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Biologisches Zentralblatt

Begründet von J. Rosenthal

Herausgabe und Redaktion:

Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. C. Correns Prof. Dr. R. Goldschmidt und Prof. Dr. O. Warburg

in Berlin

Zweiundvierzigster Band 1922

Mit 67 Abbildungen, 4 Tabellen u. 8 Kurven

» Leipzig 1922

Verlag von Georg Thieme.

Inhaltsübersicht

des zweiundvierzigsten Bandes.

O = Original; R Referat.

Agar, W. E., Cytology with special reference to the Metazoan nucleus. AR.

Alverdes, Fr., Zur Lehre von den Reaktionen der Organismen auf äußere Reize. 0.

Alverdes, Fr., Ban and Rabaang. R.

Aue, A. U-E,; Be der Falter von Arctia caja de Fähigkeit zu 1 Terrohleni ? 2)

Bauch, R., Ko nkiotbeiinkiien und sekundäre Geschlechtsmerkmale bei Ustilago violacea. 0. . She

Böker, H., Die Bedeutung der Ühsskrenzune dr Böhriabelspitzen ie der Gattung a Mit 2 Abbildungen. 0. ah Blur

Buchner, P., Rassen- und Bakteroidenbildung Ba ae OÖ.

chen Re ae U a a LAAER DB, 0585

Bütschli, ©., Vorlesungen über Verblelchenge nie NR ENGE;

Caullery, M., Le Parasitisme et la Symbiose. AR. Em

Gorrens, €, ER Re nude und Zahlenverhältnis der Geschlechter ar (Rumex Acetosa). Mit 1 Abbildung. ©. .

Deegener, P., Soziologische Beobachtungen an Hyponomeuta a Hb. 0.

Dingler, M., Eite Schutzeinrichtung bei Aretia caia. 0. i

Doflein, Kr; Macedonische Ameisen. Beobachtungen. über ihre Tebenuweke: R.

Duncker, G., Regressionsgleichungen numerischer Merkmale nach Pearsons verallgemeinerter Korrelationstheorie. Mit 2 Abbildungen. ©. A

Eidmann, H., Die Durchlässigkeit des Chitins bei osmotischen Vorgängen Mit 1 Khbalduns: Ö.

Eidmann, H., Die Einwirkung ie Überieite auf Bier‘ von an ee aria. Mit 4 nen. O. 26%

Eißele, L,, Histologische Atudien an der Sinne einiger en Becks NEE ERA bh ER FON NE EA ER an :

Erdmann, Rh., Art und Artbildung bei Protisten. Mit S Abb. u. 4 Tab. 0.

Franz, V., Die Vervollkommnung in der lebenden Natur; eine Studie über ein sel A,

Gerretsen, F. C., Einige Notizen abe das Eönehten dad jav Vaniachöu Tenchrkafsee (Lueiola Pittata Cast.) 0. SER

Goetsch, W., Beiträge zum Doslerblichkeitdorebläm ar Metazben, Eu Teil. eensdene und geschlechtliche Fortpflanzung bei Hydren. Mit5 Abb. ©.

Goetsch, W., Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen. III. Teil. Depressionen und Lebensdauer bei Hydren. Mit 3 Abbildungen O. :

Goldschmidt, R., Die Reifeteilungen der Spermatozyten in den Gonaden inter- sexueller Weibchen des Schwammspinners. Mit 1. Abbildung. O.

Goldschmidt, R., Über Vererbung im Y-Chromosom. 0.

Haberlandt, G., Über Zellteilungshormone und ihre Berfehinsen. zur Wind. heilung, Berahluee Parthenogenesis und Adventivembryonie. Mit 9 Abb. O.

Hartmann, M., Über den dauernden Ersatz der ungeschlechtlichen Fortpflanzung durch fortgesetzte Regenerationen. 0.

/ a /

Seite 47

465 241 495 286

253

429

IV Inhaltsübersicht.

Heikertinger, Fr., Sind die Wanzen (Hemiptera heteroptera) durch Ekelgeruch geschützt? O. EEE En an A En N PROBE ER Ze al:

Herwerden, M. A. von, Der Einfluß der Neben bieten nd des Rindes auf Ge- sundheit und Wachstum verschiedener Organismen. 0...

Heyde, H.C. van der, Studien über organische ee TI. Die nschniezufg des Schwanzes der Froschlarven. ©. :

Hintzelmann, U., Medizinisch-zoologische Se T. Mieteilng. Die ai pyretische Wirkung des Regenwurmes und programmatische Hinweise auf die allgemein-biologische Bedeutung des Tyrosins. ©. .

Hirschler, J., Über den Einfluß von Organen mötänideghosierren Arphikien auf den Verlauf der Amphibienmetamorphose. 0. Re BER

Horn, A. Der Schwimmblasenapparat bei Cobitis. Mit 2 Achildensen: re

Just, G., Wahrscheinlichkeit und Empirie in der Erblichkeitsstatistik. Mit2 Abb. O.

Kappert, H., Ist das Alter der zu Kreuzungen verwandten Individuen auf die Ausprägung der elterlichen Merkmale bei den Nachkommen von Einfluß. O.

Konsuloff, St., Über die Doppelatmung der Mückenlarven. Mit 3 Abb. O.

Krause, R., Mikroskopische Anatomie der Wirbeltiere in Einzeldarstellungen. A.

Küster, E., Anleitung zur Kultur der Mikroorganismen. R.

Küster, E., Lehrbuch der Botanik für Mediziner. R.

ine, H., Zur ee und Ökologie der Kobllensa ee naton Mit ) Aubaldungen OÖ.

Mayer, P., Zoomikrotechnik. R IR

Mes hemer: J., Geschlecht und ne im Gere R.

Molisch, H., Mikrochemie der Pflanze AR...

Pax, Es, Die Tierwelt Schlesiens. At. ee

Peter, K, Über den Begriff „Homologie“ und seine one in der Embryo- I O. Pa

Popoff, M., Über ae eng de Geliaehinen! O.. zen

Pütter, A., Die Frage der parenteralen Ernährung der We DR:

Roch, PB, Be zur Physiologie der Flugmuskulatur der Insekten. Mit 2 "Ab. 0.

Schreirerdih ker P., Über die Ergebnisse meiner Arbeiten zur Biologie des '

Menschengeschlechtes. 0. ? ; Schmidt, H., Untersuchungen über den ar im einiger or Polychaeten. 0. Schroeder, H., Über die Semipermeabilität von Zellwänden. O0. . . Schulze, ‘PB; übe Beziehungen zwischen pflanzlichen und tierischen Skelett-

substanzen und über Chitinreaktionen. O0. ._.

Sorauer, P., Handbuch der Pflanzenkrankheiten. A. FREE, Steinberger, geb. Hurt, Anna-Luise, Über Regulation de nischen Wertes

in den Schließzellen von Luft- und Wasserspalten. 0.

Stumper, R., Quantitative Ameisenbiologie. 0. . ne Süffert, Fr., Zur Morphologie und Optik der Seh meter chiippen: OS Szymanski, J. S., Drei Lösungsversuche eines Problems. Mit 3 Abbildungen. ©. Tollenaar, Statistik und Vogelzug. Mit 3 Abbildungen. ©.

Ubisch, G. v., Abweichungen vom mechanischen Geschleöhtsnechaltnie bei Melan-

drium dioieum. O0. .

Vogel, R., Über die Tonogtaphie der uchen een von Phase ana

Berner Ö. a .

Wachs, H, Zur Anakehikeit, der Kuckerkleier Ö. i R Ziegelmayer, W., Einige biologische Notizen zu Ödfelepe es ne Be Oyclops vulgaris Koch. Mit 2 Abbildungen und S Kurven. 0.

Biologisches Zentralblatt

Begründet von J. Rosenthal Herausgabe und Redaktion:

Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. C. Correns Prof. Dr. R. Goldschmidt und Prof. Dr. O. Warburg

in Berlin Veılag von Georg Thieme in Leipzig Anzeigen-Annahme: Hans Pusch, Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 28

Januar 1922. Nr. 1

ausgegeben am 2. Januar 1922

42. Band.

Der jährl. Abonnementspreis (12 Hefte) beträgt innerhalb Deutschlands 50 Mk.

Zu .beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

Den Herren Mitarbeitern stehen von ihren Beiträgen 30 Sonderabdrucke kostenlos zur Verfügung; weitere Abzüge werden gegen Erstattung der Herstellungskosten geliefert.

Inhalt: F. C. Gerretsen, Einige Notizen über das Leuchten des javanischen Leuchtkäfers (Lueiola Vittata Cast.). S. 1. R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschleehtsmerkmale bei Ustilago violacea. 8.9. P. Buchner, Rassen- und Bakteroidenbildung bei Hemipterensymbionten. 8. 38. teferate: P. Mayer, Zoomikrotechnik. Ein Wegweiser für Zoologen und Anatomen. 8. 47. W. E. Agar, Cytology with special reference to tbe Metazoan nueleus. $. 47 V. Franz, Die Vervollkommnung in der lebenden Natur; eine Studie über ein Naturgesetz. S. 48. Deutsche Gesellschaft für Vererbungswissenschaft. S. 48.

Einige Notizen über das Leuchten des javanischen

Leuchtkäfers (Luciola Vittata Cast.). Von Dr. F. C. Gerretsen-Groningen,

Obwohl über den mikroskopischen Bau der Leuchtorgane der Lampyriden eine umfangreiche Literatur besteht, sucht man darin ver- gebens nach einer zusammenfassenden deutlichen Erklärung des eigent- lichen Leuchtprozesses. An der Hand einiger neuer, bei dem java-

uischen Leuchtkäfer verrichteter Untersuchungen und einer kritischen

? Verbindung einer Anzahl in der Literatur zerstreuten Daten habe ich im folgenden versucht, von der Natur des Leuchtprozesses eine einiger- maßen plausible Vorstellung zu geben.

Bei den weiblichen Exemplaren von Zueiola wittata findet man die zwei letzten Abdominalsegmente mit einem sehr dünnen, durch- sichtigen Chitinhäutchen bedeckt, während bei den männlichen Exem- plaren nur ein einziges Leuchtsegment vorhanden ist. Diese Abdominal- segmente leuchten periodisch etwa 60—120 mal pro Minute. Auch die

42. Band. N!

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a F. ©. Gerretsen, Einige Notizen über das Leuchten usw.

Eier leuchten; die Behauptung Wielowiejsky’s'!), daß die Eier von Lampyris splendidula nur leuchten infolge der Anwesenheit eines an der Außenseite haftenden und aus dem Leibe des Muttertieres her- rührenden Leuchtstoffes, ıst jedenfalls nicht für Zuciola vitlata zu- treffend. Eier, welche mit großer Sorgfalt abgewaschen sind, leuchten ebensogut wie die nicht abgewaschenen Exemplare, wie dies auch von Bongardt?) bei Zampyris noctiluca konstatiert wurde. Die Wahr- nehmung Wielowiejsky’s ıst zweifellos unrichtig, was noch deut- licher hervortrat, wenn die Eier längere Zeit beobachtet wurden. Während dieselben anfänglich ganz gleichmäßig leuchten, sieht man je nachdem sich der Embryo entwickelt, daß dieses Leuchten sich immer mehr an einer bestimmten Stelle konzentriert. Sehr merk- würdig ist auch die Tatsache, daß einige Tage bevor die Larve aus dem Ei hervorkriecht, das Leuchten im Innern des Eies schon perio- disch auftritt’und bei genauer Beobachtung innerhalb einiger Minuten eine deutliche Verminderung oder Vermehrung der Leuchtkraft zu konstatieren ist. Die Larven leuchten nur ein- oder zweimal per Mi- nute. Am Tage oder bei hellem Mondschein leuchten die Insekten selten, wie dies auch von anderen Untersuchern beobachtet worden ist.

Die Ursache des periodischen Leuchtens sucht Verworn?°) in dem Vorhandensein eines völlig automatischen Nervenzentrums, welche Hypothese er soweit durchführt, daß er annımmt, daß die Insekten, wenn sie nicht leuchten, schlafen!‘ Eine derart gezwungene Erklärung steht in keiner Hinsicht mit den Tatsachen im Einklange; wieder- holt habe ich die Insekten am Tage oder abends herumlaufen sehen, ohne zu leuchten, und auch folgendes Experiment beweist, daß hier von einem völligen automatischen Nervenzentrum keine Rede ist, sondern man jedenfalls mit einem Nervenzentrum zu tun hat, das ganz nach Willkür des Insektes entweder in Antwort auf äußere Reize oder ohne solche Veranlassung, in und außer‘ Tätigkeit gesetzt wird.

Der Versuch gestaltete sich folgendermaßen: In einem großen Stück Pappe wurde in der Mitte ein kleines Loch gemacht. In dieses Loch wurde ein gut leuchtender Käfer derart befestigt, daß der Kopf an der einen Seite des Kartons kam und das leuchtende Segment an der anderen Seite. In einer Entfernung von etwa 75—100 cm vom Kopf wurde eine elektrische Lampe angebracht, welche mit einem Druckknopf momentan entzündet werden konnte. Der Versuch wurde im Dunkeln vorgenommen und das Stück Pappe diente dazu, die Augen gegen das helle Licht zu schützen und zugleich um jede direkte Eın- wirkung des Lampenlichtes auf dem Leuchtorgan zu verhindern. So- bald das Insekt regelmäßig leuchtete, entzündete ıch einen Augenblick die Lampe. Fast unmittelbar danach löschte der Käfer das Leucht- organ und nach einigen Sekunden Ruhe fing es wieder zu leuchten

1) Zeitschr. Wiss. Zool. Bd. 37, S. 424. 2) Zeitschr. Wiss. Zool. Bd. 75, S. 17. 3) Zentr, f. Physiologie, Bd. 6, 8. 74.

F. ©. Gerretsen, Einige Notizen über das Leuchten usw. 3 an. Den Versuch konnte ich mit mathematischer Genauigkeit, immer mit demselben Erfolg wiederholen.

Es ıst verständlich, daß hier die Erklärung Verworn’s, laut der man annehmen sollte, der Käfer schläfe beim Entzünden der Lampe unmittelbar ein und nach Verlauf einiger Sekunden erwache er wieder, absurd sein würde.

Es liegt auf der Hand, daß das Insekt das Leuchten einstellt, sobald es das Licht der Lampe sieht; läßt man die Lampe länger brennen, so unterbleibt das Leuchten ebensolange. Das sporadische Leuchten am Tage oder bei hellem Mondschein steht damit im Ein- klang. Man würde dies sogar als eine rein ökonomische Maßnahme betrachten können, wovon sich in der Natur mehrere Beispiele auf- finden lassen.

Der anatomische Bau des Leuchtapparates von ZLxciola vittata ıst demjenigen der anderen Lampyriden analog. Die leuchtenden Segmente sınd mittels einer vollständig durchsichtigen Chitinplatte von der Außenluft abgeschlossen. Gerade an dieser Chitinplatte angelagert findet man eine Reihe Zellen, die von einer großen Anzahl, nach allen Seiten verzweigten Tracheen durchkreuzt werden, während auch zahl- reiche Nerven zu finden sind. Hinter dieser ersten Reihe gibt es eine zweite Reihe von Zellen, die sogen. dorsale Uratzellschicht, deren Zellen in den von mir untersuchten Exemplaren mit amorphem urin- saurem Ammon gefüllt waren, während in der Literatur immer von mikroskopischen Kristallen die Rede ist. Dieses urinsaure Ammon ist wahrscheinlich ein Sekretionsprodukt, welches schließlich bei der Oxydation des, ın der ventralen Zellschicht entstandenen, Leucht- stoffes gebildet wurde. Damit in Übereinstimmung ist die Wahr- nehmung Weitlaner’s*), daß die Larven und jungen Käfer nur wenig von diesem Stoff enthalten und daß mit zunehmendem Alter der In- sekten die Menge des urinsauren Ammons zunimmt. Wielowiejski?) nimmt denn auch an, daß man nicht mit zwei, sondern nur mit einer Zellschicht zu tun hat, welche Annahme aber von Bongardt‘) auf Grund seiner anatomischen Untersuchungen bestritten wird. Für die Frage, wie das Leuchten zustande kommt, ist der anatomische Bau des Leuchtapparates und besonders derjenige der Tracheen, von großer Bedeutung. Schulze’) hatte schon 1865 auf eine eigentümliche stern- förmige Verzweigung der Tracheen aufmerksam gemacht; am äußersten Ende der mit Chitinringen versehenen Tracheen entspringen bei Lueiola noetiluca 3—7 Kapillaren, welche keine Chitinringe aufweisen und mit einander in eine Zelle eingebettet sind, welche von ihm Tracheenendzelle genannt wurde. Schulze vermutete einen Zusammen- hang der Nervenenden mit den Tracheenendzellen, welcher Zusammen-

4) Naturw. Wochenschrift 1911, S. 679. 5) Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. 37, S. 366. 6) Zeitschr. f, wissensch. Zool. Ad. 75, S. 17. 7) Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. 1. 1*

4 F. ©. Gerretsen, Einige Notizen über das Leuchten usw.

hang von Wielowiesjkı°) bestritten wurde, aber von Bongardt’) zweifellos festgestellt wurde, indem er nachwies, daß die Verzweigungen der Nerven sich den Tracheenstämmchen oft so eng anschließen, daß die Nervenkerne den Kernen der Matrix der Tracheen oft unmittelbar anliegen.

Diese sternförmigen Verzweigungen lassen sich aber nicht bei allen Leuchtkäfern auffinden. Bei Luciola vittata konnte ıch dieselben nicht nachweisen, während Bongardt sie bei Lampyris splendidula auch nicht fand !°).

Er unterscheidet daher eine zweite Verzweigungsart, bei welcher von den mit Spiralfäden versehenen Tracheenästehen an den ver- schiedensten Stellen Kapillaren ausgehen. Er sagt darüber: „Ein prinzipieller Unterschied zwischen beiden Verzweigungstypen existiert also nicht, auch hier findet man Zellen (protoplasmatische Fortsetzungen der Nerven. Verf.) die ın vielen Punkten mit den Endzellen überein- stimmen, während diese Zellen auch da liegen, wo mehrere Kapillaren von einem Tracheenstamm sich abzweigen.“ Auch bei Zuciola vittata waren dieselben nach Maszerierung mit Osmiumsäure leicht aufzu- finden.

Es ist jetzt die Frage: Wie kommt das intermittierende Leuchten zustande?

An erster Stelle war es erwünscht zu untersuchen, inwiefern das Nervensystem daran beteiligt sein könnte. Einige Exemplare des javanıschen Leuchtkäfers wurden getötet, indem Kopf mit Kopfbrust vom Hinterleib getrennt wurden. An die frisch geöffnete Verbindungs- stelle legt man einen der Pole eines elektrischen Stromkreises an, während man eine feine Nadel, die mıt dem anderen Pol verbunden ist, in den an der Bauchseite gelegenen Nerven steckt. Man kann jetzt mittels Öffnen und Schließen des Stromes das periodische Leuchten vollständig und wiederholt nachahmen!!). Es genügt sogar die Außen- seite der Leuchtsegmente mit der Nadel zu berühren, um rings um die Berührungsstelle ein Aufleuchten hervorzurufen, falls: man mit höherer Spannung arbeitet.

Es unterliegt also keinem Zweifel, daß das periodische Leuchten unter Einfluß von Nervenreizen stattfindet und man kann jetzt an- nehmen, daß infolgedessen entweder die Produktion des Leuchtstoffes intermittierend aufgehoben wird oder daß die Sauerstofizufuhr jedesmal eingestellt wird.

Die erste Annahme ist nicht mit den Tatsachen in Übereinstim- mung; es würde ın diesem Falle immer nur eine sehr geringe Menge Leuchtstoff in den Zellen vorhanden sein können, gerade soviel wie während eines einmaligen Aufleuchtens verbraucht wird. Dies ist nicht

8) lc. S7415 I 1SE.4S.08,. 10) ı" | 11) Später erfuhr ich, daß ein derartiger Versuch auch schon von A. Dubois u. a. vorgenommen war. (Les Elaterides Lumineux. Bull. Soc. Zool. Ile Annede.)

| RS Fa Ta a

F. C. Gerretsen, Einige Notizen über das Leuchten usw. 5

der Fall, denn wenn man den Leuchtapparat öffnet, kann man dem- selben eine ziemlich große Menge Leuchtstoff sofort entnehmen und derselbe bleibt stundenlang nachleuchten. Es kommt noch hinzu, daß, wenn man bei einem frisch getöteten Insekt, dessen Leuchtapparat dunkel ist, letzteren. mit einer scharfen Nadel verwundet, damit Sauer- stoff von außen hineindringen kann, das Leuchten in den geöffneten Zellen sofort wieder anfängt.

Dieses Verhalten weist fraglos darauf hin, daß nicht die Produktion des Leuchtstoffes, sondern dessen Oxydation, d.h. dıe Sauerstoffzufuhr, intermittierend und unter Einfluß vom Willen des Insektes, eingestellt werden kann. Es ist jetzt die Frage, inwiefern dies aus dem anato- mischen Bau zu erklären sein wird. Ich muß jedenfalls darauf hin- weisen, daß es ın den Tracheen nirgends eine Vorrichtung gibt, die Sauerstoffzufuhr abzuschließen; die einzigen Stellen, die in dieser Hin- sicht möglicherweise eine Rolle spielen könnten, sind die Tracheenend- oder -verzweigungszellen. Es wäre nämlich denkbar, daß durch einfache Kontraktion dieser Protoplasten die äußerst dünnen Kapillaren zugedrückt würden und damit die Sauerstoffzufuhr aufgehoben würde. Es wäre damit sogleich der Zusammenhang zwischen dem Nervensystem und dem periodischen Leuchten erklärt worden, wie auch das Fehlen von Spiralfäden um die Tracheenkapillaren. Die Möglichkeit einer der- artigen Kontraktion unter Einfluß von Nervenreizen resp. elektrischen Strömen ist u.a. bei den Amöben und Paramecium bewiesen worden; man hat beim Schließen des Stromes an der Anode eine kontrakte- rısche Erregung und an der Kathode ein stärkeres Hervortreten der Expansionsphase beobachtet ??).

In auffälliger Übereinstimmung mit diesem Verhalten und mit der oben geäußerten Hypothese ıst die Wahrnehmung Heineman’s'°), daß bei der Berührung des Leuchtapparates eines Leuchtkäfers die Erregung, d. h. das Aufleuchten, beim Schließen des Stromes stets von der Kathode ausging, während sich an der Anode manchmal eine Abschwächung des Phänomens zeigte, infolge der Expansion resp. Kontraktion der Tracheenendzellen.

Aber auch das recht eigentümliche Verhalten dieser Insekten bei der Chloroformnarkose ist eine wichtige Stütze für die ange- führte Erklärung des intermittierenden Leuchtens. Bringt man nämlich ein gut leuchtendes Insekt ın einen mit Chloroform- dämpfen gesättigten Raum, dann sieht man, daß einen Augenblick nachdem es sich zu regen aufhört, der Leuchtapparat fast auf einmal dunkel wird. Schnell wieder in die frische Luft gebracht, erholt der Käfer sich jetzt noch innerhalb kürzerer Zeit. Wenn man aber die Narkose ununterbrochen fortsetzt, dann sieht man, nachdem also das Leuchten erst aufgehalten hatte, den Leuchtapparat anfangs stellen- weise, später ganz gleichmäßig wieder aufleuchten. Wird der Käfer

12) Verworn, Allgem. Physiol. 1915. S. 515. 13) InaWinterstein, Handb. d. Vergl. Physiol. Bd. IIL,, S. 347.

6 F. ©. Gerretsen, Einige Notizen über das Leuchten usw.

jetzt in die frische Luft gebracht, dann erholt er sich nicht mehr, er ist getötet, das Leuchten kann aber noch stundenlang fortdauern. Bei noch länger fortgesetzter Narkose erlöscht das Licht allmählich und kommt es unter keinen Umständen wieder zurück. Wie läßt sich dieses Verhalten erklären !*)?

Demoore!’) konstatierte, daß unter Einfluß von Chloroform die protoplasmatischen Ausläufer der Ganglienzellen sich kontrahieren. Eine derartige Kontraktion der Tracheenendzellen ist also sehr wahr- scheinlich und da die äußerst dünnwandigen Kapillaren in die Tracheen- endzellen eingebettet sind, werden dieselben bei der Kontraktion dieser Zellen zusammengedrückt, wird folglich der Sauerstoff abgesperrt und infolgedessen das Leuchten eingestellt. Es läßt sich schwer eine effek- tivere Vorrichtung denken, diesen Zweck zu erreichen; da hier der Abschluß an tausenden Stellen zugleich stattfindet und. dies außerdem in den sehr dünnen Kapillaren geschieht, ist der Käfer imstande, das ganze Leuchtorgan auf einmal erlöschen zu lassen. Bei einer even- tuellen Absperrung der großen Tracheen würde ein derartiges plötz- liches Einstellen der Sauerstoffzufuhr unmöglich sein, da immer der, in den abgesperrten Teil der Tracheen vorhandene, Sauerstoff ver- braucht sein muß, ehe das Leuchten aufhört. Wie lange dies dauert, kann man beobachten, wenn man einen gut leuchtenden Käfer unter ausgekochtes Wasser oder Öl bringt.

Zerstört man mit einer Nadel das Zellgewebe des Leuchtorgans im ersten dunkeln Stadium der Narkose, so trıtt an dieser Stelle auch jetzt das Leuchten sofort wieder ein; von einer dauernden Schädigung des Leuchtapparates ıst noch gar keine Rede, denn das Insekt erholt sich völlig. Wir haben also mit einer vorübergehenden Kontraktion der Tracheenendzellen zu tun infolge der Wirkung eines chemischen Agens.

Weil das Leuchten bei fortgesetzter Narkose wieder anfängt, wırd

die anfängliche Kontraktion der Endzellen offenbar wieder aufgehoben. Von Hammarsten!®) wurde ein ganz analoges Verhalten bei der Narkose von Muskeln wahrgenommen. Zuerst trat schnell eine Kon- traktion der Zellen ein, welche sich in einer sogenannten Muskelstarre äußerte, welche Kontraktion aber bei fortgesetzter Narkose wieder völlig verschwand, gerade dasselbe was wir beim Leuchtorgan wahr- nehmen. 14) Als ich bei meiner Zurückkehr aus den Tropen wieder in der Lage war, mehrere Literaturangaben nachzuschlagen, erfuhr ich, daß das eigentümliche Verhalten der Leuchtkäfer bei der Narkose auch von Verworn (Zentr. f. Physiol. Bd, 6, $. 72 74) bei Luciola italica beobachtet worden war Die von ihm gegebene Erklärung aber, laut welcher das ganze Phänomen einem „Zerfall der Leuchtsubstanz bei direkter Einwirkung des Chloroforms“ zugeschrieben wird, ist m. E. in keiner Hinsieht imstande die verschiedenen Stadien, welche bei der Narkose auftreten, zu erläutern.

15) Arch. de Biologie, T. 14, 1896,

16) Physiol. Uhemie, S. 486,

F. C. Gerretsen, Einige Notizen über das Leuchten usw. 7

Scheinbar. befindet sich der Leuchtapparat in diesem zweiten leuchtenden Stadium der Narkose in einer Lage, die sich nicht von derjenigen unterscheidet, welche auftritt, wenn man das Insekt einfach tötet, in welchem Fall es ebenso stundenlang leuchtend bleiben kann. In der Tat besteht aber ein bedeutender Unterschied, denn es gelingt jetzt nicht mehr das intermittierende Leuchten mittels des elektrischen Stromes hervorzurufen.

Es scheint mir, daß die Hypothese, nach welcher das normale periodische Einstellen des Leuchtens an einer Absperrung der Sauer- stoffzufuhr in den Tracheenkapillaren mittels einer Kontraktion der Tracheenend- oder -verzweigungszellen, unter Einfluß von Nervenreizen,

‚zugeschrieben wird, eine derart einheitliche Erklärung einer Anzahl ganz verschiedener Tatsachen gıbt, daß man schwer der Annahme der-

selben entkommen kann.

Das dritte und letzte Stadium der Narkose, bei welchem das Leuchten dauernd verschwindet, findet sein Analogon bei den Leucht- bakterien. Wie von Beyerinck!”) zuerst gezeigt wurde, kehrt auch hier das Leuchten nicht wieder, sobald die Narkose zu lange gedauert hat; es ıst wahrscheinlich, daß die Enzyme, welche in beiden Fällen an dem Leuchtprozeß beteiligt sind, bei längerer Einwirkung von dem Chloroform irreversibel geschädigt werden. Eine derartige schädliche Wirkung des Chloroforms auf Enzyme ist von verschiedenen Autoren konstatiert worden '*). Daß ın der Tat Enzyme beim Zustandekommen des Leuchtens eine hervorragende Rolle spielen, habe ich in der von Dubois!?) bei der leuchtenden Bohrmuschel, Pholas dactylus, ange- gebenen Weise nachzuweisen versucht.

Von etwa sechs Leuchtkäfern wurden die Leuchtorgane heraus- präpariert und ın einem kleinen Mörser zerrieben. Man bekommt eine gut leuchtende Masse, welche ziemlich lange leuchten bleibt, falls man das verdünstete Wasser ab und zu wieder nachfüllt. Nach Verlauf von etwa zwei Stunden ist die Flüssigkeit allmählich soweit ver- dunkelt, daß sie zum Versuch gebraucht werden kann.

Jetzt werden sechs andere Käfer schnell bei 65° C. getötet und während zwei Minuten auf dieser Temperatur gehalten. Die Leucht- organe sind völlig dunkel und bleiben ebenfalls so, wenn man die- selben herauspräpariert.

Bringt man nun ein wenig von dieser auf 65° erhitzten dunkeln Masse ın den ebenfalls dunklen Organbrei, dann sieht man das Leuch- ten augenblicklich zurückkehren.

Die auf der Hand liegende Erklärung ıst auch hier, daß das Leuchten im Organbrei schließlich aufhörte, weil der vorhandene Leucht- stoff völlig verbraucht war, obwohl die Enzyme noch intakt waren.

17) Arch. Neerlandaises, T. XXIII. 18) Oppenheimer, Die Fermente, Bd. I, S. 72, 19) Comp. Rend. Paris, T. ULIII, S. 690,

S F. C. Gerretsen, Einige Notizen über das Leuchten usw.

In den bei 65° C. getöteten Zellen war hingegen noch aller Leucht- stoff; vorhanden, während die Enzyme getötet waren. Bringt man beide Substanzen zusammen, dann sind die Bedingungen für das Leuchten wieder erfüllt, d. h. die Anwesenheit eines Enzyms und von Leuchtstoff, und tritt das Leuchten sogleich ein. Dies ist ganz analog dem Verhalten von Pholas, Ich konnte aber das Leuchten des Leucht- stoffes nicht mittels oxydierender Reagenzen, wie KMnO, oder H,O, bewerkstelligen, wie dies Dubois bei Pholas gelang. Der Leuchtstoff aus den erhitzten Zellen leuchtete ebenfalls schwach auf, als dieselbe in einer Suspension von mit Quarzschlamm zerriebenen Leuchtbakterien (Photobact. javanense) gebracht wurde ?®).

An dieser Stelle möchte ich die interessanten Untersuchungen Harvey’s erwähnen?'); er fand nämlich, daß das Oxydationsprodukt des Leuchtstoffes durch enzymatische, bakteriologische oder rein chemische Reduktion wieder in den ursprünglichen Leuchtstoff zurück- verwandelt werden kann. In Verband mit der äußerst starken redu- zıerenden Wirkung der Tracheenendzellen ist es sehr wahrscheinlich, daß, wie Harvey es auch selbst annımmt, in den Leuchtzellen der Leuchtkäfer unmittelbar nach dem Aufleuchten, in der finstern Periode, der Oxy-Leuchtstoff wieder zum Leuchtstoff reduziert wird und damit ist der Leuchtapparat wieder für ein folgendes Aufflackern fertig.

Die von Harvey gegebene Vorstellung”) kann aber zu dem irrtümlichen Schluß führen, daß bei dem Leuchtprozeß kein Stoff ver- braucht wird, wenn aber der Leuchstoff reduziert wird, muß jeden- falls zugleich ein anderer Stoff ın einer höheren Oxydationsstufe über- geführt werden. Es konnte z. B. sein, daß das Insekt ın dieser Weise wertvolles Matersal, ı. e. den Leuchtstoff erspart, und daß es gewisse andere, in der Blutbahn zirkulierende Stoffe sind, welche schließlich oxydiert werden. Nicht völlig im Einklang mit dieser Vorstellung ist die Beobachtung, daß das urinsaure Ammon, das Endprodukt der Leuchtproduktion, in der dorsalen Zellschicht mit dem Alter der In- sekten zunimmt.

Im Verband mit meinen Untersuchungen an den Leuchtbakterien verrichtet, kommt es mir wahrscheinlich vor, daß im allgemeinen die Biophosphoreszension ein enzymatischer Vorgang ist und daß daran wenigstens zwei Enzyme beteiligt sind. Das erstere bewirkt die Um- wandlung der Nährstoffe in Leuchtstoff und wurde von mir damals Photogenase??) genannt, das zweite bringt die Oxydation des Leucht-

0) F. ©. Gerretsen, Über die Ursachen des Leuchtens der Leuchtbakterien, Zentr. f. Bakt. Abt. II, Bd. 52, S. 353. Die Bemühungen Piereantoni’s (Scientia Vol. XXIII. Suppl. S 50) das ganze Problem der Biophosphoreszention auf eine Symbiose mit Leuchtbakterien zurückzuführen, kann ich leider nicht unterstützen. In den Leuchtkäfer sind jedenfalls keine Leuchtbakterien aufzufinden, während der Fakt, daß aus den Leuchtdrüsen der Cephalopoden Leuchtbakterien zu züchten sind, für eine derart weitgehende Hypothese kein Beweis ist, denn die Leuchtbakterien sind aus- nahmslos von allen Seetieren zu isolieren.

21) The Nature of animal Light (Princeton University) 1919.

22) Ebenda 8. 144.

23) 1207 8. 300:

R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw. I)

stoffes zustand und ist die von Dubois gefundene Luciferase. Der Prozeß läßt sich also folgendermaßen darstellen: Nährstoff Leuchtstoff = Oxyleuchtstoff +- Licht Photogenase Luciferase

Man achte darauf, daß die Überführung von Leuchtstoff in Oxy- leuchtstoff ein reversibler Prozeß ist, daß aber der Leuchtstoff nicht wieder in Nährstoff übergeführt wird. Inwieweit die Luciferase sich von anderen Oxydasen unterscheidet, ist nicht ohne weiteres zu sagen. Dubois fand aber in zahlreichen, nicht leuchtenden Organismen, u.a. bei vielen Mollusken und Krustazeen, Enzyme, die gleichfalls den Leuchtstoff unter Lichterscheinung oxydieren.

Fassen wir die obenstehenden Untersuchungen zusammen, dann geht daraus hervor:

1. Die Eier der Lampyriden leuchten anfänglich gleichmäßig und das Licht konzentriert sich, je nachdem der Embryo sich entwickelt, an einer bestimmten Stelle. In diesem Stadium leuchten die Eier von Luciola vittala periodisch, mit einer Periode aber von mehreren Minuten.

2. Das periodische Leuchten wird durch das Insekt beherrscht und ist bei den getöteten Exemplaren mittels des elektrischen Stromes nachzuahmen. (Von einem völlig automatischen Nervenzentrum (Ver- worn) ist gar keine Rede.)

3. Das. periodische Leuchten beruht auf einer intermittierenden Absperrung der Sauerstoffzufuhr in den Kapillartracheen, mittels einer Kontraktion der sogen. Tracheenend- res. -verzweigungsstellen, unter Einfluß von Nervenreizen.

3. Die Narkose der Lampyriden findet in drei, deutlich unter- schiedenen Stadien statt, kenntlich an einem reversiblen Erlöschen, Wiederaufleuchten und schließlich irreversiblen Erlöschen des Leucht- organs.

5. Man kann in der von Dubois angegebenen Weise das Vor- handensein eines spezifischen Leuchtstoffes und wenigstens eines En- zyms bei Zaciola vittata nachweisen.

Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechts- merkmale bei Ustilago violacea. Von Robert Bauch. Würzburg.

In seinen „Untersuchungen über den Antherenbrand“ hatte Kniep (1919) den für das Sexualitätsproblem wichtigen Nachweis erbracht, daß die Sporidien der Ustilago violacea, die morphologisch vollkommen gleichwertig erscheinen, ihrem physiologischen Verhalten nach geschlecht- lich differenziert sind. Nur Sporidien mit entgegengesetztem Greschlechts- charakter treten in den Sexualakt, die Kopulation ein. Die morpho- logischen „Isogameten“ sind in Wirklichkeit physiologische Hetero- gameten. Zillig (1921) bestätigte in ausgedehnten Infektionsversuchen

R. Bauch, Kopulationsbedineungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw > l gung ;

die von Kniep ausgesprochene Vermutung, dab die Ustilago violacea eine Sammelspezies darstellt. Sie läßt sich in eine ganze Reihe von biologischen Rassen aufteilen, die ihren jeweiligen Wirtspflanzen spe- zialisiert angepaßt sind. Teilweise lassen sich diese Spezialformen auch durch feinere morphologische und besonders durch physiologische Eigen- heiten ihrer Sporidien voneinander unterscheiden. So z. B. weisen die Sporidien der Form von Saponaria officinalis eine herabgesetzte Kopu- lationsfähigkeit auf. Für die Rasse von Dianthus deltoides hatte Kniep gewisse Beobachtungen gemacht, die auf das Vorhandensein von sekun- dären Geschlechtsmerkmalen der beiden Sporidiengeschlechter hindeuteten. Zillig fand gelegentlich die gleichen Erscheinungen. Aufgabe der vorliegenden Arbeit war es, diese Frage nach sekundären Geschlechts- merkmalen der Dianthus deltoides-Form eingehender zu verfolgen. Da- neben wurden noch einige andere Fragen in Angriff genomnien, von denen hier die Ergebnisse der Untersuchung über die äußeren Bedingungen der Kopulation der Sporidien mitgeteilt seien.

I. Kopulationsbedingungen.

In der älteren mykologischen Literatur taucht überall dort, wo

bei einem Pilz auf eine Zeit üppiger Vermehrung sei es nun rein vegetativ als Myzel oder nach reichlicher Konidien- oder Sporangien- produktion ein sexuelles Stadium folgt, der Gedanke auf,. die sexuelle

Vermehrung sei veranlaßt durch den eintretenden Mangel an Nährstoffen, durch die Erschöpfung des Nährsubstrates. Da meist das Produkt des Sexualaktes besonders zum Überstehen von Trockenheit und Nahrungs- mangel, allgemein gesagt von für das vegetative Wachstum des Organis- mus schlechten äußeren Bedingungen, ausgerüstet ist, so stand hinter diesem Gedankengang häufig die Betrachtung bald direkt ausge- sprochen, bald nur zwischen den Zeilen zu lesen —, daß der Pilz bei Eintritt von Nahrungsmangel zur Sicherung der Erhaltung der Art jetzt zum Sexualakt und den damit verbundenen Dauerzuständen über- gehe. Daß Nahrungsmangel den Sexualakt hervorruft, mag für eine Reihe von Formen stimmen als Beispiel sei hier die Pyronema con- [Iuens (Claußen 1912) angeführt —, für andere aber wieder nicht. Das wiesen z. B. Klebs für Sporodinia gramdis (1898) und Saprolegnia mixta (1899), Raciborski (1896) für Basidiobolus ranarım, Char- lotte Ternetz (1900) für Ascophanus nach. Für den Antheren- brand war die Annahme, daß Nährstoffmangel die Kopulation auslöse, zuerst von Brefeld (1883) ausgesprochen worden und ohne genauere Nachprüfung von späteren Bearbeitern übernommen. Kniep (1919) verwendete auf Grund dieser Annahme nährstoffarme Medien für Ko- pulationsversuche, in der Hauptsache 0,1 % Lösung von Malzextrakt. Die eingehende Untersuchung ergab nun um das Resultat gleich vor- weg zu nehmen —, daß nicht Nährstoffmangel im Brefeldschen Sinne oder die in alten Kulturen eintretende Anhäufung von Stoffwechsel- produkten kopulationsauslösend wirken, sondern daß vor allem die Sauer-

R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw. 11

stoffspannung des Mediums das maßgebende Moment darstellt. Die nachstehenden Versuche mögen den Beweis dafür erbringen. Versuch I. Sporidiengemische werden in 0,01 % Malzextraktlösung angesetzt 1. in Reagenzröhrehen (13 em hoch, 1,5 em Durchmesser) bis dicht unter den Wattestopfen mit Malzlösung beschickt = „hoch“; . in Röhrchen, die ca. zu 1/, der Höhe mit Flüssigkeit gefüllt sind 1 ARTEN 3. in Röhrchen mit normalhoher Flüssigkeit, die aber, sobald sich die Sporidien in der Kuppe des Reagenzglases abgesetzt haben

(Y» Tag ca.), bis auf den Kuppeninhalt abgegossen werden „ab-

gegossen“;

4. in Petrischaien mıt ca. 3—D5 cem Flüssigkeit, die sich in dünner

Schicht über die ganze Schale verteilt.

Die Versuche wurden mit 3 Stämmen des einen Geschlechtes in Kombination mit einem des entgegengesetzten Geschlechtes angesetzt. Zur klareren Darstellung mögen die beiden Geschlechter nach dem Vorgange von Zillig (1921) unter den in- differenten Bezeichnungen „a“ und „b“ geführt werden und zwar seien die von Kniep hauptsächlich zur Geschlechtsprüfung verwendeten Stämme 12d=a und l4d=D ge- setzt. Dieser Festsetzung entsprechen auch die Bezeichnungen Zilligs, so daß in allen Arbeiten des Würzburger Institutes die Geschlechter gleichartig benannt sind '). Die Indizes in den Tabellen geben die laufende Nummer der jeweils benützten Stämme wieder, die Zahlen bedeuten die Tage, nach denen die ‘ersten Kopulationen gefunden wurden. Die Häufigkeit der Kopulationen wurde nach folgendem Schema wieder- gegeben:

DD

überhaupt keine Kopulationen

+ Kopulationen selten.

En = etwa in jedem 5.—10. Gesichtsfeld. ++ = D) Tran, an 1.—5.

+++ = mehrere in jedem Gesichtsfeld.

7 besagt also z. B., daß auch nach 7 Tagen noch keine Kopulationen zu finden sind.

Tabelle 1.

a, ar b, a,,+ b, | a, mn b, = un Röhrchen hochgeschichtet +6 + 10 | +3

normal oe ang n abgegossen +1 | + 1be0#1l || | | Petrischalen Ina m per er 1200 +41

Die Tabelle zeigt, dab in Petrischalen die Kopulationen bereits innerhalb eines Tages und in reichlicher Menge auftreten, dab in den Röhrchen die Kopulationen sich teilweise später oder in geringerer Menge einstellen. Der Unterschied dieser 4 Anordnungen liegt nur

l) Reinkulturen beider Geschlechter von verschiedenen Wirtspflanzen sind der Zentralstelle für. Pilzkulturen, Baarn (Holl.) Javalaan 4 und Kräl’s bakteriol. Museum Wien IX/2, Zimmermannsgasse 3, übersandt.

12 R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw.

in der größeren oder geringeren Möglichkeit, in Gasaustausch mit der Luft zu treten. In Analogie zu dem sonstigen Einfluß des Sauerstoffs auf alle Lebensvorgänge liegt es nahe, hier speziell in dem reichlicheren Zutritt von Sauerstoff die kopulationsauslösende Ursache zu sehen. Der Versuch steht nicht als einzelner da, sondern wurde mehrmals mit prin- zipiell gleichem Ergebnis wiederholt. Das schnelle und reichliche Auf- treten von Kopulationen in Petrischalen wurde in mehreren Hundert sebrauchskombinationen des zweiten Teiles der Arbeit immer bestätigt, während man in Reagenzglasversuchen erst nach 5-6 Tagen auf Kopu- lationen in entsprechender Häufigkeit rechnen kann.

Gegen die Bewertung dieses Versuches ließe sich im Brefeld- schen Sinne einwenden, daß er ja schon mit ganz nährstoffarmen Lösungen angestellt wurde. Es war also die Frage zu prüfen, ob der gleiche Einfluß des Gasaustausches auch bei Anwendung höher kon- zentrierter Flüssigkeiten sich nachweisen läßt. Daß dies der Fall ist, zeigt Versuch II, bei dem an Stelle von 0,01 % eine 3 % Malzlösung verwendet ist.

Tabelle 2.

3% Malzröhrchen abgegossen | +9 7 | 1% | 3% Malz Petrischale May an 37 | Se re

Das Auftreten von Kopulationen in hochkonzentrierten Nährlösungen bereits nach einem Tage, das in Parallelversuchen sich noch häufiger ergab, ist mit der Brefeldschen Erschöpfungshypothese unvereinbar. Denn es ist schwerlich anzunehmen, daß nach eintägigem Wachstum bereits Erschöpfung der Nährlösung eingetreten sein sollte. Das wäre erst in bedeutend älteren Kulturen zu erwarten.

Aber auch lange bewachsene Kulturmedien sind weder durch ihren Mangel an Nährsubstanzen noch durch ihren reichen Gehalt an Abbauprodukten des Stoffwechsels von Einfluß auf Eintreten und Häufigkeit der Kopulation, wenn die Gasaustausch - Verhältnisse außer acht gelassen werden. Ein derartiger Versuch wurde mit 3% und 0,1% Malzextrakt angestellt, der 2!/, Monate lang mit der Kultur b, bewachsen war und währenddessen häufig umgeschüttelt wurde, um der am Boden des Kulturgefäßes liegenden Sporidienmasse immer neue Nährflüssigkeit zuzuführen. Die überstehende Flüssigkeit wurde dann vorsichtig, ohne den Satz aufzuwirbeln, abgegossen, steril in Röhrchen in normaler Höhe gefüllt und zur Sicherheit eine Stunde im Dampftopf übersterilisiert. Dann Beimpfung mit gleichen Mengen von a- und b-Kulturen.

Die Tabelle III bedarf im Vergleich zu I wohl keiner weiteren Erläuterung.

R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw. 15

Tabelle 3.

3% Malz erschöpft 10) +10 0,1 % Malz erschöpft ar Ic

Brefeld hatte nun allerdings seine Versuche anders durchgeführt. Er war nicht von Sporidienreinkulturen mit bekanntem Geschlecht, son- dern von Brandsporenaussaaten ausgegangen. Es hätte ja möglich sein können, daß diese Unterschiede irgendwie auf das Endergebnis Einflub besitzen. Die Erledigung dieser Fragestellung gibt Versuch IV.

Versuch IV.

Brandsporenaussaat in 0,01% und 3% Malzextrakt in Röhrchen normaler Höhe und in Petrischalen.

Tabelle 4. Kopulationen nach 3% Malz in Röhrchen | 15—20 Tagen 3% Malz in Petrischalen \ 3 Tagen 0,01% Malz in Röhrchen | 3-4 Tagen 0,01 % Malz in Petrischalen | 2 Tagen

Also auch hier keine Abweichung von dem oben geschilderten Ver- halten. Die Unterschiede in dem Auftreten von Kopulationen in 0,01 % Malzextrakt sind hier gering. Doch mag sich dies aus der Beobachtung erklären, daß in stark verdünntem Malz die Brandsporen nicht unter- sinken, sondern an der Oberfläche schwimmend keimen und Sporidien abschnüren.. Sie besitzen dann natürlich auch im Röhrchen die Mög- lichkeit reichlichen Gasaustausches mit der Luft.

Alle diese Ergebnisse sprechen dafür, daß nicht Erschöpfung der Nährstoffe oder Anhäufung von Stoffwechselprodukten die Kopulation auslöst. Vielmehr ist der intensivere Gasaustausch mit der Luft, den die Petrischalenmethode gegenüber der Röhrchenmethode gestattet, der realisierende Faktor. In den folgenden Versuchen wird der Nachweis geführt werden, daß tatsächlich, wie von vornherein zu erwarten, der leichte Sauerstoffzutritt zu den dünnen Flüssigkeitsschichten die wesent- liche Bedingung darstellt.

Als erste sollte die Frage entschieden werden, wie die Verminde- rung des Luftdruckes, damit also auch Verminderung des O-Partiär- druckes, auf die Kopulation einwirkt. Die Versuche wurden unter Glasglocken mit 2 Zuführungswegen angesetzt. Die eine Zuführung war mit der Wasserstrahlluftpumpe, die andere mit einem Hg-Barometer

[4 R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw.

verbunden. Die Diffusion der Gase von Flüssigkeit zu Luft scheint ziemlich langsam vor sich zu gehen. Werden die Petrischalen sofort mit Sporidiengemischen dem veränderten Luftdruck ausgesetzt, so zeigen sie regelmäßig schon nach einem Tag Kopulationen. Werden die beiden Sporidienformen dagegen erst getrennt in Petrischalen unter vermin- derten Luftdruck gebracht und dann schnell zusammengegossen und wieder ins Vakuum gebracht, dann läßt sich eine gesetzmäßige Ein- wirkung des Luftdruckes feststellen. Da Kopulationen unter normalen optimalen Bedingungen bereits nach einigen Stunden eintreten, erscheint. das Verhalten der Sporidiengemische nicht unerklärlich. Der endgültige Gleichgewichtszustand zwischen den Flüssigkeitsgasen und den Luft- gasen würde also erst später eintreten, als dab der O-Gehalt der Flüssig- keit nicht noch zur Kopulation genügt hätte. Das Auftreten von Kopu- latıonen ist so beinahe ein Reagenz für die Schnelligkeit der Gasdiffusion.

Versuch V. Sporidien in Petrischalen in 0,01 % Malz, erst 2—3 Tage getrennt, dann gemischt.

Tabelle 5. Luftdruck: a+b, | »+b |23,-b; normal ee auf °/, erniedrigt +1 +1 +1 auf t/, erniedrigt | —3 3 en auf !/, erniedrigt —4 —4 4

Bei Ermiedrigung des Luftdruckes auf die Hälfte treten demnach keine Kopulationen mehr auf.

Versuch W.T.

Nun wurde der Einfluß verschiedener Gase mit der gleichen Ver- suchsanordnung durchgeprüft. Die Luft wurde bis auf !/,, ca. ausge- pumpt, dann mit dem zu prüfenden Gase unter der Glasglocke wieder normaler Druck hergestellt. Die Sporidien wurden wie im vorigen Ver- such erst einige Tage getrennt dem Gas ausgesetzt und dann erst mit- einander gemischt.

Tabelle 6.

\Aatb | .+b | 23,+b,

Sauerstoffatmosphäre ++-+3 ++3| ++3 Wasserstoffatmosphäre | —9 —9 —)9 Kohlensäureatmosphäre | —6 —6 —b

Stickstoffatmosphäre | —3 —) —)

R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw. 15

Von den untersuchten Gasen treten nur im Sauerstoff Kopulationen auf und somit ist der oben aufgestellte Satz bewiesen.

Nachdem durch die vorhergehenden Versuche ein Optimum der Kopulationsbedingungen festgestellt war, Konnten auch weitere Fragen über die Bedeutung anderer Außenbedingungen in Angriff genommen werden. Durchgehends wurde jetzt die Petrischalenmethode angewendet.

Versuch VII.

Einfluß der Konzentration der Nährlösung: Malzextrakt in ver- schiedenen Verdünnungen.

Tabelle 7. a+b, | a, + b, 3% Malz Re 1% Malz | se art! 0,1% Malz een 0,01% Malz I+++1| +41 001% Malz 1 Hit tH1 Aqua dest. | ++1 | Ar |

Die höheren Malzkonzentrationen hemmen also die Kopulationen deutlich. Am besten erscheint ungefähr 0,01 %% Malz.

Versuch VIII

Einfluß des Säure- und Alkaligehalts. Aqua dest. in Petrischalen mit verschiedenem HClI- und NaOH-Zusatz. Die Säuregrade geben an, wieviel com n/10-Lösung zur Neutralisation von 10 ccm Flüssigkeit bei Phenolphthalein als Indikator verbraucht werden.

Tabelle 8.

33R ? |a»+b |, +b

Aqua dest. 2,5 alkalisch | 3 —3 Aqua dest. 1,5 alkalisch | —3 | mn) Aqua dest. 0,5 alkalisch hear Aqua dest. ganz leicht alkalisch | +++1+1+1 Aqua dest. neutral \ ++1 ++1 Aqua dest. 0,5 sauer | | 4 Aqua dest. 2,5 sauer | —4 | 4 Aqua dest. 4,0 sauer —4 | —4

16 R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw.

Hohe Säure- und Alkalimengen hemmen in gleichem Maße die Kopulation, während geringes Alkali sie befördert. Dementsprechend wurde für die Gebrauchskombinationen des Il. Teiles der Arbeit die verwendete 0,01 %0 ige Malzlösung ganz leicht alkalisch gemacht (1 Trop- fen n/l NaOH auf 100 ccm Flüssigkeit).

Versuch IX.

Versuch VII hatte gezeigt, daß hohe Malzkonzentrationen die Ko- pulation hemmen. Könnte diese Hemmung nicht auf dem höheren Säure- grade beruhen? 3% Malzlösung ist ungefähr 0,5 bis 0,8 sauer. Der Ansatz geschah in 3% Malz mit verschiedenen Säure- und Alkali- eraden in Petrischalen.

Tabelle 9.

td + 3% Malz 1,4 alkalisch —3 +2 3% Malz 0,5 alkalisch —+2 +1 3% Malz ganz leicht alkalisch +41 +1 3% Malz 0,6 sauer (normal) +3 +3

Das Ergebnis, vielleicht nicht ganz so klar wie im vorhergehenden Versuch, zeigt, daß in leicht alkalischer Lösung am frühesten und reichlichsten Kopulationen auftreten. Die Hemmung durch konzentrierten Malzextrakt wird also wohl ın der Hauptsache auf seinen Säuregehalt zurückzuführen sein.

Diese Anschauung wurde weiterhin bestätigt durch Versuche mit reinen Zuckerlösungen. Hierbei waren die Säure-Alkaliverhältnisse so

gut wie ganz ausgeschaltet die Reaktion von 3 % Maltose schwankt um 1-2 Tropfen n/10 KOH nur der höhere osmotische Druck kon-

zentrierter Lösungen war wirksam. Die Ergebnisse waren für alle be- nutzten Zuckerarten im allgemeinen gleichartig; deshalb sei hier nur der Maltoseversuch als Beispiel angeführt.

Tabelle 10.

\atb a+b

10% Maltose Seat

5% Maltose 1a | +1 3% Maltose +1 | +1 1% Maltose +1 +-+1 0,1% _ Maltose +1 +41 0,01% Maltose | ++1 | +1

0,001 % Maltose ++1 ' ++1

R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw. 17

Außer den bisher angeführten Faktoren guter Sauerstoffzutritt, leichte Alkaleszenz -- scheint nur noch die Frage des osmotischen

Druckes für die Kopulation von einiger Bedeutung zu sein. Dab etwa. eine bestimmte Stoffgruppe einen besonders befördernden Einfluß hätte, wie es Klebs (1898) z. B. für mehrere Kohlehydrate bei der Zygo- sporenbildung von Sporodinia nachgewiesen hat, oder dab andere deut- lich hemmend wirkten, dafür lieferten diesbezügliche Versuche keine Anhaltspunkte. Untersucht wurden von Eiweißstoffen Pepton „Witte“, Nutrose, Gliadinpepton (reines Präparat), von Aminosäuren Glykokoll, von N-haltigen organischen Verbindungen Asparagin, von Kohlehydraten Milchzucker, Maltose, Saccharose, von Alkoholen Glyzerin, immer in verschiedenen Verdünnungen von 1% bis 0,001 %. Meist traten in den stärksten Konzentrationen die Kopulationen später ein und spärlicher als in den: schwächsten, aber eine Bevorzugung eines dieser Stoffe in positiver und negativer Beziehung ließ sich nicht nachweisen. Die Versuche sind aber zu wenig ausgedehnt worden, um etwa behaupten zu können, daß es gar keine Körper gäbe, die die Kopulation hemmten. Bei eingehenderer Untersuchung würden sich wohl sicher organische Verbindungen auffinden lassen, bei denen man eine Säure-Alkalihem- mung ausschließen kann und die trotzdem durch ihre chemische Struktur hemmend einwirken. Da es aber unwahrscheinlich war, daß Versuche in dieser Richtung etwas wesentlich Neues zu der Hauptfragestellung ergeben würden, wurde davon Abstand genommen. Einige Versuche mit anorganischen Salzen aber ließen eine Hemmung deutlich erkennen. Als Beispiel sei das Verhalten von NaÜl ın Tabelle XI wiedergegeben.

Tabelle 11. ass see, 0,01% Malz NaCl mfl I 6 0,01 % Mala NaClm5 | 6 u: 0,01% Malz NaCl m/1l0 +6 | +1 0,01% Malz NaCl m/15 | Zu ei

Zusatz von m/5 NaCl zur Malzlösung, die eine Erhöhung des osmotischen Druckes bedingt, hemmt die Kopulation. Man wird nicht fehl gehen, auch die Hemmung der höheren Konzentrationen der eben erwähnten Stoffe und der Maltose (siehe Tabelle X) auf Erhöhung des osmotischen Druckes zu beziehen. Gleichsinnig würde wohl die Beob- achtung zu deuten sein, daß in dem stark kalkhaltigen Würzburger Leitungswasser Kopulationen erst nach mehreren Tagen und dann schr spärlich auftreten.

Wichtig ist noch die Bedeutung der Temperatur für den Kopulations- vorgang. Tabelle XII gibt eine diesbezügliche Versuchsreihe wieder.

42. Band,

) -

AS R. Bauch, Kopulationsbedingtingen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw. Tabelle 12,

| a,—+b, a,b, | 2,4 b,

im Brutschrank bei 28° —5 —5 —5 im warmen Zimmer 18—20° +++1/+++1'++-+]1 im kalten Gewächshaus 10° ++1/+++1/++-+1 im Freien —5° bis +5° 2 au“ +2

Das Temperaturoptimum liegt also zwischen 10° und 20°. Allzu eroße Entfernung davon nach oben und unten hin hat deutlich hem- mende Wirkung.

Von sonstigen Faktoren hätte vielleicht noch das Licht eine Rolle spielen können. Versuche, die unter sonst gleichen Bedingungen ange- setzt wurden, nur dab einmal der Ansatz in den frühen Morgenstunden oeeschah und die Petrischalen während des ganzen Tages dem zerstreuten Tageslicht ausgesetzt waren, dab ım anderen Falle der Ansatz am Abend bei elektrischem Licht erfolgte und die Petrischalen dann sofort unter sicheren Dunkelsturz gebracht wurden, ergaben keinerlei Unter- schiede.

Fassen wir die Ergebnisse kurz zusammen:

Der Kopulationsvorgang der Sporidien von Usti- lago violacea ist'in erster Linie’ abhäneie von:.dem Sauerstoffgehalt der Flüssigkeitoder der Möglichkeit cinesintensiven Gasaustausches mit der Luft, wie ihn dünne Flüssigkeitsschichten bieten. Erist ferner ab- hängig von dem Alkaligehalt des Mediums. Starkes Alkali und schon geringe Säuregrade hemmen den Vor- sang. Irgend ein besonders befördernder Einfluß von Körpern der Eiweiß- oder Kohlehydratgruppeistnicht nachgewiesen worden, doch hemmen diese Stoffe in hohen Konzentrationendeutlich,ebensowiehoherSalz- echalt des Mediums dureh ihre osmotische Wirkung. Die Kopulation erfolgt unabhängig vom Licht. Ein Temperaturoptimum ist deutlich vorhanden. Eine Ab- hängigkeit des Auftretens der Kopulationen von der Erschöpfung der Nährlösung bezw. der Anreicherung mit Stoffwechselprodukten, wie Brefeld (1833) es an- nahm, besteht nicht. All diese experimentell ermit-, belten äußeren Bedingungen entsprechen also im all- seemeinen denen, wie sıe der Pilz Jauch in der Natur vorfinden mag”).

Bisher ‘wurden immer nur äußere Bedingungen berücksichtigt. Schon Knıep (1919) berichtete aber von verschieden guter Kopulationsfähig-

‘) Die exakte Beherrschung der Kopulationsbedingungen machen den Antheren- brand zu einem günstigen Demonstrationsobjekt der „Isogamie“.

R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw. 14

keit seiner Sporidien und beobachtete auch, dab das Kopulationsver- mögen nach längerer Kultur nachläßt. Bei meinen Kulturen, die im Anfang der Arbeit wahllos aus einer großen Reihe frisch isolierter herausgegriffen waren, habe ich eine Abnahme der Sexualfreudigkeit nicht feststellen können. Noch jetzt, nachdem sie ca. 3, Jahr ständig von Malzagar zu Malzagar gezüchtet sind, kopulieren sie unter opti- malen Bedingungen noch ebenso tüchtig wie im Anfang. Auch Petri- schalenversuche mit -verschieden alten Kulturen gleicher Abstammung (darunter auch schon beinahe vertrocknete) ließen keine Abnahme der Kopulationsfähigkeit erkennen. Doch scheinen in gewissen Fällen tat- sächlich innere Bedingungen von Einfluß zu sein. Unter den mehreren Tausenden auf ihr Geschlecht geprüften Kulturen fanden sich hin und

wieder einige —- ohne daß ihr Auftreten irgend eine Regelmäßigkeit erkennen ließ -——- die als „schlecht kopulierend“ zu bezeichnen waren.

Erst nach mehrfachem Ansetzen in Röhrchen, der Gebrauchsmethöode tür den Massenbetrieb, konnten Kopulationen aufgefunden werden und dann meist spärlich. Mitunter führte auch der geduldige mehrmals wiederholte Ansatz im Röhrchen nicht zum Ziel. Dann gelang es aber immer unter den optimalen Verhältnissen der Petrischalenmethode eine Entscheidung über das Geschlecht des betreffenden Stammes zu fällen. Meist zeigten diese schlecht kopulierenden Stämme morphologische Ab- weichungen von der Norm. Eine größere oder geringere Zahl von Sporidien war bedeutend größer als normal, dick mit Reservefettkügel- chen angefüllt, häufig zeigen sie Biskuit- oder sogar hantelförmige Ge- stalt. Diese großen Formen wurden nie bei der Kopulation beobachtet, stets waren die wenigen in solchen Kulturen kopulierenden Individuen von normaler Größe. Der Gedanke liegt nahe, in derartigen schlecht kopulierenden Kulturen eine pathologische Erscheinung zu sehen, über deren Zustandekommen allerdings nicht einmal Vermutungen geäußert werden können. Daneben gibt es noch kleinere, individuelle Unter- schiede des sexuellen Temperamentes der Sporidien. So fanden sich z. B. häufig in dem gleichen Massenansatz unter sonst gleichen Be- dingungen (gleiche Nährlösung, gleicher zur Geschlechtsprüfung be- nutzter Teststamm) deutliche Unterschiede zwischen solchen Kulturen, die massenhaft kopuliert hatten und anderen mit nur wenigen Kopu- lationen, die erst nach längerem Suchen aufgefunden werden konnten. Wiederholte vergleichend ausgeiührte Versuche mit derartig. extremen Stämmen in Petrischalen ergaben fast stets, dab die schlecht kopulierenden Stämme auch unter diesen Bedingungen nach einem Tage weniger Ko- pulationen ausgebildet hatten als die gut kopulierenden. Doch war bei 2--3tägiger Beobachtung dieser Vorsprung wieder eingeholt. Diese indi- viduellen Unterschiede können also nur geringfügiger Natur sein. Alle bisher wiedergegebenen Beobachtungen beziehen sich nur aul die Sporidien der Spezialtorm des Antherenbrandes von Dianthus del- /oides. Einige andere Spezialformen (Dianthus carthusianorum, Di. superbus, Silene nutans, Melandryum album) kopulieren unter den Für 9%

3) R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw.

die Deltoidesrasse optimalen Bedingungen vbenso kräftig wie diese. Ferner lassen sich Bastardierungen z. B. von Di. deltoides mit Melandı. album, die im Röhrchen nur schwer zu erzielen sind, in. Petrischalen schon nach einem Tage gewinnen. So wird die Behauptung nicht allzu oewagt sein, daß die Kopulationsbedingungen der anderen Spezialformen die gleichen sind wie die für die Deltoidesform, mit Ausnahme aller- dings der von Saponaria offieinalis. Für diese ist schon durch die älteren Beobachter festgestellt, dann durch Kniep und Zillig wieder bestätigt worden, dab sie nur schwer oder gar nicht zur Kopulation zu bringen ist. Auch ich konnte bei verschiedenst variierten Bedingungen, auch unter den für die Deltoidesrasse optimalen, weder bei Eigen- mischung noch Kreuzungsversuchen mit anderen Rassen eine erhöhte Kopulationsfähigkeit erzielen. Vielleicht liegt hier eine Rasse vor, deren Kopulationsfähigkeit vermindert ist, oder deren Sexualstadıum ähnlich wie bei Ustilago maydis teilweise auf eine andere Stelle des Entwick- lungszyklus verlegt ist.

Vergleichen wir noch, ob die für den Kopulationsakt der Ustilago violacea als überragend festgestellte Rolle des Sauerstoffs sich auch bei anderen Organismen wiederfindet. Die Bedingungen des Sexualaktes niederer Organismen sind im allgemeinen wenig eingehend abgesehen von den groß angelegten Untersuchungen Klebs - bekamt, die 0-Frage im speziellen nicht aufgerollt. Sowohl für Sporodinia wie für sämt- liche Mucorineen gilt der Satz, daß Zygoten nur in Luft, nie im Nähr- substrat gebildet werden. Das Gleiche trifft nach Racıiborski (1596) für Basidiobolus ranarum, nach Ternetz (1900) für Ascophanus, nach Claußen (1912) für Pyronema confluens und nach dem sonstigen Auftreten von Sexualprodukten der Ascomyzeten meist nur an der Luft- oberfläche ihres natürlichen Substrates für die große Mehrzahl der Ascomyzeten zu. Dem schließt sich die Beobachtung von Kniep (1915) über die Schnallenbildung gewisser Basidiomyzeten an, die auch nur ini Luftmyzel, nie in untergetauchten oder innerhalb des Substrates wachsenden Fäden auftreten. Für Sporidinia steht dieser Anschauung allerdings ein Klebsscher Versuch (1898) entgegen, wo Zygoten noch in einem Vakuum von 20--25 mm entstanden, unter Verhältnissen also, wo der Sauerstoffpartiärdruck nur noch minimal sein kann. Nicht ausgeschlossen wäre es aber, daß bei all den Formen mit Luftmyzel die Transpirationsverhältnisse von maßgebenderer Rolle sind als der Sauer- stoffzutritt. Doch liegen darüber bisher noch keine Untersuchungen vor.

II. Sekundäre Geschleehtsmerkmale.

Für die Spezialform des Antherenbrandes von Dianthus deltordes hatte Kniep (1919) ein merkwürdiges Verhalten mitgeteilt. Er ließ die Brandsporen in verschiedenen Nährböden keimen und isolierte dann aus diesen Brandsporenaussaaten in der üblichen Weise durch Platten- süsse Einsporidienkulturen. Diese wurden durch Kombination unter- einander auf ihr Geschlecht geprüft. Bei den Rassen aller untersuchten

R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschleehtsmerkmale usw. >]

Wirtsformen fanden sich die beiden Geschlechter ungefähr in einem Verhältnis von 50:50. Nur bei der Di. deltoides-Form kamen Ab- weichungen so bedeutender Art vor, daß sie nicht auf Rechnung des Z/ufalls zu schreiben waren. In einigen Versuchen. wo Malz- und Peptonzuckergelatine als Medium der Sporidienisolierung benutzt wurde,

war nur das eine Geschlecht gezüchtet worden -- die Verhältniszahlen lauteten 190a:0b in anderen das entgegengesetzte, in anderen da-

gegen beide in ungefähr normalem Verhältnis. Kniep deutete diese Erscheinung bereits darin, daß sich die beiden Geschlechter irgend welchen Stoffen in den benutzten Nährmedien gegenüber verschieden verhalten, daß sie sich also nicht nur durch ihre geschlechtliche Ten- denz, sondern auch durch anderweitige Eigenheiten unterscheiden, kurz dab es sich hierbei wohl um sekundäre Geschlechtscharaktere physio- logischer Natur handele. Diese Frage soll im Vorliegenden eingehender untersucht werden.

Die im Nachfolgenden gegebenen Zahlen beziehen sich auf das Verhältnis der als Einsporidienkulturen isolierten Geschlechter a:b; so.bedeutet z. B. 30:0, daß in diesem Falle 30 Kulturen des a-Geschlechtes und keine Kulturen des b-Geschlechtes gezüchtet wurden. Die Technik der Untersuchungen gestaltete sich gleichlautend der

von Kniep angewendeten. Zuerst wurden die steril aus der Knospe entnommenen Brandsporen auf künstlichen Nährsubstraten zum Keimen und Sporidienbildung ge-

bracht „Brandsporenaussaat“ und von den hier entstandenen Sporidienmassen dann Plattengüsse in Petrischalen hergestellt „Sporidienisolierung“. Von den dabei

gewachsenen Kolonien wurden in jedem Versuch 30 fortlaufend numeriert auf Schräg- agarröhrchen (3% Malz, 2% Agar) übergeimpft und nach genügendem Wachsen mit Teststämmen bekannten Geschlechts in Röhrchen mit 0,01 % Malzlösung (leicht alkalisch) kombiniert. Nach einem Tage hatten die Sporidien sich am Boden des Röhrchens .ab- gesetzt, die überstehende Flüssigkeit wurde abgegossen und nach 5—6 Tagen der Boden- satz auf Kopulationen untersucht. Die Petrischalenmethode, die ja schon nach einem Tage endgültige Ergebnisse liefert, wurde im allgemeinen wegen ihrer etwas größeren technischen Umständlichkeit nicht angewendet, nur dort, wo es sich darum handelte, schnell den Ausfall eines Versuches abzulesen. Wenn bei einer Kultur die Kombination mit dem a-Teststamm Kopulationen ergeben hatte, so wurde sie als b bezeichnet, ohne daß erst noch auf das Ausbleiben von Kopulationen bei Kombination mit dem b-Stamm geprüft wurde. Gab eine Kultur mit a keine Kopulationen, so wurde sie mit b kombi- niert und erst bei positivem Ausfall als a geführt. Keine Geschlechtsprüfung wurde abgeschlossen, ehe nicht mit einem der beiden Teststämme Kopulationen erzielt waren. Gelegentlich hätte es vorkommen können, daß die isolierte Kultur nicht einem Spo- ridium entstammte, sondern schon aus beiden Geschlechtern gemischt bestand. In diesem Falle wären von vornherein in der Kultur Kopulationen zu erwarten. Doch traten derartige „selbstkopulierende“ Stämme zu selten auf, um auf sie besondere Rück- sicht nehmen zu müssen. Auf 2160 mit beiden Geschlechtern geprüften Stämmen kamen im ganzen 15 selbstkopulierende. Dieser Fehler von 0,7% wurde aber durch die große Anzahl der in jedem Versuch isolierten Kulturen ausgeglichen.

Die Beobachtungen von Kniep wurden in großem Umfange nach- geprüft. Dies geschah in vollständiger Anlehnung an seine Versuche durch Kompination von 1) 3% Malzlösung, 2) 3%, Malz, 10%, Gela- time, 3) 3%, Malz, 2%, Agar, 4) 0,5% Pepton. 3% Saecharose, 10 % Gelatine zur Brandsporenaussaat und soweit sie fest waren, zur Sporidienisolierune. Das Resultat gibt Tabelle I. N

99 R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw.

Tabelle 1.

Brandsporenaussaat | DREIER in | Malzgelatine nn Malzagar 3% Malz 28.20 28:0 11 »42 Malzgelatine 22:3 188.0 4:20 Peptonzuckergelatine 26:0 DEE RO Malzagar ER. 22 : 4 9:14

Immer, wenn Gelatine gleich welcher Zusammensetzung zur Spo- ridienisolierung benutzt wird, treten nur a-Kulturen auf bezw. es er- gibt sich ein bedeutendes Überwiegen von a gegen b, während die Sporidienisolierung mit Malzagar entweder ein ungefähr gleiches Ver- hältnis von a zu b liefert oder im Gegenteil eine Verschiebung zugun- sten von b. Ohne besonderen Einfluß erscheint dabei das Nährsubstrat der Brandsporenaussaat. Auf den Medien, die hierfür benutzt waren, traten ‘später Kopulationen auf, in Malzagar schon nach 5 Tagen reich- lich, in den anderen nach 15-20 Tagen. wenn auch spärlicher. In den Brandsporenaussaaten waren also beide Geschlechter vertreten ein Hinweis, daß die Verschiebung des Geschlechtsverhältnisses nicht auf dem Stadium der Brandsporenaussaat, sondern erst auf der Phase der Sporidienisolierung eingetreten war. Endeültige Klarstellung dieser Frage geben eine Reihe weiterer Versuchsserien.

Zuerst wurden an Stelle des 3 %0 Malz verschiedene andere Flüssig- keiten zu: Aussaat benutzt (Tabelle II).

Tabelle 2.

Brandapolikeneasat Sporidienisolierung mit

in Malzgelatine a | Malzagar 3% Saecharose 30.220.271 00.28) 0SU a SEE) 3 %. Lactose 305.0 | 10.519 3.% Maltose 18:0. 0 May ee: 3 % Mamnit | 18%:712 Uı22 3 % Imulin = | RS 3% Malz +3 % Giyzerin |, 18:11 | Zu 0: 50 3% Malz +2 % Pepton | = 1218 3.%'Malz-+5.% Glykokall| 22.6 |: | 10.20 Knopsche Lösung 23.26 | 10420

|

R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw. 23

Die Bedeutung der fett gedruckten Zahlen wird später eingehend erörtert werden. Einstweilen sei gesagt, daß diese Abweichungen von» dem geschilderten Bild nur scheinbar sind, sich in Wirklichkeit voll- kommen in dem gleichen Sinne Hemmung des Wachstums des einen Greschlechtes —- deuten lassen.

Worauf schon das Ergebnis des ersten Versuches hindeutete, das läßt dieser klar erkennen: Die Unterdrückung des einen Geschlechtes geschieht nicht in den Medien der Brandsporenaussaat, sondern erst in den Nährsubstraten, die zur Sporidienisolierung benutzt werden. Dieser Satz wird durch eine Reihe von Versuchen von anderen Gesichtspunkten ausgehend vollkommen bestätigt. Sie seien hier kurz geschildert.

Versmeh Tl lT. Beeinflußt die Konzentration der Nährflüssigkeit bei der Brand- sporenaussaat das Geschlechtsverhältnis? Durchprüfung mit verschie- denen Konzentrationen von Malzextrakt.

Tabelle 3.

Sporidienisolierung mit

Brandsporenaussaat in Malzgelatine | er | Malzagar RT FRE eos | 950 6:24 nn | 28:0 28:0.) 5.18 BAR EE Il 29:0 30:0 10,219 ER N | ey Ball) DER) NOS)

Ergebnis: Die Konzentration des Aussaatmediums ist für die Ge- schlechtsverschiebung ohne Bedeutung.

Versuch IV.

Hat das Alter der Brandsporenaussaat Einfluß auf die Geschlechts- verschiebung? Es wäre denkbar, daß die Ausbildung der beiden Spo- ridiengeschlechter an den Promyzelien zeitlich verschieden erfolgte, oder auch, dab die Vermehrungsgeschwindigkeit des einen Geschlechtes größer wäre als die des anderen. Beides müßte sich an dem kleinen Ausschnitt der tatsächlichen Verhältnisse, den die 30 jeweils durchgeprüften Kul- turen bieten, als Verschiebung bemerkbar machen. Bisher war die Ab- impfung von der Brandsporenaussaat immer nach 5—6 tägigem Wachs- tum vorgenommen, jetzt geschah sie in bestimmten Zeitintervallen, aus- gehend von 2tägigem Wachstum in 2—-3tägigem Zwischenraum bis zu 21 Tagen und schließlich nochmals am 43. Tage. Kombiniert wurden 3% Malz, Malzgelatine, Malzagar als Medium der Brandsporenaussaat mit Malzgelatine und Malzagar zur Sporidienisolierung. Die Aufstel-

7

94 R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw. lung ist zu umfangreich, um sie im Druck wiederzugeben. 23 Einzel- versuche mit 638 durchgeprüften Sporidienkulturen ließen nur eine Deu- tung in dem oben gekennzeichneten Sinne zu. Auch das Alter der Brand- sporenaussaat ist ohne Wirkung auf die Geschlechtsverschiebung.

Versuch V.

Bedingt der Säure- oder Alkaligehalt des Mediums der Brand- sporenaussaat die Geschlechtsverschiebung? Ausgeführt wurde der Ver- such mit verschieden alkalisch und saurer 3% iger Malzlösung. Die Bezeichnungen geben wie bei den Kopulationsversuchen relative Werte, die Menge n/10 Säure oder Alkali, die 10 ccm der Flüssigkeit bei Phenol- phthalein als Indikator neutralisieren ; es bedeutet „4,0 alkalisch” dem- nach: 4 cem n/10 HCl werden verbraucht, um 10 ccm der Malzlösung zu neutralisieren.

Tabelle 5.

: Sporidienisolierung mit Brandsporenaussaat

in Malzgelatine ee Malzagar 3-% Malz 4,0 alkalisch 300 | 3% Malz 2,5 alkalisch _ _ BE20 3 % Malz 1,0 alkalisch BOT 310). 8.0) 2:50 ; % Malz neutral 390 308 Sal) 141%:915 3% Malz 0,5 sauer MDB) 28,0 12 3% Malz 2,5 sauer SZ,

Auch der Ausfall dieses Versuches steht ganz im Einklang mit dem der vorigen.

Eine weitere Serie, die die Frage klären wollte, ob vielleicht durch Züchtung bei verschiedenen Temperaturen Abweichungen von dem bis- her Festgestellten eintreten (Brandsporenaussaat in 3% Malz bei 349, 28°, 20°, 10° Sporidienisolierung mit Malzgelatine und Malzagar) ergab ebenfalls nichts Entgegensprechendes.

Aus den Versuchen 1-5 geht somit klar hervor, daß in der Brand- sporenaussaat die beiden Geschlechter zu gleichen Teilen vorhanden sind. Die Verschiebung des Geschlechtsverhältnisses muß also während der Phase der Sporidienisolierung stattfinden, d. h. durch irgend welche Finflüsse des betreffenden Nährmediums müssen die Sporidien des einen Geschlechts entweder vollkommen abgetötet oder zum mindesten in ihrer Wachstumsenergie geschwächt werden. Welcher Art könnten nun die Eintlüsse der verschiedenen Nährböden sein?

Überschauen wir kurz die Gesamtergebnisse, so gab Gelatine, gleich- eültig ob mit Malzextrakt oder Pepton und Zucker versetzt, fast durch-

R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale ww. 25

weg nur das a-Geschlecht, Malzagar dagegen entweder ein normales Ver- hältnis beider Geschlechter oder ein Überwiegen der b-Form. Das ver- schiedene Verhalten wird also in erster Linie auf Unterschiede der beiden gallertgebenden Substanzen, der Gelatine und des Agars zurück- zuführen sein. Die Unterschiede könnten sich nach zwei Richtungen hin erstrecken: 1) Nach chemisch-physikalischer Seite hin, 2) als rein chemische Differenzen.

Die chemisch-physikalischen Unterschiede könnten sich auf den Kol- loidzustand, die mechanischen Verhältnisse der Spannung, des Zuges und Druckes innerhalb des Mediums, verschiedene Durchlässigkeit und Ab- sorptionsfähigkeit für Gase erstrecken. Es erscheint von vornherein etwas unwahrscheinlich, daß die Abtötung oder Hemmung des einen Geschlechtes mit diesen Mitteln erzielt wurde. Praktisch ist es fast unmöglich, z. B. den Kolloidzustand in weitgehenderem Grade zu ver- ändern, ohne daß das Medium nicht auch seine gallertgebenden Eigen- schaften verlieren würde. So konnte diese Frage experimentell nicht bearbeitet werden. Da es aber tatsächlich gelang, eine bestimmte Kör- pergruppe für die Verschiebung verantwortlich zu machen. so wird der Schluß nicht allzu gewagt erscheinen, die chemisch-physikalischen Unter- schiede der beiden Gallerten aus dem Ursachenkomplex der Geschlechts- verschiebung auszuschalten.

Aber ein anderer Punkt muß hier noch erörtert werden. In der technischen Ausführung; des Isolierungsverfahrens bestanden doch noch Unterschiede zwischen den beiden Medien. Die Gelatine wurde immer im flüssigen Zustande beimpft, also Gußverfahren, während der Agar nach dem Erstarren durch Verteilung des Impfmaterials mit einem Glasspatel beimpft wurde. Daß aber diese Unterschiede ohne Bedeutung sind, zeigt Tabelle VI, in der beide Medien sowohl in Strich- wie in Gußmethodik beimpft wurden ?).

Tabelle 6.

zgelatine gegossen ZEE0

Malzgelatine gego 28:2:0

Malzgelatine gestrichen 30:0 H

Malzagar gegossen 56218

Malzagar gestrichen Dee

Somit mußte die Jagd nach den Ursachen der Geschlechtsverschie- bung bei den chemischen Verschiedenheiten beider Gallerten ansetzen. Da mußte sich zuerst der Gedanke aufdrängen, rein die Unterschiede im Säuregehalt der beiden Medien könnten die Unterdrückung des einen Geschlechts bewirken. In der Tat sind die Differenzen recht erheblich. 2) Hier wie in sämtlichen weiteren Versuchen wird das Medium der Brand- sporenaussaat nicht mehr besonders angegeben. Es handelt sich dann immer um d—6 Tage alte Brandsporenaussaaten in 3 % Malzextrakt.

96 R.-Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw.

Malzagar (nach der oben benutzten Wertangabe) schwankt zwischen 0,6-—0,8 sauer, während Malzgelatine Werte von 2,4—2,3 sauer auf- weist, Peptonzuckergelatine etwas niedriger 2,3 sauer.

Versuch. VM.

Welchen Einfluß hat der Säuregehalt des Mediums der Sporidien- isolierung auf die Unterdrückung des einen Geschlechts? Sporidien- isolierung in „agarsaurer“ (relatine. „Gelatinesaurer“ Agar wird nicht mehr fest, auch nicht bei Verwendung von 5 % Agar. Dieser Versuch mußte somit ausfallen.

Malzgelatine 2,5 sauer 28:0

Malzgelatine 0,5—0,5 sauer 29451

Spielte der Säuregrad hier eine Rolle, dann hätte in 0,3 0,5 saurer Gelatine das gleiche Verhältnis, wie es für Agar typisch ist, auftreten müssen. Das ist aber nicht der Fall.

Die Unterdrückung des b-Geschlechtes durch Gelatine nur diese soll in Folgendem behandelt werden, nicht die gelegentlich auf Malzagar auftretende Hemmung der a-Sporidien läßt sich weder durch chemisch- physikalische (mit Vorbehalt allerdings), noch durch Säuregradunter- schiede zwischen Gelatine und Agar erklären. Sondern in der Gelatine müssen irgend welche Stoffe vorhanden sein, die dem Agar fehlen und die die b-Sporidien in ihrem Wachstum hemmen, vielleicht sogar abtöten. Licht warfen auf diese Verhältnisse Versuche mit Gelatinesorten ver- schiedener Herkunft. In den ersten Versuchsserien waren auf den Gela- tineplatten stets annähernd gleichgroße Kolonien aufgetreten, die mit verschwindenden Ausnahmen dem a-Geschlecht angehörten. Eine später- hin in Gebrauch genommene Gelatinesorte (Friedensware, die ich der Liebenswürdigkeit von Frau Dr. Harder verdanke, wofür auch an dieser Stelle verbindlichster Dank gesagt sei) gab ein ganz verändertes Bild. Auf den 10-14 Tage alten Platten (Zimmertemperatur 18—20 ) waren Kolonien in ungefähr gleicher Anzahl von ganz auffallend ver- schiedener Größe gewachsen. Die großen Kolonien erwiesen sich bei der Geschlechtsprüfung sämtlich als a, die kleinen sämtlich als b. Hier war also die in den ersten Versuchen beobachtete vollkommene Uuter- drückung der b-Sporidien nicht eingetreten, die b-Kolonien waren nur gegenüber den a-Kolonien ganz erheblich in ihrem Wachstum gehemnit. Verschiedene Gelatinesorten verhalten sich hierin ganz verschieden. Die Tabelle VIII, in der, wie auch schon in den vorhergehenden, die kleinen Kolonien durch fette Zahlen wiedergegeben sind, zeigt ein stufenförmiges Absteigen von solchen Sorten, auf denen die Sporidien überhaupt nur sehr schlecht gedeihen, über solche der ersten Versuche, wo nur a-Formen wachsen, zu anderen, auf denen a als große und b als kleine Kolonien auftreten. An den Anfang dieser Reihe ließen sich noch Sorten stellen, aul denen weder a noch b zur Entwicklung kommt. Dab Größenunter- schiede der Kolonien bei den Sorten IT und II und Verschiedenheit der

R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw. 2%

Geschlechter parallel laufen, haben mehrfache Versuche immer wieder bestätigt. In 11 Versuchen unter verschieden veränderten Bedingungen wurden im ganzen 317 Kulturen isoliert. von denen genau den 214 »in den Protokollen als groß bezeichneten Kolonien 214 a-Stämme und den 93 kleinen Kolonien 93 b-Stämme entsprachen. Bei zwei weiteren Ver- suchen traten Abweichungen auf, die in einem Falle darin bestanden, daß b nur unter den kleinen neben a auftrat, im anderen, daß auch unter die großen Kolonien einige wenige b eingesprengt waren, während die kleinen nur aus b bestanden, Abweichungen also, die im Prinzip dem oben geschilderten Bilde entsprechen.

‚Tabelle 8.

abstechbar | schiede der | nach ' Kolonien

Wachstum

| le Kolonien -|Größenunter- Geschlecht: | verhältnis |

| Fr fr 3 % Malz + 10 % Gelatine IV gehemmt 122 Tagen | unwesentlich 20:0

3% Malz—+ 10 % Gelatine O0 gut 10-12 ec. unwesentlich 308 0 3 % Malz + 10 % Gelatine I | eut 10-12 ee.| sehr scharf BAUER) 3% Malz+ 10% Gelatine II | gut 10-12 „ee. sehr scharf 14266

Besonders anziehend und interessant eestaltete sich diese Beob- achtung durch die Tatsache, daß die Sporidienkolonien auf Malzagar gerade das entgegengesetzte Verhalten zeigen. Auch hier sind mitunter deutlich große und kleine Kolonien zu unterscheiden, doch. gehören die sroßen dem b-Geschlecht und die kleinen dem a-Geschlecht an. Typisch für Malzagar ist im allgemeinen aber ein gleich gutes Wachstum von a- und b-Sporidien. Eine eingehende Durcharbeitung der Hemmung des Malzagars wurde noch nicht versucht. Es erübrigt sich also im Augenblick weiter darauf einzugehen. Jetzt soll nur über die Hemmung des b-Geschlechtes durch Gelatine Klarheit gewonnen werden.

Durch diese Feststellungen war also der Kernpunkt des ganzen Problems verlagert. Nicht mehr handelt es sich darum, festzustellen, ob überhaupt nur das eine oder das andere Geschlecht vorhanden ist, sondern auf verschiedene Größe der Kolonien und auf die Frage, wel- chem Geschlecht die großen Kolonien, welchem die kleinen entsprechen, mußte geachtet werden. Nicht mehr die in den Tabellen wiedergegebenen Zahlen stellen das Wesentliche daran dar, sondern die durch Fettdruck bezeichnete Lage der kleinen Kolonien. Man hat es dabeı natürlich der Hand, bald nur große, bald nur kleine Kolonien abzustechen und so durch Ausfall der einen Sorte eine vollkommene Geschlechtsverschiebung zu erzielen. Das tatsächliche Geschlechtsverhältnis gibt jetzt nur die Zahl der auf den Platten gewachsenen großen und kleinen Kolonien wieder. Dieses Verhältnis war in der großen Mehrzahl der Fälle gleich 1:1, eine weitere Bestätieune für den vorher erbrachten Nachweis, dab

38 R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre &eschlechtsmerkmale usw.

die Brandsporenaussaaten gleiche Mengen von a- und b-Sporidien. ent- halten. In 9 Versuchen nur weisen die Protokolle die Bemerkung auf: (roße Kolonien weniger als kleine, oder selten und umgekehrt. Das Protokoll weist aber in allen diesen Fällen nach, daß aus dem gleichen Röhrchen mit gekeimten Brandsporen eine Reihe von Sporidienisolie- rungen auf anderen Nährsubstraten vorgenommen war, und dab bei diesen ein Überwieeen von großen oder kleinen Kolonien und damit eine Verschiebung des tatsächlichen Geschlechtsverhältnisses nicht eintrat. Dies deutet auf irgend welche Zufälligkeiten hin, die außerhalb der Macht des Experimentators liegen.

Die Beobachtung, daß die verschiedenen Gelatinesorten verschieden reich an dem .„Hemmungskörper“ sind, erlaubten, seine chemische Natur enger zu umgrenzen. Die Gelatine (Glutin) ist ein echtes Protein (siehe Cohnheim 1911). * Gewonnen wird sie durch Auskochen von Kol- lagen, der Grundsubstanz von Knochen und Knorpel. Wie die echten Eiweiße kann sie hydrolytisch oder durch eiweißlösende Fermente über Albumosen und Peptone zu Aminosäuren gespalten werden. Der voll- kommene Abbau bis zu Aminosäuren ergibt einen auffallend hohen Ge- halt von Glykokoll, ..Leimsüß“ (19 g in 100 g Glutin), ferner einen hohen Anteil von Glutaminsäure (14 &). Die anderen Aminosäuren ver- schwinden hinsichtlich ihrer Menge hinter diesen beiden. Das käuf- liche Handelsprodukt ist natürlich noch mit allerhand mehr oder weni- ser scharf chemisch faßbaren Substanzen verunreinigt. Sie enthält ferner verschiedene Salze.

So war nun die Frage zu entscheiden: Welcher der 3 Bestandteile des Handelsproduktes, das Glutin, die organischen Verunreinigungen, oder die Salze bedingen die Hemmung des b-Geschlechtes?

Beginnen wir mit der Frage nach der Bedeutung der Salze. Darüber brachte folgende Versuchsanordnung Klarheit.

Versuch, 1X:

20 2 Gelatine werden 3 Tage lang in der Kälte mit 100 ccm Aqua dest. ausgezogen. Die Annahme ist erlaubt, daß nach dieser Zeit durch Diffusion zwischen dem Salzgehalt der Gelatine und des Wassers sich ein Gleichgewichtszustand eingestellt hat. 50 ccm dieses Gelatine- wassers werden mit 300 Malz und 2% Agar zum Nährboden ver- arbeitet. Die hierin enthaltene Menge von Salzen entspricht also der sonst in 10 % Gelatine befindlichen. Die Platten wiesen keine beson- deren Größenunterschiede auf. Das Geschlechtsverhältnis betrug 16:13, also nichts von Hemmung und Unterdrückung der b-Sporidien. Die Salze der Gelatine sind somit für unsere Frage wohl bedeutungslos.

Nun die Rolle der organischen Verunreinigungen, die die Herstel- lungstechnik des Handelsproduktes mit sich bringt.

Diese können je nach dem Ausgangsmaterial und der Fabrikations- art verschiedenster Natur sein. Doch erübrigt es sich, näher darauf einzugehen. Es mußte versucht werden, sie durch weitergehende Reini-

R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw. 20

eung zu entfernen. In der physiologischen Chemie *sind verschiedene Methoden zur Herstellung reiner Glutinpräparate üblich. Als bestes wird das von Sadikoff (1916) veröffentlichte Verfahren angegeben. Es besteht in einem Auswaschen mit 20 % MgSO,-Lösung, Auflösen darin, Ausfällen’ des Glutins mit HCl, Auswaschen und Lösen ın Aqua dest., Fällen mit Alkohol, Neutralisieren der Säure mit‘ NH,, wieder- holtem Auswaschen der Alkoholfällung, die dann gebrauchsfertig ist. Die nach dieser Methodik gereinigte Gelatine erstarrte bei Zimmer- temperatur nicht mehr, erst bei ca. 10%. Die Platten mußten daher im kalten Gewächshaus gehalten werden, dementsprechend war das Wachıs- tum der Kolonien verzögert. Erst nach 40 Tagen waren 'sie reif zum Abstechen. Gewisse Größenunterschiede waren zwar entwickelt, doch nicht sehr ausgesprochen. Die Prfüung gab das Verhältnis 30:6. Nur unter den kleinen Kolonien war b vertreten, daneben aber auch 4 a-Kul- turen. Die eroßen bestanden nur aus a. Im. Prinzip stimmt das Resultat also mit dem sonst bei Gelatine üblichen überein. Die Tat- sache, daß trotz Elimination der Verunreinigungen doch die Hemmung des b-Geschlechtes erhalten bleibt, beweist klar, daß diese Verunreini- oungen ohne Einfluß auf die Hemmung sind.

Das wirksame Agens müssen wir also in den Eiweißstoffen des Glutins selbst suchen. Der Weg, um der Bedeutung der Eiweibstoffe beizukommen, bot die Benutzung von Agar- und Greelatinegemischen. Gibt man gewöhnlichem Malzagar einen. Zusatz von 10% Gelatine, so tritt in den Endresultaten nur die Wirksamkeit der Gelatine hervor. Wir erhalten wieder die typische Hemmung bezw. Unterdrückung der b-Sporidien. Eine quantitative Auswertung derartiger Mischnährböden eibt Versuch X.

Tabelle 10.

Malzagar+ 10 % Gelatine

60:0°u. 2456

Malzagar-+9 % Gelatine | 16 : 18

Malzagar-+8% Gelatine |) 26 249

Malzagar—+7 % Gelatine | 142,18

Malzagar +5 % Gelatine A025

Malzagar+1 % Gelatine | 6: 24 |

Zusatz von 700 Gelatine zum Malzagar vermag noch das b-Ge- schlecht zu hemmen, bei einer Mischung von 5 % Gelatine mit Malzagar ist 'aber der Hemmungskörper nicht mehr im genügenden Maße vor- handen. Hier kommen jetzt die Stoffe des Malzagars zur Wirkung, die das a-Geschlecht hemmen. Diese Methodik erlaubte, den Einfluß ver- schiedener Veränderungen der Gelatine durchzuprüfen. Wie weit kann die Gelatine abgebaut werden, bis sie in Mischung mit Agar die b-Form nicht mehr hemmt? ,

.

30 R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw.

Der Abbau wurde einmal auf einem schonenden Wege durchgeführt. Bei längerem Erhitzen im Dampttopf wird die_ Gelatine teils durch die Wärme, teils auch durch ihren Säuregehalt zu Albumosen eventl. Pep- tonen aulgespalten und erstarrt dann nicht mehr. Einen Versuch dieser Art eibt Tabelle X1. R

Tabelle 11.

Ri; || Malzagar + 10 % Gelatine 24 Stunden im Dampftopf | 16 : 13 Malzagar + 10 % Gelatine 5 Stunden im Dampftopf 6924

Es gelingt also durch längeres Erhitzen das Glutin soweit abzu- bauen, daß es seine hemmende Wirkung auf die b-Sporidien nicht mehr ausübt. Wie weit hierbei der Abbau gegangen ist, liebe sich erst ana- Iytisch feststellen. Mit einer gewissen Sicherheit kann man aber Spal- tung bis zu Aminosäuren durch Hydrolyse mit starken Säuren an- nehmen.

Verstich X IT. R

50 cem 1% Gelatinelösung wurden mit 1 ccm konz. HÜl 1 Stunde lang gekocht, dann mit KOH bis fast an den Neutralpunkt herangebracht und mit 3% Malz und 4% Agar zum Nährboden verarbeitet. Die Platten wiesen zwar deutlich unterschiedliche Kolonien in sleicher An- zahl auf, aber die beiden Geschlechter waren nicht auf große oder kleine beschränkt —- 8:22. Die hemmende Wirkung der Gelatine war also durch den Abbau bis zu Aminosäuren bezw. noch weiteren Spalt- produkten aulgehoben worden. Schon dieses Ergebnis weist darauf hin, daß der Hemmungskörper oberhalb der Aminosäuren zu suchen sein wird.

Ein dritter Abbauversuch wurde mit dem peptischen Enzym der Sporidien vorgenommen. Ein Kölbchen mit 100 ecm Malzgelatine wurde mit einem Sporidiengemisch beider Geschlechter beimptt. Nach 2 Mo- naten war die Verflüssigung so weit fortgeschritten, dab 5) cem davon unter nochmaligem Zusatz von 3% Malz mit 2% Agar zum Nähr- substrat verwendet werden konnten. Sehr deutliche Unterschiede in der Größe der Kolonien traten auf, die Geschlechtsprüfung zeigte aber den Agartyp 10:10. Auch hier hat die fermentative Spaltung die Hemmung aufgehoben.

Diese Abbauversuche erlauben natürlich nur ungefähre Vermutungen iiber den dabei erzielten Grad der Spaltung des Glutins auszusprechen. Eine bestimmte Umgrenzung der letzten noch wirksamen Abbaustufe war erst von Versuchen mit reinen Präparaten zu erwarten. Derartige reine Präparate von Spaltprodukten sowohl des Glutins als auch anderer Biweibkörper verdanke ich der Liebenswürdigkeit von Herrn Geheimrat Abderhalden (Halle), wofür auch an dieser Stelle herzlichster Dank gesagt sei. Kine Mischung von 1% Glutinpepton mit Malzagar 2. B. gibt noch deutlich die kleine Hemmung wie Gelatine 15:15. Die beiden quantitativ am meisten hervortretenden Aminosäuren der Gela-

>

R Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw. 31

tine, das Glykokoll und die Glutaminsäure®) hemmen aber die b-Spo- ridien nicht mehr. Tabelle XIII zeigt eine Versuchsreihe mit diesen beiden Substanzen.

Tabelle 13.

Malzagar+5 % Glykokoll 6:23 Malzagar-+2 % Glykokoll DB’ 25 Malzagar+1 % Glykokoll 12,218 Malzagar+0,5 % Glykokoll 6: 24 Malzagar +2 % Glutaminsäure 218

Die Hemmungswirkung der (Gelatine ist durch diesen Versuch nach unten hin einigermaßen umgrenzt. Eine noch schärfere Umeren- zung wäre vielleicht mit Polypeptiden zu erreichen gewesen, doch standen mir derartige Kostbarkeiten nicht zur Verfügung. Offen bleibt aber noch die Frage, ob das unabgebaute Glutin als solches schon hemmt, oder ob die Hemmung bei Benutzung der Handelsgelatine etwa nur durch die darin stets enthaltenen bezw. bei der Sterilisation entstehenden Albumosen oder Peptone ausgeübt wird. Diese Frage konnte nicht direkt geprüft werden. Sondern nur indirekt konnten aus dem Verhalten anderer Eiweibkörper Schlüsse gezogen werden. In Tabelle XIV sind die Ergeb- nisse von Versuchen mit anderen Eiweißbkörpern, teils reinen Präpa- raten, teils Rohprodukten, zusammengestellt.

Das wichtigste Ergebnis dieser Versuchsserie liegt darın, dab man auch durch Zusatz einer ganzen Reihe anderer Eiweibarten als Gelatine zum Agar eine Hemmung des b-Geschlechtes erreichen kann. Von den senuinen Eiweiben ist das Edestin als einziges wirksam. Doch läbt sich dieses Ergebnis nicht als Beweis dafür anführen, daß den nativen Eiweiben als solchen die Hemmungswirkung zukommt. Denn bei der Bereitung des Edestinagar war es nicht zu umgehen, die hohe Tempe- ratur des Dampttopfes darauf einwirken zu lassen, wobei das Eiweib koagulierte und sicherlich teilweise weiter aufgespalten wurde. Erst (diese Spaltprodukte könnten die b-Sporidien unterdrückt haben. Das Alkalialbuminat dagegen, das beim Kochen nicht mehr gerinnt, gibt auch in höheren Konzentrationen als den sonst angewendeten keine Hemmung. Von den reinen Albumosen- und Pepton-Präparaten und ebenso von den daran reichen Nährpräparaten sind alle mit Ausnahme des Plasmon wirksam. Diese Ergebnisse führen also zu der Anschau- ung, dab nicht die nativen Eiweibkörper auf die b-Sporidien schädigend einwirken, sondern dab erst ihre Spaltprodukte der Albumosen- und Peptonstufe hemmen. Eine Stütze findet diese Anschauung in den Be- obachtungen der Tabelle VIII, daß die verschiedenen Gelatinesorten

3) Diese verdanke ich dem freundlichen Entgegenkommen von Herrn Prof. Ackermann (Würzburg).

39 __R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw.

Tabelle 14.

; a:b a _ _ _ = = r= = = = u —— —— 3% Saccharose 2% Agar 1% Kasein nach Hammersten N zer BD, r ANA NE Nolte a 5 e 16 728 BR 2% „1% Edestin (Merck) 21,248 3% 2%. 40. 1,% Alkalialbuminati(Grübler) 12 : 10 3 2 % > % » 2109 Bn% R 2% „1% Deuteroalbumose (Abderhalden) 2:10 3% ei 2 1% Protalbumose (Merck) 182141 3% e DEN 1% Dysalbumose (Merck) hl 3% ee 2% ,„0,5 % Seidenpepton (Abderhalden) 1741 30 ® 2% „0,5 % Gliadinpepton (Abderhalden) 172 3% RN 2% „0,5 % Pepton aus Eiereiweiß (Abderhalden) 24:6 90% . 2% _ ,„ Alkalialbuminatserum nach Klein (4: 1) POWER 207% > 2% ,„.1% Materna (Dr. Klopfer-Dresden) Era 87% & 2,0%. 9891,9%67 Nutrose Er 3% > 2% „25. .% Urkraft (Oettker-Werke-Bielefeld) 17:12 BA x BER un al, lasımon 14416 30% x DE en RDRNR 7 10 : 20 3% an 2.% 50,94% VPepton ,(Witie) 66:21 230 er 27% mit Fleischbrühe als Grundlage Dame] 3% re 20% kondensierte Milch 1:5 verdünnt Do

in verschiedenem Grade hemmend wirken. Wäre das native Glutin, das den Hauptbestandteil der Handelsgelatine ausmacht, das wirksame Prin- zip, so ließe sich diese verschiedene Wirksamkeit schwer einsehen. Der Anschauung aber, daß die Albumosen-Peptonaufspaltung je nach Um- ständen sehr schwanken kann, stehen keine Schwierigkeiten im Wege. Eine weitere Stütze lieigt in den quantitativen Auswertungen der ein- zelnen Eiweiße. Ein 5 % Gelatinezusatz zum Agar war bereits unwirk- sam, während die Albumosen und Peptone noch in 0,5 bezw. 0,25% Zu- sätzen wirksam sind (siehe Tabelle XV). Hoher Peptongehalt (1%

Tabelle 15.

3% Saecharose 2% Agar 1% Pepton (Witte) | 23:7 %Y } 2% 0,5 % Pepton 16.066:53.21 3% N 2%.%,20,25%: Pepton 1% 15.245 3% A 2:97 0 Penton | 15 : 8 3% # 2%... 0017%7-Pepton 127017 3% r DROR Saze 1 % Nutrose, I.

3% 7 2% 110 N Narirose I

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bis 1,5 %) schädigt überhaupt das Wachstum beider Geschlechter. Erst nach ungefähr 1 Monat waren auf den Platten ganz kümmerliche Kolonien gewachsen, ein Parallelfall zu den Gelatineproben, die überhaupt keine Sporidien aufkommen ließen. SoistdieAnschauungzwarnicht direkt bewiesen, doch indirekt durch Vergleich mit anderen Eiweißartenwohlbegründet,daßdaswirksame Prinzip der Handelsgelatine nicht das native Glutin ist, sondern daß es die in geringen Mengen darin vor- handenen Spaltprodukte des Glutins der Albumosen- oder Peptonstufe darstellen.

Zur äußersten Vorsicht, um Vergleichsergebnisse bei dem doch recht diffizilen Arbeiten mit Eiweißkörpern in der Hand zu haben, wurden noch Versuche mit einer anderen Gallert gebenden Substanz als Agar, der Kartoffelstärke, ausgeführt. 8% Kartoffelstärke, die durch vor- sichtiges Erhitzen auf dem Wasserbade von 70-80 verkleistert wird, ojbt eine brauchbare Gallerte, ohne daß Flockenbildung dabei stets zu vermeiden ist. Auch hierbei hemmt der Peptonzusatz (0,5 % das b-Ge- schlecht 18:7 während in reiner Stärkegallerte beide Geschlechter

oleichmäßie —- 34:19 -—- auf erößere und kleinere Kolonien verteilt sind.

Nachdem die Bedeutung der Eiweibkörper für die Hemmung des b-Geschlechts klargestellt war, ergab sich die Frage, ob nicht noch anderen Stoffen diese Hemmung zukäme. Die Protokolle einiger Stich- proben mit organischen Körpern gibt Tabelle XVI wieder. Keiner der untersuchten Stoffe hat eine hemmende Wirkung auf das b-Geschlecht.

Tabelle 16.

Malzagar + 1% Asparagin | 11:19

Malzagar + 0,01 % Phenol | GL Malzagar + 0,005 % Phenol | 8::"19 Malzagar + 1 % Dextrin | 9:21 Malzagar + 3 % Gilyzerin 6:23 3 % Mannit 2% Agar 9220 3 % Inulin 2% Agar | 1.1219 3 % Maltose 2% Agar | 12:8

Ein positives Ergebnis brachten aber entsprechende Versuche mit verschiedenen Salzzusätzen zum Malzagar. Tabelle XVII zeigt, daß von allen untersuchten Salzen allein das Dinatriumphosphat in 2% Zusatz das Wachstum der b-Kolonien zurückhält. Der Versuch wurde mehrmals mit gleichsinnigem Resultat angestellt. Auffallend ist es, dab das ent- sprechende Dikaliumphosphat, sowie Ammon-Magnesium-Oalciumphos- phat ohne Wirkung bleiben. Die Hemmung kommt allein den Na,HPO,

42 Band, 3

A fi

34 R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw.

zu. Die Tabelle zeigt noch als Nebenbefund, daß bei Zusatz gewisser Salze (5%, NaCl, 1% Kaliumferrozyanid) die Hemmung der a-Spori- dien, die mitunter dem Malzagar eigen ist, zu einer absoluten Unter- (lrückung der a-Kolonien gesteigert werden kann.

Dieser Befund ließ den Verdacht aufkommen, dab die Hemmung

der Eiweiße überhaupt nur auf ihrem seinerzeit nicht kontrollierten Ge-

halt an Natriumphosphat beruhe. Für einige der ungereinigten Handels- präparate wird von den Herstellern ein erheblicher Gehalt an Phos- phaten angepriesen. In einigen der reinen Eiweiße aber ließ sich auf ana- lytischem Wege kein Phosphat nachweisen. Daneben entkräftete aber ein Versuch mit veraschtem Eiweiß diesen Verdacht. Ein Zusatz von 3 % Asche von Materna (vom Hersteller als besonders phosphatreich be- zeichnet) zum Zuckeragar brachte ein normales Verhältnis beider Ge- schlechter —- 13:17. Damit ist dieser Einwurf widerlegt.

Tabelle 17.

Malzagar 2.59% Na®l 10 : 10 mn. NaQl | 0:30 n + 5% KCl 67:21 „+ 1% NaHPo, 19:11

+ 2% Na,HPO, 57.2: 719 2 + 3% Na,HPO, 54:6 22% RHPO, 22 36 x NK HPO, Pa ERS 9 6; + 1% KH,PO, 13219

En ON REPORT 12:15 + 3% KH,PO, 9:20 a +05% K,PO, 12 2\18 3 + 2% MsHP0, 11: 19 „. + 3% MeHP0, 26:10 % ai 9a NE, HBRO N. 212.246 u + 1% (NH,,HPO, 11 :718 > + 3% R,S0, | 623 y. + 3% KNO, 5:24 5 + 5% KCI0O, 6: 24 » +: 1% K,Fe(CN), 0:18

Alle diese etwas weitschweifigen Exkursionen in die physiologische Uhemie haben gleichzeitig die Hauptfragestellung nach sekundären Ge- schlechtsmerkmalen der Sporidien geklärt. Fest steht, daß verschiedene Eiweißkörper und Dinatriumphosphat in bestimmten Konzentrationen die Kolonien des b-Geschlechtes in ihrem Wachstum gegenüber den a-Kolonien hemmen oder sogar vollkommen unterdrücken. Die beiden

TE

R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw.

c =

Geschlechter reagieren also unter sonst gleichen Außenbedingungen auf den gleichen Stoff verschieden, unterscheiden sich somit außer in ihrer geschlechtlichen Tendenz noch durch physiologische Eigentümlichkeiten. In Analogie zu den Erscheinungen bei Tieren und höheren Pflanzen ist man berechtigt, auch hier von sekundären Geschlechtsmerkmalen, aber physiologischer Natur zu sprechen. Daß diese Merkmale genotypisch verankert sind, dafür spricht die Beobachtung, dab auch Brandsporen- material von Dianthus chinensis, die durch Zillig mit Sporidien der Spezialform von Di. deltoides infiziert worden war, das typische Bild der Unterdrückung des einen Geschlechts aufwies. Die Passage über einen neuen Wirt und das Durchlaufen des diploiden Brandsporen- stadiums hatte also diese Merkmale nicht verwischt. Die Verhältnisse beim Antherenbrand gleichen darin in manchen Beziehungen denen der heterothallischen Mucorineen. Für verschiedene von ihnen hatte schon Blakeslee ein reicheres üppigeres Wachstum des einen Greschlechts (-) festgestellt gegenüber dem anderen (-). Orban (1919) hat dann diese nur bei eingehender Betrachtung bemerkbaren Unterschiede bei Phyeomyces niltens durch Auswahl besonderer Nährbodenzusammen- setzungen noch verschärfen können. So bildete das -—- Geschlecht auf Malzagar mit Eosinzusatz bereits nach 2 Tagen zahlreiche Sporangien, während der Stamm noch keine autwies. Die schärfsten Unterschiede bestanden in der Schnelligkeit der Sporenkeimung. Auf Malzagar mit IS 0 KNO, oder 7% NaCl keimen Sporen überhaupt nicht mehr, während -- Sporen ungehindert zu Myzelien auswachsen ein Ver- halten, das an die vollkommene Unterdrückung der b-Kolonien durch gewisse Gelatinesorten erinnert. Ob es möglich ist, das Geschlecht eines Phycomyces-Stammes nicht durch Kombination mit Stämmen bekannten Geschlechtes, d. h. auf dem Wege der Geschlechtsprüfung, sondern rein aus seinen sekundären Merkmalen zu bestimmen, hat Orban nicht untersucht. Einige diesbezügliche Versuche beim Antherenbrand seien hier wiedergegeben.

Nach den vorherigen Resultaten hätte man erwarten können, dab dıe b-Sporidien auf gewissen Grelatinesorten überhaupt nicht wachsen würden. Das war aber nicht der Fall. Bei Beimpfung von Gelatine, die sonst die b-Sporidien vollständig unterdrückte, mit Reinkulturen wuchsen die b-Stämme ebenso gut wie die a-Stämme. Die Impfung einer Gelatine, auf der sonst die b-Kolonien gehemmt waren, mit genau aus- gezählten Mischungen beider Geschlechter (Auszählen der Sporidien- Aufschwemmungen im T'homa-Zeiß-Blutkörperchenzählapparat, Mischen der Aufschwemmungen zu gleichen Teilen, Abimpfen von der gründlichst seschüttelten Mischung) lieferte auch nicht das erwartete Bild. Ein Versuch, der von einer Mischung im Verhältnis 110:96 ausging, bot ein Verhältnis von 17:11, ein anderer mit 53:64 ein Verhältnis von 26:32, ohne daß in den Platten die sonst gewohnten scharfen .Größen- unterschiede aufgetreten wären. Hier mag vielleicht die Kultur auf künstlichem Nährsubstrat, die sich bei den benutzten Stämmen auf über

3r

365 R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw.

6 Monate belief, die sekundären Unterschiede verwischt haben. Paral- lelen dazu könnte man z. B. in der allmählichen Anpassung mancher pathogenen Bakterien wie Meningokokken, Gonokokken usw. an die Kultur sehen. Das gleiche negative Resultat wie die Gelatineversuche gaben Nährböden anderer Zusammensetzung (2%, 1%, 0,1% Pepton; 3 % Glyzerin; 2% Glykokoll; 1,5% Stärke; 1% Lävulose; 10% Inulin; 10 Milchzucker: 1% Traubenzucker; 1% Harnstoff. Malzagar mit Zusatzi'von:" 1,9% »Deuteroalbuimose:77,5% 2,3%, 132, RNO:: 7252, Na,HPO,; 7,50%, 5% Na0l; 1% Ky,Fe (CN),)- Nie war bei Be- impfung mit je einer Öse einer ganzen Reihe von Stämmen beider Ge- schlechter ein ausschließliches Wachstum des einen zu beobachten. Be- sondere Hoffnungen waren auf den Deuteroalbumoseagar gesetzt worden. Auf den Platten der Versuchsreihe XIV waren seinerzeit die Unter- schiede zwischen großen und kleinen Kolonien besonders scharf gewesen. Bei obertlächlicher Betrachtung zeigten die 13 Tage alten Platten nur Kolonien von ungefähr gleichem Durchmesser, wie sie sonst als „erob“ bezeichnet wurden. Erst genaueres Hinsehen ließ daneben noch win- zieste Pünktchen erkennen, die sich unter dem Mikroskop als Kolonien erwiesen. Diese winzigen Kolonien waren erst nach 25 Tagen zu der Größe herangewachsen, wie sie sonst die gehemmten b-Sporidien zeigten. Aber auch mit diesem Deuteroalbumoseagar ließen sich die Geschlechter nicht unterscheiden. Eine Prüfung der Geschlechtstendenz der Spori- dien mittels ihrer sekundären Geschlechtscharaktere läßt sich also im Augenblick vielleicht wegen einer allmählichen Verwischung der Unter- schiede durch die Kultur nicht durchführen.

Weiteres Interesse beanspruchte die Frage, ob sich die Sporidien nicht noch durch andere Merkmale sekundärer Art als in ihrem Ver- halten gegen Eiweißkörper und Natriumphosphat unterscheiden. Ein weiteres Merkmal haben die obigen Versuche bereits beigebracht. Auf Malzagar tritt gelegentlich das umgekehrte Verhältnis ein als auf-Ge- latine oder Eiweißagar, das durch NaÜUl-Zusatz noch verstärkt werden kann. Hier sind dann die a-Sporidien gehemmt oder ganz unterdrückt, die b-Sporidien zu großen Kolonien ausgewachsen. Doch wurde diese Hemmung der a-Sporidien noch nicht einer eingehenderen Untersuchung unterzogen. Einige Stichproben auf weitere sekundäre Merkmale wur- den unternommen, lieferten aber keine brauchbaren Resultate. Sie er- streckten sich auf: Widerstandsfähigkeit gegen höhere Temperaturen

und Desinlizientien (Phenol), kapillares Steigvermögen in Filtrierpapier

und Katalasegehalt. Trotz dieser negativen Ergebnisse besteht eine ge- wisse Wahrscheinlichkeit, daß geduldiges Suchen weitere sekundäre Ge- schlechtsmerkmale zutage fördern wird. Zusammenfassung von Teil IL*). Andeutende Beobachtungen von Kniep (1919) über ein verschie-

denes physiologisches Verhalten der beiden Geschlechter der Sporidien von Ustilago violacea !. sp. Dianthus deltoides wurden dahin erweitert:

*) Zusammenfassung von Teil I siehe $. 18.

R. Bauch, Kopulationsbedingungen und sekundäre Geschlechtsmerkmale usw. 37

1. Impft man Brandsporen auf Malzlösungen, so werden gleichviel Sporidien der beiden Geschlechter gebildet.

2. Isoliert man aus diesen „Brandsporenaussaaten“ die Sporidien mittelst Plattenverfahren mit Malzgelatine, so erhält man je nach Gela- tinesorte nur Kolonien des a-Geschlechtes oder beide Geschlechter zu gleichen Teilen, wobei im letzten Falle die b-Kolonien gegenüber den a-Kolonien in ihrem Wachstum bedeutend gehemmt sind.

3. Die gleiche Wirkung, Hemmung der b-Kolonien, erzielt man auch bei Benutzung von Malzagar mit verschiedenen Eiweibßzusätzen. Gre- nuines Eiweiß hemmt nicht, Eiweißabbauprodukte der Albumosen- und Peptonstufe sind wirksam, Aminosäuren geben die Hemmung nicht mehr. Gleichen Erfolg erreicht man bei Malzagar mit 2% Na,HPO,-Zusatz, nicht mit dem entsprechenden Kaliumsalz.

4. Es ist wahrscheinlich, daß die Hemmung bezw. Unterdrückung der b-Sporidien durch Gelatine nicht durch das native Glutin, sondern durch ihren Gehalt an Glutinabbauprodukten der Albumosen- und Pepton- stufe beruht.

5. Diese Unterschiede im physiologischen Verhalten der beiden Ge- schlechter haben sich an einem großen Zahlenmaterial genügend konstant erwiesen, um hier von sekundären Geschlechtsmerkmalen physiologischer Natur sprechen zu können.

6. In längere Zeit auf Nährböden gezüchteten Kulturen verwischen sich die anfänglich starken Unterschiede. Es gelingt nicht, mit Hilfe der sekundären Geschlechtsmerkmale die primäre geschlechtliche Tendenz einer lange Zeit gezüchteten Sporidienreinkultur zu bestimmen.

Zum Schluß ist es mir eine angenehme Ptlicht, Herrn Prof. Kniep ür die Überlassung des Themas und für das stete Interesse, das er der Arbeit entgegenbrachte, herzlichst zu danken. Herrn Dr. Zillig bin ich für die liebenswürdige Überlassung von reichlichem Brandsporen- material ebenfalls zu großem Dank verpflichtet.

Würzburg, Botanisches Institut, Mai 1921.

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Kniep, H., 1919. Untersuchungen über den Antherenbrand (Ustilago violaced Pers.). Ein Beitrag zum Sexualitätsproblem. Zeitschr. f. Bot. 11, S. 275—284.

%

38 - P. Buchner, Rassen- und Bakteroidenbildung bei Hemipterensymbionten.

Orban, G., 1919. Untersuchungen über die Sexualität von Phycomyces nitens. Bei- hefte z. bot. Zentralbl. I. Abtlg. 36, S. 1—59.

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Rassen- und Bakteroidenbildung bei Hemipterensymbionten.

Von Paul Buchner, München.

Zu den interessantesten Erscheinungen des vielseitigen Symbiose- gebietes gehören die Fälle, in denen zwei oder gar drei verschieden- artige pflanzliche Organismen gleichzeitig ın den Zellen eines tierischen Wirtes leben. Zum Teil handelt es sich dann um ganz heterogene Symbionten, so etwa, wenn ın einem Cölenteraten Zooxanthellen, also Cryptomonaden, und Leuchtbakterien zusammentreffen oder, wie bei vielen Homopteren, hefeartige Gebilde mit solchen, in denen wir, wie im folgenden dargetan werden soll, Bakteroiden bildenden Schizomyzeten sehen müssen. Daneben aber begegnen wir bei einer Reihe von Symbiontenträgern der Tatsache, daß in ihnen zwei oder drei einander systematisch sehr nahe stehende Symbionten gedeihen. Pieranton! beschreibt, wie in den Leuchtorganen bezw. akzessorischen Nidamental- drüsen der Cephalopoden regelmäßig drei morphologisch und physio- logisch sich unterscheidende, in gesonderten Bezirken lebende Bakterien zu finden sind, von denen nur ein einziges wirklich leuchtet, und gibt auch von Lampyris an, daß hier zweierlei Bakterientypen vorkommen. Ist es bei heterogenen Symbionten selbstverständlich, daß solche eben unabhängig voneinander zu verschiedenen Zeiten aufgenommen wurden, so liegt ähnliches natürlich auch in den letztgenannten Fällen nahe. Daß hier aber noch eine andere Erklärungsmösglichkeit ın Frage kommt, lehren Erscheinungen bei Cicadarien und Psylliden, in denen eben- falls teils sehr häufig (Cicadarien), teils stets (Psylliden) ein Symbionten- paar gedeiht. Auf die hier vorliegenden, z. T. sehr komplizierten Verhältnisse sei zunächst etwas näher eingegangen!).

Die in Frage stehenden Symbionten, ich habe vorgeschlagen, sie im Gegensatz zu daneben nicht selten vorkommenden akzessorischen hefeartigen Formen als genuine zu bezeichnen, wohnen stets in eigenen

l) Die nachstehenden Überlegungen stellen einen weiteren Ausbau meiner in „Tier und Pflanze in intrazellularer Symbiose“ (Berlin 1921) schon mitgeteilten Vor- stellungen dar, zu dem mich seitdem gemachte Beobachtungen veranlassen,

s

P. Buchner, Rassen- und Bakteroidenbildung bei Hemipterensymbionten. 39

Pilzorganen (Mycetomen), deren Bau recht verschieden sein kann. Bei Ptyelus lineatus liegt im Abdomen jederseits eine etwa '/, mm lange Masse, die bei genauerem Zusehen zweigeteilt erscheint; die obere, intensiv karminrot, mit pilzfreiem, die Farbkörnchen bergenden Epithel und pilzhaltigen Zellen, die darunterliegende kleinere ohne Epithel, blaß ockerfarben, ein Syneytium mit Pilzen. Die rundlichen, ovalen oder zumeist wurstförmigen Insassen beider Teile aber unterscheiden sich deutlich, die ım kleineren Organ sind nur !/, so groß, teilen sich etwas anders, färben sich weniger intensiv und sind ärmer an ge- wissen stark lichtbrechenden, wohl metachromatischen Einschlüssen (Sule.). Vergleicht man die Organe einer Aphrophora, so konstatiert man einerseits eine zunehmende Vereinigung beider Teile zu einem geschlossenen Organ, indem die Syneytien von dem in Zellen auf- geteilten Abschnitt großenteils umgriffen werden, findet aber im übrigen ganz die gleichen Charaktere wieder. Es liegen andere Symbionten vor, aber wiederum eine Sorte, die kleiner, schwächer färbbar, ärmer an Einschlüssen ıst. und eine andere mit den entgegengesetzten Charakteren, ünd die Beschaffenheit der Wohnstätten ist eine im gleichen Sinne verschiedene wie bei Pfyelus. Das Vorhandensein zweier solcher Parallelformen bei Cercopiden ist eine ganz durch- gängige Regel. Es sei, um dies zu erhärten, nur noch eine tropische Form, Tomaspis rubra aus Surinam herangezogen ?), die prinzipiell gleiches bietet, nur daß hier zahlreiche rundliche, intensiv rote Mycetome und ebensolche längliche blaßgelbe dicht unter der Bauch- wand liegen, ohne daß geschlossene Organe gebildet werden. Histo- logischer Charakter und entsprechende Differenzen der Bewohner sind ganz die gleichen, wie bei den europäischen Cercopiden.

Im allgemeinen scheint jedoch die Natur eine noch innigere Ver- einigung beider Wohnstätten anzustreben, als sie bei Aphrophora ver- wirklicht ist. So enthalten alle Psylliden ein stattliches unpaares Organ, dessen zentraler Teil von einem Syneytium eingenommen wird, in dem wieder die kleinere Symbiontensorte lebt, während seine Ober- fläche von einem Zellbelag umzogen wird, der die größere beherbergt. Daß ähnliches bei den Cicadariern auch vorkommen kann, geht aus meinen Beobachtungen an einer afrikanischen Cikade hervor, die beiderseits ım Abdomen eine Menge rundlicher Mycetome_ besitzt, deren jedes aus einem mittleren, mächtigen Syncytium mit dem kleinen Typus, einem oberflächlichen Sypeytium mit dem größeren und einem pilzfreien Epithel zusammengesetzt ist?).

Handelt es sich bei diesen jeweils gekoppelten Symbiontenformen nun wirklich um zwei selbständige Arten oder liegen vielleicht nur verschiedene Entwicklungsstadien desselben Pilzes vor? Als Sule zum

2) Das Material danke ich der Liebenswürdigkeit Herrn A. Reynes von der holländischen Versuchsstation in Paramaribo.

3) Eine Cikade aus Bangalore (Indien), die ganz ähnliche Mycetome besitzt, ver- danke ich der Liebenswürdigkeit von Herrn Mahdihassan daselbst.

40 P. Buchner, Rassen- und Bakteroidenbildung bei Hemipterensymbionten.

ersten Male etwas von diesen Dingen sah, mußte er diese Frage offen lassen; ein anderer Autor, Pıierantoni, beging den Fehler, bei der von ihm studierten Schaumeikade die eine Form für den infektions- bereiten Zustand der anderen anzusehen. Die Frage konnte nur durch ein genaues Studium der Übertragungsweise entschieden werden. Wie bei allen anderen Hemipteren infizieren auch hier die Symbionten bereits die Eizellen und hierbei konnte ich nun feststellen, daß jedes- mal beiderlei Insassen selbständig, wenn auch gleichzeitig in diese übertreten. |

In beiden Organen, bezw. Organteilen, werden hierbei spezilische Infektionszustände ausgebildet, längere Schläuche werden zu rund- lichen und ovalen Gebilden, wobei cystenartige Verbände und Zerfall in diesen eine Rolle spielen. Hier wie dort laufen diese Prozesse ın ganz analoger Weise ab, ja, wo beide Sorten so eng benachbart sınd, wie bei jener afrıkaniıschen Cikade, werden sie in benachbarten Teilen durchgeführt, so daß eine lokale Durehmischung beider infektions- bereiter Körperchen keine Schwierigkeiten bietet. Gemeinsam treten sie hierauf in bestimmte Follikelzellen am Hinterende des Eies ein und von diesen ın das Eiplasma selbst.

Es liegen also zwei, unabhängige, in sich geschlossene Lebens- cyklen dieser Symbionten vor. Trotzdem scheint es mir im höchsten Grade unwahrscheinlich zu sein, daß das Wiırtstier dıese einzeln der Reihe nach in seinen Körper aufgenommen hat. Denn eine ver- gleichende Betrachtung der vorliegenden Beobachtungen lehrt zweier- lei. Erstens sind es stets die gleichen Merkmale, die eine Form von der anderen unterscheiden (Größe, Färbbarkeit, Einschlüsse) und be- gleiten sie fast durchweg die gleichen Reaktionen des Wirtsorganismus (Epithellosigkeit, Syneytien, wenig Pigment, Tendenz zu zentraler Lagerung einerseits; epitheliale Umhüllung, einkernige Wohnzellen, reichlich lebhaft gefärbtes Pigment, Neigung zu oberflächlicher Lage- rung in den Organen andererseits)*); und zweitens hat jeweils das ın einem Tier vereinte Symbiontenpaar eine Anzahl gemeinsamer Charak- tere. Vergleicht man die beiden Formen bei ferner stehenden Tieren, etwa einer Psyllide und einer Oicade und einer Cercopide, so liegt dies auf der Hand, Aber auch bei einem genaueren Studium einzelner näherstehender Symbiontenträger dürtte sich dies immer wieder fest- stellen lassen.

Wie sollte man sich angesichts dieser Umstände vorstellen, daß jede Wirtsspezies zu dem einen Symbionten immer gerade noch das entsprechende Supplement gefunden hat? Es dünkt mich dies schlechter- dings unmöglich und es scheint mir nur eine zweite Erklärung in Frage zu kommen, die annimmt, daß beide Formen erst ım Wirtsorganismus aus einer ursprünglich allein vorhandenen ent-

4) Nur die komplizierten Cikadenmycetome, die aus zwei Syneytien aufgebaut sind, machen eine Ausnahme.

P. Buchner, Rassen- und Bakteroidenbildung bei Hemipterensymbionten. 4

standen sind. Wir kennen bereits eine Reihe von Fällen, wo ın Kulturen von Mikroorganismen, vornehmlich Bakterien und Hefen, spontan neue, morphologisch und physiologisch sich unterscheidende Rassen aufgetreten sind. Gerade die ungewöhnlichen Ernährungs- bedingungen, unter denen sich diese Hemipterensymbionten befinden, mögen dazu Anstoß gegeben haben und die gleichgerichteten Varianten, die aufgetreten sind, dürften sich durch die gleichartigen Kultur- bedingungen erklären. Auf die hierbei erstehende Frage, welche der beiden Rassen, die größere, die wir die a-Rasse zu nennen vorschlugen, oder die kleinere, die wir die -Rasse nennen wollen, die ursprüng- lichere sein mag, sei zunächst nicht eingegangen. Auch kann zurzeit noch nicht entschieden werden, ob es sich um echte, auch unter ver- änderten Bedingungen erbliche Mutationen oder lediglich um Modifi- kationen handelt.

Betrachtet man die oben skizzierte Reihe aufsteigender Kompli- kation der Mycetome, so möchte man daraus die Vermutung ableiten, daß die in primitiven Organen spärlich vorhandene, in komplizierteren an Masse überwiegende f-Variante von dem Wirte in größerer Menge gewünscht und benötigt wird.

Innerhalb der Cicadarien ist eine solche Spaltung unter Umständen unterblieben, so bei der Oicada orni und einer verwandten japanischen Form, sowie bei Macropsis mierocephala. Alle diese besitzen jedoch neben der einen genuinen Form noch einen heterogenen akzessorischen Symbionten, der sich durch rege Knospung verimehrend ganz wie ein Saecharomycet anmutet’) und nicht wie die erstere ın einem Mycetom wohnt, sondern Fettgewebe und Lymphe durchsetzt. Da andererseits nur ein einziger, noch nicht genügend studierter Fall vorliegt, ın dem neben einer genuinen a- und f-Rasse noch ein akzessorischer Symbiont vorkommt (Aphalara caltha nach Sule), so möchte man daraus den Schluß zu ziehen wagen, daß vielleicht die Anwesenheit eines akzesso- rischen Symbionten die Entstehung einer zweiten Rasse innerhalb des genuinen unterbinde. Aber es bedarf noch eines umfassenderen Be- obachtungsmaterials, um derartiges mit einiger Sicherheit zu folgern.

Stets unterblieb jedoch die Spaltung bei zwei Familien der Schild- läuse, in denen wir Mycetome finden, deren Inhalt ich mit den ge- nuinen Cicadariensymbionten identifizieren möchte (Coceinen und Monophlebinen), ohne daß etwa noch Hefepilze neben ihnen vor- handen wären.-. Auch hier bilden die rundlichen bis wurstförmigen Insassen spezifische Infektionsstadien, bezüglich der sowie der übrigen anatomischen Einzelheiten auf mein oben zitiertes Buch verwiesen sei.

5) Ohne daß ich ihn deshalb ohne weitere Prüfung hier einreihen möchte, nach- dem zurzeit unter Leitung Prof. Burgeffs im botanischen Institut München ange- stellte Untersuchungen die überraschende Tatsache ergeben, daß die seit Lindner für echte Hefepilze erklärten Schildlaussymbionten tatsächlich anderweitig unterzu- bringen sind,

42 P. Buchner, Rassen- und Bakteroidenbildung bei Hemipterensymbionten.

Um das Verständnis der verwickelten Verhältnisse weiter zu ver- tiefen, ist es aber nötig, daß wir uns mit der mutmaßlichen syste- chen Stellung derselben befassen. Sulc ist der Meinung, daß es sich auch beı an ausschließlichen Mycetombewohnern um Hefen handelt und bezeichnet sie als Oicadomyces; Pierantoni bezeichnet die Symbionten von /cerya (Schildlaus) ebenfalls als Saccharomyeeten und denkt nur bei den Insassen von Pseudococeus an die Möglichkeit, daß es sich um Bakterien handeln könne. Hier sind nun zwei Funde von ausschlaggebender Bedeutung, die ich bei Coceinen einerseits, Cicadarien andererseits gemacht habe. Als ich die Mycetome zweier Pseudococcus-Arten verglich, die sich außerordentlich nahe stehen Pseudococcus citri und Pseudococcus adonidum —, stieß ich auf einen überraschenden Unterschied. Die Mycetome beider Tiere gleichen sich äußerlich vollkommen, es sind große, eiförmige, lebhaft gelb pig- mentierte Gebilde, die in der Einzahl unter dem Darm ım Abdomen liegen, wie alle Hemipterenmycetome mit Tracheen reich versorgt. Der histologische Aufbau ist ein völlig identischer, die Mycetocyten selbst gleichen sich durchaus, aber bei P. eitri liegen in ihnen rund- liche und längliche Schleimballen, erfüllt von den typischen bläschen- und wurstförmigen, deutlich wabig aufgebauten Gebilden, bei P. ado- nidum in ebensolchen Verbänden schlanke, feine Stäbehen und Fäd- chen, offenkundige durch Querteilung sich vermehrende Bakterien. Vergleicht man die Einzelheiten der Infektion, so sind auch diese identisch; die gleiche Stelle des Eies wird zur gleichen Zeit von den Symbionten angegriffen, beide Male sind sie auch hierbei in rundliche Gallertpakete vereinigt.

Ein derartig u meikle. Verhalten der Symbionten und eine solche in beiden Fällen identische Reaktionsweise des Wirtes auf dieselben kann nur dadurch erklärt werden, daß diese ın beiden Fällen wesensgleich sind, oder mit anderen Worten, wir müssen den Schluß ziehen, daß die Bewohner von Ps. eitri und damit zunächst die der übrigen Coceinen und wohl auch Monophlebinen umgewandelte Bakterien sind und daß somit hier ein Vorgang vorliegt, wie.er ın der sogen. Bakteroidenbildung sein Gegenstück findet, wie sie aus den Wurzelknöllchen der Leguminosen bekannt ist. Hier verändert ja der stäbehenförmige Baeillus radicicola Beiyer. nach einer lebhaften Vermehrungsperiode im Plasma des pflanzlichen Wirtes schließlich seine Gestalt in ganz entsprechender Weise, quillt auf, so daß eine vorher nicht erkennbare, wenn auch wohl vorhandene Wabenstruktur des Plasmas deutlich zum Vorschein kommt, und nimmt die ver- schiedensten Formen an, wenn er zu Schläuchen, Würsten, ovalen oder rundlichen Gebilden wird, die ım hohen Grade die Neigung haben, gabelförmige Verästelungen zu treiben. Morphologisch ent- sprechen diese Bakteroiden der Leguminosen also ganz den typischen Symbionten der Coceinen, an denen ich, wenn auch nur selten, sogar die typische Gabelung feststellen konnte.

P. Buchner, Rassen- und Bakteroidenbildung bei Hemipterensymbionten. 45

Früher hat man in den Bakteroiden Involutionsformen ım eigent- lichen Sinne des Wortes gesehen, das heißt, Endstadien eines Ent- artungsprozesses, die nicht mehr lebensfähig sind, sondern notwendig von der Wirtspflanze als Eiweißlieferanten resorbiert werden. Neuer- dings ist es jedoch einer Reihe von Botanikern gelungen, die Bakte- roiden ın künstlichen Nährböden zu züchten, sie also sehr wohl als teilungs- und lebensfähig zu erweisen, ja selbst eine Rückentwicklung aus solchen entarteten Riesenstadien in typische Bazillen zu beob- achten. Wir dürfen darnach die Bakteroiden lediglich als infolge ungewöhnlicher Ernährungsbedingungen außerordentlich vergrößerte Bakterien definieren, die nur ım speziellen Fall der Leguminosen- knöllchen dem Untergang zu verfallen pflegen. Zu ganz ähnlichen Schlüssen führen uns ja auch die Beobachtungen an den Bakteroiden in tierischen Geweben, denn hier sind sie in hohem Grade ver- mehrungsfähig und werden keineswegs vom Insekt resorbiert, ja sie werden in solchem Zustand, gewöhnlich allerdings etwas modifiziert, durch die Eier von einer Generation zur anderen weitergegeben. Hierin liegt ein weiterer Unterschied zwischen den Mycetombewohnern und denen der Wurzelknöllchen, welch letztere jeweils als Stäbchen die Wurzeln neu infizieren und erst "nach heftiger Vermehrung in ihnen sich umwandeln.

Daß eine derartige Deutung auch auf die Cicadariensymbionten ausgedehnt werden darf, belegt die zweite hierher gehörige Beob- achtung. Sie bezieht sich auf eine kleine, sehr häufige Jasside, Tetti- gonia, viridis. Im Prinzip liegen die Verhältnisse hier wie bei der oben kurz geschilderten Cercopide Piyelus lineatus, d. h. es ist jeder- seits ım Abdomen ein größeres, zweimal eingeschnürtes Mycetom vor- handen, das, von einem pilzfreien Epithel umzogen, im Innern aus großen Mycetocyten mit riesigen unregelmäßigen Kernen aufgebaut und lebhaft gelb pigmentiert ist. Außer diesem kommt jederseits eın zweites, viel kleineres, rundliches Organ vor, das nur blaß gelb getönt erscheint, keinen epithelialen Überzug besitzt und ein einziges Syn- cytium mit relativ wenigen großen, annähernd ovalen Kernen darstellt. Die Tracheenversorgung ist, insbesondere in dem größeren Organ die gewohnte vorzügliche. Darin, daß das kleinere Mycetom vor diesem kopfwärts gelegen ist, unterscheidet sich Tettigonia von Ptyelus. Nach der ganzen Sachlage müßte man erwarten, daß in dem letzteren die übliche -Rasse, in ersterem die a-Rasse leben würde. Ich war in- folgedessen nicht wenig erstaunt, in dem kleinen Mycetom ausschließ- lich regelrechte Stäbehen und Fädchen zu finden, deren Länge ziem- lich stark varnerte, z. T. beträchtliche Maße erreicht. Das ganze Organ gleicht einem dichten Fadenknäuel, das Wirtsplasma ist auf ein kaum erkennbares Minimum reduziert. Also abermals ein Vika- rıieren von Bakterien und Bakteroiden, das völlig dem bei den Schild- läusen beobachteten entspricht. Prüft man das größere Mycetom, so findet man in ihm die gewohnten Würste mit allen Merkmalen der

44 P. Buchner, Rassen- und Bakteroidenbildung bei Hemipterensymbionten.

a-Rasse, deutlich ın je eine Plasmawabe eingeschlossen, nach der Peripherie zu ın etwas größere, rundliche und ovale Formen über- gehend, die sich in der Folge als die infektionstüchtigen erweisen, konstatiert aber weiterhin, daß die Trennung keine ganz sauber durch- geführte ist. Denn vereinzelte Zellen finden sich auch hier, scheinbar nur im mittleren Abschnitt, in denen Stäbchen wohnen. Sie unter- scheiden sich aber in den mir vorliegenden Präparaten von den Fäden des anderen Mycetoms, ındem sie kürzer, in Bündel vereinigt, in eigenen Vakuolen des Wirtsplasmas liegen ®).

An der Infektion beteiligen sich, wie zu erwarten, Bazillen und Bakteroiden. Schon an jungen Eizellen, die eben erst Dotter zu bilden begonnen haben, sondert sich am hinteren Ende im Follikel ein einreihiger Kranz von Zellen ab, und ın deren distalem, plasma- reichen Teil, der sich über die Umgebung vorwölbt, treten alsbald die ersten Symbionten, von Vakuolen umschlossen, auf. Es liegt hier einer der seltenen Fälle vor, daß die Infektion vorbereitende Eın- richtungen des Wirtes morphologisch in die Erscheinung treten, was in weitgehendstem Maße bei den vivipar erzeugten Aphidenembryonen der Fall ist (vgl. Buchner, Tier und Pflanze, p. 212ff.). Der Zuzug dauert eine Weile an, der Kranz nun symbiontenerfüllter Buckel wird immer markanter, die Kerne werden unregelmäßig und an dıe Wand gedrückt und nun konstatiert man neben einer Überzahl von Bakte- roiden vereinzelte Bündel von Stäbchen, wie wir sie von dem größeren Mycetom her kennen. Schließ'ich platzen diese infizierten Follikel- zellen nach innen zu und der Inhalt tritt allmählich ın einen zwischen Follikel und Ei sich bildenden terminalen Raum über. Das End- stadium stellt hier eine kappenförmige Ansammlung beiderlei Sym- biontentypen dar; vereinzelte mögen noch im Follikel zurückgeblieben sein, dessen Durchgangszellen sich nun wieder erholen, d. h. erneut dichteres Plasma und rundliche Kerne bekommen. Wie die Symbionten schließlich in das Eiplasma selbst gelangen, habe ıch bis jetzt nicht verfolgt. Damit wırd zum ersten Male die Infektion bei einer Jasside beschrieben. Das Stadium, das ıch früher von einer Aphrophora ab- bildete, fügt sich gut ein, nur wird hier nicht ein einreihiger Ring von Follikelzellen infiziert, sondern ein breiter Gürtel und man findet natürlich statt der Stäbchenbündel die typische bakteroide -Rasse.

Die Beobachtungen an Tettigonia bekräftigen so nicht nur auf ideale Weise unsere Annahme von der Bakteroidnatur der hier vor- liegenden Symbionten, sondern lassen weitere Schlüsse über das gegen- seitige Verhältnis der a- und ß-Rasse zu. Man kann aus ihnen die Folgerung ziehen, daß vielleicht allgemein die a-Rasse sich früher ın die a-Bakteroiden umwandelte und die $-Rasse erst später den analogen

6) Dieser Umstand ist insofern von Bedeutung, als er den Schluß zuläßt, daß nicht etwa verschiedenartige, vom Wirte gebotenen Wohnstätten den Anstoß zur Bildung neuer Rassen darstellen, sondern die histologische Differenzierung des tierischen Ge- webes sich offenbar erst in zweiter Linie einstellt.

P. Buchner, Rassen- und Bakteroidenbildung bei Hemipterensymbionten.

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Prozeß durchgemacht hat. Damit steht unter Umständen im Zusammen- hang, daß sich ihre Volumenzunahme in bescheideneren Grenzen hält”). Wenn man einmal eine größere Formenreihe überschaut, wird man möglicherweise auch die Frage entscheiden können, ob sich zuerst ein Bacillus in zwei stäbehenförmige Rassen gespalten hat und diese dann vielleicht teils gleichzeitig, teils hintereinander sich in Bakteroiden umgewandelt Haben, oder üb eine einförmige Art zunächst einen Bakteroidentypus abgespalten hat und später der Restbestand sich ın einen zweiten entwickelte. Man wird vor allem weitere Jassiden studieren müssen, um zu sehen, ob die Bakterien bei Tettigonia hier ebenso vereinzelt sind, wie unter den Coceinen bei Pseudococerus ado- nidum oder ob solche ursprüngliche Zustände ein Merkmal der ganzen Gruppe sind°).

Jedenfalls bringt die Annahme einer Spaltung des genuinen Üica- dariensymbionten in zwei Rassen innerhalb des Wirtes und die Deutung derselben als Bakteroiden schon heute Licht in die verwickelten Ver- hältnisse und gestattet zum Schluß folgende Reihe aufsteigender Komplikation als eine dem wirklichen historischen Gang der Ent- wicklung annähernd entsprechende aufzustellen:

1. ein einheitlicher Bacillus teils in einzelnen Mycetocyten (Or-

thexia), teils in einem Mycetom (Psewdococeus adonidum).

2. eine einheitliche Bakteroidenform in einem Mycetom (Üoceinen, Monophlebinen).

3. ein Baeillus + eine a-Bakteroidenform in gesonderten Myce- tomen (Tettigonia viridis).

4. eine a- + eine ß-Bakteroidenform in getrennten Mycetomen (Ptyelus, Tomaspis).

5. eine a- +4 eine f-Bakteroidenform in locker oder innig ver- einigten Mycetomen (Aphrophora, Psylliden, Cieaden).

6. eine einheitliche Een in einem Mycetom ein akzessorischer hefepilzartiger Symbiont ı ım Fettgewebe (Crcada orni; Macropsis).

7. eine a- 4 $-Bakteroidenrasse + ein akzessorischer azotobacter- ähnlicher Symbiont (Aphalara?).

Daß mit den hier herangezogenen Formen die Bakteroidenbildung in Tieren erschöpfend umschrieben wird, ist sehr unwahrscheinlich. Wenn hier weitere Vermutungen geäußert werden dürfen, so gehen diese dahin, daß die recht ähnlich anmutenden Schläuche, die in sämtlichen Pediculiden leben, ebenso zu deuten sind und daß auch die Leuchtsymbionten der Pyrosomen hierher zu rechnen sind. Gestalt und feinerer Bau derselben harmoniert damit aufs beste, wozu kommt,

) In meinem Buche hatte ich, bevor ich die Sachlage so überschaute, die Ver- mutung ausgesprochen, daß sich die $-Rasse als eine Verlustmutante der «-Rasse ent- wickelte. Tettigonia widerspricht dem aber entschieden.

8) Inzwischen habe ich ganz ähnliche Verhältnisse wie bei Tettigonia viridis auch bei einer weiteren verwandten Form gefunden.

46 P. Buchner, Rassen- und Bakteroidenbildung bei Hemipterensymbionten.

daß alle übrigen Leuchtsymbionten Stäbchen darstellen und Beijerinck von Bacterium phosphorescens angıbt, daß es sehr schöne Bakteroiden (Stäbchen, Kokken, Bläschen und zweiarmige Zustände) zu bilden ver- mag. (An der Bakteriennatur derselben kann nach inzwischen er- schienenen Untersuchungen Pierantonis nicht gezweifelt werden.) Hier harren für den Botaniker und den Physiologen noch zahl- reiche lockende Probleme. Die Reinkultur der besprochenen Orga- nismen vermag vielleicht meine Vorstellungen dadurch zu erhärten, daß sie die Symbionten, einmal unter andere Bedingungen gebracht, zur Rückverwandlung ın die alte Stäbchenform veranlaßt. Weiterhin wäre es wünschenswert etwas über das Verhalten der beiden Parallel- rassen auf künstlichen Nährböden zu erfahren, die möglicherweise auch. untereinander durch ein Symbioseverhältnis verbunden sind. Nur Stoffwechselversuche an solchen getrennten und gemischten Kulturen werden auch eines Tages Antwort auf die Frage nach der physio- logischen Bedeutung eines solchen seltsamen Dreibundes geben können. Weiterhin wird es Aufgabe der Bakteriologen sein, die spezifischen Infektionsstadien richtig zu bewerten, deren Bedeutung vielleicht darin liegt, daß in ihnen die Folgen zu weitgehender Entartung, die für das Ausgangsmaterial einer erneuten. Vermehrungsperiode ungünstig wären, herabgemindert werden. Der Umstand, daß hierbei z. T. sehr lang gewordene Schläuche wieder gedrungen werden und daß das Plasma wieder ein dichteres Gefüge bekommt (erhöhte Färbbarkeit), deuten darauf hin. Würde man einmal eine Form finden, bei der eine Umwandlung in regelrechte Stäbchen zwecks Infektion vorkommt, so würde das hierfür beweisend sein. Jedenfalls glaube ich ım Voran- gehenden gezeigt zu haben, daß es keine müßıge Arbeit ist, immer weitere Arten auf ihre Symbionten hin zu prüfen, denn bereits aus rein morphologischen Beobachtungen lassen sich, wenn sie vergleichend verwertet werden, wesentliche Schlüsse ziehen-

Literatur.

Beijerinck, M. W., Die Bakterien der Papilionaceen-Knöllchen. Botanische Zeitung. 46. Jahrg. 1888.

suchner, P., Tier und Pflanze in intrazellularer Symbiose. Berlin 1921.

Pierantoni, Umb., Struttura ed evoluzione dell’ organo simbiotico di Pseudococeus citri Risso, e eiclo biologieco del Öoceidomyces dactylopii Buchner. Arch. Proti- stenk. Bd. 31. 1913. |

Sule, K., „Pseudovitellus“ und ähnliche Gewebe der Homopteren sind Wohnstätten symbiontischer Saccharomyceten. Sitzungsberichte kgl. böhm. Gesellsch. Wiss. Prae 1910.

P. Mayer, Zoomikrotechnik. W.E. Agar, Cytology with special reference usw. 4

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Referate.

Paul Mayer: Zoomikrotechnik. Ein Wegweiser für Zoologen und Anatomen. 516 S. Berlin. Gebr. Bornträger 1920. Geb. 64 Mk.

Der „Lee und Mayer“, der jedem Biologen längst ein unentbehrliches Hilfs- mittel geworden ist, war seit 1910 nicht mehr in neuer Auflage erschienen. Die nun vorliegende Zoomikrotechnik, die nur noch den Namen des bekannten Neapeler Mikro- technikers trägt, stellt eine sorgfältige Neubearbeitung desselben dar. Die Anlage des ganzen Werkes ist die bewährte, alte geblieben, überall ist es jedoch entsprechend den Erfahrungen der letzten zehn Jahre bereichert worden. Die pathologisch-anatomische Literatur findet man in weitem Umfang verwertet, die Untersuchungsmethoden für die Lebendbeobachtung besonders ausgebaut. Derart verbessert wird das Buch in jedem zoologischen, anatomischen, pathologischen, neurologischen Institut an die Stelle der „Grundzüge“ von Lee und Mayer treten müssen und dank der reichen technischen Erfahrungen des Verfassers und seiner unermüdlichen Sammeltätigkeit in den mannig- fachen mikrotechnischen Fragen kaum je umsonst zu Rate gezogen werden.

P.,Buchner-München,

Agar, W.E.: Cytology with special reference to the f Metazoan nucleus. 224 S. London, Macmillan u. Co. 1920.

Das Buch, das mit 91 guten Abbildungen ausgestattet ist, will dem Studenten das Eindringen in das vielseitige Gebiet der Zellenlehre erleichtern, berücksichtigt aber ‚eigentlich fast ausschließlich die Geschlechtszellkunde und beschränkt sich auch hier vornehmlich auf Chromosomenverhältnisse. Es charakterisiert so deutlich, welche Ge- biete hier augenblicklich sich der Mode erfreuen. Das ganze tatsachenreiche Kapitel der Entstehung typischer und atypischer Spermien wird auf einer Seite erledigt, be- ziehungsweise gar nicht berührt, nach einer Erwähnung der apyrenen und oligopyrenen Spermien sucht man vergebens, die Vorgänge im Plasma wachsender Eier werden mit wenigen Worten abgetan, über spezifisch determinierte Eiplasmen findet man fast gar nichts, über den achromatischen Teil der Mitose nur das Elementarste. Man kann dann aber das Buch nicht als Cytologie bezeichnen, sondern nur als ein Lehrbuch der Chromosomenkunde. Als solches hat es zweifellose Vorzüge. Hier geht es genügend tief in die Einzelheiten ein und beherrscht in hohem Maße die reiche Literatur; für uns, die wir während und nach dem Kriege die fremden Neuerscheinungen nur not- dürftig verfolgen können, ist es dabei insofern noch von besonderem Wert, als viele ausländische Untersuchungen dieser Jahre herangezogen und z. T. auch mit Abbil- dungen vertreten sind. P. Buchner-München.

48 V. Franz, Die Vervollkommnung in der lebenden Natur u. s. w.

Franz, Victor: Die Vervollkommnung in der lebenden

Natur; eine Studie über ein Naturgesetz. 138 S. Jena. G. Fischer. Geh 15 Mk.

Franz untersucht die Frage, ob die stammesgeschichtliche Entwicklung der Organismen mehr bedeutet als eine bloße Zunahme an Kompliziertheit und inwieweit wir in ihr eine wirkliche Vervollkommnung im eigentlichen Sinne des Wortes sehen dürfen. Zu diesem Zweck geht er im ersten Teil zunächst der Geschichte des Ver- vollkommnungsgedankens nach, der im Altertum kaum vorhanden, sich im Mittelalter und der Renaissance, vornehmlich durch die kirchliche Lehre von der bevorzugten Stellung des Menschen belebt, Bahn bricht. Auch nachdem sich eine Loslösung seines religiösen Inhaltes vollzogen hatte, behauptet er sich in den Gedankengängen eines Lamarck, Oken, Cuvier, Geoffroy, Goethe und Häckel. Den Biologen unserer Tage liegt es allerdings näher, ein Protozoon und ein Säugetier für gleich vollkommen zu erklären und scharf zwischen Differenzierung und Vollkommenheit zu unterscheiden. Franz selbst hat sich in früheren Arbeiten auf diesen Standpunkt gestellt, bekennt aber, daß er, nachdem er mit der Vorstellung jahrelang gerungen, sich die Goethe- Häckelsche Anschauung zu eigen gemacht habe, nach der in der harmonischen Ver- einigung von Differenzierung und Zentralisation, die ein Übergewicht im Kampfe ums Dasein im Gefolge hat, das Wesen der Vervollkommnung beruht. Es ist hier nicht der Platz, den Franzschen Ausführungen im Einzelnen zu folgen, die in Nutzanwen- dungen für den Menschen gipfeln, aber daß der Autor den Berufsoffizier als die höchste erreichbare Stufe der Vollkommenheit ansieht, möchte ich dem Leser doch nicht vor- enthalten. P. Buchner-München.

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Deutsche Gesellschaft für Vererbungswissenschaft.

Vom 3.—5. August fand in Berlin die Gründungsversammlung der Deutschen Gesellschaft für Vererbungswissenschaft statt. Als Vorsitzen- der wurde Geheimrat Gorrens-Dahlem, als Vorsitzender des nächsten - Jahres Hofrat v. Wettstein-Wien gewählt. Ein ausführlicher Bericht über den Verlauf der Versammlung, die auch vom Ausland gut besucht war, wird in der Zeitschrift für induktive Abstammungs- und Ver- erbungslehre erscheinen und den Mitgliedern zugehen. Aufnahmebe- dingungen sind: Verschlag durch zwei Mitglieder und Zahlung eines ‚Jahresbeitrages von 10 Mark für Reichsdeutsche, von 20 Kronen für Deutsch-Osterreicher und Deutsche aus den übrigen Teilen des alten Osterreich-Ungarn, für -alle anderen Ausländer 5 Schweizer Franken. Als Ort der nächstjährigen Tagung ist Wien und als Zeit die zweite Septemberhälfte vorgesehen. Anmeldungen zur Mitgliedschaft und An- fragen sind an den Schriftführer der Gesellschaft, Privatdozent Dr. H. Nachtsheim, Berlin N4, Invalidenstr. 42, Institut für Vererbunes- forschung, zu richten.

Gedruckt bei Junge & Sohn in Erlangen

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jologisches Zentralblatt

Begründet von J. Rosenthal Herausgabe und Redaktion:

Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. C. Eörtons Prof. Dr. R. Goldschmidt und Prof. Dr. OÖ. Warburg

in. Berlin Veılag von Georg Thieme in Leipzig Anzeigen-Annahme: Hans Pusch, Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 28

42. Band. Behrusr 1922. Nr. 2

uses en am 1.. Februar 1922

Der N Bari spieis (12 Heite) beirzet Inderhalb Deutschlands 50 Mk. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

Den Herren Mitarbeitern stehen von ihren Beiträgen 30 Sonderabdrucke kostenlos zur Verfügung; weitere Abzüge werden gegen Erstattung der Herstellungskosten geliefert.

Inhalt: Rh. Erdmann, Art und Artbildung bei Protisten. Mit 8 Abbildungen u. 4 Tabellen. S. 49. G. Just, Wahrscheinlichkeit und Empirie in der Erblichkeitsstatistik. Mit 2 Abbildungen. S. 65. A. Pütter, Die Frage der parenteralen Ernährung der Wassertiere. 8. 72. H. Böker, Die Bedeutung der Überkreuzung der Schnabelspitzen bei der Gattung Loxia. Mit 2 Abbildungen. S..87. Referate: P. Buchner, Tier und Pflanze in intrazellularer Symbiose. S. 93. P. Sorauer, Handbuch der Pflanzenkrankbeiten. S. 9. E. Küster, Anleitung zur Kultur der Mikroorganismen. S. 9%. H. Molisch, Mikrochemie der Pflanze. S. 96.

Art und Artbildung bei ‚Protisten.

Von Rhoda Erdmann, Berlin.

Mit 8 Textabbildungen und 4 Tabellen.

Die Mannigfaltiskeit der Lebenskreise bei nichtzelligen Organis- men bei den Protisten erschwert das Studium der Erblichkeits- verhältnisse. Die im allgemeinen strenge Geschlossenheit der Lebens- kreise der Metazoen und Metaphyten, bei denen Fortpflanzungs- und Sexualakt eng verknüpft sind, erlaubt einheitlichere Untersuchungen. Da, wo bei Metazoen diese Geschlossenheit fehlt, wie bei den Cladoceren und Rotatorien, hat auch‘ die Klärung der Erblichkeitsverhältnisse jahr- zehntelang gedauert und ist wohl auch heute nicht beendet.

Bei den Protozoen kommen Lebenskreise mit rein vegetativer Ver- mehrung vor. Zweiteilung folgt auf Zweiteilung, ein Geschlechtsakt ist nicht bekannt. Weiter folgt nach einer Reihe von vegetativen Tei- lungen ein amphimiktischer Prozeß, sei es Kopulation, Konjugation oder Autokaryomixis, oder vegetative Teilungen wechseln mit einem endo- miktischen Vorgang, sei es Parthenogenese im engeren oder weiteren

Band 42. 4

50 Rh. Erdmann, Art und Artbildung bei Protisten.

Sinne, ab. Aber auch vegetative Teilung, Amphimixis, vegetative Tei- lung, Endomixis wechseln miteinander ab. Daher erfordert das Pro- blem der Artbildung eine Reihe getrennter Untersuchungen. Folgt die Aufspaltung der reinen Linie den Mendelschen Gesetzen bei amphimiktischen Vorgängen? Welche Aufspaltung findet bei den endomiktischen Vorgängen statt? Sind Aufspaltungen bei sogenannten rein vegetativen Teilungen möglich? Sind die so entstandenen Auf- spaltungen erblich? Kann durch Kumulation etwaig auftretender kleiner erblicher Verschiedenheiten bei gerichteter Selektion der Durchschnittswert der in Frage kommenden Eigenschaften stark geändert werden? Welche der bei den Metazoen und Metaphyten vor- kommenden Arten von Variationen, also Kombinationen, Modifikationen und Mutationen, sind bei Protozoen beobachtet?

Um diese Fragen zu beleuchten zum Entscheiden ist noch nicht genügendes Tatsachenmaterial beigebracht möchte ich, um allen Mißverständnissen vorzubeugen, einige richtunggebende Begriffserklä- rungen voranstellen. Wir besprechen hier nur die Ergebnisse, die an sogen. reinen Linien gewonnen sind. Ob unser Material homozygot ist, können wir nicht a priori wissen. Denn wie ge- langen wir in den: Besitz einer solchen Linie? Wir wählen uns aus der Natur oder den in einem Laboratorium befindlichen Zuchten einen Organismus aus, dessen vorangegangene individuelle Ge- schlechts- und Fortpflanzungsgeschichte wir nicht kennen und züchten ihn dann in „reinen Linien“'). Dieser Ausdruck ist für die Protozoen daher nur rein technisch zu bewerten, er sagt also nichts darüber aus, ob nicht vor einer Reihe von Generationen eine Bastar- dierung des Ausgangstieres stattgefunden hat. Unter reiner Linie wollen wir eine Generationenfolge von Einzeltieren verstehen, die durch Zwei- teilung aus einem Stammtier entstanden. Ausgangstier A spaltet sich in Tier A,, A,, A, in A, ,undA, u.s.w. Die Anzahl, der "Deilschritte zwischen zwei Reorganisationsvorgängen bezeichnen wir als Genera- tionenfolge. Es wäre falsch, die Summe aller Teilschritte zwischen zwei Reorganisationsvorgängen eine Generation zu nennen, denn manche Pro- tısten haben weder Amphimixis noch ist bei ihnen Endomixis bekannt. Es muß von vornherein darauf aufmerksam gemacht werden, daß bei der Aufzucht in Einzell-Linien stets nur eine zufällige Auswahl von Linien untersucht wird. Klon ist nach Johannsen 1913 die Summe aller Tiere der gezüchteten, vegetativ entstandenen Einzell-Linien, welche von einem Ausganstiere stammen. .‚Jennings sagt mitunter dafür

1) Die meisten Autoren folgen hier Jennings Namengebung 1908, indem sie Jennings Einschränkungen von 1911 als bekannt voraussetzen und die Ausführungen desselben Autors 1912 über die Homozygotie oder Heterozygotie bei reinen Linien von Protozoen billigen. Also „pure line“, besser „pure bred line“ oder „pedigreed line“ und „reine Linie“, „Einzell-Linie“, „Individual-Linie‘ sind synonym zu brauchen. Schon Jennings setzte 1916 den Ausdruck „reine Linie“ in Anführungsstriche und ich bin ihm darin in meiner Arbeit 1919 gefolgt, um gleich darauf aufmerksam zu machen, daß bei dem Gebrauch Vorsicht notwendig ist.

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Rh. Erdmann, Art und Artbildung bei Protisten. Ay

„Familie“ 1916, früher mitunter auch „Strain“ und „Race“. Diese drei letzten Ausdrücke sind besser zu vermeiden. Alle Nachkommen eines einzelmen Ausgangstieres sind noch niemals aufgezogen wor- den, hierzu würde man einen Stab von Experimentatoren brauchen. In jeder Linie sterben nun Einzeltiere. Entweder hat nun diese Linie für das Experiment auszufallen oder man interpoliert von andern benachbarten, nahe verwandten Linien. Ich mache besonders darauf aufmerksam, daß bei strengster Versuchsanordnung kein Interpolieren stattfinden soll, denn hierdurch wird das Resultat einer etwaigen Auf- spaltung verschleiert. Bei Beginn der Versuche mit Protisten hat man sehr häufig Massenkulturen benutzt und einfach diese Massenkultur von einem Einzeltier angesetzt. Dadurch glaubte man alle Nach- kommen dieses betreffenden Tieres zu erhalten, bedachte aber nicht, dab jeder unbeobachtete amphimiktische und endomiktische Vorgang neue Aufspaltungen schaffen kann, die dann wieder die auftretenden Charak- tere dieser von einer Stammform ausgehenden Massenkultur ver- schleiern können. Man vergaß auch auf das Sterben der Individualtiere in einer solchen Kultur zu achten. Man muß also Massenkulturen wählen, bei denen man die Intervalle zwischen zwei Reorganisations- prozessen, ein solcher ist auch die Amphimixis, studiert. Oder man muß von einem Reorganisationsprozeß bis zum andern genau das Schick- sal der reinen Linien in Einzell- und Massenkulturen zugleich verfolgen und es wieder nach dem nächsten Reorganisationsprozeb stu- dieren und es vergleichen, wie es z. B. von Jennings für die Kon- jugation getan worden ist.

Also einwandfreie Aufzucht und die genaueste Kenntnis der Sexual- und Fortpflanzungserscheinungen der zu studierenden Formen sind Vorbedingungen einer erfolgreichen Lösung der Probleme. Aber hier gerade liegt die Schwierigkeit. Ich scheide alle Bastardierungs- versuche mit sogen. reinen Linien (Pascher [1] und Burgeff |2|]), bei denen eine Mendelspaltung berichtet worden ist, als nicht zum Thema gehörig aus. Ich greife nur die Arbeiten für diese Besprechung her- aus, die wenigstens dem Stande der heutigen Anforderungen an Technik einigermaßen entsprechen. Merkwürdigerweise sind die Rhizopoden und die holotrichen und hypotrichen Infusorien weitaus am meisten zu Experimenten benutzt. Leider ist von den studierten Formen unter den Rhizopoden der Sexualakt bei manchen von ihnen unbekannt, bei andern mangelhaft untersucht, jedenfalls aber nicht willkürlich experimentell auslösbar. Dagegen ist der amphimiktische Vorgang bei den Infusorien, die Konjugation, genau bekannt und oft experimentell auslösbar (Jen- nings [3], Enriques [4], Zweibaum [5]). Die Enzystierung ist bei manchen Formen zytologisch ausreichend studiert und unter Umständen sogar experimentell- (Menghini [6]) zu erzwingen. Aus dem Flagellatenkreise ist nur eine ältere Arbeit Dallingers |7| 1887 einschlägig, der in Massenzuchten, von einem Individuum ausgehend, bei Monadinen, durch jahrelange Aufzucht in immer höheren,

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59 Rh. Erdmann, Art und Artbildung bei Protisten,

sraduell gesteigerten Temperaturen die Entstehung einer neuen Rasse bei rein vegetativer Vermehrung zu beobachten glaubte. Nach dem Analogon bei Metazoen würden wir nur dann von einer Neuerwerbung vererbbarer Figenschaften reden dürfen. wenn nach einem Geschlechtsakt unter Tieren der gleichen reinen Linie oder seinem physiologischen Ersatz sich die neuerworbenen Eigenschaften in den neuen Grenerationsfoleen wieder zeigen. Das ist nicht von Dallinger getan. Ich untersuche vorläufig nicht, ob dieses Kriterium ohne weiteres auf die Erscheinungen bei Protozoen anwendbar ist, da bei vielen kein Reorganisationsvorgang bekannt ist, sondern berichte erst Ergebnisse, die aus neuen, technisch in vielen, aber nicht allen Punkten einwandfreien Arbeiten zusammen- gestellt sınd.

Die Abbildungen geben in rascher Übersicht die Tatsachen; die Ansicht des Forschers über seine Resultate und meine Kritik folgt nach jeder Arbeit. Hier sind zuerst die Versuche Jennings |8| an Difflugia corona 1916 zu erwähnen. Nicht interpolierte Einzellkulturen sind von einem Tier angelegt. Vier Linien 198, 197, 324, 323 sind in Abb. 1. gezeigt. Die Di/flugia eignet sich durch ihre meßbaren variablen Charaktere vortrefflich zu Aufspaltungsexperimenten. Man kann die Zahl der Schalenzacken, die Länge der Schalenzacken, den Durchmesser der Schale und der Mundöffnung bequem messen. Es spaltet sich das Stammtier ın Generationenfolgen, die sich durch die Anzahl der Schalenzacken unterscheiden (Abb. 1, Familie 198): und auch mit gewissen Einschränkungen dauernd erhalten bleiben. Unter diesen während des Experiments auftretenden Verschiedenheiten sind aber die einen vererbbar, die andern nicht. Es ist nicht ohne weiteres erkenntlich, welche der kleinen oder größeren meßbaren Verschieden- heiten vererblich oder nicht vererblich sind.

Getadelt wird an der Jenningsschen Arbeit die nicht gleich- mäßig dosierte Nahrung (Detritus, dessen chemische Zusammensetzung vechseln kann, wenn er auch stets aus denselben Teichen stammt), und dab Schalenmerkmale, nicht Körpermerkmale als Selektionsmerkmale ge- wählt wurden. Ein vorläulig im Objekt liegender Fehler ist der nicht auf- tretende Geschlechtsakt, wenn man den Tieren dazu Gelegenheit geben würde. Das Auftreten von Linien mit vererbbaren Merkmalen, die durch vegetative Teilung entstanden sind, erklärt Jennings durch die eigen- artige Struktur der chromatischen Bestandteile dieses Tieres. Dij- Iugia hat kein geschlossenes Kernsystem, sondern ein Chromidialnetz, das sich bei jeder Teilung, vielleicht nicht ganz identisch gleich, auf die beiden Schwestertiere verteilt und so nach unseren heutigen theo- retischen Beeriffen eine Aufspaltung des genotypischen Materials er- laubt. Mir selbst erscheint nur das eine bedeutsam, daß Jennings serade ein solches Tier gewählt, bei dem man nicht einen amphimikti- schen oder endomiktischen Vorgang zum Beeinn des Experiments setzen konnte.

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Rh. Erdmann, Art und Artbildung bei Protisten. 53

Abb. 1. Difflugia corona. Glieder 4 verschiedener „Familien“ aus einem Ausgangstier entstanden. Familien 198 und 197, 324 und 323 entsprechen also ‚reinen Linien‘,

von denen viele Einzeltiere länger am Leben erhalten und untersucht wurden. Linie 324 hat dauernd große Tiere mit großen Fortsätzen, Linie 323 große Tiere

mit kleinen Fortsätzen, Familie 198 besteht aus Tieren mit kleinen Durchmessern und vielen Fortsätzen, Familie 197 zeichnet sich durch größeren Durchmesser und Fortsatzarmut aus. Jennings, Life and Death, Heredity and Evolution in unicellular Organisms. Boston 1920 Abb. 21 (vergl. Jennings 1916 ausführ- liche Arbeit).

Ähnlich geht Root |9| 1918 bei der Aufzucht von Centropy.ris aculeala vor (Abb.2): und hat gleiche Resultate wie Jennings. Er kann aus einem Ausgangstier Linien mit wenigen und Linien mit vielen Schalenzacken aufziehen. Im Gegensatz zu Jennings kann er in den Monaten Februar - März ein Abtlauen der Teilungsgeschwindiekeit dieser Tiere beobachten; es folgt dann die Umwandlung des Gesamtplasmas des Tieres ın kleine Flagellaten, die vielleicht kopulieren. Eine Auf zucht dieser Flagellaten und eine Prüfung, ob die Charaktere der Aus- gangslinie nach diesem amphimiktischen Akt erhalten bleiben, konnte er aus technischen Gründen nicht ausführen. Aber hier scheint doch die Möslichkeit vorhanden, bei diesem Tier den ganzen Lebenskreis einer reinen Linie vererbungstheoretisch zu untersuchen. Auch hier ist die

54 Rh. Erdmann, Art und Artbildung bei Protisten.

Nahrung nicht dosiert und exoplasmatische Merkmale sind Selektions- merkmale.

Einen Schritt weiter kommt Hegner 1919 [10, 11]. Er studiert zuerst alle jene Einflüsse, die die Schalengröße und die Zahl der Schalenzacken bei der Aufzucht verändern können. Sein Objekt ist Arcella in vier verschiedenen Spezies. Die meisten seiner Studien sind an Arcella dentata ausgeführt, die sich sogar durch einen im Leben sichtbaren Kern es gibt einkernige und zweikernige Tiere

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% N Abb. 2. Zwei durch Selektion aus einem Ausgangstier von Centropyzxis aculeata‘ent- standene „reine Linien“, die obere mit zahlreichen Fortsätzen, die untere mit einer geringeren Anzahl von Fortsätzen. Am Schlusse der gerichteten Selektion be- trug der Durchschnittsunterschied zwischen der + und der selezierten Linie

in der Zackenzahl eins, ein hoher Wert, da die Anzahl der Zacken überhaupt gering ist (6—7 als Höchstzahl) nach Root 1918 Abb. 6.

vorteilhaft von den anderen Formen auszeichnet. Abbildung 3 zeigt nun ein Aufspalten der Ausgangslinie von Arcella dentata, die Selektion ist hier auf die Anzahl der Schalenzacken gerichtet worden, da diese sich proportional der Kerngröße verhalten und nicht durch Aufzuchts- bedingungen verändert werden wie die Zackenlänge. Diese Selektion ist für 64 Tage 22 Generationen lang, nach entgegengerichteten Zielen aus- geführt worden, während der Unterschied in der Durchschnittszackenzahl am Anfang des Versuches minus 0,07 betrug, ist er nach 64 Tagen auf 1,16 gewachsen. Nun wird mit der Selektion aufgehört, während 35 Tagen sind die Linien sich selbst überlassen, der Unterschied fällt ein wenig,

Rh. Erdmann, Art und Artbildung bei Protisten. 55

bleibt aber doch im Vergleich zum Ausgang erhalten. Er beträgt jetzt 0,43. ‚Jetzt fängt Hegner wieder an zu selezieren, die Minus-Linie spaltet sich nun wieder auf in eine Linie mit fast ebenso hoher Zacken- zahl, wie die plus selezierte Linie und eine Linie, die ziemlich geringe

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Abb. 3. Zeigt das Ergebnis der auf + gerichteten Selektion der Schalenzackenzahl bei Arcella dentata der Familie 58 Jedes abgebildete Dreieck oder Viereck stellt eine bestimmte Periode des Experiments dar. Die Zahl in den Dreiecken stellt die Anzahl der Tiere dar, die aus einem Tier entstanden war, aus denen dann wieder seleziert wird. Die Zahl in den Rechtecken deutet den Bestand an Tieren an, auf welchen während der Perioden, in welchen nicht seleziert wurde, die betreffende Familie gehalten wurde. Die Zahlen über den Drei- und Vierecken ist die Durchschnittszackenzahl dieser betreffenden Periode notiert. Die in der Mitte für jede Periode errechneten Zahlen zeigen die Differenz der Schalenzackenzahl der Plus und Minus selezierten Linie im Durchschnitt an. (Siehe auch Text.) Nach Hegner 1919 Abb. 11.

Durchschnittszackenzahl hat. Dies zeigt Abb. 3, doch mub gesagt wer- den, daß die Verhältnisse noch nicht geklärt sind. Das Wiederanstei- sen der Durchschnittszackenzahl während der nicht unter Selektion stehenden Periode kann nicht ohne weiteres hingenommen werden. Aber das geht klar aus diesen Versuchen hervor, daß eine Aufspaltung der (renerationenfolgen, die aus einem Ausgangstier entstehen, sichtbar ist. Da auch hier die geschlechtliche Individualgeschichte des Ausgangs- tiers nicht bekannt ist und auch bei Heener Perioden vorkommen, bei denen keine rasche Vermehrung der Einzeltiere stattfindet, so mub zusleich mit der nichtdosierten Nahrung das Urteil dahin lauten, dab eine Nachuntersuchung dringend nötig Ist, um die bei vegetativer Teilung experimentell entstandene Kumulation der gewählten plus sele- zierten Eigenschaft sicher zu stellen.

Das wiederholte Sichautspalten derselben Linie während der langen Periode der vegetativen Vermehrung kann vielleicht durch die Jetzt zu schildernden Verhältnisse bei Paramecium erklärt werden, die

56° Rh. Erdmann, Art und Artbildung bei Protisten.

schon seit dem Jahre 1908 Bu worden sind. Schon im Jahre 1908 untersuchte Jennings [12] die Erblichkeitsverhältnisse von Paramecium candatum und Panel aurelia, er fand, dab die Durch- schnittslängen, nachdem einmal „reine“ Linien aus einer Population ge- funden waren, konstant bleiben. Jennings stützte also damals Johannsens Anschauung über die Konstanz der reinen Linie. Er selbst konnte aber nichts über die Entstehung dieser Linie aussagen Aber wie ich schon im Anfang erklärt habe, sind die Massenkulturen

65

50

55

50

0-3 ER»: D— > E06 108 72 WO TEE 008 TUO TUT 750 707 768 175 W2 36 5 112 79 126 7133 WO MI 154 101 168 175 702 189

Abb. 4 u. 5. Wirkung der Endomixis bei Paramecium aurelia. Aufspaltung der Linie O bei der 896. Generation in zwei Linien mit verschiedenen Durchschnitts- längen, die sich bei der kleineren Durchschnittslänge 140 « 2 weitere Reorgani- sationsprozesse konstant bei gerichteter Selektion “hielt. Die Linie mit der größeren Durchschnittszahl 154 « spaltet sich nach der 981. Generation noch einmal auf. (Erdmann 1920.)

nach unseren heutigen Kenntnissen nicht einwandfrei angelegt. Die Reorganisationsprozesse sind nicht beachtet und so ist das Auftreten von vererbbaren Verschiedenheiten verschleiert. : Ich selbst konnte schon im Jahre 1919 die ausführliche Arbeit ist erst 1920 im Archiv für Entwicklungsmechanik erschienen nachweisen, daß bei vegetativer Vermehrung, nach dem von Woodruff und mir 1914 gefundenen endo- miktischen Reorganisationsprozeß, einer diploiden Parthenogönese eine Aufspaltung in verschiedene Linien stattfindet, die durch e«erichtete Selektion erhalten bleiben (Abb. 4, 5). Das Richten kann entweder der Experimentator oder die Natur besorgen (Abb. 6), oft sind die auftreten- den Kombinationen nicht lebensfähig. Da die Temperatur und Nahrung gleich (gleiche Art von Bakterien und sterile Nahrung der Bakterien dosiert) sind, so kann hier nur eine innere Verschiedenheit das Absterben, der Einzeltiere verursachen. Dieses kann entweder sofort nach dem Umordnungsprozeß vorkommen oder aber kurz vor dem nächsten Um- ordnungsprozeß. Während also nach dem endomiktischen Prozeß fast mit Sicherheit das Anufspalten der Ausgangslinien beobachtet worden ist, das sich alle 60 Generationen bei Paramecium anrelia und 120 Gene- rationen bei Paramecium candatum wiederholt und immer wieder neue

Rh. Erdmann, Art und Artbildung bei Protisten. 57

Kombinationen schafft, sind auch nach der Konjugation, also dem amphi- miktischen Vorgang, Aufspaltungen (Jennings 1913 |19]) be- schrieben; auch hier sterben viele Kombinationen, aber doch dient die Konjugation, wie die Parthenogenese dazu, die Zahl der Variationen zu vermehren und trägt so indirekt zur Erhaltung der Spezies bei. Ich habe hier mit Absicht bei Paramecium den nach der Konjugation und der Endomixis auftretenden Aufspaltungen den Namen Kombinationen gegeben. Daß sie es nach der Konjugation sind, ist wohl sicher, da die

56 73 a m 84 97 95 WS M2 79 126 733 MO W7 159

Abb. 6. Anscheinende Konstanz der Durchschnittslängen während 1525 Generationen der vegetativen Aufzucht einer Einzell-Linie von Paramecium aurelia (AE). (Siehe Text.) (Erdmann 1920).

Erbmassen zweier Individuen der Ausgangslinie umgruppiert werden ; doch nach der Endomixis wird auch die Erbmasse in dem Einzeltier umgeordnet. Diese Kombinationen bleiben aber nur in der Periode

zwischen zwei Konjugationsvorgängen also bei manchen Rassen so- sar nur 1—2 Monate, Jennings 1911 oder zwischen zwei Endo-

mixisvorgängen erhalten. ‚Jeder Reorganisationsvorgang läßt wieder neue Kombinationen entstehen.

Die Verhältnisse bei Paramecium werden von Jollos |20) (1913. 1914, 1916 und 1920) anders gedeutet. Jollos unterscheidet das Auftreten von Modifikationen, Dauer-Modifikationen und Mutationen in Einzell-Linien bei vegetativer Vermehrung bei Paramecium. Er hat aber in seinen Massenkulturen in der ersten Arbeit nicht beachtet, dab in genau festgesetzten Perioden die Linie sich aufspaltet und dab man also von einer Dauermodifikation nicht sprechen kann, wenn sich die entstandene Modifikation alle 60 Generationen verändern kann. Das scheinbare Konstantbleiben seiner an Arsen gewöhnten Linien verdankt er eben dem Reorganisationsprozeß selbst. Als die Tiere an das Gift gewöhnt wurden, starben nach seinen eigenen Worten viele, also die Tiere machten sofort, wie sie es bei jeder starken Veränderung des Milieus tun (Woodruff und Erdmann 1914, p. 482; Woodruff 1917), den Reorganisationsprozeß durch und es blieben sofort die sogen. arsenfesten bestehen. Da das Medium zuerst dasselbe blieb. so er- hielten bei den nächsten Reorganisationsprozessen die für dieses Milteu am geeignetsten angepabten Linien. Hörte die Gittwirkung auf, so

58 Rh. Erdmann, Art und Artbildung bei Protisten.

klang das erworbene Vermögen der Giftbeständigkeit nach Jollos langsam ab. Nach meiner Auffassung (vgl. Erdmann 1920) heißt es, dab nach jedem neuen Reorganisationsprozeß, den Jollos damals nicht getunden hatte, auch Linien erhalten bleiben konnten, die nicht an das Gift gewöhnt wurden, zugleich mit solchen, die an das Gift gewöhnt waren. Ich würde also nicht hier von Dauermodifikationen nach meiner Auffassung sprechen können, da die Giftgewöhnung nicht in der neuen Umgebung hinderlich war. Daß eine Mutation in einer Massenkultur, wie Jollos auch weiter behauptet, vorkommen könnte, wage ich nicht in Abrede zu stellen, aber das, was in Jollos Massen- kultur als Mutation angesehen ist, ist nur eine Kombination, die un- beobachtet endomiktisch entstanden und bei der als Kriterium dienenden folgenden Konjugation von Tieren der gleichen Linie, sich wieder zeigte. Jennings vererbbare Verschiedenheiten, die größer oder kleiner, auf- fallend oder weniger auffallend, sein können und von kleinen Sprüngen bis zu einem ganz großen Sprung gehen können, sind, wenn sie erblich sind, dasselbe wie Jollossche Mutationen, also Kombinationen. Aber das muß ich wieder betonen, alle diese Sprünge bleiben, soweit unsere Erfahrungen reichen, innerhalb der Variationsbreite dieser Spe- zies. Es kann sich nur um ein Verschieben des genotypischen Moduls nach der einen oder anderen Richtung handeln, wenn wir nur die so- senannte reine Linie studieren. Über bastardierte ‚reine Linien“ mit genau bekannten analysierten Eigenschaften fehlt uns ja fast jede Er- fahrung.

Aufspaltung in Einzell-Linien also ohne Hinzutreten von indi- viduumfremdem Chromatin ist von vielen Autoren sowohl für Paramecium als auch für andere Infusorien [21—25] berichtet; aber nicht immer für unsere Zwecke ausreichend studiert worden. Paramecium- linien mit überzähligen Vakuolen (Hance 1917), mit überzähligen Mikro- nuclei (Powers und Mitchell), mit fehlendem Mikronucleus (Lan- dis 1920, Woodruff 1921) sind beobachtet worden. Diese Tiere können in Einzell-Linien aufgezogen werden. Auch bei Didinium Tan- den sich Linien ohne Mikronucleus (Patten 1921 [25]) die aber bis jetzt nur 600 Generationen lebensfähig sind.

Bei Oxytricha hymenostoma treten plötzlich Doppeltiere auf, die auch in Einzell-Linien gezüchtet werden können (Dawson [26 1917). Wann diese abweichenden Individualtiere, die den Ausgangspunkt wieder zu neuen Linien bilden. erscheinen, ist nicht geklärt.

Und doch schien eine Autdeckung dieser wichtigen Vorgänge nach der auisehenerresenden Arbeit von Middleton 27 1915 leicht, wenn hier wirklich durch das Experiment die Zerlegung der Ausgangslinie von Stylonychia pustulata in eine sich schnell teilende und sich lang- sam teilende gelungen wäre. Mast |28' 1917 berichtet das Auftreten einer sich schneller als die Ausgangslinie sich teilende Linie bei Didinium nasutum. Sie entstand 721 Generationen nach der Konjugation und 197 nach der Enzystierung. Mast faßt dies als Mutation auf. Middle-

\

Rh. Erdmann, Art und Artbildung bei Protisten. 59

ton aber spricht von erfolgreicher Selektion. Middleton ging so vor (Abb. 7): stets wurde das langsamer sich teilende Tier oder das schneller sich teilende Tier (Minus- oder Plusselektion) zum Fortsetzen der betreffenden Linie gewählt.

Abb. 7. Zeigt die Methode der Selektion Middletons. Linke Seite Tiere, die im gleichen Zeitraum 4 Teilungsschnitte durchgemacht, rechte Seite Tiere mit nur 2 im gleichen Zeitraum. (Aus Jennings 1920 nach Middleton.)

Abb. 8 zeigt den Erfolg und selbst das strenge Kriterium der Vererbungstheoretiker ist bei einem anderen Experiment erfüllt. Midd- leton konnte das Erhaltenbleiben der Charaktere auch nach der Kon- jugation beobachten. Und doch befriedigt die Arbeit nicht ganz. Sty-

Plus selezierie Linien

= Minus selezierte Linien

Abb. 8. Teilungsrate der schnellen und der langsamen Linien Middletons in einem Zeitraum von 130 Tagen. Ordinaten, Generationenzahl, Abszissen, 10 tägige Periodenzahl. Die Tiefstände der Teilungszahl bei 50 und 110 sind zu beachten. Nach Middleton 1915 Abb. 3.

lonychia kann sich enzystieren und weiter ist auf die Schwankungen der Teilungsrate der einzelnen Linien (Middleton S. 478). nicht überall genügend geachtet worden. Es ist sicher, trotz der gegenteiligen Behauptung, daß er die Enzystierung übersehen hat oder-daß langsamer sich teilende Linien mit geringer Ausgangsvitalität gewählt wurden. Weiter verhalten sich ‘die langsamen Linien nach der Konjugation so, als ob sie schnelle wären und erst nach 5 Tagen zeigt die schnelleLinie ihren Charakter und produziert mehr Generationen als die langsame. Auch steht die Zahl der Selektionsschnitte in keinem Verhältnis zu den Resultaten, wie ich schon 1920 S. 142/143 ausgeführt habe. Ich habe

60 Rh. Erdmann, Art und Artbildung bei Protisten.

Tabelle. 1.

Versuch I vom 28. Oktober 1920 Ausgang (Middleton) „Wildes Tier‘. Zeigt das Ansteigen der Pluswerte in der ersten 30-Tage-Periode. Durchschnitt

Linie: Summe: ade pro Linie: Tag 1—10 —- Selektionen' 24 3 (Generationen 152 19 Selektionen 28 3.5 Generationen 140 1765 Überschuß i2] 190 Kontrolle 145 18.125 Tag 11—20 —- Selektionen 5 4.25 Generationen 21] 26.375 Selektionen 35 4.375 (Generationen 186 23.75 Überschuß 25 13.125 X Kontrolle 229 28.625

Tag 21—30

—+- Selektionen 3 3.875 Generationen 207 25.875

Selektionen 3 4,25

. Generationen 147 18.375 Überschuß DRS Kontrolle 210 26.25 Summe aller. 30 Tage

—- Selektionen sy 11 125 Generationen 570 71.25

Selektionen 97 12.125 (fenerationen 473 59.25 Überschuß 225° Kontrolle 584 73

nun meinem Schüler Stolp eine Nachuntersuchung genau nachMiddle- tons Vorschrift an einem hypotriechen Infusor Kuplotes longepenmnis ausführen lassen. Dieses Tier zeigt genau, wie Uroleptus mobelis (Calkins [29, 30] 1918, 1919), daß, um die Linien dauernd zu er- halten, unbedingt Enzystierung oder Konjugation eintreten muß. und daß sich, je näher die Zeit kommt, in der sich eigentlich die Konjugation ab- spielen müßte, die Teilungsgeschwindigkeit bei allen Linien, sowohl lang- samen und schnellen Linien als auch Kontrollinien, senkt. Tabelle | zeigt einen solchen Versuch, genau wie Middleton ihn anstellte, aber an Euplotes. Sein Ausgangstier war, ein sogenanntes ..wild animal“, wäh- rend Stolp sowohl von einem Exkonjuganten als auch von einem „wild animal“ ausging (Tabelle 1 und 2). Man sieht, wie der Uberschuß an

b u 2

Rh. Erdmann, Art und Artbildung bei Protisten. 61

Tabelle 2.

Versuch I vom 22. November 1920 Ausgang von einem

Exkonjuganten.

Zeigt das Ansteigen der Pluswerte in der ersten 30-Tage-Periode.

Zur besseren UÜber-

sicht ist auch die Anzahl der Generationen in beiden Tabellen den Kontrollen beigefügt.

Linie:

Tag 1—10

Summe:

Durchschnitt pro Linie:

—+- Selektionen 34 +.25 (Generationen 200 25

Selektionen at 3.875 Generationen 179 22.375 Überschuß il 2.625 X Kontrolle 187 23.819 Tag 11—20

—- Selektionen 3 3.875 Generationen 121 15.125

Selektionen 29 3.625 Generationen 93 11.625 Überschuß 28 IX Kontrolle 72 9 Tag 21—30

—- Selektionen 36 4.5 (zenerationen 95 12.25

Selektionen 25 3.125 (renerationen 55 6.875 Überschuß [#3 5.373 X Kontrolle 51 6.375

Summe in allen 30 Tagen

—- Selektionen 101 12.625 (Tenerationen 419 52.375

Selektionen 82 10.25 Generationen 2. 40.875 Überschuß 12] 1150..% Kontrolle 310 38.75

Generationen bei beiden Versuchsreihen ın der ersten 30-Tage-Periode wächst, sowohl für das „wild anımal“, wie auch den Exkonjuganten. Man sieht aber auch weiter, daß die sogenannten Langsamlinien solche Linien sind, die keine Lebenstähigkeit haben und daß, wenn eine lang- same Linie sich erholt, sie sich enzystiert oder zur Konjugation zuge- lassen wurde. Ich selbst habe im Juli 1921 die Cystenbildung eines Ein- zeltieres in Einzell-Linien von Ewplotes beobachten können, das vier kleine Ciliaten aus sich entstehen ließ. Da Stolp schon im März 5 Oysten gefunden, die aber nicht ausschlüpften, so wird ja auch wohl bei Stylonychia die Enzystierung nachweisbar sein. Hat doch auch

69 Rh. Erdmann, Art und Artbildung bei Protisten.

Tabelle 3. Durchschnittswerte der Generationenzahlen von den sogen. schnellen, langsamen und Kontrollinien von Euplotes für je 8 nicht interpolierten Linien nach 10tägigen Perioden getrennt berechnet.

Ausgang von einem wilden Tier nach Middletons Versuchsanordnung. (Versuch vom 28. Oktober 1920.)

Periode Pluslinie Minuslinie Kontrolle Bemerkungen 1—10 Tage 19 179 18.125 11—20 „, 26.375 23.05 28.625 21-30 , 25.875 18.375 26.25 31—40 30.75 0 27 Minuslinien sterben A H0ER 22 Sr 21 schon vor Tiefstand aus. 51—60 „, 15 19 61—70 „, 22 16 zi= 80%, 30 | 25 812902, 30 29 9 200, 27 21 101—110 „, 3 8 111—120 ‚, B) 5 Erster Tiefstand des 121—130 „, 3 3 Lebenskreises zwischen 131—140 „, 1 0 dem 100. und 120. Be- 141—150 „, 2 0 obachtungstage. 151—160 1 0

Calkins bei seiner Form im Laufe von drei Jahren ‚zweimal Enzy- stierung gefunden in Einzell-Linien. Hätte Middleton die Schick- sale jeder Einzell-Linie länger beobachtet (seine Versuche mit dem- selben Ausgangstier erstrecken sich über vier Monate) und nicht das Schicksal seiner Kultur im ganzen studiert, die ja auch nicht über Jahre hinaus ohne Reorganisationsprozeß hätte leben können, da er ja selbst eine. Veränderung der Vitalität der Abkömmlinge seines ersten „wild animals“ konstatiert und zu seinen letzten Versuchen wieder ein Tier von außerhalb, aus der freien Natur nimmt, dann hätte er geschlossen, daß er nicht Tiere, die sich langsamer teilen, ausgewählt hätte, sondern Tiere mit herabgesetzter Vitalität (vergl. Stolps Tabellen 3 und 4), wie sie ohne Selektion in jedem Experiment erscheinen (vergl. auf Tabelle 1 die Gesamtanzahl der —-selezierten Tiere mit der der Kon- trollen, die bei Middleton fehlen). Diese Verschiedenheiten sind aber sicher durch die dem Experimentator unbekannten, vorangegange- nen Reorganisationsvorgänge sei es Konjugation oder Enzystierung bedingt und werden durch die durchlaufenen vegetativen Teilungen manifest und durch gerichtete Selektion nur akzentuiert.

Um also die im Eingang aufgestellten Fragen lösen zu können, müssen wir Formen wählen, bei denen wir die ganzen Lebenskreise kennen und beherrschen. Nur dann werden sich gesicherte Resultate ergeben, nur dann werden wir sehen, ob die während des vegetativen

Rh. Erdmann, Art und Artbildung bei Protisten. 63

Tabelle 4. Durchschnittswerte der Generationenzahlen von den sogen. schnellen, langsamen und Kontrollinien von Euplotes für je 8 nicht interpolierten Linien nach 10tägigen Perioden getrennt berechnet.

Ausgang von einem Exkonjuganten. (Versuch A vom 22. November 1920.)

Periode Pluslinie Minuslinie Kontrolle Bemerkungen 1—10 Tage 25 22.375 23-300 Die anscheinende I 200% 19.125 11.625 1) Gleichheit der Teilungs- 21—30 ,„ 12.25 6.875 0.375 rate kurz nach der Kon- 31—40 30.375 17.125 31:25 jugation ist auffallend. 41—50 21 1725 20.75 51—60 ,„ 24.25 14.75 23.75 6170 „, 29 24 28.25 71—80 ‚, 11.9. 9.25 12.50 81905, 1.75 1.75 5.25 91—100 „, 1:75 0 2 101—110 ‚, 1.5 >09 3 Aussterben der Minus- 111—120 ‚, 2:75 0.75 tiere in dem ersten Tief- 1212 1902 16.50 1.5 stand zwischen 100. und 131—140 ‚, 21.50 22.25 120. Tag. 141—150 ‚, 15.75 15 151—160 ‚, 18 5 161-170, % 20 10 Zwischen dem 220. 171-180, 27 7 und 240. DBeobach- 181—190 „, 32 30.5 tungstage erneutes Aus- 191—200 ,, 21 22.79 sterben der Einzeltiere Y \ und Enzystierung.

Lebens auftretenden Verschiedenheiten nach der Amphimixis oder ıhrer Ersatzerscheinung, wenn diese Phänomene vorkommen, erhalten bleiben. Ich glaube, daß Jennings und ich recht haben, daß ein Aufspalten von „reinen“ Linien nach jeder Amphimixis oder ihrem Er- satz stattfindet und daß diese Vorgänge der Reorganisation die im der vegetativen Periode auftretenden Verschiedenheiten ausgleicht und viele neue Linien schafft, die dann der natürlichen oder gerichteten Selektion in der neuen Periode unterliegen. Gleich nach der Konju- sation sind, wie Jennings schon 1911 und 1913 für Paramectum ge- zeigt, auch diese Verschiedenheiten nicht sichtbar, sie werden erst im Laufe der intermiktischen Periode erkenntlich.

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2) Dieser am 3. August 1921 in der Deutschen Gesellschaft für Vererbungs- wissenschaft gehaltene Vortrag wurde von mir Mitte August zum Druck gegeben, ehe mir die große, seine eigenen Resultate aus den Jahren 1913—1920 zusammen- fassende, wiederholende und erweiternde Arbeit von Jollos zugänglich war. Ein Ein- gehen auf sie während der Korrektur hätte die Einheitlichkeit meiner Darbietungen gestört. Ich werde an anderer Stelle auf diese Arbeit ausführlich zurückkommen, in- soweit die Ergebnisse und Auffassungen des Autors nicht schon in meiner großen Arbeit 1920 „Endomixis and size varlations in pure bred lines of Paramaeeium“ Archiv .für Entwieklungsmechanik 1920, Bd. 46, d. h. also, Parthenogenese im weiteren Sinne oder Endomixis in Beziehung zu Größenveränderungen bei Einzell-Linien von Paramaeeinum gebilligt oder zurückgewiesen worden sind.

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G. Just, Wahrscheinlichkeit und Empirie in der Erblichkeitsstatistik. 65

Wahrscheinlichkeit und Empirie in der Erblichkeitsstatistik.

Empirische Materialien zur Weinbergschen @esehwister-Methode.

Von Günther Just. (Kaiser Wilhelm-Institut für Biologie, Berlin-Dahlem, Abt. Goldschmidt.)

Der vorliegende Aufsatz berichtet, teils referierend, teils im Sinne einer ug Mitteilung über einen Versuch, mit den Mitteln des experimentierenden Biolosen an eine mathematisch- statistische Me- thode der Erbforschung beim Menschen prüfend heranzutreten. Zur Ausschaltung des Rezessiven-Überschusses, der sich bei der Bearbei- tung als rezessiv anzusehender menschlicher Erbanlagen störend geltend macht, hat Weinberg zwei auf gleichem Prinzip ruhende Methoden angegeben, die Geschwister- und die Probanden-Methode. Ein paar Worte an Hand des beigedruckten Schemas mögen die Gedanken- gänge, die den Methoden Weinbergs zugrunde liegen, in Kürze dar- legen, damit unsere weiteren Ausführungen sofort verständlich seien.

Unter einer Anzahl von Ehen heterozygoter Personen unter- einander (DR x DR), als deren Nachkommen 25% DD+50% DR 25% RR zu erwarten wären, müssen sich stets auch solche befinden, die kein einziges rezessives Kind besitzen, weil bei der Kleinheit der menschlichen Familie nur ein sehr geringer Teil der möglichen Ga- ineten-Kombinationen zur Verwirklichung kommt. Der Vererbungs- statistiker aber, der oft genug die Heterozygotie der Eltern erst aus dem Auftreten von Rezessiven unter ihren Kindern rückwärts zu er- schließen vermag, übersieht diese Familien, in denen Eltern wie Kinder ausschließlich den dominanten Typ zeigen. Die Familien mit rezessiven Kindern dagegen bekommt er mehr oder weniger vollzählig zu Gesicht: so dee Rezessiven-Überschuß zustande, Er läßt sich auf Grund der Überlegung ausschalten, daß von einer Gesamtheit von Familien, die bei genügender Größe in ihrem Aufbau den Zufalls- gesetzen folgt und somit einen regelmäßigen Charakter besitzt, jeder gesetzmäßig herausgelöste Teil genau die gleiche Zusammensetzung zeigt wie die Gesamtheit selber. So ist in unserem Schema, das die Kinder von 64 heterozygoten Elternpaaren mit je 3 Kindern darstellt, jede der drei Spalten genau der anderen gleich, nur die Reihen- folge der dominanten und rezessiven Kinder wechselt. Schneidet man also aus den 64 Familien jeweils das 1. oder auch das 1. und 2. Kind weg, so besitzt das weggeschnittene Stück ebenso wie der verbleibende Rest immer wieder ein Verhältnis von 75%, Dominanten zu 25 %, Re- zessiven. Das gleiche gilt für den Rest, der bei Wegschneiden eines richtig gewählten Teils der 1. Spalte, etwa nur der Dominanten oder nur der Rezessiven, übrigbleibt. Schneiden wir etwa die links von dem senkrechten Strich gezeichneten Rezessiven weg, d. h. sämt- liche Rezessiven der 1. Spalte, und erfassen wir so die Familien 1—7

42. Band. >

66 G. Just, Wahrscheinlichkeit und Empirie in der Erblichkeitsstatistik.

und 11—19 (im Schema rechteckig umrahmt), so muß der nach Weg- fall der Rezessiven verbleibende Rest, d. h. die Spalten 2 und 3 inner- halb der beiden Rechtecke, das Zahlenverhältnis 75 :25 ergeben. Eine Auszählung unter Berücksichtigung aller 3 Kinder in den Rechtecken er- gibt 24 Dominante und 24 Rezessive, also einen Rezessiven-Überschuß, bei Berücksichtigung nur der 2. und 3. Spalte 24 Dominante und 8 Re- zessive,. d. h. das richtige Verhältnis. Damit haben wir das Prinzip der Weinbergschen Probanden-Methode, auf die wir im übrigen hier nicht näher eingehen, erfaßt: Ausgehend von einem nach bestimmten Gesichtspunkten ausgewählten Teil der Rezessiven untersucht man deren Geschwister und nur diese; sie ergeben die Zahlenverhält- nisse der Gesamtheit. Hätten wır nun aber nicht nur !/,, sondern 2/, der Rezessiven in die Untersuchung einbeziehen können, so müssen, damit das Ganze richtig bleibt, in den Familien 1—4, die links vom Doppelstrich je zwei Rezessive besitzen, dementsprechend auch deren Geschwister doppelt gezählt werden; also in Familie 2 z. B. muß man rechnen: jeder der beiden Rezessiven hat 1 dominantes und 1 rezes- sives Geschwister, zusammen haben sie daher 2 dominante und 2 re- zessive Geschwister. Bei dieser Rechnungsart, die ja nichts anderes ist als eben die Verdoppelung unserer ersten Rechnung, erhalten wir für die Geschwister der Rezessiven in Familie 1—28 statt der falschen unmittelbar zu zählenden 45:39 das richtige Verhältnis 48:16. Nehmen wir schließlich die Gesamtheit der 37 Familien mit rezessiven Kindern als Ausgangspunkt, haben wir also alle Rezessiven, so schalten wir den Rezessiven-Überschuß aus, indem wir jedes Kind so oft zählen, als es Geschwister eines Rezessiven ist. Dieser letzte Fall, die Zählung der Geschwister aller Rezessiven, stellt als Grenzfall der Probanden-Methode die Geschwister-Methode Weinbergs dar. Sie allein soll uns im folgenden beschäftigen.

Der Empiriker wird auf unsere eben beendeten Ausführungen hin die folgende Frage stellen: Dieses ganze Methoden-Gebäude geht doch von der Voraussetzung aus, daß die Gesamtheit der Familien ein regel- mäßiges Gefüge besitzt. Trifft das denn in Wirklichkeit zu? Oder spielen auch beim einfachsten biologischen Material Faktoren mit, die diese vorausgesetzten Zahlenverhältnisse verschieben und damit auch die mittels der Methode zu gewinnenden Zahlen in der gleichen Rich- tung abändern? Eine Antwort auf diese Frage läßt sich dadurch ge- winnen!), daß man ein und dasselbe Material in doppelter Weise untersucht: einmal auf dem üblichen Wege Mendelscher Analyse, daneben dann nach entsprechender Aufbereitung mit Hilfe der Ge- schwister-Methode.

Die Nachkommenschaften von zwanzig Drosophila-Pärchen stellten das Ausgangsmaterial für eine solche empirische Prüfung. Zehn Reihen

1) Auf die methodologische Seite unserer Untersuchung geht das Schlußkapitel der in der Zeitschr. für ind. Abst. u. Vererbungslehre erscheinenden Hauptarbeit aus- führlich ein.

G. Just, Wahrscheinlichkeit und Empirie in der Erblichkeitsstatistik. 67

zeigten für das Merkmalspaar Rot- und Weißäugigkeit die Spaltungs- zahlen 75%, :25%, die zehn anderen als Rückkreuzungsreihen') die

Abb. 1.

ocean an

OEOZ0OFOZTOEOFO ON G

.

BIeRS ER EE KR LESS

oOoOo00900000 00000000 ONOTOEOAOE OO HFOT OFOLONOFATONOMO 02 00 ©

{}

2597907050705979 0070.00 000 oo el oe

8 OE02020M0707020802:902.070. 0207305 0=20..0.07°02 0807, 0002080 © 97 078097792 08708030:03 0407 02,020 0404 080207.0%2.0208026:0.0.0

®) O ® 63 o E o [} 5 % Verteilung der dominanten und Rexessiven Si in ot aus IRADR-Knuguung herworgegangenen Drei- o A Kinderschaften- r (6) [) O = dominant. = rezessiv.

Zahlen 50:50. Jede einzelne, Reihe aber war, als die Fliegen sich noch auf dem Puppenstadium befanden, in dem eine Unterscheidung der Augenfarben noch nicht möglich ist, in eine größere Anzahl kleiner

1) Diese Reihen haben mehr theoretisches Interesse, da praktisch die Geschwister- Methode für Rückkreuzungsfälle weniger in Frage kommt.

=

5*

ur

68 G. Just, Wahrscheinlichkeit und Empirie in der Erblichkeitstatistik.

Gruppen zerlegt worden, die gleichsam „Familien“ darstellten und deren „Kinderzahl“ im allgemeinen zwischen 2 und 7 lag.

Die Frage des regelmäßigen Aufbaus, die Frage also, um sie an Hand unseres Schemas in möglichster Einfachheit auszusprechen: ob unter den Familien mit beispielsweise 3 Kindern diejenigen mit 0, 1, 2 und 3 Rezessiven in derjenigen Häufigkeit auftreten, wie es zu- fallstheoretisch für eine Gesamtheit zu erwarten ist, in der insgesamt 25% der Kinder rezessiv sind, diese Hauptfrage ließ sich an den Familien mit gleicher Kınderzahl empirisch untersuchen. Von fünf Familien-Reihen, deren Mendel-Zahlen einen solchen Genauigkeitsgrad besitzen, daß ihre Abweichungen von der idealen Proportion 3:1 inner- halb der Grenzen des einfachen mittleren Fehlers liegen, wurden sämt- liche Familien mit 1, 2, 3, 4, 5, 6 und 7 Kindern ausgesucht und zusammengestellt, und die genannte Untersuchung an ihnen durch- geführt. Sie hatte ein positives Ergebnis. Innerhalb geringerer oder größerer Schwankung zeigen die empirischen Rezessiven-Verteilungs- zahlen Übereinstimmung mit den theoretisch erwarteten Zahlen, ja in besonders günstigen Fällen ist diese Übereinstimmung geradezu ver- blüffend (Tab. 1).

Tab: 1:

Jıahl der Familien mit je 6 Kindern aus Reihe I und II allein.

Rezessivenzahl |Familien- Theoretische | Empirische | Mittlerer der Familie zahl Erwartung | Abweichung | Fehler 0 3 5,0 2,0 +:2,0 1 ı 10,0 212.10 als 2 1%) 8,3 +0,7 + 234 3 / 4 I + 0,3 +18 4 1 0,9 +01 ei 0,9 Zusammen | 28 | 27,9

Entsprechend der mehr oder weniger großen Annäherung der Zahlen an die theoretische Erwartung ist nun auch das Ergebnis der Geschwister-Methode, angewendet auf diese einzelnen Gruppen mit gleicher Kinderzahl, mehr oder weniger genau (Tab. 2). Selten nur ist es so abweichend, daß sich kein sicherer Schluß mehr auf die ursprünglichen Zahlen ziehen läßt.

Tab. 2. Geschwister-Methode, auf das Material der Tab. 1 angewandt. Ursprüngliche | „Ermittelte“ | Die Rezessiven haben Kinder- Rezessiven- | Kinder- Rezessiven- Gehen rezessive zahl zahl zahl zahl (PR a Geschwister

1680 =: 45 150 : 45 | 225 i 54

j %

if,

TE EEE U

G. Just, Wahrscheinliehkeit und Empirie in der Erblichkeitsstatistik. 69

Zerlegt man die Gruppen mit gleicher Kinderzahl nun wieder und teilt die einzelnen Familien jeweils ihrer ursprünglichen Reihe zu, so gewinnt man von neuem die fünf Ausgangsreihen, auf die an- gewandt die Geschwister-Methode die in Tabelle 3 aufgezeichneten Zahlen gibt. Vier Reihen (II—V) besitzen so gute „Weinberg-Zahlen“, daß deren Abweichung von der ıdealen Mendel-Proportion innerhalb des einfachen mittleren Fehlers liegt. Eine Reihe dagegen (I), deren ursprüngliche Zahlen 459 :114 von eminenter Genauigkeit sind, weicht in ihrem Weinherg-Resultat so stark ab, daß die Zahlen aus den üblichen’ Fehlergrenzen (des dreifachen mittleren Fehlers) herausfallen, also einen Schluß auf die ursprünglichen Zahlen nicht mehr mit Sicherheit erlauben.

Tab. 3. Ergebnisse der Geschwister-Methode bei Reihe I—V.

| Ursprüngliche | Ermittelte l irise

„! P | < Ba | Die Rezessiven haben | | : oo. | nas-|l 0 |aS{ weichung | Mittlerer Reihe | 33 | Sog 55 SEE Ge- rezessive | der errech- ı Fehler

So '& = | schwister | Geschwister | neten Zahlen

= = u ——— 1 = = = n- - - —— I |.459 |. 114 || 408 | 114 636 122 | +0233 | + 0,069 II 304 | 74 | 223 | 74 285 70°: | #:0,028 | +.0,102 III 195 51165 | ;5DL 228 54 || .+.0,053 + 0,115 IV I A11 | 95. 280 95 352 34 | +0045 | +.0,092 NelRast 738317248 83 309 70%‘ |. 0,094 | + 0,099 Zos.: | 1700 | 217 1383 | 417 | 1813: | 400 | +o117 | #004

Rezessiven-Überschuß

Die erstgenannten vier Resultate sınd eindeutig und klar. Was für Schlüsse wären wır aber ım letzten Falle zu ziehen berechtigt, wenn wir dıe Zahlen tatsächlich bei der Bearbeitung eines anderweitig der Untersuchung nicht zugänglichen Materials erhalten hätten? Wann dürften wir aus solchen Zahlen den Schluß auf ursprünglich bereits abweichende Zahlenverhältnisse ziehen, wo wır im vorliegenden Fall doch wissen, daß nur die errechneten Zahlen abweichen, die Mendel- schen Ausgangszahlen aber sogar völlig genau sind?

Einer empirischen Verfolgung dieser Frage muß ein umfang- reicheres Material als das bisher besprochene zugrunde gelegt werden, zusammengestellt ohne jede Rücksicht darauf, ob die ursprünglichen Mendelschen Zahlen den Ideal-Proportionen 75:25 bezw. 50:50 mehr oder weniger angenähert sind, und die Frage muß präziser als vor-

‘her dahin gestellt werden, wieweit die mittels der Geschwister-

Methode errechneten Zahlen mit den wie auch immer lautenden

empirischen Ausgangszahlen der einzelnen Reihen übereinstimmen. Die Gesamtheit unserer 20 Reihen mit ihren insgesamt nahezu

6000 Individuen bot ausreichendes Zahlenmaterial zur bindenden Be-

70 G. Just, Wahrscheinlichkeit und Empirie in der Erblichkeitsstatistik.

antwortung dieser Frage. Die beiden folgenden Tabellen (Tab. 4 und 5) stellen von allen 20 Reihen die Mendel-Zahlen und die Resul- tate der Geschwister-Methode nebeneinander und geben zum Ver- gleich beider Proportionen eine Umrechnung in Prozente für die Rezessiven. Deutlich tritt in einer Anzahl von Reihen die Annäherung der beiderlei Prozentzahlen aneinander hervor; andere Zahlen wieder liegen weiter auseinander. Keine Zahl aber fällt aus dem Rahmen des dreifachen mittleren Fehlers heraus ') mit Ausnahme wieder jener einen Reihe.

Tab. 4. Tab. 5. Zehn Reihen 100 : 25. Zehn Reihen 100: 50.

ach og Prozentzahlen er | 0. | Prozentzahlen SR - ©. der Rezessiven nen | 2.2 | der Rezessiven

N as | 38 El 2 N Be RE

282 | ES 382) 553 232 | 85 538 53

BE as |” 78 BE | ai E08 1 |459:114 |636:122 || 24,84 | 19,18 1 1230 :106 | 522 :250 || 46,09 | 47,89 2130477471288: 70.1, 24,34.1 24,31 2 1291:151 | 676:358 || 51,89 | 52,96 31195: 51 |228: 54 || 26,15 | 23,68 3 1305 ::155 | 772 ::394 || 50,82 | 51,04 4 1411: 95 |352: 84 || 23,11 | 23,86 41191: 90 |345:158 || 47,12 | 45,80 5 1331: 83 |309: 70 || 25,08 | 22,65 5 1336: 164 | 640: 304 || 48,81 | 47,50 6 |290: 72 |293: 74 || 24,83 | 25,26 6 |222:113 |352:188 || 50,90 | 53,41 7 1294: 57 |225: ‚32 || 19,39 | 14,22 7 1200: 97 |385:174 || 48,50 | 45,19 8 Is48: 7a |319: 72 | 2126 | 22,57 8 1276: 118 | 468: 194 | 42,75 | 41,45 9 1356: 92 1373: 86 || 25,84 | 23,06 9 1365:192 |704:364 || 52,60 | 51,70 10 1230: 48 |177.: 34 || 20,87 |. 19,21 10 1166: 73 |289:108 || 43,98 | 37,37

Ja, noch mehr: Untersucht man die Abweichungen der Weinberg- Zahlen von den Ausgangsproportionen variationsstatistisch näher?), so ergibt sich, wie unsere letzte Tabelle (Tab. 6) veranschaulicht, daß sie sich in Form einer Zufallskurve um die Ausgangsproportion gruppieren: es zeigen nämlich so viel Reihen eine kleine, mittlere oder große Abweichung (innerhalb !/, m, 1 m usw.), wie es zu erwarten ist, wenn keine Einwirkungen anderer als nur zufälliger Art auf die ‘Resultate der Geschwister-Methode Einfluß haben.

1) Hierbei. wurde die empirische Abweichung des errechneten von dem ursprüng- lichen Prozentverhältnis mit dem mittleren Fehler der ursprünglichen Prozentzahlen für die errechnete Individuenzahl verglichen.

2) Man betrachtet die empirische Abweichung jeder errechneten Zahl als eine Variante in einer Variationsreihe, deren Mittelwert durch die Mendelsche Ausgangs- proportion und deren Streuung durch den nach Anm. 1 berechneten mittleren Fehler gegeben ist. Die Resultate von je 10 Reihen legt man zusammen, als bezögen sie sich auf 10 Varianten einer und derselben Variationsreihe.

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Ira

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G. Just, Wahrscheinlichkeit und Empirie in der Erblichkeitsstatistik. 1A:

Tab. 6

36 -?26 6 0) +6 +26 +36

Es liegen innerhalb | !/,m Iim | 1!,m| 2m 121, m | 3m | 3!/,m theoretisch ss | 68 | 87 | 9,6 | 9,9 | 100 | 100 in den 10 Reihen 100: > ae ER Pe IT ÄREETERER a! 9 SE EU | | Zr 10 I

in den 10 Reihen 100:50 3 a | 10

Der Nachweis, daß die Abweichungen mit großer Genauigkeit den Zufallsgesetzen folgen, erlaubt die Aussage, daß wofern nicht Komplikationen besonderer Natur vorliegen das Ergebnis der Ge- schwister-Methode als Spiegel des jeweiligen empirischen Mendel- Verhältnisses angesehen werden darf. Eine so „unwahrscheinliche* Zahl wie in Reihe 7 der Tab. 4, wo für die Rezessiven 14,22 %, errechnet wurden, stellt sich als extremer „Weinberg-Abweicher“ von einer Ausgangsproportion dar, die mit ihren 19,39 %, selber wieder nichts anderes ist als ein extremer „Mendel-Abweicher* von der idealen Zahl 25 %,; und die Zahl 14,22 Un ist somit kein Beweis gegen die erwartete Mendel-Proportion, sondern ein Zeugnis dafür. ber natürlich ist zur richtigen Auswertung eb hr Zahlen, zumal solcher von geringem Umfang, vorsichtiges Urteil vonnöten.

Die vorstehenden Mitteilungen haben vielleicht auch über den (Gresichtskreis erbmethodischer Arbeit hinaus Interesse: als kleines Bausteinchen für den Satz, daß biologisches Geschehen sich überall da, wo es messend analysiert werden kann, als von Maß und Zn beherrscht zeigt.

Literatur.

Johannsen, W., Elemente der exakten Erblichkeitslehre. 2. Aufl. Jena 1913. Just, G., Der Nachweis von Mendel-Zahlen bei Formen mit niedriger Nachkommen- zahl. 1. Teil. Archiv f. mikr. Anat. Festschrift Hertwig. 1920. Weinberg, W., Weitere Beiträge zur Theorie der Vererbung. 4. Archiv f. Rass. Ges.

Biol. 9, 1912. —, Auslesewirkungen bei biologisch-statistischen Problemen. Ebda. 10, 1913,

2 A. Pütter, Die Frage der parenteralen Ernährung der Wassertiere.

Die Frage der parenteralen Ernährung der Wassertiere. Von Dr. phil. et med. August Pütter, Bonn.

Vor einiger Zeit!) ist in dieser Zeitschrift eine Arbeit von Kurt Lantzsch (aus der biologischen Versuchsanstalt für Fischerei, Mün- chen) erschienen, die sich in ablehnender Weise mit meiner Theorie der parenteralen Ernährung der Wassertiere beschäftigt. Die Tatsache des ablehnenden Standpunktes des Verfassers würde mich nicht zu einer Entgegnung veranlassen, aber die Arbeit enthält so schwere sach- liche Mißverständnisse, daß ich glaube, dazu nicht schweigen zu dür- fen, zumal die allgemeinen Anschauungen des Verfassers wohl auclı die sind, die in dem Institut für richtig gelten, aus dem die Veröffent- lichung hervorgegangen ist.

Der Angelpunkt der ganzen Frage ist die Lehre von der Be- ziehung der Stoffwechselintensität zur Stoffaustauschfläche.

Die Erfahrung lehrt, daß die Intensität des Stoffwechsels bei den verschiedenen Lebewesen, bezogen auf die Masseneinheit, Unterschiede von 4 bis 5 Potenzen von 10 zeigt, und daß dabei die absolut Kleinen Organismen den raschesten Stoffwechsel haben. Sie lehrt weiter, dab die Unterschiede der Stoffwechselintensität etwa um 3 Potenzen von 10 geringer werden, wenn man sie auf eine Größe von der Dimension der Fläche bezieht, und daß bei einer solchen Vergleichung die absolut kleinen Wesen nicht mehr durch besonders hohe Stoffwechselintensi- täten ausgezeichnet sind, d. h. also, daß die immer noch beträcht- lichen °— Unterschiede der Stoffwechselintensität pro Flächeneinheit nicht mehr als Funktion der absoluten Größe erscheinen. Die genauere Untersuchung einzelner Tiergruppen hat dann weiter gelehrt, daß die sroßen Unterschiede, die der Umsatz pro Masseneinheit zeigt, ganz oder fast ganz verschwinden, wenn als Beziehungsgröße die Einheit der Stoffaustauschfläche (Lungenfläche, Kiemenfläche) gewählt wird.

Die besondere Form, die diese Gesetzmäßigkeit bei den Homoi- thermen annimmt, beschäftigt uns hier nicht, wo von der Ernährung der Wassertiere die Rede ist. Bei den Fischen habe ich?) (1909) ge- zeigt, daß eine enge Beziehung zwischen Lineardimension und Umsatz besteht, was später auch von Lindstedt?°) (1914) gefunden worden ist. Denselben Nachweis habe ich für Krebse (1909) geführt und auch durch den Vergleich des Umsatzes von Kaulquappe und Frosch die enge Beziehung des Umsatzes zu einer Größe von der Dimension der Fläche aufgezeigt ®).

Jn allen den angeführten Fällen kann der Sauerstoffver- brauch als Maß für die Intensität des Stoffwechsels benutzt werden. Dieses Maß ist nicht allgemein anwendbar, denn es gibt ja Lebewesen,

1)..Bd. 41 Nr. 3.0.11. März 192%.

2) Z. f. allgem. Physiol. Bd. 9, 1909, S. 148—242.

3) Z. f. Fischerei Bd. XIV, Heft 3, 1914, S. 193—245. 4) Vergleichende Physiologie. Jena, G. Fischer, 1911,

“ar 9,

A. Pütter, Die Frage der parenteralen Ernährung der Wassertiere. 13

die lebhaften Stoffansatz, aber keinen Sauerstoffverbrauch haben (Anaörobier). Auf alle Fälle aber gibt die Größe des Sauerstofl- verbrauchs stets einen Minimalwert für den Bedarf an Nährstoffen. Wird alle Nahrung oxydiert und zwar vollständig, d. h. der Kohlen- stoff bis zur Kohlensäure, der Wasserstoff bis zum Wasser und der Stickstoff bis zur Salpetersäure, so mißt die Größe des Sauerstofl- verbrauchs unmittelbar den Nahrungsbedarf. Sind dagegen außer den Oxydationen auch noch Spaltungen an der Bildung der ausgeschiedenen Stoffwechselendprodukte beteiligt (wie z. B. bei den Gärungserregern), so wird der Nahrungsbedarf durch Bestimmung des Sauerstoffver- brauchs zu niedrig bestimmt. Ebenso wird der Nahrungsbedarf dureh Bestimmung des Sauerstoffverbrauchs unterschätzt, wenn die Oxydation der Nährstoffe unvollständig ist. Das ist in manchen Fällen leicht

av

1616) erkennbar. wenn der respiratorische Quotient (5) auffallend nıed-

rig ist (Ss. U.).

Nehmen wir zunächst den Sauerstoffverbrauch allein als Maß für den Nahrungsbedarf, so finden wir, daß dieser Bedarf, bezogen auf die Masseneinheit, um so größer wird, je kleiner die Organismen sind. Die folgenden Zahlen sollen nur als Beispiele diese Grundtatsache der vergleichenden Physiologie des Stoffwechsels erläutern. Der Bacillus fluorescens liquefaciens verbraucht in jeder Stunde auf 1 kg seines Lebendgewichtes 3,9 kg Sauerstoff, ein (alanus nur 3,59 g und eine Scorpaena gar nur 0,123 g. Das sind Unterschiede, die sich wie 1:31700 verhalten. Beziehen wir aber den Umsatz auf die Einheit der Fläche, durch die der Sauerstoff aufgenommen wird, so beträgt die Aufnahme durch 1 m? der aufnehmenden Fläche in einer Stunde bei dem Bazillus 500 mg, bei Calanus 480 und bei Scorpaen« 547 mg, d. h. die Größe der Sauerstoffaufnahme ist in den drei Fällen praktisch gleich.

Sauerstoffverbrauch

Tempe- 5 en. | { RER- pro 1 m? Gewicht | ratur | prolkgin | Miichei . i Stunde RER TE ur “= | 1 Stunde mg | mg _— = ee RE _ _— —— ——— T ; | Bacillus fluorescens an 2 | 0 | Calanus spec. 0,210 LE 1ER 3 570 480 Scorpaena porcus 122.101! « 22,3 Bar 547 ' Kiemenfläche 1 1 : | Ss - | = 27,5 cm? 177 . | | antläche Mensch (bei Zimmer 7.0.107% « 37,5 458 955 | Lungenfläch« ruhe) 90 m?

Was lehrt diese Tatsache für die Frage der Möglichkeit emer Ernährung durch Resorption gelöster Nährstoffe, die durch die gleiche Fläche wie der Sauerstoff resorbiert werden?

4 A. Pütter, Die Frage der parenteralen Ernährung der Wassertiere.

Wenn eine solche Ernährung überhaupt möglich ist, so ist sie grundsätzlich für Tiere aller Größen möglich, denn die absolut kleinen Formen sind zwar pro Masseneinheit mit mehr resorbierender Fläche versorgt, als die großen, aber in demselben Verhältnis ist auch ıhr Nahrungsbedarf größer, so daß sicb an dem Verhältnis der resor- bierenden Fläche zum Nahrungsbedarf nichts ändert.

Diesen Punkt hat Lantzsch völlig mißverstanden. Er knüpft an die bekannte Tatsache an, daß sich die Bakterien durch Resorption gelöster organischer Verbindungen ernähren und bemerkt dazu, sie seien „am günstigsten gestellt im Verhältnis ihres Volumens zur wirk- samen, stoffaustauschenden Oberfläche“. Es handelt sich aber für die vorliegende Frage nicht um das Verhältnis des Volumens zur Ober- fläche, sondern um das des Nahrungsbedarfs zur Oberfläche.

Lantzsch erörtert dann weiter die Frage, ob die Protozoen wohl für eine Ernährung durch unmittelbare Resorption gelöster Nährstoffe geeignet seien und kommt zu dem Ergebnis, sie seien an geformte Nahrung gebunden, weil es in dem von ihm angeführten Versuchen von Öhler nicht gelungen ist, Amöben, Flagellaten und Ciliaten ohne Bakteriennahrung zu züchten. Diesem negativen Ergebnis stehen aber heute positive gegenüber: Es ist R. A. Peters?) gelungen, Paramaecium in sterilen Kulturen monatelang zu züchten, wobei sie als Nährstoffe Glucose, Histidin, Arginin und Leucin sowie etwas Ammoniumlaktat erhielten. Durch Zucht im hohlgeschliffenen Objektträger ım sterilen Medium wurde die Isolierung erreicht und die Tiere dann in Reagens- gläser übergeimpft. Das Kulturmedium, das außer den genannten Nährstoffen ein ausgeglichenes Salzgemisch von bestimmter Reaktion enthielt, wurde bei 80° C an drei aufeinanderfolgenden Tagen sterili- siert. Die Sterilität der Paramaecienkultur wurde durch Züchtung auf den üblichen Nährböden geprüft, wobei kein Wachstum von Bakterien auftrat. In einigen Versuchen wurde schon die wichtige Frage nach der Verwertung einzelner Nährstoffe erörtert, wobei sich z. B. ergab, daß bei Verabreichung von nur einer Aminosäure als N.-Quelle, Histidin, Leuein und Arginin ein rascheres Wachstum ergeben als Tryptophan, und daß Glucose durch Fruktose und Galaktose ersetzt werden kann, nicht dagegen durch Maltose.

In der gleichen Kulturflüssigkeit ist es neuerdings Peters?) ge- lungen, auch Colpidium colpoda rein zu züchten. Die Kulturen blieben monatelang steril. Die Dichte der Kulturen betrug im Durchschnitt 8s—10000 Organismen in 1 cem. Sämtliche Kulturen stammen von einem einzigen Individuum, das aus einem Heuinfus isoliert und erst 6mal in steriler Nährflüssigkeit gewaschen wurde, ehe es in die Kultur- flüssıgkeit kam, in der es sich teilte.

5) Nutrition of the protozoa: The growth of paramoeeium in sterile culture medium. Journ. of. Physiol. Bd. 53, Nr. 6, S. CVIIL

6) The substances needed for the growth of a pure culture of Oolpidium colpoda, Journ. of. Physiol. Bd. 55, Nr. 1/2, S. 1—32, 1921.

A. Pütter, Die Frage der parenteralen Ernährung der W assertiere. 10%

Hier haben wir aussichtsreiche Anfänge von wirklichen Rein- kulturen von Protozoen, die für die Erforschung der Physiologie dieses Stammes ebenso bedeutungsvoll werden dürften, wie sie es bei Bakterien und Pilzen geworden ed

Wenn also Dont in Bezug auf die Protozoen sagt: „Sind diese Formen, die durch das elle Oberfläche : Volum relativ gün- stig stehen, bereits an geformte Nahrung gebunden, so müssen die be- deutend größeren Formen der Rotatorien und Cruster viel schlechter abschneiden“, so ist dazu zu bemerken: 1. Die angeblich unmögliche Ernährung von Ciliaten-Infusorien durch gelöste organische Verbin- dungen unter Ausschluß von Bakterien ist bei Paramaecium und Colpidium gelungen. 2. Diese Infusorien gehören zu den stattlichsten Vertretern des Protozoenstammes, Paramaecium übertrifit manche Rotatorien und Nauplien an Größe und steht in seinen großen Exem- plaren kleinen Arten der Copepoden an Größe nicht nach. 3. Es ist ein Irrtum, die Möglichkeit einer Ernährung durch direkte Resorption gelöster Nährstoffe von einer bestimmten Größe abhängig zu machen.

Wenn ich betont habe’), daß besonders die absolut kleinen For- men aller Stämme sich durch unmittelbare Resorption gelöster Stoffe ernähren müssen, so lag die Bedeutung dieses Hinweises darin, daß die kleinen Formen in Bezug auf die Aufnahme geformter Nahrung besonders ungünstig stehen. Man denke sich einmal einen Organis- mus von 10 u?, der täglich das 140fache seines Bestandes an organı- schen Stoffen zu sich nehmen soll (wie es bei einem Sauerstoffver- brauch von 500 mg pro 1m? und 1 Stunde nötig ist). Ihre Resorption durch die Oberfläche bieten ebensowenig Schwierigkeiten, wie die Resorption des gelösten Sauerstofis. Soll aber die gleiche Stoffimenge in Form von Br ganismen oder von Detritus aufgenommen werden, bei denen nicht ie organische Substanz allein, sondern das mehr- fache ihrer Menge an Wasser aufgenommen werden muß, so kommt

man 'zu der Hordeune, dieses er müsse in etwa 10 Minuten Nahrung aufnehmen, deren Volumen 10 „?, d.h. ebensoviel beträgt, wie das Volumen des Organismus selber.

In Bezug auf die Bewältigung geformter Nahrung besteht in der Tat eine Abhängigkeit von der absoluten Größe, denn die maxı- male Menge von Nahrungsbrocken, die zur Zeit in einem Organismus ei werden kann, hängt von seinem Volumen, nicht von seiner Oberfläche ab. Es kann immer nur ein gewisser prozen- tualer Anteil des ganzen Organismus aus Nahrung bestehen, die eben verdaut wird. Da nun der Bedarf pro Masseneinheit um so geringer wird, je größer der Organismus ist, so wird die Möglichkeit einer Ernährung durch geformte Nahrung um so eher gegeben sein, je größer das Tier ist.

Die Sache liegt nicht so, daß nur die kleinsten Wesen sich durch

?) Die Ernährung der Wassertiere usw. Jena 1909, S. 147.

76 A. Pütter, Die Frage der parenteralen Ernährung der Wassertiere.

Resorption gelöster Nährstoffe erhalten können, sondern vielmehr so,

daß erst für relativ große Formen ceteris paribus, d. h. bei ähn- licher Stoffwechselintensität -—- eine Ernährung durch geformte Nah-

rung überhaupt möglich wird, während die Bedingungen für die Er- nährung durch unmittelbare Resorption gelöster Stoffe bei Wasser- tieren aller Größen stets die gleichen sind, wie für die Resorption von Sauerstoff.

Bei welcher absoluten Größe die Grenze liegt, unterhalb deren eine Ernährung durch geformte Nahrung nicht mehr möglich ist, das läßt sich allgemein gar nicht sagen, denn das hängt von der spezifi- schen Intensität des Stoffwechsels ab, und daß diese auch bezogen auf die Oberfläche immer 'noch bedeutende Unterschiede bei ver- schiedenen Arten und Familien zeigt, wurde schon betont.

Es erwächst also die Aufgabe, den Nahrungsbedarf der Or-

ganismen, um die es sich bei einer bestimmten Lebensgemeinschaft had möglichst genau zu ermitteln.

(sehen wir dabei von der Ermittlung des Sauerstoffverbrauches aus, so können wir an kleinen Organısmen, die hier ın Betracht kommen, nur Onlanus spec. und COyclocypris spec. anführen, für. die solche Bestimmungen vorliegen und die Annahme vollständiger Oxy- dation der Nährstoffe nahe liegt. Die Stoffe, die als Stoffwechsel- material in erster Linie in Betracht kommen, eiweißartige, Kohle- hydrate und Fette, erfordern, bei einer mittleren Mischung, etwa 1,23 mg Sauerstoff zur vollständigen Oxydation von 1 mg Substanz. Da der Gehalt der Tiere an organischer Substanz etwa 18%, beträgt, kann man bei Kenntnis des Sauerstoffverbrauches leicht berechnen, wieviel Prozent des Stoffbestandes täglich als Nahrung zugeführt‘ werden müssen. Ein Calanus von 0,731 mg Frischgewicht, ent- sprechend 0,132 mg organischer Substanz verbraucht bei 17,7° täglıch 0,0627 mg Sauerstoff. Durch diese Menge werden 0,051 mg organische Substanz vollständig oxydiert, d.h. 38,7%, des eigenen Stoffbeständes. Diese Menge muß demnach als Nahrung zugeführt werden.

Eine Uyelocypris von 0,01 mg Frischgewicht entsprechend 0,0018 mg organischer Substanz enah bei 18° pro Tag 0,00086 mg Sauer- stoff, durch die 0,0007 mg organische Substanz vollständig oxydiert werden, d. h. 59,0%, des eigenen Stoffbestandes.

Ein anderer Weg zur Ermittelung des Nahrungsbedarfs besteht in der Beobachtung der Abnahme an organischer Substanz im Hunger. Als Beispiel für eine Form, deren Umsatz hier von Bedeutung: ist, lasse ich eine solche Berechnung über Daphnia nach Zahlen von Kerb°) folgen. Es wurde je eine gewisse abgemessene (nicht ge- zählte) Menge der Tiere in Gefäße mit 1 Liter Leitungswasser getan und ım Laufe von 11 Tagen 10 Bestimmungen gemacht. Der Ver- such wurde vom 10. bis 21. Dezember ausgeführt bei einer nicht

3) Internat. Revue d. Hydrobiol. u. Hydrographie. Bd. 3, 1911, S. 496 —50.

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A. Pütter, Die Frage der parenteralen Ernährung der Wassertiere. RM

näher mitgeteilten Zimmertemperatur. Bestimmt wurde die Menge der Trockensubstanz, die in der ganzen Menge der Tiere enthalten war. Da derselbe Autor die Trockensubstanz einer Daphnia auf 0,127 mg angıbt, müssen in dem Versuch etwa je 1500 bis 1600 Tiere enthalten gewesen seın.

Die Erfahrungen über den Verlauf des Hungers lehren, daß in ıhm täglich ein bestimmter Prozentsatz des Stoffbestandes umgesetzt wird, und daß der Nahrungsbedarf eines Tieres, d.h. dıe Menge von Nähr- stoffen, die geeignet ist, das Tier ins Stoffwechselgleichgewicht zu bringen, stets größer ıst als der Umsatz zu Anfang des Hungers.

Die erste dieser Erfahrungen bestätigt sich gut an den Zahlen

über die hungernden Daphnien, wenn man bedenkt, daß die Art der

Bestimmung Fehler von mindestens 0,0176 g als wahrscheinlich zu- läßt. Zu Beginn des Versuchs, dem zwei andere mit anderen Be- dingungen parallel gingen, wurde die Stoffmenge festgestellt zu: 0,2076 g, 0,1994 g und 0,1900 g, also ım Mittel 0,1990 g mit der er- wähnten Fehlerbreite.

Wenn täglich ein bestimmter Prozentsatz des Bestandes umge- setzt wırd, so beträgt (bei konstanter Temperatur) der Bestand y zur Zeit t, die. in Tagen zu messen ist:

Ye) Are.

Hier bedeutet A den Stoffbestand zu Beginn des Versuches, e die Basıs der natürlichen Logarıthmen und k die Beizahl, die die Ge- schwindigkeit des Stofiverbrauches mißt. Wie die folgende Tabelle zeigt, läßt sich der Verlauf des Abhungers mit einem k = 0,17 recht gut darstellen. Für die ersten drei Tage, ın denen der Stoffverlust größer ıst, als dem Durchschnitt der ganzen Zeit entspricht, würde k = 0,243 zu setzen sein. Der Verlauf des Hungers ist also derartig, daß täglich etwa 17%, in den ersten Tagen vielleicht sogar 24,3 %, des Bestandes veratmet werden. Die Übereinstimmung zwischen der Beobachtung und Berechnung könnte besser sein, wenn die Fehler verringert würden, die sich daraus ergeben, daß es nicht eine be- stimmte Anzahl von Tieren ıst, die dem Versuch unterworfen wurden, und wenn für Konstanz der Temperatur ım Verlauf des ganzen Ver- suches gesorgt worden wäre. Es macht den Eindruck, als sei die Temperatur in der zweiten Hälfte des Versuches niedriger gewesen als in der ersten.

Die mittlere Zimmertemperatur im Dezember wird man auf nicht mehr als 14° Ü veranschlagen dürfen. Bei dieser Temperatur würde es also nicht möglich sein, eine Daphnia mit einer täglichen Nahrungs- zufuhr von 17 bis 24%, ihres Stofibestandes im Stoffwechselgleich- gewicht zu erhalten. Nach den allgemeinen Erfahrungen der Stoff- wechsellehre wird man mindestens 20% mehr an Nahrung zuführen müssen, um Gleichgewicht zu erreichen, d. h. 20,5 bis 29,3%. Da dieser Wert sich auf eine Temperatur von ca. 14° bezieht, wären bei 17,7% beı der der Verbrauch von Cnlanııs bestimmt ist etwa

78 A. Pütter, Die Frage der parenteralen Ernährung der Wassertiere.

40%, mehr, d.h. 39 bis 41%, Bedarf zu erwarten. Daphnia und Calanus sind nahezu gleich groß und der Verbrauch bei Calanus beträgt 38,7%. Wir haben also auf beiden Wegen einen Nahrungsbedarf von gleicher Größe gefunden.

Verlauf des Stoffverbrauches im Hunger bei Daphnia. Trockensubstanz der Daphnien

beobachtet berechnet °

Tag 0 0,1990 g 0,2100 g 1 0 1A1B,-, 0,1760 a: 0,1500 00T 0,1266 20 :0.1300.-, 0,1070 ) 0.11 767, 0,0900 69. 2.0.0918) 0,0760 7 220,1010%, 0,0636 28%..70.0870°% 0,0540 27G 55 0,0455 *.10.:°.:.0.0686., 0,0383 N 0,0472 0,0322

Wie bedeutend man den Nahrungsbedarf unterschätzen kann, wenn man sich nur auf die Bestimmung des Sauerstoffverbrauchs beschränkt, mag ein Beispiel zeigen, das auch von unmittelbarer Be- deutung für unsere Frage ist. Den Sauerstoffverbrauch von Colpidium colpoda fand Wachendorff?) zu 2523 mg für 1 kg und 1 Stunde bei 17°. Daraus ergibt sich, daß ein Tier von 0,000153 mg Frisch- gewicht pro Tag 0,0000093 mg Sauerstoff verbraucht. Der Wasser- gehalt von Colpidium ist nicht bekannt, dürfte aber mit 85%, eher zu niedrig als zu hoch angenommen sein. Es würde dann ein Tier 0,0000228 mg organische Substanz enthalten. Würde der Sauerstoff zur vollständigen Oxydation von Nährstoffen verbraucht, so könnten mit den 9,30. 107 mg Sauerstoff, die täglich von einem Tier verbraucht werden, 7,55-10-° mg Nahrung verbrannt werden, d. h. 33%, des Be- standes an Körperstoffen.

Dann müßte aber der respiratorische Quotient etwa 0,8 bis 0,9 sein. Tatsächlich beträgt er bei 17° im Mittel nur 0,34. Das be- deutet, daß der Sauerstoff nicht zur vollständigen Oxydation der Nährstoffe verbraucht wird, sondern daß Stoffe als Endprodukte übrig bleiben, die noch weiteren Sauerstoff verbrauchen würden, um in Kohlensäure übergeführt zu werden. Die Menge der verarbeiteten Nahrung muß also größer sein, als 33%, des Bestandes.

Zur Ermittelung des wirklichen Stoffverbrauches hilft uns hier wieder die Kenntnis der Abnahme des Sauerstoffverbrauchs im Hunger. Der angeführte Wert für den Sauerstoffverbrauch stammt aus einem

9) Z. f. allgem. Physiol. Bd. 13, 1911, S. 105—110.

A. Pütter, Die Frage der parenteralen Ernährung der Wassertiere. 79 Versuch von 6,5 Stunden Dauer. In Parallelversuchen wurde bei Tieren gleicher Herkunft der Verbrauch in 22 bezw. 23 Stunden er- mittelt. Da ergab sich folgendes. 1 Million Tiere verbrauchen: ım Mittel der Stunden 0 bis 6,5 pro Stunde 0,386 mg im Mittel der Stunden | “= Fr sn | 0,15 mg

Damit haben wir den Verbrauch in zwei Punkten einer Hunger- kurve und können daraus berechnen, wie groß der Verbrauch im Be- ginne des Versuches ist und mit welcher Geschwindigkeit er abnimmt, denn der Verbrauch (y) ıst ja beim Hunger der jeweilig vorhandenen Menge der Körperstoffe proportional, ist also in jedem Zeitpunkte (t)

Nez wenn A den Verbrauch für t= 0 bedeutet und k die Beizahl, die die Geschwindigkeit der Abnahme mißt. Zur Bestimmung von A und k haben wir die beiden Gleichungen 0,386 A-e-335 k 0,150 = A-e-1s5 K,

Die Auflösung der Gleichungen ergibt A=0,5, k= 1,97. Das be- deutet, daß Colpidium im Augenblick der Nahrungsentziehung nicht 0,386 mg (pro 1 Million Tiere und 1 Stunde) verbraucht, sondern 0,5, daß also der Nahrungsbedarf, berechnet aus dem Sauerstoffverbrauch, nicht 33%, beträgt, sondern 42,5%. Die Beizahl k = 1,97 aber lehrt uns, daß bei einer Stoffwechselintensität, wie sie im Augenblick der Nahrungsentziehung besteht, pro Tag 197%, d. h. etwa das Doppelte des eigenen Stoffbestandes verarbeitet werden würde, also 4,65mal soviel, als wir aus dem Sauerstoffverbrauch berechnet hatten. Ziehen wir nun weiter in Betracht, daß alle diese Zahlen sich auf Hunger- stoffwechsel beziehen und daß zur Erhaltung des Stoffwechselgleich- gewichtes etwa noch 20% mehr an Nährstoffen erforderlich sind, so ergibt sich der wirkliche tägliche Nahrungsbedarf eines Colpidiums von etwa 100 u Länge und 0,000153 mm? Volumen zu 235%, des eigenen Stoffbestandes. Es müssen also etwa 10%, des eigenen Be- standes an Stoffen in jeder Stunde aufgenommen werden, wenn kein Verhungern eintreten soll.

Wir haben also für 4 Tiere, die als Repräsentanten wichtiger Gruppen des Zooplanktons anzusehen sind, eine sichere Basis für die Beurteilung ihres Nahrungshedarfs, und dieser beträgt bei:

Gattung Volumen täglicher Nahrungsbedarf

Oalanus ß 0,731 mm? 38,7%, des eigenen Stoffbestandes Daplınia 0,7 nm? 21-299, x 5 Oyelocypris 0,01 mm? 390, ,-, e e Colpidium 0,000153 mm? 239, x d

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S0 A. Pütter, Die Frage der parenteralen Ernährung der Wassertiere.

Vermag das Pflanzenplankton, vermag besonders das Nannoplankton des Süßwassers ein solches Nahrungsbedürfnis zu befriedigen?

Lantzsch kommt zu dem Resultat: „Die Nahrungszufuhr, das Mindestmaß des Konsums beträgt für die Zooplanktonten etwa 59, des Eigenvolumens.“ Gibt aber für den Mansfelder See, den Colditz untersucht hat, Werte bis zu 40%, des Eigenvolumens und für die Teichgewässer nach Dieffenbach gar bis 60% des Eigenvolumens als Sen aus dem Nannoplankton an.

Diese Zahlen kommen durch ein höchst seltsames Rechenkunst- stück heraus, das an zwei Beispielen erläutert werden mag:

Im Zuger See findet Lantzsch ın 5 m Tiefe: ım Tagfang 58850 u? ur Nachtfang 646800 ", an Zooplankton ın 1 cem an Nannoplankton im Tagfang 58000 u’ f u im Nachtfang 40200 u®.

Er schließt nun: das Nannoplankton hat in der Nacht abgenommen: wenn wir annehmen, daß ın 3 Tagen und Nächten, ohne Wirkung der Vernichtung, eine Verdoppelung stattfände, so müßte es von 58000 auf 77200 u’ zugenommen haben; es hat auf 40200 abgenommen, also sind 77200—40200 —= 37000 u? gefressen worden und zwar von 646808 u? Zooplanktonten,

Die Unmöglichkeit, auf: diese Weise sinngemäße Zahlen zu er- halten, ist leicht einzusehen: Was würde Lantzsch über die Ver- nichtung der Nannoplankton durch Fraß der Zooplanktonten in einer Lebensgemeinschaft sagen, in der er Tag und Nacht gleiche Mengen Nannoplankton fände? Er würde natürlich sagen, es sei ım Laufe eines ganzen Tages !/, des Bestandes gefressen worden. Das ıst aber keine Berechnung aus den beobachteten Zahlen, sondern nur eine ganz grobe Schätzung der Vermehrungsgeschwindigkeit des Pflanzen- planktons, die außerdem wahrscheinlich viel zu hoch ist, denn da die Teilungen anscheinend überwiegend in den Nachtstunden vor sich gehen, müßte man dann !/, aller Nannoplanktonten ın Teilung finden, was meines Wissens nicht mit der Erfahrung übereinstimmt. Findet er aber gar, daß beim Vergleich des Nachtlanges mit dem Tagfange, dem er folgt, das Volumen des Nannoplankton zugenommen hat, so kann er gar nıchts über die Zehrung durch das Zooplankton sagen. Dies trifft in dem letzten 7 nlenberepiet das Lantzsch anführt, tat- sächlich zu, und er sagt: „Hier überwiegt der Überschuß, d. h. es wird weniger gefressen an Nannoplanktoh als durch Teilungs- geschwindigkeit und Zufuhr aus den oberen Schichten produziert wird.“ Mit diesen letzten Worten ist aber ein Punkt von grund- legender Wichtigkeit zaghaft gestreift! Die kleinen Lebensbezirke, die Lantzsch betrachtet, stehen in dauerndem Austausch mitein- ander, die Nannoplanktonten sinken ab oder werden durch Konvektions- ströme verschoben, die Zooplanktonten, besonders die größeren,

A. Pütter, Die Frage der parenteralen Ernährung der Wassertiere. S1

wandern auf und ab und so findet man sie bald in dieser, bald ın jener Schicht. Sinngemäßerweise kann man daher nur die Fänge von derselben Stelle, die zu Tag- und Nachtzeit in verschiedenen "Tiefen gemacht sind, zu Mittelwerten zusammennehmen und z. B. sagen: Nach den Stichproben, die je bei Tag und Nacht aus 5 und aus 10m Tiefe im Zuger See entnommen sind, ergibt sich als Tagesmittel der ganzen Schicht ein Bestand von 504425 u? Zooplankton (in 1 ccm) und 37 925 «u® Nannoplankton. Wenn wir den Vermehrungsfuß will- kürlich auf !/, pro Tag ansetzen, so steht der Zooplanktonmenge ein Volumen von 12642 u? als tägliche Nahrung zur Verfügung, das bedeutet für den Tag 2,5%, des Eigenvolumens. Für den Mansfelder See findet man auf diese Weise, daß dem Zooplankten 21,5%, des Eigenvolumens als tägliche Nahrungsmenge zur Verfügung stehen und in dem von Dieffenbach untersuchten Teich 20 %.

Aber sind diese Zahlen über die maximale Menge geformter Nahrung, die ein Gewässer liefern kann, wirklich brauchbar? Darf man sagen, der Zuger See stelle seinen Zooplanktonten täglich 2,5%, ihres Eigenvolumens an Nahrung zur Verfügung, die kleinen anderen Gewässer 20—22%,?

Daß der Vermehrungsfuß des Nannoplankton bei dieser Schätzung sehr hoch angesetzt ist, habe ich schon betont, will aber an diesen Punkt keine weitere Kritik ansetzen, sondern etwas anderes als weit wichtiger herausstellen. Der Berechnung der Produktion an geformter Nahrung liegt die Voraussetzung zugrunde, daß alle Formen des Nannoplankton unterschiedslos quantitativ von den Zooplank- tonten, d.h. hier von den Rotatorien und Kleinkrebsen verdaut werden. Diese Annahme aber ist falsch. Man kann sich doch nicht einfach über die sorgfältigen Darmuntersuchungen von Einar Naumann!) hinwegsetzen, in denen in bündigster Weise gezeigt worden ist, daß nur einige wenige besonders hinfällige Formen des Zwergenauftriebs bei der Aufnahme in den Darm der Kleinkrebse zerstört und dann aufgelöst werden, daß aber die ganze große Masse des Nannoplankton den Darm der Entomostraken passiert ohne verdaut zu werden, daß sie im Enddarm genau so unverändert anzutreffen sind, wie im Anfangsteil des Darmes. Wie viele Prozente des ganzen Bestandes an Nannoplankton die Formen ausmachen, die regelmäßig verdaut werden, wie viele von den Formen, die für gewöhnlich unverdaut bleiben, doch infolge zufälliger Verletzungen im Darm zugrunde gehen und somit ausgenutzt werden können, darüber lassen sich keine sicheren Zahlenangaben machen. Nach Naumanns Beobachtungen kann es sich jedenfalls nur um einen recht geringen Anteil handeln,

Für die Ernährung des Zooplankton kommen also nicht die 2,5 bis 22%, des Eigenvolumens in Betracht, sondern nur ein geringer Bruchteil hiervon, der !/,, wohl kaum erreichen dürfte.

10) Lunds Universitets Arskrift N. F. Acd. 2. Bd. 14. Nr. 31. Lund 1918.

42. Band, 6

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83 A. Pütter, Die Frage der parenteralen Ernährung der Wassertiere.

Gegenüber einem Nahrungsbedarf, der für die größten der Formen, die hier in Frage kommen, schon 21 bis 39% des Eigenbestandes beträgt, bei noch recht stattlichen Formen, wie Colpidium, schon 235 % reicht und nach den Gesetzen der physiologischen Ähnlichkeit bei kleineren Arten noch ganz bedeutend größer sein muß, vermag das Nannoplankton als geformte Nahrung nur Bruchteile eines Prozentes bis (im äußersten Falle) vielleicht 2% des Eigenvolumens zur Ver- fügung zu stellen.

Die Zahlen, durch die Lantzsch meine Anschauung von der parenteralen Ernährung der Wassertiere widerlegen zu können glaubt, führen bei kritischer Bewertung abermals zu de Resultat, ds ich seit 1907 mehrfach verteidigt habe: daß die Leiber der Plankon pflanzen keine genügende Nahrung für die Planktontiere bilden. Mit seiner Anschauung setzt sich Lantzsch auch zu Nau- mann in Gegensatz, der auf Grund seiner Studien, die dem Süß- wasser gelten, zu dem Resultat kommt, daß die von mir rechnerisch erwiesene Unzulänglichkeit der Nahrung im alten Sinne, „experimentell noch mehr pointiert worden“ sei.

Für die bisherigen Frörterungen war es gleichgültig, ob die Tiere, deren Nahrungsbedarf untersucht wurde, in einem faulenden Heuauf- guß, ın Tümpeln, Teichen oder Seen ae im Meere leben, mit anderen Worten, ob sie in einem unabhängigen beben berieben, der in sich alle Bedingungen zur Erhaltung eines Gleiehgewichtes von Verbrauch und Neubildung organischer Stoffe enthält, oder in einem abhängigen, dem in Form von organischem Detritus oder gelösten Stoffen Energie- und Stoffquellen en

Wenn die Physik der Atmosphäre sıch die Betrachtung der mete- orologischen Erscheinungen dadurch vereinfacht, daß sie die Vorgänge als adiabatisch betrachtet, also so, als ob er, die Grenzen des Gas- volumens hindurch, das gerade untersucht wird, kein Energieaustausch stattfindet, so entspricht dem die Vereinfachung der Prokleme, die sich ergibt, wenn man das Verhältnis der Produzenten zu den Kon- sumenten im Plankton eines unabhängigen Lebensbezirkes unter- sucht, bei dem in der Beobachtungszeit keine merkbare Menge organischer Stoffe von außen in das untersuchte Volumen hinein- gebracht wird, oder aus ihm hinausgeht.

Für einen solchen Lebensbezirk, für das Meer, habe ich die Frage nach der Herkunft der organischen Nahrung der Zooplankton erörtert, und bin zu dem Ergebnis gekommen, daß die Lieferung der Nahrung eine Funktion är Fläche der Planktonalgen ist. Der Gang des Beweises ist folgender: Die Leiber der Planktonalgen (und Bak- terien) sind als Nahrung unzureichend. Detritus, der aus den Leibern der Phyto- und Zooplanktonten entsteht, kann nur einen geringen Zuschuß bedeuten, solange es sich um einen unabhängigen Lebens- bezirk handelt. Die Planktonalgen liefern, wie experimentell erwiesen,

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durch Zerlegung von Kohlensäure soviel Sauerstoff, daß sich daraus eine Zuckerproduktion berechnen läßt, die das vielfache des Volumens der Planktonalgen beträgt. Es kann also nur ein kleiner Teil der Assimilate in den Leibern der Algen gespeichert werden, der weitaus größte Teil muß an das Wasser abgegeben werden. Daß diese Leistung der Algen einer Größe von der Dimension der Fläche proportional ist, das ergibt sich ebenso aus stoffwechsel- physiologischen Überlegungen, wie aus der Erwägung, daß die zuge- strahlte Sonnenenergie auf die Chlorophylikörner entsprechend deren Querschnitt auftrifit, also ihre Wirkung proportional einer Größe von Flächendimension entfaltet. Ich freue mich feststellen zu können, daß Einar Naumann!!) bis zu diesem Punkte meiner Beweisführung zustimmt. Wenn er sich die Stoffe, die von den Algen ausgeschieden werden, als solche vorstellt, die im Wasser ausgeflockt werden, so vermag ich dieser Ansicht allgemein nicht zuzustimmen, möchte aber doch darauf hinweisen, daß auch ich'!?) diese Möglichkeit erwogen und versucht habe, die mögliche Bedeutung solcher Schleimproduktion abzu- schätzen, wobei ich zu dem Ergebnis kam, daß diese Stoffquelle zwar nicht vernachlässigt werden darf, daß sie aber doch kaum auch nur !/, der gesamten Menge abgegebener Assimilate betragen dürfte, wenn man von einzelnen Ausnahmefällen absieht, wie etwa die Meerver- schleimung im Triester Golf nach Cori.

Für abhängige Lebensbezirke, wie Teiche oder Tümpel, ja auch noch kleinere Binnenseen sie wohl meist darstellen, liegen die Dinge verwickelter, denn hier muß immer mit dem Zustrom von Detritus

oder gelösten Stoffen gerechnet werden, deren organischer Anteil aus anderen Lebenskezirken stammt.

Würde z. B. ein Vergleich zwischen der produzierenden Algen- fläche eines solchen kleinen Gewässers und der konsumierenden Fläche des Zooplankton zu dem Ergebnis führen, es sei zu wenig Produktions- fläche da, so könnte hieraus nicht der Schluß abgeleitet werden, daß die Anschauung über die Abgabe der Assimilate der Algen an das Wasser und deren Verwertung durch die Tiere falsch sei, sondern nur der, daß der Lebensbezirk abhängig sei, und Zuschüsse von außen erhalten müsse.

In dem Bestreben, meine Anschauungen über das Verhältnis von Produzenten und Konsumenten zu widerlegen, läßt sich Lantzsch zu Erörterungen verleiten, die nicht unwidersprochen bleiben können.

Zunächst teilt er eine Reihe von Erfahrungen mit, aus denen die räumliche und zeitliche Abhängigkeit der Entwicklung des Zooplanktons vom Nannoplankton hervorgeht. Was diese zur Entscheidung der Frage in seinem Sinne beitragen können, ist mir nicht erfindlich, denn

11) Biol. Zentralbl. 39. Bd. 1919. 12) Ernährung der Wassertiere u. s. w. Jena 1909, S. 130.

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84 A. Pütter, Die Frage der parenteralen Ernährung der Wassertiere.

gleichviel, ob die ernährungsphysiologische Beziehung zwischen Nanno- plankton und Netzplankton, zwischen Produzenten und Konsumenten derart ist, daß die Produzenten von den Konsumenten gefressen werden, oder so, daß die Produzenten die Fabriken darstellen, von deren Fabrikaten die Konsumenten leben, stets werden räumliche und zeitliche Beziehungen zwischen den beiden Gruppen bestehen müssen.

Es wäre übrigens verführerisch doch auf dieses Verhältnis etwas näher einzugehen, und zu zeigen, daß die zeitlichen und räumlichen Grenzen für die Wirkung gesteigerter Abgabe von Assimilaten an das Wasser viel weiter gesteckt sind, als für die Volumenzunahme der Nannoplanktonalgen. Denn wenn sich z. B. das Maximum der Clado- zerenentwicklung so weit gegen das Nannoplanktonmaximum „ver- schieben“ kann, daß das Cladozerenmaximum mit dem: Nanno- planktonminimum zusammenfällt, wie VGolditz gezeigt hat, so wirkt der Satz, den Lantzsch an die Erwähnung dieser Tatsache schließt: „doch dokumentiert die Betrachtung der Jahreskurve deutlich die Ab- hängigkeit beider Formengruppen“, als recht matt in einer Beweis- führung gegen eine Anschauung, die viel eher imstande ist, solch zeit- liches Auseinanderfallen der Maxima zu erklären, als die von Colditz oder Lantzsch.

Auf eine Frage der räumlichen Beziehung von Produzenten und Konsumenten, seı noch hingewiesen. Lantzsch schreibt: „kann man annehmen, daß ın Tiefen unter 100m das Phytoplankton noch Sekrete ausscheidet, die den Urustern das Leben fristen lassen?“ und fährt fort: „..... die Annahme, daß die Konvektionsströmungen genügend gelöstes Material aus den oberen dichter bevölkerten Schichten in die Tiefe tragen, wird ebenfalls nicht ausreichen, da die Verdünnung immer stärker wird und die gelöste organische Substanz für die wenig ange- paßten Copepoden und andere Kleinkrebse kaum nutzbar sein wird.“

Da haben wir ım kleinen die Frage aufgerollt, die im Meere in Form des Problems der Ernährung der Tiefseetiere auftritt, und zur Rettung der üblichen Anschauung von der Ernährung der Tiere mittels geformte Nahrung, durch das bekannte „Märchen vom Nahrungsregen“ beantwortet wird. Seltsamerweise ist ein Gesichtspunkt in der Er- örterung dieser Frage nieht berücksichtigt worden: woher stammt denn der Sauerstoff der tiefen Schichten? Er kommt doch ganz sicher aus Oberflächenschichten, dıe ıhm entweder aus der Luft aufnehmen, oder und das ıst wohl das häufigere durch die Tätigkeit der Planktonalgen mit ıhm angereichert werden. Warum findet Lantzsch die Beförderung gelöster organischer Stoffe durch Konvektion unwahr- scheinlich, die für den Sauerstoff sicher ist? Und was die Menge an- langt, so wolle man sich doch endlich klar machen, daß sich gegen die Möglichkeit genügender Mengen gelöster Nährstoffe ın der Tiefe so lange nichts stichhaltiges einwenden läßt, wie genügend Sauerstoff für die Tiere vorhanden ist. Sie verwenden ja doch den Sauerstoff bei der „Atmung“ dazu, organische Stoffe, Nährstoffe, zu oxydieren, und

A. Pütter, Die Frage der parenteralen Ernährung der Weassertiere. 8

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brauchen immer etwa 25%, Sauerstoff mehr, als Nährstoffe. Kommt also in die Tiefe des Wassers so viel Sauerstoff, wie zur Erhaltung des Stoffwechsels der Tiere erforderlich ist, so liegt kein Grund vor, für gelöste organische Verbindungen diesen Weg als ungangbar zu be- zeichnen.

Sehr befremdlich sind die Ausführungen, die Lantzsch an den Vergleich zwischen den Flächen der Produzenten und Konsumenten knüpft. Ich habe hier zuerst erfahren, daß ich einen „Oberflächen- satz“ aufgestellt habe, nach dem die Flächen der Produzenten gleich der der Konsumenten sein sollen. Dieser Oberflächensatz hat sich, wie Lantzsch mitteilt, für das Süßwasser nicht bewährt, denn durch eine recht grobe Überschlagsrechnung findet er, daß die Fläche der Produzenten etwa 25 mal so groß wie die der Konsumenten ist.

Wie steht es mit diesem Vergleich ?

Im Jahre 1909 schrieb ich!?) bei Berechnung der Flächen für Produzenten und Konsumenten im Plankton von Laboe: „Die mittlere Fläche der Produzenten übertrifft . . . die mittlere Fläche der Kon- sumenten um das vierfache, und wir würden den Schluß ziehen, daß die Produktion in der untersuchten Oberflächenschicht von 15m Dicke den Bedarf der Konsumenten nicht nur deckt, sondern viermal so viel Stoffe liefert, daß also °/, der produzierten Stoffe für andere, ärmere Meeresteile disponsibel würden.“

„Nun darf man diese Zahl freilich nicht überschätzen, ist sie doch hervorgegangen aus einer ganz schematischen Grundannahme, daß nämlich die Produktion pro Flächeneinheit der Algen ebensogroß sei, wie der Verbrauch pro Flächeneinheit der Tiere und Bakterien. Wır können also ebensogut jetzt am Schluß sagen: Zur vollständigen Deckung des Stoffbedarfs der chromophylifreien Algen, der Bakterien, Protozoen und Metazoen im Plankton von Laboe, reicht es aus, wenn die Algen pro Flächeneinheit '!/, der Stoffmenge produzieren, wie die Tiere verbrauchen.“

Von der Forderung einer Gleichheit der Konsumenten und Pro- duzentenfläche kann gar keine Rede sein. Die Gegenüberstellung der beiden Flächengrößen soll nur zeigen, daß da, wo die Volumina der Produzenten nicht hinreichen um den Nahrungsbedarf der Konsu- menten zu decken, doch ihre aktive Oberfläche größer ist als die der Verbraucher, so daß sie den Bedarf decken können, so- fern ihre Ausscheidung verwertbarer Stoffe pro Flächeneinheit von der gleichen Größenordnung ist, wie der Verbrauch der Konsu- menten pro Flächeneinheit.

Wäre die Zahl, die Lantzsch für das Verhältnis der Flächen gibt, richtig, so hätten wir es entweder mit Produzenten zu tun, die pro Flächeneinheit sehr wenige Assimilate abgeben, oder es müßte

13) Die Ernährung der Wassertiere und der Stoffhaushalt der Gewässer. Jena 1909, 8. 135.

s6 A. Pütter, Die Frage der parenteralen Ernährung der Wassertiere.

die Produktion aus Nährstoffen den Verbrauch weit übertreffen. Die Rechnung, die Lantzsch aufstellt, hat aber grundsätzliche Fehler. Ich sehe davon ab, daß es wohl besser gewesen wäre, die kleine Mühe aufzuwenden, die eine etwas mehr ins einzelne gehende Berechnung der Flächen erfordert hätte, und verweise nur auf zweı Punkte: 1. läßt der Autor in seiner Berechnung der Zehrer die Bakterien ganz fort und 2. trennt er Bezirke, die unbedingt zusammengefaßt werden müssen, denn die Forderung kann, gerade wenn es sich um die Aus- nutzung gelöster Stoffe handelt, keinesfalls sein, daß zu jeder Zeit in jedem Teil einer Wassersäule die Produzentenfläche von der Größen- ordnung der Konsumentenfläche sei, sondern nur, daß der Mittelwert der sich aus den Stichproben ergibt, die in verschiedenen Tiefen zu verschiedenen Tageszeiten gemacht werden, dieser Bedingung genügt. Fassen wir, um einen solchen Wert zu bekommen, die Angaben für den Zuger See (S. 130) zusammen, so ergibt sich der mittlere Durchmesser der Nannoplanktonten zu 4,7 u und die Produzentenfläche ist nur 4,55 mal so groß als die des Zooplankton. Wie groß aber ist die ganze Fläche der Konsumenten ? Außer den Zooplanktonten sind ja die Bakterien, die Lantzsch vergessen hat, da, und erfordern viele organische ge- löste Nahrung. Für Laboe konnte ich es wahrscheinlich machen, daß die aktive Oberfläche der Bakterien im Jahresmittel fast ebenso groß ist, wie die Gesamtfläche aller anderen heterotrophen Organismen, Proto- zoen und Metazoen, zusammengenommen. Zahlenangaben für das Süßwasser zu machen bin ich nicht in der Lage, doch sind ja die hohen Bakterienzahlen bekannt, die in Flüssen und Seen und gar erst in Teichen und Tümpeln zu finden sind. Setzen wir die aktive Fläche der Bakterien auch nur gleich der der Zooplanktonten, so bleibt in dem Beispiel des Zuger Sees nur ein Verhältnis der produzierenden zur verbrauchenden Fläche wie 1:2,3. Jedenfalls zeigt die Flächen- vergleichung für das Süßwasser, daß auch da, wo die Volumina des Nannoplankton den Nahrungsbedarf des Zooplankton nicht zu decken vermögen denn dies gilt, wie ich oben gezeigt habe, für die hier besprochenen Gewässer die Fläche der Nannoplanktonorganismen größer ıst als die des Zooplanktons und daher auch die Ernährung bedeutender Mengen von Bakterien zu bestreiten vermag, wie sie in den Gewässern vorhanden sind.

Gegenüber den Ausführungen von Lantzsch muß ich also meine Anschauungen über die Ernährung der Wassertiere und den Stoff- haushalt der Gewässer in vollem Umfange aufrecht erhalten.

H. Böker, Die Bedeutung der Überkreuzung der Schnabelspitzen usw. 57

Aus dem anatomischen Institut der Universität Freiburg. Die Bedeutung der Überkreuzung der Schnabelspitzen bei der Gattung Loxia. 7 Von Privatdozent Dr. Hans Böker.

Wenn man in der reichen ornithologischen Literatur über den Schnabel der Gattung Zoxia nachliest, erkennt man, daß alle Autoren von der Überzeugung geleitet wurden, daß die Überkreuzung der starken und langen Schnabelspitzen den „Kreuzschnäbeln“ beim Auf- brechen der Zapfen von Notwendigkeit sein muß. Ohne diese Über- kreuzung müßte es ihnen unmöglich sein, die Früchte der Nadelhölzer, die den wichtigsten Bestandteil ihrer Nahrung ausmachen, zu erlangen. Wohl jeder, der diese interessanten Tiere zum erstenmal beobachtet, wird zuerst derselben Ansicht verfallen. Unwillkürlich wird man in dieser eigenartigen Schnabelform eine sehr zweckdienliche Anpassung an die Art des Nahrungserwerbes sehen. Und doch beruht diese Ansicht meines Erachtens auf einem Vorurteil. Die Überkreuzung halte ich für eine, fast möchte ich sagen ganz belanglose Nebenerscheinung, die mit dem Nahrungserwerb an sich nichts zu tun hat. Die starken langen Schnabelspitzen, Haken genannt, sind natürlich von Bedeutung, nicht aber ist es die bei geschlossenem. Schnabel auftretende Überkreuzung dieser Haken.

Was die Kreuzschnäbel von den anderen Vögeln unterscheidet ist weniger die Schnabelform, als die Art wie sie ıhren Kieferapparat benutzen. Sie sind, soweit mir bekannt, die einzigen Vögel, die ım- stande sind den Unterschnabel mit Kraft und großer Exkursionsweite seitlich zu verschieben. Mit Hilfe dieser Fähigkeit vermögen sie die Schuppen der Zapfen zu lüften und dadurch die Samen freizulegen. Diese Tatsache ist längst bekannt, wie die Beschreibungen bei Friderich und Nitzsch!) erkennen lassen, aber dennoch hat sie bis- her nicht die nötige Würdigung erfahren. Ja, einige Autoren, wie Brehm Vater, Marshall in der 4. Auflage von Brehms Tierleben, Naumann, Duerst und Hilzheimer, der sich den vorigen eng an- schließt, erwähnen die seitlichen Bewegungen des Unterschnabels so gut wie gar nicht, sondern betonen mehr eine seitlich hebelnde Be- wegung des ganzen Kopfes. Viel zu wenig Wert haben die ornitho- logischen Schriftsteller deshalb auch auf die interessanten Asymmetrien ım Bereich der Kopfmuskulatur und des Kieferskeletts gelegt, die zu- letzt von Duerst 1909 ausgezeichnet beschrieben worden sind. Um so auffallender ist es, daß Duerst selbst eine ausführliche Beschreibung der Vorgänge gibt, wie sie sich beim Entsamen der Tannenzapfen durch Kreuzschnäbel abspielen, die jedoch das Richtige zweifellos nicht trifft und das dabei Wichtige nicht hervorhebt.

Nach ihm soll die Hypertrophie der bestimmten Kaumuskeln,

y 1) Zitiert nach Duerst und Naumann.

tere} H. Böker, Die Bedeutung der Überkreuzung der Schnabelspitzen usw.

M. temporalis und M. apertor rostri major der Hakenseite, M. pteryyordeus der Gegenseite, dadurch zustande kommen, daß der Vogel den geöffnet und wie einen Keil zwischen die Zapfenschuppen eingeschobenen Schnabel mit großer Gewalt schließt, die Schnabelspitzen also wieder kreuzt und so die Schuppen auseinander treibt. Bei der Schließ- bewegung müßte die eine Hälfte der Muskeln, da sie gegen einen Widerstand anarbeitet, stärker beansprucht werden als die andere, und daher hypertrophieren. Daß Duerst mit der Annahme einer Schließbewegung nicht Recht hat, kann man leicht durch Beobachtung erkennen, wenn man einen gekäfigten Kreuzschnabel, wie ich es oft getan habe, eine kleine Pappschachtel oder andere zerreißbare Gegen- stände in den Käfig legt, an denen die Vorgänge leichter zu erkennen sind, als am Tannenzapfen. Der immer auf Zerstörung erpichte Kreuzschnabel sucht sofort Spalträume an diesen Gegenständen, in die er seinen geöffneten Schnabel hineinschieben kann. Man sieht dann, wie er mit oft wiederholten kräftigen Seitenbewegungen des Unterschnabels den Spalt sehr schnell erweitert, bis er auf die übliche Weise aller Vögel Fetzen des Gegenstandes erfassen und ab- reißen kann. Von einem Schließen des Schnabels nach seiner Ein- führung in den Spalt kann nie die Rede sein. Das beweisen wohl auch folgende Beobachtungen, die ich an meinen Vögeln oft machen konnte.

Auf der Suche nach erweiterungsfähigen Spalträumen gelangte ein Vogel an das lose herabhängende, senkrecht verschiebbare Türchen des Drahtkäfigs. An der unteren Querstange der Tür wurde nun der Schnabel eingeschoben und die ganze Tür mit dem Unterschnabel um mindestens 5 mm gehoben. Die Überkreuzung der Schnabelhaken macht aber nur etwa 3 mm aus! Oder, der Vogel setzt sich auf eine Sitzstange in der Nähe des Gitters. Mit einem Fuß hält er sich am Gitter fest, steckt den Schnabel zwischen Sıitzstange und Drahtunter- lage, und hebt nun sich selbst mit der Sitzstange durch die Seiten- bewegungen im Kiefergelenk hoch. Weiter, ein Weibchen, das ich längere Zeit besaß und das sich durch besondere Zutraulichkeit und stärkere Neigung zur spielerischen Betätigung gegenüber den beiden Männchen auszeichnete, lernte sehr bald den Mechanismus einer Futter- sparkugel, die ich als Futternapf in den Käfig gestellt hatte, verstehen. Wenn im Futtertrog kein Hanfkorn mehr war, sondern nur noch andere Sämereien, die weniger beliebt waren, wurde erst mit kräftigen seitlichen Kopfbewegungen im Trog Platz geschaffen, dann steckte es seinen Schnabel zwischen er und Porzellantrog, dort wo die Kugel in den Tubus übergeht, der in den Aufsatz des Troges ein- gesteckt ist. Durch einige kräftige Bewegungen mit dem Unterschnabel wurde die Kugel gehoben und schnell fallen gelassen, wodurch natür- lich neue Futterkörner in den Trog kamen. Niemals versuchte übrigens der Kreuzschnabel durch das Glas hindurch gegen ein Hanfkorn zu picken, wie es weniger intelligente Tiere zweifellos tun werden, sondern

H. Böker, Die Bedeutung der Überkreuzung der Schnabelspitzen usw. 89

es wurde der Mechanismus des Apparates mit ausgesprochener Ziel- sicherheit, die natürlich die Folge der Sucht war, überall Spalten zu sehen, die erweitert werden müssen, in Gang gesetzt. Bei diesen mehr spielerischen Betätigungen waren die Bewegungen des Unter- schnabels dauernd sichtbar, und nicht wie beim Zapfenöffnen verborgen, so daß eine Schließbewegung leicht hätte erkannt werden müssen.

Neben den seitlichen Bewegungen, die nur der Unterschnabel ausführt, gebraucht der Kreuzschnabel, wie oben schon angedeutet, seinen Schnabel noch in’ mehrfacher Weise, wie es jeder andere Körnerfresser auch tut. Er faßt vor allem die Schuppen und andere Gegenstände wie mit einer Zange und zerbeißt sie durch Schließen der Kiefer. Dabei durchbohrt der Haken des Unterschnabels oft eine Schuppe, die dadurch wie angespießt ist. Kräftiges Heben des Kopfes bei geschlossenem Schnabel muß dann ein Aufschlitzen der Schuppe bewirken. Auf diese Weise erfolgt die regelmäßig zu beobachtende typische Zerfaserung der Zapfenschuppen. Die etwas konstruiert er- scheinende Erklärung von Duerst, wonach die Schuppe zerfasert wird, wenn der Vogel den geschlossenen Schnabel zwischen den Schuppen wieder hervorzieht, weil dabei der Haken des Unterschnabels sich in der Schuppe verhakt, kann nicht befriedigen. Von ausschlag- gebender Bedeutung für meine eingangs aufgestellte Behauptung von der Bedeutungslosigkeit der Überkreuzung ist nun aber die Tatsache, daß der Schnabel bei allen Verwendungsarten stets halbgeöffnet ge- halten wird, wodurch die Verbreiterung der Schnabelspitze infolge der Überkreuzung aufgehoben ist. Nur bei Untätigkeit sind die Schnabel- spitzen überkreuzt, im Gebrauch benutzt ihn der Kreuzschnabel so als ob überhaupt keine Überkreuzung vorhanden wäre!

Warum und auf welche Weise ıst nun aber die Schnabelüber- kreuzung entstanden? Um diese phylogenetische Frage beantworten zu können, müßte man den ontogenetischen Werdegang der Bildung in seinen Einzelheiten kennen. Bekannt ist, daß die nestjungen Vögel noch einen geraden Schnabel besitzen, also keine „Krummschnäbel“ sind. Marshall schreibt: „Es wäre äußerst interessant, wenn es an- ginge, nestjunge Kreuzschnäbel bei anderem Futter aufzuziehen, ohne ihnen je Tannenzapfen zu verabfolgen. Wenn die Schnäbel sich beı ihnen doch krümmten, so würde das auf Vererbung zurückzuführen sein. .... Es könnte aber auch sein, daß jedes Kreuzschnabelindivi- duum diese Asymmetrie selbständig erwirbt.“ Da es mir bisher nicht gelungen ist, nestjunge Kreuzschnäbel zur Aufzucht zu bekommen, kann ich keine Angaben über die ontogenetische Ausbildung des Schnabels machen. Aber es lassen sich auf Grund von Überlegungen doch begründete Ansichten aussprechen.

Jeder Vogel muß seinen Kreuzschnabel selbständig erwerben, da ihm die Lust an der Erweiterung von Spalträumen, was Duerst auch ausgesprochen hat, angeboren ist, Angeboren, also vererbt ist auch der Trieb die Spalten durch seitliche Verschiebungen des Un.

90 H. Böker, Die Bedeutung der Überkreuzung der Schnabelspitzen usw.

terschnabels zu öffnen. Erblich nicht festgelegt ist die Richtung, nach welcher der Unterkiefer bewegt wird, denn es kommen sowohl „Rechts“- als auch „Linksschnäbler“ zur Beobachtung. Möglicherweise hängt das von dem Bau der Zapfen ab, die als zufällig erste von dem jungen Vogel in Angriff genommen werden. Zurateziehen der bota- nischen Literatur über die Zapfen hat mir aber keine Anhaltspunkte dafür gegeben; und für den Satz, den ich bei Friderich S. 196 lese: „Und wie es Zapfen mit rechts und links sich deckenden Schuppen gibt, so gibt es auch Kreuzschnäbel, deren Spitzen sich vorn rechts oder links kreuzen“ kann ich keine Erklärung finden. Und wenn Bechstein sagt: „Bald schlägt der Oberkiefer zur rechten Seite am unteren vorbei, bald zur linken, je nachdem sie noch weich in der Jugend auf diese oder jene Seite gewöhnt wurden*, so liegt darin auch noch keine Erklärung.

Die tiefere Ursache für die sehr auffällige Tatsache der Rechts- und Linksschnäbeligkeit kann aber auch im feineren Bau des Gehirns liegen, ähnlich wie beim Menschen für die Rechts- oder Linkshändig- keit. Richtig muß sein, daß ein Jungvogel die zuerst gewählte Rich- tung der Schnabelbewegung immer beibehält. Die Folge davon ist dann einmal die bekannte Asymmetrie der Muskulatur von Kopf und Hals, sowie der Kiefergelenke, und zweitens eine notwendige Ver- änderung der Schnabelspitzen, die ja bei jeder seitlichen Verschiebung beim Spalterweitern gegen ein Hindernis gedrückt werden. Dadurch werden nun die Spitzen nicht dem Druck ausweichend abgebogen, wie es Marshall meint, wenn er sagt: „Der Widerstand des Objektes drückt den Schnabel auf die Seite“, sondern der seitliche Druck wirkt beim Jungvogel als Wachstumsreiz auf die Epidermiszellen der Horn- scheiden, so daß die Schnabelspitzen sich dem Hindernis gerade ent- gegen richten. Ist die Schnabelbildung soweit gediehen, dann werden sich die Schnabelspitzen beim Schließen der Kiefer nicht mehr be- rühren, sondern nebeneinander vorbeisehen und sich überkreuzend aneinander vorbeiwachsen. Nimmt man an, daß von vornherein der Öberschnabel hakenförmig über die Unterschnabelspitze hinweggegangen ist, dann ist es einleuchtend, daß infolge des gleichen Wachstums- reizes, der die Verbiegung nach der Seite beim Unterschnabel bewirkt,

der Unterschnabel jetzt auch hakenförmig wird, so daß dann der

Schnabel aus den auffallenden zwei starken Haken besteht, die neben- einander liegen. Beobachtungen am lebenden Objekt müssen diesen Überlegungen die tatsächlichen Grundlagen noch geben, aber sie werden zu keinem anderen Ergebnis führen, wenn man als das Primäre beim ganzen Vorgang die seitlichen Exkursionen des Unterschnabels erkennt.

Über die Phylogenese der Kreuzschnabeligkeit und damit der Gattung Loxia hat sich Duerst ausführlich verbreitert. Er ıst der Ansicht, daß die Überkreuzung, die auch Marshall als „ursprünglich pathologische Erscheinung“ auffaßt, durch eine Mißbildung bei gerad- schnabeligen Ahnen entstanden ist. Und zwar soll sich diese Miß-

H. Böker, Die Bedeutung der Überkreuzung der Schnabelspitzen usw. 91

bildung, wie man sie ja tatsächlich vielfach bei den verschiedensten Vogelarten finden kann, (Lindner) „durch embryonale Deformation infolge einer Schnabelverletzung“ bilden. Um dies experimentell zu beweisen, hat Duerst junge Hühnchen im Ei freigelegt und ihnen den Oberkiefer gebrochen. 50%, aller operierten Tiere starben bald ab, 30 % hatten einen geraden und nur 20 %, einen gekreuzten Schnabel. Das heißt, bei einer geringen Anzahl heilten die Knochenbrüche schief aus, während bei den übrigen der überhaupt überlebenden Tiere die Verletzung normal verheilte. Aber beweisen diese Experimente etwas? Kann man einen durch schlecht verheilten Oberkieferbruch ent- standenen „Kreuzschnabel“ mit einem durch Funktion erworbenen

vergleichen, der auf Veränderung des Unterschnabels beruht?! Dabeı ist außerdem gar nicht bedacht, daß die Abweichung bei den Schnäbeln der Gattung Loxia vom vormalen Verhalten, wie es alle anderen Kegel- schnäbler zeigen, so gut wie nur auf eine Veränderung der Horn- scheide des Unterschnabels beruht, während die Hornscheide des Oberschnabels und die knöchernen Skelette beider Schnabelhälften nur geringe Asymmetrien aufweisen (siehe Textfig.). Diese anatomische Tatsache kann nicht überraschen, wenn die oben versuchte Schilderung der Ausbildung der Kreuzschnabeligkeit beim Jungvogel richtig ist, ja sie ist Vorbedingung für ihre Richtigkeit. Jedenfalls widerlegt diese Tatsache, auf die merkwürdigerweise bisher kein Gewicht gelegt worden zu sein scheint, und obwohl Duerst sie in einer Abbildung des Schädelskeletts richtig wiedergibt, die alte Ansicht von der patho- logischen Ursache der Überkreuzung bei Loxia allein zur Genüge.

92

me

H. Böker, Die Bedeutung der Überkreuzung der Schnabelspitzen usw.

Eine Dohle mit krankhaftem Kreuzschnabel konnte ich im Forst- zoologischen Institut der Universität Freiburg untersuchen. Sie zeigte im Gegensatz zu den Kreuzschnäbeln der Gattung ZLoxia eine starke Asymmetrie im Oberkieferskelett, während die Hornscheiden und der knöcherne Unterkiefer nur wenige Veränderungen aufwiesen. Die Dohle war als gesundes Tier aus dem Nest genommen und dann künstlich Senn worden. Beim gewaltsamen Öffnen des Schnabels muß dem Vogel ein Oberkieferbruch beigebracht worden sein. Duerst will durch ein weiteres Experiment beweisen, daß die Mißbildung, die „Skoliose“ des Schnabels die Ursache für die Ausbildung der übrigen anatomischen Merkmale am Kopf bei der Gattung Lowa ge- wesen sein muß, und er schreibt: „Damit man mir ja keinen Einwand hiergegen erheben kann, habe ich mehreren jungen Kreuzschnäbeln den Haken des Schnabels weggeschnitten, und die Tiere zwei Jahre lang so gehalten, indem immer beim Nachwachsen wiederum die

Schnabelspitze ganz glatt geschnitten wurde. Bei allen diesen Vögeln.

konnte ich keine deutlich hypertrophische Muskulatur beobachten.“ Duerst sagt nicht, wie diese Vögel sich ernährt haben, ob sie Ver- suche gemacht haben, Spalten zu erweitern und Tannenzapfen zu ent- samen. Ich möchte annehmen, daß diese verstümmelten Tiere immer nur aus dem Futternapf gefressen haben, und daß sie gar nicht den Versuch gemacht haben, sich an Zapfen heranzumachen, weil die kranken Schnabelspitzen (doch wohl des Unterschnabels?) sicher ganz ungeeignet waren, sich Hindernissen mit Erfolg entgegenstemmen zu können. Wenn sie den Unterschnabel also nicht mit Kraft seitlich verschieben konnten, mußte die Asymmetrie der Muskulatur auch ausbleiben! \

In dem Hakengimpel, Pinicola enucleator L., möchte Duerst den Ahnen der Gattung Loxia sehen, weil dessen dicker und mit scharfem Oberschnabelhaken versehener Schnabel bei einer zufällig aufgetretenen krankhaften Kreuzschnabeligkeit besonders gut geeignet gewesen sein mußte auch die noch unreifen Tannenzapfen zu entsamen. Ganz ab- gesehen von der ja längst abgelehnten Auffassung der Möglichkeit von Vererbung erworbener en und der en Überlegung, daß sonst auch heute noch jeder oe halle Häken: simpel der Stammvater einer neuen ZLoxia-Art werden müßte, wird von Duerst nicht beachtet, daß ein Pinicola enueleator mit „Rostro- skoliosis traumatica“ damit noch nicht die Fähigkeit besitzt den Unter- schnabel seitlich zu bewegen, was vor allem erst die Gattung Loxa charakterisiert. Will man trotzdem den Hakengimpel als Stammvater der Kreuzschnäbel anerkennen, dann muß man annehmen, daß infolge von Idiovariation, Mutation, bei einem einmal die Neigung, den Unterschnabel nach einer und zwar stets gleichen Richtung seitlich zu verschieben aufgetreten ist, und daß nun die Nachkommen dieses Vogels diese erbliche Variante weiter durch Übung ausbildeten, weil sie ihnen beim Nahrungserwerb gut zustatten kam. Wie wir oben gesehen

P. Buchner, Tier und Pflanze in intrazellularer Symbiose. 93

haben, mußte aber bei solchen Vögeln ganz automatisch eine Asym- metrie der Muskulatur und der Kiefergelenke und eine Überkreuzung der Schnabelspitzen die Folge der Seitenverschiebung des Unter- schnabels sein.

Literatur. Altum, Forstzoologie 1850. Bauer-Fischer-Lenz, Menschl. Erblichkeitslehre 1921. J. M. Becehstein, Gemeinnützige Naturgesch. Deutschlands. 4. Bd. 1795. Brehms Tierleben, III. und IV. Auflage. 1901 und 1911/13. Bronns Klassen und Ordnungen, Sadow-Selenka Vögel Bd. 6. 4. Abtlg. 1891. Duerst, Patholog. Difformität als gattungs-art- und rassebildender Faktor. Mitteilungen d. Naturf. Gesellsch. Bern 1909. Floerieke, Deutsches Vogelbuch 1907. Friderich, Naturgesch. d. deutschen Vögel. 1905. Hilzheimer, Biologie der Wirbeltiere. 1913. Lindner, Kreuzschnabelmißbildungen. Ornithol. Monatsschrift XXVII. 1902. Marshall, Der Bau der Vögel. 1895. Naumann-Hennicke, Naturgesch. d. Vögel Mitteleuropas. 1905. Reichenow, Die Vögel. Bd. 2. 1914.

Referate.

P. Buchner: Tier und Pflanze in intrazellularer Symbiose. Mit 103 Abb. und 2 Tafeln. Berlin, Gebr. Bornträger, 1921. Preis geh. 114 Mk.

Unsere Kenntnisse von den intrazellularen Symbionten der Tiere finden zum ersten Male von berufener Seite eine zusammenfassende Darstellung. Wer das Buch- nersche Werk zur Hand nimmt, wird sich überzeugen, daß hier, wie der Verf. im Vor- wort bemerkt, „fast über Nacht ein ganz neues Spezialgebiet erstanden ist“, und zwar ein Gebiet, das uns für die Physiologie der Tiere zahlreiche neue wichtige Gesichts- punkte erschließt.

Der erste Abschnitt behandelt das Vorkommen von Zoochlorellen und Zooxan- thellen bei Protozoen, Schwämmen und Coelenteraten, der zweite deren Vorkommen bei Würmern. Bei diesen uns seit langem bekannten Fällen der Algensymbiose ist es das Hauptverdienst des Verf., das große, in zahlreichen Einzelbeobachtungen verstreute Material übersichtlich und kritisch zusammengestellt zu haben. Die Entwicklung der Algensymbiose zeigen uns die verschiedenen Grade der gegenseitigen Beeinflussung: von fakultativen Symbiontenträgern, die auch ohne ihre Gäste gut gedeihen können, bis zu solchen Wirten, die ohne den Besitz der Algen schnell zugrunde gehen.

Im dritten Abschnitt werden die vereinzelten Befunde von Algen bei Bryozoen, Eehinodermen und Gastropoden zusammengestellt und anschließend die Symbiose von Bakterien mit der Schnecke (yelostoma elegans und von Pilzen mit der Ascidiengruppe der Molguliden besprochen.

Der vierte Abschnitt behandelt die intrazellulare Symbiose bei Insekten. Er ist der Hauptteil des Buches und gleichzeitig das eigentliche eigene Arbeitsgebiet des Verf. Die bisher bekannten Tatsachen werden hier durch zahlreiche noch unveröffentlichte Befunde Buchners (besonders bei Coceiden, Pedieuliden, Anobien und bei der Bett-

94 P. Buchner, Tier und Pflanze in intrazellularer Symbiose.

wanze) und seiner Schüler (bei Aphiden und Blattiden) vervollständigt. Die neuere Forschung hat eine ungeahnte Verbreitung der Symbiose mit Pilzen bei den Insekten aufgedeckt; wir kennen Fälle von Coleopteren, Hymenopteren, Lepidopteren, Dipteren, Hemipteren, Orthopteren und Corrodentien. Während aus manchen Ordnungen, wie Coleopteren, Hymenopteren und Dipteren, nur einzelne Arten oder Gattungen als Sym- biontenträger bekannt sind, finden wir in anderen sämtliche Vertreter großer arten- reicher Gruppen, wie Phytophthiren, Cicaden, Blattiden und Pedieuliden, mit Pilzen versehen. Die Symbiose hat eine hohe Vollendung erreicht durch das Vorhandensein besonderer pilzführender Organe, deren Anordnung und Bau äußerst verschiedenartig ist. Wohl das anziehendste Kapitel der Insektensymbiose ist die große Mannigfaltig- keit der Einrichtungen, durch die eine sichere Übertragung der Symbionten auf die Nachkommenschaft gewährleistet wird. Der Nutzen der Insekten von der Symbiose liegt zweifellos vorwiegend auf ernährungsphysiologischem Gebiet in der Ausnutzung von den Pilzen gebildeter Fermente. Besonders bei den holzfressenden Formen haben wir hierin offenbar eines der zahlreichen Hilfsmittel zu erblicken, durch die im Tier- reich die Cellulosespaltung und damit die Verwertung pflanzlicher Nährstoffe ermög. licht wird. Für manche Symbionten wird auch die Fähigkeit, Luftstickstoff zu assi- milieren, angenommen. Bei den blutsaugenden Insekten (Culieiden, Pediculiden, Bett- wanze) vermutet Buchner im Anschluß an eine frühere Beobachtung Schaudinns die Erzeugung von Fermenten durch die Pilze, die eine lokale Hyperämie an der Stich- stelle hervorrufen. Ferner scheint auch die Farbstoff- und Lackerzeugung bei Schild- läusen auf die Symbionten zurückzugehen. Immerhin bleibt für das physiologische Verständnis der Einrichtung noch das meiste zu tun.

Erst vor wenigen Jahren wurde durch Pierantoni bei Leuchtkäfern, durch Buchner bei der Tunicatengruppe der Pyrosomen festgestellt, daß die Leuchtfähig- keit auf symbiontische Bakterien zurückzuführen ist. Dieses jüngste Gebiet der Sym- biontenforschung, die Leuchtsymbiose, behandelt der fünfte Abschnitt des Werkes. Seither hat Pierantoni gezeigt, daß auch in den hochentwickelten Leuchtorganen der Cephalopoden die Lichtquelle auf Bakterien beruht, und Buchner hat für das Leuchten bei Otenophoren und Pennatuliden, sowie bei dem planktonischen Gastropoden Phyl- lirrhoe den gleichen Ursprung nachgewiesen. Auf Grund der bisher bekannten Tat- sachen hält der Verf. schon heute die Vermutung für berechtigt, daß es ein selbstän- diges Leuchten der Tiere überhaupt nicht gibt.

Im letzten Abschnitt geht Buchner auf ‚„Irrwege der Se ein und beleuchtet das luftige Hypothesengebäude Portiers, das sich auf der Vor- stellung gründet, daß die im Tierreich allgemein verbreiteten Mitochondrien nichts anderes als symbiontische Bakterien seien. Die Unhaltbarkeit dieser Vorstellung, zu der Portier dadurch geführt wurde, daß er aus verschiedenen Organen zahlreicher Wirbeltiere Bakterien züchten konnte, wird überzeugend dargetan.

Der reiche Inhalt des Buchnerschen Werkes konnte hier nur angedeutet werden. Die zahlreichen vorzüglichen Textfiguren und die beiden Tafeln erleichtern wesentlich das Verständnis der oft sehr verwickelten Zusammenhänge. Erst aus dieser umfassen- den Bearbeitung wird uns deutlich, wo unsere Kenntnisse auf diesem Gebiete noch die empfindlichsten Lücken aufweisen. Daher werden Zoologen, Botaniker und Physio- logen aus dem Buche viele Anregungen zu weiteren Forschungen schöpfen.

E. Reichenow (Hamburg).

2 BERN NE W I a

P. Sorauer, Handbuch der Pflanzenkrankheiten. yH

Sorauer, P.: Handbuch der Pflanzenkrankheiten.

I. Band. Die nichtparasitären Krankheiten. Bearb. v. P. Gräbner. 4. vollständig neubearbeitete Auflage. Verlag Paul Parey, Berlin 1921, XV u. 959 Seiten, 264 Text- abb., Preis geb. 150 Mk.

Bei der Neubearbeitung dieses Bandes des bekannten Buches wurde von Gräbner eine wesentliche Umstellung und Neuanordnung des umfangreichen Materiales vor- genommen. Dadurch hat die Übersichtlichkeit gegenüber der alten Auflage sehr ge- wonnen. Dem jetzt als erstem, vorangestellten Kapitel über Geschichtliches folgt der frühere allgemeine Teil über das Wesen der Krankheit und dann ein Ab- schnitt über Wachstumsänderungen durch verschiedene geographische Lage des Standorts, in dem diese Beziehungen in allgemeiner Form aus dem speziellen Teil herausgelöst zu einheitlicher Darstellung gebracht sind. Dadurch ist dieses Kapitel sehr übersichtlich geworden, andererseits ist auch für den speziellen Teil eine Klärung gewonnen. In diesem ist die unglückliche Trennung in ungünstige physikalische und chemische Bodenbeschaffenheit weggeblieben und dafür im Kapitel über Krankheiten durch ungünstige Bodenverhältnisse der umfangreiche Stoff disponiert in Luftarmut des Bodens, Wasser- und Nährstoffmangel, Wasser- und Nährstoffüberschuß. Dann folgt neu zusammengefaßt Luftfeuchtigkeit und Luft- bewegungen, Wärme und Licht. Stark erweitert ist die Abteilung Wunden, worin das neue Kapitel über vegetative Vermehrung eine Lücke des früheren Buches ausfüllt, hier findet sich auch das umfangreiche Material über Veredelung und Pfrop- fung. Die Abteilungen über Gase und Flüssigkeiten, enzymatische Krank- heiten sind im wesentlichen gleich geblieben.

Durchgehends hat der Inhalt Veränderungen erfahren, Längen wurden gekürzt, neue Untersuchungen einbezogen. So ist der Abschnitt über die Pfropfhybridenfrage neu eingeschoben und die neuen Arbeiten über die Chimärenfrage, die in der alten Auflage. nicht glücklich behandelt war, berücksichtigt. Das Kapitel über Albicatio ist umgearbeitet, die teils etwas eigenartigen Vorstellungen über diese Erscheinung in der früheren Auflage sind revidiert, doch sind hier noch wichtige Arbeiten der letzten Jahre unberücksichtigt gelassen. Leider sind auch die ganz unhaltbaren theoretischen Betrachtungen über Erblichkeit, die ohnehin aus dem Rahmen des Buches fallen, ge- blieben und Ref. kann sich nicht mit dem neu bearbeiteten Kapitel über Degeneration einverstanden erklären. Wir haben heute doch wirklich exakt durchgeführte Versuche zum Problem des Alterns und die daraus geführten „sehr künstlichen Deduktionen ohne jede Beweiskraft“ haben meiner Ansicht nach mehr Beweiskraft als die heute immer noch stark den Charakter von Anekdoten tragenden Angaben über das Aus- sterben verschiedener Kulturrassen, der Pyramidenpappeln u. a.

Das wertvolle Buch hat durch die Neubearbeitung, durch ihre klare Disposition noch gewonnen und wird wie bisher ein unentbehrliches Nachschlagewerk bleiben. Vielleicht könnte in einer nächsten Auflage noch ein Register beigegeben werden, das gerade diesem Charakter des Buches mehr entgegenkommt, da die kurze Fassung jetzt manchmal im Stiche läßt. Die Ausstattung wurde durch eine größere Zahl neuer Ab- bildungen, vor allem sehr instruktiver Photographien, bereichert.

Fritz v. Wettstein, Berlin-Dahlem.

96 E. G Pringsheim, Referate.

E. Küster: Anleitung zur Kultur der Mikroorganismen.

3. Aufl. 233 S. mit 28 Abb. im Text, Leipzig und Berlin 1921, geh. M. 21.—, geb. M. 24.— und 120 Proz. Teuerungszuschlag.

Das Küster’sche Buch, das nun schon in 3. Auflage erscheint, hat seinen Charakter als ein aus der Laboratoriumspraxis hervorgegangenes Rezeptbuch bewahrt. Als solches ist es nicht nur dem Anfänger unentbehrlich, dem es freilich die persönliche Anleitung nicht ersetzen kann und soll, sondern wird auch dem selbständigen Forscher täglich zur Hand sein, dem es durch die Betonung der physiologischen Fragen von besonderem Wert ist.

Der Verfasser hat sich bemüht, das Buch auf die Höhe der Zeit zu bringen, was an den Literaturzitaten überall zu erkennen ist. Leider macht es sich aber doch be- merkbar, daß er der mikrobiologischen Arbeit seit längerer Zeit ferner steht. Viel Über- flüssiges wäre zu streichen. Methoden, die sich nirgends eingeführt haben (Schoutens Isolierapparat, Spitta- und Müller’s Spritzmethode, Barbers Isolierpipette) sind ausführlich beschrieben, der Ausstrich auf der Agarplatte mit Öse oder Glasspatel durch den heute fast alle Bakterienreinkulturen hergestellt werden, ist nicht erwähnt. Kochs Verdünnungsmethode ist nicht an die Gelatine gebunden, sondern kann auch mit Agar ausgeführt werden. Die Herstellung von Kieselgallerte ist viel bequemer geworden. Die Angaben über Zyanophyceen sind mehrfach irreleitend u. s. f. Es wäre zu wünschen, daß eine neue Auflage sich noch mehr als bisher der Hilfe sachverständiger Spezial- forscher zu erfreuen hätte, damit dieses so vorzüglich angelegte Werk die fortschreitende Wissenschaft nicht im Stich läßt. E. G. Pringsheim-Dahlem.

H. Molisch: Mikrochemie der Pflanze. 2. Aufl. 434 S. mit 135 Abb. im Text. Jena 1921, brosch. M. 58.—, geb. M. 68.—.

Die erste Auflage dieses Werkes ist in acht Jahren vergriffen worden, trotzdem der Krieg dazwischen kam und die Ausfuhr verboten war und trotzdem die gleichzeitig erschienene Pflanzenmikrochemie von Tunmann dieselben Zwecke verfolgte. Darin kann wohl der Beweis dafür gesehen werden, daß es in ganz vorzüglicher Weise seiner Aufgabe gerecht wurde. Tatsächlich hat es sich in zahlreichen Laboratorien bei täg- licher Benutzung immer bewährt und der mikrochemischen Forschung einen Don gar nicht abzusehenden Anstoß gegeben.

In der Zwischenzeit hat der Verfasser nicht nur eine ganze Anzahl neuer mikro- chemischer Mitteilungen veröffentlicht, sondern auch die von anderen Forschern an- gegebenen Methoden fortlaufend nachgeprüft. Das kommt der neuen Auflage sehr zu- gute, die außerdem die Ergebnisse Willstätters über Pflanzenfarbstoffe als wichtigsten neuen Bestandteil enthält und auch die stark in Fluß befindliche Gerbstofforschung verwertet. |

Gerade die durch ein solches Werk ermöglichte leichte Übersicht über das Er- reichte zeigt allerdings, daß wir heute noch die wichtigsten Pflanzenstoffe, wie z. B. ge- löste Kohlehydrate und Aminosäuren, sowie viele andere, entweder gar nicht mikrochemisch nachweisen oder doch nicht in der Zelle lokalisieren können. Von weiteren Fortschritten auf diesem Gebiete wird die Erforschung des Stofftransportes und anderer wichtiger Fragen abhängen. Möge es dem Verfasser vergönnt sein in einer späteren Auflage Erfolge in dieser Richtung zu buchen. E. G. Pringsheim-Dahlem.

_— = Junge & Sohn, Univ.-Buchdruckerei, Erlangen

- Biologisches Zentralblatt

Begründet von J. Rosenthal Herausgabe und Redaktion: Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. C. Correns Prof. Dr. R, Goldschmidt und Prof. Dr. OÖ. Warburg

in Berlin Verlag von Georg Thieme in Leipzig Anzeigen-Annahme: Hans Pusch, Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 28

42. Band. März 1922. Nr. 3

ausgegeben am 1. März 1922

Der jährl. Abonnementspreis (12 Hefte) beträgt innerhalb Deutschlands 50 Mk. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

Den Herren Mitarbeitern stehen von ihren Beiträgen 30 Sonderabdrucke kostenlos zur

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Inhalt: H. Eidmann, Die Einwirkung der Überreife auf Eier von Rana temporaria. Mit4 Abb. 8. 97. M. A. v. Herwerden, Der Einfluß der Nebennierenrinde des Rindes auf Gesundheit und Wachstum verschiedener Organismen. 8. 109. G. v. Ubisch, Abweichungen vom mechanischen Geschlechtsverhältnis bei Melandrium dioieum. S. 112. A. Horn, Der Schwimmblasenapparat bei Cobitis. Mit 2 Abb. S. 118. L. Eissele, Histologische Studien an der Schwimmblase einiger Süßwasserfische. Mit 5 Abb. S. 125. t R. Vogel, Über die Topographie der Leuchtorgane von Phausis splendidula Leeonte. S. 138. A. U. E. Aue, Besitzt der Falter von Arectia caja die Fähigkeit zu leuchten? S. 141. G. Jegen, Entgegnung. 8. 143. Referate: F. Alverdes, Rassen- und Artbildung. S. 143, Weitere Referate. S. 144.

Die Einwirkung der Überreife auf Eier von Rana temporaria. Von Dr. Hermann Eidmann,

Assistent am zoologischen Institut der Universität München. Mit 4 Abbildungen.

Die Untersuchungen Richard Hertwigs über die Geschlechts- bestimmung bei Fröschen führten zu dem Ergebnis, daß Überreife der Eier die Bildung des männlichen Geschlechts befördert. Je größer der Abstand zwischen der ersten, normalen und der nächstfolgenden Befruchtung gewählt wurde, desto mehr verschob sich das Sexual- verhältnis zugunsten der Männchen. Schließlich gelang es Kuscha- kewitsch, durch eine Eierüberreife von 89 Stunden, den Prozentsatz der Männchen von 53 auf 100 zu steigern. Da die Sterblichkeit in seiner Kultur 4—6%, nicht überschritten hatte, ist auch der früher wiederholt gemachte Einwand hinfällig geworden, es möchte das ver- schiedene Resultat der einzelnen Befruchtungen durch die größere

42. Band f:

98 H. Eidmann, Die Einwirkung der Überreife auf Eier von Rana temporaria.

Sterblichkeit der Weibchen hervorgerufen sein. Dadurch ist erwiesen, daß Überreife der Eier, sobald sie ein gewisses Maß erreicht hat, zu einer rein männlichen Nachkommenschaft führt. Es gelang Hertwig auch, den Nachweis zu führen, daß gealtertes, überreifes a keinerlei Einfluß auf das lan. hat. Die Überreife macht also ihren Einfluß lediglich bei den Eiern geltend, und diese müssen eine Veränderung erleiden, die ihnen die Tendenz zur Bildung männ- licher Individuen verleiht. Es [ragt sich nun, ob das Plasma oder die Kernsubstanz der Eier in erster Linie durch diese Beeinflussung betroffen werden. Hertwig nahm anfangs das letztere an und dachte daran, daß die Richtungskörperbildung durch die Überreife beeinflußt würde. Daß eine solche Beeinflussung möglich ist, geht aus der Beobachtung hervor, daß auch bei hochgradig überreifen Eiern der 2. Richtungskörper. erst nach der Befruchtung, resp. nach der Ent- leerung ins Wasser abgeschnürt wird. Zur Erklärung, in welcher Weise die Ki kiunzekhrnerlaktin unter dem Einfluß der Überreife vor sich geht, wäre es nötig, zu wissen, ob beim Frosch das männ- liche oder weibliche Pesaeehe ren ist. Leider sind wir aber bis jetzt noch nicht genau über die Chromosomenverhältnisse bei den Fröschen orientiert. Hertwig hat daher für beide Fälle eine Erklärung zu geben versucht, die ıch wiederholen möchte.

Am een würde sich die Wirkungsweise der Überreife bei Annahme einer Heterogametie des weiblichen Geschlechts erklären lassen. Es würden dann unter normalen Verhältnissen gleichviel Eier mit und ohne x-Chromosom gebildet werden. Die Spermatozoen würden dagegen alle von der gleichen Konstitution sein und das x-Chromosom besitzen. Bei der Befruchtung ergäben die Eier mit x 50%, homo- gamete Männchen, die Eier oh x würden 50 %, heterogamete Weibchen liefern. Diese letzteren würden bei den Überreifekulturen fehlen. Nehmen wir nun an, daß die Überreife den Verlauf der Reifeteilungen in der Weise modifiziert, daß das Chromosomensortiment ohne das x-Element in den Richtungskörper gerät und damit eliminiert wird, so blieben nur noch Eier mit x-Chromosom übrig, dıe dann eine rein männliche, homogamete Nachkommenschaft ergeben würden.

Nun hat es sich aber herausgestellt, daß alle Wirbeltiere, deren Spermiogenese bisher genauer untersucht wurde, im weiblichen Ge- schlecht homogamet, im männlichen heterogamet sind. Es liegt kein Grund vor, für die Frösche das Umgekehrte anzunehmen. Dann ist die Chromosomenformel des Männchens, wenn wir alle Autosomen durch einen Strich ausdrücken —x—0o, die des Weibehens —x—x. Die Eier würden also alle das x-Element enthalten, die Spermatozoen jedoch nur zu 50%, während die andere Hälfte durch Fehlen des x-Chromo- soms ausgezeichnet wäre. Eine normale Befruchtung würde also den alten Bestand, 50%, homogamete Weibchen und 509%, heterogamete Männchen herstellen. Wenn nun aber die Überreife den Ablauf der Reifeteilungen in der Weise beeinflussen würde, daß die beiden x-Ele-

H. Eidmann, Die Einwirkung der Überreife auf Eier von Rana temporaria.. 99

mente mit den Richtungskörpern ausgestoßen würden, dann würden nur Eier von der Formel —o entstehen. Diese ergäben bei der Be- fruchtung 50%, Individuen mit der Chromosomenformel —x—o und 50% mit der Formel -—-o o. Erstere wären normale, heterogamete Männchen, die letzteren dagegen Individuen, wahrscheinlich Männchen, deren Chromosomenbestand durch gänzliches Fehlen des x-Elementes ausgezeichnet wäre. Es fragt sich, ob solche Tiere überhaupt lebens- fähig wären.

Sollte eine dieser beiden Hypothesen sich bewahrheiten, so hätten wir hier keine Geschlechtsumstimmung vor uns. Es wäre vielmehr eine Verschiebung des Geschlechtsverhältnisses dadurch, daß nur eine (Gametensorte ausgebildet wırd, während die andere (in unserem Fall wäre es der Richtungskörper) zugrunde geht, wie es in ähnlicher Weise bei den Aphidenmännchen der Fall ıst, Es müßten also von vorn- herein in den Überreifekulturen nur Männchen auftreten, ohne daß es zur Ausbildung indifferenter Formen käme, wie sie normalerweise bei Fröschen häufig vorkommen. Sollte es aber gelingen, in Über- reifekulturen indifferente Formen nachzuweisen, die sich erst nach- träglich in Männchen verwandeln, so würde das viel eher für eine, durch die Überreife veranlaßte Umstimmung des Geschlechtes sprechen, die durch Beeinflussung des Protoplasmas hervorgerufen ist. Wie ich von Herrn Geh. Rat v. Hertwig persönlich erfahren habe, ist er selbst von seiner früheren Ansicht auf Grund seiner Experimente ın den letzten Jahren zurückgekommen. Er hatte die Güte, mir sein unver- öffentlichtes Manuskript zur Verfügung zu stellen und faßt darin die Resultate seiner Untersuchung mit folgenden Worten zusammen.

„1. Die Überreife beschleunigt die Differenzierung der Hoden. Während es bei der Normalkultur noch über die Zeit der Metamor- phose hinaus nicht möglich war, mit Sicherheit Männchen und Weibchen zu unterscheiden, ıst es bei Überreife schon auf einem frühen Stadium möglich, wenigstens für die Hälfte der Kultur typische Hoden nach- zuweisen. Dies entspricht einer Erfahrung, die ich wiederholt gemacht habe, daß bei normal gezüchtetem Froschmaterial die eine Hälfte der Individuen schon Hoden hatte, die andere Hälfte, offenbar die Hälfte, welche bestimmt war, Weibehen zu liefern noch Indifferenz der ae aufwies.

. Die Resultate der besprochenen Kultur widerlegen die früher von mir vertretene Deutung von der Wirkung der Überreife; daß die- selbe Veränderungen ın de Verlauf der Eirifs bedinge, daß die Weibchen das heterogamete Geschlecht repräsentieren, daß bei der Eireife das Geschlechtschromosom ın den Richtungskörper gerate und daher nur Männchen erzeugende Eier gebildet werden.“

Da Hertwigs Versuche sich nur auf Aana esculenta beziehen, ver- anlaßte er mich in diesem Frühjahr, die Verhältnisse bei ik, tem- poraria zu untersuchen.

400 H. Eidmann, Die Einwirkung der Überreife auf Eier von Rana temporaria.,

Ehe ich über die Ergebnisse meiner Versuche berichte, möchte ich der Darstellung der Methoden einen breiteren Raum. widmen, da sich Rana temporaria ın vieler Beziehung als schlecht geeignet für Überreifeexperimente erwies. Schuld daran war wohl nicht allein das Objekt, sondern auch das schlechte Material, das mir zur Verfügung stand, und die ungünstigen Witterungsverhältnisse, die gerade ın diesem Jahr während der Laichzeit geherrscht haben. Die Frösche, die ich zu meinen Versuchen benutzte, stammten zum größten Teil aus der Gegend von Röhrmoos, einem kleinen Orte bei Dachau, nördlich von München. Sie wurden in copula gefangen und getrennt transportiert. An Ort und Stelle angekommen wurden sie in einen großen Behälter zusammengesetzt, wo sich dann ın kurzer Zeit wieder Copulae bildeten, die sofort isoliert wurden. Eın großer Fehler war es, daß ich mir das Material durch einen Froschfänger besorgen ließ, der die Tiere wahrscheinlich getrennt und zum Teil einige Zeit auf- bewahrt hatte, ehe er sie brachte. Dadurch war die Möglichkeit einer Überreife schon von vornherein gegeben, da man sich auf gegenteilige Angaben nicht verlassen kann.

Etwa ein Drittel meines Materials bestand aus Tieren,. die im Institut überwintert hatten. Da Rana temporaria das Laichgeschäft beginnt, ohne vorher Nahrung aufgenommen zu haben, so waren diese Frösche für Überreifeversuche noch besser geeignet, als die im Freien gefangenen, da bei ihnen der Zeitpunkt der Bildung der Copula genau festgestellt werden konnte.

Die ersten Copuläae wurden am 8. März gefangen. Die Laichzeit erreichte ihren Höhepunkt zwischen dem 13. und 18. März, um gegen Ende des Monats aufzuhören. Die Pärchen wurden in viereckigen Glasbehältern isoliert, die etwa handhoch mit Wasser gefüllt waren. Um den Tieren Gelegenheit zu geben, aufs Trockene zu gehen, wurden die Gefäße schräg gestellt, oder einige Ziegelsteine eingelegt. Das Wasser .wurde stets nach einigen Tagen durch neues ersetzt, das schon Zimmertemperatur angenommen hatte. Das Zimmer, in dem die Aquarien aufgestellt waren, wurde möglichst vor Beunruhigung ge- schützt, die Gefäße eventuell mit Tüchern zugehängt. Da Rana tem- poria im Gegensatz zu Rana esculenta die Eier in sehr kurzer Zeit absetzt, war eine sehr genaue Kontrolle erforderlich. Trotzdem ge- lang es nicht immer, den Moment der Eiablage zu erwischen und die Tiere zu trennen. Zu dieser Schwierigkeit gesellte sich noch der Um- stand, daß die Frösche meist des nachts ablaichten. Von den 42 Pärchen, die ich zu meinen Versuchen benutzte, laichten nur 13 am Tage, 26 in der Nacht, und 3 Copulae gingen auseinander, ohne die Eier ab- gesetzt zu haben. Es war daher erforderlich, den Überwachungsdienst auch auf die Nacht auszudehnen. War es schließlich gelungen, ein Pärchen im geeigneten Moment, nachdem eine kleine Portion Eier abgelegt war, zu trennen, so ergab sich erst die Hauptschwierigkeit. Das Weibchen legte nämlich fast stets, auch ohne Copula, den Rest

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der Eier, der sich noch ım Uterus befand, allein ab. Um dies zu verhindern, setzte ich späterhin die Weibehen nach der Trennung in trockene Gefäße und stellte diese in fließendes Wasser von 10° C. Durch die Kälte und Trockenheit dachte ich, die weitere Eiablage zu verhindern. Aber auch das gelang meistens nicht, und als ich die Tiere zur Vornahme der künstlichen Befruchtung tötete und öffnete, in der Hoffnung, es sei noch eine Portion Eier im Uterus zurück- geblieben, da sah ich mich auch hier enttäuscht. Es gelang mir auch niemals, ein getrenntes Pärchen zu einer zweiten oder gar dritten Copula zu veranlassen und so Überreifekulturen mit natürlicher Befruchtung zu erzielen, was Hertwig bei Rana esculenta wiederholt erfolgreich gemacht hatte. Meine Überreife- kulturen wurden daher auf dem Wege der künstlichen Befruchtung erhalten. Wie diese ausgeführt wird, ist bereits von Richard Hertwig ausführlich beschrieben worden. Zur Bezeichnung der verschiedenen Kulturen benutzte ich farbige Glasperlen, eine Methode, die von Hertwig eingeführt wurde, und die sich als ganz außerordentlich praktisch erwiesen hat. Die Aufzucht der Larven erfolgte in der alt- bewährten Weise, wie ich sie früher schon geschildert habe. Konser- viert wurden die Tiere in Sublimat-Eisessig und in 70%, Alkohol auf- bewahrt. Diese Fixierung war auch für die mikroskopische Unter- suchung der Gonaden, die nach den bekannten Methoden erfolgte, ausgezeichnet.

Die Dauer der Copula variiert ziemlich, soll jedoch keinen Ein- fluß auf das Sexualverhältnis haben. Meist währte sie 4—6 Tage. Eine Copula trennte sich nach 5 Tagen ohne abgelaicht zu haben. Als ich däs Weibchen öffnete, waren die Eier noch im Ovar. Ein anderes Pärchen ging nach 7tägiger Copula auseinander. In der folgen- den Nacht laichte das Weibchen allein ab. Der Laich verdarb natür- lich, da er nicht befruchtet war. Die Untersuchung des Weibchens ergab, daß es völlig abgelaicht hatte, kein einziges war noch ım Uterus oder Ovar. Diese Beobachtung zeigt, daß bei Rana temporaria die Eier, wenn sie erst einmal in den Uterus übergetreten sind, auch ın der Regel ohne Mitwirkung des Männchens ee, worden! eine Tatsache, ni wie ich schon bemerkte, das A u un von Über- reife außeror dentlich erschwerte.

Das Ablaichen erfolgt, wie ıch bereits erwähnt habe, in verhält- nısmäßig kurzer Zeit. Wie lange es dauert, darüber kann ich keine genauen Angaben machen, da es mir darauf ankam, die Pärchen während der Eiablage zu trennen. Auch werden die Eier nicht ın verschiedenen kleinen Portionen abgesetzt, wıe bei Rana esculenta, sondern in einem einzigen, großen, formlosen Ballen. Dieser sinkt zuerst unter, um später, wenn die Gallerte gequollen ist, an die Ober- fläche emporzusteigen. Es kommt nun häufig vor, daß in dem kom- pakten Laichklumpen die Gallerte der im Innern gelegenen Eier nicht aufquillt, oder doch nicht in dem Maße, wie ın den Randpartien, so

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daß in dem Eiballen ein fester Kern aus dicht nebeneimanderliegen- den Eiern bestehen bleibt. Auch die Entwicklung geht im Innern in der Regel viel langsamer vor sich, als in den äußeren Partien, woran zweifellos die geringere Sauerstoffversorgung schuld ist.

In einer Kultur waren die Eier, die am 13. III, abgelaicht waren, sämtlich gut orientiert, also befruchtet. Am 16. III. hatten sich die an der Oberfläche gelegenen Eier zu dreiteiligen Embryonen entwickelt, während ım Innern des Ballens erst großzellige Blastulae vorhanden waren. Am nächsten Tag waren jene schon ausgeschlüpft, während diese noch auf dem Stadium der kleinzelligen Blastula standen. Da- zwischen konnte man, je nach der Lage, alle embryonalen Entwick- lungsstadien verfolgen. Schließlich starb ein Teil der ungünstig ge- legenen Eier, vielfach schon auf ziemlich vorgerücktem Entwicklungs- stadium ab. Daß diese Verhältnisse auch in der Natur die Regel zu sein scheinen, konnte ich selbst im Freien vielfach beobachten. Auch Laichballen, die im Freien eingesammelt waren, entwickelten sich im Laboratorium in der geschilderten Weise. Man kann aber die Ent- wicklung gleichmässig gestalten, indem man mit einer Scheere den Laichklumpen in kleine Portionen zerschneidet.

Trotz meines großen Ausgangsmaterials erhielt ich im Ganzen nur 2 Überreifekulturen. Die erste, die ich als Kultur I bezeichnen will, stammte von einem Pärchen aus Röhrmoos. Die Copula wurde am 13. III. isoliert. Am 17. III. 4 Uhr nachmittags wurden die Tiere getrennt, nachdem sie einen kleinen Laichballen abgesetzt hatten. Von den Eiern dieser ersten, normalen Befruchtung schlüpften etwa 40%, aus, die zur Aufzucht verwendet wurden.

Das Weibchen wurde sofort nach der Trennung in Kälte (10° C) und Trockenheit gebracht. Trotzdem laichte es noch eine Anzahl Eier allein ab. "Als ich es am 20. III. 11 Uhr vormittags tötete, waren aber noch genügend Eier im Uterus, um die künstliche Befruchtung vorzunehmen. Von diesen gelangten etwa 20%, zur Entwicklung und weiteren Kultur. Die Überreife betrug 67 Stunden.

Die Kultur II. nimmt ihren Dicprene von 2 Institutstieren, die am 21. III. kopuliert hatten. Am 24. III. wurden sie beim Ablaichen getrennt. Von den Eiern, die sie bereits abgesetzt hatten, entwickelten sich etwa 30%. Auch hier laichte das Weibchen trotz der beschriebenen Vorsichtsmaßregeln noch eine Menge Eier allein ab. Als ich es am 29. III., genau 5 Tage (120 Stunden) nach der Trennung tötete, waren im Uterus nur noch relativ wenige Eier zur künstlichen Befruchtung zurückgeblieben. Diese, es waren 173, ergaben 62 Kaulquappen, also 26%, und von diesen gelangten nur 14 zur Metamorphose. Die Sterb- lichkeit in der zweiten Überreifekultur war also sehr groß, durch die lange Überreife von 120 Stunden war die Entwicklungsfähigkeit schon erheblich geschädigt.

Kar den an beschriebenen Kulturen zog ich noch 6 weitere auf, die aus normalen Befruchtungen hervorgegangen waren, um über

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H. Eidmann, Die Einwirkung der Überreife auf Eier von Rana temporaria. 103

die Sexualverhältnisse im allgemeinen, besonders über das Auftreten indifferenter Formen besser orientiert zu sein.

Die einwandfreie Feststellung des Geschlechts der Fröschchen während oder kurz nach der Metamorphose ist außerordentlich schwierig. Die äußere Gestalt der Gonaden ist durch das Auftreten zahlreicher Übergangsformen sehr variabel, so daß man oft zwischen Indifferenz einerseits und weiblich oder männlich andererseits schwankt. Hier liefert auch die mikroskopische Untersuchung nicht immer einwand- freie Resultate. Nur lange Übung kann schließlich zu einem einiger- maßen sicheren Urteil führen. Hier sei noch eine Beobachtung von Witschi erwähnt, die ich bestätigen und die manchmal in Zweifels- fällen den Ausschlag geben kann. „Es ist eine Eigentümlichkeit der Hoden von Rana temporaria, daß unter dem sie umhüllenden Perito- neum Pigmentzellen auftreten können. Ihr Vorkommen ist aber leider sehr unkonstant, sonst würde die Bestimmung des Geschlechts eine leichte Sache sein; denn diese Pigmentzellen, welche durch das Peri- toneum durchscheinen, lassen sich nie in Ovarıen beobachten.“

Abb. 2.

Abb. 1.

Abb. 1. Indifferente Gonade. Abb. 2. Typischer Hoden, pigmentiert.

Über die äußere Gestalt der Geschlechtsdrüsen läßt sich folgen- des sagen. Als indifferent haben sich die Tiere mit langgestreckter, leistenförmiger Gonade erwiesen, die nur eine geringe Dicke hatte. Sie zeigten niemals die perlschnurartige Ausbildung, die bei Rana esculenta als charakteristisch für den indifferenten Zustand beschrieben wird und hier durch das Auftreten zentraler Hohlräume, die blasen-

104 H. Eidmann, Die Einwirkung der Überreife auf Eier von Rana temporaria.

artige Hervorwölbungen des Keimepithels verursachen, hervorgerufen wird. Die mikroskopische Untersuchung zeigte, daß die Hohlräume klein und spaltförmig waren, so daß dadurch an der äußerlich glatten und gleichmäßigen Oberfläche der Gonade nichts geändert wurde. (Abb. 1.) Die Tendenz zur Bildung von Männchen machte sich be- merkbar in einer Konzentration der Gonadenmasse cranialwärts und Neigung zur Ausbildung des typischen, spindel- oder keulenförmigen Hodens, der, wie erwähnt, prigmentiert sein kann, und dann sicher als solcher anzusprechen ist. (Abb. 2.) Die Ovarien waren entweder dick und walzenförmig, mit glatter Oberfläche (Abb. 3), oder sie waren gelappt und gefaltet und mit Einschnürungen versehen (Abb. 4). Die erste Form stellt einen besonderen Typus dar, auf den ich später noch zurückkommen werde. Ich möchte noch erwähnen, daß die rechte Gonade der linken meist ın der Entwicklung voraus ist, wie dies auch für Rana esculenta beschrieben wird. Besonders gut läßt sich das bei in Umwandlung begriffenen Formen beobachten. Hier war manchmal die rechte Keimdrüse schon zum typischen Hoden entwickelt, während die linke noch den indifferenten Charakter bewahrt hatte.

Abb. 4.

Abb. 3. Walzenförmiges Ovar, Kultur VI-VIII. Abb. 4. Typisches gelapptes Ovar. Vergr. 15:1], Zeichenapparat Abbe.

In der folgenden Tabelle gebe ich eine Übersicht über die Sexual- verhältnisse in den beiden Überreifekulturen.

H. Eidmann, Die Einwirkung der UÜberreife auf Eier.von Rana temporaria. f 8

NZ ee 1 Be Ho

N ..2 009 m ad VRR

Die Zahlen I und II bezeichnen die beiden Kulturen, die ara- bischen Ziffern die zwei Befruchtungen, zwischen denen der jeweilige Grad der Überreife in Stunden angegeben ist. In der ersten Befruch- tung der Kultur I herrscht ein eaeh normales Sexualverhältnis. Wir haben nur einen geringen Überschuß an Männchen. In der zweiten Befruchtung an die Zahl der Männchen, wie zu er- warten war, ganz beträchtlich, aber auch die indifferenten Formen sind ne bedeutend zahlreicher geworden. Ihre Zahl ist von 5%, auf 39%, der Gesamtzahl angewachsen. Diese Tatsache könnte so erklärt werden, daß die Männchen der Überreifekultur aus indiffe- renten Tieren durch Umwandlung entstehen. Wir hätten es hier also mit solchen, in Umwandlung begriffenen Formen zu tun, die dem- entsprechend zahlreicher als in der Normalkultur sein müssen. Auch das häufige Auftreten von Tieren, deren rechte Keimdrüse schon zum Hoden entwickelt war, während die linke noch indifferenten Charakter hatte, zeigt, daß in der Kultur eine intensive Umbildung zu Männchen im Gange war. Ganz besonders überzeugend spricht aber für diese Ansicht ein Vergleich der verschiedenen, zeitlich aufeinander folgen- den Abtötungen in der Überreifekultur, die in der nächsten Tabelle zusammengestellt sind.

fixiert ® er VE 2 4 4 26.28. V.|| 0 De 30.31. 7.0 ae AO

Es ist hier ohne weiteres ersichtlich, daß die Zahl der Indiffe- renten mit dem Alter der Kultur zugunsten der Männchen abnımmt. Es tritt also zweifellos eine Umwandlung von Formen mit ursprüng- lich weiblicher Tendenz in Männchen ein, so daß schließlich die ganze Kultur männlich wird. Den Anstoß zu dieser metagam erfolgenden Umbildung liefert offenbar die Überreife. Ich will noch erwähnen, daß die zwei Weibchen der ersten Abtötung Gonaden besaßen, die ich äußerlich für Ovarien hielt. Die mikroskopische Untersuchung zeigte aber, daß sie in Umbildung zu Hoden begriffen waren, so daß sie auch in die Rubrik Indifferente eingereiht werden könnten.

{06 H. Eidmann, Die Einwirkung der Überreife auf Eier von Rana temporaria.

Die Kultur II hat von vornherein stark indifferenten Charakter, der sich in der großen Zahl indifferenter Formen in der ersten Be- fruchtung ausprägt. Die Zahlen sınd jedoch so gering, daß es nicht richtig wäre, weitere Schlußfolgerungen daraus zu ziehen. Sie wider- sprechen jedoch nicht meiner oben geschilderten Ansicht, denn die beiden Männchen der 2. Befruchtung gehören der letzten Abtötung an. Daß so viele Indifferente vorhanden sind, erklärt sich vielleicht daraus, daß die erste Abtötung, die nur Zwitter enthielt, früher er- folgte, als bei Kultur I. Die Umbildung war also noch nicht so weit fortgeschritten wie ın der 1. Kultur.

Der Nachweis indifferenter Formen in meinen Überreifekulturen und die allmähliche Abnahme derselben zeigt, daß das Geschlecht nicht durch Ausbildung nur einer Gametensorte von vornherein un- verrückbar bestimmt ist. Vielmehr haben wir hier eine metagame Umstimmung des Geschlechts vor uns, wie sie auch anderwärts ım Tierreich schon beobachtet wurde. Ich denke dabei an die Verhält- nisse bei Bonellia viridis. Auch hier treten gewissermaßen indifferente Formen auf, die sowohl die Möglichkeit haben, sich zu Männchen wie zu Weibchen zu entwickeln. Je nachdem, ob sich die Larven am Rüssel der Mutter festsetzen oder nicht, entstehen männliche oder weibliche Tiere. Hier wird also die ursprünglich weibliche Tendenz durch den Übergang zur parasitischen Lebensweise metagam abgeändert. Bei den Fröschen wird die weibliche Entwicklungsrichtung in dem gleichen Sinne durch die Überreife umgestimmt. Die Überreife be- einflußt direkt nur die Geschlechtsprodukte und zwar, wie aus früheren Untersuchungen Hertwigs hervorgeht, lediglich die Eier. Wir können nun die weitere Einschränkung machen, daß nur das Protoplasma des Eies und nicht die Kernsubstanz betroffen wird. Hiermit läßt sich auch sehr gut die Tatsache vereinigen, daß gealtertes Sperma keinen Einfluß auf das Sexualverhältnis hat. Das Spermatozoon besitzt so gut wie kein Protoplasma, kann also auch nicht einer Einwirkung auf das Protoplasma unterliegen, zumal da die geringe Plasmamenge des Samens bei der Entwicklung keine Rolle spielt. Wenn wir nun die Annahme machen, daß bei den Fröschen, wie bei den anderen Amphibien und den bisher untersuchten Wirbeltieren überhaupt, das männliche Ge- schlecht heterogamet ıst, also nur ein x-Chromosom besitzt, so muß bei der Umwandlung ursprünglich weiblicher Tiere in Männchen, metagam, das zweite Heterochromosom zugrunde gehen. Offenbar wird der Chromosomenapparat in diesem Sinne sekundär durch das von der Überreife beeinflußte Protoplasma korrigiert.

Hertwig, dessen Untersuchungen an Rana eseulenta zu dem gleichen Ergebnis geführt haben, schreibt hierüber in dem bereits erwähnten Manuskript:

„Dieses Verhalten (die Umstimmung des Geschlechts: der Frösche) erinnert an die Vorkommnisse, die wir für manche hermaphrodite Tiere kennen, bei denen zunächst homogamete Weibchen entstehen,

H. Eidmann, Die Einwirkung der Überreife auf Eier von Rana temporaria. 107

bei denen im Lauf der Entwicklung die Möglichkeit Hoden zu er- zeugen dadurch geliefert wird, daß in einem Teil der Geschlechtszellen das eine von den beiden x-Chromosomen in Verlust gerät. Und so möchte ich das Verhalten auch deuten. Ich nehme an, daß das männ- liche Geschlecht bei den Fröschen heterogamet ist, wie es auch, wenn auch auf Grund nicht ganz einwandfreier Beobachtungen für Frösche, wie auch für andere Amphibien und Wirbeltiere überhaupt behauptet wird. Demgemäß müssen beı der Befruchtung zweierlei Eier zu gleichen Teilen entstehen, sogenannte Männcheneier mit einem x-Ohromosom und Weibcheneier mit 2 x-Chromosomen. Letztere erfahren ım Lauf der Entwicklung eine Umstimmung, sei es, daß das 2. x-Chromosom ganz rückgebildet oder in seiner Wirkung abgeschwächt wird. Ich halte es für wahrscheinlich, daß die Einflüsse, welche die Umstimmung des Chromosomenapparats bedingen, vom Protoplasma ausgehen, wie das ja auch für Hermaphrodite gilt, und nicht nur für diese, sondern auch für Tiere, wie die Daphniden, Aphiden, bei denen im Laufe ihrer Generationsfolge ebenfalls eine geschlechtliche Umstimmung, ein Über- gang vom weiblichen zum männlichen Geschlecht sich vollzieht.“

Wie sich nun die Wirkungsweise der Überreife auf das Proto- plasma des Eies zu denken ist, darüber kann ich keine Angaben machen, zumal da Untersuchungen hierüber am hiesigen Institut im Gange sind, die vielleicht Aufklärung bringen werden.

Kultur Sexualverhältnis Ursprung

II.| 379 3J 42 5‘ | Röhrmoos IV. 92 8J 26 d‘ | Röhrmoos v.| 19 309 8 Jg | Röhrmoos ER ISSROIHIARL | Institut vl. 16 2 _ | Röhrmoos

vIm.| 30@ 19 15% | Röhrmoos

Ehe ich schließe, möchte ich noch auf die Sexualverhältnisse ın den andern, normalen Froschkulturen eingehen, da sich einige Betrachtungen daran knüpfen lassen. In obiger Tabelle habe ich die darauf bezüglichen Zahlen zusammengestellt. Es handelt sich dabei um ausgebildete Fröschehen kurz nach der Metamorphose.

Kultur III hat ganz normalen Charakter und entspricht in ihrem Sexualverhältnis ungefähr der ersten Befruchtung von Kultur I. Es waren nur 3 Indifferente vorhanden, alle andern waren gut differen- ziert, so daß die Bestimmung des Geschlechts keinerlei Schwierig- keiten machte. Sie weicht von den andern Kulturen insofern ab, als nur in ihr die typischen, gelappten Ovarien auftraten, von denen

10S H. Eidmann, Die Einwirkung der Uberreife auf Eier von Rana temporaria.

Abb. 4 eins darstellt. Die Kulturen IV und V zeichnen sich durch starken Überschuß an Männchen aus. Offenbar lag hier schon von vornherein Überreife vor, aus den anfangs erwähnten Gründen. Kultur V enthält fast nur Indifferente, während die letzten Kulturen ganz eigenartige Geschlechtsverhältnisse aufweisen. Sie sind durch auffallendes Uberwiegen der Weibeben ausgezeichnet. Kultur VII hatte sogar rein weiblichen Charakter. Die Ovarien dieser Tiere zeigten alle den eigenartigen Typus, wie er auf Abb. 3 dargestellt ist. Sie waren walzenförmig mit glatter Oberfläche. Hertwig beschreibt die gleichen Ovarien aus rein weiblichen Kulturen von Rana_ esculenta. Er konnte feststellen, daß solche Kulturen dann entstanden, wenn die beiderlei Geschlechtsprodukte, die zur Befruchtung kamen, die Neigung zur Indifferenz besaßen. Diese Beobachtung erlaubt den Rück- schluß, daß auch hier die Eltern Eier, resp. Samen mit indifferenter Tendenz erzeugten. Es hat sich nun herausgestellt, daß die Indifferenz nicht durch äußere Einflüsse während der Entwicklung hervorgerufen wird, sondern daß es Lokalrassen gibt, deren Nachkommenschaft den ın- differenten Charakter hat, und solche deren Nachkommen durch früh- zeitige sexuelle Differenzierung ausgezeichnet sind. Die Köhrmooser Frösche bilden demnach eine „indifferente“ Rasse und waren also in dieser Hinsicht günstig für meine Versuche.

Literatur. Eidmann, H., Über Wachstumsstörungen bei Amphibienlarven. Arch. f. Entw. Mechanik. Bd. 49, 1921. = Goldschmidt, R., Mechanismus und Physiologie der Geschlechtsbestimmung. Ber- "lin 1920. Hertwig, G., Das Sexualitätsproblem. Biol. Zentralbl. Bd. 41, 1921. R., Über das Problem der sexuellen Differenzierung. Verhdlg. d. Deutsch. Zool. Gesellsch. 1905. Weitere Untersuchungen über das Sexualitätsproblem. Verhdig.d. Deutsch. 7001. Gesellsch. 1906/07. Über den derzeitigen Stand des Sexualitätsproblems nebst eigenen Unter- suchungen. Biol. Zentralbl. Bd. 32. 1912. Kuschakewitsch, S., Über den Ursprung der Urgeschlechtszellen bei Rana escu- lenta. Sitz. Ber. math. phys. Kl. Kgl. Bayr. Akad. der Wissenschaften. Bd.38, 1908. Die Entwieklungsgeschichte der Keimdrüsen von Rana esculenta. ' Festschr. f. R. Hertwig, Bd. 2. Jena 1910. Schmitt-Marcel, W., Über Pseudo-Hermaphroditismus bei Rana temporaria. Arch. f. mikr. Anatomie, Bd. 72, 1908. Witschi, E., Uber Geschlechtsdifferenzierung bei Rana temporaria. Sitz.Ber. d. Gesellsch. f. Morphologie und Physiologie, München 1913. Experimentelle Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte der Keim- drüsen von Rana temporaria. Arch. f. mikrosk. Anatomie Bd. 85, Abt II, 1914. Studien über die Geschlechtsbestimmungen bei Fröschen. Archiv. f. mikrosk. Anatomie, Bd. 86, Abt. II.. 1914.

TR

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M. A. v. Herwerden, Der Einfluß der Nebennierenrinde des Rindes u. s.w. 109

Der Einflufs der Nebennierenrinde des Rindes auf Gesundheit und Wachstum verschiedener Organismen.

Von Dr. M. A. van Herwerden.

(Aus dem embryologischen-histologischen Laboratorium der Universität Utrecht.)

Während eines Versuchs über den Einfluß von Organextrakten auf die Fortpflanzung von Daphnia pulex beobachtete ich, daß die Nebennierenrinde des Rindes in minimaler Quantität dem Kultur- wasser zugesetzt die allgemeine Gesundheit, das Wachstum und die Fertilität dieser Cladoceren fördert, in einer Weise, wie weder ähnliche Quantitäten Schilddrüse, Hypophysis (pars anterior), noch Nebennierenmark zu tun vermögen. Ich habe seitdem in Versuchen bei Daphnia, bei Limnaes und ebenfalls im Frühling bei Kaul- quappen diesen Befund näher geprüft. Die ausführliche Arbeit mit photographischen Beilagen wird später erscheinen; ich möchte an dieser Stelle bloß eine kurze Übersicht über die Resultate meiner Arbeit geben.

Daphnia pulex').

Das Material eignet sich besonders gut zu Ähnlichen physiologi- schen Versuchen, weil Geschwister aus derselben Brut immer zur Verfügung stehen (seit 12 Jahre parthenogenetische Fortpflanzung im Laboratorium, also genotypisch identische Geschwister vom selben Alter).

Die Rinderorgane wurden frisch vom Schlachthaus bezogen, zer- hackt und im Brutofen bei einer Temperatur von 60° C. während 24 Stunden getrocknet; ca. 1 mgr. der getrockneten Substanz wird für den Versuch benutzt. Die Kontrollkultur enthält dieselbe Quan- tität Grubenwasser und eine ähnliche Quantität einzellige Algen?). Die Jungen einer Brut werden über die Versuchs- und Kontrollgläser ver- teilt, nach vorheriger Messung mit dem Okularmikrometer. Es ergab sich, daß in allen Versuchen Zusatz von 1—2 mgr. getrocknete Neben- nierenrinde zu 10—15 cm? Grubenwasser das Wachstum fördert, die Geschlechtsreife schneller eintreten läßt und die Ge- nerationen schneller einander nachfolgen läßt als in den Kontrollkulturen oder in den Nebennierenmarkkulturen der Fall war.

Bemerkenswert ist der Befund, daß schädliche Lebensumstände oft besser vertragen werden, falls der Kultur diese geringe Quantität Nebennierenrinde zugesetzt ist. Mehrzellige Fadenalgen werden z.B. sehr schlecht von Daphnia pulex vertragen; eine Depression tritt ein

1) Eine vorläufige Mitteilung über die Daphnia-Versuche erschien diesen Sommer in den „Verslagen der Koninklyke Academie der Wetenschappen“ Deel. XXIX, Nr. 9.

2) Weil die Nebennierenrinde das Wachstum der Algen fördert, wurde bei den länger währenden Versuchen darauf geachtet, daß diese Quantitäten übereinstimmend gehalten wurden.

410 M.A.v. Herwerden, Der Einfluß der Nebennierenrinde des Rindes u. s. w.

und ohne Erneuerung des Kulturwassers sterben die Daphnien ab. Zusatz von 1—2 mgr. Nebennierenrinde genügt, damit die Tiere in vollkommener Gesundheit in einem Konvolut von langfädigen Algen längere Zeit am Leben bleiben. Ja sogar Pilzmycelia, welche sonst die Daphnien schnell zugrunde richten, werden in den Nebennieren- rinde-Kulturen, wo Pilze oft üppig wachsen, gut vertragen, ohne daß die Tiere zugrunde gehen. Ich habe in dieser Weise während der Sommerferien die ungenügend gereinigten Daphnienkulturen am Leben gehalten.

Das Studium des Adrenalins hat längere Zeit die Bedeutung der Nebennierenrinde in den Hintergrund geschoben, bis von späteren Autoren z. B. von A. Biedl die letztere wieder hervorgehoben wurde. Neben dem Zusammenhang zwischen der Rinde und der Geschlechts- funktion ist ebenfalls auf die antitoxische Wirkung der Neben- nierenrinde hingewiesen. Wie Oobragift ın vitro von der Rindensub- stanz entgiftet wird, wäre es möglich, daß hier endogene toxische Substanzen von der Nebennierenrinde unschädlich gemacht werden.

Welcher Substanz der Nebenniere sind diese merkwürdigen Ein- flüsse zuzuschreiben? Das Adrenalin spielt hier jedenfalls keine Rolle, denn erstens ist das Nebennierenmark nicht oder viel weniger wirk- sam und zweitens fehlt der von mir bereiteten getrockneten Cortex die bekannte Adrenalinreaktion, welche mit dem getrockneten Mark sofort nachweisbar ist?).

Vorläufig läßt sich bloß sagen, daß diese wirksame Substanz der Nebennierenrinde löslich in Wasser ist und bei einer zweistündigen Erhitzung im Autoklav auf 110°—120° nicht vernichtet wird.

Limnaea ovata.

Als speziell für ähnliche Versuche geeignetes Material wurde auch die Süßwasserschnecke, Limnaea, gewählt. Es läßt sich näm- lich der gelatinöse Eiabsatz, den man im Frühjahr an Wasserpflanzen findet, in 2 oder mehrere Teile schneiden, welche man über ver- schiedene Gläser mit demselben Wasserquantum und übereinstimmender Algennahrung verteilt. Als Zusatz wurde jede 3 Tage 5— 10 mgr. getrocknete Substanz oder 1 cm’-extrakt (0,5 gr. in 50 cm? destilliertes Wasser) benutzt. Zusatz von Nebennierenmark hat in den meisten Kulturen schädlich gewirkt und die Embryonen oft schon vor dem Verlassen der Eihüllen zugrunde gerichtet.

Bloß in einem Markversuch haben die jungen Schnecken sich entwickelt, ohne ın erheblicher Weise bei der Rindenkultur zurück- zubleiben. Ich halte es nicht für unmöglich, daß es sich ın dem Fall um Beimischung von Rindernubstanz handelt; es ist nämlich äußerst schwer beim Herauspräparieren des Nebennierenmarks das- selbe immer frei von Rindengewebe zu erhalten ?).

3) Nämlich die Rosarotfärbung in wässeriger Lösung bei Anwesenheit von Sauerstoff. 4) Im Gegenteil läßt sich die Rinde gut ohne Markbeimischung präparieren.

M. A. v. Herwerden, Der Einfluß der Nebennierenrinde des Rindes u. s.w. 111

Der Größenunterschied der Rindekultur-Schnecken den Kontroll- schnecken (demselben Fiabsatz entnommen) gegenüber, ist ganz be- deutend, sowohl was die Schale als den Körper betrifft. Auch beı diesem Schneckenversuch ergab es sich wie bei Daphnia pulex, daß der wirksame Bestandteil wasserlöslich ist und sehr gut eine zwei- stündige Erhitzung auf 110—120° verträgt.

Es versteht sich, daß in allen Versuchen für übereinstimmende Temperatur, Beleuchtung und Nahrung gesorgt wurde. Auffallend war der bräunliche Darminhalt der mit Nebennieren mark -Zusatz behan- delten Schnecken, der hellgrünen Farbe bei den Rinde- und Kontroll- kulturen gegenüber, was sich schon beim lebenden Tiere durch die transparente Schale hindurch beobachten läßt °).

Rana esculenta.

Froschlarven einem selben Eiabsatz entnommen und Larven von 1cm Länge an derselben Stelle im Gruben (zu derselben Zeit) ge- fangen sind zu verschiedenen Versuchen von Ende April bis Juli benutzt. Als Nahrung wurde in allen Versuchen Fleisch und Hühner- eiweiß gegeben. Außerdem (ausgenommen in den Kontrollgläsern) dreimal wöchentlich der Zusatz von der getrockneten oder extra- hierten obenerwähnten Substanz. Bloß in einem Versuch, in welchem der Einfluß von ähnlichen Mengen getrocknete Hypophysis (pars anterior) und Nebennierenrinde verglichen wurde, (täglich 10 mgr.) habe ich keine sonstige animalische Nahrung zugesetzt.

Im allgemeinen läßt sich sagen, daß der geringe Nebennieren- rinde-Zusatz zu den Kulturgläsern die Tiere kräftiger und größer, auch lebhafter macht als die Kontrolltiere. Ebenfalls in den Hypo- physiskulturen befinden sich größere Kaulquappen als in den Kontroll- kulturen; es bleiben aber viel mehr Larven im Wachstum zurück als in der Nebennierenrindekultur, in welcher alle Exemplare. kräftig sind. Die Metamorphose wird weder von dem Hypophysis-, noch von dem Nebennieren-Zusatz bei diesen geringen Quantitäten beeinflußt °).

Von einer antitoxischen Wirkung der Nebennierenrinde, wie in den Daphnienkulturen, gibt es auch im Kaulquappenversuch eine An- deutung es fehlen aber noch diesen Punkt betreffend genügend Beweise.

Schnecken und Froschlarven wurden zu verschiedenen Zeiten zwecks mikroskopischer Untersuchung fixiert. Es versteht sich, daß bei den von mir untersuchten Invertebraten, denen so weit wir wissen”)

5) Diese Durchsichtigkeit gestattet sogar die Herzfrequenz bei den jungen, an der Glaswand haftenden Schnecken mit der Lupe zu zählen, während sie sich also in ihrer natürlichen Lage im Kulturglas befinden.

6) Schon bei einem Zusatz von 15 mgr. pro Woche (getrocknete Substanz) war der günstige Einfluß auf das Wohlbefinden der Larven bemerkbar.

7) Nach der Mitteilung von W. Harms (Arch. f. Entwickelungsmechanik Bd. 47, S. 308) über das Vorkommen eines mit dem Interrenalorgan der Fische vergleichbaren (Gewebes bei der Sipuneulide, Phycosoma Lanzarotae, wäre es allerdings geraten, jeden definitiven Ausspruch vorläufig zu vermeiden.

412 G.v.Übisch, Abweichungen vom mech. Geschlechtsverhältnis bei Melandrium dioieum.

die mit denjenigen der Vertebraten vergleichbaren endoerinen Drüsen abgehen einheitlichere Resultate zu erwarten sind, als bei den auch in dieser Hinsicht mehr komplizierten Froschlarven. Eine günstige Wirkung von geringen Quantitäten Nebennierenrinde, bei einer genügenden sonstigen Nahrung, läßt sich aber ohne Zweifel auch für die letzteren nachweisen.

Abweichungen vom mechanischen Geschlechtsverhältnis bei Melandrium dioicum.

Von 6. v. Ubisch, Heidelberg.

Durch viele Versuche an Tieren und Pflanzen ist bewiesen worden, daß sich das Geschlecht nach dem Mendelschema vererbt, wie es der Rückkreuzung eines einfach mendelnden Bastardes mit dem rezessiven Elter entspricht; also AaxXaa—= Aa--aa. Die Frage istnun die, welches der beiden Geschlechter das homogametische (aa), welches das hetero- gametische (Aa) ist. Bei den Tieren hat man beide Fälle feststellen können, bei den wenigen Versuchen mit Pflanzen hat sich bisher stets das männliche Geschlecht als heterogametisch erwiesen. Da die meisten Pflanzen Zwitter sind, ist es schwer, geeignete Versuchsobjekte zu finden. Den einwandfreien Beweis, daß die Geschlechtstrennung bei der Reduktionsteilung vor sich geht, haben Untersuchungen von Strasburger(1)an dem Lebermoose Sphaerocarpus terrestris gebracht, bei dem aus den vier Sporen einer zusammenhaftenden Sporen- tetrade je zwei männliche und zwei weibliche Pflänzchen hervorgehen. Bastardierungsversuche mit Bryonia und Melandrium(2) hatten schon ergeben, daß man es mit einer Sorte Eiern, aber’ zwei Garnituren Pollenkörnern, männchen- und weibehenbestimmenden, zu tun hat.

Nach diesem einfachen Vererbungsschema sollte man annehmen, daß das Zahlenverhältnis, in dem die beiden Geschlechter auftreten, stets 1:1 sein müßte, und aus allen Versuchen geht tatsächlich her- vor, daß dies der Fall ıst, wenn nicht Störungen irgend welcher Art eintreten, die das mechanische Geschlechtsverhältnis nachträglich ver- schieben. Ein Fall ist besonders genau darauf hin analysiert, nämlich die Abweichungen, die bei Melandrium dioicum auftreten. Es liegen da besonders große Zählungen vor; von Strasburger, der in der Nähe von Bonn unter 10662 Pflanzen 43,83%, Männchen fand, von G. H. Shull, in dessen Kulturen unter 11197 Pflanzen 43,13%, Männchen auftraten (3). Correns(4) hat nun zeigen können, daß diese Abweichungen vom mechanischen Geschlechtsverhältnis zum größten Teile dadurch bedingt sind, daß die weibchenbestimmenden Pollenschläuche eine etwas größere Wachstumsgeschwindigkeit auf ihrem Wege zu den Samenanlagen entwickeln als die männchen- bestimmenden. Da nun in der Natur fast stets mehr Pollenkörner auf

EN

G.v. Übisch, Abweichungen vom mech. Geschlechtsverhältnis b. Melandrium dioieum. 113

die Narben gelangen, als Samenanlagen vorhanden sind, werden mehr weibehen- als männchenbestimmende Pollenkörner die Befruchtung vollziehen.

In einem krassen Gegensatze zu diesem Resultate stehen die Versuche von Shull mit derselben Versuchspflanze, die er in seiner Arbeit: Sexlimited inheritance in ZLychnis dioica L.(5) veröffentlicht hat. Für diese Versuche möchte ich versuchen, hier eine Deutung zu geben.

Die Sachlage ist folgende: Shull kreuzt ein normales Melandrium album-Weibchen mit der von E. Baur(6) in der Nähe von Berlin gefundenen schmalblättrigen Mutante und erhält in F, lauter breit- blättrige Pflanzen, von denen 72 Männchen, 8 Weibchen waren. Kreuzte er nun die Geschwisterpflanzen untereinander, so erhielt er als F, 32 breitblättrige Weibchen, 11 breitblättrige Männchen und 7 schmalblättrige Männchen.

Aus diesen Zahlen schließt er, daß breitblättrig dominiert, daß das männliche Geschlecht heterogametisch ım Geschlechtsfaktor ist, und daß sich die Schmalblättrigkeit geschiechtsbegrenzt vererbt. Er nimmt als genetische Formel in bezug auf die beiden uns hier ıinter- essierenden Faktoren an, daß das breitblättrige normale Weibchen FBFB heiße, die schmalblättrige Mutante männlichen Geschlechtes Fbfb, (wobei die Bögen die absolute Koppelung zwischen dem Ge- schlechtsfaktor und der Blattbreite bedeuten) und schließlich, daß das gewöhnlich auftretende breitblättrige Männchen in der Blattbreite heterozygotisch sei, also FBfb heiße. (Hierbei bedeutet B breites, b schmales Blatt; FF den weiblichen Geschlechtsfaktor, Ff den männ- lichen. [Shull schreibt hier also für das weibliche Geschlecht FF, für das männliche Ff, während in Analogie zu unserem obengewählten Vergleich der Rückkreuzung mit dem rezessiven Elter das Männchen Mm, das Weibchen mm geschrieben werden müßte. Da es für unsere Ausführungen ohne Belang ist und den Vergleich mit der Shullschen Arbeit erleichtert, mag dessen Bezeichnungsweise beibehalten werden]).

Da auf diese Formeln hier alles ankommt, seien seine Kreuzungs- ergebnisse in ihnen wiedergegeben.

Breitblättriges normales 9 X schmalblättriges = FBFBxX Fhfb gibt in F —=FBEFb:FBfb=1 br. 9:1 br. d.

Shull erhält statt dessen 8 br. 9:72 br. Q. |

F, = FB Fb x FBib= FBFB-+ Fb FB + FB + Fbib = 1 br. 9 homoz.: 1 br. @ heteroz.: 1 br. d' heteroz.: 1 schm. d..

Shull kreuzt nun die verschiedenen Typen aus F, miteinander. Es seien die von ihm erwarteten und experimentell erhaltenen Werte wiedergegeben; (siehe unten). Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, daß mit Ausnahme von a) keine einzige Versuchsserie seinen Erwartungen entspricht... F, und b) könnte man noch halbwegs gelten lassen, wenn nicht die Abweichungen beide Male ganz genau in derselben Richtung

42. Band, S

414 G@.v.Übisch, Abweichungen vom mech. Geschlechtsverhältnis b. Melandrium dioieum.

lägen: nämlich Überschuß an Weibchen, zu wenig schmalblättrige gegen breitblättrige Männchen, dazu ın b) das Auftreten eines schmal- blättrigen Weibchens (das Shull ım übrigen als erneute Mutante an- sieht, dem er also keine Bedeutung beilegt).

Kreuzungen innerhalb F,. a) Homozygotisches breitbl. 0 X heterozygotisches breitbl. 4. FBFBxX FBfb=FBFB--FBfb=1obr.:1G br. Shull erhielt 399 0 br.:401 d br. b) heteroz. 9 br. X heteroz. g br. wie F,. FBFb X FBfbD=FBFB--FbFB-+ FBfb-+Fbfb=2 br. 9 : 0 schm.9 :1’br: & 2 l:sehm.tg: Shull fand 819 br. 9:1 schm. 9: 395 br. d': 339 schm. d‘. c) homoz. br. 9 X schm. d. FBFBxX Fbfb=FBFb+- FBP=1hr. 9:1 br. G. Shull fand i2 br. 9: 1644 br. g.. d) heteroz. br. o X schm. d.. FBFb X Fbfb=FBFb--Fb Fb+ FBfb-+- Fbfb =1 br.9:1schm. 9 it br.’g.:-l schm. d. Shull fand 2 br. 9: 630 br. : 463 schm. d: 1 br. d : 1 schm. d. = +

(Bei Betrachtung dieser Formeln ist zu beachten, daß die vom Ei herrührende Gamete stets an erster Stelle geschrieben ist. Also z. B. FBFb gibt an, daß FB vom Ei, Fb vom Pollenkorn herstammt; FbFB, daß Fb vom Ei, FB vom Pollenkorn herstammt. Darauf ist ungemein großes Gewicht zu legen.)

Man könnte daraus schließen, daß die Formeln Shulls falsch seien; ich glaube aber, daß sie (mit einer kleinen Änderung, die das Zahlen- und Typenverhältnis kaum berührt, und auf die ich weiter unten zurückkomme), geeignet sind, den Tatsachen gerecht zu werden, wenn man die von Correns(4) gefundenen Verhältnisse bei Melandrium berücksichtigt.

Correns schließt ebenso wie Shull, daß das weibliche Geschlecht homogametisch, das männliche heterogametisch ist, daß also zwei Sorten von Pollenkörnern gebildet werden, aus jeder Tetrade zwei weibchenbestimmende, zwei männchenbestimmende. Aus seinen Ver- suchen geht mit Sicherheit hervor, daß diese sich in der Wachstums- geschwindigkeit ihrer Pollenschläuche unterscheiden (oder durch die Keimungsgeschwindigkeit, was hier auf dasselbe herauskommt). Es gelang Correns, das Geschlechtsverhältnis durch Aufhebung der Konkurrenz dem mechanischen Geschlechtsverhältnis sehr nahe zu bringen, also mehr Männchen als in der Natur auftreten, hervor- zurufen. Andererseits konnte er durch Stutzung der Griffel geeignete Zeit nach der Bestäubung die Zahl der Männchen vermindern, die den langen Weg nach den Samenlagen noch nicht hatten zu Ende zurück- legen können.

G.v. Übisch, Abweichungen vom mech, Geschlechtsverhältnis b. Melandrium dioieum. 145

Wir wissen nicht, was die geringere Geschwindigkeit des männchen- bestimmenden Pollenschlauches bewirkt, ein Heterochromosom ist bei Melandrium nicht festgestellt worden, und der eine längere Geminus, den Strasburger (loc. cit. pag. 454) ın den Pollenmutterzellen fand, kann für die Unterschiede nicht aufkommen, da alle Pollenkörner ihn besitzen. Nachdem Sakamura(7) bei einer größeren Anzahl der ver- schiedensten höheren Pflanzen die einzelnen Chromosomen identifizieren konnte, muß man überdies wohl annehmen, daß die verschiedenen Chromosomen vielfach verschiedene Gestalt haben.

Es hieße sich die Sache recht leicht machen, wollte man postulieren, daß eine größere Geschwindigkeit durch eine sichtbare geringere Masse der Chromosomen bedingt sein müßte. Es können da auch gut Ein- flüsse chemischer Natur, Katalysatoren oder dergl. einwirken. Einen solchen Einfluß scheint mir nun der Faktor B, resp. b der Breit- resp. Schmalblättrigkeit bedingt, auf den Geschlechtslaktor F resp, f aus- zuüben. Sehen wir uns nämlich die Fälle in den Shullschen Kreuzungen an, wo ein anomales Geschlechtsverhältnis auftritt, so werden wir dies stets dann und nur dann finden, wenn im männlichen Geschlechte die Gene Fb gekoppelt sind. Die Annahme, die uns erlaubt, die ganzen Versuche Shulls zu deuten, lautet nun folgendermaßen: Die Genenkombination im Pollenkorn FB ist etwas schneller als fb, fb ist aber bedeutend schneller als Fb. Im weiblichen Geschlecht, wo die Geschwindigkeit keine Rolle spielt, nehmen wir zweckmäßig einen geringen schädigenden Einfluß der ungünstigen Kombination Fb an.

Betrachten wir unter diesem Gesichtspunkt nun einmal die Resul- tate Shulls, so erhalten wir folgendes:

BB, FBFBx Pbfib=FBFb--FBih.

Bi sind im Pollenkorn die beiden Gameten Fb und fb enthalten, von denen fb bedeutend schneller ist als Fb, deshalb müssen bedentsnd mehr Männchen auftreten als Weibehen. Shull erhielt 8 Weibchen auf 72 Männchen.

FBFbx FBfb—=FBFB:FbFB: FB fb: Fbfb.

Ind haben wir im Pollenkorn nur die Gameten FB und fb, von denen FB etwas schneller als fb ist, also müssen etwas mehr Weib. chen als Männchen auftreten und da die Gamete FB im Ei etwas günstiger als Fb ist, etwas mehr breitbl. Männchen als schmalbl. Shull erhielt 32 br. @: 11 br. :7 schm. d‘.

Dasselbe gilt für Kreuzung b) innerhalb F,, hier tritt auch das erwartete Verhältnis ein, nämlich 819 br. 9:395 br. J :339 schm. d‘, dazu ein schm. 9, auf das ich noch zu sprechen komme.

Die übrigen Kreuzungen innerhalb F, ergeben folgendes:

a) homoz. br. 9: heterez. br. d = FB in x FBfb=FBFB: FBfh.

Hier ist die Gamete FB etwas schneller als fb, es müßten also

g*

4116 G.v.Ubisch, Abweichungen vom mech. Geschlechtsverhältnis b. Melandrium dioicum.

etwas mehr Weibchen als Männchen auftreten, tatsächlich treten gleich- viel auf, nämlich 399 0: 401 d.

c) homoz. br. 9 X schm. d. FBFBxX Fbib=FBFb:FBfb.

Die Gamete Fb ist bedeutend langsamer als fb, es treten also bedeutend mehr Männchen als Weibchen auf. Shull erhielt 12 9:1644'.

d) heteroz. br. © X schm. g‘. FBFb x Fbfb=FBFb:FbFb: FBfb : Fb fb.

Die Gamete Fb ist bedeutend langsamer als fb, es treten also bedeutend weniger Weibchen als Männchen auf; die weibliche Gamete Fb ist etwas schwächer als FB, es treten also etwas weniger schm. d als br. d auf. Shull erhielt 2 br. 9: 630 br. 5 :463 schm. 9:2 d..

Wir sehen also, daß diese einfache Annahme alle Resultate Shulls hinreichend erklärt. Es liegen nun aber verschiedene Gründe vor, die mich veranlassen, nicht wie Baur und Shull eine absolute Koppelung des Geschlechtsfaktors mit dem Blattbreitenfaktor anzu- nehmen, wie wir es bisher ın unserer Rechnung getan haben. Für eine starke, wenn auch nicht absolute Koppelung spricht 1. das Auf- treten des schmalbl. Weibchens in b).

In Fällen der nicht absoluten Koppelung muß hier das Verhältnis breitbl. 9 : schmalbl. 9 : breitbl. $ :schmalbl. £ 2n 1 1 de n Da das schmalbl. 9. aber die ungünstige Genenzusammensetzung Fb Fb hat, muß es sehr viel weniger als a mal ım Verhältnis zum breitbl. 0 auftreten, kann aber gelegentlich doch erscheinen.

2. spricht für geschlechtskorrelative statt geschlechtsbegrenzter Vererbung, daß CGorrens(4) z. B. 1921 p. 352 gelegentlich Männchen fand, deren Pollenschläuche das mechanische Geschlechtsverhältnis ergaben, sie sowohl wie ihre Brüder. Es muß also gelegentlich ein Männchen mit der Genenformel FB{B vorkommen.

3. hat Correns 1921 gefunden, daß mit dem Alter des Pollens die Zahl der Männchen zunimmt. Das könnte sein Analogon in der von Bridges(8) bei Drosophila gefundenen Verschiebung des Koppe- lungsgrades bei verschiedenen Gelegen, bei Temperatureinflüssen e. c.t. haben.

Iclhı glaube, daß obiger Deutungsversuch geeignet ıst, Licht in die Versuchsresultate Shulls einerseits, Oorrens andererseits zu bringen. Es gäbe noch eine andere Erklärungsmöglichkeit, nämlich die, daß durch den Einfluß des Faktors B resp. b die Stärke der weiblichen Tendenz also die Valenz der weibchenbestimmenden Pollenkörner herabgesetzt, die männliche erhöht würde, da offenbar die Potenzen für Beides vorhanden sind. Ein ähnliches Resultat würde dadurch auf ganz anderem Wege erzielt werden; während nämlich bei unserer Annahme jedes weibehenbestimmende und jedes männchenbestimmende

G.v.Ubisch, Abweichungen vom mech. Geschlechtsverhältnis b. Melandrium dioiecum. 117

Pollenkorn seine geschlechtliche Valenz behält, nur eine Konkurrenz unter ihnen eine Auslese bewirkt, wird in diesem Falle ein Teil weibehenbestimmender Pollenschläuche männchenbestimmend werden. Doch scheint es mir nicht möglich, auf diese Weise dıe Zahlenver- hältnisse Shulls zu erklären. Auch müßte man eine ganze Anzahl Zwitter als Übergangsformen finden, wie sie Goldschmidt(9) bei Verschiebung des Drehpunktes durch Kreuzung nicht zueinander passender Rassen erzielte. Daß auch manchmal dieser Fall eintritt, scheint mir nach einer anderen Arbeit Shulls (10) nicht unwahr- scheinlich.

Unser Erklärungsversuch ist einer exp. Nachprüfung bis zu einem gewissen Grade wohl zugänglich Wie Oorrens gezeigt hat, besteht nicht eine bestimmte Geschwindigkeit für alle weibehenbestimmenden Pollenschläuche (von der Formel FB) bei Kreuzung normaler Weibchen und Männchen eine andere etwas geringere für alle männchenbe- stimmenden (fb), sondern auch hier haben wir es mit Variationskurven zu tun, deren Gipfel etwas gegeneinander verschoben sind. Bei dem geringen Unterschied beider und der Form der Narben wird es nie möglich sein, beide ganz zu trennen. Anders bei unsern sehr ver- schiedenen Geschwindigkeiten Fb und fb. Schon bei normaler Be- stäubung ist das Verhältnis beider mindestens wie 1:10, man müßte, wenn man schnell genug nach der Bestäubung beobachtet, direkt den männchenbestimmenden Pollenschlauch dem weibehenbestimmenden vorauseilen sehen, bei Konkurrenz, etwa Stutzversuchen müßte man das weibliche Geschlecht ganz ausschließen können. Vielleicht gelänge es dann auch einen Unterschied in den männchen- und weibchen- bestimmenden Pollenschläuchen zu sehen, nachdem man weiß, welche Tendenz sie haben müssen. Ferner würde man auch die Entscheidung darüber treffen können, ob es sich tatsächlich um eine verschiedene Wachstumsgeschwindigkeit oder etwa um eine verschiedene Keimungsgeschwindigkeit handelt, was nach den Versuchen von Correns und Shull m. E noch dahin gestellt bleiben muß.

Vor allen Dingen müßte erst festgestellt werden, ob tatsächlich die männlichen Melandrien in der überwiegenden Mehrzahl im Faktor für Blattbreite heterozygotisch sind. Es wäre mir sehr erwünscht, wenn ich ein schmalblättriges Melandrium-Männchen für diese Ver- suche erhalten könnte und ich würde den Kollegen, die ein solches unter ihren Versuchspflanzen haben und nicht selbst die Nachprüfung machen wollen, für Überlassung desselben zu großem Dank ver- pflichtet sein.

Mit der Annahme, daß die Pollenschläuche mit den Genen- kombinationen FB, fb und Fb verschieden schnell zu den Samenan- anlagen gelangen, ist wohl eine Arbeitshypothese geschaffen, die uns erlaubt, die Frage experimentell zu prüfen. Tatsächlich sind wır aber damit nur einen kleinen Schritt vorwärts gekommen, denn wir wissen nichts darüber, warum die Faktoren diese Wirkung aufeinander aus-

118 A. Horn, Der Schwimmblasenapparat bei Cobitis.

üben, und das ıst die Hauptfrage. Wenn wir nach Analogien in der Literatur suchen, so erscheint es wahrscheinlich, daß wir es hier mit Faktoren zu tun haben, die gut resp. schlecht aufeinander abge- stimmt sind. Wir müssen uns nur darüber klar sein, daß mit dieser Feststellung sehr wenig gewonnen ist, denn bei dem heutigen Stand unserer mikrochemischen Kenntnisse ist es unwahrscheinlieh, daß wir sıe werden beweisen können. Immerhin hat sie das für sich, daß sie den Zusammenhang dieser „Faktorenfrage“ mit den anderen Problemen der Entwicklungsphysiologie betont.

Literatur.

1. E. Strasburger, Über geschlechtsbestimmende Ursachen. (Pringsheims Jahrb. 48, p. 432, 1910.)

2. C. Correns, Die Bestimmung und Vererbung des Geschlechtes. Bornträger. 1907.

3. Zitiert nach C. Correns, Ein Fall von experimenteller Verschiebung des Geschlechts- verhältnisses. (Sitzber. pr. Ak. Wiss. 1917, pr. 697 u. 698.)

4. ©. Correns. (Sitzber. pr. Ak. Wiss. 1917, p. 685—717. 1918, p. 1175— 1200. 1921, p. 330—354.)

5. G. H. Shull, Sex-limited inheritance in Lyehnis dioica L. (Ztschr. ind. Abst. u. Vererb.lehre. 12. 1914, p. 265—302.)

6. E. Baur, Ein Fall von geschlechtsbegrenzter Vererbung bei Melandrium album. (Ztschr. ind. Abst. u. Vererb.lehre. 8. 1912, p. 335—336.)

‘. Sakamura, Exp. Studien über die Zell- und Kernteilung mit besonderer Berück- sichtigung der Chromosomen. (Journ. of the Coll. of Science. Tokyo 39, 1920, p. 1—221.)

8. Physical Basis of Heredity (1920, p. 142).

9. R. Goldschmidt, Quantitative Grundlagen von Vererbung und Artbildung (p 15, 1920).

10. G H. Shull, Reversible sex-mutants. (Bot. Gaz. 1910.)

Der Schwimmblasenapparat bei Cobitis. Von Alfred Horn.

(Aus der Bayerischen Biologischen Versuchs-Anstalt für Fischerei und dem zoologischen Institut der tierärztlichen Fakultät der Universität München.)

Mit 2 Abbildungen.

Die Schwimmblase von Cobitis ist nur noch in einem Rudiment erhalten, das in eine knöcherne Kapsel eingeschlossen ist. Die Aus- bildung und Form dieser Knochenkapsel erkannte bereits Weber (1820) und er stellte auch als erster fest, daß sich eine Reihe kleiner umgewandelter Wirbelstücke zwischen die Schwimmblase und den Utri- culus legen, die später nach ihm benannten „Weberschen Knöchelchen*.

Die Herkunft der Knochenkapsel war oft Gegenstand von Unter- suchungen und Erörterungen. Hatte Huschke geglaubt, sie ent- stehe dureh Verknöcherungen der äußeren Lamelle der Schwimmblase, so sieht sie Rathke (1820) „als den Wirbelbeinen angehörig“ an. Leydig (1853) wiederum spricht sie als verknöcherte äußere Binde- gewebsschicht der Schwimmblase an, die mit dem 3. Wirbel ver- wachsen ist, Nach ihm ist die Knochenkapsel ein siebartiges Knochen-

A. Horn, Der Schwimmblasenapparat bei Cobitis. 119

gitter, das wie verknöcherte Bindegewebssubstanz aussieht. An der eigentlichen Schwimmblase der Fische überhaupt unterscheidet er zwei Häute, eine innere, seröse und eine äußere dickere Haut, welche bald weich, bald knorpelig oder selbst ganz verknöchert ist (wie bei Cobitis). Im wesentlichen die gleiche Ansicht wie Leydig vertritt Schulze (1877). Nußbaum und Sidoriak (189%) beschäftigen sich mit den Beziehungen der Schwimmblase von Cobitis fossilis mit dem Gehörorgan, besonders mit den lymphatischen Räumen derselben. Nach ihnen leiten sich die Verknöcherungen von den Wirbeln und Rippen ab.

Bloch (1900) liefert die eingehendste Untersuchung sowohl der Schwimmblase, als der Knochenkapsel, als der „Weberschen Knöchel- chen“. Er faßt die Resultate seiner Arbeit in 14 Punkten zusammen, von denen uns hier folgende interessieren:

Der 2. (falsche) Wirbel ist aus Verschmelzung des 2. und 3. (wahren) Wirbels hervorgegangen.

Die Knochenkapsel, in welcher die Schwimmblase eingeschlossen ist, steht in Verbindung mit dem zweiten (falschen) und dem vierten (wahren) Wirbel.

Die Knochenkapsel besitzt fünf Öffnungen. 2 laterale, 2 mediale und eine unpaare hintere, welche auf dem knöchernen Querkanal ge- legen ist.

Der Rand der 5. unpaaren Öffnung umgrenzt das Homologon des Isthmus.

Es entspricht also die ın die Knochenkapsel eingeschlossene Blase nicht der wahren Schwimmblase, sondern nur dem paarig gewordenen Divertikulum der normalen Cyprinoidenschwimmblase.

Die Knochenkapsel ıst aufzufassen als eine Verknöcherung der Pleura und sehr wahrscheinlich deren parietalen Blattes. Die Löcher der Knochenkapsel sind von Bindegewebe erfüllt. Das Bindegewebe der Lücken überzieht auch die Balken. Daß die Knochenkapsel das verknöcherte Bindegewebe ist, geht daraus hervor, daß man bei Flächenschnittpräparaten alle Übergänge von der einfachen Binde- gewebszelle bis zum Knochenkörperchen auffinden kann. Auf diese verknöcherte Bindegewebsschicht folgen nach innen zwei weitere binde- gewebige Häute, von denen die äußere Haut weiß und atlasglänzend, die innere bläulichweiß ist.

Die äußere der Innenfläche der Kapselwand anliegende Schwimm- blasenhaut besteht aus ungefähr zwei gleichmächtigen Schichten, die sich aus straffen, bisweilen geknickten Bindegewebsfasern zusammen- setzen, einer äußeren, welche wohl dem visceralen Blatt der Pleura entsprechen dürfte und eine ihr enge anliegenden inneren, deren starre Fasern im großen und ganzen in der Richtung zur Körperachse verlaufen. Diese einzelnen Schichten sind umzogen von Membranen, die aus kernlosen breiten Fasern bestehen,

120 A. Horn, Der Schwimmblasenapparat bei Cobitis.

Die innere bläulichweiße Haut (Tunica interna) besteht aus lockigem Bindegewebe. Sie enthält spärlich Blutgefäße. Der Binnenraum der Schwimmblase ist von einer dünnen Lage Plattenepithel ausgekleidet, welche Jakobs schon festgestellt hat.

Die GCobitididen sind im Besitze eines Weberschen Apparates.

Die Cobitididen sind alle Physostomen. Der Ductus pneu- matikus ıst zu einem bindegewebigen Strang obliteriert.

Thilo (1913) behauptet, daß bei den Schlammpeitzgern die ganze äußere Hülle verknöchert ist. Nach ihm beginnt die Verknöcherung stets am vorderen Teile der Schwimmblase und zwar verknöchern zuerst die Bänder, welche die Blase an die Wirbelsäule befestigen. Hierauf verbreitern sich die Fortsätze und bilden ein knöchernes Dach. Endlich verknöchert die äußere Haut des hinteren Teils der Blase.

Zwei Ansichten, die die Herkunft der Knochenkapsel zu erklären versuchen, stehen also noch heute einander gegenüber. Nach der einen ist sie das Produkt der verbreiterten Rippen und Wirbel der ersten vier Körpersegmente, nach der anderen soll sie durch Ver- schmelzung von Teilen der Wirbelkörper mit Verknöcherungen inner- halb der Schwimmblasenhäute zustande kommen.

Um diese Frage entscheiden zu können, ging ich von der Über- legung aus, daß, falls die Schwimmblase durch Verknöcherung ihrer Wand die Knochenkapsel liefere, Teile derselben umgewandelt sein müßten, d. h. daß bei der Schwimmblase von Cobitis nicht mehr alle drei Schichten, die normalerweise die Schwimmblase bei den meisten Fischen zusammensetzen, vorhanden sind. Als Material für meine Unter- suchungen wurde Cobitis fossilis und Cobitis barbatula verwandt. Kleinere Exemplare wurden mit geöffneter Leibeshöhle in toto in Formol, Sublimat-Eisessig oder Sublimat nach Petrunkewitsch fixiert, wäh- rend bei größeren Tieren nur der abgeschnittene Kopf-Brustteil fixiert wurde. In der Hauptsache wurde auf Schnitten untersucht, wenn- gleich auch auf mikroskopische Präparation nicht verzichtet und aus ihr manche Erkenntnis geschöpft wurde.

Zur Herstellung der Schnitte wurden die im 70%igem Alkohol plus 5 Y,ıger Salpetersäure entkalkten Stücke in Zelloidin eingebettet Paraffın erwies sich nicht als genügend und gewöhnlich 20—30 u dicke Schnitte durch den ganzen Körper angefertigt. Nur zur ge- naueren Einsicht in die Histologie wurden noch kleinere Teile der Kapsel in Paraffın 7 « dick geschnitten. Als Farben kamen zur Ver- wendung Haemalaun nach Delafield, Haematoxylin nach Heiden- haın, Orcein, Eosin und Pikrin- Wasserblau.

Betrachtet man eine Grundel von der Seite, so bemerkt man in der Höhe der Seitenlinie, dicht hinter der Brustflosse am oberen Rande des Kiemenlekble eine Stelle mit dunklerer Pigmentierung. Beim Abziehen der Haut sieht man, daß unter dieser Stelle die dor- sale und ventrale Seitenrumpfmuskulatur nicht zusammenstoßen, und

A. Horn, Der Schwimmblasenapparat bei Cobitis. +21

daß sich hier eine kleine Öffnung befindet, die die Form einer zu- sammengedrückten Elipse hat. Wie schon Bloch abbildet und be- schreibt, werden die Ränder derselben durch feine Knochenleisten etwas aufgeworfen. Wir haben hier die äußersten Teile der die Schwimmblase einschließenden Knochenkapsel (Abb. 1, KK) vor uns und können durch diese äußere, seitliche Öffnung derselben (vgl. Bloch) in die Höhlung der Kapsel blicken. Durch diese (Abb. 1, KO) Öffnung schimmert uns eine bläulichweiße Membran entgegen, die von Leydig, Bloch, Nußbaum u. a. als die äußere Schwimmblasenwand ange- sehen wurde. Wir werden noch erfahren, daß dies nicht der Fall ist.

Bei vorsichtiger Präparation unter der binokularen Lape erkennt man nämlich schon, daß die äußere Haut, an der Stelle, an der die eben beschriebene Öffnung liegt, etwas fester haftet als an der übrigen Muskulatur. Untersucht man die abgezogene Haut, so findet man, daß an der Stelle, an der man äußerlich den Pigmentfleck wahrnehmen konnte, nach innen der Haut ein eigentümliches, dünnes Häutchen anhängt. Bei großen Exemplaren von Cobitis fossilis erkennt man ein deutliches, kleines Säckchen, das hier von der inneren Fläche der Haut absteht und anscheinend sich an die seitliche Öfnung in der Knochenkapsel anlegt.

Es wurde nun an Serienschnitten tatsächlich folgender Befund festgestellt. Etwas hinter der erwähnten Öffnung der Kapsel stülpt sich die äußere Haut sowohl Epithel als Cutis mit einem feinen Porus (Abb. 2,I) an der Grenze des vierten Wirbels ein und bildet einen engen Kanal, der unter der Oberfläche nach vorne zieht, sich all- mählich erweitert, in der Höhe des hinteren Randes der Öffnung nochmals mit einem engeren, feineren Porus nach außen abzweigt und sich nachinnen schließlich ampullenartig erweitert (Abb. 1, A, Abb. 2, A). Mit seiner breitesten Basis legt sich das Säckchen an die seitliche Öffnung der Knochenkapsel. Dieses Säckchen ist bisher übersehen worden. Das Säckchen wird von einer bindegewebigen Hülle um- kleidet (Abb. 1, Cul), die von dem subkutanen Gewebe der Haut ge- bildet wird. Kurz vor dem Herantreten dieses Stranges an das Säckchen zweigt davon eine Lamelle ab (Abb. 1, Cu2), die sich vor die Kapselöffnung legt. Das an der Kapselöffnung liegende Binde- gewebe ist mit den Kapselrändern, die nicht knöchern, sondern knorpelig bleiben und von einer dicken Bindegewebsschicht umhüllt sind, fest verwachsen. Auf diese Weise wird die Kapselöffnung durch eine straff gespannte Membran (Abb. 1, M) abgeschlossen. Zweifellos wurde diese von Leydig, Bloch, Nußbaum, Jakobs u. a. als Schwimm- blasenwand angesehen. Jedoch völlig zu Unrecht. Denn wie wir uns auf Serienschnitten überzeugen können, ist die Schwimmblase selber weit davon entfernt, den ganzen Hohlraum der Kapsel auszu- füllen. Nur an der inneren, dem Wirbel zugekehrten Fläche sehen wir die Reste einer Schwimmblase (Abb. 1, Sb).

122

Nur

A

A. Horn, Der Schwimmblasenapparat bei Cobitis.

Bloch hat schon überzeugend nachgewiesen, daß wir ın der Schwimmblase der Cobitididen nur den Rest des vorderen Diverti- culums der zweigeteilten Cyprinoidenschwimmblase vor uns haben.

Abb. 1.

all

Il

Ampulle (Säckchen). Bindegewebe.

Cutis.

Cutis.

Epidermis. Knochenkapselporen. Kapselöffnung Knochenkapsel. Lymphraum. Lymphflüssigkeit.

Ill

Ill

Membran.

Oberer Wirbelbogen. Plattenepithel.

Querkanal (Verbindungskanal der beiden Schwimmblasen- reste).

Rückenmark.

Schwimmblase. Wirbelkörper.

Blutgefäß.

Hintere Ampullenöffnung. Ampulle. Epithel.

Eu ses@utis:

(OL

Qutis.

ist die Schwimmblase viel kleiner als die Knochenkapsel. Die Schwimmblasenreste bei Cobitis fossilis und Cobitis barbatula stellen nur noch zwei hohle Kugelkalotten dar, die ventral durch einen

A. Horn, Der Schwimmblasenapparat bei Cobitis 123

(knöchernen) Querkanal verbunden sind (Abb. 1, @K). Auf dem Quer- schnitt bieten die Schwimmblasenreste das Bild eines fest der medianen Innenfläche der Knochenkapsel angeschmiegten Halbmondes (Abb. 1,SB). Die dem Wirbel zugekehrte Kalotte liegt der Kapsel nicht ganz bis zur Mitte an und knickt dann im spitzen Winkel ab, um so die kon- kave Außenfläche zu bilden.

Was den Aufbau der Schwimmblasenwand betrifft, so sind in der konkaven also auch in der konvexen Wand die gleichen Schichten, die schon Nußbaum und Sidoriak feststellten (p. 222). Es war nicht schwer unter Wasser die Schwimmblase in zwei Schichten zu trennen. Die äußere Schwimmblasenhaut besteht aus zwei Lagen, die durch lockeres Bindegewebe miteinander verbunden sind. Beide Mem- branen bestehen aus dicht nebeneinander verlaufenden Faserbündeln. In der äußeren Membran verlaufen alle Faserbündel zirkulär, in der inneren dagegen in der Richtung der langen Achse der Blase, d.h. von rechts nach links. Die innere Schwimmblasenhaut besteht eben- falls aus zwei Membranen; sie werden von derbem, faserigem und elastischem Bindegewebe gebildet. Die Fasern verlaufen unregelmäßig. Die innere Membran wird von einer dünnen Schicht Plattenepithel ausgekleidet. Beide Membranen sind miteinander durch eine dünne, faserige Bindegewebsschicht verbunden. Auch ich stimme mit Nuß- baum und Sıdoriak überein, wenn sie die Ansicht Jakobs als falsch bezeichnen, da dieser augenscheinlich beide Schichten ver- wechselt hat.

Was für ein Gebilde stellt nun der übrigbleibende, nicht von der Schwimmblase ausgefüllte Knochenkapselraum dar? Auf Schnitten ist er ausgefüllt von einem feinen Gerinnsel (Abb. 1, LF), das seiner Struktur nach auf eine Iymphatische Flüssigkeit schließen läßt und die im gleichen Gerinnungszustand in den Iymphatischen Gängen des Utrieulus sich findet. Nun machten es dıe Untersuchungen von Nuß- baum und Sidoriak sehr wahrscheinlich, daß lymphatische Kanäle an die Schwimmblasenkapsel heranziehen. Diese Forscher (p. 215) schreiben: „Das Webersche Cavum sinus imparis, in dessen vorderem Teile der die Verbindung der beiden Labyrinthe vermittelnde Ductus endolymphaticus samt seiner sackförmigen hinteren Verlängerung ver- läuft, bildet den ersten Iymphatischen Raum. Dieser Raum kommuni- ziert hinten direkt mit zwei engen Kanälen, die auf der Dorsalseite des ersten Wirbelkörpers verlaufen und mit zwei vertieften Öffnungen in die zwei ansehnlichen Iymphatischen Räume, die wir als submem- branöse Gänge bezeichnen, frei münden. Diese Gänge, die mit einer Schicht abgeplatteter Epithelzellen ausgekleidet sind, kommunizieren nun noch mit den lymphatischen Räumen, welche jederseits zwischen Stapes und Claustrum eingeschlossen sind. Durch die Ductus sub- membranacei wird also eine Verbindung zwischen den Atria sinus imparis (das sind Hohlräume zwischen Stapes und Olaustrum) und den hinteren Verlängerungen des Cavum sinus imparis hergestellt. So

l

194 A. Horn, Der Schwimmblasenapparat bei Cobitis

sehen wir, daß also eine Verbindung zwischen Schwimmblase und Gehörgang besteht.“

Meine Vermutung, daß wir es in dem größeren Teile der Kapsel- höhlung mit einem endolymphatischen Raum zu tun haben, wird be- stätigt durch den Vergleich der Innenauskleidung von diesen mit den weiter kopfwärts gelegenen Lymphräumen. Hier wie dort finden wir ein niederes Plattenepithel (Abb. 1, PEp), unter dem eine strafle Bindegewebslage hinzieht.

Eine direkte offene Verbindung zwischen diesen großen Lymph- räumen mit denen des Utriculus konnte ich nicht finden, zweifle aber nicht, daß sie ın den von Nußbaum und Sıdorıak beschriebenen submembranösen Gängen (Abb. 1, LR) tatsächlich besteht oder ge- stützt. Die Bindegewebsmassen, die um die Knochenhöhlen der Kapsel- wand sowohl als auch der Iymphatischen Gänge liegen, fasern beim Schneiden meistens etwas auf, so daß es mir unmöglich war, kleinere Gänge durch mehrere Schnitte hindurch zu verfolgen.

Aral wir uns noch nach der Herkunft vr Knochenkapsel. Nachdem, wie wir gesehen haben, die Schwimmblase gar nicht den ganzen Innenraum der Kapsel ausfüllt, wird man wohl auch kaum deren Wand für die Bildung der Verknöcherung verantwortlich machen können. Bloch bringt in seiner Abhandlung eine rein schematische Darstellung der Entwicklung der Schwimmblase und der Kapsel, den Beweis aber für diese Hypothese führt er nicht. Ich stehe wie Nuß- baum und Sidoriak und auch teilweise wie Thilo auf dem Stand- punkt, daß die mit den Wirbeln äußerst fest verwachsene Knochen- kapsel das Produkt aus Wirbeln und Rippen ist, wofür ja besonders das Auftreten von Knorpel in derselben spricht.

Den Wert des komplizierten Apparates dürfen wir wohl in einer Hilfsvorrichtung zur Aufnahme geringer Druckunterschiede sehen. Wie Bloch eingehend beschrieben hat, ist der Webersche Apparat bei den COobitis-Arten recht kompliziert. Nußbaum und Sıdoriak haben festgestellt, daß die Stapedes den nach innen vorn gelegenen Kapsel- löchern (Abb. 1, KP) aufsitzen und hier Verbindung mit der eigent- lichen Schwimmblasenwand erreichen. Ich kann diese Verhältnisse bestätigen. Wir sehen also hier einen komplizierten Übertragungs- apparat zwischen der Schwimmblase und dem Gehörorgan. Auf der anderen Seite der Schwimmblase dagegen sehen wir einen kugeligen Hohlraum mit Flüssigkeit gefüllt. Der Hohlraum ist infolge der knöchernen Umhüllung kaum veränderlich und ist an der einzigen seit- lichen Öffnung, denn die anderen kleinen Löcher finden sich im Bereich der Schwimmblase (Abb. 1, M), durch eine elastische Membran (Abb. 1, M) abgeschlossen, auf die der äußere Druck durch das eingestülpte Haut- säckchen direkt wirken kann. Die geringsten Druckschwankungen von außen müssen sich dieser mikrophonartigen Membran mitteilen und werden durch die allseits umschlossene Flüssigkeitsmenge auf die Hohlkalotte Schwimmblase übertragen und müssen die ıhnen auf-

L. Eißele, Histologische Studien an der Schwimmblase einiger Süßwasserfische. 125

sitzenden Weberschen Knöchelchen in Bewegung bringen, wodurch die Schwingungen sofort den Utrieulus und von da dem Zentralorgan mitgeteilt werden. Es ist ja bekannt, daß die Cobitididen sehr scharf auf Wetterschwankungen reagieren und Cobitis fossilis sogar als Wetterprophet im Aquarium gehalten wird. Aller Wahrschein- lichkeit nach dürfen wir in dem hier beschriebenen Apparat das Organ ' sehen, das ıhn zu diesem Verhalten befähigt.

Literaturverzeichnis. Bloch, L., 1900. Schwimmblase, Knochenkapsel und Weberscher Apparat von Nema- ehilus barbatula, Günth.; in: Jen. Zeitschr. f. Naturw. (Hier findet sich ein genaues Literaturverzeichnis der älteren Arbeiten.) Jakobs, Ch., 1898. Über die Schwimmblase der Fische. Diss. Tübinger zoolog. Arbeiten, Leipzig. Nußbaum, J. und S. Sidoriak, 1900. Das anatomische Verhältnis zwischen dem Gehörorgan und der Schwimmblase bei dem Schlammbeißer (Cobitis fossilis); in: Anat. Anzeiger vol. 16. Sidoriak, $., 1899. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des endolymphatischen

Apparates des Fisches; in: ibid. vol. 15. Thilo, ©., 1913. Verknöcherte Schwimmblasen; in: Zool. Anzeiger vol. 41.

Histologische Studien an der Schwimmblase einiger Süfswasserfische. Aus der Bayerischen Biologischen Versuchsanstalt für Fischerei und dem Zoologischen Institut der tierärztlichen Fakultät der Universität München. Von Ludwig Eißele. Mit 5 Abbildungen.

Über kein Organ des tierischen Körpers wurden wohl so ver- schiedene Ansichten, Funktion und den Bau betreffend, im Laufe der Zeit geäußert, als über die Schwimmblase der Fische. Schon Arısto- teles kennt das Vorhandensein von Luft in den Eingeweiden der Fische und glaubt, daß dieselbe dem Hervorbringen von Tönen diene. Im Mittelalter sollte die Schwimmblase zunächst ein Hilfsorgan für die Verdauung sein, wofür das Vorhandensein eines Luftganges zwischen Schwimmblase und Darmtractus sprach. Diese Auffassung mußte fallen, da viele Fische (Physoklysten) keinen solchen Duetus pneumatieus besitzen. In der Folgezeit kristallisierten sich vier An- schauungen heraus, die alle eine wechselnde Zahl von Anhänger fanden:

1. Die Schwimmblase bewirkt rein mechanisch durch Volumwechsel aktiv die Vertikalbewegung des Fisches.

2. Sie ist ein Teil des Gehörorgans.

3. Sie ist Respirationsorgan, und endlich

4. Sie ist Hilfsorgan des Blutkreislaufes.

Die erste, allmählich zur klassischen Anschauung gewordene An- sicht stammt von Borelli (1704. Er sagt ın seinem Werke:

4296 L. Eißele, Histologische Studien an der Schwimmblase einiger Süßwasserfische.

„De motu animalium“: „Die Schwimmblase der Fische ist eine physi- kalische Einrichtung, welche auf- und niedersteigende Bewegungen des Tierkörpers nach Art des Cartesianischen Tauchers im Wasser dadurch bewirkt, daß ihr Volumen und dem entsprechend das ganze spezifische Gewicht des Fisches durch Ausdehnung bezw. Kompression ihrer Wände infolge von Muskeltätigkeit der Flanken und des Rumpfes geändert wird“.

Weber (1820) schreibt auf Grund seiner anatomischen Studien über die später nach ihm benannten Weberschen Knöchelchen, die die Schwimmblase einiger Fische mit dem Labyrinth verbinden, der- selben eine Hörfunktion zu. Nachdem heute sicher ist, daß die meisten Fische nicht hören und das Labyrinth ein Gleichgewichtsempfindungs- organ ist, fällt auch diese Ansicht.

Die Ansichten 3 und 4 fußen auf der Tatsache, daß bei vielen Fischen in der Schwimmblase oder in dem Ductus pneumatieus eine reiche Blutgefäßversorgung vorkommt. Diesen Wundernetzen kommt aber sicher in ihrer Hauptsache eine andere Funktion zu.

Es hat auch nicht an Stimmen gefehlt, die der Schwimmblase eine besondere Funktion überhaupt absprachen, während andere ihr mehrere Funktionen gleichzeitig zuschrieben.

So nützt nach Rathke (1838) „die Schwimmblase zu dreierlei: Zur Erleichterung des Schwimmens, zur Unterstützung des Hörens und zu besonderen Umänderungen in den Mischungsverhältnissen des Blutes; bei der einen Fischart aber mag die eine, bei der anderen eine andere Tätigkeit vorwaltend sein“ (p. 438).

Müller (1843) sagt: „Unter allen Organen zeichnet sich die Schwimmblase durch die große Mannigfaltigkeit und gänzliche Ver- schiedenheit der organischen und physikalischen Einrichtungen aus, welche sie in einzelnen Familien und Gattungen darbietet. Die Schwimmblase hat nicht eine Funktion allein, die Natur verwendet sie zu mehreren ganz verschiedenen Zwecken, die sie mit innerer, im Körper selbst erzeugter Luft erzielen kann“ (p. 136).

Leydig (1853) beschreibt die Schwimmblase unter dem Abschnitt „Respirationsorgane“ der Wirbeltiere.

In neuerer Zeit hat Moreau (1876) durch exakte Versuche die Ansicht Borellis und seiner Anhänger widerlegt. Moreau zeigte, daß die Veränderung der Größe der Schwimmblase von dem äußeren Druck, der in der Umgebung des Fisches herrscht, abhängig ist, und der Fisch passiv der äußeren Druckwirkung folgt, also gerade das Gegenteil von dem der Fall ist, was Borelli gelehrt hatte. Nach Moreau hat die Schwimmblase die Aufgabe das spezifische Gewicht des Fisches dem Werte 1 zu nähern und diesen durch passive Volumensänderung an den jeweiligen Wasserdruck anzupassen und den Fisch so in den Stand zu setzen, sich in einer bestimmten Wasser- höhe dem „plan des moindres efforts‘ mit minimalem Kraftaufwand seiner Muskeln zu halten und in der Horizontalen fortzubewegen.

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L. Eißele, Histologische Studien an der Schwimmblase einiger Süßwasserfische. 497

In neuester Zeit versuchte Jäger (1905) die alte Anschauung Borellis mit derjenigen Moreaus zu vereinigen, wobei er jedoch wieder beweisen will, daß die Fische durch Muskeltätigkeit aktıv das Schwimmblasenvolumen variieren können; die endgültige Ein- stellung des Fisches auf ein bestimmtes Niveau übernähmen dann andere Organe der Schwimmblase.

Demgegenüber hat Baglıoni (1909) einwandfrei dargetan, daß unter den verschiedensten Versuchsergebnissen keines ist, das die Borellische Theorie bestätigt, sondern vielmehr alle übereinstimmend zur Ansicht Moreaus führen. Die Schwimmblase besitzt eine hydro- statische Funktion, indem sie durch Verminderung des spezifischen Gewichts den Fisch ın den Zustand setzt, in einer gewissen Wasser- schicht mit geringstem Muskelkraftaufwand seine Körperlage zu be- haupten und Horizontalbewegungen auszuführen. Diese Wasserschicht kann gewechselt werden, wobei die Erhöhung des Gasdruckes durch echte Sekretion von Gasen (in der Hauptsache Sauerstoff) stattfindet, die Druckverminderung entweder durch Resorption (Physoklysten) oder durch Abgabe von Gas durch den Ductus pneumaticus (Physo- stomen) geregelt wird. Außerdem muß man der Schwimmblase noch die Bedeutung eines eigentümlichen, spezifischen, hydrostatischen Sinnesorganes zusprechen, dessen adäquate Erregungen zweckmäßige reflektorische Schwimmbewegungen auslösen. Die Regelung des Gas- inhaltes in der Schwimmblase steht direkt unter dem Einfluß des Nervensystems und geschieht als ein den äußeren Bedingungen ent- sprechender Reflexvorgang.

Der Ansicht Baglionis schließen sich nach einigen Versuchen Guy&not, Musy und Popta an.

Vor Moreau wurde, wie schon erwähnt, angenommen, daß das spezifische Gewicht des Fisches durch Ausdehnung bezw. Kompression der Schwimmblasenwände infolge von Druck der Flanken- oder Rumpf- muskulatur verändert werde. Eine Ausnahme machte Müller (1843). Er schreibt: „Die mehrsten Fische sind nicht imstande, willkürlich ihre Schwimmblasen zu erweitern und die Luft derselben zu verdünnen. Die Muskeln der Schwimmblase sind der Verdichtung der Luft be- stimmt“ (p. 147). Nur bei emigen Fischen soll beides möglich sein. Bei einigen Gattungen von Welsen will Müller einen Springfeder- apparat entdeckt haben, und zwar arbeite derselbe so, daß die Ver- dichtung beständig wirksam ist und von der Elastizität einer Feder berührt, die Verdünnung aber von der Aktion und Ausdauer der Muskelkräfte abhängt, welche die Feder außer Erfolg setzen. Die gleiche Möglichkeit aktiver Muskelwirkung auf die Volumensänderung der Schwimmblase glaubt Müller bei den Cypriniden gefunden zu haben in dem kombinierten System einer vorderen elastischen und hinteren unelastischen Schwimmblase, wodurch der Fisch imstande wäre, den vorderen oder hinteren Teil leichter zu machen und die horizontale Gleichgewichtslage des Fisches zu ändern. Müller stützt

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seine Ansicht auf das Vorhandensein eines Schließmuskels zwischen beiden Abteilungen der Schwimmblase. Weiter schreibt er: „Es reicht also bei einem Fisch eine geringe Zusammendrückung der Schwimm- blase, sei es durch ihre eigenen Muskeln oder, wenn sie keine besitzt, durch die Muskeln der Seitenwände des Tieres hin, um den Fisch steigen oder sinken zu lassen“ (p. 167). Wie vorhin erwähnt, nımmt auch Jäger eine aktive Muskeltätigkeit an und vertritt die Ansicht, daß die Cypriniden ihre Schrägstellung beim Auf- und Niedersteigen durch aktive Volumensänderung in beiden Blasen ermöglichen, wobei die hintere Blase nur die Rolle eines Luftreservoirs spiele. Auch er stützt sich darauf, daß beide Blasenteile an ihrer Basis einen Schließ- muskel hätten.

Deineka (1904) erklärt das Steigen und Fallen des Karpfen folgendermaßen: „Ist der Schwerpunkt des Fisches aus irgendeinem Grunde zum Schwanze hin verschoben, so wird das in der Schwimm- blase enthaltene Gas durch starke Muskelkontraktionen ihrer Wandung in die näher zum Schwanz gelegene Abteilung, im Falle einer Ver- lagerung des Schwerpunktes zum Kopfe in umgekehrter Richtung übergeführt“ (p. 152).

Die Ansicht Thilos!) (1903) wird in einem Referat von Janson (1905) so dargelegt: „das Zusammendrücken der Schwimmblase wird durch die Rückenmuskeln bewirkt, die Ausdehnung dagegen besorgt die in der Schwimmblase unter Druck stehende Luft“.

Endlich schreibt Hesse (1912) den Muskeln der Schwimmblasen- wand die Fähigkeit zu, Druck und Volumensschwankungen zu regulieren.

Es sind also hauptsächlich zwei Anschauungen, die die Möglich- keit einer aktiven Muskelwirkung auf die Variation des Schwimm- blasenvolumens wahrscheinlich zu machen versuchen. Einerseits wird die Körpermuskulatur des Fisches, andererseits die Muskulatur der Schwimmblasenwand dafür haftbar gemacht. Wenn die erstere Auf- fassung zutreffen sollte, müßte gefordert werden, daß die Wände der Schwimmblase allseits einem gleichen Druck ausgesetzt werden. Die Körpermuskulatur der Fische aber mit ihrer eigentümlichen Anordnung und verschiedenen Verteilung in der Umgebung der Schwimmblase dürfte einen derartigen Druck nicht ausüben können; weiterhin wäre zu bedenken, ob durch einen solchen Druck nicht auch andere Organe in Mitleidenschaft gezogen würden und z. B. besonders der Darm so gedrückt werden würde, daß ihn keine Nahrung mehr passieren könne, daß sogar ein Druck auf die Schwimmblase erst wirksam werden konnte, wenn die Eingeweide schon stark gepreßt sind. Außerdem gibt es Fische, deren Schwimmblase nicht von allen Seiten von der Körpermuskulatur umgeben ist und solche, deren Schwimmblase ın eine Knochenkapsel eingehüllt ist. Aus diesen Gründen machen andere

1) Thilo scheint selber in seinen verschiedenen Schriften zu einer nicht ganz einheitlichen Ansicht über diesen Punkt gelangt zu sein.

L. Eißele, Histologische Studien an der Schwimmblase einiger Süßwasserfische. 429

Autoren, die eine aktive Volumänderung der Schwimmblase annehmen, die Muskelschichten in ihr selbst dafür verantwortlich.

Deshalb unternahm ich es, die histologische Struktur der Schwimm- blasenwand eingehend zu untersuchen und dabei besonders auf das Vorhandensein von Muskulatur und elastischem Gewebe zu achten. Bei der Auswahl der mir zur Verfügung stehenden Fische ging ich von dem Gesichtspunkte aus, möglichst verschiedenartige Formen der Schwimmblase zu betrachten und sowohl Vertreter der Physostomen, als auch der Physoklysten zu berücksichtigen.

Folgende Arten wurden untersucht:

Als Vertreter der Fische mit einfacher Schwimmblase mit Ductus pneumaticus (Physostome): Trutta iridea W. Gibb. mit einfacher Schwimmblase ohne Ductus pneumaticus (Physoklyst): Perca flunma- tihs L.;

mit längs geteilter Schwimmblase und Ductus pneumaticus: Silurus glanis L.;

mit quer geteilter Schwimmblase und Ductus pneumaticus: Oypri- nus carpio L., Tinca tinca L., Barbus barbus L. und Alburnus lueidus Heck.

Kleinere Fische wurden mit geöffneter Bauchhöhle in toto fixiert, bei größeren wurde die Schwimmblase herauspräpariert und bald ge- schlossen, bald ın Stücken ın die Flüssigkeiten gebracht. Als Fixie- rungsmittel wurden verwendet: Sublimat nach Petrunkewitsch, Formol-Sublimat-Eisessig oder Formol-Alkohol-Eisessig. Eingebettet wurde in Paraffin. Ich habe sowohl Serienschnitte durch den ganzen Tierkörper bei jungen Fischen, als auch bei größeren Exemplaren durch einzelne Teile der Schwimmblasenwand gemacht. Gefärbt wurden die Schnitte in Delafields Hämatoxylin-Eosin und zum Nach- weis elastischer Fasern in Orcein-Wasserblau.

Die anatomischen Verhältnisse der Schwimmblase sind so zahl- reich und eingehend beschrieben, daß sie hier nur kurz Erwähnung zu finden brauchen. Dagegen sind die Angaben über ihre Histologie teilweise sehr unvollkommen und widersprechend. In der Hauptsache fand die Blutgefäßversorgung, die Bildung von Blutdrüsen und Wunder- netzen eingehende Beschreibung. Histologische Daten finden sich ın den Werken von Joh. Müller, Leydig, Stannıius, Moreau, Oor- ning, Bridgeand Haddon, Jakobs, Jaquet, Jäger, Deinneka, Nußbaum und Reis, Oppel, Beaufort und Tracy. Auf einzelne dieser Angaben werde ich in der nun folgenden Beschreibung meiner eigenen Untersuchungen einzugehen haben.

Trutta iridea W. Gibb.

Die Schwimmblase der Forelle stellt einen einfachen länglıchen Sack dar, der sich durch die ganze Leibeshöhle erstreckt. Sie besitzt einen kurzen Ductus pneumaticus, der von ihrer ventralen Seite zum

42. Band )

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Darm führt, und dort dorsal mündet. Die obere Fläche der Schwimm- blase ist von den Nieren bedeckt, während die ventrale vom Perito- neum umhüllt ıst, das lateralwärts unter Bildung einer Längsfalte, ın der Blutgefäße zur Schwimmblase führen, auf die Körperwand über- geht. Die Schwimmblase liegt also außerhalb der Peritonealhöhle. Der Peritonealüberzug der Schwimmblase besteht aus einer ein- fachen Lage von Plattenepithel und ist fest mit der eigentlichen Schwimmblasenwand verbunden. (Abb. 1.) Die äußerste Schicht der- selben besteht aus einer derben, bei makroskopischer Betrachtung silberglänzenden, fibrösen Lage von Bindegewebsfibrillen mit längs,

Abb. 1. Querschnitt durch die Schwimmblasenwand von Trutta iridea W. Gibb.

a) Cölomepithel; db) längsverlaufende; ce) zirkulär verlaufende Fasern der

«() äußeren fibrösen Schicht; e) längs und f) zirkulär verlaufende glatte

Muskelfasern der g) Muskularis; A) innere Epithellage; i) elastische Fasern. quer und schräg verlaufenden Fasern. Stellenweise läßt sich eine äußere Längs- und innere Querfaserung feststellen. Die äußere fibröse und die folgende innere Schicht sind durch zarte, elastische Binde- gewebszüge, die in parallelen Lamellen angeordnet sind, nur locker miteinander verbunden. Beide Schichten lassen sich leicht von- einander trennen und lösen sich schon durch die Fixierung und Alkohol- behandlung leicht von einander ab. (Siehe Abb. 1.) Die innere Membran enthält eine Muskellage, die sich aus peripher längs und innen quer verlaufenden Zügen glatter Muskelfasern zusammensetzt. Darauf folgt, das Lumen der Schwimmblase auskleidend, eine ein- schichtige Lage kubischen Epithels. Sowohl in der äußeren, fibrösen Hülle als auch in der Muskularıs sind zahlreiche elastische Fasern eingelagert, die in derselben Richtung verlaufen, wie das betreffende (sewebe, in der sie vorkommen. Beide Schichten nehmen an der ventralen Hälfte der Schwimmblase an Dicke etwas zu, sie stehen gegenseitig an Dicke im Verhältnis von zwei zu eins. Uber die Blut- gefäßversorgung sind von Corning ausgedehnte Studien gemacht worden, denen ich nichts hinzuzufügen habe.

Die Forelle besitzt also eine kontinuierlich durch die ganze Wan- dung der Schwimmblase sich erstreckende, dünne Muskularis, be- stehend aus parallel gerichteten glatten Muskelfasern, die in der Außen- lage längs und in der Innenlage zirkulär verlaufen.

L. Eißele, Histologische Studien an der Schwimmblase einiger Süßwasserfische. 1.3

Perca fluviatilis L.

Die Schwimmblase des Barsches ist allseitig geschlossen, stellt einen länglichen Sack ohne Einschnürung dar und liegt retroperitoneal. Die Ventralseite ist vom Peritoneum umhüllt, das zahlreiche schwarze Pigmentzellen aufweist. Der Peritonealüberzug ist fest mit der äußeren derb-fibrösen Haut verbunden und läßt sich nicht von ihr abziehen. Die Blutdrüsen und Wundernetze, die sich über die ganze Ausdehnung der Schwimmblase erstrecken, desgleichen das an der hinteren dor- salen Wand liegende Oval, sowie deren Funktion, sind von Corning, Jäger, Nußbaum und Reis eingehend beschrieben worden. Die Schwimmblasenwand (siehe Abb. 2) ist bei Perca außerordentlich dünn und durchsichtig, so daß an vielen Stellen „die roten Körper“ oder Blut- drüsen, deren ich bei meinen Exemplaren 8 bis 10 feststellen konnte,

Abb. 2. Querschnitt durch die innere Wandschicht der Schwimmblase von Pura fluriatilis L. a) Blutgefäßknäuel; d) Blutdrüse; e) „zelliger Saum“; «d) innere Plattenepithellage.

hindurchschimmern. Bei der Präparation lassen sich leicht zwei Schich- ten voneinander trennen. Die äußere Schicht ist etwas derb und fibröser Natur und mit dem Peritoneum fest verwachsen. Serien- schnitte quer durch die Wandung zeigen zunächst von außen nach innen eine einfache Lage von Plattenepithel (Cölomepithel), dann folgt eine strukturlose, fibröse Haut. Die innere äußerst feine Membran ist mit der äußeren fibrösen Haut nur locker verbunden, so daß sie sich schon durch die Fixierung abhebt. Sie besteht aus feinen binde- gewebigen Zügen, die parallel zur Oberfläche der Schwimmblase ver- laufen und zirkulär gerichtet sind. Diese Schicht weist einen außer- ordentlichen Gefäßreichtum auf; in ihr liegen die von Corning be- schriebenen „Blutdrüsen, zelligen Säume und Wundernetze“. An der Stelle, wo das Oval (Corning) liegt, ist das Bindegewebshäutchen unterbrochen. Als Abschluß gegen das Lumen zu findet sich endlich eine einfache Lage Plattenepithels, das auf die „zelligen Säume“ über- geht und vom Epithel des Peritoneums nicht zu unterscheiden ist. Elastische Fasern ließen sich hier nicht nachweisen. Eine zusammen- hängende Muskularis, wie sie bei den Salmoniden besteht, fehlt beim Barsch vollständig. Es finden sich nur einige spärliche Züge glatter g*

D L. Eißele, Histologische Studien an der Schwimmblase einiger Süßwasserfische. Ur [o oO

Muskelfasern im Bereich des Ovals, wie sie Corning beschrieben hat. Diese Fasern haben jedoch nur lokale Bedeutung für die Funktion des Ovals selbst und kommen bei der hier zu behandelnden Frage sicher nicht in Betracht.

In der Schwimmblase des Barsches sind also keine kontraktilen Elemente vorhanden.

Silurus glanis L.

Die Schwimmblase der Wels weicht von den bisher beschriebenen Formen insofern ab, als sie durch eine Scheidewand in eine links- und rechtsseitige Abteilung zerlegt wird. Die seitliche Trennung zeigt sich auf der Außenfläche deutlich durch zwei longitudinale Furchen. Die Scheidewand geht jedoch nicht, entgegen den vielen diesbezüg- lichen Literaturangaben, durch die ganze Länge der Schwimmblase, sondern trennt nur etwa vier Fünftel und zwar den hinteren Teil; im vorderen Fünftel kommunizieren beide Blasenteile; dieser Teil ıst durch eine leichte Einschnürung der Schwimmblase deutlich abgesetzt, so daß man auch von einer kleineren vorderen (ein Fünftel) und hinteren (vier Fünftel) Abteilung sprachen kann, wobei letztere wiederum in zwei seitliche Abteilungen zerfällt (Abb 3). An der Stelle, wo die Scheidewand vorne absetzt, entspringt im vorderen

Abb. 3. p = Ursprungsstelle des Ductus pneumatieus. s = Scheidewand,

Teil der Blase der kurze Ductus pneumaticus. Die Schwimmblase liegt außerhalb des Bauchfelles, ihre ventrale Seite ist von diesem überzogen und geht von da aus zu den Nieren bezw. zur Körperwand über. Am vorderen dorsalen Ende ist die Schwimmblase durch eine Reihe von Knöchelchen fest mit der Wirbelsäule verbunden; über diese Verbindung und deren Funktion (Webersche Knöchelchen) sind von Müller, Sagemehl, Jaquet, Bridge and Haddon und Thilo genaue Angaben gemacht worden. Querschnitte durch die Schwimmblasenwand in longitudinaler Richtung (siehe Abb. 4) zeigen, von außen nach innen gehend, einen sehr dünnen, leicht abziehbaren serösen Überzug, bestehend aus mehrschichtigem Plattenepithel, das durch lockere Bindegewebszüge mit der folgenden äußerst derben festen Bindegewebsschicht verbunden ist. Diese erscheint weiß und

L. Eißele, Histologische Studien an der Schwimmblase einiger Süßwasserfische. 1395

silberglänzend. Ihre Bindegewebsfasern laufen in dieken Bündeln ın der äußeren, dünneren Lage hauptsächlich längs, in der inneren dicken Lage zirkulär. Die letztere Querlage geht an der Stelle, wo makro- skopisch die Längseinschnürung der Schwimmblase sichtbar ist, die Scheidewand bildend, in diese über. In deren Aufbau sind dement-

Abb. 4. Längsschnitt durch die Schwimmblasenwand von Silurus glanis L. a) Seröser Überzug; b)lockeres Bindegewebe; c) derb-fibröse Schicht; d) innere Membran ; e) innere Plattenepithellage.

sprechend deutlich zwei getrennte parallele (ein links- und rechts- seitiger) Bindegewebsbeutel zu erkennen. Zu innerst folgt endlich das ganze Lumen auskleidend eine membranartige dünne Schicht aus feinen parallelen, lockeren Bindegewebszügen, denen in einfacher Lage ein Plattenepithel aufliegt. Die innere Membran geht auch auf die Scheidewand über; sie ist sehr reich an Blutgefäßen und es kommt besonders über der Scheidewand häufig zur Bildung von Gefäßknäueln. In der dicken Bindegewebsschicht laufen zahlreiche elastische Fasern. Muskelfasern konnte ich nirgends feststellen.

Cypriniden.

Ich habe die Schwimmblasen von Oyprinus carpio L., Tinca tinca L., Barbus barbus L. und Alburnus lucidus Heck. untersucht und gefunden, daß die anatomischen und histologischen Verhältnisse der einzelnen Arten ziemlich dieselben sind. Dies berechtigt die Familie der Cypriniden einheitlich zu behandeln. Sie besitzt bekannt- lich eine doppelte, in zwei hintereinander liegende Abteilungen ge- trennte Schwimmblase. Beide Abteilungen kommunizieren durch einen kurzen engen Verbindungsgang, den sogenannten Isthmus. An der Basis der hinteren Blase, kurz hinter dem Verbindungsgang, entspringt an der ventralen Seite der lange, enge Ductus pneumatieus, der in den Ösophagus mündet. Die Lageverhältnisse der Schwimmblase ent- sprechen denen der bereits beschriebenen Arten; die Schwimmblase liegt auch retroperitoneal. An der Wandung (siehe Abb. 5) lassen sich deutlich zwei Schichten voneinander trennen. Die äußere, sehr

134 L. Eißele, Histologische Studien an der Schwimmblase einiger Süßwasserfische.

derbe, silberglänzende Haut löst sich schon bei der Konservierung sehr leicht von der inneren dünnen durchsichtigen festen Membran. An der Stelle, wo die Schwimmblase mit Skeletteilen (Webersche Knöchelchen) verwachsen ist, löst sie sich kaum ab, so daß es schwer ist, diese mit gänzlich unversehrter äußerer Hülle herauszupräparieren. Die äußere Schicht ist dreimal so dick wie die innere. An der hinteren Abteilung kommt es nicht zu einer selbständigen Trennung der beiden Schichten; auch ist der histologische Aufbau der Blasenwand der

Abb. 5. Querschnitt durch die Schwimmblasenwand von Barbus barbus L. a) längs- und 5) querverlaufende Fibrillen der e) äußeren derb-fibrösen Haut; d) innere Membran; darin eingelagert e) elastischer Zug; f) lockeres Bindegewebe zwischen den Schichten c) und d); g) zahlreiche Blutgefäße.

beiden Abteilungen verschieden. Betrachten wir zunächst die Schichten

der vorderen Schwimmblase: Die äußere, derbe Haut besteht aus zwei

übereinander gelagerten Bindegewebsschichten: Die Fibrillen der äußeren Schicht sind in Längsrichtung gelagert, während die innere

Lage zirkulär gerichtete Bindegewebsfasern aufweist. Die innere

Membran der Schwimmblase zeigt eine lockere, aus parallelen Binde-

gewebszügen bestehende Schicht, in die ein zusammenhängender Be-

lag von welligen, elastischen Fasern und zahlreiche Blutgefäße ein- gelagert sind. Die Gefäßversorgung ist von Corning und Jacobs ausführlich beschrieben worden. Als Abschluß folgt eine Lage von

Plattenepithel. Die hintere Blase zeigt insoferne eine andere Struktur,

als der äußeren fibrösen Hülle eine dünne Lage glatter Muskelfasern

aufliegt. Der von Müller und Jäger angenommene „Schließmuskel*“ zwischen beiden Abteilungen der Schwimmblase ist jedoch nicht vorhanden. Vielmehr zeigt sich auf Serienschnitten, daß der Ver- bindungskanal zwischen den beiden Schwimmblasenabteilungen den- selben Bau wie die vordere aufweist; die fibröse Hülle ist an dieser

Stelle besonders derb und fest. Auch sind Klappen oder ähnliche

Einrichtungen, die einen Verschluß des Kanals bewirken könnten,

nicht vorhanden. Die hintere Blase ist unelastisch, während die vordere

sich bei Druck auf die hintere Schwimmblase um etwa ein Drittel ihres Volumens erweitern kann. Die Verschiedenheit in der Elastizität

L. Eißele, Histologische Studien an der Schwimmblase einiger Süßwasserfische. 135

der beiden Blasenteile zeigt sich nach Jäger auch im Vakuum. Bei Abnahme des Luftdruckes dehnt sich die vordere Blase so stark aus, daß sie platzt, während die hintere ihr Volumen nahezu unverändert bewahrt. Die oben beschriebenen elastischen Züge ın der inneren Membran des vorderen Schwimmblasenabschnittes stehen somit ın Einklang mit diesen physiologischen Tatsachen.

Bei den Cypriniden ist also die vordere Abteilung der Schwimm- blase frei von Muskulatur; sie besteht teilweise aus elastischem Ge- webe; die hintere Abteilung hat mehr fibrösen Charakter und besitzt einen dünnen Belag von glatten Muskelfasern.

Als Ergebnis aus obigen Untersuchungen wird somit festgestellt:

Nicht alle Schwimmblasen besitzen kontraktile Elemente. Muskulatur kommt nur in manchen Gattungen und Familien vor. Wo solche auftritt, besteht sie (mit wenigen in der Literatur beschriebenen Aus- nahmen, wo quergestreifte Muskulatur festgestellt wurde, die einer Nachprüfung bedürften, mir aber nicht zugänglich waren) aus glatten Muskelfasern. Die Anordnung ist nicht einheitlich und läßt kein be- stimmtes System erkennen. Ferner sei auf die physiologischen Eigen- schaften der Muskulatur hingewiesen: quergestreifte Muskulatur findet ihren Ansatz und Ursprung zwischen Knochen und ist vom Willen abhängig; glatte Muskulatur hat Ansatz und Ursprung zwischen Weich- teilen oder ist ringförmig angeordnet und ist vom Willen unabhängig (Wegener). Die gemachten Ausführungen schließen somit eine aktive Volumensänderung der Schwimmblase durch Muskelkompression ihrer Wände aus; sie bestätigen vielmehr die Auffassung Moreau- Baglıonı.

Zum Schlusse möchte ich auf die viel diskutierte Funktion der doppelten Schwimmblase, wie sie als Charakteristikum für die Oypri- niden vorkommt, hinweisen. Die von Müller, Jäger und anderen vertretene, eingangs schon mitgeteilte Ansicht dürfte durch obige Er- wägungen, besonders aber durch das Fehlen eines „Schließmuskels* hinfällig geworden sein. Nach einfachen, mechanischen Gesetzen müßte verlangt werden, daß, wenn der vordere bezw. hintere Teil des Fisch- körpers durch Verschiebung der Luft nach der vorderen oder hinteren Blase steigen oder sinken sollte (z. B. wenn der Karpfen beim „Grün- deln“ kopfsteht), die Kommunikation der Schwimmblase mit dem Schwerpunkt des Fisches zusammenfallen müßte. Nach von mir aus- geführten Schwerpunktsbestimmungen ist dies jedoch nicht der Fall; dieser liegt bald vor, bald hinter der Höhe des Verbindungskanals. Außerdem gibt es Individuen, bei denen die ganze Schwimmblase ent- weder weit vor oder hinter dem Schwerpunkt des Fisches liegt (Deineka p. 171). Zu dieser Frage schreibt Sagemehl, daß es doch sonderbar wäre, warum diese anscheinend so nützliche Einrichtung einer doppelten Schwimmblase nicht bei einer größeren Anzahl von Fischen, die sich doch in statischer Beziehung gleich verhalten, durch-

136 1. Eißele, Histologische Studien an der Schwimmblase einiger Süßwasserfische.

geführt wäre, sondern nur einer kleinen Gruppe zukäme. Warum findet sich dann außerdem bei anderen Fischen (Welsen) eine Längs- teilung in zwei seitliche Abschnitte? Die Fische mit geteilten Schwimm- blasen verhalten sich ın statisch-funktioneller Beziehung genau so wie die Fische mit einfachen Blasen. Beim Karpfen erklärt Thilo (1908) den Vorteil der geteilten Schwimmblase mechanisch so, daß kleinere Blasen einen bedeutend stärkeren Druck aushalten, als größere bei derselben Wandstärke; sie gewähren eine günstigere Körperform. Beim Wels hat die Scheidewand dieselbe Bedeutung, wie die Zwischen- wände von Luftkissen aus Gummi und von Dampfkesseln. Sie dienen zur Erhalturg der flachen Form und zur Verstärkung gegen den Innen- druck der in ihnen komprimierten Gase.

Nach Sagemehls Meinung besteht der Vorteil der Zweiteilung bei den Cypriniden darin, daß die durch veränderte Druckverhältnisse des umgebenden Mediums bedingte Volumenzunahme oder Abnahme der in der ganzen Blase enthaltenen Luft bei dem eigentümlichen Bau fast ausschließlich in einer entsprechenden Volumensschwankung der vorderen sehr elastischen Abteilung ihren Ausdruck finden wird, während die hintere unelastische davon kaum betroffen wird. Auf diese Weise würden noch Veränderungen vermittelst der W eberschen Knöchelehen dem Fische zur Wahrnehmung gelangen können, die, wenn die Elastizität der Wände eine gleichmäßige wäre, unter der Wahrnehmungsschwelle gelegen hätten. Daß hierdurch, wie Sage- mehl meint, „atmosphärische Druckschwankungen und die im Gefolge derselben auftretenden Wetterschwankungen“ zur Wahrnehmung ge- langen würden, scheint mir der Nachprüfung bedürftig. Vielmehr werden, wie ich glaube, dem Fisch Wasserdruckschwankungen und damit die Wasserhöhe angezeigt, in der er sich befindet, und es ihm so ermöglicht, mittelst seiner Flossen seine günstige Wasserschicht (plan des moindres efforts nach Moreau) aufzusuchen.

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Die mit * bezeichneten Werke sind mir nur aus Referaten bekannt,

158 R. Vogel. Über die Topographie der Leuchtorgane von Phausis splendidnla Leconte.

Über die Topographie der Leuchtorgane von Phausis splendidula Leconte.

Von R. Vogel (Tübingen).

Nachdem ich ın früheren Arbeiten die Topographie der Leucht- organe unserer einheimischen Lampyris noctiluca und einiger aus- ländischen Lampyriden klargestellt hatte, möchte ich im folgenden das gleiche mit unserer zweiten häufigeren einheimischen Lampyris- art, Phausis splendidula Leconte, versuchen. Die dritte bei uns vor- kommende Lampyrisart, Phosphaenus hemipterus, ıst recht selten, ich habe sie lebend überhaupt noch nicht gesehen. Sie ist auch weniger interessant, weil bei ıhr die Imagines keine besonderen Leuchtplatten besitzen, sondern, nach C. Verhoeff, die ım 8. Abdominalsegment ge- legenen, knollenförmigen lateralen Organe der Larven beibehalten.

Leuchtorgane der Larven. Die bisherigen Angaben über die Topographie der kleinen paarigen, dorsolateralen Leuchtorgane der Larven sind verwirrend und es mag manchem sonderbar vorkommen, daß darüber noch keine Klarheit herrscht. Aber die Sache ist wirk- lich verwickelter, als man zunächst glauben möchte Kölliker gıbt an, die erwähnten Organe befänden sich in den ersten 6 Ab- dominalsegmenten, nach Bongardt und Wielowjewski sollen sie in allen Abdominalsegmenten mit Ausnahme des letzten vorkommen, während Verhoeff behauptet, den Larven kämen nur 3 Paare late- raler Organe zu, „eines hinter dem Metathorax, eines vor dem Ende des Körpers, das dritte zwischen diesen beiden Paaren nahe hinter dem vorderen“. Wie reimen sich diese verschiedenen Angaben? Ich suchte die Aufgabe nicht nur, wie die vorgenannten Autoren, am lebenden, leuchtenden Tier, sondern vor allem vermittels der Schnitt- methode zu entscheiden. Diese kann allein sichere Auskunft geben, da die lateralen Leuchtorgane nicht immer gleichzeitig leuchten und außerdem Reflexerscheinungen an dem, den Leuchtorganen benach- barten, mit Kristallen von harnsaurem Ammoniak angefüllten Fett- körper eine sichere Abgrenzung der Organe erschweren. Meine Studien ergaben nun, daß Köllikers, Bongardts und Wielow- jewskys Angaben nicht zutreffen, daß dagegen C. Verhoeffs An- gabe, wonach nur 3 Paare von Leuchtorganen vorhanden sind, von denen das vordere und hintere Paar stets die größten sind, für etwa ?/, der Tiere gilt, das übrige Drittel hat mehr Leuchtorgane. Die oben bemerkte Lagenangabe Verhoeffs für die Larven mit 3 Paar Organen ist freilich nicht genau. Ich fand in 8 Fällen 3 Paar Leucht- organe und zwar ın 4 Fällen davon im 2., 5. und 6. Segment, ın 4 weiteren Fällen im 2., 4. und 6. Segment. In 4 weiteren Fällen fand ich mehr als 3 Paar Organe, nämlich 3 mal 4 Paare und zwar im 2., 4., 5. und 6. Segment. Einmal fand ich auf einer Seite sogar 5 Organe,

R. Vogel, Über die Topographie der Leuchtorgane von Phausis splendidula Leconte. 139

nämlich merkwürdigerweise im 1. und 3., wo man sie sonst vermißt, und im 4., 5. und 6. Segment. Leider verunglückte die Schnittserie von der anderen Seite dieses Tieres. In einigen Fällen könnte ich die frühere Beobachtung Köllikers, daß die Leuchtorgane unserer Art nicht immer streng symmetrisch angeordnet seien, bestätigen.

Eine Erklärung für die erwähnten Unregelmäßigkeiten ın Zahl und Anordnung der Leuchtorgane bei der Larve von Ph. s. kann ich bisher nicht geben. Es bedarf umfassender, sehr zeitraubender Unter- suchungen, um das hier aufgedeckte Problem zu lösen. Vielleicht gelingt es mit Hilfe von Züchtungen, Einblick in die Sache zu er- langen.

Mit dem Geschlecht scheint die verschiedene Ausbildung der

Larvenorgane nicht zusammen zu hängen. Die Annahme, daß es sich bei dem Leuchtgewebe nur um Bakterieninfektion handle, hat etwas Bestechendes für den vorliegenden Fall. In neuerer Zeit tritt

ja U. Pierantoni mit Entschiedenheit dafür ein, daß es sich bei den Leuchtorganen aller in Frage kommenden Tiergruppen, insbesondere auch bei den Lampyriden um Bakterieninfektion handle. Auch P. Buchner schließt sich, ‘entgegen seiner früheren Meinung, ın

seinem kürzlich erschienenen Symbiontenwerk wenn auch etwas zögernd der Auffassung Pierantonis an, daß das Leuchtgewebe der Käfer auf Bakterieninfektion beruhe. Ich habe Pierantonis

Untersuchungen an Lampyris noctilıca 9 an gleicher Art nachunter- sucht!), aber mit völlig negativem Ergebnis. Weder im Ausstrich des Eies das nach Pierantoni bereits die Leuchtbakterien enthalten soll noch der Leuchtorgane konnte ich Bakterien nachweisen. Zahlreiche mit Einhalt und Leuchtgewebe auf alkalischem Agar (Schrägröhrchen) angelegte Kulturen blieben steril. Einige wenige enthielten Verunreinigungen mit Pyocyaneus und Heubazillen, welche vielleicht aus den Tracheen stammten. Ich hoffe, nächsten Sommer (1922) die Versuche auf Phausis splendidula auszudehnen.

Leuchtorgane der Imagines. Die Männchen besitzen große, kreideweiße Leuchtplatten auf der Ventralseite des 6. und 7. Ab- dominalsegmentes. Die Angaben, daß es sich um das 5. und 6. (Bongardt, Verhoeff) Segment handle, berücksichtigen nicht, daß das erste Abdominalsegment nur von der Dorsalseite zu sehen ist. Es wird während der Metamorphose ventral stark verkürzt und dicht an den Metathorax herangezogen, wie bei Z. noctiluca. Was wird nun aus den Larvenorganen bei den Männchen? Aus den Beobach- tungen von C. Verhoeff und V.Knoche (s. Mangold) geht hervor, daß die männlichen Puppen beständig mit den Larvenorganen weiter-

1) Die bakteriologischen Untersuchungen machte ich in Gemeinschaft mit Herrn Dr. Lutz, Assistent am hiesigen hygienischen Institut, dem ich auch an dieser Stelle für seine Hilfe meinen besten Dank ausspreche.

140 R. Vogel, Über die Topographie der Leuchtorgane von Phausis splendidula Leconte.

leuchten. Bei den fertigen, bis auf die kreideweißen Leuchtplatten bekanntlich schwärzlichen Männchen scheinen diese Organe geschwun- den zu sein. Nur Knoche macht die bemerkenswerte Angabe, daß in seltenen Fällen auch beim Männchen im 1. Abdominalsegment (es handelt sich in Wirklichkeit um das 2.) paarige leuchtende Organe vorhanden seien. Ich überzeugte mich auf Schnitten davon, daß beim Männchen tatsächlich sämtliche Larvenorgane, wenn auch in etwas verändertem Zustand, erhalten sind. Die Zellen erscheinen gegen- über den kompakten Larvenorganen gelockerter, auch ist ıhr fein- körniger eososinophiler Inhalt iii so dicht wie bei jenen. Daß diese toteralen Organe des Männchens bisweilen leuchten, geht, wie gesagt, aus der Beobachtung Knoches hervor. Meistens wird das Leuchten dieser Organe beim g' aber wohl durch das schwarze Pigment des Körpers insbes. auch durch die Elytren verdeckt werden.

Die Weibchen übernehmen die knollenförmigen Larvenorgane in unverändertem, funktionstüchtigem Zustand. Dazu entwickeln sich während der Metamorphose Leuchtplatten, und zwar eine große unpaare auf der Ventralseite des 7. Abdominalsegmentes, wie beim Männchen, und 2 kleinere, median getrennte auf der Ventralseite des 6. Ab- dominalsegmentes. Diese Teilung in 2 Platten ist wohl ein sekun- därer Zustand, abzuleiten aus dem beim Männchen bestehenden ein- heitlichen. In vergleichend-anatomischer Beziehung ist bemerkens- wert, daß sich die Leuchtplatten von Phausis splendidula wie die der früher untersuchten Lampyriden ı imagines nur im 6. und 7. Abdominal- segment entwickeln, ein Verhalten, das, wenn nicht völlige Rück- bildung eintritt (F Lampyris noetiluca) für alle Lampyriden imagines zu gelten scheint.

Literatur.

Literaturverzeichnis bis 1910 in:

Winterstein: Handbuch der vergleich. Physiologie III. Bd. 2.H. Jena 1910—1Y14. E. Mangold: Die Produktion von Licht.

Spätere Literatur.

Buchner, P.: Tier und Pflanze in intracellularer Symbiose. Berlin 1921.

Pierantoni, U.: Sulla luminosita e gli organi luminosi di lampyris noetiluca L. Bolletino della Societa di Naturalisti in Napoli Vol. 27. 1914.

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Vogel, R.: Zur Topographie und Entwieklungsgeschichte der Leuchtorgane von Lampyris noctiluca. Zool. Anz. Bd. 41. 1913.

Ders.: Bemerkungen zur Topographie und Anatomie der Leuchtorgane von Luciola chinensis L. Jen. Z. f. Naturw. N. F. Bd. 50. 1921.

vh Se u

A. U. E. Aue, Besitzt der Falter von Arectia caja die Fähigkeit zu leuchten? 141

Besitzt der Falter von Arctia caja die Fähigkeit zu leuchten? Von A. U. E. Aue, Frankfurt a. M.

Im Jahre 1916 erschien ın Heft 5 dieser Zeitschrift eine Abhand- lung von Herrn Isaak, die sich mit der Leuchtfähigkeit des Falters des Braunen Bären, Arctia caja L., beschäftigt, und in der ausgeführt wird, wie dieser Falter infolge mechanischer Reizung gegen den Kopf- abschnitt diesen senke, so daß eine sonst kaum sichtbare grellrote Brille am Vorderteile des Thorax zum Vorschein komme. Hier nun befinden sich die Mündungen der ein leuchtendes Sekret aus- scheidenden Drüsen. Die Leuchtdauer sollte bei kräftigen Individuen bis zu 10 Sekunden betragen.

Die Kunde von der Leuchtfähigkeit dieses gemeinen Falters hat nun die Runde durch zahlreiche Zeitschriften, ja selbst Tageszeitungen, gemacht, irgend ein Widerspruch gegen die Feststellungen lIsaaks sind nicht zu meiner Kenntnis gelangt.

Im Oktober 1917 schlüpfte mir nun ein überaus lebhaftes Männ- chen von caja. Es begann sehr bald nach dem Schlüpfen am hellen Tage im Puppenkasten herumzuflattern, was für diesen Bären ziem- lich ungebräuchlich ist, und als ich es berührte, um es dem Kasten zu entnehmen, da bemerkte ich, wie rechts und lınks der Brust, also genau an der von Isaak bezeichneten Stelle, zwei nicht ganz linsen- große, kristallhelle Tropfen erschienen, die bald wieder verschwanden. Ich wollte nun natürlich auch das Leuchten der glücklich einmal fest- gestellten Tropfen beobachten, indessen gelang es mir merkwürdiger Weise nicht wieder, den Falter zum Heraustretenlassen der Tropfen zu bewegen. Auf Druck und Stoß reagierte er nur noch durch Ein- nehmen der Trotzstellung. Ebensowenig gelang es mir, die anderen damals schlüpfenden Falter, z. T. recht kräftige und lebhafte Tiere, zum Ausscheiden des Sekrets zu veranlassen.

Von dem reagierenden Männchen und einem sehr kräftigen Weib zog ich nun sehr zahlreiche Nachkommen, deren weitaus größter Teil, vielleicht infolge von Vererbung, bei nur geringer Belästigung die Tropfen hervortreten ließ, und zwar so oft, als es mir beliebte, nicht nur einmal. Bei Tageslicht leuchteten diese Tropfen nun ebenso wenig, wie bei dem ersten Versuchsobjekt, vielmehr erschienen sie mir als wasserhell und farblos. Ebensowenig aber vermochte ich im Dämmer- licht, bei Nacht und im völlig gegen die Außenwelt abgeschlossenen Zimmer irgend eine Leuchtwirkung wahrzunehmen. So trat ich mit einem Falter, der sehr stark reagierte, ins dunkle Zimmer, reizte ihn hier und schaltete, als ich längere Zeit keine Leuchtwirkung wahr- nahm, das elektrische Licht ein. Da konnte ich gerade noch die Tropfen wieder verschwinden sehen. Der Falter hatte also reagiert, ohne indessen eine Leuchtwirkung hervorzubringen. Ähnliche Ver- suche habe ich damals mit einer ganzen Reihe von Faltern wohl 10--20mal wiederholt, stets mit negativem Erfolg, soweit es das

449 A.U.E. Aue, Besitzt der Falter von Arctia caja die Fähigkeit zu leuchten ?

Leuchten betraf. Einmal blieb einer der Tropfen an meinem Zeige- finger hängen. Ich schaltete das Licht aus, konnte aber wiederum keine Leuchtwirkung wahrnehmen. Beim Wiedereinschalten des Lichtes fand ich den Tropfen noch an ' meinem Finger haftend vor. An die Zunge gebracht rief das Sekret ein Brenngefühl ohne eigent- lichen Geschmack hervor. Auch vereinzelte Falter einer späteren, nicht verwandten Zucht ließen wohl die Tropfen hervortreten, aber auch hier fehlte jede Leuchtwirkung.

An der Hand meines reichen Materials stellte ich weiter fest, daß die Flüssigkeit einen penetranten Geruch ausströmte, der dem des Marienkäferchens (Coceinella) glich oder ähnelte, und so stark war, daß sechs solcher ım Giftglase abgetöteten Falter den intensiven Zyankaligeruch unterdrückten.

Verkrüppelte und verdorbene Falter pflegte ich damals, nachdem ich sie getötet, meinem Rotkehlchen ins Bauer zu setzen, und ich konnte feststellen, daß der Vogel eigentlich jeden der ihm ange- gebotenen Falter zu zerkleinern und zu fressen versuchte. Als ich ihm aber solch einen mit Tropfen reagierenden Bären vorsetzte, da zog sich das Kehlchen unter heftigem Kopfschütteln in die andere Ecke seiner Behausung zurück, verhielt sich also genau so, wie wenn es einem Marienkäferchen zu nahe gekommen wäre.

Nach zahlreichen Versuchen mit im Ganzen weit über 300 Faltern glaube ich folgendes als erwiesen ansehen zu dürfen:

1. Die Reaktion durch Tropfen ist nur einzelnen Individuen von caja möglich. Dafür spricht der Umstand, daß erst eine ganz ver- schwindend geringe Zahl von Personen die Tropfen überhaupt wahr- genommen hat, wiewohl caja in Unmengen gezogen wird. Hätte jeder Falter die Reaktionsfähigkeit, so könnte es kaum einen Züchter von caja geben, dem die Tropfen fremd wären. Alle von mir be- fragten Züchter hatten aber die Tropfen noch nie bemerkt.

2. Die Tropfen leuchten nicht. Wenn Herr Isaak schreibt, er habe das Phänomen des Leuchtens bei vielen Individuen und nach Belieben wiederholt hervorrufen können, so ıst mir das unerklärlich.

Bezüglich der Aufgabe, die die Tropfen zu erfüllen haben, vermute ich, daß sie Feinde des Falters durch Geruch und Geschmack abzuschrecken bestimmt sind. Dazu bedarf es aber der Leuchtwirkung als weiteren Faktors kaum, wıe das Verhalten meines Rotkehlchens als eines gewiß klassischen Zeugen beweist. Seinem entrüsteten Kopfschütteln konnte man den Ekel geradezu ansehen.

/um Schlusse möchte ich noch eines interessanten Literatur- hinweises Erwähnung tun, den Günther Just, angeregt durch zwei frühere Veröffentlichungen von mir, in dankenswerter Weise im 32. Jahrgange der „Entomologischen Zeitschrift“ mitteilt. Danach wurde der Tropfen bei caja bisher von folgenden Herrn Erwähnung getan: Vor mehr als 100 Jahren von Degeer, danach noch von Paul Schulze, von Isaak, Soldanski und von mir.

G. Jegen, Entgegnung. 145

Entgegnung auf die von H. Nachtsheim, Berlin im Biologischen Zentralblatt, Band 41, Nr. 10 Seite 475 u. 476 veröffentlichte Besprechung meiner Arbeit über:

Die Geschlechtsbestimmung bei Apis mellifica.

Zur Orientierung über den Sachverhalt der von Nachtsheim einer Kritik unterworfenen Arbeit sei kurz folgendes festgestellt:

1. Die von mir vertretene Auffassung über die Nichtzeugungs- fähigkeit der abnormalen Drohnen stützt sich auf zahlreich und sorgfältig ausgeführte Experimente, die es jederzeit gestatten, den Sachverhalt nachzuprüfen. Die zytologischen Beweise zu meiner Be- hauptung gründen sich auf heute noch vorhandene selbst hergestellte Präparate. Die Zuverlässigkeit meiner diesbezügl. Aussagen kann also auch nach dieser Seite hin bequem nachgeprüft werden.

2. Meine Auffassung über die Samenreifung normaler Drohnen basiert ebenfalls auf einer großen Zahl von Präparaten, die von mir aufbewahrt werden und jederzeit nachgeprüft werden können.

3. Ebenso beweisen ganze Schnittserien die Richtigkeit meiner Beobachtung über die Fortentwicklung der kleinern Spermatide, so- weit ich meine Ansicht in meiner Arbeit festgelegt habe. Auch hierin ist eine Durchsicht des Materials möglich.

Dies gegen die Kritik meiner Veröffentlichung durch Herrn H. Nachtsheim. Den Beweis meiner ernsten und gewissenhaften Forschung auf dem besagten Gebiete zu erbringen, bin ıch also jeder zeit ın der Lage. G. Jegen.

Referaäte. F. Alverdes: Rassen- und Artbildung.

(Abhandlungen zur theoretischen Biologie, herausgegeben v. Schaxel, Heft 9). Berlin, Bornträger, 1921. (118 S.), M. 32.—.

Verfasser behandelt in sechs Kapiteln die Probleme der Rassen- und Artbildung. Er erörtert das Zusammenspiel der inneren und äußeren Faktoren sowie den Begriff und das Wesen der reinen Phänovariationen, der Mutationen und der durch Faktoren- kombination zustandekommenden Genovariationen. In einem Schlußkapitel faßt er die bisherigen Ergebnisse zusammen und zeigt die Wege, die die Abstammungsforschung in nächster Zukunft gehen muß. Seine besondere Aufmerksamkeit wendet er der Frage zu, wie sich die verschiedenen Forscher mit der Hauptschwierigkeit der ganzen Ent- wicklungslehre abgefunden haben, nämlich mit der Tatsache, daß trotz der offensicht- lichen Konstanz der Arten dieselbe geleugnet werden muß. Überall betrachtet er es als seine vornehmste Aufgabe, zwischen Theorie und gesichertem Besitz zu scheiden, und die bisher gemachten Voraussetzungen auf ihre Leistungsfähigkeit hin zu prüfen.

Das Buch ist geistreich und mit gesunder Kritik geschrieben. Uberall. versucht der Verfasser die Fragestellung der auftauchenden Probleme aufs äußerste zu ver- schärfen, und er versteht es hierdurch, die Lektüre seines Buches anregend und frucht- bar zu machen. Ein besonderer Vorzug des Werkes liegt ferner in dem Umstand, daß Verfasser mehrere wichtige skandinavische und amerikanische Arbeiten, die sonst schwer zugänglich sind, ausführlich herangezogen hat. Das Buch enthält sechs instruktive Abbildungen zur Veranschaulichung der Selektionswirkung und ein fünf Seiten um- fassendes Literaturverzeichnis. Siemens (München.)

144 Ö. Correns, Referate.

Miehe, H, Taschenbuch der Botanik, II. Teil, Systematik 2. Aufl., 114 Abbild., 768. Leipzig, Dr. Werner Klinkhardt, 1920.

Dies als Heft 4 der Klinkhardtschen Kolleghefte erschienene Hilfsbuch für Studierende ist in der zweiten Auflage wesentlich erweitert worden, besonders was die Kryptogamen anbetrifft. Zahlreiche Abbildungen sind neu hinzugekommen, die alten Abschnitte sind sehr stark umgestaltet und den neuen Anschauungen angepaßt. Dabei ist der Umfang kleiner geworden, teils durch gedrängten Druck, teils durch Beschränkung der für Notizen bestimmten Papierflächen. Die Physiologie ist aus dem II. Teil in den I. verlegt worden.

Lieske, Rudolf, Morphologie nnd Biologie der Strahlenpilze. 112 Abbild. und

4 farbigen Tafeln. Leipzig. Gebr. Bornträger, 1921.

Der Verf. hat auf Grund eigener, eingehender Untersuchungen nach den ver- schiedensten Richtungen die interessante und für den Pathologen wichtige Gruppe der Strahlenpilze (Actinomyceten) sorgfältig monographisch bearbeitet, wobei besonderes Gewicht darauf gelegt wurde, die biologische und die medizinische Seite möglichst gleichwertig zu gestalten. Er stellt sie zwischen Hyphomyceten und Spaltpilze, jenen näheren sie sich nur, während sie durch die Mycobakterien direkt in diese übergehen. Auf die Einzelbeobachtungen und die kritische Besprechung der Literatur soll hier nicht eingegangen werden. Die von ihm untersuchten 112 Sippen, „Stämme“, der Strahlenpilze bezeichnet Verf. vorsichtig nur mit Zahlen, weil eine Artbenennung, zur Zeit wenigstens, infolge der Veränderlichkeit der Stämme und des Überganges mancher ineinander unmöglich sei. Refer. stimmt dieser Nummerierung nicht ganz zu. Der Name soll doch eigentlich, wie die Zahl, nur als Verständigungsmittel dienen und ist unleugbar viel bequemer als diese letztere. „Ochraceus“, „cinnabarinus‘ oder „mutabilis“ läßt sich leichter als Bezeichnung eines bestimmten: Stammes merken als 92, 96 und 102. Man braucht bei den Namen nur zu wissen, daß sie in der vor- liegenden Gruppe keine guten oder schlechten Arten bezeichnen sollen.

Die Ausstattung des Werkes, dessen Erscheinen durch eine Unterstützung der Heidelberger Akademie ermöglicht wurde, ist ausgezeichnet, die Abbildungen, fast aus- schließlich Originale, und die farbigen Tafeln sind sehr gut. C. Molisch, Hans, Populäre biologische Vorträge. 280 S., 63 Abbild. Jena, Gustav

Fischer, 1920.

Eine Sammlung von 17 Vorträgen, für ein gebildetes Laienpublikum bestimmt, leicht verständlich und gut zu lesen. Ein großer Teil ist noch dadurch von besonderem Interesse, daß darin über Gebiete berichtet wird, auf denen der Verfasser selbst sehr eingehend gearbeitet hat (Leuchten der Pflanzen, Pflanzentreiben, Ultramikroskop, Erfrieren und Wärmeentwickelung der Pflanzen, Radiumwirkung u. s. w.).

Molisch, Hans, Anatomie der Pflanze. 126 Abbild. und 144 S. Jena, Gustav Fischer, 1920.

Auf den Wunsch seiner Hörer hin hat sich der Verfasser entschlossen eine „kleine Anatomie“ der Pflanzen zu schreiben. Bei dem Umfang von 144 Seiten kann es sich natürlich wirklich nur um einen Abriß handeln, aber den eines Gebietes, auf dem Verf. selbst sehr tätig war. Sehr anzuerkennen ist die große Zahl von Originalabbildungen. In einer zweiten Auflage würde besser das Bild eines Zystolithen von Freus elastica (Abb. 34A) durch ein gelungeneres ersetzt werden, ebenso die Parenchymzellen der Georginenknolle (Abb. 39) als Beispiel für Membranstreifung etwa durch das einer Apocyneen-Faser, weil es sich bei der Georginenknolle um Membranverdiekungen handelt. Die ‚direkte‘ Kernteilung kann nach den Untersuchungen Schürhoffs auch nicht mehr wohl durch die bekannte Abbildung Strasburgers aus dem Stengel von Tradescantia (Abb. 10) illustriert werden.

Giesenhagen, K., Lehrbuch der Botanik. VIII. Aufl., 560 Textfiguren. Leipzig, B. G. Teubner, 1920.

Die neue Auflage des sehr verbreiteten Lehrbuches für Studierende bedarf keiner besonderen Empfehlung mehr. Der Preis (18 Mk. geheftet mit 120 % Teuerungs- zuschlag des Verlegers) ist für das Gebotene gering.

‘Gedruckt bei Junge & Sohn in Erlangen.

Biologisches Zentralblatt

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42. Band. April 1922. Nr. 4

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Inhalt: G. Haberlandt, Über Zellteilungshormone und ihre Beziehungen zur Wundheilung, Befruchtung, Parthenogenesis und Adventivembryonie. Mit 9 Abb. S. 145. H. Schroeder, Über die Semipermeabilität von Zellwänden, 8. 172. St. Konsuloff, Über die Doppelatmung der Mückenlarven. Mit 3 Abb. S$. 188.

Über Zellteilungshormone und ihre Beziehungen zur Wundheilung, Befruchtung, Parthenogenesis und Adventivembryonie.

Von 6, Haberlandt, Berlin. Mit 9 Abbildungen.

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Die Untersuchungen, über die ich hier zusammenfassend berichte, schließen sich an Kulturversuche an, die ich schon vor 20 Jahren mit künstlich isolierten Zellen von höher entwickelten Pflanzen angestellt habe. Es handelte sich mir damals darum, festzustellen, was die Zelle als „Elementarorganismus“ zu leisten vermag und neue Aufschlüsse über die Wechselbeziehungen zu gewinnen, die zwischen den Zellen als Elementarorganen des Pflanzenkörpers bestehen.

Die mit mechanisch isolierten grünen Palisaden- und Schwamm- parenchymzellen, mit Haar- und Spaltöffnungszellen in verschiedenen Nährlösungen ausgeführten Versuche haben ergeben, daß diese Objekte oft wochenlang am Leben bleiben, auch mancherlei Wachstum zeigen, das sie im normalen Gewebsvetband unterlassen, daß sie aber nie- mals Zellteilungen eingehen. Ich schloß daraus, dab mög-

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licherweise „Wuchsenzyme* im Sinne von Beijerinck bei den Tei- lungen eine Rolle spielen, die den Zellen erst zugeführt werden müssen. Die experimentelle Prüfung dieser Vermutung konnte ich erst 1912 in Angriff nehmen. Zu diesem Zwecke stellte ich Kulturversuche mit kleinen plättchenförmigen Gewebsfragmenten der Kartoffelknolle an, die zu dem Ergebnis führten, daß in dünnen Plättchen aus dem Mark der Knolle die zur Wundkorkbildung führenden Zellteilungen fast ausnahmslos nur dann eintreten, wenn die Versuchsobjekte ein Leitbündelfragment enthalten; es genügt, wenn dieses aus Leptom, d.h. aus Siebröhren mit ihren Geleitzellen besteht. Auch in Plättchen aus der Knollenrinde kommt der begünstigende Einfluß des Leptoms sehr deutlich zur Geltung. Wurden bündellose Plättchen mittels einer dünnen Agarschicht auf bündelhaltige geklebt, so traten über den Leptombündeln der letzteren auch in den ersteren vereinzelte Zellteilungen auf. Daraus durfte gefolgert werden, daß aus dem Leptom ein Reizstoff, ein „Zell- teilungshormon‘“, in die bündellosen Plättchen hinüberdiffundierte und hier in Kombination mit dem Wundreiz die Zellteilungen auslöste. Es lag ferner nahe, anzunehmen, dab die plasmareichen „Geleitzellen“ die Elementarorgane dieser ‚inneren Sekretion“ sind und daß das Teilungshormon (vielleicht sind es auch mehrere) in den Siebröhren weitergeleitet wird.

Versuche, die ich dann später mit Gewebsfragmenten der Stengel von Sedum spectabile, Althaea rosea und der Kohlrabiknolle (Brassica oleracea gongylodes) ausgeführt habe, ergaben gleichfalls die Abhängig- keit der Zellteilungen von den Gefäßbündeln, resp. ihren Leptomteilen. Noch überzeugender waren aber die Ergebnisse von Kulturversuchen mit kleinen Blattstückchen verschiedener Peperomia-Arten und Orassuü- laceen (Bryophyllum, Kalanchoe, Crassula), die von meinem Schüler Lamprecht angestellt wurden. Wenn man tangential gespaltene Blattstückchen unter gleichen Außenbedingungen kultiviert, so zeigt nur die bündelhaltige Lamelle Zellteilangen, nie aber die bündellose. Werden dagegen die beiden Lamellen mit feuchten Schnittflächen wieder zusammengelegt, so treten auch in der bündellosen tangentiale Zell- teillungen auf, zuerst über den Gefäßbündeln der anderen Lamelle, später auch über die ganze Wundtläche hin. Das gleiche Ergebnis hatten auch Transplantationsversuche. Dieselben gelangen besser auf der dem Leptom zugekehrten Unterseite des Blattes, woraus wieder zu folgern war, daß der „Zellteilungsstoff‘“ aus dem Leptom stammt. Er ist nicht arteigen, sondern wirkt auch zwischen verwandten Arten, bisweilen sogar zwischen nahe verwandten Gattungen (Bryophylium und Ka- lanchoe).

Das Hauptergebnis dieser Untersuchungen war also, daß bei den untersuchten Pflanzen die zur Wundkorkbildung führenden Zelltei- lungen fast ausnahmslos nur dann eintreten, wenn sich der Wundreiz mit der Einwirkung eines aus dem Leptom der Gefäßbündel stammen- den Reizstoffes, eines Zellteilungshormons, kombiniert. Es ist sehr wahr-

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scheinlich, daß dieser Satz für alle höher entwickelten Pflanzen gilt, soweit sie Gefäßbündel besitzen und mechanische Verletzungen mit Zell- teilungen beantworten.

II.

Meine nächste Aufgabe war nun, das Wesen des bisher so rätsel- haften Wundreizes, sofern er Zellteilungen auslöst, aufzudecken. Daß aus den verletzten Zellen stammende Stoffe „als die Ursache der Umwandlung der Dauerzellen in Folgemeristemzellen zu betrachten“ seien, ist zuerst von Wiesner vermutet worden. Schon in meiner Abhandlung über „Kulturversuche mit isolierten Pflanzenzellen*“ habe ich dann mit der Möglichkeit gerechnet, daß beim Wund- reiz die Zersetzungsprodukte der bei der Verletzung zerstörten Proto- plasten eine bedeutsame Rolle spielen könnten. Dieser Gedanke ist seither auch von anderen Forschern geäußert worden. Namentlich Küster hat ihn mehrmals vertreten; auch Tierphysiologen und Chi- rurgen, unter letzteren vor allen A. Bier, haben dafür verschiedene Beobachtungstatsachen geltend gemacht, allein ein experimenteller Beweis für die Richtigkeit jener Annahme wurde bis auf meine Untersuchungen über diesen Gegenstand nicht erbracht.

Ich ging bei meinen Experimenten von folgender Voraussetzung aus. Wenn auf Wundflächen gewisse Zersetzungsprodukte der ge- töteten und verletzten Zellen als teilungsauslöende „Wundhor- mone“ fungieren, so muß es gelingen, durch ausgiebiges Abspülen frisch hergestellter Schnittflächen die Plasmareste der verletzten Zellen mehr oder minder vollständig zu entfernen und so durch Einschränkung oder Verhinderung der Hormonbildung die Zellteilungen unter der Wund- fläche der Zahl nach zu verringern oder ganz unmöglich zu machen. Bei den hauptsächlich mit der Kohlrabiknolle ausgeführten Ver- suchen wurden gewöhnlich 1—2 cm hohe Querscheiben in je drei Sek- toren geteilt. An zwei Sektoren wurde die obere Wundfläche unter der Wasserleitung 10—20 Minuten lang mittels eines kräftigen Strahles abgespült. An einem Sektor trug man auf die abgespülte Fläche eine dünne Schicht eines Gewebebreis auf, der aus der Versuchsknolle durch Abschaben oder Zerreiben gewonnen wurde. Der dritte Sektor blieb unabgespült und diente als Kontrollobjekt. Alle drei Sektoren wurden in einer Glasschale auf feuchtem Fließpapier kultiviert und nach 8—10 Tagen mikroskopisch untersucht. Oft wurden auch drei Scheiben aus ein und derselben Knolle der gleichen Behandlung unterworfen.

Das Ergebnis dieser Versuche war ganz klar. Unter den abge- spülten Wundflächen traten die Zellteilungen bedeu- tend spärlicher, oder wenigstens in einer geringeren Anzahl von Zellschichten auf, als unter den nicht ab- gespülten (Abb. 1A,B). Wurden aber die abgespülten Wundflächen mit einer dünnen Schicht von Gewebebrei überzogen, so fanden darunter meist ebenso zahlreiche, zuweilen sogar noch reichlichere Zellteilungen statt

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als unter den nicht abgespülten Flächen (Abb. 1C). Damit war die Wirksamkeit von Zersetzungsprodukten der getöte- ten Zellen als teilungsauslösende Wundhormone ex- perimentell bewiesen. Es ist mir freilich nach dieser Methode nicht gelungen, die Zellteilungen ganz zu verhindern; eine restlose Ent- fernung der abgestorbenen Plasmateile ist eben durch das Abspülen der Wundflächen nicht zu erzielen. Das war auch der Grund, weshalb die Versuche mit der Kartoffelknolle meist ein negatives Ergebnis lieferten. Die Plasmaschläuche haften hier den Zellwänden besonders

Abb. 1. Zellteilungen unter den Wundflächen von vier Sektoren aus einer Kohlrabi- knolle. A Wundfläche nicht abgespült. 5 Wundfläche mit Wasser abgespült. © Wundfläche abgespült und mit Kohlrabibrei bedeckt. D Wundfläche abge- spült und mit Kartoffelbrei bedeckt.

fest an und auch die Stärkekörner erschweren das Herausspülen der Plasmareste. Dazu kommt, daß sich beim Anschneiden die Interzellular- räume durch kapillare Saugung streckenweise mit Zellsaft und Plasma- teilen füllen, ein Übelstand, der sich auch bei der Kohlrabiknolle geltend machte.

Besonders beweiskräftig waren die nach anderer Methode mit den Laubblättern verschiedener Crassulaceen (Sempervivum mon- tanum, Echeveria secunda, Crassula lactea und Bryophyllum crenatum) angestellten Versuche. Wenn man ein ausgewachsenes, aber noch jüngeres

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Blatt der Länge oder der Querenach durchschneidet, so treten unter den Wundflächen schon nach wenigen Tagen reichliche Zellteilungen auf. Das Abspülen der Wundflächen hat keinen Erfolg, da das Meso- phyli sehr locker gebaut ist und der Inhalt der angeschnittenen Zellen in die Interzellularen eindringt. Wenn man aber an der Blattspitze einen ganz kleinen Längsschnitt anbringt und dann das Blatt der Länge nach langsam und vorsichtig entzwei reißt, so erhält man bei seinem lockeren Bau relativ ebene, trockene Rißflächen; die Tren- nung geht ganz glatt längs der Interzellularspalten und in den Mittel- lamellen der Scheidewände vor sich, die Zellen werden dabei nicht ver- letzt. Das Ergebnis war ein überraschendes: während sich unter den sich bräunenden Schnittflächen die Zellen schon längst reichlich geteilt hatten, blieben unter den grün gebliebenen Rißbflächen die Teilungen vollständig aus. Nur die unmittelbar an die zerrissene Epi- dermis grenzenden Mesophyllizellen teilten sich manchmal. Wurden die Rißflächen mit Gewebesaft aus einem Blatt derselben Pflanze benetzt, so stellten sich wieder reichliche Teilungen ein. Benetzung mit Wasser blieb wirkungslos.

Mit Crassulaceen-Blättern wurden auch Versuche angestellt, um zu erfahren, ob die teilungsauslösenden Wundhormone art-, gattungs- oder familieneigene Stoffe sind. Es ergab sich, dab Gewebe- säfte innerhalb der Familie oft Teilungen auslösen, während Säfte aus anderen Familien meist unwirksam oder schädlich sind (Abb. 1D). Jedenfalls herrscht kein Parallelismus zwischen Wirksamkeit der Ge- webesäfte und systematischer Verwandtschaft..

An der Bildung der auf Wundflächen so häufig auftretenden Kal- lusblasen, die durch bloßes Auswachsen der oberflächlichen Zellen entstehen, sind Wundhormone entweder unbeteiligt (Crassulaceenblätter ) oder ihr Einfluß auf jenen Wachstumsvorgang ist nachweisbar (Kohl- rabiknolle). In letzterem Falle können die Wundhormone mithin als Teilungshormone oder als Wuchshormone fungieren. Ob diese stofflich identisch oder verschieden sind, bleibt dahingestellt.

Die chemische Natur der Wundhormone ist bis auf weiteres unbestimmt. Für wahrscheinlich halte ich es, dab sie in den getöteten oder verletzten Protoplasten durch autolytische Vorgänge entstehen. Wenn man abgespülte Kohlrabischeiben mit abgekochtem Gewebe- brei bedeckt, so treten unter den Wundflächen weit weniger Zelltei- lungen auf als wenn unabgekochter Gewebebrei verwendet wird. Das spricht dafür, daß an der Bildung der Wundhormone Enzyme beteiligt sind, die autolytische Prozesse einleiten.

II.

Eine Reihe von Versuchen wurde zu dem Zwecke angestellt, um einzelne Zellen und Zellgruppen hinsichtlich ihres Verhal- tens nach mechanischen Verletzungen zu prüfen. Als Versuchsobjekte wurden ein- und mehrzellige Haare, Epidermiszellen und die Schließzellen der Spaltöffnungen benützt.

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Wenn man die an den Stengelknoten von Coleus hybridus und Rehneltianus in Querreihen auftretenden mehrzelligen Haare mit einer Schere entzweischnjeidet, so geht in der Regel nicht nur die angeschnittene, sondern auch “lie angrenzende, unverletzt gebliebene Zelle des Haarstumpfes zugrunde. Nur in diesem Falle teilt sich häufig die nächste lebende Zelle, ohne vorher Wachstum zu zeigen, in ihrem apikalen Teile durch 1—4 zarte Querwände. Die Tochterzellen weisen kräftige Plasmakörper mit großen Zellkernen auf. Daß die Teilungen im apikalen Teil der Haarzelle vor sich gehen, kann der Ausdruck ihrer Polarität sein; es kann dies aber auch darauf beruhen, daß der ursprünglich weiter unten gelegene Kern vor der Teilung traumatrop gegen die Wunde zu wandert. Wahrscheinlich wirken beide Ursachen gleichsinnig. Daß auch bei diesen Teilungen Wundhormone auslösend wirken, geht mit großer Wahrscheinlichkeit aus der oben erwähnten Tatsache hervor, daß Teilung nur dann eintritt, wenn die an die ent- zwei geschnittene Zelle angrenzende intakte Zelle abstirbt. Die erstere trocknet zu rasch aus, als daß Wundhormone in genügender Menge gebildet werden könnten.

Bei der Gesneracee Saintpaulia ionantha wurden die an den Blatt- stielen auftretenden mehrzelligen Haare durch Abreiben mit den Fingern mechanisch verletzt. Dabei kam es häufig vor, daß nur die unterste Zelle des Haarkörpers an ihrer Basis durch Querfältelung ihrer Außenwand beschädigt wurde, ohne danach abzusterben. Die verletzte Zelle teilte sich und zwar trat die Querwand jetzt im unteren Teil der Zelle auf, also der geschädigten Stelle genähert. Wir ent- nehmen daraus die für die nachfolgenden Erwägungen und Versuche wichtige Tatsache, daß eine ausgewachsene vegetative Pflanzenzelle, die nur von intakten Zellen umgeben ist, durch eine streng lokale mechanische Verletzung experimentell zur Teilung angeregt werden kann. In diesem Falle muß also die sich teilende Zelle das Wundhormon selbst produziert haben.

Sehr mannigfaltig sind die Erscheinungen, die sich an durch Ab- reiben beschädigten ein- oder mehrzelligen Haaren jüngerer Blüten- standsachsen und Blattstiele von Pelargonium zonale beobachten lassen. Die Verletzung der steifen Haare tritt meist an ihrer Basis auf. Ist sie gering, so bleiben die Zellen am Leben und teilen sich häufig durch eine senkrechte oder schräge Querwand. Nicht selten kommt es nur zur Kernteilung. Bei stärkerem Druck der Finger sterben oft mehrere Zellen über der Basalzelle ab; dann teilt sich diese oft durch mehrere Wände. Geht auch diese oder das ganze einzellige Haar zugrunde, so wachsen bisweilen die angrenzenden Epidermiszellen schlauchförmig in das Lumen des Haares hinein; die Schläuche teilen sich dann ein- oder mehrere Male. Stirbt in der Basalzelle des Haares nur ein Teil des Protoplasmas ab, so tritt durch Bildung einer Membrankappe eine Ab- kapselung der am Leben bleibenden Plasmaportion samt dem Kerne

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ein; dieselbe kann wieder durch typische Kern- und Zellteilung mehr- zellig werden. Wenn man die Spreiten junger Blätter auf ihrer Oberseite mit mäßigem Druck abbürstet, so wachsen die an verletzte Haare grenzenden Epidermiszellen fast immer zu kurzen, unregelmäßig gestalteten Keulenhaaren aus, die ein- oder mehrzellig sein können. Auch an anderen Stellen der Blattoberfläche werden einzelne Epidermis- zellen oder ganze Gruppen solcher zu derlei Haaren umgebildet, die lebhaft an Kallushaare oder auch an Erineumhaare erinnern, wie solche auf Ober- und Unterseite der Blätter verschiedener Pflanzen von Erio- phiden bewirkt werden.

Alle diese mannigfaltigen Wachstums- und Zellteilungsvorgänge, die sich an Haaren und Epidermiszellen nach mechanischer Beschädi- gung beobachten lassen, werden nur verständlich, wenn man annimmt, daß in den absterbenden, aber auch in den zwar verletzten, doch am Leben bleibenden Zellen Wundreizstoffe entstehen, die als Teilungs- hormone fungieren.

IV.

Wenn die Entwicklungserregung der Eizelle, die zu ihrer Teilung führt, prinzipiell ebenso zu erklären ist, wie der Anreiz zur Teilung einer Dauergewebszelle oder überhaupt einer Somazelle, so beruht die traumatische Parthenogenesis nach mechanischer Verletzung der Eizelle darauf, daß in ihr Wundhormone entstehen, die ihre Teilung auslösen. Dieser Satz ist eine naheliegende Folgerung aus den Ergebnissen der vorstehend mitgeteilten Versuche.

Bekanntlich ist es Bataillon im Jahre 1910 gelungen, reife Eier von Rana fusca durch Anstechen mit einer feinen Glas- oder Platin- nadel zur Entwicklung anzuregen und parthenogenetische Froschlarven aus ihnen zu züchten. Bei den höheren Pflanzen ist dieser Versuch schon wegen der Kleinheit der Eizellen technisch unmöglich. Vielleicht ist es aber gar nicht nötig, die Eizellen direkt anzustechen. Da oft eine Ausbreitung (des Wundreizes durch Diffusion der Wundhormone statthat, so könnte es genügen, durch Anstechen oder sonst eine mecha- nische Verletzung der Samenanlagen oder des Fruchtknotens die Bil- dung von Wundhormonen in der Nachbarschaft der Eizellen zu ver- anlassen und so traumatische Parthenogenesis auszulösen. Auch die Bildung von Adventivembryonen, insbesondere von Nuzellar- embryonen könnte auf diese Weise erreicht werden.

Von diesem Gedanken ausgehend habe ich im Sommer und Herbst 1921 mit Oenothera Lamarckiana eine Reihe von Versuchen angestellt. Die Pflanzen wurden in einem sonnig gelegenen Beet gezogen und fast täglich ausgiebig begossen. Die Kastrierung erfolgte durch einen Schnitt 3—5 mm über der Röhre der Blütenknospe. Da bei Oenothera La- marckiana die Antheren gewöhnlich schon in der Knospe sich öffnen und Pollen entleeren, so mußte diese Fehlerquelle entsprechend berück- sichtigt werden. Sie kommt übrigens kaum in Betracht; von über 100

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kastrierten Vergleichsblüten lieferte nur eine einen Fruchtknoten, der sich etwas weiter entwickelte und erst nach einigen Wochen abfiel. Alle übrigen zeigten kein Wachstum, vergilbten, fielen leicht ab und waren nach 8—10 Tagen vertrocknet.

Die mechanische Verletzung der kastrierten Fruchtknoten, resp. der Samenanlagen, erfolgte auf zweierlei Weise: die Fruchtknoten wurden entweder gequetscht, indem man sie zwischen Daumen- und Zeige- finger einen Moment lang mehr oder minder stark preßte. Oder die Fruchtknoten wurden mittels einer feinen Stahl- oder Glasnadel mehr oder minder tief angestochen. Gewöhnlich wurden 6 Stiche an- gebracht, zuweilen 10—12. Die Zahl der operierten Fruchtknoten jeder Versuchsreihe betrug 6—15 an ebensovielen Blütenständen. Jedesmal wurde der Kontrolle halber die benachbarte Knospe bloß kastriert.

Die Mehrzahl der operierten Fruchtknoten ging zwar nach 1—3 Wochen zugrunde, zeigte aber doch gegenüber den Vergleichsfrucht- knoten insofern ein verschiedenes Verhalten, als sie häufig länger grün blieben und später vertrockneten als diese. Eine wenn auch geringe Zahl der operierten Fruchtknoten wies aber fast in jeder Versuchsserie ein mehr oder minder ausgiebiges Wachstum auf. Sie wurden ein, zwei oder auch mehr Wochen nach der Operation an ihrer Basis abgeschnitten und in die Fixierungsflüssigkeit, Chromessigsäure, gelegt. Die Mikrotom- schnitte wurden mit Eisenhämatoxylin oder mit Gentianaviolett ge- färbt.

Gequetschte Fruchtknoten überdauern die Operation in der Regel sehr gut, und zwar auch dann, wenn sie noch etwas jünger sind. Wenn man kastrierte Fruchtknoten, deren Embryosäcke sich noch im Zweikernstadium befinden, mäßig stark quetscht, so zeigt sich nach 8S—14 Tagen, daß die Embryosäcke die Operation überraschenderweise besser überstanden haben als die Mehrzahl der Nuzelluszellen. Von diesen ‘sind die meisten abgestorben und kollabiert. Zwischen ihnen befinden sich fast immer einzelne am Leben gebliebene Zellen, die sich zu rundlichen Blasen. erweitern, oft reichlich Plasma und größere Zell- kerne besitzen und sich manchmal auch teilen. Der ganze Nuzellus ge- 'winnt so ein unregelmäßiges traubiges Aussehen. Seine am Leben bleibenden Zellen erinnern lebhaft an die von Strasburger entdeckten nuzellaren Initialzellen der Adventivembryonen von Citrus aurantium. Doch habe ich ihre Weiterentwicklung zu Nuzellarembryonen ebenso- wenig beobachtet wie ihre Ausgestaltung zu aposporen Embryosäcken, die Rosenberg in den Samenanlagen einiger parthenogenetischer Hieracien gefunden hat.

Sehr verschieden war das Verhalten der Embryosäcke und ihres Inhalts. Manche entwickelten sich ungestört weiter und zeigten dann den typischen Bau: zwei große, etwas gestreckte Synergiden mit manchmal gut entwickeltem Fadenapparat; ihnen vorgelagert die große, blasige Eizelle und im Zytoplasma des Embryosacks den sekun- dären Embryosackkern. Antipoden kommen bei Oenothera nicht vor,

4 A

A Pe

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In einigen wenigen Fällen ließ sich bei solcher Ausbildung ein Ansatz zur parthenogenetischen Weiterentwicklung der Eizelle beobachten. Dieselbe umkleidete sich mit einer Zellmembran und nahm wie eine befruchtete Eizelle die charakteristische Flaschenform an, wo- bei der Zellkern in die kopftförmige Ausstülpung einrückte (Abb. 2, A, B). In einem Falle war letztere durch eine Querwand vom Suspensor ab- getrennt (Abb. 2C). Eine weitere Entwicklung und Teilung der eigent- lichen Embryoanlage wurde nicht beobachtet. Sie blieb wohl. deshalb aus, weil der junge Embryo, von abgestorbenen Nuzellarzellen umgeben und so von jeder Stoffzufuhr abgeschnitten, verhungern mußte.

Meine Vermutung, daß zur Auslösung der traumatischen Par- thenogenesis einer angiospermen Eizelle die Zufuhr von Wundhor- monen aus ihrer Umgebung genügen müßte, hat sich also als richtig erwiesen, wenn auch der Erfolg des Versuchs bisher nur ein recht be- scheidener war.

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Abb. 2. Ansätze zur parthenogenetischen Entwicklung der Eizellen in Samenanlagen

gequetschter Fruchtknoten von Oenothera Lamarckiana. A u. B die Eizellen

unter den Synergiden haben Flaschenform angenommen. Ü zweizelliger Embryo; der Embryosack hat sich geteilt.

9%

Die Embryosäcke junger kastrierter und gequetschter Fruchtknoten konnten aber auch eine andere Entwicklung einschlagen. Manche von ihnen teilten sich, worauf dann die größere Tochterzelle zu einem sekundären Embryosack werden konnte. Solche Fälle lassen allerdings auch eine andere Deutung zu: unter dem Einfluß des Wundreizes könnte sich von den vier Tochterzellen, in die die Embryosackmutter- zelle zerfällt, außer der, die normalerweise zum Embryosack wird, auch noch eine zweite weiter entwickeln und so eine Teilung des Em- bryosackes vortäuschen. Derartiges dürfte tatsächlich vorkommen, doch ist nicht zu bezweifeln, daß sich manchmal der junge Embryosack tat- sächlich teilt (Abb. 2C). In einem Falle waren in dem der Mikropyle zugekehrten Ende des Embryosacks mehrere gleichartige „vegetative“

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Zellen entstanden, von denen die oberste zweikernig war. Die Aus- bildung eines Eiapparates unterblieb hier gänzlich. Ich möchte das derart entstandene Wundgewebe als „Wüundendosperm“ be- zeichnen. Wir werden ein solches später auch bei einigen Kompositen kennen lernen.

Wenn man jüngere oder ältere Fruchtknoten von Oenothera La- marckiana mehrere Male mit einer Nadel ansticht, so treten an den Wundflächen aber auch noch in geringerer oder größerer - Ent- fernung von diesen mannigfache Kalluswucherungen auf, die

Abb. 3. 4A Nuzelluszellen, die sich blasig in den Embryosack einer angestochenen Samenanlage von Oenothera Lamarckiana vorgewölbt haben. B Querschnitt durch den Embryosack einer angestochenen Samenanlage eines nicht kastrierten Fruchtknotens; papillöse Vorwölbung der Nuzelluszellen; rechts Anlage eines Nuzellarembryo.

die Gestalt einzelliger Blasen, verzweigter mehrzelliger Haare mit keulenförmigen Auswüchsen, oder rundlicher, unregelmäßig gestalteter Gewebepolster besitzen. Sie treten nicht nur an den Innenseiten der Fruchtknotenwände, an den Scheidewänden und Plazenten auf, sondern auch an verletzten Samenanlagen. Sowohl die beiden Integu- mente, wie auch der Nuzellus, können solche Wucherungen bilden. Wenn nun diese Kallusblasen, -haare oder -polster vom Nuzellus aus in den Embryosack hineinwachsen, so werden sie in der Regel plasmareich, sroßkernig und nehmen zuweilen die Gestalt von monströsen oder auch typisch gestalteten Adventivembryonenan. Es gibt dann mancher- lei Übergänge von einzelligen Blasen (Abb. 3), die sich nicht weiter ent-

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wickeln, und sonderbar gestalteten mehrzelligen Haaren von embryo- nalem Charakter (Abb. 4A) bis zu Gebilden, die man bereits als mon- ströse Embryonen ansprechen darf (Abb. 4B). Den Schluß der Reihe bilden typische Embryonen mit einem ein- oder zweizelligen Suspensor und regelmäßiger Quadranten- und Oktantenteilung (Abb. 5). Natür- lich wurde bei der Untersuchung auf den Zusammenhang dieser Nuzellar- embryonen mit dem Nuzellusgewebe besonders geachtet, um ihre Ent- stehungsweise vollkommen sicherzustellen.

Abb 4. A in den Embryosack einer angestochenen Samenanlanlage hineingewachsenes Nuzellushaar; rechts einzellige Blase. B montröser Nuzellarembryo, Suspensor blasig, plasmareich. Eigentlicher Embryo plasmaarm, abgestorben.

Nicht nur der Nuzellus, auch das innere Integument der Samen- anlage kann Wucherungen bilden, die das Nuzellusgewebe durchbrechend polsterförmig in den Embryosack hineinwachsen. Sie nehmen gleich- falls embryonalen Charakter an und lassen an ihrer Oberfläche die höcker- förmigen Anlagen von Integumentembryonen erkennen.

Die besprochenen Entwicklungsvorgänge stellten sich nur in Samen- anlagen ein, die von der Nadel direkt, doch nicht zu stark, verletzt worden waren. Da nun jeder Fruchtknoten nur 6-12 mal angestochen wurde, so ist die Wahrscheinlichkeit, daß eine Samenanlage. von der

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Nadel richtig getroffen wurde, sehr gering gewesen. Dementsprechend gingen die meisten kastrierten und angestochenen Fruchtknoten, vom Ansatz zur Parthenokarpie abgesehen, zugrunde, ohne in ihrem Em- bryosäcken etwas besonderes zu zeigen. Typische Adventivembryonen

Abb. 5. Zwei Nuzellarembryonen, die im Embryosack einer angestochenen Samenan- lage von Oenothera Lamarckiana einander gegenüber entstanden sind.

traten nur sehr selten auf. Ich fand nur zwei, und zwar in ein und demselben Embryosack, die diese Bezeichnung vollauf verdienten. Mon- ströse Embryonen waren dagegen relativ häufiger. Parthenogenesis wurde überhaupt nicht beobachtet, auch nicht ein Ansatz dazu. Bei der Wiederholung dieser Versuche wird also vor allem die Anstich-

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methode zu verbessern sein; es wird den Fruchtknoten mit viel feinerer Nadel eine größere Anzahl von Stichen beigebracht werden müssen, um die Aussicht, daß eine größere Anzahl von Samenanlagen erfolg- reich verletzt wird, zu erhöhen. Auch wird es sich empfehlen, die Blüten nicht zu Kastrieren, sondern die Narbe mit nur wenigen Pollen- körnern zu belegen, da gewisse Erfahrungen, die ich erst gegen das Ende meiner Versuche gemacht habe, es wahrscheinlich' erscheinen lassen, daß der Bestäubungs- resp. Befruchtungsreiz die Ausbildung von Ad- ventivembryonen in angestochenen Fruchtknoten begünstigt.

In den Embryosäcken verletzter Samenanlagen mit Nuzellushaaren und Nuzellarembryonen kommt es zur Entwicklung eines partheno- genetischen Endosperms mit haploiden Kernen. Die Adventiv- embryonen dagegen besitzen, wie zu erwarten war, diploide Kerne. (Bei Oenothera Lamarckiana und anderen Arten beträgt die haploide Chromosomenzahl 7, die diploide 14. Diese Zahlen gelten auch für meine Versuchspflanzen.)

Die Kalluswucherungen, die in Form von Blasen, Haaren und Gewebepolstern in die Embryosäcke angestochener Samenanlagen hinein- wachsen, werden zweifellos durch Wundhormone ausgelöst .Daß sie aber die Tendenz zeigen, einen embryonalen Charakter anzunehmen, ja zu wirklichen Embryonen zu werden, ist sicher nur dem besonderen Ein- fluß zuzuschreiben, dem jene Wucherungen im ‘'Embryosack unterliegen. Ein solcher Einfluß ist schon von verschiedenen Forschern, wie Stras- burger, Pfeffer u. a. angenommen worden. Es kann wohl nicht zweifelhaft sein, daß es sich um eine chemische Beeinflussung handelt, die, um mit Sachs zu sprechen, von besonderen „embryobildenden Stoffen“ ausgeht, welche im Embryosack enthalten sind. Von welchen Zellen des Embryosackes diese hypothetischen Reizstoffe gebildet wer- den, ist völlig ungewiß. Vielleicht werden sie übrigens dem Embryo- sack von der Chalaza her zugeführt.

Die experimentelle Erzeugung von Adventivembryonen bei Oeno- Ihera Lamarckiana wirft natürlich auch ein Licht auf das Zustande- kommen der natürlichen Adventivembryonie. Einen inter- essanten Übergang zu dieser hat Cunningham bei Fieus Roxburghü Wall. entdeckt. Ein Insekt, eine Eupristis-Art, übernimmt hier die Rolle des Experimentators und sticht, in die weiblichen Rezeptakeln eindringend, mit seiner Legeröhre zahlreiche Fruchtknoten an; es sucht seine Eier abzulegen, was ihm hier freilich mißlingt. Der Erfolg ist die Entwicklung von Nuzellarembryonen. Wenn auch das Insekt mit Pollen beladen ist, so wird doch dieser beim Eindringen in die weib- lichen Rezeptakel fast völlig abgestreift. Der Bestäubungsreiz kann es somit nicht sein, der die Entwicklung von mehreren tausend Samen mit Nuzellarembryonen auslöst. Mit Recht macht Cunningham die zahllosen Insektenstiche dafür verantwortlich. Er denkt dabei an einen durch sie bewirkten vermehrten Nahrungszufluß, während von mir die Wundhormone zur Erklärung herangezogen werden. Der Nah-

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rungszufluß ist dann die Folge, nicht die Ursache der Anlage von Nuzellarembryonen.

Bei der natürlichen habituellen Adventivembryonie spielen meines Erachtens Nekrohormone dieselbe Rolle wie bei der künstlichen die Wundhormone. Unter „Nekrohormonen“ verstehe ich als Reizstoffe fungierende Zersetzungsprodukte von Zellen, die nicht infolge einer äußeren Verletzung, sondern spontan aus inneren uns un- bekannten Gründen absterben. Die Art und Weise, wie manche Nuzellar- embryonen angelegt werden, erinnert in der Tat an die Entstehung ge- wisser Wundgewebe, flacher Kalluswucherungen und einzelner Kallus- blasen. Wenn man die Literatur über Nuzellarembryonie seit Stras- burgers Untersuchungen durchsieht, findet man immer wieder An- gaben über ein Absterben und Auflösen des Eiapparates, der Antipoden und eines Teiles des Nuzellargewebes, das der Bildung der Adventiv- embryonen vorausgeht. Daß in manchen Fällen, so nach Strasburger bei Funkia ovata und Nothoscordum [ragrans, nach Ganong bei Opun- fia vulgaris und wahrscheinlich auch bei Citrus aurantium, die Ausbil- dung von Nuzellarembryonen an die Bestäubung, vielleicht auch an die Befruchtung geknüpft ist, hängt wahrscheinlich damit zusammen, daß vom Pollenschlauch, bezw. der befruchteten Eizelle, ein Reiz ausgeht, der die Weiterentwicklung der Samenanlage auslöst. Nur in diesem Falle finden die Nuzellarembryonen, die unter dem Einfluß von Nekrohor- monen angelegt werden, die günstigen Bedingungen für ihre wei- tere Entwicklung. Bei Caelebogyne ilieifolia, Euphorbia duleis nach Hegelmaier, Aanthoxylum Bungei nach Longo ist aber Bestäu- bung zur Ausbildung der Adventivembryonen nicht notwendig. Der von diesen auf die Samenanlagen ausgeübte Reiz ist intensiv genug, um ihre Weiterentwicklung herbeizuführen.

V.

So wie bei der Adventivembryonie sind nach der von mir ver- tretenen Auffassung auch bei der natürlichen Parthenogene- sis Nekrohormone als wirksam anzunehmen. Sie lösen die Entwick- lung der unbefruchteten Eizelle aus und regen sie zur Teilung an. Diese Nekrohormone müssen der Eizelle aus ihrer Umgebung zugeführt werden.

Die parthenogenetischen Eizellen der Pflanzen besitzen bekanntlich diploide Kerne. Strasburger setzt sie deshalb gewöhnlichen vege- tativen Körperzellen gleich und nimmt an, daß sie keines weiteren Reizes mehr bedürfen, um sich zu 'teilen und weiter zu entwickeln. Die Unhaltbarkeit dieser Annahme ist von H. Winkler überzeugend dargetan worden. Die Entwicklungsfähigkeit einer Zelle ist unabhängig davon, ob sie den einfachen oder doppelten Ohromosomensatz besitzt. Wenn sich die diploide Eizelle parthenogenetisch weiter entwickelt, so bedarf sie dazu ebensosehr eines bestimmten Anreizes, wie die haplo- ide befruchtungsbedürftige Eizelle. Dieser Reiz wird, wie erwähnt, durch Nekrohormone ausgeübt.

Ban, N y ve

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Um die Richtigkeit dieser Annahme zu prüfen, habe ich aus der ziemlich großen Anzahl habituell parthenogenetischer Pflanzen einige ausgewählt und in zytologischer Hinsicht genauer untersucht.

Zunächst sollen die Ergebnisse besprochen werden, die die Unter- suchung einiger Kompositen geliefert hat.

Von Raunkiaer wurde bekanntlich mittels der Kastrations- methode gezeigt, daß verschiedene Taraxacum-Arten parthenogenetisch sind. Die Embryonen gehen, wie Kirchner zeigte, aus Eizellen her- vor, die, da die Reduktionsteilung unterbleibt, nach Juel diploid sind. Bei Taraxacum offieinale wird, wie bei anderen Kompositen, der Em- bryosack nach Resorption des Nuzellus von der innersten Zellage des Integuments begrenzt, die aus radial gestreckten plasmareichen, grob- kernigen Zellen besteht und als Tapetenschicht oder Epithel be- zeichnet wird. Sie kommt auch in anderen Pflanzenfamilien vor; ihre Funktion ist unbekannt. Während nun bei den amphimiktischen, befruch- tungsbedürftigen Cichorieen, wie Lactuca perennis, Mulgedium alpinum, Sonchus oleraceus, Hypochaeris radicata die Tapetenzellen vor der Be- fruchtung noch sämtlich am Leben sind und keinerlei Desorganisations- erscheinungen zeigen, sterben sie bei Taraxacum offieinale zum groben Teil schon frühzeitig ab, besonders neben der unteren Hälfte des Em- bryosacks. Schon im Vierkernstadium des letzteren lassen sich stark geschrumpfte, von den benachbarten Zellen zusammengedrückte des- organisierte Tapetenzellen mit ihrem intensiv tingierbaren, homogenen, stark lichtbrechenden Inhalt beobachten (Abb. 6). Daß es hauptsäch-. lich die absterbenden Tapetenzellen sind, welche die Nekrohormone liefern, kann meines Erachtens um so weniger zweifelhaft sein, als die beiden langgestreckten Synergiden zur Zeit, als sich die Eizelle teilt, noch keine Veränderung zeigen. Die Antipoden sind freilich schon desorganisiert, doch ist dies auch bei amphimiktischen Cichorieen der Fall.

Auch verschiedene Arten der Gattung Hieracium, die den Unter- sattungen Pilosella und Archieracium angehören, sind, wie Raun- kiaer und Ostenfeld mittels ‘der Kastrationsmethode nachgewiesen haben, parthenogenetisch. Rosenberg hat dann die merkwürdige Tat- sache festgestellt, daß bei H. flagellare, excellens und aurantiacum eine Zelle des Nuzellus oder der Chalazaregion oder des Integuments zu einem „aposporen‘“ Ersatzembryosack heranwächst, der den degenerieren- den Nuzellus samt seiner Makrosporentetrade, bezw. den typischen Em- bryosack, verdrängt und einen normalen Eiapparat mit diploider Eizelle und Synergiden, sowie auch Antipoden und Endosperm ausbildet. Außer diesen aposporen Embryosäcken werden aber bei H. flagellare, noch häufiger bei H. excellens auch typische Embryosäcke mit haploiden Eizellen gebildet.

Bei der Nachuntersuchung von H. flagellare und aurantiacum, Wo- bei ich die Angaben Rosenbergs im wesentlichen bestätigen Konnte, richtete ich mein Augenmerk hauptsächlich auf eventuelle Absterbe-

160 G. Haberlandt, Über Zellteilungshormone usw.

und Desorganisationserscheinungen. Schon bei der Anlage des apo- sporen Embryosacks stellen sich solche Vorgänge ein, sei es, daß der typische Embryosack frühzeitig abstirbt, oder daß sich in seiner Nach-

Abb. 6. Abb. 7.

Abb. 6. Junger Embryosack von Taraxacum offieinale. Von seinen 4 Kernen sind 3 in Teilung begriffen. Mehrere Zellen der Tapetenschicht sind bereits abge- storben.

Abb. 7. A Embryosack von Hypochaeris radicata mit Wundendosperm. B oberer Teil dieses Embryosacks stärker vergrößert. Die Membrankappe, die das abge- storbene Protoplasma des Embryosackes vom lebenden trennt, ist mit Poren- kanälen versehen.

barschaft der absterbende Nuzellus oder degenerierte Taapetenzellen be- finden. Für die Entwicklungserregung der parthenogenetischen Eizelle kommen außer den beiden schon frühzeitig degenerierenden Synergiden

@. Haberlandt, Über Zellteilungshormone usw. 161

hauptsächlich der typische Embryosack mit seinem nekrotischen Inhalt und ferner wie bei Taraxacum die in großer Zahl schon sehr früh ab- sterbenden Tapetenzellen in Betracht. Bei einer befruchtungsbedürf- tigen Form von H. umbellatum aus dem Subgenus Archieracium waren zur Zeit der Eireife außer den Synergiden auch die Tapetenzellen fast. ausnahmslos noch am Leben. Nur in der Ohalazagegend waren einzelne abgestorbene Protoplasten zu sehen. Auch bei den Hieracien ist also in bezug auf den fraglichen Punkt, soweit meine Untersuchungen rei- chen, der Unterschied zwischen -amphimiktischen und apomiktischen Formen sehr auffallend.

Bei den untersuchten Kompositen ließen sich hin und wieder zwei merkwürdige Erscheinungen beobachten, die von demselben Gesichts- punkte aus zu betrachten sind wie die Entwicklungserregung der par- thenogenetischen Eizellen. Es ist das die Bildung von Wundendo- sperm und von Endospermembryonen.

In einer abnormen Samenanlage von Hypochaeris radicata mit zwei nebeneinander gelagerten, aber durch eine dünne Schleimzellschicht von- einander getrennten Embryosäcken zeigte der eine den typischen In- halt, der andere dagegen wies in seinem der Mikropyle zugekehrten schlanken Ende eine kleine abgestorbene Plasmapartie auf (Abb. 7). Das lebende Plasma des Embryosacks hatte sich ihr gegenüber mittels einer dicken, von einigen Porenkanälen durchzogenen Membrankappe abgekapselt. Es enthielt 15 große Zellkerne, die alle gleich beschaffen waren und typischen Endospermkernen glichen. Weder ein Eiapparat noch Antipoden waren vorhanden. Es kann wohl keinem Zweifel unter- liegen, dab hier im Prinzip dieselbe Erscheinung vorliegt, wie bei dem oben erwähnten experimentell hervorgerufenen Wundendosperm von Oenothera Lamarckiana, und so mag denn auch in diesem Falle von „Wundendosperm“ gesprochen werden, obgleich ja das Teilungshormon kein Wund-, sondern ein Nekrohormon gewesen ist, das durch die Poren in die Membrankappe hindurchdiffundierte. Doch auch der Vergleich mit den eingekapselten Plasmaportionen mechanisch verletzter Pelar- gonium-Haare liegst nahe, die sich ja gleichfalls mehrere Male teilen können.

Ein zweiter Fall von Wundendospermbildung wurde in einem typischen Embryosack von Hieracium flagellare beobachtet (Abb. 8). Im obersten Teil desselben war wieder das Protoplasma abgestorben. Hier hatten sich "hintereinander mehrere halbmondförmige Zellulose- kappen gebildet, an die sich unregelmäßige Zelluloseschollen anreihten. Im lebenden Teil des Zytoplasmas des Embryosacks fanden sich zahl- reiche Endospermkerne vor, zwischen denen im unteren Teil des Sacks auch schon Zellwände auftraten. Besonders auffallend war aber der frei im Plasma liegende wenigzellige Adventivembryo, der also nicht etwa ein Nuzellarembryo war, sondern sich zweifellos aus einer Endospermzelle entwickelt hatte. Solche Endospermembryonen, die übri- gens schon Rosenberg auffielen, habe ich in typischen wie aposporen

42, Band in)

4162 G. Haberlandt, Über Zellteilungshormone usw.

Embryosäcken nicht selten beobachtet. Meist waren es kugelige oder birnenförmige Zellkörper, zuweilen mit der Andeutung eines Suspen-

Abb. 8. Abb. 8. Embryosack von Hieracium flagellare mit Wundendosperm und einem Endo- spermembryo.

Abb. 9. Eizelle von Marsilia Drummondii. Darüber die abgestorbene Halskanal- und Bauchkanalzelle. Die letztere ist bei der Fixierung von der Plasmabrücke im Loch der Scheidewand abgerissen.

sors. Sie kamen auch neben echten BEiembryonen vor, scheinen aber

nicht lange am Leben zu bleiben. Ihre Existenz verdanken sie meines

G. Haberlandt, Über Zellteilungshormone usw. 163

Erachtens einerseits dem Auftreten von Nekrohormonen, andererseits dem von „embryobildenden Stoffen“ im Embryosack.

Es dürfte sich verlohnen, auch noch andere Angiospermen mit somatischer (diploider) Parthenogenesis in bezug auf die Produktion von Nekrohormonen in der Umgebung der Eizelle zu untersuchen.

Unter den Pteridophyten ist die stark polymorphe Marsilia Drum- mondii A. Br., wie zuerst W. R. Shaw feststellte, häufig parthenor genetisch. Die von Strasburger untersuchten Formen waren es durchaus und da bei ihnen die Reduktionsteilung ausblieb, besaßen sie diploide Eizellen. Bei Betrachtung der Strasburgerschen Abbil- dungen fiel mir auf, dab in manchen Prothallien zwischen der Bauch- kanal- und der Eizelle eine Zellwand ausgespannt ist, die sich gegen die Mitte zu allmählich verdickt und hier ein ziemlich großes Loch aufweist. Durch dieses Loch hindurch steht die abgestorbene Bauch- kanalzelle mittels einer Plasmabrücke mit der Eizelle in Verbindung. Oft ist diese Brücke infolge der Fixierung entzwei gerissen. Stras- burger läßt diese sonderbare Struktureigentümlichkeit im Texte seiner Abhandlung unerwähnt. Da sie mich natürlich sehr interessieren mußte, habe ich Herrn Prof. Fitting in Bonn gebeten, mir die Stras- burgerschen Präparate behufs einer Nachuntersuchung zur Verfügung zu stellen. Er ist diesem Wunsche in dankenswerter Weise nachge- kommen.

Die Art und Weise wie bei Marsilia Drummondii die Kanalzellen ausgebildet sind und sich an die Eizelle anschließen, ist sehr verschieden. Außer der Halskanalzelle werden eine oder zwei Bauchkanalzellen ge- bildet, die der Eizelle entweder flach aufsitzen oder sich tief in sie hineinwölben. Im ersteren Falle ist die oben erwähnte Scheidewand mit ihrem zentralen Loch vorhanden, in dem die Plasmabrücke die un- mittelbare Verbindung der abgestorbenen, meist intensiv tingierten Bauch- kanalzelle mit der Eizelle herstellt (Abb. 9). Hier können also die in dieser entstandenen Nekrohormone direkt in die Eizelle hinüberdiffun- dieren und diese zur Teilung anregen. Dieser Vorgang scheint seinen sichtbaren Ausdruck in der längsfaserigen Struktur der Plasmabrücke zu finden, sowie in einem zarten Fibrillensystem, das sich mehr oder minder deutlich vom Loch in der Scheidewand im oberen Teil der Eizelle radial ausbreitet. Daß der Fibrillenverlauf die Bahnen angibt, in denen sich die Nekrohormone in der Eizelle verteilen, wird um so wahrscheinlicher, als ähnliche Strukturen, denen eine analoge Bedeu- tung zugeschrieben wird, auch sonst in pflanzlichen und tierischen Zellen nicht selten vorkommen. Es sei hier an den bekannten ‚Faden- apparat“ der Synergiden und an die fibrillären Plasmastiele gewisser tierischer Eier, so bei Aktinien und Nematoden erinnert, für die R. und O0. Hertwig eine stoffleitende Funktion behufs Ernährung der Eier als wahrscheinlich betrachten.

Es ist nicht anzunehmen, daß das Loch in der Scheidewand zwischen Bauchkanal- und Eizelle mit seiner Plasmabrücke eine Anpassung zum

Jule

164 | G. Haberlandt, Über Zellteilungshormone usw.

Zwecke des erleichterten Durchtritts der Nekrohormone darstellt. Es ist vielmehr von vornherein wahrscheinlich, daß hier ein Funktions- wechsel vorliegt und daß jenes Loch ursprünglich als „Mikro- pyle“ im Sinne der Zoologen zum Durchtritt des Spermatozoids ge- dient hat. In der Tat habe ich bei der amphimiktischen Marsilia vestita dieselbe Scheidewand mit dem Loch in der Mitte vorgefunden und in einem Präparate unmittelbar unter dem Loch im „Empfängnisfleck“ das schraubenförmige Spermatozold.

Schon oben wurde erwähnt, daß sich die Bauchkanalzellen bei Marsilia Drummondii auch mehr oder minder tief in die Eizelle hinein- wölben können. In diesem Falle ist nur eine schwach verdickte Scheide- wand ohne Loch, aber mit einem großen flachen Tüpfel, oder nur eine zarte Wand oder auch gar keine vorhanden. Die Nekrohormone diffun- dieren dann jedenfalls ohne Schwierigkeit in die Eizelle hinüber.

Wie die so verschiedene Art des Anschlusses der Bauchkanalzellen an die Eizelle zu erklären ist, muß hier dahingestellt bleiben. Doch kann als wahrscheinlich bezeichnet werden, daß M. Drummondii ein Bastard ist. | An

Im Vorstehenden habe ich nur die unmittelbare Ursache der Entwicklungserregung parthenogenetischer Eizellen erörtert. Über die tiefer liegende primäre Ursache, die bei den Angiospermen ver- schiedene Teilprozesse im Gefolge hat, wird damit nichts weiter ausgesagt. Diese Teilprozesse sind die häufige Degeneration des Pollens, das Unterbleiben der Reduktionsteilung und im Zusammenhang damit die Diploidie der Eizellen und das frühzeitige Absterben von Zellen in der Umgebung der Eizellen. Diese Störungen sind sicherlich die Folge einer einzigen Grundursache; man wird kaum fehlgehen, wenn man sie auf Stoffwechselstörungen im weitesten Sinne des Wortes zurückführt, die sich in der empfindlicheren generativen Sphäre des Organismus früher einstellen als im Bereich der vegetativen Organe und Gewebe. Worauf dann wieder diese Stoffwechselstörungen beruhen, ist schwer zu sagen. Man wird vielleicht geneigt sein, mit Ernst u.a. Bastardierung für sie verantwortlich zu machen, durch die Idioplasmen miteinander vereinigt werden, die nicht ganz harmonisch zusammen- wirken. Doch können erbliche Stoffwechselstörungen auch auf andere Weise zustande kommen. Ich erinnere nur an die von Oorrens bei Mirabilis Jalapa entdeckte, nach den Mendelschen Regeln erbliche Blattkrankheit ,„Sordago“, ferner an manche Stoffwechselkrankheiten des Menschen.

Ob und inwieweit die hier vorgetragene Ansicht über die unmittel- bare Ursache der pflanzlichen Parthenogenesis auch für parthenogene- tische Tiere gilt, wird von Zoologen näher zu prüfen sein. Vielleicht geben genauere Untersuchungen über das Verhalten der Richtungs- körper parthenogenetischer Eier gewisse Aufschlüsse. Bei den par- thenogenetischen Blattwespen und Schlupfwespen könnten von den pflanzlichen oder tierischen Wirten gelieferte Reizstoffe, die vielleicht

G. Haberlandt, Über Zellteilungshormone usw. 165

Wund- oder Nekrohormone sind, parthenogenesisauslösend wirken. Ahn- liches ist ja bereits von anderen Forschern, so von van Rossum und Winkler vermutet worden.

VI.

Es ist nur konsequent, wenn wir die auf Grund von Beobachtungs- tatsachen gewonnenen Vorstellungen über die unmittelbaren Ursachen der traumatischen und natürlichen Parthenogenesis auch auf die Ent- wicklungserregung der befruchtungsbedürftigen Ei- zelle übertragen. Es wird demnach anzunehmen sein, daß sich die be- fruchtete Eizelle deshalb teilt, weil sie beim Eindringen des Sperma- tozoons, bezw. des Spermakerns, mechanisch verletzt worden ist und teilungsauslösende Wundhormone gebildet hat. Wir bewegen uns aber noch innerhalb des hier entwickelten Gedankenkreises, wenn wir er- sänzend hinzufügen, dab in manchen Fällen vielleicht auch Abbaupro- dukte von Plasmateilen des in die Eizelle eingedrungenen Spermatozoons oder vom entleerten Pollenschlauchinhalt als entwicklungserregende Nekrohormone dienen oder daß das Spermatozoon Stoffe ausscheidet, die das Plasma der Eizelle schädigen und so zur Bildung von Teilungs- hormonen Veranlassung geben.

Es fragt sich nun, ob aus den Vorgängen bei der Befruchtung und aus dem Verhalten der männlichen und weiblichen Geschlechtszellen bei Pflanzen und Tieren Argumente zugunsten dieser Hypothese ab- geleitet werden können. |

Schon Bataillon hat angenommen, daß bei der normalen Be- fruchtung das in das Ei k*indringende Spermatozoon dieselbe Rolle spielt wie bei der traumatischen Parthenogenesis die Nadel und später haben diesen Vergleich auch OÖ. Hertwig u. a. gezogen. Natürlich akkomodierte sich dann die Erklärung der Entwicklungserregung durch Befruchtung der Art der Erklärung der traumatischen Parthenogenesis. Es kann nun keinem Zweifel unterliegen, daß dieser Vergleich in allen Fällen richtig sein wird, in denen das Spermatozoon mit einem scharfen Spitzenstück als Perforatorium sich aktiv in die Eizelle einbohrt. Da kommt es sicher mindestens zu einer Verletzung der Plasmahaut der Eizelle und wohl auch noch (der angrenzenden Zytoplasmapartien, sofern dieselben eine bestimmte Struktur aufweisen. Wenn auch entsprechend der geringfügigen Verletzung die Menge der erzeugten Wundhormone eine sehr kleine sein wird, so ist doch nicht zu vergessen, daß manche Hormone schon in minimalster Menge wirksam sind. Auch darf wohl eine sroße Empfindlichkeit der Eizelle für diese Reizstoffe angenommen werden. Solche zum aktiven Eindringen in die Eizelle geeignete Sper- matozoen sind bekanntlich im Tier- und Pflanzenreiche sehr verbreitet. Es ist wohl überflüssig, Beispiele anzuführen. In manchen Fällen scheinen tierische Spermatozoen geradezu besondere Einrichtungen zu besitzen, um den Eizellen, relativ stärkere Verletzungen beizubringen. Das interessanteste Beispiel dieser Art sind die Spermatozoen des Meer-

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schweinchens (Cavia cobaya). Hier ist nach Meves der Spermatozoen- kopf in der Flächenansicht breit schaufelförmig. In der Profilansicht sieht man, daß sich der flache Kopf aus zwei Abschnitten zusammen- setzt, die in entgegengesetzter Richtung gekrümmt sind. Die scharfen Ränder dieser beiden Abschnitte sind gleichfalls umgebogen und zwar wieder in entgegengesetzter Richtung. So bildet der ganze Kopf eine sonderbare scharfkantige Doppelschaufel, die beim Eindringen in das Ei besonders geeignet sein muß, dieses relativ stark zu verletzen. Auch der starre „Stachelapparat“ der Samenzellen von Galathea, Maja u. a. könnte so zu deuten sein, besonders wenn dieselben in den Eizellen, wie bei den Dromiden, noch lebhafte Bewegungen ausführen. Es dürfte sich verlohnen, die so außerordentlich mannigfaltigen Formen der tier- ischen Spermatozoen einmal von diesem Gesichtspunkte aus näher zu betrachten. Vielleicht werden dann manche Eigentümlichkeiten des Baues verständlich, die bisher ganz rätselhaft waren.

In einer zweiten Gruppe von tierischen Spermatozoen ist der Kopf “nicht spitz oder scharfkantig, sondern stumpf, ja sogar kugelförmig. Wenn dazu noch die Geißel nur schwach ausgebildet ist oder ganz fehlt, wie bei verschiedenen Crustaceen, insbesondere der Oladoceren, bei Milben und Nematoden, dann ist es natürlich ganz ausgeschlossen, daß die kugel-, keulen- oder stäbchenförmige Samenzelle aktiv in das Ei ein- ‘dringt und dieses dabei verletzt. Hier muß wohl angenommen werden, daß infolge des Kontaktreizes oder infolge eines chemischen Reizes, der von der Samenzelle ausgeht, das Plasma der Eizelle das Sperma- tozoon gewissermaßen umfließt und aktiv in ihr Inneres hineinzieht. Aber auch in diesem Falle, wenn das Spermatozoon sich vollkommen passiv verhält, wird es bei seiner Beförderung durch das Zytoplasma der Ei- zelle, relativ feste Strukturen desselben zerstören oder wenigstens schä- digen müssen. Vielleicht kommen hier aber neben den Wundhormonen

auch noch die Nekrohormone zur Geltung, die durch die Desorgani-.

sation der plasmatischen Bestandteile der Samenzellen, eventuell der mit eingedrungenen Geißel gebildet werden. Auch daran ist zu denken, daß von den eingedrungenen Samenzellen eine Giftwirkung ausgeht, die die benachbarten Plasmapartien der Eizelle zur Bildung von Tei-

lungshormonen veranlaßt. Das kegelförmige Spermatozoon von Ascaris

megalocephala weist in seinem hinteren Abschnitt einen entsprechend geformten Körper auf, der bei der Befruchtung mit in das Ei einge- führt und in diesem anscheinend aufgelöst wird. Vielleicht besteht dieser Körper aus einer Substanz, die das Nekrohormon liefert oder die Eizelle auf chemischem Wege zur Bildung des teilungsauslösenden Wundhormons zwingt. Vielleicht ist aber diese Substanz selbst der fragliche Reizstoff. Man sieht, daß in diesen wie in anderen ähnlichen Fällen mit verschiedenen Möglichkeiten zu rechnen ist.

Gehen wir jetzt zu analogen pflanzlichen Objekten über, so sind vor allem die großen, plumpen Spermatozoiden der Cycadeen zu er- wähnen. Bei Oycas revoluta stößt nach Ikeno das rasch schwimmende

G. Haberlandt, Über Zellteilungshormone usw. 167

Spermatozoid anscheinend so heftig an die Eizelle, daß sie an dieser Stelle eingedrückt wird. Eine besonders bevorzugte Stelle für das, Ein- dringen scheint nicht zu bestehen. Sofort nachdem das Spermatozoid in die Eizelle gelangt ist, streift es seinen Zytoplasmamantel ab, „welcher sich schnell desorganisiert“. Gewöhnlich dringen mehrere Sper- matozoiden in die Eizelle ein, von denen nur eins in das Eiinnere ge- langt; die anderen bleiben an der Oberfläche, ‚um dort allmählich zu zerfallen“. Bei Zamia streift das Spermatozoid nach Webber im Ei- plasma sein Zilienband ab, an dem Reste des Zytoplasmas des ersteren hängen bleiben.

Bei den Koniferen dringt bald das ganze Pollenschlauchende, bald nur ein Spermakern in die Eizelle ein. Nach Coulter und Land bricht bei Torreya taxifolia der Pollenschlauch in die Eizelle ein, verletzt sie also sehr stark. Die größere Spermazelle nähert sich dem Eikern, dem sich schließlich der Spermakern anlegt. Beide Geschlechtskerne werden vom Zytoplasma der Spermazelle umhüllt. In einer Ecke der Eizelle befinden sich die desorganisierten Reste der zweiten kleineren Spermazelle, der sterilen Schwesterzelle und des Pollenschlauchkerns. Es ist also in diesem wie in den früheren Fällen reichlich Gelegenheit zur Bildung von Wund- und Nekrohormonen gegeben.

Bei den Angiospermen entleert bekanntlich, soweit unsere im ganzen noch recht spärlichen Erfahrungen hierüber reichen, der Pollen- schlauch seinen Inhalt gewöhnlich in eine der beiden Synergiden, mit deren Plasma er sich vermengt. Dieses Plasmagemisch umfließt dann die Eizelle. Wie der eine der beiden Spermakerne in die Eizelle gelangt, ist unbekannt; ebensowenig läßt sich sagen, ob Pollenschlauchplasma mit eindringt. Ausgeschlossen ist es natürlich nicht. Wenn nun selbst der Eintritt des nackten Spermakerns ohne nennenswerte Verletzung der Eizelle erfolgen sollte, so könnten doch aus dem absterbenden Plasma- gemisch, das die Eizelle umgibt, Zersetzungsprodukte durch Diffusion in die Eizelle gelangen. Die Annahme, daß es sich dabei vielleicht um spezifische Reizstoffe handelt, die nur in der verletzten Eizelle und in dem sie umgebenden Plasma entstehen, hat wenig Wahrscheinlichkeit für sich. Haben wir doch oben gesehen, daß bei Oenothera Lamarckiana der Anreiz zur künstlichen Parthenogenesis von den getöteten Nuzellus- zellen der gequetschten Fruchtknoten ausgeht. Zu einer analogen Folge- rung nötigen auch die Beobachtungen Bataillons, wonach die An- stichversuche mit Froscheiern besonders günstige Resultate liefern, wenn dabei etwas Blut oder Lymphe oder auch kleine Gewebspartikelchen in das Ei hineingelangen. Dieselben können sogar artfremd sein. Diese von Herlant, Voß u. a. bestätigte Beobachtung spricht nicht für eine besondere Eigenart der die Teilung der Eizelle auslösenden Hormone. Doch könnten sich in dieser Hinsicht verschiedene Organismen ver- schieden verhalten.

Es fragt sich jetzt, ob gewisse Veränderungen, die das Protoplasma der Eizelle nach dem Eindringen des Spermatozoons oder des Sperma-

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kerns erleidet, als Folge der Verletzung oder überhaupt der Schädigung seitens des Spermatozoons gedeutet werden können.

In verschiedenen tierischen Eiern „bezeichnet eine mehr oder weniger breite Straße von irgendwie abweichend strukturierter Sub- stanz den Weg, welchen das Spermatozoon im Ei genommen hat“ (Kor- schelt und Heider, S. 643). Das ist die sogenannte Penetra- tionsbahn des Spermatozoons. Bei Nais complanata z. B. hinter- läßt nach Lillie der Spermakern eine Straße schaumigen Plasmas, das sich stärker tingiert und scharf vom umgebenden dotterreichen Plasma abhebt. Solche Penetrationsbahnen sind ferner von Foot bei Allobophora, von Brauer bei Branchipus, von Blochmann, Hei- der und Henking in Insekteneiern beobachtet worden. Besonders eingehend hat sie R. Fick beim Axolotl untersucht, wo die Bahn durch reiche Pigmentierung ausgezeichnet ist. Auch in manchen pflanzlichen Eizellen kommen solche Penetrationsbahnen vor. Farmer und Digby bilden sie im Ei des Farnes Lastrea Filix mas ab; Webber beschreibt sie als eine breite, unscharf konturierte, körnige Straße im Ei von Zamiva; Tür Cephalotaxus drupacea gibt Lawson eine vakuolige Pene- trationsbahn an. Soviel aus den meist ziemlich dürftigen Beschreibungen und Abbildungen hervorgeht, scheint die abweichende Beschaffenheit des Plasmas der Penetrationsbahn schaumige Struktur, stärkeres Tinktionsvermögen u. dgl. auf Desorganisation oder völligem Ab- sterben zu beruhen, das vom vordringenden Spermatozoon oder Sperma- kerne auf mechanischem oder chemischem Wege bewirkt wird. Sollten erneute, eingehendere Untersuchungen diese Annahme als richtig erweisen, so läge darin eine schwerwiegende Bestätigung meiner Hypothese der Entwicklungserregung der Eizelle durch die Befruchtung.

Vom Standpunkte dieser Hypothese aus dürfte auch die sogenannte physiologische Polyspermie als eine zweckmäßige Anpassungs- erscheinung zu deuten sein. Wenn mehr als ein Spermatozoon in das Ei eindringt, so führt das gewöhnlich zu einer abnormen Entwicklung. Dieser pathologischen steht aber in vielen Fällen die physiologische Polyspermie gegenüber, „bei der das Eindringen mehrerer Spermatozoen nicht nur unschädlich, sondern dem Anschein nach sogar für die Weiter- entwicklung des Eis erforderlich ist“ (Korschelt und Heider, S. 694). Regelmäßig kommt diese Polyspermie bei Selachiern, Rep- tilien, Vögeln, häufig bei Amphibien, Insekten und Spinnen, im Pflanzen- reich bei C'ycas revoluta vor. In allen diesen Fällen vereinigt sich nur der Kern eines Spermatozoons mit dem Eikern. Die anderen Sperma- tozoen, resp. Spermakerne, gehen bei den Amphibien und Insekten früher oder später zugrunde, während sie bei den Selachiern und Rep- tilien nach Rückert u. a. die sogenannten Merozytenkerne des Dotters bilden. Daß die in ersterem Fall erzielte Mehrproduktion von Wund- und Nekrohormonen vorteilhaft ist, dürfte um so wahrscheinlicher sein, als es sich um große dotterreiche Eier handelt, für die der Schwellen- wert des Reizes nicht erreicht würde, wenn nur ein einziges Sperma-

Ze

G. Haberlandt, Über Zellteilungshormone usw. 169

tozoon die Teilungshormone hervorbrächte. Auch im zweiten Falle kann natürlich dieser Vorteil in die Wagschale fallen. Der Nutzen der phy- siologischen Polyspermie ist bisher von Boveri u. a. mit der An- nahme zu erklären versucht worden, daß es in großen Eiern für ein einziges Spermatozoon zu schwierig. sei, den Eikern aufzufinden, wes- halb das Ei seine Schutzmittel gegen das Eindringen mehrerer Sper- matozoen aufgab. Dieser Vorteil schließt aber die von mir angenom- mene Bedeutung der ganzen Erscheinung nicht aus.

Eine zweckmäßige Mehrproduktion von Wundhormonen seitens der Eizelle könnte schon dadurch erreicht werden, daß mehrere Sperma- tozoen das Ei anbohren, ohne aber in dasselbe einzudringen. Nur eines würde zum Zwecke der Amphimixis in das Eiinnere gelangen. Vielleicht erklärt sich auf diese Weise eine von Krueger an dem Nematoden Rhabditis aberrans angestellte merkwürdige Beobachtung. Die Sper- matozoen der hermaphroditischen Tiere dringen in die Eier zwar ein, degenerieren hier aber und werden resorbiert, ohne daß Kernverschmel- zung stattgefunden hätte. Es liegt hier also anscheinend ein Fall von „Pseudogamie‘“ vor, oder von „Auslösung der Parthenogenesis durch Befruchtung“, wie man jetzt häufig zu sagen pflegt, obgleich es ja widersinnig ist, von „Jungfernzeugung‘ zu sprechen, wenn ein Sperma- tozoon in das Ei eindringt. Nun hat aber Krueger festgestellt, „daß sich auch solche Eier völlig normal entwickeln können, in die kein Spermium eingedrungen war“. Daraus scheint zunächst hervor- zugehen, daß zur Entwicklungserregung der Eizellen die Spermatozoen überhaupt nicht nötig sind. Diesen Schluß hat H. Winkler gezogen. Man wird aber mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß die Mitwir- kung der Spermatozoen auch bei der Entwicklungserregung jener Ei- zellen unentbehrlich ist, in die keine Spermatozoen einbrechen. Eine bloße Anbohrung der Eizellen könnte zu ihrer Entwicklungserregung genügen.

Nach der von mir vertretenen Auffassung wird in allen Fällen von Pseudogamie, in denen arteigene oder auch artfremde Spermatozoen, resp. Spermakerne, in die Eizelle eindringen, ohne dab Verschmelzung der beiden Geschlechtskerne stattfände, die Entwicklungserregung der Eizellen in derselben Weise erfolgen, wie bei normaler Befruchtung mit nachfolgender Amphimixis. Die Entwicklungserregsung wird um so sicherer eintreten, als der männliche Kern in der Eizelle degeneriert und Nekrohormone liefert. Bei den Angiospermen wird es aber viel- leicht gar nicht erforderlich sein, daß ein Spermakern in die Eizelle ‚eintritt. Jenes Plasmagemisch, das aus dem Plasma der Synergide und dem des Pollenschlauches bestehend die Eizelle umfließt, dürfte samt dem darin enthaltenen Spermakern genug Nekrohormone liefern, um die Teilung der Eizelle auszulösen. Vielleicht ist allerdings mit der Diploidie der Eizellen eine größere Empfindlichkeit für die betreffen- den Reizstoffe verbunden; doch ist, namentlich wenn der Spermakern in die Eizelle eindringt, nicht einzusehen, warum nicht auch eine

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haploide Eizelle pseudogame Entwicklung zeigen sollte. Jedenfalls ist aber, wie auch Winkler betont hat, in jedem einzelnen Falle erst durch das Experiment festzustellen, ob zur Samenbildung Bestäubung notwendig ist oder nicht.

Vu.

Ist die Entwicklung der Eizelle zum Embryo, sei es nach der normalen Befruchtung oder bei künstlicher !) oder natürlicher Partheno- senesis durch teilungsauslösende Wund- und Nekrohormone einmal in (sang gesetzt, so vermag das derart entstandene embryonale Gewebe die Teilungshormone, die von jetzt an die Zellteilungen auslösen, offen- bar selbst zu erzeugen. Das wird auch für alle primären embryonalen Gewebe gelten, die, wie das Urmeristem der Vegetationsspitzen, direkt vom Embryo abstammen. Daß in abgetrennten und auf geeigneten Nährsubstraten weiterkultivierten Wurzelvegetationsspitzen der Erbse und des Maises die Zellteilungen in der Tat noch lange fortdauern, hat vor kurzem in meinem Institut Herr Kotte gezeigt; er wird darüber demnächst ausführlich berichten. Auch in den sekundären oder Folge- meristemen, so im Phellogen und im Interfaszikularkambium muß wohl das betreffende Teilungshormon an Ort und Stelle gebildet werden.

Bei den höheren, gefäßbündelführenden Pflanzen gibt es sonach, dem Orte und der Art ihrer Entstehung nach, dreierlei Zelltei- lungshormone: 1. Die Hormone des Embryos und der Meristeme, 2. die Hormone des Leptoms;, und 3. die Wund- und Nekrohormone. Da über die chemische Beschaffen- heit dieser Reizstoffe nichts bekannt ist, so läßt sich auch nicht sagen, ob und inwieweit sie untereinander verwandt, bezw. identisch sind und wie sie bei der Wundheilung zusammenwirken. Es muß ferner einst- weilen unentschieden bleiben, ob in den Bildungsgeweben ein und dasselbe Hormon sowohl die Kernteilung wie die Zellteilung anregt, oder ob für diese beiden Teilprozesse (vielleicht auch für mehrere) verschiedene Reizstoffe in Betracht kommen. Da bekanntlich nicht selten mitotische Kernteilungen ohne darauffolgende Zellteilungen stattfinden und anderer- seits auch, wie meine Versuche mit plasmolysierten Haaren von Coleus, den Blattzähnen von Elodea und anderen Objekten lehren, Zellteilungen ohne Kernteilung eintreten können, so ist es wahrscheinlich, daß beim Gesamtvorgang mindestens zwei Hormone wirksam sind.

Im Anschluß an das oben Gesagte muß ausdrücklich betont wer- den, daß der Nachweis von Zellteilungshormonen ganz unabhängig von den verschiedenen Ansichten ist, die man sich über die Mechanik des Teilungsvorganges gebildet hat. Mag der Teilungsmecha-

nismus wie immer geartet sein, auf jeden Fall wird er

1) Ich nehme konsequenterweise an, daß nicht nur bei der traumatischen, sondern auch in anderen Fällen von künstlicher Parthenogenesis, wenn diese durch hypertonische Lösungen, durch Gifte oder Narkotika ete. ausgelöst wird, dieser Erfolg den Teilungs- hormonen zuzuschreiben ist, die dabei entstehen.

G. Haberlandt, Über Zellteilungshormone usw. 11

erst durch besondere Reizstoffe in den Gang gesetzt. Eine solche Aktivierung des Teilungesmechanismus, die den Anfang einer ganzen Reihe untereinander zusammenhängender Einzel- vorgänge bildet, muß unter allen Umständen angenommen werden. Meine Untersuchungen beschränken sich auf den experimentellen Nachweis dieses Anfangsgliedes der ganzen Kette.

Die vorstehenden Sätze gelten im besonderen auch für die Ent- wicklungserregung der Eizellen bei der Befruchtung, sowie bei der künstlichen und natürlichen Parthenogenesis. Über die Ursachen und das Wesen dieser Entwicklungserregung sind bekanntlich von J.Loeb, Delage, Lillie,. Bataillon, Heilbrunn u.a. sehr verschie- dene, mit einem großen Aufwand von Scharfsinn ersonnene Hypothesen aufgestellt worden. Ich brauche auf sie hier ebensowenig einzugehen wie auf die Hypothesen betreffs der Mechanik der Zellteilung überhaupt.

Literatur.

Die vorstehende Zusammenfassung ist im wesentlichen ein Auszug aus meinen unten zitierten, hauptsächlich in den Sitzungsberichten der Preußischen Akademie der Wissenschaften veröffentlichten Mitteilungen. Nur das VI. Kapitel, das von der Ent- wicklungserregung der Eizellen durch die Befruchtung handelt, ist neu hinzugekommen. Das nachstehende Verzeichnis verweist nur auf einige der wichtigsten Arbeiten und Werke, die für diese Zusammenfassung unmittelbar in Betracht kommen. Im übrigen muß auf die ausführlichen Literaturverzeichnisse in den zitierten Arbeiten und Werken, sowie im Bonner Lehrbuch der Botanik verwiesen werden.

Bataillon, E., L’embryogendse complete provoquee chez les Amphibiens par pigüire de l’oeuf vierge, larves parthenogenetiques de Rana fusca, Compt. rend. de l’Acad.

d. Se. Paris 1910, Bd. 150.

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Über die Semipermeabilität von Zellwänden. Von H. Schroeder.

(Mit Versuchen von Dr. Hans Möller.)

$ 1. Meine Ausführungen knüpfen, meine älteren Arbeiten fort- setzend!), an eine soeben erschienene Untersuchung meines Schülers Dr. Hans Möller?) an. Möller hat eine durch wässerige Silber- nitratlösung hervorgerufene Zonenbildung (Liesegangsche Ringe) ın den Außenwänden der Aleuronzellen und in den diese umhüllenden Nuzellarüberresten der Gramineenfrüchte beschrieben. Die Zonen sind

1) Schroeder: I. Flora 102 (1911)186; II. Centralblatt für Bakteriologie usw. II. Abteilung 28 (1910) 492; III. Biolog. Centralbl. 35 (1915) 8.

2) Hans Peter Möller, Rhythmische Fällungserscheinungen in pflanzlichen Zell- membranen. Kolloidehemische Beihefte Bd. 14 (1921) S. 160.

H. Schroeder, Uber die Semipermeabilität von Zellwänden. Al

hier, wiein künstlichen Gallerten senkrechtzur Ausbreitungsrichtung des Diffusionsstromes angeordnet. Sie sind bei Körnern, die nach Amputa- tion des Embryo, also bei einseitiger Wunde, mit Silbernitrat behandelt wurden, senkrecht zur Längsachse des Kornes in den genannten Wänden orientiert. (Abb. 1—4 beı Möller.) Damit ist bewiesen, daß das Silber- salz bei diesem Modus der Applikation wirklich in diesen Wänden wandert und nicht etwa vom Korninneren her in sie eintyitt. Denn träfe letzteres zu, so müßte die Schichtung anders gerichtet und ausge- staltet sein, als sie es ıst. Zum Beweis mögen Versuche Möllers dienen, in welchen nach einem seinerzeit von mir angegebenen Ver- fahren durch Behandlung unverletzter Körner mit 50% alkoholig ge- löstem Silbernitrat ein allseitiges, also senkrecht zur Körnoberfläche erfolgendes Eindringen erzwungen wurde, und in welchen demgemäß die Streifung parallel zur Kornoberfiäche verlief (Abb.5 beı Möller).

Da also das in Wasser gelöste Silbernitrat ın diesen Wänden wandert und, wie die Beobachtungen Möllers lehren, ebenso rasch wandert wie ım Inneren des Kornes, können diese Wände die Semi- permeabilität des unverletzten Kornes gegenüber wässerigem Silber- nitrat nicht verursachen. Damit bleibt für dieses Salz und das Weizen- korn oder allgemeiner die Gramineenfrucht allein die Samenschale als Selektionsort übrig. Denn die Fruchtschale beteiligt sich nach- gewiesenermaßen nicht daran, und tiefer gelegene Schichten sind selbstverständlich ausgeschlossen. Höchstens könnte man an die Kutikula des Nuzellus als Sitz des Selektionsvermögens denken. Durch das Zutreffen dieser Annahme würden meine folgenden Ausführungen in keiner Weise berührt.

Nun nimmt das Silbernitrat gegenüber den übrigen aus wässeriger Lösung nicht in das Korninnere gelangenden Stoffen vielleicht eine Sonderstellung ein, insofern nämlich als es nach Shull?) die gleichfalls semipermeable Samenschale von Xanthium glabratum aus rein wässeriger Lösung bei Konzentrationen passiert, bei welchen andere Salze dies nicht tun. Ehe ich selbst für die Gramineenfrucht verallgemeinere, muß ich die Frage behandeln, welche Gründe sprechen für die Annahme einer Durchlässigkeit der Aleuron- und Nuzellarzellwände für andere Elek- trolyte, die nicht in das unversehrte Korn eintreten ?

Ein so unmittelbar anschaulicher Beweis, wie er für Sılbernitrat vorgetragen werden konnte, fehlt für diese. Doch wird man für einige unter ihnen mit hinreichender Sicherheit auf eine Bewegung in den fraglichen Wänden schließen dürfen; nämlich für diejenigen, deren Gegenwart in diesen Wänden bei angeschnittenen, mit ihrer Lösung behandelten Körnern sich daran erkennen läßt, daß die bei nachfolgender Einwirkung von Silbernitrat zu beobachtenden Rhythmenbilder charakte- ristisch verschieden sind von denen, die bei alleiniger Behandlung mit Silbernitrat, also dem Fehlen der vorausgehenden Imprägnation mit dem

3) Shull, Botanical Gazette 56 (1913), S. 169,

474 H. Schroeder, Über die Semipermeabilität von Zellwänden.

von außen zugeführten Stoff, auftreten. Denn nach der herrschenden Ansicht ıst die Ausbildung der Zonen an ein einander entgegen Dif- fundieren zweier beim Zusammentreffen einen Niederschlag liefernden Salze geknüpft. Es muß demnach dem von der Wundfläche in den gedachten Zellwänden vorlaufenden Silbernitrat das vorher einge- lagerte Salz entgegenströmen. Man könnte vielleicht sogar aus der Ausgestaltung der Rhythmen Schlüsse auf die Penetrationsgeschwindig- keit der in der Membran vorhandenen Salze ziehen. Doch müßten dem weitere experimentelle Untersuchungen vorangehen. Zu den Salzen, deren Bewegung innerhalb der erwähnten Wände auf diese Weise erschlossen werden kann, gehört das bei einschlägigen Arbeiten häufig benutzte Uhlornatrium.

Ist aber die Bewegung dieser die Silberfällungsrhythmik beein- flussenden Salze in den Aleuronzellwänden ) bewiesen, so ist es auch die daraus zu ziehende Folgerung, daß diese Wände für jene Salze durchlässig, also ihnen gegenüber nicht semipermeabel seien.

Damit erscheint hier, wie vorn für das Silbernitrat, die von mir vertretene Ansicht, die Samenschale sei der Sitz des Selektionsver- mögens, erneut gestützt.

Die Aleuron- und Nuzellarzellwände geben eine besonders schöne Chlorzinkjodreaktion, weswegen ich dieselben seit Jahren im Anfänger- praktikum als Demonstrationsobjekt für dıe Zellulosereaktion benutze. Damit ıst zunächst für einen Einzelfall, Aleuron- und Nuzellarzellwände des Gramineenkornes, und einige Salze bewiesen, daß eine aus Zellu- lose bestehende?) Zellwand kein Selektionsvermögen besitzt gegenüber gelösten Krystalloiden, welchen gegenüber andere leblose Membranen dieses Vermögen zeigen. Für die Außenwände der Epidermiszellen einiger Blätter ergeben Möllers Versuche gleichfalls Rhythmen, also Wanderungen von Silbernitrat in der Zellulosewand.

$2. Da nach dem eingangs Ausgeführten die bestimmt orien- tierten rhythmischen Fällungen in unzweideutiger Weise den Ort des Silbereintrittes und den von diesem ım Korninneren zurückgelegten Weg anzeigen, habe ich meine älteren Versuche über das Eindringen von alkoholig-wässerig gelöstem Sılbernitrat fortgesetzt, in der Hoff- nung herauszufinden, ob der angegebene Erfolg auf Veränderungen des Zustandes der gebotenen Lösung oder auf solchen der Eigen- schaften der Membran zurückzuführen sei?

Die erste Bedingung für Eindringen, Benetzung der Membran durch das Außenmedium, ist sowohl für reines Wasser wie für die Mischungen Wasser-Alkohol erfüllt, wie die Gewichtsveränderung der eingebrachten Körner beweist®),

4) Der Kürze wegen spreche ich an mehreren Stellen von Aleuronzellwänden, statt, wie ich das streng genommen müßte, diese und die Nuzellarzellwände zu nennen. Ich glaube nicht, daß dies zu Mißverständnissen führen wird.

5) Soweit die mikrochemische Reaktion diesen Schluß zuläßt.

6) Das gilt noch für 99% (Vol.) Alkohol, denn dieser entzieht lufttrockenen Körnern Wasser (Centralbl. f. Bakteriolog. usw., II. Abteilung 28 S. 496 Anm. 5).

H. Schroeder, Über die Semipermeabilität von Zellwänden. 175

Zum zweiten muß ein aufnehmbarer Stoff in der Membran oder zum wenigsten in einer Phase der Membran”) löslich sein, und die eine oder mehrere diesen Stoff lösenden Phasen müssen eine konti- nuierliche Bahn quer durch die Membran bilden. Trifft dies zu, so werden die absolute Löslichkeit und der Verteilungskoöffizient (Außen- lösung : Membran: Innenlösung) die Geschwindigkeit des Durchtrittes beeinflussen, ohne die einzigen maßgebenden Faktoren zu sein, wobei ich die Voraussetzung mache, daß das Außenlösungsmittel und die lösende Membranphrase verschieden seien.

Silbernitrat löst sich ın Wasser leichter als in Mischungen von diesem mit Alkohol, derart daß mit steigendem Alkoholgehalt die Lös- lichkeit sinkt.

Wenn ich nun vorläufig annehme, daß der Alkohol die Eigen- schaften der Membran nicht verändere, folgt daraus, daß der Ver- teilungskoöffizient sich bei Alkoholzusatz zugunsten der Membran verschiebt, und zwar um so mehr, je höher der Alkoholgehalt°). Da- nach müßte das Silbernitrat auch aus rein wässeriger Lösung in das Innere unverletzter Körner gelangen, wenn die wässerige Lösung den gleichen Sättigungsgrad ®) besitzt wie eine permeierende alkoholig- wässerige. Denn der Verteilungskoöffizient ıst das Verhältnis des Gehaltes gesättigter Lösungen. Der Salzgehalt der Membran wird demnach in gesättigter wässerig-alkoholiger und gesättigter rein wässe- rıger Lösung der gleiche sein; ebenso aber auch in ungesättigten Lö- sungen in beiden Medien, sofern beide in gleichem Sättigungsgrade geboten werden !P).

100 Teile 48%, Alkohol. lösen bei 15° © etwa 40 Teile Silber- nitrat. Eine absolut 5%ige Sıilbernitratlösung in diesem ıst daber zu ca. 12,5%, gesättigt. Den gleichen Sättigungsgrad besitzt beiläufig eine 25%, wässerige Lösung. Es müßte daher ich betone noch- mals, jede Veränderung in der Membran unterbleibend gedacht die selezierende Membran aus einer 25%, wässerigen Silbernitratlö- sung bis zur gleichen Konzentration Silbersalz aufnehmen, wie aus einer 5%,igen in 48%, Alkohol. Und wenn das Salz aus dieser Lösung in das Korninnere gelangt, müßte es dasselbe aus jener tun, wobei ich vielleicht fälschlich !) entweder von einer Änderung der Innenflüssigkeit absehe oder diese der Außenflüssigkeit gleich zu- sammengesetzt annehme.

7) Wenn man die Membran als System von festem Kolloid und Flüssigkeit be- trachtet, für das indes die Phasenregel nicht gilt. (Zangger, Ergebnisse der Physiologie VII [1908], 121.)

8) Allerdings unter verschiedenen Voraussetzungen, namentlich auch der, daß die wegsame Phase der Membran keine wässerige sei.

9) Sättigungsgrad Gehalt der Lösung ausgedrückt in Prozent der in gesättigter Lösung vorhandenen Menge.

10) Die elektrolytische Dissoziation zunächst vernachlässigt.

11) Vgl. A. Brown u. Tinker, Chem. Zentralbl. 1918 II, S. 41.

176 H. Schroeder, Über die Semipermeabilität von Zellwänden.

Ein Versuch ergab, daß ın der Tat Silbernitrat binnen 48 Std. aus einer etwa 28%, wässerigen Lösung in das Korninnere gelangt, und daß die Nuzellarwände und die Außenwände der Aleuronzellen unverletzter Körner nach 48stündigem Verweilen in dieser Lösung eine Streifung parallel zur Kornoberfläche erkennen lassen.

Wenn man mit den Salzkonzentrationen herabgeht, und zwar immer in der Weise, daß man rein wässerige und alkoholig-wässerige Lösungen vom gleichen Sättigungsgrade miteinander vergleicht, zeigt sich ein Unterschied zwischen beiden. Aus einer 0,75%, Silbernitrat, 64%, alkoholigen Lösung (Sättigung 2,6%) tritt das Salz binnen 48 Stunden in das Korninnere, während es aus einer rein wässerigen vom gleichen Sättigungsgrade, das ist absolut genommen eine unge- fähr 5,3%,ige, innerhalb der gleichen Frist nicht eindringt. Das spricht nicht gegen die Bedeutung des Teilungskoöffizienten, noch nötigt es zur Annahme neuer Komplikation. Wenn die wegsame, lösende Phase der Membran nicht eine wässerige, sondern, wie ich das oben annahm, eine anderweitige ist, in welcher das Silbernitrat nicht oder doch nicht in demselben Maße dissoziiert ist wie in Wasser, ist der Tei-

lungskoöffizient keine Konstante. An Stelle der Gleichung Konst.

li

| Q,

(C,= die Konzentration in Wasser, C, —die im zweiten Medium) tritt

bei Unterbleiben jeder Dissoziation im zweiten Medium die folgende:

0,— x 5 ZRENM

A re Konst., worin x den ın Wasser dissoziierten Anteil bedeutet. 2

zerfallene Moleküle

Gesamtzahl der Moleküle 5,2%, Silbernitratlösung beträgt 0,72, der einer 28%,igen etwas mehr als 0,5. In ersterer wäre‘demnach die Konzentration der undisso- zuerten Moleküle rund 1,5%, in dieser 14%. In alkoholig wässeriger Lösung ist die Dissoziation schwächer, daher der relative Anteil der unzerlegten Moleküle größer. Darum kann der Sättigungsgrad, wie er oben aus der gesamten gelösten Salzmenge berechnet wurde, als- dann nicht maßgebend sein, sondern er müßte für wässerige wie alkoholig-wässerige Lösung, bezogen auf ein nicht dissoziierendes Membranlösungsmittel aus der zweiten der obigen Gleichungen be- rechnet werden. Die mir bekannten Daten genügen für diese Rech- nung nicht, weshalb ich eine quantitative Prüfung zurückstelle und mich heute damit begnüge festzustellen, daß auf dem Boden dieser Vorstellungen eine Erklärung des Verhaltens der verglichenen Lö- ‘sungen nicht unmöglich ist 2).

Daran, daß der Alkohol bestimmte, dem Silbersalz den Eintritt verwehrende oder diesen erschwerende Membraneinlagerungen extrahiere, ist nicht zu denken, da mit Alkohol vorbehandelte Körner wieder

12) Vergleiche auch Höber, Physikal. Chemie der Zelle usw. (IV. Aufl. 1914, S. 402, 403, 407). Anomalien des Verteilungskoöffizienten.

Der Dissoziationsgrad ( ) einer wässerigen

H. Schroeder, Über die Semipermeabilität von Zellwänden. AN

getrocknet bei einer zweiten Weiche in rein wässerigem Silbernitrat sich genau so verhielten wie frische Körner, das heißt das Salz nicht aufnahmen

Wenn man sich die halbdurchlässige Membran als Molekülsieb vorstellt, könnte man annehmen, daß der Alkohol entweder die Poren- weite derMembran vergrößere oder die Dimensionen der gelösten Teilchen verringere'?). Ersteres wäre eine Beeinflussung der Membran, von der ich vorläufig absehe. Für die zweite Annahme bestehen einige Schwierigkeiten. Zunächst wäre zu erklären, weshalb das Salz bei Verwendung rein wässeriger Lösungen aus den stärker konzentrierten eintritt, aus den weniger konzentrierten nicht. Die Moleküle der ge- lösten Substanz allein können dies nicht bewirken. Außerdem dringt Sublimat rasch in das Korn, Kochsalz permeiert nicht !*). Es besteht kein Grund diesem in der Lösung eine bedeutendere Teilchengröße zuzuschreiben als jenem. Denn das Chlornatrium gehört nicht zu den Stoffen, deren Moleküle in wässeriger Lösung polymerisieren und die infolgedessen nach von Fürth und Bubanovic') langsamer in Gal- lerte penetrieren als andere nicht in dieser Weise zusammentretende Moleküle. Die beiden genannten Forscher haben ‚gerade das Chlor- natrium als Vergleichsstoff gewählt und auf sein Verhalten das der anderen Salze bezogen. Nach einer sorgfältigen Arbeit von Adair:®) zeigt eine wässerige Silbernitratlösung fast genau den gleichen Diffusionskoöffizienten in Gelatine wie Kochsalz. Danach wäre also auch dieses Salz in Wasser nicht polymerisiert.

Ferner könnte man bei dem Gedanken an ein Molekülsieb Hydratation in Erwägung ziehen. Denn diese ausgedrückt durch die Zahl der Wassermoleküle, die von einem Jon (oder Molekül) gebunden werden, sinkt mit steigender Konzentration der Lösung. Doch zeigt das wasserfrei krystallisierende Chlornatrium nach Jones!”) ein sehr geringes Hydratationsvermögen, so daß auch diese Vorstellung zum wenigsten unwahrscheinlich genannt werden muß.

Zu den eben mitgeteilten Versuchen wurden unversehrteKörner ver- wendet. Behandelt man verwundete Körner (Embryo weggeschnitten) mit wässerig-alkoholigem Sıilbernitrat, so findet sich Zonenbildung senkrecht zur Kornoberfläche, anzeigend ein von der Wunde her er- folgendes Vorlaufen des Silbersalzes, wie sie alsdann in wässerigen Lösungen stets auftritt, nur bei geringem Alkoholgehalt. Ist der

13) Man darf die Begriffe Maschenweite und Teilchengröße nicht zu grob mecha- nisch nehmen, sondern man hat Vorstellungen wie „Aktionsradius“ oder „Wirkungs- sphäre‘“ einzuführen.

14) Sublimat penetriert in Agargallerte langsamer als Kochsalz. (Fürth und Bu- banovic siehe folgende Fußnote.)

15) Biochem. Zeitschrift 92 (1918) 139 und 90 (1918) 265.

16) Biochemical Journal 14 (1920) 762. (Ref. chem. Zentralblatt 1921, I S. 429.)

17) Jones (und Mitarbeiter). Eine Reihe von Abhandlungen in Americ. Chem. Journal und Zeitschrift für physikal. Chemie, zusammengefaßt in: Carnegie Institution of Washington. Publikation Nr. 60 (1907).

42. Band 12

178 H. Schroeder, Über die Semipermeabihtät von Zellwänden,

Alkohol stärker konzentriert, so lagern die Schichten parallel zur Kornoberfläche, woraus auf allseitiges Eindringen durch die unver- letzten Teile der Kornhüllen geschlossen werden muß. - Ich erzielte Streifung senkrecht zur Oberfläche in einer 3,75%, Silbernitrat 24%, Alkohol-Lösung (Sättigung 4,05%); dagegen aus einer 0,67%, Silber- nitrat 64%, alkoholigen Lösung (Sättigung 2,6%) und ebenso aus 3,3% Silbernitrat 64%, Alkohol (Sättigung 12,2%) und 5%, Silbernitrat 48%, Alkohol (Sättigung 12,5%) auch bei angeschnittenen Körnern Strei- fung parallel zur Kornoberfläche, also im ersten Falle Eintreten von der Wunde her, in den anderen allseitiges Eindringen unabhängig von den Wundflächen.

Während demnach ın reinem Wasser oder verdünntem Alkohol das Silbersalz nicht oder doch nur so langsam durch die Hüllschichten tritt, daß es, ehe es auf diesem Wege zu den Aleuron- und Nuzellar- zellwänden gelangt, von der Wunde vorlaufend in eben diesen Wänden eine weite Strecke im Korn zurückgelegt hat, gelangt bei höherem Alkoholgehalt das Silbernitrat derart rasch durch die Hüllschichten, daß es auf diesem Wege nahezu allerorts'®) eher ın den fraglichen Zellwänden ankommt als bei von der Wunde her erfolgendem Diffun- dieren in diesen Zellwänden.

Es verhalten sich demnach die außen gelegenen Hüllschichten (Samenschale) und die Aleuronzellwände bei Zusatz von Alkohol zur gebotenen Silbernitratlösung prinzipiell verschieden. Bei jenen wird durch den Zusatz der Silberdurchtritt begünstigt, unter Umständen erst ermöglicht !?), bei diesen wird die Penetrationsgeschwindigkeit ver- ringert, zum wenigsten von bestimmtem Alkoholgehalt an.

Für die Vorstellung einer hemmenden Wirkung des Alkohols auf die Silberbewegung in den Aleuronzellwänden spricht vor allem die Beobachtung, daß die Länge der Strecke, die das von der Wunde (Embryoschnitt) vorlaufende Silbernitrat durchmißt, in wässeriger Lösung größer ist als in gleich konzentrierter alkoholig-wässeriger.

Versuch.

Dauer 24 Std. Die Körner durch Amputation des Embryo ver- letzt; die Länge der Diffusionszone (N) ist ausgedrückt durch die Anzahl der Aleuronzellen, um die das Sılbersalz von der Wunde her vorgelaufen war.

Serie Il. 3,8%, AgNO,, 23,5%, Alkohol-Lösung (Sättigung 4%,).

N'=58,,:523615754:.55560, 56; 156-5857 Mittels5B.

Serie II. 3,8%, AgNO, in Wasser (Sättigung 2%).

N = 955,102:987 9257107; 111° 95,9251002 Mittel 100: Serie III. 10% AgNO, in Wasser (Sättigung 5%).

Das Korn ist bis zur Spitze mit Silbersalz durchtränkt.

18) In der unmittelbaren Nachbarschaft der Wunde tritt immer homogene Dunkel- färbung auf.

19) Dies beweisen die Versuche mit unverletzten Körnern.

H. Schroeder, Über die Semipermeabilität von Zellwänden. 479

Die größere Geschwindigkeit, mit der das rein wässerig gelöste Sılbernitrat vorläuft, ıst also unverkennbar.

Nicht gerade direkt beweisend, aber immerhin diesen Versuch gewissermaßen bestätigend sind folgende Befunde. Sie sind insge- samt mit angeschnittenen Körnern gewonnen, und die alkoholigen Lösungen waren, wie ım vorstehenden Versuch, so arm an Alkohol, daß das Eindringen des Silbers von der Wunde her erfolgte.

1. Die rhythmische Fällung beginnt bei Gegenwart von Alkohol, sowohl wenn man Lösungen gleicher absoluter Konzentration als auch wenn man solche gleicher Sättigung vergleicht, näher der Wunde als in rein wässerigen Lösungen. Da nun in wässerigen Lösungen ver- schiedener Konzentration die Fällung um so näher der Wunde be- ginnt, jeschwächer die Silberkonzentration, spricht die vorstehende Be- obachtung für einen rascheren Konzentrationsabfall, bei der alkoholigen Lösung also für langsameres Diffundieren. aus dieser.

2. Die Feinheit der Streifung ist an der Stelle, an welcher die Rhythmik eben erkennbar wırd, größer in der alkoholig-wässerigen als in der rein wässerigen Lösung. Als Analogon dazu erwähne ich, daß nach Untersuchungen von Köhler?°) und von Moeller?°) beı Gelatine mit Abnahme des Wassergehaltes die Streifung enger wird.

3. Vergleicht man Stellen gleichen Abstandes von der Wunde, so zeigt die wässerig-alkoholige Lösung bei gleicher Sättigung deut- lich, bei gleichem absolutem Gehalt nicht ganz sicher gröbere Streifen als die rein wässerige. Auch dies deutet auf rascheren Konzentrations- abfall. Denn je schwächer in wässerigen Lösungen die Konzentration des Sılbersalzes, um so gröber ist in gleichem Abstand von der Wunde die Streifung. Daß beim Vergleich alkoholig-wässeriger mit rein wässeriger Lösung dieses Gröberwerden nicht ausgesprochener in Erscheinung tritt, wird damit zu erklären sein, daß dem ein anderer Faktor entgegen wirkt. Ist doch, wie vorn unter 2. mitgeteilt wurde, bei Anwesenheit von Alkohol die Streifung überhaupt feiner.

Eine Erklärung für die hemmende Wirkung des Alkohols auf die Wanderungsgeschwindigkeit in den Zellulosewänden dürfte darauf hinauslaufen, daß, wie bereits angedeutet, bei Gegenwart von Alkohol der Wassergehalt geringer, also die Quellung schwächer ist. Für Gelatine (Eiweiß) ist bekannt, daß sie aus 10%, Alkohol weniger Wasser aufnimmt als aus reinem Wasser?!). Daß bei Möllers??) Versuchen mit wechselndem Wassergehalt der Membran bei geringerem Wasser- gehalt im gleichen Abstand von der Wunde eine feinere Streifung beobachtet wurde als bei höherem dürfte darauf beruhen, daß Möller den ungleichen Wassergehalt durch Vorbehandlung der Körner er-

20) Köhler, Kolloidzeitschrift 19 (1916), S. 855. Moeller, Ebenda 20 (1917), S. 259.

21) Hofmeister, zit. nach Spiro in Oppenheimer, Handbuch der Biochemie Il, S. 34.

22) In der S.1 angeführten Arbeit.

12*

180 H. Schroeder, Über die Semipermeabilität von Zellwänden.

zielte. Es wird also danach in seinen Versuchen das Silber, das mit dem nachträglich eindringenden Wasser vorläuft oder wohl noch etwas hinter diesem zurückbleibt, nicht beeinflußt werden, wohl aber das diesem entgegenströmende, Silber fällende Salz. Dieses ist es, das sich in Wänden ungleichen Wassergehaltes bewegen wird. Je geringer also der nach der Vorbehandlung gegebene Wassergehalt, umso langsamer bewegt sich das fällende Salz dem Silber entgegen. Da Versuche Möllers mit eingelagertem Sublimat in verschiedener Konzentration lehrten, daß bei Nachbehandlung mit Silbernitrat ın gleichem Abstande von der Wunde die Streifung um so feiner, Je geringer bei gleichem Silbergehalt die Sublimatkonzentration, spricht also dieser zuerst scheinbar entgegenstehende Befund Möllers in Wahrheit für meine Auffassung.

Damit ist die Verzögerung der Invasionsgeschwindigkeit in den Aleuronzellwänden bewiesen.

Die vorgetragene Deutung des gegensätzlichen Verhaltens der beiden Hüllschiehten bei Alkoholzusatz nimmt für die Förderung des Silbereintrittes in die und durch die Samenschale Veränderung im Zustand der Lösung (Herabsetzen der Löslichkeit im Außenmedium und Rückgang der elektrolytischen Dissoziation) an, für die Hemmung in den Aleuronzellwänden Beeinflussung der Wände selbst (Rückgang des Wassergehaltes und damit der Quellung). Die zweite Annahme??) ist meines Dafürhaltens durch die mitgeteilten Versuche einigermaßen begründet, die erstere bislang nur eine Möglichkeit. Für sie sind andere Erklärungen nicht ausgeschlossen, oder ist es denkbar, daß die angenommenen Faktoren nicht die allein wirkenden sind. Den Ge- danken einer Wirkung der Hydratation habe ich bereits behandelt. Daneben könnte man Traubes Vorstellung über Haftdruck bezw. Haftdrucklockerung prüfen und anderes. Dabei sollten alle diese Mög- lichkeiten nicht, wie das bisher des öfteren geschehen ist, als einander ausschließende Gegensätze betrachtet werden, sondern es ist ein Nebeneinander sehr gut vorzustellen und dünkt mir in einigen Fällen sogar wahrscheinlich. So wird man bei Traubes Hypothese, sofern die Membran eine nicht wässerige Phase ist, den Verteilungskoöffizienten zu berücksichtigen haben. Wenn weiterhin die Membran heterogeu gedacht wird, wird sie für Teilchen oberhalb einer gewissen Größe als Molekülsieb wirken, ist dabei die Invasionsbahn keine wässerige, so wird nichtsdestoweniger die Verteilung mitsprechen usw. Schließ- lich ist auch für die Samenschale eine reversibele Membranbeein- flussung denkbar?*).

Sicher ist, daß die beiden Membranen verschieden strukturiert (chemisch oder physikalisch oder beides) sin müssen. Die Aleuron- ete.-Zellwände quellen in Wasser und werden damit nicht sprung-

23) Vgl. dazu auch: Bechhold, Die Kolloide in Biologie und Medizin (III. Auf- lage), S. 53, 54, 59 oder Höber, Physikal. Chemie usw. IV. Aufl. (1914), S. 346. 24) Weitere Versuche sind gemeinsam mit H. Möller im Gange.

H. Schroeder, Über die Semipermeabilität von Zellwänden. 181

weise, sondern in kontinuierlichem Übergang durchlässig. Der per- meierende Stoff bewegt sich demnach hier in einer wässerigen Phase. Mit Sinken des Quellungsgrades wachsen die Widerstände für die Diffusion derart, daß sie früher oder später, das wird mit von der Natur des gelösten Stoffes abhängen, diese mehr oder weniger ganz unterbinden. In absolutem Alkohol, absolut alkoholiger Lösung sind daher die Zellulosewände lufttrockener Körner fast undurchlässig. Doch vermag Wasser, wie die Gewichtsabnahme erkennen läßt, zu passieren.

Von dem Aufbau der selezierenden Schicht habe ich mir eine speziellere Vorstellung nicht gebildet, weil ich weitere Versuche ab- warten will, welche die Erörterung fruchtbarer gestalten werden. Auf eins sei noch hingewiesen. Wie sich aus dem Gesagten ergibt, glaube ich nicht, daß die selezierende Schicht für schwächere Silber- salzkonzentrationen absolut undurchlässig sei, für stärkere hingegen durchlässig, sondern ich nehme graduelle Unterschiede an. Diese werden praktisch den Erfolg haben, daß bei geringer Salzkonzentration im Außenmedium binnen bestimmter Fristen kein Silbersalz in nach- weisbaren Mengen in das Korninnere gelangt. Die Grenze wird damıt je nach der Dauer des Versuches und ‘auch individuell schwanken. Für diese Auffassung spricht neben unveröffenlichten Versuchen die Beobachtung, daß das alkoholig-wässerig gelöste Silbernitrat nach dem Durchwandern der dünnen Samenschale ın relativ schwacher Konzentration in den Aleuronzellwänden ankommt, wie die Ausgestal- tung der Streifung, breite und gekörnelte Zonen, die Mer kmale schwacher Konzentration, beweist. Ich Bi ähnliche Überlegungen schon wieder- holt vorgetragen”). Danach wäre also die selezierende Schicht nicht schlechthin undurchlässig für Silbernitrat (und andere Substanzen), sondern nur schwer durchlässig. Das paßt zu der für den Verteilungs- koöffizienten vorgesehenen Rolle. Denn je schwächer die Konzentra- tion in der Membran ist, um so kleiner ist das Konzentrationsgefälle in dieser, um so langsamer verläuft daher das Durchpassieren. Grenzt gar Innen (und Außen) an die schwer durchlässige Schicht eine zweite an und für sich leicht durchlässige Membran, so wird diese die Wir- kung verstärken, weil in ihr Konzentrationsausgleich durch Strö- mungen unmöglich ist, womit für die Weiterbewegung der einge- drungenen Teilchen nur die Diffusionsbewegung bleibt. Bei der ge- ringen Geschwindigkeit mit welcher diese verläuft, wird demnach eine derartige Einrichtung dazu dienen das wirksame Gefälle in der schwer durchlässigen Schicht zu verkleinern und damit das Durchwandern zu verzögern.

Wurden arane Körner (Embryoschnitt Möllers) und unverletzte in identische Lösungen (2%, AgNO, in 64%, Alkohol, Ser 2,6%) gebracht, so waren die beidemal parallel zur

25) Vgl. Schroeder III, S. 21,

182 H. Schroeder, Über die Semipermeabilität von Zellwänden.

Kornoberfläche angeordneten Bänder bei den angeschnittenen Körnern deutlich kräftiger ausgebildet als bei den intakten, auch reichten sie nach gleichen Einwirkungszeiten bei jenen beträchtlich weiter spitzen- wärts als bei diesen. Während sie beim unversehrten Material auf die Kornunterseite beschränkt blieben, waren sie bei dem verwundeten auch auf der Oberseite zu erkennen, wenngleich hier weniger deutlich als dort. Es ist möglich, daß diese Verschiedenheit auf Unterschiede ım Wassergehalt zurückzuführen ist, wenn das Wasser von der Schnitt- fläche vorlaufend dem Alkohol vorauseilt, doch soll das vorläufig nicht mehr als eine Vermutung sein.

Beim Eindringen des Silbernitrates durch die Kornwand waren die parallel zur Kornoberfläche orientierten Streifen in der Nachbar- schaft des Embryo eng gestellt und wurden mit zunehmender Ent- fernung von diesem gröber und breiter. Daraus ıst zu schließen, daß die Konzentration der in Aleuron- und Nuzellarzellwände ein- tretenden Lösung nach der Spitze zu abnimmt. Aus der Stellung der Bänder und aus der Tatsache, daß diese Verbreiterung durchaus konti- nuierlich verläuft, folgt weiter, daß lokales Eindringen nicht vorliegt, sondern daß das Eintreten allerorts stattfindet, aber mit zunehmen- der Erschwerung in der Richtung vom Embryo nach der Spitze. Es wird also die semipermeable Schicht oder Schichten von der Spitze nach dem Embryo kontinuierlich an Dicke abnehmen, oder die Im- prägnation mit der den Stoffeintritt erschwerenden Substanz sinkt in der gleichen Richtung.

Diese Erscheinung, die sowohl bei alkoholig-wässerigen Sılber- lösungen wie bei konzentrierter (28%) rein wässeriger zu beobachten war, findet eine Parallele in meinen älteren Befunden über die Wasser- aufnahme des unverletzten Kornes.. Von den beiden damals für die Bevorzugung der Embryohälfte vorgesehenen Erklärungen allseitiges Eintreten mit zunehmender Erschwerung in der Richtung vom Embryo nach der Spitze oder lokales Eindringen am Embryo und Vorlaufen in den Nuzellarzellen wird die erstere, :von mir schon seiner- zeit für die wahrscheinlichere angesehene, hierdurch bestätigt und gezeigt, daß Wasser und Silbernitrat an den gleichen Stellen relativ schwerer eindringen.

Schließlich konnte durch Alkoholzusatz (Alkoholgehalt 48%) auch das Chlornatrium zum Eintritt in das unverletzte Korn veranlaßt werden. Das ließ sich daran erkennen, daß nachfolgende Behandlung mit Silbernitrat die gleiche Ausgestaltung der Rhythmen lieferte, einerlei ob die Körner angeschnitten oder unversehrt ın der alkoho- ligen Kochsalzlösung gelegen hatten. Die Applikation des Silber- salzes erfolgte in beiden Fällen in der gleichen Weise nach der von Möller sogenannten Methode des Embryoschnittes.

Ungeachtet verschiedener Deutungsschwierigkeiten ergeben also diese Versuche mit aller Schärfe, wie berechtigt seinerzeit meine Warnung gewesen ist, die Kornhülle nicht schlechthin als einheitlich

H. Schroeder, Über die Semipermeabilität von Zellwänden. 183

anzusehen. Es werden zwei oder selbst mehr Schichten für den Stoffeintritt maßgebend sein, und es wird unter anderem von der Natur des Außenmediums abhängen, welche davon in Wirkung tritt oder treten.

$3. Man hat bis vor kurzem die Frage nach der Durchlässig- keit der Zellwände nicht besonders erörtert, weil man aus Plasmolyse und Färbungsversuchen schloß, daß die wirksamen Stoffe durch die Zellwände hindurch gegangen sein müßten ?®). Wenn unverletzte Pflanzen oder wenn Pflanzenteile verwendet werden und dafür gesorgt wird, daß die Wundflächen mit dem Plasmolytikum oder dem Farbstoff nicht in Berührung kommen, ist dieser Schluß berechtigt. Sowie aber die Wundflächen eintauchen, und das ist bei den gebräuchlichen Plasmolysierverfahren das gewöhnliche, ist ein Eindringen von der Wunde her möglich und ein Weiterwandern des Plasmolytikums von Zelle zu Zelle durch Wandporen bei undurchlässiger Wand denkbar, „worauf Rippel?”) hingewiesen hat?*).

Nun ist Farbstoffaufnahme und Plasmolyse bei unversehrten Pflanzen vielfach beovachtet worden und unschwer festzustellen. Es handelt sich dabei zumeist um submerse Pflanzen oder um Teile von solchen, schließlich um Wurzelhaare und dergleichen Organe, bei welehen die Kutikula schwach entwickelt ist oder gänzlich fehlt, während die Zellulosewand ausgebildet ist. Für besonders instruktiv halte ich Beobachtungen, über die in einer nachgelassenen Schrift von Klebs??) berichtet wird. In dieser findet sich unter anderem die Angabe, daß Zellen des Prothalliums, deren Wänden im Gegen- satz zu den Kongorot auch bei lebender Zelle speichernden Rhizoid- zellwänden diesen Farbstoff erst nach dem natürlichen oder durch bestimmte Agentien verursachten Zelltod aufnehmen, in Zucker oder Kalisalpeterlösung plasmolysiert waren, ohne daß das Kongorot in den Raum zwischen der Zellwand und den abgehobenen Protoplasten ein- drang. Hiermit ist ein Durchtritt des die Zellwand passierenden und vom Plasma zurückgehaltenen Zuckers durch grobe Poren (Perfora- tionen), etwa Plasmodesmenbahnen, ausgeschlossen, denn/diese müßten ebenso für das Kongorot wegsam sein. Dagegen könnte man sich die Zellwand in diesem Falle als Ultrafilter vorstellen, das die kleineren Zuckerteilchen durchließe, die größeren des Farbstoffes zurückhielte.

236) Vergleiche aber z. B. Pfeffer, Tübinger Untersuchungen II, S. 202/203.

27) Rippel, Berichte d. deutsch. bot. Ges. 36 (1918) 211/212.

28) Im Sinne von Rippel-Wanderung durch Perforationen mag dies raschere Eintreten der Plasmolyse in einer Wunde anliegenden Zellen auch dann gedeutet werden, wenn die Zellwand für das Plasmolytieum durchlässig ist. Denn in den offenen Bahnen wird die Diffusion mit größerer Geschwindigkeit verlaufen als inner- halb der Wandsubstanz. Häufig wird der Einfluß der Wunde mit der Beseitigung absolut undurchlässiger Hüllen Kutikula zu erklären sein.

99) Klebs, Verhalten der Farnprothallien gegenüber Anilinfarben. Sitzungs- bericht der Heidelberger Akademie, Math. Nat. Klasse. Abglt. B, Jahrgang 1919, Abhandlung 18,

184 H. Schroeder, Über die Semipermeabilität von Zellwänden.

In dieser Weise wird ein festes Kolloid wirken, es fragt sich nur, von welcher Teilchengröße ab diese Filterfunktion eintritt. Zu erklären bleibt dann erstens die nach dem natürlichen oder durch bestimmte Agentien, Substanzen, verursachten Zelltod eintretende Veränderung dahingehend, daß Kongorot nunmehr die vordem nicht färbbaren Wände tingiert, und der Unterschied im Verhalten der Rhizoidzellen, deren Wände auch ım Lehen Kongorot aufnehmen, einerseits und den den Farbstoff nicht hereinlassenden Wänden der grünen Zellen. Für letztere Verschiedenheit könnten physikalische Differenzen, also viel- leicht solche im Quellungszustand der Zellulosewand die Ursache sein. Man könnte indes gerade ım Hinblick auf Hansteens Arbeiten an Einlagerungen denken, also sekundäre chemische Unterschiede °°).

Das gilt indes, wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, zu- nächst nur für den Farbstoff, für Krystalloide mit kleinen Molekülen waren die Wände beider Zellkategorien durchlässig. Und diese sind es, die ich bei meinen Darlegungen im Auge habe. Ich glaube, daß für diese die Zellulosezellwände im natürlich gegebenen Quellungs- zustand im allgemeinen durchlässig sind, wie dies in der Tat für eine größere Anzahl von Einzelfällen mit Bestimmtheit nachgewiesen ist. Das ist nun nicht so zu verstehen, als ob die Zellulosewände der Salz- diffusion überhaupt kein Hindernis bieten. Jede Membran wird, ver- glichen mit Wasser, die Diffusionsgeschwindigkeit eines gelösten Elek- trolyten verändern (herabsetzen), wie das künstliche Gallerten (Gelatine und anscheinend schwächer Agar), und zwar in Abhängigkeit von ihrem Wassergehalt tun. Semipermeabel wird man sie selbst bei weiter Auslegung dieses Begriffes nur dann nennen, wenn die De- pression der Diffusionsgeschwindigkeit praktisch bis zur Undurch- lässigkeit gesteigert ist oder eine solche Höhe erreicht, daß zu beiden Seiten der Membran für längere Zeit ein deutlicher Konzentrations- unterschied bestehen bleibt?!), wobei ich mir einen Ausgleich durch Wasserbewegung irgendwie verhindert denke.

Unterschiede in der Durchlässigkeit der Zellulosewände können, wie vorn angedeutet, durch gleichgültig hier auf welche Ursachen

zurückführende Differenzen im Quellungszustand (Wassergehalt) der

Membran bewirkt werden oder durch sekundäre Einlagerungen, ın

30) An dieser Stelle wären Beobachtungen Rosenthalers (Berichte d. deutschen pharmazeut. Ges 31 [1921], S. 27) zu erwähnen. R. findet eine Aufnahme von Eisen- chlorid in den Zellwänden von Schnitten bei allen Gewebearten, nur die Kutikula bleibt ungefärbt. Verwandte er unverletzte Pflanzen, so beschränkte sich die Reaktion auf die Zellwände der Wurzel. R. hält das Ausbleiben der Färbung bei intakten oberirdischen Teilen für eine Wirkung der Kutikula; er konnte bei Keimlingen durch Auskochen mit Chloroform auch bei unversehrten oberirdischen Teilen eine Reaktion erzielen.

31) Siehe vorn 8. 9,

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H. Schroeder, Über die Semipermeabilität: von Zellwänden. 185

diesem Falle könnte man aber schon nicht mehr von einer Eigenschaft der Zellulosewand als solcher sprechen ??).

Anders als die in Wasser gequollene Wand wird sich die unge- quollene Wand im nicht wässerigen Medien verhalten. Ich habe oben Versuche beschrieben, aus welchen sich folgern läßt, daß die Nuzellar- und Aleuronzellwände für absoluten Alkohol und für in diesem gelöste Stoffe undurchlässig sind. Das Gleiche wird für Äther, Chloroform und andere organische Flüssigkeiten gelten. Darum ist es möglich, daß Rippel recht hat mit seiner Vorstellung, die Zellulosehüllen lufttrockener Samen übten diesen Stoffen gegenüber die Schutzfunktion aus®?). Eine gewisse Schwierigkeit ergeben jedoch von mir vor einigen Jahren veröffentlichte Versuche. Das unver- sehrte trockene Korn widersteht der Einwirkung wasserfreien Alkohols lange Zeit. Werden indes Frucht und Samenschale, was nach einem früher von mir angegebenen, übrigens auf Schuhmann zurückzu- führenden Verfahren nur am lufttrockenen Korn und lediglich über dem Embryo möglich ist, entfernt, so wird die Keimfähigkeit binnen kurzer Zeit vernichtet. Damit ist bewiesen, daß die Widerstands- fähigkeit im ersteren Falle nicht eine Besonderheit des wasserarmen Protoplasten darstellt, sondern lediglich dem Schutz durch die Samen- schale zu danken ist, wie ich das bereits seinerzeit ausgesprochen hatte, und wie später Rippel°*) auf Grund von Versuchen, die ich

32) Der Quellungszustand der Zellwände müßte eigentlich in der natürlich ge- gebenen Imbibitionsflüssigkeit untersucht werden. In welchem Maße durch stoffliche Einflüsse (H und OH, Metall und Säureionen) Beeinflussungen des Quellungszustandes möglich sind, hat die Arbeit meines in englischer Gefangenschaft verstorbenen Schülers H. Kotte an Meeresalgen gezeigt (Wiss. Meeresuntersuchungen Neue Folge Band 17 Abteilung Kiel [1915], S. 115). Turgor, Gewebespannung und andere physikalische Einflüsse werden ebenfalls nicht gleichgültig sein. Daher wird die Zellwand der Ge- webezellen von Landpflanzen einen anderen, im allgemeinen geringeren Wassergehalt im intakten Pflanzenkörper als in dem im Wasser liegenden Schnitt besitzen.

Auch der Zellinhalt wird durch die Überschwemmung mit Wasser, wie sie im Schnitt stattfindet, in Mitleidenschaft gezogen. Ich erinnere dafür an die bekannte Degeneration, die Chromatophoren von Blütenblättern bei in Wasser liegenden Schnitten zeigen. Aus diesen Überlegungen teile ich den Standpunkt der Forscher, die neuer- dings davor warnen, aus dem Verhalten von isolierten Zellen in Wasser oder einstoff- lichen Lösungen Schlüsse auch bezüglich der Permeabilität auf das Verhalten in der Pflanze zu ziehen.

33) Ich habe bereits früher (l. ce. I, S. 201) auf diese Möglichkeit hingewiesen. Sie hat durch die mitgeteilten Versuche eine gewisse Begründung erfahren. Wenn ich mich trotzdem noch nicht bestimmter ausspreche, geschieht dies im Hinblick auf die oben im folgenden besprochene Schwierigkeit. Die zweite von mir seinerzeit vor- getragene Möglichkeit einer Wirkung der selezierenden Schicht scheint mir nach den oben mitgeteilten Versuchen nicht mehr haltbar.

34) Biolog. Centralblatt 37 (1917) 477, Rippel hat an der Stelle, an welcher er mit Recht darauf aufmerksam macht, daß zwischen Entfernung von Frucht und Samenschale zu unterscheiden ist, übersehen, daß das Schälen angefeuchteter Weizen- körner, wie es Kurzwelly ausgeführt hat, lediglich die Fruchtschale, und diese unvoll- ständig beseitigt. Frucht und Samenschale lassen sich nur auf die oben beschriebene Weise wegnehmen,

186 H. Schroeder, Über die Semipermeabilität von Zellwänden.

für weniger beweisend halte als die meinigen, erneut und besonders ausdrücklich hervorgehoben hat.

Es müssen also die lufttrockenen Zellwände des Embryo den absoluten Alkohol durchlassen. Dafür lassen sich verschiedene Er- klärungen ausdenken. Es wäre möglich, daß diese wachstumsfähigen Zellwände eine andere Zusammensetzung zeigten als die fertigen (Pektin), oder daß sie ihr Wasser nicht in demselben Maße verlieren wie jene, so daß sie selbst im lufttrockenen Korn genügend gequollen wären, um Alkohol durchzulassen. Vielleicht ‚wäre sogar nur ihre geringere Dicke ausschlaggebend. Ob man bei dieser Art der Ver- wundung an Plasmodesmenbahnen denken kann, halte ich für frag- lich. Wie dem auch sei, jedenfalls liegt hier eine Verschiedenheit vor, die eine Erklärung verlangt°*).

$4. Daß zwischen Samen (und Früchten) verschiedener Arten (gradweise) Unterschiede in der Permeabiltät vorhanden sind, ist also wahrscheinlich, und durch den Vergleich des Verhaltens der Schale von Xınthium mit der des Weizen bewiesen. Leider ist ein be- quemer Weg die Differenzen zahlenmäßig zu definieren nicht gangbar. Denn aus der Gewichtszunahme der quellenden Samen, als Maß für die Aufnahme von Flüssigkeit, und aus der Titerzunahme der zurück- bleibenden Außenflüssigkeit, als Maß für die Aufnahme reinen Wassers, könnte nur dann auf den Grad der Semipermeabilität geschlossen werden, wenn die selezierende Schicht ın jedem Falle die äußerste Zellage der geprüften Samen und Früchte wäre. Wo dies nicht der Fall ist, setzt sich die Gewichtszunahme aus zwei Teilgrößen zusammen. Erstens aus der durch die Aufnahme von Salzlösung in die außerhalb der selezierenden Schicht gelegenen Teile bewirkten Zunahme, und zweitens

35) Willstätter und Stoll haben gefunden, daß einige organische Solventien, wie Athylalkohol, Aceton und andere aus trockenem Brennesselpulver das CP. nur dann.gut extrahieren, wenn sie nicht wasserfrei, sondern mit einem beträchtlichen Wassergehalt verwendet werden (Aceton z. B. 20%). Da CP. in den genannten wasser- freien Substanzen löslich ist, und da weiterhin der Zutritt derselben auch in wasser- freiem Zustand zu den Chloroplasten des trockenen Materials durch die Extraktion des Karotens bewiesen wird (Arnaud. Compt. rend. 100, S. 751; Willstätter und Mieg, Ann. d. Chemie 355 (1907), S.12) glauben Willstätter und Stoll, es würden durch das zugesetzte Wasser Salze (etwa KNO,) gelöst, und diese veränderten den Zustand des CP. derart, das dasselbe extrahierbar werde. Als notwendige Folgerung aus dieser Annahme ergibt sich die Vorstellung eines Unterschiedes im Zustande des CP. im trockenen und im wasserdurchtränkten Blatte.

Ich möchte demgegenüber auf eine andere Erklärungsmöglichkeit hinweisen. Der Alkohol ete. dringen in die Zelle (die Wände verhielten sich demnach hier wie beim Gramineenembryo!), und lösen hier das CP. wie das Karoten, während aber dieses als- dann seinen Weg durch die Zellwand findet, wird jenes von ihr zurückgehalten, es sei denn, daß eine gewisse Menge vorhandenen Wassers die Wände so weit quellen läßt, daß sie auch für das CP. durchlässig werden. Meine Vermutung läßt sich ex- perimentell prüfen, doch fehlen mir dazu gegenwärtig die nötigen Hilfsmittel. Immer- hin ergab ein roher Vorversuch, daß caeteris paribus die Anfärbung des wasserfreien oder wasserarmen Lösungsmittels um so intensiver war, je feiner die trockenen Blätter pulverisiert wurden.

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H. Schroeder, Überzdie Semipermeabilität von Zellwänden. 187

aus der hervorgerufen durch den Eintritt von reinem Wasser in das von der selezierende Schicht umgebene Innere. Die gefundene Ge- wichtszunahme wird daher, sowie die, vollkommen semipermeabel ge- dachte Schicht nicht durchaus an der Oberfläche liegt, größer sein als die aus Titerzunahme berechnete. Einen Schluß auf den Grad des Selektionsvermögens kann man also aus derartigen Versuchen solange die Differenz zwischen berechneten und gefundenen Werten in mäßigen Grenzen bleibt nicht ziehen ’®).

Mit Erbsensamen, deren Schale ich für verschiedene nicht in das Getreidekorn eintretende Salze für durchlässig gehalten habe, wasRippel bestreitet, habe ich neue Versuche nicht angestellt. Die seinerzeit natürlich auch von mir bemerkte anfängliche Depression der Wasser- aufnahme in der Kochsalzlösung erklärte ich mir damit, daß eben, wie ich dies vorn ausgeführt habe, die Zellwände der Samenschale die Salzdiffusion verzögern. Rippel denkt für den Ausgleich an das Auftreten feiner Risse. Ich gebe diese Möglichkeit zu, indes glaube ich nicht, daß die quellenden Kotyledonen diese Rißbildung veran- lassen. Denn die Quellung und Ausdehnung der Schale eilt der der Kotyledonen voraus. Beim umgekehrten Verfahren, wenn man ge- quollene Erbsen trocknet, sprengen die. noch stark wasserhaltigen Kotyledonen die trocknende und sich damit kontrahierende Schale bis zum Auftreten klaffender Risse.

Von den Faktoren, die nach Schull und nach Rippel die ge- rade bei Leguminosen häufig anzutreffenden Unterschiede im Verhalten bewirken könnten, möchte ich besonders ungleichen Reifegrad her- vorheben. :

Obgleich, wie ich an verschiedenen Stellen angemerkt habe, Zel- lulosewände verschieden gebaut und damit in ungleichem Maße durchlässig sein können, so besteht doch kein Grund, diejenigen Zell- wände, deren von Perforationen unabhängige Durchlässigkeit für gelöste Krystalloide bestimmt erwiesen ist, das sind Nuzellar- und Aleuron- zellwände der Gramineen, Wände der Epidermis verschiedener Blätter und die beiden Kategorien von Zellen der Farnprothallien für be- sonders leicht durchlässig zu halten. Denn wenn man dies auch für die genannten Zellwände der Getreidekörner und die der Pro- thalliumrhizoidzellen zugeben kann, bei den Wänden der Blattepidermis-

36) Daher dürfen Rippels Tabellen (Bot. Ber. 36 [1918] 204, 205) nicht in diesem Sinne ausgewertet werden. Wenn also R. die Hülle der Roßkastanie vollkommen semipermeabel nennt, wird dies damit bewiesen sein, nicht aber das unvollkommene Selektionsvermögen derjenigen Samen, bei welchen die theoretische und die gefundene Titerzunahme etwas von einander abweichen. Kontrollversuche mit angeschnittenen Samen sollten immer angestellt werden. Denn abgesehen von jeder Membranwirkung braucht die Quellung der Reservestoffe in Lösungen verschiedener Stoffe und un- gleicher Konzentrationen nicht gleich zu sein und nicht mit der in reinem Wasser übereinzustimmen.

c%

188 St. Konsuloff, Über die Doppelatmung der Mückenlarven.

zellen und denen der grünen Prothalliumzellen spricht nichts für diese Annahme, manches gegen sie. Verwehren doch gerade die Wände der grünen Prothalliumzellen im Gegensatz zu den Rhizoidzellen dem Kongorot den Eintritt.

Indem ich die vorgetragenen Resultate und Erwägungen zur Diskussion stelle, bin ich mir bewußt nichts abgeschlossenes gebracht zu haben. Weitere Versuche sind im Gange.

Bei dem heutigen Stande scheint mir die bisher verbreitete An- sicht einer für Krystalloide allgemeinen Durchlässigkeit der gequollenen Zellulosewände berechtigt.

Das gilt vorläufig nur für Krystalloide mit kleinem Molekül. Für Kolloide (große Moleküle) mag in vielen Fällen die Zellwand wie eine Gelatine-Gallerte als Sieb wirken. Und vielleicht sind Ein- lagerungen, die Halbdurchlässigkeit verursachen, ohne die mikro- chemische Zellulosereaktion zu verändern, öfter anzutreffen (Klebs, Hansteen). |

Sämtliche in der vorliegenden Arbeit mitgeteilten Versuche hat Herr Dr. Möller ausgeführt. Ich spreche ihm dafür auch an dieser Stelle meinen Dank aus.

Kiel, im November 1921.

Über die Doppelatmung der Mückenlarven. Von Dr. St. Konsuloff.

Privatdozent der Zoologie a. d. Universität Sofia. Mit 3 Abbildungen.

Die europäischen Mückenarten überwintern größtenteils als Imago, einige Arten aber können auch als Larven oder nur als Larven die kalte Jahreszeit verbringen. Unter anderen überwintert als Larve auch Amopheles bijurcatus L. Diese Art ist in Europa stark verbreitet, auch in den Zonen, wo die Tümpel im Winter mit Eis bedeckt sind. Unter diesen Umständen müssen die Larven auf ihre Tracheenatmung ver- zichten und sind auf die Kiemenatmung angewiesen. Welche andere Mückenarten als Larven überwintern können, ist noch nicht genau er- forscht. Kurze Zeit nach dem Eisschmelzen habe ich am 18. März 1915 in einem Tümpel bei Gevgeli (Macedonien) erwachsene Larven von Theobaldia annulata Schrank gefunden. Andrerseits habe ich in Südbulgarien einmal am 1. April, als noch die Eier kaum gelegt waren, Männchen von Anopheles maculipennis Meigen gelangen, mit gut beschuppten Flügeln, die offenbar nicht überwintert hatten, sondern frisch ausgeschlüpft waren. In der Nähe von Sofia habe ich Anfang April 1920 erwachsene Larven von Culex sp. gefunden, die auch den ganzen Winter unter dem Eis verbracht hatten.

Alle diese Tatsachen weisen darauf hin, daß die Mückenlarven die Fähigkeit besitzen, unter bestimmten Umständen auch die im Wasser

ss

St. Konsuloff, Über die Doppelatmung der Mückenlarven. 189

enthaltene Luft zur Atmung auszunutzen und daß nur einige Mücken- arten von dieser Fähigkeit regelmäßig Gebrauch machen; alle übrigen überwintern als Imago.

Welche sind die Organe, die diese Kiemenatmung ermöglichen? Es lag die Vermutung nahe, daß diese Rolle wahrscheinlich die Analanhänge spielen, die keine Chitinschicht wie die übrige Körperoberfläche besitzen.

Diese Anhänge sind nicht imstande unter gewöhnlichen Umständen die Atembedürfnisse der Larven zu sichern, was aus den folgenden Ver- suchen bei Zimmertemperatur ersichtlich ist.

Ausdauer der Larven von A. maculipennis, die bei Zimmertemperatur ohne Berührung mit der Luft gehalten werden.

| Alter der Larven |Nach 15 Min.|Nach 30 Min. Nach 45 Min.| Nach 60 Min.|Nach 300 Min j | I. Be mm lebend lebend lebend lebend Nur einige lang) noch lebend II. (mittelgroß) = 2 einige Jjalle gestorben —_ gestorben III. erwachsene # einige die meisten Jalle gestorben E (Larven) gestorben gestorben

In der Natur aber können die Mückenlarven nur unter dem Eis zur Wasseratmung gezwungen werden, also bei einer Temperatur, die nicht bedeutend höher über ist. Bei einer so niedrigen Temperatur müssen die Lebensprozesse sehr herabgesetzt und die Atembedürfnisse sehr be- schränkt sein. Infolgedessen könnte man erwarten, daß vielleicht bei niedriger Temperatur die Wasseratmung imstande wäre die Atembedürf- nisse zu befriedigen. Die folgenden Versuche, ‘die in dieser Richtung unternommen waren, haben die Voraussetzung vollkommen bestätigt.

I. Larven von Anopheles maculipennis verschiedenen Alters wie auch Culex pipiens-Larven werden allmählich abgekühlt. Bis ungefähr 5-—40 GC. sind die Larven beweglich, bei niedrigerer Temperatur sinken sie auf den Boden und bleiben dort bewegungslos. Das Wasser fror eänzlich, die Temperatur sank bis auf 15° unter 0, die Larven lagen im Eise selbst. Als ich nach ungefähr 10 Stunden die Temperatur bis zur Zimmertemperatur steigen ließ, erwachten die Larven nicht, sie waren tot.

Il. Larven von A. maculipennis und C. pipiens bei + 0. gestellt liegen am Boden bewegungslos. Nach 10 Stunden bis zur Zimmertempe- ratur erwärmt, erwachen sie und steigen an die Oberfläche munter empor. Von neuem bis zu + 2°C. abgekühlt, schliefen die Larven wieder ein und fielen zum Boden.

III. In ein Glas mit abgekochtem und bis zu +2° C. abgekühltem Wasser wurden Larven von A. Imaculipennis und Ü. pipiens gesetzt, die Oberfläche mit flüssigem Paraffin bedeckt und weiter bei +2° ©. ge- halten. Ein zweites Glas mit Larven, aber mit durchlüftetem Wasser, diente als Kontrolle. Nach 12 Stunden wurden beide Gläser bis zur

4190 St. Konsuloff, Über die Doppelatmung der Mückenlarven.

Zimmertemperatur erwärmt: die Larven waren im ersten Glas tot, diejenigen im zweiten erwachten und kamen an die Obertläche des Wassers unter dem Paraffin herauf.

Die Kontroll-Larven wurden jetzt bei einer Temperatur von + bis 45° C. gestellt. Sie blieben nicht ständig am Boden, sondern kamen hin und wieder an die Oberfläche (unter dem Paraffin), ihre Beweglichkeit aber war viel schwächer als bei Zimmertemperatur. Nach 10 Stunden waren diese Larven immer noch lebend.

IV. Die Analanhänge von A. maculipennis und €. pipiens-Larven wurden mit einem Rasiermesser vorsichtig abgeschnitten. Unter Wasser ge- stellt, konnten nur die Culex-Larven, dank ihrem Atemrohr, an die Oberfläche kommen, die Anopheles-Larven aber, trotz allen Bemühungen, konnten es nicht. Die ihrer Annalanhänge beraubten Larven wurden ın zwei Gruppen geteilt. Eine Gruppe wurde auf Fließpapier, die andere in ein Glas abgekochtes Wasser, mit flüssigem Paraffin an der Ober- fläche, gestellt. Beide Gruppen wurden bei einer Temperatur von ca. 20 C. gehalten. Nach 24 Stunden setzte ich beide Gruppen bei Zimmertemperatur aus, wobei ich den über dem Fließpapier befind- lichen Larven Wasser zusetzte. Die Larven, die in abgekochtem Wasser lagen, waren schon tot, die anderen, die in Kontakt mit der Luft standen, obwohl mit entfernten Analanhängen, waren noch lebendig.

* 7 %

Aus diesen Versuchen geht folgendes hervor:

1. Die Mückenlarven sind imstande auch unter Wasser zu atmen.

2. Diese Fähigkeit ist mit den Analanhängen verknüpft. Der übrige Körper ist mit einer dicken Chitinschicht bedeckt, die keine Hant- atmung erlaubt.

3. Die Analanhänge funktionieren als Atmungsorgane verhältnis- mäßig sehr schwach und sind imstande nur bei herabgesetzter Lebens- tätigkeit der Larven die Atembedürfnisse zu befriedigen. Das ist der Fall, wenn sich die Larven im Wasser unter dem Eis befinden und wenn die Wassertemperatur nicht höher als 4—5 °C. ist.

4. Im Eis selbst können die Larven kurze Zeit aushalten, wenn die Temperatur nicht zu stark gesunken ist.

Die biologische Bedeutung dieser Doppelatmung besteht offenbar darin, daß sie den Larven ermöglicht, unter gewöhnlichen Umständen längere Zeit am Boden zu bleiben um Nahrung zu suchen. Außerdem, dank der Kiemenatmung, können die Larven unter dem Eis überwintern. Und wenn wir gewöhnlich nur einige Mückenarten finden, die als Larven bis zur nächsten Saison aushalten, so ist das nicht durch die Unfähig- keit der Larven zu erklären, sondern durch den Instinkt der Weibchen. Bei manchen Arten, z. B. bei A. bifurcatus, legen die Weibchen im Spätherbst Eier ab und die ausgeschlüpften Larven können bis zum Winterbeginn ihre Entwicklung nicht beendigen. Ihr Wachstum hört bei der niedrigen Spätherbsttemperatur auf und sie sind zur Über- winterung genötigt. Das ist gewöhnlich bei A. maculipennis nicht der

St. Konsuloff, Über die Doppelatmung der Mückenlarven. 191

Fall, weil diese Art im Spätherbst keine Eier ablegt. Larven von dieser Art habe ich künstlich im Herbst bei niedriger Temperatur gehalten und so ihre Entwicklung bis zum Winter verzögert. Mitte Januar waren die Larven in einem Wasserbecken immer noch lebend, wobei

sie am Boden lagen.

+ * x

Was für Atmungsorgane stellen die Analanhänge dar ? Es sind vier hohle Anhänge des Analsegmentes der Larve, die bei allen Mückenlarven ziemlich gleiches Aussehen haben. Ihren Bau

Abb. 1. ZTiheobaldia spathipalpis, Rondani. und den Haupttracheen.

Abb. 2. Theobaldia spathipalpis, Rondani. «a Sagitalschnitt, d = Querschnitt durch den Analanhang. versuchte ich an den Larven von Theobaldia spathipalpis Rondani zu untersuchen, da bei dieser Art die Analanhänge größer als bei den anderen Mückenarten sind.

192 St. Konsuloff, Über die Doppelatmung der Mückenlarven.

An gefärbten Präparaten sieht man, wie die Analanhänge durch feine Verbindungsröhren mit den Haupttracheen in Verbindung stehen, sodaß sie dorthin den Sauerstoff treiben und ihn dem ganzen Körper übermitteln können (Abb. 1). Das Lumen der Analanhänge steht mit der Leibeshöhle in Zusammenhang und ist durch eine Wand in zwei Hälften geteilt (Abb. 25)- Diese Wand dient als Schutz von fein ver- zweigten Tracheen, die aus einem Medianrohr entspringen (Abb. 24). Die Zellkerne der Außenwand sind im Vergleich mit den der Median- wand ungewöhnlich groß.

Abb. 3. Theobaldia spathipalpis, Rondani. a=Längsschnitt durch die Spitze eines Analanhangs; ein Teil der Außenwand mit Verlängerung und Erweiterung der Endkapillaren im Protoplasma; ce —ein Teil einer Endkapillare, einem Kern anliegend; d= kolbenförmige Erweiterung am Ende einer Kapillare, in Berührung mit dem Kerne (nur ein kleiner Teil vom Kerne ist in diesem Schnitte sichtbar).

Die Endzweige der Tracheen gehen von der Medianwand in die Wandungen der Anhänge über. Dort verlaufen die Tracheenkapillaren in verschiedenen Richtungen in den Zellen selbst, die oft schwer zu verfolgen sind, wobei sie oft den Zellkernen anliegen. (Abb. 3 e, d). An manchen Stellen, hauptsächlich an der Spitze der Analanhänge, bilden die Kapillaren kolbentörmige Erweiterungen, die ebenfalls oft mit den Kernen in Berührung kommen (Abb. 3d).

Die Analanhänge sind also Tracheenkiemen. Die Sekretion des Sauerstoffs findet in der Außenwand statt. Die sich daran beteiligenden Zellen haben auffallend große Kerne, aus denen Chromidien ausgiebig austreten (Abb. 3 b, e). Die Größe der Kerne dieser sezernierenden Zellen, die Berührung mit den Tracheenkapillaren und deren Erweite- rungen die oft zu beobachten sind, endlich die reichliche Chromidien- ausscheidung zeigen, daß hier die Kerne bei der Sauerstoffsekretion wahrscheinlich eine wesentliche Rolle spielen.

Junge & Sohn, Univ.-Buchdruckerei, Erlangen

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Inhalt: H. Schmidt, Untersuchungen über den chemischen Sinn einiger Polychaeten. 8. 193. P. Schiefferdecker, Uber die Ergebnisse meiner Arbeiten zur Biologie des Menschen- geschlechtes. S. 200. F. Alverdes, Zur Lehre von den Reaktionen der Organismen auf äußere Reize. $. 218. H. Kappert, Ist das Alter der zu Kreuzungen verwandten Individuen auf die Ausprägung der elterlichen Merkmale bei den Nachkommen von Einfluß? S. 223. W. Goetsch, Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen. 1I. Teil. Mit5 Abb. S. 231.

Untersuchungen über den chemischen Sinn einiger Polychaeten. Von Dr. phil. Hans Schmidt.

Doflein!) schließt sein Buch „Das Tier als Glied des Natur- ganzen“ mit dem Wunsche, daß endlich ein genaues Studium des Seelen- lebens der höheren Tiere beginnen und eine Entwicklung einsetzen möchte, die uns gesicherte Tatsachen über dieses wichtige Gebiet des Tierlebens brächte. Was Doflein hier für eine genaue Erforschung des Seelen- lebens der höheren Tiere verlangt, würde aber bei den niederen Lebe- wesen nicht minder wertvolle Resultate ergeben.

Während in der Wissenschaft vom Bau der Tiere die entwicklungs- geschichtliche Betrachtungsweise die herrschende geworden ist, wissen wir von der „Phylogenie‘“ des psychischen Lebens noch recht wenig. Viel- fach fehlen noch für eine vergleichende Behandlung des geistigen Lebens die grundlegenden Beobachtungen und Versuche in den einzelnen Tier- gruppen. Die vergleichende Physiologie der Sinnesorgane und der Sinnes-

1) Tierbau und Tierleben von R. Hesse u. F. Doflein. Leipzig und Berlin 1910/14.

42. Band. 3

494 NH. Schmidt, Untersuchungen über den chemischen Sinn einiger Polychaeten

tätigkeiten der Tiere, besonders auch der niederen, ist noch so wenig ge- fördert wie kein anderes Gebiet der Lehre vom Leben.

Es ist ein entwicklungsgeschichtliches Postulat, daß in den nie- dersten Organismen die psychischen Funktionen vorgebildet sind. Sie müssen dies sein „in einem undifferenzierten Ganzen seelischer Art, aus dem sich durch den Entwicklungsprozeß nach und nach ebensowohl intel- lektuelle wie triebartige oder Willenshandlungen als unterscheidbare Zu- stände nebeneinander entfalten“ (Külpe).

Es dürfte eine Aufgabe der nächsten Zukunft sein, das gesamte Tierreich angefangen von den niedersten Lebewesen systematisch einer eingehenden Untersuchung sämtlicher Sinnesorgane (so weit dies noch nicht geschehen) und ihrer Funktion vom Universalsinnesorgan und dem Wechselsinnesorgan Nagels?) an (letzteres gleich dem ge- mischten Sinnesorgan Haeckels) bis zu den komplizierten Sinnes- werkzeugen der Wirbeltiere zu unterwerfen. Allerdings „gehört die Deutung der Sinnesorgane niederer Tiere ohne Zweifel zu den schwie- rigsten Objekten der vergleichenden Physiologie und ist der größten Unsicherheit unterworfen“ (Haeckel?)) und es wird noch viel Mühe kosten, bis die Verhältnisse in allen Tiergruppen so geklärt sind, daß wir zu einer Geschichte der Entwicklung des psychischen Lebens ge- langen können.

Als kleinen Beitrag möchte ich hier das Ergebnis der Unter- suchungen mitteilen, die ich im Sommer 1921 an der biologischen An- stalt auf Helgoland über den chemischen Sinn einiger Polychaeten an- stellte. Ich benutzte zu meinen Versuchen die Arten, die durch Häufig- keit und Größe sich besonders für reizphysiologische Experimente eignen. Es sind dies Arenicola piscatorum, Nereis pelagica und Nephthys hom- bergi. Nereis virens ist leider bei der Insel, wo sie in der Nähe des: Hafens häufig vorkam, wohl infolge der gewaltigen Sprengungen, durch die nach dem Friedensvertrage das großartige Werk des dortigen Kriegs- hafens zerstört wird, fast vollständig verschwunden.

Zu meinen Versuchen verwendete ich fast ausschließlich Tiere, die gerade frisch gefangen waren. Alle drei Arten hielten sich auch gut im Sande von Aquarien, deren Inhalt durch fließendes Seewasser fort- während erneuert wurde. Zu den einzelnen Versuchen wurden die Tiere in Glasschalen gebracht, deren Boden reichlich feucht gehalten wurde. Die Tiere fühlten sich dabei wohl und hielten sich ebenso wie im Aquarium vollkommen ruhig. Mit einer feinen Pipette wurden die Chemikalien auf bestimmte, eng begrenzte Körperstellen gebracht und diese gewisser- maßen damit abgetastet. Die Art und Stärke der Reaktion wurde jedesmal genau festgestellt.

Es kam mir darauf an, festzustellen, ob Stoffe, die den einen unserer chemischen Sinne (Geschmackssinn) erregen, auch einen Reiz

Vet FE >

2) Nagel, W. A., Vergl. physiol. und anat. Unters. über den Geruchs- und Ge-.

schmacksinn und ihre Organe. Stuttgart 1594. 3) Haeckel, E., Die Familie der Rüsselquallen.

Be

H. Schmidt, Untersuchungen über den chemischen Sinn einiger Polychaeten. 195

auf diese Meereswürmer ausüben und welche Stellen des Körpers für solche Reize empfänglich sind. Ich verwandte die Süßstoffe Zucker und Saccharin und den Bitterstoff Chinin. Außerdem benutzte ich als Reizmittel Flüssigkeiten, die durch Zerdrücken von Seesternen, Mu- scheln und Fischen erhalten waren, weil solche Stoffe in der freien Natur für die Tiere von biologischer Wichtigkeit sein können. Sehr

‚wesentlich wäre es auch gewesen, die anatomische Grundlage der Reiz-

vorgänge näher zu untersuchen. Dies mußte ich mir aber der Kürze der Zeit wegen versagen; ich hoffe aber, in einer späteren umfassen- deren Arbeit das Versäumte nachzuholen.

Im folgenden will ich das Verhalten von Arenicola piscatorum, Nereis pelagica hund Nephthys hombergi den chemischen Reizen gegen- über einzeln schildern.

1. Arenicola piscatorum.

Nagel hat sich in seiner Arbeit mit dem chemischen Sinn niederer Tiere (Ooelenteraten bis Insekten) beschäftigt und widmet dabei auch Arenicola einige Worte. Er sagt: „Die chemische Reizbarkeit, soweit sie durch Versuche festzustellen ist, erreicht nicht den hohen Grad wie bei Lumbricus und Hirudo. Sie ist am Kopfe am größten, das Hinter- ende unterscheidet sich vom Rumpfe nicht. Die Reaktion besteht wieder in lokaler Kontraktion, am Kopfe in 'seitlichem Ausweichen und wieder- holtem Ein- und Ausstülpen des warzigen Rüssels.“ Nagel hat diese Untersuchungen wohl im Zoologischen Institut zu Tübingen angestellt. Die Tiere aber, die er aus dem Wattenmeere bei Sylt erhielt, hatten sicherlich auf der Reise gelitten und an Reizfähigkeit eingebüßt. Denn

nur dann, wenn ich Tiere benutzte, die schon tagelang im Aquarium ) fe) [o)

lagen, bekam ich dieselben Resultate wie Nagel. Frische verhielten sich wesentlich anders. Indem ich später auch das Verhalten von Lum- brieus denselben Substanzen gegenüber untersuchte, konnte ich fest- stellen, dab frisch gefangene Exemplare von Arenicola sogar erheblich empfindlicher sind als Regenwürmer.

Bei leichteren Reizen auf das Vorderende wendet Arenicola nur dieses Körperstück hin und her; dieses und nur dieses hat die Fähig- keit, durch seitliches Ausweichen dem Reiz zu entgehen; bei stärkeren wird der Rüssel mehrmals hervorgestreckt; es scheint, daß dieser be- sonders sensibel ist und vielleicht auch zur Orientierung in der Um- sebung mitbenutzt wird; bei anhaltender starker Reizung auf das Vorder- ende kommt es auch zu einer Vor- oder Rückwärtsbewegung. Bei ganz starken Reizen und besonders, wenn das Vorderende reichlich von der Flüssigkeit benetzt wird, wird es sogar in die Höhe gestreckt und in der Luft hin- und herbewest.

Bei Reizen auf einzelne Segmente des Rumpfes erfolgt nur eine Kontraktion dieser Segmente, manchmal auch bei stärkeren Reizen der Nachbarsegmente.

13*

496 H. Schmidt, Untersuchungen über den chemischen Sinn einiger Polychaeten.

Der Rumpf ist in seiner ganzen Länge ziemlich gleichmäßig sen- sibel, dagegen erhöht sich die Sensibilität wieder nach dem Hinterende zu. Dies habe ich an frischen Tieren einwandfrei feststellen können. Wenn ich aber Tiere benutzte, die ich schon länger im Aquarium hielt, kam ich zu demselben Ergebnis wie Nagel, der Arenicola eine er- höhte Reizbarkeit des Hinterendes abspricht. Je länger man das Tier in Gefangenschaft hält, um so mehr verliert es an Sensibilität, besonders aber das Hinterende, das sich später in dieser Hinsicht dann nicht mehr vom Rumpfe unterscheidet.

Im einzelnen verhielt sich Arenicola den Reizen gegenüber folgen- dermaßen:

Bei Chininbisulfat in der Konzentration 1/s9u reagiert das Kopfende nur leicht, Rumpf und Hinterende überhaupt nicht; in der Stärke 1/150 wirkt es auch auf das Hinterende, auf den Rumpf aber erst bei 1/j99-

Zucker muß schon in einer erheblich stärkeren Konzentration ver- wendet werden, wenn eine Reaktion erfolgen soll. Weder bei einer Lösung von 1/,, noch 1/,, war an irgend einer Körperstelle eine Ein- wirkung zu erkennen. Aber 1/,-Lösungen erzielten kräftige Reaktionen des Vorderendes, leichte des Hinterendes, aber keine am Rumpfe.

Saccharin verwandte ich in Lösungen, die für meinen Geschmack

Zuckerlösungen von tg, !/, und !/, entsprachen. Und nur bei der

stärksten (1/,) reagierte das Vorderende; die übrigen Körperstellen zeigten sich unempfindlich gegen diesen Reiz.

Zufällig beobachtete ich einmal, wie in einem Aquarium eine kleine Arenicola von einem Seestern beinahe ganz aufgefressen wurde. Daraus kann man vielleicht schließen, daß auch in der freien Natur, wenn sich die Möglichkeit bietet, Asterias ein Feind von Arenicola ist. Doch scheint es mir zweifelhaft, ob Arenicola bei seiner Lebensweise im Sande oft eine Beute von Asterias werden kann. Indem ich Asterias zerdrückte, bekam ich einen Extrakt, den ich mit Hilfe der Pipette auf die einzelnen Körperstellen von Arenicola einwirken ließ. Ich fand, daß er eine sehr intensive Reizwirkung ausübt. Alle Körperstellen waren für diesen Reiz empfindlich, am meisten aber wieder das Vorderende, das gerade auf diesen RReiz hin am heftigsten reagierte. Ich hoffe, daß es mir bei späteren Unter- suchungen gelingen wird, festzustellen, welche Körpersäfte es sind, welche eine so starke Wirkung auslösen. Man, könnte nun auf die Ver- mutung kommen, dab Arenicola in der Natur durch von Seesternen ausgehende Stoffe rechtzeitig vor einem Feinde gewarnt würde, dab sie gewissermaßen durch ihren chemischen Sinn den Feind „wittere“. Um mir Aufklärung über diese Frage zu verschaffen, benutzte ich auch Extrakte von allen möglichen anderen Tieren, Muscheln, Fischen, Ak- tinien u. a. Immer konnte ich eine Empfindlichkeit allen diesen Extrakten gegenüber feststellen. Es scheint mir daher wahrscheinlich, daß alle diese Stoffe nur eben wie die anderen chemischen Substanzen ihre Wirkung haben, ohne daß ihnen als von einem feindlichen Tiere her- kommend eine besondere Reizwirkung zukäme. Bei anderen Tieren

2 A EERETEBEN

H. Schmidt, Untersuchungen üb>r den chemischen Sinn einiger Polychaeten. 197

(z. B. Pecten) soll allerdings ein solcher Extrakt von Asierias nach v. Buddenbrock die angedeutete biologische Bedeutung besitzen.

2. Nereis pelagica.

Da Nagel über Nereis (spec.?) genauere Angaben macht als. über Arenicola, will ich mich hier kurz fassen.

Ebenso wie Nagel stellte ich am ganzen Körper eine chemische Reizbarkeit fest, mit dem Unterschiede, daß das Kopfende wieder bei weitem am stärksten reizbar ist, das Hinterende wieder mehr als der tumpf. Eigentümlich ist es bei diesem Tier, daß es bei Reizung zu einer von der Reizstelle ausgehenden allgemeinen Kontraktion kommt, bei stärkeren Reizen daran anschließend oft sogar zu einer heftigen Schlängelung des Körpers.

Im einzelnen stellte ich wieder fest: Zucker- und eine für meinen Geschmack gleichstarke Saccharinlösung hatten auch stets ungefähr das gleiche Ergebnis. Um also nur von den Zuckerlösungen zu reden, so reagiert Nereis auf 1/,„-Zuckerlösung nur schwach am Vorderende, auf 1/,-Lösung heftig am Vorderende, dagegen scheint merkwürdigerweise Rumpf und Hinterende gegen diese süßen Lösungen unempfindlich zu sein.

Dagegen ruft Chininbisulfat auch schon in den schwächsten Lö- sungen starke Reaktionen hervor; gegen Lösungen von der Konzen- tration 1/s9n zeigt sich der ganze Körper empfindlich, am wenigsten wieder der Rumpf.

Chininbisulfatlösung !/so0o Wirkt nur noch schwach am Kopfende, Hier beobachtete ich also dasselbe wie Nagel, der ebenfalls feststellte, daß Chinin erheblich stärker reizt wie Zucker und Saccharin.

Die Extrakte von Muscheln, Seesternen und Fischen übten auch durchweg einen starken Reiz auf Nereis aus.

3. Nephthys hombergi.

An Nephthys sind meines Wissens noch keine Versuche zur Fest- stellung eines chemischen Sinnes gemacht worden. Ebenso wie Nereis antwortet Nephthys besonders auf stärkere Reize außer durch mehr- maliges Hervorstrecken des Rüssels auch durch Schlängelung des Kör- pers, die wohl das Tier aus dem Reizgebiet herausbringen soll. (Schlänge- lung gehört bei beiden Wurmarten zur natürlichen Fortbewegungsweise, während Arenicola zur Fortbewegung die auch bei chemischen Reizen stets beobachtete Kontraktion der Ring- und Längsmuskeln benötigt.)

Nephthys verhält sich den Lösungen gegenüber folgendermaßen : U 0-Zuckerlösung erzeugt keine sichtbare Reaktion, bei 1/,-Lösungen konnte ich geringen, bei solchen 1/, schon recht heftigen Einfluß be- merken. Auch bei Nephthys fand ich wieder die Beobachtung bestätigt, daß bei den Würmern stets das Kopfende die bei weitem stärkste Sensibilität besitzt; der Rumpf ist auch hier am wenigsten empfindlich, dagegen zeigt das Hinterende wieder größere Reizbarkeit.

198 H. Schmidt, Untersuchungen über den chemischen Sinn einiger Polychaeten.

Saccharin wirkte selbst in einer Lösung, die einer 1/s-Zuckerlösung entsprach, noch nicht stark. Eine heftige Reaktion erzielte ich aber dann, wenn ich Saccharinkörner in die Nähe des Tieres ‘streute.

Chininbisulfat ?/,,, hat nur Einfluß auf das Vorderende, t/,, da- segen auch auf das Hinterende und 'den Rumpf; doch auf diesen wieder nur wenig.

Extrakte von Tierkörpern wirkten auf Nephthys erheblich weniger als auf die übrigen, doch war immerhin eine deutliche Empfindlichkeit dafür vorhanden. h

Laumbricus herculeus.

Nur um durch eigene Untersuchungen Vergleichsmaterial zu ge- winnen, untersuchte ich auch den Einfluß von Zucker-, Saccharin- und Chininlösung auf Lumbricus herculeus. Da Nagel die Reizbarkeit von

Lumbricus eingehend untersuchte, möchte ich hier nur bemerken, dab

ich seine Ergebnisse bestätigt fand. Vor allem ist es auch hier wieder von Interesse, festzustellen, daß die exponierten Körperstellen, Vorder- und Hinterende, die stärkste Sensibilität besitzen, wobei aber dem Kopfende doch stets der Vorrang gebührt. Im ganzen ist aber die Empfindlichkeit geringer als bei den Polychaeten, denn die Konzen- tration der Lösungen muß stärker sein, um entsprechende Reaktionen hervorzurufen.

Die Wirkung von Süßwasser.

Nagel spricht auch von der Einwirkung von Süßwasser auf Würmer. Doch scheint es mir nicht berechtigt, von der deutlichen Reaktion, die man hierbei erhält, auf einen chemischen Sinn zu schließen. Denn es dürften wohl hauptsächlich physikalische Vorgänge als Ur- sache in Betracht kommen, vor allem der verschieden starke 'osmotische Druck. Ich brachte z. B. ein Exemplar von Arenicola aus Seewasser in Süßwasser und ließ das Tier etwa 5 Stunden darin. Es lebte nach dieser Zeit noch, hatte aber schon sehr gelitten. Bevor ich das Tier in Süßwasser brachte, hatte ich es nach vorsichtigem Trocknen mit Fließpapier gewogen und festgestellt, daß sein Gewicht 4,3 g betrug. Nach dem 5stündigen Aufenthalt im Süßwasser wog dasselbe Tier, nachdem es wieder außen getrocknet war, 5,8 g; es hatte also um an- nähernd 35 % zugenommen. Die Zunahme kann nur auf Wasserauf- nahme der Körperzellen und -gewebe zurückzuführen sein, denn Nah- rung war dem Tier in dem reinen Süßwasser nicht zugänglich. Es ist klar, daß ein solcher Einfluß starke Schädigungen des Tieres im Innern hervorrufen muß; daher kann man wohl nicht solche Experimente für den Nachweis eines chemischen Sinnes verwenden.

Versuche mit halbierten Tieren. Wenn ich Arenicola, Nereis oder Nephthys in der Mitte quer durch- schnitt, so war im allgemeinen die Reizbarkeit erhöht, aber am ganzen Körper gleichmäßig, sodaß doch das Verhältnis der Sensibilität am

H. Schmidt, Untersuchungen über den chemischen Sinn einiger Polychaeten. 199

Kopf, Rumpf und Hinterleib das gleiche blieb wie bei unverletzten Tieren. Abgesehen von der leichteren Erregbarkeit hatte sich das Ver- halten des vorderen Stückes nicht im geringsten geändert. Es wußte sich. durch Vorwärts- oder Rückwärtsbewegung, resp. Schlängelung, starken Reizen zu entziehen. Die hintere Hälfte dagegen brachte es auch bei den stärksten Reizen nicht fertig, auch nicht durch heftige Bewegung, sich aus der Reizgegend zu entfernen, während doch bei den unverletzten Tieren starke Reize Bewegungen des ganzen Körpers hervorriefen, die das Tier von seiner Stelle brachten; ein Beweis dafür, dab der vordere Teil des Nervensystems für eine geordnete Bewegungstätigkeit nötig Ist.

Das Verhalten von Tieren, denen kleine Stücke des Bauchmarks entfernt waren, chemischen Reizen gegenüber.

Um etwas über die Leistungen des Bauchmarks bei den „Ge- schmacksempfindungen“ festzustellen, nahm ich bei Arenicola und Nereis ein etwa 1 cm großes Stück des Bauchmarks durch eine Operation heraus. Bei Arenicola ist dieser Eingriff etwas schwierig, da die Ge- webe sehr zart sind, sodaß sich die Wunde. nur schwer so vernähen läßt, daß sie gut heilt. Immerhin genügten die Eingriffe, um die Beteiligung des Bauchmarks an den Reaktionen festzustellen. Am besten lassen sich die Tiere operieren, wenn man sie vorher betäubt, entweder mit Ohloro- form (auf 10 cem 1 Tropfen) oder mit etwa 5 Yoigen Alkohol. Unter dem Mikroskop wurde das herauspräparierte Stück des Bauchmarks unter- sucht, damit kein Irrtum möglich war.

Reizte ich nun das Kopfende eines so operierten Tieres, so wurde es bei leichteren Reizen nur hin- und herbewegt, genau als wenn das Tier nicht verletzt wäre. Bei starken Reizen am Vorderende gerät ein unverletztes Exemplar von Arenieola und von Nereis sofort als Ganzes in heftige Bewegung, die Friedländer*) auch Zuckbewegung ge- nannt hat. Besitzt das Bauchmark aber eine Lücke, so scheint in bezug auf Reizbeantwortung zwischen vorderem und hinterem Stück kein Zu- sammenhang mehr zu bestehen. Man erkennt deutlich, wie Kontrak- tion bei Arenicola und Schlängelung bei Nereis gerade vor der Bauch- marklücke Halt macht. Das hintere Stück bleibt vollkommen ruhig, man merkt nicht den geringsten Einfluß, bis es allmählich passiv durch die starke Bewegung des vorderen Teiles mitgerissen wird und dann auch manchmal sich aktiv zu bewegen beginnt. Reizte ich dagegen mit den oben erwähnten Chemikalien das hintere Ende stark, so geriet auch dieses in heftige Bewegungen, die sich aber wieder nicht über die Bauchmarklücke fortpflanzten. Stärkere chemische Reize auf die bauch- markfreie Stelle selbst hatten nur eine Kontraktion der betreffenden Segmente zur Folge; eine Weiterleitung der Reize erfolgte also dann überhaupt nicht. Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß das Bauchmark,

4) Friedländer, B., Beiträge zur Physiologie des Zentralnervensystems und des Bewegungsmechanismus der Algenwürmer. Arch. f. Phys. 58. 1894.

900 P. Schiefferdecker, Über die Ergebnisse meiner Arbeiten zur Biologie usw.

wie zu erwarten, für die Reizleitung und eine vorteilhafte Reizbeant- wortung nötig ist.

Um zum Schluß noch einmal die wichtigsten Ergebnisse zusammen- zufassen, so hat sich zunächst gezeigt, daß Arenicola, Nercis und Neph- !kys ein Empfindungsvermögen für chemische Reize besitzen, daß dieses aber nicht‘ an eine bestimmte Stelle des Körpers gebunden ist, sondern daß es über die ganze Haut verbreitet ist. Aber das Vorderende ist bei allen weitaus am stärksten empfindlich, am wenigsten der Rumpf, während das Hinterende stets eine mittlere Reizbarkeit zeigt.

Bei halbierten Tieren ist die Sensibilität geblieben, zum Teil sogar noch erhöht. Aber eine geordnete Reizbeantwortung, die dem Tier von der Reizquelle sich zu entfernen erlaubt, besitzt nur das vordere Stück.

Tiere mit Bauchmarklücke reagieren wie zwei vollkommen getrennte Hälften.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich es nicht versäumen, Herrn Prof. Dr. R. Hesse, Direktor des Zoologischen Instituts Bonn, für die Liebens- würdigkeit, mit der er mir stets bei meinen Arbeiten mit seinem Rate zur Verfügung stand, herzlichst zu danken.

Über die Ergebnisse meiner Arbeiten zur Biologie des Menschengeschlechtes. Von Paul Schiefferdeceker.

Seit einer Reihe von Jahren habe ich in einer Anzahl von Arbeiten die „Biologie des Menschengeschlechtes“ zu behandeln ver- sucht. Diese Biologie des Menschengeschlechtes bildet einen wesent- lichen Teil der _ Anthropologie“ , so habe ich also durch diese Arbeiten auch diese letztere zu fördern versucht. Zwei Organsysteme waren es hauptsächlich, deren vergleichende Untersuchung günstige Resultate zu ergeben versprach und aan ergeben hat: die Haut mit ıhren Organen und die Muskeln. Sind sie doch beide sehr wesentlich für er Menschen und gleichzeitig verhältnismäßig leicht abänderungs- fähig. Diese Abänderungen ’sind weiter durch die mikroskopische Untersuchung festzustellen und teilweise auch auf rechnerischem Wege in ihrer Bedeutung zahlenmäßig zu erfassen. An die Arbeiten über diese Organsysteme schlossen sich dann noch weitere Arbeiten ver- schiedener Art an. .

Meine Muskeluntersuchungen der letzten Jahre stützen sich auf ausgedehnte Vorarbeiten, die ihnen ein breites und sicheres Fundament verleihen. Zuerst veröffentlichte ich 1903 ausgedehnte Unter- suchungen (1) über gesunde und erkrankte Muskeln des Menschen und einen hypertrophischen Muskel des Hundes. Diese Untersuchungen wurden mit einer ganz neuen von mir gefundenen Methode ausge- führt. Dieser bin eu auch bis jetzt: treu geblieben, doch hat sie sich natürlich allmählich weiter entwickelt. Prenant(3) hat diese Me-

y N Ei:

P. Schiefferdecker, Über die Ergebnisse meiner Arbeiten zur Biologie usw, 201

thode in seinen Muskeluntersuchungen als die „statistische Methode“ bezeichnet und als sehr beachtlich hervorgehoben. Diese Bezeich- nung hat eine gewisse Berechtigung, doch drückt sich in ihr nicht aus, daß der ganze Bau des Muskels eingehend berücksichtigt wird. Außer den eigenartigen Verhältnissen der in verschiedener Weise erkrankten menschlichen Muskeln konnte ich das Verhalten bei der Aktivitätshypertrophie bei einem Hundemuskel beschreiben und dabei zugleich feststellen, daß im Muskel eine Symbiose besteht zwischen dem Muskelgewebe und dem Bindegewebe. Diese Feststellung ließ dann weitere Schlüsse auf das Bestehen einer Symbiose im ganzen Körper zu, bei Tieren und Menschen. Damals sprach ich mich auch schon dahin aus, daß es wohl möglich sei, daß Menschen mit großen und solche mit kleinen Kernen vorhanden seien, wobei ich zunächst an Muskelkerne, dann aber auch an die der sonstigen Organe dachte. Im Jahre 1909 konnte ich in einer umfangreichen Arbeit (2) eine ganze Anzahl einzelner Arbeiten veröffentlichen, die ich zusammen mit meinen Schülern fertiggestellt hatte. Nicht nur waren einige weitere menschliche Muskeln untersucht worden, sondern auch die roten und weißen Kaninchenmuskeln und die entsprechenden Muskeln der Karausche. Auch die Aktivitätshypertrophie war noch weiter berücksichtigt worden. Diese Arbeit ergab denn auch eine ganze Reihe sehr wichtiger Kern- und Fasereigentümlichkeiten und -Bezieh- ungen. Es ergab sich dabei auch immer wieder, daß jeder Muskel je nach seinen funktionellen Eigentümlichkeiten ganz besondere Bau- verhältnisse aufwies, dıe auf keine andere Weise als durch meine Methode festzustellen waren. Es ergab sich dabei weiter, daß die roten und weißen Muskeln einen verschiedenen Bau besaßen, daß aber die roten und weißen Kaninchenmuskeln sich anders verhielten als die entsprechenden Karauschenmuskeln, so daß die verschiedene Farbe wohl auf eine Verschiedenheit des Baues hindeutete, daß aber dieser Unterschied bei den verschiedenen Tieren nicht derselbe war. Hatten diese beiden ersten Arbeiten schon Grundlegendes über den Aufbau der Muskeln und über die bei ihrer Tätigkeit und. sonst während ihres Lebens auftretenden Veränderungen ergeben, so kam es nun darauf an, allmählich mehr in das ungeheuer große Gebiet des „Muskels“ einzudringen. Hierzu dienten die nächsten vier Ar- beiten. Zunächst wurde vergleichend das „Zwerchfell“ (4) von einer Anzahl von Menschen und einem Hunde untersucht Hierbei ergaben sich interessante individuelle Abweichungen und ebenso eine Verschieden- heit gegenüber dem Hunde, doch war manches noch nieht richtig zu deuten. Auch Geschlechtsunterschiede traten deutlich hervor. So- dann wurden verschiedene Tiere untersucht: Das „Neunauge“ (5) wegen seiner tiefen Stellung in der Tierreihe, sodann der „Frosch“ (6), der ja zwar bedeutend höher, aber doch immerhin noch ziemlich tief steht, und endlich die „Vögel“ (7), welche als hochgradig entwickelte Warmblüter einen scharfen Gegensatz zu den vorgenannten Tieren

302 P. Schiefferdecker, Uber die Ergebnisse meiner Arbeiten zur Biologie usw.

bilden. Aus diesen Untersuchungen ergab sich immer wieder die Tatsache, daß die Muskeln je nach ihrer Funktion verschieden gebaut sind und weiter, daß wesentliche Unterschiede zwischen den höheren und niederen Tieren bestehen, aber auch zwischen verschiedenen Gat- tungen dieser selbst. Die Muskeln sind also jedenfalls hoch- gradig differenzierte Gebilde. Um so mehr sind sie da- her aber auch dazu geeignet, um aus ihrem Baue wichtige Schlüsse zu ziehen. Nachdem ich auf diese Weise eine ziemlich große Erfahrung gewonnen und ein starkes Fundament gelegt hatte, wagte ich mich an die Untersuchung des „menschlichen Herzens* (8) heran, und zwar verglich ıch den Bau desselben in verschiedenen Lebensaltern nach der Geburt und den bei Deutschen und außer- europäischen Völkern. Hierbei ergaben sich nun sehr: interessante Tatsachen. Zunächst die, daß während der kindlichen Herzent- wicklung bestimmte Perioden zu unterscheiden sind. Sodann die, daß es in der Tat Menschen mit großen und solche mit kleinen

Kernen gibt, wie ich das’schon in meiner ersten Muskelarbeit als

möglich hingestellt hatte. Das Kernvolumen des menschlichen Herz- muskels erwies sich als weit größer als das der menschlichen Skelett- muskeln und zwar beruhte dies auf der Größe des Querschnittes. Dieser ist überhaupt weit variabler als die „Kernlänge“. Der Herz- muskel nimmt daher in bezug auf seine Kerngröße eine ganz be- sondere Stellung ein. Das morphologische Verhältnis des Kernes zur Zelle bei dem menschlichen Herzmuskel sprach für eine mäßig große, aber andauernde und kräftige Tätigkeit dieses Muskels. Da war es denn wohl denkbar, daß zu bestimmten Zeiten der kindlichen Ent- wicklung eine stärkere Einwirkung des Kernes auf die Zelle erwünscht ist (2. B. für stärkere Wachstumsvorgänge) und daß zu diesen Zeiten daher eine Änderung der Form des Kernes, seines „Dieke-Länge-Ver- hältnisses“, seiner „Indexzahl“, eintritt. Je mehr sich die Form des Kernes einer Kugel nähert, um so kleiner ist seine Oberfläche ım Verhältnisse zu seinem Inhalte, je mehr sie von dieser abweicht, um so größer wird die Oberfläche. Von der Größe dieser hängt aber, caeteris paribus, die chemische Einwirkung des Kernes auf die Zelle und damit wohl auch die Größe des Stoffwechsels ab. Vom Kinde bis zum Erwachsenen findet eine nicht unwesentliche Zunahme der Kernmasse statt; es wird hierbei schon im zehnten Lebensjahre die Zahl des Erwachsenen erreicht. Es ergab sich nun, wie schon er- wähnt, weiter, daß das Kernvolumen bei jedem Muskel eine spezifi- sche Größe ist, daß diese aber bei den verschiedenen Menschen Ab- weichungen zweierlei Art zeigen kann: 1. „individuelle“, die verhält- nısmäßig gering sind, 2. „urrassige*, die weıt srößer sind. . Die ersteren sind Kennzeichen für die Verschiedenheit der Individuen untereinander, es sind die ersten zahlenmäßig festgestellten Unter- schiede der Menschen untereinander. Die letzteren haben eine ganz andere Bedeutung. Sie erlauben den Schluß auf das Vorhandensein

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von zwei „Urrassen“, von denen wahrscheinlich die sämtlichen jetzt lebenden Menschen abstammen: entweder von der durch Vermischung dieser beiden Urrassen zustande gekommenen „Urmischrasse® oder von den einzelnen Urrassen selbst. Die eine dieser Urrassen war „großkernig“, die andere „kleinkernig“ gewesen. Auf die Fasergröße hat diese chiedenhe der Kerngröße keinen Einfluß, ebensowenig auf die Gesamtkernmasse der Faser. Es handelt sich also nur um eine Verteilung der Gesamtkernmasse auf verschieden große Stücke. Das würde aber für die Art des ganzen Stoffwechsels von wesentlicher Bedeu- tung sein. Sehr interessant war die Feststellung, daß ein „Kamerun- neger* kleine Kerne hatte (196 cu), ein „Chinese“ große (296 cu), während die Gesamtkernmasse bei beiden ganz gleich war (143, 142). Weitere Untersuchungen müssen nun erweisen, ob diese beiden Völker je von der Ua und großkernigen Rasse direkt ab- stammen, oder ob sie auch von der Urmischrasse herstammen, so daß sich bei ihnen, wie bei den Deutschen, beide Kerngrößen finden. Diese Untersuchungen müssen natürlich überhaupt noch fortgesetzt werden und werden auch fortgesetzt, denn mit der bisherigen Feststellung ist nur der Blick getan ın ein völlig neues Gebiet der Forschung. Die nächste Muskeluntersuchung bezog sich auf die „Kaumuskeln“ (9u.10). Der.Mensch benutzt seine Kaumuskeln in ganz anderer Weise als die Tiere und so erschier es sehr wahrscheinlich, daß auch der Bau der menschlichen Muskeln ein anderer sein würde als der der tierischen. Aber noch eines kam dazu: die menschlichen Kaumuskeln dienen nicht nur zum Kauen, sondern auch zum Sprechen, das Sprechen aber ist eine so eigenartige Tätigkeit, daß sie einen ganz besonderen Bau der Muskeln annehmen ließ. Zur Untersuchung gelangten der Masseter, der Pterygoideus internus und der Temporalis. Von diesen Muskeln hatte ich Stücke von verschiedenenMenschen erhalten. Von dem Pterygoideus int. hatte ich allerdings nur von einem Menschen Stücke bekommen, also nur einExemplar und das genügt eigentlich nicht zu solcher Untersuchung. Außerdem wurden entsprechende Muskeln von verschiedenen Tieren untersucht und zwar von Tieren, die ıhre Muskeln verschieden benutzten. Die Ergebnisse bei diesen verschie- denen Tieren sind vorläufig noch nicht recht zu deuten, jedenfalls ging daraus aber hervor, daß die Verschiedenheiten im Muskelbaue nicht nur von der Funktion der Muskeln bei dem betreffenden Tiere abhängen, sondern auch von der Abstammung des Tieres, von seinen früheren und frühen Vorfahren, so daß meine Methode also auch nach dieser Richtung hin Anwendung finden kann. Die menschlichen Kaumuskeln zeichneten sich aber vor allen tierischen, inklusiv denen eines Mandrills, durch einen ganz besonderen Bau scharf aus: während beı den Tieren die Faserquerschnitte ım großen und ganzen nur ge- geringe Größenverschiedenheiten aufwiesen, so daß das Querschnitts- bild daher ein ziemlich einheitliches war, lagen beim Menschen sehr verschieden große Querschnitte bunt durcheinander. Besonders ausge-

%)4 P. Schiefferdecker, Über die Ergebnisse meiner Arbeiten zur Biologie usw.

sprochen war diese Bildung bei dem Masseter, aber vorhanden war sie auch bei den beiden anderen Muskeln. Nun hatte sich aber aus meinen bisherigen Muskelarbeiten schon ergeben, daß, je komplizierter die Tätigkeit eines Muskels ist, desto kompl auch sein Bau in bezug auf die Zuuch n aus dickeren und dünneren Fasern ist. Die Fasern sind nämlich je nach der Größe ihres Querschnittes nicht nur kräftiger und weniger kräftig, sondern sie sind auch ihren Kern- und Faserverhältnissen nach verschieden gebaut, also nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ verschieden. Nun sind die Kaumuskeln nicht nur beim Kauen in verschiedener Weise tätig, je nach der Beschaffenheit der Speise, die zerkleinert werden soll, sondern vor allem auch als Sprachmuskeln. Die Sprache erfordert aber eine so große Menge von sehr schnell aufeinander folgenden ver- schieden starken und verschieden schnellen Bewegungen, daß wohl keine andere Muskeltätigkeit mit der für sie nötigen verglichen werden kann. Es scheint auch kein Übergang durch es Affen zum Menschen hin stattzufinden, denn der Mandrill zeigte einen ausgesprochen tieri- schen Typus. Anthropoiden konnten nicht untersucht werden. Das entspricht natürlich durchaus der Annahme, daß die Veränderung der menschlichen Muskeln durch die Sprache bedingt worden ist. Die „artikulierte Sprache“ kann ja nur ermöglicht worden sein durch die zunehmende Ausbildung des Gehirnes, diese ist phylogenetisch erst sehr spät eingetreten, dem entspricht es, daß ontogenetisch diese Differen- zierung zuerst deutlicher erkennbar ist beim Neugeborenen, die Haupt- ausbildung muß also erst während des Kindesalters eintreten. Wahr- scheinlich ist die Entwicklung im 12. Jahre der Hauptsache nach vollendet. Muskeln von tiefstehenden exotischen Völkern konnten bisher noch nicht untersucht werden. Es ist wohl möglich, daß man durch die Untersuchung verschieden hoch stehender Völker eine ganze Skala der Differenzierung -wird aufstellen können.

Das zweite wichtige Organsytem, das ich untersucht habe, ist die Haut mit ihrenOrganen. Zuerst untersuchte ich 1913 den Bau der „deutschen Wangenhaut“ (11), genauer der Haut der Parotiden- gegend. Hier fand ich unter anderem, daß das elastische Gewebe an dieser Stelle eine sehr merkwürdige Beschaffenheit besitzt, die bis zu jener Zeit, wenigstens als normal, nicht bekannt war. Das elastische Gewebe nämlich, welches dicht unter deın Stratum subepitheliale liegt, in meinem „Stratum superius“ des Corium (15), bildet eine dicke Schicht von dicht gekräuselten Fasern, so daß es an die Krollhaarfüllung einesKissens erinnert. Ich habe rs Schicht daher auch zuerst als „Kissenschicht* bezeichnet, später als „Knäuelschicht“, gebildet durch ein ganz eigen- artiges Gewebe, das ich als a elastisches (sewebe* be- zeichnet habe, und das, wie spätere Untersuchungen gezeigt haben, der ganzen mimischen Gesichtshaut zuzukommen scheint, weshalb ıch diese Schicht denn auch als „Elastica mimica“ bezeichnet habe (15). Später habe ich ersehen, daß Unna diese elastische Bildung schon

Ze

BER,

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früher gesehen hat, sie aber als pathologisch gedeutet hat. Diese Schieht findet sich in ähnlicher Ausbildung bei beiden Geschlechtern, sie mußte also ihre Ursache haben in etwas, das beiden Geschlechtern gemeinsam war und das speziell auf die mimische Gesichtshaut wirkte, denn außer in dieser fand sie sich nirgends. Das veranlaßte mich zu weiteren Untersuchungen über das Verhalten dieser Schicht bei ver- schiedenen Völkern, während der Entwicklung, und bei den Affen (15). Es zeigte sich nun, daß der Bau der Bildungen in der Haut der Parotidengegend bei den verschiedenen Völkern sehr verschieden war. Bei einigen fand sich überhaupt keine besondere elastische Schicht in dieser Gegend, so bei den Javanern, Ovambo (Bantu), Melanesiern und Australiern. Bei diesen Völkern wirkt also das elastische Ge- webe des Corium als Ganzes. In diesen Fällen liegen die stärksten elastischen Fasern mehr in der Mitte des Corium. Eine „Blastica mimica“ fand sich bei den indoeuropäischen Völkern Europas (unter- sucht bei: Deutschen, Russen, Rumänen, Serben), bei einem Esten (bisher als Mongoloiden angesehen), und einem Berber (zu den Hamiten gerechnet), und zwar bei allen diesen Völkern in der Form der Knäuel- schicht. Bei dem Berber waren indessen die Fasern dieser Knäuel- schicht etwas anders beschaffen als bei den Europäern. Ferner fand sich eine Elastica mimica bei den Sudannegern (einschließlich der Senegalneger), aber hier von ganz anderem Baue als bei den Euro- päern, und bei den Chinesen, wiederum von ganz anderem Baue. Auch der Bau der Haut bei den obengenannten Völkern ohne Elastica mimica ist wieder‘ verschieden. Es geht aus dem Gesagten hervor, daß der Bau der Haut der Parotidengegend und damit überhaupt der Bau der mimischen Gesichtshaut bei den verschiedenen Rassen und Stämmen sich während der Entwicklung des Menschen aus seinen tierischen Vorfahren heraus in ganz verschiedener Weise entwickelt hat, und daraus würde folgen, daß die Art dieses Baues als ein Leit- faden dienen kann für die Auffindung der Zusammenhänge und Ver- schiedenheiten bei den Rassen, d.h. also, daß er als Hilfsmittel dienen kann für die Feststellung der Rassen, einem der Ziele, denen ich mit meinen Forschungen zustrebe. Der Bau des elastischen Teiles der Haut bei den untersuchten europäischen Völkern ıst wohl als der höchstentwickelte anzusehen. Die Stufenfolge der übrigen Völker mit einiger Sicherheit festzustellen, geht vorläufig 'noch nicht an, doch stehen wohl in jedem Falle die Völker, welche der Elastica mimica entbehren, am tiefsten. Bei zwei von mir untersuchten Üer- copitheeusarten waren die elastischen Fasern in der Parotidengegend nur äußerst gering entwickelt, Anthropoiden konnten nicht untersucht werden. In der Affenhaut scheinen die elastischen Fasern überhaupt nur sehr gering entwickelt zu sein, so zeigte sich das auch in der Haut des Handgelenkes eines Gorilla. Dieser Mangel an elastischen Fasern würde einen wesentlichen Unterschied ‚bedeuten gegenüber dem Menschen und daher als charakteristisch für den Unterschied

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zwischen Mensch und Affe angesehen werden können. Er muß natürlich beruhen auf dem ganz verschiedenen Gesamtbaue der beiden Wesen. Ähnlich wie die Haut der Parotidengegend des Affen ver- hält sich die des deutschen Embryo, allerdings nur in bezug auf die geringe Anzahl der Fasern. Im 6.—7. Monat nähert sie sich den tiefstehenden Völkern, beim Neugeborenen treten die ersten Spuren der Knäuelschicht auf. Kindliche Haut habe ich nieht untersuchen können. Die Hauptentwicklung muß während der Kindheit erfolgen. Daraus folgt, daß auch phylogenetisch dieser Bau der Haut erst sehr spät sich entwickelt haben muß. Diese Beobachtung erinnert an die bei der Umbildung der Kaumuskeln zu Sprachmuskeln gemachte. Beide Er- scheinungen würden zurückzuführen sein auf die Entwicklung des Gehirnes. Zwischen beiden kann meiner Meinung nach ein Zusammen- hang bestehen. Die Sprache der höheren Wirbeltiere besteht aus einzelnen Lauten. Bei zunehmender Gehirnentwicklung werden diese Laute mehr und mehr differenziert. Daneben tritt dann aber eine neue Art der Verständigung auf durch allmähliche Entwicklung der mimischen Muskeln. Diese „mimische Sprache“ wird mehr und mehr vervollkommnet und erreicht ihre höchste Entwicklung bei den Anthro- poiden und dem Menschen. Wahrscheinlich steht in dieser Beziehung der Anthropoide noch höher als der Mensch und die tiefer stehenden Völker höher als die höher stehenden, wenigstens was die Stärke der Entwicklung der mimischen Muskeln anlangt, die Feinheit der Mimik wird wohl höher sein bei den hochstehenden Völkern. Diese mimische Sprache genügt aber bei weiterer Gehirnentwicklung auch nicht mehr. Es tritt jetzt allmählich die „artikulierte Lautsprache“ auf, die mehr und mehr vervollkommnet wird. Jetzt tritt die mimische Sprache mehr und mehr zurück. Je stärker das elastische Gewebe der Haut ausgebildet wird, um so weniger scharf treten bei der Mimik die Hautfalten hervor, um so rascher und vollständiger glättet sich die Haut wieder nach Aufhören der mimischen Bewegung. In diesem Stadium der Sprachentwicklung befindet sich der Mensch jetzt. Wo- hin uns diese Entwicklung noch führen wird, läßt sich noch nicht voraussehen. So würden also die Entwicklung der Kaumuskeln zu . Sprachmuskeln und die Ausbildung der elastischen Fasern der Wangen- haut beide von der Gehirnentwicklung abhängen und beide würden nach derselben Richtung hin liegen. Die elastische Faser scheint überhaupt ein weit interessanteres Gebilde zu sein, als man bisher angenommen hat. Sie entwickelt sich -phylogenetisch und onto- genetisch recht spät und scheint eine gewisse Entwicklungsstufe des Bindegewebes vorauszusetzen. Sie entwickelt sich nur innerhalb des Bindegewebes, aber nicht an jeder Stelle des Bindegewebes und außerdem sehr verschieden stark und in sehr verschiedenen Formen. Hierfür ist das elastische Gewebe der Wangenhaut ein ausgezeichnetes Beispiel. Es ist wohl bisher das erste Mal gewesen, daß ein Gewebe so eingehend an derselben Körperstelle bei ganz nahe verwandten

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Wesen untersucht und in seinen Verschiedenheiten klargelegt worden ist. Diese Verschiedenheiten können ja nur entstanden sein durch die Verschiedenheiten des gesamten Körperbaues und die der Funk- tion an der betreffenden Stelle. Nun gibt es weiter verschiedene Stufen im Leben der elastischen Faser, sowohl phylogenetische, wie ontogenetische. So auch eine Greisenstufe. Auch im Bindegewebe gibt es verschiedene Formen, die nebeneinander vorkommen und direkt ineinander übergehen, eine äußerst merkwürdige Erscheinung. Sie lassen sich z. B. unterscheiden durch ihre verschiedene Färbung mit der CGallejamethode Danach habe ich unterschieden: das „nicht färbbare*, „chromophobe“, und das „färbbare“, „chromophile“, Bindegewebe. In der Wangenhaut der meisten Völker findet sich nur das „färbbare“, „chromophile*, nur in der Wangerhaut der oben- genannten europäischen Völker, welche das Knäuelgewebe besitzen (bisher untersucht: Deutsche, Russen, Serben, Rumänen), und weiter der „Esten“ findet sich an den Stellen, wo das Knäuelgewebe liegt, das „nicht färbbare“, „chromophobe“, Gewebe, das aber am Rande der Knäuelschicht in das gewöhnliche „färbbare“ übergeht. Bei dem „Berber“ fand sich aber auch an der Stelle der Knäuelschicht das „färbbare“ Bindegewebe. Das elastische Knäuelgewebe vermag also merkwürdigerweise sowohl in dem färbbaren wie in dem nicht färbbaren Bindegewebe sich zu bilden. Daß andersartiges elastisches Gewebe sich in dem „nicht färbbaren“ bilden kann, sieht man auch an anderen Stellen im Körper, denn das „nicht färbbare* Gewebe entspricht den „Gitterfasern* und findet sich weit verbreitet ın Drüsen, Muskeln usw. ebenfalls durch- setzt oder frei von elastischen Fasern. Da diese beiden Arten des Bindegewebes unmittelbar nebeneinander vorkommen und direkt ın- einander übergehen, so kann es sich nicht um zwei verschiedene Entwicklungsformen, um „Stufen“ handeln, sondern es müssen zwei Modifikationen des erwachsenen Gewebes sein. Wahrscheinlich wird ihr Vorkommen auch noch wieder Verschiedenheiten und Zusammen- hänge von Rassen und Stämmen anzeigen. So findet man auch bei den untersuchten europäischen Völkern schon Beispiele von einer mehr oder weniger reichlichen Beimischung von „färbbarem“ Gewebe zu dem „nicht färbbaren“. Diese Dinge müssen noch genauer an einem reichen Materiale untersucht werden. Es ıst möglich, daß hierbei auch individuelle Verschiedenheiten vorkommen.

In einer weiteren sehr umfangreichen Arbeit, von der allerdings infolge der Not der Zeit erst die Ergebnisse als vorläufige Mitteilung erscheinen konnten (12), habe ich dann die „Hautdrüsen des Menschen und der Säugetiere“ behandelt. Ich konnte diese besser einteilen als es bisher geschehen war (in „apokrine“ und „ekkrine* Drüsen), und konnte weiter. zeigen, daß diese so wichtigen Drüsen bei den Säuge- tieren und dem Menschen in der Weise verteilt sind, daß bei den bei weitem meisten Säugern die zu den Haaren gehörigen apokrinen Drüsen fast ausschließlich vorhanden ‘sind, nur an wenigen Stellen,

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an denen auch die Haare fehlen, wie namentlich an den Fußsohlen, finden sich auch die ekkrinen Drüsen, die keine Beziehung zu den Haaren besitzen. Das ändert sich bei den „Primaten“. Hier treten beı den „Affen“ zunächst Mischformen auf, bei denen auch an den behaarten Körperteilen neben den apokrinen Drüsen ekkrine auftreten, in verschiedener Menge. Beim Menschen ıst diese Entwicklungs- richtung noch weiter gegangen, bei ıhm überwiegen die ekkrinen Drüsen bei weitem, so daß sich die apokrinen nur noch an wenigen

Stellen der Haut vorfinden. Sie werden dabei embryonal vielfach _

noch angelegt, gehen aber während der weiteren Entwicklung zu- grunde. Ein deutliches Zeichen dafür, daß die Vorfahren des Menschen sie besessen haben, daß aber die spezifische Eigentümlichkeit des menschlichen Körpers für ihre weitere Entwicklung nicht günstig ist. Wir haben hier also einen Beweis dafür, daß bei der allmählichen Entwicklung des Menschen aus seinen tierischen Vorfahren der ganze Körper ein anderer geworden ist. Einen weiteren Beweis hierfür finden wir in der oben schon mitgeteilten Tatsache, daß die elastischen Fasern beim Menschen weit zahlreicher entwickelt sind als bei den Affen. Wie die Anthropoiden bei dieser Entwicklung sich verhalten haben, konnte ich aus ‚Mangel an Material noch nicht feststellen. Die Pri- maten zeichnen sich also vor allen anderen Tieren dadurch aus, daß die ekkrinen Drüsen bei ihnen den apokrinen Drüsen sich an Menge mehr und mehr nähern und sie schließlich (beim Menschen) erheblich übertreffen. Nur an einigen wenigen enger begrenzten Stellen treten beim Menschen die apokrinen Drüsen noch in größerer Zahl auf, zusammen mit den ekkrinen Drüsen. Es ergab sich in bezug hierauf nun die sehr interessante Tatsache, daß diese Verbreitung der apo- krinen Drüsen bei den Menschenrassen wechselt, ja auch bei dem- selben Volke eventuell bei den Geschlechtern. So fanden sich bei „deutschen Männern“ apokrine Drüsen (abgekürzt: a-Drüsen) in der Achselhöhle und im Warzenhofe, am Mons pubis und am Serotum fehlten sie. Beim „deutschen Weibe“ dagegen fanden sie sich auch am Mons pubis und an den Labia majora, ja sogar noch in der „Bauchhaut unterhalb des Nabels“. Sie besitzen also beim deutschen Weibe eine weit größere Verbreitung als beim deutschen Manne. Bei einem „Ohinesen“ fanden sich die a-Drüsen in der Achselhöhle, am Mons pubis, und zwar in recht großer Menge, über den ganzen Bauch hin und noch in der Brusthaut, also im wesentlichen über die ganze vordere Rumpffläche hin. Warzenhof und Scrotum konnten nicht untersucht werden, an Kopf und Hals waren sie nicht mehr nach- weisbar. Bei einem „Kamerunneger“ fanden sich die a-Drüsen in der Achselhöhle, am Mons pubis, und zwar wieder in großer Menge, und auf dem unteren und mittleren Teile des Bauches, auf dem oberen Teile des Bauches und auf der Brust fehlten sie schon. Warzen- hof und Scrotum konnten nicht untersucht werden, an Hals und Kopf fehlten sie. Von einem „Australier“ konnte ich nur die Haut

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der Parotidengegend untersuchen, und fand auch in dieser a-Drüsen in mäßıger Menge, während solche au dieser Stelle bei den Deutschen, dem Chinesen und dem Kamerunneger fehlten. An den genannten Stellen waren bei den Deutschen, wie bei den Exoten, neben den a-Drüsen auch zahlreiche ekkrine Drüsen (e-Drüsen) vorhanden. Wenn bei dem Australier die a-Drüsen sogar noch in der Parotidengegend auf- treten, wo sie bei den anderen untersuchten Menschen fehlten, bei den Affen aber vorkommen, dann darf man wohlannehmen, daß sie bei ihm auf der ganzen vorderen Rumpfseite bis zum Kopfe herauf vorhanden sind, wenngleich dies natürlich noch erst festgestellt werden müßte. ‚Sollte sich diese Annahme bestätigen, so würden wir nach dem Grade der Ausbreitung der a-Drüsen in abnehmender Reihe die folgende Stufenleiter erhalten: sonstige Säugetiere, Affen, Australier, Chinese, 'Kamerunneger, deutsches Weib, deutscher Mann. Hieraus würde man zunächst schließen können, daß das ausgedehnte Vorkommen der a- Drüsen auf eine tiefere Stufe der Entwicklung hindeuten würde. Ferner deutet die Verschiedenheit zwischen dem deutschen Manne und dem deutschen Weibe auf einen Geschlechtsunterschied hin, der- art, daß das Weib durch eine weit stärkere Ausbildung der a-Drüsen sich gegenüber dem Manne auszeichnen würde. In der Tat sprechen auch sonstige Angaben in der Literatur dafür, daß bei dem weib- lichen Geschlechte die a-Drüsen, vielleicht auch die e-Drüsen, eine stärkere Entwicklung besitzen und von dem Geschlechtsleben stark beeinflußt werden. Sollte sich ein solches Verhalten auch bei den niederen Säugern nachweisen lassen, so würde auch die Ausbildung der Milchdrüse besser zu verstehen sein. „Sollte der Australier wirklich a-Drüsen in weiter Ausdehnung besitzen, so würde man für ihn eine tiefere Stellung annehmen müssen. Die etwas vermehrten a-Drüsen bei dem Chinesen und Kamerunneger zwingen aber wohl noch nicht direkt dazu, diesen Rassen eine tiefere Stellung anzuweisen, sondern könnten auch vielleicht nur der Ausdruck von besonderen Eigen- tümlichkeiten des Körperbaues und des Stoffwechsels oder vielleicht auch des Geschlechtslebens sein.“ So schrieb ich 1917 in meiner Arbeit. Inzwischen habe ich die Untersuchungen über die elastischen Fasern gemacht (15) und bei diesen klärlich nachweisenkönnen, daß der Chinese und der Kamerunneger in der Tat tiefer stehen als die Europäer, es handelt sich dabei übrigens um dieselben Personen, ebenso wie bei dem Australier. Jetzt kann ich also auch in der Verschiedenheit der Drüsen nur eine Bestätigung dafür finden, daß diese Rassen in der Tat tiefer stehen, und am tiefsten die Australier. Das ist ja überhaupt das Gute bei diesen meinen Arbeiten, die alle konzentrisch auf dasselbe Ziel losgehen, daß sie sich gegenseitig kontrollieren und daß so die Rich- tigkeit des Endergebnisses gewährleistet wird. Der zwischen dem deutschen Manne und Weibe bestehende Unterschied in der Drüsenaus- bildung würde außer seiner Bedeutung als Geschlechtsunterschied gleichzeitig ein Zeichen sein für die Verschiedenheit des männlichen und 42. Band. 14

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weiblichen Körpers ım ganzen. Ob der größere Reichtum an a-Drüsen

beim Weibe auch als ein Zeichen für eine tiefere Entwicklungsstufe anzusehen sein würde, muß vorläufig noch zweifelhaft bleiben. Aus- geschlossen wäre dies nicht, da ja auch in mancher anderen Hinsicht das Weib zwischen Kind und Mann steht. Selbstverständlich würden nun ausgedehnte Untersuchungen nötig sein -über das Verhalten der a-Drüsen während der kindlichen Entwicklung bei beiden Geschlechtern. Ich habe leider nicht das Material, um sie ausführen zu können. Man darf wohl annehmen. daß es zu den Funktionen der a-Drüsen gehört Geruchsstoffe zu erzeugen, welche geschlechtlich reizend wirken. Die

a-Drüsen verbreiten sich dabeı von den Achselhöhlen an über die.

vordere Rumpffläche bis zu den Inguinalfurchen und dem Mons pubis herab und dann über diesen hinaus auf die Labia majora und den

Damm bis zu den Cireumanaldrüsen hin. Innerhalb dieses Bezirkes

liegen mehrere Hautorgane, die von ihnen zusammen mit e-Drüsen und u. (Talgdrüsen) gebildet: werden, so das „Achselhöhlen- organ“, die „Milchdrüse* zusammen mit en Mamillardeinsen® und

das „Cireumanalorgan“. “. In der der Achselhöhle entsprechenden Inguinal- furche ist die Ausbildung der Drüsen nicht eine so starke, daß man von einem Hautdrüsenorgane sprechen kann. Sodann breiten sich die Drüsen, wie erwähnt, über Bauch und Brust aus, und seitlich liegen die Milchlinien, innerhalb deren sich die Milchdrüsen in verschiedener Anzahl entwickeln können. Diese ganze Gegend habe ich daher vor- geschlagen, als „Regio sexualis“ zu bezeichnen. Sollten eventuell bei tiefstehenden Völkern die a-Drüsen noch heraufsteigen bis auf den Hals und das Gesicht, so würden auch diese Gegenden noch zu dieser „Regio sexualis“ zu rechnen sein. Nun finden sich in der Regio sexualis auch vielfach glatte Muskelfasern, die z. T. in dem Corium, z. T. in dem Strat. subeutanem liegen. So finden sich solche in der Achselhöhle, wobei dann die Haarbalgmuskeln fehlen können. Ferner in der Brust- 'warze und dem Warzenhofe, weiter in der Haut des Mons pubis, in der der Labia majora, in der der Dammes, bis zum/Circumanalorgane hin. Treten abnorme Brustdrüsenanlagen in den Milchlinien auf, so finden sich in ihnen wieder glatte Muskeln. Dies alles spricht dafür, daß die Haut der Regio sexualis als eine Gegend anzusehen ist, in der glatte Muskelfasern mit Vorliebe auftreten und mehr oder weniger weit sich flächenförmig ausbreiten. Ich habe daher .für die „Regio sexualis* eine „Muscularis sexualis“ angenommen, es würde nötig sein, das Verhalten dieser bei niederen Säugern zu untersuchen. Über die Funktion dieser glatten Muskelfasern weiß man bisher noch garnichts mit Ausnahme der Mamilla. Was sie in der Achselhöhle, am Mons pubis, am Damme, in den Labia majora zu tun haben, ist ganz unbe- kannt... Es wird ja allerdings angegeben, daß die Labien steif werden können beim Geschlechtsreize, ebenso wie die Brustwarze und die Haut des Warzenhofes. Jedenfalls scheint es also, daß die geschlechtlich wirkenden a-Drüsen mit Vorliebe zusammen vorkommen mit flächen-

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artig ausgebreiteten glatten Muskelfasern, welche der Haut der be- treffenden Gegenden eine Kontraktionsfähigkeit verleihen müssen, so daß sie bei Geschlechtsreizen dieker und fester wird. Eine solche Eigentümlichkeit wird sicher von unseren tierischen Vorfahren her ererbt sein und sich daher schon bei niederen Säugern nachweisen lassen. Es scheint übrigens, daß auch die e-Drüsen geschlechtlich reizende Duftstoffe erzeugen können. So wird der berauschende Duft des weiblichen Haares gerühmt, und auf dem Kopfe kommen ja nur e-Drüsen vor. Zu den a-Drüsen-Düften gehört auch der spezifische Geruch der Milch, und gerade an dieser kann man auch am leichtesten den Einfluß des Nervensystemes auf die Sekrete der Hautdrüsen nachweisen und zwar durch das so bequeme und sehr feine Reagenz, das dıe Natur uns liefert, durch das Kind. Die e-Drüsen scheinen aber gleichfalls Zustände des Nervensystemes in ihren Duftstoffen ausdrücken zu können, so daß sie beim Menschen in mehr oder weniger hohem Grade die a-Drüsen vertreten zu können scheinen, wo diese fehlen. Der spezifische Geruch eines jeden Menschen wird von beiden Drüsenarten erzeugt, aber der Geruch der menschlichen Spur am Boden nur durch e-Drüsen, denn in der Fußsohle finden sich nur solche. Wenn wir die Säuger im allgemeinen als a-Drüsen-Tiere be- zeichnen können, so würden die Affen gemischtdrüsige Tiere sein und der Mensch ein e-Drüsen-Tier. Die e-Drüsen sind aber für das Leben von hoher Bedeutung, da sie neben der Einfettung der Haut und der Ausscheidung von Giftstoffen den „Schweiß“ erzeugen, d. h. jene stark wasserhaltige Flüssigkeit, welche zur Wärmeregulierung des Menschen, nötig und daher von sehr großer Bedeutung ist. Der Schweiß kann je nach Bedarf infolge von Nerveneinwirkung sehr verschieden stark wasserhaltig sein und durch Verdunstung des Wassers stark wärme- entziehend wirken. Die a-Drüsen können diese Funktion bei manchen Tieren biszu einem gewissen Grade übernehmen, wie z. B. beim Pferde, wirken aber augenscheinlich niemals so vollkommen als die e-Drüsen. Die Primaten stehen also auch ın bezug auf ihre Hautorgane höher als die übrigen Säuger und am höchsten der Mensch. Da die Haut- drüsen in ihrer Tätigkeit so stark von dem Nervensysteme abhängig sind, "so wird auch der Geruch, der Körperduft der Tiere und der Menschen stark von ihm beeinflußt. Wenn daher die Geruchsfähig- keit eines Wesens hoch entwickelt ist, so wird es aus dem Geruche der Spuren und aus dem der Luft um den Körper herum seelische Zustände erfahren können, um so stärker natürlich je näher das Ge- ruchsorgan an den Körper des anderen Wesens herangebracht werden kann, resp. je frischer die Spuren sind. Gerade so wie der einzelne Mensch seinen spezifischen individuellen Duft besitzt, ist ein solcher

- den Stämmen, Völkern und Rassen eigentümlich, ein deutliches Zeichen

für die Verschiedenheit aller Menschen in bezug auf ihren Körperbau

_ und auf den Stoffwechsel ihres Körpers. Der Geschlechtsgeruch, der

nicht nur von Tieren, sondern auch von Menschen wahrgenommen 14*

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wird, besonders von Naturvölkern, deren Geruchsfähigkeit weit besser entwickelt ist als die des Europäers, deutet wieder hin auf die Ver- schiedenheit des Baues der beiden Geschlechter und es scheint sogar, daß dieser Geschlechtsgeruch bei den Säugetieren und dem Menschen entweder derselbe oder doch sehr ähnlich ist, daß es also einen spe- zifischen Geschlechtsgeruch für die ganze Säugerreihe inklusiv des Menschen gibt.

In einer kleinen Arbeit (21) konnte ich dann mitteilen, daß ich bei einem älteren Australier mit dichtem Backenbarte in der Haut der Wangengegend sehr eigenartige „Gefäßbündel“ gefunden hätte, welche an den Haaren emporsteigend und nachher von ihnen ab- biegend zu den hier ganz außerordentlich stark entwickelten Haar- drüsen (Talgdrüsen) hınzogen und diese mit Blut versorgten. Dabei war es weiter sehr merkwürdig, daß diese Bündel zum größeren Teile aus Venen bestanden und daß sich um ıhre Verästelungen dicht vor ihrer Endigung an den Drüsen ein dicht mit Lymphzellen erfülltes Bindegewebe befand. Wenn die Talgdrüsen nun auch wirklich ganz außerordentlich groß waren und mitunter schon an Meibomsche Drüsen erinnerten, so waren doch sicher derartige Gefäßbündel nur zum Zwecke ihrer Ernährung nicht nötig, es ist also wahrscheinlich, daß sie noch eine sonstige besondere Bedeutung haben, welche uns bis jetzt noch unbekannt ist. Es lag weiter sehr nahe, daß sie er- erbt waren von irgendwelchen noch unbekannten tierischen Vorfahren, bei denen sie wahrscheinlich eine ganz besondere Bedeutung besessen hatten, und es ist nun sehr wichtig, aufzufinden, bei welchen Tieren ähnliche Bildungen jetzt noch vorkommen, um auf diese Weise fest- zustellen, von welchen früheren Tieren der Mensch hergeleitet werden könnte. Jedenfalls aber muß dieser Australier einen vorzüglich ein- gefetteten Backenbart besessen haben, in dessen Bereiche sowohl e- Drüsen wie a-Drüsen und die sehr stark entwickelten Haardrüsen (Talgdrüsen) vorkamen, so daß man hier schon von einem „Haut- drüsenorgane* zu sprechen in gewisser Weise berechtigt war, und dieser Backenbart wird zweifellos auch stark sexuell reizend durch seine Düfte gewirkt haben. Der anreizende Geruch des Backenbartes wird ja auch von Europäern angegeben, hier bei dem Australier würden wir gewissermaßen eine Art Urform dieses geschlechtlich reizenden OÖrganes vorfinden. Es ist ja überhaupt möglich, daß wır beim Men- schen noch mehr Hautorgane werden feststellen können, als ich oben aufgeführt habe, wenn immer weitere nıedere Menschenstämme unter- sucht werden. Im wesentlichen werden diese wohl für die geschlecht- liche Reizung und Anlockung sich als wichtig erweisen. Beim Men- schen werden diese Organe zu einem großen Teile wahrscheinlich eine andere Lage besitzen als bei den Tieren, da ja die aufrechte Stellung des Menschen sein Geruchsorgan zu Wahrnehmungen an ganz anderen Körperstellen nötigt als bei den Vierfüßlern. Beim Menschen kommt nämentlich der obere Teil des Körpers in Frage,

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allenfalls noch herunter bis zu den Geschlechtsteilen, die wenigstens beim Liegen noch berücksichtigt werden können.

In einer weiteren kleinen Arbeit (17) konnte ich dann zeigen, daß eine Beobachtung, die Ranvier vor langer Zeit bei einem Europäer gemacht hatte, auch bei einem Kamerunneger zu machen war. Es handelte sich um das „Vorkommen von körperlichen Rle-

. menten“ bei der Sekretion ‘der e-Drüsen Diese haben gewöhnlich

ein rein flüssiges Sekret, jedoch hatte Ranvier einmal, wie es scheint, auch kleine Kügelchen darin nachweisen können, die austraten, ohne daß die Drüsenzellen irgendwelche Beschädigung erkennen ließen. Ganz dasselbe fand ich bei einem Kamerunneger und zwar an den Drüsen der behaarten Kopfhaut und des Mons pubis. Ranvier hatte es an den Drüsen der Fingerbeere gefunden. An den sonstigen von mir untersuchten Drüsen des Negers fand ich diese Art der Sekretion nicht, ebenso fand ich sie nicht bei vielen Präparaten von anderen Menschen. Es scheint sich also um einen Vorgang zu handeln, der selten vorkommt und als eine besondere Art der Sekretion aufzufassen ist, der unter besonderen Umständen auftritt, aber weit verbreitet ist. Da die Drüsen, wie schon mehrfach erwähnt, von dem Nervensyteme stark abhängig sind, so ıst es wohl denkbar, daß besondere Nerven- reize dabei beteiligt sind. Ferner zeigt diese Beobachtung, daß die e-Drüsen des Kamerunnegers denen der Europäer sehr ähnlich in ihrem Baue sein müssen.

Ein sehr interessantes Problem ist das der „Haarlosigkeit“ des Menschengeschlechtes gegenüber den sonstigen Säugern. Wir besitzen hierfür die Theorien vonDarwın-Häckelund vonBrandt. Beide haben mich niemals befriedigen können. Ich kam in einer „Betrachtung“ (16) zu dem Ergebnisse, daß zu einer Zeit seiner Entwicklung das Gehirn des Menschen, und zwar wahrscheinlich das Corpus striatum, die Fähigkeit erhielt, die Wärmeregulierung so vollständig auszuführen, daß eine Haardecke für den Menschen nicht mehr nötig war, diese konnte den Tieren verbleiben, der Mensch kam auch ohne sie aus. Später wurde die Kleidung zuerst als Schmuck angelegt, dann, nament- lich bei den Wanderungen der Menschen in kältere Gegenden, auch als Schutz gegen die Witterung, und so entstand allmählich unsere jetzige Kleidung. Zweifellos würde ohne sie eine Besiedelung der höher nördlich gelegenen Gegenden nicht möglich gewesen sein, und so ist die Kleidung denn doch ein wesentliches Hilfsmittel in dem Kampfe um das Dasein für den Menschen geworden. Die Haare, welche bei dem haarlos gewordenen Menschen noch zurückblieben, haben meiner Meinung nach im wesentlichen die Bedeutung von „Duft pinseln“, wobei indessen die diese Düfte erzeugenden Drüsen nicht immer a-Drüsen zu sein brauchen, diese können augenscheinlich auch durch e-Drüsen ersetzt werden. Selbstverständlich können diese Haare auch nebenbei noch andere Funktionen erfüllen, wie wir das ım Körper öfter finden. Die Theorien von Robinson und Frieden-

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thal über die Bedeutung dieser Haarflecke kann ich aber nicht als gerechtfertigt ansehen. Ebensowenig die von S. Exner ausgesprochene Ansicht. Da ich selbst nicht in der Lage bin, die Haarlosıgkeit des Menschen an Menschen selbst zu untersuchen, so konnte ich darüber nur Betrachtungen anstellen, welche andere Forscher, die Gelegenheit dazu haben, Krach veranlassen werden, auf der von mir gegebenen Grundlage genauere Untersuchungen snzustellan

In einer kleinen Arbeit habe ich sodann die „Konstitution“ (14) des Menschen behandelt, zusammen mit den „Konstitutionsanomalien“ und die Art und Weise, wie man diese ändern kann. Sie bilden die Ursache für die Disposition zu Krankheiten und sind demgemäß dem Menschengeschlechte schädlich, trotzdem besitzt ein jeder Mensch eine solche Konstitutionsanomalie von geringerer oder höherer Be- deutung. Kleine Vorarbeiten hierfür hatte ich schon in den Jahren 1903 und 1904 gemacht. Ich bezeichnete diese Arbeit als „Betrach- tungen“ über das erwähnte Thema. Wir leben jetzt endlich in dem „Zeitalter der absichtichen Korrektur“ solcher fehlerhaften Anlagen. Meiner Meinung nach bot die zweigeschlechtliche Zeugung Wege für eine solche Korrektur, daher ihre große Bedeutung für die Wesen. Sehr wichtig für diese Sache schienen mir die „Innere Sekretion“ ın ihren beiden Abteilungen zu sein und weiter die vielen verschiedenen Körnchen usw. in den Zellen, die zu einem Teile zur Mitochondria gehören, ven denen es sehr unwahrscheinlich ıst, daß sie bei der Zellteilung, auch bei der mitotischen, genau gleichmäßig auf die beiden Tochterzellen verteilt werden. Diese kleinen Gebilde scheinen aber für das Leben und die Tätigkeit der Zellen von größter Bedeutung zu sein. Dazu kommt dann der geschlechtliche Geruchsreiz, der ja allerdings gerade bei den den höchststehenden Kulturvölkern angehörigen Menschen sehr rudimentär geworden ist. Vorhanden ist er bei ihnen indessen auch noch und bei einzelnen Menschen noch auffallend gut entwickelt, wie das ja immer bei rudimentär werdenden Fähigkeiten der Fall zu sein pflegt. Zum Studium dessen, was nötig wäre, um solche Korrekturen herbeizuführen, verwies ich auf das Studium von monogamen Tieren und tiefstehenden Völkerschaften.

Die Ausbildung seines „Zentralnervensystemes“ stellt den Men- schen hoch über alle Tiere. So war es natürlich, daß ich mich auch längere Zeit mit der Betrachtung dieses Organsystemes beschäftigte. In einer umfangreichen Arbeit über die „Neurone und Neuronen- bahnen“ (13) habe ich es nach zwei früheren kleinen Arbeiten be- handelt. Meiner Meinung nach steht der Mensch nicht im Gegensatze zum Tiere, sondern steht nur an der Spitze der Tiere. Ich stellte dabei eine neue Theorie auf für die Leitungs- und Reizvorgänge im Nervensysteme und versuchte auch das Gedächtnis zu erklären. Bis jetzt sind mir keine Arbeiten bekannt geworden, welche eine Än- derung meiner damals mitgeteilten Ansichten nötig machten.

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P. Schiefferdecker, Über die Ergebnisse meiner Arbeiten zur Biologie usw. 915

Endlich habe ich, um den „geistigen Zustand des Urmenschen“ klar zu legen, so weit das für uns möglich ist, auf ein paar Funde von Kunstwerken aus jener Urzeit zurückgegriffen. Zuerst auf ein Relief, das im Abrı von Laussel gefunden worden ist von Dr. Lalanne und das aus dem oberen Aurignacien herstammen soll (18). Es handelte sich um jenes bekannte, von Lalanne in der „Anthropologie“ ver- öffentlichte Bild, das von ıhm als Bogenschütze gedeutet-wurde. Ich habe mich mit dieser Deutung nie befreunden können und habe vor wenigen Jahren zusammen mit einigen kunstverständigen Damen und Herren feststellen können, daß es sıch in der Tat nicht um einen Bogenschützen handelt, sondern um ein drei Personen einschließen- des Relief, auf dem zwei Aurignacienjünglinge um ein Neandertal- mädchen kämpfen. Die Rekonstruktion dieses Kunstwerkes habe ich bei der jetzigen Not leider noch nicht zu veröffentlichen vermocht. Dieses Relief ist ein Beweis dafür, daß es in jener Zeit schon Künstler gegeben hat, die etwas derartiges darzustellen vermochten, und zwar in voller Lebendigkeit. Eine Kunstschule wird man in jener Zeit nicht annehmen dürfen, es muß also damals ein Mann geboren worden sein, der eine solche überragende Begabung besaß, daß er, ohne eine Schule durchgemacht zu haben, ein richtiges Kunstwerk aus sich her- aus za schaffen vermochte. Zugleich ıst dieses Relief deshalb be- sonders wichtig, da sich auf ihm das einzige bisher bekannte Abbild eines Neandertaler-Menschen findet, wenigstens nach unserer Annahme. Der Aurignacmensch dieses Bildes unterscheidet sich sehr deutlich von dem Neandertaler. Auf einem zweiten Relief aus Laussel, das aber aus dem Solutreen herstammen soll, ıst ein „Koitus“ darge- stellt (20), aber nicht die gewöhnliche Art, sondern die, bei der die Frau auf dem liegenden Manne sitzt. Die Darstellung dieser Szene ist etwas über die Kraft des Künstlers hinausgegangen, immerhin ist das Relief verständlich. Die Künstler der damaligen Zeit scheinen keine Vielbildner gewesen zu sein, sondern nur einzelne ihnen be- sonders wichtig erscheinende Szenen dargestellt zu haben. Vielleicht ist diese Art des Koitus damals gerade erfunden und von dem Künstler als etwas wichtiges angesehen worden. Der Koitus wird damals das Hauptvergnügen gewesen sein und eine neue Art. des- selben dementsprechend etwas, was die Allgemeinheit stark interessierte. Wir wissen ja von der geistigen Beschaffenheit jener Urmenschen außerordentlich wenig, und so ist es sehr wichtig, zu erfahren, daß sie diese Koitusart damals schon: erfunden hatten. Der auf dem Boden liegende Mann läßt außerdem einen deutlich hervortretenden geteilten Kinnbart erkennen, der jedenfalls gepflegt worden ist. So können wir daraus einmal den wichtigen Schluß ziehen, daß die da- maligen Menschen Bärte besassen und zweitens, daß sie dieselben auch pflegten, was gut mit ihrer Neigung zu Schmuck übereinstimmt. Diese letztere Neigung war ja damals bei Männern und Weibern hoch- gradig ausgeprägt.

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Eine dritte hierhergehörige Arbeit (19) behandelt einen Teil des berühmten Frieses aus der Oueva della Vieja bei Alpera in Spanien, der ungefähr in der Mitte desselben liegt. Dieser Teil des Frieses enthält eine Szene, die ganz auffallend erinnert an eine Buschmann- zeichnung, welche v. Luschan s. Z. mitgebracht hat. Man sieht einen Bach angedeutet und daneben und darüber einen Mann der nach der besonderen Art der Naturvölker an einer Linie in die Höhe klettert. Diese Linie entspricht ihrer Biegung nach einem Seile. Ganz das- selbe findet sich auf der Buschmannzeichnung. v. Luschan hat dieses letztere Bild so gedeutet, daß aus einer hoch oben gelegenen Felsenhöhle ein Seil herunterhängt, an welchem ein Mann in die Höhe läuft, um in die Wohnhöhle zu gelangen. Auf beiden Bildern fehlt eine Darstellung oder Andeutung der Höhle gänzlich. Fügt man "in das spanische Bild die Felswand mit der Höhle hinein, und denkt man sich das weitere Felsgelände hinzu, so erhält der Fries erst den nötigen Unter- und Hintergrund, und dasselbe würde für die Buschmann- zeichnung gelten. In beiden Fällen hat der Künstler sich mit der Darstellung der Menschen und Tiere begnügt und die Bodenbeschaffen- heit völlig vernachlässigt. Seine Genossen wußten ja auch, daß „Boden“ da sein mußte, und die Darstellung war weit einfacher, wenn man diesen beiseite ließ. Die so genaue Übereinstimmung dieser beiden Bilder, von denen das spanische aus dem Magdalenien her- stammen soll, ist eine sehr merkwürdige und bisher noch durchaus unerklärt. Jedenfalls lernen wir aber daraus, daß die Menschen des spanischen Magdalönien schon Seile von größerer Länge besaßen und in Felshöhlen wohnten, welche in verschiedenen Höhen über Bächen lagen. Daß diese Menschen Pfeil und Bogen benutzten und an diese Waffen durchaus gewöhnt waren, zeigt das spanische Bild weiter ganz klar. Ebenso daß sie Vogelfedern als Schmuck benutzten, was ihnen möglich war, da sie über Pfeil und Bogen verfügten, während die Leute nördlich der Pyrenäen diese Waffen in jener Zeit wohl nicht kannten. Wenn wir hinzunehmen, daß diese letzteren Leute sich augenscheinlich in Tierhäuten verhüllten, um sich an ihre Jagd- tiere unauffällig heranschleichen zu können, so muß das Leben der Magdalönienmenschen in der Tat wohl eine gewisse Ähnlichkeit mit dem der Buschmänner gehabt haben, wenn natürlich auch wohl sicher ein großer Unterschied in der Denkungsweise vor- handen gewesen sein wird, entsprechend den Jahrtausenden, die als Altersunterschied zwischen beiden liegen.

Die hier angeführten Ergebnisse meiner Arbeiten sind ja nur einzelne Blitzlichte in das Dunkel des angegriffenen weiten Gebietes, immerhin als solche von Bedeutung. Um diese Arbeiten fortsetzen zu können, wie ich es wünsche, brauche ich vor allem zu vergleichendes menschliches Material und würde daher jedem Fachgenossen sehr dankbar sein, der mir solches zur Verfügung stellen würde.

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10. 11:

P. Schiefferdecker, Über die Ergebnisse meiner Arbeiten zur Biologie usw. 217

Literatur.

. Schiefferdecker, Paul, Beiträge zur Kenntnis der Myotonia congenita, der

Tetanie mit myotonischen Symptomen, der Paralysis agitans und einiger anderer Muskelkrankheiten, zur Kenntnis der Aktivitätshypertrophie und des normalen

Muskelbaues. Mit klinischen Beiträgen von Prof. Friedrich Schultze. (Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd.25, H.1--4, 1903, S. 1—345, m. 15 Taf.)

. Derselbe, Muskeln und Muskelkerne. Leipzig, Joh. Ambros. Barth. 1909, IX

und 3178. m. 20 Fig im Text.

. Prenant, A, Problemes cytologiques generaux souleves par l’ötude des cellules

musculaires. (Journ. de l’anat. et de la physiol. Annde 47, 48, 1911 u. 1912.)

. Schiefferdeceker, Paul, Untersuchungen über den feineren Bau und die Kern-

verhältnisse des Zwerchfelles in Beziehung zu seiner Funktion sowie über das Bindegewebe der Muskeln. (Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 139, 1911, S. 337—427 m. 7 Textfig und 4 Fahnentabellen.)

. Derselbe, Untersuchungen über die Rumpfmuskulatur von Petromyzon fluviatilis

in bezug auf ihren Bau und ihre Kernverhältnisse, über die Muskelfaser als solche und über das Sarkolemm. (Arch. f. mikr. Anat. Bd. 78, 1911. S. 422—495, m. 2'Taf. u..3 Eig.: i. -Text;)

. Derselbe, Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Rana esculenta in bezug

auf ihren Bau und ihre Kernverhältnisse. (Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 140, 1911, $. 363—435.)

. Derselbe, Untersuchung einer Anzahl von Muskeln von Vögeln in bezug auf ihren

Bau und ihre Kernyerhältnisse. (Pflügers Arch f. d. ges. Physiol. Bd. 150, 1913, S. 487-548. m 9 Fig. i. Text.)

. Derselbe, Untersuchung des menschlichen Herzens in verschiedenen Lebensaltern

in bezug auf die Größenverhältnisse der Fasern und Kerne. (Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 165, 1916, 8. 499 564.)

. Derselbe, Untersuchung einer Anzahl von Kaumuskeln des Menschen und einiger

Säugetiere in bezug auf ihre Kernverhältnisse nebst einer Korrektur meiner Herz- arbeit (1916). (Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 173, 1919, S. 265—384, m. 36 Textabb.)

Derselbe, Über die Differenzierung der tierischen Kaumuskeln zu menschlichen Sprachmuskeln. (Biol. Zentralbl. Bd. 39, 1919, Nr. 9, S. 421— 432.)

DerseJlbe. Der histologische und mikroskopisch-topographische Bau der Wangen- haut des Menschen. (Arch, f. Anat. u. Physiol. Jahrg. 1913, Anat. Abteil., S. 191— 224, m. 3 Taf.)

. Derselbe, Die Hautdrüsen des Menschen und der Säugetiere, ihre biologische und

rassenanatomische Bedeutung, sowie die Muscularis sexualis. (Vorläufige Mit- teilung.) (Biol. Zentralbl Bd. 37, 1917, Nr. 11, S. 534— 562.)

. Derselbe, Neurone und Neuronenbahnen. IV u. 323 S. Joh. Ambros. Barth,

Leipzig 1906.

. Derselbe, Betrachtungen über die „Konstitution“. (Zeitschr. f. angewandte Ana-

tomie u. Konstitutionslehre Bd. 4, 1918, H. 4, S. 200— 224.)

. Derselbe, Über das Auftreten der elastischen Fasern in der Tierreihe, über das

Verhalten derselben in der Wangenhaut bei verschiedenen Menschenrassen und über Bindegewebe und Sprache. (Arch. f. mikr. Anat. Bd. 95, Abt. 1, 1921, S. 134—185, m. 6 Taf.)

. Derselbe, Über die Haarlosigkeit des Menschen. Eine Betrachtung. (Anat. Anz.

Bd. 53, 1920, Nr. 15/16, S. 383—396.)

. Derselbe, Über morphologische Sekretionserscheinungen in den ekkrinen Haut-

drüsen des Menschen. (Arch. f. Dermatol. u. Syphil. Bd. 132, 1921, S. 130—132, m. 2. Abb. i. Text.)

. Derselbe, Bemerkungen über zwei Basreliefs von Laussel und über das Abbild

eines Neandertalers. (Arch. f. Anthropol. N. F. Bd. 15, 1917, S. 214—229, m. 2: Abb. i. Text.)

. Derselbe, Eine eigentümliche Zeichnung aus der Urzeit im Vergleiche mit einer

Buschmannzeichnung. (Prähistorische Zeitschr. Bd 10, 1918, S. 58—65, m. 2 Abb. i. Text.)

. Derselbe, Über ein Relief aus dem Abri von Laussel. (Zeitschr. f. Ethnol. Jahrg.

1916, S. 179—184, m. 1’ Abb. i. Text.)

. Derselbe, Über Gefäßbündel an den Haaren des Backenbartes bei einem

Australier. (Arch. f. Dermatol. u. Syphil. Bd. 132, 1921. S. 121—129 m. 5 Abb. i. Text.)

948 Fr. Alverdes, Zur Lehre von den Reaktionen der Organismen auf äußere Reize.

Zur Lehre von den Reaktionen der Organismen auf

äulsere Reize. Von Friedrich Alverdes, Halle a. S.

Von dem Umstande, daß die Protozoen zufolge ıhrer Einzelligkeit an den Anfang des zoologischen Systems gestellt werden, ging für viele Untersucher die Suggestion aus, die von diesen auf äußere Reize hin zur Schau getragenen Reaktionen als möglichst einfache zu deuten. So kommt auch Jennings, dem wir an sich einen so außer- ordentlichen Fortschritt unserer Kenntnisse verdanken, nicht über die Auffassung hinaus, Paramaecium caudatum reagiere auf thermische, chemische und taktische Reize wie ein „isolierter Muskel“. Diese Auffassung ist grundfalsch; nach meinen Feststellungen steht den Paramäcıen eine ebenso große Zahl von Re- aktionsmöglichkeiten zu Gebote wie vielen anderen („höheren“) Organismen auch. Da die Jenningssche An- schauung in zahlreiche zusammenfassende Darstellungen und Lehr- bücher überging, so scheint es mir geboten, ıhr energisch entgegen- zutreten (vgl. auch F. Alverdes, 1922: Studien an Infusorien

über Flimmerbewegung, Lokomotion und Reizbeantwor-

tung).

Bringen wir zu dem Infusorienwasser, in welchem Paramäcien sich befinden, einen Tropfen 0,5—1%,iger Kochsalzlösung, und warten wir kurze Zeit, bis sich ein Konzentrationsgefälle hergestellt hat, so läßt sich konstatieren, daß an unserem Objekt nicht nur die von Jennings beschriebenen Flucht- und Suchbewegungen vorkommen, sondern auch

noch viele andere Reaktionen, welche in die Schemata dieses Autors.

nicht hineinpassen. Man kann alle diese Erscheinungen sowohl auf dem Objektträger wie auch im Uhrschälchen beobachten; im letzteren Falle-vermag der Einwand nicht erhoben zu werden, wie er im ersteren denkbar ist, daß die Paramäcien nämlich auf zwei Seiten durch eine Fläche behindert würden und deshalb die normale Bewegungsform nicht zur richtigen Entfaltung käme.

Vielfach vermeiden die Paramäcien die Salzlösung nicht durch eine Fluchtreaktion (bestehend aus einem Zurückprällen, einer Dorsal- wendung und erneutem Vorwärtsschwimmen), sondern durch ein Bogenschwimmen. (Zur näheren Erläuterung muß ich auf die Abb. 44a —d und 45a—f meiner ausführlichen Arbeit verweisen.) Diese Ver- meidungsbogen können unter Rotation um die Achse des Tieres oder unrotiert erfolgen. Der letztgenannte Fall, daß das Tier ım Bogen ohne Rotation schwimmt und so der Reizquelle ausweicht, vermag zur Not im Sinne der Tropismentheorie Loebs und so- gar in dem einer Theorie der lokalen Wirkung gedeutet zu werden. Bei Beschreibung der Bogenbahn ohne Rotation kann das Tier nach jeder beliebigen Körperseite eine Abweichung zeigen, also nach der Dorsal- oder Ventralseite, nach rechts oder links.

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Fr. Alverdes, Zur Lehre von den Reaktionen der Organismen auf äußere Reize. 219

Die letztgenannten beiden Erklärungsprinzipien versagen jedoch sofort, wenn ein Tier seinen Vermeidungsbogen unter Rotation um die eigene Achse ausführt. Damit ein solcher Bogen zustande kommt, müssen immer die Cilien derjenigen Körperseite, welche vom Mittel- punkt der Kreisbahn abgewandt liegt, stärker schlagen als die übrigen. Da das Tier sich um sich selbst dreht, kommt ın jedem Augenblick eine andere Cilienpartie in Frage; es kreist also an der Oberfläche des Tieres, entgegengesetzt der Rotationsrichtung, ein Impuls zu ver- stärkter Flimmerbewegung. Wo sind da die symmetrischen Sinnes- flächen, welche ungleichartig gereizt werden, und wo die symmetri- schen Körperseiten, welche entsprechend in ungleichförmige Tätigkeit verfallen? (Ich sehe ganz davon ab, daß der Körper von Paramae- cium an sich schon durchaus asymmetrisch gebaut ist; denn irgend- ein Anhänger von Loeb könnte vielleicht auf den Gedanken kommen, Paramaecium sei zwar morphologisch, aber nicht physiologisch und funktionell asymmetrisch gestaltet!) Meines Erachtens handelt es sich

_ hier garnicht um eine gleichzeitige verschiedene Reizung symmetri-

scher Sinnesflächen, sondern um eine Reizung, welche das ganze vor- handene Sinnesfeld betrifft, wie ja auch Jennings solche Vorgänge auffaßt. Dann aber handelt es sich nicht um einen Tropismus, son- dern um eine Unterschiedsempfindlichkeit.

Außer dem Beschreiben einer Bogenbahn kommt eine weitere Vermeidungsreaktion bei Paramaecium caudatum vor, nämlich ein Ab- wenden auf der Stelle. Hierbei liegt der Drehpunkt entweder am Hinterende des Tieres oder innerhalb der hinteren Körperhälfte. Das Abwenden kann nach jeder beliebigen Körperseite erfolgen, also nach rechts oder lınks, dorsal- oder ventralwärts. Es ist immer da- durch charakterisiert, daß das Tier dabei nicht um seine eigene Achse rotiert, wie dies regelmäßig beiden abgekürztenSuchbewegungen geschieht. Jennings erkennt direkte Abwendungen nicht als vor- handen an; er irrt aber, wenn er die Meinung äußert, bei ungenauer Beobachtung könne man leicht die abgekürzten Suchbewegungen für direkte Abwendungen halten. Dies trifft nicht zu, sondern es handelt sich um zwei verschiedene, wohlcharakterisierte Reaktionen. Abwen- dungen, Vermeidungsbogen und Fluchtbewegungen rückwärts (welch letztere unter Rotation oder unrotiert vor sich gehen), können in der mannigfachsten Weise zu komplizierten Bewegungen miteinander ver- quiekt werden; auch mehr oder weniger abgekürzte Suchbewegungen sind eventuell eingeschaltet.

Während Paramaecium caudatım und aurelia Formen sind, welche sich hauptsächlich schwimmend dahinbewegen, bevorzugt Paramaecium bursaria im allgemeinen das Kriechen auf einer Unterlage; nur nach einer Reizung erhebt sich diese Form vom Boden und schwimmt eine Strecke weit in spiraliger Bahn. Beim Kriechen ist das Peristom- feld stets der Unterlage zugewandt. Bei dieser Fortbewegungsweise kann Paramaeeium bursaria nach Reizung durch Licht nicht nur ein

290 Fr. Alverdes, Zur Lehre von den Reaktionen der Organismen auf äußere Reize.

Zurückprallen ohne jede Rotation, sondern auch ein Beschreiben von Bogen und ein direktes Abwenden nach links oder rechts zeigen, wo- bei das Tier den festen Boden nicht verläßt.

Bekanntlich entstehen nach Jennings bei Paramaecium caudatum alle positiven Reaktionen indirekt aus negativen. Es gelang mir, ge- rade bei dieser Art nicht nur direkte Abwendungen von einer Reiz- quelle, sondern auch ein direktes Hinwenden zu einer solchen nach- zuweisen. In den Vorstadien der Konjugation, während des „Liebes- spiels“, bei welchem die Partner ein beständiges Bestreben an den Tag legen, vermittels thigmotaktisch starr gehaltener Cilien mitein- ander ın Berührung zu bleiben, müssen sie unausgesetzt außerordent- lich präzise Wendungen ausführen; die „Versuchs- und Irrtums- methode“ würde hier völlig versagen. Andererseits konnte ich bei Paramäcien, welche bis zu 11 Tage gehungert hatten, in gelungenen Fällen ein direktes Hinwandern auf Bakterien nachweisen. Geleitet wurden sie dabei ohne Zweifel durch die Stoffwechselprodukte der letzteren, und zwar kann man nur annehmen, daß ein Konzentrations- gefälle sie zur Reizquelle hinführte, wenn ein Tier einmal allzusehr von der geraden Bahn abwich, so daß für dasselbe die Konzentration nicht mehr anstieg, dann korrigierte es sich jedesmal sehr bald selbst durch Zurückweichen und eine entsprechende Wendung. Auf das Gelingen dieser Versuche war kein großer Verlaß, denn vielerlei Um- stände konnten sie zum Scheitern bringen; wenn z.B. dem Bakterien- wasser irgendwelche 'abstoßenden Bestandteile beigemengt waren, kam keine positive Reaktion der Paramäcien, sondern nur eine nega- tive zustande. In anderen Fällen geschah es aber, daß alle Individuen in derjenigen Zone, in welche die „Witterung“ der Bakterien gelangt war, geradlinig auf dieselben zustrebten; kein Tier schwamm dort in anderer Richtung. Wer je lebende Paramäcien beobachtet hat, wird zugeben, daß ein solches Vorkommnis kein zufälliges sein kann: denn sonst schwimmen die Tiere stets ohne jede Ordnung kreuz und quer im Wasser umher.

Die galvanotropischen Reaktionen der Infusorien sind nach meiner Auffassung keine direkten Hinwendungen nach der einen Elektrode, wohl aber direkte Abwendungen von der anderen; betreff der Deutung, welche ich diesen Erscheinungen gegeben habe, muß ich auf meine ausführliche Arbeit verweisen.

Niemals werden nach meiner Auffassung die Tiere geleitet durch einen Tropismus, sondern stets durch eine Unterschiedsempfind- lichkeit. Es gibt bei den Organismen eine solche für ein Neben- einander und für ein Nacheinander. Bei den Infusorien ist bis- her mit Sicherheit nur die letztere nachgewiesen worden. Denn auch, wenn ein Protist sich in Richtung der Lichtstrahlen einzustellen ver- mag, so muß es nicht mit Notwendigkeit von der ersteren, sondern kann auch von der letzteren geleitet werden (betreff solcher Einstellungen siehe vor allem die Arbeit von Buder). Sehr schön läßt sich die

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Fr. Alverdes, Zur Lehre von den Reaktionen der Organismen auf äußere Reize. 291

Unterschiedsempfindlichkeit für ein Nacheinander an Paramaecium demonstrieren, wenn man auf dem Objektträger eine Wasserprobe, in welcher sich eine Anzahl dieser Tiere befindet, vorsichtig erwärmt. Dann führen sie eine Fluchtreaktion nach der anderen aus, obwohl das frühere Milieu garnicht mehr existiert. Das Gleiche gilt, wenn man die Tiere in ein reizendes chemisches Agens überführt. Sie reagieren dann durch Fluchtbewegungen; nur eine Unterschiedsempfindlichkeit für zwei nacheinander einwirkende Lebenslagen kann sie hierzu ver- anlassen.

Bei den höheren Organismen gibt es neben der Unterschieds- empfindlichkeit für ein Nacheinander auch eine solche für ein Neben- einander. Ich erinnere an die Augen der Metazoen. Möglicherweise istallerdings bei den einfachst gebauten Augenformen nur die erstere vorhanden; bei den kompliierteren besteht dagegen mit Sicherheit neben der ersteren auch die letztere. Und zwar befindet sich dann bereits jedes einzelne Auge allein im Dienste einer Unterschieds- empfindlichkeit für ein Nebeneinander; dieselbe kommt nicht etwa bloß dann zustande, wenn symmetrisch gelegene Augenpaare vor- handen sind.

Wenn nun ein Untersucher zu einer ablehnenden Haltung der Tropismentheorie gegenüber gelangt, so darf man nicht glauben, daß er damit zugleich die „Zwangsmäßigkeit‘‘ der biologischen Vorgänge leugnen will (wie auch v. Buddenbrock neuerdings ausgeführt hat). Absolut „zwangsmäßig“ verläuft für mich alles Naturgeschehen, also auch dasjenige in der belebten Welt, mögen nun die betreffenden Vorgänge einfach oder (für uns) unübersehbar kompliziert sein.

VonsSeiten der Botaniker wurden neuerdings besonders durch Oltmanns Bedenken gegen die Jenningssche Auffassung über die Reaktionen der Infusorien erhoben. Er studierte die Phototaxis von Euglena und fand, daß der Lichtreiz nur dann sofort eine scharfe Reaktion auslöst, wenn der Übergang ein schroffer ist; bei minder scharfer Abgrenzung handelt es sich um Wirkungen und Nachwir- kungen, deren Häufung erst zur Reaktion führt. Je geringer das Lichtgefälle, desto kleiner wird der von Euglena gezeigte „Schreck“; je weitergehend die Abstufungen, desto tiefer schwimmen die Euglenen z. B. ins Halbdunkel hinein, kehren nach einigen Wendungen, die nicht übermäßig rasch sind, in die hellen Zonen zurück, überschreiten diese und gelangen in noch hellere Gebiete, kehren dann wieder ge- mächlich um und kommen in eine Region von mittlerer Helligkeit, in weleher sie sich dauernd hin und her bewegen. Je weiter Kuglena vom Optimum entfernt ist, umso stärker der Reiz und umso gerad- liniger die Bahn, die sie auf dieses zu einschlägt; je näher sie aber an dasselbe herankommt, umso größer werden die Abweichungen von der geraden Bahn und umso ausgiebiger die Suchbewegungen. Oltmanns glaubt nicht, daß ein Zufall die Euglenen ın das Hellfeld führt. Denn unmittelbar nach Erhellung des Präparates

392 Fr. Alverdes, Zur Lehre von den Reaktionen der Organismen auf äußere Reize.

durch das Spaltbild beginnt von allen Seiten eine Wanderung gegen den hellen Bezirk; sie werden nach ihm durch das Licht ange- lockt, nicht aber durch die Dunkelheit abgestoßen. Auch nach Buder führt Zuglena in vielen Fällen keine „Fluchtreaktion“ aus, sie macht dann keine „Versuche“ und „probiert“ die günstigste Lage aus, sondern lenkt in einem sauberen Bogen in die neue Lichtrich- tung ein. Ja, in günstigen Fällen ist der Bogen so kurz und scharf, daß er schon eher als Wendung zu bezeichnen sein soll. Volvox zeigt im Lichtgefälle nach Oltmanns ebenfalls keine ‚„Schreck“- oder Fluchtbewegung, sondern eine ruhige Umkehr und steuert in einem mehr oder weniger großen Bogen zurück. Nach Oltmanns und Buder kommen also bei Protisten die positiven Reaktionen nicht immer bloß indirekt durch lauter negative zustande, sondern diese Autoren kennen rein positive, und Oltmanns hofft, „die apobatischen Theorien werden nun selber eine Apobasis antreten“. Bei manchen Reaktionen liegt meines Erachtens oftmals eine unlösbare Kom- bination einer positiven und negativen Komponente vor, und dies ist vielleicht auch nicht selten bei Euglena der Fall.

Maßgebend für die von den Organismen ausgeführten Bewegungen ist auch nach Oltmanns nicht ein Tropismus, sondern eine Unter- schiedsempfindlichkeit. Und zwar wird nach ihm entweder auf örtliche oder zeitliche Differenzen reagiert. Ich sage statt dessen, es besteht bei den Organismen eine Unterschiedsempfindlichkeit für ein Nebeneinander oder für ein Nacheinander. Diese Aus- drucksweise deckt sich nicht ganz mit der Oltmannsschen; denn örtliche Differenzen können entweder gleichzeitig oder nacheinander wahrgenommen werden. So glaube ich, mit meiner Bezeichnung mehr vom Standpunkt des reagierenden Lebewesens aus zu sprechen.

Literatur. <

(Weitere Angaben siehe bei Jennings, Loeb und in meiner ausführlichen Arbeit.)

Alverdes, F., Studien an Infusorien über Flimmerbewegung, Lokomotion und Reizbeantwortung. Arb. a. d. Geb. d. exper. Biol. Herausg. v. J. Schaxel. H. 3. Berlin 1922.

‚Buddenbrock, W. v., Die Handlungstypen der niederen Tiere und ihre tierpsycho- logische Bewertung. Berl. klin. Wochenschr. 1921.

Buder, J., Zur Kenntnis der phototaktischen Richtungsbewegungen. Jahrb. wiss. Bot. Bd. 58. 1917. 2

Jennings, H.$., Das Verhalten der niederen Organismen. Übers. von O. Mangold, Leipzig u. Berlin 1910.

Loeb, J., Die Tropismen. Wintersteins Handbuch. Bd.4, 1913.

ÖOltmanns, F., Über Phototaxis. Zeitschr. f. Bot. Jahrg. 9, 1917.

Ist das Alter der zu Kreuzungen verwandten Individuen auf die Ausprägung der elterlichen Merkmale bei den Nachkommen von Einfluss?

Von Hans Kappert.

In zwei, in der Zeitschrift für Pflanzenzüchtung 1914 und 1917 veröffentlichten Mitteilungen suchte Zederbauer!) den experimen- tellen Nachweis zu erbringen, daß die Dominanz gewisser Merkmale der Erbsensamen von dem Alter der zur Kreuzung verwandten Pflanzen in hohem Maße abhängig sei. So sollte das als dominierend bekannte Merkmal: gelbe Kotyledonenenfarbe bei Bestäubung einer eben ‘erst aufblühenden grünsamigen Pflanze mit Pollen aus einer der letzten Blüten einer gelbsamigen Pflanze fast nur grüne Bastardsamen geben, während bei Verwendung gleichalter ‚Blüten nur gelbe Samen entstehen sollten. Auch in der zweiten Generation sollte im ersten Falle die Zahl der gelben Samen stark gegen die der im allgemeinen rezessiven grünen zurücktreten. Da nun ein derartiger Einfluß des Alters .des Ausgangs- materials für die praktische Züchtung von außerordentlicher Bedeutung und für die Wissenschaft im Hinblick auf die Frage der Veränderlichkelt der Gene von großem Interesse sein müßte, so schien mir eine Wieder- holung der Versuche Zederbauers erwünscht.

Für die im Jahre 1919 in Dahlem begonnenen und 1920 in Sorau fortgesetzten Versuche wurden nach dem Beispiel Zederbauers die Markerbse „Wunder von Amerika“ und die Kneifelerbse „De Gräce‘“ ?) benutzt. Beides sind niedrige, weißblühende Erbsensorten, erstere mit großen grünen, eckig runzligen, letztere mit rundlichen, glatt-gelben Samen. Um zur gleichen Zeit über Individuen verschiedenen Alters verfügen zu können, wurden von jeder der beiden Sorten Samen in Zwischenräumen von einer Woche ausgesät. Die Sorte Wunder von Amerika diente in meinen Versuchen stets als Mutterpflanze, da die in beiden hier in Frage stehenden Samenmerkmalen rezessiven Pflanzen am ehesten eine Beeinflussung durch eine Bastardierung mit den gelb- glattsamigen Vaterpflanzen erkennen lassen mußten. Die Bestäubungen wurden so vorgenommen, daß bald gleichalte Blüten (d. h. Blüten der- selben Zahl in der Aufblühfolge) zur Kreuzung benutzt wurden, bald frühe mit Pollen von späteren, bald spätere mit Pollen von früheren Blüten bestäubt wurden. Nach dem Vorgang von Zederbauer seien Bestäubungen zwischen einander entsprechenden Blüten im folgenden kurz als isochrone, solche zwischen verschieden alten Blüten als hetero- chrone bezeichnet. _

Indem ich eine Kritik der Mitteilungen Zederbauers auf den

1) Zederbauer: Zeitliche Verschiedenwertigkeit der Merkmale bei Pisum sativum 1914 und: Alter und Vererbung 1917. 2) Bezogen von Benary-Erfurt,

3 2 Ze share Ka Zn Pe rn u N er. a FU RE =

Tabelle I.

I. Samengeneration aus verschiedenartigen Bestäubungen Wunder von Amerika 2 X De Gräce g.

E =] = Anzahl der Anzahl der 3 Vers. Nr. Art der. Bestäubung erhaltenen Aussehen der Samen erhaltenen = Samen . Keimpflanzen 3 S 2 48 I. Blüte X I. Blüte 8 Samen groß, in Richtung der Hülsenlängsachse zusammen- 8 8 Ei gedrückt und etwas eingedellt, Testa grün, in der Nabel- = & gegend gelblich durchscheinend. Kotyledonen goldgelb. E 49 II. Blüte X II. Blüte | = 6 Samen leicht runzlig, durchscheinende gelbe Partien größer. 6 5) =) > 5 50 III. Blüte X III. Blüte 7 Samen ziemlich klein, fast ganz grün aussehend. | 7 En ß 5 S : 3 38 ü S 51 1I. Blüte X I. Blüte | 8:0 7 Samen wie Nr. 48. fi & xs D 52 II. Blüte X I. Blüte | &5 7 Samen wie Nr. 48. | 7 Q ES HERE ß - S 53 IM. Blüte X V1. Blüte 6 Samen kleiner als vor., Testa teilweise durchsichtig (gelb). 6 8 = = 54 II. Blüte X VI. Blüte | 2 6 Samen etwas runder als Nr. 48. 5 bar } un Q 8 fe) S 55 II. Blüte X VI. Blüte 5 8 Samen kleiner und runder als Nr. 48. 8 Rz Re \ = 56 II. Blüte X VI. Blüte ( ® 4 Obere Samenhälfte gelb durchscheinend. 4 © =: = BD Z 57 II. Blüte X VII. Blüte | X 7 Kotyledonen etwas grünlich, nicht ausgereift ? 0 58 II. Blüte X VII. Blüte | * 7 Samen alle goldgelb. 7 + Q 59 IT. Blüte X VII. Blüte ] 7 Samen alle goldgelb. 6

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H. Kappert, Ist das Alter der zu Kreuzungen verwandten Individuen usw. 225

Schluß meiner Ausführungen verschiebe, seien hier zunächst nur die Ergebnisse meiner eigenen Untersuchungen mitgeteilt.

Von allen ausgeführten Bestäubungen der sehr frühzeitig und sorg- sam kastrierten Blüten der Wunder von Amerika-Pflanzen mit Pollen von De Gräce gelangen insgesamt zwölf, bei den übrigen fielen die Blüten ab oder die Früchte verkümmerten. Drei der gelungenen Bestäubungen waren Kreuzungen gleichaltriger Blüten, beizweien war die Blüte der Mutter- pflanze älter als die den Pollen liefernde, bei dem Rest waren frühe Blüten der Mutterpflanze mit Pollen später Blüten des andern Elters bestäubt worden. Zusammen erhielt ich 80 Bastardsamen. Die Tabelle I gibt über das Aussehen der ersten Samengeneration Auskunft. Hier- nach sind die Samen der einzelnen Bestäubungen zwar weder hinsicht- lich ihrer Größe, noch ihrer Form oder Farbe durchaus eleichmäßig, aber eine Beziehung zwischen dem Aussehen der ‘Samen und der Art der Bestäubung, ob iso- oder heterochron, ist nicht zu erkennen. So gibt es z. B. unter den isochronen Bestäubungen große (Vers. Nr. 48) und kleine Samen (Nr. 50), von den heterochronen fielen Nr. 53 und 55 als relativ kleinsamig auf. Auch in bezug auf die Farbe, die sowohl von der Färbung der Testa wie der Kotyledonen abhängt, läßt sich für die verschiedenen Bestäubungen keine Regelmäßigkeit feststellen. So hat die isochrone Bestäubung Nr. 50 fast ganz grüne Samen ge- geben, Nr. 48 grüne, in der Nabelgegend etwas gelbliche. Von den Samen der heterochronen Bestäubungen sind die meisten grün mit gelb- lichen Flecken, die der Nummern 58 und 59 aber sind geoldgelb. Auch in der Form der Samen finden sich Unterschiede, da die einen Bestäu- bungen mehr runde, die andern ausgesprochen längliche Samen gegeben haben. Es sind aber auch hier keine Zusammenhänge zwischen Form des Samens und Art der Bestäubung erkennbar. Die beobachtete Ver- schiedenartigkeit muß daher anderen Ursachen, vielleicht den Wachs- tumsbedingungen der Samen in der Hülse oder anderen zufälligen Ein- flüssen zugeschrieben werden. In dem einen, hier allein ent- scheidenden Punkte,-der Farbe der Kotyledonen, sind alle Samen zleich, jede Bestäubung gab, wie durch Anschneiden der Testa -testgestellt wurde, Samen mit soldgelben Kotyledonen, die zuweilen zwar etwas ein- gedrückt, aber nie typisch runzlig waren. Eine Ausnahme machte die Bestäubung Nr. 57 insofern, als alle 7 Samen derselben eine etwas grünliche Färbung der Kotyledonen zeigten, doch waren diese Samen entweder krank oder nicht ausgereift, denn aus ihnen ging keine einzige Keimpflanze hervor, sondern die Samen verfaulten in der Erde. Die andern 73 Samen brachten dagegen mit Ausnahme von zweien gesunde Pflanzen. Die Frage also, ob das Alter der Blüten bei Bestäubungen von Einfluß auf die Bastardcharaktere der ersten Generation ist, muß für die vorliegenden Versuche verneint werden.

Um zu prüfen, ob verschiedenes Alter der zur Bestäubung benutzten Blüten die Spaltungszahlen in der zweiten Generation zu beeinflussen

42. Band. 15

Kae a u un ac ui em. u,

Tabelle LI. |

Die Spaltungsverhältnisse in der II. Samengeneration verschiedenartiger Bestäubungen.

Vers.-Nr.

Art der Bestäubung

Zahl der

Gefundene Verhältnisse der gelben und grünen

Erwartete Spaltungsverhältnisse -

Gefundene Verhältnisse glatter und runzliger

336 H. Kappert, Ist das Alter der zu Kreuzungen verwandten Individuen usw.

Pu Samen Samen Samen 48 ER 635 460 : 175 476,3: 158,7 +10,91 460 : 175 49 5 | IXU 464 351: 113 348 :116 +9,83 336::128 50 E II X IM 310 239.78 232,5: 77,5 +7,62 254: 56 | Sa. 140) 1043 : 366 1056,8: 352,2 + 16,25 1050 : 359 51° 88 17 4 335 259: 76 91,8: 83,7 47,8 250:85 52 3x N Il SAL 266 196: 70 199,5: 66,5 + 7,06 202: 64 Di 32 | Sa. 601 455 :146 450,8: 150,2 + 10,61 452 :149 53 KL 347 262 :85 260,3: 86,7+ 8,06 261:86 54 3| mx 297 166: 61 170,3: 56,7 +6,52 172:55 55 x IX VI 492 362: 130 369 :123 +9,62 358: 134 56 TE 462 346: 116 346,5:115,5+9,3 333 :129 = 1 (zus. 1528) (1136 : 392) (1146 : 382 + 16,93) (1124 : 404) 58 E | IIX VI 508 384:124 381 :127 +9,76 395 :123 9 & | I SEIEN 480 329 :110 329,3: 109,7 + 9,07 336 : 103 Ks (zus. 947) (713:234) (710,3 :236,7+ 13,32) (721: 226) el Sa. 9475 1849 : 626 1856,3:: 618,7 + 21,54 1845 : 630

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H. Kappert, Ist das Alter der zu Kreuzungen verwandten Individuen usw. 927

imstande sei, wurden die Bastardsamen aus jeder Bestäubung für sich ausgepflanzt. Von 80 Samen wurden, wie erwähnt, 71 Pflanzen mit insgesamt 4485 F,-Samen erhalten. In Tabelle II sind die Zahlenver- hältnisse der gelben und grünen sowie der glatten und runzligen Samen für jede Bestäubung getrennt aufgeführt. Außerdem sind die Resultate gleichartiger Bestäubungen noch zusammengefaßt, um größere Zahlen zur Beurteilung zu erhalten. Diese letzteren zeigen nun, dab in sämt- lichen Versuchen die Abweichungen der gefundenen Verhältniszahlen von der theoretisch zu erwartenden Zahl außerordentlich gering sind, sie bleiben in allen Versuchen kleiner als der einfache mittlere Fehler! Wenn also die Bestäubungen alt X jung etwas mehr gelbe und glatte Samen, und die Bestäubungen Jung X alt etwas weniger gelbe und glatte Samen gaben, als bei idealem Spaltungsverhältnis zu erwarten wäre, so können diese bei der Geringfügigkeit der Abweichungen doch nicht als Wirkung des verschiedenen Alters der Elterpflanzen aufge- faßt werden. Beachtet man noch, ‘dab bei den Bestäubungen zweite Blüte X sechste Blüte die Zahl der gelben und glatten Samen geringer, bei den Bestäubungen zweite X siebente Blüte die Zahl derselben jedoch größer als die zu erwartende ist, während doch bei Abnahme der

Wertigkeit des Merkmales mit zunehmendem Alter das umgekehrte

Verhalten zu erwarten wäre, so geht daraus zweifelsfrei hervor, daß ein Einfluß des Alters der Elterpflanzen auch in den Spaltungszahlen ° der F,-Generation in diesen Versuchen nicht nachzuweisen ist. Auch daß dies einzelnen Bestäubungen derselben Art bald mehr. bald weniser selbe und. glatte Samen, als zu.er: warten wären, hervorbringen, spricht für die Unab- hängigkeit des Spaltungsverhältnisses in F, von dem Alter der-zwr-Bestäubune verwandten R-Pflanzen:

Wie ist nun aber der Widerspruch zwischen den hier mitgeteilten und den zahlreichen von Zederbauer angeführten Versuchsresultaten zu erklären?

Das zuletzt?) von Zederbauer als Beweis für die vom Alter der Elterpflanzen abhängige Verschiedenwertigkeit der Merkmale: glatte und gelbe Kotyledonen angeführte Spaltungsverhältnis in F, einer hetero- chronen Kreuzung: Wunder von Amerika I. Blüte x De Gräce V. Blüte läßt ganz offenbar den Einwand zu, daß die Kreuzung nicht ‘gelungen war. Die erste Samengeneration dieser Kreuzung bestand nach den Angaben Zederbauers aus 4 grüngelben, runzligen, kubischen Kör- nern. Die zweite Generation bestand aus 224 runzligen Samen, von denen 194 grün, 30 grüngelbfleckig waren. In der dritten Generation traten unter 7517 Samen 4 gelbe auf. Ebenso wurden hier insgesamt 39 glatte Samen gefunden. Die erste wie die zweite Samengeneration zeigen also überhaupt kein Merkmal der Vaterpflanze. Auch in dem Auftreten der gelbgrünen Samen ist durchaus kein Beweis für den Einfluß des De Gräce-Elters zu sehen, da es eine längst bekannte Tat-

3) l. c. 1917.

1

398 H. Kappert, Ist das Alter der zu Kreuzungen verwandten Individuen usw.

sache ist, daß grünrunzlige Erbsen unter gewissen äußeren Einflüssen die. Neigung zu gelblichen Verfärbungen haben. Bei der Durchsicht einer in Sorau gekauften Samenprobe von Wunder von Amerika-Erbsen fand ich unter 267 Samen 192 grüne, 16 gelbgrüne und 59 mehr oder weniger gelbe*+) Samen, also ungefähr 28 % nicht rein grüne Samen. Zederbauer fand dagegen in der zweiten und dritten Samengene- ration seiner vermeintlichen Kreuzung nur 13,7 bezw. 13,4% nicht rein grüne Samen, also eine Zahl, die in Anbetracht der erwähnten Variabilität der Samenfärbung nichts auffallendes hat. Das Auftreten rein gelber und glatter Samen in F, ist ebenfalls in so geringen Zahlen erfolgt, 0,1 bis 0,5 %, daß es als wahrscheinlich anzunehmen ist, dab diese Samen einer Fremdbestäubung durch Insekten, die nach meinen Beobachtungen bei den Erbsen gar nicht so selten vorkommt, ihre Entstehung verdanken. =

Auch die 1914 von Zederbauer mitgeteilten Vorversuche machen durchaus den Eindruck, daß die von ihm entwickelten Hypothesen auf mißlungene Kreuzungsversuche gegründet wurden. Eine der, hetero- chronen Kreuzungen dieser Versuche, Wunder von Amerika I. Blüte X De Gräce Il. Blüte gab in der zweiten Generation nur runzlige Samen,

bei 2 von 4 Pflanzen traten einzelne Körner mit gelben Flecken auf, die

übrigen Samen waren grün. Eine andere heterochrone Kreuzung da- gegen, bei der die dritte Blüte von Wunder von Amerika mit der vierten Blüte des anderen Elters bestäubt war, gab 2900 grüne, sonst gelb- srüne und gelbe Samen, eine isochrone Bestäubung gab 20 % grüne Samen, eine Differenz, die bei der geringen Gesamtzahl durchaus den Charakter des Zufälligen hat. Daß die aus der stark heterochronen Kreuzung Wunder von Amerika I. Blüte x De Gräce V. Blüte ge- zogenenPflanzen hochwüchsiger waren als die Eltersippen, dürfte kaum als überzeugender Beweis für das Gelingen der Kreuzung anzusehen sein. Das Auftreten der gelben Flecken auf einzelnen Samen aber ist sicher auf die oben erwähnten, bei grünrunzligen Erbsen häufiger vor- kommenden zufälligen Verfärbungen zurückzuführen.

Die in der gleichen Arbeit (1914) wiedergegebenen Hauptversuche

Z,ederbauers, die leider nicht über die erste Samengeneration hin-

aus fortgeführt sind, sprechen ebenfalls nicht für einen Einfluß des Alters bei den Bestäubungen. Zunächst muß es auffallen, daß gleich- artige Kreuzungen je nach der Pflanze, die bei den Versuchen als Mutter diente, verschieden ausfallen. So gaben alle 5 isochronen Bestäubungen, bei denen Wunder von Amerika die Mutterpflanze war, außer glatten auch runzlige Samen, zusammen 20 0%. Bei der reziproken Kreuzung, wo die glattsamige Varietät als Mutterpflanze diente, wurde hingegen

-

bei 7 verschiedenen Bestäubungen keine einzige runzlige Erbse erhalten.

4) Das Gelb solcher Samen unterscheidet sich von der Farbe der gelben Sorten ziemlich deutlieh. Während die gelbsamigen Sorten goldgelbe Kotyledonen haben, ist das Gelb der verfärbten Körner grünsamiger Sorten mehr fahlgelb.

+

in. BETREUEN NEE TEE RIEGEEEN-

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H. Kappert, Ist das Alter der zu Kreuzungen verwandten Individuen usw. 229

Schon dieses läßt die Vermutung zu, dab die Kreuzungen teilweise mib- lungen sind. Weiter fällt in dem mitgeteilten Versuchsprotokoll Zeder- bauers auf, daß bei den Kreuzungen Wunder von Amerika © X De Gräce © in jedem Falle die Anzahl der in einer Hülse gefundenen runzligen Erbsen mit der in derselben Hülse aufgetretenen Zahl rein srüner Samen übereinstimmt. Es liegt nahe, zu vermuten, daß eben die runzligen Erbsen auch grün waren, d: h., daß sie in beiden Merkmalen mit den aus Selbstbestäubung hervorgegangenen Samen der Mutter- pflanze übereinstimmten, was die Vermutung, daß ihr Auftreten auf einen Fehler beim Kastrieren zurückzuführen ist 5), noch besonders wahrscheinlich erscheinen läßt. Auch die Unterschiede in der Fär- bung der Samen (gelb, grüngelb, grünlichgelb), die zur Stütze der An- sichten Zederbauers herangezogen werden, können nicht ohne grobe Bedenken hingenommen werden, da sich die Vermutung ‚nicht von der Hand weisen läßt, daß Zederbauer nicht die Farbe der Kotyledonen, die allein Bastardmerkmal ist, sondern die Färbung der intakten Erbsen, die durch Kotyledonen un d Samenschalenfärbung bestimmt wird, beschreibt. (Bei den in Rede stehenden Erbsen sind die Samenschalen nicht selten mehr oder weniger grün gefärbt. Vgl. auch Tabelle I.) Aus der Darstellung eines anderen Versuches geht sogar ganz zweifellos hervor, daß Zederbauer die Färbung des im Samen liegenden Bastardembryos und die Färbung des ihn umschließenden mütterlichen Gewebes nicht auseinanderhält, sondern die eine wie die andere von dem Alter des zur Bestäubung benutzten Individuums beeinflußt werden läßt: Bestäubungen später Blüten der graugrünen (Testafärbung!) Riesenschwertdelikateß-Erbsen mit frühen Blüten der gelbsamigen Erbse: Vickschotige Butter gaben in der ersten Samengeneration gelblich-grau- srüne Samen oder graugrüne mit gelbem Fleck®6). Da nun bei den Erbsen echte Xenien bisher überhaupt noch nicht sicher nachgewiesen werden konnten, so kann der Ausfall der letzterwähnten Kreuzun.gen nur als Beweis dafür gelten, daß es sich beiden vonZederbauerbeobachteten Verfärbungen der Bastardsamen wohl nur um zufälligeVerfärbungen ge- handelt hat und daß diese Zederbauer einen Einfluß des Alters der’Vaterpflanzen vorgetäuscht haben. Ob die an anderer Stelle?) veröffentlichten Spezieskreuzungen Zederbauers zwischen Primula officinalis und P. acaulis sowie zwischen Pinus silvestris und austriaca, die bei gewissen heterochronen Bestäubungen Nachkommen gaben, die der Mutter ähnlicher sein sollten, beweiskräftiger sind als die Erbsenversuche, kann ich nicht entscheiden. Nach dem entgegengesetzten Ausfall der von mir wiederholten Ver-

5) Das Kastrieren der Blüten macht gerade bei Zwergerbsen große Schwierigkeiten, da die Pollensäcke außerordentlich früh aufzuplatzen pflegen.

6) 1. ec. 1914, S. 25. (Die Kotyledonen beider Sorten sind goldgelb.)

7) Verhandlungen der k. k. zoolog.-bot. Gesellsch. 1917 (Ref, Zeitschr. f. Pflanzen- züchtung 1917, S. 379).

330 H. Kappert, Ist das Alter der zu Kreuzungen verwandten Individuen usw.

suche mit den Erbsen halte ich eine Deutung derartiger Ergebnisse ohne Zuhilfenahme des ‚„Faktors Zeit“ für sehr wohl möglich und auch wohl den Tatsachen -entsprechender. - : Eine weitere, von Zederbauer erörterte Frage beschäftigt sich mit dem Auftreten der grünen und runzligen Samen in den verschiedenen Hülsen ein und derselben Bastardpflanze. Während bisher von dem angeblichen Einfluß des Alters auf die Wertigkeit der Erbanlagen in den Keimzellen die Rede war, handelt es sich hier um den Versuch, einen Zusammenhang zwischen Alter der Bastardpflanze und den bei der Befruchtung entstehenden Gen-Kombinationen nachzuweisen. Veran- lassung dazu gab eine Beobachtung Zederbauers, dab das Merk- mal runzlig und grün erst in den mittleren und oberen Hülsen bei zwei Bastardpflanzen auftrat. Wenn man mit dieser Angabe die in Tabelle III

Tabelle III.

Spaltungsverhältnisse der Samen gleicher Hülsen (II. Samengeneration).

De E

Hülsen: I II III IV V VI VII | VIII | IX E

Gefundene 2 Spaltungsver-'g73:71258:98 | 297:109 | 269:90 | 304:85 | 249:97 | 214:72 | 176:59 | 80:28 [308 gelb-grün

er

Erwartete |258:86 267:89 304,5:101,5/269,3:89,81291,8:97,3259,5:86,5,214,5:71,5/176,3:58,8,87,8:29,3 Spaltungsver- 4 hältnisse |+8,03| #817 | +8,73 +8,21 |5+854 .#7,96 # +7,32, | 66,64, |. 34,09 auge

Gefundene = Spaltungsver-»9.990654.102| 301:105 | 275:84 | 295:90 | 253:93 | 217:69 | 180:55 | 77:40 45:

hältnisse glatt-runzlig

zusammengestellten Ergebnisse meiner Versuche vergleicht, so ist aller- dings die Übereinstimmung der gefundenen Spaltungsverhältnisse gelb: grün und glatt:runzlig bei einer Zusammenzählung der Samen gleich- wertiger Hülsen mitunter weniger gut als bei Zusammenfassung aller Samen einer Pflanze. Es bleibt jedoch auch hier der Fehler innerhalb der theoretisch zu erwartenden Grenzen, sodaß die Frage, ob in be- stimmten Hülsen Samen mit dem einen oder dem anderen Merkmal vorzugsweise gebildet werden, offen bleiben muß. Bei der einfach blühen- den, gefüllte abspaltenden Levkoje ist das vorzugsweise Auftreten von Samen, die gefüllte Pflanzen geben, in den oberen Schoten bekannt und bereits so erklärt worden, “daß die in den letzten Schoten einer Pflanze herrschenden schlechteren Ernährungsbedingungen die Entwick- lung der weniger lebenskräftigen Embryonen mit der Anlage für ein- fachere Blüte hemmen und ein. vorzeitiges Absterben dieser Pflanzen bedingen sollen. Von einem Bastard zwischen Canna indica und Canna

Wilh. Goetsch, Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen. 231

glauca gibt Honing?) an, daß in verschiedenen Jahren aus den durch Selbstbestäubung erhaltenen Samen Nachkommenschaften gezogen wur- den, die sich durch auffallende Abweichungen in den Spaltungsverhält- nissen gewisser Merkmale unterscheiden. Honing vermutet in diesen Verschiedenheiten Einflüsse des Alters der Bastardpflanze. Renner?) erklärt die Inkonstanz des Spaltungsverhältnisses analog den von ihm bei Oenotheren gefundenen Verhältnissen, wo eine Pollenklasse, die gewisse Erbfaktoren überträgt, sich unter bestimmten, vom Alter des -Pollens und vielleicht auch von Witterungseinflüssen abhängigen Be- dingungen ein schnelleres Wachstum zeigt, sodaß unter solchen Um- ständen gewisse Gen-Kombinationen häufiger auftreten können als andere. Wie weit auch das Alter der die Keimzellen liefernden Pflanze oder äußere Bedingungen das Spaltungsverhältnis in F, beeinflussen können, soll in Versuchen mit einer mehrere Jahre lang blühenden Pflanze. untersucht werden. Nach Abschluß der im vergangenen Jahre besonnenen Versuche wird über die Ergebnisse berichtet werden. Sorau, N.L., im Februar 1922.

Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen.

IE eil. Lebensdauer und geschlechtliche Fortpflanzung bei Hydren.

Von Wilhelm @oetsch, München. (Mit 5 Abbildungen.)

Im ersten Teil dieser Untersuchungen !) konnte gezeigt werden, daß es bei Hydren nicht möglich ist, die bei normaler Lebensweise ge- schaffenen Materialien dauernd dem Individuum zuzuführen, seine Verluste dadurch zu ergänzen und die Fortpflanzung zu unterdrücken. Die Vermehrung trat vielmehr doch ein, vor der Wiederherstellung des Individuums, dessen Restituierung erst in zweiter Linie kam.

Für eine „Unsterblichkeit“ eines beliebigen Hydra-Exemplars macht diese Feststellung, so prinzipiell wichtig sie sein mag, indessen wenig aus, denn das individuelle Leben wird durch die Ablösung von Knospen keineswegs aufgehoben. Es bleibt vielmehr in weit höherem Maße erhalten, als bei Protozoen und anderen Tieren, die ın zwei Stücke zerfallen. Bei einer Knospung von Hydra gehen ja nicht große differenzierte Teile des mütterlichen Körpers verloren, die erst wie bei einer Teilung durch regenerative Prozesse ersetzt werden müssen. Darin liegt ja gerade der Unterschied zwischen beiden Vermehrungs- arten. „Die propagative Teilung besteht in einer Trennung von bereits vorhandenen Teilen eines Organismus, von denen jeder wieder

8) Honing, Versl. Kon. Akad. Wet. Amsterdam Nat. Afd. 1916.

9) Renner, Zeitschr. für Bot. 11. Jahrg. 1919.

1) Goetsch, W., Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen, Biolog. Zentralbl, Bd. 41, 1921.

232 Wilh. Goetsch, Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen.

zu einem Ganzen regeneriert. Die Knospung erzielt ebenfalls eine Vermehrung, aber auf einem anderen Wege, nämlich dadurch, daß der ursprüngliche Organismus als das eine Sonderungsprodukt weiter existiert, während das andere Sonderungsprodukt, die Knospe, erst

durch Neubildung aus dem ersteren hervorgeht.“ So stellt Goette

neuerdings diesen Unterschied wieder fest ?). Anders liegt es bei der geschlechtlichen Vermehrung; im allge- meinen wird mit Ei- und Samenbildung, die von seiten des Mutter-

tieres viel mehr Material zu ihrer Ausbildung brauchen, das indivi-

duelle Leben einer Hydra ihren’ Abschluß finden.

Liegt das Absterben der Sexualtiere bei Hydra direkt im Wesen der geschlechtlichen Vermehrung begründet?

Das ist die zweite Teilfrage dieser Untersuchungsreihe, die wir hier erörtern wollen.

Krapfenbauer°) hat in einer Arbeit gezeigt, daß bei einer Fort- pflanzungsperiode nicht alle Exemplare zugrunde zu gehen brauchen und andere Forscher‘) haben ebenfalls bei Hydrakulturen feststellen können, daß durch sogenannte Zusatzknospen beim Abflauen von Ei- und Spermaproduktion einzelne Individuen wieder zur ungeschlecht- lichen Fortpflanzung übergehen können. Solche Fälle werden je- doch meist als Ausnahmen angesehen, und sollen sich nach P. Schulze *) ın der Hauptsache auf Weibchen beschränken, die unbe- fruchtete Eier lieferten, sowie auf Männchen, die zu ihrer Hodenbil- dung nicht soviel Material verbrauchen, als die weiblichen Tiere. Für die männlichen Exemplare getrennt geschlechtlicher Arten könnte man die Frage, ob Geschlechtlichkeit mit Tod verbunden ist, demnach schon jetzt verneinen und auch ihren ungeschlechtlichen Nachkommen müßte dann von dieser Seite kein Tod drohen, da nach bisherigen Meinungen alle Knospen das gleiche Geschlecht besitzen sollen°).

Diese Ansicht muß jedoch revidiert werden. In ein und der- selben, von einem einzigen Tier abstammenden Kultur habe ich im Laufe des Frühjahrs 1921 zweimal Geschlechtsumkehr feststellen können.

Am 1. März 1921 isolierte ich ein Exemplar einer gono- choristischen Aydra-Kultur in einer Boverischale und beobachtete sie bis Ende März. Zu dieser Zeit bildete sie Hoden aus und dokumentierte sich somit als Männchen. Eine ihrer Knospen

2) Goette, A., Über die ungeschlechtliche Fortpflanzung von Mierohydra rhyderi.

Zool. Anz. Bd. LI, 1920. 3) Krapfenbauer, A., Einwirkung der Existenzbedingungen auf die Fortpflan- zung von Hydra. Diss. Phil. Fak. München 1908.

4) Schulze, P., Neue Beiträge zu einer Monographie der Gattung Hydra. Arch. f. Biontologie 4, 1917.

5) Schulze, P., Bedeutung der interstitiellen Zellen. Sitz.-Ber. der Ges. -

Naturforschender Freunde. Berlin 1918, H.7,

-

Wilh. Goetsch, Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen. 233

fi

wurde seit .25. März weitergezüchtet mit allen ihren Nach- kommen, deren Zahl bis Ende Mai auf nicht ganz 100 ange- wachsen war. In dieser Kultur, die die ganze Zeit über reichlich gefüttert worden war, traten zweimal eine große Anzahl weiblicher Tiere auf; Mitte Mai und Mitte Juni. Zu dieser Zeit sonderte ich eine Anzahl von Exemplaren, die nochkeinerlei Anzeichen irgend welcher Fortpflanzungsorgane aufweisen konnten, aus der Kultur aus und brachte sie am 17. Juni in eine Temperatur von durchschnittlich 10 bis 12°, und unter diesen Kältetieren fand ich am 23. Juni ein Exemplar mit einem kleinen knopfförmigen Gebilde, über dessen Natur ich mir zunächst nicht ganz im Klaren war. Als in ihm tags darauf leb- hafte Spermabewegung zu beobachten war, konnte man nicht mehr im Zweifel sein, daß man ein Männchen vor sich hatte.

Diese meinen bisherigen Erfahrungen zuwiderlaufende Tatsache einer Geschlechtsumkehr konstatiere ich hier ohne eine längere Dis- kussion deshalb, um zu zeigen, daß vielleicht auch männliche Hydren und deren Nachkommen zur Eiproduktion übergehen können und demnach von derselben Seite her in ihrem Leben bedroht sind.

Was verursacht nun die Hinfälligkeit einer Hydra, die Eier pro- duziert hat? Die Ursachen werden uns klar werden, wenn wir die Abbildungen 1—4 betrachten, deren Umrisse alle in der gleichen Ver- größerung gezeichnet sind.

Der Skizze von Abb). 1 lag ein Querschnitt zugrunde durch die oberen Teile einer Hydra, die nicht von der Ovarbildung in Mit- leidenschaft gezogen waren. Wir sehen da in der inneren und äußeren Schicht den normalen Aufbau des Körpers aus dichten Zellen, ge- trennt durch die Stützlamelle, an der sich die Durchschnitte der ek- todermalen Längs- oder entodermalen Quermuskeln feststellen lassen. Das Ektoderm zeichnet sich außerdem noch durch viel interstitielle Zellen (I.Z.) aus, dem so wichtigen Reserve- und Neubildungsmaterial. Ganz anders stellt sich ein Querschnitt durch die Körperregion dar, in deren Umkreis Eibildung stattgefunden hat. Die Zellen sind weder innerhalb noch außerhalb der Stützlamelle dicht und fest, sondern vielmehr blasig und leer. Und wenn trotz des aufgetretenen Aus- sehens der Einzelelemente der Umfang eines solchen Schnittes be- beutend geringer ist, wie ein Vergleich von Abb. 1 und 2 lehrt, so ist das ein Zeichen dafür, daß eine große Zahl Zellen überhaupt ver-

'schwunden sein müssen. Von Muskelfibrillen ist nichts zu bemerken.

In der Tat fehlt den Tieren auch an solchen Stellen jede Ausdeh- nungsmöglichkeit. Da auch Nesselkapseln und sonstige Differenzie- rungen nicht vorhanden sind, besteht ein solcher Abschnitt fast aus- schließlich aus stark vakuolisierten Zellen, die häufig so wenig fest miteinander verbunden sind, daß eine kleine Wasserströmung genügt, um die Tiere hier zerreißen zu lassen.

Daß keine interstitiellen Zellen vorhanden sind, wird nicht weiter verwunderlich erscheinen, sie sind alle bei der Ovarbildung verbraucht

234 Wilh. Goetsch, Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen.

worden. Und da auf diese Weise alles Reservematerial verschwunden ist, kann für die abgenützten Zellen kein Ersatz geschafft werden. Die Folge davon ist, daß sie sowohl im Ektoderm wie im Entoderm an Zahl geringer werden; daher die Verkleinerung des Durchschnitts.

Abb. 1. Abb. 2.

Abb. 1. Querschnitt durch einen oberen unveränderten Teil einer © Hydra. Die Umrisse sind bei allen Abbildungen mit Zeichenapparat in gleichem Verhältnis gezeichnet; das übrige etwas schematisiert. Z%k = Ektoderm mit dunkel ge- zeichneten Insterstitiellen Zellen (J.Z.). En = Entoderm. Beide Schichten sind getrennt durch die Stützlamelle (St.), an deren Außenseite die quergetroffenen Längsmuskelfasern erkennbar sind; innerhalb von St. Ausläufer der Quermusku- latur.

Abb. 2. Querschnitt durch einen weiter unten liegenden Teil derselben Hydra, der durch Eiproduktion verändert ist. Zeichnung und Bezeichnung wie in Abb. 1. Entoderm und Ektoderm blasig, ohne Muskulatur. Instertitielle Zellen fehlen.

Abb. 4.

Abb. 3. Querschnitt durch Teile einer Hydra unterhalb der Eibildungsstelle, an der in Abb. 5 mit /II—III bezeichneten Stelle. Aussehen von #% u. En ungefähr wie in Abb. 1.

Abb. 4. Querschnitt durch den Stiel.

Die, welche noch vorhanden sind, haben die etwa in ihnen vorhandenen

Reservestoffe abgegeben und sind dadurch so vakuolisiert, daß Stellen,

die Ovarien trugen, immer eine Ähnlichkeit mit dem gleichfalls material-

armen Stiel bekommen. (Man vergleiche z. B. Abb. 1 u. 4 mitein-

ander).

u

Wilh. Goetsch, Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen. 235

Dabei ist es aber nicht richtig zu sagen, daß durch die Eıpro- duktion der Stielteil länger wird, denn auch die Stellen, die zwischen noch nicht ausgesogenen Partien liegen, bekommen ein derartiges Aussehen

Der Schnitt der Abb. 2 ist beispielsweise einem Exemplar von H. attenuata entnommen, das wie Abb. 5 aussah; d. h. wir haben in

3 f

Abb. 5. Hydra attenuata mit 3 Eiern und Knospe oberhalb der Eier. „Sanduhr“- Form. Die Zahlen /—/V geben die Stellen an, durch die in Abb. 1—4 die Sehnitte geführt wurden.

der Abb. 2 eine Stelle vor uns, unter der noch nicht ausgesogenes (Gewebe vorhanden war. Auch in anderer Hinsicht ist die Gleich- setzung von Stiel und ovartragender Partie nicht ganz berechtigt, da die Ähnlichkeit beider Teile rein äußerlicher Art ist und nur auf

235 Wilh. Goetsch, Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen,

einer gewissen Materialarmut beruht, bei der ganz bestimmte Unter- schiede zu erkennen sind. Der Stiel enthält nämlich noch stets funk- tionsfähige Zellen, wenigstens im Ektoderm, die. an den Basalteilen zu besonderen, der Anheftung dienenden Drüsenzellen differenziert werden. Und wenn auch in der beiden Partien mangelnden Ausdeh- nungsfähigkeit eine funktionelle Ähnlichkeit zu konstatieren ist, so wird der Stiel doch trotz der Vakuolenbildung niemals so morbid wie die von den Eiern ausgesogenen Stellen, die, wie bereits erwähnt, außer- ordentlich leicht zerreißen.

Daß bei einer solchen Hinfälligkeit einzelner Regionen eine Hydra so beschädigt sein kann, dass sie sich nicht wieder erholt, wird nicht wundernehmen. Je mehr Eier gebildet werden, desto größer ıst die Gefahr, daß fast alles den heranwachsenden, auf dem Muttertier förm- lich parasitierenden Eiern in Anspruch genommen wird.

Dazu kommt noch, daß diese in Gang gekommene Herabsetzung der Lebensenergie dadurch beschleunigt wird, daß bei den Tieren die Möglichkeit, Nahrung aufzuehmen und damit für die verloren ge- gangenen Elemente Ersatz zu schaffen, immermehr verschwindet. Bei allen Tieren einer Geschlechtsperiode konnte ich beobachten, daß der Fang und die Bewältigung der Beute von Tag zu Tag schwerer wird. Es liegt dies vermutlich daran, daß die interstitiellen Zellen in großer Anzahl für die Ovarien in Anspruch genommen sind; dadurch ist die Möglichkeit eines Ersatzes der Nesselkapseln gering geworden, und damit auch die Möglichkeit, Beute zu fangen. Diese Unmöglichkeit, vorbeischwimmende kleine Krebschen festzuhalten, ist aber noch nicht das Ausschlaggebende. Das ist vielmehr darin zu suchen, daß die Tiere auch dann, wenn sie Beute fangen, sie nicht, bewältigen und ins Innere aufnehmen können. Die Ursache liegt in der schon an- geführten Unmöglichkeit, den Körper an den ausgesogenen Stellen auszudehnen. Sie können wohl die Mundpartien, die niemals von der Eiproduktion mit angegriffen werden, erweitern und über die Böute stülpen; dieselbe aber wirklich in sich aufzunehmen vermögen sie nicht. Ich konnte mich bei Hydren stets davon überzeugen, - daß gefangene Daphnien nicht hinabzurutschen vermochten, wenn die Ovarbildung weit hinaufgegangen war. Bei derartigen ver- geblichen Versuchen verloren dann die Hydren immer mehr Nessel- kapseln, und da die Möglichkeit ihres Ersatzes immer schwieriger wird, ist schließlich jeder Fang unmöglich. Ist es schließlich soweit ge- kommen, so geht ein solches Tier bald der Auflösung entgegen, und in der Natur wird schließlich jede Hydra, die Feinden und Katastrophen entgangen ist, ein derartiges Ende finden.

Und doch ist die Eibildung nicht notwendigerweise mit dem Tode verknüpft, wenn sie auch meistens. von ihm begleitet zu sein pflegt. Ovarien können zwar an allen Teilen des Körpers entstehen ° und die betroffenen Regionen aussaugen, die dann der Degeneration verfallen. Häufig bleiben jedoch einzelne Partien verschont, und be-

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Wilh. Goetsch, Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen. 237

sonders geschieht dies dann, wenn die entstehenden weiblichen Ge- schlechtsorgane ziemlich hoch am Tier ihren Anfang nehmen. An den von der Aussaugung freigebliebenen unteren Stellen kann dann, wie bereits früher Krapfenbauer?) und Schulze°) beobachteten, nach Abflauen der Geschlechtsperiode sogenannte Zusatzknospen ent- stehen, ein Zeichen dafür, daß hier noch frisches Material vorhanden sein muß. Von da aus kann dann wieder eine Auffrischung des Ge- samtorganismus erfolgen; die ausgesogenen Stellen werden ergänzt, und das Tier stellt den Ko wieder vollkommen her.

Die in der Entstehung von Zusätzknospen sich dokumentierende Lebenstätigkeit der Geschlechtstlere ist danach mehr oder weniger

'Zufallssache. Setzt die Eiproduktion aus irgend einem inneren oder

äußerem Grunde tiefunten ein, so kann keine Zusatzknospe entstehen, veil dann kein Material dazu vorhanden ist; es ist dann auch der untere Teil ausgesogen.

Eine andere Körperpartie bleibt jedoch regelmäßig von der Aus- saugung durch die Ovarien verschont und nicht nur zufälligerweise. Es ist dies die Mundregion. Sie‘wird niemals angegriffen une in die Ei- und Samenerzeugung mit eingezogen, sondern erhält sich in regel- mäßiger Funktion, so lange überhaupt noch Material vorhanden ist. Erst wenn keine Beute mehr aufgenommen wird, und damit der Er- satz verloren gegangener Teile aufhört, verfällt sie der Auflösung. Wir hatten gesehen, daß bei dem sukzessiven Absinken der Lebens- möglichkeit einen Zeitpunkt gibt, an dem wohl noch Beute gefangen, aber nieht mehr aufgenommen und bewältigt werden kann. Dieser Zeitpunkt ist die kritische Stelle, an der es sich entscheidet, ob das Tier die Geschlechtsperiode überseteht oder nicht. Fängt die Hydra in diesem Augenblick ein kleines Beutetier, das in dem der Aussaugung nicht verfallenen Stelle Platz findet, so bleibt sie leben; ist die Beute zu groß, so kann sie nicht hinunterrutschen, sie muß wieder losgelassen werden, und damit ist dann das Schicksal der Hydra entschieden.

Diese Beobachtung habe ich bei einer großen Anzahl meiner früheren Untersuchungen machen können, und nachdem ich diese Erfahrung einmal gewonnen hatte, war es mir möglich, alle weiblichen Hydren wieder zur Restitution zu bringen.

Ein Beispiel aus meinen Protokollen möge für diese Erscheinung etwa genauere Daten geben.

Am 27.Mai hatte ich einige Transplantationsversuche unternommen, um zu beobachten, ob aus getrennt geschlechtlichen Tieren Herma- phroditen entstehen können. Zu diesem Zwecke wurden zwei Tieren der von einem Männchen abstammenden Sel.-Zucht und zwei Exem- plaren einer ebenfalls von einem einzigen Tiere abstammenden Kultur, die bis dahin nur Weibchen geliefert hatte (Str.), die oberen Teile vertauscht; d.h. die einzelnen Individuen wurden zerschnitten und die Teilstücke auf ein Haar aufgereiht, daß zu einem Sel.-Kopf ein

238 Wilh. Goetsch, Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen.

Str.-Fuß kam und umgekehrt. Da die Tiere der einen Zucht durch Algen intensiv grün gefärbt waren®), konnte man die einzelnen Kom- ponenten der einzelnen Individuen genau erkennen, auch als die Ver- wachsung eingetreten war. Am 6. Juni waren aus den ursprünglichen 4 Tieren 8 geworden, mit insgesamt 12 weiteren Knospen, und die Vermehrung ging nun intensiv weiter, so daß am 11. Juni das Glas 24 Tiere enthielt. Die Knospenbildung wurde nunmehr etwas sistiert, dagegen machten sich vom 13. Juni an die ersten Zeichen beginnender Sexualtätigkeit bemerkbar. Trotzdem die ursprünglichen Tiere aus männlichen und, weiblichen Bestandteilen zusammengesetzt waren, trat bei keinem Exemplar Zwitterbildung auf; vielmehr ließen sich nach und nach sieben rein weibliche Individuen mit 1-—-4 Ovarien fest- stellen, von denen insgesamt etwas mehr als 1 Dutzend Eier erzielt wurden. Da nur ein einziges Männchen entstand, war eine Befruchtung nicht bei allen ee Immerhin kam es her 8 Eiern zur Schalen- bildung. Die Weibchen zeigten zu dieser Zeit alle die in Abb. 5 fest- gehaltenen Formen, allerdings noch ohne Knospe. Sıe waren da, wo die Ovarbildung eingesetzt hatte, zusammengezogen, so daß der ganze Körper sanduhrförmig deformiert aussah.

In diesem Zustand war es ıhnen noch möglich, Daphnien zu fangen; hinunter zu würgen vermochten sie dieselben jedoch nicht mehr. Da nur die oberhalb der Eier liegenden Stellen erweiterungs- fähıg waren, mit denen größere Daphnien nieht umschlossen werden konnten, mußte solche Beute nach vergeblichen Versuchen wieder losgelassen werden. Um ıhr Eingehen zu verhindern, erhielten die 7 weiblichen Hydren zu dieser Zeit nur kleine, bereits abgetötete Cyklopiden. Diese konnten sie noch völlıg aufnehmen, und die am Kopfteil bald darauf einsetzende Aufblähung der Körperwand ließ erkennen, daß die Verdauung begann’). Eigenartig war es auch, daß die unterhalb der Ovarien liegenden, nicht ausgesogenen Stellen von der Aufblähung mit ergriffen wurden, obgleich sie doch keine Nah- rung umschlossen. Es scheint mir dies ein weiteres Zeichen dafür, daß die Entodermzellen hier wohl auf den Reiz der oberen, ın Tätıig- keit befindlichen Elemente bei der Verdauung irgend welche Stoffe absondern. Die Sanduhrform wurde in solchen Momenten natürlıch noch ausgeprägter, die oberen Mundpartien und die unteren am Stiel- teil gelegenen Stellen sonderten sich als dicke Kugeln deutlich von den ausgesogenen Regionen der Mitte.

Am 22. Juni konnten die Tiere bereits 2—3 Cyklops aufnehmen, auch solche, die sie selbst fingen. Die meisten hatten inzwischen auch die Eier abgelegt, wobei eins von ihnen in das Innere des Mutter- tieres mit aufgenommen wurde. Es lıtt aber dadurch keinen Schaden.

6) Goetsch, W., Grüne Hydra fusca. Zoolog. Anz. Bd. 53, 1991, Heft 3/4. 7):-Goetsch, W. Über die Nahrungsaufnahme, Regeneration und Fortpflanzung bei Hydren. „Die Naturwissenschaften“. 1921, IX. Jahrg. Heft 31.

an ae u er

Wilh. Goetsch, Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem' der Metazoen. 239

Am 24. Juni war die Restitution weitergegangen und am 27. trat bei allen Tieren Knospenbildung ein. Interessant war mir da- bei, daß hier wie auch bei anderen gefütterten Weibchen nicht immer nur unter den Eiern die sogenannten Zusatzknospen zu finden waren; vielmehr kam bei einer Anzahl von ihnen die Knospenbildungs- stelle oberhalb der Eier zu liegen. Dies ist ein Beweis dafür, daß durch die Fütterung mit passender Beute die Mundpartien so viel Reservematerial bilden konnten, um hier Knospen entstehen zu lassen.

Bei dem zweiten Fall, den ich hier anführen möchte, handelte es sich um Nachkommen eines. einzigen Tieres, das Anfang März 1921 einmal Hoden ausgebildet hatte. Nach reichlicher Knospenbildung war diese Kultur bis Ende Mai bis auf ungefähr 100 Exemplare an- gewachsen, unter denen am 24. Mai ganz gegen alle Erwartung eine große Anzahl von Weibchen auftraten; männliche Tiere wurden nieht beobachtet. Wir haben demnach hier bereits zum zweiten Male in Hydra-Kulturen eine solche Geschlechtsumkehr vor uns. Vier dieser Weibchen wurden isoliert weiterkontrolliert. Sie fraßen bei vorsichtiger Auswahl der gereichten Nahrung nach und nach immer mehr; es trat bald eine Erholung von der Eibildung ein; und am 3. Juni dokumentierte die einsetzende Knospenentwicklung, daß die kritische Periode vorbei. Die unge- schlechtliche Fortpflanzung hielt 1'/, Wochen an, war aber nicht so intensiv wie bei den übrigen, zu gleicher Zeit beobachteten Kulturen, Immerhin waren bis zum 11. Juni S neue Nachkommen erzeugt (gegen 9—-13 der Kontrollgläser).

Am 13. Juni begann bei zwei Tieren wieder ÖOvarbildung. Die Tiere waren demnach nach kurzer Zeit in eine 2. Geschlechtsperiode eingetreten, die allerdings nicht sehr ergiebig war. Es wurden nur zwei Eier gebildet, und dann bei einer ihrem Zustand angepaßten Nahrung bald wieder zur Knospenbildung geschritten. Am 20. Juni trat unterhalb der Eier bei beiden Tieren die erste Knospe auf, und zwar entgegengesetzt der Eibildungsstelle..e Am 23. Juni erschien die zweite unmittelbar über der ersten, nur wenig seitlich verschoben. Anfang Juli waren diese Tiere auch nach guter Überstehung der zweiten Geschlechtsperiode vollkommen restituiert und hatten bis zu 5 Knospen angesetzt.

Diese beiden hier angeführten Beispiele habe ich deshalb etwas ausführlicher behandelt, weil sie gleichzeitig noch andere Tatsachen ‚dartun: erstens daß auch bei Kulturen, die sich von zusammengesetzten Tieren herleiten lassen, trotz der zusammengefügten männlichen und weiblichen Bestandteile doch immer nur Männchen oder Weibchen entstehen; und zweitens, daß weibliche Tiere auch innerhalb ganz kurzer Zeit mehr als einmal zur Eibildung schreiten und diesen Zu- stand gut überdauern können.

Im Laufe der weiteren Monate traten alle diese Hydren noch wiederholt in Geschlechtsperioden ein, und manche männliche Exem-

240 Wilh. Goetsch, Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen.

plare brachten es bis jetzt auf siebenmalige Hodenproduktion, während einige Weibchen bereits zum sechsten Male Ovärien ansetzten.

Außer diesen etwas weiter ausgeführten Beobachtungen gelang es mir noch, mit weiteren 13 Kulturen und Geschlechtsperioden und mehr als S0 Exemplaren die Weibchen alle zu reiten, die ich in ge- eigneter Weise mit Nahrung versorgte. Sie erholten sich auf diese Weise stets und schritten zu neuer Knospenbildung, während von den übrigen sich selbst überlassenen Tieren die meisten degene- rierten En abstarben.

Die Ursache, warum weibliche Se in dem Stadium der Ovar- ausbildung so one sind, daß sie mit dem Ablegen der Eier der Auflösung zu verfallen pflegen, ist also äußerlicher Art und nicht be- dingt durch Eibildung an sich. Sie liegt in der Unmöglichkeit größere Beutetiere hinabzuschlingen. Stehen ihnen gerade nur solche zur Verfügung, so gehen sie ein; sie verhungern also genau wie eine andere Hydra, die nur Beute nn kann, welche sie nicht zu bewältigen vermag. Beseitigt man aber ss Zufälligkeit, und gibt ihnen Nah- rung, die sie aufnehmen können, so erholen sie sich. Die niemals von der Eibildung mitergriffenen oberen Partien können die Nahrung, sofern sie von ihnen nur umschlossen werden kann, gut resorbieren; dadurch besteht die Möglichkeit, für die verloren gegangenen Teile Ersatz zu schaffen, und die Regenerationskraft, die von hier aus ein- setzt, tut dann das ihre, das dm vollkommen wieder herzu- stellen.

Feststellen möchte ich zum Schluß noch, daß auch bei männ- ‚lichen Tieren das hier von den Weibchen Gesagte Geltung besitzt. Allerdings ist bei ihnen die Gefahr niemals so groß, da nur aus- nahmsweise die Hodenentwicklung so stürmisch verläuft, daß fast alle Teile davon ergriffen werden. Meist können sie unbehindert be- liebig große Beute aufnehmen, und nur in seltenen Fällen wird das ganze Tier so geschwächt, daß allein vom oralen Stück aus die Restitution erfolgen müßte. Ist dies jedoch der Fall, dann besteht auch da, wie beim weiblichen Tier die Wahrscheinlichkeit, daß durch die Geschlechtsperiode der Tod herbeigeführt wird. Er ist dann aber immer nur durch eine Zufälligkeit bedingt, während eine innere Notwendigkeit für das Absterben von Sexualtieren nicht vorliegt.

Sedruck, bei Junge & Sohn in Erlangen.

Biologisches Zentralblatt

Begründet von J. Rosenthal Herausgabe und Redaktion:

Geh, Reg.-Rat Prof. Dr. C. Correns Prof. Dr. R. Goldschmidt und Prof. Dr. ©. Warburg

in Berlin Veılag von Georg Thieme in Leipzig Anzeigen-Annahme: Hans Pusch, Berlin SW, 8, Wilhelmstr. 28

42. Band. Juni 1922. Nr. 6

ED am 1. Juni 1922

Der ährl. Äborinementspreis (12 Hefte) beträgt innerhalb Deutschlands 50 Mk. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

Den Herren Mitarbeitern stehen von ihren Beiträgen 30 Sonderabdrucke kostenlos zur Verfügung; weitere Abzüge werden gegen Erstattung der Herstellungskosten geliefert.

Inhalt: P. Deegener, Soziologische Beobachtungen au Hyponomeuta eognatellus Hb. 8. 241. G. Duncker, Regressionsgleichungen numerischer Merkmale nach Pearsons verallgemeinerter Korrelationstheorie. Mit 2 Abb. S. 253. H. Wachs, Zur Ähnlichkeit der Kuckuckseier. S. 270. W. Goetsch, Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen. III. Teil. Mit 3 Abb. 8. 278. Referate: Fr. Doflein, Macedonische Ameisen. Beobachtungen über ihre Lebensweise, 9, 286. - M. Caullery, Le Parasitisme et la Symbiose, $. 237. C. Correns, Referate... S. 237. 4 Fr. v. Wettstein, Referate. S. 288.

Soziologische Beobachtungen an Hyponomeuta

cognatellus Hb. Von Prof. Dr. P. Deegener, Berlin-Charlottenburg.

In seinem Aufsatze N Analyse der sozialen Instinkte“ (Biolog. Zentralbl. Bd. 33, 1913, S. 649) erörtert J. S. Szymanski die Frage nach den „primären sekundären Reaktionen“ an der Hand von Untersuchungen primitiver Gesellschaftsformen. Wenn ich den Ver- fasser richtig verstehe, will er alle Handlungen, die das soziale Tier

\ auch dann ausführt, wenn es allein ist, Handlungen also, die durch > kein Zusammenleben bedingt sind, als „primäre Reaktionen“ ansehen. | Sekundär wären dagegen diejenigen Gewohnheiten, welche das Einzel- ‚tier erst als Mitglied einer Gesellschaft angenommen hat; Gewohn- heiten, die somit als Ausdruck der Anpassung des Einzelwesens an das Zusammenleben mit seinesgleichen erscheinen.

Ich will an dieser Stelle nicht entscheiden, ob wir durch Szy- manskı wirklich ein sicheres Kriterium in die Hand bekommen, primäre von sekundären, also eigentlich sozialen Gewohnheiten, zu unterscheiden. Richtig ist, daß die Gewohnheiten und Eigenschaften

42, Band 16

949 Deegener, Soziologische Beobachtungen an Hyponomeuta cognatellus Hb.

der Einzeltiere, bevor sie gesellig werden konnten, schon von der Be- schaffenheit gewesen sein müssen, daß sie ein Zusammenleben er- möglichten; denn sonst konnten die Tiere eben überhaupt nicht sozial werden. Aber diese Gewohnheiten allein können niemals eine Ge- sellschaft von der Art und Festigkeit der sozialen Bindung entstehen lassen, wie wir sie in den hier in Frage kommenden Fällen vor uns haben. Dazu ist es nötig, daß die Mitglieder durch irgendeine beson- dere Eigenschaft, durch eine Ursache, deren Wirkung diese Eigen- schaft die Richtung gibt, aneinandergebunden werden.

Zugegeben, es wäre möglich, mit Sicherheit die primären von den sekundären zu unterscheiden, so scheint mir, daß die Beobachtungs- grundlagen, von denen Szymanski ausgeht, noch zu dürftig seien, um auf sie eine Analyse der sozialen Instinkte zu stützen. Alle meine Untersuchungen des Verhaltens sozialer Raupen!) und Blatt- wespenlarven?) haben mich zu der Überzeugung geführt, daß ein spezifisch sozialer Trieb conditio sine qua non des Zustande- kommens dieser (deshalb von mir als Triebassoziationen bezeich- neten) Gesellschaften se. Wenn wir ihn nicht annehmen, ver- stehen wir das Verhalten der Tiere unter den verschiedenen künstlich hergestellten Versuchsbedingungen überhaupt nicht. Die primitivste soziale Gewohnheit ist, daß ein Einzelwesen sich mit einem anderen freiwillig ohne äußeren Zwang zusammenschließt. Dieser Zusammenschluß hier nicht aus äußeren Ursachen allein erklär- bar würde gar nicht zustande kommen, wenn kein die Geselligkeit forderndes Bedürfnis vorhanden wäre. Woher dies stamme, wissen wir nicht. Welcher Art &s sei, muß von Fall zu Fall festgestellt werden, soweit es möglich ist. Wo es aber da ıst, führt es not- wendig zur Geselligkeit, wenn ihm primäre Gewohnheiten nicht hin- dernd entgegenstehen. N

Szymanskı meint auf Grund. seiner Erfahrungen ‚(die nie und nimmer an Tieren hätten gesammelt werden dürfen, denen durch Ein- schluß in ein Glas die freie Bewegungsmöglichkeit genommen worden war), daß die Arbeit der Hyponomeuta-Raupen durch die mangelnde Neigung zur Fortbewegung und das enge räumliche Zusammenbefinden der gleichartigen Raupen desselben Geleges begünstigt worden sein möge. .Diese Raupen sind aber nach meiner Erfahrung keineswegs der Fortbewegung abgeneigt, vielmehr außerordentlich lebhaft; und daß sich die Herstellung ihres gemeinsamen Nestes restlos auf die primären Reaktionen zurückführen lasse, habe ich nicht gefunden, wie dıe folgenden Beobachtungen zeigen.

Grundsätzlich wäre noch zu fragen, ob wir mit Szymanskis Analyse überhaupt auskommen. Wenn man primäre und sekundäre Gewohnheiten in dem von ihm gemeinten Sinne unterscheiden will,

1) Deutsche Entomol. Zeitschr. 1919, S. 65 u. f. Sitzungsber. Ges. Nat. Frde. Berlin 1919. 2) Deutsche Entomol. Zeitschr. 1920, S. 310.

r Deegener, Soziologische Beobachtungen an Hyponomeuta cognatellus Hb. 243

so müßte festgesetzt werden, ob die aus dem sozialen Triebe un- mittelbar folgenden Handlungen als primäre oder sekundäre, als indi- viduelle oder soziale Handlungen angesehen werden sollen. Sie sind noch keine sekundären Anpassungen an das soziale Leben, sondern lassen dieses als solches erst wirklich werden. Man sollte daher ım vorliegenden Falle wohl besser so analysieren:

1. Welche nicht sozialen individuellen Eigenschaften besaßen die Tiere schon bevor sie sozial wurden? Diese Eigenschaften mußten derart sein, daß sie ein Zusammenleben möglich machten.

2. Welche Ursachen ließen das Zusammenleben wirklich werden? Denn die unter 1. begriffenen Eigenschaften bedingen ja nur erst die Möglichkeit des geselligen Lebens, nicht seine Wirklichkeit.

3. Welche Gewohnheiten bildeten sich in Anpassung an das soziale Leben aus, nachdem sich die Tiere zu Gesellschaften zusammen- ' geschlossen hatten?

Einen Beitrag zur Möglichkeit der Durchführung dieser Analyse mögen folgende eigene Beobachtungen liefern, die im Zusammenhange mit anderen Arbeiten angestellt worden sind.

Die Raupen der Gattung Hyponomeuta spinnen zeitlebens gemein- same Nester und bleiben auch als Puppen noch vergesellschaftet. Darin sind sie den Thaumetopoea-Raupen zu vergleichen; aber inner- halb beider Gesellschaften herrschen sonst recht verschiedene Sitten. Ich hatte im Sommer 1920 Gelegenheit, den sozialen Zusammenhalt der Kindervölkchen von Hyponomeuta zu prüfen und einige Versuche anzustellen.

Am 10. Mai fand ich an Evonymus europaeus L. ım Garten des Ber- liner Zoologischen Instituts zwei gesonderte Nester. Die Insassen des einen Nestes, das etwas mehr als 40 7—9 mm lange Bewohner hatte, wurden 12!° bis 12°° Uhr auf einem großen Evonymus-Zweige So ver-

| teilt, daß jede Raupe auf ein besonderes Blatt kam. Sie liefen schein-

| bar planlos tastend umher, ohne zunächst mehr zu spinnen als den Faden, den jedes Tier auf seinem Wege zu hinterlassen pflegt. Die Raupen sind am ganzen Körper und am Kopfe fein und ziemlich lang, aber spärlich behaart und gegen Tastreize sehr empfindlich. Schon 13° Uhr machte sich die Tendenz zum Zusammenschlusse deutlich bemerkbar. Die Raupen eines Seitenzweiges waren nämlich ausnahms- los von ihren Blättern auf den Zweig gelaufen und ihrer sieben hatten sich dort zusammengeschlossen und an der Basis eines Blattstiels schon ein kleines gemeinsames Gespinst hergestellt. An anderen Stellen hatten sich Gruppen von 2—3 Raupen gebildet. Alle übrigen fand ich noch isoliert und in lebhafter Bewegung, die ganz den An-

. schein erweckte, als suchten sie den Anschluß an ihresgleichen. 1°? Uhr bestand die größte Gruppe schon aus 8 Mitgliedern.

Bei den kleinen nur 2 Mitglieder zählenden Gruppen wurde fest- gestellt, daß sie sofort mit der Herstellung eines gemeinsamen Ge- webes begannen, wenn sie einander gefunden hatten. Die isolierten

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244 Deegener, Soziologische Beobachtungen an Hyponomeuta cognatellus Hb.

Raupen taten dies nicht, sondern irrten suchend umher oder saßen irgendwo still. Wo Reste des zerstörten Gewebes mit den Raupen auf die Blätter gelegt worden waren, wurden sie von diesen verlassen. Das Gewebe ist es also auch hier nicht, was sie primär an den Ort bindet (vgl. meine anderen Publikationen über soziale Raupen). Um 2 Uhr bestand die größte Gruppe aus 9, die zweite aus 8 Raupen; drei Gruppen enthielten je 7, die kleinste Gruppe 2 Mitglieder. Außer diesen sah ich noch 3 Raupen, die isoliert geblieben waren.

In ihrer Lebhaftigkeit erinnern die Hyponomeuta-Raupen sehr an Malacosoma castrense L., sınd aber noch beweglicher und „nervöser“. Doch lassen sie sich nicht wie die M. castrense-Raupen bei starken Störungen aus ihrem Gewebe zu Boden fallen, was für sie denselben Wert hat wie für die, baumbewohnenden M. neustrium-Raupen. -

Uhr bestand die größte Gruppe. der Versuchsgesellschaft aus 10 Raupen. Die Herstellung des geräumigen lockeren Nestes nahm nur wenig Zeit in Anspruch: schon nach wenigen Minuten war ein brauchbares Wohngewebe fertig, sobald sich mehrere Raupen zu- sammengefunden hatten. Bis zur angegebenen Zeit hatte noch keine der isoliert gebliebenen Raupen gesponnen; sie suchten noch.

Uhr waren auch die Bewohner des zweiten Nestes ebenso auf einen anderen großen Zweig verteilt worden wie die des ersten. Die meisten Raupen hingen anfangs an ihren Seidenfäden vom Zweige herab. Diese Stellung behielten sie zunächst einige Zeit untätig bei, während die auf den Blättern verbliebenen sogleich mit dem Umher- laufen begannen. Bald ‘arbeiteten sich auch die an ihrem Seidenseile hängenden ziemlich geschickt und schnell empor und suchten ebenfalls, ohne ein Wohngewebe anzulegen. Auch diesmal verließen sämtliche Raupen die Reste des alten Gewebes. 1? Uhr machten sich die ersten Anfänge einer Gruppenbildung bemerkbar. Sobald 2 Tiere einander gefunden hatten, blieben sie beisammen und spannen ein Nest. Die Einzelraupen vermochten sich übrigens sehr gut zu be- wegen und festzuhalten und benahmen sich durchaus selbständig und geschickt auf der Unterlage. Von den Raupen, die anfangs an ihren Seilen hingen, fiel keine herab.

23° Uhr ruhten die Mitglieder der ersten Kinderfamilie in ihren neu hergestellten Nestern. Sie hatten drei gesonderte Gruppen ge- bildet, deren Mitgliederzahl sich jetzt nicht mehr sicher ermitteln ließ. Nur eine Raupe war noch allein geblieben. Bei den Mitgliedern des zweiten Kindervölkchens vollzog sich der Zusammenschluß ganz ähnlich, obwohl sie etwas älter und 9—10 mm lang waren. 1°° Uhr umfaßte ihre größte Gruppe schon 14 Raupen. Die Zweige mit den Tieren standen während der ganzen Versuchsdauer bei 16° C. ohne Sonnenbestrahlung am Nordfenster. In ihrem Verhalten zeigten die Raupen keine Abhängigkeit vom Lichte.

Am Morgen des folgenden Tages hatten die Raupen der größeren Kindergesellschaft ein Nest mit 30 und ein’ zweites mit 13 Bewohnern

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Deegener, Soziologische Beobachtungen an Hyponomeuta eognatellus Hb. 245

hergestellt. Das zweite Kindervölkchen bestand aus eier reicheren Gesellschaft mit 15 und einer ärmeren mit 8 Mitgliedern. Keine Raupe war allein geblieben. Die kleineren tags zuvor von 2 oder 3 Tieren hergestellten Nester waren wieder verlassen worden und in ihrer Nähe fanden sich auch keine Fraßspuren. Ihre Bewohner hatten sich also nachträglich auch noch den größeren Gesellschaften ange- schlossen. und ihre eigenen Nester aufgegeben. Das gemeinsame Nest erscheint daher auch in diesen Fällen nur als äußerer Ausdruck der Geselligkeit, hält aber die Tiere weder zusammen noch an den ein- mal gewählten Ort gebunden.

Die Insassen aller Nester wurden auf eine kreisförmig begrenzte Glasplatte von 18,50 em Durchmesser gesetzt, die auf einem kleinen Dreifuß ruhte. Jede Raupe wanderte unter Hinterlassung eines un- regelmäßig gewundenen Fadens nach der Fensterseite ohne mit den anderen in Fühlung zu bleiben. Viele kehrten jedoch um und wan- derten vom Lichte weg, bevor sie den Rand der Platte erreicht hätten, ein Beweis, daß sie keine phototropischen Maschinen ım Sinne Loebs sind (vgl. meine Abhandl, ın Zeitschr. f. allgem. Physiologie XIX. Bd., p. 119). Am Rande der Platte angekommen spannen Sie teils einzeln, teils gemeinsam ab, stiegen dann aber an ihren Fäden wieder empor. Nachdem zuerst einige Raupen vorausgeeilt waren, folgten andere teils einzeln, teils zu einer geschlossenen Kolonne von 10 Stück zu- sammengedrängt. In den Kolonnen blieben die Tiere ın ständiger Fühlung miteinander. Am Rande der Glasplatte bildete sich eine Traube von zusammengedrängten Raupen, die an ihren Seidenseilen hingen, ohne die von der Glasplatte 4,50 cm entfernte Tischplatte zu erreichen. Bei der Raupentraube entstand ein unregelmäßiges Ge- webe, in dem sich die Tiere äußerst unruhig umherbewegten. Mit diesem Gewebe wurde ein -Kronymaus-Blatt ın Berührung gebracht, auf das die Raupen sofort übergingen. Zuvor aber war die Glas- platte so gedreht, worden, daß die Raupentraube am Westrande hing. Würden sie nur durch das Licht bestimmt worden sein, so hätten sie jetzt zur Nordkante (Fensterseite) wandern müssen. Natürlich taten sie das nicht. Wohl gingen viele der noch auf der Glasfläche befindlichen Raupen jetzt, ohne den Spuren ihrer Vorläufer zu folgen, unmittelbar auf die neue Lichtkante los. Die am Laub befindlichen aber unterlagen nicht mehr allein ihrer Lichtliebe.

Bei dem beschriebenen Versuche waren die Mitglieder beider Kindervölkchen miteinander durchmischt worden. Die Mischung voll- zog sich ohne jede wahrnehmbare Störung. Zu dieser kombinierten Familie (Sysympaedium) setzte ich noch eine dritte. Alle Raupen schlossen sich zu einer großen Gesellschaft zusammen und bewohnten ein umfangreiches gemeinsames Gewebe.

Der Evonymus-Strauch, an dem ich die Tiere gefunden hatte, stand unter einem hochstämmigen dichtkronigen Weißdorn. Nur einige seiner Zweigspitzen wurden tagsüber zeitweise von der Sonne

246 Deegener, Soziologische Beobachtungen an Hyponomeuta cognatellus Hb.

beschienen. Man hätte nun mit Loeb und Heß erwarten können, die Nester müßten dem Phototropismus der Tiere entsprechend an den hellstbeleuchteten Zweigspitzen sitzen. Das traf aber nicht zu; denn ein Nest war an der Basis eines tief entspringenden Zweiges ziemlich leicht zu finden, die beiden anderen sah ich erst nach längerem Suchen an den unteren Zweigchen, keins an einer Zweig- spitze. Auch die 'gefangenen Raupen gingen im Zimmer nicht an die Zweigenden und bevorzugten nicht die hellstbeleuchteten Stellen. Das kombinierte Nest, von dem oben die Rede war, saß an einem zımmerwärts gerichteten Zweige. (Vergl. hierzu meine Abhandlung: Der sogenannte Phototropismus der Raupen und sein biologischer Wert, Zeitschr. f. allgem. Physiologie XIX. Bd. p. 119.) |

Das gemeinsame Nest der Hyponomeuta-Raupen ist nicht ein Kompositum aus lauter Einzelnestern, nicht der Ausdruck oder das Ergebnis unabhängiger Webetätigkeit der Einzelraupen, die zufällig beisammen sind und von denen jede nur tut, was sie allein auch tun würde. Es erscheint vielmehr als das gemeinsame Werk vergesell- schafteter Tiere, deren jedes sich in seiner Teiltätigkeit dem gemein- samen Gewebe änpaßt. Wie die Raupengesellschaft ein geschlossenes Ganzes ıst, so ‚drückt auch ıhr Bauwerk diesen inneren Zusammen- halt aus und hat durchaus nieht die Gestalt in sich fertiger sekundär miteinander verschmolzener Einzelgewebe. Wie zwei Raupen sich webend aneinander anpassen können, um einen gemeinsamen nor- malen Seidenkokon herzustellen (vergl. meine Abhandlung über Ge- sellschaftskokons, Zeitschr. f. wiss. Imsektenbiologie°)), so paßt sich auch hier jedes Einzelmitglied spinnend an die Gesamtheit, an das Ergebnis ihrer Bautätigkeit an. Das gilt nicht nur für die Hyponomeuta- sondern auch für viele, vielleicht für alle spinnenden ge- selligen Raupen. Daß sich jedoch spinnende gesellige Insektenlarven auch anders verhalten können, lehren die Larven von Zyda erythrocephala L., die gesellig an vorjährigen Trieben verschiedener Kiefernarten in ge- meinsamem Gespinnste, jede aber ın einer besonderen Röhre leben.

In der Ruhe saßen die Raupen stets dicht aneinandergedrängt in demselben Teile ihres Nestes. Zum Fraße zerstreute sick nie das ganze Völkchen, noch viel weniger die ganze Mischgesellschaft. So uniform hat diese Tiere ihr Zusammenleben noch nicht gemacht, ihre Individualität noch nicht in dem Maße nivelliert, daß jedes der Ge- schwister zu derselben Zeit Hunger verspürt. Eine größere Gruppe blieb in Ruhe geschlossen, während die hungrigen Raupen nach der Peripherie zweigauf- oder abwärts liefen, bald zum Lichte, bald vom Lichte weg, ganz unabhängig von seiner Einwirkung. Auf den Blättern bildeten sie fressend kleine Gruppen. Stets schritt mit den Wanderungen zum Fraße die Vergrößerung des Nestes fort, weil die Tiere niemals fraßen, ohne zuvor ihre Unterlage reichlich besponnen

3) Erscheint voraussichtlich 1922,

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Deegener, Soziologische Beobachtungen an Hyponomeuta cognatellus Hb. 247

zu haben. Daher führte auch nie (wie beispielsweise bei Malacosoma neustrium L.) eine schmale Seidenstraße vom Wohnneste ins Laub und zurück, sondern” alle Fraßstellen wurden ın das Primärnest mitein- bezogen. Auch isolierte Raupen fraßen erst, nachdem sie ein kleines Nest hergestellt hatten.

Am 15. Maı fand ich eine Hyponomeuta-Gesellschaft in Finken- krug. Seine Bewohner waren erst halb so groß wie die meines zu- sammengesetzten Völkchens, mit dem sie zusammengebracht wurden. Sie verließen ihr eigenes Nest und schlossen sich der kombinierten Gesellschaft an, obwohl deren Mitglieder sich großenteils gerade häuteten. Bei den drei ım Institutsgarten an demselben Strauche gefundenen Völkchen wäre die Möglichkeit in Betracht zu ziehen gewesen, daß sie alle von derselben Mutter stammten; und darauf könnte dann ihre leichte Mischbarkeit möglicherweise zurückgeführt werden. Die Raupen aus Finkenkrug hatten aber sicher andere Eltern und schlossen sich freiwillig an die vıel älteren fremden Raupen an. Familiensinn, der Familienmitglieder fester aneinander- kettet, haben sie entgegen der einmal von anderer Seite ausge- sprochenen Vermutung also ebensowenig wie die übrigen von mir geprüften Raupenarten (vergl. meine Abhandlung in Arch. f. Naturg. 1920, S. 91 u.f.). Es besteht weder ein Gefühl engerer Zusammen- gehörigkeit zwischen den Kindern derselben Mutter, noch lehnt eine Familie die Mischung mit der anderen ab.

Wenn man den ruhenden oder fressenden Raupen mit der Hand Luft zufächelt, so bemerkt man keine oder höchstens eine schwache Reaktion. Bläst man sie dagegen an, so entsteht eine lebhafte Be- wegung und Unterbrechung der Nahrungsaufnahme. Diese Tatsache verdient eine genaue Untersuchung, deren Ergebnis für die Kenntnis der Empfindlichkeit gegen Tastreize wertvoll sein würde. Vielleicht kommen auch Temperatur- und Geruchsreize mit in Frage.

Am 14. Mai morgens 10?° Uhr wurden etwa 20 Raupen im Dunkel- kasten auf einem Evonymus-Zweige zerstreut. 2! Uhr fand ich nur vier Gruppen von je 2—3 Raupen; die übrigen waren noch isoliert ge- blieben, weil sie sich unmittelbar vor der Häutung, also in einem Zustande befanden, der längeres Wandern nicht zuließ. Wenngleich schon dieser Versuch bewies, daß sich die Tiere auch im lichtlosen Raume zusammenfinden, genügte er natürlich nicht und wurde unter günstigeren Bedingungen wiederholt.

Am 18. Mai verteilte ich 31 Raupen so auf einem 63-blättrigen Evonymus-Zweig, daß jede auf einem anderen Blatte saß. Drei oder vier fielen dabei auf die Zwingerwand. 12° Uhr wurde der Dunkel- kasten geschlossen und Uhr wieder geöffnet. Ich fand eine Gruppe von 7, drei Gruppen von je 3, drei von je 2, eine von 4 Raupen, also nur noch 5 Raupen isoliert. Der Kasten wurde 21% Uhr wieder geschlossen. 4°° Uhr zeigte die Prüfung eine Gruppe von 9, je eine von 7, 3, 2, zwei von je 4 Raupen und noch zwei Tiere isoliert. Dieses Ergebnis beweist

Y 948 Deegener, Soziologische Beobachtungen an Hyponomeuta cognatellus Hb.

nicht nur den sozialen Trieb dieser Raupen sondern auch, daß sie einander nicht sehend finden. Der Zweig mit den in der beschriebenen Weise gruppierten Raupen wurde Uhr zu einem*anderen in eine Vase gestellt, an dem sich das zusammengesetzte Nest befand. In diesem waren nach wie vor die kleinen Raupen mit den großen fest vergesellschaftet. Schon am Abend desselben Tages fand ich Uhr mehrere kleine Nester von ihren Erbauern ‚verlassen, die sich an andere Gesellschaften angeschlossen hatten. Die Gruppierung ge- staltete sich jetzt so: eine Gesellschaft von vier Raupen weit vom Mischneste entfernt an einer Zweigspitze; eine zweite Gesellschaft von vier Raupen und eine dritte von sechs Raupen weit vom. Haupt- neste und von einander entfernt; sieben Raupen zusammen nicht weit vom Hauptneste, drei isoliert. Sieben Raupen hatten sich also mit denen im alten Hauptneste wiedervereinigt.

Am Morgen des 19. Mai fand ich außer der kombinierten alten Gesellschaft nur noch zwei gesonderte Gruppen vor, und keine Raupe. war isoliert geblieben. Eine Gesellschaft bestand aus vier, die andere, eine Fusion aus drei ursprünglich gesonderten Nestern, aus 16 Mit- gliedern. Die nach der Isolierung der Tiere im Dunkelkasten ent- standenen Nester, die dem alten ungestörten Neste am nächsten lagen, waren durch fortlaufendes Nestgewebe mit diesem verbunden worden.

Es ist sehr merkwürdig, daß selbst diejenigen Raupen, die schon zu einer Gesellschaft verbunden waren, das Bestreben zeigten, sich mit den Bewohnern anderer Nester zu vereinigen. Dabei wurde ihr altes Nest entweder ganz aufgegeben oder häufiger noch durch Nest- gewebe, nicht durch Seidenstraßken mit dem Nachbarneste verbunden. So entstanden weit umfangreichere Gewebe als von normalen Gesell- schaften oder von besonders volkreichen kombinierten Gesellschaften hergestellt zu werden pflegen. Schon die isolierten Raupen spannen viel umfangreichere Gewebe als die Einzelraupen in der Gesellschaft. Im ganzen sind die Gewebe relativ um so umfangreicher, je weniger Raupen ‚an ihrem Aufbau beteiligt gewesen sind. Die Größe des normalen Gesellschaftsnestes oder des Gewebes kombinierter Familien ist weit geringer als die Summe der Einzelgespinnste gleichvieler isolierter Raupen oder entsprechend vieler volkarmer kleiner Gesell- schaften. Der unbefriedigte soziale Trieb scheint diese Tiere zur Ex- pansion, der befriedigte zur Konzentration zu veranlassen. Zur vollen Befriedigung des sozialen Triebes scheint es in der Jugend mehr als im Alter einer größeren Anzahl von Raupen zu bedürfen. Woher sonst die Tendenz kleinerer Gesellschaften, sich mit anderen zu ver- einigen, die ich auch bei den Raupen von M. castrense schon fest- stellen konnte?

Man kann bei der Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen kaum zurückhaltend genug sein. Und wenn ich hier Vermutungen äußere, geschieht es nur, um künftiger Forschung mögliche Wege zu weisen. Wenn die geselligen Raupen ein Bedürfnis nach einer

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Deegener, Soziologische Beobachtungen an Hyponomeuta cognatellus Hb. 249

größeren Gesellschaft unter allen Umständen und dauernd beherrscht, so müßten isolierte Raupen und kleine Völkchen ihr Gewebe fort- dauernd vergrößern oder ganz verlassen, um Anschluß an andere Raupen zu finden. Das tun sie wohl oft aber keineswegs immer. Es scheint, man dürfe annehmen, daß diese Tiere auf irgendeine Weise Kenntnis davon erhielten, ob sich ihresgleichen in der Nähe befinden; denn wo sich keine anderen Raupen in der Nachbarschaft aufhalten, suchen die isolierten garnicht weiter nach dem verlorenen Anschluß. Wo eine nachträgliche Fusion mehrerer Nester statt- gefunden hatte, waren die Einzelnester nicht planlos solange nach allen möglichen Richtungen hin ausgedehnt worden, bis sie einander zufällig an einem Punkte ihrer Peripherie berührten. Man sah viel- mehr, wie das Einzelnest sich überall nur in Richtung auf das Nach- barnest hin ausgedehnt hatte. Das mochte ein Zufall sein. Aber es wäre doch auch nicht unmöglich, daß die Raupen irgendwie von der Anwesenheit anderer Beh in nen Nähe Kenntnis erhalten könnten; daß sie auf Grund dieser Kenntnis ihrem sozialen Triebe folgend ihr Nest nur ın der Richtung auf ihre Nachbarn hin vergrößert Babcn. Daß der Gesichtssinn dabei keine Rolle spielen kann, zeigen die Dunkelkasten- versuche. Der Tastsinn könnte nur insofern in Frage kommen, als die Bewegungen vergesellschafteter Raupen den Zweig in bestimmter Weise erschüttern. Der Geruch ist jedenfalls ohne Bedeutung; denn meine isolierten Raupen, von denen noch die Rede sein wird, stan- den in ihren Zwingern so dicht neben dem Hauptneste, daß sie die Raupengesellschaft durch die Tüllfenster hindurch hätten wittern müssen. Sie zeigten aber durchaus kein Bestreben zu ihr zu ge- langen. Allenfalls körmte man noch an eine Wahrnehmung von Schallwellen denken, die vielleicht nur eine sehr verfeinerte Tast- wahrnehmung wäre; denn wenn sich die Raupen in ihrem Neste be- wegten, etwa dann, wenn man sie anblies, hörte man ein deutliches knackendes oder knisterndes Geräusch, das durch ein Vibrieren der gespannten Seidenfäden des Nestes zustandekommen dürfte, wenn dessen Bewohner sie aus ihrer Lage drängen oder ziehen und wieder zurückschnellen lassen. Man kann wenigstens dieses selbe Geräusch dadurch hervorrufen, daß man mit einer Nadelspitze über die ausge- spannten Gespinsifäden streicht.

Am 20. Mai wurden 10 Hyponomeuta-Raupen verschiedener Alters- klassen so im Dunkelkasten verteilt, daß sie möglichst weit von- einander entfernt saßen. Nahrung wurde nicht verabreicht, und der Kasten 10% Uhr geschlossen. 11°° waren drei Raupen beisammen, 12° Uhr hatte sich eine zweite Gruppe von drei Raupen gebildet. Diese Tatsachen beweisen, daß sich die Raupen auch ohne die ge- wohnte Unterlage zusammenfinden können. Aber zu einer dauernden Assoziation kann es unter diesen Umständen natürlich niemals kom- men, weil der Hunger die nahrungsuchenden Tiere immer wieder aus- einandertreibt.

250 Deegener, Soziologische Beobachtungen an Hyponomeuta cognatellus Hb.

Am 11. Mai 10° Uhr morgens isolierte ich mehrere Raupen. Jede kam mit einem Zweigchen in einen besonderen Zwinger. Bis 2?° Uhr hatte nur eine ein Gewebe hergestellt; die anderen saßen noch ohne Nestgespinst am Blatte und keine hatte gefressen. Um'6!° Uhr abends hatte noch eine zweite Raupe in der Einzelhaft ein Nest: fertig- gestellt, und die beiden Raupen, die ein Nest besaßen, hatten nunmehr auch je eine Scharte in einen Blattrand gefressen. Die übrigen hatten sich noch nicht dazu entschlossen, ein Nest: herzustellen und zu fressen. Aber am folgenden Tage hatten auch sie morgens ein Gespinst fertig und hatten gefressen. Nach meinen Erfahrungen mit isolierten Ma- lacosoma-Raupen (vergl. meine Abhandlung im Arch. f. Naturg.) war dies Verhalten zu erwarten. Die sozialen Raupen können zwar, da- zu gezwungen, ohne Nachteil auch allein leben, tun es aber nicht, wenn sie nicht müssen. Meine Einzelhäftlinge unterschieden sich fortab durch nichts von den in der Gesellschaft verbliebenen Raupen, hatten je ein verhältnismäßig umfangreiches Gewebe hergestellt, von ihm aus ganz wie die Gesellschaft benachbarte Blätter besponnen und befressen und sich auch zu derselben Zeit gehäutet wie ihre Ge- schwister. Die Trennung von der Gesellschaft schien sie in keiner Weise merklich zu beeinträchtigen.

Drei Zweigchen, auf welchen sich bis dahin isoliert gewesene Raupen befanden, wurden am 19. Mai 10°° Uhr so gestellt, daß jedes ein anderes Blatt des großen Zweiges berührte, der das Hauptnest mit der Raupengesellschaft trug. Die erste Raupe (R 1) war 17 cm,

die zweite (R 2) 7 em, die dritte (R 3) 5 cm von der Peripherie des

Hauptnestes entfernt. Überall waren die isolierten Raupen durch

gewebefreies Laub und Zweige vom Hauptneste gesondert. Natürlich verblieben die Zweigchen der isolierten Raupen in ihren Wassergläs- chen, damit diese das Welken des Laubes nicht zum Übergange auf den frischen Zweig zwinge.

R 3 befand sich schon 10° auf dem Laub des großen Zweiges und wanderte in Richtung auf das Hauptnest, während Ri und R2 noch in ihren Nestern verblieben. R 3 war so zum Hauptneste orien- tiert, daß sie lichtwärts wandern mußte, um es zu erreichen. Ihr Ver- halten könnte also auf die Lichtliebe zurückgeführt werden, wenn- gleich diese die Tiere auf dem Laub weit weniger beeinflußt als auf ungewohnter Unterlage. 11°? Uhr hatte sie die Peripherie des Gesell- schaftsnestes erreicht und gleich darauf sich dessen Insassen ange- schlossen.

Die anderen isoliert gewesenen Raupen waren so zum Haupt- neste orientiert, daß die eine (R1) vom Lichte hätte wegwandern müssen, um zum Neste zu gelangen, die andere (R 2) sich bei dieser Wanderung in gleich bleibender Lichtstärke hätte bewegen müssen. 11°? Uhr war R 1 auf den großen Zweig übergegangen und lief an dessen Blättern umher als ob sie suche. 11*° Uhr wanderte sie sehr energisch auf das Hauptnest los und benutzte dabei unter Umgehung

er ra 7 DRAN >

ET N hi BB... x

Deegener, Soziologische Beobachtungen an Hyponomeuta eognatellus Hb. 251

der Blätter nur den Zweig, als hätte sie ein bestimmtes Ziel. Auf der Wanderung spann sie, sich von Strecke zu Strecke rückwärts wendend, sorgfältig ihren Faden, stellte also kein Nestgewebe her, erweiterte ihr Nest nicht in Richtung auf das Hauptnest, kehrte aber plötzlich auf halbem Wege wieder zu ihrem verlassenen Neste zurück, das sie 11** Uhr erreichte, aber auf demselben Wege sofort wieder verließ, den sie zuerst eingeschlagen hatte, als sie auf den großen Zweig überlief. Die Raupen im Neste waren gerade jetzt in leb- hafter Bewegung, weil sie zum Fraße ins Laub zogen. Dabeı hörte man deutlich das erwähnte knisternde Geräusch. R 1 suchte un- schlüssig in der Nähe ihres eigenen Nestes umher und kehrte wieder- holt in dieses zurück. 11°’ Uhr fraß sie in ihrem Neste an einem Blatte ihres alten Zweigchens. Auch die Raupen der Gesellschaft fraßen z. T. zu dieser Zeit gruppenweise an verschiedenen Blättern, die sowohl vom Rande her als auch von der Fläche (Lochfraß) be- nagt wurden.

R1 wurde am hinteren Körperende, R2 in der Körpermitte rot gezeichnet. 12° Uhr fraßk auch R 2 an den Blättern ihres alten Zweiges, R 1 hatte sich in ihr Nest zurückgezogen, trieb sich 2'° Uhr wieder auf den Blättern des großen Zweiges umher. Ihr und das Verhalten von R2 machten es nicht wahrscheinlich, daß die Raupen ihresgleichen aus der Ferne wahrnehmen, man müßte"denn annehmen, ihr Wahrnehmungsvermögen habe durch die tagelange Isolation und das vergebliche Suchen nach Anschluß gelitten. Sie scheinen viel- mehr planlos umherzusuchen, bis sie zufällig auf ihresgleichen stoßen, denen sie sich dann sofort und dauernd anschließen. Bis abends 7 Uhr hatten sich R 1 und R 2 den anderen Raupen noch nicht zu- gesellt.

Aus dem Verhalten von R 3 könnte etwas voreilig geschlossen werden, daß bei der Sammlung der Tiere überhaupt nur das Licht wirkt. Wenn alle Raupen schließlich an das hellste Zweigende oder die hellste Kante einer Glas- oder Pappeplatte wandern, so müssen sie sich ja zusammenfinden. Aber so verhalten sie sich doch in der Tat nicht, wie am sichersten die Dunkelkastenversuche zeigen. Sie finden einander auch in absoluter Dunkelheit.

Am 20. Mai war R 2 morgens 8 Uhr aus ihrem Neste ver- schwunden, das nicht mit dem Hauptneste durch Nestgewebe ver- bunden war. Ich fand die gezeichnete Raupe auf dem Hauptneste wieder, wo sie sich in engster Fühlung mit dessen Bewohnern be- fand. R 1 saß noch immer in ihrem eigenen Neste, das sie erheb- lich vergrößert und auf Blätter des großen Zweiges ausgedehnt hatte. Bis zum Abend des 21. Mai verblieb sie in ihrem Neste.

Am 21. Mai zeichnete ich sechs Hyponomeuta-Raupen aus der Gesellschaft mit roter Farbe und setzte sie abends 7% Uhr jede auf eins der Endblätter eines anderen Kurztriebes.. Den großen Zweig mit den in der beschriebenen Weise besetzten Kurztrieben stellte ich

959 Deegener, Soziologische Beobachtungen an Hyponomeuta cognatellus Hb.

so zu einem anderen ins Wasser, daß beide einander nur an ihrer Basis durch Vermittlung einiger weniger Blätter berührten. Der zweite Zweig trug das sehr große 34 cm lange Nest der vier kombi- nierten Kinderfamilien, dıe ihrem jetzt starken Nahrungsverbrauche entsprechend zweigaufwärts alle kahlgefressenen Stellen mit Nest- gewebe überzogen hatten. Der Abstand der am weitesten vom Neste entfernten isolierten Raupen betrug 45 em; die nächste war 18 cm ‘entfernt (Messung des nächsten Fußweges zum Neste). Die Vase wurde so gestellt, daß die isolierten Raupen vom Lichte fortlaufen mußten, um das Nest zu erreichen. Abends 10 Uhr wurden die Tiere bei künstlichem Lichte kontrolliert. Am äußersten Zweigende hatten sich zwei gezeichnete Raupen zusammengefunden und dort ein Nest gesponnen. Zwei andere gezeichnete Raupen fand ich etwa in der Mitte des Zweiges in gemeinsamem Gewebe. Eine fünfte hatte allein ihr Nest gesponnen und sich eine Strecke von 10 cm von der Stelle entfernt, an die sie gesetzt worden war. Die sechste hatte sich der isoliert gebliebenen R 1 angeschlossen und befand sich in deren Neste. Keine der isolierten Raupen hatte also bisher den Weg zum alten Neste zurückgefunden. Diese Tatsache zeigt, daß die Tiere von der Anwesenheit artgleicher Raupen in ihrer Nähe wahrscheinlich keine Kunde haben. Ihr Verhalten bei früheren Versuchen hieß schon vermuten, daß wohl ein Bedürfnis nach Gesellschaft die isolierten Raupen immer nach ihresgleichen suchen läßt; daß sie planlos suchend zufällig finden, und wenn sie auf keine andere Raupe stoßen, ihr Nest selbst bauen, das sie z. T. wandernd und suchend wieder verlassen, um sich anderen Raupen anzuschließen, z. T. aber auch tagelang be- wohnen, ohne durch ihren sozialen Trieb zum Suchen nach Anschluß veranlaßt zu werden.

Die Gesellschaft war aus verschiedenalterigen Raupen gemischt worden. Als die älteren geraume Zeit vor der Herstellung der Puppenkokons die Nahrungsaufnahme einstellten, fraßen die jüngeren noch weiter und dehnten dabei das Hann auf benachbarte Be- zirke aus. So entstand schließlich ein kleines Nebennest, das etwa 5 cm vom Hauptneste entfernt und durch wenige Seidenfäden mit ihm verbunden war. In diesem Nebenneste hielten sich die noch fressenden jüngsten Raupen in den letzten Tagen dauernd auf und schienen sich von den übrigen endgültig abgespalten zu haben, die so ganz ungestört blieben. Schließlich aber verpuppten sich nur zwei von ihnen in diesem Nebenneste. Alle übrigen begaben sich in das Hauptnest zurück und schlossen sich dort der größeren Gesellschaft wieder an. Die Kokons lagen dann größtenteils so, daß ihre längsten Achsen zum Erdboden senkrecht standen. Am 2. Juni hatte sich erst etwa die Hälfte der Raupen eingesponnen. Am 6. Juni waren alle Raupen verschwunden. Ihre Kokons bildeten folgende Gruppen: zwei senkrecht gestellte Kokons im Nebenneste dicht beieinander; die Hauptmasse in drei nicht scharf geschiedenen Gruppen im Haupt-

G. Duncker, Regressionsgleichungen numerischer Merkmale usw. 253

neste; die überwiegende Mehrzahl dieser Kokons war gleichgerichtet, senkrecht, und sie standen wie Bienenzellen nebeneinander; zweigab- wärts im Hauptneste eine kleine Gruppe von 6 Kokons und zwischen

‚dieser und der Hauptgruppe zwei mehr isolierte Kokons; endlich

zweigaufwärts eine Gruppe von 5 Kokons, die wagrecht im Neste lagen. Die abgestreiften Raupenhäute lagen als schwarze geschrumpfte Körper großenteils außerhalb der Kokons an deren Hinterende, wo sie aus einer kleinen Öffnung herausragten. Die ersten Schmetter- linge schlüpften zahlreich in der Nacht vom 18. zum 19. Juni. Sie zeigten keine Neigung zur Geselligkeit.

Weitere Versuche zur Lösung schwebender Fragen konnten in diesem Jahre nicht durchgeführt werden. Da ich nicht weiß, wann ich diese Untersuchungen werde fortführen können, gebe ich die bis- her gewonnenen Ergebnisse bekannt in der Hoffnung, daß sie zu weiteren Forschungen auf dem so arg vernachlässigten Gebiete der Tiersoziologie anregen mögen.

Berlin-Charlottenburg im November 1920.

Regressionsgleichungen numerischer Merkmale nach Pearsons verallgemeinerter Korrelationstheorie.

Von Georg Duncker. Mit 2 Figuren.

Während die lineare Regression eines numerischen Merkmals auf ein zweites, zu dem es in Korrelation steht, biologisch wohl bekannt ist, und ihre Gleichung in biostatistischen Untersuchungen vielfach angewendet wird, ist dies bezüglich anderer Regressionsformen nicht la Fall, obwohl Karl Percı bereits 1905 eine unschwer anwend- bare Methode zu ihrer Behandlung angegeben hat. Den für Biologen bestimmten neueren Darstellungen der Korrelationslehre in a Sprache (z. B. Goldschmidt 1911, Betz 1911, Johannsen 1913, Exner 1913, Lang 1914, Collier 1921) ist nichts darüber zu ent- nehmen. Im nachstehenden soll deshalb diese Lücke ausgefüllt werden; in mathematischer Hinsicht wird nur die Kenntnis des binomischen Lehrsatzes vorausgesetzt. | 1. Vorbegriffe.

Numerische Merkmale sind solche, deren Varianten ın Zahlen aus- gedrückt werden können. Ihre statistische Untersuchung ergibt als empirisches Resultat die Variationsreihen derselben, von der all- gemeinen Form

Varianten: Bon Rs Var

Frequenzen: f, Ba: fa

wobei die Gesamtzahl der untersuchten Fälle 2 (f):

254 G. Duncker, Regressionsgleichungen numerischer Merkmale usw. Eine Variationsreihe kann durch ihre Bestimmungswerte, nämlich

das arıthmetische Mittel A= E Z(V),

die Hauptabweichung Sn v 2(V —A), 1 | ol), die Momentquotienten &= s’

beschrieben werden. Dann sind A und s in derselben Einheit, wie die Varianten Y des Merkmals, benannte, die Momentquotienten- ß, dagegen unbenannte Werte und von den letzteren speziell P=|1, r=0, 1

Konstante. Momentquotienten gerader Ordnung (£,,) ergeben stets positive, mit steigendem » wachsende Größen, während diejenigen un- gerader Ordnung (ß,,+,) unabhängig voneinander positiv, negativ oder gleich Null sein können.

Untersucht man zwei numerische Merkmale bei » Individuen, so stellt jedes Individuum eine Variantenkombination dieser beiden Merkmale dar. Dann entspricht den Variationsreihen der Einzelmerk- male das Kombinationsschema des Merkmalpaares, wie etwa das Folgende:

Kombinationsschema der Stachel- und der Weichstrahlzahlen in der Rückenflosse von Acerina cernua L. (Kaulbarsch).

I. Stachelzahlen.

Kr 11 12 13 14 15 16 a en 9 12 1 22 = 14 1 N 16 245 = 13 102 a! 160 6 979 = 12 21, .308.% 230 9 568 Bd 2 30 42 4 78 ° 10 1 4 5 = 9 1 1 2 u 1 RES ER EBEN 20.189 n

Die Varianten der beiden Merkmale (I: 11—16, II: 9—15) sind am oberen und am linken Rand des Schemas notiert. Innerhalb dieser Umrahmung finden sich die Frequenzen der einzelnen Varianten- kombinationen, f,, „, deren vertikale und horizontale Summen (2, und 27) gleich den einzelnen Frequenzen der totalen Variationsreihen der beiden Merkmale, /,, , und fo, sind. Daher ergeben diese Frequenzen die Beziehung

BER BEUTE

G. Duncker, Regressionsgleichungen numerischer Merkmale usw. 255

(1) (fh) Fr) N Zwischen den beiden Merkmalen besteht Korrelation, solange 2 (2) 3 (er nee ‚) => 0 oder, sofern e=f:n, solange (3) 2 (Oo 6 Po, a > 0.

Die einzelnen Kombinationsfrequenzen der Spalten und der Zeilen des Kombinationsschemas bilden mit den neben bezw. über ihnen notierten Varianten die zugeordneten Variationsreihen des einen Merkmals, welche durch die über, bezw. vor ihr angegebene Variante des andern bedingt sind; so bedingt die Stachelzahl 15 mit der Ge- samtfrequenz 454 die folgende zugeordnete Variationsreihe der Weich- strahlzahlen

= 10 2 12 1:3 14 15

1 4 42 230 160 16 1. Die zugeordneten Varıiationsreihen können durch gleichartige Be- stimmungswerte, wie die totalen, beschrieben werden; die Symbole der zugeordneten Bestimmungswerte seien von denen der totalen durch einen Strich unterschieden. Demnach sind die Bestimmungswerte der totalen und der zugeordneten Variationsreihen für das

erste Merkmal zweite Merkmal total zugeordnet total zugeordnet Ar A'r An A'ır SI s'ı Sır Sr P,, 0 D 0 Po, v Po, vr

Bei fehlender Korrelation sind die homologen Bestimmungswerte aller zugeordneten Variationsreihen eines Merkmals denen seiner totalen gleich, bei vorhandener von diesen und untereinander verschieden. Z. B. sind die Bestimmungswerte der totalen und der der Stachel- zahl 15 zugeordneten Variationsreihe der Weichstrahlzahlen Ar = 12.7259, = 0.788, Pos = 0.166, (ph Ar 12.313, Sn 090, Bi, 0:20, Br 4026 Ferner ist die mittlere zugeordnete Hauptabweichung, definiert

durch ERNEST, [s’r] == V. >; (fr Ss)

[s'r] = V, > (fr sin),

d. h. die Wurzel aus dem Mittel der Quadrate aller zugeordneten Hauptabweichungen eines Merkmals, um so kleiner im Vergleich zur

bezw.

356 G. Duncker, Regressionsgleichungen numerischer Merkmale usw.

totalen Hauptabweichung desselben, je intensiver die Korrelation des Merkmalpaares ist, und wird bei 'vollkommener Korrelation zu Null. Ein einfaches Maß der Korrelationsintensität ist daher die Korre- lationsquote jedes der beiden Merkmale

: s? RRRe) [s‘ (4) = BE, mit den Grenzwerten Null bei fehlender und Eins bei vollkommener Korrelation und dem ee Fehler

Eee

vr (A = 0.67449). Nun ist 7; nicht notwendig stets gleich 7?,. Für unser obiges Beispiel aber ist

= Tr“ = U 14100.

Außer den bereits angeführten kommt zur Beschr eibung des Kom- binationsschemas zweier numerischer Merkmale noch eine weitere Gruppe von Bestimmungswerten in Betracht, die unter dem Namen Produkt-Momentquotienten zusammengefaßt seien. Es sind dies die Produktmittel der zur u-ten bezw. »v-ten Potenz erhobenen rela- tiven, d. h. in der entsprechenden totalen Hauptabweichung ausge- drückten, Abweichungen der individuell kombinierten Varianten jedes der beiden Merkmale von ihrem totalen Mittel, mithin

1 een] De USD

oder kürzer, sofern = V —A, ß

n Pu, v 7 5;

SI sır - N Sie sind unbenannte voneinander unabhängige Werte und entsprechen den Momentquotienten der isoliert betrachteten Variationsreihen. Der erste derselben

vn 9% (#1 xı) =

Ba

ist der allgemein bekannte, in der Literatur meistens mit r oder mit 0 bezeichnete Korr elationskoeffizient mit dem wahrscheinlichen Fehler

SI 811

E (Bu) = en

Die praktische Berechnung sämtlicher in Betracht kommender Bestimmungswerte habe ich in einer demnächst in den Wissensch. Meeresunters. (Helgoland) erscheinenden Arbeit (Die Korrelation zwischen Länge und Gewicht bei Fischen) ausführlich dargestellt:

G. Duncker, Regressionsgleichungen numerischer Merkmale usw. 2351

Regression ist das Größenverhältnis der Abweichungen (x‘) der zugeordneten Mittel des einen Merkmals von seinem totalen Mittel zu den Abweichungen (x) der sie bedingenden Varianten vom totalen Mittel des anderen. Ist ‘dies Verhältnis konstant, so ist die Regression linear, und es gilt für sie die Regressionsgleichung ersten Grades

(5) BB Ko bezw. U Ay u sowie E %b: X 2b: X (6) Hy ZT bezw. U—,o, u 1 2 A > Sr SI SI SII

Hier ist ne A'n S=H Aın, CR V;—-4: USW., sowie

et Au = 2 =" = und = Bu: Aus (5) folgt laut Definition (7) (Au = Au—%ıo Ar + zu /Vı 14% Ze Ar Kg An %yı Vır .

Die benannte Werte ergebenden Gleichungen (5) bezw. (7) seien als physische, die unbenannte Werte ergebenden Gleichungen (6) als absolute lineare Regressionsgleichungen des zweiten Merk- mals auf das erste, bezw. des ersten auf das zweite bezeichnet.

Lineare Regression kommt ın der Natur zwar außerordentlich häufig, jedoch keineswegs ausschließlich vor. Nicht lineare Regression besteht z. B. notwendig zwischen der Totallänge und dem Volumen von Organismen, da erstere eine lineare, letzteres eine dreidimensionale Größe ist; ferner zwischen der Totallänge und solchen sonstigen linearen Dimensionen, deren relative Größe mit der Totallänge ab- ändert. Aber auch bei Zählungen gleichartiger Organe verschiedener Systeme, bei Erblichkeitsbeziehungen u. a. m. ist nicht lineare Regression beobachtet worden.

Die graphische Darstellung der Werte A‘ des zugeordneten Merk- mals als Ordinaten zu den Abszissen V des bedingenden ergibt einen Linienzug, die Regressionslinie des zugeordneten auf das bedingende Merkmal. . Diese ist bei linearer Regression eine Gerade, bei nicht linearer eine irgendwie gekrümmte Kurve, die Regressionskurve.

2. Regressionsgleichungen zweiten und höheren Grades.

Pearsons verallgemeinerte Korrelationstheorie (1905) ermöglicht die Wiedergabe linearer und nicht linearer Regressionskurven durch ein System von Gleichungen verschiedenen Grades. Seinem Verfahren liegt die Annahme zugrunde, daß der Verlauf der Regressionskurve durch Mae Laurins Reihe

(8) y- ey tn n®tne+ Yaz! a - dargestellt werden könne, vorausgesetzt, daß die Koeffizienten y, der- Band 42. 17

\

258 G. Duncker, Regressionsgleichungen numerischer Merkmale usw.

selben sich für höhere Werte von » rasch dem Betrag Null nähern. In der Form von (6) wird (8) zu 0 tı®

(9) ent, et run ee

Denkt man sich (9) für sämtliche » beobachteten Einzelwerte von 7, also n-mal, niedergeschrieben und die homologen Glieder dieser n Gleichungen summiert, so ergibt sich nach Division mit n als Mittelgleichung derselben

ee u en

n sr

Da nun, wie eingangs definiert,

Ir I (.) —.B, n g?

und .daher‘.$, 1. = V und 8, 1, so wird (10) zu

(11) 0=-ytrot Yoßo TYaoßot - : -

so daß

(12) Yo = —Yao— Yzo Pso Yao Po

Multipliziert man jetzt die Einzelglieder von (9) mit und bildet I

hierauf die Mittelgleichung 1 CI EUTT | %I 1 y ir I x (13) - >( )=n„2( rm.) 2l)t

n 8 7} n s n 1 X Ki Si Roc Y30 n (3%) = ? so folgt, da 1 == Cı&ıı 1 STR TEN NR a ER Ne Pu SıSı S]SII aus dieser (14) = Yo r Yoo Bso + Y30 Pao == Yıo Pso = re) so daß (15) 910 = Bir Yao Pso— Y30 Pan Yo Bao

2 In analoger Weise erhält man durch Multiplikation von (9) mit = 1

er } LI . . . „usw. und nach Bildung der entsprechenden Mittelgleichungen

S |? 7 E20 + Yıoßso 4 Yao Bao + Yo ßso + Yaoßoo + - - :

Pa = YVoßzo + Yıo Bao t Yzo Bso + YsoPfoo FT root - - -

[B.. yo Bao + Yıo Bso 4 Y20 Bao I Yao Bro Yo. ßeo 4

und so fort. Nach Substitution der in (12) und (15) gefundenen Werte

von y, und y,, nehmen die letzteren Gleichungen die Form

(16)

=

G. Duncker, Regressionsgleichungen numerischer Merkmale usw. 959

[Baı Puußso + Y20 (Par —Prso —1) + Ya0 (Po —Pao Bo— Bao) + Bolsa u) - >.

| (17) | Pa = Bi, Pyo ar Y20 (Bio P3o Bao Bao) == Y30 (Bo Bi Ba) +

Ya (Bro —Broßso—PBaoPi) + - - -

| Pa =Brıßsot Ya0 (Poo— Paso Pso Pro) + Y30 (Bro = Pro ßso— Pzoßro) +

| Yaldoo Bo Pot - : - usw. an. Setzt man jetzt die Differenz

Pao Bastler Bu Ela Ol 1 und die in Klammern befindlichen Faktoren der Gleichungen (17) in ihrer allgemeinen Form Pa ß, “IL re, ß.— Pa ß, 1 Di Sr ei x,

so ıst zunächst

50 und 2) eine Größe «+ x-ter Ordnung. Ferner ist el), = er I; eu) el), —.eal, ie), El, = so, 2), ed),

Bei Anwendung der Abkürzungen Ö,, „, und e@, erhält man aus (17) die übersichtlichen ne

dy Yan EP t Ya0 8 "0 TE a | = Yon F Yo Tr Ind Ya F - - -

Ir = Yo t Ye so FT Ya + Ener

Ös = Yan &®so + a0 & "ko Ar Yan ®so ee oder allgemein

Em, 3)° 4 5 = 1527,20 ne ah Y30 e\ AN =) Yaoe“ I, 0 am

(18)

(6) u ale

Be =.702 ee YosE”,, v2 hr Poren, +1 IR Yo5 a tn neh

Auf Grund dieser Beziehungen stehen also zur Auswertung der »—1 Unbekannten y, bis stets v„—1 Gleichungen zur Verfügung, da die Werte 4; den Momentquotienten des bedingenden Merkmals, die Werte ö,,, bezw. ö,,, diesen und den Produkt-Momentquotienten des Merkmalpaares zu entnehmen sind.

Bei symmetrischer Variation des bedingenden Merkmals werden dessen Momentquotienten ungerader Ordnung Ken sämtlich zu Null. Daraus folgt, daß auch alle diejenigen Werte e(@;, bei denen die Summe

ı+x eine ungerade Zahl ergibt, ın diesem Fall zu Null werden, und daß hier

(18a)

Öyun 13. Tr, Pam und ö,,,, = Bir ar- i Multipliziert man ferner (9) mit a so erhält man die Mittel- SI

gleichung

260 G. Duncker, Regressionsgleichungen numerischer Merkmale usw. 1 ch u X Cr (19) —- Zn a. ns N SII N SI SI 1 a, cr Xu & - BE BaNE ?’20 3“ ( s? eu), Y30 3 ( sB Im +

Hier ıst, wie leicht‘ zu beweisen,

PH EA 1) N 2 (zP & a u (ep xı1) und

1.2 2 Et pP) 1 53 CH Er S ın—|S ır] N sı“ sın

: 3 —_ Ta, mithin

(20 a) un Yoßıı -: Yao Paı = Yao Paı Ss Ya Paı a :

ie nach cn des rechtsseitigen a von u (1) für 405°

(20 b) m = = Pn —+- 20 daı 2 Y30 b. = Yyo Ö 4 sa

Setzt man endlich die stets positive Differenz

um Bi, > Öga so erhält man aus (20b) den Wert (21) Ög = Y90 dgı 4 Ya0 951 Yo du En

mit dem wahrscheinlichen Fehler (ef. Blakeman 1905 p. 339 Glei- chung XXVII)

Ries) 210, do (By?) + don!

{27

Bo ı [2

(77

Die Gleichungen (9) bis (21) gelten für die Regression des zweiten Merkmals auf das erste; die umgekehrte Beziehung ergibt sich überall, wie in (18a), durch Vertauschung der Indizes der gefundenen Größen, so z. B. ın

(21) du = Yo de t Yosdıs F rad t - - - Bei linearer Regression (Regression ersten Grades) ist Ma ee daher nach (12) yY, = 0 und nach (15) v9 = Bu Man erhält also aus (9) die absolute lineare Regressionsgleichung are En; (6) & sr

Bei Regression zweiten Grades, der sogen. quadratischen Re- gression, ist B =hn=...=0 somit folgt aus (12) ya, = —y®

ni 1a di, Ei ba 5 md Laie

G. Duncker, Regressionsgleichungen numerischer Merkmale usw. 261

aus (15) | 9, = Buy "rß und aus (18)

Ay = da : E zo. Aus (9) ergibt sich daher die absolute quadratische Regres- sionsgleichung x 11 5 2 (22) a Hr Po) + Yo Eh

Bei Regression dritten Grades, d. h. bei ie Regres- sion ist

yyız...=d, daher nach (12) nach (15)

und nach (18)

vu = ei), ra) ve, 20 £e®) ye),, = Öz, EM, dp E so dub 8) 12 EEE) Dann ist 5 Bye TE u ET EA le)" So erhält man aus (9) die absolute kubische Regressionsgleichung & ır ® (3 XI (23) SE ee Fu Manßaarr zo Pa) © Ai <r 2 \ EEE al, Y" 20 s2 730 sP

In entsprechender Weise ergeben sich die absoluten Regressions- gleichungen vierten und höheren Grades, z. B. ER Bar Na a, = ßıY®2ßs rm, ne ; vo, —yO, ya, ei), u yi 3 yO, (ec, e9,—e®), e®,) & 2, ey (di)

vn, = y9,—

und Öy FE EI (EI a [eo ei ), ee EN HR [e®;, 2 —(e®), °] er ,g\4 PAR Roy 0—e® NE EB), ] =! 5 Et ) EN EN [LEN zo Ey Es ENzo]

yo 40T

40

262 G. Duncker, Regressionsgleichungen numerischer Merkmale usw.

‘Doch wird man Regressionsgleichungen höheren als dritten Grades nur ausnahmsweise anwenden, da die zur Auswertung ihrer Koeffi- zıenten erforderlichen Momentquotienten siebenter und höherer Ord- nung bereits mit sehr großen wahrscheinlichen Fehlern behaftet sind. Die physischen Regressionsgleichungen erhält man aus den ab- soluten, wenn man #5, durch A'yr An xzı durch V;— A; ersetzt und die Gleichungen nach A‘, hin ha Dann N sich on

Ar Ay (24) A Au Sır re a E bz7S sP tra SE) s Ar = le rn De al:

SIT et, ats n (Yan Iy0 IE + 6 a = GE ‚PP? SH

a sp (Y30 4 a0. a

+ War. Me I

Die Resultate der physischen Regressionsgleichungen aber lassen

sich auch direkt aus denen der absoluten entnehmen, da ja Ann Ze

Der etwaige Mangel an Übereinstimmung zwischen Be- obachtung und Berechnung wird durch die.mittlere quadratische Differenz der zugeordneten (beobachteten und berechneten) Mittelwerte, bezw. ihrer relativen Abweichungen gemessen. Die Einzeldifferenzen der letzteren, A, können positiv, negativ oder gleich Null sein und ergänzen sich zur Summe Null. Die mittlere quadratische Differenz der absoluten Regressionsgleichung v-ten Grades des zweiten ' Merkmals auf das erste ıst dann

(dur), = 2 (rn):

Diese Größe läßt sich entweder aus den Einzeldifferenzen A;, oder, mit Hilfe von 7,7, direkt N N: Da nämlıch

ae! er

(25) aan, cr ...)-Aun—0, SIT ST SI SI

so ıst

< % % 3

(26) = Hrn te Pa 2 ln = ne 9] Jr”.

Nach Entwicklung des Ihklsoineen Ausdrucks von (26), nach Elımi- nation von y, und y,, sowie nach Bildung der Mittelgleichung er- hält man (27) [Air]? a um Bi ar 2 (Ya0 nn Y30 Oaı ar Sg ar Yaoı EN ng: 2 ya0 Ya0& ao 2 Yo Ye Fr : A Ar Pan di 2 Yan Yan. E so Hr R Yao E50 A

5)

G. Duncker, Regressionsgleichungen numerischer Merkmale usw. Y6:; oder nach (21)

2 y 1 (Au) +V dr (du dur ) >

und es wird daher für lineare Regression Anl = #60 für quadratische Regression Ak + V DE +V d?—ry dpi für kubische Regression

De (ee

ar I 2 2 g 3 S ! Au, =+ Vin.) a AH £8) 30

=+ en yo dar ;

für Regression vierten Grades

Anl, =+ Va?—y da "zo ds Yo Öy-

Dann ist notwendige Bedingung für die Anwendbarkeit einer Regressionsgleichung »-ten Grades, daß [4]»? einen positiven Zahlen- wert ergibt. Wırd [4]? negativ, so-bedeutet dies, daß die durch tat- sächlichen Vergleich der beobachteten und der mittels der Gleichung v-ten Grades berechneten Regressionswerte erhaltene mittlere quadra- tische Differenz größer als [A], ist, mithin diese Regressionsgleichung schlechtere Resultate als die lineare liefert.

3. Numerische Beispiele.

Die vorstehenden Ausführungen seien an drei Beispielen erläutert, von denen das erste die zunehmende Übereinstimmung zwischen Be- obachtung und Berechnung bei steigendem Grad der Regressions- gleichungen ersten bis dritten Grades ersichtlich macht, das zweite einen in mehrfacher Hinsicht interessanten, konstruierten Fall dar- stellt, während das dritte zeigt, wie die zu hoch gewählte Regressions- gleichung dritten Grades eine schlechtere Übereinstimmung ergibt, als selbst diejenige ersten Grades.

Wicksell (1915) behandelt das männliche (/) und weibliche (//) Heiratsalter bei Erst- und Wiederverehelichungen in Schweden für die Zeiträume 1391—1900 und 1901—1910 nach eigener, von der Pearsons abweichender Methode. In acht Tabellen gibt er die Kombinations- schemata der vier Möglichkeiten aa, ab, ba und bb (a = Erst-, b = Wiederverehelichung) für jede der beiden Perioden. Hier sei nur die Regression des männlichen auf das weibliche Heiratsalter bei Erstverehelichungen von 256940 Paaren in 1891—1900 (Wicksell 1918 p. 39 Tab. I) dargestellt.

Die Bestimmungswerte dieses Kombinationsschemas sind;

264 G. Duncker, Regressionsgleichungen numerischer Merkmale usw. Tabelle 1. l..g‘ 31.0 Produkt-Momentquotienten A 28.61900 Jahre 26.18280 Jahre P, 0.428622 s 6.085055, 5:02:9007, 5 Pi 0.701390 ß, 1.46446 1.11 916 Pa, 0.663281 ßı 6.46839 5.23 016 Bis 2.962583 ß, 24.35079 17.03841 By 2.732156 ß, 121.19004 80.49 693 n 256940.

Es handelt sich also, wie sachlich selbstverständlich, um hyper- geometrische, hochgradig positiv asymmetrische Verteilungen, ins- besondere bei den Männern.

Tabelle 2 enthält in der ersten Spalte das Heiratsalter der Mäd- chen, in der zweiten deren Anzahl, in der dritten die empirischen, in der vierten die berechneten zugeordneten Mittel des männlichen Heiratsalters, in der fünften, sechsten und siebenten die relativen Ab- weichungen der Werte der ersten, dritten und vierten Spalte von ihren totalen Mitteln. Den Werten der dritten und vierten Spalte dieser Tabelle entsprechen die der zweiten Spalten der Tabellen E und F bei Wiceksell (l. ce. p. 16), deren Übereinstimmung weniger gut ıst als die der hier vorliegenden Werte. Auch finden sich ge- a. Unstimmigkeiten chen Wicksells und meinen Rech- nungsergebnissen.

Tabelle 2 1% 2. 3: 4. D- 6. 7. Vır Al Re s,Ar KIT SIE RT: ST R; + Ar 17.5 20330 26.09 26.084 0.01 —1.54251 —0.41544 _ —0.41703 + 0.00159 22.5 105744 26.90 26.91 0.01 —0.65425 -—0.28244 —0.28134 0.00110

2.5 78807 28.70. 2871 0.01 0.23400 0.01320. 0.015111 0.00191 32.01238918 31.26... 31:22 .0:.0327.71.12226 0.434580 0.43567 0.00087

37.5 12203 34.45. 34.43 + 0.02 2.01051 0.935850 0.395568 + 0.00282°

42.5 4135 37.99. ‚38.02 0.03 2.389877 1.53975 1.54496 0.00521 47.5 1250 41.43 41.80 0.37 3.78702 2.10565 2.16545 0.05980 52.5 409 46.09 45.62 + 0.47 4.67528 2.87181 2.79390 + 0.07791

57.5 93 50.30 4929 + 1.01 5.56353 3.506228 3.39718 + 0.16510 62.5 32 52.50 52.62 0.12 6.45179 3.92453 3.94466 0.02013 67.5 12 61.67 55.43 + 6.24 7.34005 5.43095 4.40565 + 1.02530 72.5 7 47.50 57.52 10.02 8.22830 3.10284 4.74952 1.64668 256940 . 0.196115 + 0.01275 MN eg = [47] Mit Hilfe der Spalten 2 und 6 der Tabelle 2 findet man 2 :0,196115 daher

O0 Tre Bin 0.012389 ferner aus Tabelle 1 die Hilfsgrößen

EI Ba Dia: - u 2.97764 EN = Pos Basßea— Los; = 10.06586 A Bo De Boa 51.388983 en 0.183584

Ö15 Piz = Pas Pos = 0.490395

. G. Duncker, Regressionsgleichungen numerischer Merkmale usw. 265

und mittels dieser ya dm 2 ed = 0.061694

NE WR EEE ÖgE 04

Ya = SO ma 0.007290 &) a te Por 0.086302, so daß [All = 6 + 0.1113 Ar = EV in 1992 + 0.0328 Ki it Vd— rO Pod = + 011.

Von den drei Regressionsgleichungen ersten

bis dritten Grades

RB = .0 10.428622 77 a Sır va ERDE R,: = —0.061654 + 0.359621 7 4.0.061654 7, s SIT Sır % 2 A) R,: = 0.078143 + 0.370164” 40.086302, —0.007290°, = Ba SIT SIT

ist daher die dritte die zutreffendste. Ihre Auswertung findet man in Spalte 7 der Tabelle 2, aus welcher Spalte 4 derselben Tabelle ab- geleitet ist. Die Bestimmung. von [47], aus den Einzeldifferenzen der

Spalte 7 ergibt

so daß eine geringe Unstimmigkeit der beiden Rechnungsweisen, wohl infolge logarithmischer und dezimaler Abrundungen, vorliegt. Die Zahlenwerte der Spalte 6 (empirische Werte Kreispunkte) und 7 (berechnete Werte —= Linienzug) sind in Fig. 1 graphisch dargestellt;

‚ferner ist die Gerade der linearen Regression ange "bedeutend abweichenden, maximal extremen Wert je 12 und 7 unter 256940 Beobachtungen.

geben. Die beiden e beruhen auf nur

I66 G. Duncker, Regressionsgleichungen numerischer Merkmale usw. -

Die entsprechenden reziproken Regressionsgleichungen des weib- lichen auf das männliche Heiratsalter sind

RB. ao 10.428622 77 SI SI a4 r 2 RB,: —= -— 0.022171 + 0.396154 „Ft oo2217 . II R,: u —0.034125 + 0. 398770 °° +0. 04093477, —.0.004090°, TERN sie ergeben 2 mittleren quadr schen Differenzen rl = el 0644, [: Aula, == a 0. 0501, Ar, ==ch 0. 0448.

Die Ergebnisse der quadratischen und der kubischen Regressions- gleichung weichen hier von denen der linearen weniger ab, als bei dem männlichen Material.

Das zweite Beispiel ist von W. Johannsen (1913 p. 335) er- dacht, um zu zeigen, daß Korrelation selbst dort vorliegen kann, wo ihre Messung durch den Korrelationskoeffizienten Null ergibt. Da dies Beispiel übereinstimmende, streng symmetrische Variation der beiden bei Johannsen mit x (= ]) und y (= II) bezeichneten „Merkmale“ bietet, erfährt an ıhm die Berechnung der Regressionskoeffizienten wesentliche Vereinfachungen. Seine Bestimmungswerte sind

Tarbieiiker 3, 1.1 Produkt-Momentquotienten A 0.00000 ß, 0.000000 s 1.74929 5 0.000000 Ps 0.00000 Ba: "0.598724 1: : 2.70537 = Bis 0.000000 ß; 0.00000 Ps, 0.000000 ß, 10.82833 ß,, 0.000000 ß- 0.00000 Bıı 2.428630 ßs 54.11560 n 500

Bei symmetrischer Variation eines Merkmals werden alle seine ungeraden Momentquotienten söwie diejenigen Werte z(, zu Null, für welche die Summe «x ungerade Zahlen ergibt; daher auch

Ögun, Mr Pau, 1 und Ö1, > Pıyav-

So erhält man aus den Bestimmungswerten

A Brei zer L00B3T Bohn 3.12296 2 Po —Pio” = 3.590930 8. Bao— Ban? = 46.796587 6, —=ßs, 0.553727 du=ßı = 2.428630

und ferner 2 1 2 9 Sır —[s 1] Se 8 2 02 SI

=—=!,190627.

| |

TI

G. Duncker, Regressionsgleichungen numerischer Merkmale usw. 267

Hieraus findet man

ya —0 ; 790 Paı : e®),, = 0.324696 AR = ei ii yo Bunt so Par 5 2 —= 0.025768 FREIES 50 (E”so)

ri

Y% B n nl En yo == ya 3 2 = 0.447434 g| Is

9.0 Te a”, Po = —I.377721,

mithin Be = Tre Ah [Arrl, Ser at: vo ya Paı == 4 0.10409 [A]; = [An], [Air = Von Ho Bar Yo Ba = + 0.073853. Von den vier ersten Regressionsgleichungen des zweiten Merk- mals auf das erste

R: 20 SI x ır = a R,: = —0.324696 + 0.324696 7, IT R,: _ Y —_ __0,324696 + 0. 324696” = II n 4 R.: _ 0.377721 + 0.447434 5 0.025708 II I

erweist sich also die vierte als die eigneisge:

Tabelle 4 enthält die relativen Abweichungen der den Varianten —5 bis 4 5 (Spalte 1) des ersten Merkmals zugeordneten Mittel des zweiten, und zwar,nach direkter Berechnung aus dem Kombinations- schema (Spalte 4) wie nach den Regressionsgleichungen zweiten und vierten Grades (Spalte 5 und 7). Spalte 2 enthält die Frequenz der bedingenden Varianten, Spalte 3 ihre relativen Abweichungen, Spalte 6 und 8 die Produkte fr Ar. Die fünfstelligen Dezimalen der rechne- rischen Ergebnisse sind in der Tabelle auf dreistellige abgerundet.

Tabelle 4. A a er 3 REN, 5 6 7 8 V; fr BESSTN Ar 2 Alr R, 35 Aır fr Ar R, a5 Aır frAr® 112 0.000 —0.490 —0.325 0.165 3.060 0.378 0.112 1.412 95 +0.572 —0.162 —0.219—+-0.057 0.598 —0.234--0.072 0.979 607551.143.4.-0.181 0.100-+-0.081 0.793 0.163-+-0.018 0.038 2% -21:715 0.651 0.630-+0.021 0.024 0.715 0.064 0.244 IND, 1.270 1.323 0.103 ‚0.190 1.257 +0.013 0.003 1. +2858 1.15 2.328—:0.613 0.752 1.558-+0.157 0.049 500 | +0.104 5.417 +0.074 2.725 —,n } —= [An], 2 —= [Ark en

18°)

68 G. Duncker, Regressionsgleichungen numerischer Merkmale usw.

Fig. 2 stellt die Werte der Tabelle 4 graphisch dar; R, fällt 'mit der Abszissenachse der Figur zusammen.

Sämtliche reziproken Regressionsgleichungen lauten überein- stimmend Ry:

el CI

Ur,

SI und man findet dementsprechend als Korrelationsquote des ersten Merkmals

re.

Im dritten Beispiel, welches des allzukleinen Materials (332 Be- obachtungen) wegen an sich keine günstigen Ergebnisse erwarten läßt, handelt es sich um die Regression der Totallänge (7) auf das Körper-

gewicht (/7/) des Kaulbarsches (Acerina cernua L.). Die reziproke Regression ist bei dieser Art von praktischer Bedeutung und eine solche dritten Grades. Aus dem an anderer Steile zu veröffentlichenden (Duncker l.c.) Kombinationsschema der beiden Merkmale erhält man die Bestimmungswerte

Tabelle 5. I. Länge II. Gewicht Produkt-Momentquotienten A 12.6686” cm 29.87950 g Pu 0.900581 s 72.1.13079 | 11.91655 Bis 0.668919 82.011437 1.14860 ßz, 0.270057 ß, 3.49836 5.14550 Pıs 3.898532 —0.63183 15.04051 By, 3.159070 Ps 18.99604 58.40810 n 332 Da 0.883148, ist 0 =, 0.072102 +; 0.019659 und

[Arlı = + 0.2685.

en

NEE a En Er. » DENE * x 4 x Y r Fr r

en.

I + \ er

G. Duncker, Regressionsgleichungen numerischer Merkmale usw. 269

Ferner sınd

v9, = 0.129320 y®, = 0.206023, daher [Ars = 0.024837 [Ar|,? = 0.062954.

Die Anwendung der Regressionsgleichung zweiten Grades bedeutet demnach eine Verbesserung gegenüber der der linearen; dagegen führt die Auswertung der Regressionsgleichung dritten Grades zu gänzlich

_ unhaltbaren Resultaten (s. folgende Tabelle).

Naar 6.

1 2 3 4 5 6 Vır fr Cır : SıI Din Sa Ir, R, = Ar 10 11 1.668 2:30 1.707 2.528 + 0.225 15 21 1.249 1.666 1.178 0.976 0.690 20 65 —. 0.329 —. 0.684 0.694 0.029 0.713 25 62 0.409 0.228 0.255 0.578 0.806 30 67 0.010 0.110 0.138 0.761 0.651 35 28 0.430 0.625 0.486 0.671 0.046 40 36 0.849 0,914 0.788 0.398 + 0.516 45 16 1.269 0.950 1.045 0.033 + 0.917 50 13 1.688 1.503 1.256 0.331 + 1.834 55 2 2.108 1.347 1.422 0.604 1.951 60 6 2.528 1.828 1.542 0.694 —- 2.522 65 2.947 1.617 —0510+ ? 70 2 3.367 2.214 1.646 0.039 + 2.175 75 1 3.786 2.214 1.629 1.045 + 1.169 80 2 4.206 3.080 1.567 2.598 4 0.492 332 0.883 + 0.844 Sal =ır =[4]];

u won Regressionsgleichung lautet

y 2

R,: = 0.129320 + 0.885791 © zu "0.129320 ol

und führt zu

[A = + 0.1576. Dagegen ergibt der Vergleich der empirischen mit den nach der kubischen Regressionsgleichung

R,: 77 = 0.760504 + 0.090164 77 —.0,784067 = „+ 0.206023 7, zu Rs Sp Sır

berechneten Werten

[Ar = + 0.8436, also eine mittlere quadratische Differenz, die mehr als das dreifache von [A;], beträgt. Gleichungen vierten Dad höheren Grades würden wachsende negative Werte von [4r]" bedingen und dementsprechend noch weniger zur Wiedergabe der riirieelen Befunde geeignet sein.

ER Ba

270 H. Wachs, Zur Ähnlichkeit der Kuckuckseier.

Literatur. Betz, W., Über Korrelation. Beih. Zeitschr, ang. Psychol. u. psychol. Sammelf. Nr. 3. Leipzig 1911. 88 pp. Blakeman, J., On tests for linearity of regression. in frequeney distributions. Bio- metrika Vol. IV Nr. 3 1905 p. 332—350. Collier, W. A., Einführung in die Variationsstatistik. Berlin 1921. 8°. VI 73pp. Exner, F. M., Über die Korrelationsmethode. Jena 1913. 8°. 36 pP: Goldsehmidt, R., Einführung in die Vererbungswissenschaft. Leipzig 1911. 8°, X + 502 pp. Johannsen, W., Elemente der exakten Erblichkeitslehre. Jena 1913. 8°. 2. Aufl. XII + 724 pp. i Lang, A., Experimentelle Vererbungslehre in der Zoologie seit 1900. Erste Hälfte. Jena 1914. gr. 8°. 892 pp. Pearson, K., Mathematical contributions to the theory of evolution. XIV: On the general theory of skew correlation and non-linear regression. Draper’s Co. Res. . Mem. Biom. Ser. Il. Lond. 1905. 4°. 54 pp. 3 pl. Wicksell, 8. D., Das Heiratsalter in Schweden 1891—1910. Eine korrelationsstati- stische Untersuchung. Festskr. Lunds Universitet 250 ärsjubil. 1918. Act, R. Soc. Physiograph. Lundens N. F. Bd. 29 Handl. Nr. 18. 46 pp. (14 Tab.).

Zur Ähnlichkeit der Kuckuckseier. Von Dr. Horst Wachs-Rostock.

Mit der Frage der Mimikry der Kuckuckseier beschäftigt sich eine Abhandlung, die Friedrich von Lucanus im Journal für Örnithologie 1921, 8. 239 ff. veröffentlicht. Verfasser untersuchte die Sammlung an Kuckuckseiern des Berliner Museums, die 728 Gelege 30 verschiedener Vogelarten mit zusammen 765 Kuckuckseiern ent- hält, Weitaus die meisten Kuckuckseier waren gezeichnet, nur 17 Stück waren einfarbig; von diesen durchlaufen 16 alle Abstufungen vom tiefen Blaugrün bis zur milchweißen Farbe, ein Ei aus einem Rotkehlchen-Gelege ist lehmgelb, ;

Die Gruppierung nach „ähnlichen“ und „unähnlichen“ Eiern .er- gab eine: fast vollkommene Übereinstimmung für dieGruppe der Sylvien (Grasmücken), der weitaus die meisten Gelege angehörten: in 481 Ge- legen der Gartengrasmücke waren alle zugehörigen 502 Kuckucks- eier als „sehr ähnlich‘ anzusprechen, desgleichen 16 Kuckuckseier in 15Gelegen der Dorngrasmücke, 2 bei der Zaun- und 4bei der Orpheus- grasmücke. Nur bei der Mönchsgrasmücke war von 14 Gelegen in 4 Fällen das Kuckucksei unähnlieh. Zeigt sich sonach in dieser Gruppe eine ganz außerordentliche Übereinstimmung, so ist das Gegenteil der Fall bei den Gelegen von Phylloscopus (Laubsänger) und Troglodytes (Zaunkönig): hier sind alle gefundenen Kuckuckseier als „unähnlich“ anzusprechen, und zwar 4 in 4 Gelegen beim Waldlaubsänger, 6 in 5 Gelegen beim Weidenlaubsänger und 120 Kuekuckseier in 109 Gelegen beim Zaun-

H. Wachs, Zur Ähnlichkeit der Kuckuckseier. 71

könig. Für die Gesamtheit aller untersuchten Gelege berechnet sind als „ähnlich“ anzusprechen 597 Stück (78 %), als „unähnlich‘‘ 168 Stück (22%). Da nach obigen Ergebnissen klar ıst, daß das Gesamtergebnis jeder derartigen Statistik wesentlich von der zufällig in der betreffen- den Sammlung vorhandenen Anzahl der Gartengrasmückennester einerseits bezw. der Laubsänger- und Zaunkönigsnester anderseits ab- hängig ist, ‚wurden die Verhältniszahlen auch noch nach Abzug eben dieser Gelege errechnet; von den dann verbleibenden 133 Kuckucks- eiern erwiesen sich 95 Stück (72%) als ähnlich, 38 (28%) als unähn- lich; sonach ergibt auch diese Berechnung in diesem Falle annähernd die gleichen Verhältniszahlen.

„Von den Kuckuckseiern der Sammlung des Berliner Museums, folgert der Verfasser, ist also der größte Teil den Nesteiern ähnlich, und es tritt eine große Anpassungserscheinung deutlich und unver- kennbar zutage. Die zahlreichen Variationstypen des Gartengras- mückeneies, die gespritzte Zeichnung des Dorngrasmückeneies, das fein gestrichelte Muster vom Ei der Bachstelze, die braune Wölkung des Fliegenschnäppereies, die blaugrüne Farbe, die das des Garten- rotschwanzes zeigt, sowie die Zeichnung und Farbe der Würgereier kehren in geradezu verblüffender Weise bei den Kuckuckseiern wieder.

Eine einzig in ihrer Art dastehende Mimikry zeigt das Kuckucksei in dem Gelege von Emberixa ciopsis. Die völlige Übereinstimmung der höchst eigenartigen Zeichnung mit ihren kranzartig um das stumpfe Ende gewundenen Wurmlinien übertrifft in ihrer Vollendung und Eigentümlichkeit alle anderen Anpassungserscheinungen,“

Um nun eine richtige Beurteilung dieser Anpassung zu gewinnen, zieht Verfasser zum Vergleich verwandte Formen heran, wo wir oft eine große Übereinstimmung mit den Eiern der Pflegeeltern finden. So legt der Häherkuckuck (Coceystes glandarius L.) seine elsternartig gefärbten Eier in die Nester der Elster oder Nebelkrähe, während Ohaleococeyz maculatus Gm. seine einfarbig rotbraunen Eier zu den ebenfalls einfarbig rotbraunen Eiern von Neornis und Horornis legt. Die Pflegeeltern von Ooceystes jacobinus Bodd. sınd die Orateropus-Arten, die ebenso wie jener einfarbig blaue Eier legen. Der Koel, Eudynamis niger Cab., legt seine Eier ausschließlich in die Nester der beiden indischen Krähen Corvus culminatus und splendens Vieill., deren Eiern das- Koelei sehr ähnlich ıst. In allen diesen Fällen ist es also voll- auf berechtigt, von einer Mimikry der Kuckuckseier zu sprechen.

„Das Schmarotzertum des Kuckucks, führt der Verfasser aus, hat sich offenbar in der Weise entwickelt, daß die Vögel anfingen, zu mehreren ein- und dasselbe Nest zu benutzen und gemeinschaftlich zu brüten, wie es bei einigen ausländischen Kuckucken heute noch der Fall ist (z. B. bei der amerikan. Kuckucksgattung der Maden- fresser, Orotophaga). Mit der Zeit gewöhnten sich dann einzelne In- dividuen das Brüten ab, andere folgten ihnen, bis dann schließlich der Brutinstinkt ganz verloren ging, womit gleichzeitig auch der Trieb

ei

7 H. Wachs, Zur Ähnlichkeit der Kuckuckseier.

zum Nestbau erlosch. Von diesem Augenblick an waren aber die Vögel gezwungen, ihre Eier in die Nester fremder Vögel zu legen, und es ist nur natürlich, daß sie die Nester solcher Vogelarten wählten, deren Eier den ihrigen möglichst ähnlich waren, die sie also gewissermaßen für Eier ihrer Artgenossen hielten. So brachte denn Coceystes glandarius seine elsternartig gefärbten Eier in den Nestern der Elster und Krähe unter, Coccystes en seine blauen Eier in den Nestern der Ora- teı opus-Arten usw. Bei dem einheitlichen Typus der Eier dieser aus- ländischen Kuckucke läßt sich auf diese Weise die Anpassung ganz einfach und natürlich erklären.“

Da nun die meisten Eier unseres Kuckucks denen der Garten- grasmücke ähneln (502 Eier in 481 Gelegen), und fast zwei Drittel des Materials in Nestern der Gartengrasmücke :gefunden. wurde, nimmt Verfasser an, daß das ursprüngliche Kuckucksei in seiner Färbung dem Gartengrasmückenei glich. Dann wird klar, daß unser Ruckuck bei seinem Übergang zum Brutschmarotzertum ebenso wie die oben erwähnten land Kuekucke zunächst ausschließ- lich solche Vogelarten als Pfleger gewählt haben wird, die möglichst ähnliche Eier legten, also in erster Linie die Grasmücken. Da die Eier der Gartengrasmücke stark variieren, war, wenn das gleiche für die ursprünglich grasmückenähnlichen Bier des Kuckucks zutraf, von vornherein eine gewisse Ähnlichkeit mit den Eiern vieler Singvögel, wie der Stelzen, Pieper, Fliegenfänger und Würger vorhanden, die dem Kuckuck bei seinem Schmarotzertum zugute kam. Seine Eier brauchten also den Eiern vieler Pfleger nicht erst angepaßt zu werden, sondern die Möglichkeit einer Mimikry war bis zu einem gewissen Grade bereits ee

Nun finden sich aber in einigen Fällen besondere Anpassungen an andere Färbungstypen; so wurde oben schon die ganz hervor- ragende Anpassung in einem Gelege von Emberiza ciopsis erwähnt; an findet sich im nördlichen Europa besondere Anpassung an die Eier des Bergfinken, im südlichen Europa an die Eier der Orpheus- grasmücke, wie dies für 5 Fälle aus 3 verschiedenen Gegenden (Her- zegowina, Dalmatien, Malaga) nachgewiesen wurde. Hr wären auch de einfarbig blauen Kuckuckseier in den Nestern des Gartenrötels (sollen vor allem in Finnland häufig sein) zu nennen. Wenn wir nun annehmen, daß das Kuckucksweibchen mit Vorliebe derjenigen Vogel- art sein Ei unterschiebt, von der es selbst großgezogen wurde, so ließen sich diese besonderen Anpassungen durch die Selektion er- klären: „Dadurch, daß alle unähnlichen Eier von den Nestinhabern stets entfernt, und nur die ähnlichen angenommen wurden, wurde in den verschiedenen Gegenden mit der Zeit ein Kuckucksstamm heran- gezüchtet, dessen Eier sich durch eine große Anpassung auszeichnen.“ Dabei wären die einfarbig blauen Kuckuckseier in den Nestern des Gartenrotschwanzes und die eigentümliche Anpassung im Emberixa ciopsis-Gelege offenbar aus besonderen Variationen herangezüchtet worden.

H. Wachs, Zur Ähnlichkeit der Kuckuckseier. 373

Bei diesem Gedankengang ist aber stillschweigend vorausgesetzt, daß die Stiefeltern die unähnlichen Kuckuckseier entfernen; wie steht es hiermit? Versuche, die mit dem Unterschieben „fremder Eier ım Nest“ gemacht wurden, haben gezeigt, daß sich verschiedene Vogel- arten verschieden verhalten: die Raubvögel nehmen fremde Eier ohne weiteres an, während die Singvögel zum Teil auf derartige Eingriffe reagieren, was bei den Ammern und anscheinend auch bei der Amsel und Misteldrossel wieder stärker hervortritt als bei vielen anderen Arten. Es verhalten sich aber auch die einzelnen Individuen der gleichen Art eventuell verschieden. Zu den eignen Eiern hinzuge- fügte einzelne fremde Eier werden von den Singvögeln vielfach an- genommen, noch leichter ein volles vertauschtes Gelege. Nicht an- genommen wird ein einzelnes fremdes Ei, das an Stelle des entfernten eignen Geleges ins Nest gelegt wird (wie nicht anders zu erwarten war! Referent).

Da hiernach feststeht, daß auch unangepaßte Eier angenommen werden (wie ja auch die unähnlichen Kuckuckseier bebrütet werden), scheint dem Verfasser eine natürliche Auslese hier nicht wirksam und daher nicht für die Erklärung der besonderen Anpassung der Kuckuckseier heranzuziehen. Da nun aber „eine so ausgeprägte Miı- mikry, wie wir sie außer bei den Sylvien auch ın den Gelegen vom grauen Fliegenschnäpper, rotrückigen und rotköpfigen Würger, weißen und gelben Bachstelze und besonders bei Eimberixa ciopsis finden, we sie geradezu verblüffend wirkt, unmöglich übersehen oder als eine Laune des Zufalls betrachtet werden kann, handelt es sich hier offen-

bar um ein Naturgesetz, dessen Erkenntnis weiterer Forschung vor- behalten ist.“

Zu diesen hervorragend schönen und gedankenreichen Untersuch- ungen des bekannten Autors möchte ich mir noch einige Bemerkungen erlauben. Die Feststellung, daß manche Singvögel auch unähnliche artfremde Eier, seien es durch Menschenhand untergeschobene, seien es ähnliche Kuckuckseier, annehmen, schließt, wie wir ım Gegensatz zum Verfasser scheint, eine ‚Auslese‘ der passenden Eier doch nicht aus. Lucanus betont (S. 257), daß eine Anpassung des Kuckuckseies nur dann erzielt werden kann, wenn alle Eier, die den Nesteiern un- ähnlich sind, regelmäßig dem Untergang preisgegeben werden. Mir hingegen scheint, daß der Unterschied im Effekt bei der Vernichtung aller unähnlichen Eier bezw. bei der Vernichtung nur eines Teiles der unähnlichen Eier kein prinzipieller, sondern nur ein gradueller ist: ım ersteren Falle würde der Enderfolg, „vollkommene Anpassung in allen Fällen“, schneller erreicht werden, so aber finden wir außer den angepaßten Eiern, den „geeigneten“ im Darwinschen Sinne, eben gelegentlich auch noch „ungeeignete‘ unangepaßte.

42. Band 1

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974 H. Wachs, Zur Ähnlichkeit der Kuckuckseier.

In Wahrheit liegen die Verhältnisse viellache noch ein wenig anders: bei denjenigen Arten der Pflegeeltern, die andersartige Eier „nicht leiden mögen“, findet deren Ausmerzung statt, hier stellen wir dann statistisch „Ähnlichkeit“ fest, bei anderen Pflegeeltern, die weniger empfindlich sind, finden wir öfter „unähnliche“. Zu den ersteren mögen unter anderem die Bachstelzen und Gartengrasmücken gehören; ge- rade die letzteren würden so bei uns die ursprüngliche, typische alte Arzteichnung des Kuckuckseies. „erhalten“, „bewahren“. Die Tatsache, daß die in Grasmückennestern gefundenen Kuckuckseier fast zwei Drittel des Gesamtmaterials ausmachen, zeigt, daß bei uns noch die überwiegende Anzahl der Individuen (Kuckucke) den alten Typus des Eies bewahrt hat. Neben diesem Haupttyp kommen aber immer wieder variierende Individuen (Abirrungen) vor, bezw. ganze Familien (genealogische Familien!), denen ein anderer Eityp eigen ist. Solche Individuen suchen nun ihrerseits nach Nestern, in denen die Eier ähn- lich ausschauen wie das eigene Ei! Denn ich halte mit Bestimmtheit dafür, daß auch das einzelne Kuckucksindividuum wie jedes Vogel- individuum sein Ei kennt! Gerade dieser außerordentlich wichtige Umstand darf nicht unberücksichtigt bleiben! Denn die ursächliche Verknüpfung der Tatsachen wird danach eine vollkommen andere: es ist nicht so. daß der Kuckuck ein blaugrünes Ei legt, wenn er oder weil er zu einem Gelege des Gartenrotschwanzes hinzulegt, nein, umgekehrt: weil dieses Kuckuckindividuum blaugrüne Eier legt, sucht es nach Nestern, die ähnliche Eier enthalten, ganz genau wie der Autor dies für die angeführten ausländischen Kuckucke angibt. Es ist doch nicht die „Art“, die die Nester sich aussucht, sondern je- weils das „Individuum“!

Wird nun z. B. für solch blaugrüne Eier das geeignete Nest ge- funden, dann gelingt die Nachzucht; und sıe gelingt in diesem Falle eben nur oder wenigstens vorzugsweise ım Nest des Gartenrot- schwanzes. Ganz vn ee gilt natürlich dann z. B. ım Norden für die Individuen, die Bennen ähnliche Eier legen bezw. im Süden für solche Individuen, deren Eier denen des Orpheussängers ähnelten. Gerade die ın die Bergfinkennester bezw. in die Orpheus- sängernester gelegten Eier wurden erbrütet und lieferten Nachzucht! So bekommen wir neben der alten Stammrasse mit dem Eityp der „Grasmücken-ähnlichen“ neue genealogische Familien mit den Ei- typen der „Bergfinken-ähnlichen“ und der „Orpheussänger-ähnlichen‘‘.

Auf diese Art könnten sich beim Kuckuck biologische Rassen entwickeln, die, äußerlich gleich, sich durch die Eitypen und Wahl des Wirtes unterscheiden würden wenn, ja wenn die Kuckucks- weibchen parthenogenetisch wären! Denn es ist höchst wahrscheinlich, daß kein unmittelbarer Anlaß gegeben ist, der „blau-euge‘ Männ- chen gerade nur mit „blau-eiigen‘‘ Weibchen sich paaren ließe, es liege denn der Fall vor, daß ein bestimmter Typ innerhalb eines be- stimmten Lebensraumes vorherrsche.

R ii y N AT Bi

H. Wachs, Zur Ähnlichkeit der Kuckuckseier. 375

So wird, vor allem in geographisch-biologisch einheitlichen Ge- bieten, immer wieder eine „Rückkreuzung“ mit der Stammrasse (Gartengrasmückeneiertyp) oder Durcheinanderpaaren der neuen Ei- typenrassen stattfinden ; dadurch ergibt sich eine unendliche Mannig- faltigkeit der Eifärbungen, zumal unter Berücksichtigung der offenbar großen individuellen Variationsbreite. Natürlich werden auch die un- glücklichen Nachkommen solcher Kreuzungen („Zwischenrassen“ könnten wir sie nennen, wobei so ziemlich jedes solche Individuum eine be- sondere Zwischenrasse wäre) bestens bestrebt sein, geeignete Nester zu finden; aber einerseits wird dies Bestreben aus Mangel an ent- sprechenden Nestern bezw. Eiern nicht zum Ziele führen, andererseits die wahrscheinlich starke Verschiedenheit der Eier solcher Individuen zu vielfachen Mißgriffen führen. So werden naturnotwendig jahrein- jahraus viele „unähnliche“ Eier abgelegt werden müssen wie viele wir finden, wird abhängen von drei Momenten: 1. dem lokalen Vor- handensein atypischer Individuen (Individuen mit Eiern, die keinem bestimmten Typ entsprechen und unter sich stark variieren); 2. dem Grad der „Auslese“, die die Wirtsvögel eventuell treffen; und 3. dem Grade und der Art der Durchforschung der Gegend.

Aus diesen Gedankengängen wird: verständlich,

1. daß die überwiegende Anzahl der Kuckuckseier sich in Nestern der Gartengrasmücke findet und diese sämtlich ähnlich sind: der „Typ“ der Gartengrasmückeneier entspricht dem alten Eityp von Ckeulus canorus,; die Nester bezw. Eier der Gartengrasmücke werden daher von den meisten Kuckucksweibchen als „geeignet“ angesehen;

2. daß sich auch in anderen Nestern „sehr ähnliche‘ bezw. „her- vorragend angepaßte‘“ Eier finden können: in diesen Fällen hat ein Kuckucksweibehen mit abweichendem Eityp ein „geeignetes‘‘ Nest gefunden;

3. daß ın verschiedenen Gegenden an Stelle oder auch neben den Gartengrasmückennestern auch in anderen Nestern (Gartenrotschwanz, vor allem in Finnland; Bergfink, im Norden; Orpheussänger, im Süden) sich oft oder meist oder regelmäßig ‚gut angepaßte“ Eier finden: hier ist neben dem Haupttyp oder dem alten Typ ein neuer Typ in Ausbildung begriffen und darin schon mehr oder weniger weit fort- geschritten;

4. daß sich auch unähnliche Eier finden, eventuell auch in Nestern

solcher Arten, wo ebenso oft ähnliche Eier gefunden werden: die

ähnlichen stammen von Weibchen reineren Typs, die zielsicherer auswählen, die unähnlichen von Weibchen gemischten Typs, bezw. solchen, deren Eier unter sich stark variieren, sodaß ıhnen eine sichere Auswahl unmöglich wird, oder von solchen Weibchen, die sehlecht wählten bezw. geeignete Nester nicht fanden.

Ungeklärt aber bleibt hiernach noch, wie es kommt, daß diejenigen Eier, die sich bei Phylloscopus und Troglodytes fanden, regelmäßig 18*

276 H. Wachs, Zur Ähnlichkeit der Kuckuckseier.

unähnlich waren! Die Frage ist sehr wesentlich vor allem ım Hin- blick auf die außerordentlich hohe Zahl der Eier aus den Nestern des Zaunkönigs (120 Eier aus 109 Nestern) und müßte vielleicht ein wenig anders, etwa so lauten: „Wie kommt es, daß die Kuckucks- weibchen ıhr Ei so überaus häufig ın das Nest eines Zaunkönigs bringen, obgleich dessen Eier keiner Variation des Kuckuckseies ähneln ?*

Vergegenwärtigen wir uns genau den biologischen Vorgang: nach der Bauart des Zaunkönigsnestes ist es wohl in allen Fällen ausge- schlossen, daß das Kuckucksweibchen sein Ei hinein „legt“, wie man den Vorgang des Eierlegens für gewöhnlich im Sprachgebrauch kennt. Wenn das Kuckucksweibchen schon in vielen Fällen bei den anderen Nestern gezwungen sein wird, sein vorher abgelegtes Ei ins Nest zu „tragen“, so wird das für die Kuckuckseier ım Zaunkönigsnest regel- mäßig zutreffen! Der Kuckuck muß in diesem Falle sein hinein tragen. Tut er dies bei den anderen Nestern, so erblickt er wohl meist die’ Eier, ebenso natürlich, wenn er sich zur Eiablage direkt aufs Nest setzt im Zaunkönigsnest aber sieht er die Eier nicht. Er kann sie gar nicht sehen, da die Eingangsöffnung wohl immer durch seinen eignen Körper verdunkelt ıst. Sonach fehlt ihm hier die Kontrolle durchs Auge, die er in den übrigen Fällen doch meist ausüben kann. Gerade für die Nester des Zaunkönigs schaltet also die optische „Auslese“, die der legende Kuckuck trifft, aus und gerade ın diesem Falle haben wır am typischsten die Ungleichheit zwischen Nesteiern und Kuckucksei. Ich glaube, die Sonderstellung, die das Zaunkönignest gerade hierin, in bezug auf die „Unmöglich- keit des Beschauens der Eier‘ einerseits und der „Unähnlichkeit“ der Kuckuckseier andererseits einnimmt, ist so auffallend, daß ein ursäch- licher Zusammenhang dieser beiden Erscheinungen bestehen muß!

Wie die Verhältnisse für die Laubsängernester liegen, vermag ich nicht zu beurteilen, doch fällt ihre Zahl(9) gegenüber den Zaun- könignestern (109) ja viel weniger ins Gewicht. Von größtem Wert aber wird es sein, daß jeweils recht genau auf die Bauverhältnisse der Nester geachtet wird, in denen sich die Kuckuckseier finden, immer unter Berücksichtigung der Frage: konnte. der Kuckuck sein Ei direkt im Nest ablegen oder mußte ers hineintragen und konnte er dabei die Eier sehen? Auf dies letztere kommts besonders an! Wie wertvoll wäre das Berliner Material, wenn die Finder jeweils hierauf geachtet hätten! Bei dieser Gelegenheit sei eine Bemerkung über die Farbentafel der Kuckuckseier im Naumann gestattet; ich habe mich vergebens bemüht zu finden, nach welchem Prinzip die Abbildungen auf der Tafel geordnet sind, ich finde keines! Wie übersichtlich und wertwoll würde diese Tafel, wenn die Eier aus artgleichen Nestern beisammen ständen! Oder wenn sie schließlich auch nach den Fund- orten geordnet wären, möchte’s noch sein, So aber ist diese Tafel von einer Unübersichtlichkeit, die ihren Wert und Benutzbarkeit denk- bar stark mindert!

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H. Wachs, Zur Ähnlichkeit der Kuckuckseier DT

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Nach dieser Annahme übergibt das Kuckucksweibchen dem Zaun- könignest sein Ei also jeweils ohne optische Kontrolle der „Stief- geschwistereier“. Wie erklärt sich aber die Häufigkeit gerade dieser Wahl? Oder, anders gefragt: „Wie kommt es, das viele Kuckucks- weibchen eine Vorliebe für Zaunkönignester haben?“ Wenn es richtig ist, daß der Kuckuck solche Nester bevorzugt, die seiner eignen Wiege gleichen, so würden die Zaunkönignester bevorzugt von Kuckucken, die in Zaunkönignestern erbrütet wurden. Das scheint auf den ersten Blick nur die Verschiebung des Problems um eine Generation zu sein, doch dem ist nicht so. Während diejenigen Kuckucke, die in irgend einem anderen Singvogelnest erbrütet sind, sich bei der Aus- wahl des Nestes für ihre Eier mehr durch die Eier im Nest als durch die Form des Nestes leiten lassen mögen, wird bei den Zaunkönig- kuckucken gerade und ausschließlich die Form des Nestes, der Ha- bitus des Nestes maßgebend sein. Hierdurch tritt das Zaunkönignest abermals in Gegensatz zu allen anderen Nestern: alleın das Zaunkönignest wird als „Nest“ wiedererkannt, alle (?) anderen aber nach den Eiern. Haben wir als Ausgangsmaterial auch nur einen Zaun- könig-Kuckuck, so ist dieser besser gestellt als alle seine Geschwister: jene müssen in den Nestern der verschiedensten Singvögel herum- suchen, er aber erkennt den Platz, wo er hin muß, am „Typ‘ des Nestes.

Und noch ein weiterer Umstand mag die zahlenmäßige Über- legenheit der „Zaunkönig-Kuckucke“ veranlaßt haben: die Schwierig- keit für den „Wirt“, das Kuckucksei zu entfernen. Immerhin, wollte’s der Zaunkönig unbedingt, so würde er wohl Mittel finden, sich seiner zu entledigen. Aber daß er’s nicht tut, ist Tatsache. Diese zwei Momente, der besondere „Typ“ des Nestes und die stetige Duldung der Kuckuckseier haben, nach dieser Auffassung, die große Zahl der Zaunkönig-Kuckucke, d. h. solcher Kuckucke, die Zaunkönignester be- vorzugen bezw. in ihnen erbrütet wurden, begünstigt; die Unmöglich- keit für den Kuckuck aber, die betreffenden Wirtseier zu sehen, be- dingt den Mangel einer Anähnlichung der betreffenden Kuckuckseier an die Eier des Zaunkönigs.

Ich glaube, daß wir unter Berücksichtigung all dieser Verhält- nisse doch recht gut in die ursächlichen Zusammenhänge hineinschauen, die jeweils die „Ähnlichkeit“ bezw. „Unähnlichkeit‘‘ der Kuckuckseier - bedingen. Es ist nicht ein Naturgesetz, das hier, unserer Erkenntnis verschlossen, waltet, sondern es handelt sich um eine Vielheit mit- einander eng verknüpfter Erscheinungen, die, selbst Folge und wiederum Ursache, ein z. Z. noch mannigfaltig wechselndes Geschehen bedingen. Wir haben hier einen Fall vor uns, wo eine biologische Erscheinung noch nicht im typischen, durch Jahrtausende erprobten, ‚„‚eingefahrenen‘ Gleise läuft, sondern wo es sich um ein „Werden“, ein unter unseren Augen sich vollziehendes „Versuchen“ handelt. Mannigfaltig sind die

378 W. Goetsch, Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen.

Umstände, die, teils als äußere Faktoren (z. B. Farbe, Sichtbarkeit der Nesteier, Habitus des Nestes, Kombination der Paarung), teils als innere Faktoren (z. B. Variabilität des Kuckuckseies, Geschick des Weibehens zur Auswahl, Duldung oder Nichtduldung des Eies durch die Stiefeltern) dies biologische Geschehen beeinflussen. Freuen wir uns, einen solchen Fall gefunden zu haben, und achten wir auf alle, alle Feinheiten, damit wir einmal wirklich sagen können, warum es in diesem Spezialfalle so wurde, wie es kommen wird. Denn, dies mögen wir uns vor Augen halten, welches biologische Phänomen, vor allem aber welcher Vorgang in der Phylogenese, und seis auch nur die Genese zweier biologischer Arten, kommt so schnell zum Ab- schluß, daß die kurze Spanne Zeit eines Naturforscherlebens aus- reichen möchte, Beginn und Abschluß zu schauen’? Rostock, den 14. Januar 1922.

Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen. III. Teil. | Depressionen und Lebensdauer bei Hydren. Von Wilhelm Goetsch, München.

Mit 3 Abbildungen.

Neben der geschlechtlichen Fortpflanzung gibt es im Lebenszyklus der Hydren noch Momente, die für die Existenz des Individuums gefähr- lich sind: die als Depression bezeichneten Erscheinungen, auf die ein jeder, der Hydren längere Zeit beobachtete, aufmerksam geworden ist.

Der Name Depression für diese Zustände stammt von R. Hert- wig. Er übertrug die von Calkins für besondere Erscheinungen der Protozoenkultur eingeführten Bezeichnungen auf die Hydren, da sie mit dem dort oftmals gefundenen periodischen Stillstand der Lebens- funktionen übereinstimmten. „Auch bei Hydra treten. Perioden auf, in denen Nahrungsaufnahme, Assimilation und Knospung in Stockung geraten 1);“ und solche sind dann immer von ganz bestimmten morpho- logischen Veränderungen des Hydrakörpers begleitet, von denen ein eroßer Prozentsatz der Individuen sich nach den verschiedenen Beob- achtungen nicht wieder erholen kann. In den Kulturen von Böcker?) starben z. B. während einer seiner Depressionsperioden von 260 Tieren 231, in anderen Fällen ging die ganze Kultur vollkommen ein, sodaß man in diesen Zuständen den normalen Tod der Süßwasserpolypen zu sehen glaubte. Für unsere Betrachtungen erhebt sich demnach die folgende Frage:

1) Koch, W., Über die Geschlechtsbildung und den Gonochorismus von: Hydra fusca. Biolog. Zentralbl. Bd. 31, 1911.

W. Goetsch, Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen. 379

Sind die Depressionen der Hydren ein natürlicher Worganaıder unbedines früher.oder später'zum Tode der Individuen führt?

Oder lassen sie sich vermeiden, oder wenigstens in ihrem Ablauf so beeinflussen, dab kein Tod eintritt?

Der Verlauf der Depressionen ist von früheren Beobachtern ?) oft- mals so ausführlich behandelt worden, daß eine genauere Beschreibung nur Bekanntes wiedergeben würde ®). Die Anzeichen des Beginns einer solchen Periode sind stets knopfartige Deformationen der Tentakel, denen dann Verkürzungen und Schrumpfungen folgen. Bestimmte Reduktionen des gesamten Körpers charakterisieren die folgenden Stadien, und das Ende ist in den meisten Fällen eine Auflösung des Tieres, sofern nicht ein Stillstand in der Rückbildung eintritt, von dem aus eine Restitution erfolgen kann. Eine derartige Restitution ist unter gewissen Umständen auch nach verhältnismäßig schweren Schädigungen noch möglich; wir werden später einen solchen Fall zu behandeln haben, wobei sich dann die Gelegenheit ergibt, auf einzelne Momente der Depressionen etwas näher einzugehen.

Über die Ursachen, welche die Depressionserscheinungen her- vorrufen, sind schon die verschiedensten Ansichten geäußert worden. Man hat die Depression für einen normalen Zustand im Lebensrhythmus der Hydren gehalten; nach Krapfenbauer#) sollen sie. z. B. immer der Sexualperiode vorangehen. Das hat sich nicht als richtig erwiesen, . im Gegenteil treten für gewöhnlich Tiere, welche Depressionen hinter sich haben, nicht in Hoden- und Ovarbildung ein).

Die Angaben, die Böcker®) über die auslösenden Faktoren der Depressionen macht, lassen immer auf eine äußere Ursache schließen und auch andere Autoren geben Hunger oder Überernährung, Hitze oder Kälte sowie andere schädigende Einflüsse des Milieus an.

Damit steht es eigentlich überhaupt im Zweifel, ob nicht in der Hauptsache alle der beobachteten Depressionen in äußeren Faktoren ihre Ursache haben und die vieljährigen Beobachtungen meiner Hydra- kulturen haben dazu geführt, die Zweifel zu verstärken.

Besonders meine letzten Versuche, Hydren über mehrere Geschlechts- perioden ungefährdet zu erhalten °), trugen dazu bei, in den Depressions- erscheinungen nicht immer normale Zustände zu sehen.

2) Boecker, Depression und Mißbildung bei Hydra. Zoolog. Anzeiger 1914, S2 00.

3) Hertwig, R., Über Geschlechtsentwicklung und Knospung von Hydra fusca. Biolog. Zentralbl. Bd. 26, 1906.

Frischholz, E., Zur Biologie von Hydra. Biolog. Zentralbl. Bd. 29, 1909.

4) Krapfenbauer, A., Einwirkung der Existenzbedingungen auf Hydra. Diss. Phil. Fak. München 1908.

5) Koch, W., Über die Geschlechtsbildung und den Gonochorismus bei Hydra. Biolog. Zentralbl. Bd. 31, 1911, S. 143.

6) Boeeker, Depression und Mißbildung bei Hydra. Zoolog. Anz. Bd. 44, 1914, S. 77.

7) Goetsch, .W., Hermaphroditismus und Gonochorismus bei Hydrazoen I—IIT. Zoolog. Anz. Bd. 54, 1912.

280 W. Goetsch, Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen.

Meine Versuche bedingten eine Kulturmethode, die den Tieren die allergeünstigsten Bedingungen boten. Die übliche Art und Weise, Hydren allein in Glasschalen zu halten, wie sie u. a. auch Hase®) bei seinen letzten Untersuchungen angibt, schienen mir auf Grund meiner Erfah- rungen noch nicht ganz das Richtige zu sein; die Tiere erlitten trotz aller Sorgfalt und oftmaligen Wasserwechsels doch ab und zu Schädi- sungen, die sich auch durch künstliche Durchlüftung der Schalen nicht vermeiden ließen). Ich modifizierte daher die Art der Behandlung etwas, nachdem ich die Bemerkung gemacht hatte, daß die Tiere in den größeren Kulturgläsern mit Wasserpflanzen und Bodensatz, Schnecken und anderen Mitbewohnern von krankhaften Zuständen auch zu Zeiten verschont blieben, in denen die in reinem Wasser gehaltenen Einzel- tiere trotz größter Sorgfalt an Depressionen litten. Es mußte nur in den Aquarien für rechtzeitige Entfernung verwesender 'Tierteile Sorge ge- tragen und das Wasser ab und zu erneuert werden, um sie gesund zu erhalten. Letzteres geschah bei Böcker!0) nicht, der im Gegenteil betonte, daß eine Wassererneuerung vermieden wurde.

Auf Grund dieser Erfahrungen hielt ich nun auch die Einzelindi- viduen in Gläsern, denen Wasserpflanzen und kleine Tellerschnecken beigegeben waren. Etwaiger Bodensatz wurde nicht sofort entfernt, so lange ihm nicht Reste von Beutetieren beigemengt waren; für deren rechtzeitige Entfernung wurde dagegen Sorge getragen, ebenso für den Zusatz von Wasser derselben Qualität und eine gänzliche Erneuerung des Inhalts, sofern sich Anzeichen von Verpilzung geltend machten.

Bei dieser Kulturführung gelang es mir meist monatelang die Tiere zu erhalten, ohne daß Depressionen eintraten. Es wurden zum min- desten solche vermieden, die nicht wieder rückgängig gemacht werden konnten, nachdem die Ursache erkannt und abgestellt worden war.

Das war manchmal nicht leicht; besonders die Hitze des Sommers 1921 machte meinen Kulturen viel zu schaffen.

Diese Hitzedepression, deren Verlauf in der folgenden Tabelle regi- striert ist, nahm den üblichen Verlauf: erst fanden sich Tiere mit ge- knöpften Tentakeln (D), dann solche mit reduzierten Fangarmen (DD); bei einigen kam es sogar zu einem vollständigen Schwund dieser lebens- wichtigen Organe (in der Tabelle mit DDD bezeichnet), z. B. bei den unter Nr. 1 und 7 angeführten Hydren. Daß es so weit kommen konnte, lag an dem zu späten Erkennen der Ursache und der Unmöglichkeit, sofort die nötigen Gegenmaßnahmen treffen zu können. Mir wurde aber gerade dadurch Gelegenheit gegeben, einige neue Beobachtungen über diese Zustände zu sammeln.

Die ersten Zeichen der Depressionen machten sich am 24. Juli bemerkbar; fast alle Tiere hatten zu dieser Zeit leicht geknöpfte Ten-

8) Hlase, A., Über die deutschen Süßwasserpolypen. . Arch. f. Rassen- u. Gesell- schaftsbiologie VI. Jahrg. 1909.

9) Vergl. Frischholz,E., Zur Biologie von Hydra. Biolog. Zentralbl. Bd. 29, 1909.

10) Boecker, Depression und Mißbildung bei Hydra. Zoolog. Anz. 1914, S.76.

W. Goetsch, Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen. 281

takel. Nachdem die Standorte gewechselt waren und die Gläser mit nassen Tüchern bedeckt wurden, trat bei den meisten Exemplaren ein Stillstand in dem krankhaften Zustand ein und viele waren schon nach einer Woche wieder imstande, selbständig Beute zu fangen und Knospen auszubilden. Damit war das Ende der Depression erreicht; in der Tabelle ist dies mit B.Kn. ausgedrückt.

Tabelle I. | un

Nr. \veichnung viduen bieAntang| Mitte |». —27.8.—29.30.—31.|1.—2.|8.—5.|6.—8.

HerKullin Zahl Tel Juli | Juli Juli Juli | Aug. | Aug. | Aug. 1 Gyn. 2 Ovar Kn. DDP? RE RF BKn | Di An. 5 Hoden | Kn. | D DF DF RFB | BKn _ 3% 7a. 5 Hoden | Kn. | DD DB DB RFB | BKn Ar Ho. 5 Hoden | Kn. | D DB RB B BKn D. Her. 3 Kn:ND | B B DB |RBKn BKn 6. Met. 5 Ovar Kn. | D DF RB BRımı T. Goe. 5 Ovar Kr. D DDDF DDR | DRF|RB BKn 8. Nem: 2 Ovar Kn!%D | DDF | DEF DF |/DKn | BKn

Sa. | 32 | | | | | .

Es bedeutet:

Kn = Knospen-Bildung. D = leichte Depression; Tentakel geknöpft.

DD = stärkere Depression; Tentakel reduziert.

DDD = schwere Depression mit Tentakel-Verlust.

R = beginnende Restitution. F = dargereichtes Futter wurde aufgenommen. B = Beute wurde selbständig gefangen.

Bei einigen Hydren traten jedoch nicht so bald normale Verhält- nisse ein; besonders die Kultur Goe. machte starke Reduktionen durch. Am 29. Juli waren einige Tiere derselben ganz oder fast ganz ten: takellos, sodaß ich sie schon verloren gab. Trotzdem hielt ich ihnen einige zerquetschte Daphnien vor, und wirklich streckten sich darauf die zusammengezogenen Tiere aus und begannen die typischen Schling- bewegungen. Der Mund wurde geöffnet (Abb. 1 und 2) und die Ento- dermzellen begannen sich über die Beute hinüberzustülpen !1). Die Zer- störung hatte also erst die Kopfpartie intensiv ergriffen, während die inneren Elemente zum Teil wenigstens davon verschont waren. Ohne die künstliche Hilfe wären sie aber ohne Zweifel ebenfalls beeinflußt

11) Vergl. Goetsch, W., Ungewöhnliche Nahrungsaufnahme bei Hydra. Biolog. Zentralbl. Bd. 41, 1921.

382 W. Goetsch, Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen.

worden; einzelne müssen auch schon stark angegriffen gewesen sein, denn im Laufe des folgenden Tages wurde eine Masse abgestorbener Jıellen ausgestoßen (Abb. 2). Durch die dargereichte Nahrung, so müssen wir annehmen, waren nun die intakt gebliebenen Entodermzellen befähigt, aufbauende Stoffe aufzunehmen, mit deren Hilfe sich dann die Hydra restituieren Konnte.

Abb. 1. Abb. 2. Abb. 3. Abb. 1. Depressions-Exemplare verschlingen Daphnien trotz Tentakelverlust. Abb. 2. Höhepunkt der Depression. Auswurf von Zellen. Abb. 3. Hydra nach überstandener Depression in Restitution überzählige Tentakel.

Am 29. und 30. Juli waren alle Tiere der Kultur wieder im Be- einnen der Regeneration. Eines derselben bildete sogar Tentakel in Überzahl aus, wie die Abb. 3 zeigt, bei welcher noch nicht einmal alle der 15 Fangarme eingezeichnet werden konnten. Es kamen zu dieser Zeit immer noch Materialausstoßungen vor, während welcher die Auf- nahme von Nahrung verweigert wurde; fanden solche nicht statt, so fraßen die Tiere dargereichte Beute gierig, auch wenn die Tentakel vollständig unfähig waren, dabei mitzuwirken.

Am 1. August konnten die Fangarme wieder ihre Funktion er- füllen, aber erst am 5. August waren die Depressionserscheinungen so verwischt, daß normale Verhältnisse bei dieser am schwersten geschä- digeten Kultur verzeichnet werden konnten. |

Bei den Tieren der übrigen Gläser waren ähnliche Erscheinungen zu beobachten, wenn auch niemals in ganz so schwerem Maße; alle er- holten sich mit mehr oder weniger künstlicher Hilfe, nachdem alles getan worden war, die übermäßige Wärme zu dämpfen. Viele ‘von ihnen waren schon unfähig gewesen, Nahrung zu fangen; wohl aber nahmen sie Futter an, wenn man es ihnen vor die Mundöffnung hielt.

Daphnien.

W. Goetsch, Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen. 383

Bis zum 8. August waren sämtliche Tiere in Restitution und bildeten Knospen aus. Das Übermaß der Tentakel war da, wo es auf- getreten war, in Rückbildung zu normalen Verhältnissen. Kein ein- ziges der 32 Tiere war während dieser Zeit eingegangen.

Die Bemühungen, die Kulturen zu retten, wurden also von Erfolg gekrönt. Alle Tiere waren am Leben geblieben, trotz der so großen Deformation mancher Exemplare. Wie bei den Geschlechtstieren ist auch hier die Ursache des so häufigen Todes in Materialmangel zu sehen; dort durch den Verbrauch bei Ei- und Spermabildung, hier durch das Absterben der Zellen infolge widriger Umstände. Wird dieser Materialmangel durch die Unmöglichkeit, selbständig sich passende Nah- rung einzuverleiben, zu groß, so gehen die Tiere ein. Wird dagegen die Regenerationskraft durch die immer noch mögliche Nahrungszufuhr unterstützt, so bleiben in beiden Fällen die Hydren am Leben.

Damit wäre der Beweis geliefert, daß durch Hitze ausgelöste De- pressionen bei sorgfältiger Behandlung nicht zum Tode führen, und ebenso wird es sich wohl mit anderen Depressionsarten verhalten, so- bald es gelungen ist, die Ursache festzustellen.

Diese Feststellung ist mir in vielen Fällen auch in der Tat ge: lungen. Auf alle einzugehen, würde zu weit führen. Eine einzige der auslösenden Ursachen möchte ich jedoch hier noch anführen, da sie meines Erachtens bisher nicht genügend gewürdigt worden ist: die Ver- unreinigung des Wassers durch Reste von Futtertieren, speziell von

le

Alle Krebsarten zersetzen sich sehr schnell, tote Daphienmassen geben schon durch ihren üblen Geruch ihre Schädlichkeit zu erkennen. Bei so empfindlichen Tieren wie den Hydren ist es zweifellos sehr verderblich, wenn die dünnen, ausgestreckten Tentakel von solchen Giftstoffen getroffen werden. Sie verkürzen sich dann und verlieren nach und nach die Fähigkeit Nahrung zu fangen, wenn sie, wie es in den verhältnismäßig kleinen Gefäßen gar nicht anders möglich ist, oft- mals den Wirkungen eingegangener oder nicht ganz verdauter Daph- nien 12) ausgesetzt sind. Bei einer Fütterung mit Oyclops und verwandten Formen ist die Gefahr nicht so groß wie es scheint; schon früher hatte ich einmal die Erfahrung gemacht, daß bei dieser Art der Beute die Hydren weniger leicht Depressionen erleiden 13). Es liegt dies wahr- scheinlich daran, daß die Oyclopiden nicht so schnell absterben wie die Daphnien, die in den kleinen Kulturgläsern meistens die erste Nacht nicht überleben.

Vermutlich litten auch die Kulturen von Hase, auf die noch zu- rückgekommen wird, unter der Daphnia-Fütterung. Auch er hielt seine Hydren in reinem Wasser ohne Wasserpflanzen, Bodensatz und anderen

12) Vergl. Nußbaum, M., Widerstand der Daphnienembryonen gegen die Ver- dauungssäfte der Hydren. Verh. d. naturh. Vereins d. preuß. Rheinlande 44, 1887. 13) Vergl. die Tabelle S. 376 im Biolog. Zentralbl. Bd 41, 1921.

284 W. Goetsch, Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen.

Lebewesen, wodurch die Futterreste leichter absorbiert zu werden scheinen. \

Nicht in allen Fällen braucht die Ursache der Depression so offen- sichtlich zu sein wie in den erwähnten Fällen. Manchmal waren die Bewohner von einer einzigen Schale allein in Depression, während die der übrigen alle gesund blieben, trotz vollkommen gleicher Behand- lungsweise. Ein Umsetzen in andere Verhältnisse half immer, sodaß der Verdacht vorliegt, auch hier seien für die Depressionen vermeidbare Ursachen verantwortlich zu machen, die nur nicht kenntlich waren. Bekanntlich hat Hartmann bei seinen Eudorina-Zuchten ähnliche Erfahrungen gemacht 1#).

Einige Beobachtungen machten mir diese Vermutungen beinahe zur Gewißheit. Wenn z. B. in einem Glase die Nachkommen ganz verschie- dener Individuen alle zu gleicher Zeit erkranken, während die übrigen Exemplare derselben Zuchten von Depressionen verschont bleiben, muß man doch wohl annehmen, daß hier keine normale Lebenserscheinung vorliegt, sondern eine Schädigung unbekannter Herkunft.

Derartige Beobachtungen ließen sich oftmals machen. Sehr selten dagegen war die Erscheinung, die allein dafür spräche, dab die De- pressionen doch vielleicht im Lebensrhythmus der Hydren ein normaler Vorgang seien: der Fall nämlich, daß lediglich das eine oder andere der zufällig in einem Glas vereinigten Tiere von einer Depression betroffen wurde, während die übrigen gesund blieben. Man kann allerdings auch hier annehmen, daß gerade das eine Tier irgendwie aus unbekannter Ur- sache geschädigt sei, z. B., daß ein gefressenes Futtertier die patho- logischen Erscheinungen auslöste. Aber wenn auch wirklich vorausgesetzt werden würde, daß im Leben einer Hydra einmal eine Zeit des Still- stands vorkommt, der sich in solcher Weise äußert, so würde diese An- nahme für unsere Betrachtungen hier gleichgültig sein. Denn in den ganz wenigen Fällen, die mir von solchen ‚individuellen Depressionen“ vorkamen, waren die Hydren so wenig geschädigt, dab eine Erholung bald eintrat.

Meine bisherigen Beobachtungen und Versuche lassen sich demnach dahin zusammenfassen, daß die Depressionserscheinungen im allgemeinen vermeidbar sind. Treten sie aber doch einmal auf, aus noch nicht fest- stellbaren Ursachen, so ist es bei einiger Sorgfalt und Kontrolle mög- lich, die Tiere zu erhalten und normale Verhältnisse herbeizuführen. Der unabwendbare Tod ist mit ihnen nicht verknüpft.

Nach den Resultaten meiner Beobachtungen!?) müssen nun auch die Zahlen für die durchschnittliche Lebensdauer der Süßwasserpolypen berichtigt werden, die an vielen Stellen zitiert worden sind. Sie gehen zurück auf Untersuchungen von Hase). Er hielt seine Tiere einzeln

14) Hartmann, III. Heft: Die dauernd agäme Zucht von Eudorina elegans. Arch. f. Protistenkunde Bd. 43, 1921.

15) Vgl. hierzu auch den II. Teil dieser Untersuchungen. Biolog. Zentralblatt

Bd. 42, 1922.

es

W. Goetsch, Beiträge zum Unsterblichkeitsproblem der Metazoen. 285

in Glasschalen von ungefähr 80 ccm Inhalt, deren Wasser wöchentlich gewechselt wurde. Futter wurde gereicht an den Tagen, an welchen die Hydren auch kontrolliert wurden: in einem Zeitraum von 3 Tagen. Die Futterreste und die ausgeworfenen Daphnien blieben demnach tage- lang in dem Gefäß, wodurch meiner Meinung nach leicht die Depres- sionen herbeigeführt werden mußten, die nach Hases Angaben eine der Todesursachen waren. Bei seinen jungen, soeben abgelösten Knospen starben auch immer schon einige nach 3—6 Tagen, was nach meinen Erfahrungen nicht normal sein kann.

Als durchschnittliche Lebensdauer bekam Hase bei dieser Art der Kulturführung für Hydra jusca (= der Gattung Pelmatohydra P. Schulze die Zahl von 55 Tagen, für Hydra grisea (= Gattung Hydra, der auch meine Versuchstiere hauptsächlich angehören) die Zahl von 95 Tagen, wobei er bei seinen Berechnungen die durch „gewalt- samen“ Tod eingegangenen Exemplare ausschließt. Unter diesen Be- griff werden auch die Fälle subsumiert, in denen eine auffällige Ver- pilzung vorlag. Mit vollem Recht, wie mir scheint. Nur müßten dar- unter auch die meisten anderen, an Depressionen eingegangenen Hydren eingereiht werden, und die. Exemplare wiederum, die an einer „Art von Altersschwäche“ starben, wären nach den angegebenen Symptomen den Depressionstieren zuzurechnen.

Immerhin erreichten auch bei dieser Kulturmethode einige „grisea“ die Höchstzahl von 337 Tagen, während es „Jusca“ auf 112 Tage brachte.

Diese Zahlen sind von meinen Versuchstieren noch nicht ganz er- reicht, da die Ältesten der Spezies grisea entsprechenden Angehörigen der Gattung Hydra erst im 10. Monat unter Beobachtung sind. Von den zur Kontrolle gehaltenen Pelmatohydren lebt das älteste Exemplar dagegen bereits 6 Monate und eine Chlorohydra hat trotz mehrmaliger Geschlechtsperiode bereits das Alter von 190 Tagen erreicht. Die durch- schnittliche Lebensdauer ist dagegen von all diesen Individuen erheb- lich überschritten worden. Um wieviel läßt sich bis jetzt noch nicht sagen, da die Tiere noch am Leben sind. Einige gingen allerdings auf einer Reise zugrunde, auf der ich sie der dauernden Kontrolle wegen mitzunehmen genötigt war; derartige unnatürliche Behandlungsweise kann aber selbstverständlich nicht in Betracht gezogen werden bei einer Berechnung der natürlichen Lebensdauer.

Da während der 10 Monate dauernden Beobachtungszeit unter den wahllos ausgesuchten Tieren auch niemals ein Zeichen von AÄlters- schwäche bemerkbar war und andere Hydren über 2 Jahre lebten, isi nicht einzusehen, warum diese Individuen nicht auch noch länger am Leben bleiben, bei Abhaltung und Ausschaltung jeder Schädigung und der Möglichkeit. einer Restitution bei individuellen Depressionen und Sexualperioden sogar unsterblich sind.

Vielleicht ergibt sich im Laufe einer Beobachtungszeit über meh- rere Jahre hinaus doch noch ein Grund notwendigen Absterbens für die Hydren. So lange "ein solcher aber nicht bekannt ist, müssen in

386 Fr. Doflein, Macedonische Ameisen. Beobachtungen über ihre Lebensweise.

der Theorie wenigstens die Hydren als ‚unsterblich gelten, d. h. als Organismen, die direkt oder indirekt aus dem Ei hervorgehen, heran- wachsen und nun, in ständigem Partialtod zwar wie jedes Lebewesen, das Individuum als solches erhalten, ohne daß Material eines anderen Individuums derselben Art zugeführt worden wäre.

Diese Möglichkeit eines ewigen, individuellen Lebens liegt bei den Hydren daran, daß einige günstige Momente zusammenkommen. Zu- | nächst ist da die Unabhängigkeit der Teilkomplexe eines | Hydrakörpers zu nennen. Jeder Abschnitt kann dadurch auf dem Wege | der Regeneration das ganze Individuum erneuern, wenn Teile ver- loren gegangen sind; das ist der zweite Punkt. Drittens aber besitzt Hydra ein Material, das sowohl die Fortpflanzung als auch die Regene- ration bedingt: die sogenannten interstitiellen Zellen, die ihren Eigenschaften nach den ebenfalls unsterblichen Propagationszellen gleich- zusetzen sind. Stammen doch nach den Untersuchungen verschiedener Forscher lediglich von diesen interstitiellen Zellen Ei- und Sperma- elemente ab, sodaß man dieselben als eine besondere Differenzierung der ursprünglichen interstitiellen Zellen anzusehen berechtigt ist.

Durch Zusammentreten all dieser Momente wird eine Hydra nach unserer jetzigen Erkenntnis wirklich zu einem Organismus, der dem notwendigen Tod aus inneren Ursachen nicht unterworfen ist, sondern ein immerwährendes Leben führen kann, so lange nur die äußeren Be- dingungen günstig sind und katastrophale Ereignisse vermieden werden.

Wir müssen ein solches Individuum demnach als „unsterblich“ ansehen, sofern wir den Individualbegriff nicht einer Revision unterziehen wollen.

Referate.

Doflein, Fr.: Macedonische Ameisen. Beobachtungen über ihre Lebensweise. 74 S. 10 Abb. u. 8 Taf. Jena, G. Fischer. 1920, Geh. 14 Mk.

Doflein hatte in Macedonien Gelegenheit, das interessante Treiben der Körner sammelnden Messor-Arten eingehend zu studieren und dabei schon von anderen ge- machte Angaben teils zu bestätigen, teils zu ergänzen. Das Erwachen der Bautätig- keit im Frühjahr und die damit im Zusammenhang stehende Bildung der ringförmigen Erdwälle, die im Sommer vom Winde meist wieder ganz verweht werden, die Sammel- tätigkeit, das Putzen der eingetragenen Pflanzenteile, die Anlage der Vorratskammern, in denen die verschiedensten Samen sorgfältig gereinigt sich vorzüglich halten an ihrer Keimung vermutlich dadurch verhindert, daß die Wandung durch ein Sekret der Ameisen gedichtet wird —, die Entstehung der Straßen und Abfallhaufen zieht am Leser vorüber. Die Bedeutung der Körnervorräte wird auch durch Doflein nicht völlig aufgeklärt. In der Gefangenschaft wurden sie nie angerührt, offenbar stellen sie vornehmlich die Nahrung für die Larven dar. Daß die Samen bei feuchtem Wetter herausgeschleppt und so zum Keimen gebracht werden, kann Doflein bestätigen. Vermutlich tun die Ameisen das, um das embryonale Gewebe zu vermehren, das ihnen

M. Caullery, Le Parasitisme et le Symbiose. 2387

besonders mundet, auch die vermehrte Umwandlung der Stärke in Zucker mag ihnen *erwünscht sein. Die Vorstellungen, die Neger sich über das erneute Trocknen der gekeimten Samen machte, der den Vorgang dem Darren beim Mälzen vergleicht, scheinen dem Verfasser nicht richtig zu sein, auch eine Massenproduktion von „Ameisen- brotkrümmeln“ hält er nicht für etwas Normales, vermutet vielmehr, daß die ange- keimten Samen alsbald im Neste verbraucht werden.

Beobachtungen über den Hochzeitsflug und die Koloniegründung, sowie über das Verhalten in künstlichen Nestern vervollständigen das interessante Lebensbild der Messor- Ameisen, P. Buchner- München.

Caullery, M.: Le Parasitisme et la Symbiose. 400 8. 53 Textf. Paris 1922.

Das Buch stellt einen Band der groß angelegten Eneyclopedie scientifique dar, die unter der Leitung von Toulouse bei Gaston Doin in Paris erscheint. Sie ist in 40 Sektionen "eingeteilt und soll etwa 1000 Bände umfassen. Caullery ist Herausgeber der Abteilung Allgemeine Biologie, die in ca. 30 Bände behandelt werden wird. Von diesen ist bisher erschienen: L’oeuf et les facteurs de l’Ontogenie von Brachet, La Teratogendse von Rabaud und der dem Referenten vorliegende. In Bearbeitung ist unter anderem eine zweibändige Morphologie und Physiologie der Zelle von Henneguy.

Caullery gibt eine vorzügliche Darstellung des morphologisch, biologisch und physiologisch ja gleich interessanten Gebietes. die sich keineswegs auf die Behandlung der Schulbeispiele beschränkt, sondern eine Fülle fernerliegendes Material zusammen- trägt und allgemeinen Gesichtspunkten unterordnet. Auch der Fachzoologe wird daher mannigfache Anregung in dem Buche finden. Der Abschnitt über die Symbiose ist relativ kürzer gefasst und wird der heutigen Bedeutung derselben infolgedessen nicht ganz gerecht. In der entschiedenen Verurteilung der Portier’schen Ideen und angeblichen Beobachtungen (Les Symbiotes. Paris 1918) harmoniert er vollkommen mit der Kritik des Referenten. i P. Buchner (München).

Hansen, Adolph, Die Pflanzendecke der Erde. Eine allgemeine Pflanzengeographie. 1 Karte, 24 Abbild., 274 S. Leipzig und Wien, Bibliograph. Institut, 1920.

Kurz vor seinem Tode hat Verf. es auf den Wunsch des Verlages unternommen, aus der von ihm besorgten Neuausgabe von Kerners Pflanzenleben die Pflanzen- geographie herauszuschälen und das Wichtigste in einer handlichen Form einem weiteren Kreise zugänglich zu machen. Er hat den Abschluß des Druckes nicht mehr erlebt; G. Funk hat die letzte Hand angelegt. Der Systematiker und Florist wird an kleinen Verstößen hie und da merken, daß ein freilich weit gereister Pflanzenphysiologe das Büchlein geschrieben hat. So z. B. wenn (8. 98) Hepatica triloba mit Crocus vernus in Masse in der kurzgrasigen Alpenmatte blühen soll, oder Berberis in der Krummholzregion mit den Alpenrosen (S. 97), oder das kaum spannenlange Büffelgras (Buchlo& dactyloides) so hoch werden soll, daß ein Reiter darin untertaucht. Trotzdem liest sich das kleine Buch gut und anregend.

Burgerstein, Alfred, Die Transpiration der Pflanzen. II. Teil (Ergänzungsband).

18 Abbild. und 264 S. Jena, G. Fischer, 1920.

1904 hat Verf. eine referierende Zusammenstellung der Literatur über Transpiration erscheinen lassen. Der vorliegende zweite Teil bringt die neue Literatur bis Anfang 1920 und Nachträge aus der vor 1904 erschienenen. Die Zahl der aufgeführten Arbeiten ist so auf mehr als das Doppelte gestiegen (von 394 auf 899). Diese gewiß annähernd vollständige Literaturliste ist sicher dankenswert; die Besprechung der Arbeiten kann aber ihre Einsichtnahme dem auf diesem Gebiete arbeitenden nicht ersetzen.

88 Referate. Fruwirth, C., Allgemeine Züchtungslehre der landwirtschaftlichen Kulturpflanzen (I. Band des Handuches der landwirtschaftlichen Pfanzenzüchtung). V., gänzlicH umgearbeitete Aufl, 89 Textabb., 8 Tafeln, 442 S. Berlin, Paul Parey, 1920. Die neue, fünfte Auflage des allbekannten Buches, das sich in erster Linie an die Praktiker wendet, und dessen rascher Absatz am besten für seine große Beliebtheit spricht, ist nach der Seitenzahl ganz unverändert geblieben; die Zahl der Abbildungen ist etwas vermehrt. Im Einzelnen sind aber überall mit großer Gewissenhaftigkeit die Fortschritte der experimentellen Arbeit während der letzten sechs Jahre nachgetragen und hineingearbeitet worden, auch die eigenen Erfahrungen des Verfassers. Die Ein- teilung des Stoffes ist dabei bis auf die einzelnen Abschnitte genau die gleiche geblieben. C. Correns, Berlin.

E2 Küster, E., Botanische Betrachtungen über Alter und Tod. Abhandlungen zur theo- retischen Biologie, Heft 10, Berlin 1921, 44 S.

In der kurzen, aus einem Vortrag hervorgegangenen Schrift stellt Verf. den schon öfters von zoologischer Seite über das Thema geführten Erörterungen Betrachtungen vom botanischen Standpunkt an die Seite. Entsprechend den offenen Systemen im Pflanzenreich sind Alterserscheinungen nicht so offenbar, anderseits tritt oft partielles Altern und Tod einzelner Teile ein (Holz, abfallende Blätter u. s. w.). Die Ursachen sind dann spezifische Organisation oder Absterben der ältesten Teile infolge einseitiger Stoffwechselvorgänge, deren Endprodukte schließlich zur Selbstvergiftung führen. Durch Abänderung dieser Stoffwechselvorgänge wäre es möglich das Altern hinauszuschieben, . eventuell ganz zu unterdrücken, häufig besorgen die Zellteilung oder Befruchtungs- vorgänge sol@he Regulationen. Erstere können unter gleichmäßig günstigen Beding- ungen genügen, wie es die agame Zucht verschiedener Organismen lehrt. Die leicht geschriebene Schrift stellt alles Wesentliche zusammen, in reichlichen Anmerkungen findet sich eine große Zahl interessanter Einzel-Angaben.

Fritz v. Wettstein, Berlin-Dahlem.

Sorauer, P., Handbuch der Pflanzenkrankheiten. II. Band. Die pflanzlichen Para- siten bearbeitet von G. Lindau. .1. Teil, 4. Auflage, Verlag P. Parey, Berlin, 1921, 382 S., Preis geb. Mk. 90.--.

Dem vor kurzem erschienenen ersten Band des Handbuches ist rasch der erste Teil des zweiten gefolgt. Er enthält die pflanzlichen Parasiten und zwar Myxomycetes, Schizomycetes und von den Kumycetes die Oomycetes, Zygomycetes und Ascomycetes. Die Basidiomycetes werden mit Algen, Flechten und Cormophyten im zweiten Teile behandelt werden. Die Peronosporineen sind von E. Riehm, das andere von Lindau selbst bearbeitet. Die Anordnung ist ungefähr die gleiche geblieben wie in der 3. Auf- lage. Die seither gewaltig angeschwollene Literatur ist weitgehendst berücksichtigt und so das wertvolle Buch wieder auf den neuesten Stand unserer Kenntnisse gebracht. Sehr reichliche Literaturangaben erleichtern die rasche Orientierung über das von jedem Schädling Bekannte. Fritz v. Wettstein, Berlin-Dahlem.

Pfeffer, W., Osmotische Untersuchungen. 2., unveränderte Auflage, Leipzig 1921, Preis geb. Mk. 32.—.

Die wichtigste Arbeit Pfeffers war seit langem vergriffen. Sie liegt nun in einem Neudrucke hübsch ausgestattet mit einem Geleitworte F. Özapeks vor. Physiker und Biologen, alle werden diesen glücklichen Gedanken des Verlages willkommen heißen, das klassische Buch wieder zugänglich zu machen.

Fritz v. Wettstein, Berlin-Dahlem.

Biologisches Zentralblatt

Begründet von J. Rosenthal Herausgabe und Redaktion:

Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. C. Correns Prof. Dr. R. Goldschmidt und Prof. Dr. ©. Warburg

in Berlin Verlag von Georg Thieme in Leipzig Anzeigen-Annahme: Hans Pusch, Berlin SW. Run Wilhelmstr. 28

42. Band. m. 1922. Nr. 7 ausgegeben am 1. Juli 1922

Der el. Abonnemenispreis (12 Hefte) beträgt ne De: 120 Mk. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

Den Herren Mitarbeitern stehen von ihren Beiträgen 30 Sonderabdrucke kostenlos zur Verfügung; weitere Abzüge werden gegen Erstattung der Herstellungskosten geliefert.

Inhalt: J. S. Szymanski, Drei Lösungsversuche eines Problems. Mit 3 Abb. S. 289. U. Hintzelmann, Medizinisch-zoologische Studien. S. 293. R. Goldschmidt, Die Reifeteilungen der Spermatozyten in den Gonaden intersexueller Weib- chen des Schwammspinners. Mit einer Abb. S. 301. J. Hirschler, Über den Einfluß von Organen metamorphosierter Amphibien auf den Verlauf _ der Amphibienmetamorphose. S. 303. . Peter, Über den Begriff „Homologie“ und seine Anwendung in der Embryologie. S. 308. Pax, Die Tierwelt Schlesiens. S. 327. . Bütsehli, Vorlesungen über vergleichende Anatomie. S. 328, . Krause, Mikroskopische Anatomie der Wirbeltiere in Einzeldarstellungen. S. 328. . Küster, Lehrbuch der Botanik für Mediziner. $. 329. . Just, Referate. $. 330. Meisenheimer, Geschleelit und Geschlechter im Tierreiche. S. 331. C. Correns, Referate. 8. 333. Einladung zur Gründungsversammlung der Internationalen Vereinigung für theoretische und angewandte Limnologie in Kiel. S. 335. Einladung zur Jahrhundertfeier für Georg Mendel in Brünn. S. 335. Deutsche Gesellschaft für Vererbungswissenschaft. S. 336.

Referate:

ERSEROHE

Drei Lösungsversuche eines Problems.

Von J. S. Szymanski, Wien. Mit drei Abbildungen.

Die Analyse einer Handlung gestaltet sich besonders lehrreich in allen jenen Fällen, in welchen es gelingt, die Lösungsversuche eines gleichen Problems durch verschiedene Subjekte von abweichender psycho- physiologischer Entwicklungsstufe zu beobachten.

Als das Kriterium bei dem Vergleich verschiedener Verhaltens- arten wird das Prinzip der kürzesten Bahn angenommen, d. h. jene motorische Reaktion wird als die vollkommenste aufgefaßt, die das oleiche Resultat auf dem, nach menschlichen Begriffen, kürzesten Weg erreicht. Von diesem Gesichtspunkte aus habe ich Beobachtungen über die Auswertung der räumlichen Eigenschaften der Schraubenlinie durch Hummeln, Kleiber (Sitta europea) und Kinder angestellt.

42. Band. 19

39 J. S. Szymanski, Drei Lösungsversuche eines Problems.

Um mit den Hummeln zu beginnen, so haben diese Nektar sammeln- den Insekten im Verlauf ihres normalen Lebens die Aufgabe, trauben- artige Blütenstände (z. B. Epilobium, Weidenröschen u. dgl. m.) abzu- suchen.

Das Ökonomieprinzip würde verlangen, daß jede Einzelblüte unter- sucht und keine übersehen werde. Die vollkommenste Lösung dieser Aufgabe wäre demnach die, den Blütenbesuch so zu gestalten, dab man, entweder oben oder unten beginnend, sich längs einer Schrauben- linie nach der untersten bezw. der obersten Einzelblüte bewegt.

Einige Hundert in der freien Natur diesbezüglich angestellte Be- obachtungen haben mich belehrt, daß die Hummeln diese Aufgabe von vornherein nach -den Forderungen des Prinzipes der kürzesten Bahn lösen 1).

Sie fliegen eine Blütentraube stets von unten an, gehen aufwärts von einer Einzelblüte zur anderen längs einer Schraubenlinie und, nach- dem sie die oberste erreicht haben, verlassen sie die Pflanze und fliegen zu einer anderen der gleichen Art, die‘ sie wiederum von unten nach oben in einer Schraubenlinie absuchen usf. (Abb. A).

Wenn die Blüte ein Scheinquirl (z. B. Salvia vertieillata, quirl-

blütiger Salbei) ist, so suchen die Hummeln die unterste Blütenreihe ab, dann die nächste höhergelegene usf. Wenn die Einzelblüten in einer Traube sehr dicht nebeneinander stehen und von geringen Dimensionen sind (z. B. Mentha piperita) oder, wenn die Einzelblüten bezw. die einzelnen Blütenreihen verwelkt sind, so kann die Regelmäßigkeit der Bewegungsrichtung mehr oder weniger verwischt sein; die allgemeine Tendenz, sich von unten nach oben in einer Schraubenlinie zu bewegen, bleibt jedoch bewahrt.

Durchaus anders löst das Schraubenlinienproblem eine Vogelart, und zwar der Kleiber (Sitta europaea). Um die nötige Nahrung, die aus Kerbtieren besteht, zu finden, müssen die Kleiber Ritzen und Spalten in der Rinde vieler Baumstämme auf die Beutetiere untersuchen.

Die Vögel, die vorzüglich kopfaufwärts und kopfabwärts klettern können, haben also die folgende Aufgabe zu erfüllen: die Mantelfläche eines Zylinders (Baumstamm) nach Nahrung abzusuchen.

Würden die Kleiber nach Art der Hummeln verfahren, so müßten sie, um einen Stammabschnitt genau zu untersuchen, ihren Weg in einer Schraubenlinie zurücklegen ; dabei müßte die Entfernung zwischen zwei Schraubenwindungen zwei Körperlängen des Vogels betragen. In Wirk- lichkeit verhalten sich diese Vögel ganz abweichend, wie dies aus den

1) Eine methodologische Forderung wäre es, die Handlungsweise der jungen Hummeln bei ihrem ersten Flug zu untersuchen. Da ich indes viele Tiere beobachtet habe, so kann man wohl voraussetzen, daß unter den untersuchten Insekten sich auch ganz junge Individuen befanden. Zudem ist zu beachten, daß die meisten Arten von Pflanzen nur eine kurze Blütezeit haben, so daß es den Hummeln, die nur einen Sommer leben, unmöglich wäre, sich durch die lange Übung die passendste aelnpe weise anzueignen,

Me, , -

er

J. S. Szymanski, Drei Lösungsversuche eines Problems. 991

vierzig genauen Aufzeichnungen von den Wegen der Vögel, die ich ge- macht habe, erhellt (als Proben bringt die Abb. B drei derselben).

Diese Aufzeichnungen, die in der Regel vom Momente, in dem ein Kleiber an den Baumstamm herangeflogen war, bis zum Momente, in dem der Vogel den Baum wieder verlassen hatte, gemacht wurden, ließen erkennen, daß die Kleiber ihre Wanderung, vom Anfangspunkt an be- rechnet, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle (in 62,5%) von unten nach oben begannen und daß die Vögel in der Regel (in 87,5 % ) auf den Baumstämmen ganz regellos kletterten und nur eine Längshälfte des Stammes, und zwar diejenige, auf welcher der Ausgangspunkt für die ganze Wanderung lag, absuchten.

A. Die regelmäßige Art der Absuchung der traubenförmigen Blütenstände (Weiden- röschenschema) durch die Hummeln. (Die Pfeile markieren die Flugrichtung der Hummeln.)

Daß dieses Verhalten nicht etwa mit der Bevorzugung ausschließ- lich einer bestimmten Längshälfte des Stammes durch die Beutetiere in Zusammenhang steht, beweist die Tatsache, daß die Kleiber einmal die eine und dann wiederum die andere, der ersten entgegengesetzte Baumfläche anfliegen und untersuchen.

: Demnach scheint in der Tat das Verhalten der Kleiber, im Gegen- satz zu jenem der Hummeln, regellos zu sein; und diese Regellosigkeit ist nicht etwa durch die Lebensbedingungen ihrer Beutetiere bedingt 2).

2) Nach den Angaben der populären Literatur sollen die anderen Vertreter der

Fam. Certhiidae (Spechte und Baumläufer) sich öfters bei dem Absuchen der Baum-

stämme in einer Schraubenlinie bewegen (Brehm, Tierleben 1893, Vögel I. 574; W. Kobelt, Die Verbreitung der Tierwelt 1902, S. 131).

E97

399 J. S. Szymanski, Drei Lösungsversuche -eines Problems.

Als Mittelding zwischen dem geregelten Handeln der Hummeln und dem regellosen der Kleiber läßt sich das Verhalten von Kindern bei der Lösung des Schraubenlinienproblems auffassen.

Im normalen Lebenslauf hat dieses Problem für die Kinder kaum eine biologische Bedeutung. Hier mußte also ein Laboratoriumexperiment aushelfen >).

=B

B. Die regellose Art der Absuchung der Baumstämme durch die Kleiber. (Die Zylinder

markieren ca. 4m lange Fragmente, von Kieferstämmen (ca. 15—20 em im Durch-

messer); die ausgezogenen Linien bedeuten die Wege der Vögel auf der dem Be-

obachter zugekehrten Stammhälfte; die gestrichelten Linien markieren die Wege der

Vögel auf der gegenüberliegenden Stammhälfte. Die Pfeile markieren die Be- wegungsrichtung der Kleiber).

C. Zylinder für den Schraubenlinienversuch bei den Kindern (33 cm hoch, 20 cm im Durchmesser; ausschließlich die, auf der dem Beobachter zugekehrten Seite liegen- den Löcher sind aufgezeichnet; "Durchmesser eines Loches 2 em).

Die Versuchsanordnung und die Versuchsausführung waren äußerst einfach. Die Kinder, von denen stets nur eines im Versuchsraum zu- gegen war, wurden aufgefordert, in jedes der Löcher, die in der Mantel- fläche eines Kartonzylinders in einer Schraubenlinie ausgestanzt waren, einen Nagel einzuwerfen. Dabei wurde dem Kind eingeschärft, es solle in kein Loch zwei Nägel einwerfen und kein Loch auslassen (Abb. CO).

Von den untersuchten 3- und 5jährigen Kindern handelten die letz- teren so, daß sie den ersten Nagel in irgendwelches Loch (wohl bemerkt, nicht in das unterste bezw. das oberste!) hineinwarfen und daraufhin fortfuhren, die weiteren Nägel nicht aufs Geratewohl, sondern in die nächstfolgenden, in der aufsteigenden Schraubenlinie gelegenen Löcher zu werfen.

Die 3jährigen Kinder hingegen standen vor dem Zylinder ganz unbeholfen.

Der erwachsene normale Mensch würde zweifelsohne die Aufgabe nach Art der Hummeln lösen: er würde mit dem untersten (bezw. dem

3) Die Versuche an Kindern wurden im Wiener Settlement' ausgeführt; ich ergreife diese Gelegenheit, um der Leiterin dieser Anstalt Frl. Else Federn und der Lehrerin Frau Fanny Carles meinen verbindlichsten, Dank noch einmal auszusprechen.

Ey. Es - u

U. Hintzelmann, Medizinisch-zoologische Studien. 293

obersten) Loch beginnen und bis zum obersten (bezw. untersten) in einer Schraubenlinie fortfahren. Das Verhalten der Menschen in bezug auf das Schraubenlinien-

problem zeigt einen unverkennbaren Fortschritt in den Lösungsversuchen,

die sich mit dem zunehmenden Alter der Versuchspersonen immer mehr den Forderungen des Prinzips der kürzesten Bahn nähern.

Die, nach den menschlichen Begriffen, richtige Lösung des Schrauben- linienproblems durch die Vertreter von zwei, in der psycho-physiologischen Organisation so weit voneinander stehenden Arten, wie es die vorwiegend instinktiv handelnden Hummeln einerseits, die vorwiegend intelligent verfahrenden erwachsenen Menschen andererseits sind, beweist von neuem, daß der Instinkt und die Intelligenz sich in ihren motorischen Äußerungen ähneln.

Diese Ähnlichkeit ist nicht nur oberflächlich, sondern sie geht tiefer.

Denn, wie die kürzlich ausgeführten Versuche über den Arbeits- vorgang mir gezeigt hatten, weisen nur die Insekten und die normalen erwachsenen Menschen ein rhythmisches, also ein regelmäßiges und öko- nomisches Arbeitssystem auf, während die Vertreter der dazwischen stehenden Wesen ähnlich wie die Kleiber und Kinder bei der Lösung des Schraubenlinienproblems unsystematisch und unökonomisch ar- beiten #). |

Die Kontraste berühren sich! Das ist wohl nur deshalb der Fall, weil die konträren Begriffe als Endglieder einer kontinuierlichen Reihe innerlich verwandt sind.

Medizinisch-zoologische Studien. I. Mitteilung.

Die antipyretische Wirkung des Regenwurms und programmatische Hinweise auf die allgemein-biologische Bedeutung des Tyrosins. Von Dr. Ulrich Hintzelmann.

(Forschungsinstitut für angewandte Zoologie, München.)

Aufgabe des medizinischen Zoologen ist es, nicht nur die krank- heitserregenden, krankheitsübertragenden und den Menschen sonstwie schädigenden Tiere zu bekämpfen, sondern auch die theoretischen Grund- lagen für diese Tätigkeit zu schaffen. Daneben sind auch u. a. die therapeutisch zu verwendenden Tiere zu berücksichtigen und deren Bio- logie zu studieren, zumal da sich daraus Beziehungen allgemeiner Art ableiten lassen. Unter diesem Gesichtspunkt gewinnt die Pharmako- logie und Toxikologie der Tiere an erneutem, allgemeinem Interesse. Von den hier in Betracht kommenden Organismen ist der Regenwurm,

4) Vergleichende Studie über den Arbeitsvorgang (Zeitschr, für angewandte Psychologie 1921),

294 U. Hintzelmann, Medizinisch-zoologische Studien.

Lumbricus terrestris, herculeus usw., von Bedeutung, da er in der alten wie modernen europäischen und anderen Volksmedizin von jeher eine Rolle gespielt hat. Schon im Altertum verwandt (1), wird er im heutigen China und Japan als Fiebermittel häufig in getrockneter Form benutzt (2). Da- neben sind durch die Arbeiten von Pauly (3), Yagi(4) u. a. Gift- wirkungen dieses Tieres bekannt geworden. Wie ich feststellen Konnte, liegt jedoch über die antipyretische Wirkung von Lumbricus nur eine mit japanischem Tiermateriale angeführte Arbeit von Nukada und Tanaka(2) vor. Es war daher von Interesse, zu untersuchen, ob auch der europäische, deutsche Regenwurm eine derart wirkende Sub- stanz enthalten möchte, da es ja, wie in so vielen Fällen, möglich sein könnte, daß diese Eigenschaft nur den in warmen Zonen lebenden Tieren zukomme. Daher habe ich es unternommen, die in Rede stehende Frage zu verfolgen, zumal da ich glaube, einen Beitrag liefern zu können zu der allgemeinen Biologie einer in der Tierreihe sehr weit verbreiteten Substanz, ja man kann wohl sagen, eines in jedem tierischen Eiweiß vorkommenden Körpers. .

In den folgenden Zeilen sollen 1. die Beobachtungen über die anti- pyretische Wirkung des Regenwurmes und 2. einige allgemeine Bemer- kungen über die biologische Bedeutung dieser Substanz Platz finden.

1. Die antipyretisch wirkende Substanz des Regenwurms.

Die vom tierischen Organismus hervorgebrachten biologisch wirk- samen Substanzen sind in ihrer chemischen Konstitution im allgemeinen wenig bekannt. Erst in neuerer Zeit sind Fortschritte in dieser Hin- sicht zu verzeichnen. Es dürfte daher von Interesse sein, auf einige Beobachtungen an der Aminosäure Tyrosin hinzuweisen. Das Oxy- phenylalanin oder Tyrosin ist bekanntlich ein Baustein des Eiweiß- moleküls und als solcher sicher in jedem tierischen Organismus ent- halten. Nukada und Tanaka(2) haben nachgewiesen, daß es .das antipyretisch wirkende Prinzip der in Japan und China benutzten Regenwürmer darstellt. Ich werde zeigen, daß man auch aus den deut- schen Würmern ein tyrosinhaltiges Extraktionsprodukt gewinnen kann, das demgemäß temperaturherabsetzend. wirkt. ;

Da nach Angabe der japanischen Autoren das wirksame Prinzip koktostabil ist, konnte ich gleich daran gehen, es durch Kochen aus den Würmern zu extrahieren. Zu diesem Zwecke wurde eine größere An- zahl Lumbricus herculeus mit einer geringen Menge konzentrierter Koch- salzlösung behandelt, um die dabei absterbenden Tiere zu veranlassen, ihren Hautschleim abzusondern. Nach Waschen mit Wasser habe ich die Tiere im Trockenofen bei etwa 50° C©. getrocknet, bis sie sich in Stücke zerbrechen ließen. Die so weit vorbereiteten Würmer wurden in einem Exsikkator über Chlorkalzium definitiv getrocknet und dann pul- verisiert. Die folgenden Angaben beziehen sich auf einen Versuch aus dem November 1920. 46,5 g des. erhaltenen Ausgangsmaterials habe ich mit 220 ccm Aqua destillata einige Zeit gekocht, bis die -Flüssig-

U. Hintzelmann, Medizinisch-zoologische Studien. 295

keitsmenge nur noch 40,0 cem betrug. Beim Kochen und Schütteln schäumt die dunkelbraun aussehende Flüssigkeit stark. Sie riecht un- angenehm fade, was auch schon die getrockneten und pulverisierten Würmer tun. Das erhaltene Dekokt wird mit 300 cem 95% igem Alkohol

‘vorsichtig versetzt. Es entsteht ein voluminöser, graubraun aussehender

Niederschlag, der nach dem Absetzen mehrmals mit absolutem Alkohol ausgewaschen wird. Hierbei wird er immer heller und feinflockiger. Das Waschen wird so lange fortgesetzt, bis der Alkohol sich nicht mehr färbt. Allem Anscheine nach besteht die gelbe Farbe aus einer karotin- ähnlichen Substanz. Untersuchungen hierüber sind im Gange. Der erhaltene, nunmehr hellgraubraun gefärbte Niederschlag, wiegt nach dem Trocknen 2,35 g. Diese Substanz ist das „Lumbrofebrin“ von Nukada und Tanaka. Es ist hygroskopisch, leicht löslich in Wasser, unlöslich in Alkohol und Äther. Die wässerige Lösung ist dunkler ge- färbt als das trockene Produkt und reagiert auf Lackmus schwach sauer. Es gelang mir, in Übereinstimmung mit den beiden japanischen Autoren, Phosphorsäure, Kalzium und Eisen nach den gewöhnlichen Methoden in der Asche nachzuweisen. Die wässerige Lösung des „Lumbrofebrins“ gibt in ausgesprochener Weise die Paulysche (5) Diazoreaktion, was für das Vorhandensein von Tyrosin oder Histidin spricht, auch erhält man die Xanthoproteinreaktion. Im Gegensatz zu den japanischen Autoren gaben meine Substanzen immer in sehr ausgesprochenem Maße die Millonsche Reaktion. Auch läßt sich aus der mit Salpetersäure behandelten Lösung Oxalsäure gewinnen, was ebenfalls für das Vor- handenseir von Tyrosin spricht (6). Nukada und Tanaka befreiten das rohe ,„‚Lumbrofebrin“ von dem darin enthaltenen Kalzium, Eisen und der Phosphorsäure und konnten daraus Tyrosin in razemischer Form abscheiden. Ich habe eine Reindarstellung des Tyrosins aus meinen Substanzen unterlassen, weil für mich nur ihre pharmakologische Wir- kung und die biologische Aufgabe des darin enthaltenen Tyrosins von Interesse war.

Ich habe gefunden, daß das von mir dargestellte Produkt aus dem Körper des Regenwurms auf gesunde Meerschweinchen temperaturherab- setzend wirkt. Bei den Versuchen gelangten nur solche Tiere zur Ver- wendung, deren Temperatur rektal während einer 3tägigen Beobach- tungszeit keine allzu großen Schwankungen aufwies. Da es mir, wie schon gesagt, nur darauf ankam, die temperaturerniedrigende Wirkung des aus deutschen Lumbricus-Arten dargestellten „Lumbrofebrins“ fest- zustellen, habe ich mich jeweils mit wenigen Versuchen begnügt. Die folgende Tabelle gibt die Daten eines Versuches aus dem November 1920 wieder. Die Versuche mit in anderen Monaten gewonnenen Sub- stanzen hatten ähnliche Ergebnisse. Die temperaturherabsetzende Wir- kung ist dem Lumbricus hereuleus also in jeder Jahreszeit eigentümlich und wechselt nicht wie seine Giftigkeit.

296 U. Hintzelmann, Medizinisch-zoologische Studien.

Versuche im November 1920. 1. Meerschweinchen 330 g. Kontrolltier.

Datum | Zeit Temperatur Bemerkungen

13. 10,45 37,55°

14, 10,00 37,65°

15. 9,30 37,65

16. 11,00 38,01° 11,30 38,01° l ccm NaCl 12,00 38,11° 12,30 38; 11°

2. Meerschweinchen 380 g. (131,58)*).

Datum Zeit Temperatur Bemerkungen

13. 11,00 37,650

14. 11,00 32,07.°

15. 9,45 37,65°

16. 11,00 37,95° 11,30 97950 |POmg Lumbrofebrin

I J 3 in 1 ccm NaCl

12,00 30092 12,30 37,00°

Senkung der Temperatur um 0,7° in !/, Stunde. 3. Meerschweinchen 280 g. (714,29)*).

Datum | ai Temperatur Bemerkungen

13. 14,15 37,3°

14. 10,15 312%

eh, 10,00 37n2!

16.

17: 9,15 37,1°

10,00 aut, 200 mg Lumbrofebrin 10,30 36,4° in 25 cem NaCl 12.30 35.990 subkutan 4,30 37,25° 18. | 10,00 37 |

Senkung der Temperatur um 0,7° in '/, Stunde.

*) Die Zahlen in runden Klammern geben an, wieviel mg „Lumbrofebrin* auf : l kg Meerschweinchen verabreicht wurden.

U. Hintzelmann, Medizinisch-zoologische Studien. 297

4. Meerschweinchen 330 g. (227,27)*).

Datum Zeit Temperatur Bemerkungen 18. 11,35 37,5° 75 mg Lumbrofebrin 12,00 2 in 25 ccm NaCl 12,30 36,7° subkutan 3,00 37,3°

Senkung der Temperatur um 0,8° in !/, Stunde.

Aus der Tabelle ist ersichtlich, daß die Temperatursenkung an- nähernd 0,70 für das gesunde Meerschweinchen beträgt und dab die Substanz auch in der größten Dosis (0,71429 g gegenüber 0,25 g von Nukada und Tanaka!) keinerlei toxische Erscheinungen hervorruft. Auch eine Wirkung auf das Zirkulations- und Atmungssystem konnte wenigstens von den Japanern beim Kaninchen nicht festgestellt werden. Meine Tiere fühlten sich während der Beobachtungszeit (24 Stunden ) vollkommen wohl, fraßen und zeigten keinerlei Erscheinungen, die auf eine Schädigung durch das „Lumbrofebrin“ resp. das darin enthaltene Tyrosin hindeuteten.

Nach diesen Versuchen entstand die Frage, ob das im „Lumbro- febrin“ gefundene Tyrosin antipyretische Wirkungen entfalten kann. Aus den Versuchen der beiden japanischen Autoren ergibt sich, dab reines von Merck bezogenes Tyrosin „in den Dosen von 0,05, 0,15 bis 0,5 g pro Kilo Körpergewicht auf das beim Kaninchen durch den Wärmestich, bezw. durch Kolibazillentoxin erzeugte Fieber temperatur- herabsetzend wirkt“ (p. 33). Diese Angaben genügten, um mich zu überzeugen, daß reines Tyrosin in der Tat temperaturerniedrigend wirkt. Ich habe daher keine eigenen Versuche mit Oxyphenylalanin angestellt.

Was ist nun die biologische Bedeutung des Tyrosins für den tierischen Organismus? Um diese Frage zu beantworten, ist es nötig, einen Blick auf die chemische Physiologie der Tiere zu werfen.

23. Allgemeine Bemerkungen über die biologische Bedeutung des Tyrosins.

Das Studium der über Tyrosin vorliegenden Literatur führt auf das ausgedehnte Gebiet der Melanine, also jener im Organismus des Warm- und Kaltblüters vorkommenden braunschwarzen Pigmente. Die über diese Farbstoffe vorliegenden Arbeiten beschäftigen sich, da sie namentlich von. Anatomen, Pathologen und Physiologen ausgeführt wur- den, vor allem mit den Melaninen des Menschen und anderer Säuger. Nur vereinzelt trifft man Angaben über Melanin niederer (wirbelloser) Tiere. So hat z. B. L. Brecher(7) gefunden, daß in der Hämolymphe vou Pieris brassicae 'T'yrosin vorhanden ist und;daß es als Chromogen wirkt. Sie spricht es als Vorstufe der braunschwarzen Pigmente an, die

298 U. Hintzelmann, Medizinisch-zoologische Studien.

demnach in diesem Falle nicht als Abkömmlinge des Hämoglobins an- zusehen sind. Auf die verschiedenen Auffassungen ihrer Herkunft brauche ich an dieser Stelle nicht weiter einzugehen. Sie sind wieder- holt behandelt und kritisiert worden (z. B. von v. Fürth (8)). Nach- dem festgestellt wurde, daß sich Melanin unter dem Einflusse eines oxy- dierenden Fermentes (Tyrosinase), das auch bei wirbellosen Tieren an- getroffen wird, aus Tyrosin bildet (z. B. Przibram(9)) dürfte, wie aus einem Gesamtüberblick der einschlägigen Literatur hervorgeht, das Problem der Melaninbildung bei hämoglobinhaltigen und hämoglobin- freien Tieren seiner Lösung recht nahe gebracht sein. Ein weiteres bio- logisch wichtiges Moment in der Pigmententstehung sehe ich in der verschiedenen Belichtung. Es ist bekannt, daß sich nicht nur beim Menschen und Säuger in der Haut unter dem Einflusse des Lichtes Melanin bildet, sondern daß auch die Pigmentierung anderer (wirbel- loser) Tiere von diesem Faktor abhängt. So hat bereits List 1899 (10) die Angabe gemacht, daß das Licht „einen wesentlichen Einfluß auf die Pigmentablagerung der Lamellibranchier“ hat. „Eine verstärkte Be- lichtung ruft starke Pigmentablagerung hervor, ebenso ein Lichtmangel eine Abnahme des Pigmentes“ (S. 618). Diese Beobachtung gibt mir Gelegenheit, auf einige damit im Zusammenhang stehende Unter- suchungen über den Lichteinfluß auf die lebende Substanz überhaupt einzugehen. Schanz(11) zeigte, daß bei Bestrahlungen mit dem Licht einer Quarzlampe oder dem Sonnenlichte das darin enthaltene Ultra- violett auf Eiweißkörper ausfällend, aber nicht denaturierend wirkt. Diese Lichtwirkung konnte durch die Anwesenheit von Sauerstoff wesentlich gefördert werden. Hieraus ist ersichtlich, daß die strahlende Energie des Lichtes einen Einfluß auf das Eiweißmolekül auszuüben imstande ist. C. Neuberg(12) hat gefunden, daß das Sonnenlicht Reaktionen bei Anwesenheit eines als Katalysator wirkenden Uran- salzes hervorzubringen imstande ist. Von den von ihm untersuchten Substanzen ist für uns hier von Interesse, daß 1l-Tyrosin durch die Belichtung in einen Körper umgewandelt wird, der heiße Fehlingsche Lösung reduziert. Aus den Versuchen Neubergs geht hervor, dab „dem Sonnenlicht in Gegenwart des Katalysators eine ausgesprochen spaltende Wirkung eigen ist. Besonders auffallend ist die überall zutage tretende Tendenz des Lichtes, aus zahlreichen indifferenten Stoffen des Tier- und Pflanzenorganismus karbonylhaltige Substanzen, Aldehyd- oder Ketoverbindungen zu erzeugen, deren Reaktionslust und Befähigung zu den wichtigsten Synthesen allbekannt ist“ (8. 315). Ich bemerke dazu, daß es im Körper der Tiere und Pflanzen sicher nicht an Kataly- satoren fehlen wird, die eine ähnliche und eventuell viel nachdrück- lichere Wirkung enthalten möchten wie das Uran. Nach Neuberg könnten die aufgeführten Versuche imstande sein, „ein Verständnis der beim Heliotropismus und beim Phototropismus sich abspielenden che- mischen Vorgänge anzubahnen und vielleicht einen Einblick in den COhemismus der allgemeinen Wirkung des Sonnenlichtes auf den tierischen und pflanzlichen Organismus zu verstatten“ (8. 315).

U. Hintzelmann, Medizinisch-zoologische Studien. 299

Verfolgt man den eben skizzierten ‘Gedankengang weiter, so kommt man zu der Vorstellung, daß durch katalytische Wirkung des Lichtes Produkte in der lebenden Substanz gebildet werden, die Reize auslösen, welche man als Lichtwahrnehmungen und Lichtempfindungen deutet. Ich habe die Vorstellung, daß an diesem Vorgange namentlich das Tyrosin beteiligt ist. Ich möchte es als photosensibilisatorisch tätige Substanz im tierischen Organismus bezeichnen und vertrete die An- schauung, daß die Lichtempfindlichkeit an das Vorhandensein von Oxy- phenylalanin oder Abbauprodukten desselben gebunden sei. Für diese Auffassung scheint mir das konstante Vorhandensein von Melanin oder melaninähnlichen Substanzen, also Umwandlungsprodukten des Tyro- sins, in Lichtempfindungsorganen zu sprechen. Soweit mir bekannt, trifft man dieses Verhalten ganz allgemein, abgesehen von den Fällen, in denen eine diffuse Lichtempfindung anzunehmen ist, zZ. B. bei Amöben. Dementsprechend bestehen Beziehungen zwischen lichtempfind- lichen Organen und Pigmentbildungsstellen, in denen Oxyphenylalanın vorhanden ist.. Den soeben skizzierten Vorgang der Lichtwahrnehmung ‚stelle ich mir in der Art vor, wie v. Fürth (1912, 8. 526—27) es für die Entstehung von Melaninen angegeben hat. Nur gehe ich noch einen Schritt weiter.

Durch Lichtbestrahlung wird eventuell durch Mitbeteiligung von eiweißspaltenden Enzymen die Abspaltung von zyklischen (= tyrosin- haltigen) Komplexen aus den Proteinmolekülen veranlaßt. Diese Kom- plexe werden nun durch Licht- und Fermentwirkung (Tyrosinase) in Melanine übergeführt. Bei dieser Umwandlung entstehen spezifisch wir- kende Produkte (Photosensibilisatoren), die zur subjektiven Licht- empfindung führen. Diese Stoffe werden dann entweder weiter ver- wandelt und treten uns sichtbar als Pigmente entgegen oder sie werden durch nicht bekannte Vorgänge in anderer Weise verwandt und wie sewöhnliche Stoffwechselprodukte behandelt (Bildung von Homogenti- sinsäure USW.). |

Was nun den strengen Beweis der vorgetragenen Anschauung anbelangt, so bemerke ich folgendes. Zwei Versuchsmöglichkeiten sind prinzipiell vorhanden: einmal wäre der mikrochemische Nach- weis von Tyrosin in den dem Lichte ausgesetzten und Jlichtempfind- lichen Organen und wenn möglich, seine Lokalisation in lichtempfind- lichen Zellen zu erbringen, zweitens wäre die Wirkung einer über die Norm erhöhten Tyrosinmenge im Körper oder in der Umgebung eines Tieres zu untersuchen. An dieser Stelle will ich nur so viel sagen, dab ich den Eindruck gewonnen habe, als ob sich wirklich eine erhöhte Tyro- sinmenge in Lichtsinneszellen niederer Tiere (Regenwurm) fände. Weiter will es mir scheinen, als ob weiße Mäuse (es ist nötig, Albinos zu ver- wenden, da ihnen ja die Tyrosinase fehlt) nach subkutaner Verabreichung von viel Tyrosin das helle Tageslicht als unangenehm, z. B. blendend, empfinden. Da die Versuche noch nicht in dem nötigen Ausmaße vor- genommen werden konnten, muß ich auf weitere Angaben verzichten.

1

Eine ausführlichere Darlegung meiner Ergebnisse und deren Diskussion wird später folgen.

An dieser Stelle soll nur noch auf eine weitere Frage hingewiesen werden, die ich im Anschluß an die Beobachtungen des Kollegen Dr. Fritz Eckstein bei der Histiolyse tachinierter Lyda-Larven ventilieren werde, sobald die histologische Untersuchung abgeschlossen sein wird. Wir haben beobachtet, und Eckstein hat dieser Meinung schon Ausdruck verliehen, daß bei der vom Wirte (Lyda) dem Para- siten (Tachine) gegenüber vorgenommenen Abwehr biochemische Kräfte im Spiele sind, die. zu einer Pigmentumhüllung des eingedrungenen Fremdkörpers führen. Ich bin der Ansicht, daß dieses Pigment ein Melanin ist, das nur aus Tyrosin oder einem seiner Umwandlungs- produkte entstanden sein kann. Die näheren Umstände dieses Vorganges der Abwehr gegen den Parasiten werden auf ex- perimentellem Wege von uns gemeinschaftlich untersucht werden. Dann werde ich auch Gelegenheit nehmen, meine Vorstellungen über die physiologisch-chemische und medizinisch-zoologische Seite dieses Ab- wehrvorganges ausführlich darzulegen. Dabei wird sich auch die Ge- legenheit bieten, noch einige andere biologische Aufgaben des Tyrosins im Tierkörper aufzuführen unter Heranziehung der einschlägigen Lite- ratur.

300 U. Hintzelmann, Medizinisch-zoologische Studien.

Literaturverzeiehnis.

1. Hovorka und Kronfeld, Vergleichende Volksmedizin Bd. I p. 358—59, Stutt- gart 1908. .8. Nukada und B. Tanaka, Über die antipyretische Wirkung des Regenwurms und dessen wirksamen Bestandteil. Mitteilungen aus der medizinischen Fakultät der K. Universität zu Tokio, 1915. Bd. XIV, Heft 1 p. 1—35. 3. 8. Yagi, Über Lumbriein, die haemolytische Subztanz des Regenwurms. Arch. intern. de Pharmacod. et de Ther. 1911 Bd. XXI p. 105—17. 4. M. Pauly, Der Regenwurm. Der Illustrierte Tierfreund S. 42 und 79, Graz 1896. Zitiert nach Edwin Stanton Faust Die tierischen Gifte, Braunschweig 1906, p. 228. H. Pauly, Zeitschrift für physiologische Chemie, 1904 Bd. 42 p. 508. . Beilstein, Organische Chemie Bd. II 3. Aufl. S. 1567.. . L. Brecher, Die Puppenfärbung des Kohlweißlings, Pieris brassicae. Archiv für Entwicklungsmechanik 1918, Bd. 43 p. 146. 8. v. Fürth, Probleme der physiologischen und pathologischen Chemie, Leipzig 1912 Bd. I p, 522#£. 9. Przibram siehe OÖ. v. Fürth: Chemische Physiologie niederer Tiere, Jena 1903. 10. List, Theodor, Über den Einfluß des Lichtes auf die Ablagerung von Pigment. Archiv f. Entwieklungsmechanik Bd. VIII, 1899 p. 618. ll. Schanz, Die Lichtreaktion der Eiweißkörper. Pflügers Archiv Bd. 164 1916 p- 445. 12. C. Neuberg, Chemische Umwandlung durch Strahlenarten. 1. Katalytische Reaktionen des Sonnenlichtes, Biochemische Zeitschrift Bd. XIII, 1908 p. 304 ff.

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R. Goldschmidt, Die Reifeteilungen der Spermatozyten u. s. w. 301

Die Reifeteilungen der Spermatozyten in den Gonaden intersexueller Weibchen des Schwammspinners.

Von Richard Goldschmidt (Berlin-Dahlem). (Mit einer Abbildung.)

Seit der Veröffentlichung meiner „Untersuchungen über Inter- sexualität“ ') hat Bridges!) in ein paar Mitteilungen über eigen- artige Intersexe von Drosophila berichtet, Untersuchungen, mit denen ich mich, so bald sie ausführlich veröffentlicht sein werden, vom Standpunkt der Theorie der Geschlechtsbestimmung werde nuseinander- zusetzen haben. Bridges erhielt seine Intersexe in triploiden Zuchten von Drosophila und zwar erschienen sie, wie er sowohl genetisch als auch zytologisch nachweisen konnte, wenn den drei Sätzen von Autosomen nur zwei X-Chromosomen gegenüberstehen. Wenn es nun auch nach der ganzen Art, wie die Intersexe beim Schwammspinner erzeugt werden, ausgeschlossen ist, das irgendwelche derartige Chro- mosomenverhältnisse in Betracht kommen, so erscheint es doch wünschenswert, diesen Punkt definitiv zu klären, um späteren unnützen Diskussionen vorzubeugen. In der Hauptarbeit habe ich bereits er- wähnt, daß die Spermiogenese solcher Männchen, die als letzte Inter- sexualitätsstufe durch Geschlechtsumwandlung aus gametischen Weib- chen entstehen, normal und mit normaler Chromosomenzahl abläuft. (Ein Geschlechtschromosom läßt sich ja leider beim Schwammspinner nicht nachweisen, die Ohromosomenzahl ist in beiden Geschlechtern gleich.) Gegen diesen Befund ließe sich aber einwenden, daß die Unterscheidung zwischen echten Männchen und Umwandlungsmänn- chen nur statistisch für eine ganze Zucht möglich ist, nicht aber für das einzelne Individuum. Deshalb schien es wünschenswert, die Chro- mosomenverhältnisse an sicherem intersexuellen Material zu kontrol- lieren und dies ließ sich jetzt in einwandfreier: Weise ermöglichen. Es handelt sich um eine Zucht aus der Kreuzung der Rassen Berlin x. Gifu, bei der sämtliche Weibchen höchstgradig intersexuell werden, sogenannte Weibchenmännchen liefern. In diesem Fall läßt sich nun die Intersexualität an den Strukturen der Puppenhülle bereits erkennen, so daß es möglich ist, ohne die Gefahr eines Irrtums die Geschlechts- drüsen während ihrer Umwandlung vom Eierstock ın den Hoden, die noch zum Teil im Puppenstadium abläuft, zu konservieren. Im nor- malen Hoden finden nun die Reifeteilungen in der älteren Raupe statt und der Puppenhoden ist bereits mit Spermien gefüllt. In der ın Umwandlung begriffenen Geschlechtsdrüse war aber die Spermato- genese am 1. Puppentag in vollem Gang. Der Bau dieser Drüse und

l) Goldschmidt, R. Untersuchungen über Intersexualität. Ztschr. indukt. Abstammungslehre. 23. 1920. Bridges, ©. B. The origin of variations in sexual and sex-limited characters. Amer. Nat. 56. 1922

2) Goldschmidt, R. und Saguchi, S. Die Umwandlung des Eierstocks in einen Hoden beim intersexuellen Schwammspinner. Ztschr. ges. Anatomie. 1922.

309 R. Goldschmidt, Die Reifeteilungen der Spermatozyten u. s. w.

die Art ihrer Umwandlung vom Eierstock in den Hoden ist in einer gleichzeitig erscheinenden Arbeit näher beschrieben und abgebildet ?). Hier interessieren uns nur die Chromosomenverhältnisse in den Reife- teilungen der Spermatozyten in der Gonade des intersexuellen Weih- chens. Die haploide Chromosomenzahl ist bei allen untersuchten Schwammspinnerrassen 31. Abbildungen finden sich in meiner Haupt- arbeit. Die Zellen der intersexuellen Drüse sind nun nicht so günstig

Abb. 1.

für Chromosomenzählungen wie normale Zellen, weil die Spermato- genese hauptsächlich atypische Spermien liefert. Die seit Meves wohl- bekannte Abnormität der Entwicklung setzt aber schon in der Äqua- torialplatte der 1. Reifungsteilung ein und äußert sich hier darin, daß die Chromosomen nicht ganz so schematisch in einer Ebene nebenein- anderliegen wie sonst. Trotzdem läßt sich aber an günstigen Zellen mit Sicherheit die Zahl 31 feststellen und an den anderen Zellen. eine Zahl, die sicher nicht höher ist, wie es die nebenstehende Abbildung auch zeigt.

Dies zeigt also ebenso wie die in der Hauptarbeit gegebenen Daten, daß die Intersexualität beim Schwammspinner nichts mit Be- sonderheiten der Chromosomenverhältnisse zu tun hat.

.J. Hirschler, Über den Einfluß von Organen metamorphosierter Amphibien usw. 308

Über den Einfluss von Organen metamorphosierter Amphibien auf den Verlauf der Amphibienmetamorphose. Von Prof. Dr. Jan Hirschler.

, Direktor des zoologischen Instituts a. d. Jan Kazimierz Universität in Lemberg.

Die Frage nach der Abhängigkeit, respektive Unabhängiskeit ein- zelner Vorgänge, die das Gesamtbild der Amphibien-Metamorphose aus- machen, ist, wie bekannt, bislang nur äußerst dürftig gelichtet. Ich stellte mir nun zur Aufgabe, mittels eines neuen Verfahrens dieser Frage näher zu kommen und unternahm eine Reihe von Versuchen, die auf folgenden Voraussetzungen fußen:

‚Metamorphosierte Amphibien mit Larven derselben Spezies ver- glichen, weisen, bekannterweise, eine Reihe sehr durchgreifender Unter- schiede, sowohl morphologischer wie auch physiologischer Natur auf, so dab die Differenzen, die zwischen ihnen herrschen, meistens viel sröber sind von denjenigen, welche zwischen Tieren verschiedener Spe- zies (also z. B. zwischen zwei Fröschen oder zwischen zwei Kaulquappen gleichen Alters, die verschiedenen Spezies angehören) beobachtet werden. Angesichts dieser Differenzgröße würde es vielleicht angehen in unserem Falle von Speziesdifferenzen zu sprechen, wodurch wir theoretisch für unsere Versuche einen wichtigen Anhaltspunkt zu gewinnen glauben.

Fassen wir nämlich die zuerst genannten Differenzen als Spezies- differenzen auf, so ist zu erwarten,. daß Organe metamorphosierter Amphibien, Larven derselben Spezies ein- oder aufgepflanzt, in den letzteren die Entwicklung von Abwehrkörpern verursachen werden. Da den Abwehrkörpern wenigstens eine gewisse Spezifität zukommt, sie demnach, vor allem, gegen das einverleibte Organ gerichtet sein werden, so ist weiter zu erwarten, daß sie auch das larvale, dem einwverleibten homologe Organ oder seine Sekrete angreifen werden, sobald dieses Organ eine Entwicklungsstüfe erreicht, welche es dem einverleibten Organ näher rückt. Auf diese Weise könnte es zu einer teilweisen oder gänzlichen Entwicklungshemmung des betreffenden larvalen Or- ‚gans, respektive zur Neutralisierung seiner Sekrete kommen und würde die Entwicklung oder Involution anderer larvaler Organe von der Ent- wicklung dieses Organes oder von der Wirkung seiner Sekrete abhängen, so .würde unser Eingriff auch die Hemmung der Entwicklung oder Involution dieser Organe zur Folge haben müssen.

Die Annahme einer Speziesdifferenz, in unserem Falle, scheint mir durch Tatsachen auch serologischer Provenienz gestüzt zu sein; so konnte nämlich Braus!) den Nachweis führen, daß von Fröschen gewonnene Extrakte im Säugetierkörper die Entwicklung von Präzipi-

1) Braus, H., Über das biochemische Verhalten der Amphibien-Larven (Arch. f. Entwicklungsmechanik d. Organismen, Bd. 22, 1906).

2) Mendelejew-Goldberg, P., Die Immunitätsfrage bei der Trypanosamen- ‚krankheit der Frösche (Arch f. Protistenkunde, Bd. 31, 1913).

304 J. Hirschler, Über den Einfluß von Organen metamorphosierter Amphibien usw.

tinen verursachen, welche eine'Reaktion nur mit Frosch-Extrakten geben, nicht aber mit Kaulquappen-Extrakten, obwohl die dazu gebrauchten (Juappen derselben Spezies angehörten. Ähnliche Differenzen wurden bekanntlich auch für Säugetiere nachgewiesen und die Entwicklung von Hämolysinen nach erfolgten Injektionen von embryonalen Blut- körperchen in ausgewachsene Tiere derselben Spezies festgestellt, welche Tatsachen dafür zu sprechen scheinen, daß zwischen Larven oder Em- bryonen und vollkommen entwickelten Tieren derselben Spezies der- artige Differenzen herrschen, die für gewöhnlich zwischen Individuen verschiedener Spezies vorkommen und demnach als Speziesdifferenzen betrachtet werden. | f

Die Annahme einer Bildung von Abwehrkörpern im Amphibien- Organismus scheint mir durch die Tatsachen gestützt zu sein, welche Mendelejew-Goldberg?) für das Serum von mit Trypanosomen befallenen Fröschen festgestellt hat. In diesem Falle konnte der Nach- weis erbracht werden, daß dieses Serum zytolytische Abwehrkörper ambozeptorenartiger Natur besitzt, die gegen die Trypanosomen ge- richtet sind. Zwar sind mir derartige Tatsachen, die Amphibienlarven betreffend, nicht bekannt, dennoch scheint mir die Möglichkeit einer Abwehrkörperbildung ihrerseits wahrscheinlich zu sein, angesichts dessen, dab es gelungen ist, Larven wirbelloser Tiere (Insekten), Bakterien gegenüber, zu immunisieren.

Gegen meine Versuchsanordnung könnte man dennoch vielleicht einwenden, daß die Einverleibung eines Transplantates in den Körper einer Amphibienlarve den Organismus vor einen höchst komplizierten Faktor stellt, welcher eventuell imstande sein könnte, normal vorhan- dene Korrelationen aufzuheben oder neue, normal nicht vorkommende Korrelationen zu schaffen. Demgegenüber ist zu betonen, daß unser Vorgehen sich keineswegs von anderen, zum Nachweis von physio- logischen Korrelationen und Autonomien dienenden Versuchsanordnungen prinzipiell unterscheidet, denn wenn wir im zweizelligen Stadium den Einfluß einer Blastomere auf ihre Nachbarin studieren wollen, so töten wir z. B. eine Blastomere ab; sehen wir dann, daß die zurückgebliebene einen ganzen Embryo hervorbringt, so sagen wir, daß die eine Blasto- mere auf die andere eine Hemmungskorrelation ausübt; diese Tatsache läßt aber auch eine andere Deutung zu, denn man kann ebensogut sagen, daß der Tod einer Blastomere eben die Entwicklung einer Totipotenz in der zurückgebliebenen zur Folge hat und dann kann natürlich vom Wirken der Hemmungskorrelationen im normalen Zweizellen-Embryo nicht mehr die Rede sein. Dieses Beispiel, um viele andere nicht anzuführen, genügt, wie es scheint, einem Fachmanne zur Erläuterung. Der vorher genannte Einwand kann nicht speziell meine Versuchs- anordnung treffen, er hat dagegen eine gewisse Erkenntnis theo- retische Berechtigung in bezug auf die Methoden überhaupt, die zum Nachweis von Korrelationen und Autonomien in Anwendung ge- bracht werden.

J. Hirschler, Über den Einfluß von Örganen metamorphosierter Amphibien usw. 305

In meinen Versuchen wurden Hautstücke von ausgewachsenen Am- phibien auf Larven derselben Spezies aufgepflanzt. Die Transplan- tationstechnik kam der Uhlenhutschen?) ziemlich nahe, weswegen mir eine genaue Darstellung derselben, welche in manchen Einzelheiten praktisch modifiziert wurde, überflüssig erscheint. Jungen, nur mit kleinen Hinterbeinen versehenen Kaulquappen von Rana esculenta, wur- den auf den Kopf (zwischen die Augen) (Serie 1), auf den Rücken (Serie 2) und auf den Schwanz (Serie 3) Hautstücke von ausgewach- senen Fröschen derselben Spezies transplantiert. Zur Kontrolle wurden entsprechende homoplastische Transplantationen mit der Kaulquappen- haut ausgeführt. Jungen 34 bis 40 mm langen Larven von Triton eristatus, wie auch jungen 30 bis 32 mm langen Larven von Salamandra maculosa wurden auf den Rücken Hautstücke ausgewachsener Tiere derselben Spezies den ersteren aufgepflanzt, deneletzteren unter die Haut eingepflanzt. An den Kaulquappen wurden im ganzen 48 Frosch- hauttransplantationen,. an den Triton-Larven 20, an den Salamander- Larven 5 Verpflanzungen der Haut von ausgewachsenen Tieren aus- geführt. Da mich meine Vorversuche davon belehrten, dab Amphibien- Larven mit homoplastischen Transplantaten von metamorphosierten Tieren, bei Zimmertemperatur (Sommertage) gezüchtet, schnell ein- gehen, kultivierte ich sie hernach mit den Kontrolltieren die ganze Versuchsdauer hindurch in Kühlräumen von + 15° C. bis + 170 C,, was bei den Versuchstieren die Mortalität vollkommen (bei den Kaul- quappen bis zu einer gewissen Zeit) aufhob. Es ist noch zu bemerken, daß derartige Transplantationen leicht gelingen, die Transplantate be- wahren ıhr frisches Aussehen, unterliegen keiner Resorption und häuten sich regelmäßig in mehrtätigen Intervallen, als ob sie auf ihrer normalen Unterlage verweilten. Die Versuchs- und Kontrolltiere wurden natürlich, wie es bei solchen Versuchen üblich ist, genau auf dieselbe Weise be+ handelt, was Nahrung (Regenwürmer, Froschfleisch), Wassererneuerung, Wasserniveau und dergleichen anbelangt. Das meinerseits benutzte Kaul- quappenmaterial zeigte keine natürliche Tendenz zur Neotenie, indem die Tiere, bei Sommertemperatur gezüchtet, rasch ihre Metamorphose durchmachten und während der Herbstmonate in den Tümpeln, von welchen sie stammten, keine, sowohl Larven-Formen wie auch über- haupt, unvollkommen ausmetamorphosierte Tiere zu finden waren. Homoplastische Transplantate von. erwachsenen Urodelen (Triton, Salamandra), auf Larven gleicher Spezies aufgepflanzt, üben auf die Dauer des Larvenlebens und auf den Verlauf der Metamorphose jeden- falls keinen größeren Einfluß aus; dies ergibt sich daraus, daß Ver- suchs- und Kontrolltiere annähernd gleichzeitig ihre Metamorphose be- gsinnen, wobei dann das Involutionstempo larvaler Organe, wie der Kiemenanhängsel: und des Flossensaumes, bei beiderlei Tieren an-

3) Uhlenhut, E., Die Transplantation des Amphibienauges (Arch. f. Entwick- lungsmechanik d. Organismen Bd. 33, 1912).

Band 42. PN)

[1

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306 J. Hirschler, Über den Einfluß von Organen metamorphosierter Amphibien uswe

nähernd dasselbe ist; es läßt sich also nach genannter Hauttransplan- tation keine „Beschleunigung der Metamorphose“, d. i. weder eine Ver- kürzung des Larvenlebens, noch eine schneller verlaufende Involution larvaler Organe feststellen; dieses Ergebnis scheint mir im Einklange mit meinen früher angestellten Versuchen *) zu stehen, nach welchen Larvenhaut auf metamorphosierte Tritonen aufgepflanzt nur dann eine Metamorphose durchmacht (und zwar ungefähr 2 Monate nach erfolgter Transplantation), wenn diese Auipflanzung an Tieren, welche ungefähr vor 2 Wochen ihre Metamorphose beendet haben, vorgenommen wird, führt man sie dagegen an Tieren aus, die vollkommen erwachsen und geschlechtsreif sind, so bleiben die Transplantate der Larvenhaut auch

nach viermonatlichem Aufenthalte unmetamorphosiert. Wie also im-

metamorphosierten, geschlechtsreifen Tritonen-Organismus keine Fak- toren mehr herrschen, welche die Metamorphose der Larvenhaut verur- sachen könnten, so besitzt die Haut erwachsener Tritonen, auf Larven derselben Spezies aufgepflanzt, auch keine Fähigkeit, die Metamor- phose der Larven zu beschleunigen. Obwohl nun diese Fähigkeit der Tritonenhaut und Salamanderhaut fehlt, möchte ich mich vor einer Ver- allgemeinerung dieser Tatsache auf andere Organe erwachsener Tri- tonen und anderer Urodelen einstweilen noch jedenfalls zurückhalten.

Während Hauttransplantate von erwachsenen Urodelen auf den Verlauf der Metamorphose gleichartiger Larven keinen jedenfalls grö- Seren Einfluß ausüben, konnte ein solcher auf die Metamorphose von Esculenta-Quappen, denen Froschhaut aufgepflanzt wurde, nachgewiesen werden.

‚Bei diesen. Versuchen lenkten wir vor allem unsere Aufmerksam- keit auf den größten sämtlicher Involutionsvorgänge, die uns aus der Amphibienmetamorphose bekannt sind, nämlich auf die Involution des

Kaulquappenschwanzes. Während bei den sowohl unoperierten wie auch:

mit Kaulquappenhauttransplantaten versehenen Kontrolltieren die In- wolution des ganzen Schwanzes 27 bis 36 Tage dauerte, erwies sich las .Involutionstempo des Schwanzes bei. den Versuchstieren stark ver- langsamt. Mit dem Beginn der Schwanzinvolution stellte sich leider das alte Übel ein, nämlich eine starke Mortalität der Versuchstiere, von denen 21 eingingen. Es konnte somit nur bei den 27 übriggebliebenen die Schwanzinvolution näher studiert werden. Diese zuletzt genannten Tiere zeigten ein folgendes Verhalten: 17 Tiere resorbierten binnen 33 bis 45 Tagen ihren Schwanz bis annähernd zur Hälfte seiner früheren Länge und gingen in diesem Stadium der Metamorphose ein, 10 Tiere resorbierten binnen 5l bis 83 Tagen ihren Schwanz etwas über die Hälfte seiner früheren Länge; von den letztgenannten gingen 7 Tiere in diesem Metamorphosestadium ein, eines vollendete am 108. Tage, vom Beginn der Schwanzinvolution rechnend, diesen Vorgang nicht,

4) Hirschler, J., Sur la metamorphose provoquee chez l’axolotle a Y’aide d’iode

et des experiences apparentees (Kosmos. bulletin de la Soc. polonaise d. Naturalistes ä Leopol An. 1918/19).

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J. Hirschler, Über den Einfluß von Organen metamorphosierter Amphibien usw. 307

die zwei übrigen zeigten noch am 150. und 158. Tage (vom Beginn der Schwanzinvolution) ziemlich große Schwanzstummeln, beendeten also sogar nach dieser Frist die Schwanzresorbtion nicht. Diese Daten bedürfen einer näheren Erläuterung nicht, sie zeigen uns aufs deut- lichste, daß das Involutionstempo des Kaulquappenschwanzes bei den Versuchstieren ‚aufs über zweifache, respektive mehrfache verlangsamt und. somit teilweise gehemmt ist. Zu dieser Hemmung der Schwanz- involution gesellt sich bei 90 % der 27 vorher genannten Versuchstiere die Unmöglichkeit, das Operceulum seitens eines der beiden Vorderfüße durchzubrechen, welcher Vorgang bei den Kontrolltieren zu Beginn der Schwanzinvolution stattfindet. Die bei den Versuchstieren unter dem Operculum verweilenden Vorderfüße scheinen weder in ihrem Wachs- tum noch in ihrer Entwicklung gehemmt zu sein, sie dehnen die Oper- cularwände stark aus, wobei letztere, wahrscheinlich unter dem Drucke der Vorderfüße, sich in geräumige Säcke umwandeln. Da ein zu langes Verweilen der Vorderfüße in diesen Opercularsäcken eine Nekrose der ersteren herbeiführt, diese aber für das Leben der Kaulquappe ge- fährlich ist, habe ich bei den meisten Tieren, um ihr Leben zu ver- längern, die Vorderfüße auf operativem Wege aus den Opercularsäcken herausgenommen, welcher Eingriff seitens der Tiere sehr gut ertragen wird. Diese Anomalie im Verhalten der Versuchstiere scheint mir deswegen interessant zu sein, weil die Foramenbildung im Operculum (wie Braus°) dies für Bombinator-Kaulquappen nachgewiesen. hat) auch bei Abwesenheit der Vorderfüße stattfindet, was darauf hinweist, dal sie nicht auf dem Wege eines seitens der Vorderfüße ausgeübten Druckes, sondern auf dem Wege einer Gewebsinvolution zustande kommt. Somit haben wir in unseren Versuchen neben der Hemmung der Schwanz- involution auch mit der Hemmung der kurz vorher genannten Gewebs- involution zu tun.

Dieser Gruppe von Vorgängen, die bei Anwesenheit von Frosch- hauttransplantaten eine Alteration aufweisen, ist eine Gruppe von Vor- sängen gegenüberzustellen (wie zZ. B. Involution des Darmtraktus, Um- färbung des Farbenkleides, Umformung des Kopfes; Entwicklung des Froschmaules, Wachstum der Vorder- und Hinterfüße), die in ihrem Verlaufe normal erscheinen. Zwischen diesen beiden Gruppen von Vor- gängen scheint also eine jedenfalls weitgehende Autonomie zu herrschen, während die gleichzeitige Hemmung mancher Involutionsvorgänge. ent- weder auf ihre Korrelation oder auf ihre gemeinsame Abhängigkeit von einer einstweilen nicht näher bekannten Faktorenkette hinweist, deren erstes Glied uns jedenfalls im Froschauttransplantate gegeben ist.

Die Tatsache der Hemmung mancher Involutionsvorgänge steht mit unserer theoretischen Voraussetzung insofern im Einklange, daß auch diese, im allgemeinen, eine Dauerverlängerung larvaler Charaktere

5) Braus, H., Vordere Extremität und Operculum bei Bombinator Larven. Ein Beitrag zur Kenntnis morphogener Korrelation und Regulation (Morphologisches Jahr- buch Bd. 35, 1906).

20*

FIR FR Mo 3

308 .K. Peter, Über den Begriff „Homologie“ und seine Anwendung in der Embryologie.

postuliert. Ob aber diese Verlängerung, in unserem Falle, durch Im- munisierung oder auf anderem Wege verursacht ist, diese Frage muß erst näher analysiert werden. Die Verschiedenheit, welche in unseren Versuchen die Urodelen den Anuren gegenüber aufweisen, mag viel-

leicht ihren Grund darin zu haben, daß die ‚„Speziesdifferenz“, schon nur

nach morphologischen und physiologischen Kriterien schließend, bei den ersteren, zwischen larvalen und ausgewachsenen Tieren, bedeutend ge- ringer ist als bei den letzteren.

Lemberg, im Januar 1922.

Über den Begriff „Homologie“ und seine Anwendung in der Embryologie. | Von Karl Peter,

Prof. der Anatomie in Greifswald.

Inhaltsübersicht.

Einleitung. I. Der Begriff „Homologie*. 1. Homologie und kausal-analytische Forschung. 2. Homologie und Abstammungslehre. 3. Homologie und Morphologie. II. Die Anwendung des Homologiebegriffs in der Embryologie. 1. Anlage eines bleibenden Organs (Riechorgan der Amphibien). a) Die primitiven Uhoanen. b) Unterer Blindsack und JJacobsonsches Organ. c) Die Nasenmuschel der Amphibien. . Embryonale Organe. . Embryonale Stadien.

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Eine erneute Durcharbeitung der vergleichenden Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Geruchsorgans der Wirbeltiere führte mich zu Problemen, die mich schon vor 20 Jahren beschäftigt hatten.

Es handelt sich um den Vergleich des Geruchsorgans der Amphi- bien in seinen einzelnen Teilen mit den entsprechenden Partien der Nase der anderen Vertebraten. Sind sie einander homolog? In dieser Frage stehen sich vergleichende Anatomie und Entwicklungsgeschichte gegen- über.

Vom vergleichenden Standpunkt aus fügt sich das Riechorgan der l.urche gut zwischen das der Fische und der Amnioten ein, entsprechend der systematischen Stellung der Amphibien als niedrigstehender Tetra- poden. Schwierigkeiten entstehen beim Vergleich nicht. Wir finden ein Rohr mit zwei Öffnungen, deren hintere, wie es bei Luftatmern notwendig ist, in die Mundhöhle mündet, schon die Lungenfische zeigen dies Verhalten, dann auch alle Amnioten.. Die Oberflächenver- gsrößerung geschieht durch Wülste und Blindsäcke, die bei den Am-

*

K. Peter, Über den Begriff „Homologie“ und seine Anwendung in der Embryologie. 309 nioten zu reicher Entfaltung gelangen, während die Fische an ihrer Stelle Falten zeigen.

Die Entwicklung dieses Organs lin aber bei den Amphibien einen so abweichenden Weg und gestaltet sich so eigenartig, daß sich einer Homologisierung ihres Riechapparates mit dem der benachbarten Wirbel- tierklassen große Schwierigkeiten entgegenstellen. Der morphologische Wert der einzelnen Teile der Amphibiennase im Vergleich zu den ent- spreenenden Bildungen bei Fischen und Amnioten ist also noch nicht sicher erkannt und es lohnt sich, erneut den Versuch einer Homologi- sierung zu wagen. | :

Dazu ist aber erst notwendig, den Begriff Homologie selbst fest- zulegen; wir müssen wissen, was wir mit unserem Versuch erreichen wollen. i

Die Beantwortung dieser Vorfrage ist sehr schwierig und verlangt ein tiefes Eingehen in Probleme vergleichender, embryologischer und paläontologischer Natur; andere, weitabliegende Beispiele müssen heran- geholt werden, um alle Anwendungsgebiete der Homologie zu befragen und den Begriff zu präzisieren. Die in der Literatur niedergelegten Definitionen genügten nicht völlig, und so wuchs die ursprüngliche Nebenaufgabe zur Hauptaufgabe heran, und die Festlegung des mor- phologischen Wertes der Amphibiennase sank zu einer Nutzanwendung des Gefundenen herab.

Unsere Aufgabe besteht also darin, eine praktisch verwendbare und logisch einwandfreie Definition des Begriffes „Homologie“ zu geben

und an einigen Beispielen ihre Anwendungsmöglichkeit zu prüfen.

I. Der Begriff „Homologie“.

Der Begriff Homologie hat, wie Spemann in einem sehr Inter- essanten Aufsatz ausgeführt hat, im Laufe der Zeit sehr erhebliche Wandlungen durchgemacht. Von drei Standpunkten aus ist man an eine Definition herangetreten. Während Owen eine rein morpho- logische Erklärung gab und morphologisch gleichwertige Teile homo- log nannte, trug die historische Periode den Abstammungsgedanken in den Begriff hinein, und Gegenbaur definierte spezielle Homologie als „das Verhältnis zwischen zwei Organen gleicher Abstammung, die somit aus derselben Anlage hervorgegangen sind“. Dem Versuch einer Homologisierung war durch diese Forderung des Nachweises gemein- samer Abstammung schon eine große Schwierigkeit entstanden; unser Begriff zerfloß aber völlig, wenn die dritte, die kausal-analytische "Periode, ihn in Hinblick auf die eigenartigen Ergebnisse ihrer Experi- mente zu präzisieren versuchte. Eine feste Definition, die die Resul- tate der Entwicklungsmechanik berücksichtigt, konnte Spemann nicht geben. Wie haben wir uns nun zu diesen Ausführungen zu stellen?

1. Homologie und kausal-analytische Forschung. Wollen wir uns erst mit den letztgenannten Untersuchungen der jüngsten, der kausal-analytischen Periode beschäftigen, so ist es klar,

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daß weder die morphologische noch die historische Fassung des Be- griffs Homologie sich auf Verhältnisse anwenden läßt, die infolge experimenteller Eingriffe oder abnormer Variation vom normalen ab- weichen, wie sie in den von Spemann herangezogenen Fällen vor- liegen. Diese müssen im folgenden kurz besprochen werden.

Wird durch Zerschnüren des Tritoneies im Zweizellenstadium jede der beiden Blastomeren zur Bildung einer ganzen Larve (einer Halb- larve) angeregt, so besteht eine große Schwierigkeit beim Vergleichen z. B. der Geruchsorgane der Halblarve mit denen der Vollarven. In einem ungeteilten Ei würde jede der beiden ersten Blastomeren nur ein Geruchsorgan geliefert haben (die erste Furche hier als Median- ebene angenommen, wie es in ein Drittel bis ein Viertel der Fälle ver- wirklicht ist), im operierten dagegen liefert sie deren zwei. Sind diese Organe trotz ihrer verschiedenen Herkunft als homolog zu bezeichnen?

Weiterhin: Bateson fand im Oberkiefer eines Affenschädels vier Prämolaren statt drei, „und bei keinem Paar derselben ließ sich eine engere Zusammengehörigkeit nachweisen“. Wie steht es mit der Homo- logisierung dieser vier Zähne mit den dreien im normalen Affenober- kiefer? Bateson hält derartige Varianten sogar für sehr geeignet, um das Problem der Homologie zu beleuchten.

Oder ist endlich die vom Irisrand regenerierte Tritonenlinse homo- log der aus der Epidermis entstandenen? Wenn auch nach völliger Regeneration eine morphologische Gleichheit vorzuliegen scheint, so ist doch Genese und Abstammung verschieden und eine Gleichstellung im morphologischen oder historischen Sinne abzuweisen.

Das sind Fälle, die uns an der Möglichkeit der Bestimmung des Homologiebegriffs geradezu verzweifeln lassen. Doch meine ich, daß wir uns der Resignation nicht hinzugeben brauchen. Denn so interessant und prinzipiell wichtig es auch ist, die Anwendbarkeit unseres Begriffs auf derartige individuelle Fälle zu untersuchen, für die Vergleichung mor- phologischer Gebilde in unserem Sinne kommen diese Ergebnisse nicht in Betracht. Denn bei der Homologisierung von Organen usw. handeltessich um einen Vergleich nicht zwischen Individuen derselben Art, sondern zwischen verschie- denen Arten, Gattungen usf.

Natürlich wäre es unberechtigt, bei dem Vergleich verschiedener Arten z. B. eine regenerierte Tritonlinse und eine auf natürlichem Wege

entstandene Froschlinse als homolog oder nicht homolog zu bezeichnen,

da auch hier zwischen Individuen, wenn auch verschiedener Arten, entschieden werden müßte. Wir wollen aber nicht mit dem Individuum arbeiten, sondern mit dem Typus der Art, der unter gewöhnlichen Ver- hältnissen zur Ausbildung kommt. Individuen, die infolge experimenteller Eingriffe oder weitgchender, nicht mehr ins Gebiet des Normalen fallen- der Variation vom Typus nach Gestalt und Entwicklung abweichen, dürfen nicht berücksichtigt werden. Allerdings ist ja der Typus auch

K. Peter, Über den Begriff „Homologie“ und seine Anwendung in der Embryologie. 311

ein abstrakter Begriff, den wir erst aus den Individuen herauslesen, man wird eben die Exemplare zur Vergleichung benützen, die dem Mittel am nächsten stehen.

Die Bedenken der kausal-analytischen Forschung an der Präzi- sierung des Begriffs Homologie dürfen wir also beiseite lassen. Nicht als ob ich die Untersuchung der Frage, wie sich eine regenerierte Linse zu einer natürlich entstandenen verhält, für minderwertig erachtete —- ich halte sie im Gegenteil für höchst interessant und wichtig —, aber den Begriff der Homologie tangiert sie m. E. nicht. Ich möchte diesen für normale Organe reserviert wissen, für die eben genannten Fälle suche man nach einem anderen Ausdruck.

2. Homologie und Abstammungslehre.

Nun erhebt sich die Frage, ob wir den Abstammungsgedanken mit dem Begriff Homologie verquicken dürfen, oder ob wir diesen rein morphologisch fassen sollen. Halten wir uns an Owens oder an Gegenbaurs Definition?

Die gleiche Abstammung spielt die Hauptrolle in der historischen Fassung des Homologiebegriffes.

Da ist erst festzulegen, was man unter gleicher (gemeinsamer) Abstammung versteht. Jedenfalls muß man diesen Begriff auch nur auf Arten, Gattungen usf. anwenden, nicht auf Individuen; denn dann er- ojbt sich eine Ähnliche Schwierigkeit, wie sie sich aus den kausal-ana- lytischen Experimenten einstellte. Streng der gleichen Abstammung wäre in diesem Falle, um wieder Spemanns Beispiel zu brauchen, der Brustbeinkamm aller Vogelarten und -individuen nur, wenn sämtliche Arten dieser Klasse von einem einzigen Individuum einer reptilien- ähnlichen Art abstammten. Sind die Vögel aber Abkömmlinge mehrerer Exemplare einer Art, so ist die Neubildung durch gemeinsame An- passung verschiedener Individuen an dieselben Bedingungen entstanden, wäre also streng genommen nicht einheitlicher Abstammung. Im Prinzip ist auch diese Anschauung berechtigt, sie bringt uns aber hier nicht weiter und ich wiederhole, daß Individuen für den Begriff Homologie nicht in Betracht kommen, da wir nur Arten vergleichen wollen; wir können also den Brustbeinkamm aller Vögel, wenn sie von einer Art abstammen, ohne Rücksicht darauf, ob sich ein oder viele Individuen gleichzeitig umgewandelt haben, gut als homolog im Sinne EEE: baurs ansehen.

Nun fragt es sich aber, ob wir die gleiche Abstammung überhaupt ftir den Begriff homolog für wesentlich erachten oder nicht. Noch jetzt sind die Forscher in dieser Frage verschiedener Ansicht. O. Hert- wig faßt den Begriff rein morphologisch und will die gleiche Abstam- mung aus ihr verbannen, Roux dagegen betrachtet die gemeinsame Deszendenz als das Hauptkriterium. Auf beide Definitionen komme ich

unten nochmals zurück.

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Wir gehen bei unseren Ausführungen von einigen Sätzen A.Brauns aus, denen sich OÖ. Hertwig anschließt: „Den Würfeln, in welchen das Kochsalz kristallisiert, wird man den gleichen Ursprung nicht ab- sprechen, aber von einer gemeinsamen Abstammung derselben, von einem Urwirbel des Kochsalzes wird man nicht reden können. So könnte man auch im Gebiete des Organischen eine gleiche Art des Ursprungs typisch übereinstimmender Formen sich denken ohne äußeren Zusammenhang der Entwicklung.“

Den ersten Satz weise ich ab; denn einmal kann man in diesem Punkte anorganische und organisierte Körper nicht vergleichen und dann spricht Braun wieder von Individuen, auf die wir die Homo- logie nicht anwenden wollen.

Dagegen ist der zweite Satz zu beachten; er läßt sich auch auf verschiedene Arten anwenden und trifft sicher in manchen Fällen zu. Wenn man z. B. die Rückbildung der Zehen bei den amerikanischen und den eurasischen Pferden betrachtet, so hat derselbe Reduktionsvor- gang an den gleichen Organen zu dem gleichen Er$ebnis geführt; Thoate- rium wie Equus zeigen nur die Mittelzehe in gleicher Weise entwickelt. Und doch haben sie diese gemeinsame Eigenschaft nicht von einem gemeinsamen Vorfahren geerbt, sind also in dieser Hinsicht nicht der gleichen Abstammung, sondern beide Formen haben sich auf Grund gleicher Lebensweise unabhängig voneinander entwickelt. Morphologisch gleichwertige Gebilde ohne gemeinsame Abstammung, ist hier die Bezeichnung Homologie am Platze?

Oder, um ein Organ und nicht einen Vorgang als Beispiel anzu- führen: wie O. Abel in seiner Paläobiologie schreibt, hat sich bei drei Arten der Phalangeriden, die zu drei verschiedenen Gattungen gehören, eine Flughaut unabhängig voneinander ausgebildet. Alle drei Flug- beutler sollen sich aus verschiedenen Gattungen durch die gleiche Lebens- weise entwickelt haben, Petaurus aus Gymnobelideus, Petauroides aus Pseudochirus und Aerobates aus Distoechurus. Sind diese Flughäute, die sich nur durch ihre verschiedene Breite unterscheiden, die als Haut- duplikaturen an den Flanken, also aus homologen Körperteilen her- vorgewachsen sind, als homolog aufzufassen, obgleich sie nicht gleicher Abstammung sind, sondern nebeneinander entstanden?

O0. Hertwing würde diese Frage ohne weiteres bejahen, und wenn man nichts von der polyphyletischen Abstammung der Flugbeutler wüßte, so müßte man ihm unbedingt recht geben. Das einzige, was diesem Ent- scheid entgegenzustellen ist, ist eben das Nichtvorhandensein einer ge- meinsamen Abstammung.

Zweifellos verdient diese Beziehung der eben besprochenen Organe zueinander eine besondere Bezeichnung, ebenso wie die gleiche Ab- stammung der Organe. Man darf diese beiden Fälle aber nicht in einen Topf zusammenwerfen und mit dem gleichen Namen belegen ; die gleiche oder verschiedene Abstammung ist ein gar zu wichtiges entscheidendes Merkmal, das die Trennung dieser Fälle gebieterisch verlangt. Ich

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halte es nun nicht für zweckdienlich, den von Gegenbaur bereits eng sefaßten Begriff Homologie auf beide auszudehnen, zumal wir auch schon für die Nebeneinanderentwicklung der Organe einen guten Aus- druck besitzen. Ich beschränke also den Ausdruck homo- log auf Gebilde gleicher Abstammung. Andere Organe -sınd analog, und wenn sie sich, von homologen Gebil- den ausgehend, unabhängig voneinander nebeneinan- der im gleichen Sinne umgestaälten, so wird man diese Entwicklung nach ee parallele Entwicklung, die betreffenden Organe parallele Organe nennen.

Osborn definiert parallele Anpassung als „analogous adaptations, i. e. similar characters arising independently in similar or related anı'- mals or organs, causing a similar evolution, and resulting in parallelisms*

Es würde mich zu weit von meinem Thema abführen, wenn ich die Frage des Verhältnisses des Parallelismus zur Konvergenz erörtern wollte; Abel hat das in seiner Paläobiologie genügend .ausgeführt. Auch kommt für uns .nur ein Teil der von Osborn als parallel be- zeichneten Fälle in Betracht, nämlich die parallele Ausgestaltung an und für sich homologer Organe, aber der Grund der Ausmerzung der Parallelentwicklung aus unserem Begriff Homologie dürfte klar sein.

Dagegen müssen wir die gleiche Abstammung in die Fassung des Begriffs Homologie einschließen, und es erhebt sich die weitere Frage, ob sie für diese Definition genügt. oder ob wir die Morphologie mit hineinbringen müssen.

Die Haupteinwände, die gegen die historische Fassung unseres Begriffs erhoben werden, sind die, daß der Nachweis gemeinsamer Ab- stammung sehr schwer zu führen ist und daß dieser Nachweis über- haupt erst durch Vergleichung morphologischer Einheiten möglich ist. „Nicht die Deszendenz ist es, welche in der Morphologie entscheidet, a umgekehrt, die Morphologie hat über die Möglichkeit der Des- zendenz zu entscheiden“, wie A. Braun dieses Verhältnis sehr glück- Jich ausdrückt. Das abe chende ist also die Morphologie der lebenden oder ausgestorbenen, ausgebildeten oder werdenden Formen. Dennoch wird man die gemeinsame Abstammung in die Definition des Begriffs Homologie mit aufnehmen müssen, wenn sie auch erst durch Vergleichung morphologischer Gebilde erkannt worden ist, da wir ohne sie ja zu keiner präzisen Begriffsbestimmung kommen und homologe und parallele Organe nicht trennen können.

Ich halte also eine Verquickung der morphologi- schen mit der historischen Fassung für notwendig und befinde mich in diesem Punkte in Übereinstimmung mit Roux, dessen Definition, in seiner Terminologie der Entwicklungsmechanik nieder- "gelegt, lautet: „Homolog im entwicklungsmechanischen Sinne sind nur Bildungen, deren erste phylogenetische Entstehung von einer und derselben Alteration des Keimplasmas herrührt, also auf dieselben Fak-

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toren zurückzuführen ist; also Gebilde gleicher Abstammung und in diesem Sinne morphologisch gleichwertige Teile, z. B. Arm und Flügel.“

In einem Punkte nur möchte ich diese Fassung vervollständigen. -

Wie erkenne ich die gemeinsame Abstammung? Die Antwort auf diese Frage, der Weg, den die Untersuchung einzuschlagen hat, muß sich meines Erachtens in der Definition wiederfinden, sonst bedarf der Be- griff gemeinsame Abstammung seinerseits erst wieder eine genaue Er- klärung, oder er homolog hängt in der Luft, da er nicht zu fassen ist. Der Unterschied ist nicht sehr einschneidend und läuft darauf hinaus, ob man das direkt aus den Präparaten abzulesende Ergebnis oder die sich aus ihm wieder ergebende Schlußfolgerung in die Defi- nition aufnehmen will.

Der zweite Einwand, der gegen die historische Fassung des Homo- logiebegriffs erhoben wird, die Schwierigkeit der Erkenntnis der ge- meinsamen Abstammung, hat seine Berechtigung. Ein Vergleich jetzt

lebender Tiere oder ihrer Organe wird uns nur unvollkommen über

gleiche oder verschiedene Abstammung unterrichten. Ausschlaggebend ist das Verfolgen zweier zu vergleichender Arten in ihren paläonto- logischen Reihen bis zur eventuell gemeinsamen Wurzel. Das ist für Hartgebilde keine schwierige Aufgabe, eine lückenlose Formenreihe vor- ausgesetzt. Für Weichteile wird uns diese Methode in den meisten Fällen im Stich lassen und für die Homologie der früheren Entwick- lungsformen wird sie noch weniger Material liefern. Gerade für unsern eingangs erwähnten Fall versagt sie; weder können wir die frühesten Amphibien mit den Fischen in Verbindung setzen, noch etwas über den Wert der Teile ihres Geruchsorgans erfahren.

Die Schwierigkeit oder selbst Unmöglichkeit, in einem einzelnen Fall zu einem sicheren Entscheid über Homologie oder Nichthomologie zu kommen, darf uns aber nicht von einer exakten Begriffsbestimmung abhalten, deshalb bleibe ich der Ansicht, die gemeinsame Abstammung in die Definition der Homologie mit aufzunehmen. In welcher Weise wir der Morphologie dabei gerecht werden können, das wird gleich erörtert werden.

Vorher möchte ich nur noch betonen, daß ich den Begriff homolog für absolut unveränderlich feststehend halte. ©. Hertwig unter- scheidet zwar verschiedene Grade der Homologie und redet von einer kompletten und inkompletten Form, doch möchte ich mich dieser An- sicht nicht anschließen. Wir können zwar von einer Sicherheit oder einer größeren oder geringeren Wahrscheinlichkeit der Homologie spre- chen, aber nicht von verschiedenen Graden; schwankend ist unsere Erkenntnis, aber nicht der Begriff. Die Homologie leidet weder unter der Entwicklungsweise noch unter der Tätigkeit eines Organs, die unseren Untersuchungen Schwierigkeiten entgegenstellen. Entweder sind zwei Gebilde homolog oder sie sind es nicht; ein Mittelding gibt es. nicht, :

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K. Peter, Über den Begriff „Homologie“ und seine Anwendung in der Embryologie. 315

3. Homologie und Morphologie.

Inwieweit und in welcher Fassung wir die morphologischen Ver- hältnisse in unserer Definition des Homologiebegriffs berücksichtigen müssen, das bedarf einer besonderen Besprechung.

Es handelt sich dabei um die Bewertung der drei Disziplinen, die uns über das Verwandtschaftsverhältnis der Tiere und ihrer Organe Aufschluß geben können: der Paläontologie, der vergleichenden Ana- tomie und der Embryologie.

Daß die Paläontologie hier das entscheidende Wort zu sprechen hat, es aber in vielen Fällen nicht kann, ist schon oben erwähnt worden. Wie steht es aber mit den beiden anderen Gebieten?

Wir gehen am besten von OÖ. Hertwigs Definition aus, die er dem letzten Kapitel seines Handbuchs einverleibt hat: „Organe, die in Bau und Zusammensetzung, in der Lage und Anordnung und Beziehung zu anderen Nachbarschaftsorganen bis zu einem gewissen Grade überein- stimmen und daher gewöhnlich auch die gleiche Funktion und Ver- wendung im Organismus darbieten, bezeichnet der vergleichende Anatom als einander homolog. Als wichtiges Merkmal für eine genaue Fest- stellung des Begriffes hat später der Embryolog noch eine Übereinstim- mung in ihrer Entwicklungsweise hinzugefügt.“ Hertwig betont selbst, daß alle diese Merkmale etwas Flüssiges haben und glaubt daher von verschiedenen Graden der Homologie sprechen zu können, eine Ansicht, der wir uns nicht anschließen konnten. Ich meine, daß man dem Be- griff Homologie ein gut Teil der Unbestimmtheit nehmen kann, wenn man die am leichtesten cenogenetischen Veränderungen unterliegenden Merkmale aus der Definition ausmerzt. So möchte ich Funktion und Verwendung eines Organs im Organismus aus einer morphologischen Fassung streichen.

Hertwig schätzt also Vergleichung der fertigen Tiere und ihrer Entwicklungsstufen gleich ein. Wie steht es mit der Bewertung dieser beiden Lehren, der vergleichenden Anatomie und der Entwicklungs- geschichte?

In den meisten Fällen wird man die ausgebildeten Tiere mit- einander vergleichen müssen, da man über die zur Beurteilung der Ent- wicklungsverhältnisse notwendigen Embryonen nicht verfügt. Doch muß betont werden, daß die Anlage eines Organs im allgemeinen weit kon- servativer ist als sein ausgebildeter Zustand und daher leichter in ihrem morphologischen Wert erkannt werden kann als das fertige Organ, das die ursprüngliche Lage und Umgebung aufgegeben haben kann, wie es Muskeln oder andere Organe bei ihrer Wanderung während Phylo- und Ontogenese tun. Ich erinnere an Zwerchfell und Keimdrüsen, die sich weit vom Ort ihrer Entstehung entfernen. Solche Organe lassen sich, wenn ihre Wanderung bei verschiedenen Tierformen verschiedene Grade erreicht hat, infolge ihrer differierenden Lage nicht direkt homo- logisieren, man muß Hilfsorgane zum Vergleich heranziehen, die den Weg andeuten, der durchschritten worden ist, wie Nerven und Gefäße,

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die ihren Ursprungsort nicht verlassen haben, sondern von dem von ihnen versorgten Organ mitgenommen und ausgezogen worden sind. Das ist ein wichtiger Punkt, daß man beim Vergleichen nicht nur das Organ selbst, sondern die Umgebung und sämtliche Hilfsorgane berück- sichtigt, wie es ja auch in ausgedehntem Maße bereits geschieht.

Immerhin, die Betrachtung der ausgebildeten Formen allein hat ihre Schwierigkeiten, und wir werden uns besser der Ontogenese zuwenden, um eine brauchbare Basis für die Vergleichung der Organe zu gewinnen.

Hertwig will die Entwicklungsweise in Betracht gezogen wissen. Ich meine aber, daß diese selbst bei sicher homologen Gebilden der Umwelt entsprechend so verschiedene Wege einschlägt, daß sie sich für diesen Zweck nicht eignet. Man denke nur an die Genese des Nervenrohrs bei Knochenfischen und Selachiern !

Wir werden also nicht die Entwicklungsvorgänge, sondern die Bilder, die uns die Stadien selbst darbieten, zum Vergleich heranziehen. Welches Stadium bewahrt nun den ursprünglichen für uns allein ver- wendbaren Zustand am getreuesten? Eigentlich keines, da die Ceno- genese an allen angreifen kann.

Diese cenogenetischen Veränderungen werden sich aber nicht in allen Entwicklungsphasen gleich groß zeigen; in Zeiten, in denen die Lebensbedingungen der einzelnen Arten erheblich voneinander abweichen,

werden sie sich besonders mächtig geltend machen, während in „ruhigen“ -

Perioden die Verschiedenheiten geringer sind und der ursprüngliche Typus mehr gewahrt bleibt. Ersteres betrifft gerade die ersten Stadien der Keimesentwicklung, die im Interesse ihrer Umwelt besonders stark umgestaltet. werden können. Zur Zeit der Anlage der Organe sind wieder gleichmäßigere Verhältnisse hergestellt, die in der weiteren Ausbildung in Annäherung an den definitiven Zustand wieder wechselnden Platz machen werden.

Die Anlage eines Organs wird also besonders günstig sein, um seinen morphologischen Wert zu erkennen. Diese werden wir für unsere Fassung des Homologiebegriffs benützen und wollen für den morphologischen Teil unserer Definition den Satz aufstellen: H.omolog nennen wir die Organe, die sich aus dem nach Herkunft, Lage und Beziehung zur Nach- barschaft gleichen Material entwickeln. Die Forderung der Gleichheit braucht sich nur bis zu den Stadien herab zu erstrecken, in denen die Anlage des Organs sichtbar wird.

Es ist allerdings möglich, daß diese Definition nicht immer aus- reicht: für diejenigen Fälle nämlich, in denen cenogenetische Prozesse auch die Anlage eines Organs in einer so einschneidenden Weise ver- ändert haben, daß eine Vergleichung mit anderen Formen nicht mög- lich ist.

Dies trifft z. B. zu für das Geruchsorgan der Oyclostomen, das aus einer unpaaren Anlage entsteht, während es bei allen anderen

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K. Peter, Über den Begriff „Homologie“ und seine Anwendung in der Embryologie. 317

Wirbeltieren von Anfang an paarig ist. In einem solchen Falle liefert die Anlage selbst keine Antwort auf die Homologiefrage und man wird den Ort der Anlage, eventuell auch ihre weitere Entwicklung zu deren Beantwortung heranziehen. Nun nähert sich das Riechorgan der Neunaugen auch in späteren Stadien in keiner Weise dem der anderen Fische, und dasselbe gilt für den ausgebildeten Zustand, wie es wohl in allen derartigen Fällen sein wird. Einzig der doppelte Riechnerv weist auf ursprünglich bilaterale Entstehung und Bau hin, die beide infolge des Parasitismus der Tiere sekundär so erheblich ver- ändert worden sind. i

In solchen Fällen wird man zur Unterstützung alle möglichen Faktoren heranziehen, so eine auf anderem Wege festgestellte Homo- logie der in Frage kommenden Arten oder einiger dem zu untersuchen- den Organ benachbarter Gebilde, oder größerer Organkomplexe, die das fragliche Organ in sich schließen. Wenn ich z.B. die von der medialen Wand der Geruchsorgane von Amphibien und Amnioten ausgehenden Blindsackbildungen vergleichen will, muß ich erst fragen, ob die Tetra- poden überhatıpt eine gemeinsame Abstammung haben, dann, ob ihre Riechorgane als Ganzes homolog sind. Dann beschränkt sich die Unter- suchung schon allein darauf, ob dieses auch für die septale Wand gilt. Von Fall zu Fall wird man die Frage nach der Vergleichbarkeit anders stellen müssen und als Hilfskräfte zur Beantwortung der Frage andere Organe heranziehen.

Eine für alle Fälle gültige und verwendbare Definition des Be- sriffs Homologie, die stets einen sicheren Entscheid über den mor- phologischen Wert eines Organs lieferte, läßt sich also nicht geben. Am dienlichsten erscheint mir noch folgende Fassung:

„Homolos:’sind Gebilde, deren - Anlagen nach Her: kunft; Bau und Lagebeziehungen gleich sind und die von gemeinsamer Abstammung sind.“ Können embryonale Stadien nicht-zum Vergleich herangezogen werden, so geben die gleichen Verhältnisse bei erwachsenen Tieren oft eine hinreichend sichere Ant- wort.

II. Die Anwendung des Homologiebegriffs in der Embryologie.

Im zweiten Teil soll der Homologiebegriff auf seine Verwendbarkeit hin embryonalen Verhältnissen gegenüber geprüft werden. Und zwar wollen wir dies nach drei Richtungen untersuchen. Es sollen ver- slichen werden

1. Anlagen eines bleibenden Organs (Riechorgan der Amphibien),

2. Embryonale Organe (Deckschicht der Amphibienlarven und 'Tro- phoblast der Säugetiere),

3. Embryonale Stadien (Blastula der Wirbeltiere).

1. Anlage eines bleibenden Organs (Riechorgan der Amphibien). Wie schon eingangs erwähnt, geht die Entwicklung des Geruchs- organs der Amphibien in vielen Fällen ihre eigenen Wege, und es

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ist schwer, eine Anknüpfung an die Fische einerseits und die Amnioten anderseits zu finden. Während die Amnioten sich sehr gut an die Fische, besonders die Dipnoer, anschließen, stehen die Amphibien ganz abseits. Infolgedessen erheben sich große Schwieriekeiten, wenn wir die einzelnen Teile der Amphibiennase mit denen der Amnioten ver- gleichen wollen; eine gemeinsame Wurzel für diese Bildungen ist uns nicht bekannt, und es ist zu untersuchen, ob der so erheblich modifizierte Entwicklungsgang eine Homologisierung der bei Lurchen und Rep- tilien vergleichbar scheinenden Gebilde zuläßt.

Wir sind bei unserer Untersuchung allein auf die Eabrroldgie an- gcwiesen; die Paläontologie gibt uns keine Auskunft. Ein phylogene- tischer Anschluß der Amphibien an fischähnliche Vorfahren fehlt gänz- lich. Man weiß nicht, an welche Formen man die Urahnen unserer Lurche, die Stegocephalen, anknüpfen soll. Am nächsten stehen ihnen wohl die Crossopterygier. Aber der zu ihnen gehörige Polypterus zeigt in seinem hochausgebildeten Riechorgan zwar manche Besonderheit, aber

gar keine Amphibienähnlichkeit, sondern steht den übrigen Ganoiden

sehr nahe. Auch gegen die Amnioten sind die Amphibien im Bau ihres }eruchsorgans gut abgesetzt, ohne daß uns Übergangsformen bekannt wären. B

Drei Punkte können wir aus der Morphologie der Nase heraus- lieben und besprechen: Die Stellung der primitiven Ohoanen, des medialen Blindsacks (Jacobsonsches Organ) und der Muschel in beiden Wirbeltierklassen.

a) Die primitiven Choanen.

Luftatmer brauchen als Geruchsorgan ein Rohr, das mittels einer außerhalb der Mundhöhle gelegenen Eingangsöffnung die Luft einzieht, am prüfenden Riechepithel vorbeileitet. und durch eine innere Öffnung in die Mundhöhle und die Lungen weitergibt. Diese zwei Öffnungen, die Narinen und die Choanen, finden sich bei Dipnoern, Amphibien und Reptilien. Die Funktion und Lage der Choanen am Gaumen ist die gleiche, aber ihre Genese ist sehr verschieden.

Bei den Lungenfischen und Reptilien entstehen sie dadurch, daß seitliche Hautlappen die Geruchsrinne überbrücken und verwachsen, so daß die Rinne zum Kanal umgestaltet wird. Die Choanen sind also ein Teil der Rinne selbst, sind stets offen gewesen und liegen in der ektodermalen Mundbucht. Bei den Amphibien aber fehlt eine Nasen- rinne gänzlich; die Riechgrube wächst nach hinten medial in einen soliden Zapfen aus und verlötet mit dem entodermalen Vorderdarm. Durch sekundäre Lumenbildung entsteht dann die hintere Nasenöffnung.

Diese Bildungsweise ist zweifellos höchst auffallend, ist uns aber biologisch verständlich, wie ich schon an anderem Ort (1920) aus- geführt habe. „Bei den Amphibien ist ein solcher sich ausschließlich im Innern des Kopfes abspielender Vorgang nötig, da die Larven wäh- rend dieser Entwicklungsprozesse ein freies Leben führen und sich

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ernähren müssen. Sie bedürfen daher besonderer Organe: der Mund muß frühzeitig in Tätigkeit treten und dazu bei Kaulquappen die ver- gänglichen Hornkiefer tragen, und schon vor dessen Durchbruch finden sich bei Anurenlarven die Haftnäpfe, die die ganze Ventralseite des “Kopfes beherrschen, bei Tritonen die Kieferbogenfortsätze. Die Ober- fläche des Kopfes ist also von Organen eingenommen, die zur Erhaltung der Larve selbst gehören und für Vorgänge, die später funktionierende Gebilde entstehen lassen sollen und die an der Außenfläche liegenden Bildungen stören könnten, ist gewissermaßen dort kein Platz vorhanden. Sie werden vollständig ins Innere des Kopfes verlegt. So erklärt sich meines Erachtens die sonst völlig unverständliche und von dem bei den übrigen Wirbeltierklassen eingehaltenen Modus ganz abweichende Bil- dung des Riechkanals bei Urodelen und Anuren, die eine entodermale primitive Choane liefert.

Ich fasse also diesen Entwicklungsgang, so einfach er auch er- scheinen mag, auf als hervorgerufen durch das freie Larvenstadium.“ Da °r sich in der Wirbeltierreihe nirgends wiederholt, so ist er sicher als eine sekundäre Modifikation anzusprechen.

Versuchen wir, uns die Entstehung dieser Choanenbildung klar zu machen, um Anhaltspunkte für eine Homologisierung zu gewinnen, so läßt uns das Studium der primitiven Urodelenformen im Stiche. Bei Necturus finden sich anscheinend die gleichen Verhältnisse wie bei Triton. Auch bei Necturuslarven früher Stadien sind nur Riechgrüb- chen zu erkennen, keine Furche. Eycleshymer undWilson zeichnen oder schreiben in ihrer Normentafel von diesem Lurch nichts von einer Nasenrinne, und ich vermisse sie auch an den Embryonen meiner Samm- lung. Dies ist auch der Fall bei Larven, bei denen (Nr. 33 der Normen- tafel) das Organ mit dem Vorderdarm in Verbindung steht oder (Nr. 35,36) in ihn durchgebrochen ist. Die gleichen Verhältnisse zeichnet Wiedershei'm von seinen Proteuslarven. Der kleine Lappen, den er in einem bestimmten Stadium an der Riechgrube fand (Fig. 4, N), ist kein Nasenfortsatz, wie ihn die Fische aufweisen.

Vielleicht haben die fußlosen Gymnophionen den alten Bildungs- modus der Choanen in etwas modifizierter Form übernommen; bei ihnen entsteht wie bei den Amnioten eine Nasengaumenrinne, und die Choane bricht ähnlich wie bei Säugern in den ektodermalen Mundteil durch. Allerdings besteht bei diesen Amphibien eine Abweichung inso- fern, als diese Rinne nicht innerhalb, sondern seitlich vom Riechgrüb- chen liegt, also nur an der medialen Wand Sinnesepithel trägt, das bei Amnioten beide Wände der Furche auskleidet. Doch sind Anklänge an die Entwicklungsart der Fische und Amnioten in der Verwachsung der „Nasenfortsätze‘“ zu finden, dieähnlich abläuft wie bei Säugern. Die seit- "lich gerückte Lage der Rinne und die Ausbildung eines nicht Sinnes- epithel enthaltenden ‚„Nasenrachenganges“ sind ja einzig dastehend und auf die enorme Umbildung des Kopfes infolge der grabenden Lebensweise zurückzuführen, sind aber doch wohl kein unüberwindliches Hindernis

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für eine Homologisierung der Nasenöffnungen bei Fischen und Gymno- phionen, wie ich früher annahm. Ebenso kann sich auch vor den äußeren Nasenöffnungen indifferentes Epithel zu einem Einführungsgang ein- stülpen. Will man ganz exakt vorgehen, so könnte man die Stellen, an denen das Riechepithel nach der Mundhöhle zu aufhört, homologisieren. -

Die Entstehung der Öffnungen des Geruchsorgans der Gymno- phionen schließt sich also an die Verhältnisse bei den Fischen an. Für das Verständnis der eigenartigen Choanenbildung bei Urodelen und Anuren liefert sie aber nichts; es wäre sehr gewagt, diese abweichenden Formen als Zwischenglieder zwischen Fische und Urodelen einzufügen. Immerhin weisen sie den Weg, wie wir uns.die Genese der Choanen bei Triton vorstellen können. Sie lehren schon eine Emanzipation der Geruchsgrube von den Nasenfortsätzen. Denken wir uns nun letztere aus biologischen Gründen geschwunden, so haben wir einen tiefen Blind- sack vor uns, der leicht auf den Vorderdarm stoßen und mit ihm ver- schmelzen kann. Doch fehlt jeder Anhalt für eine solche Annahme.

Wir kommen also zu dem Schluß, daß die Choanenbildung beiSchwanz- und Froschlurchen etwas ganz Neuesdar- stellt;ihre Choane ist also der der Fische und Amnio- ten nicht homolog, während man das für die Gymnophionen an- nehmen kann.

Zugleich zeigt diese Untersuchung die Bedeutung der Anlage eines Gebildes gegenüber dem entwickelten Zustand; bei dem Vergleich der er- wachsenen Tiere glaubt man die CUhoanen als homolog bezeichnen zu können, erst die Kenntnis des Entwicklungsganges lehrt die Unmöglich- keit dieser Auffassung.

b) Unterer Blindsack und Jacobsonsches Organ.

Bei Amnioten liegt das Jacobsonsche Organ, soweit es nicht völlig rückgebildet ist, medial von der Hauptnasenhöhle. Wo es, wie bei Reptilien, eine mehr ventrale Lage zu ihr einnimmt, handelt es sich um sekundäre Wachstumsverschiebungen.

Bei Amphibien finden wir einen „unteren Blindsack“ als Anhang der Nasenhöhle, medial oder lateral von ihr gelegen. Ist letzteres der Fall, so haben sich ebenfalls Prozesse eingestellt, die das ursprünglich von der medialen Wand hervorgewachsene Organ seitwärts gedrängt haben. Ich habe mich früher gegen eine Homologisierung dieser beiden Anhänge ausgesprochen lauf Grund ‚der verschiedenen Zeit "und Art ihrer Entwicklung.

Beide Blindsäcke entstehen nämlich zu sehr verschiedenen Zeiten. Das Jacobsonsche Organ wird als Rinne bei Reptilien und Säugern bereits an der medialen Seite der tiefen, aber noch weit offenen Riech- grube kenntlich, während der untere Blindsack der Amphibien erst viel später in Erscheinung tritt, beim Frosch von 11 mm Länge nach Aus- bildung der Hornkiefer, bei Triton alpestris von 12,5 mm Länge nach Durchbruch der Choanen. Eine so starke zeitliche Verschiebung der

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Anlage ist sehr auffallend, aber doch wohl in der eigenartigen Genese - der Amphibiennase begründet; ich will eine solche „Heterochronie“ nicht . mehr gegen eine Homologie der beiden Bildungen ins Feld führen, da ähnliche bedeutende Verschiebungen auch bei anderen sicher homologen Organen bekannt geworden sind. So entsteht die Linsenanlage beim Hühnchen in einem Stadium von 18 Ursegmenten, beim ‘Schwein in einem solchen von 34—35 Urwirbeln. Beide Entwicklungsstadien liegen weit auseinander: beim Hühnchen besteht noch eine geschlossene Mund- bucht, beim Schwein ist die Rachenhaut gerissen. Über das Aussehen und den Entwicklungsgrad der Organe der betreffenden Embryonen orientieren die Abbildungen und Tabellen in Keibels Normentafeln: Huhn Tabelle 31, Fig. 13, Schwein Tabelle 67, Fig. 13.

Die verschiedene Zeit der Anlage ist also kein Grund gegen eine Homologisierung, und somit ist nur die Frage zu entscheiden: ist das Zellmaterial, aus dem sich unterer Blindsack und Jacobson sches Organ entwickeln, das gleiche? Entsprechen sich die medialen Wände der Riechsäcke? |

Die verschiedene Entstehun®& dieser Wände bei Amphibien und Am- “nioten, um erst den Entwicklungsprozeß als solchen zu erwähnen, macht uns in dieser Hinsicht keine Schwierigkeiten. Bei ersteren entsteht das Lumen zwar durch Dehiszenz und die Wände werden aus einer soliden Zellmasse auseinandergetrieben, bei letzteren sind sie von vorn- herein getrennt. Trotzdem entsprechen sich sicher die medialen und lateralen Wände. Dies wird gleich näher ausgeführt werden, wird aber schon durch ein anderes Beispiel klar. So ist nie daran gezweifelt worden, daß die rechte und linke Seite des Zentralnervensystems bei Knochenfischen den gleichen Nervenrohrhälften z. B. der Amnioten entsprechen, obgleich sie ebenso durch Dehiszenz von dem soliden Kiel abgespalten werden, wie der Seitenwände der Amphibiennase, während bei den meisten übrigen Wirbeltieren rechte und linke Nervenrohrseite von Anfang an getrennt sind. Der verschiedene Entwicklungsgang an und für sich spricht also auch nicht gegen eine: Homologisierung der medialen Wände der Geruchsorgane von Amphibien und Amnioten. Es bleibt schließlich nur noch zu untersuchen, ob das Material, das den unteren Blindsack der Amphibien und das Jacobsonsche Organ des Amnioten liefert, das gleiche ist.

Ich glaube jetzt, daß man diese Frage bejahen kann. Das hintere Ende des soliden Geruchsstranges, der dem Vorderdarm entgegenwächst, um sich an ihn anzulegen, enthält das Material für alle Wände, also auch die Zellen für die mediale und laterale Wand, ebenso wie eine solide Drüsenknospe die Zellen, die den späteren Gang ringförmig umgeben, alle in sich birgt. In diesem frühen Entwicklungsstadium macht der Riechsack nach keine Drehungen und somit ist anzunehmen, daß die einzelnen Zellen an ihrem Orte verbleiben, daß also die dem Gehirn anliegenden Zellmassen auch nach Entstehung des Lumens die mediale Riechsackwand formieren. Und hier, an der ventralen Seite,

42. Band, 21

399 K. Peter, Über den Begriff „Homologie“ und seine Anwendung in der Embryologie.

sproßt der untere Blindsack aus, wie das Jacobsonsche Organ am ventralen Teil der mittleren Riechgrubenwand angelegt wird.

Somit ist das Zellmaterial, aus dem unterer Blindsack der Am- |

phibien und Jacobsonsches Organ der Amnioten entstehen, das gleiche, und wir können beide Organe als homolog ansehen.

c) Die Nasenmuschel der Amphibien.

Mit den letzten Ausführungen über die Verteilung des Anlagemate- rials in dem soliden Riechstrang der Amphibien ist auch die morpho- logische Bedeutung des bei ihnen allerdings meist schwach ausgebil- deten, von der Seite in die Riechhöhle einragenden Wulstes entschieden. Während ich mich früher auf Grund der so abweichenden Entstehung des Riechorgans der Lurche scheute, ihn der Muschel der Reptilien zu homologisieren, glaube ich jetzt nach obiger Überlegung einer Homo-

logie das Wort reden zu können: Das Anlagematerial der seitlichen

Nasenwand ist das gleiche, ebenso die Lage: in ihr lagert die seitliche Nasendrüse, unter ihr mündet der Tränennasengang.

Unsere Untersuchung lehrt, daß die Entwicklungsgeschichte doch das entscheidende Wort in der Homologiefrage zu sprechen berufen ist, wenn die Paläontologie keine Auskunft geben kann. Unsere Fassung des Begriffs Homologie bewährte sich. Wir wollen nun versuchen, ob sie dies auch tut embryo- nalen Neubildungen gegenüber.

2. Embryonale Organe. ‘Während die Epidermis bei Selachiern und Amnioten in ihrer

ganzen Dicke die Anlagen der Sinnesorgane liefert, spaltet sie sich

bei Knochenfischen und Amphibien in zwei Lagen: die innere Sinnes- schicht, die allein das Sinnesepithel hervorgehen läßt und die Deck- schicht, die am Aufbau der Sinnesorgane nicht teil nimmt, sondern ihrer Aufgabe getreu sich schützend über diese Anlagen breitet. Wie steht es nun mit der Homologie z.B. des Geruchsorgans der Amphibien und Reptilien, das hier aus dem ganzen Hautblatt, dort nur aus dessen Sinnesschicht hervorgeht? Sind die Organe trotz ihrer verschiedenen Anlage, die aus der ganzen oder nur einem Teil der Epidermis hervor- geht, als gleichwertig zu bezeichnen? Die Riechgruben beider Wirbel- tierklassen gleichen sich bis auf geringfügige Differenzen trotz ihrer verschiedenen Herkunft, eine Homologie erscheint da natürlich und doch ist diese Verschiedenheit der Anlage ein schwerwiegender. Grund gegen sie. Dieser Fall verlangt also eine besondere Besprechung, die mit der eines anderen verquickt wird, der noch auffallendere Ver- hältnisse darbietet.

Bei den Anamniern entwickelt sich das ganze Ei zum Embryo, es geht keine Zelle verloren. Bei den Amnioten wird aber ein guter Teil des Eies zur Bildung der Eihäute verbraucht und nur ein gewisser Prozentsatz der Keimmasse liefert den Embryo selbst. ‚Ja bei den Säuge-

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K. Peter, Über den Begriff „Homologie“ und seine Anwendung in der Embryologie. 393

tieren muß sich in früher Zeit außerdem noch der Trophoblast ab- spalten. Folgen wir der Vermutung von Van Beneden und Van der Stricht, dann liefert eine Blastomere des Zweizellenstadiums das Material für den Trophoblast, die andere das für Embryo und Ei- häute..

Genau das gleiche ist verwirklicht bei Wirbellosen, bei denen sich sogar nahe verwandte Formen, die einen mit, die anderen ohne Eihäute entwickeln, wie es die Onychophoren zeigen. Die großen dotterreichen Eier von Peripatus Novae-Zeelandiae geben nur den Embryo her, der sich ohne Eihüllen entwickelt; von den kleinen dotterarmen Keimen der amerikanischen Peripatusarten dagegen trennen sich schon in frühesten Stadien Zellen ab, die Eihäute und den fetalen Teil der Plazenta bilden. Wir werfen bei diesen Fällen genau die gleiche Frage auf wie oben: sind die ganzen Eier homolog, die verschiedene Gebilde aus sich entstehen lassen, hier nur Embryo, dort Embryo -- Eihäute —- Plazenta, oder sind dies nur die verschiedenen Teile der Eier, die das Material für die Embryonen selbst liefern ?

In beiden Fällen handelt es sich darum, daß von einem Ganzen (hier Keim, dort Epidermis) cenogenetisch ein Teil abgespalten wird, um eine neue Aufgabe, die an den Embryo herantritt, zu erfüllen (der Ernährung, des Schutzes). In beiden Fällen lautet die Frage: besteht die Homologie vor der Abspaltung der Neubildung, d. h. zwischen den ganzen noch ungeteilten Gebilden, so daß, um bei dem einen Beispiel zu bleiben, das befruchtete oder zweigeteilte Ei der Maus dem gleichen Stadium des Frosches zu vergleichen ist, und reicht diese Homologie auch auf fernere Entwicklungsstufen, so daß Mäuseembryo + Fihäute —- fetale Plazenta gleich der Froschlarve ist? Oder entsprechen ein- ander die Embryonen und ist dann rückwärtsgehend der junge Keim (etwa die Morula) des Frosches homolog nur einem Teil des gleichalten Mäusekeimes, also gleich Keim Eihautmaterial Trophoblastmaterial?

Ich glaube, daß beide Fragen nur zum Teil zu bejahen sind.

Den Trophoblast, die Deckschicht der Amphibienepidermis, haben wir ohne Zweifel als eine cenogenetische Neubildung anzusprechen, die also sich erst im Laufe der ‚phylogenetischen Entwicklung aus der ge- meinsamen Anlage herausdifferenziert hat. Vor dieser Zeit lieferte das Ei nur den Embryo wie bei den jetzigen Anamniern. Ontogenetisch wiederholt sich. diese Differenzierung bei jedem Amniotenembryo. Des- halb können wir meines Erachtens das eben gefurchte Ei dieser Wirbel- tiere dem der Anamnier trotz der verschiedenen prospektiven Bedeutung der Blastomeren homologisieren: es wiederholt in dieser Zwei- oder Vierzelligkeit das alte gleiche Stadium der gemeinsamen Ahnen. Mor- phologisch und historisch besteht eine einwandfreie Homologie.

Sobald aber die Neubildung sichtbar geworden ist, muß eine Um- schaltung der Homologie eintreten, in Phylogenese wie in Ontogenese. Das cenogenetische Organ ist eben etwas ganz Neues, es hat nichts Vergleichbares in den Stadien vor seinem In-die-Erscheinung-treten. Des-

21"

394 K.Peter Über den Begriff „Homologie“ und seine Anwendung in der Embryologie.

halb konnten wir es ganz außer acht lassen bei einer Homologisierung

dieser früheren Entwicklungsstufen ; seine Anlage, noch nicht sichtbar, bleibt unberücksichtigt. Von dem Zeitpunkt des Erscheinens der Neu- bildung aber entsprechen einander nicht mehr die ganzen Keime; das neue Organ ist eben ein Gebilde für sich und fällt für eine Vergleichung fort. Jetzt sind nur die palingenetischen alten Teile der Keime homo- log, der Froschembryo dem Mäuseembryo und das Riechgrübchen des Frosches dem der Eidechse; Trophoblast und Eihäute bezw. Deckschicht der Epidermis, die eine Homologisierung zu erschweren scheinen, werden beiseite gelassen.

Die prospektive Bedeutung der einzelnen Teile des Keimes muß also unberücksichtigt bleiben. Tun ‘wir dies nicht, so stellen sich un- überwindliche Schwierigkeiten für den Vergleich ein. Man könnte dann z. B. das Zweizellenstadium des Tritoneies nicht mit dem des Frosches homologisieren, da eine der beiden Blastomeren beim Molch meist Rücken- oder Bauchseite, beim Frosch meist rechte oder linke Körperhälfte her- vorgehen läßt. Es handelt sich hier nicht um die Bewertung der ein- zelnen Blastomeren da müßte die Antwort auf eine Homologie- frage anders lauten —, sondern um die des ganzen Keimes nach Gestalt und Herkunft. Und da kann man sagen: In morphologischem wie in historischem Sinne sind beide Keime einander homolog, unsere Fas- sung des Homologiebegriffes scheitert nicht an cenogenetischen Neu- bildungen.

Wir können also zusammenfassen, daß bei Homolögisierung embryonaler Organe oder Stadien die prospektive Be- deutung der Keimteile nicht berücksichtigt werden darf. Vor dem Auftreten cenogenetischer Neubildungen entsprechen einander die ganzen Gebilde, wenn wir eine Tierklasse A ohne Neu- bildung mit einer Klasse B mit dieser Neubildung vergleichen. Da ist Embryoanlage-A Embryoanlage B Anlage der Neubildung. Nach dem Sichtbarwerden der letzteren sind aber die Embryonen gleich zu bewerten, dann ist Embryo A =. Embryo B, also ganzer Keim Neubildung. :

Wann tritt diese Umschaltung der Homologie ein? „Mit dem Sichtbarwerden der Neubildung‘, das ist kein fester Zeitpunkt. Man wird ihn auch nicht präzisieren können und braucht es nicht, denn bei Homologisierungsversuchen wird es sich wohl ausschließlich um Stadien vor oder nach diesem Moment handeln.

3. Embryonale Stadien.

Wir waren schon bei Besprechung des Zweizellenstadiums zur Homologisierung embryonaler Stadien übergegangen und wollen dies auch bei der Entwicklungsphase der Keimblase der Wirbel- tiere, der Blastula, versuchen.

Dieses Stadium ist für die einzelnen Vertebratenklassen von ver- schiedenen Forschern sehr verschieden bewertet worden; der morpho-

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K. Peter, Über den Begriff „Homologie“ und seine Anwendung in der Embryologie. 395

logische Wert der Keimhöhle und ihrer Wände wird sehr wechselnd beurteilt. Kann da unsere Fassung des Homologiebegriffs einen Ent- scheid bringen? Nehmen wir die Verhältnisse von Amphioxus als Para- diema, so ist hier das Blastocoel oben von Mikromeren ausgekleidet, die den Ektoblast liefern, unten von Makromeren, dem späteren Entoblast, alle Zellen gehen in den Embryo selbst ein.

Ohne auf andere Wirbeltierklassen einzugehen, will ich gleich an die schwierigste Frage herantreten: ist die Keimblase der Säugetiere der der anderen Wirbeltiere, also auch des Amphioxus, homolog?

Diese Frage wird von verschiedenen Autoren in entgegengesetztem Sinne beantwortet. R. Hertwig schreibt im Kapitel „der Furchungs- prozeß“ in ©. Hertwigs Handbuch von der Entwicklung des Säuger- eies: „Dieses... Morulastadium... entwickelt sich zur Blastula, in- dem sich exzentrisch ein mit Flüssigkeit erfüllter Hohlraum bildet“ und erhält somit die Homologie aufrecht. Bonnet dagegen betont ausdrücklich: „Die Keimblase der Säugetiere ist der Blastula des Lan- zettfischehens oder der Amphibien, welche in ihrer Totalität zum Em- bryo wird, nicht gleichwertig, sondern muß mit der Keimhaut der Reptilien und Vögel verglichen werden, wenn diese, was allerdings der sroßen Dotterkugel halber viel später eintritt, den Dotter gänzlich um- wachsen hat und an ihrem animalen Pol den Embryo trägt.“ Beide Ansichten werden von anderen Autoren vertreten.

Berücksichtigen wir bei der Homologisierung mit Bonnet die prospektive Bedeutung der Zellmassen, so müssen wir ihm Recht geben: die Wände der Keimblasenhöhle der Säugetiere lassen ganz andere Dinge aus sich hervorgehen als beim Amphioxus: hier äußeres Keim- blatt einerseits, inneres anderseits, dort den Trophoblast und nur aus einem kleinen Wandstück den Embryo selbst.

Dieser Punkt spricht aber nicht mit, da wir die prospektive Be- deutung der Zellkomplexe bei dem Versuch einer Homologisierung außer acht zu lassen haben. Dem Aussehen nach entsprechen einander die Keimblasen, auch ihrer Entstehung nach, es fragt sich nur, ob auch eine Verwandtschaft zwischen den beiden Entwicklungsstadien besteht, ob also die Keimhöhlen homolog sind oder die der Säuger eine Neubildung darstellt? Eine ganz sichere Antwort ist auf diese Frage nicht zu geben, da wir natürlich die Paläontologie nicht um Rat fragen können.

Die Furchungsbilder der verschiedenen Wirbeltierklassen zeigen uns, wie leicht das Blastocoel im Zellhaufen des Keimes verlagert werden kann. Selbst ontogenetisch läßt sich dies beobachten; Ziegler schreibt von der Entstehung der Furchungsbilder bei Teleostiern, „dab im Innern des Haufens von Blastodermzellen eine Höhle auftritt und dab dann die unterhalb derselben gelegenen Blastomeren nach den Seiten aus- einandertreten, so daß die Höhle bis zu dem basalen Periblast sich ausdehnt und dann unter dem Blastoderm sich ausbreitet“. Eine ähn- liche Verschiebung schildert Sobotta nach A. Virchow von den Reptilien. Ich folge der Ansicht der meisten Autoren, wenn ich diese

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228 O. Bütschli, Vorlesungen über vergleichende Anatomie,

Bütschli, ©.: Vorlesungen über vergleichende Anatomie, 3. Lief. Sinnesorgane und Leuchtorgane. S. 643— 931: Textf. 452—722. Berlin 1921.

Bütschli sollte die Drucklegung seines großen Werkes nicht mehr erleben; daß sie aus verschiedenen Gründen nach der zweiten Lieferung ins Stocken geriet, bedrückte seinen Lebensabend schwer, wie die nunmehrigen Herausgeber, F. Blochmann und C. Hamburger, in einem Vorwort bemerken, und es bedeutete für ihn die letzte Freude, daß mit dem Übergang des Werkes in den Verlag von Julius Springer endlich diese Schwierigkeiten behoben wurden. Nicht minder darf sich die ganze zoologisch und anatomisch interessierte Welt darüber freuen, das Vermächtnis des großen Meisters nun in absehbarer Zeit zu Druck gebracht zu sehen. Die vorliegende Lieferung schließt den ersten Band ab, vom zweiten liegt das Manuskript im wesentlichen druckfertig vor, die noch fehlenden Abschnitte über Exkretions- und Geschlechtsorgane wird Blochmann bearbeiten. Hinsichtlich der Darstellung der Leuchtorgane muß es bedauerlich erscheinen, daß über die für eine Reihe von Tiergruppen nun einwandfrei erwiesene symbiontische Natur des Leuchtens nichts mehr aufgenommen werden konnte.

P. Buchner (München).

. Krause, Rudolt: Mikroskopische Anatomie der Wirbeltiere in Einzeldarstellungen.

I. Säugetiere, 186 S. 75 Originalabbildungen im Text. Berlin und Leipzig. Ver- einigung Wissenschaftlicher Verleger. 1921.

Das Handbuch von Oppel enthält seiner Bestimmung entsprechend das gesamte bisher klargestellte Tatsachenmaterial. Der Grundriß der vergleichendenden Histologie von Maurer, ähnlich, wie die vergleichend-anatomischen Lehrbücher von Gegenbaur und Schimkewitsch, bietet die einheitlich zusammenfassende Theorie. R. Krause schlägt in der ersten Lieferung seines Werkes eine von beiden vorerwähnten abweichende Richtung ein: er zeigt den Weg, der zu den Resultaten vergleichend-histologischen Forschungen führt. Dieses ist der natürliche Weg jeder histologischen Laboratoriums- tätigkeit. Man wählt das Objekt, legt die anatomischen Gebilde frei und behandelt mikrotechnisch das Material, bis ein mikroskopischer Befund aus den Präparaten abzulesen ist. Jeder, der durch. eigene Forschung in die feineren Strukturen der Organismen eingedrungen ist, wird wissen, daß nur auf diesem Wege wirklichkeitsent- sprechende Vorstellungen über den histologischen Bau, über die natürlichen Beziehun- gen der Teile zueinander und zum Ganzen gewonnen werden können. Schon aus diesem Grunde wäre also das Buch von R. Krause zu begrüßen, in dem die ver- gleichend-histologische Laboratoriumsarbeit nach dem heute wohl ziemlich veralteten Buch von K. ©. Schneider einen neuen Führer findet. Es ist aber, nach der ersten Lieferung zu beurteilen, auch als ein ganz ausgezeichneter und geeigneter Führer zu bezeichnen. Für jedes Organ und für jede Etappe des Forschens ist es eine reiche und klare Quelle erprobter technischer Angaben, charakteristischer Beobachtungen und

kurzgefaßter, jedoch leicht verständlicher und inhaltsvoller Zusammenfassungen. An-

regend wirkt im Buche überall das lebendige Wissen, das nur in Werken fühlbar wird, die aus eigenen Erfahrungen entstanden sind, nie in den noch so geschickt oder groß- zügig zusammengestellten Kompilationen. Auch die 75 Originalabbildungen sind mit glücklicher Hand und großer pädagogischer Geschicklichkeit ausgewählt. Es ist nur zu wünschen, daß sie, wie das ganze vornehm ausgestattete und verhältnismäßig billige Buch, in jedem histologischen Laboratorium allgemein bekannt werden.

Pe&terfi (Dahlem).

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E. Küster, Lehrbuch der Botanik für Mediziner. 399

E. Küster: Lehrbuch der Botanik für Mediziner.

Verschiedene Wege führen zu der von vielen Seiten als notwendig anerkannten "Reform. der naturwissenschaftlichen Vorbildung des Mediziners. Küster hat den ein- geschlagen, der zur Zeit am gangbarsten ist, weil er von allen äußeren Änderungen des Studienplanes fast unabhängig und daher auch bereits von anderen Disziplinen (mehr- fach z. B. in der Physik) beschritten worden ist: dem Mediziner ein Lehrbuch der Botanik in die Hand zu geben, das den besonderen Interessen des Arztes dient. (C. F. W. Vogel, Leipzig 1920, mit 280 schwarzen und farbigen Abbildungen - im Text, VIII u. 420 S.). .

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dad welchen Umfang man auch immer dem botanischen Unterricht im Lehrplan des Mediziners wird zumessen wollen Mor- phologie und Physiologie der Pflanze durch ihre Einfachheit einen Ausgangspunkt für eine späteres gründlicheres Eindringen in den verwickelten Aufbau des tierischen Orga- nismus und seine reicheren Leistungen abgeben, den nur mangelndes pädagogisches Verständnis wird aufgeben wollen. Und auch darüber hinaus sichern Drogenpflanzen, giftige und in der Volksmedizin gebräuchliche Gewächse, die zahllosen Vegetabilien, die dem gesunden und kranken (Diätetik!) Menschen als Nahrungs- und Genußmittel dienen, der Botanik einen dauernden Platz im Rahmensder vorklinischen Studien.

Von solchen Erwägungen ausgehend hat Küster den Stoff zu seinem Buche ausgewählt. In formvollendeter Sprache, stets fesselnder Darstellung, das Wesentliche betonend, durchsetzt mit zahllosen Ausblicken und Vergleichen auf tierische Organi- sation, begegnen uns in der Allgemeinen Botanik zunächst die Abschnitte, die uns aus den gewöhnlichen Lehrbüchern der Botanik geläufig sind, aber mit anderer Bewertung des Einzelnen. Das I. KapitelMorphologie bietet das Wesentliche über die Gestaltung des Pflanzenkörpers und seine Organe; das zweite die „Anatomie“ bringt die Zellenlehre, als Basis für eine eingehendere Beschäftigung mit der tierischen Zytologie, ausführlich, die Histologie dagegen, zu der sich für den Mediziner wenig Berührungspunkte er- geben, mehr gedrängt. Im III. Kapitel Physiologie wird dem künftigen Arzt durch eine Annäherung an die Stoffeinteilung der tierischen bezw. menschlichen Physiologie, wie sie schon äußerlich in den Abschnittsüberschriften „Baustoffwechsel“, „Betriebs- stoffwechsel“ zum Ausdruck kommt, eine vergleichende Bewertung des Stoffes von selbst nahe gelegt.

Diesen Kapiteln des allgemeinen Teils, dieman in keinem Lehrbuch der Botanik ver- missen wird, schließen sich noch zwei weitere an, die in solcher Umgrenzung und Aus- dehnung als ein Charakteristikum des Küsterschen Lehrbuchs gelten können, in denen beiden zugleich die angewandte Botanik im Vordergrund steht. Die Pflanzenchemie beschränkt sich nicht auf eine Aufzählung und Charakterisierung der Baustoffe nach morphologischen und physiologischen Leistungen im Pflanzenkörper, sondern bringt zahlreiche Hinweise und tabellarische Übersichten über ihre Bedeutung als Ne Genuß-, Arzneimittel und über ihre Verwendung in Haushalt und Gewerbe.

Daß das Schlußkapitel der allgemeinen Botanik „Pflanzenpathologie“ mit zu den reizvollsten des Buches gehört, braucht bei des Verfassers Neigungen und be- kannten Leistungen auf diesem Gebiet keiner besonderen Hervorhebung. Auch hier begegnen uns auf Schritt und Tritt Begriffe, die aus der menschlichen Pathologie ge- läufig sind: Unter- und Überernährung, Traumata, Infektionskrankheiten, Terata u. a. m., so daß der medizinisch eingestellte Leser vielfache Brücken zu seinem engeren Tätig- keitsfelde gewinnt.

Der zweite Teil, die Spezielle Botanik, ist mehr als Nachschlagewerk, denn zum Lesen bestimmt. Sie gibt einen Überblick über das System der Pflanzen und enthält, auch hier der angewandten Botanik zugeneigt, in knapper Form eine erstaun- liche Fülle pharmakolögischer und toxikologischer Hinweise, auch einschlägige histo- rische Bemerkungen, die verraten, daß der Verfasser auch Interessen nachgeht, die über den Rahmen seines Faches in der üblichen Begrenzung hinausreichen,

330 Referate.

Ein besonderes Lob verdient noch die glänzende Illustration, die überwiegend Originalabbildungen umfaßt; abgesehen von einigen Ausnahmen sind die Abbildungen trefflich, stellenweise zugleich ‚von künstlerischer Schönheit, pädagogisch geschickt ge- wählt; die Beigabe von farbigen Textabbildungen möchte fast im Hinblick auf die Zeiten als üppig erscheinen.

Wie man auch zu Einzelheiten des Küsterschen Faches stehen mag, der Ver- such, dem Mediziner an Stelle der allgemein gehaltenen ein seinen besonderen Bedürfnissen entgegenkommendes Lehrbuch der Botanik zu schaffen, muß im wesentlichen und nicht in alltäglicher Form als gelöst gelten. Was es vielleicht noch daran zu bessern gibt, wird sich erst dann überblicken lassen, wenn auch Vorlesungen gehalten werden, die den Ansprüchen des Mediziners in erster Line gerecht werden. Daß jedenfalls die in der Reformbewegung am weitesten gehenden Kreise unter den Lehrern der Medizin, die Kliniker, in Küsters Lehrbuch einen „großen Fortschritt“ begrüßen, kann man aus dem empfehlenden Vorwort entnehmen, das P. Krause dem Buch beigegeben hat.

: W.J. Schmidt (Bonn).

Berthold Klatt, Studien zum Domestikationsproblem. Untersuchungen am Hirn. III und 180 S. mit 2 Tafeln, 33 Textabb. und 6 Kurventafeln. (Bibliotheca Genetica, hrsg. von E. Baur, Bd. II.) Leipzig, Gebrüder Borntraeger, 1921. Preis: 135 Mark. :

Das vorliegende Buch dient der Nachprüfung und dem Ausbau einer 1912 durch den Verf. aufgestellten Hypothese über die Änderungen des Hundehirns in der Domestikation. Die Untersuchung gipfelt in dem Satze, „daß beim Haushund diejenigen Hirngebiete eine Zunahme erfahren haben, welche mit den höheren psychischen Vor- gängen in Beziehung gebracht werden, während die Sinnesgebiete zum Teil eine recht beträchtliche Abnahme erfahren“. Umfangreiche metrische und morphologische Fest- stellungen, die sich auf die Beziehungen von Hirngewicht und Hirngestaltung zur Körpergröße, zum Geschlecht, zum Alter, zur Rasse und schließlich auf die Hirnunter- - schiede zwischen Wildhund und Haushund beziehen, sind zur Aufstellung jenes Satzes notwendig, dessen metrische Grundlagen dann in einer eingehenden Auseinandersetzung mit den Befunden und Anschauungen von Dubois und Lapieque geprüft werden, die den den Wildhunden gegenüber langsameren Abfall der Hirngewichtskurve des Haus- hundes bei sinkender Körpergröße in durchaus anderer Weise deuten. Eine endgültige Klärung dieser Streitfrage überläßt der Verf. weiterer Arbeit, zu der er baldige eigene Beiträge verspricht. Vergleiche der Befunde am Hundehirn mit anthropologischen Ergebnissen und kurze Bemerkungen zur Erblichkeitsfrage beschließen das Buch.

Günther Just (Berlin-Dahlem).

Richard Semon, Die Mneme als erhaltendes Prinzip im Wechsel des organischen Geschehens. 4. und 5. unveränderte Auflage. Leipzig, Wilhelm Engelmann, 1920. Gebunden 18 .# und 50/, Verleger-Teuerungszuschlag.

Eine Besprechung des Buches, das nur ein Neudruch der 1911 erschienenen dritten

Auflage ist, erübrigt sich an dieser Stelle. Es genügt ein Hinweis auf seinen billigen

Preis. (Inzwischen auf 54.— Mk. erhöht.) Günther Just (Berlin-Dahlem).

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J. Meisenheimer, Geschlecht und Geschlechter im Tierreiche. 331

Johannes Meisenheimer: Geschlecht und Geschlechter im Tierreiche.

I. Die natürlichen Beziehungen; Jena, Fischer. I-XIV. 1-—896. 737 Abbildungen, geh. 180.— Mk., in Volleinen 210.— Mk. 1921.

Wohl kein Problem hat in moderner Zeit die biologischen Wissenszweige mehr beschäftigt als das Sexualproblem. Fortpflanzung und Zeugung erscheinen uns ja heute als die Angelpunkte aller Formgestaltung und als Ursachen zahlreicher physio- logischer Prozesse. Trotzdem gab es bisher kein Werk, das dem dringenden Bedürfnis einer kritischen Zusammenfassung des gesamten Tatsachenmaterials Rechnung trug. Meisenheimer hat sich als erster dieser Riesenarbeit unterzogen. In welcher geradezu bewunderungswürdigen Weise es ihm bisher gelungen ist, den spröden, z. T. äußerst heterogenen Stoff zu meistern und in eine einheitliche Form zu gießen, zeigt der vor- liegende erste Band. Der Verfasser hat sich in ihm die Aufgabe gestellt, die äußeren morphologischen Sexualdifferenzierungen aus ihrer natürlichen physiologischen Bean- spruchung im Dienst der Sexualität zu verstehen. Das Tatsächliche steht hier im Vordergrund der Betrachtung. Ein 2. Band soll dann vor allem die großen theo- . retischen Fragen behandeln, wie z. B. jene über die Beziehungen der einzelnen Ge- schlechtsbezirke zu einander, das Wesen der Geschlechtlichkeit, die Bestimmung des Geschlechts und anderes mehr.

Zunächst galt es für den Verfasser, die verschiedenen Stufen der Geschlechts- individuen zu definieren. Als Ausgangspunkt seiner Betrachtung dient ihm die Holo- gamie der Protozoen, bei der zwei Individuen zu einer Einheit verschmelzen. In der Merogonie entwickelt sich dann auf dem Weg der Arbeitsteilung und Differenzierung die Generationsfolge von Gametozyten und Gameten. Bei Volvox nehmen die Game- tozyten bereits den Charakter von Organen an, die in der nicht mehr fortpflanzungs- fähigen Mutterkolonie ihren Boden und Halt finden. Diese letztere wird hierdurch zu einer 3. Generation dem Gametozytenträger (I. Ordnung). Endlich führen uns die Farne zu den kompliziertesten Verhältnissen hinüber, wo eine 4. Generation der Gametozytenträger II. Ordnung einen Gametozytenträger I. Ordnung samt seinen Gametozyten und Gameten trägt. Sie ‘finden sich bei allen höheren Pflanzen, aber auch bei manchen stockbildenden Tierformen wie Hydrozoen und Bryozoen. Von hier aus wird nun in den folgenden Kapiteln die ganze ungeheure Mannigfaltigkeit sexueller Einrichtungen und sexuellen Geschehens vor uns entwickelt. Im einfachsten Fall zeigt sich der Gametozytenträger zunächst gleichgültig gegenüber dem Geschlecht der Gameten, aber schon bei nahverwandten Formen kann Zwittertum oder Gonocho- rismus fixiert sein. Häufig läßt sich deutlich die Überführung des einen Zustands in den andern nachweisen. Zwittertum verwandelt sich dann in Gonochorismus und Go- nochorismus in sekundäres Zwittertum.

In einem Kapitel über die Eigenart zwittriger Organismen erfahren wir, daß Zwitterorganisation sich keine besondern, ihr eigenen Verhältnisse schafft, sondern nur die verwandter gonochoristischer Typen kombiniert. Hierin allerdings leistet die Natur Erstaunliches, namentlich in bezug auf Wege und Vorkehrungen für die mannigfal- tigen Arten einseitiger, wechselseitiger und Selbst-Begattung. Während die Aufgabe des Gametozytenträgers im primitiven Fall mit der Erzeugung der Geschlechtsstoffe beendet ist, werden in den höheren Stufen immer mehr Einrichtungen zur Gewähr- leistung der sicheren Vereinigung der Gameten, für ihren Schutz, ihre Ernährung, ihre Übertragung geschaffen. UÜberraschend ist oft die morphologisch und physio- logisch ähnliche Leistung stammesgeschichtlich gänzlich verschiedener Gebilde wie z. B. vieler unechter und echter Begattungsapparate. Wie sich die letzteren korrelativ zu den 2 Begattungsorganen verhalten, zeigt ein ‘weiteres Kapitel. Hier finden sich die merkwürdigsten Gegensätze. Formen, bei denen das 2 keinerlei Geschlechtsöffnung besitzt und das g' mit seinem Penis die Körperhaut an einer beliebigen Stelle durch-

332 J. Meisenheimer, Geschlecht und Geschlechter im Tierreiche.

stößt und andere, bei denen die Kopulationsorgane so aufeinander angepaßt sind, daß die Vagina genau die Hohlform des komplizierten Penis darstellt. Nun folgt eine eingehende Behandlung aller jener Nebenapparate, die zum Erfassen und Anheften der Ge- schlechtstiere, sowie zu ihrem Gefügigmachen in Form von Reiz und Wollustorganen dienen.

Wohl zu den reichsten und interessantesten Abschnitten gehören die vier Kapitel über die Formen der geschlechtlichen Annäherung. Diese und ein weiteres über sexuelle Waffen behandeln im großen ganzen das Tatsachenmaterial, das für Darwins geschlechtliche Zuchtwahl eine Rolle spielt. Hier sei besonders auf Kap. 17 verwiesen, in dem der Verfasser sehr interessante eigene Ansichten über ornamentale Sexual- charaktere vertritt.

Es folgt nun eine Erörterung aller der komplizierten Apparate, die bei der Ei- ablage eine Rolle spielen. Hier erregen besonders die Insekten durch die Mannigfal- tigkeit und Ingeniosität ihrer Vorrichtungen unsere Bewunderung.

Für viele Tiere findet das Geschlechtsleben auch mit der Eiablage noch nicht sein Ende. Es setzt sich dann fort in der Brutpflege, die sehr verschiedene Ausbildung erlangen kann. Verfasser unterscheidet 10 Stufen, in deren unterster das betr. Elter- tier nur Gelegenheit zur räumlichen Unterbringung der Eier schafft, während es sich in der 10. Stufe selbst in einen einfachen Brutbehälter verwandelt, dessen Inhalt all- mählich von den Bruttieren aufgefressen wird.

Ebenso läßt sich eine Stufenfolge sexueller Organisationshöhe aufstellen. Im ein- .

fachsten Fall dokumentiert sich der Sexualcharakter allein an den Keimdrüsen und deren Ausführgängen, im Extrem erstreckt er sich auf die gesamte innere und äußere Körperbeschaffenheit. Vielfach kommt es hierbei im reifen Zustand zu bedeutenden Organreduktionen, bis schießlich beide Geschlechtstiere physiologisch zur Stufe von Geschlechtsautomaten herabsinken. Bei.den Männchen sind derartige Rück- bildungserscheinungen mit Größenreduktionen verknüpft. Es entstehen zunächst Zwerg- formen, die allmählich mehr nnd mehr verschwinden, womit dann das Auftreten von Zwittrigkeit oder Parthenogenese Hand in Hand geht. Dort wo mehrere Formen der Fortpflanzung zyklisch miteinander verbunden sind entsteht Polymorphismus, der auch auf den äußeren Habitus übergreifen kann. Aber auch unabhängig von der Ge- schlechtsfunktion kann Mehrgestaltigkeit bei Geschlechtsformen eintreten z. B. im Mimetismus gewisser tropischer weiblicher Schmetterlinge. Im Anschluß hieran

erfolgt die Besprechung von Zuständen geschlechtlicher Reife bei somatischer Unreife, -

wie sie als Pädogenese, Dissogonie und Neotenie bekannt sind. Das nächste Kapitel handelt von der Übertragung der spezifischen Geschlechtsmerkmale des einen Ge- schlechts auf das andere, von der Ursache, Bedeutung und Wirkung dieses Vorgangs. Eine eingehende Würdigung erfährt hierbei die Frage der geschlechtlichen Präponde- ranz. Endlich ein letztes Kapitel beschäftigt sich mit der Ausbildung der peripheren Geschlechtsmerkmale Hiermit wird zugleich die Darwinsche Zuchttheorie aufgerollt und in vorsichtiger Weise an reichem Material das Für und Wider erörtert, sowie unter anderem der Versuch gemacht, die äußeren Sondererscheinungen besonders des männlichen Körpers aus sexuell-indifferenten Zuständen, denen anfangs keine oder ganz andere Aufgaben als solche im Dienste der Sexualität oblagen, abzuleiten. Wie dies geschieht muß an Ort und Stelle nachgelesen werden.

Es konnte hier nur der Versuch gemacht werden, die leitenden Gedanken des Werkes in kurzen Zügen wieder zu geben. Von der ungeheuren Reichhaltigkeit seines Inhalts, von der fabelhaften Belesenheit seines Verfassers kann ein Referat natürlich nur einen schwachen Begriff geben. Das Werk ist im besten Sinne des Wortsobjekiv. Wo immer es angeht läßt der Verfasser die Tatsachen für sich sprechen, sie sind dann.aber stets so gruppiert, daß aus ihnen eine innere Logik und Gesetzlichkeit hervorgeht. Zu allen spruchreifen Problemen nimmt Meisenheimer natürlich seine Stellung. Viel- fach gelangt er hierbei, z. T. auf Grund eigener Forschungen, zu neuen Vorstel- lungen. Ganz außerordentlich zu begrüßen ist es, daß auch der Mensch im weiten Maße in den Kreis der Betrachtung gezogen wird, namentlich auch in Bezug auf die vielen medizinisch orientierten Forscher dieses Gebiets, die sich wohl aus mangeln-

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Referate. 353

der Kenntnis des Stoffes bisher nicht entschließen konnten, auch ihn im Zusammen- hang mit der übrigen Organismenwelt zu betrachten. Die deutsche Wissenschaft kann stolz auf dieses Buch sein. Es wird von dauerndem Werte bleiben, nicht nur als Quellenwerk für ein ungeheures Tatsachenmaterial, das bisher in tausenden von Spezialarbeiten zerstreut war, sondern auch wegen der Fülle von Problemen und An- regungen zu neuen Forschungen, die es enthält.

Die Ausstattung des Werks ist nach jeder Richtung, besonders auch in bezug auf die vielen sorgfältig gezeichneten Figuren, die fast ausnahmslos auf Originalquellen zurückgehen, völlig „vorkriegsmäßig“, ja geradezu verschwenderisch, dazu der Preis relativ niedrig. R. W. Hoffmann, Göttingen.

Handbuch der biologischen Arbeitsmethoden. Herausgeber E. Abderhalden, Halle a. S. Verlag: Urban und Schwartzenberg, Berlin-Wien, 1920 und 1921. Von Abderhaldens Handbuch sind etwa 20 weitere Lieferungen erschienen,

deren Inhalt sich auf die allerverschiedensten Teile der Biologie bezieht. Nämlich:

Egon Eichwald-Hamburg. Alkohole, Ketone, Aldehyde, Oxyketone, Oxydalehyde Phenol- und Methoxylgruppe.

Budde-Feldafing. Mathematische Theorie der Gehörempfindung.

Viktor Grafe-Wien. Die physikalisch-chemische Analyse der Pflanzenzelle..

Methodik der Permeabilitätsbestimmung bei Pflanzenzellen. Anwendung von Adsorption und Kapillarität zur biochemischen Analyse. Messung der Gas-

und Wasserbewegungsvorgänge im Pflanzenorganismus.

Hermann Steudel-Berlin, V. Thannhauser-München und E Winterstein- Zürich. Nukleoproteide, Nukleinsäuren und ihre Abbaustufen.

Joachim Biehringer- Braunschweig. Die wichtigsten stöchiometrischen Berechnungen.

Friedrich Emich-Graz. Methoden der Mikrochemie.

Hans Lieb-Graz. Die Mikroelementaranalyse mit Einschluß der Halogenbestimmung nach Fritz Pregl.

J. V. Dubsky-Groningen. Halb-Mikroelementaranalyse nach J. V. Dubsky.

Andor Fodor-Halle a. S. Die Mikro- und Makrojeldahl-Stickstoffbestimmung.

Hugo Simonis-Charlottenburg. Makroelementaranalyse mit Einschluß der Halogen- bestimmung.

M. Dennstedt-Hamburg. Die vereinfachte Elementaranalyse.

Alice Oelsner-Göttingen. Methodik der Gesamtstickstoffbestimmung in Gegenwart von Nitrat und Nitrit.

P. G. Unna-Hamburg. Chromolyse Sauerstofforte und Reduktionsorte.

H. Spemann-Freiburg i. Br. Mikrochirurgische Operationstechnik.

Dietrich Barfurth-Rostock. Erforschung der Regeneration bei Tieren.

Hans Przibram-Wien. Studium des Einflusses der Wärme, des Lichtes, der Elek- trizität, der Schwerkraft und Zentrifugalkraft ‘auf die Entwicklung.

Kurt Herbst-Heidelberg. Die chemischen und physikalischen Methoden auf dem Gebiete der Entwicklungsmechanik.

Ludwig Neumayer-München. Technik der experimentellen Embryologie.

Paul Vonwiller- Würzburg. Intraviatale Färbung von Protozoen.

W. v. Möllendorf-Greifswald. Vitale Färbungen der Tierzellen.

Josef Herzig-Wien und Hans Lieb-Graz. Mikro- und Makrobestimmung der Methyl- und Methylimidgruppen.

334 Referate.

Franz Wohack-Linz. Die maßanalitische Mikrometholylbestimmung.

Hugo Simonis-Charlottenburg. Qualitative und quantitative Bestimmungen der

Acetylgruppen.

Joachim Biehringer- Braunschweig. Maßanalyse.

Fr. N. Schulz-Jena. Darstellung von Blutfarbstoffen.

William Küster-Stuttgart. Die eisenhaltigen Komponente des Blutfarbstoffes, ihr Nachweis und ihre Derivate. Studien auf dem Gebiete der Porphyrine. Der Abbau des Hämatins und der Porphyrine und die Synthese der Spaltungs- produkte. Synthesen mehrkerniger Pyrrolderivate und die Konstitution des Hämins. Gallenfarbstoffe und Abbauprodukte des Bilirubins.

Paul Hirsch-Jena. Prüfung der gebräuchlichsten Lösungen und Reagentien auf Reinheit.

Egon Eichwald-Halle. Das Arbeiten mit optisch-aktiven Kohlenstoffverbindungen.

Julius Schmidt-Stuttgart. Methoden zu Untersuchungen auf dem Gebiete der Tautomerei und Desmotropie.

Georg Lockemann- Berlin. Aschenanalyse.

L. Rhumbler-Hann. Münden. Methodik der Nachahmung von Lebensvorgängen

durch physikalische Konstellationen.

Hans Przibram-Wien. Methodik der Experimentalzoologie.

H. Bauer-Stuttgart. Methoden zum Nachweis und zur Erkennung ungesättigter Verbindungen. :

K. Arndt-Charlottenburg. Die wichtigsten elektrochemischen Methoden.

H. J. Hamburger-Groningen. Quantitative Bestimmung von Niederschlägen auf mikrovolumetrischem Wege.

Hans Lieb-Graz. Mikroelektrolytische Bestimmung des Kupfers.

Karl Scheel-Berlin-Dahlem. Das Arbeiten mit der Makrowage.

Emil Abderhalden-Halle. S. Das Arbeiten mit der Gewichtszu- und abnahme automatisch registrierenden Wage.

Gustav Embden-Frankfurt M. Eine gravimetrische Bestimmungsmethode für kleine Phosphorsäuremengen.

J. Herzig-Wien. Nachtrag zum Artikel „Über Methoxyl- und Methylimidbestimmung.”

O. Sehumm-Hamburg. Nachweis und Bestimmung von Porphyrin im Blutserum, in der Leber, Niere und anderen Organen und in Knochen. ——- Bildung, Vorkommen

und Merkmale des Hämatins, dessen Nachweis und Bestimmung im Blutserum.

Thomas Osborne-New Haven und E. Strauß-Frankfurt a. M. Darstellung «der

Proteine der Pflanzen welt.

Fr. N. Schulz-Jena. Darstellung von kristallisiertem Eiweiß. a

Franz Samuely und Eduard Strauß-Frankfurt a. M. Eigentliche Proteine.

Eduard Strauß-Frankfurt a. M. Proteinoide.

H. Geitel- Wolfenbüttel. Photoelektrische Meßmethoden.

R. Schmehlick-Berlin-Lichterfelde. Stereoskopische Arbeitsmethoden. Projektions- methoden.

Hugo Kauffmann-Stuttgart. Methoden zur Untersuchung von Fluoresenzerschei- nungen.

Die vorstehende Aufzählung zeigt, daß außer den biochemischen und biophysikali- schen Abschnitten auch eine größere Zahl von Abhandlungen vorhanden sind, die Gegenstände behandeln, die für den Zoologen und Botaniker von Interesse sind. Viele davon gehen weit über eine bloße Bearbeitung der Arbeitsmethoden hinaus, sondern können als eine Art Lehrbuch des betr. Arbeitsgebietes dienen. Dies trifft z. B. zu für die Abhandlungen von Spemann, Przibram, Herbst, Rhumbler, Gräfe.

Der experimentelle Embryologe sei auf die sorgfältige Darstellung der Methodik von Neumayer hingewiesen.

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4 Kühe

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Einladungen. 335

Gründungsversammlung der, Internationalen Vereinigung für theoretische und angewandte Limnologie in Kiel vom 3. bis 5. August 1922.

In der Zeit vom 3. bis 5. August 1922 findet ın Kiel die Grün- dungsversammlung der Internationalen Vereinigung für theoretische und angewandte Limnologie statt. Bisher haben sich 125 Forscher aus Brasilien, Deutschland, Dänemark, Deutsch-Österreich, England, Estland, Finnland, Italien, Japan, Lettland, Niederlande, Norwegen, Polen, Rumänien, Rußland, Schweden, Schweiz, Tschechoslowakei, Nordamerika der Vereinigung angeschlossen.

Es sind bereits zahlreiche Vorträge angemeldet.

Am Sonnabend den 5. August findet nachmittags ein Ausflug nach Plön, am Sonntag den 6. August eine Excursion an die Seen und Quellen der holsteinischen Schweiz statt.

Meldungen zur Teilnahme an der Tagung bis spätestens zum 15. Juni erbeten an Prof. Thienemann, Plön, der auf Wunsch an Interessenten das vollständige Programm schickt.

Vom 22. bis 24. September wird in Brünn die Feier des 100. Ge- burtstages Gregor Mendels begangen werden. Eine große Zahl von Forschern aller Nationen hat bereits ihr Erscheinen zugesagt. Wegen aller Einzelheiten wende man sich an Professor Dr. Iltıs, Brünn, Bäckergasse 10.

Provisorisches Programm der Jahrhundertfeier für Gregor Mendel in Brünn. 22. Sept : Begrüßungsabend. 23. Sept.: 10 Uhr vorm. Feier vor dem Mendeldenkmal. 1. Begrüßung durch den Naturforschenden Verein. 2. Ansprache des Vertreters der Regierung. 3. Festreden: a) Mendel als Persönlichkeit. b) Mendels Werk und seine moderne Ausgestaltung. 4. Ansprache des Vertreters der Gemeindevertretung. 4 Uhr nachm.: Vorträge über Mendel und sein Werk von bedeutenden Mendelisten des In- und Auslandes. Abends: Festliche Veranstaltungen. _ 24. Sept.: Ausflug in das Höhlengebiet und zur Mazocha.

336 Einladung.

Deutsche Gesellschaft für Vererbungswissenschaft.

Die zweite Jahresversammlung der Gesellschaft findet vom 25.—27. September in Wien statt (Hauptgebäude der Universität).

Für die drei Vormittage sind folgende Referate mit anschließender’

Aussprache in Aussicht genommen: R. Goldschmidt, Berlin-Dahlem: Das Mutationsproblem. H. Spemann, Freiburg ı. B.: Die Erbmasse und ihre Aktivierung. E. Rüdin, München: Die Vererbung geistiger Störungen. Am Montag, den 25. September findet um 7 Uhr abends im Festsaale der Universität eine allgemein zugängliche Festsitzung statt mit einem Vortrag von

E. Baur, Berlin: Aufgaben und Ziele der Vererbungswissenschaft in Theorie und Praxis.

Außerdem in den Vor- und Nachmittagssitzungen Vorträge und

Demonstrationen. Eine Reihe von Vortragsanmeldungen liegt bereits

vor. Um möglichst baldige Anmeldung weiterer Vorträge (unter der

Angabe, ob Projektionsapparat, Mikroskope, Immersionen etc. be-

rötigt werden und der voraussichtlichen Zeitdauer) an den Schrift- führer Dr. H. Nachtsheim, Berlin N. 4, Invalidenstraße 42, wird gebeten.

Der Tagung unmittelbar voraufgehen wird die internationale Feier des 100. Geburtstages Gregor Mendels in Brünn (22.—24. Sep- tember).

Ein ausführliches Programm wird den Mitgliedern Ende Juli

" zugehen.

Gedruckt bei Junge & Sohn in Erlangen.

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Biologisches Zentralblatt

Begründet von J. Rosenthal Herausgabe und Redaktion:

| Geh, Reg.-Rat Prof. Dr. C. Correns Prof. Dr. R, Goldschmidt und Prof. Dr. ©. Warburg

in Berlin Verlag von Georg Thieme in Leipzig Anzeigen-Annahme: Hans Pusch, Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 28

42. Band. August/September 1922. Nr. 8 u. 9 ausgegeben am 15. August 1922

Der jährl. Abonnementspreis (12 Hefte) beträgt innerhalb Deutschlands 120 Mk. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

Den Herren Mitarbeitern stehen von ihren Beiträgen 30 Sonderabdrucke kostenlos zur Verfügung; weitere Abzüge werden gegen Erstattung der Herstellungskosten geliefert.

& Lundegardh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilation. Mit 9 Abb. 8. 337.

. Roch, Beitrag zur Physiologie der Flugmuskulatur der Insekten. Mit 2 Abb. S$. 359.

. Hartmann, Über den dauernden Ersatz der ungeschlechtliehen Fortpflanzung durch fortgesetzte Re- generationen. S, 364.

. Süffert, Zur Morphologie und Optik der Schmetterlingssehuppen. $. 382.

. Sehulze, Über Beziehungen zwischen pflanzlichen und tierischen Skelettsubstanzen und über Chitinreaktionen. S. 388.

M. Popoff, Über die Stimulierung der Zellfunktionen. 8. 395.

Kurse über exotische Pathologie und medizinische Parasitologie. 8. 399.

Ausschreiben zur Bewerbung um ein Stipendium der Mochizuki-Stiftung bei der Kaiser-Wilhelm-Gesell-

schaft zur Förderung der Wissenschaften. S. 400.

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Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilation.

Von Henrik Lundegardh. (Mitteilungen aus der Ökologischen Station auf Hallands Väderö. Nr. 8.) Mit 9 Abbildungen.

Weil die Kohlensäurekonzentration den zentralen Prozeß im Stoff- wechsel der grünen Pflanzen vorstellt, ist es für die Ökologie sehr. wichtig, die äußeren und inneren Bedingungen kennen zu lernen, die diesen Prozeß bestimmen. Namentlich in dem letzten Dezennium sind eine Reihe wertvoller Arbeiten erschienen, von Blackman und seinen Schülern, Willstätter und Stoll, O.'Warburg u. a., die unsere Kenntnisse auf diesem Punkt vertieft haben. Wir wissen also, daß der Assimilationsvorgang von folgenden Faktoren abhängig ist:

1. Die Wellenlänge und Intensität des Lichts. 2. Die Kohlensäurekonzentration.

3. Die Wasserzufuhr.

4. Der Chlorophyligehalt der Chromatophoren. 42. Band.

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338 H. Lundegärdh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilation.

5. Ein Protoplasmafaktor (Willstätters ‚„Assimilationsenzym“). > Die Temperatur. . Der allgemeine Lebenszustand der Zelle (z.B. Atmung).

Alle diese Faktoren spielen immer mit hinein und sie bedingen die jeweilige Geschwindigkeit des Assimilationsprozesses. Bei experimen- tellen Untersuchungen über den Einfluß der einzelnen Faktoren soll man darauf achten, daß die übrigen Faktoren konstant sind. Will man z. B. die Abhängigkeit der Assimilation von der Lichtintensität stu- dieren, so sind die Faktoren 2—7 konstant zu halten, aber sehr wichtig ist außerdem, daß die Faktoren möglichst optimal sind, daß z. B. die Kohlensäure in Überschuß vorhanden ist. Denn sonst kommt man bei immer erhöhter Lichtintensität bald zu einem Punkt, wo die Kohlen- säurezufuhr nicht mehr ausreicht, um die Assimilation in die Höhe zu treiben, wo also die Kohlensäure statt des Lichts der bestimmende Faktor wird. In der Wirklichkeit ist es nun sehr schwierig, alle die nicht variierten Faktoren optimal zu halten, denn der Experimentator hat es nicht in seiner Hand, die Chlorophylimenge und den Protoplasma- faktor, d. h. die intrazellulären Faktoren, beliebig zu beeinflussen. Des- halb ist es nicht möglich, die Assimilationskurven in, ihrer ganzen Ausstreckung rein zu bekommen. Nur bei den niedrigen Intensitäten des variierten Faktors bekommt man das einfache Abhängigkeitsver- hältnis zu sehen. Bei den höheren Intensitäten macht sich immer die begrenzende Wirkung irgendeines anderen Faktors geltend. Die Assı- milationskurven haben deshalb immer einen asymptotischen Verlauf.

Der untere Teil der Kurven zeigt einen fast geradlinigen Verlauf, d. h. es herrscht hier fast Proportionalität zwischen der Stärke des variierten Faktors und der Geschwindigkeit der Kohlensäurezersetzung. Dies ist für Licht und Kohlensäure nachgewiesen (s. z.B. Brown und Escombe' 1902, Warburg 1919, H. Lundegärdh 1921) Betreffs der Gesamtform der Kurven, so ist diese ziemlich wechselnd, was nicht allein auf methodische Unterschiede zurückgeführt werden kann. Die Kurven der Schattenpflanzen gehören in eine besondere sruppe, wie weiter unten ausführlich dargelegt wird. Die übrigen bis- her in der Literatur ermittelten Kurven haben einen mehr oder weniger logarithmischen Verlauf, ohne daß es möglich ist, sie unter bestimmte Formeln zu bringen. Dies beruht sicher darauf, daß die Zahl der Fak- toren sehr groß ist und daß die Faktoren je nach der Geschwindigkeit der Umsetzung verschieden stark einwirken.

Es ist hier nicht der Ort, auf eine nähere Analyse der Aissimi- lationskurven einzugehen oder die bisher erreichten Befunde über die Physiologie der Assimilation ausführlich zu referieren. Namentlich Willstätter und Stoll (1918) und O. Warburg (1919, 1920, 1921) haben wichtige Beiträge zur Theorie der Assimilation geliefert. Nur eine theoretische Sache sei hier etwas näher beleuchtet, nament- lich weil sie für die folgenden ökologischen Überlegungen ein großes Ge- wicht haben. Sie betrifft die Auffassung des „begrenzenden Faktors“,

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H. Lundegärdh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilation. 339

Dieser Begriff wurde bekanntlich durch Blackman (1905) die Lehre von der Assimilation eingeführt. Er und seine Schüler (s. Matthaei 1905, Blackman und Smith 1911) glaubten experi- mentell die Tatsache festgestellt zu haben, dab die Assimilationskurve in jedem Punkt ausschließlich von demjenigen Faktor bestimmt wird, der in Minimum vorhanden ist. War z. B. die Kohlensäure in einer

CO, QAssımıla/lion

{ I/nlemsifal des Lichls 1

5 m {3 4 4 F Abb. 1. Assimilationskurve von Nasturtium palustre. Die Kurve wiedergibt die

direkt beobachtete CO,-Absorbtion, bezw. CO,-Abgabe, also auch den Ein- fluß der Atmung auf den Gasaustausch.

bestimmten niedrigen Konzentration vorhanden, so stieg die Assımi- lation bei erhöhter Lichtmenge bis zu einem gewissen Punkt, wo die Kurve plötzlich in eine mit der Abszisse parallelen Linie überging. Eine weitere Steigerung der Lichtintensität brachte kene weitere Erhöhung der Assimilationsintensität mit.

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CO, assımı/afro:

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Abb. 2. Assimilationskurve von Oxalis acetosella.

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Diese Auffassung ist nun, wie ich (1921) zeigen konnte, nicht richtig. Ich ermittelte die Assimilationskurven von einigen Schatten- pflanzen (Oxalis acetosella, Stellaria nemorum u. a.) bei variierter Licht- intensität und variierter Kohlensäurekonzentration der Luft und fand, daß die Assimilation in jedem Punkt der Kurve von beiden Faktoren

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340 H. Lundegärdh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilation.

bestimmt wird. Wird z. B. die Kohlensäurekonzentration konstant und ziemlich niedrig gehalten, so bekommt man bei Variation der Licht- intensität eine Kurve von der üblichen Form. In jedem Punkt dieser Kurve kann man durch Erhöhung der Kohlensäurekonzentration auch eine Erhöhung der Assimilationsintensität hervorrufen. In Abb.2 u. 3 sind die Kurven aus einer Versuchsserie mit Oxalis acetosella wieder- gegeben. In Abb. 3 wurde der Kohlensäuregehalt normal gehalten und die Lichtintensität wurde von Dunkelheit bis 1/, des vollen Tageslichts variiert. Bei den Lichtintensitäten 1/yg, !/s, und des Tageslichts, entsprechend den Punkten 1, 2, 3 der Lichtkurve, wurden Versuche mit variierender Kohlensäurekonzentration gemacht. Wie Abb.3 zeigt, be- kommt man hierbei ein System von Kurven, die mit steigender Licht- intensität immer steiler laufen. Um so stärker der eine Faktor ist, um so günstiger wirkt also auch der andere. Bei niedrigen Lichtmengen

7 Licht 1:4

Licht1:20

CO, Q@ssı mılaltıon

Licht 1:40

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Abb. 3. Assimilationskurven von Oxalis acetosella.

und Kohlensäuremengen ist die Assimilation den beiden Faktoren an- nähernd proportional. Bei hoher Lichtmenge und niedriger Kohlen- säurckonzentration hat die letztere eine relativ viel bedeutendere Wir- kung, sie ist also stärker „begrenzend“. Bei hoher Kohlensäurekonzen- tration. und niedriger Lichtmenge wirkt wiederum diese stärker be- srenzend. Ökologisch betrachtet: Bei hoher Lichtintensität ist die Assi- milation empfindlicher gegen Schwankungen der Kohlensäurekonzen- tration als gegen Lichtveränderungen. Der umgekehrte Fall, hohe Kohlensäurekonzentration und niedrige Lichtmenge kommt, wie wir sehen werden, ausnahmsweise in der Natur vor. Die Pflanzen sind in diesem Fall sehr abhängige von Veränderungen in der Lichtintensität. In der

Er Lundegärdh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilation. 341

Regel ist aber die Kohlensäurekonzentration in der Natur im Minimum, deshalb reagiert bei den Schattenpflanzen die Assimilation in etwa gleichem Grad auf Veränderungen .des Lichts und der Kohlensäure- konzentration.

Meine erwähnte Untersuchung umfaßte nur die beiden Faktoren Licht und Kohlensäuret). Höchstwahrscheinlich gilt die aufgefundene Gesetzmäßigkeit auch für die anderen Faktoren, z. B. die Chlorophyl1- menge und den Protoplasmafaktor. Durch die Arbeiten von Lubi- menko (1905, 1908), Plester (1912), Willstätter (1918) wissen wir, daß die Assimilationsintensität von der Chlorophylimenge abhängig ist. Neuerdings zeigte Stälfelt (1922, S. 257), daß bei Pinus sil- vestris und Picea excelsa die Assimilation der Sonnen- und Schatten- nadeln spezifische Unterschiede zeigt, die mit entsprechenden Verschie- denheiten im Chlorophyligehalt zusammenzuhängen scheinen.

Aus Stälfelts Kurven (1922, Abb. 13) bekommt man folgende Werte der Assimilationsintensität bei Ya Licht, neben denen die Chloro- phyliwerte angegeben sind (alles auf g Frischgewicht berechnet).

1) Nach Abschluß des Manuskriptes erschien eine Arbeit von R. Harder. (Kri- tische Versuche zu Blackmans Theorie der „begrenzenden Faktoren“ bei der Kohlen- säureassimilation, Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. 60, H. 4, 1921), die eine volle Bestätigung meiner Befunde bringt. Harder hat mit einer Wasserpflanze (Fontinalis) gearbeitet. Er zitiert meine frühere Untersuchung auf eine Art, die ich nicht gänzlich unerwidert lassen kann. Er meint (S.535), daß ich „nur in beschränktem Umfange und im Nebenzweck“ die Sache untersucht habe. An einer anderen Stelle sagt er: „die Lundegärdh- schen Werte, an denen ursprünglich ganz andere Dinge gezeigt werden sollen, zu denen eine weniger große Exaktheit erforderlich ist, weisen außerordentlich hohe Schwan- kungen auf“ (S. 552). Hierzu bemerke ich folgendes: Der Hauptgrund meiner Unter- suchung war die Ermittlung der Assimilationskurven von Sonnen- und Schattenpflanzen. Hierbei entdeckte ich das erwähnte Verhalten der Faktoren. Die Frage ist in mehreren Versuchsreihen eingehend verfolgt. Daß die Ergebnisse sodann ökologisch ausgenutzt wurden, kann wohl nicht ihren Wert verringern. Wie wenig die Entdeckung der gegenseitigen Wirkung der Faktoren „Nebenzweck“ war, erhellt daraus, daß die Auf- fassung der Lebensbedingungen der Schattenpflanzen eben durch sie ausgestaltet wird. Betreffs der Angriffe, die Harder gegen meine Versuchsmethodik richtet, möchte ich nur bemerken, daß er selbst eine im Prinzip ganz ähnliche Methode benutzt (näm- lich eine geschlossene Assimilationskammer, deren CO,-Gehalt nach dem Versuch be- stimmt wird). Meine Methode der CO,-Bestimmung ist exakter als die bisher be- kannten Methoden (siehe auch Lundegärdh 1922a). Betreffs der Schwankungen der Einzelwerte, auf die ich selbst (1921) mehrmals hingewiesen habe, ist zu be- merken, daß sie ganz auf dem Material beruhen, nicht auf der Methodik. Wer mit höheren Pflanzen Assimilationsversuche macht, weiß, daß das Material viel empfindlicher als z. B. Algen und Moose ist. Störungen sind unvermeidlich, nament- lich wenn man im Grenzgebiet zweier Faktoren (z. B. Licht und Kohlensäure) arbeitet, dies geht ja auch aus allen früheren Arbeiten hervor. Daß ich trotzdem aus meinem Material die richtigen Schlußfolgerungen ziehen konnte, betrachte ich als besonders wertvoll, denn bei den höheren Pflanzen kommen anatomisch-physiologische Faktoren hinzu, die die Form der Assimilationskurven beeinflussen, wie dies unten näher aufge- zeigt wird. Aus diesem Grunde ist auch Harders Auffassung über die Bedeutung der sogen. „Knickes“ der Lichtkurven einseitig und zum Teil falsch. Ein recht scharfes Abbiegen der Kurve tritt z. B. bei -Schattenpflanzen auf Grund des anatomischen Fak- tors auf und er beweist nichts weder für noch gegen Blackmans Auffassung.

349 NH. Lundegärdh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilation.

Assimilation Chlorophyll (relativ)

Picea excelsa (Sonnen-) 0,88 1,0 = 5 (Schatten-) 1,62 1,5 Pinus silvestris (Sonnen-) 1,80 1,8 En 5; (Schatten-) 2,06 .2,0

Bei anderen Lichtintensitäten sind allerdings die Assimilations- werte relativ andere. Man findet aber einen recht deutlichen Parallelis- mus mit den Chlorophyllwerten.

Auch bei den von mir untersuchten Schattenpflanzen besteht eine ähnliche Abhängigkeit. Die Assimilationswerte beziehen sich auf das Licht 1/,, und sind nebst den Chlorophyliwerten (s. unten Tab. III) auf 50 cm® Blattfläche berechnet.

Assimilation . Chlorophyll (relativ)

Stellaria nemorum 1,6 0,88 Oxalis acetosella 2,3 1,32 Hier besteht fast völlige Proportionalität, denn se 0,666 und ? 0,88 ; a = 0,696.

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Das Chlorophyll verhält sich als Faktor also ähnlich wie das Licht und die Kohlensäure und die vorliegenden Tatsachen sprechen dafür, daß die Chlorophylikonzentration in der Natur nicht optimal ist,-sondern wie die Kohlensäure eine partiell begrenzende Tätigkeit entfaltet. Sonst würde man ja keine so erhebliche Abhängigkeit der Assimilation von der Chlorophylimenge finden. Die gegebenen Beispiele deuten darauf hin, daß sogar bei.den Schattenpflanzen die Chlorophyllmenge nicht in Überschuß gegenüber den anderen Faktoren vorhanden ist, wie man dies früher geglaubt hat. Ganz zweifellos im Minimum befindet sich das Chlorophyll bei den von Willstätter und Stoll (1918, S. 143 ff.) untersuchten Chlorina-Formen. Auch die Nadeln von Pinus und Picea sollen nach Stälfelt (1922) weniger Chlorophyll als grüne Pflanzen im allgemeinen enthalten. Allerdings weiß man noch nichts über die Chlorophylikonzentration in den Chromatophoren, was doch das Entscheidende ist. Die Chlorophylimenge wurde bisher immer auf das Frischgewicht des gesamten Zellmaterials bezogen. Ferner bauen alle Vergleiche auf verschiedene Spezies, was selbstverständlich eine Unsicherheit mitbringt, da doch hierbei die anderen inneren Fak- toren nicht a priori als konstant betrachtet werden können. Hier müssen weitere Untersuchungen einsetzen.

Dieser kurze Überblick über das Zusammenwirken der Assimi- lationsfaktoren hatte nur den Zweck, die Aufmerksamkeit auf die hier- aus sich ergebenden wichtigen Probleme zu lenken. Ein reiches Feld für neue physiologische Untersuchungen öffnet sich hier. Im folgenden möchte ich etwas eingehender die Anwendung der theoretischen Er- gebnisse auf die Ökologie der Schattenpflanzen aufzeigen. Wir werden

H. Lundegärdh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilation. 343

hierbei finden, daß außerdem noch anatomisch-physiologische Faktoren hinzukommen, die die Assimilation beeinflussen.

Die Assimilationskurven von Sonnen- und Schattenblättern haben

ein wesentlich verschiedenes Aussehen (s. Boysen-Jensen 1918, Stälfelt 1920, Lundegärdh 1921, S. 55ff.).. Falls man die Assi- milationsintensität einer Sonnenpflanze bei verschiedenen Lichtinten- sitäten untersucht, so bekommt man eine Kurve von logarithmischem Typus (Abb. 1). Die entsprechende Kurve einer Schattenpflanze zeist anfangs eine Steigung, um später ziemlich schnell in eine mit der Abszisse parallele Linie überzugehen (Abb. 2). Der Verlauf der Sonnenblattkurve erklärt sich (siehe oben) aus der bei steigender Assimilation immer mehr hervortretenden begrenzenden Wirkung der Kohlensäurekonzentration?). Bei dem Schattenblatt muß man theo- retisch ähnliche Verhältnisse voraussetzen, hier kommt aber außerdem ein Faktor hinzu, der die begrenzende Wirkung der Kohlensäure ver- schärft. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, daß der Assimilationsmecha- nismus bei den Schattenblättern anders eingerichtet wäre als bei den Sonnenblättern. Dagegen ist es bekannt, daß anatomische Unterschiede vorliegen und man hat dann zu untersuchen, ob diese Unterschiede die Kohlensäurezufuhr zu den Chloroplasten beeinflussen könnten. Ich habe in dieser Hinsicht die Blätter von der Sonnenpflanze Nasturtium pa- Tustris und die Schattenblätter von Oxalis acetosella und Melandrium rubrum einer eingehenden Untersuchung unterworfen. Die Assimilations- kurven dieser Pflanzen hatte ich früher (1921) ermittelt. ; Die Kohlensäure der Luft hat einen ziemlich komplizierten Weg zurückzulegen, ehe sie zu den Chloroplasten kommt. Sie muß die Spaltöffnungen passieren, dann die Interzellularen, die Zellwand und die äußere Grenzschicht des Zytoplasmas. Wir wollen also zuerst unter- suchen, ob die Spaltöffnungen und das Interzellularsystem bei den Schattenpflanzen der Passage der Kohlensäure größere Hindernisse in den Weg stellen als bei den Sonnenpflanzen.

Das Blatt von Nasturtium palustre besitzt ein doppeltes Palisad- parenchym und ein verhältnismäßig unentwickeltes Schwammparenchym. Die untersuchten Exemplare wuchsen nämlich am Meeresufer und sind deshalb etwas sukkulent. Spaltöffnungen kommen in gleicher Zahl auf beiden Seiten vor. Sie sind klein und haben eine ovale Form. Etwa die Hälfte sind verkümmert und funktionslos.

Das Blatt von Nasturtium palustre besitzt ein doppeltes Pallisaden- wickeltes Palisadenparenchym und ein lockeres, mächtig entwickeltes Schwammparenchym (s. Abb. 4), das aus fast isodiametrischen Zellen besteht. Spaltöffnungen kommen nur auf der’ Unterseite vor. Sie haben eine schmal elliptische Gestalt.

Das'Blatt von Oxalis acetosella ist von ausgeprägtem Schattentypus (s. Stahl 1885). Die Epidermis ist von sehr großen Zellen aufgebaut

2) Schon hieraus läßt sich ein Beweis für das Ineinandergreifen der Faktoren ableiten (man vgl. OÖ. Warburg 1919).

344 H. Lundegärdh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilation.

und funktioniert offenbar als Wasserreservoir. Das Mesophvll besteht nur aus zwei Zellschichten, die Palisadenschicht hat konische Zellen, die andere Schicht besteht aus netzförmig verbundenen verzweigten

Abb. 4. Querschnitt durch ein Blatt von Melandrium rubrum.

Zellen, die große Interzellularräume umfassen (s. Abb. 5, 6). Spalt- öffnungen kommen nur auf der Unterseite vor, in etwa derselben An- zahl wie bei Melandrium.

In folgender Tabelle ist die Zahl und Dimension der Spaltöffnungen angegeben. Die Zahlen sind Mittelwerte aus mehreren Messungen.

Tabelle 1. Zahl der Spaltöffnungen ®) ; au Oberseite Unterseite = Pinensionen>) Nasturtium palustre 29 29 3X 6,5 Melandrium rubrum 0 10 6x 16 Ozxalis acetosella 0 11 5X 20

Die Spaltöffnungen sind bei den Schattenpflanzen wie bei der Sonnenpflanze im Licht geöffnet, auch wenn dieses sehr hell ist (vgl. Lundegärdh 1921, S. Si). Ihre Bewegungen sind also nicht für

die Depression der Assimilationskurve bei höheren Lichtmengen ver-

antwortlich.

Was die Zahl der Spaltöffnungen betrifft, so ist diese bei Nasturtium fast dreimal so groß als bei den Schattenpflanzen. Im Gegenteil ist die Öffnungsära bei den letzteren mehr als dreimal so groß als bei Nasturtium?). Die Schattenpflanzen haben auch ein geräumigeres Inter-

3) Im Gesichtsfeld des Mikroskops (Obj. Zeiß 3, Ok. 2). a

4) In Mikrometerstrichen (große und kleine Achse der elliptischen Offnungsära).

5) Nach Brown und, Escombe (1900) ist die Diffusionsgeschwindigkeit pro- portionell dem Radius der Offnungsära. Der Einfluß der Zahl der Stomata ist weniger klar, Auch spielt ja die Form und Größe des Blattes eine Rolle für den Diffusions- vorgang, ferner die Luftbewegung, Temperatur usw., d. h. eine Reihe von Faktoren, die man noch nicht imstande ist, klar zu überblicken (vgl. Sierp und Noack 1922; hier die Literatur).

E

H. Lundegärdh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilatıon. 345

zellularsystem und sind sehr dünn, der Weg von den Spaltöffnungen der Unterseite zu den assimilierenden Zellen der Oberseite ist also ziem- lich kurz, was wohl den Besitz von Spaltöffnungen aut der Oberseite bei Nasturtium kompensiert. Auch wenn es zurzeit nicht möglich ist, eine exakte Berechnung des Diffusionswiderstandes in den verschie-

Abb. 5. Querschnitt durch ein Blatt von Oxalis acetosella.

Abb. 6. Flächenschnitt durch ein Blatt von Oxalis acetosella (Unterseite).

denen Blättern durchzuführen, so geben jedoch die anatomischen Ver- hältnisse keinen Anhaltspunkt für die Annahme, daß bei den Schatten- blättern die Kohlensäurezufuhr unzureichend wäre. Wie Brow n und Escombe zeigten, ist die Durchlüftung des Blattes im allgemeinen als sehr gut zu betrachten. Die Spaltöffnungen gestatten eine fast unge- hinderte Diffusion.

346 H. Lundegärdh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilation.

Wir gehen nunmehr zum zellulären Stoffaustausch über. Der Durchtritt der Kohlensäure durch die: Zellwand und die Hautschicht des Protoplasmas ist ein kompliziertes Adsorptions- und Lösungsphä- nomen, über deren wahre Natur wir noch sehr wenig wissen. Wie dem auch sei, so ist natürlich die in der Zeiteinheit hereindiffundierte Kohlen- säuremenge und die herausdiffundierte Sauerstoffmenge proportional der Zellfläche (f) ®). Über die Intensität der Assimilation entscheidet wie-

: f derum die Masse (m) der Chlorophylikörper. Der Quotient Sn spielt

deshalb eine wichtige Rolle für den Stoffumsatz. Bei großem Wert des Quotienten, also wenn. f groß ist im Verhältnis zu m, dürfte f keine Rolle als begrenzender Faktor spielen. Die Assimilationsgeschwindig- keit wird in diesem Fall von der Kohlensäurekonzentration der Inter- zellularluft bedingt. Bei kleinem Wert des Quotienten muß aber die Größe von f sehr bedeutungsvoll sein und sie wird bei steigender Assi- milationsintensität schließlich die Rolle eines absolut begrenzenden Fak- tors spielen, hierbei natürlich vorausgesetzt, dab die Kohlensäurekon- zentration der Luft konstant ist.

Da die Permeabilitätskonstante der Kohlensäure unbekannt ist, so kann man nicht rechnerisch bestimmen, bei welcher Minimumgröße von

= die beerenzende Wirkung von f in Tätigkeit tritt. Wir müssen uns

darauf beschränken, aufzuzeigen, daß der Quotient tatsächlich bei den Schattenpflanzen einen viel kleineren Wert hat als bei den Sonnen- pflanzen. In folgender Tabelle sind die betreffenden Werte aufgeführt. Die Messungen beziehen sich auf Palisadenzellen und jede Ziffer ist der Mittelwert aus einer größeren Reihe von Einzelbestimmungen.

Tabelle I. Zell- Chloroplasten Pflanze Dia- Total 2 . 7 7 min - Volumen’), Fläche”) | Zahl ner Fläche en m Nasturtium palustre 25 000 5140 35 4,3 58 .| 1460 3,52 Melandrium rubrum 56 000 7080 27 7,0 153,8 | 4860 1,46 Oxalis acetosella 8 000 1934 19 6,75 | 136,8 | 3000 0,65

6) Für den intrazellulären Diffusionsvorgang dürfte Ficks Gesetz gelten, die Diffusionsgeschwindigkeit iet also der Zellfläche und dem Konzentrationsgefälle pro- portional. Die Durchtrittsgeschwindigkeit eines Stoffes durch die Zell- und Plasma- haut ist proportional der Zellfläche und dem Permeabilitätskonstanten.

7) Die Dimensionen sind in Mikrometerstriche angegeben.

8) Wegen der meistens unregelmäßigen Form der Zellen war es nur möglich, das Volumen und die Fläche approximativ zu bestimmen. Der Fehler dürfte sich aber überall innerhalb derselben Grenzen halten.

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H. Lundegärdh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilation. 347

Aus der Tabelle geht hervor, dab bei der typischen Schattenpflanze Oxalis acetosella = fünfmal kleiner als bei der Sonnenpflanze Nastur-

tium ist. Auch bei Melandrium ist der Quotient klein. Da nun die Kohlensäurekonzentration der Luft relativ niedrig ist und, wie die Assimilationskurven lehren, bei höheren Lichtmengen immer eine stark begrenzende Wirkung ausübt, so ist es wahrscheinlich, daß der Quo-

: BE: $ Ä > ı tient 7 einen großen Einfluß hat. Bei den Sonnenpflanzen ist er sicher

noch hinreichend groß. Bei den Schattenpflanzen ist es dagegen zum mindesten sehr wahrscheinlich, daß die auffallende Depression der Kurve bei hohen Assimilationsintensitäten auf der begrenzenden Wirkung des

Quotienten n beruht.

In derselben Richtung wie der Quotient 2 wirkt bei den Schatten-

pflanzen das Verhältnis Fläche: Masse der Chloroplasten. Vorteilhaft für den Gasaustausch sind selbstverständlich kleine Chloroplasten. Aus Tabelle II finden wir auch in dieser Hinsicht Nasturtium begünstigt: Seine Chloroplasten sind beträchtlich kleiner als diejenigen der Schatten- pflanzen. Die totale Oberfläche der Nasturtium-Chloroplasten ist des- halb fast ebenso groß wie die Totalfläche der Oxalis-Chloroplasten, ob- wohl die letzteren ein doppelt so großes Totalvolumen haben.

Die anatomischen und zytologischen Eigenschaften der Schatten- blätter haben also den Nachteil, daß der Gasaustausch der Chloroplasten erschwert ist. Andererseits bietet aber der Schattenblattypus gewisse Vorteile. Das Schattenblatt ist in der Regel bedeutend dünner als das Sonnenblatt, wodurch die Chloroplasten über eine größere Fläche zer- streut sind. Außerdem ist das Schattenblatt meistens reicher an Chloro- phyll. Schon oben wurden einige frühere Belege auf diese Tatsache zitiert. Ich habe mit der von Willstätter und Stoll (1918) ausgear- beiteten Methodik einige Chlorophylibestimmungen gemacht, die in fol- gender Tabelle wiedergegeben sind.

Tabelle IH.

Relativer Chloro-

Blattfläche Relativer Chloro- \ Pflanze per 1g phyligehalt x ee Frischgewicht per 1 cm? er gewicht Phaseolus vulgaris . . 56,7 cm? 1,7 100 Stellaria nemorum . . 119.08 0,88 105

Ozxalis acetosella . . 95,8 ; |

Von diesen Pflanzen ist Phaseolus eine typische Sonnenpflanze,

die übrigen sind typische Schattenpflanzen. Die angeführten Zahlen

lehren, daß ‚die Schattenpflanzen per Flächeneinheit zwar einen nie-

n 1,32 126

348 H. Lundegärdh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilation.

drigeren Chlorophyligehalt als die Sonnenpflanzen haben, auf das Frisch- gewicht berechnet wird aber der Chlorophyligehalt größer. Dies beruht natürlich darauf, daß die Chloroplastenmasse der Zellen bei den Schatten- pflanzen größer ist (vel. Tabelle II) und daß die mechanischen Gewebe schwächer entwickelt sind.

Der Chlorophylifaktor ist also bei den Schattenpflanzen reichlich vorhanden. Daß hierdurch die Assimilation auch bei niedrigen Licht- intensitäten günstig beeinflußt wird, unterliegt nach dem S. 342 Ge- sagten keinem Zweifel. Dort wurde ja ein Parallelismus zwischen dem Chlorophyligehalt und der Assimilation aufgezeigt.

Unter den äußeren Bedingungen sind in erster Linie der Kohlen- säuregehalt der Luft und das Licht für das Dasein der Schattenpflanzen maßgebend.

Betreffs des Kohlensäuregehalts habe ich nachgewiesen (1921), daß derselbe im Wald am Boden erheblich höher als auf dem Feld ist. Die Schattenpflanzen stehen deshalb im ällgemeinen unter einer höheren Kohlensäurespannung als die Sonnenpflanzen, was zweifelsohne öko- logisch sehr bedeutungsvoll und in vielen Fällen für die Verbreitung der Pflanzen im Schatten ausschlaggebend ist.

Ich habe im Sommer 1921 die vergleichenden Analysen über den Kohlensäuregehalt der Waldluft und der „freien“ Luft fortgesetzt und möchte hier die neuen Ergebnisse wiedergeben. Die Analysen erstrecken sich über etwa einen Monat (vom 26. Juni bis 27. Juli). Die Proben wurden zu verschiedenen Zeiten, jedoch immer zwischen 9 Uhr vor- mittags und 3 Uhr nachmittags aufgenommen. Als Analysenapparat diente der andernorts beschriebene (1922a) Glockenapparat, der direkt im Feld eine Probe von 2,3 Liter aufsaugt. Dieser Apparat arbeitet mit einer Genauigkeit von etwa+1,0%, bezogen auf die Kohlen- säurekonzentration.

Die Luftproben aus dem Wald wurden von dem Niveau der Blätter von Viola palustris oder Oxalis acetosella gesogen. Der Apparat stand in einem nässen Erlenwald, etwa 50 m von dem Waldrand (vgl. Lun- degärdh 1921, S. 71). Die Untervegetation bestand, außer den ge-

nannten Pflanzen, aus Aspidium filix mas und Asp. spinulosum, Carex

vesicaria, Peucedanum palustre, Oircea alpina, Melandrium rubrum.

Der andere Apparat stand auf einem exponierten, etwa 6 m hohen Berghügel am Meer, unweit der Ökologischen Station, in etwa 300 m Entfernung vom ersten Apparat.

Das Ergebnis bringt eine Bestätigung meiner früheren Unter- suchung). Die Kohlensäurekonzentration ist, ausgenommen an zwei Tagen, beträchtlich höher im Wald als am Meer. Bisweilen, wie am 8. Juli, kann sie fast doppelt so groß sein. Daß Windstille begünstigend wirkt, ersieht man aus den Differenzen an den folgenden Tagen:

9) Damals fand ich durchschnittlich höhere Werte, was zum Teil mit der größeren Niederschlagsmenge im Sommer 1921 zusammenhängen dürfte (vgl. unten).

H. Lundegärdh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilation. 349

Tabelle IV. R Re Kohlensäure in m Datum Ne s per Liter 5 Differenz im Wald am Meer

26. Juni Still 0,59 0,46 +0,13 DU 8 Still 0,56 0,41 +0,15 ZUR, Lüftchen 0,55 0,44 +0,11 DIEN“; Fast still 0,56 0,42 +0,14 30% 7;, Schwache Lüftchen 0,50 0,47 +0,03

1. Juli ;; 0,49 0,41 —+- 0,08

N Still, Regen 0,59 0,42 +0,17

A. Lüftchen 0,51 0,40 +0,11

5 5 0,64 0,51 +0,13

BP Still 0,90 0,49 +0,41 10.87, Lüftchen 0,60 0,49 +0,11 BF 0,61 0,47 +0,14 Tor Starker Zug 0,65 = Fa, Still 0,66 0,48 + 0,18 109234 = 0,66 - 0,49 +0,17 18:25 Schwache Lüftchen 0,56 0,51 + 0,05 IA 4 5 0,67 0,54 +0,13 20.55 Still 0,75 0,58 +0,17 Ze Starker Zug 0,62 0,63 0,01

(Sturm am Meer)

22:3, m Starker Zug, Regen 0,60 0,56 + 0,04 DI Schwache Lüftehen 0,75 0,54 +0,21 Ba x & 0,52 0,49 +0,03 DIE 5 je 0,63 0,65 0,02

21.6,.2.1., ,8..1.,015.7,,.16..7., 20.17... Diese Differenzen . gehören! zu den größten, die beobachtet wurden. Dagegen fällt das eine Minimum auf einen Sturmtag (den 21.7.). Im allgemeinen kann aber auch recht starke Luftbewegung keinen Ausgleich zwischen den Konzentrationen am Waldboden und in der freien Luft zuwege bringen.

Die Abhängigkeit der Kohlensäurekonzentration vom Standort geht auch deutlich aus der Untersuchung der Pflanzengesellschaften außer- halb des Waldes hervor. Ich habe noch keine Gelegenheit gehabt, die Kohlensäureverhältnisse in-den Wiesen zu untersuchen. Dagegen wurden die Kulturgesellschaften eingehend untersucht (s. Lundegärdh 1922 b). Ich reproduziere hier eine Kurve der täglichen Kohlensäurekonzentration in einem Kartoffelfeld auf leichtem Sandboden (Abb. 7). Die Proben wurden in 20 cm Abstand vom Boden gesogen.

Bei einem Vergleich zwischen dieser Kurve und derjenigen der freien Luft bemerkt man eine große Ähnlichkeit in der Periode 16.7. bis 11.8. Die Übereinstimmung der beiden Kurven ist um so bemerkens- werter, als die beiden Orte, wo die Proben aufgenommen wurden, in etwa 5 km Entfernung (hiervon 3,5 km Meer) voneinander liegen. Die täglichen Variationen in dem Kohlensäuregehalt der Luft sind also in großer Ausstreckung nicht an den Standort gebunden.

350 H. Lundegärdh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilation.

Der Standort zeichnet sich betreffs des Kartoftelfeldes durch eine durchschnittlich niedrige Kohlensäurekonzentration aus. Dies sieht man aus der Lage der Kurve im Verhältnis zur 0,50 mg-Abszisse. Die Kohlensäureproduktion des Bodens (vgl. unten) ist hier nicht .aus- reichend, um die Assimilation zu kompensieren. Die lokale Kohlensäure- produktion kann aber, wie die Kurve zeigt, durch Regen erhöht werden.

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BER 0.50 y er Ss ae nn BR

"a a En a a ee ec Abb. 7. Die täglichen Schwankungen der Kohlensäurekonzentration der Luft an der ökologischen Station (oben) und in einem Kartoffelfeld (unten).

Nach dem 14.8. zeigt die Kurve einen starken Anstieg, und ein ent- sprechender Anstieg tritt nach dem 25.8. hervor. Diese Höheperioden der Kohlensäureproduktion beruhen auf korrespondierenden Niederschlags- perioden. Die Kohlensäurekonzentration der freien Luft wird nicht wesentlich beeinflußt durch diese lokalen Verhältnisse.

Der Wind hat auf dem freien Feld eine überraschend geringe Wir- kung. Dies geht aus meinen ausgedehnten Untersuchungen hervor. Gleichzeitig mit den täglichen Kohlensäureanalysen (die mit 9 Appa- raten gleichzeitig ausgeführt wurden) wurde die Windgeschwindigkeit über dem Feld anemometrisch gemessen. Eine Zusammenstellung der während 2, Monate erreichten Ergebnisse ergab keine bestimmte Kor- relation zwischen Windgeschwindigkeit und Kohlensäurekonzentration in 20 cm Höhe vom Boden, auch in denjenigen Fällen, wo die Kohlen- säurekonzentration durchschnittlich höher als die der freien Luft war. Die vom Boden abgegebene Kohlensäure bläst also nicht so leicht weg, was wahrscheinlich größtenteils auf den erheblichen Windschutz, den die dicht stehenden Pflanzen bilden, beruht.

Man kann aus dem oben dargelegten den Schluß ziehen, daß die lokale Kohlensäurekonzentration einen wichtigen Standortsfaktor dar- stellt und dies nicht nur im Wald, sondern auch auf dem Feld.

Der lokale Kohlensäurefaktor !) ist, wie ich früher (1921) ge- zeigt habe, eigentlich ein Bodenfaktor, d. h. die Luft wird vom Boden

10) Man nennt die durchschnittliche Kohlensäurekonzentration zweckmäßig einen „Standortfaktor“, in demselben ökologischen Sinn wie man von einem „Wasserfaktor“,

einem „Nitratfaktor“ usw. des Bodens oder einem „Temperaturfaktor‘ der Luft sprechen kann.

i

H. Lundegärdh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäurcassimilation. 351

aus mit Kohlensäure angereichert. Es ist deshalb von Interesse, die Intensität der „Bodenatmung“*, d. h. der absoluten Kohlensäureabgabe des Bodens, zu erfahren.

Um die Kohlensäuremenge zu bestimmen, die ein Stück Boden- fläche in der Zeiteinheit abgibt, kann man durch eine Kappe die Luft oberhalb derselben abschließen und die Konzentrationserhöhung bestim- men. Ich benutzte für die unten mitgeteilten Bestimmungen eine Kappe in der Form eines umgestülpten großen Trichters, dessen zylindrischer Rand in den Boden hineingepreßt wurde (s. 1922b). Durch Vor- versuche hatte ich mich davon überzeugt, daß während der ersten Stunde die Kohlensäurekonzentration in dem vgeschlossenen Trichter proportional der Zeit stieg. Nach einer Stunde wurde also eine kleine Probe von der eingeschlossenen Luft genommen und analysiert. Auf diese Weise war es leicht möglich, die Kohlensäureabgabe von 1 m? Bodenfläche in 1 Stunde zu berechnen.

Die von der freien Bodenfläche abgegebene Kohlensäure stammt selbstverständlich aus der Bodenluft, wo die Konzentration bedeutend höher als im Luftmeer ist. Man kann durch eine feine Röhre die Boden- luft aus einer bestimmten Tiefe aufsaugen und sie analysieren. Obwohl der Kohlensäuregehalt der Bodenluft an sich uns hier nicht näher be- schäftigen kann, habe ich jedoch in der untenstehenden Tabelle einige Bestimmungen derselben mitgeteilt, um zu zeigen, wie hoch das Kon- zentrationsgefälle ist, das eine bekannte Bodenatmung bewirkt. Die Konzentration der Kohlensäure in dem Luftmeer ist etwa 0,03 Volum- prozent.

Sämtliche Analysen datieren sich vom 1.10., die Bodentemperatur war nur C. Im Sommer war die Bodenatmung selbstverständlich leb- hafter (vgl. Lundegärdh 1921). Die Tabelle veranschaulicht die sehr, großen Unterschiede in der Kohlensäureproduktion verschiedener Böden. Die auf echtem Mull stehenden Pflanzen (Nr. 1-4) erhalten viel mehr Kohlensäure als die auf Rohhumus (Nr.5) oder sandigem Wiesenboden (Nr. 6, 8) stehenden. Auch die,Dicke der Mullschicht spielt eine Rolle. In Nr. 7 hatte die Mullschicht eine Mächtigkeit von nur 15 cm; die Kohlensäureproduktion ist hier auch schwach. Einen Einfluß hat auch der Wassergehalt des Bodens (vgl. oben). Anfangs wirkt er günstig, zu große Nässe hemmt jedoch den Umsatz im Boden. In nassem Sumpiboden (Nr. 3, 4) ist auch die Kohlensäureproduktion schwächer als in etwas trockenerem Mull (Nr. 1, 2).

Der Kohlensäuregehalt der Bodenluft ist meistens wenigstens 10mal größer als der des Luftmeeres. Irgendein näherer Parallelismus zwischen der Konzentration der Bodenkohlensäure und der freien Bodenatmung besteht nicht, was mit der verschiedenen physikalischen Beschaffenheit der Böden zusammenhängt!!). In einem gut durchgelüfteten Boden steigt die Konzentration niemals zu hohen Werten, auch wenn die

11) Anders liegen die Verhältnisse z. B. betreffs verschieden gedüngter Parzellen desselben Kulturbodens (s. 1922 b).

359 H. Lundegärdh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilation.

absolute Kohlensäureproduktion beträchtlich ist. Dagegen werden in wässerigem Boden häufig Konzentrationen bis 1% oder mehr beob- achtet.

Tabelle V. S Kohlensäureabgabe Kohlensäuregehalt in = Standort per 1 m? Boden Volumprozent im Boden = per 1 Stunde auf 15—20 em Tiefe 1. || Oxalis acetosella- Aspidium-Asso- 117 mg = 64 ccm 0,24 ziation im Erlenwald. Boden | (Mittel aus 3 Bestim- ziemlich feucht mungen) 2. || Rubus idaeus-Oxalis acetosella- 8äng = Ad; 'cem 0,50 Assoziation in gemischtem Laub- wald 3. || Viola palustris-Assoziation in 72 mg = 39 ccm 0,22—0,75 einem ausgetrockneten Erlen- (Mittel aus 6 Bestim- sumpf mungen) 4. || Ebenda, neben dem Luftanalysen- | 66,6 mg = 36,5 cem apparat (vgl. Tab. IV) 5. || Majanthemum bifolium- Assozia- | 33,3 mg = 18,2 cem tion am Rand des Erlenwaldes (vgl. 1, 3, 4) 6. || Nardus strieta - Carex panicea- | 33,3 mg 18,2 ccm 0,26 Assoziation (noch 25 Spezies, sehr dichter Rasen) 7. || Oenanthe aqwatica - Bestand auf | 27,8 mg 15,2 cem 0,20

ausgetrocknetem Sumpfboden

8. || Abgeweideter und trockener Gras- | 11,1mg = 6,1 cem boden, am Meer

Die hier geschilderten Verhältnisse deuten auf die Anwesenheit eines bisher unbeachtet gebliebenen aber sehr wichtigen Standortfaktors

hin. Ein Vergleich zwischen den Tabellen IV und V lehrt, daß eine

Produktion von 66,6 mg —= 36,5 cem Kohlensäure per m? im Herbst einem durchschnittlichen Säuregehalt in der unteren Luftschicht von 20 0) über dem normalen entspricht. In Nr. 1 Tab. V wurde eine zwei- mal so große Kohlensäureproduktion beobachtet; auf diesem Standort dürfte also der Kohlensäuregehalt noch höher sein.

Auf den durch schwache Kohlensäurekonzentration ausgezeichneten Standorten Nr. 5—8 (Tab. V), besonders den zwei letzten, dürfte dagegen der Gehalt der Luft nicht wesentlich höher als normal sein, bei leb- hafter Assimilation dürfte er sogar unterhalb der normalen sinken, wie dies tatsächlich im Kartoffelfeld beobachtet wurde (s. oben S. 350, Abb. 7).

in

Be

H. Lundegärdh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilation. 353

Der Kohlensäurefaktor ist, wie gesagt, vor allem ein Bodenfaktor. Aber da die Bodenkohlensäure erst nach ihrem Austreten in die Luft auf die Blätter wirkt, so wird der Kohlensäurefaktor selbstverständlich abhängig von den speziellen meteorologischen Bedingungen des Stand- ortes (namentlich Wind, Regen und Sonne), außerdem spielt natürlich die Beschaffenheit der Vegetationsdecke selbst eine Rolle. Hohe und dichtstehende Pflanzen stellen ja einen vorzüglichen Windschutz dar, ferner ist die Kohlensäurekonzentration abhängis von dem Assimilations- vermögen der Pflanzendecke. Zur exakten Bestimmung des Kohlensäure- faktors genügt nicht die Ermittlung der absoluten Kohlensäureproduktion des Bodens, sondern man muß die Luft in der Umgebung der assimilierenden Blätter analysieren. Hierzu eignet sich der von mir konstruierte Glockenapparat (1922a), der auf dem Standort pla- ziert wird. Durch eine Glasröhre, die zwischen den Blättern der zu untersuchenden Pflanzen mündet, wird ein bestimmtes Quantum Luft in die Glocke gesogen. Die Kohlensäure wird über eine Barytlösung absorbiert. Alle Manipulationen, bis auf das Titrieren, werden im Feld ausgeführt, man kann also mit diesem Apparat unschwer lange Analysen- serien in weiter Entfernung vom Laboratorium ausführen.

Daß bei den Sonnenpflanzen eine erhöhte Kohlensäurekonzentra- tion der Luft die Assimilationsintensität beeinflußt, war ja schon aus den früheren Untersuchungen von Blackman und seinen Schülern klar. Denn bei hoher Lichtintensität befindet sich die Kohlensäure sehr im Minimum. Daß auch bei den Schattenpflanzen eine erhöhte Kohlen- säurekonzentration eine gesteigerte Assimilation mitbringt, war nicht aus der Theorie Blackmans zu ersehen, denn nach ihr wäre im Schatten das Licht der allein ausschlaggebende Minimumfaktor. Erst durch den von mir erbrachten Nachweis, daß auch bei niedriger Licht- intensität die Kohlensäure ein mitbestimmender Faktor ist, konnte man sich eine richtige Vorstellung von den Assimilationsbedingungen der Schattenpflanzen bilden.

Wir finden also jetzt, daß eben für die Schattenpflanzen, die viel- fach an der Hungersrenze leben, der vorhin nachgewiesene Kohlensäure- faktor außerordentlich wichtig ist. Denn auch bei den kleinsten Licht- mengen wird durch Erhöhung der Kohlensäurekonzentration über der normalen eine entsprechende Erhöhung der Assimilationsintensität er- reicht. Bei Oxalis acetosella wurde bei t/,, Licht die Assimilation durch verdreifachte Kohlensäurekonzentration etwa verdreifacht 12). Die „Grenze“ wurde bei dieser Lichtintensität erst bei 3-4 facher Kohlen- säurekonzentration erreicht (s. Abb. 3). Bei höheren Lichtintensitäten

12)"Bei Oxalis herrschte bei niedrigeren Lichtintensitäten und bis 3—4facher Kohlensäurekonzentration etwa direkte Proportionalität. Bei Stelluria nemorum stieg die Assimilation langsamer. Solche spezifische Unterschiede müssen natürlich für jede

Pflanze besonders ermittelt werden. An der prinzipiellen Bedeutung des Kohlensäure- faktors ändern diese Verhältnisse nichts.

Band 42. 23

354 NH. Lundegärdh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilation.

wird die Grenze später, bei noch schwächerem Licht als !/,, wahrschein- lich früher erreicht, aber in der Natur hat man meistens nur mit Kohlensäurekonzentrationen bis höchstens das Doppelte des Normalen zu rechnen (s. Lundegäardh 1921 und oben). Die Schattenpflanzen dürften also bei jeder Lichtintensität den Kohlensäurefaktor des Stand- ortes voll ausnützen können 12).

Wenn man die Assimilationskurven und die Atmung einer Pflanze kennt und dann die an dem Standort herrschenden Licht-, Kohlensäure- und Temperaturverhältnisse ermittelt, ist man imstande, die Kohle- hydratbilanz zu kalkulieren. Ich habe in meiner Arbeit 1921 durch ein paar Beispiele den Gang einer derartigen Berechnung angegeben, jedoch darauf hingewiesen, daß namentlich die im Wald herrschenden Beleuchtungsverhältnisse allzu unzureichend bekannt waren.

A DE SO NT 8 IL LOFELNTZF AL 25 3A INNEN EIS Abb. 8. Die tägliche Lichtkurve von drei verschiedenen Standorten.

Seitdem habe ich einen Lichtmessungsapparat konstruiert, der das assimilatorisch wirksame rotgelbe Licht alle Viertelstunden registriert. Der Apparat, der andernorts näher geschildert wird, hat die Gestalt eines kleinen Kastens, der direkt auf den Standort plaziert wird und die hier herrschende totale Lichtintensität auf einen durch eine Uhr be- wegten photographischen Film aufnimmt. Auf diese Weise ist es mög- lich, eine detaillierte Kenntnis von dem der Pflanze zugute kommenden assimilatorisch wirksamen Licht Zu bekommen.

Eine ausführliche Beschreibung der mit diesem Apparat erzielten Ergebnisse würde hier zu weit führen. Ich beschränke mich darauf,

5 E 2 3 &

H. Lundegärdh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilation. 355

einige Kurven mitzuteilen, die die an einem hellen Tag Baden Lichtverhältnisse in einigen der in Tab. V angegebenen Assoziationen wiedergeben.

Betrachten wir zuerst die in Abb. 8 dargestellten Kurven von Oxalis acetosella, Viola palustris und Majanthemum bifokium, die an einem son- nigen, wolkenlosen Tag aufgenommen wurden, so sehen wir gleich, dab dieselben einen unregelmäßigen -Verlauf haben im Vergleich zu der Normalkurve des maximalen Tageslichts. Dies beruht darauf, daß die Sonnenstrahlen zwischen den Blättern der Baumkronen hindurchsickern und begrenzte Flecken auf den Boden bilden, die sich natürlich mit dem Gang der Sonne bewegen und über die Pflanzen hinweggleiten. Die kurz dauernden Maxima der Kurven rühren von solchen Sonnenflecken her (s. besonders Abb. 9 und die Majanthemum- und Oxalis-Kurven in Abb. 8). Auch das diffuse Licht ist natürlich im Wald ähnlichen Schwankungen unterworfen, obwohl diese schwächer sind, wie man namentlich aus den bei wolkenbedecktem Himmel aufgenommenen Kur- ven ersieht. Wegen der hier angedeuteten Verhältnisse empfangen die Schattenpflanzen das stärkste Licht selten am Mittag, sondern meistens in den späten Vormittags- oder frühen Nachmittagsstunden, je nach der Lage der Assoziation im Verhältnis zu den schattengebenden Bäumen oder Bodenhügeln.

Die gebrochene Linie, die mit

ei ] bezeichnet ist, bedeutet die-

jenige Lichtintensität, wo die Atmung und die Assimilation einander das Gleichgewicht halten (vgl. Lundegärdh 1921, S. 76). Bei einer frei auf dem Waldboden stehenden Oxalis-Pflanze liefert die Assimilation etwa von 8 Uhr vormittags bis 4 Uhr nachmittags an sonnigen Tagen einen positiven Gewinn. Bei Oxalis-Pflanzen, die unter Farnen, also an der unteren Lichtgrenze wachsen, bringen die Sonnenflecken eigent- lich erst die Möglichkeit, die Assimilationsarbeit für kürzere Zeiträume aui der positiven Seite zu halten.

An der Hand der Lichtkurven und der Assimilationskurven so- wie der Atmungswerte (vgl. 1921, S. 76) kann man eine recht genaue Berechnung der täglichen Kohlehydratproduktion der Blätter anstellen. Für diejenigen Oxalis-Pilanzen, deren Lichtkurven in Abb. 8 dargestellt sind, gestaltet sich die Berechnung folgendermaßen :

Luft CO, 0,57 mg pro Liter

Assimilation in mg CO. 9.15 V.M. 4.30 N.M. +1,82 mg "9 In den Sonnenflecken +0,80 mg

Atmung EI ar 4 V.M. 9.15 V.M. 0,48 mg . N ABOENME N TIN.M een = NEE N Sa 7? N.M. 4 V.M. 2,70 mg Summe 0,94 mg

Luft CO, 0,68 mg pro Liter (nach Tabelle V)

Assimilation in mg CO, 8.30 V.M. 5 N.M. +2,21 mg ».» » in den Sonnenfleeken +1,20 mg

Abm) u ma AONENL 8.30 0.16 0,36 me nalen 5 N.M.— 7 N.M. 0,36 mg h EN. SE VO mg

Summe +0,12 mg 23*

356 AH. Lundegärdh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilation.

Es würde also ein Defizit resultieren in normaler Luft. Dieses wird aber in ein geringes Plus verwandelt dank des stärkeren Kohlen- säurelaktors und dank der drei Sonnenflecken (vgl. Abb. 8), die etwa

a DE - Ai N E 100 ass, er 5 fi Bee le el ne

BEE n

ee Abb. 9. Die tägliche Lichtkurve eines unter Farnen stehenden Oxalis-Bestandes.

die Hälfte der ganzen Assimilationsarbeit veranlassen. Für die an sehr schattigen Standorten wachsenden Oxalis-Pflanzen (Abb. 9) gibt die Be- rechnung folgendes Ergebnis:

Luft CO, 0,57 mg Luft CO, 0,68 mg Assimilation in mg CO, +0,80 mg +1,00 mg Atmung EN 620%, ne | Summe 5,46 mg 4,96 mg

Hier wurde fast nur in den „Sonnenflecken“ assimiliert, aber diese haben zu kurz gedauert; das Defizit ist deshalb sehr erheblich. Diese Berechnungen erheben natürlich keinen Anspruch auf größere Exakt- heit. Denn man sollte auch die tägliche und nächtliche Temperaturkurve, ferner die Öffnungsweite der Stomata usw. berücksichtigen (s. Lun- degeärdh 1921, 8. 794). Auf Grund .der kühleren Nachttemperatur wird z. B. der Verlust infolge der Atmung niedriger als wir angenommen haben. Trotzdem ist nicht daran zu zweifeln, daß die ausgeprägten Schattenpflanzen im Sommer vielfach unterhalb der Hungergrenze leben. Nur im Frühling vor der Laubentfaltung der Bäume, der Sträucher und der Farne bekommen sie so viel Licht, daß sie das Kohlehydratkapital ansammeln können, an dem sie im Sommer zehren (vgl. Hesselman 1904). Vielleicht bildet der Spätherbst eine ähnliche Assimilations- periode. Erst die etwas günstiger plazierten Oxalis-Pflanzen vermögen so viel Assimilate zu bilden, daß sie die Atmung gerade in Schach halten, aber dies zum großen Teil nur dank der Sonnenflecken und des höheren Kohlensäurefaktors. Unsere Beispiele hatten nur den Zweck, die auber- ordentliche ökologische Bedeutung dieser beiden Faktoren aufzuzeigen.

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H. Lundegärdh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilation. 357

Eingehende Untersuchungen unter Berücksichtigung der ökologischen Faktoren?) werden die wichtige Frage der Kohlehydratbilanz der Schattenpflanzen mehr im Detail aufklären.

Betreffs des Grades der Anpassung an schwaches Licht herrschen bekanntlich unter den Pflanzen große Unterschiede, die wahrscheinlich zum großen Teil in der Beschaffenheit der inneren Assimilationsfak- toren wurzeln. Wir fanden ja oben S. 342, daß der Chlorophyllifaktor verschieden stark sein kann. Um so mehr Chlorophyll die Pflanze auf der Einheit Fläche oder Frischgewicht besitzt, um so vollständiger kann sie die dargebotenen Licht- und Kohlensäuremengen ausnützen. Oxalis hat z. B. einen starken Chlorophylifaktor vgl. S. 343, 346) und sie Ist ja auch eine sehr ausgeprägte Schattenpflanze. Man kann auch beobachten, daß die an sehr schattigem Standort wachsenden Pflanzen dunkelgrün gefärbt sind, während diejenigen, die an lichteren Stellen stehen, meistens hellgrün sind mit einem Stich ins Gelb. Es gibt wohl verschiedene Formen oder Rassen, die durch einen verschieden starken Chlorophylifaktor ausgezeichnet sind und deswegen eine verschiedene Ausbreitung haben. Unter den übrigen inneren Faktoren sind die anato- misch-zytologischen Dimensionsverhältnisse zu nennen. Daß auch der „Protoplasmafaktor“ spezifische Unterschiede aufweist, daran kann man nach Willstätters Untersuchungen nicht zweifeln (vel. S. 343).

Aus dem Gesagten erhellt, daß das „spezifische Assimilationsver- mögen“ der Pflanzen durch eine Reihe von Faktoren bestimmt wird. Die Schattenpflanzen sind in dieser Hinsicht von besonderem Interesse, da hier alle Faktoren, sowohl die inneren wie die äußeren, in der Nähe des Minimums vorhanden sind. Deshalb spielen schon kleine Schwan- kungen irgendeines Faktors eine große Rolle in ökologischer Hinsicht. Und jeder Faktor kann hier, ökologisch betrachtet, für die anderen ein- treten. So bildet die höhere Kohlensäurekonzentration eine Kompen- sation für das schwächere Licht. Die höchste Kohlensäurespannung herrscht dicht am Boden oder in Spalten und Höhlen, also wo das Licht gerade minimal ist. Unter den inneren Faktoren bildet namentlich das Chlorophyll und die Blattgröße eine Kompensation für das schwache Licht. Die durch den anatomisch-zytologischen Bau bedingten Übel- stände hinsichtlich der Durchlüftung werden wiederum durch den inneren Chlorophylifaktor oder den äußeren Kohlensäurefaktor kompensiert usw.

Bei den Sonnenpflanzen liegen die Verhältnisse insofern anders, als hier ein Faktor, nämlich das Licht, in Überschuß vorhanden ist. Alle anderen Faktoren befinden sich also hier gegenüber dem Licht im Minimum. Sonst ist natürlich auch für die Sonnenpflanzen die „spezi- fische Assimilationsintensität“ sehr wichtig. Unterschiede im Chloro- phyllfaktor!*®), im Plasmafaktor usw. resultieren in einem besseren oder schlechteren Gedeihen der Pflanzen, was im Hinblick auf die furchtbar scharfe Konkurrenz der Sonnenpflanzen sehr viel bedeutet. Jedoch

13) D.h. vor allem das Licht, die Kohlensäure, die Temperatur, die Spaltöffnungen. 14) Vgl. Westermeier, Zeitschr. für Pflanzenzüchtung. Bd. 8, 1921, S. 14.

358 H. Lundegärdh, Zur Physiologie und Ökologie der Kohlensäureassimilation.

spielen für die Sonnenpflanzen andere ökologische Verhältnisse, wie z. B. die Transpiration, eine größere Rolle als für die Schattenpflanzen. Die Assimilation als Anpassungskomplex tritt dort nicht so sehr in den Vordergrund. Es würde jedoch weit über den Rahmen dieses Auf- satzes gehen, wollten wir alle die mit dem Assimilationsvorgang im Zu- sammenhang stehenden biologischen Anpassungen zu schildern ver- suchen.

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Zitierte Literatur.

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F. Roch, Beitrag zur Physiologie der Flugmuskulatur der Insekten. 359

Beitrag zur Physiologie der Flugmuskulatur der Insekten. Von Felix Roch.

(Aus dem zoologischen Institut der Universität Berlin.) Mit 2 Abbildungen.

Die im folgenden zu schildernden Experimente beschäftigen sich mit der Frage, welchen Einfluß die Amputation der Insektenflügel auf die Schwingungszahl derselben besitzt. In seiner Arbeit über die Halteren der Fliegen hat v. Buddenbrock!) hervorgehoben, „daß die Frequenz des Flügels im stärksten Maße von der Belastung des- selben abhängt.“ Wird nämlich die Belastung des Flügels künstlich durch Aufkleben eines Pappstückchens erhöht, so verlangsamt sich das Schwingungstempo erheblich; tritt jedoch infolge teilweiser Amputation des Flügels Unterbelastung ein, „so steigt die Frequenz um so höher, je kleiner der restliche Flügelstumpf ist“. Bei Tipwla, deren normale Flügellänge 22 mm beträgt, ist, wie in jener Abhandlung angegeben wird, bei Stutzung der Flügel auf 10 und 5 mm ein Ansteigen der Frequenzziffer von 9 auf 12 bezw. 20 festzustellen. Aus dieser Schilde- rung, die sich offenbar auf die Stutzung beider Flügel bezieht, geht jedoch nicht hervor, wie sich ein Insekt benimmt, dem nur ein Flügel verkürzt ist. Der Feststellung dieses wichtigen Punktes sollen die nachfolgenden Erörterungen dienen.

Als Versuchstiere nahm ich Vertreter dreier verschiedener Fami- lien der Dipteren. Zunächst benutzte ich Tipula, die sich ja wegen der Länge ihrer Flügel zu derartigen Versuchen besonders gut eignet; dann zog ich von den Asiliden Zaphria und von den Musciden Call- phora heran. Die Tiere wurden am Rücken des Thorax mit Synde- tikon an einem Drahtgestell festgeklebt und die Flügelschwingungen auf einem am Flügelende vorbeigleitenden berußten Glasstreifen auf- gezeichnet (Schußkymograph von Ritter)?). Mit jedem Individuum machte ich drei kymographische Aufnahmen und zwar bestimmte ich zuerst die Schwingungszahl eines Flügels des normalen Insekts; dann stutzte ich diesen Flügel zur Hälfte, während der andere unversehrt blieb, und ließ den Glasstreifen an dem verkürzten Flügel vorbei- schießen. Schließlich stutzte ich auch den andern Flügel zur Hälfte und machte mit dem schon zweimal benutzten Flügel auch noch die dritte Aufnahme. Beim Vergleich dieser Aufnahmen (s. Abb. 1) gelangte ich nun zu folgendem interessanten Resultat:

| Tipula a Laphria | Calliphora a) normales Tier \ 6 Schläge | 12 Schläge | 15 Schläge b) dasselbe Tier nach Stutzung eines Flügels | 6 4 11 14 R ec) dasselbe Tier nach Stutzung beider Flügel | 10 | 14 ® 19 x

1) v. Buddenbrock, Die vermutliche Lösung der Halterenfrage. Pflügers Archiv für die gesamte Physiologie des Menschen und der Tiere, 1919, Bd 175, 3/6.

2) W. Ritter, The flying apparatus of the blow fly. Smithson. mise. Coll. Vol. 56, Nr. 12, 1911.

360% F. Roch, Beitrag zur Physiologie der Flugmuskulatur der Insekten.

Wir sehen zunächst aus dieser Tabelle, die sich aus den beigegebenen Abb. nach Photographien ergibt, daß entsprechend den v. Budden- brock’schen Beobachtungen bei beiderseitiger Flügelstutzung die Frequenz steigt. Ganz anders dagegen verhält sich das einseitig operierte Tier; es zeigt sich, daß die Zahlen der zweiten Kymogramme (s. b in Abb. 1) niemals die der ersten (s. a in Abb. 1) übersteigen, obwohl der in Betracht kommende Flügel nur halb so lang ist wie in der ersten Aufnahme. Hieraus läßt sich also der Schluß ziehen, daß eine einseitige Flügelstutzung keinen Einfluß auf die Schwingungs- zahl beider Flügel besitzt, sowie daß der kürzere Flügel nicht, wie man vielleicht annehmen könnte, infolge seiner geringeren Belastung schneller schwingt.

Daß bei den dritten Aufnahmen die Zahlen im Verhältnis zu denen bei der ersten nicht noch höher sind und bei Laphria und Calli- phora nach Verkürzung eines Flügels die Zahlen sogar etwas zurück- gingen, möchte ich als eine leichte Ermüdungserscheinung der Tiere auffassen, denn schon während der Dauer der Versuche und nament- lich nachher konnte ich eine gewisse Ermattung der Insekten fest- stellen. Immerhin zeigen die Versuche mit aller Deutlichkeit, daß in keinem Falle nach einseitiger Amputation der kürzere Flügel schnellere Schwingungen ausführt als vorher.

Im Anschluß hieran schritt ich nun noch zu Parallelversuchen mit Apes, also einem Vertreter der Hymenopteren, die zwar vier Flügel besitzen, aber, da sich beim Fluge Vorder- und Hinterflügel miteinander verbinden und somit eine Einheit ergeben, physiologisch als zweiflüglig anzusehen sind. Durch Kymogrammaufnahmen von Apis, die ich derselben Versuchsanordnung wie bisher die Dipteren unterwarf, erhielt ich folgendes (s. Abb. 2):

| Apis

a) normales Tier 32 Schläge

b) dasselbe Tier nach Stutzung eines | 32 Flügels (Vorderflügels)

c) dasselbe Tier nach Stutzung beider | 39 Flügel (Vorderflügel)

”»

Diese Zahlen besagen also dasselbe wie bei den Dipteren. Es läßt sich demnach auch hier der Satz aufstellen: Nach Verkürzung eines Flügels (hier eines Vorderflügels) erhöht sich dessen Schwingungs- frequenz nicht, sondern behält denselben Wert wie vor der Ampu- tatıon bei und schwingt folglich mit dem längeren Flügel synchron; wenn dagegen beide Flügel verkürzt sind, ergibt sich für beide eine höhere Schwingungszahl als die normale.

Suchen wir nun zu einer Erklärung dieser merkwürdigen Ergeb. nisse zu gelangen. Zunächst ist ganz offenbar die Schwingungszahl

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Abb. 1.

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362 F. Roch, Beitrag zur Physiologie der Flugmuskulatur der Insekten.

von der Belastung der Flügel abhängig, Wir sahen, daß sich die Schwingungszahl bei geringerer Belastung beider Flügel erhöht. Diesen Zusammenhang kann man vielleicht durch die Formel: E = BF aus- drücken, wobei E die vom Tiere aufzuwendende Energie bezeichnen soll, B die Größe der Belastung der Flügel und F die Frequenz der Schläge. Darnach würde sich, wenn man die Energie als einiger- maßen konstant annımmt und das Produkt BF denselben Wert be- halten soll, ergeben, was der Versuch lehrt, daß bei wachsender Be- lastung sich die Frequenz verringert, und umgekehrt die Frequenz zunimmt, wenn die Flügel gestutzt sind. Diese Formel trifft jedoch, wie die Versuche beweisen, nur zu, wenn beide Flügel eine Kürzung erfahren. Bei einseitiger Flügelstutzung nimmt die Gesamtbelastung der Flugmuskulatur ohne Zweifel ab; es müßte folglich die Schwingungs- zahl soweit ansteigen, daß B’F’ wiederum gleich E ist. Da dies nicht eintritt, sondern die Frequenz des gekürzten Flügels genau die gleiche wie vorher bleibt, so folgt hieraus, daß die Belastung nicht in allen Fällen für die Frequenz der Flügelschläge allein maßgebend ist. Man könnte nun versucht sein, die Ursache für das Verhalten des einseitig gestutzten Insekts in einer anatomisch bedingten Synchronität beider Flügel zu sehen. Bekanntlich haben wir es bei den Dipteren und Hymenopteren mit einer indirekten Flugmuskulatur zu tun, d. h. die Bewegung der Flügel wird nicht durch direkt an den Flügeln an- sitzende Muskeln verursacht, sondern geschieht dadurch, daß infolge abwechselnder Zusammenziehung und Erschlaffung der thorakalen Längs- und Transversalmuskelpartien eine Deformierung des Thorax alternierend in der Längsachse und in dorsoventraler Richtung erfolgt und hierdurch die in die Wandung eingelenkten Flügel in Schwingungen versetzt werden. Durch diese Anordnung ist es vielleicht mit bedingt, daß beide Flügel synchron schwingen; denn, wenn sich z. B. auf der einen Seite eine Muskelpartie kontrahiert, müßte durch die damit verbundene Näherung der Thoraxplatten sich auch der entsprechende Teil der Muskulatur auf der andern Seite kontrahieren. Die ana- tomischen Verhältnisse dürften aber sicherlich nicht ausreichen, das Phänomen erschöpfend zu erklären; gerade sie müßten uns viel- mehr zu dem Schluß führen, daß das einseitig operierte Insekt zwar synehrone aber, infolge der geringeren Gesamtbelastung, schnellere Schwingungen ausführt als das normale. Aus dem Experiment ge- winnt man dagegen die Vorstellung, daß die Seite des normalen Flügels garnicht von dem beeinflußt wird, was auf der andern Seite vorgeht, sondern lediglich ihren eigenen Rhythmus der andern Seite aufzwingt. Es scheint hiermit bewiesen zu sein, daß noch ein anderer Faktor für das Zusammenarbeiten der Flügel maßgebend sein muß, nämlich eine Koppelung der beiden Hälften des in Frage kommenden Thorakalganglions derart, daß vom Ganglion nach beiden Seiten nur ein und derselbe Schwingungsrhythmus weitergegeben werden kann. Der ganze Vorgang, der rein reflektorischer Natur ıst, verläuft dem-

F. Roch, Beitrag zur Physiologie der Flugmuskulatur der Insekten. 365

nach vermutlich folgendermaßen: die beiderseitigen Muskelpartien haben das Bestreben, sich je nach der Belastung des von ihnen in Bewegung gesetzten Flügels schneller oder langsamer zu kon- trahieren, werden jedoch durch nervöse Impulse vom Bauchganglion her angewiesen, beide im gleichen Rhythmus zu schwingen, wobei die langsamere Hälfte das Tempo angıbt.

Die hier geschilderte nervöse Koordination zweier an sich ge- trennter Muskelapparate steht nicht ganz allein da. Ähnliche Er- scheinungen konnte L. S. Schultze?°) bei seinen Untersuchungen am Salpenherz feststellen. Die Pulsation des schlauchförmigen Herzens wird dadurch hervorgerufen, daß durch Kontraktion des einen oder anderen Schlauchendes in periodischem Wechsel wellenförmige über das Herz hinfließende Bewegungen entstehen, die die Zirkulation des Blutes in der einen oder der anderen Richtung bewirken. Um nun die Frage zu lösen, an welchen Stellen die Kontraktionsreize ihren Sıtz haben, wurde das Herz von COyelosalpa pinnata in vier gleich- große Teile zerschnitten. Hierbei stellte sich heraus, daß alle Teile fähig sind, Kontraktionen auszuführen,’der Rhythmus der Zuckungen

‘jedoch bei jedem Teilstück verschieden ist. Die Koordination der

Bewegungen der einzelnen Abschnitte zur Erzielung einer gleichmäßig fortlaufenden Pulsationswelle kommt beim nicht operierten Tiere, wie der Verfasser angibt, dadurch zustande, daß „die schnelleren Pulse des Herzendes die Herzmitte zwingen, ihren langsameren Eigenrhyth- mus zugunsten einer einheitlichen Schlagfolge des ganzen Herzens auf- zugeben.“

Ferner sei hier auf die Untersuchungen über den Atemrhyth- mus von Limulus hingewiesen, von denen Jacques Loeb*) in seiner vergleichenden Gehirnphysiologie berichtet. Beim normalen Individuum schlagen bekanntlich alle Kiemenbeinpaare gleichzeitig in einem be- stimmten Rhythmus. Nun handelte es sich hier darum, festzustellen, ob diese koordinierten Bewegungen von einem irgendwo in den Ganglien befindlichen Zentrum aus einheitlich reguliert werden oder ob nur die rhythmische Bewegung eines Ganglions nötig ist, um auch auf alle andern die gleiche Phase zu übertragen. Zu diesem Zwecke trennte man die Verbindungen zwischen verschiedenen Gang- liengruppen durch, und es ergab sich, daß die einzelnen Gruppen in ihren Atembewegungen fortfuhren, in den In- bezw. Exspirations- phasen jedoch nicht mehr übereinstimmten. Dasselbe zeigte sich auch nach Isolierung einzelner Ganglien. Hiermit, glaubt J. Loeb, sei be- wiesen, daß ein allen Ganglien übergeordnetes Zentrum nicht in Be- tracht kommt, wohl aber notwendigerweise zur Erklärung einer koor- dinierten Atembewegung folgendes angenommen werden muß: „das

3) L. S. Schultze, Untersuchungen über den Herzschlag der Salpen. Jena- ische Zeitschrift für Naturwissenschaft, 35. Band, Jahrgang 1901.

4) Jacques Loeb, Einleitung in die vergleichende Gehirnphysiologie und ver- gleichende Psychologie. Leipzig 1399,

364 M. Hartmann, Über d. dauernden Ersatz d. ungeschlechtl. Fortpflanzung usw.

zuerst resp. das am schnellsten tätige Ganglion erregt die mit ihm nervös verbundenen, und das bestimmt die Phasengleichheit.“ Auch, was die koordinierte rhythmische Kontraktion des Schirmrandes der Medusen und der einzelnen Teile des Froschherzens betrifft, kommt der Autor in demselben Buche zu dem Schluß, daß „der Teil, welcher sich am häufigsten kontrahiert, die anderen Teile zwingt, in gleichem Rhythmus tätig zu sein.“

Aus diesen verschiedenen Beispielen, die eine gewisse Ähnlich- keit mit dem Resultat meiner Untersuchungen zeigen, ersehen wir, daß auch in anderen Tiergruppen nervöse Regulierungen zur Erklärung koordinierter Bewegungen gleichartiger Elemente angenommen werden. Deshalb erscheint es wohl gerechtfertigt, auch im vorliegenden Falle zu dieser Hypothese zu greifen; der Unterschied zwischen ihm und den angeführten Beispielen liegt nur darin, daß bei letzteren der schnellere Teil für die übrigen bestimmend ist, während beim Flug- mechanismus der Insekten die langsamere Hälfte den Ausschlag gibt.

Über den dauernden Ersatz der ungeschlechtlichen Fort-

pflanzung durch fortgesetzte Regenerationen. Experimenteller Beitrag zum Todproblem.

Von Max Hartmann. Kaiser Wilhelm-Institut für Biologie.

Problemstellung.

Die Versuche, über die ich im folgenden berichten möchte, sind hervorgegangen aus langjähriger, bis in das Jahr 1903 zurückgehen- der Beschäftigung mit dem Todproblem. In früheren experimentellen Arbeiten (1917, 1921) war durch Versuche an Kudorina elegans zu- nächst die. Jahrzehnte lang diskutierte Frage zur Entscheidung ge- bracht worden, ob Organısmen bei Ausschaltung der Befruchtung und unter Ausschluß sonstiger Regulationen ohne irgendwelche Schä- digungen ad infinitum gezüchtet werden können. (Potentielle Un- sterblichkeit im Sinne Weismanns). Durch die Eudorina-Versuche war die Frage im positiven Sinne beantwortet, und somit gezeigt, daß es ein Altern von Generationen bei Protisten nicht zu geben braucht. Wenn somit auch die sogenannte potentielle Unsterblichkeit der Protisten im Sinne Weismanns sachlich erwiesen schien, so war jedoch keineswegs das eigentliche Problem des Individualtodes und individuellen Alterns der Protisten damit berührt, ein Problem, das bekanntlich Weismann durch seine Fragestellung verwischt hat. Ich hatte nun früher schon mehrmals, besonders im Anschluß an Götte zunächst durch entwicklungsgeschichtliche Betrachtungen den Nachweis zu führen versucht, daß es einen natürlichen physiologischen Tod, einen Individualtod, auch bei Protozoen gibt, wobei Tod und Fortpflanzung zusammenfallen; ja viele Formen, speziell solche mit

M. Hartmann, Über d. dauernden Ersatz d. ungeschlechtl. Fortpflanzung usw. 365

multipler Vermehrung, weisen sogar bei der Fortpflanzung, ihrem Tode eine mehr oder minder große Leiche auf, auf deren Vorkommen bekannt- lich Weismann bei der Definition des Todes den Hauptwert gelegt hat. Und diese Formen sind durch allerhand Übergänge mit solchen verbunden, bei denen der ganze Zelleib bei der Fortpflanzung wieder mit verwendet wird. Was aber all diesen Formen auch bei Fehlen einer Leiche gemeinsam ist, das ist der scharfe Abschluß einer indi- viduellen Entwicklung, der mit der Fortpflanzung zusammenfällt und der Beginn einer neuen Entwicklung, der mit diesem Prozeß einsetzt. In dieser Formulierung läßt sich ein Individualtod auf alle Protisten auch die mit einfacher Zweiteilung ausdehnen.

Da aber nicht der formale Nachweis eines physiologischen Todes das wesentliche physiologische Problem ist, sondern die Frage nach einem individuellen Altern, so habe ich es für wichtig gehalten, schon um nicht in bloßen Wortstreitigkeiten und Begriffsspaltereien stecken zu bleiben, das hier vorliegende Problem in eine scharf formulierte physiologische Fragestellung zu bringen, die experimentell geprüft werden kann. Dieselbe lautet: „Ist es möglich, geschlossene biologische Sys- teme dauernd ın Assımilation und Wachstum zu er- halten, ohne Alters- und Degenerationserscheinungen und ohne Reduktion des Systems durch Teilung oder sonstige Regulierung?“ Oderumgekehrtausgedrückt: „Sind mit der Assi- milation und dem Wachstum auch bei Protisten, die sich nur durch Zweiteilung vermehren, nicht umkehrbare Ent- wicklungsvorgänge, also ein Altern, verbunden, und be- deutet die Fortpflanzung bezw. die Zellteilung bereits eine Verjüngung dieser Systeme?* Daran hätte sich noch die andere Frage anzuschließen: „Ist es möglich, die verjüngende Wirkung der Fortpflanzung durch eine andere Regulation des Systems zu ersetzen?“

Die hier mitzuteilenden Versuche beziehen sich nur auf die letzte Fragestellung, die ja bis zu einem gewissem Grade die Beantwortung der ersteren und zwar im Sinne einer verjüngenden Wirkung der Fort- pflanzung voraussetzt. Immerhin werden auch Versuche, die sich nur mit der, experimentellen Prüfung der letzteren Frage befassen, eine Beantwortung der ersteren Frage bereits in sich schließen !).

Um die Frage zu prüfen, ob die verjüngende Wirkung der Fort- pflanzung durch andere Regulationen zu ersetzen sei, muß man natür- lich zunächst die Fortpflanzung völlıg auszuschalten trachten, also genau in derselben Weise vorgehen, wie es bei der Prüfung der eventuellen verjüngenden Wirkung der Befruchtung bei den vielfachen Experimenten über diese Frage geschehen ist. Versuche von Rubner

1) Die Behandlung der ersten Fragestellung wird im Zusammenhang mit entwick- lungsphysiologischen Versuchen an Volvocineen demnächst an anderer Stelle gegeben werden.

366 M. Hartmann, Über d. dauernden Ersatz d. ungeschlechtl. Fortpflanzung usw.

an Hefezellen und von mir an Volvocineen (1904, 1921) haben er- geben, daß das für einige Zeit (bei Gonium sogar viele Wochen) möglich ist. Die betr. Volvocineen zeigten bei Unterdrückung der Fortpflanzung Riesenwuchs und die Kulturen starben nach einiger Zeit aus. Es muß also, wie diese Versuche ergeben haben, eine Ersatzregulation stattfinden. Wenn wir von allen sexuellen Phänomenen irgendwelcher Art absehen, so kommen hier zwei Vorgänge in Frage, Encystierung und Regeneration. Auf die verjüngende Wirkung der ersteren haben Goette undR. Hert- wig vielfach hingewiesen, und auf Grund der Versuche von Jahn habe auch ıch auf die eventuell verjüngende Wirkung der Sklerotien- bildung bei den Myxomyceten, die ja eine Encystierung ist, aufmerksam gemacht. Exakt experimentell geprüft ist diese Frage jedoch bisher noch nirgends und unsere eigenen Bemühungen haben uns noch nicht die dafür nötigen Bedingungen und Objekte auffinden lassen. Es bleiben somit nur fortgesetzte Regenerationsversuche unter Aus- schluß der Fortpflanzung.

Die Gesichtspunkte, die derartigen Regenerationsversuchen zu- grunde liegen, sind folgende: Man hat vielfach angenommen, und Popoff und Woodruff haben durch Versuche an Infusorien die Richtigkeit dieser Anschauung erwiesen, daß die Anhäufung von Exkretstoffen der Tiere selbst Depressionen, also Alterser- scheinungen hervorrufe.. Das geschieht normalerweise schon bei gewöhnlichem Wachstum und drückt sich nach R. Hertwig und Popoff an der Verschiebung der Kernplasmarelation während des Wachstums aus, die durch die Fortpflanzung (Teilung) bekanntlich wieder reguliert wird. Bei gesteigertem Wachstum unter Unter- drückung der Fortpflanzung wird man annehmen können, daß natürlich die Erscheinung in erhöhtem Maße auftritt. Andererseits hat Child den meiner Meinung sehr beachtenswerten Gedanken ausgesprochen, daß das Wesen des Alterns darin bestehe, daß in den älteren Zellen der ganze Metabolismus gehemmt sei und daß durch die Teilung (Isola- tion resp. Verkleinerung des Systems) eine Verjüngung durch Zu- nahme des Metabolismus und Forträumung der für den Metabolismus vorhandenen strukturellen Hindernisse zustande komme. Bei der Be- gründung dieser Auffassung stützt er sich auf Experimente an Pla- narien. Wenn diese beiden Gedankengänge richtig sind (und die ausgeführten Versuche sprechen in hohem Maße dafür), dann müßte es aber möglich sein, durch eine ganz andersartige Regulation, näm- lich die künstliche Verkleinerung des biologischen Systems vor Ein- trıtt der natürlichen Teilung die verjüngende Wirkung des Systems zu erzielen, und auf diese Weise eventuell für längere oder kürzere Zeit die Fortpflanzung auszuschalten. Solche Versuche habe ich in den letzten Jahren 1920/21/22 an verschiedenen Infusorien und an Turbellarien durchgeführt, worüber im folgenden eingehend berichtet werden soll?)

2) Inzwischen hat auch Goetsch (1921) über gleiche Versuche an Hydren be- richtet, die aber nicht zu einer Lösung des Problems führten (s. unten S. 369 Anm. 5).

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M. Hartmann, Über d. dauernden Ersatz d. ungeschlechtl. Fortpflanzung usw. 367

A. Versuche an Stentor ceoeruleus.

Von Protozoen konnten bisher zu derartigen Versuchen nur In- fusorien benutzt werden. Wohl hatte ich gewünscht, ein günstigeres einzelliges Versuchsobjekt zu finden, das keine verschiedenen Kerne und vor allem auch nicht mehrere Kerne besitzt, also wirklich nur monoenergid ist. Doch stand mir bisher kein derartiges Protozoon zur Verfüung, das den sonstigen Anforderungen für solche Versuche genügte. Die Tiere müssen sich, nämlich 1. gut und gleichmäßig kultivieren lassen, so daß Kontroll-Individualzuchten geführt werden können, 2. gut rege- nerieren und 3. groß genug für die Operationen sein. Die beiden letzten Bedingungen trafen z.B. nicht für Actinophrys zu. Auch unter den Infusorien eignen sich viele Formen nicht, so z.B. Frontonia, die leider die Operation nicht vertrug und Bursaria, das sich zwar gut operieren ließ, aber auf die Operation mit Eneystierung reagierte. So konnten die Versuche bisher nur an Sientor coeruleus ausgeführt werden. Das Infusor wurde in Boverischalen oder in hohlgeschliffenen Objekt- trägern kultiviert bei einer Temperatur von 21° ım doppelt regulierten Thermostaten. Als Kulturflüssigkeit diente durch Berkefeldfilter fil- triertes Teichwasser (Grunewaldsee), dem als Futter eine Colpidium- aufschwemmung zugesetzt wurde. Die Colpidien ihrerseits wurden auf alkalischem Knop-Agar 0,75%, gezüchtet, wo sie ausgezeichnet gediehen. Mit einer Pipette Teichwasser wurden sie von der Agar- oberfläche abgeschwemmt und ein solcher Tropfen den täglich erneuten Stentorkulturen zugesetzt.

Selbstverständlich müssen neben den fortgesetzten Operationen auch Individualzählkulturen geführt werden. So fanden in derselben während der Dauer des Versuchs vom 15. IV.— 9. VI. 1920 36 Zellteilungen statt. Die Teilungsrate ist bei Stentor nicht so gleichmäßig, wie etwa bei Paramaecium und Kudorina elegans. Während in der Regel alle 24 Stunden eine Teilung erfolgt, stellt sich öfters eine Verlängerung auf 2 Tage, bisweilen sogar auf 3 Tage ein. Ich vermute, daß diese Schwankungen auf Wachstumsschwankungen infolge der Vielkernig- keit der rosenkranzförmige Macronucleus ist natürlich polyenergid zurückzuführen sind. Auch kommen natürlich durch das kompli-

zierte Fütterungsverfahren (Colpidienaufschwemmung aus Agarkulturen _ mit einem Bakteriengemisch) zahlreiche unkontrollierbare Faktoren zu den Bedingungen, die ungünstig auf die Teilungsrate einwirken können. Es wurden stets eine größere Zahl von Linien nebeneinandergeführt (4—8), um bei einem eventuellen Eingehen einer Linie keine Unter- brechung des Versuchs befürchten zu müssen. Im folgenden seı von einer sStentor-Linie (B,) als Beispiel das genaue Protokoll 1 mit- geteilt.

Die Regenerationsversuche wurden nun an Parallelserien von Stentor Aund B in der Weise vorgenommen, daß das betreffende Stentorindi- viduum, das gewöhnlich in hohlgeschliffenem Objektträger kultiviert wurde, noch bevor es die gewöhnliche Teilungsgröße erreicht hat

568 M. Hartınann, Über d. dauernden Ersatz d. ungeschlechtl. Fortpflanzung usw.

und irgendwelche Anzeichen von Teilungserscheinungen sich bemerk- bar machen, durchschnitten wurde. In der Regel wurde die Schnitt- richtung ungefähr durch die Mitte geführt, doch wurden auch Serien leiten. in denen entweder nur der Mundteil oder das Hinterende

Protokoll 1. Protokoll 2. Individualzählkultur von Stentor Dauerregeneration von sStentor eoeruleus (B,) 15. IV.—9. VI.1920. coeruleus (A!) vom 12. IV.—5. VI. Teichwasser filtriert, Colpidium- 1920. Teichwasser filtriert. Col-

aufschwemmung; 21° C. pidienaufschwemmung; 21° C. Nr. der : !

Teilungs- Nr. der Zwischen-

Gen un Be, Operation Dan zeit ratıon

1 15.TV, 2 1 12. 1Y. 5

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3 IB. 1 3 19, 2

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16 6. 1 16 18. 2

7 Tl 1 1 20.3 2

18 Bd, 5 18 22. 2

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34 Bl 1

35 DR 3

36 eng

abgeschnitten wurde. Die Operation wurde unter der, binokularen Lupe mit einem feinen Augenoperationsmesserchen ausgeführt und die durchschnittenen Teile dann mit der Pipette in frische Kulturflüssig- keit übertragen. Die Objektträger wurden in einer großen feuchten Kammer im Thermostaten von 21° gehalten und mit Oolpidium ge- füttert, also genau in derselben Weise wie die Zählkulturen. Auch

M. Hartmann, Über d. dauernden Ersatz d. ungeschlechtl. Fortpflanzung usw. 369

. hier wurden mehrere Serien nebeneinander geführt und die durch- schnittenen Teile gewöhnlich beide bis zur nächsten oder übernächsten Operation aufbewahrt und wieder mitoperiert, um im Falle des Ein- gehens eines abgeschnittenen Teiles, was sich natürlich nie ganz ver- hüten läßt, den ganzen Versuch nicht vorzeitig zu unterbrechen. Auf diese Weise konnten in der am längsten durchgeführten Serie 25 Ope- rationen an demselben Tier in der Zeit vom 12. IV.—5. VI. 1920 aus- geführt werden. In derselben Zeit fanden, wie oben berichtet, 34 normale Teilungen statt. Es darf angenommen werden, daß der Versuch hätte noch länger durchgeführt werden können. Protokoll 2 gibt die genaueren Daten und Belege wieder.

B. Versuche an Turbellarien.

Es lag nahe, solche Versuche nicht nur an Protozoen, sondern auch an niederen vielzelligen Organısmen mit vegetativer Vermehrung und weitgehendem Regenerationsvermögen durchzuführen. In erster Linie kamen dafür Hydren, Turbellarien und Anneliden in Betracht. Wir hatten Formen aus diesen 3 Gruppen zu anderen Zwecken schon ın Kultur genommen, nämlich um die Frage des Generationswechsels, also der echten Metagenesis exakt experimentell zu prüfen. Die bei Protisten, Algen und Pilzen (Klebs) durchgeführten Untersuchungen über die physiologischen Bedingungen der verschiedenen Fortpflan- zungsarten und die Frage der Möglichkeit der Ausschaltung der ge- schlechtlichen resp. ungeschlechtlichen Fortpflanzung sollten auch hier einmal exakt in Individualzuchten behandelt werden. Kollege Groß hat die Bearbeitung der Hydren übernommen und auch hier Regene- rationen unter den hier klargelegten Gesichtspunkten durchgeführt?). Er wird demnächst über seine Befunde selbst berichten. Herr Dr. B£&lar hatte Anneliden (Chaetogaster) kultiviert. Die Regenerationsver- suche fielen hier nicht günstig aus. Da die andere Frage (Generations- wechsel) inzwischen von Stolte eine ın unserem Sinne geführte, erfolg- reiche Bearbeiturg erfahren hat, wurden die Versuche aufgegeben. Ich selbst habe mit 2 Stenostomum-Arten gearbeitet, die sich für die Regenerationsversuche vorzüglich geeignet erwiesen. Die Voraussetzung für die Dauerregeneration mit diesen Vielzellern unter den oben klar- gelegten Gesichtspunkten ist selbstverständlich auch hier die Mög- lichkeit einer dauernden agamen Vermehrung unter Ausschluß von Sexualitätserscheinungen und sonstigen Regulationen, also das Problem, das bei Protozoen jahrelang diskutiert und bearbeitet und das durch die Kudorina-Versuche entschieden worden ist. Merkwürdigerweise ist diese Frage, also die Frage der sogenannten potentiellen Unsterlich- keit im Sinne Weismanns, wie ich schon früher hervorhob, bisher

3) Dieselben haben allerdings zur Lösung unserer Frage nichts beigetragen, da bei den Hydren, wie auch Goetsch gleichzeitig gefunden hat, der Knospungsreiz stärker ist, als der Regenerationsreiz, die vegetative Fortpflanzung sich also nicht aus-’ schalten läßt.

42. Band. 24

370 M. Hartmann, Über d. dauernden Ersatz d. ungeschlechtl. Fortpflanzung usw.

noch nie bei den vielzelligen Tieren bearbeitet worden, obgleich bei Formen mit vegetativer Vermehrung natürlich dieselbe Möglichkeit wie bei den Protozoen vorliegt. Aus diesen Gesichtspunkten heraus waren auch die Fragen bei Vielzellern von uns in Angriff genommen worden. Inzwischen hat Goetsch die Frage auch bei Hydren auf- geworfen und teilweise bearbeitet. Da die Entwicklung über die Möglichkeit der dauernd vegetativen Vermehrung ohne Sexualität und Depression etc. die Voraussetzung für die fortgesetzten Rege- nerationen bildet, so soll sie hier zuerst eine kurze Behandlung er- fahren.

I. Über die Möglichkeit der dauernden vegetativen Vermehrung bei Stenostomum (potentielle Unsterblichkeit).

Es erübrigt sich nach der eingehenden Behandlung der Unsterb- lichkeitsfrage in meiner Eudorina-Arbeit die Problemstellung hier nochmals zu erörtern. Sie ist die gleiche wie bei den Protozoen (s. 1921 S.258f). Die Würmer wurden in Boverischalen einzeln kultiviert und zwar ebenso wie die Stentoren in filtriertem Teichwasser mit Colpidien- aufschwemmung als Futter. Bemühungen, statt des in seiner Zu- sammensetzung natürlich nicht bekannten Teichwassers eine künst- liche stark verdünnte Nährlösung zu verwenden, gelangen nicht. Der Vorteil wäre auch insofern teilweise wieder hinfällig, als durch die Colpidienaufschwemmung wieder unbekannte Faktoren ın die Kul- turbedingungen hineingeraten. Doch lassen sich unter den ange- gebenen Bedingungen die Stenostomum, und zwar sowohl St. unicolor wie St. leucops vorzüglich kultivieren. Beide Formen eignen sich insofern sehr gut für diese Versuche (und das gilt noch mehr für Regenera- tionen), als die vegetative Vermehrung im Gegensatz zu der den ver- wandten Microstomum-Arten mit ihrer vielfachen Teilung (Kettenbil- dung) nur durch einfache Zweiteilung mit regelmäßig dazwischen ge- schalteter Wachstumsperiode sich vollzieht. Die Tiere wurden im Oktober 1919 in Kultur genommen und bis heute wurde noch keine sexuelle Fortpflanzung beobachtet. Vermutlich sind sie, ebenso wie Eudorina, unter den günstigen gleichmäßigen Bedingungen apogam geworden; doch bedarf diese Frage noch weiterer Beobachtungen und Experimente.

Die Zählkulturen wurden im Thermostaten bei 21° gehalten. Doch wurden zeitweise auch Parallelzuchten bei 16°—18°, 26° und 34° ge- führt. In 21° betrug die Teilungsrate von St. unicolor ın der Regel einen Tag, bei 16° 2 Tage, bei 26° !/, Tag, während sie bei 34° wieder annähernd auf einen Tag zurücksank. Bei 37° starben die Kulturen. Es ergibt sich also, daß Wachstum und Teilung innerhalb der Temperaturgrenzen von 16°—26° dem Vant Hoffschen Gesetz folgen. |

Er F

M. Hartmann, Über d. dauernden Ersatz d. ungeschlechtl. Fortpflanzung usw. 374 ' Protokoll 3.

Vergleich der Teilungsrate von Individualzählkulturen von Stenostomum unicolor bei verschiedenen Temperaturen im Februar und März 1920.

16-180 ET Nr. der Teilungs- Nr. der Teilungs- Gen. Datum ee Gen. Datum Sr la 13% IT% 1 1a IS SHE 1 2a T4:;:,3; 4 2a 14. „, 1 3a 4 3a 15.5, Er 4a 185%, 3 4a ie 2% Da 212, 2 5a 16.5 2 6a 2 6a 18%% 1 7a 282.8 2 7a 19. 1 8a 20... 2 8a 20.2, 1 9a Ba 9a 2 a 1 10a ° _ 10a ZEN, 1! ila a la DI 1 12a E= —_ 12 a 24. 1 13a = 13a ER 1 14a = _ 14a 26.7, 1 26 9 34 0 Nr. der Teilungs- Nr. der Teilungs- Gen. Datum Aus Gen. Datum BR lea la DE 1 1a SEINE 1 2a 142. un 2a MIA 28 3a un 34 I; 4a 1, 1, 4a 1b. 3 1, 5a SE "fs 5a I, "fa 6a 16%, un 6a 106% il a dere 2 a 122; 1 3a 19.&$ 1 8a 1opg re 1 ga 20:5 un 9a 19875 1 10a _ Eh 10a 1 lla ZA KR 2a 1la 2 1 12a == Un 12 a 2a N LE 13 a Da 1, 13 a —_ u 14 a 2/5 14 a RB

Auffallend war auch hier eine zeitweise weitgehende Schwan- kung der Teilungsrate, deren Ursache nicht ermittelt wurde. Während für St. unicolor die normale Teilungsrate 1 Tag beträgt, kann sie auf 2, 3 auch 4 Tage verlängert werden. Noch mehr gilt das für gewisse Linien für St. leucops, das dagegen in anderer Hinsicht besser kulti- vierbar ıst. St. unicolor wird nämlich verhältnismäßig leicht von einer Krankheit befallen, wobei die Tiere lokale Auftreibungen (Tumoren) erhalten und meist zugrunde gehen. Die Teilungsrate betrug bei der St. leucops-Linie A. 1920 durchschnittlich 2 Tage, stieg aber häufig auf 1 Tag und sank auf 3 Tage. Doch kamen gelegentlich Schwan-

24*

'

379 M. Hartmann, Über d. dauernden Ersatz d. ungeschlechtl. Fortpflanzung usw.

kungen von 4 bis5 Tagen vor. Noch größere Werte erreicht die Teilungs- rate bei der Zeucops-Linie D von 1921/22, gleichfalls mit den ent- sprechenden Schwankungen, wie der Vergleich der Protokolle 4 und 5 zeigt. Die bisherigen Angaben über die Teilungsraten von St. uni- color und leucops bezogen sich nur auf die Vordertiere, d. h. wenn zur Weiterzucht nach einer Zweiteilung stets nur das aus der vor- deren Teilhälfte hervorgegangene Individuum benutzt wird. Ganz

Protokoll 4.

Stenostomum unicolor Individual-Zählkultur 1920 21—22° C. Colpidium. Teichw. a Vordertier.

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42a In: 1 84a | 21. 1 7 Tumorbildung beim

Vordertier, darauf Tod am 10.. VI. 1920.

M. Hartmann, Über d. dauernden Ersatz d. ungeschlechtl. Fortpflanzung usw. 373

b = Hintertier.

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andere Werte für die Teilungsrate erhält man, wenn stets das Hintertier zur Weiterzucht genommen wird. Hier beträgt die Durchschnitt- teilungsrate für St. unicolor 3 Tage und die Schwankungen sind noch erheblicher; entsprechend liegen die Verhältnisse bei den Linien A und D von St. leucops, wie die Protokolle zeigen. Gelegentlich, aber äußerst selten, kommt es auch vor, daß statt der normalerweise sich findenden einfachen Zweiteilung vorübergehende Teilungshemmungen auftreten, so daß bei der Teilung, die aber meist nicht gleichzeitig er- folgt, 3 Tiere zustande kommen. Es liegt hier offenbar der Anfang von Kettenbildung vor, wie sie bekanntlich bei verwandten Formen (Mierostomum) angetroffen wird. Diese Dreierformen entstehen in der Weise, daß zuerst eine normale Zweiteilung angebahnt wird, jedoch das künftige Vordertier, ehe es sich abschnürt, schon die nächste Teilungszone anlegt.

Ich lasse nun die Protokolle einer Linie von St. unicolor beı 21° aus dem Jahre 1921 und zweier Linien von St. leucops (A u. D) eben- falls bei 21° aus den Jahren 1920 und 1921/22 folgen. Die Zählkul- turen von Vorder- und Hintertier sind dabei parallel aufgeführt, und das Vordertier nochmals durch den Buchstaben a, das Hintertier durch den Buchstaben b gekennzeichnet. Einige Male starb ein Tier der Vorder- oder Hintertierserie, und die Serie wurde dann durch das entsprechende Vorder- (a) resp. Hinter- (b) Tier der parallelen anderen Serie ersetzt. Ein solches von einer Hintertierserie abstammende Vordertier ist dann als (b)a [umgekehrt (a)b] bezeichnet.

374 NM. Hartmann, Über d. dauernden Ersatz d. ungeschlechtl. Fortpflanzung usw.

Protokoll 5. Stenostomum leucops (Klon A), Individualzählkultur, 1920. 21--22° C., Colpidium.

Teichwasser. a Vordertier, b = Hintertier. a a a ß Tei- Tei- Tei- Nr.der Nr. der Nr.der Datum | lungs- Datum | lungs- Datum | lungs- Gen. rate Gen. | rate Gen; rate FR | Learı29. DI 25a | IV: 28 49a | 14. VII. |2 281N28.,%; 2 26:27[3162°,, 1 SE WA Rs Lo >) 3a 30.05 1 2a IR 1 DEAN AI N Aa nal 2 2822 1.187, F Haan Bo. m 5a 2. IN] 29 a2 19, 2 Ban] 23 Bar DO 30a al DAa mode re h Reh BA 2 alla .2D.0 2 5d:a 126: Rulia N Saar Date. 56a 129... 1A gas. al 330.2 1.30.,.70. 8 57 a. 92. VEILSHT | 102217210. 8, 2 34a 2. VE 58a SA lol Ta. 12,365 2 35a Ds 2 59a se 4 12a 14.07 1 36a TEN 3 60a Ba e aa nl az on. |2 Bla Bat Be ee: 63a [10 12 uch) ER) a . - I16a7| 19 2 4a ala 5 haar 12.0 2 Ira al“ 1 Al a. 26:54 3 68: A 188,].22.,.% 2 42:2. 11229.,, 2 68,2..12.10.0,, 19a | 24. 3 434 EVER BT 2.20 | 20an| 27, , ji 44a ERS 1 68. | 29. 3 | 21a |, 28. |, 3 452 Bra 69 2 DEREN 2 22a IEUVESM WA; 46a DR 3 70a 3er 5 23a De 3 47a Bons 2 71 Br 24a N 3 48.21.10.) ,,; 4 a iR b b b Tei- Tei- Tei- Be Datum | lungs- na Datum | lungs- We Datum | lungs- rate i rate f rate 1b + 28.111: 3 22b IV, 2 30h lH VIT NG DNB BBlbı. I. Bach, 2 sb. Are 3.D. 312,5 4 24b D.nn. 7 37b 6.VIlL.| 4 4b 4.TV. 2 23h 1 2.,; 4 38.ba 10.0: 4 5b ER 3 26.b 1.10... 3 39:2 AA), 1 6b 9.0, 3 2b 57198, 3 A0b“ none, L. Da ZEN 4 28.b 1,22. ,; 5) 41'b..| 22. 6 SD 10.0: 4 29 Da 2L. 4 6 42’ BN 28..,,.8018 9:1. 20, 1 30 b 2. VI: 5 AI LO. IRENNED 10)5,.1n24.03, 3 3lb DER AL 44b | 15. 5 11b,|.24.°,; + 32:b-.14.\.,% 19 45b | 20. |— Be 33b 3.VH. | 8 ap 21(a)b| 28. 3m ıE 34. baue. rn, 6

Abgesehen von den erwähnten Schwankungen der Teilungsrate erfolgt also, wie die Protokolle zeigen, bei völligem Ausschluß sexueller Erscheinungen ein gleichmäßiges Wachstum und gleichmäßige vege-

M. Hartmann, Über d. dauernden Ersatz d. ungeschlechtl. Fortpflanzung usw. 375

attive Vermehrung ohne physiologische Degeneration und Depression. Die Versuche gehen bereits über zwei Jahre. Da die von 1920 geführte Zählkultur von St. unicolor bei Generation Nr. 90, resp. 84 abbrach und St. unicolor wegen der erwähnten leichten Erkrankungen nicht mehr in

Protokoll 6. Stenostomum leucops (Klon DII), Individualzählkultur. 18. I. 1921-6. III. 1922, Teichwasser filtriert, Colpidien-Aufschwemmung 20°,

a b Nr.der Teilungs- Nr.der Teilungs- Gen. Datum rate Gen. Datum rate 1921 1921 1a 182,01 5 1b T8.T 5 a < = 4a 285.05, 3 4b 0 Ar 4 ee 31: Pi 3 5b 30, 5 a 3% 6 6 b \ 8 I) 7a ga, 5 7b ou 10 2 IE 5 8 n Dose, 5 a en 9 AIR: 10a 20: )73;; 3 10 b SURaN,, 12 ne a a RE 12 3 DVz 13 a 9 0 ER My ä 13 b DAR Ren 32 14(b)Ja) 23. V. | 2 Von hier 14 b DIN IV: 11 15a 125. „| Sukmamirdem 156 M VEN 8 16a 30. 5 aTierd.b Serie 16b EP 10 17 a ee 9a Bl 17 b 2 25 18a N 18b 16. VII 1 Sn Me = I e en 2 ei an en a e = a ar En | 93 b 1V.ELL; N 34 ler 23 b ?. 24 24a FEVILT|NH En >4b Sh.N% 15 or Q Weitergeführ Br 36 (va a „» 1 V. Stt b Reihe 2. p = IX = A AD db | vo. X ha 28a 18. 16 28 b 18 12 29a RD 3 29 b 20 12 ce. a BINNEN 31b Ai iss 32a 7. XI: \20 >9 b 112036 33 a = a“ % 33b 1. 14 = a I: BS N: 34 b Be 10 5a DENE 36a 11..XII: |19 1922 E S fc ne 35 b LOSRTE: 11 99 36b DR 30 38 a 9 os || a 2 - ba 39a DONFEF RINDE 40a 15% 2E8 7.19 41a GAB

376 M. Hartmann, Über den dauernden Ersatz d. ungeschlechtl. Fortpflanzung usw.

Zählkultur genommen wurde, kommt als längste Zeit einer Zählkultur nur St. lexcops in Betracht. Auch von dieser Form brach die Zählkultur von Klon A im November 1920 infolge von Erkrankung ab. Während aber St. unicolor völlig eingegangen war, hatte sich St. lewcops in Massenkulturen, die seit November 1919 ununterbrochen unter stän- diger Kontrolle geführt wurden, erhalten. Von dieser aus wurde im Januar 1921 wieder eine neue Zählkultur (Klon D) angelegt, die bis heute weitergeht. Der Klon A erreichte bis jetzt (Juli 1922) 71 Gene- rationen, der Klon D60. Wenn man aus den vorher geführten Massen- kulturen die Teilungsrate des Klones D berechnet sexuelle Er- scheinungen können auch bei den Massenkulturen als völlig ausgeschlossen gelten so kommen wir auf eine Gesamtzahl von 170 Generationen (60 ın Zählkulturen + 110 in Massenkulturen 8 Teilungen pro Monat) für die Vor- dertiere des Klones D von St. leucops. Die Zahl dieser Generationen scheint mir aber auch hier zu genügen, um dieselben Schlüsse zu rechtfertigen, wie ich sie nach den Eudorina-V ersuchen für die Einzelligen gezogen habe, daß nämlich unter den gegebenen Bedingungen die Möglichkeit einer dauernden ungeschlechtlichen resp. vegetativen Vermehrung ohne Sexualität und ohne sonstige Regulation außer der gewöhnlichen Tei- lung auch für diese vielzelligen Organismen gegeben ist. Somit gilt also die sogenannte potentielle Unsterblichkeit der Proto- zoen im Sinne Weismanns nicht nur für gewisse Protozoen (durchaus nicht alle), sondern auch im Gegensatz zu den

sonstigen Anschauungen Weismanns über die Ursache und.

den ne des Daysiölosiccheu Todes auch von niederen vielzelligen Tieren mit Zweiteilung.

II. Regenerationsversuche an St. umicolor und St. leucops.

Die Regenerationsversuche an diesen Würmern wurden in der- selben Weise und unter denselben Bedingungen ausgeführt, wie sie oben für Stentor eoeruleus angegeben wurde. An Stelle der hohlge- schliffenen Objektträger wurden bei den späteren Versuchen nur noch Boverischalen verwendet, weil sich herausgestellt hatte, daß die Ob- jektträgerkulturen (wohl wegen der geringen Menge von Kulturflüssig: keit) leichter Schädigungen ausgesetzt sind. Andererseits sind die ca. 12 mm großen Würmchen groß genug, um als Einzelindividuen unter der Lupe leicht auch in den größeren Boverischalen sich auf- finden zu lassen, was durch ihre weiße Farbe noch erleichtert wird. Die Operation ist bei den Turbellarien ebenfalls bequemer als bei den Stentoren durchzuführen. Immerhin erfordert sie eine gewisse Übung und Ge- schicklichkeit, da die Tiere ständig in Bewegung sind und in der Regel während der Bewegung durchschnitten werden müssen. Be- sonders, wenn die Tiere an bestimmter Stelle (Vorder- oder Hinter- ende) geschnitten werden sollen, ist Vorsicht und Erfahrung nötig. Am besten gelingt es, wenn die Tiere langsam kriechend auf dem Grund der Schale sich fortbewegen.. Da St. leucops sich als wider-

SL EEE,

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M. Hartmann, Über d. dauernden Ersatz d. ungeschlechtl. Fortpflanzung usw. 377

standsfähiger gegen Schädlichkeiten erwiesen hat und daher längere Serienversuche mit dieser Form durchgeführt werden konnten, so gebe ich im folgenden nur von St. leucops ‘genauere Mitteilungen und eingehende Protokolle. Von dieser Form wurden vom Januar 1921 bis März 1922, also über ein Jahr lang 4 Hauptserien von fortgesetzten Regenerationsversuchen durchgeführt. I. Serie. Vordere resp. hintere Hälfte nach Durchschneiden der Mitte weiter geführt. 2. Serie. Desgl. 3. Serie. Tier, dem immer nur ein kurzes Stück (etwa !/, bis !/,) des Hinierendes abgeschnitten wurde. 4. Serie. Tier, dem stets nur der Kopf (etwa !/, bis !/, des ganzen Tieres) abgeschnitten wurde.

Es wurden also bei der ersten und zweiten Serie von einem durchschnittenen Tier stets nur die vordere Hälfte dauernd nach jeder Operation weiter gezogen und nach Heranwachsen in der gleichen Weise wieder operiert, resp. umgekehrt die hintere Hälfte. Die Zeit für diese künstliche Regeneration und das darauf erfolgte Wachstum

Protokoll 7. Stenostomum leucops Dauer-Regenerationsserie 1. 29. I. 1921—6. III. 1922. Teichwasser filtriert; Colpidienaufschwemmung; 21° C.

Nr. der Zwi- Nr. der Zwi- Nr.der Zwi- Ope- | Datum | schen- Ope- | Datum | schen- Ope- | Datum | schen- ration zeit ration zeit ration zeit

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EHE 12 Baar WDR 3 38a. 28.6 5 11

7a DSELTE 4 23a: 284, 4

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Da TO, 24 25a Be 8 39a 8: rl. 6 10a GENE A 26: ar. 39.2 5, 8 40a | 14 ,„ 18 ln Sara Ar 6 27.0.2314, 9 4la 1.8 7 19. 5 25a EX, 4 42.b SEI ae, 12 TR a N: 6 29a De 17. 43.00, N 2060, 7 14a | 30. 7 Sdarl 22, 20 44a. 2%. 8 TS Ta RE 3la. 1X; 10 45a | 6 M.

dauert länger als für eine Teilung und bei einem Hintertier wieder etwas länger als bei einem Vordertier. Bei dieser Art der Operation besteht zwischen der normalen Teilung und der künstlichen Regene- ration gewissermassen nur ein geringer Unterschied. Bei letzterer wird die Zweiteilung verfrüht, durch einen gewaltsamen Eingriff durchgeführt, während bei der normalen Zweiteilung die mit der- selben verbundene Neubildung des Hinter- resp. Vorderendes bereits vor der Durchschnürung einsetzt. Es liegt also bei ersterer nur eine

378 M. Hartmann, Über d. dauernden Ersatz d. ungeschlechtl. Fortpflanzung usw.

etwas verfrühte und experimentell geänderte Zweiteilung vor. Für unser Problem bedeutet daher die Versuchsanordnung der Serie 3 und 4 eine weit eindringlichere und unzweideutigere Antwort, weil hier ein von der normalen Zweiteilung völlig abweichender experimenteller Vorgang die Teilung überflüssig macht. Bei Serie 3 und 4 dauert die Zeit der Regeneration und des Teilungswachstums in der Regel noch kürzer als bei der Serie 1.

Protokoll 8. Stenostomum leucops Regenerationsserie III. (Entfernung des Hinterendes). Vom 22.1. 1921—17. IX. 1921. Teichwasser filtriert; Colpidien-Aufschwemmung; 21°C.

Nr.der Zwi- Nr. der Zwi- Ope- | Datum | schen- Ope-., Datum | schen- ration zeit ration | zeit

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Öfters wurden auch die beiden andern Möglichkeiten, fortgesetzte Regeneration eines abgeschnittenen Kopfteiles (Umkehrung von Serie 4) und fortgesetzte Regeneration eines abgeschnittenen Hinterendes durch- geführt, Versuche, die ebenfalls positiv ausfielen, wenn auch die Zahl der mißglückten Versuche natürlich erheblich größer ıst. Da lange Serien- versuche in dieser Anordnung für unser Problem weniger wichtig als Serie 3 und 4 sind und Untersuchungen über den Vorgang der Re- generation selbst nicht in unserem Plane lagen, so wurden sie nicht länger durchgeführt. Die Regeneration dauert natürlich bei diesen kleinen Köpfen erheblich länger als bei allen sonstigen Versuchen, wie das beigegebene kurze Protokoll zeigt.

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M. Hartmann, Über d. dauernden Ersatz d. ungeschlechtl. Fortpflanzung usw. 379

Protokoll 9. Stenostomum leucops Regeneration Serie IV (Entfernung des Kopfendes). ‚29. I. 1921—15. III. 1922. Teichwasser filtriert; Colpidienaufschwemmung; 21° ©.

Nr.der Zwi- Nr.der Zwi- Nr.der Zwi- Ope- | Datum | schen- Ope- | Datum | schen- Ope- | Datum | schen- ration | zeit ration zeit ration zeit 1921 19b | 103#VE 10 35h, loa 8 20b ; W200 7 39b.: | 2457, 6 EN 21h |27.0% 4 40b |30. | 15 3b 6, 7 22b 1. VII: 4 41b | 14... bi. ee 7 23b Dee 7 42h: .|,21.8% 17 5b 5 8 2A. 120005 7 43b 8 RI a 6b DE 9 25:b.:. 19.0085 2 4b |19. 11 ek 201 Al 2 3,D..W 30.005 7 7b 9,1 9 97h | 23 8 8b | 18. 9 "yr 9b 27 2 6 28h 1.=V.IEE 6 1922 Er 29b 1% 8 a 10b 2. IV 9 s0b | 15 # R 46b a 8 11b .|-11. I) Keen 47b | 14. 8 2 3ib.| 23. 16 > 123:b1:.195: 2% 5 22h 9. IX 13 Asb= 22... 17 i3b.1) 247%, 10 3b 99 1m 3 49b 85, H. 12 14b 4. aV. 11 34h Be 7 50:5. |,20:, 7 45b...1719. .@,, 11 35b 3 sr 5 5lb | 27. 7 165 26:0; 7 36h 8. i 4 52b | 6. III 9 17b 2.«Vl. 4 37b 10 A Haba line, a ie

Protokoll 10. Stenostomum leucops Regeneration IVa. Abgezweigt vom Kopf von St. IV 48b vom 22. I. 1922.

Nr. der Zwischen-

Operation Zu zeit 48(b)a| 22. I. 25 49a 16.18; 27 50a 15% III: 27

Ein weiterer Versuch ist noch von Interesse, weil er beweist, daß die fortgesetzte Regeneration auch nach langer Durchführung eine Weiter- führung durch normale Zweiteilung in keiner Weise beeinträchtigt. Die Regenerationsserie IlIa wurde nach der 33. Operation am 27. Oktober 1921 nicht wieder rechtzeitig operiert und das regenerierte Individuum teilte sich am 3. 11. normal. Die Tochtertiere wurden nun weiter- geführt und vermehrten sich in der Folge normal bis zum 14. Januar 1922 auf ca. 60 Tiere.

Zusammenfassend ist somit auch für diese Turbellarien wie für Stentor die Annahme berechtigt, daß durch fortgesetzte Re- generationendieFortpflanzungvölligausgeschaltet werden kann ohne irgendwelche Beeinträchtigungen und Schä- digungen für die Tiere. In Anbetracht der oben geschilderten Ver- suchsbedingungen bei St. leucops Serielllu. IV und der normalen weiteren

380 M. Hartmann, Über d. dauernden Ersatz d. ungeschlechtl. Fortpflanzung usw.

Teilung nach Serie II (Prot. 11), sowie der viellängeren Durchführung der Versuche über 1 Jahr kann dieser Schluß sogar als viel gesicherter gelten als für Stentor. Konnte doch in den besonders beweisenden Serien I und IV dasselbe Individuum durch 45 resp. 52 Operationen am Leben erhalten werden, während in der gleichen Zeit 47 normale Zwei- Protekoll;11. Stenostomum leucops Dauerregeneration Serie II mit nachfolgender Normalteilung. 22. I. 1921—27. X. 1921 resp. 14. I. 1922. Teichwasser filtriert; Colpidien- aufschwemmung; 21° C.

Nr.der| Zwi- Nr.der Zwi- Nr. der Zwi- Ope- | Datum | schen- Ope- | Datum | schen- Ope- | Datum | schen- ration zeit ration zeit ration zeit 1921 L3a= SH EN. 3 26a | 26. VIII. 3 12 @%.16.,25, 3 27 an og 14 a ereit. 1b. |.10. , 7 98a | 12. IX. | 10 lin 3 16.2.1. 26.: VW. 6 EN AI Mei, 4 17a NA 4 30a 2ER, 6 Ba .a8l 5 18a SR 10 3la Se 4 Baar 6 198,10. 8 32a m l20ren, 15 Ta SAL 7 20a 1 2A, 22 33a, Ze nens Bar 3 22.16 VI: 3 BORN 22a | 19. al 9a 15. 5 r i ( E Dh T30SLCH 4 geteilt am 3. XI. und 10a 20.» 5 Aa 3.VIHl, 4 von da ab bis 14. Jan. lila | 5. IV. 3 le 19 1922 normale Teilungen 12b 8. 5 % (50—60 Tiere)

teilungen stattfanden. Im März 1922 wurden die Regenerationsversuche an St. leucops abgebrochen in der Überzeugung, daß in Anbetracht der langen Dauer der Versuche mit dieser Methode die Tiere potentiell ad infinitum unter Ausschluß der Fortpflanzung am Leben erhalten werden können. Im Gegensatz zur Weismannschen potentiellen Unsterblichkeit der Protozoen wäre hiermit die experimentelle Mög- lichkeit von echter potentieller Unsterblichkeit von Indi- viduen und zwar von gewissen Protozoen wie Metazoen aufgezeigt. Wenn wir jedoch von dieser Formulierung der Ergebnisse absehen und uns auf die Beantwortung der eingangs gestellten physiologischen Frage beschränken, so ist jedenfalls durch die Versuche erwiesen, daß jegliche Fortpflanzung bei tierischen Organismen aus- geschaltet und .dieverjüngende Wirkung derselben durch fortgesetzte Regeneration ersetzt werden kann.

Zusammenfassung.

1. Stentor coeruleus kann in Individualzählkulturen in filtriertem Teichwasser mit Aufschwemmung von (olpidium (kultiviert auf Knop. Agar. mit Bakterien) gezüchtet werden. (35 Generationen in 52 Tagen).

2. Die Teilung von Stentor coeruleus-Individuen desselben Klons konnte innerhalb dieser Zeit durch 25 Amputationen desselben Individuums mit nachfolgender Regeneration ersetzt werden.

re

M. Hartmann, Über d. dauernden Ersatz d. ungeschlechtl. Fortpflanzung usw. 381

3. Die Turbellarien Stenostomum wunicolor und St. leucops wurden mit der gleichen Methode rein agam über zwei Jahre hindurch kultiviert, ohne physiologische Degeneration ete. Für diese viel- zelligen Tiere gilt also auch die potentielle Unsterblichkeit ım Sinne Weismanns.

4. Innerhalb der Temperaturgrenzen von 16° bis 26° folgen Wachs- tum und Teilungsrate von St. unicolor der Vant Hoffschen Regel (bei 16° vollziehen sich 10 Teilungen in 15 Tagen, bei 26° ın 7 Tagen).

5. Die Teilung von St. unicolor und St. leucops läßt sich durch fortgesetzte Amputationen mit nachfolgender Regeneration des- selben Tieres ersetzen. Ein Individuum von St. leucops (Ser. IV) wurde durch 52 Amputationen eines kleinen Kopfstückes, ein anderes (Serie I) durch 45 Amputationen der hinteren Hälfte über 13 Monate am Leben erhalten, während in derselben Zeit bei anderen Individuen desselben Klons 41 Teilungen stattfanden.

6. Individuen von St. leucops, bei denen montelang (ca. 9 Monate) durch fortgesetzte Amputation jegliche Fortpflanzung ausgeschaltet war, können sich weiterhin normal teilen.

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389 F. Süffert, Zur Morphologie und Optik der Schmetterlingsschuppen, .

Zur Morphologie und Optik der Schmetterlingsschuppen. (Vorläufige Mitteilung.)

Von Fritz Süffert. (Kaiser Wilhelm Institut für Biologie, Berlin-Dahlem, Abteilung Goldschmidt.)

Die älteren Angaben von Spuler, M. Baer u. a. über den Bau der Schmetterlingsschuppen, auf die in der Literatur bisher zurück- gegriffen werden mußte, sind sehr unvollständig und enthalten prin- zipielle Irrtümer und Unklarheiten, die durch falsche Deutung der schwierigen mikroskopischen Bilder entstanden sind. Die einzige gründ- liche Untersuchung über die optischen Erscheinungen an Schuppen von Biedermann läßt viele Fragen offen. Eine Neuuntersuchung schien

daher bei der Wichtigkeit des Objektes für allgemeine Probleme geboten.

Die hauptsächlichen Resultate sind folgende:

1. Der Bau der Normalschuppen.

Jede Schuppe besteht, wie bekannt, aus einer Oberseiten- und einer Unterseitenlamelle, die an den Rändern ineinander übergehen und zwi- schen sich ein lufterfülltes Lumen enthalten. Sie sind verbunden durch zahlreiche das Lumen durchsetzende Stützbälkchen, die ich „Trabekeln“ nennen will. Diese Trabekeln !), die ganz allgemein vorhanden sind, sind häufig falsch gedeutet worden: als Leisten, wozu Querschnitte leicht Anlaß geben; als Pigmentkörnchen im Aufsichtsbild; vielleicht sind sie auch mit den Zäpfchenreihen identisch, in die sich angeblich die Längsleisten der Oberseitenlamelle bei stärkerer Vergrößerung auflösen lassen, und die ich nirgends finden konnte.

Die Oberseitenlamelle ist fast stets in außerordentlich regelmäßige parallele Längsfalten gelegt, die nach außen scharfgeknickte Grate bilden. Diese Grate sind häufig zu kompakten Längsleisten verstärkt. Die dazwischenliegenden. Teile der Lamelle sind nur in seltenen Fällen kontinuierlich. Meist sind sie durchbrochen, so daß das Schuppen- lumen an vielen Stellen nach außen kommuniziert. Die Reduktion dieser Verbindungsteile kann verschieden weit gehen. Im einfachsten Fall steht zwischen je zwei Längsleisten eine mehr weniger regelmäßige

Längsreihe von runden Löchern (Lochreihentypus). Sind sehr viele -

unregelmäßige Löcher vorhanden und sind die stehenbleibenden Brücken sehr schmal, so daß sie als Stäbchen erscheinen, so entsteht ein unregel- mäßiges Maschenwerk (Netztypus). Denkt man sich eine regelmäßige Längsreihe von Löchern als Ausgangspunkt, so entsteht durch Ver- größerung der Löcher ein regelmäßiges System von übrigbleibenden Querleisten zwischen den Längsleisten (Leitertypus). Zwischen diesen Formen sind alle Übergänge zu finden, sie sind aber doch in ihrer typi- schen Ausbildung für gewisse systematische Gruppen charakteristisch,

1) A. G. Mayer (1896) beschreibt sie richtig und nennt sie „Pfeiler“.

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F. Süffert, Zur Morphologie und Optik der Schmetterlingsschuppen. 383

so der Lochreihentypus für Sphingiden, der Netztypus für Papilioniden, der Leitertypus für Nymphaliden. Die Verteilung der Trabekeln, so weit sie nicht unter den Längsleisten stehen, ist von den genannten Struk- turen abhängig. Sie stehen z. B. beim Lochreihentyp unter den meist wulstförmig verstärkten Lochrändern, beim Netztyp unter den Knoten- punkten der Maschen, beim Leitertyp zu 1—3 unter jedem Querleistchen.

Die Unterseitenlamelle ist in den meisten Fällen, so wie bisher be- kannt, sehr dünn, glatt und homogen. In gewissen Fällen aber trägt sie eine fächerförmige Anordnung von Falten (Thais) oder sogar von verdickten Längsleisten (gewisse Mikrolepidopteren). Meist stehen die letzteren in deutlicher Beziehung zu den Längsleisten der Oberseite als deren Verlängerung auf die Unterseite. Es sind sozusagen die Längs- leisten selbst, die an ihrem basalen und distalen Ende um die Schüppen- kante herum auf die Schuppenunterseite verlaufen und hier, indem sie nach einem Punkte nahe dem Schuppenstiel zusammenlaufen, das ge- nannte fächerförmige Bild geben.

Es sei erwähnt, daß ich weder die von M. Baer angegebenen röhrenförmigen Hohlräume in den Längsleisten, noch die nach Spuler im Chitin eingelagerten Pigmentkörnchen finden konnte.

2. Optische Erscheinungen an Normalschuppen.

Bei pigmentierten Schuppen (ich habe das Pigment stets als diffuse Färbung des Chitins gefunden) erklärt sich aus dem Vorhandensein eines dichten Waldes senkrechter Säulchen (Trabekeln) die starke Licht- absorption der Schuppen bei verhältnismäßig geringer Masse des Chitins und geringer Konzentration des Pigmentes (ähnliche Wirkung wie beim Samt oder der papillösen Epidermis mancher Blumenblätter).

Fragen wir uns, zu welchen optischen Phänomenen, abgesehen von der Lichtabsorption durch Pigmente, der geschilderte Bau der Schuppen Veranlassung geben kann, so finden wir vier: Weiß durch diffuse Re- flexion, Blau trüber Medien, Interferenzfarben durch dünne Blättchen, Interferenzfarben durch Beugung an feinen Gittern.

1. Das Vorhandensein zahlreicher unregelmäßig gegeneinander ge- neigter spiegelnder Flächen (Längsleisten, Querleistchen, Trabekeln, Unterseitenlamelle) bewirkt diffuse Reflexion und läßt die Schuppe weiß erscheinen, wenn Absorption ausgeschaltet, d. h. wenn die Schuppe ungefärbt ist. (Man sieht, es ist nicht richtig, zu sagen: die weißen Schuppen sind weiß, weil sie Luft enthalten. )

2. Findet die diffuse Reflexion an besonders kleinen Teilchen inner- halb der unpigmentierten Schuppe statt, so Kann, falls ein dunkler Hinter- srund, etwa durch eine dunkelpigmentierte Stützschuppe, gegeben ist, wie es tatsächlich häufig der Fall ist, das Blau trüber Medien er- scheinen (z. B. blaue Randilecken der Vanessen).

3. Wie schon Spuler festgestellt hat, ist die Unterseitenlamelle dünn genug, um als interferenzfarbengebende, dünne Schicht zu wirken.

384 F. Süffert, Zur Morphologie und Optik der Schmetterlingsschuppen.

Sie erzeugt tatsächlich ziemlich kräftige derartige Farben, die den ersten Ordnungen des Newtonschen Ringsystems angehören. Man kann sich davon leicht überzeugen, wenn man die Schuppen von der’ Unterseite betrachtet, indem man die Schuppenlage eines ganzen Flü- gels auf einer klebrig gemachten Fläche abzieht. Dabei fällt auf, dab verschieden pigmentierte Schuppenbezirke auch. in der Farbe ihres „Unterseitenglanzes“ sich unterscheiden. Es ist also dem chemischen Unterschied im Pigment ein Strukturunterschied (in der Dicke der Unterseitenlamelle) korreliert, es handelt sich in den verschiedenen

Zeichnungselementen nicht nur um verschieden gefärbte, sondern auch

um sonst verschiedenartige Schuppen. Die so im reflektierten Licht entstehenden Farbenbilder sind oft (z. B. bei Pyrameis atalanta) sehr reizvoll. Es fragt sich nun: Was ist von dieser Pracht normalerweise, d. h. von der Oberseite der Schuppen, zu sehen? Bei dunkelpigmen- tierten Schuppen naturgemäß sehr wenig. Und doch kann man bei auf- merksamer Betrachtung auch bei den dunkelsten Schuppen meistens Spuren davon sehen, die zum Teil für den Seidenschimmer der Schmet- terlingsflügel verantwortlich sind. Nachdem wir erfahren haben, dab die Oberseitenlamelle Löcher hat, ja meist nur aus einem Gitter besteht, ist daran nichts Merkwürdiges. Bei weniger dunklen Schuppen und bei solchen mit sehr weitem Oberseitengitter und mit weitstehenden Trabekeln wird die Erscheinung viel deutlicher (der Bronzeglanz vieler Noctuiden gehört hierher), zuweilen so deutlich, daß der Eindruck von Schillerfarben entsteht (Papilio philenor, Nyctalemon, Salamis, Anaea), am deutlichsten natürlich bei pigmentlosen Schuppen. Auf diese Weise entsteht zZ. B. das metallische Grün der Zentralschuppen in den Hinterflügelunterseitenozellen von Pyrameis alalanta.

Geht die Reduktion der Oberseitenlamelle so weit, daß nur noch die Längsleisten als der Unterseitenlamelle direkt anliegende Stäbe mit rudimentären Querleistchen und Trabekeln übrig bleiben, so haben wir eigentlich schon Spezialschuppen vor uns. Solche Verhältnisse, die den Unterseitenglanz am ungehindertsten durchtreten lassen, finden sich häufig bei den über den eigentlichen Schillerschuppen liegenden glas- klaren Deckschuppen von Morpho-Arten, wo dann der Unterseitenglanz der Deckschuppen mit der leuchtenden Farbe der Stützschuppen sich zu einem eigenartigen Farbenspiel kombiniert.

4. Gitter, deren Regelmäßigkeit und Feinheit zur Erzeugung von Beugungsfarben genügen, haben wir in den: Längsleisten, vor allem aber in den Querleistchen des Leitertypus vor uns. Die Abstände der letzteren betragen Bruchteile von 1 u. Tatsächlich lassen sich aufs Leich- teste Gitterfarben an Schuppen demonstrieren, wenn man auf ein wie angegeben auf Glas hergestelltes Klatschpräparat von der einen. Seite Licht senkrecht zur Schuppenebene einfallen läßt und von der andern Seite aus einer gegen die Lichtrichtung geneigten Richtung das Präparat betrachtet. Dann sieht man, wenn das Auge sich in einer Ebene be- findet, die von den Längsleisten der Schuppen senkrecht geschnitten

F. Süffert, Zur Morphologie und Optik der Schmetterlingsschuppen. 385

wird, die von den Längsleisten erzeugten Gitterfarben. Bei Schuppen vom Leitertyp, und nur bei diesen, sieht man, wenn das Auge sich in einer Ebene befindet, die von den Querleistchen senkrecht ge- schnitten wird, die Gitterfarben der Quergitter. Entfernt man das Auge innerhalb einer der eben gekennzeichneten Ebenen immer mehr seit- wärts von dem Wege des direkt durch die Schuppen durchfallenden Lichtes, so erscheinen der Reihe nach alle Farben des Spektrums, am stärksten abgelenkt das Rot, was das Spektrum als Gitterspektrum kennzeichnet.

Auch hier fällt auf, daß die verschieden pigmentierten Zeichnungs- elemente gleichzeitig, d. h. bei einem bestimmten Beugungswinkel, ver- schiedene Gitterfarben zeigen. Das läßt vermuten, daß die Gitterweiten verschieden sind. Messungen bestätigen die Vermutung. Damit haben wir einen weiteren Strukturunterschied der Ne einzelnen Zeichnungs- elemente bildenden Schuppen gefunden.

Durchfallendes, Licht kommt für die normale Farbwirkung der Schuppen nicht in Betracht. Was sieht man im auffallenden Licht? Die an den Quergittern des Leitertyps genau wie beim Rowlandschen Gitter durch Beugung reflektierten Lichtes erzeugten Farben sind bei sehr vielen Formen, wenn man einmal darauf aufmerksam geworden ist, leicht wahrzunehmen, z. B. sehr deutlich an der Hinterflügelunter- seite von Pyrameis atalanta. Charakteristisch ist der rasche Farb- wechsel bei Hin- und Herwenden der Flügelfläche (Änderung des Beu- gungswinkels). Dieser Farbwechsel trägt viel zu dem „Changeant“ der Schmetterlinge bei. Er ist mit der Samtwirkung und dem Unterseiten- glanz zusammen das, was gerade den eigenartigen stofflichen Eindruck der Schmetterlingsflüßel bedingt. Meist herrscht ein Wechsel zwischen srünlich und goldbraun vor. Das ganze Spektrum von Blau bis Rot zeigen dagegen die schwarzen Flecke auf der Hinterflügeloberseite von Arclia caia. Das Blau dieser Flecke ist Gitterfarbe und geht bei stär- kerer Beugung in Grün, Gelb, Rot über. Es ist dies der einzige Fall, wo ich eine auffällige Farbe mit Sicherheit als Gitterfarbe nach- weisen konnte. Sie ist hier deshalb so deutlich, weil die betreffenden Schuppen eine stark glänzende Oberfläche haben (sie sind wie lackiert). Dieselbe Wirkung kann man z. B. mit schwarzen Atalanta-Schuppen erzielen, wenn man sie künstlich (durch Auftrocknenlassen einer ganz dünnen Lösung von Canadabalsam) lackiert.

3. Bau und Optik spezialisierter Schillerschuppen.

Der Silberglanz ist eine Verstärkung des optischen Weib. Zu seiner Erklärung genügt natürlich erst recht nicht der Hinweis auf den Luftgehalt der Schuppen. Jede andere Schuppe enthält ebenso Luft. Es ist mir nicht gelungen zu ermitteln, wodurch die außerordentlich starke Reflexion erzeugt wird. Vielleicht liegen besondere stark reflek- tierende Substanzen an den Oberflächen oder ein besonderer Querschnitt der Oberseitenmembran bewirkt durch entsprechende Lichtbrechung, daß

42. Band. 25

[7

386 F. Süffert, Zur Morphologie und Optik der Schmetterlingsschuppen.

auch bei steilem Lichteinfall an der Luft des Lumens Totalreflexion stattfindet. Die Silberschuppen (von Argynnis z. B.) zeigen an Beson- derem nur eine kontinuierliche Oberseitenmembran ohne Löcher. Die von Biedermann angegebenen „Pigmentkörnchen“ sind die (wie die ganze Schuppe farblosen) Trabekeln, seine „Luftröhren“ Täuschung.

Als „spezialisierte Schillerschuppen“ bezeichne ich solche Schuppen, deren optische Wirkung durch einen von der Norm stark abweichenden Bau bedingt ist. So viel ich gefunden habe, lassen sich die auffallen- den Farben der Schmetterlinge auf zwei Bautypen zurückführen.

1. Der Urania-Typ. Ich nenne ihn nach dem Objekt, an dem sich die Erscheinungen besonders klar darstellen. Urania Oroesus trägt auf der Hinterflügeloberseite geradezu schematisch das gesamte Spek- trum eines der innersten Newtonschen Ringe zur Schau. Tatsäch- lich sind diese Farben durch dünne Lamellen erzeugte Interferenzfarben und zwar, und das ist das für diesen Typ Charakteristische, sind sie das Resultat der summierten Wirkung mehrerer (bei Urania 7!) übereinanderliegender Blättehen, die jeweils alle die gleiche Farbe ergeben, also offenbar genau gleich dick sind. Auf Querschnitten sieht man die übereinandergeschichteten, durch außer- ordentlich feine Luftschichten getrennten Chitinschichten. Durch teil- weise Imbibition kann man einen Teil davon in seiner Wirkung aus- schalten und die dadurch bedingte Abschwächung der Farbintensität beobachten. Infolge der summierten Wirkung tritt hier im durchfallen- den Licht die zur Reflexfarbe komplementäre Farbe außerordentlich kräftig in die Erscheinung, während sie bei einfacher Lamelle (Unter- seitenglanz) nur selten andeutungsweise sichtbar ist.

Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse bei den farbenprächtigen tro- pischen Papilioniden, nur kompliziert durch eine besondere Struktur der Schuppen, ferner bei tropischen Lycaeniden und Zygaeniden.

Fragen wir nach den Beziehungen zum normalen -Schuppenbau, so läßt sich zeigen, dab die vielschichtige Lamelle bei Urania der Unter- seitenlamelle entspricht, bei Zygaeniden (Erasmia pulchella) der Ober- seitenlamelle, weil bei diesen Formen die übrigen Bestandteile (Lumen, Trabekeln) gut erhalten sind. Bei Papilioniden fehlt jedes Lumen, die Schuppe ist eine solide Platte.

Jedenfalls ist klar, daß nirgends das Schuppenlumen, wie Bie- dermann meint, als dünne Lamelle farberzeugend wirkt. Davon un- abhängig ist der von Biedermann geführte Nachweis, dab es sich um das Prinzip der Farben dünner Blättchen handelt und daß Ober. flächenfarben im Sinne Walters nicht in Betracht kommen. Abwei- chend von Biedermann komme ich aber bei sorgfältigem Abwägen der nicht ganz eindeutigen Beobachtungen, besonders mit Rücksicht auf die Schuppenquerschnittsbilder von Urania dazu, nicht dünne Luft- schichten, sondern feste Lamellen als farberzeugend anzusehen.

2. Der Morpho-Typ. Die von Biedermann und auch. zu- erst von mir auf Grund gewisser Imbibitionsbilder und des allgemeinen

F. Süffert, Zur Morphologie und Optik der Schmetterlingsschuppen. 387

Eindrucks gehegte Vermutung, daß bei den leuchtend blauen Morpho- Schuppen über dem vorhandenen normalen Gitter der Oberseitenlamelle dünne Lamellen ausgebreitet seien, bestätigt sich bei der Betrachtung von Schuppenquerschnitten nicht. Dafür sieht man eine höchst über- raschende Struktur, die den bisherigen Untersuchern ganz entgangen ist2). Die Längsleisten der meist dunkelpigmentierten Schuppe sind hohe schmale glasklare Chitinleisten, die im Querschnitt aussehen wie die Zähne eines Kammes. In Canadabalsam verschwinden sie voll- kommen. Man muß in Alkohol untersuchen oder besser noch den Schnitt färben. Unter jeder dieser Glasleisten sitzt eine dichte Reihe dunkel- pigmentierter, kegelförmiger Körper mit der Basis ihr anliegend, an der Spitze (d. h. also nach unten) in eine Trabekel auslaufend. Jeder dieser Körper bildet einen Knotenpunkt, in dem die Querleistchen an die Längsleiste stoßen.

Die physikalische. Leistung dieser Struktur ist zunächst gänzlich rätselhaft. Manche Querschnitte erinnern unwillkürlich an Schnitte durch ein Fazettenauge, wo. unter der Linse der kegelförmige Kristallkörper sitzt. Ob das mehr ist als bloße Ähnlichkeit, muß dahingestellt bleiben.

Nach diesem Prinzip sind weitaus die meisten Schillerschuppen ge- baut: bei Morphiden und Verwandten, Eryciniden, zahlreichen Nym- phalidengruppen (hierher gehört auch der viel untersuchte Schillerfalter Apatura), wahrscheinlich bei Ornithopteren unter den Papilioniden.

Zusammenfassend kann man jetzt über die Bedeutung der einzelnen Farbbildungsprinzipien sagen:

Ursprünglich hielt man die auffallenden, ohne Pigment zustande- kommenden Schmetterlingsfarben für Gitterfarben (gemeinhin gelten sie auch jetzt noch dafür). Dabei dachte man hauptsächlich an die Längs- leisten als wirksame Gitter. Die Tatsache, daß nicht nur Schillerschup- pen, sondern fast alle Schuppen die Längsleisten aufweisen, führte dazu, die Bedeutung der Gitterfarben ganz zu bestreiten (z. B. Bieder- mann). Jetzt hat sich herausgestellt, daß Gitterfarben doch eine ge- wisse Rolle spielen, allerdings nicht als Erzeugnis der Längsleisten, sondern der Querleistchen des Leitertyp. Auch bedingen sie im allge- meinen keine auffallenden Färbungen, kommen aber sehr wohl für den allgemeinen Rindruck in Betracht. Eine ähnliche Rolle spielen die durch die dünne Unterseitenlamelle erzeugten Interferenzfarben. Oft sind sie allerdings schon der Grund auffallender Erscheinungen.

Nach demselben Prinzip (dünne Blättchen) entsteht auch der eine Teil der besonders farbenprächtigen Erscheinungen, und zwar durch Summation der Wirkung mehrerer dünner Blättchen (Urania-Typ).

Der andere Teil ist an eine eigenartige Struktur geknüpft, deren Funktion noch unerklärt ist (Morpho-Typ).

2) u. a. Spuler in seiner Apatura Arbeit.

388 P. Schulze, Beziehungen pflanzlicher u. tierischer Skelettsubstanzen usw.

Angeführte Literatur.

M. Baer, Über Bau und Farben der Flügelschuppen bei Tagfaltern. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 65. 1899, S. 50.

W. Biedermann, Farbe und Zeichnung der Insekten II. Die Strukturfarben (optischen Farben) der Insekten. In Wintersteins Handbuch der vergl. Phys. 3. Bd. 1. Hälfte.

A. G. Mayer, The Development of the wing scales and their pigment in butterflies and moths. Bull. of the Museum of Compar, Zoölogy at Harvard College, Cambridge, Mass. 1896.

A. Spuler, Beitrag zur Kenntnis des feineren Baues und der Phylogenie der Flügel- bedeckung der Schmetterlinge. Zool. Jahrb. Abt. f. Anat. Bd. 8. 1895.

A. Spuler, Zur Phylogenie der einheimischen Apatura-Arten. Stett. entomol. Zeitung, 51. Jahrgang, 1890.

A. Spuler, Die Schmetterlinge Europas. Stuttgart, 1910.

D

Über Beziehungen zwischen pflanzlichen und tierischen Skelettsubstanzen und über Chitinreaktionen.

Von P. Schulze, Berlin.

Für den Botaniker ist es eine bekannte Tatsache, daß die Haupt- skelettsubstanz der Pflanze, die Cellulose, im Organismus gewöhnlich nicht frei vorkommt, sondern in inniger Vereinigung mit andersartigen Stoffen, die man als Inkrusten bezeichnet. Ihre höchste Ausbildung er- reicht die Inkrustierung im Holz, wo der sogenannte Holzstoff, das Lignin, in.so mächtiger Entfaltung auftritt, daß zwar seine An- wesenheit, nicht aber die der Cellulose sich unmittelbar mikrochemisch nachweisen läßt. Um Holz vom Lignin zu befreien, es aufzuschließen, hat man sehr verschiedene Wege eingeschlagen (s. Renker). Neuer- dings ist von E. Schmidt und seinen Schülern in dem Chlordioxyd ein ganz besonders wirksames Holzaufschlußmittel gefunden worden, das die eigentliche Skelettsubstanz ganz unverändert läßt. (Näheres s. bei Schmidt und Duysen.) Seine Wirkung besteht darin, daß das Chlordioxyd die Inkruste zertrümmert und in lösliche Form über- führt. Wie schon kurz an anderer Stelle (P. Schulze b, p. 135, 139) erwähnt wurde, läßt sich überraschenderweise auch bei den ver- schiedensten tierischen Skelettsubstanzen organischer Natur eine durch C1O, angreifbare Komponente nachweisen, besonders auch beim Chitin. Aus diesem Grunde soll hier die Frage nach den Beziehungen dieses Körpers zu anderen Verbindungen und nach ‘seinem mikrochemischen Nachweis aufs neue aufgeworfen werden.

Mit großer Vorliebe wird von den Zoologen für die Kutikularsub- stanzen von Wirbellosen, die eine gewisse Konsistenz haben, die Be- zeichnung Chitin angewandt, ohne daß oft auch nur der Versuch ge-

P. Sthulze, Beziehungen pflanzlicher u. tierischer Skelettsubstanzen usw. 389

macht worden ist, durch mikrochemische Reaktionen den Beweis für das Vorliegen dieser Substanz zu erbringen. Der Grund hierfür liegt wohl hauptsächlich darin, daß es uns an einer einfachen Reaktion fehlt, die, wie etwa die Cellulosereaktion mit Jod-Schwefelsäure, auch in einem biologischen Laboratorium ohne große Schwierigkeiten ausge- führt werden kann. Fragen wir: Gibt es denn überhaupt ein Verfahren, das uns mit Sicherheit alles in einem Objekt vorhandene Chitin anzeigt, so lautet die Antwort: Zur Zeit nicht!

Die zuverlässigste Methode ist die von van Wisselingh ange- gebene. Zur Vorbereitung der Reaktion werden zugeschmolzene Röh- ren, die das zu prüfende Objekt in 60% Kalilauge enthalten, ım Ölbad einige Zeit bei 180° erhitzt. Wester bediente sich dazu eines kupfernen Kochtopfes, der das Öl enthielt und durch einen mit Löchern versehenen Deckel verschlossen wurde. An diesen Löchern werden die zum Schutz gegen Zerplatzen mit Kupfergeflecht umgebenen Röhr- chen aufgehängt.

Wirt) haben diese einleitenden Manipulationen etwas vereinfacht, indem wir die Erhitzung in einem kleinen Kochkölbchen vornahmen, das mit einem Rückflußkühler in Verbindung stand. Die Objekte kom- men direkt in das Kölbchen in 33 % Kalilauge, nachdem ein Siede- steinchen zur Verhinderung des Siedeverzuges hinzugefügt worden ist. Als Erhitzungsflüssigkeit diente Phtalester oder Glyzerin. Man konnte so bei etwa 155-1600 ohne Gefahr bis zu einer Stunde etwa. kochen lassen und erzielte in allen Fällen das gleiche Resultat wie bei van Wisselingsh. Ein Ersatz von Kali- durch Natronlauge hatte dasselbe Ergebnis. Die auf diese Weise vorbehandelten Stücke werden gut in Wasser ausgewaschen, kommen in dünne (etwa 2-10 Yige) Jodkaliumlösung unter Zusatz von 1—20% Schwefelsäure ?), worauf bei chitinhaltigen Objekten eine Violettfärbung eintritt. Van Wisse- lingh ist der Ansicht, daß diese Reaktion nicht dem Chitin als sol- chem zukomme, sondern daß die Alkalibehandlung das Chitin hydro- lisiere und unter Bildung von Essigsäure ein kleinerer Molekülkomplex, das Chitosan, abgespalten wird, der die Eigenschaft der Violettfärbung besitzt.

Die Vorbereitungen zu der van Wisselingh-Probe sind so um- ständlich, daß man öfter versucht hat, sie handlicher zu gestalten. Zwar führt bei dünnen Chitinlagen oft schon ein direktes Kochen im Rea-

1) Für die Hergabe von Apparaten und Reagentien und die ge bereitwillige Beratung in allen chemischen Fragen sei Herrn Dr. E. Schmidt auch an dieser Stelle mein herzlichster Dank ausgesprochen.

2) Die Schwefelsäure scheint für das Zustandekommen der Reaktion nicht von wesentlicher Bedeutung zu sein, sie spielt anscheinend nur eine Nebenrolle bei ihrer Einleitung. Nimmt man nicht ausgehärtetes Chitin (Flügeldecke einer Hydrophilus-. puppe, gelbe Elytre von Lucanus), so tritt schon bei Jodzusatz die typische Violett- färbung ein, die in H,SO, einen mehr bläulichen Ton annimmt. '

usw. 390 P. Schulze, Beziehungen pflanzlicher u. tierischer Skelettsubstanzer.

genzglase oder ein Erhitzen im Wasserbad zum Ziele, bei dickem Chitin kommt man aber auf diese Weise nicht zu einem Erfolge. Haß (a, p. 334) und Spek (p. 327) haben vorgeschlagen, die Objekte auf dem Objekt- träger direkt mit Kalilauge über der Flamme zu schmelzen. In sehr vielen Fällen ist diese Methode von Erfolg gekrönt, sie hat aber den Nachteil, das Chitin stark zusammenschnurren zu lassen, so dab man sich über die etwaige Verteilung dieses Körpers in heterogenen Lamellen keine Anschauung bilden kann. (Wie nämlich nachgewiesen wurde 'P. Sehulze a, Haß b| finden sich in den Chitinlamellen in weiter Verbreitung mehr oder weniger mächtige, oft sehr regelmäßig angeord- nete Einsprengungen einer nicht chitinigen Substanz, der sogenannten . Zwischensubstanz). Herr Kunicke hat jetzt im Zoologischen Insti- tut die Höhe der Temperatur durch die Zeit zu ersetzen versucht, in- dem er die Objekte in 33 % Kalilauge 8—14 Tage im Thermostaten bei 55° liegen läßt. In den meisten Fällen tritt die Reaktion ein, in anderen unterbleibt sie, trotzdem sich nach Kochen im Ölbad Chitin nachweisen läßt. Oft aber versagen alle angeführten Me- thoden. Die bräunliche oder schwärzliche laugenunlösliche hornähn- liche Oberflächenschicht vieler Insekten, etwa des Hirsch- oder Nas- hornkäfers, die „Lackschicht“ (P. Schulze), ‘die dem Zoologen ge- wöhnlich als der Prototyp des Chitins erscheint, ergibt auch bei der Wisselingh-Probe keine Reaktion, weshalb sie nach Krawkow ein besonderes Chitin darstellen sollte. Zander nimmt ebenfalls zwei Formen des Chitins an, eine, die sich violett und eine andere, die sich nur braun färbt. P. Schulze bezeichnete diese Lage 1913 als nicht chitinig.

Nach Anwendung des von E. Schmidt für die Entfernung des Lignins aus Holz angegebenen Chlordioxydessigsäuregemisches auf Chi- tin tritt in allen diesen Fällen bei der Wisselingh-Probe die Chitin-. reaktion ein. (Die Zwischensubstanz dagegen gibt auch jetzt keine Violettfärbung, ebensowenig wie laugenlösliche Oberflächenauflagerungen wie etwa das „Sekretrelief* der Cieindela-Flügeldecke) Es liegt hieralso offenbar durch eine Inkruste maskiertes Chi- tin vor.

Diese Inkrustierung ist keine schichtweise, sondern eine moleku- lare, "morphologisch. läßt.sich an. dem deinkrustierven Chitin keinerlei Veränderung wahrnehmen.

In einem Fall gelang nach der angegebenen Vorbehandlung bei der Lackschicht des Hirschkäfers sogar eine positive Reaktion unter Ein- wirkung eines so schwachen Alkalis, wie dem 2 % igen Natriumsulfit bei ca. 20 Minuten langem Verbleiben in !Wasserbadtemperatur, was dagegen spricht, daß die Violettreaktion dem Chitosan zuzuschreiben ist. Ist die Inkrustierung nicht sehr stark, so tritt die Chitinreaktion auch ohne vorherige Chlordioxydbehandlung ein, sie wird aber bei Anwen- dung dieses Reagenz sehr verstärkt; so geben z.B. die Balkenlagen der

3 are vr

P. Schulze, Beziehungen pflanzlicher u. tierischer Skelettsubstanzen usw. 391

Hirschkäferflügeldecke eine schwarz- statt hellviolette Färbung. Da das Chlordioxyd ausschließlich auf Körper einwirkt mit doppelten Kohlen- stoffbindungen oder solchen von phenolischem Charakter (s. E.Schmidt und K. Braunsdorf), zu denen auch die dunklen Pigmente als Tyro- sin oder 3,4 Dioxyphenylalanin-Abkömmlinge gehören, so lag die Mög- lichkeit vor, daß etwa die Inkruste und die Pigmente in enger Be- ziehung stehen könnten, da ja im allgemeinen dunkel gefärbtes Chitin härter zu sein pflegt als helleres. In dieser Ansicht wurden wir zu- nächst dadurch bestärkt, daß die Lackschicht von Lucanus keine Re- aktion bei Alkalibehandlung im Ölbade zeigte hier war auch das Pigment nicht ganz zerstört —, daß dagegen die Violettfärbung auf- trat, wenn man eine Decke solange in 33 %0 KOH bei 58° im Thermo- staten ließ bis sie schmutzigweiß erschien (etwa 10Tage): Zur Nachprüfung dieser auftauchenden Vermutung erwiesen sich die schnee- weiben aber sehr harten Elytren der afrikanischen Wüstentenebrionide Iphtlimera eburnea Pasc., die wir der Freundlichkeit des Herrn Dr. Kuntzen verdanken, als sehr geeignet. Umaufgeschlossene Flügel- decken geben nur innen die Chitinreaktion, die Außenschicht bleibt voll- kommen unverändert weiß. Nach Behandlung mit Chlordioxydessigsäure tritt auch in ihr sofort die Violettfärbung auf. Starke Pigmen- tierung und starke Inkrustierung hängen also nicht notwendigerweise zusammen?).

Der Nachweis der Inkruste im Chitin läßt sich nun noch auf an- dere Weise führen. Bei dem Angriff des OlO, auf die Holzinkruste entsteht Kohlensäure. Derselbe Vorgang tritt auch bei tierischen In- krusten also auch beim Chitin ein (s. auch P. Schulze b, p. 139); ganz besonders stark und bisweilen 24 Stunden dauernd ist die Gas- entwicklung bei der harten Auskleidung des Vogelkaumagens, z.B. des Flamingos. Ferner zeigte Klason, daß Inkrusten enthaltende Cellu- lose sich in konzentrierter Schwefelsäure unter Bildung dunkler Flok- ken mit brauner oder schwärzlicher Farbe löst, reine Cellulose dagegen farblos. Es lag daher nahe, beim Chitin ähnliche Eigenschaften wie bei der pflanzlichen Skelettsubstanz zu vermuten. Behandelt man die trockene Flügeldecke eines schwach pigmentierten Käfers, etwa des Blattkäfers Melasoma X X-punctatum Scop., mit kon. H,SO,, so löst sie sich unter Bräunung der Flüssigkeit, in der einige winzige dunkle, Flocken ungelöst bleiben. Nach Aufschluß mit Chlordioxyd-

3) Das Ausbleiben der Chitinreaktionen wurde in vielen Fällen auf das vorhandene Pigment geschoben: „Enthalten die Präparate so viel Farbstoffe, daß die Violettfärbung nicht zu unterscheiden ist, so kann man diese nach van Wisselingh oft mit verdünnter Chromsäure (+1 %ig) entfernen. Diese Methode wirkt meistens vorzüglich. Auch eine Behandlung mit warmer (+ iger) Lauge oder zumal eine Einwirkung von Chlorwasser (+0,3 %ig) leisteten oft gute Dienste“ sagt Wester (p. 538). Offenbar findet hier nicht nur eine Entpigmentierung sondern auch schon ein teilweiser Aufschluß des Chitins statt. Chlorwasser ist nach Fremy und Terreil ein Aufschlußmittel für Holz! (s. Renker p. 42.)

399 P. Schulze, Beziehungen pflanzlicher u. tierischer Skelettsubstanzen usw.

essigsäure findet die Lösung dagegen vollkommen- farblos statt. Hier könnte noch der Einwand gemacht werden, die Färbung würde von dem in den Flügeldecken befindlichen Zellmaterial und. dem Pigment der Flecke auf den Elytren verursacht. Wir wählten darauf ein ganz unpigmentiertes Chitin, das Alloscutum einer voll- gesogenen großen Zecke (Hyalomma aegyptium L. 9), von dem man alle anhaftenden Weichteile sehr leicht entfernen kann. Auch hier traten ganz die gleichen Erscheinungen ein. Um ganz sicher zu gehen und um gleichzeitig zu entscheiden, ob die Inkruste schon in der Puppe vorhanden ist, wurde das Chitin einer völlig weißen Puppe von Vespa germanica F. nach restloser mechanischer Entfernung aller anhaftenden Weichteile und nachfolgendem Trocknen vor und nach Behandlung mit Chlordioxydessigsäure in Schwefelsäure gelöst. Der Erfolg war der gleiche, in dem einen Fall Braunfärbung der Flüssig- keit und Bildung schwarzer Flocken, in dem andern vollkommen klare Lösung. Auch in der Puppe ist also schon die Inkruste im Chitin vorhanden und läßt sich durch Schwefelsäure nachweisen.

Nebenbei sei erwähnt, daß das Tunicin von Ciona sich ganz ähn- lich verhält, also offenbar auch hier die Inkrustierung.

Es wurde nun auch ein direkter mikröchemischer Ligninnachweis ver- sucht. Wir wandten dazu Phloroglucinsalzsäure und p-Nitranilin an, die bei Vorhandensein von Lignin eine rote resp. orange Färbung hervörrufen. Das Ergebnis aber war durchaus negativ. Damit ist noch nicht endgültig be- wiesen, daß es sich bei der Chitininkruste nicht um einen dem pflanz- lichen Lignin nahestehenden Körper handelt, denn die sogenannte Lig- ninreaktionen zeigen wahrscheinlich nicht den Holzstoff als solchen, son- dern ständige Begleitkörper an, die in der tierischen Skelettsubstanz fehlen könnten. Es kann sich aber natürlich auch um ganz andersartige Verbindungen handeln.

Zusammenfassend können wir also sagen, daß nach vorheriger Entfernung der Inkruste aus dem Chitin die van Wisselinghsche Methode einen sicheren Nachweis des Chitins ermöglicht; die Schwie- rigkeiten ihrer praktischen Anwendbarkeit aber haben wir schon hervor- gehoben. Das Bestreben mußte nun darauf gerichtet sein, ein handlicheres Verfahren zu finden. Bei den bemerkenswerten Beziehungen, die sich zwischen Holz und tierischen Skelettsubstanzen ergeben hatten, war es vielleicht möglich, unter Anlehnung an die Holzchemie eine geeignetere Methode zu finden. Karrer hat das Acetylbromid als einen Körper angegeben, der imstande ist, Polysacharide Zu zerlegen. Diese Ver- bindung haben wir nun 24 Stunden auf deinkrustiertes Chitin einwirken lassen und zwar in verdünnter Form, da sie in konzentriertem Zu- stande das Chitin löst. Bei Zusatz von Jod--2 iger H,SO, wird das Objekt zunächst kirschrot, dann violett; setzt man dann konzentrierte Schwefelsäure zu, so tritt eine klarblaue Färbung ein. Das Bromacetyl

P. Schulze, Beziehungen pflanzlicher u. tierischer Skelettsubstanzen usw. 393

gibt also eine sehr charakteristische Reaktion ohne Kochen in Alkali in der Kälte. Leider ist die Verbindung nicht leicht herzustellen und unangenehm durch ihre weißen Nebeldämpfe.

'Wir suchten daher weiter und prüften das Verhalten von deinkrus- tiertem Chitinmaterial in bezug auf Chlorzinkjod. Bei diesem Zusatz gibt nun das Chitin sofort eine leuchtende Violettfärbung, während auch hier die Zwischensubstanz ungefärbt bleibt. (Untersucht wurden Chitine verschiedenster Herkunft, auch reines Polyporuschitin; doch soll hier auf die Verbreitung des Chitins unter den einzelnen Tier- gruppen nicht näher eingegangen werden.) Die Angabe von Wester (p- 532), der ausdrücklich hervorhebt, daß reines Chitin von Chlor- zinkjod weder blau noch violett gefärbt wird, ist also irrtümlich. Nun zeigt bekanntlich oft auch die Cellulose mit diesem Reagenz eine Vio- lettfärbung, während sonst eine Blaufärbung eintritt. Man vergleiche aber z. B. in den Tabellen von Renker, wie ein und dasselbe Aus- sangsmaterial sich mit Chlorzinkjod bald‘ blau bald violett färbt .je nach dem vorangegangenen Aufschlußmittel zur Entfernung der Inkruste. An mittels Chlordioxydessigsäure hergestellten Präparaten aus Fagus- holz zeigt die eigentliche Cellulose die Violettfärbung während Hemicellu- losen und Pentosane sie vermissen lassen. Die Violettreaktion ist also offen- bar gebunden an eine Moleküleruppe, die Joningruppe, wie wir sienennen möchten, die in verschiedenen Kohlehydraten und in von ihnen abgeleiteten Körpern vorhanden ist, so zeigt sie auch das Chitin als Verbindung eines Kohlehydrates mit einem stickstoffhaltigen Körper und die wieder dar- aus entstandenen Chitosanverbindungen. Die ‚Joninreaktion tritt teils direkt mit Jod ein wie bei der Reisstärke oder erst bei Zusatz eines „assistierenden“ Körpers wie Chlorzink bei Cellulose und Chitin oder konzentriertem Natriumacetat bei Glycogen (Zander p. 549).

Zander hat diese Beziehungen schon vermutet, seine Ausfüh- rungen haben deshalb nicht die gebührende Beachtung gefunden, weil die Violettfärbung mit Chlorzinkjod bei Chitin nicht direkt eintrat, sondern nur nach ‚.Reinigung‘ des Chitins in Lauge, so daß für ihn derselbe Einwurf galt, den Wester (p. 550) Ambronn machte, als dieser die Chlorzinkjodreaktion des Chitins auf Cellulose bezog, daß nämlich bei dem verwendeten Material eine teilweise Umwandlung in Chitosan stattgefunden habe. Es ergibt sich aus dem Gesagten folgende

Methode zum Nachweis des Chitins bei Zimmertenm- peratur: Das zu untersuchende Objekt kommt in fest schließendem Gefäß im Dunkeln in Ohlordioxydessigsäure (unter dem Namen Dia- phanol durch E. Leitz, Berlin, Luisenstraße 45 zu beziehen) bis zur völligen Bleichung (am besten auf jeden Fall 24 Stunden). Nach gutem Auswaschen wird das Präparat mit Chlorzinkjod (käufliche Lösung für Cellulosenachweis; vorher prüfen, ob sich Fließpapier damit violett färbt) betupft; es zeigt sich besonders deutlich oft erst nach Abspülen

394 P. Schulze, Beziehungen pflanzlicher u. tierischer Skelettsubstanzen usw.

im Wasser bei Vorhandensein von Chitin eine deutliche Violettfärbung. Will man einer etwaigen Verwechslung mit Cellulose oder Tunicin vor- beugen, so behandelt man ein zweites Stückchen des Objektes mit Jod- jodkalium und konzentrierter Schwefelsäure, worauf bei Cellulose und Tunicin sofort eine Blaufärbung eintritt, während beim Chitin das Jodbraun sich nur verstärkt. Es ist interessant zu sehen, daß die mit den mannigfaltiesten Aufschlußmitteln behandelten Cellulosen verschie- denster Herkunft, die sich mit Chlorzinkjod bald blau bald violett fär- ben, mit Jod-Schwefelsäure ausnahmslos eine blaue Farbe annehmen, während beim Chitin nur bei vorheriger Einwirkung von Acetylbromid diese Reaktion einsetzt.

Auf die praktischen Folgerungen, die sich aus dem Vorhandensein von Inkrusten in tierischen Skelettsubstanzen für die mikroskopische Technik ergeben, ist an anderer Stelle hingewiesen worden (P. Schulze C,,b):

Literatur.

Ambronn, H., Cellulosereaktion bei Arthropoden und Mollusken. Mitt. zool. Stat. Neapel 1890.

Haß, W., a) Über Metallfarben bei Buprestiden. S. B. Ges. naturf. Freunde Berlin 1916.

b) Über die Struktur des Chitins bei Arthropoden. Arch. f. Anat. u. Phys. Phys. Abt. 1916.

Karrer, P., Verschiedene Arbeiten in: Helv. Chimica Acta 4, 1921.

Klason, Über Cellulosebestimmung im Holz. Chem. Ztg. 1903.

Krawkow, N. P., Über verschiedene Chitine. Ztschr. f. Biol. 29, 1892.

Renker, M., Über Bestimmungsmethoden der Cellulose. Berlin, Bornträger 1910.

Schmidt, E. und Graumann, E., Zur Kenntnis pflanzlicher Inkrusten. I. Methode zur Reindarstellung pflanzlicher Skelettsubstanzen (I). Ber. deutsch. chem. Ges. 54, 1860, 1921.

Schmidt, E.und Duysen, F., Zur Kenntnis pflanzlicher Inkrusten (II). Ber. deutsch. chem. Ges. 54, 3241, 1921.

Schmidt, E. und Braunsdorf, K., Zur Kenntnis der natürl. Eiweißstoffe I. Ver- halten von Chlordioxyd gegenüber organischen Verbindungen. Ber. deutsch. chem. Ges. 55, 1529, 1922.

Schulze, P., a) Chitin und andere Outieularstrukturen bei Insekten. Verh. deutsch. zool. Ges. 1913.

b) Eine neue Methode zum Bleichen und Erweichen tierischer Hartgebilde- S. B. Ges. naturf. Freunde Berlin, 1921.

c) Über Beziehungen zwischen pflanzlichen und tierischen Skelettsubstanzen usw. Verh. deutsch. zool. Ges. 1922.

Spek, J., Beiträge zur Kenntnis der chemischen Zusammensetzung und Entwicklung der Pedula der Gastropoden. 7. f. wissensch. Zool. 118, 1919.

Wester, D. H., Über die Verbreitung und Lokalisation des Chitins im Tierreiche. Zool. Jahrb. Syst. 28, 1909/10.

Zander, E., Vergleichende und kritische Untersuchungen zum Verständnis der Jod- reaktion des Chitins. Arch, f. die ges. Physiol. 66, 1897.

M. Popoff, Über die Stimulierung der Zellfunktionen, 395

Über die Stimulierung der Zellfunktionen.

Von Prof. Dr. Methodi Popoff, Sofia. (Vorläufige Mitteilung.)

Ausgehend von theoretischen Erwägungen, die ich in einer Reihe von Veröffentlichungen !) zu begründen suchte, habe ich den Schluß gezogen, daß die Agentien der künstlichen Parthenogenese nicht nur eine für die Geschlechtszellen allein ‘begrenzte Bedeutung haben, son- dern dab sie auf alle Zellen geschlechtliche wie auch somatische angewandt, dieselbe stimulierende Wirkung der Zellfunktionen haben müssen, indem sie dieselben beschleunigen und heben: die Agentien der künstlichen Parthenogenese nehmen somit den ‘Charakter allgemeiner Zellstimulantien an.

Durch Injektionen von künstlich parthenogenetischen Mitteln (MgCl,, MgCl, + NaCl, MnCl,, Äther) in ruhende Pflanzen (Syringa vulgaris) war es mir gelungen (1916), diese zu schnellerem Wachstum und zur Entfaltung der Blatt- und Blütenknospen anzuregen. Die- selben Mittel auf tierische Gewebe (atonische und langsam heilende Wunden beim Menschen) (1916) angewandt, zeigten die nämlichen, günstigen Resultate, d. i. eine Belebung des atonischen Gewebes und infolgedessen eine schnellere Epithelisierung und Schließung der Wunde.

Fußend auf diesen Resultaten bei Anwendung der künstlich-par- thenogenetischen Agentien auf somatische Zellen habe ich die Ver- suche nach allen Richtungen hin fortgesetzt, um die stimulierende Wir- kung einer großen Anzahl der empirisch gefundenen künstlich-partheno- genetischen Mittel zu erforschen.

Bei meiner neuen Untersuchungsserie (1920—1922) bin ich wieder von den Versuchen mit in Winterruhe sich befindenden Pflanzen aus- gegangen. In den Monaten Dezember, Januar und Februar wurden gleichgrobe Zweige von einer und derselben Pflanze (Syringa vulgaris, Aesculus hippocastanum) abgeschnitten und unter Beibehaltung einer normalen Kontrolle (unbehandelte Zweige) und einer Wasserkontrolle (die unter den Knospen mit Wasser injiziert wurde) die übrigen Zweige

1) Depression der Protozoenzelle und der Geschlechtszellen der Metazoen. Arch, f. Protistenkunde Festband R. Hertwig 1907.

2) Experimentelle Zellstudien I, II, III und IV. Archiv für Zellforschung Bd. TI, III, IV, XIV 1908, 1909, 1915.

3) Über den Einfluß chemischer Reagentien auf den Funktionszustand der Zelle, Ges. für Morph. und Physiologie in München 1909.

4) Über stimulierende Einwirkungen auf Zell- und Geweberegeneration. D. Mediz, Wochenschrift 1915.

5) Künstliche Parthenogenese und Zellstimulantien. Biol. Centralblatt 1916.

6) Über die Behandlung atonischer Wunden mit Äther. Der Militärarzt 1916.

396 M. Popoff, Über die Stimulierung der Zellfunktionen.

mit Lösungen verschiedener Konzentration von MgOl,, MgOl, + NaQl, MgSO,, MnCl,, MnSO,, Äther, Kal. arsenicosum, Strychninum nitri- cum, Ameisensäure, Acidum. lactieum, BaO + MnO,, Fettsäuren u.a. die in der Mehrzahl künstlich-parthenogenetische Mittel sind —, unter den Knospen mit sehr feinen Spritzennadeln injiziert. Darauf- hin wurden alle Zweige unter ganz gleichen Belichtungs- und Wärme- bedingungen in Wasser ins Treibhaus gestellt. Nach ca. 20 Tagen zeigten sich schon große Unterschiede zwischen den Kontrollen und den Versuchszweigen. Die Kontrollzweige waren zurückgeblieben in ihrer Entwicklung, während in derselben Zeit die Versuchszweige stark gewachsene, gut entwickelte und aufgesangene Blütenknospen zeig- ten. Besonders schöne Resultate gaben die Injektionen mit MgÜl,, MgCl, + MgSO,, MgCl, + NaCl, MnCl, + MnSO,, Kalium arseni- cosum, Strychninum nitrieum und Ameisensäure. Zu einem Auf- blühen der Blütenknospen kam es nicht, da nach der Erschöpfung der in dem Gewebe der Versuchs- und Kontrollzweige enthaltenen Reserve- nahrung die Entwicklung stehen blieb. Dieser Entwicklungsgrad war aber genügend, um die starke stimulierende Wirkung der angewandten künstlich-parthenogenetischen Mittel zu beweisen.

Außerdem wurden Injektionen mit MgCl,, BAO MnO, und mit Äther in die Knollen von wachsenden Cyclamen vorgenommen. Auch hier zeigten die behandelten Pflanzen ein üppigeres Wachstum und ein reichlicheres Blühen als die normalen, unbehandelt gebliebenen Kon- trollen.

Ermuntert durch diese günstigen Resultate wurden weiter vom Jahre 1920 anfangend auch Versuche unternommen nicht nur auf schon ausgewachsene oder in Ruheperiode sich befindende Pflanzen stimulie- rend einzuwirken, sondern es wurde der Versuch gemacht, mit den- selben künstlich-parthenogenetischen Mitteln auch die Pflanzensamen selbst zu behandeln, um auf diese Weise ein üppigeres und kräftigeres Wachstum der aus denselben sich entwickelnden Pflanzen zu erzielen. Und dies ist mir in der Tat gelungen.

Die mit M&Cl,, MnCl, oder mit Mischungen von MgCl, + MnÜl,, MgCl, + Mn(NO,),, MgSO, + MnS0,, MgCl, + Mn(NO,),, mit Acidum lacticum, Nikotin, Fettsäuren, NaCl und anderen künstlich- parthenogenetischen Mitteln verschieden lang behandelten Samen von Getreide, Mais, Petersilie, Gras, Levkojen etc. zeigten ein viel stärkeres Wachstum nicht nur im Vergleich mit den Trockenkontrollen, sondern auch mit den entsprechenden Wasserkontrollen. So bekam ich bei der Petersilie und dem Gras fast um mehr als ein Drittel größere und stärkere Pflanzen und dies besonders nach der Behandlung mit MgÜUl,, mit M&Cl, + MnCl, und mit MnCl,. Größere, stärker wachsende und üppigere Pflanzen erhielt ich auch von Getreidesamen und von Mais. Genaue Daten über die Erträge, die aus diesen Pflanzen erzielt wurden, werde ich in meiner ausführlichen Arbeit publizieren.

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M. Popoft, Über die Stimulierung der Zellfunktionen. 397

Die Versuche mit den Samen beweisen ebenfalls, daß meine im Jahre 1915 gemachten Verallgemeinerungen über die Bedeutung der künstlich-parthenogenetischen Mittel als allgemeine Zellstimulantien be- rechtigt sind und dab diese Mittel auf die somatischen Zellen und folg- lich auch auf Pflanzensamen direkt angewendet zu Resultaten führen können, die eine große praktische und besonders auch wirtschaftliche Bedeutung gewinnen werden.

Von den zellstimulierenden Versuchen ausgehend sind auch Unter- suchungen im Gang, die eine Aufklärung der malignen und gutartigen Neubildungen bei Pflanzen und Tieren bezwecken; diese sind, wie bekannt, als eine Exaltation der Zellfunktionen aufzufassen.

Wie wirken nun die künstlich-parthenogenetischen Mittel, beson- ders die aktivsten von ihnen, zu welchen die Magnesium-, Mangan- und die Natriumsalze zählen, auf die somatischen Zellen? Um diese Frage zu beantworten, habe ich Versuche mit einzelligen Tieren, mit Infusorien, angestellt. Es zeigte sich, wenn auf normal sich teilende Paramaecien für kurze Zeit mit künstlich-parthenogenetischen Lösungen, besonders mit solchen von MeCÜl, *ingewirkt wurde, daß eine Fr- höhung der Teilungsrate zu erzielen war: Nur ein Beispiel. In einem Versuch, angestellt mit gleichgroßen Tieren derselben Filiation, habe ich in der mit zwei ausgewachsenen Tieren angefangenen normalen Kontrolle am 7. Tage 242 Tiere bekommen. In der optimal mit MgtCl, stimulierten Kultur, die ebenfalls mit zwei ausgewachsenen Tieren angefangen wurde, war nach derselben Zeit die Zahl der Paramaecien 2027. In einer dritten gleichfalls mit zwei ausgewachsenen Tieren angefangenen, aber weniger günstig stimulierten Kultur habe ich ge- nau nach derselben Zeit 864 Tiere gezählt. Wie aus diesen Versuchen zu ersehen ist, sind die Unterschiede zwischen den normalen und den stimulierten Kulturen sehr große. Man hätte erwarten können, daß die Tiere der stimulierten Kulturen infolge des schnelleren Teilungs- tempos eventuell in der Größe abgenommen hätten. Gerade das Gegen- teil war aber der Fall. Die am schnellsten sich teilende Kultur zeigte die größten Tiere, die schwächer stimulierte Kultur bestand aus Tieren, welche die Mitte zwischen der Normalkultur und der optimal stimu- lierten Kultur hielten. Hier nur einige Mittelzahlen, gewonnen aus Messungen von je 30 gleich nach der Teilung in Pikrinessigsäure ab- getöteten Tieren: m der Normalkultur war die Länge der Tiere 130 « und die Breite 54 a; in der optimal stimulierten Kultur zeigten die Tiere eine Länge von 15& u und eine Breite von 58 «: in der schwächer stimulierten Kultur waren die Tiere 140 « lang und 64 « breit. Diese erhebliche Größenzunahme wurde auch weiterhin beibehalten; ein Be- fund, der auch vererbungstheoretisch von Bedeutung ist. Ähnliche Resultate ergaben auch die Messungen der aus stimuliertem Sameu gezüchteten Pflanzen. Es zeigte sich, daß die erhöhte Größe dieser letzteren nicht nur auf die erhöhte Zellenzahl zurückzuführen ist, son-

398 M. Popoff, Über die Stimulierung der Zellfunktionen.

dern daß auch die Größe der Zellen selbst eine Steigerung erfahren hat. Genaue Zahlenangaben darüber werde ich in der ausführlichen Arbeit mitteilen.

Die Erhöhung der Teilungsrate und die Steigerung der Größe der stimulierten Zellen deuten darauf hin, daß unter der Einwirkung der zellstimulierenden Mittel eine Erhöhung der Intensität der Lebens- funktionen im allgemeinen und folglich der Assimilations- und Oxyda- tionsprozesse herbeigeführt wird. In diesem Zusammenhang ist es von Bedeutung, die Untersuchungen Willstätters über das Chlorophill zu erwähnen, nach welchen das Magnesium ein wichtiger Bestandteil desselben ist und eine große biologische Rolle bei seinen Funktionen spielt. ;

Ausführlich über alle diese Fragen und die Ausarbeitung der vielen hier nur angedeuteten Resultate werde ich im Archiv für Zell- forschung berichten.

So 472... Jun 1922:

Kurse über exotische Pathologie und medizinische Parasitologie.

Im Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten zu Hamburg findet in diesem Jahre, vom 16. Oktober bis 9. Dezember, ein Kursus statt.

Der Kursus umfaßt Vorlesungen, Demonstrationen und praktische Übungen über Klinik, Ätiologie, Übertragung, pathologische Anatomie und Bekämpfung der exotischen Krankheiten, Einführung in die patho- genen Protozoen, medizinische Helminthologie und Entomologie, exo- tische Tierseuchen und Fleischbeschau, Schiffs- und Tropenhygiene. (Mit- bringen von Mikroskopen erwünscht. Ausführliche Prospekte auf An- fragen.)

Vortragende sind: B. Nocht, F. Fülleborn, G. Giemsa, F. Glage, M. Mayer, E. Martini, P. Mühlens, E. Paschen, E. Reichenow, H. da Rocha-Lima, K. Sannemann.

Anmeldungen sind möglichst bis spätestens 1. Oktober an das Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten, Hamburg 4, Bernhard- straße 74, zu richten.

Ausschreiben

zur Bewerbung um ein Stipendium der Mochizuki-Stiftung bei der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften.

| Auf Grund des Beschlusses des Verwaltungsausschusses der Mochi- zukistiftung vom 27. Mai d. J. wird gemäß SS 2 und 3 der Stiftungs- urkunde ein Stipendium für Forschungsarbeit in dem Fache der Bio- logie im weitesten Sinne in Höhe von mindestens 30000 Mk. jähr- lich auf 2 Jahre ausgeschrieben.

Die Bewerbung unterliegt folgenden Bedingungen:

1. der Bewerber muß promoviert haben;

2. der Bewerber muß den Nachweis erbringen, daß er Neigung und Talent zur Forschung hat. Einreichung eines möglichst vollstän- digen Berichts über die bisherige Laufbahn und Tätigkeit, eventuell Publikationen, Zeugnisse ;

3. der Bewerber darf keine besoldete Stelle innehaben ;

4. der Bewerber darf nicht bereits im Genuß eines ähnlichen Stipen-

diums sein.

Gemäß 8 9 der Stiftungsurkunde kann die Kaiser-Wilhelm-Gesell- schaft verlangen, daß der Stipendiat seine Forschungsarbeiten in einem der Kaiser-Wilhelm-Institute ausführt.

Bewerbungen, die auch Angaben über die Arbeitspläne enthalten sollten, sind bis spätestens 1. Oktober 1922 zu richten an den Präsi- denten der. Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft

Seine Exzellenz Professor D. Dr. v. Harnack Berlin C. 2, Schloß, Portal 2.

J unge & Sohn, Univ.-Buchdruckerei, Erlangen

- Biologisches Zentralblatt

Begründet von J. Rosenthal Herausgabe und Redaktion:

Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. C. Correns Prof. Dr. R, Goldschmidt und Prof. Dr. ©. Warburg

in Berlin Veılag von Georg Thieme in Leipzig Anzeigen-Annahme: Hans Pusch, Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 28

42. Band. Oktober/November 1922. Nr. 10 u. il ausgegeben am 15. Oktober 1922

Der jährl. Abonnementspreis (12 Hefte) beträgt innerhalb Deutschlands 120 Mk. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

Den Herren Mitarbeitern stehen von ihren Beiträgen 30 Sonderabdrucke kostenlos zur Verfügung; weitere Abzüge werden gegen Erstattung der Herstellungskosten geliefert.

Inhalt:

D. Tollenaar. Statistik und Vogelzug. Mit 3 Abb. S. 401,

A.-L. Steinberger, Über Regulation des osmotischen Wertes usw. 8. 405.

H. C. v. d. Heyde, Studien über organische Regulation. II. S. 419.

H. Eidmann, Die Durchlässigkeit des Chitins bei osmotischen Vorgängen. Mit 1 Abb. 8.429. R. Stumper, Quantitative Ameisenbiologie. 8. 435.

Fr. Heikertinger, Sind Wanzen (Hemiptera heteroptera) durch Ekelgeruch geschützt? S. 441.

Statistik und Vogelzug. Von D. Tollenaar (Wageningen, Holland).

(Eine Kritik auf K. Bretscher „Zahlenmäßiges über den Vogelzug“ im Biol. Zentralbl Dezember 1921.) Mit 3 Abbildungen.

In der Dezembernummer 1921 dieser Zeitschrift hat K. Bretscher (Zürich) die Ergebnisse Hermanns aus Ungarn bearbeitet und dieselben verglichen mit seinen eigenen aus der Schweiz. Er enthält inter- essante Resultate über die Ankunft der Vögel in Mitteleuropa in verschiedenen Höhen, an verschiedenen Orten, in verschiedenen Monaten.

Am Ende aber gibt der Verfasser noch seine Anschauungen über den Zusammenhang zwischen Witterung und Ankunftszeit. In Ab- weichung von anderen gelangt er zu dem Schluß, es bestehe wenigstens zwischen Temperatur im Ankunftgebiet und Ankunftzeit kein Zu- sammenhang. Obwohl ich bezweifele, ob wirklich ein solcher Zu- sammenhang fehlt (aufGrund in Holland erworbenen Studiummaterials, das an anderer Stelle veröffentlicht wird), habe ich jetzt hier nicht die Absicht dieses zu bestreiten. Es scheint mir aber notwendig, die Methoden Bretschers, welche ihn zu diesem Schluß führten, zu kri- tisieren, weil sie meines Erachtens ganz und gar falsch sınd.

42. Band. 26

402 D. Tollenaar, Statistik und Vogelzug.

S. 569sagt Bretscher: „Ich gestehe gerne, daß meine statistischen Zusammenstellungen über die Frage nicht durchaus beweisend waren'), weil eben das Beobachtungsmaterial für diesen Zweck immer noch in ungenügendem Maß vorhanden ist. Nun glaube ich ein Verfahren gefunden zu haben, das gestattet, der Lösung doch mit einiger Sicher- heit näher zu kommen. Dies mit einer Anwendung der Plus-Minus- Methode (nach Lipps). Ich habe aufgezeichnet, wie oft die mittleren

Tagestemperaturen im Schweizer Mittelland in den Jahren 1894 bis _

1912 vom 1. März bis 15. April von einem Tage zum anderen zu- nahmen, abnahmen oder gleich waren. Ich wählte diese Zeit, weil aus ihr die meisten Zugsbeobachtungen vorliegen und den 1. März bis 15. April, weil der Einzug im genannten Gebiet erst mit März kräftiger einsetzt (s. „Vogelzug“ S. 39) und um die Mitte April den Höhepunkt erreicht. Während dieser Tage nehmen also im ganzen genommen sowohl die mittleren Tagestemperaturen wie die Angabe- zahlen zu. Deshalb kann nur die Vergleichung dieses ersten Teils der gesamten Zugskurve mit der gleichzeitigen Temperaturkurve ein ee Bild Er eine ee Bedingtheit der ersteren durch die zweite geben.“

Die oben zitierte Methode ist aber. sehr schlecht. Erstens ist es doch völlig willkürlich nur den Zusammenhang bis zum Maximum zu vergleichen. Wenn die Ankunftzeit der Zugvögel in Wirklichkeit eine Art Funktion der Temperatur wäre, so sollte man doch auch die Abnahme am Ende daraus erklären können ?). Es ist aber verfehlt (wenn wir einen Augenblick annehmen, daß eine Beziehung existiert), daß dann jedesmal eine Steigerung der Temperatur mit einer Stei- gerung des Zuges und eine Abnahme der Temperatur mit einer Abnahme des Zuges zusammentreffen muß. Dies ist der Haupt- fehler, welchen wir vorerst noch mit Beispielen erläutern wollen. In einer Abhandlung über „Eggproduction and Laying periods of some ‘wild birds, as compared with those of Domestic Fowl“?) habe ich neuerdings bewiesen, daß ein bestimmter Zusammenhang zwischen Temperatur und Bıutanfang einiger Meisenarten besteht. Auch eın anderer holländischer Ornithologe G. Wolda ist zu demselben Schluß Belanbt Er hat mathematisch gezeigt, daß wenn im April die Morgen-

1) Diejenigen aus Bretschers „Der Vogelzug in Mitteleuropa*.

2) Im „Vogelzug in Mitteleuropa“ sagt Bretscher S. 155: „Die einfache Über- legung, daß der Zug der einzelnen Arten wie als Ganzes nur schwach einsetzt, sich bis zu einem Höhepunkt steigert, um dann wieder abzuflauen, während die Wärme im allgemeinen bis nach dem Ende der Zugszeit zunimmt, kann schon dazu führen, in ihr nicht das bedingende Moment zu erblicken.“ Eben dieser Grundgedanke ist aber falsch!

3) D. Tollenaar, „Legperioden en Eierproductie van .eenige wilde vogels, ver- len met die van onze hoenders“, with a summary in english. Meded. Landbouw- Hoogeschool, 1922 (Veenman, Wageningen: fl. 1.—).

4) G. Wolda, „Ornithologische Studies“ avee Resume en francais, 1918 (V. Langenhuizen, Haag).

D. Tollenaar, Statistik und Vogelzug. 403

temperatur mehr als C. beträgt, die Eierproduktion anfängt. Ist die Temperatur niedriger, so findet keine Eierproduktion statt, wird so- gar die Eiablage gehemmt. Wir wollen einmal den theoretischen Fall betrachten, daß die Morgentemperatur sich anfangs April plötzlich auf z. B. 8’ ©. stellte und während des ganzen Monats dieselbe blieb. Wir dürfen dann auf biologisch-mathematischer Grundlage erwarten, daß die Zahl Individuen, welche an jedem Apriltage eine Brut beginnt, sich im Laufe des Monats zuerst steigern wird zu einem Maximum, darauf wieder regelmäßig hinabfallen wird, wie in Abb. 1a angegeben ist. Es geschieht jedoch natürlich nie, daß die Temperatur während des

Abb. la und b. Normale und einseitige Frequenzverteilung.

Abb. 2. Abb. 3.

Abb. 2. Brutanfangsfrequenz bei Parus major im Jahre 1920. Abb. 3. Brutanfangsfrequenz bei P, major P. coeruleus mit mittlerer Temperatur im Jahre 1919.

Brutanfangs völlig konstant bleibt. Im Jai:zre 1920 hat sich in Holland aber die Temperatur während des Brutanfangs von Parus major innerhalb jedenfalls sehr engen Grenzen bewegt und das Resultat war, wie wir erwarteten und wie aus Abb. 2 ersichtlich ist: eine annähernde Wahr- scheinlichkeits- (oder Galton-, Quetelet- oder binomiale) Kurve trat zum Vorschein.

Wir ersehen also, daß hier bei einer Erscheinung, welche zweifel- los mit der Temperatur in Zusammenhang steht, sich doch bei gleich- bleibender Temperatur eine Frequenzsteigerung im Anfang und eine allmähliche Frequenzabnahme am Ende zeigt. Ja, wir dürfen

26°

404 D. Tollenaar, Statistik und Vogelzug.

sogar annehmen, daß trotz des Zusammenhanges mit der Temperatur bei einer kleinen Temperaturabnahme in der ersten Hälfte sich doch noch eine Steigerung der Brutanfangfrequenz ergeben wird, ob- wohl diese Steigerung geringer sein wird als bei gleichbleibender Temperatur. Erst eine große Temperaturabnahme wird imstande sein die Frequenzsteigerung ım Anfang in eine Abnahme zu verwandeln, wie im Jahre 1919 auch wirklich gefunden wurde und was die Abb. 3 uns deutlich zeigt.

Wenn die Temperatur nicht konstant bleibt, aber, wie dies im Laufe des Frühlings im Mittel (einer großen Anzahl Jahre) der Fall ist, steigt, so darf man bei einer Erscheinung, die wie Brutanfang und vielleicht Zug von der Temperatur abhängig ıst, nicht mehr die einfache Frequenzverteilung erwarten, welche, wie wir sahen, bei gleich- bleibender Temperatur besteht. Die annähernde Wahrscheinlichkeits- kurve wird jetzt eine Abänderung zeigen müssen. Stützend auf die Betrachtungen von zwei holländischen Mathematikern Kapteyn und van Uven über „Skew Frequency-curves in Biology and Statisties“°), dürfen wir in diesem Falle eine links schroff ansteigende Kurve er- warten. Einen Typus dieser Kurve findet man in Abb. 1b. Sie zeigt uns, daß in diesem Falle die Anzahl Tage, an denen die Temperatur- zunahme mit einer Frequenzzunahme der Erscheinung zusammengeht, geringer ist als die Anzahl Tage, wobei die Temperaturzunahme von einer Frequenzabnahme begleitet wird. Der Grund ist einfach dieser, daß die Steigerung viel schneller verläuft als die Abnahme.

Neben der falschen Auffassung, daß bei Existenz eines Zusammen- hanges zwischen Temperatur und einer anderen Erscheinung (Brut- anfang oder Zug), jede Steigerung und Abnahme der Temperatur auch an einer Zu- und Abnahme in dieser Erscheinung beantworten soll, wird die Methode Bretschers auch aus anderen Gründen einen möglichen Zusammenhang niemals hervorbringen können.

Bretscher hat zum Beispiel auch niemals der Stärke der Zu- und Abnahme Rechnung getragen. Eine große oder sehr kleine Zu- nahme alles ist bei ıhm einerlei. Es ist doch einfach einzusehen, daß eben die kleinen „zufälligen“ Zu- und Abnahmen der Temperatur keinen Einfluß ausüben werden. Wenn wir auf Abb. 2 die Methode Bretschers (oder Lipps) anwenden, wird dies sofort ersichtlich. Wir finden dabei für: P. major 6+4+, 3%, (ER 2 les sl len 10 mal ein positiver und 10 mal ein negativer Zusammenhang. Bei P. coeruleus finden wir in ähnlicher Weise. 13mal einen negativen und 9mal einen positiven Zusammenhang. Während wir sofort mit Gewißheit einen Einfluß der Temperatur feststellten, gibt die von Bretscher benutzte Methode keinen oder sogar einen negativen Zusammenhang! Genau dasselbe erhalte ich, wenn ich die Bret- schersche Methode anwende auf die Beziehung zwischen Temperatur

5) J. G. Kapteyn and M.J. van Uven, „Skew Frequency Curves in Biology and Statistics“, 1916 (Hoitsema Brothers, Groningen), fl. 1.—.

A.-L. Steinberger, Über Regulation des osmotischen Wertes usw. 405

und Gesang°). Obwohl auch dort ein Zusammenhang der Temperatur- maxıma und -minima mit denjenigen des Gesanges überaus deutlich ın den Abbildungen zum Ausdruck kommt, ist mit der Bretscher- schen Methode in folge der vielen kleinen zufälligen Schwankungen und der Vernachlässigung der Größe dieser Schwankungen nicht der geringste Zusammenhang nachzuweisen.

lch glaube, daß mit diesen Beispielen genügend bewiesen ist, daß die von Bretscher benutzte Methode zur Auffindung eines eventuellen Zusammenhanges zwischen Ankunftzeit der Zugvögel und Temperatur in ihrem Brutgebiet nicht richtig ist.

Ich möchte außerdem noch eine kleine Bemerkung machen. Bretscher hat nachgewiesen, daß in südlichen Gegenden und in Tiefebenen die Zugvögel im Mittel früher erscheinen, als in nördlichen Gebieten und höheren Gebirgsgegenden. Dies scheint für Bretscher keine Andeutung, daß vielleicht ein Zusammenhang zwischen Ankunft und Klimaverhältnissen besteht (wärmere Süd- und Tiefebenen!). Jeden- falls ıst dagegen auch immer der Einwand möglich, dieser frühere oder spätere Fintritt sei in früheren Zeiten, als die Umstände viel ungünstiger waren (Eiszeit) ererbt worden. Dieser Einwand war nicht möglich, wenn wir die Ankunftdaten der Zugvögel in den auf- folgenden Jahren mit den jeweiligen Temperaturschwankungen ver- gleichen würden und es käme eine Beziehung hervor. Dies hat Bret- scher aber ebensowenig getan. Er hat die Ergebnisse aller Jahre zusammengefaßt und daraus jedesmal das Mittel berechnet, obwohl viele Arten so zahlreiche Daten enthielten, daß eine solche Ver- gleichung der aufeinanderfolgenden Jahre berechtigt war. Wir dürfen also sagen, daß Bretscher keine einzige Methode be- nutzt hat, wobei eine eventuelle Beziehung zwischen Temperatur und Ankunftzeit hätte zum Vorschein treten können.

Über Regulation des osmotischen Wertes in den Schliesszellen von Luft- und Wasserspalten. Von Anna-Luise Steinberger, geb. Hurt.

Während durch die Arbeiten von Lloyd und von Rosing seit 1905 bekannt war, dab der Stärkegehalt der Schließzellen mit der Be- wegungstätigkeit der Stomata schwankt, hat erst 1915 Iljin aufsehen- erregende Mitteilungen über die Schwankungen des osmotischen Wertes der Schließzellen gemacht: bei russischen Steppenpflanzen sollte der osmotische Wert der maximal turgeszenten Schließzellen, bei weit ge- ölfneten Stomata, um 70—80 Atm. über dem der übrigen Epidermis-

6) Aus: D. Tollenaar „Zangstatistiek en Zangverklaring“, 1922 (Selbstverlag: fl. 0,35). Erscheint auch in der deutschen Sprache in der folgenden Lieferung der „Mitteilungen über die Vogelwelt“, Ausgabe der Süddeutschen Vogelwarte, Stuttgart.

406 A.-L. Steinberger, Über Regulation des osmotischen Wertes usw.

zellen liegen; beim Spaltenschluß, wie er durch Verdunklung und durch Wasserentziehung beim Welken herbeigeführt wird, sollte der osmotische Wert der Schließzellen rasch sinken bis zur Abgleichung mit dem Wert. der umgebenden Epidermiszellen. Diese Befunde widersprachen der herr- schenden Schulmeinung, wonach die Turgordruckdifferenzen zwischen Epidermis und Schließzellen unbeträchtlich sein sollten und der Spalten- schluß beim Welken rein passiv durch Wasserverlust herbeigeführt werden sollte. Es verlohnte sich deshalb wohl, die Angaben Iljins auf breiterer Grundlage nachzuprüfen, um so mehr, als es Hagen (1916) nicht gelungen war, eindeutige plasmolytische Bestimmungen auszu- führen. Die im folgenden mitgeteilten Untersuchungen sind auf Ver- anlassung und unter Leitung von Herrn Prof. Renner im botanischen Institut in München-Nymphenburg ausgeführt worden, in der Zeit von Oktober 1919 bis August 1920. Eine ausführlichere Darstellung als sie hier gegeben wird ist als maschinengeschriebene Dissertation auf der Bibliothek der Universität Jena niedergelegt. Die Arbeit von Wiegans (1921), die Iljins Angaben für 4 Gartenpflanzen be- stätigt, ist nach Ablieferung der Dissertation erschienen.

Vorversuche. a) Plasmolyse mit Salzlösungen.

Nicht zu dünne Flächenschnitte von gesunden Blättern mittleren Alters wurden zur Bestimmung der plasmolytischen Grenzkonzentration in Kochsalzlösungen von den Konz. 0,05 bis 2,00 GM (volumnormal), mit Abstufungen von 0,05 GM gebracht; seltener wurde, zu Anfang, Kalısal- peter verwendet, der bei den höchsten osmot. Werten wegen zu geringer Löslichkeit nicht mehr brauchbar war. Die Verringerung des Zellvolu- mens bei der Plasmolyse ist nicht berücksichtigt, die gefundenen Werte sind also durchweg zu hoch; der Fehler muß um so größer sein, je stärker die Membran der turgeszenten Zelle gedehnt war. Die Fest- . stellung der Grenzkonzentrationen geschah 5—-10 Min. nach der Ein- tragung der Schnitte in die Lösungen. Die ersten Versuche mit KNO; hatten nämlich ergeben, daß die Grenzkonzentration .mit der Zeit be- trächtlich steigt. So waren die Schließzellen von Zebrina plasmolysiert: nach 5 Min. in 0,4, nach 15 Min. in 0,6, nach 60 Min. in 1,0 GM. Augenscheinlich permeiert das Salz leicht durch das Plasma. Dazu kann noch eine Wirkung auf das enzymatische System kommen: während in Wasser oder in Zuckerlösung liegende Schließzellen z. B. von Zebrina immer Stärke enthielten, verschwand die Stärke in den Salzlösungen. Die Erscheinung soll demnächst von anderer Seite genauer studiert werden.

Die Spaltweite wurde gemessen an in Alkohol fixierten Flächen- schnitten, und zwar wurde jeweils das Mittel aus 20 Messungen ge- nommen; ein Mikrometerteilstrich. ist so viel wie 2,5 u. Dieselben Schnitte wurden, wenn der Stärkegehalt ermittelt werden sollte, in wässerige Jodjodkaliumlösung gebracht.

A.-L. Steinberger, Über Regulation des osmotischen Wertes usw. AIT b) Wirkung von Rohrzuckerlösungen.

Nachdem die hohe Permeabilität der Schließzellen für KNO, er- kannt war, wurden Plasmolyseversuche mit Rohrzucker gemacht. Diese ergaben zunächst viel niedrigere Werte als die mit Salpeter. Doch han» delt es sich dabei nicht nur um das Fehlen des Eindringens des Zuckers ins Plasma, sondern um eine aktive Herabsetzung des osmotischen Wertes der Schließzellen, wohl infolge der Wasserentziehung durch die nicht permeierende Lösung. In einem Versuch lag die plasmolytische Grenzkonzentration nach 5 Min. bei 0,60 GM Rohrzucker, bei Spalten, die vorher 5 Teilstr. weit geöffnet waren, nach 15 Min. schon bei 0,20 GM, nach 60 Min. ebenso; nach 15 Min. hatte entsprechend die Spaltweite in hypotonischen Lösungen auch schon auf 1 Teilstr. abgenommen. Auf Grund dieser Beobachtungen wurde Zucker nie wieder verwendet. Wasserentziehung findet bei Plasmolyse auch statt, wenn KNO, oder NaCl das Plasmolytikum ist, aber die erwähnte Wirkung der intra- meierenden Salze läßt es nicht zu einer Vermehrung der Stärke kommen, sondern arbeitet auf den umgekehrten Prozeß hin, wenn auch mit, wie es scheint, geringerer Geschwindigkeit. Nicht zu vergessen ist auch die Möglichkeit, daß die Permeabilität des Schließzellenplasma im Zustand größter Spaltenweite höher ist als bei geschlossener Spalte. zum mindesten, wenn der Spaltenschluß durch Verdunklung herbei- geführt ist.

I. Grundversuche an Zebrina pendula (Tradescantia zebrina).

Auf alle Fälle ist es bei geöffneten Spaltöffnungen sicher recht schwer, genaue osmotische Bestimmungen mit der plasmolytischen Me- thode auszuführen, und deshalb ist auf feine Abstufung der Lösungen var kein Wert gelegt worden; vielleicht sind manche der beobachteten Werte auch infolge des Eindringens der Salzlösung zu hoch ausge- fallen.

Gleich die ersten Versuche ergaben eine Bestätigung der Angaben Iljins: bei gar nicht sehr hellem Winterwetter übertraf an gut mit Wasser versorgten Topfpflanzen von Zebrina der osmotische Wert der Schließzellen den der Epidermis weit, er sank bei Verdunklung rasch, in dem Maße wie die Spalten sich schlossen, und stieg auf Erhellung mit der Erweiterung der Spalten; er war im Licht besonders hoch zu treiben durch Aufenthalt der Pflanzen unter einer feuchten Glocke, fiel rasch auf das Niveau der Epidermis an Blättern, die zum Welken ausgelegt waren, während die Epidermis ihren osmotischen Wert im Lauf einiger Stunden um ein 'weniges erhöhte, und er blieb dauernd niedrig bei schlechter Wasserversorgung. Die niedrigen Werte sind wegen der groben Abstufung der Lösungen recht ungenau ermittelt. Hand in Hand mit den Veränderungen des osmotischen Wertes gehen solche des Stärkegehalts; geschlossene Spaltöffnungsapparate enthalten große Stärkekörner in ihren heligrünen Chromatophoren, die Stärkemenge nimmt ab mit der Öffnung der Spalten, und bei maximaler Öffnungs- weite sind oft nur noch Spuren von Stärke vorhanden. Wird Spalten- schluß erzwungen, so erscheint die Stärke auf der Stelle wieder.

408 A.-L. Steinberger, Über Regulation des osmotischen Wertes usw.

Einige Versuche: 1. Wirkung der Verdunklung.

a) Stomata im Licht: 1,5 GMKNO,; !/,St. dunkel: De 1/, St. dunkel: 0,15 Spaltweite: 5,0 Teilstr. 2,0 1 2 b) Stomata im Licht: 1,0 GM; 5 St. dunkel: 0, 30;3 Tagedunkel: 0, 30 Epidermis: 0415 0. 10° 0, 10

2. Wirkung der Erhellung unter der Glocke. 1'/, St. dunkel: Stom. 0,50 GM; Spaltweite 1,8 Teilstr.; Epid. 0,15 GM ot. grelle 1.95 4,5 0,15

Wıiggans hat an demselben Objekt im Licht osmotische Werte bis zu 0,19GM CaÜl,, im Dunkeln 0,10 GM gefunden. Der höchste Wert entspricht etwa 11 Atm., während in meinen Versuchen Werte von 1,5GM KNO, gleich etwa 55 Atm. und darüber vorkommen. Das dürfte mit verschieden reichlicher Wasserzufuhr zusammenhängen. Allerdings ist bei dem 'wenig permeierenden OaUl, aber auch die Gefahr, zu hohe plas-. molytische Werte zu bekommen, geringer als bei KNO, und Nall.

3. Wirkung des Welkens abgetrennter Blätter im Licht; Plasmolytikum KNO;. a) Stomata verschiedener Blätter frisch: 0,80 GM 0,50; 0,60; 0,35

Derselben Blätter welk: 0,30 0,20 0,20 0,15 b) Stomata: frisch 1,0GM; 1St.w.0,3; 2St.0,25; 3Std. 0,20; 48t.0,20; 58t. 0,2 Spaltweite: 3,3 Teilstr. 115 ‚2 0,4 0 0 Epidermis: - 0,15 GM 0,15 0,20 0,20 0,20 0,20 c) Stomata: 1,0 GM 0,45 0,40 0,25 0,20 Spaltweite: 2,8 Teilstr. 1,7 0,6 0 0 Epidermis: 0,15 GM 0,15 0,25 0,20 0,30 d) Stomata: frisch 1,00GM ;!/,St. w.0,50; 1 St. 0, 40: 11/, St. 0,30; 2St.0,30; 3 St. 0,25 Spaltweite: 2,6 Teilstr. 2,4 2,2 1,8 155 en Epidermis; 0,10 GM 0,15 0,15 0,15 0,15 0,20

Wiggans hat den Einfluß des Welkens nicht studiert. 4. Wirkung der Wasserversorgung auf ganze Topfpflanzen.

a) Topf I trocken gehalten, II sehr feucht gehalten; Bestimmungen mittags an ziemlich trüben, zeitweise etwas sonnigen Januartagen.

1 Tag unter den angegebenen Bedingungen: 4 Tage: Stomata Spaltweite Epid. Stomata Spaltw. Epid.

I. 010GMNaCl 0 Teilstr. 015GM 0,10GM 0 Teilstr. 0,25 GM

112,20.50 2,0 015 1,45 2.9 0,20

b) Topf I trocken, II normal feucht, III seit längerer Zeit sehr feucht gehalten. Bestimmungen mittags. Spalten bei I und Il fast ge- schlossen, bei III 4,1—6,2 Teilstr. weit offen. Epidermis bei I 0,30 bis 0,35 GM, bei II v, 10—0,15 GM, bei IH 0,10 GM Nadl. Schließzellen: 15=.x11. 419 trüb 16. XI. 19 trüb 14.7920. hell

Pflanze I 0,10 GM NaÜl 0,10 0,10 u 0,10 0,10 0,35 III 1.55 1,55 2,0

Lange dauernder Aufenthalt im feuchten Raum führte nicht immer, aber doch oft, eine Überdehnung der Schließzellmembranen herbei, sodaß

A.-L. Steinberger, Über Regulation des osmotischen Wertes usw. 409

die Stomata beim Welken und bei Plasmolyse sich nicht mehr ganz zu schließen vermochten. Dasselbe hat Bergen (1909) von Keimpflanzen berichtet.

5. Gleichzeitige Wirkung von Welken und starker Belichtung. 20. Juli 1920.

Blatt frisch von der Pflanze: Schließz. 1,0 GM Na0l; Spaltw. 5,2 Teilstr. !/, St. in der Sonne gewelkt: 5 0,50 GM Sa 6

6. Wirkung übermäßiger Wasserzufuhr.

Die Angaben über den Erfolg, den das Einlegen von Schnitten in Wasser auf die Spaltweite hat, gehen weit auseinander. Am häufigsten sind die Beobachtungen, dab geöffnete Spalten in Wasser sich zunächst schließen, um nach längerer Zeit sich wieder zu öffnen; gelegentlich ist beim Einlegen welker Blätter in Wasser auch vorübergehende Öffnung vorher geschlossener Spalten gefunden worden (Amaryllis nach Mohl, zitiert bei Pfeffer 1897, S. 173). Bei Zebrina schlossen sich geöffnete Spalten in Wasser ebenso sicher und rasch, meist in Ya Std., wie bei Verdunklung und bei Welken, und dabei vermehrte sich die Stärke in den Schließzellen in der augenfälligsten Weise. Derselbe Erfolg stellte sich ein, wenn ganze Blätter unter der Luftpumpe mit Wasser injiziert wurden, langsamer, wenn abgetrennte Blätter einfach in Wasser unterge- taucht wurden; durch Wundreiz ist also die Reaktion an Schnitten wohl nicht bedingt!). Der osmotische Wert der Schließzellen fiel dabei eben- falls wle beim Welken, z. B. von 1,0 GM KNO, auf 0,4, von 1,60 auf 0,25, von 0,70 auf 0,20, von 0,60 auf 0,20. Als dieselben Versuche später mit Paeonia officinalis wiederholt wurden, sank der osmotische Wert von 0,90 auf 0,50—0,30 GM Natl.

Der Zustand der Stärkearmut und des hohen Turgordrucks scheint also in den Schließzellen sehr labil zu sein: durch die verschiedenartigsten Reizanstöße wird die Regeneration der Stärke aus den mutmaßlichen Hydrolyseprodukten und die Senkung des osmotischen Werts veranlaßt, durch. Lichtentzug, durch Wasserentziehung und durch übermäßige Wasserzufuhr. Wenn starke Beleuchtung und Wasserverlust gegen- einander arbeiten, so siegt der Einfluß der Wasserentziehung, was öko- logisch, als Anpassung, wohl zu verstehen ist, kausal noch der Auf- klärung bedarf.

An Epidermisstücken, die in Wasser liegen, bleiben die Schließ- zellen der Stomata oft viel länger als die übrigen Epidermiszellen am Leben (Leitgeb, Hagen, Linsbauer 1918), und dabei nehmen die Schließzellen oft, indem sie sich sehr stark, mitunter bis zur Ring- form krümmen, die seltsamsten Gestalten an. Solches beschreibt Leit- seb von den Spaltöffnungen an Blütenhüllblättern, und ich selber habe

1) Linsbauer (1916, S. 105) hat bei Hartwegia eomosa Öffnung der Spalten in der Nähe von Blattwunden beobachtet,

410 A.-L. Steinberger, Über Regulation des osmotischen Wertes usw.

die Erscheinung am Perigon von Veltheimia viridiflora, Aloe Schim- peri, Olivia nobilis gesehen. Eine Turgorzunahme, wie Leitgeb meint, findet hier in den Schließzellen nicht statt; bei Veltheimia z.B. werden stark verzerrte Schließzellen schon durch 0,10 GM NaCl kräftig plasmolysiert. Die Beobachtung Hagens (S.271), dab Spaltöffnungen von Tradescantia, die in einer verfaulten Epidermis noch leben und da- bei „unnatürlich weit offen“ sind, reichlich Stärke führen, stimmt damit überein; wenn mit der Zeit die Stärke durch Wachstum und Atmung aufgezehrt wird (Leitgeb), so ist das nicht zu verwundern, falls nicht durch Photosynthese in den Schließzellen Ersatz geschaffen wird. Die Schließzellen erhalten dadurch, daß der Gegendruck der Nachbarzellen wegfällt, Gelegenheit, die Spalte zunächst weit zu öffnen; dann dehnen sich ihre Membranen mehr und mehr, und augenscheinlich findet sogar noch Wachstum des ganz selbständig gewordenen Zellenpaars statt. Mit der Erfahrung, daß übermäßige Wasserzufuhr den Turgordruck der Schließzellen auf das Minimum heruntersetzt, steht also die Erscheinung der Überdehnung durchaus nicht im Widerspruch.

Nach Molisch (1921) verlieren abgeschnittene Laubblätter ihre Stärke viel rascher, wenn sie Gelegenheit haben zu welken, als wenn sie im feuchten Raum turgeszent bleiben. Die Regeneration der Stärke in den Schließzellen welkender Blätter ist also eine besondere, den Spalt- öffnungen eigene und im Dienst ihrer Funktion stehende Anpassung. Mit, dem Verschwinden der Stärke außerhalb der Schließzellen beim Welken könnte aber die Steigerung des osmotischen Werts in der Epi- dermis zusammenhängen, die sich beim Welken oft einzustellen scheint.

Jedenfalls sind die Reaktionen der Schließzellen typische Reiz- erscheinungen. Den Ausführungen Iljins und Linsbauers (1916, 1918) ist hier nichts hinzuzufügen.

7. Osmotischer Wert und Stärkegehalt der Schließzellen.

Seit Lloyd und Rosing nimmt man an, daß die Turgorsteige- rung in sich öffnenden Spaltöffnungsapparaten bei gleichzeitiger Ab- nahme der Stärkemenge durch Hydrolyse der Stärke hervorgerufen wird. Hagen (S. 272) hat bei Tradescantia virginica auf mikrochemischem Weg direkt nachgewiesen, daß mit dem Verschwinden der Stärke redu- zierender Zucker auftritt.

Vorausgesetzt, die Stärke werde bei Zebrina in Glukose umgewandelt, fragte es sich, ob die beobachteten Turgorsteigerungen zahlenmäßig mit den verfügbaren Stärkemengen im Einklang stehen. Die mit vielen Un- sicherheiten behaftete Schätzung der Volumina von Zellsaft und Swärke- körnern ließ Übereinstimmung der beobachteten und der berechneten Steigerungen des osmotischen Werts wenigstens nach der Größenordnung erkennen. Weiter unten wird zu berichten sein, daß auch in Spalt- öffnungen, die nie Stärke besitzen, der osmotische Wert zwischen weiten

A.-L, Steinberger, Über Regulation des osmotischen Wertes usw. 41

Grenzen verändert wird. Es ist also wohl möglich, daß auch in Stärke- blättern die sichtbare Hydrolyse der Stärke nur einer der Vorgänge ist, mit deren Hilfe die Turgorsteigerung herbeigeführt wird.

II. Versuche mit Avena sativa.

In Töpfen gezogene Hafer-Keimpflanzen zeigten ganz ähnliche osmo- tische Werte wie Zebrina und dieselbe Regulation in den Schließzellen bei Verdunklung und beim Welken. Unter der Glocke feucht gehaltene Blätter gaben an einem trüben Januartag folgende plasmolytische Werte: in den Schließzellen 0,55 GM NaCl, in der Epidermis 0,10; offen im Gewächshaus gezogene Blätter hatten in beiderlei Zellen 0,30 GM. Der erste Topf zeigte bei sonnigem Wetter an mehreren Mittagen in den Schließzellen die Werte: 1,25, 1,75, 1,70, 1,30 GM NaCl, bei Spaltweiten von 2,4—3,1 Teilstrichen; in der Epidermis blieb der Wert bei 0,10. Beim Welken eines abgetrennten Blattes fiel der Wert in Ys Std. 'von 1,70 auf 0,15, bei Verdunklung eines ganzen Topfes in Ys Std. von 1,80 auf 0,50 GM.

III. Freilandpflanzen: Stauden und Holzgewächse.

Die ersten kleinen Stauden, die im März 1920 ihre Blätter und Blüten entfalteten, zeigten das gleiche Verhalten wie die Topfpflanzen von Zebrina und Avena, und nicht anders war es mit größeren Stauden und mit Holzgewächsen im Frühjahr und im Sommer. In der Sonne stieg der osmotische Wert der Schließzellen weit über den der Epi- dermis, Verdunklung und Welken setzte ihn rasch herab, bei trübem Wetter blieb er auch mittags niedrig, entsprechend der geringen Öff- nungsweite. Schwankungen im Stärkegehalt waren meist deutlich. Es genügt, die beobachteten Maxima und Minima der osmotischen Werte mitzuteilen.

Stomata max. Stomata min. Epidermis

(ralanthus Elwesii 0,75GM NaCl 0,30 0,15 —0,30 Chionodoxa Luciliae 0,65 0,20 0,15—0,25 Primula denticulata 0,60 0,30(0,15) 0,25(0,15) Arabis alpina 0,55 0,25 0,35 —0,15 Paeonia officinalis 1,0 0,35 0,40 —0,20 Gentiana lutea 1,35 0,70—0,35. 0,50—0,30 Betula alba 0,90 0,40(0,20) 0,25— 0,20 Syringa vulgaris 1.40 0,55 0,45— 0,70 Forsythia suspensa 1,0 0,40 0,35 —-0,45 Hedera helix 1,0 0,45 0,40 0,45 Parthenoeissus radi-

cantissima 0,70 0,350—0,20 0,20 —0,30 Vinca minor 1,05 0,50 0,40 Mahonia aquifolium 0,95 0,40 p

Vor allem für die Holzgewächse ist hervorzuheben, daß an sonnigen warmen Sommertagen (im Juli und August) die höchsten osmotischen Werte am Morgen zu finden sind, ein beträchtlicher Abfall gegen Mittag stattfindet und mitunter wieder eine leichte Hebung am Nachmittag

412 A.-L. Steinberger, Über Regulation des osmotischen Wertes usw.

& ee

eintritt; schon Iljin ist bei seinen Objekten auf dieselbe Erscheinung gestoßen, und in einem Versuch von Wiggans an ÜOyclamen ist sie ebenfalls zu finden.

7230-2. mi 11 30%2. mi 2% 30'p.-m. 6"p.m.

Betula 0,90 0,55 0,50 0,40 Syringa 1,40 1,15 1,00 1,00 Forsythia 1,0 0.90 0,80 0,40 Hedera 1,0 0,35 0,45 0,40 Parthenveissus 0,70 0,30 0,25 0,40

Denselben Gang hat Livingston für die „relative Transpiration“ bei entsprechenden Bedingungen regelmäßig beobachtet, und es ist jetzt erwiesen, daß die mittägige Depression der relativen Transpiration min- destens zum Teil auf aktiver Herabsetzung des osmotischen Werts der Schließzellen beruht.

IV. Abweichende Typen: Sumpf- und Wasserpflanzen, Eranthis, Bei Pflanzen sehr feuchter Standorte ist vielfach mangelhafte Fähig- keit des Spaltenschlusses beobachtet worden. Wenn die Angaben ver- schiedener Autoren aüseinandergehen, so rührt‘ das wohl von hoher Variabilität der betreffenden Funktionen her. In eignen Untersuchungen verhielten sich noch ziemlich normal (alla, Alisma; ungewöhnlich war die große Unregelmäßigkeit der plasmolytischen Grenzkonzentration. bei den offenen Spaltöffnungsapparaten eines und desselben Epidermis- stücks. Bei den Schwimmblättern von Nymphaea und Limnanthemmm ergab sich, daß tatsächlich die Spaltweite sich auf Verdunklung und beim Welken wenig und langsam verändert und dementsprechend die Schwankungen des osmotischen Werts und des Stärkegehalts sehr ge- ringfügig ausfallen. Das Verhalten von Potamogeton natans ähnelt dem von Nymphaea. Auf Verdunklung verengern sich die Spalten sehr lang- sam und schließen sich zuletzt fast ganz. Der plasmolytische Wert fiel von 0,70 GM in 3 Std. auf 0,60; in 2Std. auf 0,55; von 0,65 über Nacht auf 0,55. Auch beim Welkenlassen abgetrennter Blätter ist die Er- niedrigung des osmotischen Werts kaum bemerkbar, die Spalten bleiben weit geöffnet, ja sie erweitern sich sogar noch; davon unten mehr.

Stom. max. Stom. min. Epid.

Calla palustris 0,45—0,80 0,20 0,20 & Na0l Alisma plantago, Luftblätter 0,45—0,80 0,20 0,20—0,30 Nymphaea alba, Schwimm-

blätter 0,55 0,50 0,45 0,20—0,25 Limnanthemum nymphaeoides

Schwimmblätter 0,45 0,30 0,30 Potamogeton natans

Schwimmblätter 0,65—0,70 0.55 0,30 0,35

Nach Leitgeb und Darwin schließt sich Eranthis an die Sumpf- pflanzen an, was die Trägheit der Spaltöffnungsbewegungen betrifft. Die Hochblätter von Eranthis eilicica hatten zur Blütezeit Spaltöff- nungsapparate recht verschiedenen Entwicklungszustands nebeneinander.

A.-L. Steinberger, Über Regulation des osmotischen Wertes usw. AS

In kleineren, noch nicht fertig ausgebildeten Schließzellen war der osmo- tische Wert in der Sonne nicht höher als 035 GM NaÜl, er fiel im Dun- keln auf 0,30, beim Welken auf 0,25, aber recht langsam. Ausge- wachsene Schließzellen hatten osmotische Werte gleich 0,40 GM NaCl, im Dunkeln 0,35, in welkem Zustand 0,25. Der Kochsalzwert der Epidermis wurde im Licht und im Dunkeln immer zu 0,25 GM be- stimmt, nach dem Welken zu 0,30. Dem trägen Spiel des stomataren Apparats entspricht also langsame und geringfügige Änderung des Tur- sordrucks.

V. Die Bedeutung der Nebenzellen.

Viel umstritten ist bis in die neueste Zeit die Rolle, die den Neben- zellen, besonders wenn sie typisch differenziert sind, bei der Bewegungs- tätigkeit der Spaltöffnungsapparate zukommt. Die Literatur ist bei Hagen Teteriert (8. 28411.; Benecke, Botan.. Zeit..,1892,. fehlt). Hagen selber findet bei gewissen wintergrünen Blättern im Winter mehr Zucker in den Neben- als in den Schließzellen und folgert daraus eine aktive Mitwirkung der Nebenzellen beim dichten Schluß der Spalten. Die Bestimmung des osmotischen Werts ist ihm aber nicht seglückt und ein zwingender Beweis für seine Annahme fehlt deshalb. Die sichere Entscheidung kann eben nur die Ermittlung der Verhält- nisse des Turgordrucks bringen; alle früheren Ausführungen beruhen auf Vermutungen.

Zebrina pendula. Bei unserem ersten Objekt sind 2 Paar Neben- zellen ausgebildet; sie unterscheiden sich in der Größe nicht viel von den übrigen Epidermiszellen und schließen sich an diese auch in bezug auf die Unveränderlichkeit des osmotischen Werts an.

Plumbaginaceen. Bei Armeria latifolia war der osmotische Wert der Schließzellen 9 Uhr morgens bei sonnigem Wetter 0,70 GM NaCl, fiel beim Welken in 4, Std. auf 0,55, bei Verdunklung in mehreren Stunden auf 0,350 GM. Die Nebenzellen verhielten sich ganz und gar wie die übrigen Epidermiszellen; in beiden war der Kochsalzwert in der Sonne 0,35, nach dem Welken 0,45, nach langer Verdunklung 0,30 GM.

Statice tatarica, genau gleich behandelt. Schließzellen 0,90 GM, welk 0,55, verdunkelt 0,355. Neben- und Epidermiszellen 0,35, welk 0,45, verdunkelt 0,30 GM.

Crassulaceen. Bei warmem sonnigem Juliwetter waren an Se- dum spectabile und Sempervivum tectorum um 7 Uhr 30 Min. a. m. und um 11 Uhr a.m. nur fast geschlossene Spalten zu finden, der osmotische Wert in allen Zellen der Epidermis 0,20 GM NaCl. Bei kühlem reg- nerischem Wetter waren die Spalten um 7 Uhr 30 Min. a. m. teilweise weit geöffnet, ihr osmotischer Wert schwankte je nach dem Alter der Stomata zwischen 0,80 und 0,25 GM, in den Nebenzellen und der übrigen Epidermis war der plasmolytische Wert 0,20 GM.

Sedum Selskianum. Kochsalzwert im Freien morgens in den Schließzellen 0,45—0,25 GM, in der Epidermis 0,15. Nach 14tägigem

414 A.-L. Steinberger, Über Regulation des osmotischen Wertes usw.

Aufenthalt unter der feuchten Glocke morgens in der Sonne etwas über 1 bezw. 0,15 GM; dieselben Blätter nach 1 Std. Welken 0,25 bezw. 0,15 GM.

Auffällig ist, daß bei heiterem warmem Wetter die Spalten auch morgens 7 Uhr 30 Min. kaum geöffnet sind; Besonderheiten der Spalt- öffnungstätigkeit sind ja bei den Sa Ulanal mit ihrer nächtlichen

Säurebildung nicht neu.

Potamogeton natans. Von dieser Pflanze ist schon berichtet, dab, wie schon Leitgeb beobachtet hat, beim raschen Welken des Schwimm- blattes die Stomata sich weit öffnen; sie bleiben so, bis das Blatt ver- trocknet. Die schmalen Nebenzellen haben zarte Wände und scheinen sehr ‘empfindlich gegen starken Wasserverlust zu sein, denn an ge- welkten Blättern war Plasmolyse in ihnen nicht festzustellen. Solange das Blatt frisch ist, besitzen Nebenzellen und übrige Epidermiszellen denselben osmotischen Wert, gleich 0,30—0,35 GM NaÜl, während die Schließzellen erst bei 0,70—0,65 GM imLicht, bei 0,60 GM nach 1stün- digem Welken, bei 0,55 GM nach längerer Verdunklung plasmolysiert werden. Das ungewöhnliche Verhalten beim Welken ist also jetzt ver- ständlich: die Schließzellen behalten ihren hohen Turgordruck, die Nebenzellen sterben ab, und so muß die Spalte klaffen.

In den untersuchten Fällen ist also von einer aktiven Beteiligung der Nebenzellen am Spiel der Stomata nichts zu finden gewesen. Die Nebenzellen verhalten sich durchaus passiv, wie die übrigen Epidermis- zellen; höchstens am welkenden Organ hilft die Epidermis bemm Spalten- schluß durch Überdruck mit.

VI. Saccharophylle: Arten von Allium.

Unter den Saccharophyllien, die im Chlorophyliparenchym des Blattes keine Stärke bilden, gibt es verschiedene, die trotzdem in den Schlieb- zellen der Stomata Stärke führen. Diese, wie Tulipa Gesneriana, Colcht- cum autumnale, Oypripedilum calceolus, haben im Mechanismus der Spaltöffnungsapparate keine Besonderheiten. Vollkommen stärkefrei fand ich, wie Hagen (8. 270), die Schließzellen bei Allium schoenoprasum, A. ursinum, A. porrum. Die Stomata sind normal beweglich, der osmo- tische Wert der Schließzellen ist höher bei geöffneter als bei geschlos- sener Spalte. Bei sonnigem Wetter im Garten gepflückte Blätter zeigten bei allen 3 Arten ziemlich niedrige plasmolytische Werte, 0,35, 0,35, 0,40 GM NaCl in den Schließzellen der wenig geöffneten Stomata, 0,25, 0,20, 0,25 GM in der Epidermis; beim Welken und bei Verdunklung sank der osmotische Wert der Schließzellen auf 0,20, 0,20, 0,50 GM. Durch 14tägige Kultur unter einer Glocke bei sehr guter Bewässerung konnte aber bei A. schoenoprasum der osmotische Wert in den Schließzellen im hellen Licht auf 1 GM NaCl und darüber hinaufgetrieben werden; bei Verdunklung der Blätter an der Pflanze und beim Welken abge- schnittener Blätter fiel der Kochsalzwert auf 0,40—0,25 GM, ebenso beim Einlegen von Schnitten in Wasser. Stärke war auch hier in den Schließzellen der geschlossenen Stomata nicht zu finden. In der Epi-

A.-L. Steinberger, Über Regulation des osmotischen Wertes usw. 415

dermis war die plasmolytische Grenzkonzentration nicht höher als bei den Freilandpflanzen.

Auf welche Weise hier, beim Fehlen von Stärke, der Turgordruck der Schließzellen erhöht wird, wenn die Spalten sich öffnen, ist ganz unklar. Übergang von Disaccharid in Monosaccharid, woran Lins- bauer denkt (1918, S. 100) könnte den Turgordruck nur verdoppeln, wenn dieser ganz und gar durch Zucker zustande käme; aber Hagen (S. 270) will Glukose schon in geschlossenen Spalten gefunden haben!

VII. Wasserspalten.

Von den Wasserspalten ist bekannt, daß sie teilweise ebensowohl verschlußfähig sind wie die Luftspalten, teilweise ganz unbeweglich, und daß alle Übergänge zwischen den Extremen vorkommen (vgl. z.B. Neumann-Reichardt). Für mich handelte es sich darum bei gut beweglichen Typen die Art der Reizbarkeit und etwaige Schwankungen des osmotischen Werts festzustellen.

Untersucht wurden Alchemilla vulgaris, Impatiens Holstiü, Impa- fiens noli tangere, Tropaeolum majus, meist an Freilandexemplaren, nur Impatiens Holstii ganz und Tropaeolum teilweise an Topfpflanzen. Bei Tropaeolum sind die Wasserspalten größer als die Luftspalten und liegen zu wenigen in den Kerben des Blattrands, bei Alchemilla und Impatiens sind sie sehr klein und in größerer Zahl auf den Blattzähnen untergebracht. Gemeinsam ist allen 4 Typen der Schluß der Hydathoden beim Welken abgeschnittener Blätter. Der osmotische Wert der Schließzellen wird dabei herabgesetzt, z. B. bei /mpatiens Holstii von 1,15 GM Na0l in Y, Std. auf 0,60, von 0,70 auf 0,20, bei Tropaeolum von 0,75 auf 0,25 GM. Schon Verminderung der Wasserzufuhr veran- laßt bewurzelte Pflanzen zur Senkung des Turgordrucks in den Schlieb- zellen der Wasserspalten ; während z. B. bei Tropaeolum der osmotische Wert an einer unter der Glocke gehaltenen Pflanze 0,90—1,0 GM NaCl betrug, zeigte eine daneben ziemlich trocken kultivierte Pflanze 0,35 GM; Impatiens noli tangere hatte am frühen Morgen, bei schwacher Guttation, einen Kochsalzwert von 0,50, am Nachmittag, nach Auf- hören der Guttation, 0,35 GM; bei Alchemilla sank der osmotische Wert schon zwischen 7 Uhr 30 Min. und 9 Uhr a.m. von 0,50 auf 0,30 GM.

Auf Wasserinjektion des Blattes reagierten offene Hyda- thoden von Tropaeolum (die anderen Objekte wurden nicht geprüft) nicht mit Schluß, und dementsprechend war auch keine Erniedrigung des osmotischen Werts zu finden: unter der Glocke im Licht guttierende Spalten geben Werte von 1,0—0,5 GM NaCl, nach Wasserinjektion 1,0--0,3; die niedrigen Werte wurden an kleineren Spalten mit ge- ringer Öffnungsweite gefunden. Daß sehr reichliche Wasserzufuhr, wie sie zur Zeit der Tätigkeit der Wasserspalten immer gegeben ist, hier keinen Schluß herbeiführt, anders als bei den Luftspalten in dem Versuch mit Tropaeolum sank der osmotische Wert in den Schlieb- zellen der Luftspalten bei Injektion des Blattes von 0,60 auf 0,30 GM

416 A.-L. Steinberger, Über Regulation des osmotischen Wertes usw.

NaCl —, erscheint als zweckmäßige Abweichung des Verhaltens der Wasser- von dem der Luftspalten. Durch Welken zum Schluß ge- brachte Spalten öffneten sich aber nicht wieder, als die Schnitte in Wasser eingelegt wurden.

Dem Lichtwechsel gegenüber verhielten sich die 4 Objekte un- gleich. Bei Tropaeolum antworteten die großen Wasserspalten über den Nervenendigungen des Blattrandes auf Verdunklung nicht mit Herabsetzung des osmotischen Werts und Verengerung; an unter der Glocke gehaltenen, guttierenden Blättern war der Wert im Licht 0,75 GM NaCl, dunkel 0,85; im hellen Licht 0,90, dunkel 1,0 GM; im hellen Licht. im Freien unter der Glocke 0,9, über Nacht verdunkeit 0,9 GM. Die Luftspalten derselben Blätter dagegen waren durch Verdunklung nor- mal reizbar; der Kochsalzwert fiel in einem Fall von 1,0 auf 0,30 GM. Die kleineren Nebenhydathoden schließen sich in ihrem Verhalten mehr an die Luftspalten an, setzen den osmotischen Wert im Dunkeln deut- lich herunter, z. B. von 0,6 auf 0,4 GM NadC!l.

Bei den 3 übrigen Pflanzen wirkte Verdunklung auf die Wasser- spalten ebenso wie auf die Luftspalten: die Spaltweite wird vermindert, der Turgordruck erniedrigt. Bei Alchemilla war an einem trüben reg- nerischen Tag morgens 7 Uhr 30 Min. der osmotische Wert der mäßig , weit geöffneten, guttierenden Hydathoden 0,70 GM, nach 21/5 stündiger Verdunklung waren die Spalten fast geschlossen, ohne daß die Guttation aufgehört hätte, und der osmotische Wert auf 0,30 GM gefallen; um 5 Uhr nachmittags, bei Sonnenschein, lag der osmotische Wert im Licht wieder höher, bei 0,40 GM, die Guttation hatte aufgehört. Ein paar Tage später wurde die Pflanze am Morgen dunkel gehalten, um 8 Uhr wurde der osmotische Wert zu 0,40 GM bestimmt, dann nach 2stün- digem Aufenthalt im trüben Licht des regnerischen Tages, bei .dauern- der Guttation, zu 0,50 GM.

Impatiens Holstii. Pflanze über Nacht unter Dunkelsturz gehalten, Spalten 8 Uhr a.m. fast geschlossen, osmotischer Wert 0,30 GM; jetzt unter der Glocke hell gestellt, 3 Uhr 15 Min. p.m. Spalten weit auf, osmotischer Wert 0,50 GM; wieder verdunkelt, nach 1 Std. die Spalten fast geschlossen, osmotischer Wert 0,40 GM.

Impatiens noli tangere. 2 Pflanzen über Nacht unter Glocken ge- halten, die eine noch mit Dunkelsturz überdeckt. Am Morgen die Spalten der vom Licht getroffenen Pflanze gut geöffnet, mit einem osmotischen Wert von 0,70—0,50 GM, die Spalten der dunkel gehaltenen enger, ihr osmotischer Wert 0,40—0,30 GM Natll.

Andere Versuche hatten ganz entsprechende Ergebnisse. Was die höchsten und die niedrigsten osmotischen Werte betrifft, so verhielten sich Luft- und Wasserspalten ziemlich gleich. Schwankungen des Stärke- gchalts waren in beiden mitunter, aber nicht immer deutlich.

Daß bewegliche Wasserspalten sich bei schlechter Wasserversor- sung der Gewebe schließen, wie die Luftspalten, erscheint durchaus zweckmäßig; diese Art der Reaktionsfähigkeit war auch bei allen 4 Ob-

Ä.-L. Steinberger, Über Regulation des osmotischen Wertes usw. 47T

jekten anzutreffen. Lichtreizbarkeit der Wasserspalten dagegen, in dem Sinn, daß die größte Spaltweite in hellem Licht erreicht wird und im Dunkeln der Porus sich verengert, ist ein überflüssiges, von den Luft- spalten her überkommenes Erbstück. Tatsächlich ist diese Eigenschaft auch nur bei Alchemilla und Impatiens erhalten, während bei Tropaeolum die großen Wasserspalten, gute Wasserversorgung vorausgesetzt, Tag und Nacht weit geöffnet stehen. Als schädlich kann die Verengerung der Spalten zur Nachtzeit, also zu der Zeit, in der sie hauptsächlich funktionieren, nicht betrachtet werden, weil auch die verengerten Poren augenscheinlich genügen, die geringen aus den Gefäßen austretenden Wassermengen abzuführen.

Die größten Wasserspalten von Tropaeolum haben manchmal einen mächtig weiten, fast kreisrunden Porus und vermögen sich dann auch beim Welken nicht mehr zu schließen. Ähnliches ist von vielen anderen Pflanzen bekannt. Das Bild erinnert an die überlebenden Spaltöffnungen in abgestorbenen Blumenblattepidermen, und Neumann-Reichardt vergleicht die beiden Erscheinungen auch miteinander. Gemeinsam ist tatsächlich die Überdehnung der Membranen und die Fixierung dieser Dehnung durch Wachstum. Aber die Schließzellen der Wasserspalten vermögen sich innerhalb der lebenden Epidermis so breit zu machen, weil sie ihren osmotischen Wert dauernd sehr hoch halten, weit über dem der Nachbarzellen; in Epidermen dagegen, die in Wasser liegend ab- sterben, ist der osmotische Wert der Schließzellen auf seinen tiefsten Stand gesunken und die Ausdehnung trotzdem möglich, weil jeder Gegendruck fehlt. Ob die starr gewordenen Schließzellen der verzerrten Wasserspalten den hohen Turgordruck beibehalten, ist nicht geprült worden.

Zusammenfassung der Ergebnisse.

Die von Iljin an Steppenpflanzen gemachte Beobachtung, dab mit dem Öffnen und Schließen der Spaltöffnungen beträchtliche Ver- änderungen des osmotischen Werts der Schließzellen einhergehen, wird für eine größere Zahl im Garten kultivierter Pflanzen bestätigt.

Die höchsten osmotischen Werte sind in hellem Licht und bei guter Wasserversorgung zu finden; die plasmolytischen Grenzkonzentrationen entsprechen nicht selten einer Normallösung von NaÜl (= 45 Atm.), so bei Paeonia, Betula, Syringa, Forsythia, Hedera, Vinca, und bei Zebrina pendula sind unter Glasglocken sogar Werte gleich 2 GM NaCl (90 Atm.) beobachtet worden. In den Epidermiszellen liegt der osmo- tische Wert beträchtlich tiefer; bei Zebrina z. B. entspricht er 0,15 GM NaCl (7 Atm.).

Wenn auf Verdunklung hin Verengerung und zuletzt Schluß der Spalten eintritt, so geht damit Hand in Hand eine Herabsetzung des osmotischen Werts der Schließzellen.

Ebenso wie Verdunklung wirkt Wasserentziehung, wie sie durch Welkenlassen abgetrennter Blätter oder durch Behandlung von Schnitten mit Zuckerlösung herbeigeführt wird. Am natürlichen Standort tritt in den Mittagsstunden warmer Sommertage oft eine vorübergehende Sen-

42. Band 27

418 A.-L. Steinberger, Über Regulation des osmotischen Wertes usw.

kung des osmotischen Werts ein, die zu der seit lange bekannten Er- niedrigung der relativen Transpiration führt. Der Spaltenschluß bei

Wassermangel ist also ebenso ein Reizvorgang wie die Reaktion auf,

Verdunklung.

Das Minimum des osmotischen Werts der Schließzellen ist im: Dun- keln bei guter Wasserversorgung gleich dem osmotischen Wert der Epi- dermiszellen. Bei längerem Welksein liegt der osmotische Wert der Schließzellen etwas unter dem der Epidermiszellen, weil diese ihren osmotischen Wert etwas erhöhen.

wutfällieerweise antworten die Schließzellen auch auf übermäßige Wasserzufuhr Einlegen von Schnitten in Wasser, Injektion der Blätter mit Wasser mit einer Senkung des osmotischen Werts auf das Minimum.

Wenn an Schnitten, die tagelang in Wasser liegen, die Stomata

sich nachträglich öffnen, so beruht das nicht auf einer Wiedererhöhung:

des osmotischen Druckes der Schließzellen, sondern auf der Aufhebung des Gegendrucks der absterbenden Epidermiszellen.

Bei den Amylophyllen geht mit dem Steigen des osmotischen Werts eine Auflösung der Schließzellenstärke Hand in Hand, eine Regene- ration der Stärke mit jeder Herabsetzung des osmotischen Werts. Bei den saccharophyllen Allium-Arten erfolgen fast ebenso beträchtliche Schwankungen des osmotischen Werts ohne Auftreten und Verschwin- den von Stärke auf noch ganz unbekanntem Weg.

Durch geringere Geschwindigkeit der Reaktion unterscheiden sich vom gewöhnlichen Typus die Spaltöffnungsapparate der Wasserpflanzen und der viel untersuchten Eranthis. Die blattsukkulenten Urassulaceen zeieen am natürlichen Standort geringe stomatare Öffnungsweiten und dementsprechend geringe Schwankungen des osmotischen Werts, ver- mögen aber im feuchten. Raum doch ansehnliche Turgordrucke in den Schließzellen zu erzeugen.

‚Wo typische Nebenzellen ausgebildet sind, verhalten sie sich beim Spiel der Spaltöffnungen durchaus passiv. Ihr osmotischer Wert ist nicht variabel und schließt sich an den der übrigen Epidermis an.

Die Schließzellen der untersuchten Wasserspalten antworten auf Wasserentziehung im selben Sinn wie die der Luftspalten. Dem Licht- wechsel gegenüber verhalten sich die Wasserspalten verschiedener Ob- jekte verschieden: die von Tropaeolum haben die Lichtreizbarkeit ein- gebüßt, die von Alchemilla und Impatiens dagegen verengern sich im Dunkeln, also zur Zeit der stärksten Guttation, beträchtlich. Die Ver- änderungen der Spaltweite beruhen auch bei den Wasserspalten auf Ver- änderungen des osmotischen Werts.

Literatur-Auswahl. J. G. Bergen, The modifiability of transpiration in young seedlings Bot. Gaz. 1909, 48. F. Hagen, Zur Physiologie des Spaltöffnungsapparates. Beiträge zur allgem. Bot. 19107. W.S. Iljin, Die Regulierung der Spaltöffnungen im Zusammenhange mit der Ver- änderung des osmotischen Druckes. Beih. z. Bot. Cbl. 1915, 1. Abt., 32.

H. €. v. d. Heyde, Studien über organische Regulation. II. 419

W. Leitgeb, Beiträge zur Physiologie der Spaltöffnungsapparate, Mitteil. a. d. bot. Inst. Graz 1888, 1.

K. Linsbauer, Beiträge zur Kenntnis der Spaltöffnungsbewegungen. Flora. 1916/17. 109.

Derselbe, Über die Physiologie der Spaltöffnungen. Die Naturwissenschaften 1918. 6.

F. E. Lloyd, The physiology of stomata. Carnegie Inst. of Washington. 1908. Publ. n. 82.

H. Molisch, Über den Einfluß der Transpiration auf das Verschwinden der Stärke in den Blättern. Ber. d. D. Bot. Ges. 1921. 39.

F. Neumann-Reichardt, Anatomisch-physiologische Untersuchungen über Wasser- spalten. Beitr. z. allgem. Bot. 1917. 1.

M. Rosing, Der Zucker- und Stärkegehalt in den Schließzellen offener und ge- schlossener Spaltöffnungen. Ber. d. D. Bot. Ges. 1908. 26a.

R. G. Wiggans, Variations in the osmotie concentration of the guard cells during the opening and closing of stomata. Americ. Journ. of Bot. 1921. 8. Ref. Zeitschr. für Bot. 1921. 13.

Studien über organische Regulation. II. Die Einschmelzung des Sehwanzes der Froschlarven.

Von H. C. van der Heyde. Aus der Abteilung für Physiologie und physiologische Chemie der West Virginia University Medical School. Morgantown. W. Va. U.S.A.

Einleitung. Die Lösung des Problems der Involution des Kaul- quappenschwanzes ist von sehr verschiedenen Gesichtspunkten aus ver- sucht worden. Wie in den meisten biologischen Problemen hat man die anatomische Seite der Frage ausführlicher studiert als die physio- logische. Die Annahme, daß diese besondere Stufe der Entwicklung des Frosches eine Rekapitulation darstellt der fischähnlichen Vorfahren der Amphibien und das histologische Studium des Schwanzes während der Resorption, können uns keinerlei Aufschluß geben über die dyna- mische Frage, über die Art, in der das Material resorbiert wird und was aus dem resorbierten Materiale wird. Und obwohl das Vorkommen von vielen Leukozyten in dem einschmelzenden Schwanze an sich schon interessant ist, so gibt es uns doch keinen Beweis für die Annahme, daß sie der einzige oder sogar der Hauptfaktor bei der Resorption sind und keinen Aufschluß über die Rolle, die sie spielen.

Atrophie von Organen wird überall in der Natur gefunden und ein vergleichendes Studium der Resorptionsprozesse in allen diesen Fällen ist ein sehr reizendes und nahezu unberührtes Problem für den ver- gleichenden Physiologen. Wenn Ascidia sich festsetzt, resorbiert sie viele ihrer Organe, sogar Teile des Nervensystems. Dasselbe findet statt bei vielen anderen sessilen Tieren. und vielen Larvenformen. Wenn, facile princeps, Saceulina parasitisch wird, werden beinahe alle Organe resorbiert.

Eine Sonderstellung nehmen die zahlreichen Fälle pathologischer Atrophie ein und es wird sehr interessant sein zu verfolgen, ob die Degeneration eines Muskels, dessen motorischer Nerv abgeschnitten ist, oder die sogenannte gelbe Atrophie des Lebers, die man künstlich kann

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hervorrufen, z. B. durch exzessive Phosphorfütterung, denselben Ge- setzen folgt.

Zwei Theorien sind aufgestellt worden über die Atrophie des Kaul- quappenschwanzes: die der Phagozytose und die der Autolyse. Schon 1883 hat Metschnikoff (11) entdeckt, daß phagozytäre Zel- len im Schwanze der Froschlarven auftreten. Er sah „ganze Stücke von Nervenfasern und Muskelprimitivbündeln“ in diesen Phagozyten und dies in Verband mit seinen anderen Arbeiten hat ihn vielleicht zu einer etwas . übertriebenen Vorstellung über ihre Bedeutung verführt. Nur wenige Untersucher der Jetztzeit würden das Einziehen der Leuko- zyten in den Schwanz „das wesentliche und genealogisch: ursprünglichste Moment‘ nennen.

Die Auffassung, daß Autolyse der primäre Faktor ist im Ein- schmelzungsprozeß, wird vornehmlich von Loos (10) und Morse (13) vertreten. Sie glauben, daß „fundamentally and primarily a change is initiated interpretable as autolysis and that phagocytosis which un- questionably is present at a later stage, is of secondary importance“. Der aufmerksame Leser kann schon Tatsachen, die diese Auffassung stützen, in der originellen Arbeit von Metschnikoff finden, wo er sagt: „daß im Beginne der Metamorphose Zellen sich anhäufen, welche allmälllich ganze Stücke von Primitivbündeln umwickeln, um sie dann vollständig aufzufressen‘ das Material muß also durch eine Art Vorverdauung schon in Stücken aufgelöst sein.

Material. Zu den Versuchen habe ich die ziemlich großen Lar- ven von Rana pipiens. Gm. benutzt. Sie wurden von den dortigen Zoo- logen freundlichst für mich bestimmt. Für meine Zwecke habe ich sie in fünf Stadia eingeteilt. Stadium I bestand aus Larven, an denen von Metamorphose noch nichts zu verspüren war (keine Hinterbeine). Als Stadium II habe ich diejenigen Exemplare benannt, die gut ent- wickelte Hinterbeine hatten, bei denen aber die Vorderbeine sich noch im Kiemensack befanden; die Tiere von Stadium III hatten vier Beine, aber noch einen vollständigen Schwanz. Bei Stadium IV war der Schwanz schon halb resorbiert; Stadium V bestand aus Miniaturfröschen.

In einigen Experimenten, die ich im Marine Biological La- boratory in Woods Hole. Mass. U.S.A. ausgeführt habe, wo der Direktor, Herr Prof. Dr. Frank R. Lillie mir freundlichst einen Arbeitstisch zur Verfügung stellte, habe ich mich der Kaulquappen des Ochsenfrosches (Rana catesbiana) bedient. Dieselbe Einteilung wurde benützt.

Autolyse. Noch bevor man von außen am Tiere etwas von einer nahenden Metamorphose sehen kann, kann man schon histologi- sche Verwandlungen am Schwanze sichtbar machen, wie Morse (13) gezeigt hat. Und diese Verwandlung findet, wie seine Schnitte be- weisen, statt, ehe die Leukozyten in dieselbe Stelle ein- ziehen. Dasselbe ist von anderen Forschern auch wahrgenommen ; Barfurth(2) z. B. nimmt an: „so sind doch wohl alle Untersucher darüber einig, daß die weißen Blutkörperchen nur die Zerstörung schon

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abgestorbener, als Fremdkörper wirkender Gewebe und Elemente be- fördern können, während sie mit gleicher vitaler Energie begabter Zellen nichts anzuhaben vermögen“, und Noetzel (15) sagt, daß so- gar große Stücke Muskelsubstanz durch die „Körpersäfte“ gelöst werden können. |

Da diese Verwandlung bekanntlich Eiweißstoffe des Schwanzes be- trifft, kann man mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit deren Abbau durch ein (intrazelluläres?) proteolytisches Enzym annehmen. Die Abbauprodukte werden dann durch das Blut aus den Geweben gespült. Da aber Amino- säuren mit einer überraschenden Geschwindigkeit dem Blute entzogen werden, nicht nur dem der Säuger, wie die Arbeiten von van Slyke u. a. dargetan haben, aber sogar, wie der Verfasser (9) gezeigt hat, aus dem der Echinodermen, die doch sehr tief stehen in der Tier- welt, ist es Morse(14) nicht gelungen, eine Zunahme in Aminosäure- gehalt im Blute metamorphosierender Tiere zu zeigen.

Es fragt sich nun, ob ein ausgesprochener Unterschied in auto- lytischem Vermögen zwischen der Schwanzsubstanz verschiedener Stadien besteht. Um dies zu bestimmen, habe ich die Schwänze von vier Larven mit Sand zerdrückt (der Sand war, obwohl es käuflich „reiner“ Sand war, mit Säure behandelt worden, mit destilliertem Wasser lange gewaschen und geglüht). Eine gleiche Menge Wasser ward den Proben zugesetzt und Toluol; dann wurden sie in den Brutschrank bei 370 gestellt und blieben dort drei Tage.

Die Eiweißsubstanzen wurden in einem Falle mit acidum trichlor- aceticum präzipitiert, im andern Falle mit Folin-Wu’s Wolfram- säure. Der Gesamtstickstoff ward nach Folins Methode ermittelt, die Aminosäuren mit Sörensens Formol-Titrierungsmethode. Die Zahlen der Tabelle 1 und 2 sind Milligramm, die Titrationszahlen Kubik- zentimeter 0,05 N-KOH.

Tabelle 1.

Autolyse der Schwänze von Larven der verschiedenen Stadien. 21/, Tage Stadium I Stadium II Stadium III Gesamt-Nicht-Eiweiß-Stickstoff 5.15 5.95 4.73 Sörensen Titr. 2.60 2.52 2.14

Diese Zahlen zeigen aufs deutlichste, daß keine ausge- spzrochene -Verschiedenheit.‘ in. autolytischem .Ver- mögen zwischen Schwanzsubstanz der verschiedenen Stadien besteht, dab man ja gewissermaßen von einer Abnahme sprechen könnte. Es läßt sich diese Tatsache auf verschiedene Weise

Tabelle 2. Autolyse der Schwänze von Larven der verschiedenen Stadien. 4 Tage Stadium I (II) Stadium IV Gesamt-Nicht-Eiweiß-Stickstoff 12.93 14.62 Sörensen Titr. 3.45 3.18

interpretieren. Erstens ist es möglich, daß wirklich die Autolyse mit gleichbleibender Geschwindigkeit während der ganzen Metamorphose ver- läuft. Es ist aber auch möglich und sogar wahrscheinlich, daß, wie

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Morse (13) angenommen hat, die Autolyse zuerst die Lösung der

leichtverdaulichen Eiweißstoffe herbeigeführt hat, dabei die schwer- löslichen Verbindungen für spätere Zerstörung hinterlassend. Dann würde man schwerlich eine Zunahme des autolytischen Vermögens er- warten können, sogar wenn die „Menge“ des Enzyms oder die Azıdıtät zunähmen.

Verschiedene Umstände könnten zu einer Zunahme des autolyti- schen Vermögens führen. Die „Menge“ des proteolytischen Enzyms könnte zunehmen. Dies scheint jedoch nach den neueren Unter- suchungen nicht sehr wahrscheinlich. Zweitens ist .es von vornherein nicht unmöglich, daß die Reaktion der Gewebe sich in der Richtung der Optimums für Autolyse, d. h. Pa = 6,2 (Dernby [5]) verschiebt.

Azidität des Schwanzgewebes. Die Schwänze einiger Kaulquappen wurden zerdrückt mit sorgfältig gereinigtem Sand unter Paraffinöl. Zweifach destilliertes Wasser wurde in gleicher und ge- ringer Menge zugesetzt. Die Masse wurde jetzt in ein spitzes Zentri- fugalröhrchen gegossen. Drei Schichten entstanden; das Paraffinöl ganz oben, dann eine absolut wasserhelle Flüssigkeit und schließlich die Schwanzsubstanz, fest mit dem Sand zusammengedrückt. Als Indi- kator benutzte ich „brom-eresol purple“ (dibromsulphonephthaleine), das von = 5,2 bis zu Pu = 6,5 benutzt werden kann. Eine Reihe von Sörensens Pufferlösungen war vorher hergestellt worden aus NaOH und KH,PO,, deren Wasserstoffionenkonzentration mit einem Leeds and Northrup Potentiometer (type K) kontrolliert worden war. Eine gleiche Menge Indikator ward den Pufferlösungen und dem Schwanz- materiale zugesetzt.

Für die Wasserstoffionenkonzentration der Schwanzsubstanz des Stadiums I ward der Wert Pr = 6,6 gefunden; für dem des Stadiums II = 6,7 und für Stadium III (IV) = 6,3. Es geht hieraus hervor, erstens, daß die Gewebe eine deutlich saure Reaktion zeigen während der Metamorphose. Zweitens aber auch, daß während der eigentlichen Resorption die Reaktion dem Optimum für Autolyse sehr nahe kommt. Ich habe dasselbe Experiment dreimal wiederholen können. Ob die Azidität der Anhäufung von CO, oder von Säuren der unvollständigen Verbrennung zu verdanken ist, wie Morse (13) angenommen hat, konnte nicht weiter untersucht werden. Diese Hypothese ist jedoch sehr wahrscheinlich, denn gerade zu dieser Zeit fängt das Wachstum des Urostyles an, wodurch eine Okklusion des Blutstromes stattfindet. Die Obliteration der Kapillären, über die in vielen der morphologischen Arbeiten gesprochen wird (siehe z. B. Barfurth [4|), weist auch darauf hin.

Die Rolle der Leukozyten. Metschnikoff hat sich zwei- felsohne in seiner ersten Arbeit eine übertriebene Vorstellung gemacht über die Bedeutung der Leukozyten. Barfurth(4) und Bataillon waren der Meinung, daß ihre einzige Funktion bestand in der „Fort- schaffung der Trümer“. In einer späteren Arbeit ist Metschni-

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koff auch ein wenig von seinen früheren Ansichten zurückgekommen und sagt, er meine „muskuläre Phagozyten-wucherndes Muskelproto- plasma”.

In Verband mit diesem Problem habe ich die Frage zu lösen ver- sucht, ob man wahrscheinlich machen kann, daß während einer ge- wissen Periode der Metamorphose die Leukozyten eine mehr ausge- sprochene Neigung zeigen, in die Schwanzsubstanz einzuziehen, als in einer anderen. Die Schwierigkeit der Lösung dieses Problems auf experimentellem Wege bestand vornehmlich darin, daß man nicht leicht eine genügende Menge von Kaulquappenleukozyten bekommen Kann. Ich habe diese Schwierigkeit derart umgangen, daß ich defibriniertes Blut erwachsener Frösche zu den Versuchen als Quelle von Leuko- zyten benutzte.

Ich bin mir wohl bewußt, daß man dagegen einwenden kann. daß vielleicht eine gewisse Änderung in diesen Leukozyten stattgefunden habe; ich habe diese Methode aber als die einzig brauchbare benutzen müssen.

Schwänze von Larven von Stadium I und IV wurden zerdrückt mit gereinigtem Sand und ein wenig Wasser. Ich füllte dann ein aus- gezogenes kapilläres Röhrchen bis zur Hälfte mit diesem Materiale; die andere Hälfte ward mit defibriniertem Froschblut gefüllt derart, daß beide Flüssigkeiten mit einer scharfen Linie aneinander stießen. Vor dem Versuch war eine Zählung der Leukozyten vorgenommen ; nachdem die Proben 24 Stunden gestanden hatten, ward das Röhrchen serade an der Grenzlinie abgebrochen, das Schwanzextrakt ausgeblasen und wieder eine Leukozytenzählung vorgenommen.

Ich habe eine ganze Reihe derartiger Versuche gemacht, jedoch nie gesehen, daß bei den Leukozyten eine Vorliebe für die Schwanz- substanz irgend eines Stadiums besteht. Diese Tatsache schließt sich dem Resultat mancher Untersucher an, die in dem einschmelzenden Schwanze an Schnitten nicht mehr Leukozyten fanden auf dem c.M.? als in den anderen Stadien.

Ich gebe in der Tabelle 3 nur das Resultat eines typischen Ver- suches, der die schönsten Resultate ergab.

Tabelle 3.

Das Einziehen der Leukozyten in das Schwanzmaterial.

Vor dem Versuche Nach dem Versuche e Stadium I 2.1 3.3 und 3.2 Stadium III (IV) 2.0 3.1 und 3.3

Was mit dem Materiale geschieht und ob es in einer ökonomischen Weise benutzt wird, ist ein Problem von sehr großer Be- deutung. Daß Aminosäuren gebildet werden beim Prozeß der Ein- schmelzung, erscheint wahrscheinlich und wird sehr schön durch ein Experiment von Morse (13) demonstriert, der 0,5 g (Naßgewicht) Schwanz- substanz einer metamorphosierenden und einer normalen Kaulquappe mit 1 c.c. Serum und 2c.c. 0,7% NaCl-Lösung in ein Dialysier- röhrchen stellte. Nach 16 Stunden erhielt er eine positive Ninhydrin-

494 H. ©. v. d. Heyde, Studien über organische Regulation. II. reaktion im Dialysat des ersten Experimentes, jedoch eine negative im zweiten Falle. Ein direkter Nachweis einer Zunahme von Aminosäuren im Blute ist sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, wie ich oben erörtert habe. Sehr reizend ist die Frage, ob das Material, das vor unseren Augen verschwindet, benutzt wird im Aufbau oder im Stoffwechsel des Kör- pers oder einfach eliminiert wird in der Form einer Zunahme von stickstoffhaltigen Bestandteilen des Harns. Ein Studium der Zusam- mensetzung des Blutes könnte hierauf noch näheres Licht werfen. Was den Harn betrifft, so habe ich keine Zunahme oder Abnahme konstatieren können. Die Versuche wurden folgendermaßen ausgeführt: Ich brachte vier oder fünf Larven jedes Stadiums in einen Becher mit 100 c.c. destilliertes Wasser. Der Becher ward mit einem Uhrgläs- chen abgedeckt, um Wasserverlust durch Verdunstung oder durch das lebhafte Umherschwimmen der Tiere zu umgehen. Nach 14 Stunden ward die Flüssigkeit durch ein doppeltes Filter filtriert und die Menge Gesamtstickstoff, Ureum und Ammoniak bestimmt nach den Methoden von Follin und Denis (6). Eine negative Jaff&-Probe beweist, daß Kreatinin nicht in diesem Harn vorkommt. Harnsäure war vor- handen; die Menge jedoch, die in 24 Stunden ausgeschieden wird, ent- zieht sich der quantitativen Bestimmung. Zucker war nicht vorhanden. Die Resultate dieser Bestimmungen findet man in der Tabelle 4:

Tabelle 4. Harnausscheidung in Milligr. von fünf Larven in 24 Stunden. Reihe A. Gesamtstickstoff Harnstoff und Ammoniak N. Ammoniak N. Stadium I s.1 7.9 4.9 Stadium II 82 8.0 4.5 Stadium III 8.2 7.5 3.6 Reihe B. Gesamtstickstoff Harnstoff und Ammoniak N. Ammoniak N. Stadium I 2 7.0 3 Stadium II zanl 6.6 38 Stadium IV 6.7 6.4 1.5 Reihe ©. Gesamtstiekstoff Harnstoff und Ammoniak N. Ammoniak N. Stadium III 6.8 5.8 2.0 Stadium IV 2.9 499 1.8 Reihe D.*) Stadium I II ERT IV Gesamtstickstoff 14.1 12.0 12.0 12.8 Ammoniak N. 4.7 4.7 2.4 2.5

Diese Zahlen zeigen erstens deutlich, daß die Stickstoffausscheidung

der Larven der verschiedenen Stadien nahezu konstant ist und dem- jenigen der noch nicht metamorphosierenden Larven des Stadiums I gleich.

*) Reihe D bezieht sich auf Larven von Rana catesbiana.

Per

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Dieses Resultat ist sehr interessant aus ökonomischen Gesichtspunkten. Es zeigt sich, daß die gewaltigen Mengen Eiweiß, die in diesem Stadium resorbiert werden, wirklich benutzt werden im Körper und nicht nutz- los weggeworfen. In diesem Zusammenhang sind die älteren Experimente von Barfurth (2 und 3) sehr bemerkenswert. Er fand, daß Hunger

die Metamorphose verkürzt: Er ging dabei so weit, dab er

er den Hunger ein „förderndes Prinzip in der Natur“ nannte, dabei verschiedene Tatsachen zugunsten seiner Meinung heranziehend.

Salme fressen nicht während der Periode der Resorption der Follikelmembran der Embryonen; dasselbe ist der Fall mit den Lepidoptera, wenn die Spinndrüsen resorbiert werden; derartige Erscheinungen sind auch an Muscidae beobachtet worden.

Die bekannte Tatsache, daß die Kaulquappen für gewöhnlich nichts fressen während der Periode ihrer Verwandlung, macht diese Ansicht wahrscheinlicher; man fragt sich, inwieweit Aminosäuren und andere Spaltungsprodukte des Futters im Blute vielleicht als Antihormonen wirken im Prozeß der Involution.

Die zweite bedeutende Tatsache in diesen Zahlen ist der relativ sehr hohe Gehalt des Harns an Ammoniak. In Froschharn ist die Menge Ammoniakstickstoff ungefähr !/, des Gesamtstickstoffes (8), beim Men- schen Yı. Hier sieht man in einigen Experimenten, daß ungefähr die Hälfte des Gesamtstickstoffes Ammoniak-N ist oder gar mehr. Wäh- rend im Falle der pipiens-Larven von Reihe A,B und C der absolute Wert der Ammoniakzahlen einen geringen Fehler haben kann'), bin ich von den Zahlen der Ochsenfroschlarven ganz sicher. Bemerkens- wert ist es, daran zu erinnern, daß dieselbe Erscheinung eine große Menge präformierten Ammoniaks im Harn auch in Fällen der sogenann- ten gelben Atrophie des Lebers und in anderen Fällen von natürlicher Atrophie wahrgenommen ist, daß auch z. B. in den Experimenten mit Fliegenlarven Weinlands eine große Menge Ammoniak auftritt. Dies zeigt, daß eine große Ähnlichkeit zwischen allen diesen Prozessen, sowohl den pathologischen als den natürlichen besteht. Es wird wahr- scheinlich, daß die Natur nur eine Methode hat, um Material zu elimi- nieren und daß diese Methode in vielen Fällen benutzt wird.

Eine dritte bedeutende Tatsache ist die sehr deutliche Abnahme des Ammoniakgehaltes des Harns, je mehr wir uns dem Ende der Metamorphose nähern. Die Abnahme in diesen Stadien muß wahr- scheinlich ebenso erklärt werden als die Abnahme oder die Nicht- zunahme in autolytischem Vermögen in den diesbezüglichen Experi- menten. Autolyse ist der vorbereitende und bahnbrechende Prozeß und ist wirksamer in den ersten Stadien, später schaffen die Leukozyten die Trümmer fort.

An die Besprechung der Bedeutung dieser Tatsachen werden wir bald herantreten. Zunächst muß ich mitteilen, daß ich analoge

1) Eine gründliche Untersuchung der benutzten Chemikalien, die notwendig ge- worden war durch die abweichenden Resultate, hat mich zu der Entdeckung einiger kleiner Verunreinigungen geführt, deren eine ziemlich wichtig war, d.h. der Ammoniak- gehalt des Permutits (Prof. Folin’s quality). In den oben mitgeteilten Zahlen ist hierfür eine Korrektion angebracht, da ich die Menge des Permutit immer konstant gehalten hatte.

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Experimente mit dem Blüte ausgeführt habe. Die sehr große Menge von Larven, die man braucht für ein einziges Experiment und das Nicht- vorhandensein einer genügenden Menge Larven der älteren Stadien haben mich gezwungen, diese Frage nur sehr oberflächlich zu studieren. Ich erhielt das Blut, wie im erwachsenen Frosch, aus dem Herzen (8), ob- wohl die Operation hier viel schwieriger war. Insofern Verf. jedoch berechtigt ist, einen Schluß aus diesen Experimenten zu ziehen, kann er mitteilen, daß in allen Stadien das Blut dieselbe Zusammensetzung hat.

Es fragt sich jetzt, wie die große Menge Ammonia im larvalen Harn und die Reduktion zur normalen Menge sich erklären läßt. Wir wissen, daß eine große Menge Aminosäuren fortwährend während der Metamorphose gebildet wird. Die Histologie hat uns gelehrt, daß große Mengen Fett im einschmelzenden Schwanze vorkommen. Diese beiden Tatsachen kombinierend und nicht imstande, eine andere, gleich ein- fache Erklärung zu finden, habe ich daran gedacht, ob vielleicht die Ammonia entstanden sein kann durch Desamidierung der Aminosäuren, ein Prozeß. der bekanntlich auch im normalen Organismus sehr oft stattfindet sowie umgekehrt (in der Leber).

In allen histologischen Studien des einschmelzenden Schwanzes fin- den wir Hinweise auf große Mengen Fett. Barfurth z. B. hat ge- zeigt, daß eine Anhäufung von Fett-Tröpfehen am Ende der Muskel- fasern auftritt. Er hat auch darauf hingewiesen, daß die „Sarkolyten“ d. h. Stücke Muskelgewebe im degenerierenden Muskel sich mit Osmiumsäure viel dunkler färben als normale Muskeln. Zwischen den Epithelzellen findet er degenerierende Leukozyten voll Fett-Tröpfchen. Andere Untersucher haben Analoges gefunden und überall wird eine Ver- gleichung gemacht mit dem degenerierenden Säugermuskel. Die Annahme einiger Autoren, daß es sich nur um eine lokale Anhäufung von schon diffus vorhandenem Fett handle, erscheint nicht wahrscheinlich und es erklärt gewiß nicht, warum die Substanz des einschmelzenden Schwanze als Ganzes sich so viel dunkler färbt.

Eine, Zunahme des Fettgehaltes des ganzen Tieres läßt sich jedoch nicht zeigen. Ich habe Larven von Stadium I und IV (V) zerdrückt und mit Alkoholäther im Soxhlet extrahiert. Eine gravimetrische Fettbestimmung in einem Aliquot ergab für Stadium I: 0,123 g Fett, für Stadium IV (V): 0,133 g.

Dieses scheinbare Paradoxon wird jedoch genügend erklärt durch die Tatsache, daß die Larven nicht fressen während der Periode der Verwandlung; ihre große Beweglichkeit macht aber einen intensiven Stoffwechsel wahrscheinlich. Ein Teil der Aminosäuren findet viel- leicht auch Verwendung beim Aufbau der neuen Organe, wie der Beine. Eine Eiweißreserve findet sich, soweit mir bekannt, bei den höheren Tieren niemals.

Die Tatsache, dab in den Autolyseversuchen der Gesamtstickstoff- gehalt viel höher ist als man aus den Werten für den Amino-N er- warten dürfte, kann auch vielleicht durch meine Desamidierungshypo- these erklärt werden. Vielleicht gilt hier jedoch die Erklärung, die

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Morse (13) in einem derartigen Falle gegeben hat, d. h. daß der Überschuß den N-Peptonen und höheren Polypeptiden zu verdanken ist.

Zusammenfassung und Diskussion.

Das Problem der Involution des Kaulquappenschwanzes wurde vom Gesichtspunkt der ökonomischen Verwendung des resorbierten Materials aus angegriffen. Es wurde dabei auf Grund der zum Teil histologischen Angaben verschiedener Autoren für feststehend angenommen, daß beim Involutionsprozeß die Autolyse die Hauptrolle spielt. Es besteht jedoch kein deutlicher Unterschied in der autolytischen Fähigkeit zwischen den verschiedenen Entwicklungsstadien. Morse hat aber für den Fall eines ähnlichen Experimentes eine zufriedenstellende Erklärung gegeben. Die wiehtige Rolle der Autolyse wird auch dadurch gezeigt, daß Noetzel feststellt, daß die Involution von Chorda, Medulla und so- gar einem großen Teil der Muskeln stattfindet, wenn keine Leuko- zyten in diesen Geweben nachgewiesen werden können. Nach Loos und Noetzel werden große Teile des Muskelgewebes ohne Teilnahme von Leukozyten in der Körperflüssigkeit aufgelöst. Es kann nicht ge- zeigt werden, daß die Froschleukozyten eine Vorliebe für das in Re- sorption begriffene Schwanzmaterial haben. Der Pu-Wert des in In- volution begriffenen Schwanzes liegt auf der Säureseite und zeigt eine Zunahme der Azidität, je näher der Zeitpunkt der Verkürzung des Schwanzes kommt. Dies mag mit einer Anhäufung von CO, und un- vollständig verbrannten Säuren zusammenhängen (Morse), was des- halb wahrscheinlich ist, weil durch die Bildung des Urostyles eine Verminderung des Blutstromes und eine Obliteration der Kapillären hervorgerufen wird. Das ’ganze Material wird nicht in Form eines Zuwachses stickstoffhaltiger Ausscheidungsprodukte im Urin abge- geben. Der Urin der Kaulquappen enthält sehr viel Ammoniak. Es wird angenommen, daß dies auf eine Desamidierung des Schwanz- materials zurückzuführen ist. Fett ist in dem Kaulquappenschwanz in großer Menge vorhanden, wofür vielleicht die Anwesenheit von Fettsäuren als Folge des Desamidierungsprozesses verantwortlich zu machen ist. Die Frage wird nicht beantwortet, wo diese Desami- dierung stattfindet. Es mag in der Leber oder in den Leukozyten sein. Es wurde keine Fettzunahme beobachtet. Wahrscheinlich wird das Material beim Körperstoffwechsel während der Hunger- periode aufgelöst. In diesem Zusammenhang sind. die Versuche von Barfurth über Hunger als Reiz für schnelle Metamorphose von Interesse ebenso wie die Tatsache, daß Schilddrüsensubstanz die Meta- morphose beschleunigt (Gudernatsch), während es bekannt ist, dab die innere Sekretion der Schilddrüse den Stoffwechsel erhöht. Die Er- klärung der Involution des Kaulquappenschwanzes durch Autolyse läßt viel Schwierigkeiten wegfallen, die andern Erklärungen anhaften. Die Entwicklung des Urostyls, der darauf folgende Verschluß des Blut- stromes, die Anhäufung von Kohlensäure und anderen Säuren, die Ab- nahme von Pu sind eine Reihe kausal verknüpfter Erscheinungen, die zu einer Erklärung führen. Eine andere Erklärung wird von Bar-

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furth gegeben, der den trophischen Einfluß des Nervensystems in den Vordergrund stellt. Die Entwicklung und der zunehmende Gebrauch der Extremitäten soll den funktionellen Reiz (Roux) des Schwanzes und die regulatorische Tätigkeit des Zentralnervensystems beseitigen und dadurch zur Involution führen. Der Autor beantwortet aber‘ nicht die Frage, warum dann das Gleiche nicht auch bei den Salamandern statt- findet. Diese Schwierigkeit fällt bei unserer Erklärung fort. Die Er- klärung von Wintrebert, der die Anwesenheit eines Hormons an- nimmt, ist durch Morses Versuche unwahrscheinlich geworden, der zeigte, dab die Metamorphose nicht beschleunigt wird durch Injektion von Serum oder ausgepreßtem Schwanzsaft von Larven, ‘deren Schwanz bereits in Resorption ist.

Am Ende dieser Arbeit möchte ich meinem hochverehrten Direktor und Freunde, Dr. Withrow Morse, für die Unterstützung und Anregung, die er mir während meines Verbleibs in Amerika immer in ausgiebiger Weise zuteil werden ließ, herzlich danken.

Literatur. 1. J. Anglas. Observations sur les m&tamorphoses internes des batrachiens anoures. Assoe, Franc. pour l’advancement des sciences. 33me session. p. 855. 1904. 2. D. Barfurth. Versuche über die Verwandlung der Froschlarven. Arch. Mier. Anat. XXIX. p. 1. 1887. . D. Barfurth. Hunger als förderndes Prinzip in der Natur. Ibidem. p. 28. . D. Barfurth. Die Rückbildung des Froschlarvenschwanzes und die sogenannten Sarcoplasten. Ibidem. p. 55. 5. K. G. Dernby. A study on autolysis of animal tissues, J. Biol. Chem. XXXV PLA. 1918, . ©. Folin and W. Denis. J. Biol. Chem. XXVI. p. 473. 1916. 7. A. S. Loevenhart. Am. Journ. Physiol. VI. p. 331. 1902. H. C. Bradley. J. Biol. Chem. XIII. p. 407. 1913. M. Morse. Proc. Soc. Exp. Biol. and Med. XII. p. 46. 1914. 8. H. C. van der Heyde. Studies on organie regulation I. The composition of the urine and the blood of the hibernating frog. Rand virescens Kalm. (pipiens Gm.) J. Biol. Chem. XLVI. p. 421. 1921. 9. H. ©. van der Heyde. On the physiology of digestion, respiration and exeretion. in Echinoderms. C. de Boer. Jr. den Helder. 1922. 10. A. Loos. Über Degenerationserscheinungen im Tierreich usw. Preisschrift Fürst]. Jablowoniski’schen Gesellsch. Leipzig XXXVIII. 1889. S. Hirzel Verlag. (zit. nach Morse 13.) 11. Elie Metschnikoff. Untersuchungen über die mesodermalen Phagocyten einiger Wirbeltiere. Biol. Oentralbl. III. p.: 560. 1883. 12. Elie Metschnikoff. Atrophie des muscles pendant la transformation des batrachiens. Ann. Inst. Pasteur. 1892. 13. M. Withrow Morse. Factors involved in the atrophy of the larval frog. Biol. Bull. XXXIV. p. 149. 1918. 14. Withrow Morse. The amino-acid content of involuting frog larvae. Proc. Soc. Exp. Biol. and Med. XI. p. 184. 1914. 15. W. Noetzel. Die Rückbildung der Gewebe im Schwanze der Froschlarve. Arch. Mier. Anat. XLV. p 475. . 1895. 16. P. Wintrebert. Une demi-metamorphose experimentale. Compt. Rendus. Paris. LII. p. 521. 1907 and LX. p. 415. 1903.

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H. Eidmann, Die Durchlässigkeit des Chitins bei osmotischen Vorgängen. 499

Die Durchlässigkeit des Chitins bei osmotischen Vorgängen. Von Dr. H. Eidmann, München. Mit einer Abbildung.

Die Frage, ob das Chitin der Arthropoden für osmotische Vor- sänge durchlässig ist oder nicht, ist sowohl in der Physiologie der Verdauung als auch in der Physiologie der Sinnesorgane der betreffen- den Tiergruppe von weittragender Bedeutung. Die meisten Forscher bejahen zwar heute die Frage und der Bau der Sinnesorgane für che- mische Reizperzeption ist nur bei Annahme einer Durchlässigkeit dünner Chitinmembranen verständlich, doch fehlt es seither an experimentellen Untersuchungen, die bei der Kleinheit der Objekte naturgemäß auf sroße Schwierigkeiten stoßen. Es hat auch nicht an Stimmen gefehlt, die einen osmotischen Austausch von flüssigen oder gasförmigen Stoffen durch Chitinhäute bestreiten, im Hinblick auf die große Widerstands- fähigkeit des Chitins gegen chemische Einwirkungen einerseits, und das Fehlen jeglicher Poren an den in Frage kommenden Stellen an- dererseits. Besonders wird von manchen Autoren die Möglichkeit einer Nahrungsresorption im Vorder- und Enddarm der Insekten wegen der chitinigen Intima dieser Darmabschnitte entschieden in Abrede gestellt. So schreibt Cuenot in seiner im Jahre 1895 erschienenen und von der französischen Akademie preisgekrönten Arbeit über die Verdauung der Orthopteren: „Il parait improbable, au moins dans l’etat actuel de nos idees sur l’osmose, qu'il puisse y avoir la moindre absorption dans le jabot et l’intestin terminal, revetus tous deux d’une impenetrable cuticule chitineuse.‘ Er zieht daraus den Schluß, daß die Nah- rung lediglich im Mitteldarm absorbiert werden kann. Unter den neue- ren Autoren ist es vor allem Biedermann, der wegen der Chitin- intima eine Absorptionsfähigkeit des Kropfes in Abrede stellt, ‚dessen histologische Struktur einer solchen Leistung allerdings wenig zu ent- sprechen scheint, indem seine Innenfläche von einer Chitincuticula über- zogen wird“.

Für die Nahrungsresorption im Kropf und damit auch für die Durchlässigkeit der Chitincuticula erklären sich vor allem Petrunke- witsch, der als Resultat seiner Untersuchung den Satz aufstellte: „Der Kropf der Insekten ist das Hauptorgan der Absorption.“ Metal- nikoff stellte eine Absorption von Eisen im Enddarm fest, der seiner ectodermalen Herkunft wegen, gleichfalls mit einer Chitinintima aus- gekleidet ist. Auch Deegener sieht in der Chitincuticula kein Hin- dernis für die Resorption: „Einige Autoren sind dafür eingetreten, daß schon im Kropfe eine teilweise Resorption stattfinde, wogegen die wohl zweifellos oft für Flüssigkeiten durchlässige dünne Intima nicht sprechen würde.“

Was die Sinnesorgane betrifft, so sind es die Organe für chemische Reizperzeption, also die Geruchs- und Geschmacksorgane, bei denen eine Nervenreizung auf chemischem Wege, durch Chitinmembranen hin-

430 H. Eidmann, Die Durchlässigkeit des Chitins bei osmotisehen Vorgängen.

durch, erfolgen muß. Während frühere Autoren, Hauser, Kräpe- lin und vom Rath an vielen chemischen Organen eine Öffnung ver- muteten oder sogar direkt festgestellt haben wollen, durch die eine direkte Berührung der Nervenendigung mit dem zu prüfenden Stoff möglich ist, haben mit der Verfeinerung der Methoden die neueren Untersuchungen nachgewiesen, daß alle Geruchs- und Geschmacksorgane vollkommen geschlossen sind. Allerdings finden sich hier Chitinmem- branen von so auberordentlicher Feinheit, wie nirgends sonst am In- sektenkörper; ja die geringe Dicke des Chitinüberzugs ist sogar häufig ein Unterscheidungsmerkmal dafür, ob man ein Sinneshaar als Tast- oder chemisches Organ anzusprechen hat.

Ich habe nun versucht, auf experimentellem Wege durch Osmose- versuche die Frage nach der Durchlässigkeit des Chitins einer Lösung näher zu bringen. Dünne Chitinmembranen lieferte mir der Vorder- und Enddarm der Küchenschabe, Periplaneta orientalis, des klassischen Objektes für die Untersuchung der Verdauungsvorgänge bei den In- sekten, an dem auch Cuenot und Petrunkewitsch ihre Experi- mente ausgeführt haben. Der Weg, den ich dabei einschlug, war fol- sender: Zwei Flüssigkeiten, die bei ihrer Mischung eine deutlich sicht- bare chemische Reaktion ergeben, sollten diesseits und jenseits der Membran gebracht werden, so dab ein Austausch und eine Mischung von beiden nur durch die Membran hindurch erfolgen konnte. Es kam dabei darauf an, die Ohitinmembran über die Öffnung einer Glasröhre zu spannen. Die Glasröhre muß natürlich von sehr kleinem Kaliber sein. Ich stellte sie mir her, indem ich Glasröhren bis zur gewünschten Stärke auszog, so daß ich die Röhre einer Pipette mit langem, dünnem Endstück erhielt. Nun mußte die Mündung der Röhre mit einem Wulst versehen werden, damit das darübergebundene Darmstück nicht her- untergleiten und die scharfen Glasränder die zarte Haut nicht ver- letzen konnten. Ich erreichte dies nach vielen vergeblichen Versuchen in folgender Weise. Zunächst steckt man eine Nadel, deren Durch- messer etwa dem Kaliber der Röhre entspricht, von der Mündung her in diese hinein. Der Kopf der Nadel, der dicker als die Röhre sein muß, hindert ein Weitergleiten. Dann erhitzt man die Mündung der Röhre mit dem darauf sitzenden Nadelkopf in der Spitze einer Gas- flamme bis zur Rotglut und drückt den Nadelkopf schnell auf einen bereit gehaltenen festen Gegenstand, etwa eine Glasplatte. Dadurch wird das weiche Glas in der Richtung der Röhre in sich zusammen- gedrückt und gleichzeitig durch die starre Nadel verhindert, daß sich die Röhre verbiegt und man erhält den gewünschten rundkantigen Wulst.

Zuerst versuchte ich, die durch Kalilauge isolierte Intima des Vorder- oder Enddarms über die Mündung der Röhre zu binden. Dies gelang nicht, die Membran für sich allein ist so fein, daß sie bei der geringsten Berührung zerreißt oder verletzt wird. Ich benutzte da- her die ganze Darmwand zu meinen Versuchen. Der durch Chloro- form getöteten Schabe wurde zunächst in physiologischer Kochsalz- lösung die Rückendecke abpräpariert und der ganze Darmkanal vor-

H. Eidmann, Die Durchlässigkeit des Chitins bei osmotischen Vorgängen. 431

sichtig herausgenommen. Dann wurde mit der Schere der Mitteldarm vom Kaumagen bis zum Beginn des Colons entfernt. Soweit kann man die Präparation mit unbewaffnetem Auge vornehmen. Bei den weiteren Manipulationen ist jedoch die binokulare Lupe unentbehrlich, die bei allen derartigen Versuchen unschätzbare Dienste leistet. Man schneidet zunächst in einer Uhrschale mit physiologischer Kochsalz- lösung den Kropf, an dem man vorteilhafterweise den Kaumagen hängen läßt, vom Ösophagus her einige Millimeter weit auf und spült den Inhalt mit einer Pipette heraus. Dann zieht man mit einer feinen aber stumpfen Pinzette den Kropf über die Mündung der Glasröhre, so

=

Phenol; ein od.Methylorange=

lösung

H,O + Kalilauge od. H,0 +HC.

Darstellung der Osmoseversuche.

A. Gesamtansicht der Glasröhre.

B. Unteres Ende der Glasröhre, vergrößert. C. Herstellung des Wulstes am unteren Ende. D. Anordnung des Versuchs.

daß ein Teil der Kropfwand über die Öffnung zu liegen kommt. Dann legt man eine Schlinge aus feinster Seide, wie sie in der Chirurgie zum Vernähen von Wunden gebraucht wird, über den kappenartig über- gestülpten Teil der Membran, zieht sie hinter dem Wulst fest zu und verknotet sie. Dann prüft man unter dem Binokular genau, ob die Schlinge überall gefaßt hat und ob der Darm nicht verletzt ist. Bei dem Enddarm verfährt man genau in der gleichen Weise.

Zunächst wollte ich die Durchlässigkeit für alkalische Lösungen prüfen und verwendete als Reagens auf Alkali Phenolphtalein in einer wässerigen Lösung von etwa 1 pro Mille. Die Lösung ist farblos und färbt sich bei Zusatz von Alkali rotviolett, dabei eine sehr empfind- liche Reaktion ergebend. Die Phenolphtaleinlösung wurde zunächst mit einer Pipette in die Glasröhre gefüllt und alle Luftblasen mit einer

432 H. Eidmann, Die Durchlässigkeit des Chitins bei osmotischen Vorgängen.

fein ausgezogenen Glaskanüle entfernt. Dann wurde die Glasröhre in einem Stativ festgeklemmt- und das untere, zugebundene Ende. einige Zentimeter weit in ein Becherglas mit alkalischer Lösung getaucht. Diese bestand aus destilliertem Wasser mit Zusatz von einigen Tropfen Kalilauge. |

Ich hatte vorher einen Kontrollversuch mit einer Schwimmblase angesetzt. Es war die gleiche Versuchsanordnung, nur an Stelle des Schabendarms ein Stück der Schwimmblase einer Schleie verwendet worden. Nach einigen Stunden trat in der Röhre die violette Färbung auf, die unten anfing und allmählich nach oben fortschritt.

Das Resultat meines Versuches mit der Chitinmembran war fol- sendes: In der Röhre mit dem Enddarm trat nach ‘etwa 10 Minuten die violette Färbung auf, während die Röhre mit der Kropfwand erst nach etwa 24 Stunden eine schwache Färbung aufwies. Ich wieder- holte den Versuch öfters, immer mit dem gleichen Resultat. Um den Faktor einer möglichen, verschieden starken Konzentration der Lö- sungen auszuschalten, benutzte ich stets in beiden Röhren und Becher-: gläsern die gleiche Lösung. Damit ist erwiesen, daß die Chitinintima des Enddarms der Schabe für alkalische Lösungen gut durchlässig ist, die des Vorderdarms jedoch nur in geringem Grade.

Um die Durchlässigkeit für saure Lösungen zu untersuchen, be- nutzte ich als Reagens auf Säure eine wässerige Lösung von Methyl- orange. Diese färbt sich bei Zusatz von Säure intensiv rot. Der Versuch hatte die gleiche Anordnung wie der erste, nur daß die Glas- röhre eine Methylorangelösung enthielt und in ein Becherglas mit Wasser eintauchte, das mit einigen Tropfen Salzsäure angesäuert war. Das Resultat war ähnlich wie bei dem ersten Versuch. In der Röhre mit dem Enddarm trat nach etwa 15 Minuten die Rotfärbung auf, wäh- rend in der andern die Reaktion erst nach einigen Stunden sichtbar wurde.

Die beiden Versuche zeigen, daß die Chitincuticula des Kropfes und Enddarmes der Schabe für osmotische Vorgänge durchlässig ist, die des Enddarmes jedoch weit besser als die Chitinintima der Kropf- wand.

Aus dem Ergebnis läßt sich zunächst die wichtige Tatsache fest- stellen, daß dünne Chitinmembranen kein Hindernis für osmotische Vorgänge zu sein brauchen, auch wenn sie keine Poren besitzen. Die Chitinintima des Kropfes und End- darmes der Schabe ist nämlich vollkommen homogen. Selbst mit den stärksten Systemen lassen sich keine Poren nachweisen, höchstens sieht man eine Schichtung parallel zur Oberfläche angedeutet. An der Kropf-. wand unterscheidet Petrunkewitsch zwei Schichten, eine innere, die „grob porös“ ist und Farbstoffe gut aufnimmt und eine äußere, die auf Schnitten homogen aussieht, ohne jede Spur von Poren. Ich glaube, daß Petrunkewitsch als innere, dem Lumen zugewendete Schicht die zwischen den kurzen Borsten der Intima, deren Existenz er auch bestreitet, hängenden Nahrungspartikelchen gehalten hat, die

H. Eidmann, Die Durchlässigkeit des Ohitins bei osmotischen Vorgängen. 433

in ihrer Gesamtheit allerdings in gleichmäßiger, stark färbbarer Schicht die eigentliche Intima überziehen. In dieser, die er als untere Schicht betrachtet, hat auch er histologisch keine Spur von Poren nachweisen können. „Dennoch“, schreibt er, „habe ich viele Präparate, wo Fett- Tröpfehen in der Intima stecken und zwar in verschiedenen Schichten derselben.“ Diese Angabe erscheint mir höchst unwahrscheinlich, ein- mal deshalb, weil das Fett wahrscheinlich überhaupt nicht als solches in Form einer Emulsion resorbiert wird, sondern in den betreffenden Darmepithelien aus den Spaltungsprodukten, die durch hydrolytische Zerlegung des Fettes im Darm entstehen, synthetisch wieder aufgebaut wird, und dann, weil der Kropf der Schabe nach neueren Autoren über- haupt keine Nahrung absorbiert. Ich erkläre mir die Bilder, die Pe- trunkewitsch erhielt, so, daß Fett-Tröpfchen aus dem Kropfinhalt bei der Behandlung der Schnitte über das apa geschwemmt wur- den und so die Täuschung hervorriefen.

Die Chitincuticula des Kropfes hat eine Dicke von etwa 5—8 u, während die Intima des Enddarms nur etwa 2 u dick ist. Hieraus er- klärt sich die größere und schnellere Durchlässigkeit des Enddarms gegenüber dem Kropf, eine Tatsache, die eine logische Folge der physi- kalischen Gesetze über die Osmose ist. An Orten, wo es auf eine möglichst schnelle Durchdringung von Chitinmembranen ankommt, müssen diese also möglichst dünn sein. Das ist der Fall bei den chemischen Sinnesorganen, speziell bei den Geruchsorganen. Nach Vogel beträgt die Dicke der Chitinmembran an den antennalen Ge- ruchsorganen der Wespen nur 0,5 u, während sie bei anderen Hymenop- teren naeh Angaben von Wacker so dünn sein kann, daß sie selbst mit den stärksten Vergrößerungen keine doppelte Kontur zeigt, also überhaupt nicht mehr meßbar ist. Diese Membranen werden überdies noch von innen her durch das Sekret akzessorischer Zellen feucht ge- halten, so daß es keinem Zweifel unterliegt, daß hier eine fast augen- blickliche, osmotische Durchdringung und Nervenreizung durch Ge- ruchsstoffe erfolgen kann.

Kehren wir wieder zu den Folgerungen zurück, die sich für die Verdauung ergeben. Nach Petrunkewitsch soll der Kropf das Hauptorgan der Nahrungsresorption sein. Ganz abgesehen von den Einwänden, die von anderen Autoren, speziell Schlüter, gemacht worden sind, erscheint es sonderbar, daß gerade der Kropf als Haupt- stätte der Absorption, mit einer dicken und, 'wie die Versuche beweisen, schwer durchlässigen Intima ausgestattet ist, während die Verhältnisse beim Enddarm gerade umgekehrt liegen. Es erscheint daher auch von diesem Gesichtspunkte aus unwahrscheinlich, daß der Kropf das Hauptorgan der Nahrungsresorption sein soll.

Petrunkewitsch erwähnt ferner in seiner Arbeit einige Füt-. terungsversuche mit Karmin, nach denen er im Protoplasma der Epi- thelzellen der Kropfwand die Karminkörnchen in feiner Verteilung wiedergefunden haben will.e Auch hier scheint Petrunkewitsch derselbe Fehler unterlaufen zu sein, wie bei dem Nachweis der Fett-

42. Band. 28

b 434 H. Eidmann, Die Durchlässigkeit des Chitins bei osmotischen Vorgängen.

Tröpfchen in der Intima. Bei der Behandlung der Schnitte sind wahr- scheinlich die Karminkörnchen über das- Gewebe geschwemmt worden und täuschten so die Resorption vor, ein Fehler, auf den schon Schlüter hinwies, der die Karminfütterungsversuche von Petrun- kewitsch mit negativem Erfolg nachprüfte © Auch Sinety hatte bei seinen Experimenten dasselbe negative Resultat.

Die Fetteinschlüsse, die Petrunkewitsch in den Kropfepi- thelzellen fand, sind nach Schlüter ‘dort abgelagerte Reservestoffe, ähnlich wie wir sie in den Zellen des Fettkörpers finden.

Ich glaube, auf Grund meiner Osmoseversuche behaupten zu kön- nen, daß der mit ‚einer dieken, schwer. durchlässigen Intima versehene Kropf der Schabe überhaupt als Resorptionsorgan kaum in Betracht kommt.

Es drängt sich nun ohne weiteres die Frage auf, wie es mit der Nahrungsabsorption im Enddarm steht. Wie die Experimente beweisen, bildet die Intima des Enddarms,‘ entgegen der, Behauptung Cuenots, durchaus kein Hindernis für eine ‘solche. Damit ist natürlich nicht sesagt, daß deshalb hier die Resorption der Nahrung stattfinden müßte. Die Entscheidung darüber könnten auch hier nur Fütterungsversuche bringen, die aber, ‘soviel mir bekannt ist, mit Rücksicht auf den End- darm noch kaum ausgeführt worden sind. Nur Metalnikoff ver- öffentlichte 1896 eine Arbeit „Über Absorption des Eisens’im Ver- dauungskanal von Blatta orientalis‘. Er 'behauptet, daß diese aus- schließlich im Enddarm stattfinde. Cuenot wies wenige Jahre später (1899) nach, dab der Enddarm ‘der Schabe normalerweise Eisen ent- hält, da er stets die Eisenreaktion ergibt. Er erhielt bei Tieren, die, wie er beobachtete, Eisen zu sich genommen hatten, die Reaktion nur im Mitteldarm. Die Tiere Metalnikoffs hätten demnach wahr- scheinlich überhaupt nicht von dem eisenhaltigen Brot gefressen.

Damit bleibt die Frage der Nahrungsresorption im Enddarm vor- läufig noch offen, und erst weitere experimentelle Untersuchungen haben. hierüber zu entscheiden.

Ich stelle im Folgenden nochmals kurz die Ergebnisse meiner Ver- suche zusammen.

1. Dünne Chitinmembranen können, auch wenn sie keine Spur von

Poren aufweisen, für osmotische Vorgänge durchlässig sein.

2. Je dünner die Chitinhaut ist, desto größer ist ihre Durchlässigkeit.

3. Daraus folgt, daß die Chitinintima des Vorder- und Enddarms kein Hindernis für die Nahrungsresorption zu sein braucht.

4. Der Kropf von Periplaneta orientalis ist mit einer dicken und schwer durchlässigen Intima ausgekleidet, kommt also als Resorp- tionsorgan wahrscheinlich überhaupt nicht in Betracht.

5. Die Organe des chemischen Sinnes der Insekten, speziell die Ge- ruchsorgane, brauchen keine Öffnung zu haben, damit die Nerven- endigung direkt mit dem zu prüfenden Stoff in. Berührung kom- men kann, denn die äußerst dünne Chitinmembran dieser Organe bildet kein Hindernis für eine Nervenreizung auf osmotischem Wege.

=, TE

R. Stumper, Quantitative Ameisenbiologie. 435

Literatur.

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12. Vogel, R., Zur Kenntnis der Geruchsorgane der Wespen und Bienen. Zoologischer Anzeiger, Bd. 53. 1921.

co 5

Quantitative Ameisenbiologie. Von Dipl.-Ing. Robert Stumper, Luxemburg.

‘Jegliche Naturforschung strebt nach einem Maximum von Ge- nauigkeit. Diese Tendenz findet ihren Ausdruck in der quantitativen Methodik, die in allen Teilgebieten der Naturwissenschaften mit größtem Erfolg ‚die qualitative Darstellung ergänzt und vertieft. Es erübrigt sich, hier auf das erkenntnis-theoretisch wichtige Kapitel des Wertes dieser Methode einzugehen: jeder Gebildete kann sich leicht einen Begriff davon machen, wenn er die Entwicklung der Natur- wissenschaften speziell der Chemie, überblickt.

Wir haben nun in den letzten Jahren versucht, das quantitative Denken in das enge Fachgebiet der Ameisenbiologie einzuführen. Der Nachweis, daß auch hier eine konsequente Durchführung dieser Me- thode von vollem Erfolg gekrönt ist, soll der nähere Zweck dieser Zeilen sein. Jedenfalls steht es fest, daß viele Fragen und Probleme der Myrmekologie nur durch meßbare Beobachtung und Experimente geklärt werden können.

Es ist daher auch leicht verständlich, daß eine quantitative Durch- arbeitung einzelner Kapitel geradezu eine Notwendigkeit ıst und daß sie m. a. W. sozusagen in der Luft liegt.

Wir geben im folgenden einige unserer Resultate wieder und glauben damit die Fruchtbarkeit der exakteren zahlenmäßigen Unter- suchungsmethode genügend darlegen zu können. Wir greifen aus

98%

436 R. Stumper, Quantitative Ameisenbiologie.

unseren reichhaltigen Daten nur diejenigen heraus, die allgemeineres Interesse beanspruchen können und die auch ein einigermaßen ab- geschlossenes Ganze bilden. Es werden folgende Kapitel summarisch behandelt werden:

1. Die Giftsekretion der Ameisen.

2. Die Temperaturabhängigkeit einiger Lebensäußerungen der

Ameisen. 3. Der Mechanismus der Raumorientierung.

1. Die Giftsekretion der Ameisen.

Gemeiniglich wird angenommen die toxische Wirkung des Ameisen- stiches und -bisses sei auf die Gegenwart von Ameisensäure zurück- zuführen. Diese volkstümliche Auffassung macht sich auch ın wissen- schaftlichen Kreisen breit und wird erhärtet durch den Umstand, daß auch Ameisensäure in den Brennhaaren der Brennessel und der Pro- zessionsspinnerraupen vorgefunden wird. Ein oberflächliches Studium läßt jedoch schon ahnen, daß die Verhältnisse viel verwickelter liegen und daß die Giftwirkung des Stiches mancher tropischen Arten keines- wegs genügend durch den H-COOH-Gehalt zu erklären ist. Diese Schlußfolgerung wird denn auch von den vorsichtigeren Physiologen v. Fürth, Faust, Kobert u.a. m. gezogen und sie hat sich experi- mentell als richtig erwiesen. Ich habe dieses Problem in den letzten 2 Jahren qualitativ und quantitativ durchforscht, und die wichtigsten bisher errungenen Resultate in folgenden Sätzen übersichtlich: zu- sammengestellt:

Zuerst sei auf die morphologisch-anatomischen Tatsachen hinge- wiesen, die bekanntlich am meisten von Forel geklärt wurden. Nach den Untersuchungen dieses Autors hat man grundsätzlich zwei Typen von Giftapparaten zu unterscheiden und zwar die „Giftdrüse mit Knopf“ (glande a bourrelet) und die „Giftdrüse mit Kissen“. Außer- dem gibt es noch eine dritte Art: der „anale Giftapparat“, den man nur neben dem anderen Typus bei den Dolichoderinae vorfindet. Der Giftapparat s. str. besteht ursprünglich aus dem Stachel und der zugehörigen Giftdrüse. Jedoch verkümmert der Stachel bei den höher entwickelten Ameisen. Diese Tatsachen kann man folgendermaßen zusammenstellen:

1. Unterfamilie: Ponerinae, Stachel u. Giftapparat mit Knopf,

2: n ; Dorylinae, n 5 a "9 >: L : Myrmicinae, N 5 A ER 4. R : Dolichoderinae, B e 5 RS

aber verkümmert, außerdem Analdrüsen, 5) h : Camponotinae, kein Stachel, Giftapparat mit

Kissen; Spritzapparat! Meine chemischen Untersuchungen werden aus diesen Tatsachen ohne weiteres klar: a) Ameisensäure kommt konstant nur bei den Camponotinae vor;

b) die von mir untersuchten Myrmieinae und Dolichoderinae sekre- tieren keine Ameisensäure;

),

R. Stumper, Quantitative Ameisenbiologie. 437

c) die Männchen aller Ameisen besitzen keinen Giftapparat, sie scheiden auch keine H-COOH aus;

d) neben Ameisensäure kommt im Giftbehälter der Camponotinae keine andere freie Säure vor. Es ist aber theoretisch aus der elektro- lytischen Dissoziationslehre abzuleiten, daß bei Gegenwart von anderen Anionen, z. B. Cl‘, SO,“, Po,“ die aus Salzen heıstammen, auch die zugehörigen Säuren in freiem Zustande vorkommen. Jedoch sind diese Säuren praktisch nicht sicher nachweisbar. Die volumetrische Methode von J. Duclaux zeigt nur die Gegenwart von H-000H in der Sekretion von Formica rufa und Cataglyphis bicolor an.

e) Die Konzentration der Ameisensäure im Gift der Formica rufa schwankt zwischen den Werten von 21,50 bis 72,30%. Als eine Ursache dieser Tatsache ließ sich der Temperatureinfluß nachweisen: die Sekretionsgeschwindigkeit der H-COOH befolgt die R.G.T-Regel (9. = 2.16). Andererseits ist auf den physiologisch wichtigen Um- stand hinzuweisen, daß die Gewebe der Ameise einer solch konzen- trierten Säure le Stärke widersteht. Es wäre interessant zu erfahren, welche Schutzwirkung gegen die korrosiven H‘-Jonen hier vorliegt!

f) In nachfolgender Tabelle werden die Ergebnisse quantitativer Bestimmungen der H-COOH bei verschiedenen Arten resümiert:

H-000H Art H-COOH pro 100 8 pro Ameise Körpergewicht Camponotus ligniperda 9 . .. 0.0017 g ERDE Horimica ruf 92... 0... 22.2:0.002,.5% ISIS BE TRAELEHNSSON EEE OVOLZI 12:57, Bee iramevcolas 21.2. %.,...0.0004..7 3.87, sangamea.9 2... ,..:-0.00035:, 3:6), N rufibarbis Or OLHDOLT, 2,8, »„. fusca Se bene „07.1, 0 3 Lassustjlawus 9 1,07: 28.2 10.000182, ee Cataglyphis bieolorS . . . 0.0007 3.905

Die Myrmieinen Myrmica, Tetramorium, Messor und Acantholepis sekretieren in praktisch nachweisbaren Mengen keine Ameisensäure.

&) Vergleichen wir unsere Resultate mit den morphologischen Ergebnissen und fassen wir diesen Vergleich summarisch zusammen, so ergibt sich folgende tabellarische Übersicht:

Formicinae: 236 Gattungen = 100 %.

Giftapparat: Sekretion: 1. Subf. Ponerinae 64 Gattungen = 27.2 % | En Ne i L 2: = Dorylinae 77= 6 y == 25 % Eisen a Ameisen- 3. Myrmieinae 120 e = 50.837 Sr : ? .. Me keine 4. Dolichoderinae 16 n 08 \ Übergangsform Ee COOH . 92 Zi \ verkümmerter Stachel \ H COOH 5. Camponotinae 30 127% j Giftapparat m. Kissen fjvorhanden

Hieraus geht hervor, daß die Ameisensäure nur vom „Giftapparat mit Kissen“ sekretiert wird. Jedoch mag auch die eine oder die

438 R. Stumper, Quantitative Ameisenbiologie.

andere Gattung der anderen Unterfamilien H-COOH produzieren, was noch experimentell nachzuweisen bleibt !).

2. Die Temperaturabhängigkeit einiger Lebenserscheinungen der Ameisen.

Schon 1874 schreibt Forel bezüglich des Einflusses der Tempe- ratur auf das Verhalten der Ameisen: „lactivite vitale des fourmis, comme celle des insectes en general, augmente et diminue avec la temperature.“ Seither hat die Physiologie den Nachweis erbracht, daß die Lebensvorgänge dasselbe quantitative Gesetz wie die „unbelebten“ chemischen Reaktionen befolgen. Diese Gesetzmäßigkeit wird allge- mein als R.G.T.-Regel oder van’t Hoff’sche Regel genannt und sie besagt, daß eine Temperaturerhöhung von 10° ©. die Geschwin- digkeit des Vorgangs verdoppelt bis verdreifacht. Die anfangs ver- tretene Meinung der Konstanz des Temperaturkoeffizienten Q,, ist aber falsch, vielmehr zeigen alle chemischen Reaktionen sowie alle Lebensvorgänge letztere noch ausgesprochener einen Gang und zwar wird der Temperaturkoeffizient mit steigender Temperatur kleiner. Heutzutage spricht man deshalb nicht mehr von der van’tHoff’schen Regel, sondern von dem Arrhenius’schen Gesetz. Da aber der Nach- weis, daß dieses Gesetz auch für Lebensvorgänge gültig ist, Unter- suchungen über größere Temperaturabschnitte verlangt, die nicht immer ohne spezielle Einrichtungen einzuhalten sind, so kann man sich auch mit dem Nachweis der Gültigkeit der R.G.T.-Regel be- gnügen. Diesen Weg haben wir eingeschlagen und haben für nach- folgende Lebenserscheinungen der Ameisen den Temperaturkoeffi- zıenten Q,, = 2—3 gefunden.

Die numerischen Werte wurden aus den beobachteten Daten nach den bekannten Formeln 1. und 2. berechnet.

1.0.1010 ER, —Io5K, T,—T..

a) Lokomotion von Formica rufa 9°.

Auf einer natürlichen Heerstraße wurde die Marschgeschwindigkeit der rufa 99 gemessen und zwar stets unter gleichen Bedingungen, als einzige Variable wurde die Temperatur genommen. Der Temperatur- koeffizient wurde aus dem Mittel von je 75—100 Einzelmessungen berechnet. Es ergab sich

für den Temperaturintervall 11°—19°: Q,, = 2.17 und für den Temperaturintervall 19 —28°: Q,, = 1.63.

b) Lokomotion von Messor barbarus 9 und 9.

Die Messungen wurden an einem einzelnen Individuum vorge- nommen und sie ergaben: für Bas Weibchen Q,, = 1.95 und für den RR Arbeiter Qu 1.8. 1) Ich möchte bemerken, daß chemische Untersuchungen über das Ameisengift

vor etlicher Zeit vom Berliner. Pharmakologen Dr. Flury angestellt wurden. Jedoch war es mir trotz redlicher Mühe nicht möglich, diese Arbeiten : zu Gesicht zu bekommen,

a

Be

R. Stumper, Quantitative Ameisenbiologie. 439

c) Sekretion der Ameisensäure von Formica rufa.

Es wurde die Zunahme des Ameisensäuregehalts an Formica rufa als Funktion der Temperatur berechnet und es ergab sich Q,, = 2-10. d) Angriffslust und Kampfbereitschaft der Formica rufa-

Arbeiter.

Auf einem abgemessenen Abschnitt einer rufa-Straße wurde der Prozentsatz „feindlicher* Begegnungen zwischen vereinzelten Arbeitern gezählt und dieselbe Operation bei verschiedenen Temperaturen vor-

‘genommen. Unter „feindlichen“ Begegnungen ist folgendes zu ver-

stehen: trifft eine Ameise eine andere derselben Kolonie, so betasten sich beide. Der bekannte Koloniegeruch löst nun keinerlei feindliche Reaktion aus. Primär ıst'aber die Reaktion meist feindlich („mißtrauisch*“), was sich in einem Zurückweichen und einem bedrohenden Öffnen der Mandibel äußert. Damit steht es fest, daß die Ameisen stets kampf- bereit sind und so auch stets auf feindliche Begegnungen vorge- stimmt sind. Die Kampfbereitschaft läßt sich als Funktion der Lauf- geschwindigkeit auffassen: mit steigender Geschwindigkeit wächst die freie Energie des Ameisenkörpers, wird daher auch der Anprall hef- tiger, daher muß auch die %,Zahl der feindlichen Antworten mit der Temperatur steigen. Unsere Messungen ergaben den Temperatur- koeffizienten Q,, = 1.87.

In dieser Tatsache läßt sich in einem gewissen Sinne eine regu- latorische Vorrichtung für die Beseitigung der mit der Temperatur anwachsenden Giftmenge sehen.

e) Bekanntlich verläuft die äußere Tätigkeit der Ameisen inner- halb eines bestimmten Temperaturabschnitts. So fangen diese Insekten erst etwas oberhalb an zu arbeiten und suchen bei zu hoch ge- legenen Temperaturen auch tiefere, kühlere Orte des Nestes auf. Der betreffende Temperaturabschnitt variiert von Art zu Art, sogar von Rasse zu Rasse; er bestimmt den thermophilen oder thermofugen Charakter der Art, erklärt manche Unterschiede im Verhalten _der- selben Art bei verschiedener geographischer Lage u.s.w. Messungen ergaben folgende Werte: \

Formica rufa: 40° Lasius niger: 10 .— 28 Mymica rufra: 26°.

Die Beobachtungen müssen aber noch überprüft und vor allem ergänzt werden.

3. Über den Mechanismus der Raumorientierung der Ameisen.

Das äußerst komplexe Kampfproblem der Raumorientierung der Formiciden harıt noch immer seiner befriedigenden Lösung. Einen Schritt voran zu machen, gelingt uns jedenfalls mit der Einführung der quantitativen Methodik. Und zwar müssen wir uns speziell an die so wichtigen Begriffe der modernen Reizphysiologie: Intensität des Reizes und Unterschiedsempfindlichkeit wenden. Den experimentellen Untergrund liefert uns beispielsweise der bekannte Santschi’sche Spiegelversuch:

440 R. Stumper, Quantitative Ameisenbiologie.

Wirft man auf die Fährte des ausgesprochenen Geruchtieres Lasius fuliginosus mit Hilfenahme eines schattenspendenden Rahmens und eines Spiegels das Spiegelbild der Sonne von der anderen Seite, so sieht man fast alle Ameisen beim Eintritt in die gefährdete Zone stutzig werden und umherirren. Dieser Versuch ist äußerst suggestiv: Es ist zu betonen, daß Lastus fuliginosus ein ausgesprochenes Geruchs- tier ist, das sich also hauptsächlich nach den am Boden deponierten Geruchsspuren orientieren soll. Es geht aus dem Versuch hervor, daß auch bei einem typischen Geruchstier der Lichtsinn eine Rolle spielt, d. h.: unter bestimmten Bedingungen über- wiegt der Einfluß des Lichtsinns und hemmt die Reaktion auf den Geruchsstoff. Dies ist nur durch die Intensität des be- treffenden Reizes zu erklären. Die Orientierung erwächst nach unserer Auffassung aus dem Zusammenwirken verschiedener Reizqualitäten und Reiz-Intensitäten, wobei jeweilig der relativ intensivste Reiz die Reaktion des Tieres bestimmt. Auf diese Weise verstehen wir, . daß ein und dasselbe Tier oft unter scheinbar gleichen Bedingungen verschieden reagiert. Weitere experimentelle Nachforschungen sind hier aber noch notwendig.

Brüssel, Juni 1922.

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24. Note sur le me&canisme de l’orientation des fourmis, 1922.

Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt ? 441

Sind die Wanzen (Hemiptera heteroptera) durch Ekel-

geruch geschützt? Beobachtungen und Versuche auf dem Gebiete der Tiertrachthypothesen. Von Franz Heikertinger, Wien. Inhaltsübersicht: A. Ergebnisse eigener Versuche. B. Versuche anderer Forscher. \ C. Mageninhaltsuntersuchungen. D. Prüfung der Hypothesen. E. Zusammenfassung.

A. Ergebnisse eigener Versuche.

Zur objektiven Lösung der Frage, ob der bekannte Wanzen- gestank insektenfressenden Tieren gegenüber tatsächlich als ein Ab- wehrmittel dient, ob also die auf dieser Annahme aufgebauten Fär- bungshypothesen (Schutzfärbung, Warnfärbung, Mimikry) auf fester Tatsachengrundlage stehen, habe ich eine Reihe von Versuchen unter- nommen, die leider durch die trüben Verhältnisse der Kriegs- und Nachkriegszeit in engem Rahmen gehalten wurden. Immerhin dürften sie zur Klärung der Frage von Wert sein. Es liegt ja, soviel über diese Dinge auch theoretisiert worden ist, an exakten Experimenten fast nichts vor.

Ich erinnere daran: für oder wider die Auslesehypothese können nur solche Versuche gewertet werden, die mit Tieren der gleichen natürlichen Lebensgemeinschaft (Bio- zönose), also mit Tieren des gleichen Gebietes, der gleichen Er- scheinungszeit, des gleichen Substrats, der gleichen Aktionsstunden usw. unternommen werden. Nichts in Sachen der Selektion wird er- wiesen durch Versuche, bei denen einheimische und exotische Tiere, Freilandtiere und Haustiere, Erd- und Baumtiere, Nacht- und Tag- tiere usw. usw. zusammengestellt werden, denn diese Zusammen- stellungen entsprechen nicht den Verhältnissen ın der Natur, unter denen eine wirksame Auslese denkbar wäre. e

Ich habe, wenn sich mir Gelegenheit bot, indes auch solche Zu- sammenstellungen nicht vermieden. Sie können zur Klärung der Frage dienen, ob, wie dies so oft angenommen wird, der Wanzengestank ein den Insektenfressern ım allgemeinen Widerwärtiges ist oder nicht, ober im allgemeinen beachtet wird oder unbeachtet bleibt.

Für Unterstützung und Förderung meiner Versuche bin ich zu Dank verpflichtet Herrn Universitätsprofessor Dr. F. Werner, Herrn Menagerieinspektor A. Kraus, Herrn Dr. M, Wolf und Herrn

A. Brand, sämtlich in Wien.

Ich führe die Versuchsergebnisse nach den Wanzenarten geordnet auf. Ich habe getrachtet, die Versuche nicht so sehr mit einer Fülle von Arten durchzuführen, als vielmehr mir einige wenige Arten

442 Fr Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt? typischer Stinkwanzen in größerer Stückzahl zu beschaffen und so die Versuche mehr einheitlich vergleichend zu gestalten, was mir zum Teil auch gelang. Bei jeder Wanzenart gebe ich eine kurze, orien- tierende Charakteristik. Die zu den Versuchen verwendeten Käfig- vögel waren durchaus gut gehalten und reichlich ernährt; die Ver- suche erfolgten zuweilen zur Zeit der normalen Fütterung, zuweilen nach stattgefundener Fütterung; niemals war ein Vogel aus- gehungert.

Versuchsprotokoll. Eurygaster maura (l) und nigrocueullsta (U) (= hottentota).

(Pentatomidae, Subfamilie Scutelleridae. Eirund, flach gewölbt, braungrau, seltener schwarz, ansehnlich, 9—13 mm lang. Das Schild- chen ist zu einem fast den ganzen Rücken deckenden, gewölbt platten- förmigen Rückenschild vergrößert, „Schutzpanzer“. Färbung aus- gesprochen unansehnlich, verbergend. Besitzen typischen Wan- zengestank!').

Gallus domesticus, Haushuhn. E. maura von einer Henne so- fort verzehrt (4. 9. 17). Von mehreren Hühnern sofort verzehrt (24. 5. 18). Desgleichen (4. 9.18). E. nigrocucutellata von Hühnern, die frei in einer Wiese gingen, sofort verzehrt; nach fünf Minuten Pause das gleiche Ergebnis (2. 8. 18). Von etwa 25 Hühnern in 6 Laufkäfigen in beliebiger Anzahl gierig verzehrt; die Hühner sind nicht hungrig (4. 8. 18). Über Versuche mit künstlich gefärbten Eurygaster siehe weiter unten.

Pavo eristatus, Piau. Nahm II unverzüglich an und verzehrte sie (16. 8. 18).

Sylvia atricapilla, Mönchsgrasmücke. Der nicht hungrige Vogel fraß I ohne Zögern (25. 7. 17). |

Gymnorhina tibicen, Flötenvogel (Corvidae, Australien). Ver- zehrte 1 ohne Zögern.

Passer domestieus, Haussperling. Die Wanzen wurden Sper- lingsscharen im Stadtpark vorgeworfen. Ein Sperling schoß blindlings auf eine Wanze los, ergriff sie und flog damit fort (Fraß?). Auf eın zweites Vorgeworfenes Stück fuhr die Schar gleichfalls los; diesmal aber fand der vorderste Sperling Zeit, das Tier anzusehen er hielt inne und ließ es unbehelligt. Auch die übrigen Sperlinge beachteten weitere vorgeworfene Wanzen gar nicht (2. 8. 18)?).

1) Es muß auf den Widerspruch mit den Trachthypothesen hingewiesen werden: unansehnlich gefärbte Tiere sollen wohlschmeckend sein.

2) Zu diesem Versuche ist zu erwähnen, daß Kontrollversuche erwiesen, daß Sper- linge auch andere Insekten (darunter solche, die zuverlässig keinen „Schutz“ genießen, sondern erfahrungsgemäß von insektivoren Vögeln sehr gerne genommen werden, z. B. Forficula auricularia, der Ohrwurm, Larven von Locusta viridissima, der Laubheu- schrecke, von G@ryllus campestris, der Feldgrille, öfters auch Feldheuschrecken. der (Gattung Stenobothrus u. s. w.) unberührt ließen. Der erwachsene Sperling ist eben kein eigentlicher Insektenfresser.

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Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt? 443

Lacerta agilis, Zauneidechse. Gepackt, im Maule gequetscht, schließlich liegen gelassen’). Von einer kleinen Eidechse vergeblich zu packen versucht, bezüngelt. (Ausnahmefälle. In der Regel

bleiben Wanzen dieser Konsistenz ebenso wie Käfer von Zauneidechsen unbeachtet und leben tagelang unter diesen im Terrar. Die Eidechsen sind besonders Heuschreckenjäger.)

Hyla arborea, Laubfrosch. 1 sofort angenommen und ver- zehrt (1. 7. 17). (Der vor kurzem erworbene Frosch schien sehr hungrig; später beachtete er im allgemeinen Wanzen verschiedener Arten ebensowenig wie Käfer. Er ist Jäger anfliegender Beute).

Mantis religiosa, Eaikesandetent I lebte tagelang unbe- helligt im Käfig der Fangheuschrecke; dieser schien es ch zu ge- lingen, die glatt gepanzerte Wanze mit ihren Fangbeinen fest zu fassen).

Araneus diadematus, Kreuzspinne. Im Netz einer etwa Smm langen Spinne (sp.?) sah ich eine umsponnene, aber noch lebende E. maura hängen; die Spinne saß an der Wanze, die Mundteile an deren Brust gedrückt, und schien zu saugen, bezw. es zu versuchen. Ich nahm ihr die sich noch regende Wanze und hängte sie ins Netz einer Kreuzspinne; diese ergriff sie sofort, umspann sie ein wenig, versuchte vielfach an ihr zu saugen. Insbesonders beschäftigte sie sich an der Gegend der Beineinlenkungen der Wanze; wiewohl gerade dortselbst die Stinkdrüsen münden, bemerkte ich innerhalb der halb- stündigen Beobachtung nicht, daß die Spinne von dem Geruch Notiz genommen oder von ihm abgewehrt worden wäre. Dagegen schien der feste Chitinpanzer der Spinne hinderlich zu sein.

Gesamtergebnis: Insektenfresser, in deren Normalnahrungskreis hartschalige Insekten von Größe, Gestalt und Bewegungsweise dieser Wanze fallen, verzehrten dieselben ohne Zögern oder Ekelzeichen. Eine Ablehnung, die auf Ekelgeruch bezogen werden könnte, er- folgte nicht.

Aelia acuminata.

(Pentatomidae , „Spitzling“; länglich rhombisch, mäßig groß, grau- gelblich mit schwärzlicher, Pd chener ra ziemlich unansehnlich, een. gekleidet. Besitzt Wanzengeruch.)

Hypolais hypolais, Gartenlaubvogel. Sofort verzehrt; Vogel nicht hungrig (31. 7. 17).

Sturnus vulgaris, Star. Sofort verzehrt; Vogel nicht hungrig (11. 6. 18, Menagerievoliere).

Carabus (Procrustes) coriaceus, Lederlaufkäfer. Ließ diese sowie sämtliche ihm lebend gebotenen Wanzen und Käfer unbehelligt (anderer Nahrungskreis).

Ergebnis: Von den Insektenfressern ohne Beachtung des. Ge- ruches sofort verzehrt.

3) Gleiehes Benehmen beobachtet bei Bienen, Wespen, Käfern.

4) Die Mantis bemühte sich u. a. auch vergeblich, die halbkugeligen Marienkäfer (Coceinella septempunctata) zu ergreifen; sie entglitten ihr stets wieder,

z 444 Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt?

Carpocoris purpuripennis (nigricornis).

(Pentatomidae; groß, mit seitlich zahnförmig vorspringender Hals- schildecke. Färbung variabel, meist ockerbräunlich, oft ockerrot oder gelblich; Auffälligkeit oder Verborgensein wird von der Umgebung ab- hängen. Besitzt starken Wanzengestank.)

Erinaceus europaeus, Igel. Berochen, verschmäht (25. 7. 17)°). Sofort angenommen und begierig verzehrt, 2 Stücke (soviel vor- gelegt wurden) (28. 7. 17).

Gallus domesticus, Haushuhn. Sofort gierig verzehrt (8. 8. 17). Desgleichen (30. 8. 17). Desgleichen (24. 5. 18).

Sturnus vulgaris, Star. Ohne Zögern verzehrt (18. 7. 17). In mehreren Stücken gierig verzehrt; Vogel nicht hungrig (11. 6. 18).

Gymnorhina tibicen, Flötenvogel (Australien). Sofort mit Be- hagen verzehrt (16. 8. 18).

Lacerta agilis, Zauneidecehse Unbehelligt gelassen (18. 7.17,

21. 2. 17 m.0). Locusta viridissima, Laubheuschrecke. Sofort gepackt und ver- zehrt; die Heuschrecke war erst kurze Zeit in Gefangenschaft (24. 7. 17). Ergebnis: Von allen verwendeten Insektenfressern (ausgenommen die alle ähnlichen Formen verschmähende Fidechse) ohne Beachtung des Gestanks gierig verzehrt.

Dolycoris baccarum.

(Pentatomidae; gemeine Beerenwanze; mäßig groß, oben nicht auf- fällig gefärbt. Unterseite des Coriums der Hemielytren rot, eine „Kontrastfärbung“, die beim Flug des Tieres sichtbar wird. Besitzt starken Wanzengestank.)

Erinaceus europaeus, Igel. Mit Behagen verzehrt (28. 7. 17).

Gallus domestieus, Haushuhn. Sofort verzehrt (8. 8.17). Gierig mehrere Stücke verzehrt (24. 5. 13).

Sylvia atricapilla, Mönchsgrasmücke. Sofort angenommen, in gewohnter Weise öfters an die Sitzstange geschlagen und nach etwa halbminutenlanger Bearbeitung verschluckt (23. 7. 17). Gerne verzehrt.(25. 7. 17). In zwei Stücken sofort verzehrt (13. 5. 18). In drei aufeinanderfolgenden Versuchen nicht angenommen (8. 5. 18, 9.5.18, 10.,5..48)9).

Sylvia nisoria, Sperbergrasmücke. Sofort verzehrt (11. 6.18).

Hypolais hypolais, Gartenlaubsänger. Sofort (in der bei S. atrieapilla geschilderten Weise) verzehrt (25. 7. 17). Von dem einen Vogel nicht angenommen, von dem anderen verzehrt (31.7. 17). Von einem satten Vogel nicht genommen (13. 5. 18).

Turdus iliacus, Weindrossel. Untersuchte die Wanze mit komischer Vorsicht und verzehrte sie dann (18.7.17). Nach längerem Bearbeiten verzehrt (4. 9. 17). Mit Begierde sofort verzehrt (11.6. 18).

5) Der Igel verschmähte an diesem Tage auch Stenobothrus, sonst eine Lieblings-.

nahrung; Versuch daher ohne Beweiskratft. 6) Die ersten drei Versuche mit Vögeln des H. A. Brand; nur von einem Vogel des H. Dr. Wolf wurde die Wanze ohne Prüfung nicht angenommen,

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Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt? 445

Sturnus vulgaris, Star. Ohne Zögern verzehrt (18. 7.17). Des- gleichen, etliche Stücke (11. 6. 18).

Coturnix eoturnixz, Wachtel. Einige Stücke hintereinander sofort verzehrt (8.5.18). Nicht angenommen (9. 5.18). Sieben Stücke verzehrt, dann keines mehr (10. 5. 18). Von einem Vogel nicht an- genommen, von einem zweiten teilweise verzehrt; Vögel gesättigt (13:9..18):

Lacerta serpa, Dalmatinische Eidechse. Die Wanze blieb, _ gleich anderen Wanzen, Käfern u. dgl. unbeachtet und lebte tagelang ım Terrar”) (9.—27. 8. 17).

Carabus Scheidleri, Laufkäfer. Die Wanze blieb gleich anderen Wanzen, Käfern u. dgl. trotz tagelangen Hungerns des Käfers unbe- helligt (19. 7.—2. 8.17). (Dagegen nahm der Käfer Raupen mit wilder Gier an.)

Carabus Ullrichi, Laufkäfer. Ein ausgehungertes Pärchen des Laufkäfers erhielt eine lebende Wanze; des anderen Tags lag diese mit ausgefressenem Hinterleibe im Käfig (7. 5. 18).

Locusta viridissima, Laubheuschrecke. Tote Wanze nicht berührt (29. 7. 17; 2. 8. 17). Lebende Wanze verzehrt (4. 8. 17).

Ergebnis: Vom Igel, allen Versuchs-Vogelarten und von der Laubheuschrecke ohne Rücksicht auf den Geruch verzehrt.

Palomena prasina.

(Pentatomidae. Große, fast einfarbig grüne Stinkwanze. Typisch verbergende grüne Schutzfärbung. Besitzt den Wanzen- geruch.)

Gallus domestieus, Haushuhn. Mehrere Stücke der Wanze von mehreren Hühnern sofort verzehrt (24. 5. 18). Eine große Larve so- fort verzehrt (16. 8. 18). Eine Imago gierig verzehrt (4. 9. 18).

Hypolais hypolais, Gartenlaubsänger. Eine große Larve vom Vogel mit fast auf Furcht deutbaren Geberden angenommen und ver- zehrt (25.7.17). Eine fast erwachsene Larve sofort verzehrt (31. 7.17).

Gymnorhina tibicen, Flötenvogel (Australien). Mit Gier ver- zehrt (16. 8. 18).

Rana temporaria, Taufrosch. Ein sehr kleiner Taufrosch er- schnappte eine für ihn viel zu große halberwachsene Larve (sie war fast so breit wie er selbst) und würgte sie hinab (31. 7. 17).

Tropicoris (Pentatoma) rufipes.

(Pentatomidae; als „rotbeinige Baumwanze* eine der bekanntesten großen Stinkwanzen; bronzebraun, Schildchenspitze hell gelbrot; Auf- fällıgkeit von der Umgebungsfärbung abhängig‘). Besitzt Wanzen- geruch.)

Nasua socialis, Nasenbär (Brasilien). Drei Stücke (mehr er- hielt er nicht) mit sichtlichem Behagen verzehrt (15. 9. 18).

7) Die zu Versuchen verwendeten Wanzen müssen, um ihr Emporklettern an den Glaswänden zu verhindern, wenigstens zum Teil der Tarsen beraubt werden.

8) Die Wanze kann nicht als grellfarbig bezeichnet werden, ist aber gut sichtbar. Es gibt Mitteldinge zwischen grell und verbergend, die selten klar qualifizierbar sind.

446 Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt?

Gallus domesticus, Haushuhn. Gierig verzehrt (14. 8.18). Des- gleichen (15. 9. 18).

Turdus sp. (Amerika). Eın Vogel beschäftigte sich mit komischer Ängstlichkeit mit der Wanze, wagte sich aber nicht recht über sie. Ein anderer verzehrte ein anderes Exemplar der Wanze sofort (15. 9. 18).

Gymnorkina tibicen, Flötenvogel (Australien). Sofort gierig verzehrt (15. 9. 18).

Furydema oleraceum.

(Pentatomidae; „Kohlwanze*; gemein auf Kruziferen, mäßig groß, stahlgrün, metallblau oder metallbraun, mit weißer, gelber oder roter Zeichnung. Färbung, in der Nähe betrachtet, auffällig, „warnend“. Larven hell mit dunkler Zeichnung, gleichfalls auffällıg. Besitzt typischen Wanzengeruch.)

Gallus domesticus, Haushuhn. Sofort verzehrt (8. 8. 17).

Lacerta agilis, Zauneidechse. —-Von einer hungrigen Eidechse von der Pinzette genommen und verzehrt (6. 7. 17). Ansonsten nicht oder kaum beachtet (8. 7. 17 u. a.).

Bufo vulgaris, Erdkröte. Larven verschiedener Größe in be- liebiger Zahl verzehrt (18. 6. 17). Sofort verzehrt (9. 7. 17).

Bufo calamita, Kreuzkröte. Larven sofort verzehrt (3. 7.17).

Bombinator igneus, Unke. Eine Larve erschnappt, ausgespuckt,

dann nochmals genommen und verzehrt (18. 6. 17). Sofort verzehrt (3. 7.17). Desgleichen: (9. 7. 17). Rana agilis, Springfrosch. Sofort verzehrt (9. 7. 17).

Rana arvalis, Moorfrosch. Mehrfach Larven sofort verzehrt (18..,6,..170).. Desgleichen (3 7. 19). Deseleichen (9.7. 20: Hyla arborea, Laubfrosch. Larven von einem kürzlich er-

worbenen, offenbar ausgehungerten Frosch sofort verzehrt (1. 7. 17).

Larven verschmäht, wiewohl sie dem Frosch unmittelbar vor den Mund

gehalten wurden (8. 7.17). In der Regel blieben Larven und Imagines dauernd unbeachtet (28. 7. 17 u. a.).

Ergebnis: Von allen Versuchstieren (mit Ausnahme der ge- schmacklich speziell orientierten Zauneidechse und des Laubfrosches) ohne Berücksichtigung des Geruches verzehrt.

Syromastes marginatus.

(Coreidae; groß, besonders auf Ampfer gemein. Färbung unan- sehnlich braungrau, typisch verbergend; Gestalt gleichfalls verbergend. Hinterleibsrücken gelbrot, was erst bei der fliegenden Wanze sichtbar wird „Kontrastfärbung“. Geruch stark, aromatisch obstartig?).

Gallus domesticus, Haushuhn. Sofort verzehrt (8.8.17). Von drei Gruppen Hühnern sofort verzehrt, und zwar lebende wie tote Stücke (24. 5. 18). Gierig verzehrt (4. 9. 18).

9) Der Geruch dieser Wanze erscheint mir nicht unangenehm und wird auch von zahlreichen anderen Forschern als nicht unangenehm bezeichnet. Bei dem Urteil spielen

vielfach Vorurteile mit. Hier wie bei allen Stinkwanzen sind Exemplare, die schwach oder fast gar nicht riechen, nicht selten.

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Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt? 44T

Sylvia atricapilla, Mönchsgrasmücke. Verschmäht (8. 5. 18; 9. 5. 18; Vogel des Herrn Dr. Wolf).

Sylvia nisoria, Sperbergrasmücke. Nach kurzer Bearbeitung liegen gelassen (11. 6. 18).

Turdus sp. (Amerika). Eine fast erwachsene Larve sofort ver- zehrt (30. 8. 17).

Turdus merula, Amsel. Sofert verzehrt (11. 6. 18).

Coturnix coturnix, Wachtel. Sofort verzehrt (9. 5. 18).

Lacerta agils, Zauneidechse. Von hungrigen Tieren an- genommen, aber schließlich ungefressen liegen gelassen.

Ergebnis: Von Gallus, Turdus, Ooturmix gerne verzehrt, von Sylvia (und Lacerta) verschmäht.

Lygaeus saxatilis.

(Lygaeidae;, auf Blüten, mäßig groß, länglich-schmal, schwarz mit tiefroter Zeichnung, ausgesprochen auffällig, „warnfarbig“. Einen nennenswerten Geruch fand ich nicht.)

Erinaceus europaeus, Igel. Larven mit Imagines in einiger An- zahl sofort verzehrt (8. 8. 17). Desgleichen (11. 8, 17).

Gallus domesticus, Haushuhn. Gepackt, fallen gelassen (12. 8.17). Sofort verzehrt (30. 8. 17). Desgleichen (4. 9. 17).

Penelope jueucaca, Schakuhuhn (Brasilien). Zwei Exemplare gierig verzehrt (4. 9. 17).

Turdus sp. (Amerika). Ohne Zögern verzehrt (30. 8. 17).

Turdus iliacus, Weindrossel. Lange bearbeitet, dann liegen gelassen; Tier satt. Derselbe Vogel fraß hierauf umständlich ein Exem- plar von Dolycoris baccarum (übelriechend! 4. 9. 17).

Lacerta agilis, Zauneidechse. Larve wie Imago von einer hungrigen Eidechse gepackt, doch wieder fallen gelassen (8. 8. 17). Ansonsten blieben beide unbeachtet.

Lacerta serpa, Dalmatinische Eidechse. Larven wie Imagines unbeachtet gelassen (9. 8. 17). Desgleichen (29. 8. 17).

Hyla arborea, Laubfrosch. Fing zweimal eine Larve und ein- mal eine Imago, spuckte aber alle mit deutlichen Zeichen von Un- behagen aus (6. 8. 17). Eine tote Imago fiel dem Frosch auf den Kopf, er erschnappt sie blindlings, suchte sie vergeblich etliche Male zurückzugeben (sie klebte an der Zunge) und schluckte sie schließlich (10. 8. 17). Desgleichen eine lebende Imago; ein weiteres rasch auf- geschnapptes Stück entfernte er mit Hilfe eines Vorderfußes energisch von der Zunge; nach einer halben Stunde fing er dasselbe Tier und gab es ebenso eilig wieder von sich (29. 8. 17). Einzelheiten im Be-

nehmen des Frosches, z. B. die sofort erfolgende Rückgabe, scheinen

mir darauf hinzudeuten, daß es sich nicht um eine Geruchs- oder Ge- schmacksempfindung (die beide nicht augenblicklich wirksam sind), sondern um eine unangenehme Tastempfindung auf der Zunge (Kantıig- keit, Härte der Wanzen u. dgl.) handeln dürfte.

Ergebnis: Vom Igel und den Vögeln (mit Ausnahme einer satten Drossel) gerne verzehrt. Außerhalb des Spezialgeschmackskreises von Eidechse und Laubfrosch liegend.

448 Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt?

Pyrrhocoris apterus.

(Pyrrhocoridae; die allbekannte, gemeine „Feuerwanze“; Larven rot mit sehr spärlicher schwarzer Zeichnung; Imagines schwarz mit roter Umrandung und roten Flügeldecken, die jederseits einen runden, schwarzen Fleck tragen: typische auffällige „Warnfärbung“. Larven schwach wanzenartig riechend, Imagines ohne Wanzen- geruch!)

Nasua socialis, Nasenbär (Brasilien). In beliebiger Anzahl gerne verzehrt (15. 9. 18). Gallus domestieus, Haushuhn. Totgepickt, besehen, liegen ge-

lassen, schließlich von einem Hahn verzehrt (30.8. 17). Larven genau besehen, nicht angenommen, schließlich aber doch ohne Anzeichen von Unhehagen verzehrt (30. 8. 17). Mehrere Imagines nach flüchtigem Anblick unbeachtet gelassen (17. 4. 18). Versuche in 4 verschiedenen Laufkäfigen: I. Angehackt, liegen gelassen. Il. Verzehrt. III. Genau besehen, nicht berührt; kein Zeichen von Angst. IV. Angepickt, laufen gelassen, besehen, von einer heranstürzenden Henne verzehrt (24. 5. 18). Versuche in 2 Laufkäfigen: I. Von einem Huhn zwei Exemplare ver- zehrt, ein zweites Huhn ließ ein vorgeworfenes Exemplar liegen. Il. Neun Exemplare verzehrt, manche sofort, manche nach kurzer: Zeit Liegenbleiben; kein Stück blieb unverzehrt (29. 5.18). Etwa 25 Hühner, verteilt in 5 Käfigen, verzehrten mehr als 20 Wanzen, zumeist ohne Zögern (1.8.18). Von frei gehenden Hühnern ohne Zögern verzehrt (2. 8. 18). Versuche in 5 Laufkäfigen: I. Larven sofort verzehrt. II. Imagınes in 4 Käfigen verzehrt, ın einem (von einem Huhn) ver- schmäht (4. 8. 18). Sofort verzehrt (16. 8. 18). Versuche ın 3 Lauf- käfigen: I. Angesehen, nicht angenommen. II. Desgleichen. Ill. Von drei Hühnern angepickt, mehrmals bearbeitet, liegen gelassen (15.9. 18).

Pavo eristatus, Pfau. Larve besehen, nicht angenommen (da- gegen eine Forficula auricularia, Ohrwurm, sofort mit Gier verzehrt (16.78.18).

Anas domestica, Hausente. Ins Wasser geworfene Wanzen von schwimmenden Enten unbeachtet. Eine Ente auf dem Lande ver- zehrte 1 Exemplar, eine andere beachtete die Wanzen nicht (9. 4. 18). Nicht beachtet (4. 9. 18).

Sylvia atricapilla, Mönchsgrasmücke. Sofort verzehrt (25. 7. 17; Vogel des Herrn Brand). Nicht angenommen; Vogel satt (13. 5.-18; Brand). Nicht genommen (8., 10., 11., 12., 17., 18., 19. IV., 185, De. WolR.

Sylvia nisoria, Sperbergrasmücke. Zwei Exemplare mit Be- hagen verzehrt (11. 6. 18).

Erithacus rubeeula, Rotkehlehen. Nicht angenommen (8., 10., 11., 12. VIII. 18;,Vogel des Herrn Dr. Wolf).

Hypolais hypolais, Gartenlaubsänger. Nicht angenommen (17. 7. 17; Vogel satt). Desgleichen (13. 5. 18).

Turdus sp. (Amerika). Sofort verzehrt (30. 8. 17). Betrachtet, dann verlassen (4. 9. 18). Nicht angenommen (15. 9. 18).

“i4

Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt ? 449

Turdus ibacus, Weindrossel. Nicht angenommen (21. 6. 18). Angegriffen, dann einem anfliegenden anderen Vogel überlassen (11.7.17). Nicht beachtet; dagegen wurde eine Stubenfliege (Musca domestica), über und über mit dem Leibesinhalte einer Pyrrhocoris-Larve bestrichen, sofort gierig verzehrt (1. 8. 18). Der Geschmack letzterer kann somit nicht ekelhaft sein. |

Turdus merula, Amsel. Nicht angenommen (21. 6. 18). Sturnis vulgaris, Star. Sofort verzehrt (18. 7. 17). Zögernd

verzehrt (11.7. 17). Eine Larve hastig verzehrt; weitere Larven und Imagines z. T. angehackt, dann aber liegen gelassen (11.6. 18). Ver- schmäht (21. 6. 18).

Gymmnorhina tibicen, Flötenvogel (Australien). Larven mit Behagen verzehrt (16. 8. 18). Imagines in beliebiger Anzahl verzehrt (15. 9. 18).

Alauda arvensis, Feldlerche!?). Nicht beachtet, dann langsam verzehrt (8. 4. 18). Angepickt, liegen gelassen; ein Mehlwurm (Larve von Tenebrio molitor) wurde neben die Wanze gelegt, und die Lerche fraß zuerst den Mehlwurm dann die Wanze (9. 4. 18). Unberührt ge- lassen (10. 4. 18). Am Morgen ein Exemplar verzehrt; mittags Mehl- würmer, doch ‚keine Wanze genommen (11. 4. 18). Keine Wanze, doch Mehlwürmer genommen (12. 4.18). Nicht angenommen (17. 4. 18). Nachdem die Lerche mittags kein lebendes Futter erhalten, verzehrte sie abends die Wanze sofort (18. 4.18). Nicht angenommen (19. 4. 18).

Ooturnix coturnix, Wachtel!®), Totgepickt, nicht verzehrt (8. 4. 18). Zwei Exemplare verzehrt, ein drittes nicht (10. 4. 13). Morgens 4 Exemplare, dann 2 weitere Exemplare, mittags 1 Exemplar, zusammen also 7 Exemplare verzehrt (11. 4. 18). Nicht angenommen (12. 4. 15). Sofort verzehrt (17. 4. 18). Desgleichen mittags und abends (18. 4. 18). Versuche mit Vögeln des Herrn Brand: Ein Vogel verschmähte die Wanze, ein zweiter verzehrte 2 Exemplare (13. 5. 18).

Paroarva eucullata, Graukardinal (Südamerika). Zuweilen ver- zehrt, zuweilen verschmäht. Passer domesticus, Haussperling. Freilebenden Sperlingen

(Stadtpark) vorgeworfene Larven wie Imagines blieben dauernd un- beachtet; mehrfache Versuche (17. 6. 18; 31. 7. 18; 2. 8. 18).

Passer arcuatus, Kapsperling (Südafrika). Ein Exemplar ver- zehrt (11. 6. 18). Nicht angenommen (21. 6. 18). Lacerta agilis, Aauneidechse. Besehen, nicht berührt (1. 7.17).

Nicht beachtet (20.7. 17). Trotz Hungerns wochenlang nicht beachtet (29. 5. 18).

Lacerta serpa, Dalmatinische Eidechse. Nicht beachtet (28. 8. 17). Bufo vulgaris, Erdkröte. 7 Imagines (soviel geboten wurden)

sofort nacheinander verzehrt (24. 3. 18), Mehrere Exemplare gerne verzehrt (4. 5. 18).

10) Versuche von H. Dr. Wolf durchgeführt. 42. Band. 29)

450 Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt?

Bufo ealamita, Kreuzkröte. Sofort verzehrt (3. 7. 17).

Hyla arborea, Laubfrosch. Vom kürzlich erworbenen, wahr- scheinlich ausgehungerten Frosch erschnappt und verschluckt (1.7.17). Nach Verzehren einer Vespa vulgaris, eines Stenobothrus, einer weiteren Vespa vulgaris, einer Adonia variegata (Coccinellide) und zweier Musca dlomestica verzehrte der Frosch ein Exemplar Pyrrhocoris und hierauf eine dritte Vespa vulgaris (9. 9. 17). Erschnappt, loszuwerden ver- sucht, da dies nicht rasch genug ging, verschluckt; das Schlucken schien dem Frosch Schwierigkeit zu bereiten (harter, kantiger Leib der Wanze?); die unmittelbar auf den Moment des Erschnappens folgende Abstreifbewegung scheint auf eine Tastempfindung hinzudeuten; Geruchs- und Geschmacksurteile bedürfen einer Zeitspanne, um so mehr als die Drüsen der Imago auf der Unterseite liegen, der Frosch die Wanze indes vom Rücken her fing. Der Frosch lernte nicht durch Erfahrung: eine halbe Minute später erschnappte er ein weiteres

Exemplar, machte augenblicklich nach dem Fang dieselben schwachen .

Entledigungsversuche und schluckte es dann mit derselben Anstrengung hinunter. Eine dritte Wanze nahm er an, entledigte sich ihrer aber rechtzeitig; eine vierte nahm er nicht mehr (9. 4. 18). Ansonsten, wenn er nicht hungrig war, lebten die Wanzen tagelang unbeachtet ın seinem Käfig.

Carabus Ullrichi, Laufkäfer. Tagelang unbehelligt im Käfige (1T.4, 18): |

Gesamtergebnis: Diese Wanze, deren Imago der Wanzen- gestank fehlt!!), wird trotz ihrer „Warnfärbung* ın der Regel verzehrt, im Verhältnis aber doch öfter verschmäht als die stinken- den Pentatomiden. Über die Ursachen der Ablehnung ist aus den einander teilweise widersprechenden Ergebnissen keine völlige Klar- heit zu gewinnen. Die Ablehnung erfolgt ohne Beriechen und zumeist ohne Verkosten, also nach dem Gesichtssinn (befremdendes Aus- sehen). Die Annahme eines Ekelgeruchs oder Ekelgeschmacks wird widersprechend durch die Tatsache, daß derselbe Vogel, der die Wanze das einemal unbeachtet ließ, sie ein andermal (zuweilen in mehreren Stücken!) gerne verzehrte!?). Eine Stubenfliege, mit dem Leibesinhalt einer Wanzenlarve bestrichen, wurde von einem Vogel, der die letztere

11) Auf Seiten der Hypothesen steht hier der Einwand bereit, das menschliche Geruchsorgan sei nicht maßgebend, Pyrrhocoris könne recht wohl einen für Insekten- fresser ekelhaften Geruch oder Geschmack haben. Der Einwand ist treffend, ver- nichtet aber zugleich die Trutzfarbenlehre. Denn wenn einerseits die wirklich feinde- abwehrenden Gerüche (und Geschmäcke) für den Menschen gar nicht wahrnehmbar zu sein brauchen, andererseits aber die dem Menschen wahrnehmbaren Ekeldüfte erfahrungs- gemäß von den Insektenfressern nicht beachtet werden, dann ist erwiesen, daß die menschlichen Sinnesorgane zur Beurteilung der tierischen Geruchswahrnehmungen eben nicht verwertbar sind. Und da die Hypothese vom Ekelgeruch nur auf mensch- lichen Sinneswahrnehmungen aufgebaut ist, bricht sie in ihren Grundlagen nieder, wird gegenstandslos.

12) Ich bemerke ausdrücklich: Hungerzwang bei den Versuchsvögeln ist stets völlig ausgeschlossen; keiner von ihnen war mein Eigentum und ihre Besitzer ließen sich durch meine Versuche nicht in der liebevollen Fürsorge für ihre Tiere stören, was ich übrigens auch nie von ihnen verlangt hätte. Freilandvögel werden zu Zeiten sicher- lich weit hungriger sein.

Fr Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt? 451

selbst verschmäht hatte, gerne verzehrt (Unwirksamkeit von Geruch und Geschmack). Hiemit soll nicht gesagt sein, daß der Geschmack dieser Wanze dem Spezialgeschmacksempfinden jedes Insektenfressers zusagen müsse. Nabis lativentris.

(Reduriidae, Larve bekannt als Ameisennachahmerin. Ge- ruch?).

Syleia atricapilla, Mönchsgrasmücke. Sofort verzehrt (25. 7. 17).

Hypolais hypolais, Gartenlaubsänger. Sofort verzehrt (31.7.17).

Capsidae (sp. SP.)- (Die verwendeten Blindwanzen waren zumeist verbergend aus- gestattet und zeigten zumeist Geruch.)

Lacerta agilis, Zauneidechse. Zögernd angenommen und ver- zehrt(". 1, 17..

Bufo vulgaris, Erdkröte. Sofort verzehrt (18. 6. 17).

Bombinator igneus, Unke. Sofort verzehrt (18. 6. 17),

Bombinator pachypus, Bergunke. Gierig verzehrt (18. 6. 17).

Rana arvalis, Moorfrosch. Sofort verzehrt (18. 6. 17).

Dies das Protokoll meiner Versuche mit heteropteren Hemipteren und Insektenfressern.

Eine Gegenüberstellung der Färbungen und Gerüche ergibt folgendes Bild:

Eurygaster maura und nigrocueullata schutzfarbig stinkend Aelia acuminata 5 an 5 Carpocoris purpuripennis N) = Be Dolyeoris baccarım in AN Palomena prasina 5 = he Tropicoris rufipes N R Eurydema oleraceum auffällig stinkend Syromastes marginatus schutzfarbig —- obstduftend Lygaeus saxattlis auffällig nicht stinkend () Pyrrhocoris apterus 5 nicht stinkend Nabrs lativentris schutzfarbig 2 Capsidae sp. stinkend.

Schutzfärbung und starker Geruch en Smal, Warnfärbung und starker Geruch nur Imal zusammen. Die nicht stinkendeu (auffälligen) Arten wurden im allgemeinen etwas häufiger verweigert als die typischen (meist unauffälligen) Stinkwanzen, die von Insektenfressern, welche Tiere dieser Größe und Konsistenz a jagen, fast ausnahmslos gerne und wiederholt verzehrt wurden.

13) Carpocoris und Tropieoris könnte man in manchen Formen auf bestimmten Untergrund auch als auffällig bezeichnen. In der natürlichen Umgebung wird indes auch ihr Gelb, Rotgelb, Braun usw., das der Färbung absterbender Pflanzenteile u. dgl. entspricht, kaum herausfallen. Ich stelle die Arten daher zu den in der Natur unauf- fälligen Formen.

BIN

459 Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt? 4+)I2 ger, > 5

Kontrollversuche.

Zur Aufklärung der etwas geringeren Beliebtheit der grellfarbigen Wanzen wurden Kontrollversuche unternommen. Maßgebend für diese waren die Überlegungen:

1. Ist Ekelgeruch oder Ekelgeschmack die Ursache der Ablehnung, dann muß eine andere Nahrung, reichlich mit dem Drüsen- oder Leibesinhalt der Wanzen bestrichen oder vermischt, auch ekelhaft werden.

2. Ist die auffällige Färbung für sich allein die Ursache der Ablehnung, dann muß dieselbe Färbung, einem an- sonsten gerne gefressenen Insekt gegeben, die gleiche Ab- lehnung erzeugen. |

I Versuchsreihe ad 1:

Eine Anzahl (etwa zehn) Pyrrhocoris wurde zerquetscht, mit einem’ (Juantum Ameisenpuppen innig vermengt und das Gemisch sodann in kleinen Gaben an Hühner verfüttert. Die Hühner befanden sich hinter einem relativ engmaschigen Drahtgitter, die prapärierten Ameisen- puppen konnten sehr nahe an sie herangebracht werden ohne ihren Schnäbeln erreichbar zu sein; sie hätten, falls ein Geruch in Betracht kam, diesen auf die wenigen Zentimeter Entfernung zuverlässig wahr- nehmen müssen. Sie nahmen indes das Gemisch, sobald es in erreich- bare Nähe gebracht wurde, gierig an und jene Hühner, die davon ge- fressen hatten, drängten sich von neuem heran. / RE

Brotkrümchen, reichlich bestrichen mit dem ausgequetschten Drüseninhalte von Pyrrhocoris, ferner Brotkrümchen mit eingekneteten Stücken dieser Wanze (auch solchen von den stärker riechenden Larven) wurden von Sperlingen (Passer domesticus), die die unversehrten Wanzen ausnahmslos verschmähten, bis auf die letzten Krümchen aufgepickt.

Eine Stubenfliege (Masca domestica), über und über mit dem Leibes- inhalt einer Pyrrhocoris-Larve bestrichen, wurde von einer Weindrossel (Turdus ihacus) gierig verzehrt; der Vogel wartete angelegentlich auf weiteres. Dieselbe Drossel verschmähte lebende Feuerwanzen.

Eine Feldheuschrecke (Stenobothrus sp.), über und über mit dem Leibesinhalt einer fast erwachsenen Pyrrhocoris-Larve bestrichen und für das menschliche Riechorgan auf etwa 4 cm Nähe deutlich einen charakteristischen Geruch ausströmend, wurde von einem kleinen Exemplare der Zauneidechse (Lacerta agilis) gierig angenommen und mit Behagen verspeist. Ein zweiter, größerer Stenobothrus, mit dem Leibesinhalt von zwei großen Pyrrhocoris-Larven bestrichen, wurde hald darauf derselben Eidechse geboten; er wurde, seiner Größe halber mühsam, aber sichtlich mit Behagen verzehrt. Der Geruch und Ge- schmack des Pyrrhocoris hat der Eidechse das Mahl nicht verleidet. Einen Pyrrhocoris selbst haben die Eidechsen nie verzehrt.

Die Versuche erweisen, daß Geruch und Geschmack nicht im allgemeinen als die Faktoren bezeichnet werden können, welche die Ablehnung der Feuerwanze bedingen.

n

Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt? 453

Versuchsreihe ad 2:

Eurygaster nigrocucullata wurde von Hühnern sofort gierig ange- nommen (siehe oben). Dieselbe Wanze, beklebt mit den grell-schwarz- roten Flügeldecken von Pyrrkocoris, wurde von einem Huhn betrachtet, aber verschmäht. Bei einer anderen Hühnergruppe wurde dasselbe Stück von einer Henne nach sekundenlangem Zögern angenommen und verzehrt. Ein zweites, gleich behandeltes Exemplar dieser Wanzen- art wurde von einer Hühnergruppe verschmäht, von einer zweiten angenommen.

Eurygaster nigrocucullata, lebend, oberseits mit Wasserlarbe in Färbung und Zeichnung eines Pyrrhocoris grell bemalt, wurde von einer Hühnergruppe betrachtet, aber nicht berührt. Bei einer zweiten Hühnergruppe dasselbe Resultat; bei einer dritten Gruppe nahm nach kurzem Zögern ein Hahn die Wanze an, ließ sie aber fallen und liegen, worauf ein Huhn sie nahm, aber wieder verlor, bis schließlich ein anderes Huhn sie erwisehte und in Eile fraß. Ein zweites Stück der- selben Wanzenart, gleichfalls grell mit der Zeichnung eines Pyrrhocoris bemalt, wurde von einer Gruppe Hühner betrachtet, aber unberührt gelassen; bei einer zweiten Gruppe nahm sie ein Hahn und fraß sie.

Das Resultat war in allen Versuchen übereinstimmend: Eın sonst bedingungslos angenommenes Tier wurde, sobald ihm ein an Pyrrhocoris erinnerndes Äußeres gegeben wurde, ebenso wie eine Pyrrhocoris behandelt, d. h. zweifelnd betrachtet, verschmäht oder zögernd angenommen. Die Ursache der

Ablehnung lag also wohl in der Färbung. Es steht die weitere Frage zur experimentellen Behandlung:

Wirkt nur die Ähnlichkeit mit Pyrrhocoris in solcher Weise, oder kommt gleiche Wirkung jeder beliebigen grellen Färbung zu? IstesnurdasGrelle, Befremdende, Auffällige im allgemeinen, dasangrıffhindernd oder verzögernd wirkt?

Ich habe lebende Kurygaster mit Wasserfarben (die keinen für mich wahrnehr:baren Geruch hinterließen) grellrot mit schwarzen Längsstreifen bemalt. Sie ähnelten keinem Pyrrhocoris (eher einem . Graphosoma ttalieum) und wurden beim Versuche von Hühnern dreier Gruppen verschmäht; die Hühner dreier anderer Gruppen aber, die zu den vorangeführten Versuchen stärker herangezogen worden waren und hierbei wohl die farbigen Wanzen kennen gelernt hatten, drängten sich bei Vorweisung des gestreiften Artefakts eifrig heran. Auch Eurygaster, grellrot quer gestreift, wurden von diesen Hühnern nach kurzem Zögern angenommen und verzehrt. (Die Hühner hatten sich anscheinend allgemach an die Fütterung mit den grellfarbigen Tieren gewöhnt.) Kurygaster, ganz erdgrau oder ganz grün bemalt, wurden von den ersterwähnten Hühnern, die eben die rotgezeichneten Wanzen abgelehnt hatten, angenommen und verzehrt; nur eine Hühnergruppe nahm einmal eine grünbemalte Wanze nicht an. Zwischen den Ver- suchen zur Kontrolle gebotene unbehandelte Kuryyaster wurden stets mit einer von dem Zögern vor grellbemalten Stücken gut zu unter- scheidenden gierigen Hast genommen.

454 Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt?

Gleiches Ergebnis brachten Versuche mit bemalten Ameisenpuppen. Diese Puppen waren grellrot mit schwarzen Flecken, Binden oder Streifen bemalt und machten einen überaus „warnenden“ Eindruck. Die engen Käfiggitter boten Gelegenheit, den Hühnern diese Puppen aus großer Nähe mit Muße betrachten zu lassen. Während normale Ameisenpuppen nun stets mit unbedenklicher Gier angenommen wurden, zeigten sich die Hühner gegenüber den farbigen Puppen aufällig zurück- haltend. Sie betrachten sie wie verwundert, reckten die Hälse, drehten die Köpfe, um sie besser ins Auge fassen zu können; manche Hühner gingen davon, manche ließen sich zögernd zum Picken herbei. Früher oder später wurden allerdings auch diese Puppen aufgepickt, aber die Art und der zum Verzehren benötigte Zeitraum waren wesentlich andere als bei normalen Puppen. Das Gebahren der Hühner vor diesen bemalten Puppen war das gleiche wie jenes von Feuerwanzen.

Gelb gefärbte Ameisenpuppen wurden von Hühnern genommen, blau gefärbte nur zögernd. In einem gnoßen Flugkäfige mit Drosseln, Graukardinalen u. s. w. wurden unbehandelte Ameisenpuppen sofort verzehrt, rot gelärbte dagegen blieben lange unbeachtet liegen, bis sich gelegentlich ein Vogel zweifelnd mit ihnen beschäftigte. Von freilebenden Sperlingen wurden essigäthergetränkte, stark riechende, aber ungefärbte Ameisenpuppen sofort aufgepickt, unbehandelte, geruchlose Puppen aber, die beim Bemalen der anderen etwas Rot- färbung abbekommen hatten, blieben von den Sperlingen nach ein- fachen Hinsehen unbeachtet. Ein Sperling, der eine von ihnen er- wischte, ließ sie ungefressen fallen.

(Ich erwähne hier, daß nach meinen Erfahrungen das Anpicken, Anhacken eines Insekts durch einen Vogel keine Geschmacks- prüfung ist, sondern eine mechanische Untersuchung. Hühner verhielten sich nach dem Anpicken bemalter Ameisenpuppen ebenso unentschlossen wie vor demselben. Etwa wie ein Mensch in einer Speise, die er aus irgendwelchem Grunde nicht zu genießen gedenkt, doch noch herumstochert, wie er einen im Walde gefundenen, ver- dächtigen Pilz zerbricht u. dgl. Über die außerordentliche Geruchs- und Geschmacksstumpfheit der Vögel habe ich andernorts Angaben gebracht). !*)

Die Versuchsergebnisse erweisen: Die Ursache der Ablehnung liegt in der auffälligen Färbung und ist unabhängig von (Geruch oder Geschmack.

B. Versuche anderer Forscher.

Dr. J. Fahringer hat mir eine Reihe Beobachtungen mitgeteilt, welche erweisen, daß Blindschleichen (Angus fragilis), größere Eı- dechsen (Lacerta viridis u.a.) Wanzen als Nahrung nicht bevorzugen, aber keinen Abscheu vor ıhnen zeigen. Desgleichen wurden Stink- wanzen (Palomena prasina, Eurydema oleraceum) und Lygaeus equestris von Fischen (Salmo Fario, Leueiscus rutilus, Misgurnus fossilis, Perca

14) Z.B. Zoologischer Anzeiger, Bd. LI, Nr. 11/13, S. 294—29.

Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt? 455

fluwiatilis) verzehrt. Wiewohl Wanzen nicht in den Normalnahrungs- kreis von Spinnen fallen, nahmen hungrige Araneus diadematus ohne Zeichen von Ekel Graphosoma ilalicum, Syromastes marginatus, Nabis lativentris und Pyrrhocoris apterus in der Regel an. Ein Weberknecht (Phalangium opilio), den Beobachter in einem Hotel ın Jalowa (Klein- asien) unter seinem Bette fing, trug eine Bettwanze (Cimex lectularia), an der er saugte, zwischen seinen Kieferklauen. (Einem Briefe von 0.Schrottky, Puerto Bertoni, entnehme ich, daß auch in Südamerika Baumwanzen vielfach eine Spinnenbeute bilden.)

Von Raubinsekten sah Fahringer die Asilide ZLaphria flava folgende Wanzenarten aussaugen: (alocoris sexguttata, Burydema oleraceum, Nezara wiridula. Die Sphegide Tachysphex nitidus trug stichgelähmte Larven von Kurydema oleraceum und Pyrrhocoris apterus als Larvenfutter ein. Astata boops, gleichfalls eine Sphegide, trug Nexara viridula ein (Belgrader Wald bei Konstantinopel). Dinetus pietus trägt vornehmlich Larven von Nabis lativentris (Ameisennach- ahmer!) ein (Öajnica, Bosnien) ’°).

Ausgedehnte, schöne Versuche (leider mit exotischen Insekten- fressern und britischen Insekten, also vom Selektionsstand- punkte aus wegen mangelnder natürlicher Lebensgemeinschaft wertlos) hat R.J. Pocock im Zoologischen Garten in London unternommen '°). Hinsichtlich Wanzen folgende:

Tropicoris (Pentatoma) rufipes. (Charakteristik siehe oben).

Cercopithecus mona, Nonnenaffe (Meerkatze, Nigeria). Nach langem Betasten, Beriechen und Kosten verzehrt (31. 7. 09).

„Eine auf den Boden gelegte wurde von einem Fliegenfänger (Fantailed Flycatcher, Rhipidura tricolor, aus Australien) gepackt und ein halbdutzendmal angepickt. Der Vogel wurde dann von einem weiblichen Black Tanager (Tachyphonus melaleueus, Mittel- und nörd- liches Südamerika) vertrieben, welcher an der Wanze mehrmals pickte und sie dann verließ, Ein Syrischer Bulbul (Pyenonotus zanthopygus, Nordostafrika, Syrien) fiel über sie her, versucht sie, gab sie aber auf, nachdem er sich eine Weile mit ihr beschäftigt. Dann machte der Tanager einen weiteren Angriff, verließ sie aber wieder. Ich gab so- dann die verstümmelten Überreste einer „Harmonious Shrike-Thrush* (Collyriocincla harmonica, Australien), welche sie nach einigen Picken verschluckte. Eine (lebende) mit sehr wenig Verzug gefressen vom Silberfasan (Silver Pheasant, Gennaeus nyethemerus, Südchina); aber

15) Vgl. auch: ©. Schmiedeknecht, Die Hymenopteren Mitteleuropas. Jena, 1907. F. F. Kohl, Die Gattungen der Sphegiden. Annalen nat.-hist. Hofmuseum, Wien, XI., 1896. Daß auf Seiten räuberischer Arthropoden irgend- welche Abneigung gegen Wanzen nicht besteht, ergibt sich aus E. B. Poultons ver- dienstvoller Zusammenstellung: Predaceous Insects and their Prey. Trans Ent. Soc. London, 1906.

16) On the Palatability of some British Insects, with Notes on the Significance of Mimetic Resemblances. Proceed. Zool, Soc. London, 1911, 2. p. 847.

456 Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt ?

zur Erde geworfen, als er sie aus meiner Hand genommen hatte. Eine (tote) in derselben Weise behandelt und verzehrt von dem gleichen Vogel. Therapha hyoseyami.

(Coreidae; blutrot und schwarz gezeichnet; den Geruch bezeichnet J. Gulde!”) als „angenehm zimtartig“).

Liothrix luteus, Pekin-Robin (China). Sofort genommen und nach längerer Beschäftigung damit verzehrt (20. 9. 10).

Dies sind Pococks sämtliche Versuche mit Wanzen. Ich habe einen Teil der Schilderung P.s absichtlich ungekürzt wiedergegeben. Deutlich erhellt aus ıhr die Geringwertigkeit der mit satten Voliere- vögeln angestellten Versuche. Solche Vögel behandeln die ihnen vor- gelegten Insekten überhaupt nicht ernstlich als Mittel zur Befriedigung eines Nahrungsbedürfnisses, sondern mehr als Gegenstand ihres Be- schäftigungstriebes, als Zeitvertreib, Spielzeug; es ist ihnen nicht ernst mit dem Verzehrenwollen, da sie ja gesättigt sind. (Ganz anders wird ein Freilandvogel handeln, neben dem nicht den ganzen Tag über der gefüllte Futternapf steht.) Daher die zahlreichen unbestimmten und einander oft widersprechenden Ergebnisse der Versuche mit Käfigvögeln.

Ergebnis der Pocockschen Versuche: Nicht eine einzige der vorgelegten Wanzen, auch nicht der Rest einer solchen, blieb ungefressen'°).

G. Rörig!?) hat Kiefernstämmchen, ın deren Rinde verborgen zahlreiche Rindenwanzen, Aradus cinnamomeus, saßen, Meisen (Parus) und Goldhähnchen (Regulus) vorgelegt. Die Vögel hatten rasch die verborgen sıtzenden Wanzen ausfindig gemacht, machten dieselben durch Loshacken der Rinde frei und verzehrten sie. Diese Wanze besitzt einen „intensiven Geruch, der dem der Bettwanze ähnelt“ (A. Krausse). |

Weitere mir bekannt gewordene gleichsinnige Versuchsergebnisse anderer Forscher übergehe ich Raummangels halber. Sie stehen in Einklang mit, den Ergebnissen meiner Untersuchungen.

C. Mageninhaltsuntersuchungen.

Die Hauptfeinde der im allgemeinen pflanzenbewohnenden Hemi- pteren sind Vögel und Insekten (Räuber und Halbparasiten). Was ein Vogel verzehrt hat, ist in seinem Kropf oder Magen, in seinem Gewöll oder Kot nachzuweisen. Was sich in seinem Magen

17) Bericht der Senckenbergischen naturforsch. Gesellsch. Frankfurt a. M., 1902, S. 123.

18) Ich kann die im Anhange zu P.s Arbeit ausgedrückte Meinung E. B. Poultons, diese Versuche bildeten eine „Bestätigung der offenbaren Unschmackhaftigkeit der Hemipteren“, nicht zutreffend finden. Das Zögernde, Spielerische beim Fraße hat seine Ursache in der Sattheit der Versuchstiere und nicht in einem Ekelgeschmack der Wanzen. Wäre letzteres der Fall, so müßten die Wanzen schließlich ungefressen bleiben, da ein satter Vogel keinen Grund hat, ein ihm Widerwärtiges zu verzehren.

19) Studien über die wirtschaftliche Bedeutung derinsektenfressen- den Vögel. Arb. Kais. Biol. Anst. Land- u. Fortswirtsch., Berlin, IV., H. 1, S. 47; 1905. Die wirtsch. Bedeutung der Vogelwelt als Grundlage des Vogel- schutzes. Mitt. Kais. Biol. Anst. f. Land- u. Forstwirtsch., Berlin, H. 9, 1910.

Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt ? 457

regelmäßig vorfindet, muß von ihm gefressen worden sein, kann vor ihm keinen Schutz genießen, kann ihm nicht ekelhaft sein.

Man könnte den folgenden Darlegungen den Einwand entgegen- halten: daß Wanzen überhaupt nie gefressen werden, wird nicht be- hauptet. Kein Schutz ist vollkommen. Aber der Ekelgeruch bedingt, daß die Wanzen in geringerem Ausmaße gefressen werden als sie es wür- den, wenn sie keinen Ekelgeruch besäßen, und dies ıst der Auslesefaktor.

Ruht diese Behauptung auf Erfahrungstatsachen oder wurde sie aufgestellt ohne solche, zur theoretischen Stütze der Ekelgeruchs- hypothese? Prüfen wir die Tatsachen. |

Das Experiment hat gezeigt, daß der „Ekelgeruch“ der Wanzen von den geruchsstumpfen Vögeln völlig unbeachtet bleibt. Aus den Versuchsergebnissen entspringt somit keine Stütze der Annahme, die Wanzen würden in irgendwie geringerem Ausmaße verzehrt alsandere Insektenähnlicher Konsistenz.

Die vergleichende Statistik der Mageninhaltsunter- suchungen zeigt, daß die Wanzen (nächst den dominierenden Käfern) ein Hauptkontingent zur Vogelnahrung stellen und im Verhältnis hinter den anderen Insektengruppen nicht zurückstehen (man vergleiche die weiter unten angeführten Mitteilungen nordamerikanischer Forscher, die ihre Ergebnisse unbeeinflußt von den Trackthypothesen auf ange- wandt entomologischem Gebiete gewannen). Mit den Ergebnissen der Mageninhaltsuntersuchungen läßt sich die Annahme, die Wanzen würden in größerem Ausmaße verzehrt, wenn sie keinen (für den Menschen wahrnehmbaren) Geruch besäßen, nicht stützen.

Die Annahme, der Wanzehgeruch sei ein auch nur bedingter Schutz, entbehrt daher der Tatsachenstütze, ısb abzulehnen. Zu gleichem Ergebnisse führt die einfache Überlegung: ein wirklich Ekelhaftes wird

‚verschmäht, aber nicht in geringerem Ausmaß verzehrt.

Die umfangreichsten Untersuchungen über die Mageninhalte mittel- europäischer Vögel verdanken wir E. Csiki?). Es seı hier auf die Schwierigkeit der sicheren Identifizierung der Insektenreste im Vogel- magen hingewiesen. Der Vogel verdaut sehr rasch?!). Nach wenigen Stunden, oft nur nach Bruchteilen von Stunden, sind die Hartteile eines Insekts aus dem Magen verschwunden. Gut erkennbare, zur Artbestimmung geeignete Reste dürften daher in der Regel nur aus etwa der letzten halben Stunde oder Stunde des Lebens des Vogels stammen. Je nach der Art des Vogels, nach der Qualität der aufge- nommenen Nahrung, nach der Sachkenntnis des Determinators u.s.w. wird ein Mageninhalt nur wenige sichere Artnamen der verzehrten Insekten (oft nur 2 bis 4, häufig gar keinen) liefern.

Die Csikischen Untersuchungen, von dem Fachentomologen eines Museums an sehr reichem Material durchgeführt, sind die entonologisch genauesten, die mir bekannt geworden sind.

20) Positive Daten über die Nahrung unserer Vögel. Aquila, Zeitschr. d. Ungar. Ornitholog. Zentrale, Budapest. Bd. XI.—XXI. 1904— 1915.

21) Vgl. G.Rörig, Untersuchungen über die Verdauung verschiedener Nahrungs- stoffe im Krähenmagen. Arb. Kais. Biol. Anst. Land- u. Forstwirtsch., Berlin, Bd. V.,H.5.

458 Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt?

Csikı führt unter anderen auf:

Im Großen Würger (Landus excubitor) die Wanzenarten: Aelia acuminata, Pentatomidae sp., Harpactor iracundus. Im Kleinen Würger (Lanius minor): Aclhia acuminata, Tropieoris rufipes (2-1), arpocoris nigricornis, verbasci, Kurygaster maura, Pentatomtdarum Sp., Lygaeidarum sp. Im Dorndr eher (Lanius a) Pentatomidae sp. (3 Fälle), Eurygaster maura (3 Fälle), Tropieoris rufipes (3 Fälle), Dolyeoris baccarım (3 Fälle), Palomena prasina (6 Fälle), Aelia acuminata

(3 Fälle), Harpactor iracundus, Capsidarım sp. Im Pıirol (Oriokıs galbula): Pentatomidarum Sp., Palomena prasina (13 Fälle), Trop. rufipes, Acanthosoma haemorrhoidale. In der Hausschwalbe (Ohelidonaria

urbiea):: Aelia acuminata. In der Rauchschwalbe (Herundo rustiea): Pentatomidarum sp., Eurygaster hottentotta, Dolycoris baccarum, Lygus campestris. Im Grauen Fliegenfänger (Museicapa grisola): Eury- gaster maurus. Im Halsbandfliegenfänger (Museicapa collaris): Pentatomidarum sp. Im Kuckuck ((keulus canorus): Aelia acuminata, Pentatomidarum sp. In der Blaurake (Coracias garrula): Eury- gaster hottentota, Eurygaster sp. Im Baumläufer (Certhia familiaris): Capsus sp., Hemiptera sp. In der Spechtmeise (Sitta europaea): Pentatomidae sp. (3 Fälle. In der Kohlmeise (Parus major): Pentatomidae sp. (4 Fälle), Eurygaster maura (2 Fälle), Aelia acuminata, Eusarcoris melanocephalus, Capsidae sp., Phytocoris sp. In der Tannenmeise (Parus ater): Aelia acuminata. In der Sumpf- meise (Parus palustris): Pentatomidae sp., Rhopalotomus ater. Im - Goldhähnchen (Regulus regulus): Pentatomidae sp., Gastrodes abietis, Anthocoris nemorum. In der Dorngrasmücke (Sylvia sylvia): Aelia acuminata, Pentalomidae sp. In der Zaungrasmücke (Sylvia curruca): Pentatomidae sp. Im Gartensänger (Hypolais hypolais): Aelia acuminata (2 Fälle). Im Waldlaubsänger (Phylloscopus sibilator): Aelia acuminata, Anthocoris sp., Tingitidarum sp- (3 Fälle): Im Zaunkönig (Troglodytes troglodytes): Aelia acuminata, Penta- tomidae sp. Im der Amsel (Turdus merula): Eurygaster maura, Rhaphigaster nebulosa, Zierona coerulea, Lygus pratensis. In der Wacholderdrossel (Turdus pilaris): Pentatomidae sp., Aelia acumi- nata, Dolycoris baccarım, Seiocoris cursitans, Sciocoris sp. (2 Fälle). In der Misteldrossel (Turdus viscivorus): Pentatomidae sp., Palomena prasina. In der Singdrossel (Turdus musiceus): Aelia acuminata. Im Gartenrotschwanz (Ruteilla phoenicurus): Aelia acuminata, Eurygaster maura, Corizus sp., Nabis ferus. -— Im Rotkehlchen (Erithacus rubecula): Aelia acuminata, Eurygaster maura (2 Fälle),

Jusarcoris aeneus, Syromastes marginatus, Lygus pabulinus, Tingitidae. Im Rotfußfalken (Oerehneis vespertinus): Eurygaster maura (3 Fälle), Aelia acuminata (2 Fälle), Dolycoris baccarum (2 Fälle), Palomena prasina, Rhaphigaster nebulosa (grisea), Pentatomidarum sp., Syromastes marginatus (4 Fälle. Im Nußhäher (Nwueifraga caryocatactes): Palomena prasina (2 Fälle), Pentatomidarum sp. Im Eichelhäher (Garrulus glandarius): Kurygaster hottentota (3 Fälle), Aelia acuminata

Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgerueh geschützt? 459

(2 Fälle), Palomena prasina (17 Fälle), Dolycoris baccarıum, Tropicoris rufipes (8 Fälle), Rhaphigaster nebulosa (15 Fälle), Pentatomidarum sp., Harpactor iracundus (3 Fälle). In der Nebelkrähe (Corvus cornix): Pentatomidae sp., Aelia acuminata, Burygaster hottentota (2 Fälle), Rhaphigaster nebulosa, Dolycoris baccarım, Nepa einerea. Im Reb- huhn (Perdix perdix): Pentatomidarum sp., Eurygaster maura (4), Oydnus nigrita (6, 2), Aelia accuminata (4 Fälle), Dolycoris baccarım (2 Fälle), Burydema oleraceum (4 Fälle), Corizus sp., Lygaeidarum Sp., Pyrrhocoris apterus (94 Stücke in einem Magen!), Nabis ferus.

Soweit Osiki. Der Uneingeweihte könnte die Angaben dürftig finden; der Kenner aber weiß, daß die übrigen Insektenordnungen (sofern wir von den in den Mageninhalten fast stets weitaus dominieren- den Käferresten absehen) ??) noch mit weit spärlicheren Angaben ver- treten sind und daß die obangeführten Daten einen relativ sehr reichen Anteil der Wanzen an der normalen Vogelnahrung bezeugen. (Vgl. auch die Angaben von Beal u. a. weiter unten.) Außer den Csikischen liegen noch Arbeiten anderer Forscher (ich nenne nur a. Reichert, und E’-Rey,. G; Rorıg,. W. Baer... -K. Loos, W. Schuster u. a.) vor, aus denen ebenso wie aus Usikis Unter- suchungen die Schutzlosigkeit der Wanzen erhellt. Die Untersuchungen erweisen sogar, daß es Vogelarten gibt, welche Wanzen mit be- sonderer Vorliebe jagen. Ein solcher Vogel ist beispielsweise der heimische Pirol (Oriolıs galbula)??). Eine Mageninhaltsliste seines indischen Vetters Orziolus kundoo, die ich weiter unten gebe, wird dies augenfällig machen.

Das U. S. Department of Agriculture ın Washington hat seinerzeit mit bekannter Großzügigkeit Mageninhaltsuntersuchungen nordamerikanischer Vögel (an 40000) durchführen lassen. Die Ergeb- nisse sind in zahlreichen Arbeiten von W.L. Mc Atee, F.E.L. Beal, S. Judd u.a. niedergelegt. Da eine eingehende Besprechung raumes- halber hier untunlich ist, greife ich kurz einige Daten heraus.

Beal über die Nahrung nordamerikanischer Fliegen fänger**); einer Tabelle ist zu entnehmen, daß beim Graukehligen Fliegenfänger (Miyiarchus cinerascens) die Hemiptera (s.1.) 20-11%, beim Gehäubten Fliegenfänger (M. erinitus) 14-26%, beim Kleinen Fliegenfänger (Empidonax minimus) 11-12%, bei der Schwarzen Phoebe (Sayornis nigricans) 10-56%, bei der Phoebe (Sayornis phoebe) 10-38%, beim Scheerenschwänzigen Fliegenfänger (Muscivora forficata) 10-179, u.s. w. ausmachen. Also ein Prozentsatz, der ihrer Bedeutung im Landschafts-

22) Das Dominieren der Käferreste mag seine Ursache teilweise im Arten- und Individuenreichtum dieser Insektengruppe, in der leichten Erbeutbarkeit, zum großen Teil sicherlich aber auch in der starken Chitinisierung der Käfer haben, welche der Verdauungsarbeit relativ länger Widerstand leisten als die Körperhüllen anderer Insekten.

23) W. Schuster, Wertsehätzung unserer Vögel (Gera-Untermhaus, Stutt- gart, 1906, S. 55) betont, Pirole fräßen „mit Vorliebe‘ Wanzen.

24) Food of our more important Flycatchers. U. S. Dept. of Agrie., Biol. Surv., Bull. 44, Washington 1912, p. 6.

460 Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt?

bilde reichlich entspricht. Beal bemerkt hierzu: „Hemiptera (Wanzen) werden von einigen in sehr großem Ausmaße verzehrt, insbesonders die größeren, fliegenden Arten... .“ e

Beal über die Nahrung nordamerikanischer Schwalben®). Pur- purschwalbe, Progne subis: untersucht 205 Magen, ın 70 davon Hemiptera; Anteil der Hemiptera an der Gesamtnahrung 14-58; am häufigsten darunter Pentatomiden (stinkbugs); ein Magen enthielt 26 Stück von Nezara hilaris, andere je 27, 25, 11 und 8 Stück von Myodocha serripes; „... dies zeigt, wie diese Wanzen von der Purpur- schwalbe ohne weiters verzehrt werden“. Klippenschwalbe, Petrochelidon lunifrons: Hemiptera bilden 26-32% der Nahrung. Scheunenschwalbe, Hirundo erythrogastra: Hemiptera bilden 15-1%, der Nahrung; hauptsächlich Pentatomiden; „. ... aus der Regelmäßig- keit des Vorkommens in den Magen erhellt, daß sie schmackhaft sind (. . . evidently very palatable,“ Baum- oder Weißbauch- schwalbe, Iridoprocne bicolor: „Hemiptera ... haben in ihrem Geruch nichts Widerwärtiges für Vögel“; ein Magen enthält die Reste von 80 Exemplaren von Blissus leucopterus, „ein Zeichen, daß sıe schmack- haft sind“. Violettgrüne Schwalbe, Tachyeineta thalassina: „Hemiptera bilden den Hauptanteil der Nahrung (35-96%)“; hier sind allerdings auch Homoptera stark vertreten u. s. w. Es bilden die Hemiptera im Durchschnitt 17-20%, der Nahrung nordamerikanischer Schwalben.

Beal über die Nahrung nordamerikanischer Kuckucke°®). Pentatomiden wurden ın einer größeren Anzahl von Magen gefunden, Hemiptera bilden von Mai bis August etwa 12%, der Nahrung.

Raumeshalber sehe ıch von der Anführung weiterer mir vor- liegender Daten ab. In der Nahrung mancher Vogelgruppen bilden die Wanzen zuweilen einen geringeren Prozentsatz; daß dies indes nicht auf einen „Schutz“ der letzteren zurückzuführen ist, sondern lediglich auf besondere Eigenheiten in der Jagdweise, im Jagdorte, in der Spezialgeschmacksrichtung jener Vögel, erhellt aus der Tatsache, daß die Hemiptera mögen reich oder spärlich in der Normalnahrung vertreten sein in den meisten Fällen gerade die stinkendsten Arten den Hauptteil des Hemipterenanteils der Nahrung ausmachen.

Zusammenfassend sagt Beal auf Grund sehr reicher Erfahrung?’). „... es hat die Untersuchung der Mageninhalte zahlreicher Vögel er- wiesen, . . . daß trotz schützender Färbung, trotz schützender oder nachahmender Form, ekelhafter Gerüche, scharfer Absonderungen und abwehrender Rüstungen die dergestalt geschützten Insekten von den Vögeln gefunden und gefressen werden und in vielen Fällen einen namhaften Prozentsatz deren jährlicher Durchschnittsnahrung aus-

25) Food Habits of the Swallows. U. S. Dept. Asgrie.. Bull: ‚Nr. 619. Washington, 1918.

26) Cuekoos and Shrikes. U. 'S. Dept. Agrie., Biol. Surv., Bull. 9. Washington, 1898. 3

27) The Relation between Birds and Insects. Yearbook Dept. Agrie. 1908, Washington, p. 346.

Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt? 461

machen ... So besitzen Pentatomiden einen äußerst widerlichen Geruch und Geschmack ... und haben hierzulande den Namen »Stink- wanzen« (stınk bugs) erhalten. Es ıst indes offenkundig, daß die Vögel sie gar nicht ekelhaft oder irgendwie unangenehm finden, denn sie fressen dieselben ohne weiteres. In der Tat sınd wenige Insekten ın den Magen so vieler Vogelarten und Vogelindividuen gefunden worden wie diese.“

Es liegt hier das Urteil eines über reichste Tatsachenerfahrung verfügenden, vom agrikulturellen Standpunkte ausgegangen, an der Frage der Trachthypothesen also völlig unbeteiligten Forschers vor.

©. W.Mason und H.Maxwell-Lefroy handeln über die Nahrung der Vögel Indiens°*). Sie stellen fest: „... Die Heteroptera oder Wanzen bilden eine durchaus allgemeine Nahrung der Vögel...*, und bringen eine ansehnliche Liste der Vögel, in denen Wanzen gefunden wurden. Über die indischen Pirole Oriolus kundoo und melanocephalos findet sich die Bemerkung, diese Vögel besäßen eine besondere Vorliebe für Wanzen. Nachfolgend eine Liste der Mageninhalte von ©. kundoo, alles ın den Magen gefundene Tierische aufführend (Heteroptera sind durch ein vorgesetztes Sternchen gekennzeichnet).

7. 1. 08. 1 kleiner Carabide. *1 Lygaeus hospes. 1 Nematode

8. 2. 07. *4 Dysdercus cingulatus. *3 Lyg. hospes. *2 Lygaeus sp.

20. 2. 07. *2 Dysdercus cingulalus.

13. 3. 07. 2 Rüsselkäfer. *1 Dysd. eingulatus. *1 Nexara viridula? (Pentatomidae). *2 Schildehen von Hemipteren.

20. 3. 07. 3 Myllocerus sp. (Rüsselkäfer).

11. 4. 09. 1 Camponotus compressus (Ameise). 5 Myllocerus discolor

15. 4. 07. *3 Dysdereus cingulatus. 2 Geometridenraupen?

20. 5. 07. 4 Larven (Ocinara varians?).

16. 5. 08. 1 großer Rüsselkäfer. 4 Myllocerus sp. *1 Hemipteren- schildchen.

13. 6. 08. *6 Dysdereus cingulatus. 2 Spinnen.

7. 9. 08. 4 Myllocerus maculosus. "1 Hemipterenschildehen.

Ein ähnliches Bild bietet O. melanocephalus.

F. Dahl zeichnet ein Bild des Lebens der Vögel auf den Bis- marckinseln”?’). Er findet eine große Aradide in einem Falconiden; 11 Stück Pyrrhocoriden in den Magen von 4 Exemplaren von Caco- mantis insperatus, einem kleinen Kuckuck; 2 bunte Pentatomiden, eine große und zahlreiche kleine rot und schwarz gefärbte Pyrrhocoriden in 3 Magen von Lamprococeyx plagosus, einem anderen kleinen Kuckuck; eine Pentatomide in einer Nachtschwalbe, Caprimulgus macrurus; 2 Pentatomiden, 8 Köpfe von solchen (Agapophyta) und eine Scutel- leride in 4 Magen eines Seglers, Macroptery& mystacea; eine Reduvüde,

28) The Food of Birds in India. Mem. Dept. Agric. India. Calcutta. 1912. III. 343.

29) Das Leben der Vögel auf den Bismarckinseln. Mitt. a. d. Zool. Sammlg. d. Mus. f. Naturk., I., Berlin, 1899.

462 Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Fkelgeruch geschützt?

eine Pyrrhocoride und eine Scutelleride in 4 Magen eines Drongos, Dierurus laemostictus; 5 Heteropterenköpfe und 2 Pentatomidenköpfe in 3 Magen eines Schwalbenstars, Artamus insignis; in anderen Vögeln noch Pentatomiden, Seutelleriden, Tingiden u. s. w.

G. A. K. Marshall, der Studien (in geringerem Umfange) in Süd- afrıka anstellte®®), verzeichnet Pentatomiden aus den Magen von Geoeichla litsitsirupa, Laniarius guttatus, Irrisor erythrorhynchus,

Verchneis amurensis, Coccystes glandarius, ferner Reduviiden aus

Maeronyx capensis und Rhinopomastus eyanomelas.

E. B. Poulton, Anreger der Marshallschen Forschungen und führender Vertreter der Trachthypothesen, bemerkt hierzu, die Zahl der Vögel, welche Pentatomiden fräßen, sei „remarkable“ °!).

Die angeführten Daten erweisen, daß die Hemiptera heteroptera, speziell die übelriechenden Pentatomiden, auch in den Tropen keinerlei wirksamen Schutz vor ihren Feinden aus der Vogelwelt genießen.

D. Prüfung der Hypothesen.

Messen wir die Trachthypothesen an den Untersuchungsergebnissen, so ergibt sich:

1. In den Trachthypothesen gilt der Wanzengestank als Abwehrmittel gegen Feinde (Ekelgeruch). Die Träger solcher Gerüche sollen im allgemeinen von Insektenfressern unbe- rührt bleiben. Die Versuche brweisen das Gegenteil: Der Wanzengestank hindert Insektenfresser nıcht am Fraße, er wird von ihnen nicht beachtet.

2. Nach den Trachthypothesen sollen die genießbaren Insekten verbergend, unansehnlich ausgestattet, die ekel- haften dagegen grellfarbig, warnend sein. Das Versuchs- material erweist im, allgemeinen das Gegenteil: die ekel- haft stinkenden Arten waren zumeist verbergend ausge- stattet, einige nicht stinkende Arten dagegen grell.

Es ergibt sich: ad 1. Der Wanzengestank ist kein Abwehr- mittel gegen wirkliche, natürliche Feinde, und ad2. Geruch und Färbung stehen nachweislich nicht in jenem Zusammen- hange, den die Trachthypothesen fordern und behaupten. Damit brechen die Trachthypothesen (hinsichtlich der Hemiptera heteroptera) in den Grundlagen nieder,

3. Dem Zusammenbrechen der Ekelgeruchs- und Ekelgeschmacks- hypothesen Rechnung tragend hat F. Dahl ein neues Grundprinzip, das der „Bekömmlichkeit“ aufgestellt®?). Er setzt: Ekelgeruch oder -Geschmack brauchen nicht mit Grellfärbung ver- bunden zu sein (Aufgeben des Warntracht- und Mimikryprinzips). Maßgebend ist allein die „Bekömmlichkeit“, d. h. die Ver-

30) Five Year’s Observations and Experiments (1896—1901) on the Bionomics of South African Insects, chifly directed to the Investigation of Mimiery and Warning Colours. Trans. Ent. Soc. London 1902, p. 351.

3l).l.7e.p.1353;

32) Zoolog. Anzeiger. Bd. LIII., Nr. 11/13, S. 266—273; 1921.

ES

Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt? 463

daulichkeit der Nahrung im Magen. Das Tier erkennt die Verdaulichkeit einer Nahrung mit Hilfe eines von Dahl angenommenen Instinktes; dieser Instinkt entscheidet allein, unbeirrt durch Färbung, Geruch oder Geschmack °?) für Annahme oder Ablehnung. Dieses Prinzip ist zur Stütze der Trachthypothesen unverwendbar, da es die Grundlagen der letzteren (Färbung, die mit Ekelgeruch und Ekelgeschmak in steter ursächlicher Beziehung steht) verwirft. Versuche wie Mageninhaltsuntersuchungen zeigen, daß ebensowohl grellfarbige wie unansehnliche, ebensowohl übelriechende wie geruchlose Wanzen dauernd verzehrt werden, somit zweifellos bekömmlich und verdaulich sind. Ein Zusammenhang zwischen Färbung und Verdaulichkeit einerseits und zwischen Ekelgeruch und Verdaulichkeit anderseits ist nicht nach- weisbar, die Hilfshypothese von der Bekömmlichkeit ist daher hier ohne Arbeitswert.

4. Der aus Erfahrungstatsachen abgeleitete Begriff der Unge- wohnttracht, des Misoneismus, besagt: Jedes geistig auf ge- wisser Höhe stehende Tier bringt ihm Unbekanntem, Auf- fälligem ein zögerndes Mißtrauen entgegen, welches so lange währt, bis Gewöhnung eintritt. Die in den Versuchen er- mittelte Tatsache, daß die Ablehnung in der Regel auf den bloßen Anblick hin, ohne Beriechen oder Verkosten erfolgt, daß bei erfolgendem Angriff aber das Tier in der Regel auch verzehrt wird (also nicht ekelhaft sein kann), steht in vollem Einklang mit dem Satze von der Ungewohnttracht.

E. Zusammenfassung.

1. Zahlreiche Hemipterenarten sondern ein Sekret ab. Die Be- griffe „ekelhaft“, „widerwärtig“ für den Geruch dieses Sekrets sind Anthropodoxismen, gelten für den Menschen allein und auch für ıhn nicht allgemein®*). Die Annahme, ein dem Kulturmenschen unange- nehmer Geruch’) müsse auch insektenfressenden Tieren ekelhaft seın und sie abwehren, entbehrt wissenschaftlicher Berechtigung. Nur Beobachtung und Versuch können entscheiden, ob ein Geruch ein Tier abwehrt oder nicht.

2. Die Hauptfeinde der Wanzen sind Vögel. Mageninhaltsunter- suchungen freilebend erlegter Vögel (Osiki, Rörig, Baer, Reichert, Beal, Mc Atee, Mason und Maxwell-Lefroy, Dahl, Marshall u. a.) ergaben, daß die Wanzen einen sehr wesentlichen Be-

33) Dahl läßt den Ekelgeschmack als für sich abwehrend nebenbei aufrecht („Kontrolle“ des Instinkts).

34) Nicht wenige Wanzenarten werden von unbefangenen Autoren (ich nenne Fallen, De Geer, Snellen van Vollenhoven, Heymons, Gulde, Locy, Schumacher u. a.) geradezu als angenehm duftend bezeichnet. Nähere Angaben unterdrücke ich aus Gründen der Kürze des Aufsatzes.

35) Der Begriff „unangenehm“ gilt hier nur für zivilisierte Völker. Minder kultivierte und Naturvölker verwenden stark riechende Wanzen öfter als Nahrung oder Nahrungswürze (z. B. in Hinterindien, auf den indomalaiischen Inseln).

464 Fr. Heikertinger, Sind die Wanzen durch Ekelgeruch geschützt?

standteil normaler Vogelnahrung ausmachen, daß sie weder einen absoluten noch einen relativen Schutz genießen.

3. In den Versuchsreihen wurden die Wanzen von allen ver- wendeten Insektenfressern, welche auf Insekten solcher Größe, Gestalt und Körperbedeckung Jagd machen, angenommen und verzehrt (mehr als 200 Versuche). Eine Schutzwirkung der Stinkdrüsen trat nie ın Erscheinung.

4. Selektionshypothetisch, d. h. zur Stütze der Anschauung, die Stinkdrüsen seien das Ergebnis natürlicher Auslese, könnten nur Ver- suche mit Wanzen und Insektenfressern, die in gleicher Lebens- gemeinschaft (Biozönose) leben, in Betracht kommen. Nur ein Feind, der der Wanze ım Freileben unablässig begegnet, kann ein wirksamer Auslesefaktor für dieselbe sein.

5. Nach der Hypothese sollten Wanzen ohne Schutzgestank ver- bergend, Wanzen mit Schutzgestank warnend gefärbt sein. Die Tat- sachen stehen im Gegensatz zu dieser Forderung.

6. Relativ am meisten verschont blieben die grellfarbigen, wenn auch nicht stinkenden Wanzen. Es findet keine Auswahl nach Geruch oder Geschmack, wohl aber eine (schwache) nach der Färbung statt.

7. Die Färbung der Feuerwanze (Pyrrhocoris apterus) ist keine Schreckfärbung, da die Feinde im Experiment weder Fureht noch Erschrecken zeigen. Sie ist keine Warnfärbung, da die Wanze als für die Vögel genießbar erwiesen ist. Sie ist keine Mimikry, da kein geschütztes Modell vorliegt.

8. Das Benehmen der Vögel deutet meist auf Erstaunen, MiıB- trauen, Befremden gegenüber dem auffälligen Unbekannten. Das Prinzip der Ungewohnttracht, des Misoneismus ersetzt die kom- plizierten Prinzipien der Schreck-, Warn- und Scheinwarntracht (Mimikry). Das Prinzip ist die zwanglose Erklärung für eine Ab- lehnung, sofern eine Ablehnung überhaupt nachgewiesen ıst. In der Mehrzahl der Fälle aber stellt Grellfärbung erfahrungsgemäß gar keinen Anlaß zur Ablehnung dar.

Die ohne Tatsachengrundlagen auf anthropodoxischer Basis auf- gestellte und vertrauensvoll fortgeführte Lehre von einem Schutz- geruch der Wanzen und einem Zusammenhang zwischen Schutzgeruch und Färbung muß somit so unmittelbar einleuchtend sie auch scheinen mag endgültig aufgegeben werden. Die exakt vorgehende, vorurteilsfreie Wissenschaft weiß bis zur Stunde nichts über die Be- deutung der Stinkdrüsen der Hemiptera heteroptera und deren Werde- bedingungen.

Junge & Sohn, Univ.-Buchdruckerei, Erlangen

iologisches Zentralblatt

Begründet von J. Rosenthal Herausgabe und Redaktion:

Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. C. Correns Prof. Dr. R. Goldschmidt und Prof. Dr. ©. Warburg

in Berlin Veılag von Georg Thieme in Leipzig Anzeigen-Annahme: Hans Pusch, Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 28

42. Band. Dezember 1922. Nr. 12

ausgegeben am 15. Dezember 1922

Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

Den Herren Mitarbeitern stehen von ihren Beiträgen 30 Sonderabdrucke kostenlos zur Verfügung; weitere Abzüge werden gegen Erstattung der Herstellungskosten geliefert.

Inhalt: C. Correns, Geschlechtsbestimmung und Zahlenverhältnis der Geschlechter beim Sauerampfer (Rumex Acetosa). Mit 1 Abb. S. 465. R. Goldschmidt, Über Vererbnng im Y-Chromosom. 8. 481. W. Ziegelmayer, Einige biologische Notizen zn Cyelops viridis Jurine bezw. Cycelops vulgaris Koch. Mit 2 Abb. u. 8 Kurven. S. 488, M. Dingler, Eine Schutzeinrichtung bei Arctia caia. S. 495. Berichtigung. S. 496.

Geschlechtsbestimmung und Zahlenverhältnis der Geschlechter beim Sauerampfer (Rumex Acetosa).

Von C. Correns,

Kaiser Wilhelm-Institut für Biologie, Berlin-Dahlem. Mit 2 Abbildungen.

Die ersten Angaben über das Geschlechtsverhältnis des Sauerampfers hat H. Hoffmann (1885, Sp. 152) veröffentlicht, der im Freien nach 5 Zählungen an sehr verschiedenen Stellen bei Gießen unter 584 Pflanzen 454 Weibchen und 130, also 23,26 Prozent Männchen feststellen konnte. Die Pflanzen wurden beim Weiterschreiten nach 1—3 Schritten aufs Geratewohl aufgenommen und eingetragen. Eine Aussaat ins freie Land gab nach und nach unter 127 Pflanzen 37,8 Prozent Männchen. Auch F. Roth (1907) gibt an, „wenigstens an manchen Stellen‘ bedeutend mehr Weibchen gefunden zu haben.

A. Sprecher (1913) ermittelte bei seinen Aussaaten, die einen dichten, regelmäßigen Rasen bildeten, unter 6049 Pflanzen 29,33 + 0,585 Prozent Männchen. Auf den einzelnen, verschieden gedüngten Feldern, die 607 bis 847 Individuen trugen, schwankte die Zahl der Männchen zwischen 32,79 und 22,22 Prozent. Die Herkunft des Saatgutes finde ich nicht angegeben. Eine Sortierung der (einsamigen) Früchte in große,

Band 42. 30

466 €. Correns, Geschlechtsbestimmung und Zahlenverbältnis der Geschlechter usw.

mittlere und kleine hatte keinen Einfluß auf das Geschlechtsverhältnis. Eine Zählung im Freien (auf einem Wege am Ostabhang der Kur- firsten) gab auf 1437 Weibchen 702 Männchen, also 32,52 + 1,015 Prozent. Die 7 einzelnen Gruppen (von 204 bis 396 Individuen) schwankten zwischen 20,59 und 35,55 Prozent Männchen.

Rumex Acetosa ist eine sehr vielförmige Art (vergl. die Zusammen- stellung der bekannten Unterarten und Formen bei Ascherson und Graebner 1913), und weder Hoffmann noch Sprecher haben ihr Material in dieser Hinsicht genauer untersucht). ©. Raunkiär hält dagegen (1918) Rumex Acetosa und R. thyrsiflorus scharf ausein- ander. Ob die von ihm eingangs erwähnten Zählungen an der zuerst genannten Art veröffentlicht sind, weiß ich nicht. Für die zweite gibt er nach Aufnahmen in der Umgebung von Logstor vom Jahre 1897 auf 6000 Individuen 9,56 Prozent Männchen (also 90,44 Prozent Weib- chen!) an. Bei den einzelnen Tausenden schwankte die Prozentzahl der Männchen zwischen 7,7 und 10,9, bei den einzelnen Hunderten zwischen 3 und 24, doch fiel sie bei 50 von den 60 Hunderten zwischen 4 und 13.

Aussaaten der Früchtcehen von 7 Weibchen des R. thyrsiflorus aus einer anderen Gegend Dänemarks (Jonstrup) ergaben zwar alle ein starkes numerisches Überwiegen der Weibchen, dazu aber zwischen den einzelnen Nachkommenschaften große Differenzen. Zwei, eine be- sonders reich an Weibchen von Pflanze „A“, und eine verhältnismädig arm daran von Pflanze „B“, wurden näher untersucht, indem je 5 halbierte Weibchen mit je einem Männchen aus der Nachkommenschaft von A und aus der von B bestäubt wurden. Die Weibchen aus A gaben

zusammen wieder viel mehr Weibchen 95,6 Prozent als die aus B 74,5 Prozent. Der Einfluß der Männchen ob aus A oder B Stammend war gering oder fehlte ganz.

Raunkiär kommt zu dem Schluß, daß es sich dabei um Sippen- merkmale handelt, und daß das Zahlenverhältnis der Geschlechter aus- schließlich oder doch wesentlich von der Mutterpflanze abhängt. Er sucht das Verhalten unter der Annahme zu erklären, daß das weib- liche Geschlecht heterogametisch sei (weiblich und männlich bestimmte Eizellen hervorbringe), während das männliche homogametisch sei (nur einerlei Keimzellen bilde).

Auch ich habe seit längerer Zeit mit Rumex Acetosa gelegentlich experimentiert, so von 1915 ab über die Ursache, weshalb die Weibchen so sehr an Zahl überwiegen. Einige Ergebnisse sollen im folgenden auch mitgeteilt werden. Zunächst möchte ich aber über Versuche berichten, die nach dem Erscheinen der oben besprochenen Abhandlung Raun- kiärs angestellt wurden, um die Frage zu entscheiden, welches Ge- schlecht bei Rumex das heterogametische sei. Bei den genauer bekannten zweihäusigen Blütenpflanzen hat sich sonst stets das männliche Ge- schlecht als heterogametisch herausgestellt und das weibliche als homo-

1) Bei dem Standort Sprechers am Ostabhang der Kurfirsten könnte man z. B. an Rumex arifolius All. denken.

©. Correns, Geschlechtsbestimmung und Zahlenverhältnis der Geschlechter usw. 467

oametisch, so bei Bryonia (Correns 1907), Melandrium (Correns 1907, E. Baur 1912, Shull 1914, Correns 1917), Cirsium arvense (Oorrens 1916), wohl auch Vitis (Hendrick and Anthony, nach Rasmuson 1917). Damit ist natürlich nicht gesagt, dab das in allen Verwandtschaftskreisen der Blütenpflanzen so sein müsse. Wir dürfen uns vorstellen, daß die Getrenntgeschlechtigkeit in den verschiedensten Familien unabhängig voneinander aufgetreten sei, und wenn wir im Tierreich innerhalb derselben Klasse (Insekten) bald das weibliche Ge- schlecht (Lepidopteren), bald das männliche (Hemipteren) heterogame- tisch finden, so ist etwas derartiges innerhalb der Blütenpflanzen noch viel eher möglich.

A. Die eschleehtsbestimmung.

Es gibt zurzeit vier Wege, auf denen sich zeigen läßt, welches Ge- schlecht heterogametisch ist: 1. Unterschiede im Chromosomenbestand der Männchen und der Weibchen, 2. geschlechtsbedingte Vererbung, 3. Bastardierung der getrenntgeschlechtigen Sippe mit einer gemischt- geschlechtigen und 4. der Konkurrenz-(Zertations-)Versuch mit mög- lichster Steigerung und Herabsetzung des Wettbewerbes der Pollen- schläuche Um die Samenanlagen resp. Eizellen (Melandrium-Versuche 1917; vergl. die Zusammenstellung 1921).

Der erste und zweite ‚Weg scheidet für Rumex, wenigstens zurzeit, ganz aus. Den dritten habe ich vergeblich eingeschlagen. Es ist zwar nach Angaben in der Literatur im Freien der Bastard zwischen Rumex Acetosa und dem zwittrig polygamen?) R. alpinus (von Zapalo- wicz 1907) gefunden worden, und ebenso schon früher der zwischen Rumex arifolius (der mit R. Acetosa nahe verwandt ist) und R. alpi- nus (von Brügger 1880). Ascherson und Graebner nehmen auch wenigstens die erste Angabe ernst (1913, S. 787). Mir schlugen alle Versuche fehl, R. Acetosa, arifolius und Acetosa —- arijolius als Weibchen mit R. alpinus als Männchen zu kreuzen; der Ansatz war entweder ganz null oder gab einzelne ganz der Mutter entsprechende Pflanzen.

Es blieb also nur der vierte Weg übrig, der sich ja überall versuchen läßt, wenn man genügend große Individuenmengen aufziehen Kann, näm- lich Rumex Acetosa mit möglichst viel und möglichst wenig arteigenem Pollen zu bestäuben und die so erzielten Nachkommenschaften zu ver- gleichen. Gibt die größere Pollenmenge (also die gesteigerte Konkur- renz um die Eizellen) ein Zahlenverhältnis der Greschlechter, das von dem mechanischen 1:1 mehr abweicht, als das, welches die kleinere Pollenmenge gibt, so muß das männliche Geschlecht das heterogame-

tische sein. Ein negatives Resultat gleiches Verhalten in beiden Fällen wäre dagegen noch kein Beweis, dab das weibliche Ge-

2) Neben den zwittrigen Blüten kommen auf derselben Pflanze männliche und (mehr) weibliche vor, wie schon A. Schulz (1890) richtig angibt. Für kumex eripsus vergl. Winfield Dudgeon, 1918.

30*

468 ©. Correns, Geschlechtsbestimmung und Zahlenverhältnis der Geschlechter usw.

schlecht heterogametisch ist. Es hätte ebensogut jener physiologische Unterschied zwischen männchenbestimmenden und weibchenbestimmen- den Pollenkörnern hier fehlen können, auf dem bei Melandrium der Er- folg bei Änderung der Pollenmenge beruht. Es reizte mich, die Methode, die ich bei dieser Versuchspflanze ausgearbeitet hatte, an einem ganz anderen Objekt zu prüfen.

Den Transport des Pollens der Männchen auf die Narben der Weib- chen besorgt bei Rumex der Wind, und die Blüten beider Geschlechter sind in ausgesprochenster Weise hieran angepaßt. Bei der hängenden Blüte des Weibchens (Abb. A) sind die drei äußeren Perigonblätter zurückgeschlagen; die drei inneren schließen aufgerichtet mit ihren

A. Weibliche Blüte von Rumex Acetosa (1*, gez. Dr. OÖ. Römer). B. Längsschnitt durch eine der drei Symmetrieebenen eines Fruchtknoten, der auch einen Griffel mit der Narbe halbiert, E die Eizelle. (Halbschematisch, stärker vergrößert.)

Rändern zu einem dreiseitigen Gehäuse zusammen. Aus jeder der drei so gebildeten Spalten tritt eine pinselförmige Narbe mit ihren spreizen- den Ästen hervor. Entfernt man das Perigon, so findet man den drei- kantigen Fruchtknoten, von dessen Spitze die drei kurzen Griffel etwa wagrecht abgehen. Im Fruchtknoten steht eine einzige, aufrechte Samen- anlage (Abb. B). Aus dem befruchteten Fruchtknoten wird eine drei- kantige, einsamige Schließfrucht, ein Nübchen.

Für die Versuche wurden im Frühjahr 1920 5 kräftige Pflanzen aus dem Freiland, 3 Weibchen und 2 Männchen, eingetopft, die aus der Aussaat vom Jahre 1916 stammten (Versuch 11B „wirsingblät- triger, dunkelgrüner Sauerampfer“ von Benary, Erfurt, wohl R. Ace- tosa pratensis W allr.:Q A, und Versuch 12B „‚deutscher großblättriger

GL;

©. Correns, Geschlechtsbestimmung und Zahlenverhältnis der Geschlechter usw. 469

Sauerampfer“, ebenfalls von Benary, wohl R. Acetosa hortensis Dier- bach: @ B, C und J D, E). Die Weibchen waren halbiert worden, wie das schon Raunkiär getan hatte. Jedes sollte mit einem Männ- chen, D oder E, bestäubt werden; die eine Hälfte mit möglichst viel, die andere mit möglichst wenig Pollen. Die Stöcke wurden in verschie- denen Häusern isoliert, einzeln oder zum Teil, die Hälften der Weib- chen, die für dasselbe Männchen bestimmt waren, zusammen. Sobald die Weibchen gut in Blüte standen, und von den Männchen genug Pollen zu erhalten war, wurde mit dem Bestäuben begonnen. Die einen Hälften wurden horizontal gelegt und mit dem durch Schütteln gewonnenen, ganz losen Pollen überschüttet, wobei der nicht haftende auf Papier aufgefangen und wiederholt benutzt wurde, bis die Narben ganz dick bepudert waren, wie die Besichtigung mit der Lupe lehrte. Dann wurde der überflüssige Pollen abgeschüttelt oder abgeblasen. Die andere Hälften wurden aus 1 bis 1,5 m Entfernung mit etwas Pollen von einem Blatt Papier angeblasen. Die reichliche Bestäubung wurde nach einigen Tagen einmal wiederholt, die spärliche zwei- bis dreimal. Der Unter- schied zwischen den verschieden behandelten Hälften der vorzügliche Ansatz bei den einen, der schwache bei den anderen war auffällig ge- nug und bewies, daß im letzteren Falle die angeblasene Pollenmenge wirklich zu gering war, alle Blüten zu befruchten, daß also, bei der ganz lockeren Beschaffenheit des Pollens, auf eine Blüte zumeist nur ein taugliches Pollenkorn gekommen war.

Aus der Ernte wurden gute Früchtchen ausgesucht und im Früh- jahr 1921 nach und nach ausgesät, immer 250 in einen Topf mit steriler Erde: Am 2. I. resp. 12. II. von jedem Versuch 500, am. 2. II. noch- mals je 500 und am 9.1IV. je 250. Es gingen zwischen 100 und 85 Pro- zent in jedem Saattopf auf, ohne die letzte Aussaat (für die die Aus- wahl des Saatgutes zum Teil weniger streng sein mußte) zwischen 100 und 94 Prozent (vergl. Tabelle 9, S. 478). Die drei Weibchen ver- hielten sich darin gleich. Bei zweien keimten die mit viel Pollen er- zeugten Früchtchen etwas besser als die mit wenig erzeugten (98,7 gegen 95,5 und 97,4 gegen 95,4 Prozent), beim dritten etwas schlechter (94,0 gegen 97,5 Prozent). Ich hatte für die Früchtchen, die ohne Konkurrenz unter den Pollenkörnern entstanden waren, durchgängig schlechtere Re- sultate erwartet. Belichtung beschleunigte die Keimung nur sehr wenig.

Die Keimlinge wurden in Kisten pikiert und von April ab aus- gepflanzt. Für die Aufnahme wurden die einzelnen Saattöpfe getrennt gehalten und ihr Inhalt nochmals (annähernd) geteilt, sodaß also jeder der 6 Versuche in 10 Teilversuche zerlegt war.

Bei jeder Aufnahme wurden die untersuchten Pflanzen ausgegraben und beseitigt. Das Ausgraben mußte gründlich geschehen, da stärkere im Boden bleibende Wurzeln sehr leicht Adventivsprosse bildeten (wie das für Rumex Acetosella längst bekannt ist). Es bestand sonst die Möslichkeit, dieselbe Pflanze zweimal aufzunehmen, was, so lange nicht für beide Geschlechter gleiche Regenerationsfähigkeit nachgewiesen ist,

470 €. Correns, Geschlechtsbestimmung und Zahlenverhältnis der Geschlechter usw.

zu Fehlern hätte Anlaß geben können. |

Da ein großer Teil der Pflanzen, vor allem aus der 1. und 2. Aus- saat, schon im ersten Jahre blühte, wurde schon in diesem mit der Auf- nahme begonnen; der Rest wurde 1922 untersucht. Es blieben noch eine Anzahl Pflanzen übrig, die nicht zum Blühen gekommen waren und

Tabelle 1. Se Basen alnuch taeun Vers. Vers. ls - - noch TE Pollen |. les 1921 1992 12112 |... 2g Nr. = = ; steril <TıM

a 2|sl% | [2 |s|R Sn | 2 |S1%S

21 A,B

(>| [>] (=) > eo) Ne) 180) =] -] [66} ot Qu DO DD

7,9 ızglıs7| a2]23,5 | 456! 392| 64 14,0|

| viek 21 C,D,E| 750 7353791353| 26| 6,9 340282] 58117,1 | 719) 635| 84| 11,7| )

| i

22 A,B| 500 493381226| 55|14,4 1198104) 94147,5 | 479] 330149| 31,1] wenig‘ 22 C, D,E 750] 705/210265| 45/21,4 |36312231140138,6 | 673| 488185) 27,5|

22 zus. |112501198/591491 100|16,92)561/327234.41,7111152| 8181334|28,99|

viel 23 125012181475460| 15| 3,16 6705597 73!10,9 1114511057 88] 7,68| 11 wenig 24 125011921444 364, 80118,0 674389285|42,3 |1118| 753365| 32,65 | 15

wenig 26 12501219 394340 54 13,71746446300140,191140) 786354| 31,05 | 21

| viel 25 125011175416407| 9| 2,2 1693632] 61| 8,8 1110911039) 70) 6,31 | 17

Tabelle 2.

I. Viel Pollen II. Wenig Pollen Diff | BR Versuch Se 212075 = Nr. Br Kal: m el Diff.

AO+DE | 21 [1175| 148 | 12,60 | + 0,97| 22 1152| 334 | 28,99 | + 1,34|| 16,39 | + 1,65 B2O-+EZG | 23 |1145| sS| 7,68|+0,79| 24 [1118| 365 | 32,65 | + 1,42] 24,97 | +1,61 CO -+EZG | 25 |1109| 70| 6,31 | +0,65) 26 [1140| 354 | 31,05 |+ 1,39

24,74 | +1,52

hier unberücksichtigt bleiben müssen, im ganzen 64, noch nicht 1 Pro- zent und ganz ohne Einfluß auf das Ergebnis.

Tabelle 1 und 2 bringen die Resultate, 1 etwas ausführlicher, 2 mög- lichst zusammengedrängt.

Man sieht sofort, daß eine Konkurrenz der männchenbestimmenden und weibehenbestimmenden Pollenkörner vorliegt, also das männliche

| 21 zus. 12501234656608| 48| 7,32151914191100|19,271117511027.148| 12,60 |

# 2 er

C. Correns, Geschlechtsbestimmung und Zahlenverhältnis der Geschlechter usw. 471

Geschlecht heterogametisch ist. Die Konkurrenz ist die gleiche wie bei Melandrium, die Weibchenbestimmer sind im Vorteil 3), nur noch viel auffälliger: Die Prozentzahl der Männchen ist nach der Aufhebung des Wettbewerbes mehr als zweimal (AQ Do) bis fast viermal (CQ + Ed) so groß als bei möglichst- scharfem Wettbewerb. Die beobachteten Differenzen zwischen den Prozentzahlen der Männchen, 16,39 bis 24,97, sind 10 mal bis 16 mal größer als ihre mittleren Fehler, also jenseits allen Zweifels. Es ist auch bei jedem der 30 Teilver- suche mit sehr ‚viel Pollen die Zahl der Männchen geringer gewesen (Maximum 23 © unter 133 Individuen, Minimum 4 © unter 115) als bei irgendeinem Teilversuch mit sehr wenig Pollen (Maximum 50 unter 125 Individuen, Minimum 26 © unter 104).

Rumex Acetosa eignet sich in den untersuchten Sippen also noch besser als Melandrium, um den Einfluß der ‚„Zertation“ auf das Geschlechtsverhältnis zu zeigen.

Der Weg, den die Pollenschläuche zurückzulegen haben, zerfällt ganz allgemein in zwei Abschnitte (vergl. Abb. B). Der zweite ist für alle gemeinsam, also gleich lang, er geht hier vom oberen Ende des Grif- fels(b) bis zu der Mikropyle der einzigen Samenanlage. Der erste ist variabel; er reicht hier von der Stelle, wo das Pollenkorn an der Narbe festhaftet, bis zu dem oberen Ende des Griffels (b), wo der zweite Ab- schnitt anfängt. Auch im ungünstigsten Fall, wenn das Pollenkorn an der Spitze des längsten Narbenastes sitzt (beia), ist der zweite Abschnitt noch ungefähr so lang als der erste (etwa 0,7 mm). Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied gegenüber Melandrium. Bei diesem ist die Strecke, die jeder Pollenschlauch durchwachsen muß von der Griffel- basis bis zur Spitze der Plazenta (vergl. Abb. 1, 1921, S. 6) gegen- über der möglichen längsten Gesamtstrecke von der Griffelspitze bis zur Basis der Plazenta fast verschwindend gering und macht auch vom durchschnittlichen Weg nur ein kleines Stück aus. Wenn, wie bei reicher Bestäubung, die Pollenkörner die Narben be- decken, ist die Konkurrenz nicht von der absoluten Weglänge, sondern von dem Verhältnis der beiden Teilstrecken untereinander abhängig; sie ist um so stärker, je länger die zweite Strecke im Verhältnis zu der

3) Die Begünstigung der Weibehenbestimmer wirkt, wenn das männliche Geschlecht heterogametisch ist, wenigstens theoretisch als Korrektionsmittel, um extreme Verhält- niszahlen der Geschlechter zu verhindern: Je geringer die Zahl der Männchen auf einem Standort ist, gegenüber der Zahl der Weibchen, desto weniger Pollenkörner kommen auf die Narben der Weibchen, desto geringer ist die Konkurrenz und desto mehr männliche Embryonen werden entstehen. Je größer aber die Zahl der Männchen auf dem Standort ist, desto mehr Pollenkörner sind vorhanden, desto schärfer ist die Konkurrenz, und desto mehr weibliche Embryonen werden gebildet. Wären die Männchenbestimmer im Vorteil, so würde, wenn schon viel Männchen vorhanden sind, die Zahl derselben auf einem Maximum (das durch die Größe des Vorteils bedingt ist) bleiben. Im Freien spielt bei Rumex Acetosa die Konkurrenz wahrscheinlich keine große Rolle (S. 473).

412 €. Correns, Geschlechtsbestimmung und Zahlenverhältnis der Geschlechter usw.

ganzen Weglänge ist. Deshalb muß, ceteris paribus, bei Rumex die Kon- kurrenz schärfer sein.

Auch der Umstand, daß bei Rumex der Fruchtknoten nur eine Samenanlage enthält, wird ebenfalls die Wirkung der Bestäubung mit sehr viel Pollen steigern, gegenüber Melandrium mit seinen 300 bis 400 Samenanlagen im Fruchtknoten. Es kann nur der erste, schnellste Pollen- schlauch eine Befruchtung ausführen und auf seine geschlechtliche Ten- denz geprüft werden, während bei Melandrium die Pollenschläuche die Samenanlagen nicht genau in ihrer Reihenfolge in der Plazenta von oben nach unten befruchten (1921, S. 13), und also selbst die getrennte Ernte des obersten Samens hier nicht sicher die Tendenz des schnellsten Schlauches zeigen würde. Die Zahl der Pollenkörner, die um eine Samen- anlage konkurrieren, läßt sich endlich bei Rumex viel größer machen als bei Melandrium, weil die Narbenoberfläche, die auf eine Samenanlage kommt, sehr viel größer ist.

Auf der anderen Seite ist freilich bei Rumex durch die Einzahl der Samenanlagen die völlige Aufhebung der Konkurrenz erschwert. Es sollte immer nur ein Pollenkorn auf eine Samenanlage, also auf eine von den drei Narben der weiblichen Blüte kommen, eine Bedingung, die sich nicht scharf erfüllen läßt, weil die Pollenkörner nicht einzeln über- tragen werden können. So ist ganz sicher auch bei meinen Versuchen mit sehr wenig Pollen die Konkurrenz nicht immer ganz ausgeschlossen gewesen, trotzdem lange nicht alle Blüten des Weibchens befruchtet wurden. Es werden manche auch zwei und mehr Pollenkörner er- halten haben, so gut wie andere gar keine. Das Zahlenverhältnis der beiden Geschlechter hätte also bei völligem Ausschluß der Konkurrenz noch etwas günstiger für die Männchen gefunden werden müssen.

Die Versuchsanordnung war auch insofern etwas roh, als dabei weib- liche Blüten aller Altersstufen bestäubt wurden, und der Pollen selbst nicht aus lauter gleichzeitig entleerten Antheren stammte. Der erste Umstand war wohl ohne Bedeutung; der zweite konnte, nach dem für Melandrium Ermittelten (1921, S. 17), Einfluß auf das numerische Ver- hältnis der Geschlechter haben. Es war aber anzunehmen, daß beide Be- stäubungsweisen, die mit viel und die mit ‘wenig Pollen, unter diesem Umstand in annähernd gleicher Weise litten.

Einflußreicher mag eine andere Fehlerquelle gewesen sein. Nach der reichlichen Bestäubung ließen sich die überflüssigen (nicht an der Narbe haftenden) Pollenkörner von den weiblichen Blütenständen nicht vollständig entfernen, und von den neu sich öffnenden Blüten werden manche durch eines dieser überflüssigen Körner befruchtet worden sein, ohne oder mit sehr geringer Konkurrenz. So entstandene Früchtchen, mit den durch sehr viel Pollen entstandenen zusammen geerntet, müssen den Erfolg der Konkurrenz etwas herabgedrückt haben.

Nach allem hätte die Differenz also noch größer ausfallen können, wenn die Versuchsanstellung hätte verfeinert werden können.

C. Correns, Geschlechtsbestimmung und Zahlenverhältnis der Geschlechter usw. 475

Um einen kurzen Ausdruck zu haben, nennen wir das Zahlenver- hältnis der Geschlechter, das nach möglichstem Ausschluß der Konkur- renz unter den Keimzellen gefunden wird, das proximale (weil es dem „mechanischen“ 1:1 am nächsten liegt) und das nach möglichster Steigerung der Konkurrenz zu beobachtende das distale (weil es sich von dem mechanischen am weitesten entfernt). Dazwischen liegt das spontane Verhältnis, welches man für eine gegebene Sippe im Freien beim Auszählen erhält, oder das eine Aussaat von Samen ergibt, deren Entstehungsweise, wenigstens hinsichtlich der Konkurrenzverhältnisse, unbekannt ist.

Bei Rumex Acetosa steht dies spontane Geschlechtsverhältnis dem proximalen offenbar sehr viel näher als dem distalen. Die Gartensorte von Versuch 12 gab z. B. (Tab. 7) aus gekauftem Saatgut 27,3 Prozent Männchen, während die daraus isolierten Weibchen B und C mit dem Männchen E gleicher Herkunft als proximales Verhältnis 28,99 und 32,65 Prozent Männchen und als distales 7,7 und 6,3 Prozent gaben. Trotz der entleerten Pollenmengen und der Riesennarben kommen also im Freien offenbar auf einmal nur einzelne Pollenkörner auf die Narben, und die Möglichkeit einer sich oftmals wiederholenden Be- stäubung hat für dıe einzelnen weiblichen Blüten wenig Bedeutung, weil Schlauchbildung und Befruchtung hier offenbar sehr rasch vor sich gehen. Wenigstens enthielt ein Fruchtknoten, der 2mal 24 Stunden nach der künstlichen Befruchtung fixiert und geschnitten wurde, einen noch kugligen, aber doch schon auffallend großen Embryo (von etwa 40 Zellen auf dem medianen Längsschnitt).

Die von mir untersuchten’ Pflanzen entsprachen offenbar den relativ männchenreichen Raunkiärs.

B. Die Abweichung vom mechanischen Zahlenverhältnis

der Geschlechter.

Die voranstehenden Versuche haben gezeigt, daß das männliche Geschlecht heterogametisch ist, und daß sich bei den untersuchten Sippen durch möglichsten Ausschluß der Konkurrenz das Zahlen- verhältnis der Geschlechter so weit verschieben läßt, daß etwas mehr als 30 Prozent Männchen entstehen. Dann fehlen aber immer noch 20 Pro- zent zu dem mechanischen Verhältnis 50 Männchen:50 Weibchen. Denn daran, daß dieses auch hier ursprünglich vorliegt, ist nicht zu zweifeln. Es frägt sich nur, wodurch die fehlenden 20 Prozent verursacht sind.

Zunächst sei aber bemerkt, daß ich bei anderen Sippen und unter etwas anderen Bedingungen eine weitere Annäherung der Prozentzahl der Männchen an 50 beobachten Konnte.

1912 wurde ein Weibchen aus der Umgebung von Münster i. Westf. mit dem Pollen eines rein weißen Astes eines weißbunten Männchens von einer anderen Stelle bei Münster bestäubt. Von der reingrünen Nachkommenschaft zog ich leider nur 9 Sämlinge auf, die sich alle als Weibchen herausstellten. 5 davon wurden 1914 in meinem Haus-

474 ©. Correns, Geschlechtsbestimmung und Zahlenverhältnis der Geschlechter usw.

garten in Münster isoliert, wo sie. nur ganz spärlich ansetzten. Die Ernte wurde 1915 vollständig ausgesät und gab, wie Tabelle 3 zeigt, zwischen 39 und 45, im Durchschnitt 42,1 Prozent Männchen. Die Be-

Tabelle 3. ME RCHN ) Insgesamt | we Peronospora-krank

Skat DE 5 113 | 6 50 44 33 19 14 30 28 6 87 | 48 1 38 45 3l 18 13 37,5 | 34 d 1419 28 En 46 39 54 36 18 49 39 ) 25| # 1 29 40 18 14 4 40 14 9 36 | 20 16 44 10 5 5 25 31 zw. | 40249 | 2 |ım 146 | 92 | 54 | 369 | 30,2

stäubung war offenbar durch einzelne angeflogene Pollenkörner, unter weitgehendstem Ausschluß aller Konkurrenz, erfolgt. Wie weit der Zufali und wie weit eine Sippeneigentümlichkeit an der hohen Männchen- zahl schuld war, kann ich zurzeit nicht mehr entscheiden.

Es liegt nahe, zur Erklärung der Differenz anzunehmen, dab unter den (im Durchschnitt sicher trägeren) männchenbestimmenden Pollen- körnern ein größerer Teil irgendwie untauglich sei, als unter den (durch- schnittlich aktiveren) weibchenbestimmenden. Zu sehen ist von un- tauglichen Körnern aber nicht viel. Bei 10 Männchen, I—X, die aus den Versuchen 21—26 beliebig herausgegriffen worden waren, wurde der Gehalt an sichtlich untauglichen Pollenkörnern bestimmt, gewöhn- lich von je einer Anthere, bei I aber von vier. Er war zum Teil en fallend gering (1,2 Prozent), zum Teil nicht groß (15,8 Prozent); übrigen sei auf Tabelle 4 verwiesen.

Tabelle 4.

d | n taub

DR | d n taub % d n taub |

11 | 1001 | 72 | 72 | ı | 1000 | 122 | 12,2 || vır | 1001 | er. | 6,1 ı2 |ı0083| s& | sa | mm | 1000 | ı2 | 1,2 vom | 1503 | 237 |15,8 ı3 |2oo2 |ıes | 82 | ıv | 1000| as | 43 || ıx | 1000 | 66 | 66 14 1023| 8&5 | 85 || wlaooL! 33 0 33] x 1010. 1102211041 1 zus. 5029 1494 | 803 | vr | 1610 239 | 148

15154 | 919 | 6,06

C. Correns, Geschlechtsbestimmung und Zahlenverbältnis der Geschlechter usw. 475

Daß die Werte für die vier Antheren des Männchen I so nahe bei- einander liegen, spricht dafür, daß diejenigen der anderen Männchen für diese charakteristisch sind ®).

Selbst wenn man annehmen dürfte, daß alle tauben Pollenkörner ausschließlich Männchenbestimmer wären was gewiß nicht zutrifft —, würde die mittlere Menge, 6 Prozent, den Fehlbetrag von 20 Prozent Männchen noch lange nicht decken.

Man kann die Ursache auch in einer größeren Sterblichkeit der männlichen Keime und Sämlinge während der Entwicklung bis zum bestimmungsfähigen, blühenden Zustand suchen.

Prüft man Weibchen, die nur einmal und dabei nur schwach (durch Anblasen mit etwas Pollen) bestäubt worden waren, so zeigt sich, dab zur Zeit der Fruchtreife neben den guten Früchtchen auch taube auf allen Entwieklungsstadien, bis zu den unverändert eingetrockneten Blüten, vorhanden sind. Bei den tauben war der Embryo zum Teil in den herauspräparierten, kollabierten Samenanlagen in den verschie- densten Größen ohne weiteres nachzuweisen; bei den übrigen wäre er mit feineren Methoden wohl meist auch noch zu finden gewesen. Ich habe verschiedene Äste untersucht, gebe aber in der Tabelle 5 nur die Resultate für den größten (mit 1212 Blüten).

Tabeile 5. Gute Früchtchen 632 (73 %) \ 862

Taube [ mit deutlichen Embryonen 108 | 230 (27 %) Früchtchen \ ohne deutliche Embryonen 122 | a

Unbefruchtete Blüten 332 Monströse Blüten, wohl darch Befall von Läusen 18 Selbst wenn man annehmen dürfte was kaum zutreffen wird —,

daß die tauben Früchtchen alle männliche Embryonen enthielten, so würden sie noch nicht ganz die fehlenden 20 Prozent auffüllen, wie eine kurze Überlegung zeigt).

Für die Zählungen wurden schwach bestäubte Fruchtäste gewählt, um eine möglichst große Zahl männlicher Keime zu haben. Man könnte überhaupt versuchen, durch die Bestäubung mit sehr viel und sehr wenig Pollen zu zeigen, daß die männlichen Embryonen leichter absterben als die weiblichen. Tun sie es, so muß die Prozentzahl der tauben Frücht- chen nach spärlicher Bestäubung größer sein als nach reicher, weil ja

4) Zur Technik sei bemerkt, daß ganz reife Antheren einzeln auf Objektträger gelegt wurden. Nachdem sie aufgesprungen waren, wurden die leeren Beutel entfernt, und der ausgefallene Pollen gleich an Ort und Stelle in Glyzeringelatine eingebettet. Gezählt wurde mit Hilfe des Kreuztisches.

5) Von 100 befruchteten Blüten gaben 27 taube und 73 gute Früchtchen. Von diesen 73 guten enthielten ”/,— 51 weibliche und °/, 22 männliche Embryonen. Kommen dazu noch die 27 tauben Früchtchen, so stehen den 51 weiblichen erst 49 männliche gegenüber.

476 €. Correns, Geschlechtsbestimmung und Zahlenverhältnis der Geschlechter usw.

überhaupt mehr männliche Keime entstehen 6). Grehen die männlichen und weiblichen gleich leicht ein, so ist nach beiden Bestäubungsweisen die gleiche Prozentzahl tauber Früchtehen zu erwarten. Es könnten aber auch „konstitutionelle“ Unterschiede zwischen den Pollenkörnern vorkommen, die nichts mit ihrer geschlechtlichen Tendenz zu tun, aber auf die Lebensfähigkeit der Nachkommen Einfluß hätten. Dann würden sowieso nach Ausschluß der Konkurrenz mehr Embryonen absterben.

Die Annahme einer geringeren Lebensfähigkeit der männlichen Em- bryonen läßt sich durch die merklich größere Sterblichkeit der erwach- senen männlichen Pflanzen stützen. Ich habe einen einschlägigen Ver- such seit 1916 im Gang. Auf demselben Versuchsfeld wurden als Ver- such 11B (,wirsingblättriger, dunkelgrüner Sauerampfer“ von Be- nary) und 12B (,deutscher, großblättriger Sauerampfer“, ebendaher) Sämlinge zu 4 und 3 im Verband in gleichen Abständen (25 cm in der

Tabelle 6 (Aussaat 1916).

Abgestorben

| 1916 u. 1917 || 1917 1918 1919 1920 1921 1922 Vers. | | | | 72 lee leere 11 |278| 170 |108| ı | Pa ale to ea zz | mm | een u me | Tamm un me | Nm mr | mn SEINE

zusammen 1 2 6 17 il 163

in Prozent 0,4 0,8 2,2 6,1 43,2 58,6

|

12% |a92| 359 1135| 3 1 | 6 |-2.| 16 |. | 4 | 13 |114 | 69 198 | 93 I Nm mn ——— ———— oe er

4 8 23h .10A7) 37 183 291

in Prozent | 0,8 1:6 0 AA rad 37,0 58,9

Reihe und 25 cm zwischen je zwei Reihen) ausgepflanzt, nachdem sie aus den Saattöpfen möglichst vollständig, also ohne Wahl, in Kisten pikiert worden waren. Noch 1916 und dann 1917 kamen 772 Pflanzen zur Blüte. In den folgenden Jahren wurde immer zur Blütezeit der Be- stand revidiert, und jede zugrunde gegangene Pflanze in ein Verzeich- nis eingetragen. Dann wurde das ganze Feld vor der Fruchtreife abge- schnitten, eventuell ein zweites Mal, um ein spontanes Sichaussäen und damit den Ersatz einer abgestorbenen Pflanze durch einen Sämling zu

6) Nehmen wir als Extrem an, die Hälfte der männlichen Embryonen sterbe ab und kein weiblicher. Von 100 mit viel Pollen erzeugten seien zunächst 90 9 und 10 &, so bleiben nach dem Absterben 90 9 und 5 Z' übrig; 5% stürben ab. Von 100 mit wenig Pollen erzeugten seien zunächst 70 @ und 30 g', dann sind später 70 9 und 15 Z' übrig; 15% stürben ab.

ua;

C. Correns, Geschlechtsbestimmung und Zahlenverhältnis der Geschlechter usw. 477

verhindern °). Tabelle 6 gibt die Zahl der Abgestorbenen und zugleich ihr Geschlecht an. Man sieht, daß die Sterblichkeit von Jahr zu Jahr zunimmt, aber erst mit dem 6. Lebensjahre beträchtlich wird.

Tabelle 7 bezieht sich auf die Zahl der lebenden Pflanzen. Sie

. zeigt, daß sich nach 6 Jahren das Zahlenverhältnis der Geschlechter

entschieden zugunsten der Weibchen verschoben hat, bei Versuch 11B

um 11,1 Prozent, bei Versuch 12B um 6,6 Prozent, im Durchschnitt

um 8,2 Prozent. Groß ist der Unterschied freilich nicht: der mittlere

Fehler der Differenz beträgt + 2,90 Prozent; sein Dreifaches (8,7) ist

etwas größer als die Differenz selbst (8,2). Trotzdem scheint sie mir

ganz sicher. In Tabelle 7 sind die einzelnen 5 Beete, auf denen die Tabelle 7 (Aussaat 1916).

Ka 186m. 1917 | II. 1922 | un

Versuch Proz. Proz. | Proz. | Proz. N elierenal sd | |

111 a | 52 | oo.| 6 | 58 | 38 | 1a | 0 +10 1m 32a? | 80 | a2, | oe2 | As | a8 +13 11Iu.It || 278 | 108 | ı70 | 38,9 = 41,4 | 32 | 83 | 27,8 | + 11,1 121 | / | 2 | 3 | MR 1211 Ir 12 IT ee

12 I- INN | 135 | 359 le 11,1 1225. /| 161 20% | 66

|

11u.12 Ne 243 Ei 315 | 318 |412 | 7a | 24 23,3 | + 82

+1,67 +3,37) + 2,90 Versuchspflanzen ausgepflanzt worden waren, getrennt aufgeführt. ‚Jedes für sich allein gibt schon, wie die letzte Spalte zeigt, annähernd die gleiche Differenz zwischen 1916/17 und 1922, wie alle zusammen.

Eine zweite Versuchsreihe, 1917 mit Saatgut von Versuch I1B und 12 B begonnen und schon 1920 abgebrochen, gab kein deutliches Resultat. Die Sterblichkeit war viel größer -—— im 4. Lebensjahr waren schon fast die Hälfte der Pflanzen abgestorben, während auf dieser Altersstufe bei den früheren Versuchen erst 6 und 7 Prozent tot waren —, und es überwogen auch hier die Männchen. Aber der Unterschied betrug kaum 1 Prozent. Das Absterben war wohl hier auf eine andere Ursache, die beide Geschlechter gleich stark angriff, zurückzuführen 3).

7) Durch das Abschneiden wurden die Weibchen die dann keine Früchte zu reifen brauchten mehr beeinflußt als die Männchen, verglichen mit unberührten Pflanzen. Doch schien mir dieser Fehler gegenüber der Selbstaussaat geringer.

8) Die Witterung kann nicht daran schuld gewesen sein, denn bei den neuen Versuchen war schon nach dem Winter 19 auf 20 mehr als die Hälfte der Pflanzen

abgestorben, bei den alten begann das starke Eingehen erst im Winter 20 auf 21; bis dahin waren nur 6 % abgestorben.

478 €. Correns, Geschlechtsbestimmung und Zahlenverhältnis der Geschlechter usw.

1916 hatte ich auch Gelegenheit, die Pflanzen von Versuch 5—9 zum Teil von Peronospora Rumicis befallen zu sehen. Die Daten sind schon in der rechten Hälfte der Tabelle 3 (S. 474) mitgeteilt wurden. Von den 179 Männchen waren 54. also 30,2 Prozent erkrankt, von den 249 Weibchen dagegen 92, also 36,9 Prozent. Es waren demnach auch relativ mehr Weibchen als Männchen erkrankt; doch ist bei dem geringen Umfang des Versuches hierauf kaum viel Gewicht zu legen.

Daß die Männchen bei Rumex Acetosa im Durchschnitt kleiner (kürzer) sind als die Weibchen, hat schon Sprecher (1913) festge- stellt, und konnte ich an den Pflanzen von Versuch 11B und 12B be- stätigen. R

Tabelle 8. Rumex Acetosa, Größe der Männchen und Weibchen in cm. d 2 Versuch | 1.511282 .12 a. 126 4 12e)|| vr] S12- 0128 op naar n 65 || 135 30 83 22 93.211333 91.31.195 69 Max. 104 98 98 90 | 85 |133 | 142 | 118 | 142 | 119 Mittel Re er 1 71 104 | 94,4 | 91 93 95 Min. 5s|ıe2e|i5|@ | 50 | | 40 | 20. | 4 | [ Tabelle 9. Von den Früchten Von den Von den zur Blüte gelangten . Verzich : 1 Keimlingen Pflanzen blühten erst im 2. Jahr en Pen blühten 2-+-d |von allen | von allen in.% in'% in % in 04% ER Ellen 98,7 94,0 95,2 44,2 40,8 57,6 + + 1L22w 95,8 92,2 96,1 48,7 40,0 70,1 ea) | 23V 97,4 91,6 94,0 58,5 56,5 82,9 4 Sl 95,4 89,4 94,0 60,3 51,7 78,1 ea) [ 2 v 94,0 88,7 91,8 62,5 60,8 87,1 r aloe“ 97,5 912 93,5 64,4 56,7 84,7 zus. 96,4 91,2 94,5 56,48 51,28 77,48 v= viel, w = wenig Pollen.

Setzt man die durchschnittliche Länge der Männchen (77 und

1 cm) gleich 100, so messen die Weibchen bei Versuch 11 B im Mittel (104 cm) 135, bei Versuch 12B (94,4 cm) 123, während Sprecher das Verhältnis 100:122 fand. Gemessen wurde zur Zeit der vollen Blüte vom Erdboden bis zur Spitze des längsten Triebes. Sprecher

C. Correns, Geschlechtsbestimmung und Zahlenverhältnis der Geschlechter usw. 479

fand auch (mit der kryoskopischen Methode) den osmotischen Druck bei den Männchen um eine halbe Atmosphäre höher als bei den Weib- chen zur gleichen Zeit (7,67 statt 7,21 Atmosphären).

Raunkıär konnte für sein Material zeigen, daß die Männchen später blühreif werden als die Weibchen. Auch mir war das aufge- fallen. Ich stelle aber nur für die letzten Versuche (21-26) die Beob- achtungen in Tab. 9 zusammen, weil sie viel umfangreicher als diejenigen Raunkiärs sind. Es sind hier Prozente angegeben; die gefun- denen Zahlen selbst sind schon in Tabelle 1 aufgenommen worden und können dort nachgesehen werden.

Im ersten Jahre kam also schon mehr als die Hälfte der Weibchen zur Blüte, aber noch nicht einmal der vierte Teil der Männchen. Im übrigen verhalten sich die drei Kombinationen (A+-D, B-E, C+E) etwas verschieden. Man wird auch in dieser Eigenschaft der Männ- chen keine Bevorzugung sehen dürfen.

Nach den Nachteilen der erwachsenen Männchen des Rumex Ace- tosa, wie sie sich in verschiedenen Eigenschaften verraten, ist es sehr wahrscheinlich, daß schon die männlichen Embryonen eine größere Sterb- lichkeit aufweisen als die weiblichen, ja dab auch bereits die männchen- bestimmenden Pollenkörner häufiger taub oder untauglich sind. Diese verschiedenen Ursachen, zusammen mit der größeren Geschwindigkeit, mit der die weibchenbestimmenden Pollenschläuche zu den Eizellen ge- langen, reichen vielleicht aus, das starke Überwiegen der Weibchen zu deuten.

Auf eine weitere Möglichkeit, dieses Verhalten zu erklären, kann hier nır noch hingewiesen werden. F. Roth (1907) sucht es wahr- scheinlich zu machen, dab wenigstens ein Teil der Embryonen apogam entsteht. Nach allem, was wir sonst wissen, müßten sie dann weiblichen Geschlechtes sein, woraus sich wiederum ein Überwiegen der weiblichen Nachkommen ergeben würde. Der starke Erfolg, den die Bestäubung mit sehr viel Pollen hat, beweist aber jedenfalls, daß (bei meinen Ver- suchspflanzen) die Apogamie keine bedeutende Rolle spielen kann, denn ihre Folgen —- prozentische Zunahme der Weibchen müßten sich um so bemerkbarer machen, je weniger Blüten in einer Infloreszenz be- stäubt und befruchtet werden. Die sichere Feststellung der Apogamie ist hier, wie auch Roth angibt, durch allerlei Eigenschaften der Pflanze sehr erschwert; meine eigenen Versuche befriedigen mich noch nicht.

Zusammenstellung der Hauptergebnisse.

1. Es ist ein sehr beträchtlicher Unterschied vorhanden in der Schnelligkeit, mit der die männchenbestimmenden und weibchenbestim- menden Spermakerne zu den Eizellen gelangen.

2. Bei Rumex Acetosa ıst also das männliche Geschlecht das heterogametische.

3. Die Konkurrenz der beiderlei Pollenkörner hat hier auf das Geschlechtsverhältnis noch mehr Einfluß als bei Melandrium. Beim

480 €. Correns, Geschlechtsbestimmung und Zahlenverhältnis der Geschlechter usw.

„proximalen“ Verhältnis (nach der Aufhebung der Konkurrenz) sind mehr als doppelt bis fast viermal so viel Männchen vorhanden als beim „distalen“ (nach höchster Konkurrenz).

4. Zum Teil ist der Bau der Blüte daran schuld, der die Herstel- lung einer besonders scharfen Konkurrenz ermöglicht.

5. Das „spontane“ Zahlenverhältnis der Geschlechter (im Freien) ist offenbar dem proximalen ähnlich.

6. Das mechanische Geschlechtsverhältnis 1: 1 wird auch bei Aus- schluß der Konkurrenz lange nicht erreicht; je nach der Sippe fehlten bis 20 Prozent daran.

‘. Der Blütenstaub der Männchen ist gut bis sehr gut. Je nach dem Individuum enthielt er 15,5 bis 1,2 Prozent untauglicher Körner.

8. Es sterben nach spärlicher Befruchtung ziemlich viel Embryonen

ab (festgestellt wurden z. B. 27 Prozent).

9. Die erwachsenen Männchen zeigen eine merklich höhere Sterb- lichkeit als die erwachsenen Weibchen. Wahrscheinlich überwiegen unter den absterbenden Embryonen die Männchen noch mehr.

10. Die Männchen sind, wie schon Sprecher fand, im Durch- schnitt wesentlich kleiner (niedriger) als die Weibchen.

11. Die Weibchen kommen (wie schon Raunkiär feststellte) viel häufiger im ersten Jahr zur Blüte als die Männchen.

Zum Schlusse danke ich Allen, die mir bei den Versuchen geholfen haben, vor allem Herrn Dr. Fr. von Wettstein, Fräulein E. Lau und Frau Dr. Belar. |

Literatur.

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F. Roth, 1907. Die Fortpflanzungsverhältnisse bei der Gattung Rumex. Diss. Bonn A. Sprecher, 1913. Recherches sur la variabilit@ des sexes chez Cannabis sativa L- et Rumex Acetosa L. Ann. des Sc. Nat. Bot. 9e serie, XVII, S. 254.

C. Raunkiär, 1918. Über die verhältnismäßige Anzahl männlicher und weiblicher Individuen bei Rumex thyrsiflorus Fingerh. Kgl. Danske Videnskab. Selskab.

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R. Goldschmidt, Über Vererbung im Y-Chromosom. 481

Über Vererbung im Y-Chromosom. Von Richard Goldschmidt, Berlin-Dahlem.

Bis vor Kurzem galt das Y-Chromosom, der Partner des X-Chromo- soms im heterozygoten Geschlecht, als „leer“, d. h. es waren keinerlei Erbfaktoren bekannt geworden, die, nach ihrem Erbmodus zu schließen, im Y-Chromosom gelegen sein müßten, wie ja auch in den Koppe- lungsexperimenten niemals bei Drosophila ein Faktorenaustausch zwi- schen X- und Y-Chromosom aufgetreten war. Auf der anderen Seite hatte sich aber in den Versuchen von Bridges gezeigt, daß trotz- dem dem Y-Chromosom eine Funktion zukommen muß, da X—0—d von Drosophila (ohne Y-Chromosom) steril sind. Ich konnte es nun als erster wahrscheinlich machen (1919), daß auch im Y-Chromosom bestimmte Qualitäten vererbt werden. Bei den Versuchen über Inter- sexualität hatte es sich gezeigt, daß der Weiblichkeitsfaktor F rein mütterlich vererbt wurde, was, bei Heterozygotie des weiblichen Ge- schlechts, Vererbung im Plasma oder im Y-Chromosom bedeuten konnte. Bestimmte Experimentalergebnisse, die dann 1920 genauer mitgeteilt wurden, sprechen aber sehr dafür, daß es sich um Vererbung im Y- Chromosom handelt. Im gleichen Jahr (1920) erschien nun eine Ar- beit von Johs. Schmidt, in der gezeigt wurde, daß bei Bastarden von Lebistes, einem tropischen Fisch, rein väterliche Vererbung eines Färbungscharakters vorkommt, was nur so erklärt werden kann, daß das männliche Geschlecht heterozygot ist und der betreffende Cha- rakter im Y-Chromosom übertragen wird. In diesem Jahr (1922) er- schienen nun zwei weitere Arbeiten, die sich auf das Y-Chromosom beziehen. Federley untersuchte Speziesbastarde von Pygaeraarten und kommt bei der Analyse einer zu Triploidie führenden Rück- kreuzung zur Überzeugung, daß das Y-Chromosom etwas enthalten muß, was mit der Bestimmung der Weiblichkeit zu tun hat, schließt sich also meiner Anschauung an. Endlich erschien kürzlich eine Ar- beit von Aida, wieder über Fischkreuzungen. Und hier wird nun wieder, wie auch von Schmidt, der Nachweis geführt, daß ein ge- schlechtsgekoppelter Farbeharakter im Y-Chromosom vererbt wird, und auch zum ersten Male der Nachweis eines Faktorenaustausches zwischen X- und Y-Chromosom erbracht.

In diesem Jahr erhielt ich nun ein in meinen früheren Mitteilungen fehlendes Experiment zum Beweis der Übertragung des Weiblichkeits- faktors F im Y-Chromosom von Lymantria dispar und will nun die betreffenden Tatsachen hier im Zusammenhang darstellen, um so mehr, als die genannten Autoren, ebenso wie Castle (1921), der über Schmidts Befunde schrieb, meine Befunde nicht erwähnen.

In den genannten Untersuchungen habe ich gezeigt, daß das Ge- schlecht es handelt sich bei den Schmetterlingen ja um weibliche Heterogametie durch die rivalisierende Aktion weiblicher und männlicher, gleichzeitig vorhandener Faktoren bestimmt wird, eine

42. Band. 3l

489 R. Goldschmidt, Über Vererbung im Y-Chromosom.

Annahme, die sich ja jetzt immer mehr Bahn bricht, und der sich nun ja auch als erster der Drosophilaforscher Bridges angeschlossen hat. Der Männlichkeitsbestimmer wird bei weiblicher Heterozygotie im X-Chromosom übertragen ; der Weiblichkeitsbestimmer F aber wird bei Lymantria dispar vein mütterlich vererbt, wie die ganze Fülle der Experimente unwiderleglich beweist. Die Geschlechtsformeln sind also [F}Mm =O [FIMM d, wobei die Einrahmung des F seine rein mütter- liche Vererbung kennzeichnen soll. Mütterliche Vererbung kann nun Vererbung im Cytoplasma des Eies sein. Es kann aber bei weiblicher Heterozygotie auch Vererbung im Y-Chromosom sein, das ja immer nur von Mutter durch weiblich determiniertes Ei auf Tochter über- tragen wird. Zunächst scheint nur dann eine Entscheidung zwischen beiden Möglichkeiten getroffen werden zu können, wenn es gelingt, einen geschlechtsgekoppelten Faktor zu finden und einen Faktoren- austausch zwischen X- und Y-Chromosom nachzuweisen. In den Inter- sexualitätsexperimenten bot sich aber auch eine andere Probe. Zunächst ist da eine scheinbare Schwierigkeit zu beheben; die Eier, die sich za Männchen entwickeln, besitzen ja nach den Reife- teilungen kein Y-Chromosom. Trotzdem müssen sie, wie die Inter- sexualitätsexperimente zeigen, den Weiblichkeitsfaktor enthalten, resp. in Wirksamkeit sehen. Falls also F im Y-Chromosom gelagert ist, muß seine Wirkung eine derartige sein, daß es bereits vor der Reife- teilung irgendwie in Tätigkeit tritt. Nun findet ja vor der Reife- teilung das ganze Wachstum des Eies statt, und in dieser Zeit müssen ja alle die Prozesse stattfinden, die bei einem determinierten Ei die spezifische Organisation des Eiplasınas hervorrufen, auf der bekannt- lich die determinierte Entwicklung. beruht. Da auch diese Prozesse zum Erbgut gehören, so ist die Annahme selbstverständlich, daß die Bildung spezifischer Eiorganisation (organbildende Keimbezirke etc.) von den in Chronıosomen gelegenen Erbfaktoren bedingt wird. Unter solchen Umständen bereitet auch die Annahme keinerlei Schwierig- keiten, daß das Y-Chromosom seine Tätigkeit bereits während der

Wachstumsperiode des Eies durch Hervorrufung irgendeiner Spezifität

im Eiprotoplasma entfaltet. Alles in allem wäre übrigens dann eine Vererbung im Y-Chromosom auch indirekt eine Art plasmatischer Ver- erbung, natürlich nur bei weiblicher Heterozygotie

Die Möglichkeit, die Lage des Faktors F im Y-Chromosom zu prüfen, ist nun durch das Auftreten von Fällen von Nichtauseinander- weichen der Geschlechtschromosomen (non-disjunetion von Bridges) gegeben. Wenn in einem Ei die XY-Gruppe bei der Reifeteilung bei- sammen bleibt (primäres N.), so können durch die Befruchtung XXY £ gebildet werden. In deren Geschlechtszellen können dann die Chromo- somenkombinationen X— XX—XY-- Y gebildet werden. Kommt also ein solches 5 zur Befruchtung, so sind Abweichungen im Erb- verhalten zu erwarten. In den Intersexualitätsexperimenten findet sich nun die Kombination, daß bei Kreuzung von Q mit quantitativ

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schwachen Geschlechtsfaktoren mit g mit quantitativ starken Ge- schlechtsfaktoren, alle genetischen 99 in Sg umgewandelt werden, weil das vom Vater stammende starke M über das mütterliche schwache F auch im heterozygoten Zustand gewinnt, wie dies in meinen Ar- beiten ausgeführt ist. Also wenn die „starken“ Faktoren durch das Suffix S bezeichnet sind

e) [F}Mm Xd [FS]MsMs d' (aus genet. 0) [Msn +d [FMM,.

In solchen Zuchten findet sich gelegentlich einmal ein einzelnes 9 und dies kann, wie in früheren Arbeiten ausgeführt wurde, nur so er- klärt werden, daß der Vater ein solches non-disjunction d war, das auch einzelne Geschlechtszellen mit einem Y-Chromosom erzeugt, die mit einem X-Ei ein Q 'ergeben. Ob diese Erklärung für die „Extra- weibehen“ richtig ist, kann im Augenblick nicht experimentell be- wiesen werden, da bisher keine geschlechtsgekoppelten Faktoren bei Lymantria bekannt sind, ohne die sich bekanntlich der experimentelle Beweis für non-disjunction nicht erbringen läßt; der Schluß ist also bis jetzt nur ein solcher per exclusionem. Mit seiner Richtigkeit steht und fällt natürlich das Folgende.

Kommen also die Extraweibchen auf diese Weise zustande, so ist folgendes die genetische Situation in Bezug auf Geschlechtsfaktoren und Chromosomen: In der Formel entspricht dem Y-Chromosom der rezessive Faktor m. Die abnorme Spermie wäre also mit m zu be- zeichnen. Das Ei, das sie befruchtet, heißt [F|[M, und das Resultat ist [Mm —=9. Liegt nun F im Protoplasma, dann ist es also in den aus obiger Kreuzung hervorgegangenen Individuen das gleiche schwache F wie das ihrer Mutter, d.h. das Extraweibehen hat, da auch das. M von der Mutter kam, genau die gleiche genetische Beschaffenheit wie seine Mutter und muß sich also bei weiteren Kreuzungen genau wie ein typisches „schwaches“ o der betreffenden Rasse verhalten. Anders nun, wenn F im Y-Chromosom vererbt wird. Das Y-Chromosom des Extraweibchens stammt ja ausnahmsweise vom Vater. Wenn nun der F-Faktor darin liegt, so ist dies ja der starke Faktor Fs. Das Extra- weibchen wäre also in diesem Fall zu schreiben [Fs]Mm ; dies ıst aber die Formel eines F, 9 aus der reziproken Kreuzung „starkes“ Weibchen X „schwaches“ Männchen:

o [Fs]Msm X S [HMM = g[Fs|Mm+ 4 [FJMMN,.

Daraus folgt also, daß für den Fall, daß F ım Y-Chromosom ver- erbt wird, das Extraweibchen sich in der weiteren Vererbung genau verhalten muß wie ein gewöhnliches F, 2 der Kreuzung stark 2 X schwach J‘, also ganz anders als ım Fall der Annahme der plasma- tischen Vererbung. |

Bisher liegen nun drei Proben vor, die mit solchen Extraweibchen angestellt wurden:

31°

484 R. Goldschmidt, Über Vererbung im Y-Chromosom.

1. Wenn die „schwache“ Rasse, die zur Kreuzung verwandt wurde, der Rasse Hokkaido und die „starke“ der Rasse Tokyo angehört, dann haben wir die folgende Situation. (Wir setzen den Geschlechts- faktoren das Suffix T resp. H zu, um ihre Rassenherkunft zu be- zeichnen):

9 Tokyo [Fr]Mım x d Hokkaido [F4]MıMı F,9— 4 |Er]Mum +1 [Fr]M-m Bu Fr]MuM» + 4 [Fr]MuM1, (Umwandlungs-g).

Wie in unserer früheren Arbeit ausführlich dargelegt, werden genetische d, bei denen die zwei sehr schwachen My-Faktoren dem sehr starken Fr gegenüberstehen, in 9 umgewandelt, also ıst das Resultat 30:1. Wenn also F im Y-Chromosom liegt, muß F, aus einem „Extraweibchen“, das durch non-disjunction entstand, das ge- nannte Resultat geben. Wäre aber F im Plasma gelegen, so hätten wir ja beim Extraweibehen ein schwaches Fı. Bei Kreuzung mit einem F, = erhielten wir deshalb die weiblichen Kombinationen ı [Fu]M-rm +4 [F]Mum. Ersteres wären aber wieder die Umwand- lungsmännchen, d. h. wir erhielten hier 39:19. Diese Probe ist, wie bereits früher berichtet, zweimal ausgeführt und das Resultat nähert sich der ersteren Erwartung, ja entspricht ihr ziemlich genau, wenn wir die in unserer früheren Arbeit diskutierten Fehlerquellen berücksichtigen. In diesem Fall fanden sich auch die Konsequenzen für F, verwirklicht, wie in den „Untersuchungen über Intersexualität“ p. 72 näher ausgeführt ist.

2. Wenn die schwache Rasse eine der deutschen Rassen z. B. Schneidemühl ist und die starke Rasse die japanische Rasse Tokyo oder Aomori, so ist die Situation etwas anders. Die Formeln für die Kreuzung stark g X schwach £ und F, hieraus sind natürlich die gleichen wie in Fall 1, nur daß für Fx und My, Fs und Ms ge- schrieben werden muß. Ms ist nun nicht so schwach wie My» und infolgedessen werden g der Formel [Fr]MsMs nicht in 9 umgewandelt, sondern bleiben Z. Nur ein Teil von ihnen wird, wie ebenfalls früher genau abgeleitet, zu intersexuellen J. Das Auftreten dieser inter- sexuellen 5 in F, der Kreuzung stark 9 X schwach S ist überaus charakteristisch und niemals wurden solche bisher gefunden, wenn die „mütterliche“ Linie schwach war. Nach den vorhergehenden Er- örterungen muß nun das Resultat der Zucht von F, aus einem Extra- weibchen der Kreuzung Schneidemühl g x Tokyo g' ım Fall plasma- tischer Vererbung von F wieder sein: 35:19; im Fall der Vererbung im Y-Chromosom aber das eben abgeleitete, also Auftreten inter- sexueller Männchen. Auch diese Probe wurde zweimal ausgeführt und zwar einmal von Schweitzer und einmal von mir und in beiden Fällen traten die intersexuellen $ auf, das F des Extraweibchens mußte also F, gewesen sein.

R. Goldschmidt, Über Vererbung im Y-Chromosom. 485

3. Wenn F ım Plasma liegt, das Extraweibchen also wie seine Mutter Fs oder ist, muß dieses mit einem gewöhnlichen homo- zygoten d der starken Rassen gekreuzt nur d' liefern. Liegt da- gegen F ım Y-Chromosom, dann verhält sich, wie abgeleitet, das Extraweibcehen wie ein starkeso (durch den Besitz von Fr) und muß daher mit einem starken Z normale Geschlechter erzeugen. Diese Probe konnte in diesem Jahre ausgeführt werden und ergab das letztere Resultat, nämlich:

1922, 227 (Hok X Ao) Extra 0 X Aod' 229 22.

Somit stimmen alle mit den Extraweibehen ausgeführten Proben zu der Annahme, daß F im Y-Chromosom vererbt wird.

Nun gibt es noch eine ganz andere Möglichkeit, diesen Punkt zu prüfen. Wir sahen soeben, daß die Kombination [Fr]MuMy trotz der männlichen Formel Weibchen liefert (Umwandlungsweibchen). Wenn wir also ein F,:9 der Kreuzung Tokyo 2 x Hokkaido f mit dem reinen Hokkaido g rückkreuzen, erhalten wir ausschließlich 9, von denen die Hälfte genetische sind, die andere Hälfte Umwandlungs- weibchen, nämlich:

F, == Q [F-]M.m x Hok d [F4]MuMn —o [Fr]Mım + Umwandlungs 9 [Fr]MnM.

Diese Umwandlungsweibchen besitzen nun die männliche gene- tische Beschaffenheit, haben also zwei X-Chromosomen und kein Y- Chromosom. Ihre Eier bilden sich also ohne die Tätigkeit eines Y- Chromosoms. Wenn F im Y-Chromosom liegt, dann können diese Weibchen also überhaupt keinen Weiblichkeitsfaktor übertragen, also nur g' erzeugen, dies allerdings auch nur, wenn eine männliche Ent- wicklung oder überhaupt eine Entwicklung ohne den Faktor F ım möglich ist. Leider ist bis jetzt eine Entscheidung noch nicht mög- lich gewesen, da diese Kombinationen immer von einem besonderen Mißgeschick verfolgt waren. Wenn Nachkommenschaft aus solchen Zuchten erhalten wurde, war sie normal. Ein auffallend hoher Pro- zentsatz der Gelege, allerdings nicht die Hälfte, kam überhaupt nicht zur Entwicklung, trotz normaler Befruchtung und Eiablage, sodaß es fast so aussieht, als ob die Eier von Umwandlungsweibchen nicht entwicklungsfähig wären. Vielleicht bringt ein angesetzter neuer Ver- such die Entscheidung.

Wir betrachten es somit als höchst wahrscheinlich, ja fast sicher, daß bei Aymantria dispar der mütterlich vererbte Weiblichkeitsfaktor F im Y-Chromosom gelegen ist. Wenn wir nun noch einmal auf die Entdeckung eines im Y-Chromosom gelegenen Pigmentierungsfaktors, der Faktorenaustausch mit dem X-Chromosom zeigt (Aida), zurück- kommen, so veranlaßt diese wichtige Entdeckung, alle jene Fälle eines unerwarteten Erbganges nochmals kritisch zu betrachten, in denen auf das Vorhandensein von „non-disjunction* geschlossen wor- den war, ohne daß der experimentelle wie eytologische Beweis dafür

486 R. Goldschmidt, Über Vererbung im Y-Chromosom.

erbracht wurde. Denn nunmehr besteht auch die Möglichkeit, daß die betreffenden Ausnahmsindividuen (es handelt sich ja um Fälle geschlechtsgekoppelter Vererbung) durch Faktorenaustausch zwischen X- und Y-Chromosom zustandekommen. In meinen Untersuchungen über den Melanismus der Nonne ZLymantria monacha hatte ich ge- zeigt, daß der Melanısmus auf dem polymeren Zusammenarbeiten autosomaler mit einem geschlechtsgekoppelten Faktor © beruht. Wenn wir hier nur den geschlechtsgekoppelten Faktor berücksichtigen, so bedingt seine Anwesenheit die höheren Stufen des Melanısmus. Wer- den nun dunkle 9, die C im X-Chromosom enthalten, mit hellen Z, also ohne Ü, gekreuzt, so müssen wir die typische Übers-Kreuz- Ver-

erbung erhalten. Alle Söhne, die ihr eines X mit C von der Mutter

erhalten, sind dunkel, alle Töchter deren einziges X ohne C vom Vater kommt, sind hell. In einer ganzen Reihe von Fällen wurden nun außer den typischen Individuen einzelne dunkle Weibehen und helle Männchen erhalten. Sie wurden analog dem Fall von Bridges durch non-disjunction erklärt: Bei einer abnormen Reifeteilung einer

Samenzelle blieben die beiden X-Chromosomen zusammen, und es-

wurden Spermien mit 2 X und solche ohne X gebildet. Erstere er- zeugen auch mit einem Y-Eı ein g, das nun beide X vom Vater hat, also nicht die Übers-Kreuz-Vererbung zeigen kann, letztere erzeugen auch mit einem X-Ei ein 9, das slen- sein X von der Mutter hat und damit. deren geschlechtsgekoppelte Eigenschaft. Es ist nun klar, daß das gleiche Resultat zustande käme, wenn ein Faktorenaustausch Ce zwischen X- und Y-Chromosom vorkäme: denn dann erhielten wir männchenbestimmende X-Eier ohne © und weibcehenbestimmende Y-Eier mit ©. Leider wurde niemals von den Ausnahmsindividuen Nachzucht erhalten, sodaß keine Möglichkeit einer Entscheidung vor-

liegt. Nunmehr würde sich eine Analyse wohl verlohnen; denn die

weitere Untersuchung über Vererbung im Y-Chromosom könnte uns einmal wichtige Aufschlüsse über das Verhältnis des X—Y-Mecha- nismus und dessen mutmaßliche phylogenetische Entstehung liefern. Castle hat bereits einige diesbezügliche Gedanken zum Ausdruck gebracht, doch scheint uns der Augenblick für solche Spekulationen noch nicht gekommen.

Schließlich sollte noch auf einen interessanten Punkt hingewiesen werden. Bei Schmetterlingen kommt bekanntlich die Erscheinung der geschlechtskontrollierten Vererbung vor. Die Analyse solcher Fälle (Colias-Gerould, Papilio-de Meijere, Fryer, Argynnis- Goldschmidt und Fischer) hat nun ergeben, daß es sich um das Vorhandensein und Mendelsche Rekombination von 1 oder 2 Faktoren handelt, die in beiden Geschlechtern gleichmäßig mendeln, aber ım männlichen Geschlecht keinen phänotypischen Effekt hervorzurufen vermögen. Dies ist, wie wir näher ausführten, bedingt durch eine Reaktion zwischen den betreffenden Faktoren und den Hormonen der geschlechtlichen Differenzierung. Nach den neuen Entdeckungen über

R. Goldschmidt, Über Vererbung im Y-Chromosom. 487

Faktoren im Y-Chromosom ist aber noch eine andere Erklärung mög- lich. Das polymorphe Geschlecht war ın den analysierten Fällen das heterogamete Geschlecht (9), das je eine X—-Y-Gruppe besitzt. Wenn sich nun ım Y-Chromosom ein Pigmentierungsfaktor fände, der nach ‘Art bekannter Mendelfälle mit dem autosomalen Faktor so zu- sammenarbeitete, daß die betreffende Färbung nur bei Anwesenheit beider auftritt, dann. könnte tatsächlich die Färbung auch nur beim Weibchen erscheinen, das allein das Y-Chromosom besitzt. Ein Be- weis für die Richtigkeit dieser Darstellung könnte erhalten werden, wenn gelegentlich ein Faktorenaustausch zwischen X- und Y-COhromosom einträte. Dann wären auch Männchen der besonderen Form möglich, deren Erbverhalten dann leicht abzuleiten ist. Bei dem erwähnten Colias sind in der Tat gelegentlich auch weiße J beobachtet worden (Gerould), ihre gametische Analyse wäre von entscheidendem Interesse.

Zitierte Literatur.

Aida, Tatuo, On the inheritance of color in a freshwater fish Aplocheilus latipes Temmick und Schlegel with special reference to sex-Jinked inheritance. Gene- ties 6. 1921.

Bridges, ©. B., Non-disjunetion as a proof of the chromosome theory of heredity. Geneties 1. 1916.

Bridges, ©. B., The origin of variations in sexual and sexlimited characters. Amer. Natur. 56. 1922.

Castle, W. E., A new type of inheritance, Science 53. 1921.

Federley, H., Über einen Fall von criss-cross- Vererbung bei einer Artkreuzung, Hereditas III. 1922.

Fryer, J. ©. J., An Investigation by Pedigree breeding into the polymorphism of Papilio polytes Linn. Phil. Trans. R. Soc. 204. 1913.

Gerould, J. H., The Inheritance of Polymorphism and sex in Colias philodice. Amer. Natur. 45, 1911.

Goldschmidt, R. u. Fischer, E., Argynnis paphia-valesina, ein Fall geschlechts- kontrollierter Vererbung, Genetica 1922.

Goldschmidt, R., Intersexualität und Geschlechtsbestimmung, Biol. Zentralblatt 39. 1919.

, Untersuchungen über Intersexualität, Ztschr. f. indukt. Abstammungs- und Ver- erbungslehre 23. 1920.

—, Erblichkeitsstudien an Schmetterlingen III. Ebenda 25. 1921.

De Meijere, J. ©. H., Über Jacobsens Züchtungsversuche usw. Zeitschr. ind. Abst. 3, 1910. Über getrennte Vererbung der Geschlechter. Arch. Rass. Gesellschafts- biol. S. 1911.

Schmidt, Johs., Racial investigations IV. The genetic behavior of a secondary sexual character. ©. R. Laboratoire Oarlsberg 14, Nr. 8. 1920.

488 W. Ziegelmayer, Einige biologische Notizen zu Cycelops viridis Jurine usw.

Einige biologische Notizen zu Cyclops viridis Jurine bezw. Cyclops vulgaris Koch.

Von W. Ziegelmayer, Saarbrücken. \ Mit 2 Abbildungen u. 8 Kurven. \

An die verschiedenartige Bezeichnung in der Überschrift anknüp- fend, möchte ich daran erinnern, daß augenblicklich ein kleines Chaos in bezug auf die Systematik der Gattung Cyelops herrscht. Nach den neueren Arbeiten G. ©. Sars’ hätten wir bei C’yelops nämlich ©. viri- dis Jurine als €. vulgaris Koch zu führen. Man muß W. Klie recht geben, wenn er sagt!): „So zweckmäßig und glücklich die Auf- stellung und Begründung der neuen Familien und Gattungen?) ist, so bedenklich muß die Umbenennung von Arten erscheinen, deren Bezeichnung allgemein eingebürgert war, und die unter den von Schmeil gebrauchten Namen in zahlreichen Faunenlisten übergegangen sind.“

5.Thareg, Basalglied

Borste des

Endglied Basalgliedes

Apikalborste

Abb. 1. 5. Füßchen von (Ü. viridıs Abb. 2. Lokalvariation von 0. veridis Jurine. Normal. Jurine ohne Fiederung an den Borsten.

Jurine’s Name „viridis“ ist übrigens (nach Sven Ekman) 18 Jahre älter als Koch’s Bezeichnung ‚vulgaris“.

„Viridis“ ist eine sehr labile Form.

Ekman stellt Beziehungen fest zwischen der vwiridis-Form und 0. gigas Claus, veranlaßt durch den Vergleich der Größe und (nach Lilljeborg 1901, Sars 1913) der Struktur der Furka (nach Lillje- borg gigas = 2,5 mm und viridis = 1,9 mm). Schmeil geht noch weiter: C. gigas ist große Form von (. virädis, ©. clausi Jugend- stadium von viridis.

Sven Ekman findet im Vättern den „Unterschied der beiden (ersten) ‚Arten‘ völlig verwischt und kann nichts anderes sehen, als

1) Bd. VIII der Internat. Revue. 2) Es sind die marinen Gattungen Euryte u. Halicyclops u. die Süßwassergattungen Uyelops, Meso-Pachy-Lepto- u. Platyeyelops.

W. Ziegelmayer, Einige biologische Notizen zu Cyclops viridis Jurine usw. 489

daß wir hier eine einzige, obgleich stark variierende Art haben“.

Schmaßmann (1920) bestätigt durch dieselben Beobachtungen profund lebender Tiere aus der Bodenfauna hochalpiner Seen ‚diese stark variierende Art‘, „dies um so mehr, als nach eigenen Beobach- tungen sogar linkes und rechtes Bein des 5. Paares in ihrer Form oft verschieden sind“.

Zuletzt möchte ich an die Ausführungen F. Alverdes an diesem Orte erinnern), die so trefflich an Hand der überzählig auftretenden Borste am 5. Füßchen und sonstiger Anomalien, Plus- und Minusvaria- tionen, bei Versuchen an viridis die „labilere“ Reaktionsweise vor Augen führen.

Vor kurzem gelang es mir, gelegentlich eines Aufenthaltes an der Plöner Anstalt, im Ostteile des Gr. Plöner Sees an Hand von Minus- variationen bei C. viridis Jurine weiterhin die sehr starke Labi- lität dieser Formen nachzuweisen. Es handelt sich um Bodenfauna aus der litoralen Zone zwischen C'hara-Arten und Potamogeton. Äußerlich

5. Füßchen. Apikalborste. Wechselnde Größe bei gleichgroßen „Viridis“-Exemplaren.

sind .lle Tiere auffallend durch die unverhältnismäßig große Anzahl sessiler Protisten und Flagellaten. In akzidentiellem Symphorismus oder irreziproker Assoziation sind meist auf ein und demselben Cyelops- Substrat Vorticellen (oft 70 Stück!) Epistylis, Vampyrella spirogyra (an der 1. Antenne!) angesiedelt, ferner durchschnittlich 100—150 Collatium vesiculosum über den ganzen Körper verbreitet. Dazu tritt noch eine Belastung durch zahlreiche Pilz-(Schimmel?)Fäden, die an den zerstörten Furkalborsten saßen und bei deren Auftreten ich nicht festzustellen in der Lage war, ob dieser Borstenschwund eine primäre oder sekundäre Rolle spielt.

Bei sämtlichen durchgesehenen Exemplaren macht sich am 5. Füß- chen ein Schwund der bis heute typisch auftretenden feinen*) Fieder- 3) Über das Manifestwerden der ererbten Anlage einer Abnormität bei C. wrius Jurine 1920. Biolog. Zentralblatt.

4) Man läuft oft Gefahr, diese feinste Fiederung zu übersehen. Strengste Prü- fung mit Leitz: Periplanat 25 u. ?/,J. (3000 fach!).

490) W. Ziegelmayer, Einige biologische Notizen zu Oyelops viridis Jurine usw

härchen der Apikalborste und Borste des Basalgliedes bemerkbar.

Offenbar handelt es sich hier um eine Lokalvariation mit auf- tretender Reduktion der Fiederung, um eine relativ einfache Aberration, wie sie in Abb. 2 gezeigt. ist.

Auffallend waren die Unregelmäßigkeiten in der Struktur der beiden 5. Fußpaare an ein und demselben Exemplar. Der nicht eingelenkte Chitin- fortsatz des Endgliedes, der Innenranddorn, besitzt eine außer- ordentlich große Variationsbreite. Meist reicht dieser Dorn nicht über das Endglied hinaus. Oft bleibt er weit zurück. Stellenweise ragt er dann wieder weit über dieses hinaus.

Ich habe nun versucht, diese fluktuierende Variabilität sowie die Formen derselben bei der Lokalvariation von ‚„viridis“ Testzustellen.

2 28 48 76 8 88 96 10 10% 108 110 1%

5: Füßchen. Borste des Basalgliedes. Wechselnde Länge bei gleichgroßen „Viridis“-Exemplaren.

Mit Hilfe der Reihenbildung gewann ich ein Variationspolygon und erhielt damit eine besondere Größen-Kurve, deren Bild hier wieder- zugeben kein weiteres Interesse hat; auf deren Ergebnisse wurde dann aufgebaut. Bei 2000 durchgezählten, zu einer Reihe angeordneten und gemessenen Lokalvarianten ergab sich eine eingipfelige Kurve, deren Ordinate in der Zahl 96 ihren Höhepunkt fanden also von 2000 viridis-Exemplaren hatten 96 die gleiche Größe.

Diesen 96 Copepoden, die alle Q9 Tiere waren, wurden die verschiedenen Organe gemessen, Reihen darüber auf- gestellt und die Verteilung der Größenverhältnisse ver- slichen. Vor allem legte ich Wert auf die Feststellung der Varia-

W. Ziegelmayer, Einige biologische Notizen zu Oyelops viridis Jurine usw. 491

bilitätsgröße und ihrer Schwankung bei den labilsten Organen, den 5. Füßchen; und zwar wurde Messung sowohl der apikalen Borste als auch der Borste des Basalgliedes, des Endgliedes sowie des Innenrand-

02 O4 06 08 1 12 16 2

12 16 2% 24 2B 6

Kurve des Innenranddornes 5. Fußpaar. apik. Borste des 5. Füßchens. Endglied des Basalglieds.

dornes im einzelnen vorgenommen. Daraus entsprangen die nachfolgen- den Variationskurven. Die Zahlen seben die Größe des betreffenden

492 W. Ziegelmayer, Einige biologische Notizen zu Cyelops viridis Jurine usw.

Organes in Mikronen an, die Anzahl der Quadrate die Zahl der Exem- plare.

Zur Vervollständigung stellte ich auch Reihen und Variationsply- sone über die 1. Antenne, über die mittlere Borste des Endglieds der 1. Antenne, ferner über die Länge des 1. Thoraxsegments und der Furkalborste auf.

Sehr gerne hätte ich umfangreicheres Material benützt, aber nicht immer gelang es mir, selbst die Zahl 96 durchzuführen, da bei Vor-

472 5015 525 542,5 560 570 595 6125 620 6475665 6825 700 TTS 735 732,5 770

Länge der 1. Antenne. Wechselnde Größe bei gleichgroßen „Viridis“-Exemplaren.

nahme der Organe der einzelnen Tiere es sich ergab, daß manche be- schädigt waren (mechanische Verletzungen oder Schwund durch Schim- melpilze!) oder sonstwie fehlten.

Es konnte nun nicht eine Wahrscheinlichkeitskurve nt wer- den, die zudem eingipfelig sein müßte, und man mußte bei den 5. Füßchen und ihren Borsten infolge ihrer Labilität auf eine erheb- liche Schwankung gefaßt sein.

Die 5. Füßchen zeigen nun auch, wie die Kurven der apikalen Borste, der Borste des Basalglieds und des Dorns beweisen, eine unver- hältnismäßig große Variationsbreite. Man muß sich vor Augen stellen, daß alle Exemplare dieselbe streng ausgesuchte Größe besitzen. Ich vermute, daß die „viridis“-Exemplare, die bei den Kurven nur durch einen Vertreter ausgezeichnet sind, Zufallsgrößen darstellen. So mub man wenigstens so lange annehmen, als nur solch relativ geringes Zähl- und Messungsmaterial vorliegt.

W. Ziegelmayer, Einige biologische Notizen zu Cyelops viridis Jurine usw. 493

Durch eine große „Ruhe“ zeichnet sich beim 5. Fußpaar das Endglied aus, das, wie die eingipfelige Kurve ausführt, geringen Schwanr- kungen unterworfen ist.

815108 125 MO 1875 175 210 525 560 5775 595 612 630 647,5665 682 700 7175 TAS TATS Wechselnde Länge der großen Wechselnde Länge des Cephalothoraxsegmentes Sinnesborste. 1. Antenne. bei „Viridis“-Exemplaren von gleicher Größe.

Die 1. Antenne fällt durch ihre Zweigipfeligkeit auf; die Ordinaten finden ihren Höhepunkt bei 525 » und 612,5 u. Eine sehr

494 W. Ziegelmayer, Einige biologische Notizen zu Cyclops viridis Jurine usw.

geringe Variationsbreite weist die 3. Sinnesborste der 1. Antenne auf, deren Größe sich um 140 u bewegt. Durch Zwei- bezw. Dreigipfeligkeit zeichnen sich auch die ‚Thoraxsegmente und die große Furkalborste aus.

Auf Grund dieser Ergebnisse dürfte es vielleicht nicht allzu schwer sein, die kausalen Zusammenhänge für diese verschiedenartigste Ge- staltung unserer Kurven zu ‚ergründen. Gute oder schlechte Lebenslage als auslösender Faktor dürfte hier wohl in Wesfall kommen, da dasselbe Characeen- und Potamogeton - Milieu vorliegt und somit keine ver-

45 525 577 595 612 630 64256895 700 7175 735 752.5 770 7875 805 8225 9245

Wechselnde Größe der großen Furkalborste von gleichgroßen „Viridis“-Tieren.

schiedenartige Lebensbedingungen vorherrschen, die Tiere ent- stammen alle ein und derselben Umwelt von der Größe einiger Quadrat- meter.

So kämen für die Mehrgipfeligkeit eigentlich nur noch die Wirkung mehrerer erblicher Rassen oder aber Zwischen- "assen in Betracht. -

Für die Annahme der Zwischenrassen spräche, dab bei gleicher Größe der einzelnen Individuen eine normale oder anormale Gestal- tung der einzelnen Organe auftritt.

Die Kurven sprechen aber auch durch ihre Mehrgipfeligkeit für verschiedene erbliche Rassen, die in der „viridis“-Form liegen, ein Faktum, dem durch Schmeil’s, Lilljeborg’s, Ekman’s, Sars’ und Schmaßmann’s Annahme, es handle sich um eine einzige, wenn auch stark variierende Art, widersprochen wird.

M. Dingler, Eine Schutzeinrichtung bei Arctia caia. 495

Eine Schutzeinrichtung bei Arctia caia. Von Dr. Max Dingler, München.

Eine im Biologischen Zentralblatt, Heft 3, Jahrgang 1922, erschienene Mitteilung von Aue über die vermeintlichen Leucht- organe am Thorax des braunen Bären Arctia caia L. veranlaßte mich, bei gegebener Gelegenheit auf dıese Erscheinung mein Augen- merk zu richten. Doch stand mir fürs erste kein Zuchtmaterial zur Verfügung; erst am 10. Juni 1922 brachte ich von einem mit Hım- beeren dicht bestandenen Hang am Heimgarten (Bayrische Alpen) neben einer Anzahl Raupen von Rhyparia purpurata L. auch eine solche von Arctia caia heim. Das Tier verpuppte sich bald darauf in einem Zuchtkasten und schlüpfte am 7. August. Es war ein nor- mal gezeichnetes Männchen.

Als ich mir das fertig entwickelte Tier innerhalb des Zuchtkastens auf den Finger kriechen lassen wollte, bewegte es die Flügel in wenigen kleinen Schlägen und senkte den Kopf, :sodaß die lebhaft rote Kragenlinie am Prothorax deutlich sichtbar wurde. Auf diesem Kragensaum traten gleichzeitig zwei helle, stark glänzende Tropfen links und rechts der Medianlinie hervor, welche etwa °/, mm Durch- messer hatten und 2 mm voneinander entfernt waren. Der Eindruck eines Leuchtens war in dem Dämmer des Zuchtkastens für das nicht akkommodierte Auge tatsächlich vorhanden. Bei genauerer Betrach- tung der Tropfen überzeugte ich mich aber, daß es sich nur um eine sehr starke Lichtbrechung der wasserklaren Flüssigkeit handelte, welche für Sekunden ein Eigenleuchten vortäuschte. Der Widerspruch in den Ansichten der bisherigen Beobachter über die Leuchtfähigkeit der Tropfen scheint mir dadurch befriedigend aufgeklärt; von den zufälligen Lichtverhältnissen der Umigebung hing es eben jeweils ab, ob ein vermeintliches Leuchten gesehen wurde oder nicht.

Die beiden Tropfen wurden von dem Tier, als ich es ungestört ließ, ein wenig, aber nicht vollständig zurückgezogen. Bei erneutem Reizen an den Fühlern oder Beinen, nicht an der Austrittstelle der Tropfen traten sie wieder stärker hervor. Nachdem ich sie abgehoben hatte, wurden sie nicht mehr erneuert. Ihr Geruch er- schien mir schwach und, wie auch Aue feststellt, ähnlich dem von Coceinella. Dagegen fand ich ihren Geschmack scharf harzıg und das Brenngefühl, das er auf der Zunge hervorrief, etwa 10 Minuten an- haltend.

Zweifellos handelt es sich in den beiden Sekrettropfen um eine Schutzeinrichtung, wie dies ja auch durch den Versuch Aue’s mit dem Rotkehlchen bestätigt wird; ein Analogon also zu den Vorrich- tungen mancher Raupen, wie der Kopfgabel der Schwalbenschwanz- raupe, den Gabelfäden der Ceruraraupen. Auch die Analröhren- sekrete der Blattläuse wären hier zu nennen. Eine Einrichtung, welche noch mehr derjenigen bei Archa caia entspricht, findet sich

496 M. Dingler, Eine Schutzeinrichtung bei Actia caia.

bei gewissen Cocciden. So lassen die Weibchen der Pseudococceus- Arten auf Reize hin zwischen dem vorletzten und letzten Abdominal- segment auf beiden Seiten je einen Tropfen austreten. Bei dem Weibchen von Pseudococeus eitri habe ich beobachtet, daß, wenn man es weiter reizt, außer den beiden Tropfen am Abdomen auch noch zwei Tropfen zwischen Kopf und Thorax austreten.

Da die Tropfen bisher nie an älteren, z. B. im Freiland ge- fangenen Faltern von Arctia caia beobachtet worden sind, möchte ich vermuten, es handle sich hier um eine Schutzeinrichtung, welche lediglich der Abhaltung von Feinden in dem hilflosen Zustande zwischen dem Auskriechen und der Flugfähigkeit dient. Aue hat zwar das Austreten der Tropfen bei seinen Tieren beliebig oft her- vorrufen können, aber, soviel ich seiner Mitteilung entnehme, auch nicht an geflogenen Faltern.

Berichtigung.

In meiner Arbeit: Beziehungen zwischen pflanzlichen und tierischen Skelettsub- stanzen etc. in Nr. 8/9 sind 2 sinnstörende Fehler stehen geblieben, die ich zu be- richtigen bitte. Auf p. 389 10. Zeile von unten muß es statt 2% Schwefelsäure 2 %iger Schwefelsäure heißen und auf p. 394 6. Zeile von oben aufhellt statt verstärkt.

P. Schulze.

Der völlige Stabilitätsverlust der deutschen Markwährung hat eine ungeheure, sprunghaft fortschreitende Verteuerung aller Herstellungs- kosten mit sich gebracht und vollkommen unsichere Verhältnisse für die Preisbildung geschaffen. Angesichts dieser Sachlage ist es erklärlich, daß auch die Bücher- und Zeitschriftenpreise wie die aller anderen Waren nur noch gleitende sein können. Der Verlag ist nicht mehr in der Lage, den Abonnementspreis für das „Biologische Zen- tralblatt“ wie bisher auf längere Zeit im voraus festzusetzen; es muß vielmehr die Berechnung für jedes einzelne Heft Platz greifen, denn nur so ist eine Anpassung an die jeweiligen Herstellungskosten möglich. Die am Kopfe angegebenen Auslandspreise sind für den ganzen Jahrgang 1923 feststehend, bleiben also von den Valuta- schwankungen unberührt.

Aus Gründen der Ersparnis erfährt die Erscheinungsweise vom 1. Januar 1923 ab eine Änderung. Es werden hinfort in Abständen von zwei Monaten Doppelhefte herausgegeben, deren Zahl im Jahre 1923 je nach Entwicklung der Verhältnisse 5 oder 6 betragen soll.

Trotz der schier unüberwindlichen Schwierigkeiten hoffen Redak- tion und Verlag, den Fortbestand des Zentralblattes sichern zu können, was jedoch nur möglich sein wird, wenn unsere Leser den veränderten Zeitläuften volles Verständnis entgegenbringen und uns auch weiter- hin treu bleiben.

Leipzig, im Dezember 1922.

Antonstraße 15. Georg Thieme, Verlag.

Junge & Sohn, Univ.-Buchdruckerei, Erlangen.

Alphabetisches Namenregister,

A bderhalden 30. 333. Abel 312. Adair 177 Agar, W. E. 47. Aida 481. 485. Alverdes 143. 218. 489. Ambronn 393. Aristoteles 125. Arrhenius 438. Ascherson 466f. Aue 141. 4951.

Baer 382f. 459. 463. Baglioni 127. 135. Barfurth 420. 422. 425£f.

Bataillon 151. 165. 167. 171.

422. Bauch 9. Bateson 310. Baur 113. 116. 467. Beal 459f. 463. Beaufort 129. Bechhold 180. Bechstein 90. Beijerinck 46. 146. Belar 369. Benecke 413. Bergen 409. Betz 253. Beyerinck 7.

Biedermann 382. 386f. 429.

Bier 147.

Blackman 337.339.341. 353.

Blakeman 260. Blakeslee 35.

Bloch 119. 121f. 124. Blochmann 168. Böcker 27Sff. Böker 87. Bongardt 2ff. 138f. Bonnet 325.

Borelli 125 ff. Boveri 169. Boysen-Jensen 343. Brand 441. 444. Brandt 213.

Brauer 168.

Braun 312f. Braunsdorf 391. Braus 303. 307. Brecher 297. Brefeld 10. 12f. 18. Brehm (Vater) 87. 291. Bretscher 401 ff.

42. Band

Bridge and Haddon 129. 32:

Bridges 116. 301. 481f. 486.

Brown 338. 3441.

Brügger 467.

Bubanovie 177.

Buchner 38. 44. 47f. 93. 139. 286f. 328,

v. Buddenbrock 359f.

Buder 220. 222.

Burgeff 41. 51.

Burgerstein 287.

Bütschli 328.

Calkins 60. 62.-278.

Calleja 207.

Castle 481.

Caullery 287.

Child 366.

Claus 488.

Claußen 10. 20.

Cohnheim 28.

Colditz 80. 84.

Colias-Gerould 486.

Collier 253.

Correns 112. 114. 116f. 164, 288. 465. 467.

Cori 83.

Corning 129ff. 134.

Coulter 167.

Csiki 457 ff. 463.

Cuenot 429. 434.

Cunningham 157.

Dahl 461 ff. Dallinger 51f. Darwin 412. Darwin-Häckel 213. Dawson 58. Deegener 241. 429. De Geer 463. Degeer 142. Deineka 128. 135. Deinneka 129. Delafield 120. 129. Delage 171. Demoore 6.

Denis 424.

Derby 422. Dieffenbach 80f, Digby 168. Dingler 495. Doflein 193. 286.

197. 221.

Dubois 4. 9. Duclaux 437. Dudgeon 467. Duerst 87 ff. Duncker 253. 268. Duysen 388,

Eckstein 300. Eidmann 97. 429, Eißele 125.

Ekman 488. 495. Enriques 51. Erdmann 49. 57. Ernst 164. Escombe 338. 344 f. Exner 214. 253. Eycleshymer 319.

Fahringer 454f. Fallen 463. Farmer 168. Faust 436. Federley 481. Fick 168. 346. Fischer 486. Fitting 163. Flury 438. Folin 421. 424f. Folin-Wu 421. Foot 168,

Forel 436. 438. Franz 48. Fremy 391. Friderich 87. 90. Friedenthal 213. Friedländer 199. Frischholz 279t£ Fruwirth 288. Fryer 486.

v. Fürth 177. 298f. 436.

@anong 158.

Gegenbauer 309. 311. 313.

Gerould 487.

Gerretsen 1. 8.

Giesenhagen 144.

Goetsch 231. 238. 27Sf. 366, 369£.

Goette 232. 364. 366

Goldschmidt 117. 253. 301. 481.

Graebner 466f.

Groß 369.

Gudernatsch 427.

32

498

‚Gulde 456. 463. Guyenot 127.

WHaberland 145. Haeckel 194. Hagen 406. 409f. 413 ff. Hammarsten 6. Hance 58.

Hansen 287. Hansteen: 184. 188. Harder 341. Harms 111. Hartmann 284. 364. Harvey 8.

Hase 280. 283ff. Haß 390.

Hauser 430.

Heck 129. Hegelmaier 158. Hegner 54ff. Heidenhain 120. Heider 168. Heikertinger 441. Heilbrunn. 171. Heinemann 5.

Hendrich and Saar 467.

Henking 168. Herlant 167. Hermann 401.

Hertwig, O. 163, 165, 311.

al4f. 325.

Hertwig, Rich. 97 ff. 106.

108. 163. 278. 325. 366. van Herwerden 109. Heß 246.

Hesse 128. 193. Hesselman 356.

van der Heyde 419. Heymons 463. Hilzheimer 87. Hintzelmann 293. Hirschler 303. Höber 176. 180. Hoffmann, H. 465. Hoffmann, R. W. 333. Hofmeister 179. Honing 231.

Horn 118. Huschke 118.

Jaffe 424. Jäger 127ff. 134£. Jahn 366.

Jakobs 120f. 123. 129. 134,

Jakobson 318. 320ff. Janson 128.

Jaquet 129. 132.

Jegen 143.

Jennings 5Off. 63. 218ff. Ikeno 166.

Iljin 405ff. 410. 412. 417.

Johannsen 50. 56. 253. 266.

Jollos 57 f. 64.

Alphabetisches Namenregister.

Jones 177. Isaak 141ff. Judd 459. Juel 159. Jurine 48Sf. Just 65. 142.

Kappert 223.

Kapteyn 404.

Karrer 392.

Keibel 321.

Kerb 76.

Kirchner 159.

Klason 391.

Klatt 330.

Klebs 10. 17. 20. 369.

Klie 488.

Kniep 9ff. 18. 20 ff. 36.

Knoche 139f.

Kobelt 291.

Kobert 436.

Koch 278t.- 488.

Köhler 179.

Kölliker 1381.

Kohl 455.

Konsuloff 188.

Korschelt 168.

Kotte 170.

Kräpelin 430.

Krapfenbauer 232. 237. 279.

Kräl 11.

Kraus 441.

Krause 328. Krauße 456. Krawkow 39. Krueger 169. Külpe 194. Kunicke 390. Kuntzen 391. Kurzwelly 185. Kuschakewitsch 97. Küster 96. 147. 288. 329.

Lalanne 215. Lamprecht 146. Land 167. Landis 58. Lang 253.

Lantzsch 72ff. 80. 82. S4f.

Lawson 168. Leitgeb 409f. 412. 414.

Leydig 118f. 121. 126. 129.

Lieske 144. Lillie 168. 171. 420, Lilljeborg 488. 495. Lindner 41. 91. Lindstedt 72. Linsbauer 409. 415. Lipps 402.

List 298.

Livingston 412. Lloyd 405. 410.

183. 188.

Locy 463.

Loeb 171. 218f. 245f. 363. Longo 158.

Loos 420. 427. 459. Lubimenko 341.

v. Lukanus 270. 273.

Lundegärdh 337ff. 341.

343f. 348f. 351. 354. v. Luschan 216. Lutz 139.

Mac Laurin 257. Mangold 139.

Marshall 87. 89£. 4621. Mason 461. 463. .

Mast 58.

Matthaei 339. Maxwell-Lefroy 461. 463. Mayer, A. G. 382. Mayer, P. 47.

Me Atee 459. 463. Meigen 188.

de Meijere 486. Meisenheimer 331. Mendel 50. 66. 486f. Mendelejew-Goldberg 303f. Menghini 51. Metalnikoff 429. 434. Metschnikoff 420. 422. Mewes 166. 302.

Miehe 144.

Middleton 58 ff.

Mieg 186.

Millon 295.

Mitchell 58.

Moeller 179.

Möller 172ff. 179£f. Mohl 409.

Molisch 96. 144. 410. Moreau 126f. 129. 135f. Morse 420ff. 427. Müller 1261. 129. 132. 134. Musy 127.

Nachtsheim 143.

Nagel 194ff.

Naumann 81ff. 87. 276.

Neuberg 298.

Neumann-Reichardt 415. 417.

Nitzsch 87.

Noetzel 421. 427.

Nukada 294ff.

Nussbaum 119. 121.. 1231. 129. 131. 283.

&hler 74. Oltmanns 2211. Oppenheimer 7. Oppel 129. Orban 35. Osborn 313. Östenfeld 159. Owen 309. 311.

Pascher 51.

Patten 58.

Pauly 294f.

Pax 327.

Pearson 253. 257. 263.

Peter 308.

Peterfi 328.

Peters 74.

Petrunkewitsch 120. 42988.

%

129.

Pfeffer 157. 183. 288. 409. Pierantoni 8. 38. 40. 42.

46. 139. Plester 341. Pocock 455t. Popoff 366. 395. Popta 127. Poulton 455. 462. Powers 58. Prenant 200. Pringsheim 96. Przibram 298. Pütter 72.

Raeiborski 10. 20. Ranvier 213. Rasmuson. 467. vom Rath 430. Rathke 118. 126.

Raunkiaer 159. 466. 469.

473. ATI. Reiehenow 94. Reichert 459. 463. Reis 129. 131. Renker 388. 393. Renner 231. 406. Rey 459.

Rippel 183. 185. 187. Ritter 359.

Robinson 213.

Roch 359.

Rörig 456f. 459. 469. Root 53.

Rosenberg 152. 159. 161. Rosenthaler 184. Rosing 405. 410. ‘van Rossum 165. Roth 479.

Roux 311. 313. 428. Rubner 365.

Rückert 168.

Sachs 157. Sadikoff 29. Sagemehl 132. 135f. Saguchi 301. Sakamura 115.

Sars 488. 495. Schanz 298. Schiefferdecker 200.

Alphabetisches Namenregister.

Schlüter 4331. Schmaßmann 489. 495. Schmeil 488. 495. Schmidt, E. 388f. 390. Schmidt, H. 193. Schmidt, Johs. 481. Schmidt, W. J. 330. Schmiedeknecht 455. Schrank 188. “una. Schroeder 172. 181. Schrottky 455. Schuhmann 185. Schumacher 463. Schull 187.

Schultze, L. S. 363. Schulz, A. 467.

Schulze, Paul 142. 232. 237.

285. 388LE. Schulze 3. 119. Schuster 459. Schweitzer 484. Semon 330.

Shaw 163.

Shull 112£f. 173. 467. Sidoriak 119. 123 £. Siemens 143.

de Sinety 434.

Smith 339.

Snellen van Vollenhoven 463.

Sobotta 325. Sörensen 421f. Soldanski 142. Sorauer, P. 95. 288. Speck 390. Spemann 309 ff. Sprecher 465f. 478. 480, Spuler 382f. 387. Stahl 343. Stälfelt 341ff. Stannius 129.

Steinberger, Anna-Luise 405.

Stoll 186. 337f. 342. 347.

Stolp 60 ff.

Stolte 36%.

Strasburger 112. 115. 157f. 163.

Stumper 435.

Süffert 382.

Sulc 39, 41f.

van Sylke 421.

Szymanski 241f. 289.

Tanaka 294 ff.

Ternetz, Charlotte 10. 20.

Terreil 391.

Thilo 120. 124. 128. 136.

Tollenaar 401ff.

Tracy 129.

Traube 180.

an

152.

132.

499

v. Ubisch 112. Uhlenhut 305. Unna 204.

van Uven 404.

Wan Beneden 323.

Van der Stricht 323. Vant Hoff 370. 381. 438. Verhoeff 138f.

Verworn 2f. 5£. 9. Virchow 325.

Vogel 138. 433.

Voß 167.

Wachendorff 78.

Wachs 270.

Wacker 433.

Walter 386.

Warburg 337£.

Webber 167f.

Weber 118. 126.

Wegener 135.

Weinberg 65.

Weinland 425

Weismann 364f. 369. 376. 381.

Weitlaner 3.

Werner 441.

Wester 389f. 393.

Westermeier 357.

Wettstein, Fritz v. 95. 288.

Wicksell 2631.

Wiedersheim 319.

Wielowiejsky 2ff. 138.

Wiesner 147.

Wiggans 406. 408. 412.

Willstätter 186. 337 f. 341f. 347. 357. 398.

Wilson 319.

Winkler 158. 165. 169f.

Winterstein 5.

Wintrebert 428.

van Wisselingh 389 f.

Witschi 103.

Wolda 402.

Wolf 441. 444. 449,

Woodruff 56ff. 366.

Yagi 294.

Zander 390. 393. Zapalowiez 467. Zederbauer 223. 227 ff. Ziegelmayer 488. Ziegler 325.

Zillig 9ff. 20. 35. Zimmer 327. Zweibaum 51.

32*

Alphabetisches Sachregister.

Abweichungen vom mechan. Geschlechts- verhältnis bei Melandrium dioicum 112.

Acantholepsis 437.

Acanthosoma haemorrhoidale 458.

Acerina cernua 254. 268.

Actinophrys 367.

Adonia variegata 450.

Adventivembryone 145. 151. 154. 156f. 161.

Aelia acuminata 443. 451. 458 f.

Ahnlichkeit der Kuckuckseier 270ff.

Aerobates 312.

Aesculus hippocastanum 395.

Agapophyta 461.

Alauda arvensis 449.

Alburnus lueidus Heck 129. 133.

Alchemilla 415. 418.

Alchemilla vulgaris 415f. 417.

Alvsma 412.

Alisma plantago 412.

Allium 418.

Allium porrum 414.

Allium schoenoprasum 414.

Allium ursinum 414.

Allobophora 168.

Aloe Schimperi 410.

Alter der zu Kreuzungen verwandten In- dividuen 223 ff.

Alter und Tod, botan. Betrachtungen 288.

Althaea rosea 146.

Amaryllis 409.

Ameisenbiologie, quantitative 435.

Ameisen, macedonische 286.

Amphibienmetamorphose 303.

Amphioxus 325f.

Anaea 384.

Anas domestica 448.

Anatomie der Pflanze 144.

Anatomie, mikroskopische der Wirbeltiere 328.

Anatomie, vergleichende 328.

Anguis fragilis 454.

Anopheles bifurcatus 188. 190.

Anopheles maculipennis 188ff.

Anthocoris 458.

Anthocoris nemorum 458.

Antipyretische Wirkung des Regenwurms 293.

Apatura 387.

Aphalara caltha 41. 45.

Aphrophora 39. 441.

Apis 360.

Apis mellifica 143.

Arabis alpina 411.

Aradus cinnamomeus 456. Arcanus diadematus 443. 455. Arcelia dentata 54. Archieracium 159. 161.

Arctia caja 141. 142. 385. 495£. Arenicola piscatorum 194ff. Argynnis 386.

Armeria latifolia 413.

Artamus insignis 462.

' Ascaris megalocephala 166.

Ascidia 419.

Ascophanus 10. 20.

Aspidium filia mas. 348. Aspidium spinulosum 348. 352. Astata boops 455.

Asterias 196.

Atalanta 385.

Avena sativa 411.

Axolotl 168.

Baeillus fluorescens liquefaciens 73.

Baecillus radieicola 42.

Bacterium phosphorescens 46.

Bakteroidenbildung bei Hemipterenensym- bionten 38 ff.

Barbus barbus 129. 133.

Basidiobolus ranarum 10. 20.

Befruchtung 145.

Betula 412. 417.

Betula alba 411.

Biologie des Menschengeschlechtes 200.

Biologische Arbeitsmethoden, Handbuch 333.

Biologische Notizen zu Üyeclops viridis Jurine bezw. Üyclops vulgaris Koch 488 ff.

Biologische Vorträge, populäre 144.

Blatta orientalis 434.

Blissus lewcopterus 460.

Bombinator 307. _

Bombinator igneus 446. 451.

* Bombinator pachypus 451.

Bonellia viridis 106.

Botanik, Lehrbuch 144.

Botanik, Lehrbuch für Mediziner 329. Botanik, Taschenbuch 144. Branchipus 168.

Brassica oleracea gongylodes 146. Bryonia 112. 467.

Bryophillum 146.

Bryophyllum erenatum 148. Bufo calamita 446. 450.

Bufo vulgaris 446. 449. 451. Bursaria 367.

ee ne nn

Alphabetisches Sachregister.

Cacomantis insperatus 461.

Caelebogyne ilieifolia 158.

Calanus 73. T6ff.

Calla 412.

Calla palustris 412.

Calliphora 3591.

Calocoris sexguttata 455.

Camponotinae 436 f.

Camponotus compressus 461.

Camponotus ligniperda 437.

Canna glauca 231.

Canna indica 230.

Caprimulgus macrurus 461.

Capsidae 451. 458.

Capsidarum 458.

Capsus 458.

Carabus (Procrustes) coriaceus 443.

Carabus Scheidleri 445.

Carabus Ullrichi 445. 450.

Carex panicea 352.

Carex vesicaria 348.

Carpocoris purpuripennis 444. 451. 458.

Carpocoris verbasci 458.

Cataglyphis bicolor 437.

Cavia cobaya 166.

Centropyzis aculeata 53.

Cephalotaxus drupacea 168.

Cerchneis amurensis 462.

Cerchneis vespertinus 458.

Cercopithecus mona 455.

Certhia familiaris 458.

Certhiüidae 291.

Chara 490.

Ohaetogaster 369.

Chaleococeyxz maculatus 271.

Chelidonaria urbica 458.

Chemischer Sinn einiger Polychaeten 193.

Chionodoxa Lueciliae 411.

Chitin, Durchlässigkeit 429 ff.

Chitinreaktionen 388ff.

Chlorohydra 285.

Cicada orni 41. 45.

Oicadomyces 42,

Cieindela 39.

Cimex lectuaria 455.

Ciona 392.

Circea 'alpina 348.

Cirsium arvense 467.

Citrus aurantium 152. 158.

Olivia nobilis 410.

Cobitis 118ff. 124.

Cobitis barbatula 120. 122.

Cobitis fossilis 119 ff.

Coceinella 142.

Coceinella septem punctata 443,

Coecystes glandarius 271f. 462.

Unecystes jacobinus 271.

Colchieum autumnale 414.

Coleus 170.

Ooleus hybridus 150.

Collatium vesiculosum 490.

Collyriocincla harmonica 455.

(nigricornis)

901

Colpidium 367f. 372. 374f. 380. Colpidium colpoda T4f. 78f. 82. Coracias garrula 458.

Corerdae 446.

Oorizus sp. 4581.

Corvidae 442,

Corvus cornix 459.

Corvus culminatus 271. Corvus splendens 271. Ooturnix coturnix 445. 447. 449, Crassula 146.

Crassula lactea 148. Örateropus 2711. Crotophaga 271.

Cuculus canorus 275. 458. Oulex sp. 188.

Oulex pipiens 189f.

Oyecas revoluta 166. 168. Oyelocypris 76. 79. Oyclops 488. 490.

Oyclops elausi 488.

Uyclops gigas 488.

Oyclops viridis Jurine 488. Oyelops virius Jurine 489. Oyelops vulgaris Koch 488. Uyelosalpa pinnata 363. " Oydnus nigrita 459. Cyprianus carpio 129. 133. Cypriniden 127f. 133. 135. Uypripedilum calceolus 414. Cytology 47,

Daphnia T6ff.

Daphnia pulex 109ff.

Dianthus carthusianorum 19.

Dianthus chinensis 35.

Dianthus deltoides 10. 19ff, 35.

Dianthus superbus 19.

Dierurus laemostictus 462.

Didinium 58.

Didinium nasutum 5S.

Difflugia corona 521.

Dinetus pietus 455.

Distoechurus 312.

Dolichoderinae 436,

Dolyeoris baccarum 444. 451. 458f.

Domestikationsproblem, Studien zum 330.

Doppelatmung der Mückenlarven 188.

Dorylinae 436.

Drosophila 66. 116. 301. 481.

Durchlässigkeit des Chitins bei osmotischen Vorgängen 429ff.

Dysdercus cingulatus 461.

Echeveria secunda 148.

Einfluß des Alters auf elterliche Merkmale bei den Nachkommen 223.

Einschmelzung des Schwanzes der Frosch- larven 419ff.

Ekelgeruch der Wanzen 441 ff.

Elodea 170.

Emberiza ciopsis 271ff.

Empidonax minimus 459.

502

Epilobium 290.

Epistylis 490.

Equus 312.

Eranthis 418.

Eranthis ceilieica 412.

Erasmia pulchella 386.

Erblichkeitsstatistik, Empirie 65.

Erblichkeitsstatistik, Wahrscheinlichkeit 65.

Erinaceus europaeus 444. 447.

Erithacus rubecula 448. 458.

Ernährung, parenterale der Wassertiere 72.

Eudorina 284. 369f. 376.

Eudorina elegans 284. 367.

Eudynamis niger 271.

Euglena 221f.

Euphorbia duleis 158.

Euplotes longipennis 60 f.

Eurygaster 453. 458.

Eurygaster maura 442f. 451. 458.

Eurygaster nigrocucullata (hottentotta) 442. 451. 453, 458.

Eurygaster nigrocucutellata 442.

Eurydema oleraceum 446, 451. 454f. 459.

Euryte 488.

Eusarcoris aeneus 458.

Eusarcoris melanocephalus 458.

Evoniymus 243. 245.

Evonymus euwropaeus 243.

Kalter von Aretia caja, besitzt er Leucht- fähigkeit? 141.

Ficus Roxburghii 157.

Flugmuskulatur der Insekten, Physiologie 359.

Fontinalis 341.

Forfieula auricularis 442.

Formica fusca 437.

Formica pratensis 437.

Formica rufa 437 ft.

Formica rufibardus 437.

Formica sanguinea 437.

Formica truncicola 437.

Forsythia 412. 417.

Forsythia suspensa 411.

Fortpflanzung, ungeschlechtl., Ersatz durch Regenerationen 364 ff.

Frontonia 367.

Froschlarven, Einschmelzung des Schwan- zes 419 ff.

Funkia ovata 158.

Galanthus Elwesii 411.

Galathea 166.

Gallus domestieus 442. 444 ff.

Garrulus glandarius 458.

Gastrocles abietis 458.

Gennaeus nycthemerus ADD.

Gentiana lutea 411.

Geoeichla litsitsirupa 462.

Graphosoma italicum 453. 455.

Gryllus campestris 442,

Geschlecht und Geschlechter im Tierreiche 331.

Geschlechtsbestimmung bei Apis mellifica 143,

Alphabetisches Sachregister.

Geschlechtsbestimmung beim Sauerampfer 4bbff.

Geschlechtsmerkmale, sekundäre 9f. 20. 34f. 37.

Gonaden des Bean innere 301 ff.

Gonium 366.

Gymnobelideus 312.

Gymnorhina tibieen 442. 444ff. 449.

Halieyelops 488.

Harpactor iracundus 458 f.

Hartwegia comosa 409. ns

Hedera 412. 417.

Hedera helix 411.

Hemiptera 458.

Hemiptera heteroptera 462. 464.

Hemipterensymbionten 38.. al.

Hieracium 159.

Hieracium aurantiacum 159.

Hieracium excellens 159.

Hieracium flagellare 159. 161f.

Hieracium umbellatum 161.

Hirudo 195.

Hirundo erythrogastra 460.

Hirundo rustica 458.

Homologie und ihre Anwendung in der Embryologie 308.. 317.

Horornis 271.

Hyalomma aegyptium 392.

Hydra 231 ff. 278ff.

Hydra attenuata 235.

Hydra fusca 238. 278f. 285.

Hydra grisea 285.

Hydren, Depressionen 27Sft.

Hydren, geschlechtliche Fortpflanzung 231.

Hydren, Lebensdauer 231. 278.

Hyla arborea 443. 446f. 450.

Hypochaeris radicata 159 ff.

Hypolais hypolais 445ff. 448. 451. 458.

Hypomoneuta 242 ff.

Hypomoneuta cognatellus 241.

Icerya 42.

Impatiens 415. 418. Impatiens Holstii 415 ff. Impatiens noli tangere 415 ff. Iphtimera eburnea 391. Iridoprocne bicolor 460. Irrisor erythrorhynchus 462.

Kalanchoe 146.

Kohlensäureassimilation, Physiologie und Ökologie 337.

Kopulationsbedingungen ff. 18.

Korrelationstheorie nach Pearson 253.

Kuckuckseier, Ähnlichkeit 270.

Kultur der Mikroorganismen 96.

Lacerta agılis 443f. 446f. 449. 451. Lacerta serpa 445. 447. 449. Lacerta viridis 454.

Lactuca perennis 159. Lamprococcey& plagosus 461. Lampyris 38.

a Te an 1

en)

Alphabetisches Sachregister.

Lampyris noctiluca 2. 13Sff.

Lampyris splendidula 2. 4.

Landwirtschaftliche Kulturpflanzen, Züch- tungslehre 288.

Laniarius guttatus 462.

Lanius collurio 458.

Lanius excubitor 458.

Lanius minor 458.

Laphria 359f.

Laphria flava 455.

Lasius flavus 437.

Lasius fuliginosus 440.

Lasius niger 439.

Lastrea Filix mas. 168.

Lebensweise macedonischer Ameisen 286.

Lehrbuch der Botanik 144.

Lepidoptera 425.

Leptoeycelops 488.

Leuchten des juvan, Leuchtkäfers 1ff.

Leuchtorgane der Imagines 139.

Leuchtorgane der Larven 138.

Leueiscus rutilus 454.

Limnaea 109.

Limnaea ovata 110.

Limnanthemum 412.

Limnanthemum nymphaeoides 412.

Limulus 3053.

Liothrix luteus 456.

Locusta viridissima 442. 444.

Lösungsversuche, drei, eines Problems 289.

Loxia 87. 90ff.

- Lueiferase 9.

Luciola italica 6.

Luciola vittata 1ff. 9. Lumbrieus 195. 2941. . Lumbrieus hereuleus 198. 294f. Lumbrieus terrestris 294. Lumbrofebrin 295 ff.

Lyaeus sp. 461.

Lyaeus hospes 461.

Lyehnis dioica 113.

Lyda 300.

Lyda erythrocephala 246. Lygaeidae 447.

Lygaeidarum sp. 4581. Lygaeus equestris 454. Lygaeus saxatilis 447. 451. Lygus campestris 458. Lygus pabulinus 458.

Lygus pratensis 458. Lymandria monacha 486. Lymantria dispar 481 ff. 485.

Macrony& capensis 462. Macropsis microcephala 41. 45. Macroptery& mystacea 461. Makonia aquifolium 411.

Maja 166.

Majanthemum bifolium 352. 355. Malacosoma castrense 244. 248. Malaecosoma neustrium 244. 247. Mantia religiosa 443.

Marsilia Drummondii 162 ff.

503-

Marsilia vestita 164.

Melandrium 112. 114f. 117. 467f. 471. 479.

Melandrium album 113.

Melandrium dioicum 112.

Melandrium rubrum 343f. 346f. 348.

Melandrium album 191.

Melasoma XX punctatum 391.

Merkmale, elterliche bei Nachkommen 223.

Merkmale. numerische 253.

Mesocyclops 488.

Messor 437.

Messor barbarus 438.

Metamorphosierte Amphibien 303.

Metazoen, Unsterblichkeitsproblem 231tf. 278 11

Mentha piperita 290.

Mierostomum 370.

Mikrochemie der Pflanze 96.

Mikrohydra rhyderi 232.

Mirabilis Jalapa 164.

Misgurnus fossilis 454.

Mneme als erhaltendes Prinzip 330.

Morpho 384. 387.

Mulgedium alpinum 159.

Musca domestica 450. 452.

Muscicapa collaris 458.

Muscidae 425.

Museivora forfieata 459.

Muscieapa grisola 458.

Myiarchus cinerascens 459.

Myiarchus erinitus459.

Miyllocerus sp. 461.

Myllocerus maculosus 461.

Myodocha serripes 460.

Myrmica 437.

Myrmica rufra 439.

Myrmieinae 436.

Nabis ferus 458f.

Nabis lativentris 451. 455.

Nais complanata 168.

Nardus strieta 352.

Nasturtium palustre 339. 343 f. 346.

Nasturtium palustris s. Nasturtium pa- lustre 343.

Nasua socialis 445. 448.

Nebennierenrinde des Rindes, Einfluß auf Gesundheit und Wachstum verschiedener Organismen 109.

Nectarus. 319.

Nekrohormone 158. 170.

Neornis 271.

Nepa cinerea 459.

Nephthys hombergi 194f. 197 ff.

Nereis pelagica 194. 197 ff.

Nereis virens 194.

Nezara hilaris 460.

Nezara viridula 455. 461.

Nothoscordum fragrans 158.

Nuecifraga caryocatactes 458.

Nyctalemon 384.

504 Alphabetisches Sachregister.

Nymphaea 412. Nymphaea alba 412.

Ocinara varians 461.

Oenanthe aquatica 352.

Oenothera Lamarckiana 151f. 154. 156f. 161. 167.

Opuntia vulgaris 158.

Organismen, ihre Reaktionen auf äußere Reize 218.

Oriolus galbula 458.

Oriolus kundoo 459. 461.

Oriolus melanocephalus 461.

Orthezia 45.

Osmotische Untersuchungen 288.

Osmotische Vorgänge 429 ff.

Osmotischer Wert, Regulationen 405 ff.

Oxalis acetosella 339. 342 ff. 346 ff. 352 1.8998

Oxytricha hymenostoma 58.

Pachycyelops 488.

Paeonia 417.

Paeonia officinalis 409. 411.

Palomena prasina 445. 451. 454. 458f.

Papilio philenor 384.

Paramaecium T4Af. 367.

Paramaecium aurelia 219.

Paramaecium bursaria 219.

Paramaecium caudatum 218ff.

Paramecium aurelia 56ff. 63; siehe auch Paramaecium aur.

Paramecium caudatum 56ff. 63; siehe auch Parumaecium ce.

Le Parasitisme et la Symbiose 287.

Paroaria cucullata 449.

Parthenocissus 412.

Parthenoeissus radicantissima 411.

Parthenogenesis 145. 151. 153. 156. 158. 165.

Parus 456.

Parus ater 458.

Parus coeruleus 404.

Parus major 403f. 458.

Parus palustris 458.

Passer arcuatus 449.

Passer domesticus 442. 449. 452.

Pavo cristatus 442, 448.

Pelargonium zonale 150.

Pelmatohydra 285.

Penelope jueucaca 447.

Pentatomidae 442{f. 458. 461.

Pentatomidarum 458.

Perca fluviatilis 129. 131. 455.

Perdix perdix 459.

Peripatus Novae-Zeelandiae 323.

Peronospera Rumiecis 478.

Petauroides 312.

Petaurus 312.

Periplaneta orientalis 430. 434.

Petrochelidon lunifrons 460.

Pencedanum palustre 348.

Pflanzendecke der Erde 287.

Pflanzenkrankheiten, Handbuch 95. 288.

Phalangium opilio 455.

Phaseolus vulgaris 347.

Phausis splendidula 138ff.

Pholas dactylus 7.

Phosphaenus hemipterus 138.

Photogenase 8.

Phycomyces nitens 35.

Phycosoma Lanzarotae 111.

Phylloscopus 270. 275.

Phylloscopus sibilator 458.

Physiologie der Flugmuskulatur der In- sekten 359.

Physoklysten 125. 127. 129.

Physostomen 127. 129,

Phytocoris 458.

Picea excelsa 341f.

Pieris brassicae.

Pilosella 159.

Pinicola enucleator 92.

Pinus austriaca 229.

Pinus silwestris 229. 341f.

Pisum sativum 223.

Platyeyclops 488.

Polychaeten 193.

Polypterus 318.

Ponerinae 436.

Potamogeton 490.

Potamogeton natans 412. 414.

Primula acaulis 229.

Primula denticulata 411.

Primula offieinalis 229.

Problem, drei Lösungsversuche 289.

Progne subis 460.

Protisten, Art u. lcune 49.

Pseudochirus 312.

Pseudococcus 496.

Pseudococcus adonidum 42, 45.

Pseudococeus eitri 42. 496.

Pseudogamie 169.

Ptyelus lineatus 39. 43. 45.

Pyenonotus zanthopygus 455.

Pyocyaneus 139.

Pyrameis atalanta 384f.

Pyronema confluens 10. 20.

Pyrrhocoridae 448.

Pyrrhocoris 450. 452 ff.

Pyrrhocoris apterus 448. 451. 455.459. 464.

Rana agilis 446.

Rana arvalis 446. 451.

Rana catesbiana 420. 424.

Rana esculenta 99ff. 111. 305£.

Rana fusca 151.

Rana pipiens 420. 425.

Rana temporaria 97. 99ff. 445.

Rassen- und Artbildung 143.

Rassenbildung bei Hemipterensymbionten 38.

Reaktionen der Organismen auf äußere Reize 218.

Redwviidae 451.

Regenerationen, fortgesetzte, Ersatz der ungeschlechtlichen Fortpflanzung 364 ff.

Alphabetisches Sachregister.

Regenwurm, antipyretische Wirkung 293.

Regressionsgleichungen numerischer Merk- male 253.

Regulus 456.

Regulus regulus 458.

Rehneltianus 150.

Rhabditis aberrans 169.

Rhaphigaster nebulosa 458.

Rhinopomastus cyanomelas 462.

Rhipidura tricolor 455.

Rhopalotomus ater 458.

Rhyparia purpurata 495.

Rubus idaeus 352.

Rumex 467f. 472.

Rumex Acetosa 466ff. 471. 473. A7Sf.

Rumex Acetosa hortensis 469.

Rumex Acetosa pratensis 468.

Rumex Acetosella 469.

Rumex alpinus 467.

Rumex arifolius A66f.

Rumex erispus 467.

Rumex thyrsiflorus 466.

Rutieilla phoenicurus 458.

Sacculina 419.

Saintpaulia ionantha 150.

Salamandra maculosa 305.

Salamis 384.

Salmo Fario 454.

Salvia verticillata 290.

Saponaria officeinalis 10. 20.

Saprolegnia mixta 10.

Sauerampfer 465 ff.

Sayornis nigricans 459.

Sayornis phoebe 459.

Schließzellen von Luft- und Wasserspalten 405 ff.

Schmetterlingsschuppen, Morphologie und Optik 382 ff.

Schutzeinrichtung bei Arotia caia 4951.

Schwammspinner 301 ff.

Schwimmblase 125ff.

Schwimmblasenapparat bei Cobitis 118.

Sciocoris sp. 458.

Sciocoris ceursitans 458.

Scorpaena 73.

Seutelleridae 442.

Sedum Selskianum 413.

Sedum spectabile 146. 413.

Semipermeabilität von Zellwänden 172.

Sempervivum montanum 148.

Sempervivum tectorum 413.

Silene nutans 19.

Silurus glanis 129. 132.

Sitta europea 289f. 458.

Skelettsubstanzen, Beziehungen zwischen pflanzlichen und tierischen 388ft.

Sonchus oleraceus 159.

Soziologische Beobachtungen an Hypono- menta cognatellus Hb. 241.

Sphaerocarpus terrestris 112.

Spermatozyten, Reifeteilungen 301 ff.

Sporodinia grandis 10. 17. 20.

505

Statice tatarica 413.

Statistik und Vogelzug 401 ff.

Stellaria nemorum 339. 342. 347. 353.

Stenobothrus 442. 444. 450. 452,

Stenostomum 369.

Stenostomum leucops 37Off. 381.

Stenostomum unicolor 37Off. 381.

Stentor coeruleus 367. 376. 380.

Stimulierung der Zellfunktionen 395 ff.

Strahlenpilze, Morphologie und Biologie 144,

Studien, histologische 125.

Sturnus vulgaris 443ff. 449.

Stylonychia pustulata 58f. 61.

Süßwasserfische, Schwimmblase 125.

Sylvia atricapilla 442. 444. 447f. 451.

Sylvia curruca 458.

Sylvia nisoria 444. 447f.

Sylvia sylvia 458.

Syringa 412. 417.

Syringa vulgaris 395. 411.

Syromastes marginatus 446. 451. 455. 458.

Sysympaedium 245.

Tachine 300.

Tachyeineta thalassina 460.

Tachyphonus melaleucus 455.

Tachysphex nitidus 455.

Taraxacum officinale 159ff.

Taschenbuch der Botanik 144.

Tetramorium 437.

Tettigonia viridis 43ff.

Thaumetopoea 243.

Theobaldia annulata 188.

Theobaldia spathipalpis, Rondani 191f.

Therapha hyoscyami 456.

Thoaterium 312.

Tier und Pflanze in intrazellularer Sym- biose 93.

Tierwelt Schlesiens 327.

Tinca tinca 129. 133.

Tingitidae 458.

Tingitidarum 458. 3

Tipula 359. /

Tomaspis rubra 39. 45.

Topographie der Leuchtorgane von Phausis splendidula Leconte 138.

Torreya taxifolia 167.

Tradescantia virginica 410.

Tradescantia zebrina 407. 410.

Transpiration der Pflanzen. 287.

Triton 319.

Triton alpestris 320.

Iriton eristatus 305.

Troglodytes 270. 275.

Troglodytes troglodytes 458.

Tropaeolum 415. 418.

Tropaeolum majus 415f. 417.

Tropieoris (Pentatoma) rufipes 445. 451. 455. 458.

Trutta iridea W. Gibb. 129.

Tulipa Gesneriana 414.

Turbellarien 369 ff.

506

Turdus iliacus 444. 447. 452.

Turdus merula 449. 458.

Turdus musieus 458.

Turdus pilaris 458.

Turdus sp. 446ff.

Turdus viseivorus 458.

Tyrosin, allgemein-biologische Bedeutung 293. !

Überkreuzung der Schnabelspitzen der

.. Gattung Loxia 87.

Überreife, Einwirkung auf Eier von Rana temporaria 97. 99.

Urania ÜOroesus 386.

Uroleptus mobilis 60.

Ustilago maydis 20.

Ustilago violacea If. 18. 20. 36.

Vampyrella spyrogyra 490.

Veltheimia viridiflora 410.

Vererbung im Y-Chromosom 481 ff.

Vervollkommnung in der lebenden Natur 48.

Vespa germanica 392.

Vespa vulgaris 450.

Vinca 417.

Vinca minor 411.

Viola palustris 348. 352. 355.

Vitis 467.

+ Zahlenverhältnis

Alphabetisches Sachregister.

Vogelzug, Statistik 401 ff. Volvax 222.

Wanzen, sind sie durch Ekelgeruch ge- schützt? 441 ff.

Weinbergsche Geschwister-Methode 65 f. 68 ff.

Weinbergsche Probanden-Methode 65 f.

Wuchsenzyme 146.

Wundendosperm 154. 161.

Wundheilung 145.

Wundhormone 147ff. 153. 170.

Xanthium glabratum 173. Xanthoxylum Bungei 158.

Y-Chromosom, Vererbung 481ff.

der Geschlechter ‘beim Sauerampfer 465 ff.

Zamia 167 f£.

Zebrina 406f. 409ff. 417.

Zebrina pendula 407. 413. 417.

Zellfunktionen, Stimulierung 395 ff.

Zellteilungshormone 145f.

Zierona ecoerulea 458.

Zoomikrötechnik 47.

Biologisches Zeniralblail

Begründet von J. Rosenthal Herausgabe und Redaktion:

Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. C. Correns Prof. Dr. R. Goldschmidt und Prof. Dr. O. Wen

in. Berlin

Verlag von Georg Thieme in Leipzig

Anzeigen-Annahme: Hans Pusch, Berlin SW. ER Wilheimstr. 28

42. Band Januar 1922 | Nr.1

ausgegeben am 2. Januar 1922

Der jähr]. Abonnementspreis (12 Hefte) beträgt innerhalb Deutschlands 50 Mk.

Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

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Verlag. von Georg Thieme in De

Börner

Reichs -Medizinal-Kalender 1922

Herausgegeben von Geh. San.-Rat Prof. Dr. J. Schwalbe, Berlin

Taschenbuch in Ganzleinen gebunden, 4 Quartaisheite und 1 Beiheft

Preis 30 Mark

In Deutschland völlig zuschlagsfrei!

Das Täschenbuch erschien in der altbewährten Form, diesmal in einem dauer- haften Leinenband, nachdem der durch die Materialknappheit bedingte Ersatzleinenband der letztjährigen Ausgabe sich nicht bewährt hat. Durch Verwendung von Dünn- druckpapier ist der Umfang vermindert, so daß das Taschenbuch ohne” Kürzung des Textes handlicher gestaltet wurde. Öse mit Bleistift ist angebracht.

Alle Aufsätze wurden sorgfältig durchgesehen und auf den neuesten Stand ge- bracht. In den Daten und Tabellen für den Praktiker sind die Angaben über Er-

nährung, gemäß ihrer durch die Zeitverhältnisse erhöhten Bedeutung, durch Professor Ad. Löwy, Berlin, neubearbeitet.

Die Bearbeitung der Übersicht über die wichtigsten Bade- und Kurorte hat Professor Winckler, Bad Nenndorf, übernommen, die Zusammenfassung der Heil- und Kuranstalten Sanitätsrat Woelm, Peterswaldau. Auch die Übersicht der Blinden- und Taubstummenanstalten konnte auf den neuesten Stand gehoben werden.

Für das Kalendarium ist gutes, mit Tinte schreibfähiges Papier verwendet Be für jeden Tag eine volle Seite.

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Verlag von Georg Thieme mw

Soeben erschienen:

Medizinische Psychologiel

Ein Leitfaden für Studium und Praxis Von

Priv.-Doz. Dr. Ernst ee Tübingen Mit 22 Abbildungen. M. 39.—, Geb. M. 48.—.

Pathologische Physiologii

Ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte Abt. I: Die Funktionsstörungen des Herzens, der Gefäße und des Blutes

Von

Geh.-Rat Prof. Dr. A. E. Hering, Köln M. 19.50.

Theoretische und klinische

Pharmakologie

Ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte Von

Prof. Dr. Franz Müller, Berlin M. 34.—, geb. M. 40.50.

Die slürenden Einflisse auf das Einrelen und de Engeuligkelt analytischen Aeaklonen

Von

Dr. W. Stadlin, Basel ao) Steif broschiert M. 9.90.

Vorstehende Preise sind innerhalb Deutschlands zuschlagsfrei.

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Verlag von Georg Thieme in Leipzig

Monographien

über die

Zeugung beim Menschen

Von Dr. med. Hermann Rohleder Spezialarzt für Sexualleiden in Leipzig. Band |: Normale, pathologische und künstliche Zeugung beim Menschen. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. M. 30.-, geb. M. 36.—. Band Il: - Die Zeugung unter Blutsverwandten. M. 12,60, geb. M. 16.—. Band Ill: Die Funktionsstörungen der Zeugung beim Manne (Samenflüsse, Impotenz, Sterilität). M. 16.50, :geb. M. 19,—. Band IV: Die libidinösen Funktionsstörungen der Zeugung beim Weibe. M. 8.40, geb. M. 10.80.

Band V: E Die Zeugung bei Hermaphroditen, Kryptorchen, Mikrorchen und ‚Kastraten. M. 22.20, geb. M. 29.40. Band VI:

Künstliche Zeugung und Anthropogenie (Menschwerdung). M. 24.—, geb. M. 30.—., Band VII (Ergänzungsband): Die künstliche Zeugung (Befruchtung) im Tierreich. M. 21.60, geb. M. 28,80.

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Münchener med. Wochenschrift: Das ganze Buch ist eine hochinteressante und - spannende wissenschaftliche Lektüre. f

Klinisch-therapeutische Wochenschrift: Rohleder hat ‚mit dem vorliegenden Werke geradezu erschöpfend ein Gebiet behandelt, das für die Ärzte ebenso wichtig ist wie es ihnen unbekannt zu sein pflegt.

- Folia urologica: Jeder, der sich für diese Fragen interessiert, und das sollten selbstverständlich in erster Linie alle Arzte sein, sollte dieses neue Werk Rohleders „Die Zeugung unter Blutsverwandten* genau durchstudieren.

Deutsche Mediz. Wochenschrift: Eine Fundgrube anregenden, durch eigene Forschung befruchteten und durch Kritik gewürzten Inhalts, aus welcher der Arzt viel Belehrung zu schöpfen vermag.

Correspondenzblatt der sächs. ärztlichen Bezirksvereine: Das interessante, ge- an aneiehe Buch beruht auf gründlicher Forschung und ist durchaus wissenschaftlich gehalten.

Vorstehende Preise sind innerhalb Deutschlands zuschlagsfrei.

Verlag von Georg Thieme in Leipzig.

Deutsche Medizinische Wochenschrift

Herausgeber: Geh. San.-Rat Prof. Dr. Julius Schwalbe

Literaturberichte: Prof. Dr. R. von den Velden Vereinsberichte: Ober-Stabsarzt Dr. O. Strauß

Vierteljährlich 30 Mark

Auslandspreis ist beim Verlag zu erfragen.

Die „Deutsche Medizinische Wochenschrift“ ist das vielseitigste und lehrreichste medizinische Fachblatt deutscher Sprache. Außer sorgfältig ausgewählten Aufsätzen hervorragender Kliniker, Krankenhausärzte und praktischer Ärzte sollen die mit großem Beifall aufgenommenen BRENNT

spezialärztlichen Ratschläge für den Praktiker

aus der Feder allgemein anerkannter Fachgelehrter fortgesetzt werden. Es folgen zu- nächst die „Gynäkologischen Ratschläge“ von Prof. W. Liepmann (Berlin), die „Speziellen chirurgischen Ratschläge“ von Geheimrat Prof. Ledderhkose (München), die „Psychiatrischen Ratschläge“ von Geheimrat Prof. Henneberg (Berlin). Die besonders wichtigen Aufsätze aus dem Gebiet der Inneren Medizin werden bearbeitet von:

Geheimrat Minkowski (Breslau) Stoffwechselkrankheiten Geheimrat Goldscheider (Berlin) Lungenkrankheiten Geheimrat Fleiner (Heidelberg) Magenkrankheiten Geheimrat L. Kuttner (Berlin) Darmkrankheiten Professor Umber (Berlin) Nierenkrankheiten Professor Morawitz (Würzburg) Blutkrankheiten Geheimrat Hoche (Freiburg) Nervenkrankheiten. ;

Als Ergänzung hierzu erscheinen Aufsatzreihen über

spezialärztliche diagnostische und therapeutische Technik,

Der Praktiker gewinnt damit allmählich ein für seine Bedürfnisse sehr geeignetes Kompendium der gesamten spezialärztiichen Ausbildung.

Beiträge aus der Feder berufener Fachmänner werden regelmäßig veröffentlicht über den jetzigen Stand bedeutungsvolier wissenschaftlicher Probleme.

Als zuverlässiger Wegweiser durch die therapeutische Literatur dient eine kritisch- therapeutische Rundschau.

Auch der sonstige reichhaltige Inhalt wird weiterhin eine sorgfältige Pflege er-- fahren. Es ‚seien hiervon hervorgehoben: ;

Umfangreichste Literaturübersicht Referate über bedeutendere Aufsätze aus der Literatur des gesamten Auslands Standesangelegenheiten (ständiger Mitarbeiter: Geh. Sanitätsrat S. Alexander, Berlin) Recht fragen aus der, ärztlichen Praxis (ständiger Mitarbeiter: Oberreichsanwalt Dr. Ebermayer, Leipzig) —- Öffentliches Gesundheitswesen Soziale Medizin und Hygiene Medizinalgesetzgebung Technische Erfindungen Berichte über Vereinsverhandlungen und Kongresse Kleine Mitteilungen Hoch- schulnachrichten Auswärtige Briefe Feuilletonartikel Aufsätze aus der Ge- schichte der Medizin, Philosophie usw.

Probenummer unberechnet und portofrei.

Diesem Heft liegen zwei Prospekte aus dem Verlage von Gebr. Borntraeger in Berlin betr.: „Morgan, Die stofflichen Grundlagen der Vererbung“ und „Baur und Goldschmidt, Wandtafeln zur Vererbungslehre“ bei.

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Junge & Sehn, Univ.-Buchdruckerei, Erlangen

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Biologisches Zentralblatt

Begründet von J. Rosenthal

Herausgabe und Redaktion: Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. C. Correns

Prof. Dr. R. Goldschmidt und Prof. Dr. ©. Warburg

in Berlin

Ferse von Georg Thieme in Leipzig

Anzeigen-Annahme: Hans Pusch, Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 28

42. Band. | Februar 1922 Nr. 2

ausgegeben am 1. Februar 1922

Der jährl. Abonnementspreis (12 Hefte) beträgt innerhalb Deutschlands 50 Mk.

Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

Verlag von Georg Thieme in Leipzig.

Medizinische Psychologie

Ein Leitfaden für Studium und Praxis Von

Priv.-Doz. Dr. Ernst Kretschmer, Tübingen

Mit 22 ‚Abbildungen. M. 39.—, Geb. M. 48.—.

Theoretische und klinische

Pharmakologie Ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte

Von

Prof.-Dr. Franz Müller, Berlin M. 34.—, geb. M. 42.—.

Vorstehende Preise sind innerhalb Deutschlands zuschlagsfrei.

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Verlag von Georg Thieme in Leipzig.

Entwicklungsgeschichte, K'rrieper. a 18 8 5 “» H. Triepel. Mit 168 Abbildungen. Geb. M. 30.—. 3

„Kurz und bündig“ gibt der Verfasser auf nicht ganz 14 Bogen eine erschöpfende Einführung in das gewaltige Forschungsgebiet der tierischen und menschlichen Ent- wicklungsgeschichte und gibt sie in so übersichtlicher Darstellung, daß man kein » Kapitel ohne Belehrung durcharbeiten wird. Berl. klin. Wochenschrift.

Entwicklungsgeschichte des Menschen, Kompendium. ° Mit Berücksichtigung der Wirbeltiere. Prof. Dr. L. Michaelis. Mit 54 Abbildungen und 2 Tafeln. 8. Auflage. Geb. M. 21.—.

Das Kompendium enthält in nuce alles Wissenswerte aftıs dieser täglich mehr in den Vordergrund tretenden Disziplin und steht auf ganz modernem wissenschaftlichen Standpunkt... Deutsche med. Wochenschrift.

. Eine klinische und ernährungs-

Das Hungerödem. physiologische Studie. Von Dr.

C. Maase und Priv.-Doz. Dr. H. Zondek, Assistenten der I. med. Klinik zu Berlin. Mit 17 Abbildungen. Geh. M. 18.—.

Eine ausführliche und allen Seiten der Frage gerecht werdende Abhandlung über jene eigentümliche Stoffwechselanomalie, die, wie in anderen Industriezentren. ferner in Gefangenenlägern usw., so auch in Berlin im Winter 16/17 auftrat, und wie die Er- fahrungen lehrten, ausschließlich auf der Unterernährung basierte und durch körperliche Ruhe und forzierte Ernährung zur Heilung gebracht werden konnte. Uber die für Stoffwechselpathologen höchst bedeutsamen Details lese man das Original.

Zeitschrift f. physik. u. diätet. Therapie.

y 9 zum Laboratoriumsgebrauch.

Von Dr. W. Glikin. Mit 44 Abbildungen. M. 36.—, geb. M. 45.—. ... Als Hilfsbuch bei chemisch-physiologischen Arbeiten wird sich das G.sche Werk als kaum entbehrlich erweisen, zumal es auch dem weniger Geübten durch die,

übersichtliche, präzise Darstellungsweise zu Hilfe kommt. ‚Zentralblatt f. innere Medizin.

1 1 Roth’s Klinische. Zusammenstellung der Terminologie, in der Medizin gebräuchlichen technischen Ausdrücke mit. Erklärung ihrer Bedeutung und Ableitung. Von E. Oberndörfier }-: 9. neubearbeitete Auflage von Dr. Franz Dörbeck. Geb. M. 60.—. TE

... . Insbesondere ist auf die große Vollständigkeit hinzuweisen, mit der die in der gesamten Medizin gebräuchlichen technischen Ausdrücke mit Erklärung ihrer Be- deutung und Anleitung wiedergegeben sind. Was die vorliegenden Auflagen von den früheren vorteilhaft unterscheidet, ist die starke Ergänzung des pharmakologischen Wortschatzes, und in der Tat finden wir kaum ein selbst neueres Arzneimittel nebst seiner Zusammensetzung und Anwendung unerwähnt. Aber. auch die in die übrigen Disziplinen fallenden Stichwörter sind zeitgemäß ergänzt.

Jeder Kollege wird gern in dem Buche blättern und jeder wird etwas Neues daraus lernen. Schmidts Jahrbücher d. ges. Medizin.

Vorstehende Preise sind innerhalb Deutschlands zuschlagsfrei.

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Neuerschienene Bücher

die der Zeitschrift zugegangen sind.

(Eine Besprechung der hier genannten Bücher ist vorbehalten.)

Bitting, M. S. K. G., The Effect -of Certain Agents on the Development of Some Moulds. With 62 Plates.

Collier, Dr. W. A., Einführung in die Variationsstatistik. Mit besonderer Berück- sichtigung der Biologie. Mit 8 Abbildungen. 72 S. Berlin 21. Verlag von Julius Springer.

Fodor, Prof. Dr. A., Das Fermentproblam. Mit 24 Textfiguren und zahlreichen Tabellen. Dresden u. Leipzig 1922. IX. 2808. Verlag von Theodor Steinkopff.

Handbuch der Pflanzenkrankheiten. Begründet von Paul Sorauer. Vierte

vollständig neu bearbeitete Auflage, herausgegeben von Prof. Dr. P. Graebner,

Berlin, Prof, Dr. G. Lindau, Berlin und Prof. Dr. Reh in Hamburg. 2. Bd.:

Die pflanzlichen Parasiten. Erster Teil. Mit 56 Textabbildungen. VII. 382 8. Berlin 1921. Verlag von Paul Parey. '

Handbuch der Biologischen Arbeitsmethoden. Unter Mitarbeit von 400 be-

deutenden Fachmännern herausgegeben von Geh. Med. Rat Prof. Dr. Emil

Abderhalden in Halle a. S. Berlin und Wien 1921. Verlag von Urban & Schwarzenberg.

Janet, Charles, Considerations sur l’Etre vivant. Deuxiöme Partie L’individu, la Sexualite, la Parthenogenese et la Mort, au point de vue orthobiontique Beauvais 1921. Imprimerie Dumontier & Hague.

Korschelt, Dr. E., Lebensdauer, Altern und Tod. Mit 107 Abbildungen im Text. 2. umgearbeitete und stark vermehrte Aufl. VIII. 307 S. Jena 1922. Verlag von G. Fischer.

Krause, Prof. Dr. R., Mikroskopische Anatomie der Wirbeltiere in Einzeldarstellungen. I. Säugetiere. Mit 25 Originalabbildungen im Text. VI. 186 S. Berlin und Leipzig 1921- Vereinigung wissenschaftlicher Verleger.

Morstatt, Dr. H., Bibliographie der Pflanzenschutzliteratur. Das Jahr 1920. 718. Berlin 1921. Verlag von Paul Parey.

Pfeffer, Dr. W., Osmotische Untersuchungen. Studien zur Zellmechanik. 2. unver- änderte Auflage. Mit 5 Holzschnitten. XIV. 236 S. Leipzig 1921. Verlag von Wilhelm Engelmann.

Reinke, Prof. Dr. J., Biologische Gesetze in ihren Beziehungen zur allgemeinen Gesetzlichkeit der Natur. Vortrag. Leipzig 1921. 30 S. Verlag von Joh. Ambr. Barth.

Tschulok, Prof. Dr. S.,. Deszendenzlehre (Entwiekelungslehre). Ein Lehrbuch auf

historisch-kritischer Grundlage. Mit 63 Abbildungen im Text und 1 Tabelle. XII. 324 S. Jena 1922. Verlag von Gustav Fischer.

Vexküll, Dr. J. von, Umwelt und Innenwelt der Tiere. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Mit 16 Textabbildungen. 224 S. Berlin 1921. Verlag von Julius * Springer.

Ziegler, Prof. Dr. E. Tierpsychologie. Mit 17 Figuren. Berlin und Leipzig 1921. 115 S. Vereinigung wissenschaftlicher Verleger.

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Verlag von Georg Thieme in Leipzig

Vorlesungen über Wirkung und Anwendung der

Deutschen Arzneipilanzen

Für Ärzte und Studierende Von | Prof. Dr. Hugo Schulz Geh. Med.-Rat in Greifswald Unveränderter Manuldruck M. 39.—, geb. M. 48.—

Ärzten und Studierenden wird hier Gelegenheit gegeben, sich in aller Kürze über den wirklichen Nutzen der V.olksmittel, die im Bereiche ihrer Tätigkeit von ihren Patienten benutzt werden, zu interneien:

Das Buch ist gerade zur rechten Zeit erschienen und verdient weite Verbreitung: gerade der Praktiker namentlich auf dem Lande wird viel Nutzen daraus ziehen.

Münchener med. Wochenschrirtt.

Vorlesungen über Wirkung und Anwendung der

Unorganischen Arzneistofie

Für Ärzte und Studierende

Von

Prof. Dr. Hugo Schulz

Geh. Med.-Rat in Greifswald Unveränderter Manuldruck mit einer Ergänzung: „23. Vorlesung"

-M. 48.—, geb. M. 60.—

Nicht nur Studierende, sondern gerade auch Ärzte können viel aus diesem Buche lernen, das auf das angelegentlichste empfohlen zu werden verdient. Fortschritte der Medizin.

Der Mensch alsKraftmaschine

Von Prof. Dr. Carl Oppenheimer M. 18.—

Wer sich über die verborgenen Triebfedern des gemeinsamen Ineinandergreifens aller Räder unseres Organismus näher unterrichten will, wird in dem vorliegenden Werke ein fesselndes Hilfsmittel zu diesem Studium finden.

(Berichte der Pharmazeutischen Gesellschaft.)

Vorstehende Preise sind innerhalb Deutschlands zuschlagsfrei.

Gedruckt bei Junge & Sohn in Erlangen

&

Begründet von J. Rosenthal Herausgabe und Redaktion:

Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. C. Correns Prof. Dr. R. Goldschmidt und Prof. Dr. O. Warburg

in Berlin Veılag von Georg Thieme in Leipzig x Anzeigen-Annahme: Hans Pusch, Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 28

42. Band März 1922 Nr. 3 ausgegeben am 1. März 1922

Der jährl. Abonnementspreis (12 Hefte) beträgt innerhalb Deutschlands 50 Mk. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Pöstanstalten.

Verlag von Georg Thieme in Leipzig.

Biologisches Zentralblatt

| |

Medizinische Psychologie Ein Leitfaden für Studium und Praxis

Von

Priv.-Doz. Dr. Ernst Kretschmer, Tübingen

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Mit 22 Abbildungen. M. 39.—, Geb. M. 48.—.

Theoretische und klinische

Ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte

Von

Prof. Dr. Franz Müller, Berlin M. 34.—, geb. M. 42.—.

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- Verlag von Georg Thieme in Leipzig.

Entwicklungsgeschichte, "free. ac 168 g g + H. Triepel. Mit 168 Abbildungen. Geb. M. 30.—. „Kurz und bündig“ gibt der Verfasser auf nicht ganz 14 Bogen eine erschöpfende . Einführung in das gewaltige Forschungsgebiet der tierischen und menschlichen Ent- wicklungsgeschichte und gibt sie in so übersichtlicher Darstellung, daß man kein Kapitel ohne Belehrung durcharbeiten wird. Berl. klin. Wochenschrift.

Entwicklungsgeschichte des Menschen, Kompendium. Mit Berücksichtigung der Wirbeltiere. Prof. Dr. L. Michaelis. Mit 54 Abbildungen und 2 Tafeln. 8. Auflage. ‚Geb. M. 21.— |

Das Kompendium enthält in nuce alles Wissenswerte aus dieser täglich mehr in den Vordergrund tretenden Disziplin und steht auf ganz modernem wissenschaftlichen » Standpunkt... Deutsche med. Wochenschrift.

\ = Eine klinische und ernährungs-

Das Hungerödem. physiologische Studie. Von: Dr. C. Maase und Priv.-Doz. Dr. H. Zondek, Assistenten der I. med. Klinik zu Berlin. Mit 17 Abbildungen. Geh. M. 21.—.

Eine ausführliche und allen Seiten der Frage gerecht werdende Abhandlung über jene eigentümliche Stoffwechselanomalie, die, wie in anderen Industriezentren, ferner in Gefangenenlägern usw., so auch in Berlin im Winter 16/17 auftrat, und wie die Er- fahrungen lehrten, ausschließlich auf der Unterernährung basierte und durch körperliche Ruhe und forzierte Ernährung zur Heilung gebracht werden konnte. Über die für Stoffwechselpathologen höchst bedeutsamen Details lese man das Original.

Zeitschrift f. physik. u. diätet. Therapie.

Methodik. Ein Handbuch | Stoffwechse lanalyse 9 zumLaboratoriumsgebrauch. Von Dr. W. Glikin. Mit 44 Abbildungen. M. 36.—, geb. M. 45.—.

. Als Hilfsbuch bei chemisch-physiologischen Arbeiten wird sich das G.sche Werk als kaum entbehrlich erweisen, zumal es auch dem weniger Geübten durch die übersichtliche, präzise Darstellungsweise zu Hilfe kommt. Zentralblatt f. innere Medizin.

> > Rottrs Klinische. Zusammenstellung der Terminologie, in der Medizin gebräuchlichen iellng de Ausdrücke mit Erklärung ihrer Bedeutung und Ableitung. Von E. Oberndöriier 7. 9. neubearbeitete Auflage von Dr. Franz Dörbeck. Geb. M. 72.—.

. Insbesondere ist auf die große Vollständiekeit hinzuweisen, mit der die in der gesamten Medizin gebräuchlichen technischen Ausdrücke mit Erklärung ihrer Be- deutung und Anleitung wiedergegeben sind. Was die vorliegenden Auflagen von den ' früheren vorteilhaft unterscheidet, ist die starke Ergänzung des pharmakologischen Wortschatzes, und in der Tat finden wir kaum ein selbst neueres Arzneimittel nebst seiner Zusammensetzung und Anwendung unerwähnt. Aber auch die is die übrigen Disziplinen fallenden Stichwörter sind zeitgemäß ergänzt.

Jeder Kollege wird gern in dem ‚Buche blättern und jeder wird etwas Nenea daraus lernen. ? y Schmidts Jahrbücher d. ges. Medizin.

Vorstehende Preise sind innerhalb Deutschlands zuschlagsfrei.

Verlag von Georg Thieme in Leipzig

Monographien

über die

Zeugung beim Menschen

Von Dr. med. Hermann Rohleder

Spezialarzt für Sexualleiden in Leipzig.

Band |: Normale, pathologische und künstliche Zeugung beim Menschen. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. ; M. 33.—, geb. M. 42.,—. Band Il: Die Zeugung unter Blutsverwandten. M. 16.50, geb. M. 21,—. Band Ill: Die Funktionsstörungen der Zeugung beim Manne (Samenflüsse, Impotenz, Sterilität). M. 24.—, geb. M. 30.—. Band IV: Die libidinösen Funktionsstörungen der Zeugung beim Weibe. M. 11.50, geb. M. 18.—.

Band V: Die Zeugung bei Hermaphroditen, Kryptorchen, Mikrorchen und - Kastraten. M. 24.—, geb. .M. 33.—. Band VI:

Künstliche Zeugung und Anthropogenie (Menschwerdung). M. 30.—, geb. M. 39.—,

Band VII (Ergänzungsband): Die künstliche Zeugung (Befruchtung) im Tierreich. M. en geb. M. 33.—.

Münchener med. Wochenschrift: Das ganze Buch ist eine hochinteressante und spannende wissenschaftliche Lektüre.

Klinisch-therapeutische Wochenschrift: Rohleder hat mit dem vorliegenden Werke geradezu erschöpfend ein Gebiet behandelt, das für die Arzte ebenso wichtig ist, wie es ihnen unbekannt zu sein pflegt.

Folia urologica: Jeder, der sich für diese Fragen interessiert, und das sollten selbstverständlich in erster Linie alle Arzte sein, sollte dieses neue Werk Rohleders „Die Zeugung unter Blutsverwandten“ genau durchstudieren.

Deutsche Mediz. Wochenschrift: Eine Fundgrube anregenden, durch eigene Forschung befruchteten und durch Kritik gewürzten Inhalts, aus welcher der Arzt viel Belehrung zu schöpfen vermag.

Correspondenzblatt der sächs. ärztlichen Bezirksvereine: Das interessante, ge- dankenreiche Buch beruht auf gründlicher Forschung und ist durchaus wissenschaftlich gehalten.

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Verlag von Georg Thieme in Leipzig

Vorlesungen über Wirkung und Anwendung der

Deutschen Arzneipflanzen

Für Ärzte und SER eng Von

Prof. Dr. Hugo Schulz

- Geh. Med.-Rat in Greifswald

Unveränderter Manuldruck

M. 42.—, geb. M. 54. -

Ärzten und Studierenden wird hier Gelegenheit gegeben, sich in aller Kürze über den wirklichen‘ Nutzen der Volksmittel, die im Bereiche ihrer Tätigkeit von ihren Patienten benutzt werden, zu unterrichten.

Das Buch ist gerade zur rechten Zeit erschienen und verdient weite Verbreitung; gerade der Praktiker namentlich auf dem Lande wird viel Nutzen daraus ziehen.

Münchener med. Wochenschrift.

Vorlesungen über Wirkung und Anwendung der

Unorganischen Arzneistofie_

Für Ärzte und Studierende

Von

Prof. Dr. Hugo Schulz | =

Geh. Med.-Rat in Greifswald

Unveränderter Manuldruck mit einer Ergänzung: „23. Vorlesung‘ : M. 51.—, geb. M. 69.— B5

Nicht nur Studierende, sondern gerade auch Ärzte können viel aus diesem Buche lernen, das auf das angelegentlichste empfohlen zu werden verdient. Fortschritte der Medizin.

Der Mensch als Krafimaschine

Von Prof. Dr. Carl Oppenheimer Ma

Wer sich über die verborgenen Triebfedern des gemeinsamen Ineinandergreifens aller Räder unseres Organismus näher unterrichten will, wird in dem vorliegenden Werke ein fesselndes Hilfsmittel zu diesem Studium finden.

(Berichte der Pharmazeutischen Gesellschaft.)

Vorstehende Preise sind innerhalb Deutschlands zuschlagsfrei. =

Gedruckt bei Junge & Sohn in ‚Erlangen :

Biologisches Tentralblatt.

Begründet von J. Rosenthal

Herausgabe und Redaktion: Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. C. Correns Prof. Dr. R. Goldschmidt und Prof. Dr. ©. Warburg

in Berlin ne von Georg Thieme in, Leipzig Anzeigen- er Hans Pusch, Berlin SW. er Wilhelmstr. 28

42. Band April 1922 Nr. 4 ausgegeben am 1. April1922

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Verlag von Georg Thiemei in 1 Leipzig,

4 Der Mensch alsKraftmaschine Von Prof. Dr. Carl Oppenhei

M:#21.

Wer sich über die verborgenen Triebfedern des gemeinsamer nein nähderg ns aller Räder unseres Organismus näher unterrichten will, wird in dem egenden Werke ein fesselndes Hilfsmittel zu diesem Studium finden.

(Berichte der Pharmazeutischen Gesellschaft.)

Vorstehende Preise sind innerhalb Deutschlands zuschlagsfrei.

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Verlag von Georg Thieme in Leipzig.

Deutsche Medizinische Wochenschrift

Herausgeber: Geh. San.-Rat Prof, Dr, Julius Schwalbe

Literaturberichte: Prof. Dr. R. von den Velden Vereinsberichte: Ober-Stabsarzt Dr. O. Strauß

Vierteljährlich 30 Mark

Auslandspreis ist beim Verlag zu erfragen.

Die „Deutsche Medizinische Wochenschrift“ ist das vielseitigste und lehrreichste medizinische Fachblatt deutscher Sprache. Außer sorgfältig ausgewählten Aufsätzen hervorragender Kliniker, Krankenhausärzte und praktischer Ärzte sollen die mit großem Beifall aufgenommenen

spezialärztlichen Ratschläge für den Praktikor

aus der Feder allgemein anerkannter Fachgelehrter fortgesetzt werden. Es folgen zunächst die „Speziellen chirurgischen Ratschläge“ von Geheimrat Prof. Ledderhose (München), die „Psychiatrischen Ratschläge“ von Geheimrat Prof. Henneberg (Berlin). Die besonders wichtigen Aufsätze aus dem Gebiet der Inneren Medizin werden bearbeitet von:

Geheimrat Minkowski (Breslau) Stoffwechselkrankheiten Geheimrat Goldscheider (Berlin) Lungenkrankheiten Geheimrat-Fleiner (Heidelberg) Magenkrankheiten Geheimrat L. Kuttner (Berlin) Darmkrankheiten Professor Umber (Berlin) Nierenkrankheiten Geheimrat Rosin (Berlin) Blutkrankheiten Geheimrat Hoche (Freiburg) Nervenkrankheiten.

Als Ergänzung hierzu erscheinen Aufsatzreihen über

spezialärztliche diagnostische una therapeutische Technik,

Der Praktiker gewinnt damit allmählich ein für seine Bedürfnisse sehr geeignetes

Kompendium der gesamten spezialärztlichen Ausbildung.

Beiträge aus der Feder berufener Fachmänner werden regelmäßig veröffentlicht über den jetzigen .Stand bedeutungsvoller wissenschaftlicher Probleme.

Als zuverlässiger Wegweiser dureh die therapeutische Literatur dient eine kritisch-therapeutische Rundschau. Vom April ab erscheint als neue Beilage eine Sozialhygienische Rundschau

redigiert von Professor Rott, Direktor im Kaiserin Auguste. Vıktoria-Haus, Reichs- anstalt zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im deutschen Reich.

Auch der sonstige reichhaltige Inhalt wird weiterhin eine sorgfältige Pflege er fahren. Es seien hiervon hervorgehoben:

Umfangreichste Literaturübersicht Referate über bedeutendere Aufsitze aus der Literatur des gesamten Auslands Standesangelegenheiten (ständiger Mitarbeiter: Geh. Sanitätsrat S. Alexander, Berlin) Rechtsfragen aus der, ärztlichen Praxis (ständiger Mitarbeiter: Oberreichsanwalt Dr. Ebermayer, Leipzig) Öffentliches Gesundheitswesen Soziale Medizin und Hygiene Medizinalgesetzgebung Technische Erfindungen Berichte über Vereinsverhandlungen und Kongresse Kleine Mitteilungen Hoch- schulnachrichten Auswärtige Briefe Feuilletonartikel Aufsätze aus der Ge- schichte der Medizin, Philosophie usw.

Probenummer unberechnet und portofrei.

: Diesem Heft liegt ein Prospekt der Verlagsbuchhandlung R. Oldenbourg, München, betr. en DR UE der Paläontologie“ bei.

Junge & Sohn, Univ.-Buchdruckerei, Erlangen

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Biologisches Zentralblatt.

Begründet von J. Rosenthal

Herausgabe und Redaktion: Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. C. Correns Prof. Dr. R. Goldschmidt und Prof. Dr. O. Warburg

in Berlin Verlag von Georg Thieme in Leipzig Anzeigen-Annahme: Hans Pusch, Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 28

42. Band 02 Nr. 5

ausgegeben am 1. Mai 1922

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Medizinische Psychologie

Ein Leitfaden für Studium und Praxis Von

Priv.-Doz. Dr. Ernst Kretschmer, Tübingen Mit 22 Abbildungen. M. 39.—, geb. M. 57.—.

- Theoretische und klinische

Pharmakologie

Ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte Von

Prof. Dr. Franz Müller, Berlin M. 36.—, geb. M. 48.—.

| Vorstehende Preise sind innerhalb Deutschlands zuschlagstfrei.

Verlag von Georg Thieme in Leipzig.

Entwicklungsgeschichte des Menschen, Kompendium. Mit Berücksichtigung der Wirbeltiere. Prof. Dr. L. Michaelis. Mit: 23 54 Abbildungen und 2 Tafeln. 8. Auflage. Geb. M. 30.—.

Das Kompendium enthält in nuce alles Wissenswerte aus dieser täglich mehr in den N ne tretenden Disziplin und steht auf ganz modernem wissenschaftlichen Standpunkt . Deutsche med. Wochenschrift.

n oz Eine kureche und ernährung- Das oaaeoden. physiologische Studie. Von Dr.

C. Maase uud Priv.-Doz. Dr. H. Zondek, Assistenten der I. med. Klinik zu Berlin. Mit 17 Abbildungen. Geh. M. 24.—.

Eine ausführliche und allen Seiten der Frage gerecht werdende Abhandlung über

jene eigentümliche Stoffwechselanomalie, die, wie in anderen Industriezentren, ferner in 5. Gefangenenlägern usw., so auch in Berlin im Winter 16/17 auftrat, und wie die Er- fahrungen lehrten, ausschließlich auf der Unterernährung basierte und durch körperliche Ruhe und forzierte Ernährung zur Heilung gebracht werden konnte. Über die für Stoffwechselpathologen höchst bedeutsamen Details lese man das Original. 2 . Zeitschrift f. physik. u. diätet. Therapie.

Der Mensch als Kraftmaschine, 2. er MENSCH Ais KFAImMAaschine, pror. Dr. Carl Oppenheimer. M. Z1.—.

Wer sich über die verborgenen Triebfedern des gemeinsamen Ineinandergreifens aller Räder unseres Organismus näher unterrichten will, wird in dem vorliegenden Werke ein fesselndes Hilfsmittel zu diesem Studium finden.

(Berichte der Pharmazeutischen Geseitschaft.)

zum Laboratori 1UMISg era Von Dr. W. Glikin. Mit 44 en M. 60.—, geb. M. 72.—. .... Als Hilfsbuch bei chemisch-physiologischen Arbeiten wird sich das G.sche Werk als kaum entbehrlich erweisen, zumal es auch. dem-weniger Geübten durch die übersichtliche, präzise Darstellungsweise zu Hilfe kommt. Zentralblatt f. innere Medizin.

Roth’s Klinische. Zusammenstellung der Terminologie, in der Medizin gebräuchlichen technischen Ausdrücke mit, Erklärung ihrer Bedeutung und Ableitung. Von

E. Oberndöriier 7. 9. neubearbeitete Auflage von Dr. Franz Dörbeck. Geb. M. 96.—.,

. Insbesondere ist auf die große Vollständigkeit hinzuweisen, mit der die in der gesamten Medizin gebräuchlichen technischen Ausdrücke mit Erklärung ihrer Be- S deutung und Anleitung " wiedergegeben sind. Was die vorliegenden Auflagen von den früheren vorteilhaft unterscheidet, ist die starke Ergänzung des pharmakologischen Wortschatzes, und in der Tat finden wir kaum ein selbst neueres Arzneimittel nebst seiner Zusammensetzung und Anwendung unerwähnt. Aber auch die in die übrigen Disziplinen fallenden Stichwörter sind zeitgemäß ergänzt. Jeder Kollege wird Be in dem Buche blättern und. jeder wird etwas Neues daraus lernen. Schmidts Jahrbücher d. ges. Medizin.

Vorstehende Preise sind innerhalb Deutschlands zuschlagsfrei.

Junge & Sohn, Univ.-Buchdi "uckerei, "Erlangen

Biologisches Zentralblatt

Begründet von J. Rosenthal Herausgabe und Redaktion: Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. C. Correns Prof. Dr. R. Goldschmidt und Prof. Dr. ©. Warburg

in Berlin Verlag von Georg Thieme in Leipzig Anzeigen-Annahme: Hans Pusch, Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 28

42. Band Juni 1922 Nr. 6 ausgegeben am 1. Juni 1922

Der jährl. Abonnementspreis (12 Hefte) beträgt innerhalb Deutschlands 50 Mk. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

Verlag von Georg Thieme in Leipzig.

Medizinische Psychologie

Ein Leitfaden für Studium und Praxis Von

Priv.-Doz. Dr. Ernst Kretschmer, Tübingen Mit 22 Abbildungen: M. 39.—, geb. M. 60.—.

Theorie und klinische

Pharmakologie

Ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte

Von

Prof. Dr. Franz Müller, Berlin M. 39.—, geb. M. 54.—.

Vorstehende Preise sind innerhalb Deutschlands zuschlagsfrei.

Verlag von Georg Thieme in Leipzig.

Entwicklungsgeschichte des Menschen, Kompendium.

Mit Berücksichtigung der Wirbeltiere. Prof. Dr. L. Michaelis. Mit 54 Abbildungen und 2 Tafeln. 8. Auflage. Geb. M. 33.—. Das Kompendium enthält in nuce alles Wissenswerte aus dieser täglich mehr in

den Vordergrund tretenden Disziplin und steht auf ganz modernem wissenschaftlichen Standpunkt... Deutsche med. Wochenschrift.

- Eine klinische und ernrährungs-

Das Hungerödem. physiologische Studie. Von Dr.

C. Maase und Priv.-Doz. Dr. H. Zondek, Assistenten der I. med. Klinik zu Berlin. Mit 17 Abbildungen. Geh. M. 30.—.

Eine ausführliche und allen Seiten der Frage gerecht werdende Abhandlung über jene eigentümliche Stoffwechselanomalie, die, wie in anderen Industriezentren, ferner in Gefangenenlägern usw., so auch in Berlin im Winter 16/17 auftrat, und wie die Er- fahrungen lehrten, ausschließlich auf der Unterernährung basierte und durch körperliche Ruhe und Sorzierte Ernährung zur Heilung gebracht werden konnte. Über die für Stoffwechselpathologen höchst bedsutsamen Details lese man das Original.

Zeitschrift f. physik. u. diätet. Therapie.

Von

Der Mensch als Kraftmaschine,

Dr. Carl Oppenheimer. M. 24.—.

Wer sich über die verborgenen Triebfedern des gemeinsamen Ineinandergreifens aller Räder unseres Organismus näher unterrichten will, wird in dem vorliegenden Werke ein fesselndes Hilfsmittel zu diesem Studium finden.

(Berichte der Pharmazeutischen Gesellschaft.)

Methodik. Ein Handbuch

Stoffwe chselan a | yS£6, zum Laboratoriumsgebrauch.

Von Dr. W. Glikin. Mit 44 Abbildungen. M. 72.—, geb. M. 90.—,

... Als Hilfsbuch bei chemisch-physiologischen Arbeiten wird sich das G.sche Werk als kaum entbehrlich erweisen, zumal es auch dem weniger Geübten durch die übersichtliche, präzise Darstellungsweise zu Hilfe kommt.

Zentralblatt f. innere Medizin.

m. -

h 1 Roth’s Klinische. Zusammenstellung der Terminologie, in der Medizin gebräuchlichen technischen -

Ausdrücke mit Erklärung. ihrer Bedeutung und Ableitung. Von E. Oberndörffer 7. 9. neubearbeitete Auflage von Dr. Franz Dörbeck. Geb. M. 105.—.

..... Insbesondere ist auf die große Vollständigkeit hinzuweisen, mit der die in der gesamten Medizin gebräuchlichen technischen Ausdrücke mit Erklärung ihrer Be- deutung und Anleitung wiedergegeben sind. Was die vorliegenden Auflagen von den früheren vorteilhaft unterscheidet, ist die starke Ergänzung des pharmakologischen Wortschatzes, und in der Tat finden wir kaum ein selbst neueres Arzneimittel nebst seiner Zusammensetzung und Anwendung unerwähnt. Aber auch die in die übrigen Disziplinen fallenden Stichwörter sind zeitgemäß ergänzt.

Jeder Kollege wird gern in dem Buche blättern und jeder wird etwas Neues daraus lernen. Schmidts Jahrbücher d. ges. Medizin.

Vorstehende Preise sind innerhalb Deutschlands zuschlagsfrei.

Junge & Sohn, Univ.-Buchdruckerei, Erlangen

Biologisches Zentralblatt -

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Begründet von J. Rosenthal Ay FE hen

Herausgabe und Redaktion: Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. C. Correns e% | .

Prof. Dr. R. Goldschmidt und Prof. Dr. ©. Warburg h in Berlin . » 47; ö

Verlag von Georg Thieme in Leipzig Anzeigen-Annahme: Hans Pusch, Berlin SW. 2 Wilhelmstr. 28

42. Band Juli 1922 Nr. 7

ausgegeben am 1. Juli 1922

Der Der jährl. re (12 Hefte) beträgt innerhalb Deutschlands 120 Mk. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

Verlag von Georg Thieme in Leipzig.

Ein Leitfaden für Studium und Praxis | Von

= Medizinische Psychologie

Priv.-Doz. Dr. Ernst Kretschmer, Tübingen Mit 22 Abbildungen. M. 39.—, geb. M. 63.—.

Theoretische und klinische

Pharmakologie

Ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte

i Von Prof. Dr. Franz Müller, Berlin M. 39.—, geb. M. 60.—.

Vorstehende Preise sind zuschlagsfrei. Anpassung an die Geldentwertung. vorbehalten. |

Neuerschienene Bücher die der Zeitschrift zugegangen sind.

(Eine Besprechung der hier genannten Bücher ist vorbehalten.)

‘Abel, Prof. Dr. O., Lebensbilder aus der Tierwelt der Vorzeit. Mit 1farbigem Titel- ; bild und 507 Abbildungen im Text. Jena 1922, Verlag von G. Fischer.

Abhandlungen zur theoretischen Biologie. Herausgegeben ‘von Prof. Dr. J. Schaxel. Heft 15: Haecker, Dr. V., Über umkehrbare Prozesse in der organischen Welt. Berlin 1922, Verlag von “ebr. Borntraeger.

Becher, Prof. Dr. S., Untersuchungen über die Echtfärbung der Zellkerne mit künst- lichen Beizfarbstoffen und die Theorie des histologischen Färbungsprozesses mit gelösten Lacken. Berlin 1921, Verlag von Gebr. Borntraeger.

Fischer, E., Gesammelte Werke. Aus meinem Leben. Herausgegeben von Max Bergmann. Berlin 1922, Verlag von J. Springer.

Handowsky, Dr. H., Leitfaden der Kolloidehemie für Biologen und Mediziner.

Mit einem Anhang: Über die Anwendbarkeit kolloidchemischer Erfahrungen zur Aufklärung biologischer Probleme. Mit 33 Abbildungen, 27 Tabellen u. 1 Tafel. Dresden und Leipzig 1922, Verlag-von Theodor Steinkopff.

Lehmann, Prof. Dr. O., Flüssige Kristalle und ihr scheinbares Leben. Mit 161 Ab- bildungen im Text. Leipzig 1922, Verlag von Leop. Voß.

Liesegang, Dr. R. Ed., Beiträge zur Kolloidchemie des Lebens. (Biologische Diffusionen.) 2. vollständig umgearbeitete Aufl. Dresden und Leipzig 1922. Verlag von Theodor Steinkopff.

Monnig, Dr. Herm. O., Über: Leucochloridium maerostomum. (Leueochloridium . paradoxum Carus.) Ein Beitrag zur Histologie der Trematoden. Mit 5 Tafeln. Jena 1922, Verlag von G. Fischer.

Przibram, Dr. H., Form und Formel im Tierreiche. Beiträge zu einer quantitativen Biologie I-XX. Mit Tabellen tierischer Konstanten im Anhang.” Leipzig und Wien 1922. Verlag von F. Denticke.

Mathematisch-Physikalische Bibliothek Band 42: M. Schirps, Mathematik und Biologie. Leipzig und Berlin 1922, Verlag von B. G. Teubner.

Diesem Hefte liegen 3 Prospekte bei: „Dacque, Vergleichende biologische Formen- kunde der fossilen niederen Tiere“, Verlag von Gebr. Borntraeger, berlin. „Handovsky, Leitfaden der Kolloidehemie“, Verlag Theodor Steinkopff, Dresden und Leipzig. „Internationale Revue der ges. Hydrobiologie und Hydrogr ante Verlag von Dr. Werner Klinkhardt in Leipzig. :

Gedruckt bei Junge & Sohn in Erlangen

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Bolagsche, Zentralblatt

Begründet von J. Rosenthal

Herausgabe und Redaktion: Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. C. Correns Prof. Dr. R. Goldschmidt und Prof. Dr. ©. Warburg

in Berlin Verlag von Georg Thieme in Leipzig Anzeigen-Annahme: Hans Pusch, Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 28

42. Band August/September 1922 Nr. 8/9

ausgegeben am 15. August 1922

Der Ah, Abonnementspreis (12 Hefte) beträgt innerhalb Deutschlands 120 Mk. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

Verlag von Georg Thieme in Leipzig.

Soeben erschien:

Lehrbuch derEntwicklungsgeschichte

» Von Professor Dr. H. Triepel, Breslau a 2. verbesserte Auflage Mit 173 Abbildungen. M. 78.—, geb. M. 120.—.

Vorstehende Preise sind zuschlagsfrei. Anpassung an die Geldentwertung vorbehalten.

Universität zu Riga.

Die Professur für systematische Zoologie verbunden mit der Direktorstelle am system.-zoologischen Institut soll zum 15. September d. J. besetzt werden. Fachgelehrte, welche sich für die ausgeschriebene Stelle interessieren, mögen ihre Änmeldungen nebst einem curriculum vitae und einem Verzeichnis ihrer Publikationen systematisch- zoologischen, zoogeographischen oder hydro-biologischen Inhalts bis zum 1. September an das Dekanat einsenden.

Das Dekanat der Mathem.-Naturwiss. Fakultät der Universität Riga.

Die an der Universität tätigen Ausländer übernehmen die Verpflichtung in

spätestens fünf Jahren in lettischer Sprache zu dozieren.

Verlag von Georg Thieme in Leipzig.

Entwicklungsgeschichte des Menschen, kompendum. Mit Berücksichtigung der Wirbeltiere. Prof. Dr. L. Michaelis. Mit 54 Abbildungen und 2 Tafeln. 8. Auflage. Geb. M. 51.—.

Das Kompendium enthält in nuce alles Wissenswerte aus dieser täglich mehr in den Vordergrund tretenden Disziplin und steht auf ganz modernem wissenschaftlichen Standpunkt ... Deutsche med. Wochenschrift.

_. Eine klinische und ernährungs-

Das Hungerödem. physiologische Studie. Von Dr.

C. Maase und Priv.-Doz. Dr. H. Zondek, Assistenten der I. med. Klinik zu Berlin. Mit 17 Abbildungen. Geh. M. 54.—. En

Eine ausführliche und allen Seiten der Frage gerecht werdende Abhandlung über jene eigentümliche Stoffwechselanomalie, die, wie in anderen Industriezentren, ferner in Gefangenenlägern usw., so auch in Berlin im Winter 16/17 auftrat, und wie die Er- fahrungen lehrten, ausschließlich auf der Unterernährung basierte und durch körperliche Ruhe und forzierte Ernährung zur Heilung gebracht werden konnte. Uber die für Stoffwechselpathologen höchst bedeutsamen Details lese man das Original.

Zeitschrift f. physik. u. diätet. Therapie.

Der Mensch als Kraftmaschine.

Dr. Carl Oppenheimer. . M. 42.—.

Wer sich über die verborgenen Triebfedern des gemeinsamen Ineinandergreifens aller Räder unseres Organismus näher unterrichten will, wird in dem vorliegenden Werke ein fesselndes Hilfsmittel zu diesem Studium finden.

(Berichte der Pharmazeutischen Gesellschaft.)

Methodik. Ein Handbuch Stoffwechselanalyse, zum Laboratoriumsgebräuch. Von Dr. W. Glikin. Mit 44 Abbildungen. M. 120.—, geb. M. 150.—.

... Als Hilfsbuch bei chemisch-physiologischen Arbeiten wird sich das G.sche Werk als kaum entbehrlich erweisen, zumal es auch dem weniger Geübten durch die übersichtliche, präzise Darstellungsweise zu Hilfe kommt. Zentralblatt f. innere Medizin.

| 2 4 Roth’s Klinische Zusammenstellung der Terminologie, in der Medizin gebräuchlichen technischen Ausdrücke mit. Erklärung ihrer Bedeutung und Ableitung. Von

E. Oberndöriier f. 9. neubearbeitete Auflage von Dr. Franz ‘Dörbeck. Geb. M. 240.—.

. :.. Insbesondere ist auf die große Vollständigkeit hinzuweisen, mit der die in der gesamten Medizin gebräuchlichen technischen Ausdrücke mit Erklärung ihrer Be- deutung und Anleitung wiedergegeben sind. Was die vorliegenden Auflagen von den früheren : vorteilhaft unterscheidet, ist die starke Ergänzung des pharmakologischen Wortschatzes, und in der Tat finden wir kaum ein selbst neueres Arzneimittel nebst seiner Zusammensetzung und Anwendung unerwähnt. Aber auch die in die übrigen Disziplinen fallenden Stichwörter sind zeitgemäß ergänzt.

Jeder Kollege wird gern in dem Buche blättern und jeder wird etwas Neues daraus lernen. Schmidts Jahrbücher d. ges. Medizin.

Vorstehende Preise sind zuschlagsfrei. Anpassung an die Geldentwertung vorbehalten.

Junge & Sohn, Univ.-Buehdruckerei, Erlangen

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Biologisches Zentralblatt.

Begründet von J. Rosenthal

Herausgabe und Redaktion;

Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. C. Correns Prof. Dr. R. Goldschmidt und Prof. Dr. ©. Warbur in Berlin . Veılag von Georg Thieme in Leipzig. Anzeigen-Annahme: Hans Pusch, Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 28 42. Band Oktober/November 1922 Nr. 10/11

ausgegeben am 15. Oktober 1922

Der jährl. Abonnementspreis (12 Hefte) beträgt innerhalb Deutschlands 120 Mk. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

Verlag von Georg Thieme in Leipzig.

Von

Prof. Dr. Carl Oppenheimer ! M. 135.—

Wer sich über die verborgenen Triebfedern des gemeinsamen Ineinandergreifens aller Räder unseres Organismus näher ‘unterrichten will, wird in dem. .vorliegenden Werke ein fesselndes Hilfsmittel zu diesem Studium finden.

(Berichte der pharmazeutischen Gesellschaft.)

Der Mensch als Kraftmaschine

Medizinische Psychologie

Ein Leitfaden für Studium und Praxis

Von

Priv.-Doz. Dr. Ernst Kretschmer, Tübingen. Mit 22 Abbildungen. M. 90.—, Geb. M. 180.—.

Vorstehende Preise sind zuschlagsfrei. Anpassung an die Geldentwertung vorbehalten,

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Verlag von Georg Thieme in Leipzig.

Deutsche Medizinische Wochenschrift

Herausgeber:

Geh. San.-Rat Prof. Dr, Julius Schwalbe

Professor Dr. R. von den Velden Professor Rott

Die „Deutsche Medizinische Wochenschrift“ ist das vielseitigste und lehrreichste medizinische Fachblatt deutscher Sprache. Außer sorgfältig ausgewählten Aufsätzen hervorragender Kliniker, Krankenhausärzte und praktischer Ärzte. sollen die mit großem Beifall aufgenommenen

spezialärztliichen Ratschläge für den Praktiker

aus der Feder allgemein anerkannter Fachgelehrter fortgesetzt werden. Die besonders wichtigen Aufsätze ausdem Gebiet der Inneren Medizin werden bearbeitet von:

Geheimrat Minkowski (Breslau) Stoffwechselkrankheiten Geheimrat Geldscheider (Berlin) Lungenkrankheiten Geheimrat Fleiner (Heidelberg) Magenkrankheiten Geheimrat L. Kuttner (Berlin) Darmkrankheiten Professor Umber (Berlin) Nierenkrankheiten Professor Morawitz (Würzburg) Blutkrankheiten Geheimrat Hoche (Freiburg) N ervenkrankheiten.

Als Ergänzung Kern erscheinen Aufsatzreihen über

spezialärztliche diagnostische und therapeutische Technik,

Der Praktiker gewinnt damit allmählich ein für seine Bedürfnisse sehr geeignetes

Kompendium der gesamten spezialärztlichen Ausbildung.

Beiträge aus der Feder berufener Fachmänner werden regelmäßig veröffentlicht über den’ jetzigen Stand bedeutungsvoller wissenschaftlicher Probleme.

Als zuverlässiger Wegweiser durch die therapeutische Literatur dient eine

kritisch-therapeutische Rundschau.

Seit April 1922 erscheint als neue Beilage eine Sozialhygienische Rundschau

redigiert von Professor Rott, Direktor im Kaiserin Auguste Viktoria-Haus, Reichs- anstalt zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im deutschen Reich und Vorsitzen- der der Arbeitsgemeinschaft der sozialhygienischen Reichsfachverbände.

Auch der sonstige reichhaltige Inhalt wird weiterhin eine sorgfältige Pflege er- fahren. Es seien hiervon hervorgehoben:

Umfangreichste Literaturübersicht Referate über bedeutendere Aufsätze aus der Literatur des gesamten Auslands Standesangelegenheiten (ständiger Mitarbeiter: Geh. Sanitätsrat S. Alexander, Berlin) Rechtsfragen aus der, ärztlichen Praxis (ständiger Mitarbeiter: Oberreichsanwalt Dr. Ebermayer, Leipzig) Öffentliches Gesundheitswesen Soziale Medizin und Hygiene Medizinalgesetzgebung Technische Erfindungen Berichte über Vereinsverhandlungen und Kongresse Kleine Mitteilungen Hoch-. schulnachrichten Auswärtige Briefe Feuilletonartikel Aufsätze aus der Ge- schichte der Medizin, Philosophie usw. \ ; a

m. Junge & Sohn, Univ.-Buchdruckerei, Erlangen

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Biologisches Zentralblatt.

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Begründet von J. Rosenthal

Herausgabe und Redaktion:

Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. C. Correns Prof. Dr. R. Goldschmidt und Prof: Dr. O. Warburg

in Berlin Verlag von Georg Thieme in Leipzig Anzeigen-Annahme: Hans Pusch, Berlin SW. 48, Wilhelmstr. 28

42. Band Dezember 1922 Nr. 12 ausgegeben am 15. Dezember 1922

Bezussbedinsungen ab 1: Januar 1923: In Deutschland, Österreich, Ungarn und allen anderen Ländern mit schwacher Valuta Berechnung für jedes einzelne Heft.

-Nach dem übrigen Ausland pro I. Semester 1923: Amerika $ 2.25, Argentinien

Pes.Pap. 3.—, BrasilienMilr. 10.—, Bulgarien Lewa 140.—, Chile Pes.Pap. 10.—, Däne-

mark Kr. De England sh. 8 d. 6, Finnland Mka. 40.—, Frankreich Fres. 20.—,

Griechenland Drachm. 40.—, Holland fl. 5.—, Japan Yen 4.—, Italien Lire 95.

Jugoslavien Dinar 55.—, Norwegen Kr. 10.-—, Portugal Milr.Port. 30.—, Rumänien

Leu 150.—, Schweiz Fres. 10.—, Schweden Kr. 7.—, Spanien. Pes. 10.—, Tschecho- slowakei Kr, 30.—.

ee von ee Thieme in 1 Leipzig.

erschienen:

Grundriß der allgemeinen ERROBIE Für Studierevde

Von

Alfred Kühn

o. Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie an der Universität Göttingen

Mit 170 Abbildungen. 2, ‚4.157 geb. 6.75 *

Die Grundlagen der biologischen Konstitutionslehre

Von Dr. Hans Günther Privatdozent für innere Medizin an der Universität beine Mit 22 Abbildungen. G.2.1.80,°:kart2.10

* Der Verkaufspreis ergibt sich durch Multiplikation der obigen Grundzahlen mit der SL geltenden Schlüsselzahl: diese Entwertungsziffer ist in jeder Buchhand- lung oder beim Verlag zu erfragen.

en

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Bedeutendes chemisches Werk sucht einen mit der

Schädlingsbekämpfung ın Obst-,. Wein- u. Gartenbau vertrauten Herrn (Entomologe, Pflanzen- anal oder dergl.).

Angebote u. Nr. 10 an den Verlag Georg Thieme, Leipzig, 15.

Neuerschienene Bücher, die der Zeitschrift zugegangen sind.

(Eine Besprechung der hier genannten Bücher ist vorbehalten.)

Archives Nederlandaises de Physiologie de l’homme et des animaux 4

Bd. VI, Lfg. 4; Bd. VII cplt. Haag 1922, M. :Nybhoff.

Ascoli, Prof. Dr. A., Die Thermitenpräzipitinreaktion. Deutsche verbesserte und ver-

mehrte Auflage von Dr. Rud. Stephan in Wien. Mit 8 Abbildungen, 124 8. Wien und Leipzig 1922, Verlag von Josef Säfär.

Dennert, Prof. Dr., Harte Nüsse für Mechanisten. Ein Beitrag zur Verständigung über das Wesen des Lebens. Mit 19 Abbildungen, 114 S. Halle a. S., C. Ed. Müllers Verlagsbuchhandlung.

Handbuch der Biologischen Arbeitsmethoden. Herausgegeben von Geh. Med.- _

Rat Prof. Dr. Abderhalden. Life. 69, Entwickelungsmechanik. Lfg. 71 Zoologische allgemeine Methoden.

D’Herelle, Der Bakteriophage und seine Bedeutung für die Immunität. Nach einem erweiterten und verbesserten Text des Autors, übersetzt von Dr. R. Pfreimbter, Dr. W. Sell und L. Pistorius. Mit 1 Abbildung und 14 Kurven. Braun- schweig 1922. Verlag von Friedr. Vieweg &'’ Sohn.

Höber, Prof. Dr. R., Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe. 5. neube- arbeitete Auflage, 1. Hälfte Mit 81 Textfiguren, XIV, 514 S. Leipzig 1922. Verlag von Wilh. Engelmann.

Mayer, Prof. Dr. P., Einführung in die Mikroskopie. 2. verbesserte Auflage. Mit 30 Textabbildungen, 210 S. Berlin 1922. Verlag von Julius Springer.

Naef, Dr. A., Die fossilen Tintenfische. Eine paläozoologische Monographie, Mit

1 Titelbild und 101 Abbildungen im Text, VI, 3228. Jena 1922. „Verlag von.

Gustav Fischer.

Nageotte, J., L’Organisation de la Matiöre dans les oe avec la vie. VI, 5608.

Paris 1922 2. Librairie Felix Alcan.

Sammlung naturwissenschaftlicher Taschenbücher. Bd. IX: Otto Feh- ,

ringer, Die Singvögel Mitteleuropas. VIII, 1078. Mit 96 farbigen Tafeln nach Aquarellen von Kunstmaler W. Heubach und 17 Textabbildungen. ' Heidelberg 1922. Carl Wintersche Univ,-Buchhandlung.

Vorträge und Aufsätze über Entwickelungsmechanik der Organismen. Herausgegeben von Wilhelm Roux. Heft 29: Die allgemeine Biologie als Lehr- gegenstand des medizinischen Studiums. Ein Gutachten vorgelegt den Regie- rungen Mitteleuropas von Prof. Dr. Vlad. Ruzicka, 29 S. Berlin 1922. Ver- lag von Julius Springer.

Gedruckt von Junge & Sohn in Erlangen

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