des Recepta- eulums selbst, dort, wo es sich zum Gange verengert. — In we 3 m Zeitraum die Überwander ung der ganzen ana beendet wird, natürlich nicht leicht-festzustellen. Bei den wenigen Tieren, die ich 3 und 4 Stunden nach Beginn der Kopulation untersuchte, war sie, schon fertig vollendet, ebenso bei allen noch später sezierten. Ich glaube danach, sie dürfte höchstens 1—2 Stunden in Anspruch nehmen, vielleicht noch rascher beendet sein. c) Die Eiablage. — Der normalen Begattung folgt bei gesunden Weibchen prompt in der folgenden Nacht die normale Eiablage. Über - die Rolle der Spermapumpe, die wohl ebenso, wie in der von Bresslau für die Biene aufgedeckten Weise die Dosierung der zu jedem durch- tretenden Ei zuzulassenden Spermamenge vorzunehmen hat, habe ich keine genaueren Untersuchungen angestellt, ebensowenig über die Verhältnisse beim Eintritt der Spermien in die Eier. Jedenfalls geht die Eiablage, einmal begonnen, rasch von statten, wenn das Tier _ nicht gestört wird. So fand ich bei einem Weibchen in einem Zeit- - raum von höchstens zwei Stunden 101 Eier ordnungsmäßig abgelegt ‚und mit Wolle überdeckt. Die Hauptmasse der Eier wird so auf einen Satz abgelegt. Man findet aber bei jungen Weibchen gleich nach dem Schlüpfen immer eine ganze Anzahl noch kleinerer unreifer Eier; diese dürften wohl rasch heranwachsen, da man bei Weibchen, . die einige Tage älter sind, keine solchen mehr vorfindet. Diese Nach- - schübe von Eiern setzt das Weibchen, das den einmal eingenommenen en Platz beibehält, noch in den nächsten Nächten zu der Eiablage hinzu. Diese normale Ablage der Eier wird im allgemeinen nur im - Dunkeln vollzogen, stets längere Zeit nach der Kopulation. Auch "wenn man die Tiere künstlich dunkel hält, vergehen bei jungen frisch geschlüpften Weibchen mindestens 7 Stunden, vom Beginn der Kopulation ab gerechnet, ehe die Eiablage begonnen wird. Anders bei Weibchen, die schon mehrere Tage alt sind, und mehr oder minder starke Zeichen der Kopulationsbegier (s. 0. p.539, sowie Klatt 1913) äußerten. Hier kann die ‚Eiablage sehr beschleunigt werden, wenn man die Tiere im Dunkeln und ungestört läßt. In den drei ann Fällen. meiner darauf bezüglichen Versuche (Alter. der Weibchen 4—6 Tage) wurde bei ‚dem 2. Tier: 2), Stunden ab Beginn der Kopulation die Eiablage ge- rade begonnen (1. Eı fest angekittet); bei dem 2. Tıer 3 Stunden ab Beginn der Kopulation das Tier bei der Eiablage betroffen eben 10 Eier in nessemäb angekittet); bei dem 3. Tier 3!/, Stunden nach en der Kopulation das Tier bei - der Eiablage betroffen (15 Eier bereits ordnungsmäßig angelegt). 550 B. Klatt, Beiträge zur Sexualphysiologie des Schwammspinners. a A Bei Tier 2 war zu diesem Zeitpunkt die Überwanderung der | Spermien bereits beendet; bei Tier 1 begann sie sende (im Receptaculum noch keine vor- handen, wohl aber ın der Bursa); bei Tier 3 war das Receptaeulum eben im Bel der Füllung. Diese Versuche sind ın verschiedener Hinsicht lehrreich. Einmal zeigen sie, daß nur die Eiablage, nicht der UÜberwanderungsprozeß der Spermien durch das Alter des Weibchens beschleunigt wird. Es ist also keine allgemeine Beschleunigung aller physiologischen Vor- gänge durch das Alter vorhanden (zu dieser Frage wurden eine ganze Anzahl ähnlicher Versuche mit verschieden alten Weibchen angestellt). Man ıst vielmehr versucht, sich vorzustellen, daß nur. die mächtig drängende Eimasse — bei so alten Tieren sind ja alle (s. 0. p. 549) Eier schon herangereift, der Raum also noch viel beengter als bei frıschen Weibchen — die erhöhte Kopulationsbegier und die Be- schleunigung der Ablage veranlaßt, mit der im Fall 1 und 3 nicht einmal gewartet wird, bis die Überwanderung ins Receptaculum vor sich gegangen Ist. Vielleicht wird aber auch die anormale Hin- zögerung der Überwanderung gerade durch die vorschnelle Ablage der Eier bewirkt. Denn man kann sich schwer vorstellen, daß die Überwanderung der Spermatozoen und die Ablage der Eier sich gleich- zeitig abzuspielen vermögen, obwohl bei Tier 3 trotz des gerade im Durchtritt befindlichen Eies zugleich die üblichen Kontraktionen an Bursa und Samengang beobachtet wurden. — Bei Tier 3 wäre also mit der Eiablage begonnen worden, als schon die ersten Spermatozoen in das Receptaculum gelangt waren, bei Tier 1 sogar noch früher, als eben die Überwanderung bslaen wollte. — Von Interesse ist es übrigens auch, daß die von Tier 3 abgelegten 15 Eier sich ent- wickelten, also befruchtet waren (bei 1 und 2 wurde dies leidernichtt kontrolliert). Daraus ergibt sich, daß zum mindesten normale Fül- lung des Receptaculums nicht notwendig ist zur Befruchtung der Eier. Es liegt ja auch näher daran zu denken, daß die gerade im Ovidukt befindlichen Spermien die Befruchtung vollziehen, als daß die Spermapumpe in Tätigkeit tritt. — Von besonderer Wichtigkeit: Br sind diese Versuche über Beschleunigung der Ablage durch das Alter für das Hauptproblem dieser Arbeit, wie weiter unten ausge- führt wird. | NR: = da aid 3) Ding Dtm audi Du ld ua Brad N ea le 5 uElEE aid Zaun an Pia has ai nie ba Hit nn aa ef u nn d) Verhalten kranker Weibchen. — Ein abnormes Ver- halten normal begatteter Weibchen habe ich gelegentlich meiner Ver- erbungsstudien jedes Jahr bei einer kleinen Zahl von Tieren be- obachtet. Den Schlüssel dazu fand ich erst bei meinen vorjährigen Experimenten. — Es gibt immer mal hier und da ein Weibchen, welches trotz normaler Begattung durch ein bekanntermaßen vollwer- tiges Männchen keine normale Eiablage vollzieht, entweder gar nichts ablegt oder nur etwas Wolle oder vielleicht einige Eier in ganz un- a. u ee oA B. Klatt, Beiträge zur Sexualphysiologie des Schwammspinners. 551 ordentlicher Weise ähnlich wie das für die rudimentäre Ablage nor- maler Weibchen charakteristisch ıst. Meist fallen solche anormalen Weibehen auf durch endloses Umherflattern besonders in der Dunkel- heit. Wenn sie nach mehreren Tagen sterben, findet man den Leib voller Eier, das Receptaculum zuweilen mit Spermien gefüllt, zu- weilen ungefüllt (trotz der vorangegangenen Kopulation), die Bursa aber strotzend gefüllt mit einer glasklaren gallertigen Masse. Nicht bloß der Bürssenhäng, in welchem man jedoch beı den in weniger hohem Maße erkrankten Tieren den ersten Anfang der Gallertbildung feststellen kann, sondern bei stärker kranken auch die ganze eigent- ‚liche Bursa bis zur Mündung. Man kann die Gallerte herauspräpa- rieren, sie behält dann die Form der Bursa bei, wie ein Ausguß der- "selben. In Wasser zergeht sie leicht, sie hat leicht alkalische Re- aktion. Offenbar handelt es sich um eine krankhafte Veränderung des Bursasekretes; auf die histologischen Veränderungen will ich an dieser Stelle nicht eingehen. Gefunden habe ich hochgradige Er- krankungen dieser Art auch bei Weibchen, die eben geschlüpft waren, das Alter der Tiere spielt also keine Rolle. Trotz der Anwesenheit, der Gallerte kann aber wie es scheint, die Überwanderung des Spermas in einigen Fällen sich vollziehen, wenn man für die Tiere, bei denen ich das Receptaculum gefüllt fand, nicht annehmen will, daß die Gallertbildung erst später einsetzte. Bei anderen Individuen fand ich, obwohl die Kopulation tagelang zurücklag, keine Überwanderung, die Spermien sogar noch in den bekannten lockenförmigen Bündeln bewegungslos zusammenliegend. In welcher Weise die Erkrankung der Bursa das anormale Verhalten der Weibchen bewirkt, vermag ich nicht zu sagen. Daß die Tiere fähig sind, Eier zu legen, be- weisen ja manche von ihnen durch die Tat, auch ıst das Recep- taculum bei manchen normal mit Spermien gefüllt, und trotzdem nicht die Spur einer normalen Eiablage. — Es ist möglich, daß auch bei einigen Weibchen meiner Transplantationsversuche (Klatt 1919), die abnormes Verhalten hinsichtlich der Eiablage zeigten (z.B. Nr. 11), diese Erkrankung der Bursa eine Rolle spielte. Damals war mir dieselbe noch nicht bekannt. II. Verhalten normaler Weibehen bei nicht normaler Begattung. Bei ungestörter Kopulation führt fast jede Kopulation eines nor- malen Männchens zur Bjakulation einer Spermatophore. Nur bei einem Männchen konnte ich trotz langdauernder Verbindung mit dem . Weibehen und trotz anatomisch normalem Genitalapparat Bee Sper- matophore, sondern nur ein winziges Tröpfehen Sekrets des Ductus ejaculatorius finden, das am Penis hängen blieb und nicht ın die - Bursa gelangte”). Durch künstliche Unterbrechung der Kopulation 7) Ein Re großes kräftiges Männchen mit normalem Apparat konnte übe haupt nicht zur Kopulation, nicht einmal zu einem Kopulationsversuch gebracht werden. z FRA E 552 - B. Klatt, Beiträge zur 2 Sexualphysiologie des Schwammepinners E = in den ersten 8 Minuten (s. o p- 545) kann man natürlich es ak lation unterbinden. Ich habe eine Versuchsreihe dieser Art mit ganz frisch geschlüpften Weibchen angestellt, indem ich die Männchen 3 bis 5 Minuten nach Kopulationsbeginn löste. Die Weibchen voll- zogen prompt in der folgenden Nacht eine rudimentäre Eiablage, die Sektion ergab, wie zu erwarten, das Fehlen einer Ejakulation. Es stimmt das völlig überein mit den Versuch von 1913, wo ein auf : a n ur ot RN a ur usch, + Al N \ Y Wr a ara ER A dem Falterstadium kastriertes Männchen, dem also nicht ‚bloß Hoden, er sondern auch die Nebendrüsen fehlten, Ejakulation also höchst un- wahrscheinlich war, gleichfalls nur-die rudimentäre, nıcht die normale u Mi) Eiablage auslöste. Aber auch auf dem Raupenstadium kastrierte Männchen. enen. also nur die Hoden fehlen, lösen bei normalen Weibchen bloß eine rudimentäre Ablage aus. Dieses schon 1913, dann auch 1918 bei meinen Transplantationsversuchen immer wieder gefundene Verhalten ergaben auch genau so meine neuen Versuche. Die genauere Unter- suchung dieser Weibchen, insgesamt 30 Tiere, ergab, daß ın der Mehrzahl der Fälle ‚von kastrierten Männchen eine kleine Sperma- tophore ejakuliert wird, die aber natürlich keine Spermien enthält (s. Fig. 3). Sie besteht aus dem Nebendrüsenprodukt, das ganz vom Sekret des Ductus ejaculatorıus umschlossen ist. Nur ist diese Hülle relativ viel dicker als bei einer normalen Spermatophore, da infolge Fehlens der Spermien der Inhalt wesentlich geringer, die Masse des ejakulierten Sekrets des Ductus ejaculatorius aber wohl ziemlich die gleiche ist, wie.bei einer normalen Ejakulation. Diese Spermatophoren kastrierter Männchen dürften höchstens !/,—!/, der Me einer nor- malen Spermatophore haben. Er: In manchen Fällen (ca. .15°/, aller Kopulationen von Kastraten) en: findet überhaupt keine Ejakulation statt. Es scheint das aber keines- wegs ein Anzeichen der Erschöpfung des betreffenden Männchen zu sein, denn es können die folgenden Kopulationen desselben Indi- viduums wieder zur Ejakulation führen; bisweilen ist es gleich die erste Kopulation, die das Männchen vollzieht, welche ohne Ejaku- lation verläuft, und es können dann noch bis zu 5 Kopulationen mit Ejakulation folgen (6 ist die Höchstzahl, die ich bei einem : = beobachtete ®). ® Wie verhält sich nun der weibliche Ge bei einer @ Kopulation durch ein kastriertes Männchen, was insbesondere wird mit der Spermatophore? Zunächst einmal findet keine Überwande- rung irgend eines Teiles derselben in das Receptaculum statt. Ich habe jedenfalls in diesem nie etwas anderes als die auch bei unbe- IR f 7 aa eh ein ® rer Ur PTR SET, NN TIER ANNE N RUN RUE MT SRH) RE RE Le] NN TR ug Be aa I a ir IE Val EN N ER j al 8) Übrigens ist im Hinblick auf die Ausführungen von Blunck von Interesse ne festzustellen, daß auch meine normalen Männchen, wenn ihnen Gelegenheit geboten wurde, stets mehrmals kopulierten, eventuell mit demselben Weibchen. B Se Pe RR. ” Fe Sg Fr (WE 4 ne ; She v. ; y e , -B. Ka Beiträge zur BD seioldhe des Schwammapinners. 553 "gatteten Weibehen vorhandene Flüssigkeit der Anhangsdrüse fest- stellen können. Das stimmt ja auch zum Verhalten bei normaler Kopulation, wo nur die Spermien überwandern; und diese fehlen ja eben der Spermatophore eines Kastraten. Aber auch die bei normaler Kopulation in der Bursa verbleibenden Teile der Spermatophore, Hülle und Nebendrüsensekret, verhalten sich bei. Kopulation durch einen Kastraten etwas anders. Sie bleiben nämlich immer ım Bursa- sack liegen und gelangen höchstens bis an die Grenze zwischen Sack und Anhang; aber nie, selbst Tage nach der Kopulation, fand ich Teile der Spermatophore im Anhang selbst, wie das bei der normalen - Spermatophore schon wenige Stunden nach’ der Kopulation die Regel ‚ist. Das hängt wohl damit zusammen, daß so energische Kontrak- tionen, wie bei normaler Begattung hier an den Genitalien nie be- sbachtet werden konnten. Ich habe 10 der von kastrierten Männchen begatteten Weibchen in der fraglichen Zeit, wo die Überwanderung sonst stattfindet, also auch die Konfraktionen beobachtet werden können, reger, d.h. in dem Zeitraum von 1'/, bis 5 Stunden ab ‚Beginn der Kopulation (1 Tier 1!/,, 1 Tier 2, 2 Tiere 2!/,, 2 Tiere 3, 2 Tiere 4, 2 Tiere 5 Stunden nach Kopulationsbeginn). Nur bei den 3 am spätesten nach Kopulationsbeginn sezierten konnte ich Kon- traktionen feststellen, sowohl an der Bursa, am Samengang, am _ Ovidukt wie auch am Receptaculum. Aber sie waren weit schwächer als nach normaler Kopulation, dürften in den meisten Fällen wohl ganz ausfallen. Sicher behaupten kann man das Letztere natürlich nie, da man ja ein und dasselbe Tier nicht dauernd daraufhin be- obachten kann, sondern jedes nur zu der Zeit, wo man es gerade seziert. Jedenfalls stimmt diese Tatsache, daß Kontraktionen meist vermißt wurden, resp. sehr schwach waren, “überein mit der Tat- sache, daß die Spermatophore in der Bursa nur unvollkommen oder gar nieht nach oben befördert wird. Zwei Weibchen, die ich mehrmals von eirerten Männchen be- gatten ließ, und de hierdurch mehrere Spermatophoren erhielten, verhielten. sich nicht anders, als die übrigen: sie ergaben nur vudi- mentäre Ablagen. 11. Verhalten kastrierter Weibehen. Aus verschiedenen Gründen, die gleich erörtert werden sollen, hielt ich es für wünschenswert, auch das Verhalten kastrierter Weib- chen der Kopulation gegenüber zu untersuchen. Leider kamen nur 11 der als Raupen kastrierten Weibehen durch bis zum Falterstadium, und von diesen litten, wie sich bei der Sektion herausstellte, 5 an der eigenartigen Erkfonkung der Bursa, die ja ein ni Ver- ‚halten der Tiere veranlaßt. Man könne vielleicht auf den Gedanken kommen, daß dieser hohe Prozentsatz an Erkrankungen in diesem in ae RE, a ee en 54 b. Klatt, Beiträge zur Sexualphysiologie des Schwammspinners. =, [ec ı 3 Falle irgendwie mit der Kastration zusammenhängt. Ich glaube das aber nicht. Vielmehr dürfte sich diese Häufung der Krankheitsfälle bei den Kastraten daraus erklären, daß ich ziemlich spät die Kastra- tion vornahm, als schon die meisten Raupen verpuppt waren. Es standen mir also hauptsächlich Tiere zur Kastration zur Verfügung, deren Entwicklung sich etwas verzögert hatte. Die Gründe für diese Verzögerung, die bei einem Teil sicher in irgend einer Erkrankung zu suchen sein dürften, geben vielleicht auch zugleich den Grund für die krankhafte Veränderung der Bursa auf dem späteren Falter- stadıum. — Diese Versuche mit kastrierten Weibchen sınd also leider noch zu gering an Zahl, um in allem bindende Schlüsse zu ziehen, aber die wenigen Ergebnisse sollen doch erwähnt werden. I Zunächst die Gründe, die mich überhaupt veranlaßten, Usseche ; mit kastrierten Weibchen anzustellen. Ich hatte bei ne Trans- plantationsversuchen beobachtet; daß die Ablagen von begatteten Weibchen, welche infolge Nichtverwachsung des Ovars mit dem Ausführgang ihre Eier nicht absetzen konnten, dennoch regelmäßig, ° reihenweise nebeneinander geordnet die Abdrücke ihrer Legeröhren- öffnung aufwiesen, wie bei normaler Eiablage, nur daß eben die Eier selbst fehlten. Diese Tatsache ıst an und für sich interessant, da a priori wohl jeder annehmen dürfte, wie auch ich bis dahin, daß das enge reihenweise Nebeneinandersetzen der Eier reizphysiologisch so zustande kommt, daß das erstmalig abgesetzte Ei durch Ausübung von Tastreizen auf dıe Legeröhre diese zur Ablage des nächsten Eies dicht neben dem ersten veranlaßt, und so fort. Ich wollte nun zu- nächst einmal prüfen, ob diese Eigenart einer geordneten reihen- weisen „Eiablage ohne Eier“ auch solchen Weibchen zukäme, die gar keine Eier enthielten, oder nur solchen, die wie meine trans- plantierten Weibchen von 1918 mit Eiern versehen waren und sie nur nicht absetzen konnten. Mit anderen Worten, ob vielleicht die bloße Anwesenheit von Eiern, auch wenn sie nicht durch den Ovidukt austreten konnten, Vorbedingüng für eine solche reihenweise Ablage sei. Zu diesem Zweck hatte ich außer den Kastrationen in einer zweiten Versuchsreihe auch noch Reimplantationen vorgenommen, die also eine nochmalige Wiederholung meiner Beobachtungen an E den transplantierten Tieren von 1918 ermöglichten. — Die Frage, ob der Anwesenheit oder Nichtanwesenheit von Eiern überhaupt irgend = eine Bedeutung für das Verhalten der Weibchen zukommt, war auch aus anderen Gründen naheliegend. So ist man, wie oben (p. 539 u. 550) ausgeführt wurde, versucht, die rudimentäre Ablage alleın belassener Weibchen, die ja erst nach mehreren Tagen eintritt, wenn alle Eier ausgereift sind und das Abdomen bis zum Platzen füllen: ursächlich auf diese drängenden Eimassen zurückzuführen, ebenso a Beschleu- nigung der Eiablage nach erfolgter Kopulation bei solchen alten jung- fräulichen Weibchen (s. o. p. 550). — Eine weitere Frage ist es, ob das Receptaculum nur arbeitet und Spermien abgibt, wenn ein Ei B. B. Klatt, Beiträge zur Sexualphysiologie des Schwammspinners. h5H durehtritt, oder ob ein solcher Reiz nicht dazu nötig ist. Schließlich konnte man überhaupt die Frage aufwerfen, ob — im Gegensatz zu den Meisenheim er’schen Feststellungen — diese feinsten physıologı- schen Mechanismen wie die Auflösung der Spermatophore, Sperma- überwanderung u.s. w. nicht doch vielleicht bei Kastraten anders ver- laufen würden als bei normalen Tieren. Nun dies letztere ist sicher nicht der Fall. Wenn ich auch nichts darüber aussagen kann, ob hinsichtlich der Schnelligkeit der Überwanderung graduelle Unterschiede zu normalen bestehen, spä- testens einen Tag nach der Kopulation (dies meine am frühesten vor- genommene Sektion) ist das Receptaculum voll Sperma. Der Bursa- anhang enthält die Reste der Spermatophore. Ebenso zeigen die beiden Fälle, wo ich gesunde kastrierte Weibchen von kastrierten Männchen begatten ließ, (1 resp. 3 Tage nach der Kopulation), die Spermatophore ım Bursasack, das Receptaculum frei, also ganz wie . bei unkastrierten Weibehen nach Kopulation mit einem Kastraten. — Dagegen scheint das Receptaculum nicht zu arbeiten, wenn ich nach dem einen untersuchten Fall urteilen darf, der auf folgender Über- legung beruht: Wenn das Receptaculum selbständig arbeitet, Eier aber nicht abgelegt werden können, müssen sich die in den Ovidukt abgegebenen Spermien dort ansammeln, und man müßte mehrere Tage nach der Kopulation doch eine größere Anzahl von ihnen dort antreffen. In dem einen genau auf Serienschnitten untersuchten Fall habe ich aber nicht ein Spermium dort angetroffen, wiewohl das Re- ceptaculum voll von solchen war. Das äußere Benehmen der kastrierten Weibchen ist auch genau so wie bei normalen Weibchen; auch hier ein allmähliches Steigen der Kopulationsbegier mit dem Alter, auch hier (in einem Fall sehr deutlich festgestellt) eine Beschleunigung der Ablage mit dem Alter (schon 3 Stunden nach Kopulationsbeginn), wenn zugleich im Dunkeln gehalten. Auch die reihenweis geordnete „Eiablage ohne Eier“ findet sich wie bei reimplantierten Tieren. Die Anwesenheit der Eier ist also ohne ursächliche Bedeutung für das äußere Verhalten der Weibchen. — Was aber mag es dann sein, das die deutliche Stei- gerung der Kopulationsbegier und die Beschleunigung mit dem Alter veranlaßt? Ist es die Ansammlung des Sekretes der Kittdrüsen ım Endteil des Oviduktes? Ist es die Abnahme des Energievorrates, welcher beim Schwammspinner, der als Falter keine Nahrung auf- nehmen kann, ja fest bestimmt sein muß, durch die Lebensschick- sale der Raupe als des einzigen Energievorrat sammelnden Stadiums? Ist es im speziellen die Abnahme der Fettvorräte, die man deut- lich feststellen kann durch Vergleich älterer mit frischgeschlüpften Faltern oder der allmähliche Wasserverlust?)? — In geeigneter Form 9) In diesem Zusammenhang sei auf die starke Füllung des Enddarms mit Flüssigkeit hingewiesen und auf die noch unbekannte Rolle, welche dieselbe in der Physiologie des Tieres spielen muß. Vielleicht hat der Enddarm auch irgend eine Hilfsfunktion beim Auspressen der Eier, 556 B. Klatt, Beiträge zur pie de Schwammspinners. SEE 3 angestellte experimentelle Untersuchungen werden über diesd ee veränderungen und damit vielleicht auch über die Ursachen. Er Be- S nehmens im Alter PAKIBrSnE schaffen können. Be | Fl IV. Die Ursachen der rudimentären und der normalen Eiablage. Mit den Erörterungen am Schluß des vorhergehenden Abschnittes u haben wır schon den Kernpunkt der Arbeit, die Frage nach den Ursachen der Eiablage angeschnitten. Die kastrierten Weibehen zeigen uns, daß die eigentliche Hauptsache bei der Eiablage, nämlich die Eier, ohne Bedeutung sind für die Vornahme der Ablage. Da- durch wird es auch sehr fraglich, ob die rudimentäre Ablage älterer ısolierter Weibchen als ein „Verlieren“ von Eiern infolge Drängens der Eimassen aufgefaßt werden darf, wie das zunächst das naheliegendste scheint (s. 0. p 539) Das Hervorrufen der rudımentären Ablage durch Kopulation mit einem kastrierten Männchen bei ganz frisch geschlüpften normalen Weibchen, bei denen die Eimasse also noch nicht eine in diesem Maße drängende Wirkung ausübt, zeigt vielmehr, daß zum mindesten andere Reize vikariierend einspringen können. Und zwar genügen als solche, wie ich schon 1913 schloß = und jetzt durch die Beobachtungen mit kurzfristiger Begattung durch normale Männchen (s. 0. p.552), die also nicht zum Absetzen einerSperma- tophore führt, bestätigen kann, die rein taktilen Reize, die mit gen Einführung des Penis verbunden sind. | Welches sind aber nun die Ursachen der normalen Kble S Von den 1913 als möglicherweise in Betracht kommend aufgezählten ‚fallen verschiedene ohne weiteres fort. Zunächst Dehnungsreize in- 2 folge Füllung des Receptaculums und der Bursa. Denn das Recep- taculum ist besonders bei älteren Weibchen schon an sich sehrstark gefüllt mit dem Sekret der Anhangsdrüse. Die Dehnung der Bursa = ist ın den Fällen, wo ein kastriertes Männchen kopuliert und eine Spermatophore abgesetzt hat, gleichfalls vorhanden, zumal wenn durch ‚mehrmalige Kopulation (s. p.553) annähernd die gleiche Substanz- menge eingeführt wird, en bei mancher normalen Kopulation. Ebensowenig kommen, wie gleichfalls die Kopulationen kastrierter Männ- chen zeigen, chemische Reize von den Nebendrüsensekreten aus- gehend als Ursache in Frage. Einzig und allein die Anwesenheit en von Spermien ist die Voraussetzung für die Vornahme einer nor- malen Ablage. Wo sich diese Spermien befinden, ob schon im Receptaculum, ob auf der Wanderung dorthin, ob noch in der Bursa, das ıst gleichgültig, wie die drei Fälle mit Beschleunigung der Ablage zeigen (s. p.549). Nur scheinen die Spermien beweg- lich sein zu müssen, denn so lange sie noch unbeweglich zu Bündeln verpackt sind,. habe ich keine Anstalten zur Ablage treffen sehen. Also auch bei den normalen Ablagen wären es dann, wie bei der durch unvollkommene Kopulation ausgelösten rudimentären vermut- See -B. Klatt, Beiträge zur Sexualphysiologie des Schwammspinners. 557 _ lieh taktile Reize,. welche die Ablage veranlassen. Nur daß sie im letzten Falle eine kurze vorübergehende Episode darstellen, während sie naclr normaler Kopulation länger andauern. Wenn es manchem, in allzu anthropozentrischer Auffassung, vielleicht wenig wahrschein- lich erscheint, daß das Gewimmel der Spermien vom Weibchen als Reiz wahrgenommen wird, so möchte ich darauf hinweisen, daß so- wohl die Quantität des Spermas als die Größe des einzelnen Sper- miums im Vergleich zur Größe des Tieres hier doch eine ganz andere ist als etwa beim Säugetier !P). | Bei dieser Auffassung ıst natürlich kein Raum für die Annahme einer innersekretorischen Bedingtheit der Eiablage. Gegen eine solche spricht vor allem, daß die Ablage erst Stunden nach der Kopulation bei Eintritt bestimmter äußerer Bedingungen (Dunkelheit) vorgenommen wird, also je nach dem Zeitpunkt der Kopulation, ob dieselbe morgens, mittags oder abends stattfand, verschieden lange Zeit nach derselben. Diese Überlegung gilt auch eleich gegen eine zweite Auffassung, die man vertreten könnte. Man könnte sich nämlich vorstellen, daß der vom Penis (bei nicht normaler Kopulation) resp. von den Sper- mien (bei normaler Kopulation) ausgehende Reiz direkt auf die Muskeln der Bursa und des Samenganges einwirke und die Kon- traktionen derselben auslöse, und daß diese dann direkt weiter- _ geleitet werden-zu den Muskeln des Ovidukts und des übrigen Genital- ‚apparats in ähnlicher Weise wie solche direkte Reizleitung zwischen den Muskeln des Vorhofs und der Kammer am Wirbeltierherzen nachgewiesen ist (Külbs). Die. angestellte Überlegung zeigt vielmehr, daß der Weg vom Reiz zur Reaktion über das Zentralnervensystem gehen dürfte. In diesem Sinne sprechen vor allem auch die Ergebnisse -Kopee’s, der bei Exstirpation bestimmter Hirnteile des Schwamm- spinners eine Störung der geordneten Eiablage fand, eine „unkoordi- nierte“ Ablage, die er der von mir beschriebenen rudimentär en“ gleich- setzt. Daß die hier für den Schwammspinner festgestellten Vorgänge als typisch für die Insekten im allgemeinen gelten können, vermag man natürlich nicht mit Bestimmtheit zu sagen, obwohl besonders die ganz ähnlichen Feststellungen Regens an einem dem Schwamm- -spinner so entfernt stehenden Insekt, wie die Grille es ist, in diesem Sinne sprechen =- 10) Noch erößer & das Mißverhältnis zwischen Spermium und Tier bei Östra- _ eoden. Einer Cypris müßte ja das Spermium ‚des Männchens gleichsam als ein selb- ständiges Tier erscheinen. 11) Ebenso, was Einzelheiten angeht,. die im Text hier und da angezogenen- gleichartigen Beobachtungen an Käfern und Hymenopteren; vgl. auch die Abbil- dungen bei Cholodkovsky, während seine Schlüsse mir wenig wahrscheinlich dünken. S 558 J. S. Szymanski, Motorische und sensorielle Tiertypen. Literatur. Adam, A. Bau und Mechanismus des Receptaculum seminis bei den Bienen, Wespen und Ameisen. — Zool. Jahrb. Anat. 35. 1912. Balbiani, M. 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Lamge auf Grund seiner Versuche über die Reaktionszeit zwei individuell verschiedene Reaktionsweisen bei den Menschen unterscheiden. R Die eine derselben, die „extrem muskuläre‘ Reaktion, besteht a Be daß von dem Reagenten der denkbar größte Grad seiner Spannung aus- schließlich zur vorbereitenden Innervation der reagierenden Muskelgruppe angewandt wird. | Die andere Reaktionsweise, und zwar die „extrem sensorielle“ ‚ wird dadurch gekennzeichnet, daß ein möglichst hoher Grad der Spannung ausschließlich zur Auffassung des Sinneseindruckes, unter der prinzi- ; Sof a PER j J. S. Szymanski, Motorische und sensorielle Tiertypen. 559 piellen Vermeidung jeder vorbereitenden Bewegungsinnervation ange- wandt wird t). Die abweichende Art und Weise des Reagierens ist nach Lange wohl die Sache des Temperaments. Individuen von hervorragender moto- rischer Energie werden somit nahezu extrem muskulär reagieren, während bedächtige Naturen im allgemeinen mehr zur sensoriellen Re- aktionsweise geneigt sind (S. 496). Dieser Grundgedanke wurde von den anderen Forschern (Balwin, Flournoy) weiter entwickelt; sie kamen schließlich zur Feststellung zweier allgemeiner Reaktionstypen, des motorischen (muskulären) und des sensoriellen, in Abhängigkeit von einer entweder vorwiegend moto- rischen oder vorwiegend sensoriellen Einstellung der Aufmerksamkeit. In einer besonders anschaulichen und kurzen Weise hat W.Stern beide Typen charakterisiert, indem er sagte, dab der motorische Typus sein eigenes Losbrechen, der sensorielle den Eindruck erwartet; für jenen ist der Reiz die Auslösung, für diesen die Ursache der Bewegung ?). Im Verlaufe meiner Versuche über die Entstehung neuer Hand- lungen bei den Tieren war ich in der Lage, diese beiden Typen auch im Tierreiche (weiße Ratten, Hunde, Hühner u.s.w.) festzustellen. Wenn man nämlich eine Anzahl von Individuen einer Art auf die Disposition zur Ausbildung neuer sensomotorischer Verknüpfungen unter- sucht, so fällt zunächst auf, daß einige Tiere sich fast ausschließlich von ihren innern motorischen Impulsen leiten lassen. Nachdem sie 7. B. in ein Labyrinth, bezw. in einen Apparat, in dem vom Vorraum zum Futterraum zwei Gänge führen, wovon das Versuchstier bloß einen benützen darf, gebracht worden sind, so schlagen sie sofort irgendwelche Richtung ein und gelangen auf Umwegen und in einer überraschend kurzen Zeit zum Ziele. Bei den darauffolgenden Versuchen behalten sie meistens den ursprünglichen Weg, ohne eine Notiz von dem in einer unregelmäßigen Wechselfolge in beiden Gängen exponierten Bezugs- objekt (d. h. von dem Reiz, der die Sinneseindrücke bewirkt, welche . das sensorische Glied der zu bildenden Verknüpfung abgeben sollen) zu nehmen, bezw. ohne sich zu gewöhnen, die Sackgassen des Labyrinthes zu vermeiden. Diese Individuen richten ihre Bewegungen nicht gemäß den einwirkenden äußeren Reizen, sondern folgen lediglich ihrem unge- stümen Bewegungsdrang; sie sind trotz des ihnen zugefügten Schmerzes (elektr. Schlag) und trotz des Hungers nicht fähig, die für die Ent- stehung neuer sensomotorischer Verknüpfungen unentbehrliche ‚‚senso- ‚rielle“ Einstellung der „Aufmerksamkeit“ herbeizuführen. Einen schroffen Gegensatz zu den „motorischen“ Individuen stellen die „sensoriellen‘‘ Tiere dar. ; Unter den gleichen Versuchsbedingungen benehmen sie sich gänzlich | 1) L. Lange, Neue Experimente über den Vorgang der einfachen Reaktion auf Sinneseindrücke, Philos. Stud., hsg v. Wundt. Bd. 4, 1888 ins. S. 487 ft. .2) W. Stern, Die differentielle Psychologie. 1911. S. 214—215. Bu \ 5650 JS. ma. Motorische und sennörielle Tiertzpen. verschieden; ihnen fehlt überhaupt der Impuls zur Bewegung. Sie bleiben ruhig auf dem gleichen Fleck sitzen und nur die Sinnesorgane arbeiten unaufhörlich (die Ratten beschnüffeln alle ihnen zugänglichen Objekte, die Hühner wenden den Kopf links und rechts: und beschauen alles ringsherum u.s.f.); nach einiger Zeit machen sie einen Schritt 3 vorwärts und die dee Untersuchung beginnt von neuem. Es ver- geht sehr viel Zeit, bis sie endlich zum Ziel gelangen; und manchmal dauert die fortgesetzte Untersuchung und das äußerst langsame Vor- rücken so lange, daß der Versuch abgebrochen werden mub, bevor das > Tier zum Futterraum gelangt ist. Mit der zunehmenden Übung werden die Snsorielien: Tiere immer be- weglicher. Die Untersuchungen des Apparates hören mit der Z eit auf, die Tiere bilden allmählich die vom Beobachter erwünschten sensomoto- rischen Verknüpfungen und zum Schluß, nachdem die neue Handlungs- art fest eingeprägt worden ist, laufen sie im Apparat ebenso schnell. wie die motorischen Individuen: Die sensorielle Reaktionsweise ist in (die motorische übergegangen, — geradeso wie bei den Menschen ?). Bei der Untersuchung der sensoriellen Typen ist ein Umstand zu berücksichtigen. Scheue: störrische Tiere bleiben nämlich im Apparate öfters ebenso ruhig wie die sensoriellen und zutraulichen Individuen sitzen. Sie sind allerdings leicht von den letzteren. zu unterscheiden ; denn das Fehlen einer auf die Untersuchung der Umgebung gerichteten Sinnestätigkeit und die Anwesenheit der Angstsymptome läbt bald scheue Tiere als solche erkennen. ee Grleichfalls wie unter den Menschen so gehört auch die Mehrzahl der Tierindividuen dem mittleren, ZWISCHEN den beiden. extremen Fällen liegenden Typus an. 2 | ; Die Feststellung der motorischen und sensoriellen Tiertshen a - uns instand, uns Rechenschaft von einigen eigentümlichen Zügen im tierischen — und wohl auch im menschlichen — Verhalten zu geben. Es ist zunächst denkbar, daß der motorische bezw. der sensorielle Typus überhaupt einen Arttypus darstellt. Der Gegensatz: Hund — Katze findet vielleicht in dieser Er eine seiner ne, 02] x RER et Wi b TEE i % A y Be. Ri, RR CRY TÜR BE Rh 2 PILFUUERN 2 iR. EW sr 3) Während dieser Auisatz im Druck war, habe ich die Versuehe an a a über die Entstehung optisch-motorischer Verknüpfungen angestellt: die Hühner sollten == nämlich erlernen, zwischen einer Pyramide und einer Kugel zu unterscheiden. Unter den untersuchten Vögeln waren zwei gleichaltrige Hennen, von denen die eine ein ausgesprochen motorischer, die andere ein sensorieller Typus war. Die erstere war nicht imstande, die erwünschte optisch-motorische Verknüpfung entstehen zu lassen; dagegen hat sich eine kinaesthetisch-motorische Gewohnheit ausgebildet. Die Henne lief im Apparate stets in gleicher Richtung und wählte stets einen bestimmten Ausgang, Be unbeachtet dessen, wo die Figur, die als sensorisches Glied der auszubildenden Ver-- knüpfung dienen sollte, untergebracht war. Die „motorische“ Henne blieb‘ bis zum Ende „wild“ (wegen der starken Bewegungsimpulse!) und nebenbei bemerkt, zeichnete sie sich durch großes Nahrungsbedürfnis aus; dies letztere steht wahrscheinlich mit dem, durch viele Bewegungen ne Stoffwechsel im Zusammenhang. | Die „sensorielle“ Henne ‚erlernte perfekt und am genauesten unter ‚allen untersuchten 3 kei, 8 (Er Y* Ben! u Kl IR 8, Szymanski, Motorische und sensorielle Tiertypen. 561 Ferner werden vielleicht die Unterschiede im Verhalten, die- mit dien verschiedenen Altersstufen zusammenhängen, durch die T'ypentheorie dem Verständnis näher gebracht. Zu den Hauptmerkmalen, die die konträren Begriffe von Alt und Jung kennzeichnen, wäre vielleicht das Überwiegen der motorischen Reaktionsweise in den jüngeren Lebens- jahren, hingegen der sensoriellen im späteren Alter zu rechnen. % Schließlich wurden neulich einige Tatsachen beobachtet, die ver- -muten lassen, daß diese oder jene Reaktionsweise im gleichen Indi- viduum- und in der gleichen Lebensperiode in Abhängigkeit von dem innern Zustand des Organismus wechseln kann. - Eine dieser Tatsachen besteht darin, daß die Tierarten, die „Pro- - bierbewegungen“ ausführen können, im frischen Zustande sich auf eine “Lichtquelle mehr geradlinig und ohne ‚„Probierbewegungen“ hin- bezw. von einer Lichtquelle fortbewegen. Hingegen führen die gleichen Tier- - arten unter den gleichen Versuchsbedingungen im Zustande der herab- gesetzten Lebensenergie viele „Probierbewegungen“ aus und erreichen bezw. fliehen die’ Lichtquelle auf vielen Umwegen ®). : Wenn man „Probierbewegungen“ als Bewegungen betrachtet, die ein taktiles Lebewesen ausführt, um seinem Hauptsinn adäquate Reize - zuzuführen, so läßt sich daraus ungezwungen der Schluß ziehen, dab - die vorwiegend sensorielle Reaktionsweise einem Individuum im Zustande der herabgesetzten motorischen Energie, die vorwiegend motorische hin- _ gegen im Zustande der gesteigerten Motilität eigen sei. ee Eine weitere diesbezügliche Tatsache lieferten die aktographischen - Untersuchungen über die taktischen Bewegungen. Diese Untersuchungen _ ergaben nämlich, daß in der Hauptperiode der Aktivität, also einer Periode in einem 24 stündigen Zyklus, in der der Drang zur motorischen Betätigung besonders stark sich geltend macht, die sonst Richtung be- stimmenden Reize sich als unwirksam erweisen 5). Man könnte demnach glauben, dab in der Hauptperiode der Akti- vität die motorische Reaktionsweise prävaliere; hingegen überwiege mehr oder weniger die sensorielle Beatlewere in der Zeit außerhalb dieser Periode. ; Die Feststellung zweier Tiertypen in bezug auf ihre Reaktionsweise _ Hühnern, zwischen beiden Figuren zu unterscheiden; sie ist zum Schluß die zahmste unter allen untersuchten Vögeln geworden und im Gegensatz zu dem motorischen Typus äußerte sie das geringste Nahrungsbedürfnis im Vergleich zu allen anderen. Vögel, obwohl sie gleich diesen wohl und rüstig geblieben ist. Dieser letztere Umstand steht wahrscheinlich mit dem ihr eigenen, infolge einer nur geringen Beweglichkeit nicht allzu lebhaften Stoffwechsel im Zusammenhang. (Vergl „Ein Versuch über die Disposition der Tiere zum Erfassen der Ähnlich- 'keitsbeziehungen“; insbes. die Kurven 4 und 6 (Fig. 2), die den Lernvorgang beider Typen darstellen; Zeitschr. für die angewandte Psychologie im Druck). | 4) Pflüger's Arch. Bd. 145. 1913. 8. 348ff | SE 5) Vgl. z.B. Aktivität und Ruhe bei Tieren und Menschen. Z. f. allg. Phys. 18, = 1919. : 8. 154ff. und 161ff, 040. Band. | Ss s 562 J. S. Szymanski, Gibt es ein außermenschliches Bewußtsein ? Ba ist ein Beitrag zur Lehre von den individuellen Unterschieden im Ver- halten der Tiere. Einen andern Beitrag ist es mir gelungen, bereits früher zu liefern. Es konnte nämlich beobachtet werden, daß es einige Tiertypen in bezug auf die Geschwindigkeit des Einprägungsvorganges gibt und daß diese Geschwindigkeit — gerade so wie bei den Menschen — vom Widerstreit zweier Faktoren, und zwar der zunehmenden Übung und der sich immer stärker geltend machenden Ermüdung abhängt ®). | Ich möchte zum Schlusse der Hoffnung Ausdruck geben, daß diese beiden kleinen Beiträge den Weg zu weiteren Untersuchungen auf dem Gebiete der auf das Tierreich angewandten Typentheorie anbahnen werden. Gibt es ein ablsermenschliches Bewulstseh Von J. S. Szymanski, Basel. Es besteht ein beachtenswerter Gegensatz zwischen dem Mechanise mus des Handelns und das Denkens. Wenn das Handeln von vorneherein nach dem Prinzip der kürzesten Bahn abläuft!) oder wenigstens abzulaufen strebt, so arbeitet das Denken zunächst nach dem „Prinzip der großen Umwege“ und. steuert zum Schluß — wenn überhaupt — mehr oder weniger direkt auf sein Ziel los. Eines der prägnantesten Beispiele für die .auffallende Schwer- fällıgkeit des Denkens in der Verfolgung seiner Ziele gibt die ge- schichlichte Entwicklungder vergleichend psychologischen Forschung ab. Wenn man dıe erst in der neuesten Zeit abgeschlossene ‚Periode der Wissenschaft, in welcher ders, Rationalismus als beinahe einzige Fnsehingemefhnde vorherrschend war und während welcher die Divergenz der Meinungen über die Tierseele in solchen Antinomien wie die Automaten-Theorie von Descartes und die These von Rorarıius (quod anımalıa bruta saepe ratione utantur melius homine) gipfelte, außer acht läßt und sich den rezenten Untersuchungen auf diesen Gebiete zuwendet, so fällt zunächst auf, daß die eingangs erwähnte Eigen- schaft des Denkens sich auch jetzt geltend machte, wıe ans z.B. die neuesten Arbeiten über den Instinkt beweisen. Die Erforschung der Instinkte fing mit der Unteren der “= kömpliziertesten und sensationellsten, also am schwersten analysier- baren Erscheinungen des instinktiven Handelns an; und erst in der neuesten Zeit brach sıch der Gedanke Bahn, daß nicht die höchst- entwickelten, sondern eben die einfachsten, banalsten Äußerungen des 6) Jour. of an. Behavior 2, 1912, p. 87ff, Pflüger’s Arch. 170, 1918, S. 163 u. 8. 186. an Dez 1) Über dieses Prinzip s. meinen Aufsatz in Biol. Zentralbl. Bd. 27, 8. 282 ff, Sr w € 5 ’ £ J. 8. Szymanski, Gibt es ein außermenschliches Bewußtsein ? 565 -instinktiven Verhaltens, von den methodologischen Standpunkten aus, ‘die wertvollsten seien. Die Methodologie der Instinktforschung be- trat hiemit den Weg, der bereits zu manchem schönen Resultat ge- führt hat und noch bedeutend mehr zu versprechen scheint. Den gleichen Entwicklungsgang hat auch die Erforschung der höheren psychischen Erscheinungen bei den Tieren durchgemacht: Zunächst wurden die kompliziertesten zusammengesetzten Phänornene in Angriff genommen. Man wollte sofort wissen, ob die Tiere „intelligent“ sind, ob sie eine Disposition zur Begriffsbildung haben, ob sie denken u. dergl., ohne zunächst festzustellen, ob sıe fähıg seien, jene elemen- taren psychischen Phänomene zu! erleben, die eine notwendige Vor- bedingung dieser Vorgänge bilden; man verfuhr eben ähnlich jenem Metaphysiker, der die Unendlichkeit ergründen wollte, ohne den Zeit. begriff zu haben. - Aber auch hier hat sich allmählich ein Wandel vollzogen, oder vielmehr er vollzieht sich erst. Den Anfang machte die Gedächtnisforschung, welche die Richtung einer örhchst: einwandfreien Analyse der möglichst elementaren und unauffälligen diesbezüglichen Erscheinungen einschlug und bereits be- deutende Fortschritte erzielte. - — Hingegen lag die Erforschung der einfachsten Bestandteile des psychischen Geschehens bisher vollständig brach, jedoch fehlte es nicht gleichzeitig an Arbeiten über die Sprache der Tiere, über die Disposition zum Denken, zum Abstrahieren, zum Erleben der ästhetischen bezw. ethischen Gefühle u. s. f. > Und doch, wie ich zu glauben geneigt bin, ‘wäre eine möglichst genaue und einwandfreie Analyse der primitivsten psychischen Ele- mente das wichtigste und bedeutendste Problem der ganzen Dis- ziplin. Denn erst nach der Feststellung der Haupteigenschaften der ein- fachsten psychischen Inhalte der Tierseele und nach dem Vergleich derselben mit unseren gleichen seelischen Elementen könnten wir ein Urteil über die grundlegende prinzipielle Frage der vergleichenden Psychologie, und zwär ‘über ‘die Frage des tierischen, also außer- menschlichen, Bewußtseins fällen. Ich stelle mir vor, daß der einzige, erkenntnis-theoretisch wohl- begründete Standtpunkt, von dem aus diese Frage erfolgreich erörtert werden könnte, wäre: bei den Tieren das Vorhandensein solcher psy- chischen und möglichst elementaren Vorgänge, die bei den Menschen eben durch seine Disposition zum bewußten Erleben mitbedingt zu sein scheinen, einwandfrei festzustellen. Wie wohl bekannt, erhöht sich der methodologische Wert eines Analogieschlusses in dem Maße, je mehr Ähnlichkeit beide zu ver- gleichenden Phänomene aufweisen. Ist die Ähnlichkeit sehr groß, der Unterschied sehr gering und unsere Kenntnis des Goronstander ziem- 36* 564 J.S. Soymanski, Gibt es ein außermenschliches Bewußtsein? 2 lich ausgedehnt, so kommt der Analogieschluß seiner gültigen Induk- tion sehr nahe?). Es würde sich demnach darum "handeln, eine Untersuchungs- methode anzuwenden, bei der es gelingen würde, die Gleichheit eines elementaren psychischen Vorganges beim Tier und eines solchen beim Menschen, der eben durch die Disposition des letzteren zum be- wußten Erleben mitbedingt zu sein scheint, ın Hinsicht auf alle ob- jektiv feststellbaren Merkmale Hachzuweisen | Da bei derartigen Untersuchungen, die notwendigerweise mit der objektiven Methode ausgeführt sein müssen, der Sinneseindruck als Ausgangspunkt dient, und da die Disposition, Sinneseindrücke zu empfangen, bei-dem Menschen nicht notwendig mit der Disposition zum bewußten Erleben überhaupt zusammenhängt, so könnte die bloße Feststellung der Disposition der Tiere, Sinneseindrücke zu empfangen, nicht für den erwähnten Zweck vo weniet werden. | Aber auch die Disposition der Tiere zur, durch Ubung er- worbenen Unterscheidung zwischen zweien simultan empfangenen Sınneseindrücken ıst für das Dasein des tierischen Bewußtseins in- sofern nichtbeweisend, als auch der Mensch imstande ist, ähnliche Erfahrungen zu machen und zu verwerten, ohne dessen bewußt zu sein. Hingegen hängt wohl das Erfassen der Ähnlichkeitsrelationen aufGrund der partiellen und nicht sinnlich wahrgenommenen, sondern innerlich erkannten Identität zwischen einem rezenten und einem früheren, von diesem abweichenden und mit Bekanntheitsqualität be- hafteten Sinneseindruck mit der Disposition zum bewußten Erleben zusammen. = Hier lag also augenscheinlich einer der Angriffspunkte a die erfolgreiche Untersuchung des tierischen Bewußtseins. Dem Prinzip der großen Umwege gemäß, gelangte die ver- gleichend psychologische Forschung — geradeso wie De .der Unter- suchung der Instinkte — erst in der neuesten Zeit zu einer der- artigen einfachen Formulierung des ganzen Problems; über das wenige, was bisher zu einer Lösung beigetragen worden ist, a ich im weiteren kurz berichten; dabei sollen nur jene noch verschwindend wenige Tat- sachen, die, meinem Dafürhalten nach, eine N Interpretation. zulassen, berücksichtigt werden. Es wäre einer der vielleicht am teichtesten zu deutenden Fälle, wenn es gelingen würde, nachzuweisen, daß die Tiere imstande seien, einen Körper, also ein äreidimensionales Gebilde, und eine flächen- hafte also zweidimensionale Darstellung des gleichen Ongeltes als as liche Gegenstände zu erkennen. Die Interpretation‘ eines solchen Falles müßte darauf bis laufen, daß die Tiere die Ähnlichkeitsbeziehungen zu erfassen ver- möchten. bc 2) Vgl. hierzu J.S. Mill, Se der Logik 1873, Bd. 28, 101. a - N NT i 07: er S. nahe Gibt es ein ernenbellliches Bewußtsein? 565 > Ein derartiger Fall gelangte in Wirklichkeit neulich "zur experi- mentellen Beobachtung. Unter der Beachtung aller Kautelen ausge- führte Versuche lieferten nämlich den Nachweis, der Disposition der - Hühner zum Erkennen der Ähnlichkeit zwischen den plastischen und ‚mit Ölfarben gemalten einfachen geometrischen Figuren (einerseits ge- malte und andererseits gleich angefertigte Holzpyramide und Kugeln)?). Die Sinneseindrücke, die einerseits durch eine in Holz plastisch ausgeführte Figur, also ein dreidimensionales Gebilde und anderer- seits durch das gemalte Bild dieser Figur, also eineProjektion einesKörpers ‚auf eine Fläche, bedingt werden, weichen sehr bedeutend voneinander. x Es ist schwer anzugeben, was eigentlich Gemeinsames den beiden Sinneseindrücken zukommen könnte; denn selbst die Farbe, das Ober- flächenrelief und der Hintergrund gleichen nicht einander. Man - könnte wohl an gleiehe Lokalzeichen für gleiche objektive Breite- und Höhenwerte denken; aber, wie dies das positive Ergebnis eines, ad hoc angestellten Versuches, bei dem die beiden Holzfiguren ın _ einer total veränderten perspektivischen Ansicht — die Pyramide glich einem Dreieck, die Kugel einem, durch eine gerade Linie abge- grenzten Kugelsegment — den Hühnern vorgezeigt worden waren, vermuten läßt, können diese Lokalzeichen in den beiden Sinnesein- drücken rschieden ausfallen, ohne das richtige Erkennen der Figur zu beeinträchtigen. | Es bleibt nichts übrig als anzunehmen, daß die Hühner das Ver- hältnıs zwischen den verschiedenen, eine bestimmte Form ausmachen- - den Raumwerten bei dem Einprägungsvorgang erfaßt haben und nach- her imstande waren, dieses Verhältnis in den gemalten und gerade ge- sehenen Figuren, als jenem der früheren plastischen und mit Bekannt- -heitsqualität behafteten ähnlich, zu erkennen, Wie der soeben er- wähnte Versuch ahnen läßt, kann dieses Verhältnis, selbst trotz der total veränderten Ansicht der Figur im Raum, wieder erkannt werden. Hier liegt also ein Fall des nicht instinktiven Erfassens der Ähn- lichkeitsbeziehung zwischen zwei Sehdingen auf Grund der partiellen und nicht sinnlich wahrgenommenen, sondern innerlich erkannten, Identität vor, die alle abweichenden Bestandteile des ganzen Komplexes in einem bestiinmten Sinne hat deuten lassen. Da nun die Disposition zum Erfassen neuer Ähnlichkeitsbezieh- ungen ohne die allgemeine Disposition zu bewußten Erleben über- haupt kaum denkbar ist, wie wir dies auf Grund der Selbstbeobach- tung schließen müssen, wäre dadurch ein Beweis für das Dasein des tierischen, also außermenschlichen, Bewußtsein gebracht‘). 3): Nach einer Teinsigeschichikichen Überlieferung soll Zeuxis aus Heraklea Trauben so naturtreu gemalt haben, daß die Vögel kamen nach ihnen zu picken (K. Woermann, Geschichte der Kunst 1900, Bd. I, S. 294). Auch Lionardo da Vinei hat gesehen, wie die Schwalben herbeiflogen und sich auf gemalte Eisenstäbe, wie sölche an den Fenstern an Gebäuden hervorstehen, setzen wollten (L. da Vinci, Das Buch von der Malerei $ 14). x 4) Vgl. hierzu meinen „Versuch we die Disposition der Tiere zum Erfassen der | (on Druck; f ang. u m, a o A; Su EEE 566 J. S. Szymanski, Gibt es ein ANDERS Bewußtsein? Die weiteren, hier in Ker kommenden Tatsachen lieferte: in : den letzten Jahren W. Köhler, der nachweisen konnte, daß ein Schimpanse, der erlernt hat, en einem größeren nd einem kleineren Kasten zu unterscheiden, die beiden Kasten wieder richtig erkannte, unbeachtet dessen, daß sie nachher derart aufgestellt waren, daß der ‚größere Kasten infolge der vers poki dg Verkürzung ee kleiner als der kleinere erschien. Der gleiche Forscher konnte weiter zeigen, daß ein A; das zwischen einer schwarzen und einer weißen Fläche zu unterscheiden erlemmt hat, beide Flächen auch ın dem Falle richtig zu erkennen vermochte, wenn die Helligkeit‘ der weißen Fläche durch eine ent-. sprechende Beleuchtung geringer als jene der schwarzen gemacht worden war°). Es ist das Verdienst von H. Henning, die Bedeutung dieser Versuche für dıe Frage des tierischen Bewußtseins neulich hervorge- hoben zu haben °). | Obwohl die Interpretation dieser schönen Versuche, insbesondere des zweiten, wodurch die Gültigkeit des Herings’chen Phänomens der -Gedächtnisfarben für die Tiere nachgewiesen worden ist, nicht so leicht ist, stehen sie gewiß ın engem Zusammenhange mit der Dis- position der Tiere zum Erfassen der Ähnlichkeitsbeziehungen. Mit der Anführung dieser Tatsachen ist, meinem Dafürhalten nach, das kritisch gesichtete Material zu unserer Frage erschöpft. Denn die Deutung vieler anderer Versuche über die tierische Intelligenz, dıe an Affen, Waschbären u. s. w. angestellt worden waren und die viele interessante Tatsachen ermittelt haben, ist wegen der vielen unberechenbaren Faktoren, welche dabei im Spiel sein könnten, zu zweifelhaft und zu verwickelt, um methodologisch bee aus- fallen zu können. Es ist bisher noch nicht viel erreicht, jedoch die Horn welche sich hier öffnen, versprechen nicht wenig für die Erschließung der Seele. | Und schon jetzt läßt sich vorahnen, daß der neulich entbrannte Streit um die Tierseele zugunsten der Velen ger tierischen Be- wußtseins entschieden werden wird. a 5) W. Köhler, Optische Untersuchungen am Schimpansen und am Haushuhn (Abh. der preuß. AL d. W. 1915, Phys.-math. Klasse Nr. 5). 6) H. Henning, Zur Ameisenpsychologie (Biol. Zentralbl. Bd. 38, 5. 208). “ ex a A I A GE DREH an DEREN. |, ER ALTE, 7 Ar A. Meyer, Morphologische und physiologische Analyse ete. 567 Referate. Arthur Meyer: Morphologische und physiologische Analyse der Zelle der Pflanzen und Tiere. I. Teil: Allgemeine Morphologie des Protoplasten, ergastische | Gebilde, Zytoplasma. Jena 1920, 629 Seiten, 205 Abbildungen im Text. Der Verfasser des vorliegenden Buches hat sich die Aufgabe gestellt, die mikro- skopische Morphologie der Zelle und die Chemie ihrer Formelemente in umfassender Weise für Pflanzen und Tiere darzustellen und ihre. Beziehungen zur Leistung der Zelle zu analysieren. | Der vorliegende erste Band des Werkes bietet in den ersten vier Kapiteln zu- ‚ nächst allgemeine Erörterungen über "Morphologie, Physik und Chemie des Proto- plasten: die Zelle wird als eine Maschine geschildert, die selbstregulativ, auf Aus- lösungen hin Energie umformt, deren stets gleicher Ablauf im Aufbau begründet ist. - Der Protoplast wird als eine heterogene und vielphasige Flüssigkeit dargestellt. Das fünfte Kapitel enthält einerseits den Arbeitsplan des Verf. für die analytische Durcharbeitung der Zell-Bestandteile, andrerseits: die Definitionen für eine Anzahl neuer Termini. Den protoplasmatischen Organen (Zytoplasma, Trophoplasten, Kern) werden gegenübergestellt die „alloplasmatischen“ Gebilde (die durch direkte Umwandlung eines Plasma-Organs entstehen z. B. Geißeln). » Kapitel 6 behandelt die „ergastischen Einschlüsse“ („mikroskopisch erkenn- bare Formelemente der Zelle, welche nur aus rein chemischen Verbindungen bestehen und durch den Protoplasten völlig neu gebildet werden“). Ihre Massenteilchen be- zeichnet Verf. mit der Wortneubildung das „Ant“. Diese Ante werden ihrer physio- logischen Bedeutung entsprechend in Gebrauchs-, Abfall- und Stützgebilde unterschieden. Die sehr eingehende spezielle Darstellung, die Begriff, Morphologie, Physik, Makro- und Mikrochemie, Vorkommen und vorliegende Literatur berücksichtigt, befaßt sich an erster Stelle mit den Eiweiß-Einschlüssen: den Eiweißkristallen, dann den nicht kristal- linischen Eiweiß-Anten des Zytoplasmas und der Trophoplasten. Die „Ohondriosomen‘“ der Pflanzen werden als Reservestoffkörper, nicht als individuelle Zellorgane gedeutet; die Möglichkeit ihrer Umwandlung in Trophoplasten wird in Abrede gestellt. Hieran schließt sich die Besprechung der Chondriosomen bei Tieren, der Eiweißkörper pflanz- licher und tierischer Eier (wie Dotterkörper), der Aleuronkörner zuzüglich der Globoide, der Volutinkörper und Nukleolen. Den Eiweißkörpern folgen in ebenso eingehender Darstellung die Kohlehydrat- Ante (die verschiedenen Arten der Stärkekörner, das Glykogen und die GyeeBnens stärke), dann die Fett-Ante. Den bisher behandelten Inhaltskörpern, welche nach dem Verf. Reservestoffe dar- stellen, werden die Abfall- oder Sekret-Ante gegenübergestellt und die verschiedenen Arten der zellulären Sekretion geschildert. Speziell bearbeitet sind die früher als Leukosomen, neuerdings von Meyer als Assimilationssekret bezeichneten Inhaltskörper der Chloroplasten und das aus Öltropfen bestehende Mesophyli-Sekret, ferner die Schutzsekrete. Gleichzeitig werden die Fragen über deren Entstehung, Einschluß und ökologische - Bedeutung erörtert. In dem Abschnitt über die Zellsaft- Ante lehnt der Verf. de Vries An- schauung über die Entstehung derselben in besonderen „Tonoplasten“ ab. Einer Über- sicht über die Physik dieser Körper schließt sich eine Zusammenstellung über ihre chemischen Komponenten und deren ökologische Bedeutung an. Im 7. Kapitel (über das Zytoplasma) wird auf Grund der Untersuchung zahl- reicher lebender*und verschieden fixierter Objekte die Ansicht vertreten, das einschluß- freie Zytoplasma sei eine in jeder, auch in physiologischer Hinsicht homogene kol- loidale Lösung. Verworfen wird die Theorie, daß der Kern das allein-wesentliche Organ WE IE ge F, 568 K. Viets, Beiträge zur Kenntnis der Hydracarinen- Fauna norddeutschen sn 3: der Forkhllanzurne und Vererbung sei. Verf. bekennt sich ne wie J ohenngen = = als Gegner der Auffassung, daß die Erbeinheiten als morphologisch charakterisierte, Strukturen aufzufassen seien, wie dies gegenwärtig insbesondere seitens der Morgan- Schule geschieht. Am überraschendsten es, daß Meyer die Eiweißkörper nicht als Bausteine = der lebenden Substanz gelten läßt, Als Beweis führt er u.a. an, daß Bakterien Temperaturen, die Eiweiß zur Koagulation bringen, überleben. Die vererbbare Maschinenstruktur denkt sich Verf. in von ihm als „Vitülen“ (analog den Molekülen) bezeichneten chemischen Komplexen festgelegt. Diese sollen sich ihrerseits aus ,„Mionen“ (uen Elektronen annähernd entsprechend) aufbauen, die aus der Zertrümmerung von Atomen entstehen. Eingehend ist weiterhin eine große Zahl von Fixierungs- und Färbernellioden; darunter En die Vitalfärbungen, besprochen und bewertet. Dann folgen an Hand umfangreicher Tabellen Angaben über die bisher angestellten qualitativen und a | tativen chemischen A des Plasmas und der Kerne. Im letzten Abschnitt werden die „Plasmabrücken‘“ (Plasmodesmen etc.) besaglich ihrer Verbreitung, ‚Art, Form, Entstehung und ihres Nachweises bei Pflanzen und Tieren geschildert. Bi Gegensatz zur höheren Pflanze stellt das Tier nach Ansicht des Verfassers kein Konzellium dar. Das Werk bietet eine außerordentliche Zahl genauer Angaben -über die mikro- skopische Morphologie und Mikrochemie der Zelle und ihrer Einschlußkörper. Der kritischen Bearbeitung der ausgedehnten Literatur gliedert sich eine große Zahl von Sonderuntersuchungen zur Klärung der verschiedensten Spezialfragen an. Als Nach- schlagewerk dürfte das vorliegende Buch jedem, der über Zelle und Zellinhalt arbeitet, unentbehrlich sein. Karl Suessenguth. m Beiträge zur Kenntnis der Hydracarinen-Fauna nord- deutscher Quellen (Autor- Peer Von K. Viets, Bremen. Zoologische Arbeiten über die Tierwelt des Süßwassers brachten bis etwa um die Jahrhundertwende vor allem einfache Bestandsaufnahmen und — von Ausnahmen abge- sehen — bloße Listen der in einem Gewässer oder in einer Gewässergruppe beobach- teten Tiere. In dem resp. den letzten Dezennien konnte dann auf Grund der zu- sammengetragenen Einzeltatsachen an eine vergleichende Betrachtung der Faunen ge- gangen werden. Daraus resultierte eine immer bessere Kenntnis und vergleichende = Wertung der einzelnen Biozönosen und das Bestreben, die innerhalb einer Lebens- gemeinschaft geltenden Gesetze und die Zusammenhänge zwischen dieser und dem Lebensraume zu erkennen und klarzustellen. In einer jetzt abgeschlossenen Arbeit') über die Hydracarinen-Fauna besonders norddeutscher Quellen wird der Versuch gemacht, neben der Sicherung rein morpho- logisch-systematischer Ergebnisse die Ökologie dieser Tiergruppe darzustellen, die Be- ziehungen derselben zum Lebensraume aufzudecken und aus der Verbreitung Schlüsse = auf die vermutliche Herkunft einzelner Elemente zu ziehen. Die untersuchten Quellgebiete liegen größtenteils an den meist bewaldeten, stellen- weise ziemlich steil abfallenden Ufern einiger holsteinischer Seen (Diek-, Keller-, Selenter- und Ratzeburger See). Vergleichsfänge aus Quellen der Umgebung Bremens und aus Schweden ergänzten die Untersuchung. Die Quellen sind meistens Sickerquellen, bei denen in der Regel nur geringe Wassermengen aus dem in weiterem Umkreise auf- geweichten Boden hervorrieseln. Gelegentlich tritt das Wasser in kleinem Sprudel als Rheokrene zutage oder es bildet bei verhinderter Abflußmöglichkeit zunächst eine 1) K. Viets, Hydracarinen aus Quellen (Systematische und biologisch-faunistische Untersuchungen). — Aus der Hydrobiologischen Anstalt zu N Archiv f, Hydro- . biologie und Planktonkunde, N ” 14 > > . - Bi 15 55 i . nr; n K. V iets Beirige zur eennılk a naiien. Fauna norddeutscher Quellen. 569 " Fimpolquelle Eimnokrene). In allen Quellen ist das Wasser kühl; in den genau kon- trollierten Quellen am Diek- und Keller See erwies sich die Temperatur konstant (8° bis 900). Auffällig ist der geringe Sauerstoffgehalt des Wassers. (In einem Quelloch am Diek-See z. B. 0,29 bis 0,40 cem gelöster Sauerstoff pro 1 Wasser; normal absorbiert Wasser von 8° © 8,26 cem). Die Milben wurden durch Aussieben von Detritus, Moos und Blättern ete, ge- fangen. Inden norddeutschen ?) Quellen und Quellrinnen, von:denen einige der typisch- sten während eines Jahresverlaufes unter Beobachtung standen, fanden sich insgesamt 42 Hydracarinenformen (aus 14 Gattungen), von denen 21 für die Wissenschaft neu waren. Die festgestellten Genera sind Sperchon (mit 4 Formen: "davon 1 neu), T’hyas (7:3), - Thyopsis (1:0), Drammenia (2:1), Lebertia (11:11), Hygrobates (4:0), Megapus (2:2), Wettina (1:0), Acercus (1:0), Ljania (1:0), Mideopsis (2:0), Xystonotus (1:1), A-Thienemannia (1:1) und Arrhenurus (4:1). A-Thienemannia ist überhaupt .nov. gen.; Drammenia und Xystonotus sind für Deutschland, letztere auch für Europa noch nieht nachgewiesen gewesen. Es wurde der Versuch unternommen, die Einseitigkeit der Lebensweise, die für eine Reihe dieser Quelltiere darin besteht, daß sie nur in konstant kaltem Wasser auf- treten, kaltstenotherm sind, zu deuten aus der eigenartigen Verbreitung der Tiere und "ihrer vermutlichen Herkunft. Bei einigen der bekannten Arten geben die bisher ge- wonnenen Daten über Lebensweise und Verbreitung Anhaltspunkte dazu (so z. B. bei Sperchon-, Thyas-Arten und Hygrobates norvegieus) und bei anderen, neuen Arten (z. B. Lebertien) bietet die Kenntnis der Verwandtschaft einige Anknüpfungstnöglie :h- keiten. Es werden hierbei als typische Vertreter zweier in biologisch-faunistischer Hin- sicht unterschiedlicher Tiergruppen herausgegriffen die beiden Beier Arten Hygro- - bates norvegieus (Sig Thor) und Sperchon glandulosus Koen. Beide Milben sind _ kaltstenotherm, erstere in höherem Grade, wie ergänzend zu den alten Funden die neuen vom Diek- und Keller See zahlenmäßig belegen. Hygrobates norvegicus bewohnt jetzt vorwiegend Gewässer (Bäche und Quellen) des hohen Nordens und der Alpen, tritt im Zwischengebiete jedoch nur sporadisch in einzelnen kalten Quellen auf (Vogesen, - Schwarzwald, Erzgebirge, Holstein). Sperchon glandulosus demgegenüber ist im ganzen Zwischengebiete relativ häufig und verbreitet und lebt hier in vielen Bächen der Mittel- gebirge und auch im Tieflande. Die ökologische Inkongruenz beider. Arten, das Kri- terium für die Beurteilung der Fragen nach der vermutlichen Herkunft liegt in der verschiedenartigen Verbreitungsweise, in der (positiven oder negativen) Fähigkeit und Energie der Tiere, neue ‚geeignete Wohngebiete aktiv durch Wanderung oder passiv durch Transport ‚(z. B. auf Wasserinsekten) zu besiedeln. Dem Hygrobates muß die | Fähigkeit zu aktiver oder passiver Verbreitung’auf Grund*der bekannten jetzigen ge- "ringen Verbreitung im Zwischengebiete für dieses und seit Bestehen der heutigen ther- mischen. Verhältnisse abgesprochen werden. Die genannte Sperchonide jedoch wird noch jetzt die Möglichkeit haben, geeignetes Neuland im Zwischengebiete zu erobern. - Anderenfalls wäre das heutige Verbreitungsgebiet nicht so groß und nicht so konti- nuierlich. Es ist zuzugeben, daß bei dieser Schlußfolgerung sozusagen nur wenige sichere Prämissen gegeben sind; wichtige Anhaltspunkte. z. B. betreffs Entwicklung, Lebensweise etc. fehlen uns in mehr oder minder hohem Maße. Die jetzige Verbreitung von Hygrobates norvegicus im temperierten Zwischengebiete ist nur -verständlich unter der Annahme, daß diese Art in die jetzigen Wohnorte gekommen ist, als dort allgemein, im Gesamtgebiete noch solche thermischen Verhältnisse herrschten und ein Eindringen in irgend einer Weise ermöglichten, wie solche jetzt dort nur noch in einigen isolierten, zer- streuten, diskontinuierlichen Lebensstätten bestehen, also als eiszeitliche Thermik dort. herrschte. Der genannte Hygrobates ist daher als Vertreter und zwar unter den Hydra- carinen als ein Typus der glazialen Relikte aufzufassen, sobald er im Zwischengebiete auftritt. Gleichwertig mit Hygrobates norvegicus sind auch Sperchon squamosus und einzelne Lebertien. Alpine und (oder) hochnordische Wohnstätten mit noch jetzt glazialer Thermik der Gewässer mögen die Urheimat dieser Tiere darstellen; dort sind diese Tiere 2) Die schwedischen Fänge bleiben hier außer Betracht. 570 K&. Viets, Beiträge zur Kenntnis der dealer Fauna worddeutscher. Quellen. | Er 1% nicht glaziale Relikte. Kleine Kolonien wurden mit Abschluß der Figreiken & Zehen. = .gebiete zurückgelassen in geeigneten, im Vergleich zum Gesamtcharakter des Gebietes fremdartigen Biotopen und erhielten sich dort, weil wie in diesem Falle als ausschlag- gebender Faktor die Thermik des Wassers unverändert erhalten blieb; sie hätten im anderen Falle zugrunde gehen müssen. . Die ‚‚Verbreitungsökologie“, der relative Kosmopolitismus des Sperchon anluloses verbietet, diese Art der gleichen Gruppe zuzurechnen. Dieser Sperchon, dazu Megapus nodipalpis, Ljania und Drammenia, gehören in die Gruppe der „kaltstenotkermen Kosmopoliten‘“. Der unmittelbare Zusammenhang mit der Eiszeit besteht betreffs der Verbreitungsweise bei diesen Tieren nicht. Eine dritte Gruppe der kaltstenothermen_Quellmilben sind endemischen Charakters oder solche mit sehr begrenztem Verbreitungsgebiete. Sie erscheinen in ihrer Eigen- schaft als kaltwasserliebende Quelltiere aus einem im allgemeinen durchaus eurythermen, dazu großen Verwandtschaftskreise herausgelöst. Sie scheinen in thermischer Hinsicht eine Gruppe mit besonderer, sekundärer Anpassung. an das Quelleben darzustellen. Dorthin gehören A-Thienemannia Schermeri n. g. n. sp. und Arrhenurus fontinalis n. sp. Bei letzterem hat die ökologische Eingliederung in den Lebensraum der Quelle, der Zwang zu kriechender anstatt schwimmender Fortbewegungsweise als neue mor- phologische Anpassung die starke Reduktion der bei den (etwa 200) eurythermen, im wahrsten Sinne des Wortes kosmopoliten Verwandten hervorragend Schwimm- organe zur Folge gehabt. g Die Vertreter der drei genannten Gruppen. stehen zum Quelleben in engster Be- ziehung; sie müssen teils als Krenobien, mindestens aber als Krenophile bezeichnet werden. Daneben finden sich, seltener in der Quelle, eher im quelligen Abflußbächlein, gelegentlich Vertreter der Bachfauna, rheophile Tiere, mit auch noch mehr oder minder starkem Verlangen nach Kaltwasser, z. B. Hyarobates nigro-maculatus und H. naieus oder Wettina podagrica Als Gäste im Biotop (Krenoxene) treten dann hin und wieder Teichmilben, Tiere eurythermen Charakters, mehr oder minder Ubiquisten in die gleiche Lebensgemeinschaft ein, z.B. T’hyas-Arten, Thyopsis, Mideopsis und einige Arrhenurus- - Arten. Einige mögen einer ganz- zufälligen Verschleppung ihr Dasein in einer. der Quellen verdanken (Mideopsis). Thyopsis, in Quellen, Bächen, Teichen und Salzwässern ‚gefunden, ist wohl ausgesprochener Ubiquist. Dem Arrhenurus eylindratus wird eine weitbegrenzte Eurythermie gestatten, auch in kaltem Wasser zu leben und sich sogar fortzupflanzen, wenn nur die Wasserbewegung gewisse Grenzen nicht übersteigt oder in geeigneten Pflanzengenossenschaften des Wassers ruhige Bezirke zur Verfügung stehen. Die erwähnte ee Kontrolle einiger. Quellgebiete während längerer Zeit er- möglichte eine genaue Individualstatistik, die einmal einiges zum Problem der Verbrei- tung beitrug, ‘dann aber &uch über Frequenz, Verteilung der Geschlechter und eventuell jahreszeitliches Auftreten einiger Formen Aufschlüsse erbrachte. Zunächst ergab sich die große Übereinstimmung der Faunen der Quellen am Diek-See mit denen am Keller See. Acht Arten von je zehn sind beiden Quellbezirken gemeinsam. Als häufigste Spezies tritt überall in den typischen Kaltquellen Hygrobates norvegicus auf, nächst- dem Arrhenurus fontinalis und A-Thienemannia. Für Sperchon glandulosus sind die Lebensbedingungen in den thermisch minder extremen Quellchen am Selenter und Ratze- burger See günstiger: auf 36 Hydracarinenquellen kamen hier 58 % glandulosus-Quellen, am Diek- und Keller See nur 20 %. Für einzelne Arten, deren Geschlecht ohne Zergliederung des Tieres einwandfrei : festzustellen war, ergab sich ein. deutliches Überwiegen der vor den männ- _ lichen Tieren, z. B. bei Hygrobates norvegieus 39 Y dd, 61% 292; A-Thienemannia 20% dd, 80 % 99; Arrhenurus Fontinalis 36% dd, 5X 28. Ein Entwieklungsrhythmus, ein jahreszeitliches Ansteigen oder Absinken der Indi- viduenzahl läßt sich bei Hygrobates norvegicus nicht, BR Auch das Auftreten von Nymphen dieser Art während eines großen Teiles des Jahres macht das Bestehen einer an eine bestimmte Jahreszeit gebundenen Fortpflanzungsperiode unwahrscheinlich. Es ist dies Verhalten einleuchtend, da in den Quellen in thermischer Hinsicht ein Wechsel der Jahreszeiten nicht eintritt und hier sozusagen dauernder Winter herrscht, u BEA Ey; % ee ET A A, TEL DE RE Zen wre, Mr % z 2 Sn Bars u ö ji hr ve SAT u EN D hr _N.G. Lebedinsky, Darwin’s geschlechtl. Zuehtwahl u. ihre arterhalt. Bedeutung. 7A Lebedinsky, N.G. Darwin’s geschlechtliche Zuchtwahl und ihre arterhaltende Bedeutung. Basel 1918. Helb. u. Lichtenh. Ders,, Geschlechtsdimorphismus und Sexualselektion. Verh. Natf.-Ges. Basel... Bd. XXX, 1919. Darwin und Weisman n haben unterschieden zwischen Produkten des Existenz- kampfes — die sich durch ihre arterhaltende Qualität auszeichnen (natürliche Zucht- wahl) — und Produkten die Rivalität der Geschlechtsgenossen — denen jede art- erhaltende Bedeutung. abgehen kann “geschlechtliche Zuchtwahl). — Wallace hatte dagegen geltend gemacht, die natürliche Zuchtwahl . müsse ‚jeden Versuch, bloße Zieraten zum Gegenstand einer, Zuchtwahl zu machen, völlig vereiteln, sofern nicht die am schönsten verzierten Indivdiuen zugleich die „geeignetsten in jeder andern Hinsicht sind.‘ Das ist auch der ungefähre Grundgedanke und Ausgangspunkt Lebe- dinsky’s. Während aber Wallace weiter folgert:- „wenn aber ... eine solche Wechselwirkung vorhanden ist, bedarf es auch keiner ändern Art der Zuchtwahl um solch einen Schmuck zu erklären‘, so vertritt L. vielmehr die Überzeugung, sein ver- vollständigtes Darwin’sches Prinzip der Sexualzüchtung stelle zu- sleich einen mächtigen Faktor der Verbesserung der Arten, wie auch der Entwicklung der schmückenden Sexualcharaktere dar. Um das zu begründen, erinnert L. zunächst an die Untersuchungen von Harm’s, Meisenheimer, Tandler und Groß, sowie an Beobachtungen von Darwin und Brehm, aus denen hervorgeht, „daß der individuelle Ausbildungsgrad: der sek. Ge- schleehtscharaktere ... . mit dem Stoffwechselzustand des Organismus in direkter Kor- relation steht.“ Den Gonaden der Wirbeltiere kommt außer der Bildung der Ge- schlechtszellen auch noch eine innere Sekretion zu, welche die Entfaltung der soma- “tischen Geschlechtsmerkmale geradezu beherrscht. Besonders empfindlich erweisen sich _ bekanntlich diejenigen mit zyklischer Entwicklung, wie Daumenschwielen der Batrachien, Geweihe der Hirsche‘u.s.w. Völlig entgegengesetzten Verhältnissen begegnet man allerdings bei Insekten; doch auch ‚die Geschlechtscharaktere der Insekten sind nicht allen Einflüssen des Stoffwechsels im Organismus entzogen. Vielmehr gibt es noch eine Abhängigkeit dieser sekundären Merkmale, die zwischen den einzelnen Abteilungen des Tierreichs keinen Unterschied kennt“. „Krankheiten bakteriellen Ursprungs, dauernde Schwächezustände aller Art, sowie schädigende Einflüsse der Außenwelt im engeren Sinne verursachen bekanntlich im Organismus untereinander verkettete Reak- tionen, die sich äußerlich nicht selten in einer Veränderung der Färbung des Integu- ments und seiner Adnexe, sowie in der Formumbildung einzelner Körperabschnitte dokumentieren können. Ganz besonders empfindlich gegen solche Einflüsse erweisen sich alle farbigen und plastischen sekundären Merkmale der Männchen, so daß der individuelle Ausbildungsgrad all dieser, Hörner, Geweihe, Mandibeln, Mähnen, Bärte, Haar- und Federschöpfe, sowie des Farbenschmuckes in weitem Maßstabe vom Gesundheitszustande ihres jeweiligen Besitzers abhängt. Kräftige Individuen prangen geradezu in Farben- pracht und Formenfülle, während schwächliche Männchen oft eine bescheidene Ent- _ wieklung ihrer Sexusmerkmale zeigen.“ Mögen nun die Sexusmerkmale in Korrelation seen. mit. der allgemeinen Ge- sundheit und Kraftfülle des gesamten Organismus oder speziell dem Ausbildungsgrad der Gonaden entsprechen, in jedem Falle kennzeichnen sie den Wert ihres Trägers als Zuchttier; sie sind dessen auffälligster Gradmesser. — L. kennzeichnet das treffend mit dem Terminus „Manometer-Prinzip.“ Die Beantwortung der Hauptfrage nach der arterhaltenden Bedeutung der Sexualselek- tion fällt nun nicht mehr schwer: Die Nachkommen von Weibehen, welche sich auffällig gefärbte oder plastisch geschmückte Männchen wählen, erben „als Weibchen neben dem - Sondergeschmack der Mütter auch noch die väterliche trotzende Gesundheit, als Männ- chen aber: mit der Kraftfülle Be Vaters auch seine en Sohmuekehaner Are: = Solche Nachkommen sind erfolgreicher im Kampf ums Dasein, bewahren und ent- wickeln die Eigenschaften ihrer Linie — ‘so daß die geschlechtliche Be werden kann als eine arterhaltende Anpassung. Vor Lebedinsky haben auch Morgan und Lenz über gesundheitsfördernde | Wirkungen der Sexualselektion geschrieben, ohne aber in Betracht zu ziehen, welche Be- deutung die ästhetischen sek. Geschlechtsmerkmale durch korrelative Beziehungen er- langen können. Sein Prinzip gestattet nun L. die Lösung einiger alter Streitfragen. bedas Rätsel. warum von nahverwandten Arten die einen geschlechtlich dimorph, die andern uniform sind. Die Lebensbedingungen und -gewohnheiten der Arten sind niemals ganz gleich, und es kann darum vorkommen, daß, „während die eine Art einfach durch strenge Naturzüchtung auf gesundheitlich hohem Niveau gehalten wird, eine andere, ihr nahe verwandte, aber unter leichteren Bedingungen lebende Spezies, ‚gerade des- _ wegen einer verbessernden Mitwirkung der geschlechtlichen Zuchtwahl bedarf“. Die Tatsache, daß fast durchweg das Männchen sich durch ästhetische Merk- male auszeichnet, soll ihren Grund darin haben, daß die Weibchen — durch Ausbil- dung der Eier, intrauterine Ernährung der Föten und Aufziehen der Jungen besonders in Anspruch genommen — einen viel strengeren Kampf um die Existenz führen müssen, als die Männchen. ,‚‚Die Weibehen werden also auch dann noch der Natur: . züchtung unterstehen, wenn die männliche Asthälfte bereits der richtenden Hand der geschlechtlichen Auslese bedarf, um gesundheitlich und allgemein konstitutionell auf gleich hohem Niveau zu bleiben.“ Arten (Rassen), deren Weibchen schmuckere (und damit kräftigere) Männchen so- gar den Siegern im Zweikampf vorziehen, können: damit größere Aussicht gewinnen, vor der natürlichen Auslese zu bestehen. — Wenn nämlich das Übergewicht des Siegers nicht auf größerer Kraft, sondern allein auf vollkommeneren Waffen beruht. — So ‚erklärt sich die häufig nachgewiesene Umwandlung von Waffen in Zierstücke. Und endlich gelingt auch die Auflösung des Problems der dimorphen menogamen (reschlechter mit ungefähr gleicher Männchen- und Weibchen-Zahl. L. erinnert daran,‘ daß die Brunst der Weibchen meist nach relativ kurzer Zeit — oft wenig Tagen oder Stunden — erlischt. Es ist also mit Sicherheit vorauszusehen, daß weder Weibchen noch Männchen sämtlich zur Kopulation kommen. Ist nun ein Teil der Weibchen mit Wahlinstinkten begabt, so haben offenbar die schöneren Männchen mehr Aussicht, zur Begattung zu gelangen, als ihre bescheideneren Artgenossen. Bei den Weibchen da- gegen ist anzunehmen, daß auch die wählerischen unter ihnen, wenn sie nur mit einem ° einzelnen Männchen zusammen treffen, sich diesem hingeben. : Denn das Wahlver- mögen wird sich nur betätigen, wenn mehrere Männchen gleichzeitig um die Gunst des Weibehens werben. Die Weibchen mit Wahlinstinkt haben demnach gleich sroße Aussicht, zur Fortpflanzung zu gelangen, wie die nicht wählerischen.. Doch werden. die-ersteren häufiger mit den schöneren (kräftigeren) zur Paarung kommen, Diese beiden Faktoren möchten genügen, um den ‚Eigenschaften der geschmückten Männchen wie auch der wählerischen Weibchen das Übergewicht im Kampf ums Da- sein zu verschaffen. Lebedin sky's Hypothese wird der Einwurf nicht erspart. bleiben, daß es bei E der Voraussetzung einer Korrelation Sexusmerkmal X. gesundheitliche und konstitutionelle Tüchtigkeit einer Sexualselektion nicht mehr bedürfe, indem die N aturzüchtung | allein. schon ausreiche, solchen Formen das Übergewicht zu geben. Bei der Beurteilung der vorliegenden Arbeiten wird man nicht vergessen dürfen, daß der Autor — wie er selber feststellt — auf zwei unsicheren Grundlagen aufbaut: „Wie weit erstreckt sich überhaupt der Wirkungsbereich der Sleektion ?“ Können durch sie wirklich die Eigenschaften gesteigert, formuliert werden? — Die Bejahung dieser Frage ist eine der Voraussetzungen; die andere besteht in der Annahme, es seien in der männlichen Linie erbliche Zieratehvarialionen aufgetreten, die von Anfang an in enger Wechselbeziehung standen mit der kräftigen Konstitution und dem Ge- _ a de _ 7 a x EEE N { ld in In FREE NCERNE Bee 17 PR en ” y - ar gt X j ERS, wre 7 ER: e% Fe 3 a Fe a nl N r > jr > er ei Dr Bois- Bono Fupendbriefe an Eduard Hallmann 573 j ehatnd des Örganismus, bezw. mit dem Ausbildungsgrad der Gonaden. Auf die Ursachen, welche solche neuen Eigenschaften und Eigenschaftskomplexe hervor- bringen, können weder Natural- noch Sexualselektion ein Licht werfen, und der Ver- > fasser muß denn auch die Bearbeitung dieser Aufgaben der Entwieklungsmechanik und der 'Phänogenetik zuweisen. . Witschi, Emil Du Bois-Reymond. Jugendbriefe an Eduard Hallmannn, Zu seinem hundertsten Geburtstag, dem 7. November 1918, herausgegeben von Estelle | „Du Bois- Reymond. Berlin 1918. Dietrich Reimer (Ernst Vohsen). 8°. 155 Seiten. = s Preis: 5.50 Mark. - Mit einem Satze: Ein Buch, das man nicht nur einmal liest, sondern in dem man immer wieder blättern wird, weil die” Briefe ein Großer in seiner Jugend schrieh. Estelle Du Bois- Reymond hat uns zur Wiederkehr des 100. Geburtstages ihres Vaters (7. Nov. 1818) mit einer Ausgabe seiner Jugendbriefe an den um fünf ‘Jahre älteren Mediziner Eduard Hallnaen beschenkt, dem Du Bois den Übergang von mathematischen Studien zur Naturwissenschaft und Medizin verdankt. Aus den Briefen lernen wir den Meister nun auch in den Jahren der Entwicklung (1839-1850) - kennen. Schon derselbe Esprit — ein Vererbungsmerkmal seiner französischen Vor- fahren —, derselbe Witz, die gleiche Liebe für die schöne Literatur wie später. Das ganze medizinisch- naturwissenschaftliche Milieu eines Berlin der vierziger Jahre ersteht wieder vor. uns in diesen Briefen. Mit knappen und oft verteufelt scharfen Worten _ umreißt er in ihnen die Menschen seiner Umgebung; mit großer Liebe spricht er aber - auch von einigen akademischen Lehrern (z.B. von Johannes Müller) und Studien- genossen (2: B. von E.W. Brücke und H. Helmholtz). Das gärende politische Berliner Leben charäkterisiert er knapp und treffend. Er ist. ein waschechter Demokrat. Doch wendet er sich schließlich entsetzt über die u Wirklichkeit“ des „plattesten Radi- kalismus“ zurück zur sogenannten „Reaktion“ (8. 128). R E "Wir steigen mit dem jungen Du Bois er in die diversen Examina, fühlen mit -- ihm die öftere Ebbe seines Geldbeutels, sehen ihn von 1841 an mit literarischen, tech- nischen und experimentellen Studien zur „viehischen [!] Elektrizität“ mit einem „zur - zweiten Natur gewordenen Trieb“ beschäftigt, leben mit ihm noch einmal die Forscher- freuden und -leiden durch, ehe zu Michaelis 1848 der erste Band seines epochalen Werkes an die Öffentlichkeit tritt, des ersten physiologischen Buches ‚in dem Verse . und Integrale zugleich vorkommen“, wie er selbst schreibt. Dem Biologiehistoriker sind diese Jugendbriefe eine wertvolle neuerschlossene - Geschichtsquelle. Aber auch dem anderen Bölogischen Leser werden diese köstlich _ lebendigen Briefe. zu einer Quelle werden, zu einem Bronnen, aus dem das „Mensch- _ liche“ auf den Menschen überströmt. eher werden Du Bois’ Jugendbriefe an Hall- _ mann überall Lust zur geschichtlichen Betrachtungsweise auslösen“ und vom ‚Vorurteil befreien helfen, daß Naturwissenschaftsgeschichte eine kalte Reihe von Namen, Jahres- zahlen, Gesetzen und Ergebnissen ist, unter die man zum Schluß einen Strich setzt und: die man dann zur Summe aufaddiert, Das bleibt nur das äußerste Äußere, Menschen mit ihrem Fühlen und Wollen sind es jedoch, die das innerste Innere der Wissen- schaftsgeschichte ausmachen '). IR - Zunächst ist es bei allen biographischen Kommentaren von Briefausgaben in der Tat sehr schwer, das Wesentliche herauszuheben. Zu empfehlen sind dann stets in ER Linie die Artikel in den 55 Bänden der „Allgemeinen Deutschen Biographie“ 2 -1) -Um: die Empfehlung der Briefsammlung nicht wieder in etwas Nebensäch- 2 lichem abzuschwächen, bringe ich in dieser längeren Fußnote einige Verbesserungen — - v ui F t RN ME } 574 Emil Du Bois-Raimond,. Jugendbriefe an Eduard Hallmann. | x En z Eur (München 1875—1910; Generalregister v. J. 1912) und in den bekannten ausländischen Biographien, auf welchor in genauer Zitierung hingewiesen werden müßte. Gerade über eine Reihe in den vorliegenden Briefen in Frage kommender Persönlichkeiten enthält die ADB, besonders in den Nachtragsbänden, ausführliche Artikel. Hoffentlich folgt man künftig ganz allgemein diesem erprobten Ratschlag. : ee Nun aber einige Verbesserungen. Ich folge dem Alphabet. J. Fr. Dieffen- bachs Geburtsjahr ist 1794, nicht 1795. — Der auf S. 109 genannte Diesterweg ist ohne Zweifel der bekannte Volksschulmann, der-jedoch Friedrich Adolf als Vor- namen führt und nicht Adolf Wilhelm (denn dieser Diesterweg wäre ein schon 1835 verstorbener Bonner Mathematiker); nicht 1852 ward F.A. Diesterweg nach Berlin berufen, sondern schon 1832. — Die Vornamen von Döbereiner sind Johann Wolfgang. — Alex. Fr. Wilh. Duncker lebte von 1813 bis 1897. — Anton Hallmann ward 1812 geboren. — Johann Jacoby war Arzt und sozialistischer Ab- geordneter. — Jüngken führte die Vornamen Joh. Christian. — ‚Professor Koch aus Jena“ (S. 117) möchte ich mit Sicherheit als den damaligen Jenaischen Botaniker Karl Heinr. Emil Koch (1809—1879) ansprechen, der 1847 endgültig nach. Berlin übersiedelte, wo er 1849 Adjunkt am Botan. Garten wurde. — Der auf $. 90 in einer ergötzlichen Szene auftretende Generalarzt Lohmeyer (Joh. Karl Jac.) lebte von - 1776 bis 1852. — Wilhelm (K. Hartw.) Peters, der Reisende und Naturforscher, starb erst 1883, nicht schon 1833. — Der ganz zu Anfang (auf 8. 15 und 17) vom jungen Du Bois sarkastisch gezeichnete Jenenser Professor Suckow wäre, wenn es sich wirklich um den Mineralogen und Kristallographen handelt. Gustav Suckow (1803—1867). Ich bemerke, daß dessen Vater, Wilh. Karl Friedrich Suckow, in Jena neben Medizin auch Pharmakologie und Toxikologie las. — Der Berliner Kliniker Traube starb 1876, nicht 1875. — Das Geburtsjahr des Theologen Twesten, Schleiermachers Nachfolger, ist: 1789, nicht 1798. — und Wünsche, die lediglich den von der Herausgeberin beigefügten „Anhang“ (S. 135 ff.) betreffen. In der „Einleitung“ (S. 1-10), die uns über Du Bois-Reymonds Verhältnis. zu Eduard Hallmann aufklärt, sagt die Herausgeberin, daß man Ungenauigkeiten und Lücken des „Anhanges“, der allerlei über die in den Briefen erwähnten Persön- lichkeiten: bringen soll, nachsichtig beurteilen möge, weil der Krieg ihr die Mithilfe von Universitätslehrern und Arzten entzogen habe. Diese erbetene Nachsicht ist ihr gewiß. Doch werden vielleicht manchem Leser, sicherlich aber der Herausgeberin für eine kommende Neuauflage — an die ich glaube — einige Verbesserungen nicht ganz unwillkommen sein. Dresden-A, Rudolph Zaunick L. Armbruster, Bienenzüchtungskunde. 5 Ludwig Armbruster: Bienenzüchtungskunde. Versuch der Anwendung wissenschaftlicher Vererbungslehren auf die Züchtung eines Nutztieres. Erster, cher Teil mit 22 Abbildungen und 9 Tabellen. Band I der Pi {ee} Bücherei für Bienenkunde Verlag von Th. Fisher, Leipzize und Berlin 1019. Preis: {op t 7.20 Mk. Armbruster’s „Bienenzüchtungskunde“ hat eine wichtige Aufgabe. Sie ist in erster Linie dazu bestimmt, die Kenntnis der modernen Vererbungslehre in die Kreise der Bienenzüchter zu tragen und dadurch eine Revolutionierung der bisherigen, in der Imkerei üblichen Zuchtmethoden herbeizuführen. Züchterischen Bestrebungen zur Ver- edelung der Honigbiene begegnet man ja seit langem in allen hulturländern, und an Schriften über Rassenzucht und Königinnenzucht ist kein Mangel Aber allen bis- herigen Autoren sind die Ergebnisse des Mendelismus fremd geblieben, oder jedenfalls verstanden sie es nicht, sie in der Bienenzüchtung richtig anzuwenden. So fehlte den bisherigen Züchtungsbestrebungen völlig eine exakte Grundlage, die Art und Weise, wie man züchtete, war Modesache. Armbruster unterscheidet geradezu drei Zeitalter der Züchtung. Im Zeitalter der „Akklimatisation“, das Dzierzon inaugurierte, sah man- das Heil der Bienenzucht in einem möglichst regen Import südlicher, heller Bienen. In der zweiten Epoche suchte man durch Königinnenzucht mit verfeinerten Hilfsmitteln ‚die Rasse zu heben. Und heute, in der dritten Epoche, wendet man ein Verfahren an, das dem der Akklimatisation direkt entgegengesetzt ist: die Einfuhr fremder Bienär- völker ist verpönt, die Reinigung der einheimischen Bienen von dem „fremden Blute“ wird als wünschenswertes Ziel bezeichnet, eine möglichst einfarbige schwarze Biene wird “als das Ideal betrachtet, die Farbe wird direkt als Gradmesser für die Leistungsfähig- keit angesehen. Es soll zugegeben werden, daß trotz dieser Unklarheit in den Züchtungs- gr andsätzen mancher Erfolg erzielt wurde. Aber die Erfolge waren meist das Resultat ‚langen Herumexperimentierens und standen in keinem Verhältnis zur Zahl der Miß- erfolge. Es ist jetzt in der Tat höchste Zeit, daß durch Anwendung wissenschaftlicher = Forschungsergebnisse die Bienenzüchtung wirklich rationell betrieben wird. 'Eine auch nur einigermaßen abgeschlossene Bienenzüchtungskunde läßt sich aller- dings heute noch-nicht schreiben, und manch einem wird vielleicht überhaupt Arm- bruster’s Werk verfrüht erscHeinen, denn auch. die Vererbungswissenschaft hat sich bisher mit der Biene noch kaum befaßt, es liegen nur die ersten Ansätze zu Vererbungs- studien mit Bienen vor. Aber man kann Armbruster nur beipflichten, wenn er es jetzt schon für geboten hält, „auf veraltete Grundsätze hinzuweisen und an der Hand moderner zur Mitarbeit im einzelnen anzuregen“. Die populär-wissenschaftliche Darstellung des Mendelismus' ist Armbruster vortrefflich gelungen. In anschaulicher, bisweilen mit Humor gewürzter Form wird der Leser mit den Mendel’schen Regeln vertraut gemacht, er lernt das Wichtigste über die stoffliehen Grundlagen der Feeling kennen, von gekoppelten Becher von Polymerie, von der Bedeutung der Inzucht ist die Rede, es wird der Unterschied zwischen Modifikation, Kombination und Mutation erklärt, kurz der Verfasser erörtert alle Grund- - tatsachen der Vererbungslehre in einer auch dem Laien verständlichen Sprache. Sehr gute Schemata und Abbildungen erleichtern noch das Verständnis des Textes. "Originell sind die „Merksätze“, die jedem Kapitel beigefügt sind, und in denen die Quintessenz des behandelten Stoffes dem Leser nochmals eindringlich und wirkungsvoll dargeboten wird. Dafür einige Beispiele. Wie überhaupt bei den Tierzüchtern, so spielt auch unter den Imkern die Galton’sche Vorstellung vom Ahnenerbe noch eine große Rolle. Die Unhaltbarkeit dieser Anschauung wird an der Hand der Mendel’schen Vererbung ‘dargelegt, und dann heißt es zum Schluß: „Die größte Überraschung, welche der 'Mendelismus brachte, ist die, daß ein J Junge mit seinem Ururgroßvater SE näher „ver- wandt“ sein . (in der Erbanlage übereinstimmen) kann als mit seinem Vater oder Bruder.“ Über die Inzucht ‚wird folgender Merksatz gegeben: „Bei der Biene keine unnötige Angst vor der Inzucht! Die Inzucht, verbunden mit scharfer Sichtung, 576 Eee E ar: Bienenzfichtungskunde. B + bringt Vorteile! Wende ie bolmler acht mehr an als nötig “ Der Vorteil der a Züchtung einheimischer Bienen einerseits und der Wert des Importes fremder Bienen, der „Akklimatisation“, andererseits wird in dem Satz zusammengefaßt: „Man kann das Gute, das naheliegt, schätzen, und darf trotzdem in die Ferne schweifen.* Daß die Darstellung nicht gerade in allen Teilen geglückt ist, sei nicht verschwiegen. Das gilt vor allem von dem Kapitel, in dem von der Vererbung der geschlechtlichen "Anlagen die Rede ist. Über diese Frage wäre doch wohl auch einiges Wissenschaft- liche zu sagen gewesen, statt dieser Auseinandersetzung mit den phantastischen An- sichten eines um die Praxis zwar sehr verdienten, in Vererbungsfragen aber, trotz seines Interesses für diese, icht zuständigen Imkers. Besonders wertvoll scheinen mir die Kapitel zu sein, in denen die speziellen Vererbungserscheinungen der Honigbiene behandelt werden. Hier findet man manches Neue. Freilich, auf Experimente kann sich, wie gesagt, der Verfasser vorläufig kaum stützen, es bleibt bei einer theoretischen Darlegung. Infolge der haploid- parthenogenetischen Entstehung der Drohnen ist ja die Biene für Vererbungsstudien ein besonders inter- essantes Objekt. Die Drohne hat keinen Vater, sie erhält ihr ganzes Erbgut von der Mutter, und dieses ist azygot, das Erbfaktorensortiment ist im Gegensatz zur Königin und Arbeiterin bei der Drohne nur einmal vorhanden. So kann es bei der Drohne keine rezessiven Eigenschaften, die nicht in Erscheinung treten, geben, die Drohne ist . sozusagen ein „personifizierter Gamet“, und die Gameten, die dieser personifizierte Gamet hervorbringt, müssen, was ihr Erbgut anbelangt, alle ihm gleich sein, sie sind sämtlich isogen. Diese Tatsachen haben zur Folge, daß die Ahnentafel einer Biene wesentlich en aussieht als die eines Lebewesens, das sich ausschließlich zweigeschlechtlich fort-. pflanzt. Bei den Ahnen einer Biene verhalten sich die Geschlechter nicht wie i-21%1;:: sondern etwa 61,8 % der Vorfahren sind Weibchen, die Ahnen bilden eine Fihonscen Reihe. Diese Eine eise auf die für die Ahnen einer Biene geltenden Z.ahlenreihen sind, soviel ich sehe, neu. Ich sagte einleitend, daß Armbruster's Bienehzichtingekde eine große Auf- gabe zukommt. Möge sie ihren Zweck voll erreichen! Es ist nicht leicht, in den Kreisen, für die sie hauptsächlich bestimmt ist, mit Erfolg gegen Althergebrachtes an- zukämpfen. Sehr viel hängt davon ab, wie der zweite, der praktische Teil des Buches ausfällt, der für den Imker fast noch wichtiger ist als der erste. Bei der Abfassung dieses Teiles wird sich das Fehlen von neueren Vererbungsexperimenten mit Bienen be- sonders unangenehm bemerkbar machen. Da indessen gerade Armbruster seit mehreren Jahren solehe im Gange hat, so darf man wohl erwarten, daß der praktische _ Teil auf der gleichen Höhe stehen wird wie der theoretische. 2 Nachtsheim- München. Im Interesse des Leserkreises hat der Verlag bis Jetzt vermieden, den Friedens- preis von Mk. 20.— für das „Biologische Zentralblatt“ zu erhöhen. Die Herstellungs- kosten sind besonders im letzten Jahre so ungeheuer gestie gen, dass das Erscheinen der Zeitschrift nur mit sehr erheblichen Opfern des Verlages weitergeführt werden kann. In Anbetracht dieser Verhältnisse sieht sich der Verlag gezwungen, vom 1. Januar. 1921 ab den Bezugspreis im Inland für den Jahrgang von Mk. 20.— auf Mk. 30.— zu erhöhen. | | Verlagsbuchhandlung- Georg Thieme. Verlag von Georg Thieme in Leipzig, Antonstraße 15 Gedruckt bei Junge & Sohn in Erlangen as u re -Alphabetisches Namen- und Sachregister. Abel, O,, 429. Acanthurus 233. Adam 548. ”% Adenome, Karzinom , Sarkom, Veranlaßt durch die Larve der Nematode Rhabditis pellio 428. Aedines (Ei und Eizahn) 337 fe al Birüni 11l4ff. - d’Alton 485 ff. Alverdes,. F., 473£f..- Ammodytes ob äns 229, 223. Amöbe 317. Amöboide Kontraktion 396 _Anopheles (Ei. und Eizahn) 337 ff. Buchner 148. K . Buder ie Zee 75. 81. Armbruster 168. 575. Arnold 9. Artom 165. Aspius rapax 221. 222, v. Baehr 157. v.-Baer 482 ff Balistes aculeatus 235. Barfurth 478. x Bastardierung als Ursache ie Apogamie im Pflanzenreich 288. © Bastardspaltung 279#f. Bataillon 148. 154. Benda 30. Benecke 244. vw. Berg 95. Bestäubung der Mistel 515. Bethe 504ff. - Bewußtsein es rnenschliches) 5628£f. Blaas und Czermak 253. 254. 258. Blackmann 450. Blum, G. 193 ff. Bombinator Baebypus 394. Boulenger 12. Boveri 21. 147. 150ff. Brachet 154. Brandt 37. 38, Brauer 148, 158. Breslawitz 21. Bresslau, E. 337 ff. 548. Broman 30. 31. Buchheim 215: “2 Ehrlich 93, Bütschli 50, 51. 66. Burgeff 17. Buytendyk 509. Carabus -auratus Kratzreflex 335. Carcinus maenas Lernfähigkeit 503 ff. Centriscus scolopax 228 Champy 30. Ohaetogaster 307. Chromatin 15 ff. Chromatium Okeni 52. Clausilien 239. Clupea atosa 217. Clupea sprattus 219. Colpidium colpoda 318. Copeland 214. Correns 16. | Couch 230. 2 Crawshay 377 ff. Culex pipiens (Ei und Eizahn) 337 ff; Cuvier 485. 486. Cyelops (Manifestwerden .der ererbten An- lage einer Abnormität) 473 ff. Czapek 16. 17. Czerny 66. Darwin 121. 134. 571. Darwin’s geschlechtl. Zuchtwahl und ihre arterhaltende eu Der. Davenport 480. Davis 169. Delage 146 ff. Desmarest 376. De Vries 210. 473. Dietz 14. Difflugia lobostoma 317. Döllinger 452 ff. Dombrowsky 253. i Doncaster 157. 158. 163. 166. 168. Doormann, G. 116ff. Drilidae (Biologie der) 376ff. Du Bois-Reymond 573. Dzierzon 165. Drzewina 503. Edinger 175 ft. Ehrenbaum 225. 226. a 978 Ei und Eizahn der einheimischen Stech- mücken 337 ff. Elateriden 116. Eldering 507 ff. Engelmann 321. Engler, A. 240. Entfaltungsbewegungen der Pflanzen 431. Erbsubstanzen 15 ff. Ernst 147. 161. 162. 286. Escherich 417 ff. Eysell 342 343ff. Faber 147 Furmer und Digby 162. Feuersalamander (Einwirkung der Boden- farbe auf die Fleckenzeichnung) 390 ff. Fick 229. Fischer 406. Fischer, A. 95f£f. Fischer, H. 321. Fitting 215. Flemming 30. 93 ff Forel 528 ff. Fortpflanzungswechsel bei Stylaria lacu- stris 289 ff. Franz, V. 1—14. 239. 405. Freundlich 19. v. Frisch 138. 390 ff. Fuhrmann 76. v. Führt 321 ff. Galant, S. 335. Galli-Valerio 344 ff. - Gasterosteus marinus 22. Gasterosteus triaculeatus 226. Gaser 162. 165. Gegenbaur 230. Gehrhardt, K. 241ff. Geiselbewegung 49 ff. Gen und Radikal 278 Gerassimow 20. 167. Geruchstheorie von Teudt 259 ff. Geschlechtsdimorphismus und Sexual- selektion 571. Goebel 131. 431. 473. Goldschmidt 479. Göppert 35. Goetsch, W. 458. Goodrich 14. Graetz 256. (Granata 168. Graser 440. Gross 104 ff. Gruber, V. 216. Grübler 221. Günther 225. 227. Gymmarchus 13. Hadzi 458. Haeckel 175. Haecker und Meyer 258. Hallmann, E. 573. Hannig 216. Alphabetisches Namen- und Sachregister. Hartmann 153. 159. Hatschek 68. Heidenhain 18. Heikertinger 242 ff. Heine 18. Heller 256ff. Henking 153. Henning 566. Herbst 391ff. N Hertwig, G. 146ff. Hertwig, O. 146ff. Hertwig, P. 145. P Hertwig, R. 162. 459. Hervitt 157. | Heß 140. ER Hilburg 210. Hiltner 247. Heinricher, E. 5l4ff. v. d. Heyde, C. 503 ff. Höber 213. Hoefler 194. Hofmeister 321. 3 Hoge uud Stocking 506. Holmgren 415. 422. Hoplolaimus rusticus, 3ö6ft. Hydra (Beobachtungen u. Versuche an...) 458ff. Hydracarinen-Fauna norddeutscher Quellen 568. Hyrtl 2. Lokomotionsart Janssens 22. Jennings 513. Johannsen 432. Jost 200. 209. 211. 453. Isihani 258. Juel 16. 160. Julis 263. Kahlbaum und Steffens 253. Kahle 158. Kammerer 390 ff. Kanitz 449. Karpfenmaul 218. 219. „ Keeble und Gamble 404. Keibel 353. - Keimplasma und Moleküle 283. Kerschensteiner 351. King 30. v. Kirchner 515 ff. Klatt 549 ff. Klebs 147. 161. Knauthe 405. Kniep 17. Köhler 566. Kontraktion der Muskelzelle 328. Kopsch, Fr. 428. REN - Kostanecki 148. * = Kraepelin, H. 120ff. Kratzreflex des geköpften Carabus auratus | 335. Kühne 319. Alphabetisches Namen- und Sachregister. Kuppelwieser 146. Kutter, H. 528ff. Lams 168. Lavalette St. George 30. Lebedinsky, N. G. 571. Lehmann, E. 268 ff. 287 ff, 473. Lenk 321. Lernfähigkeit der Strandkrabbe (Careinus maenas) 503 ff. Levy, F. 29—36. Lewy 154. Lichtflucht der Clausilien 239, - Lipps, W. 289 ff. Lloyd 152. Loeb 20. 146ff. 509. 'Loesch ©. 481ff. Lotsy 21. 23. Lundegärdh 15. 21. En Lüppe-Cramer 256. Macallum 100. Mac Dougall 319. Gregor, Mc. 30. Manifestwerden der ererbten Anlage einer Abnormität 473ff. Marchal 17. Marcusen 1ff. Marcusenius 4Aff. Mark und Copeland 168. Mathaei 449. Maulspitzen der Fische 216ff. Maurer 1, 13. Maximow 33. Mechanik der Geißelbewegung 49. Meier 214. Meckel 482. Melander 253. Mendelsche Spaltung und chemisches Gleich- gewicht 268 ff. Metzner, P. 49 ff. Meves 15. 166. 168. Metschnikoff 356. Meyer, A. 18. 19. 24. 567. Meyer, H. v. 235. Micoletzky 362. 509ff. Micromalthidae, Biologie der 376 ff. Molisch, H. 144. 393. Monas amoebina 70. Monas vivipara 70. Morgan 21. 22. 157. 159. - _Mormyriden 1. Morstatt, H. 415ff. Moser 252. Motorische und Tiertypen 558 ff. Mottier 162. Murbeck 160. Nachtsheim 163. 575—576, Naumann, E. 324. Nawaschin 21. Nekrobiose der Einzelligen 316. DS ekrobiose im Zellstaate 318. 579 Nematoden: Lokomotionsart 356 ff. Nemeec 16. Neresheimer 159. Niepce de Saint Victor 254. Nukleinsäuren 89 ff. Nußbaum 153. Nyssen 316 ff. ©ehninger 167. Ophidonais serpentina 306. Oppermann 154. Osmotischer Druck 193 ff. Osmotischer Wert 193 ff. Overton 147. Pander 481 ff. Pantanelli 453. Pappenheim 228. Parnas 321. Parthenogenese (haploide u. diploide) 146 ff. Pascher 17. Pekelharing 39, 41. Petrunkewitsch 150ff. 166. Peyerimhoff 385 ff. Pfeffer 18 212. Photechie 252. Platner 153. Pratje, A. 88ff. Pringsheim 215. Prochnow 116ff. Prowazek 19. 52 Pseudoscarrus 234. Pütter 213. BRamson 328. Rana esculenta 29ff. Reaumur 339. Recke-Napiersky 486 ff. Regaud 33. Reichert 75. 76. 77. Reisinger 10. Renner, ©. 144. 268f£f. 277 ff. 287. Reuleaux RB Rosenberg 160. Rosenvinge 161. Rosenthal, W. 143. " Rund 13. Rüschkamp, F. 376ff. Russell 253. Ruhland 203. Rynberk, van 405. Saftmaltheorie 120 ff. Sagemehl 232. 234. Sauerland 100. Saugkraft 193ff. Schaefer, J. G. 316ff. Schallmeyer 427. Schipiloff 319. Schleip 158. 163. 166. Schlesinger 8. 12. Schmetterlingsflügel, Einwirkung auf die photograph. Platte 248 ff. 81” 980 Schmidt, H. 141. Schmitz 371. 381. Schneider 509. Sehnellkäfer 116 ff. Schwalbenschwanz, Wirkung ir Flügel auf die photograph. Platte 251. Schwammspinner (Sexualphysiologie) 539. Schultze 294. 307. Schwarz und Safier 504, Seterov 410. Shearer 152. Sehull 164. Semper 293ff. Senn 216. Siebold 153. Sierp, H. 433ff. Silvestri 163. Spaulding 504. Spirillum volutans 76. Spiro 320. Sprengel, Chr. K. 120ff. Spongillidae 37. | Stämme der Wirbeltiere 429. ‚Stahl, E. 241ff. ER Stauffer, H. 356ff. Stechmücken (Ei und Eizahn) 388 ff. Steche, O. 44; Steiner 356. Stendell 2. 5. 6. 8. 10. Stern 559. Stevens 157. Mer Stieda 483. Strasburger 16. 17. 150. 159. L Strongylognathus Huberi v. alpinus Wh. eine Sklaven raubende Ameise 528. Stschelkanovcew 15. . Stylaria lacustris 289 ff. Symbiose bei Spongien 38. Szymanski 512. 558ft. Talma 439. Teleostier 10ff. Teudt, H. 259ff. Termiten 415ff. Tetramorium caespitum 528. Tetrodon hispidus 255. Thilo 116ff. 217. Thiospirillum jenense 79. 83, Tiehomiroff 153 Tierfraß, Schutzmittel der Pflanzen da- | gegen 41ff. ‘Natural isn Survey Library Alphabetisches Namen- und, Sachregister. Be Derpncnalogie (Zur Methodik in \ der. | 75 re ei Tischler 15—28. Totenstarre und ihre Bezichung 4 zur Kon - traktion 316ff. | BEE Triacanthus Be ET ee v. Trigt, H. 37—44. a Tropismen der Bäume 240. v. Tubeuf 516 ff. 3 Turgordruck 209. Ulehla 50ff. 70. 72. “= Ureier im Froschhoden 29 ff. Ursprung, A. und Blum, G. 19388. Vejdovsky 294ff. Verworn 526. Viets, K. 568. Viscum album 51Aff. = Vöchting 473. a Vogelfedern, Einwiine a Be Dot graphische Platte 248, = Se Vogt 439ff. e Vosmaer 39. 41. W achstumsperiode we ‚438 ft. Wallace 571. RR. Wasmann 509. ee Se West-161. en re, Wheeler 528 ff: Be + Nena oT ae Whitney 164. Ir a Baer Wiedemann, E. 1138 "EEE Wilson 152. : = Winge 23. Winkler 159 ff. _Winterstein 322. Witt, ©. N. 98. 5 Wolff, G. 248 ff. FEB a2 Wolff 482 ff. N Woltereck: 4734f:.° = ee Washburn 509ff. Te Yamanouchi 166. er re Zacharias 98. Ye See 5 ; Zellkern (Chemie) 88 ft. 3 Zellkern, Bedeutung für die Vererbung Iöft, = Zeus 229. 230. =. Zeugungswert des Individuums 11. Zukal 165 ee Se Zurmühlen 218. 93 Zweigelt 247. 6 H ke, 2 N N " RER Bü Pin 5 N 1 Ay A PR 5 ” « i ’ Na) TASK u . ‚ . ß Nr ‘ + { v ! E ’ NT ur 4 BR? a , » ’ } 2 Ri TER 5, BESTER Par 45 ; , £ i RN | ( Ä sr Sur £ \ . j “ N, y Bei, 27 r - “ x “ or 157 N . ‘ BrnL % » E & . ‚ Y U IY u h, “ ü u N ra an \ i 1 . N A RN Ah, \ } E a e { . A 2 U ö KR hes. s 2 i u NE YiaY ' " 0 ’ n „ Repair i ea i ' e\ : IR FEN \ t N » 5 x net 4 ;” ER hu) ur i f | m N. 3 . { j Y AR Herne / \ A RT HE NENMEN syafe ER IM 4 Y zut) 4 bi 2 i* jy Hs f 4 % A il 4 ; f . r 1 R i u a ! B x 4 . | h Hui f Wü j \ 1 RT N N ' \ 7 BIRE ML.» AN I e ME a Pd .- f. P) 5 ne 4 N \ \ ö if R, NT oanıy (2 v J fa N f X vs bie J f In | BET [ 1 \ \ x B ) a h t * .® ” ri ’ f + Y ‚ unter Mitwirkung. von Kr: & x . 2 f h Prof. in München + Prof. in München RU ha Sara, herausgegeben ‘von | Prof. d. Physiologie in Erlangen |, u ‚hat den Zweck, die Fortschritte der biologischen Wissenschaft u sammenzufassen und den Vertretern der Einzelgebiete die Kenntnis- |... nahme der Leistungen auf den Nachbargebieten zu ermöglichen. ER, NL OO ER Ohne nach Vollständigkeit zu streben, welche ja doch nicht zu er- reichen sein würde, sollen doch alle wichtigen und hervorragenden Forschungen, besonders aber diejenigen, welche ein allgemeineres Interesse haben, ausführlicher berücksichtigt werden, Zur Erreichung dieses Zieles enthält das Blatt: Ka | 1 Original-Mitteilungen, besonders Berichte über Forschungs- resultate, welche ein allgemeineres Interesse über den Kreis der 0... engeren Fachgenossenschaft hinaus beanspruchen können. BA | 2. Referate, welche den Inhalt anderweitig veröffentlichter ge- lebrter Arbeiten in knapper, aber verständlicher Weise wiedergeben, Besonders auch Selbstanzeigen, in denen die Herren Gelehrten von ihren an anderen Stellen erschienenen Arbeiten, soweit sie in das: Gebiet unseres Blattes gehören, sachlich gehaltene Auszüge liefern. 3. Zusammenfassende Übersichten. Während die Referate einzelne Arbeiten behandeln, wird über wichtigere Fortschritte der Wissenschaft im besonderen, zusammenfassenden Übersichten Bericht erstattet, um so die dauernden Bereicherungen unseres Wissens fest- zustellen und den Boden kennen zu lernen, auf welchen 'neue Be- strebungen mit Aussicht auf Erfolg sich stützen können. RR 4. Besprechungen von Büchern, bibliographische Nach- Mi weise und kürzere Notizen - fast \ Ausser den Hauptfächern der biologischen Naturwissenschaften ‚ Botanik, Zoologie, Anatomie und Physiologie) mit ihren Nebenfächern (Entwickelungsgeschichte,Paläontologieusw.)finden auch Ergebnisse anderer Wissenschaften Berücksichtigung, soweit sie ein biologisches Interesse haben, somit alles, was imstande ist, die wissenschaftliche Erkenntnis der Lebenserscheinungen zu fördern und zu vertiefen. ' In Das Zentralblatt erscheint in Nammern von je 3—4 Bogen, von denen 12 einen Band bilden. Jährlich ein Band. | ‚Preis des Bandes 20 Mark. Bestellungen nimmt sowohl die Verlagshandlung wie jede Buchhandlung oder Postanstalt enigegen. ‚Probehefte auf Verlangen gratis und franko. | 1 MOMARB MAN IH; orto), Lxipzie Si Mi N ge NEN un} Beh, “ Pa, EN) ua